Öffne dein Herz, Dane Karen Rose Smith
Bianca 1329 19 – 02/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Eigentlich hätte Dane...
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Öffne dein Herz, Dane Karen Rose Smith
Bianca 1329 19 – 02/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Eigentlich hätte Dane Cameron von der Landschaft New Mexicos begeistert sein müssen. Er war schon mal hier im Südwesten gewesen, um an einem Ärztekongress teilzunehmen. Damals war er jedoch nicht aus dem Hotel herausgekommen. Jetzt hatte er das Gefühl, als ob jene Reise schon Ewigkeiten zurücklag. Damals war sein Leben noch erfüllt gewesen mit einer Arbeit, die er liebte ... einer Frau ... und einem Sohn ... Obwohl es schon fast fünf Uhr nachmittags war, stand die Sonne immer noch feurig rot und brennend am Himmel. Dane folgte der Wegbeschreibung, die ihm der Mann im Motel gegeben hatte, als er vorhin in diese Kleinstadt namens Red Bluff gekommen war. Am Büro des Sheriffs vorbei, über den Marktplatz und dann noch einige Häuserblocks weiter. Rechts sah er das Schild zur Familienpraxis von Red Bluff und bog auf den Parkplatz ein. Dort standen zwei Fahrzeuge, ein Jeep und eine Limousine. Er hoffte, dass die Praxis noch offen war, denn er war gespannt auf seinen neuen Arbeitsplatz. Er spürte einen Eifer in sich, der ihn fast überraschte, nachdem er fast zwei Jahre lang wie betäubt eher existiert als wirklich gelebt hatte. Als er mit großen Schritten zur Eingangstür der Praxis ging, fiel ihm auf, wie anders die Landschaft hier im Vergleich zum Nordosten war. Doch als er an der Eingangstür des Gebäudes ankam, interessierte es ihn mehr, was er dahinter antreffen würde. Dane war zunächst beeindruckt von der Atmosphäre in der Eingangshalle. Überall gab es spanische und indianische Motive. Burgunderrot und Dunkelgrün waren die dominierenden Farben der Einrichtung. Er blieb am Fenster der Pförtnerloge stehen und sah, dass die Kabine dahinter leer war. Eine Tür, an der Chilischoten hingen, stand offen, und Dane glaubte, Stimmen aus dieser Richtung zu hören. Er ging dem Geräusch nach und hielt vor einem Untersuchungszimmer inne, dessen Tür nur angelehnt war. Als er hineinsah, stockte er. Am Waschbecken stand eine ältere Frau. Aber es war die andere, die jüngere Frau im weißen Kittel mit einem Stethoskop um den Hals, die seine Aufmerksamkeit weckte. Sie sprach mit ruhiger Stimme zu ihrer Patientin. Was ihn faszinierte, war ihre exotische Schönheit. Ihr Haar hatte die Farbe und den Glanz eines Zobels. Es war zum Pferdeschwanz zusammengebunden und reichte fast bis zur Taille hinunter. Die hohen Wangenknochen hatten eine feine Linienführung, ebenso die gerade Nase und das Kinn. Die Haut war braun, die vollen Brüste standen hoch, und die sanft geschwungenen Hüften zeichneten sich unter ihrem weißen Kittel ab. Dane war ihre heisere Altstimme schon am Telefon aufgefallen, und er hatte sich gefragt, wie diese Frau wohl aussehen würde. Wenn dies die Ärztin war, mit der er arbeiten sollte ... Er spürte in seinem Körper Regungen, die schon seit sehr langer Zeit nicht mehr zu seinem Leben gehört hatten.
Plötzlich hörte er aus dem Wartezimmer einen Tumult. "Dr. Youngbear! Kommen Sie schnell", rief jemand von dort. Dane erkannte sofort, dass es sich um einen Notfall handeln musste, und ging zurück in die Eingangshalle, wo er zwei Männer in grauer Uniform vorfand. Der Jüngere von beiden - er war wohl Ende zwanzig - hatte rote Flecken im Gesicht und auf den Armen, und seine Lippen waren geschwollen. "Wespen haben ihn erwischt", erklärte sein Partner hastig. "Er sagt, dass es ihm den Hals zuschnürt." Dane war zwar Kinderkardiologe, aber er erinnerte sich noch gut an seine Dienste in der Notaufnahme. Nach einer schnellen, flüchtigen Untersuchung war er sich sicher, dass der Mann einen anaphylaktischen Schock hatte. "Ich bin Dr. Cameron", sagte er den Männern und führte sie schnell den Flur hinunter in einen leeren Untersuchungsraum. Die Stimmen hatten auch Maria Youngbear in den Flur gelockt. Sie ließ den Blick schnell über Dane wandern - über sein braunes Polohemd und seine khakifarbenen Hosen. Dann galt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Mann, der gestochen worden war. "Rod! Was ist passiert?" Bevor der junge Mann versuchen konnte zu antworten, sagte Dane kurz angebunden: "Dane Cameron. Unser Patient ist mehrfach gestochen worden. Ich brauche Epinephrin und Benadryl intramuskulär." Maria riss einen Moment lang ihre dunkelbraunen Augen auf. Dann ging sie zu dem Patienten. "Ich hole, was Sie brauchen", sagte sie schnell zu Dane. Bis Dane Rod geholfen hatte, sich auf den Untersuchungstisch zu legen, war Maria schon mit den Spritzen zurück. Dane nahm sie ihr ab und verfluchte die Finger seiner rechten Hand, die er immer noch nicht wieder richtig krümmen konnte. In den letzten sechs Monaten, seit er sich entschieden hatte, die Stelle in Red Bluff anzunehmen, war er irgendwie beidhändig geworden, aber er war immer noch ungeschickt. Nachdem er Rods Arm mit einem alkoholgetränkten Tupfer abgewischt hatte, injizierte er das Medikament. Dann griff er nach dem Stethoskop, das Maria auf einen Stuhl gelegt hatte, und untersuchte Rod gründlich. Nach einer Viertelstunde begann die Schwellung zurückzugehen, und das Gesicht des Hilfssheriffs war nicht mehr ganz so rot. Dane gab dem jungen Mann noch eine Spritze. "Wie fühlen Sie sich jetzt?" Der Patient verzog das Gesicht. "Besser. Mein Hals ist nicht mehr so zugeschnürt. Nur die Stiche tun noch höllisch weh." "Auf die Stiche werden wir kalte Kompressen legen. Sie werden bis morgen hier bleiben müssen, damit wir Sie noch weiter beobachten können. Es sei denn, Sie möchten lieber, dass ich einen Krankenwagen bestelle, um Sie ins Krankenhaus bringen zu lassen. Soweit er sich erinnern konnte, hatte Maria Youngbear ihm am Telefon gesagt, dass es in dieser Stadt kein öffentliches Krankenhaus gab. "Nicht ins Krankenhaus", murmelte Rod. "Ich bleibe lieber hier."
"Wird er wieder gesund?" fragte Wyatt Baumgardner, der andere Mann in Uniform. „Sie haben ihn rechtzeitig hergebracht. Morgen müsste er wie der auf den Beinen sein." Maria hatte die ganze Zeit weder Dane noch Rod aus den Augen gelassen und sagte jetzt in sehr knappem Ton: "Dr. Cameron, ich möchte Sie draußen sprechen." Dane schaute sie wieder von oben bis unten an. Sie war schön. „In Ordnung." Zu Rod sagte er: "Ich bin gleich zurück." Draußen im Flur schaute Maria ihn von unten her an. "Sie haben ganz offensichtlich Führungsqualitäten, Dr. Cameron, und die sind auch in der Notfallmedizin sehr wichtig. Aber bevor Sie meine Praxis noch ein weiteres Mal einfach übernehmen, würde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie das vorher mit mir besprechen. Ich muss noch nach einem Patienten sehen. Anschließend zeige ich Ihnen die ganze Anlage." Damit verschwand Maria Youngbear im nächsten Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dane war ein paar Minuten lang sprachlos und wusste nicht, was er von der hübschen Ärztin halten sollte. Sie hatte ihn ganz offensichtlich zusammengestaucht. Etwa weil er einen Notfall versorgt hatte? Eine halbe Stunde, nachdem Wyatt ihn in dieser Gegend willkommen geheißen und mit einem freundlichen Händedruck verlassen hatte, informierte Rod Dane über alles Wissenswerte von Red Bluff. Aus dem Geräusch einer sich öffnenden Tür und den anschließenden Stimmen im Flur schloss Dane, dass Maria mit ihrem Patienten fertig war. Sofort danach kam eine Krankenschwester ins Untersuchungszimmer. "Dr. Youngbear ist jetzt frei. Ich kann so lange auf Rod aufpassen." Dane nickte, vergewisserte sich, dass es Rod gut ging und überließ ihn dann der Krankenschwester. Die Tür zum Eckbüro stand offen. Maria saß mit gebeugtem Kopf an einem der Schreibtische und machte Notizen. Ihr Kittel war offen, und der dunkelbraun schimmernde Pferdeschwanz hing über ihrem roten Stricktop. "Wäre es nicht einfacher, ein Diktiergerät zu benutzen?" fragte Dane, als sie aufblickte. "Nicht, wenn ich die Notizen nach dem Diktat selber schreiben muss.“ "Aber Ihre Sekretärin kann doch..." "Ich habe keine Sekretärin, Dr. Cameron. Betsy Fulton ist meine Empfangsdame. Sie ist mit den Patienten, dem Schreiben der Rechnungen sowie dem Führen des Terminplans voll ausgelastet. Ich habe noch eine Krankenschwester, aber sie ist im Mutterschaftsurlaub. Joan springt nur so lange ein, bis sie zurückkommt." Sie zeigte auf den zweiten Schreibtisch im Zimmer. "Das ist Ihr Schreibtisch." Dane besah sich den Raum mit den beiden Schreibtischen, dem schwarzen Ledersofa, Bücherregalen und einem Aktenschrank. "Wir teilen uns ein Büro?"
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah ihn prüfend an. "Dies ist keine Großstadtpraxis. Unser Raum ist begrenzt. Wenn Sie ein eigenes Büro brauchen, sind Sie hier am falschen Platz." Während sie sich gegenseitig schweigend beobachteten, merkte Dane zwei Dinge. Maria Youngbear übte eine Anziehung auf ihn aus, wie es seit sehr langer Zeit keine Frau mehr getan hatte. Aber sie ärgerte sich über ihn, und er fing an zu verstehen, warum sie das tat. Dies war ihr Reich, in das er eingedrungen. war. Sie war verärgert, weil er ihre Position übernommen hatte. "Ich bin nicht eines eigenen Büros wegen nach Red Bluff gekommen. Wie ich Ihnen schon am Telefon erklärt habe, bin ich gekommen, weil ich eine Abwechslung brauche. Wenn ich Ihnen vorhin auf die Füße getreten bin, dann habe ich das nicht beabsichtigt, aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich schnell gehandelt habe, als es nötig war." Ihre großen dunklen Augen weiteten sich etwas. Die Überraschung über seine schonungslose Ehrlichkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber dann lächelte sie ihn reumütig an und reichte ihm die Hand. "Warum fangen wir nicht einfach noch mal von vorne an? Ich bin Maria Youngbear. Willkommen in Red Bluff . " Auch er reichte ihr die Hand. Dabei war ihm klar, dass sie genau spürte, wie steif seine Finger waren, als sie seine Rechte ergriff . Am Telefon hatte er ihr zwar erzählt, dass er einen Unfall gehabt hatte, wodurch seine Hand stark beeinträchtigt sei. Er hatte jedoch auch beteuert, dass er das mit der linken Hand ausgleichen könne. Sie schien ihn trotzdem unbedingt einstellen zu wollen und hatte ihm gesagt, dass sie bei der Arbeit sicher Rücksicht auf seine Verletzung nehmen könnten. "Wie ich Ihnen schon gesagt habe, ich kann die linke Hand genauso gut benutzen wie früher die rechte", versicherte er ihr aufs Neue. „Im OP habe ich beide gebraucht, aber in dieser Familienpraxis werde ich gut zurechtkommen." "Haben Sie Krankengymnastik gemacht?" erkundigte sie sich, als sie die unübersehbare Narbe bemerkte, die von den Fingern bis unter das Handgelenk verlief. "Ich bin operiert worden. Das reicht." Er hoffte, sie würde merken, dass er darüber nicht sprechen wollte. Der Unfall, der ihm die Frau und den Sohn geraubt und ihn die Karriere gekostet hatte, war verbotenes Terrain. Aber Maria Youngbear gehörte offensichtlich nicht zu den Menschen, die einen solchen Hinweis verstehen konnten. "Sie wollen nie mehr als Kinderkardiologe arbeiten?" "Ich habe diese Stelle als Allgemeinmediziner angenommen, und genau das will ich auch sein." Als Maria sich vor über sechs Monaten Dane Camerons untadeligen Lebenslauf angesehen und ihn daraufhin telefonisch interviewt hatte, hatte er ihr nur gesagt, dass er nach Red Bluff gehen wolle, um seinem Leben eine neue Wende zu geben. Damit hatte er zwar ihre Neugier geweckt, und sie hätte gern noch ein paar Einzelheiten erfahren, aber sie hatte seine Privatsphäre respektiert und war nicht weiter in ihn gedrungen. Jetzt, wo sie ihn kennen gelernt hatte,
merkte sie, dass sein Wunsch nach beruflicher Veränderung nur die Spitze eines Eisbergs war, den er geflissentlich geheim hielt. Als sie Dane in die blauen Augen sah, fühlte sie sich von den Stürmen ergriffen, die in ihm zu toben schienen. Nur mit Schwierigkeiten konnte sie den Blick von ihm lösen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr Sie würde schon wieder zu spät kommen, um ihre Tochter von der Ranch ihrer Eltern abzuholen. Glücklicherweise hatten ihre Eltern Verständnis für die Arbeitszeit eines Arztes. Und zum Glück musste die zweijährige Sunny nur bei Menschen sein, die sie liebte. Wie so oft war Maria dankbar für diese Tochter, für dieses kostbare Geschenk aus einer Ehe, die schon zum Scheitern verurteilt gewesen war, bevor sie richtig angefangen hatte. „Ich kann Sie noch kurz durch die Praxis führen, wenn Sie möchten", sagte sie zu Dane. "Aber dann muss ich gehen. Ich muss meine Tochter abholen und uns beide für das Abschiedsfest von Dr. Grover zurechtmachen. Das ist der Arzt, der in Ruhestand geht und dessen Platz Sie einnehmen. Joan wird heute Nacht hier bei Rod bleiben, und ich werde ab und zu herkommen, um nach ihm zu sehen." "Ich kann auch hier bleiben", bot Dane an. Maria fragte sich, ob er tatsächlich ein so engagierter Arzt war oder einfach nur ruhelos nach seiner langen Fahrt und seiner Ankunft in einer neuen Stadt. "Offiziell fangen Sie erst am Montag an. Es ist für die Verwaltung einfacher, wenn wir dabei bleiben." Das hörte sich zwar logisch an, aber in Wahrheit brauchte sie Zeit, um sich an seine Gegenwart zu gewöhnen, und vor allem an die Vorstellung, neben diesem gut aussehenden Arzt zu arbeiten. Nachdem Dane sie so lange angesehen hatte, bis es ihr unangenehm wurde, erwischte er sie in einem Augenblick nachlassender Wachsamkeit. "Wie alt ist Ihre Tochter?" erkundigte er sich. Der Gedanke an Sunny zauberte ihr ein Lächeln auf das Gesicht. "Sie ist zwei Jahre und drei Monate alt." Dane sah auf Marias linke Hand, an der kein Ring zu sehen war. "Ich bin geschieden." Maria wusste nicht, warum es ihr plötzlich wichtig war, ihn das wissen zu lassen. Sie hatten beide einige Minuten lang geschwiegen, in denen sie Danes kräftige Gestalt von einem Meter neunzig, die fantastisch breiten Schultern, das dichte blonde Haar und die blauen Augen auf sich wirken ließ, als er sagte: "Die Führung durch die Praxis kann bis Montag warten. Haben Sie einen Dienstplan?" Maria fühlte sich plötzlich hinter ihrem Schreibtisch in der schwächeren Position. Ihr wurde klar, dass es völlig anders sein würde, das Büro mit ihm statt mit Dr. Grover zu teilen. Er hatte eine so starke Ausstrahlung, dass die Luft im Raum zu knistern schien. Hastig blätterte sie durch die Papiere im Ablagekorb auf ihrem Schreibtisch, nahm ein Blatt heraus und stand auf. "Dies ist unser Dienstplan." Als Dane ihr den Zettel aus der Hand nahm, berührte er mit dem Daumen zufällig ihre Handfläche. Dabei lief ihr ein Kribbeln den Rücken hinunter. Sie
versuchte, es zu ignorieren, aber da trafen sich ihre Blicke, und es wurde unmöglich, das zu leugnen, was zwischen ihr und Dane Cameron geschah. Sie suchte nach wichtigen Informationen, die sie ihm noch geben konnte, und es fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass sie ihn gar nicht zu Dr. Grovers Abschiedsparty eingeladen hatte. " Dr. Grovers Fest heute Abend findet in der Cafeteria der Grundschule statt, für den Fall, dass Sie kommen möchten." Dane löste mit aller Kraft den Blick von ihr, schaute kurz auf den Dienstplan und steckte das Blatt dann in die Tasche seiner Khakihose. "Ich werde vorbeischauen, obwohl ich eigentlich kein Partymensch bin." "Ich dachte nur, es ist eine gute Gelegenheit, die Patienten von Red Bluff kennen zu lernen. Dies ist eine sehr kleine Stadt, in der jeder jeden kennt." "Und Sie glauben, es würde der Praxis gut tun, wenn ich mich sehen lasse", vermutete er. "Wenn Sie kommen wollen, die Party fängt um acht Uhr an", fügte sie nur hinzu. "Die Grundschule liegt am Fluss. Wo wohnen Sie?" „Im Sagebrush Motel. Ich muss mir noch eine Wohnung suchen. Wissen Sie vielleicht eine für mich?" Maria wohnte in einer Appartementanlage nur wenige Häuserblöcke von der Praxis entfernt. Die Wohnung neben ihr war frei, aber sie glaubte nicht, dass sie Tür an Tür mit diesem verführerischen Mann leben wollte, der Gefühle in ihr weckte, die sie selbst vor ihrer Scheidung nicht mehr gehabt hatte. „Ich werde darüber nachdenken und Ihnen eine Liste machen." Dane nickte. Als er sich ein letztes Mal im Büro umschaute, sah er das eingerahmte Bild auf Marias Schreibtisch stehen. Es war ein Bild von Sunny. "Ist das Ihre Tochter?" fragte er. An dem angespannten Unterton in seiner Stimme und dem Ausdruck in seinem Gesicht merkte Maria, dass es schmerzlich für ihn war, das Bild anzusehen. „Ja, das ist sie", bestätigte sie sanft. "Sie ist hübsch." "Ja, das ist sie. Sie ist ein Schatz. Ich weiß nicht, was ich ohne sie anfangen würde." Als Dane sie wieder anschaute, hatte sie den Eindruck, dass er plötzlich gequält aussah. "Ich bin schon weg", sagte er mit rauer Stimme. "Wenn wir uns nicht heute Abend sehen, dann Montagmorgen gegen acht Uhr. Ist die Praxis dann offen?" "Die Empfangsdame kommt um acht. Mein erster Termin ist um neun." Dane nickte, drehte sich um und verließ das Büro. Als er den Flur hinunterging, hatte Maria die dumpfe Vorahnung, dass ihr Leben jetzt etwas komplizierter werden würde. Es war schon fast halb neun, als Dane die Cafeteria der Grundschule betrat. Er hatte sich erst in letzter Minute entschieden zu kommen. Als er in das Gelächter und das Stimmengewirr eintauchte, redete er sich zwar ein, er sei nur aus
Pflichtgefühl hier. Dennoch ertappte er sich dabei, dass er in der Menge nach Maria Youngbear Ausschau hielt. Sein erster Eindruck war, dass er mit seinen marineblauen Hosen und seinem weißen Oxford-Hemd zu fein angezogen war. Viele trugen kurze Hosen, wohl um die Juli-Hitze besser ertragen zu können. Die Ventilatoren an der Decke surrten und wirbelten die gasgefüllten Luftballons herum, die an vielen Tischen befestigt waren. Auf zwei Tischen vorne im Saal standen zwei große Kochtöpfe mit Essen. Auf einem anderen Tisch gab es Bowle. Die Einwohner von Red Bluff saßen an den Tischen, aßen und tranken oder standen in Grüppchen herum. Dane, der sich ein wenig verloren fühlte, schlenderte zu dem Tisch mit der Bowle hinüber. Er hatte den Raum gerade zur Hälfte durchquert, als sein Blick auf ihre dunkelbraune Haarpracht fiel. Maria hatte wirklich prächtiges Haar, vor allem, wenn es wie jetzt nicht zum Pferdeschwanz zusammengebunden war. Er betrachtete ihre weiße Bauernbluse und ihren schwingenden, rotweiß-blau geblümten Stufenrock, der ihr um die Fußgelenke schwang. Mit jeder Faser strahlte sie pulsierendes Leben aus. Als wenn sie seinen Blick gespürt hätte, drehte sie sich um, und sie sahen sich gegenseitig in die Augen. Einen Moment lang blieb er wie angewurzelt stehen. Er sah nur, wie die vom Ventilator herumgewirbelte Luft mit ihrem Pony spielte. Dann kam ein Kind auf sie zugelaufen und schlang die Arme um Marias Beine. Maria lachte, nahm das kleine Mädchen auf den Arm und kam zu ihm herüber. Er erinnerte sich, wie er Keith genauso auf dem Arm gehalten hatte ... Er erinnerte sich einfach an zu viele Dinge, die er verzweifelt zu vergessen versuchte. Dennoch konnte er den Blick nicht von diesem hübschen Kind abwenden. Sunny war wirklich reizend in ihrem gelben Sommerkleidchen mit den Puffärmelchen. Sie trug kleine Sandalen, passend im Farbton. Eine Sehnsucht, die nie aufzuhören schien, zog ihm schmerzhaft das Herz zusammen. Maria lächelte zu ihm hoch. "Da sind Sie also doch noch gekommen“. "Als Alternative hätte ich mir Wiederholungen im Fernsehen anschauen können", antwortete er sarkastisch. Sie lachte, weil ihre kleine Tochter versuchte, ihrer Mutter den Daumen in den Mund zu stecken. "Wie heißt sie?" fragte Dane. "Sunny." In diesem Moment stellte sich eine ältere Frau neben Maria. "Ist das unser neuer Doktor?" "Dr. Cameron, darf ich Ihnen meine Mutter vorstellen? Carmella Eagle." Dane gab ihr die Hand. Jetzt trat noch ein älterer Mann sowie ein Junge im TeenagerAlter zu ihnen. Maria schmunzelte. "Dies sind mein Vater und mein Bruder Joe."
Joe sah ihn abschätzend an. Aus seinen fast schwarzen Augen blickte er überhaupt nicht freundlich. Mr. Eagle schüttelte Dane die Hand. "Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben. Maria erzählte, dass Ihre Zeugnisse beeindruckend sind. Der Stadtrat ist ihrer Empfehlung, Sie einzustellen, ohne Zögern gefolgt." "Die Red-Bluff-Praxis wird sowohl aus privaten Geldern wie auch aus Steuereinnahmen der Stadt finanziert", erklärte Maria. "Deswegen brauchten wir die Zustimmung des Stadtrats." Dane hatte das Gefühl, in ihren Augen zu versinken. "Ich scheine noch viel über Red Bluff lernen zu müssen." "Vielleicht gefällt Ihnen das Kleinstadtleben ja gar nicht', sagte Joe abweisend. "Ich habe noch nie in einer Kleinstadt gelebt. Dies ist also eine neue Erfahrung, und ich hoffe, sie gefällt mir." Marias Mutter klopfte ihm auf die Schulter. "Maria muss Sie bald mal mit zum Abendessen nach Hause bringen. Aber jetzt müssen wir gehen." Carmella umarmte und küsste ihre Enkeltochter. "Bis Sonntag, meine Kleine." Dann umarmte sie auch Maria. "Denk dran, dass Rita Maisbrot mitbringt und Teresa den Nachtisch macht." "Ich kümmere mich um den Salat", versprach Maria, während sie die Umarmung ihrer Mutter erwiderte. "Haben Sie eine große Familie?" erkundigte Dane sich, als die Familie gegangen war. "Drei Brüder und drei Schwestern. Und meine Mutter besteht darauf, dass jeder Sonntag ein Familientag ist." Maria sah unerhört sanft und weiblich aus. "Wie lange praktizieren Sie schon hier?" fragte er, während er sich fragte, wie alt sie wohl sein mochte. Sie hatte eine so zeitlose Schönheit, dass es ihm unmöglich war, ihr Alter zu schätzen. "Seit vier Jahren. Es ist meine erste Stelle nach meiner Zulassung.“ "Haben Sie nie daran gedacht, mal woanders zu praktizieren?" fragte er interessiert. „Ja, früher mal ... bevor Sunny geboren war. Aber meine Familie lebt hier, und hier sind auch meine Wurzeln. Beides bedeutet mir sehr viel." Dane hatte das Gefühl, dass sie noch etwas anderes sagen wollte über die Zeit "bevor Sunny geboren war". Vielleicht hatte es etwas mit ihrer Ehe zu tun. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ging es ihn nichts an. Sein Blick fiel wieder auf Sunny, und er sah, dass dem Kind fast die Augen zufielen. "Es sieht so aus, als ob es ihre Schlafenszeit ist." Maria lächelte. „Ja, ich muss sie nach Hause bringen. Aber erst will ich Sie noch Dr. Grover vorstellen. Er verlässt uns in ein paar Tagen, um eine zweimonatige Kreuzfahrt zu machen." In der nächsten halben Stunde lernte Dane nicht nur Dr. Grover und seine Frau kennen, sondern auch viele andere Bewohner von Red Bluff , die neugierig waren, wer und wie er wohl war.
"Ich muss jetzt wirklich gehen", sagte Maria schließlich. "Ich will noch in der Praxis vorbei und nach Rod sehen." "Ich bringe Sie noch hinaus", sagte Dane. "Das ist nicht nötig. Ich weiß, Sie wollen sich unter das Volk mischen." "Davon ist mein Bedarf für heute Abend gedeckt." Während Maria auf dem Weg zur Tür sich noch von vielen Freunden verabschiedete, dachte Dane, dass seine Arbeit hier wohl sehr anders sein würde, als er es gewohnt war. Bisher hatte er immer nur Fremde behandelt. Wenn der Fall abgeschlossen war, hatte er die Patienten nie wieder gesehen. Aber hier in der Familienpraxis von Red Bluff dauerte die ärztliche Betreuung ein Leben lang. Als sie draußen vor der Tür ankamen, merkte er, dass es sich sehr abgekühlt hatte. Es war fast kalt geworden. "Wir sind zu Fuß hier", eröffnete Maria. "Bis Montagmorgen also." Dane blieb stehen. "Ich lasse Sie doch in der Nacht nicht allein zur Praxis gehen." "Wir sind in Red Bluff , Dr. Cameron, nicht in New York City." "Das ist mir egal. Ich fahre Sie in die Praxis und dann nach Hause." „Es ist wirklich nicht weit." Als er ihr in die Augen sah, hatte er den Eindruck, dass sich in ihr ähnliche Gefühle regten wie in ihm. Zwischen ihnen beiden vibrierte eine eigenartige Spannung. So etwas hatte er bei Ellen nie empfunden. Seine Ehe war von Freundschaft, Zufriedenheit und Behaglichkeit bestimmt gewesen. Aber daran sollte er jetzt lieber nicht denken. Wenn er an Ellen dachte, fiel ihm auch alles andere wieder ein, und das wollte er keinesfalls. "Sie wird mit jedem Häuserblock schwerer werden", warnte er und nickte Sunny freundlich zu. "Außerdem kann sie sich in dieser Nachtluft erkälten." Nach einer kleinen Bedenkpause gab Maria nach. "Vielleicht haben Sie Recht. Wenn es Ihnen wirklich nichts ausmacht...“ "Bestimmt nicht", versicherte er. Dane ging auf seinen weißen Geländewagen zu. Mit der Fernbedienung öffnete er die Beifahrertür und wartete, bis Maria eingestiegen war. Dann schloss er seine Fahrertür auf. Eigentlich sollte sie das Kind nicht auf dem Arm behalten, sondern es in einen Kindersitz setzen, aber er wusste nur allzu gut, dass auch Kindersitze die Kinder nicht immer schützen konnten. Nichts hätte seinen Sohn schützen können. Wenige Minuten später waren sie an der Praxis angekommen. Als Joan Sunny sah, nahm sie das Mädchen liebevoll auf den Arm. Sie nahm die Kleine mit, um ihr ein Comic-Heft zu geben, während Maria nach dem Hilfssheriff sah. Dane schaute sich in der Praxis um, während Maria Rod untersuchte. Die Praxis war nicht groß, aber gut ausgerüstet. Zwanzig Minuten später war Maria fertig. Sie gab Joan noch ein paar Anweisungen, nahm Sunny wieder auf den Arm und trug sie zu Danes Auto. Sie
erklärte Dane, wie er fahren musste, und fünf Minuten später waren sie bei ihrer Wohnanlage. Dane parkte das Auto, ging zur Beifahrertür und öffnete sie für Maria. "Ich nehme sie schon", bot er an. Ohne das Kind war es für Maria einfacher auszusteigen. Als Sunny sich mit dem Kopf an seine Schulter kuschelte, löste diese Geste einen unsagbaren Schmerz in ihm aus. Er hatte gehofft, dass ihm das nichts mehr ausmachen würde, hatte gehofft, dass ihm überhaupt alles nichts mehr ausmachen würde. Er war nach Red Bluff gekommen, um seinem Leben eine neue Wende zu geben, aber die alten Wunden waren offensichtlich noch nicht alle verheilt. Sie gingen den Weg hinunter am Gebäude entlang, als er das Schild sah: Sierra Appartements. "Wohnungen frei" stand darunter. „In Ihrer Anlage sind noch Wohnungen zu vermieten?" "Es ist sogar die Wohnung neben mir frei. Ich habe Ihnen doch eine Liste versprochen. Da stehen diese auch drauf. Ich wusste nur nicht, in welcher Preiskategorie Sie suchen." "Ich brauche bloß einen bequemen Platz, an dem ich es mir am Abend gemütlich machen kann." Der Geruch von Marias Parfum reizte ihn in dieser windstillen Nacht, während sie ihn durch einen Torbogen in eine Eingangshalle führte. "Wenn sie noch für einen Moment hereinkommen wollen, zeige ich Ihnen die Wohnung", schlug sie vor, als sie die -Schlüssel aus der Tasche holte. "Wenn Ihnen die Aufteilung gefällt, dann können Sie ja morgen die Vermieterin anrufen." "Das ist eine gute Idee." Dane wollte gerne sehen, wo sie wohnte, und ihm gefiel die Vorstellung, in ihrer Nähe wohnen zu können. Maria betrat das Apartment und machte das Licht an. "Wohin soll ich sie bringen?" fragte Dane. Maria führte ihn schnell durch ein sehr gemütlich aussehendes Wohnzimmer hindurch, das hellblau und grün eingerichtet war, in das dahinter liegende Schlafzimmer. Dort standen ein weißes Kinderbett sowie eine Kommode, und an den Wänden, hingen ausgestopfte Wolken neben einem bunten Regenbogen. "Ich nehme sie jetzt", sagte Maria leise und legte die Arme um Ihre schlafende Tochter. Einen Moment lang spürte Dane Marias Hand auf seiner Brust ruhen und musste schlucken. Er stellte sich vor, wie es wäre, ihr durch das Haar zu streichen und ihre warmen Lippen auf den seinen zu spüren. Er erschrak über sich selbst. Wahrscheinlich war er einfach in zu kurzer Zeit zu weit gereist. Maria wich seinen Blicken aus, als sie Sunny in ihr Kinderbettchen legte, ihr die winzigen Sandalen sowie das Sommerkleidchen auszog und ihr ein Nachthemd über den Kopf zog. Dann küsste sie ihre Tochter auf die Wange. Beim Anblick dieses einfachen Rituals und der Zärtlichkeit, die Maria für ihre Tochter hatte, zog sich in Dane alles zusammen. Er ging zurück ins Wohnzimmer und holte tief Luft. Maria folgte ihm. "Möchten Sie etwas zu trinken haben?" bot sie an.
Ein Whiskey mit Eis wäre jetzt genau das Richtige, dachte er, aber er wusste, dass, er lieber einen klaren Kopf behalten sollte. "Nein danke." Dane sah sich gründlich um. "Sind alle Wohnungen so wie diese?" "Die meisten schon. Hier ist die Terrasse. Einige Wohnungen haben drei Schlafzimmer, statt nur zwei, aber im Wesentlichen sind sie alle gleich." Dane bewunderte Marias Haar, wie es ihr über die Wangen und Schultern fiel. Die schwache Beleuchtung des Wohnzimmers sorgte für eine sehr gemütliche Atmosphäre, und der Wunsch, sie zu küssen, kam Dane überhaupt nicht mehr so abwegig vor. Bevor er aber noch weiter darüber nachdenken konnte, machte er sich besser auf den Heimweg. "Ich gehe jetzt besser. Danke, dass ich mich habe umschauen dürfen. Ich werde die Hausverwaltung morgen anrufen." Er war schon auf dem Weg nach draußen, als Maria sagte: "Danke, dass Sie mich nach Hause gebracht haben, Dr. Cameron.“ Er blieb stehen und sah sich zu ihr um. "Ich heiße Dane, Dr. Youngbear." Sie lächelte. "Und ich Maria ... Dane. Versuchen Sie, sich an diesem Wochenende auszuruhen. Ich werde Ihnen am Montag jede Menge Patienten vorstellen." "Es wird mir gut tun, wieder arbeiten zu können." Er konnte ihr an den Augen ablesen, dass sie noch Fragen hatte, aber das waren Fragen, die er nicht beantworten wollte, jetzt nicht und überhaupt nicht. "Bis Montag also." Dann ging er.
2. KAPITEL Einen Arm voller Lebensmittel und Sunny an der anderen Hand, kämpfte sich Maria durch den Torbogen der Wohnungsanlage zu ihrer Wohnungstür. Noch bevor sie dort ankam, ging die Tür der benachbarten Wohnung auf, und Dane kam heraus. Sie hatte eine sehr unruhige Nacht verbracht, weil sie immer wieder die Augen und Gesichtszüge dieses Mannes vor sich gesehen hatte. Während ihrer Einkäufe mit Sunny war es ihr fast gelungen, diese Bilder aus ihrem Kopf zu verbannen, und jetzt... Dane lächelte, und dieses Lächeln löste merkwürdige Gefühle in ihr aus, während er ihr strahlend einen Schlüssel zeigte. "Wir werden Nachbarn." Die Einkaufstüten auf ihrem Arm wurden immer schwerer, und Maria wollte sie vor ihrer Tür absetzen, um ihren eigenen Schlüssel zu suchen, aber Dane war schneller. Plötzlich stand er vor ihr und nahm ihr die Tüten ab. "Lassen Sie mich Ihnen helfen." „Es geht schon, ich..."
Als er ihr die Tüten abnahm, berührte er sie mit der Hand zufällig an der Taille, was sie nervös machte. Sie kam sich vor wie ein unbeholfener Teenager. „Sie können Hilfe nicht gut annehmen, stimmt's?" Forschend sah er sie an. "Das hängt davon ab, wer mir hilft“, entgegnete sie etwas schnippisch, um sich nicht anmerken zu lassen, welche Anziehungskraft er auf sie ausübte. In den Jeans und dem roten Polohemd sah er fantastisch aus. Maria suchte in den Taschen ihrer weißen Shorts nach ihrem Schlüssel, fand ihn endlich und steckte ihn ins Schloss. Als die Tür aufging, rannte Sunny vor ihr in die Wohnung. Maria drehte sich um, um Dane ihre Einkäufe wieder abzunehmen, aber er kam ihr zuvor und trug sie selbst hinein. Sunny stürzte sich auf das Sofa, wo einige ihrer Spielsachen lagen. Maria sah, wie Dane ihre Tochter beobachtete. "Warum haben Sie sie Sunny genannt?" fragte er. Dieser Name hatte für Maria eine besondere Bedeutung, aber sie kannte Dane nicht gut genug, um ihm erzählen zu wollen, dass nur ihre Schwangerschaft sie nach der Scheidung hatte weiterleben lassen. Sie sagte darum nur: "Ich habe sie Sunny genannt, weil ich wusste, dass sie Sonne in mein Leben bringen würde, und das hat sie auch getan." In seinem Lebenslauf war keine Rede von einer Frau oder einer Familie, und auch in ihren Gesprächen hatte er diesbezüglich nichts erwähnt. Einen Ehering trug er jedenfalls nicht. "Sind Sie schon mal verheiratet gewesen?" fragte sie und war sich dabei bewusst, dass sie damit sehr privat wurde. "Ich bin Witwer", antwortete er kurz angebunden, während er ihre Einkäufe auf dem Esstisch absetzte. Dann ging er zu der Schiebetür aus Glas, durch die er auf die Landschaft hinter der Wohnanlage sehen konnte. Um das Thema zu wechseln, zeigte er auf die Terrasse, die an seine angrenzte. "Ich werde wohl Gartenmöbel kaufen müssen." Offensichtlich war seine Ehe ein Tabuthema, und Maria wollte es von jetzt an auch dabei belassen. "Werden Sie Ihre Möbel hierher bringen lassen?" Dane schüttelte den Kopf. "Ich habe meine Wohnung, so wie sie ist, untervermietet. Das hielt ich für die beste Lösung, bis ich weiß, ob dieser Job der richtige ist. Ich habe erst mal nur das Nötigste mitgebracht. Wissen Sie, wo man hier günstig Möbel kaufen kann?" Maria spürte, dass Danes Lebensweg zur Zeit nicht sehr gerade verlief. "Es gibt ein paar Möbelgeschäfte, in denen ich sehr gern einkaufe", sagte sie. "Ich fahre heute Nachmittag nach Albuquerque", fügte sie hinzu. "Wenn Sie mitkommen möchten, kann ich Ihnen alles zeigen." Dane kam von der Terrassentür zurück ins Zimmer, und sein Blick fiel auf ihr Gesicht und dann auf ihre Hüften. Sie konnte die Wärme spüren, die von ihm ausging, und ihr Herz begann heftig zu klopfen. Dabei gibt es doch gar keinen Grund dafür, versuchte sie sich einzureden. Plötzlich kam Sunny angelaufen und zog an Marias Shorts. "Mammi, Saft?"
Die Spannung war unterbrochen. Maria bückte sich, nahm Sunny auf den Arm und drückte sie an sich. "Apfelsinen- oder Preiselbeersaft?" fragte sie ihre Tochter. "Apfelsine." Es tat Maria fast weh, wie Dane das Mädchen ansah. Er wirkte so unendlich traurig. "Was machen Sie mit Sunny, wenn wir nach Albuquerque fahren?" fragte er. "Mitnehmen. Wir sind während der Woche so viel voneinander getrennt, dass ich an den Wochenenden versuche, jede freie Minute mit ihr zu verbringen." "Das verstehe ich gut." In seinen Worten lag echtes Mitgefühl. Trotzdem lehnte er ihr Angebot ab. "Ich glaube, es ist besser, wenn ich Albuquerque allein erforsche. Ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen Umstände machen." Diese Begründung hörte sich überzeugend an, doch Maria merkte, dass er ihre Tochter nicht um sich haben wollte. Maria war nie schüchtern gewesen, und wenn er ein Problem im Umgang mit Kindern hatte, dann wollte sie wissen, warum. Sie setzte ihre Tochter ab. "Frag bitte deine Puppe, ob sie auch Apfelsinensaft haben möchte. Dann bekommt Ihr beide welchen." Sunny strahlte ihre Mutter an und lief zum Sofa zurück. "Was stimmt mit meiner Tochter nicht, dass Sie sich in ihrer Nähe nicht wohl fühlen? Sie waren doch Kinderkardiologe. Wie können Sie da Kinder nicht mögen?" "Darüber möchte ich nicht sprechen", antwortete Dane kurz an gebunden. "Darüber müssen wir aber sprechen. Es kommen viele Kinder in meine Praxis. " Wenn es um die Betreuung ihrer Patienten ging, war Maria nicht bereit, Abstriche zu machen. "Ich werde kein Problem haben, Patienten zu behandeln", erklärte er in schroffem Ton. Maria spürte, wie Dane eine Mauer um sich errichtete, aber was sollte sie tun? "Dane, wir werden zusammen arbeiten", sagte sie also nur "Genau. Wir werden zusammen arbeiten. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, Ihre Nase in mein Privatleben zu stecken." Es gab keinen Grund dafür, dass sie sich verletzt fühlte, aber seine Worte schmerzten sie doch. "Stimmt“, sagte sie einlenkend. "Ich werde das beherzigen." Sunny war mit der Befragung ihrer Puppe fertig. "Puppe möchte Appelsine." Dane sah Sunny wieder an. "Ich gehe jetzt besser. Wenn ich dieses Wochenende schon frei habe, sollte ich mich etwas umschauen. " „In Red Bluff wird morgen mehr als sonst los sein." "Warum?" "Ein Mal im Jahr findet hier das große Chili Festival statt. Das lockt immer viele Touristen an. Der Dorfplatz wird voller Stände sein mit Kunstgewerbe und Essen."
"Hört sich interessant an. Das werde ich mir dann wohl anschauen müssen", bemerkte er höflich. Sie war eher der Ansicht, dass man dem Trubel ausweichen sollte. Aber auch das ging sie ja nichts an. "Wann werden Sie hier einziehen?" fragte sie noch. "Ich weiß noch nicht genau. Aber ich werde es Sie wissen lassen. Bis Montag also." "Bis Montag", antwortete sie, während sie die Tür hinter Dane zumachte. Zum ersten Mal nach langer Zeit musste Maria an ihren geschiedenen Mann denken. Dabei war Dane völlig anders als Tony. Tony war auch Arzt. Sie hatten sich an der medizinischen Fakultät kennen gelernt und sich wahrscheinlich wegen ihrer gemeinsamen indianischen Abstammung zueinander hingezogen gefühlt. Sie schienen so viele Gemeinsamkeiten zu haben, und ihre Eltern waren ganz begeistert gewesen, als sie sich verlobten. Aber Tony hatte nie verstanden, dass Maria so an ihrer Familie hing. Sie hatten ein Jahr lang zusammen in der Praxis gearbeitet, als er Arbeit außerhalb von Red Bluff suchte. Er hatte sich einfach für ein medizinisches Projekt in Afrika gemeldet und wollte, dass sie mit ihm ging. Aber Maria wollte ihre vertraute Umgebung und ihre geliebte Familie nicht verlassen. Sie hatten sich zwar ziemlich heftig gestritten, aber als Tony ihr die Unterlagen für eine Fernscheidung schickte, hatte sie sich zutiefst erschrocken. Sie merkte, dass sie ihn immer noch liebte, und wollte ihre Ehe retten, auch wenn sie dafür zu ihm nach Afrika fahren musste. Also hatte sie ihn mit ihrem Besuch überrascht. Sie hatten sich auch wieder versöhnt ... bis sie herausfand, dass er schon eine neue Freundin hatte. Da war sie tief verletzt wieder nach Hause geflogen und hatte erst ein paar Wochen später gemerkt, dass ihr letzter Versöhnungsversuch nicht ohne Folgen geblieben war. Sie war schwanger, was Tony nie gewollt hatte. Und jetzt gab es diesen Dane Cameron, der von ihrer Tochter nichts wissen wollte. Nun, das machte nichts. Sie waren lediglich Arbeitskollegen, und seine Geheimnisse interessierten sie nicht. Schließlich wollte sie ihm ja auch nichts von ihren erzählen. Als Dane am Sonntag losfuhr, war der Himmel herrlich blau. Die Landschaft hier im Süden schien seine Schmerzen auf eine Weise lindern zu können, wie die Gegend im Nordwesten es nie gekonnt hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie so völlig anders war. Vielleicht lag es daran, dass mit ihr keine Erinnerungen verknüpft waren. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass er bereit war, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es war für ihn eine völlig neue Erfahrung, die Autofahrt so ziellos zu genießen. Nach dem Unfall hatte er lange Zeit wie in Trance gelebt, bis ihm klar wurde, dass seine Karriere als Kinderkardiologe zu Ende war. Jedenfalls konnte er nicht mehr operieren. Ein Jahr lang hatte er als wissenschaftlicher Berater gearbeitet und wie ein Schlafwandler von seiner Erfahrung gelebt. Dann hatte er die
Anzeige im Ärzteblatt gelesen und sich für diese Arbeit in Red Bluff interessiert. Die Vorstellung, hier neu anfangen zu können, hatte ihn während der ganzen Zeit, in der er auf seine Zulassung für New Mexico gewartet hatte, irgendwie beflügelt. Vergangenen Monat hatte er sie endlich bekommen, und jetzt war er hier, fuhr durch die Wüste, bewunderte die Tafelberge und Klippen und hoffte auf eine Zukunft, die seine Vergangenheit ersetzen konnte. Am frühen Abend kam er nach Red Bluff zurück und sah die Schilder, die auf das Chili Festival hinwiesen. Statt in sein Motel zu fahren, parkte er sein Auto so nah wie möglich am Dorfplatz. Die Hauptstraße entlang hatten alle möglichen Händler ihre Stände aufgestellt, und vom Platz her hörte er Musik Geigen, Gitarren und ein Tamburin. Dane blieb an einem großen Stand vor dem Kaufhaus stehen. Einige Frauen begutachteten gründlich ein paar Töpferwaren. "Maria wird immer besser", sagte eine der Kundinnen zu ihrer Nachbarin. "Ich habe jetzt schon fünf Stücke von ihr." Es gab sicher mehr als nur eine Frau namens Maria in Red Bluff ... Aber dann sah Dane sie hinter dem Stand, wie sie einer Dame Wechselgeld und eine Tüte gab. Bei ihrem Anblick fiel Dane nur ein Wort ein, und das war "lebendig". Sie strahle solch eine Lebensfreude aus mit der Art, wie sie sprach, wie sie sich bewegte und wie sie sich kleidete. Als Maria die Frau zu Ende bedient hatte, wandte sie sich an eine andere, die vor dem Stand stehen geblieben war. Sie musste ihn aus dem Augenwinkel heraus gesehen haben. Dann trafen sich ihre Blicke, doch sie schaute schnell wieder weg und konzentrierte sich auf die Kundin. Die kaufte eine Vase und ging dann einen Stand weiter. Erst da schenkte Maria Dane ihre Aufmerksamkeit. "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" fragte sie höflich. Dane vermutete, dass sie noch verärgert war wegen seiner ablehnenden Haltung vom Vortag, aber er hatte keine Ahnung, wie er das ändern sollte. Er wollte doch nur nichts wieder ausgraben, was er so mühsam versucht hatte zu begraben. Er nahm einen blau-grün gestreiften Übertopf in die Hand. Auf dem Boden war über einem Y ein M eingraviert. "Haben Sie die gemacht?" Dabei zeigte er mit einer ausladenden Handbewegung auf die ausgestellten Teller und Vasen. "Das ist ein Hobby von mir", erklärte sie in einem immer noch sehr distanzierten Tonfall. "Wo machen Sie denn diese Arbeiten?" "Ich habe auf der Ranch meiner Eltern eine Werkstatt." "Und dieses Kaufhaus verkauft Ihre Produkte?" "Dieses Kaufhaus und ein Geschäft in Albuquerque. Dort bin ich gestern Nachmittag gewesen." Dane hatte den Eindruck, dass Maria absichtlich die Rede auf den gestrigen Nachmittag brachte. Sie war ganz offensichtlich einer dieser Menschen, welche
die Dinge direkt angingen und Probleme am liebsten sofort lösten. Dann trat eine Frau mit lockigem, roten Haar hinter den Stand. "Ich löse dich jetzt ab, mein Schatz", sagte sie und tätschelte Maria den Arm. "Sobald du mir gesagt hast, wer dieser gut aussehende Fremde ist", fügte sie hinzu. Dane hatte den Eindruck, dass Maria eine leichte Röte ins Gesicht stieg, als sie ihm Clara Harrihan vorstellte, die Einsatzleiterin der Polizeistation. "Meine Schwester ist mit dem Besitzer des Kaufhauses verheiratet", erläuterte Clara. "Also habe ich mich bereit erklärt, heute auszuhelfen. Ich hörte, Sie haben am Freitag das Leben von Rod Coolridge gerettet. Jetzt will jeder in der Stadt Sie kennen lernen. " "Hier spricht sich alles schnell herum", ergänzte Maria mit einem bedauernden Unterton. "Das ist einer der vielen Vorteile, wenn man in Red Bluff lebt. Man braucht noch nicht mal ein Telefon", erklärte Clara grinsend. "Ich weiß noch, als du Tony nach Afrika nachgeflogen bist. Das Gesprächsthema Nummer eins in der Stadt. Es wurde sogar drei zu zwei gewettet, dass du nach spätestens einer Woche zurück sein würdest. Und das warst du dann ja auch." Jetzt war Maria dunkelrot angelaufen. "Daran kannst du sehen, dass die ganze Stadt vor mir wusste, dass die Ehe am Ende war." Sie legte eine Hand auf den Geldbeutel, der auf dem behelfsmäßigen Ladentisch hinter den Töpferwaren lag. "Ich habe gerade Wechselgeld geholt. Damit müsstest du bis zum Schluss auskommen." Clara reagierte nicht. Sie war viel zu sehr mit Dane beschäftigt. "Haben Sie schon unser berühmtes Red Bluff Chili probiert?" "Noch nicht. Aber ich werde das jetzt nachholen. Es war nett, Sie kennen gelernt zu haben." "Die Freude ist ganz meinerseits. Ich werde mich nächstes Mal in der Praxis ganz bestimmt unter Ihrem Namen eintragen." Und mit einem verschmitzten Lächeln fügte sie hinzu: "Es kann nicht schaden, wenn Virgil ein wenig eifersüchtig wird. Bis bald also." Als Maria hinter dem Stand hervorkam, sah sie den Ausdruck in Danes Gesicht und musste lachen. "Wahrscheinlich werde ich drei Viertel meiner weiblichen Patienten an Sie verlieren, wenn alle so denken wie Clara." "Das hat sie nicht ernst gemeint." "Das hat sie völlig ernst gemeint. Clara und Virgil Harrihan sind erst kurz verheiratet, und Virgil ist alles andere als romantisch. Er ist ebenfalls Hilfssheriff bei unserer Polizei." Dane schüttelte den Kopf. "Sie müssen mich warnen, wenn Clara in die Praxis kommt. Ich möchte sie lieber mit Ihnen gemeinsam behandeln." Wieder musste Maria lachen, und die Spannung zwischen ihnen schien zu verschwinden. "Haben Sie schon gegessen?" fragte er sie. Sie schüttelte den Kopf. "Dazu hatte ich noch keine Zeit." "Könnten wir zusammen etwas essen?"
Sie schaute auf die Uhr "Ich muss Sunny in einer halben Stunde abholen." "Wo ist sie denn jetzt?" "Drüben in der Schule bei Joe. Er und ein paar andere Teenager spielen mit den Kindern, deren Eltern mit Ständen oder Veranstaltungen beschäftigt sind." Maria trug auch heute einen Rock, dieses Mal aus einem fließenden Material unter dem sich ihre Hüften und Beine beim Gehen abzeichneten. Ihre Bluse war aus demselben Stoff. Der runde Ausschnitt und die weiten Ärmel unterstrichen ihre Weiblichkeit. Es gab mehrere Stände, an denen Chili verkauft wurde, aber Maria ging zielstrebig zu dem, an dem es das ihrer Meinung nach beste Chili gab. "Ernesto gewinnt jedes Jahr. Er betreibt mit seiner Frau ein Restaurant im Osten der Stadt. Es heißt La Cantina. Vielleicht haben Sie es ja schon gesehen." "Da habe ich gestern Abend gegessen. Aber ich habe nur ein Steak bestellt und nichts Exotisches probiert." "Da werden wir wohl Ihre Geschmacksnerven etwas beleben müssen", zog sie ihn auf. Im Moment jedenfalls brauchte er gar nichts Belebendes mehr Maria an seiner Seite war genug Belebung. Noch nie hatte er sich von einer Frau so angezogen gefühlt. Schon bei dem Gedanken an Maria, hatte er das Gefühl Ellen zu betrügen. Wenige Minuten später hielten sie beide je eine Plastikschüssel in der Hand. Dane aß nur drei Löffel voll und hatte bereits das Gefühl, dass ihm der Rauch aus den Ohren kommen müsse. Hustend bat er den Verkäufer am Stand um eine Flasche Wasser. Erst als er diese halb leer getrunken hatte, sah er stirnrunzelnd zu Maria hinüber, die tapfer versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken. "Das schmeckt doch gut, oder?" Ihre braunen Augen funkelten vor Vergnügen. "Dabei haben wir noch nicht mal die extrascharfe Version genommen." "Okay. Ich will kein Spielverderber sein und esse meine Portion auf. Aber dann gehen wir noch ein Eis essen." Sie kauften sich ein Zitroneneis und fanden am Rande des ganzen Rummels, der sich um den Platz herum abspielte, eine Bank. Die Musik, nach der einige Paare tanzten, klang angenehm durch die kühler werdende Abendluft zu ihnen herüber. Der Abendhimmel färbte sich purpurrot, und die Lichter gingen an. Als er mit dem Knie an Marias Rock kam, rückte sie von ihm ab. Dennoch beugte er sich zu ihr hinüber. "Wie lange sind Sie schon geschieden?" Sie aß einen Löffel Zitroneneis, und ihre Lippen glänzten. „Lange, bevor Sunny geboren wurde." „Wusste Ihr Mann, dass Sie schwanger waren?" Dane war selbst überrascht über seine direkte Frage. Maria überlegte lange, bevor sie antwortete. "Als ich merkte, dass ich schwanger war, und es ihm erzählte, da wollte er mein Kind jedenfalls nicht mehr" Dane konnte den Schmerz heraushören, der in ihrer Stimme mitschwang.
"Dann muss er ein Idiot gewesen sein." Sie warf ihm einen Blick zu, der seine Worte bestätigte, und konzentrierte sich wieder auf ihr Zitroneneis. "Danke, dass Sie das gesagt haben. Aber ich war an der Situation wohl genauso schuld wie er. Als ich aufwachte und unsere Ehe retten wollte, war es für ihn zu spät." "Warum?" fragte Dane, obwohl er wusste, dass er kein Recht hatte, sie danach zu fragen. „Er war weitergegangen." "Und wenn auch..." Sie schüttelte den Kopf. "Zu der Zeit lagen bereits zu viele Verletzungen zwischen uns. Und ich war so enttäuscht ... Er war übrigens auch Arzt“, erklärte sie mit leiser Stimme. "Ich verstehe immer noch nicht, wie er an Abtreibung denken konnte. Das hätte ich nie gekonnt - unter gar keinen Umständen. Die Tatsache, dass er es überhaupt vorschlagen konnte, war nur ein weiterer Beweis dafür, dass er mich überhaupt nicht kannte." Die Erregung, die Dane in Marias Gesicht entdeckte, begleitete auch ihre Worte. Zwei Nächte lang hatte Dane nun schon von Maria geträumt. Es waren erotische Träume gewesen, die sich gründlich von den Albträumen unterschieden, die er seit dem Unfall immer wieder gehabt hatte. Jetzt, wo er so dicht neben ihr saß und den blumigen Duft ihres Parfums einatmete, konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen, streckte die Hand aus und berührte eine der Haarstränen, die ihr über die Wangen hingen. Sie schaute ihn an und schien wortlos zu fragen, ob er wusste, was er da tat. Nein, er wusste es nicht. Er strich ihr mit dem Handrücken über die Haut und spürte, wie sie zitterte. „In Ihnen lodert ein Feuer, Maria, das ich noch in keiner Frau bisher entdeckt habe." "Ich bin sicher, das bilden Sie sich nur ein", murmelte sie. "Sie haben zu viel Chili gegessen." Sie lächelte ihn unsicher an, und sein Verlangen, sie zu küssen, wurde immer stärker. Er konnte an nichts anderes mehr denken. "Die Leute werden reden", warnte sie flüsternd, als er näher an sie heranrückte. Im Hintergrund hörte man Gitarren, der Geruch von Chili, frisch gebackenen Maisfladen und Pommes frites zog durch die Luft. "Was werden sie denn reden?" "Sie werden sagen, dass ich schon zu lange ohne einen Mann lebe, dass Sie das ausnutzen und dass ich für meine Tochter ein schlechtes Beispiel bin." Sie rückte nicht von ihm ab, und Dane schloss daraus, dass sie sich von ihm genauso angezogen fühlte wie er sich von ihn Aber sie hatte mit ihren Worten eine Grenze gezogen, die er respektieren musste. Schweren Herzens ließ er ihr Haar los, und dann zwang er sich, auch den Blick von ihr zu lösen. Er griff zum Eisbecher, den er neben sich abgestellt hatte, und löffelte ihn gewissenhaft leer. Während das Eis ihm im Mund schmolz, versuchte er, das Verlangen einzudämmen, das ihm durch den ganzen Körper loderte, seit er
Maria berührt hatte. Die Stille zwischen ihnen wurde nur von der Musik erfüllt, bis Wyatt Baumgardner mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht zu ihnen herüberkam. Statt der Polizeiuniform trug er Jeans, einen Cowboyhut und ein Hemd im Westernstil. „Hi, Doc", sagte er zu Dane. "Rod ist auch hier irgendwo. Er will Ihnen danken, dass Sie ihm das Leben gerettet haben." "Ich habe nur meine Arbeit gemacht", erwiderte Dane. Zu Maria gewandt lüftete Wyatt seinen Hut. "Ich dachte, du tanzt vielleicht eine Runde mit mir. Wie wär's?" Es tanzten bereits mehrere Paare. Die Nacht war hereingebrochen, und die bunten Lampions verbreiteten eine Art Karnevalsatmosphäre. Dane fiel auf, dass Wyatt und Maria ungefähr gleich alt waren, sie waren beide Mitte dreißig. Ob sie wohl miteinander gehen? durchzuckte es ihn. Maria sah Dane erwartungsvoll an, als wenn sie darauf wartete, dass er Einspruch erhob. Oder wartete sie darauf, dass er selbst Anrecht auf diesen Tanz anmeldete? Aber er hatte nicht vor zu tanzen. Sie war für ihn die verkörperte Vitalität, und er hätte sie gern in den Armen gehalten. Er hätte gern noch viel mehr mit ihr gemacht. Also nickte er nur in Richtung Tanzfläche. "Gehen Sie ruhig und amüsieren Sie sich", sagte er. Maria sah ihn herausfordernd, ja fast wütend an und sagte dann zu Wyatt: "Ich tanze sehr gern mit dir." Sie stand auf, stellte ihren Eisbecher auf die Bank und ergriff die Hand, die Wyatt ihr entgegenstreckte. Der Polizist führte sie zur Tanzfläche unter den bunten Lampions, und Maria strahlte ihn an, als er ihr zum Tanz den Arm um die Taille legte. Aber sie tanzte eigentlich nur automatisch. Nach wenigen Minuten schaute sie Wyatt über die Schulter zur Bank hinüber. Dane beobachtete sie, und sie fragte sich, was ihm wohl durch den Kopf ging. Er war kurz davor gewesen, sie zu küssen, und sie hätte ihn auch gelassen, so leichtsinnig das auch in aller Öffentlichkeit gewesen wäre. Während sie dagegen mit Wyatt tanzte, merkte sie, dass ihr das Herz nicht höher schlug, ihr Puls nicht raste, und dass keine Schauer ihr über die Haut liefen. Als Dane sie vorhin berührt hatte, hatte sich ihre ganze Welt schneller gedreht, und sie hatte kaum noch zu atmen gewagt. Was war es bloß, was sie an Dane Cameron so faszinierte? Wyatt drehte sie herum, und sie folgte mühelos seinen komplizierten Schritten. Als sie wieder zur Bank hinüberschauen konnte, auf der sie mit Dane gesessen hatte, sah sie, dass er gegangen war.
3. KAPITEL Dane stand an der Theke des Untersuchungszimmers und überflog die Notizen, die Maria über einen ihrer Patienten gemacht hatte. Es war schon merkwürdig, wie schnell er sich in die tägliche Routine in der Praxis eingearbeitet hatte. Heute war erst sein vierter Tag, und es kam ihm vor, als wenn er schon seit Ewigkeiten hier war. Er schaute sich Virgil Harrihan an. Bei seinem letzten Besuch am Montag hatte Maria ihm ein Medikament gegen Sodbrennen verschrieben. "Das Mittel hilft nicht, Doc", sagte der Patient jetzt schon zum zweiten Mal. "Sie nehmen es doch erst seit ein paar Tagen, Mr. Harrihan", gab Dane zu bedenken. "Nennen Sie mich ruhig Virgil, Doc. Ich weiß, dass es vom Chili am Sonntag hätte kommen können, aber ich habe das Problem schon länger." "Haben Sie `das Dr. Youngbear am Montag gesagt?" "Nun, nicht so genau. Ich habe ihr nur gesagt, dass es nach dem Chili anfing. Ich wollte mir nicht wieder ihren Vortrag darüber anhören, dass ich abnehmen muss. Den hat sie mir schon im letzten Jahr gehalten, als ich zur Routineuntersuchung hier war. Clara hat mir danach einen Monat lang nur langweiliges Essen vorgesetzt. Dane unterdrückte ein Lächeln. "Gutes Essen ist der Schlüssel zu einer guten Gesundheit", sagte er in strengem Tonfall. "Ja, aber was hat man denn von einer guten Gesundheit, wenn das Leben keinen Spaß mehr macht?" Dane hatte Virgil während ihrer Unterhaltung gründlich untersucht und nichts Außergewöhnliches gefunden. Dennoch ... "Ich habe in Ihrer Akte gelesen, dass Ihr Vater an einem Herzinfarkt gestorben ist." "Stimmt. Kippte eines Tages beim Autowaschen einfach um. Dabei war er erst achtundfünfzig Jahre alt." Dane blätterte weiter durch Virgils Unterlagen auf der Suche nach den Ergebnissen einer Blutuntersuchung, konnte aber keine finden. "Clara hat mir erzählt, dass Sie aus New York sind", sagte Virgil. "Eigentlich stamme ich aus Connecticut." "Sie waren wahrscheinlich auf einer dieser tollen Universitäten, oder?" "Ich weiß zwar nicht, was Sie toll nennen, aber sie war gut." Virgils ohnehin kräftige Gesichtsfarbe wurde noch etwas roter. "Und warum sind Sie dann zu uns gekommen?" bohrte er weiter. Er war fest entschlossen herauszufinden, was er wissen wollte. Dane klappte Virgils Akte zu. "Ich brauchte eine Abwechslung.“ "Ihre Hand ist irgendwie steif. Hat das was damit zu tun?" Wer immer es bisher gemerkt hatte, hatte ihn nicht darauf angesprochen, aber Virgil war offensichtlich sehr direkt. "Ich war Kinderkardiologe, aber mit dieser Hand konnte ich nicht mehr operieren."
Virgil zog die Augenbrauen hoch. "Mann! Wie ist das denn passiert?" „Ich hatte einen Unfall." Und damit wollte Dane die Unterhaltung beenden. "Ich brauche Ihre Blutwerte. Sie können morgen zur Blutuntersuchung ins Krankenhaus fahren, aber Sie dürfen vorher zwölf Stunden lang absolut nichts essen und - außer Wasser - auch nichts trinken." "Glauben Sie, es ist nicht nur Sodbrennen?" "Ich möchte nur mehr Anhaltspunkte haben. Nehmen Sie bitte weiter das Medikament, das Dr. Youngbear Ihnen verschrieben hat." "Was halten Sie von ihr?" fragte Virgil weiter. Das Gespräch nahm eine unerwartete Wende. "Ich habe erst ein paar Tage mit ihr gearbeitet, aber..." "Sie ist eine gute Ärztin. Das meine ich nicht." "Was meinen Sie dann?" fragte Dane und sah Virgil fest an. Der Polizist zuckte die Schultern. "Clara hat mir erzählt, dass Sie zusammen bei dem Chili Festival waren. Maria ist eine hübsche Frau. Ich dachte nur, dass da vielleicht nicht nur das Chili gekocht hat." Dane wusste nicht, ob Virgils Einschätzung der Lage ihn ärgerte oder eher amüsieren sollte. Tatsache war, dass das Verhältnis zwischen ihm und Maria seit Sonntag etwas gespannt war. Er war - ohne sich zu verabschieden - einfach gegangen, und damit hatte er sie offensichtlich verärgert. Denn als er am Montagmorgen in die Praxis gekommen war, war sie äußerst distanziert gewesen und seitdem nicht über Höflichkeitsfloskeln hinausgegangen. Jetzt suchte er nach einer diplomatischen Lösung, um Virgil in seine Schranken zu weisen. "Mr. Harrihan…“ "Virgil", verbesserte ihn der Polizist. "Virgil, Dr. Youngbear und ich sind Kollegen. Wir arbeiten hier lediglich zusammen." "Also ist da nichts zwischen Ihnen beiden?" Dane schüttelte den Kopf. "Ich bin Freitag erst in Red Bluff angekommen und noch nicht mal in meine Wohnung eingezogen." "Sie meinen die Wohnung neben der von Maria", konnte Virgil sich nicht verkneifen zu bemerken und sah Dane dabei lauernd an. "Die Wohnung war zufällig frei, das stimmt." Virgil biss sich auf die Unterlippe. "Wie auch immer, Doc. Kann ich mich jetzt anziehen? In diesem Kittel ist es ganz schön zugig." Dane nahm Virgils Akte vom Tisch und ging zur Tür. "Ja, Sie können sich anziehen. Die Sprechstundenhilfe wird Ihnen die Überweisung zur Blutuntersuchung und Ihre Rechnung geben." "Übrigens, Doc", sagte Virgil, als Dane die Tür öffnete. Dane schaute über die Schulter zurück. "Nur für den Fall, dass es Ihnen sonst niemand gesagt hat. Wenn Sie doch an Maria interessiert sein sollten: Sie ist seit der Scheidung von ihrem Mann mit niemandem sonst gegangen. Ein bisschen Spaß würde ihr bestimmt gut tun, wenn Sie wissen, was ich meine."
"Danke für den Hinweis, Virgil." Damit verließ Dane den Untersuchungsraum und fragte sich, ob wohl alle Patienten sich dermaßen für sein Privatleben interessierten. Um halb sechs saß Dane an seinem Schreibtisch und schrieb Notizen in die Patientenakten. Unerwartet stürmte Maria herein. "Warum stellen Sie meine Diagnose bei Virgil Harrihan in Frage?" fragte sie aufgebracht. "Ich stelle sie nicht in Frage. Ich habe ihm gesagt, er solle das Medikament nicht absetzen. Aber da sein Vater an einem Herzinfarkt gestorben ist, möchte ich sicher gehen, dass da nicht noch etwas anderes ist. Also überprüfe ich sein Cholesterin. Was ist das Problem?" Ihre Schultern entspannten sich, und dann antwortete sie: "Ach, wenn das so ist. Das habe ich ihm schon bei seiner Routineuntersuchung im vergangenen Jahr vorgeschlagen, aber da wollte er nichts davon wissen." "Dann haben Sie auch nichts zu verteidigen", entschied Dane, ohne den Blick von ihr abzuwenden. "Wohl nicht", sagte sie und hielt seinem Blick stand. Das folgende Schweigen wurde immer belastender, bis Dane es nicht mehr ertragen konnte. "Vielleicht sollten wir ein paar Dinge klären." "Was zum Beispiel?" "Was Sonntagabend geschah." Maria errötete leicht. "Da gibt es nichts zu klären. Sie sind ohne Gutenachtgruß einfach gegangen." Die Worte stürzten aus ihr heraus, als ob sie seit Sonntag aufgestaut worden waren. "Sie waren beschäftigt" "Ich habe einen einzigen Tanz mit Wyatt getanzt, und danach waren Sie fort." Er hätte dieses Thema nicht anschneiden sollen. Marias Ehrlichkeit brachte ihn aus der Fassung. Was würde passieren, wenn er genauso ehrlich mit ihr war? "Es wäre ein Fehler gewesen, wenn ich mit Ihnen getanzt hätte." "Warum?" "Weil ich das Gefühl gehabt hätte, meine Frau zu betrügen." Maria dachte eine Weile über seine Antwort nach. "Wie lange ist Ihre Frau jetzt tot?" „Im Dezember werden es zwei Jahre." Statt einen Kommentar dazu abzugeben, wie er es von ihr eigentlich erwartet hätte, oder ihm weitere Fragen zu stellen, entgegnete sie nur: "Wir hätten ja nicht tanzen müssen." Während er sich von seinem Stuhl erhob, erinnerte sich Dane daran, wie er mit den Fingern ihre Haut berührt hatte. "Sie sind eine schöne Frau, Maria, aber ich versuche, ein neues Leben anzufangen, und dafür brauche ich keine Zerstreuung dieser Art." "Was brauchen Sie dann?" fragte sie sehr ernsthaft. Das Wort "brauchen" bekam plötzlich eine völlig neue Bedeutung, als er ihr in die dunkelbraunen Augen sah und Lust hatte, ihre Lippen zu kosten. "Wenn ich
das nur wüsste", murmelte er leise. "Aber ich brauche einfache Dinge, die nicht so kompliziert sind. Ich werde übrigens heute Abend in meine Wohnung ziehen." "Ach, haben Sie am Wochenende Möbel gefunden?" "Ich habe ein paar Dinge gekauft. Aber die werden erst Ende nächster Woche geliefert. Ich werde erst mal im Schlafsack auf dem Boden schlafen." "Und das ist besser als ein Bett im Motel?" fragte sie mit einem spöttischen Lächeln. „Ja, allerdings. Denn die Wohnung ist mein neues Zuhause, und je eher ich einziehe, desto schneller werde ich mich einleben und mein neues Leben beginnen können." "Welche Art von Leben suchen Sie eigentlich, Dane?" fragte sie und sah ihn dabei eindringlich an. "Ein friedliches." Frieden hatte er das letzte Mal vor dem Unfall empfunden, und danach sehnte er sich am meisten. "Ich hoffe, Sie finden es", sagte sie ruhig und verließ das Büro. Dane ging hinter ihr her, blieb aber in der Tür stehen und beobachtete sie, wie sie den Flur entlangging. Ihr Pferdeschwanz hüpfte auf und ab. Maria Youngbear war eine einzigartige Frau. Am Abend hörte Maria gegen acht Uhr Geräusche in der Wohnung nebenan. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Dane im Haus willkommen zu heißen, und ihrer vernünftigen Entscheidung, sich dem Blick seiner durchdringenden blauen Augen nicht unnötig auszusetzen. Was zwischen ihr und Dane passierte, das konnte sie möglicherweise aus der Bahn werfen. Sie hatte sich über sich selbst erschrocken, als sie merkte, wie enttäuscht und gekränkt sie am Sonntagabend war. Er war einfach gegangen. Deswegen hatte sie auch wegen Virgil überreagiert. Um neun Uhr hatte sie Sunny endlich ins Bett gebracht und ging unruhig auf die Terrasse hinaus. "Möchten Sie ein Stück Pizza?" fragte eine tiefe männliche Stimme von nebenan. Maria drehte sich um und sah, dass aus Danes Wohnung Licht auf seine Terrasse fiel. Er hatte offensichtlich zwei Gartenstühle sowie einen kleinen weißen Tisch gekauft. Auf dem Tisch lag eine Pappschachtel mit einer großen Pizza. Sie ging hinüber auf seine Terrasse. "Fühlen Sie sich schon zu Hause?" "Ich bemühe mich." Er deutete mit einer Handbewegung in die Wohnung hinein. "Ich habe meine Kleidung im Schrank und meinen Schlafsack ausgerollt. Diese Stühle habe ich zufällig auf dem Nachhauseweg gesehen und gekauft. Die kann ich drinnen und draußen benutzen. Das muss reichen, bis die Möbel geliefert werden." Am Nachthimmel funkelten Sterne, und der fast volle Mond hüllte sie beide in sein bleiches Licht ein. Maria wusste, sie sollte eigentlich zurück in ihre Wohnung gehen, aber sie war noch nie feige gewesen. Sie wollte
herausbekommen, warum Dane sie dermaßen faszinierte. Vielleicht würde seine Anziehungskraft dann verschwinden. Er hatte eine geöffnete Dose Mineralwasser in der Hand und zeigte damit auf die Pizza. "Haben Sie schon zu Abend gegessen?“ "Eigentlich nicht. Meine Mutter bittet mich zwar immer, zum Essen zu bleiben, aber an manchen Abenden gehe ich lieber nach Hause." "Um mal ohne Ihre Familie Sie selbst zu sein?" "So ungefähr. Ich liebe sie alle von ganzem Herzen, aber sie würden mein Leben völlig vereinnahmen, wenn ich sie gewähren ließe." Dane schob ein Stück Pizza auf eine Serviette und hielt es ihr hin. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns auf meine Terrasse setzen? Dann kann ich Sunny hören, sollte sie aufwachen." "Überhaupt nicht“, sagte er mit einem breiten Lächeln. "Ihre Stühle sehen viel bequemer aus als meine." Marias Terrassenstühle hatten bequeme Kissen, und dazu gehörte ein hübscher Glastisch. "Ich kann noch eine Flasche Apfelwein beisteuern, wenn Sie auf ihren Einzug anstoßen wollen", bot sie an, als sie sich gesetzt hatten. "Das ist wirklich ein Grund zum Feiern." Maria ging hinein, fand die Flasche im Kühlschrank und holte zwei Weingläser aus der Anrichte. Als sie auf die Terrasse zurückkam, gab sie Dane die Flasche. Nachdem er sie geöffnet hatte, goss er die sprudelnde Flüssigkeit in die beiden Gläser. "Schöne Kristallgläser." "Sie waren mal ein Hochzeitsgeschenk. Ich finde sie aber so hübsch, dass ich sie nach der Scheidung nicht wegwerfen wollte. Damit hätte ich mich nur selbst geärgert." Dane sah sie eine Weile prüfend an. "Wie machen Sie das, immer so ehrlich zu sein?" "Meinen Sie ehrlich oder direkt?" Wenn er lächelte, verschwanden die harten Linien um seine Augen herum, und er sah viel jünger aus. "Manchmal beides." "Ich glaube, es liegt daran, dass ich mit vielen Geschwistern aufgewachsen bin, vor denen ich meine Gefühle nie verbergen konnte. Sie tun es auch nicht. Sie sind sehr lautstark. Und Sie? Haben Sie Geschwister?" Dane trank einen Schluck aus seinem Glas und schüttelte dann den Kopf. "Nein. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich noch klein war." "Und wo sind sie jetzt?" fragte Maria. Sie wollte unbedingt mehr über ihn wissen. "Meine Mutter ist in New York. Sie ist Leiterin der Finanzabteilung einer Computerfirma. Mein Vater ist in Wisconsin und unterrichtet Geschichte an einer Universität." "Da haben Sie ja vielen Erwartungen zu entsprechen." Sie aßen Pizza, tranken Apfelwein, erzählten sich gegenseitig von ihrem Studium, und die Nacht wurde unterdessen immer kühler.
Als Maria fröstelte, sagte Dane: "Ich komme immer noch nicht darüber hinweg, wie kühl die Nächte hier sind, egal wie heiß es tagsüber war." "Das ist einer der Vorteile, wenn man in der Wüste lebt“, bemerkte sie lächelnd und zitterte jetzt richtig. "Ich sollte jetzt lieber reingehen. Ich muss morgen noch vor den ersten Praxisterminen einiges erledigen." Als sie aufstand, tat Dane es auch. Maria dachte plötzlich jedoch, sie sollte nicht gehen, ohne ihn noch mal darauf anzusprechen, was am Nachmittag passiert war. "Es tut mir leid, dass ich mich wegen Virgil so aufgeregt habe." "Sie dachten, ich hätte Ihr ärztliches Urteilsvermögen in Frage gestellt.“ Sie nickte. "Ich hätte ohne Rücksprache mit Ihnen nicht einfach davon ausgehen dürfen." Dane sah ihr so tief in die Augen, dass sie fast vor ihm zurückwich. Aber eben nur fast. "Ja?" fragte sie mit angehaltenem Atem. "Wenn ich Sonntagabend geblieben wäre und Sie zum Tanzen aufgefordert hätte, dann hätte ich Sie geküsst." Maria schluckte heftig, und sie konnte kaum sprechen. "Aber Sie sind nicht geblieben." "Nein. Aber jetzt sind wir hier..." Er fuhr mit der Hand unter ihr Haar, und sie blieb wie verzaubert stehen. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, wagte kaum zu atmen oder mit der Wimper zu zucken. "Ja, jetzt sind wir hier", flüsterte sie in sehnsüchtiger Erwartung seines Kusses. Dane zog sie zu sich heran und beugte den Kopf zu ihr hinunter - so langsam, dass sie genug Zeit gehabt hätte, sich abzuwenden. Was auch immer sie von ihm erwartet hatte, dass er dermaßen heftig von ihrem Mund Besitz ergreifen würde, hätte sie nicht gedacht. Damit überraschte er sie. Er hatte kaum seine heißen Lippen auf ihren Mund gedrückt, als er schon anfing, mit der Zunge erst ihre Unterlippe zu streicheln und dann weiter in sie einzudringen. Er stöhnte auf, und Maria hatte das Gefühl, dass die Nacht um sie herum schlagartig dunkel und geheimnisvoll wurde. Sie spürte ein Verlangen in sich, das sie nicht verstand. Sie zitterte am ganzen Körper und wusste nicht, ob aus Leidenschaft oder aus Angst vor der Bedeutung dieses Kusses. Was war das für ein Feuer? Sie hatte so etwas noch nie erlebt, bis sie Danes Lippen auf den ihren spürte. Hatte sie einfach nur vergessen, wie es war, von einem Mann geküsst zu werden? Wollte sie deswegen seine Haut berühren, seine Hände auf ihrem Körper spüren, jeden Vorstoß seiner Zunge zärtlich erwidern? Oder war es etwas ganz anderes und hatte damit zu tun, wer er war und wer sie war? Es hatte bereits zwischen ihnen gefunkt, als sie sich das erste Mal in die Augen gesehen hatten. Danes Verlangen nach ihr war so viel wirklicher, so viel lebendiger, so viel gefährlicher als alles, was sie je bei Tony erlebt hatte. Plötzlich gab Dane ihren Mund frei, und als Maria den Ausdruck in seinem Gesicht sah, löste auch sie ihre Umarmung und ließ die Arme sinken.
Dane atmete heftig und sah alles andere als glücklich aus. "Du gehst besser hinein, Maria." "Und was ist, wenn ich es nicht tue?" fragte sie fast trotzig. Sie wollte, dass er in Worte fasste, was da gerade mit ihnen passiert war. "Dann würde ich dich immer wieder küssen, und das wäre für uns beide nicht gut." "Was für mich gut ist, kann ich selbst entscheiden", erklärte sie übermütig. „Vielleicht weißt du gar nicht, was gut für dich ist. Ich bin es jedenfalls nicht. Glaube mir. Seit fast zwei Jahren habe ich nicht mehr gelebt. Ich bin dabei, meinen Weg zu suchen, und wie auch immer er sein wird, er wird auf jeden Fall sehr steinig werden. Und ich weiß, dass ich ihn allein gehen muss." Maria wollte ihm so gerne helfen, den Schmerz lindern, der hinter seiner Sehnsucht nach Zärtlichkeit lauerte. "Warum?" Dane schüttelte den Kopf. "Ich möchte noch nicht mal daran denken, geschweige denn darüber sprechen." "Hat es etwas mit deiner Frau zu tun?" "Hör auf, Maria. Ich würde mich freuen, wenn wir weiter zusammen arbeiten können. Mit allem anderen beschwören wir nur Probleme herauf." Er war nicht der Einzige, der mit seiner Vergangenheit fertig werden musste. Sie hatte es Tony zu verdanken, dass sie nicht wusste, ob sie jemals wieder einem Mann würde vertrauen können. Außerdem verkörperte Dane alles, was ihre Eltern ablehnen würden: Er war weiß, ein Stadtmensch, einer aus dem Nordosten. New York lag für sie auf einem anderen Planeten als New Mexico, wo Maria ihre Wurzeln hatte. Er hatte Recht. Wenn er sie noch einmal küssen würde, würden sie Probleme heraufbeschwören. "Nun gut, Dane, wir machen einfach weiter, als wenn nichts gewesen wäre." Dann hob sie die Pizzaschachtel auf. "Danke, dass du dein Abendessen mit mir geteilt hast. Wenn du richtig eingezogen bist, werde ich mich revanchieren. Gute Nacht, bis morgen in der Praxis." Und bevor sie überhaupt noch ein Mal an seinen Kuss denken konnte, öffnete sie die Schiebetür zu ihrer Wohnung und ging hinein. Sie wusste schon jetzt, dass sie nie vergessen würde, wie sie sich in seinen Armen gefühlt hatte. Am späten Freitagnachmittag wurden Maria Virgils Blutwerte telefonisch mitgeteilt. Als sie Dane aus einem der Untersuchungsräume kommen sah, wusste sie, dass sie das Ergebnis mit ihm besprechen musste. Vergiss den Kuss. Konzentriere dich auf die Arbeit, sagte sie sich zum x-ten Mal seit dem gestrigen Abend. Aber jedes Mal, wenn sie Dane sah, erinnerte sie sich an den Geschmack seiner Zunge auf ihren Lippen und an seine Berührungen. Es war unmöglich, diesen Kuss zu vergessen. Jetzt eilte sie den Flur hinunter, um Dane abzufangen, bevor er zum nächsten Patienten ging. "Ich habe einen Anruf mit Virgils Blutwerten bekommen", sagte sie. "Irgendetwas Auffälliges?" fragte er in demselben beiläufigen Ton, in dem sie schon den ganzen Tag miteinander verkehrten.
„Er ist Risikopatient für einen Herzinfarkt." Maria gab ihm den Zettel, auf dem sie die Werte notiert hatte. "Ich bin froh, dass du auf diese Untersuchung bestanden hast. Wenn wir ihn auf den richtigen Weg bringen, kann er das in den Griff bekommen.“ "Aber nur, wenn er mitmacht", gab Dane zu bedenken. "Wenn ich Clara überzeugen kann, dann wird er mitmachen." Dane musste lächeln. "Möchtest du einen Termin mit ihm vereinbaren, oder soll ich es tun?" Das überlassen wir ihm am Besten selbst. Ich werde Betsy bitten, ihn anzurufen und unter allen Umständen einen Termin zu vereinbaren. Dann kann er sich aussuchen, zu wem er gehen möchte." In diesem Augenblick kam die Sprechstundenhilfe aus ihrem Büro und machte Maria ein Zeichen. "Maria, Ihre Mutter sitzt mit Sunny im Wartezimmer. Sunny hat 39° Fieber." Wie jedes Mal, wenn Sunny krank war, bekam Maria Angst. Wenn es um ihre Tochter ging, verließ sie sich auf Gebete mindestens ebenso sehr wie auf ihre medizinischen Fähigkeiten. Sie lief ins Wartezimmer, wo ihre Mutter Sunny auf dem Schoß schaukelte. Das kleine Mädchen war teilnahmslos, hatte ein rotes Gesicht, und ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Als Maria auf sie zu ging, streckte Sunny ihr die kleinen Ärmchen entgegen, und Maria nahm sie auf den Arm. "Hallo, mein Schatz. Lass uns mal nachsehen, was mit dir los ist." Ihr nächster Patient war glücklicherweise noch nicht da, so dass sie sich sofort um ihre Tochter kümmern konnte. Im Untersuchungsraum versuchte Maria unter den Augen ihrer Mutter, aus der Untersuchung ein Spiel zu machen, wie sie es mit allen Kindern zu tun pflegte. Aber Sunny war zu keinem Lächeln in der Lage. Sie benutzte das Ohrthermometer und untersuchte sie dann gründlich. „Was ist es denn?" fragte ihre Mutter. "Mittelohrentzündung. Kein Wunder, dass es ihr so schlecht geht. " In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und als Maria öffnete, stand Dane davor. "Ich habe gesehen, dass du nur noch einen Patienten heute hast. Soll ich ihn übernehmen?" fragte er. "Das ist nett von dir. Aber ich mache mir mehr Sorgen wegen heute Abend." „Was ist denn heute Abend?" "Mommy", rief Sunny vom Untersuchungstisch her und streckte die Arme aus, um auf den Arm genommen zu werden. Maria ging zu ihrer Tochter und hob sie hoch. "Es ist alles gut, mein Schatz. Mit ein bisschen Medizin wirst du dich bald besser fühlen." Sie wandte sich wieder Dane zu, der inzwischen ihre Mutter mit einem Kopfnicken und Lächeln begrüßt hatte. "Ich habe heute Abend in der High School einen Workshop. Er ist für junge Mütter - über ihre eigene Ernährung und der ihrer Kinder, worauf man bei Kinderkrankheiten achten muss, Impfpläne und so weiter. Könntest du das für mich übernehmen?"
Sunny hatte sich inzwischen bei Maria angekuschelt. Maria konnte die Hitze spüren, die von dem kleinen Körper ausging, und wiegte sie automatisch. "Kannst du das nicht verschieben?" fragte Dane. „Es ist so schwierig, diese jungen Mädchen überhaupt zu bewegen, sich für so etwas zu interessieren. Einige von ihnen sind unverheiratete Mütter. Sie mussten sich bei mir schriftlich verpflichten, auch wirklich zu kommen, und dies ist der erste von insgesamt drei Abenden." Sie konnte Dane vom Gesicht ablesen, dass er überhaupt keine Lust dazu hatte. "Ich kann heute Abend bei Sunny bleiben, wie wir es geplant hatten", sagte Marias Mutter. Aber Sunny jammerte "Mommy schaukeln", und Maria wusste, sie konnte Sunny nicht allein lassen, wenn sie sich so elend fühlte. Sie sah Dane an. "Zu jedem Thema habe ich ausführliche Notizen. Du brauchst sie nur vorzulesen und die Mädchen dann Fragen stellen lassen." Dane überlegte noch einen Augenblick und war dann einverstanden. "In der High School sagtest du?" „Ja, im Raum für Hauswirtschaftslehre. Der Rektor wird dich reinlassen. Erzähl mir bitte anschließend, wie es gelaufen ist. Wegen zwei der Mädchen mache ich mir große Sorgen. Sherry und Tessa. Sie haben zu Hause keinerlei Unterstützung." "Ich werde dafür sorgen, dass diese beiden alles verstehen", beruhigte er sie. Dann schaute er Sunny an. „Ein Virus?" erkundigte er sich. "Eine Mittelohrentzündung." Er nickte. "Nett, Sie wieder zu sehen", sagte er zu Marias Mutter und ging zur Tür. "Bleib du nur bei Sunny. Ich werde mich hier um alles kümmern. Ich werde auch Bescheid geben, dass ich den Notdienst übernehme." „Es tut mir Leid, dich so benutzen zu müssen ...“ Er machte jedoch nur eine abwehrende Handbewegung und ging zu ihrem Patienten in den Nachbarraum. Bis Dane noch zwei weitere Patienten versorgt hatte, die ohne Termin gekommen waren, war es spät geworden. Er ging in die "Cantina" zu einem schnellen Abendessen und fuhr dann gleich weiter zur High School. Maria hatte bei der Sprechstundenhilfe für ihn sehr ausführliche Notizen hinterlegt, zusammen mit der Teilnehmerliste aller jungen Frauen, die zu dem Workshop kommen sollten. So etwas war ganz und gar nicht sein Ding, aber Marias Notizen waren sehr klar, und er hatte sich nur an die Themen zu halten: Ernährung, Schutzimpfungen, Kindesentwicklung. Er sagte sich, dass er das sicher gut über die Bühne bringen würde. Das glaubte er aber nur so lange, bis er in die Nähe des Hauswirtschaftsraumes kam, aus dem Gelächter, Geschnatter und Geheule schallte. Als er den Raum betrat, sah er, dass die jungen Mütter nicht allein gekommen waren, sondern ihre Kinder mitgebracht hatten. Da waren Säuglinge, Kleinkinder und zwei etwa Vierjährige. Am liebsten wäre er sofort wieder gegangen.
Doch dann schaute er in die Gesichter der jungen Frauen, die aufgehört hatten zu reden, als er hereinkam, und er wusste, dass es kein Entrinnen für ihn gab. Am Anfang ging es noch. Jeder stellte sich vor, und die Kinder spielten mit ihren Spielsachen oder saßen auf dem Schoß ihrer Mutter. Aber jedes Mal, wenn er eine Mutter mit ihrem Kind länger ansah, wurde der Schmerz in seiner Brust stärker, und er wusste bald nicht mehr, wie er das aushalten sollte. Nach seinem Vortrag beantwortete er die Fragen so knapp wie möglich. Aber einige der jungen Mütter hatten das Bedürfnis, sich auszusprechen, und so hörte er sich geduldig ihre Geschichten an. Sherry erzählte, dass ihr Vater sie aus dem Haus werfen wollte, damit das Geschrei ihres Babys ihn nachts nicht mehr aufweckte. Tessa hatte Tränen in den Augen, als sie von ihrem Freund erzählte, der nichts von seinem Sohn wissen, aber immer noch mit ihr schlafen wollte. Dane war erstaunt über die Offenheit der jungen Frauen. Während er Michelle wie ein väterlicher Beichtvater zuhörte, tanzten zwei kleine Jungen Ringelreihe um seine Beine herum. Einer fiel dabei auf seine Füße und lachte zu ihm hoch. Jedes Mal, wenn Dane Sunny angesehen hatte, hatte er diesen Schmerz verspürt. Er erinnerte sich dann an Keiths strahlende blaue Augen, sein helles Lachen und an seine Freude über seine ersten Schritte. Dane erinnerte sich an all das so gut, als wenn es erst gestern gewesen wäre. Seit dem Unfall ging er Kindern deswegen lieber aus dem Weg. Als er schließlich die High School verlassen konnte, fühlte er sich völlig erschöpft und eingesperrt in eine Wolke aus Qual und Schuldgefühlen. Er wurde wütend - wütend auf Maria, dass sie ihn in eine solche Situation gebracht hatte. Sie hätte diesen verdammten Workshop absagen können. Sie hätte ihn verschieben können. Schlimmer noch. Er wurde wütend auf sich selbst, dass er sich darauf eingelassen hatte. Auf der Fahrt zu seiner Wohnung tobten so viele Gefühle in ihm, dass er sie nicht ordnen konnte. Er sah ständig das Gesicht seiner Frau vor sich, hörte sie schreien, wie sie es so oft in seinen Albträumen getan hatte. Als er schließlich das Auto in der Nähe seiner Wohnung geparkt hatte, war er schweißgebadet und voller Bitterkeit und Schmerz. Er ging in seine Wohnung, und ohne Maria wissen zu lassen, dass er zurück war, zog er einen Trainingsanzug an und ging joggen. Es war ihm egal, dass in dieser Nacht kein Mond am Himmel stand. Es war ihm egal, dass er sich noch nicht gut genug in Red Bluff auskannte, und es war ihm auch egal, ob es gefährlich sein mochte. Er rannte einfach los und versuchte, alles hinter sich zu lassen. Aber das gelang ihm nicht. Schweißtriefend und völlig erschöpft kam er schließlich in seine Wohnung zurück, holte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und ging auf die Terrasse hinaus. Nach ein paar Schlucken fiel ihm ein, dass er Bereitschaftsdienst hatte, und er stellte die Dose auf den kleinen Tisch. Dabei fiel sie geräuschvoll um, und das Bier ergoss sich über die Fliesen. Dane fluchte leise, aber seine Stimme klang in der Nacht viel zu laut.
Er hörte, wie Maria ihre Terrassentür aufschob, aber er wollte sie nicht sehen. Er wollte weder mit ihr noch mit Sunny etwas zu tun haben, und schon gar nicht den Anblick von ihnen beiden zusammen ertragen müssen. Sie war überrascht, ihn im Trainingsanzug zu sehen. "Hast du den Workshop gegeben?" fragte sie besorgt. Maria hatte weiße Shorts und ein ärmelloses, pinkfarbenes Top an, und sie war barfuss. Das offene Haar hing ihr über die Schultern, und trotz der in ihm tobenden Gefühle fand er sie unglaublich attraktiv. "Ich habe deinen verflixten Workshop abgehalten. Aber wenn du das nächste Mal einen Termin nicht einhalten kannst, dann such dir jemand anderen, der für dich einspringt." Die Bitterkeit, die aus jedem seiner Worte klang, hatte eine völlig ungewollte Wirkung. Sie kam näher, statt wegzulaufen. "Was ist los, Dane? Was ist passiert?" Er fuhr sich verzweifelt durchs Haar und zeigte auf ihre Terrassentür. "Geh wieder hinein, Maria. Kümmere dich um deine Tochter und lass mich verdammt noch mal in Ruhe.“
4. KAPITEL Dane wusste, dass die meisten Frauen bei seinem barschen Ton weggelaufen wären, aber Maria war eben nicht wie die meisten Frauen. Sie blieb ruhig stehen und sah ihn eine Weile schweigend an. "Was ist passiert?" fragte sie dann ein zweites Mal. "Du hast mir nicht erzählt, dass die Mütter ihre Kinder mitbringen." "Für die meisten ist es schwer genug, ihre Kinder tagsüber unterzubringen, damit sie, arbeiten können. Und sie können sich nicht auch noch am Abend einen Babysitter leisten", entgegnete sie völlig sachlich. "Ich brauche keinen Vortrag über junge Mütter, Maria. Ich habe heute Abend aus erster Hand erfahren, wie schwer es für sie ist. Sie müssen geglaubt haben, ich wäre eine Art Vaterfigur, der sie all ihre ]Rrobleme anvertrauen können, während die Kinder herumliefen. " Ihr Blick war genauso durchdringend wie ihre Worte. „Es ist schon merkwürdig, dass du keine Kinder magst, wo du doch Kinderkardiologe warst." Damit war die Unterhaltung wieder an einem Punkt angekommen, wo er sie schon mal abgebrochen hatte. "Hör zu, Maria, ich möchte darüber nicht sprechen!" "Du bist doch schon dabei, Dane, und ich auch. Wenn du ein Problem mit Kindern hast..." "Ich habe kein Problem mit Kindern. Jedenfalls nicht so, wie du meinst. Ich kann es nur nicht ertragen, sie mit ihren Müttern zu sehen. Dann wird alles wieder lebendig, was ich vergessen will. Schließlich bin ich nach Red Bluff
gekommen, um endlich vergessen zu können. Aber ich werde die Erinnerungen wohl nie los." Maria ging noch einen Schritt weiter auf ihn zu. "Dann erzähle sie mir." In der Stille der Nacht hallten ihre Worte nach, und er gab seinen Widerstand auf. "Nun gut! Ich hatte eine Frau und ein Kind, und ich hatte ein Leben. Aber jetzt habe ich nichts mehr, und alles ist meine Schuld." "Was ist deine Schuld?" Marias sanfte Art vertiefte noch seinen Schmerz, aber er sah Betroffenheit in ihrem Blick, und das machte ihm Mut, die Mauer zu überwinden, die er in sich aufgebaut hatte. „Es war Anfang Dezember", fing er mit leiser Stimme an zu erzählen. "Wir fuhren zum Wintersport nach Vermont. Ich weiß eigentlich immer noch nicht, was genau passierte. Die ganze Fahrt über hatte es geschneit. Die Straße war in keinem guten Zustand, aber ich bin an Allradantrieb und die glatten Straßen von New England gewöhnt." Maria legte ihm die Hand auf die Schulter. Ihre Hand war kühl und tat ihm wohl auf der heißen Haut. Die Berührung entlockte ihm auch den Rest seines Albtraums. "Der Unfall passierte so schnell, dass ich mich immer noch nur verschwommen daran erinnern kann. Sie sagten, ich hätte nichts tun können, aber das glaube ich nicht. Ich war ein erfahrener Autofahrer. " "Bist du ins Rutschen gekommen?" drängte sie ihn, damit er weiter erzählte. "Da war eine Kurve. Der entgegenkommende Lastwagen war zu schnell. Seine Scheinwerfer blendeten mich. Er kam rutschend auf meine Fahrbahn, und wir wurden von der Straße geschoben, überschlugen uns und landeten zwischen Bäumen. Dann begrub der Lastwagen uns unter sich. Ich hörte Ellen schreien und versuchte, sie zu erreichen. Ich versuchte, Keith auf dem Rücksitz zu erreichen, aber dann verlor ich das Bewusstsein." Er hatte den Eindruck, dass Marias Hand auf seiner Schulter zitterte, war sich aber nicht sicher. "Ich habe zwei Tage im Koma gelegen. Als ich wieder zu mir kam, erzählte mir der Arzt, dass meine Frau und mein Sohn tot waren. Und ich hatte das noch gar nicht richtig begriffen, als ich sah, dass ich die Hand und das Handgelenk in Gips hatte." "Oh, Dane!" Maria seufzte seinen Namen. Er spürte, sie verstand ihn, und er sah sie an. Beim Anblick ihrer tiefbraunen Augen schnürte ihm etwas den Hals zu. Er musste wieder wegschauen, hinüber in die Wüste, und er erzählte weiter. "Meine Hand wurde dann noch weiter behandelt, aber nach weiteren sechs Wochen war klar, dass meine Karriere als Kinderkardiologe zu Ende war, jedenfalls meine Arbeit im OP. Da habe ich mich erst mal für drei Monate beurlauben lassen." "Und was hast du gemacht?" "Ich bin durch unser Haus in Connecticut gewandert, habe getrunken, geflucht und das Schicksal verwünscht. Schließlich fand ich mich damit ab, dass mein Leben, so wie ich es kannte, vorüber war. Ich habe das Haus und alles, was drin
war, verkauft und bin in unsere Wohnung in New York gezogen. In meine Wohnung. Ich glaube nicht, dass Krankengymnastik die Feinmotorik meiner Hand wieder herstellen kann, und die brauche ich nun mal am Operationstisch. Also habe ich mich als Kardiologe niedergelassen. Aber nach einem Jahr ... " Dane schüttelte den Kopf. "Ich konnte nicht mehr. Alles, was mit meinem alten Leben zu tun hatte, wurde mir zu viel. Da sah ich deine Annonce im Ärzteblatt, und zum ersten Mal, seit ich aus dem Koma aufgewacht war, interessierte mich etwas. Als praktischer Arzt zu arbeiten an einem Ort, wo ich gebraucht werde, das lockte mich. Also habe ich mich beworben." Er holte tief Luft und sah Maria wieder an. "Ich bin nicht hierher gekommen, um meine Vergangenheit zu verändern. Ich hoffte, ich würde eine neue Zukunft finden. Aber heute Abend hat mich meine Vergangenheit wieder eingeholt. Sie wird mich nie verlassen. Ich werde die Verzweiflung über den Verlust meiner Frau und meines Sohnes nie los, und schon gar nicht meine Schuldgefühle." "Das tut mir alles so Leid." Ihr standen Tränen in den Augen. "Ich will dein Mitleid nicht, Maria." "Was willst du dann?" fragte sie ruhig. „Im Moment will ich nur allein gelassen werden." "Gib nicht auf", bat sie, als wenn sie wüsste, wovon sie sprach. "Kummer und Verlustschmerz verschwinden nicht, aber sie werden schwächer" "Hast du jemals einen Mann oder ein Kind verloren?" Sie hielt seinem Blick stand. "Ich habe auf andere Weise meinen Mann verloren." "Das ist nicht dasselbe. Ich trage die Verantwortung, Maria." "Ich war auch verantwortlich." Dane schüttelte den Kopf und verstand sie nicht. Scheidung und Tod hatten nichts miteinander zu tun. "Nichts dauert ewig, Dane. Auch nicht der Schmerz, in dem du dich verkriechst. Er geht vorbei. Alles geht vorbei. Vielleicht nicht ganz, aber doch genug, um weiterleben zu können." "Woher hast du denn diese Weisheiten?" fragte er fast ärgerlich. „Von meiner Mutter. Und sie ist wirklich eine weise Frau. Kann ich irgendetwas für dich tun?" Dane wusste etwas, was sie beide tun konnten. Es würde ihm vielleicht helfen, wenigstens für einen kurzen Augenblick alles zu vergessen. Er hätte Maria gerne berührt, aber er wusste, dass das nicht richtig gewesen wäre. Nicht jetzt jedenfalls. Nicht heute Abend. "Geh wieder rein, Maria. Ich werde es schon schaffen." "Aber du musst es nicht alleine schaffen", sagte sie auf solch ehrliche Art, dass er ihr am liebsten glauben wollte. "Dabei kann mir keiner helfen. Keiner kann es ungeschehen machen. Und keiner kann es ändern." „Hast du denn schon mal jemandem die Gelegenheit dazu gegeben?" "Das ist genauso sinnlos, wie an Träume zu glauben."
"Dane..." "Geh rein, Maria", sagte er erneut. "Wie du möchtest. Aber ich werde nicht so tun, als wenn heute Abend nichts passiert wäre. Und du solltest das auch nicht tun." Damit ging sie über ihre eigene Terrasse in die Wohnung. Am Montagmorgen war Dane schon vor Maria in der Praxis. Er versuchte immer noch, die Erinnerungen an den Freitagabend zu verdrängen, so wie er auch alles andere verdrängte. Er war am Wochenende vor seiner Wohnung geflohen - vor Maria geflohen - und hatte die Umgebung von Albuquerque erkundet. Da es immer noch mühsam und zeitraubend war, mit der linken Hand zu schreiben, hatte Dane seine Notizen über jeden Patienten zuerst auf Band gesprochen. Das hörte er dann später ab und übertrug die Informationen in die Patientenakten. Er hatte bereits eine halbe Stunde daran gearbeitet, als Maria in der Tür auftauchte, in jeder Hand einen Becher Kaffee. "Betsy hat alles im Griff ", erklärte sie, während sie hereinkam und ihm einen Becher auf den Schreibtisch stellte. Als er ihr in die Augen sah, erinnerte er sich an alles, was er am Freitagabend mit ihr erlebt hatte. "Wie geht es Sunny?" fragte er. "Sie ist wieder gesund." Er nahm den Kaffeebecher und murmelte "Danke". Er hatte nicht vor, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Aber er hätte wissen müssen, dass das bei Maria nicht so leicht war. Sie saß auf der Kante ihres Schreibtisches und schaute über den Rand ihres Kaffeebechers zu ihm herüber. "Ist noch etwas?" frage er. "Du hättest um Hilfe bei den Notizen bitten können." "Du hast genug zu tun." "Wir könnten unser Budget überprüfen, ob wir uns nicht vielleicht ein Diktafon leisten können. Wenn wir ihr die Arbeit erleichtern, ist Betsy vielleicht bereit, ein paar Überstunden zu machen. Dane dachte kurz nach. "Wenn ich zu sehr in Rückstand gerate, können wir noch mal darüber sprechen." "Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit", sagte sie in sachlichem Ton. Dane merkte, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte und keine Ruhe geben würde, bis sie es besprochen hatten. Also legte er den Kugelschreiber aus der Hand und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Und die wäre?" "Du könntest mich deine Hand untersuchen lassen. Und wenn ich glaube, dass Krankengymnastik helfen könnte, könnten wir damit anfangen. Vielleicht kannst du deine Hand schneller wieder gebrauchen als du glaubst." "Vielleicht habe ich das ja gar nicht verdient. Vielleicht ist dies einfach der Preis, den ich dafür bezahlen muss, dass ich leichtsinnig mit den Menschen umgegangen bin, die ich am meisten geliebt habe.“
In Marias Augen blitzte es auf. "Vielleicht hat es aber gar nichts mit all dem zu tun. Vielleicht hattest du einfach Pech mit diesem Unfall, warst einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Jetzt bleibt dir nichts anderes übrig, als aus der Situation das Beste zu machen." "Glaubst du an Gott?" fragte Dane nach einem längeren Schweigen. "Ich glaube an jemanden, der größer ist als ich und der eine Menge mehr weiß und versteht als ich. Aber ich glaube weder, dass Gott deine Frau und deinen Sohn hat sterben lassen, noch, dass er etwas mit meiner Scheidung zu tun hat. Wir entscheiden uns täglich immer wieder neu, und damit schlagen wir bestimmte Wege ein, auf denen wir eines Tages vor den Konsequenzen unserer Entscheidungen stehen." Nachdem er Maria lange angesehen hatte, versuchte er herauszufinden, was ihre Sichtweise in seinem Leben bedeutete. "Ich habe mehr Zeit mit meiner Arbeit verbracht als mit Ellen und Keith. Nach dem Unfall habe ich erst gemerkt, dass sie meine Vaterrolle mit übernommen hatte, denn ich war mehr weg als zu Hause." "Die Arbeit eines Spezialisten ist nun mal sehr familienfeindlich." "Ja das war sie auch. Doch ich habe die Arbeit auch geliebt. Ich hätte es mir leichter machen und nicht alle Fälle annehmen können, aber sie waren einfach alle so wichtig. Ich wollte jedes Kind retten und habe dabei mein eigenes verloren." "Das hat nichts miteinander zu tun", sagte sie bestimmt. "Vielleicht kannst du es so sehen. Ich nicht." Und wieder herrschte Schweigen in dem Raum. "Lass mich bitte deine Hand untersuchen", bat Maria nach einer Weile mit sanfter Stimme. Noch hatte sie den Kittel nicht über ihre bunte Bluse gezogen. Die leuchtenden Farben zusammen mit dem Weiß ihrer Jeans unterstrichen das dunkle Braun ihrer Augen und ihrer Haare. Er wusste allmählich, dass Maria nicht locker lassen würde. Wenn er sie jetzt nicht gewähren ließ, würde sie ihn immer wieder bitten. „In Ordnung", willigte Dane ein und stand auf. Als er sie jedoch ansah, schien ihm überhaupt nichts in Ordnung zu sein. Alles schien außer Kontrolle zu geraten, einschließlich seines Verlangens nach ihr. Plötzlich lächelte sie ihn an, und bei diesem Lächeln hätte er sogar seinen eigenen Namen vergessen können. Aber dann gab sie ihm ein Zeichen, ihr zu folgen, und gemeinsam gingen sie in einen der Untersuchungsräume. Sie schien es ganz offiziell machen zu wollen und gründlich. "Setz dich bitte hierher", forderte sie ihn auf und zeigte auf den Untersuchungstisch. "Maria..." Die Ungeduld in seiner Stimme ließ sie aufsehen. "Bist du einer dieser Ärzte, die schlechte Patienten sind?" fragte sie leicht amüsiert. "Natürlich nicht", wehrte er entrüstet ab.
Sie lachte. "Dann ist es ja gut." Kopfschüttelnd nahm sie seine Hand in die ihre, bevor er noch richtig saß. Maria hielt seine Hand so lange, bis er seinen Widerstand aufgab und sie das Gewicht der Hand spürte. Sie war so viel größer als ihre, seine Haut war rauer, und der Unterschied zwischen Mann und Frau war selbst in den Händen sehr deutlich. Sie ließ den Daumen über seine Handinnenfläche kreisen, und jede ihrer Bewegungen prickelte auf der Haut, nicht nur in der Hand, sondern im ganzen Körper. Sie probierte nichts aus, sondern erfühlte nur seine Muskeln. Die Wege ihres Daumens an den Fingern entlang verstärkten jedoch sein Bedürfnis nach einer kalten Dusche. Als sie schließlich seine Hand umdrehte, erinnerte die Narbe ihn daran, warum sie das alles tat. Sie tastete sie ab und drückte sie leicht, wobei sie seine Reaktionen beobachtete. "Tut das weh?" "Nein." Sein Ton war kurz angebunden, und als sie den Kopf hob und ihm in die Augen sah, errötete sie. "Ich will doch nur gründlich sein", murmelte sie. Das war sie auch. So gründlich, dass sich alle seine Wünsche, Begierden und Bedürfnisse überschlugen, und er seine Gefühle nicht mehr auseinander halten konnte. Dann ließ sie ihn jeden Finger einzeln krumm machen und beobachtete seine Hand genau, wobei sie mit ihrem Daumen auf das Handgelenk drückte. Schließlich sah sie auf. "Ich glaube, du weißt, dass Krankengymnastik dir helfen könnte. Ich weiß zwar nicht, ob du je wieder wirst operieren können, aber du wirst ganz sicher wieder besser schreiben und auch sonst deine rechte Hand besser benutzen können. Ich glaube auch, dass du all das weißt. Also bleibt nur die Frage, ob du es möchtest oder nicht. Dich selbst für den Unfall zu bestrafen, bringt dir deine Familie auch nicht zurück." Das wusste keiner besser als er. Aber vielleicht wollte er diese Behinderung gar nicht aufgeben, die ihn irgendwie mit seiner Frau und seinem Sohn verband. Das war ein eigenartiger Gedanke, den er vorher noch nie gehabt hatte, aber er merkte, dass er damit ganz richtig lag. Die Umrisse von Ellens Gesicht verblassten jeden Tag etwas mehr, und auch Keiths kindliches Geplapper war nur noch ein schwaches Echo. Aber all das konnte er Maria nicht sagen. Die Welle von sexueller Begierde, die sie mit jeder ihrer Berührungen auslöste, war ebenso beunruhigend wie alles Andere. Er entzog ihr deshalb seine Hand und stützte sich damit leicht vom Tisch ab. "Die Patienten warten auf uns." "Aber du versprichst mir, dass du über Krankengymnastik nachdenkst?" fragte sie, und in ihren Augen lag mehr als nur berufliche Sorge um ihn. „Ich habe keine Zeit, um für Rehabilitationsmaßnahmen nach Albuquerque zu fahren." "Damit können wir ja auch hier anfangen, morgens vor den ersten Patienten. Da wir hier in Red Bluff kein Krankenhaus haben, fange ich mit vielen meiner Patienten so an. Das kann ich auch für dich tun."
"Du hast auf alles eine Antwort, nicht wahr?" Seine Frage klang fast bitter. Maria hatte etwas an sich, was deutlich machte, dass sie wusste, wer sie war und woran sie glaubte. Er beneidete sie darum, denn von sich wusste er das alles nicht mehr. "Ich habe keine Antworten", erwiderte sie ganz ruhig. "Aber ich kann dir helfen, deine Finger wieder zu gebrauchen, wenn du das willst." Dane konnte nicht länger in diese dunklen Augen schauen. "Ich werde darüber nachdenken", erklärte er hastig. Maria war wie jeden Samstagnachmittag dabei, mit Sunnys "Hilfe" ihre Wohnung zu putzen, als sie Lärm im Flur hörte und sich daran erinnerte, dass heute Danes Möbel geliefert werden sollten. Seit dem Morgen, als sie seine Hand untersucht hatte, hatten sie kein privates Wort mehr miteinander gesprochen. Sie hatte an diesem Tag seine Grenzen überschritten, und es lag nun an ihm, ob er sie weitergehen ließ oder zurückschickte. Sie wusste, wie schwer es war, Erinnerungen und Träume loszulassen. Das hatte sie auch tun müssen, als sie aus Afrika zurückkam ... Als Tony ihr vorgeschlagen hatte, die Schwangerschaft abzubrechen. Tony und das Leben, was sie sich mit ihm erträumt hatte, loszulassen, war das Schwerste, was sie je in ihrem Leben durchzumachen hatte. Aber Sunnys Geburt hatte diesen Prozess beschleunigt. Dane dagegen steckte in einer Art Zwischenwelt fest, in der die Vergangenheit wirklicher war als die Zukunft. Um auf andere Gedanken zu kommen, schaute sie über den Tisch hinweg zu ihrer Tochter, die mit einem Staubtuch das Holz abwischte, als ob sie genau wüsste, wie man so etwas machte. Maria lächelte. "Wie wäre es mit einem kleinen Nickerchen?" Sunny schaute sie mit ihren großen, braunen Augen an und schüttelte den Kopf. An manchen Tagen liebte Sunny ihren Mittagsschlaf, an anderen wieder nicht. Maria hatte gelernt, sich ihr anzupassen, statt mit ihr zu kämpfen. Plötzlich war draußen vor der Terrassentür ein ungewöhnlicher Krach zu hören, und Maria sah zwei Männer, wie sie ein langes Sofa an ihrer Terrasse vorbeitrugen. "Gucken gehen", sagte Sunny entschlossen, als sie zur Schiebetür lief. „Ich halte das für keine gute Idee, meine Kleine. Warum machen wir uns nicht lieber etwas zu essen. Wie wäre es mit, ein paar Erdnusserackern und Saft?" Sunny war so vertieft in den Anblick der Möbelpacker draußen, dass sie nicht antwortete. Aber Maria wusste, dass, wenn sie die Cracker erst mal in der Hand hatte, sie alles Andere vergessen würde. In wenigen Minuten hatte sie Sunnys Snack fertig und stellte ihn auf den Tisch. Sie rief ihre Tochter, doch bekam wieder keine Antwort. Also ging sie ins Wohnzimmer. Beim Anblick der offenen Terrassentür geriet sie in Panik. Sie lief hinaus und rief Sunnys Namen. Sie musste die Schiebetür beim letzten Mal nicht richtig zugemacht haben, sonst hätte Sunny sie nicht öffnen können.
Draußen atmete Maria erleichtert auf, als sie ihre Tochter vor Danes Terrassentür sah, an der sie sich die Nase platt drückte. "Gucken", sagte sie zu ihrer Mutter in der Erwartung, dass sie ihr Danes Tür öffnen würde. In diesem Augenblick sah Dane das Kind vor seiner Tür stehen. Er hatte marineblaue Shorts und ein rot-weiß gestreiftes Polohemd an. Er sah darin so umwerfend gut aus, dass Maria sich nicht ohne weiteres abwenden konnte. Noch bevor sie mit Sunny schimpfen konnte, dass sie die Wohnung allein verlassen Hatte, öffnete er die Tür. "Hallo, du", begrüßte er das kleine Mädchen lächelnd. "Gucken", antwortete sie ihm. Er lachte. "Hier gibt es nicht viel zu sehen." Maria umfasste die Schultern ihrer Tochter und schob sie hinüber zu ihrer eigenen Terrasse. "Entschuldige bitte. Sie hätte dich nicht stören sollen. Du musst mitten beim Räumen sein." „Eigentlich sind die Packer gerade gegangen, und ich muss erst mal entscheiden, wo ich was hinstelle." Sunny entzog sich dem Griff ihrer Mutter und lief in Danes Wohnung. Dort warf sie sich auf das neue Sofa. Maria lief kopfschüttelnd hinter ihr her. "Zu Hause wartet ein Snack auf dich." Aber Dane hielt Maria am Ellbogen fest. "Ich könnte innenarchitektonischen Rat gebrauchen. Ich habe zwar all diese Möbel gekauft, aber ich weiß nicht, wo ich sie hinstellen soll." Sie schaute erstaunt zu ihm hoch und hielt einen Moment die Luft an. Die Berührung seiner Finger brannte ihr auf dem Arm, und mit den Funken, die zwischen ihnen hin- und herflogen, hätte man ganz Red Bluff anstecken können. Als er sie losließ, versuchte sie, ihren rasenden Puls zu beruhigten. "Du hast aber eine Menge Möbel gekauft", bemerkte sie, während sie sich umschaute. Das Sofa, Sessel und Beistelltische standen mitten im Wohnzimmer herum und warteten auf ihren Platz. Dane hatte zwei freie Wände und musste sich entscheiden, vor welcher er die Sitzgruppe haben wollte. Außerdem musste er noch einen Fernseher auf einem Eichengestell sowie ein paar Bücherregale unterbringen. Ihr gefielen die erdigen Farben des Stoffes. Nur der verstellbare Fernsehsessel war mit flaschengrünern Leder bezogen. Den wird er wohl am meisten benutzen, vermutete sie. Maria ließ den Raum und die Möbel ein paar Minuten auf sich wirken. "Ich würde das Sofa an die Innenwand stellen", schlug sie dann vor. "Komm, ich helfe dir schieben." Dann schoben Dane und Maria eine Stunde lang die Möbel durch die Wohnung, mal hierhin, mal dorthin. Sie mussten oft lachen, und wenn sich ihre Blicke trafen, schauten sie sich jedes Mal tief in die Augen, bevor sie wieder wegsahen. Maria hatte das Gefühl, dass ihr ganzer Körper vibrierte, wenn Dane ihr nahe kam, und ihre Wangen waren nicht nur von der Anstrengung gerötet. Sunny lief indessen durch die Wohnung, probierte Danes Schlafsack aus, den er
in der Küche in eine Ecke geworfen hatte, und stand staunend vor dem großen Bett im Schlafzimmer, bevor sie darauf herumsprang. Als Maria und Dane schließlich ihr Werk betrachteten, kam Sunny zu ihrer Mutter gerannt und baute sich vor ihr auf. "Hunga!“ Maria sah erschrocken auf die Uhr. Es war schon fast fünf Uhr. "Das glaube ich dir. Dein Snack wartet schon lange auf dich. Komm, wir lassen Dane jetzt in Ruhe seine neuen Möbel genießen." "Warum bleibt Ihr nicht zum Abendessen?" schlug er vor. "Das ist das Mindeste, was ich für deine Hilfe tun kann. Ich habe heute Morgen Vorräte gekauft und den Kühlschrank gefüllt. Magst du Hot Dogs?" fragte er Sunny. Die nickte begeistert. "Mit Sempf." Dane lachte. "Ich glaube, ich habe auch Senf. Ich kann auch meinen neuen Grill ausprobieren. Was haltet Ihr davon?" "Bist du sicher?" "Ganz sicher. Es sei denn, Ihr habt schon andere Pläne für heute Abend." Wollte er wissen, ob sie eine Verabredung hatte? Sie musste sich ein Lachen verkneifen. "Keine Pläne", verkündete sie leichten Herzens. Während Dane die Hot Dogs grillte, machte Maria einen Salat. Sie fand auch noch einen Beutel Tortillas in Danes Vorratsschrank, und aus ihrer eigenen Küche holte sie die Plätzchen, die sie am Morgen für Sunny gebacken hatte. Dane holte einen von Marias Sesseln auf seine Terrasse herüber, und sie redeten über Patienten und die Umgebung. Sie vermieden geflissentlich, ernste Themen anzuschneiden. Als Sunny ihren Hot Dog aß, rutschte er ihr vom Brötchen herunter, und sie beschmierte sich überall mit Senf. Dane saß näher bei ihr und rettete ihren Teller und das Würstchen, bevor es auf den Boden fallen konnte. "Ohhh! Ich glaube, du brauchst etwas Hilfe." Zärtlich wischte er Sunny mit seiner Serviette den Senf von Mund und Händen. Und statt von Sunny abzurücken, wie er es sonst getan hatte bugsierte er das Würstchen wieder in das Brötchen und hielt es für sie. "Versuch es jetzt mal", schlug er vor. Sunny schaute mit großen Augen vertrauensvoll zu ihm hoch, biss hinein und strahlte ihn an - mit einem bezaubernden Lächeln. Maria hielt die Luft an und fragte sich, was Dane wohl dachte und fühlte. Aber außer dass seine Wangenmuskeln leicht zuckten, konnte sie in seinem Gesicht nichts erkennen. Danach war er allerdings sehr ruhig, und nach dem Abendessen hatte sich die Stimmung geändert. Maria wischte Sunnys Gesicht und Hände jetzt etwas gründlicher ab und fand dann für sie im Fernsehen eine Sendung, die sie sich anschauen konnte, während sie mit Dane aufräumte. Er brachte den Rest des Salats sowie den Teller mit Plätzchen in die Küche und nickte in Richtung Wohnzimmer. "Ich glaube, sie ist eingeschlafen." Maria stellte gerade Danes neue Teller in den Geschirrspüler. "Sie braucht eigentlich immer noch ihren Mittagsschlaf, aber sie will sich nicht mehr hinlegen. Vielleicht wünsche ich mir auch nur, dass sie ihn braucht, damit sie noch länger mein Baby ist."
"Sie wachsen viel zu schnell", bemerkte Dane schluckend. "Wie alt war Keith?" fragte Maria. Bei dieser unerwarteten Frage schnellte Dane zu ihr herum. "Er war fünf." Maria sagte nichts mehr. Sie wollte Dane die Gelegenheit geben, selbst weiter über seinen Sohn zu sprechen, wenn er wollte. "Ich habe immer geglaubt, ich würde meinen Kummer nicht zeigen", sagte er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "So viel Kummer kann man nicht verbergen, Dane. Du kannst ihn auch nicht ignorieren. Freunde und Familienmitglieder glauben immer, es würde einem helfen, wenn sie nicht darüber sprechen. Aber das tut es nicht. Die verlorenen Menschen sind immer da, sind immer um einen herum. Dane schaute sie erstaunt an. "Woher weißt du das denn?" Maria räumte weiter die Spülmaschine ein. "Ich stand meiner Großmutter mütterlicherseits sehr nahe, ich glaube näher als sonst irgendjemand auf dieser Welt. Als sie starb, war ich fünfzehn, und ich dachte, ich würde mich besser fühlen, wenn ich nicht an sie denke. Dann bin ich an einem Wochenende in die Wüste getrampt, um damit fertig zu werden, dass ich sie verloren hatte. Es war, als ob sie bei mir wäre. Egal, wohin ich sah, lächelte sie mir zu und legte mir die Hand auf die Schulter, um mir zu zeigen, dass sie immer bei mir sein und mich nie verlassen würde. Wenn ich versuchte, nicht an sie zu denken, tat es nur noch mehr weh. Also habe ich mich ergeben. Ich versuchte, mich an alles zu erinnern. Zu Hause erzählte ich meiner Mutter von den Gesprächen, die ich mit Gram geführt hatte und von denen sie nichts wusste. Meistens haben wir danach zusammen gelacht und geweint und haben ihre Gegenwart noch stärker gespürt." "Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich da ein Krieg in mir abspielt", gab Dane zu. "Ein Teil von mir versucht zu vergessen, und der andere will sich erinnern." "Beide Seiten können nur Frieden miteinander schließen, wenn du dir diesen Krieg anschaust." Dane kam zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie fühlten sich warm an, und die Hitze strömte ihr durch den ganzen Körper. "Ich habe noch mit niemandem über all das gesprochen. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, mit dir jetzt darüber zu sprechen." Maria wusste nicht, was das für eine Verbindung zwischen ihnen beiden war, aber sie fühlte sich stärker an als alles, was sie bisher erlebt hatte. Der Druck auf ihren Schultern wurde etwas kräftiger, als Dane sich zu ihr herunterbeugte. Das Blau seiner Augen verzauberte sie so sehr, dass sie an Protest noch nicht mal mehr denken konnte. Als sie seine Lippen auf den ihren spürte, wuchs in ihr eine Erwartung, ein Verlangen, ja eine Begierde, die stärker war als alles, was sie jemals empfunden hatte. Sie schlang ihm die Arme um den Hals und erwiderte seine Küsse mit derselben Intensität. Sie sah und spürte nur noch diesen Mann. Ihre Leidenschaft loderte auf, sprühte Funken und entfachte
ein Feuer in ihr, das stärker brannte als jede Erregung, die sie bei Tony erlebt hatte. Als Dane die Zunge zwischen ihre Lippen drängte, klammerte sie sich an ihn, zerwühlte sein Haar und war zu allem bereit. Er zog sie näher an sich heran, und sie gab bereitwillig nach, hielt ihm die Hüfte entgegen und drückte die Brüste an ihn. Sie stöhnte auf vor Verlangen. Und dennoch überraschte sie seine heftige Vorgehensweise. Er presste sich gegen sie, und mit jeder Bewegung spürte sie die Erregung in ihm wachsen, die er zu befriedigen suchte. Dieses Drängen jedoch ernüchterte sie und vertrieb den Nebel der sexuellen Begierde. Es erschreckte sie ebenso wie die Stärke ihrer Gefühle. Auch wenn Dane sie in sein Leben einbeziehen wollte, so wusste sie doch nicht, wie er in das ihre passen konnte. Oder wollte er nur der Vergangenheit entkommen? Wollte sie sich auf etwas einlassen, was sie noch nie erlebt hatte? Würde sie jemals wieder ei4em Mann trauen können? Und wie sollte das mit Sunny gehen? Im Moment konnte Dane die Gegenwart von Kindern kaum ertragen. All diese Fragen schossen Maria plötzlich durch den Kopf und brachten sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie befreite sich aus seiner Umarmung und sorgte für Abstand zwischen ihnen, obwohl sie am ganzen Körper vor Erregung zitterte. "Ich gehe jetzt lieber", sagte sie schnell. "Maria ... " Sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist, Dane. Ich weiß noch nicht mal, ob es für dich nur eine Flucht vor der Realität und für mich nur eine aufregende Abwechslung ist. Was auch immer es ist, ich muss mir erst darüber klar werden, bevor ich mich auf etwas einlasse, was uns dann vielleicht nur Schwierigkeiten bringt." „Wir können auch einfach nur das Vergnügen genießen, Maria, und es so nehmen, wie es ist", schlug er vor. "Dafür bin ich nicht der Typ", entgegnete sie sanft. "Ich kann nicht mit einem Mann schlafen und am nächsten Morgen so tun, als wenn nichts gewesen wäre. "Und ich bin nicht bereit, mich auf mehr einzulassen." Jetzt hatte er es ausgesprochen, und es war für sie wie ein Schlag ins Gesicht. ihre Gefühle für Dane waren gewachsen, aber seine für sie offensichtlich nicht. Vielleicht waren überhaupt alle seine Gefühle mit seiner Frau gestorben. Sie merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie sollten es dabei belassen, dass sie Nachbarn und Kollegen waren. Da brauchte nicht mehr zu sein. Sie ging ins Wohnzimmer, denn für sie gab es nichts mehr zu sagen. Aber bevor sie ihre schlafende Tochter auf den Arm nehmen konnte, hatte Dane sie schon aufgehoben. "Ich trage sie hinüber."
5. KAPITEL Maria hatte Dane die ganze Woche lang mehr oder weniger ignoriert, und er fing an, sich darüber zu ärgern. Nachdem er am Samstagabend Sunny ins Bett getragen hatte, hatten sie sich sehr förmlich voneinander verabschiedet, obwohl es ihnen sehr unecht vorkam. Am Freitagmorgen war er ins Büro gegangen, um ein leeres Tonband für seinen Recorder zu holen, als Betsy ihn anrief. "Die High School ist auf Leitung zwei. Sie wollen mit Ihnen oder mit Maria sprechen." "Ich nehme das Gespräch an", sagte er und schaute auf die Uhr Das Wartezimmer war im Moment leer, und sein nächster Patient sollte erst in einer Stunde kommen. "Dr. Cameron am Apparat. Was kann ich für Sie tun?" "Elwin hier. Ich bin Trainer an der High School", hörte er eine tiefe männliche. Stimme sagen. "Wir hatten heute Morgen ein kleines Problem. Die Jungen hatten Fußballtraining, und einer der Rabauken hat eine Rauferei angefangen. Joe Eagle landete dabei mit dem Kopf zuerst auf dem Boden. Er sagt zwar, es gehe ihm gut, aber ich dachte, ich sollte doch lieber einen Arzt rufen." Joe Eagle. Ob das wohl Marias Bruder war? Eigentlich egal. Mit einer Gehirnerschütterung war nicht zu spaßen. "Ich komme sofort. Halten Sie ihn bitte ruhig." Keine zehn Minuten später führte die Schulsekretärin Dane in den Umkleideraum der Jungen. Der Trainer saß neben Joe, der ausgestreckt auf einer langen Bank neben den Spinden lag. Es war Marias Bruder, und er war nicht gerade froh, Dane zu sehen. Der Trainer nickte Dane zu. "Ich warte draußen." Dane setzte seine Tasche ab und nahm eine Taschenlampe, die wie ein Kugelschreiber aussah, sowie sein Stethoskop heraus. Joe beobachtete ihn misstrauisch. "Mir geht es gut. Ich habe mir nur den Kopf gestoßen." "Ist dir schwindelig?" Joe zuckte mit den Schultern. "Eigentlich nicht." Aber Dane gab sich mit dieser ausweichenden Antwort nicht zufrieden. "Ja oder nein, Joe? Du darfst keine Symptome verheimlichen. Sie könnten ernster sein, als du glaubst." "Ich sag doch, mir geht es gut." "Magst du mir erzählen, was passiert ist?" Der Junge sah ihn an, als ob er Nein sagen wollte, aber dann brach es aus ihm heraus. "Trevor hat Maria beleidigt. Ich versuchte, einfach wegzugehen, aber dann hat er mich geschubst und mich 'Waschlappen' und 'Weichei' genannt. Dabei habe ich mich lang gelegt, und alle haben sich totgelacht." Dane hörte aufmerksam zu und bat Joe dann, ein paar Mal tief ein- und auszuatmen. Dabei hörte er ihm die Lungen ab. Dann bat er Joe, auf eine Stelle
oberhalb seiner Schulter zu gucken und leuchtete ihm anschließend in die Augen. "Was machst du, wenn so etwas wieder passiert?" Eine Weile lang herrschte Schweigen. "Was geht Sie das an?" fragte der Junge dann. „Ich kann es einfach nicht leiden, wenn jemand verletzt wird." Joe schien über diese Antwort nachzudenken. Trotz gründlicher Untersuchung konnte Dane nichts Auffälliges finden, aber er wusste, dass die Eltern den Jungen ein paar Tage lang beobachten sollten, für den Fall, dass sich doch noch Symptome einer Gehirnerschütterung einstellten. Draußen sprach Dane mit dem Trainer. "Ich werde Joe nach Hause bringen. Ich möchte noch mit seinen Eltern sprechen. Sie müssen ihn für zwei bis drei Tage im Auge behalten. "Sie sind der Arzt. Dann wird das wohl in Ordnung sein. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind und nicht Dr. Youngbear, denn immerhin ging es bei dem Streit wohl um sie." "Sie wäre damit genauso professionell umgegangen wie ich.“ "Das weiß ich. Sie ist eine Klasse Frau. Aber es wäre doch unangenehm gewesen." Auf der Fahrt zur Ranch der Eagles dachte Dane über die Worte des Trainers nach. Joe machte ein mürrisches Gesicht und schien keinen Wert auf eine Unterhaltung zu legen. "Was ist los?" fragte Dane ihn schließlich doch. "Du solltest für diesen Taxidienst dankbar sein." "Ich will nicht, dass meine Eltern erfahren, was passiert ist." "Du könntest eine Gehirnerschütterung haben, und das kann gefährlich sein. Deine Eltern müssen jetzt auf ein paar Dinge bei dir achten." Wieder herrschte Schweigen im Auto, bis Dane erneut anfing. "Wie hat Trevor Maria denn beschimpft?" "Das wollen Sie bestimmt gar nicht wissen", murmelte Joe. "Und bitte erzählen Sie ihr auch nicht, was passiert ist." "Solche Geheimnisse kann ich nicht für mich behalten, Joe. So viel ich mitbekommen habe, haben der Trainer und die halbe Mannschaft die Beleidigung gehört. Meinst du nicht, das spricht sich sowieso herum?" Der Teenager zuckte nur die Schultern. Dane wusste selbst nicht, warum, aber er fühlte sich irgendwie verantwortlich für den Jungen und wollte ihm helfen. "Trevor wird vielleicht wieder damit anfangen, und dann solltest du bereits vorher wissen, wie du reagieren willst." Schweigen. Dane überlegte krampfhaft, wie er Zugang zu dem Jungen bekommen konnte. "Das Beste ist immer, solche Leute einfach zu ignorieren und links liegen zu lassen. Aber wenn es nicht geht ... Ich kenne ein paar Selbstverteidigungstaktiken. Die bringe ich dir gerne bei, wenn du willst." Plötzlich war die Unterhaltung für Joe interessant geworden. "Wo haben Sie denn Selbstverteidigung gelernt?"
"Ich bin in New York City groß geworden, und da sollte man wenigstens einen Grundkurs belegt haben." "Haben sie das jemals gebraucht?" Die Neugier des Jungen wuchs. "Ja, zwei Mal - bei Straßenräubern.“ "Ehrlich?" Jetzt war Joe ganz Ohr. "Was haben Sie mit denen gemacht?" "Du meinst, was sie mir antun wollten? Der Erste hatte ein Messer und wollte meine Brieftasche. Als er auf mich zukam, gelang es mir, geschickt auszuweichen. Beim zweiten Mal wollte einer meine Uhr, und ich habe ihm in die Eier getreten." Aus den Augenwinkeln sah Dane, dass Joe ein leichtes Lächeln auf den Lippen hatte. Also sprach er weiter. "Wie ich schon sagte, ich mag es nicht, wenn jemand verletzt wird. Aber du hast das Recht, dich zu verteidigen, und mit guten Verteidigungstaktiken kann man sich auch Respekt verschaffen, wenn man angepöbelt wird." Die Ranch der Eagles lag etwa fünfzehn Minuten von Red Bluff entfernt. Joe zeigte Dane, über welche Nebenstraßen er fahren musste. Sie fuhren durch rote Hügel, die sich vor dem blauen Himmel erhoben, und dann einen Kiesweg hinunter. Danes Geländewagen wirbelte so viel Staub auf, dass er meilenweit zu sehen war. Er fuhr vor die weitläufigen, braun verputzen Gebäude mit rostroten Dachziegeln. Die Ranch war in einem gepflegten Zustand. Die Pferde standen in einem überdachten Pferch. Als er mit Joe zur Eingangstür ging, kam Marias Mutter heraus. "Was ist passiert?" fragte sie mit dieser Ahnung, die Mütter so an sich haben. "Mir geht es gut", murmelte Joe. "Lass dir von ihm nichts anderes einreden." Und damit war er an seiner Mutter vorbei im Haus verschwunden. Dane erklärte Carmella kurz, was in der Schule passiert war, und bat sie, bei Joe auf Anzeichen von Schwindel, Gleichgewichtsstörungen oder Orientierungslosigkeit zu achten. Carmella sah zu Dane hoch und schaute ihn prüfend an. Sie war klein, etwa zehn Zentimeter kleiner als ihre Tochter. Das geflochtene Haar hatte sie zu einer Krone um den Kopf herum festgesteckt. Ihre Augen waren genauso dunkel wie die von Maria, und damit schien sie durch ihn hindurchzusehen. "Danke, dass sie ihn nach Hause gebracht haben. Aber das wäre nicht nötig gewesen." Bevor er antworten konnte, fegte ein kleiner Wirbelwind aus der Tür und kleine Kinderarme schlangen sich ihm um die Beine. Er schaute hinunter, sah Sunny und erstarrte. Wie oft hatte Keith ihn auf diese Weise begrüßt? Aber dann verblasste die Erinnerung, und er konnte in Sunnys lachendes Gesicht sehen. Sie freute sich offensichtlich, ihn zu sehen. Dane hob sie hoch. "Und was hast du heute gemacht?" "Gessen. Lehm spielt. Komm spielen." Er lachte. "Ich würde wirklich gerne mit dir spielen, aber ich muss wieder in die Praxis zurück." Dann setzte er sie wieder Auf den Boden. Carmella hatte die Szene mit großem Interesse beobachtet.
"Sie hätten Joe wirklich nicht nach Hause zu bringen brauchen. Kann ich mich wenigstens mit einem Abendessen am Sonntag revanchieren?" „Nicht nötig, Mrs. …“ fing er an. "Das will ich aber. Außerdem möchten wir Sie näher kennen lernen. Schließlich arbeiten Sie mit unserer Tochter zusammen." Carmella schien genauso direkt zu sein wie Maria. Mit anderen Worten: die Eagles wollten ihn unter die Lupe nehmen, um zu sehen, mit was für einem Mann Maria arbeitete. "Einverstanden. Ich komme gern. Ich bin es sowieso leid, immer für mich allein zu kochen. Um wie viel Uhr?" "Gegen zwölf?" Dane nickte zustimmend, winkte Sunny noch mal zu und verließ dann die Eagle Ranch. Als er in die Praxis zurückkam, erkundigte er sich bei Betsy und erfuhr, dass er noch zehn Minuten bis zum nächsten Termin hatte. Im Büro fand er Maria an ihrem Schreibtisch sitzen. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Meine Mutter hat mich angerufen und mir alles erzählt. Geht es Joe wirklich gut?" "Ich habe die Ranch deiner Mutter doch gerade erst verlassen." Maria sah auf die Uhr. "Genau gesagt, vor fünfzehn Minuten. Mutter kann schnell erzählen. Aber Joe wollte ihr nicht sagen, was in der Schule passiert ist. Weißt du etwas darüber?" "Männersache." Sie sah ihn misstrauisch an. "Macht nichts, wenn du es mir nicht erzählen willst. Joe wird das schon tun. Vielleicht nicht meiner Mutter, aber mir immer." Als er sich weiter in Schweigen hüllte, neigte sie den Kopf. "Ich verstehe. Es hatte etwas mit mir zu tun." Dane ging zu seinem Schreibtisch hinüber und setzte sich auf die Kante. "Ich glaube, du solltest es auf sich beruhen lassen, Maria. " Maria seufzte etwas übertrieben. "Was bist du heute wieder galant, Dane Cameron. Aber du kennst doch das Sprichwort ,Was mich nicht umbringt, macht mich stark'. Das trifft auf mich schon lange zu. Ich bin eine Frau, eine Cheyenne, eine Ärztin und geschieden." Damit gab sie Dane endlich das Stichwort, auf das er schon so lange gewartet hatte. "Wo ist eigentlich Sunnys Vater?" Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf, lehnte sich an ihren Schreibtisch und schaute ihn an. "Der ist immer noch in Afrika." "Als Clara Harrihan neulich eine Anspielung auf Afrika machte, dachte ich, sie mache einen Scherz." "Hat sie nicht. Tony wollte seinen Horizont erweitern. Erst wollte ich mit ihm gehen. Schließlich ist es wirklich eine sehr selbstlose Art, der Menschheit zu helfen. Aber ich fürchte, ich war nicht selbstlos genug. Ich konnte es nicht ertragen, meine Familie und alles, was mir vertraut war, einfach so
zurückzulassen. Ich hatte sie schon während des Studiums fürchterlich vermisst." " Tony war also nicht von hier?" "Nein. Er kommt aus Montana. Seine Familie ist viel herumgezogen, und ich glaube, das gefiel ihm. Er war noch nie in New Mexico gewesen, als wir beide die Stellung hier antraten. Aber ich glaube, er hatte schon bald genug." „Von Red Bluff ... oder von der Ehe?" fragte Dane nach, als er den Unterton in Marias Stimme hörte. "Ich dachte erst, es war nur Red Bluff. Aber da war ich wohl sehr naiv. Auf jeden Fall war ich sehr wütend, dass er nach Afrika gehen wollte, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was ich wollte. Wir haben uns noch nicht mal geschrieben oder angerufen. Vier Monate später fand ich die Scheidungspapiere in der Post." "Das hört sich so an, als ob es ein Schock für dich war." "Das war es auch. Einer, der mich wachrüttelte. Ich liebte ihn noch immer. Eine gute Freundin machte mir dann klar, dass ich etwas unternehmen musste, wenn ich meine Ehe retten wollte. Also flog ich nach Afrika." Maria erzählte nur langsam weiter. "Erst habe ich geglaubt, wir könnten noch mal von vorne anfangen. Und wieder war ich grenzenlos naiv! Nach der ersten Nacht mit ihm fand ich heraus, dass er dort schon längst mit einer anderen Frau zusammen war... ernsthaft zusammen. Unsere Ehe war ihm egal. Also flog ich wieder nach Hause, und sechs Wochen später stellte ich fest, dass ich schwanger war." Traurig schüttelte sie den Kopf. "Aber das änderte auch nichts mehr an unserer Trennung. Er wollte das Kind nicht und meinte, es wäre besser, wenn ich es abtreiben ließe. Er wollte keine Verantwortung für ein Kind übernehmen und bezahlen schon gar nicht. Dabei hätte ich ihn sowieso nicht darum gebeten." In ihrer Stimme klang tiefe Traurigkeit mit, die Enttäuschung über einen geplatzten Traum. Sie konnte es zwar gut hinter ihrem Lebensmut verstecken, aber auch Maria Youngbear war tief verletzt worden. "Maria" , sagte er sanft, nahm ihre Hand und blickte ihr in die Augen. "Dein Exmann ist ein Narr. Ich kann nicht verstehen, wie man eine Tochter wie Sunny haben kann, und nichts von ihr wissen will." Tränen schimmerten in Marias Augen, aber er hatte sich fest vorgenommen, sie nie wieder in den Arm zu nehmen. Es tat ihm zwar gut, sie in den Armen zu halten, und sie zu küssen erweckte sogar Wünsche in ihm, die er noch nie gehabt hatte. Beides wäre jedoch gerade jetzt nicht angebracht. Und wenn er sie jetzt in die Arme nahm, würde es genau darauf hinauslaufen. Also ließ er ihre Hand los. "Auf mich wartet noch ein Patient. Ich sollte ihn nicht länger warten lassen." Sie schaute ihn prüfend von der Seite an. "Mom sagte mir, dass sie dich zum Abendessen am Sonntag eingeladen hat." Dane war schon auf dem Weg zur Tür. ja, das hat sie. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist."
"Wenn du kommst, wirst du dieses Essen nie vergessen", versuchte sie, die Atmosphäre etwas aufzulockern. "Dann passt also Jase heute Nachmittag auf Elizabeth auf?" fragte Maria ihre Freundin und Lieblingspatientin Allison MeGraw. Allison hatte bis zur Geburt ihres Babys vor sechs Wochen als ausgebildete Krankenschwester in der Praxis gearbeitet. "Aufpassen?" Allison lächelte. "Wahrscheinlich trägt er sie ständig herum und legt sie nicht mal fünf Minuten hin." Allison hatte sich nach der Untersuchung wieder angezogen und saß nun neben Maria auf einem Stuhl, während diese ihre Notizen in die Akte schrieb. "Sie ist doch, erst sechs Wochen alt. Da kann man noch kein Kind verziehen", scherzte Maria. "Jase ist ganz verrückt nach seiner Tochter." Allison strich sich das kinnlange blonde Haar hinter die Ohren. "Das Einzige, was ihn seit ihrer Geburt stört, ist, dass wir ..." Sie wurde rot und brach mitten im Satz ab. Maria lächelte. Allison war eine echte Dame, der es schwer fiel, selbst mit ihrer Ärztin und Freundin über ihr Sexualleben zu reden. "Das ist jetzt kein Problem mehr, wenn Elizabeth euch Ruhe und Zeit dafür lässt", beruhigte Maria sie. "Es ist alles bestens verheilt, und es liegt ganz bei dir, ob und wann du wieder Lust auf Sex hast." "An mir soll es nicht liegen", gab Allison schüchtern zu. "Brauchst du einen Babysitter?" fragte Maria. Sie kümmerte sich sehr gerne um Babys. "Meinst du das ernst?" "Aber klar doch." "Gloria Torres hat sich auch schon angeboten. Aber sie ist ständig mit Frank Nightwalker unterwegs und nur selten zu Hause. Außerdem würde Jase seine Tochter nicht jedem anvertrauen wollen." "Wenn ich am Mittwoch mit meinen Hausbesuchen fertig bin, habe ich den Rest des Tages frei. Trinkt Elizabeth schon aus der Flasche?" "Bis jetzt habe ich damit nur zugefüttert." "Warum bringst du sie am Mittwochnachmittag nicht einfach zu mir? Dann habt Ihr beide den Nachmittag und den Abend für euch allein." "Das wäre herrlich! Bist du dir sicher, dass es dir nichts ausmacht?" "Ganz sicher." "Und Sunny ist auch kein Problem?" fragte Allison freudestrahlend. "Sie wird mir helfen. Bei ihren vielen Cousins und Cousinen ist sie an Babys gewöhnt. Sprich mit Jase und lass mich wissen, wie Ihr euch entschieden habt." "Das tue ich." Allison nahm ihre Handtasche. "Wie macht sich der neue Doktor?" "Die Patienten scheinen ihn zu mögen", antwortete Maria in unbeteiligtem Ton. "Und du?"
"Ich mag ihn auch. Vielleicht sogar ein bisschen zu sehr." Allison hielt den Kopf etwas schräg. "Wie, bist du etwa an ihm interessiert?" "Eigentlich knistert es nur ein wenig zwischen uns. Ansonsten hat er eine Wand um sich gebaut, und ich bin mir nicht sicher, ob ich für ihn Hochsprung lernen möchte." "Du verdienst es, glücklich zu sein, Maria. Du brauchst einen Mann in deinem Leben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Angst einem ein solcher Hochsprung machen kann. Vor lauter Angst, es noch mal zu versuchen, hätte ich Jase fast verloren." "Ich glaube, das hätte er nicht zugelassen." "Da bin ich mir gar nicht so sicher. Denn bei Herzensangelegenheiten sind wir alle sehr verwundbar. Jase und ich haben jedenfalls festgestellt, dass einem das Glück schnell entgleiten kann, wenn man die Gelegenheit nicht ergreift." "Ich weiß ja, dass du Recht hast. Wahrscheinlich braucht man dazu einfach mehr Mut, als ich ihn zur Zeit habe." "Du bist die mutigste Frau, die ich kenne, Maria. Du musst nur wissen, was du willst." Die beiden Frauen umarmten sich. Allison öffnete die Tür und sagte im Hinausgehen: "Wegen nächstem Mittwoch rufe ich dich noch an.“ Maria schloss Allisons Akte. Sie war froh, dass ihre Freundin so glücklich war. Dane fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut, als er am Sonntagnachmittag Marias Familie vorgestellt wurde - den Brüdern, Schwestern, Nichten, Neffen und sogar ein oder zwei Cousins. Eigentlich, hatte er sich vor dieser Begegnung drücken wollen, aber dann hatte er Maria am Morgen aus der Kirche kommen sehen. Sie trug ein gelbes Sommerkleid, und das Haar hing ihr locker über den Rücken. Sunnys Sonnenkleidchen war farblich auf das Kleid ihrer Mutter abgestimmt, und sie sahen beide bezaubernd aus. Dane entschied sich schließlich, dass es eine viel bessere Nachmittagsbeschäftigung sei, Maria im Kreise ihrer Familie zu beobachten, als sich im Fernsehen ein Baseballspiel anzusehen. Das ganze Abendessen über, das auf großen Picknicktischen aufgetragen wurde, lauschte Dane dem Geplapper um sich herum, beobachtete, wie die Kinder herzlich umarmt und geküsst wurden, und jeder war freundlich zu ihm. Nur Joe beobachtete ihn misstrauisch. Maria beugte sich lachend zu ihm herüber. "Na, wie gefällt es dir? So kommt die Familie jeden Sonntag zusammen." Dane wurde von ihrer Fröhlichkeit angesteckt. "Mir kommt es eher vor wie eine Großveranstaltung. Ellen war Einzelkind, und ihre Eltern waren beide schon lange tot. Mit einem Vater in Minnesota und einer Mutter, die viel zu beschäftigt war, für uns beide zu kochen, bin ich an solche Familienfeiern nicht gewöhnt."
"Dabei ist dies gar keine Feier, nur unser wöchentliches Zusammenkommen", sagte Maria glucksend. Sie schien sehr stolz auf ihre Familie zu sein. Dane zeigte auf den übervollen Tisch. "Bringt jeder etwas mit?" Er wusste, dass Maria Enchiladas gemacht und sie gleich nach ihrer Ankunft hier in den Backofen geschoben hatte. "Wir wechseln uns ab." Er blickte sich staunend um. "Dies ist schon etwas ganz Besonderes, und dieser Ort ist es auch." Maria war offensichtlich froh, dass er sie verstand. "Diese Ranch ist meine Heimat. Sunny und ich wohnen zwar in der Wohnung, aber das könnte ich nicht aushalten, wenn ich nicht regelmäßig hierher kommen könnte und wenn alle anderen das nicht auch tun würden. Das konnte ich nicht einfach im Stich lassen, um nach Afrika zu gehen. Das war auch mein Halt während der Scheidung und der Schwangerschaft." "Du bist ein Glückspilz." "Ich weiß, und dafür bin ich auch jeden Tag dankbar." Wie lange war es her, dass Dane hatte dankbar sein können? Er lehnte sich mit dem Arm an Maria an - und spürte mehr als nur Wohlbehagen. Das war noch nicht mal Erregung durch die Berührung ihrer Haut, es hatte auch nichts mit sexueller Spannung zu tun. Es war sogar eher entspannend und sehr angenehm. Maria war sehr schnell ein Segen in seinem Leben geworden, auf den er sich jeden Tag aufs Neue freuen konnte. Dane spürte Carmellas Blick auf sich und merkte, dass sie ihn und Maria die ganze Zeit vom anderen Tischende her beobachtet hatte. Sie sah besorgt aus. "Maria hat mir erzählt, dass Sie Frau und Kind verloren haben", sagte sie jetzt zu ihm. "Das tut mir sehr Leid für Sie." Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass Maria und ihre Familie so direkt waren. Ehrlichkeit war ihnen allen wichtiger als höfliches Drumherumreden. "Ja, das stimmt. Im Dezember sind es zwei Jahre." „Wie alt war Ihr Sohn?" "Keith war fünf. Er war gerade in den Kindergarten gekommen und wuchs so schnell." "Ich glaube, ich hole jetzt den Nachtisch", sagte Carmella mit einem Blick auf Danes Hand, die noch immer auf Marias Arm lag. Maria schwang die Beine über die Bank und stand ebenfalls auf. "Ich werde Rita bitten, einen Augenblick auf Sunny aufzupassen. Dann kann ich dir meine Werkstatt zeigen, wenn du möchtest." "Haben Sie schon mal Marias Werke gesehen?" fragte Carmella. „Ja, beim Chili Festival. Aber ich würde gern noch mehr sehen." "Dann komm mit," sagte Maria lächelnd. "Ich frage nur schnell Rita, und dann zeige ich dir meinen Zufluchtsort." Ein paar Minuten später ging Dane an Marias Seite über die Ranch. Die Sonne brannte auf sie nieder. Er war gefesselt von ihren nackten Schultern. Ihr Haar glänzte in der Sonne, und ihre braunen Augen funkelten.
"Es tut mir leid, dass Mama dich ausgefragt hat“, sagte sie. "Schon in Ordnung. Ich habe immer gedacht, dass es nur weh tun würde, wenn ich über Keith rede, aber eigentlich war es irgendwie schön, mich an ihn zu erinnern." "Gilt das auch für deine Frau?" "Ich weiß nicht. Ellen..." Dane sprach nicht weiter. "Habt Ihr eine gute Ehe geführt?" fragte Maria nach einem kurzen Schweigen. "Weißt du, was eine gute Ehe ist?" fragte Dane zurück. Maria blieb stehen und sah zu ihm auf. "Nicht aus eigener Erfahrung. Als Tony weg war, merkte ich erst, dass unsere Ehe irgendwie keine Tiefe gehabt hatte. Unsere Abstammung hatte uns zusammengebracht. Auch hatten wir denselben Beruf. Aber wir hatten keine echten Gemeinsamkeiten. Verstehst du, was ich meine?" Dane dachte über seine Ehe mit Ellen nach und daran, wie wenig Zeit sie eigentlich miteinander verbracht hatten. "Ich habe Ellen beim Skilaufen kennen gelernt, und wir teilten die Liebe zu diesem Sport. Auch kamen wir aus ähnlichen Verhältnissen, doch meine Arbeit war ein großer Störfaktor." "Hat sie dich verstanden?" "Ich bin mir nicht so sicher, ob sie mich verstanden oder einfach nur resigniert hat.“ Maria ging weiter. Die heiße, trockene Luft brannte ihm in den Lungen, während er über die Unterschiede zwischen Ellen und Maria nachdachte. Was machte Maria bloß so attraktiv? In dem Haus aus Lehmziegeln, in das Maria ihn führte, war es viel kühler. Unter der Decke kreiste ein Ventilator. "Dies war mal ein Gästehaus", erklärte Maria und zeigte auf das Waschbecken und die Schränke. "Aber es eignete sich einfach ideal als Werkstatt." Mitten im Raum stand eine Töpferscheibe, und drum herum auf den Arbeitstischen waren alle möglichen Utensilien verstreut: Messer, Bürsten, Handtücher und ein Becken mit Wasser. Die Krüge und Schüsseln in den Regalen warteten auf die nächsten Arbeitsgänge, viele nur noch auf Farbe. Maria ging zu ihrer Töpferscheibe. "Töpfern wäre übrigens eine ideale Therapie für deine Hand." Seit sie seine Hand untersucht hatte, hatte sie ihn nie wieder auf das Thema angesprochen. Er ließ jedoch auch jetzt ihre Bemerkung unbeantwortet im Raum stehen. "Wie viel Zeit kannst du überhaupt hier verbringen?" fragte er stattdessen. "Meistens nur die Sonntage." Sie zeigte auf einen winzigen Tisch mit Stuhl neben der Töpferscheibe. "Sunny kommt gern mit mir hierher, um mit Ton zu spielen." "Wächst da eine neue Künstlerin heran?" Maria lächelte. "Momentan ist ihre Kunst eher abstrakt. Aber wir werden ja sehen, ob sie auch später noch Spaß daran findet."
Dane schaute sich noch ein wenig um, bevor sie gemeinsam wieder hinausgingen. Ein paar Pferde von der benachbarten Weide waren an den Zaun gekommen. "Hast du was dagegen, wenn ich mir die Pferde mal näher ansehe?“ "Natürlich nicht. Ich wusste nicht, dass du dich für Pferde interessierst. Reitest du?" "In Connecticut gab es in unserer Nähe einen Reitstall, und immer wenn ich am Wochenende zu Hause war, bin ich dort hingegangen." Dane ging auf eine graue Appaloosa-Stute zu, die sehr freundlich aussah. Sie steckte den Kopf über den Zaun und schaute ihn an, als ob sie sich über seine Gesellschaft freute. Nachdem er sie an seinen Fingern hatte riechen lassen, strich er ihr mit der Hand über den Hals. Dabei merkte er, wie sehr er das Reiten in den letzten Jahren vermisst hatte. "Sie ist eine echte Schönheit." "Sie gehört mir", gab Maria zu. "Allerdings reitet Joe sie meistens, weil ich nicht genug Zeit für sie habe." Dane konnte sich gut vorstellen, wie Marias Haar und die Mähne der Stute gemeinsam im Wind wehten. "Reitest du auch manchmal ohne Sattel?" fragte er sie. Er selbst hatte es erst ein oder zwei Mal getan und es genossen, das Pferd so direkt unter sich zu fühlen. Aber Marias Gesichtsausdruck veränderte sich bei dieser Frage. Ihr Lächeln war verschwunden, und sie sah plötzlich sehr ungehalten aus. "Wie ein Indianer, meinst du wohl?" "Nein. Das habe ich überhaupt nicht gemeint." Es ärgerte ihn, dass sie seine Frage so aufgefasst hatte. "Ich kann mir einfach nur gut vorstellen, wie du ohne Sattel auf diesem Pferd reitest. Ich habe dich ganz bestimmt nicht beleidigen wollen." Maria schwieg eine Weile, ohne Dane aus den Augen zu lassen. "Ich bin eine Cheyenne, Dane, und du bist ein Weißer." Die Sehnsucht nach dieser Frau, das Verlangen, einfach nur bei ihr zu sein, versetzte ihn in einen innerlichen Aufruhr, mit dem er nicht fertig wurde. Die Vergangenheit überschattete ihn immer noch, aber bevor er nach Red Bluff gekommen war, hatte er nicht mal den leisesten Gedanken an die Zukunft gehabt. Jetzt fühlte er sich bei Maria wieder sehr lebendig, fast wie neu geboren. Er strich ihr das Haar aus der Stirn und streichelte ihr die Wange. "Ich sehe in dir nur eine wunderschöne Frau." Der Wind wehte Marias Rock an seine Beine, zerzauste ihr Haar und blies ihm ihren Duft in die Nase. Er war so sehr in ihren Anblick versunken, dass er beinah erschrak, als er plötzlich eine tiefe, männliche Stimme fragen hörte: "Warum kommt ihr nicht zurück und esst noch etwas Nachtisch?" Dane ließ die Hand sinken, drehte sich herum und erschrak, als er ihren Vater vor sich stehen sah. Er riss sich aber schnell wieder zusammen. "Sie haben einen wunderschönen Besitz hier, Mr. Eagle." "Er gehört schon seit Generationen unserer Familie. Das Land und die Traditionen bedeuten uns sehr viel, Dr. Cameron." Dane hörte sehr wohl den warnenden Ton in Thomas Eagles Stimme.
"Das verstehe ich gut", versicherte Dane ihm schnell, als er in den Augen des Mannes die Sorge um seine Tochter sah.
6. KAPITEL Maria saß mit Elizabeth Anne McGraw auf der Terrasse. Sie genoss jeden Augenblick, den sie mit dem Baby verbringen konnte. Sunny war glücklicherweise vor einer halben Stunde freiwillig ins Bett gegangen, so dass sie sich in Ruhe mit Elizabeth auf die Terrasse setzen konnte. Sie hatte zwar den Kinderwagen neben sich geschoben, aber sie kuschelte lieber noch etwas mit dem Baby. Das erinnerte sie an die Zeit, als Sunny noch so klein war. In dieser lauen Sommernacht war es außerdem draußen viel angenehmer als in der Wohnung. Sie schaute in den Sternenhimmel hinauf und wünschte sich ... Sie wusste eigentlich gar nicht, was sie sich so sehnsüchtig wünschte. Sie wusste nur, dass es etwas mit Dane zu tun hatte. Sie hatte seit Sonntag nicht viel von ihm gesehen, und sie fragte sich, ob vielleicht ihre Familie zu viel für ihn gewesen war. In der Stille der Nacht war jedes Geräusch zu hören, und so konnte es ihr nicht entgehen, dass Danes Terrassentür aufgeschoben wurde. Im Licht des fast vollen Mondes sah sie ihn zu sich herüberkommen. „Was machst du denn da?" fragte er, indem er erst sie und dann den Säugling ansah. "Ich spiele für Freunde den Babysitter" „Junge oder Mädchen?" Er konnte es selbst nicht fassen, aber er war von dem Anblick fasziniert. „Dies ist Elizabeth. Sie ist sechs Wochen alt. Ihre Mom und ihr Dad genießen gerade seit ihrer Geburt ihren ersten gemeinsamen Tag alleine. Aber ich vermute, dass sie die Kleine bald abholen werden. Jase und Allison können es gar nicht lange ohne sie aushalten.“ "Das verstehe ich", bemerkte Dane mit rauer Stimme. "Hattest du einen schönen freien Nachmittag?" Maria war zu neugierig, um sich diese Frage verkneifen zu können. "Ich bin durch die Altstadt von Albuquerque gebummelt und habe den Laden gesucht, der deine Töpfereien verkauft." "Woher wusstest du, welcher Laden das ist?" "Deine Mutter hat es mir erzählt. Ich habe sogar etwas gekauft. " "Was denn?" "Komm rein und guck es dir an", antwortete er grinsend. Maria stand auf, legte sich Elizabeth in die Armbeuge und folgte Dane in seine Wohnung. Der große, etwa 60 Zentimeter hohe Keramiktopf stand auf dem
Boden neben seinem Bücherregal, und er hatte sogar ein paar Trockenblumen hineingestellt. "Er macht sich gut dort", musste Maria zugeben. „Im Laden war er so mit diesen Blumen ausgestellt. Da habe ich sie gleich mitgekauft." Maria wusste genau, dass dieser Topf eine saftige Summe gekostet hatte, und sie fragte sich, warum Dane ihn wohl gekauft hatte. "Ich hätte dir einen umsonst getöpfert. Den hättest du nicht kaufen müssen." Er zuckte nur mit den Schultern. "Ich habe ihn gesehen und musste ihn einfach haben." Er freute sich wie ein kleiner Junge über ein neues Spielzeug, und sie musste lachen. "Bist du bei deinen Einkäufen immer so schnell entschlossen?" "Nicht nur bei meinen Einkäufen", gab er ernst zurück. "Ich war früher mal ein Mann von schnellen Entschlüssen." "Das wirst du bestimmt wieder werden", sagte sie sanft. In diesem Moment wurde Elizabeth auf Marias Arm unruhig und fing an zu quengeln. "Ich muss ihr die Flasche geben. Hast du Lust mitzukommen?" schlug Maria vor. "Dann können wir uns unterhalten, während sie trinkt. Ich kann auch Sunny nicht allein lassen." "Klar. Aber ich wollte dir noch etwas zeigen, das ich heute gekauft habe. Ich bringe es mit rüber." Elizabeth wurde lauter, und Maria ging in ihre Wohnung hinüber. Sie schob den Kinderwagen ins Wohnzimmer und legte das Baby hinein. Während sie die Flasche zubereitete, schrie Elizabeth aus vollem Hals. Maria musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie Sunny immer gejammert hatte, bis sie schließlich die Brust bekam. Plötzlich hörte das Schreien auf. Als Maria ins Wohnzimmer schaute, sah sie Dane mit Elizabeth auf dem Arm. Er schaukelte sie beruhigend und streichelte ihr die kleine Wange. "Ich konnte sie doch nicht schreien lassen", entschuldigte er sich. Er liebte Kinder. Das konnte er nicht länger leugnen. Jedes Mal, wenn er eines sah, konnte Maria es ihm vom Gesicht ablesen. Sie sah allerdings auch den Schmerz, und das verwunderte sie überhaupt nicht. Schließlich konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie schlimm es sein musste, ein Kind zu verlieren. Die Flasche war jetzt warm, und sie ging damit ins Wohnzimmer. "Möchtest du sie ihr geben?" fragte sie. Aber plötzlich war der Schmerz in ihm größer als die Liebe. Mit entsetztem Blick schüttelte er den Kopf und gab ihr das Kind. "Ich weiß, dass es schwer für dich ist, Kinder zu sehen", sagte Maria mitfühlend. "Sogar Sunnys Gegenwart kannst du manchmal kaum ertragen. Am Sonntag muss es dir vorgekommen sein, als wenn du von Kindern belagert wärst." Ihre Eltern hatten immerhin zehn Enkelkinder.
"Am Sonntag ist so viel passiert, dass die Kinder nicht sehr ins Gewicht fielen. Es war nicht schlimm für mich. Aber ich habe gemerkt, dass deine Eltern nicht gerade begeistert sind von unserer ..." er suchte nach einem passenden Wort "... Freundschaft." "Ist es das, was uns verbindet?" fragte sie beiläufig. "Mindestens", antwortete er unsicher. Ihre Blicke trafen sich, und Maria sah in seinen Augen ein Verlangen, das er mühsam zu beherrschen versuchte. Sie hatte sofort wieder Schmetterlinge im Bauch. Was würde wohl passieren, wenn sie ihrer beider Lust aufeinander nachgaben? Was würde passieren, wenn sie diesen Vulkanausbruch zuließen? "Ich nehme sie dir lieber ab", sagte sie schnell, um ihre Gefühle zu überspielen. Als sie sich auf das Sofa gesetzt hatte, setzte Dane sich neben sie und nahm ein Buch zur Hand, das er auf den Couchtisch gelegt hatte. "Was ist das?" fragte Maria, während Elizabeth genüsslich an der Flasche nuckelte. "Das habe ich in Albuquerque in einem kleinen Laden mit gebrauchten Büchern gefunden." Es war ein kleiner, ledergebundener Band ohne Titel auf dem Deckel. Dane schlug ihn auf und hielt ihr die erste Seite hin, damit sie sie lesen konnte. "Es ist ein Tagebuch!" "Ja, und schau mal auf das Datum." "Du meine Güte! 1850. Hast du das gelesen?" "Ich habe heute Nachmittag damit angefangen. Dieser Richard Chaplain fuhr damals mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in einem Siedler Treck quer durch die Vereinigten Staaten. Eigentlich wollten sie nach Kalifornien, aber dann sind sie hier geblieben." "Und dieses Buch hast du in einem Buchladen gefunden?" "Ja. Es lag in einem Karton, der aus dem Verkauf einer Ranch stammt. " "Dann ist es vielleicht viel wert, besonders für ein Museum." „Vielleicht. Aber erst will ich es lesen. Dann entscheide ich, was ich damit tue. Es ist spannender als alle Romane, die ich bisher gelesen habe." "Darf ich es auch lesen, wenn du es durchhast?" "Klar doch." Wieder trafen sich ihre Blicke. So sehr Maria auch versuchte, sich auf das Kind in ihren Armen zu konzentrieren, sie spürte vor allem, wie die Spannung zwischen ihnen vibrierte. Doch diese Spannung war mehr als sinnliche Begierde. Dieser Mann strahlte eine Sehnsucht aus, die sich mit ihrer eigenen Sehnsucht vereinte. Ihr war bis jetzt nicht klar gewesen, wie stark diese Sehnsucht in ihr brannte. Sie hatte etwas zu tun mit Familie, Kindern und einem Heim. Dane beugte sich zu ihr hinüber, als ob er sie küssen wollte, aber das Geräusch, mit dem Elizabeth an ihrer Flasche zog, schien ihn davon abzuhalten. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Die blauen Augen hatten ihren warmen Glanz
verloren. Maria sah, wie er förmlich einen Schutzschild zwischen ihnen beiden aufstellte. Dann brach er den Augenkontakt ab und stand mit dem Buch in der Hand auf. "Ich gehe jetzt besser. Wir sehen uns dann morgen in der Praxis." Er ging zur Terrassentür. "Gute Nacht", murmelte sie, während Dane hinausging. Sie blieb mit dem Baby im Arm und einer schmerzenden Leere im Herzen zurück. Dane wollte am Donnerstagnachmittag gerade den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch in Angriff nehmen, als Joan ins Büro gestürzt kam. "Ich glaube, wir haben da vorne einen Notfall. Frank Nightwalker hat sich mit der Axt verletzt." "Bring ihn in Raum Zwei", ordnete Dane an. Keine Minute später brachte Joan Frank Nightwalker in den Behandlungsraum. Der große, stämmige Mann hatte langes, graues Haar nach Art der Indianer mit einem Lederriemen im Nacken zusammengebunden. Auch seine Gesichtszüge waren die eines Indianers. Nur seine Haut war bleich wie Papier. Den Arm hatte er in ein Handtuch gewickelt, aber das war bereits Blut durchtränkt. „Wann haben Sie die letzte Tetanusimpfung bekommen?" fragte Dane, während er vorsichtig das Handtuch abnahm. "Vor vier Jahren." "Wie ist das hier passiert?" "Ich habe Bäume gefällt. Dabei ist mir die Axt ausgerutscht." Dane sah sofort, dass die klaffende Wunde genäht werden musste, aber er wusste auch, dass er selbst das nicht tun konnte. Dafür waren seine Finger zu steif und seine linke Hand nicht geübt genug. Also legte er einen provisorischen Verband an. "Hol bitte Maria", sagte er zu Joan. Eine halbe Stunde später saß Dane an seinem Schreibtisch und dachte darüber nach, was passiert war. Wie hatte er so naiv sein können zu glauben, dass er als praktischer Arzt nicht eine voll funktionsfähige rechte Hand brauchte? Wütend auf sich selbst und das Schicksal, schlug er mit der Hand auf die Schreibtischplatte. In die Stille, die anschließend entstand, ertönte Marias sanfte Stimme. "Meinst du nicht, dass Krankengymnastik für die Hand sehr viel besser wäre, als sie noch mehr zu zerstören?" Ihre weisen Worte, ihre Schönheit und der Reiz, den sie auf ihn ausübte, machten ihn noch wütender. "Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten." "Ich weiß, aber die brauchst du offensichtlich. Wir könnten morgen früh mit der Therapie anfangen." "Da musst du Sunny zu deiner Mutter bringen." "Meine Mutter freut sich, wenn ich ihr Sunny eine halbe Stunde früher bringe." "Ich weiß nicht, Maria..."
Sie baute sich mit entschlossener Miene vor seinem Schreibtisch auf. "Wir sehen uns morgen früh um halb acht hier in der Praxis, und ich dulde keinen Widerspruch." Mit diesen Worten war sie schon wieder draußen auf dem Weg zu ihren nächsten Patienten. Am Freitagmorgen war Dane schon vor Maria in der Praxis. Er versuchte sich abzulenken, indem er anfing, die Bestandsliste der Medikamente zu kontrollieren. Aber da hörte er auch schon Marias Schritte auf dem Flur. Er legte die Liste wieder in den Ablagekorb. Sie trug wie immer Jeans, hatte dazu jedoch eine sehr weibliche, verspielte weiße Bluse an, die vorne mit Schnüren geschlossen war. Der tiefe Ausschnitt war spitzenbesetzt. Dazu trug sie eine Kette aus Korallen und Türkisen, wodurch ihre ohnehin kräftige Hautfarbe noch mehr leuchtete. Das Haar hatte sie zu einem hoch sitzenden Pferdeschwanz zusammengebunden, um den sie ein türkisfarbenes Band geschlungen hatte. Er hätte sie lieber geküsst, statt mit ihr seine Therapie zu besprechen. "Was machen wir als Erstes?" fragte er, um die Sache schnell hinter sich zu bringen. "Lass mich erst alles aufbauen. Dann können wir sofort anfangen." Er hatte keine Ahnung, was sie aufbauen wollte, aber er wartete gehorsam im Büro. Endlich war Maria fertig. Sie rief ihn in den Untersuchungsraum, wo sie zunächst seine Hand noch gründlicher abtastete als beim ersten Mal. Sie bat ihn, jeden Finger einzeln zu bewegen, jedes Gelenk abzuknicken und das Handgelenk zu drehen. Dann zeigte sie auf ein kleines Fass, das sie auf die Arbeitsplatte gestellt hatte. Es musste ein Heizelement haben, denn es war an die Steckdose angeschlossen. Sie überprüfte die Temperaturskala an der Seite. "Dies ist geschmolzenes Paraffin. Darin werden wir deine Hand eintauchen, so dass das Wachs sie wie mit einem Handschuh überziehen kann. Das müssen wir etwa fünfzehn Minuten fest werden lassen, bevor ich damit arbeiten kann. Okay?" Während Maria sich anschließend an ihrem Schreibtisch zu schaffen machte, saß Dane im Untersuchungsraum. Die Hand hatte er mit einem Handtuch abgestützt, und er wartete geduldig, dass das Paraffin fest wurde. Dabei versuchte er vergeblich, sich auf einen Artikel im Ärzteblatt zu konzentrieren. Nach fünfzehn Minuten setzte Maria sich auf einen Stuhl vor ihn hin und nahm sanft seine Hand in ihre. Nachdem sie vorsichtig das Paraffin abgezogen hatte, bat sie ihn erneut, die Finger zu beugen. Staunend stellte er fest, dass sie wesentlich biegsamer waren als vorher. Schweigend fing Maria an, seine Muskeln arbeiten zu lassen, indem sie die Finger bewegte. Auch die Handinnenfläche bearbeitete sie behutsam. Für Dane fühlte es sich wie eine sanfte, langsame und doch manchmal kräftige Massage an. Während der Behandlung behielt sie seine Hand im Auge und blickte nicht ein einziges Mal hoch.
"Ich will es beim ersten Mal nicht gleich übertreiben", sagte sie nach einer Weile. "Sonst tut es dir nachher zu weh." "Das glaube ich kaum“, murmelte er. Als sie den Kopf hob und er ihr tief in die Augen sah, schaute sie nicht weg. "Wenn wir hiermit fertig sind, gebe ich dir etwas zum Kneten, damit die Muskeln beweglich bleiben. Vielleicht hast du ja auch Lust, die Hand heute Abend noch einmal einzuweichen und sie genauso zu behandeln, wie ich es jetzt getan habe." "Ich glaube nicht, dass ich das so gut kann wie du." Seine Stimme war heiser, und voller Verlangen sah er auf ihren Mund. Maria holte tief Luft. "Dane ..." "Wusstest du eigentlich, dass du die schönsten Lippen hast, die ich je gesehen habe?" fragte er gedankenverloren. Sie riss die Augen auf, und die Röte stieg ihr in die Wangen. Sie schüttelte den Kopf, als wenn sie sagen wollte, dass sie so etwas hier nicht tun sollten. Aber er war es leid, wie betäubt vor ihr zu stehen. Er wollte die Freude und das Leben spüren, das Maria ausstrahlte. Er entzog ihr die Hand, um ihr Gesicht in beide Hände nehmen zu können. Dann zog er mit einem Finger die Linien ihrer wunderschönen Züge nach. Er fühlte, wie das Blut ihm durch die Finger pulsierte ' ein Hoffnungsschimmer für seine Hand' Sie zu berühren war besser als jede Therapie. Sie zu berühren war Balsam für seine Seele und erweckte ihn zu neuem Leben. Maria kämpfte mit sich, damit er ihr das Verlangen weder von den Augen, noch vom Gesicht ablesen konnte. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie damit Erfolg hatte. Sie hatte Dane wie einen ganz normalen Patienten behandelt, jedenfalls hatte sie sich das, fest vorgenommen. Aber bereits bei der ersten Berührung seiner Hand war er mehr für sie gewesen. Und so, wie er sie jetzt berührte, behandelte kein Patient seine Ärztin. Es spielte sich einfach zu viel zwischen ihnen ab - Begierde und Sehnsucht, aber auch unverarbeitete Vergangenheiten und unterschiedliche Herkunft. Als Dane jetzt den Kopf zu ihr hinunterbeugte, war sie jedoch unfähig, ihm auszuweichen. Es war, als ob sie magisch angezogen wurde, als ob ihr ein Geschenk gemacht wurde, das sie nicht ablehnen konnte. Seine Lippen waren fest, besitzergreifend und drängend. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorn, und er zog sie augenblicklich zu sich hoch und presste sie an sich. Als er mit der Zunge durch ihre Lippen drang, kam sie ihm zärtlich mit ihrer entgegen und erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Leidenschaft. Als er jedoch ihre Bluse hochschob und sich am Verschluss ihres BHs zu schaffen machte, wurde sie starr und hielt seine Hände fest. Sie war sich nicht sicher, worauf Dane hinauswollte, aber es war ganz bestimmt nicht von Dauer. Sie wusste, dass er keine Verpflichtung eingehen würde. Vermutlich war es nicht viel mehr als ein schnelles Vergnügen, auf das er aus war. Aber das war ihr nicht genug.
Ihr wurde schlagartig klar, dass sie mit keinem Mann eine neue Beziehung eingegangen war, weil sie nie wieder verlassen werden wollte. Dane hörte auf, sie zu küssen, und starrte sie fragend an. "Was hast du?" "Es ist einfach nicht richtig. Der Zeitpunkt ist nicht richtig, und mit uns ist es auch nicht richtig. Wir kennen uns doch kaum." Sein Kinn verzog sich leicht. "Ich kenne dich gut genug." "Du weißt noch nicht mal, mit wie vielen Männern ich seit meiner Scheidung geschlafen habe", entgegnete sie fast wütend. Sie wollte unbedingt eine neue Barriere zwischen ihnen aufbauen. Dabei wusste sie auch, dass nach all dem, was sie ihm über sich erzählt hatte, diese Barriere auch nichts mehr nützen würde. "Du hast seit deiner Scheidung mit niemandem geschlafen", stellte er ruhig fest. Schon wieder wurde sie rot. "Nein, habe ich auch nicht." Und wieder stand die Begierde in seinen Augen. "Dann ist ja alles geklärt." Sie entzog sich seiner Umarmung. "Nichts ist geklärt, Dane. Ich habe dir schön mal gesagt, dass ich nicht nur ein Abenteuer sein will." Er schaute ihr tief in die Augen. "Und?" fragte er drängend. "Und ich weiß nicht, ob wir beide zu mehr bereit sind. Ich weiß nur, dass im Moment aus einer Behandlung eine schnelle Nummer werden soll." Jetzt war sie wütend auf sich selbst, dass sie es überhaupt so weit hatte kommen lassen. Als sie sein versteinertes Gesicht sah, merkte sie, dass, je mehr sie sich aufregte, er nur umso reservierter wurde. "Gut. Ich werde in Zukunft daran denken." Er bewegte die Finger der rechten Hand. Er konnte sie weiter beugen als vor der Behandlung. "Deine Behandlung hat geholfen, das muss ich zugeben. Nach fünf oder sechs Sitzungen werde ich sicher wissen, ob es sich nur um eine vorübergehende Besserung handelt, oder ob die Therapie wirklich etwas bringt." Maria hielt seinem Blick stand. "Genau darum geht es, Dane. Ich bin keine Frau, die man einfach im Vorbeigehen mitnehmen kann." Die Stille zwischen ihnen wurde fast bedrohlich. Dane ergriff als Erster wieder das Wort. "Du solltest dabei nur nicht vergessen, Maria, dass zwei dazu gehören, ein solches Feuer anzufachen, und du warst genauso daran beteiligt wie ich. Soll ich Montagmorgen wieder früher hier sein, oder möchtest du die Hand lieber nach der Arbeit behandeln?" Sie wusste selbst, dass sie für das, was geschehen war, genauso viel Verantwortung trug wie er, und es tat ihr schon wieder Leid, dass sie so heftig reagiert hatte. "Am Morgen ist es mir lieber. Wir wissen ja nie, wie spät es am Abend wird, und dann muss ich auch noch Sunny abholen." Sie überlegte einen Augenblick, was Danes Hand sonst noch helfen könnte. "Am Sonntagnachmittag bin ich wieder auf der Ranch. Wenn du möchtest, kannst du ja die Töpferscheibe mal ausprobieren. Das wäre auch eine gute Therapie." Dane überlegte lange. "Ich denk darüber nach", sagte er dann. "Jetzt schaue ich mir lieber meine Patientenliste an. Der Erste ist bestimmt schon da."
Sie nickte etwas abwesend, als ob das nicht so wichtig wäre. Als er den Raum verlassen hatte, ließ Maria sich in den Stuhl sinken und holte tief Luft. Sie wusste genau, warum sie sich Dane nicht früher entzogen hatte. Sie wusste genau, warum sie sich so zu ihm hingezogen fühlte. Sie hatte sich in ihn verliebt. Es war schon fast halb sieben, als Dane die Praxis abschloss. Maria war bereits vor einer Stunde gegangen. Maria. So zu tun, als ob es zwischen ihnen nicht knisterte, war genauso sinnlos wie sich vorzumachen, dass ihre Behandlung ihn nicht erregt hatte. Es reichte ja schon, wenn er nur ihr Parfum roch. Begehrte er sie so sehr, weil er sie nicht haben konnte? Oder war er sexuell so ausgehungert, dass er glaubte, nur mit ihr die ersehnte Befriedigung zu finden? Als er die Tür seines Geländewagens öffnete, hörte er jemanden seinen Namen rufen. Dann sah er, wie Joe Youngbear zwischen den Bäumen hervorkam. "Maria ist schon vor einer Stunde gefahren", sagte er zu ihm, nachdem Joe näher gekommen war. "Die suche ich nicht. Ich wollte mit Ihnen sprechen." Das überraschte Dane. "Hast du jetzt doch Nachwirkungen von dem Schlag auf den Kopf?" Joe schüttelte den Kopf. "Der macht keine Probleme. Ich wollte Sie nur fragen ... Sie sagten doch neulich etwas von Selbstverteidigung. " "Glaubst du, dass du die jetzt brauchst?" Dane fragte sich, was sich da wohl zusammen braute. "Ich weiß nicht. Trevor und seine Gang ... Als ich heute mit meinen Freunden an ihnen vorbeiging, da haben sie gekichert und so blödes Zeug gequatscht. Ich möchte das nächste Mal einfach besser vorbereitet sein, wenn Sie verstehen, was ich meine." Dane nickte. "Ich weiß genau, was du meinst. Aber mit Kämpfen erreichst du nichts. Das macht es manchmal nur noch schlimmer." "Ich weiß", antwortete der Junge. "Aber ich muss meinen Kopf oben behalten und mir Respekt verschaffen können." "Das verstehe ich", meinte Dane, und er verstand das wirklich nur zu gut. „Selbstverteidigung ist genau das richtige Mittel. Aber das musst du üben." „Will ich ja." "Das geht am Besten mit einem Partner." "Mit einem Partner wie Ihnen?" "Das entscheidest du selbst. Ich kann dir ein paar Bewegungen zeigen, und dann kannst du sie mit mir üben oder einem deiner Freunde beibringen. Wann würde es dir am Besten passen?" "Wie wäre es mit jetzt? Ich habe meinen Eltern erzählt, dass ich mit ein paar Freunden verabredet bin, aber die treffe ich erst später." "Möchtest du mit in meine Wohnung kommen?" "Ich will Maria nicht begegnen. Können wir das nicht hier machen?"
Dane dachte an die Eingangshalle. "Wir könnten ein paar Stühle zur Seite schieben. Dann haben wir genug Platz." "Ich kann Sie auch dafür bezahlen." Dane sah, dass dieses Angebot eine Sache des Stolzes war, und wollte nicht sofort ablehnen. "Lass uns erst mal ausprobieren, wie es geht. Dann kannst du mir später immer noch sagen, was es dir wert ist. Sollen wir hineingehen?" "Sind Sie sicher?" "Mein Abendessen kann warten. Ein bisschen Training wird auch mir gut tun." Als Dane zwei Stunden später in der "Cantina" vor seinem Chili saß, musste er an sein Training mit Joe denken. Der Junge lernte schnell. Es dürfte ihm nicht schwer fallen, sich selbst zu verteidigen. Dane hatte ihm angeboten, ihn an einem Abend in der nächsten Woche wieder zu trainieren, Als Gegenleistung wollte Joe ihm morgen Nachmittag, wenn Maria nicht da war, das Auto waschen und polieren. Wie jeden Freitagabend war die "Cantina" gut besucht. Der Strom der Gäste riss nicht ab. Dane war gerade mit dem Essen fertig, als er Frank Nightwalker mit einer grauhaarigen Frau an sich vorbeigehen sah. Ihre Blicke trafen sich, und Frank blieb stehen. Er flüsterte der Frau etwas zu und lächelte Dane an. "Wie ich sehe, finden Sie Gefallen an unserem Chili?" "Allerdings", antwortete Dane mit einem Blick auf Franks Arm. "Ich freue mich, dass es Ihnen heute besser geht als bei unserem letzten Treffen.“ „Er hat mich zu Tode erschreckt", sagte die Frau. Frank nahm sie an die Hand und zog sie an Danes Tisch. "Dr. Cameron, dies ist Gloria Torres. Gloria, dies ist der neue Arzt von Red Bluff . Er arbeitet mit Maria." "Freut mich, Sie kennen zu lernen, Dr. Cameron", sagte Gloria. "Als Frank mich anrief und erzählte, was ihm passiert war, habe ich ihn sofort in die Praxis gefahren. Sie und Dr. Youngbear haben sich wirklich gut um ihn gekümmert." "Ich glaube, Ihre Anerkennung verdient vor allem Dr. Youngbear." "Gloria und ich wollen heute Abend feiern", erklärte Frank. Gloria streckte Dane die Hand hin. An einem Finger funkelte ein Diamantring. "Wir haben uns verlobt." Dabei strahlte sie über das ganze Gesicht. "Herzlichen Glückwunsch", wünschte Dane begeistert. "Morgen Abend geben wir eine Party", sagte Frank. "Wenn Sie nichts Besseres vorhaben, dann kommen Sie doch vorbei. Es werden viele da sein, die Sie bereits kennen - Rod und Wyatt und Maria. Mein Sohn kommt morgen früh mit dem Flugzeug, um uns bei der Feier zu helfen. Es gibt jede Menge Essen und Trinken. Ich wohne im Westen der Stadt, die dritte Ranch auf der rechten Seite." "Das hört sich so an, als wenn ich es nicht verpassen darf. Um wie viel Uhr geht es denn los?" "Die meisten kommen sicher so gegen acht Uhr, aber Sie sind zu jeder Zeit willkommen. Bis morgen Abend also." Frank legte den Arm um seine Verlobte führte sie zu einem freien Tisch. Auch nachdem sie sich gesetzt hatten, hielten sie weiter Händchen.
Mit diesem Bild vor Augen zahlte Dane seine Rechnung und fuhr zu seiner Wohnung. Dort empfing ihn eine fast unerträgliche Stille. Er ging auf die Terrasse hinaus und schaute zu Marias Wohnung hinüber. Sie war nicht draußen. Nur in ihrem Schlafzimmer brannte Licht. Also ging er wieder hinein, griff zum Telefon und wählte ihre Nummer. Beim ersten Klingeln war sie schon am Apparat. "Maria, hier ist Dane." "Hallo, was ist los?" "Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt." "Nein, ich schaue mir gerade einen alten Film an." Einen Augenblick lang stellte Dane sich schweigend vor, wie sie in ihrem Bett lag und sich den Film im Fernsehen ansah. "Ich habe heute Abend in der ,Cantina' Frank Nightwalker getroffen. Er war mit Gloria Torres da. Die beiden haben mir erzählt, dass sie sich verlobt haben, und mich zu ihrer Party morgen eingeladen. Sie erwähnten, dass du auch hingehen würdest, und ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen gehen." "Du meinst eine richtige Verabredung?" hörte er sie nach einer kurzen Pause zaghaft fragen. Jetzt war es so lange still in der Leitung, dass Dane nachfragte. "Maria?" "Ich bin noch da." "Hast du Angst, dass die Leute reden könnten?" "Nein. Ich frage mich nur, warum du dich mit mir verabreden willst.“ "Weil ich dich außerhalb der Praxis besser kennen lernen möchte." Nach einer weiteren langen Pause sagte sie fast schüchtern: "Das möchte ich auch." "Gut. Dann hole ich dich um Viertel vor acht ab." "Um Viertel vor acht", wiederholte sie. "Gute Nacht, Maria." "Gute Nacht."
7. KAPITEL Als Dane mit Maria auf Frank Nightwalkers Veranda stand, genoss er das Gefühl, wieder jung zu sein. Maria sah an diesem Abend in ihrem hauchdünnen grün-weißen Sommerkleid bezaubernd aus. Der dünne Stoff schmiegte sich um ihre Figur und floss wie ein Wasserfall in einen langen Rock, der die Fußgelenke umspielte. Seit sie ihm in diesem Traum von einem Kleid die Wohnungstür geöffnet hatte, reizte es ihn, ihr die Spaghettiträger von den Schultern zu streifen. Auch das lange Haar, das ihr über den Rücken fiel und bei jedem Schritt hin und her schwang, machte es ihm nicht leichter, der Versuchung zu widerstehen, sie in die Arme zu nehmen.
Doch als Frank Nightwalker ihnen die Tür öffnete, gelang es ihm, sich zusammenzureißen. "Hallo, schön, dass Sie gekommen sind. Kommen Sie rein." Frank bat sie in das wohl größte Zimmer des Hauses, wo er seine neu angekommenen Gäste zu einer Sitzgruppe geleitete. Dort unterhielt Gloria sich mit einem jungen Pärchen. "Dies ist mein Sohn Mac und meine Schwiegertochter Dina", stellte Frank vor. Das Pärchen erhob sich, um Dane und Maria zu begrüßen. Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn war frappierend, obwohl Maes Haar schwarz war. Dina und Mac umarmten Maria. Offensichtlich kannten sie sich. "Mac und Dina wohnen in Maryland, aber sie kommen uns so oft wie möglich besuchen", berichtete Frank. "Ein weiter Weg nach Red Bluff ", bemerkte Dane. Maria hatte sich zu Dina gesellt. "Frank erzählte mir, dass Kristen euch im Moment das Laufen beibringt. Ist sie schon im Bett?" "Kristen ist unsere Tochter", erklärte Dina an Dane gewandt. "Sie ist jetzt sechzehn Monate alt und kennt keine Pausen. Glücklicherweise macht Reisen sie müde. Sie ist eingeschlafen, bevor die ersten Gäste kamen." Dann kam ein ungefähr neunjähriger Junge, der Dina wie aus dem Gesicht geschnitten war, zu ihnen herüber. "Hey, Dad. Sheriff McGraw sagt, ich kann mir morgen das Gefängnis anschauen. Bringst du mich hin?" Mac fuhr dem Jungen lachend durch das Haar. "Na klar doch. " „In der Zeit kann ich mit Kristen Allison und das neue Baby besuchen", schlug Dina vor. Frank schüttelte lachend den Kopf. "Ich dachte, ihr wolltet euch hier ein wenig erholen." Mac schlang Dina den Arm um die Taille und zog sie zu sich heran. "Dies ist Erholung. Und all unsere Freunde hier zu sehen, gehört für uns genauso zum Vergnügen." Wieder wandte Dina sich an Maria. "Ich muss dir unbedingt die Zeichnungen zeigen, die ich in meinem letzten Malkurs gemacht habe. Eine hat sogar einen Preis gewonnen." Frank beugte sich zu Dane hinüber. "Fühlen Sie sich wie zu Hause", sagte er zu ihm. "Die Getränke stehen in der Küche, und das Essen ist im Esszimmer aufgebaut. Später werden wir auf der Veranda noch etwas Musik spielen." "Sie sind ein glücklicher Mann, dass so viele Menschen mit Ihnen feiern wollen, bemerkte Dane ehrlich. "Das weiß ich auch zu schätzen. Denn es war nicht immer so. Vor ein paar Jahren kannte ich noch nicht einmal meinen Sohn. Ich hatte Mac, seine Schwester und ihre Mutter verlassen, als er noch klein war. Als er Dina und ihren Sohn kennen lernte, fing er an, sich zu fragen, warum ich abgehauen war und ob er mich nicht vielleicht doch sehen wollte." "Jeff ist nicht Macs Sohn?" "Nein. Aber bei der Ähnlichkeit glaubt das keiner. Ist ja auch egal. Es wird jedenfalls nie eine solche Kluft zwischen ihnen geben, wie sie es zwischen Mac
und mir gab." Mit einem Blick voller Stolz auf seinen Sohn und seine Schwiegertochter fügte er noch hinzu: "Mit Dina hat sich Maes ganzes Leben geändert. Nur eine gute Frau kann das bewirken." Mit einem nickenden Gruß zu einem großen Mann in Jeans und Westernhemd vertiefte Frank das Thema: "Nehmen Sie zum Beispiel Jase McGraw da drüben." Neben dem großen Mann stand eine hübsche Blondine mit einem Baby auf dem Arm, das Dane sofort wieder erkannte. Es war das Kind, auf das Maria aufgepasst hatte. „Jase kam aus Richmond hierher", weihte Frank Dane in die Einzelheiten ein. "Er und Allison waren schon lange befreundet gewesen. Erst kam er nur zu Besuch, und jetzt sind sie eine junge Familie." Gloria kam zu ihnen herüber und schlang Frank den Arm uni die Taille. "Was hältst du davon, wenn wir die Musik draußen anstellen? Ich habe gerade noch zwei Autos vorfahren gehört. Die Leute werden sich also bald draußen einen Platz suchen müssen." "Gute Idee." Die beiden entschuldigten sich bei Dane. Wenige Minuten später unterhielt er sich mit Mac, als Jase McGraw sich zu ihnen gesellte. Eine solche Unterhaltung war zwar ungewohnt für ihn, aber Dane fühlte sich wohl in der Gesellschaft dieser Männer. Doch obwohl er sich auf das Gespräch konzentrierte, ließ er Maria nicht aus den Augen. Die hatte sich unter das Volk gemischt und schien jeden zu kennen. Im Laufe des Abends wurde Dane klar, dass er sich unter ihrer "Verabredung" eigentlich etwas anderes vorgestellt hatte. Er ging zu Maria und fragte sie, ob sie etwas essen wolle. Da sie bejahte, bedienten sie sich am Büffet und gingen dann auf die Veranda hinaus, wo sie sich auf eine Schaukel setzten. Bei jeder Bewegung berührten sie sich an den Schultern, Hüften und Knien. "Allmählich verstehe ich, warum du nicht von Red Bluff wegwolltest", gab Dane zu. "Was verstehst du denn daran?" fragte sie auf ihre gewohnte Art, mit der sie stets versuchte, einer Sache auf den Grund zu gehen. "Du gehörst hierher. Ich könnte mir vorstellen, es wäre schlimm für dich, all das verlassen zu müssen. Du hast hier nicht nur deine Familie, sondern eine ganze Gemeinde, die auch schon fast eine Familie ist." Maria nickte. "So war es schon immer für mich. Tony ist leider nie Teil dieser Familie geworden." Doch statt etwas zu erwidern, nahm er ihr den leeren Teller ab, stellte ihn auf die Brüstung neben seinen und zog sie an der Hand hoch. "Lass uns tanzen." Die Musik war langsam und gefühlvoll, wie es sich für eine Verlobungsfeier gehörte. Gloria und Frank und noch einige Pärchen tanzten. Dane nahm Maria ganz selbstverständlich in den Arm, als wenn sie dort hingehörte. Mit einem leichten Seufzer ließ Maria sich von Dane führen. Sie hätte gern gewusst, was er dachte. Er hatte sie heute irgendwie anders angesehen. Aber sie wusste nicht genau, was es war. Irgendwie hatte sich ihre Beziehung verändert. Er war besitzergreifender, ja fast fordernd geworden.
Während sie tanzten, füllte sich die Veranda mit immer weiteren Gästen, aber Dane ließ sie nicht los. Wyatt Baumgardner winkte ihnen lächelnd, und Dane flüsterte Maria warnend ins Ohr: "Komm bloß nicht auf die Idee, mit ihm heute Abend zu tanzen." "Da höre ich doch keinen Befehl heraus, oder?" fragte sie amüsiert. Sie dachte an den Tanz mit Wyatt beim Chili Festival. Der hatte nicht dieses prickelnde Gefühl in ihr ausgelöst, wie sie es jetzt in Danes Armen hatte. Maria stellte fest, dass Dane ein hervorragender Tänzer war. Er sah heute Abend jünger und sorgloser aus als sonst. Als sie den Druck seiner Finger auf ihrem Rücken spürte, fragte sie sich, ob die Veränderung in ihm wohl an der Krankengymnastik lag, wodurch er seine Finger besser bewegen konnte. Er strahlte einfach mehr Hoffnung aus. Aber Maria war auch klar, dass mit der wachsenden Hoffnung die Wahrscheinlichkeit dahinschmolz, dass er bleiben würde. Schließlich würde ein Kinderkardiologe seines Kalibers sich nicht in diesem Kaff vergraben. Wann auch immer Dane wieder zum Leben erwachte, dann würde er aus ihrem Leben verschwinden. Maria und Dane tanzten den ganzen Abend lang, setzten sich zwischendurch gelegentlich auf die Schaukel, wo sie an ihren Getränken nippten, und unterhielten sich leise über eigentlich alles, was ihnen so durch den Kopf ging. Sie bewegten sich in einer Welt der Behaglichkeit, Aufregung und gegenseitiger Anziehung, die Maria vorher nie kennen gelernt hatte. Die ersten Gäste fingen an zu gehen. Maria fühlte sich dieser Welt entrückt, als sie mit Dane nach einem langsamen Lied tanzte. Als sie den Kopf an seine Brust lehnte, schlang er ihr die Arme um die Taille und sie ihm ihre Hände um den Hals. Ein Blick in seine Augen bestätigte ihr, dass er den Abend genauso genoss wie sie. "Lass uns etwas spazieren gehen", flüsterte er ihr ins Ohr. Sie nickte zustimmend, denn auch sie hatte das Bedürfnis, allein zu sein. Die kühle Abendluft umfing sie, als sie sich langsam von den Lichtern und den Menschen entfernten. Jenseits der kargen Landschaft erhoben sich Felsen und buschige Hügel. Die Kakteen und Zäune sahen vor dem Abendhimmel besonders bizarr aus. Maria liebte die raue Schönheit ihrer Heimat, die erdigen Farben, den türkisfarbenen Himmel und die Weite der Landschaft. Doch als Dane ihr den Arm um die Schultern legte, dachte keiner von ihnen beiden mehr an die Landschaft. Sie näherten sich den Zäunen. Die Pferde konnten sie zwar nicht sehen, doch leise wiehern hören. "Es ist eine schöne Party", sagte er leise. "Gloria und Frank sind liebe Menschen. Sie sind beide lange Zeit sehr einsam gewesen. Ich bin froh, dass sie sich gefunden haben. " Dane schwieg eine Weile. Dann nahm er ihren Ellbogen und drehte sie so zu sich herum, dass sie ihn ansehen musste. "Als wir getanzt haben, habe ich an nichts anderes denken können als daran, dich zu küssen." Seine Stimme klang so rau, dass es ihr den Atem nahm. Aber sie riss sich zusammen. "Warum hast du es dann nicht getan?"
"Ich habe Rücksicht auf deinen guten Ruf genommen." „Im Moment steht mein Ruf aber nicht auf dem Spiel", erinnerte sie ihn. Auch sie hätte ihn die ganze Zeit gern geküsst, diese wunderbare Erregung mit ihm geteilt, statt nur zu reden. Nach seinen Küssen konnte man süchtig werden. Dieser Gedanke erschreckte sie zwar, aber als er den Kopf zu ihr herabbeugte, verwandelte sich dieser Schreck schnell in Erwartung und Sehnsucht nach einem Traum, von dem sie gedacht hatte, dass sie ihn nie würde träumen können. Als Dane ihre Lippen zwischen die seinen nahm, war er nicht mehr der Arzt, sondern, ein ausgehungerter Mann. Sie konnte diesen Hunger so gut verstehen, weil derselbe Hunger auch in ihr nagte. Sie schob die Arme unter seinen hindurch, und er zog sie näher an sich heran, während er sie gierig küsste. Endlich konnte er den Träger ihres Kleides zur Seite schieben und mit den Lippen küssend über die Wange hinunter über den Hals gleiten. Er strich ihr mit dem Kinn das Haar zur Seite. "Du riechst so gut“, raunte er mit rauer Stimme. "Und du schmeckst so gut." "Du auch", hauchte sie zurück. Als er mit den Lippen über ihre Schulter wanderte und mit der Hand ihre Brust fand, um sie zu streicheln, empfand sie zwar eine bisher nie gekannte Lust, doch sie wusste auch, dass sie dem ein Ende setzen musste. Es sei denn, Dane hatte seine Meinung geändert. Es sei denn ... Sie entzog sich seinen Zärtlichkeiten und holte tief Luft. Es fiel ihr schwer, einen klaren Kopf zu fassen. "Wo soll das denn hinführen, Dane?" Einen Augenblick lang sah er fast ärgerlich aus. "Es bringt uns zusammen, und wir genießen es." "Aber jetzt haben wir die Grenzen von Konversation und Tanz überschritten." "Passiert das nicht üblicherweise bei solch einer Verabredung?" fragte er höflich. "Das Thema hatten wir doch schon mal", sagte sie. "Das hängt von der Art Frau ab, mit der du dich verabredest. Du weißt, dass ich nicht zu denen gehöre, die am Abend mit einem Mann ins Bett steigen und ihn am nächsten Morgen wieder verlassen. Ich kann das nicht." "Und was hältst du davon, ihn am Morgen nicht zu verlassen?" fragte Dane schelmisch. "Was hältst du davon, jede Nacht zu genießen, wie sie ist, das Leben von Tag zu Tag zu leben, und nicht mehr zu wollen, als was man gerade hat?" Maria schüttelte den Kopf. "So bin ich nicht erzogen worden." Sein Ärger kam wieder an die Oberfläche. "Das ist doch nur eine faule Ausrede, Maria. Du hast nur Angst, dich wie eine erwachsene Frau zu amüsieren und zu vergessen, dass du eine Mutter und eine Tochter bist. Du bist eine ganz normale Frau mit ganz normalen Bedürfnissen." Die Worte klangen sehr hart in ihren Ohren, und Maria spürte das Brennen in ihren Augen. Nein, sie wollte jetzt nicht weinen, auch wenn ihr danach zu Mute war. Sie hätte schreien können wegen all der Träume, die wie Seifenblasen vor ihren Augen zerplatzen, und wegen Danes Vorstellung von ihrer Beziehung.
Sie wirbelte auf dem Absatz herum und ging. Sie versuchte, festen Schritts zu gehen und nicht zu rennen, was sie eigentlich am liebsten getan hätte. "Maria", rief er ungeduldig. Aber sie blieb nicht stehen. Er konnte von ihr denken, was er wollte. Sie kannte ihr Herz. Es würde nicht eine einzige Nacht mit Dane überleben, auch wenn drei daraus werden könnten. Sie wollte viel mehr als das - oder nichts! Dane ging langsam den Weg hinunter zu Marias Werkstatt. Es war später Sonntagnachmittag, und er wusste eigentlich gar nicht, was er hier wollte. Als Maria am Abend zuvor von ihm fortgelaufen war, war er wütend und zugleich verwirrt gewesen. Wütend, weil er sexuell frustriert war, und verwirrt, weil er Maria eigentlich nicht für eine Frau gehalten hatte, die weglief. Normalerweise stellte sie sich jeder Situation und wusste ihren Standpunkt zu vertreten. Auf dem Nachhauseweg hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen und waren wie Fremde getrennt in ihre Wohnungen gegangen. Wahrscheinlich war er heute Nachmittag hierher gekommen, weil er morgen in der Praxis nicht mit dieser Spannung zwischen ihnen arbeiten wollte. Als er jedoch in der Tür ihrer Werkstatt stand und sie arbeiten sah, wusste er genau, weswegen er gekommen war. Er wollte sich entschuldigen. Als sie aufschaute, lächelte sie. Sie hatte offensichtlich jemanden von ihrer Familie erwartet. Ihr Lächeln verschwand jedoch sofort, als sie Dane sah, und sie konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. "Darf ich reinkommen?" fragte er. Als sie ihn jetzt ansah, konnte er absolut keine Regung in ihrem Gesicht erkennen. Das war ungewöhnlich. "Ich arbeite", erklärte sie sehr sachlich. "Das hat mir deine Mutter bereits gesagt. Aber du hattest mich für heute hierher eingeladen, und..." "Bist du gekommen, um an der Töpferscheibe zu arbeiten?" Plötzlich leuchtete Interesse in ihren Augen auf. "Ich weiß nicht recht." Sie nahm einen anderen Pinsel zur Hand. "Wenn du gekommen bist, um an der Scheibe zu arbeiten, dann zeige ich dir, wie es geht. Wenn nicht, dann habe ich keine Zeit." "Maria." Sie sah nicht auf. "Es tut mir Leid wegen gestern Abend." Sie sah immer noch nicht auf. "Was tut dir Leid, Dane? Dass du mich nicht zu mehr hast überreden können? Dass du mich nicht hast überreden können, mit dir ins Bett zu gehen und all meine Werte zu vergessen, für die ich bisher gelebt habe?"
Dies war wieder die Maria, die er kannte. Und obwohl er ihre direkte, unverblümte Art nicht immer mochte, so war sie ihm doch lieber als ihr Schweigen. „Es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe. Ich habe Respekt vor dir und deinem Leben. Ich habe dich so sehr begehrt, dass ich nichts anderes mehr sehen konnte." "Und jetzt?" fragte sie sanft und schaute ihn nicht mehr so ablehnend an. "Und jetzt ... Ich möchte zwar immer noch gern mit dir schlafen, aber deine Gesellschaft ist mir wichtiger." Maria schaute ihn prüfend an. "Und du wolltest an der Töpferscheibe arbeiten?" fragte sie dann. "Darf ich nur unter der Bedingung bleiben?" fragte er mit einem verschmitzten Lächeln. Auch auf ihrem Gesicht machte sich endlich ein Lächeln breit. „Ja.“ Er zuckte die Schultern. "Was immer es kostet. Ich bin einverstanden.“ Wenig später hatte Maria Dane gezeigt, wie man sich an eine Töpferscheibe setzte, und ihm einen Klumpen Ton in die Hand gedrückt. "Wenn dein Ton nicht richtig zentriert ist, dann gerät er aus dem Gleichgewicht, und du musst mit ihm kämpfen. Dabei ist es wichtig, dass du mit dem ganzen Körper arbeitest und Kopf und Schultern gerade hältst." Dann schaltete sie die Scheibe an. "Okay, jetzt versuch's mal. Wirf den Ton so weit in die Mitte wie möglich. Dabei muss er fest kleben bleiben." Dane musste an die Matschkuchen seines Sohnes denken und bei diesem Vergleich lächeln. "Behalte die Hände auf dem Ton, und wenn das Rad sich dreht, dann versuch, ihn zu einem Kegel zu formen. Dabei schieb ihn genau in die Mitte." Er versuchte alles so zu machen, wie Maria es sagte, und merkte, dass er wirklich den ganzen Körper dabei einsetzen musste. Es gehörte viel mehr körperliche Kraft dazu, als er es sich vorgestellt hatte. „Jetzt lege die Hände auf den Ton", wies sie ihn weiter an, "und zwinge ihn in die Mitte." Instinktiv benutzte er dazu die linke Hand lediglich als Führung und drückte mit der rechten Hand den Ton in die Mitte der Töpferscheibe. "Das machst du ganz gut." Er merkte schnell, wie diese Arbeit die Muskeln in seiner rechten Hand und im Handgelenk beanspruchte und kräftigte. Unter Einsatz seines Körpers gelang es ihm, dass er den Ton nicht mit den Armen verschob. "Ich wette, du bist stärker, als du aussiehst, wenn du so oft mit Ton arbeitest", zog er sie auf. "Du solltest mir besser nicht im Dunkeln begegnen", bestätigte sie lächelnd. Nach seinem anfänglichen Erfolg ging Dane doch einiges schief. Aber als er sich eine Weile mit diesem widerspenstigen Material beschäftigt hatte, gelang es ihm, einen Topf zu formen.
Nach etwa einer Stunde hatte Dane etwas fabriziert, das schon fast wie eine Vase aussah. Er konnte jeden Muskel seiner rechten Hand spüren. Sie schmerzten zwar etwas, aber es war ein gutes Gefühl. Mit Hilfe eines Drahtes schnitt Maria den Topf vom Rad ab und stellte ihn auf einen der Tische. "Jetzt muss er trocknen, bis er so hart wie Leder ist“, erzählte sie ihm. "Dann kannst du ihn beschneiden und Korrekturen anbringen." "Du meinst, er ist noch nicht fertig?" Sie lachte. "Das hängt davon ab, ob..." In diesem Augenblick kam Sunny in die Werkstatt gelaufen. Als sie Dane sah, rannte sie schnurstracks zu ihm. Sie blieb zwischen seinen Knien stehen und schaute zu ihm hoch. Er hatte noch Ton an den Händen. "Hallo, mein Schatz", sagte er. "Ich mache dich ganz dreckig." Aber sie schaute ihn nur mit ihren schönen braunen Augen an und forderte: "Eis?" Bis heute war es Dane schwer gefallen, Sunny anzusehen, weil sie ihn so sehr an Keith erinnerte. Aber jetzt sah er nur das hübsche kleine Mädchen, das ihn anstrahlte. Er zog sie mit den Armen auf den Schoß. "Eis, meinst du? Wenn das eine Einladung ist, dann hört die sich sehr gut an." Eine Stunde später sammelte Maria die Teller wieder ein und brachte sie in die Küche. Heute war Dane die Unterhaltung mit ihren Eltern und dem Rest der Familie leicht gefallen. Die ganze Zeit über stand Maria vor einem Rätsel. Sie hatte ganz bestimmt nicht mit Danes Besuch gerechnet und schon gar nicht mit seiner Entschuldigung. Gestern Abend waren seine Wünsche nur allzu klar und ihre Erwartungen viel zu hoch gewesen. Sie war überzeugt gewesen, dass es das Ende ihrer Beziehung war. Wollte Dane jetzt einfach nur ihre Freundschaft, solange er in Red Bluff war? Konnten sie wirklich einfach nur Freunde sein? Sie sah, wie sehr er sich verändert hatte. Als Sunny zu ihm gelaufen war, hatte sie befürchtet, dass er sie wegstoßen würde. Aber im Gegenteil! Er schien sich wirklich über sie gefreut zu haben, und damit hatte er einen großen Schritt geschafft. Ob er wohl einen noch größeren schaffen konnte? Ob er wohl wieder Liebe in sein Herz einziehen lassen konnte? Maria hatte gerade den letzten Teller in den Geschirrspüler gestellt, als ihr Vater in die Küche kam. Er lehnte sich an die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie kannte diese Haltung. "Was ist los, Dad?" "Es geht um Dane Cameron", begann er so leise, dass ihn draußen keiner hören konnte. "Was ist mit ihm?" fragte sie direkt. "Bist du sicher, dass du dich mit ihm einlassen willst?"
"Wie kommst du darauf, dass ich mich mit ihm einlassen will?" Ihr Vater schnaubte spöttisch. "Komm schon, Tochter, ich kenn dich doch, und ich habe Augen im Kopf. Ich kann sehen, wie er dich ansieht und wie du ihn ansiehst." Maria schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass er in Red Bluff bleiben wird." "Weißt du das ganz sicher?" "Ich weiß nur, dass, wenn er erst mal seinen Kummer überwunden hat und seine Hand wieder gebrauchen kann, er wahrscheinlich schnell wieder weg sein wird." "Aber du möchtest nicht, dass er wieder geht." Ihr Vater schaute sie eindringlich an. "Nein", antwortete sie ehrlich. "Er ist nicht wie wir, Maria." So sehr Maria auch ihre Eltern und deren Liebe zur Tradition schätzte, so sehr war sie manchmal auch genervt. Jony war wie wir, Dad, und er hat mich verlassen, ohne lange darüber nachzudenken." "Bist du sicher, dass du dich nicht nur aus Prinzip auflehnst?" schimpfte Tom Eagle mit seiner Tochter. "Ich soll mich auflehnen gegen alles, was mir lieb und teuer ist? Nein, Dad, ich lehne mich nicht auf. Dane hat nichts mit Auflehnung zu tun. Uns verbindet irgendetwas, was ich bisher nicht gekannt habe." Ihr Vater sah besorgt aus. "Ich will nicht, dass man dir wieder weh tut." Maria holte tief Luft, dachte kurz nach und antwortete dann. "Das möchte ich auch nicht. Aber ich kann die Gefühle, die ich für Dane habe, nicht einfach abstellen." "Auch nicht, wenn er seine Gefühle für dich abstellen kann?" Plötzlich merkte sie, dass sie herausfinden wollte, was sie vielleicht mit Dane erleben konnte. "Auch dann nicht. Ich weiß nicht, was passieren wird, Dad." "Ich konnte dir noch nie Vernunft beibringen", murrte er. Sie ging zu ihm hinüber und umarmte ihren Vater. "Nein, das konntest du nicht. Aber du warst immer da, wenn ich dich brauchte. Und dafür danke ich dir." Am Montagmorgen fuhr Maria nach der Therapiestunde ins Krankenhaus nach Albuquerque. Einige ihrer Patienten aus Red Bluff lagen dort, und sie wollte noch vor der Nachmittagspraxis ihre Visite machen. Auf der Fahrt musste sie wieder an den gestrigen Nachmittag mit Dane und an das Gespräch mit ihrem Vater denken. Sie wusste, sie geriet immer tiefer da hinein. Aber sie war in ihrem Leben immer ihrem Herzen gefolgt, und das konnte und wollte sie auch jetzt nicht ändern. Im Krankenhaus schaute sie sich erst die Patientenakten an und ging dann zu Frau Gundale, die sich am Samstag die Hüfte gebrochen hatte und mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sie war zwar stabil, aber äußerst
missmutig wegen ihres Missgeschicks. Dann ging sie zu Al Ramirez, der von der Leiter gefallen und mit einem gebrochenen Bein und Gehirnerschütterung hier gelandet war. Er sollte morgen entlassen werden. Bea Davis war ein etwas schwieriger Fall. Sie hatte Brustkrebs und sollte heute ihre erste Bestrahlung bekommen. Darum verbrachte Maria die meiste Zeit mit ihr. Es war schon fast elf Uhr, als Maria der Schwester die Akten zurückgab. Im Schwesternzimmer traf sie den Kardiologen Dr. Grayson, der ihr schon bei vielen ihrer Patienten geholfen hatte. Sie freute sich, ihn zu sehen. "Hallo, Maria", begrüßte auch er sie freundlich. "Ich habe Sie ja schon lange nicht mehr gesehen. Geht es Ihnen gut mit Ihrer Praxis?" Dr. Grayson war ein freundlicher, graumelierter Mann um die sechzig. Er hatte sie von Anfang an mit ihrer Praxis ernst genommen und unterstützt, so dass sie nicht nur Respekt vor ihm hatte, sondern auch eine Art Zuneigung für ihn entwickelt hatte. „Alles in Ordnung. Dr. Grover ist offiziell in den Ruhestand gegangen, und wir haben einen guten Ersatz für ihn gefunden." Dr. Grayson dachte einen Augenblick nach und schnippte dann mit den Fingern. "Richtig. Irgendwie haben Sie es geschafft, sich diesen Spitzenkardiologen aus New York an Land zu ziehen. Wie heißt er noch gleich? Dane Cameron?" "Genau. Das ist er." "Wie macht er sich? Manchmal ist es nicht leicht mit solchen Spezialisten, wenn sie als Allgemeinmediziner arbeiten." „Er macht sich gut." "Und warum ist er ausgerechnet nach Red Bluff gekommen? Man ist doch ein wenig misstrauisch, wenn ein Arzt von dem Kaliber in einer Kleinstadt praktiziert. Es sei denn, er hat etwas zu verbergen." "Zu betrauern, nicht zu verbergen. Er hat bei einem Unfall seine Frau und seinen Sohn verloren. Und er hat sich dabei die Hand verletzt. Darum arbeitet er als Allgemeinmediziner." "Das ist hart", sagte der Arzt mitfühlend. "Aber Sie sagen, er macht sich gut?" "Sehr gut sogar. Ich glaube allerdings, manchmal vermisst er sein Fachgebiet. Wenn Sie sich also jemals über einen Ihrer kleinen Patienten beraten wollen ... ?" Dr. Grayson lächelte verschmitzt. "Maria, Sie wissen genau ich kann immer einen guten Facharzt gebrauchen. Ich habe sogar gerade jetzt ein zu früh geborenes Baby, das mir große Sorgen macht. Es war kein Zufall, dass wir uns heute getroffen haben. Glauben Sie, ich könnte Dr. Cameron anrufen?" "Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht. Er weiß nicht, dass ich mit Ihnen heute über ihn gesprochen habe." "Warum haben Sie denn dann heute mit mir über ihn gesprochen?" "Weil ich möchte, dass er glücklich ist." "Dann sind Sie mehr als nur Kollegen?"
Maria spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. "Das weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, dass ich nicht möchte, dass er sein Talent verschwendet." "Gut. Ich rufe ihn also an. Aber er wird sich fragen, wo ich von ihm gehört habe." "Sie können ihm ja sagen, dass wir uns zufällig begegnet sind. Ich habe keine Geheimnisse vor Dane." Bis auf eins: Sie liebte ihn.
8. KAPITEL Als Dane von Betsy hörte, dass Dr. Grayson vom Albuquerque Krankenhaus auf seinen Rückruf wartete, wunderte er sich sehr. Zwischen zwei Patienten wählte er die Nummer, die sie ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte, und bekam Dr. Grayson direkt an den Apparat. "Hallo, Dr. Cameron", dröhnte seine Stimme durch die Leitung, "Sie wissen wahrscheinlich nicht, wer ich bin. Ich bin der Kardiologe hier am Krankenhaus. Ich weiß, dass ihr Fachgebiet die Kinderkardiologie ist. Ich habe ein Frühchen, zu dem ich Ihren Rat brauche. Könnten Sie wohl herkommen und es sich mal ansehen?" Dane war ein paar Mal in den Krankenakten seiner Patienten auf den Namen des Kollegen gestoßen, aber er fragte sich, wie der von ihm wissen konnte. "Sie kennen mein Fachgebiet?" "Nun ja. Ich habe Ihre Artikel in der Fachpresse gelesen." "Und woher wissen Sie, dass ich hier in Red Bluff bin?" "Ich habe heute Morgen Dr. Youngbear getroffen, und die hat mir von Ihnen erzählt." "Und wie kam Ihr Gespräch auf mich?" Er wusste, dass er den Kollegen in Verlegenheit brachte, aber das war ihm egal. "Sie erwähnte, dass Sie vielleicht Interesse haben, mich zu beraten. " "Ach so." "Aber wenn dem nicht so ist, dann muss ich mich woanders umhören." Wenn er einem Frühgeborenen helfen konnte, dann würde er das natürlich tun, und Maria wusste das. "Nein, ich würde mir den Fall gerne ansehen. Wie wäre es mit morgen früh?" "Das ist schön. Gegen acht Uhr?" „In Ordnung." Dane war wütend und wurde noch wütender, als er den Hörer auflegte. Als er Maria an der offenen Bürotür vorbei zu einem der Untersuchungsräume gehen sah, rief er nach ihr. "Ich muss mit dir reden." Sie kam zu ihm ins Büro. "Was ist denn los?" "Ich habe gerade einen Anruf von Dr. Grayson bekommen. Es hörte sich so an, als ob ich heute Morgen euer Gesprächsthema gewesen bin."
Einen Moment lang sah sie besorgt aus. "Als ich ihn heute zufällig traf ... Ich dachte, du würdest gern wieder etwas mit deinem Fachgebiet zu tun haben." "Das ist doch wohl meine Entscheidung und nicht deine, oder? Wenn ich es die Fachwelt wissen lassen will, dass ich wieder als Berater zur Verfügung stehe, dann werde ich das selbst tun." Der Hauptgrund für seinen Missmut war wahrscheinlich, dass er ihr sowohl gestern wie auch heute Morgen in der Therapie so nahe gewesen war, ohne sie auch nur ein einziges Mal küssen oder im Arm halten zu können. Sein Verlangen, sie zu küssen und sie zu, berühren war so groß, dass er fast vergaß, warum er sie ins Büro gerufen hatte. Er machte ein paar Schritte auf sie zu. "Ich dachte, wenn du deine Finger wieder benutzen kannst, dann willst du wieder als Kardiologe arbeiten." "Maria, manchmal gehst du zu weit, und manchmal nicht weit genug." Er umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie voller Leidenschaft. Erst hielt sie überrascht die Luft an, doch dann erwiderte sie den Kuss mit der gleichen Leidenschaft. Als er dann ihren herrlich geformten Körper unter seinen Fingern spürte und sich vorstellte, ihre Brüste zu küssen, löste das ein wahres Feuerwerk in ihm aus. Die Wogen ihrer Leidenschaft schlugen über ihnen zusammen. Seit sie sich das erste Mal gesehen hatten, hatten sie auf diesen Augenblick gewartet. Als er ihr den Kittel von den Schultern zog, half sie ihm dabei. In einem Sinnestaumel verschmolzen ihre Lippen miteinander, während sie sich gegenseitig auszuziehen versuchten. Dane schloss noch schnell die Tür hinter sich ab, bevor er sie auf das Sofa drückte und ihre Bluse aufknöpfte. Unter Küssen hauchte er immer wieder ihren Namen. Marias sanftes Stöhnen erregte ihn noch mehr. Schließlich hatte er ihr die Bluse ausgezogen und den BH geöffnet, so dass er ihre vollen Brüste küssen konnte. Er nahm die Brustwarzen zart zwischen die Lippen und streichelte sie mit der Zunge, womit er ihr einen Seufzer nach dem anderen entlockte. Sie stöhnte seinen Namen, und er genoss es, ihr solche Lust zu bereiten. Maria hatte eine solche Erregung noch nie erlebt. Sie raubte ihr alle Sinne, und Dane küsste all ihre Hemmungen weg. Ihre lebenslangen Moralvorstellungen schmolzen in diesem Feuer dahin. Er hatte ihr keine Zeit zum Überlegen gelassen, und das war ihr Verderben. Er hatte in ihr eine Sinnlichkeit entfacht, die sie nicht mehr kontrollieren konnte. Seine Lippen, seine Zunge, seine kräftigen Hände auf ihrer Haut zu spüren, versetzte sie dermaßen in Verzückung, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte. Als er begann, den Reißverschluss ihrer Jeans aufzuziehen, hoffte sie im Stillen, dass sie auch ihn befriedigen konnte. Bald lag sie nackt auf dem Sofa. Er lag auf ihr, und während er sich seine Hose auszog, streichelte sie ihn, wo sie nur konnte. Ihn zu erregen, bereitete ihr größte Lust. Sie zitterte am ganzen Körper, und sie sehnte die Vereinigung mit Dane herbei.
Maria wusste nicht, wer von ihnen den Summer als Erster hörte. Erschrocken riss sie die Augen auf und merkte, dass es die Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch war. "Wir müssen antworten", murmelte sie. "Ich weiß." Seine Stimme klang immer noch rau. Dennoch sprang er auf und drückte auf den Knopf. "Ja?" Maria konnte Betsys Stimme hören. "Virgil Harrihan wird gerade von seiner Frau gebracht. Er hat starke Schmerzen in der Brust, die bis in den Kiefer und in den Arm ausstrahlen." "Bring ihn nicht herein. Ich komme ins Wartezimmer", verlangte Dane, während er sich das Hemd zuknöpfte und in die Hose steckte. Auch Maria war aufgestanden und hatte ihre Jeans angezogen. Mit zitternden Fingern hakte sie ihren Büstenhalter zu und machte sich dann an die Knöpfe ihrer Bluse. Dane war schon aus der Tür, als sie sich noch die Sandalen überstreifte. Dann lief sie schnell hinter ihm her. Sie schauten sich nicht an, als Dane Aspirin aus dem Arzneischrank nahm und den Untersuchungstisch, der zugleich auch eine Krankentrage war, in das Wartezimmer schob. Nach einem kurzen Blick in Virgils blasses, schweißbedecktes Gesicht bat er Betsy, den Krankenwagen zu rufen. Alle anderen Patienten im Eingangsbereich schauten wie erstarrt zu. Dane half Virgil auf die Trage und gab ihm das Aspirin. Dann schob er ihn in das Behandlungszimmer. Dort schob Maria ihm Nitroglycerin unter die Zunge. Keine fünfzehn Minuten später saß Dane bereits bei Virgil im Krankenwagen, und Betsy fuhr mit Clara hinter ihnen her ins Krankenhaus. Maria musste tief Luft holen. Sie hatte jetzt ein Wartezimmer voller Patienten. Aber Virgil war schließlich in guten Händen. Damit beruhigte sie sich. Die Arbeit half ihr, die Gedanken an das Zwischenspiel im Büro zu verdrängen. Sie verstand nicht, wie sie so kopflos hatte werden können. Erst gegen vier Uhr rief Dane aus dem Krankenhaus in Albuquerque an. Er war kurz angebunden. "Virgils EKG zeigt nur geringfügige Abweichungen, und mit dem Nitro hat sich sein Zustand verbessert. Dr. Grayson hat eine Reihe von Laboruntersuchungen angeordnet." Bevor sie etwas dazu sagen konnte, redete Dane weiter-. "Ich werde jetzt noch Dr. Grayson wegen seines Frühchens beraten und komme dann zurück." Das Wartezimmer war immer noch voll. "Ich werde bestimmt noch hier sein", sagte sie. Sie musste mit Dane unbedingt über das Geschehen im Büro sprechen. Maria hatte gerade den letzten Patienten verabschiedet und sich zum Arbeiten an den Schreibtisch gesetzt, als Dane zurückkam. Sie legte den Füller wieder hin und stand auf. "Wie ist es gelaufen?" fragte sie und schaute ihm dabei in die Augen. Dort konnte sie die Erinnerung an ihre Sofaszene sehen. „Virgil ist stabil, und Clara hält ihm die Hand. Gleichzeitig schimpft sie mit ihm, dass er nicht genug auf sich achtet." "Und wie war es mit Dr. Grayson?" forschte sie weiter.
"Ich habe ihm meine Sicht geschildert, aber wenn du erwarten solltest, dass da noch mehr kommt, dann lass es lieber sein." Dane wandte sich von ihr ab und ging zu seinem Schreibtisch. Sie ließ jedoch nicht locker. "Wie fühltest du dich denn? Wieder in deinem Element zu sein, meine ich?" Mit einem ärgerlichen Seufzer schaute er sie an. "Selbst wenn ich eines Tages meine Hand und meine Finger wieder gebrauchen kann, bin ich mir nicht sicher, ob ich in die Kinderkardiologie zurück möchte. Also dräng mich bitte nicht, Maria. Oder möchtest du, dass ich Red Bluff verlasse? Veranstaltest du deswegen all das?" "Nein! " Er schaute sie so intensiv an, dass sie nicht so recht wusste, was sie sagen sollte. "Du bist für die Patienten hier ein großartiger Arzt“, begann sie schließlich. "Aber du kannst so viel mehr. Darum glaube ich, dass, wenn du erst einmal deine Hand wieder gebrauchen kannst, du wieder von deinem alten beruflichen Ehrgeiz gepackt wirst." "Also willst du mich loswerden, bevor wir zu sehr aneinander hängen?" Wie in einem Film sah sie ihn wieder auf dem Sofa über sich, spürte sein Gewicht, erinnerte sich daran, wie er schmeckte, und an die Inbrunst seiner Küsse. Wie gut, dass die Gegensprechanlage gesummt hatte. Wenn sie mit ihm geschlafen hätte, würde sie den Abschied von ihm nie überwinden. „Was heute hier im Büro passiert ist …“ fing sie an. "Hätte in meinem Schlafzimmer passieren sollen", beendete er den Satz für sie. "Es hätte überhaupt nicht passieren dürfen." Er schüttelte den Kopf. "Du machst dir wirklich etwas vor. Wir begehren uns, Maria." "Ja, ich will dich", gab sie kleinlaut zu. "Aber ich werde nichts tun, was Sunny und mir schaden könnte. Darum musst du dich entscheiden, ob du wirklich mit uns leben oder nur vorübergehend Spaß haben willst." Er zog die Augenbrauen zusammen, und ärgerliche Falten gruben sich in sein Gesicht. "Was soll das denn nun wieder heißen?" "Es heißt, dass du dich dem Leben stellen und dich entscheiden musst, was du dir für deine Zukunft wünschst." "Und was für eine Art Leben stellst du dir für deine Zukunft vor?" fragte er ruhig. "Ein Leben ohne Männer? Ein Leben ohne Küsse und Zärtlichkeiten? Eines ohne sexuelles Vergnügen?" "Wenn Sunny etwas älter..." "Wenn Sunny älter ist", fiel er ihr ins Wort, "dann wirst du sehr viel verpasst und den Anschluss verloren haben." „Was machst du am Mittwoch?" fragte sie spontan. "Warum?" erwiderte er unwillig. "Möchtest du den Nachmittag mit mir verbringen? Es gibt einen Ort, den ich dir gern zeigen würde."
"Willst du mich wie einen Touristen herumführen?" Er war nicht gerade begeistert. "Nicht ganz. Wenn wir dort sind, wirst du es verstehen." "Ich mag solche Geheimnistuereien nicht, Maria." Dane sah sie misstrauisch an. "Es ist keine Geheimnistuerei. Nur eine Überraschung. Was hältst du davon?" "Ich nehme nicht an, dass du mich in ein Motel entführen möchtest, oder?" Sein Ärger war offensichtlich verflogen. Er konnte schon wieder scherzen, und seine Stimme klang so liebevoll, dass sie wusste, sie waren keine Feinde mehr. Aber sie waren auch mehr als nur Freunde. "Eher das Gegenteil." Dane sah sie verwundert an und schüttelte dann den Kopf. "Ich gehe mit dir zu diesem mysteriösen Ort, aber nur, weil ich den Nachmittag gern mit dir verbringen möchte." „Ist es noch weit?" fragte Dane am Mittwochnachmittag und schaute Maria von der Seite an. Am Abend zuvor hatte er Joe zum zweiten Mal in Selbstverteidigung unterrichtet. Eigentlich hatte er ihn darüber ausfragen wollen, wo seine Schwester ihn wohl hinbringen wollte, aber dann hatte er es doch nicht getan. Sie hatte bestimmt ihre Gründe, es ihm nicht vorher sagen zu wollen. Sie hatten erst in Albuquerque noch ihre Vis ite gemacht, bevor sie losgefahren waren. Dann hatte Dane darauf bestanden, selbst zu fahren, obwohl er nicht wusste, wohin. Sie musste ihm den Weg nach Chimayo zeigen, das etwa vierzig Meilen nordwestlich von Santa Fe in den Sangre de Cristo Bergen lag. Als sie schließlich durch die Stadt fuhren, runzelte Dane die Stirn. Da gab es nichts zu sehen. Maria führte Dane weiter nach EI Santuario de Chimayo. "Du bringst mich in eine Kirche?" fragte er etwas erstaunt. "Es ist nicht irgendeine Kirche", klärte sie ihn auf. "Sie wird auch Lourdes von Amerika genannt.“ Dane sah sie etwas befremdet an. "Du meinst ein Ort der Wunder?" Maria nickte nur. Er schaute sich etwas befremdet um. Ein Restaurant, ein Laden mit Andenken und eine Imbissbude. "Versuche bitte, ohne Vorurteile hinzusehen", bat sie ihn, indem sie die Tür zur Klosteranlage öffnete. Auf dem Weg zu der aus Lehmziegeln und Stroh gebauten Missionsstation erzählte sie ihm die Geschichte: "1810 sah ein Ordensbruder ein Licht auf dem Hügel. Als er zu diesem Platz ging, fand er dort ein Kruzifix liegen. Der zuständige Priester brachte es nach Santa Cruz, aber es verschwand immer wieder und wurde jedes Mal an seinem Platz auf dem Hügel wieder gefunden. Erst kamen die Menschen, um das Kruzifix zu sehen, und dann fingen die Wunder an. Darum wurde die Mission hier gebaut.“
"Und warum bringst du mich hierher?" fragte Dane. "Wenn wir alles gesehen haben, wirst du es schon verstehen." "Dane hielt nichts von Mysterien oder irgendetwas, was er nicht sehen oder anfassen konnte. Das Kruzifix auf dem Altar sah auch überhaupt nicht mysteriös aus. Der Erdhaufen, auf dem es angeblich gefunden worden war, lag hinter dem Hauptaltar. Der Gebetsraum neben diesem Erdhaufen zog jedoch Danes Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte zwar schon vorher Bilder von Schreinen gesehen, in denen Menschen ihre Krücken und Prothesen an die Wand gehängt hatten, um zu zeigen, welches Wunder ihnen geschehen war. Aber so etwas direkt vor Augen zu haben, ergriff ihn auf eine Art, die er nicht verstand. Maria hatte ihre Gründe gehabt, ihn an diesen Ort zu bringen, und er fing an, sie zu verstehen. Er schaute sich noch mal die Krücken und selbstgebastelten Schreine an. Dann untersuchte er seine Hand. Er konnte die Finger schon viel besser bewegen. Sie waren zwar noch nicht wieder völlig in Ordnung, aber doch viel beweglicher als noch vor wenigen Wochen. Er brauchte kein Wunder ... jedenfalls nicht solch eines, wie die Menschen hier. Wenn er seine Hand wieder richtig gebrauchen wollte, dann musste er nur daran arbeiten. Er musste es wollen, und er musste endlich begreifen, dass nichts auf der Welt ihm seine Familie zurückbringen würde. Er hatte schon so lange nicht mehr gebetet, dass er sich an das letzte Mal gar nicht erinnern konnte. Aber hier neben Maria betete er. Er tat es zwar zaghaft und unsicher, aber er tat es. Er spürte, dass sein Herz im Grunde viel mehr Heilung brauchte als seine Hand. Er war sich zwar nicht sicher, ob eine höhere Macht das bewerkstelligen konnte, aber er gelobte, sich dafür zu öffnen und sie zuzulassen. Auf der Fahrt zurück nach Red Bluff sprachen sie kein einziges Wort. Maria fragte sich, ob Dane wohl über das Erlebnis nachdachte. Als sie durch die Vororte der Stadt fuhren, fragte Dane. "Sollen wir gemeinsam zu Abend essen, bevor wir Sunny abholen?" "Gern", antwortete Maria. Sie war froh, dass er endlich wieder sprach. Sie hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Vielleicht würde er ja beim Essen darüber sprechen. Mitten in der Woche war die "Cantina" nicht so voll wie an den Wochenenden. Die Bedienung brachte sie zu einem Tisch. Dane nahm die Speisekarten aus dem Ständer und gab Maria auch eine. Sie öffnete sie jedoch nicht. "Bist du wütend auf mich, dass ich mit dir nach El Santuario gefahren bin?" fragte sie ihn sehr direkt. "Warum sollte ich wütend sein?" Sie zuckte mit den Schultern. "Kirchen sind nicht jedermanns Sache. Vielleicht hältst du mich für anmaßend, dass ich annehmen konnte, eine Kirche würde dir etwas bedeuten." Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und sah ihr in die Augen. "Als wir dort ankamen, habe ich tatsächlich so etwas gedacht. "
"Und dann?" "Und dann wurde mir klar, warum du mich dorthin gebracht hast. Du dachtest, ich könnte etwas Hoffnung gebrauchen, oder wolltest du mich auf den Boden der Tatsachen bringen? Wolltest du mir zeigen, dass es mir gar nicht so schlecht geht im Vergleich zu all den Hilfe Suchenden dort? Ich bin körperlich gesund, ich habe eine berufliche Zukunft und auch ein lebenswertes Leben, wenn ich will. Um das zu begreifen, hat mir unser Ausflug sehr geholfen. Aber wenn du ein Wunder erhofft hast, dass ich plötzlich genau weiß, wohin ich zu gehen habe, dann muss ich dich enttäuschen. " Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Wunder erwartet. Ich wollte dich nur erkennen lassen, dass du allen Grund hast, dankbar zu sein. Ich weiß, Dane, dass du viel verloren hast. Aber du bekommst nichts davon zurück, indem du aufhörst, dich zu bewegen." Nach kurzem Schweigen nickte Dane. "Wenn ich eines ganz bestimmt begriffen habe, dann, dass ich meine Krankengymnastik ernster nehmen muss. Es war Selbstmitleid, was mich bisher davon abgehalten hat." "Geh nicht so hart mit dir ins Gericht. Heilung braucht nun mal Zeit. Auch für einen Arzt." Er schaute ihr tief in die Augen. "Versuchst du, mich auf den Weg zu bringen, damit ich aus deinem Leben verschwinde?" "Dane..." „Auch du solltest dich den Tatsachen stellen, Maria. Natürlich wäre es nicht schön, wenn wir ein Verhältnis hätten und ich dann abhaue. Aber wäre nicht jeder einzige intime Augenblick diesen Trennungsschmerz wert?" Ihr ganzer Körper schrie Ja. Aber eine innere Stimme ließ sie etwas anderes sagen: "Ich kann mich nicht auf ein intimes Verhältnis einlassen. Ich glaube an Verantwortung und weiß, dass ich nur mit einem einzigen Menschen die Straße meines Lebens gehen möchte." "Hast du denn nie mit einem Mann geschlafen, bevor du geheiratet hast?" Dane wirkte eher enttäuscht als ärgerlich. Ihre Wangen röteten sich, und sie schüttelte den Kopf. "Nein, Dane. Was da neulich fast in unserem Büro passiert ist, erschreckt mich zutiefst. Ich schäme mich, dass ich mich dermaßen habe gehen lassen." Jetzt lehnte Dane sich zurück, als wenn er mehr Abstand gewinnen wollte. "Willst du wirklich, dass ich dich in Ruhe lasse?" Das war wirklich das Letzte, was sie wollte. Aber ihn weiter hinzuhalten, war auch nicht fair. "Ich weiß nicht." In diesem Augenblick kam die Kellnerin an ihren Tisch. Nach einem flüchtigen Blick auf die Speisekarte bestellten sie. Dann wechselte Maria einfach das Thema, um sich zu beruhigen und ihre tiefen Gefühle für Dane zu verdrängen. Doch die Spannung zwischen ihnen war während des ganzen Essens förmlich greif bar. Sie hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als in seinen Armen zu liegen. Doch sie wusste, das konnte nur geschehen, wenn auch er sie liebte ... wenn er sein Leben mit ihr verbringen wollte.
Nach einem kurzen Essen fuhren sie zur Ranch von Marias Eltern. Carmella öffnete ihnen lächelnd die Tür und fragte, wie ihr Tag gewesen sei. Marias Vater sah fern, stellte den Apparat aber ab, als sie hereinkamen. Sunny lag zusammengerollt auf dem Sofa neben ihm und schlief fest. Er strich seiner Enkeltochter das Haar aus der Stirn. "Bis vor zehn Minuten war sie noch wach." Sein Lächeln verschwand, als sein Blick auf Dane fiel. "Hatten Sie einen schönen Nachmittag in Chimayo?" "Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen", gestand Dane. In seiner Stimme lag so viel Respekt, dass die Eagles merken konnten, dass er die Geschichte des Schreins zu würdigen wusste. Carmella bot ihnen etwas zu essen an, aber Maria lehnte ab. "Wir waren gerade noch in der Cantina'. Und jetzt möchte ich lieber Sunny ins Bett bringen." "Bevor Ihr geht, wollte ich Sie noch etwas fragen", wandte sich Carmella an Dane. „Tom und ich feiern am Sonntag unseren 35. Hochzeitstag. Würden Sie uns die Freude machen, zu unserem Fest zu kommen?" "Herzlichen Glückwunsch", sagte Dane. "Und danke für die Einladung. Ich fühle mich geehrt, einen solchen Tag mit ihnen feiern zu dürfen." Dann ging er zum Sofa hinüber. "Ich werde Sunny ins Auto tragen." Er nahm das kleine Mädchen auf den Arm, als wäre es für ihn das Natürlichste von der Welt. Als Maria ihn so mit ihrer Tochter sah, spürte sie einen Stich im Herzen. So hatte sie sich ein Familienleben mit ihm vorgestellt. Auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnanlage nahm Dane Sunny aus dem Auto und trug sie zu Marias Wohnungstür. Maria schloss auf, und sie gingen hinein. Dort legte Dane das Kind in sein Bettchen. Sunny murmelte noch "Nacht, Nacht! " und war sofort wieder fest eingeschlafen. Dane lächelte und streichelte ihr die Wange. Er hatte ihr zwar erzählt, dass er nicht genug Zeit für seinen Sohn gehabt hatte, aber Maria war sich sicher, dass er ein wunderbarer Vater sein konnte - wenn er nur wollte. Carmella hatte Sunny bereits ihren Schlafanzug angezogen, bevor sie eingeschlafen war. Darum brauchte auch Maria ihrer Tochter nur noch einen Gutenachtkuss zu geben. Dann folgte sie Dane ins Wohnzimmer. "Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?" Er schüttelte den Kopf. „Es ist besser, wenn ich gehe." Sie wusste, er hatte Recht, und darum begleitete sie ihn zur Tür. "Was kann ich eigentlich deinen Eltern zu ihrem Hochzeitstag schenken?" fragte er noch im Hinausgehen. "Sie erwarten bestimmt kein Geschenk." "Aber worüber würden sie sich den freuen?" Maria dachte einen Augenblick nach. "Sie mögen beide Big Band Musik. Vielleicht schenkst du ihnen eine CD?" "Nichts einfacher als das." Sie standen voreinander und schauten sich an. Maria hätte ihm so viel zu sagen gehabt, aber sie konnte ihn nicht halten, wenn er es nicht wollte.
Das Schweigen zwischen ihnen wurde unerträglich, und Dane brach schließlich den Augenkontakt ab. "Bis morgen also." Als er die Wohnungstür öffnete, hielt sie ihn am Arm fest. "Dane ..." Tränen standen ihr in den Augen, und sie kam sich unendlich hilflos vor. Er strich ihr mit dem Handrücken über die Wange, ließ die Hand dann aber wieder sinken. "Ich möchte dich küssen, Maria. Aber wir wissen beide, dass wir mehr als nur einen Kuss wollen, und meine Selbstbeherrschung ist am Ende. Ich danke dir für den Ausflug. Ich werde ihn nie vergessen." Dann ging er in den Flur hinaus und schloss die Tür hinter sich. Maria lehnte sich von innen dagegen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie liebte Dane Cameron. Aber sie wollte dafür sein Herz. Sein Verlangen nach ihr war ihr als Ersatz nicht genug.
9. KAPITEL Dane stand mit einer Tasse Kaffee in der Hand an seiner Terrassentür und blickte auf die Landschaft hinaus. Er hatte heute Morgen etwas mehr Zeit, da die Schüler der High School von Red Bluff untersucht werden mussten. Er hatte die ganz Nacht geträumt - von dem, was war und was sein könnte. Es war ihm am Abend zuvor unendlich schwer gefallen, Maria allein in ihrer Wohnung zurückzulassen - und allein in seine Wohnung zu gehen. Das Telefon schreckte ihn auf. Wer war das denn? Es kannte doch kaum jemand seine Nummer. Als er den Hörer abnahm und sich meldete, hörte er eine etwas barsche Stimme. "Dr. Dane Cameron?" "Am Apparat." "Ich bin Dr. Rick Morris von der Baybride Universität in Connecticut.“ Diese Universität hatte eine gute medizinische Fakultät. "Was kann ich für Sie tun?" fragte Dane. "Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Ihre Zeit ist genauso kostbar wie meine. Also komme ich gleich zum Punkt. Ich hoffe, Sie nehmen eine Stellung an unserer Universität an." Dane war einen Moment lang wie vom Donner gerührt. Er wusste, was für ein langwieriges Prüfungsverfahren an den meisten Universitäten zu solch einem Angebot gehörte. "Ich habe mich nicht beworben." "Nein, das haben Sie nicht, ich weiß", gab Dr. Morris zu, "aber wir sind hoffnungslos unterbesetzt. Und wir kennen Ihren Ruf. Wir wissen auch, dass Sie einen Unfall hatten, dann nur beratend tätig waren und jetzt Ihr Fachgebiet ganz verlassen haben. Sie sehen, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Und wir
sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Sie eine Bereicherung für unseren Lehrstuhl sein könnten. Kommen Operationen immer noch nicht in Frage?" "Ich habe gerade eine Behandlung angefangen, die ich nach dem Unfall erst mal verschoben hatte. Die Mobilität kehrt langsam in meine Finger zurück, aber ich kann noch keine Prognose stellen." Mit einem abwertenden Brummen in der Stimme ging Morris leichtfertig darüber hinweg. "Unsere Experten können Ihnen da sicher weiterhelfen. Aber ob Sie nun wieder operieren können oder nicht, wir wollen Sie unter allen Umständen haben. Können Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen?" Nach dem Telefongespräch, in dem Dr. Morris ihn mehr und mehr zu überreden versuchte und die Vorteile anpries, die Baybride ihm bieten würde, fuhr Dane zur High School. Die Worte von Dr. Morris gingen ihm nicht aus dem Kopf. Eine Stellung an der renommierten Universität von Baybride wurde einem nicht alle Tage angeboten. Er würde nicht nur beratend tätig sein, sondern jungen Ärzten alles beibringen können, was er wusste. Die Vorstellung war aufregend. Außerdem hatte Dr. Morris ihm alle Vorzüge der dortigen Rehabilitationsbehandlungen aufgezeigt. Wenn ihm irgendjemand die volle Funktionsfähigkeit seiner Hand wiedergeben konnte, dann waren es die dortigen Spezialisten. Es gab viel zu bedenken. Ein verlockendes Angebot. Aber dann dachte Dane an Maria und an sein Leben hier in Red Bluff, das so völlig anders war, als es im Osten sein würde. Er hatte Dr. Morris versprochen, sich bis Ende nächster Woche bei ihm zu melden. Bis dahin würde er genügend Zeit haben zu entscheiden, welchen Weg er für seine Zukunft einschlagen wollte. Die High School Wimmelte von Teenagern. Dane meldete sich im Büro an und ging dann in die Turnhalle. Draußen beobachtete der Trainer eine Mannschaft beim Üben. Dane wollte ihm gerade Bescheid sagen, als ihm eine Gruppe Jugendlicher unter dem Vordach des Gebäudes auffiel. Er hatte den Eindruck, dass die Jungen sich nicht sehr freundlich unterhielten. Joe Eagle stand direkt vor einem großen, schlanken, rothaarigen Jugendlichen. Das muss Trevor sein, vermutete Dane. Man sah ihm an, dass er Ärger suchte. Die anderen bildeten einen Kreis um die beiden und schienen sie anzustacheln. Dane wollte schon den Trainer rufen, ließ es dann aber sein. Selbst wollte er sich auch nicht einmischen. Er ging nur etwas näher heran, um im Notfall eingreifen zu können. Außerdem wollte er sehen, wie Joe mit der Situation fertig wurde. Unter dem Vordach wurde Joe von dem großen Jungen geschubst, aber so wütend er auch aussah, er blieb stehen und schlug nicht zu. Trevor grinste höhnisch. "Hast wohl Angst zu kämpfen, Indianer! Ich dachte, ihr wäret so gut darin."
Dass Joe immer noch nicht reagierte, schien den Jungen noch wütender zu machen, und er wollte schon zuschlagen. Dane machte einen Schritt nach vorn. Aber dann machte Joe eine der Bewegungen, die Dane ihm beigebracht hatte, wich aus, und der Junge schlug nur in die Luft. Dane musste lächeln und Joe in Gedanken loben. Gut gemacht, Joe! Trevor war zunächst überrascht und dann erst recht wütend. Wieder griff er Joe an, doch der machte eine andere Bewegung, die er geübt hatte, wich ihm aus und stellte ihm gleichzeitig ein Bein. Der lange Kerl landete mit einem Plumps auf dem Hintern. Joe beugte sich über ihn und sagte: "Wenn du kämpfen willst, dann kämpfen wir. Aber das löst keine Probleme. Ich bin stolz darauf, ein Cheyenne zu sein. Kannst du stolz darauf sein, wo du herkommst?" Die umstehenden Jungen sahen Joe mit anderen Augen an - fast mit Respekt. Joes Gegner stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. Dane konnte leider nicht hören, was er dabei murmelte. Als Joe sich aus der Gruppe entfernte, entdeckte er Dane. Er wurde rot, sah aber sehr zufrieden aus. "Ich nehme an, du hast alles gehört." "Ja, und gesehen. Du warst gut." "Ich habe nur gemacht, was du mir gezeigt hast." Und nach einem Moment betretenen Schweigens fügte er hinzu: "Danke, dass du dich nicht eingemischt hast." "Ich wollte schon fast den Trainer rufen", gab Dane zu. "Aber mir fiel noch rechtzeitig ein, dass jeder Mann seine Schlachten selbst schlagen muss." Joe zuckte mit einem verlegenen Lächeln die Schultern. Dann murmelte er: "Ich finde es übrigens in Ordnung, wenn du einen Klüngel mit meiner Schwester hast. Dann muss ich mir keine Sorgen mehr um sie machen." Einen Klüngel mit Maria. Ein Stellenangebot im Osten. Anerkennung von einem Eagle. Dane hatte Grund, sich geehrt zu fühlen. "Ich weiß nicht, was aus mir und deiner Schwester wird. Unser beider Leben sind im Moment ziemlich kompliziert." Joe sah Dane eine Weile prüfend an. Dann zuckte er wieder mit den Schultern. "Jedenfalls bist du ehrlich und nicht so ein Scheißkerl wie Tony, der sie einfach im Stich gelassen hat." Dane war völlig seiner Meinung. Aber vielleicht musste auch er Maria verlassen ... Als Dane in der High School fertig war, hielt er auf dem Weg zur Praxis in der Stadt noch bei einem Delikatessengeschäft an und kaufte Sandwichs, ein paar Tüten Chips und Limonade. Als er in die Praxis kam, sagte Joan ihm, dass Maria gerade mit dem letzten Patienten für den Vormittag beschäftigt sei. Also deckte er das mitgebrachte Essen auf dem Schreibtisch im Büro. Als er Joan fragte, welches Sandwich sie wohl am liebsten mochte, schüttelte sie den Kopf. "Ich muss noch ein paar Besorgungen machen. Die schaffen Sie und Maria auch alleine."
Als Maria fertig war, kam sie ins Büro. "Was ist das denn?" „Ich dachte, du hättest vielleicht gern eine Kleinigkeit zu essen." Sie lachte. "Das sieht ja ganz so aus, als wenn jemand sehr viel Hunger hat. Wie liefen die Schuluntersuchungen?" "Ganz gut. Zwei Klassen habe ich für nächste Woche übrig gelassen." Wenn Joe ihr erzählen wollte, was passiert war, dann sollte er das selber tun. Maria zog ihren Kittel aus und hängte ihn über einen Stuhl. "Clara war hier, um sich noch mal zu bedanken. Virgil macht ihr das Leben schwer. Die beiden streiten sich ständig, was er essen darf und was nicht. Ich habe ihr geraten, sein Hühnchen mit viel Knoblauch und Cayennepfeffer zu würzen. Dann kann er sich nicht mehr über geschmackloses Essen beklagen." "Du hast für jeden einen Rat", meinte Dane lächelnd. Dann verschwand sein Lächeln aber wieder, denn er musste Maria von dem Anruf am Morgen erzählen. Als sie zum Sofa hinüberging, bewunderte er ihre anmutigen Bewegungen. Sie nahm sich ein Truthahn-Sandwich. "Sieht gut aus." Aber er wollte sich nicht über Essen unterhalten.. "Ich habe heute Morgen einen Anruf bekommen." Sie schaute ihn erwartungsvoll an. "Von wem?" „Von der Baybride Universität in Connecticut. Sie bieten mir einen Lehrstuhl an. Vielleicht kann ich auch wieder operieren, denn für das Krankenhaus wollen sie mich auch." "Ich verstehe", sagte sie langsam und legte den Sandwich zurück auf den Tisch. "Ich wusste ja, dass du gehen würdest ... irgendwann." "Ich habe nicht gesagt, dass ich gehe.“ "Aber du ziehst es in Erwägung." "Ich wäre ein Idiot, wenn ich es nicht täte." Und ich wäre ein Idiot, wenn ich dich bitten würde zu bleiben, dachte Maria traurig. Sie liebte Dane von ganzem Herzen, und sie wünschte sich nichts mehr, als dass er blieb. Aber sie konnte ihm nicht sagen, was sie fühlte. Wenn Dane wirklich etwas für sie empfand, konnte er sie ja fragen, ob sie mitkommen wollte. Dieser Gedanke war wie ein Hoffnungsschimmer. Aber würde sie denn mitgehen? Plötzlich konnte sie es nicht mehr aushalten, neben ihm auf dem Sofa zu sitzen. Die Berührung ihrer Ellbogen und Knie löste einen solchen Sturm von Gefühlen in ihr aus, dass sie keinen Bissen mehr anrühren konnte. Sie stand auf. "Was hast du?', fragte er. "Mir fällt gerade ein, dass ich auch noch ein paar Besorgungen machen muss. Ich habe keine Zeit zu essen.“ "Maria..." Sie nahm ihre Handtasche aus der untersten Schublade ihres Schreibtisches. "Ich bin in etwa einer Stunde zurück." Und sie floh aus der Praxis.
Dane Cameron würde sein neues Leben ohne sie führen, und an diesen Gedanken musste sie sich erst gewöhnen. Am Samstagabend fuhr Dane zur Tankstelle. An der Tanksäule vor ihm stand ein Kleintransporter. Als er ausstieg, sah er Jase McGraw, wie er gerade die Benzinpistole zurück in die Säule steckte. Er hob grüßend die Hand, und Jase kam zu ihm herüber. Der Sheriff war nicht im Dienst. Statt seiner Uniform trug er genau wie Dane Jeans und ein T-Shirt. "Wie geht es Ihnen?" fragte er freundlich. Auf Frank Nightwalkers Party hatte Dane sich eine Weile mit Jase und Allison unterhalten. Er mochte sie beide. "Ich sollte das Auto wohl nicht nur voll tanken, sondern auch waschen", meinte er lakonisch. Joe hatte seinen Geländewagen zwar erst letzten Samstag gewaschen und poliert, aber er war schon wieder total verdreckt. „Stimmt. Ich glaube, es gibt keinen staubigeren Ort auf der Welt als Red Bluff, wenn es monatelang nicht geregnet hat. Ich habe gehört, es soll sich eine Wetterfront nähern, aber wir brauchen eigentlich richtigen Regen und keine Gewitter, die wieder nur Sturzfluten verursachen." Dane fiel erst jetzt auf, dass es tatsächlich seit seiner Ankunft hier nicht geregnet hatte. "Wie geht es dem Baby?" fragte er, um das Gespräch noch etwas in die Länge zu ziehen. Er hatte keine Lust, so schnell schon wieder in seine leere Wohnung zurückzukehren und an Maria zu denken. Jase steckte die Hand in die Hosentasche. "Elizabeth geht es großartig. Im Moment wird sie von zwei Frauen verwöhnt. Maria ist gerade mit Sunny zu uns gekommen." "Ach so." Dane hatte mitbekommen, dass Maria mit Sunny weggefahren war, und hatte angenommen, dass sie zur Ranch ihrer Eltern fuhr. "Maria erzählte uns, dass Sie uns vielleicht bald wieder verlassen", bemerkte Jase betont beiläufig. "Ich habe eine interessante Stellung angeboten bekommen." "Das ist schade. Ich meine für uns. Die Leute hier scheinen Sie zu mögen. Sie tun sich sonst sehr schwer mit Außenseitern." Auf der Party hatte Jase ihm erzählt, dass er vor sieben Jahren von Richmond nach Red Bluff gekommen war. „Haben Sie sich am Anfang wie ein Außenseiter gefühlt?" "Und ob. Aber dann habe ich einfach nur meine Arbeit gemacht, und die Leute haben das respektiert." „Für Sie ist dann ja alles gut gegangen." "Allerdings. Mir gefiel es hier schon, bevor Allison kam, aber gibt es keinen Ort auf der Welt, wo ich seit wir verheiratet sind lieber sein möchte." "Sie kannten sie schon vorher, nicht wahr?" Er erinnerte sich an das, was Frank über Allison und Jase erzählt hatte. "Oh ja. Sie war die Frau meines besten Freundes. Aber Dave wurde im Dienst getötet, und Allison fand ein paar unschöne Dinge über ihn heraus, die sie nicht
gewusst hatte. Sie besuchte mich hier, um Abstand zu gewinnen von Richmond und allem, was passiert war." "Und dann hat es bei Ihnen gefunkt." "Das kann man wohl sagen." Dane vermutete, dass das eine starke Untertreibung war. Er hatte Jase und Allison miteinander erlebt. Selbst nach drei Ehejahren sah es so aus, als ob sie es kaum ertragen konnten, auch nur kurz voneinander getrennt zu sein. "Ich mag Red Bluff .“ sagte er. „Aber leider nicht genug, um zu bleiben." Jase sah Dane forschend an. "Die Sache ist etwas komplizierter" "Das kann ich mir gut vorstellen. Ich kenne Maria gut. Sie war heute sehr schlecht gelaunt. Sie hat zwar nicht darüber gesprochen, aber ich glaube, das hat was mit Ihnen zu tun." Dane entging der Unterton in Jases Stimme nicht. Er wollte sie offensichtlich beschützen. Als Dane darauf nichts sagte, erzählte Jase weiter. "Maria hat sich seit ihrer Scheidung mit keinem anderen Mann eingelassen. Als ich Sie beide neulich Abend bei Frank tanzen sah, hatte ich den Eindruck, dass sich das geändert hatte." "Ich wollte ihr nie weh tun", versicherte Dane. "Aber ich hatte eine Menge im Gepäck, als ich hierher kam." Jase lächelte. "Oh, ich kenne dieses Gepäck. Ich habe es lange mit mir herumgetragen und es so lange als Entschuldigung benutzt, bis ich Allison fast verloren hatte. Erst da wurde mir klar, dass es nichts Wichtigeres für mich gab, als mit ihr zu leben." Und schulterzuckend fügte er noch hinzu: "Aber mein Leben ist nicht das Ihre." Jase gab Dane die Hand. "Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute, egal, wie Sie sich entscheiden." Am Sonntagmorgen nach der Kirche versuchte Maria, sich auf den Hochzeitstag ihrer Eltern zu konzentrieren, um nichts von dem zu vergessen, was sie mitnehmen wollte. Sie hatte zwar alles schon im Auto, aber Dane ging ihr nicht aus dem Kopf. Wie hatte er sich wohl entschieden? Am Abend zuvor war sie zu Allison gegangen, um mit ihr über ihren Kummer zu reden. Aber Allison hatte ihr auch nicht helfen können. Ihre Situation war eben eine völlig andere. Anders als Allison bei Jase konnte Maria Dane ruhig von ihren Gefühlen erzählen. Das machte seine Entscheidung jedoch nur noch schwieriger. Sie wollte, dass er blieb, sie wollte aber auch, dass er glücklich wurde. Und ob sie nun mit ihm gehen würde ... Der Vorschlag musste von ihm kommen. Ach, es war alles so verworren. Das Sonnenlicht auf der Terrasse war wie Balsam für ihre Seele. Maria schob die Tür auf, aber bevor sie sich versah, war Sunny an ihr vorbei nach draußen gehuscht. Maria war eigentlich stolz darauf, wie schnell ihre zweijährige Tochter schon laufen konnte. Aber heute Morgen gefiel es ihr gar nicht, denn
ohne auf das Rufen ihrer Mutter zu achten, war Sunny zu Dane hinübergelaufen und drückte die kleine Nase an seiner Glastür platt. Maria stöhnte innerlich. Das konnte sie nun gar nicht gebrauchen. Als Dane zur Tür kam und Sunny sah, lächelte er. Doch nach einem Blick auf Maria wurde er wieder ernst. Er schob die Tür auf und konzentrierte sich ganz auf das kleine Mädchen. "Was kann ich für dich tun?" "Party. Longs." An seinem Blick sah Maria, dass er nicht vorgehabt hatte, zu der Party zu gehen. Aber dann bückte er sich zu Sunny hinunter und hob sie auf den Arm. "Du gehst also zu einer Party mit Luftballons. Und ich wette, da gibt es auch Kuchen mit Zuckerguss." Sunny nickte begeistert. "Guss. " Er lachte. "Wenn ich mitkommen will, muss ich mich dann fein machen?" Die Antwort kam von Maria, obwohl sie wusste, dass es ihr schwer fallen würde, in der ihnen verbleibenden kurzen Zeit noch in seiner Nähe zu sein. "Es soll zwanglos sein. Du kannst anziehen, was du willst." Dane schaute auf ihr rot-weiß gemustertes Sommerkleid. Nur zu deutlich fühlte sie seinen Blick auf den nackten Schultern. "Einverstanden", sagte er. "Dann kann ich auch fahren. Es macht keinen Sinn, mit zwei Autos zu fahren, oder?" "Du kannst zwar fahren", sagte Maria, "aber wir nehmen mein Auto wegen des Kindersitzes." Eine Sekunde lang hatte er wieder diesen gehetzten Blick, aber dann nickte er. "Wann wolltest du los?" "Die Party soll um drei Uhr anfangen. Ich habe noch einen Topf, Pappbecher und Besteck mitzunehmen. Sagen wir um halb drei?" „In Ordnung. Bis dann also." Als er Sunny auf den Boden stellen wollte, schlang sie ihm die kleinen Arme um den Hals und drückte ihn ganz fest. "Dücken", forderte sie in ihrer noch undeutlichen Sprache. Also drückte er sie fest an sich, wirbelte sie dann herum, bis sie lachte, und stellte sie hin. Es brach Maria fast das Herz, ihn so mit ihrer Tochter spielen zu sehen. Er wäre ein wundervoller Vater für sie gewesen. Als sie am Nachmittag zur Ranch fuhren, kam es Maria so vor, als wenn Dane innerlich schon gegangen war. Nach ihrer Ankunft blieb Dane bei Marias Vater stehen und unterhielt sich mit ihm. Maria sah, dass er wieder seine alte Maske aufgesetzt hatte, hinter der er stets seine Gefühle und seinen Schmerz verbarg. Sie kannte diese Maske gut, schließlich hatte auch sie lange eine solche Maske getragen. Darum wusste sie auch, dass man sie eines Tages endgültig ablegen musste, und dass das nicht leicht war. Sie war gerade dabei, Bowle zu machen, als Dane in die Küche kam. "Ich habe deinem Vater gesagt, ich würde uns etwas zu trinken besorgen."
Maria ging genau in dem Moment zum Kühlschrank wie er auch, so dass sie beinahe zusammenstießen. Er fasste sie dabei am Ellbogen, und sie fühlte, wie heiß seine Hand war. In seinen Augen brannte Verlangen, und sie vermutete schon, er würde sie küssen. Auch das ist mir jetzt egal, sogar hier in der Küche meiner Eltern, dachte sie. Aber dann ließ Dane sie wieder los und machte einen Schritt zurück. Sie sah, dass er die Zähne zusammenbiss, aber was hätten sie sich auch sagen sollen? Dennoch, die Sprachlosigkeit tat weh. Sie konnte ihn nicht bitten zu bleiben. Nein. Dane musste diese Entscheidung ganz allein treffen. „Im Kühlschrank steht Limonade", sagte sie knapp. Als er schweigend auf die andere Seite des Tisches ging, um sich zwei Plastikbecher zu nehmen, wusste sie, dass heute Nachmittag Schluss sein würde, was immer zwischen ihnen gewesen war. Die Festlichkeiten nahmen ihren Lauf. Maria wusste, welche Überraschung sie mit ihren Geschwistern geplant hatte, und freute sich schon darauf. Trotzdem lastete große Traurigkeit auf ihr. Und die Spannung zwischen Dane und ihr war so greifbar, dass jeder sie spüren konnte. Das sah sie an den Blicken ihrer Eltern. Die Sonne verschwand hinter ein paar Wolken, als ihre Schwester Rita und ihr Mann Cole den Eagles eine Collage aus Bildern von ihrer Hochzeit überreichten. Dann bat ihr Bruder Doug seinen Vater, das gemeinsame Geschenk aller Kinder zu öffnen - ein silbernes Tablett mit den Namen und Geburtsdaten aller Kinder und Enkelkinder. Endlich gab Maria ihrer Mutter einen Umschlag. "Das ist auch von uns allen." Als Carmella ihn öffnete liefen ihr Tränen über die Wangen. "Wir machen eine Kreuzfahrt, Tom", sagte sie zu ihrem Mann. "Sieben lange Tage." Doch darin sah sie Maria an. "Aber wer passt dann auf die Ranch auf?" "Dafür hast du Kinder, Mom", erklärte Doug. "Wir wechseln uns ab. Ihr braucht euch also keine Sorgen zu machen." Dann gab es eine allgemeine Umarmung und viele Tränen. Schließlich überreichten auch die anderen Gäste ihre Geschenke. Es wurde viel gelacht, man erinnerte sich und redete über die Kreuzfahrt nach Mexiko. Der Nachmittag verging wie im Fluge, und alle aßen sich an dem reichlichen Büfett satt. Als die Gäste beim Nachtisch angekommen waren, bewölkte sich der Himmel schlagartig. In der Ferne grollte der Donner, und die Gäste waren schnell in Aufbruchstimmung. Maria sah, wie Dane in ihrer Werkstatt verschwand. Offensichtlich wollte er lieber dort warten, bis sie fertig war. Sie hatte gerade einen Topf mit Bohnen in die Küche gebracht, als Joe hinter ihr herkam. "Hast du dich mit Dane gestritten?" "Nein", antwortete sie kurz angebunden. "Warum benehmt Ihr beide euch dann, als wenn Ihr euch nicht ausstehen könntet? Ich dachte, da läuft was zwischen euch beiden." "Die Frage kann ich dir jetzt nicht beantworten, Joe", sagte sie beklommen.
"Hey, Schwesterchen, was ist los? Ich dachte, er wäre in Ordnung." „Er ist in Ordnung. Aber er bleibt wahrscheinlich nicht hier. Man hat ihm einen Lehrstuhl an einer Universität im Osten angeboten, und den kann er eigentlich nicht ablehnen." "Wirst du dann mit ihm gehen?" fragte Joe und riss die Augen auf. "Das war noch kein Thema." „Aber du würdest mit ihm gehen, oder?" Der Scharfsinn ihres Bruders trieb sie in die Enge. „Er hat mich nicht gefragt. Also brauche ich mir darüber keine Gedanken zu machen." Da tat Joe etwas für ihn und für sein Alter völlig Ungewöhnliches. Er legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie an sich. „Es wird alles gut werden, Schwesterherz. Da bin ich mir ganz sicher."
10. KAPITEL Der Regen war zu einem Wolkenbruch geworden, als Dane von der Ranch fuhr. Der Donner grollte immer noch, und ein Blitz nach dem anderen zuckte über den Himmel. Dane schaute zu Maria hinüber, die schweigend neben ihm saß. Seit sie sich in der Küche begegnet waren, hatten sie beide kein Wort miteinander gesprochen. Obwohl Dane den Weg nun schon so oft gefahren war, sah er jetzt in der grauen Regenlandschaft ganz anders aus. Zu beiden Seiten der Straße schoss das Wasser durch die Gräben. Die Erde war derart hart und ausgetrocknet, dass sie die Wassermassen gar nicht so schnell aufnehmen konnte. Dane wünschte sich, Maria und er könnten sich wie früher unterhalten. Aber alles war anders geworden. Jetzt musste bald das Ende der Buschreihe kommen. Als sie es erreichten, schoss plötzlich eine riesige Flut Regenwasser quer über die Straße. Es war nicht mehr nur ein Bach, sondern ein reißender Fluss, der das Auto ergriff und die Straße einfach wegspülte. Dane kämpfte hinter dem Steuer und versuchte, wieder Kontrolle über das Auto zu bekommen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und er umklammerte mit aller Kraft das Steuerrad. Doch trotz seiner Anstrengungen riss das Wasser Marias Auto fast einen halben Kilometer weit mit sich, bis es schräg an einem riesigen Busch hängen blieb. Dane war vor Schreck wie erstarrt. Er musste an den anderen Unfall denken, als er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte und ... hilflos zusehen musste, wie der Lastzug auf sie zu raste. Er schüttelte die Bilder ab und hörte, wie die aufgewühlten Wassermassen auf Marias Seite gegen das Auto donnerten. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis sie ins Auto
dringen würden. Sunny hatte angefangen zu weinen, und Maria saß wie versteinert auf ihrem Sitz. In Sekundenschnelle entschied er, dass es dieses Mal gut gehen musste. Dieses Mal würde er die Frau und das Kind, die er liebte, retten. Er liebte sie. Ja, er liebte sie wirklich. Das Wasser stieg zwar nur auf Marias Seite, aber seine Seite war von einem Felsen versperrt. Er kurbelte das Fenster runter und sah, dass Platz war, um die Tür weit genug zu öffnen. Sunny schrie jetzt, und Maria stand die Panik ins Gesicht geschrieben. "Wir werden alle ertrinken. Das passiert immer wieder in diesen Sturzfluten." "Hier ertrinkt keiner", beruhigte er sie eindringlich, wobei er wegen der tosenden Wassermassen schreien musste. "Wir steigen jetzt alle hier raus und klettern den Felsen hinauf. Da sind wir sicher." "Das können wir nicht. Sunny schon gar nicht." Dane löste seinen Gurt. "Ich kümmere mich um Sunny und auch um dich. Lass mich erst mal die Tür aufbekommen." Wegen ihrer Schräglage war Marias Seite tiefer als seine, und das Wasser drang unter der Tür durch. "Löse deinen Gurt", befahl er ihr. "Ich kann nicht." Sie fing an zu weinen. Er sah die Angst in ihren Augen, ... und dass jede Gewichtsverlagerung das Auto in die Fluten zurücksinken lassen würde. Instinktiv nahm er sein Handy aus dem Handschuhfach und steckte es in die Tasche. Dann löste er mit der rechten Hand ihren Gurt. "Nimm meine Hand", befahl er jetzt. Er meinte die rechte. "Hilf bitte erst Sunny", flehte sie ihn an. "Bring sie hier raus. " "Ich bringe euch beide hier raus. Vertrau mir, Maria. Nimm meine Hand." Er sah ihr in die Augen. Sie musste sich entscheiden, ob sie ihm vertrauen wollte oder nicht. Und dann streckte sie ihm die Hand entgegen. Er ergriff sie und zog sie auf seine Seite. "Wir schaffen das, Maria. Wir müssen es gemeinsam tun. Dann können wir auch Sunny in Sicherheit bringen, aber wir können es schaffen." Er drückte die Tür auf, und Maria kletterte aus dem Auto, bis sie hinter dem Rad hockte und er auf dem Felsen stand. Sie hatte Sandalen an, was die Sache nicht gerade erleichtern würde, aber er zog sie weiter, bis sie neben ihm stand. Dann watete er zurück zum Auto und kniete sich auf den Fahrersitz. "Was machst du?" fragte sie in panischer Angst. "Ich muss Sunny nach vorne holen. Hinten würde mein Gewicht den Wagen ins Wasser drücken. Lehn dich auf die Kühlerhaube, während ich mich nach hinten beuge. Dein Gegengewicht kann helfen." Trotz ihrer Angst tat Maria, was er sagte. Dane langte nach hinten und löste Sunnys Gurtgeschirr. Mit ein bisschen Ermunterung stellte sie sich hin und kam ihm entgegen. Er zog sie zwischen den Vordersitzen nach vorn, holte tief Luft und reichte sie nach draußen, wo Maria
ihm ihre schluchzende Tochter abnahm. Sie standen im strömenden Regen und warteten auf ihn. Als auch Dane sich wieder aus dem Auto gezwängt hatte, rutschte das Auto zurück auf die Straße und wurde sofort von den Fluten weggespült. Er wurde von Dankbarkeit ergriffen, dass sie der größten Gefahr entronnen waren, und dass er es geschafft hatte. Er hatte Maria und Sunny retten können. Und er würde mit ihnen leben können! Er nahm Maria Sunny aus den Armen und schüttelte das Kind aufmunternd. "Wir tun jetzt so, als wäre ich ein Pferd." Sie hörte sofort auf zu weinen. Es waren nur noch Regentropfen, die ihr über das Gesicht liefen. "Reiten?" "Genau. Ich setze dich jetzt auf meine Schultern, und du hältst dich ganz fest. Alles klar?" Sunny sah ihre Mutter an und wartete auf deren Zustimmung. Maria nickte. "Ich bleibe dicht hinter euch." "Du musst auf den Felsen sehr vorsichtig sein!" schrie Dane Maria laut zu. Dann nahm er seinen Gürtel ab und schnallte ihn sich um das Handgelenk. "Was machst du da?" fragte sie. "Es ist dein Seil, an dem du dich festhalten musst, egal was passiert. Lass den Gürtel keine Sekunde los." „Aber dann ziehe ich dich runter." "Nein, das tust du nicht. Komm jetzt. Es ist nicht weit." Sie mussten nur etwa drei Meter hochklettern, aber die Felsen waren groß und durch den Regen sehr glatt. Dane schaute zu ihr hinunter. Das Haar klebte ihr ums Gesicht, und sie sah ängstlich aus. Aber er sah auch Liebe in ihren Augen. Nachdem sie sich das Gürtelende um die Hand geschlungen hatte, ging es los. Er kletterte auf den ersten Felsen, suchte für sich und Sunny sicheren Stand und wartete, bis Maria ebenfalls hochgeklettert war. So nahmen sie einen Felsen nach dem anderen. Ein Mal rutschte sie aus, und er erschreckte sich sehr. Aber sie hatte den Gürtel nicht losgelassen, und so konnte er sie zu sich hochziehen. Endlich waren sie oben und standen keuchend auf dem Felsenplateau. Er nahm Sunny von der Schulter und hielt sie fest im Arm. "Bist du in Ordnung, Kleines?" fragte er sie. "Nass", beschwerte sie sich nur. Er musste lachen, und die Anspannung ließ nach. Sunny strahlte ihn an. Dann sah er zu Maria hinüber. Der Regen hatte nachgelassen. Aus dem Platzregen war ein sanfter Nieselregen geworden. "Bei dir auch alles in Ordnung?" Sie war genauso schlammverschmiert wie er und sie schien sich den Arm verletzt zu haben. Aber sie nickte und umarmte Sunny.
Dane zog sein Handy aus der Tasche. Nachdem er die Feuerwehr angerufen hatte, legte er den Arm um Maria und Sunny. Er zog sie eng an sich, um sie mit seinem Körper etwas zu wärmen. Er war sich nicht sicher, wie lange sie so standen ... wie lange es dauerte, bis es aufhörte zu regnen und die Sonne wieder herauskam. Er ließ Maria und Sunny los, um über den Felsenrand zu schauen. Das Auto war noch etwa 50 Meter weitergeschwemmt worden. Den Anblick wollte er Maria ersparen. Er wollte nicht, dass sie sah, wie knapp sie dem Tod entronnen waren. Maria saß mit Sunny auf dem Schoß zitternd auf einem Felsblock und streckte das Gesicht der Sonne entgegen. Er wusste nicht, ob es Tränen oder die letzten Regentropfen waren, die ihr über die Wangen liefen. Es gab so viel, was er ihr zu sagen hatte. Aber nicht jetzt und hier. Jetzt ging es erst mal darum, in Sunny keine Angst aufkommen zu lassen, bis sie alle gerettet waren. Als sie einen Motor aufheulen hörten, ging er zur anderen Seite des Felsplateaus. Er sah einen schwarzen Jeep über eine kleine Seitenstraße kommen. Sie hätten eigentlich schon anfangen können hinunterzuklettern, aber es war sicherer, auf Hilfe zu warten. Mit Seilen und mehr Händen würde es leichter sein. Dann sah er, wer die Hilfe war, und musste lächeln. Jase McGraw und Wyatt Baumgardner saßen in dem Auto. Der Sheriff und sein Hilfssheriff kletterten von hinten die Felsen hoch. "Alles in Ordnung?" fragte Wyatt und legte Maria den Arm um die Schultern. Sie nickte nur. Dann streckte Jase die Arme nach Sunny aus. "Ich habe eine kleine Schaukel für dich. Da setzen wir dich rein. Dann ist es für uns leichter, dich nach unten zu tragen. Was hältst du davon?" "Schaukel?" fragte Sunny begeistert. "Keine richtige Schaukel", gab Jase zu, "aber damit sitzt du sicher auf meinem Rücken, bis wir unten ankommen. Einverstanden?" Sunny sah fragend ihre Mutter an. "Wir kommen auch. Jase lässt dich auf ihm reiten, so wie Dane es getan hat", versprach sie. Damit war für Sunny alles in Ordnung, und sie lächelte Jase dankbar an. Dane wunderte sich, dass Maria seinen Blicken auswich. Vielleicht war es ja schon zu spät, ihr zu erzählen, was sein Herz bewegte. Vielleicht war es zu spät, ihr zu erzählen, dass sie und Sunny sein Leben geworden waren. Vielleicht war es zu spät, ihr zu erzählen, dass im Angesicht der Gefahr, sie zu verlieren, ihm klar geworden war, was Liebe ist. Er wollte das Risiko eingehen, sein Herz noch ein zweites Mal zu verschenken. Etwa eine Dreiviertelstunde später setzten Jase und Wyatt sie vor ihrer Wohnungsanlage ab. Maria bedankte sich bei den beiden Gesetzeshütern mit Umarmungen, während Dane ihnen dankbar die Hand schüttelte. Dann gingen sie schweigend zu ihren Wohnungen. Maria hielt Sunny in eine Decke gewickelt auf dem Arm.
"Brauchst du Hilfe mit Sunny?" fragte er sie, als sie an seiner Wohnungstür vorbeikamen. Maria schüttelte jedoch nur den Kopf. "Wir steigen jetzt beide unter eine heiße Dusche. Dann geht es uns schon besser." "Sobald ich geduscht habe, komme ich zu dir. Wir müssen miteinander reden." "Dane, das ist kein guter Zeitpunkt für …“ "Wir müssen reden, Maria. Ich brauche nur zehn Minuten, um alles zu sagen. Magst du mir deinen Schlüssel geben? Dann brauchst du nicht zur Tür zu kommen, wenn du noch nicht fertig bist." Sie sah ihn merkwürdig an, gab ihm aber dann doch den Schlüssel, nachdem sie aufgeschlossen hatte. Dabei berührte Dane sie flüchtig und merkte, dass Maria eiskalte Hände hatte. "Ich habe noch eine Flasche Cognac. Die bringe ich gleich mit." Ohne ein weiteres Wort ging sie in ihre Wohnung. Fünfzehn Minuten später saß Dane in ihrem Wohnzimmer und wartete auf sie. Auf dem Tisch standen die Flasche Weinbrand und zwei Gläser. Unruhig stand er wieder auf, um im Zimmer auf und ab zu gehen. Endlich hörte er ihre Schritte. Sie hatte sich das Haar gewaschen und trug gelbe Shorts sowie ein weißes gestricktes Top. "Danke, dass du uns gerettet hast“, sagte sie. Es fiel ihr offensichtlich schwer zu reden, und sie wusste, dass ihr die Tränen in den Augen standen. Aber statt Abstand von ihr zu nehmen, wie sie es von ihm erwartet hatte, kam er zu ihr und wischte ihr mit dem Daumen die Tränen von der Wange. "Ich kann dich und Sunny nicht aufgeben. Und ich werde euch auch nicht aufgeben. Ich muss verrückt gewesen sein, als ich glaubte, dass ich euch verlassen könnte." Maria brauchte eine Weile, bis sie die Bedeutung seiner Worte begriff. Doch sie hatte Angst, ihn nicht richtig verstanden zu haben. "Und was ist mit Baybride? Und mit deiner Karriere?" "Meine Karriere bedeutet mir nicht so viel wie du und Sunny. Willst du mich heiraten?" Zum ersten Mal in ihrem Leben war Maria so überwältigt, dass sie kein Wort hervorbrachte. Dane musste lachen, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Er nahm ihre beiden Hände in seine. "Ich habe dich noch nie so sprachlos gesehen." Doch dann drang der Klang seines Lachens zu ihr durch. Voller Dankbarkeit und Liebe sah sie ihn an. "Ich mag sprachlos sein, aber ich weiß, wie ich dir antworte." Sie entzog ihm die Hände, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang ihm die Arme um den Hals. Dann küsste sie ihn zärtlich und zugleich voller Leidenschaft. Schließlich löste sie sich von ihm. „Bist du sicher, dass du in Red Bluff bleiben willst? Du gibst so viel dafür auf." Dane nahm sie an der Hand und zog sie auf das Sofa. Dort legte er den Arm um sie. "Ich gebe gar nichts auf. Ich arbeite gern in der Praxis. Die Behandlung
kann ich auch hier mit dir oder in Albuquerque weitermachen, und wenn meine Hand wieder hundertprozentig in Ordnung ist, kann ich auch in Albuquerque operieren." "Ich kann nicht fassen, dass du dazu bereit bisz“, murmelte sie. "Du musst das wirklich nicht tun. Ich gehe überall mit dir hin." Und das meinte sie auch so. Dane war ihr Leben und ihre Zukunft. Er drückte sie. "Es gibt keinen Ort, wo ich lieber sein möchte. Ich habe hier eine neue Heimat gefunden, und ich glaube, deine Familie akzeptiert mich vielleicht auch." "Du bist doch schon längst ein Teil meiner Familie. Joe hält dich für einen anständigen Kerl. Und Mom und Dad wissen, dass ich dich liebe. Sie wollen alles, was mich glücklich macht." "Du machst mich glücklich." Mit diesen Worten zog Dane sie zu sich auf den Schoß und küsste sie. Die Sonne stand tief am Abendhimmel. Die vierköpfige Band auf der Veranda der Eagle, Ranch spielte ein langsames, melancholisches Stück, als Dane Maria den Arm für den Hochzeitstanz reichte. In ihrem weißen, spitzenbesetzten Satinkleid sah sie hinreißend aus. Und sie gehörte ihm! "Ich wünschte, dieser Tag würde nie zu Ende gehen", flüsterte sie. "Aber wenn der Tag nicht zu Ende geht, dann gibt es auch die heutige Nacht nicht", erwiderte er trocken. Sie hatten beide gemeinsam beschlossen, dass sie erst in ihrer Hochzeitsnacht miteinander schlafen wollten. Die letzten beiden Monate waren angefüllt gewesen mit Vorbereitungen für die Hochzeit, die in der Kirche von Red Bluff stattfand. Doch in jeder Minute der Vorbereitungszeit hatten sie sich danach gesehnt, endlich Eins zu werden. Heute Nacht würde es soweit sein. "Meine Familie wollte unbedingt wissen, in welchem Hotel wir in Albuquerque sein werden", erzählte Maria mit einem verschmitzten Lächeln. "Aber ich habe ihnen nur gesagt, dass sie für den Notfall ja unsere Handynummer haben." Dane lachte. "Diese Nacht muss schließlich unsere Hochzeitsreise ersetzen", gab er zu. Sie hatten in Albuquerque einen Arzt gefunden, der sie für zwei Tage vertreten konnte. Aber länger konnten sie nicht wegbleiben. "Heute Nacht ist erst der Anfang von lebenslangen Flitterwochen", sagte Maria mit einem Lächeln, das ihm noch viele Hochzeitsnächte versprach. "Ich bin so glücklich, dass es mir fast Angst macht." Dane hielt sie ganz fest. "Du brauchst nie wieder Angst zu haben. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie dankbar ich dir bin? Als ich nach Red Bluff kam, war ich verloren. Du hast mir geholfen, mich selbst wieder zu finden, und natürlich dich. Ich liebe dich, Maria. Und heute Nacht zeige ich dir, wie sehr."
EPILOG Ein Jahr später Das Feuer knisterte im Kamin des weitläufigen Ranchhauses. Dane stand an den rustikalen, aus Ziegelsteinen gemauerten Kaminsims gelehnt und hatte den Arm um Maria gelegt. Marias Familie war auch seine Familie geworden, und er freute sich, dass sie und all ihre Freunde gekommen waren, um ihnen zu dem neuen Haus zu gratulieren, in das sie vor zwei Wochen eingezogen waren. Es hatte drei Schlafzimmer, eine große Küche, ein weitläufiges Wohnzimmer mit Schlafcouch, damit Gäste auch übernachten konnten, und die verglaste Veranda war schon ihr Lieblingsplatz geworden. Nach der allgemeinen Hausbesichtigung machten sie sich über das kleine Büfett her. "Maria und ich wollen unsere guten Neuigkeiten mit euch teilen", sagte Dane mit einem breiten Grinsen im Gesicht, während er den Arm um die Taille seiner Frau legte und sie an sich zog. "Wir haben etwas zu verkünden", fing er noch mal von vorne an. "Wir bekommen ein Baby." Joe stimmte ein Freudengeheul an, während Carmella ihre Tochter umarmte und Dane die Hand schüttelte. Alle hatten gute Wünsche für sie. Einige wenige warnten sie vor den bevorstehenden schlaflosen Nächten. "Das ist es wert", meinte Jase McGraw jedoch nur. Als die Verwandten und Freunde nach und nach in der Küche verschwanden, um sich auf das Essen zu stürzen, schaute Maria ihren Mann an. "Da du nicht nur in der Praxis, sondern auch noch im Krankenhaus arbeitest, sollten wir uns allmählich nach jemandem umsehen, der mich ersetzen kann." Darüber hatten sie bis jetzt noch nicht gesprochen. "Du meinst eine vorübergehende Vertretung?" „Vielleicht nicht nur vorübergehend. Ich möchte nach der Geburt des Babys eine Weile zu Hause bleiben. Meinst du, das können wir uns leisten?" "Natürlich können wir uns das leisten. Mir gefällt die Vorstellung, dass du bei unseren Kindern zu Hause bleibst. Und bald bin ich auch offiziell Sunnys Vater." Der Adoptionsantrag war längst gestellt und sah Erfolg versprechend aus. "Das war die beste Idee, die du jemals gehabt hast, besser noch als dein Heiratsantrag", zog sie ihn auf. Als er laut lachte, kam Sunny aus der Küche gerannt und streckte ihm die Arme entgegen. Er hob sie hoch und hielt sie auf dem einen Arm, während er den anderen um Maria legte. Maria strahlte ihn an. "Ich liebe dich, Dane Cameron." "Und ich liebe dich, Maria Cameron. Für immer und ewig." - ENDE -