Wilhelm Rust Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen
Aus dem Programm
Maschinenelemente
Entwickeln, Konstruieren,...
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Wilhelm Rust Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen
Aus dem Programm
Maschinenelemente
Entwickeln, Konstruieren, Berechnen von H. Theumert und B. Fleischer
Leichtbau-Konstruktion von B. Klein
FEM von B. Klein
Konstruieren, Gestalten, Entwerfen von U. Kurz, H. Hintzen und H. Laufenberg
Roloff/Matek Maschinenelemente von H. Wittel, D. Muhs, D. Jannasch und J. Voßiek
Roloff/Matek Maschinenelemente Aufgabensammlung von H. Wittel, D. Muhs, D. Jannasch und J. Voßiek
Roloff/Matek Maschinenelemente Formelsammlung von H. Wittel, D. Muhs, D. Jannasch und J. Voßiek
Roloff/Matek Bauteilkatalog von H. Wittel, D. Muhs, D. Jannasch und J. Voßiek
www.viewegteubner.de
Wilhelm Rust
Nichtlineare Finite-ElementeBerechnungen Kontakt, Geometrie, Material 2., überarbeitete und erweiterte Auflage Mit 210 Abbildungen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Rust ist an der Fachhochschule Hannover für den Masterstudiengang Maschinenbau-Entwicklung verantwortlich und lehrt Simulationsverfahren im Maschinenbau.
1. Auflage 2009 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Thomas Zipsner | Ellen Klabunde Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1491-3
Vorwort Dieses Buch ist ein Lehrbuch, das einführend die Theorie der nichtlinearen Finite-ElementeMethoden (FEM) in den Teilbereichen geometrische Nichtlinearität, nichtlineares Materialverhalten und Kontakt behandelt. Ist es schon nicht möglich, die gesamte FEM der linearen Mechanik der Tragwerke (in Anlehnung an die Bedeutung des Wortstammes „Struktur“ in einigen Fremdsprachen auch im Deutschen „Strukturmechanik“ genannt) in einem Buch zu beschreiben, so gilt dies für nichtlineare FEM erst recht, bedeutet „nichtlinear“ doch keine spezielle Eigenschaft, sondern das Fehlen einer solchen, die aber die Lehre in der Technischen Mechanik aus gutem Grund dominiert. Bei Erfolg dieses Buches wird der Leser sich bereit fühlen, nun weiterführende Literatur aufzuarbeiten. Bewusst wurde eine detaillierte Herleitung der verwendeten Formeln vorgenommen, damit die Lernenden alsbald in der Lage sind, die dargestellten Zusammenhänge in Programme umzusetzen, aber auch Gleichungen für verwandte physikalische Effekte aufzustellen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Studierende, die Master-Niveau anstreben. Aber auch für den FEM-Anwender sollten sich hier nützliche Erkenntnisse ergeben. Während in der linearen FEM, wenn nicht gerade eine Verschieblichkeit vorliegt, stets ein Ergebnis erzielt wird – die Richtigkeit sei hier nicht diskutiert –, wird insbesondere für den unbedarften Nutzer eine nichtlineare Berechnung öfter in Nichtkonvergenz und damit ohne Gleichgewichtslösung enden. Dann ist es gut zu wissen, was die Ursachen dafür sein können. Hier werden besonders die Kapitel über Stabilität und über Konvergenzerzielung im Kontakt empfohlen. Es sollte aber auch beachtet werden, dass der Erfolg einer nichtlinearen Berechnung davon abhängt, dass die Eingabedaten einigermaßen der Wirklichkeit entsprechen, weil eine Überlastung des Systems nicht erst im Nachhinein bei der Ergebnisauswertung festgestellt wird, sondern sich schon im Konvergenzverhalten niederschlägt. Noch eine Notwendigkeit ergibt sich für den Anwender, die vielleicht sogar an erster Stelle steht und der hier in Ausschnitten entsprochen werden soll: Die marktgängigen FEMProgramme bieten eine Vielzahl von Optionen, die für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung hilfreich sind. Ihre Beschreibungen sind gewöhnlich für Nutzer mit Theoriekenntnissen formuliert. Die Beispielergebnisse sind nahezu sämtlich mit dem Programmsystem ANSYS erzielt worden, andere bekannte FE-Programme verwenden aber ähnliche Konzepte, sodass die Erkenntnisse übertragbar sind. Vorausgesetzt wird, dass man grundsätzlich weiß, wie Finite Elemente formuliert werden, jedenfalls im Linearen. Dazu gibt es zahlreiche Literatur und oft entsprechende Lehrveranstaltungen im Ingenieurstudium. Dieses Buch ist ein Lehrbuch. Das Wissen hat sich der Autor über viele Jahre aufgebaut. Vieles ist in der Fachwelt Allgemeingut. Daher wird hier im Wesentlichen nur auf weiterführende Literatur verwiesen, jedoch nicht auf die Ursprünge der hier dargestellten Theorien und Algorithmen. Schließlich wird der Lehrbuchcharakter und die Herkunft aus Vorlesungsskripten auch daran deutlich, dass allgemeine Problemstellungen und Verfahren zu ihrer Lösung zunächst exemplarisch erarbeitet werden, und zwar meist bei ihrem ersten Auftreten.
VI
Vorwort
Dieses Werk entstand aus Skripten zu Vorlesungen, die der Verfasser an seiner Fachhochschule Hannover sowie an der FH Lausitz und an der European School of Computer Aided Engineering Technology (ESoCAET) im Rahmen von Masterstudiengängen hielt und hält. Die Wurzeln liegen allerdings schon in den Schulungs- und Entwicklungsaufgaben des Autors während seiner langjährigen Tätigkeit bei der CADFEM GmbH. An dieser Stelle herzlichen Dank für die lehrreiche Zeit. Dank auch an den Chef, Dr.-Ing. Günter Müller, für die unkomplizierte Behandlung möglicher urheberrechtlicher Fragen. Seine ersten Sporen auf dem Gebiet der Finite-Elemente-Methode – auch damals schon mit einem gewissen Anteil Nichtlinearität – verdiente sich der Verfasser am Institut für Baumechanik und Numerische Mechanik der Universität Hannover unter der Leitung von Prof. Dr.Ing. Erwin Stein, der die Begeisterung erst für die Mechanik, dann für die FEM weckte. Auch hierfür ein Dankeschön. Die zweite Auflage wurde noch einmal durchgesehen, wo nötig korrigiert, grafisch verbessert und an einigen Stellen ergänzt. Dank gilt Frau Ellen Klabunde und Herrn Thomas Zipsner vom Lektorat Maschinenbau des Vieweg+Teubner-Verlages für die Betreuung bei der erstmaligen Fertigstellung des Werkes und jetzt auch bei der zweiten Auflage.
Langenhagen, im April 2011
Wilhelm Rust
Inhaltsverzeichnis Bezeichnungsweise ............................................................................................................... XII 1
Lösung der nichtlinearen Gleichungen ......................................................................... 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Newton-Raphson-Verfahren .................................................................................. 1 Andere Lösungsverfahren ...................................................................................... 3 Schrittweitensteuerung ........................................................................................... 4 Eindimensionale Minimum-Suche (line search) .................................................... 4 Konvergenzkriterien ............................................................................................... 6
Hauptabschnitt I: Geometrische Nichtlinearitäten 2
Geometrisch nichtlineares Verhalten ............................................................................ 8 2.1 2.2
2.3
2.4
3
Grundbegriffe der geometrischen Nichtlinearitäten ............................................... 8 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System .................................. 9 2.2.1 Motivation und FE-Umsetzung ................................................................ 9 2.2.2 Warum Theorie 2. Ordnung? .................................................................. 11 2.2.3 Lineares Beulen ...................................................................................... 13 2.2.4 Korrekte Spannungsversteifungs-Matrix für den Balken ....................... 18 Große Drehungen (Rotationen) ............................................................................ 21 2.3.1 Geeignetes Dehnungsmaß: Green-Lagrange-Dehnungen ....................... 21 2.3.2 Das Prinzip der virtuellen Arbeiten bei geometrisch nichtlinearen Problemstellungen .................................................................................. 25 2.3.3 Lösung der nichtlinearen Gleichungen mit dem Newton-RaphsonVerfahren ................................................................................................ 26 2.3.4 Testproblem Zweibock ........................................................................... 29 2.3.5 Mitdrehende Formulierung (Co-rotational formulation) ........................ 33 Große Dehnungen ................................................................................................ 49 2.4.1 Eindimensionale Betrachtungen ............................................................. 49 2.4.2 Zugehörige Spannungen ......................................................................... 51 2.4.3 Übergang ins Zwei- und Dreidimensionale ............................................ 56 2.4.4 Hencky-Dehnungen in Symbolen der Kontinuumsmechanik ................. 58 2.4.5 Klassische Updated-Lagrange-Formulierung ......................................... 58 2.4.6 Logarithmische Dehnungen und mitdrehende Formulierung ................. 62
Stabilitätsprobleme ....................................................................................................... 64 3.1 3.2
3.3 3.4
Phänomene ........................................................................................................... 64 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium...................................... 68 3.2.1 Allgemeines ............................................................................................ 68 3.2.2 Formulierungen der Instabilitätsbedingung ............................................ 70 3.2.3 Modalanalyse (Eigenfrequenzanalyse) und Stabilitätsprobleme ............ 72 3.2.4 Direkte Identifikation kritischer Punkte durch ein erweitertes System .. 76 Bedeutung des Eigenvektors ................................................................................ 77 Imperfektionen ..................................................................................................... 78
VIII
Inhaltsverzeichnis 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6
4
Imperfektion durch Kräfte ......................................................................79 Imperfektion durch geometrische Vorgaben ...........................................79 Imperfektion durch eine lineare Beulanalyse ..........................................79 Begleitende Eigenwert-Analyse ..............................................................80 Imperfektionsempfindlichkeit .................................................................82 Größe der Imperfektion...........................................................................84
Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung .........................................86 4.1 4.2 4.3 4.4
Kraftsteuerung ......................................................................................................86 Einfache Verschiebungssteuerung ........................................................................86 Verschiebungssteuerung mit Kraftgrößen ............................................................88 Bogenlängenverfahren (arc-length method) .........................................................89 4.4.1 Suche senkrecht zur letzten Sekante .......................................................90 4.4.2 Modellproblem........................................................................................91 4.4.3 Suche senkrecht zur ersten Tangente ......................................................93 4.4.4 Suche senkrecht zur aktuellen Tangente .................................................94 4.4.5 Suche auf einem Kreis bzw. einer Hyperkugel .......................................97 4.4.6 Anfangswerte und Bogenlänge .............................................................103 4.4.7 Lösung des erweiterten Systems ...........................................................105
Hauptabschnitt II: Nichtlineares Materialverhalten 5
Grundzüge der Materialmodelle ................................................................................108 5.1
5.2
5.3 5.4
5.5 6
Repräsentative eindimensionale Grundelemente ................................................108 5.1.1 Elastizität (Hooke-Element) ..................................................................108 5.1.2 Plastizität (St.-Venant-Element) ...........................................................109 5.1.3 Zeitabhängiges Verhalten (Newton-Element) .......................................109 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle .............................................110 5.2.1 Elasto-Plastizität (Prandtl-Element) ......................................................110 5.2.2 Maxwell-Element für Kriechen ............................................................112 5.2.3 Kelvin-Voigt-Element für Visko-Elastizität .........................................114 5.2.4 Erweitertes Viskoelastizitätsmodell ......................................................117 5.2.5 Bingham-Modell als Beispiel für Visko-Plastizität ..............................117 5.2.6 Burghers-Modell ...................................................................................118 Tensor- und Vektorschreibweise, Tensor- und Ingenieurnotation......................120 Aufspaltung und Darstellung räumlicher Spannungszustände ...........................121 5.4.1 Hauptspannungen..................................................................................121 5.4.2 Kugeltensor und Deviator .....................................................................122 5.4.3 Hauptspannungsraum ............................................................................123 Berücksichtigung des Materialverhaltens in der FEM........................................124
Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität ...............................................126 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
Grundformeln für den eindimensionalen Fall .....................................................126 Einführung von Zeitschritten ..............................................................................128 Numerik ..............................................................................................................129 Werkstofftangente ..............................................................................................131 Algorithmus ........................................................................................................132
Inhaltsverzeichnis 6.6
6.7
6.8
6.9
7
Mehrdimensionaler Fall ..................................................................................... 132 6.6.1 Spannungsberechnung .......................................................................... 132 6.6.2 Werkstofftangente ................................................................................ 133 6.6.3 Algorithmus .......................................................................................... 135 Temperaturabhängigkeit .................................................................................... 136 6.7.1 Grundlagen thermo-rheologisch einfacher Materialien, Pseudo-Zeit ... 137 6.7.2 Zeitintegration ...................................................................................... 139 6.7.3 Shift-Funktionen ................................................................................... 141 6.7.4 Spannungen .......................................................................................... 143 6.7.5 Tangente ............................................................................................... 144 6.7.6 Algorithmus .......................................................................................... 144 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand ..................................................... 145 6.8.1 Ebener Verzerrungszustand .................................................................. 145 6.8.2 Ebener Spannungszustand .................................................................... 145 Beispielrechnungen ............................................................................................ 147 6.9.1 Zu Kapitel 6.1 ....................................................................................... 147 6.9.2 Zu Kapitel 6.2 ....................................................................................... 148 6.9.3 Zu Kapitel 6.3 ....................................................................................... 150
Theorie und Numerik des Kriechens ......................................................................... 151 7.1 7.2
7.3
7.4 8
IX
Grundsätzliches .................................................................................................. 151 Zeitintegration beim Kriechen ........................................................................... 155 7.2.1 Differenzenquotienten .......................................................................... 155 7.2.2 Kriechbeispiel ....................................................................................... 155 7.2.3 Explizite Zeitintegration ....................................................................... 156 7.2.4 Variabler Zeitschritt.............................................................................. 160 7.2.5 Implizite Zeitintegration ....................................................................... 161 7.2.6 Zusammenfassung Kriechbeispiel ........................................................ 166 7.2.7 Zusammenwirken mit anderen Materialnichtlinearitäten ..................... 166 Konsistente Tangente für implizites Kriechen ................................................... 167 7.3.1 Herleitung ............................................................................................. 167 7.3.2 Beispiele ............................................................................................... 170 Allgemeine Form für lokale und globale Iteration ............................................. 175
Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität ............................................................. 179 8.1 8.2 8.3 8.4
8.5
8.6
Grundbegriffe eindimensionalen Verhaltens...................................................... 179 Bausteine einer mehrdimensionalen Elasto-Plastizitätstheorie .......................... 181 Fließregeln ......................................................................................................... 182 Klassische Fließbedingungen ............................................................................. 183 8.4.1 Gestaltänderungsenergie-Hypothese (nach von Mises) ........................ 183 8.4.2 Schubspannungs-Hypothese (Tresca) ................................................... 185 8.4.3 Mohr-Coulomb-Bedingung .................................................................. 188 8.4.4 Drucker-Prager-Bedingung .................................................................. 190 Verfestigungsregeln ........................................................................................... 192 8.5.1 Einachsige Spannungs-Dehnungs-Beziehungen ................................... 192 8.5.2 Mehrdimensionales Verfestigungsverhalten......................................... 193 Erfüllung der Stoffgleichungen in der FEM, lokale Iteration ............................ 199
X
Inhaltsverzeichnis
8.7
8.8 8.9
8.10
8.6.1 Allgemeine Darstellung ........................................................................199 8.6.2 Beispiel lineare Verfestigung ................................................................202 Konsistente Tangente .........................................................................................205 8.7.1 Allgemeine Darstellung ........................................................................205 8.7.2 Beispiel lineare Verfestigung ................................................................208 Beispielprogrammierung in USERPL von ANSYS ...........................................208 Modelle für kinematische Verfestigung .............................................................214 8.9.1 Besseling-Modell (Overlay-Modell) .....................................................214 8.9.2 Armstrong-Frederik- bzw. Chaboche-Modell .......................................219 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting ............................................................221 8.10.1 Begriffe .................................................................................................221 8.10.2 Melan-Theorem ....................................................................................222 8.10.3 Struktur-Ratcheting ...............................................................................224 8.10.4 Material-Ratcheting ..............................................................................227 8.10.5 Thermisches Ratcheting ........................................................................231 8.10.6 Numerisches Ratcheting bei Temperaturzyklen ...................................232
Hauptabschnitt III: Kontakt 9
Kontaktberechungen: Einführung, Kinematik .........................................................235 9.1 9.2
9.3
Was bedeutet Kontakt? .......................................................................................235 Modellierung von Kontakt..................................................................................236 9.2.1 Punkt-zu-Punkt- bzw. Knoten-zu-Knoten-Kontakt...............................236 9.2.2 Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt ............................................................236 9.2.3 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt ...............................................................237 9.2.4 Oberfläche-zu-Oberfläche-Kontakt.......................................................238 Kontakt-Kinematik .............................................................................................238
10 Erfüllung der Kontaktbedingung ...............................................................................242 10.1 10.2 10.3 10.4
10.5 10.6
Direkte Einführung der Nebenbedingung ...........................................................243 Penalty-Methode.................................................................................................244 Lagrange-Multiplikator-Methode .......................................................................246 Finite-Elemente-Testproblem .............................................................................247 10.4.1 Direkte Einführung der Nebenbedingung in das Gleichungssystem .....249 10.4.2 Penalty-Verfahren .................................................................................253 10.4.3 Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren ......................................256 10.4.4 Perturbed-Lagrange-Methode ...............................................................257 10.4.5 Augmented-Lagrange-Verfahren ..........................................................260 Überbestimmtheit durch Kontakt (Overconstraining) ........................................262 Reibung ..............................................................................................................263
11 Aspekte der Kontaktmodellierung .............................................................................265 11.1 11.2
11.3
Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt ..........................................................................265 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt ............................................................................267 11.2.1 Integrationspunkt-Kontakt ....................................................................267 11.2.2 Knoten als Integrationspunkte ..............................................................273 Konvergenz-Erzielung ........................................................................................274
Inhaltsverzeichnis
11.4
XI
11.3.1 Penalty-Verfahren................................................................................. 274 11.3.2 Lagrange-Verfahren und direkte Einbringung ...................................... 279 11.3.3 Geeignete Vernetzung und Lastaufbringung ........................................ 279 Systemmatrizen .................................................................................................. 279
12 Kontaktfeststellung ..................................................................................................... 281 12.1
12.2 12.3
12.4
Suchstrategien .................................................................................................... 281 12.1.1 Bucket Sort ........................................................................................... 281 12.1.2 Pinball-Algorithmus ............................................................................. 282 12.1.3 Topologie-Suche................................................................................... 284 Auswahl von Master- und Slave-Seite ............................................................... 285 Nahbereichs-Kontaktberechnungen ................................................................... 286 12.3.1 Ebene Flächen ...................................................................................... 287 12.3.2 Pseudoelement-Algorithmus ................................................................ 287 12.3.3 Normalensuche ..................................................................................... 289 Konkave Knicke und Ecken ............................................................................... 292
13 Kontakt mit Schalen- und Balkenelementen............................................................. 294 13.1 13.2
Dickenberücksichtigung ..................................................................................... 294 Momente aus Exzentrizitäten ............................................................................. 295
Literaturhinweise ................................................................................................................ 297 Stichwortverzeichnis ........................................................................................................... 299
Bezeichnungsweise Formelzeichen sind mindestens bei ihrem ersten Auftreten im Text erklärt. M
Matrizen werden im Fettdruck und mit Großbuchstaben wiedergegeben,
v
Vektoren, Zeilen- und Spaltenmatrizen im Fettdruck und klein geschrieben, es sei denn, es ist für eine bestimmte Größe etwas Anderes üblich.
0
bezeichnet einen Nullvektor oder eine Nullmatrix,
I
eine Einheitsmatrix
(...) a~
deutet auf eine Veränderung, einen Zuwachs hin,
eine Tilde über einer Variablen auf eine Näherung,
a
ein Querstrich auf eine eingeprägte (vorgegebene) Größe,
aˆ
ein Dach (circonflexe) auf eine Größe, die einem Finite-Element-Knoten zugeordnet ist,
a*
ein Stern auf eine abgewandelte, verbesserte oder ersatzweise verwendete Größe.
FE
ist die Abkürzung für Finite Elemente,
FEM
für Finite-Elemente-Methode,
KoS
für Koordinatensystem,
Gl.
für Gleichung,
Gls.
für Gleichungssystem,
Dgl.
für Differenzialgleichung,
Abb.
für Abbildung,
Alg.
für Algorithmus,
Tab.
für Tabelle,
Kap.
für Kapitel und
1d, 2d, 3d für ein-, zwei-, dreidimensional bzw. das Ein-, Zwei-, Dreidimensionale. [...]
verweist auf das Literaturverzeichnis
1 Lösung der nichtlinearen Gleichungen Dieses Kapitel erscheint hier, weil es für alle nachfolgenden Teilgebiete von Bedeutung ist. Man kann die Beschäftigung damit zurückstellen, bis man sich zu den ersten nichtlinearen FEM-Gleichungen vorgearbeitet hat.
1.1 Newton-Raphson-Verfahren In der linearen FEM entsteht ein lineares Gleichungssystem, das u.A. mit Verfahren, die auf dem Gauß-Algorithmus beruhen, gelöst werden kann. Eine direkte Auflösung eines größeren Systems nichtlinearer Gleichungen ist in aller Regel nicht möglich. Deshalb kommt meist das Newton- oder Newton-Raphson-Verfahren1 zum Einsatz, das für eindimensionale Gleichungen allgemein bekannt sein dürfte. Hier soll das Prinzip zunächst an einem zweidimensionalen Beispiel erläutert werden. Zwei Ellipsen werden durch die Gleichungen (1.1)
u2 22
+
v2 42
=1
und
(u − 1) 2 22
+
(v + 2) 2 42
=1
beschrieben. Ihre Schnittpunkte sollen mit dem Newton-Raphson-Verfahren ermittelt werden. Die grafische Lösung zeigt Abb. 1-1. Gesucht sind die Wertepaare {u;v} die beide Gleichungen erfüllen. Für das NewtonVerfahren müssen sie umgeformt werden, sodass auf der rechten Seite null steht:
(1.2)
u2 v2 + −1 2 2 d1 u 2 4 = 0 = 0 d(u) = = 2 2 d 2 v (u − 1) + (v + 2) − 1 0 42 22
Für eine Nullstellenbestimmung ist das Newton-Raphson-Verfahren bekannt. Bei einer Unbekannten gilt die Iterationsvorschrift: (1.3)
f ( xi ) xi + 1 = xi − f ' ( xi )
Nur etwas anders notiert lautet dies:
(1.4)
1
d f ( x)
xi + 1 = xi + dx x = xi
−1
(− f ( xi ))
Raphson war Zeitgenosse von Newton und hat maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Verfahrens, das man als Newton-Verfahren kennen lernt. Die obige abstrakte Form soll übrigens von Simpson stammen.
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_1, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Lösung der nichtlinearen Gleichungen
Dabei kennzeichnet i+1 den Iterationsschritt, der Index 0 bezeichnet somit den Startwert. Für das n-dimensionale Problem wird daraus
(1.5)
∂d(u)
u i +1 = u i + ∂u =ui u
KT
−1
(− d(u i )) = u i + K T −1 (− d(u i ))
KT heißt Tangentenmatrix, im Zusammenhang mit mechanischen Berechnungen auch Tangentensteifigkeitsmatrix. In der Mathematik wird sie je nach Zusammenhang auch als Hesseoder Jacobi-Matrix bezeichnet.
Es ist nicht üblich, die Inverse zu bilden, sondern ein lineares Gleichungssystem zu lösen. Daraus ergibt sich folgender Algorithmus: Wähle Startvektor u 0 , i = 0 1) Berechne rechte Seite − d 2) Berechne K T 3) Löse Gleichungssystem K T Δu = −d 4) Berechne u i +1 = u i + Δu i ⇐ i + 1, weiter mit 1) bis Konvergenz Alg. 1-1 Newton-Raphson-Verfahren für mehrere Veränderliche im FE-Kontext
Im Beispiel der Ellipsen ergibt sich die Tangentenmatrix als
(1.6)
∂d1 ∂d ∂u = KT = ∂u ∂d 2 ∂u
∂d1 u ∂v = 2 ∂d 2 u − 1 ∂v 2
v 8 v + 2 8
1.2 Andere Lösungsverfahren
3
10 8 6 4 Ellipse 1 2
Ellipse 2 Iteration1
0 -3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
Iteration 2
-2 -4 -6 -8
Abb. 1-1 Testproblem für ein zweidimensionales Newton-Verfahren
In der grafischen Darstellung des Iterationsverlaufes erkennt man: •
Die Lösung eines nichtlinearen Problems muss nicht eindeutig sein.
•
Ist die Lösung nicht eindeutig, ist das mit dem Newton-Verfahren erzielte Ergebnis vom Startwert abhängig.
•
Die Zwischenlösungen können sich zunächst vom gesuchten Ergebnis weit entfernen. Das birgt die Gefahr, dass überhaupt keine Lösung gefunden wird (tritt hier nicht auf) und die Konvergenz anfangs schlecht ist.
Über das Newton-Verfahren wird gesagt, dass es in der Umgebung der Lösung quadratisch konvergiert. Was es damit auf sich hat, sieht man in den Kapiteln 2.3.3 und 2.3.5.
1.2 Andere Lösungsverfahren Für das eindimensionale Nullstellenproblem gibt es zahlreiche weitere Verfahren, deren Konvergenzordnung schlechter als beim Newton-Verfahren ist, die z.T. aber stabiler sind und ohne Ableitungen arbeiten. Eine Übertragung in mehrere Dimensionen ist jedoch nicht möglich. Eine Klasse weiterer für die nichtlineare FEM geeigneter Verfahren sind die so genannten Quasi-Newton-Verfahren (z.B. [10]), z.B. das BFGS- (nach Broyden, Fletcher, Goldfarb, Shanno) und das DFP- (nach Davidon, Fletcher, Powell) Verfahren. Dabei wird nicht mit der exakten Tangentenmatrix, sondern mit einer iterativ aus dem Lösungsverlauf bestimmten Annäherung ihrer Inversen gearbeitet. Bei der Realisierung wird auch diese Matrix nicht gespeichert, sondern ihr Produkt mit beteiligten Vektoren [11].
4
1 Lösung der nichtlinearen Gleichungen
Eine weitere Klasse sind Mehrgitterverfahren (Multigrid), die nicht nur zur Lösung des linearen Systems im Newton-Raphson-Verfahren eingesetzt, sondern auch direkt auf die nichtlinearen Gleichungen angewandt werden können ([6], [20], [21]). Praktische Bedeutung hat dies aber wohl nur in der Strömungsmechanik erlangt. Auch von vorkonditionierten Verfahren der konjugierten Gradienten (PCG wie preconditioned conjugate gradients) gibt es nichtlineare Varianten [13].
1.3 Schrittweitensteuerung Wie oben ausgeführt, konvergiert das Newton-Raphson-Verfahren quadratisch in der Nähe der Lösung. Sofern sich der Startpunkt dort befindet und tatsächlich die Tangente vorliegt, ist eine Verbesserung nicht mehr möglich. Daraus folgt zunächst, dass es sinnvoll ist, die Startwerte, gewöhnlich die letzte konvergierten Ergebnisse, in der Nähe der neuen Lösung zu halten, dass also kleine Schritte bei der Lastaufbringung hilfreich sind. „Klein“ ist allerdings relativ und „klein genug“ im Vorhinein kaum zu bestimmen. Das bedeutet, dass eine an das Lösungsverhalten angepasste Schrittweitensteuerung ein besonders nützliches Werkzeug ist. Kriterien dafür sind •
die Anzahl der zur Konvergenz benötigten Iterationsschritte
•
die Größe des Inkrementes der plastischen oder Kriechdehnung
•
erfolgte oder bevorstehende Statuswechsel oder Eindringungen zu Beginn eines Inkrementes bei Kontakt
•
bei expliziten Verfahren das Verhältnis zu einem kritischen Zeitschritt
•
in der Dynamik Abschätzungen der Antwortfrequenzen.
1.4 Eindimensionale Minimum-Suche (line search) Zur Stabilisierung des iterativen Lösungsverfahrens bei größeren Schrittweiten kann ein line search durchgeführt werden. Dabei wird die Verbesserung Δu nur als Richtung aufgefasst und erst mit einem Faktor (typischerweise < 1) multipliziert, bevor sie zur letzten Näherungslösung addiert wird. Um die Bestimmung des Faktors zu verstehen, muss man sich erinnern, dass Finite Elemente über das Prinzip vom Minimum der potenziellen Energie (in Abb. 1-2 durch Äquipotenziallinien dargestellt) hergeleitet werden können. Dieses wird erst bei Erhalt des Gleichgewichts erreicht. Man kann aber wenigstens das Minimum in Richtung von Δu suchen. Δu heißt deshalb Abstiegsrichtung. Die Stelle des Minimums ist dadurch gekennzeichnet, dass dort der Gradient, die Richtung des steilsten Abstiegs, senkrecht auf der bisher verfolgten Richtung steht. Dieser Gradient ist aber gerade die rechte Seite. Daraus lässt sich als Bedingung über das Skalarprodukt (1.7)
f (c) = Δu T d (u i + cΔu) = 0
formulieren. Zur Bestimmung von c kommen ableitungsfreie Verfahren zur Nullstellenbestimmung in Frage (Sekantenverfahren, regula falsi und Verbesserungen davon).
u2
5
A
1.4 Eindimensionale Minimum-Suche (line search)
Äquipotenziallinie (Höhenlinie)
u d(ui+ cu) Lösung
cu ui
Schnitt A-A
A
cu u1 Abb. 1-2 Zum Line-Search
Für ein Newton-Verfahren wäre (1.8)
f ' (c) = Δu T
∂d du = Δu T K T (u i + cΔu )Δu ∂u dc
zu bestimmen. Die Aufstellung der Tangentenmatrix KT nur zur Bestimmung von c wäre übertriebener Aufwand. Bei Startwert c = 0 ist KT allerdings die Matrix, die zur Berechnung von Δu geführt hat. Darüber hinaus ist dann auch das Produkt mit Δu bekannt, nämlich (1.9)
K T Δu = −d
Daraus folgt für die erste Näherung von c: (1.10)
c1 = 0 −
Δu T d(u i ) − Δu T d(u i )
=1
Also ist 1 ein geeigneter Startwert, wenn Δu mit dem Newton-Verfahren bestimmt wurde. Ferner sollte sich dann in der Nähe der Lösung, wenn also die guten Eigenschaften zum Tragen kommen, 1 ergeben. Neben der Lösung von (1.7) kommt auch die Einschrankung des Vorzeichenwechsels von f (Rückverfolgungsalgorithmen) in Betracht, weil normalerweise nur sichergestellt werden soll, dass überhaupt ein Abstieg vorliegt.
6
1 Lösung der nichtlinearen Gleichungen
1.5 Konvergenzkriterien Ziel der Iteration ist, dass d(u) zu null wird. Folglich ist ein Maß für die Konvergenz, inwieweit das erreicht ist. Da d viele Komponenten erhält, muss zunächst eine Norm berechnet werden, z.B. die Euklidische, d.h. die Länge des Vektors, die Anwendung des Pythagoras auf den n-dimensionalen Raum: n
d i2
d =
(1.11)
i =1
Sodann ist zu klären, in welcher Größenordnung der Betrag als annähernd null gelten kann. Hier kommt nur der Vergleich mit einem Bezugswert in Frage. In der FEM der Mechanik ist d die Differenz zwischen inneren und äußeren Kräften, fint und fext: (1.12)
d = f int − f ext
Also lautet das Konvergenzkriterium: d
(1.13)
<ε
f
wobei
eine kleine, die Genauigkeit beeinflussende, im Vorhinein wählbare Zahl
und
f
wahlweise die inneren oder die äußeren Knotenkräfte bedeutet.
Ferner bedeutet d = 0 auch, dass die Lösungsverbesserung u ebenfalls 0 wird. Daher kann auch (1.14)
Δu u
<ε
als Konvergenzkriterium gelten. Dabei kann u die gesamte Verschiebung oder diejenige aus dem jeweiligen Lastinkrement sein Beide Kriterien signalisieren oft nicht zur selben Zeit Konvergenz. Bei einem sich versteifenden System hat eine kleine Verschiebungsänderung größere Kraftänderungen zur Folge, bei einem weicher werdenden System – als Extremfall kann hier das Stabilitätsproblem (s. Kap. 3) gelten – ist es umgekehrt. Daher liegt man auf der sicheren Seite, wenn man beide Kriterien beachtet. Ein Ausweg kann eine Energiebedingung sein:
(1.15)
Δu T d uT f
<ε
Balken- und Schalenelemente weisen sowohl Verschiebungs- als auch Drehfreiheitsgrade auf, entsprechend Knotenkräfte und -momente. Die haben unterschiedliche Einheiten. Damit die Konvergenz nicht von der gewählten Längeneinheit abhängt, empfiehlt es sich, für die beiden
1.5 Konvergenzkriterien
7
Anteile die Kriterien getrennt zu erfüllen. Bei der Energiebedingung tritt das Problem nicht auf. Wird die Konvergenz durch die Norm von d gemessen, hat das Verfahren die Konvergenzordnung , wenn gilt: di
(1.16)
κ
d i −1
=c
wobei c eine Konstante ist und i den jeweiligen Iterationsschritt bezeichnet. Für drei aufeinander folgende Schritte folgt dann: di
(1.17)
κ
d i −1
(1.18)
=
d i −2
d i −2 d i −1
κ log
d i −2 ⇔ d i −1
d i −1 κ
d = log i −1 di
κ
d = i −1 di
Somit gibt (1.19)
κ=
log( d i −1
log ( d i − 2
di
)
d i −1
)
das tatsächliche aktuelle Konvergenzverhalten an. Beispiel I i
II i
Iteration i
d
1
10
10
2
1
1
3
0,1
0,01
d
In dem Beispiel ergibt die mit I bezeichnete Spalte lineare ( = 1), die mit II bezeichnete quadratische Konvergenz ( = 2).
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten 2.1 Grundbegriffe der geometrischen Nichtlinearitäten Bei einer geometrisch linearen Berechnung geht man von folgenden Voraussetzungen aus: 1.
Gleichgewicht am unverformten System
2.
kleine Rotationen, damit linearisierte Kinematik (s. Abb. 2-1)
3.
kleine Dehnungen, d.h. es ist sinnvoll und ausreichend, die Dehnungen als Längenänderungen bezogen auf die Ausgangslängen l0 zu definieren. x2 ,u 2 linearisiert exakt
l tan ϕ l sin ϕ
ϕ x1 ,u1
l cos ϕ
l ϕ klein :
sin ϕ ≈ tan ϕ ≈ 1 u 2 = l sin ϕ ≈ lϕ
cos ϕ ≈ 1
u1 = l (1 − cos ϕ ) ≈ 0
Abb. 2-1 linearisierte Kinematik
Von diesen Voraussetzungen wird im Folgenden schrittweise abgewichen., d.h. es werden 1.
Gleichgewicht am verformten System
2.
große Drehungen (Rotationen)
3.
große Dehnungen
und
betrachtet.
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_2, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
9
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System 2.2.1
Motivation und FE-Umsetzung
Es wird nur von Voraussetzung 1 abgewichen. Diese Theorie ist für die meisten Anwendungen im Bauwesen ausreichend und bildet die Grundlage der Euler’schen Knicktheorie und der gängigen analytischen Lösungen für Plattenbeulen.
q
FZ
EI l
FD
w mit Zugkraft ohne Längskraft mit Druckkraft
Abb. 2-2 Folge des Gleichgewichts am verformten System
Man betrachte den Balken auf zwei Stützen aus Abb. 2-2. Bei der vollständig linearen Theorie sind die Querbelastung q und die Längskraft F entkoppelt: die Querbelastung erzeugt Querkraft und Moment, die Längskraft eine Normalkraft. Beim Gleichgewicht am verformten System muss aber berücksichtigt werden, dass die Kraft F einen Hebelarm w gegenüber Punkten auf der Biegelinie aufweist, der zunächst der Durchbiegung infolge der Querbelastung entspricht. Daraus ergibt sich in erster Näherung ein Zusatzmoment (2.1)
ΔM = − FZ w
Das bedeutet eine Entlastung bei Vorliegen einer Zugkraft FZ. Dies führt zu weniger Durchbiegung und damit zu einer etwas geringeren Entlastung im endgültigen Gleichgewichtszustand. Bei Vorliegen einer Druckkraft FD lautet das Zusatzmoment in erster Näherung (2.2)
ΔM = FD w
Dies bewirkt eine Zunahme der Durchbiegung und damit des Zusatzmomentes usw. Ob sich daraus schließlich eine endliche Durchbiegung ergibt, hängt von der Größe der Druckkraft ab. Bei Überschreiten der Euler’schen Knicklast wächst die Durchbiegung über alle Grenzen. Für das einfachste Finite Element, das Stabelement ohne Biegesteifigkeit, wird dieser Effekt, wie nachfolgend beschrieben, berücksichtigt.
10
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
P F
t verform
2
1
w2
w1
l0 unverformt
Abb. 2-3 Zum Gleichgewicht am verformten Stabelement
Wegen der fehlenden Biegesteifigkeit ist am unverformten System ein Gleichgewicht mit der Last P nicht möglich. Am verformten ergibt jedoch die Summe der Momente um das linke Ende: (2.3)
F ( w2 − w1 ) = Pl0
Δw
Die Auflösung nach P ergibt: (2.4)
F ( w2 − w1 ) = P l0
Bei den vorausgesetzten kleinen Drehungen ist die Längskraft F ungefähr gleich der Normalkraft N, die sich wiederum als Spannung mal Fläche A ausdrücken lässt: (2.5)
σA l0
( w2 − w1 ) = P
In Matrizenschreibweise lautet das: (2.6)
σA l0
[− 1 1]
w1 =P w2
Unter Einbeziehung der Längsverschiebungen ui und Berücksichtigung der Tatsache, dass die gleiche Überlegung auch für eine Querlast am linken Knoten 1 möglich ist, lässt sich dies zu
(2.7)
0 0 0 0 u1 0 σA 0 1 0 − 1 w1 P1 = l 0 0 0 0 0 u 2 0 − 1 0 1 w2 P2 0
S
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
11
erweitern. Ein Term, der eine Verknüpfung zwischen Verschiebungen und Kräften herstellt, heißt Steifigkeit. Die Matrix S fällt auch darunter, jedoch ist hier die Steifigkeit nicht von Materialparametern abhängig, sondern von Spannungen, weshalb S Spannungsversteifungsmatrix (engl. stress stiffening matrix) heißt. Die Spannung ist jedoch vorzeichenbehaftet. Eine Druckspannung führt also zu einer Schwächung. Die Matrix S wirkt als Ergänzung zur Steifigkeitsmatrix K nach linearer Theorie, beim ebenen Fachwerkstabelement gilt also:
(2.8)
1 EA 0 l − 1 0
2.2.2
Warum Theorie 2. Ordnung?
0 − 1 0 0 0 0 0 0 σA 0 1 + 0 1 0 l 0 0 0 0 0 0 − 1
0 u1 P1x 0 − 1 w1 P1z = 0 0 u 2 P2 x 0 1 w2 P2 z 0
Im vorigen Kapitel wurde die vollständig linearisierte Kinematik benutzt. Warum ist dennoch von Theorie 2. Ordnung die Rede? Dazu wird das folgende Stabiltätsproblem auf zwei Arten gelöst, zunächst durch Gleichgewicht am verformten System und linearisierte Kinematik. u P
P
k
Ff
l
Abb. 2-4 Stabilitätsproblem mit linearisierter Kinematik
Das Gleichgewicht am verformten System ergibt: (2.9)
Pu = F f l
Die Federkraft beträgt (2.10)
F f = ku
also
12
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
(2.11)
Pu = ku l
(2.12)
( P − kl )u = 0
Diese Gleichung hat die Triviallösung u = 0 und die nicht-triviale P=kl
(2.13)
Das ist die kritische Last des Systems, weil dann eine Verschiebung ohne Lasterhöhung möglich wird. Nun wird das Prinzip vom Minimum der potenziellen Energie, zuerst mit der vollständigen Kinematik, angewandt. u=lsin P
P
k
l(1-cos) lcos
l
Abb. 2-5 Stabilitätsproblem mit exakter Kinematik
Die Last P verliert an potenzieller Energie, während die Feder solche gewinnt. Zusammen muss sich ein Minimum ergeben: (2.14)
− Pl (1 − cos ϕ ) + 12 k (l sin ϕ ) 2
→
Min.
Nun werden für die Winkelfunktionen deren Taylor-Reihenentwicklungen verwandt und nach dem Glied zweiter Ordnung abgebrochen: (2.15)
sin ϕ ≈ ϕ
−
ϕ3 3!
+ " , cos ϕ ≈ 1 −
ϕ2 2!
+"
Diese Theorie heißt also 2. Ordnung, weil man bei der Anwendung von Energiemethoden Terme bis 2. Ordnung der Reihenentwicklung von Winkelfunktionen mitnehmen muss.
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
13
Damit wird aus (2.14) (2.16)
ϕ2 − Pl 2
+ 1 k (lϕ ) 2 2
→ Min.
Als notwendige Bedingung ergibt sich durch Ableiten (2.17)
− Plϕ + kl 2ϕ = 0
(2.18)
(− P + kl )lϕ = 0
Daraus erhält man wieder als nicht-triviale Lösung die kritische Last (2.13).
2.2.3
Lineares Beulen
Gleichung (2.8) lautet in der symbolischen Matrizenschreibweise: (2.19)
(K + S() )uˆ = f ext
Die Matrix S hängt linear von der Spannung ab, die Spannung bei Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes wiederum linear von der Längskraft. Folglich ist die Spannungsversteifung infolge einer um einen Faktor gesteigerten Last f (2.20)
S(σ (λf ) ) = S(λσ (f ) ) = λS(σ (f ) )
Ein Stabilitätsproblem (Knicken oder Beulen) liegt vor, wenn eine Verformung ohne eine (weitere) Lastaufbringung möglich wird. Aus (2.19) wird dann (2.21)
(K + λS() ) ˆ = 0
Es handelt sich dabei um ein allgemeines Matrizeneigenwertproblem. wird anstelle von u verwandt, um den Eigenvektor zu kennzeichnen. Der Eigenwert stellt den kritischen Lastmultiplikator für die aufgebrachte Last, also die Last, die zur Spannung geführt hat, dar. Es handelt sich jedoch bei (2.22)
f ki = λf
nur um die kritische Last bei der idealisierenden Annahme, dass es keine Imperfektionen (Vorkrümmungen, unberücksichtigte Lastausmitten) gibt und das Verhalten des Systems bis zum Beulen vollständig linear ist, weshalb dieses Lastniveau als ideale kritische Last bezeichnet wird. Tatsächlich tritt bereits darunter Stabilitätsversagen ein. Wie das in der Simulation zu erfassen ist, wird später beschrieben. Der Eigenvektor , der den Vektor der unbekannten Verschiebungen ersetzt hat, gibt die Richtung an, in die sich das System bei Eintritt des Beulens verschieben wird. Dieser Zustand heißt Beuleigenform. Sie ist nur bis auf einen Faktor bestimmt und wird daher normiert, z.B. so, dass die maximale Verschiebung 1 beträgt.
14
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Bei einer FE-Berechnung sind die durchzuführenden Schritte a)
vollständig lineare statische Berechnung zur Ermittlung des (Vor-)Spannungszustands
b) Erstellung der Spannungsversteifungsmatrix S c)
Lösen des Eigenwertproblems, in der Regel durch Vektoriteration Æ Æ
Die Eigenform kann wie ein gewöhnlicher Verschiebungszustand dargestellt werden. Andere Ergebnisgrößen wie Dehnungen oder Spannungen sind von untergeordneter Bedeutung; sie stellen Inkremente multipliziert mit einem unbekannten Faktor dar, aber sie können zur Fehlerabschätzung herangezogen werden.
Beispiel 1. Eulerfall Als Beispiel wird hier der erste Eulerfall untersucht, bei dem ein Ende eingespannt und ein Ende frei ist (Abb. 2-6). F
F Abb. 2-6 Stabknicken, 1. Eulerfall
Für die Berechnung benötigt man ein Stabelement, das einen Stab- und einen Balkenanteil enthält. Das Gleichungssystem lautet so vor Einbau der Randbedingungen:
(2.23)
EA l 0 EA − l 0
−
0 EI l
12 2 l 6 l
6 l 4
0 12 − EI l 2 l 6 l
6 − l 2
EA l 0
EA l 0
0 12 − EI l 2 l 6 − l 0 EI l
12 2 l − 6 l
6 u1 0 l w1 0 2 ϕ1 0 + S(σ ) = u 2 − F w2 0 6 − ϕ 2 0 l 4
Die Spannungsversteifungsmatrix für den Balken wird erst in Kap. 2.2.4 hergeleitet. Hier wird näherungsweise die Matrix S für den Fachwerkstab verwendet, weil das die Handrechnung erleichtert.Nach Berücksichtigung der Festhaltung aller Freiheitsgrade des linken Knotens und Einsetzen für S lauten die Gleichungen:
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
(2.24)
EA l 0
0 EI l
12 2 l − 6 l
15
u 2 − F 0 0 0 6 σA − + 0 1 0 w2 = 0 l l 0 0 0 ϕ 2 0 4
Für Schritt a) ist σ = 0, außerdem sieht man, dass der Dehn- und der Biegeanteil entkoppelt sind und für den Bieganteil die rechte Seite 0 ist. Man erhält aus (2.25)
EA u2 = −F l
(2.26)
u2 = −
Fl EA
Daraus ergibt sich für die Längsspannung (2.27)
σ =
E E Fl
F (−u1 + u 2 ) = − =− l l EA A
σA l
=−
F l
Dieses Ergebnis wird in Schritt b) verwendet, sodass man für Schritt c) nach Multiplikation von S mit dem Lasterhöhungsfaktor λ, Ausführung der Addition in der Systemmatrix und Nullsetzen des Lastvektors (weil es um eine Verschiebungsänderung ohne weitere Last geht)
(2.28)
EA 0 l 12 EI − λF 0 1 l2 6 EI l − l
u 2 0 6 EI − w = 0 l 2 ϕ 2 0 4 EI
erhält. Für die Handrechnung wird keine Vektoriteration durchgeführt, sondern der klassischen Betrachtungsweise gefolgt: Da die rechte Seite gleich null ist, ist dieses Gleichungssystem nur dann nicht-trivial lösbar, wenn die Determinante der Systemmatrix null wird. Dies gilt, da Biege- und Dehnanteil entkoppelt bleiben, nur, wenn die Unterdeterminante rechts unten null wird:
(2.29)
12 EI 2 − λF det l − 6 EI l
6 EI l =0 4 EI
−
16
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten 2
(2.30)
(2.31)
12 EI
6 EI
− λF 4 EI − =0 2 l l
48EI l
2
− 4λF −
(2.32)
λF = Fki =
(2.33 )
Fki = 3
36 EI l
2
=
12 EI l2
: EI
− 4λF = 0
12 EI 4l 2
EI l2
Die analytische Lösung lautet, weil die Knicklänge sk die zweifache Länge ist: (2.34)
FkiEuler =
π 2 EI (2l )
2
= 2,47
EI l2
Mit zwei Elementen und der vereinfachten Spannungsversteifungsmatrix erhält man bereits 2,60 EI/l2. In der Handrechnung kann das Ergebnis von (2.27) aus dem Gleichgewicht bestimmt werden. Solange es bei der Entkopplung bleibt, kann in diesem und ähnlichen Fällen Schritt a) übersprungen auf der Basis von
(2.35)
EI l
12 2 l 6 l 12 − 2 l 6 l
6 l 4 −
6 l
2
−
12 2
l 6 − l 12
l2 6 − l
6 l 1 2 σA 0 + 6 l − 1 − l 0 4
0 0 0 0
− 1 0 w1 0 0 0 ϕ1 0 = 1 0 w2 0 0 0 ϕ 2 0
gerechnet werden. Zur Bestimmung des Eigenvektors, der Knickform, wird die Lösung (2.33) in (2.28) eingesetzt, wodurch die unteren beiden Zeilen des Gleichungssystems linear abhängig werden. Die Lösung ist nicht mehr eindeutig. Eine Unbekannte muss daher gewählt werden: (2.36)
w2 = 1
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
17
Die dritte Zeile des Gleichungssystems lautet dann: 6 EI ⋅ 1 + 4 EIϕ 2 = 0 l
(2.37)
−
(2.38)
ϕ2 =
3 2l
sodass man den Eigenvektor
(2.39)
1 = 3 2l
erhält. Zur Darstellung der Eigenform wird mit den den berechneten Freiheitsgraden zugeordneten kubischen Ansatzfunktionen (N3 und N4) multipliziert: (2.40)
w(ξ ) =
(
)
(
)
l 3 1 1 2 + 3ξ − ξ 3 ⋅1 + − 1 − ξ + ξ 2 + ξ 3 , −1 ≤ ξ ≤ 1 4 4 2 2l
Zum Vergleich wird die analytische Lösung (2.41)
3 1
w Euler (ξ ) = 1 − sin π + ξ 4 4
herangezogen (Abb. 2-7), die von der Form her gut übereinstimmt. 1. Eulerfall 1
w
w_FE w_Euler
xi
0 -1
-0,5
0
0,5
Abb. 2-7 Biegelinie 1. Eulerfall mit einem Balkenelement und analytisch
1
18
2.2.4
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Korrekte Spannungsversteifungs-Matrix für den Balken
2.2.4.1 Herleitung Hier wird ein formaler Weg beschritten, der sich aus der Differentialgleichung des Balkens nach Theorie 2. Ordnung (2.42)
EIw iv + Nw' ' = EIw iv + σAw' ' = 0
ergibt. Dazu lautet das Minimalproblem: (2.43)
1 2
1
w' ' EIw' ' dx + 2 w'σAw' dx
(l )
→ Min.
(l )
Der erste Teil führt zur Steifigkeits-, der zweite zur Spannungsversteifungsmatrix S. Beim Bernoulli-Balken lautet der Verschiebungsansatz: (2.44)
w (ξ ) = N(ξ )uˆ , − 1 ≤ ξ ≤ 1 1 4 1 + 4 1 + 4 1 + 4
w =
(2.45)
(2 − 3ξ + ξ ) (1 − ξ − ξ + ξ ) 2l (2 + 3ξ − ξ ) (− 1 − ξ + ξ + ξ ) 2l 3
2
3
3
2
3
⋅ w1
= N1 (ξ ) w1
⋅ ϕ1
+ N 2 (ξ )ϕ1
⋅ w2
+ N 3 (ξ ) w2
⋅ ϕ2
+ N 4 (ξ )ϕ 2
Daraus ergeben sich die Ableitungen dw dw dξ 2 dN 2 = = uˆ = N' uˆ dx dξ dx l dξ l
(2.46)
w' (ξ ) =
(2.47)
dN 1 = − 3 + 3ξ 2 dξ 4
(
mit
) 14 (− 1 − 2ξ + 3ξ ) 2l 14 (3 − 3ξ ) 14 (− 1 + 2ξ + 3ξ ) 2l 2
2
Die Spannungsversteifungsmatrix errechnet sich demnach mit dx = 1
(2.48)
S = σ −1
1
l 2 N'T N' A dξ = σA N'T N' dξ 2 2 l l −1 4
2
l dξ als 2
2.2 Theorie 2. Ordnung, Gleichgewicht am verformten System
19
Das Produkt der Ableitungen der Ansatzfunktionen formt die Matrix
[N '1
N 'T N ' N '1 N '2 N '3 N '4
( 2.49)
N '2
N '3
N '4 ]
" " N '1 N ' 4 % # # # % # 2 N ' 4 N '1 " " N ' 4 N '12
Als Beispiel wird für das Element S12 1
16 N '1 N '2 dξ = −1
=
(2.50)
(− 3 + 3ξ 1
−1 1
2
)(− 1 − 2ξ + 3ξ ) 2l dξ
(3 + 6ξ − 9ξ
2
2
− 3ξ 2 − 6ξ 3 + 9ξ 4
−1 1
=
(3 + 6ξ − 12ξ
2
− 6ξ 3 + 9ξ 4
−1
) 2l dξ
) 2l dξ
1
l 9 18 l 8 l = 3ξ − 4ξ 3 + ξ 5 = 6 − 8 + = 5 −1 2 5 2 5 2
und (2.51)
S12 = σA
σA 28 l 1 1 = σA = 3l l 5 2 16 10 30l
berechnet. Vollständig ergibt sich die Spannungsversteifungsmatrix als
(2.52)
3l 36 3l 4l 2 σA S= 30l − 36 − 3l 2 3l. − l
− 36 3l − 3l − l 2 36 − 3l − 3l 4l 2
2.2.4.2 Anwendung auf den 1. Eulerfall Das Eigenwertproblem lautet nach Einführung der Randbedingungen und nachdem die Längsspannung bestimmt wurde:
(2.53)
(K + S ) = EI l
12 2 l − 6 l
6 − l − F 30l 4
36 − 3l − 3l 4l 2 = 0
20
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
(2.54)
12 EI 1 l2 l 6 EI − l
(2.55)
12 EI 6 2 −5F l 6 EI l − l + 10 F
6 EI 6 F l − 5 l 4 EI − F 10
−
l
F 10 = 0 2l 2 F 15
−
6 EI l + F l 10 = 0 2l 2 4 EI − F 15
−
Die Determinante der Matrix ist 2
12 EI 6
2l 2 6 EI l
− F 4 EI − F −− + F =0 l 5 15 10 l2
48( EI ) 2 l2 12( EI ) 2 l2
2
32 EI 4l 2 2 36( EI ) 2 6 EI l 2 2 − F+ F − − F+ F =0 l2 5 25 5 100 −
26 EI 3l 2 2 F+ F =0 5 20
So erhält man als Bestimmungsgleichung für die kritische Last: F2 −
104 EI 3l 2
F+
80( EI ) 2 l4
=0
mit den Lösungen 2
52 EI
80( EI ) 2 − ± 3l 2 l4 3l 2
Fki 1 / 2 =
52 EI
Fki1 / 2 =
EI
2 52 ± 52 − 720 3l 2
Fki 1 / 2 =
EI 3l 2
(52 ± 44,54)
Der kleinere und damit maßgebende Wert ist
Fki 1 = 2,486
EI l2
und damit sehr nah an der analytischen Lösung (2.34).
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
21
2.3 Große Drehungen (Rotationen) Große Drehungen (Rotationen) liegen vor, wenn die linearisierte Kinematik (s. Voraussetzung 2 in Kap. 2.1) nicht mehr angewandt werden kann. Das ist sicher der Fall, wenn Drehwinkel > 4...5° auftreten. Die Berücksichtigung kann auch früher nötig werden, insbesondere wenn die Querverformung eine wesentliche Veränderung der Längsspannung zur Folge hat, wie es bei einem quer belasteten Seil der Fall sein kann. Dieser Effekt wird bei der Theorie 2. Ordnung nicht erfasst.
2.3.1
Geeignetes Dehnungsmaß: Green-Lagrange-Dehnungen
2.3.1.1 Anschauliche Herleitung Die Green-Lagrange-Dehnungen sind geeignet, bei großen Drehungen die Deformationen eines Körpers in den durch die Ausgangskonfiguration bestimmten Koordinaten zu beschreiben. Die Herleitung geht von der Veränderung des Quadrates des Abstandes zweier benachbarter Punkte aus. Für eine Richtung in der Ebene kann man sich das folgendermaßen veranschaulichen:
v
l
l0
u
Abb. 2-8 Veranschaulichung der Green-Lagrange-Verzerrungen
Die bezogene Änderung der Quadrate der beiden Längen (verformt l, unverformt l0) ist Δ=
(2.56)
2 2 2 2 l 2 − l 02 (l 0 + u ) 2 + v 2 − l 02 l 0 + 2l 0 u + u + v − l 0 = = l 02 l 02 l 02
u = 2 + l 0 l 0 u
2
+ v l0
2
Beim Übergang zum infinitesimal kleinen Element dx wird (2.57)
u ∂u → = u ' und l0 ∂x
v ∂v → = v' l0 ∂x
22
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
und somit 2
(2.58)
Δ=2
∂u ∂u
∂v
+ + ∂x ∂x ∂x
2
Bei kleinen Verformungen werden die Quadrate vernachlässigbar, sodass nur der erste Term übrig bleibt, der gerade das Doppelte des linearen oder Ingenieur-Dehnungsmaßes darstellt. Aus diesem Grund wird die Hälfte als Green-Lagrange-Dehnung (oft ist auch nur von Green’schen Verzerrungen die Rede) definiert: 2
(2.59)
GL = ε xx
2
Δ ∂u 1 ∂u
1 ∂v
1 1 = + + = u '+ u ' 2 + v' 2 2 ∂x 2 ∂x 2 ∂x 2 2
Verallgemeinert: ndim ∂u k ∂u k 1 ∂u i ∂u j = + + 2 ∂x j ∂x i ∂x i ∂x j k =1
(2.60)
ε ijGL
mit
ndim
betrachtete Dimension
i, j
Richtungen 2
z.B.
ε xx =
2
2
∂u 1 ∂u
1 ∂v
1 ∂w
+ + + im Dreidimensionalen ∂x 2 ∂x 2 ∂x 2 ∂x
Es handelt sich dabei nicht um eine nach den quadratischen Glied abgebrochene Reihenentwicklung, sondern um ein Maß, das dafür sorgt, dass Starrkörperrotationen mit beliebigen Drehwinkeln keine Dehnungen erzeugen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt: (2.61)
u = x(cos ϕ − 1) − y sin ϕ v = x sin ϕ + y(cos ϕ − 1)
beschreibt die Verschiebung beliebiger Punkte mit den Koordinaten {x;y} bei einer Drehung um den Ursprung. Diese Punkte machen dadurch eine Starrkörperdrehung mit. Mit
(2.62)
∂u = cos ϕ − 1 ∂x ∂v = sin ϕ ∂x
∂u = − sin ϕ ∂y ∂v = cos ϕ − 1 ∂y
wird eine Dehnung zu 1 (cos ϕ − 1)2 + 1 (sin ϕ )2 2 2 1 = cos ϕ − 1 + cos 2 ϕ − 2 cos ϕ + 1 + sin 2 ϕ 2
ε xx = cos ϕ − 1 + (2.63)
(
)
2.3 Große Drehungen (Rotationen) Wegen cos 2 ϕ + sin 2 ϕ = 1 (2.64)
23
ergibt sich:
GL ε xx = cos ϕ − 1 − cos ϕ + 1 = 0
während die Ingenieurdehnung (eng für engineering) (2.65)
eng ε xx =
∂u = cos ϕ − 1 ∂x
beträgt, was nur für Æ0, d.h. für kleine Drehungen, gegen null geht. Das Gleiche gilt für die anderen Dehnungskomponenten. Die Dehnungskomponenten behalten ihre Richtungen auch bei einer Rotation bei, im Falle von Abb. 2-8 ist x immer die Richtung des Stabes in seiner Ausgangsposition, in der die Länge l0 bezeichnet ist. Bei einer eindimensionalen Betrachtung ergibt sich die Dehnung als (2.66)
1 2
1 2
ε GL = u '+ u ' 2 = ε eng + ε eng
2
Weder die Richtung, noch das eindimensionale Maß sind besonders anschaulich, aber mit Green-Lagrange-Dehnungen lassen sich beliebige Rotationen formulieren.
Es gibt keine „natürliche“ Dehnungsdefinition, lediglich zweckmäßige. Dehnungen können nicht direkt gemessen werden, auch nicht mit Dehnungsmessstreifen; diese messen nur Längenänderungen. 2.3.1.2 Kontinuumsmechanische Symbolschreibweise Die symbolische Schreibweise der Kontinuumsmechanik ist nicht wesentlicher Gegenstand dieses Buches. Näheres kann man z.B. bei Parisch [14] und Wriggers [26] nachlesen. Sie sei hier nur angerissen. Der Deformationsgradient (2.67)
∂x F= i ∂x 0 j
enthält die Ableitung der Koordinaten des verformten Systems xi nach den Ausgangskoordinaten xoj. Eindimensional und bei einer gleichmäßigen Deformation über die Länge gibt es nur eine Komponente und die entspricht (2.68)
F11 =
l l0
24
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Unter Berücksichtigung von (2.56) bis (2.58) wird aus
(2.69)
ε=
2
1 l 2 l 0 1 l l − = − 1 2 l 02 l 02 2 l l 0 0
Unter Benutzung von F ergibt sich im Mehrdimensionalen (2.70)
GL =
(
1 T F F−I 2
)
Bei der polaren Zerlegung wird der Deformationsgradient multiplikativ in eine Rotation R
und eine
Streckung U
aufgespalten:
(2.71)
F = RU
Die Rotation besitzt die Orthogonalitätseigenschaft, d.h. (2.72)
R T = R −1
RT R = I
Daraus folgt, dass (2.73)
F T F = U T R T RU = U T U = U 2
Die Green’schen Verzerrungen sind also von den Rotationen unabhängig, wie man oben schon beispielhaft gesehen hat.
2.3.1.3 Beispiel Stabelement Als Beispiel soll das •
parallel zur x-Achse liegende
•
in der x-y-Ebene verschiebliche
•
(Fachwerk-)Stabelement
•
mit linearem Verschiebungsansatz
für große Rotationen mit Green-Lagrange-Dehnungen formuliert werden. Der Verschiebungsansatz lautet:
(2.74)
x u ( x ) = 1 − l
0
x l
u1 x v1 0 und v( x) = 0 1 − u l 2 v 2
0
u1 x v1 l u 2 v 2
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
25
Die Ableitungen nach x, die für die Dehnung in Stabrichtung benutzt werden, sind dann
(2.75)
u1 u1 v v ∂u ∂v 1 1 = u ' = [− 1 0 1 0] 1 = v' = [0 − 1 0 1] 1 u 2 und ∂x u 2 ∂x l l v 2 v 2 u ' = Auˆ v' = Cuˆ
Anmerkung: Anders als in der linearen Theorie wird für diese nicht B benutzt, weil die BMatrix noch eine andere, besser: verallgemeinerte Bedeutung bekommt. Die Green-LagrangeDehnung lautet nun: 1 2
1 2
(2.76)
ε = Auˆ + uˆ T A T Auˆ + uˆ T CT Cuˆ
2.3.2
Das Prinzip der virtuellen Arbeiten bei geometrisch nichtlinearen Problemstellungen
2.3.2.1 Allgemein Die innere virtuelle Arbeit eines Elementes lautet: (2.77)
δWint =
δ
T
dV
(V )
In dV sind Fläche und Länge enthalten; Spannung mal Fläche ergibt Kraft, Dehnung mal Länge ergibt Verschiebung, Kraft mal Verschiebung ergibt Arbeit. Bei der virtuellen Arbeit ist die innere Kraft schon geweckt und wird virtuell verrückt, daher entfällt der Vorfaktor ½. T ist die virtuelle Dehnung, die Dehnung infolge der virtuellen Verrückung u. Da diese kinematisch möglich sein muss, aber auch klein ist, lässt sich die virtuelle Dehnung linearisiert angeben: (2.78)
δ =
∂ δuˆ ∂uˆ N B(uˆ )
Die Ableitung der Dehnungen nach den Knotenverschiebungen heißt wieder B-Matrix. Leitet man die in einer linearen Theorie geltende Beziehung (2.79)
lin = Buˆ
ab, erkennt man, dass (2.78) auch hier gilt, die B-Matrix also nur verallgemeinert wurde.
26
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Durch Einsetzen von (2.78) in (2.77) wird aus der virtuellen Arbeit (2.80)
δWint = δuˆ
T
B
T
(uˆ )dV
(V )
Die virtuelle Verrückung der Knoten stellt gegenüber den Integrationsvariablen eine Konstante dar und kann deshalb vor das Integral gezogen werden. Da die Verrückungen Wege sind, stellt der Rest Kräfte dar, nämlich die inneren Knotenkräfte (2.81)
B
f int =
T
(uˆ )dV
(V )
Diese Beziehung gilt allgemein und wird im Folgenden noch des Öfteren benutzt. 2.3.2.2 Anwendung auf Stabbeispiel Für den Stab mit Green-Lagrange-Dehnungen ergibt sich die B-Matrix als (2.82)
B=
∂ε = A + uˆ T A T A + uˆ T CT C = A + u ' A + v' C ∂uˆ
während die Spannung 1 1 1 1
( 2.83) σ = Eε = E u '+ u ' 2 + v ' 2 = E Auˆ + uˆ T A T Auˆ + uˆ T CT Cuˆ 2 2 2 2 ist. Beim Stab geht dV in Adx über. Beim Integrieren ist zu beachten, dass beim linearen Ansatz alle Terme im Integranden unabhängig von x sind. Deshalb ist (2.84)
(
)
(
)
f int = A T + A T Auˆ + C T Cuˆ σAl = A T + u ' A T + v' CT σAl
Nun ist das Element hauptsächlich formuliert. Die verbleibende Frage ist, wie das Gleichgewicht mit den äußeren Knotenkräften zu erfüllen ist. Da die Spannung auch von den Knotenverschiebungen abhängt, liegt ein nichtlineares Gleichungssystem vor.
2.3.3
Lösung der nichtlinearen Gleichungen mit dem Newton-RaphsonVerfahren
Im vorigen Kapitel wurden die inneren Kräfte nichtlinear von den Knotenverschiebungen abhängig, sodass sie nicht mehr als Produkt aus Steifigkeitsmatrix mal Verschiebungsvektor darstellbar sind. Als Gleichgewichtsbedingung bleibt aber, dass die Differenz aus inneren und äußeren Kräften null sein muss. Diese wird mit dem Newton-Raphson-Verfahren aus Kap. 1.1 iterativ gelöst.
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
27
2.3.3.1 Anwendung in der nichtlinearen FEM Für ein diskretisiertes mechanisches Problem lautet die Gleichgewichtsbedingung allgemein: (2.85)
f int (uˆ ) = f ext (uˆ ) ⇔ d (uˆ ) = f int (uˆ ) − f ext (uˆ ) = 0
Ein Beispiel dafür, dass die äußeren Kräfte von den Verschiebungen abhängen, ist ein Druck, der senkrecht zur verformten Oberfläche steht. Die Tangentenmatrix als Ableitung der inneren Kräfte erhält man im allgemeinen Fall als (2.86)
(2.87)
KT =
KT =
∂ ∂ ∂ f int − f ext = ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ
B
(V )
T
(uˆ )
∂ ∂ dV + ∂ ∂uˆ
B
(V )
(V )
T
(uˆ ) dV −
∂ f ext ∂uˆ
∂B T (uˆ ) ∂ dV − f ext ∂uˆ ∂uˆ
Darin ist die Ableitung der Dehnungen gemäß (2.78) wieder die B-Matrix. Die Ableitung der Spannungen nach den Dehnungen , die Materialtangente, hängt stark vom verwendeten Materialgesetz ab (s. Kap. 5 bis 8). Sie kann unsymmetrisch sein. Bei Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes ergibt sich dafür die Elastizitätsmatrix E, sodass man als Tangentenmatrix (2.88)
KT =
B T (uˆ ) E B(uˆ )dV +
(V )
Ku
∂B T (uˆ ) ∂ dV − f ext ∂uˆ ∂ uˆ
(V ) K p Kσ
erhält. Ku heißt z.B. Anfangsverschiebungsmatrix (diese Bezeichnung ist aber nicht so fest gefügt) und ist formal der linearen Steifigkeitsmatrix sehr ähnlich. Bei einer symmetrisch positiv definiten Materialtangente /, die hier von links und rechts mit der B-Matrix bzw. ihrer Transponierten multipliziert wird, ist Ku, wenn genügend Festhaltungen vorliegen, um die Starrkörperbewegungen zu unterdrücken, auch symmetrisch positiv definit. In mathematischen Begriffen heißt Letzteres, dass die Matrix nur positive Eigenwerte hat, mit dem Effekt, dass alle Hauptdiagonalelemente während des GaußEliminationsprozesses (Pivot-Elemente) positiv bleiben. Mechanisch bedeutet das, dass ein Verschiebungszuwachs auch einen Kraftzuwachs bzw. ein Dehnungszuwachs einen Spannungszuwachs zur Folge hat. K heißt manchmal geometrische Matrix, weil nur bei geometrischer Nichtlinerität die BMatrix von den Verschiebungen abhängig ist und somit die Ableitung und K existieren. Häufiger ist die Bezeichnung Anfangsspannungsmatrix, weil hier die Spannungen direkt eingehen. Anfang bezieht sich in beiden Fällen auf den Anfang des Iterationsschrittes. Da sie von den Spannungen abhängt, die auch negativ werden können, kann sie dazu führen, dass die Gesamtmatrix KT nicht mehr positiv definit wird. In diesem Fall liegt ein Stabilitätsproblem vor. Es besteht eine gewisse Analogie zwischen K und der Spannungsversteifungsmatrix S aus der Theorie 2. Ordnung (Kap. 2.2) sowie zum Beulproblem aus Kap. 2.2.3.
28
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Die Ableitung von B nach u ist die zweite Ableitung von nach u. Leitet man einen Skalar zweimal nach demselben Vektor ab, ergibt sich eine symmetrische Matrix. Ein Skalar entsteht, weil mit multipliziert wird. Also ist K symmetrisch. Die Lasttangente Kp ist symmetrisch, weil sie die zweite Ableitung der äußeren Arbeit nach den Knotenverschiebungen ist. 2.3.3.2 Anwendung auf das Stabbeispiel Für das Stabelement mit Green-Lagrange-Dehnung erhält man die Komponenten der Tangentenmatrix als
( = (A
)
K u = A T + u ' A T + v' C T (A + Au '+Cv')EAl
(2.89)
T
A + A T Au '+ A T Cv '
+ u ' A T A + u ' A T Au '+u ' A T Cv '
)
+ v' C T A + v' C T Au '+v' C T Cv' EAl
[
(
T
= A A 1 + 2u '+u '
(2.90) (2.91)
[ K σ = (A
2
)+ A
(
T
]
C(v'+u ' v') + C T A(v'+u ' v') + v' C T Cv' EAl
)
]
K u = A T A(1 + u ')2 + A T C + C T A (v'+u ' v') + v' C T Cv' EAl T
)
A + C T C σAl
Darin ist AT A
(2.92)
(2.94)
− 1 1 0 l + 1 0
[− 1 + 1 0 − 1 0
0 + 1 0]
1 l
0 − 1 0 0 0 0 1 und analog (2.93) 0 + 1 0 l 2 0 0 0
0 0 0 1 1 CT C = 2 0 0 l 0 − 1
0 0 0 − 1 0 0 0 1
1 0 − 1 1 0 − 1 0 0 0 1 0 − 1 0 1 0 1 − 1 und A T C + CT A = 1 A T A + CT C = 2 − 1 2 0 −1 0 1 0 0 1 l l 1 1 0 0 −1 0 − 1 0
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
29
Nach Addition erhält man die gesamte tangentiale Steifigkeitsmatrix als
KT
(2.95)
(1 + u ' ) 2 (v'+u ' v' ) − (1 + u ' ) 2 − (v'+u ' v' ) EA (v'+u ' v' ) v' 2 − (v'+u ' v' ) − v' 2 = l − (1 + u ' ) 2 − (v'+u ' v' ) (1 + u ' ) 2 (v'+u ' v' ) v' 2 − v' 2 (v'+u ' v' ) − (v'+u ' v' ) 1 0 −1 0 σA 0 1 0 − 1 + l − 1 0 1 0 0 −1 0 1
oder elem) in der Ausgangskonfiguration durchgeführt. Der Knotenverschiebungsvektor ist uˆ = uˆ e . Vor dem Zusammenbau zum Gesamtsystem (Index g) muss die Transformation Diese Herleitung wurde im Elementkoordinatensystem (Index
(2.96)
uˆ e = Tuˆ g
e
bzw. δuˆ eT = δuˆ gT T T
durchgeführt werden. Mit c := cos α und s := sin α lautet die Transformationsmatrix:
(2.97)
c − s T= 0 0
s 0 c 0 c 0 0 −s
0 0 s c
Die inneren Kräfte werden zu (2.98)
e f int = T T f int
und die tangentiale Steifigkeitsmatrix ∂f int ∂f e ∂u e = T T int = T T K Telem T ∂u g ∂u e ∂u g
(2.99)
KT =
2.3.4
Testproblem Zweibock
Das Stabelement soll so für ein einfaches Beispiel eingesetzt werden. Der Zweibock aus Abb. 2-9 wird aus Symmetriegründen nur mit einem Element diskretisiert.
30
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Beispiel Zweibock F 2 E=138,889 A=0,1
F 2
-v2g 3
0
1
4
4
4
Abb. 2-9 Zweibock (Von-Mises-Fachwerk)
Als einziger globaler Freiheitsgrad (Kopfzeiger g) verbleibt v2g. Im Elementkoordinatensystem (Kopfzeiger e) wird diese Verschiebung in e
u s (2.100) 2 = v 2g c v2
aufgespalten. Damit ist (2.101)
∂u s ∂v c 1 1 = u ' = u 2 = v 2g und = v' = v 2 = v 2g ∂x l l ∂x l l
1 1
(2.102) σ = E u '+ u ' 2 + v' 2 2 2
Von den Vektoren und Matrizen auf Elementebene sind nur diejenigen in Position 3 und 4 von Interesse, weil sie mit den aktiven Elementfreiheitsgraden verknüpft sind:
(
)
1 0
(2.103) f int = T T A T + u ' A T + v' C T σAl = [s c ] (1 + u ' ) + v' σA 1 0
(2.104) f int = [s(1 + u ' ) + cv']σA (2.105) K T =
2 s 1 0 s EA [s c] (1 + u ' ) (v'+u2' v' ) + σA [s c] l v' 0 1 c (v'+u ' v' ) c l
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
[ EA = [s l
KT =
(2.106)
(2.107) K T =
31
]cs + σlA [s ]+ σlA [s + c ]
EA s (1 + u ' ) 2 + c(v'+u ' v' ) s (v'+u ' v' ) + cv' 2 l 2
(1 + u ' ) 2 + 2cs(v'+u ' v' ) + c 2 v' 2
[
2
s c] c
2
]
σA EA 2 s (1 + u ' ) 2 + 2cs(1 + u ' )v'+c 2 v' 2 + l l
Wegen der Symmetrie des Systems reduziert sich der Lastvektor auf (2.108) f ext = −
1 F 2
Weiterhin notwendig sind (2.109) l = l 0 = 4 2 + 3 2 = 5 , c = cos α =
4 , 5
s = sin α =
3 5
Mit diesen Formeln erhält man den Iterationsverlauf aus Tab. 2-1. Darin wird auch ein Konvergenzexponent dargestellt. Dieser sagt aus: Reduzierte sich die Norm der rechten Seite d (Ungleichgewichtskraft) von Näherungslösung i-2 zu i-1 um einen Faktor a, so hat sie sich von i-1 zu i um a verringert. Die Berechnungsformel für ist (1.19). Abb. 2-10 zeigt den Verlauf der Iteration und die Entwicklung der Lösung. -0,7
-0,6
Kraft
-0,5
-0,4
Iteration äußere Last
-0,3
innere Kraft
-0,2
-0,1 0
-0,5
-1
0 Verschiebung
Abb. 2-10 Iterationsverlauf im Newton-Raphson-Verfahren
-1,5
32
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Tab. 2-1 Newton-Raphson-Iteration beim Zweibock mit Green-Lagrange-Dehnungen
fext -0,5 -0,5
g
v2
0
rechte Seite
KT
-0,5
1
v -0,5
-0,5 -0,11805556
0,54166667 -0,21794872
-0,5 -0,71794872 -0,01921719
0,36795968 -0,05222635
1,25764431
-0,5 -0,77017506
-0,0010295
0,32868654 -0,00313217
1,61221173
-0,5 -0,77330724 -3,6442E-06
0,32636011 -1,1166E-05
1,92832425
-0,5
-0,7733184 -4,6273E-11
0,32635182 -1,4179E-10
1,99764891
-0,7733184
-0,05
0,32635182 -0,15320889
-0,55 -0,92652729 -0,00851134
0,21654818 -0,03930462
-0,55 -0,96583191
-0,0005305
0,18963997 -0,00279738
1,56743928
-0,55 -0,96862929 -2,6518E-06
0,18774449 -1,4124E-05
1,90915951
-0,55 -0,96864341 -6,7543E-11
0,18773493 -3,5978E-10
1,9963818
-0,57 -0,96864341
-0,02
0,18773493 -0,10653319
-1,0751766 -0,00377525
0,11749085 -0,03213227
-0,57 -1,10730887 -0,00032938
0,09704662 -0,00339405
1,46287675
-0,57 -1,11070293 -3,6317E-06
0,09490724 -3,8265E-05
1,84809966
-0,57 -1,11074119 -4,6106E-10
0,09488314 -4,8593E-09
1,99037628
-0,58
-1,1107412
-0,01
0,09488314
-0,58
-1,216134
-0,0034325
-0,55
-0,57
0,03036298 -0,11304878
-0,58 -1,32918278 -0,00371938 -0,03472831 -0,58 -1,22208346 -0,00326237 -1,2435653 -0,00282218
0,10709932
-0,0750662
0,0268312 -0,12158855 -1,63332064
-0,58 -1,34367201 -0,00428086 -0,04276293 -0,58
-0,1053928
0,10010671
-2,0724101
0,01417714 -0,19906513 -1,53347465
Nahe der endgültigen Lösung geht gegen 2. Dies wird „quadratische Konvergenz“ genannt. Ein Newton-Raphson-Verfahren zeigt quadratische Konvergenz in der Nähe der Lösung. In der Praxis wird die Iteration jedoch oft schon früher als konvergiert betrachtet und daher abgebrochen, bevor der Effekt vollständig sichtbar ist.
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
2.3.5
33
Mitdrehende Formulierung (Co-rotational formulation)
Wenn ein Element insgesamt große Rotationen erfährt, im Element selbst aber nur kleine gegenseitige Verdrehungen auftreten, was bei hinreichend feinem Netz vorausgesetzt werden kann, ist der nachfolgend dargestellte Weg eine Alternative. Wieder dient das Stabelement als Beispiel. Ein Knotenverschiebungszustand u ruft
eine Starrkörperverschiebung,
eine Starrkörperverdrehung und
einen Verschiebungszustand udef , der zu einer Verformung führt,
hervor. Nur Letzterer erzeugt Dehnungen.
2 u2
xe0 0
1
udef xe
u1
yg x0e
xe xg Abb. 2-11 Zur Erläuterung der mitdrehenden Formulierung
Die Knotenkoordinaten des deformierten Systems, x, können aus denen des unverformten Systems, x0, durch Addition der Verschiebungen berechnet werden: (2.110) x = x 0 + u Umgekehrt stellen die Verschiebungen die Koordinatendifferenz (2.111) u = x − x 0 dar. Wie in Abb. 2-11 zu sehen, erhält man deformatorische Verschiebungen, wenn man die Differenz der Koordinaten bestimmt, die man jeweils in ein System transformiert, das dem Element anhaftet und mit diesem rotiert, d.h. das den Starrkörperbewegungen folgt:
34
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
(2.112) u def = T(x − x e ) − T0 (x 0 − x e0 ) Darin bedeuten x0e und xe den Ursprung des Elementkoordinatensystems im unverformten bzw. im verformten System. Dies gilt für jeden Knoten: (2.113) u1def = T(x1 − x e ) − T0 (x10 − x e0 ) (2.114) u 2def = T(x 2 − x e ) − T0 (x 20 − x e0 ) Weil Dehnungen nur aus Differenzen der Knotenverschiebungen berechnet werden, im Falle des Stabes also (2.115) ε =
(
1 u 2def − u1def l
)
hat die Starrkörperverschiebung keinen Einfluss, weil sie für alle Knoten gleich ist. Man erhält nämlich:
[
(2.116) u 2def − u1def = T(x 2 − x e ) − T0 (x 20 − x e0 ) − T(x1 − x e ) − T0 (x10 − x e0 )
]
= Tx 2 − Tx e − T0 x 20 + T0 x 0e − Tx1 + Tx e + T0 x10 − T0 x e0
(2.117) u 2 def − u1def = Tx 2 − T0 x 20 − [Tx1 − T0 x10 ] Damit ist die Position des Ursprungs des mitbewegten Koordinatensystems eliminiert, nur die Orientierung ist noch von Bedeutung. Somit genügt es, eine Transformation in ein Koordinatensystem vorzunehmen, das parallel zur Elementorientierung liegt, sodass statt (2.112) neu definiert wird: (2.118) u def := Tx − T0 x 0
Abb. 2-12 zeigt, dass sich wieder die gleiche Differenz der deformatorische Verschiebungen ergibt. Für das Stabelement lauten die Transformationsgleichungen:
x1 cos α = (2.119) x 2 e 0
sin α 0
0 cos α
x1 0 y1 sin α x 2 y2 g
x e = Tx
Im unverformten Zustand hängen die trigonometrischen Funktionen nur von den Ausgangskoordinaten ab, hier:
2.3 Große Drehungen (Rotationen) (2.120) cos α 0 =
35
( x 20 − x10 ) ( y − y10 ) , sin α 0 = 20 l0 l0
Im deformierten Zustand jedoch haben auch die Verschiebungen Einfluss, im Falle des Stabelementes: (2.121) cos α =
( x 20 + u 2 − x10 − u1 ) ( y + v 2 − y10 − v1 ) , sin α = 20 l l
2 u2
udef 1
u1
u2def
y
u1def
udef
xe0 xe
u1def
x
Abb. 2-12 Auswirkung des nur mitdrehenden Koordinatensystems
Auch die in (2.121) enthaltene Länge bezieht sich auf den deformierten Stab: (2.122) l = ( x 20 + u 2 − x10 − u1 ) 2 + ( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) 2 Die Transformationsmatrix hängt also vom globalen Verschiebungsvektor ab: (2.123) u def = T(u)x − T0 x 0 Bei der mitgehenden Formulierung bleibt das lineare Dehnungsmaß geeignet, aber im mitgedrehten Koordinatensystem. Wie große Dehnungen hier eingefügt werden, wird in Kap. 2.4.6 gezeigt. Mit den Formelzeichen der FE-Formulierung lauten die Dehnungen nun: (2.124) ε = B lin u def = B lin [T(u)(x 0 + u ) − T0 x 0 ]
36
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Dadurch wird die Beziehung zwischen Dehnung und Knotenverschiebungen nichtlinear. Diese Gleichung kann auf zwei- und dreidimensionale Elemente erweitert werden, wobei die einzige Änderung ist, dass aus der skalaren Dehnung der Vektor wird. Die allgemeine B-Matrix erhält man wieder als Ableitung der Dehnungen nach den (globalen) Knotenverschiebungen: ∂ ∂ (B lin [T(u)(x 0 + u ) + T0 x 0 ] ) = ∂u ∂u ∂T = B lin (x 0 + u ) + T(u) ∂ u =: T *
B=
(2.125)
Es soll betont werden, dass die B-Matrix sich nur um einen von der Transformation abhängigen Term von der linearen B-Matrix unterscheidet, die die spezielle Elementformulierung enthält. So lauten die inneren Kräfte: f int =
B
T
(V )
(2.126) =
dV =
*T
B lin T dV
(V )
T (x 0 + u )
(V )
T
∂T T + T T B lin T EB lin [T(x 0 + u) − T0 x 0 ] dV ∂u
Die Transformationsmatrix ist für das ganze Element konstant, x und u sind unabhängig vom Integranden, sodass diese Terme vor das Integral gezogen werden können: ∂TT + T T B lin T dV (2.127) f int = (x 0 + u )T u V) ∂
(
T *T f elem int
Der hintere Teil entspricht den inneren Kräften aus dem Linearen, wobei aber die Spannungen über (2.124) und das Werkstoffgesetz nichtlinear berechnet werden. Übergibt man an die Elementroutine die deformatorischen Verschiebungen anstelle der gesamten, braucht für diesen Anteil nichts mehr geändert werden. Die Bezeichnung uˆ g in den folgenden Termen betont, dass es sich um die Knotenverschiebungen im globalen Koordinatensystem handelt, während der Kopfzeiger elem aussagt, dass das Elementkoordinatensystem den Bezug darstellt und diese Terme wie im Linearen berechnet werden. Konstante Lasten vorausgesetzt, ergibt sich die Tangentensteifigkeitsmatrix (2.128) K T =
∂ ∂ f int = ∂uˆ g ∂uˆ g
T *T B dV = T
(V )
T * B lin EB lin dV T +
(V )
∂T *T ∂uˆ g
B lin dV T
(V )
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
37
*T elem * ∂T (2.129) K T = T *T K lin T + f elem
∂uˆ g int
Ku Kσ
(2.130) K T =
T B EB dV +
(V )
Ku
oder
∂T *T elem f ∂uˆ g int
Kσ
Hierin ist (2.131)
∂T *T = x 0 + uˆ g ∂uˆ g
(
)T ∂
2 T
T
∂uˆ 2g
+
∂TT ∂TT = x 0 + uˆ g + ∂uˆ g ∂uˆ g
(
)T ∂
2 T
T
∂uˆ 2g
+2
∂TT ∂uˆ g
(2.129) zeigt noch einmal, dass nur aus dem Linearen bekannte und ansonsten nur von der Transformation abhängige Terme vorkommen, sodass also die großen Rotationen von außen um vorhandene Elemente hinzugefügt werden können. Darüber hinaus werden dadurch Spannungen und Dehnungen im gedrehten Elementkoordinatensystem berechnet. Das ist sehr nützlich für Schalen und Balken, die ausgezeichnete Richtungen (Stabachse bzw. Schalenmittelfläche) aufweisen, und auch hilfreich für die Interpretation von Ergebnissen anderer Elementtypen, wie in Abb. 2-14 im Vergleich mit Abb. 2-13 erkennbar ist. Besonders in balkenoder schalenähnlichen Systemen sind Dehnungs- und Spannungskomponenten, die auch nach großen Rotationen parallel zum Rand verlaufen, am aussagekräftigsten. Ein weiteres Beispiel, bei dem mitdrehende Bezugsachsen vorteilhaft sind, sind Anisotropieachsen.
Abb. 2-13 Spannungskomponenten im Ausgangskoordinatensystem
38
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Abb. 2-14 Spannungskomponenten im gedrehten Koordinatensystem
Anstelle eines Koordinatensystems je Element kann auch eines je Integrationspunkt gewählt werden. Das erhöht die Genauigkeit und kann auch gekrümmten Elementen Rechnung tragen (s.a. Kap. 0). Für das Stabelement wird aus dV A0dx. Im Falle linearer Ansatzfunktionen sind alle Terme im Integranden unabhängig von x. Darum erhält man: elem (2.132) f int = B Tlin A0 l 0
(2.133) f int = T *T f int elem (2.134) K T = B T BEA0 l 0 +
∂T *T elem ∂T *T elem f int = T *T B Tlin B lin T * EA0 l 0 + f ∂u int ∂u
Ferner hat die Spannung nur eine Komponente, die mit den Knotenverschiebungen über
[(
)
(2.135) σ = EB lin T x 0 + uˆ g − T0 x 0
]
verknüpft ist. Die B-Matrix auf Elementebene ist (2.136) B lin =
1 [− 1 1] l0
worin l0 die Ausgangslänge ist, von der keine Ableitung gebildet werden muss. Mit den Abkürzungen (2.137)
c := cos α s := sin α
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
39
lautet die Transformationsmatrix:
c s 0 0 (2.138) T = 0 0 c s Zusammen bedeutet das:
x10 + u1 c s 0 0 y10 + v1 c 0 E (2.139) σ = [− 1 1] − l0 0 0 c s x 20 + u 2 0 y 20 + v 2
x10 + u1 y +v E (2.140) σ = [− c − s c s] 10 1 − [− c 0 x 20 + u 2 l0 y 20 + v 2
s0 0
− s0
0 c0
c0
x10
0 y10 s 0 x 20 y 20 x10
y s 0 ] 10 x 20 y 20
Weiterhin folgt aus (2.136): 1 − σ (2.141) B Tlinσ = lσ und damit: elem (2.142) f lin =
− σA0 1 − σ A0 l 0 = σA l0 σ 0
Einige Terme enthalten Ableitungen der Transformationsmatrix nach den Knotenverschiebungen. Diese ergäben Hypermatrizen, die sich auf dem zweidimensionalen Papier nicht darstellen lassen. Deshalb ist entweder die Indexschreibweise zu empfehlen oder, die Ableitungen mit dem nachfolgenden oder ggf. vorausgehenden Vektor zu multiplizieren, also x10 + u1 ∂c ∂s ∂T ∂ c s 0 0 y10 + v1 ∂u ( x10 + u1 ) + ∂u ( y10 + v1 ) (2.143) = ( x 0 + u) = ∂u ∂u 0 0 c s x 20 + u 2 ∂c ( x + u ) + ∂s ( y + v ) 20 2 20 2 ∂u ∂u y 20 + v 2
(2.144) ∂s ∂c ∂s ∂c ∂u ( x10 + u1 ) + ∂u ( y10 + v1 ) " ∂v ( x10 + u1 ) + ∂v ( y10 + v1 ) ∂T 1 2 2 (x 0 + u) = 1 ∂u ∂c ( x + u ) + ∂s ( y + v ) " ∂c ( x + u ) + ∂s ( y + v ) 20 2 20 2 20 2 20 2 ∂u1 ∂u1 ∂v 2 ∂v 2
40
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Damit wird in (2.125) " + c " + s " * (2.145) T = " " "+ c
∂c ∂s ( x10 + u1 ) + ( y10 + v1 ) ∂v 2 ∂v 2 ∂c ∂s ( x 20 + u 2 ) + ( y 20 + v 2 ) + s ∂v 2 ∂v 2
Die darin vorkommenden Terme lauten:
T
∂
(2.146) cos α = ∂uˆ g
T
∂
(2.147) sin α = ∂uˆ g
− 1 0
l − ( x + u − x − u ) ∂l 20 2 10 1 1 ∂u g 0
T
l2 0 1
− l − ( y + v − y − v ) ∂l 20 2 10 1 0 ∂u g 1
T
l2
mit
∂l (2.148) ∂uˆ g
T
= 1 2 ...
2( x 20 + u 2 2( y 20 + v 2 2( x 20 + u 2 2( y 20 + v 2
− x10 − u1 )(−1) − ( x 20 + u 2 − y10 − v1 )(−1) 1 − ( y 20 + v 2 = − x10 − u1 )1 l ( x 20 + u 2 − y10 − v1 )1 ( y 20 + v 2
− x10 − u1 ) − y10 − v1 ) − x10 − u1 ) − y10 − v1 )
Eingesetzt in (2.146):
∂
(2.149) cos α ∂uˆ g
T
− ( x 20 + u 2 − 1 ( 0 − y 20 + v 2 1 1 = − ( x 2 + u 2 − x1 − u1 ) ( x 20 + u 2 l 1 l 3 0 ( y 20 + v 2
Des Weiteren ist (2.150) B = B lin T* = Definiert man für
1 [− 1 1]T* l0
− x10 − u1 ) − y10 − v1 ) − x10 − u1 ) − y10 − v1 )
2.3 Große Drehungen (Rotationen) t (2.151) T * =: 11 t 21
t12
t13
t 22
t 23
41
t14 t 24
wird (2.152) B =
1 [− t11 + t 21 " " − t14 + t 24 ] l0
und die inneren Kräfte ergeben sich zu (−t11 + t 21 )σA (−t + t )σA (2.153) f int = B T σAl 0 = 12 22 (−t13 + t 23 )σA (−t14 + t 24 )σA
Die Ableitung von T*T (2.145) wird mit fintelem multipliziert: (2.154) K σ =
∂T*T elem f int = x 0 + uˆ g ∂uˆ g
(
)T ∂
2 T
T
∂uˆ 2g
elem f int +2
∂TT elem f int ∂uˆ g
Der erste Term ergibt: ∂ 2c ∂uˆ 2g ∂2s
(x 0 + uˆ g )
T
∂ 2 TT ∂uˆ 2g
∂uˆ 2g
elem f int
0 0
− σA σA
2
0 0
∂ c ∂uˆ 2g ∂2s ∂uˆ 2g
− ( x10 + u1 )
x10 + u1 y10 + v1
x 20 + u 2 y 20 + v 2
( x10 + u1 )
∂ 2c ∂uˆ 2g
+ ( y10 + v1 )
∂2s ∂uˆ 2g
( x 20 + u 2 )
∂ 2c ∂uˆ 2g
+ ( y 20 + v 2 )
∂2s ∂uˆ 2g
− ( y10 + v1 ) + ( x 20 + u 2 ) + ( y 20 + v 2 )
∂ 2c ∂uˆ 2g ∂2s ∂uˆ 2g ∂ 2c ∂uˆ 2g ∂2s ∂uˆ 2g
σA σA σA σ
42
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Darin ist z.B.: ∂ 2c ∂ 2c 2 ∂u1 ∂u1v1 ∂ 2c 2 ∂ c ∂v12 (2.155) = 2 ∂uˆ g symm.
∂ 2c ∂u1u 2
∂ 2c ∂u 22
∂ 2c ∂u1v 2 # # ∂ 2c ∂v 22
darin wiederum z.B.: (2.156) ∂2c ∂v 22
= =
∂ 1 − ( x 20 + u 2 − x10 − u1 )( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) 3 ∂v 2 l 3 ∂l l
4
∂v 2
( x 20 + u 2 − x10 − u1 )( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) + 0 −
1 l3
( x 20 + u 2 − x10 − u1 ) ⋅1
Nach Einsetzen der entsprechenden Zeile von (2.148) und Zusammenfassen erhält man: (2.157)
∂2 ∂v 22
3 1
cos α = ( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) 2 − ( x 20 + u 2 − x10 − u1 ) 5 l3 l
und auf die gleiche Weise: (2.158)
∂2 ∂v 22
3
3 sin α = − + ( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) 2 ( y 20 + v 2 − y10 − v1 ) 3 5 l l
Der zweite Term der Anfangsspannungsmatrix (2.154) ergibt:
c ∂T elem ∂ s (2.159) f int = ∂uˆ g ∂uˆ g 0 0 T
0 0 − σA c σA s
∂c − ∂uˆ g − ∂s ∂uˆ g = ∂c ∂uˆ g ∂s ∂uˆ g
σA
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
43
Die gesamte Steifigkeitsmatrix lautet dann: (2.160) ∂c − ∂u ∂s − 2 2 ∂ c ∂ s K T = BT BEA0l0 + ( x20 + u2 − x10 − u1 ) 2 σA0 + ( y20 + v2 − y10 − v1 ) 2 σA0 + 2 ∂u σA0 ∂c ∂uˆ g ∂uˆ g ∂u ∂s ∂u
Für den Zweibock aus Abb. 2-9 sind die Koordinaten und Randbedingungen (2.161)
x10 = 0
y10 = 0 x 20 = 4 v1 = 0 u 2 = 0
u1 = 0
y 20 = 3
Dadurch ist v2 der einzige Freiheitsgrad und nur Ableitungen nach v2 müssen berücksichtigt werden. Auch das Gleichgewicht ist nur am Knoten 2 in y-Richtung von Interesse. Das heißt: f ext = −
F 2
uˆ = v 2
l 0 = 5 , cos α 0 =
4 3 , sin α 0 = 5 5
l = 4 2 + (3 + v 2 ) 2 cos α =
σ =
3 + v2 4 , sin α = l l
E (4c + (3 + v 2 )s − 4c0 − 3s0 ) = E (4c + (3 + v 2 )s − 5) 5 5
∂l 1 = (3 + v 2 ) ∂v 2 l ∂ 4 cos α = − (3 + v 2 ) , ∂v 2 l3 t11 " t13 T* = " " t 23
B=
1 t 5 24
f int = t 24σA0
∂ 1 1 sin α = − (3 + v 2 ) 2 ∂v 2 l l3
0 ∂s ∂c ⋅4+ (3 + v 2 ) + s ∂v 2 ∂v 2
44
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten 2
1 2
1
K u = t 24 EA0 ⋅ 5 = t 24 EA0 5 5
∂2 ∂v 22 ∂2 ∂v 22
3 1
cos α = (3 + v 2 ) 2 − ⋅ 4 5 l3 l
3
3 sin α = − + (3 + v 2 ) 2 (3 + v 2 ) 3 5 l l
Kσ = 4
∂ 2c
∂ 2s
∂s
∂v2
∂v2
∂v2
σA0 + (3 + v2 ) 2
σA0 + 2 2
∂ 2c ∂ 2s ∂s ( 3 v ) 2 σA + + + 2 2 ∂v 2 0 v ∂ v ∂ 2 2 2
σA0 = 4
KT = K u + Kσ
Damit führt der folgende Algorithmus zur Lösung:
gegeben: f ext setze
i=1, Δuˆ 0 = 0, uˆ 1 = uˆ konvergiert aus letztem Lastschritt
1)
berechne
f int (uˆ i )
2)
löse
Δuˆ i = Δuˆ i −1 + K T −1 (f ext − f int )
3)
berechne
uˆ i +1 = uˆ i + Δuˆ i
bzw. uˆ 1 = 0
wenn konvergiert: neues f ext , i=1 weiter mit 1)
Der Iterationsfortschritt wird in Tab. 2-2 gezeigt und in Abb. 2-15 auf Seite 46 grafisch dargestellt. Der Konvergenzexponent nähert sich dem Wert 2 in der Umgebung der Lösung, wie es für das Newton-Raphson-Verfahren typisch ist (quadratische Konvergenz). Dass er danach teilweise wieder abnimmt, ist der Tatsache geschuldet, dass die Prozessorgenauigkeit erreicht wird. In der Praxis wird die Iteration aber vorher abgebrochen.
2.3 Große Drehungen (Rotationen)
45
Tab. 2-2 Newton-Raphson-Iteration für den Zweibock in der mitdrehenden Formulierung
äußere Last
v2
v2
KT
Konvergenz
-0,5
0
0
-0,5
-0,4999996
-0,4999996
0,66042952 -0,08334799
-0,5
-0,6262023
-0,6262023
0,56949548 -0,00572057
1,4953006
-0,5 -0,63624727 -0,63624727
0,56218932 -3,6687E-05
1,88483506
-0,5 -0,63631253 -0,63631253
0,56214182 -1,5497E-09
1,99471873
-0,5 -0,63631254 -0,63631254
0,56214182 -1,0547E-15
1,40986474
-0,6
0,56214182
0 -0,63631254
1,0000008
rechte Seite -0,5
-0,1
-0,6 -0,17789105 -0,81420359
0,43143732 -0,01159205
-0,6 -0,20475949 -0,84107203
0,41152375 -0,00026745
1,74914856
-0,6 -0,20540939 -0,84172192
0,41104167 -1,5665E-07
1,97462355
-0,6 -0,20540977
-0,8417223
0,41104139 -5,2958E-14
2,00197669
-0,6 -0,20540977
-0,8417223
0,41104139
2,2204E-16
0,36740652
-0,7
-0,8417223
0,41104139
-0,1
-0,7
0
-0,2432845 -1,08500681
0,22992876 -0,02201854
-0,7 -0,33904694 -1,18076924
0,15882583 -0,00340757
1,23300293
-0,7 -0,36050169
-1,202224
0,14295845 -0,00017027
1,60588135
-0,7 -0,36169271 -1,20341502
0,14207845 -5,2405E-07
1,93016356
-0,71
0 -1,20341502
0,14207845 -0,01000052
-0,71 -0,07038734 -1,27380235
0,09025931 -0,00182599
-0,71 -0,09061782 -1,29403284
0,07544379 -0,00014993
1,46997863
-0,71 -0,09260511 -1,29602012
0,07399056 -1,4441E-06
1,85728841
-0,71 -0,09262462 -1,29603964
0,07397629 -1,3925E-10
1,99166208
-0,71 -0,09262462 -1,29603964
0,07397629 -4,4409E-16
1,3686783
-0,71 -0,09262462 -1,29603964
0,07397629 -8,8818E-16 -0,05476934
-0,72
0,07397629
-0,01
-0,72 -0,13517844 -1,43121809 -0,02379526
-0,0066341
-0,72
0 -1,29603964 0,14362066 -1,15241898
-0,72 -0,01323561 -1,30927525
0,17983348 -0,02820801 -3,52708527 0,06430777 -0,00908488
-0,7827879
-0,72 -0,15450753 -1,45054718 -0,03757155 -0,00722727
0,20189861
-0,72
0,03785274 -1,25818691
0,10172079 -0,01332489 -2,67441291
46
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
-0,8 -0,7 -0,6
Kraft
-0,5 Iteration
-0,4
äußere Last innere Kraft
-0,3 -0,2 -0,1 0
-0,5
-1
-1,5
-2
0 Verschiebung
Abb. 2-15 Iterationsverlauf im Newton-Raphson-Verfahren für die mitdrehende Formulierung
Die zu Kap. 2.3.4 unterschiedlichen Ergebnisse sind u.A. dadurch zu erklären, dass Dehnungen verwandt wurden, die sich schon eindimensional unterscheiden, also bei gleichen Längenänderungen unterschiedliche Werte ergeben. Betrachtet man den letzten konvergierten Zustand in Tab. 2-2, so ist die äußere Kraft und wegen Gleichgewichts die innere Kraft (2.162) f int = −0,71 und die globale Verschiebung (2.163) v2g = −1,2960 Für den Zweibock mit Green’schen Verzerrungen folgen daraus nach (2.100) die Verschiebungskomponenten im Elementsystem e
sin α 0 g 0,6 u − 0,7776 v 2 = (−1,2960) = (2.164) 2 = 0,8 − 1,0368 v2 cos α 0
Die Ableitungen nach der lokalen x-Koordinate sind gemäß (2.101)
2.3 Große Drehungen (Rotationen) (2.165) u ' =
47
1 1 (−0,7776) = −0,1555 , v ' = ( −1,0368) = −0,2074 5 5
Die Green-Langrange-Dehnung ist mit (2.59) (2.166) ε GL = u '+ 1 u '2 + 1 v'2 = −0,1219 2
2
und die Spannung, nach (2.104) rückgerechnet aus der inneren Kraft (2.167) σ =
f int −0,71 = = −20,83 A ⋅ (s (1 + u ' ) + cv') 0,1 ⋅ (0,6 ⋅ (1 − 0,1555) + 0,8 ⋅ (−0,2074) )
Damit also diese Spannungs-Dehnungs-Beziehung gilt, müsste der E-Modul (2.168) E mod =
σ −20,83 = = 170,87 ε − 0,1219
betragen. Rechnet man nun die letzte konvergierte Lösung mit Green-Lagrange-Dehnungen, fext=0,58, für den neuen E-Modul hoch, ergibt sich ext = 0,58 * (2.169) f mod
170,87 = 0,714 138,89
und damit die gleiche aufnehmbare Last wie bei der mitdrehenden Formulierung. Nun ist der Elastizitätsmodul ein Materialparameter und es erscheint fraglich, ob dieser für eine andere Theorie großer Drehungen geändert werden darf. Ihm liegt aber die Messung einer Kraft-Weg-Beziehung zugrunde, aus der ein bestimmtes Dehnungs- und ein bestimmtes Spannungsmaß berechnet wurden (so genannte Ingenieurmaße). Diese werden in der mitdrehenden Formulierung direkt verwandt. Nach (2.140) ergibt sich dort im betrachteten Zustand (2.170) ε = −0,1304
Green-Lagrange-Dehnungen sind anders definiert. Die eindimensionale Beziehung (2.66) liefert (2.171) ε GL = −0,1304 + 12 ( −0,1304) 2 = −0,1219 wie in (2.166). Es handelt sich um eine nichtlineare Beziehung zwischen Dehnung und Verschiebung, sodass eine lineare Kraft-Weg-Beziehung nur durch einen variablen E-Modul abgebildet werden kann. Tatsächlich gilt das Hooke’sche Gesetz für solch große Dehnungen aber nicht. Auch bei den Spannungen gibt es Unterschiede. Für die mitdrehende Formulierung erhält man nach den (2.161) folgenden Formeln (2.172) l = 4 2 + (3 − 1,2960) 2 = 4,3478
48
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
(2.173) cos α =
4 3 − 1,2960 = 0,9200 , sin α = = 0,3919 4,3478 4,3478
(2.174) σ = 138,889 / 5 ⋅ (4 ⋅ 0,9200 + (3 − 1,2960) ⋅ 0,3919 − 5) = −18,12 Dies ist die Ingenieurspannung, die aus den deformatorischen Verschiebungen berechnet wird. Die Spannung (2.167) hingegen ist die 2. Piola-Kirchhoff-Spannung (vgl. Kap. 2.4.2).
2.3.5.1 Bestimmung des Elementkoordinatensystems Im Zweidimensionalen kann die Orientierung eines Elementes bereits durch den Abstandsvektor zweier Knoten in ihrer aktuellen Lage, d.h. unter Einschluss der Verschiebungen, bestimmt werden, wie im Beispiel zu sehen. Im Dreidimensionalen benötigt man drei Orientierungsvektoren, z.B. •
den Abstandsvektor 1 von zwei Knoten
•
den Abstandsvektor 2* vom ersten zu einem dritten Knoten
•
das Vektorprodukt 3 = 1 × *2
•
das Vektorprodukt 2 = 3 × 1 , damit eine rechtwinklige Basis entsteht.
Gemäß dem isoparametrischen Kozept, wonach jeder Einheitskoordinate {, , } durch die Ansatzfunktionen wahre Koordinaten {x,y,z} zugeordnet sind, kann auch gewählt werden: ' ∂x ∂y ∂z $ ' ∂x ∂y ∂z $ (2.175) 1 = & , , # und *2 = & , , # % ∂ξ ∂ξ ∂ξ " % ∂η ∂η ∂η "
Das sind Tangenten an die Einheitskoordinatenlinien. Sie können auch an verschiedenen Punkten im Element (Integrationspunkten) bestimmt werden. Die Projektionen jedes aus den i bestimmten Einheitsvektors auf die globalen Koordinatenachsen – die Komponenten der Einheitsvektoren im globalen System – ergeben die Transformationsmatrix T. Eine andere Technik basiert auf der polaren Zerlegung des Deformationsgradienten F (s. Kap. 2.3.1.2): (2.176) F T F = U T R T RU = U 2 Dann ist
( )
(2.177) U −1 = F T F
−
1 2
was z.B.nach dem Theorem von Cayley-Hamilton berechnet werden kann. Damit kann die Rotationsmatrix als (2.178) R = RUU
−1
= FU
−1
( ) T
=FF F
−
1 2
2.4 Große Dehnungen
49
berechnet werden. R wird als Transformationsmatrix T verwendet. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Rotationsmatrix an jedem Integrationspunkt bestimmt werden kann, sodass Biegung oder gekrümmte Elemente berücksichtigt werden können. Deshalb weist diese Methode eine höhere Genauigkeit auf und ist für Elemente von höherem Ansatzgrad geeignet.
2.4 Große Dehnungen 2.4.1
Eindimensionale Betrachtungen
Ingenieurdehnungen werden aus Längenänderungen im Verhältnis zu der Ausgangslänge l0 berechnet. Dieses Maß ist jedoch nicht für jede in technischen Anwendungen vorkommende Größenordung von Dehnungen geeignet, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. a)
l0= L
b)
ΔL ΔL
l0= 2L
c)
l0= L
Δl0= L
Δε = ?
ΔL
Abb. 2-16 Zur Einführung logarithmischer Dehnungen
In Abb. 2-16 werden drei Fälle gezeigt, für die die Dehnung – zuerst die Ingenieurdehnung – bestimmt werden soll. In Fall a) ist dies (2.179) ε Ing =
Δl ΔL = l0 L
in Fall b) (2.180) ε Ing =
ΔL 2L
weil die Ausgangslänge zweimal so groß ist. Im Fall c) wird der Probestab im ersten Schritt auf die doppelte Länge und dann weiter um L deformiert. Nach der Definition der Ingenieurdehnungen ist das Inkrement (2.181) Δε Ing =
ΔL L
d.h. vergleichbar zu Fall a), weil die Ausgangslänge L ist. Sinnvoller wäre jedoch das gleiche Resultat wie in Fall b), weil die Längen vor dieser Deformation gleich sind. Dazu müsste die aktuelle, die deformierte, Länge l herangezogen werden:
50
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
(2.182) Δε =
Δl ΔL = l 2L
Das führt zu folgendem prinzipiellen Vorgehen: (2.183) ε = Δε =
Δl l
Ausgedrückt durch infinitesimal kleine Inkremente erhält man: l
(2.184) ε =
dε =
l0
l
l = ln l − ln l = ln l 0 l 0
l dl = [ln l ]l0 1
l0
Diese Dehnungen werden logarithmische Dehnungen genannt. Der so genannte Umformgrad stellt den negativen Wert da, damit Stauchungen positiv werden. Um einen besseren Vergleich mit den Ingenieurdehnungen zu ermöglichen, wird umgeformt:
l (2.185) ε log = ln l0
(
Δl
l + Δl
= ln1 + = ln 0 l l 0 0
(2.186) ε log = ln 1 + ε Ing
)
Die logarithmischen Dehnungen heißen – insbesondere im Mehrdimensionalen – auch Hencky-Dehnungen (vgl. 2.4.3). In Tab. 2-3 und Abb. 2-17 werden die verschiedenen Dehnungsmaße miteinander verglichen. 2 1 Ingenieur-
0
Green-Lagrangelogarithmische Dehnung
-1 -2 -3 -1,5
-1
-0,5
0
0,5
1
Abb. 2-17 Grafischer Vergleich verschiedener Dehnungsmaße
1,5
2.4 Große Dehnungen
51
Tab. 2-3 Vergleich verschiedener Dehnungsmaße
Ingenieur-Dehnung Green-Lagrange-Dehnung logarithmische Dehnung -1
-0,5000
-
-0,99
-0,5000
-4,6052
-0,5
-0,3750
-0,6931
-0,3
-0,2550
-0,3567
-0,1
-0,0950
-0,1054
-0,05
-0,0488
-0,0513
-0,03
-0,0296
-0,0305
-0,01
-0,0100
-0,0101
-0,001
-0,0010
-0,0010
0
0,0000
0,0000
0,001
0,0010
0,0010
0,01
0,0101
0,0100
0,03
0,0305
0,0296
0,05
0,0513
0,0488
0,1
0,1050
0,0953
0,3
0,3450
0,2624
0,5
0,6250
0,4055
1
1,5000
0,6931
Die Werte der Green-Lagrange-Dehnungen erscheinen nicht besonders sinnvoll; schließlich sind sie auch für große Rotationen, nicht für große Dehnungen gemacht. Die logarithmischen Dehnungen zeigen ein stark unterschiedliches Verhalten für Zug und Druck. Bemerkenswert ist, dass für die Ingenieurdehnung –1 die logarithmische Dehnung gegen - geht. Ingenieurdehnung –1 heißt aber auch l = -l0 und bedeutet damit, dass das betreffende Teil auf die Länge 0 zusammengedrückt wird. Das ist die maximal vorstellbare Druckdeformation, sodass der zugeordnete Dehnungswert - sinnvoll erscheint.
2.4.2
Zugehörige Spannungen
In den beiden Fachwerkbeispielen mit unterschiedlichen Formulierungen (Kap. 2.3.4 und 2.3.5) ergaben sich trotz qualitativ ähnlichen Verhaltens unterschiedliche Kraft-WegBeziehungen mit unterschiedlicher Maximallast, weil bei unterschiedlichen Dehnungsmaßen die gleiche Spannungs-Dehnungs- und Spannungs-Kraft-Beziehung verwandt worden war. Dies wurde für das Zweibock-Beispiel am Ende von Kap. 2.3.5 aufgeklärt. Es ist schon nicht wahrscheinlich, dass das Hooke’sche Gesetz im gesamten Bereich der Deformation gilt, aber auch die Spannungen können – und müssen – unterschiedlich aus
52
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Kräften und Querschnitt bestimmt werden, und zwar passend zu dem verwendeten Dehnungsmaß (so genannte konjugierte Spannungen). Basis ist die Beziehung (2.81):
f int =
B
T
dV
(V )
fint stellt die Knotenkräfte dar. Da B die Ableitung von nach den Knotenverschiebungen ist, ergibt sich für jedes Dehnungsmaß eine andere Beziehung zwischen Kraft und Spannungen. Im Eindimensionalen wird aus (2.81) (2.187) f int =
B
T
Adx
(l )
bei konstanter Dehnung und Spannung über die Elementlänge (2.188) f int = B T Al und bei nur einem Freiheitsgrad u (der andere sei gehalten) (2.189) f int = F =
dε Al du
Diese Formel wird nun nach aufgelöst: (2.190) =
F dε Al du
wobei für kleine Dehnungen die unverformte Fläche A0 und die unverformte Länge l0 einzusetzen sind. Die eindimensionale Berechnung ist besonders wichtig, weil sie oft Grundlage für die Bestimmung der Materialparameter aus Versuchen ist. Zur Ingenieurdehnung kennen wir die Ingenieurspannungen, im Eindimensionalen: (2.191) σ Ing =
F A0
Diese Definition ist geläufig. Trotzdem wird versuchsweise (2.190) angewandt. Die Längenänderung ist hier u, die Dehnung und ihre Ableitung folglich (2.192) ε =
(2.193) σ =
u l0
F 1 A0 l 0 l0
dε 1 , also = du l 0 =
F A0
2.4 Große Dehnungen
53
Die Ingenieurspannung gilt auch in der Grundform der mitdrehenden Formulierung, natürlich im mitgedrehten Koordinatensystem, wo ja die deformatorische Verschiebung ermittelt wird, aus der wiederum die Ingenieurdehnung berechnet wird. Zur Probe dienen die Ergebnisse für den Zweibock in Kap. 2.3.5. Für den letzten konvergierten Zustand erhielt man fint=-0,71, sin=0,3919 und =-18,12. Die Stabkraft F ergibt sich aus der inneren Kraft im globalen System als (2.194) F =
f int f 1 −0,71 F σ = = int = = −18,12 sin α A0 sin α A0 0,3919 ⋅ 0,1
Zu den Green-Lagrange-Dehnungen gehören die zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungen. Im Eindimensionalen lautet die Dehnung nach (2.56) in Verbindung mit (2.58) und ihre Ableitung: (2.195) ε GL =
1 l 2 − l 02 1 (l 0 + u ) 2 − l 02 = 2 l 02 2 l 02
dε 1 2(l 0 + u ) l = = 2 du 2 l0 l 02
Dann ist die zugeordnete Spannung nach (2.190)
σ PK =
F A0 l 0
(2.196) =
l l 02
l F l0 = σ Ing 0 A0 l l
Ihre physikalische Deutung ist ebenso begrenzt wie die dieser Dehnungen. Probe: Beim Zweibock wurde am Ende von Kap. 2.3.5 für den letzten konvergierten Zustand die verformte Länge l=4,3478 und zum Vergleich für die Spannung im Rahmen der Theorie der Green-Lagrange-Dehnungen durch Umstellung von (2.188) in der Form (2.104) =-20,83 berechnet. Durch Anwendung von (2.196) erhält man nun (2.197) σ PK = −18,12
5 = −20,83 4,3478
Die logarithmischen Dehnungen werden als Maß für große Verzerrungen verwandt. Dabei muss das Volumen des verformten Körpers, mithin in (2.190) die verformte Querschnittsfläche A und die verformte Länge l betrachtet werden. Die Ableitung der Verzerrung ist (2.198)
dε log d l ln = du du l 0
d 1 l0 1 1 1 = du ln l (l 0 + u ) = l + u l = l + u = l 0 0 0 0
Setzt man nun in (2.190) ein, erhält man
54 (2.199) σ =
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
F F = 1 A Al l
Das geeignete Maß zur logarithmischen Dehnung, bei der die Längenänderung auf die verformte Länge bezogen ist, ist also die so genannte „wahre“ Spannung, die Kraft geteilt durch die deformierte Fläche, in 1d: (2.200) σ wahr =
F A
Diese Spannungen werden, insbesondere im Mehrdimensionalen, Cauchy-Spannungen genannt. Ein einachsiger Spannungszustand erzeugt gewöhnlich einen dreiachsigen Dehnungszustand. Daraus kann die deformierte Fläche berechnet werden. Als Teil des Hooke’schen Gesetzes gilt für einen einachsigen Spannungszustand: (2.201) ε y = ε z = −νε x Gleichzeitig gilt gemäß (2.185)
∂u
(2.202) ε x = ln1 + x ∂x
Diese Beziehung gilt sinngemäß auch in der Querrichtung:
∂u y
(2.203) ε y = ln1 + ∂y
In (2.201) eingesetzt bedeutet das:
∂u y (2.204) ln1 + ∂y
∂u = −ν ln 1 + x ∂x
∂u
= ln 1 + x ∂x
−ν
Anwendung der Exponentialfunktion auf beide Seiten:
∂u y (2.205) 1 + ∂y
∂u x = 1 + ∂x
−ν
Dieses Zwischenergebnis führt auf den folgenden Effekt: Wenn ein Würfel mit der Kantenlänge l um l gestreckt wird, erhält man für = 0,3 als Längenänderung in Querrichtung:
2.4 Große Dehnungen
1+
(2.206)
Δl y
l Δl y l
55
= 1 + l l = 1 + l l
−0 , 3 − 0, 3
−1
− 0,3 Δl y = 1 + l − 1 l = −0,1877l l
während bei Ingenieurdehnungen das Ergebnis -0,3l wäre. Wichtiger aber ist, dass die Querschnittsfläche des deformierten Systems −2ν
∂u y
∂u z
∂u x
1 + (2.207) A = A0 1 + = + A 1 0 ∂z ∂y ∂x
ist, das heißt (2.208) σ Cauchy =
F F 1 = 2 ν − A0 A0 ∂u
1 + x ∂x
∂u
1 + x ∂x
2ν
Das Hooke’sche Gesetz gilt normalerweise nicht in dem Bereich, in dem deutliche Unterschiede zwischen den Dehnungsmaßen auftreten. Wichtiger ist z.B. Plastizität von Metallen, wo vorausgesetzt werden kann, dass
•
die plastischen Dehnungen überwiegen und
•
die plastischen Dehnungen inkompressibel sind.
Letzteres träte auch bei einer Querkontraktionszahl = 0,5 auf, woraus folgt: (2.209) σ Cauchy =
F A0
∂u x 1 + ∂x
(
(2.210) σ Cauchy = σ Ing 1 + ε xIng
2⋅0,5
=
F A0
∂u x 1 + ∂x
)
Wenn ein FE-Programm große Dehnungen verwendet, müssen gemessene Fließkurven (gewöhnlich Ingenieurmaße) über (2.186) und (2.210) in logarithmische Dehnungen und wahre Spannungen umgerechnet werden.
Tab. 2-4 und Abb. 2-18 zeigen Spannungs-Dehnungs-Daten für eine bestimmte Stahlsorte. Man kann sehen, dass sich die Spannungen mehr als die Dehnungen unterscheiden. Darüber hinaus zeigen die Cauchy-Spannungen auch noch Verfestigung, wo die Ingenieurdehnung Entfestigung zeigt. Letzteres ist physikalisch nicht der Fall, sondern auf den Unterschied zwischen aktueller und Ausgangsfläche zurückzuführen.
56
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Tab. 2-4 Vergleich von Dehnungs- und Spannungsmaßen
Punkt
Ing
1
Ing
log
Cauchy
0,00168
348 0,00167859
348,58464
2
0,0386
348 0,03787365
361,4328
3
0,04
371 0,03922071
385,84
4
0,072
428 0,06952606
458,816
5
0,101
455 0,09621886
500,955
6
0,143
467 0,13365638
533,781
7
0,192
471 0,17563257
561,432
8
0,272
463 0,24059046
588,936
700 600
Spannung
500 400
Ingen ieurC au c hy-S pannu ng
300 200 100 0 0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,2 5
0,3
D ehnung
Abb. 2-18 Vergleich von Dehnungs- und Spannungsmaßen
2.4.3
Übergang ins Zwei- und Dreidimensionale
Da es wahrscheinlich ist, dass große Dehnungen in Kombination mit großen Drehungen auftreten, müssen beide Phänomene in derselben Theorie berücksichtigt werden. Dazu gibt es verschiedene Wege. Einer ist, basierend auf der Beziehung zwischen logarithmischen und Ingenieurdehnungen in 1d (2.186), die Ingenieurdehnungen durch ein Maß für große Rotationen zu ersetzen, hier durch die Green-Lagrange-Dehnungen:
2.4 Große Dehnungen
57
l
l
ε log = ln = ln l 0 (2.211) l0
ε log =
(
1 ln 1 + 2ε GL 2
)
1 22
=
1 l 2 ln 2 l 02
1 l 2 − l 02 l 02 1 l 2 − l 02 = ln + 1 + = ln 2 l2 l 02 2 l 02 0
In 3d nennt man das auf diese Weise definierte Dehnungsmaß Hencky-Dehnungen: (2.212) Hencky =
(
1 ln I + 2 GL 2
)
worin I die Einheitsmatrix bedeutet. Man kann sofort sehen, dass dieses Maß für große Rotationen geeignet ist, weil die GreenLagrange-Dehnungen für beliebige Starrkörperrotationen null werden, sodass man (2.213) Hencky =
1 ln(I ) = 0 2
erhält. Die verbleibende Frage ist, wie der Logarithmus einer Matrix zu bestimmen ist. Er ist mathematisch folgendermaßen definiert: Eine symmetrische Matrix A kann durch eine Matrix Q, die die normierten Eigenvektoren von A enthält, und die Diagonalmatrix (2.214) = diag [λi ] ihrer Eigenwerte dargestellt werden: (2.215) A = Q Q T Weil dies das gesamte Spektrum der Eigenwerte abdeckt, nennt man diese Form spektrale Zerlegung. Die Funktion einer Matrix wird nun berechnet, indem man die Funktion auf die Eigenwerte anwendet, aus den Ergebnissen wieder eine Diagonalmatrix bildet und diese von beiden Seiten mit den Eigenvektoren multipliziert: (2.216) f ( A ) = Q diag [ f (λi )] Q T Die Methode ist recht aufwändig und deshalb selten in einen FE-Code implementiert, aber sie ist z.B. die Basis für die Elemente VISCO106 bis 108 in ANSYS. Für die zweite Methode muss man sich an die inkrementelle Form der logarithmischen Dehnungen (2.183) erinnern. Das Dehnungsinkrement wird wie die Ingenieurdehnung berechnet, aber mit Bezug auf eine deformierte Referenzkonfiguration. Den Starrkörperdrehungen kann man in der gleichen Weise Rechnung tragen wie für kleine Dehnungen, nämlich durch die mitdrehende Formulierung. Das so erzeugte Dehnungsinkrement heißt Green-Naghdi-Rate. Die Definition von logarithmischen Dehnungen mit ihrem Bezug auf die aktuelle Konfiguration erfordert es, die Jacobi-Matrix J, die die Beziehung zwischen den Ableitungen nach den
58
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Einheits- und nach den wahren Koordinaten herstellt und deren Determinante bei der Integration benötigt wird, auf der Basis der verformten Konfiguration x0 + u zu berechnen, bei der mitgehenden Formulierung im gedrehten Koordinatensystem. Für den Einfluss der Netzform auf die Güte der Lösung ist damit ebenfalls die verformte Konfiguration und nicht die Ausgangsgeometrie maßgebend.
2.4.4
Hencky-Dehnungen in Symbolen der Kontinuumsmechanik
Gl. (2.185) folgend kann die eindimensionale logarithmische Dehnung infinitesimal als
dx
(2.217) ε log = ln dx 0
geschrieben werden. Mit den Betrachtungen aus Kap. 2.3.1.2 erhält man für den dreidimensionalen Fall 1 1 Hencky = ln F T F 2 = ln U 2 2
( )
2.4.5
( )
Klassische Updated-Lagrange-Formulierung
Lagrange-Formulierung bedeutet – im Gegensatz zur Euler’schen Betrachtungsweise, die in der Strömungsmechanik vorherrscht –, dass die Bewegung eines materiellen Punktes verfolgt wird. Wenn die Kinematik eines Systems vollständig aus der Ausgangskonfiguration beschrieben wird, nennt man das Total-Lagrange’sche Formulierung. Ein einfacher, aber weniger genauer Weg, große Rotationen und – mehr oder weniger als Nebenffekt – große Dehnungen zu erfassen,ist der folgende:
•
führe eine geometrisch lineare Berechnung für ein Lastinkrement durch, das nur kleine Verdrehungen hervorruft
•
addiere die Verschiebungen zu den Anfangskoordinaten um neue Koordinaten zu erhalten
•
bringe ein neues Lastinkrement auf
•
summiere die Dehnungs- und Spannungsinkremente.
In der Terminologie der Zeitintegration ist das eine explizite Methode, die einen größeren Fehler oder sogar numerische Instabilität zeigen kann, wenn das Inkrement zu groß gewählt wird.
Beispiel Die Steifigkeitsmatrix eines um einen Winkel aus der Horizontalen gedrehten Stabelementes lautet mit den Abkürzungen c:
cos
s:
sin :
und
2.4 Große Dehnungen
59
c2 EA cs (2.218) K = T T K elem T = l − c 2 − cs
− cs
− c2 − cs c2
− s2
cs
cs s2
− cs − s2 cs s 2
Seien u = 0 und ε = 0 Anfangswerte von Verschiebungen und Dehnung. Im ersten Lastinkrement können die Verschiebungen im globalen System durch Lösen von (2.219) KΔu = f ext berechnet werden. Die Verschiebung wird aufsummiert: (2.220) u ← u + Δu Nun kann eine neue Transformationsmatrix bestimmt werden: (2.221) T1 = T(x 0 + u) Das Verschiebungsinkrement im Elementkoordinatensystem lautet: (2.222) Δu e = T1Δu Die Dehnung kann dann aufsummiert werden zu (2.223) ε ← ε + B lin Δu e Daraus ergibt sich die Spannung als: (2.224) σ = Eε Damit lauten die inneren Kräfte:
(2.225) f int
c s T T σ V = T1 B lin = 0 0
0 0 1 [− 1 1]σV c l s
Unter der Voraussetzung eines konstant bleibenden Volumens bei großen Dehnungen erhält man:
(2.226) f int
c s = 0 0
0 − c − s 0 1 l [ − 1 1]σA0 l 0 = σA0 0 c c l l s s
60
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
In dieser Position wird ein neues Lastinkrement aufgebracht, das zu einer neuen äußeren Last fext führt. Das nächste Verschiebungsinkrement wird nun durch Lösen von (2.227) KΔu = f ext − f int berechnet und die Prozedur beginnt wieder mit Gl. (2.220 ). Was für den Zweibock benötigt wird, ist schon in den vorigen Kapiteln aufgelistet. Einige Größen werden hier wiederholt: (2.228) l = 4 2 + (3 + v2 ) 2 (2.229) c = cos α =
3 + v2 4 , s = sin α = l l
Mit diesen Größen kann die Steifigkeitsmatrix K gebildet werden. Für das Beispiel wird nur (2.230) k 44 =
EA 2 s l
benötigt. Die Verschiebung auf Elementebene hat nur eine Komponente: (2.231) Δu e 2 = sΔv2 (2.232) ε + Δε = ε +
Δu e2 l
(2.233) σ = Eε (2.234) f int = sσA0
l0 l
Die Ergebnisse, insbesondere die Maximallast, hängen stark von der Schrittweite ab (jedes Symbol ein Schritt), wie in Abb. 2-19 zusammen mit ANSYS-LINK180-Ergebnissen (mit mitdrehender Formulierung für große Dehnungen) gezeigt wird.
2.4 Große Dehnungen
61
0 -0,2 -0,4
Kraft
-0,6
adaptive Schrittweite Schrittweite 0,01
-0,8
Schrittweite 0,1 ANSYS 180 11 Schritte
-1 -1,2 -1,4 -1,6 -10
-8
-6
-4
-2
0
Verschiebung
Abb. 2-19 Verhalten der klassischen Updated-Lagrange-Näherung
Man kann sehen, dass eine zu große Schrittweite zu großen Fehlern in den Resultaten führt, wenn das Verhalten stark nichtlinear wird. Die Nichtlinearität kann in den inneren und äußeren Kräften festgestellt werden, weil die innere Kraft in Konfiguration i+1 nicht exakt mit der äußeren der vorherigen Konfiguration (i) übereinstimmt. Eine kleine Differenz verbleibt, die die rechte Seite von (2.185) vergrößert. Deshalb wurde für die mit „adaptive Schrittweite“ markierte Kurve die äußere Kraft so gewählt, dass dieser Fehler auf einen bestimmten Bruchteil der äußeren Last beschränkt bleibt: ext (2.235) f iext − f iint +1 = c f i
Ist das nicht der Fall, wird das letzte Lastinkrement so skaliert, dass das nächste Ergebnis im gewünschten Bereich liegt: ext (2.236) Δfiext +1 = Δfi
c fiext fiext − fiint +1
Mit c = 0,01 wird das in Abb. 2-19 gezeigte Ergebnis mit deutlich weniger Schritten als mit Schrittweite 0,01, aber mit größerer Genauigkeit erreicht. Heutzutage wird der Begriff „updated Lagrange“ gern auch für andere inkrementelle Verfahren benutzt, die nicht auf der Basis der Ausgangskonfiguration formuliert sind. Diese können von hoher Genauigkeit sein.
62
2.4.6
2 Geometrisch nichtlineares Verhalten
Logarithmische Dehnungen und mitdrehende Formulierung
Weil die mitdrehende (co-rotational) Formulierung große Rotationen erfasst, muss für große, also logarithmische Dehnungen nur eine sich inkrementell ändernde Bezugskonfiguration hinzugefügt werden. Dehnungen werden ohnehin im gedrehten System berechnet, nun eben Dehnungsinkremente. Die sich ändernden Bezugslängen können aus den deformatorischen Verschiebungen udef berechnet werden. Bei der Bildung von Ableitungen wird die Elementgeometrie im Allgemeinen durch die Inverse der Jacobi-Matrix J berücksichtigt. Bei der mitdrehenden Formulierung mit kleinen Dehnungen wird J aus den Koordinaten der Ausgangskonfiguration gebildet, für große Dehnungen werden die Koordinaten einer mit den deformatorischen Verschiebungen aktualisierten Referenzkonfiguration herangezogen. Für eine höhere Genauigkeit und Stabilität verwendet man dabei gern ein implizites Verfahren, z.B. die Mittelpunktsregel, d.h. die Referenzkonfiguration liegt in der Mitte zwischen dem Anfang und dem Ende des Lastinkrementes, wobei das Ende erst noch berechnet werden soll (deshalb implizit). Desgleichen wird im Dreidimensionalen die sich daraus ergebende Jacobi-Determinante detJ für die Integration verwandt. Im Ein- und Zweidimensionalen muss sichergestellt werden, dass das richtige Volumen berechnet wird. Dieses hängt grundsätzlich vom verwendeten Materialgesetz ab. Bei Von-Mises-Plastizität (s. Kap. 8) und dominierenden plastischen Dehnungen wird von einem konstanten Volumen ausgegangen, in 1d: (2.237) V = Al = A0 l0 Das Dehnungsinkrement lautet dann für den Stab: (2.238) Δε = B lin (l Ref )Δu def =
1 l Ref
[− 1 1][T(u i +1 )(x 0 + u i +1 ) − T(u i )(x 0 + u i )]
(2.239) ε i +1 = ε i + Δε Bei Verwendung der Mittelpunktsregel ist die Bezugslänge (2.240) l Ref =
li +1 + li 2
Zum Vergleich mit der Formulierung für kleine Dehnungen wird (2.241) B lin (l Ref ) =
(2.242) ε i +1 = ε i +
l0 l Ref
B lin =
2l0 2l0 B lin = B lin l i +1 + l i l (u i +1 ) + li
2l0 B lin [T(u i +1 )(x 0 + u i +1 ) − T(u i )(x 0 + u i )] l (u i +1 ) + li
Δε small
geschrieben. Alle Terme mit Index i sind konstant während des aktuellen Lastinkrementes und müssen daher nicht abgeleitet werden. Deshalb ist die Ableitung von small nach dem
2.4 Große Dehnungen
63
Verschiebungsvektor u die Gesamt-B-Matrix für kleine Dehnungen (2.125). Für große Dehnungen lautet sie damit: B large =
(2.243) =
∂li +1 2l 0 2l 0 Δε small B small − 2 ∂ li +1 + li u (li+1 + li ) l0 l ref
B small −
l0 2 2l ref
∂li +1 Δε small ∂u
Analog kann die für K benötigte Ableitung von Blarge, die zweite Ableitung von , gebildet werden. Im allgemeinen, zwei- oder dreimensionalen Fall werden Ableitungen der Jacobi-Matrix benötigt, alle anderen Terme sind aus der Formulierung für kleine Dehnungen bekannt.
3 Stabilitätsprobleme 3.1 Phänomene Ein Balken wird in seiner Längsrichtung durch eine Druckkraft belastet. Die Last wird erhöht. Plötzlich weicht der Stab zur Seite, quer zur Achse, aus: er knickt.
Abb. 3-1 Knicken eines Balkens, dritter Eulerfall
Andere Instabilitätsphänomene eines Balkens sind Verdrehen unter einer Druckkraft (Drillknicken) und Verdrehen bzw. Ausweichen des Druckgurtes unter einer Biegebeanspruchung (Kippen) sowie Kombinationen (Biegdrillknicken). Ein ähnlicher Effekt kann bei einer in der Ebene belasteten Platte auftreten, nämlich Ausweichen senkrecht zur Ebene. Man spricht hier von Beulen.
Abb. 3-2 Plattenbeulen
Diese Phänomene haben gemein, dass die Verschiebungen senkrecht zur Lastrichtung auftreten. Ab jetzt wird wegen der Gleichheit der numerischen Behandlung nur noch von Beulen gesprochen. Am idealen, nicht ausgebeulten System ist Gleichgewicht theoretisch weiterhin möglich. Eine minimale Störung, die praktisch immer vorhanden ist, löst jedoch die Querverformung ab einem bestimmten Lastniveau aus. Wegen der zwei Gleichgewichtspfade (ideal und gebeult) spricht man von einem Verzweigungsproblem (Abb. 3-3).
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_3, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.1 Phänomene
65
F Vorbeulbereich
Nachbeulbereich instabiles Gleichgewicht Verzweigungspunkt sek (evtl. dynamisches Durchschlagen) un dä rer As t
pri mä rer (Fu As nda t me nta lve rla
uf)
Fkr
u
Abb. 3-3 Last-Verschiebungs-Diagramm eines Verzweigungsproblems
Im Falle des Zweibocks aus Abb. 2-9 beginnt die Verschiebung nahezu proportional zur Last, nimmt aber später immer schneller zu, bis die Last gar nicht mehr gesteigert werden kann. An dieser Stelle befindet sich der Lastangriffspunkt noch oberhalb der Verbindungslinie der Fußpunkte (Abb. 3-4). In einem kraftgesteuerten Versuch wird das System plötzlich nachgeben und – vorausgesetzt, dass es nicht zerstört wird – erst wieder ein Gleichgewicht erreichen, wenn sich die bisherige Spitze unten befindet. Wie bei den Verzweigungsproblemen tritt das Systemversagen auf, wenn eine kritische Last überschritten wird. Dieser Instabilitätstyp heißt Durchschlagproblem. Durchschlagen muss nicht Systemversagen bedeuten, sondern kann auch erwünscht sein, etwa bei Schaltern. Gemeinsames Charakteristikum dieser beiden Phänomene ist, dass es einen Punkt gibt, an dem zwei benachbarte Gleichgewichtszustände zum selben Lastniveau, aber leicht bzw. infinitesimal benachbarten Verschiebungszuständen existieren und so ein Übergang von einem Zustand zum anderen ohne Laständerung erfolgen kann. Verzweigungsprobleme werden durch das nachkritische Verhalten unterschieden (Abb. 3-5). Wenn eine Laststeigerung, und sei es nur eine kleine, nach der Verzweigung möglich ist, wird das nachkritische Verhalten stabil oder gutartig genannt, sonst instabil oder bösartig. Letzteres ist besonders gefährlich, weil das Lastniveau bei der Verzweigung nicht gehalten werden kann, was ein plötzliches völliges Zusammenbrechen zur Folge haben kann. Deshalb muss ein größerer Sicherheitsfaktor gewählt werden.
66
3 Stabilitätsprobleme
vorkritischer Bereich
nachkritischer Bereich dynamischer Durchschlag
Last Durchschlagpunkt
instabiler Pfad
Verschiebung
Abb. 3-4 Durchschlagproblem: Verformungszustände, Reaktionskräfte und Last-Verschiebungs-Kurve
Durchschlagen
Verzweigen asymmetrisch
symmetrisch stabil
F
F
u
instabil
F
u
F
u
u
Abb. 3-5 Klassifizierung von Instabilitätsphänomenen nach Koiter (instabile Äste gestrichelt)
Das nachkritische Verhalten kann von der Richtung des Ausweichens abhängen: stabil in der einen, instabil in der anderen Richtung. Dann spricht man von asymmetrischem Verzweigen. Selbst wenn das nachkritische Verhalten als stabil klassifiziert wird, können so große Verschiebungen auftreten, dass die Gebrauchsfähigkeit des Systems überschritten ist. Vor dem kritischen Punkt ist das Verhalten jedoch stabil, selbst wenn eine gewisse Imperfektion (s. Kap. 3.4) schon zu etwas Biegung führt. Deshalb kann es sinnvoll sein, einen Sicherheitsabstand des Gebrauchszustandes gegenüber der idealen kritischen Last zu bestimmen.
3.1 Phänomene
67
Wenn das nachkritische Verhalten instabil ist, wird Biegung oder eine Imperfektion die maximal aufnehmbare Last deutlich reduzieren, sodass die ideale kritische Last nur von geringer Aussagekraft ist. Es ist also besonders wichtig, Imperfektionen zu berücksichtigen. Im Last-Verschiebungs-Diagramm (Abb. 3-3) bildet die Verbindung der Gleichgewichtszustände des idealen Systems den Primärpfad, der oberhalb des Verzweigungspunktes instabil wird und daher nur theoretisch existiert. Die Gleichgewichtszustände nach Eintreten der Verzweigung bilden den Sekundärpfad. Es können jedoch weitere, sekundär genannte, Verzweigungen auftreten, wenn das System von einer Beulform in die andere springt, die man evt. auch beim direkten Verzweigen vom instabilen Teil des Primärpfades erreichen würde (Abb. 3-6).
F
u Abb. 3-6 Sekundäres Verzweigen, schematisch (links), ausgesteifte Schale (rechts)
Abb. 3-7 Halbmodell des Zweibocks, verformtes System vor und nach der Verzweigung
68
3 Stabilitätsprobleme
Die Gefahr von Durchschlagen und Verzweigen kann im selben System existieren. Ein einfaches Beispiel ist wieder der Zweibock. Vor dem Durchschlagen kann ein Schenkel knicken (Abb. 3-7), wenn seine kritische Last vorher erreicht wird. Das führt außerdem zu einem früheren Durchschlagen (Abb. 3-8).
Durchschlagpunkt
Verzweigung (ausgelöst durch Imperfektion)
Abb. 3-8 Zweibock, Durchschlag- und Verzweigungsproblem
3.2 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium 3.2.1
Allgemeines
instabil
indifferent
stabil
Abb. 3-9 Gleichgewichtszustände
Das Gleichgewicht kann in instabil, indifferent und stabil klassifiziert werden. Beim stabilen Gleichgewicht führt eine Kraft zu einer Auslenkung, aber das System stellt sich nach Wegnahme der Last selbst zurück; im Falle eines instabilen Gleichgewichtes erfolgt keine Rückstellung nach Lastwegnahme, sondern im Gegenteil eine Zunahme der Verformung. Dazwischen liegt das indifferente Gleichgewicht, bei dem das System bei Wegnahme der Last in der ausgelenkten Lage verharrt. Am kritischen Punkt, sei es ein Durchschlag- oder Verzweigungspunkt, ist eine zumindest infinitesimale Bewegung ohne Laständerung möglich. Das bedeutet indifferentes Gleichgewicht.
3.2 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium
F
F
F
u Abb. 3-10
69
u
u
Last-Verschiebungs-Kurven für Durchschlagen (links) und Verzweigen (rechts) mit zwei benachbarten Gleichgewichtszuständen zum selben Lastniveau
Gewöhnlich wird die Verschiebung aufgrund eines Lastinkrementes im Newton-RaphsonVerfahren durch Lösen von (3.1)
K T Δuˆ = Δf
ermittelt. Am kritischen Punkt ist wegen des indifferenten Gleichgewichts jedoch f = 0, d.h. (3.2)
K T Δuˆ = 0
Dieses Gleichungssystem hat nur dann eine nicht-triviale Lösung, wenn die Tangentenmatrix KT singulär ist. Nicht-trivial bedeutet hier: Es kann zur Verschiebung zu einem Nachbarzustand kommen, ohne dass eine Laständerung vorliegt. Indikatoren für diese Eigenschaft sind: 1.
die Determinante det K T = 0
2.
wenigstens ein Eigenwert von KT ist null, wobei die Lösung von (K T − ωI ) = 0 ist oder
3.
wenigstens ein Null-Diagonalelement tritt in der nach dem Gauß-Algorithmus dreieckszerlegten Matrix auf.
oder
Diese drei Bedingungen sind gleichwertig. Es muss hinzugefügt werden, dass dies für einen konvergierten Zustand gilt. Entsprechend diesen Kriterien ist eine Lösung auf einem instabilen Ast, wenn 1.
die Determinante det K T < 0
2.
es wenigstens einen negativen Eigenwert gibt
3.
wenigstens ein negatives Hauptdiagonalelement der triangularisierten Matrix auftritt.
oder oder
Ansteigende Lasten können zu mehr negativen Eigenwerten oder Hauptdiagonalelementen führen, wobei jedes einen möglichen Verzweigungspunkt anzeigt.
70
3 Stabilitätsprobleme
Determinante Last F F t u r
Verschiebung u
Abb. 3-11 Flacher Kreisbogen, Last-Verschiebungs-Kurve und Determinante
Die Determinante (Bedingung 1) ist als Kriterium etwas problematisch:
•
Eine gerade Anzahl negativer Eigenwerte führt zu einer positiven Determinante, obwohl der aktuelle Lastpfad instabil ist (Beispiel in Abb. 3-11).
•
Der einfachste Weg, die Determinante zu berechnen, ist, nach einer GaußElimination die Hauptdiagonalelemente miteinander zu multiplizieren, d.h. Kriterium 3 kann früher ausgewertet werden.
•
Die Determinante kann eine sehr große Zahl werden, sodass 10990 eine Instabilität bedeuten kann, wenn die Determinante zuvor 101000 war.
3.2.2
Formulierungen der Instabilitätsbedingung
Wie in Kap. 2.3.3.1 gezeigt wurde, hat die Tangentensteifigkeitsmatrix mindestens 2 Anteile, die Anfangsverschiebungs- und die Anfangsspannungsmatrix: (3.3)
KT = K u + Kσ
Einige Autoren nehmen auch – sinnvoll in einem bestimmten Zusammenhang – eine Aufspaltung der Anfangsverschiebungsmatrix in den konstanten Anteil aus der linearen Theorie und einen nichtlinearen Anteil vor: (3.4)
K T = K 0 + K n + Kσ
3.2 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium
71
So können verschiedene Eigenwertprobleme formuliert werden: 1.
das oben erwähnte (K T − ωI ) = 0 , wobei der Eigenwert = 0 im kritischen Punkt wird
2.
(K u + Λ 2 K σ ) = (K 0 + K n + Λ 2 K σ ) = 0 wobei 2 = 1 im kritischen Punkt wird
3.
[K 0 + Λ3 (K n + Kσ )] = 0
wobei 3 = 1 im kritischen Punkt wird.
= 0 im ersten Fall wie auch i = 1 in den letzten beiden Fällen bedeutet, dass die Matrix in den Klammern vor KT ergibt, d.h. die Lösungen stimmen im kritischen Punkt überein. Die Entwicklung der Eigenwerte mit dem Lastniveau kann aber unterschiedlich sein (s. auch Abb. 3-12). Ein Vorteil der Formulierungen 2 und 3 ist, dass (3.5)
f * = Λ i f ext
als nächste Schätzung für die kritische Last verwendet werden kann. Dieser Wert nähert sich der kritischen Last aus der linearen Beulanalyse (Kap. 2.2.3) an, wenn die aufgebrachte Belastung gegen null geht. In allen nichtlinearen Fällen muss die Belastung allerdings inkrementell aufgebracht werden, bis eines der Instabilitätskriterien erfüllt ist. Zumindest in der Nähe der kritischen Last kann eine Extrapolation der Beziehung zwischen Eigenwert und Laststufe sinnvoll sein.
p 2 p
u r
3 p
Dicke t =16°
Last p
rϕ 2 =7 t u Verschiebung
Abb. 3-12 Entwicklung der Eigenwerte 2 und 3 für eine Kugelkappe unter Außendruck
72
3 Stabilitätsprobleme
Abb. 3-13 zeigt die Last-Verschiebungs-Kurve des Zweibocks zusammen mit der geschätzten kritischen Last f* aus dem Eigenwertproblem vom Typ 2.
unverformt Eigenwert 1 Eigenwert 0 Eigenwert 1 Æ Durchschlagpunkt
Abb. 3-13 Entwicklung des Eigenwertes 2 mit dem Lastniveau über der zugehörigen Verschiebung
Die wichtigste Anwendung dieser “begleitende Eigenwertanalyse“ genannten Vorgehensweise ist nicht, direkt die kritische Last zu bestimmen, sondern
•
zu entscheiden, ob Nichtkonvergenz auf ein physikalisches Stabilitätsproblem zurückzuführen ist ( 0 oder 1) oder numerische Gründe hat
•
zu bemerken, wenn ein Lösungszustand sich auf einem instabilen Pfad befindet ( < 0 oder < 1)
3.2.3
Modalanalyse (Eigenfrequenzanalyse) und Stabilitätsprobleme
Bekanntlich beeinflussen Vorspannungseffekte die Eigenfrequenzen eines Systems. Die besten Beispiele sind Musikinstrumentensaiten, die durch die Veränderung der Spannung gestimmt werden. Wenn ein System mit einer bestimmten Biegesteifigkeit Druckspannungen aufweist, geht die Eigenfrequenz zurück. Im Falle eines Stabilitätsproblems kann das System ausgelenkt werden, ohne dass es nach Wegnahme der Störung in die vorige Lage zurückkehrt. Für eine mögliche Schwingung bedeutet das, dass die Schwingungsdauer gegen unendlich und damit die Eigenfrequenz gegen null geht. Deshalb kann eine vorgespannte Modalanalyse anstelle der Beulanalysen für die begleitende Eigenwertanalyse verwandt werden. Am kritischen Punkt fallen die Eigenformen, die Beulform und die Eigenschwingungsform, zusammen. Das Eigenwertproblem lautet: (3.6)
(K
T
)
−ω 2M = 0
In Abb. 3-15 ist der Verlauf der ersten fünf Eigenwerte des Kugelschalenabschnittes aus Abb. 3-14 über dem Lastniveau aufgetragen. Weil der verwendete Löser für die Frequenzbestimmung ausgelegt ist, werden negative Quadrate der Eigenfrequenzen und die zugehörigen Eigenformen unterdrückt. Auf diese Weise verschwindet die erste Form bei Überschreiten
3.2 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium
73
des kritischen Punktes und eine weitere Form rückt nach. Dadurch kommt es scheinbar zu Sprüngen im Verlauf. Daher sind in Abb. 3-15 die Eigenwerte zu den ersten drei Eigenformen dick markiert. Die verschwundene Eigenform taucht hier wieder auf, wenn die aufnehmbare Last wieder ansteigt.
Eigenwerte
Abb. 3-14 Kugelschalenausschnitt unter konzentriertem Außendruck
Last-Verschiebungs-Kurve
Lastniveau Abb. 3-15 Eigenfrequenzen in Abhängigkeit vom Lastniveau
74
3 Stabilitätsprobleme
Der praktische Nutzen dieser begleitenden Eigenwertanalyse kann im Beispiel aus Abb. 3-16, einer Traglastberechnung eines ausgesteiften Zylinderschalenabschnitts, gesehen werden [18]. Drei Lastpfade für dasselbe System können unterschieden werden, wobei einer zu einer viel zu hohen und einer zu einer etwas zu hohen Versagenslast führt, die vom System nicht aufgenommen werden kann und damit auf einem instabilen Pfad liegt.
5
Verschiebung
4
uz [mm]
3
2
1
0 0
50
100
Last
150
200
FC [kN]
Abb. 3-16
Verschiedene Verschiebungs-Last-Kurven eines Systems in Abhängigkeit von Imperfektionen und der Lastinkrementierung
Die Eigenfrequenzberechnung zeigt in solchen Fällen eine verschwindende (unterdrückte) Eigenform, weil der erste Eigenwert negativ wird. Dies geschieht oberhalb des Verzweigungspunktes, wenn keine Verzweigung erfolgt. Ein Beispiel ist in Abb. 3-17 für einen anderen Lastfall dargestellt. Die bei Lastfaktor 1 zweite Eigenform wird bei nur geringer Lansterhöhung auf 1,03 zur ersten, weil die bisherige erste Form unterdrückt wird. Welche Bedeutung dies hat, wird in Kap. 3.3 weiter erläutert. Das Verschwinden einer Eigenform kann numerisch identifiziert werden (wichtig für die Automatisierung), indem man von der Tatsache Gebrauch macht, dass zwei verschiedene Eigenvektoren M-orthogonal sind, d.h. das Produkt der Massenmatrix M von links mit dem einen und von rechts mit einem anderen Eigenvektor ϕ also null ist. Weil hier die Eigenvektoren zu verschiedenen Laststufen verglichen werden, gilt dies nur näherungsweise, sodass als Kriterium
3.2 Bedingungen für kritische Punkte, Indifferenzkriterium
Ti−1M i
(3.7)
Ti M i
75
<< 1
gelten kann, worin der Index i die Lastniveaus zählt, bei denen eine Eigenwertberechnung stattgefunden hat.
Lastfaktor 1
Gesamtverschiebung
erste Eigenform
zweite Eigenform
& negativer Shift bzw. negativer Eigenwert
Lastfaktor 1,03
Eigenform verschwindet Æ niedrigsten Lastpfad verpasst
Abb. 3-17 Verschwindende Eigenform nach Erreichen eines instabilen Pfades [18]
Das Problem der unterdrückten Eigenformen lässt sich mit einem Löser für unsymmetrische Matrizen oder zur Bestimmung von Eigenfrequenzen gedämpfter Systeme. Hier werden komplexe Eigenwerte erwartet. Wendet man diese Löser auf ein symmetrisches, ungedämpftes System an, wird eine Eigenfrequenz bei einer Vorspannung oberhalb der kritischen Last rein imaginär (Abb. 3-18).
Abb. 3-18
Eigenfrequenzen unterhalb (oben) und oberhalb der kritischen Last (unten)
76
3 Stabilitätsprobleme
Die Eigenform ist die wahrscheinliche Beulfigur, in obigem Beispiel bleibt diese unter- und oberhalb der kritischen Last so, wie in Abb. 3-19 dargestellt.
Abb. 3-19 Erste Eigenform unter- und oberhalb der kritischen Last
3.2.4
Direkte Identifikation kritischer Punkte durch ein erweitertes System
Am kritischen Lastniveau λkrit müssen zwei Bedingungen erfüllt werden [23]: 1.
Es muss Gleichgewicht herrschen: d(uˆ , λ ) = f int (uˆ ) − λf 0ext (uˆ ) = 0
2.
Das Eigenwertproblem 1 aus Kap. 3.2.2 muss einen Eigenwert 0 ergeben, d.h.: KT = 0
Dies führt zu zwei Unbekanntenvektoren mit je n Komponenten plus dem unbekannten Lastfaktor , d.h. 2n+1 Unbekannten in 2n Gleichungen. 3.
Die fehlende Gleichung kann in Zusammenhang mit dem Eigenvektor gefunden werden: a.
Die Länge des Eigenvektors muss skaliert werden, z.B. zu 1: T − 1 = 0
b.
Nur Verzweigungspunkte, an denen der Eigenvektor senkrecht zum Vektor der äußeren Last steht, sollen gefunden werden: T f 0ext = 0
c.
Nur Durchschlagpunkte, an denen das nicht der Fall ist, sollen gefunden werden. Weil der Eigenvektor beliebig skaliert werden kann, kann man formulieren: T f 0ext − 1 = 0
Diese Gleichungen müssen simultan durch ein Newton-Verfahren gelöst werden. Die Tangentenmatrix enthält alle Ableitungen nach den Unbekannten, mit Bedingung 3a:
3.3 Bedeutung des Eigenvektors
(3.8)
∂d ∂u ∂K T ∂u T − 1 ∂u
(
∂d ∂ ∂K T ∂ T −1 ∂
) (
77 ∂d ∂λ Δu λf ext − f int 0 ∂K T Δ = − K T ∂λ T 1 λ Δ − T − 1 ∂λ
) (
)
Die Ableitung in der zweiten Zeile und dritten Spalte existiert nur, wenn der Lastvektor von den Verschiebungen abhängt. Dann ist (3.9)
Kp =−
∂ (f 0ext ) ∂ (λf 0ext ) ∂f ext = −λ =− ∂u ∂u ∂u
der einzige Teil der Tangentensteifigkeitsmatrix KT , der vom Lastfaktor abhängt. Die Ableitung lautet:
(3.10)
ext ∂ (f 0ext ) ∂K T ∂K p ∂K p 1 ∂ (f ) 1 =− = − K p =− = = λ ∂u λ ∂u ∂λ ∂λ ∂λ
Damit lautet das lineare Gleichungssystem im Newton-Verfahren:
(3.11)
KT ∂K T ∂u 0
0 KT 2 T
− f 0ext Δu λf ext − f int 0 1 − K p Δ = − K T λ T Δλ 1 − 0
Was relativ kompliziert aussieht, kann jedoch im Wesentlichen zurückgeführt werden auf die Lösung eines Gleichungssystems mit KT und verschiedenen rechten Seiten, wie nach Vorstellung der Ideen für das Bogenlängenverfahren in Kap. 4.4. gezeigt wird.
KT und Kp können auf Elementebene bestimmt und dann zu einem globalen Vektor zusammengebaut werden. Für den Term in der ersten Spalte und zweiten Reihe wird das nach der Herleitung des Algorithmus’ gezeigt. Für ein Programm mit verschiedenen Elementtypen kann es sinnvoll sein, diese Ableitung numerisch zu bilden.
3.3 Bedeutung des Eigenvektors In Abb. 3-20 ist links die Differenz der Verschiebungszustände zwischen den Lösungen zweier Laststufen (Abb. 3-21) in der Nähe der Maximallast, jenseits derer die Instabilität beginnt, zu sehen. Obwohl das aus den einzelnen Verformungszuständen an dieser Stelle nicht ersehen werden kann, stellt sich heraus, dass diese Differenz ähnlich zur verschwindenden Eigenform aus Abb. 3-17 und auch ähnlich zu der sich einstellenden Verformung im Versagensbereich ist (Abb. 3-20 rechts). Das heißt, der unterdrückte Mode, die Eigenform zum Nulleigenwert am kritischen Punkt, zeigt, wie das System sich weiter verformen muss, um den niedrigsten Lastpfad zu erreichen.
78
3 Stabilitätsprobleme
Diese wichtigste Eigenform kann während der Lastgeschichte wechseln, was weitere Verzweigungsmöglichkeiten anzeigt. Für das Beispiel in Abb. 3-21 [18] ist die Verformung das Ergebnis eines früheren Beulprozesses.
Abb. 3-20 Differenz zwischen zwei aufeinander folgenden Laststufen (links), letzte Lösung (rechts)
Abb. 3-21
Radiale Verschiebung in zwei aufeinander folgenden Laststufen nahe dem Instabilitätspunkt
Die Eigenform zum kritischen Eigenwert 0 bzw. 1 zeigt, wie das System sich ohne weitere Lastzufuhr verformen kann. Im Falle eines Durchschlagproblems ist die Eigenform ähnlich zum Verformungszustand, im Falle eines Verzweigungsproblems völlig verschieden (vgl. Abb. 3-21 mit Abb. 3-17). Außerdem steht im letzteren Fall der Eigenvektor senkrecht zum Lastvektor, d.h. (3.12)
T f ext = 0
Für das Durchschlagproblem ergibt dieses Produkt einen Wert, der deutlich von null verschieden ist, sodass man ein Kriterium erhält, zwischen Durchschlag- und Verzeigungsproblem zu unterscheiden, wenn man einen Vergleichswert hat. Dieser kann das Produkt aus Verschiebungsvektor und Lastvektor sein, wobei der Verschiebungsvektor in gleicher Weise wie der Eigenvektor normiert sein sollte: (3.13)
T f ext ˆ T ext
u f
'<< 1 Verzweigungsproblem =& %sonst Durchschlagproblem
3.4 Imperfektionen Im Falle eines Verzweigungsproblems kann eine System für höhere Lasten als die kritische auf dem Primärpfad verbleiben und so zu Lösungen auf der unsicheren Seite führen. Oft muss der Verzeigungsprozess erst durch eine Imperfektion angestoßen werden, um eine physikalisch sinnvolle Lösung zu erhalten. Dies kann durch geeignete Störlasten oder geometrische Imperfektionen erfolgen.
3.4 Imperfektionen
3.4.1
79
Imperfektion durch Kräfte
Imperfektionen sollen die Beulform zum niedrigsten Lastpfad anregen. Wenn diese nicht bekannt ist, sollte die Imperfektion durch Kräfte so gewählt werden, dass sie die Art der Beulform nicht überbestimmt. Wenige Kräfte sind also zu bevorzugen. Diese Aussage gilt besonders unter dem Gesichtspunkt, dass auch im Versuch Beulmuster, auch solche, die sich über das ganze System erstrecken, in der Regel in einer lokalen Beule ihren Anfang nehmen. Zum Beispiel werden in Abb. 3-22 zwischen fünf und sieben Halbwellen erwartet. Fünf gleichmäßig verteilte Einzellasten aufzubringen wäre gefährlich. Zwei Kräfte, unsymmetrisch angeordnet, genügen als Auslöser, lassen dem System aber genug Freiheitsgrade, das richtige Beulmuster zu finden. So eine Imperfektion kann nur für den jeweiligen Spezialfall gewählt werden und erfordert eine Schätzung, eine Idee von der Beul- oder Versagensform.
Abb. 3-22 Imperfektion (hier radiale Verschiebungen) infolge von zwei Einzellasten
3.4.2
Imperfektion durch geometrische Vorgaben
Für geometrische Imperfektionen, d.h. spannungsfreie Vorverformungen, also Veränderungen der Knotenkoordinaten, kann man versuchen, eine geeignete Funktion zu finden, mit der das Beulen angeregt wird, das ist aber fallabhängig. Vor allem ist nicht sichergestellt, dass man die Beulform zur niedrigsten Beullast trifft. Als noch weniger geeignet haben sich zufallsverteilte Knotenverschiebungen erwiesen. Sie können sogar zu höheren als den idealen Beullasten führen. Es kann dabei ferner passieren, dass zufällig von einem Knoten zum anderen die größtmöglichen Koordinatensprünge auftreten, was z.B. zu Elementverdrillungen führen kann und der Genauigkeit nicht förderlich ist. Um das zu vermeiden, müssten die geometrischen Störungen erst wieder geglättet werden. Außerdem treten in beiden Fällen Konflikte auf, wenn das System Bauteile umfasst, die nicht durch gemeinsame Knoten, sondern durch Kontakt verbunden sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass durch willkürliche geometrische Veränderungen Überschneidungen oder Spalte auftreten.
3.4.3
Imperfektion durch eine lineare Beulanalyse
Ein allgemeinerer Ansatz für geometrische Imperfektionen ist die Verwendung der Eigenform aus einer Beulanalyse, also die Koordinatenänderung um den skalierten Eigenvektor:
80 (3.14)
3 Stabilitätsprobleme x ← x + cϕ
Damit das zielführend ist, muss aber die Voraussetzung der linearen Beulanalyse erfüllt sein, nämlich lineares Verhalten bis zum Eintritt des Beulens. Dann können die ersten Eigenformen gute Imperfektionen darstellen. Im Falle mehrfacher Eigenwerte oder, wie es in der Praxis häufig auftritt, nah beieinander liegender Eigenwerte, sind mindestens alle dazu gehörigen Eigenformen zu berücksichtigen. Es kann dann jede Linearkombination daraus die maßgebende Beulform sein. Bleibt das System nach dem ersten Verzweigen stabil und versagt erst später durch erneutes Verzweigen oder Beulmusterwechsel, was bei versteiften Flächenträgern oft der Fall ist (z.B. erst Einzelfeldbeulen, dann Teil- oder Gesamtfeldversagen), ist die lineare Beulanalyse oft nicht hilfreich für die Imperfektionsbestimmung. Im Falle des versteiften Zylinderschalenausschnittes aus Abb. 3-22 und Abb. 3-23 [18] ist die siebte oder achte Eigenform dem später in der nichtlinearen Berechnung auftretenden Versagensmodus ähnlich, aber wie soll man das vorhersehen?
... Abb. 3-23 Erste, siebte und achte lineare Beulform
3.4.4
Begleitende Eigenwert-Analyse
Eine verlässlichere, aber auch kompliziertere Methode als die lineare Beulanalyse ist es, die erste Eigenform einer Beulanalyse zu verwenden, die wiederholt nach bzw. parallel zu einer nichtlinearen Berechnung auf der Basis der aktuellen Tangentenmatrix durchgeführt wird (s. Kap. 3.2.2). Die Frage dabei ist allerdings, wann und wie oft eine solche Analyse durchzuführen ist und wie die Imperfektion aufgebracht werden kann. Die nachfolgenden Algorithmen sind geeignet, Verzweigungspunkte bzw. das Verbleiben auf einem instabilen Pfad festzustellen und die Verzweigung auszulösen. Zunächst
3.4 Imperfektionen
81
Algorithmus 1: Eigenwertanalyse nach einer nichtlinearen Berechnung •
Bei vorgegebenen Laststufen die jeweilige Tangentenmatrix KT oder Restart-Dateien sichern, mit denen KT wieder aufgebaut werden kann.
•
Eine Folge von Eigenwertanalysen i durchführen. o
Die erste Eigenform aufheben, wenn ihr Eigenwert negativ (Eigenwertproblem 1 und Modalanalyse) bzw. < 1 (EWP 2 und 3 aus Kap. 3.2.2) wird, oder
o
Das Verschwinden oder den Wechsel der ersten Eigenform, wenn
Ti−1M i
<< 1 wird, identifizieren, wobei Ti M i M = I für EWP 1, M = K für EWP 2, M = Kn+K für EWP 3 und M die Massenmatrix in der Modalanalyse ist. •
Die nichtlineare Berechnung mit einer entsprechenden geometrischen Imperfektion wiederholen.
Eine Wiederholung ist grundsätzlich nur erforderlich, wenn an einem Verzweigungspunkt vorbeigerechnet oder wenn keine Konvergenz erzielt wurde, weil das System verzweigen möchte, aber nicht dazu angeregt wird und deshalb zwischen verschiedenen Übergangslösungen hin- und herspringt. Zu oft kann diese Vorgehensweise nicht durchgeführt werden, weil jedes Mal eine geometrische Imperfektion hinzukommt oder die vorherige ersetzt, sodass es irgendwann fraglich wird, ob der Verzweigungspunkt, für den die neue Imperfektion geeignet ist, überhaupt erreicht wird. Besser geeignet für mehrfaches Verzweigen ist
Algorithmus 2: Eigenwertanalyse parallel zu einer nichtlinearen Berechnung (Begleitende Eigenwertanalyse) •
Die nichtlineare Berechnung auf bestimmten Lastniveaus unterbrechen und eine Eigenwertanalyse durchführen.
•
Die nichtlineare Analyse fortsetzen.
Zur Reaktion auf die Eigenwertberechnungen gibt es zwei Möglichkeiten: o
Die Berechnung anhalten, wenn ein instabiler Pfad vorliegt, und mit einer geometrischen Imperfektion neu starten. Dann unterscheidet sich die Vorgehensweise allerdings nur im Ablauf von Algorithmus 1. oder
o
Bei der Fortsetzung der nichtlinearen Berechnung das Newton-RaphsonVerfahren mit dem aktuellen Eigenvektor stören.
82
3 Stabilitätsprobleme
Letzteres soll näher erläutert werden: Der Startvektor v0i+1 für ein Newton-RaphsonVerfahren auf einem neuen Lastniveau i+1 ist gewöhnlich die letzte konvergierte Lösung vi. Zu dieser wird nun zu Beginn der Iteration der Eigenvektor addiert: (3.15)
v i0+1 = v i∞ + c
Solange das System stabil ist, wird sich als konvergierte Lösung nach der Newton-Iteration dieselbe einstellen wie ohne Störung. In der Umgebung einesVerzweigungspunktes aber wird eine geeignete Beulform gefunden werden, die als Störung das Verzweigen auslöst, ohne dass eine geometrische Imperfektion eingefügt wurde. Weitere Entscheidungen sind nicht erforderlich. Das Vorliegen eines Durchschlagproblems ist kein Hinderungsgrund; eine Eigenwertanalyse ist hier nicht nötig, schadet aber auch nicht, weil sich der Eigenvektor ähnlich zum Verschiebungszustand einstellt. Da nur eine Störung des Anfangsvektors vorgenommen wird, ist für die Eigenwertanalyse keine besondere Genauigkeit erforderlich, sodass iterative Verfahren frühzeitig abgebrochen werden können. Am einfachsten wäre hier die inverse Von-Mises-Iteration, bei der das durch KT bestimmte Gleichungssystem mit mehreren rechten Seiten gelöst werden muss, was beim Gauß-Algorithmus wenig aufwändig ist, da ja die Triangularisierung bereits vorgenommen wurde. Imperfektionen aus der Eigenwertanalyse gelten als die ungünstigsten Imperfektionen und sind zu empfehlen, wenn man die wahre Vorverformung nicht kennt.
3.4.5
Imperfektionsempfindlichkeit
Um die Sicherheit eines Systems gegen Versagen treffend angeben zu können, muss die Empfindlichkeit gegen die Größe einer Imperfektion untersucht werden. Diese hängt im Wesentlichen vom nachkritischen Verhalten ab: je steiler der Abfall im nachkritischen Bereich, desto empfindlicher die Reaktion auf Störungen. Die Imperfektionsempfindlichkeit kann durch Sensitivitätsdiagramme klassifiziert werden (Abb. 3-24). Bei einer geeigneten Imperfektion bleibt ein Durchschlagproblem ein Durchschlagproblem, aber die Traglast ändert sich. Ein Verzweigungsproblem jedoch geht entweder in ein Durchschlagproblem über, wenn der nachkritische Zweig instabil ist, oder verwandelt sich in ein nichtlineares Spannungsproblem ohne streng definierte kritische Last, wenn der nachkritische Bereich stabil ist. Der Richtung der Imperfektion kommt eine wichtige Bedeutung zu, nicht nur, aber besonders bei asymmetrischer Verzweigung. In Abb. 3-25 und Abb. 3-26 wird der Einfluss der Imperfektion auf das Tragverhalten anhand zweier Beispiele dargestellt, zum einen bei einer ebenen Platte, zum anderen bei einem Ausschnitt aus einer Kreiszylinderschale. Die Schale zeigt instabiles nachkritisches Verhalten. Deshalb geht das Verzweigungsproblem am imperfekten System in ein Durchschlagproblem mit deutlicher Reduzierung der Maximallast über. Bei der Platte hingegen erfolgt der Übergang zu einem nichtlinearen, aber stabilen Tragverhalten. Eine Maximallast ist nicht mehr definiert. Tatsächlich wäre aber die Durchbiegung zu begrenzen. Der Vergleich der beiden Systeme zeigt außerdem, dass die Schale wegen der Krümmung ein deutlich höheres Lastniveau erreicht. Das wird allerdings mit dem instabilen Nachbeulverhalten erkauft.
3.4 Imperfektionen
83
perfekt Durchschlagen
Imperfektionscharakteristik
imperfekt
F
F
Fkrit
<0 >0
u
asymmetrische Verzweigung
F
u
F
Fkrit
<0 >0
u
symmetrische stabile Verzweigung
F
u
F <0
Fkrit >0
u
symmetrische instabileVerzweigung
F
u
F
<0
u
Abb. 3-24 Klassifizierung der Imperfektionsempfindlichkeit
Fkrit >0
u
3 Stabilitätsprobleme
a t
Lastniveau
84
0,2t 0,05t
a
max. Verschiebung Beulende Platte und ihr Last-Verschiebungs-Diagramm mit verschiedenen Imperfektionsgrößen
a
t
Lastniveau
Abb. 3-25
0
0,2t 0,05t
a Platte, ohne Imperfektion max. Verschiebung Abb. 3-26
3.4.6
Beulende Zylinderschale und ihr Last-Verschiebungs-Diagramm mit verschiedenen Imperfektionsgrößen
Größe der Imperfektion
Welche Größe muss der Maximalwert der Imperfektion haben? Diese Frage ist pauschal nur so zu beantworten: groß genug, um das Beulen auszulösen. Mehr Imperfektion liegt meist auf der sicheren Seite. Am besten, man weiß etwas über die wahrscheinlich oder aus Gründen geforderter Toleranzen höchstens auftretende Ungenauigkeiten. Diese müssten noch mit einem Sicherheitsfaktor beaufschlagt werden. Im Geltungsbereich von Vorschriften ist die Größe oft geregelt.
3.4 Imperfektionen
85
Bei Stabwerken wird gern 1/500 bis 1/250 der Knicklänge als Maximalwert der Imperfektion genommen. Die Knicklänge ist der Abstand der Wendepunkte der Knickbiegelinie. Bei Flächentragwerken könnte ein Beuldurchmesser, ebenfalls gemessen zwischen Wendepunkten, der Maßstab sein. Davon 1/250 kann aber bei Platten mit stabilem nachkritischen Verhalten dazu führen, dass ein Beulverhalten kaum noch erkennbar ist. In diesem Fall ist die Imperfektion wahrscheinlich deutlich zu groß. Gern genommen wird als Maximalwert der Imperfektion 1/10 der Dicke. Damit wird häufig der Beuleffekt gut sichtbar, das Verzweigen aber auch tatsächlich ausgelöst. Dieser Wert hat aber keinen tieferen Hintergrund, sondern ist nur ein Daumenwert. Im Zweifel müssen mehrere Imperfektionsgrößen ausprobiert und ihr Einfluss auf die Traglast untersucht werden.
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung Ein Tragwerk kann durch verschiedenartige Lasten beansprucht sein. Hier werden Kraftgrößen wie Kräfte, Momente und verteilte Belastungen wie Linien- oder Flächenlasten betrachtet. Die in einem Vektor f0ext enthaltenen Basislasten können proportional gesteigert werden. Der Proportionalitätsfaktor ist der Lastfaktor : (4.1)
f ext = λf 0ext
f0ext könnte z.B. die vorgesehene Gebrauchslast sein und ein Sicherheitsfaktor des Systems, wobei das maximale berechnet werden soll. Hier wird verallgemeinert, dass die von abhängige Systemantwort von Interesse ist. In der nichtlinearen FEM lautet die Gleichgewichtsbedingung: (4.2)
d(u, λ ) = f int − f ext = f int − λf 0ext = 0
Im Newton-Raphson-Verfahren erhält man das lineare Gleichungssystem (4.3)
K T (u)Δu = λf 0ext − f int
4.1 Kraftsteuerung Kraftsteuerung ist die einfachste Form der Lastinkrementierung. Der Lastfaktor wird um erhöht und das Newton-Raphson-Verfahren iteriert das Verschiebungsinkrement bis das Gleichgewicht erreicht ist. Für viele Anwendungen ist das ausreichend. Wenn man sich jedoch einem Instabilitätspunkt nähert, kann es zu einem dynamischen Durchschlagen wie in Abb. 3-4 kommen. In praktischen Anwendungen ist Konvergenz nicht mehr wahrscheinlich, d.h. der Durchschlag wird nicht berechnet, sondern die Berechnung bricht ab. Die Maximallast, die das System aufnehmen kann, kann durchaus höher sein, weshalb es nötig ist, die Analyse fortzusetzen. Es ist mit der Kraftsteuerung unmöglich, einer Kurve mit negativer Steigung zu folgen.
4.2 Einfache Verschiebungssteuerung Die Steuerung charakteristischer Verschiebungen macht das System und damit auch die numerische Analyse stabiler. Wenn eine Belastung durch Kraftgrößen durch eine vorgegebene Verschiebung ersetzt werden kann, ist das also hilfreich. Der Lastvektor wird dann aus der zugeordneten Spalte von KT multipliziert mit dem Inkrement der vorgeschriebenen Verschiebung erzeugt. Diese Methode ist auf Einzellasten beschränkt, weil durch die Vorgabe mehrerer Verschiebungen unerwünschte kinematische Restriktionen eingebracht werden. Eine Kraft und ein Moment können durch eine exzentrisch angreifende Kraft mit der Ausmitte
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_4, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4.2 Einfache Verschiebungssteuerung
(4.4)
e=
87
M F
ersetzt werden. Zwei oder drei Kräfte am selben Knoten können durch eine vorgegebene Verschiebung in Richtung ihrer Resultierenden ersetzt werden (Abb. 4-1). Die Größe der Reaktionskraft bestimmt das Lastniveau.
FRes
Fz
tan α =
Fz Fy
FReakt
vorgegeben
Fy
gedrehte Randbedingung
belasteter Knoten
Abb. 4-1 Einfache Verschiebungssteuerung für zwei Kraftkomponenten
Für diesen Zweck muss die Verschiebung in einem gedrehten Koordinatensystem beschrieben werden. Die anderen Komponenten müssen frei bleiben. Das Vorschreiben von zwei Verschiebungskomponenten, sodass deren Resultierende in die gewünschte Kraftrichtung zeigt, ergibt etwas Anderes. Wenn es einen Hinderungsgrund gibt, das Knotenkoordinatensystem zu verdrehen, kann stattdessen auch eine Koppelgleichung formuliert werden, die besagt, dass die Projektion der beiden Verschiebungskomponenten auf die gewünschte Kraftrichtung gesteuert wird (Abb. 4-2). vorgegeben
u
FRes uz
uy
Koppelgleichung
u y cos α + u z sin α = u Abb. 4-2 Alternative Verschiebungssteuerung für zwei Kraftkomponenten
88
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
4.3 Verschiebungssteuerung mit Kraftgrößen Wenn die Belastung nicht auf eine Einzelkraft reduziert werden kann, ist die Steuerung einer einzelnen Verschiebungskomponente trotzdem möglich. Dann ist der Lastfaktor unbekannt und muss aus der Verschiebungsvorgabe bestimmt werden. Die rechte Seite in der Newton-Raphson-Iteration, -d, ist die Differenz zweier Anteile, nämlich der skalierten äußeren Lasten f0ext und der inneren Kräfte f int: (4.5)
K T Δu = λf 0ext − f int
Obwohl ein nichtlineares Problem gelöst wird, führt das Newton-Verfahren auf eine Folge von linearen Gleichungssystemen. Ist die rechte Seite eine Summe, kann die Lösung durch Superposition der Ergebnisse für die Summanden erzielt werden. Wenn uext die Lösung von (4.6)
K T Δu ext = f 0ext
ist und uint die Lösung von (4.7)
K T Δu int = f int
dann lautet das Ergebnis für die gesamte rechte Seite: ( 4.8)
Δu = λΔu ext − Δu int
Dies gilt auch für die vorgegebene Verschiebungskomponente i: (4.9)
Δu = λΔu iext − Δu iint
Diese Gleichung kann nach dem gesuchten Lastfaktor aufgelöst werden: (4.10)
λ=
Δu + Δuiint Δuiext
In der ersten Iteration für die Laststufe m ist (4.11)
Δu = u m − u i∞,m−1
worin
um
die in der Laststufe m vorgegebene Verschiebung und
ui∞, m −1 die konvergierte Lösung aus dem vorherigen Lastinkrement ist. Von der zweiten Iteration an hat die gesteuerte Verschiebungskomponente den vorgeschriebenen Wert erreicht, sodass gilt: (4.12)
Δu = 0
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
89
Die zur Steuerung ausgewählte Komponente sollte für die Verformung des Systems charakteristisch sein.
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method) Die Verschiebungssteuerung für allgemeine Lasten war ein großer Schritt vorwärts in der numerischen Stabilitätsanalyse. Sie ist geeignet, solange die Systemantwort eine (eindeutige) Funktion der Verschiebung ist, ansonsten kann auch sie versagen (s. Abb. 4-3)
u Kraftsteuerung versagt Verschiebungssteuerung versagt Abb. 4-3 Versagen der Kraft- und Verschiebungssteuerung
Für diesen Zweck wurden die Bogenlängenverfahren als Pfadverfolgungsalgorithmen entwickelt. Den Verfahren ist gemein, dass in keinem die Bogenlänge des Last-VerschiebungsDiagramms gesteuert wird, sondern höchsten Sehnenlängen; vielleicht kann man von der diskretisierten Bogenlänge sprechen. Weder der Lastfaktor noch die Verschiebung, sondern eine Kombination aus beidem wird gesteuert. Als Ideengeber wird in diesem Zusammenhang gerne Riks [15] genannt. Zur Ausführung sind verschiedene Möglichkeiten (Nebenbedingungen) bekannt. Bei allen Verfahren wird ein erweiterter Unbekanntenvektor, nämlich (4.13)
Δu Δv = Δλ
verwendet. Die nachfolgenden grafischen Darstellungen beziehen sich auf den Lastfaktor und eine Verschiebungskomponente, die Formeln gelten aber für beliebig viele Freiheitsgrade.
90
4.4.1
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
Suche senkrecht zur letzten Sekante
Es wird nach Lösungen gesucht, die in der vom Newton-Verfahren vorgegebenen Richtung (jedoch mit noch unbekannter Länge) und zusätzlich auf einer Ebene liegen, die senkrecht zur letzten Sekante, also der Verbindung von der letzten konvergierten zur aktuellen Lösung aus dem vorausgegangenen Schritt steht (Abb. 4-4), steht.
s1
s2
letzte konvergierte Lösung
u Abb. 4-4 Bogenlängenverfahren, Suche senkrecht zur letzten Sekante
In Iterationsschritt m zeigt die Sekante von der letzten konvergierten Lösung zur Lösung der (m-1)ten Iteration und lautet: (4.14)
− u0 u s m = m −1 λ m −1 − λ 0
Der erste Vektor ist die Tangente (4.15)
Δu s1 = t1 = 1 Δλ1
wobei das Lastinkrement 1 im ersten Iterationsschritt gegeben und u1 das Verschiebungsinkrement aus der ersten Newton-Raphson-Iteration auf diesemLastniveau ist. Wenn der Vektor der inkrementellen Veränderung senkrecht zu s ist, ist das Skalarprodukt null: (4.16)
[Δu
T
]
− u0 u Δλ m −1 =0 λm −1 − λ0
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
91
Nun gibt es eine Aufspaltung der rechten Seite in
λf 0ext − f int = (λ m −1 + Δλ )f 0ext − f int
)
(
= Δλf 0ext − f int − λ m −1f 0ext
f II
(4.17)
und des Verschiebungsinkrementes in (4.18)
Δu = ΔλΔu ext − Δu II
die Lösungen der Newton-Raphson-Gleichungen zu den beiden rechten Seiten mit dem entsprechenden Index. Eingesetzt in (4.16) ergibt das: (4.19)
[Δ λΔu
(4.20)
(ΔλΔu
(4.21)
ΔλΔu ext T (u m−1 − u 0 ) − Δu II T (u m−1 − u 0 ) + Δλ (λ m−1 − λ 0 ) = 0
(4.22)
Δλ Δu ext T (u m−1 − u 0 ) + (λm−1 − λ0 ) − Δu II T (u m−1 − u 0 ) = 0
(4.23)
Δλ =
ext T
ext
− Δu II T
]
u m −1 − u 0 Δλ =0 λ m −1 − λ0
)
− Δu II (u m−1 − u 0 ) + Δλ (λ m−1 − λ0 ) = 0
[
]
Δu II T (u m −1 − u 0 ) Δu ext T (u m−1 − u 0 ) + (λ m −1 − λ0 )
Ist erst einmal ermittelt, kann das gesamte Verschiebungsinkrement u durch Gl. (4.18) bestimmt werden.
4.4.2
Modellproblem
Für ein FE-System mit einem Freiheitsgrad u sei der Referenzwert der äußeren Kraft f 0ext = 1
während die innere Kraft f int (u) = −4(u − 1) 2 + 4
betrage. Dementsprechend ist die Tangenten-“Matrix”, die Ableitung der inneren Kraft (4.24)
K T = −8(u − 1)
92
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
λ0 = 3,84 , u 0 = 0,8
Die letzte konvergierte Lösung betrage Das nächste Inkrement starte mit
Δλ1 = 0,26
1. Schritt: Newton-Schritt
λ1 = λ0 + Δλ1 = 4.1 λf 0ext − f int = 4,1 ⋅ 1 + 4(u − 1) 2 − 4 = 0,26 K T = −8(u − 1) = 1,6 0,26 = 0,1625 1,6 u1 = 0,8 + 0,1625 = 0,9625 Δu1 =
2. Schritt: Bogenlängenverfahren f II = f int − 4,1 ⋅ 1 = −4(u1 − 1) 2 + 4 − 4,1 = −0,1056 K T = −8(u1 − 1) = 0,3
Δu ext = Δλ =
1 = 3,333 0,3
Δu II =
−0,1056 = −0,3521 0,3
−0,3521 ⋅ (0,9625 − 0,8) = −0,07136 3,333 ⋅ (0,9625 − 0,8) + (4,1 − 3,84)
Δu2 = −0,07136 ⋅ 3,333 − (−0,3521) = 0,1142
λ2 = 4,1 − 0,07136 = 4,029 u2 = 0,9625 + 0,1142 = 1,077
3. Schritt: Bogenlängenverfahren f II = f int − 4,029 ⋅ 1 = −4(u1 − 1) 2 + 4 − 4,029 = −0,05216 K T = −8(u1 − 1) = −0,6135
Δu ext = Δλ =
1 = −1,630 − 0,6135
Δu II =
−0,05216 = 0,08501 − 0,6135
−0,08501 ⋅ (1,077 − 0,8) = −0,08966 3,333 ⋅ (1,077 − 0,8) + (4,029 − 3,84) λ2 = 4,029 − 0,08966 = 3,939
Δu3 = −0,08966 ⋅ (−1,630) − 0,08501 = 0,06112
Der weitere Iterationsverlauf ist
f ext-f int
u
1,1442797
3,91690079
0,00016732
1,14433006
3,91667535
1,0143E-08
u 2 = 1,077 + 0,06112 = 1,138
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
93
Man sieht an den Zahlen und der Darstellung in Abb. 4-5, dass trotz eines Startwertes oberhalb des Maximums eine Lösung erzielt wird. Diese liegt auf dem abfallenden Ast, also beim instabilen Gleichgewicht, wie auch der negative Wert für KT zeigt. 4,3 4,2 4,1 4 f_int 3,9
Verlauf Sekante
3,8 3,7 3,6 3,5 0,6
0,8
1
1,2
1,4
Abb. 4-5 Iterationsverlauf bei Suche senkrecht zur letzten Sekante
4.4.3
Suche senkrecht zur ersten Tangente
Eine frühere Variante beschränkt sich auf die Suche senkrecht zur ersten Tangente (Abb. 4-6). Wer will, kann sich die zugehörigen Formeln analog dem vorigen Abschnitt selbst herleiten. Je weniger allerdings die Suchebene dem Iterationsfortschritt angepasst wird, desto größer ist die Gefahr, bei einer stark gekrümmten Kurve keine Lösung zu erhalten (gestrichelte Linien in Abb. 4-6).
94
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
t1
letzte konvergierte Lösung
u Abb. 4-6 Bogenlängen-Verfahren: Suche senkrecht zur ersten Tangente
4.4.4
Suche senkrecht zur aktuellen Tangente
4.4.4.1 Verfahren Das Prinzip der Suche senkrecht zur aktuellen Tangente wird in Abb. 4-7 gezeigt. Das Problem ist jedoch, diese Tangente zu bestimmen, denn der Punkt p, der den Fußpunkt der Tangente auf der Last-Verschiebungs-Kurve markiert, ist nicht bekannt. Zur Bestimmung von p fehlt zu dem Verschiebungsvektor u der zugehörige Lastfaktor p. Auf der anderen Seite ist dies ein Gleichgewichtspunkt, an dem (4.25)
λ p f 0ext − f int = 0
gilt. Vorausgesetzt, man würde bei p ein neues Inkrement beginnen, wäre die rechte Seite (4.26)
(
)
(
und das Inkrement des erweiterten Lösungsvektors würde zu (4.27)
)
− d = λ p + Δλ f 0ext − f int = Δλf 0ext + λ p f 0ext − f int = Δλf 0ext
ΔλΔu ext Δv = Δλ
und bildete so die gesuchte Tangente.
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
Δu 2 Δλ t2 2
95
t3
• t1
p
letzte konvergierte Lösung u Abb. 4-7 Bogenlängenverfahren, Suche senkrecht zur aktuellen Tangente
Damit bleibt das Lastinkrement weiter ungeklärt. Da aber nur die Richtung von tm interessiert, kann der Vektor mit 1/ multipliziert werden: (4.28)
Δu ext tm = m 1
Für die eigentlich m-te Iteration ist die rechte Seite (4.29) (4.30)
− d = (λ m−1 + Δλ ) f 0ext − f int
(
⇔
)
− d = Δλf 0ext − − λ m−1f 0ext + f int
II f
Die Normalenbedingung (4.31)
[ΔλΔu
ext T m
]
Δu ext Δλ m = 0 1
II T − Δu m
ergibt (4.32)
T ext II T ext ΔλΔu ext m Δu m − Δu m Δu m + Δλ = 0
(
)
T ext II T ext Δλ Δu ext m Δu m + 1 = Δu m Δu m
96
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
Δλ =
(4.33)
II T Δu m Δu ext m T ext Δu ext m Δu m + 1
4.4.4.2 Anwendung auf Modellproblem Der erste Schritt ist wieder der gewöhnliche Newton-Raphson-Schritt aus Kap. 4.4.2. 2. Schritt: Bogenlängenverfahren f II = −4,1 ⋅1 + f int = −4,1 − 4(u1 − 1) 2 + 4 = −0,1056 K T = −8(u1 − 1) = 0,3
Δu ext = Δλ =
1 = 3,333 0,3
Δu II =
−0,1056 = −0,3521 0,3
−0,3521 ⋅ 3,333 = −0,09690 3,333 ⋅ 3,333 + 1
λ 2 = 4,1 − 0,09690 = 4,003
Δu 2 = −0,09690 ⋅ 3,333 − (−0,3521) = 0,02907
u 2 = 0,9625 + 0,0291 = 0,9916
weiterer Verlauf:
u
fext-fint
0,99179802
3,99973112
2,05971E-07
0,99179803
3,99973091
0
Hier konvergiert das Verfahren besonders schnell, und das, obwohl die Lösung im Bereich der horizontalen Tangente, also dem kritischen Wert liegt. Deshalb ist die zweite Tangente hier nur als Verbindung der beiden Dreiecksymbole zu erkennen.
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
97
4,3 4,2 4,1 4 f_int 3,9
Verlauf Tangente
3,8 3,7 3,6 3,5 0,6
0,8
1
1,2
1,4
Abb. 4-8 Iterationsverlauf bei Suche senkrecht zur aktuellen Tangente
4.4.5
Suche auf einem Kreis bzw. einer Hyperkugel
4.4.5.1 Verfahren Crisfield [4] schlägt die Suche auf einer Hyperkugel, die sich bei einer Verschiebungskomponente und einen Lastfaktor auf einen Kreis reduziert, vor, deren Mittelpunkt der letzte Gleichgewichtspunkt {u0;0}, die letzte konvergierte Lösung, ist (Abb. 4-9). Die Nebenbedingung lautet: (4.34)
f (u, λ ) = (λ − λ0 )2 + (u − u 0 )T (u − u 0 ) − Δs 2 = 0
wobei s den Radius, der nach der Konvergenz die Sehnenlänge zwischen zwei Gleichgewichtspunkten darstellt, bedeutet. Wenn die (m-1)-te Lösung vorliegt, lautet die Bedingung: (4.35)
f (u, λ ) = (λ − λ0 )2 + (Δu + u m −1 − u 0 )T (Δu + u m −1 − u 0 ) − Δs 2 = 0
98
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
Δu 2 Δλ 2
Kreis um letzten Gleichgewichtspunkt
letzte konvergierte Lösung u Abb. 4-9 Bogenlängenverfahren, Suche auf einer Hyperkugel
Wieder ist eine Aufspaltung der rechten Seite (4.36)
λf 0ext − f int
in zwei Anteile und des Verschiebungsinkrementes in (4.37)
Δu = λΔu ext − Δu int
möglich. Eingesetzt in (4.35) ergibt das (4.38)
(λ − λ0 )2
(
)(
)
+ λΔu ext T − Δu int T + u Tm −1 − u T0 λΔu ext − Δu int + u m −1 − u 0 − Δs 2 = 0
λ2 − 2λλ0 + λ20 + λ2 Δu ext T Δu ext (4.39)
(
) (
)
+ λΔu ext T − Δu int + u m−1 − u 0 + λ − Δu int T + u Tm−1 − u T0 Δu ext
= 2λΔu ext T − Δu int + u m−1 − u 0
(
+ − Δu
int T
(
+ u Tm −1
− u T0
)(− Δu
int
)
)
+ u m −1 − u 0 − Δs 2 = 0
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
(4.40)
(
) (
99
(
λ2 1 + Δu ext T Δu ext + 2λ − λ0 + Δu ext T − Δu int + u m−1 − u 0 + λ20
(
+ − Δu
int T
+ u Tm−1
− u T0
)(− Δu
int
)
))
2
+ u m−1 − u 0 − Δs = 0
Dies ist eine gemischt-quadratische Gleichung, die zwei Lösungen hat. Die eine ist ein Schritt vorwärts, die andere ein Schritt rückwärts (Abb. 4-10, Abb. 4-11). Der Algorithmus muss in der Lage sein, die Vorwärtslösung zu identifizieren.
zwei Lösungen
Kreis um letzten Gleichgewichtspunkt (letzte konvergierte Lösung)
u Abb. 4-10 Zwei Lösungen beim Crisfield-Verfahren
Diese zwei Lösungen stellen in der Praxis ein reales Problem dar, dann nämlich, wenn der Rückwärtsschritt nicht auf demselben Pfad erfolgt, sondern z.B. bei Plastizität einer anderen Entlastungskurve folgt. Dann ist ein sicheres Verhindern des Rückwärtsschrittes nahezu unmöglich, sodass mit unbrauchbaren Ergebnissen gerechnet werden muss. Eine Alternative ist es, die Nebenbedingung (4.34) in das Newton-Verfahren einzubeziehen. Dann müssen zwei Sätze von Gleichungen null werden, die Gleichgewichts- und die Nebenbedingung: (4.41)
d(u, λ ) = f int − λf 0ext = 0
(4.42)
f (u, λ ) = (λ − λ0 )2 + (u − u 0 )T (u − u 0 ) − Δs 2 = 0
Nun müssen die Ableitungen nach u und gebildet werden, woraus sich das lineare Gleichungssystem
100
(4.43)
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung ∂d ∂u ∂f ∂u
∂d ∂λ Δu = − d(u, λ ) f (u, λ ) ∂f Δλ ∂λ
ergibt, also (4.44)
KT T 2(u − u 0 )
− f 0ext Δu λf 0ext − f int = 2(λ − λ0 ) Δλ −f
Nach Multiplikation mit dem erweiterten Unbekanntenvektor erhält man: (4.45)
(4.46)
K T Δu = Δλf 0ext + λf 0ext − f int
− f II 2(u − u 0 )T Δu + 2(λ − λ 0 )Δλ = − f
Zur Klarstellung sei gesagt, dass der Index 0 für die Anfangswerte des Iterationsprozesses, gewöhnlich die letzte konvergierte Lösung, steht und λ, u und f aus dem letzten Iterationsschritt stammen. Mit der gewohnten Aufspaltung (4.47)
ΔλΔu ext − Δu II
entsprechend den Lösungen für die rechten Seiten f0ext und f II wird aus (4.46)
(
)
(4.48)
2(u − u 0 )T ΔλΔu ext − Δu II + 2(λ − λ0 )Δλ = − f
(4.49)
2Δλ (u − u 0 )T Δu ext − 2(u − u 0 )T Δu II + 2(λ − λ0 )Δλ = − f
(4.50)
2Δλ (u − u 0 )T Δu ext + (λ − λ0 ) = − f + 2(u − u 0 )T Δu II
[
]
sodass man als Lastinkrement (4.51)
erhält.
Δλ =
− f + 2(u − u 0 )T Δu II T 2 (u − u 0 ) Δu ext + (λ − λ 0 )
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
101
4.4.5.2
Anwendung auf Modellproblem mit Lösung der gemischt-quadratischen Gleichung Der erste Schritt ist wieder der gewöhnliche Newton-Raphson-Schritt aus Kap. 4.4.2. Die Bogenlänge ergibt sich daraus zu Δs 2 = Δλ12 + Δu1 ⋅ Δu1 = 0,26 2 + 0,1625 2 = 0,09401
2. Schritt: Bogenlängenverfahren f int = −4(u1 − 1) 2 + 4 = 3,994 K T = −8(u1 − 1) = 0,3
Δu ext =
1 = 3,333 0,3
Δu int =
3,994 = 13,31 0,3
Bestimmungsgleichung
(
) (
(
λ 2 1 + Δu ext T Δu ext + 2λ − λ0 + Δu ext T − Δu int + u m−1 − u 0 + λ 20
(
+ − Δu
int T
+ u Tm−1m−1
− u T0
)(− Δu
a = 1 + 3,333 ⋅ 3,333 = 12,11
int
)
)) 2
+ u m−1 − u 0 − Δs = 0
b = −3,84 + 3,333 ⋅ (−13,31 + 0,9625 − 0,8) = −95,36
c = 3,84 2 + (−13,31 + 0,9625 − 0,8) 2 − 0,09401 = 187,63 p = b / a = −7,874
q = c / a = 15,49
λ 2 + pλ + q = 0 λ1 = 4,020 λ 2 = 3,854 gewählt: 1 Δu 2 = 4,020 ⋅ 3,333 − 13,31 = 0,08565
weiterer Verlauf:
u
fext-fint
1,07197497
3,9815481
0,00226969
1,07362728
3,97832702
1,09205E-05
u 2 = 0,9625 + 0,08565 = 1,048
102
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
4,3 4,2 4,1 4
f_int Verlauf
3,9
Radius 2. Lösung
3,8 3,7 3,6 3,5 0,4
0,6
0,8
1
1,2
1,4
Abb. 4-11 Iterationsverlauf bei Suche auf einem Kreisbogen (quadratische Gleichung)
4.4.5.3
Anwendung auf Modellproblem mit Bestimmung des Lastfaktors durch Newton-Verfahren Der erste Schritt und die Bestimmung der Bogenlänge erfolgen wie in Kap.4.4.5.2. 2. Schritt: Bogenlängenverfahren f = (4,1 − 3,84) 2 + (0,9625 − 0,8) 2 − 0,09401 = 0
muss in diesem Schritt so sein, weil die Bogenlänge unmittelbar bestimmt wurde, gilt aber nicht allgemein f int = −4(u1 − 1) 2 + 4 = 3,994
f II = −(4,1 ⋅1 − 3,994) = −0,1056
K T = −8(u1 − 1) = 0,3
Δu ext = Δλ =
1 = 3,333 0,3
Δu II =
−0,1056 = −0,3521 0,3
− 0 + 2 ⋅ (0,9625 − 0,8) ⋅ (−0,3521) = −0,07137 2 ⋅ [(0,9625 − 0,8) ⋅ 3,333 + (4,1 − 3,84 )]
Δu 2 = −0,07137 ⋅ 3,333 + 0,3521 = 0,1142
u 2 = 0,9625 + 0,1142 = 1,0767
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
103
weiterer Verlauf:
f
u
fext-fint
0,00305898
1,08148605
3,973532132
9,204E-05
8,5833E-05
1,07368306
3,978526775
0,00024355
4,8669E-08
1,07363526
3,978311405
9,1393E-09
f 0 in der ersten Spalte ist ein Zeichen dafür, dass die Bogenlängenbedingung nicht in den Iterationsschritten, sondern erst bei Konvergenz eingehalten wird.
4,3 4,2 4,1 4 f_int 3,9
Verlauf Radius
3,8 3,7 3,6 3,5 0,6
0,8
1
1,2
1,4
Abb. 4-12 Iterationsverlauf bei Suche auf einem Kreisbogen (Newton-Verfahren)
Die dargestellten Verfahren schaffen es also, im instabilen Bereich eine Lösung zu erzielen.
4.4.6
Anfangswerte und Bogenlänge
Die beiden Beiträge zur Bogenlänge, die Verschiebungen und der Lastfaktor, haben unterschiedliche Einheiten, sodass die obigen Ausdrücke streng genommen nicht gebildet werden könnten. In der Numerik sind sie aber nur Zahlen, die jedoch in verschiedenen Situationen (Abb. 4-13) unterschiedlich gewichtet werden müssen. s1 ist kraftdominiert, s2 verschiebungsdominiert. Die Methode kann nur erfolgreich sein, wenn die Anfangswerte je Lastschritt geeignet gewählt werden.
104
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
Außerdem müssen das Konvergenzverhalten und indirekt die Krümmung der LastVerschiebungs-Kurve berücksichtigt werden. Bei allen aufgeführten Algorithmen startet das allererste Inkrement mit einem gegebenen Lastfaktor , der als 00 gespeichert wird. In der ersten Iteration dieses Schrittes wird durch einen konventionellen Newton-Schritt das Verschiebungsinkrement u0ext,0 berechnet. Mit dessen Norm wird ein Bezugswert (4.52)
,0 Warc = Δλ00 u ext 0
berechnet, der eine Art Arbeitsausdruck darstellt. Damit wird für die folgenden Lastschritte i das Anfangslastinkrement zu (4.53)
Δλi0 =
Warc ,i −1 Δu ext ∞
also aus der Bezugsarbeit durch die Norm des zuletzt konvergierten Verschiebungsinkrementes bestimmt (Abb. 4-13). Dadurch wird den sich verändernden Steigungen Rechnung getragen. Auch für die folgenden Lastinkremente ist der erste Iterationsschritt ein konventioneller Newton-Schritt. Nach (4.53) ergibt sich stets ein positives Δλi0 . Geht man von einer gewissen Glattheit des Verlaufes aus, empfiehlt es sich, diesen Betrag mit dem Vorzeichen des letzten konvergierten Lastinkrementes zu versehen: (4.54)
Δλi0 =
Warc ext ,i −1 Δu ∞
(
sgn Δλi∞−1
) 0i
0i
Warc
Δu ext,i ∞
s2
s1 00 u0ext,0
00 W arc u0ext,0
Δu ext,i ∞
u
Abb. 4-13 Bogenlängen in verschiedenen Situationen, Anfangslastinkrement
Crisfields Methode (Hyperkugel) ist das einzige Verfahren, das die Bogenlänge direkt verwendet. Die Nebenbedingung (4.34) kann in dimensionsloser Form geschrieben werden:
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
(4.55)
f (u, λ ) =
105
(λ − λ0 )2 + (u − u 0 )T (u − u 0 ) − c 2 λ2ref
arc
2 u ref
=0
Der Anfangswert für carc ist 1. Als Referenzwerte kommen (4.56)
λ ref = Δλ00
und
T
2 u ref = Δu 0ext ,0 Δu 0ext ,0
die Anfangswerte aus dem allerersten Schritt, oder (4.57)
λ ref = Δλ0∞
und
T
2 0 u ref = Δu ∞ Δu 0∞
die entsprechenden konvergierten Werte aus dem ersten Lastschritt, in Betracht. Des Weiteren muss die Bogenlänge an das Konvergenzverhalten angepasst werden. Regeln dafür spiegeln nur Erfahrungswerte wider. Eine ist die Orientierung an einem Ziel für die Anzahl der Iterationen bis zur Konvergenz, Nitergoal. Dann wird nach Abschluss des Schrittes i-1 die aktuelle Bezugsarbeit z.B.:
(4.58)
goal N iter
i i −1 Warc = Warc
i −1 N iter
oder die Konstante in (4.55):
(4.59)
i i −1 = c arc c arc
goal N iter i −1 N iter
Im Falle von Nichtkonvergenz ist die Halbierung der Bogenlänge bzw. der Referenzarbeit ein geeigneter Weg.
4.4.7
Lösung des erweiterten Systems
Das lineare Gleichungssystem im Newton-Vefahren zur Lösung des erweiterten Systems zur direkten Bestimmung von Instabilitätspunkten aus Kap. 3.2.4 lautet:
(3.11)
KT ∂K T ∂u 0
0 KT
2 T
− f 0ext Δu λf ext − f int 0 1 − K p Δ = − K T λ T Δλ 1 − 0
106
4 Lastinkrementierung in einer nichtlinearen Berechnung
Die erste Zeile ergibt: (4.60)
K T Δu − f 0ext Δλ = λf 0ext − f int
(4.61)
K T Δu = Δλf 0ext − − λf 0ext + f int
(
)
Mit der Aufspaltung (4.62)
Δu = ΔλΔu ext − Δu II
können diese Gleichungen mit den Teillösungen für die rechten Seiten f0ext und (–f0ext+f int), aus denen man uext bzw. uII erhält, bis auf gelöst werden. Die zweite Zeile von (3.11), jetzt (4.63)
∂K T 1 ( ΔλΔu ext − Δu II ) + K T Δ − K p Δλ = −K T ∂u λ
kann in (4.64)
1
∂K T
∂K T K T Δ = Δλ − Δu ext + K p − − Δu II + K T λ u u ∂ ∂
I II f f
ungeformt werden. Mit der Aufspaltung (4.65)
Δ = ΔλΔ I − Δ II
kann dieses System mit den rechten Seiten f I und f II gelöst werden, um I und II zu erhalten. Die dritte Zeile von (3.11), nun (4.66)
2 T (ΔλΔ I − Δ II ) = 1 − T
kann schließlich nach (4.67)
Δλ =
1 − T + 2 T Δ II 2 T Δ I
aufgelöst werden. So können die insgesamt 2n+1 Gleichungen mit der n-dimensionalen Systemmatrix und vier rechten Seiten plus einer skalaren Gleichung gelöst werden.
4.4 Bogenlängenverfahren (arc-length method)
107
Das Verfahren hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt. Gründe dafür können sein:
•
Es gibt keine Garantie, dass die niedrigsten kritischen Lasten gefunden werden. Hier wäre eine Kombination mit einer anderen Steuerung, die so lange aktiv ist, bis durch die begleitende Eigenwertanalyse die Nähe zu einem kritischen Punkt indiziert wird, nützlich.
•
Der Term
∂K T enthält die Ableitung von KT nach u, die weitere Herleitung und ∂u Programmierung voraussetzt. In einem kommerziellen Programm mit vielen Elementtypen ist das unerwünscht. Eine numerische Ableitung ist zwar denkbar, muss aber für jeden Freiheitsgrad des Elementes durchgeführt werden. Weil der Term in (4.64) noch mit den Bestandteilen von u multipliziert wird, ergibt sich insgesamt nur ein Vektor, der auf Elementebene berechnet und dann zu einem Gesamtvektor zusammengebaut werden kann.
5 Grundzüge der Materialmodelle 5.1 Repräsentative eindimensionale Grundelemente Bei Materialmodellen geht es um die Zusammenhänge zwischen Dehnungen und Spannungen, im Folgenden wird aber auf einfache Bauteile Bezug genommen, deren Kraft-WegVerhalten bekannt ist. Als Grundlage für ein Werkstoffgesetz muss nur der Weg durch die Dehnung und die Kraft durch die Spannung ersetzt werden.
5.1.1
Elastizität (Hooke-Element)
Das Grundelement für lineare Elastizität ist die Feder (Hooke-Element) wie in Abb. 5-1:
F bzw. u bzw.
Abb. 5-1 Feder als Modell für lineare Elastizität
In Kräften F und Verschiebungen u gilt: (5.1)
F = ku
wobei k die Federsteifigkeit darstellt, in Spannungen und Dehnungen gilt: (5.2)
σ = Eε
wobei E der Elastizitätsmodul ist. Das Kraft-Weg- bzw. Spannungs-Dehnungs-Diagramm hat folgende Form: F,
k, E W u, Abb. 5-2 Arbeitsdiagramm für lineare Elastizität
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_5, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
5.1 Repräsentative eindimensionale Grundelemente
109
Die Fläche unter der Kraft-Weg-Kurve gibt die verrichtete Arbeit, unter dem SpannungsDehnungs-Diagramm die Arbeit für ein infinitesimal kleines Volumenelement, die Elementararbeit, an. Deshalb heißen die Diagramme auch Arbeitsdiagramme. Für nichtlineare Elastizität muss statt (5.2) eine nichtlineare Funktion definiert werden. Es bleibt aber dabei, dass die Spannung eine Funktion der Gesamtdehnung ist und nicht in Inkrementen formuliert werden muss. Außerdem bleibt es dabei, dass Be- und Entlastung auf demselben Pfad erfolgen (Abb. 5-3). Als Symbol wird auch eine Feder gewählt. F,
u, Abb. 5-3 Nichtlineare Elastizität
5.1.2
Plastizität (St.-Venant-Element)
Bei Plastizität tritt bei Überschreiten einer gewissen Spannungsschwelle, der Fließgrenze F, eine Verformung ein, die bei Wegnahme der Belastung nicht zurückgeht. Dieses Verhalten kennt man auch der von Reibung. Außerdem geht man davon aus, dass Plastizität das Ergebnis eines mit innerer Reibung verbundenen Vorgangs ist. Deshalb wird Plastizität durch ein Reibelement (St.-Venant-Element) symbolisiert (Abb. 5-4): F
Abb. 5-4 Reibelement als Modell für Plastizität
5.1.3
Zeitabhängiges Verhalten (Newton-Element)
Eine zeitabhängige Kraft-Weg- oder Spannungs-Dehnungs-Beziehung wird durch einen Dämpfer (Newton-Element) symbolisiert (Abb. 5-5):
110
5 Grundzüge der Materialmodelle
Abb. 5-5 Dämpfer als Modell für Zeitabhängigkeit
Die Spannung ist hierbei eine Funktion der Dehngeschwindigkeit, die als Zeitableitung der Dehnung mit einem Punkt gekennzeichnet wird: (5.3)
σ = η ε
wobei die Dämpfungskonstante bei einem linearen Dämpfer bzw. die Viskosität des Materials ist. Gern wird auch die Umkehrung benutzt: (5.4)
ε = f (σ )
Die Funktion kann auch nichtlinear von der Spannung und der Zeit abhängen oder als Differentialgleichung formuliert sein: (5.5)
ε = f (σ , t ) bzw. ε = f (σ , ε )
Zeitabhängiges Materialverhalten kann Kriechen, Visko-Plastizität oder Visko-Elastizität (s.u.) sein.
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle 5.2.1
Elasto-Plastizität (Prandtl-Element)
Elasto-Plastizität ist typisch für Metalle bei normalen Umgebungstemperaturen. Sie wird durch eine Reihenschaltung von Feder- und Reibelement (Prandtl-Element) symbolisiert (Abb. 5-6). F E Abb. 5-6 Feder- und Reibelement als Symbol für Elasto-Plastizität
Bei idealer Plastizität erhöht sich die Spannung nicht mehr, wie es bei Stählen mit ausgeprägter Fließgrenze bis zu einer bestimmten Dehnung der Fall ist.
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle
111
Zunächst steigt die Spannung mit der Dehnung (Abb. 5-7); wenn die Fließgrenze erreicht ist, steigt die Spannung nicht mehr, auch wenn die Dehnung zunimmt. Bei Wegnahme der Belastung geht die Dehnung zurück, aber nur um den elastischen Anteil. Der selbstreversible Anteil heißt elastische Dehnung el, der irreversible plastische Dehnung pl. Beide zusammen ergeben die Gesamtdehnung (5.6)
ε tot = ε el + ε
pl
F
tot pl
el
Abb. 5-7 Spannungs-Dehnungs-Linie eines elastisch-ideal-plastischen Material bei Be- und Entlastung
Die Beziehung zwischen Spannung und Dehnung ist nicht mehr ein-eindeutig, sondern von der Lastgeschichte abhängig. Eine Erweiterung um eine parallel geschaltete Feder (Abb. 5-8) kann lineare Verfestigung nach Überschreiten der Fließgrenze darstellen: F1 E1
E2 Abb. 5-8 Modell für Elasto-Plastizität mit linearer Verfestigung
Dann ergibt sich die in Abb. 5-9 zu sehende Fließgrenze F aus F1 zuzüglich der Spannung aus Strang 2 bei Erreichen der Fließgrenze in Strang 1:
112
5 Grundzüge der Materialmodelle
σ F1
(5.7)
ε F1 =
(5.8)
σ F = σ F1 + E 2 ε F1 = σ F1 + E 2
E1
σ F1
E
= σ F1 1 + 2 E1 E1
F
E2=ET
E1+E2=E pl
Abb. 5-9
5.2.2
el
tot
Spannungs-Dehnungs-Linie eines elasto-plastischen Materials mit linearer Verfestigung bei Be- und Entlastung
Maxwell-Element für Kriechen
Unter einem Maxwell-Element versteht man die Reihenschaltung einer Feder mit einem Dämpfer (Abb. 5-10). Es ist geeignet, eine einfache Gesetzmäßigkeit für Kriechen eines ansonsten elastischen Materials abzubilden.
E
Abb. 5-10 Maxwell-Element für Kriechen
Die Gesamtdehnung ist die Summe aus elastischer, d.h. selbstreversibler, Dehnung in der Feder und Kriechdehnung (Index cr von englisch creep) im Dämpfer: (5.9)
ε tot = ε el + ε cr
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle
113
Allgemein fasst Kriechen das zeitabhängige Entstehen bleibender Dehnungen zusammen. Man betrachtet jedoch zwei Grenzfälle. Der erste sei hier als reines Kriechen bezeichnet und beschreibt die Verformung unter einer konstanten Spannung . Damit ist auch die elastische Dehnung (5.10)
ε el =
σ E
konstant. Bei einem linearen Dämpfer, der durch (5.3) beschrieben wird, steigt die Kriechdehnung linear mit der Zeit und somit lautet die Formel für die Gesamtdehnung: (5.11)
ε tot (t ) =
σ E
+
σ t η
Der zeitliche Verlauf beider Größen ist in Abb. 5-11 dargestellt.
σ
ε
σ0
εcr
εel t
t
Abb. 5-11 Verlauf von Spannung und Dehnung beim Kriechen
Der zweite Grenzfall ist die Relaxation. Dabei bleibt die Gesamtdehnung konstant 0tot. Mit zunehmendem Anteil der Kriechdehnung nimmt die elastische Dehnung und damit die Spannung ab. Die Ableitung von (5.9) ergibt (5.12)
ε el + ε cr = 0
Unter Ausnutzung von (5.2) und (5.3) wird daraus (5.13)
σ E
+
σ =0 η
mit der Anfangsbedingung
σ (t 0 ) = Eε 0tot
Diese Differentialgleichung erster Ordnung hat die Lösung
(5.14)
σ (t ) =
Eε 0tot
−
E
e η
(t − t 0 )
Abb. 5-12 zeigt den so berechneten Verlauf der Spannung und die daraus folgenden Dehnungsverläufe, wobei die Gesamtdehnung unverändert bleibt, sodass gilt: (5.15)
ε el + ε cr = 0
114
5 Grundzüge der Materialmodelle
σ
ε
σ0
εtot
εcr εel
t0
t0
t
t
Abb. 5-12 Verlauf von Spannung und Dehnung bei der Relaxation
Kriechen kann auch bei Materialien auftreten, die sich plastisch verformen. Es gibt dann zwei Anteile bleibender Verformungen, nämlich die plastische und die Kriechdehnung, wobei letztere zeitabhängig ist. Das Materialmodell wird dafür um das Reibelement erweitert (Abb. 5-13): F E Abb. 5-13
5.2.3
Reihenschaltung von Feder-, Reib- und Dämpferelement zur Beschreibung eines kriechfähigen elasto-plastischen Materials
Kelvin-Voigt-Element für Visko-Elastizität
Das einfachste Modell für Visko-Elastizität ist die Parallelschaltung einer Feder mit einem Dämpfer (Kelvin-Voigt-Element, Abb. 5-14).
E
Abb. 5-14 Parallelschaltung von Feder- und Dämpferelement für Visko-Elastizität
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle
115
Unter Visko-Elastizität versteht man ein Materialverhalten, bei dem nach Wegnahme der Last eine vollständige Rückstellung erfolgt (deshalb Elastizität), diese aber zeitverzögert eintritt (deshalb visko). Ebenso ist jegliche Verformung und Rückstellung zeitabhängig. Das sehr langsame Aufbringen einer Spannung würde ohne Einfluss des Dämpfers ablaufen und zu (5.16)
ε=
σ E
führen. Beim plötzlichen Aufbringen einer Spannung 0 zum Zeitpunkt t = 0 würde sich diese jedoch auf Feder und Dämpfer verteilen: (5.17)
σ0 = σ
f
+ σ d = Eε + ηε
oder
σ0 E = ε + ε η η
Diese inhomogene lineare Differentialgleichung erster Ordnung mit der Anfangsbedingung (5.18)
ε (t = 0) = 0
hat die Lösung
(5.19)
E
t ε= 1− e η E −
σ 0
Die Dehnung wächst also mit der Zeit von 0 aus an, bis sich für t der Zustand einstellt, der ohne Dämpfer herrschen würde. Zum Zeitpunkt t1 liege die Dehnung 1 vor. Nun wird die Spannung weggenommen. Man erhält die Differentialgleichung (5.20)
E
η
ε + ε = 0
mit der Anfangsbedingung
ε (t1 ) = ε 1
und der Lösung
−
(5.21)
E
ε (t ) = ε 1e η
(t − t1 )
für t ≥ t1
Für t stellt sich die Verformung vollständig zurück. Wegen der bekannten Eigenschaften der Exponentialfunktion werden Minimal- und Maximalwert auch in endlicher Zeit näherungsweise erreicht
116
5 Grundzüge der Materialmodelle
6,00E-03 5,00E-03
epsilon
4,00E-03 Belastung
3,00E-03
Entlastung
2,00E-03 1,00E-03 0,00E+00 0
0,5
1
1,5
2
2,5
Zeit t
Abb. 5-15 Beispiel für Dehnungs-Zeitverhalten bei Visko-Elastizität
Wird in kurzer Zeit eine Dehnung 1 aufgebracht, so ergibt sich, weil gegen den Dämpfer gearbeitet wird, zunächst eine sehr hohe Spannung, die dann gegen E abklingt. Bei erzwungener Rückstellung auf die Dehnung Null ergibt sich eine entgegengesetzte Spannung, die später auf Null abklingt (Abb. 5-16).
t t
Abb. 5-16 Kelvin-Voigt-Modell bei Dehnungsvorgabe
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle
5.2.4
117
Erweitertes Viskoelastizitätsmodell
Das in Abb. 5-16 dargestellte Verhalten entspricht wegen der Spannungsspitzen, die bei beliebig hoher Dehngeschwindigkeit gegen unendlich gehen, nicht der Realität. Eine Verbesserung bringt, den Dämpfer durch ein Maxwell-Element zu ersetzen, d.h. ihn um eine Feder zu erweiterten. Die Spannung ist dann durch (E +E1) nach oben und durch E nach unten begrenzt. Es ist auch möglich, wie in Abb. 5-17 mehrere Maxwell-Elemente mit in der Größenordnung unterschiedlichen Dämpfern parallel zu schalten, um so das Abklingverhalten besser an Messwerte anpassen zu können. In Abb. 5-17 ist die einzelne Feder mit E gekennzeichnet, weil diese Feder die Spannungs-Dehnungs-Beziehung bestimmt, wenn genügend Zeit vergangen ist. E∞
E1 1 E2 2 Abb. 5-17 Gängiges Viskoelastizitätsmodell
5.2.5
Bingham-Modell als Beispiel für Visko-Plastizität
Beim Bingham-Modell liegt eine Feder in Reihe mit einer Parallelschaltung aus Dämpfer und Reibelement (Abb. 5-18). Es kann z.B. ein Metall beschreiben, bei dem die Fließgrenze von der Dehngeschwindigkeit abhängt, wobei es für die Fließgrenze eine untere Schranke bei langsamer Belastung gibt.
E
F
Abb. 5-18 Bingham-Modell als Beispiel für Visko-Plastizität
118
5 Grundzüge der Materialmodelle
Außerdem findet ein Bingham-Modell Anwendung bei zähen Materialien wie z.B. Ziegelrohmasse, die sich erst wie ein fester Körper, nach Überschreiten einer gewissen Spannung (hier Schubspannung) aber wie eine viskose Flüssigkeit verhält.
5.2.6
Burghers-Modell
Bei Polymeren kennt man die so genannte Entropie-Elastizität, die darauf zurückzuführen ist, dass die Molekülketten gerade gezogen werden. Der Vorgang ist weitgehend selbstreversibel, aber zeitabhängig und kann durch ein Kelvin-Voigt-Element beschrieben werden. Ferner treten aber – ebenfalls zeitabhängige – bleibende Verformungen auf, die auf Versetzungen in bzw. Aufbrechen von Hauptvalenzbindungen zurückzuführen sind. Wegen der Zeitabhängigkeit ist es müßig zu entscheiden, ob es sich um Visko-Plastizität oder um Kriechen handelt. Dieser Anteil kann jedenfalls durch ein Maxwell-Element abgebildet werden. Die Feder darin kennzeichnet die so gen. Energie-Elastizität. Beides zusammen in Reihe geschaltet ergibt das Burghers-Modell.
E1 2
E2
1 Abb. 5-19 Burghers-Modell
Bringt man nun zeitweise eine Spannung nach Abb. 5-20 auf, erhält man den Zeitverlauf der Dehnung aus Abb. 5-21. Zunächst wird nur die Feder 2 verformt, außerdem beginnt der Dämpfer 2 sich zu dehnen, dann folgt die Feder 1, gebremst durch den Dämpfer 1. Nach Wegnahme der Last ist die Feder 2 entspannt, der Dämpfer 2 verändert sich nicht mehr, während sich die Feder 1, gebremst durch den Dämpfer 1, über die Zeit entspannt.
0
t0
t1
Abb. 5-20 Gegebener Last-Zeitverlauf 1
t
5.2 Aus Grundelementen zusammengesetzte Modelle
119
σ 0 / E2 ε 1 (t1 )
σ 0 / η 2 ⋅ (t1 − t0 )
σ 0 / E2
t0
t1
t
Abb. 5-21 Dehnungs-Zeitverlauf 1
Wird anschließend eine entgegengesetzt gerichtete Last aufgebracht (Abb. 5-22), wiederholt sich der Vorgang prinzipiell in der anderen Richtung (Abb. 5-23), jedoch ist das System nicht mehr unverformt, sodass das weitere Verhalten von der Vorgeschichte abhängt.
0
t0
t 1 t2 t3
t
1 Abb. 5-22 Gegebener Last-Zeitverlauf 2
t0 Abb. 5-23 Dehnungs-Zeitverlauf 2
t1
t
120
5 Grundzüge der Materialmodelle
5.3 Tensor- und Vektorschreibweise, Tensor- und Ingenieurnotation Die Spannung stellt einen zweistufigen Tensor dar, der grundsätzlich neun Komponenten hat, die in der Matrix
(5.22)
σ 11 τ 12 = τ 21 σ 22 τ 31 τ 32
τ 13 τ 23 σ 33
angeordnet werden können. Gleiches gilt für die Dehnungen. Dementsprechend stellt die Verknüpfung zwischen beiden, der Werkstofftensor, einen vierstufigen Tensor dar. Dessen Darstellung auf dem Papier wäre schwierig. Aus dem Momentengleichgewicht am infinitesimal kleinen Element ergibt sich die Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen an orthogonalen Schnitten: (5.23)
τ ij = τ ji
Auch der Dehnungstensor ist symmetrisch. Das erlaubt es, Spannungs- und Dehnungskomponenten jeweils in einer Spaltenmatrix, und dann die Komponenten des Werkstofftensors, hier für Elastizität, in einer nxn-Matrix anzuordnen.
(5.24)
ε 11 σ 11 ε σ 22 22 ε 33 σ 33 = E γ 12 τ 12 γ 23 τ 23 γ 13 τ 13
In der Tensornotation der Dehnungen haben die Schubkomponenten, hier mit ij bezeichnet, aus Gründen der einheitlichen Darstellung nur den halben Wert der entsprechenden Komponenten, hier ij, in der Ingenieurnotation:
(5.25)
γ 12 2ε 12 γ 23 = 2ε 23 γ 13 2ε 13
Die Tensornotation erleichtert die kompakte Darstellung von Beziehungen, die für Werkstoffgesetze relevant sind, insbesondere in der Indexschreibweise.
5.4 Aufspaltung und Darstellung räumlicher Spannungszustände
121
5.4 Aufspaltung und Darstellung räumlicher Spannungszustände 5.4.1
Hauptspannungen
Der räumliche Spannungszustand hat neun Komponenten, von denen je zwei Schubspannungen gleich sind, sodass sechs verschiedene Werte übrig bleiben. Der Spannungstensor lässt sich als Matrix darstellen:
(5.26)
σ xx = τ xy τ xz
τ xy τ xz σ yy τ yz τ yz σ zz
Dies sind die Spannungen in drei Schnitten, die jeweils senkrecht zu den Koordinatenachsen stehen. Will man die Spannungen in einem beliebigen Schnitt bestimmen, muss man mit dem Normalenvektor n multiplizieren. Damit erhält man den Spannungsvektor
(5.27)
σ 11 t = τ 12 = n τ 13
Hinter der Bestimmung von Hauptspannungen (principal stresses) steht die Frage, welche Richtungen die Koordinatenachsen haben müssen, damit keine Schubspannungen auftreten. Das ist gleichbedeutend mit der Forderung, dass die Normale zu einer Schnittfläche in die Richtung des Spannungsvektors dieser Fläche zeigen muss: (5.28)
n = λn
Das ergibt das Eigenwertproblem (5.29)
( − λI )n = 0
(5.30)
σ xx − λ τ xy τ xz n1 0 σ yy − λ τ yz n2 = 0 τ xy τ τ yz σ zz − λ n3 0 xz
Die Forderung, dass für die nicht-triviale Lösung die Determinante null werden muss, führt auf das charakteristische Polynom, dessen Koeffizienten die Invarianten I1 bis I3 des Spannungstensors darstellen. Diese Werte sind invariant gegenüber Drehungen des Koordinatensystems. Die Hauptspannungen ergeben sich immer gleich. Damit sind sie auch Invarianten.
122
5.4.2
5 Grundzüge der Materialmodelle
Kugeltensor und Deviator
Die erste Invariante, I1, ist die Summe der Normalspannungen und beträgt das Dreifache der mittleren Normalspannung (5.31)
σ m = 13 (σ x + σ y + σ z ) = 13 I1
Dies ist der Spannungsanteil, der nach allen Richtungen gleich ist (deshalb ist er ja invariant gegenüber einer Drehung des Koordinatensystems) und wegen der Analogie zum Druck in der Hydrostatik hydrostatischer Anteil heißt. Er ist potenziell volumenändernd. Bei entsprechender Anordnung ergibt sich der so genannte Kugeltensor
(5.32)
m
σ m = 0 0
0
σm 0
0 0 σ m
Zieht man ihn vom Spannungstensor ab, erhält man den gestaltändernden Spannungsdeviator
(5.33)
σ xx − σ m s = τ xy τ xz
τ xy τ xz σ yy − σ m τ yz τ yz σ zz − σ m
Nur die Normalspannungen werden verändert, die Schubspannungen sind bereits deviatorisch. Bestimmt man vom Deviator die Hauptwerte, so ergibt sich, weil man ja die erste Invariante des Spannungstensors abgezogen hat, dass die erste Invariante des Deviators, J1, null wird. J2 und J3 verbleiben und bilden Koeffizienten eines Polynoms dritter Ordnung, das null werden soll. Das löst man mit einem trigonometrischen Ansatz, in dem der Winkel eine Rolle spielt, der später noch interpretiert wird. Die Hauptrichtungen von Spannungstensor und Deviator sind gleich, weil sie sich ja nur durch den – richtungsunabhängigen – hydrostatischen Anteil unterscheiden. Auch Dehnungen können in einen volumen- und einen gestaltändernden Anteil zerlegt werden. Der gestaltändernde Anteil (Deviator) entsteht analog den Spannungen durch Subtraktion der mittleren Normaldehnung 1 3
(5.34)
ε m = (ε 11 + ε 22 + ε 33 )
( 5.35)
'ε ij − ε m eij = & %ε ij
für i = j für i ≠ j
d.h. nur die Normaldehnungen werden beim Übergang zum Deviator verändert, nicht aber die Schubverzerrungen.
5.4 Aufspaltung und Darstellung räumlicher Spannungszustände
123
Im Weiteren wird anstelle der mittleren Normaldehnung deren Summe, die Volumendehnung, verwandt: (5.36)
ε Vol = (ε 11 + ε 22 + ε 33 ) = 3ε m
Das Hooke’sche Gesetz lässt sich dann in zwei Gleichungen schreiben. Für den volumetrischen Anteil lautet sie: (5.37)
σ m = Kε Vol = 3Kε m
wobei K =
E der Kompressionsmodul 3(1 − 2ν )
mit der Querkontraktionszahl ist. Für jede Komponente des Deviators, Normal- wie Schubanteile, ist (5.38)
sij = 2Geij
wobei G =
E der Schubmodul ist. 2(1 + ν )
Für die Schubkomponenten gilt (5.38) nur, wenn für die Verzerrung die Tensornotation verwendet wird, bei der die Schubverzerrungen nur halb so groß wie bei der anschaulicheren Ingenieurnotation (s. Kap. 5.3) definiert sind. Bei letzterer gilt natürlich (5.39)
s ij = Geij = Gγ ij
für i ≠ j
schließlich ist darüber ja der Schubmodul definiert.
5.4.3
Hauptspannungsraum
Für die grafische Darstellung von Spannungszuständen, insbesondere der Fließbedingungen und der Fließregeln, ist es sinnvoll, den Hauptspannungsraum einzuführen. Da der allgemeine Spannungszustand durch sechs Komponenten beschrieben wird, ist seine Darstellung nicht möglich. Berechnet man aber Hauptspannungen, so bleiben drei Größen übrig. Für diese wird eine räumliche Darstellung gewählt, der Hauptspannungsraum (principal stress space, Abb. 5-24). Die Raumdiagonale kennzeichnet die Punkte, in denen die drei Hauptspannungen gleich sind, den hydrostatischen Spannungsanteil. Die Raumdiagonale ist Normale zur Deviatorebene in der man die Abweichungen von der hydrostatischen Achse und damit die gestaltändernden Spannungsanteile, den Spannungsdeviator, sieht. Insbesondere ist hydrostatischen Achse.
J 2 der Abstand zur
124
5 Grundzüge der Materialmodelle
3 Deviatorebene
hydrostatische Achse 2
1 Abb. 5-24 Hauptspannungsraum
5.5 Berücksichtigung des Materialverhaltens in der FEM In der linearen FEM sind die äußeren Lasten fext konstant, während man die Steifigkeitsmatrix als (5.40)
K=
B
T
EBdV
(V )
berechnet. Die B-Matrix stellt die Beziehung zwischen Dehnungen und Knotenverschiebunˆ gen her. E ist die Elastizitätsmatrix des Hooke’schen Gesetzes. Die Knotenverschiebungen u erhält man direkt aus der Lösung des Gleichungssystems (5.41)
Kuˆ = f ext
Der Ausdruck Kuˆ stellt die inneren Kräfte dar. Bei Auftreten von Nichtlinearitäten (Geometrische, Material-, Kontakt) lassen sich die Gleichungen normalerweise nicht mehr direkt lösen. Stattdessen wird iterativ vorgegangen. Dabei dominiert das Newton-Raphson-Verfahren. Darin ergibt sich ein Inkrement der Knotenverschiebungen aus (5.42)
K T Δuˆ = f ext − f int
Dabei lassen sich die inneren Kräfte
5.5 Berücksichtigung des Materialverhaltens in der FEM (5.43)
f int =
B
T
125
dV
(V )
nicht mehr als Produkt der Steifigkeitsmatrix mit einem Vektor darstellen. Die tangentiale Steifigkeitsmatrix errechnet sich als (s. Kap. 2.3.3.1) (5.44)
KT =
∂ ∂B T (uˆ ) B(uˆ )dV + dV ∂ ∂uˆ (V ) (V )
Kσ Ku
B T (uˆ )
Die B-Matrix ist bei geometrischer Nichtlinearität von der Verschiebung abhängig. Dann existiert auch K. Auch die äußeren Kräfte können von der Verschiebung abhängen, z.B. beim Druck. Dann gibt es noch einen weiteren Anteil zur Tangentenmatrix. Für die Berücksichtigung nichtlinearen Materialverhaltens – das ist alles, was nicht dem Hooke’schen Gesetz entspricht, auch wenn nur das Zusammenwirken von linearen Federn und Dämpfern betrachtet wird – müssen für (5.43) und (5.44) die Spannungen und deren Ableitungen nach den Dehnungen , genauer nach den Gesamtdehnungen, bereitgestellt werden. Diese Ableitungen bilden auch eine Matrix, die so genannte konsistente Materialtangente. Man muss davon ausgehen, dass das Finite-Elemente-Programm die Gesamtdehnungen übergibt und ggf. noch Geschichtsvariablen wie z.B. plastische Dehnungen bereitstellt. Dazu kommen Zeit, Zeitschritte und Temperaturen. Aus den Dehnungen werden am Integrationspunkt – oft iterativ – die Spannungen und die Veränderung der Geschichtsvariablen errechnet. Aus den Spannungen ergeben sich dann die neuen inneren Kräfte, die im ersten Versuch wahrscheinlich nicht mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht stehen. Um dieses herzustellen, werden nun die Verschiebungsinkremente iterativ verbessert (äußere oder globale Iteration). Geschieht das mit dem Newton-Verfahren wird dazu die Materialtangente benötigt. In jedem Schritt der äußeren Iteration werden neue Dehnungen und mit diesen jedes Mal die zugehörigen Spannungen am Integrationspunkt berechnet.
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität Das Materialmodell ist interpretierbar als eine Parallelschaltung einer Feder mit n MaxwellElementen (Reihenschaltung Feder – Dämpfer) wie in Abb. 5-17.
6.1 Grundformeln für den eindimensionalen Fall Bei einem Relaxationsversuch wird die Dehnung vorgegeben, während die Spannung über die Zeit abnimmt. Für die Einzelfeder und die Maxwell-Elemente ist die Dehnung gleich. Die Spannung im jeweiligen Strang kann für sich berechnet werden, und zwar wie in Kap. 5.2.2. Gleichung (5.14) kann folgendermaßen umgeschrieben werden: −
(6.1)
Ei
σ i (t ) = E i e η i
(t − t 0 )
−
1
ε 0tot = E i e λi
(t − t 0 )
ε 0tot
Es ist also ein zeitabhängiger effektiver E-Modul −
(6.2)
E i (t − t 0 ) = E i e
t − t0
λi
definiert. Anstelle der Dämpfungskonstante gibt es jetzt als Konstante neben dem (Anfangs-)E-Modul Ei eine charakteristische Zeit i, auch als Relaxationszeit bezeichnet, obwohl die Relaxation nach dieser Zeit nicht abgeschlossen ist. Wegen der Parallelschaltung können sowohl die Spannungs- als auch die E-Modul-Anteile addiert werden. Sie ergeben den aktuellen Elastizitätsmodul des Materials:
(6.3)
n
n
i =1
i =1
E ( t − t 0 ) = E i (t − t 0 ) = E ∞ + E i e
−
t − t0
λi
Diese Darstellung ist als Prony-Reihe bekannt. Sie gilt, wenn die Relaxation mit Belastungsbeginn t0 startet, also (6.4)
σ (t ) = E (t − t 0 )ε 0
Nun wird vorausgesetzt, dass bei einer Dehnungsänderung die Relaxation für den geänderten Anteil von vorn beginnt (Abb. 6-1): (6.5)
σ (t ) = E (t − t 0 )Δε 0 + E (t − t1 )Δε 1
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_6, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6.1 Grundformeln für den eindimensionalen Fall
127
( 1)
( 0)
t1
t0
Abb. 6-1 Relaxation bei unterschiedlichem Belastungsbeginn
Geht man nun von differenziell kleinen Zuwächsen für die Dehnung und die Zeit aus, wird der Anfangszeitpunkt variabel und es gilt (6.6)
dσ = E (t − t )dε
Mit
dε =
∂ε dt = εdt ∂t
erhält man die Spannung als das uneigentliche Integral t
(6.7)
σ (t ) = E (t − t )εdt 0
Dieses heißt Faltungsintegral (convolution integral). Die Dehngeschwindigkeit wird als gegeben betrachtet, weil das Finite-Elemente-Programm das entsprechende Unterprogramm mit der Dehnung aufruft, die sich aus dem zuvor berechneten Verschiebungszustand ergibt. Der Zeitschritt ist ebenfalls gegeben. Als Antwort wird der Spannungszustand erwartet. Setzt man (6.3) ein, ergibt sich
σ (t ) = E ∞ + 0 t
(6.8)
t −t
t −t − t t Ei e λi εdt = E ∞ εdt + Ei e λi εdt i 0 0 i −
t
(6.9)
σ (t ) = E∞ ε (t ) + Ei e 0 i
−
t −t
λi εdt
128
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
6.2 Einführung von Zeitschritten Mit der Zeitdiskretisierung werden Zeitpunkte tn eingeführt, an denen alle Werte als bekannt gelten. Der kleinste Wert für tn ist 0. Der Zeitpunkt, für den Werte berechnet werden sollen, ist (6.10)
t n +1 = t n + Δt
wobei t der Zeitschritt ist. Dann ist
(6.11)
σ (t n+1 ) = E ∞ ε (t n+1 ) +
t n+1
Ei e
−
t n+1 − t
λi
εdt
i
0
Dieses Integral kann aufgeteilt werden in tn (6.12)
σ (t n +1 ) = E∞ ε (t n+1 ) +
Ei e 0
−
t n +1 − t
λi
εdt +
i
t n+1
Ei e
tn
−
t n+1 − t
λi
εdt
i
Mit Einführung des Zeitschrittes und Berücksichtigung von − (6.13)
e
t n +1 − t
λi
=e
−
Δt + t n − t
λi
=e
−
Δt
λi
− e
tn − t
λi
und der Tatsache, dass Summation und Integration vertauschbar sind, ergibt sich
(6.14)
tn − t t n+1 − t − Δt t t − − n+1 λ n λ λ i i i Ei e Ei e σ (t n+1 ) = E ∞ ε (t n+1 ) + e εdt + εdt i 0
tn (t n ) Hi
H i (t n+1 )
Dabei wird die Abkürzung t
(6.15)
H i (t ) := E i e
−
t −t
λi εdt
0
eingeführt. Man erkennt durch Vergleich mit (6.11), dass die große Klammer in (6.14) Hi(tn+1) beinhaltet, dieser Ausdruck also rekursiv aus dem Wert des vorherigen Zeitpunktes und dem aktuellen Zeitschritt berücksichtigt werden kann. Gleichzeitig war zum Zeitpunkt tn
6.3 Numerik
129
tn
(6.16)
σ (t n ) = E ∞ ε (t n ) + Ei e i
t −t − n
λi εdt
0
H i (t n )
Hi(tn) also bekannt. Also ist (6.17)
σ (t n +1 ) = E ∞ ε (t n +1 ) + H i (t n +1 ) i
wobei sich Hi sich aus der Rekursionsformel −
(6.18)
H i (t n +1 ) = e
Δt
λi H (t ) + i n
t −t − n +1
t n +1
λi
Ei e
εdt
tn
ergibt. Der Startwert ist Hi(0) = 0.
6.3 Numerik Im Integral wird die Dehngeschwindigkeit durch (6.19)
ε =
Δε Δt
ersetzt und ist damit gegeben und unabhängig von t . Folglich ist −t t − n +1
t n +1
(6.20)
Ei e
λi
tn
t −t − n +1
t n +1
(6.21)
−t −t t t t n +1 − n +1 − n +1 Δ Δ ε ε λ λ i i = E i λi e dt εdt ≈ E i e Δt Δt tn
Ei e
λi
tn
Δε 0 εdt ≈ E i λi e − e Δt
t −t − n +1 n
λi
Also ist Δt λ λi H i (t n+1 ) = e i H i (t n ) + E i Δε 1 − e Δt −
(6.22)
Δt
λi
−
= E i Δε
λi Δt
− 1 − e
t
n +1 t n
Δt
λi
130
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
und damit
(6.23)
σ (t n +1 ) = E ∞ (ε (t n ) + Δε ) + e
−
Δt
λi
i
Δt λi H i (t n ) + E i Δε 1 − e Δt i
λi
−
Wird die Integration numerisch – der Grund erschließt sich erst bei Einführung der Temperaturabhängigkeit – mit der Mittelpunktsregel vorgenommen, muss für den Integranden der Mittelwert aus den Grenzen eingesetzt werden und für dt der Zeitschritt, d.h.
( 6.24)
1 (t t n +1 − 12 (t n +1 + t n ) t −t n +1 − t n ) t n +1 − n +1 − −2 Δε Δε λi λi λi Ei e dt ≈ Ei e Δt = E i Δε e Δt Δt tn
(6.25)
1 Δt t −t t n +1 − n +1 −2 Δε λi λi Ei e dt ≈ E i Δε e Δt tn
Dann ist −
(6.26)
H i (t n +1 ) = e
Δt
λi H t + E Δ e i( n) i ε
−
Δt 2λ i
und damit −
(6.27)
Δt
−
Δt
σ (t n +1 ) = E ∞ (ε (t n ) + Δε ) + e λi H i (t n ) + Ei Δε e 2λi i
i
6.4 Werkstofftangente
131
Beide Varianten lassen sich zu −
(6.28)
(6.29)
H i (t n+1 ) = e
mit
Δt
λi
H i (t n ) + Ei Δε f i (Δt )
Δt ' − 5 λ 51 − e i bei direkter Integration 5 Δt 55 f i (Δt ) = & λi 5 5 5 − Δt bei der Mittelpunktsregel 5 2λ i 5% e
zusammenfassen.
6.4 Werkstofftangente Gesucht ist die Ableitung der Spannungen nach den Dehnungen, die aber auch die Ableitung nach den Dehnungsinkrementen ist: (6.30)
dσ dσ dΔε dσ d (ε − ε n ) dσ = = = dε dΔε dε dΔε dε dΔε
Dann ist (6.31)
∂H i (t n+1 ) ∂σ = E∞ + =: ET ∂Δε ∂ Δ ε i
Die darin benötigte Ableitung ergibt sich als (6.32)
∂H i (t n+1 ) = Ei f i (Δt ) ∂Δε
mit fi(t) aus (6.29).
132
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
6.5 Algorithmus hier für direkte Integration gegeben n = 0,
t 0 = 0,
H i (t 0 ) = 0
in der äußeren Iteration für bis zur Konvergenz
ε (t n ), Δε , Δt und Werkstoffparameter
1)
gegeben
2)
Δt − ε Δ λ λ H i (t n+1 ) = e i H i (t n ) + Ei λi 1 − e i Δt
3)
σ (t n+1 ) = E∞ (ε (t n ) + Δε ) + H i (t n+1 )
−
Δt
i
4)
Δt − ∂H i (t n+1 ) 1 λ = E i λi 1 − e i ∂Δε Δt
5)
∂H i (t n+1 ) ∂σ = E∞ + ∂ε ∂Δε i
Veränderung von , dann weiter mit 1) nach Konvergenz von : n <= n+1, weiter mit 1) Eine innere Iteration ist nicht erforderlich. Der nächste Schritt 1) ergibt sich nicht nur aus einem neuen Zeitschritt, sondern auch innerhalb der äußeren Gleichgewichtsiteration in demselben Zeitschritt.
6.6 Mehrdimensionaler Fall 6.6.1
Spannungsberechnung
Hier wird auf die Aufspaltung von Spannungen und Dehnungen in Kugeltensor und Deviator und das Hooke’sche Gesetz in diesen Größen in Kap. 5.4.2 verwiesen. Bei der Benutzung von Schubmodul G und Kompressionsmodul K scheinen die Richtungen zunächst entkoppelt. Deshalb können die Formeln aus den obigen Kapiteln je Komponente angewandt werden. Aus der Spannungs-Dehnungs-Beziehung wird (6.33)
σ m (t n+1 ) = 3K ∞ (ε m (t n ) + Δε m ) + H iK (t n+1 ) i
6.6 Mehrdimensionaler Fall
133
mit −
(6.34)
H iK (t n +1 ) = e
Δt
λiK
− K K Δε m 1− e H i (t n ) + 3K i λi Δt
Δt λiK
und nach Übergang zur Ingenieurnotation (6.35)
a)
s kk (t n +1 ) = 2G∞ (ekk (t n ) + Δekk ) +
2H iG,kk (t n+1 ) i
bzw.
b)
τ kl (t n+1 ) = G∞ (γ kl (t n ) + Δγ kl ) + H iG,kl (t n+1 )
für k ≠ l
i
mit −
(6.36)
H iG,kl (t n +1 ) = e
Δt
λG i
Δt − Δ e λG kl 1− e i H iG,kl (t n ) + Gi λG i Δt
Da die Geschichtsvariable H von einer Dehnungskomponente abhängig ist, muss für jede Komponente kl und jedes Maxwell-Element i eine eigene Variable Hi,kl gespeichert werden.
6.6.2
Werkstofftangente
Wegen (6.37)
σ ii = sii + σ m
wird (6.38)
∂σ m ∂ε m dσ ii ds dσ m ∂sii ∂eii = ii + = + dε kl dε kl dε kl ∂eii ∂ε kl ∂ε m ∂ε kl
Die Beschränkung der Indizes auf die jeweilige Dehnung ergibt sich daraus, dass die Spannungskomponenten nur von der jeweils angegebenen Dehnungskomponente abhängig sind. Das Ergebnis der Ableitungen der deviatorischen und volumetrischen Dehnungen nach den Gesamtdehnungskomponenten, erhält man aus (6.39)
eii = ε ii − 13 (ε 11 + ε 22 + ε 33 )
Die Klammer enthält jedes εkk, sodass deren Ableitung nach εkk immer -1/3 ist. Ist k = i, ist die Ableitung des ersten Terms 1, sonst 0.
134 (6.40)
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
ε m = 13 (ε 11 + ε 22 + ε 33 )
Zusammengefasst:
(6.41)
2 3 ∂eii 1 = − ∂ε kl 3 1 − 3
1 3 2 3 1 − 3 −
1 3 1 − 3 2 3 −
0
∂ε m 1 = ∂ε kl 3
1 3
1 0 0 0 3
Aus (6.33) ergibt sich (6.42)
∂σ m ∂H iK (t n +1 ) (t n +1 ) = 3K ∞ + 3 = 3K ∞ + 3 ∂ε m ∂Δε m i
K i f iK (Δt )
mit fi entsprechend (6.29) je nach Integrationsverfahren sowie mit (6.43)
∂H iG (t n +1 ) = Gi f iG (Δt ) aus (6.35) ∂Δeij
(6.44)
∂sii ∂H iG (t n +1 ) = 2G∞ + 2 (t n +1 ) = 2G∞ + 2Gi f iG (Δt ) ∂ Δ e ∂eii ii i i
bzw.
' dτ ij (t ) = G∞ + Gi f iG (Δt ) 5 (t n+1 ) = & ∂γ ij n+1 i ∂γ kl 5 0 %
dτ ij
für i ≠ j ∧ ij = kl für ij ≠ kl
Bei der Ableitung nach der jeweiligen deviatorischen Dehnungskomponente entfällt diese also, sodass sich nur insgesamt zwei tangentiale Module (6.45)
K T := K ∞ +
K i f iK (Δt ) i
und
GT := G ∞ +
Gi f iG (Δt ) i
ergeben. Auf der Hauptdiagonalen der Materialtangente steht also (6.46)
(6.47)
dσ ii 2 1 = 2GT + 3K T bei den Normalskomponenten und 3 3 dε ii
dτ ij dγ ij
= GT
6.6 Mehrdimensionaler Fall
135
auf den Nebendiagonalen (6.48)
dσ ii 1
1
= 2GT − + 3K T 3 3 dε kk
Zusammengefasst:
(6.49)
4 3 GT + K T 2 − GT + K T 3 d 2 = − G +K T d 3 T
2 GT + K T 3 4 GT + K T 3 2 − GT + K T 3
−
2 GT + K T 3 2 − GT + K T 3 4 GT + K T 3 −
0
GT GT
0
GT
Trotz der richtungsabhängigen Geschichtsvariablen für die Relaxation der Spannungskomponenten ergibt sich also keine Anisotropie.
6.6.3 Gegeben
Algorithmus n = 0,
t 0 = 0,
H iK (t 0 ) = 0,
H iG (t 0 ) = 0
und Werkstoffparameter Vorgehen in der äußeren Iteration, in der bis zur Konvergenz verändert wird: 1)
2)
gegeben
(t n ), Δ, Δt
Δt ' − 5 K 51 − e λi bei direkter Integration 5 Δt 55 f i K ( Δt ) = & λiK 5 5 5 − Δt bei der Mittelpunktsregel 5 2λ K i 5% e −
3)
H iK (t n +1 ) = e
Δt
λiK H K (t ) + K Δε f K (Δt ) i n i m i
− H iG,kl (t n +1 ) = e
Δt
λG K i H G (t ) + G Δγ i kl f i ( Δt ) i , kl n
f iG (Δt ) entsprechend
136
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität 4)
σ m (t n +1 ) = 3K ∞ (ε m (t n ) + Δε m ) + 3 H iK (t n +1 ) i
s kk (t n +1 ) = 2G ∞ (eii (t n ) + Δeii ) + 2 H iG,kk (t n +1 ) i
σ kk (t n +1 ) = s kk (t n +1 ) + σ m (t n +1 )
τ kl (t n +1 ) = G ∞ (γ kl (t n ) + Δγ ii ) + H iG,kl (t n +1 ) i
5)
K T = K ∞ + K i f i (Δt )
GT = G ∞ + Gi f iG (Δt )
K
i
6)
4 3 GT + K T 2 − GT + K T 3 d 2 = − G +K T d 3 T
i
2 − GT + K T 3 4 GT + K T 3 2 − GT + K T 3
2 − GT + K T 3 2 − GT + K T 3 4 GT + K T 3
0
GT 0
GT
GT
Veränderung von , dann weiter mit 1) nach Konvergenz von :
n n+1, weiter mit 1)
6.7 Temperaturabhängigkeit Neben der bereits behandelten Ratenabhängigkeit polymerer Werkstoffe bei isothermen Zustandsänderungen lässt sich auch eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit dieser Eigenschaft feststellen. Besonders im Bereich der sogenannten Glasübergangstemperatur Tg (Abb. 6-2) variieren die physikalischen Eigenschaften stark: •
• •
Unterhalb von Tg (T< Tg) liegt nur eine schwache Molekülbeweglichkeit vor. Für T << Tg besitzen Polymersysteme einen hohen Speichermodul und eine eher geringe Dämpfung, da die Molekülketten ein festes Gitter bilden. Dies ist gleichbedeutend mit einem nahezu rein elastischen Zustand. Oberhalb von Tg (T > Tg) , dem sogenannten entropie-elastischen Zustand, liegt wiederum ein stabiler Zustand vor. Der entropie-elastische Zustand ist durch einen deutlich geringeren Speichermodul und durch eine höhere Dämpfung charakterisiert.
6.7 Temperaturabhängigkeit
Materialkennwerte
Glaszustand
137
Erweichungs- entropieelast. Zustand gebiet
Speichermodul E‘
Dämpfungsmaß tan Wärmeausdehnungskoeffizient T Tg
Temperatur T
Abb. 6-2 Veränderung der Materialeigenschaften2 von Polymeren mit der Temperatur
6.7.1
Grundlagen thermo-rheologisch einfacher Materialien, Pseudo-Zeit
Viele Polymerwerkstoffe (incl. Glas) weisen eine Temperaturabhängigkeit auf, die unter dem Begriff „thermo-rheologisch einfach“ bzw. „thermo-rheological simplicity (TRS)“ bekannt ist. Diese Eigenschaft lässt sich am besten wie folgt ausdrücken: „Die Materialantwort bei Belastung und hoher Temperatur über einen kurzen Zeitraum ist die gleiche wie die Antwort bei niedriger Temperatur über einen langen Zeitraum.“
oder „Zeit und Temperatur sind dasselbe Phänomen. Dies bedeutet: Wird die viskoelastische Antwort über dem Logarithmus der Zeit aufgetragen, haben die Kurven die gleiche Form und sind lediglich in Richtung der Zeitachse verschoben.“ (s. Abb. 6-3).
2
Der Speichermodul ist ein Ergebnis eines rheologischen Oszillationsversuches, der durch Amplitude und Frequenz der Anregung bestimmt wird. Aus diesen resultieren die Antwortamplitude und die Phasenverschiebung und daraus ein Modul im Komplexen, der in Speicher- und Verlustmodul zerlegt wird.
138
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
25000 20000
λ = 50 15000
λ = 25
λ = 100
10000 5000 0 1
10
100
1000
10000
log(t)
Abb. 6-3 Verlauf eines Moduls über dem Logarithmus der Zeit
Bei einem thermo-rheologisch einfachen Material wird davon ausgegangen, dass nur die Abklingkonstante temperaturabhängig ist und für alle Maxwellelemente dieselbe Funktion der Form
λi (T ) =
(6.50)
λi (TRe f ) a (T )
angegeben werden kann, wobei TRef
die Referenztemperatur, bei der die einzugebenden Basisparameter E0, E und ermittelt wurden,
bedeutet. Man erhält also das Verhalten für eine Temperatur, wenn man an Stelle der Zeit eine modifizierte Zeit (Pseudo-Zeit) einsetzt. Der temperaturabhängige E-Modul lautet:
n
(6.51)
E (t , T ) = E ∞ + E i e
−
t λ i (T )
i =1
= E∞ + Ei e i =1
während bei der Referenztemperatur n
(6.52)
E (t , T Ref ) = E ∞ + E i e i =1
n
−
t λi (TRef )
−
a(T ) t
λ i (T Ref )
6.7 Temperaturabhängigkeit
139
ist. Um den gleichen E-Modul zu erreichen, muss die Pseudo-Zeit also (6.53)
ξ = a(T ) t
sein. Dies gilt allerdings nur, wenn die Temperatur über die ganze Zeit konstant ist.
6.7.2
Zeitintegration
Bei technischen Anwendungen ist die Temperatur meist variabel. Dafür gilt die Integralform t
(6.54)
ξ (t ) = a (T (t ) )dt 0
T(t)
T4 T3 T2 T1
t Abb. 6-4 Temperaturverlauf und Idealisierung im Euler-vorwärts-Verfahren
Dann kann bei endlichen Inkrementen und einem als konstant im Inkrement angenommenen Temperaturverlauf (gestrichelt in Abb. 6-4) die Pseudo-Zeit als
(6.55)
n Inkr ξ (t ) = a(T (t m ) )Δt m =1
oder
n Inkr ξ (t ) = a (T (t m−1 ) )Δt m =1
(Euler-vorwärts- bzw. -rückwärts-Verfahren) oder mit einer anderen Form, etwa der Mittelpunktsregel, berechnet werden. Bei dieser ist t2
(6.56)
1
t1
mit Δt = t 2 − t1
hier also
f (t )dt ≈ f 2 (t 2 + t1 ) Δt
140
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität t
(6.57)
ξ (t n ) = a(T (t ) )dt 0
zum neuen Zeitpunkt tn+1 unter Berücksichtigung der Vorgeschichte
(6.58)
t n +1 tn t n +1 ξ (t n +1 ) = a (T (t ) )dt = a (T (t ) )dt + a (T (t ) )dt
0
(6.59)
0
tn
( (12 (t n+1 + t n )))Δt
ξ (t n+1 ) ≈ ξ (t n ) + a T
Das ergibt (6.60)
( (12 (t n+1 + t n )))Δt
Δξ = ξ (t n +1 ) − ξ (t n ) = a T
Die Formel bedeutet, dass stets größer wird, solange a(T) positiv ist, nur nicht proportional zur Echtzeit. Integriert man nun die entscheidende Gleichung (6.21) für die Spannungen nach der Mittelpunktsregel, so ist
(6.61)
Δε Ei Δt
t n +1 − e
ξ (t n +1 ) − ξ (t ) λi
tn
Δε e dt ≈ E i Δt
−
ξ (t n +1 ) − ξ t n + 1 λi
2
Δt
mit (6.62)
t n+ 1 = t n+1 − 2
Δt 2
also
(6.63)
Darin ist
ξ (t ) − ξ (t ) t n +1 − n +1 − Δε λi E e Ei e d t ≈ Δ ε i Δt
tn
ξ (t n+1 ) − ξ t n+1 − λi
Δt
2
6.7 Temperaturabhängigkeit
(6.64)
141
t n+1 t n+1 Δt
ξ t n+1 − = a(T (t ) )dt − a(T (t ) )dt = ξ (t n+1 ) − Δξ 1 2 2 0
t n+ 1 2 ξ (t n+1 )
=:Δξ 1
2
sodass sich
(6.65)
−t t t n+1 − n+1 − Δε λi Ei e dt ≈ E i Δε e Δt tn
ξ (t n +1 ) − ξ (t n +1 ) + Δξ 1
Δξ 1
2
λi
= E i Δε e
−
2
λi
ergibt. Wiederum nach der Mittelpunktsregel ist
(6.66)
Δξ 1 2
t n+1
3 Δt = a(T (t ) )dt = a T t n + Δt 4 2 t n+ 1
2
Eine direkte Integration ist für eine beliebige Funktion a(T(t)) nicht allgemein möglich. Ein anderes Problem ist in (6.12) das Integral tn − e
ξ (t n +1 ) − ξ (t ) λi
tn − dt = e
0
ξ (t n+1 ) − ξ (t n ) + ξ (t n ) − ξ (t ) λi
tn − = e
Δξ + ξ (t n ) − ξ (t )
λi
(6.67)
dt
0
t n − Δξ − λi dt = e e
0
ξ (t n ) − ξ (t ) λi
dt
0
ξ (t n ) − ξ (t ) Δξ t n − λi e λi =e dt −
0
Die Aufspaltung und das Vorziehen vor das Integral, das Voraussetzung für die Rekursionsformel ist, ist also auch hier möglich.
6.7.3
Shift-Funktionen
6.7.3.1 Williams-Landel-Ferry-Gleichung Die wohl gebräuchlichste Shift-Funktion ist die Williams-Landel-Ferry-Gleichung (WLF). Sie eignet sich besonders für die Berechnung von Polymeren. Während die einzelnen Polymerketten sich relativ zu einander bewegen, werden die Bindungen zwischen diesen Ketten
142
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
neu gebildet. Dieser Prozess ist thermisch aktiviert und wird durch die WLF-Funktion beschrieben. Sie lautet: (6.68)
log10 a(T ) =
c1 (T − TRef ) c 2 + (T − TRef )
Diese Darstellung passt zu den Kurven im logarithmischen Maßstab. Die Funktion selbst ist dann c1 (T −TRef )
(6.69)
a(T ) = 10
c2 + (T −TRef )
3 2
log10 a(T) [s]
1 0 -50
-1 0
50
100
150
200
-2 -3 -4 -5 -6 -7 T-TRef [°C]
Abb. 6-5 Shift-Funktion für ein Natronkalk-Silikat-Glas
Die WLF-Gleichung ist auch für bestimmte Glasarten geeignet (in Abb. 6-5 für ein Natronkalk-Silikat-Glas dargestellt).
6.7.3.2 Parameterbestimmung für die WLF-Gleichung Zur Bestimmung der beiden Parameter c1 und c2 der WLF-Gleichung benötigt man mindestens drei Relaxationsversuche für unterschiedliche Temperaturen, deren Ergebnisse man im logarithmischen Maßstab aufträgt (s. Abb. 6-6). Der Abstand der jeweiligen temperaturabhängigen Kurve zur Referenzkurve stellt den Logarithmus des Wertes der Shift-Funktion dar. In Abb. 6-6 ist T1 die Referenztemperatur.
6.7 Temperaturabhängigkeit G
143
log a(T0)
log a(T2)
G(0) T0 < T1 < T2 T1
T2
T0
G(∞) log(t) Abb. 6-6 Zur Bestimmung der Shift-Funktion
Man erhält zwei Gleichungen: (6.70)
log a (T0 ) =
c1 (T0 − T1 ) und c2 + (T0 − T1 )
(6.71)
log a (T2 ) =
Nach Umformen ergibt sich das lineare Gleichungssystem (6.72)
log a (T0 )c2 − (T0 − T1 )c1 = − log a (T0 )(T0 − T1 )
(6.73)
log a (T2 )c2 − (T2 − T1 )c1 = − log a (T2 )(T2 − T1 )
aus dem sich c1 und c2 bestimmen lassen.
6.7.4
Spannungen
Nach den Überlegungen des Kapitels 6.7.2 gilt: (6.74)
(6.75)
Δt
Δξ = a T t n + Δt 2
Δξ 1 2
t n +1
3
a(T (t ))dt = a T t n + Δt Δt = 4 tn+ 1
2
−
(6.76)
H i (t n +1 ) = e
Δξ
λi
H i (t n ) + Ei Δε e
−
Δξ 1 2
λi
c1 (T2 − T1 ) c2 + (T2 − T1 )
144
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
(6.77)
σ (t n+1 ) = E∞ (ε (t n ) + Δε ) + H i (t n+1 ) i
6.7.5
Tangente
Gesucht ist die Ableitung der Spannungen nach den Dehnungen wie in Kap. 6.4. Die darin benötigten Ableitungen werden vom Übergang auf die Pseudozeit nicht beeinflusst.
6.7.6
Algorithmus
Aus praktischen Gründen wurde der Faktor 3 vor K nicht bei H, sondern erst bei eingeführt. Gegeben
n=0
t 0 = 0, H iK (t 0 ) = 0, H iG (t 0 ) = 0
und Werkstoffparameter Ablauf in der äußeren Iteration für bis zur Konvergenz: (t n ), Δ, Δt
1)
gegeben
2)
Δt
Δξ = a T t n + Δt 2 −
3)
H iK (t n +1 ) = e
Δξ 1
Δξ
−
λiK
− H iG,kl (t n +1 ) = e
4)
3 Δt Δξ 1 = a T t n + Δt 4 2 2
H iK (t n ) + K i Δε m e
Δξ 1
Δξ
λG i
2
λiK −
H iG,kl (t n ) + Gi Δγ kl e
2
λG i
σ m (t n+1 ) = 3K ∞ (ε m (t n ) + Δε m ) + 3 H iK (t n+1 ) i
s kk (t n +1 ) = 2G∞ (eii (t n ) + Δeii ) + 2 H iG,kk (t n +1 ) i
σ kk (t n +1 ) = s kk (t n +1 ) + σ m (t n +1 )
τ kl (t n +1 ) = G∞ (γ kl (t n ) + Δγ ii ) + H iG,kl (t n +1 ) i
Δξ 1 −
5)
KT = K ∞ + K i e
6)
d d
wie in
−
2
λiK
GT = G∞ + Gi e
(6.49)
Veränderung von , dann weiter mit 1) nach Konvergenz von :
n n+1, weiter mit 1)
Δξ 1 2
λG i
6.8 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand
145
6.8 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand 6.8.1
Ebener Verzerrungszustand
Im ebenen Verzerrungszustand und bei Rotationssymmetrie werden die Dehnungskomponenten xx, yy, zz = 0 und xy übergeben und müssen ebensolche Spannungskomponenten erzeugt werden, wobei aber zz 0 ist. Es muss lediglich die Zahl der Schubverzerrungen eingeschränkt werden.
6.8.2
Ebener Spannungszustand
Im ebenen Spannungszustand werden die Dehnungskomponenten xx, yy und xy übergeben und müssen ebensolche Spannungskomponenten erzeugt werden. zz ist nicht gegeben, aber auch nicht 0, sondern muss aus der Bedingung bestimmt werden, dass zz = 0 ist. Bei der klassischen Elastizität lässt sich die Elastizitätsmatrix entsprechend umstellen:
(6.78)
ν ν ε xx σ xx 1 − ν E σ = ν 1 −ν ν ε yy yy (1 + ν )(1 − 2ν ) σ zz ν ν 1 − ν ε zz
Also: (6.79)
σ zz =
(
)
E νε xx + νε yy + (1 − ν )ε zz = 0 (1 + ν )(1 − 2ν )
Klammerausdruck muss null werden, aufgelöst: (6.80)
ε zz =
−ν (ε xx + ε yy ) 1 −ν
Hier aber ist das Problem zu lösen, dass die Querkontraktion nicht konstant ist, weil G und K verschieden relaxieren können. Das macht die Aufspaltung des Dehnungstensors in Kugeltensor und Deviator, die aber Voraussetzung für den Algorithmus ist, schwieriger. Es gilt: −
Δξ
λG i
−
(6.81)
H iG,kl (tn +1) = e
(6.82)
s11 (t n +1 ) = 2G ∞ e11 (t n +1 ) + 2
H iG,kl (tn ) + Gi Δγ kl e
Δξ 1 2
λG i
H iG,11 (t n+1 ) i
(6.83)
s 22 (t n +1 ) = 2G ∞ e 22 (t n +1 ) + 2 H iG,22 (t n +1 ) i
146
(6.84)
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
s 33 (t n +1 ) = 2G ∞ e33 (t n +1 ) + 2
e
−
Δξ 1
Δξ
λG i
H iG,33 (t n ) + 2
i
(6.85)
σ m (t n +1 ) = 3K ∞ ε m (t n ) + 3 e
−
Gi Δe33 e
−
2
λG i
i
Δξ 1
Δξ
λiK
K i Δε m e
−
2
λiK
H iK (t n ) + 3
i
i
Es muss gelten: (6.86)
s 33 + σ m = 0
also zum Zeitpunkt tn+1:
3K ∞ (ε m (t n ) + Δε m ) + 3
e
−
Δξ 1
Δξ
λiK
K i Δε m e
H iK (t n ) + 3
+ 2G∞ (e33 (t n ) + Δe33 ) + 2
e
−
Δξ 1
Δξ
λG i
H iG,33 (t n ) + 2
i
Gi Δe33 e i
Es ist möglich, m als Geschichtsvariable mitzuführen: (6.88)
ε m (0) = 0 , ε m (t n +1 ) = ε m (t n ) + Δε m
wobei beim Übergang t n ⇐ t n +1 auch ε m (t n +1 ) in ε m (t n ) übergeht. Für die Dehnungen gilt: (6.89)
3ε m = ε 11 + ε 22 + ε 33 , aufgelöst:
(6.90)
ε 33 = 3ε m − ε 11 − ε 22
(6.91)
e33 = ε 33 − ε m = 3ε m − ε 11 − ε 22 − ε m
Damit kann zum Zeitpunkt tn berechnet werden: (6.92)
e33 = 2ε m − ε 11 − ε 22
Dann gilt auch (6.93)
Δe33 = 2Δε m − Δε 11 − Δε 22
2
λiK
i
i
(6.87)
−
−
2
λG i
=0
6.9 Beispielrechnungen
147
Damit gibt es nur noch die eine Unbekannte Δε m in (6.87) zum Zeitpunkt tn+1 sodass aufgelöst werden kann:
Δε m
= − 3K ∞ ε m (t n ) − 3
e
−2
(6.94)
e i
−
−
Δξ
λiK
H iK (t n ) − 2G∞ e33 (t n ) − 2G∞ (− Δε 11 − Δε 22 )
i
Δξ
λG i H G (t ) − 2(− Δε − Δε ) i,33 n 11 22 i
: 3K ∞ + 4G∞ + 3
Δξ 1
Ki e i
−
2
λiK
+4
i
Δξ 1 2 − G λ i Gi e
Δξ 1
2 G λi Gi e −
Mit (6.88) und (6.90) kann dann ε 33 berechnet und der Algorithmus normal fortgesetzt werden.
6.9 Beispielrechnungen Für die folgenden Beispielrechnungen sei die Zahl der Maxwell-Elemente gleich 1 und E=2700 N/mm2 E1=1000 N/mm2 (1)=2000 h
6.9.1
Zu Kapitel 6.1
a) Das Material wird aus dem unbelasteten Zustand plötzlich um 0,001 (0,1%) gedehnt. Die Dehnung wird 100 h gehalten, dann plötzlich auf 0,002 erhöht. Dieser Zustand dauert auch 100 h an. Dann ist nach (6.5) 200h − 0
200h − 100h
− − 2000 2000h h ⋅ 0,001 + E ∞ + E1e σ (200h) = E ∞ + E1e
⋅ 0,001
148
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität 200h 100h
− − σ (200h) = E ∞ ⋅ (0,001 + 0,001) + E1 ⋅ 0,001 e 2000h + e 2000h
200h 100h
− − σ (200h) = E ∞ ⋅ (0,001 + 0,001) + E1 ⋅ 0,001 e 2000h + e 2000h
)
(
σ (200h) = 2700 ⋅ 0,002 + 1000 ⋅ 0,001 e −0,1 + e −0,05 = 7,256
N mm 2
b) Das Material wird binnen 200 h vom unbelasteten Zustand mit konstanter Dehngeschwindigkeit auf 0,002 gedehnt. 0,002 1 Die Dehngeschwindigkeit ist also ε = = 10 −5 200h h Dann lässt sich die Spannung nach 200 h über (6.9) berechnen zu −
200 h
σ (200h) = E ∞ ⋅ 0,002 + E1ε
200h − t
e
λ
dt
0
σ (200h) = E ∞ ⋅ 0,002 + E1ελe
−
200h − t
200 h
λ 0
σ (200h) = 2700 ⋅ 0,002 + 1000 ⋅ 10
6.9.2
−5
200h − 0 200h − 200 − − λ = E ∞ ⋅ 0,002 + E1ελ e λ
−e 1 200h − 1 N 2000h 1 − e 2000h = 7,303 h mm 2
Zu Kapitel 6.2
Zur Lösung von Beispiel a) muss „plötzlich“ definiert werden: Das Dehnungsinkrement 0,001 werde jeweils mit konstanter Dehngeschwindigkeit innerhalb von 0,01h aufgebracht. Dann kann mit den Zeitschritten 0,01h, 99,99h, 0,01h, 99,99h gerechnet werden. Die zugehö0,001 1 = 0,1 ; 0; 0,1/h; 0. rige Dehngeschwindigkeit beträgt ε = 0,01h h
6.9 Beispielrechnungen
149
So ergibt sich
H (0,01h) = E1 ⋅ 0,1
1 h
−
0,01h
0,01h − t
e
1 dt = E1 ⋅ 0,1 λ e h
λ
0
−
0,01h − t
0,01h
λ 0
0,01h − 0 0,01h − 0,01h − 1 − λ λ H (0,01h) = E1 ⋅ 0,1 λ e −e h 0,01h − 1 2000 h = 0,999998 ≈ 1 N H (0,01h) = 1000 ⋅ 0,1 2000h 1 − e h mm 2
und
σ (0,01h) = 2700 ⋅ 0,001 + 1 = 3,7
N mm 2
99,99 N H (100h) = e 2000 ⋅ H (0,01h) + 0 = 0,9512 mm 2 −
0,01 100,01 − 100 − 2000 H (100,01h) = e 2000 ⋅ H (100h) + E1ελ 1 − e −
0,01 100,01 − 100 − 2000 2000 H (100,01h) = e ⋅ H (100h) + 1000 ⋅ 0,1 ⋅ 20001 − e = 1,9512 −
99,99 N H (200h) = e 2000 ⋅ H (100,01h) + 0 = 1,856 mm 2 −
Somit ergibt sich
σ (200h) = 2700 ⋅ 0,002 + 1,856 = 7,256 wie mit der Grundformel berechnet.
N mm 2
150
6.9.3
6 Theorie und Numerik der linearen Visko-Elastizität
Zu Kapitel 6.3
Die Anwendung der numerischen Integration mit der Mittelpunktsregel betrifft nur die Phasen, in denen sich die Dehnung ändert, in Beispiel a) also: 1 H (0,01h) = E1 ⋅ 0,1 h
−
0,01h
0,01h − t
e
λ
0,01h dt ≈ E1 ⋅ 0,001 e 2λ −
0
0,01h 2 ⋅ 2000h = 0,9999975 ≈ 1 H (0,01h) = 1000 ⋅ 0,001 e −
Wegen der kurzen Zeit und der angenommenen konstanten Kriechgeschwindigkeit ergibt sich praktisch kein Unterschied zur exakten Integration. Dementsprechend beträgt 99,99 N H (100h) = e 2000 ⋅ H (0,01h) + 0 = 0,9512 mm 2 −
0,01 0,01 − N H (100,01h) = e 2000 ⋅ H (100h) + 1000 ⋅ 0,001e 2 ⋅ 2000 = 1,9512 mm 2 −
99,99 N H (200h) = e 2000 ⋅ H (100,01h) + 0 = 1,856 mm 2 −
Versucht man Beispiel b) in einem Zeitschritt zu berechnen, erhält man 200 H (200h) = 1000 ⋅ 0,002e 2 ⋅ 2000 = 1,9025 −
σ (200h) = 2700 ⋅ 0,002 + 1,9025 = 7,302 Auch hier ist der Unterschied sehr gering.
N mm 2
7 Theorie und Numerik des Kriechens 7.1 Grundsätzliches Unter Kriechen seien hier das reine Kriechen (Abb. 7-1), im klassischen Sinne die zeitliche Zunahme von Dehnungen unter einer konstanten Spannung, der andere Grenzfall, die Relaxation (Abb. 7-2), die zeitliche Abnahme der Spannung unter einer konstanten Zwangsbeanspruchung, und alle Zwischenzustände verstanden, weil sie im gleichen Kontext behandelt werden.
σ
ε
εcr
εel
σ0 t
t
Abb. 7-1 Verlauf von Spannung und Dehnung beim Kriechen
σ
ε
σ0
εtot
εcr εel
t
t
Abb. 7-2 Verlauf von Spannung und Dehnung bei der Relaxation
Beim Kriechen unterscheidet man drei Phasen (Abb. 7-3): • •
primäres Kriechen mit Abnahme der Kriechgeschwindigkeit sekundäres Kriechen mit konstanter Kriechgeschwindigkeit (lineare Zunahme der Kriechdehnung) und • tertiäres Kriechen mit erneuter Zunahme der Kriechgeschwindigkeit, die kurz vor dem Bruch erfolgt. Rechnerisch wird tertiäres Kriechen normalerweise nicht erfasst, der übrige Kriechvorgang wird additiv aufgespalten in einen Anteil mit – bei konstanter Spannung und Temperatur – abnehmender Geschwindigkeit (als primär bezeichnet) und einen mit konstanter Geschwindigkeit (als sekundär bezeichnet).
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_7, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
152
7 Theorie und Numerik des Kriechens Bruch
εcr
Kriechgesetz primär + sekundär
tertiär
primär
sekundär
εcr
t
t
Abb. 7-3 Kriechphasen und rechnerische Umsetzung
Kriechgleichungen nehmen normalerweise die Form (7.1)
εcr = f (σ , T , ε , t )
an, d.h. durch die Gesetzmäßigkeiten wird die Kriechgeschwindigkeit beschrieben. Dabei bedeuten ε Dehnung (...)cr Kriechen ∂ ⋅⋅⋅ (⋅ ⋅ ⋅) = Zeitableitung ∂t σ Spannung T Temperatur t Zeit Die Abhängigkeit von der Temperatur wird gerne durch die so genannte Arrhenius-Funktion beschrieben, d.h.
(7.2)
ε cr = g (σ , ε , t )e
−
C T
C ist eine Konstante, in die die so genannte Aktivierungsenergie eingeht. Bei der Bestimmung von C aus Messwerten, die bei bestimmten Temperaturen ermittelt worden sind, spielt dieser Umstand aber keine Rolle.
Die Abhängigkeit von ε (indirekte Zeitabhängigkeit, Abb. 7-4, Dehnungsverfestigung in Abb. 7-6) und t (direkte Zeitabhängigkeit, Abb. 7-5, Zeitverfestigung in Abb. 7-6) tritt gewöhnlich nicht gleichzeitig auf. Beide Ansätze unterscheiden sich gravierend in ihren Auswirkungen, wenn sich die Spannung während der Kriechzeit wesentlich ändert.
7.1 Grundsätzliches
153
x 10-4
=482
Kriechdehnung
=482
=250 =250 x 10 h
Zeit Abb. 7-4
Auswirkung der indirekten Zeitabhängigkeit auf die Kriechsimulation bei Spannungsänderung
x 10-4
Kriechdehnung
=482
=482
=250 =250 x 10 h
Zeit Abb. 7-5
Auswirkungen der direkten Zeitabhängigkeit auf die Kriechsimulation bei Spannungsänderung
154
7 Theorie und Numerik des Kriechens x 10-4
=482
Kriechdehnung
Dehnungsverfestigung (indirekte Zeitabhängigkeit)
gemessen
=482 Zeitverfestigung (direkte Zeitabhängigkeit)
=250 x 10 h Zeit Abb. 7-6
Vergleich von direkter und indirekter Zeitabhängigkeit in der Kriechsimulation bei Spannungsänderung
Tritt bei der direkten Zeitabhängigkeit nach einer gewissen Zeit eine Spannungsänderung auf, wird der Kriechvorgang auch für die neue Spannung als schon teilweise abgeschlossen betrachtet. Tatsächlich beginnt das Kriechen für den Änderungsanteil erst mit der Änderung. Dies kann mit der indirekten Zeitabhängigkeit erfasst werden. Die Gleichungen beschreiben eher einen Sättigungswert für die Kriechdehnung, der spannungsabhängig ist. Die Integration von Kriechgleichungen scheint auf den ersten Blick nicht so problematisch, wenn keine Abhängigkeit von ε gegeben ist oder ε nur linear vorkommt. Die Gesamtdehnung εtot wird aber aufgespalten in elastische und Kriechanteile: (7.3)
ε tot = ε el + ε cr
Von den elastischen Dehnungen hängen die Spannungen ab, eindimensional (7.4)
σ = Eε el
Das bedeutet, dass sich über eine Zeitspanne während des Kriechens die Spannung ändert, die Einfluss auf die Kriechgeschwindigkeit hat. Unter Berücksichtigung solcher wechselseitigen Abhängigkeiten lassen sich geschlossene Lösungen meist nicht angeben, weshalb numerisch integriert werden muss.
7.2 Zeitintegration beim Kriechen
155
7.2 Zeitintegration beim Kriechen 7.2.1
Differenzenquotienten
Grundlage für die numerische Zeitintegration ist die Differentiation. Zur Erinnerung: Die Ableitung stellt den Grenzwert des Differenzenquotienten dar. Bei differenzierbaren Funktion fallen die Grenzwerte des linkseitigen, des rechtsseitigen und des zentralen Differenzenquotienten zusammen. y
ti-1
t
ti
t
t ti+1
Abb. 7-7 Zur Bildung der Differenzenquotienten
Für eine Funktion y(t) wie sie in Abb. 7-7 zu sehen ist, ergeben sich die Differenzenquotienten für die erste Ableitung zu (7.5)
y (t i ) ≈
y (t i + Δt ) − y(t i ) Δt
vorderer
(7.6)
y (t i ) ≈
y (t i ) − y (t i − Δt ) Δt
hinterer
(7.7)
y (t i ) ≈
y (t i + Δt ) − y (t i − Δt ) 2Δt
zentraler Differenzenquotient
7.2.2
Kriechbeispiel
Als Beispiel soll das nachfolgende Kriechgesetz gelten. Die Kriechgeschwindigkeit wird als (7.8)
εcr = Aσ m ne − nt
angegeben. A, m und n sind Materialparameter, die übrigen Symbole sind unter Abschnitt 7.1 erklärt. Für den Fall konstanter Spannung, der reines Kriechen bedeutet, lässt sich der zeitliche Verlauf der Kriechdehnung als
156 (7.9)
7 Theorie und Numerik des Kriechens
ε cr = − Aσ m e −nt + C
angeben. C wird aus der Anfangsbedingung bestimmt. Die soll hier (7.10)
ε cr (0) = 0
lauten, daraus folgt (7.11)
0 = − Aσ m + C
(7.12)
ε cr = Aσ m 1 − e − nt
(
⇔ C = + Aσ m
)
Berechnet werden soll die Kriechdehnung zur Zeit 10000 h. Gegeben seien die – für einen bestimmten Kunststoff ermittelten – Parameter A=1,05⋅10-3 m=1 n=3⋅10-4 1/h m ist dimensionslos, A hat die Einheit [MPa-m], hier [MPa-1]. Mit (7.9) erhält man bei einer konstanten Spannung von σ=31,6 MPa (reines Kriechen) eine Kriechdehnung von
ε cr = 1,05 ⋅ 10 −3 ⋅ 31,6 1 − e −3⋅10
−4
⋅10000
= 0,0315 = 3,15 %
Dieser Fall sowie reine Relaxation für m=1 und m=1,2 sollen im Folgenden numerisch behandelt werden. Für die Relaxation wird eine Dehnung ε0 vorgegeben, die der elastischen unter einer Spannung von 31,6 MPa entspricht, bei einem Elastizitätsmodul von 3700 MPa heißt das ε0 = 0,85 %.
7.2.3
Explizite Zeitintegration
Unter expliziter Zeitintegration versteht man Methoden, bei denen die Verhältnisse zu Beginn eines Zeitschrittes als konstant über den Zeitschritt angenommen werden. Die Integration erfolgt also vorwärts, weshalb eines dieser Verfahren auch Euler-vorwärts-Verfahren heißt. Man bestimmt (7.13)
Δε cr = εcr (t )Δt
(7.14)
ε cr (t + Δt ) = ε cr (t ) + Δε cr
Darin findet man mit (7.15)
ε(t ) =
Δε cr ε cr (t + Δt ) − ε cr (t ) = Δt Δt
7.2 Zeitintegration beim Kriechen
157
den vorderen Differenzenquotienten wieder. Der Algorithmus ist für die drei Fälle denkbar einfach: 1)
Berechne σ (t )
2) ε cr (t ) = Aσ m (t )ne − nt 3) Δε cr = ε cr (t ) Δt 4) ε cr (t + Δt ) = ε cr (t ) + Δε cr 5) Berechne ε el t ⇐ t + Δt , weiter mit 1)
Für das reine Kriechen ist σ konstant, sodass εel nicht benötigt wird. Man erhält mit einem konstanten Zeitschritt von Δt = 100 h bei 10000 h eine Kriechdehnung von 3,20 % und damit geringfügig mehr als analytisch.
Abb. 7-8 zeigt den Verlauf, der mit dem expliziten Verfahren und der analytischen Lösung ermittelt wurde, im Vergleich. Dabei zeigen die Symbole hier und in den folgenden Diagrammen alle Lösungspunkte, die bei dem gewählten Zeitschritt berechnet wurden.
3,50E-02 3,00E-02 2,50E-02 delta eps_cr
2,00E-02
eps_cr 1,50E-02
theo: eps_cr
1,00E-02 5,00E-03 0,00E+00 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-8 Reines Kriechen, Vergleich Euler-vorwärts-Verfahren und analytische Lösung
Für die Relaxation muss von den Gleichungen (7.3) und (7.4) Gebrauch gemacht werden. Die elastische Dehnung ist zu Beginn gleich der Gesamtdehnung:
158
7 Theorie und Numerik des Kriechens
ε el ,0 = ε 0
(7.16)
Für den Algorithmus lauten die noch offenen Schritte: 1) σ (t ) = Eε el ! 5) ε el = ε 0 − ε cr
Mit einem Zeitschritt von Δt=100 erhält man den Spannungsverlauf aus Abb. 7-9.
35 30 25 20 sigma [MPa] 15 10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-9 Relaxation: Spannungsverlauf bei expliziter Integration und Δt=100
Bei Δt=1000 ist das erste Kriechdehnungsinkrement so groß, dass es größer als die elastische Dehnung ist (Abb. 7-10) und deshalb das Vorzeichen der Spannung umkehrt. Dieses Ergebnis ist unsinnig, weil bei der Relaxation die Spannung höchstens vollständig abgebaut werden kann.
Für explizite Integrationsverfahren ist es typisch, dass die Ergebnisse stark vom Zeitschritt beeinflusst werden und auch ein instabiles Verhalten auftreten kann, wenn der Zeitschritt zu groß wird.
7.2 Zeitintegration beim Kriechen
159
35 30 25 20 15 sigma [MPa] 10 5 0 0
20000
40000
60000
80000
100000
120000
-5 -10 Zeit [h]
Abb. 7-10 Relaxation: Spannungsverlauf bei expliziter Integration und Δt=1000
35 30 25 20
sigma, m=1,2 sigma, m=1,0
15 10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-11 Relaxation bei m=1,2: Spannungsverlauf bei expliziter Integration und Δt=100
160
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Für m≠1 muss algorithmisch nichts geändert werden. Da der Einfluss der Spannung aber durch einen Exponenten >1 erhöht wird, ergeben sich anfänglich größere Spannungsveränderungen, während sie später kleiner werden. Die Relaxationskurve ist dadurch stärker gekrümmt (Abb. 7-11).
7.2.4
Variabler Zeitschritt
Betrachtet man den zeitlichen Verlauf, so ist anzunehmen, dass die Zeitschritte zu Beginn zunächst relativ klein sein müssten, dann aber kontinuierlich vergrößert werden könnten. In ANSYS wird dies bei der impliziten Zeitintegration vom Konvergenzverhalten abhängig gemacht, bei der expliziten ist der Maßstab das Kriechverhältnis (creep ratio): (7.17)
rcr =
Δε cr
ε el
< rcrSoll
also das Verhältnis von Kriechdehnungsinkrement zur elastischen Dehnung. Die Voreinstellung für rcrSoll ist 0,1. Da die Kriechdehnung zu Lasten der elastischen Dehnung geht, bedeutet das, dass sich die Spannung im Inkrement um bis zu 10% ändern könnte, obwohl sie ja für die Bestimmung der Kriechgeschwindigkeit als konstant angenommen wird.
35 30
sigma
25 20
dt variabel dt=100
15 10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-12
Euler-vorwärts-Verfahren mit an rcr angepasstem Zeitschritt (m = 1) im Vergleich zu t = const.
Ist rcr > rcrSoll wird der Zeitschritt halbiert, ggf. mehrfach. Ist rcr < rcrSoll, wird der Zeitschritt für das nächste Inkrement zu
7.2 Zeitintegration beim Kriechen
(7.18)
161
r Soll Δt i +1 = Δt i cr rcr
gesetzt, was bewirkt, dass das Kriechverhältnis bei konstanter Kriechgeschwindigkeit gerade den gewünschten Wert annähme. Ein so gesteuertes Euler-vorwärts-Verfahren, das mit t1 = 80 h beginnt, ergibt mit 40 variablen statt 100 festen Zeitschritten einen Abb. 7-9 vergleichbaren Verlauf (Abb. 7-12) und spart damit erhebliche Rechenzeit ein, vorwiegend im Bereich des flacheren Verlaufs (größerer Abstand der Wertepaare). Fazit: Die explizite Zeitintegration ist relativ einfach umzusetzen, die zur Sicherung der Stabilität erforderlichen, teilweise sehr kleinen Zeitschritte können aber ein Effektivitätsproblem darstellen. Bei der expliziten Zeitintegration hat Kriechen keinen Einfluss auf die Gesamtsteifigkeitsmatrix.
7.2.5
Implizite Zeitintegration
Bei der impliziten Zeitintegration werden in die Gleichung zur Bestimmung der Inkremente nicht nur die bekannten Größen einbezogen, sondern auch solche, die bis zu einen Zeitschritt weiter voran gelten. Die sind aber anfänglich nicht bekannt, sodass sie durch Auflösen impliziter Gleichungen, im allgemeinen Fall iterativ, ermittelt werden müssen. Ein Verfahren ist das Euler-rückwärts-Verfahren. Es wird angenommen, dass die das Inkrement der gesuchten Größe, hier der Kriechdehnung, bestimmenden Einflusswerte, hier die Spannung, konstant den Wert am Ende des Zeitschritts annehmen. Die sind gleichzeitig auch gesuchte Größen. Das Euler-rückwärts-Verfahren lässt sich auf den hinteren Differenzenquotienten für t+t zurückführen. Die Grundformel für das Kriechproblem lautet: (7.19)
Δε cr = ε(t + Δt )Δt
(7.20)
ε cr (t + Δt ) = ε cr (t ) + Δε cr
Darin ist (7.21)
εcr (t + Δt ) = Aσ (t + Δt ) m ne − n(t + Δt )
Für den Fall reinen Kriechens ist die Spannung über die Zeit konstant. Gleichung (7.21) stellt damit keine Schwierigkeit dar und der bei der expliziten Integration verwandte Algorithmus kann ansonsten auch hier Anwendung finden. Abb. 7-13 zeigt, dass das implizite Verfahren bei leicht geringeren Werten gute Übereinstimmung mit der analytischen Lösung ergibt.
162
7 Theorie und Numerik des Kriechens
3,50E-02 3,00E-02 2,50E-02 delta eps_cr
2,00E-02
eps_cr 1,50E-02
theo: eps_cr
1,00E-02 5,00E-03 0,00E+00 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-13 Reines Kriechen: Dehnungsverlauf bei Euler-rückwärts-Verfahren
Für die Relaxation ist das Problem schwieriger. Die Spannung in Gl. (7.21) am Ende des Inkrementes ist (7.22)
σ (t + Δt ) = Eε el = E (ε 0 − ε cr (t + Δt ) ) = E (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr )
Eingesetzt in (7.21) ergibt sich das Dehnungsinkrement zu (7.23)
Δε cr = εcr (t + Δt ) ⋅ Δt = A[E (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr ) )]m ne −n(t + Δt ) Δt
Für m=1 kann nach Δεcr aufgelöst werden:
(7.24)
− n (t + Δt ) Δε cr = Δt (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr ) AEne
=: D = D(ε 0 − ε cr (t ) ) − DΔε cr
(1 + D)Δε cr = D(ε 0 − ε cr (t ) ) D Δε cr = (ε 0 − ε cr (t ) ) 1+ D
Mit Δt=100 erhält man den Spannungsverlauf über der Zeit aus Abb. 7-14. Auch mit Δt=1000 ergibt sich im Gegensatz zur expliziten Integration ein qualitativ richtiger Verlauf (Abb. 7-15).
7.2 Zeitintegration beim Kriechen
163
35 30 25 20 sigma [MPa] 15 10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-14 Relaxation: Spannungsverlauf bei impliziter Integration und Δt=100
35 30 25 20 sigma [MPa] 15 10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-15 Relaxation: Spannungsverlauf bei impliziter Integration und Δt=1000
164
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Merkmal der impliziten Integration ist die Stabilität des Verfahrens auch bei größeren Zeitschritten. Die Ergebnisse hängen auch hier vom Zeitschritt ab. Vergleicht man die Resultate bei t=1000 h für verschiedene Zeitschritte kommt man auf die in Abb. 7-16 erkennbare Abhängigkeit. Eine deutliche Überlegenheit des impliziten Verfahrens ist hier, von der größeren Stabilität abgesehen, noch nicht zu erkennen. sigma(1000 h) 20 15
5
Sapnnung
10 implizit explizit Soll
0 1200
1000
800
600
400
200
0 -5 -10
Zeitschritt
Abb. 7-16 Spannung für 1000 h bei m=1, abhängig vom Zeitschritt, implizit und explizit
Der allgemeine Algorithmus beim Euler-rückwärts-Verfahren für Kriechen lautet (Nummerierung der Schritte wie beim expliziten Verfahren): 1) σ = Eε el 2) in 3) enthalten 3) Löse Δε cr = εcr (σ (Δε cr ), t + Δt ) Δt nach Δε cr auf 4) ε cr (t + Δt ) = ε cr (t ) + Δε cr 5) ε el = ε tot − ε cr
t ⇐ t + Δt , weiter mit 1)
Für m≠1 wird Schritt 3) schwieriger. Hier hilft nur ein iteratives Vorgehen. Gleichung (7.23) kann in eine Nullstellenaufgabe mit einer Unbekannten (Δεcr) überführt werden: (7.25)
f (Δε cr ) = Δε cr − A[E (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr )]m ne −n(t + Δt ) Δt = 0
Zu deren Behandlung gibt es verschiedene Verfahren. Eines davon, das sich auch mehrdimensional erweitern lässt, ist das Newton-Verfahren mit der Iterationsvorschrift
7.2 Zeitintegration beim Kriechen (i +1) (i ) Δε cr = Δε cr −
(7.26)
165
(i ) f (Δε cr ) (i ) f ´(Δε cr )
Die Ableitung lautet in diesem Fall: f ´(Δε cr ) = 1 − ( − E ) Am[E (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr )]m −1 ne −n (t + Δt ) Δt
(7.27)
= 1 + AmE m (ε 0 − ε cr (t ) − Δε cr )m −1 ne −n (t + Δt ) Δt
Als Startwert für Δεcr wird 0 gewählt. Damit erhält man für die Berechnung des ersten Inkrementes mit dem Newton-Verfahren den Iterationsverlauf aus Tab. 7-1. Nach 3 Iterationen ist der Wert der Funktion f, der Null werden soll, bereits um 7 Zehnerpotenzen gefallen. Das Dehnungsinkrement wird nur noch in der 8. geltenden Ziffer verändert. Der so berechnete Verlauf der Spannung (Abb. 7-17) ist dem explizit ermittelten sehr ähnlich. Hier ergibt ein Zeitschritt von 500 h explizit noch ein unsinniges Ergebnis, ist also instabil, darunter ist die Genauigkeit (Abb. 7-18) ähnlich, wie auch schon bei m=1 beobachtet. Tab. 7-1 Iterationsverlauf zur Berechnung des ersten Dehnungsinkrementes mit dem Newtonverfahren
f
f’
Δεcr
-1,9271087E-03
1,2707710E+00
1,5164878E-03
-7,6670431E-06
1,2603890E+00
1,5225709E-03
-1,3720874E-10
1,2603439E+00
1,5225710E-03
35 30 25 20
sigma, m=1,2
15
sigma, m=1
10 5 0 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Zeit [h]
Abb. 7-17 Relaxation bei m=1,2: Spannungsverlauf bei impliziter Integration und Δt=100
166
7 Theorie und Numerik des Kriechens
sigma(1000 h) 20 10
1000
800
600
400
200
0 -10 -20
Spannung
0 1200
explizit implizit Soll
-30 -40 -50 Zeitschritt
Abb. 7-18 Spannung für 1000 h bei m=1,2, abhängig vom Zeitschritt, implizit und explizit
7.2.6
Zusammenfassung Kriechbeispiel
Verfahren der impliziten Zeitintegration sind teilweise erheblich aufwändiger, was den einzelnen Zeitschritt angeht. Sie bleiben aber für größere Zeitschritte stabil. Ein Genauigkeitsvorteil bei kleineren Zeitschritten konnte bei diesem Kriechproblem noch nicht gezeigt werden. Wegen des zeitlichen Abklingens überschätzt das Euler-vorwärts-Verfahren die Kriechdehnung, während das Euler-rückwärts-Verfahren sie unterschätzt. In einem FEM-Programm wird, auch wenn die Belastung eine Kraftgröße ist, die Gesamtdehnung an die Materialroutine übergeben, aus der dann Kriech- und elastische Dehnungen sowie Spannungen berechnet werden. Die Vorgehensweise ist daher immer wie bei den obigen Beispielen für Relaxation.
7.2.7
Zusammenwirken mit anderen Materialnichtlinearitäten
Tritt außer dem Kriechen noch anderes nichtlineares Materialverhalten auf, ist zu berücksichtigen, dass nun beide Effekte gleichzeitig Einfluss auf den Dehnungszustand haben, also von einander abhängen. Bei einem impliziten Verfahren muss das bei der Auflösung der Materialgleichungen nach dem Kriechdehnungsinkrement berücksichtigt werden, was bei einer Vielzahl von möglichen Kombinationen in einem größeren Programmsystem mindestens einen hohen organisatorischen Aufwand, teilweise auch einen unverhältnismäßigen Programmieraufwand im Einzelfall bedeutet.
7.3 Konsistente Tangente für implizites Kriechen
167
Bei expliziter Zeitintegration für das Kriechen kann zuerst die andere Materialgleichung, z.B. für Plastizität erfüllt, d.h. ausiteriert, werden, anschließend wird die Spannung für die Bestimmung der Kriechgeschwindigkeit als konstant angenommen. Daher beeinflusst explizites Kriechen auch nicht die Tangentenmatrix. Kombinationen sind so viel einfacher. Man muss aber die Nachteile der expliziten Verfahren in Kauf nehmen.
7.3 Konsistente Tangente für implizites Kriechen 7.3.1
Herleitung
Um die konsistente Tangente herleiten zu können, müssen die Formeln, die zur Berechnung der Spannungen führen, zusammengetragen werden. Zunächst bleibt es bei der eindimensionalen Darstellung. Dem Programmteil wird die Gesamtdehnung tot und die Kriechdehnung (7.28)
ε cr (t n ) = ε ncr
aus dem letzten Zeitschritt (Geschichtsvariable, engl. history oder state variable) übergeben. Ferner sind die elastischen Konstanten, eindimensional der Elastizitätsmodul E, bekannt. Ebenso bekannt sind der Zeitschritt und die Temperatur. Das Kriechgesetz lautet allgemein: (7.29)
εcr = f (σ , T , ε , t )
Die Spannungsberechnung für den neuen Zeitschritt ist abgeschlossen und hat eine neue Kriechdehnung zum Zeitpunkt tn+1 ergeben. Die Frage stellt sich jetzt, wie sich die Spannung in Abhängigkeit von der Gesamtdehnung tot, die im nächsten Iterationsschritt vom aufrufenden Programm angegeben wird, ändert. Sie wird zunächst über das Hooke’sche Gesetz berechnet: (7.30)
σ = Eε el
Die elastische Dehnung ergibt sich als Differenz aus gesamter und elastischer Dehnung: (7.31)
σ = E (ε tot − ε cr )
Die Kriechdehnung ergibt sich als letzte Kriechdehnung plus Inkrement, dieses wiederum als Kriechgeschwindigkeit mal Zeitschritt: (7.32)
(
σ = E ε tot − ε ncr − ε cr Δt
)
Die Kriechgeschwindigkeit ist nach (7.29) eine Funktion verschiedener Größen: (7.33)
(
σ = E ε tot − ε ncr − ε cr (σ , T , ε , t )Δt
)
Für kommt die gesamte oder nur die Kriechdehnung in Frage.
168
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Wir wählen zunächst die Gesamtdehnung: (7.34)
(
σ = E ε tot − ε ncr − ε cr (σ , T , ε tot , t )Δt
)
Nun wird das vollständige Differential der Spannungen gebildet. Dabei muss abgeleitet werden, was sich durch die Änderung der Dehnungen ändert: (7.35)
∂ε cr ∂ε cr dσ = E dε tot − Δtdσ − Δtdε tot ∂σ ∂ε tot
Man beachte, dass Temperatur und Zeit hier als Konstante anzusehen sind. Nun kann aufgelöst werden: (7.36)
∂ε cr ∂ε cr dσ = E 1 − Δt dε tot − E Δtdσ ∂ε tot ∂σ
(7.37)
dσ + E
(7.38)
cr cr
1 + E ∂ε Δt dσ = E 1 − ∂ε Δt dε tot ∂ε tot ∂σ
(7.39)
∂ε cr dσ = 1 + E Δt ∂σ
∂ε cr ∂ε cr Δtdσ = E 1 − Δt dε tot ∂σ ∂ε tot
−1
∂ε cr E 1 − Δt dε tot ∂ε tot
sodass sich die Tangente als
(7.40)
∂ε cr = 1 + E Δt ∂σ dε tot dσ
−1
∂ε cr E 1 − Δt ∂ε tot
ergibt. Schwieriger ist es, wenn die Kriechgeschwindigkeit von der Kriechdehnung abhängt. Ausgangspunkt ist wieder (7.31) mit dem Differential: (7.41)
dσ = E ( dε tot − dε cr )
Nun wird dcr aus der Kriechgleichung bestimmt. Aus (7.29) wird (7.42)
Δε cr = ε cr (σ , T , ε cr , t )Δt
7.3 Konsistente Tangente für implizites Kriechen
169
Die Ableitung des (endlichen) Inkrements ist gleich der Ableitung der Funktion, hier der Kriechdehnung, selbst: (7.43)
dΔε cr = dε cr =
∂ε cr ∂ε cr Δtdσ + Δtdε cr cr ∂σ ∂ε
Dies lässt sich nach dcr auflösen: (7.44)
∂ε cr cr ∂ε cr 1 − Δt dε = Δtdσ ∂ε cr ∂σ
(7.45)
∂ε cr
dε cr = 1 − Δt ∂ε cr
−1
∂ε cr Δtdσ ∂σ
und in (7.41) einsetzen:
( 7.46)
dσ = Edε
tot
∂ε cr
− E 1 − Δt ∂ε cr
−1
∂ε cr Δtdσ ∂σ
sodass schließlich nach d aufgelöst werden kann:
(7.47)
−1 cr cr
1 + E 1 − ∂ε Δt ∂ε Δt ∂ε cr ∂σ
−1
dσ = Edε tot
und man die Tangente erhält als
(7.48)
−1
∂ε cr ∂ε cr = 1+ E 1− Δt Δt ∂ε cr σ ∂ dε tot
dσ
−1
E
Eine gute Übung ist es, die Abhängigkeit sowohl von der Gesamt- als auch von der Kriechdehnung anzunehmen, anstelle von (7.42) also (7.49)
Δε cr = ε cr (σ , T , ε tot , ε cr , t )Δt
anzunehmen. Das Ergebnis für die Tangente ist dann
(7.50)
−1
∂ε cr ∂ε cr = 1+ E 1− Δt Δt ∂ε cr ∂ σ dε tot
dσ
−1
−1 ∂ε cr ∂ε cr E 1− 1− Δt Δt ∂ε cr ∂ε tot
Entfällt eine der beiden Abhängigkeiten, ergibt sich wieder (7.40) bzw. (7.48).
170
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Die zusätzlichen Überlegungen, die für den dreidimensionalen Zustand nötig sind, entsprechen im Wesentlichen denen bei Plastizität (Kap. 8.3), anstelle von (8.4) gilt dann ∂Q ∂
(7.51)
Δ cr = Δε 1crd
(7.52)
= E tot − cr (t n ) − Δ cr
7.3.2
Beispiele
(
)
7.3.2.1 Beispiel mit direkter Zeitabhängigkeit Die obigen Formeln werden auf das Beispiel aus Kap. 7.2.2 angewandt. Die Kriechgeschwindigkeit ist als (7.53)
εcr = Aσ m ne − nt
definiert. Da diese Funktion direkt zeitabhängig ist, kommt Gleichung (7.40)
∂ε cr = 1 + E Δt ∂σ dε tot dσ
−1
∂ε cr E 1 − Δt zur Anwendung. tot ∂ε
Die Ableitung nach der Gesamtdehnung ist null. Also verbleibt (7.54)
∂ε cr = Amσ m−1 ne − nt ∂σ
und damit (7.55)
dσ dε
tot
(
= 1 + EAmσ m−1ne −nt Δt
)
−1
E
Berechnet werden soll der Fall, dass 0= 31,6 MPa =const. ist. Erschien der Fall in Kap. 7.2.5 noch als der einfachere, so ist hier zu beachten, dass bei der üblichen Verschiebungsmethode der Finiten Elemente die • •
Verschiebungen die primären Variablen sind, aus denen die Dehnungen berechnet werden. Diese und nicht die Spannungen werden an die Materialroutine übergeben. • Daraus werden die Spannungen berechnet, • daraus die inneren Kräfte. Diese müssen mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht stehen. Hier können wir uns Verschiebungen und Kräfte sparen. An die Stelle der äußeren Last tritt die gegebene Spannung. Anstelle der Verschiebung muss die passende Dehnung bestimmt werden.
7.3 Konsistente Tangente für implizites Kriechen
171
Da die Spannung aus der Dehnung bestimmt wird, ist wie bei der Relaxation in Kap. 7.2.5 vorzugehen. Folgendes ist zu tun: 1.
Zu Beginn des ersten Zeitschritts ist ε 0tot = 0 und t0=0
2.
Wir starten mit ε 0tot und ε cr aus dem vorigen Zeitschritt (t0) die erste äußere Iteration (i=1). Die Zeit am Ende ist t0+ t.
3.
0 Es wird eine innere Iteration (mit Index j) durchgeführt mit Δε cr = 0 und
a.
[(
( j −1) ( j −1) f (Δε cr ) = Δε cr − A E ε itot −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr
(
)
)]
m
ne
−n(t0 + Δt )
Δt = 0
b.
( j −1) m −1 −n(t0 + Δt ) f ´(Δε cr ) = 1 + AmE m ε itot ne Δt −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr bestimmt und
c.
( j) ( j −1) Δε cr = Δε cr −
( j −1) f (Δε cr ) ( j −1) f ´(Δε cr )
berechnet,
bis
Konvergenz
eintritt
→ Δε cr .
4.
Dann wird a.
ε icr = ε cr (t 0 ) + Δε cr
b.
cr ε el = ε itot −1 − ε i
c.
σ = Eε el und
d.
dσ
= 1 + EAmσ m −1ne dε tot dσ
− n(t 0 + Δt )
Δt
−1
E berechnet.
Δε tot = σ 0 − σ i gelöst und damit Δε tot bestimmt.
5.
Es wird
6.
tot Schließlich wird ε itot = ε itot berechnet. −1 + Δε
7.
i wird um 1 erhöht und Schritt 3 bis 6 wird wiederholt, bis Konvergenz in der äuße-
dε tot
ren Iteration eintritt → ε tot (t 0 + Δt ) . 8.
t0 wird um t erhöht, weiter mit 2.
172
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Tab. 7-2 Kriechbeispiel, innere Iteration
j=1
j=2
i
( j −1) Δε cr
f
f'
( j −1) Δε cr
f
f'
1
0
0,000E+00
1,0000000
0,00E+00
0,000E+00
1,0000000
2
0
-1,927E-03
1,2707710
1,52E-03
-7,667E-06
1,2603890
3
0
-2,458E-03
1,2819728
1,92E-03
-1,044E-05
1,2707824
4
0
-2,460E-03
1,2820167
1,92E-03
-1,045E-05
1,2708231
i
( j −1) Δε cr
f
1
0,00E+00
0,000E+00
2
1,52E-03
-1,372E-10
3
1,93E-03
-2,139E-10
4
1,93E-03
-2,143E-10
j=3
Tab. 7-2 zeigt beispielhaft den Verlauf der inneren Iteration (Index j) in verschiedenen Iterationsschritten der äußeren Iteration (Index i). Die quadratische Konvergenz des NewtonVerfahrens ist in f (dick markiert) zu erkennen. Für den äußeren Iterationsschritt i=2 liefert die innere Iteration
(7.56)
−10
log1,372 ⋅ 10 −6 7,667 ⋅ 10 p= = 1,978 ≈ 2
7,667 ⋅ 10 −6 log 1,927 ⋅ 10 −3
also annähernd quadratische Konvergenz.
Tab. 7-3 zeigt den Verlauf der äußeren Iteration (Index i) für drei Zeitschritte. Im ersten Zeitschritt von 0 auf 100 h ist der Startwert für die Gesamtdehnung, die Kriechdehnung und die elastische Dehnung 0, sodass sich auch die Spannung 0 ergibt. Damit erhält man zwischen der äußeren und der berechneten Spannung das maximale Ungleichgewicht. Als Ableitung der Spannung nach der Dehnung ergibt sich der Elastizitätsmodul. Bei der Betrachtung der Konvergenz sollten vor allem die dick eingerahmten Spalten betrachtet werden. In dem Maße, wie sich die Spannung 31,6 MPa annähert, geht die Differenz zur äußeren Spannung gegen Null und zeigt damit Konvergenz an. Für das Inkrement der Gesamtdehnung stellt sich quadratische Konvergenz ein, wie sie im Newton-Raphson-Verfahren erwartet wird.
7.3 Konsistente Tangente für implizites Kriechen
173
Tab. 7-3 Kriechbeispiel, äußere Iteration
konvergiert i
t
Δε ∞cr
ε ∞cr
ε el
σ
dσ dε tot
Δε tot
ε itot
1 100 0,00E+00 0,00E+00 0,00E+00
00,0000
3700,0
8,54E-03
8,54E-03
2 100 1,52E-03
1,52E-03
7,02E-03
25,9665
2935,7
1,92E-03
1,05E-02
3 100 1,93E-03
1,93E-03
8,53E-03
31,5763
2911,7
8,15E-06
1,05E-02
4 100 1,93E-03
1,93E-03
8,54E-03
31,6000
2911,6
1,30E-10
1,05E-02
1 200 1,49E-03
3,41E-03
7,06E-03
26,1045
2953,1
1,86E-03
1,23E-02
2 200 1,87E-03
3,79E-03
8,53E-03
31,5780
2930,2
7,50E-06
1,23E-02
3 200 1,87E-03
3,80E-03
8,54E-03
31,6000
2930,1
1,09E-10
1,23E-02
1 300 1,45E-03
5,25E-03
7,09E-03
26,2299
2970,3
1,81E-03
1,41E-02
2 300 1,81E-03
5,61E-03
8,54E-03
31,5796
2948,3
6,93E-06
1,42E-02
3 300 1,81E-03
5,61E-03
8,54E-03
31,6000
2948,2
9,12E-11
1,42E-02
7.3.2.2 Beispiel mit indirekter Zeitabhängigkeit Für die Kriechgleichung (7.57)
C3 ε cr = C1σ C2 ε cr
werden zunächst Parameter so bestimmt, dass sich für t1=100h und t2=1000h eine Übereinstimmung von Kriechdehnung und Geschwindigkeit mit dem Beispiel aus Kap. 7.3.2.1 ergibt. Es soll also gelten: (7.58)
εcr = Aσ m ne − nt
ε cr = Aσ m (1 − e − nt )
und
Da die Abhängigkeit der Kriechgeschwindigkeit von der Spannung gleichartig beschrieben wird, gilt C2=m. Eingesetzt in (7.57) für die beiden Zeitpunkte: (7.59)
Ane
− nt1
− nt1 = C1 Aσ m 1 − e
(7.60)
Ane
− nt 2
− nt 2 = C1 Aσ m 1 − e
C3
C3
174
7 Theorie und Numerik des Kriechens
(7.59) geteilt durch (7.60): − n(t1 − t 2 )
1 − e − nt1 = 1 − e − nt 2
C3
(7.61)
e
(7.62)
1 − e − nt1 − n(t1 − t 2 ) = C3 ln 1 − e − nt 2
(7.63)
C3 =
ln(...)
− n(t1 − t 2 ) − 3 ⋅ 10 −4 ⋅ (100 − 1000 ) = = −0,1244 −4 1 − e − nt1 − 3 ⋅ 10 ⋅ 100 ln 1 − e ln −4 1 − e − nt 2 − 3 ⋅ 10 ⋅ 1000 1 − e
(7.59) nach C1aufgelöst: C1 =
(7.64)
Ane
− nt1
− nt1 m Aσ 1 − e
C3
1,05 ⋅10 −3 ⋅ 3 ⋅10 − 4 ⋅ e − 3 ⋅10
=
−4
⋅100
−3 − 3 ⋅10 − 4 ⋅100 1,05 ⋅10 ⋅ 31,6 ⋅ 1 − e
− 0,1244
C1 = 1,407 ⋅ 10 − 7
Aufgabe Bestimmen Sie die nötigen Terme für die innere und äußere Iteration, nämlich f, f’ und d/dtot!
Lösung Für die innere Iteration C3 Δε cr = εcr Δt = C1σ C2 ε cr Δt
(
Δε cr = C1σ C2 ε cr (t 0 ) + Δε cr
[(
)
C3
Δt
( j −1) ( j −1) f ( Δε cr ) = Δε cr − A E ε itot −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr
(
( j −1) σ = Eε el = E ε itot −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr
[(
)
)]
( j −1) ( j −1) f (Δε cr ) = Δε cr − C1 E ε itot −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr
m
ne
−n(t0 +Δt )
)] (ε C2
cr (t 0 ) +
Δt = 0
( j −1) Δε cr
)
C3
Δt
7.4 Allgemeine Form für lokale und globale Iteration
[( + C C [E (ε
)] C (ε )] (ε
)
( j −1) C3 −1 Δt 3 cr (t 0 ) + Δε cr C C 1 − tot ( j −1) 2 ( j −1) 3 Δt i −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr cr (t 0 ) + Δε cr
( j −1) f ' (Δε cr ) = 1 − C1 E ε itot −1 − ε cr (t 0 ) − Δε cr 1 2
175 C2
)
Für die äußere Iteration ∂ε cr C3 −1 = C1σ C2 C 3ε cr ∂ε cr
∂ε cr C3 = C1C 2σ C2 −1ε cr ∂σ
(
)
−1 −1
C3 −1 C3
= 1 + E 1 − C1σ C2 C 3ε cr Δt C1C 2σ C2 −1ε cr Δt E dε tot
dσ
7.4 Allgemeine Form für lokale und globale Iteration Um eine allgemeine Schnittstelle für die schnelle Programmierung von Kriechgesetzen zur Verfügung stellen zu können, ist es erforderlich, die lokale Iteration und die Bestimmung der Tangente möglichst allgemein zu formulieren. So lautet eine Kriechgleichung: (7.65)
ε cr = f (σ , ε cr , t , T )
Das Kriechdehnungsinkrement lässt sich dann als (7.66)
Δε cr = ε cr (σ , ε cr , t , T )Δt
schreiben. Ferner gilt: (7.67)
σ = E (ε tot − ε cr ) = E (ε tot − ε 0cr − Δε cr )
In der lokalen Newton-Iteration wird die Nullstelle der Funktion (7.68)
f (Δε cr ) = Δε cr − ε cr (σ , ε cr , t , T )Δt
bestimmt. In impliziten Verfahren ist cr von cr abhängig: (7.69)
ε cr = ε 0cr + Δε cr
Die Ableitung nach cr ist gleich der nach cr. Folglich ist (7.70)
∂ε cr ∂σ ∂ε cr + f (Δε cr ) = 1 − ∂σ ∂Δε cr ∂ε cr ∂Δε cr ∂
Δt
176
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Zeit, Zeitschritt und Temperatur sind in diesem Zusammenhang nicht variabel. Wegen (7.67) gilt: ∂σ
(7.71)
= −E
∂Δε cr
und damit
∂ε cr ∂ε cr + f (Δε cr ) = 1 − − E ∂σ ∂Δε cr ∂ε cr ∂
(7.72)
Δt
Die lokale Iteration kann also durchgeführt werden, wenn cr, und die Ableitung der Kriechgeschwindigkeit nach der Spannung und der Kriechdehnung bekannt sind, und zwar jeweils in Abhängigkeit von der aktuellen Kriechdehnung, d.h. der aus dem letzten Iterationsschritt. Auch für die Bestimmung der konsistenten Tangente −1
∂ε cr ∂ε cr = 1+ E 1− Δt Δt ∂ε cr σ ∂ dε tot
dσ
(7.48)
−1
E
genügen diese Größen, um ein Kriechgesetz in die geeignete Umgebung zu programmieren. So ist auch das Benutzer-Unterprogramm USERCREEP in ANSYS organisiert, hier als Beispiel für das Gesetz C3 εcr = C1σ C2 ε cr e
(7.73)
−
C4 T
das allerdings in der Form
εcr = e
(7.74)
ln C1 + C 2 ln σ + C3 ln ε cr −
C4 T
verarbeitet wurde: SUBROUTINE usercreep (impflg, ldstep, isubst, matId , elemId, &
kDInPt, kLayer, kSecPt, nstatv, nprop,
&
prop
&
toffst, Ustatev, creqv , pres
&
delcr , dcrda)
, time
, dtime , temp
, dtemp , , seqv
,
c******************************************************************** c
*** primary function ***
c
Define creep laws
c
Demonstrate how to implement usercreep subroutine
in: integer, dp: double precision;
sc: scalar, ar: array;
i:input, o:output
c
nstatv
(in ,sc
,i)
Number of state variables
c
nprop
(in ,sc
,i)
size of mat properties array
7.4 Allgemeine Form für lokale und globale Iteration c
This model corresponds to
c
prop
177
primary creep function (7.74)
(dp ,ar(*),i)
mat properties array
c
at temperature temp.
c
time
Current time
c
dtime
Current time increment
c
temp
c
dtemp
c
toffst
(dp, sc,
i)
temperature offset from absolute zero
c
seqv
(dp ,sc
, i)
equivalent effective stress
c
creqv
(dp ,sc
, i)
equivalent effective creep strain
Current temperature Current temperature increment
c c
input output arguments
c
======================
c
Ustatev
(dp,ar(*), i/o)
c
user defined internal state variables at time 't' / 't+dt'.
c
This array will be passed in containing the
c
values of these variables at start of the
c
time increment. They must be updated in this
c
subroutine to their values at the end of
c
time increment, if any of these internal
c
state variables are associated with the
c
creep behavior.
Obige Bemerkung (Dieses Feld wird mit den Werten vom Beginn des Zeitschrittes übergeben. Sie müssen auf ihre Werte am Ende des Zeitschrittes angepasst werden,...) gilt für alle Geschichts- oder State-Variablen, also alle nötigen Werte, die nicht reproduziert werden können, sondern von der Belastungsgeschichte abhängen. Dazu gehört auch die Kriechdehnung. Während der äußeren Iteration werden sie immer wieder zurückgesetzt, bis Konvergenz vorliegt. c
output arguments
c
================
c
delcr
(dp ,sc
c
dcrda
(dp,ar(*), o)
, o)
incremental creep strain output array
c
derivative of incremental creep strain
c
dcrda(1) - to effective stress
c
dcrda(2) - to creep strain
bedeutet
cr
∂ε Δt ; ∂σ
cr
∂ε
∂ε cr
Δt
c *** add temperature off set t
= temp + toffst
178
7 Theorie und Numerik des Kriechens
Offset auf absolute Temperatur nötig für Arrhenius-Ansatz
e
−
b T
c *** Primary creep function c
delcr := c1 * seqv ^ n * creqv ^ m * exp (-b/T) * dtime c1
= prop(1)
c2
= prop(2)
c3
= prop(3)
c4
= prop(4)
delcr
= (exp( log(c1) +
&
c2 * log(seqv) +
c3 * log(creqv) - con1 )) * dtime
Auch das Euler-rückwärts-Verfahren wird außerhalb der Routine durchgeführt, weil dafür nur die Ableitungen nach der Kriechdehnung und der Spannung benötigt werden. creqv enthält also den Wert aus dem letzten Iterationsschritt: cr cr cr ε eqv , j = ε eqv, j −1 + Δε j −1
j: Schritt der inneren Iteration
c *** derivitive of incremental creep strain to effective stress dcrda(1)= c2 * delcr / seqv c *** derivitive of incremental creep strain to effective creep c
strain dcrda(2)= c3 * delcr / creqv return end
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität 8.1 Grundbegriffe eindimensionalen Verhaltens σ
Verfestigung
Fließpunkt
Bruch ideal plastisch
Entlastung
elastisch ε Abb. 8-1 Eindimensionales Verhalten duktiler Materialien
Bei duktilen Materialien wie dem Stahl, an dem diese Theorie entwickelt wurde, geht man davon aus, dass bis zum Erreichen einer bestimmten Spannung, der Fließspannung F oder y (von engl. yield – Fließen), linear elastisches Verhalten vorliegt, das durch das Hooke’sche Gesetz und damit durch den Elastizitätsmodul E (engl. Young’s modulus) und die Querkontraktionszahl (engl. Poisson’s ratio) beschrieben wird. Dies gilt streng genommen nur für Werkstoffe mit ausgeprägter Fließgrenze (engl. yield strength) wie in Abb. 8-1. Der ebenfalls in Abb. 8-1 dargestellte Spitzenwert vor dem Übergang in den ideal-elastischen Bereich wird nicht abgebildet. Bei nicht ausgeprägter Fließgrenze gilt die lineare Elastizität nur bis zur Proportionalitätsgrenze p. Trotzdem wird als Ersatzfließgrenze gern eine Spannung genommen, bei der ein kleiner, definierter Anteil plastische, also nicht selbstreversible Dehnung auftritt, üblicherweise die 0,2-%-Dehngrenze Rp02 (Abb. 8-2). Folgt man dem in der FEM-Simulation, so wird der elastische Bereich bis dahin verlängert (Abb. 8-3) und die Fließkurve entsprechend angepasst.
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_8, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
180
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität σ
Ersatz-Fließgrenze Rp02= F p Entlastung
Entlastung elastisch
ε 0,2% Abb. 8-2 Materialverhalten bei nicht ausgeprägter Fließgrenze
σ
idealisiert
Rp02= F p
gemessen
ε Abb. 8-3 Idealisierung bei Annahme einer Ersatzfließgrenze
Für weitere Betrachtungen wird die Gesamtdehnung in den plastischen, also bleibenden, und den elastischen Anteil, der bei Entlastung zurückgeht, aufgespalten: (8.1)
ε tot = ε el + ε pl
bzw.
(8.2)
tot = el + pl
im Mehrdimensionalen
Aus den elastischen Dehnungen werden die Spannungen berechnet:
8.2 Bausteine einer mehrdimensionalen Elasto-Plastizitätstheorie (8.3)
σ = Eε el
181
= E( E ,ν ) el
bzw.
wobei E die Elastizitätsmatrix darstellt. σ
ε εpl
εel
Abb. 8-4 Aufspaltung der gesamten Dehnung in elastische und plastische
8.2 Bausteine einer mehrdimensionalen Elasto-Plastizitätstheorie Zu einer Elasto-Plastizitätstheorie im Mehrdimensionalen gehören: •
die Fließbedingung (yield condition) F (, σ F ) ≤ 0 Sie gibt an, wann bei einem mehrdimensionalen Spannungszustand Fließen eintritt, indem sie den mehrachsigen Spannungszustand mit dem einachsigen – typischerweise über eine Vergleichsspannung V – vergleicht und der aktuellen Fließgrenze gegenüberstellt. Ist F<0 liegt elastisches Verhalten vor, F=0 Plasti(fi)zieren. ist F > 0, d.h. ein Spannungszustand oberhalb der Fließgrenze ist nicht zulässig.
•
das Fließgesetz oder die Fließregel (flow rule) Sie gibt an, wie sich die plastische Dehnung unter einem Spannungszustand entwickeln wird, d.h. wie die plastischen Dehnungsinkremente von den Spannungskomponenten abhängen.
•
die Verfestigungsregel (hardening rule) Sie gibt an, wie im Mehrdimensionalen die aktuelle Fließgrenze von Verfestigungsparametern, z.B. Dehnungen, abhängt.
182
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
8.3 Fließregeln Die Fließregel wird beschrieben über das plastische Potential Q. Die Aufteilung der plastischen Dehnungsinkremente in Komponenten, d.h. die verschiedenen Richtungen, richtet sich nach der Ableitung von Q nach den Spannungen: (8.4)
pl Δε ij = λ
∂Q() ∂σ ij
Δ pl = λ
oder
∂Q( ) ∂
Dabei ist der plastische Multiplikator, eine interne Größe, die es im Laufe der Erfüllung des Stoffgesetzes zu bestimmen gilt. In Standardfällen gibt er die Länge des plastischen Dehnungsinkrementes an, das auch zur Vergleichsdehnung summiert werden kann. Das ist aber nicht zwingend. (8.4) ist auch als Normalenregel bekannt. Der Vorgang kann als Projektion auf das plastische Potential dargestellt werden (Abb. 8-5). Es gilt als Bedingung, dass das plastische Potential konvex sein muss (Drucker-Postulat). Anderenfalls könnte es passieren, dass die durch (8.4) beschriebene Projektion nicht eindeutig ist. Q(σ)
∂Q ∂
Abb. 8-5 Projektion auf das plastische Potential
Eine besondere Form ist die assoziierte Fließregel (associated flow rule). Hier spielt die Fließbedingung F die Rolle des plastischen Potentials: (8.5)
pl
Δε ij = λ
∂F () ∂σ ij
Es wird noch gezeigt werden, dass dies sowohl numerisch als auch oft physikalisch sinnvoll ist.
8.4 Klassische Fließbedingungen
183
8.4 Klassische Fließbedingungen 8.4.1
Gestaltänderungsenergie-Hypothese (nach von Mises)
Die Gestaltänderungsenergie-Hypothese als Grundlage für eine Fließbedingung ist mit dem Namen von Mises oder auch Huber-von Mises-Hencky verknüpft. Sie besagt: Fließen tritt bei mehrdimensionaler Beanspruchung ein, wenn die Gestaltänderungsarbeit gleich derjenigen bei Eintritt des Fließens unter einachsiger Beanspruchung ist. Dabei wird die Formänderungsarbeit in die Volumenänderungsarbeit und die Gestaltänderungsarbeit aufgespalten. Dies ist eine für Metalle wegen ihrer Kompaktheit, die keine dauerhafte Volumenänderung zulässt, gut zutreffende Hypothese. Sie lässt sich auch damit erklären, dass es bei plastischen Verformungen in Metallen zu Versetzungen, zum Abgleiten der Kristalle aneinander kommt, was einer Schubdeformation und damit Gestaltänderung entspricht. Das Ergebnis der Überlegungen ist die Fließbedingung, die, in Invarianten ausgedrückt, (8.6)
F = 3J 2 − σ F = 0
lautet. In Hauptspannungen erhält man: (8.7)
σV =
[
]
1 ( σ 1 - σ 2 )2 + ( σ 2 - σ 3 )2 + ( σ 3 - σ 1 )2 ≤ σ F 2 σ3 σm
σ2
σ1 Abb. 8-6 Von-Mises-Fließfläche im Hauptspannungsraum
Im Hauptspannungsraum (s. Kap. 5.4.3) lässt sich die Fließbedingung in Form der Fließfläche darstellen, die alle Spannungszustände verbindet, bei denen Fließen eintritt. Die Von-Mises-
184
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Fließfläche ist ein Zylinder, dessen Rotationsachse die hydrostatische Achse ist, weil senkrecht dazu der gestaltändernde Anteil gemessen wird. Der Eintritt des Fließens ist also völlig unabhängig vom hydrostatischen Anteil. Die Von-Mises-Fließbedingung lässt sich auch in Spannungskomponenten eines beliebigen Koordinatensystems ausdrücken: (8.8)
σ eqv =
[
1 2 2 2 ( σ x - σ y )2 + ( σ y - σ z )2 + ( σ z - σ x )2 + 6τ xy + 6τ yz + 6τ xz 2
]
Dies ist für die Praxis sehr vorteilhaft, wie man noch sehen wird. Im ebenen Spannungszustand lautet die Bedingung: (8.9)
σ v = σ 2x + σ 2y - σ x σ y + 3 τ 2xy
Stellt man diesen Zustand in der 1-2-Fläche dar, erhält man eine Ellipse. Man erkennt sehr schön, dass einzelne Spannungskomponenten oberhalb der Fließgrenze möglich sind, wenn sie mit der entsprechenden anderen kombiniert werden. Die Von-Mises-Bedingung zählt zu den Ein-Parameter-Modellen, weil sie nur von einer Invarianten abhängig ist. 1
1 >F 2 >F
F
-F F
2
-F
Abb. 8-7 Von-Mises-Fließfläche im ebenen Spannungszustand
Die assoziierte Fließregel (8.5) führt zu einer Ausrichtung des plastischen Dehnungsinkrementes auf die Raumdiagonale und ruft damit einen rein deviatorischen Zustand hervor. Das bedeutet, dass keine plastischen Volumenänderungen entstehen. Das ist physikalisch sinnvoll,
8.4 Klassische Fließbedingungen
185
wenn man die Plastizität auf Versetzungen zurückführt und auch berücksichtigt, dass ein allseitiger Druck, der am ehesten eine Volumenänderung hervorbringen könnte, keinen Einfluss auf den Eintritt des Fließens hat. So ist eine assoziierte Fließregel nicht nur numerisch sinnvoll.
8.4.2
Schubspannungs-Hypothese (Tresca)
Die Schubspannungs-Hypothese nach Tresca besagt: Fließen tritt ein, wenn die maximale Schubspannung einen kritischen Wert F erreicht. Die maximale Schubspannung an einem Punkt ist die Hauptschubspannung, die sich, wie man im Mohr’schen Spannungskreis (Abb. 8-8) sehen kann, als (8.10)
τ max = 21 (σ 1 - σ 3 ) ≤ τ F
ergibt.
max
3
1
Abb. 8-8 Hauptschubspannung im Mohr’schen Spannungskreis
Um eine Gegenüberstellung mit der einachsigen Fließgrenze zu ermöglichen, wird gern der doppelte Wert genommen: (8.11)
F( ) = ( σ 1 - σ 3 ) - σ F ≤ 0
In Invarianten: (8.12)
F( ) = J 2 2 cos θ - σ F ≤ 0
Die Tresca-Hypothese zählt zu den Ein-Parameter-Modellen, obwohl auch die dritte Invariante enthalten ist, die aber nur eine untergeordnete Bedeutung hat. Im Hauptspannungsraum ist die Tresca-Bedingung ein Prisma mit einem regelmäßigen Sechseck als Grundfläche.
186
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität σ3 σm
σ2
σ1 Abb. 8-9 Tresca-Bedingung im Hauptspannungsraum
σ3 von Mises θ
Tresca
σ1
σ2
Abb. 8-10 Tresca- und Von-Mises-Hypothese in der Deviatorebene
Auch die Tresca-Bedingung ist vom hydrostatischen Anteil unabhängig. Deshalb lassen sich die Eigenschaften beim Blick längs der Raumdiagonalen, also direkt auf die Deviatorebene
8.4 Klassische Fließbedingungen
187
und damit in der Deviatorebene darstellen. Diese Perspektive ergibt eine Isometrie des Hauptspannungsraumes. Die Achsen schneiden sich unter 120°. Während hier die Von-Mises-Bedingung ein Kreis ist, ergibt die Tresca-Bedingung ein regelmäßiges Sechseck. Der von zwei Ecken und der Raumdiagonalen gebildete Winkel beträgt 60°. Von der Winkelhalbierende wird die Invariante gemessen, die nur zwischen –30° und 30° liegen kann. Die Darstellung für den ebenen Spannungszustand zeigt Abb. 8-11. Die Tresca-Hypothese ist nicht direkt eine Fließhypothese; sie kennzeichnet vielmehr die Gefahr eines Gleitbruchs. Dem geht allerdings die Ausbildung eines lokalen plastischen Scherbandes voraus, sodass die Verbindung zur Plastizität gegeben ist. Man bräuchte also eine Tresca-Fließbedingung nur, wenn man nach Eintritt eines Bruches weiterrechnen muss. Es gibt allerdings Ansätze im Bereich der niederzyklischen Ermüdung, bei der bis zu einer bestimmten Grenze plastische Dehnungen auftreten, mit der Tresca-Fließbedingung zu rechnen, damit nicht zwischenzeitlich Spannungszustände auftreten, die zwar nach von Mises, nicht aber nach Tresca zulässig sind. Das Tresca-Kriterium soll aber für die Beurteilung der Rissbildungsgefahr verwendet werden, sodass bei Nutzung der Von-Mises-Fließbedingung für die Plastizität ein Widerspruch auftreten könnte.
1 von Mises
F Tresca
-F
F
2
-F Abb. 8-11 Tresca- und Von-Mises-Bedingung für den ebenen Spannungszustand
Bei Verwendung einer assoziierten Fließregel tritt das Problem auf, dass die Fließfläche an den Knicken nicht differenzierbar ist. Man muss also, wenn ein Spannungszustand nicht mehr senkrecht über einer ebenen Fläche liegt, wie es für den mit 2 bezeichneten Spannungszustand im Gegensatz zu Zustand 1 der Fall ist, die Projektionsrichtung anderweitig so bestimmen, dass ein Knick getroffen wird (Abb. 8-12).
188
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Aus diesem Grunde gibt es auch den Ansatz, statt der exakten Tresca-Bedingung eine modifizierte Von-Mises-Bedingung mit höheren Exponenten zu verwenden: (8.13)
{[
]}
1
F = 21 ( σ 1 - σ 2 )m + ( σ 2 - σ 3 )m + ( σ 3 - σ 1 )m m − σ F = 0
wobei m gerade ist. Die Tresca-Bedingung ergibt sich für m. m=2, aber auch m=4 ergeben die Von-Mises-Bedingung, erst darüber hinaus erfolgt eine Abplattung der Fließfläche. 2 1 2 ∂F ∂F ∂ nicht bestimmt Projektionsrichtung, ∂ F1 =0 F2 =0
3
1
Abb. 8-12 Problem bei nicht differenzierbarer Fließfläche und assoziierter Fließregel
Eine Alternative ist, jeden Abschnitt für sich als Fließfläche zu betrachten und im nicht differenzierbaren Bereich zwei Bedingungen F1 und F2 (s. Abb. 8-12)zu erfüllen: (8.14)
F1 = 0 ∧
F2 = 0
und die plastischen Dehnungsinkremente folgendermaßen zu berechnen: ∂F1 ∂F + λ2 2 ∂ ∂
(8.15)
Δ pl = λ1
8.4.3
Mohr-Coulomb-Bedingung
Die Mohr-Columb-Bedingung stammt aus der Bodenmechanik und ist für granulare Materialien (Böden, Pulver) anwendbar. Sie kennzeichnet das Ausbilden einer Gleitfuge.
8.4 Klassische Fließbedingungen
189
σ τ
c, μ = tan φ
φ: Grenzwinkel der inneren Reibung c: Kohäsion
Abb. 8-13 Grundzusammenhang der Mohr-Coulomb-Bedingung
Ähnlich wie bei der Tresca-Bedingung bildet sich ein lokales Scherband aus, jedoch ist die Scherfestigkeit hier von der Normalspannung abhängig. Es tritt nämlich innere Reibung auf. Die eindimensionale Bestimmungsgleichung lautet: (8.16)
τ ≤ c + σ tan φ
Dabei ist c die Kohäsion und der Grenzwinkel der inneren Reibung. Die Mohr-Coulomb-Bedingung gehört zu den Zwei-Parameter-Modellen, weil das Versagen auch durch die erste Invariante, also durch den hydrostatischen Druck mitbestimmt wird: (8.17)
F=
I1 1 sin θ sin ϕ − c cos ϕ = 0 sin ϕ + J 2 cos θ − 3 3
wobei wieder der Winkel ist, der sich aus den Invarianten ergibt. Der erste Term kennzeichnet die Abhängigkeit vom hydrostatischen Anteil, der zweite ist dem Tresca-Kriterium ähnlich. Geht der Grenzwinkel gegen null, geht F in die Tresca-Bedingung über. Mehrdimensional ist die Fließfläche eine Pyramide mit sechseckiger Grundfläche, wobei sich zwei Winkel abwechseln (Abb. 8-14). Die Spitze der Pyramide liegt typischerweise im Zugbereich. Allseitigen Zug kann das Material nur in geringem, allseitigen Druck aber in hohem Maße aufnehmen.
190
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität σ3 σm
σ2 σ1
Abb. 8-14 Mohr-Coulomb-Versagensfläche
3 Z D
Z
1
D Abb. 8-15 Mohr-Coulomb-Versagensfläche im ebenen Spannungszustand
8.4.4
Drucker-Prager-Bedingung
Die Drucker-Prager-Bedingung stellt eine aus numerischen Gründen vereinfachte MohrCoulomb-Bedingung dar. Die Fließfläche ist ein Kegel und damit außer an der Spitze überall differenzierbar.
8.4 Klassische Fließbedingungen
191 σ3 σm
σ2
σ1 abhängig von Kohäsion
Abb. 8-16 Drucker-Prager-Fließfläche
Die Fließbedingung lautet z.B.: (8.18)
F=
1 3
σ Vv.Mises + 3β σ m - σ F ≤ 0
Zwischen der Kohäsion c und dem Grenzwinkel der inneren Reibung sowie und F besteht folgender Zusammenhang: (8.19a) sin φ =
3 3β 2 + 3β
(8.19b) c =
σ F 3 (3 − sin ϕ ) 6 cos ϕ
Mit dem Drucker-Prager-Modell hat man ein Gesetz, das zwischen Zug- und Druckverhalten unterscheidet. Dazu lassen sich die Parameter aus der Zugfestigkeit z und der Druckfestigkeit D errechnen: (8.20a) β =
σ D -σ Z 3( σ D + σ Z )
(8.20b) σ F =
2σ Dσ Z 3( σ D + σ Z )
Ein Beispiel für eine nicht-assoziierte Fließbedingung kann bei diesem Gesetz sein, dass anstelle des Grenzwinkels wie in F für Q der Volumendilatanzwinkel dil verwendet wird. Anstelle von (8.18) kann die Fließbedingung auch als (8.21)
F = σ Vv.Mises + β σ m - σ F ≤ 0
192
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
geschrieben werden und liegt damit näher an der Von-Mises-Fließbedingung (8.6)/(8.7). Die Umrechnungsformeln (8.19) und (8.20) müssen dann natürlich angepasst werden. Ferner gibt es Ansätze, statt der linearen Beziehung zwischen der Vergleichsspannung nach von Mises und dem hydrostatischen Anteil eine nichtlineare zu verwenden, die an der „Spitze“ differenzierbar ist.
8.5 Verfestigungsregeln 8.5.1
Einachsige Spannungs-Dehnungs-Beziehungen
Plastisches Materialverhalten ist normalerweise nicht durchgehend ideal plastisch. Es tritt meist, manchmal erst nach einer gewissen Dehnung, Verfestigung auf, aber auch Entfestigung kommt vor (Abb. 8-17). Als Spannungs-Dehnungs-Linien werden solche aus einachsigen Versuchen erwartet. Weil die Fläche unter der Kurve die verrichtete (Elementar-)Arbeit darstellt, heißen die Bilder auch Arbeits-Diagramme. σ
σ
ε verfestigend
σ
ε ideal plastisch
ε entfestigend
Abb. 8-17 Ver- oder Entfestigungscharakteristik
Es sei hier schon darauf hingewiesen, dass bei großen Dehnungen die Charakteristik maßgeblich vom verwendeten Dehnungsmaß abhängt. Eine Fließkurve, die in Ingenieurdehnungen ing und -spannungen ing eine abfallende Tendenz zeigt, kann bei logarithmischen Dehnungen log (Dehnungszuwächse bezogen auf die aktuelle Länge) und „wahren“ (Cauchy-)Spannungen wahr (Kräfte geteilt durch aktuelle Fläche) immer noch ansteigen, was in der Umrechnung
ε log = ln(1 + ε ing ) σ wahr = σ ing (1 + ε ing ) zum Ausdruck kommt (s. Kap. 2.4.2). Die Verwendung von Entfestigung hat gewöhnlich Lokalisierungseffekte, also örtlich konzentrierte große plastische Dehnungen zur Folge, die wiederum dazu führen, dass die Lösung extrem netzabhängig wird. Die Verfestigung kann auf verschiedene Arten mathematisch formuliert werden, wie Abb. 8-18 zeigt. Die einfachste Form ist die lineare Verfestigung, die durch die Steigung der Verfestigungsgeraden, den Tangentenmodul ET, definiert wird. Insgesamt erhält man zusammen mit der elastischen Geraden einen bilinearen Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie.
8.5 Verfestigungsregeln
193
σ
σ
ε linear (bilineares Gesetz)
σ
ε stückweise linear (multilinear)
über
ε a) Funktion b) Dgl.
Abb. 8-18 Eindimensionale Beschreibung der Verfestigung
Bei der linearen Verfestigung wird in der Beziehung zwischen Spannung und Gesamtdehnung der Tangentenmodul ET verwendet, während im Zusammenhang zwischen Spannung und plastischer Dehnung der Verfestigungsmodul (hardening modulus) (8.22)
H=
EET E − ET
gilt. Bei Anwendern beliebt ist die stückweise lineare (piecewise linear) Verfestigung (auch multilineare genannt), bei der direkt aus Messungen hervorgegangene Wertepaare eingegeben werden können. Glatte Verläufe lassen sich durch Funktionen wie (8.23)
σ F = kε n
(8.24)
ε=
für σ F > σ F 0
σ
σ
+ K E E
(Potenzfunktion)
n
(Ramberg-Osgood-Modell)
oder Differentialgleichungen wie (8.25)
σ F = σ F0 + α α = (C − γα )ε pl
(Armstrong-Frederik-Modell, 1d-Form)
beschreiben, jedoch erfordern sie eine vorherige Bestimmung der oft wenig anschaulichen Eingabeparameter, die dann doch die Messkurve nur ungenau wiedergeben.
8.5.2
Mehrdimensionales Verfestigungsverhalten
Es ist noch zu klären, wie das eindimensional ermittelte Verfestigungsverhalten im Mehrdimensionalen berücksichtigt wird und wie sich das Material bei Ent- und Wiederbelastung verhält. Zwei Grundmodelle werden dabei verwandt, die isotrope und die kinematische Verfestigung.
194
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
8.5.2.1 Isotrope Verfestigung Bei der isotropen Verfestigung geht man davon aus, dass die Verfestigung, durch welche Beanspruchung sie auch hervorgerufen wurde, nach allen Richtungen gleichmäßig wirkt. Beschrieben wird das durch eine Aufweitung der Fließfläche. Da deren Durchmesser nur von der Fließgrenze abhängt, wird nur diese skalare Größe verändert, und zwar in Abhängigkeit von einer plastischen Vergleichsdehnung, die bei der isotropen Verfestigung typischerweise nach dem Prinzip der Arbeitsverfestigung (work hardening) definiert wird: Die Arbeit der Spannungskomponenten längs der plastischen Dehnungskomponenten soll gleich der Arbeit der Vergleichsspannung längs der plastischen Vergleichsdehnung sein : (8.26)
pl pl σ V dε eqv = σ ij dε ij
Da gewöhnlich inkrementell, d.h. in Lastschritten, gerechnet wird, wird auch die plastische Vergleichsdehnung inkrementell ermittelt: (8.27)
pl Δε eqv =
1
σV
σ ij Δε ijpl
Dem gegenüber steht die so genannte Verzerrungsverfestigung, die besagt, dass die Fließspannung allein von den plastischen Verzerrungen abhängig ist. Die Transformation vom mehr- zum einachsigen Dehnungszustand erfolgt über effektive Verzerrungen, ausgedrückt durch die zweite Tensorinvariante. Für die Von-Mises-Vergleichsspannung mit assoziierter Fließregel erhält man nach beiden Prinzipien (8.28)
pl Δε eqv =
(
)
2 pl 2 Δε ij 3 ij
Der Zuwachs der Vergleichsdehnung muss im einachsigen Spannungszustand, der einen dreiachsigen Dehnungszustand nach sich zieht, vom Betrag dem Zuwachs der Dehnungskomponente in Lastrichtung entsprechen. So ist bei Volumenkonstanz der plastischen Dehnung und Belastung in 1-Richtung (8.29)
pl pl pl Δε 22 = Δε 33 = − 12 Δε 11
und somit (8.30)
pl Δε eqv =
() () (
)
2 2 1 2 1 2 pl 2 pl 1 + 2 + 2 Δε 11 = Δε 11 3
Die Inkremente werden über die Lastschritte zur kumulierten plastischen Vergleichsdehnung aufsummiert: (8.31)
pl ε eqv =
pl Δε eqv
Inkr
8.5 Verfestigungsregeln
195
Die plastische Vergleichsdehnung kann nur zunehmen, auch bei Richtungswechseln. Die Formel für die kumulierte plastische Vergleichsdehnung gilt für alle neun Tensorkomponenten. Bei Verwendung von sechs Komponenten in der Ingenieurnotation muss entsprechend pl Δε eqv =
(8.32) =
(8.33)
pl Δε eqv =
(
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 + ε 33 + ε 12 + ε 21 + ε 23 + ε 32 + ε 13 + ε 31 ε 11 + ε 22 3
( ) (
)
) ( )
2
2 2 2 2 2 2 + ε 33 + 2 12 γ 12 + 2 12 γ 23 + 2 12 γ 13 ε 11 + ε 22 3
(
(
2 2 2 2 2 2 2 ε 11 + ε 22 + ε 33 + 12 γ 12 + γ 23 + γ 13 3
))
berechnet werden. Die Fließbedingung lautet bei isotroper Verfestigung: (8.34)
pl pl F (, ε eqv ) = σ V () − σ F (ε eqv )
σ2
Fließfläche nach plastischer Verformung Anfängliche Fließfläche σ1
Abb. 8-19 Aufweitung der Fließfläche bei isotroper Verfestigung
Das Entlastungs- und Wiederbelastungsverhalten lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Da die Fließfläche aufgeweitet wird, tritt bei gegenläufiger Belastung nach einer plastischen Beanspruchung Fließen erst ein, wenn auch in der anderen Richtung die neue Fließgrenze erreicht wurde. Eindimensional erhält man die Spannungs-Dehnungs-Beziehung aus Abb. 8-20.
196
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität σ
σF D
E
F
σE
C B A
ε
-σE
-σF
Abb. 8-20 Gegenläufige Belastung bei isotroper Plastizität
So verhalten sich Metalle normalerweise nicht, sodass isotrope Verfestigung allein sich nicht für zyklische Beanspruchungen eignet. Allerdings kann sie für zyklische Belastungen eine Ergänzung zur kinematischen Verfestigung darstellen, mit der die Veränderung des Verhaltens mit zunehmender Zyklenzahl beschrieben wird. Die isotrope Verfestigung ist für einsinnige Belastungen aber gut genug und hat den Vorteil, dass sie numerische einfach zu realisieren ist. Das hat zur Folge, dass sie für beliebige Arten von Verfestigungskurven formuliert werden kann, z.B. auch für eine tabellierte Kurve mit beliebig vielen Stützstellen. 8.5.2.2 Kinematische Verfestigung Bei der kinematischen Verfestigung geht man davon aus, dass der Durchmesser der Fließfläche konstant bleibt, deren Lage aber der Dehnungskinematik folgt. Im Hauptspannungsraum (Abb. 8-21) wird dies beschrieben durch die so genannten „back stresses“ . Rückspannungen als Übersetzung ist wenig gebräuchlich. σ2
Fließfläche nach plastischer Verformung anfängliche Fließfläche
α
σ1
Abb. 8-21 Verschiebung der Fließfläche und „back stresses“ bei kinematischer Verfestigung
Diese Verschiebung hat zur Folge, dass bei gegenläufiger Belastung Fließen früher als bei dem jungfräulichen Material auftritt. Die Fließbedingung wird als (8.35)
F (, ) = σ V ( − ) − σ F
formuliert.
8.5 Verfestigungsregeln
197
Mit der kinematischen Verfestigung ist auch ein Erholungseffekt verbunden, der als Bauschinger-Effekt bezeichnet wird. Wird bei zyklischer Beanspruchung der elastische Bereich durchschritten, folgt die Spannungs-Dehnungs-Beziehung wieder der Steigung vom Anfang der Fließkurve. Idealisiert wird das als Masing-Effekt. Hier wird angenommen, dass der Bereich der Fließkurve, der bereits einmal abgefahren wurde, bei der gegenläufigen Belastung sowohl für die Dehnung als auch für die Spannung auf die doppelte Größe gestreckt wird (Abb. 8-22). Bei einer stückweise linearen Kurve bedeutet das, dass eine Steigung der ursprünglichen Fließkurve bei gegenläufiger Belastung doppelt so weit gilt. Eine plastische Vergleichsdehnung wird bei der kinematischen Verfestigung nicht benötigt. σ D B A
C
E
F
2σA
ε 2(σc-σB)
Abb. 8-22 Idealisiertes Arbeitsdiagramm nach Masing
Im räumlichen Spannungszustand gibt es mehrere Möglichkeiten, wie sich entwickelt. Die gebräuchlichste ist die nach Prager. Danach ist die Veränderung von proportional zur Veränderung der plastischen Dehnung. Der Proportionalitätsfaktor ist die Ableitung der Vergleichsspannung nach der plastischen Vergleichsdehnung, also der aktuelle Verfestigungsmodul H: (8.36)
d = Cσ
dσ F pl dε eqv
pl d pl = Cσ H (ε eqv )d pl
C ergibt sich aus der Tatsache, dass ein einachsiger Spannungszustand einen dreiachsigen (plastischen) Dehnungszustand und damit auch ein dreiachsiges hervorruft. Die Vergleichsspannung dieses Zustandes soll aber wieder die einachsig ermittelte Verfestigung ergeben. Der Faktor lässt sich als Kehrwert des Quadrates der Ableitung von F nach errechnen und ist bei der Von-Mises-Bedingung im Eindimensionalen 1 und im Mehrdimensionalen 2/3. Wegen der Fließregel, aus der dpl hervorgeht, ist d damit auch proportional zur Ableitung der Fließbedingung F nach den Spannungskomponenten (sonst gilt Entsprechendes für das plastische Potential Q). d steht damit senkrecht auf der Fließfläche bzw. auf einer Äquipotentialfläche von Q.
198
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Gleichung (8.36) gilt nur für die Tensorschreibweise. In der Ingenieurnotation mit den doppelten Schubverzerrungen müssen die Schubanteile von mit ½ multipliziert werden. Um dies einheitlich darstellen zu können, wird eine Matrix M eingeführt, die
(8.37)
(8.38)
Cσ M=
Cσ
0 Cσ 1C 2 σ 1C 2 σ
0
1C σ 2
M = Cσ I
für die Ingenieurnotation und
für die Tensornotation ist.
Die back stresses entwickeln sich dann gemäß (8.39)
d =
dσ F pl dε eqv
pl Md pl = H (ε eqv )Md pl
Außerdem gilt: T
(8.40)
∂F
∂F M =1 ∂ − ) ( ) ( ∂ −
8.5.2.3 Kombinierte isotrope und kinematische Verfestigung Grundsätzliche kann isotrope und kinematische Verfestigung kombiniert werden. Dies ist insbesondere sinnvoll, wenn bei zyklischen Beanspruchungen, die im Wesentlichen mit kinematischer Verfestigung beschrieben werden, die Veränderung des Verhaltens mit zunehmender Zyklenzahl berücksichtigt werden soll. σ2
σ1 σF0 ε1
Abb. 8-23 Kombinierte kinematische und isotrope Verfestigung
α
σ1
8.6 Erfüllung der Stoffgleichungen in der FEM, lokale Iteration
199
Die Fließbedingung lautet dann: ( 8.41)
pl F (, ) = σ V ( − ) − σ F (ε eqv )
Zur Bestimmung des isotropen und kinematischen Verfestigungsanteils aus Versuchen benötigt man die Spannungs-Dehnungs-Linie einer mehrfachen zyklischen Belastung.
8.6 Erfüllung der Stoffgleichungen in der FEM, lokale Iteration 8.6.1
Allgemeine Darstellung
Die Ausführungen gelten weitgehend allgemein für die kombinierte isotrope und kinematische Verfestigung. Dabei gibt es für beide Anteile je einen Verfestigungsmodul, nämlich Hiso und Hkin, die Ableitung des jeweiligen eindimensionalen Verfestigungsanteils nach der plastischen Dehnung, die zusammen die Ableitung H der Messkurve ergeben: (8.42)
∂σ F ,kin pl ∂ε 1d
+
∂σ F ,iso pl
∂ε 1d
= H iso + H kin = H
Die Fließbedingung lautet allgemein: (8.43)
pl F (, ) = σ V ( − ) − σ F (ε eqv )=0
Das Programm errechnet, zuallererst auf der Basis rein elastischen Verhaltens, die Verschiebungen und dann für jeden Integrationspunkt die Gesamtdehnungen. Der Zuwachs wird zunächst als elastisch betrachtet. Die aktuelle elastische Dehnung ist also zuerst (8.44)
el ,tr = tot − 0pl
wobei der Index 0 den Anfang des betrachteten Inkrementes, also die letzte Lösung bezeichnet. Der Index tr steht für „trial“. Aus der elastischen Dehnung wird die so genannte Trialspannung (8.45)
tr = E el ,tr
errechnet. Ist F<0 liegt sie innerhalb der Fließfläche und damit im elastischen Bereich. Die Trialspannungen können direkt an das rufende Programm zurückgegeben werden. Ist F>0, ist der Spannungszustand nicht zulässig und muss auf die Fließfläche projiziert werden. Es gilt die Fließregel (8.46)
Δ pl = λ
∂Q( − ) ∂ ( − )
200
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Nun ändern sich und während eines Last- bzw. Dehnungsinkrementes. Es ist üblich mit den Annahmen des Euler-rückwärts-Verfahrens zu arbeiten, d.h. den Zustand am Ende als konstant für das Inkrement anzunehmen. Der plastische Multiplikator ist zu bestimmen. Wenn die Gesamtdehnung konstant bleibt, ist das Inkrement der elastischen Dehnung (8.47)
Δ el = −Δ pl
und damit die Spannung (8.48)
= tr − λE
∂Q ∂ ( − )
Nach (8.36) gilt außerdem: (8.49)
pl ∂Q
pl = M f α ( pl ) = M f α ( 0 + Δ pl ) = M f α 0 + λ ∂ ( − )
mit M nach (8.37) bzw. (8.38), während f für eine allgemeine kinematische Verfestigungsfunktion steht. Nun müssen diese Gleichungen und die Fließbedingung F gleichzeitig erfüllt werden. Unter Umständen ist es möglich, beide so in die Fließbedingung einzusetzen, dass alle Abhängigkeiten von berücksichtigt sind, und dann (numerisch) nach aufzulösen. Das kann aber recht kompliziert werden und ist allgemein nicht zweckmäßig. Besser ist es, die Gleichungen simultan mit einem Newton-Verfahren zu erfüllen. Dazu muss die rechte Seite null sein, was bei F schon der Fall ist. (8.49) wird von (8.48) abgezogen und das Ergebnis so umgeformt, dass auch hier die rechte Seite null wird. Aus der Berechnung von - entsteht die Spannungsfunktion (8.50)
G ( − , λ ) = ( − ) − tr + λE
pl ∂Q ∂Q
=0 + M f α 0 + λ ∂ ( − ) ∂ ( − )
Die Iteration wird nun simultan für F und G als Funktionen von ( – ) und nach der Newton-Raphson-Vorschrift
(8.51)
∂G ∂ ( − ) ∂F ∂ ( − )
∂G ∂λ Δ ( − ) − G = ∂F Δλ − F ∂λ
(8.52)
− − Δ( − ) = + λ i +1 λ i Δλ
durchgeführt. Dabei ist
8.6 Erfüllung der Stoffgleichungen in der FEM, lokale Iteration
(8.53)
∂f ∂ 2Q ∂ 2Q ∂G = I + λE + λM α ∂( − ) ∂ ( − ) 2 ∂ pl ∂ ( − ) 2
(8.54)
∂ 2Q ∂G = I + λ (E + H kin M ) ∂( − ) ∂ ( − ) 2
(8.55)
∂Q ∂G = (E + H kin M ) ∂λ ∂ ( − )
201
Am Anfang ist =0 und sind und gleich ihren Anfangswerten, sodass auch G=0 und (8.56)
∂G =I ∂ ( − )
wird. Die erste Zeile von (8.51) kann dann nach (8.57)
∂Q Δ( − ) = − (E + H kin M ) Δλ ∂ ( − )
aufgelöst werden. Setzt man dies in die zweite Zeile ein, kann man schließlich nach (8.58)
Δλ =
F T
∂F
∂Q ∂F (E + H kin M ) − ∂ ( − ) ∂λ ∂ ( − )
auflösen, sodass man im ersten Iterationsschritt direkt berechnen kann. In den weiteren Iterationsschritten muss dann bei n Spannungskomponenten das (n+1)-dimensionale lineare Gleichungssystem (8.51) gelöst werden. Im Falle der assoziierten Fließregel F=Q kann (8.58) noch folgendermaßen umgeformt werden: (8.59)
Δλ =
F T
T
∂F
∂F
∂F ∂F ∂F E M + H kin − ∂ − ∂ − ∂ − ( ) ( ) ( ) ( ) ∂ − ∂λ
1
pl ∂F / ∂λ enthält bei dieser Darstellung nur den isotropen Anteil, der, solange Δε eq = λ gilt,
gleich -Hiso ist, sodass sich
202
(8.60)
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität Δλ =
F T
∂F
∂F E + H kin + H iso
∂ ( − ) ( ∂ − ) H
ergibt.
8.6.2
Beispiel lineare Verfestigung
Als Beispiel wird die Von-Mises-Fließbedingung, die assoziierte Fließregel sowie die kombinierte isotrope und kinematische lineare Verfestigung ausgeführt. Die Von-Mises-Fließbedingung lautet: (8.61)
F=
[
]
1 2 2 pl ( σ x - σ y )2 + ( σ y - σ z )2 + ( σ z - σ x )2 + 6τ xy + 6τ 2yz + 6τ xz − σ F (ε eqv )=0 2
σ eqv
Die Ableitung nach den Spannungskomponenten ist die Ableitung der Vergleichsspannung:
(8.62)
σ x - σ y − ( σ z - σ x) - − ( - ) σ y σ z σ x σ y 1 ∂F ∂σ eqv 1 σ z - σ x − ( σ y - σ z ) = = = 6 τ xy ∂ ∂ 2σ eqv σ eqv 6 τ yz 6 τ xz
Bei einem einachsigen Spannungszustand x ist
(8.63)
σx 1 1 1 ∂F 1 − 2 σ x − 2 = = ∂ σ x − 1 σ x − 1 2 2 0 0
Damit wird (8.64)
∂F
∂
T
und (8.65)
Cσ =
( )2 + (− 12 )2 = 32
∂F = 12 + − 12 ∂
1 2 = 3 3 2
σ x - 1 σ y − 1 σ z 2 2 1σ − 1 σ y 2 z 2 σ x 1 1 σ z - 2 σ x − 2 σ y 3 τ xy 3 τ yz 3 τ xz
8.6 Erfüllung der Stoffgleichungen in der FEM, lokale Iteration
203
Für eine Schubkomponente allein erhält man (8.66)
1 0 0 ∂F = = ∂ 3τ xz 3τ xz 3
und (8.67)
∂F
∂
T
∂F = ∂
( 3 )2 = 3
Der Kehrwert ist ½ C. Mit der Matrix M nach (8.37) gilt stets: (8.68)
∂F
∂
T
M
∂F =1 ∂
oder
(8.69)
1 1 T 1
∂F ∂ 0
0 1 2 1 2
∂F 3 = ∂ 2 1 2
T
∂F
∂F
=1 M ∂ ∂
Die Ableitung von F nach dem plastischen Multiplikator ist
(8.70)
pl ∂σ F ∂F ∂F ∂ε eqv ∂F = = =− = − H iso pl pl pl ∂λ ∂ε eqv ∂λ ∂ε eqv ∂ε eqv
Der zweite Schritt beinhaltet die Tatsache, dass in diesem Fall wegen der assoziierten Fließregel und der Definition der Vergleichsdehnung diese dem plastischen Multiplikator entspricht. Bei der assoziierten Fließregel geht Q in F über. Deren zweite Ableitung ergibt sich nach der Quotientenregel zu
204
(8.71)
(8.72)
(8.73)
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
1 − 1 2 ∂2F 1 − 1 2 = 2 ∂ 2 σ eqv
1 − 1 2 1 − 1 ∂2F = 2 ∂ 2 σ eqv
1 − 1 2 1 − 1 ∂2F = 2 ∂ 2 σ eqv
− 12 1 −
1 2
− 12 −
1 2
1
0
− 12
− 12
1
− 12
− 12
1
0
− 12
− 12
1
− 12
− 12
1
0
σ x - 1 σ y − 1 σ z ) 2 2 1σ − 1 0 σ y 2 z 2σx ∂σ eqv 1 1 σ eqv − σ z - 2 σ x − 2 σ y ∂ 3 3τ xy 3 3τ yz 3 3τ xz
σ x - 1 σ y − 1 σ z ) 2 2 1 1 0 σ y - 2 σ z − 2 σ x T 1 σ z - 1 σ x − 1 σ y ∂F
− 2 2 ∂ σ eqv 3 3τ xy 3 3τ yz 3 3 τ xz ∂F ∂
T
0 T ∂F ∂F − ∂ ∂ 3 3 3
Bei der kinematischen Verfestigung tritt an die Stelle jeder Komponente von in der Vergleichsspannung eine von - . Damit ist
∂G bestimmt. ∂ ( − )
Bei linearer Verfestigung stellt (8.60) schon die endgültige Lösung für dar, sodass nicht mehr iteriert werden muss.
8.7 Konsistente Tangente
205
8.7 Konsistente Tangente 8.7.1
Allgemeine Darstellung
Gesucht ist wieder die Ableitung der Spannungen nach den Gesamtdehnungen. Die Entwicklungsgleichung kann nicht mehr für – , sondern muss für angeschrieben werden. Bei Plastizität mit kinematischer und isotroper Verfestigung lautet die Fließbedingung: (8.74)
pl F = σ eq ( − ) − σ F (ε eq )=0
Bei der Fließregel (8.75)
Δ pl = λ
∂Q ∂ ( − )
und der Annahme, dass das plastische Dehnungsinkrement von den zunächst als elastisch betrachteten Trialdehnungen abgezogen wird, ergibt sich die Spannung am Ende eines Inkrementes im Euler-rückwärts-Verfahren zu (8.76)
(
)
= E − pl ,0 − λE
∂Q ∂ ( − )
Das totale Differential der Spannungen ist dann (8.77)
d = Ed − E
∂Q ∂ 2Q dλ − λE d ∂ ( − ) ∂ ( − )∂
nach Umordnung (8.78)
2
I + λE ∂ Q d = E d − ∂Q dλ ∂( − )∂ ∂ ( − ) −1
(8.79)
∂ 2 Q ∂Q ∂Q d = I + λE E d − dλ = D * d − dλ ∂( − )∂ ∂ ( − ) ∂( − )
D*
D* heißt tangentialer Materialmodul und ist symmetrisch. Darin ist (8.80)
∂ 2Q ∂ 2Q ∂( − ) = ∂( − )∂ ∂ ( − )∂( − ) ∂
Das totale Differential der Fließbedingung muss null sein:
206
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
(8.81) dF =
pl pl ∂σ eq ( − ) ∂ ( − ) ∂σ eq ( − ) ∂ ( − ) ∂ ∂ pl ∂σ F (ε eq ) ∂ε eq d + dλ − dλ = 0 pl ∂λ pl ∂ ( − ) ∂ ( − ) ∂λ ∂ε eq ∂
∂
∂ −I I
In der klassischen Plastizität gilt oft
(8.82)
pl ∂ε eq
∂λ
=1
Das Differential wird dann zu T
(8.83)
T
∂F
∂F
d − ∂ ( − ) ∂ ( − )
pl ∂σ F (ε eq ) ∂Q d λ − dλ = 0 pl ∂ ( − ) pl ∂ ∂ε eq N
H kinM H iso
∂
nach Umordnung (8.84)
T T pl ) ∂σ F (ε eq
∂F
∂F
∂Q dλ = 0 M d − H kin + pl ∂ ( − ) ∂ ( − ) ∂ε eq ∂ ( − ) ∂F ∂λ
Anders als in dem beschriebenen Verfahren der lokalen Iteration von - enthält ∂F / ∂λ auch einen kinematischen Anteil, weil hier eine abhängige Variable ist und nur und unabhängig sind. d eingesetzt: T
(8.85)
∂F *
∂F ∂Q D d − dλ + dλ = 0 ∂( − ) ∂λ ∂ ( − )
nach den Differentialen umgeordnet: (8.86)
T ∂F T
∂F * ∂Q ∂F D * D d − − dλ = 0 ∂ ( − ) ∂λ ∂ ( − ) ∂ ( − )
skalar
nach d aufgelöst:
8.7 Konsistente Tangente
207 T
(8.87)
dλ =
∂F * D ∂ ( − ) ∂F T ∂Q ∂F D* − ∂ ( − ) ∂λ ∂ ( − )
d
eingesetzt in (8.79): T
D*
(8.88)
d = D* d −
∂Q ∂F * D ∂( − ) ∂( − )
∂F T ∂Q ∂F D* − ∂ ( − ) ∂λ ∂( − )
d
Gesucht ist die Ableitung der Gesamtspannungen nach den Gesamtdehnungen: T
D*
(8.89)
DTan =
∂Q ∂F * D ∂ ( − ) ∂ ( − )
d = D* − d ∂F T ∂Q ∂F * − D ∂ ( − ) ∂λ ∂ ( − )
Man erkennt, dass die Tangentenmatrix nur dann symmetrisch wird, wenn F=Q ist, also die assoziierte Fließregel gilt. Die Darstellung in (8.89) lässt gut die Struktur der Materialtangente erkennen. Algorithmisch einfacher und nicht rechenaufwändiger ist aber folgende Vorgehensweise: (8.78) lässt sich zu (8.90)
2
I + λE ∂ Q d + E ∂Q dλ = Ed ∂( − )∂ ∂ ( − )
umstellen. Zusammen mit (8.84) ergibt sich ein Gleichungssystem, dessen rechte Seite nur linear von d abhängt:
(8.91)
d ∂2F I + λE ∂ ( − )∂
∂F
∂ ( − )
T
dλ d ∂F E E ∂ ( − ) ∂F ∂λ
0
Bei sechs Komponenten der Spannungen und Dehnungen ist ein 7x7-Gleichungssystem mit sechs rechten Seiten zu lösen. Das kann wegen der linearen Abhängigkeit von d rein numerisch geschehen. Die sechs Ergebnisvektoren sind dann
208
(8.92)
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität d d dλ d
Der obere Term stellt die gesuchte Tangente dar.
8.7.2
Beispiel lineare Verfestigung
Bei Von-Mises-Fließbedingung, assoziierter Fließregel sowie kombinierter isotroper und kinematischer linearer Verfestigung gilt: (8.93)
= H kin M pl
(8.94)
pl σ F = H iso ε eqv
Damit wird (8.95)
∂F = H kin + H iso = H ∂λ
was den Verfestigungsmodul darstellt, unabhängig davon, welchen Anteil die kinematische und welchen die isotrope Verfestigung darstellt. Die Ableitungen der Fließbedingung hängen von der Größe von ab, formal sind die Terme der Tangentenmatrix auch unabhängig von der Aufteilung der Verfestigung.
8.8 Beispielprogrammierung in USERPL von ANSYS In der benutzerprogrammierbaren Subroutine USERPL in ANSYS ist als Beispiel die lineare kinematische Verfestigung bei Von-Mises-Fließbedingung und assoziierter Fließregel in FORTRAN ausprogrammiert. Hier wird gezeigt, welche Formeln sich dort wiederfinden. Mit dem Problem der Tensor- bzw. Ingenieurnotation (letztere wird benutzt) wird dort anders umgegangen, und zwar durch die Einführung der Shift-Dehnung shift. Die plastischen Dehnungen sind deviatorisch (gestaltändernd). Daher kann man Normalspannungsänderungen infolge dieser Dehnungen sowohl als (8.96)
Δσ ii = −2GΔε iipl
als auch als
Δσ ii = − E ij Δε jjpl j
berechnen. Für Schubspannungen enthält die Elastizitätsmatrix E nur G auf der Hauptdiagonalen. Berechnet man nun α für alle Komponenten als (8.97)
=
2 H kin pl 3
8.8 Beispielprogrammierung in USERPL von ANSYS
209
teilt durch 2G und nimmt mit E mal, wird automatisch für Schub (8.93) berücksichtigt. Deshalb wird in BKIN die Shift-Dehnung wie folgt ausgerechnet: (8.98)
Δ shift =
1 2 HΔ pl 2G 3
wobei wegen 2G =
(8.99)
Δ shift =
E (1 + ν )
2(1 +ν ) HΔ pl 3E
wird. Die Shift-Dehnungen werden aufsummiert und anschließend als Geschichtsvariable (state variable) gespeichert. Durch Multiplikation mit der Elastizitätsmatrix erhält man
(
)
(8.100) E el − shift = − USERPL erhält vom rufenden Programm die Gesamtdehnungen epel
wie elastisch, weil sie anfänglich als elastisch gelten,
und die Geschichtsvariablen (State-Variablen) eppl
plastische Dehnungen und
statev
frei verfügbare Variablen, hier die Shift-Dehnung epshft, sowie
e
E-Modul
nu
Querkontraktionszahl
proptb
Werkstoffparameter für das nichtlineare Verhalten, hier F und ET.
Zum Verständnis sollte man noch einige Service-Subroutinen kennen: vzero
initialisiert ein Array mit 0
vmove
kopiert ein Array (meist Vektor) in ein anderes
vamb
zieht zwei Arrays voneinander ab und schreibt das Ergebnis in ein drittes
vamb1
zieht zwei Arrays voneinander ab und schreibt das Ergebnis in das erste
vapb
addiert zwei Arrays und schreibt das Ergebnis in ein drittes
vapb1
addiert zwei Arrays und schreibt das Ergebnis in das erste
vapcb1
multipliziert das zweite Array mit einer Konstanten und addiert es zu dem ersten, wo auch das Ergebnis gespeichert wird
vmult
multipliziert ein Array mit einer Konstanten und schreibt das Ergebnis in ein anderes Array
vmult1
multipliziert ein Array mit einer Konstanten und überschreibt das ursprüngliche Array mit dem Ergebnis
vdot
bildet das Skalarprodukt zweier Vektoren
210
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
maxv
multipliziert eine Matrix mit einem Vektor
maxv
multipliziert eine Matrix mit einem Vektor und überschreibt diesen damit
matsym
füllt eine Matrix, deren unteres Dreieck belegt ist, symmetrisch auf
maxb
multipliziert eine Matrix mit einer anderen
Im Folgenden sind nun Formeln und Programmierung einander gegenübergestellt. c --- initialize the tangent matrix for no plasticity n2 = ncomp*ncomp call vmove (d(1,1),dt(1,1), n2)
Tritt keine Plastizität auf, wird die Elastizitätsmatrix Tangentenmatrix. h = e*et/(e - et)
entspricht c c
(8.22)
H=
EET E − ET
--- the 1st state variable column is for the shift strain (the center of the yield surface) call vmove (statev(1,6),epshft(1),ncomp)
überträgt die gespeicherte Geschichtsvariable statev auf epshft (shift). c --- calculate c the yield call vamb call maxv
berechnet
(
the trial stress after subtracting off surface shift (epel(1),epshft(1),ep(1),ncomp) (d(1,1),ep(1),sigtr(1), ncomp,ncomp)
)
E el ,tr − shift = tr − 0 seqtr = (sigtr(1)-sigtr(2))**2 + (sigtr(2)-sigtr(3))**2 + (sigtr(3)-sigtr(1))**2 + 6.0d0*sigtr(4)**2 if (ncomp.eq.6) seqtr = seqtr + 6.0d0*(sigtr(5)**2 + sigtr(6)**2) seqtr = sqrt (0.5d0*seqtr)
x x
berechnet die Vergleichsspannung nach von Mises der Trialspannungen minus back stresses nach (8.8) räumlich und in der Ebene. c
--- check for yielding con = seqtr/sigy - 1.0d0
Wenn die Vergleichsspannung über der Fließgrenze liegt, ist con>0. if(con.lt.eps) goto 999 c --- get the derivative of the yield function con = (sigtr(1)-sigtr(2))**2 + (sigtr(2)-sigtr(3))**2 + x (sigtr(3)-sigtr(1))**2 + 6.0d0*sigtr(4)**2 dfds(1) = sigtr(1) - 0.5d0*(sigtr(2) + sigtr(3)) dfds(2) = sigtr(2) - 0.5d0*(sigtr(1) + sigtr(3)) dfds(3) = sigtr(3) - 0.5d0*(sigtr(1) + sigtr(2))
8.8 Beispielprogrammierung in USERPL von ANSYS
211
dfds(4) = 3.0d0*sigtr(4) if (ncomp.eq.6) then con = con + 6.0d0*(sigtr(5)**2 + sigtr(6)**2) dfds(5) = 3.0d0*sigtr(5) dfds(6) = 3.0d0*sigtr(6) endif con = sqrt (0.5d0*con) call vmult1 (dfds(1),ncomp,1.0d0/con)
berechnet die Ableitung der Fließbedingung nach den Spannungskomponenten nach
(8.62)
σ x - 1 σ y − 1 σ z ) 2 2 1 1 σ y - 2 σ z − 2 σ x ∂F 1 σ z - 1 σ x − 1 σ y 2 2 = ∂ σ eqv 3τ xy 3τ yz 3 τ xz
wobei con eqv enthält. c --- compute the plastic constant lambda call maxv (d(1,1),dfds(1),vect(1), ncomp,ncomp) con = h + vdot(vect(1),dfds(1),ncomp) dlamb = (seqtr - sigy)/con
berechnet den plastischen Multiplikator nach (8.60)
Δλ =
F T
∂F
∂F E + H kin + H iso
∂( − ) ∂ ( − ) H
wobei man F = σ eqv − σ F berücksichtigen muss. Der Index y steht für englisch yield – fließen. c --- calculate the strain increment call vmult (dfds(1),deppl(1), ncomp,dlamb)
entspricht der assoziierten Fließregel (8.5) . c --- update strains call vamb1 (epel(1),deppl(1),ncomp)
entspricht (8.47) Δ el = −Δ pl . call vapb1 (eppl(1),deppl(1),ncomp)
datiert die plastische Dehnung auf con = 2.0d0*h*(1.0d0 + nu)/(3.0d0*e) call vapcb1 (epshft(1),deppl(1), ncomp,con) call vmove (epshft(1),statev(1,6),ncomp)
212
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
passt die Shift-Dehnung nach (8.99)
Δ shift =
2(1 + ν ) HΔ pl an und speichert sie als 3E
State-Variable. c --- update the accumulated plastic strain depeq = dlamb epeq = epeq + depeq
datiert die kumulierte plastische Vergleichsdehnung auf. Die Spannungsberechnung erfolgt außerhalb von USERPL auf der Basis der aktuellen elastischen Dehnungen. Anschließend wird die Materialtangente berechnet: c
--- do not form with exactly h=0 if (h.lt.1.0d-9*e) h = 1.0d-9*e
spielt nur eine Rolle bei Elementen mit extra displacement shapes, kann aber die Konvergenz bei Entfestigung verschlechtern. c c
c
belegt
--- form the effective material modulus --- deff = (i + dlamb*d*b)-1*d; b = (m - n*nt)/sigy con = dlamb/sigy call vzero (b(1,1),36) --- set up m first b(1,1) = 1.0d0 b(2,2) = 1.0d0 b(3,3) = 1.0d0 b(4,4) = 3.0d0 if (ncomp.eq.6) then b(5,5) = 3.0d0 b(6,6) = 3.0d0 endif b(2,1) = -0.5d0 b(3,2) = -0.5d0 b(3,1) = -0.5d0 call vmult1 (b(1,1),36,con)
1 − 1 2 λ − 12 B= σ eqv
1 − 12 0
1 3 3 3
8.8 Beispielprogrammierung in USERPL von ANSYS c
213
--- add in n*nt term call maat (dfds(1),b(1,1), 6,ncomp, -con) call matsym (b(1,1),6,ncomp)
berechnet nach (8.73)
λ
∂2F ∂∂ T
=B−
λ σ eqv
∂F ∂
∂F
∂
T
durch Benutzung der Subroutine
maat. call maxb (d(1,1),b(1,1),c(1,1), ncomp,6,6, ncomp,ncomp,ncomp) c(1,1) = c(1,1) + 1.0d0 c(2,2) = c(2,2) + 1.0d0 c(3,3) = c(3,3) + 1.0d0 c(4,4) = c(4,4) + 1.0d0 if (ncomp.eq.6) then c(5,5) = c(5,5) + 1.0d0 c(6,6) = c(6,6) + 1.0d0 endif
∂ 2 Q bildet I + λE . ∂ ( − )∂ i = symeqn (c(1,1),6,ncomp,-ncomp) call maxb (c(1,ncomp+1),d(1,1),dt(1,1), 6,ncomp,ncomp, ncomp,ncomp,ncomp)
x
bildet davon die Inverse und multipliziert sie mit der Elastizitätsmatrix zum tangentialen Materialmodul D* gemäß (8.79). c
--- calculate the consistent tangent modulus call maxv (dt(1,1),dfds(1),vect(1), ncomp,ncomp) con = 1.0d0/(h + vdot(dfds(1),vect(1),ncomp)) call maat (vect(1),dt(1,1), ncomp,ncomp, -con) call matsym (dt(1,1),ncomp,ncomp)
bildet schließlich die Tangente nach T
D*
(8.89)
DTan =
∂Q ∂F * D ∂ ( − ) ∂ ( − )
d = D* − d ∂F T ∂Q ∂F D* − ∂ ( − ) ∂λ ∂ ( − )
wobei hier F = Q gilt.
214
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
8.9 Modelle für kinematische Verfestigung Kinematische Verfestigung im Mehrdimensionalen zu beschreiben ist wegen der Kombination aus Verschiebung der Fließfläche mit den plastischen Dehnungen und dem MasingVerhalten nicht trivial. Der Fall der linearen Verfestigung (bilineares Verhalten) wurde schon beschrieben. Darüber hinausgehende Modell sind recht komplex.
8.9.1
Besseling-Modell (Overlay-Modell)
Die Idee des Besseling-Modells besteht darin, das Kontinuum gedanklich in Teilvolumina (sublayers) mit jeweils unterschiedlichem elastisch-ideal-plastischen Verhalten zu unterteilen. Jedes Teilvolumen i hat einen eigenen Elastizitätsmodul Ei und eine eigene Fließgrenze Fi. Eindimensional lässt sich dieses Modell als eine Parallelschaltung von Systemen aus Feder und Reibelement in Reihe deuten (Abb. 8-24). F1 E1 F2 E2 F3 E3 Abb. 8-24 Besseling-Modell, eindimensional
Daran kann man schon erkennen, wie das Modell den stückweise linearen Verlauf und den Masing-Effekt abbildet. Solange noch in keinem Prandtl-Element die maximale Reibkraft (entspricht Fließgrenze) erreicht ist, wächst in allen Elementen die Kraft (d.h. Spannung) linear mit der Verformung (d.h. Dehnung) an. Der Gesamt-E-Modul ergibt sich als die Summe der Teil-E-Moduln aller Federn. Wird die erste Fließgrenze erreicht, bleibt die Kraft/Spannung in dem betroffenen System konstant. Die elastische Dehnung der Feder nimmt nicht mehr zu, sodass sie nicht mehr zur Steigung der Spannungs-Dehnungs-Linie beiträgt, die dadurch flacher wird. Dafür kommt es aber zu einer Verschiebung im Reibelement, was einer plastischen Dehnung entspricht. Das kann sich fortsetzen, bis alle Reibelemente ins Gleiten gekommen sind.
8.9 Modelle für kinematische Verfestigung
215
n En
2
E2+…+En
1
E1+E2+…+En
1
2
n
Abb. 8-25 Verhalten des Besseling-Modells
Wird nun entlastet und im weiteren Verlauf gegenläufig belastet, lässt die Spannung zunächst in allen Federn nach, sodass die Steigung der Entlastungsgeraden der Anfangssteigung, also dem Gesamt-E-Modul, entspricht. Das erste Element gerät wieder ins Gleiten, wenn es vollständig entlastet und in anderer Richtung bis zur ersten Fließgrenze belastet worden ist. Das erklärt, warum ab dem ersten Lastwechsel immer die zweifache Spannungsdifferenz bis zum Knick in der SpannungsDehnungs-Linie zurückgelegt wird, wie es das Masing-Verhalten vorsieht. Das resultierende Verhalten setzt sich aus der gewichteten Summe über die elasto-plastische Antwort der Teilvolumina zusammen, wobei sich die Wichtungsfaktoren ti im Wesentlichen aus der jeweiligen Änderung des Tangentenmoduls errechnen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Modellparameter zu beschreiben. Die folgende Form ist geeignet, das Besseling-Modell auch aus übereinanderliegenden Elementen (mit gleichen Knoten) mit unterschiedlichem elasto-plastischem Materialverhalten aufzubauen. Eindimensional lassen sich die Parameter folgendermaßen ableiten: Die letzte Steigung entspricht En. (8.101) E n =
σ n − σ n−1 ε n − ε n−1
Die vorletzte Steigung ist die Summe aus En-1 und En. (8.102) E n −1 =
σ n −1 − σ n −2 − En ε n −1 − ε n −2
Definiert man nun die E-Moduln über die Wichtungsfaktoren:
216
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
(8.103) Ei = E ⋅ t i ergibt sich (8.104) t i =
1 σ n −1 − σ n−2 − E ε n−1 − ε n−2
n
t j
j =i +1
Die Fließspannung Fi muss nun mit dem E-Modul Ei bei der Dehnung erreicht werden, bei der sich mit dem Gesamt-E-Modul E die Stützstelle i (s. Abb. 8-25) einstellt: (8.105)
σ Fi Ei
=
σi E
⇔ σ Fi =
Ei σi E
(8.106) σ Fi = t iσ i Mehrdimensional muss noch beachtet werden, dass sich wegen des Unterschiedes in der Querkontraktion zwischen elastischem und plastischem Verhalten Zwängungen zwischen den Subvolumina ergeben, sodass zur Abbildung einer Fließkurve im Dreidimensionalen und im Ebenen Verzerrungs-Zustand zu setzen ist: (8.107) t i =
σ i − σ i −1
σ − σ i −1 G 3(ε i − ε i −1 ) − (1 − 2ν ) i E
−
n
t j
j =i +1
σ (8.108) σ Fi = G 3ε i − (1 − 2ν ) i t i E Jedes Element bekommt für sich elastische und plastische Dehnungen. Für jede Komponente des Gesamtmodells, sowohl für elastische, plastische als auch Gesamtdehnungen, gilt: n
(i ) (8.109) ε kl = t i ε kl i =1
während sich die Spannungen als Summe n
(i ) (8.110) σ kl = σ kl i =1
ergeben. Damit ließ sich tatsächlich mit 5 übereinander liegenden Volumenelementen die Fließkurve und die zyklische Spannungs-Dehnungs-Linie aus Abb. 8-26 bei einer einachsigen Beanspruchung berechnen.
8.9 Modelle für kinematische Verfestigung
217
x
id l l
i h
l
b l
x
Abb. 8-26 Spannungs-Dehnungs-Linie mit ausmodelliertem Besseling-Modell (5 ideal plastische Elemente überlagert)
Das folgende Beispiel zeigt das Verhalten eines Zugstabes, dessen Materialverhalten mit dem Besseling-Modell beschrieben wird, unter einer Folge von Be- und Entlastungen. Dabei ist das Masing-Verhalten zu erkennen. Die Belastung wird erst auf 80% der Maximalbelastung gesetzt, dann wird sie auf 10% verringert, auf 90% erhöht, auf -10% gebracht und schließlich auf 100% gesteigert.
218
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
R=3
30
Abb. 8-27 Zugstab und Fließkurve
Fließkurve wiedergefunden tun
g
Fließfläche durchschritten Entlastung
im
ela s
ti s ch
en B
ere i
ch
las Be 1.
ab hier plastisch
Abb. 8-28
Spannungs-Dehnungs-Verhalten im Besseling-Modell
bei
einer
Folge
von
Be-
und
Entlastungen
Bei der Erstbelastung folgt die Spannung der Fließkurve. Die anschließende Entlastung bleibt im elastischen Bereich, sodass die Wiederbelastung auf derselben Kurve erfolgt, bis die ursprüngliche Fließkurve wiedergefunden wird und ihr bis zur vorgegebenen Spannung gefolgt
8.9 Modelle für kinematische Verfestigung
219
wird. Bei der nächsten Entlastung ist der Spannungsunterschied so groß, dass Plastifizieren in der Gegenrichtung auftritt. Dementsprechend tritt auch bei der folgenden Belastung plastisches Verhalten auf, bevor die Fließkurve wieder erreicht wird.
8.9.2
Armstrong-Frederik- bzw. Chaboche-Modell
Das Modell benutzt die Von-Mises-Fließbedingung. Die aktuelle Fließgrenze ergibt sich aus der Anfangsfließgrenze y0 und der isotropen Verfestigung R: (8.111) σ y = σ y 0 + R Die backstresses α und die isotrope Verfestigung R folgen den Entwicklungsgleichungen (8.112) i =
2 pl C i pl − γ i i ε eq 3
pl (8.113) R i = bi (Qi − Ri )εeq
Beides sind Differentialgleichungen, die unter bestimmten Umständen analytisch gelöst werden können. Für (8.113) ist das allgemein möglich, weil die kumulierte plastische Dehnung monoton steigt: (8.114) Ri = Qi (1 − e
pl −biε eq
)
Diese Form entspricht dem NLISO-Modell in ANSYS. R muss nicht als Geschichtsvariable gespeichert werden, eqpl genügt. Auch für ist das möglich, wenn man berücksichtigt, dass ∂F ∂ ( − ) im Lastinkrement konstant ist:
(8.115) i = i,0
pl pl
− γ (ε eq − ε eq,0 )
2 Ci ∂F λ + − i,0 1 − e 3 γ i ∂ ( − )
wobei der Index 0 die Werte am Anfang des Inkrementes darstellt. Sowohl aus (8.115) als auch aus (8.113) lässt sich bei eindimensionaler Betrachtung ablesen, das Ci/ i den Maximalwert (Sättigungswert) des jeweiligen kinematischen Verfestigungsanteils darstellt, während (8.114) erkennen lässt, dass die maximale isotrope Verfestigung Qi beträgt. Für die lokale Iteration (8.51) ist
(8.116)
pl − b(ε eq ∂F ∂R ,0 + λ ) =− = −Qbe ∂λ ∂λ
220
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
CkinI geht in die Ableitung von f nach den plastischen Dehnungen, die Diagonalmatrix ∂f αjk (8.117) diag ∂ε pl jk
∂α jk = 1 diag Fσ ∂ε pl jk
über. Sie kann aus (8.115) gewonnen werden: (8.118)
∂ i ∂ε
=
pl
2 Ci 1 3 γi λ N Cσ
I 1 − e − γλ
Das ist nicht mehr von den Dehnungskomponenten abhängig, sodass sich (8.119) C kin =
Ci 1 − γλ
1 − e γi λ
ergibt. Bevorzugt man statt der analytischen Lösung (8.115) das Euler-rückwärts-Verfahren, so wird aus (8.112) (8.120) Δ i =
2 pl C i Δ pl − γ i ( i 0 + Δ i )Δε eq 3
pl (8.121) Δ i (1 + γ i Δε eq )=
(8.122) Δ i =
2 3
2 pl C i Δ pl − γ i i 0 Δε eq 3
pl C i Δ pl − γ i i 0 Δε eq pl 1 + γ i Δε eq
Solange eqpl dem plastischen Multiplikator entspricht, der als unabhängige Variable behandelt wird, ist (8.123)
∂ i ∂
pl
=
Ci I 2 pl 3 1 + γ i Δε eq
und damit
C kin =
Ci pl 1 + γ i Δε eq
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
221
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting 8.10.1 Begriffe Bei zyklischer Beanspruchung, die in beiden Richtungen zu plastischen Dehnungen führt (s. Abb. 8-29), kann es dazu kommen, dass sich die Hysterese mit jedem Zyklus in eine bestimmte Richtung verschiebt. Kommt dieser Vorgang nach einer Anzahl von Zyklen zum Stillstand, spricht man vom „Einspielen“ (engl. Shakedown, s. Abb. 8-30). Dabei unterscheidet man noch zwei Fälle: Ist beim Stillstand auch die Hysterese verschwunden, d.h. gibt es keine plastischen Dehnungen mehr, spricht man vom elastischen Einspielen, sonst vom plastischen.
SpannungsDehnungs-Linie
Belastungsgeschichte
zyklisches SpannungsDehnungs-Verhalten
Spannung STRESS
Abb. 8-29 Materialverhalten bei zyklischer Belastung
STRAIN
Dehnung Abb. 8-30 Spannungs-Dehnungs-Verhalten bei Tendenz zum plastischen Einspielen
Verschiebt sich die Hysterese immer weiter, speziell um einen bestimmten Betrag je Zyklus, spricht man vom Ratcheting (nach engl. ratchet wheel – Klinkenrad, etwa beim Uhrwerk, s. Abb. 8-31). Darin steckt auch das deutsche Wort Ratsche.
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Spannung STRESS
222
STRAIN
Dehnung Abb. 8-31 Spannungs-Dehnungs-Verhalten bei Ratcheting
8.10.2 Melan-Theorem Das Melan-Theorem besagt, dass elastisches Einspielen eintritt, wenn man den verschiedenen Spannungszuständen, die während der einzelnen Belastungsphasen auftreten, einen Eigenspannungszustand überlagern kann, sodass in keiner Phase mehr Plastifizieren auftritt. Das ist gleichbedeutend mit einer Verschiebung der Fließfläche so, dass sie alle auftretenden Spannungszustände eines Punktes einhüllt. Bei einer proportionalen Belastung ist das dadurch zu erfüllen, dass die Schwingbreite der Spannungen nicht mehr als 2 F0 (F0 – Anfangsfließspannung), also nicht mehr als den Durchmesser der Fließfläche, beträgt. Im Beispiel eines Biegebalkens, der in fünf Halbzyklen belastet wird, wobei bei der Erstbelastung in jedem Fall vollplastische Moment Mpl aufgebracht wird, kann dies gezeigt werden. Vollplastisches Moment bedeutet, dass bereits so viel plastische Dehnung auftritt, dass alle Fähigkeit zur plastischen Umlagerung aufgebraucht ist und bei einer höheren Belastung kein Gleichgewicht mehr möglich ist (Mpl= 2 Sy F, 1,5 Mel bei Rechteckquerschnitt). Das elastische Grenzmoment (8.124) M el = W y σ F ist dasjenige, bei dem gerade in der Randfaser die Fließgrenze F erreicht wird, also gerade noch kein plastisches Fließen auftritt. In Abb. 8-32 beträgt die anschließend aufgebrachte Wechselbeanspruchung das Zweifache des vollplastischen Momentes Mpl. Daraus ergibt sich in jedem Halbzyklus ein plastisches Dehnungsinkrement, das vom Betrage her gleich ist. Es liegt plastisches Einspielen vor.
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
223
Abb. 8-32 Balkenbiegung, Schwingbreite 2 Mplastisch
In Abb. 8-33 beträgt diese Schwingbreite nur noch das 2,2fache des elastischen Grenzmomentes Mel. Nach dem ersten Halbzyklus stellt sich noch etwas Rückplastizieren ein, aber deutlich weniger als bei der Erstbelastung.
Abb. 8-33 Balkenbiegung, Schwingbreite 2,2 Mel
224
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Bei der Schwingbreite 2 Mel schließlich tritt gerade kein weiteres Plastizieren ein (Abb. 8-34). Hier liegt sofortiges elastisches Einspielen, passend zum Melan-Theorem vor. In keinem der Fälle kam es zum Ratcheting, bei dem man zwei Fälle bzw. Ursachen unterscheidet, die im Folgenden untersucht werden.
Abb. 8-34 Balkenbiegung, Schwingbreite 2 Melastisch
8.10.3 Struktur-Ratcheting Struktur-Ratcheting tritt typischerweise auf, wenn eine konstante Belastung von einer zyklischen überlagert wird, speziell bei der Überlagerung von konstanter Längsbelastung mit wechselndem Moment. Dabei wird auf der stärker beanspruchten Seite die Fließgrenze überschritten. Bei Entlastung entsteht ein Eigenspannungszustand, aufgrund dessen beim entgegengesetzten Moment jetzt auf der zweiten Seite Plastizieren auftritt, auf der ersten aber keine plastische Rückverformung. Dies wiederholt sich, bis an einer Stelle die Bruchdehnung erreicht wird. Im Beispiel, dass Abb. 8-35 zugrunde liegt, wird der besagte Biegebalken bis auf ¾ der Fließspannung durch eine permanente Längskraft belastet. Anschließend wird ein Moment aufgebracht, das das System bis kurz vor das Versagen belastet. Dies wird je Halbzyklus wiederholt, jedoch wechselt das Vorzeichen. Für einen ausgewählten Punkt ergibt sich eine Zunahme der Dehnung mit jedem Zyklus, obwohl in der einen Belastungsrichtung keine Plastizität auftritt. Dies ist nur durch das Zusammenwirken in der Struktur zu erklären (deshalb Struktur-Ratcheting). Der gegenüber liegende Rand zeigt die Plastizierungen zeitlich versetzt. Dadurch wird jeweils der Eigenspannungszustand verändert.
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
225
Abb. 8-35 Struktur-Ratcheting, ein Element am Rand
Abb. 8-36 Struktur-Ratcheting, ein Element am gegenüber liegenden Rand
Was im System geschieht, zeigt die Darstellung der Verteilung über die Höhe, und zwar in Abb. 8-37 die Verteilung der Spannung. Sie erreicht nach der ersten Momentaufbringung in weiten Bereichen die Fließspannung, bei Wegnahme des Momentes ist sie nicht mehr konstant, weil sich Eigenspannungen einstellen. Beim gegenläufigen Belasten stellt sich etwa die umgekehrte Verteilung ein, ebenso bei erneuter Wegnahme usw.
226
Abb. 8-37
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Spannungsverteilung über die Höhe beim Struktur-Ratcheting konstante Kraft, M pos. , M=0, M neg., M=0, M pos.
Bei der plastischen Dehnung (Abb. 8-38) sieht man mit dem einen Halbzyklus eine zur einen Seite anwachsende Verteilung, mit dem nächsten ein Ausgleich hin zu einer fast konstanten Verteilung, dann folgt wieder Anwachsen, dann Ausgleich. Dabei nimmt aber der Maximalwert mit jedem Zyklus zu – Ratcheting. Struktur-Ratcheting kann mit jedem plastischen Materialgesetz für kinematische Verfestigung und – wie hier – mit idealer Plastizität dargestellt werden.
Abb. 8-38
Verteilung der plastischen Dehnung über die Höhe beim Struktur-Ratcheting konstante Kraft, M pos., M neg., M pos., M neg., M pos.
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
227
8.10.4 Material-Ratcheting Beim Material-Ratcheting tritt der zuvor gezeigte Effekt, die stetige Zunahme der plastischen Dehnungen, allein aufgrund der Materialeigenschaften ein. Es kann also auch bei einachsiger Belastung gezeigt werden und wird vor allem bei höheren Temperaturen beobachtet. Das Auftreten ist abhängig von der Mittelspannung der wechselnden Beanspruchung. Nur wenn diese ungleich null ist, stellt sich der Effekt ein. Der Betrag beeinflusst die Größe des jeweiligen Zuwachses, das Vorzeichen die Richtung. Material-Ratcheting lässt sich mit der linearen kinematischen Verfestigung und dem Besseling-Modell nicht beschreiben, wohl aber mit dem Chaboche-Modell, jedenfalls prinzipiell. Grund dafür ist, dass das Chaboche-Modell nicht exakt das Masing-Verhalten abbildet. Bei der plastischen Erstbelastung ist die Anfangssteigung der - pl-Kurve C, bei der gegenläufigen Belastung C+. Da die Verfestigung maximal C/ betragen kann, ist die maximale Anfangssteigung 2C. Das hat zur Folge, dass auch bei Mittelspannung null das Ende des ersten Halbzyklus’ nicht wieder getroffen wird. Bei dem Beispiel der dehnungsgesteuerten Berechnung aus Abb. 8-39 wirkt sich das kaum aus; die Maximalspannung beträgt nach dem ersten Halbzyklus 398, nach dem dritten 399 MPa. Bei der spannungsgesteuerten Berechnung (Abb. 8-40) differieren zwar die Maximaldehnungen zwischen dem ersten und dritten Halbzyklus so gut wie nicht, dafür aber erheblich zwischen Zug und Druck, nämlich 0,50% und –0,26%, sodass sich zwar eine geschlossene Hysterese ergibt, deren Zentrum aber trotz gegengleicher Spannungen nicht der Koordinatenursprung ist.
Abb. 8-39 Chaboche-Modell, Dehnungsvorgabe
228
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Abb. 8-40 Chaboche-Modell, Spannungsvorgabe, Mittelspannung 0
Ist nun die Mittelspannung ungleich null, sind die Verfestigungen nach beiden Richtungen von unterschiedlichem Betrag, sodass sich generell keine geschlossenen Hysteresen ergeben. Vielmehr kommt es zu ausgeprägtem Ratcheting. Im Beispiel aus Abb. 8-41 beträgt die Zugspannung 398, die Druckspannung 350 MPa, die Mittelspannung mithin (nur) 24 MPa.
Abb. 8-41 Chaboche-Modell, Spannungsvorgabe, Mittelspannung 24 MPa
Das Chaboche-Modell kann Material-Ratcheting zwar darstellen, aber in einem viel höheren Maße, als es im Versuch beobachtet wird. Eine gewisse Abhilfe schafft es, zusätzlich lineare
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
229
Verfestigung zu definieren, was gleichbedeutend mit einem weiteren Chaboche-Anteil, aber mit =0 ist. Für Abb. 8-42 und Abb. 8-43 ist dies durchgeführt. Der erste, der eigentliche Chaboche-Anteil ist dabei so modifiziert, dass am Ende des ersten Halbzyklus’ der gleiche Dehnungswert erreicht wird. Die Kurve wird dadurch flacher.
Abb. 8-42 Chaboche-Modell plus lineare Verfestigung, C2=5000 MPa
Abb. 8-43 Chaboche-Modell plus lineare Verfestigung, C2=10000 MPa
Das Ergebnis der zyklischen Berechnung ist, dass die Zunahme der plastischen Dehnung zurück geht, und zwar sowohl, was die Differenz zwischen dem ersten und dritten Halbzyklus
230
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
angeht, als auch, was die Tendenz betrifft. Durch die Modifikation kommt es zum plastischen Einspielen. Je größer der Anteil der linearen Verfestigung an der Erhöhung der Fließspannung ist, desto schneller ist der Einspielvorgang abgeschlossen. Eine weitere Verbesserung stellt das Ohno-Wang-Modell dar. In der einfachsten Form und im Eindimensionalen lautet die bestimmende Gleichung:
(
(8.125) α i = sgn(σ − α ) Ci − γ i sgn(α i ) α i − α start ,i
) ε pl
oder (8.126) α i = Ci ε pl − γ iα i 1 −
α start ,i ε pl αi
'x wobei x MacCauley-Klammern mit x = & %0
für
x>0 sonst
sind.
Das bedeutet, dass so ein Anteil i lineare Verfestigung bewirkt, bis die Backstresses i dem Betrag nach einen Schwellenwert Start,i überschreiten, und klingt dann ab. (8.126) kann daher auch als ' C i ε pl 55 (8.127) α i = &
α start ,i pl 5Ci ε − γ i α i 1 − αi 5%
für α i ≤ α start ,i
pl ε
für α i > α start ,i
geschrieben werden. Addiert man mehrere solche Anteile i mit unterschiedlichen Start,i (und deutlich größeren i als beim Chaboche-Modell) erhält man eine stückweise lineare Verfestigungskurve, die jeweils zwischen Start,i und Start,i + Ci/i ausgerundet abknickt. In dem oberhalb von Start,i aktiven Term steckt die Fähigkeit zum Ratcheting. C3+C4
C1/1 Start,1
C4
C2+ C3+C4 C1+ C2+ C3+C4
F0
pl Abb. 8-44 Ohno-Wang-Modell
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
231
8.10.5 Thermisches Ratcheting Thermisches Ratcheting kann entstehen, wenn sich die Temperatur und die Belastung synchron ändern. Dies wird typischerweise dadurch hervorgerufen, dass eine Wärmeausdehnung behindert wird. Dann müssen thermische Dehnungen durch mechanische kompensiert werden, wobei letztere Spannungen hervorrufen.
Abb. 8-45 Thermisch-mechanische Belastungszyklen, Mittelspannung 0
Abb. 8-46 Thermisch-mechanische Belastungszyklen, Mittelspannung 22 MPa
232
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
Da Zug- und Druckbelastung bei verschiedenen Temperaturen und damit unterschiedlichen Materialeigenschaften stattfinden, ergibt der gleiche Betrag der Spannung einen unterschiedlichen Betrag der Dehnungen, wie es auch bei isothermer Belastung mit unterschiedlichen Spannungen der Fall ist. Deshalb führt bei den Zyklen mit veränderlicher Temperatur und Spannung die Mittelspannung 0 zum Ratcheting (Abb. 8-45), während es eine Mittelspannung ungleich 0 gibt, bei der stabile Zyklen auftreten (Abb. 8-46).
8.10.6 Numerisches Ratcheting bei Temperaturzyklen Lineare kinematische Verfestigung kann entweder durch (8.128) = C pl oder durch (8.129) = C pl
Spannung
also in der Ratenformulierung, beschrieben werden. Ändert sich jedoch die Temperatur, bleibt die Verfestigung bei Formulierung (8.129) konstant, was nicht wahrscheinlich ist, da es sich dabei um eine Spannungsgröße handelt. Die Folge ist Ratcheting, hier die Veränderung der Dehnung nach jedem Zyklus. Bei Formulierung (8.128) stellen sich stabile Zyklen ein (Abb. 8-47), sodass die Spannungs-Dehnungs-Linien vom zweiten Halbzyklus an deckungsgleich bleiben. Hier ist die Verfestigung unabhängig von der Temperaturgeschichte.
Dehnungsänderung je Zyklus
Dehnung *10-2
Abb. 8-47 Thermische Zyklen bei linearer kinematischer Verfestigung, Ratenformulierung (8.129)
233
Spannung
8.10 Einspielen (Shakedown) und Ratcheting
Dehnung *10-2
Abb. 8-48 Thermische Zyklen bei linearer kinematischer Verfestigung, Formulierung (8.128)
Will man von diesem Prinzip abweichen, kann man der Ratenformulierung einen Temperaturterm addieren: (8.130) = C pl +
∂ T ∂T
Für die Abhängigkeit der Backstresses von der Temperatur müsste man eine Gesetzmäßigkeit formulieren können. Setzt man (8.131)
∂ ∂C pl = ∂T ∂T
erhält man den gleichen Effekt wie mit (8.128). Beim Chaboche-Modell erzielt man die wesentliche Wirkung durch Definition von (8.132) *i :=
i Ci
Dann wird aus der Rate (8.133) *i =
i Ci
=
2 pl 2 pl pl − γ i i ε eq = pl − γ i *i ε eq 3 Ci 3
234
8 Theorie und Numerik der Elasto-Plastizität
d.h. man kann * als Geschichtsvariable mitführen und vor der Benutzung mit dem aktuellen C (zur aktuellen Temperatur) multiplizieren. Echte Unabhängigkeit von der Temperaturgeschichte bewirkt das aber nur, wenn unabhängig von T ist. Beim Besseling-Modell werden die plastischen Dehnungen der Subvolumina gespeichert. Da sich im Allgemeinen bei einer Temperaturänderung die Wichtungsfaktoren ändern, stimmt danach die gespeicherte gesamte plastische Dehnung nicht mehr mit der gewichteten Summe überein. Dies führt auch zu Ratcheting und kann nach einigen Zyklen Nichtkonvergenz und damit Abbruch der Berechnung bewirken. Es gibt zwei Methoden, die Übereinstimmung zu Beginn eines neuen Inkrementes wieder herzustellen [17]. Beide führen zu stabilen Zyklen (Abb. 8-49). Bei der ersten Möglichkeit wird zu Beginn eines Lastinkrementes die Gesamtdehnung modifiziert. Dabei können Temperaturänderungen aber zu Dehnungsänderungen führen, auch wenn keine Laständerung vorliegt. (8.134) *tot = tot − pl +
n Sub
i =1
t i ipl
Bei der zweiten Möglichkeit werden die gespeicherten plastischen Dehnungen der Subvolumina i skaliert, sodass ihre gewichtete Summe danach wieder die gesamte plastische Dehnung ergibt, und zwar entweder für jede Komponente jk (8.135a), was die Gefahr birgt, dass zufällig ein Nenner nahe bei 0 auftritt, oder für die plastische Vergleichsdehnung (b): pl
(8.135a)
pl * jk ,i
=
pl jk ,i
jk n Sub
i =1
(b) pl
pl * jk ,i
=
pl jk ,i
( )
pl pl jk ε eqv
n Sub
pl t i jk ,i i =1
pl ε eqv
t i jk ,i
Spannung
Ratcheting
Abbruch
Dehnung * 10-2
Dehnung * 10-2
Abb. 8-49 Temperaturzyklen beim Besseling-Modell, Grundform und modifizierte Form
9 Kontaktberechungen: Einführung, Kinematik 9.1 Was bedeutet Kontakt? Wir unterscheiden die folgenden Fälle: 1.
Ein Körper nähert sich einer starren Fläche und wird von dieser aufgehalten. Wird mehr Kraft aufgebracht, wird der Körper von (oder an) dem Hindernis deformiert.
2.
Zwei Körper nähern sich einander und deformieren sich gegenseitig nach der Berührung.
3.
Verschiedene Regionen desselben Körpers berühren sich (Selbstkontakt).
4.
Zwei Starrkörper berühren sich. Das ist eigentlich ein Widerspruch, denn ein Körper wird normalerweise als starr bezeichnet, wenn er deutlich steifer ist als ein anderer oder aus anderen Gründen die Deformation keine Rolle spielt. Dennoch gibt es Programme, bei denen man für die Durchdringung zweier Starrkörper KraftEindringungs-Charakteristiken vorgeben kann.
Diese Situationen haben gemeinsam, dass die Berührzone nicht im Vorhinein bekannt ist. Anderenfalls sollte kein Kontakt modelliert werden. Situation 1 könnte durch Randbedingungen modelliert werden, 2 und 3 durch gemeinsame Knoten oder Koppelgleichungen. Klebekontakt (bonded contact), bei dem sich die Kontaktelemente nicht öffnen können, wird gern allerdings auch eingesetzt, um verschieden vernetzte Bauteile ohne gemeinsame Knoten aneinander zu binden und stellt insofern eine Ausnahme zu obiger Regel dar. Dies geschieht häufig bei der Übernahme der Geometrie aus einem CAD-System und ist solange zulässig, wie dieser Übergang nicht im Mittelpunkt des Berechnungsinteresses steht.
Abb. 9-1 zeigt die Situationen 1 bis 3 in einem System.
Abb. 9-1 Kontaktsituationen
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_9, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
236
9 Kontaktberechungen: Einführung, Kinematik
Die obige Definition des Standardkontaktes betrifft die Bewegung und Kräfte senkrecht zu den Kontaktflächen. Eine Bewegung in tangentialer Richtung ist weiterhin möglich, wobei Reibung auftreten kann, oder kann getrennt unterdrückt werden.
9.2 Modellierung von Kontakt Für die nachfolgenden Betrachtungen ist es nicht notwendig zwischen den drei Situationen zu unterscheiden. Kontakt wird durch Elemente modelliert, die die Kontaktgeometrie beschreiben und die Kontaktkräfte auf die zugehörigen Knoten aufbringen. Das heißt nicht immer, dass der Nutzer selbst solche Elemente definieren muss. Einige Programme bestimmen die Kontaktflächen automatisch oder nach allgemeineren Nutzer-Eingaben.
9.2.1
Punkt-zu-Punkt- bzw. Knoten-zu-Knoten-Kontakt
Knoten i
Knoten j Kontaktfläche
Abb. 9-2 Knoten-zu-Knoten-Kontakt
Knoten-zu-Knoten-Kontakt ist veraltet und wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Zwei Knoten werden durch ein Element getrennt, wobei die unterdrückte gegenseitige Bewegungskomponente durch eine Kontaktebene beschrieben wird. Deren Normale wird entweder durch den Abstandsvektor der Knoten oder durch Benutzereingaben bestimmt. Das sind Nachteile:
•
Es ist kaum möglich, die Normalenrichtung aus der Oberfläche zu bestimmen.
•
Exzentrizitäten der Knoten, die zu Momenten führen, werden nicht berücksichtigt.
•
Das bedeutet, die Knoten müssen nahezu aufeinander liegen und die tangentiale Bewegung muss klein bleiben.
Der einzige Vorteil ist die leichte Implementierbarkeit.
9.2.2
Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt
Beim Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt wird ein Knoten von Oberfläche 2 auf Kontakt mit einem Segment von Oberfläche 1 abgeprüft. Je nach Implementierung können die Knoten i, j und k in Abb. 9-3 ein oder zwei Elemente formen. Das ist eine Frage der Definition und programmabhängig, hat aber keinen Einfluss auf die Berechnungen, die erfolgen, nachdem Kontakt festgestellt wurde. Oberfläche 1, die die Flächeninformation liefert, heißt Master- oder Target-Seite, Oberfläche 2, von der der Knoten stammt, heißt Slave- oder Contact-Seite, je nach Programm.
9.2 Modellierung von Kontakt
237
i
Knoten k
k
Oberfläche 2 (Slave)
Knoten i
Oberflächensegment
j
Knoten j
Oberfläche 1 (Master) Abb. 9-3 Knoten-zu-Oberfläche-Element
Der jeweils betrachtete Ausschnitt der Master-Fläche ist definiert und begrenzt durch ein Segment, das sich im Falle deformierbarer Körper auf gewöhnlichen Finiten Elementen befindet, im Falle von starren Oberflächen gesondert definiert wird. Knoten k kann an einen beliebigen Punkt des Segmentes berühren und auf der Oberfläche gleiten. Die Verteilung der Kontaktkraft auf die Elementknoten wird aus der Berührposition errechnet und folgt der Bewegung des Slave-Knotens. Prinzipiell müssen alle Knoten von Oberfläche 2 auf Kontakt mit bzw. Eindringung in alle Segmente von Oberfläche 1 geprüft werden. Damit die Zahl der Operationen nicht ausufert, sind spezielle Suchstrategien erforderlich (s.u.).
9.2.3
Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt Kontaktpunkt i
Knoten Oberfläche 2 (Slave)
Knoten i Oberflächensegment
Knoten j
Kontaktpunkt
Knoten
j
Oberfläche 1 (Master) Abb. 9-4 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
Es können nicht nur Knoten, sondern auch andere Punkte der Slave-Oberfläche (besonders Integrationspunkte) benutzt werden, um Eindringungen zu kontrollieren und Kontaktkräfte
238
9 Kontaktberechungen: Einführung, Kinematik
bzw. –spannungen aufzubringen. Der größte Vorteil ist, dass dieses Konzept auch für Elemente mit Mittenknoten (quadratischer Ansatz) geeignet ist (s.u.).
9.2.4
Oberfläche-zu-Oberfläche-Kontakt
Abb. 9-5 Oberfläche-zu Oberfläche-Kontakt
Es ist möglich, den kürzesten Abstand zweier Oberflächen, die durch Funktionen, FEFormfunktionen oder andere, beschrieben sind, zu bestimmen und daraus eine Kontaktbedingung zu formulieren und Kontaktkräfte zu berechnen. Für deformierbare Körper ist das in allgemeiner Form zu kompliziert, weil eine variable Kontaktzone auftritt. Deshalb findet man diese Methode vor allem für den Kontakt zweier Starrkörper. Dann muss eine spezielle KraftEindringungs-Charakteristik vorgegeben werden, die zuvor experimentell oder durch feine Berechnungsmodelle ermittelt wurde. Die Starrkörper sind dann vereinfachte Repräsentanten zweier an sich deformierbarer Teile. In der Dokumentation kommerzieller FE-Programme können Kontaktarten danach bezeichnet sein, was der Benutzer zur Definition beschreiben muss. So sind „surface-to-surface contact elements“ in ANSYS vom Typ Punkt-zu-Oberfläche, während „*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE“ in LS-DYNA vom Type Knoten-zu-Oberfläche ist. Andere Programme geben an, keine Kontaktelemente zu benötigen, aber auch diese verwenden intern Segmente und Knoten zur Kontaktbehandlung.
9.3 Kontakt-Kinematik Bei Kontakt muss spielt stets die Normale zur Oberfläche eine Rolle. Deren mathematische Beschreibung und ihr Einfluss sind im ebenen und räumlichen Falle nicht trivial. Nachdem ein Kontaktfeststellungspunkt eine Oberfläche berührt hat, sind folgende Effekte möglich:
•
Die Bewegung dieses Punktes senkrecht zur Oberfläche (n-Richtung in Abb. 9-6) wird aufgehalten und eine entsprechende Kraft, die Kontaktkraft, wird bestimmt.
•
Der Punkt kann auf der Oberfläche gleiten. Dies führt zu Reibkräften, solange Reibung definiert ist. Um Reibung auf einer Oberfläche im dreidimensionalen Raum zu
9.3 Kontakt-Kinematik
239
beschreiben, sind zwei unabhängige, rechtwinklig zu einander stehende Richtungen nötig. Der aktuelle Gleitweg und die aktuelle Reibkraft werden in die beiden Richtungen zerlegt.
n t2
t1
Abb. 9-6 Koordinaten auf einer Kontaktoberfläche (Target oder Master)
Da die Normalenrichtung von besonderer Bedeutung ist, wird sie im Detail betrachtet. Im 2d-Falle oder bei einen 3-Knoten-Element im Raum gibt es nur eine Normalenrichtung je Segment, die im Falle des Dreiecks durch das Vektorprodukt zweier Kantenvektoren berechnet werden kann. Im Falle von gekrümmten, 4-knotigen oder Elementen höherer Ansatzordnung, ergibt die isoparametrische Beschreibung der Oberfläche
(9.1)
x(ξ ,η ) y (ξ ,η ) z (ξ ,η )
act
x(ξ ,η ) u (ξ ,η ) N (ξ ,η ) = y (ξ ,η ) + v(ξ ,η ) = 0 z (ξ ,η ) w(ξ ,η ) 0
xˆ + uˆ N (ξ ,η ) 0 yˆ + vˆ ˆ N (ξ ,η ) zˆ + w 0
0
0
durch Ableiten nach den Einheitskoordinaten die zwei unabhängigen Tangentenvektoren
(9.2)
∂x act ∂ξ ∂y act t1 = ∂ξ ∂z act ∂ξ
∂x act ∂η ∂y act und t *2 = ∂η ∂z act ∂η
Die Normale ist dann n = t 1 × t *2 und der zweite Tangentenvektor wird t 2 = n × t1 , sodass alle drei Vektoren eine cartesische Basis bilden.
240
9 Kontaktberechungen: Einführung, Kinematik
Wenn gekrümmte Oberflächen mit Elementen mit geraden Kanten diskretisiert werden, ändert sich die Normalenrichtung an den Rändern plötzlich (Abb. 9-7), was zu Störungen des Gleichgewichts führt, wenn ein Kontaktpunkt von einem Segment zum nächsten gleitet. Dies gilt auch, wenn Elemente höherer Ordnung verwandt werden, jedoch in geringerem Maße. Diese Problem kann vollständig vermieden werden, wenn eine C1-stetige Beschreibung (Stetigkeit in der ersten Ableitung) verwandt wird. Dazu kann ein kubischer Spline durch die aktuellen Knotenkoordinaten gelegt werden. C1-stetige Ansatzfunktionen sind von Schalenelementen bekannt und weisen Abhängigkeiten von Drehfreiheitsgraden auf. Diese können durch die Rotation der anfänglichen Segmentnormale zur aktuellen, am gemeinsamen Knoten gemittelten, Normale nˆ av ersetzt werden, sodass die Methode auch anwendbar ist, wenn im Modell nur Verschiebungsfreiheitsgrade vorkommen.
n1
n2
1
2
Abb. 9-7 Normalen in angrenzenden Segmenten
nav n1
1
n2
2
Abb. 9-8 C1- stetige Oberfläche durch gemittelte Normalen
Eine andere Methode, kontinuierliche Normalenrichtungen oder genauer kontinuierliche Kontaktkraftrichtungen zu erzeugen, ist, an den Knoten jeweils gemittelte Normalenrichtungen (Abb. 9-8) zu bestimmen und dann für einen beliebigen Punkt im Segment durch Interpolation gemäß den Ansatzfunktionen zu berechnen (Abb. 9-9). (9.3)
n(ξ ,η ) = N(ξ ,η )nˆ av
9.3 Kontakt-Kinematik
241
nˆ av n(ξ ,η )
1
2
t1 (ξ ,η )
nˆ
Abb. 9-9 Geglättete Normalen
Eine weitere Unzulänglichkeit, die durch eine C1-stetige Beschreibung der Kontaktgeometrie gelöst werden kann, ergibt sich bei der Verwendung geradliniger Viereckelemente mit bilinearem Ansatz. Diese weisen stets, wenn sie nicht zufällig eben sind, eine negative Gauß’sche Krümmung auf, d.h. die Mittelpunkte der beiden Hauptkrümmungen liegen in entgegengesetzten Richtungen (Beispiel Hypar-Schale). Das gilt auch, wenn ein System mit positiver Krümmung, z.B. eine Kugel, oder etwa ein Zylinder mit solchen Elementen vernetzt wird, insbesondere bei ungleichmäßiger Vernetzung. Die eigentlichen Kontaktkräfte sind in Richtung der Normalen orientiert, typischerweise in Richtung der Target- oder Master-Normalen. Es ist jedoch möglich, besonders in Zusammenhang mit Kontaktpunkten innerhalb der Segmente, eine Orientierung an der Slave-Fläche vorzunehmen, was vorteilhaft sein kann (s.u). Wenn das Netz fein genug ist und die Kontaktfläche sich über genügend Elemente ausbreiten konnte, berühren nicht nur Punkte die Oberflächen, sondern die Slave-Oberflächen als Ganzes, sodass der Unterschied zwischen Master- und Slave-Normale verschwindet.
10 Erfüllung der Kontaktbedingung In diesem Kapitel betrachten wir zuerst folgendes ganz einfaches Modellproblem: F k x u
g
Abb. 10-1 Kontakt-Modellproblem
Eine Feder mit der Steifigkeit k wird durch eine Kraft F belastet. In einer Entfernung x befindet sich ein starres Hindernis. Ohne dieses lautet die Beziehung zwischen der Kraft und der Verschiebung u des freien Knotens: (10.1)
ku = F
Dies gilt, solange der Abstand (gap) (10.2)
g = Δx − u
größer als null ist: (10.3)
g >0
Das ist eine Ungleichung. Solange sie erfüllt ist, ist nichts weiter zu unternehmen. Wenn aber das nicht weiter beschränkte System zu (10.4)
g<0
führt, muss die Gültigkeit der Gleichung (10.5)
g =0
erzwungen werden. Für mehrere mögliche Kontaktpunkte führt das zu einem aktiven Satz solcher Nebenbedingungen („active set“-Strategie). Diese können auf verschiedene Weise erfüllt werden. W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_10, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10.1 Direkte Einführung der Nebenbedingung
243
Die erwartete Kontaktkraft ist (10.6)
Fc = kΔx − F
und ist als Druckkraft negativ.
10.1 Direkte Einführung der Nebenbedingung Die Bedingung g = 0 bedeutet (10.7)
u = Δx
Ein Zwang ruft eine Reaktionskraft, hier die Kontaktkraft, hervor, die auf der rechten Seite zusammen mit der äußeren Last bilanziert werden muss: (10.8)
ku = Fc + F
mit (10.7): (10.9)
kΔx = Fc + F
(10.10) ⇔ kΔx − F = Fc wie gewünscht. vi ui
vk
i
uk
vj
k j
uj
Abb. 10-2 Knoten-zu-Oberfläche-Element
Im Falle eines Knoten- oder Punkt-zu-Oberfläche-Kontaktes nimmt die Nebenbedingung die Form einer Koppelgleichung an: (10.11) x 0 k + u k = N i (ξ c )( x 0i + u i ) + N j (ξ c )( x 0 j + u j ) umgeordnet, sodass die rechte Seite nur konstante Terme enthält: (10.12) u k − N i (ξ c )u i − N j (ξ c )u j = N i (ξ c ) x 0i + N j (ξ c ) x 0 j − x 0k wobei c die Einheitskoordinate des Berührpunktes ist. Das heißt, die sich aus der Anfangskoordinate x0 und Verschiebung u zusammensetzende aktuelle Koordinate des Slave-Knotens wird aus den Masterknoten über den FE-Ansatz interpoliert.
244
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Für die anderen Verschiebungskomponenten gilt Entsprechendes; im Dreidimensionalen gibt es zwei Einheitskoordinaten. Diese Methode ist auch als Multi-Point Constraint (MPC) bekannt.
10.2 Penalty-Methode Die Penalty- hat wie die nachfolgende Lagrange-Multiplikator-Methode ihren Namen aus dem Kontext der mathematischen Optimierung. Bekanntermaßen herrscht statisches Gleichgewicht, wenn das Minimum der potenziellen Energie erreicht ist. Solange der Kontakt offen ist, ist die potenzielle Energie des Testsystems (10.13) W =
1 2
ku 2 − uF → Min.
Wenn die Kontaktbedingung verletzt ist, wird ein Term addiert, der die Energie erhöht. Weil sie sich damit vom Minimum weg bewegt, wird dieser Term als Strafe (Penalty) für die Verletzung betrachtet. Das Optimierungsproblem lautet nun: − uF + 12 εg 2 (u ) → Min.
1 ku 2 2
(10.14) W =
worin der Penalty-Parameter ist, dessen Bedeutung unten erläutert wird. Im Moment ist es einfach eine positive Zahl. Das Minimum wird erreicht, wenn (10.15)
∂W ∂ = ∂u ∂u
[ ku 1 2
2
]
− uF + 12 ε (Δx − u ) 2 = 0
ku − F − ε ( Δx − u ) = 0 ku − F − εΔx + εu = 0 ( k + ε )u = F + εΔx
(10.16) u =
F + εΔx k +ε
Wenn g<0 ist, also Eindringung vorliegt, dann ist (10.17) F > kΔx Im Folgenden wird der Einfluss von für den Fall (10.18) F = 1.5kΔx Dann ist (10.19) u =
1.5kΔx + εΔx 1.5k + ε = Δx k +ε k +ε
Für <
10.2 Penalty-Methode
245
d.h. das Hindernis hat keinen Einfluss. Für >>k gilt: (10.21) u → Δx Die Kontaktbedingung wird nur vollständig erfüllt, wenn der Penalty-Parameter gegen Unendlich strebt, was aus numerischen Gründen aber seine Grenzen findet.
Das bedeutet, dass es eine verbleibende Eindringung von
1.5k + ε
(10.22) g = 1 − Δx k +ε
gibt. Die Beziehung zwischen und u ist in Abb. 10-3 aufgetragen. Man sieht, dass von ungefähr gleich 100 an die Kontaktbedingung nahezu erfüllt ist, d.h. ein technisch hinreichender Wert für den Penalty-Parameter kann endlich gewählt werden. 1,6 1,5 1,4 1,3
u/Delta_x
1,2
Soll
1,1 1 0,9 0
100
200
300
400
500
/k Abb. 10-3 relative Verschiebung über Penalty-Parameter
x u =kn k g Abb. 10-4 Penalty-Steifigkeit
246
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Wenn man bedenkt, dass g eine Länge ist und den Term (10.23)
1 εg 2 2
mit einer Federenergie vergleicht, sieht man, dass er formal gleich ist. Das heißt, der PenaltyParameter kann als eine Federsteifigkeit (s. Abb. 10-4) interpretiert werden und wird daher fortan mit kn bezeichnet, wobei n für die Normalenrichtung steht. Die Kontaktkraft ist dann (10.24) Fc = k n g (u ) Mit (10.2) und (10.16) wird daraus
F + k n Δx
Fc = k n (Δx − u ) = k n Δx − k + k n
= k n Δx −
(10.25)
kn k2 F − n Δx k + kn k + kn
k2 = kn − n k + kn
Δx − k n F k + kn
k (k + k n ) − k n2 = n k + kn
k k (10.26) Fc = n k + kn
Δx − k n F k + kn
kn Δx − F k + kn
Für kn>>k geht die Kontaktkraft gegen den gewünschten Wert aus (10.6).
10.3 Lagrange-Multiplikator-Methode In der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren wird der Term (10.27) λg (u ) statt des Penalty-Terms zu der potenziellen Energie addiert. Die modifizierte Energie ist dann (10.28) W =
1 2
ku 2 − uF + λg (u ) → Min.
wobei der Lagrange-Multiplikator eine weitere Unbekannte darstellt.
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
247
Das Minimum wird erreicht, wenn ∂W ∂g = ku − F + λ =0 ∂u ∂u (10.29) ∂W ∧ = g (u ) = 0 ∂λ
(10.30)
ku − F − λ = 0 ∧ Δx − u = 0
Die zweite Gleichung ergibt (10.31) u = Δx d.h. bedeutet die Erfüllung der Kontaktbedingung. Eingesetzt in die erste: (10.32) λ = kΔx − F d.h. der Lagrange-Multiplikator ist die Kontaktkraft.
10.4 Finite-Elemente-Testproblem Für die nachfolgenden Betrachtungen benutzen wir das 1d-(Fachwerk-)Stabelement aus Abb. 10-5. Es hat den Elastizitätsmodul E, die Querschnittsfläche A und die Länge l. j
k
E, A, l uj
i
uk
Abb. 10-5 1d-Stabelement
Die Elementsteifigkeitsmatrix lautet: Ki =
EA 1 − 1 l − 1 1
und damit die inneren Kräfte u EA u j − u k f int = K j = l u k − u j u k
Nun betrachten wir das System aus Abb. 10-6. Es zeigt eine anfängliche Überlappung der Größe .
248
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
EA l2
2
1 EA l1
3
Kontakt definiert
4
Abb. 10-6 Testproblem überlappender Stabelemente
Die Kontaktbedingung lautet: (10.33) g = ( x3 + u3 ) − ( x2 + u2 ) ≥ 0 Mit x 2 − x 3 = Δ also (10.34) g = −u 2 + u 3 − Δ ≥ 0 Ohne Kontakt lautet die Gesamtsteifigkeitsmatrix: EA l 1 − EA l (10.35) K = 1 0 0
EA l1 EA l1
−
0 0
0 0 EA l2 EA − l2
0 0 EA − l2 EA l2
Unter Berücksichtigung der Randbedingungen reduziert sich das Gleichungssystem auf EA l (10.36) Ku = 1 0
0 u 0 2 = EA u 3 0 l 2
Die Startwerte für die Verschiebungen sind null. Deshalb wird Kontakt festgestellt mit (10.37) g (u) = −Δ < 0 Im Folgenden werden die verschiedenen Methoden angewandt.
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
249
10.4.1 Direkte Einführung der Nebenbedingung in das Gleichungssystem Wenn Kontakt festgestellt wird, sind die Kräfte an den Kontaktknoten nicht mehr null wie in (10.36), sondern die Kontaktkräfte Fc, wobei deren Richtung so gewählt ist, dass Fc negativ ist, wenn der Kontakt geschlossen ist (Abb. 10-7).
1
Fc neg. im Kontakt pos. Fc
2 pos. F c 3
4
Abb. 10-7 Definition der Kontaktkräfte
EA l (10.38) 1 0
0 u Fc 2 = EA u 3 − Fc l 2
Der Gleichungsteil von (10.34) wird aktiv gesetzt und ergibt eine weitere Beziehung zwischen u2 und u3: (10.39) u 2 = u 3 − Δ Die u2-Spalte der Matrix wird nun mit diesem Term multipliziert, was bedeutet, die u2-Spalte multipliziert mit 1 wird zur u3-Spalte addiert, während die u2-Spalte multipliziert mit – auf die rechte Seite gebracht und damit zum Vektor der äußeren Kräfte hinzugefügt wird. EA l (10.40) 1 0
0 u − Δ Fc 3 = EA u 3 − Fc l 2
EA EA l F +Δ (10.41) 1 [u 3 ] = c l1 EA − Fc l 2
Die zweite Gleichung ergibt die Kontaktkraft (10.42) Fc = −
EA u3 l2
Nach Einsetzen in die erste Gleichung von (10.41) erhält man
250
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
EA EA EA (10.43) [u 3 ] = − u3 + Δ l1 l l 1 2 EA EA EA + (10.44) [u 3 ] = Δ l2 l1 l1
(10.45)
EA(l 2 + l1 ) EA u3 = Δ l1 l1l 2
(10.46) u 3 = Δ
EAl1l 2 l2 =Δ l1 EA(l 2 + l1 ) (l 2 + l1 )
Setzt man das wiederum in (10.42) ein, lautet die Kontaktkraft (10.47) Fc = −
EAl 2 EA Δ=− Δ l 2 (l1 + l 2 ) l1 + l 2
(10.46) eingesetzt in (10.39) ergibt die zweite Verschiebung (10.48) u 2 = Δ
l
l −l −l − Δ = 2 − 1Δ = 2 1 2 l1 + l 2 l1 + l 2 l1 + l 2
(10.49) u 2 = −Δ
l2
Δ
l1 l1 + l 2
Für einen allgemeineren Algorithmus, der die symmetrische Struktur der Systemmatrix erhält, starten wir wieder bei der potenziellen Energie (10.50) W =
1 T u Ku − u T f 2
Für die Allgemeinheit wird der Verschiebungsvektor u aufgespalten in
•
die Freiheitsgrade (a) die von der Kontaktbedingung nicht betroffen sind,
•
diejenigen (c), die betroffen sind, aber im Gleichungssystem verbleiben, und
•
diejenigen (b), die eliminiert werden.
Der Vektor c bedeutet den konstanten Anteil, also – in dem Beispiel. Die potenzielle Energie lautet dann:
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
[
1 (10.51) W = u Ta 2
u Tb
u Tc
]
251
K aa K ab K ac
K ac u a K bc u b − u Ta K cc u c
K ab
[
K bb K bc
u Tb
u Tc
]
f a f b f c
Mit der Kontaktbedingung (10.52) u b = u c + c erhält man dann die Energie zu (10.53)
[ (
1 W = u Ta 2
u Tc
W =
(10.54)
[
+c
T
)
u Tc
]
K aa K ab K ac
K ac u a K bc u c + c − u Ta K cc u c
K ab
) [
(
K bb K bc
(
)
(u
1 T u a K aa u a + u Ta K ab u c + c + u Ta K ac u c + 2
(
)
(
) (
) (
T c
)
+ cT
)
f a u Tc f b f c
]
+ u Tc + c T K ab u a + u Tc + cT K bb u c + c + u Tc + c T K bc u c +
(
)
]
(
)
+ u Tc K ac u a + u Tc K bc u c + c + u Tc K cc u c − u Ta f a − u Tc + cT f b − u Tc f c
∂ ∂u W ∂ W = a = ∂u ∂ W ∂u c
(10.55)
(
)
(
)
2K aa u a + K ab u c + c + K ac u c + K ab u c + c + K ac u c fa 1 =0 − K u K u K u K u c K u c + + + + + + + 2 2 2 ab a ac a ab a bb c bc c f b + f c + K u + K 2u + c + 2K u ac a bc c cc c
(
(
)
(
)
(
)
)
fa 2K aa u a + 2K ab u c + c + 2K ac u c 1 (10.56) − =0 2 f + f 2 + 2 + 2 + + 2 2 + + 2 K u K u K u c K u c K u ac a bb c bc c cc c b c ab a
(
)
(
)
K ab c fa K aa u a + K ab u c + K ac u c (10.57) + − =0 K ab u a + K ac u a + K bb u c + 2K bc u c + K cc u c K bb c + K bc c f b + f c
252
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
fa K ab c K aa u a + K ab u c + K ac u c (10.58) − = K ab u a + K ac u a + K bb u c + 2K bc u c + K cc u c f b + f c K bb c + K bc c K aa (10.59) K ab + K ac
K ab c u a f a = − + K cc u c f b + f c K bb c + K bc c
K ab + K ac K bb + 2K bc
Nach dieser Herleitung erkennt man, dass die folgenden Schritte zu diesem Ergebnis führen: 1)
addiere die b-Spalten zu den c-Spalten
2)
subtrahiere die b-Spalten mal den Konstanten von der rechten Seite
3)
addiere die b-Zeilen zu den c-Zeilen
Gleichung (10.52) gilt so nur für Knoten-zu-Knoten-Kontakt und wenn die Kontaktnormale parallel zu einer globalen Achse ist. Ansonsten gibt es auch noch Wichtungsfaktoren, z.B. für eine c-Komponente: (10.60) u b = a i u ci + c Dann sind folgende Schritte erforderlich: 1)
addiere die b-Spalte, multipliziert mit dem jeweiligen ai, zu der jeweiligen cSpalte
2)
subtrahiere die b-Spalte mal der Konstanten von der rechten Seite
3)
addiere die b-Zeile, multipliziert mit dem jeweiligen ai, zu der jeweiligen c-Zeile
Im Testproblem EA l (10.61) Ku = 1 0
0 u 0 2 = EA u 3 0 l 2
gibt es keine Freiheitsgrade, die mit dem Index a versehen werden müssten. Die Kontaktbedingung lautet: (10.62) u 2 = u 3 −Δ N NN ub u c c Schritt 1) addiere die b-Spalten zu den c-Spalten EA l (10.63) K ' = 1 EA l 2
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
253
Schritt 2) subtrahiere die b-Spalten mal den Konstanten von der rechten Seite EA 0 − (−Δ) (10.64) f = l1 0
Schritt 3) addiere die b-Zeilen zu den c-Zeilen EA EA EA + Δ (10.65) [u 3 ] = l l 2 1 l1
Das ist das Gleiche wie (10.44) und führt zu (10.46) u 3 = Δ
l2
(l 2 + l1 )
und über die Kontaktbedingung zu (10.49)
u 2 = −Δ
l1 l1 + l 2
Eingesetzt in (10.61) ergibt sich EA l (10.66) 1 0
l EA 0 − Δ 1 − Δ l1 + l 2 l1 + l 2 = EA l EA Δ 2 Δ l 2 l1 + l 2 l1 + l 2
d.h. die rechte Seite ändert sich um die Kontaktkraft. Die Methode der direkten Einführung der Nebenbedingungen hat wie alle Koppelgleichungen Einfluss auf den Gleichungslöser. Das Verfahren kann so gut sein, wie der Löser solche Kopplungen handhaben kann. Weitere Restriktionen werden unten angesprochen.
10.4.2 Penalty-Verfahren Ein Federelement mit der Beziehung − k g − ( −u 2 + u 3 − Δ) u − u3 − Δ = kn 2 (10.67) F int = n = k n − kn Δ kn g ( −u 2 + u 3 − Δ) − u 2 + u 3 − Δ 1 − 1 u 2 (10.68) F int = k n u − k n 1 3 Δ − 1
wird dem FE-Modell hinzugefügt.
254
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Das gesamte Gleichungssystem lautet dann: − kn u − k Δ 2 = n EA + k n u 3 k n Δ l2
EA l + kn (10.69) 1 −k n
Wird im Gauß-Algorithmus die erste Gleichung mit kn, die zweite mit
EA + k n multipliziert, l1
führt das auf EA
EA
EA
(10.70) + k n + k n − k n2 u 3 = − k n2 Δ + k n + k n Δ l l l 1 1 2 EA EA EA EA
EA k n + k n2 − k n2 u 3 = −k n2 Δ + k n (10.71) + + Δ + k n2 Δ l l l l l 1 1 2 1 2 l (10.72) 1 l2
2
EA
l
EA EA + 1 + 1 Δ k n u 3 = k n l1 l1 l2 l1
Vorausgesetzt, dass die Kontaktsteifigkeit zu (10.73) k n = α
EA l1
gesetzt wird, wobei >>1, lautet Gl. (10.72 ): l (10.74) 1 l2
2
EA
l
EA
+ 1 + 1α l1 l2 l1
2
2
u 3 = α EA Δ l1
2
2
l
l
EA
EA
u 3 = α Δ (10.75) 1 + 1 + 1α l 2 l 2 l1 l1
Aufgelöst nach u3: (10.76) u 3 =
α l1 l1 + α +α l2 l2
Δ=
α
l1 + l1α + l 2α l2
Δ
10.4 Finite-Elemente-Testproblem (10.77) u 3 =
255
αl 2 Δ l1 + l1α + l 2α
Für >>1 ergibt dies (10.78) u 3 =
l2 Δ l1 + l 2
wie in Gl. (10.46). Aus der zweiten Zeile von Gleichung (10.69) folgt
EA
+ k n u 3 = k n Δ (10.79) − k n u 2 + l2
EA
αl 2 + k n (10.80) − k n u 2 = k n − Δ l2 l1 + αl1 + αl 2
Wiederum mit (10.73) ergibt dies (10.81) − α
EA EA αl 2 EA
EA u 2 = α − +α Δ l1 l1 + αl1 + αl 2 l1 l1 l 2
l
⋅− 1 αEA
Die Verschiebung von Knoten 2 erhält man zu l
αl 2 u 2 = − 1 − 1 + 1 Δ αl 2 l1 + αl1 + αl 2 l1 + αl 2 (10.82) u 2 = − 1 − Δ l + 1 αl1 + αl 2 l + αl1 + αl 2 − l1 − αl 2 u 2 = − 1 Δ l1 + αl1 + αl 2 αl1 (10.83) u 2 = − Δ l1 + αl1 + αl 2
Für >>1 geht dies gegen (10.84) u 2 =
−l1 Δ l1 + l 2
Der verbleibende Spalt bzw. die negative Eindringung ist gemäß (10.34) (10.85) g =
αl1 αl 2 Δ+ Δ−Δ l1 + αl1 + αl 2 l1 + αl1 + αl 2
256
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
α (l1 + l 2 ) (10.86) g = − 1 Δ ( ) l α l l + + 1 2 1
und geht gegen 0 für >>1. Die Kontaktkraft ist α (l1 + l 2 ) Fc = k n g = k n − 1 Δ l1 + α (l1 + l 2 ) EA α (l1 + l 2 ) EA α (l1 + l 2 ) − l1 − α (l1 + l 2 ) Fc = α − 1 Δ = α Δ l1 l1 + α (l1 + l 2 ) l1 l1 + α (l1 + l 2 ) − l1 EA Fc = α Δ l1 l1 + α (l1 + l 2 ) Fc =
−αEA Δ l1 + α (l1 + l 2 )
was für >>1 den gewünschten Wert aus (10.47) annimmt. In der Penalty-Methode wird die Kontaktbedingung durch ein Federelement eingeführt. Der Gleichungslöser muss nicht modifiziert werden.
10.4.3 Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren Der Term (10.87) W L = λg (u ) = λ (−u 2 + u 3 − Δ) wird zu der potenziellen Energie addiert, d.h. die Ableitungen nach den Unbekannten, (10.88)
∂W L = −λ , ∂u 2
∂W L =λ, ∂u3
∂W L = −u 2 + u 3 − Δ ∂λ
müssen zum Gleichungssystemhinzugefügt werden. EA l 1 (10.89) 0 −1
0 EA l2 1
− 1 u 2 0 1 u 3 = 0 0 λ Δ
Die Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren vergrößert das Gesamtgleichungssystem und erzeugt Nullen auf der Hauptdiagonalen, d.h. die Matrix ist nicht mehr positiv definit. Man benötigt dazu einen geeigneten Löser.
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
257
Addieren der ersten Zeile zur zweiten führt auf EA (10.90) l1 −1
EA u 2 0 0 u = l2 3 Δ 1 0 λ
Multiplizieren der zweiten Gleichung mit EA
(10.91) 0
EA EA + l2 l1
l1
und dann Addieren zu ersten führt auf
u 2 EA 0 u 3 = Δ λ l1
Dieser Term kann nach u3 aufgelöst werden: EA EA Δ l1 l1 EAl1l 2 (10.92) u 3 = = Δ= Δ EA EA EAl 2 + EAl1 l1 EA(l 2 + l1 ) + l2 l1 l1l 2
(10.93) u 3 =
l2 Δ l 2 + l1
Das Ergebnis entspricht dem erwarteten. Die zweite Zeile von (10.89) lautet:
(10.94)
EA u3 + λ = 0 l2
λ=−
EA EA l 2 EA u3 = − Δ=− Δ l2 l 2 l 2 + l1 l1 + l 2
sodass man daraus die Kontaktkraft wie in (10.47) erhält.
10.4.4 Perturbed-Lagrange-Methode Der Zweck der Perturbed-Lagrange-Methode ist, Null-Hauptdiagonalelemente zu vermeiden, die aus der reinen Lagrange-Methode resultieren. Ein weiterer Term wird zur potenziellen Energie addiert, zusammen also (10.95) W PL = W L + W P = λg (u) −
1 1 2 λ 2 kn
WP kann als Komplementärenergie der Kontaktkräfte in einem Penalty-Verfahren interpretiert werden.
258
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Die Ableitungen lauten: (10.96)
∂W P =0 ∂u
λ ∂W P , =− ∂λ kn
Für das Testproblem heißt das: (10.97)
∂W PL = −λ , ∂u 2
∂W PL =λ, ∂u 3
λ ∂W PL = −u 2 + u 3 − Δ − ∂λ kn
und führt auf das Gleichungssystem EA l1 (10.98) 0 −1
0 EA l2 1
−1 u 2 0 1 u 3 = 0 1 λ Δ − k n
Dieses unterscheidet sich von demjenigen im Lagrange-Verfahren dadurch, dass nun keine Null mehr auf der Hauptdiagonalen steht (deshalb hier fett hervorgehoben, keine Matrix). EA multiplizierten dritten führt auf Addieren der ersten Gleichung zu der mit l1 0 (10.99) 0
EA l2 EA l1
u 2 0 u 3 = EA Δ EA − − 1 λ l1 k n l1 1
Multiplizieren der ersten Gleichung mit
(10.100) 0
EA EA EA + 1 + l 2 k n l1 l1
woraus u3 bestimmt werden kann.
EA + 1 und Addieren zur dritten ergibt k n l1
u 2 EA 0 u 3 = Δ l1 λ
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
259
EA kann gekürzt bzw. mit Hilfe von (10.73) eliminiert werden: 1 Δ l1 1 = = Δ (10.101) u 3 = 1 1 1
EA
1
EA EA + + + + 1 l 1 l 2 + 1 + 1 l2 α l 2 k n l1 l1 α l1 l1 l1l 2 EA Δ l1
(10.102) u3 =
l2 Δ 1
l1 + 1 + l 2 α
Für ergibt das die exakte Lösung. Nach Einsetzen in die erste Zeile von (10.99) lautet die Kontaktkraft: (10.103) λ = −
EA EA u3 = − Δ l2
1
l1 + 1 + l 2 α
Wiederum scheint 100, d.h. die Penalty-Steifigkeit ist 100 mal so groß wie die Steifigkeit der angrenzenden Teile, ein geeigneter Wert zu sein. Aus der ersten Zeile von (10.98) erhält man (10.104)
EA u2 = λ l1
(10.105) u 2 = −
l1
1 l1 + 1 + l 2 α
Δ
Dann ist der Spalt, die negative Eindringung
(10.106)
l1 + l 2 l1 + l 2 Δ−Δ = g = −u 2 + u 3 − Δ = − 1Δ
1
1
l1 + 1 + l 2 l1 + 1 + l 2 α α
Für ist die Kontaktbedingung exakt erfüllt, für 0 geht die Kontaktkraft gegen Null und die negative Eindringung gegen –. Zumindest in diesem Beispiel ist ein Vorteil gegenüber dem Penalty-Verfahren nicht erkennbar.
260
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Nebenbemerkung:
Das Lagrange-Verfahren wird auch eingesetzt, um bei hyperelastischem Material die Inkompressibilitätsbedingung zu erfüllen. Wenn eine volumetrische Nachgiebigkeit zugelassen wird, geht das Verfahren in die Perturbed-Lagrange-Methode über.
10.4.5 Augmented-Lagrange-Verfahren Das Augmented-Lagrange-Verfahren ist eine Kombination aus Penalty- und LagrangeMultiplikator-Verfahren. Der Term, der zur potenziellen Energie addiert wird, ist daher (10.107) W AL = λg (u) +
1 k n g 2 (u) 2
Die Ableitungen lauten: (10.108)
∂W AL ∂g ∂g =λ + kn g ∂u ∂u ∂u
und
∂W AL = g (u) ∂λ
Für das Testproblem heißt das: (10.109)
∂g − 1 = ∂u 1
(10.110)
− (−u 2 + u 3 − Δ) k n ∂W AL − λ = + kn = ∂u λ − u 2 + u 3 − Δ − k n
(10.111)
u 2 ∂W AL = [− 1 1 0]u 3 − Δ ∂λ λ
Hinzufügen dieser Terme zum Gleichungssystem ergibt:
(10.112)
EA l + kn 1 −k n −1
− kn EA + kn l2 1
− 1 u 2 − k n Δ 1 u 3 = k n Δ 0 λ Δ
− kn kn
u − 1 2 − k n Δ u3 − 1 k n Δ λ
10.4 Finite-Elemente-Testproblem
261
Es wird im Gauß-Algorithmus gelöst: EA u 2 0 0 u = l2 3 Δ 1 0 λ
(10.113)
EA l 1 −1
(10.114)
u 2 EA EA EA + Δ 0 0 u 3 = − l2 l1 λ l2
EA EA
EA u3 = − (10.115) Δ + l l l2 2 1
(10.116)
EA(l 2 + l1 ) EA u2 = − Δ l1l 2 l2
(10.117) u 2 = −
l1 Δ l1 + l 2
wie zuvor.
Rückwärtseinsetzen ergibt: −u 2 + u 3 = Δ
(10.118)
u3 = Δ −
l1 l1 + l 2
Δ=
l2 l1 + l 2
Δ
Aus der ersten Gleichung folgt nun:
EA + k n u 2 − k n u 3 − λ = −k n Δ (10.119) l 1
(10.120)
l
EA l2 Δ − λ = −k n Δ − + k n 1 Δ − k n l1 + l 2 l1 + l 2 l1
(10.121)
λ=−
l1 l2 EA Δ − kn Δ − kn Δ + knΔ l1 + l 2 l1 + l 2 l1 + l 2
(10.122)
λ=−
EA Δ l1 + l 2
262
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Hier ist die Lösung vollständig unabhängig von der Penalty-Steifigkeit. Ein Vorteil gegenüber dem reinen Lagrange-Verfahren ist nicht erkennbar. Im Zusammenhang mit Konvergenzbetrachtungen gibt es diesen aber. Ein spezielle Form der Kombination aus Penalty- und Lagrange-Verfahren stellt der UzawaAlgorithmus dar. Dabei wird zunächst eine Kontaktkraft nach dem Penalty-Verfahren bestimmt. Ist danach die Eindringung noch größer als eine gewisse Toleranz, wird mit dem Lagrange-Verfahren eine zusätzliche Kontaktkraft berechnet und addiert. Dieser Vorgang kann wiederholt werden, bis die Eindringung klein genug ist. Der Vorteil ist, dass eine kleinere Penalty-Steifigkeit gewählt werden kann, was zur Konvergenzverbesserung beitragen kann.
10.5 Überbestimmtheit durch Kontakt (Overconstraining) Bei der direkten Einführung der Nebenbedingung in das Gleichungssystem und der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren wird die Kontaktbedingung exakt erfüllt. Das birgt jedoch die Gefahr, dass zu viele Bedingungen definiert werden, die einander widersprechen und damit nicht gleichzeitig erfüllt werden können. In einem ersten Kontakt wird ein SlaveKnoten an eine Masterfläche gekoppelt. Er darf dann nicht mehr mit einem weiteren Master gekoppelt werden. Genau das wird aber ein weiterer Kontakt desselben Knoten versuchen. Obwohl es in einigen Fällen theoretisch möglich wäre, die Koppelgleichungen so umzusortieren, dass der neue Master Slave zu dem bisherigen Master wird, wird dies in FE-Programmen aus algorithmischen Gründen oft ausgeschlossen. Ein typisches Beispiel ist der Kontakt der Ober- und Unterseite eines Schalenelementes mit zwei verschiedenen Körpern (Abb. 10-8).
Abb. 10-8 Overconstraining und seine Behandlung im Penalty-Verfahren
Im Penalty-Verfahren werden Federn benutzt, um die Kontaktbedingungen in das System einzuführen. Da damit die Nebenbedingungen nicht exakt erfüllt werden, stellt Overconstraining kein Problem dar. Es sind aber auch hier Situationen denkbar, bei denen Resultate von zweifelhafter Bedeutung erzielt werden oder Konvergenzprobleme auftreten.
10.6 Reibung
263
10.6 Reibung Bisher wurde nur die Kontaktnormalkraft bzw. –spannung betrachtet. Reibung behindert die Bewegung in tangentialer Richtung und ist von der Normalkraft abhängig. Am bekanntesten ist das Coulomb’sche Reibgesetz (10.123) FR ≤ − μFc wobei
der von beiden Oberflächen abhängige Reibkoeffizient
FR
der Betrag der Reibkraft ist.
und
Das Minuszeichen ergibt sich daraus, dass eine Kontaktdruckkraft hier negativ angesetzt wurde. Durch das Reibgesetz wird die Tangentialkraft begrenzt; solange die vorhandene Kraft kleiner ist, liegt Haftung vor. Bei der direkten Einbringung der Kontaktbedingungen in das Gleichungssystem wird zunächst angenommen, dass Haftung vorliegt, der Kontaktpunkt also auch in tangentialer Richtung an das Mastersegment gebunden ist. Daraus ergibt sich eine Koppelgleichung. Nach Lösen des Gleichungssystems kann aus dieser die Tangentialkraft berechnet werden. Ist sie größer als die maximale Reibkraft, wird diese angesetzt und die Koppelgleichung entfernt. Ähnlich verhält es sich beim Lagrange-Verfahren. Als Nebenbedingung gilt, dass der Reibweg s null sein muss. Dies wird mit einem zusätzlichen Lagrange-Multiplikator R, der als Tangentialkraft zu interpretieren ist, erzwungen. Bei Überschreiten der maximalen Reibkraft wird wie zuvor verfahren. FR -Fc
s
Abb. 10-9 Kontaktcharakteristik in tangentialer Richtung bei Reibung
Die Tücke liegt darin, dass die Reibkraft der potenziellen Tangentialbewegung entgegenwirken muss. Kommt es also durch Einflüsse anderer Bereiche des Modells zu einer Umkehrung der Bewegungsrichtung, kehrt sich auch die Reibkraft um, was eine sprunghafte Änderung bedeutet (Abb. 10-9) und eine massive Störung des Gleichgewichts und damit ein Konvergenzproblem hervorrufen kann. (10.123) ist eine Ungleichung, deren Schranke sich aus einer weiteren Ungleichung, nämlich der Kontaktbedingung ergibt. Dadurch macht Reibung die Erzielung von Konvergenz eher schwieriger. Hier müssen entsprechende Toleranzen vorgegeben werden.
264
10 Erfüllung der Kontaktbedingung
Beim Penalty-Verfahren wird auch die Haftbedingung durch eine Feder, hier eine tangential wirkende, realisiert. Wiederum wird ein Weg, hier ein Gleitweg, benötigt, um die Tangentialkraft hervorzurufen. Sie ist ebenfalls durch die maximale Reibkraft begrenzt (Abb. 10-10). FR
( )
-Fc
− μFc tanh kt* s
kt s
Haftzone
Abb. 10-10 Kontaktcharakteristik in tangentialer Richtung im Penalty-Verfahren bei Reibung
Bei der Bestimmung der Steifigkeit in Normalenrichtung hilft eine physikalische Vorstellung. Für die tangentiale Steifigkeit wäre dies, dass vor dem Gleiten die verzahnten Oberflächenrauigkeiten deformiert werden. Tatsächlich muss aber aus Konvergenzgründen ein deutlich größerer Weg bis zum Erreichen der maximalen Kraft zugelassen werden. Die tangentiale Steifigkeit kt ist eher kleiner als die Normalsteifigkeit zu wählen. Trotzdem verbleibt ein nicht differenzierbarer Knick in der Charakteristik. Hier kann eine Ausrundung Abhilfe schaffen. Dazu bietet sich die Tangens-hyperbolicus-Funktion an. Der Form-Parameter kt*, der die Anfangssteigung bestimmt, kann deutlich höher als kt gewählt werden und trotzdem bleiben Schrittweitenverkleinerung und Newton-Verfahren gute Möglichkeiten zur Erzielung einer konvergierten Lösung.
11 Aspekte der Kontaktmodellierung Einige spezielle Aspekte werden hier am Beispiel der Penalty-Methode gezeigt, aber bei den anderen Verfahren treten ähnliche Effekte und Probleme auf.
11.1 Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt
i
Knoten k Oberfläche 2
Knoten i
Oberflächensegment
k j
Knoten j
Oberfläche 1
Abb. 11-1 Knoten-zu-Oberfläche-Element
Im Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt kann Knoten k (Abb. 11-1) das Master-Segment an einer beliebigen Stelle berühren. Wird eine Eindringung festgestellt, wird durch eine der oben beschriebenen Methoden eine Kontaktkraft berechnet und die Eindringung reduziert oder beseitigt. Die Eindringung wird entlang der Normalen (s. Kap. 9.3) gemessen. Auf den SlaveKnoten wird die Kontaktkraft direkt aufgebracht, auf der Master-Seite wird die Kraft auf die Knoten des Segmentes verteilt, sodass die Knotenkräfte der Kontaktkraft im Sinne der potenziellen Energie äquivalent sind, wie das bei verteilten Belastungen üblich ist. Die potenzielle Energie eines Knotenlastvektors fext ist (11.1)
Π ext = −uˆ T f ext
Die Energie einer Kontaktkraft
(11.2)
ª Fcx º Fc = «« Fcy »» «¬ Fcz »¼
an einer beliebigen Stelle (, ) im Segment ist
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_11, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
266
(11.3)
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
Π ext
Fcx = − u x (ξ ,η ) u y (ξ ,η ) u z (ξ ,η ) Fcy = −u T (ξ ,η )Fc Fcz
[
]
Mit dem FE-Ansatz für die Verschiebungen (11.4)
u T (ξ ,η ) = uˆ T N T (ξ ,η )
ergibt das (11.5)
Π ext = −uˆ T N T (ξ ,η )Fc
Dies muss der potenziellen Energie des Knotenlastvektors (11.1) äquivalent sein: (11.6)
− uˆ T f ext = −uˆ T N T (ξ ,η )Fc
(11.7)
f ext = N T (ξ ,η )Fc
Beispiel
Für ein lineares Linienelement lauten die Ansatzfunktionen im Bereich -1 1: (11.8)
N (ξ ) =
[12 (1 − ξ )
1 (1 + ξ ) 2
]
Für eine Kraft Fc bei =0.5, d.h. bei drei Vierteln der Länge, werden die Knotenkräfte (11.9)
1 f c = 4 Fc 3 4
Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt ist geeignet für lineare Ansatzfunktionen. Eine gleichmäßige Eindringung soll aber zu gleichmäßigem Kontaktdruck führen. Bei Mittenknoten-Elementen und noch höheren Ansätzen erfordert das aber eine bestimmte Verteilung der äquivalenten Knotenkräfte, z.B. für die Linie mit quadratischen Ansatzfunktionen wie in Abb. 11-2.
1 6
Abb. 11-2
2 3
1 3
2 3
1 6 · p cl
Gewünschte Knotenkraftverteilung für gleichmäßigen Kontaktdruck bei Linienelementen mit Mittenknoten
11.2 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
267
Um diese Anforderungen zu erfüllen, wären bei Knotenkontakt unterschiedliche Steifigkeiten für Eck- und Mittenknoten notwendig. Dies ist schwer zu handhaben, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Methode auch funktionieren muss, wenn sich nur ein Teil der Knoten im Kontakt befindet. Für Flächen in 3d wären gar negative Eckkräfte erforderlich (Abb. 11-3), um einen gleichmäßigen Druck wiederzugeben. Das würde negative Steifigkeiten erfordern, die aber für den allgemeinen Fall keinen Sinn ergäben. Das bedeutet, Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt ist für Mittenknotenelemente nicht geeignet. Damit wären Tetraeder, die leicht automatisch erzeugbar, aber bei linearen Ansätzen viel zu steif sind, von Kontaktberechnungen ausgeschlossen. −
−
1 12
1 12
− 1 3
1 3 1 3
Abb. 11-3
−
1 12
1 12 1 3 · pcA
Gewünschte Knotenkraftverteilung für gleichmäßigen Kontaktdruck bei Viereckelementen mit Mittenknoten
11.2 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt 11.2.1 Integrationspunkt-Kontakt Nicht nur Knoten, sondern auch andere Punkte auf der Slave-Oberfläche können benutzt werden, um Eindringungen zu kontrollieren und Kontaktkräfte anzubringen. Wenn Integrationspunkte für eine numerische Integration, z.B. Gaußpunkte, benutzt werden (Abb. 11-4), können an Stelle von Kräften Spannungen aus der Eindringung berechnet und dann numerisch über die Fläche integriert werden, um Knotenkräfte zu erhalten. Damit ergibt eine gleichmäßige Eindringung bei gleicher Steifigkeit an allen Punkten direkt, wie erforderlich, eine gleichmäßige Kontaktdruckverteilung und die dazu passenden Kontenkräfte. Die Hauptvorteile sind:
•
Dieses Konzept ist für Mittenknotenelemente und beliebige Ansatzordnungen geeignet.
•
Der Kontaktpunkt kann von der Finite-Element-Oberfläche in Normalenrichtung verschoben werden (Abb. 11-5 links), um eine festgelegte Distanz bei geschlosse-
268
11 Aspekte der Kontaktmodellierung nem Kontakt zu erhalten oder um Mängel der Kontaktgeometriebeschreibung durch die Diskretisierung auszugleichen.
•
Es gibt mehr Kontaktfeststellungspunkte, das bedeutet eine feinere Auflösung der Kontaktoberfläche. Auf den ersten Blick gehören zu einem Segment genauso viele Knoten wie Integrationspunkte, letztere sind aber, weil sie im Innern liegen, nur einem Segment zugeordnet, während die Knoten zu mehreren gehören (Abb. 11-5 rechts). Kontaktpunkt i
Knoten Knoten i
Kontaktpunkt
Oberfläche 2 Knoten
Oberflächensegment
j
Knoten j
Oberfläche 1
Abb. 11-4 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
Kontaktpunkt i
Knoten Abb. 11-5
j
Integrationspunkt Knoten
Verschobene Kontaktpunkte (links), zur Anzahl von Knoten und Integrationspunkten (rechts)
Knotenkräfte aus verteilten Kontaktspannungen pc werden berechnet als (11.10) f c =
N
( A)
T
(ξ ,η ) pc dA
11.2 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
269
wobei man der gleichen Idee folgt, die auch zu Gl. (11.7) führte. Wenn Integrationspunkte für die Kontaktfeststellung genutzt werden, können die Kontaktspannungen numerisch aufintegriert werden: nip
(11.11) f c =
wip N T (ξ ip ,η ip ) pc ip det J (ξ ip ,η ip )
ip =1
wobei
ip
den aktuellen Integrationspunkt
nip
die Anzahl der Integrationspunkte
wip
den Wichtungsfaktor der numerischen Integration
pc ip
den Kontaktdruck am aktuellen Integrationspunkt
det J
die Jacobi-Determinante, die den Zusammenhang zwischen der Elementgröße und -form und dem Einheitsquadrat herstellt,
bedeutet. Dies gilt für die Contact- oder Slave-Seite. Die Target- oder Master-Seite wird wie beim Knotenkontakt gemäß Gleichung (11.7) behandelt, wobei die Kontaktkraft Fc durch den Beitrag eines Integrationspunktes zum Integral über die Fläche (11.12) Fc ip = wip p c ip det J (ξ ip , η ip ) ersetzt wird. Durch Einsetzen in (11.7) erhält man als Beitrag eines Integrationspunktes zu den Master-Knotenkräften target target contact contact contact (11.13) f ctarget = N Ttarget (ξ cp , η cp ) wip p c ip det J (ξ ipcontact , η ip )
wobei
target target ξ cp , η cp
die Einheitskoordinaten des Kontaktpunktes auf der Master-
Oberfläche bedeuten. Deren Bestimmung wird unten behandelt. Beispiele
Für ein dreiknotiges Liniensegment lauten die quadratischen Ansatzfunktionen im Bereich -1 1:
[(
(11.14) N = − 12 ξ + 12 ξ 2
) (1 − ξ ) ( ξ + 2
1 2
1ξ2 2
)]
Die Gaußpunktkoordinaten sind ξ GP = ± 3 3 , die Wichtungsfaktoren in beiden Fällen 1. Ein bilineares 4-Knoten-Element (oben in Abb. 11-6) wird so positioniert, dass der KontaktGaußpunkt genau über dem Mittenknoten eines quadratischen 8-Knoten-(Serendipity-)Elementes liegt. Die oberen Knoten des oberen Elementes werden nach unten verschoben. Der zweite Gaußpunkt kommt dabei nicht in Kontakt.
270
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
Abb. 11-6 Kontakt-Integrationspunkt über Mittenknoten: überhöhte Verschiebung und Knotenkräfte
Die Stelle, an der der Kontaktpunkt die untere Fläche, die Masterfläche, berührt, hat die Koordinaten =0. In Abb. 11-6 sind die Knotenkräfte des quadratischen Elementes durch Ellipsen markiert. Da N1=N3=0 und N2=1 werden, zeigt nur der Mittenknoten eine Kontaktkraft. Die Knotenkräfte am linearen Element sind durch Rechtecke markiert. Sie sind in Abhängigkeit vom Abstand des Kontaktpunktes von den Knoten verteilt. Gemäß (11.7) und (11.8) bedeutet das: 3 (11.15) N lin − = [0,7887 0,2113] 3
Die Kräfte sind in dem durch N1 und N2 gegebenen Verhältnis verteilt. Sie ergeben sich in diesem Beispiel zu 2,6144 und 0,7005; die Kraft am Mittenknoten des quadratischen Elementes ist die Summe, 3,3150.
11.2 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
271
Abb. 11-7 Kontaktkräfte zweier gegenüberliegender 2- und 3-Knoten-Segmente
Im zweiten Beispiel sind die beiden verschiedenartigen Elemente einander direkt gegenüber angeordnet. Nun liegen die Kontaktpunkte für beide Seiten bei ξ GP = ± 3 3 . Für das lineare Element sind die Kontaktkräfte gleich und betragen 2,4390, in Summe also 4,8780. Die quadratischen Ansatzfunktionen ergeben am linken Kontaktpunkt (11.16) N qu = [0,4553 0,6667 − 0,1220] In diesem Fall beträgt die Jacobi-Determinate l/2, mit l=2 detJ=1. Der Beitrag des linken Kontaktpunktes zu den Knotenkräften ist also (11.17) f cqul = [0,4553 0,6667 − 0,1220]⋅ 2,4390 = [1,1105 1,626 − 0,2976] Der Beitrag des rechten Kontaktpunktes ist analog (11.18) f cqur = [− 0,2976 1,626 1,1105] die Summe dementsprechend (11.19) f cqu = [0,8129 3,252 0,8129] was 1/6, 2/3 und 1/6 der Gesamtkraft ist.
272
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
Mit Bedacht muss die Zahl der Integrationspunkte gewählt werden. Für die Integration eines p +1 3 +1 = =2 linearen Spannungsverlaufes über eine quadratische Seite genügen nGP = 2 2 Gaußpunkte. Damit ist aber der in Abb. 11-8 gezeigte Mechanismus möglich. node contact point
Abb. 11-8 Lagerung einer dreiknotigen Oberfläche auf zwei Kontaktpunkten
Gewöhnlich ist dieser Effekt wegen der Schubsteifigkeit der beteiligten Körper klein. Im Falle inkompressibler Materialien wie Gummi, umschlossen von steiferen Bereichen, ist das Volumen mehr oder weniger unveränderlich. So liegt eine große Steifigkeit gegen einen flächigen Druck vor, die sehr viel größer ist als die Schubsteifigkeit, die gegen lokale Verformungen wirkt. Dadurch kann der geschilderte Effekt deutlich zu Tage treten. Abb. 11-9 in der wahren Skalierung und Abb. 11-10 dreifach überhöht zeigen die Kontur einer Kontaktoberfläche mit je zwei Gaußpunkten, wobei die linke Elementspalte übersteht und die drei rechten aufliegen.
Abb. 11-9
Kontakt mit quadratischen Elementen für Gummi und zwei Kontaktpunkten je Oberfläche, wahre Skalierung
11.2 Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
273
Abb. 11-10 Kontakt mit quadratischen Elementen für Gummi, dreifach überhöht
Die Eindringung der Slave-Seite in das Master-Segment, einmal extrapoliert aus den Eindringungen der Kontaktpunkte, einmal ermittelt aus den Knotenverschiebungen, zeigt Abb. 11-11. Einer der Knoten zeigt eine Öffnung, obwohl die ganze Oberfläche sich in Kontakt befindet. Die Lösung wären drei Integrationspunkte. 3 Knoten, 2 Kontaktpunkte 0,04
Penetr., extrap.
0,00
Master Slave -0,04
-0,08 -1,5
Abb. 11-11
Knotenversch.
-1
-0,5
0
0,5
1
1,5
Eindringung in ein Mastersegment, ermittelt aus den Integrationspunkten und den Knotenverschiebungen
11.2.2 Knoten als Integrationspunkte ANSYS bietet optional die Verwendung von Knoten anstelle von Gaußpunkten zur Kontaktfeststellung an. Das heißt nun aber nicht, dass das ein Schritt zurück zum Knoten-zuOberfläche-Kontakt ist. Vielmehr wird eine Integrationsregel mit äquidistanten Stützstellen, die gerade mit den Knoten zusammenfallen, verwendet. Dies kann die Trapez-, die Simpsonoder allgemeiner eine Newton-Cotes-Regel sein. Die Wichtungsfaktoren für die SimpsonRegel sind 1/6, 4/6 und 1/6 und damit geeignet, unter Verwendung von (11.11) die gewünschten Knotenkräfte bei gleichmäßigem Kontaktdruck zu erzeugen.
274
Abb. 11-12
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
Kräfte an Kontaktknoten, die nicht in Kontakt sind, hervorgerufen durch eine numerische Integration mit Knoten als Stützstellen.
In Abb. 11-12 wird ein 20-Knoten-Element so verschoben, dass die Knoten einer Kante, die hier als Kontaktpunkte gewählt worden sind, von der Master-Fläche rutschen. Eine Eindringung aufgrund der fehlenden Unterstützung ist sichtbar. Obwohl die Knoten nicht in Kontakt sind, bekommen sie Knotenkräfte aus der Anwendung der Integrationsregel auf die an den restlichen (Kontakt-)Knoten berechneten Spannungen.
11.3 Konvergenz-Erzielung Wie im obigen Kapitel gezeigt wurde, kann die Kontaktbedingung stets sofort erfüllt werden, wenn nur ein Kontaktpunkt existiert. In allen anderen Fällen gilt dies nur, wenn kein Kontaktelement seinen Status von offen nach geschlossen oder umgekehrt ändert. In der Praxis geschieht das häufig wiederholt und führt zu Konvergenzproblemen, weil der Statuswechsel an einem Punkt zu Ungleichgewicht und damit möglicherweise zu einem Statuswechsel an anderer Stelle führt usw. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden, um die Anzahl der Statusänderungen während der Iteration möglichst klein zu halten. Ein Weg ist die Wahl geeigneter Toleranzen, ein anderer, die Charakteristik eines Kontaktelementes am Statuswechsel differenzierbar zu machen.
11.3.1 Penalty-Verfahren Im Penalty-Verfahren muss eine gewisse Eindringung zugelassen werden. Diese hängt von der Kontaktsteifigkeit ab. Um erfolgreich zu sein, muss die Steifigkeit so gewählt werden, dass auf der einen Seite die Anzahl der Statuswechsel während der Iteration klein gehalten
11.3 Konvergenz-Erzielung
275
wird, was eine große Toleranz und damit eine kleine Steifigkeit erfordert, auf der anderen Seite die Eindringung so klein ist, dass Spannungen und Verschiebungen der angrenzenden Elemente nicht verfälscht werden, was wiederum eine große Steifigkeit erfordert. Das Ziel ist, die Kontaktsteifigkeit wesentlich größer zu machen als die Steifigkeit der angrenzenden Systeme. Diese Systemsteifigkeit kann nur durch Lösen der FE-Gleichungen bestimmt werden, aber auch dann muss man sich vor Augen führen, dass das System sich durch Kontakt oder große Verformungen wesentlich ändern kann. Deshalb ist es nahezu unmöglich, eine für alle Situationen geeignete Steifigkeit automatisch am Beginn des Lösungsprozesses zu bestimmen. 11.3.1.1 Lokale Steifigkeit Im Falle eher gedrungener Körper, besonders wenn die Deformation durch den Kontakt nur in der Umgebung der Kontaktzone auftritt, kann die Abschätzung einer lokalen Steifigkeit hilfreich sein. Basis ist die Steifigkeit eines Blocks mit der Oberfläche A eines typischen Kontaktelementes und einer gewissen Tiefe h (Abb. 11-13).
A
h
Abb. 11-13 Repräsentativer Block zur Abschätzung der lokalen Steifigkeit
Die Federsteifigkeit eines solchen Blockes ist (11.20)
k n* =
EA h
Die lokale Steifigkeit ändert sich nicht wesentlich, wenn mehr Elemente in Dickenrichtung verwandt werden (Abb. 11-13 rechts). Deshalb sollte h nach den Oberflächenabmessungen gewählt werden, z.B. (11.21)
h=
A
Die Basissteifigkeit lautet dann: (11.22)
k n* =
Eh 2 = Eh h
276
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
Im Falle einer 2d-Scheibe der Dicke t beträgt die Fläche (11.23)
A = ht
Dadurch wird die Basissteifigkeit (11.24)
k n* =
Eht = Et h
Im Falle von Rotationssymmetrie werden Kräfte entweder über den ganzen Umfang oder über 1 rad (Bogenmaß) berechnet. Dadurch ist die Fläche proportional zum Radius R und die Basissteifigkeit wird (11.25)
k n* =
Eh ⋅ 2πR ~ ER h t R
h
h
h
Abb. 11-14 Sonderfälle der Steifigkeitsabschätzung
Im Integrationspunkt-Kontakt wird die Fläche bei der Integration berücksichtigt und die Steifigkeit ist vom Typ Druck durch Länge. In allen Fällen ergibt sich die lokale Basissteifigkeit zu (11.26)
k n* =
E h
Trotzdem, den Erläuterungen zu Abb. 11-13 folgend, sollte h eine charakteristische Länge der Kontaktoberfläche sein. Die Kontaktsteifigkeit kn soll höher als kn* gewählt werden, nämlich um einen Faktor zwischen 1 und 100, um sicherzustellen, dass die Kontaktelemente weniger als die Bauteile deformiert werden. Je größer die erwartete Kontaktzone ist, desto kleiner kann der Skalierungsfaktor gewählt werden. Bei unterschiedlichen steifen Materialien soll die für das weichere Bauteil ermittelte Basissteifigkeit kn* verwandt werden. 11.3.1.2 Systemsteifigkeit Die Abschätzung der lokalen Steifigkeit kann unzureichend sein, wenn die Kontaktkräfte eine globale Verformung hervorrufen. Insbesondere geschieht das bei dünnwandigen oder schlan-
11.3 Konvergenz-Erzielung
277
ken Tragwerken wie balken- oder schalenähnlichen Strukturen, und zwar unabhängig vom gewählten Elementtyp. Die Systemsteifigkeit kann durch die folgende Vorgehensweise bestimmt werden:
•
bringe ein Kräftepaar F auf zwei in etwa gegenüberliegende Knoten im Zentrum der erwarteten Kontaktzone auf
•
berechne das System
•
bestimme die Relativverschiebung
•
berechne die Basissteifigkeit k n* =
F Δ
Für den Integrationspunkt-Kontakt muss kn* entweder durch eine typische Segmentfläche geteilt oder ein Druck p aufgebracht werden, d.h. (11.27)
k n* =
F Δ⋅ A
resp. k n* =
p Δ
Auch hier muss kn* skaliert werden, um die Kontaktsteifigkeit zu erhalten. Gewöhnlich ist eine lineare Lösung ausreichend. Dann erfordert die Methode nur die Rechenzeit eines einzigen Iterationsschrittes, aber eine gute Steifigkeit kann die Zahl der Iterationen wesentlich verringern. 11.3.1.3 Nichtlineares Materialverhalten Bei nichtlinearem Material beschreibt der Elastizitätsmodul nur das Verhalten am Anfang, später verändert sich die Steifigkeit, sowohl die lokale als auch die Systemsteifigkeit. Für die Beschränkung der Eindringung wäre nun die Sekantensteifigkeit maßgebend, für die Konvergenz aber die Veränderung der Kräfte mit den Verschiebungen, also die Tangentensteifigkeit. Da beide nicht zusammenfallen, bedeutet das, dass der Bereich, in dem die Kontaktsteifigkeit sinnvoll gewählt werden kann, kleiner wird. 11.3.1.4 Angepasste (adaptive) Steifigkeit Nur die lokale Abschätzung kann automatisch vom Programm vorgenommen werden, ist aber nicht in allen Fällen ausreichend. Während des Lösungsprozesses wird mehr über die Größenordnung der Kontaktkräfte bekannt, sodass das Programm die Steifigkeit so setzen kann, dass die Eindringung innerhalb einer bestimmten Toleranz bleibt. Andererseits kann bei schlechter Konvergenz mit einer Verringerung der Steifigkeit reagiert werden. 11.3.1.5 Differenzierbare Kraft-Eindringungs-Charakteristik Wie beschrieben beeinflusst die Penalty-Steifigkeit die hinzunehmende Eindringung. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Kraft-Eindringungs-Charakteristik (Abb. 11-15) eines Kontaktelementes an der Stelle des Statuswechsel einen Knick, eine plötzliche Änderung der Steigung aufweist und daher dort nicht differenzierbar und somit ungeeignet für das Newton-Raphson-Verfahren ist.
278
11 Aspekte der Kontaktmodellierung Fc
(Penetration)
Öffnung
kn Toleranz Toleranz Abb. 11-15
Mögliche Kraft-Eindringungs-Charakteristik eines Penalty-Kontaktelementes Standard (durchgehend), weiche Zugfeder (grob gestrichelt), hyperbolisch (gepunktet), parabolisch (gestrichelt)
Eine weiche Feder im Zugbereich (grob gestrichelt) kann eine gewisse Hilfe sein, ändert aber nichts am Grundproblem. Die Lösung kann eine differenzierbare Kraft-Eindringungs-Funktion sein, die einen glatten Übergang in die Horizontale bewirkt, wenn sich der Kontakt öffnet. Eine könnte eine hyperbolisch Funktion (gepunktet) sein, aber die ist wegen der Singularität nur auf eine Eindringung innerhalb einer gewissen Toleranz anwendbar. Eine andere Möglichkeit ist eine Ausrundung durch eine Polynomfunktion (gestrichelt) im Bereich ±tol einer Toleranzzone um die Kontaktöffnung. Sie muss von dritter Ordnung sein, um die folgenden vier Bedingungen zu erfüllen:
•
Fc (−tol ) = −k n ⋅ tol
•
Fc ' (−tol ) = k n
•
Fc (tol ) = 0
•
Fc ' (tol ) = 0
Statt bei größeren Eindringungen mit einen linearen Verlauf fortzufahren, kann die nichtlineare Funktion weiter benutzt werden, vorausgesetzt, dass kein Wendepunkt auftritt. Die Ausrundung führt dazu, dass bereits kurz vor dem Berühren eine kleine Druckkraft erzeugt wird. Das bedeutet aber keinen größeren Fehler als eine Eindringung, die im Mittel sogar zurückgeht.
11.4 Systemmatrizen
279
11.3.2 Lagrange-Verfahren und direkte Einbringung 11.3.2.1 Toleranzen In der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren und bei der direkten Einbringung wird die Kontaktbedingung exakt erfüllt. Das bedeutet aber, dass eine geringe Störung durch ein anderes Element den Kontakt öffnen kann, wodurch die Kontaktkraft gelöscht und ein neues Ungleichgewicht erzeugt wird, das eine weitere Iteration nötig macht. Deshalb muss es auch bei diesen Verfahren eine Toleranz geben. Sie kann in der Eindringung liegen, es können aber auch in gewissem Rahmen Zugkräfte akzeptiert werden, bevor ein Kontakt, der einmal geschlossen war, wieder geöffnet wird. Eine Eindringung von null sieht gut aus, wird sie aber durch Zulassung einer Zugkraft erkauft, stellt diese auch einen Fehler dar, nur dass Kontaktzugkräfte gewöhnlich nicht dargestellt werden. 11.3.2.2 Differenzierbare Charakteristik Die reine Lagrange-Methode und die direkte Einbringung zeigen auch oder gerade den Knick in der Kraft-Eindringungs-Charakteristik. In Zusammenhang mit dem Augmented- und Perturbed-Lagrange-Verfahren kann diese geglättet werden.
11.3.3 Geeignete Vernetzung und Lastaufbringung Unabhängig von dem Verfahren, die Kontaktkräfte zu berechnen, beruhen weitere Methoden der Konvergenzverbesserung darauf, den Einfluss der Statuswechsel auf das globale Gleichgewicht zu verringern, sodass die Kraft-Verschiebungs-Charakteristik des Gesamtsystems nahezu glatt ist. Ein feineres Netz im Kontaktbereich teilt die Kontaktkräfte in kleinere Portionen auf. Damit kann durch kleinere Schrittweiten ein langsames Ausbreiten der Kontaktzone und damit eine Konvergenzverbesserung erreicht werden.
11.4 Systemmatrizen In diesem Kapitel wurde gezeigt, welchen Einfluss Kontakt auf die zu lösenden Gleichungssysteme hat. Dies galt aber nur für spezielle Fälle. Schon bei einer beliebigen Lage der Segmente im Raum sind Transformationen auf der Basis des in Kap. 9.3 eingeführten Koordinatensystems durchzuführen. Bei allen Berechnungen im Nahbereich (Kap. 12.3) ist zu beachten, dass alle Koordinaten die aktuellen sind, die sich aus Anfangskoordinaten plus Verschiebungen ergeben. Da sich die Systemmatrizen aus der Ableitung der Knotenkräfte nach den Verschiebungen ergeben, aber (11.28)
∂x ∂ (x 0 + u ) = =I ∂u ∂u
gilt, sind also alle Knotenkräfte nach den aktuellen Koordinaten abzuleiten. Zum Teil können die Kräfte aber erst berechnet werden, nachdem ein nichtlineares Gleichungssystem gelöst wurde, um die Kontaktgeometrie zu erfassen. Hier sind die Regeln über implizite Funktionen anzuwenden; im Abschnitt über Materialnichtlinearitäten finden sich Hinweise dazu. Bei geometrischen Nichtlinearitäten schließlich ist zu prüfen, inwieweit die aufgeführten Formeln für große Drehungen Gültigkeit behalten. Im Wesentlichen ist das der Fall. Eine
280
11 Aspekte der Kontaktmodellierung
vollständig geometrisch lineare Kontaktberechnung würde auf festen Orientierungen auf der Basis der Anfangskoordinaten beruhen. Eine Einbettung der Kontaktelemente in die Theorie der mitgehenden Formulierung (corotational) ist möglich. Für große Dehnungen ist im Zusammenhang mit Integrationspunkt-Kontakt zu beachten, dass sich die Flächengrößen ändern, was bei der Integration der Spannungen zu beachten ist.
12 Kontaktfeststellung Neben der Erzielung von Konvergenz ist der kritischste Punkt bei der Programmierung eines Kontaktalgorithmus’ eine effektive Kontaktsuche. Viel Erfahrung wird benötigt, um alle möglichen Fälle abzudecken. Nicht alles ist veröffentlicht. Darum können hier nur Grundgedanken aufgezeigt werden. Wie in der Einleitung erwähnt, wird Kontakt durch elementähnliche Gebilde ermittelt: Elemente, Segmente usw., die z.T. nur temporär betrachtet und gespeichert werden. Für Knoten-zu-Knoten-Kontakt sind alle Kontaktpaare definiert. Die Projektion des Abstandsvektors auf die Normale zur Gleitebene ergibt Eindringung oder Klaffung. Kontaktfeststellung ist hier kein Problem.
12.1 Suchstrategien Für Knoten-zu-Oberfläche- und Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt mit beliebigen Relativverschiebungen ist eine schnelle Kontaktsuche eine Herausforderung. Wenn zwei Oberflächen (nur) je 1000 Knoten oder Elemente aufweisen, ergeben sich schon eine Million mögliche Kontaktpaare.
12.1.1 Bucket Sort Für den Bucket Sort (man könnte „Päckchensortierung“ sagen, bucket heißt etwa Eimer oder (Bagger-)Schaufel) wird der Raum um ein Modell in eine Anzahl von Quadern zerlegt (Abb. 12-1), die je Richtung die gleiche Länge haben oder deren Länge sich nach einer umkehrbaren Funktion richtet, sodass zu jedem Knoten oder Punkt aus den aktuellen Koordinaten (einschließlich der Verschiebungen) berechnet werden kann, in welchem Quader er sich befindet.
Körper bucket
Abb. 12-1 Bucket sort
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_12, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
282
12 Kontaktfeststellung
Auf den ersten Blick scheint es, als könne ein Master-Segment nur in Kontakt mit Knoten oder Punkten sein, die sich in demselben Quader befinden wie einer ihrer Knoten. Das reduziert die Zahl der möglichen Kontaktpaare deutlich. Weil ein Knoten eine wesentliche Eindringung haben kann, bevor diese durch Kontaktkräfte reduziert wird, müssen auch Nachbarquader in Betracht gezogen werden. Die Quadergröße ergibt sich aus den Gesamtabmessungen des Modells und den darin befindlichen Knoten. Große Master-Segmente, die diese Referenzgröße deutlich überschreiten, werden mit Zwischenpunkten versehen.
Slave Master
eingedrungen
Abb. 12-2 Nachbarn in einem bucket sort
12.1.2 Pinball-Algorithmus Ein Kontaktpunkt kann nicht auf einer Master-Fläche liegen, wenn sein Abstand zu dessen Mittelpunkt größer ist als die Hälfte des größeren Durchmessers (Abb. 12-3 links). Ein Abstand – hier genügte zunächst auch das Abstandsquadrat – kann relativ schnell berechnet werden. Alle Punkte im Raum, die in dieser Distanz liegen, bilden eine Kugel, den so genannten Pinball. Berücksichtigt man, dass auch eine wesentliche Eindringung vorliegen kann, muss der Radius größer gewählt werden (Abb. 12-3 rechts). weit weg
Eindringung festgestellt Eindringung nicht festgestellt (weit weg) Abb. 12-3 Der Pinball
12.1 Suchstrategien
283
Ein Kontaktpunkt außerhalb des Pinballs wird als weit entfernt betrachtet; weitere Berechnungen werden nicht durchgeführt. Das bedeutet auch, dass eine große Eindringung in einen Körper, aber außerhalb des Pinballs seiner Oberflächensegmente nicht festgestellt wird. Auf der anderen Seite ist es notwendig, Punkte außerhalb des gegenüberliegenden Randes eines Körpers davon auszuschließen, als in Kontakt befindlich betrachtet zu werden (Abb. 12-4).
Abb. 12-4 Vermeidung von falschen Kontaktfeststellungen durch den Pinball-Algorithmus
Für den Pinball-Algorithmus ist es notwendig, den Abstand zu jedem potenziellen Kontaktpartner zu berechnen, was eine enorme Anzahl an Operationen bedeuten kann. Deshalb kann die Kombination mit dem Bucket sort nützlich sein. Wenn möglich, sollte der Benutzer dem Programm mitteilen, welche Oberflächen gegenseitig in Kontakt kommen können und welche nicht. weit weg Eindringung nicht entdeckt (weit weg)
Eindringung entdeckt
Abb. 12-5 Kontaktpunkt-orientierter Pinball-Algorithmus
284
12 Kontaktfeststellung
Ein anderer Typ des Pinball-Algorithmus’ hat den Slave-Knoten oder Kontaktpunkt zum Mittelpunkt. Master-Segmente werden als weit entfernt liegend betrachtet, wenn keiner ihrer Knoten im Pinball liegt. Für besonders große Segmente würden aber auch hier Zwischenknoten benötigt. Der Pinball-Algorithmus in LS-DYNA ist davon noch einmal verschieden, aber nicht genau dokumentiert. „Pinball“-Algorithmus hat also keine eindeutige Bedeutung, meint aber immer, dass eine Kugel um einen Punkt eine wesentliche Rolle spielt. Anstelle einer Kugel ist auch ein Rechteck in 2d oder Quader in 3d, orientiert an dem globalen Koordinatensystem, für eine Vorauswahl geeignet (Abb. 12-6), weil auch hier die Nähe oder Ferne schnell festgestellt werden kann. weit weg
Eindringung festgestellt Eindringung nicht festgestellt (weit weg) Abb. 12-6 Rechteck- anstelle Pinball-Algorithmus
12.1.3 Topologie-Suche Den Zusammenhang zwischen Knoten und Elementen und damit den Aufbau des Netztes bezeichnet man gerne als Topologie. Deren Benutzung kann die Kontaktsuche beschleunigen. Zu einem Master-Segment sind die Nachbarn, ist also die Oberflächen-Topologie bekannt. Wenn der Kontakt geschlossen ist und der Kontaktpunkt entlang der Oberfläche gleitet, muss er ein Nachbar-Segment berühren, wenn er eine Kante überschreitet. Das beschränkt die Kontaktsuche auf die Nachbarn. Dazu muss allerdings durch die Wahl der Lastinkremente sichergestellt werden, dass der Punkt nicht über mehr als ein Segment in einem Schritt gleitet. Wenn doch, ist der Punkt an kein Segment mehr gebunden und eine neue allgemeine Suche beginnt. Ein Problem kann entstehen, wenn eine als gemeinsam definierte Oberfläche eine topologische Lücke aufweist (Abb. 12-7). In einem Selbstkontakt („single surface“) kann ein Knoten nicht in Kontakt mit den Segmenten sein, zu denen er gehört, auch wenn diese sowohl als Master als auch als Slave definiert sind. Auch hier hilft die Topologie, die Suche zu erleichtern.
12.2 Auswahl von Master- und Slave-Seite
285
Abb. 12-7 Problem bei der Topologie-Suche
12.2 Auswahl von Master- und Slave-Seite Die Master-Seite liefert Informationen über die Oberflächengeometrie. Diese ist kontinuierlich. Die Slave-Seite liefert nur Informationen über die Lage einzelner Punkte. Bei der Festlegung ist zu verhindern, dass es zu nicht feststellbaren Eindringungen kommt. Als Regeln mögen gelten: 1) Die gröber vernetzte Seite wird Master (sonst s. Abb. 12-8). 2) Die überstehende Fläche wird Master (Abb. 12-9) 3) Die konkave, schwächer gekrümmte oder ebene Fläche wird Master (sonst s. Abb. 12-10). 4) Die Fläche mit höherer Ansatzordnung für die Geometrie wird Master (Abb. 12-11). 5) Die Fläche mit dem darunter liegenden steiferen Material wird Master.
Master-Fläche Slave-Fläche Segmente berühren keinen Kontaktknoten Abb. 12-8 Fehlerhafte Master-Slave-Zuordnung bei ungleicher Vernetzung
Master
Ecke wird nicht gestützt Abb. 12-9 Richtige und fehlerhafte Master-Slave-Zuordnung bei überstehender Fläche
286
12 Kontaktfeststellung
vorstehende konvexe Fläche wird nicht durch Knoten aufgehalten
verschobene Master-Fläche Slave-Knoten und -Oberfläche Abb. 12-10 Fehlerhafte Master-Slave-Zuordnung bei plan-konvexem Kontakt
Bei Integrationspunkt-Kontakt verliert ein Teil der Regeln wegen der erhöhten Zahl von Feststellungspunkten an Bedeutung. Bei Regel 3) kommt hinzu, dass ein Eindringen eines einzelnen Knotens als unvermeidlich in Kauf genommen wird. Die Regeln können einander widersprechen. Dann ist symmetrischer Kontakt zu empfehlen, d.h. der Kontakt wird ein zweites Mal unter Vertauschung von Master- und Slave-Seite definiert. Die Programme können natürlich auch einen Schalter dafür vorsehen. Dabei kommt es dazu, dass teilweise beide Kontakte an einem Ort geschlossen sind, teilweise aber nur einer. Der Algorithmus muss sicherstellen, dass keine doppelten Kontaktkräfte auftreten, weil das die Spannungsverteilung verfälschen würde.
höherer Ordnung: Master
höherer Ordnung: Slave
Abb. 12-11 Kontakt mit Elementen höherer Ansatzordnung
12.3 Nahbereichs-Kontaktberechnungen Wenn erst einmal potenzielle Kontaktpartner durch eine der obigen Ideen identifiziert worden sind, muss die Eindringung oder Öffnung bestimmt werden. Außerdem kann es vorkommen, dass ein Punkt sich zwar nahe einem Segment befindet, aber außerhalb liegt. Das muss zuerst ausgeschlossen werden. Wie man aber sehen wird, sind beide Aufgaben oft gekoppelt.
12.3 Nahbereichs-Kontaktberechnungen
287
12.3.1 Ebene Flächen Bei einer Ebene gibt es in jedem Punkt die gleiche Normalenrichtung. Die Projektion des Abstandvektors eines Kontaktpunktes von einem beliebigen Punkt des ebenen Segmentes auf den Normalenvektor ergibt als negativen Wert eine Eindringung, als positiven einen Abstand: (12.1)
(
)
g = x cp − x ma 2 ⋅
n n
n x1ma Klaffung
x2ma Eindringung
xcp Abb. 12-12 Nahbereichsberechnungen bei einem geraden Liniensegment
Voraussetzung ist allerdings, dass der Kontaktpunkt senkrecht über oder unter der Fläche liegt. Also wird ein Kriterium dafür benötigt. In 2d muss der Abstandsvektor von Kontaktpunkt zu Knoten mit dem Richtungsvektoren des Mastersegmentes einen Winkel kleiner 90° einschließen, d.h. das Skalarprodukt (12.2)
cos α =
(x
)(
cp
ma ma − x ma 2 ⋅ x1 − x 2
cp
− x ma 2
x
x1ma
)
− x ma 2
muss zwischen 0 und 1 liegen (Abb. 12-12). Die Methode kann auf geradlinig begrenzte Dreiecke erweitert werden. Ein Viereck ist im Allgemeinen nicht eben, sondern kann verwölbt sein. Es könnte grundsätzlich in Dreiecke unterteilt werden, auf denen der obige Algorithmus wiederholt wird.
12.3.2 Pseudoelement-Algorithmus Der Pseudoelement-Algorithmus wird hier für ein gekrümmtes Liniensegment in 2d dargestellt. An den Masterknoten werden die Normalen berechnet. Am Übergang zu den Nachbarn sind gemittelte Richtungen die geeignete Wahl. Dann werden weitere Punkte in einer festgelegten Entfernung entlang den Normalen und in Gegenrichtung erzeugt. Diese Punkte dienen als Knoten für die Kontaktzone, die wie ein Element behandelt wird, das Pseudo-Element (Abb. 12-13). Seine Ansatzfunktionen haben parallel zum Segment dessen Verlauf (z.B.
288
12 Kontaktfeststellung
quadratisch) und linearen in Normalenrichtung. Außerhalb des Pseudo-Elementes werden Punkte als „weit entfernt“ betrachtet. {0;1} {1;1}
{-1;1} n1
{; }
n2
n3 {1;0} xcp {1;-1}
{-1;-1} Kontaktpunkt
Mastersegment-Knoten Pseudoelement-Knoten xipe Abb. 12-13 Pseudo-Element für Nahbereichs-Kontaktberechnungen
Sind erst die Einheitskoordinaten {cp;cp} eines Kontaktpunktes xcp bekannt, können sie folgendermaßen interpretiert werden:
•
Wenn -1 cp 1, liegt der Kontaktpunkt über oder unter dem Mastersegment
•
{cp;0} sind die Einheitskoordinaten des Berührpunktes
•
Wenn cp positiv ist, liegt ein Abstand vor, bei negativem Wert eine Eindringung, die bestimmt werden kann als
(12.3)
g = ζ cp n(ξ cp )
Die Einheitskoordinaten können aus den Ansatzfunktionen und den aktuellen Knotenkoordinaten, der Summe aus Anfangskoordinaten und Verschiebungen, bestimmt werden: (12.4a) x(ξ cp , ζ cp ) = N (ξ cp , ζ cp )xˆ pe (12.4c) z (ξ cp , ζ cp ) = N(ξ cp , ζ cp )zˆ pe Dies bildet ein System aus zwei nichtlinearen Gleichungen für die zwei Unbekannten cp und cp, die gleichzeitig erfüllt werden müssen. In 3d gibt es eine weitere Variable, nämlich cp, und (12.4) muss um (12.4b) y (ξ cp ,η cp , ζ cp ) = N(ξ cp ,η cp , ζ cp )yˆ pe erweitert werden.
12.3 Nahbereichs-Kontaktberechnungen
289
12.3.3 Normalensuche Die Entscheidung, ob ein Kontaktpunkt direkt über oder unter einem Mastersegment liegt oder nicht, kann getroffen werden, indem man das Lot vom potenziellen Kontaktpunkt auf die parametrisierte Oberfläche fällt. Wenn eine der Einheitskoordinaten und des Fußpunktes außerhalb des gegeben Bereiches, z.B. [-1;1], liegt, befindet sich der Kontaktpunkt außerhalb des Segmentes und kann daher nicht im Kontakt sein. Ein beliebiger Punkt auf dem Mastersegment hat die aktuellen Koordinaten (12.5)
x ma (ξ ,η ) = N(ξ ,η ) xˆ ma
12.3.3.1 Slave-Seiten-orientierte Suche Wenn die Slave-Seiten-Normale nsl der Bezug ist, hat ein Punkt in ihrer Richtung die Koordinaten
(12.6)
x nor = x sl + ζn sl
Der Berührpunkt mit den entsprechenden Koordinaten (12.7)
x to = x sl + ζ to n sl
(to wie touching kann dann durch Erfüllen von (12.8)
x ma = x nor
(12.9)
N(ξ to ,η to )xˆ ma − x sl − ζ to n sl = 0
⇔
gefunden werden. Dies sind drei Gleichungen, um die drei Einheitskoordinaten zu bestimmen. Wenn to positiv ist, liegt eine Klaffung, bei einem negativen Wert eine Eindringung vor. Deren Betrag ist der Abstand zwischen xto and xsl, also (12.10) g = ζ to n sl Wenn das Mastersegment eine bilineare oder quadratische Form aufweist, werden die Gleichungen nichtlinear und die Lösungen sind nicht zwingend eindeutig. Ein Problem entsteht allerdings nur bei extrem gekrümmten Flächenstücken. 12.3.3.2 Master-Seiten-orientierte Normalensuche Ist die Master-Normale die Suchrichtung, muss der Slave-Knoten auf ihr liegen. Ihr Fußpunkt ist allerdings noch zu bestimmen, sodass gilt:
(12.11) x ma (ξ to , η to ) + ζ n ma (ξ to , η to ) = x sl
290
12 Kontaktfeststellung
Die Normale wird mit den Überlegungen aus Kap. 9.3 berechnet, sodass sich ∂N ma (ξ to ,η to ) ma ∂N ma (ξ to , η to ) ma (12.12) N ma (ξ to , η to )xˆ ma + ζ xˆ × xˆ = x sl ∂ ξ ∂ η
ergibt, also ein nichtlineares Gleichungssystem mit den Unbekannten to, to und . Auch denkbar ist die Ausnutzung der Bedingung, dass der Abstandvektor zwischen SlavePunkt und Berührpunkt auf der Masterfläche senkrecht zur Tangente stehen, mithin das Skalarprodukt null sein muss: (12.13)
(x
sl
− x to
) t=0 T
Im Dreidimensionalen muss der Abstandsvektor senkrecht auf beiden Tangenten stehen, sodass insgesamt
(12.14)
(x
sl
− N ma (ξ to ,η to )xˆ ma
)
∂N ma (ξ to ,η to ) ma xˆ = 0 ∧ ∂ ξ
(x
sl
− N ma (ξ to ,η to )xˆ ma
)
∂N ma (ξ to ,η to ) ma xˆ = 0 ∂ η
T
T
erfüllt werden muss, ein Gleichungssystem nur für to und to. 12.3.3.3 Master-Seiten-orientierte Abstandsbestimmung Die Master-Normale nma durch den Slave-Punkt ist auch dadurch gekennzeichnet, dass ihr Fußpunkt auf der Masterfläche den kürzesten Abstand zum potenziellen Kontaktpunkt besitzt:
(12.15)
N(ξ to ,η to )xˆ ma − x sl → Min.(ξ to ,η to )
Die notwendigen Bedingungen lauten: (12.16)
∂ N(ξ to ,η to )xˆ ma − x sl = 0 ∧ ∂ξ to
∂ N (ξ to ,η to )xˆ ma − x sl = 0 ∂η to
12.3 Nahbereichs-Kontaktberechnungen
291
Aus der ersten der obigen Bedingungen wird3
(12.17)
∂
ˆ ma
N(ξ to , η to )x
∂ξ to
−x
(N(ξ =
sl
ˆ to , η to ) x
ma
− x sl
ˆ ma
N(ξ to , η to )x
−x
)
T
∂N(ξ to , η to ) ma xˆ ∂ξ to
sl
Etwas einfacher ist es, statt des Abstandes dessen Quadrat zu minimieren, also (12.18)
(N(ξ
ˆ to , η to ) x
ma
− x sl
)
2
→ Min.(ξ to , η to )
Eine Ableitung ist dann (12.19)
(
)
(
)
T ∂N(ξ to , η to ) ma 2 ∂ N(ξ to , η to ) xˆ ma − x sl = 2 N(ξ to , η to ) xˆ ma − x sl xˆ ∂ξ to ∂ξ to
Man spart dabei die Bildung der Norm. In beiden Fällen sind die Unbekannten nur to und to. So oder so sind das nichtlineare Gleichungen, um den Berührpunkt zu bestimmen. Auch hier kann bei extremen Krümmungen die Lösung nicht eindeutig sein. Der Betrag des Abstandes wäre nun bekannt, prinzipiell gemäß (12.15). Ob dies eine Klaffung oder eine Eindringung ist, hängt vom Vorzeichen der Projektion von xsl-xto auf die Master-Normale im Berührpunkt ab. Deren Bestimmung ist in Kap. 9.3 beschrieben, sodass man (12.20) g =
t1 × t *2 t1 × t *2
⋅ (x sl − x to )
erhält.
3
Was ist die Ableitung einer Vektornorm nach dem darin befindlichen Vektor? Diese Frage soll am Beispiel des Vektors x={x;y} und der Euklidischen Norm, der Vektorlänge
(x
x =
2
+ y2
)
beantwortet werden. Das Ergebnis gilt allgemein: ∂x ∂x
=
(
∂ x2 + y2 ∂x
)=
(
2x 2
2 x +y
2
)
=
x , x
∂x ∂y
=
y x
∂x ∂x
=
x x
292
12 Kontaktfeststellung
12.4 Konkave Knicke und Ecken gemittelte Normale Master
Kontaktknoten
überlappende erweiterte Segmente Abb. 12-14 Konkave Oberflächen im Knoten-zu-Oberfläche-Kontakt
Knicke in konkaven Master-Oberflächen führen dazu, dass bei Verwendung der richtigen Normalen hinter der Oberfläche Bereiche entstehen, die keinem Segment zugeordnet sind (Abb. 12-14), sodass es zu einem Kontaktdurchbruch käme. •
Der Pseudoelement-Algorithmus mit gemittelten Normalen beseitigt das Problem.
•
Bei innenliegenden Kontaktfeststellungspunkten (Punkt zu Oberfläche) ist ein Problem unwahrscheinlich, weil jeder Knoten durch mehrere ihn umgebende Punkte gestützt wird (Abb. 12-15).
•
Bei Orientierung an der Slave-Normalen hilft eine Mittelung nicht, weil diese ja nicht die Masterseite betrifft.
•
Bei der Suche nach dem kürzesten Abstand kann eine gemittelte Normale nicht in die Gleichungen (12.15 ff.) eingeführt werden.
•
Ähnlich wie bei der Slave-Normalen könnte aber die nach (9.3) interpolierte MasterNormale zu einer Bestimmung der Berührpunktkoordinaten herangezogen werden:
(12.21)
x ma (ξ to , η to , ζ to ) = N ma (ξ to , η to ) xˆ ma = x sl − ζ to N ma (ξ to , η to )nˆ av
also
12.4 Konkave Knicke und Ecken
(
293
)
(12.22) N ma (ξ to , η to ) xˆ ma + ζ to nˆ av = x sl Eine gängige Methode ist die künstliche Erweiterung der Segmente, d.h. es werden geringfügig außerhalb der zugehörigen Intervallgrenzen liegende Einheitskoordinaten {to; to} für den Berührpunkt zugelassen (Abb. 12-14). Dabei wird aber ein Kontaktpunkt zwei Segmenten zugeordnet, sodass auch zwei Kontaktkräfte berechnet werden. Bei 90°-Ecken ist das genau richtig, bei eher flachen Knicken könnten sich nahezu doppelte Kräfte in einer Richtung und damit Störungen in den Kontaktspannungen ergeben. Bei Berücksichtigung der Topologie kann dies festgestellt werden, sodass nur eine gemittelte Kraft aufgebracht wird. Master
gemittelte Normale
Kontaktpunkt Knoten
Abb. 12-15 Konkave Oberflächen im Punkt-zu-Oberfläche-Kontakt
13 Kontakt mit Schalen- und Balkenelementen 13.1 Dickenberücksichtigung Bei Balken wird nur eine Dimension, die Balkenachse, bei Schalen werden die zwei Richtungen der Referenzfläche, die meist die Mittelfläche ist, diskretisiert. Sie haben aber grundsätzlich Abmessungen in drei Richtungen. Bei Balken in 2d muss für den Kontakt die Höhe bzw. der Abstand der Außenkanten von der Achse, bei Schalen die Dicke berücksichtigt werden. Nicht behandelt werden hier der Kontakt zweier Balken in 3d und der Kontakt von Schalenkanten. Mittelfläche Außenkanten e1
e2
g
Knoten
Abb. 13-1 Dickenberücksichtigung im Schalenkontakt
Eine Möglichkeit der Erfassung ist, die beiden Abstände e1 und e2 der Außenkanten von den Referenzfläche zu addieren und zu fordern, dass diese Distanz verbleiben muss, sodass die Kontaktbedingung dann (13.1)
g ≥ e1 + e 2
lautet. Alternativ können die Knoten bzw. die Kontaktpunkte in Richtung der jeweiligen – ggf. gemittelten – Normalen verschoben werden, sodass eine virtuelle Kontaktgeometrie entsteht (Abb. 13-2). Besonders naheliegend ist das beim Pseudoelement-Algorithmus, weil hier ohnehin virtuelle Knoten erzeugt werden. Die in Normalenrichtung berechneten KontaktKnotenkräfte können direkt auf die realen Knoten übertragen werden.
Master virtuell
Kontaktpunkt virtuell
Mittelfläche
Knoten Abb. 13-2 Virtuelle Kontaktgeometrie
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9_13, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
13.2 Momente aus Exzentrizitäten
295
13.2 Momente aus Exzentrizitäten Wird bei Schalen und Balken die Dicke berücksichtigt, greifen die Kräfte an den realen Außenkanten an. Für die Kontaktnormalkraft ist das bedeutungslos. Für die Tangential-, also die Reibkraft bedeutet das jedoch eine Ausmitte e gegenüber der Mittelfläche (Abb. 13-3), die zu einem Moment führt.
FR bzw. R
e2
FR e1 Abb. 13-3 Exzentrischer Tangentialkraftangriff
Im Falle des Integrationspunkt-Kontaktes handelt es sich um ein verteiltes Moment (13.2)
m =τ R e
Um dies auf die Knoten zu verteilen, kann bei Schalen wie für Gl. (11.10) vorgegangen werden, nur dass die potenzielle Energie mit der Verdrehung berechnet wird, sodass sich (13.3)
fR =
N
ϕT
(ξ , η ) m dA
( A)
ergibt. Bei der Bernoulli- oder Kirchhoff-Theorie ergibt sich N als Ableitung des Verschiebungsansatzes, sodass fR Knotenkräfte und -momente enthält. Bei der Timoshenko- oder Reissner-Mindlin-Theorie sind die Ansätze für die Verschiebungen und Verdrehungen prinzipiell unabhängig (dies für reduzierte Integration oder „Assumed strain“-Formulierungen in Zweifel zu ziehen, würde hier zu weit führen, s. [21]). Dann ergibt (13.3) nur Knotenmomente. Bei Knotenkontakt und auf der Masterseite sind diskrete Momente (13.4)
M = FR e
zu berücksichtigen, sodass sich die Knotenlasten zu (13.5)
f R = N ϕT (ξ to , η to ) M
ergeben, wobei der Index to den Berührpunkt (touching) kennzeichnet. Eine andere Variante, die auch anwendbar ist, wenn Oberflächen von Elementen ohne Drehfreiheitsgrade, z.B. Volumenelemente, eine Ausmitte haben dürfen, etwa um Übermaße vereinfacht einbringen zu können, besteht darin, das Moment in ein Kräftepaar zu verwandeln. Weil das Moment ein freier Vektor ist, kommt es nicht einmal auf die genaue Position an;
296
13 Kontakt mit Schalen- und Balkenelementen
auch ist die Zusammensetzung von Kraft und Ausmitte wählbar, nur das Produkt muss M aus (13.4) entsprechend. Genau genommen gelten diese Betrachtungen nur am Starrkörper, aber solange das Element keine S-Form beschreiben kann, dürften sich nur marginale Unterschiede ergeben. Es spricht aber nichts dagegen, ein Kräftepaar FR mit dem Abstand e beiderseits des Angriffspunktes zu positionieren. Die Knotenkräfte ergeben sich dann über die Ansatzfunktionen für die Verschiebungen zu (13.6)
f R = N wT (ξ to + ε , η to + δ ) FR − N wT (ξ to − ε , η to − δ ) FR
und sind dann aus den Koordinaten der verschobenen Angriffspunkte in Einheitskoordinaten umzurechnen. Alternativ können und auch vorgegeben werden. Daraus können direkter die realen Angriffspunktkoordinaten errechnet und nach deren Abstand die Größe des Kräftepaares bestimmt werden.
FR e
FR e FR
FR M
FR
Abb. 13-4 Berücksichtigung des Momentes aus Exzentrizität
Grundsätzlich ist es aber auch hier möglich, einen Zusammenhang zwischen den Verschiebungen und der Verdrehung am Berührpunkt herzustellen und dann analog (13.5) vorzugehen. Dabei genügt auch bei großen Drehungen die – in der aktuellen Lage – linearisierte Form, d.h. in mitgedrehten rechtwinkligen Koordinaten wirken in der Normalenrichtung die Knotenkräfte (13.7)
fR =
∂N ∂N ∂N ∂N Mx − My =− FRy e + FRx e ∂y ∂x ∂y ∂x
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Stichwortverzeichnis A Arc-Length-Methode............................. 89 Armstrong-Frederik-Modell ................ 219 Augmented-Lagrange-Verfahren ........ 260 B Bauschinger-Effekt ............................. 197 Besseling-Modell ................................ 214 Beuleigenform ....................................... 13 Beulen ................................................... 64 lineares .............................................. 13 Beulform lineare ................................................ 80 Bingham-Modell ................................. 117 Bogenlängenverfahren .......................... 89 Bucket Sort .......................................... 281 Burghers-Modell ................................. 118 C Chaboche-Modell ........................ 219, 227 convolution integral ............................ 127 Crisfield-Verfahren ............................... 99 D Deformationsgradient ............................ 23 Dehngeschwindigkeit .......................... 127 Dehnung Green-Lagrange................................. 21 Hencky .............................................. 57 logarithmische ................................... 50 Dehnungsverfestigung......................... 152 Deviator ............................................... 122 Deviatorebene ............................. 123, 186 Differentialgleichung des Balkens ....................................... 18 direkte Methode für Kontaktbedingung ............. 243, 249 Drucker-Prager-Bedingung ................. 190 Durchschlagproblem ............................. 65 Durchschlagpunkt ................................. 68 E ebener Spannungszustand ................... 145 ebener Verzerrungszustand ................. 145
Eigenfrequenzanalyse............................ 72 Eigenwert kritischer............................................ 78 Eigenwertanalyse begleitende ........................................ 72 Eigenwert-Analyse begleitende ........................................ 80 Einspielen ............................................ 221 Elastizität lineare .............................................. 108 nichtlineare ...................................... 109 Eulerfall ................................................. 14 Euler-Verfahren................................... 139 rückwärts ......................................... 161 vorwärts ........................................... 156 F Faltungsintegral ................................... 127 Fließbedingung .................................... 181 Drucker-Prager ................................ 190 Mohr-Coulomb ................................ 188 Tresca .............................................. 185 von Mises ........................................ 183 Fließgrenze .......................................... 179 Fließregel ............................................ 181 assoziierte ........................................ 182 Fließspannung ..................................... 179 G Geschichtsvariable ...................... 135, 177 Gestaltänderungsenergie-Hypothese ... 183 Gleichungslösung nichtlinear............................................ 1 H Hauptspannungsraum .......................... 123 Hencky-Dehnung .................................. 57 Hooke-Element ................................... 108 hydrostatischer Zustand....................... 123 Hyperkugel ............................................ 97 I Imperfektion .......................................... 78 Empfindlichkeit ................................. 82
W. Rust, Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen, DOI 10.1007/978-3-8348-8148-9, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
300 Iteration lokale ............................................... 199 lokale und globale............................ 175 K Kelvin-Voigt-Element .........................114 Kippen ...................................................64 Knicken .................................................64 Konsistente Tangente .................. 205, 208 Kontakt Dickenberücksichtigung ..................294 Integrationspunkt-~ ................. 237, 267 Knoten zu Knoten ............................ 236 Knoten zu Oberfläche ...................... 236 Nahbereichsberechnungen ...............286 Oberfläche zu Oberfläche ................ 238 -suche............................................... 281 tangentiale Steifigkeit ...................... 264 Kontaktkraftverteilung......................... 268 Kontaktsteifigkeit ................................275 Konvergenz..............................................6 -kriterien ..............................................6 Kraftsteuerung .......................................86 Kriechdehnungsinkrement ................... 158 Kriechen .............................................. 151 primäres ........................................... 151 sekundäres ....................................... 151 Kriechgeschwindigkeit ................ 152, 170 Kriechgesetz ........................................ 167 Kriechsimulation ................................. 153 Kriechverhältnis .................................. 160 kritischer Eigenwert...............................78 Kugeltensor ......................................... 122 L Lagrange-Formulierung Updated-~ .................................... 58, 61 Lagrange-Methode ...................... 246, 256 Augmented-~ ................................... 260 Perturbed-~ ...................................... 257 line search ................................................4 lineare Beulform ....................................80 lineare Elastizität ................................. 108 M Masing-Effekt ...................................... 197 Master .................................................. 236
Stichwortverzeichnis Maxwell-Element ................................112 Melan-Theorem ...................................222 Mittelpunktsregel .................................139 Modalanalyse .........................................72 Mohr-Coulomb-Bedingung .................188 N Newton-Element ..................................109 Newton-Raphson-Verfahren ....................1 Nichtlineare Elastizität ........................109 Normalensuche ....................................289 Nullstellenbestimmung ............................1 O Ohno-Wang-Modell.............................230 Overconstraining .................................262 Overlay-Modell ...................................214 P Penalty-Methode.......................... 244, 253 Penalty-Steifigkeit ....................... 245, 275 Perturbed-Lagrange-Methode ..............257 Pinball ..................................................282 Plastizität .............................................179 Plattenbeulen .........................................64 Prandtl-Element ...................................110 Prony-Reihe .........................................126 Pseudoelement-Algorithmus................287 Pseudo-Zeit ..........................................138 Q Quasi-Newton-Verfahren ........................3 R Ratcheting Material-~ ........................................227 Struktur-~ ........................................224 Ratcheting ............................................221 numerisches .....................................232 thermisches ......................................231 Reibung ...............................................263 Relaxation ............................ 151, 157, 162 ~sversuch .........................................126 Relaxationskurve .................................160 Riks-Verfahren ......................................89
Stichwortverzeichnis S Schubspannungs-Hypothese................ 185 Selbstkontakt ............................... 235, 284 Shakedown .......................................... 221 Shift-Funktionen bei Visko-Elastizität ........................ 141 Single-Surface-Kontakt ....................... 284 Slave .................................................... 236 Spannung Cauchy .............................................. 54 Spannungsdeviator .............................. 122 Spannungstensor ................................. 121 Spannungsversteifungsmatrix ............... 18 spektrale Zerlegung ............................... 57 St.-Venant-Element ............................. 109 Stabelement ............................................. 9 Starrkörperkontakt............................... 235 T Tangente konsistente ....................................... 167 Tangentenmodul.................................. 193 Taylor-Reihenentwicklung .................... 12 Temperaturabhängigkeit bei Visko-Elastizität ........................ 136 Tensornotation .................................... 120 Theorie 2. Ordnung ................................. 9 thermo-rheologisch ............................. 137 U Updated-Lagrange-Formulierung.......... 58
301 V Vektornotation..................................... 120 Verfestigung isotrope ............................................ 194 kinematische ............................ 196, 214 Verfestigungsmodul ............................ 193 Verfestigungsrege ............................... 181 Verfestigungsregel .............................. 192 Verschiebungssteuerung........................ 86 mit Kraftgrößen ................................. 88 Verzweigungsproblem .......................... 65 virtuelle Arbeit ...................................... 25 Visko-Elastizität .................................. 115 Viskoelastizitätsmodell ....................... 117 Visko-Plastizität .................................. 117 W Werkstofftangente ............................... 131 Williams-Landel-Ferry- (WLF-) Gleichung ........................................ 141 Z Zeitabhängigkeit direkte.............................................. 170 direkte und indirekte........................ 152 indirekte .......................................... 173 Zeitdiskretisierung............................... 128 Zeitintegration ............................. 139, 155 explizite ........................................... 156 implizite .......................................... 161 Zeitschritt ............................................ 128 Zeitverfestigung .................................. 152