Humanistische Bibliothek Texte und Abhandlungen Begründer von
Ernesro Gtassi Herausgegeben von
Eckhatd Keßlet Redaktion
Michaela Boenke
Wissenschaftlicher Beirat
Hanna-Batbata Gerl-Falkovitz (Dtesden); Luce Giatd (Paris); Donald R. Kelley (Brunswick, N. ).); Wolfgang Krohn (Bielefeld); Charles H. Lohr (Freiburg); Walter Ludwig (Hamburg); Karl Schuhmann (Unecht); Karlheinz Stierle (Konstanz)
In Verbindung mit
Verein der Freunde und Förderer Humanistischer Studien in Deutschland e. V. Foundation for Inrellecrual Hisrory
Reihe I . Abhandlungen Band 52
Michael Spang
Omnia homini similia sunt Eine !merprerarion von Giordano Brunos Artificium perorandi
Wilhe1m Fink Verlag
G~ruckt
Zw~it~
mit
Unt~rsttinung d~r D~utseh~n Forsc.hungsg~mcinschaft
Unuchlagabbildung: Figur aus Giordano Brunos ArtifUium pn-oran4i, Frankfurt 1612
Di~ DeutSCh~
Bibliothek -
CIP-Einh~itsaufn:ahm~
Spang. Miet..d, Omnia homini similia sUßt : on~ Int~rpr~t2tion von Giordano Brunos .,Aniflcium IXrorandi" I Michad Spang. - Münch~n : Fink, 2002 (Humanistisch~ Bibliothek : R~ih~ I, Abhand1ung~n ; Bd. 52) Zug!.: Kaiscrslaut~rn, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-770;-3680-0
A11~ Rccht~,
da auszugsw~i~n Nachdrucks, der fotomechanischen Wi~ergalx und der Obe~ung. vorlxh:lh~n. Dia Ixuiffi auch die Vervidf.ihigung und Übenra* gung einU'ln~r Tatabschnine, Zeichnungen od~r Bild~r durch alle Verfahren wie SlXi. chemng und ~rtragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder. Platt~n und ander~ Mroi~n, soweit a nicht 55 53 und 54 URG ausdrücklich gestan~n. auch
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ISBN 3-770;-3680-ll Cl 2002 Wilhdm Fink Verlag, Münch~n Has:tdlung: F~rdinand Schöningh GmbH, Pad~rborn
VORBEMERKUNG
Die vorliegende Ar~it sceUe die leicht überarbeitete und aktualisierre Fassung eines T exles dar, der im Oktober 1999 dem Fachbereich Sozial- und Wirr· schaftswissenschaften der Universir;;i[ Ka.iserslamcrn als Dissertation vorgelegt und von der Promotionskommision im April 2000 angenommen wurde. Die Publikation dieser Arbeit gibt mir Anlaß, verschiedenen Personen und In· sriwtionen für Umerstünung, Hilfe und Anregungen z.u danken: meinen Eltern, die mich in jeglicher Hinsicht gefärden haben, ferner Prof. Oe. Dipl..Phys. Wolfgang Neuser (Kaiserslautern) für die Betreuung des Promotionsvorhabens und die Umerstünung meiner Arbeit, Prof. Oe. Oe. Glenn W. Most (HeidelberglChicago) für die übernahme der Begutachtung. Prof. Oe. Luiz Carlos Bombassaro (POrtO AJegre) für anregende Gespräche und Diskussionen, dem Lektor des Wilhelm Fink Verlages, Prof. Dr. Raimar Zons (Paderborn), de:m Herausgelxr der .. Humanistischen Bibliothek", Prof. Dr. Eckhard Keßler (München), der Frin-Thyssen-Stifrung (Köln), der DeutsChen Forschungsgemeinschaft, die den Druck dieser Arlxit finanziell umerstünt hat, der Herzog-AugusrBibliothe:k Wolfe:nbünel, den Universitätsbibliotheken Heidelberg und Leipz.ig. der Bayerischen Staatsbibliothek München sowie der Stadtbibliothe:k Ulm.
Mannhrim im Sommv 2001 Micha~1 Spang
INHALT
I
EINLEITUNG
II
ERSTER HAUPTTEIL: PHILOLOGISCHE INHALTSANALySE..................
17
2
GESCHICHTE DES ARTlFIC1UM PERORANDI......................................
17
2.1 2.2
Der biographische Hintergrund: Bruno in Winenberg.................... Zur Edicionsgeschichtc des Artificium pfflJrandi
17 22
3
ZUR BEURTEILUNG DES ARTlFICIUM PEROIWIDI IN DER BRUNo-FORSCHUNG......................................................................
3I
DER ERSTE TEil DES AR7JFlQUM PERORANDJDAS KLASSISCHE RHETORIK-SySTEM..............................................
37
4
4.1 4.2 4.3
Snuktur, Inhalt. Charakteristik Exkurs: Die pseudo-arisrotelische Rh~/orik an Akxantkr Detaillierte Quellenanalyse.............................................................. 4.3.1 Die Vorrede 4.3.2 Die Gattungseinceilung {Artificium p~rorandj I 1)....... 4-3.3 Das gmUJ tk/ib~rativum (Artificium ptrorandi 1,2-14)......... 4.3.4 Das gmUJ dnnonltrativum (Artificium pnvrandi 1.15-17) 4-3.5 Das gmUJ iudiciau (Artificium ptrorandi I, 18-25) I
5.1 5.2
DER ZWEITE TEIL DES ARTIFICIUM PEROIWIDIBRUNOS RHETORIKKONZEPT Die: copia vtrborum (Artificium pnvralu1i 11,1-11) Die copia rtrum (Artificium ptrorandi 11.12-15)
6
ERGEBNISSE DES ERSTEN HAUPTTEILS: DAS SPRACH PHILOSOPHISCHE KONZEPT DES ARTlFlClUM PERORANDI...
37 46 53 53
59 61 68 77 90
90 107 112
ZWEITER HAUl'"nEIL: PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
I 15
7
ZUR SPRACHPHILOSOPHIE IN BRUNOS DENKEN
115
8
DIE ELEMENTE VON BRUNOS RHETORlIQ,iODEll VOR IHREM
8.1
HISTORISCHEN HINTERGRUND......................................................
132
De:r humanistische: Komat............................................................. 8.1.1 Brunos copia-Begriff und Erasmus' Dt dup/ici copia vtrborum ac rtruln 8. 1.2 Topos-Begriff und "Notizbuch-Methode"
132 132 145
8 8.2
INHALT
Der lulliscische Kontext 8.2.1 8.2.2
Das lulIi,cische Modell Mensch und Universum in Analogie -
erkenntnistheoreusche Dimensionen
9
. 176 . 194
8.3.1 8.3.2
Alphabetquadrat und Buchst2benpe:rmuration Das kabbalistische Sprachmoddl
. 194 . 204
8.3.3
Kabbala und Kryprolog;e
. 208
8.3.4
Der kabbalistische Begriffdes indummtum . A mifi' Im Clum pn'Ora nd'I
.
215
ZUSAMMENFASSUNG: EINE SPRACH PHILOSOPHISCHE
GESAMTINTERPRETATION DES ARTIFICIUM PEROIlANOI
10
. 164
Lullismus als Rhetorik Der kabbalistische Kontcxt
8.2.3 8.3
. 156 . 156
.. 224
NACHWORT' HYPERTEXT, INTERTEXTUAUTÄT UND ßRUNOS KOM BI NATORISCH.E RHETORIK _
. 231
11
ANHANG A: Inhaltsü~rsichr zum Artificium pn-orandi
. 239
12
ANHANG ß, Abbildungen
.. 242
13
ANHANG C Abkürzungen
.. 258
14
ANHANG 0: Literacurverzeichnis
. 260
Im Herzen jeder Sprache gibt es ein Netzwerk von Reimen. Assonanzen und sich überlappenden Bedeutungen, und jedes einzelne davon hat die Funktion einer Brücke. die emgegengesetzte und widersprüchliche Aspekte der Weh miteinander verbindet. Sprache also nicht bloß als eine Liste getrennt existierender Dinge. deren Gesamtsumme mit der Welt idemisch ist. Sondern eher: Sprache so, wie sie im Wörterbuch angeordnet ist: als ein unendlich komplexer Mechanismus, dessen Elemente - Zellen und Sehnen, Kor· puskeln und Knochen, Finger und Flüssigkeiten - allesamt gleichzeitig in der Welt anwesend sind und von denen keines für sich allein existieren kann. Denn jedes WOrt ist durch andere Wörter definien. und das bedeutet. daß, wer sich auf irgendeinen Teil der Sprache einläßt. sich mit der ganzen Sprache einläßt. PAUlAUSTER
Buch tkr Erinmrungm
1 Einleitung Die Interpretation eines Textes ist stets auch eine Interpretat.ion der Zeü, in der di~ Interpretation ('n[Stehl. Wer sich heute mit dem Denken Giordano Bmoos beschäftigt, wird die Frage nicll( ausklammern können, inwiefern eine Deutung von Bruoos Philosophie akruelJ ~in kann, wie sie aus jh~r "blo&n Historiri[äc" herauszulösen ist. Die Deutung eines hiscorischen Textes wird umso vielschich[i~ ger. wenn - wie es bei Giocdano Brunos Rhccocikschrift Artificium pO'oranJi der Fall ist - der Text seihst Fragen behandelt. die das wechselseitige Verhälmis zwisehen Mensch, Welt und Text reflektieren. Es hat in jüngerer Zeit nicht an Versuchen gefehlt, die von der Sprachphilosophie: der Renaissance formulierten Probleme als ,.Antizipation der modernen Sprachphilosophie" zu verstehen. I Der linguisric tum, der gemeinhin als du prägende Einfluß für die Philosophie des 20. jahrhunderts gilt, findet unter diesem Blickwinkel sein Pendant in einer stark vom Humanismus geprägten, geistesgeschichdichen Strömung im 1S. und 16. jahrhundert, in der ebenfalls intensiv die Welt von der Sprache her gedachr wurde. Sprache als Ausgangspunkt jeglichen philosophischen Nachdenk.ens konnte dadurch Parallelen ins Blickfeld rücken, die zwischen so umerschied.lichen Denkern wie Lorenzo Valla und Ludwig Wirrl gensrein besrehen. Besonders die Spätrenaissance, der Manierismus des 16. und 17. JahrhundertS, h.at, was .. Scilmerkmale, Ausdrucksformen und auch geiscige Grundmocive dieser Epoche" angeht, eine ..Wahlverwandtscha& [... J mir der Kunst bzw. Literatur des 20. JahrhundertS [... 1, obwohl den meisten Protagonisten des 20. JahrhundertS eine unmittelbare Ikziehung dieser Art nicht oder nur wenig bewußr ist. Eine ganze Epoche kann somit der ÜSt der Geschichte unterliegen.'" Derlei Parallelen mögen vielleicht nicht besonders überraschen: Diejenigen kulturellen und philosophischen Grundfragen, die am Anfang der Neuzeit nehen, haben natürlich die Bahnen vorgezeichnet, in denen sich auch noch das Denken unserer Zeit bewegt. Es scheint in der Tat in zunehmendem Maße: deutlich zu werden, daß - wie es WALTER j. ONG, einer der profundesten Kenner der rhetorisch-dialektischen Philosophie der Renaissance, im Vorwort zur Neuauflage seines grundlegenden Buches über Petrus Ramus im jahr 1983 nannte - zwischen den Entwicklungen, von denen das 16. jahrhundert maßgeblich geprägt war, und der heucigen Zeit ..umerirdische Verbindungen" bestehen. ONG hob hier insbesondere die Parallelen hervor, die sich beim Vergleich der "Digitalisierung" der
I ULRlOt DRUWE, BERIT MIKUSIN, Dü Dich~nEJPhi/olOphit'Jn Rnulisun« 114 htiOp"hDn Jrr
moJnnrn SprMhphilDsDphk, Manchen 1992. 2 RJQ-lARD WASWO, Tht 'O,.,/i",,'1 l4nr-Kt' PhilDsDphy'
Df Uf't'nuJ V.u.:r, in: Bibliothtquc
R.ctuissancc 41 (1979). S. 25S-271. YgL t.u dieser Frage i:bs Kapitd 6, "RelaisAnCC Philosophyand Modern Memory-, in: COPENHAVERlSQ-IMITI (1992), S. 329-357. 3 GUSTAV RENE HOCKE, Dit' Wt'U ,,4 ulryrinlh. MllnürimtllS in MT ~",pilisd1tn KMnJr ruuJ Li~ rllNlr, Rcinbt:k bei Hamburg 1987, S. 19. d'HununLsID('
ct
12
EINLEITUNG
wissc:nschafdichen Denkmcthodik bei Petrus Ramw auf der einen und der ArbeitsWeise moderner Computer auf der anderen Seite ergeben.~ Ein solcher Gedanke erscheint interessant und verlockend, und die .. Renaissance der Renaissancefocschung", ein auff.illendes Phänomen der philosophischen Forschung in den Ic(Z[cn Jahrzehnten. kann so als ein verdeckter. mittdbarer Blick auf die eigene Zeit, auf das Ende des 20_ JahrhundertS gelesen werden. Liegt demnach ein Grund dafür, weshalb die Renaissan«: heute als - im eigentlichen Sinne - aktuell empfunden wird. darin. daß eine Analogie besteht zwischen der kulturgeschichdichen Sirnation in heiden historischen Phast:n? Spiegelt sich der in der Frühen Neuzeit programm;,nisch verkündete Anspruch auf epochale Neuerungen in der auch heute intuitiv wahrgenommenen Empfindung wieder, daß wir nunmehr vor globalen Umwälzungen stehen, deren Dimensionen nur vage erkennbar sind? Die Frage nach der Aktualität der Renaissance und ihrer Denkkonu:pte eröffnet insbesondere für Brunos Philosophie ein breites Panorama. Spätestens seit den 50er Jahren bildet Brunos Denken den Gegenstand immer zahlreicherer Untersuchungen, und in den verschiedenen Interpretationsan5ärz.en weist seine Philosophie Dimensionen auf, die in den vorangegangenen Jahrhunderten nur s selten das Interesse auf sich gezogen hanen. Viele der Arbeiten, die auch heure noch das Fundament für die Annäherung vor allem an die historische Genah Giordano Brunos bilden, stammen aw einer noch früheren Phase intensiver Beschäftigung mit di~m Denker, die bereits Ende des 19. jahrhunderu einsetzte. Dieses Phänomen der ..brunomania", die damals r.lSch aufblühende Auseinandersenung mit Brunos Denken, wurde schon als ein reu:ptionsgeschichtlich höchst interessanter Aspekt ins Auge gefaßt. Gleichwohl tut man sich schwer, die Gründe für di~ Erscheinung plausibel zu rekonstruieren.' Und oft ist es gerade die Fülle der möglichen und letztendlich doch nicht solide zu untermauernden Er7 klärungen, die diese Frage offenlassen muß.
4 WAlTERJ. ONG, &mus. Mtthod flnd Ih, [),cay ofDia~, Cambridge 1983, S. viii: .One conncelion thaI would have [0 Ix: broughl out would Ix: the rescmblance of lUmus' binary dicholO· mizcd charts (... J to digilal computer progranu. Ukl' computl'r programs, Ihl' Ramist dichow· mies were designcd 10 Ix: heuristie: [her belong to Ihe part oflogic known as ·invl'mion'. ltul is, finding. The quaruifying drives inhl':rilcd from mcdil':Val lagic werl': producing computl':r progranu in Ramus' aaivl': mind some four hundrcd yaß bd"ore Ihe computer itsdf came inlO bc· ing. Perhaps nothing shows more strikdy Ihe subltrranan connection btrween much lh:n was going on in Ihe sixltcnlh «nlury coruciousncss and whal 15 going on in Ihe modern wodd. ~ 5 ANDRZEJ NOWlCKJ, Giordano Bruno nd'" nJrura conwnponzn,". In flp~nJi« '" ronhnUlUionr tk!J4 BihliDf'llfi4 Ji Siz/wstrini, in: Alti ddl'Accadt:mia di saenu monli t: poli[icht: in Napoli 83
(1972). S. 39.-450. 6 MAR1A LuJSA ßARBERA. /..A imlMmaniA, in: GiOrlule crilico ddb fdosofla ila1iana 59 (1980). S. 10}-140: EUGENIO CANONE (HRSG.). Dru1/lU RtJivilllll: Mom,rui tkliJl ftrtJlNl Ji Gwrdano DruM 1/,,/ XIX s«rJIo, PW 1998. 7 BERTRANO l...EvU.GOIS. GiDrdaM BruM, Paris 1995. S.519: .5ymplÖmc d'un siklc qui s'xhbc? Effet dt: b crisc poliliquc quc lrav<:r5C I'Europc~ Rqx>1UC Ji I'ißlegrismc? Bien des hy. poc.hbc:s pouf~en[ apliqucr ce retour de la 'brunomanic''-
EINLEITUNG
13
Da~i sch~int di~ Mod.~rnität
von Brunos Philosophi~ zumindest auf den ersten Blick auf der Hand zu liegen. Betrachtet man etwa die narurphilosophische Seit~ des Brunoschen Denkens, so läßt sich der Beitrag, der hier zur Enrwicklung der modernen Narurwissenschaften gd~istet wurde, mit fruchtbaren Ergebnissen in Ikziehung Se'rz.en zu den Rahmengröße:n der modernen Wissenschaft;' ein Schwerpunkt mÜSSe'n hierbei natürlich Brunos wahrlich himmelstürmende astronomische Thesc:n bilden: Ein weiterer beaduenswener Aspekt diesc:r Frage ist die Tatsache, daß Bruno gerade wieder seit Beginn unseres JahrhundertS literarische Autoren höchsten Ranges zu faszinieren vermochte. james joroce hat teils offen, teils versteckt auf Bruno und seine Schriften zurückgegriffen, 0 und auch Samuel Becken zog in literarurhistorischer Sicht diese' Traditionslinie von Bruno zu l joyce. ! Lassen sich also auch historische Verknüpfungslinien, "unterirdische Verbindungen" zwischen dem dichterisch-philosophischen Denken Giordano Brunos und den in der zeitgenössischen Literarur und Literaturrneorie erkennbaren Tendenzen feststellen? Und weiter; Können diese Parallelitäten darauf zuruckgefuhrt werden, daß die Rahmengrößen beim übergang in eine radikal neue Srufe der Texrualität, wie sie im 16. jahrhundert im Buchdruck und im 20. jahrhundert in der internationalen Vernenung von rechnerbasierten Tatsysternen kulminieren, vergleichbar sind? Fragen dieser An sind äußerst vielschichtig, und brauchbare Anrworten darauf können sich - wenn überhaupt - erst im historischen Rückblick herawkrist:illisieren; man rut gut daran, vor einer abschließenden Beantwortung eine sorgfaltige Sichrung der Sachlage vonunehmen. Es kann nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, die Fragen nach der Aktualität von Brunos Philosophie in einer so umfassenden Perspektive zu betrachten. Gleichwohl habe ich in einem Nachwort zu meiner Untersuchung, in der eine Rekonstruktion von Bcunos Rhetorikmodell versucht werden soll, einige Gedanken zu der Frage formuliert, inwiefern die in Brunos Rhetorik konzipierte Textthrorie Vorstellungen repräsentiert, die StruktuJ"ähnlichkeiten aufweist zu neuen Formen der TextuaJität, wie sie sich aw den technischen Enrwicklungen in den modernen Gesellschaften ergeben (Kapitel 10). Bruno überträgt in seiner Rhetorikschrift die VorstclJung von der Welt als einem unendlich komplexen Beziehungsgeflecht, in dem Teil und Ganzes in vielfältiger Weise korrespondieren, auf die Sprache: Ein Text kann nur in seiner Beziehung zu anderen Texten sinnvoll gedeutet werden, so daß erst die vielfache Verkettung und überlagerung von
8 GllJUANA CoNFORTO. GiD'''''nD BnInD" 14 Jrimu odirm.Jl, Rom 1995. 9 RMtÖN G. MENOOZA, 71H tum,"" 14byrinrh - GUI,""nD BnlnD i prrluJ" tD rontmrporll'J (TIfmtI"'0. ShafltSbUf)' 1995. 10 FRANCES MOTZ BoLDEREFF. HI'TmI1 tD hiJ SDn T1JDrh: }"J«i V", ./Gi#,""lW BT'IllW in Finn~ns
W"ßt', Ttl:nfOn 1968; JOSEPH C. YOELKER, .N"ltirr it ;1·: Tbr i"jl_rt DjGiDrrJ.rnD BT'Il"D D" JlltMI Jt1]rti 101"'" BlDom, in: J1md Jo)U Qumcrly l
14
EINLEITUNG
Texten eine: Darstellung der Welt durch Text möglich macht. Diese Idee eines nicht-linearen Textes erinnert in vielerlei Hinsicht an das, was in den Literarur~ und Informationswissenschaften umer dem Begriff "Hypertext" diskutiert wird. Brunos Rhetorik reflektiert dadurch ein Grundproblem bei der Ordnung von Wissen, mit dem die Kulmr des ausgehenden 20. Jahrhunderts ebenso wie die Kulme zu Brunos Zeit konfrontiert ise. Meine Umersuchung gliedert sich in Z\'Iei Haupneile: Im ersten Teil soll in ei· oer philologischen Analyse das Modell von Rhetorik, wie es Bruno im Anificium pn-orandi vorlegt, herausgearbeitet werden. Dabei sollen die wesentlichen Gedanken isoliert und die innere Struktur des Textes deutlich gemacht werden. Die 1587 emstandene Rhetorikschrift Brunos ging aus seiner Lehnätigkeit an der Universi&ü in Winenberg zwischen 1586 und 1588 hervor. Der Text blieb ein Manuskript, das erst nach dem Tode Brunos in gedruckter Form veröffentlicht wurde. Die Geschichte dieses Textes hat durch diese Voraussetzungen also einen ungewöhnlichen Verlauf genommen; diesen biographischen und editorischen Hintergrund des Textes möchte ich zunächst beleuchten (Kapitel 2). Das daran anschließende Kapitel gibt einen kurzen Überblick über den aktuellen Forschungsstand bei der Interpretation dieser Schrift (Kapitel 3). Die zwei relativ heterogenen Teile, in die der Text bereits äußerlich getrennt ist, soUen in den beiden folgenden Abschnitten behandelt werden: Der erste Teil stellt eine Aufar· beimng des klassischen rhetorischen Lehrsystems dar (Kapitel 4), während der zweite Teil, der genuin Brunosche Abschnitt dieser Schrift, skizzenhaft eine philosophische Rhetorik- oder Sprachtheorie formuliert (Kapitel 5). Dabei möchte ich den Versuch unternehmen, das in der Schrift dargestellte Rhetorikmodell als ein Gesamtkonzept zu deuten, in dem der erste und der zweite Teil der Schrift systematisch miteinander verknüpft sind (Kapitel 6). Der zweite Hauptteil meiner Untersuchung nimmt eine philosophische Einordnung der eim.elnen inhaltlichen und begrifflichen Komplexe im Arrificium p~roratld; vor, und zwar sowohl ihm Hinblick auf Brunos Philosophie als auch im Hinblick auf die geistesgeschichtlichen Kontexte, mit denen der Text in Bezie· hung steht. Brunos Rhetorikmodell basiert auf einer sprachphilosoph ischen Grundvorstellung, auf die er auch in anderen Schriften zumindest in Andeutungen eingeht. Vom Artificium p~roratldi lassen sich also durchaus Verbindungslini. en zu den Schwerpunkten von Brunos Denken ziehen (Kapitel 7). Das von Bruno in seiner Rhetorik entwickelte Sprachkonz.ept knüpft einerseits an die traditionellen Rhetoriksysteme an, weist jedoch auch Verbindungen zu philosophischen Strömungen auf, die das Denken im 16. Jahrhundert wesentlich prägten. Diese Vernenungen möchte ich in drei Hinsichten aufzeigen (Kapitel 8): Zum einen arbeitet Bruno mit rhetorischen Termini, die die seit den Anfangen des Humanismus wieder mit besonderer Intensität geführte Diskussion um den Rang der Rhetorik innerhalb eines Gesamtenrwurfs der Wissenschaften und des Wis· sens widerspiegeln. Von dieser humanistischen Tradirjon kann auch Brunos Rhetorik nicht losgelöst werden (Kapitel 8.1). Ferner rekurriert Bruno in ver· schiedenen Perspektiven auch auf das kombinatorische Logik- und Wissen-
EINLEITUNG
15
schaftsmodell des R.a.imundus Lullus. auf das er in seinen anderen Schriften ebenfalls zahlreich Bezug genommen hat (Kapitel 8.2). Drittens schließlich zeigt Brunos Rhetorik auch Einflüsse aus der jüdischen WOrt- und Sprachmystik der Kabbala. die vor allem über die Vermittlung durch christliche Autoren seit Anfang des 16. Jahrhunderts eine wichtige Einflußgröße für die Denkkonzepte der Renaissance bildere (Kapitel 8.3). Betrachtet man diese breiten Einflüsse auf Brunos Philosophie. das produktive Wechselverhältnis zwischen individuellem Den· ken und dem Denken der Zeit, läßt sich das Artificium perorandi als eine Schrift interpretieren, in der Bruno - zumindest skiuenhaft - ein sprach philosophisches Grundkonzept entfahet hat. das enge Verknüpfungen zu den Grundlinien seiner Philosophie aufweist (Kapitel 9).
ERSTER HAUPTTEIL: PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
2 Geschichte des Artificium perorandi 2.1 Der biographische Hintergrund: Bruno in Witrenberg Am 20. August 1586 immatrikulierte sich Giordano Beuna als "docror jralus"l an der Universität in Wittenberg. Die hilfsbereite und freundliche Aufnahme, die er in der Lmhersradr erfuhr, war für den durch halb Europa Gereisten ein glück1j. cher Umstand, für den er bei seiner Abschiedsrede am 8. Män 1588 vor den ver· sammelten Studenten und Professoren kaum herzlichere Wane finden konnte. Der Respekt und die Großzügigkeit, die ihm seitens der Universirätsmitglieder entgegengebracht wurden, waren für Bruno Anlaß genug, für seinen Abschieds· vortrag eine geschliffene Rede zu formulieren, die noch im seihen Jahr auch in gedruckter Form erschien,l Die Umerstützung, die ihm in Wittenberg zuteil wurde, war ganz wesentlich auf den Einfluß seines Freundes Alberico Gencili zurückzuführen, den Bruno bereits während seines dreijährigen Aufenthaltes in England kennengelernt hatte. Gentile war zu jener Zeit in diplomatischer Missi~ on in Sachsen unterwegs und empfahl der Universität Bruno ausdrücklich als 3 Dozenren. Bruno wurde daraufhin von der Universitätsleitung eingeladen, über das aristocelische Organon zu lesen, und ihm gelang es, auch für die darauffolgenden zwei Jahre eine Anstellung an der Universität zu bekommen. Die Wirrenberger Zeit bedeutete für Bruno, wie er selbst betont, eine "lange Pause", ein .. unermeßliches Vergnügen" nach den Turbulenzen, die er an der letzten Station seiner Reise, Paris, erlebt hatte, ja Wittenberg wurde für ihn sogar zu einer "erlauchten Heimat.' Und so war sein Aufenthalt don auch von neuer, schriftstellerischer Produktivität gekennzeichnet. Das offene und gebildete Klima
1 SPAMI'ANATO (1933), S. 50. Docume:mi Ic:deschi 2. 2 Vgl. e:twa Oralio valdirt.. S. 23: Adtk, qUMi cum tk absrmu rogitartm, proql« paru rkbiti mti. tl officii prouqumda, lKludietiontm iIUlm intimasum: ut iUum qlUm tot tantiIql« honoribw rt fitIlOri. bw cumuumiI, talltUrn ttiam gratiarum cataclyrmo obrwritiI. wql« amo faoort, pUM pratIt1/tia adsti/itis, lItql« suiJicitbat ut illgtniosa iIea pubts, culriIsima juVtntuJ iIta adsiIurtt, ud tt 001 ItllatortI gravissimi, doctissimi profmorrJ, doct(1us uubnrimi, mUlldi lampndn. Ittlku tlttMrtat. 3 SPAMPANATO (1933), S. 85 f.. Docume:nli veneli 11, Ve:rhör vom 30. Mai 1592: ~Ed in quesli uno dotlore: che: si chiamaV;;l AJbc:rigo Ge:miJe: marehc:giaßo. il qual avevo conosciuto in 1nghille:r. ra professor di lcgge, ehe me: favorf e roe imrodussc: a lc:gger una lajoße ddJ'O'!ano di Aristotile:: la qual lessi con altre: Ia.ioni de filosofia dui anni. Zur Biographie: Gentiles siehe: SPAMPANATO (1921). S. 417-419; CAMBI (1991). S. 239 mil Anm. 13. 4 Oratio lIIIudirt.• S. 22: inlltni in brwi /abort diururnam rtquinn, in Itvi dolon immt1/sum gaudium, in anguSlO rrilio patriam tlmpliuimam. M
18
PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
an der Universicät, die er als "deutsches Athen" lohte, bot Bruno gute Arbeicsbedingungen, wie er sie dann auch in der Vorrede des in Wiccenberg publiz.ierten Textes Dt /amptUk comhinatoria gebührend zu loben wußte.~
Neben den Texten des AristoteIes, über die er zunächst gelesen hane, scheim auch Ra.imundus Lullus in dieser Zeit zu Brunos FOfschungsschwerpunkc gehört z.u haben. In der Vorrede 1.U De /amptUk combinatoria behandelt Bruno ausführlich die Bedeutung dieses Denkers und sein Nachwirken in der Philosophiege-
schichte;6 daraus kann die Schlußfolgerung gezogen werden, daß auch die philosophischen Texte des Lullus mir in den Bereich von Brunos Lehnärigkeir in Winenberg zu rechnen sind. So lassen sich auch die Vorarbeiten zu den heiden neuen. in Wittenberg veröffentlichten lullistischen Schriften Brunos mit großer Wahrscheinlichkeit auf seine dortigen Vorlesungen zurückführen: In De /ampade combinatoria kommentierte Bruno die Ars magna des LuHus. De progmsu Iogicae venationis et lampade venatoria logicorum befaßt sich unter Anwendung der Lull· sehen Kombinatorik eingehender mit der dialektischen Topik des Aristoteles. Auch die LAmpas tn"ginta statuarum, ein erSt in der lateinischen Gesamtausgabe Brunos Ende des 19. Jahrhunderts publizierter. umFangreicher Text, in dem Bru· no auf der Basis mnemonischer Bilder eine universaJe Inventionslehre zu entfalten versucht, ist ebenfalls zu dieser Werkgruppe hinzuzuzählen. Brunos Absicht, diesen Text auch in gedruckter Form zu veröffentlichen, geht aus der Tatsache hervor, daß er in De monade ausdrücklich auf diese Schrift verweist. die er - wie 7 er dort sagt - bereits verfaßt, aber noch nicht publiziert habe. Es ist unter diesen Umständen also durchaus angebracht. von einer Wittenberger ..Trilogie der s La.mpades" zu sprechen; in dieser Gruppe von Texten nimmt Bruno eine Verarbeitung der llulsehen Philosophie vor. wenngleich er auch nicht mehr bei allen Texten die Möglichkeit hatte. selbst die Publikation zu überwachen. Neben den bislang genanmen Schriften veröffentlichte Bruno in der Lutherstadt ferner eine erweiterte Fassung der ami-peripatetischen Streitschrift. mit der er in Paris für einiges Aufsehen gesorgt hatte, unter dem Titel Camorracemis acrotirmus. Überdies wird in Brunos Wittenberger Zeit auch die Arbeit an zwei Schriften angesetzt, die ebenfalls erst Ende des 19. Jahrhunderts in der Gesamtausgabe der lateinischen Werke Brunos publiziert wurden: zum einen die nur fragmentarischen Animadverriones circa lampadem LutJianam, zum anderen die Kommentare zur Physik des ArisfOteles. die unter dem Titel Libri physicorum AriJtou/is ccplanati aus handschriftlicher Quelle publiziert wurden. Darin finden sich Anmerkungen Brunos zu den ersten fünf Büchern der aristQ[e1ischen Physik. zu De genrratione et corroptione und zum vierten Buch der Meuorologica. Schließlich muß in diese Gruppe der Wittenberger Schriften noch die an der Universität gehaltene Abschiedsrooe hinzugezählt werden, die 1588 unter dem Titel Orah'o 5 !..Amp. comb.• S. 23\: {. .. } n01/ /Klut; prillQt.Qm Kholam. 1/on prannvQtum quoddam conwnriC'Ulum. srd ('fund GrmulnicQJ AtlN1UU ,kut) ~r( u1/iwnit4um agnosurrm. 6 !..Amp. comb.• S. 234 f. 7 lli montuk, S. 456: I... } in libro Trigint4 tt.Qtuorum non rdito ud U"';P1O. 8 AQU1LECCHlA (1971), S. 65; CiUBERTO (1990), S. 205.
GESCHICHTE DES ARTIFICIUM PERORANDI
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valedictoria veröffentlicht wurde. Die Wittenberger Zeit hat ohne Ftage Brunos Produktivität beflügelt, Alles in allem fühnen die bc:iden Jahre in der Lutherstadt zu reichen Ergebnissen in Brunos literarischem Schaffen, Die lullistische und die aristotelische Philosophie scheinen also die beiden wissenschaftlichen Schwerpunkte von Brunos Arbeit in seiner Zeit in Wittenberg gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist auch der Impuls für die Entstehung von Brunos Rhetorikschrift, dem Artificium puorandi, zu sehen. Bruno nimmt darin - zumindest wenn man den Text oberflächlich betrachtet - Bezug auf die in das vierte vorchristliche Jahrhundert zu datierende Rhdorik an Akxanda, die man oft auch noch im späten 16. Jahthundett flilschlichefVIeise in das aristotelische Schriftenkorpus einordnete, und integriert überdies verschiedene Methoden der Lullschen Kombinatorik in seinen Rhetorik-Traktar. Lullismus und Arisrotelismus gehen auch in Brunos Rhetorik eine Verbindung ein. Der konkrete Kontext, aus dem heraus das Artificium perorandi entstand, läßt sich heute nur noch schwer rekonsrruieren. CAMBI vermutet, daß der Lektüreplan, den Bruno für die zwei Jahre seines Aufenthalts in Wittenberg zusammengestellt hatte, den Bereich aller sieben Freien Künste umfassen und somit einen 9 enzyklopädischen Überblick über das gesamte Wissen der Zeit bieten sollte. Um Brunos Wirken in Wittenberg näher zu charakterisieren, gab es auch Versuche, einen nexoterischen" von einem nesoterischen" Bruno zu unterscheiden, der zum einen öffentliche Vorlesungen über das schulmäßig akzeptierte Wissen hielt und andererseits in Priv3tvorlesungen einen philosophischen Überblick über die Wissenschaften in einer eigenen Konzeption bot, so daß Bruno insgesamt die enzyklopädische Bearbeitung des mittelalterlichen Systems der sieben Freien Künste als Ziel seiner dortigen Tätigkeit ansah. 'o Die Druckausgabe des Artificium perorandi vermerkt im Titel, der Text sei die nMitschrift eines privaren Vortrags" (pn'vatim dictata), so daß anscheinend Brunos Ausführungen zur Rhetorik nicht zum offiziellen Teil seiner Wittenberger Vorlesungen zu rechnen sind. Es mag im Detail aufgrund der Quellenlage schwierig sein, konkrete Aussagen über die Art von Brunos Lehnätigkeit in Wittenberg 1.U treffen. Auch für die im Titel des Artificium perorandi genannten nPrivatvorlesungen" liefern uns die erhaltenen Schriften keinen genauen Hinweis. In der Vorrede zu De lampatk combinatoria, in der Bruno die Schrift dem Senat und dem Rektor der dortigen Universität widmet, unterstreicht er mit dankbaren Wonen die Freundlichkeit, mit der er von den Gelehrten aufgenommen worden sei. Es sei ihm, ndem Fremden auf der Flucht, zugestanden worden, mit euch ein Leben in der Gemeinschaft zu führen und sich auch 1.U privaten Vorlesungen und Forschungen zurückzuziehen".l1 Mehr als die bloße Tatsache, daß offensichtlich solche Privarvorlesungen stattgefunden haben, kann jedoch nicht nachgewiesen werden. Konstatieren läßt sich 9 CAMBI {I 99 1), S. 241. 10 GuzzO/AMER1Q (1956), S. 19 r. 11 ump. eomb.. S. 233: nihiJo rnim minus prrgrino rt au/i sonalnn V()biJeum vitam agrrr, ad rtU
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pn'vatas "dpr" !retiontJ aUfur studiA roncroum. quorum duntaxat suJfragio pauprnatis iniurim hafttnUS "Ppu/mr /ieuit,
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lediglich, daß Brunos Arbeiten in dieser Zeit auf ein sehr breites Imeressensspektrum schließen lassen. Nicht nur das aristotelische Organon, das Inhalt der offiziellen Lehrverpflichtung war, sondern auch Schriften zur Naturphilosophie und zur Mnemotechnik gehörten zu Btunos Arbeitsfeld. Inwiefern jedoch das festgezurrte minelalrerliche Schema der sieben Freien Künste als der Fluchtpunkt von Brunos Arbeit in dieser Zeit erbnm werden kann. wie dies AUGUSTO Guzzo vermutet, ist fraglich: Man könnte annehmen, daß Rhetorik und Dialektik durch das Artificium p~rorandi und durch D( lampade vmatoria lngicornm abgedeckt waren; schwieriger wird es, etwa die Musik oder die Geometrie in Brunos Wirtenberger Tätigkeit zu lokalisieren. Gleichwohl in es nicht 2bzusueüen,
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und belegt dann die gegenwärtige Blüte der Wissenschaft in Deutschland mit Namen von Gelehrten wie AlbertuS Magnus, Nicolaus Cusanus und Copernicus wie auch mir Verweisen auf deutsche Herrscher, die sich als Mä:zenaten der Wis14 senschaft hervortacen. So ist die Rede vor allem von der Dankbarkeit Brunos gegenüber seinen Gastgebern getragen und nur in diesem Zusammenhang kommt er auf die Enzyklopädie der Wissenschaften zu sprechen; für einen autobiographischen Hintergrund läßt die Rede sich nur wenig auswerten. Somit muß die Frage letztendlich unbeanrwortet bleiben, ob Brunos Wittenberger Abhandlung über Rherorik als Teil eines größer angelegten Schriftenkorpus konzipiert war, in dem die sieben Freien Künste dargestelIr werden sollren. Brunos Aufenthalt in Wittenberg endete abrupr. Nach dem Tod des Henogs August gewannen unter dessen Sohn Christian 1. die kalvinistischen Philosophen mehr und mehr Einfluß auf die Geschicke der Universität; Bruno hingegen konnte sich eher der Unterstünung durch die lutherische Seite sicher sein. Christian I. ließ eine "Visitation" der Universität durchführen und setzte darauf sowohl im Bereich der Organisation der Lehre als auch im Bereich der Verwaltung eine Reform durch. Nach Brunos eigenen Angaben, die er vor den Richtern der Inquisition machte,IS war seine AnStellung an der Universität vornehmlich auf die Gunst der lutheranischen Theologen zurückzufuhren. Die Abneigung der Kalvinisten gegenüber Bruno war nicht verwunderlich, haue er doch bei seinem Aufenthalt im kalvinistischen Genf im Jahr 1579 in einem uns nicht mehr erhaltenen Pamphlet einem dortigen Philosophieprofessor 26 Fehler aus dessen Vorlesung nachzuweisen versucht. Der Skandal endete damit, daß Bruno für einige Tage ins Genfer Gefangnis geworfen wurde, bis er schließlich seine Behauptungen zurücknahm. Gleichwohl hat er in seinen späteren Schriften kein Blau vor den Mund genommen und keinen Hehl aus seiner abschätzigen Meinung über die 16 Kalvinisten gemacht. Möglicherweise ist also der Grund dafür, daß Bruno nicht mehr selbst die Publikation des Artificium perorandi in Angriff genommen hat, in der nun norwendigen, zügigen Abreise aus der Lutherstadt zu suchen. Ob Bruno beabsichtigte, auch diesen Text in gedruckter Form zu publizieren oder ob es sich vielleicht lediglich um die Mitschrift eines Hörers bei seinen privaten Unterrichtsstunden handelt, kann aus der gegebenen Quellenlage nicht mehr rekonstruiert werden.
14 Oratio tVlf.t.dirt.• S. 16-19. 15 SrAMI'ANATO (1933), Documenli veneti 11 (Verhör vom 30. M.ai 1592), S. 85 f.: ~[ ... J andai a Viuiberg in Sassonia; dove lrovai due fazioni, una de filosofi, ehe erano CalviniSli. e I'altra di leologi. ehe erano LUlerani [... 1 nel qual tempo essendo suecc:ssi il figliulo del Vecchio, ehe era iniSl'a ed i1 padre LUierano. cominci6 a 12vorir la pane contraria a quelli ehe 12vorivano me; onde me panii ed andai a Praga [... J." Zur UmmuklUrierung der Wittenlx-rger Universil1i! durch Christian 1. vgl. CANQNE (1992), S. 113-119. 16 BLUM (1984). So polemisiert Bruno erwa in Sparcio, S. 661. gegen die ~Deformation der Reformal ion" bei den Kalvinislen: "Veda se. menlre dieono ehe vogliono riformare le difformalt leggi e rdigioni. vegnono per eeno a guaslar lUllO quellamo ehe ci ~ di buono [... J".
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2.2 Zur Editionsgeschichte des Artificium perorand; 1612 publizierte Johann Heinrich Alsred bei Amonius Hummius in Frankfurt die erste gedruckte Ausgabe des Artificium p~rorandj. Der Weg. den das Manuskript von seiner Entstehung in Wittenberg bis zur Veröffentlichung des Erstdrucks nahm, läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit rekonstruieren. In dem im Mai 1612 verfaßtcn Widmungsbrief des Artificium p~rorandj schreibt A1sted, der Text sei ihm "vor zwei Jahren in die Hände geraren".17 Über die Frage, woher das Manuskript. das er also um das Jahr 1610 erhielt, stammte, gibt er an dieser Stelle keinen Aufschluß. In einer anderen, bereits früher erschienenen Schrift. dem ConsiliariUJ Acadnn;CUJ aus dem Jahr 1610, hat Alsred jedoch einen Hinweis darauf gegeben, wie das Manuskript der Brunoschen Rhetorik in seinen Besitz gelangte. Dieser Äußerung zufolge erhielt er den Text "durch die Freigiebigkeit des vorz.üglichen Regnerus BareIs Frisius, meines geschätzten Freundes" .18 HOWAD HOTSON hat jüngst auf einen wohl vom 28. Januar 1610 stammenden Brief hingewiesen, der die Sendung des Brunoschen Manuskripts begleitet haben muß. Darin schreibt BareIs an AJsted, er schicke ihm "die Rhetorik von Bruno, um die du gebeten hast. Ich halte sie für ein Juwel. Wenn du meinst, sie könne der christlichen Gemeinschaft von Nutzen sein, so veröffentliche sie."19 Wie BareIs wiederum in den Besitz des Brunoschen TOlles kam, kann nur ge~ mutmaßt werden. AJs das Verbindungsglied zwischen BareIs und Bruno kann möglicherweise Raphael Egli identifiziert werden. Egli, ab 1609 TheologieProfessor an der Universität Marburg und ein begeisterter Anhänger von Brunos Philosophie, hörte 1591 Vorlesungen von Bruno bei dessen kurzem Aufenthalt in Zürich. Auf der Grundlage der dabei erstellten Mirschrifren publizierte Egli 1S9S in Zürich - während Bruno sich bereits in Rom in Kerkerhaft befand - eine erste, noch unvollständige Ausgabe der Schrift Summa unninorum mettlphysjeorum, ro 1609 in Marburg dann eine erweiterte zweite. Wie ANDRZEJ NOWICKI belegen konnte, studierte Regner Barels gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 17. JahrhundertS bei Egli in Marburg Theologie.~l Zwischen Alsred, BareIs und
17 Artifirium, S. 6 (328): P~romil isu !ibn- anl~ bi~nnium ad manus m~as I... /. [Zitalc aus dem Artiftrium p~rorandi stamnlen aus der Emausgabc, die Zahl in Klammern m.t.c:ichnet die Seite in der Ausgabe der Op~ra larina Brunos.j Zu Alsteds Bruno-RC'leption im aJlgmemeinen vgl. RICCI
(1990). S. 27-37. 18 Auf diese Noti'l. A1stcds hai ersunOils NOWlCKI (1968), S. 509 f" hingewiesen. Der genaue Wonlaut bei Alsled. COnJilian'us AcakmiCU1, S. 156. heißI: I.. .} Jord4ni Bruni, ql«m Hk in m./anul s./cn"Pt41 R))(torira, (quam P(ll(S m~ halxo, lib"alitar~ pr(J~st4ntissimi Dlomiln./il Rrgnrn· &mls Frisii, amid m~i honorandi) "adidit; srd obscuf"l'. VgJ. da7.U auch HOTSON (2000), S. 5 I. 19 HOTSON (2000), S. 64: Mit/o T. A. D., quam ntoplilJli, RlJrloriram Brononis. Th~SIlurom Ul pu/o. Si qluo}d habrs ad (ommun~m Chrirtiollllr R~iplubfi(a~1 utilitatrm rommunim.
20 AQUII.ECCHIA (1971), S. 76; SINGER (950), S. 153. 21 NOWlCKI (1972A), S. 35 mit Anm. 53. verweist auf c-ine ditput4tio ad dinn 22 fulii. Anno 1609 soumnittr submisSil, Aurhorr ~t PraesitU Rapha~u Eg!ino honio 1... 1 rapondmtr Rrgnuo &wls Dor~ cumano FriJio.
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Egli bestand nachweislich direkter Kontakt. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, daß Egli auch im Besitz eines Manuskripts der Wittenberger Rhetorik~ Schrift war. die Bcuno seinem Schüler möglicherweise während seiner Züricher Zeit zur Verfügung gestellt hatte und die dieser wiederum an Regner BareIs wei~ tergab. Zu der Zcit, als AlSted das Artificium paoraTUli publizierte, hatte er eine autl ßerordentliche Professur für Philosophie an der Universität in Herborn inne. 1609 hatte er ersunals einen lulliscischen Text veröffentlicht, die Clavis artiJ lulliana, einen Kommentar zu einer 1598 erschienenen S;unmlung Iulliscischer Texte. Vor allem in seiner Jugend bildeten die lullistischen Texten den Hauptge. genstand seiner Arbeiten. Diese Neigung zum Lullismus ließ später nach: 1618 übernahm er. immet noch in Herborn, eine Theologie~Professur. Als Theologe war AlStOO strenger Kalvinist. und die lullistischen Einflüsse wurden im Laufe det Zeit mehr und mehr zurückgedrängt. Zumindest in den Anfangsjahren von Al· steds Schaffen blieb der Lullismus jedoch eine Konstante seiner wissenschaftli~ ehen Arbeir. Vor allem von diesem frühen Interesse für den Lullismus dürfte Alsteds Bemühen um Bcunos Texr herrühren. AIsted widmere die Textausgabe des Anificium p~rorandi dem polnischen Ge~ lehrten Abraham Wrsorzky (korrekt eigentlich: Wysocki). Ihn hatte Alsred bereits in dem auf das Jahr 1611 datierten Widmungsbrief seiner Schrift Triga~ eanon;~ ca~, die er dem polnischen Adligen W1adülaus von Ostrorog widmete, nament~ lieh erwähnt. Wrsonky, der Hauslehrer bei Osrrorog war, publizierte 1611 ein VorwOrt zu einem Buch von Bartholomäus Keckermann, zu dem er in einem freundschaftlichen Verhältnis gestanden harte, und auch Alsted veröffentliehre Werke des 1609 verstOrbenen Keckermann. Es bestand also ganz offensichtlich eine gegenseitige Freundschaft zwischen diesen vier Gelehrten, und Alsted erin~ nert sich im Widmungsbrief des Artificium p~rorandj an eine amiea eontJasano zwischen ihm selbst, Osrrorog und Wrsorzky, der (wie Keckermann) offenbar --. I·k rulstOte I er war.~,< A1sred. bearbeitete den Brunoschen Text und unterzog ihn einer kritischen Be~ gutachrung. Dabei ging er allerdings nach eigenen Aussagen sehr behutsam vor und griff nur dort in die Textgestalt ein, wo er glaubte, Fehler gefunden 'Zu haben.
22 HOTSON (2000), S. 63 f.
23 Zu den groben biogr:lphischen Dmn :r.u Alstcd (1588-1638). siehe SCHMIDT·B1GGEMANN. Einleitung :zu Alstcd. EllrydojJ4«4.. Eine wissc05Chafuhislorische Einordnung A1stcd5 bieten SQiMIDT·BIGGEMANN (1983), S. 100-131, WOLl.GAST (1988), S. 190-196, und HOTSQN (2000). 24 Ani}in"llm. S. 6 (328): ' .../ AriJrouw. OIillS umir
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Ich ha~ eine Abschrift (t$[dlen I~n und ~lbS[ korrigiert. a~r nur in dem M&, daß ich sehr wenig von Brunos T exc veränderte. von dem ich vermu[C'r(, daß a fdllerhaft ~i.lS
Beim Erscheinen des Erstdrucks des Artificium p"orandi in Frankfun 1612 fügte Alsted. dem Text au(krdem eine burodunio bei, die dem leser bei der Lektüre ci· oe Orientierung über die Struktur des T ares bieten sollte. Die inhaltliche Organisauon des Artificium p(T()randi verdcmlichte Alsted. darüber hinaus noch in ci· nern graphischen Schema. bei dem er sich des ramistischen Deduktionsmusrers bedienre, um die Struktur von Bmnos Rhetorik auch optisch z.u veransch2uli· ehen. Die Eingriffe Alsteds in die ihm vorliegende Textgestalt I~n sich heute nur noch schwer feststellen. so daß man in dieser Frage lediglich Mutmaßungen ansu:Uen kann. Im 3. Kapitel des emen Teils des Artificium paorandi findet sich im Tat ein wohl editorisches Zeichen Alsteas: Hier hat er eine Verbform, die er ganz offensichclich nicht in den Kontext einzubinden vermochte, durch ein Sternchen markiert und so eine wohl verdorbene oder unleserliche Stelle des Ma· nuskripts gekennzeichnet. Die späteren Editoren GFRORER und Tocco haben 26 an dieser T c:xtstelle unterschiedliche Konjekturen vorgenommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt wohl auch der Titel des Tates Artificium pa-orandi von Alsta!. Das Artificium pa-orandi und Alsteds Schrift Triga~ canonica~ erschienen heide 1612 in Frankfurt bei Amoniw Hummius. A!sred umerstreicht in der Einleitung zur Brunos Rherorik, daß man heide Tate inhalclich als einen zusammengehörigen Komplex betrachren könne, und in dieser Hinsichr habe er beiden Schriften Z1 eine ähnliche editorische Gestalt gegdxn. Marginalanmerkungen zur optischen Strukrurierung des Inhalts, wie sie sich in den TrigM canoniclU finden, weist auch das Artificium p"orandi im Erstdruck auf, in den späteren, im 19. Jahrhundert erschienenen Ausgaben des Artificium p~rorandi von GFRORER und TocCO wurden diese Anmerkungen nicht mehr wiedergegeben. Man kann vermuten, daß Alsred diese Oriemierungshilfe für den Leser bei seinet Redaktion des BrunoTextes in bewußter Parallelität zu den Trigae canonica~ eingefügt hat. Die Randnotizen fassen den Inhalt einzelner Abschniue zusammen, so daß dem Leser auch eine kursotische Lektüre und ein schnelles Auffinden von bestimmten Textabschninen ermöglicht wird. In den T nga~ canonica~ verweist Alsted nur an einer Stelle ausdrücklich auf das Artificium p~roralldi: Er konzipiert für den Abschnitt über Rhetorik, den drinen Teil der Triga~ canonica~, verschiedene geometrische Hilfsmittel, unter anderem auch ein Dreieck und verweiS{ darauf, Bruno habe zu diesem Zweck ein Quadr:u (siehe Abbildung 3) verwendet. Für diesen Rhetorik-Abschnitt in Alsteds Text 25 ArtifUillm, S. 6
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"m, q~ mrrukwz mt' IllSpic.lNtr. 26 Artifirillm 1.3, S. 33 (}41): /.. ./ pn1WldrnlD w'·infl'tntn. GFRORER setzu: standcssen inKtrtnUf. TOCCO ;nqllirmtn. 27 AmJirillm, S. 7 r. (328): Cllrlllli tll PrmJl tJi. qWl tJi~ Ilint T"Kilt UI1lDnitiU'. qlUll intm"psi D/ilmi/,,/i/ Comi", itJt l1t pmsi"t Iti JUD libtUi ami"",'; /.. ./.
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lassen sich inhaldiche Parallelen zum Artificium puorandi überdies auch in der Struktur erkennen: Alsted glieden sein Rhetorik-Kapitel in einen Komplex zur copia r~rum und einen zur copia vn-borum. Für die copia r~m konzipien er drei ..Räder", auf denen je nach den drei Redeganungen der klassischen Rhetorik, dem genus tkmomtrativum, dem gmus tk'ib~rativum und dem gmus iudiciau, ver~ schiedene Begriffe angebracht und kombinien werden können. Emsprechend werden auch für die copia v~rborum verschiedene grammatische, logische und rhetorische Begriffe auf geometrischen Figuren angeordnet, um sie dann im rhe· torischen Invemionsproz.eß in verschiedenen Verknüpfungen verwenden zu können. Dieser methodische Ansan wird in im Grunde identischer Weise auch im Artificium p~rorandi umgesetzt. Ich möchte die genannten groben Strukturähn· lichkeiten an dieser Stelle lediglich festhalten; auf das Verhältnis zwischen Alsteds Trigae canonica~ und Brunos Artificium perorandi werde ich unten in Kapitel 8.2.3 näher eingehen. Die starke inhaltliche Parallele zwischen den Triga~ canonicae und dem Artificium p~rorandi läßt möglicherweise den Schluß zu, daß Alsted bei seiner Redakti~ on des Bruno~Textes - eben um die Parallelen zwischen beiden Texten deutlich zu machen - bei den einzelnen Kapitelüberschriften im Artificium pn-orandi Eingriffe vorgenommen oder eventuell auch die Überschriften erst selbst in den Text eingebracht hat. Die Überschriften stehen inhaltlich durchaus im Einklang mü dem Text, doch heben sie eine strenge Systematik hervot, die im Text selbst, wenn man ihn ohne die Kapitelüberschriften betrachtet, in dieser Deutlichkeit nicht betont ist. Zur Erläuterung mag es nütz.lich sein, einige der Überschriften in dieser Sichtweise kurz näher zu betrachten. Man findet hier Indizien, die darauf hinweisen, daß Alsted eventuell diese Überschriften als Hilfsmittel in den T ('Xt eingefügt hat, um dem Leset eine leichtere Struktutierung des Inhalts zu ermöglichen. In auffallend paralleler Ausdrucksweise unterstützen die Überschriften zu Artificium 1,2 und I, 15 18 die Systematik, nach der der erste Teil des Artificium pn-orandi im groben durch die sukzessive Behandlung der drei Redegenera strukturiert ist. Ergänzend hierzu schließt sich die Überschrift zu Arrificium p~rorandi 1,18 an, die den beiden ersten Komplexen das "dritte Kapitel" über das gmus iudiciau folgen läßt. ~ Mit diesem .. Kapitel" kann aber nicht nur Artificium perorandi 1,18, son· dern muß der Rest des ersten Teils der Schrift, mindestens bis 1,23, gemeint sein, weil in diesem Textabschnitt immer wieder auf konkrete rhetorische Gerichtssi· tuationen verwiesen wird. Auch der Text selbst - wenn man die überschriften nicht berücksichtigt - legt diese dreiteilige Struktur nahe; die Hinweise jedoch, die er darauf gibt. sind nicht in dem Maße konsequent und auf einander bezogen, wie dies die Überschriften sind.
28 Artifirium, S. 29 (339): Dt iil, qwu W1lIllltur rirr" gmus Dtlibmltiuum; S. 56 (354): Dt iis, qUilt IItrUlntur rif'(a gmus tknumltratiuum. 29 Artifirium, S. 57 (359): Tmium raput tk his qUilt ftriunt ad gmus iudirUtlt.
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Auch in Details der Terminologie kann man eine gewisse Diskrepanz zwischen dem fließendem Text und den Überschriften erkennen. In Artificium p~rorandi 1,2 ist nicht vom gmus delib(1'dtivum, sondern lediglich von der tkliberatio die Rede. Der Bezug zum gmUJ tkJiberativum ist klar ersieh dich. auf eine feststehende Terminologie wurde aber wenig Wert gelegt. In der Überschrift zu 1,13 wird ausdrücklich ein Bezug dieses Kapitels zum genus rkliberdtillu.m hergestellt, auf den der Inhalt des Kapitels jedoch keinerlei Hinweis gibr..IO Vielmehr geht es hier um die narratio, also einen bestimmten Redeabschnin, den die klassische Rhewrik zumeist unabhängig von der jeweiligen Redeganung betrachtete. Die Überschriften zu Artificium p(Torand; 1,3. 1,5 und 1.7-11 verwenden zur Bezeichnung der hier aufgeführten Topoi den Begriff loca, der im TeX[ dieser Kapitel selbst nirgends für den don dargesteUten Inhalt gebraucht wird. Die Bezeichnung wcm verwendet Bruno allerdings in 1.4 für die folgenden Fälle. danach spricht er aber von wca erst wieder in 1,14. Die Überschrift zu 1,12 kündigt an. daß im folgenden Kapitel das proonnium behandelt werde. Bruno hingegen verwendet im Text niemals den Begriff prooemium. er gebraucht stets das Synonym aordium. Ähnlich weicht die Überschrift zum gesamten ersten Teil des Artificium perorandi, in der als Inhalt des folgenden die invmtio. die dispositio und die actio genannt wer~ den, von der Terminologie. die der Text bietet. ab: Von der invffltio ist nirgends mehr die Rede. der Ausdruck actio wird von Bruno im speziellen Sinn des Redevortrags, also als Synonym zu prommtiatio/ ' dem letzten Stadium der redneri~ schen Arbeitsschritte. nie gebraucht; er verwendet stets die Bezeichnung pronun3l ciatio. Die Terminologie. die in den Überschriften verwendet wird, deckt sich jedoch genau mit derjenigen Systematik. die Alsted in seiner lntroduetio zum Text skizzierte. Im Gesamtblick liegt daher die Vermutung nahe, daß Alsted zumindest soweit in den Text eingriff. daß er die Überschriften und die MarginaJanmerkungen einfügte, um die von ihm betonte Struktur des Artificium p~rorandi auch im laufenden Text nochmals zu verdeutlichen. Von der Textgestalt ausgehend, die uns vorliegt. scheinen diese Überschriften im wesentlichen durchaus im Einklang mit den Inhalten der Kapitel zu stehen. Brunos Text zeigt aber wesentlich weniger Bemühen darum, den Aufbau durchschaubar zu machen, als dies AJsteds Strukturanalyse und seine mutmaßliche Einfügung der Kapitelüberschriften nahelegr. Letztendlich läßt sich die Frage nach den Eingriffen Alsteds in die T extgestah nicht endgültig klären. Die eben genannten Mutmaßungen lassen zumindest den Schluß zu. daß Alsteds Überarbeitung allenfalls in Details zu Veränderungen der Brunoschen Vorlage geführt hat. Nach Alsteds Frankfurter Edition des Artificium perorandi im Jahr 1612 erschienen noch zwei weitere Ausgaben des Textes: 1836 veröffentlichte AUGUST
30 Artificium, S. S3 (352): Dt conditionibus nArrationis in totkm gm"t dtli~raliUl). 31 Diese Bedeutung des Begriffs actio kennen lumindesl die antiken Rhetoriker, vgl. MAR"nN (1974), S. 353; LAUSBERG (1960), § 34. 32 Artificium 1.24 passim.
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FRlEDRJCH GFRÖRER eine auf zwei Bände konzipierte Ausg.tbe der lateinischen Werke Bcunos, und 1879-91 erschien das Artificium pmJrandi in der von Tocco, VITELU, IMBRlANI, TAllARIGO und FIORENTINO herausgegebenen dreibändigen Gesamtausgabe der lateinischen Werke Bcunos. In beiden Ausgaben nahmen die Herausgeber zahlreiche toctkritische Verilnderungen vor; in GFRÖRERS Ausgabe fehlt jedoch ein kritischer Apparat, der über seine zahlrei· ehen Eingriffe in den Toct Rechenschah gibt.JJ Uneinigkeit herrscht bei den Editoren darüber, ob die Abbildungen der geometrischen Figuren, die im zweiten Teil des Artificium pmJrandi eine zentrale Rolle spielen, bereits im Originalmanuskript Bcunos dem TOCt beigefügt waren. GFRORER merkt zu den Verweisen, die sich im Toct des Anificium pnorandi auf die Figuren finden, an, daß ..die geometrischen Figuren ohne Zweifel in Bcunos Manuskript angegeben waren, während sie in der ersten Edition fehlen. ,,)4 GFRÖRER gibt folglich in seinem Text keine der drei geometrischen Figuren an, vermutlich, weil er ganz offensichtlich in der seiner Ausgabe zugrundeliegenden Edition diese Figuren nicht vorfand. Fraglich ist, auf welcher Textgrundlage GFRÖRERS Bruno-Ausgabe basierte: Auf dem Titelblatt des ersten Bandes ver· weist er darauf, daß die Vorrede des Herausgebers, in der gewöhnlich solche Informationen gegeben werden, mit dem zweiten Band der Ausg.tbe publiziert wer· den solle,n doch dieser zweite Band ist niemals erschienen. Der veröffentlichte er· ste Band enthält keine Ang.tben über GFRÖRERS Verfahrensweise bei der Edition. In der bei der vorliegenden Arbeit zugrundegelegten Erstausgabe des Artificium pmJrandi der Münchner StaatsbibliothekJ' sind die Figuren auf ausfaltbaren Blättern in den Druck eingeheftet. GFRÖRERS Behauptung. der Erstdruck besäße keine beigefügten Skizzen, wird von ihm nicht näher erläutert oder begründet; was den Text der Münchner Staatsbibliothek angeht. trifft diese Behauptung jedenfalls nicht zu. Identische Figurenabbildungen finden sich auch im Exemplar des Erstdrucks des Anificium p"orondi in der Universitätsbibliothek ErlangenNürnberg. Die Verweise, die in diesen Ausgaben (wie auch bei GFRORER) innerhalb des gedruckten Textes durch Kürz.el auf dje drei Abbildungen gegeben wer· den, entsprechen den Kürrein, die auf den eingehefteten Blättern den geometri33 Zu GFORERS teukritischer Arbeit an lh umbris vgl. S·n.JRLESE (I991A), S. XVIf. GFRORER war w:ihrtnd dtr Zeit der Publikation seiner Bruno-Ausgabe Bibliothdt:lr an dtr undesbibliothtk in SlUllgan, spiiter dann Professor in Freiburg, vgl. HAGEN (1948-1954), Band 3, S. 7-43. Zu dtn Editionen vgl. auch SALVESTRlNI (1958). S. 160-162. Ein Nachdruck der Tocco ET ALAusgabe erschien bebnntlich 1964. Außerdem wurde A1stt
Nr.380). 34 Bruno, &ripu qUf IaJi", ((m!ml, cd. GFRORER. S. 162: FipTiU VOmnriur bild Jubü mtIiri mJlnwnipra Bnmi +ita~. in ~JitJo~ OTNl/; dnunl. 35 Bruno. S«iptil qu~ Ia,;", ronfrri,. cd. GFRORER. Titdblau: praifatio ~tiiraril ('11m ulsimo!1ISl'inJo pubürabilur.
36 Sigo;nUJ': Lclcg.g.64. Diesen Tot bcnutttcn auch Tocco und VITELU als Basis. vgl. Bruno.
Opa Iat;NI, cd. FIORENT1NO ET AL. 11,.3, S. 382, Anm. zu Zeile 20.
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sehen Figuren beigeschrieben sind.'P Offensichtlich war also auch bei der Erstellung des Drucksanes geplant, drei Abbildungen in die Textausgabe zu inregrie-
ren. Es ist daher unwahrscheinlich, daß AJsteds Edition Verweise ohne die entsprechenden Skizzen enthielt und die Skizzen erst später in identischer Form in die heiden Ausgaben von München und Erlangen-Nürnberg eingefügt wurden. J8 Allein durch den T exr des Artificium p~rorandj wäre der Aufbau der drei Figuren nicht eindeutig zu rekonstruieren, so daß die textliche Darstellung nur in Verbindung mit den drei Skizzen Sinn macht. AlSted spricht in seiner EinJeirung in Bezug auf die dreiecksförmige drine Figur des Artificium perorandi ausdrücklich davon, daß "der Autor deren Abbildung {angegeben] habe u ,'9 aber auch schon das Buchstabenquadrat, die zweite Figur, könme allein durch ihre Darstellung im Text nicht rekonstruiert werden. Seat man also voraus, daß Alsteds Eingriffe in den Text - wie er ja auch selbst bemm - nicht massiv waren, kann man davon ausgehen, daß die eingehefteten Figuren original von Bruno stammen. Zwischen den im fließenden Text gegebenen Informationen und den darauf bezogenen Figuren gibt es jedoch zwei Unstimmigkeiten: Die zweite Figur, das Buchstabenquadrat (siehe Abbildung 2), benützt in der Originalausgabe ein Alphabet, bei dem sich zwischen den Buchstaben X und Zein Y befindet; insge. samt weist dieses Alphabet 28 Buchstaben auf, da sich an den !eaten Buchstaben des lateinischen Alphabets noch die ersten fünf Buchstaben des griechischen Alphabets von abis E anschließen. Die in Kapitel 5 des zweiten Teils des Artificium perorandi angegebene Belegung der Alphabetbuchstaben führt jedoch das Y nicht auf, sondern geht stattdessen bis zum ~, dem sechsten Buchstaben des griechi~ sehen Alphabets. Quadrat und Text stimmen somit nicht ganz überein; die Ausgabe von Tocco gibt deshalb ein modifiziertes Buchstabenquadrat wieder, das genau zu den im Text formulierten Angaben paßt..w Ein ähnliches Problem be· steht bei der dritten Figur des Artificium p~rorandi (siehe Abbildung 3). Der fließende Text gibt hier für die waagrechte Achse eine Belegung der Buchstaben A bis L, für die senkrechte Achse von A bis I an. In der figürlichen Darstellung ist jedoch auch die senkrechte Achse bis zum Buchstaben L erweitert; K repräsemiert nun die Belegung "Metapher", L die Belegung "Ironie". Von diesen beiden Bele· gungen findet sich jedoch im Text an keiner Stelle eine Spur. Auch hier könme man vermuten, daß Alsted in die ursprüngliche Textgestalt eingegriffen hat. In seiner Einleitung zum Arhficium perorandi schreibt er im Hinblick auf diese drine Figur, es gehe hier
37 Bruno, Anificium /Krorandi, cd. ALsTED, Ausg2be: der Sca:llsbibliOlhek München, S. 110: ~Num, I. .~; s. 119: ~Num. 2.•. ~; S. 120: ~Num. 3. Siehe dazu die entsprechenden Nummern auf den Abbildungen I, 2 und 3 im Anhang. 38 Zur Kollation weilerer Exemplare vg!, die von mir bcarbcilele Edilion des Artificium p~rorandi in du künftigen deutschen zweispnchigen Gesamlausgabe: von Brunos Werk. 39 Anificium, S. 17 (333): [. ../ cuius ötan}Juoolv hahn Quthor [. . .]. 40 Bruno, 0PtTQ falina, cd. FIORfNTINO ET Al., 11,3, S. 388, Anm. zu Zeile 15: ~Di pill oe! primo rigo de!la figun originale J'a1f'2bcIO grcco va sohanto fioo ad t, perehe crroneamemt" ha una lellen in pii.! (cioe y fn x I: z) J'alfabe:1O lalino,"
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GESCHICHTE DES ARTfFfC/UM PERORANDI
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um eine äußerst elegante Methode der Variation, in der fasr das ganze eme Buch von Erasmus' D~ copia v~rborum enthalten ist.')
Alsted war also die ParaJlelität zwischen den beiden Texten hier besonders ins Auge gefallen. Beim Vergleich zwischen der von Bruno an dieser Stelle gegebenen Auflistung und dem genanmen Texr von Erasmus zeigt sich, daß die Begriffe, die Bruno hier für dje waagrechte und die senkrechte Achse angibr, komplen bei Erasmus zu finden sind (siehe dazu umen Kapirel 8.1.1). Die bei der geometrischen Figur zusätzlich angegebenen Begriffe werden auch bei Erasmus in D~ copia genanm; Die Merapher behandeIr Erasmus in Kapitel 16, die Ironie dann allerdings erst in Kapitel 110, und dorr auch sehr kurz.. Denkbar wäre also, daß Alsred, der dem Leser ja ausdrücklich einen Seitenblick in die Schrift des Erasmus nahelegt, bei der typographischen Umsetzung die waagrechte und die senkrechte Achse der Figur auf gleiche Länge bringen wollte und dort entsprechend der erasmianischen Vorlage Erweiterungen vornahm. Das wäre auch durchaus Brunos Darstellung angemessen, der betom, daß die A1phabetbelegungen variabel und prinzipiell beliebig erweiterbar sind. Alsred übernahm in seine bereits 1610 in erster Auflage erschienene Schrift Comiliariw acadnnicus eine Reihe von mir rhetorischen Begriffen belegten Schemata aus dem Artificium pn-orandi (siehe dazu umen Kapitel 8.2.3). Hier ver· wender Alsted die graphische Darstellung der drinen Figur des Artificium p~r orandi, und bereits in dieser Schrift finden sich die Erweiterungen in der senkrechten Alphabetreihe durch die Begriffe "Metapher" und "Ironie" {siehe Abbil· dungen 3 und 16).'12 Die Darsrellung im Consiliarius acadnnicus ist zwar nicht drucktechnisch absolut identisch mit der Figur im Artificium p~rorandi. aber die Alphabete und ihre Bdegung stimmen vollkommen überein. Alsted referiert im Comiliarius aca&mieus ausdrücklich Brunos Rhetorikmanuskript und deutet hierbei - ebenso wie im Artificium paorandi - in keiner Weise darauf hin, daß die geometrischen Figuren nichr Bestandteil des ursprünglichen Manuskripts waren. Dies kann lerzrendlich nicht erklären, woher die inhaltlichen Erweiterungen dieser Figur gegenüber dem Text des ArtificitIm p~rorandi stammen. Die Annahme scheint jedoch plausibel, daß die Diskrepanz zwischen der Belegung der Buchstaben im Text einerseits und in der Figur andererseits bereits in dem Manuskript, das Alsred 1610 von Brunos Rhetorik vorlag, zu finden war; in diesem Fall liegt es nahe, diese Unterschiede auf die von Bruno nicht mehr vorgenommene Überarbeitung des Textes zurückzuführen. Da jedoch die Darstellung dieser Figur in der Ausgabe des Artificium paorandi und die Darstellung in der zwei Jahre zuvor erschiene Ausgabe des Comiliariw acadanicus identisch sind, ist es äußerst unwahrscheinlich, daß etwa ein späterer Bearbeiter der Alstedschen Editi· on diese Figuren nachrräglich in die Druckausgabe eingebunden har. AlstOO selbst kannte ganz offensichtlich bereits die geomeuischen Figuren des Artificium pn-41 Artifirium, S. 16 (232): /' .. j tkgantissirwz O«Jlmt variationi, ratiD. qua vna totus fnmt Erasmi libl'r primus tU copiP. utTborum continttur. 42 A1S1C:d, Consilian·us acadl'micus, S. 164.
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orandi. Der einzige Hinweis auf das Fehlen der Figuren stammt von GFRORER, und vermutlich ist dieses Fehlen dadurch zu erklären, daß GFRORER ein Exemplar des Erstdrucks vorlag, bei dem die eingebundenen Darstellungen der geometrischen Figuren verlorengegangen waren.
3 Zur Beurteilung des Artificium perorandi in der Bruno-Forschung Die Tatsache mag nicht sehr überraschen, daß das Artificium perorandi aJs eine Auseinandersetzung Brunos mit der klassischen rhetorischen Lehre in jüngeren FOr5chungsansärz.en zur Philosophie Brunos gegenüber den für sein Denken "zentralen" Texten auf ein vergleichsweise: geringes Interesse stieß. Das Hauptaugenmerk der Brune-Forschung liegt weit stärker auf anderen Gebieten - der revolutionären Kosmologie und Naturphilosophie etwa, die er vertrat, seinem marhematisch-geomenischen Denken oder der Mnemotechnik mit ihren ebenfalls geometrischen und kombinatorischen Elememen. Unter dieser Perspektive unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Schrift, in der Bruno die noch dazu traditionelle, aristotelisch geprägte. rhetorische Systemacik adapcierr, eher auf einen rand· ständigen und wenig originellen Aspekt seiner Philosophie deutet. Gleichwohl stand und steht die rhetorische Begabung Brunos, seine außeror· dentlichen Fähigkeiten im Umgang mit Sprache, nie außer Frage. Vor allem die italienischen Dialoge zeigen, daß Bruno imstande war, Sprache äußerst geschliffen zu handhaben und daß er sie auch als scharfes Instrument im argumentativen Kampf für seine Thesen einzusetzen vermochte. So ist es fast nicht verwunderlich, wenn LEONARDO OLSCHKl 1924 Brunos Philosophie quasi auf ..pure Rhetorik" reduziene: Seine philosophischen Schriften sind mit ihren zuf'alligen Assoziazionen, den zahlreichen Zitaten, den Anekdoten, Anrichesen, Wiederholungen und Widersprüchen rhetorische Improvisationen eines Mannes, der mehr vom Temperamente, als von der Überzeugung mitgerissen wird. Brunos rhetorische Begabung wurde zu seinen Lebzeiten ebenso bekannt, wie sein Gedächtnis. Mag er auch bald die Kuue abgelegt haben, der redegewandte Dominikaner ist in Bruno niemals abgestorben, und seine lullischen Schriften zeigen samt und sonders, daß dje rhetorische Schulung des neapolitanischen Klosters niemals aufhörte, auf ihn zu wirken. '
Von dieser sprachlichen Kraft ist indes im Artificium p~rorandi nichts ZU finden. BereitS Alsred hatte in seinem Vorwort z.ur Erstausgabe 1612 davon gesprochen, l daß das Artificium p"orant/i "wenig an stilistischem GlanZ" ausstrahle. Auch für FEUCE Tocco, der in ähnlich zurückhaltender Weise den Text in dieser Hinsicht abwertet, ist das Artificium p"orant/i .. nicht gerade einer der geglückresren Texte", obgleich er, "wenn man den Wert einer so kurz gefaßten Darstellung be[fachtet, exakt und kraftvoll" sei,l und FRANCES YATES bezeichnet Brunos Rhero· I OLSCHKI (1924), S. 78. Ähnlich rormulien BAUM (1993), S. 42, Brunos Ph~osophie stehe ~ganz im Zeichen der Rkron"jt~. 2 Artificium. S. 21 (335): stifum minus spkndidum. 3 TOCCO (1889), S. 18: .Tulto sommato. se quCSto commenlO non e indegno deJ Bruno, e vi si scorgono i pregi di una csposizione per quanto breve, a!rrenaßlO esana e vigorosa., pure non ( qucsta l.r.I. 1e piu feJici opere del nomo, e senza dubbio della relorica genuina di AriSloleie egIi avrebbe poluto trarre magior panito di qud ehe non abbia ratio."
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rik zusammen mit den übrigen Wittenberger Texten sogar als "plan, verglichen mir den herrlichen Dialogen. die BmDo in England schrieb"'.4 In der Tat ist das Artificium prrorandi ein äußerst spröder Text; lange Passagen bestehen aus Listen und Aufzählungen. Hinzu kommt, daß die Herkunft des Textes, den BmDO vor der Publikation mir Sicherheit nicht mehr überarbeitet hat. nicht einwandfrei geklärt werden kann. Aufgrund der damit zusammenhängenden Schwierigkeiten, konkrete Einordnungskriterien Nr das Artificium p~ror4ndi zu finden, z.ogen sich die Bruno· Interpreten häufig darauf zurück, den Text dadurch zu kategorisieren, daß man ihn als einen Kommentar zu einer ariscocdischen Schrift, eben der RhetoriC4 ad Akxandrum, einordnete. Bereits DOMENICO BERTI hatte betont, das Artificium paoramJi sei "literarisch wie philosophisch unbedeutend" und beruhe im wesentlichen auf der aristotelischen Vorlage.~ Das Artificium p~rorandi wurde so als eine Auseinandersetzung Brunos mit der stark von dem entsprechenden aristotelischen Lehrbuch geprägten rhetorischen Tradition verstanden. Die gängigen biographischen Schriften zu Bruno enthalten meist lediglich einen Verweis darauf, daß es sich beim Artificium p~rorandi um einen Kommentar zur pseudo-aristotelischen 6 Rh~torik an Akxandn handle. Selbst DOROTHEA SINGER, die eine kurze, inhalt~ liehe Beschreibung des Artificium p~rorandi mit einem Abriß der Editionsge* schichte gibt, nimmt keine genauere Kategorisierung dieses Textes VOr,l In CIUBERTOS Versuch, einen Überblick über wichtige Probleme der Brunoschen Philosophie zu geben, wird das Artificium p~rorandi daher auch nur an einer Stelle in den Anmerkungen zu dem Kapitel, in dem er über Brunos sprachphilosophisches Konzept spricht, als ein "Kompendium zu einem aristotelischen Werk" erwähnt.' Man beschränkte sich bei der Einordnung des Artificium prrorandi zumeist darauf, auf die aristotelische Vorlage des Textes hinzuweisen. Auch in PAUL RiCHARD BLUMS grundlegender Arbeit über die Beziehung zwischen Bruno und AristoteIes findet sich nur eine kurze Bemerkung über das Arti~ ficium prrorandi.~ 4 YATES (1964). S.307: MI ... ] ther are dull indced comp:ued with lhose marvelJous diaJogut'.S which he wrOle in England becl.use his lectures at Oxford were Sl'Opped. 5 BERTI (1868). S. 240: ~Esso ~ una spttie di lr.Ittalello rk aru rhnorica. di poco momenro. si per la sloria lell'eraria, sl per la 1iI0sofica.I ... 1Consuona qut'.Sw libro in molte parti con AriSlOtele. M 6 BARTHOLMl'.sS (1846-1847). Band 2, S. 197: ~0: qui caraeterise cgalmem ces ccriu posthumes. C'esl qu'ils ne SOOl souvem autre chose qu'un commentaire d·AristOle.~; SI'AMrANATO (1921). S.426: Mun commentario I... J della RlNtorica ad Aladndrnm. che si anribuiva a.llo St"agiril3 e allora era quasi ignola AQUILECCHIA (1971). S.6S: MCOrSO priv:;uo lenuto da Bruno sulla pseudo-aris(oleJica RJmorica ad Aladndrum, corso iI cui (alO fu pubblicato da H. AIstedtM: C1uBERTO (1990). S.205: ..un corso privalo sull.. pscudoaristotdica RttoriCil nd Akssandro. pubblicato poL POSlUffiO, nell612 a Francofonc: cb H. A1slc:d~. 7 SINCER (950). S. 142 f. 8 C1UBERTO (1986). (Kapirel 5: ..üngua t' Jinguaggt), S. 233 Anm. 4: ..A queslo proposito or. ancht' Dr lampatk rHNltonn e Anificium prrorandi I... ), ehe sono per6, essenziaJmeme. un compendio di opere aristotdiche. ~ 9 BLUM (1980), S. 107: ~Das Anificium perorandi isl ein mnemou:chnischa Kompendium der pseudoaristoldischen RhelOrik an Nexander.~ M
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Neben dieser Kategorisierung des Artificium puorandi als eine im weitesten Sinne "aristotelische Schrift" wurde auch bereits sehr früh der lullistische Kontext herausgestellt. So ordnen Tocco. OLSCHKI und jüngst auch BAUM in ihren Versuchen, eine Klassifikation der Brunoschen Schriften vorzunehmen, das ArtilO ficium p~rorandi den "lullischen Schriften" zu. Zumindest die Verwendung der im Artificium p~rorandi wie auch in anderen T cxten gebrauchten "Vierten Figur". des Kombinationsrades. läßt auch in der Brunoschen Rhetorik auf einen Einfluß des Lullus schließen. Dennoch ist die Einschätzung in dieser Frage. wenn man die Beuno-Forschung überblickt. nicht ganz einhellig. So äußert etwa YATES in Giordano Bnmo and th~ H~~tic Tradition, das Artificium puorandi wie auch die übrigen in Wittenberg entstandenen Texte seien für denjenigen, der Bruno studiere, "alle interessant, insbesondere für seinen Lullismus", während sie in Th~ Art ofMmzory am Rande anmerkt. das Artificium p~rorandi sei kein lullistischer TexeIl Es scheint unwahrscheinlich, daß YATES die Lullsche Figur übersehen hal2 be, wie dies CAMBI vermutet, zumal YATES' erstes Zitat chronologisch vor das zweite zu steHen ist. Vielmehr hat es den Anschein, als versuche die Gelehrte. bei Beuno zwischen einem mehr kombinatorisch-formalistischen Lullismus, wie er möglicherweise im Artificium paorandi zu finden ist, und einem eher metaphysischen zu trennen. Es ist jedenfalls erkennbar, daß die lullistischen Einflüsse im Artificium p~rorandi als weit weniger charakteristisch für den gesamten Text betrachtet werden als die offensichtliche Anlehnung an einen aristotelischen Vorlagenrexr. So wird auch bis in neuere Untersuchungen über den Lullismus bei BeuIJ no wie etwa bei LUCIANA OE BERNART dem Artificium p~rorandi eine eher marginale Position zugewiesen. Obwohl Brunos Philosophie und ihr Verhältnis zum Sprachproblem im allgemeinen häufig Gegenstand von Untersuchungen waren, wurde das Artificium p~rorandi in keiner dieser Arbeiten als ein selbständiger Ansan betrachtet. in dem Bruno eine sprachphilosophisch-rhetorische Konzeption darzustellen versuchte. Weder in den älteren Studien über das Sprachproblem bei Btuno von AQUILECCHIA, TISSONI oder BARBERI SQUAROITI noch in den jüngeren Arbeiten etwa von ClUBERTO. AGRlMI. BERTINI MALGARlNl, HENTSCHEL, ORDINE und BAUM, die sich direkt mit Brunos Sprachgebrauch und seinem philosophisch fundierten Sprachkonzept auseinandersenen. wurde das Artificium p~rorandi als 14 Quelle herangez.ogen. Zwar wird stets zugestanden, daß die Sprach konzeption 10 Tocco (1889), S. 4 f[: ~opere lulliane~: OLSCHKI~ (1924), $. I: BAUM (993), S. 33. 1I YATES (1964), S. 307: ~Th~ works are all imponam for the slUdem ofBruno, particularly for his Lul1ism~; YATFS (1966), S. 342 mit Anm. 2S: ~Dennoch hat Alsled nach Brunos Tod eines seiner Manuskriple veröffentlicht (allerdings kein lullisches).~ 12 CM.181 (I 99 I), S. 2S9. 13 DE BERNART (1986), S. 63-121: vgl. die Line der lullistischen Schrillen Brunos S. 99 Anm. 77, wo das Artificium perorandi nicht hinzugwhlt wird. 14 AQU1LECCHlA (1953): TISSONI (1960) und (1961): BARBERJ SQUAROrn (I958A), (I 958B), (1960) und (1990); ClUBERTO (1979), Einleitung, und (I986), S. 208-232; AGRlMI (1979); ßERTINI MALGARlNI (1980); HENl'SCHEL (1988), 00. S. 175-202: ORDINE (1999): BAUM (1993).
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Brunos ein zemraJes, wenn nicht sogar das Kernproblem seiner Philosophie überhaupt darsreUr;l) bereits früh wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das dichterische Element in Bruna keineswegs wie ein fremder Beslandtheil die Klarheit seiner Gedanken trübe, sondern vielmehr gerade in ihm auch der innerste Kern seiner Philosophie zu finden, und wie das historische Problem im Schriftsteller sich emrärhsdr, so das philosophische Problem 'Giordano Bruna' als im Dichter Bruno gelÖSt zu betrachten sei. I
Die Frage jedoch, ob Brunos Kommenrierung der Alexander·Rhcrorik im Artifi~ cium perorandi über seine sprachphilosophischen Vorstellungen Aufschluß geben 17 kann, wurde bislang nicht in Beuachr gezogen. Es war schließlich MAURlZIO CAMBI, der dem Artificimn perorandi erstmals eine eigene, eingehende Unrersuchung widmete, die im Jahr 1991 erschien. Auch er kommt zu dem Ergebnis, daß es sich bei unserem Text lediglich um eine "schulmäßige Schrift" mit "vollständigem Fehlen hermetischer Elemenre" handle. Er sieht einen Bezug zum luUistischen Komext bei Bruno. aber im Artificillm perorandi beschränkt er die lullistische Kombinatorik fast vollständig auf eine didaktische Komponenre. Seiner Ansicht nach - und dabei knüpft er ausdrücklich an das Verständnis von YATES an - wurde das Artificium perorandi geschrieben mit der Aufgabe zu lehren, wie man Reden aufbaut, und ohne das Bestreben, das für die anderen als 'mnemQ[echnisch' bezeichneten Werke Brunos charakteriSlisch ist, den Menschen als Magier über die schanenhafte Wirklichkeit hinauszuprojizieren und ihn - auf den Flügeln einer allumfassenden Erinnerung platonischer Prägung oder vermiuels des Wiedergewinns von 'Chiffren', in denen pythagoräisch komrahien das verborgene Nenwerk des Universums lebendig ist - die ersuebte Pansophie erlangen zu lassen [... 1." CAMBI fühn ebenfalls eine Trennung in zwei Arten des brunoschen Lullismus
durch, wie sie vielleicht auch den Inrerpretationen von YATES zugrunde liegen. Auch YATES harre - wie oben erwähm - im Artificizan perorandi keinen oder nur einen "planen" Lullismus enrdecken können. Den rein didaktischen, "unphilosophischen" Zweck des Artificillm p~rornndi, der hier unterstellt wird, führt CAMßI auf die Werkchronologie und die darin erkennbare Entwicklung, die Brunos Denken vollzog, zurück: HervorLuheben ist hierbei der Umerschied der Perspekrive zwischen diesen uncerschiedlichen Enrwicklungssrufen in den Traktaten Brunos, ohne zu vergessen, daß Bruno die lullischen machinae auch zu anderen Zwecken einset"lL In ihrer eher ,platonischen' Weise ziehen die frühen Schriften [... 1 auf die Enthüllung des meraI; BERnNI MALGARINI (1980), S. 681; ~Mohi dtgli studiosi ehe si sono occupal i di Bruno h:lOno senrito 00111(; importame il problema lingua e hanno cerclto pcrtamo di i~rire le idee lingulsliche nelle varic ricostruzioni de! pcnsiero bruniano.~: ähnlich CtUI\ERTO (1979), S. IX. 16 STEIN. (1881), S. 4. 17 MARIANl (1983), S. 316 mil Anm. 3. deulet allerdings eine Verbindung zwischen der Sprach. kombinalorik im Anificium prrorandi und Brunos ästhelischen Grundvorstellungen an, ohne aber näher darauf einzugehen. 18 <:AM11I (1991), S. 2;8.
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physischen Geheimnisses ab. Diese Absicht kann man sichcr nicht dem Artificium perorandi unterstellen, in welchem Bruno AristOleles zum Ausg
So bleibt auch für CAMBI das Arrifieium perorandi ein Text, dessen Charakrer vor allem durch seine Quellen bestimmt wird: Inhaldiche Übernahmen aus der ari~ Stordischen Rhetoriktradition werden mit der Methode der Lullschen Kombinatorik konfrontiert. Diese beiden Schwerpunkte konstituieren den Kern des Artifieium perorandi. Ferner rechtfertigt CAMBI indirekt die marginale Position, die das Arrificium perorandi in der Bruno~Forschung einnimmt: Brunos RhetOrik ist gerade dadurch charakterisiert, daß die Elemente, die für Brunos Denken allgemein aJs die prägenden betrachtet werden, hier in auffallender Weise fehlen; daraus läßt sich vermeintlich ableiten, daß Brunos Rhetorik eben nicht den eigentümlichen Stempel ihres Verfassers trägt. Dieser Überblick zeigt, daß das Arrificium perorandi in der Bruno-Forschung bislang nicht aJs origineller Ansatz zum EntwUrf einer Rhetorik - aJso eines Themenkomplexes, den Bruno ansonsten nicht theoretisch behandelte - gewerret wurde, sondern aJs Produkt der eher konventionellen Wittenberger Vorlesungen über AristoteIes und LulJus.!O Der ganz überwiegende Teil der Untersuchungen betrachtet Brunos Rhetorik als eine recht konventionelle Übertragung von Sche~ matisierungcn aus dem rhetorischen Lehrsystem auf ein Konzept von geometrischen Figuren, deren Inspiration sich aus dem Lullismus herleiten läßt. So wird das Artificium perorandi als eine Schrift gewertet, deren Aufgabe darin bestehe zu lehren, wie Rhetorik durch mnemO[echnische Hilfsmittel erlernt und angewandt werden könne. Die Schwerpunkte von Brunos Philosophie wie etwa die Unendlichkeirsmetaphysik oder der Einfluß von neuplatonisch~hermetischem, magischem oder mystischem Denken wurden in dieser Schrift bislang nicht identifiziert. Eine Interpretation des Artificium perorandi aJs eine Schrift, in der Bruno zumin~ desr in Ansärz.en - so die hier vorgestellte These - ein sprachphilosophisches Modell entwickelt, macht nur unter der Voraussetzung Sinn, daß die einzelnen Teile des Textes sich insgesamt auf ein gemeinsames und einheitliches Konzept zurückführen lassen. Bevor die Frage nach den sprachphilosophischen Grundlagen in Brunos Rhetorik gestellt werden kann, möchte ich daher zunächst eine inhalt19 CAMBI (1991), S.260. Anders ROSSI (1959), S.54, fur den der Luilismus des Artifio'um prrorllndi eine Mcnzyklopädischc Orientierung u:igt: MI ... I in mohi dei resti ddl'encidopc:d.ismo cinqueccmesco [... 1 iI luJlismo 3pp3re forrcmemc imrecciato ai femi della cosmologia e ddla rctorica: Non a caso, anche Bruno fu foncmenrc imcrC5Sato al problcrna cli una 'applicazionc' ddJ'Am aHa rctorica [... J: ndl'Anijidum pnvrandi [, .. 1 egli ((~ma una applica7.ione ddla mnemOlccnica lulliana ai diversi tipi dd discorso retorico [... I.M 20 Lediglich WILDGF.N (1998). S. 4\, äußert, die Wiftcnbcrgcr Schriften zur Dialektik und Rherorik seien Msdbslbewußf lind cigensländig ohne dann allerdings näher auf das Anifirium ~r ortlndi einzugehen. M
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liehe Analyse des Artificimn perorandi vornehmen. Ich mächte in den folgenden Kapiteln die innere. konzeptionelle Einheitlichkeit des Textes nachweisen, um zu zeigen, daß es sich beim Anificium perorandi eben gerade nicht um eine Schrift
handelt. die sich im wesentlichen darauf beschränkt, Elemente der traditionellen aristotelischen und römischen Rhetoriktradition mit der konventionellen Kombinatorik lulliscischer Herkunft zu verknüpfen, in der aber im übrigen die Schwerpunkte von Btunos philosophischem Denken wie etwa neu platonische Einheirvorstellungen oder eine pansophisch orientierte Mnemotechnik nicht identifiziert werden können - die Einordnung also. zu der die Bruno-Forschung bislang mehrheitlich neigte. Die Pointe des Textes beruht - wie die nachfolgende Interpretation zeigen soU - viel eher darauf, daß Bruno sich der traditionellen rhetorischen Elemente und Systematisierungen bedient, um auf dieser Basis die klassische Lehre für die eigenen philosophischen Anschauungen zu adaptieren. Diese "Methode" der Brunoschen Philosophie, die sich auch für zahlreiche andere T ate nachweisen läßt. kann bei näherer Betrachtung auch für das Artificium p~rorandi festgestellt werden. Diese Deutung der Rhetorik Brunos liegt: deswegen nahe, weil durch sie die Schwierigkeiten einer Interpretation, bei der ein Brunoscher Text als "unbrunianisch" etikettiert wird, beseitigt werden und weil so fernet gezeigt werden kann, daß das hier konzipierte Rhetorikmodell durch Anknüpfung an die Grundideen von Brunos Philosophie als ein eigenStändiger sprachphilosophischer Ansau figuriert. Nahezu alle bisherigen Untersuchungen sahen das Artificium p~rorandi entweder als irrelevant für die Frage nach Brunos philosophischem Sprachkonz.ept oder als in auffallender Weise frei von jeglichen Elementen, die für Brunos Philosophieren ansonsten als typisch gelten. Die von mir venretene These ist daher insofern konventionell, als durch sie gezeigt werden kann, daß die Fixpunkte der Brunoschen Philosophie hier auf den Bereich des Rhetorischen übertragen werden - ohne andererseits die Bedeutung dieser Schrift für die Interpreration von Brunos Denken über Gebühr in den Vordergrund rücken zu wollen. Es kann schon fast als ein Topos der Bruno-Forschung bezeichnet werden. daß Brunos philosophische Konzepte eine eigenartige Mischung aus Synkretismus und Eklektizismus aulVJeisen, so daß Brunos Denken eben umer diesem Aspekt der ll Amalgamierung verschiedener Einflüsse interpretiert werden kann. Durch den in der vorliegenden Arbeit 2ugrundegelegten Inrerpretationsansan. versuche ich, in dieser Perspektive die Verankerung des Artificium perorandi in verschiedenen, im 16. Jahrhundert bedeutenden Traditionslinien aunuzeigen. wobei die Originalität des Textes gerade darin besteht, daß aus der Verknüpfung verschiedenster Einflüsse etwas Neues, für Brunos Denken Charakteristisches hervorgeht.
21 Vgl. hitl'7.u BLUM (1997).
4 Der erste Teil des Artificium perorandi Das klassische Rhetorik-System 4.1 Struktur, Inhalr, Charakterisrik Brunos Rherorik·Schrift besteht aus zwei formal relativ heterogenen Teilen. Der erste davon referiert im wesentlichen InhaJte, die aus dem gängigen Repertoire der klassischen rhetorischen Lehre schöpfen, während Bruna im zweiten Teil in
Ansätzen ein originelles sprachphilosophisches Konzept ausarbeitet. Eine inhaltli· ehe, konzeptuelle VerknüpfUng der heiden Teile deutet Bruno dabei lediglich im zweiten Teil an. Es erscheint daher sinnvoll, diese heiden Teile in Kapitel 4 und Kapitel 5 zunächst getrennt voneinander zu betrachten. Der erSte Teil des Anificium p~rora,uij. dem eine kurze Vorrede vorangestellt ist, läßt sich in seiner Grobsrrukrur in drei Komplexe aufteilen. In diesen Kom· plexen werden sukzessive die drei Redegattungen der kJassischen Rhetorik, das gentlS tkliberativu1tl (die ..Staatsrede"), das gentlS demonstrativum (die "Prunkrede") und das gentlS iudiciale (die "Gerichtsrede") besprochen. Bereits AJsted geht in seiner Einleitung zum Artificium perorandi von dieser inhaltlichen Organisation des Textes aus, und auch die Überschriften zu den einzelnen Kapiteln, für die ma.n ebenfalls AJsted als Autor vermuten kann, heben diese Struktur nochmals deutlich hervor. Diese Dreiteilung bildet daher auch im folgenden die Struktur der vorliegenden Untersuchung. Innerhalb dieses gesamten ersten Teils liefert Bruno im Grunde ein auf wenige Seiten gedrängtes Kompendium der kJassischen Rhetorik: Regeln und Anweisungen, wie sie zum Standard der rhewrischen Lehrtradition gehörten, ordnet Bruno hier den einzelnen Redegattungen unter, bleibt dabei aber stets in den bekanmen, vorgegebenen Mustern der schulmäßigen rhetorischen Lehre. Originell ist hier nicht der im einzelnen dargestellte Inhalt der Anweisungen, originell ist das Arrangement und die Auswahl der wiedergegebenen Lehrinhal(c. Interessam und für die weitere Imerpretation des Artificium perorandi bedeutsam ist hierbei Brunos methodische Vorgehensweise: Man kann diesen gesamten ersten Teil des Artificium peroralldi im wesentlichen als eine "Topisierung" der rhewrisehen Lehre bezeichnen. Mit Ausnahme von Kapitel 1,24, in dem Bruno vornehmlich praktische Hinweise zu Gestik, Mimik, Stimmverwendung u.ä. gibt, ziehen sich diese Topos-Listen konsequem durch den gesamten ersten Teil des Artificium peroralldi. Bruno stellt /Ur jede der drei Redegarrungen und ihren speziellen Anlaß eine oder mehrere Topiken zusammen, aus denen Argumeme für die bei den einzelnen Redeanlässen 2ugrundeliegenden Fälle entnommen werden können. Durch die Auflistung dieser Topoi wird dieser erste Teil von Brunos Rhewrik zu einem aus Bruchstücken und Ex7.erpten bestehenden, synthetischen
Text. Wenn man den ersten Teil des Artificium perorandi als eine ..Topisierung" von rhetorischen Lehrinhal[en interpretieren will, so ist hierbei der Begriff des "To-
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pos" in einer sehr beeüen Bedeutung aufzufassen, wie ja auch die traditionelle RhetOrik verschiedene, zum Teil scark divergierende Definitionen des T oposBegriffs kannte. Bruno selbst verwendet den Begriff Topos (Ioms) im Artificium puorandi gelegentlich, gebraucht ihn aber in diesem ersten Teil noch nicht als einen klar umrissenen und für sein Rhetorikkonzepr maßgeblichen Fachrerminus; erst im zweiten Teil des Artificium perorandi versucht er, dem auch für sein Rherorikmodell wichtigen Topos-Begriff klare Konturen zu geben. Ausdrücklich benunt Bruno den Begriff locus im ersten Teil des Arhficium perorandi für ganz. unterschiedliche rhetorische Bereiche, erwa für die ganz konkret thematischen Topoi des gmm tUmotlStTativum bei Fragen der Religion, des Rechrs oder des Krieges (1,4), weiterhin für die gewöhnlich als "Beweisgründe" (1tlOttU;, probation~) bezeichneten Suchmuster für die Anwendung deduktiver Schlußformen (1,20) oder auch für die Srandardargumente, die gewöhnlich im zusammenfassenden Schlußteil der Rede, der eonfinnatio, herangezogen werden (1,14). Wenn hier von einer "tOpisierten" Darstellungsweise im ersten Teil des Artificium paorandi die Rede ist, so ist damit gemeint, daß Brunos methodisches Vorgehen bei der Präsentation seiner Rhetorik im Grunde fast ausschließlich darin besteht, für die in den einzelnen Kapiteln angesprochenen Themen Suchkategorien aufzulisten, die stark sachorientiert und themenabhängig sind. AlSted Stellt in seiner Einleitung! ebenfalls den Topos-Begriff ins Zentrum seiner schematischen Übersicht: Diejenigen Kapitel, in denen Bruno die Redegenera behandelt, werden auch von ihm als Topiken verstanden. Das genus deliberntivum zergliedert er in eine allgemeine und eine spC2.ielle Topik (Ioea eommunia in 1,2-3 und Ioea specialia n propria in 1,4-11), die Ioea generis demonstrativi umfassen Alsted zufolge die Kapitel 1,15-17, die Ioea genem iudicialis die Kapitel 1,18-23. Die Kapitel, die AlSted hierbei ausklammert (1,12-14 und 1,24-25), ordnet er inhaltlich nicht dem thematischen Bereich der Redegenera zu; diese Kapitel be~ handeln zum einen Abschnine im Redeablauf wie Einleitungs~, Darstellungsoder Schlußreil (exordium, narratio, eonfirmatio), zum anderen Belange des kon~ kreten rednerischen Vortrags (aetio). Gerade bei diesen Kapiteln des Artificium perorandi ist jedoch leicht fesnusteUen, daß Bruno wiederum lediglich allgemei~ ne, inhaltliche oder argumentative Suchkategorien vorgibt und dadurch also wiederum Topoi für die jeweils gegebenen Bedürfnisse des Redners auflistet. Die umfassende und umfangreiche Auflistung der Topoi Stand für Bruno gegenüber einer klaren Hierarchie der Kapitel im Vordergrund. Bruno bringe unterschiedliche Ebenen des rhetorischen Lehrsystems auf ein ähnliches systematisches Niveau, indem er diese Ebenen gleichförmig auf eine Reihe von Topoi reduziert. So wird etwa die rhetOrische Technik, beim Zuhörer bestimmte Emotionen zu erzeugen (1,25), genauso wie auch die Inhalte, die gewöhnlich im Einleitungsteil einer Rede (proomzium 1,12) anzusprechen sind. auf eine Liste von Punkten gebracht, die der Redner nach Möglichkeit ansprechen
I Artifin'um. S. 10-14 (330 f.).
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solL Bruno ordnet - um bei diesem Beispiel zu bleiben - die Theorie der Vorrede umer das rherorische gmw tklibn-ativum unter. In der traditionellen RherorikLehre wiesen die Rhetoren dem Redner in der Vorrede die Aufgabe zu, die Zuhö· rer mit dem Gegenstand der Rede vertraut zu machen (docilis), Aufmerksamkeit für den dargebotenen Inhalt zu erregen (annttus) und das WohlwoUen der Zuhörer zu erreichen (bmroo/us). Auch Bruno greift auf diese Standard-Anweisung zurück und nenm verschiedene Strategien mit uhlreichen Details und Varianten, durch die man dieses Zid erreichen kann. Originell ist nun dabei nicht die Aus· wahl dieser Musterargumeme; hier konme Bruno bei den Rhetorikern reiche Vorarbeiten finden. Bruno beschränkt sich bei der Behandlung der Theorie der Vorrede alJein auf diese genannten topisch organisierten Lehrinhalte, so daß lentlich die Vorrede allein durch die Argumemations·Topik der Vorrede erläutert wird. Dabei ging es Bruno nicht um eine gegenseitige Srrukturierung oder Hierar· chisierung der einzelnen Topiken. Die verschiedenen Auflistungen bleiben oft unvermittelt nebeneinander stehen. Der erste Teil des Artificium p~rorandi ist äu· ßerlich in erster Linie durch diese: extreme Topisierung gekennzeichnet. Die Rhetorik wird in Brunos Darstellung zu einer Kunst, bei der es im wesentlichen darauf ankommt, die jeweils gängigen Topoi zu kennen und anzuwenden. Durch die Auflistung der Topoi erhält der Text über weite Strecken eine formal einheit· liehe Struktur. Im Minelpunkt stehen die je nach Anlaß der Rede verwendbaren Argumentkare:gorien mit ihren jeweiligen Unterklassen, die Bruno mit großer Ausführlichkeit zusammenstellt. Konkrete Belange etwa des Vonrages werden entweder in einer Kürze besprochen, daß sie für den praktischen Gebrauch nur wenig anwendbar sind, wie etwa Fragen der Körperhaltung, des Gestus oder der Mimik des Redners (1,24) oder auch die verschiedenen logischen Schlußformen (1,19), oder sie werden erst gar nicht erwähnt, wie etwa die Fragen des sprach!i. ehen Stils, für den die klassische Rhetorik ein sehr feingliedriges und umfassendes System von Anweisungen und grammatisch-stilistischen Klassifizierungen kannte. Anderes wie erwa die Affektenlehre (1,25) wird von Bruno stark umer einer .,topischen" Perspektive gedeul'et. Eine weitere Bemerkung gibt einen Hinweis darauf, daß es Bruno nicht um eine geordnete Übernahme des nadilionellen Rhetoriksystems, sondern um eine möglichSt gehaltvolle Topossammlung ging: Wie bereits oben angedeutet, sieht Alsted die von den drei Redegenera vorgegebene Struklurierung des ersten Teils des Artificium pn-orandi von einigen Kapiteln durchbrechen, die sich mit den Redeteilen und dem Vortrag beschäftigen (1,12-14 und 1,24-25). Alsted geht bei seiner Analyse des Aufbaus von der klassischen Eimeilung der ArbeitsSChrine ei· nes Redners in die invmrio, bei der die Topoi der drei Redegenera anwendbar sind, die dispositio, also die planmäßige Anordnung des in der invmtio erarbeiteten Materials, und die auio, den Vortrag vor dem Publikum, aus. Durch das VOrLiehen der genannten Kapitel verstößt Bruno, so AlSted, gq;en die eigentliche rhetorische Chronologie: Eine Behandlung der Redeteile ist erst dann sinnvoll, wenn das Inventionsntaterial aller drei Redegattungen vollständig zusammenge·
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Stellt iSt. Unter einer systematischen Perspektive kann dieser Befund durchaus plausibel erscheinen. Brunos Intention ist jedoch in erster Linie nicht
2 Artificium, S. 14 (331): EI hir quitlrm oottpo).o"(io. m rommiJsa ab aut/xm nostro. Zum rhetOrischen Terminus OOU:POAo"(lo. als die ~dem runürlichcn Geschehensablaur emgcgengcsct7.le Anordnung" zwcicr Inhahcvgl. L\US8ERG (960), § 891 r. 3 Artifirium, S. 6 (328): , ... / Ari/lottlis /. ..} txp!irat RNtoriram in pritM partt {' . ./. 4 Die Frage nach der literarischen "Ganung" da Kommentars in der Renaissance in noch nichl dttailliert bchanddt worden. AUCUSf BUCK hai vc:rsuchl, einige ;ulgem~n~ Anhaltspunkle Rir dne Typisierung zusammen1Wtdlen, vgI. BuCKiHERDING (1975). S. 7-19. Er nennt (S. 9) als Synonym~, mit dmen Kommentaft' bacichnn wurden, ncbt'n crplitari() auch rommmUlnum. JUJMUltumn. animaavnrionn, ClrftmllUl, tlowu und Mholia. Vgl. dazu auch $CHMJ1TISKINNER (1988). S. 792-804. 5 Ein~ ers(e Qudlenunlcrsuchung haI Tocco (1889), S. 15--18. durchgd'"uhn. Im wc:scntJichen hat er allerdings lcdiglich die Stdlen in der RhtlDriIt an AIo:ANbr und in der originalen Aristolela-Rhetorik (Anifüium 1,25) ab Vorlagt' l\ir Bruno idmlifiuen; auf den Zusammenhang mil der klassischen Rhetorik h2t er nicht hingewiacn.
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Überblickt man den ersten Teil des Anificium perorandi im ganzen, so wird erkennbar, daß Bruno sich nur in Kapitel 1,1-14 mehr oder weniger eng an die Rhetorik an Alexantkr anlehnt und seine Darstellung an don gebotenen Inhalten ausrichtet. Diesen Anfangsabschnitt könnte man durchaus noch als Kommentar oder z.umindest als Paraphrase zur Rhetorik des Anaximenes bezeichnen. Ab Artijicium perorandi 1,15 ändert sich der Charakter des Textes von einer paraphrasierenden Kommentierung der Rhetorik an Alexander hin zu einer Kompilation tradüioneller rhetorischer Lehrinhalte. die sich fast ausnahmslos auf die rhetorischen Schriften von AristoteIes, Cicero und Quinrilian zurückführen lassen und allenfalls noch in Ansätzen in der Rhetorik an Alexantur zu finden sind. Möglicherweise ist die explizite Bezugnahme auf die Rhetorik an Alexander in der überschrift nicht von Bruno selbst, sondern erst von Alsted bei der Edition des Textes hergestellt worden, indem er die Bezugnahme. die Bruno am Anfang des Werkes z.ur Rhetorik au Alexander herstellt (ohne je von einem Kommentar zu sprechen), auf den gesamten ersten Teil ausgedehnt hat. Denkbar wäre auch, daß Bruno in seinen Wittenberger Vorlesungen, bei denen das Corpus AriJtotelicum im Mittelpunkt stand, bewußt die Anknüpfung an den aristotelischen Text unterstrich, ohne dann im Einzelnen streng der Systematik der Rhetorik an Alexantkr zu folgen. Mit der kompilatorischen Vorgehensweise unter Rückgriff auf Aristoteles. Cicero und Quintilian unterscheider sich Bruno nichr wesenrlich von den Rherorikern seiner Zeit. Die Rhetoriker der Renaissance schufen sich ihr rhetorisches System auch und vor allem durch die Adaption der antiken Quellen; die drei genannten Auroren, auf die sich Bruno ganz offensichrlich gestützt hat, bildeten allgemein die Grundlage für die zeitgenössische Rhetoriktheorie. Eines der erfolgreichsren Rherorikbücher des 16. Jahrhunderts, die An rhetorica des Cypreanus 6 Soarcz, verarbeitete ebendiese Quellen. JOHN O. WARd hat recherchiert. daß im Zeitraum von 1477 bis 1600 zu Ciceros rheroriktheoretischen Frühwerken mindestens 255 Kommentare erschienen. Davon nahmen die Topik (77), De partitione oratoria (71) und De oratore (56) die vornehmlichen Positionen ein8 _ genau die Quellen also. für die man im Anificium perorandi über weite Strecken eine Bearbeitung durch Bruno nachweisen kann. Auch die Rhetorik des Arisroteles wurde zunehmend bekannt, nachdem sie in der Zeit der Scholastik eher ein Schattendasein geführt hatte. Im 16. Jahrhundert erschienen sieben neue Textausgaben, denen im 15. Jahrhundert lediglich zwei gegenüberstanden. Ähnlich verhälr es sich mit Quintilians lmtituh'o oratoria, die bis zum Jahr 1500 18 Editionen, bis 1600 bereits zusätzliche 130 aufweisen konnte. Scunos rhetorisches Kompendium auf Grundlage dieser drei Autoren Stellt sich somit als ein für seine Zeit durchaus typisches Unterfangen dar. In dieser
6 Dies uigl der programmatische Tilel der Soarez.RhelOrik: De arte melonea 'ibri Im Ciuronl' l't Quimiliano tkprompti. 7 WARD (J 983). 8 Vgl. SCHMJ1T/SKINNER (1988), S. 720-724.
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Aristottk.
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produktiven Adaption der antiken Quellemexte zeigt sich das Charakteristikum der Renaissancerherorik: Originalität wurde von den Auroren nicht in den neu erarbeiteten Inhalten, sondern in der Form der Ausrichrung, Zusammenstellung oder der Fülle der Darstellung ersucht. Verbindlich blieben dabei immer die an9 tiken Vorgänger. Es wäre also auch durchaus denkbar, daß BTuna bei der Abfassung des Artificium p~rorandi nicht auf die antiken Quellen direkt, sondern lediglich auf ein zeitgenössisches Kompendium dieser Quellen, das ihm zur Verfügung Stand, zurückgegriffen hat. Außer Erasmus von Ronerdam, auf den Bruno incürekr verweist, werden von ihm keine neuzeitlichen Texte oder Auroren er· wähnt; was Bcuna an Verweisen auf rhetorische Texte nenne, stammt ausnahmslos aus der Antike. 'o Es ist offensichtlich, daß Bruno das von der Antike errichtete rhetorische Lehrgebäude nirgendwo bedeU(end verläßt und sein Ansan hier nicht den Anspruch erhebt, sich von der traditionellen rhetorischen Systematik abzusenen. Bei der nachfolgenden Quellenanalyse des ersten Teils des Artifidum perorandi. in dem Bruno sich - wie gesagt - in weiten Teilen an die Systematik der traditionellen Schul-Rhetorik anlehnt, habe ich daher darauf verzichtet, die Parallelen zu den in der Renaissance gebräuchlichen Rhetorikkompendien näher zu verzeichnen. Im Vergleich mit dem eben genannten Rhetorikbuch von Soarez lassen sich eine Reihe struktureller Parallelen zum Artificium perorandi zeigen: Brunos Anmerkungen etwa zu den Redeteilen exordium und narratio,lI zur amplificatio/!, 13 zur status-Lehre und ihrer Anwendung oder zu den Argumemations- und SchJußformen '4 korrelieren teilweise sowohl im Inhalt als auch in der Reihenfolge beträchtlich mit den Stichpunkten in Soarez' Anmerkungen zur sei ben Thematik. Soarez gibt hierzu in Marginalanmerkungen zumeiSt die Stellen in den Quellentexten von AristoteIes, Cicero und Quimilian an, auf die er sich im einzelnen bezieht. In der Quellenanalyse von Brunos rhetorischem Kompendium habe ich daher die Verbindungen zu den antiken Quelleneexten gezogen, ohne daß damit ein direkter Bezug Brunos auf diese Texte nahegelegt werden soll Der breite und in seiner historischen Entwicklung doch relativ einheitliche TraditionsStrom der schulmäßigen Rhetorik kann nur durch Rückgriff auf diese fundamentalen Texte oder auf die systematischen Synopsen, wie sie HEINRICH LAUSBERG und JOSEF MARTIN erarbeitet haben, erfaßt werden. 9 SCHM1TriSKINNER (1988), S. 721: ~The: course: of Renaissance: rhe:wric is essentially one of synthesis, of varying degrees of compleleness, adressed 10 differing conlexts or goals. [... ] for rne: mOSI pan il was a que:slion of se:Jecting and rearranging from a common slOck, lhe: superiorilY of one: aUlhor ove:r anolher emerging in rne overall arl'2ngemenl, scope, 01 use of Idling quolalions." 10 Aristoldes (Artifitium, S. 22 (336), 27 (338), 27 (339), 48 (349), 81 (366),91 On), Cicero (Artificium, S. 34 (342»); Demosrnenes (Artifirium, S. 66 (359), 85 (368»). Auch die: Beispicls31zc in Arrifitium pmmuuJi 1,17 verweisen durch die Verwendung von römischen Namen (CatO, Fabius, Marccllus, Calilina) auf die Antike. 11 Anijicium 1,12 und 13 - Soara, Dr am rhtlOrica 11,2, S. 75-60, und 11,8, S. 63 f. 12 Anificium 1,16 und 17 - SO;lra, Dr 4rt~ rhuorica 1.34-46, S. 36-46. 13 Artificium 1,18 - Soarez, Dt aru rhrtorica 11,12 und 13, S. 66-68. 14 Anificium 1,19 - Soara, Dr artr rhrrorica 11,16-24, S. 70-82.
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Die Verarbeitung der verschiedenen Quellen zu einem einheitlichen Text hat zu einer eigentümlichen stilistischen Form des Artificium p~roraTldi geführt. Alsted betont in seiner Einführung als hervorstechendes Charakteristikum des Tex~ res die stark synthetische Sprachform der Schrift, unternreicht aber gleichzeitig, daß es Bruno ganz offensichtlich auf das rherorische Konzept, nicht aber auf eine rhetorisch geschliffene Darstellungsform angekommen sei: Bruno woll re hier nämlich nicht die eigene Beredsamkeit oder seinen rednerischen Fluß vorführen, sondern - wenn auch mit ~rober Kunstfertigkeit - ein vollständiges rednerisches Kunsrwerk vor Augen führen.
Der Gegensan zwischen der schmucklosen, technisch-trockenen, "unrhetori~ schen" Sprache und dem Inhalt, der Darstellung eines rhetorischen Lehrsystems, ist ein auff'alliges Merkmal des Artificium p~rorandi. Die gesamte Schrift ist in einer recht spröden sprachlichen Form gehalten und sie strahlt nichts an stilisti· schem Glanz aus. Der Leser sieht sich - wie bereits erwähnt - häufig mit einer teils kaum mehr auf den ersten Blick überschaubaren Fülle von Gliederungen, Aufzählungen und ineinander verschachtelten Zusammenstellungen konfrontiert. Alstecl merkt hierzu im Widmungsbrief an: Man sollre hier keine zum Vortrag geeignete Ordnung oder Eleganz des Stils suchen; keines von beidem war nämlich die Absicht des Autors. Wenn ich aber aus der Abhandlung erwas Neues härte machen wollen, dann wäre sie beileibe geschliffener geworden. Aber ich wollte lieber die Lehre des Aurors, eines nicht gerade un~ gebildeten Mannes, den Schülern der Beredsamkeit mitteilen, als selbst eine neue Abhandlung schreiben. '6
Die verarbeiteten Vorlagen aus der klassischen Rhetoriklehre hat Bruno zu einem Text zusammengeschmolzen, der sich dem Leser in seiner technischen Schmucklosigkeit in einer recht einheitlichen Form darbietet. Dazu dienen ihm in faSt jedem Kapitel durchnumerierte, teilweise aufwendig ineinander verschlungene Aufzählungen. Mit Ausnahme von Arhficium p~rorandi 1,1 und 1,3 wird diese listenartige Aufzählungssnuktur in jedem Kapitel des Anfangsteils veC'Nendet, aber auch hier iSI Brunos Bemühen erkennbar, die markante Strukrurierung des Inhalts, etwa bei der Benennung der Redegartungen und deren Unterarten in Artificium perorandi 1,1, für den Leser dennoch möglichst klar zu ordnen und durchschaubar zu machen.
15 Artificium, S. 21 (335): Bnmw mim noluit hic (lfuntil" fizrundwm ßumrnur oratorium, "d rudi Min~n.'I1 totum ftnn~ arrificium oratorium ob tK"Ul.ot pon~r~ wluit. Die Wendung rudi MiflmJa gehr wohl auf eine sprichwörtliche Floskel craJSa oder pinguior~ Minrrva zurück: Dicitur pinguiore Minerva fi"i. qIWd inconditius simpliciusqur qumiqur indonius fit, non auttm aquisjta artt nt( rxnniuimn rum. (Erasmus, Ad.tgiorum chi/im primn, Nr. 37.) Vgl. Gnu (1890).
S. 224 f. 16 Arrificjum, S. 7 (328): Non rst 'IUM quis wl ordin~m tttTOtlmnticum hir. wl stili ~kgantiam quttmtt. N~utrum mim horum propositum ttuthori. Quod si nouum a hor trttctatum fizrrn mihi übuiun, limtttior tquitkm prot/Hurt. &d mnlui ttuthoris. vin' non inmuliti, dortrinltm rum Orlttoriat fizrultiltis studios" (Ommunirll"_ qlUJm nouum ip" trartatum conrinnttl'f.
Juit
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Dieses zunächst scheinbar nur formale Kriteriwn des Textes enthält eine Relevanz, die bereits einen emen Hinweis auf die von Bcuna in seiner Rhewcik intendierte Sprachanschauung liefere Es ist ein auffälliges Scilmerkmal der Prosa Brunos - vornehmlich der italienischen -, daß er sich auch hier an zahlreichen Stellen einer Art wuchernden WortWuchses bedient, um eine Sache oder einen Gedanken von vielen Seiten zu beleuchten. OLSCHKl hat dieses Charakteristikum der Brunoschen Prosa besonders betom: Die merkwürdigste Verknüpfung von rhetOrischem Ausdruck und sachlicher Meinung, die Brunos Stil und Werk charakterisiert, finden wir in dem am häufigsu=n von ihm gebrauchten Kunstgriff der Enumn-ah'o. An zahllosen Stellen sdner italienischen Dialoge, eigendich fast auf jeder Seite und in jedem Zusammenhang, schichtet Bruno reihenweise meist zur En.eugung einer Steigerung der Oberzeugungskraft und der rhetorischen Wirkung Worte und Wendungen auf, die jeweils den gerade behandelten Gegenstand nach allen Richtungen hin erschöpfen.'7
Darin versucht Bruno jedoch nicht nur "dichterisches Virtuosentum" zur Schau zu stellen, sondern sein enumerativer Stil zielt direkt auf Brunos genuinen Wahrheitsbegriff. der nicht nur in literarisch-poetischen, sondern auch in philosophi~ sehen Kontexten verwurzelt ist. la Brunos Sprache will dadurch nicht (nur) glänzen. sondern reflektiert eine philosophische Wahrheitssuche. Ein eindrucksvolles Beispiel für dieses Stilmerkma.l ist etwa die Einleitung zu den Heroischm Leidmschaftm oder zum AJchennittwochsmah/. ROBERTO TISSONI hat gerade an hand des AJchermitfWochsmahlJ in einer differenzierten Analyse gezeigt, daß Bruno bei der Anwendung dieser stilistischen Eigentümlichkeit sehr wohl eine disziplinierte Syntax mit einer planvollen Anordnung zu verknüpfen wußte, und hat ferner darauf hingewiesen. daß zwischen dieser Form der Darstellung und den Schwer~ punkten von Brunos Denken wie etwa der Weltseeleniehre eine notwendige Ver19 knüpfung bestehr. Die diffizile Verschachtelung der rhetorischen Strategien im ersten Teil des Artificium perormu1i deutet dadurch ein inneres Wuchern von Sprache an, das ich unten noch näher charakterisieren werde (Kapitel 7). Welche Absicht steht nun hinter der intensiven Topisierung der Rhetorik im Artificium perortl1ldJ? Die umfangreiche MateriaJfülle, die Bruno in seiner Rhetorik dem Redner zur Verfügung stellt, kann durchaus als ein VelVleis auf die stili~ nische Kategorie der Enumeratio interpretiert werden, von der Btuno in seinen Texten häufigen Gebrauch machte. Der unmittelbare Eindruck liegt daher nahe, daß zwischen Brunos Rhetorik einerseits und Brunos "wuchernder" Prosa andererseits eine systematische Verbindung besteht. Doch der Leser des Artificium perorandi sieht sich im ersten Teil des Textes lediglich mit der Fülle der Aufzäh-
17 OU;CHKJ (1927). S. 54. Vgl. dazu auch BAUM (1993). S. 44 f. 18 BARBERI SQUARorn (l958A), S. 168: ~L'<,"um<,nu.ion<, [... J non COSUltllSC<, 1'<'Silo di un imr.nto di vinuosismo linguistico, [... 1 m:a il risuh:ato stilistico di un cmusiasmo, Im po' ing<'nuo, :a milli. eh<, f:a insist<'r<' il discorso sugli aspctti <' sui modi ddl:a veritlt d:a comemplu<' {... J. ~ 19 TISSONI (1%1), S. 377-382.
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lungen konfrontiere, ohne daß ihm dabei auch eine rhemrische Methodik zur Verfügung geStellt wird. Diese Schwierigkeiten lösen sich auf, wenn man das Artificium p~rorandj als Gesamtkonzept ins Blickfeld rückt: Das Bild, das Bruno von der rherorischen Textprodukrion im ersten Teil des Artjficium p~rorandj verminelt, greift auf die dem rhetorischen Topos-Begriff zugrunde liegende Vorstellung zurück, daß "beim Argumentieren nicht gerade immer dieselben Argumente verwandt werden, aber doch immer wieder rypische".lo Das heißt, im Grunde kann jede Rede auf eine Abfolge formaler Topoi zurückgeführt werden. Bruno betont an mehreren Srellen dieses ersten Teils, daß die von ihm vorgestellten und von konkreten, praktischen Redesituationen ausgehenden T opiken genereU auf Reden jeglichen beliebigen Gegenstands übertragen werden können, daß sie also universeU sind. überdies Stellt - wie er gerade im ersten Teil ausdrücklich sagt - die Einteilung rhetorischen Sprechens in die drei Redegenera eine Klassifikation dar, die als ein Modell für die Behandlung von jeder Art von Thema angesehen werden kann. Was Bruno im ersten Teil des Artificium perorandj zunächsr verminelt, ist das Bild einer Rhetorik, deren Themarik zwar von konkreten menschlichen Situationen ausgeht, deren Relevanz jedoch auf jeden Bereich des menschlichen Diskur~ ses ausgedehnt werden kann. Die rhetorischen Topoi werden dabei zu Topoi des menschlichen Denkens überhaupt und die Rhemrik zu einer Wissenschaft mit universeller Zuständigkeit. Die stark formalisierte, enumerative Strukrur, die Brunos Darstellung der rhetorischen Lehre im ersten Teil des Artificium perorandj aufweist, erfüllt den Zweck, Sprache auf ein formales Gerüst zu reduzieren, um dann in einem Inventionsprozeß aus djesen formalen Sprachelememen Sprache als einen universellen Text zu generieren. Diese Aspekte werden im ersren Teil des Artificium p(1'orandj nur angedeutet, während ihre Einordnung in ein fundiertes Rhetorikkonzept erst im zweiten Teil vorgenommen wird. Dort formuliert Bcuno den Gedanken einer Universalmpik mehr oder minder ausdrücklich und integriert die Topisierungen des ersten Teils dann in diese Universaltopik. Der spröde, von Listen und Aufzählungen geprägte Charakrer des ersten Teils des Artificium p~rorandj kann nur als Element des Rherorikkonzeptes sinnvoll gedeutet werden, das Bruno im zweiten Teil darlegr; für sich allein genommen bleibt dieser ersre Teil unbefriedigend. Erst in Verbindung mit Brunos Verständnis des Topos~ und des copja-Begriffs, die im Zentrum des zweiren Teils stehen, ergibt sich ein Gesamtkonzept des Textes. Der konkreten Detailanalyse des ersten Teil seien im anschließenden Kapitel zuvor noch ein paar kune Hinweise zur Rh~torjk an Alexander vorangestellt, da diese Schrift nicht in dem selben Maß bekannt ist wie die anderen rhetorischen Schriften, auf die ich mich folgenden beziehen werde. Direkte Anknüpfungen Brunos auf die Rh~torjk an Akxandn- finden sich nur in der überschrift zum er~ sten Teil des Artificjum p(1'orandj sowie in der Vorrede und dem ersten Kapitel: 20 GOTI"ERT (1998). S. 34.
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Hier nenm Beuna die vermeindich aristotelische Schrift und gehe auf ihren Inhalt ein. Ansonsten kann man nirgends erkennen, daß Bruna eine besondere Af~ finität zu dieser Schrift herstellen wollee. Über die Gründe, weshalb dennoch eine äußerliche Bezugnahme des Artificium paorandi auf die Rhetorik an Akxand.er fesnustellen ist, kann man nur spekulieren. Wie bereits erwähnt, könnte diese Bezugnahme auf zwei Wegen zustande gekommen sein: Naheliegend ist, daß Btuna rnöglichcf'Ncise im Rahmen seiner Wittenberger Vorlesungen über Aris(Ote!es einen aristotelischen Vorlagentexe benötigte, sich dann jedoch inhaltlich stark von dieser Vorlage entfernre. Möglich ist auch, daß erst Alsred durch den im Artificium perorandi eingangs hergestellten Bezug zur Rhetorik an Alaandu den Verweis in den Titel der Schrift übernahm.
4.2 Exkurs: Die pseudo-aristorelische Rhetorik an Alexander Die Rhuorik an Alaandu hat ihren Namen von dem am Anfang des Textes stehenden Briefes erhalten, in dem Arisroteles diesen rherorischen Traktat A1exander dem Großen widmet. Dieser Brief, der mit Sicherheit gefälscht ist, spielt auf die historische Tatsache an, daß Arisroteles der Lehrer des jungen A1exander gewesen ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Brief erst im Laufe der Oberliefe~ rung dieser Schrift an den Anfang des Textes gestellt. Als tatsächlicher Verfasser der Rhetorik an Alexander gilt heure im allgemeinen Anaximenes von Lampsall kos. Dessen Lebenszeit faUt ungefahr in die Jahre 380-320 v. ehr. Anaximenes trat sowohl als Rhetorik-Theoretiker als auch als Redner in Erscheinung, wobei die Stegreifrede seine Spezialität gewesen sein soll. Er stand in enger Beziehung zum makedonischen Königshof und wurde vielleicht schon vor AristoteIes zum Ausbilder A1exanders des Großen bestimmt. Lirerarische Werke sind von ihm nicht nur im Bereich der Redetheorie bekannt, doch von diesen anderen Schrifren besitzen sind lediglich die Tirel und einige kleine Fragmente bekannt. So soll er neben einem Werk über A1exander den Großen, den Philippika. auch eine Universalgeschichre von der Götterentslehung bis in seine Gegenwart verfaßt haben. " Auch was die Verfasserschaft des Anaximenes für dic RJworik an Alaallder angeht, bestanden bis in jüngste Zeit Zweifel. Mittlerweile kann es aber als gesichert angesehen werden, daß zumindesr wesentliche Teile des Textcs vor dem Eingriff eines Bearbeiters, der möglicherwcise mir dem Verfasser des gefalscillen Einlcirungsbriefel' an Alexander identisch ist. authentisch von Anaximencs stammen.!4 21 Vgl. BRZOSKA (1894), Sp. 2086-2098. 22 Zu scint"m literarischen Schaffen vgl. WENDlAND (1904). 23 Für echt häll dt"n Einltilung5briefund die Rhetorik GOIlLKE (1959). 00. S. 6 f. 24 Dit" philologische Diskussion übt"r die Verf~rfrage iSl flir die Unlersuchung der Reu:plion bt"i Bruno grö&cntcils ohne Belang. Vornehmlich SIÜIZI sich die Zus.chrcibung an Anaxilllencs auf Quim., inst. 3,4,9 (AnaximrnN iw/;c;akm Cl contionalnn g~Mr"lis pariN nu IIOluir. upum auum fp~ci~s: horwuli, tbhonandi, iPut/andi. lIitupcrandi. a(cuSilndi. MftnMndi. n:quirmdi 1...1l sowie
DER ERSTE TEll DES ARTlFIC!UM PERORANDI- DAS KL\SSISCHE RHETORIK-SYSTEM 47 Die Zeit der Abfassung ist ungefähr auf 340 v. Chr. anzusetten, da das letzte historische Ereignis. auf das innerhalb der RJutorik an Alexantkr verwiesen wird, auf s das Jahr 341/340 v. Chr. fesrzulegen ist.: Damit ist die Rh~torjk an Alexandn- geringfügig älter als die aristotelische Rhetorik. für die eine Abfassungszeit nach 338 u anzunehmen isr. , Zwischen beiden Texten lassen sich Parallelen erkennen. die sich sowohl in Einzelheiten als auch in Auswahl und Vorgehensweise bei der Damellung zeigen. BARWICK hat plausibel dargelegt. daß der Grund für diese Übereinstimmung in der Benurzung einer gemeinsamen Quelle zu suchen ist, als die er die Theodekteia und deren Bearbeitung durch Aristoteles in der ouvoywyn 'tEXVOOV identifizierte. Ähnlich hane dies vor ihm schon WENDLAND versucht. der allerdings lediglich 27 eine nicht konkrete. rhetorische Tradition annahm. Berücksichtigt man diese weirreichenden Ähnlichkeiten, so kann es kaum verwundern, daß bis ins 16. Jahrhundert keine Zweifel an der tatsächlichen Autorenschaft des Aristote!es aufkamen. Erstmals äußerte Erasmus in seiner Ausgabe der Rhetorik an A/aandnvon 1531 derartige Bedenken. und Petrus Vicrorius stellte in seinem Kommentar zur Aristoteles-Rhetorik von 1548 die zitierte Quintilianstelle in Beziehung zur
Rhetorik an Alexander. l8 Für die textkritische Bearbeitung der Rhetorik an Alexander hat MANFRED FUHRMANN Wesentliches geleistet und erstmals versucht, ein Stemma zu erstellen. Die Überlieferung Stürzt sich auf knapp 40 griechische Handschriften mit dem vollständigen Text oder Auszügen, die sämtlich auf das 14. Jahrhundert oder l9 später zu datieren sind. Einen wichtigen Beitrag zur textgeschichdichen Beur-
ähnlich Syrian, SclJo/ia ad H('nnogUliJ StatUS, S. 60. SI'I'.NGI'.L nahm im ersten San der Rktorilr an AkXimdt'r eine enlsprechende Konjektur vor, die nach dem Erscheinen seiner Textausgabe 1844 eine erste Verfasserdeballe hervorrief. Zu diesem erSlen Diskussionsabschnitt vgI. 11'FELKQFI'.R (1889). Eine neue Wdle der kontroversen Diskussion um die Rkrorik an Alotandt'r sem mil BUCHI·lEIT (1960), S. 189-207, ein. der eine ausfuhrliche Kritik der Argumente unternahm und hier eine Widerlegung der bislang akzeptienen Argumente versudllC, die er in der Re7.cnsion der FUHRMANN-Ausgabe und dessen Untersuchungen zur Tcxlgeschichle, BUCHHEIT (1969). S. 736. konkrelisierte: ~I ... I die von Anaximenes verfaßle Rhelorik isl von dem. der den Brief vorausgeschickt hat, so entscheidend verändert worden, daß man die heUle erhaltene Fa.ssung korreklerweise nichl mil dem Namen des Anaximencs etikellieren kann." Für weilere Lileratur und Widerspruch gegen BUC/IHI'.IT siehe BARWICK (1966) und FUHRMANN (1964), S.146-150. 25 An einigen Siellen wird auf den Sieg des Timoleon über die K:mhager am Krimisosnuß aufSizi· lien 430 angcspidt: &A 8,8; 29,2; 32,6. Vgl. BAIl.WICK (1966), S. 233. 26 Atisl., Rild. 2,23. Das historische Ereignis fur den Terminus POSI quem hierbei war die Gesandt-
schaft zu den Thebanern. die die Erlaubnis einholen sollten, daß Philipps Truppen durch deren Territorium nach Allika marschieren dürfen. Anders allerdings die Chronologie bei DORlNG (1966), S. 118, der ebc:ndicse Sielle (Atist., RJm. 2,23-24) Hir ein von AtiSlOldes späl'er hinzugefugles Texuliick hält und die Rhrtori/t auf die erSle Hälfle der fünfziger Jahre ansenl (S. 49 f.). 27 WI'.NDLAND (1905), S. 68: ~Wie wir sahen, iSI Anaximenes als unselbsländiger Compilator von derselben Traditjon abhängig. die auch AristOides voraUSSCI7.1, sichtet und unter höhere wissensch:.tfdiche Gesichtspunkle ordne!. ~ 28 BI.ASS (1887-1898), Band 2, S. 383. 29 Auflislung und Beschreibung der Temeugen bei FUHRMANN (1964), S. 14-21.
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teilung der Rhuorik an AkxantUr lieferte die Entdeckung des Papyrus Hibeh 26,.10 dessen Entstehung ungeHihr auf die Zeit 285-250 v. ehr. zu datieren ist und der daher wichtige Rückschlüsse auf die ursprüngliche Textgestalt z.uläßt. Darüber·
hinaus existieren zwei voneinander unabhängige Übersenungen ins Lateinische. Die eine davon, der Codex Varicanus latinus 2995, wurde von MARTIN GRABMANN entdeckt und publiz.iert,Jl die andere, der Codex Urbanensis 8. enthält nicht den vollständigen Text und wurde bislang noch nicht ediert. Beide Obersenungen sind anonym, heide sind wohl im ausgehenden 13. oder am An-
fang des 14. Jahrhunderts entstanden, und es gibt Indizien, die dafür sprechen. daß heide auch auf der Grundlage des seihen griechischen Texres entstanden . cl" sm . GRABMANN war zunächst geneigt, die von ihm aufgefundene Übersetzung aus stilistischen und methodischen Gesichtspunkten Wilhe1m von Moerbeke als Verfasser zuzuschreiben,3J später jedoch Ijeß er diese Annahme durch die von DIITMEYER vorgebrachten Argumente wieder fallen.'" Die Rhnorik an Alaamkr wurde wiederum im Jahre 1430 von Francesco FiIelfo 0398-1481) ins Lateinische übertragen und noch vor Erscheinen des grie. chischen Originals in Druck gegeben. Diese Übersenung war während der Renaissance die vermutlich am leichtesten zugängliche und am meisten gebrauchte H lateinische Ausgabe dieses Textes. Möglicherweise handelt es sich beim Abschreiber des Codex Laurentianus 60,18 ebenfalls um Filelfo, wie FUHRMANN J6 mutmaßt. Laut Subscriptio wurde diese Abschrift im Mai 1427 in Konstantinopel erstelJt, Filelfo kehne im Oktober 1427 von dorr nach Venedjg zurück. Man kann davon ausgehen, daß auch Bruno den Text in der lateinischen Übersetzung von Filelfo kannte. Auch wenn die ältere, mittelalterliche Überset· zung von Wilhe1m von Moerbeke stammen sollte, dessen Aristoteles-Übersetzungen in starkem Maße rez.ipierr wurden, ist es unwahrscheinlich, daß Bruno diese Übersetzung gekanm hat. Der Vergleich der heiden Übersetzungen mir
30 Gefunden 1902 in der Nekropole von Hibch, ediert VOtl GRENFEI.IJHuNT (1906), S. 114-138, vgl. dazu FUHRMANN (1964), S. 116-127. 31 GRAßMANN (1932), S. 26-81. 32 Dazu FUHRMANN (1%4) S. 108 f. 33 GRAßMANN (1932), S. 17-2i. 34 GRAßMANN (1946). S. 119: ~In seguito alle persuasive csposizioni di L. Dinmeyer. io :lb:lnd:lno 1:1 mia prima [csi e non amibuisco piiJ. qucsta lraduzione a Guglielmo di Moc:rbeke.~ Ober die Verfassersch:lft dieser ÜixfS(nung wurde zuvor eine lange Diskussion gdlihrt. Ausf'Uhrlich: DIlTMEYER (1933), S.I,)7-16'); DnTMEYER (1934), S.I66-I72: DrrrMEYER (1938), S. 2,)}-2')6; 286-288. In jüngerer Zeil: STAIU"ON (19n). 3') Zur Bedeutung dieser Überst'nung in der Renaissance SCHMITr (1983), S.70 und S. 140: ..Among his [Fildfosl translalions from Greek is aversion of the pseudo-AristOldjan RlNtoriC/l ad Ain:ondrum, which rem:lined sundard lhroughoUl the Renaimncc:. Zu den verschiedenen Druckausgaben der Fildfo-Übersenung vgl. GRAIlMANN (1932), S. 24 f.; zum Werk Fildfos vgl. :lUch SANDYS (1906-1908), Band 2, S. 55-57. Eine eingehende Bcwerlung dieser übersel7.ung nimmt MARsH (1993) vor. Zur Rolle dieser Arbeit in der Biographie Fildfos vgl. RFsrA (1986), S. 14 f. 36 FUHRMANN (1964), S. 15. k
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dem Artificium p"orandi bestätigt diese Vermurung: An Stellen, an denen Bmno ganz offensichtlich den Inhalt der Rheton·k an Alexander paraphrasiert, hält er sich sehr eng an die bei Filelfo zu findende Worrwahl. Als Beleg hierfür mag genügen, daß Bcuno etwa die drei Redegenera mü den gewöhnlichen - und auch seit der antiken Rhetorik üblichen - lateinischen Bezeichnungen genus ddiberativum, genus tkmonstrativum und genus iudiciau benennt. Diese Begriffe decken sich mit der WortWahl in der Filelfo-Oberserzung, während die anonyme, mittelalterliche J Obersenung vom genus tk/iberativum, exclamativum und disceptativum spricht. ] Es ist daher wahrscheinlich, daß Bruno diesen Text in der Filelfo-Überserzung kennengelernt hat; Verweise auf die Rhetorik an Alexander werden von mir daher im folgenden auf der Grundlage der Filelfo-Übersenung gegeben. Hingegen ist unwahrscheinlich, daß Bruno das griechische Original der Anaximenes-Rhetorik studiert hat. Ober Griechisch-Kennrnisse Bcunos ist nichts bekannt. Der Vergleich und die Auswertung der Texttradition führt zu der Schlußfolgerung, daß der Text der Rhetorik an Alexander insgesamt sehr schlecht überliefert ist. Vor allem an Stellen, an denen Fachternuni definiert oder zusammengestellt werden, tritt die Korruptheit des Textes deutlich zutage. Insbesondere beim Vergleich mit dem Hibeh-Papyrus zeigt sich, daß Rückschlüsse auf die Originalterminologie äußerst problematisch sind, da die Textgestalt im Laufe der JahrhunJlI derte massiven Eingriffen ausgesetzt war. Das rhetorische Lehrbuch des Anaximenes kennt noch keine systematische Theorie.J~ Teile der später verfestigten rhetorischen Lehre finden sich zwar schon bei Anaximenes ansatzweise besprochen, eine strukturiene und in ihren Teilen zu einem Lehrgebäude verdichtete Darstellung war aber nicht das Ziel des Textes. Dennoch lassen sich einige Merkmale aufweisen, die bereits klar die Tendenz zeigen, eine logische und in sich konsistente Einteilung vorzunehmen. Anaximenes benutzt dafür ein Arsenal bestimmter, näher eingeschränkter Termini wie yEvOl;, ElöOl;, iÖEn, ~EPOl;, ~90001;, O"lOlXElOV und O"xiW-n. Dieser Vorgang des Aufreilens von Oberbegriffen in ihre Bestandteile, den Anaximenes auch mit einem Fachterminus ÖICX\.pEO"H; nennt, ist die bestimmende gedankliche Richtung der Rhetorik an Alexander, während umgekehrt die Disposition der aus den Einzelbegriffen gebildeten "Gattungen" zueinander, also die Bildung eines Systems, weniger im Interesse des AutOrs liegt.'"' Weiterhin weist die Rhewrik an Alexander besondere, formale Klarheit bei Begriffsdefinitionen auf, die Anaximenes regelmäßig in den Text einbaut. Auch gewisse didaktische Darstellungsformen wie "der 37 Anificium 1,1. S. 28 (339); RaA. rr411SL FiL. 5. BI" (. 1421B8 f.); GRAßMANN (932), 5. 28. Einen ihnlichen Befund liefen der Vergleich der Bac:ichnungen /Ur die sptn·n der Rede im folgenden. 38 FUHRJ,.-tANN 09(4), 5.171. So sind etwa tragende Ikgriffe wie lt\lCM;,. tll:lÖEllC'tIIC6t;, Ö1'\IlTl'YOPllCÖ<;, ÖlICQVllCÖt; u.a. allesami naduriglieh in den Texl c:ingeftigt, vg!. FUHRMANN (1964),5.189. 39 Zu den im folgenden l.usammengesldhen Charaklerisrika der RmloriJt an Akxarubr vgl. awfuhrlieh FUHRMANN (1960). 5. 15-28. 40 Allerdings wird die Syslembildung. das (1\)VlOtCr.val. nichl gänzlich außer Acht gda.sscn, vgl. FUHRMANN (1960). s. 21 mit Anm. 3 und 4.
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schablonenhafte Aufbau. der aus den drei Elementen Einteilung, Definition und ausführlicher Beschreibung zusammengesetzt ist. der Parallelismus und der Katalog"·1 prägen die Methode der Rh~torik an A/exanda. Trotz in manchen Teilen mangelnder Systematik tein so die Struktur des konsequent strukturierten Lehrbuchs klar zutage...Die mit einer bestimmten Terminologie bezeichneten Me· [hoden, die Aufbauformen und DamellungsmineI des systematischen Kompendiums einer Fachwissenschaft finden sich hier bereits sämtlich angewandr."4~ In einer weiteren Untersuchung hat FUHRMANN versucht, eine lireraturge43 schichtliehe Einordnung der Rhnorik an Akxanda vonunehmen. Haue man zuvor dafü'Jlädien, die Rhetorik des Anaximenes entweder in die Nähe des Ari4j stotelismus zu rücken oder Einfluß sokratisch-platonischer Philosophie anzunehmen, versuch re FUHRMANN nun. durch Gegenüberstellung mit den Quellen, aus denen sich Schlüsse auf den Umerrichtsbetrieb der Sophistik ziehen lassen,oI6 die Rh~torik an Akxamur zu beleuchten. Dabei stellte er einige Übereinstimmungen fest: Die sophistische Rhetorik wie die Rh~torik an Akxantkr befaßten sich ausführlich mit den verschiedenen Redeteilen (~EPTJ AOYOU) und den jeweils don zu behandelnden Gegenständen, besaßen eine besondere Differenziertheit der Terminologie und benutzten Begriffsbestimmungen als methodische Hilfsmirtel. Auch aus anderen Quellen zur Sophistik ist das besondere Eimeilungs- und Unterscheidungsverfahren durch Begriffe wie cSlatpdv. cStaipEO'l~, cSlacpEpElv und cSlacpopCt bekanm, wie es Anaximenes an zahlreichen Stellen anwendet. Generell ist die besondere Hervorhebung und Kennzeichnung der gedanklichen Struktur des Textverlaufes ein besonderes Charalueristikwn sophistischer Lehrmethode. Es zeigt sich somit, daß die Rhetorik des Anaximenes ein Zeugnis des sophistischen Unterrichtsbetriebes in der Rhetorik darstellt. Einfluß sokratisch-platonischer Ethik läßt sich an keiner Stelle nachweisen. vielmeht tritt der ethische Subjektivismus der Sophistik in der Vordergrund: Über das rein Rhetorische hinaus muß der Redner für Anaximenes keine Qualitäten besitzen. Die Rh~torik an Akxamkr stellt für uns als einzig erhaltener Text noch am ehesten den Typus der sophistischen TEXVTJ dar. Der Vergleich der Rhetorik des Anaximenes mit dem eher philosophisch beeinflußten Typ dieser lehrbuchgatfung, der Rh~torik des AristoteIes. zeigt. "wie sich der gute Durchschnitt der damals massenhaft kursierenden Handbücher neben dem Kulminationspunkt der ·h en Leh re ausmmmt. . «47 rhetoflsc Zwei der genannten Charakteristika der Anaximenes-Rhetorik finden sich auch in Brunos Rhetorikschrift wieder und sind möglicherweise der Grund dafür, daß seine Wahl auf die Rh~torik an Akxand~r als Vorlagemcxt für das Artificium 41 FUHRMANN (1960), S. 25. 42 FUHRMANN (1960), S. 16. 43 FUHRMANN (1960), S. 122-144. 44 ZF.Ll.ER (1919), Abteilung 2,2, S. 78, Anm, 2. 45 BARWICK (1922), S. 33 r. 46 Vornehmlich Platon, Phaidros, 266C267D und 275BlT. 47 FUHRMANN (1960), S. 139.
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peroralldi fiel. Für Anaximenes stand weder die terminologische noch die inhaJcliehe Systematik seines Textes im Vordergrund; KaraJoge und Beispielsammlungen prägen über weite Srrecken den Inhalt der Rhetorik. Brunos Adaption der traditionellen Rhetorik geschah vornehmlich unter der Perspektive, für die verschie· denen rhetorischen FaJlbeispieie Listen von Topoi zu ermitteln, aus denen möglichst zahlreiche Argumenre entwickelt werden konnten, und hier konnte er bei Anaximenes aus dem VoUen schöpfen. Überdies führte die sophistische Ausrichtung der Anaximenes-Rbetorik dazu, daß die invmho durch keinerlei ethische oder wissenschaftstheoretische Vorgaben eingeschränkt war, sondern in jeglicher Hinsicht eine offene Erörterung eines gegebenen SachverhaJts unter verschiedensten Aspekten ermöglichte. Ganz anders hätte Bruno vorgehen müssen, wenn er die aristotelische Rhetorik aJs Vorlage verwendet hätte. Aristoteles versuchte, der Rhetorik einen präzisen Platz im System der Einzelwissenschaften zuzuordnen. Methodisch steht für ihn die Rhetorik in enger Beziehung zu den Schlußverfahren der Logik und jede rhetorische Argumentation hat somit eine formaJlogische Basis. Die möglichst produktive und perspektivenreiche illVmhO, auf die Brunos Rhetorikansatz abzielt, war bei Anaximenes vorgebildet. Ein anderer Text Brunos enthält einen Reflex auf seine Einschätzung der Rhetorik an Akxanda. Die im Manuskript überlieferte und vermutlich im Zeitraum zwischen 1586 und 1591 entstanden Schrift De magia beinhaJtet einige Gedanken Brunos über Bedeutung und Anwendungsbereiche der Magie. Dabei kommt Bcuno auch auf die magische Bedeutung "von Sprache und Gesängen" zu sprechen, und in diesem Kontext beschäftigt sich Bruno auch mit der Wirkung der Rhetorik: Hierzu gehört auch die Kunst der Beschwörung und die Art der Verzauberung des Geistes, die durch Lieder und Gesänge geschieht, was auch immer die Redner von dem, was zum Zu- oder Abraten oder zum Erregen von Affekten beiträgt, behandeln; den anderen Teil dieser Kunst freilich übergingen sie und lassen ihn in der Gewalt der Magier oder der Philosophen oder der Listigeren unter den Politikern; dennoch hat ihn Aristoteles in der Rhetorik an Akx4ndn großenteils erschöpfend behandelt, und er wird auf zwei Hauptpunkte der Betrachtung reduziert, zum einen, was der Beschwörer beachten solle, was sich für ihn zieme und was ihm zukomnu, zum anderen, was beim Beschwören oder Verzaubern gefliJh, Anklang finder, wobei freilich dessen Eigenan beachtet wird, der Zustand, der Umsland, der Nunen - d~h ~I d~ zum gegenwärti~n Zeitpunkr im Derail danuSlellen und auszuführen Isr hIer nlchl der rechle On.
48 IX magia, $. 44}-446: &cundum vincuium ~ IIOC{' er cantu. [, .. 1 Ad rrgo anrm S~f1Ill rt ram vinculi spiritus s~dmJ, quar Nt per cantus seu carmina. quicquid tractant oratorrs fit
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Es Mit schwer. diese Andeutungen Brunos mit der Rhetorik an Akxandc- in Einklang zu bringen. Zwar behandelt Anaximenes in Kapitel 7 im Zusammenhang mit dem "Wahrscheinlichen" (ElJC6<;) die Gefühle (11:6.60<;) eines Menschen. die der Redner durchaus bewußt in seiner Rede für die eigenen Zwecke einsenen kann und fügt diesen als weitere emotionale Eigenschaften, die vom Redner ausgenurzt werden können, die Gewohnheit (E9os) und das Gewinnstreben (KEP&><;) hinz.u. Dieser Abschnitt kann aber kaum als eine "großemeils erschöpfende" Ausführung bezeichnet werden. Hinsichtlich des Redners selbst und einer etwa emotional verstärkten Redeweise enthält die Rhetorik an Akxando über~ haupt keine Anweisungen. Die von Bruno stark hervorgehobene Dichotomie Redner - Hörer in der Behandlung dieses Themas nitt bei Anaximenes nirgends zutage. Die Parallelen dieser Aussage mit der originalen aristotelischen Rhetorik hingegen liegen nahe. Was Bruno im obigen Abschnitt über die zweigeteilte Affektelehre referiert, steht vollkommen im Einklang mit der Systematik, mit der Ari· stote!es im zweiten Buch der Rherorik die Affekte vorführt, nämlich sowohl im Hinblick auf die Darstellung einer bestimmten Mentalität beim Redner (1190;)49 als auch einer beim Zuhörer zu erzielenden Emotion (mOo;). ~ Bei Aristotdes werden zwei Arten von Affekten unterschieden, von denen die einen dem Redner größere Glaubhaftigkeit verschaffen, die anderen das Urteil der Hörer beeinflussen sollen. Diese zwei verschiedenen Blickpunkte, unter denen die Affekterregung besprochen wird, kämen - wenn man diese Parallele zieht - in Brunos Unterteilung durch quid Muat S~ (Redner) und quid pfauat (Hörer) zum Ausdruck. Auch für Brunos Darstellung der Rhetorik im Artificium p~rorandi iSt djese Affektelehre des Aristote!es etwas, das er nicht beiseite lassen will und das daher für ihn offenbar ein nicht unbedeutender Abschnitt der aristotelischen Rh~torik war. Wie FELICE Tocco angemerkt hat, steht die zitierte Passage aus De magia in Beziehung zu einem T extausschnin in den Theus de magia, wo Bruno - aller· dings nicht mit direkter Bezugnahme auf die Rhetorik an Alexarlder - über die Rhetorik spricht als eine Kunst, die über die Seelen durch sich selbsr und unmittelbar Macht gewinnt, und dann auch in der Folge minelbar über die Körper, nämlich durch Zorn, Empörung, Furcht und andere derartige Affekte, die als solche dann bei lebenden Personen auf dem Weg über die Seele bis hin zur Vernichtung des Körpers die Macht übernehmcn.
"
Auf die drei hier genannten und in der Rhetorik relevanten Affekte Zorn (im), Empörung (indignatio) und Furcht (timor) geht Bruno im Artificimn perormuii 49 Arisl., Rhtt. 2,1-11. 50 Arisl., Rhtt. 2,12-17. 51 Tocco (1892), S. 130 mit Anm. I, weist auf die Verbindung zu Thesis XL hin, TJm,s d~ rrwgia, 5.479: Paut in incilmation~. qUiU ~t ptr IIn~m rMtoricam. qUItt vinci/ animos ~r u primo tl immdiatt. vincit ~tiam corpora mrdiatt tt c01lS~qunlttr. licut tx ira, irulignation~, timou tt aliiJ huiusmodi IIffietibus. qui licllt proprii l!il/t1ltibus propur lI"irrulm ad ptmicimJ USlf~ corporis i1l/lOusCllnt.
DER ERSfE TEll DES ART!FlCIUM PERORANDl- DAS Kl..ASSlSCHE RHETORIK-SYSTEM
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1,25 näher ein, und hier unterstreicht er ausdrücklich. daß er dabei an die Darstellung der originalen Arisroteles-Rherorik, nicht aber an die Rhnorik an AkxanJ c n aer an Im"uple. In De magia liegt somit wohl eine Verwechslung vor. Bruno dachte hier an die Affektelehre der großen Rhetorik des AristoteIes, nicht an die Rhetorik an Akxanda, und dadurch läßt diese TextsteIle auch keine Rückschlüsse auf Brunos Einschätzung der Rhttorik an Akxarukr zu. Worum es ihm hier ging, war die Bej3 deutung der emotionalen Beeinflussung in der Rhetorik für die Magie. Auch die Affektelehre wird von Bruno im Artificium perorandi topisiert und dadurch vor den Hintergrund des rhetorischen Diskurses gestellt; Bruno zielt dabei nicht auf eine auf Magie und Sympathie beruhende Praxis. Reflexionen über die magischen Wirkungen der Rhetorik finden sich zwar schon früh im Kontext der sophistischen Rhetorik,~ in welchen auch die Anaximenes·Rhetorik einzuordnen ist, aber Bruno denkt an der TextsteIle von Dt magia an die Lehre von der rhetorischen Affekterzeugung, wie sie Aristoteles detailliert ausgeführt hatte. Das Artificium perorandi jedoch kann - wie die nachfolgende Interpretation erweisen soll- nicht in einen sprachmagischen Kontext gebracht werden; die Magie als Kunst der emotionalen Einflußnahme ist für Brunos Wittenberger Rhetorikschrift kein brauchbares Interpretament.
4.3 Detaillierte Quellenanalyse 4.3.1 Die Vorrede Dem im eigentlichen Sinne der Rhetorik gewidmeten Teil des Artificium ptrorandi in 25 Kapiteln stellt Bruno eine Einleitung voran. Darin geht er zunächst auf die beiden aristotelischen Texte zur Rhetorik ein; die beiden Rhetoriken richten sich an verschiedene Adressaten. 52 Anificium 1,25, S. 91 (372): Prnturtn cum proximt dictis tr n/iiJ non tst prnttmnitttndum, quod dt n/fretibus conci/inndis noutt Aristqttlts in suiJ nd Thtod«un. Zu dieser BC'ZC'ichnung als •Thcodtktts-RhtlOrik~ vgJ. die' Anrn. 56 aufS. 54.
53 CAMBI (1993). 54 So läßI sich etwa in Gorgias' berühmtem .Lob de'r Hdena~ (Gorgias, Htltrw, 10) dit Vorstellung finden, daß .gönliche Beschwörung durch Redtn [... J zu Freudebringtrn und Emführtrn von Ltid wtrdtn Mkönne und RhelOrik so durchaus als eine MTechnik der Magit" (lO'1,[Eia~ &. I((ll llalEta~ ötaaal ttXVO:t EW'1vtCll) gedtuttl wtrdtn kann. Zu ditsC'rn gan7.cn Komplex der Magie in dtr amiken RhelOrik vgI. OE ROMILLY (1975), S. 1-66. AriSIOldes betonl hingegen, daß .allt seint Vorgängtr zwar in dtr Eruugung von Affekrt.n das Hauptrid der Rhtlorik sahtn, daß tr selbst itdoch dit Alftktdehrt l«ligJich als eint. .Zugabe· (ltpOO6iJICat, Arisr., RlKr. 1,1,3) ansehe. Die Erregung von Affekttn ist nicht mror wit bei den voraristotdischen Rhttorikern Zweck dtr RhelOrik, sondtrn ditnl innerhalb eines Konzeples, d.as wesentlich auf der Logik basitn, zur En.cugung von Vordtrsänc:n für dit Enthymtrne, Interessant sind die Affekte Rir Ari· stoldes deshalb, weil "Mtnschtn sich tntsprtthtnd ihrem Wtehsel hinsichrlich dtr Uneilt umtrschtidtn~ (Arist., Rhtr. 2,1,8). vgl. GRlMAll)1 (1975), S. 146-151 und GRlhtALDI (1988), S. 15, sowit CONLEY (1982).
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Zwei Rhetoriken hat Ariscote1es herausgegeben: die eine ist die verbreitere und allgemein bekannte, die den Titel ..Rhcrocik an Theodektes" näge, die andere ist nur für eine Person geschrieben und dem Gebrauch A1exanders gewidmet und für ihn · " besummt.
Umer der Bezeichnung Rhnorica ad TheotUcum versteht Bruno dabei die bekannte, von Arisroreles stammende Rhetorik in drei Büchern,)6 Bruno paraphrasiert nun kurz. die im Widmungshrief der Rhaorik an Akxanda zu findende Äußerung, in der Arisroteles beteuen, bei der Ausarbeitung dieser Schrift habe er soviel Sorgfah angewandt, wie vor ihm noch kein SchriftSteller. Daran schließt sich in Brunos Einleitung ein Hinweis auf den Aufbau der Rhetorik an Akxandu an: Dieses Buch ist in zwei Teile geteilt, nämlich in das Vorwon und die Abhandlung selbst. Was das Vorwort angeht, sind die 15 Gründe fesnuhalten, deretwegen Alex~ s1 ander das Studium der Rhetorik ans Hen gelegt wird. Diese 15 Gründe referiert Bruno im folgenden in einer durchnumerienen Auf~
zählung. Brunos Einleitung in seine Rhetorik erscheint als Paraphrase der Einleirung aus der Rhrtorik an Aiexantkr auf den ersten Blick recht konventionell. Ein Ver~ gleich mit dem in der Rhrtorik an A/(Xantkr tatsächlich zu findenen Widmungsbrief führt jedoch zu einer imeressamen Fesmellung: Zwar lassen sich für die an~ 55 Artificium, S. 22 f. (336): Dupiium rlNtoricam cdidit AriJtot.: I1lJtram /lu/galam atqut communnn, qlUu immbirur ad Thtodu~m: aitcram wro ptroliarrrn. tt VJui Akxandri diralam atqut tUirifUltam {.. .]. 56 Dieser Text wird häufig als Theodektes-Rhetorik bezeichnet, so z.B. :.luch bereits in dem der Rhuorilt an Akxandrr vorangestellten Brief: RaA, trans/. Fi/., S. BI' (.. 1421 B2 f.): [. .. } caJ tontincns arus quas ad ThrotUtum Jcn"purl1m. Möglicherweise hat dieser gefalschte Brief auch zu dieser irrertihrenden Bezc:ichnung beigelfagen. Dennoch findet sich in der großen aristotelischen Rhetorik keine Anrede an Throdektes oder Hinweise auf eine Widmung an ihn. In der Antike war noch ein Rhetorik-Handbuch bekannt, von dem man nicht wußte, ob es dem Throdektes oder dem AristoteIes als Verfasser zuzuschreiben sei, vgl. Quint., imt. 2,5,\0: [. .. } 111uo non diJstlltil Thtoduus. sjvr ipsius id opus tSl. quod tU r!l(tor;u nominr tius instribüur, siw. UI rrrdilum ,w. AriJlou/is [... }. (Fngmeme davon bei RAOERMACHER (1951). S. 202 f.) Throdekfes war ein Zeitgenosse des AristoteIes. der sich vor allem als Redner und Tragiker einen Namen macllle, vgl. SOLMSEN (1934). Vermutlich war er auch Ver&sser eines nicht mehr erhaltenen RhetorikHandbuchs. Die Ikz.cichnung der aristotelischen RhelOrik in Verbindung mit dem Namen des Throdekles rühn vielleicht daher. daß in den Katalogen der aristotelischen Schriften bei Hesych und Diogenes Laertios umer den Titeln eine TiXVl)I; Tf)I; 8EOSt"TQU (fUvo:Y01YTl zu finden ist: das deutel darauf hin, daß AriSlOleles einen von ebendiescm Throdekles verfaßten, rhclOrischcn Traklat herausgegeben hat, dessen Titel später mit der Aristotdes-Rhetotik in Zusammenhang gebrachl wurde (so LESKY (1971), S. 643 f.. und SOU.1SEN (1934), Sp. 1730). In Brunos Zeit jedenfalls verstand man umer der Rhtl011ca ad Tlltodrtum die uns bekannte, aristotelische Rheto~ rik, wie sich aus Brunos Verweis auf den donigen Abschnin dr affirtibus tonti/iandiJ ergibl: Praturta rum proximt dirtiJ tt a/iiJ non tJt pratltffllilttndum. quod dc affrctibw ronriliandiJ notm Aristou!n in suiJ ad Thtt>dmtn (Artificium 1,25. S. 91 (372)). Die Ausg:a.ben der ü1x-rscnung der großen arisfotelischen Rhetorik von Trapczumius trugen oft den Titel Grorgii Traptzuntii in IrtJ Rhttorirorum Aristou/iJ /ibros ad Thtt>dtrltn Trala,io, (BRANOES (1989), S. 98-102). 57 Anifitium, S. 23 (336 f.): Likr isu in dum pams diJptrtirur, vtpolt in Pratfalionrrn tl trarlalum. Dr pratfationt untndat Junt /5. rationts, quibus A!a:andro studium RJJtlonus rommtndatur.
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gefühnen 15 Gründe im einzelnen deurliche inhaltliche Entsprechungen in der Rh~ton'k an Akxiznda finden, doch hat Bcuno eine sorgflilcige Umarrangierung der einzelnen Punkte vorgenommen,)I Mit fast humanistisch~philologischer Ge~ nauigkeit hat er dalxi den Inhalt der Originalzitate beibehalten, Der OriginalBrief in der Rh~ton'k an Akranda, der zu einem großen Teil aus einer Zusammenstellung verschiedener .xntenztn besteht, läßt sich in zwei Abschnitte trennen: Im ersten Teil referien der Briefschreiber, der sich als AristOldes ausgibt und sich an Alexander richtet, die bedeutende Rolle, die die Beredsamkeit für einen politischen Herrscher spielt. Diesen Gedankengang unterbricht er, weil er befürchtet, den Anschein 'Zu erwecken, er wolle sich lediglich über Gebühr wichtig machen,~ und ~ dann in einem zweiten Teil einige .xntenzen über "das Leben im allgemeinen" an. Bruno übernimmt für seine Einleitung aus diesen Sentenzen nahezu den ge~ samten Bestand; die offensichdiche, zweiteilige Ordnung des Originals hingegen übergeht er. Er benutzt den originalen Brief vielmehr als ein Repenoire. aus dem er die 15 Gründe für das Studium der RhetOrik entnimmt, die er nacheinander in einer durchnumerienen Liste aufLählt und in eine neu geordnete Reihenfolge bringt. Dabei ethält diese Rechtfertigung der Rhetorik eine vollkommen neue Orienrierung. CAMBI sieht in dieser Aufühlung verschiedene thematische Bereiche in der Abfolge der einzelnen Punkte angesprochen (Bildungswen der an Prestige der Beherrschung der an - Notwendigkeit der Oberzeugungskraft für ei~ nen Führer - Bedeutung der Redekunst für den Menschen},'· und es hat in der Tat den Anschein, als habe Bcuno nicht nur versucht, den Nutten der RhetOrik in verschiedenen Hinsichten nach dem Prim.ip der Variation zu beleuchten, sondern als habe er vor allem Wen darauf gelegt, eine sich steigernde Intensität des Gedankengangs zu entwickeln, so daß am Ende die Verherrlichung der Rhetorik als eine universelle Erkenntnismethode steht. Zunächst stellt Bruno die Redekunst als die notwendige Ausbildung der Seele der körperlichen Gesundheit gegenüber. Weil so, wie der Körper durch Gc:sundhei[ und Kraft erhahen wird, so wird die 5ttle durch Unterweisung und Erziehung erhahcn [", ),6.1 I,
58 Anders urteilt Gv.iBI (1991), S. 246. der vermutlich den originalen Einlc:imngsbrief der R),mm'lt Im Aln:itntbr nichl in seine Untersuchung mileinbc:wgen halte: ~lkreits dic:sc:r EinleimngsleiJ Bnlnos ist kein eigendichc:r Kommen.M. denn in der RiNton'ciI llI1 Awntlrum erscheinen kei· nerlei Anempfehlungen da RhCioriksmdiums. und erSI rechl nicht in den drei Büchern der arislOidischen R},ttorilt.59 R4A. tr"mi. Fil, S. AG (. 1421M (): &tI vrrt:or hiu fk rr pllln'lnu "" tt slTibt-rt, ,,~forrmsis ostmtilr~
mt ipswm vifk"r [.. ,}. 60 &A. ""nsl Fil, S. M" (.1421A7 f.): [ ...} ill4 Jumm »111m, tlt quibus i" omnnn vitilm Jimu/wm nL
61 CAMBI (1991). S. 246 f. 62 Artifidwm. S. 23 (337): J. '1uUJ sinlt nJrpw SilnitilU tf vin'bus. itillmi",us Jisdplitlil t1 tru.tliriotW gnultllr, - R4A. ""nsl Fil. S, A6" (. 142IAI7-19): N"", wIll'; rorpus bo""m lvlinulinnrt, ;tiI tf
"";,,,us Jisciplitlil tnUlitUJM'IUf Sfllvrllr.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
B~reits
der zweite Punkt verbindet diese
Seele.Kö~r.Ana1ogie
mit der Vorstel-
lung eines Herrschers: 2. Weil es sich für einen so großen Herrscher geziemt. nicht nur mit der äußerlichen Haltung des Körpers und der K1C'idung alle: zu ülKrngen. sondern auch mit der inneu:n Halrung; eine: gute Verf.wung der Scdc: nämlich übcnrifft noch die' ~ Stc: Haltung und den besten Zustand des Körpers. ~
Diese enge ßajehung eines politischen Herrschers zur Rhetorik wird im folgenden in verschiedenen Hinsichten durchgespielt: So tritt die Macht eines Herrschers auch in eindrucksvollen Reden vor dem Volk l.utage (Punkt 3 und 4). Ferner können Geseo..e. also die formalen Konstituriva eines Gemeinwesens, im weiteren Sinne als rhetorische Äußerungen verstanden werden: 5. Da ein G~lZ nichts anderes zu .st:in scheint als eine Rede, die: durch die: Beglaubigung vieler Berater ihre Gültigkeit erhäh.~
Das Durchscrzungsvermögen eines politischen Führers zeige sich nicht nur im Krieg, sondern auch im Redekampf (Punkt 7). In Punkr 8 äußert Bruno, daß der Herrscher auch in den virtuUJ Vorbild sein müsse, und so kommt er vom tugendhaften Herrscher zum Weisen ganz allgemein. 9. Es ist notwendig, daß allc Handlungen aus eincr Beratung hervorgehen. Allein durch sie nämlich unterscheidet sich ein Dummkopf von einem weise Handelnden. Ferner scheint die Verbindung zwischen der Disziplin der Rhetorik und der Ber2· I"an W·ICh L ' " tung h10 JUar.
Indem Bruno diese ..Verbindung" ausdrücklich unterstreicht, erhält die gesamtc Vorredc eine inhaltliche Awrichtung. Bruno konstruiert innerhalb dieser Textp:lSS3ge eine konsequente, z.idgerichtctc GedankenenrwickJung. Hier zeigt sich, wie Bruno die Gründe nicht nur aufzählt, sondern arrangiert. Im Anschluß behanddt er nun die Bedeutung der Rhetorik rur den Menschen aUgemein, zunächst im Unterschied zum Tier:
63 Anifirium, S. 23 f. (337): 2. QlliR tdntum datt principmt. non solo rxumo rorporis habitll rt W'Sti· bus, omn" prR~(t/J.rrr. utrum ql#Nfw inurno; bo"" qllippt animi (omti,utio optimnm torporis dupolitionrm atqw sutJ1~m Rnt«rIJis. - RAA. transl Fil, S. A5' (. 1420Al2-15): NRm qunnaJmodum vt'1tium tkro" RtqW ""'l"ifiuntiA (ttaU hominibw prrlSRrr nuuim~ Itudn. ftil UI rtiAm di«ndi inwntümrm tU /lim ~Rm IUdpüu niunJum t1J I...) ungr mim puJniw nt, IU "t0k milgit RiD t:m brnr ro1l/sitJIJO 'flUlm hisbitum (Orporis W'StiblU OnrJ1tJ1m pukhris ;,uuni 64 Artifidum, S. 24 (33n: 5. Quill Ia nihif RIiJlli rss~ vUktur, p"uur'flUlm IIratio mum,rum (onsuJsorum IIUJOri14~ SIlMtil. - R.rA, "aml Fil. S. AiJ' (. 1420A2S-27): Eu"im Itx: lIJ;14 dWrim: oriltill '1UNi11m t1J qw rommuni ciui14lU ronsnull tkfinitil illM: q_ fNU'II rmlimtpUNiqw agrnJum li,. 65 Anifin·um. S. 25 (338): 9. N«fSSlln'lIm rJI ronsulutionrm ro"dtilrr v"iwrws ofNTatillnn. HRr r"im ,.,14 JistingJIitllr JluUlU a SIlpir"," agnru. POmJ n.ut 'ooplinit Olm ronsulrittioM JIItu vwtllr ~ ron;unt1ll. - R.rA. trllnsl Fil. S. A6'( (. t420B23--2n: Qwu mim JIl"r mnlJu '""iurrit: si quis i" rontuluJ quid tt,rrit: a1'lW'lti~ quidnn: ,i" "utrm ratiDnr dwr: SIlpim/j~lil"um~.
r.
DER ERSTE. TEIL DES ARTIFIC/UM PERORANDI- DAS KlASSISCHE RHETORlK·SYSTEM
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11. Es erscheint Übc:roIUS verächtlich, wenn der Mensch, d.a er doch allein wegen Sl::iner Sprolchf2higkeit die übrigen Le~esen .an Rmg übertrifft, d~n Studium und Vollendung .aus Trägheit und Faulheit geringschänt."
Es ist interessant, daß Bruno in Punkt 13 die Rhetorik auch mit der menschli· chen Erkenntnis in Verbindung bringt; die Beherrschung der Redekunst stelh dem Menschen gleichsam einen neuen Gesichtssinn zur Verfügung und ermöglicht so Einsichten, die allein mir Hilfe der Sinne nicht möglich sind. 13. Weil so, wie es .angenehm ist, mit den äulkren Augen zu sch.auen, es noch vid 61 bewundernswerter erscheint, mit inneren Sinnen Einblick erl.angen zu können. Die Erweiterung des Gesichtsfeldes innerhalb dieser Klimax wird dadurch imen· siviert. daß jent - soz.usagen als historische Poime, wenn man Alexander den Großen als Adressaten des Textes annimmt - der politische Führer nur noch als Analogon in Erscheinung rrin, um in Punkt 14 die Funktion der Rhetorik als Lcnkerin zu verdeutlichen. War zuvor die Rherorik ein Instrumem in der Hand des Herrschers. so besinr nun die Rhetorik die wahre Macht über das Leben der Menschen: 14. Weil wie ein Fürst den Stut lenkt, so scheint die gewandte Rede {...] Führerin des gesamten menschlichen Lebens zu Sl::in (... ].6t Der politische Herrscher. zuvor noch Anwender der Rhetorik, ist jett( der Rhetorik gewichen, die nun selbst z.ur Herrscherin über das gesamre menschliche Leben geworden ist. Schließlich legt: Bruno dem Aristoreles eine Schlußfolgerung in den Mund, in der die in dieser Aufzählung emwickelte Klimax gipfelt: So zieht AriStOteIes schließlich den Schluß. die R.edc:f.lhigkeit Sl::i (... ) eine Burg. wie er s.agt, eine unerstürmlnre, die nicht von [menschlichen] Händen erbaut, sondern bc:in.ahe göttlich ist."
66 Artifici11m, S.26 (338): 11. TllrpilJimlim ~ IJWtllr, ~m homo sobl ft(lIluu~ s~"is. (anrra Il"imallfia /'/obilitat~ vi/'/fat. vt ptr i"miam aUfIl~ arJidiam, ~illJ studillm IlUfW ptrfmion~m ro"um/'lilt. - RaA, trll"sL Fil, S. A6' (. 1421 A11-15): Nam siqlliarm rt cupiditau rt ira rt alijs huiusfmlodi ajJrftio/'/ibw VIIi/'ltur (tiam rtliqllll qwq~ ll/'/im4Iill: oralio,,~ alltnn homo allmtaxllt: aMliraum proficlo mllXim~ om/'/ium udat: si qua IJ/'/a rr btstijs Il"t«~ffimw: ~Ilm M/'/t'Uillmdi auum pr~ ,,~!li!(fItia rrliqwrimw. 67 Arrificium, S. 26 (338): 13. Quill sind illlllndlim tst txuliJ ~xumiJ lJi,,"~, mlilto admirabi{jw lJiarlur tJU snuib. i"urniJ posu impim~. - RJz.A. transL Fil, S. Nif. (. 142IAlI-23): QuoJsi prtUrt4 OllIfis ~ illlllndlim NI; animi luminibxs Cnnnt JH71itUJqw pnspiurt admirabik «ru plurimIIm. 68 Artifioum, S. 26 (38): 14. QIlUI tirut Prinups OlliMW1f p6nrutt, iM falll"" .ratiD /. . ./ vniwruu lIiuu hllmit1UU Dux NM vitktllr /. . ./ - RaA, trIlnsL Fil, S. BI' (. 1421A23-25): Rllrrw iluum qllrm4timMlim imp"ilUJr sllj nl snwztor ccnnfUJ; iM ~,.u,m ~UHflU7ltUi q~ upinlt~ nmillnn4 sit hllnliln~ nt lIiu p~trix.. 69 ArtifiolIm. S.27 (38): undwlit UlnMm AriJr.oufn. ~UHflljllm 1...1 ~ ilrrnn, i1llJllir, inntpllK""lbikm. film mitlfll petam. KJ propt Jiw·Nlm. - R.zA. traNi. Frl. S. M' (. 142IAI-4): lorotiolfnrll tJU qllllndam ullitU ttrrrm. Et ~illSmoJj «ru ttrrmr; qw non faeta; WTIlm rt inapllK""lbihi qllidnn sit I... j.
mA""
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
An dieser Srdllc: wird Bcunos kompilierendes Vorgehen besonders 2ugenfa.llig: Im Widmungsbrief der Rh~torik an Akxantkr ist diese Äußerung keineswegs die Schlußfolgerung, sondern stehe lediglich am Ende des ersren Abschnitts. unmittelbar vor der Zäsur. Bmoo erschien dieses Zitat jedoch für ~ine Zwecke als Ab-
schluß dieser Aufzählung viel besser geeignet. Das Bild. das Bcuoo in dieser Einleirung von der Rhetorik zeichner. hat nur noch wenig mit der klassischen Lehre vom Wahrscheinlichmachen von Sachverhalten zu {Un. Bcuno umerstreicht die ..Götdichkeit" dieser Kunst. und der gesamte Einleirungsceil des Arrificium ptTorandi wird zu einer monumentalen Verherrlichung der Rherorik. Bruoo hat ganz offensichclich mit besonderer Sorgfalt den originalen Widmungsbrief umstilisiert und an den Anfang des Artificium ptTorandi gestellt. Die Rhetorik wird in rherorisch-poetischer Form als ein Inseru· ment beschrieben, das für den Menschen mehr bedeutet als eine Technik über· zeugenden Sprechens. Rhetorik besint eine erkenntnistheoretische Relevanz und kann die Fähigkeit vermindn, "mit den inneren Sinnen Einsicht zu erlangen". Hierin deutet sich eine Tendenz an, die Rherorik universalistisch, als universelle Erkenntnismethode, zu deuten. Diese Deutung ist kein Novum: Die Frage nach dem Zuständigkeitsradius der Rhetorik ist so alt wie die Rhetorik selbst. LAUSBERG unterscheidet im Hinblick auf diese Frage eine maximalistische von einer minimalistischen Antwon.?O Mi· nimalisusch wurde die Rhetorik dann gedeutet, wenn man sie als eingeschränkt auf den Bereich policischer, ethischer und juristischer Fragestellungen ansah. Seit der Sophistik wurde die Rhetorik aber auch als ein Instrument verstanden, das formale Diskurskriterien für jeglichen Redegegenstand zur Verfügung stellen kann. Von dort war der Weg nicht mehr weit zu einer Deutung der Rhetorik als universelle, sprachbasierte Methode zur Erminlung und Ordnung von Wissen. Bruno versucht im VorwOrt zum Artificium p"ora"di gewissermaßen den BrükkenschJag zwischen den beiden Extrempunkten: Zum einen deutet er die Rhetorik zunächst in ganz enger Bez.iehung zu den "bürgerlichen Angelegenheiten", wie sie in der Anaximenes·Rhetorik in aller Ausführlichkeit geschildert werden. Aus diesem Gedanken entwickelt er Schrin für Schrin das Bild einer Rherorik, die selbst Herrseherin über das menschliche Leben ist, alles Denken und Handeln des Menschen prägt. Brunos Gedankengang zeigt dadurch eine Verknüpfung der minimalistischen Deutung mit der maximaJistischen. Wie die weitere Interpretation des Artificium p"ormuli ergeben wird, steckt in dieser Perspektive die Grundidee von Brunos Rhetorikkonzept: Die Orientierung der Rhetorik auf den Menschen hin ist zugleich auch eine universelle Perspektive. im Blick auf den Menschen ist der BLick auf den Kosmos enthalten. Die Einleitung zum Artificium p"orandi spielt in dichterisch.essayistischer Form mit dem gedanklichen Material, auf dem das gesamte Rhetorikmodell dieser Schrift basiert. Die Transformation, die das Bild der Rhetorik im Laufe der aufgezähJten 15 Gründe durchläuft, ist zugleich die Transformation. auf die Bru70 l.A.USßERG (1%0).
S 47-52.
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nos Philosophie mit ihrer revolutionären Sprach reform abzielt. Die politisch~ soziale Komponente der RhetOrik, wie sie im ersten Teil des Artificium perorandj behandelt wird, soll nicht gegen Brunos neues Sprachkonzept ausgespielt werden; Bruno integriert sie vielmehr im zweiten Teil des Artjficium p(Torandj in sein eigenes Modell von Rhetorik. Das Artificium perorandj ist dadurch ein Gesamtkon~ zept, in dem das klassische Rhetoriksystem aufgeht und einen systematischen Plan einnimmt.
4.3.2 Die Gattungseinteilung (Artificium perorandi 1,1) Im einleitenden Kapitel I, I stelh Bruno zunächst die drei Kategorien von Reden vor, auf denen die Struktur des gesamten Artificium perorandj basiert, und gibt dadurch die Systematik für den folgenden Text vor. Für den Leser entsteht dabei der Eindruck, als wolle Bruno die Rhetorik an Alexander lediglich kommentieren: Er weist darauf hin. daß AristoteIes so, wie es üblich sei, am Anfang des Textes die Einteilung der Redegattungen ausführe. und nennt sie dann im einzelnen: Drei Gauungen gibt es, wie er sagt, von Redeanlässen bei den Bürgern: die Staats11 rede, die Gelegenheitsrede und die Rede vor Gericht. Daran schließt Bruno eine Unterteilung dieser Gattungen an, indem er jedem ge~ nm einen bestimmten. thematischen Bereich zuordnet. Von dieser Unterteilung ist in der RhellJrik an Alexander nichts zu finden, und Bruno scheint die eigene Urheberschaft dadurch anzudeuten, daß er nicht mehr auf AristoteIes (jnqujt). sondern auf sich selbst verweist (dicimus). Von diesen Ganungen nun, so sagen wir, befaßt sich die erste mit dem Guren und Schlechten, dem Vorteilhaften und Unvoneilhaften, die zweite mit dem Wahren und Falschen, dem Würdigen und Unwürdigen, die dritte mit dem zu Verurteilen~ 72 den oder dem Rechnufenigenden. läßt sich für diese Erläuterungen keine Parallelstelle in der Rhetorik an Akxander finden, so knüpft Bruno nun wieder an den dortigen Text an und referiert die sieben Spezies von Reden: Diesen drei Genera sind, wie er sagt, das Zuraten, das Abraten, das Lob, der Tadel, die Anklage, die Verreidigung und die Untersuchung ulHcrgeordnet. Oie ersten
71 Arrificium 1.1, S.28 (39): Triplrx, in,!uit, tlt raUJilrum ciuilium gmus. Dtlibuatiuum, dmwmmuiuum. iudiriak. - RaA, Iraml FiL, S. BI' (. 1421B8 (.): Tria tunt gmtra ciuilium CIlUJJlrum: Daibrratiuum: Dlmommttiuum: }uditiak. 72 Arrifitium 1,1, 5.28 (339): Quorum quidtm primum, ditimus /Iman cirta honum tt malum, tommMum I1 incommodum. 2. Circa l~m tt falsum, dignum tt i"d,'gnum. 3. Circa dammzndum /Hf IImijicandllm.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
heiden gehören zum gmus d~'ib~ratjvum, die zweiu=n beiden zum gmus dnnonstrari71 vum, die drei letzten Wffi gmus iudiciau.
Dadurch hat Bcuno in aller Kürze die Einteilung der Redegattungen, wie sie zum Standard des rhetorischen Systems gehörte, mit ihren jeweiligen Unterarten ausgeführt: Eine politische Rede beinhaltet eneweder das Raren zu oder das Abraten von bestimmten praktischen Enrscheidungen, eine Gelegenheitsrede das Lob oder den Tadel von Personen oder Dingen und eine Gerichtsrede die Anklage oder die Verteidigung in einem vorliegenden Rechtsfall. Diese Unterordnung von jeweils zwei Spezies unter eine Gattung hat BruDO aus der rhetorischen Tradition übernommmen: Er folgt darin einem üblichen Schema, wie es nach histOrischem Kenntnisstand erstmals Ariscoteles in die rhetorische Tradition eingeführt hat.7~ Dadurch. daß sich Bruno auf die Rhdorik an Akxantkr bezieht. entstehen z.wei Probleme: Zwar hat bereits Anaximenes rue drei Redegattungen eingeführt, doch nennt dieser eine Siebemahl der Spe'Lies, die er überdjes nicht mit der Gattungseinteilung zu harmonisieren versucht. Brunos Paraphrase der Rhrlorik an Akxan~ tkr stellt hier eine Systematisierung her, wie sie noch nicht bei Anaximenes, sondern erst in der späteren Rhetorik~Tradition stattgefunden hat. Die siebte Spezies war schon bei Quintilian als Kuriosität erwähnt worden und hatte in der Ge71 schichte der Rhetorik kein Weiterleben. Dadurch war Bruno gezwungen, die siebte Spe'Lies in irgendeiner Form in diese Klassifikationen zu integrieren. Diese Frage löst er dadurch. daß er die quaestio ebenfalls der gerichtlichen Redegattung zuordnet und sie als eine Sonderform interpretiert, als eine Rede. die sich entweder auf das Mitleid oder die Häne oder die Gerechtigkeit des Richters bezieht und die 16 von der Anklage- und der Verreidigungsrede hervorgerufen wird.
Doch die Frage nach der qua~tio spielt im Grunde für Brunos Rhetorikkonzept keine Rolle. Im folgenden stützt er sich lediglich auf die Dreiteilung der Redegattungen. und im Zusammenhang mit dem genus demonstrativum nennt er auch nochmals Lob und Tadel als dje primäre Thematik dieser Gattung. Ansonsten bleibt nur die schulmäßige Dreiteilung der Ganungen von wesentlicher Bedeutung für Brunos Rhetorik. Ganz offensichtlich wollte Bruno in diesem ersten Kapitel den Akzent auf eine andere Frage setzen. Er deutet die drei Redeganungen als die drei umfassenden 73 Artifieium I, I, S. 28 f. (339): !stis (ribus gcnm'bus suMst dieit, Swuiontm, DWlUl.fiontm, Lnutkm. Vituptrium, aelWaliontm, tkftnsiontm rt qwltttionl'm. Dual' primat sptcit'S rt'Spieium gtnus rnlibrratiuum. Dwlt smmdat. tkmonslrluiuum, Tm vllimat, lwiieiak. - RaA. traml Fit.. S. BI' (. 1421 B9-11): Horum autrm sprdt'S sum stplrm. SWlSio: diuwuio: Inus: lIituprratio: arrWJItio: tkftnsio: rt qUllmio [. . ./ 74 Arist., Rhn. 1.3. Emsprechendes findel sich dann bei späleren Autoren wie Rlxt. Ht'r. 1,2.2: Ge., inll. 1,7; Quim., hut. 3,4,12-15. Vgl. l..AUS8ERG (1960), § 61; MARTIN (1974), S. 9 f. 75 Die Siebenheil der Spezies wird als ein Sonderfall bei Quim .. insl. 3,4,9-11, erwähnt. wo QuinIilian auch von anderen Le:hrmeinungen berichtet. die von der Mehrheit der AUloren abweichen. 76 Artificium 1.1, S. 29 (339): /. .. J qUllntio /... Jnt misrrirordia /lt'I rigor /lt'I iustitia iudieis, qUllt ab aeCUS/ltiont rt tkftnsiont' projieucllntur.
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Modellfalle für jegliche An sprachlich-diskursiver Erönerung. Er betOnt, daß jede beliebige Art von Frage einem dieser drei Bereiche zugeordnet und also mit den jeweiligen argumentativen Möglichkeiten näher untersucht werden kann: Daher umfassen diese drei Redegattungen, wenn man sie in einer breiteren Bedeutung auffaßt, jeglichen Gegenstand der Betrachtung, nicht nur einen bürgerlichen, sondern auch einen akademischen oder einen ganz allgemein philosophisch zu nennenden oder auch einen theologischen."
Die Rhetorik ist somit eine Kunst, die sich auf jeden beliebigen Gegenstand anwenden läßr. Oder anders gesagt: Wer eine Topik für diese drei Gattungen erStelle. beschreibt dadurch die gesamte Welt des Erfaßbaren. Dadurch wird deutlich, daß Brunos Rhetorik zunächst einmal eine Affinität zu den universal topischen Ansärzc:n zeigt. die in der Entwicklung der Rhetorik und Dialektik des 16. und 17. Jahrhunderts eine herausragende Erscheinung waren (vgl. duu unten Kapitel 8.1.2). Diese Affinität zeigt sich im Anfangskapitel le~ diglich im universellen Anspruch. den Bruno der Rhetorik zuschreibt. in den folgenden Kapiteln dann in der stark topisierten Form der Darstellung: Universalisierung und Topisierung sind also die Hauptmerkmale dieses ersten Teils des Arrificium perorandi. An mehreren Stellen wird Bruno im folgenden nochmals untersrreichen, daß die Topoi, deren er sich bedient, für ihn Modellcharakter besitzen. Ich möchte diese Tatsache hier und auch im weiteren deshalb betonen, weil sich darin das wesentliche Charakteristikum seines kompilatorischen Vorgehens zeigt. Die unterschiedlichen Ordnungskriterien der klassischen Rhetorik bilden für Bruno ein System, das dem rhetorischen Diskurs eine universelle Perspektive verleihr.
4.3.3 Das gmUJ tk/iberativum (Artificium perorandi 1,2-14) Brunos Erläuterungen zum gmus tk/iberativum lassen sich in drei Text-Blöcke einteilen: In Kapitel 1,2-3 nennt Bruno die bei dieser Redegattung verwendbaren sieben Topoi, in 1,4-11 topisiert er in enger AnJehnung an rue Rhetorik an Akxandu eine Reihe von Themen, die Gegenstand politischer Diskussionen werden können, und schließlich kommt er in 1,12-14 auf die Redeteile proomzium, narratio und confinnatio zu sprechen. Zunächst greift Bruno für die im gmUJ tk/iberativum anzuwendenen Argumente auf eine Toposliste zurück, wie sie sich in der Rhetorik an Aüxander findet: Das alles läßt sich nun auf sieben Punkte bringt:n: Nämlich [1.1 das Gerechte und Ungerechte, 2. das Rechtmäßige und Unrechtmäßige, 3. das Nünliche und Unnünliche, 4. das Ehrenhafte und Unehrenhafte, 5. das Angenehmt: und Unange·
77 Artifidum 1,1, S. 28 (339): 1tJZ'IlU!xx tripkx gmw unmdum ampfiomn si",ifiralio"nn aCCI'ptum. omn~m ronsitkrarionis mnuriam, "on Nuikm modo. lI~rum uiam acadnnicam s~u philosophicam gfl'l~raliln dirtam uu Thtologiram indudir.
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nehme. 6. das Machbare und das schwer Machbare. 7. das Norwcndige und das 71 Freigestellte. Mit all dem har Zur;ucn und Abraten zu run.
Bruno erweitert bei den sich dann anschließenden näheren Erläuterungen dieser Topoi das inhaltliche Material, das er bei Anaximenes vorgefunden harte, bleibt aber im wesentlichen in den Grundlinien der dortigen Darstellung. Er besümnu Begriffe wie ius oder kx genauer, arbeitet ansoßS[cn aber die oben angegebene Liste ab. Diese aus siehen E1emenren bestehende Topik ist in der Rhetorikgeschichte mit der Bezeichnung capitula fina/in oder "tEAlIea. KEq>ciAala bekannt und ist in verschiedenen Vierer-, Fünfer-, Sechser- oder Siebenee-Reihen von 79 zahlreichen Auroren aufgegriffen worden. Die Parallelität zwischen Brunos Darstellung und der entsprechenden Textpassage in der Rhetorik an Alexander zeigt. daß Bruno sich hier offensichtlich direkt an die Rhuorik an Alexan&r als Vorlage anlehnt.lI(} Das anschließende Kapitel I,3 bringt ein Problem zur Sprache, das aus der Anwendung der sieben Topoi hervorgehen kann. nämlich dann, wenn das utik, der Topos des Nützlichen, dem honestum, dem Topos des Ehrenhaften, wider· spricht. Bruno illustriert dies, indem er als Beispiele hierfür wiederum in topischer Form eine lange Reihe von Begriffen aufführt, die der einen oder der anderen Kategorie zuzuordnen sind, die sich aber bei einer Argumentation gegenseitig ausschließen können. Diese Problemstellung wird in der Rhetorik an Afexarukr überhaupt nicht diskutiert. Bruno bietet hierfür keine ethische, sondern eine rein rhetorische Lösung an: Man müsse auf die Menschen Rücksicht nehmen, und 81 zwar sowohl auf die Sprecher als auch auf die Zuhörer. Diese Zweiteilung bildet das Gerüst für Brunos Argumentation, und so führt er zunächst einige GesichtSpunkte auf, die der Redner in Bezug auf sich selbst zu berücksichtigen habe, dann, was er hinsichtlich der Zuhörerschaft beachten müsse. Die Ausrichtung det Argumentation nach diesen ganz wesentlichen emischen Kategorien war ein zentraler Punkt in den römischen Rhetoriken. In seiner Jugendschrift De inllemione spricht Cicero davon, daß in rhetorischem Zusammenhang honestas und utilitas gleichwertig zu behandeln seien und die Argumentation auf diese Topoi geradezu das eigentliche Ziel der Reden im gmus deliberativum bilde. während die Rhetorica ad Herennium eine Unterordnung des hOlUstum un78 Anificium 1,2. S. 29 f. (340); Hau omnia rrspiciunt /ubimu aA s
79 LAUS8ERG (1960), § 375. 80 Vg.I. 2.B. Arrifldum 1.2, S. 31 f. (341): N
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ter das tlfik vornimmr.'2 Auch Quintilian widmet dem Widerstreit zwischen den beiden Qualitilten eine eingehende Untersuchung;1J die bei Bruno feststellbare Struktur dieses Kapitels in der Unterscheidung ,Wer ist der Redner' und .Wer ist der Hörer' ist bei Quintilian ebenfalls sorgfaltig ausgearbeitet und könnte Bruno hier als Vorlage gedient haben. Je nachdem, welcher Redner sich vor welchem Gremium dieser ethischen Topoi bedient. schwankt die konkrete Ausfüllung der Begriffe hon~tum und utik.... Die Frage nach der Relation dieser ethischen Wene ~ueinander ist neben der Rhetorik auch in der römischen Ethik eingehend behandelt worden. Erstmals bietet sich ein folgenreicher ReAex dieser Fragestellung in Ciceros D~ officiu, der don das gesamte dritte Buch diesem Thema widmet. Utik und hon~fUm. die Grundeinteilungen in Ciceros Pflichtenlehre. werden je in den heiden ersten Büchern abgehandelt. Freilich betrachtet Cicero diese Fragestellung unter moralphilosophischem Aspekt. gleichwohl fugt er diesbezüglich die Meinung des Stoikers Panaitios an, ..daß es in der gesamten Philosophie keine Frage gebe. die so unumgänglich sei. ,,~j D~ offieiis ist von allen Texten Ciceros der rezeptionsreichste; das deutet sich bereits darin an. daß er überhaupt der erste klassische Text ist. der gedruckt wurde (Main~ 1465).116 Brunos kurze Stellungnahme ~u diesem Problem stellt einen Reflex auf diesen, von den antiken Rhetorikern als zentral betrachteten Fragenkomplex dar. Insbesondere in der ciceronischen Ethik und Philosophie findet sich zu diesem Problem eine eingehende Diskussion. Vielleicht ist es daher kein Zufill. wenn Bcuno am Ende des Kapitels auch explizit auf Cicero zu sprechen kommt. auch wenn er ledigUch darauf hinweist. daß Cicero - wie es Bruno in dieser Frage ehenfalls empfiehlt - in stilistischer Hinsicht seine Reden sehr gut auf das jeweilige Publikum abgestimmt ha7 he.· Brunos Anmerkungen in Kapitel 1,3 nehmen die RdativiCit der heiden Begriffe utik und hon~tum auf und spiegeln in den aufgez.2hlten Stichpunkten die offene Verwendbarkeit dieser Topoi wieder; auch hier versucht Sruno wieder zu zeigen, wie unbestimmt die Topoi sind und wie breit ihr Anwendungsfeld als Suchmuster aufgdachert werden kann.
82 Cie., inu. 2.156: /1'1 tklibmllillO auu", {sc. gm~r~J Aristouli p/am utilitilum. nobis tt honeta~m n utilitJJt~m (sc. fin~m nuj. Vgl. dann im l:inuln("n eie.• ;nu. 2.1 S9-169; Rlm. für, 3.2,3: Vli/iuli i" dlUtJ parus in ciuili co",ultiltion~ dividitur: tutilrn, honntilm. 83 Quint.. in1l. 3,8.1-3; 30-32; 3~7, vgl. dnu auch LAUS8ERG (1960). § 233-23G. und MAR'nN (1974), S. 171-174. Eine Zusammenstl:Uung vl:rschicdl:n("r Rd1exe auf den Widerspruch %Wischen honeturn und utik in d("r Rhnorikgc:schiehlc biC'lcn UEMAN (1963). Band I. S. 22 f.. BOCHNER (1978), S. 111-127 und WIlJ(F.1ZJNS~ER(1996). 84 Quim.. i"". 3.8.37: 1IIIm (onsultanl tlUI plum tlut nntufi. snI i" urrisqlM diffirrntill. 'IuiA. d in
mll/rum inlnnl, Jnuttus Jil IIn poplllllJ, &1NIni aut FuJmarn, Gruri 111'1 ""rbit" {... J; Quint.• iflSI. 3.8,47: Mu/rum rifm diitm, 'IJUU Jil j>nWM luarJmriJ /. . ./. 8S Ge., off 3.8: {.../ pranntim Olm fPllflktillJ/ stTib., mJJllm nM l«wm in liJIII philosophiA. 11Im ,,~nllm.
86 Zut Talgcschichll: vgI. REmows (1983), S. 130 r. 87 Artifirium. S.34 (342): {.../ uruk tt IIJI( lInJi,. lIt apwl Cir. JpknJidiDrtJ. &r."nriDrtJ. tt pn'/H'litiD/'l'S Jinl ofllliDnn, 'I'"u tUi poplIllIm. 'IlUIm '11U1~ ad _Nlm.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Im ersten thematischen Block des genus tUfib~rativum verarbeitet Bruno somit in aller Kürze die Topik der capitula finalia. Der sich nun anschließende zweite Block stützt sich noch stärker auf die Rhnorik an Akxander. Anaximenes führt im 2. Kapitel seiner Rhetorik eine Reihe politischer Sachthemen an, für die er jeweils wiederum eine Argumemationsmpik zusammenstellt. Bruno übernimmt diese Sachthemen in seine Darstellung. Die Anzahl dieser möglichen Themen war in der Rhetorik an Altxantkr wiederum mit sieben angegeben, während Bruno die Gruppierung leicht abändert und so lediglich auf fünf Punkte kommt. Diese fünf Punkte liefern das Gerüst für die nachfolgenden Kapitel 1.5-11, in denen die Stichpunkte von Bruno der Reihe nach abgearbeitet werden: Die Arten der Dinge, die in einer Berarung zur Sprache kommen, sind I. heilige und gönliche Dinge [Artifidum 1,5J, 2. Geserze oder Verordnungen (Artifid~ um 1,6J, 3. Vertf.ige oder Bündnisse und Vereinigungen und Zusammenschlüsse IArtlficium 1,7). 4. zu führende Kriege oder zu schließender Friede {Artificium 1,8IOJ. Ebenso das, was sich um Gewinn, Erwerb und allgemein um das Bewahren oder Vermehren von Reichrum dreh! (Artificium 1,11).118
In den sich daran anschließenden sieben Kapiteln bleibt Bruno wiederum eng an den Vorgaben aus der Anaximenes~Rhetorik.Jedes Kapitel enthält umfangreiche Listen. in denen Argumente zu den genannten Themenbereichen gesammelt und aufgezählt werden. An manchen Stellen erweitert Bruno die Erläuterungen innerhalb dieses Gerüsts, indem er neue Gesichtspunkte oder Argumente hinzufügt. Diese Erweiterungen bleiben aber alle in dem Rahmen, der von der Rhetorik an Akxandnvorgegeben war.8'.l Bruno hane in Artificium perorandi I, I betont. daß unter den Kategorien der drei Redeganungen jede Art von Problemerörterung erfaßt werden könne. In Fortsetzung dieses Gedankens hebt er nun hervor, daß alle Themen, die in einer politischen Beratung (conmltatio) zur Sprache kommen können, den eben genanmen fünf thematischen Bereichen zugewiesen werden könnten. Hier fallt in Brunos Text auch zum ersten Mal der Begriff Topos (/oem). 1m übrigen greift aber das, was in einer Berarung 'l.ur Sprache kommen kann. uni· versell auf gerade eben diese Topoi zurück. die jeder, der nichl ganz unerfahren iSI. ohne große Mühe auf jede Themensrellung übertragen kann. Alles nämlich gchört zu diesen Fällen und wird auf die selbe Weise behandel[. oder ist diesen Fäl1en ähn~
88 Artijiejum, S.34 (342): GnItTa torum, qUilt in eonru!rationtm unliunt. Jum 1. Tt'J JIlerilt Jt'u diuinat'. 2. Ltgts St'U Jtatula. 3. Pacla $tU confttdtralionts tt uniont'S msociationt'SIJut. 4. &/Ja moumda 1It! pax conjicinulo. fltm qiUlt' Ut'mlntur circa lucTUm. '1UdtJtum tt tmilltna!ittr opt'S comtn~ndas INI augmdas. - RaA, trnmL FiL, S. B3'(. (.. 1423A2Q-26): Vt summatim t'rgo dixt'rimUJ: « dt' quibUJ orntiontm habnnUJ: propositiont'S uplt'm sunt numt'ro. Ntet'Su mim tst nOJ {...} ron/ulum [' .. J aut dt' sacrijiciis: aut tU kgibw: aut tU apparatu nuili: aut tU sodnatibw ae fttUn'bw aa/It'TSw alim urlm: aut tU btUir: aut tk part: aut dt puuniarum proumtibw{.j 89 Die Kapitel 5, 6 und 11 enthalten l'l~ilwcisC' Topoi, dir in drr RJ1ttorik an AkxantUr nicht nachweisbar sind: ansonSten greifi Bruno hirr aber stark auf das in fUzA, tranlL FiL. S. B3' bis CI' (. RaA Kapilel2, 1423AI3-1425B35) dargestellte Malr~rial7.urÜck.
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lieh und wird :mf übertragene Weise betrachtet, oder ist diaem verwandt, oder die-sem gcgens2tz1ich und wird auf gcgen.ützliche Weise behanddt.~
Auch bei Anaximenes findet sich eine ähnliche Äußerung über die generdle Anwendbarkeit der Topoi, diese bezieht sich aber direkt auf die zuvor genannten sieben Topoi, die capitu/a fina/ia.'1 Bmno bezeichnet hingegen mit dem Begriff des Topos die genannten fünf praktischen Themenfelder politischer Rhetorik. Bei der Behandlung des ersten dieser Themenfelder (1,5) zieht Bcuno unter anderem wieder die Siebener-Reihe der capitu/a finalia heran, um innerhalb dieses Themenfeldes Argumente 2.U entwickeln. Und auch hier bezeichnet er die capitula fina/ia als eine Topik, indem er in diesem Zusammenhang auf Ciceros bekannte Definition eines Topos als mUs argummtorum, als Sitz von Argumenten,'2 anspielr. Derjenige, der davon überzeugen will, daß man Heiligtümer entweder bewahren oder vermehren oder verringern soll, muß gewisse Sitze der überredung bed.icksichtigen."
Diese Systematik und die Verwendung des Begriffs Topos ist auf den ersten Blick verwirrend und erscheint nicht vollständig konsequent. Bcuno lehm sich hier an die Vorgehensweise der Rh~torilt an Akxantkr an: Auch Anaximenes hane bezüglich der Sraatsrede zunächst die capitu/a fina/ja als allgemeine Topik des Zucatens oder Abr:ltens, des für oder gegen etwas Plädie~ns vorgestellt, diese dann im konkreten Bcispid von Fragen der Rdigion und des Kults zur Anwendung gebracht, darüber hinaus aber auch noch aus der Sache sdbst Argumente abgeleitet. die sich nicht mehr auf die capitu/a fina/ia zurückführen ließen. In diesem Sinn kann man bei Anaximenes gewissermaßen eine allgemeine Argumentacions- von einer speziellen Thementopik unterscheiden, wobei das Verhä..lmis der beiden Topiken zueinander im Detail unbestimmt bleibe" Sowohl die sieben Topoi des Zu- und Abratens im Sinne allgemeiner Argumentationsmuster als auch die Hint konkreten Themenkomplexe des gmUJ ddib"atiuum bieten dem Anwender der Rhetorik ein umhssendes Reservoir, aus dem er Argumente für alle möglichen Themen einer Staatsrede schöpten kann. Bruno übernimmt in seine Rhetorik diese recht grobe rhetorische Strategie mir ihrer Fülle an Anwendungsbeispielen. In seinem Konzept steht jedoch im Vordergtund, daß die Einteilung in die drei Redegenera sowie die dann bislang erfolgte Behandlung des gozUJ tklib~rativum 90 Arrifirillm, 5.34 f. (342): GUUTIl ~ro fwu in (tmsllulltionmr urnirr ~SSllnt, vnillPJll. iislkm prtJnw Ioris vtuntllr: fllJU ftUiü ntptio qlliükt film omnino impnitus '{lIibllSl'llfUJlI.t proposisis ~Sr ris lIffomoda". Dm"iA mim Illlt JII"t JMa. " tO ipNl lfUJtio trIlnantllr, IlIlS simi/iA his: rt proporsienillir" til ttJrlSid.rrilbllflSlIT: illlr his tlIf""'til; illlS bis amtrilrUt, 0pfH'Sitoqw nuNIo rriltSilbuntllr. 91 RaA, ",,,ul Fil, S. 82' (. 1422A24-26): !Jf' his illlum Ji{(Tt ilbllNk posmmw t1 a anuJinis rt his similibus: tt ipsis tontTan'is (. ..). 92 Oe., se"~ 7, cbC'ruo Quint.• iNS. 5.10,20. 93 Anifirillm 1,5. S. 35 (343): Cirra Utra aur StTJIiltuk alls all~, /1111 OtWJ_ntIis pnswulrrr ...... lnrsibw aJ rrn4S ptrJlIilSiDniJ srJn tSt rrspirinuJllm. 94 In der Anuim("ncs-Rhnorik wird der ~iff .Topos" im spczidl m("(oriJchm Sinn nus an insusamt dsci S,dl("n (1434A35, 144MI7 und 1443831) vc:rwc:ndn.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSF.
stets eine universelle Perspektive aufweisen: Durch die drei Ganungen von Reden kann man generell jede Fragestellung erörtern, und entsprechend bieten die fünf Themenfelder im gmus drlibaotivum, die Bmoo in Kapitel 1,5-11 bespricht, ein so umfassendes Instrumentarium. daß alle hienu gehörigen Themen eingeschlos· sen sind. Die sieben capitukz fina/ia können bei der Erörterung dieser Themen· felder als Suchmusrer dienen, können aber auch noch durch andere Argumema· rionsmcrhoden erweitert werden. Der Fluchtpunkt in Bruoos Übernahme der Rherorikschrifi: des Anaximenes bleibt die Universalisierung der Rhetorik, die Bruno im ersten Teil des Arrificium paorandi allerdings lediglich behauptet, ohne sie näher zu begründen.
Sruoo fügt nun als dritten Block (Kapitel 12-14) noch einen größeren Abschnin über cUe verschiedenen Redeteile an: Artificium perorandi 1,12 behandelt das prooemium, 1,13 die nQ"alio, 1,14 die confinnario. Anaximenes hatte die Redeteile je nach Gattung der Rede behandeIr, und die Inhalte, an die sich Bruno hier anlehm, waren bei Anaximenes in Kapitel 29-34 unter den Redeleilen des gnms deliberarivum abgehandelt worden. Darcl.O fügten sich bei Anaximenes die Teile der anderen Redegartungen in Kapilel35-37. Die Stoffilnordnung und der Aufbau der Rede waren also nach Anaximenes von der jeweiligen Gattung der Rede abhängig. Bei Bruno ist die Systemaük hier nicht klar zu durchschauen. Er belOm nicht ausdrücklich, daß er sich hier immer noch in der Behandlung des gmUJ tk· liberativllm befindet. Die Oberschrih zu K2,pitel 13 versucht, explizit die Beziehung zum gmus tklib~rarivllm herzustellen, im Text selbst findet sich auf diese Einordnung jedoch kein direkter Hinweis.'" Eine scharfe Zuordnung jedenfalls nahm Bruno nicht vor; der Akum liegt auch hier wieder eher auf der Topik als auf der inneren Systematik des rhetorischen Lehrgebäudes. In der Behandlung des proom/iran in K2pitell,12 folgt Bruno den einzelnen Punkten der Rh~torik an Alr.xand~r recht detailgetreu.'~ Die drei Hinsichten, in denen der Redner die Zuhörer in der Vorrede zu beeinflussen hat, nämlich sie da· cilis, aUmru! und ben~volUJ zu machen, bilden seit Anaximenes einen festen Bestandteil der rhetorischen Lehre." Im letzten Teil dieses Kapitels, in dem Bruno über die feindlich-ablehnende Einstellung der Zuhörer schreibt, variiert er die Reihenfolge der Stichpunkte gegenüber der Rh~/orik an Akxand~r leicht lind fügt eine Reihe von Beispielen ein, die bei Anaximenes nichr :tu finden sind. Dieser Teil ist zugleich auch der inhahliche Hauptteil des Kapitels und nimmt den 95 Artifidum 1,13, s. 53 (352): tn rtmJitionibvs Nlrrlltionis, in tOtbm r,mm' JaiiKrllriulI. 96 Am Beginn von Kapiu:1 1200001 Bruno in einer reell! eigemümlichen Formulierung, daß du prtNXmium ..hinsichtlich der drei G:lltungen~ sdu kun. gefaßt sein müsse, doch bnrichnet ,mus hiC't vermutlich nicht die Redet"'ltungcon. sondern die drei n:.achfolg
ftlnJitionn /' . .).
97 Die entsprechende Quelle ist RAA. ""lISl Fil. S. E5' bis EG' (. RaA Kapitel 29. 1436A33 1438A2).
98 LAUSBERG (1%0). § 269-279. und t.iARnN (1974). S. 63 L ferner Rixt. Ha. 1.4.6-8; Cie., rop. 97: Cie., fNln. 28-30.
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größten Plan ein." Dargestdlt werden hier Strategien, die der Redner bei der cllp/ario bnuvolnm·llr anwenden kmn. (Bruno verwendet diesen Terminus technicus allerdings nicht.) Hierin zeigt sich der Einfluß der rhetorischen Tradition auf Bruno: Die rhetorische Lehre kannte speziell mr die rhetorische Strategie zur Erzeugung von Wohlwollen klassischerweise vier Suchformdn, deren Anweisungen Bruno hier möglicherweise mit denen des Anaximenes vermischt hat: die ei1oo gene Person, diejenige des Gegners, die des Richters und die Sache selbsr. Bruno gibt jedenfalls wiederum eine Fülle von Suchfddern an, die der Redner verwenden bnn. um eine wohlwollende Reaktion zu erzeugen. Man könnte dies neben den oben genannten Arten der Argumemacions- und Sachtopik hier als eine ..emotionale Topik" bezeichnen, durch deren Anwendung gewisse Gefühlsreaktionen heim Zuhörer erzeugt werden können. Eine ähnliche freie Anlehnung an die Rhnorik an Alrxandrr zeigt sich in Kapitel 1,13, dem Abschnin über die narratio, in dem Bruno das Kapitel 30 der Rhr/orik an A/txandu verarbeitet. Zunächst führt Bruno eine inhaldiche Dreiteilung der narraJio in "Sache, Umstände und Redeweise"lol durch, die sich bei Anaximenes ganz ähnlich findet, wenngleich sie auch dort nicht in dem Maße den Text gliedert, wie dies bei Bruno der Fall ist. 'OJ Anax..imenes hatte die einzelnen Redeteile in Abhängigkeit von der jeweiligen Redegarrung besprochen, und so konnte er, da er von der politischen Rede sprach, eine Trennung in die Rede eines Gesandten und die Rede eines Versammlungsredners vornehmen. Von dieser Einteilung findet sich bei Bruno nichts. Die Untergliederung der "Sache" in Ver~ngenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges steht wiederum bei heiden Autoren. cu Zu den "Umständen" äußert Bruno nur lapidar, daß man auch sie genau berücksichtige müsse. Die bereits parteiisch geHirbte rasche Darstellung der "Sache" und ihrer "Umstände", wie sie Bruno in aller Kürze hier andeutet, war nach 1OO der klassischen Rhetorik der Zweck der narratio. Ebenso gehörten die zum Stich punkt "Sprache" bei Bruno genannten ScilideaJe der "Klarheit, Kürze und PlausibiIirär" zur Standard-Lehre und finden sich in dieser Dreier-Reihe auch beos reits bei Anaximenes:
99 Entsprechend ausflihrliehc Anmerkungen zu diesem Thema finden sich aueh in der RaA: 1436BI7-1437B34. 100 lJ"USßERG (1960). § 274: MARllN (1974). S. 64--<J6. l..B. Cie., i'lv. 1.22: &nivoknriil qUllf(Uor t1f Uxis romfNlrillur: tlb '101ml, tlb iltl'~rJlIriorum, ilb iutlit'Um p~"onil. il tilllSil. 101 Artijirium 1.13, S. 53 ( (352): Nturiltio inslillUnda, (ilnoni« ronsitbrlltur. /litt ~t'Um{um rrm. wl St'OlMUm rri o·rcum.stn.ntiilm, wl ~t'UMllm moaum. 102 Vgl. &zA. trilnsl Fil, S. FI'( (. I438A3-8). 103 Artificium 1,13, S.54 (352): /. S«urulum mn ~orl rommrmor4t. rt ilnnU'lci.ll prlUtvitn.. wl rxpenil. proponiU/w pnlNnnil, /lltl pr,uJiril. prarinll~Jhlal'lruftruril. - RAA. trilllSl Fit S. FIT (. 1438AI9-21): Gnn ~Yl'tJ ipSl roncionllflln lI/iquUi prlUtvitllm nllrTllmus.· siru rtiilm p~nlill ncpctnllmus: silU prrJitllmus PIII,.. /. .. /. Auch didot Slrukturicrung findet .sich winlcr bei dcn römischen Rhetoren, vgI. lJ"USBERG (1960), § 291. 104 lJ"USBERG 09(0). § 289; MARnN (1974), S. 76. 105 Artifirium, S. 54 (353): 11/. QwxllJItn) tUI modum tlimuii IIninn, rrlJuinmtllr rriII: &zlifJn~ utf'Dl~. bl't"Uiwlis. Ji/uciJitn.lis. n p",bllbi/italU. - R4A. trilnsl Fi/•• S. F2' (. 1438A21 (.): /' . .j nteaM
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In Kapitel 1,14 schließlich m:llt Bruno die ..Prinzipien und Topoi" der confirmIltio zusammen.'06 Diese Topoi schöpft er wiederum fast vollständig aus Kapitd 33 der Anaximenes·Rherorik. Unter anderem fühn er hier als Übeneugungs· mittel nochmals die (/lpitula finalia an. Im ganun benachtet bleiben die Topoi dieses Kapitels jedoch recht unkonturiert; in ihnen werden ganz allgemeine lkglaubigungsstrategien angeführt. ecwa die Baugnahme auf die Autorität des Redners oder auf Sprichwörter. Die confinnatio als ein Redereil wird jedoch nicht erläutert. So fügt sich diese Topik fast nahclos in die zuvor genannten ein und gibt dem Artificium p"orandi auch an dieser Stelle den Charakur einer gtoCkn Topos-Sammlung. Auch hier bestätigt sich, daß Bruoo zwischen den Topoi einer Redeganung, eines Red.egegenstandes und eines Redcreils keine grundsärzlichen Differenzierungen vornimmt: In den Listen der Topoi wird versucht, für be· Stimmte Aspekte der Rhetorik Argumenrsammlungen anzugeben, ohne jedoch diese Sammlungen systematisch in das rhetorische Lehrgebäude einzubinden. Die übergeordnete. universelle Struktur wird durch die drei Redeganungen gebildet, und die verschiedenen T opiken dienen dazu, innerhalb dieser umfassenden Struktur eine möglichst detailreiche Variationsbreite an Argumemationsmechanismen zu bilden.
4.3.4 Das gmus dnnonstrativum (Artificium pn-oralldi 1.15-17) Die rhetorische Theorie umerscheidet das gmus dnnonstratilJum von den heiden anderen Redeganungen durch eine besondere Stellung: Während bei der politischen Rede der Hörer für oder gegen ein bestimmtes Vorhaben geSlimmt und bei der Rede vor Gericht eine Tat zur Anklage gebracht oder veneidigr werden soU, ist bei der Gelegenheirsrede die emOtionale Halrung des Hörers von Anfang an 107 emschieden. Das Ziel des Redners kann hier nicht darin bestehen, überzeugend für oder gegen etwaS zu argumentieren; der Zweck demonstrativer Rede besteht in der Verstärkung einer bereits bestehenden affektiven Haltung. Man denke er· wa an das Lob einer geehrten Persönlichkeit bei einem Festakt. Das virruosc: EIe· meor der Sprachbeherrschung Steht im Vordergrund. Die Sonderstellung des g~. nus d~monstratilJJim besteht also darin, daß hier eigenliich die Rede Selbsl zum Gegenstand wird. Sie ist nicht mehr eine Waffe in der Hand des Redners, die Rede wird zum Kunstwerk. Die Rhetorik muß daher für diese Redegattung Me· (hoden bereitstellen, durch die die positiven Merkmale einer Person oder Sache in gesteigener Form vorgetragen werden können. AJs solche können demonstrati· ve Reden auch als Einlage Teil von Reden der beiden anderen Ganungen sein. Das gmus dnnonstrativum wurde aufgrund dieser Eigentümlichkeiten immer in nt 1_1 IItIItf1U{JUNiqw Mf'JIm t1 brroiur t1 Jibuilk tt "tm Jilu prrJlNtbiliJlIl~!MiizmllJ. Vg{. dnu MAR11N (1974), S. 247-253: UUS8ERG (1960). § 294-334. 106 Amfirillm 1,14. S. 55 (353): C."firmJltW"iJ qlUJtfw kJ"tIlmml1Jo pri"ripill IItqw /«11 rrfrmlf14 Jllnl. 107 UUS8F.R.G (1%0), S 239-242.
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die Nähe der Dichrung gerückt und bildete so nicht nur eine eigene Rede·. son· dern fast auch eine eigene Literaturgartung, wie sie etwa in Erasmus' Lob da Torh,ü oder später in Lessings Lob ckr Fauih,it produktiv von Schriftstellern adap· tiert wurde. Bruno reduziert in seinem Abschnitt über das gmus tkmonstrativum einleitend, wie es auch Anaximenes in seiner Rhetorik getan hatte. diese Redegattung auf die Steigerung (amp/ificatio): Lob und Tadel. die beiden im gmus tkmonstrativum zu leistenden Aufgaben, werden Bruno wfolge ausschließlich durch Intensivierung und Reduzierung gewisser Charakteristika, also eben durch amp/ijicano und deren komplementäres Gegenstück. die aU1luatio, erreicht: Das gmus dnnonJtrativum befaßt sich mit Lob und Tadel, und zwar von Dingen oder von Absichten, von Vorhaben, von Wanen oder Beschlüssen, von Taten oder Handlungen. Dabei kommt es darauf an, enrweder zu vergrößern [amplificl1r~1 oder zu verringern [aunuart']: Großes verringern, so daß es klein erscheint, geringe Dinge vergrößern, so daß sie den Eindruck von großen erwecken. Oie Prinzipien des Verringerns und Vergrößerns erwachsen beide aus derselben Wunel; was nämlich die Bejahung oder Senung einer Tugend vergrößert und hervorhebt, das verringen und beschuldigt die Verneinung dieser Tugend und die Senung eines Lasters.""
Nach dieser Einleitung gibt Bruno in den beiden anschließenden Kapiteln zwei verschiedene Topiken wieder, und bei beiden Topiken ist das verfolgte Ziel eine amplificatio. Die traditionelle RhetOrik kennt unter dem Terminus amplificatio (aN;fJatc;) eine auf verschiedenen Methoden beruhende Technik, die Intensivie· rung eines in einer Rede zu behandelnden Gedankens auf verschiedenen Ebenen zu erreichen. Wie die nachfolgende Analyse zeigen wird, nimmt Bruno diesen spezifischen rhetorischen Begriff von amp/ijicatio nur in Kapitel 17 auf. während Kapitel 16 nichts mit der rhctOrischen Theorie des amplificatio zu tun hat, sondern auf die Lobes-Topikcn, wie sie dem gmus ckmomtrati,JUm eigentümlich sind, zurückgeht. Sowohl diese Lobes.Topik des gmus tkmomtrativum als auch die amplijicatio wurden von den Rhetorikern mit großer Sorgfalt abgehandelt, doch hat man sehr wohl zwischen dem gmus ckmo1lStratilJum als Redegarrung und der amplijicatio als rhetorischer Strategie. deren vornehmlichen Ort man in der p,roratio, dem emotionalen, pointierten Schlußteil der Rede. sah, einen klaren Trennstrich gezogen. Daß Bruno für beide Kapitel ausdrücklich den Begriff der amplijicatio ins Spiel bringt, läß( sich aus einer direkten Anlehnung an den 108 Arrifidum 1,15, S. 56 f. (354): Gmus dnnol'/Jlratiuum umarur circa lautbm rl vitu~rium wl r~rum, wl immtionum, wl propoJiwrum, wl wrborum J
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Begriff, der von Anaximenes verwendet worden war, erklären. Anaximenes kannte noch nicht die spezifische amp/ificatio-Lehre. die vornehmlich durch Cicero und Quintilian geprägt wurde. und Bruno versucht auch hier nicht, terminologische Klarheit zu schaffen. Beuachten wir z.unächst Kapitel 16. Mit der hier wiedergegebenen Topos-Liste
greift Reuna im wesentlichen auf bekannte rhetorische Muster zurück, in denen Lob und Tadel, die Aufgabe des gmus d~momtrativum, in einer Topik systematisiert wurden. Diese T opiken richteten sich nicht auf eine Steigerung eines an sich schon lobens- oder tadelnswerten Sachverhalts, sondern bestanden in einer Liste von Suchaspekten, in denen thematische Felder rur Lob und Tadel aufgezählt und geordnet waren. LAUSBERG hat in einem vornehmlich auf der Systematik Quintilians basierenden Entwurf versucht, das Schema rhewrischer Lobes109 Kataloge für das gmus demonstrativum exemplarisch danustellen. Dieses Kapitel zu Lob und Tadel aus Quimilians Rhewrik, das ich nun zum Vergleich heran~ ziehen möchte, weist weitreichende Gemeinsamkeüen mit Brunos Toposliste in Kapitel 16 auf und diente Bruno bei dieser Stelle des Artificium perorandi allem Anschein nach als Quelle. Quincilian teilte die Objekte für Lob oder Tadel in vier Gruppen ein: Götter, Menschen, Tiere und Unbelebtes. Bruno beschränkt seine Topik allein auf das Lob des Menschen und übernimmt nur diesen Teil aus der Vorlage. Für diese Einschränkung gibt er eine Rechtfertigung: Die amplificatio, die nun anhand des Emporhebens und Schlechtmachens von Menschen betrachtet wird, ist gemeinhin gültig für Lob und Tadel von allem: auf dieselbe Weise nämlich rühmen wir eine Gesellschaft und einen Staat wegen seiner Gründer, Bewahrer und Tu~enden, wie auch Menschen wegen ihrer Vorfahren, ihrer Eltern und ihrer Taten.' Das Lob und der Tadel eines Menschen kann als exemplarisch für jeglichen Gegenstand von Lob und Tadel angesehen werden. Hierin formuliert Bruno zum ersten Mal in seiner Rhetorik den Kerngedanken, der im zweiten Teil des Artifidum perorandi zum eigentlichen philosophischen Fundament seiner Rhetorik werden soll: Der Mensch kann als Analogon zur gesamten Welt betrachtet wer~ den. Eine Topik, die das Lob des Menschen auf ihre wesentlichen Stichpunkre bringt, enthält implizit eine auf jeden Bereich übertragbare Lobes~Topik. Auch Anax.imenes hane seine Hinweise zur Lobrede allein auf den Menschen fokusiert, ohne allerdings dafür eine besondere Begründung anzugeben; Bruno übernahm hier - wie die folgenden VergleichssrelIen zeigen - teilweise auch Lobeswpoi aus der Anax.imenes-Rhewrik, ergänzte sie jedoch mit Material aus Quimilians Darstellung. 109 Vgl. himu und turn folgenden V.USBI'.RG (1960), § 243-247. nach Quim .. ;'lSt. 3.7,6--22. 110 Artificium 1.16, S. 57 (354): Amplificiltio. quar obsrrwltur in rffirrndis hominibus wl drprimrndis. (ontmunis Nt Ild omnium IalUkm rl lIituprrium. raden mint rationr ((kbramus riuitillnn rt rrntpub. 11 suis fimdaum·bus. srruntorihus rt llirtutih. ql«S hominrs 11 SUIS nwioribus. parrntihus rt ftrinorihw.
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Bruno gliedert seine Topik nach drei groben Gesichtspunkten: Vergangenheit. Gegenwart und ein driner Abschnitt, in dem er über die T ugenden Gerechtig~ keit, Tapferkeit und Mäßigung spricht. Im ersten dieser Punkte, der Vergangenheit, lehm sich Bruno noch fast wörtlich an die Rhetorik an Akxander an und stellt dar. wie die Beurteilung der Vorfahren, je nach dem, ob sie Rühmliches oder Unrühmliches geleistet hahen, für das Lob einer Person verwendet werden kann. Diese Argumemationsweise findet sich so dann auch in der Quintilian~ 11I schen Einteilung. In Brunos zweitem Stichpunkt wird bei der zu lohenden Person in die Bereiche des Körperlichen, des Seelischen und des Schicksalhaften unterteilt. und unter diesen drei Aspekten steHt er Listen von lobenswerten Eigenschaften zusammen. Auch dieses Schema verwendet Quintilian, bei Anaximenes läßt sich hierfür keine direkte Parallele erkennen,lU Die drei Tugenden. die Bru~ no im dritten Abschnitt anführt, werden wiederum sowohl in Andeutung in der Rhetorik an Akxander als auch ausführlicher in der Aufzählung bei Quintilian erlu wähnt. Zusammenf.J.ssend betrachtet, verarbeitet Bruno an dieser Stelle in recht konventioneller Weise die Lobes-Topik aus der klassischen Rhetorik. Die Einschränkung auf den Menschen, die zum Leitgedanken des zweiten Teils der Brunoschen Rhetorik werden wird, klinge hier bereits an. In Kapitel 1,17 des Artificium perorandi greift Bruno nun auf das spezifisch rhetorische Konzept der amplificatio zurück. Diese Bezugnahme ist jedoch nicht
111 Artificium, S. 57 f,: Lorus ~rgo ud amplifirandum, f. esl a pT2cl'critis, vtpott, a [, ,.]ftmilM, in qua vrl omnrs ftrrum iUustm, rr turn lirrbil omnium 1)(1 plurimum cata/Qgum prarrrxrrr; vd quitkm lantum rx ipJis, rt tunc ra cauiflationr vuni/um, quod non Mut prolixll moiorum srn'r, aurrs auditorum onrrarr, aMoqur ros tanrum rrfirat, qui ad rrm fturr viMnrur. Si vrro primi tanrum crkbrrs, ftcirnda nJrum rst mrmio. Porro si obseura rsr omnino maiorum /inra, rx ro ipsiur naliuitattm rrltbrarr pouris, quod non ab aliis rfargit4m, apparat4m, rommunicat4m, srd a sripso panam nobililaum spknMsr~rrftrit /. ..}. - RaA, transL Fil, S. F6' (a 1440829 - 1441Al): Si quidnn progrnitom insignN ftrrint: drbrmus omnis ab inirio ad rom /lJqur quamur idudarum wlumus: mumrrr: rt in singlis progrniraribus dArum aliquid summarim appon~rr. Quod si pn'mi industrii insignrsqUL ~rint: &Iiquis vrro nihil orationr dignum grssisw contigm·t. Pn'mos quiMm ilfos roMm modo prrsrqurmur; ignauos autrm atqur Mgrn~rrs omirtrmus: ra usi cauilfarionr: qua propur maiorum multitudinrm nolimus auditoribus orationis fongitudinrm graurs tffiri: pm~nim rum nrmini sit obJCI~rum qui rx bonis cfan'squt paffntibus nati sunt: ros consrnt4nrr fini suis maion'bus non dissimilts. Sin l1urrm vrtn-rs progmitorrs obscun'ftrn'nt: qui I)(ro proximr txtittrunt illrmm: ab tjs Nt faus grnrris rapirnda: dicrndumqut lJl dt iUis quidmr Jongam u~rrrr quandam orationrm suprruacan~um admodum Juait. - IJr.USBERG (1960), § 245: I) rx rrmporr quod anu ~os ftir. sf"ciatim: A) a grnrrr (patria, maioribus, parrntibus) I) (Os faudando a) rx rlarit4rr grMriJ /. . ./ b) rx grnrr~ humili f.. ,] 2) (Os vituprrarulo a) rx turpitudinr grnrris b) rx clarit4rr grnrris quar notiom rirta vitia rt invisos mogis firit. 112 Anificium 1,16, S. 59 (355): 2. a rrbus pramntibus, quar sunt vrl bona rorporis vtl bona fonunar IXI bona animi. - IJr.U5BERG (1960), § 245: 11. rx rrmporr qU(J ipsi vmrunt (vivunt), spreMtim: A) rx animi /. . ./ B) rx corporr [.,.] C) rx bonis rxtra positi, (fortuna! [. ..]. 113 Anifirium 1,16.5,60 (355): 3. AmplifUatio fit rx bonis, quat in actionr comisrunt, qU4l~ sunt in tripliri gt'ntrr. vtporr iustitiar, fonitudinis, rt rrmf"ranrMr, - RAA, transl Fil, S. GI' (. 1441 M7): [. ,.] M iusticM primum dicrrr aggrrdirmur: /. .. ] ad pruMnciam si ~rit: tUscmMmus. Et hanc rotbm qu(}qur modo absolurnrrs: fonirudin~m si ~rit: propon~mus. - IJr.USBERG (1960), § 245: b) 1)(1 dividtndo faudtm (llitupt'rationrm) in s/Xnrs vinurum (vitiorum), faudando a) fortitudinrm, ß) iustitiam, r) continmtMm {. .. ].
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
ganz eindeutig. Brunos Verarbeitung der rhetorischen Lehre in diesen amplifica~ tio-Kapiteln kann nicht ohne Weiteres auf gängige rhetorische Systemarisic:rungen zurückgefühn werden. Vielmehr findet hier eine Vermischung verschiedener rhetorischer Muster statt. die ich unten näher charakterisieren will. Daß die rhetorische amplificatio in ihren Umrissen bei Bcuno nicht auf direkte Vorlagen zurückgeführt werden kann, liegt in den Schwierigkeiten dieses Begriffs selbst begründet. Sein Konzept der amplijicatio steht insofern durchaus in der rhetorischen Tradition, als dieser Begriff bei den einzelnen Rherorikern teilweise stark divergierende Bedeutungen besaß. In verschiedenen Kontexten erhielt die amp/ificatio daher ein recht diffuses Bedeurungsfeld und ist im rherorikgeschichdichen Rückblick nichr immer mit scharfen Umrissen zu bestimmen. Die imensive Dar~ stellung eines Sachverhalts kann als eine rherorische Hauprnufgabe oder gar als Grundaufgabe der Rhetorik ganz allgemein angesehen werden. UEDING resümiert daher: "Im weitesten Sinne muß die amplificatio als das elementare Verfah~ ren der Redekunst (auch der Kunst überhaupt) aufgefaßt werden, da eine objektive Behandlung des Gegebenen unmöglich ist: stets geht die BehandJung von parteilichem Interesse aus, und das Gegebene wird gemäß diesem Imeresse zuge· spitzt aufgefaßt und dargestdlt."114 Die amplificatio wurde daher oft auch von den Rhetorikern als ein gam. allgemeines rednerisches Verfahren verstanden, dessen Anwendung unabhängig von der Redegarrung dazu dienen sollte, die emotionale Wirkung einer Rede auf den Hörer zu erhöhen. Bevor ich auf Brunos Amplifikations-Topoi in Kapitel 17 näher eingehe, er~ scheint es daher ratsam, zunächst einige Erläurerungen zum rhetorischen Begriff amplificatio zu geben, um Brunos Ausführungen hierzu anschließend in diesen lI Kontext einordnen zu können. ) In der Geschichte der Rhetorik taucht der Be· griff amplificatio zunächst im wesentlichen in zwei, nicht scharf von einander zu trennenden Bedeutungen auf. Grundlage für diese beiden Bedeutungsrichtungen bildet die prinzipielle Zerlegung des rhetorischen lehrsystems in die m als Bezeichnung für alle argumentativen, inhaltlichen Belange einer Rede und die vfTba als die affektive, konkrer sprachliche Realisation des aus den m gebildeten, gedanklichen Gerüsts. Ganz allgemein kann daher nun als amplificatio jedes Verfahren innerhalb einer Rede bezeichner werden, das einerseits auf argumemativer oder andererseirs auf sprachlich-stilistischer Ebene eine emotional verstärkende lI6 Wirkung beim Hörer zu erreichen versuchr. Will die amplificatio nun sprachlich (also bei den v~rba ansenend) wirken, so muß neben Berücksichtigung von Gestik, Mimik, Stimme und Körperhaltung 'l7 vor allem die Tropen- und Figurenlehre eingesetzt werden. In diesem Sinn wurde 114 UEDlNG (1995), S. 73 f. 115 Zu diesem überblick vgJ. PLOBST (1911); BAUER (1992); LAUSBERG (1960), § 400-409: MARnN (1974), S. 153--158. 116 Cic., part. 53: Esl iKirur ampüfieario gravior qwudam adfimuuio. quat motu animorum eonei/in in 'iemde fidtm. ta n wrborum gtntrt ronficirur tf rtrum. 117 Der Begriff ampüfieatio wird eigentlich nur in dt'r Rhttoriea ud Htrtnnium ausdrücklich auch für diesen Sachverhalt vcrwcndt'l, vgl. Rhtt. Htr. 3,13,24 und 3,15,26 f.
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die amplificatio bei den Rhetorikern unter dem Arbeirsstadjum der ~/ccutio, also der sprachlichen Ausarbeitung der Rede, behandelt. Auch Quimilian erörtert die amplificatio daher in den Kapiteln, in denen es um den rednerischen Schmuck (txonlatio) gehl. Er unterscheidet bei den Mitteln (verbaler) amplificatio vier Elememe: Das incrnnmtum, eine An stufenweiser Steigerung durch geschickte Verwendung von Synonymen, die comparatio, ein Vergleich, der die Größe einer Tat oder Person durch Vergleich mit einem geringeren Gegenstand vom Kleinen zum Großen verstärkt, die rah'onnah'o, eine unvoUständige Schlußfolgerung, die eine Suggestion der Größe eines Gegenstandes hervorruft, und die congola, die ungeordnete oder sich allmählich steigernde Anhäufung von Metaphern, Syn. 1lI onrmen und Vergleichen. Die amplificatio kann aber auch als ein Teil der invmtio. der Materialbeschaffung, verstanden werden. Dann geht es darum, die argumentativen Inhalte einer Rede auf ihre Steigerungsfahigkeit hin zu prüfen. In diesem Fall werden die /cd COmmU1I6 als Basis der amplificatio herangezogen. Dabei kann man eine Trennung in allgemeine und spez.idle Topoi vornehmen. Zunächst liegen dem Redner diejenigen Topoi vor, die ganz konkret auf die Gegebenheiten des zu behandelnden Falles anzuwenden sind, die also für die argummra propria heranzw.iehen sind, erwa die Iod a pnwna und a re sowie deren nähere Spezifiz.ierungen. Besonders im Bereich der römischen Rhetorik wurden diese Topos-Kataloge mit besonderer Sorgfalt awgearbeitet, wobei über die Grobeimeilung nach "Person" und "Sache" hinaw weitere, sehr feinnervige Suchmuster erstellt wwden. Auf der Grundlage dieser Topoi kann also der Redner zunächSt den Rahmen einer Argumentacionsstrategie au.sarbeiten. In einer zweiten Stufe werden nun Argumente gesucht, bei deren Anwendung vom konkret Gegebenen abstrahiert wird und der zu behandelnde Fall (quaem'o finita) verall~meinert auf eine generelle Fragestellung (qulUSrio infinira) zurückgeführt wird... Diese Verallgemeinerung des gegehenen FaJls wird als wesentlicher Arbeitsschrirt der amplificatio aufgefaßt. Dabei kann ein spezieller Topos wie etwa das Alter einer Person oder ihre familiäre Herkunft zu einer Reflexion über die Bedeutung des Alters und der Familie im allgemeinen erweiten werden. Innerhalb dieses Arbeirsschrines kann nun wiederum zwischen zwei Stufen unterschieden werden: der Steigerung eines noch nicht enschiedenen Falles (dubia~ rd amplificatio) und der Steigerung eines entschiede· nen Falles (cma~ rti amplificatio). In heiden Fällen benutzt der Redner für die Findung "Gemeinplätze" (Iod communa). Argumente. die :luf viele Fä.lle übenra~n werden können, nennen wir Gemeinpl:it1(:. Denn ein Gemeinpl:lQ. enlhä.ll entwroer die :lß1plific:uio einer schon entsehie-
118 Quint.• iM. 8.4,1-29; L\USBERG (1960), § 401-406; MARnN (1974). 5.157 f. 119 Diese konkretc ilmplifiuui".Theoric lifh sich vornehmlich :luf Ciccros IR ;nt'tntiDn~ wrückllihrtn, vgI. LAUSBERG (1960), S 407; MARTIN (974). 5.155 f.
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denc:n Sache oder eim:r noch zweifelhaften, die
Die Gemeinpläne werden hierbei aus derselben Quellen geschöpft, aus der auch die argumrolll propria genommen wurden. also die Argumente. die auf den speziellen zur Rede stehenden Sachverhalt angewandt worden waren; der ltxw com· munis in also nicht als solcher vom je auf den konkreten Fall 2.U applizierenden Argumentations-Topos verschieden, sondern erhält nur dadurch eine eigene Qualität, daß er auf eindringlichere und emotional gesteigerte Weise auf den ver· allgemeinenen, abstrahierten Sachverhalt übertragen wird. Die Methode ist dabei in bc:iden Fällen grundsänlich dieselbe, nur gehr es im ersten Fall um eine schlüssige Beweisführung. im zweiten um eine argumentative Intensivierung dieses m Standpunktes. 50 kann beispielsweise ..der Wau a vita anU acta [... ] in der qtlamio finita konkrete Argumente für die Beurteilung der Mordtat des Mörders X liefern, indem gezeigt wird, wie das individuelle Vorleben des Mörders X mit der konkreten Tat in Zusammenhang steht. Darüber hinaus aber kann der gleiche Iocus a vita anU acta als qua~st;o infinita verallgemeinert werden: ,Wie hängt das Vorleben eines Täters mit seiner Tat 2.usammen?,ullZ Während hierbei die Gemeinpläne noch imdlektuell-argumentatjv eingesetzt werden, gilt für den zweiten Teil der amplificatio, die Steigerung eines schon ent· schiedenen Falles, daß vor allem eine pathetisch-affektische Beeinflussung des Publikums bewirkt werden soll. Der Redner benum die Gemeinplätze nun dazu, an die Gefühle der Zuhörer 'tu appellieren, da er eine bereits beim Hörer vorhanlll dene Meinung nur noch durch thematische Emotionalisierung verstärken muß. Dann liegt der Fall vor, daß beim Hörer eine bereits bestehende Meinung nur noch bekräftige und intensiviert werden soll - die Grundsituation des gmus d~ momtrahvtlm also. Diese: kurz.e Zusammenfassung z.eige, daß eine eindeutige Trennung zwischen allgemeinen und konkreten Topoi einerseits und der sprachlichen und inhaltlichen Ebene andererseits bei der rhetorischen Theorie der amplificatio nicht klar vorz.unehmen ist. Die beiden gezeigten Amplifikations-Methoden nach Quintilian und Cicero stellen z.wei Pole dar, zwischen denen sich das Bedeutungsfeld der rhetorischen amplificario aufspannen kann. Im Grunde lassen sich unter dieser Perspektive eine Fülle von inventiven und exornativcn 5nategien einordnen; die amplificatio kann dann 2.U einem Begriff für ..das Rhetorische" als solches werden.
120 Cie.. ;"&!. 2A8: /. . .j a'fJtmmla. qlUU transfnn' i" multas eaUSlU poIJum. Ioros eommunn "omina-
mllJ; 1I#m Iocw rommUI1U aut ftr'Ut ,t'i quaNiom eonn'ntt 4mp/ifie4tiontm I...} aut aubuli. quat ce rontr4rW qUiNjut halNat probtlbiks ,ationn arr;ummlarlai /. . .}. 121 Gc.. i,,&!. 2.51: loei om"n rommUfln tx is.rkm p,at'aptis sumll1!tu,. quiblU ei'tt'rat' a'fJtmt'''latio"n; srJ i/lat' lnIuillJ n lubti/i1lJ n iUlItjlU t1'IleUmlUr. hi auttm t'"l!ilU tt Dnum'lIJ n Nlm dis tum tliAm sr"lnItiis ccalJmtibw; i" ilJiJ mim fi"is nt, ut jJ quoJ Jidtll' wnt'" nst vWilrur. i" bis tIImt't1i htK qUiNjw viJrn' 0p6nt't, lamm firlis nt amp/inuJb. 122 LAUSBERG (1%0),
S 408.
123 Ba Cicero (;"", 2.51) sind es vornehmlich dic AffCklC Empörung (jnJiptio) und Mitleid (",ist'rictmJiII). die bei der amplifi(lltio encugt oder velSlirkt werden können.
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Die Topik zur amplijicatio, die Bruno in Kapitel 17 darstellt, kann in man· chen Hinsichten mit dem eben skizzierten Bild der amplificatio bei den römischen Rhetorikern parallelisiert werden. Wie auch die Überschrift zu diesem Ka· pite! andeuter, in der von einer "eigenen Methode der amplijicatio"I!4 die Rede ist. handelt es sich hier vermutlich um eine von Bruno mehr oder weniger eigenständig erarbeitete Topik. Nimmt man AlSted als den Bearbeiter an, der die Überschriften in das Brunosche Manuskript eingefügt hat, so kommt auch hier zum Ausdruck, daß Alsted ebenfalls dieses Kapitel in die gängigen rhetorischen Schemata nicht einzuordnen vermochte. Bruno knüpft zunächst an die im vorangegangen Kapitel dargestellte Topik an. indem er die Stichpunkte Vergangenheit und Gegenwart, die er in Kapitel 16 als Gliederung benunt hatte. nun noch um die Zukunft ergänzt: Ferner gehl amplificlltio aus Vergangenem, Gegenwärtigen (darüber wurde bereies gesprochen) und Zukünftigem hervor [... ].111
Darüber hinaus nennt er noch weitere 15 Topoi, die er zumeist durch beigefügte Beispielsäne erläutert. Es ist auf den ersten Blick schwer. für diese Topik eine Parallele in der bekannten rhetorischen Lehre zu identifizieren. Am auffallendsten ist zunächst die Tatsache. daß Bruno für fast jeden Topos ein wörtliches Zilat als Beispiel anführt. in dem die praktische Anwendung dieses Topos illustriert wird. Es ist zu vermuten. daß diese Beispielsätze zumindest in der Mehnahl von Bruno selbst stammen und nicht aus der klassischen rhetorischen Literatur übernommen wurden. Die einzelnen Topoi der Darsrellung Brunos weisen keinerlei Parallelen zu den Anlplifikations-Topiken in Ciceros De invtntione oder der Rhetorica ad Hertnnium auf. wo speziell für den juristischen Kontext Steigerungs.Topoi angege· 1l6 ben wurden. Auch die Gegenüberstellung mit der Rheton"k an Aftxandtr weist nur in einigen wenigen. ganz allgemeinen Andeutungen Berührungspunkte auf. So rät etwa auch Anaximenes dazu, Vergleiche anzustellen oder Objekte in ihre u7 Teile aufzulösen und jeden dieser Teile einu:ln zu betrachten. Ferner übernimmt Sruno ganz offensichtlich einen seiner Beispielsätze aus der Rhetorik an Alaander. m Doch insgesamt bleiben die Parallelen zwischen den beiden Texten dennoch oberflächlich. Ähnlich verhält es sich, wenn man Brunos Darstellung
s.
124 Artijidum 1,17, 61 (356): Pm,[iaris ratio d~ modi; amp/ijicandi. 125 Artijidum 1.17, S. 61 (356): Rvrsum ampüficatio fit ab anuudtntibus, concomitantibus. (rk quibus dict14m tst) tt constqutntibus /. .. }. 126 Rhn Htr. 2.30,48 f; Ge.. in/l. 53,10 I-54, 104. 127 Artifidum 1.17, 61 f (356 f): 2. Fit amp/ijicatio a comparationt uu col!Jltiont /... } 5. A partium ~numtrationt tt distictiont cuiusqu~ rti in sua mnnbra, ql#U subindt pa singula txaminmtur /' .. f - RaA. transl FiL. S. C2'f. (. 1426A28-BI2): Ttrtium modus tst: /lt ad iDud quod am tt dictum tst: minimum qUQd tx his qur sub tan/km s/Xcitm cadunt: comparrs. /. . ./ Considtrandum tst (liam: qU4/is rtS ipsn /lidtbirur: tam suis partibus di/lidtnM singillalimqut narTando: qurqur maior /lisa [writ: tnm hot modo rxp!icnrt' conumirt. 128 Arrifidum I, 17, S. 62 (357): /. ../ si in amieos raüs, qU4!iS trir in patriam, in parmttt. _ RaA. transl Fil, S. C2' (. 1426B5-7): CuiUJ wro amid curt' sunt hunc rtCtt conuntan~um tst suos ~t;am cokrt partntts. Qu; autnn SUDS partntts eoür: hic projtCtD vokt enam patri~ btnrfiKtrt.
s.
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mit der oben erwähnten ausführlichen Behandlung der amplificatio bei Quintili~ an gegenüberstellt, doch kann man hier, wenn man die Kriterien für die Parallelität nicht zu eng nimmt. sogar noch einige darüber hinausgehende Anklänge I29 fcsmellen. Bruno deutet ferner die amplificatio auch im traditionellen Sinne als eine gesteigerte Anwendung derjenigen Topoi, aus denen auch bereits in der inumtio die Argumente geschöpft wurden. Der Vergleich mit der Argumentationsropik, die Bruno später in Kapitel 20 seiner Rhetorik behandeln wird, zeigt. daß es hier ähnliche. bisweilen auch identische Formulierungen gibt, etwa die Topoi a partillm enumuatiotu, a comparat;one, ab anucedmtibus, a concomirantibus oder a comequmtibus. die von Bruno in heiden Topiken verzeichnet werden und die zum üblichen Bestand der klassischen Rhetorik zählten. Ein generelles Problem an dieser Passage des Artificium puorandi besteht darin, daß Bruno bei den Ampliftkations·Topoi sehr allgemeine, on unpräzise For· mulierungen gebraucht, die häufig erst in Zusammenhang mit dem nachfolgenden Beispielsatz verständlich werden. Man könnte den Eindruck gewinnen, daß Bruno die Topoi aus den ihm vorliegenden Beispielen zusammengestellt hat. All dies legt den Schluß nahe, daß sich Bruno hier in recht freier, eher dichterischer Form mit verschiedenen sprachlichen Steigerungsformen auseinandergesetzt hat, ohne dabei zu versuchen, eine strenge Systematik durchzuhalten. Dabei hat er sich vermutlich an verschiedenen Vorlagen orientiert und sowohl formale Argumemationstopoi als auch Vorgaben zur Enielung einer stilistischen Steigerung verarbeitet. Gerade stilistisch ist die rhetorisch-steigernde Wirkung von Brunos Amplifikations-Topik überzeugend. Die bei Bruno gegebenen Beispielsätze folgen größtenteils den oben genannten, von Quimilian gegebenen sprachlichen Umbenennungen des zu amplifizierenden Gegenstandes. Die bei Quintilian beispielsweise empfohlene congm'eJ, also die Anhäufung von Metaphern, Synonymen und Vergleichen, hat Bruno etwa in den beiden folgenden Topoi realisiert: 7. (Der Topos} aus dem Aufeinandertreffen vieler Dinge, wie eTWa: ,Hier könnt ihr einen Stünpfeiler der Tapferkeit, eine Lam..e der Gerechrigkeit, ein Spiegelbild der Klugheit, ein Leuchten der Frömmigkeit sehen', und das Gegenteil kann man nennen, wenn man tadeln muß. [... 1 10. IDer Topos] aus der Ähnlichkeit und den Tropen, die von anderen Dingen abgeleitet werden können, wie eTWa: ,Schaut aur diesen wahren Hinen dieser Herde, den PAanzer aur diesem Acker, den Führer in diesem Krieg, den Stürlbalken in diesem einstürzenden Haus."JO
129 Man könnte folgende Parallelen zwischen Artificium 1,17 und der amplifi(iJtio !xi Quint., inst. 8.4.1-29 erkennen: I. ab anttcrdnltibw, eoncomitanribus, {. ..} ~t eonuqurnt;bus [Quint., imt. 8,4,1711 - 2. a romparation~ 191 - 4. a maior; IItI minori [7-10: 281 - 5. a parrium cnuml'rationl' 1131 - ll. ab tXl'mplis IllI - 14. ab tis, qUJIt mak conftnmtur 121J - 16. a (onsrcutiont quadam tt implieationt [11. 130 Artificium 1,17, S. 63 f. (357): 7. A plurium rtrum eoneUrJU, /lt hie !im inspiurc eoiumnJlm [ort;tudinis, t.men iust;tiat, spreulum prwitntiat, spkndcrtm rc!igionis, n ~ (Orllra si /liruprm. [. .. J
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Bruno scheine hier mehr von der Freude an der zugespinten Fonnulierung als von der rhetorischen Systematik geleitet worden zu sein. Was das Artificium p~r· orandi in diesem Kapitel vermittelt, ist der anspielungsreiche und geistvolle Umgang mit den verschiedenen stilistischen Ebenen der Sprache. Das von Bruno pointiert a.n das Ende gesente Beispiel scheint mit augenzwinkernder Selbstironie anzudeuten, daß sich hier der Literat Bruno aus dem engen System der Rhetorik herausgewagt hat. Er erläutert den Topos ..aus der Folgerung und Implikation, durch die unter einem Wort oder Namen viele Dinge verstanden werden können", anhand des folgenden Beispiels: Wer 'Mönch' sagt, meint damit den Aberglauben selbsr, die Habgier und Heuchelei höchsrpersänlich, kurz: das ganze Arsenal der Laster. Sag es mit einem Won: Ein ·· h·1St er. IJI Mone
4.3.5 Das gmw iudiciak (Artificium p~rorandi I, 18-25) Auch über die Struktur des Abschnitts, in dem Bruno die dritte Redegattung, das gmw iudiciak, abhandelt, möchte ich zunächst einen überblick geben. Brunos Ausführungen z.um gmw iudiciak, die sich in Kapitel 1,18-27 anschließen, versammeln eine Reihe verschiedener $tichpunkte aus dem rhetorischen lehrgebäude: Zunächst geht Bruno auf die status-Lehre (1,18) und die logischen Schlußverfahren (1,19) ein, daran schließt er zwei Kapitel über Argumentations~Topoi an, in denen er die sogenannten inneren oder ..kunstlosen" (1,20) und äußeren oder ..künstlichen" (1,21) Topoi darstellt. Schließlich behandelt er die rdUtatio (1,22), also denjenigen Redeteil, in dem - wichtig in juristischen Auseinandersetzungen - die gegnerischen Argumente entkräftet werden sollen, dann die effektivste Reihenfolge der einzelnen Argumente (1,23), im Anschluß daran die pronuntiatio (1,24), also alle Belange des äußeren Auftretens eines Redner und schließ· lieh die einzelnen Affekte und ihre ErLeugung beim Zuhörer (1,25). Auch hier ordner Bruno teilweise der gerichtlichen Redegattung Inhalte zu, die in der kJassisehen Rhetorik nicht ausschließlich auf diese Gattung beschränkt waren. Andere wiederum wie etwa die status-Lehre sind spezielle juristische Klassifizierungen. Dieser gesamte Abschnitt läßt sich gliedern, indem man zunächst Kapitel 18 mit der speziellen juristischen statw·Lehre von einem Großteil mit den Kapiteln 19 bis 23 trennt. In djesem Großteil behandelt Bruno die verschiedenen logischen Schlußverfahren, die er selbst als "Argumentationsarren" (argummtationis Ip~ciN) bezeichnet, ferner die Topoi, auf denen diese Argumentationen basieren können, 10. A similirudil'lr rt tropis. rx aliis rrbus drrumptiJ: l'r 4Jpio'rr grrgis huius vrtlim p4Jtorrm. buius agri rulumm. brlii iItius ducrm. ftlcrum iJtius domus rurntiJ, rU. 131 Artifidum 1,17, S. 66 f. (359): 16. A cOfI.Jrrurionr quadPm rt impliearionr. vrpolr, vbi unam dietionrm sru nomrl'l intrUigul'ltur. plurrs m {. .. j. Qui didt monaehum, signifieat ipSJlm lupmtitionrm, ipJtJm auaritiam. hypOlTiJin ipsnm. rt tandrm omnium vitiorum apotbream: VI'IO rrgo die wrbo. MonadJlff rtt.
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sowie die Anordnung dieser Argumente. Dann schaltet er das Kapitel 24 dazwischen, das nicht topisch organisiert ist und in dem Belange des rednerischen Aufnetens angesprochen werden. Das Kapitel 25 rrägt dann abschließend eine Topik der Affekte nach. BtUllo gibt auch hier seiner Darstellung wieder eine stark topisch strukturierte Form. Mir Ausnahme der eher technisch-praktischen Anweisungen zu Fragen der mimischen und sprachlichen Realisierung des Vortrags in Kapitel 24 werden hier sowohl eher formale Ordnungssysreme wie die Schlußverfahren als auch eher inhaltliche wie die zwei Arten der inneren und äußeren Argumenrations-Topoi dargestellt. Diese Umerscheidung von formalen und inhaltlichen Topoi deutet BtUllo einleitend zur Behandlung des genus iudiciall' in KapileI 18 selbst an: Z.u betrac~ten ist nun, 1. was zu.m Gegenst~nd dieser Rcd~at~u~~ gehört, 2. was die Form ISt, 3. was zur Ausschmuckung gehorr, 4. was das Ztcl,st.
Dieses Schema hält Bruno zunächst durch: Als materiale Belange der gerichtlichen Rede nennt er die !taM-Lehre (I,) 8), als formale Methode die logischen Schlußverfahren 0,19). Ober diese beiden Anfangskapitel hinaus arbeitet Bruno diese Einteilung nun aber nicht konsequent ab. In Kapitel 22 kommt er zwar nochmals auf die Begriffe fomla und materin zurück, so daß man annehmen kann, daß die diesbezüglichen Ausführungen auch noch bis zu diesem Kapitel reichen. Die Begriffe .,Ausschmückung" und "Ziel" werden im folgenden jedoch nicht mehr genannt. Auch wenn Bruno diese vier Gesichtspunkte nicht mehr explizit fortführt, so läßt sich doch in der Struktur des Textes diese Einteilung wiederfinden: Kapitel 24 handelt mit der prommtiatio die rednerische .,Ausschmükkung" ab, Kapitel 25 mit der Erregung der Affekte das "Ziel" jeder Rede vor Gericht. Betrachten wir nun im Detail die Inhalre der einzelnen Kapitel. In Artificium perorandi I,) 8 nenm Bruno zunächst die Arbeitsschritte eines Richters bei einem jurisdschen Verfahren; djese zählt Bruno ohne nähere Erläuterungen lediglich auf, da die Tätigkeit des Richters nicht in den Bereich der Rhetorik Pallr. Danach folgt eine Zusammenstellung von fünf Stichpunkten, die den Fortgang eines Verfahrens von Ankläger- und Verteidigerseite her skizzieren. Bruno verarbeitet hier die sogenannte J!aulJ-Lehre, deren Erfindung die antike Rhetorikrradition im allgemeinen Hermagoras von Temnos, einem ansonSten vollkommen unbekannten Rhetoriker, zuschrieb und die gewöhnlich wie auch hier in Brunos RhelOrik l3l umer die Ganung der Gerichtsrede fiel. Man unterschied gewöhnlich drei kten, den J!ot'UJ COnil'CltlraliJ, den status dljinitionis und den stat1lJ quaJitatis. Diese status konnten bei juristischen Streitigkeiten verwendet werden als "eine Schablone. die, wenn man sie über den je gegebenen Rechtsfall legte, alsbald den Punkt
132 Artificium 1.18. S. 68 (359): COr/sidmmdum t'St J. Quod ficit ad rius gmrris mlltrrimll. 2. QlWd adfo/77ldm. 3. QuqJ ad rxomationrm. 4. QuqJ ad fillnn. 133 AUSluhrlich hierzu U.USBERG (1960). § 79-254; MAll.nN (1974), S. 28
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hervortreren ließ, auf den es don zuallererst ankam", l)ol so daß Ftagen wie beispielsweise die Motive des Täters, die für den Fall relevanten Gesene oder die juriStische Einstufung der Tat, die allesamt von Anklage und Veneid..igung verschieden interpretiert werden konnten, deutlich zum Vorschein kamen. Bruno folgt der Terminologie der rhetorischen Traditjon, indem er den ersten status als .. Deutung" (status coni~CNmu), den drirten als den status der .. Beschaffenheir" (status qualitatü) bezeichnet, für den zweiten nennt er keine entsprechende Bezeichnung: Von ihnen [den stlltUJj gibt es drei Arten, nämlich die Deutung, die sich auf die Frage bezieht, ob ein Sachverhah besreht oder nicht, 2.B. ob es Amonius W:.J.r oder nicht. Die zwei re An ist die Frage nach dem Was oder das Was, I.B. wenn man fragt, ob Amonius redHmäßig handelte und im Besin treuen Glaubens war, oder ob er ein Usurpator oder Machtergreifer war. Die drine An isr diejenige der Beschaffenheit, das Wie, wo untersucht wird, ob etwas gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht, nützlich oder unnütz ausgefühn wurde. 'Ji
Die drei Anen der status bezeichnet Bruno, wie es bei den Rhetorikern üblich war, mit den FrageStellungen an aliquid sit vel von sit, quidditas seu quid und an aliquid sil berze "ei male; 1.16 auch in den übrigen Stich punkten folgt Bruno im einzelnen den Termini, wie sie erwa Cicero in diesem Zusammenhang verwendet harte. Ciceros Darstellung zufolge hat aus den !latus ein Hauptargumem (ratio) zu folgen, das vom Prozeßgegener mit einem Gegenargument (jinnamemum) entkräftet werden soll. Aus diesem Aufeinandenreffen von Argument und Gegenargumem entsteht schließlich die vom Richter zu emscheidene Frage (quaestio, disceptario). Eben diese ciceronischen Begriffe bilden auch bei Bruno das inIJ1 haltliche Gerüsr. Neue Gedanken treten bei Bruno im Vergleich zu Ciceros Darstellung nicht auf. Allerdings nimmt Bruno eine Trennung der Begriffe quaestio und disceptatio vor, die beide bei Cicero denselben Sachverhalt beschrieben hatten. Auch die Ana..ximenes-Rhetorik weist (vor Hermagoras) eine den stntllS vergleichbare Behandlung von Streitfalien auf. Anaximenes empfiehJt der Verteidigung enlWeder die Leugnung oder die Umdeutung einer vorgeworfenen Tat, und 134 Fut-lRMANN (1990). S. 40
r. Man kanme auch noch einen vienen slatus translationis, der aber
oft als eine Umerform zum IUUUS qUJIlitaris gerc:ehnc:( wurde. "gI. UUSßERG (1960), § 131133. 135 Artifinum 1.18. S. 68 f. (}60): Etus Im sunt spnrJ. vtpou con;'rtura. qwu vmlllu, cirra ql#mitum. an aliquid sil. "tl non sil. vI Anumius fiurit IIn non. 2. S~cirJ (1f quidditas ~u quid, vt vbi ql#",ilur. an Amonius sil kgitimus. rt bol/llt fitki ptJSSfflO', "rl lJSurparor, "tl ()('('IlpalO,. 3. rst qUilfilmis s~ci(1. 1:0 qUdU, vbi inqui,;tur, Iln aliquid sil /xII( IJfl mako iUJU vrl iniusu, vtiliur wl inuliliur ptrpttratum. 136 V.USBERG (1960), § 102, 116, 125; Cic., fNl", 33: {... { aut tit ntrnt Sil, aut quid sil, aur qUilu sil. 137 Arrifirium 1.18. S. 68 f. (}60): I. (St slatus /. . ./ 11. Post uatum rmio {.. ./ 3. Est finnJlm,nlum {...} 4. Esl qUJItstio sru iudicatio {... /5. Est disctptatio {... /- eie.. part. 104: Ex rationiJ auttm tt tx finnJlmtllli conflirt;oni tt quasi conrunu qUJIlJtio qwulPm aon'rur, qUdm 'diJrtptarionnn' voro; in qUII, quid fJr1Iiat in iudirium '1 d, quo disuptttur, qua""; sokl. BrunO$ Ikgriff der iudiclltio findet sich ähnlich wieder bei Rhtl. Htr. 1.26 in der Reihe ratio -finnamrnlum - iMicat;o.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE lJ8
ein ähnliches Schema findet sich auch in der aristotelischen Rhnorik. Es über· rascht nicht. daß auch schon vor der Aufstellung einer festgeformren Lehre durch Hermagoras Versuche unternommen wurden, die juristische Zuteilung von RechtsflilIen zu analysieren. Bruno hat sich jedoch hier ganz. offensichtlich nicht an Anaximenes, sondern an die gängige Systematisierung bei Cicero angelehnt. Dies zeigt sich vor allem darin, daß die Schemata und Termini spezieU der statusLehre bei den verschiedenen Autoren starken Schwankungen unterworfen wa· ren l.W und die Brunoschen Stich punkte bei Cicero ihre Entsprechung finden. Für die Kapitel 19-21 des Artificium perorafldi bietet - wie oben gezeigt - die von AristoteIes eingeführte Einteilung in kunstlose und künstliche Beweise die zugrundeliegende SrruklUr: Die künstlichen Beweise beinhalren die Schlußverfahren (1,19) und die hierbei verwendbaren Topoi (1,20), die kunstlosen Beweise (1.21) srücz.en sich auf eine Reihe von aus den Gegebenheiren des Falls ableirbaren Gesichtspunkren. In Kapire119 geht Bruno auf die verschiedenen Schlußverfahren ein. Zunächst unterteilr er die Argumente in zwei Gruppen, die zwingenden und die wahrscheinlichen Argumente. Bruno lehm sich hier wieder an Quimilian an, der in seiner Rhetorik bei der Besprechung der ratiocinatio, also des logisch zwingenden Syllogismus, die Grundlagen genannt hane, auf die man bei der logischen Schlußfolgerung zurückgreifen kann: Analog dazu zählr Bruno die nselbsreviden~ 40 ren Sinneseindrücke", die ..allgemeinen Ansichten" und die "Gesetze" auC Daraufhin rrennt Bruno - wiederum nach einer Unterscheidung, wie sie auch Quintilian kannte - die wahrscheinlichen Schlußformen in drei Wahrscheinlichkeits~ grade. nämlich in die (fast) zwingenden, die wahrscheinlichen und die nicht widersprüchlichen Argumente. "I Im Anschluß daran behandelt Bruno die Metho~ den der Argumentation, also die Schlußverfahren. und nennt zunächsl vier Formen: ratiocinaNo J~U JyllogismUJ, mthymtma. induetio und tx~mp'"m. Diese Einteilung war seit der arisfOteiischen Rhdorik üblich: ArisfOteies harre don den strengen Beweisverfahren aus der Analytik, nämlich dem Syllogismus und dem Indukrionsbeweis. als entsprechende rhetorische Beweisverfahren das Enthymem und das Beispiel zugeordnet, und diese Einteilung blieb für die Rhetoriker kano138 RaA. mmsL Fil, S. O·f. (. 1427A24-30): lkftndmdi QUlt'm tprnts tribus prMupris cOns/ar. AUI mim dtftmori oumdum tsl st' "ihi/ t'orum quorum aCC'USilnt patravisst'. auto si cogant fillt'ri. miundum t'11 ut gtstum a J(' ntgoit'Um (sie!) ('f kgirimum ('f iutrum ('f hontJ/um ('f publiti urililati usui NY ostmdat. Si lMr auum osu"dt'T't' nt'qufflt aut imprudmtia aut in fortuna gt'StJl nt'gotia conftrt'f1S rt iacruras ab his prof«Uls qUilm minimos os/(ntUns ur sibi ignoscarur opaam tlßbir. - Arist.. Rht'l. 3,15. 139 Zu anderen entsprechenden Termini und Sehemalisierungen vgl. MAR"J1N (1974). 5.28: L\USBERG (960). § 1}4-138. 140 Anifirium 1.19. S. 70 (361): /. . .} sumitur a StNSU IJtpott' prr St tuwmi. 2. a communi opinionr stU fidt. 3. qUllt' sumirur a ~bus sri u17lcris dt'Crtris {... J quibus aUf "ix. IlUl minimt misrir ad~n4rius /. .. J- Quißl .• inst. 5,10.11: qUilt stnsibus ptrcipiunlur {. .. J in qUilt communi opiniont collSt'mum tst {... J qUllt kgibus cauta SUnl {. . .] cuit'UmqUt' adllt1JQrius non rontradicil. 141 Artifirium 1.19, 5.70 f. (361): Probabi/in sunl. alUr. wlu,; ntrtuoria {... J qUllt'Mm SUnl wrisimiüora {. ..] qUilttIß", non rtpugnantia - Quißl., inst. 5.8.6: probationum prattrrta omnium a/iat SUIlt ntCtsUlriiU. a/iru crtdibilts. alMt non rtpugnanlrl.
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nisch. Entsprechend beschreibt Bruno die ratiocinatio (= Syllogismus) als vollständiges deduktives und die inductio als vollständiges induktives Verfahren, Enthymem und Beispiel als die jeweiligen unvollständigen Nebenformen, die in der Rhetorik zur Anwedung kommen. Diese vier Schlußformen nennt er die geordneten Verfahren (argummtatio ordinata). Diesen fügt er vier ungeordnete Formen hinzu (argummtatio turbata). Dabei handelt es sich um Nebenformen zu den eben genanmen wie etwa den ausführlichen und mit viel Schmuck versehenen Syllogismus oder das Epicheirem als entsprechend kurz gefaßten Syllogismus. Ferner nennt Bruno noch den Sorites (den "Häufelschluß") und das Dilemma. Der Sorites stammt vermutlich aus der Erweiterung der aristotelischen Syllogistik durch die Stoiker und wird im allgemei14 nen als eine Erfindung dem Stoiker Chrysipp zugeschrieben. } Seine Wirkung beruht auf dem Fangschluß: Wenn ein Getreidekorn noch keinen Haufen (griech.: crG>pol;) bildet, dann auch nicht zwei, ebenso auch nicht drei oder vier Körner und so fort. In der Rhetorik der Antike spielt er allerdings keine große Rolle; die Renaissance hat sich diesem Gebiet wieder mjt neuem Interesse zugewandt, insbesondere kam nun der "goclenische Sorites" auf, eine besondere Ausformung dieses Syllogismus durch den Logiker Goclenius. '-44 Das Dilemma stammt ursprünglich aus der rhetorischen Theorie und wird bei den lateinischen Rhetorikern unter der Bezeichnung compkxio in ihre Disziplin aufgenommen. Es bezeichnet die Strategie, dem Gegner zwei entgegengesetzte Fragen, Behauptun14 gen oder Schlüsse vorzulegen, die beide gegen ihn sprechen. 'j Doch auf diese logisch-dialektischen Spez.ialeypen von Schlußformen richtet Bruno nicht sein Hauptaugenmerk. Er gibt kaum mehr als die Aufzählung der Namen und verweiS[ darauf, man könne sich darüber "in den Büchern der Dialektiker informie.. 146 ren . Den Bezugspunkt für die von Bruno in Kapitel 20 dargestellten, ..im Fall enthaltenen Topoi" (intrins~ca loca) bildet die Topik Ciceros. Ciceros Vorlage in der Topik war die gleichnamige Schrift des AristoteIes; er hat die dort genannten Topoi systematisiert und für den rhetorischen Gebrauch adaptiert. Cicero unterschied ähnlich, wie es AristoteIes in der Rhetorik gemacht hatte. allgemeine von speziellen Topoi und behandelte dann vor allem die allgemeinen Topoi ausführlich. Dennoch lassen sich zwischen den in der aristotelischen Rjutorik genannten und den ciceronischen allgemeinen Topoi nur relativ wenige Parallelen feststel142 Arist., Rhtl. 1,2.8. Vgl. LAUSBERG (1960), § 371; MARnN (1974), S. 102-106. 143 Diogenes Laenios, &lxn und Mnnungm, 7,82. 144 RISSE (1964), Band I. S. 57; PRANl1. (1855). Band I, S. 54 r. In den rhelOrischen Schriften Cicc:ros rauch! der Bc:griff nichl aur; alJC'rdings schC'int er ihn dl.':nnoch gekannt 'tu habl.':n, wie aus Cic., dill. 2,11, hl.':rvorgeht: /... ; qUllm ad mqJum 'soriti' rnutas (qwm si nlCtlU sit, Latino wrbq tiunt 'aurva!rm' ap~fJar~; ud fliNt opus Nt: ut mim ipsa phifosophw ~t muUn wrba Grn~ eorum, sie 'sorius' Latino svmOflt "iNS t1t) /.. .}. 145 PRAN'11. (1855), Band I, 5.510; LAUSBERG (1960), § 393; MARllN (1974), S. 127. Bcide Jk. griffe C'rwähnr Valla in den Din!retieat disputatioflN, Kapild 12 (Soritc:s) und K2pitd 13 (Dilemma), vgl. PRANTL (1855), Band 4, S. 167, und JARDINE (197n, S. 161 ( 146 Artifirium 1,19, S. 72 (362): &d "n~e t DiA!rt1icorum tibris pttmd4 sUflt.
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len. Ciceros Topik spidr in der Geschichte der Dialektik und der Entwicklung der Uninrsalropiken eine wichtige Rolle: Die Topoi waren entweder eher rhetorisch als Suchformeln für Argumeme in einer bestimmten Sache oder a~r eher dialektisch als die möglichen (oder als alk möglichen) Prädikationen einer Sache inrerpn:tierbar. Diese ZentralsreUung zwischen Rhetorik und Dialektik bildete vor allem in den universalwissenschaftlichen Ansätzen der Frühen Neuzeit wieder den Anknüpfungspunkt für die Methodik einer .. RhetoridiaJekrik" .141 Brunos Bc:l.Ognahme auf cüese Topoi bleibt recht konventionell. Er nenm lediglich die je· weilige Bezeichnung des Topos und fugt als Erläuccrung einen Bc:ispidsan hinzu. In Anordnung und Reihenfolge seiner 24 Topoi bleibt er dabei eng am traditionellen Schema. Eweitcrungen nimmt er nur in zwei Bereichen vor: Bei der Nen· nung der Gegensätze: (oppoJita) ergänzt er die ciceronischen Topoi mit den vier Gegensatzarten, wie man sie gewöhnlich im logischen Gegensan·Quadrat anordnete. Diese vier Arten waren bei Cicero nicht in ihrer vollständigen Anzahl ge· nanm worden, fanden sich aber bereits in der aristotelischen Topik. Weiterhin filgt Bruno dem bei Cicero genannten Topos a catlJa q}icimti die entsprechenden weiteren drei Topoi nach den vier Ursachen aus der M~taphysik des Aristoteles h"tnzu. 'u In Kapitel 21 fügt Bruno diesen inneren Topoi die äußeren oder inarcifiziellen hinzu. Die antike Rhetorik kannte hierfür eine einheidiche und im wesentlichen ohne große Abweichung tradierte Lehre.'·' Bmno nennt diese Topoi und kommentiert sie mit ein paar kurzen Worten, bleibt aber auch hier wieder in den konventionellen Bahnen der Rhetorik.'w Bmnos achte:: Nennung, die Gesetze:. finden sich in den belunnren römischen Rhetoriken nicht mehr in dieser Aufzählung. Bmno nimmt hier auf die aristotelische Rh~torik Bezug, in der die Ge· (1983). 00. S. 1-11. Zu Brunos Topos-Bcgriff im Artificium p"tJriUl'.7 SCHMIDT-BIGGEMANN Ji siehe Kapilel 8.1.2. 148 Der Vergleich dtr lx:iden D;ltStdlungen ergibl die folgenden P;lnllditäten (die Uhlc:n in c:ekigc:n KI;lmmc:rn ba.dchnc:n d:u c:nuprc:chc:ndc: KlIpilei dc:r Topik Cicc:ros): Artificium I. S. 72-78 (362-365): {I ./Il rri tkfinilionr. sru tkmptionr {26-27/- 2. A pa"ium rnutrn'rlllio~ /28-34/3. A notationr sru Etymologio /35-37/- 4. A eoniuglltis /381 - 5. A grnrrr /39-40J - 6. Aforma sru spm'r /40/- 7. A simili /41-45J - 8. A dissimili /46J - 9. Ab opposilis eontra,;is {47-49/10. A p,;umiur oppositis - 1/. A "latiur opposilis - 12. A romradirton'r oppositis - /3. Ab tuliaernribus /50-52J - 14. Ab amrcrdmtibus {53J - 15. A ronsrqumlibus /531 - 16. A rorrromiumtibus {53] - /7. A "pugnllntibus {53J - 18 A ral#4 rffirit'nlr {58-66J - 19. A raUS/l mIllr,.iali - 20. A caUS/l formllli - 21. A ral#4 finali - 22. A comparatioN Il maion' /68-71/- 23. Amino'; (68-71J - 24. A pa'; /68-71J. Dir Rhe{orik·Lc:hrbÜchtr dc:r Renaissance übc:rn:mmen auch dic:sc:n Kanon wc:ilgc:hc:nd. Vgl. lx:ispidswcisc: Trapaumius. Rktorieol"Um üb'; V, S. 256 f.: /nwni,mtur igit~, rationn. ar ttrr,ununt4 a gt'nrrr, sprri~. tliffrrrnna. proprio. tli.ffiniti~ lU, rotII. partibus, eaus", rffirtis, usibus. gmaatiMr, eorruptiDnr, tu1i~nrtis. iudiraUJ, simiü. mai~ rr, minDrr, /HIn. proptJrtiON, tlpptniris, rrilns~mptiDN, c./U~, ctlni~gtu", divisionr. qlWs omna rui 'lltion""" srJrs dirimllJ, t4mnr tI ntlnuUis confirmatitlnf'S qll(Nfwjlunr, iIIm tlirntm n1. Zur T radition dic:sc:r Topoi bis Agricol;l vgl. MAcK (1988). "9 MAKnN (1974). S. 98-10 I; lA.USBERG () %0), § 351-3S4. I 0 Vgl. ~ Bmnos Liste mit dC:1jcnigen bei Quinlilian: Artifin'~m 1,21. S. 78 ( (36~): /. A ~mo"r - 2. A ftl1Ul - 3. A ro~TIl - 4. A wbrUis - 5. A i~rriurttndtJ - 6. A prttriudiciis - 7. A kJtibll.S _ Quinl.. inst. 5, I ,2: /. ..] 1~nr pr.nudiritt, rumarn, tormnrw. ItIb~wr. iusiurttndum, kJln.
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senc: auch bei den inanifiuellen Beweismindn genannt werden. Don findet sich auch dasselbe dreiteilige Schema, das Bruno verwendet: Demnach kann die Ge· serzeslage entweder mr oder gegen die eigene Sache sprechen oder aber zwcideu· . ausge1egt werd'" ug en. Mit Artificium prrorandi r,22 schwenkt Bruno zu dem Bereich des gmus iudiciak über, der gewöhnHch als rqutatio bezeichnet wird, also der Redeabschnin, in dem man die Widerlegung der Vorwürfe des Ankl~rs vorzunmmen h:lt. Bruno nennt den Fachterminus rqütatio nicht, sondern umschreibt den Inhalt. indem er die Refuracions-Topik von den in den vorangegangenen Kapitdn genannten T 0piken und den Schlußverfahren. die sowohl für die Anklage als auch für die Verteidigung verwendet werden können. absetzt. In allen Belangen (sagt AriStOleles), die Inhalt und Form betreffen, ist die Vorgehensweise des Verteidigers und des Anklägers dieselbe; es gibt aber auch besondere Verteidi~ungs-Topoi, die gegen die Anklage auf dieselbe Weise verwendet werden können. ~
Bruno deutet damit an, daß er sich mit der hier unanmen Topik von der konventionellen Lehre absetzt: Denn was die Beweismittel angeht, ordnete die klassische Rhetorik der r4Utatio keine anderen zu als diejenigen. die auch in der Argumentatio zur Anwendung kamen. nämlich die arrifiuellen und inarcifizidlen Argumentationsfdder. Aristotc:les, den Bruno hier namentlich nennt. hane als Basis der Syllogismen in der rqutatio ausdrücklich dieselben Topoi genannt. auf die sich auch die gegnerische Partei stün.en könne.')j Die Besonderheit der r~ fUtah·o beruht darauf. daß nun nicht mehr nur auf den vorliegenden Fall. sondern auch auf die meist vorangegangene gegnerische Rede eingegangen werden muß. Die RJ}~torik an Akxandrr behandelt ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt das Problem der Veneidigungsrede und gibt eine Reihe von Veneidigungsvarianten I an. )4 Die rqutatio wird dabei von Anaximenes wie auch von den meisten ander~n Autoren vor allem unter dem Aspekt des Redeaufbaus und weniger als eine methodisch neue Argumemationsstrategie ~handdt. Sie nwird von manchen Rhetoren als ein Teil der argummtatio ~trachtet, von anderen aber als ein besonderer Teil der Rede. der für sich steht. Erst Quintilian hat ihn besonders gewertet und dargestellt. "I~~ Bei Quintilian findet sich erstmals eine eigenständige Topik für die ..<
. ".
r~J,ltatlo.
Der Vergleich mit dieser Topik Quincilians bringt jedoch im Hinblick auf Bcunos rt:/iuatio--Kapitd keine Ergebnisse; ParaUden zwischen ~iden Texten las· 151 Artifiollm 1,21, s. 79 r. (365 r.): 8. A tT·bw. qUiU wlfad""t a4 nOltnlm 'illIS4m, {. . .} ~ljiltill1lt antril nmtrilm (illlS/Im trprak' I.. .}. Si lIfflIIla ilmbit;J4ll nt {. ..} - Alisl.. RJKt.• I. I5. 152 Artifiollm 1,22. 5.81 (366 f.): In tmtnibus (inqllit AriJtDtl'In) '1-' a4 "",tnittm n finlfilm iltt;nrt, ~a4mr tkftnsgris iltq~ II«1ISiItoris nt ,..no; PrMOpll4 wrt1 tkftruiDnjl /«" Illn~ qwu iUnlJilnoni nuInn a.dwrwntllr (mJiM.
153 Atis!.. R1Kt. 2.25.1 f.; 3.17,14. 154 RLtA 36,30 ff. 155 MARTIN(l974),S.124. 156 Quinl.• ;'fIt. 5.13.
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sen sich nur anclemungsweise erkennen. Hinzu kommt. daß Scunos Topik recht arm an Konturen bleibt. Für einige Topoi lassen sich Ähnlichkeiten mit Quindlians Äußerungen konstatieren, etwa im Hinweis darauf, daß man allgemein genau gegensätzliche Argumente anführen und insbesondere die Zeugenaussagen und die Indiz.ien ins Zwielicht bringen solle; vor allem der empfohlene Angriff auf vom Gegner weit hergeholte Argumente wird von Scuna mit ähnlichen Worten wie von Quintilian beschrieben. m Als siehten und leneen Punkt dieser Topik fügt Bmoo nun Musrerargumenre für den Fall an, daß man das Eingeständnis der Tat nicht mehr länger von sich weisen könne. [0 diesem Fall legt Smoo nahe. entweder das Handeln des Angeklagten dennoch auf irgencleine rechtzufertigende Grundlage oder aber auf das ungünstige Einwirken des Zufalls zurückzuführen. Sollten diese heiden Vorgehensweisen nicht mehr möglich sein, so solle man sich wenigstens auf die guten Taten berufen, die der Angeklagte in seinem bisherigen Leben vorLUweisen habe. Auch Anaximenes harre in seinem Abschnitt über die Veneidigungsrede für den Fall, daß eine Leugnung der Tat nicht mehr sinnvoll ist, den Rückzug a~f ein de~nor:h fcsrsrellbares Gerecht:ßkei~s.Prin~ip oder auf das Pech und auf eIßen ungluckllchen Zufall empfohlen. DIe römIsche Rhetorik kannte diese Anweisungen - die allerdings nie im Zusammenhang mit der rifutatio abgehandeIr, sondern umer den übergriff conussio umergeordnet wurIS9 den - mit den Bezeichnungen purgario und tkprtcatio. Als eine Möglichkeit, das Eingeständnis der Tat abzumildern, nenm Cicero in Dt invtntiont ebenfalls den Verweis auf das ungeschickte Verhalten des Angeklagten, auf den Zufall oder auf den äußeren Zwang. Die tkprtcatio umfaßre allgemein das Lob der anderen Taren des Angeklagren. '60 In ArtificitIm paora"di 1,22 har Bruno folglich zwei Komplexe miteinander verbunden: Für die rifutatio har er zum einen teilweise: die Heranziehung der bereits genanmen, teilweise neue Topoi empfohlen und diese zum anderen durch die rhetorische Lehre der cOflcmio ergänzt. In Artificium ptrorandi I,23 gibr Bruno in sehr gedrängrer Form Anweisungen dazu, in welcher Reihenfolge die Argumente ihre größte Wirkung cnrfalren können. Eines ist das srärkste, und das iSI an die erste oder die [erue Stelle zu setzen; andere sind diesem an Stärke unrergeordner. und diese sollen der Reihe nach in dessen Nä-
157 Arrifidum 1,22, S. 82 (367): 2. E vin ntMuetnt rarionn non funt tJjienm. - Quint .• insl. 5,13, I0: nr li naTn enuram sir addurtum 1'1 rantum roniuncrum, mn/im quitUm dirtTt, nihi/ id tu! qwmrionl'm n« I'J~ in iis morantlum tf minus rot qU4m tu!IItTJllrius dient. Vgl. weiterhin 1.U ßrunos Punkt 1 Quint., in1l. 5,13,11-15. 1.U Punkt 5 Quint., inu. 5.13,8 und zu Punkl 6 QuiOl .. inst.
5,13.30-33. 158 RAA, tTansl FiJ., S. G4'f. (_ 1444A5-9): Si lItro quorum nos nrtlwltor mminntur I'a f«i.ss~ ftunmuT. ldqu~ tX iusli n ~rimi parribus tU/trUbTt ptrgilmus: tnIlgis kgitimaJ T(J noSN'1lS iustioT(J,!~ tUmonsN'art tlaboTabimus. Qlw1 di minus rommoar fil'ri potuni! tui impruknrin rllSusq~ dtJu,;itmus. 159 Lo.USBERG (1960). § 186-194: MAJmN (1974), S. 41. 160 Cie., inv. 2,33.101-35,108; ähnlich Quinl .. inst. 7,4.13-20.
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he angeordnet werden; andere sind mittelmäßig, und sie sollen mitten in die Menge geserz( wer cl en. '" Derartige Anweisungen finden sich in ganz ähnlicher Form in zahlreichen Rhetorik-Handbüchern, etwa in der Rh~torica ad Hn-mnium,162 wo einzelne Vorschriften wie das Einreihen der schlechteren Argumente in eine Menge ' 6.1 oder Anfang l und Schluß als Orte für die besten Argumente l.4 angegeben werden. Bruno stützr sich auch hier auf konventionelle Angaben bei den Rhetorikern. Das sich anschließende Kapitel 1.24 beginnt mit einer Bemerkung Brunos, die zum vorhergehenden Kapitel noch die übliche, rhetorische Terminologie nachträgt: Die richtige Anordnung der Teile einer Rede, so Bruno, bezeichne man als dispoJitio.16~ Dann wendet sich Bruno der Behandlung der pronuntiatio zu. Er fügt in lockerer Reihung einige Stichpunkte an, die er mit gedrängten Erläuterungen versieht, zunächst, inwiefern der Ort der Rede, die Körperhaltung, die Miene, die Bewegung und die Stimme vom Redner zu berücksichtigen seien. '66 Diesen lenren Punkt führt Bruno etwas breiter aus und fügt dann, ohne die Numerierung fOlTLuset:zen, noch Anmerkungen über die Verwendung von metrischen Wörtern, Versen und Klauseln innerhalb einer Rede, über die Sprechweise und über effektvolle szenische Mirtel wie das Zeigen von Wunden, blutigen Kleidungsstücken und ähnlichem an. Die Eingliederung der pronuntiatio in das System der antiken Rhetorik wurde erst von den Römern vorgenommen, bei den griechischen Rhetorikern finden 167 sich hierzu nur wenige Angaben. Die Rhetorik des Anaximenes bietet dazu überhaupr keine Vorschriften, und in der Rh~torik des Aristoteles wird lediglich ganz unspezifisch darauf aufmerksam gemacht, daß auch auf Laurstärke. Tonfall und Rhythmus des Vortrags zu achten seien. '611 161 Artificium 1,23, S. 84 (368): Vnum m firmiuimum, lt},oe Nt aJ primum w/ vlrimum rtftTmdum; AHa huie proxima, firmiora lum. ae ronuqwmtT pro~ iplum lunr oraimmda: A/ia lunr mtdia. rt in mraiam rurbam rrftrtnda IUn!. 162 RlJtt. Hrr. 3,10,18: In eonfimuJriont! t!f eonjiuationt argummrationum dilpolitiontl huiwmoai ronl/fflit habrrr: firmiJJimm argumtntariontl in primiJ tt in polrrrmis rauJlu partibus (onlotart; mrdiorrn rt nrqut inuriks dd aiundum nrqut nte(1Silri(1J aa probanaum. quat, li upararim ae lingulat dieantur, infirmat! lim, cum cruriJ coniunrrar firmar rt probabikl fiunl, inrrrponi opontt. G... n:t; ioihnlich: Cie.. at! orat. 3.313. 163 Quint., imt.• 4,2,82. 164 Ci,., oral, 50, 165 Anificium 1,24, S. 84 f. (368): Dispotitiontm tkfiniunt arbitam panium eolkKationtm, vr quidqJ« tUO /Qco appOJirum rrftralur, 166 Anificium 1,24. S. 85-87 (368 (): 1. dnumitur il /oco [... } 2, Pronune;atio vim twcipit ab habiru [.,.J 3. Sumitur pronuncianai ratio a /lU/ru [. .. } 4. Pronunciarionil ratio lumirur a moru [".J 5. In lIIXr [. . .]. 167 Vgl. Rhtt. Her. 3,11,19: Quarr, tt quia nrmo ae ta rr aiJigtntrr m1plil - nam omnrl IIix POUt purarvnr dr lIIXr rl vu/tu t!f gtltu di/lKuu Imbi, cum rat rrl ad Jt!nrw nOltrol ~ninrrrnt - rt quia magnoprrr ra pan a nobil aa aiunaum comparanda rrt, non ntKUgmtrr vidrtur tora rt1 eomidrranda. Zur pronunriario allgemein L\USBERG (1960), § 1091, der auf die Problematik ...ber nicht im Deuil eingeht. D...her nenne ich im folgenden die einzelnen Texutdlen der römi· schen Amoren. 168 Arisr., Rhtl. 3,1,4.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Beuno hat hier auf die römischen Texte zur Rhetorik zurückgegriffen, wie es eine Reihe von Parallelen belegen, die seine Ausführungen mit der Rhaon·ca ad Ha-e1lnium, Cicero und Quimilian verbinden: Beuno verweist am Anfang des Kapitels auf Demosthenes. dessen Hochschänung der pronuntiatio die Wichtigkeit dieser rednerischen Aufgabe unterstreiche. Daß auch die pronuntilltio eine srarke Wirkung entfalten kann, belegt Demosmc:nes als hochberühmtes Beispiel und auch die Sache selbst,'6'1
Ganz ähnlich galt für die römischen Rhetoren Demosthenes als der Kronzeuge für den hervorragenden Rang. den die pronuntiatio als rhetorisches Mittel ein170 Weiterhin verdeutlicht Bruno die Aufgabe der rednerischen Ausnimmt. druckskraft durch die Gegenüberstellung mit der szenischen Darstellung von Schauspielern im Theater.
Bd allem aber muß der Redner eine solche Würde bewahren, wenn überhaupt ein Unterschied zwischen Redner und Schauspieler, zwischen Redepulr und Bühne be· steht. l7l
- ein Vergleich, der ähnlich auch bei Cicero und Quintilian angestellt wird. Der Einsan der Slimme wird im Artificium perorandi wie bei Cicero mit den Saiten eines Instruments in Verbindung gebracht. Hier muß man beachten, daß wir nicht im Überschwang die Stimmbänder zu sehr dehnen und so die Saiten zerreißen {... Jm
und die vielfliltigen klanglichen Möglichkeiten, die die Stimme zur Verfügung stellt, werden durch eine aufzählende, asyndetische Reihung vorgeführt. deren Vorbild sich auch bei Cicero finden läßt. Und von Natur aus freilich haben wir nicht alle eine an alles gut anpassbare Stirn. me, sondern die einen haben eine wuchtige, andere eine spitze, andere eine dünne, andere eine auf andere Weise geschwächte, andere eine barsche, manche eine helle. · rau hS' manc he eine e: nmme. 17J
169 Artifirium [,24. S. 85 (368): Pronunriano quoqu~ ma:rimom vim habtrt jämosiuimo lkmosthmiJ r:Wcummlo ~l r~ ipsa comproblltur /. .. J, 170 Cie., tk oral, 3,213: Huir {pronumiarioni] primos d~diJS( D~mosthmts dicirur, cum rogarttur, quid in dirmdo NUI primum; huic S(cundm, huir urtias, Ebenso Quint .. insl. 11,3.6 und Cie.. orat. 56. 171 Artificium 1,24, S. 86 (369): In omnibus auum oratQr tam grauiumm S(ruar~ dtbtt, siquitkm diffirmtia nt inur oratortm rl hiJtriontm. forum rl scarnnm. - Cie.. tk oral. 3.220; Quim., inst. 11,3.4. 172 Artificium 1,24, S. 88 (370): Hic obstTUllndum, IIt lIimis lJOknUJ nmlOS n:untbr~ chordam rum· pamus /. .. ] - Cie.. tk oral. 3,220. 173 Artificium 1.24, S.87 (3690: Et natura quikm, non ad omniJl luqlU ftliciur I1ccomoJabi/'m lIOum hakmus omnn. Std a!ii gralUm. ab) annam, I1lij txi!nn, II/ij aliur afJtctam, a/ij iuculldam. ab) vrro asfNram, quidßm clAram, qui""m v. rudnn habtnl. - Cie., tk oral. 3,216: Nam VOCN ut chordu Junt inuntJlr, qUiU ad qunnqlU factum rtspontka1lt, arutJl gravis. cita IIIr"", magna parvt1; qlUlJ 14mm int~r omnis Nt quo quoqu~ in grn~rt m~difJ('ris. atqur rtiam i/Ja Junt ab his tklApsa
DER ERSrE TEIL DESARTIFICIUM PERORANDI- DAS KU.SSISCHE
RHETORlK·~EM
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Neben diesen kleineren ParaJlelen weist Brunos Text auch bei den Besprechungen der einzelnen Stichpunkte inhaltliche Anlehnungen an die römischen Rhe(Oriktrakute auf. SpezjeU bei den Erklärungen zu Haltung, Miene, Bewegung und Stimme werden Gedanken verarbeitet, die auch bei Cicero angesprochen werden. Es ist eine Eigenheit der Brunoschen Anmerkungen, daß lediglich die Problembereiche angerissen werden, auf die ein Redner beim Vortrag zu achten habe, also beispielsweise die Bewegung des Körpers oder der Arme und Hände. [n welcher Weise der Redner hier aber diese Bewegungen lxwußt zur Unterstützung seiner Absichten einsetzen kann, wird nicht dargestellt. Daher sind die Parallelen zu Cicero und Quintilian hier nur im Hinblick auf die Thematik erkennbar, inhaltlich weichen die Darstellungen zu weit voneinander ab, als daß konkrete Über74 einstimmungen erkannt werden könnten" Vergleicht man etwa Quintilians eingehendere Erörterung der richtigen Handhaltung"' mit Brunos karger Aufzählung, so zeigt sich, daß Bruno lediglich eine kursorische Zusammenstel1ung vorgenommen hat. Seine Kommentare haben mehr den Charakter einer Materialsammlung als den eines rhetorischen Handbuches. Praktische AnleiNngen zur Erreichung bestimmer Ziele fehlen fast vollständig. Überdies werden gewi~ Punkte mehrmals an verschiedenen SteUen angesprochen. Der effektvolle Einsan der Augen wird sowohl unter dem Stichpunkt vulrus als auch unter motus besprochen. Ebenso wird an zwei Stellen erwähnt, daß der Redner diejenigen Affekte, die er bei seinen Zuhörern erregen möchte, auch selbst empfinden müsse..... Dabei handelt es sich um einen Topos, der seit der aristotelischen RJworik und der in ihr volh.ogenen Einbetrung der Affektdehre in 1n der Rhetorik zum festen Bestandteil des rhetorischen Systems geworden war. Bcuno hat in diesem Kapitel über die pronuntiatio Stichpunkte miraufgefuhrt, die von der amiken Rhetorik nicht als zur pronuntio/;o gehörig betrachtet wurden. Diese Stich punkte befinden sich am Anfang und am Ende des Kapitels 24: Die Berücksichtigung der lokalen Umstände einer Rede (/oeus), also der erste Begriff der Aufzählung, die Verwendung metrischer Santeile und Klausdschlüsse sowie das Vorzeigen von Wunden oder Narben zur affektischen Intensivierung des Gesagten gehörten zwar durchaus zum Materialbestand der Rhetoriker, wurden aber im allgemeinen nicht zu den Mitteln der pronun/;ot;o gezählt. Brunos
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plura v,,"a. Irw tlJPrru",. (o",ra(1U", dijfUJum. rontinmti spiritu i"'~rmiJso, fraetum sdssum. flrxo 10"0 n:tmU4tum inj/atum /. ../; vg!. auch Quim .• insl. 11.3.15. Habitus: Cie.• tk orat. 3,220; llUhus: Cie.. tk orat. 3.221-223; Quim .• inst. 11,3,66-68; motus: RJm. H". 3.15.25-27; Quinl.. imt. 11.3.2-9; vor. RlNJ. H". 3.11.19-25.15; Quinl.. inst. I 1.3.14-65. Quim.. • mt. 113,85-124. Artifirium 1,24, 5. 88 ( (370): Ajf«tUl au"m IflUlks in lI/ilH imprim~ pouumUl ~tlJO!MmUl. Ulks in nobis primum impmsos n.u' opomt. - Artijirium 1,24. 5. 90 (371): MllXimam 1uD1lw "im in p",nunrilltw1/< htlkt. si "mo tk 1144 0ti",UI. W'. ~tium 1U4Ii pl'llnnu habtamUl /. ..). AluI .. RJxt. 2. I; Quinl.• insl. 1.2.30; 10.2.11: 11.1.84; besonders: 11.3.61-65: Cie.. rk orat.
2,42.178.
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PHILOLOGISCHE INHAlTSANALYSE
Rhetorik zeigt dabei wieder enge Anlehnung an die antiken Quellen,'78 aber Brunos Darstellung bleibt auch hier kompendienartig. Im Fall der Metrik verweist er
sogar auf die vielf.i.ltige Literatur, die sich damit beschäfcige.
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All dies belegt, daß
es Bruno hier nicht auf eine sachlich kompetente Darstellung rednerischer Belan~ ge angekommen ist. Seine Ausführungen bleiben stichwortartig und erwecken den Eindruck, als habe er sie nur der Vollständjgkeü halber noch eingefügt:. Im letzten Kapitel des ersten Teils (1,25) beschäftigt sich Bruno mit der Mfektelehre. Dabei verweist er - gewissermaßen als Quellenangabe - auf die Bücher des Arisrore!es naß Theodekres". also die große Rhccocik des AristoteIes in drei Büchern. Außerdem darf bei dem eben Genannten und dem Anderen auch nicht das aulkr
Acht gel~n werden, was Aristote!es in seinen Büchern an Theodektes über die Er· regung von Affekten schreibt. 110 Wie das nun folgende Textstück zeigt, folgt Bruno hier detailgetreu der Aufli· stung und Behandlung det vom Redner zu berücksichtigenden Affekte, wie sie die aristOtelische Rh~torik in Kapitel 2.2-11 verzeichnet. Brunos Aufzählung der Affekte ira. amor. timor. v~r~cundill. compassio (t commisulltio, indignatio. invidia und Ilnnulatio findet sich dort in detselben Reihenfolge, allerdings läßt Bruno die Milde und das Wohlwollen. die auch von Aristoteles besprochen worden waren,1I1 in seiner Darstellung beiseite. Auch die Ursachenanalyse. die AristOteIes bei der Behandlung des Zorns vornahm, übernimmt Bruno: ira wird in seiner Darstellung - wie auch bei Aristoteles - durch contmzptus. tktractio oder calumnia hervorgerufen. Bei den Erläuterungen zu den einzelnen Begriffen paraphrasiert Bruno in ähnlicher Weise, wie wir es schon zuvor gesehen hatten, die Ausführun· gen des Aristoteles relativ frei. Eine direkte Parallelität kann nicht nachgewiesen werden. aber dennoch ist der Bezug zur Quelle deutlich erkennbar. Auch die Rh~ton'k an Akxander kommt auf die Affekte zu sprechen und er· wähnt Möglichkeiten, wie man beim Hörer Zorn, Neid und Haß hervorrufen 182 kann. Von einer Affektelehre kann aber hier keine Rede sein. Diese hane erst AristoteIes in die Rhetorik mit eingebracht, und von ihm aus fand sie auch Ein183 gang in die Rhetoriklehrbücher der Römer. Diese aristOtelische Darstellung diente Bruno. wie er ja ausdrücklich betOnt, als Vorlage für dieses Kapitel.
178 Zum Iocur. Quinl., insr. 11,1.46 f.: zur Metrik sehr ausrtihrlich Quint., imt. 9,4,45-120; zum Voncigen von Wunden und Ähnlichem Quint .. insl. 6.1,30.
179 Amjicium 1,24, S. 89 (371): /. ../ tk qua /tu/garN sum trlwatus. 180 Artifidum 1.25, S. 91 (372): Pra~ur~a ("Um proximt diClis (/ a/iis non tst prluurmittmdum. quod tU affrctibus conci/iandit notllt Arisfquks in suls ad Thtotkrun. 181 Arisl., Rhc:t. 2.3: 2,7. 182 RaA, transl Fil S. F5' (. 1440A28 f.): quibus wro auxi/ium ftrrt diuuaJtnmus toS w/ ira wi invidia w/ odio diflloS osumUmus. 183 Vgl. MARTIN (1974), S. 160 f. Ehc.nf.dls gibl Aoaximenc:s eine kurt.C Affektclehre in Kapitd 7. Sie wird dann bchandeh bei Rhtl. Htr. 1,5,8; Cie., oral. 38.131: Quinl.. iM. 6.2.6 und 6,2.20.
DER ERSTE TEI.L DES ARTIFIClUM PERORANDI- DAS KlASSISCHE RHETORIK-SYSTEM
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Brunos Anmerkungen 2um grnus iudiciak sind - wie dieser überblick gezeigt ha[ - wiederum größtenteils Zusammenfassungen und Paraphrasen von traditionellen rhemrischen Lehrinhahen. Er bie[e[ einen raschen Durchgang durch einige Komplexe der Rhetoriktheorie und summiert auch hier wieder die Anweisungen in Form von T oposlis[cn.
5 Der zweite Teil des Artificium perorandi Brunos Rhetorikkonzept 5.1 Die copia v
I Zum ropiil-Bq;riffim Artifirium pnvNnai .ume awfuhrlicher Kapild 8.1.1. 2 Artifitium 11.2. 5, 100 (376): lilm ,ptur pro ip1iJ. quar pril~"lU tlrtis JNlfUm ((muituu", ilU/lW fimJ.,~nlVm. qwzr in 0"1"; Jiscursu n orution~ (O"Nlrnmt lorlut; JNlrtn. non minus qUllm ('""S n Jrjin;tl4J lit«tlrum nu'Ml'fUJ, ;njinitilm IItTborum multitudiMm ronfLIrt poUlS. lUi((liJ itt'turI-u-
DER ZWEITE TIIL DES ARTlF1C/UM PERORANDJ- BRUNOS RHETORIKKONZEPT
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Die Alphabetelememe sind also in dem Sinne universell, daß sie formal auf jeden beliebigen Redegegeostand übertragen werden können und keine festgelegte, direkte Beziehung zu den UJ einer Rede aufweisen dürfen. Die einzelnen Alphabete stehen zueinander in einer Rangordnung. Das erste Alphabet in Kapitel 3 enthält Begriffe, die "in jeder oder &st jeder Rede vorkommen..J , und bildet so den inhaltlichen Fundw für die beiden nachfolgenden Alphabete, die Bcuno in Kapitd 4 und 5 wiedergibt. Beim dritten Alphabet ueten zusänJich noch einige grammatische Termini hinzu, die im ersten Alphabet nicht zu finden sind. Das sich dann im siebten Kapitel anschließende vierte Alphabet enthält vornehmlich Begriffe aus der Grammatik und überdies Bezeich~ nungen aus der Stillehre, beispielsweise etwa Tropen und Figuren. Die Begriffe des ersten Alphabets besitzen in besonderer Weise eine formale Abstraktheit. Bruno nenm bei den einzelnen Alphabetbuchstaben nur ganz allgemeine Begriffsgruppen wie beispielsweise "was mit Auswählen oder Ablehnen zu tun hat" oder "was mit Bejahen und Verneinen zu tun hat".4 Bruno Stellt sich nun innerhalb dieser Begriffgruppen wiederum Alphabete vor, auf denen sich die emsprechenden Verben, Substantive, Wendungen, Partikel usw. befinden. So nennt er entsprechend das .,Alphabet des Bejahens", in dem sich verschiedene Verben des Sagens oder der Bestätigung finden, oder "das Alphabet des Fragens" , in das er s verschiedene Fragepartikel einreiht. Dieses erste, allgemeine Alphabet Stellt somit die Verschachtdung vieler Alphabete in ein übergeordnetes Alphabet dar. Bcunos Spr.achmodeU zufolge findet in diesem ersten Alphabet die Verknüphmg der vtTba mit den rt1 statt. Sie bilden dadurch wiederum Topoi, durch die die Inhalte einer Rede geführt werden können; dieses erste Alphabet bildet sozusagen die SchnittsteUe zwischen der copia v"borum und der copia rn-um. Bcuno resümiert, nachdem er dieses erste Alphabet dargesreUt hat: Aus dieser Aufzählung (des ersten Alphabets] bIln man nicht nur all d2.s enmehOlen, dessen AusdrucksforOl wir mit fruchtbaren und reichen Ergebnissen variie:re.n können, sondern es sind auch Topoi (außt:r dreien oder vieren, die klar 7.U erkennen sind) zur Vervielfaltigung der Dinge und Vorgehensweisen, so daß man schließlich bcide Arten der ropin in eben dieser Auhählung beU2chren kann!
/is iUi,. q/kU non sunt I/niurrs4/n, qwuqw ab ipsa Tii lrart4nMt mIllma suutnlntur. formas atqut ral;Onts I/niwrJaln. quat ad ctrtum numtrum ;nfm·us distingutndum rtd~untur. Ilffrrtmus. 3 Arlifirium 11.3. S. 101 (377): SI/nt. 1/1 diximus. urmin; no"nuU;. qui /X/ i" om"i orat;o"t vt/ in p/urimis Iocum habmt. 4 Artifidum JI.3. S. 102 (77): 4. D. Cirra E1igert: Cl rcpudiare [... )5. E. Cirtll affirmnlionnn d ntKlllionrm {.. ./. 5 Artifidum 11,3. S. 102 E. Cirrllilffirmntionnn tt ntKan·o"tm: Alphllbttum tnim Ilffirmnruli tri,. I/r Aio. Dico. Exisdmo. F:lIIror, ludico nc. 6. F. Inltmlfllruli Illphabrrum. VI An. Fonl:. Nunquid, Nonne. 6 ArtifidIIm 11,3. S. 106 (80): Ex h« tlltilitsto non so/11m lnltrr ürtt om"ia. ql#1ntm dinionnn j"nJ:aüur pmsllmllJ dil4n40 t'llrillrt: vtnIm tliam /ori sunl (prlltUr triIl quaruorut mIlniftsu 1'" M) ad rts 111'11« ralionts multip/icilndm. VI tilnrkm duplet KtnIlJ ct1piat. ;n ~ /ittlll impittrr
unstO,
C4t1lfot,o.
om:
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I'HILOLQCISCHE INHALTSANALYSE
Beispiele für diese Verknüpfung des erSten Alpabers mit den r~ gibt Bruno keine:. Das Ergebnis. das aus der Verknüpfung hervorgeht, bezeichnet er mit dem Begriff "Aussage" {munciaf;o}. Di~ Aussagen bilden das Ausgangsmaterial für die Anwendung des zweiten Alphabets...Material" (mouna) iSt der von Bruno daft.ir verwendete Begriff. Wahrend also die kombinatorische Anwendung des ersten Alphabets Grundaussagen erzeugt, werden cliese Grundaussagen bei der Anwendung des zweiten Alphabets mit verschiedenen ..Umhüllungen" kombinien. Das Verhältnis des ersten Alphabets zum zweiten beschreibt Bruoo - außer mit den Bcgriffspaar mataia und jönna - bei den Erläuterungen zum zweiten Alphabet metaphorisch mit dem Verhähnis von "Inhalt und Verpackung"': Nachdem aus den video, zuvor genannten B~riffen AlphalKl(, gebildet wurden. so daß wir reichlich und ohne Verwirrung Vari
Das erste Alphabet ermöglicht mit direktem Rekurs auf die copia rnum die Bildung von Grundaussagen. die dann bei der Anwendung des zweiten Alphabets in äutkrlicher Form modifizien werden. Dem ersten Alphabet hane Bruno keine geometrische Figur beigeordnet, durch die Elemcnte in einem kombinatorischen Vorgang zugeordnet werden konnten, Als Figur. mit dcr das zweite Alphabet praktisch angewandt werdcn kann. fügt Bruno nun eine Variantc des Lullschen Kombinationsrades, also die nach der An Magna des Lullus benannte"Vierte Figur". an (siehe Abbildung 1),' Wie der Anwender nun vorzugehen hat. wenn cr eine Reihc von Aussagcn gebiI. det hat und diese nun in Umhüllungen kleiden will, beschreibt Bruno in allge. meiner Form: Wenn beispiehweise eine Rede aus dreißig Aussagen besteh I, dann sollen zunächst jene einzelnen Aussagen durch diese einzelnen Buchstaben geregelt werden, so daß A über die erste Aussage gesagt wird, B die zweite Aussage regelt, C die dritte usw.; dann, daß B die erste Aussage regeh, C die zweite. 0 die dritte usw.; dar2ufhin C die erste, D die zweite, E die dritte usw., A schließlich die lente; oder daß man C außer Acht läßt und von A nach C, von C n
pillribus di,tio"iblU prlUdirtis alphabrta fiuri", romtjtlltll. '11U) ptmimlU ropj(IM n n'tra ",,,/usitl,,nn t'flfflmdj rllrjo,,~m habrtY. n '1lUlm """ vi«. VPID mlNiD. IIIUt vi«. itlio mlNi6 11m,", IHlJJimlU m,ml'Ültumn,,: htK t.miTt fD/'Utitltf11lW JllphabrNlm. ropj(ltukJ. tlm4"dtI. n modifira"dtI JnltnuillTlim orJi"nn. ('flm hisl" orillu,nllm ~ mll"riilri41nllm i"Jllmr"tiJ. Ha« i"JllmnrUlrl4m "Dminr insnibimlfS, quill M" "" IUMW"ham tlratitlniJ ptrtinn. ~ "" 1tUlrnUm. ud tIInrllm "" o:fn'nJ«am fol'mllm. ""lW Nt vl/a ol'lllio fIIj om"ill IM« i"Jumnrlil "~'1lVanr Il«OmDtlllri. appmpri4ri, 8 Von der .Vitnen Figur spricht Bruno in fHarrh.luU.. S. 25. M
0:
DER ZWEITE TEIL DES ARTlFICIUM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKONZErT
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henfolge vorgeht, oder erst in absteigender, dann in aufsteigender Folge. Entsprechend kann man auch vom le['Hen zum ersren [Buchstaben] gehen, oder vom vorletzten zum letzten, so daß wir schließlich nicht nur eine begrenzte, sondern sogar eine unendliche abl an Variationen vornehmen können, wie es die Abbildung ~igt, auf der in den 26 Flächen die Elemente an~ebrach{ sind und so auf jede beliebige Anzahl von Sät7.en übertragen werden kann.
Das Rad bietet für die Zwecke des Redners also eine fast uneingeschränkte Breite an Anwendungsmäglichkeiten, und es ist gerade das Ziel. ein große, ja sogar eine "unendliche" Zahl an kombinatorischen Zuordnungen zu enrwickeln. Die freie Anwendbarkeit ist Charakteristikum dieser Figur. Bruno gibt allerdings für die konkrete Modifikation. die aus der Übemagung eines Alphabetelements auf eine Aussage hervorgeht. kein Beispiel. Dieses konkrete Beispiel trägt Bruno in Kapitel 5 nach, in dem er ein drittes Alphabet anschließt. Hierin spricht Bruno nun von einer dritten Modifikationsstufe, deren Verhältnis zu den ersten beiden er folgendermaßen beschreibt: Ober die erwähnte Form der Umhüllungen hinaus, durch die Reden ganz offensichtlich umgeformt werden können, folgt nun das Verfahren mit Hilfe von Farben, durch all die im einzelnen sowohl Materie wie Form variiert werden können. Denn das ganze zuletzt genannte Alphabet kann in all seinen Bestandteilen vom nun fol. genden Alphabet auf verschiedene Weisen gefarht werden, wie ja auch das oben ge· nannre Gewand mit verschiedenen Farben mit großem Entzücken variiert werden L Kann. "
Auch dieses Alphabet zieht zunächst im Grunde dieselben Elemente heran, die auch bereits oben bei den anderen beiden Alphabeten genannt wurden. Der Unterschied besteht nicht in den Alphabetbelegungen als solchen, sondern in der Art, wie sie aufgefaßt werden. Bruno versucht, diesen Unterschied nun durch Beispiele zu illustrieren. Dabei dient ihm hier und im weiteren stets der Satz "Alle
9 Artificium 11,4, S. 109 f. (382): Vt si pn-txrmpium oratio consttl mginra tnundatiollibus, iiku primum singuJat. singuiis iltis iittrn rrguJanrur, vr A diutur dt prima. B rrguLn Sfcundam. C rtrtiam tf(. Dtindr B rtguitt primam. C ucundam. D Itrriam tU. PosIta C pn'mam. D stculldam. E ftrriam, tU. A Vtro vi/imam., wi magis occufralldo rtrriam, vr ab A in C a ein E, ab Ein G, vti incipitndo D mtdio. Primo asundtndo, tl u(ulldo dtlCtndtndo, lJl'1 primo dnctndtndo. tf urondo asctndtndo. Similirtr illcipimdo ab vftimo ad primum, vti a ptnullimo ad vfrimum, UI iU4 fiar rolltinun circuJario, vt non SiJium dtfinilum, ud infinirum numtrUm potsimus va,wrt, vr paur hac forma, disposilis in circuium tltmtntis, cap. 26. tr ira ad q~mcunqut numtrum proposirionum acromodalldo, quantum ntctsSf Jutrit. 11m Erstdruck des Artifirium ptrorandi findet sich in diesem Zim anstdl~ von cap. 26 di~ Zahl cap. 16. GFRORER hat diesen Einschub ath~den, weil ~r ihn v~rmudich als einen f~hl~rhaften V~rweis auf ein 16. Kapitd verSland, das es nichl gibt. Ich v~r mut~, daß hier auf di~ 26 Kamm~rn kapital des Lullschc:n Rades vc:rwiesen wird und daß somit anstelle der Zahl 16 ~ine 26 Slc:h~n muß. Den IkgrifT capira flir di~ E1~m~mc: eines Alphabeies verwendel Bruno auch in Arrifirium 11,15. S. 140 (402).1 JO Arrificium 11,5, S. 111 (383 f.): Vitra 10m/am pratdicram illdummrorum, quibus oratiolllS transforman' videllur, lUl'currir rario coJorum. quib. omnib. ac sillguiis, tum maltriat, rum fomuu variantur. Nam rorum proximt dictum Aiphakrum, ptr 1illguJa t f omnia mtmbra a pratstnu variis modis coLorari polm. qutmadmodum iMm indumtnrum coLoris divmitaft mufripiinkr, 1I0n sillt iuculldirau, twriarur.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Menschen streben von Name aus nach Wissen", der erste San der aristotelischen
Metaphysik, als Ausgangsbeispiel: Diese [Elemente des driuen Alphabets] sind Bejahung, Verneinung, usw., aber nicht auf dieselbe Weise verstanden wie oben, also formal, sondern modal; bei der Bejahung würde ich nun also sagen: ..Alle Menschen begehren von Natur aus zu wissen~j bei der Verneinung würde ich sagen: "Es gibt keinen Menschen, der nicht von Natur aus ZU wissen begehrt"; bei der Frage würde ich sagen: "Kann es einen Menschen geben, der nicht irgendwann das Bedürfnis nach Wissen verspürt~""
Die Funkrionsweise dieses drinen Alphabetes wird durch die Beispiele deutlich: Eine vorhandene Aussage wird in ihrer sprachlichen Formulierung variiert. Die Anwendung einer Verneinung, wie es Bruno in seinem Beispiel zeigt, führt jedoch nicht zur Verneinung des Satzinhaltes, sondern lediglich zu einer "negati~ ven" Formulierung des Aussagegehaltes, hier also zu einer Litotes. Auch bei der Aufzählung der Alphabetbelegungen fUgt Bruno weitere Beispiele an, etwa die Modifikation "durch den Dativ" ("Allen Menschen ist das Begehren nach Wissen angeboren") oder "durch den Vokativ" ("Was gibt es, Mensch, wodurch du mehr eingenommen wirst als durch den Glanz der leuchtenden Intelligenzt). Man kann nun unschwer ergänzen, in welcher Form die Anwendung der bei~ den anderen Alphabete auf die Aussage wirken würde: Auf der Ebene des ersten Alphabets ließe sich etwa neben der Aussage "Der Mensch strebt von Natur aus nach Wissen" beispielsweise die Aussage "Der Mensch strebt durch die göttliche Voraussicht nach Wissen" bilden. Die beiden Wendungen a natura und a diuina prouitkntia finden sich beide unter dem Buchstaben R in Brunos erstem A1pha~ bet. Würde man nun das zweite Alphabet auf diese neu gewonnene Aussage übertragen, käme man etwa bei der Anwendung von Buchstabe B, non me, zu der Aussage "Der Mensch strebt nichr durch die gÖttliche Voraussicht nach Wissen", bei der Anwendung von Buchstabe R, aprrtum mr, zu der Aussage "Es ist offensichdich, daß der Mensch durch die göttliche Voraussicht nach Wissen strebt". Die daran anschließende Applikation des dritten Alphabets würde nun die grammatische Struktur, nicht aber die inhaltliche Aussage der Säne variieren. Das methodische Prinzip dieser Modifikationen ist also recht simpel und leicht anwendbar. Das eben genanme Beispiel zeigt auch, wie das erste Alphabet eine direkte Anknüpfung zu den res, den "Sachinhalten", leisten muß. Der Begriff des "menschlichen Erkennmisstrebens" läßt sich nicht aus dem emen Alphabet ableiten, sondern muß durch den Rückgriff auf die copia vrrborum gewonnen wer~ den. Dieser Begriff selbst beinhaltet jedoch noch keine Aussage; die Erstellung dieser Aussage muß durch die Modifikationen, die im ersten Alphabet emhalten sind, geleistet werden. Man könnte dieses Vorgehen als ein "Baukasten prinzip"
11 Artifieillm 115, S. 111 f. (384): H.uc sunt Affirmatio, Ntgatio rI c/Uura, quo, srquunrur. non ro· dnn modo acctptA, quo supra, vrpotr formalirrr. srd modd/irrr. vt ti dumm sub Affirmation,: Omnt1 homint1 natura seirt drsidrrant: sub Nrgatwn, dicam: NuUut hominum t1t, qui sc;", naruraütrr non dnidrrrl. Sub intrrrogation, dicam: An quisquam hominum 'ss, pottst. in q _ scl,ndi dnidrrium non aliqUilndo cme
DER ZWEn'E TEIL DES ARTIFICIUM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKONZEPT
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beuichnen, bei dem verschiedene Module sprachlicher Modifikation nacheinander angewandt werden. Das Verhältnis der erSten drei Alphabete zueinander beschreibt Bruno mü Hilfe zweier verschiedener Vergleichsstrukturen. Er benützt dafür zum einen die Reihe mauria - fimna - modus, zum anderen die Metapher munciatio - indummtmn - color. Die Formulierung der einzelnen Alphabettabellen läßt noch einen weiteren Versuch erkennen, die Alphabete voneinander abzugrenzen. Im ersten Alphabet sammelt Bruno ganz allgemeine Begriffe, ohne sie näher zu definieren; hier finden sich Konjunktionen, Verben, Adjektive, Pronomen, Substantive u.ä. nebeneinander. Das zweite Alphabet emhäh ausschließlich Infinitive oder Verbindungen von Akkusativen mir Infinirven (me, non me, smtire, verum me). Im dritten Alphabet formulien Bruno schließlich die einzelnen Bdegungen mir Hilfe von Adverbien oder entsprechenden adverbialen Wendungen (affinnative, negarive, inren-ogarivt, gerundivt, in praeren"ta). Auch darin kann man eine - gewissermaßen wiederum metaphorische - Erläuterung der Alphabetstufungen erkennen: Erstes und zwei res Alphabet ergeben eine Satz- oder Aussagestrukur, die sich aus Subjekt und Prädikat zusammenserzt, während das dritte Alphabet lediglich eine äußerliche modifizierende Hinzufügung, ein Ad-Verbium, ist. In diesen drei ersten Alphabeten können wir den Kern der rhetorischen oder sprachphilosophischen Methodik des Artificium perorandi konstatieren. Bevor Bruno in Kapitel 6 eine weitere geometrische Figur, das Buchstabenquadrat, darstellt, faßt er nochmals sein bisheriges Vorgehen in drei Schritten, den drei Alphabeten, zusammen: Ersrens haben wir gesagt, man solle für die häufigen, ganz generellen Wendungen Alphabete erstellen, Zweitens haben wir vorgeschrieben, ltir diese allgemein einzdne Buchstaben festzulegen, so daß wir aus diesen universellen Wendungen ein Alphabel bilden können, da es ja unrer diesen Wendungen keine gibt, die nicht jede beliebige Rede formen könnle, Drittens haben wir als letztes ein Alphabet der Modi zusammengestellt, das aus Teilen besteht, durch die ebenfalls jede Rede geschmückt, bekleidel und umhülh werden kann,ll Ziel des hier beschriebenen Prozesses der T cxrerzcugung ist die Modifikation der Ausdrucksform innerhalb verschiedener sprachlicher "Schichten". Bruno hebt hervor, daß die ausgewählten Wendungen "universell" sein müssen, um auf jede mögliche Rede angewandt werden zu können oder auch um jede mögliche Rede generieren zu können. Was Bruno bereirs zuvor bei den Hinweisen zur Anwendung des Lullschen Kombinationsrades erwähm harre, finder nun bei den Erläuterungen zum Buchstabenquadrat, der zweiten Figur des Artificium perorandi (siehe Abbildung 2),
12 Anifioum 11,6, $" 115 f, (386): Prampirbamus pn'mo, pro fuqumtibus u gmn-alissimis phrasibus singula pr.uconriprn alpblliNtJJ: SmmtkJ risIkm in g(/'I~rr Jingulas dminau liuras, ut uwlim co his vniua'Salibus constitl«u possimus alphaiNrum: quorum nulla sint. quar quamcumqur orillionon firmarr non possim. Trnio, vllimum ordiMuimus alphabrIlIm modorum, quod (X his ronslill partibus; qUIIlibus rtiam off/nis orario, omari, indui, in/mlui pomt.
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PHILOLOGISCHE INHAlTSANALYSE
eine weitere Präzisierung: Die Idee. die himer diesen sprachlichen Modifikationsmechanismen steht, ist die "lnfinirisierung" der Sprache. Es geht nicht lediglich darum, eine Reihe von Variarionsmusrern auf eine Reihe von Aussagen anzuwenden. sondern im Mirtelpunkt steht die immer wieder neue, ins Unendliche tendierende Modifikation der Sprache auf allen Ebenen. Wie man mir dem begrenzten Arsenal an Buchstaben eine "unendliche Menge an Worten" und Texten produz.ieren kann, so sollen die einzelnen Alphabetdememe in ihrer Kombination ein unendliches Modifikarionsmuster erzeugen. Bruno harte bei den Erläuterungen zum Lullschen Rad darauf hingewiesen, daß man mit Hilfe dieser Figur "nicht nur eine begrenzte. sondern sogar eine unendliche Zahl an Variationen" vornehmen könne. Das Ziel besteht also darin, einen unendlichen Modifikationsprozeß zu initiieren. Diese Unendlichkeit der Anwendungsmethoden. die für ihn die geometrische Form des Rades bereits nahelege, finde sich, so Bruno, auch in dem nun abgebildeten Buchsrabenquadrat: Nun folgt eine Figur, die ihrer materiellen Gestalt nach zwar quadratisch, ihrer Form nach aber kreisförmig ist. Denn wie oben gesagt, berührt in den eim..elnen Alphabeten das Ende den Anfang, so daß man, wenn ein bestimmter Abstieg odcr ein Aufstieg oder ein anderer Abstieg zu Ende gebracht ist, wieder mit einer neuen 1J Ordnung oder einem neuen Vorgehen anfangen muß.
Das Buchstabenquadrat wird von Bruno anders, als er es beim Lullschen Rad und dem zweiten Alphabet getan hane, nicht als Anwendungsfigur einem bestimmtcn Alphabet zugewiesen. AlSted vermutct zwar, es handle sich hiet um eine Figur, die das zweite mit dem drinen Alphabet verknüpfe, doch für diese Annahme 14 bietet der Text selbst keine Grundlage. Es scheint eher so zu sein, daß Bruno nun, nachdem er das Prinzip seines rhetorischen Modells dargestellt hat, noch einige. eher allgemeine, weiterführende Erläurerungen gibt. Das Buchstabenquadrat wird als eine Figur vorgestellt, in der die kombinatorische Zuordnung von Buchstaben aus verschiedenen Alphabeten ermöglicht wird. Die Funktionsweise dieser KombinatOrik wird jedoch aus Brunos Erklärungen nicht ganz deutlich. Bei dem Buchstabenquadrat handelt es sich um eine Figur. in der zeilenweise - je um einen Buchstaben nach links verschoben - 26 Alphabete untereinander geschrieben sind. Bruno definiert hier zunächst vier Ordnungen (ordiTl~), durch die eine praktische Anwendung dieser Figur möglich ist: eine Ordnung "in der Geraden, in der Ordnung also. in der wir zu lesen pAegen", eine zweite, "absteigende Ordnung, also sozusagen die Zeilenanfänge" , eine drine, "schräge Ordnung. bei der wir von einem ähnlichen oberhalb oder unterhalb stehenden Zeichen schräg ab- oder aufsteigen" und schließlich eine vierte Ordnung, "bei der wir von einem oberen zum unteren Zeichen senkrecht absteigen." Entlang der erSten Ordnung 13 Artificium 11.6. S. 116 (386): 111m S<'quilur figurII. quac l7IIluri4fiuT qUi2drat.ll m. Fonrw/it" wrv circuiAris. quia v, SUprll dicsum nt, in singulis o/phakris finis m comiguus prinripio. Vtpol~ qUilndo ordo siul' tUcursus vnus, siUl' asumus. siUl' desunsus esl l'ompklus. rtsumt1ldum ~st principium afttrius orainis siuc progrcssUJ. 14 Vgl. Aniftrium. S. 16 r. (332 f.).
DER ZWEITE TEIL DES ART/FIC/UM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKONZEPT
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soll man das erste Alphabet ..mit allgemeinen Wendungen" abtragen. endang der zweiten ein zweites...das aus dem ersten abgeleitet: ist. indem man einige Anen auswähle aus dem, was im ersten Alphabet gleichsam in seine Unteranen aufgelöst ist. ,,1) Für die anderen beiden Ordnungen nennt Bruno keine Alphabete. die diesen zuzuordnen sind. Zunächst bleiben also nur die erste Spalte und die erste Zeile des Quadrats mit einem Alphabet belegt. Eine Parallele hierzu Hnden wir in Brunos Schrift D~ compoJition~ imaginum: Don verwendet: Bruno im drinen Buch zur Darstellung des ersten Siegels, des AplU'UJ Thruti. ein Buchstabenquadrat. das zunächst nur aus einer waagrechten und einer senkrechten Buchstabenreihe besteht. die an ihren Spinen rechtwinklig aneinandergesc:nt sind (siehe Abbildung 9). Auf diesen beiden Reihen sind die Buchstaben eines insgesamt komplerten Alphabets angeordnet. Diese Figur, die Bruno als ..Ordnung in einer Dimension" bezeichnet. wird im darauffolgenden Kapitel in die ..zweite Dimension" zur Figur des VadIum. nunmehr einem vollständigen Buchstabenquadrat. erweitert (siehe Abbildung 10).16 Hier wird allerdings die erste Zeile des Quadrats von einem gewöhnlichen und die lente von einem rückläufigen Alphabet gebildet, und entsprechend werden die Buchstabenceihen in den minieren Zeilen des Alphabets ver-
schoben. Im Anificium pmJrandi gibt nun Bruno zwei weitere: "Ordnungen" an. eine erste...bei der Bogenlinien abgetragen werden", und eine zweite...gerade" Ordnung, bei der ..entweder nach rechts oder nach unten Linien gezogen werden oder man sie sich gezogen vorstellt". so daß ..don sehr leicht und kunstvoll die Ordnung des Voranschreitens eindeutig enthüllt ist."u Damit gibt Bruno verschiedene. vidfaltig variable. geometrische Algorithmen vor, mit deren Hilfe man sich gewissermaßen über das Feld des Quadrats bewegen kann. Wie bereits oben erwähnt. hane Bruno bei der Darstellung des ersten Alphabets, in dem die "Allgemeinbegriffe" (urm'-ni gmuaks) des rhetorischen Diskurses gesammelt worden waren, innerhalb der einzelnen Alphabetbuchstaben wiederum Alphabete konzipiert. Denkbar wäre daher, daß das Buchstabenquadrat dazu dient, aus der Menge von insgesamt dann 26 Alphabeten oder 676 Buchstaben durch Anwendung immer wieder neuer, methodischer Auswahlverfahren eine Reihenfolge zu deHIlleren.
vUklim DrtJinr, 'lIl:J ktm rDfUWlilimllS, 'UD vidrlim sinpWs phrwn {...} INZriJlmllS. 5.-ourdllS (lr4D fJt pt?' tinrrnsum, ,umi pt?' rtspil4 !Jmllum, in 'UD nDkitur ,IIn. S«IIndi IIlphillNri, ,UDtl Dr. pn·mD IIlphtlbnD tlnIuritllr. zn'"" lfUlUum rüzrrulo Dr. bis. qwu in pritM IIlphllHuJ, wwri in spmn rru1luuntllr. Tmius D'tIc {...} nDkltllr P" trtVIS~U'" { ... j. His lIdtk qlUlrtll", Drtlinnn, f""ntk 11 IlIp"iDri f1Qt.Il lUi inftrillm1l r«tA Jncnuli",us. 16 CD",,.. imilK.. S.280-283: lmilf!J primi sif!·11i.. AINrou "Tht-wri. OrtlD hrir S«JIndllm u_", aimnrsiDnnn. {...} /11UIlD S«IIndi sitiU,·. Vttilul1n. Ortlc NU in a"",bus tÜmnuümibus. 17 Artifidu", 11,6, S. 117 f. (387): SkinU Ttllr DrJiM. qui IITr11lSIn /iN/IS Jmp'" {...}. 0rriD pt?' ffftIIm subifllk fft, uri vt'l .J t1ccurllm vt'l lUi inftrllm pIInmJ JWJUltfg liNiU PrI PffJtrllnM inuU,"pntllT, iln lIrtitt prD«JmtJiflldllimr t1l1rrifirüJisJi~. pbis 'l1li'" mnli«ritn nt ttpliUh4S. 15 Artifirium 11,6,
s. 116 f. (386 f.): /. . ./ pri",D pl"t1f!'tJJum pt?' air«tum
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Ein erneuter Vergleich mit dem Quadrat in D~ compolition~ imaginum läßt hierzu wiederum Parallelen erkennen: Bei der ..eindimensionalen" Figur hat hier Bruno jeden Buchstaben mit einem Begriff belegt. dessen lniciale mit dem jeweiligen Buchstaben übereinstimmt. Zunächst benünr Bruno die Metaphorik des Bauern (Agricoia), der hier den Buchstaben A repräsencien, um sowohl die ge0.metrische Komponente der Figur als "Fdd" als auch ihre "Fruchtbarkeit", ihre Anwendungsvidfalt zu betonen. Lernt zunächst dies, die ihr hier belehrt werden sollt, und richtet eure Augen aufmerksam :tur diese Tafel; wenn ihr eine Reihenfolge fur sie erstelh. ihr eine neue gebt oder eine übernehmt, oder wenn ihr mit Taren zu Werke geht oder das Vorge-
hen nur Unlerstüttt, dann wird das eifrige Bemühen um die Saat, die eine VOr3U5schauende Hand hier auf das I«re Feld geworfen hat, nach eurem Wunsch keineswq;s verge bi IC h sem. o
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"
Die metaphorische Ausdrucksweise einer aufgehenden Saat z.ielt auf den Kern der hier dargestellten mnemOtechnischen Operation: Beu:ichnungen reprä.sencieren nicht nur ~in SignifIkat, sondern sie soUen eine möglichst breite Bedeurungsstreuung in sich aufnehmen. Den Erläuterungen zum sich nun anschließenden Vaillum zufolge kann dieses als eine Erweiterung des AbactlJ Th~uri verstanden werden. Bruno verknüpft hier die Metaphorik des Vailium, also einer militärischen Feldstandarre, mit der des Bauern: Nach der vorgegebenen Ordnung roll dir nun unter den genannten Heerführern hier eine ganze Kompanie von Dingen und Menschen lokalisien werden [... 1. Nimm einen Bauern aus Nola. einen aus Neapel, aus Rom und aus verschiedenen Gegenden in Venetien, und stelle ihnen die Nachbarn und Verwandten 7,.ur Seite. I' Die in der ersren, eindimensionalen Figur genannten Personen sollen nun als Repräsemanten einer ganun Klasse betrachtet werden, die sich wiederum ausdifferenzieren läßt. So kann also - mer:aphorisch gesprochen - hinter der Feldsr:aßdane ein Heer verschiedenster Details mit zunehmender Komplexit2t versammelt werden. Brußo beabsichtigt genau diese Strukrurierung der Vielheit in immer neuen Gruppierungen und Belügen. Hat der Benuner diese assoziativen Hier3rchien braudlbar gebildet, eröffnet sich darin ein Blick auf die monadische Snuktur der Welt: Mi[ allen Dingen bon für diese Aufgaben jeder Name verbunden werden. was auch immer die Natur benötigt. [...] So zeigen verschiedene Menschen die verschiedenen Anen von Tieren, und die Tiere zeigen die Eigenrümlichkei[ von PAanzen, und die Pflanze fühn zum Stein, und schließlich ist a 11 es i n a I 18 0,,,,1'0" i""'l.. S. 280: Disriu 0 lJ(If pnmu",. quibw Nt dtltll nml J«tn"i. I Atqut> ontJoJ u/twJ.", in/niß ronwrtitt> lUi istam, I Effin'nu t'Uius Jrrit>m, tkns IICt1pinuqlU. I Fllrtis IIUl inU1W1fims. tUislllnst't iMNrtMm I Pro IJOto mini",t/rwtrllbirur lUi rt>/Htt>ndum I Snninll, qlUU' In lJfIt'Uum mJlnw Tt proviJa (llmpum. 19 Compos. imag.. S. 282: OrJinL Jub "uribw nutnn'lItis hint> tibi Urtl) I CLnturill o«urrllt '""""lw ho",i"u"''fut Wiltil {... J AgriroJam (apito NoJanum. PllrtINnopat>um. I RO",llnum, V/,nt"tu", t'llria rtgiont>, JubinJt I ALJsfJtialO iUiJ affinn tonsimi!nql«'.
DER ZWEITE. TE.IL DESARTIFICIUM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKONZF.PT
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I e m . Und so, wie die aufgezählten Standarten leicht Unühliges aufnehmen kön. nen, so kannst du auch Tau.scndC'r auf hundC'rt reduzierC'n, und schließlich gibt es untC'r dC'n zC'hn Anführern nur noch zehn K1~n, und di~ künden zulC'rZt von der lI a11(:$ eruugC'ndC'n MonadC': OC'nn alles ist ~rhaft eines, und alles ist in tinC'm. Das Alphalxt liefen hier eine mit Platzhaltern organisiene, universale Ordnungsscruktur, die dem Benuczc:r eine assoziative Verkettung verschiedener Erkennrnisbereiche bieten kann. Die Iklegung di~r Platzhalter kann variieren; die Struktur jedoch kann, wenn sie effektiv eingesetzt wird, we ..Monadenh.afcigkeit'" der Welt, die Einheit in der strukturierren Vielheit, spiegeln. Übertragen auf das Buchstabenquadrat im Artificium p~rorandi heißt dies: Die Funktion des Buch· stabenquadrats beschränkt sich nicht darauf, ein bloßes Kombinations- oder T ransskriptjonsinstrumem zu sein. Was erreicht werden soll, ist nicht die bloße Zusammenstellung verschiedener Ordnungen, sondern die lnitiierung eines un· endlichen Prozesses. Das stetige Wiedecaufnehmen von immer wieder neuen geometrischen Vorgaben führr zu einem infiniten Modifikarionsprozc:ß. Von einer solchen Deutung der Figur lassen sich im Artifiäum pmJrandi Andeutungen finden. Bruno betont zunächst, daß die auf der Geometrie beruhende Vorgehensweise ein systematisches und vollständiges Arbeiten ermöglicht. Dabei handelt es sich vor aUem um einen mnemotechnischen Vorgang: Die Verkünung der Inhalte auf Alphahetbuchstaben vereinfacht die geometrische Struktur; dem Benucur bleibt es aber überlassen, sich die Bedeutung, die hinter den einzelnen Platzhaltern steht, gm einzuprägen: Wenn man daher begonnen h:u, tine einzigt: Redcgarrung, also das, was nur eine,n Typus darstellt, beständig auszuüben, soll nun sich beständig bemühcn, cbendi~n zu Ende zu bringen. So crrtichcn wir es, daß wir durch di~ Vorgehenswei~ nicht zuf':lillig. sondern auf einc bestimmte, fcsfgt:legfe An und Wose folgt:richtig vorgehen und nichl unsicher und Stockend, sondern mit feslem und besf2ndjgcm Mut den rlan zu Endc bringen - vorausgesetzt, dic Bedeutung der Zcichcn cincs jeden Alphabets sind fest und zuverlassig im GeiSt cingepr:.igt.'· Was diese Figur leisten soll, iSt eine formale OperationaJisicrung der möglichen Variationen einer Rede. Den Akzent senl Bruno dabei auf die unendliche AnwendungsfüUe, die sich in dieser Figur finden läßt. Am Ende seiner Erklärungen zu dieser Figur betont er nochmals, daß dieses Quadral dadurch im Grunde doch ..kreisf'ormig" ist, daß also das Ende einer Anwendungsregel wieder in eine neue 20 CAmJHH. imaK', S. 282: Ql«isnmql« qlUl«unqw /iuI Nlmponm' "bill I Nami"" pra affiew, quidquiJ mltJm, "quir",. /. .. } Sie homi,,"m I1IlrUu varii sptein ani/7Ulnlllm I Os~nJunl, mDm p,amunt animiln,ia pLmuu, I PLltItilqul' ftrr lapidum, tilndnn s 11 n t a m n i a i n a m n i. I VexiiIJ ut fankm innumnum numnrltil "porrnu, I EI mi/1l'tuI qWilS tilntwn a4 untnlil rl'/"", I TQt tilndnn uiKl'anl tlmQ lub priri~ elru.sn. I Ac MQ~ Umum fa~ll"t'Ilr nmniJUl""um: Omnia tll'mJH Ilnum flint twr atql« QmnUl in unQ. 21 Arriftdllm 11,6, S. 118 r. (387 f.): 1til'll« JHr1'I'twI si c«pnis ukbrllrt ,",u", aratiDnu rlll, IItpDtf' quoJ a4 I1tIllm typum rifl'Tt'llr. aJ Ukm P"firinuJu", pnfNtt14 nznwu/as. /UUiIlr htu ftrrNl tfmlinvt "tH non eiUll, gJ «rtil qua.Ja", TiltiDnl' opari ronM'IUnlrn, ""n trtpidJlnJo n !»tsitilnd4, Yd firmo nmstan"qw spin'ru prap91itwm pnaxnuW' Jllm",Mo cuiUJlfIlt' A/phtzkti "otanl", siK"ifralio fi""iUT n fOnstilnur "'/'Tl'/i t1ia: ml'nnJ inhanrat.
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I'HIWLOGISCHE INHALTSANALYSE
Anwendung mündet. Zid bleibt es hier wie auch in der ersten Figur. einen immer wechselnden Kreislauf verschjedener Memodcn zu praktizieren. Dabei be· toßt Bruno ausdrücklich, daß Operationen in diesem Quadrat nicht nur durch Beziehung von Elementen der ersten Zeile auf Elemente der ersten Spalte durch· geführt werden soUen. Vidmehr soUen die Elemente auf allen Zeilen der Figur wechselwe~ miteinander verbunden werden: Jene Figur ist also kreisrormig. denn bei ihr wird das A sdbsr mit allen anderen Elementen vt:rknüpft wie: auch jede: Ordnung mit der anderen. Und wie man es im äulkrro Gnomon macht. so soll man auch im inneren annehmen. daß eine: Verbindung hergesrdlt wird. Der äuCkre oder ersu= Gnomon ist ABC. von links nach rechts und von oben nach unten verlaufendi der nächste. zweite Gnomon ist C D E, der dritte D E F und so der Reihe nach, wie man es aus der Abbildung ersehen
ka nn. " Die Bezeichnung gnomon geht auf die in der frühen griechischen Mathematik übliche Darstellung von Zahlen als regelmäßige Anordnung von Punkten zu· rück. l3 Durch sie wurde etwa die Folge der Quadratzahlen dargestellt, indem einem aus Punkten bestehenden Quadrat eine zusänliche Spalte und eine zusänliehe Zeile hinzugefügt wurde. Mit einer entsprechenden Methode kann man auch andere Zahlenreihen durch proponionale Vergrößerung einer grometrischen Figur darstellen.
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In die5(:m Verständnis kann für Bruno das Buchstabenquadrat auch als eine Aufeinanderfolge von L-f'ormigen Gnomonen gedeutet werden, wie sie Abbildung 9 zeigt. Kombinatorische Operationen, die auf einem der Gnomone ausgeführt werden, können also auf die anderen Gnomone ebenfalls übertragen werden und ermöglichen dadurch eine weitere Multiplikation der Deutungsmöglichkeiten innerhalb des Quadrats. Je vielfaltiger und verschiedener man aho diese Figur anwendet, umsa näher kommt man den von Bruno intendierren Absichten. Auch wenn Brunos Erklärungen nicht ganz eindeutig sind: Eine schlüssige Deutung der zweiten Figur des Artifidum p~raru:Ji muß davon ausgehen, daß 22 ArrifinMM 11,6. S. 119 (388): Est "ftJ rirnJitris iLL. jiPTII, Pbi ipsMM A amn«t'itllT tlM"iN II/iis tkmnttiJ, uti fUllIJ ",.JD Nlm 1Ih4 "rJiN: tr sinlt fit i" o:rriflS«O f!'I'1III)nt, illl tr in inttri.,.,.bw inttUiSlltIIT rot fiNit ronna». Extr"m«W t:Sl p""u", snI prilPllIJ A. B. C '{Mi t:St If tinu"" tlcamtm tr 11 SMpnitJri U irrftrilU: pf'flXiMIU iUi !«IIn41U p"1III)n tfl C D. E. TmilU t:St D. E. F. tr ilil JnwtpJ, lJt J'lfln in htu Jnit"illU,nI. 23 Vgl. hicnu HEAnt (1921), Band I, S. 76-84: BOCKER 0%6), S. 40-44. Dic:scs Ventindnis der Gnomon(' finde!: sich bei Bruno in Dt moNUk, S. 420, und Dt Mini_, S. 286.
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DER ZWEITE TEIL DES ARTfFIClUM PERORANDI- BRUNOS RHETORlKKONZEPT
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sich hinter den 676 Plänen des Buchstabenquadrats die 26 Alphabete mit "allgemeinen Begriffen" verbergen. von denen Bruno in Kapitel 11.3 sprach. In dieser Interpretation wird dieses Alphabet also genau genommen nicht dazu verwendet. eine Kombinatorik, sondern eine Permutation der vorliegenden Elemente zu erreichen: Die Figur dient dazu, eine Reihenfolge für diese Elemente festzuJegen, und nicht dazu, die Elemente einander zuzuordnen. Allerdings bedient sich Bruno hierbei dennoch auch kombinatorischer Minel. Dies ist deshalb möglich. da die 26 Alphabete wiederum in ihrer Großstruktur als ein Alphabet angelegt sind. Indem nun etwa aus einer Spalte der Buchstabe des übergeordneten Quadrats und aus einer Zeile der Buchstabe innerhalb dieses ausgewählten untergeordneten Quadrats ausgewählt wird, haben wir doch eine kombinatorische Methodik. Bei 676 Plänen kann man mit voller Berechtigung behaupten. daß die immanenten Permucationsrnöglichkeiten unendlich sind; selbst moderne Taschenrechner wären mit der Berechnung dieser Zahl überfordert. In Kapitel? nennt Bcuno noch eine weitere geometrische Figur (siehe Abbildung 3). die derjenigen sehr ähnlich ist, die wir oben in D~ composition~ imaginum als "eindimensionale" Vorstufe des Buchstabenquadrats kennengelernt haben (siehe Abbildung 9). Es handelt sich dabei um zwei A1phabetanfunge (A-L), von denen der eine die oberste Zeile. der andere die linke Spalte eines Quadrats bildet, wobei das von ihnen begrenzte Quadrat leer bleibt. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Figur stellt SCUDO den Möglichkeiten des Buchstabenquadrats gegenüber, und hier wird noch einmal deutlich, daß es im Buchstabenquadrat um eine Permutation. nun aber um die Kombination der Elemente auf der Waagrechten mit denen der Senkrechten geht. Einleitend betOnt Bruno. daß hier nicht "durch Verknüpfung eines Oberbegriffs mit einem Unterbegriff. sondern durch die Verknüpfung zweier Unrerbegriffsarren" eine Variation erzeuge wird. 24 daß im eigentlichen Sinne kombiniert wird. Ähnliches äußert Scuno nochmals in einem abschließenden Vergleich der beiden Figuren: Wie jene vorangegangene Figur [sc. das Buchstllbenquadrar] durch seine einzelnen Elemente als solche reiche Möglichkeiten bildet, so hat diese Figur reiche Möglichkeiten durch ihre Yerwendungsweise. Jene ersueckt sich nämlich in die Länge. in die Breite und in die Tiefe, kann gerade.':. kreisf'ormig oder schräg genutzt werden, diese jedoch erstreckr sich nur in der Länge und in der Brei[e. Und währe.':nd jene eine ülxrreiche Menge ttigt, können wir hier jene Begriffe [sc. in der Länge] mit diesen [sc. in der Breite] variieren. I)
Das waagrechte Alphabet enthält Begriffe aus der grammatischen Formenlehre; Bruno nennt als Beispiele dje lateinischen Deklinationskasus und die erste bis dritte Person der Konjugation von Verben in Singular und Plural als grammati. 24 Arrifirium 11,7, S. 120 (390): /. . ./ haud quitkm riftrrndo grnrrll ad sprcin. srd vnllm sprcirrum modw aJ alillm {... j. 25 Artificillm 11,8, S. 124 (392 f.): Sirut igitur pramtknJ figura in sripsa iuxt4 singu1A mrmbra dicatur !lies: ditatur}. itn u prarlrm SIliI rationr. lila mim prr fongum. fatum. profimdllm, prr r«tum u cirrularr. /Ir obliqullm: Harr wro tnntum prr fongllm ulatum: vt sirllt illa abllndat mlllJillldinr, sir hir potrrimw IJiIn"arr Dmn,., il/os trrminos prr islOs.
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PHILOLOGISCHE INHAlTSANALYSE
sch~ Kategorien. die noch beliebig erweircrbar sind. Im senkrechten Alphabet
führt Bmoo verschiedene Begriffe aus der rhetorischen T ropen- und FigurenJehre
aue'
Prinzipiell stehen dem Benuner nun zwei Anwendungsmöglichkeiten zur VerfUgung. Die beiden Varianten uigr Bruoo ausführlich, indem er den o~n bereits verwendeten lkispielsan zunächst durch alle Ikgriffe der Senkrechten fuhrt
(A- B-C- ...), Hier lunn man entweder durch die einzelnen Elemenu~: allein odC't durch die mir allen anderen Elementen verknüpften Elemente variieren. So können wir durch A (Etymologie] S2gen: }tdn Mtmrh, dn ävepron:~, aho von Nm.,,, aus 'muh ohm G~ wJlmitn: gnumnt wird;" [... 1 F durch Hype.rbole s.agen wir: in Flammm Iuhrn vor &gitrJt nach Wium; [... ] durch Synekdoche I, indem wir einen TC'i1 für das Ganze .s<=tun, wie wenn wir $('l.tt Mc:nsch sagten: das rnuiJchJichr Hn-z Iotkn durch dm 1 Brand dn umrm [... J. •
Daran anschließend nimmt er diesen Beispidsan in der Modifikation, wie ihn das Elemem A der Senkrechten, die Etymologie, erzeugt hatte, wieder auf und führt ihn exemplarisch nun durch alle Elemente der Waagrechten (AA - AB AC - ... ), [... ) wir we:rde:n die: El}'mologie: des Me:nsche:n durch die: Ele:me:nle: durchführe:n, e:r$(e:05 durch de:n Nominaliv, inde:m wir AA sagc::n, das hc:ißt: DU' Mnuch. tkr dnwrgm av9pron:oc; gmannr wird uwi/ n' nach obm grwandl iJl, lugrhn zu wiJJnl. AB (durch den Ge:nitiv): Dn' WUnJch nach \\7wm iJl Kmnuichm dmm, tkr zu tim Summ giWandl iIr, AC [durch dc:n Dativ]: Dnnjmigm, tbr i'in turn Himmrl «bo19 bmn Gnicht brJiw, UI dir Brgimk nach W"mm zu dgrn.
Da di~ dritte Figur eine geometrische Reduzierung des Buchscabenquadrats darstellt, können heide Figuren aufgrund ihrer Ähnlichkeit auch miteinander verbunden werden und so in einem Arbeitsgang weitere Modifikationen produzieren. [n diesem Fall, den Bruno nur kurz skizziert, wird die dritte Figur einfach 26 Wie berciu Alsted in der Einleitung "Wm Artiftdum pnoranJi anmerk!. hat Bruno hier n'\Öglicherweise auf die (opia IIrroorum in Erasmus' Dr (opia zurückgegriffen. Alle von Bruno auf dieser drillen Figur angebrachten Termini der Grammatik und Rhetorik behandelt auch Eroumw: Die Begriffe der Zeile in Brunos Figur diskutiert Erasmus in Kapitel 12 (5. 54-60). die Ikgriffe der Spalte in Kapilel 14, 15,21,22 und 2S-29 (S. 61-74) von Dr (Opia. 27 Bruno leg! hier eine gängige E!ymologie des griechischen Woms für Mensch, ö:v6p(olW<;, aus civ6:. ,nach oben' und 1:pt~lat. .sich drehen, sich wenden' zugrunde: vgl. etwa bidor von Scvilla, Etymologüu, 11.1,5: GrlUti lu/um homiflnn Ci,-epooItOV app//awrunl, ra qUDti surs:wm sp«tat
lubln_'tltus 11 humo tUi «Jrltnnpum'oflrm IIrtifiris ,ui. 28 Artiftrium 11,7, S. 121 f. (390): Hk /im LVIrum w-l pa sinfUla Elrmmuz p" H. wl cum a/iis omnibus ~tUInn composiuz. Sinu possumus Jic~ fWr A. omnis homo. qui ä\l9p<1Jl'tOI;, quasi ad SUpcrlU versus nalUr.l dicilUt. / .. ./ F. p" IlJP
29 Artifinum 11,7. S. 122 f. (391 f.): /. .. / JtJwnnllS hominis E"m~m, primtl p" NtI,,"'ulIillllm Jirmtifl M. itJ ~I, homo, qui ideo äv9pw1W<; appdl:llur, quia ad SUperlU c:rectw <:$(. seire desider.u. AB. Ad Sldlu conuc:rsi desiderium esl sOc:ntiae. AC. Habenti os sublime n codum inlUta esl seiendi rupidil"U.
DER ZWEITE TEIL DE$ARTlFIC/UM PERORANDJ - BRUNOS RHETORJKKONZEI'T
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als ein zusätzlicher Gnomon an die Kanten des Quadrats angelegt oder auch über das Buchsu.benquadrat gelegt, so daß die zulaufende Spine einzelne Buchstaben innerhalb des Quadrats hervorhebt: Und dann wieder wollen wir uns dieK'n Gnomon {der dritten Figur) gleichsam an jenes Quadrat [der zweiten Figur} angelegt denken, so daß dann an der Scnkro:::hten und Wugrcchten jener Figur die Waagrechte und Scnkro:::hte dieK'r Figur entlangläuft, oder nun soll die einzdnen Glieder jener Figur durch all dieK' variieren, und dann soll man sie [die Buchstaben im Quadrat] sich auf dieK'm Gnomon, der dann die Basis bildet, als Spine vorstellen,Die von Bruno vorgeschlagenen Variationsmöglichkeiten beschränken sich aber niche nur auf das geometrische Vorgehen innerhalb der Figuren; auch die Inhalte der Figuren, also die Belegungen der Alphabete, sind variabel. Was Bruno hier "auf :zehn Begriffe in der Waagrechten und zehn in der Senkrechten" gebracht habe, könne man "bis auf jede beliebige Zahl ausdehnen," Ferner könne man ei· nen Buchstaben "auch mit einer, zwei oder mehreren Phrasen und Wendungen belegen....11 Auch dies wird kurz mit einem praktischen Beispiel kommentien, wie wenn wir erwa auf der Waagrechten den Genitiv in der zweiten Person anwen· den, und da.nn eine Form bilden, indem wir aus der Senkro:::hten die Synekdoche oder die Etymologie oder auch beides zugleich auswählen,'u Damit ist zunächst der Abschnitt zur (opia wrborum abgeschlossen. Bruno unterstreicht - wie ich bereits einleitend dargestellt habe -, es sei ihm hierbei nicht um eine praktische Anwendung seines rhetorischen Modells gegangen, sondern er habe versucht, in aller Kü.r:ze eine "Methodik" (ratio agnubJ danusteUen, ohne daß durch die von ihm angeflihrten Beispiele und Alphabeebelegungen bereitS ei· ne einwandfreie praktische Umsetzung möglich wäre: Weil es nun die Aufgabe unseres Textes isr, lediglich die Vorgchensweise, nicht das Vorgehen se:lbst zu ttigen - weil ja die Anwendung eines l.chrsystems sich vom Lehrsystem selbsr unrerscheider und überhaupt die Praxis von der Theorie -, soll es genügen, die im Vor:angcgangenen angeführten Beispiele nicht tur Nachahmung, sondern nur hinsichrlich der Art der Handlungsweise zu betr:achren. Jeder wird also je nach seinen eigenen Vorlieben nach dieser Ordnung besser oder schlechter ar· beiten können. Was aber die von uns gewähhen Beispiele angeht, ließen wir sie ab· sichtlich grob und unkultiviert erscheinen, damir man sie, wenn man sie mir recht
30 Anijicillm 11.8. S. 124 (393): Ei "mC' intC'Uif,amw f!l0mon~m ulllm. willt i$ quaJrato appoI;tum. vt lluuliut cim, iUiIlJ altiludiMm oe bmgitudiMm. lil istillJ Ienf,ituM n oltituM. wl 0/XIrtco, linpbt ;IIillJ mrrnbra p" muC' omniA I1IIriilri. n tllne Illpra f!lomonem uNlm wlllli baJin intC'Uif,iI"tllr ,Il«miw IJt'llIri ('MJpiJ. 31 Artifici11m 11.9. S. 125 (393): SiCllt ilUlmf I!Jlfw aJ Jnutrillm mlllt;püeaw IlInl "ow /o"~tudi,,u rt illtitudi"is. it41 rt IlUJW aJ q_librt nwmm"n IlInt mw/ripliubi/n, ~."tk rt qwilibrt pn IUII IIlfficinlliA. odtl. etlmmoJit41tC', Alpha,"twm rtI"tnthat IXI t:JttnUiIIL Simpla. i"'{lUtm. li Iwb UNI "tlU mI tlrrnmto ~7'Ulm ,milli" mI Jimonrm inuUif,ill: Dupla wro aJ vrI mwiJJ'pIn:. li pbun. 32 Amfin·llm 11.9. S. 126 (393 r.): {...} III li in btritudiM C'ilpiAmllJ o~nn..m Gnlitiui. in S«IlIIda pnJiINI. '1lUtm fomutbimllJ in ln?t/inu illtitudiniJ. 1ItfOtC' eapimJiI p" Sl""d«hm, vrI E~m. wll/t1'lln'lw.
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eifriger und geschliffenerer Begabung für unbrauchbar erklärt. mit desto besserem JJ und eifrigerem Bemühen auf die Probe stellt.
Ähnliche Anmerkungen hane Bruna bereits weiter oben gemache Auch bei der Darstellung des zweiten Alphabets hatte er darauf hingewiesen, daß die Reihen~ folge der Elemente im Grunde bel..iebig sei, es jedoch in didaktischer Hinsicht Sinn mache. so zu ordnen, wie Bruno es geun habe: All dies kann jeder lluf seiner Art und auch mit eigenen Buchstaben - so, wie es ihm am passendsten erscheint - versehen. Denn diese können und müssen jede Reihenfolge besser aufnehmen als die hier gezeigte; mag auch jene nicht unpassend sein, zumal im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Lehre deutlich gemacht werden kann.~
In den Kapiteln 10 und 11 trägt Bruno nun noch zwei weitere Alphabete nach. Diese Alphabete (die er zwar nicht in Alphabed'orm, sondern in numerierten AufZählungen darstellt, für die er aber wiederum empfiehlt, man solle sie "in eine ähnliche Alphabet.Form wie die vorher genannte" bringen3~) seuen nun nieht meht auf der Ebene der Säue an. sondern betreffen die Srrukrurierung ganzer Reden. Bruno referiert hier eine Liste von 20 Verben, die auf bereits im ersten Teil des Artificium perorandi besprochene Leheelemenre des klassischen ehetOei· sehen Systems Bezug nehmen, so etwa die inhaltlichen Ziele der einzelnen Redegattungen (pmutukrt - disuarürt, Laudart - vituptrart, IUcusart - tkftrukrt) oder die Abschnitte einer Rede (propontrt - argummtari - confutart - rtsumtrt - tpikJgart - conclutkrt). Beuno bezeichnet diese Liste als "Begriffe. durch die wir Beredsamkeit und Abwechslungsreichturn erzielen können" und die "in jeder Rede 36 gleich welcher Gattung" vorkommen. In Kapitel 11 stellt Beuno eine Liste zusammen. die auf noch allgemeinerer Ebene ansent und nun Begriffe emhäh, die "mü großer Häufigkeit nicht nur in jeder Rede, sondern auch in jeglicher Propo. si rio. Objecrio, Responsio, Applicatio etc. auftreten".37 Propontrt, rtspondat und app/icart waren im vorangegangenen Alphabet aufgezählt worden; die Öffnung des Blickwinkels zeigt sich also darin, daß nun die innerhalb dieser einzelnen rhetorischen Elemente gemeinsamen Begriffe gesammelt werden. Hatten wir zu33 Artificium 11,9, S. 126 f. (394): Quia vrro nosm muntrU NI tanlummodo rationtm agtndi non ipS4m prauiptrt IJctiontm. vtport quia /lfUi IJnu diffirt ab artr, tr omnino praxis IJ rhtoria. in prlJtcaunlibUi addJKta txtmpla, non IJd imitaliorum. ud tanrum ad formam opaandi lufficiar irltpittrr. Quilibrr igitur pro suo orio tr commodifJ1tr rotkm ordinr mtliUJ wl dtrmUJ optrlJbitur. Quod vtro ad nosrra txtmpla aft;ntl. tlJ nobis crasslJ rr inculta vidtn' wlumUJ, vt quando so/trtiori rr rmiori ingrnio tlJ dimintnda iut/ictnl. tanro mrlio1"t whrmtntioriqur studio ptrquiranf. 34 Artificium 11,4, S. 108 f. (381): Haft sunt, quar quilibrr modo IUO. ernaqut indusrria Huris propriu. vr ipsi vitktur accommodatiUJ, attribat: Omntm tunim ordintm IUlciptrt pOlSUnf ac dtbrnt pot;ut quam ittum: liert rr Ult non sir inconvrnirns. prlJnmim ra ratwnr, qua IJrrtm pattjilcir. 35 Artificium 11,10. S. 129 (395): /. .. } quas ad alphabtrumforma pratdieta rtdigm oporttt {. .. }. 36 Artificium 11, 10, S. 127 f. (394): Svnt adhU( nonnulli ttrmini, in quibut wlut ltrtnOnt abundart tf varittart plaun potlumut. In omni r'X0 orah'ont cu;utcunqut grntrit i/Ja lit. tst /.. .}. 37 Artificium 11.11, S. 129 (395): Notart ql#JtfUt oporttr /. . .} ftrm;nos /.. .}. qu; fttq~ntit.t;mt non wlum in omni orationt OfCUrrunt. srd rtiam in omni propositiont, obitrtionr, mponswnt, applicationt. tU.
DER ZWEITE TEIL DES ARTIFfCIUM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKONZEPT
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vor noch spezifisch rhetorische Begriffe. so haben wir nun ganz allgemeine Kategorien wie Anfang - Mine - Ende. Tun und Haben. Interjektionen wie ,.sicher· lieh" und ..freilich" und Ähnliches:" Bruno macht hier also den Schritt von der Mikrostruktur von Sätzen zur Makrosuukrur ganzer Texte. Für das ZusammensteHen dieser Alphabete deutet Bruno eine besondere Vorgehensweise an. Die Grundlage für die Erarbeirung der einzelnen Begriffe soU eine Durchsuchung und Exz.erpierung von mustergültigen Reden sein: Damit wir zur rechten Zeit einen verfügbaren Apparat von Reden und je nach den Besonderheiten und Eigentümlichkeiten in allen drei Redeganungen einen Vorrat an bestimmten Formeln zur Hand haben. sollen wir uns für ail diese einzelnen Punkte eigene Buchseiten einrichten. Deren Art, Form und ausgN'ählren Gebrauch brauchen wir aber nicht aus unseren und aus den Büchern der Grammatil«r her· ausfischen, sondern sie sollen so vorbereitet werden, daß. wenn wir uns ein Buch eines herausragenden Redners zur Hand nehmen, überall Sä~ und Phrasen, die zu einem jeden Zweck passen, gesammelt und in den ihnen zukommenden Klassen verzeichnet werden."
Auf diese Weise kann sich der Redner alle sprachlichen Argumenracionsstrukturen systematisch erarbeiten und zusammenstellen. Zusammenfassend läßt sich konstatieren. daß Bruno mit der Reihenfolge sei· ner Alphabete von der Wort· und Satzebene al.J.mählich zu immer allgemeineren und gröberen sprachlichen Argumentationsstrukturen übergeht. Was Bruno dwch die ersten drei Alphabete auf Ebene einzelner Aussagen (muncilltonN) demonstriert hane. läßt sich nun mit Hilfe der lemen heiden Alphabete auch auf größere Tocrsuukturen. etWa auf die Kombination und Variation von ganzen Textblöcken. übertragen. Wie sich aus den verschiedenen Alphabeten ableiten läßt, geht Bruno von einer Schichtung der Sprache aus. die im Grunde beliebig verfeinerbar ist. Auf diesen einzelnen Stufen - Grammatik mit Formenlehre und Syncax. Logik. Rhetorik, Stilistik - muß die angestrebte Variation und Mulcipli. kation der Sprache sukzessiv ansetzen. Werfen wir nochmals einen Blick auf den Anfang des zweiten Teils des Artificium p~rorllf1di. In der Einleirung zur copia vaborum in Kapitel 11,2 harre Bruno diese Stufung seines Rhetorikmodells bereits angedeutet. Dorr hatte er von vier Stufen gesprochen, dem "einfachen Wort, dem ..zusammengesenten Wort". dem "einfachen Sinn oder Thema" und dem "zusammengesenten Sinn oder
38 ArrifinMm 11.11, 5.129 (395): l. ?rinnpiMm. 2. M~"ilU1f. J. Finis.. /. .. /9. Filurr. 10. Htlkrr. Pr,UUWil 1UJkU i"tni«tiDnis, 111, unc. une. prof«10. proculdubio. 39 AnifiriMm 11,10, 5.128 f. (395); Pro sinp/is Mnlm, ,'S sw tn1lfJDrr promphlm DrilliqnMm ilpfN/nltMm tt ftrmMLznlm crrtJlnl", p'" jJiDmtlrU oUliSlfw p"'pmlllY i/l tripfici tt"~ GllISiInlm hIIkilmus rtlpiAm. Dporut ptnlliiltn P"tiNU nmstitunr. HDnlm mDJMm, ftmwm, ~r Ki«IIIm 'ilri"nnn lID" il G,,,,,,mtlriris n IibtUMiis nDStrU tbbnnf4S ailWWp"ri, Kd hII~fitrm4 p'UfNlrrntll" 111 SM"'P'" p,tl~ milnibus tJUt/ln,tissi",i D'''r.orU li/mI, fl"SSim Jt1fYnriil.s tt plmun "" propositwm MnMmquoJqw ptrtinmfn t'DUittruitJ ""prDprim rLzssn. fIlM hir lIDtllkU SMnI /. •• /, rr/tnJnru,.
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Thema".'IAJ Diest: Srufung I:ißt sich aber ganz. offensichtlich nicht im einulnen auf 1 die von Bruoo konzipierten Alphabete übenragen.· .. Won" (dicrio) und"Thc:· ma" (thtma) bilden für BnlOO demnach in Hinsicht auf Klein- und Großstruktur die heiden G~enpole der Rhetorik. Unter Benunung dieser heiden Begriffe hatte Bruno zuvor einen inhaltlichen Überblick über seine Rhcrorik gegeben und auch auf die genannte Ex:z.erpiermemode vorausgedeuret: Was nun den Inhalt (des zwdrcn Teils des Artificium pn'orlJn4'l angeht, nalx:n wir fiinfArtm, auf die wir d2.s Thenu variieren, vervidflihigen und v(rgrö~rn können. nämlich indem wir J. dü Wont", 2. dil' Figurm, 3. dil' For",m, 4. dil' ZWilmmmu,· zung odn Kombination dn- Konstruktion und 5. di, Siitu variieren. die schon sehr nahe 20m Inhall eines RedegegenSl:lndes stehen. Dies wollen wir nun so darsrellen, daß die Rherorik in ihrem kleineren Teil nach Regeln, in ihrem äroßc:n und vollendeten Teil hingegen bei den Rednern selbst gelernt werden muß.
Beide eben zitierte Stellen können nicht im einzelnen direkt mir den verschiedenen Alphabeten und Figuren idenrifluert werden, die Bruno anschließend bei der Darstellung der copia v~rbomm aufführt. Sie machen aber das Modell von Brunos Sprach konzept deutlich: Brunos Rhetorik zieh darauf ab, Sprache auf verschiedenen, im Grunde beliebig viden Stufen in ihre universellen Einzdelemente zu zerlegen und diese Elemente dann durch Anwendung des kombinatorischen instrumentariums in verschiedensten Relationen durchzuspielen. Brunos copia vtTbontm stellt also - anders gesagt - den Versuch dar. eine Methode zu entwickeln. durch die ein Text mit Hilfe von Einteilungsprinupien aus der Rhetorik einem unendlichen und systematisch ablaufenden Variations- und Modifikationsprozeß untenogen werden kann. Die zu diesem Zweck verwendeten geometrischen Figuren sind nicht statisch, sondern enthaIren eine praktisch endlose. Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. Btuno betOnt mehrfach den zyklischen. d.h. nie zum Stillstand kommenden Charakter dieser geomenischen Abläufe. Das rhetorische Konzept der fopia vl'Tbomm wird dadurch in phantaStischer Weise radikalisiert: Ein Text als Folge verschiedener "Aussagen" kann nun in seiner sprachlich-formalen Struktur jegliche erdenkliche Gestah annehmen. Die übertragung der ineinander gestuften Alphabetbelegungen auf einen Text können auf der Basis der gegebenen "Aussagen" jeglich erdenkliche Sinnstruktur her-
40 Anifidum 11.2, S. 100 f. (376 f.): Primo pm iis, qwu ad simplium tlÜtiDn~m. &nmdD p'" his, qwu lSti rompcsirom tliniDnnn. T~"io pm his, qwu ad smsum timplirnn, silU' ad thmut sitlfpkx. VUimo pm his. qwu atI romposirum srnsum ronfltmtlum mpidu",. tilU' lSd thmui a",iunrtum. 41 Anders 5iehl dia A1slc:d. der an diacr $leUe im Emdruck dutch die Muginal:mmmung Qutllor lS/phlSlHtiz einen diteklen Baug l:U den vier A1phabc:len in den nachfolgenden Kapildn her51dlt. 42 Arrifirium 11,1. S. 98 (37S): QucJ"f"" nUlimam Nnc pvrinn, holbtmus quinquc- raoones ,Ixnflltiz lwrW."ai, mlliriplk/lnJi n lSmplijicilnJi, vtpDu pro ""rufluio, I. dietionc:s. 2. ~ras., 3. formu. 4. connrunionis compositKmem JeU combinationem. 5. C1 Soememw. qUiU (UIU proxinfll t'JIiusqw proptlSiri nfIIuriL Sd hol« iro "1Ukmus. fit ilnnn RhnoriCilm J«IIn4l1m mlSitrm. /lies:: minomnJ pttn~m ümlt inspicar in rtfUlis.. J«IIn4l1m nuliomn iluum ~t pujt.ttissinfllm i. ipsis tK/llDri-
'w.
DER ZWEITE TEIL DES ARTlFICIUM PERORANDI- BRUNOS RHETORIKKQNZEPT
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srellen, jeden möglichen Text generieren. Die Verwendung von Alphabeten bei dieser Proz.essualisierung der Texterstellung verweist darauf. daß dieses Sprach~ modell Parallelen zum Verhältnis von Buchnabe und Sprache hat: Wie die unendlich variable Aneinanderreihung von Buchstaben jeden nur möglichen Text erzeugen kann, so soll hier jede erdenkliche formale Sinnstruktur durch die Erstellung eines Textes gebildet werden. Brunos Rhetorikmodell dient jedoch nicht allein dem Zweck, eine bloße Per~ mUladon eines gewissen Kontingents an Zeichen zu ermöglichen; sein sprachphilosophischer Ansan im Artificium p~rorandi zielt vielmehr darauf ab, mit Hilfe der rhetorischen Unterscheidung von r~s und verba eine adäquate sprachliche Erfassung der Welt zu finden. Deshalb schließ er an die copia verborum mit ihrer rein sprachlichen Dimension nun die copia r~rum, den Realitätsbezug der Sprache, an.
5.2. Die copia raum (Artificium perorandi 11,12-15) Im Zentrum von Brunos Erläuterungen zur copia r~m Steht der Begriff des Topos. Wie Bruno in der Überleitung von der copia verborum zur copia r~m selbst andeuret, lassen sich die Erläuterungen hierzu in drei Abschnitte einteilen: Nachdem wir nun abgehandelt haben, wie man Redefülle im Hinblick auf den Reichmm der Worte erlangen kann, wollen wir nun die Art und Weise der Varialion von Sätzen betrachten, und zwar erstens allgemein, zweitens dann sehr speziell, doch zunächst [wollen wir] über das Werkzeug, auf dem eine so vcrsrandene copia 4J rt'ntm beruht[, sprCf:henl.
Bei diesem ..Werkzeug" handelt es sich um den Topos-Begriff, dessen Merkmale Bruno nun in Kapitel 12 behandelt. Diesen definiert Bruno zunächst in Anlehnung an Ciceros bekannte Definition des Topos als "Sin von Argumenten": Es sind also die Topoi bestimmte Sitte der Argumente oder der Erörterungen, die zwar zunächst und prinzipiell nur eine einzige äußere Erscheinung zeigen. auf kunstvolle Wei~ aber dennoch in eine Geslah und Umgestaltung verwandelt wer· den können, die jede Form annehmen kann, nicht anders, als wie wir aus dem selben Srück Wachs bald die Figur eines Pferdes, bald die eines Menschen, bald die eines Turmes kneten können. Wenn aber ein Topos herangezogen würde. der nicht leicht veränderlich isr. so wäre er nur dem Namen nach ein Topos, nicht aber im ol4 eigemlichen Sinne.
43 Anificium 11, 12, S. 130 (396): PosrqUJlm txp~diuimus rotiOMm int(ntUnd4~ n odipiJcrnda~ ropiot um/onis, tx tO portt', qUilt' eomistit in vbt'rtAtt' dietioniJ: "/iquum tSt flUkrt modum lNtriandi untenti41: Primo quitkm grnl'ra!iur. ucumW fltrO f/'t'&/iJSim~. n proximt tk apparatu, qui ronsiJtit in huiusmodi rtrum eopw. 44 Artificium 11,12, S. 130 f. (396): Sunt igitur /oca UrtAt sttks argumtntorum. fIt/ dimmuum, qUJlt !ietl flnam primo atqut prinripiA/itl'r rtftrant Jpui~m. artifirisu tI1mnl in omniformtm prlUstntationt'm tt "pratstntationnn eonut'rti pOJJunt, haud a!iUr qUJlm a ttUkm Urtl, nune quitkm tqui, nune hominis. nune tums formam txprimimus. Si quis fllrro Iocus affirotur. qui farik non sit wrribi!iJ, ifk nomint tanlum /ol'UJ tril. nsn auum rt iput.
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Das charakteristische Merkmal des Topos ist für Btuno seine vielgestaltige An~ wendbarkeit. Ein Topos ist ein so allgemeines Muster, daß er mit jedem beliebigen Gegenstand in Verbindung gebracht werden kann. Wie jede räumliche Form mit einem Stück Wachs nachbildhar ist. so läßt sich jeder Topos auf alle möglichen Sachverhalte übertragen. Der Akzent bei dieser Definition liegt also - um dies nochmals zu unterstreichen - auf der universellen Konvertibilität des Topos. Dadurch hat Bcuna das methodische Gelenkstück seines rhecocischen KOß:z.eptes vorbereitet, das im sich nun :lßschließenden Kapitel 13 entfaltet wird. Der Kerngedanke hierbei ist die traditionelle Vorstellung der Analogie von Makrokosmos und Mikrokosmos: Jeder Teil des Kosmos steht zu jedem anderen Teil in einem Wechselwirkungsverhältnis und kann dadurch auch in Analogie und Rela· Don zu jedem anderen Teil beschrieben werden. Diesen Grundgedanken über· trägt Bruno nun auf die rhetorische Textproduktion: Ein Text, der von einem be· stimmten Gegenstand handelt, kann bei Zugrundelegung dieser Analogie als ein Text zu jedem beliebigen Gegenstand gedeutet werden. Der Text wird in diesem Fall als eine formale, durch logische Bezüge definierte Anordnung von Topoi in· terpretiert, die - wie Bruno eben betont hatte - auf jeden Gegenstand konvertiert werden können. We=:il, wie=: wir oben gesagt habe:n, in alle=:n Dingen e=:ine=: Ordnung und ein gewisser Zusammenhang besteht, so besteht auch Ähnlichkeit und Verwanduchaft oder Verhälrnis oder Verhältnismäßigkeit, Unähnlichke=:it oder Gegensänlichkdt; nachde=:m wir also e=:ine=:n Durchlauf durch eine Rede vornehmlich mit einem bestimmlen Inhah in e=:ine=:r Rede=:gattung und mit einem Proposilum 4~ volle=:ndel haben, können wir ein ProposilUm in ein anderes Propositum umwandeln, indem wir die Begriffe anpasse=:n und die=: Reihenfolge ändern, so daß nicht dnmal die Künstler, die in dieser Disziplin ausgebilde=:1 sind, dieses Kunstwerk aufdecken können. Es gibt darin also keinen Teil oder ke=:inen Topos, der nicht genausogut erster wie auch mittlerer 46 oder letzter sein könnte.
Es genügt demnach völlig, einen einzigen Gegenstand in einem Text zu erfassen, um ..jeden" Gegenstand zu erfassen. Alles nämlich ist analog zu diesem einen Ge· genstand. In Brunos Konzept wird dieser Mikrokosmos, von dem eine universelle Topik ableitbar ist, durch den Menschen repräsentiert. Alle sprachlichen Begriffe.
45 De:r rhe:torische: Begriff propositum bezeichne:t e:ine: quat'stio infinitn, also eine von allen konkre:ten Umständen e:ines Rc:dc:memas losgc:lösle und insofern ~philosophische~ Frageslellung, dnu L\USBERG (1960), § 69-71. Vgl. Quint.. inst. 3,5.5: infinitat' Ist'. quamiont'S1 sumo quat' "moris pt'rsonis t't tt'mpon"bw t't weis uurisqut' simifibw in u"amqut' parum "artantur, quod Graui 9EeHv dieunr. Ciuro propositum. alii quacstiones universales civiles, alii quaestiones philosopho convenientis I... 1. Darauf haI etw:l SoarC7., Dt' ant' rhl'ton"ca, S. 11, wieder zurückgegriffen. 46 Artifidum 11.13, $. 131 f. (396 f.): Qvia. vr diximus in supaion"bus. in omnibus "bus sialt Nt rmJo tt eonnmo quauJam. ita ninm rst similitlUiQ t't affinitnl wl proportio St'U proponionalitas, dissimiliruM St'U t'ontran'ttnl: lta postquam rmum orarionis diseur'Sum t'ompkunimus. in prauipua quaJam maurW in 1/110 gmt'rt' I't propoSilO, possumus proptnirum lI1/um in aJiud propositum eonut'Tur, Ilptaris unninis I't mutalO omint'. ita vt nt' ipsi Ilnifict'S, sub t'wm disdplina instrneti, idrm artificium tkpr,hnukrt qUt'llnt. NulJa mim pan Nt. St'U nuUus locus. qui non /XJ1sir NU' pn"mus at'qUt' Ilrqut' mt'dius atqt« vuimus.
DER ZWEITE TEIL DESARTlFlC!UM PERORANDI- BRUNOS RHETORlKKONZEPT
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die dem Menschen zugeschrieben werden können, lassen sich nun als universelle Topoi verstehen. Da jeder Teilbereich der Welt mit jedem anderen in Beziehung steht, kann dje gesamte Welt "in Hinsicht auf den Menschen" beschrieben werden. Alles steht in einer Analogie zum Menschen. Durch dje MakrokosmosMikrokosmos-Analogie wird die Topik des Menschen zur Universaltopik. Im Menschen kann sich die Welt spiegeln. Wenn also im gmus dnnomtratiflum irgendetwas zu tadeln iS[, so wird jeder auf dieselbe Weise und mit denselben Topoi loben oder tadeln können. mit denen auch der Mensch zu loben und zu tadeln ist. Alles nämlich ist dem Menschen selbst ähnlich, oder der Mensch ist all diesem ähnlich, oder auch unähnlich oder gegegensän~ lieh. oder verhält sich auf ähnliche oder gegensänliche Weise; und so kann, was auch immer über den Menschen ausgesagt wird. auf entsprechende Weise über alt jenes gesagt werden. So hat auch der Himmel sein Rechts und sein Links und ande~ re Orrsumerschiede; ein Schiff, ein Haus haben ihr Rechts. Links, Arme, Füße, Rumpf usw.; ebenso kann man die Gesellschaft, den Staat, die Familie so auffissen, daß sie eben diese Glieder besitzen, und ganz ähnlich auch Pflanzen, Gräser, Künste und Werkzeuge. So hat auch ein Wasserkrug seine Abstammung, nämlich die Töpfererde, stammt von diesem oder jenem Vater, gleichsam aus einer Familie, von diesem oder jenem Handwerker. Alles har nämlich auf seine Weise eine Abstammung, sozusagen Anfangsgründe, und auch eine eigene angeborene Eigenschaft und An, eine eigene Bestimmung und Natur, alles hat eigene Fähigkeiten, je nach den Umständen, durch die es sich entsprechend der Abstammung oder der Art im Idealzustand befindet. Wie wir also diese Abstammung am Menschen geltend machen können, so können wir sie, und auch anderes, an jedem Ding geltend machen, freilich auf herausragendere Weise bei göttlicheren Dingen, auf minderwenigere 1 Weise bei niedrigeren Dingen:
Im Rest von Kapitel 13 und in den folgendenen Kapiteln 14 und 15 versucht Bruno nun, in Ansätzen diese Universalropik, die den Menschen zum Inhalt hat, zusammenzustellen. Er sammelt darin eine immense Menge von Begriffen, vornehmlich Substantive. und ordnet sie in drei Gruppen nach den drei Redegenera: Kapitel 13 bietet eine Topik des gmus dnnonstrativum, Kapitel 14 des gmus tklihuatirmm und Kapitel 15 des gmus iudiciak. Dabei nimmt Bruno teilweise Topiken aus dem ersten Teil des Artificium p~rorandi wieder auf, etwa in Kapitel 14 die capitula finalia oder die EimeiIung in die bona animi und die honn corporis, 47 Artificium 11,13, S. l32r (397): Si itnqlU' in tUmonsrratiuo gtnn? OC(U7Tat aliquid vitupmmdum, cmt quilibrl tadnn rationt ijllumqlU' locis faudabit tt flitutxrabit, quibus homo laudabilis tl vitupt~ rabi/iJ m. Omnia tnim w/ homini similia sunt ipSil, wl ipsis homo m similis, wl dissimilia, w! contranD. wl simili fit! contra"'o st habtntia; tt itUO quicquid dicitur tU homint pro SUD captu tU iUis din poUst. Hinc tt cot/um habrt suum dtxtn'Um. sinismtm. tt alias 16caks difJntnlias: Nauis, domus habtnt suum dcetrum finistrum, brllchia, pttk1, Illuum tU. Itnn ciuitaJ, rNpub/i(/l, fizmi/ia taMm mnnbra habr" inttUiguntur. Similitu plantnt, IKrbac, artN tt instrumtntn. Sic vrccus habtt suum gtnus, argi/fam, IX tnli partnlt, tn/i qUllSifizmilia, tIlli artifict opuanlc. Omnill mim pro sua rationt habml gtnus tanqUilm principia. tnnquam propriam indolnn tt sp«icm luam tUfillitiolltm SiU naluram, habtnt proprias viTtuttt, VIpolt cirrurn.stllntiAs, quibus brnt !t habtnl in SU(} gtncrc !tU Spteit. V, crgo hoc gmus txcrctmus in homint itn tt txtrctrt lictt iplum tt a/ia in quibuscunque rtbus. ntmpt StC'Undum tmincntiortm rationtn in "bus diuinio"'bus, Stcundum humiliornn in rtbus inftrioribus.
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
die Brune im ersten Teil bei seiner BehandJung der amplificatio bereits genannt hatte. Bruno geht hier wieder von einer Rangstufung der Redegenera aus: Die Topik des gmus dcnonstTat;vum, "dje auch den anderen heiden Reclegenera gemeinsam ist", nimmt Brunos Gliederung z.ufolge "auch Topoi des genus deliberativum auf'. so daß die Topoi des gmU! ddiberativum die allgemeinsten sind. während die einzelnen Redeganungen darüber hinaus noch spezielle Topoi entwickeln.~8 Das genus iudiciak hat im Hinblick auf diese Topik nur eine geringe Eigenständigkeit, da es "nicht viele eigene Topoi außerhaJb des genus delihmzh"vum und des genu.s demonstrativum hat." Dies erläutert Bruno, indem er zeigt, daß die capirula finatin auch und gerade bei der rhewrischen Erönerung eines Rechtsfalles zur Anwendung kommen sollen: Bei jeder Anklage gehe es nämlich darum, ob eine T ar "gegen das Gesetz, gegen die Gerechtigkeit, gegen das Ehrenvolle, gegen die Nützlichkeit" oder "gegen das Angenehme" ausgefühn worden sei.~9 Diese Stufung der Redegenera bildet ein grundsätz.liches Einteilungskriterium in Brunos Rhetorik. Der le(zte Satz des ArtificillT1l ptrorandi verknüpft in dieser Hinsicht die gesamte Schrift; erSter und zweiter Teil lassen sich hierin zu einer Einheit zusammenschließen: Daher haben wir nicht zuf'allig von Anfang an diese Reihenfolge berücksichtigt, daß dem gt>nus d~libalJtifJum das gmus demonsmuifmm folgt, jenem aber das genlls iudiw eiak als drittes untergeordnet wird, und das zweite dem ersren.
Wie die Topik der copia rtrnm konkret angewendet werden soll, beschreibt Bru~ no nicht, Er empfiehlt jedoch auch hier wie bei der copia rerum die Zuhilfenahme von Alphabeten, um sich die Topoi leichter ins Gedächtnis einprägen zu können. Das sind die Ganungen und Arten mit ihren eigentümlichen Gliedern, durch die wir über jede auswählbare oder über jede in entsprechende Ordnung gebrachte Sache marerialreich sprechen können; für deren Einprägung ins Gedächtnis werden diejenigen, die eines anderen Kunstgriffs entbehren. sich Alphabete zusammenfügen müssen, durch die jenen die Topoi zur rechten Zeit einfacher ins Gedächtnis kommen können. Es ist aber offe.nbar. auf welche Weise wir jede Sache. über die wir nachdenken und bei der wir die Absicht haben. sie - mit Worten und mir Taten zu verfolgen, mit diesen Hilfsmitteln erörtern.~l 48 Artificium 11.14, 5.136 (399): uca, IJI supra dictum rst, tbmomtrniui gm~riJ ~tiam ca~urIJ communia g~n~ribw poft y ordinm~ ucipiunt ~/ib~ratiuigtn~n'lloca /. .. /. 49 Artificium 11.15, S. 143 (403): Habn n iudiciak gmw wo quat'dnm propria. t'Ilql« 1/011 mulllJ. St'o1'1im a gmt'rt' daibt'ratiuo, n tUmonstratiW): plun'ma vt'ro t'X iistUm capitibus t'1 mcmbriJ tU1umuntur, quill, vt Jvpra dit"tum Nt, om'1iJ lucwatio t'I propurl'a, quia ptrpnrata lunt contra kgl'm, contra iUJlitiam in gl'n~rt n in s~cil', contm "ontstum. cOn/ra vlilitaum pubiit'am tt "umitaum, Contra iucundum. 50 Artificium 11.15, S. 144 (404): ltaqul' no" rnntrl' 0 principio "unc ordint'm oburuauimus. vi gmtri tUlib~ratiuo lut:Ct'd~rt't dnnonstTatiuum, iHi v~ro iudidau tanquam urtium sublllurnalO. St'cundum lIt'ro primo. 51 Artificium 11,14, S. 140 (402): Hare sunt grn~ra atqlU /spmaJ Nlm suiJ prareipuis m~mbris ~r qual' tU omni aigibili, s~u tU qllacunqu~ u in (onstilution~ posita copioSt' d"scurr~rr possumus, pro quorum m~moria, quat alio carmt artificio, prr singuw capita, Alp"ab~ta Jibi conJlrul't't' tkbtbunt,
DER ZWEITE TEIL DES ARTIFIC/UM PERQRANDI - ßRUNOS RHETORIKKONZEIYT
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Am Ende des Artificium p~rorandi wird deutlich, daß der Anfangsreil, in dem Bruno die klassische Schul-Rhetorik verarbeitet hat, systematisch mit dem genujn Brunoschen Sprachkonzept des zweiten Teils verknüpft ist: Topisierung und Universalisierung, d.h. formale Strukturierung und Ausdehnung des Applikationsbereichs von der "bürgerlich-sozialen" zu einer wissenschaftsmethodischen, "philosophischen" Funktion der Rhetorik, konnten oben als wesentliche Kennzeichen des ersren Teils des Artificil~m p~rorandi identifiziert werden. Hier in der copia r~n"n nun wird der Grund für diese Orientierung erkennbar: Den Menschen in einer Topik zu erfassen heißt zugleich auch, die Welt auf ihre wesentlichen Topoi zu bringen. RhetOrik in diesem Sinne ist nicht trotz, sondern gerade wegm ihrer Konzentrierung auf den Menschen ein Schlüssel auch zu universellem Wissen. Begreift man diesen Zusammenhang, so wird das Artificium p~rorandj zu einem Text, der nicht nur Bekanntes kompiliert, sondern dem auch eine Idee zugrundeliegt.
quo jarilius Wco il1is suo kmport possint O(curr~rt. A1tmi[mum Nt ll. qunnlldmodum rrm omnnn, tk qlUt daibrromus. rt qUllm intmtionrm. 'I(7bis rt oprn'bus: prouqumdllm dur;mus. rr bis m~diis proponimus {... }.
6 Ergebnisse des ersren Hauptteils: Das sprachphilosophische Konzepr des Artificium perorandi Der in den vorangegangenen Kapiteln vorgenommene Überblick über das Artificium p~rorandi ermöglicht es nun, das sprachphilosophische Konzept. das Bmoo durch seine Rhetorik in die Praxis umzusetzen versucht, zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht der copia-Begriff. Durch Rückgriff auf die traditionelle rhetorische Verwendung dieses Begriffs in es Bmoo zunächst möglich, den Vorgang der rhetorischen Erfassung der Welt in ein sprachlich-formales und
in einen inhaJdich-argumemarives Feld zu umerteilen. Rherorische Textprodukrion erstreckt sich auf diese heiden Bereiche. Innerhalb der copia v"borum wird Sprache inhaltsfrei gedacht, cl.h. die RhetOrik stellt hier Arbeitstechniken zur Verfügung, durch die bestimmte gegebene In~ halte auf den verschiedenen formalen Ebenen der Sprache und unabhängig von den Inhalten verknüpft: und modifiziert werden können. Die copia v~rborum umfaßt ein formales Regelsystem der Sprache. Brunos Ziel ist es, eine Lisre mit einer endlichen Anzahl von Elementen anzugeben, durch die das Verhältnis der einzelnen Inhalte zueinander umfassend beschrieben werden kann. In dieser Per~ spektive betrachtet. besteht ein Text aus einer Abfolge von Inhalten (me Bruno später Topoi nennen wird), deren Verhältnis zueinander mir Hilfe der copia verborum variiert werden kann. Bruno nimmt bei der Erläuterung dieser Vorstellung den Vergleich mit dem Zerlegen von Säuen in Buchstaben zu Hilfe: Die einzel~ nen Buchstaben sind zunächst bedeutungsfrei und auf eine endliche Anzahl beschränkt. können aber dennoch durch die Variation ihrer Anordnung prim.ipiell beliebige Inhalte zum Ausdruck bringen. Die copia vn-bomm umfaßt dabei einen sehr breiten Bereich, von der Logik über die Grammatik bis zur Stilistik. Die copia rffUm um faßt nach Brunos Konzept eine Topik, in der die inhalrli~ ehen Belange der Rhetorik erfaßt sind. Inhalt meint hier allerdings nicht die Ge~ genstände der Realität, sondern die Erfassung von Gegenständen in bestimmten Blickrichtungen. In Sprache gefußt wird nicht die Sache selbst, sondern die verschiedenen Standpunkte, die ein Redner im Hinblick auf diese Sache einnehmen kann. In Brunos Grundbegriffen v~rba und m wird nichr das zeichenrheorerische Verhältnis von Signifikat und Signifikant erfaßt; es geht nicht um eine Abbildung der Weh durch sprachliche Zeichen, sondern - im Sinne des traditionellen rhetorischen Verständnisses - um eine in irgendeiner Form parteiische Betrachtung von Sachverhalten. Die klassische Rhetorik definierte den Begriff des Topos als eine Argumentkategorie. die "nach beiden Seiten hin" verwendet werden kann; der selbe Topos kann sowohl vom Ankläger wie auch vom Verteidiger für seine Zwecke ausgeschöpft werden. Bruno übernimmt rur seine Topik der copia rmtm diese Grundidee der Ambivalenz eines Topos. deutet sie aber in einer entschei~ dend anderen Richtung. Zu diesem Zweck nimmt er den Gedanken der Analogie zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos auf und definiert demnach einen T o~ pos als eine .. Hinsicht auf eine Sache", die in analoger Weise auf jede andere Sa-
DAS SI'RACHPHILOSOPH1SCHE KONZEPT DES ARTlFICIUM PERORANDI
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ehe bestehL ln dem Moment, in dem aHes zu allem in einer Analogie-Beziehung steht, ist die konkrete Sache, von der man ausgeht, beliebig. Bruno wählt als diesen "reellen" Bezugspunkt seiner Topik den Menschen. Eine ausdrückliche Begründung daRlr gibt er nicht an, doch ist es nicht schwer, die Verbindung des Menschen zur Rhetorik zu begründen: Der Mensch kann als "Sprach tier" definiert werden, die (rhetorisch geformte) Sprache selbst als das dem Menschen eigentümlich zukommende, intellektuelle lnstrument. Dieses Lob der RhetOrik als geistiges Orientierungsmirrel des Menschen war das Thema der Vorrede, die Bruno dem Artificium paorandi vorangestellt hat. Sprache wird dorr als das Definiens des Menschen gezeigt, und die RhetOrik dadurch zu einer "spezifisch menschlichen" Wissenschaft. Bruno interpretiert die Redegattungen der klassischen Rhetorik bereitS im ersten Teil des Amficium ptTorandi als Modellfalle. in die jegliche Art sprachlicher Äußerung eingeordnet werden kann. So kommt es zu einer wechselseitigen Beziehung zwischen Mensch und Sprache: Sprache ist einerseits ein typisch menschliches Instrument und ist andererseitS daher auch am besten dazu geeignet, den Menschen sprachlich zu erfassen. An dieser Stelle von Brunos Sprachkonzept erhält nun die Kombinatorik eine systematische Bedeutung. Indem rhetOrische Sprache sowohl auf der Ebene der lJaba als auch auf der Ebene der w systematisch alle Ausdrucks- und Variationsmöglichkeiten bei der Erfassung und Beschreibung des Menschen auszuschöpfen versucht, nähen sie sich auch - wenn man den universellen Analogie-Gedanken zugrunde legt - einer sprachlichen Erfassung des gesamten Universums. So kann dieses Sprachmodell schließlich eine universelle Erkennrnismethode zur Verfügung stellen. Welterkennrnis wird dadurch möglich, daß der Mensch, durch seine Sprachbenutl.ung definiert, sich selbst vollständig in Sprache zu erfassen versucht: Subjekt und Objekt der Sprache werden identisch, Welterkennrnis und Selbsterkenntnis fallen in eins. Diese Erkennrnismethode kann nicht auf ein Formulieren statischer Aussagen über Mensch und Welt beschränkt sein; die sprachliche Beschreibung von Welt ist nur dann dem unendlichen Universum adäquat, wenn sie sich in einer ständigen Modifikation befindet. Gerade in dieser unendlichen Modifikation besteht das Ziel der Brunoschen Rhetorik. Der Begriff der copia steht prägnant im Zentrum dieses sprachphilosophischen Ansatzes; Bruno denkt die Vorstellung von sprachlicher "Fülle" radikal zu Ende. Es geht ihm eben gerade nicht um die SchöpfUng einer neuen philosophischen Fachterminologie, in der einzelnen Begriffen spezielle Bedeutungen zugeordnet werden: Dies würde nur zu einer Begrenzung, zu einer De-finition der Sprache Rlhren. Das Amficium p~roralldi ist der Versuch einer In-finirion, einer "Entgrenzung" der Sprache. Dieses, dem infiniren Universum angemessene Sprechen kann nur erreichr werden, wenn Sprache zu einem fließenden Sprachimpuls. zu einem nie versiegenden Sprachstrom erweitert wird. Das Rhetorikkonzept des Artificium p~roralldi beruht auf vier Grundvorstellungen, bei denen Bruno an bereits bestehende Konzepre anknüpfen und sie zu einem einheiclichen Sprachmodell zusammenbringen konnte: das rherorische
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PHILOLOGISCHE INHALTSANALYSE
Verständnis des copia- und des Topos-Begriffs. ferner die vor allem im Bereich der Naturmagie virulenre Idee einer Analogie von Makrokosmos und Mikrokosmos und schließlich die Kombinatorik als ein Instrument enzyklopädischer Wis· senserweirerung. Es ist nicht zu übersehen, daß Brunos Rhetorik nicht mehr viel
gemein hat mit der uaditionellen Lehre vom rednerischen Vortrag. Sie ist vielmehr eine Reflexion über die Möglichkeit, das Erstellen von Texten als ein Mittel zur Welterkennmis zu gebrauchen. Die Struktur von Texten und die Struktur
der Welt werden einander angenähert. Dabei stehen Text und Welt jedoch nicht im klassischen Sinne in einer zeichemheorerischen Relation zueinander; Sprache ist keine semiotische AbbiJdung der Weh. Die Pointe von Brunos Konzept besteht mithin in seiner infmiten Tendenz. Im gewöhnlichen rhetorischen Sinn erlaubte es die Fähigkeit der copia diundi dem Redner, aus einer ihm zur Verfügung stehenden Bandbreite an sprachlichen Modulationsmöglichkeiten die jeweils für den Anlaß und das Publikum geeignete Stilebene auszuwählen und anzuwenden. Bruno versucht nun, an die Quellen dieser Sprachfül1e zurückzugehen, um nicht nur einige, sondern alle Sti1~ und Inhaltsvariationen zu eröffnen. Diese RadikaliGit ist nur zu verstehen, wenn man die metaphysischen Grundlagen von Brunos Philosophie berücksichtigt: In einem infiniten Universum, in dem die Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit im Blick auf die Ganzheit keinen Sinn mehr macht, muß auch dje Sprache alle Schleusen öffnen, um diesem Kosmos adäquat zu sein. Während die copia VtTborum zugleich alle formalen Grundlagen der Sprache zur Verfügung stellen muß, besteht die copia rerum aus Topoi. die nur dann wirkliche Topoi sind, wenn sie - wie Bruno ausdrücklich unterstreicht - eine universelle "Konvertibilität" aufweisen. Erst die Öffnung dieser beiden sprachlichen Ebenen für die Ganzheit ermöglicht es dem Rhetoriker, seine Kunst als ein enzyklopädisches Wissensinstrument einzusenen. Nur diese Entgrenzung der Sprache und ihre Öffnung in Anbetracht eines infiniten Universums kann zu einer mystischen Zusammenschau führen, die der Unendlichkeif des Kosmos ..angemessen" ist.
ZWEITER HAUPITEIL: PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
7 Zur Sprachphilosophie in Brunos Denken An diesem Punkt der Untersuchung erscheint es zweckmäßig, das Sprachkonzepr, das sich in der bisherigen Interpretation aus dem Artificium perorandi in Umrissen herauskriscallisien hat, in den Komext von BCUDOS Denken zu transferieren. Zahlreiche andere TextsteIlen in BruDOS Werk geben Hinweise auf die Grundlinien seines sprachphilosophischen Denkens. Zunächst ist dabei zu fragen. auf welche An Bmno in seinen Werken Sprache als DarsrellungsmitteJ seines Denkens einsetzt. Die Bruno-Forschung hat sich bislang diesem Problem in recht großem Umfang zugewandt. Im Zentrum standen dabei zumeist die Texte in italienischer Sprache, während SmDOS Verwendung des Lateinischen noch nicht in dem seihen Maße zum Gegensrand von Untersuchungen gemacht wurde. Es ist zunächst ein auffallender Umstand, daß sich Bruno als Schriftsteller in verschiedenen literarischen Genres zuhause fühlte. Betrachtet man die verschiedenen Textanen, die er im Laufe seines schriftstellerischen Schaffens verwendete, so zeigt sich eine große Vielfalt: lateinische Prosatraktate, die sein ganzes Werk vom ersten (erhaltenen) Text (Dr umbris id~arnm, 1583) bis zwn lenten (Dr compositionr imaginum, 1591) umrahmen, italienische und lateinische Dialoge, die Frankfurter Lehrgedichte, in denen lateinische Vers- und Prosapassagen einander gegenübergestellt werden, sowie die Komödie Il Candetaio. Dabei verstand es Bruno, innerhalb dieser Texte wiederum verschiedene Stil- und Gestaltungsebenen wie das Polemische, das Satirische, das Metaphorische oder die Mythologie für die Darstellung fruchtbar zu machen. Auch die Lyrik nimmt bei Bruno eine exponierte Stellung ein, wie dies etwa der Aufbau von Brunos primär erkenntnistheoretisch orientiertem Dialog Dr gli ~roici fUrori zeigt; die Struktur des Textes ist hier von Gedichten und deren im Dialog erarbeiteten Interpretationen bestimmt. So scheint es nicht übertrieben, die Frage nach der Sprachauffassung Brunos als eine der Kernfragen der Brunoschen Philosophie überhaupt zu bezeichnen,l Ein interessanter Aspekr hierbei isr Brunos Anknüpfimg an die iralienischen amiklassizistischen Autoren wie Folengo, Aretino, Doni, Berni oder Franco, deren Einfluß sich vor allem an den zahlreichen satirischen, burlesken und 2 polemischen Elementen seiner Sprache zeigt. I Einen wnfwenden überblick zur ForschungsdisklWion über das Sprachproblem bei Bruno gibt ORDINE (999). KapilC:! 13: _Die Emropie des 5chreibens~. S. 185-217. 2 B).RBERJ 5QUAROm (I 958A) und (19588). Auch OLSCHKI (1927) erkenm zwu die Kühnheit von Brunos 5prachgebr.auch. :aber für ihn bleibl Bruno :auf der Ebene des Gro(esken Slehen. ohne: sich zu schöpferischen Höhen emporschwingen zu können (5. 29): _Vergebens wird m:an in Bru-
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Ferner wurde in breitem Umfang die Zweisprachigkeit Brunos thematisiert. Für die Wahl des Italienischen als Sprache der in England entstandenen Dialoge wurden dabei eine Reihe von Begründungen angeführt, die bereits zeigen. wie komplex die Frage nach Brunos Sprache ist. OLSCHKI etwa vermutet, die Wahl des lralienischen habe keine programmatischen Gründe, sondern sei "eine ganz persönliche Angelegenheit, die von Stimmungen oder Umständen entschieden wurde.",) Darüberhinaus wurde vermutet, Bruno wollte sich durch das Italienische bewußt von der sprachlichen - und das heißt insbesondere von der philoso~ phisch-terminologischen - Tradition abheben, seine Opposition z.ur katholischen IGrche zum Ausdruck bringen oder aber seine Ideen durch Benunung der Volkssprache besonders populär und für das breite Publikum zugänglich machen, wie dies etwa auch für einige Schriften Galileis nachzuweisen ist. Auch die Vorliehe für das Italienische am englischen Hof der elisabethanischen Zeit, an dem Bruno die meisten seiner volkssprachlichen Dialoge verfaßte, wurde als mutmaßliches 4 Motiv für die Wahl der Sprache identifizien. Brunos sprachphilosophische Grundhaltung wurde häufig auf cüe Formel ge· bracht, er habe für die racükale Reform des Weltbildes eine ebenso radikale Re· form der Sprache für nötig gehalten. Philosophisches Weltbild und Sprache sind zwei Pole, die in Bmnos Philosophie untrennbar miteinander verwoben sind. Sein Denken läßt sich mit dem Arsenal philosophücher Begtiffe terminologisch nur schwer fixieren; vielmehr bildet der Text - und weniger der Begriff - die Sinnstruktut zur Darstellung seiner Philosophie, so daß sich "die Einheit bzw. die dynamische Beziehung von absoluter Einheit, Vielheit und harmonischer Einheit in der Sprachstruktur wiederfinden läßt.") Es ist in der Tat ein charakteristischer Zug der Philosophie Brunos, daß er sich selbst als Verkünder einer philosophi. schen Wahrheit betrachtete, die nach seiner Oben;eugung über Jahrhunderte hinweg in Vergessenheit geraten war. Wie die Epoche der Renaissance von ihren Anfangen her von der Vorstellung geprägt war, selbst der Höhepunkt eines histe· rischen Prozesses zu sein, dessen BC1.ugs- und Anknüpfungspunkt in der Blüte der antiken Kultur z.u finden sei,' so war Bruno der Überzeugung, daß sich in seiner Lehre nach der philosophischen Dämmerung, die sich für ihn vornehmlich in Nicolaus Cusanus, Nicolaus Copernicus und dem Neuplaconismus der norenri· nischen Akademie zeigte, wieder das klare Licht der prisen philoJophia der vorso-
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nos Spnche einen kühnen Bedeutungswandel oder Metaphern finden. in denen sich das Den· kerlebnis eines Philosophen 'l.uweilen einprägt, und die ebenso sein Werk wie seine Persönlichkeit durch die Magie des Wom:5 festhalten." OI..SCHKI (1927). S. 15. Vgl. die Zusammenfassung der Vermutungen bei BERTINI MALGARlNI (1980). S. 684--690. HENTSCHEJ. (1988). S. 181. "gI. dazu auch ClUBERTQ (1979). S. XXXI]]; ClUBERTQ (1986). S. 224. An die lm~rpretationslinievon ClUBERTO schließt sich SAB8ATINO (1993). S. 213-223. im wcscndichen an. HENTSCHEL bcschr:.inkl die ftSpnchsuuktur Brunos hier auf gedankliche Redefiguren wie' Metapher. Synonyme, Gleichnisse: und Analogien. während das Anifio'um paorandi Sprache bis in ihre grammatische Struktur erfaßt. Vgl. GERL (1989), S. 2. sowie umfassend die Beiträge, spa.iell die EinleilUng des H~rausgebers. in BUCK (1969). ft
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ZUR SPRACHPHILOSOPHIE IN BRUNOS DENKEN
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kratischen Zeit manifestiere. Seine revolutionäre Philosophje war mü den in der Tradition geYIachsenen Begriffen und Methoden nicht zu fasssen, und so erscheint es auch nicht verwunderlich, wenn er nicht nur gegen die Nutzlosigkeit der verknöcherten scholastischen Philosophie polemisiert, sondern auch auf der Suche nach einer Sprache war, die sich für die neuen Inhalte als tauglich erweisen kann. Das ganu philologische Arsenal, mit dessen Hilfe sich die humanistischen Gelehrten um eine neue Reinheit der lateinischen Sprache, wn die Wiederhersrellung der Einheit von Beredsamkeit und Weisheit kloqumtia ~t sapimtia) bemühten, weist Bruno mit beißender Kritik zurück. Mit den Mitteln der Humanisten war für Bruno die radikale Neuheit seines Denkens nicht umzusetzen. Die Vorstellung einer modellhaften Idealsprache, wie sie die Humanisten im lateinischen oder die Kabbalisten im Hebräischen gefunden zu haben glaubten, lehnte Bruno ab; für ihn waren allen Sprachen in gleicher Weise kontingem und minderwertig. Das philosophische Problem der Sprache ist für Bruno nicht an eine bestimmte, sondern an Sprache als solche geknüpft. Die Kenntnis von Sprachen war für ihn nur ein sehr oberflächliches Hilfsmittel für philosophische Erkenm.
nlS,
und einer, der weder Griechisch noch A.r2bisch und nicht einmal Latein verstehtwie Paracelsus -, kann eine bessere Kenntnis der Natur der Heilmittel und der medizinischen Wissenschaft besinen als Galenus, Avicenna und alle, die sich in der Sprache der Römer Gehör verschaffen. Die Philosophie und die Jurisprude01. geraten weniger aus Mangel an Erklärern von Worten in Verfall als durch das Fehlen derer. die sich in die Erkenntnis der Gedanken vertiefen"
Das humanistische Bemühen, den originalen Wortlaut der alten Texte wiederherzustellen, betrachtete Bruno als unsinniges Unternehmen, und all die philologischen Hilfsmittel, die Lexika, Wonsammlungen, Glossare und Synopsen, mit denen die Grammatiker der antiken Literatur auf den Grund zu gehen versuchten, waren ihm nur weitere Hindernisse, die im Ringen um das Verständnis der Welt Verwirrung stifteten.' Nicht z.ulent rechnete er die verschiedenen christlichen Suömungen innerhalb der Reformation zu diesen "Grammatikern", die 1o mehr nach den richtigen Wonen als nach den richtigen Gedanken streben. Die Sprache in das Korsett einer strengen Regelhafrigkeit zu pressen und so eine immer weiter fonschreitende Exegese der als verbindlich betrachteten Texte voranzutreiben, war für Bruno Kennzeichen der alten, nunmehr überholten Philosophie. Eine solche Art der Sprach betrachtung war ihm zu sehr von der scholastischen Srllogistik durchsetzt, deren Übertragung auf sprachliche Phänomene er l karikiert. Überhaupt ist für Bruno Sprache erwas Lebendjges, dessen Struktur 7 Vgl. 1.B. Dr immmso, S. 380; ema. S. 29 (. Aschrrmittwoehmwhi, S. 88). S Dr 1H causa. S. 257 r. (. Obrrdir Ursachr. S. 78). 9 Dr minimo, S. 236: Dt' fß causa, S. 216 (. Obrrdjr Ursachr, S. 45). 10 Spaccio, S. 660. 11 Eroiri furori, S. 1117 (. Hrroischr Lridmschajirn. S. 162).
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PHILOSOPHISCHE INTE.RPRETATION
sich erst durch die Benutzung, ergibt und sich nur in ganz geringem Umfang Sprache wirklich 'Zu benutzen weiß. bedarf keidurch Regeln erfassen läßt. ner Regeln. sondern schafft selbst die Regeln seiner Sprache:
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Es ist so, daß Hornet in seiner Gattung kein den Regeln anhängender Dichter war, sondern Ursache der Regeln, d~e nun jenen dienen, die besser zum Nachahmen als zum Erfinden geeignet sind; diese Regeln sind von einem gesammelt worden, der selbst kein Dichter irgendeiner Ganung war, sondern die Regeln dieser einen Gattung zu wnmeln verstand, nämlich die der homerischen Poesie, als H Me für jemanden, der nicht selbst dn Dichter, sondern einer wie Horner werden will, nicht von eigener Muse geküßt, sondern ein Affe fremder Mußen,'l
Bruno trennt diejenigen, die im eigentlichen Sinne kreativ mit der Sprache umgehen, die Sprache erfinden, von denen, die anhand dieser Muster nur die Regeln beschreiben oder anwenden können, die von den Sprach künstlern geschaffen wurden. Daher lehnt Bruno auch die aristotelische Regelpoetik ab, die vor allem auch in der Renaissance stark rezipiert wurde und gerade im 16. Jahrhundert im Zentrum einer Diskussion um die Normierung von literarischen Gattungsbegriffen stand; sie diene nur demjenigen. der nicht wie Homer, Hesiod, Orphew und andere ohne die Regeln des Ariswteles dichten kann; den keine eigene Muse küßt und der darum mit jener des Horner ei~ oe Liebschaft beginnen will. I)
Es wird für Bruno geradezu zur spezifischen Eigemümlichkeit von Sprache, daß sie sich der Kategorisierung durch Regeln entzieht. Kunst kann sich nicht auf das Befolgen ästhetischer Richtlinien beschränken. Ebenso ist die Rhetorik für ihn nur ein sekundäres Schematisieren von sprachlichen Ausdrucksformen, wie es dje von ihm heftig anackierten .. Pooamen" vornehmen: Man begutachtet die Ausdrucksweise. man erörtert den Sanbau, um zu bemerken: ..Das schmeckf nach Dichmng, dies nach LWlspiel, jenes nach großer Rede; dies hier klingt würdevoll, das da locker-entspannr, dies wieder iSf erhaben, und jenes don: folgt dem humik dicendi grnw [dem alltäglich-niedrigen Sdl}; diese Wendung klingt rauh - soundso lautend, wäre sie geglätfet. Dies ist ein Grünschnabel, der vom Altertum kaum eine Ahnung hat: non mwkt Arpinatrm. desipit Latium [von dem Arpinalen hat er keine Spur, und das Latein verwässert erl! [... 1.. 1<
12 Eroici furon, S. 958 (. Hn-oisclJe IJidmsclJafun. S. 27). 13 Eroici fUrori. S. 959 (. Hrroi$chr LriMmchtJ/trn, S. 27). Zur PtNti/r des AristOldes in der lit~rari sehen Diskussion des 16.JahrhundertS vgl. COPENHAVERIScHMITr (1992), S. 67 f. Nach BARBERJ SQUAROn'l (1960) und ZANONE (1968) kann Brunos Sprachä!ithetik und die zumindest in seinen italienischen Werken :w findende immanente Poelik als diametraler Gegenpol zur ariswtdischen Regdpoetik verstanden werden. In diesem Sinne kann man lllil MARIANI (1983) von einer Ablehnung jeglicher Rcgdhmigkeit äsrhelischer Prinzipien sprechcn (..neg;Wone ddl'estctica"), wobei die scheinbar auscinanderf21lende Bdiebigkeit von Brunos Sprachideal allerdings wieder auf einer höheren äslhctischen Ebene aufgehoben wird. 14 Dr 14 causa, S. 215 (. Obrr dir UNilchr. S. 44 f.). Zum Begriff dc.s "Pcdamen bei Bruno vgl. OLiBERTQ (1984). k
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Die traditionelle Rhetorik bedeutet Bruno daher nicht mehr aJs eine pedantische Form~ und Stillehre, die durch ihren rigiden Formalismus zu keinerlei Erkenntls nisgewinn beitragen kann. Wie ROBERTO TISSONI gezeigt hat, ist das A1chermittwochsmahl ein sehr synthetischer Text, der es in seiner VieigestaJtigkeit und seinem Abwechslungsreichturn schwierig macht, eine formaJe Einheiclichkeit des Brunoschen Stils ausfindig zu machen. Hier finden sich umer anderem Textpassagen, in denen Bruno physikalische Argumentationen für die Bewegung der Erde ausführt, die bis hinein in ihre syntaktische Struktur auf die zeitgenössische Entwicklung der frühneuzeicliehen, mathematischen RationaJität hindeuten. Bruno geht hier auf das bekannte Schiffsbeispiel ein, um zu belegen, daß eine Entscheidung darüber, ob sich die Erde bewegt oder nicht, vom Standpunkt auf der Erdoberfläche aus nicht getroffen werden kann: Gegenstände, die auf einem mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fahrenden Schiff fallengelassen werden, verhaJten sich nicht anders aJs Ge~ genstände, die etwa an Land fallengelassen werden; sie fallen beide auf die selbe Weise, nämlich geradlinig nach unten. Erst wenn man - modern gesprochen den Übergang zwischen zwei Bezugssystem vollzieht, aJso von außen einen Ge~ genstand auf die Erde oder vom Ufer auf das Schiff wirft, "verlieren" die Flugbahnen ihre Geradlinigkeit.1& Die radikale Neuheit der Brunoschen Argumentati~ onstechnik unterscheidet sich hier in nichts von derjenigen GaJileis, dessen Ober~ nahme dieses traditionellen Schiffsbeispiels zu einem /OCUS clmsicus der Physikge17 schichte geworden ist. Diese TextSteIle im A1chtrmittwochsmahl zeigt Bruno als einen Naturphilosophen, dessen Denken im Brennpunkt der epochaJen Umbruchssituation seiner Zeit steht. Wie TISSONI ausführt, deutet Brunos Adaption des Schiffsbeispiels darauf hin, daß Bruno aJs ein früher und wichtiger Exponent des neuzeiclich~mathemacischen Methodenideals verstanden werden kann: In Bcunos Argumentationstechnik kann der Wandel vom mi((dalterlich~ scholastischen Deduktionismus zum Induktionismus Baconscher Prägung erkannt werden, in dem der Begriff der Hypothese und des Experiments eine neue IR zentrale Rolle erhält. TISSONI interpretiert jedoch die Tatsache, daß Bruno auf so ebenbürtige Weise eine "Galileische Argumentation" entwickeln konnte, in anderen Passagen hingegen wieder auf ein, seiner Ansicht nach rückständiges 15 Vgl. zu Brunos Kridk an der traditionellen RhelOrik FEUMANN (1989), S. XXJV: ~Daher krilisicn Bruno scharf di(' Rhetorik als sprachlichen Schleier, der den Geist von der Erfahrung seiner sdbsl abschnür!. Bruno wird nicht müde, in seinen Dialogen die verdeckende Funktion der Sprache in allen Bereich('n anzuprangern: in der NalUrphilosophie die kognitive Sterilität von Benennungen und Distinklionen, in der LiebesrhelOrik die Diskrepanz zu den wahren Gefühlen und Absichten und im Humanismus die Reduktion Oliler Versländnisfragen auf den grammatischen Formalismus: 16 Cnw, S. 116-119 (_ &chnmitrwochsml1hl, S.I64-167); TISSQNI (1%1), S.382-386. LERNERJGOSSEUN (1973) rdativieren die: Position TISSONIS. 17 Galilei, I d~ nuwimi sisumi dl'! momW. S. 212 f. Vgl. AQUILECCHIA (I99S) und GArn (1998). Das Schiffsbeispid geht zurück auf den Kommentar des Ave:rrQt:S zu der arislOtdischen Schrift D~ auto. Vgl. hierlu Anm. 30 in AJ~hmnjtrwoclJJml1hl, S. 232. 18 TISSONI (1%1), S. 384 f.
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sprachliches Niveau zurückfiel, als einen "nicht lange anhaltenden, glücklichen Moment", in dem Bcunos Denken "von Rückständen des minelalterlichen Den· kens wie der Magie. der Mnemotechnik oder der Zahlenmystik für kurze Zeit frei war". Brunos Prosa ist in dieser Sichtweise ein typisches Obergangs- und Vorläu· ferphänomen. das vor allem durch seine Unvollendetheit, sein "noch nicht" charakterisiert ist. I' Bei dieser Deutung ist jedoch ein Umstand beiseite gelassen, der über Bcunos Sicht auf das Sprach problem, oder genauer: auf die Frage, in welcher An von Sprache die Verfaßmeit der Welt formulien werden kann, näher Aufschluß gibt. Denn Beuno argumentiert zwar unter Zuhilfenahme einer Fachprosa, die in ihrem klaren Stil und ihrem wissenschaftstheoretischen Hintergrund auf den neuzeitlichen Wissenschaftsbegriff vorausdeutet. Zugleich tritt Bruno aber auch in seiner Kritik an der mathematischen Rationalüät in Opposition zu der später von Galilei propagierten Sicht, derzufolge ..das Buch der Natur in mathematischen Zeichen geschrieben" sei. Es ist ein wissenschanshistorisch interessanter Aspekt von Brunos gegen die Humanisten und Grammatiker gerichteten Sprachkritik, daß er seine Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen der Pedanten auch auf die Astronomen überträgt, die in ihrer Anwendung der Mathematik für die Naturbe· schreibung genau demselben Irrtum erliegen wie die Grammatiker. Die mathematische wie die grammatische Memode ist zwar unzureichend, aber doch auch wie Bruno ausdrücklich betont - nicht volkommen abwegig, wenn man die lebendigen und beständigen Veränderungen der Dinge, die sich sowohl in der 2O Sprache als auch in der Natur niederschlagen, beschreiben will. Auch wenn die Objekte beider Disziplinen verschieden sind, so besteht insofern eine methodische Gemeinsamkeit, als beidesmallediglieh ein Oberset7.ungsvorgang stattfindet, ein Vordringen zum tieferen Verständnis jedoch auf diese formalistische Weise der Pedanten nicht möglich ist. Worauf der Nolaner ihnen emgegenete, er sähe weder mit den Augen des Kopernikus, noch mit denen des Ptolemäus, sondern mit seinen eigenen, zumindest soweit es das Urteil und die Folgerungen betreffe. Wa5 dagegen die Beobachtungen angehe, so wisse er wohl, daß er diesen und anderen tüchtigen Mathematikern viel ver· danke [... 1. Er fügte hinzu, jene seien in Wirklichkeit wie Übersetzer, die lediglich die Wane aus einer Sprache in eine andere übertragen. Aber erst die anderen sind es, die dann tiefer in den Sinn der Wane eindringen. Sie gleichen jenen einfachen Soldaten, die die Bewegungen und den Ablauf eines Gefechts später einem Hauptmann berichten, ohne daß sie die Gründe und die Strategie, die zum Siege führten,
19 TISSONI (961). S. 387: ~Ma queslO momentO felice ncl Bruno non duro a lungo: [... J Come il pensiero dd filosofo raramellle allinse la chiarezza, illlorbidalO come eu da tanti residui del pensiero medioevale (la magia, la mnemotecnica, la mistica dei numeri), COS! anche la sua prosa raramtnte doveYa raggiungtre il grado di perspicuitll funtionalt qui dimomata, tanlO da poter esse· re gill ess.a IQ nrumemo della nuova sciema ehe nasceva in Europa proprio allora con Bacone e Galilei, dei quali e giustO anrihuire al nostro il t!lOlo d! precursort.~ 20 AGRlMI (1979), S. 107 f.
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verstanden haben. Der Hauptmann aber versteht es wohl, da er erfahren und in der Kricgskunst bcwanden ist. II
Die Mathematiker sind somit für Bruno nichts weiter als gute Beobachter. die aber im Grunde nichts verstehen. Mad1ematiker wie Grammatiker bleiben an der Oberfläche der Bezeichnungen und Worte. ohne zu den eigentlichen Bedeutungen vorzudringen. Sie übersenen lediglich von einer Sprache in die andere, ohne u dadurch einen Erkennmisgewinn zu enielen. Durch Beschreibung der Welt mit Hilfe von sprachlichen oder mathematischen Zeichensystemen in für die Erkenntnis nichts gewonnen, da in ihnen eine Wesensbestimmung der Dinge ausbleibt. Auch die zeitgenössische Arinoteleskritik scheint Bruno in keiner Weise dem Gegenstand angemessen zu sein, da sie allein auf humanistischer Gelehrsamkeit und Lesefleiß beruht. den eigendichen philosophischen Kern hingegen nicht einmal berührt. Petrus Ramus und Francesco Patriu, die heide kritische Schriften zu AristoteIes veröffentlicht hatten. lehnt er in dieser Hinsicht als .. Erzpedanten" li ab. Auch ihr Bemühen bleibe allein auf der Ebene der Worte stehen, ohne zu den Bedeutungen vorzudringen. Brunos Mischung des Argumentacionsstils. die TISSONI als ein noch unsicher tastendes Übergangsphänomen idencifiuert hatte. muß daher vielmeht als der Kern von Brunos sprachphilosophischem Denken bezeichnet werden. Es geht ihm gerade darum. verschiedene Methoden zu mischen, und sich nicht auf nur eine Methode einzuschränken. Bruno nimmt im Hinblick auf diese Methodiken eine sehr differenzierte Haltung ein. Bei der Analyse des Materiebegriffs im dritten Dialog seiner Schrift Ob~r di~ UrslUht hebt Bruno ausdrücklich hervor. daß man mir verschiedenen Methoden des Philosophierens auch zu verschiedenen Begriffen der Materie gelangt [... l. WllS daran li~, daß die Materie sich in unterschiedlichen Abstufungen verwirkJicht und in entspr«:hend unterschiedlichen Anen verbirgt, so daS man sie im Sinn der jeweils angemessenen BetrachrungsweiK:n verschieden verstehen bnn - ebenso wie die Zahl. die dem Arithmetiker aJs reiner und einfacher Begriff gilt. dem Mwiker aJs harmonisches Verhältnis von Tönen. dem KabbaJisten als Symbol und den anderen Narren wie den anderen Weisc:n als j~ etwas anderes.
Und kurz. darauf betont er nochmals.
21 Cr"". S. 27 (.
~hnmittw«J",rl4lhl.S.
85 f.). 22 Von Bruno wird anderaseüs jedoch ein Zitat überliefen. in dem er die wichtige Bedeutung von Obersazungen hcrvonuhebcn ~eint. In der Einleitung seiner Montaigne·Obcrscaung schreibt John Florio, ein enger Freund Brunos bei demn EngIand-Aufe.nthah: .Ya but my olde feUow Nolano told me. aod taught publikdy: that (rom translation a11 Sciencc h2d iu offipring". YATES ,gh in ihrer Florio-Biographie lhrin eine programmatische Äufkrung Brunos.. PEUEGRlNI (1943) kommt in Ausc:inanderscnung mit den Dcutungen dieses Ziau bei YATES und SPAMPANATO %u dem Ergebnis. man könne hier keine Rückschlüsse auf Brunot hohe Bewertung yon übe:rsenungen ziehen. Derlei Zitate seien gängige Rcchtfemgungsflo.sldn bei den Übersetzern des disabcthaniKhen England gewesen; Sruno werde hier als Autorität zitiert. nicht aber als Vertreler einer philosophiKh fundierten .Übcrseuungs-Thcorie". 23 Dr W causa. S. 260 (. Obrrdir Unachr, S. 80 [).
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I'H ILOSOI'HISCHE ll'TrERl'R.I:.'TATIQN
daß nämlich Subsmn und Prinzip der n:nürlichen Dinge nach verschiedenen philosophischen Methoden verstanden wC'rden können, ohnC' deshalb auf Kritik z.u $(0-Ben, und t.war 2m ergiebigsten nach ßarurphilosophisc.hcn und ffi:lgi.sc.hc:n Methoden, am unersprießlichsten nach mathematischen und r:uionalcn Methoden {... ].14
Bruoos Schwanken in den sprachlichen Damellungsformen kann vor diesem Hintergrund als programmatisch gesehen werden: Ein tieferer Einblick in die 5trukmc der natürlichen Welt ist nur dann möglich. wenn die verschiedenen Methoden und philosophischen T radicionen nebeneinander ins Blickfeld rücken. Beim Versuch, Sprache durch grammatische Einordnungen auf eine Eindeu· tigkeit hin einzuengen und zu einem abgeschlossenen System von Zeichen zu machen. verliert Sprache für Bruoo die Fähigkeit. ein Instrumem des menschlichen Geistes zu sein, das der Natur adäquat ist. So wird gerade die Vieldeutigkeit der sprachlichen Zeichen von Bruno auch in seinen mnemotechnischen Schriften als e1ememares Werkzeug eingesent. Es kann für Bruno allenfalls grammatisch, nicht aber philosophisch Sinn machen, von Synonymen zu reden, wie er in der Vorrede zu D~ imaginum compositioll~ äußert: Es möge hier jwer genau wissen. daß ich nicht durch Synonyme Unsinn und (mir
jenem Mangel an Sinn) den Vom.t der Wortdr«:hsler von mir gebe; verschiedene Worte nämlich. die mit grammatischem Auge betrachter Synonyme sind, beu:ich· nen uns immer wieder anderes oder wenigstens immer wieder auf andere Weise. wie Herr. Besiner, Gebieter nichl das gleiche sind für die Dummheil, für den Sklaven und für das Pferd; da es ja im Haus der Philosophie keine Synonyme ~ben kann, es sci denn. wir möchten auch die grammatischen Philosophen unseres Jahrhunderts hin:u1l.ählen, für die es eine vorzügliche Ehre ist, die Eigentümlichkeit der Worte zu mißachten, einen Slil nach Art der Papageien und Nachäffer aunuarbeiten. dem Cicero im Ikreich der WlSSC.nschaft nachzueifern. gri«:hische Wörtchen mit lateinischen zu mischen und sich so unter anderem die Erf2hrenheil in Sprachen zu er· schachern.n CIUBERTOS Umernehmung. ein Lexikon zu Bruno zu erstellen, steht im Grunde 16 den eigemümlichen Imemionen Brunos diamerral emgegen. Für Bruno besteht
w
24 Dt caUSll. S. 180 r. (. Obtu/it Vnacht, S. 10 f.). Ähnlich Dt IImbris, S. 22. Vg.I. hien..u (;'luch wegen der lotkrilischen Schwierigkeilen) C1LI8ERTQ (1986), S. 211. 25 umpm. imag.• S. 92 f.: Vbi I'Itmil'ltm pratttrtilt tltb"m mt non nllgllJ S)l'IoI'lJmiUI'IM (r,utart tt 10gbfUJtlJalorum (C1Im i/ln St/'IJUJ il'lopill) copinm; Jillt'rJIlt qllipfK IIOUt qUlu grwmmatiro fKUlo fKnfK'tat tyno"lmat SIOII, tlU IWbis alill atqut alia ~'tl SJllum aNttr atqut aNttr significant. sicut dominus. p"SJt1St/r. hvus, non sunt idtm ignorlll'ltiat. StrVO tt tquo; qllol'lUJm in ('llria philtnoph~ ntll'l u/.lo pmtllnl tfJt IJIWI'IJ11UI. pratttr'1U1lm si IIt'limus trammari.ilks inttrnul'Itt'rllrt in bot S«llJo philoHJphos. qllibus ccimillm dtnu nt ~wstm proprirtatt conttmpta, Jtylum connl'lnando psittaUlrum Slmiilnll"'lut in mDrrm, Ciuronnn in srimriarum profruiont ilnnu1A";, tmitula tril"iI lalim; il'llnmisundo /i". pli""'" pMliII", inStT alia "u"JilUl";. Vg.I. auch umJ'flJ. imag.• S. 11}-115 (Kapilcll,IO) und dic IntCTprrnlion von BERTINI MAlGARINI (t 980), S. 694-696, dic bei Bruno d:w:nfalLJ cinc nicht abbildende, sonden produklive Funktion von Zcichcnsys"~mcn crmnl. 26 Vg.I. die differcnzicrte Kritik ACRlMIS (1979). S. 125-133, an C1UBERTQ5 Lc:cikon l.U Bruno. QUBERTQ hat diCKm Problem bcYroßI Rechnung gClr.lgen und das Lc:cikon als ein Jibro apcr10· konzipien (\-gI. C1UBERTQ (1979), S. Xli).
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kein eindeutiger, zwingender Bezug zwischen den Worten und den Dingen, und somit ist die Möglichkeit, Begriffe mit Bedeutungen frei zu belegen, eine spezifische Eigenschaft der Sprache. Die Pedanten haben nach Brunos Meinung die Sprache zersetzt. Der traditionelle wissenschaftliche Umgang mit Sprache ist kein Instrument, mit dessen Hilfe Bruno glaubt, seine Philosophie darstellen zu können, und es ist in diesem Zusammenhang durchaus passend, von einer von Bruno erstrebten nSprachreform" 7 zu sprechen, wie dies CJUBERTd tut. Von welcher Art ist nun die von ihm favo~ risierte Form von Sprache? Während Brunos Kritik an der pedantischen Sprachbehandlung differenziert und unzweideutig ist, lassen sich die Konturen seiner nneuen" Sprache nur vage erkennen. Eine andeutungsreiche Stelle hierzu findet sich in der Vrrrrribung ckr triumphirrmdm Bmü, wo Bruno seine Art der Sprachbenutzung beurteilt: In diesem Buch spricht Giordano die Sprache des natürlichen Lebens, reder frei heraus und schämt sich nicht, jedem Ding seinen wahren Namen zu geben, wie die 1 Natur ihm sein wahres Wesen gegeben hat. '
Die richtige Verwendung von Sprache und die richtige Bezeichnung der Dinge kann also für Bruno nur auf Grundlage der Natur gewonnen werden. Bruno will wieder die richtiRe Beziehung zwischen Natur und Sprache, zwischen Sache und WOrt herstellen. Er will einfach und klar reden und die Dinge bei ihren Namen nennen. Die Basis für Brunos Sprachreform isr dabei nicht die sprachliche Trad.i~ rion, wie sie die Grammatiker repräsemieren, sondern die Natur. So folgert CJUBERTO, daß Brunos Frage nach der Sprache nur in ihrer Verflochtenheit mir der neuen Weltanschauung verstanden werden kann: Pedanreria, ozio e religione cristiana sono Strettamente intrecciati: sono aspeni di una medesima concezione della natura, ddl'uomo edella civilta. E percib, senza una nova Iingua. Jlrufturalmmu antl/udantNca, non c'e una nuova concezione del1a realra: la ricostiruzione deli' "ordine" linguistico e la condizione di nuove leggi e cosrumi, corrispondemi all' "ordinc" ddla natura. La lingua e Ia sua "riforma" naturale s·inrrecciano a11:1. riforma etica delI'uomo. JO
Neue Sprache und neue Philosophie sind daher nur Aspekre ein und derselben Frage nach der neuen Weltanschauung. Das Aufbrechen des minelalterlichen, geschlossenen Weltbildes und der Versuch, ein infinites Universum konsequent zu Ende zu denken, kann für Bruno nicht mehr mit den herkömmlichen Sprachkonzepten bewältigt werden. Die Grenz.erweiterung der Welt erfordert auch eine
27 Zu dieser ~riforma ddla lingua vgl. CU.J8ERTO (1979), S. XXXIII. 28 Sp4rcio, S. 55 I (_ VrrtrtibuIIg, S. 14 f.). 29 ClU8ERTO (I 979), S. XXXV: ~[ ... J muovendo dai rea.li semimenti e poSliibile conilUire qud nesso di ~nome~ ed ~essere~ ehe i grammalici avevano dissoho, rinsemmdosi in un orizzonte di parok, ch'en insieme. e nr:ce5$afiamen!e, slerile e sbagliato.~ 30 ClUBERTO (1979), S. XXXJII. Vgl. hierzu die Krilik durch AGRIMI (1979), S. 144 f" der bei Bruno keine Mnalürliche~ SpnchkonZC'plion feslSld]en kann und im Gegensan dazu vor allem belOnl, daß fiir Bruno die Sprache nur ein minderwcniges Erkennlnismitld darstellt. k
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Grenzerweiterung der Sprache. die mü den Mitteln rationaler Diskursivicät nicht zu erreichen ist. So ist die "begriffliche Unschärfe", die BCUDO allenthalben vorgeworfen wurde und die eine Interpretation seines Denkens häufig vor schwierige Aufgaben stellt, umgekehrt als Brunos "Kritik an dem eingeschränkten Darsld3l lungsvermögen bloß rationaler Begrifflichkeit" aufzufassen. Nur wenn es gelingt. durch neue Techniken des Ausdrucks die infinite Einheit der Weh zu repräsentieren. kann die Welt sprachlich erfaßt werden. Brunos Sprache muß daher imstande sein, in der Vielheir zugleich die Einheit auszudrücken: [... ] und das ist jene Sprache der Götter, die, während sich alles andere täglich tausendmal verändert, immer dieselbt: bleibt, wie auch die Gestalt der Natur diesellx bleibt. Jl
Für den Versuch Bmnos, diese neue Sprachform in seinen Texten zu erproben, kann man einige Indizien festmachen. Die Darstellungsform des Dialogs, die Bruno häufig zur Formulierung seiner Philosophie wählt, deutet auf die Multiplizität der Sprache." Dabei bringt er eine extrem flexible Sprache zur Anwendung. Das AschtnnittwochJmahi bezeichnet Bruno selbst als "ein Gemisch von Dialog, uJo Komödie, Tragödie, Poesie, Rhetorik, Lob, Tadel, Beweis und Lehre. So ist der Wechsel der Stilebenen und Ausdrucksformen, das zahlreiche Schaffen von n Neologismen und das Gleiten von einer Darstellungsweise zur anderen ein konStitutives Element des Brunoschen Sprachgebrauchs in seinen italienischen T exten. Auch Brunos Latein ist von dem Bemühen geprägt, die starren Strukturen des Humanistenlateins zu unterlaufen und im eigentlichen Sinne ein Brunosches "latino personale" zu schaffen..16 Das Erstreben eines neuen Ausdrucks zeigt sich somit auch in den lateinischen Schriften. Es ist Brunos Zid, die ständig schöpferische Kraft der Natur auch in seiner Sprache umzusetzen. Erst der inventive, schöpferische Umgang mit Sprache schafft einen Zugang zum Verständnis der Natur. Der naturphilosophischen Suche nach den Strukturen des Universums stehen Brunos literarische Experimente als "Explorationen im Universum der Sprache" gegenüber.'? Darin verschwimmt die Grenze zwischen den verschiedenen Text'arten, nur ein Ausschöpfen aller möglichen Ausdrucksweisen wird der 31 STADLER (1986), S. 42. VgJ. daw auch HUIlER (1965), S. 4 und 56 f. 32 Dr m"gi", S. 412: f, ../ rt h"rc rst ia., &orum Jingua, quar a/iis omnibus rt quoridir millirl immuratil ump" m"nrt raMm, tiCUI lprdl'$ narurar r//imrt rlllinn. 33 ClUIlERTO (1979), S. XXXJV. Zur Dialogforrn bei Bruno vgl. ORDINE (1990) und QUARTA
(19901. 34 CrNl, S. 15 (aAJrhrrmirrwochtmahJ, S. 75). 35 Etwa Spllccio, S. 822: GrungarganfeSITofid, SorbillgrarnCton. GIUlius. Slrafocazio. In dieser Nd· gung iSI Bruno Nicolaus Cusanus nicht unähnlich, der mil neu geschaffenen Begriffen wie .posSC:5t" oder ,non aliud" philosophische Probleme im Kern zu ergreifen versuchl. Vgl. dn.u CASSIRER (1927), S. 20; Al'El. (1955), S. 203 f. 36 BARIlERI SQUARO'm (l958B), S.55; vgl. auch YATES (1964), S. 252: ~Bruno expreued his hatred of humanism and humanist Latin by himself using a Latin which is rcsolutdy lllonkish and also all his own in i15 aslonishiog :lnd peeuJiarly Brunian voc:abulary; only those who (Iike myscll) are nOI proper c1assical scholars an bc:ar 10 read il.· 37 BAUM (1993),
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Natur, der Basis der Sprache, gerecht. So kann Bruno folgern, daß im Grunde zwischen einem Philosophen und einem Dichter kein Unterschied bestehe: Und daher sind die Philosophen gewissermaßen Maler und Dichter, die Dichter Maler und Philosophen, die Maler Philosophen und Dichter, und wirkliche Dich* rer. wirkliche Maler und wirkliche Philosophen schätzen und bewundern einander; es ist einer nämlich kein Philosoph, wenn er nicht erdichtet und malt [... I.~ Gleichwohl bleibt es, wie AGRlMI betOnt, ein durchgängiger Zug in Brunos Phi* losophie, daß er Sprache nur als ein minderwertiges Medium betrachtet, mit desJ9 sen Hilfe der Mensch nach der Erkenntnis der Welt sueben kann. Philosophje kann stets nur die Annäherung an die Wahrheit bedeuten, der Höhepunkt der Erkenntnis besteht im Verschmelzen des Betrachters mit seinem Objekt. wie dies für Beuno der Aktaion-Mythos in den H~roiJchm uidmschaftm versinnbildlicht. Der Betrachter der einen Wahrheit ist ..ganz Auge mit dem gesamten Horizont im Blick. ,,40 Sprache kann zu dieser Annäherung an die Erkenntnis nur in einem gewissen Grade beitragen. In Analogie zwischen visueller und sprachlicher Erkenntnis kann beim Betrachten des Einen nur noch Schweigen herrschen, wie es Bruno am Ende des vierten Dialogs der Hn-oiJchm L~idmschaftm schildert: Und so hält er {sc. der nach Erkenntnis Strebende] seine Augen geschlossen, um nicht zu sehen. was er am meisten zu sehen wünscht und genießt und bremst seine Zunge. um nichl zu sagen, was er am meisten zu sagen wünscht, weil er fürchtet, durch einen falschen Blick oder ein falsches WOrt das Objekt zu demütigen oder ihm aufirgendeine Weise Unbehagen zu bereiten. Und dieses Verhalten pflegt dann aufzuueten, wenn man erfaßI, daß das Objekt das eigene Fassungsvermögen weit übertrifft. Deshalb sagen die besonders weisen und göttlichen Theologen, daß man Gon mehr durch Stille als durch Worte Ehre und Liebe erweist, und auch mehr sieht, wenn man die Augen vor den Erscheinungen verschließt, als wenn man sie öffnet. Deshalb ist die negative Gotteslehre von Pythagoras und Dionysios wesent* 41 lich rühmlicher als die beweisende von Aristote!es und den Scholastikern.
38 Exp/jcatio trig. fig., S. 133: I... j idroql« philosophi Slml quodammotk picums atqut poitat, pottllt picwrts tl philosophi, pictortS philowphi ct poitat. mutuoql« ~n poitat, ~n pirlom tf IKn philowphi sr diUigunl tI admi,antur; non tst mim philosophu.s. nisi quifingil tI pingit I... j. Zu genau dieser Schlußfolgerung, daß in Bruno der Philosoph nicht vom Dichter getrenm werden könne, komm! OLSCHKI (927), S. 10 f.: "Diese Grundslimmungen und -annahmen der humaniSli.sehen Philosophie und Naturkunde wirkten ebenso di.alehi.sch emscheidend, wie poetisch fruchtbar. so daß dn wesentlicher Unterschied zwischen Dichtung und Philosophie nicht bestand und nur durch die Wahl der Darstdlungsfonn vorgetäuscht wird. Diese Fesutdlung isl für die Deumng des ubc:nswerkes Giotdano Brunos grundlegend. da et ebenso die Denkmethoden der humanisti.sehen Philosophen befolgt, wie er die Formen ihrer Darstellungswc:ise sowohl in der Prou, .als in der P~ie übernimm!. Bruno ist in diesem hUmJlnistisdxn Sinn ein Dichterphilosoph 1...1". 39 AGRlMI (1979). S. 146-153.
40 Eroiei furon, S. 1125 (. Htroischt uidtnsthaftm, S. 168). 41 Eroin'ftrori, $. 1164 (. Htroischt uidtnschuftm. S. 197).
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Sprache ist demnach die Annäherung an etwas Unnahbares. GAETANO DELU SANTI vergleicht unter diesem Aspekt Brunos Sprache metaphorisch mit der geometrischen Form einer Ellipse. Eine Ellipse ist Wechsel und Stillstand ZU~ gleich: In jedem Punkt ihrer Bahn ändert sie ihre Richrung und repräsentiert dadurch ebenso feste Ordnung wie stetige Meramorphose. Eine Ellipse kann keine Veränderung oder Deformation erfahren. da sie in sich selbst bereits deformiert ist, sozusagen eine planmäßige. kontinuierliche Deformation volh.ieht. Mit einem Zirkel ist eine Ellipsenkonstruktion nicht möglich. Auch Brunos Sprache wech· seit auf jeder Seite seiner Schriften ihren Stil, und dennoch ist nicht die Veränderung selbst das Wesen dieser Sprache, sondern sie suebt einer neuen Ordnung auf einer höheren Sprachebene ZU.'2 Brunos Bild von Sprache - sowohl in seinen verschiedenen literarischen Werken als auch seine Äußerungen innerhalb dieser Werke zur Frage nach dem Wert und Sinn von Sprache - läßt sich auf ein gemeinsames theoretisches Fundament zurückfuhren: Die Grenzerweiterung des Universums muß auch eine Grenzerweiterung der Sprache mit sich bringen. Das gilt auch für die Verwendbarkeit ei· ner wissenschaftlichen Terminologie: Je mehr philosophische Begriffe als etwas Eingegrenztes und Ausschließliches gedacht werden, desto mehr kommt ihnen die Fähigkeit abhanden, Teilbereiche der Welt sprachlich zu repräsentieren. Für einen Erkennmisgewinn wirklich brauchbar kann daher nur eine fließende, "amiakademische" Sprache sein.'J Das Ausschöpfen der gesamten Fülle sprachlichen Ausdrucks findet seine Entsprechung in der grenzenlosen Lebendigkeit der Narur. Die unendliche Weh kann nur in einer unendlichen und unendlich produktiven Sprache enaßt werden. ,.Alle Bestandteile des Schreibens (von der Gram· matik zur Syntax, von der Dialogsuukrur zur Rhetorik, vom Lexem zum San) müssen sich der Auffassung eines unendlichen Universums beugen, in dem in jedem kleinen Teilchen Leben pulsiert und die vari~tas unangefochten herrscht. [... ] Brunos Stjl zielt auf eine Prosa ab, die dem San Farbe und Bewegung verleihen soll, mal durch Ausbrüche in einen hämmernden Rhythmus, mal durch die Sprengkraft der Wortwahl und der Syntax. Die Sprache soll unendliche Möglichkeiten entfalten, um eine mannigfaltige und komplexe Realität angemessen zu 'übersetzen'."" Die Aufgabe der Sprache kann also allein darin bestehen, die Unendlickeit des Universums in der Unendlichkeit des Erkenntisvorgangs zu spiegeln; jegliche Begrenzung des Sprachprozesses löst die strukturelle Verbindung zwischen Sprache und Natur auf. Eine Deutung des Artificium perorandi als eine systematische Methode zur "Entgrenzung" der Sprache läßt sich harmonisch in Brunos sprachphilosophjsches Grundkonzept integrieren.
42 DEUJ SANTI (1992), S. 42 f. mit Anspielung auf Winckdmanns Äußerungen wm antiken Formide.u der Ellipse. 43 PUGUSI (1989), S. 71-81. bcs. S. 79 ( 44 ÜRDINE (1999), S. 192 und 196.
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Brunos philosophisches wie literarisches Sprachkonzept, wie ich es eben skizzenhaft dargeStellt habe, zeigt Züge, in denen die künstlerischen Stilelememe des Manierismus zum Ausdruck kommen. Auch wenn in der Literarur- und Kunstgeschichte der Nachweis eines manieriStischen "StiJideals" als solches im Einzelnen schwer zu führen sein wird, so läßr sich doch konsratieren, daß die künstlerischen Zeugnisse dieser epochalen Obergangsphase von einer ami-klassischen und überhaupt ami-klassizistischen Tendenz gekennzeichnet sind. Nach der Bestimmung von ERNST ROBERT CURTIUS ist der Manierismus eine "KomplementärErscheinung zur Klassik aller Epochen"4} (also nicht allein auf die hier relevante Zeit zwischen Renaissance und Barock eingrenzbar), in der die Kunstregeln klassischer Stilformen radikalisiere und gewissermaßen auch pervertiert werden. In diesem Sinne ist Brunos Ablehnung jeglicher "Pedanterie" ein Hinweis auf eine "radikale, amikJassische ästhetische Theorie", in der "der Künstler zum Urheber 46 aller Regeln" wird. Das Sprachdenken Brunos verbinder eine philosophische mit einer poetologischen Komponeme. Sein Versuch, sich mit Mitteln der Sprache künstlerisch-expressiv der Unendlichkeit zu nähern, repräsentiert einen Grundzug der manieristischen Kunst, die sich mit dem Irrationalen, Grotesken und Bizarren intellektuell auseinanderse[7.te. ARNOLD HAUSER sieht in seiner umfassenden Srudie zum Manierismus in Brunos Sprache nicht minder als in Brunos Denken einen ganz wesentlichen Impuls für die Kulrur an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert: Neben dem Empirismus der Narurforscher und der Skepsis der Philosophen, wie Monraigne und Sanchez, venrin Giordano Bruno einen Spiritualismus von pamheisrischer und panpsychischer Färbung, der nicht nur fur die." Philosophie, sondern auch für die Kunst ebenso maßgebend ist wie die entgegengesetzte Richrung. [... J Das kosmische Raumgefühl TinrorettOs und Bruegels sprengt jedenfalls die Grenzen der klassischen Szenerien, und wenn ihr Raumgefuhl mit der Philosophie Giordano Brunos auch noch nichts zu tun hat, so Stellt es offenbar eine Para.l~ Ielersche."inung zu ihr dar, und hat einen Anteil an der Entwicklung der Idee der Unendlichkeit und der Vorstellung des unendlichen Raumes. [... J Er [sc. BrunoJ erweiren das kopernikanische Weltensysrem zur Un~ndlichkdr und macht aus dem menschlichen Bewußrsein einen Spiegel maßloser Verhältnisse. Das Absolute, das d~m Menschen seir dem Mindalter verloren gegangen war, wird auf diese Weise wiedergewonnen. Das Subjekt selbst wird zur Quelle der Idee des Absoluten, der Verbundenheir mit dem Unendlichen, des Ewigkeit- und A1lgefühls:'
45 CURllUS (1978), S. 2n. Zum Manic:rismus:l.l$ einheitliche Stilepocht vgl. KtANICZAY (1977), S. 134-211. CURTIUS - und im Anschluß an ihn sein SchWer HOCKE - versteht den BegrilT des Manierismus nicht im Sinne tiner historisch singulären Epoche, die durch eine die verschiedenen Kunstganungtn iibcrschreilende Sdlform gekennzeichnet ist, sondtrn als ein %ykli.sch wiederkehrendes Verfalls-Symptom. das sich immer nach ~kla.ssischen Phasen- fcslSldlen liJk Zur Einordnung und Kritik dieser Auffassung vgl. BARNER (1970), S. 3}-42, und ZYMNER (1995), S. I}85. Ich greife im weiteren auf einen Manierismus-Begriff im CuRTIus·HocKESCHEN Sinn zurück 46 HOCKE (1987), S. 54 und 62. 47 HAUSER (964), S. 50 f.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Brunos Sprache ist für HAUSER dabei ein Ausdruck dieser manieristischen Grundhalrung: Giordano Bruno vermischt seine philosophischen Ideen mit den kühnsten dichteri. sehen Tropen und den wildesten PhantaSiegebilden; oft wirken seine Gedanken wie die Visionen eines Berauschten oder die Halluzinationen eines Verzückten, l.Uwei· len gelangt er aber, von seiner wissenschaftlichen Phantasie beflügelt, zu so bedeurungsvollen theoretischen Einsichten, wie die vorsichtigeren Denker und Forscher sie zu gewinnen und zu formulieren außerstande sind. {. .. ] Und wenn Giordano Bruno nun bemerkt, daß derselbe Punkt von verschiedenen Aspekten aus bald Zenim, bald Nadir ist, sagt er zwar wieder nichts Neues. er spitzt aber die bereits von Kopernikus erkannte Wahrheit in einer für seine Zeit charakteristische Weise zu. Er bringt damit abermals das m:lOieristische Urerlebnis zum Ausdruck, daß man nirgends festen Grund unter den Füßen hat, und daß man sogar auf dem Kopf stehen mag, wenn man auf den Füßen zu stehen glaubt."
HAUSER stellt dadurch genau dieselbe Mischung verschiedener sprachlicher und wissenschaftlicher Stilebenen fest. wie sie bereits oben in der Unrersuchung von TISSONI zitiert wurde. Die ..Bodenlosigkeir" von Sprache und Text ist ein Empfinden, das in ganz besonderer Weise im Artificium p~rorandi zum Ausdruck kommt: Da es di~ Grundlage der Sprache nicht gibt, kann nur die unendliche Einheit der Welt eine Basis für die Sprachfindung liefern. Dadurch repräsentiert Bruno ein wesentliches Element manieriSlischer Poetik, den Versuch nämlich. die Irrationalität der Unendlichkeit intellektuell und sprachlich zu erfassen. Der Künstler wie der Denker befinden sich in einem Grenzbereich zwischen Groteskem und Wahnsinnigem. wie es Bruno mit dem Konzept des philosophischen Wahnsinns lfo/li4) ins Zentrum der Haoischm L~i dmschafien stellt. Andere Stil merkmale und Ausdrucksformen des literarischen Manierismus haben ebenfalls bei Bruno ihre Spuren hinterlassen: Skurriles, Bizarres und Häßliches, wie es die manieristische Literatur häufig zu porträtieren versucht, hat Bruno in seinem Bühnenwerk I/ C4nde/aio verarbeitet. Wie bereits oben gesagt, bildeten die antiklassizistischen, italienischen Dichter des 15. Jahrhunderts einen wichtigen Einfluß für den Literaten und Schriftsteller Bruno. Überdies sind die für die Literatur dieser Epoche kennz.eichnenden, überschwenglich reichen Bezugnahmen auf Mythologie und Emblematik sowohl in Brunos italienischem Dialog Von dm heroischm Leidenschafim als auch in seiner mnemotechnischen Schrift De umbris itkanan ein ganz wesendiches und syste49 matisch bedeutsames Fundament. Schließlich lassen sich auch Spuren der magisch-pythagoräischen Kunstrneorie, wie sie der Manierismus ausgebildet hat, in Brunos Monadenschrift oder in seinen Texren zur Magie finden.~ Auch die Sprach-Kombinatorik schließlich bildet ein Charakteristikum des Manierismus.)' Kombinatorische Erfindungsmechanismen wurden bereits in An48 HAUSER (1964). S. 52. 49 GAREFFI (1984). 50 D:l7.u KLEIN (1996). bes. S. 99-107. 51 HOCKE (1987). S. 316-324.
ZUR SPRACHPHILOSOPHIE IN BRUNOS DENKEN
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tike und Mittelalter als schöpferische Textmaschinen zu verwenden versucht, doch das frühe 17. Jahrhunden fand wieder eine besondere Faszination an dem Gedanken einer "Sprach-Alchimje". So führt etwa Tesauro. einer der wichtigsten Theoretiker des Literarischen Manierismus. in seiner berühmten literaturmeoretisehen Schrift "Cannocchiale Aristotelico" eine Kombinationsmaschinerie auf, die auf der Grundlage der aristotelischen Kategorien kombinamrische Ableitungen zu erneUen vermag.)! Lullistisch-kombinamrisch arbeitet auch das universale ZeiB chen- und Wissenschaftssystem von Amanasius Kircher. Ungefahr zeügleich konzipiert der vor allem für die deutsche Barocklüerarur bedeutende Georg Philipp Harsdörfer einen lullistisch inspirierten .. Fünffachen Denckring der Teutsehen Sprache. Kunstgründig anweisend". Diese Maschine beruhte im Prinzip auf einem Lullschen Kombinauonsrad mit 5 Drehscheiben: 48 Vorsilben, 60 Anfangs-, 12 Mittel-. 120 Endbuchstaben und 24 Nachsilben. Damit konnten praktisch unendlich viele Wone inveniert und durch Feststellung der beiden leuten Scheiben auch Reimworte erzeugt werden.~ Die manieristische Dichtung ist auch hier wieder durch die Verschränkung einer ratjonaljstischen mit einer anti-rationalistischen Tendenz charakterisiert. Das Nebeneinander von Übersichtlichkeit und unendlicher, unüberschaubarer Fülle machte das kombinamrisehe Instrumentarium zu einem intellektuell anregenden Gegenstand. Was die Manieristen an der Kombinationskunsr anzog. war also ihre Labyrinthik, d.h. das berechenbar Un~rechenbare. Die kombinatorische Welt wird als ein 'labyrinth von abstrakten Gedanken' empfunden. Auch die logische An Combinaton'a gilr als ein 'Alphahel der Gedanken'. (... ] Was aber den manieristischen Dichter daran fesselt, ist die UmkehTbaTkeit des 'Suchens'. Man will das Labyrinthische mit diesem System nicht enrwirren, sondern bis ins Unendliche hinein verwirren."
Die Kombinatorik dient somit in einer eigentümlichen Paradoxie zur Erzeugung eines Ordnungssystems. das sich gerade als ein Begriffsneu von unfaßbaren, unendlichen Dimensionen zeigt. Brunos Werk als ganzes läßt sich im Rahmen eines manieriscischen Ideals le· sen. Speziell das Artifici11m peroTd"di kann zumindest in zwei Hinsichren in die Grundlinien einer manieristischen Änherik oder Kunsrmeorie eingeordnet werden: Zum einen bedient es sich der in dieser Epoche weir verbreireren Sprach. Kombinarorik. durch die die poetische Invention mechanisiert und formalisierr wird. Der gesamte Komplex sprachlichen Ausdrucks wird als eine Summe von Elementen versranden, die beliebig miteinander verbunden werden können und so porentieli unendlich viele Sinnstrukturen zu entfalren vermögen. Eine gewisse 52 Zu Tesauro vgl. U,NGE (I%B), S. 21-45, und GRASSI (l979B), S. 180-193. 53 SCHMIDT·BIGGEMANN (1983), S. 176-186; LEINKAUF (l993B), S. 174-190. 54 HarsdÖrfe:r. Mtlt!xmJ1tiJcm una Philosophisd" ETquidtstuwn. Band 2, S. 516-518. Zu dieser Ve:rschränkung von Kombinatorik und Poetik vgl. ERNST (1993), ba. $.9;"100. NEUBAUER (1978) volb.ie:hl die: Inve:mionsfunktion de:r an combinatoria als poetologisches Gestaltungsprin. tip in e:ine:m historische:n Längsschnin von Lullus bis ins 19. Jahrhunde:n nach; auf Parallde:n 1.U LuIJw: und Kirche:r in de:r Dichtung des 20. Jahrhunderl.S weisen HEIMANN/L\GALY (1992) hin. S5 HOCKE (1987), S. 324.
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I'HllOSOI'HISCHE INTERJ'RJ:.T ATION
Emspr~hung
aus der bildenden Kunst bilden hierzu die berühmten Gemälde Guisq>~ Arcimboldos (der im übrigen wie Bruno in den späten 80er Jahren des 16. JahrhundertS Kontakt mit dem Hof Rudolfs IL in Prag harte).~ Seine Ge· mälde, zumeist menschliche Portraits, setzen sich aus Tieren, Früchten, Pflanzen und anderen natürlichen Gegenständen oder Anefaktcn zusammen. Maler wie Dichrcr stellen die Welt als eine e1ememare Synthese dar. Fragmentierung und kombinacocische Verknüpfung bilden eine künstlerische Memodik. Zum anderen ist es gerade die potemidle Unendlichkeit des Verknüpfungs. vorgangs. auf der das Sprachkonupt des Artificium pnorandi basiert. Das Auffinden von Baiehungssrrukrucen wird zu einem mechanisierten Prozeß, der sowohl für die Dichtung wie auch fUT die wissenschaftliche Systematik überhaupt fruchtba.r gemacht werden soll.)7 Die Unendlichkeit der Welt und die da.r.aus resultierende Haltlosigkeit des Menschen wird in eine Ordnungsstrukmr gespiegelt, in der die Unendlichkeit in ein Bez.iehungsgefüge transferiert wird. Die manieristische Sprach-Alchimie entwickelt so ein kombinarorisches Weltkonzept, das wesentlich auf einer endlichen Anzahl von Elementen und ihrer kombinalOrischen
56 Bruno und Arcimboldo dürften sich don allerdings nicht begegnet scin: Aocimboldo kehne 1587 nach Mailand zurück, wmrend Bruno sich von März bis Herbsl 1588 in Prag aufhielt, vgI. TRUNZ (1992). S. 36 f. und 63. Eine äußerst imeres.same literarisch-rhelOrische Deutung von Arcimboldos Gemälden bietet BARlliES (1990). Auch die ParaJlden twischen Bruno und der ..surrcaJen Malerei unvaggios werden seil längerem diskulien, \'g1. PAI'>IZERA (1994) und die Anmerkungen von WnDGF.N (1998). S. 194 f. 57 Die wis.scnschaftiich'S)'SIematische Verwendung der Sprac:hkombinalOrik karikiert knapp hunden Jahre sp;ller der Saliriker Joruman Swin in GuJij/XTJ &ism. S. 260 f.; don IäßI er Gu.lliver auf einen Professor udTen, der ihm folgendes aühlt: .Jedermann wisse, wir mühevoll die gr· wöhnliche Methode sei, Kenntnisse auf dem Groiel der Geisles- und NalUrwissrnschmen 'l.U er· werben; dagrgcn könne durch seine Erfindung auch die unwissendsIe Person mit mäßigml KoSienaufwand und ein bißchen körperlicher Arbeit auch ohne die geringste Hilfe von Ikvbung oder SlUdium Bücher über Philosophie. Poesie. Politik, Recht. Mathematik und Theologie schreiben. Dann ruhrre er mich 'l.U dem Rmmen. um dessen Seile alle sdnC' SchülC'r in ReihC'n S1andC'n. Er war zwanzig Fuß im Quadrat und stand in der Mille des Zimmers. Die Oberßäehe sente sich aus verschiedenen Hob.stüeken von et"W:l der Größe- eines Würfds ZUS2mmen. aber einige w:.uen größer als andere. SiC' waren alle durch dünne Drähte miteinander verbunden. Diese Hol1.s11icke waren an jeder SC'ite mit JlapiC'r beklebt, und auf diese- PapierC' warC'n alle WönC'r ihrer SprolchC' in ihrC'n vC'rschiC'dC'nen Modi, TC'mpora und DeklinationC'n geschridX'n, aber ohne jedC' Ordnung. DC'r Professor bal mich dann achtzugeben. dC'nn er wollC' seinC'n Apparat in IktriC'h SCl7..C'n. DiC' Schülc:r C'rgrifTC'n auf seinC'n Befehl allC' jC' C'inC' C'isernC' Kurl>el. von denC'n vienig rundherum an den KamC'n des Rahmens befC'Stigt waren, und dadurch, daß sie sie plötzlich drC'htC'n, wurdC' diC' gan7.c Anordnung der Wörter völlig veriinden. Dann befahl er sechsunddreißig von dC'n BurschC'n, lC'isr die verschiedC'nC'n ZciIC'n tu lesen. wie siC' auf dem RmmC'n erschie· nen. Und wo sie drei odc::r VM:r Wön« beisammen fanden. die dnen Teil einC'S S.uus bilden konntC'n. diktiertC'n sie dic:srn dC'n vier übrigen Knaben. die Schreiber waren. Diese- Arbeil wurdC' drei· oder viermaJ wiederholt. und der Ap~rat war so C'ingC'ridllet. d"a .sich die Wöner bei jeder DrC'hung an nCUC' StC'lIC'n schoben. wenn sKh die viereckigen J-1ob.sliku herumdrehlen. Sedu StundC'n am Tag warC'n die jungC'T1 SlUdC'nten mit dieser Arbeit bc:schiftigr. und der ProfesJOr leigte mir mehrere Bände in groBen Folioformat mil unvolLsf1ndigen S2n.cn, die- sie oociu ges:;unmeh tu.llC'n. Er halle die Absteht. sie zusammenzwctU:n und der Wdt "us diCSoC'm reichlichen 1I.hrerw dn vollstiindiges SystC'm allc-r Geistes- und Naturwissenschaften lU lidern M
(...1:
ZUR SPRACHPHILOSOPHIE IN BRUNOS DENKEN
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Relation besteht. Eine Ordnung des WIssens und die ungeordnete Unendlichkeit der Welt prägen das manieristische "WeIrgefühl". Brunos Rhetorikschrift ist durch den Versuch gekennzeichnet. das Unendliche zwar nicht als Unendliches zu erfassen, es aber doch auf eine dies generierende Struktur zurückzuführen. Dafür bedarf es eines Rationalismus und zugleich einer Überschreitung dieses Rationalismus. Dieser innere Zwiespalt ist typisch für die manieristische Grunclhaltung.
8 Die Elemente von Brunos Rhetorikmodell vor ihrem historischen Hintergrund 8.1 Der humanistische Kontexr 8.1.1 Brunos (opin-Begriff und Erasmus' De duplici (opin verborum ac rerum
Bruno stellt im Artificium perorandi keine direkten Bezüge zu zeitgenössischen rhetorischen Schriften her. Der einzige neuzeitliche Text mit rhetorischer Thematik. auf den er in seiner Winenberger Rhetorik~Schrifr in Andeumng hinweisT und dessen Einfluß auf Bcunos rhetorisches Konzept daher erwägenswert erscheint, ist die Schrift De duplici (opia vn-borom ac rerum des Erasmus von Rotterdam. Auf diesen Ten kommt Bruno zu sprechen. als er einleitend zum zweiten Teil des Anificium perorandi in Kapitel H.2 das Ziel und die Funktionsweise der von ihm im folgenden erstellten Alphabete erklärt. Btuno beronr, sein Vorgehen unterscheide sich ganz bewußt von demjenigen der Grammatiker und Humanisten, die durcheinander a11 das, was ihnen in die Finger kommt, auf verschiedene Anen abzuändern lehren, nämlich die Ausdrucksformen des Sich-Bedankens, des Binens, ebenso, auf wie viele An:en jemand sagen könme, er sei gekommen, gegangen, habe sich gefrem, habe getrauen und so fort, was alles in besonderem Maße kindisch ist. I Polemische Äußerungen gegen die Humanisten und ihre ethischen und literari· sehen Idealvorstellungen sind in Brunos Schriften zahlreich, seine Einstellung 7-U den Humanisten und allgemein zur humanistischen Bewegung war generell ab· lehnend. Die Schriften des Erasmus hingegen nehmen in Brunos Biographie insofern eine besondere Stellung ein, als Brunos Flucht vor den kirchlichen Behörden wegen der unerlaubten geheimen Lektüre einiger seiner Texte (seiner An· merkungen zu Texren des Hieronymus und des Johannes Chrysosromus), die man während Brunos Abwesenheit im Kloster in Neapel unter seinen Büchern l fand, im Grunde erst begann. Oberhaupt waren die Schriften und die theologischen Aussagen des Erasmus ein wichtiger Einfluß auf Bruno während seiner Zeit im Kloster San Domenico Maggiore, und wie EUGENIO CANONE dargestelh hat, befand sich auch eine Aus~abe von Erasmus' D~ copin aus dem Jahr 1542 in der dortigen Klosterbibliothek. I Anifinum 11,2, S. 99 (76): [. .. } qui promisew
qUilt'runq~ ()(rurnml.
variiJ modiJ dortnl i"fltcuri'. vti, fol7nlU mikndarum graliarum. obucraruii, ium, quol modiJ quiJ poJJit diurt', St' v(niy(. iuiJSt'. gauuum. lruullum, t'tc. qUill' omnia apprimi' put'rilia sunt.
2 SrAMI'ANATQ (1933), Documemi veneli 13, S. 12; L ~e ruggii di Roma perch~ ebbi !euere da Napoli e- rui avisato ehe. doppo la panila mia da Napoli, e-r'"no stati trovali cwi libri delle- opere di S. GriSOSlOmo e di S. lefonimo con li scolii de El"2Smo sance-Jlall, ddli quali mi SC'cvivo oecull:.l.me-nte.~
3 CANONF. (1992), S. 74. und Appendix 111, 85<;. Zur bedeutenden Sldlung des E.rasmus in Brunos Sch:.l.ffe-n vgl. INGEGNQ (198;). 00. S. 9--29, und OUBERTQ (1990), S. 10-12. Aurv.a.li·
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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Mit der oben zitierten Beschreibung spielt Bruno treffend auf eine Textpassage an, in der Erasmus in Dt copia die uistung rhetorischet Sprac.hfüUe beispielhaft zu iUustrieren versuchte: Um zu demonstrieren, was das Verfügen über eine um· fangreiche Fülle sprachlichen Ausdrucks baleuten kann, führt Erasmus dort anhand der zwei Beispielsärzc "Dein Brief hat mich sehr gefreut" und ..Solange ich lebe, werde ich Deiner gedenken" und ihrer zahlreichen Varianten vor, in wie mannigfaltiger Weise und auf wie viden verschiedenen sprachlichen Ebenen man 4 auch alltägliche Redewendungen va.riieren kann. Unmindba.r im Anschluß an die oben genannte TexmeIle im Artificium p"oyandi macht Bruno die Bezugnahme auf Erasmus noch deutlicher. Er führt aus, daß die herkömmliche "humanistische" Vorgehensweise der Sprachverminlung, also die von Bruno karikierte Variationslehre von alltäglichen Floskeln, weder denjenigen Schülern diene, die ohne Begabung seien, da jene daraus keinen Gewinn ziehen könnten, noch denjenigen mit Begabung, da diese ohnehin auch ohne Vermittlung durch einen lehrer bereits imstande seien, den Inhalt dieser Lehren anzuwenden. Lemere würden dt=$Wegen den Eifer eines gewissen Hurnanistenfürsten verwerfen, der über die Fillle der Worte Idto ('opiA vtThoruml so Unnätiges geschrieben hat, daß er sicher auch für seine Verhälmisse Unp~ndes geschrieben zu haben scheint. ~ Bruno nennt zwar an keiner Stelle den Namen des Autors ausdrücklich (das konnte vielleicht auch noch im Winenberg des späten 16. Jahrhundens eine Vor· sichtsmaßnahme sein), doch ist die Nennung des Erasmus als ..Fürst der Humanisten" (pn·nups humanula) gleichwohl unmißverständlich.' Die Schrift Dt dup/ici cop;a, von Erasmus im Jahr 1512 in der ersten Auflage veröffentlicht, stellte in erster Linie ein Schulbuch für die 1510 neugegründete St.-Pauls-School seines Freundes John Colet in London dar. Dt copia avancierte 7 binnen weniger Jahre zu einem der wichtigsten Schul· und L.ehrtexte seiner Zeit. Erasmus selbst veranlaßte in den Jahren bis 1534 mehrere Editionen, in die er
terarisehe Verbindungen. erwa zwischen dem CmtULzio und den Con/l;/liA dd Enasmus oder twisehen den polemischen Schriften beider Autoren, weist D'MeI" (998) hin. " Erasmus, D~ lop;a 1.33, S. 76-90: TUdt liw-at nu mogno/Wrt tkk('tJlnml - Snnptr dum /li/lttm. rui ",tmintro. Mi! denselben Beispielen h~lle Erasmus bereil5 in der Brr/lis tk ropiA pratttprio. dner erst 1519 in einer von Erasmus ;IUlOrisienen Version erschicnenen Schrifl, die in mancher Hin· sicht eine Vorläuferschrift zu Dt ropia darstdh. die Anwendung rhetorischer topia demol1suien, vgl. Er;asmus. ColiDquia, S. 62-67. (Spälere Edilionen S. 105-109 (1519), S. 216-220(522).) 5 Anifitium 11,2 S. 99 f. (376): [. .. / nt( propttrta t'UiusJ#m Printipu humanulllt stwiium improba. rinl, qui tU ropia wrborvm ita stripsil non nttmaFia, ur «rrt tti4m pro mort iMPta scripsisu vitita· lur. Die 5tdle isl nichl problemlos t-u verslehen und wurde durch tCltIluitische Eingriffe zu klären versuchI. Die doppdte Vcrncinung nt( ' .. .j improbarinl kann im Konlotl dieses Kapitels Icnne AuAösung der Vcmeinung bedl:\.ltcn: Abu::d und TOCCO lesen - wie oben - improbarinl, GFRORER hingegen probtlrinl, wodwch das Problem durch eine einfxhe Verncinung ~iligr wird. MöglichelWl"Lse wire, wie FIORENTINO ommcrkt, die Konjektur proban·m eine Lösung. 6 Die Ausc:irundersenungm xwischcn Er:asmus und turner togen wcile Kreise, vW' O'ROlJRKE BOYLE (J 983). 7 SOWARDS (1958), S. 123.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
teilweise bedeutende Erweiterungen .aufnahm.- Allein zwischen 1530 und 1540 erschienen 33 Ausgaben. von denen die wenigsten allerdings mit Genehmigung des Erasmus gedruckt worden waren; im 16. Jahrhundert insgesamt I~n sich 152 Awgaben nachweisen.' Schon früh brachte D~ copia auch Sekundärlitcrarur hervor. Ikreits 1528 gingen an vier verschiedenen Druckorten die von Christo· pher Hegendorf verfaßten und später zahlreich wieder aufgelegten Scholien zu D~ copia in Druck, 1534 erschien der Kommentar des Wittenberger Professors M. Vddcirchius, dessen Herausgabe nach dem Tod des Verfassers von Melanchthon lo veranlaß[ wurde. Darüberhinaus veröffenclichrc 1526 Georg Major eine Zusammenfassung grotkr Teile von D~ copia auf wenige schematische Tafeln redu· z.iert mit der Absicht, die rasche Memorierung der copia.Techniken z.u ermögli. ehen. 1527 erschien anonym eine Epitome der Kapitel 11 bis 32 des ersten Buces. h " Der von Erasmus in dieser Schrift in den Miudpunkt gestellte Begriff der copia spielte eine wichtige Rolle in der römischen Rooetheorie, wenngleich die römischen Rhetoriker ihn auch nie zu einem klar definierten Fachterminus mach· l ten. ! Zunächst bezeichnete copia ganz. allgemein die Fähigkeit eines Vortragenden, sich beredt ausdrücken zu können. und wurde dann auch in die copia v~,· bonml und die copia r~rnm unterschieden. Damit wird copia mit der Vorstellung in Verbindung gebracht, man könne ein und denselben Sachverhalt auf verschiedene Arten sprachlich wiedetgeben. Auf diese Trennung von inhaltlich· argumentativer Struktur und sich daran anschließender. sprachlicher Einkleidung ebendieser Struktur griff man auch in der rhetorischen Mnemotechnik z.urück. wo entweder die ausformulierte Rede odet lediglich deren gedankliches Gerüst memoriert werden sollten. \} Der Begriff rn bezeichnet in diesem Zusammenhang also z.unächst den Rcdegegenstand, das Inhaltliche der Rede, und wird daher dem Arbeicsschritt der invrntio zugeordnet. Zur Auffindung der rn griff der Redner auf die dialektischen oder rhetorischen Topoi zurück. aw denen er Sachargu· mente schöpfen konnte. Copia r(!rUm bezeichnete dann also die Versiertheit des Redners im Beibringen von raffinierten Argumenten oder Beweisen zu einem gegebenen Fall oder Rcdethema. Unter den v~rba verstand man alle Möglichkeiten der sprachlichen Formung eines Gedankens; die copia vuborum wurde daher dem Bereich der tlocutio zugeschlagen. Hierunter fielen nicht nur lexikalische oder grammatikalische Variationen, sondern auch die gesamte Breite stilistischer Aus·
8 KNorr, EinleilUng J;U [k(opill. S. 1~19; RIx (1946). 5.597-599. 9 Vgl. die ÜSu," bc:i JUx (1946), S. 605-618. 10 RJx (1946), S. 599: CWE (1976). S. 52. Zum Komplo: der breilen Wirkung von lH (Opia ab Schulto:t vgI. 8Al.DWlN (1944), Ba.nd 2, S. 138-196. sowie die bei SOWARDS (1958), S. 123. Anm.7 und 8, angegebene LileralUI. CWE (979) un!enuchl primär die Wirkung
13 RlKI. Hrr. 3,20,33; Quinl., iml. 11,2.
BRUNOS RHETORIKMODEU VOR SEINEM HISTORJSCHEN HINTERGRUND
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drucksweisen. wie sie unter anderem in der Tropen~ und Figurenlehre erfaßt wurde. Die verschiedenen Bezugnahmen auf die ropia als rhetorische Größe lx:i den klassischen RhetOrikern weisen eine Unschärfe auf (opia konnte einerseits die zur Anwendung gebrachte Ausdrucksfülle selbst bezeichnen; ihr stand &on als Gegenteil die brroitaJ. also die (als mangelnde Ausführlichkeit oder alx:r auch als pointierte Zuspinung aufgefaßte) Kürze: des Ausdrucks. gegenülx:r. So verstanden bezeichnete copia also die Qualität eines Texres. Copia konme alx:r auch den mentalen Ursprung rednerischen Reichrums bezeichnen und bezog sich dann auf das geistige"Vorratslager" oder die kreative ..Schankammer" des Redners. Der Begriff copia konnte demnach sowohl auf den überbordenden Sprachreichtum einer Rede. dann auch auf die planmäßige. methodische Realisierung dieses Reichrums oder schließlich auch auf die dieser Fülle zugrundeliegenden Prinzipien verweisen. Ein ähnlich breites und nicht immer klar zu präzisierendes Bedeurungsspektrum weiS[ die Unterscheidung in rN und vuba auf. Cicero betrachtet die ru als die für die rednerischen Zwecke bereits bearbeitete, rohe matma. aus der der Redner nur noch auszuwählen braucht. und entsprechend definiert QuinciLian mat~ria als "all die Dinge (resJ. die ihr (sc. der Rhetorik] zum Reden zur Verfügung stehen. ,,14 Der Begriff res impliziert dabei jedoch keine zeichentheoretische Beschreibung der Welt oder eine Abbildung der Welt in Sprache; die Dualität m - wrba bezieht sich vielmehr auf die beiden Einsarzbereiche der Rhetorik: Sie kann einerseitS mit Worten. also eher instinktiv emotional. oder andererseirs mit Inhalten überzeugen. Die rN bezeichnen also nicht die gesamte außersprachliche Realität. deren Abbildung und Wiedergalx: die Sprache ist. sondern der Begriff copia r~rum sreht für die möglichen Stoffe. die ein Redner verarbeiten kann. Die zwei Elemente der copia spiegeln dadurch die grundsänliche Aufgalx: der Rhetorik, nämlich die "Synthese von Gedankeninhalt (res) und sprachlicher Formulierung (vaba)" . l~ Diese Systematisierung wurde als eine so grundlegende Einteilung betrachtet. daß sie für Quincilian sogar zur noewendigen Bedingung einer jeden sprachlichen Aussage wird: Die gesamte Redelehre besteht nun, wie die meisten und bedeutendsten Sachkenner überliefen h:.tben, aus fünf Ableilungen: der Erfindung, der Anordnung. der Darstellung, dem Gedächmis und dem Vortrag oder der Durchführung (... 1. Jede Äu· ßerung, sofern in ihr ein Ausdruckswille enthalten iSl, muß einen Inhali und WonC' [rn" ~t IIt'rbal enthalten. I.
Der {'opia-Begriff umfaßte somit. in seiner breitesten Bedeutung aufgefaßt, die rednerische Schöpfungskraft als solche, die Fähigkeit des Redners. sowohl mit
14 Quim., iftSt. 2,21 A: m4tnUtm ftS4' rlKtDrirn iuJiaJ umnß rn. qUlU'Olmqw ri rFlmt. Vgl. hicnu MARGQUN (1994). Sp. 387; lAUSBERG (1%0), S 46. 15 lAUSBERG (1%0). S 45. 16 Quint.. iM. 3.3,1.
u Jiandum sJlbirtur
136
PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
scharfen Argumenten als auch mit sprachlicher Priiz.ision und Eindruckskraft z.u ü~nc:ugen.
Bei der Aufnahme des copia-Ikgriffs durch Erasmus in seine Scheift
D~
copia wird zwar diese Zweiteilung in Anlehnung an die antiken Vorbilder als äuBerli· ches Gerüst der Darstellung herangezogen: Buch I von D~ copia setzt sich mit den r~. Buch 2 mit den wrba auseinander. Erasmus betont alx:r. daß er diese T renDung vornehmlich aus didaktischen Gründen übernommen habe. Diese [heiden Arten der copial können zwar an m.anchen 5rdlcn so miteinander ~rbunden erscheim:n, daß man sie nicht leicht von einander unterscheiden kann, wC'i1 sich das eine so mit dem anderen vermischt hat, daß sie im le:hnext eher als in Wirklichkeit und in der Anwendung getrennt .scheinen; wir werden sie dennoch aus Unterrichtsgründen so von einander unterscheiden, daß uns nicht aus guten Grün·
den weder eine haarspalterische Trennung noch auf der anderen Sdte die Vernach17 lässigung des Problems vorgeworfen wt=rden kann.
Das originelle Element an Erasmus' Ansatz liegt also nicht in einer neuen Deu· rung des rt's-vtTba·Problems. Vielmehr macht et deudich, daß die Trennung des Vorgangs rherorischer Textproduktion in diese heiden Teile, den inhaltlichen und den sprachlichen Aspekt, nur bedingt sinnvoll iS(o Tron aller Anlehnung an die antiken Vorbilder aus der Rhetorik, insbesondere an Quintilian, deuret sich hierin an, daß Erasmus' Dt' copia eine origineUe Interprecation des copia·Begriffs zugrunde liegt. Im Mittelpunkt von Dt' copia sund das Ziel, den lateinschülern die Fähigkeit zu einer geschmeidigen und flexiblen Anwendung der lateinischen Sprache zu vermitteln. Daher ist auch wenig von Erasmus' Absicht zu spüren, eine sprachtheoretische. philosophisch fundierte Systematik zu erstellen; er versuchte hinge· gen, durch einen eher spielerischen Umgang mit den Ordnungsschemaca der Grammatik und der Rhetorik ein Gefühl für die Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks zu vermitteln. In den einleitenden neun Kapiteln des ersten Buches von Dt' copia reflektiert Erasmus über die prinzipielle Bedeutung der copia für sein didaktisches Werk. Darin äußert er, er habe sowohl aus den Lehranweisun· gen der Rhetorik als auch aus eigenen praktischen Erfahrungen Regeln und Bei· spiele zusammengestellt, durch die das Stilideal der copia erreicht werden könne. Er nennt Beispiele gut angewandrer copia wie Homer und auch Beispiele für den Mißbrauch von copia, bei dem ein Text in hohle Geschwänigkeit abgleiten kann. 11 Dabei betOnt Erasmus, daß sowohl die br~vitas, also kurze, auf den Punkt gebrachte Formulierungen, als auch die copia aus ein und derselben Quelle kämen: Nur wer über eine Bandbreite an stilistischen Möglichkeiten verfüge, könne auch aus dieser Fülle die pointierteste, treffendste Wendung auswählen. Die
I'
17 Enumus, lk (Opitt 1.7. s. 32: Hilf ,,~. tlWIf
ropitt~J 'llUln'llUlm llürM},i sü fDnillffniU vidni f'DSSllnl. tli~. ;tilllUm i1lk'rWit 1Z1t.rm. ut prlZ~ptis pqt;1U 'lwm "lltqW usu tliKrrtil~ vi·
ur hilfUI flUiJr tkllJftllr. _ tilmnl tIocrnd; t;r"lltUt itil K/NIrllbimus. IIt N'lW slIpnrtitio"is iJf S«llruio NqW ",""m ~tmtiJu mmIQ UmJlJm· pqss;mus.
18 Erasmus, DUDpia, 1,3 und 04, S. 28-30. 19 EnumllS, lk (Opitt, 1.5, S. 30-32.
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Anweisungen zur copia erstrecken sich also nicht nur auf die gesprochene Rede, sondern auf jeglichen Umgang mit {lateinischen} Texten. Die copia diene, so Erasmus, zur Vermeidung von Tautologien, vor allem dann, wenn in Texten mehrmals derselbe Sachverhalt formuliert werden solle. Mit Hilfe der so eingeübten Sprachfülle verfüge der Schüler nicht nur über Redefahjgkeit auf einem einzigen, sondern auf einer Vielzahl von stilistischen Niveaus. Copia sei ferner auch bei der extemporierten Rede von Nutzen ebenso wie auch bei der Paraphrase von Autoren, bei Übersetzungen aus anderen Sprachen oder beim Verfassen lU von Gedichten. Der Rest des ersten Buches von Dt copia ab Kapitel 10 bietet eine Zusammenstellung von Anweisungen, in denen verschiedenste Bereiche sprachlichen Aus~ drucks angesprochen und Hinweise zu ihrer Variierung gegeben werden: So empfiehlt Erasmus beispielsweise die Variation durch Synonyme, bei der gewöhnliche Wörter etwa durch poetische, altertümliche oder fremdsprachige Ausdrücke ersetzt werden sollen, die Variation durch Verwendung anderer Formen der Deklination oder Konjugation, die Umschreibung durch Metaphern und ähnliches. Dabei schöpft er in reichem Maß aus den Einteilungs- und Ordnungs~ kriterien der Grammatik und den Elementen der Tropen- und Figurenlehre. Den größten Umfang in Buch I nimmt eine Phraseologie ein, in der Erasmus für verschiedene Verben. Pronomen, Adjektive oder Adverbien in Form von Auflistungen synonyme Wendungen angibt. Diesen ganzen Bereich deckt rur Erasmus die copia vn-borum ab. In Buch 11, der copia rtrum, schlägt Erasmus vor, den Gehalt eines Textes beispielsweise durch die Angabe von Gründen oder Begleitumständen, durch Hinzufügung von Beschreibungen von Personen, Orten oder Zeiten, durch amp/ificario in der Form, wie sie bei Quinrilian beschrieben ist, oder durch Beifügung von historischen oder mythologischen Beispielen zu erweitern. Ferner geht Erasmus auf die Verwendung literarischer Einlagen wie Bilder, Träume oder Allegorien ein. Hier befaßt sich Erasmus also mit den rtS der Rede, mit der inhaltlichen Struktur von Texten. All dies zeigt, daß es in Dt copia nicht um Rheto~ rik im klassischen Sinn, sondern vor allem um Probleme literarischer Textkomposition geht. Erasmus' Dt copia ist eine Art Kursus in "creative writing". Die Tradition des rhetorischen Lehrgebäudes dient Erasmus gewissermaßen als ein Steinbruch, in dem er verschiedenste Elemente finden und in seine Texrrheorie integrieren kann. Erasmus hält seine Deutung des copia-Begriffs für eine Innovation. Im Widmungsbrief zu Dt copia geht er auf einjge der dort namentlich genannten Autoren, die vor ihm über die literarische copia geschrieben haben, ein, macht aber gleichzeitig deudjch, daß er über das Konzept dieser Vorarbeiten einen großen Schritt hinausgegangen sei, indem er nicht eine bloße Liste von Synonymen oder Varianten zu bestimmten Phrasen zusammenstelle (also genau das nicht macht, was Bruno am humanistischen Ideal kritisiert), sondern daß er eine eigene und eigenständige Theorie der copia entwickelt habe. Erasmus ist sich also ganz offen20 Erasmus. fkropill, 1.8, S. 32-34.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
sichtlich dessen bewußt, daß er in einem bereits bestehenden Genre schreibt. Dennoch unterscheidet sich dje Konzeption der von ihm erwähnten früheren Autoren in diesem Genre von seinem eigenem Ansatz in De copia nach eigenen Aussagen grundsätzlich. Erasmus betont. seine Schrift habe nicht viel mit den AutOren zu tun, die vor ihm dieses Thema behandelt häuen: Dies aber bnn ich von mir behaupten, daß diese Thematik von mir zum ersrenmal konzipiert und dargesielIr wurde. Denn wenn Julius Pollux, ein alter griechischer Amor, die Bezeichnungen einzelner Dinge auf gewisse Topoi verreilr und gewis~ Synonyme und verwandte Ausdrücke gleichsam auf einen Haufen l.usammemriigr, wer würde da nicht einsehen, wie weit entfernt dies von unserer Absicht ist? Und man braucht auch nichl Leute wie Isidor, Marius oder Philiscus erwähnen, Männer, die so weil von Redefülle emfernt sind, daß sie auch nicht ein einziges Mal ihre Gedanken lateinisch ausdrücken können. Dann auch jenes Büchlein, das man dem Cicero zuschreibt [... l, was bitte iSI es anderes als eine Anhäufung weniger, rasch ff zusammengerarner Worte? "
Erasmus bestreitet also, daß es wirkliche Vorläufer zu seiner Schrift gebe; sein Konzept der copia betrachtet er als eine Innovation. Das Onomasticon des Julius PoHux aus dem zweiten Jahrhundert und die Etymolcgiae des Isidor von Sevilla (ca. 560-636), ein Handbuch, das vor allem im Mittelalter hohes Ansehen genaß, stellen im wesentlichen Sammlungen auf Vokabelebene dar, die auf lexikalisch organisierten oder mit Hilfe von thematischen Überschriften strukturierten Ordnungssystemen basierten. Das EpiJtolarium (1482) des Mario Filelfo, die Verborum synonima und Smuntiarum synonima (1474 und später) des Stephanus Philisclls und die pseudo-ciceronischen Synonyma (die beiden lemgenannten Werke erschienen häufi§ in gemeinsamen Editionen) stellen lediglich Listen von Synonymen zusammen.• Zu diesen Autoren ist noch der von Erasmus an dieser Stelle nicht erwähnte Aeneas Sylvius Piccolomini, der spätere Papst Pius 11., hinzuwfügen, aus dessen ArtiJ rhetoricae praecepta (1490) das Konzept des copia-Begriffs bei Erasmus möglicherweise Anregungen erfahren hat. Die oben erwähnte Phrase des Dankes für einen erhaltenen Brief. die Erasmus als Beispiel für die rednerische cttfia anführt. findet sich bereits bei Piccolomini mit einer Reihe von Variationen.' und es hat den Anschein, als ob Erasmus auf methodischer Ebene sich weil eher an Piccolomini als an die anderen, von ihm aufgezählten Autoren anlehnt. Der Begriff copia wird von Piccolomini nicht als Leitbegriff verwendet, aber eine gewisse Tren21 Erasmw, D, copia, Widmungsbric:f, S. 22: IUud wrr mihi sumtrr posslim. argummtllm hoc amt primllm ,t (Xcogitalum tl proditum fUissr. Nam quod lulius PoUw:. GratCUS tt antiquus uulor. singularum rtrum IIOcllbu/a pa ms digmit. tt synonyma qua'Mm tl finitima vt/ut in aurvos rongmit, quis non UiMI qU4m id sit a nDltTo institllto alitnum? Ntqut mim Isidoros. MariOl aut Phi/ucos /ibrl rommtmorart, homints in lantum a/i",os a copiJI. ul nf s,m,l quid,m qU4t Jrntiunt Lalint pouint tJfffl't. lam vtro librflw ifk qui Ciuroni inscribitur {.. .j, qUiltJO quid a/iuLI habn qUilm tumuuU4' rillm paucarum uocum congtritm? 22 KNorr, Kommc::marc: l.U lR copia; <:AVE (1979). S. 10-12. 23 Piccolominc:us, Artis rhnorical' pratupta, S. 1017. vgl. dazu <:AVE, (1979), S. 11: KNorr. Einlc:ilung l.U Dr copia, S. 10.
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nung in den Bereich der lJ~rba und der w wendet er ebenfalls an: Der gesamte Texr seiner rherorischen Erläuterungen gliedert sich in zwei Abschnitte, von de· nen der erste sich mit Variationsformen auf grammatischer Ebene (Adjektive, Substantive, die Kasus, Pronomen usw.), mit der Verwendung bestimmter Wör· ter und Sarzkonstruktionen (rom - turn, Relativsätze) und mit ästhetischen Fragen des Aufeinandemeffens ähnlicher Silben oder der rhythmischen Formung von Sätzen beschäftigt, während der zweite Teil nach den Redeteilen organisiert ist und für die jeweilige Thematik, primär im Hinblick auf das Verfassen von Briefen, Floskeln und gedankliche Versat1.Stücke liefert. loI TERENCE CAVE hat gezeigt, daß Erasmus im Einleitungsbrief zu D~ copia zwei Prinzipien der copia unterscheidet: Das eine besteht in einer statischen Klassifikation, bei der verschiedene Termini unter verschiedenen Rubriken gesammelt und nach bestimmten Ordnungsprinzipien zusammengestellt werden. Dieses Prinzip findet sich mehr oder weniger bei allen von Erasmus genannten Vorläufer-Texten. Diesem stellt Erasmus sein eigenes Konzept der copia gegenüber: Die· ses besteht aus einer dynamischen Methode, die durch den Rückgriff auf die mentalen Produktionsquellen sprachlichen Ausdrucksreichtums die erstrebte Redefülle hervorbringt. Nicht eine umfangreiche, aufgelistete Zusammenstellung von Stichpunkten soll für Erasmus die erstrebte Fülle erzeugen, sondern er versucht, die generativen Prinzipien dieser Fülle aufzudecken, also zu den "Quellen" der Sprachproduktion zurückzugehen. Wie Erasmus selbst sagt. habe er versucht, gewisse Formeln oder Quellen für die Redefülle aufzuzei~n, so daß wir vom Allgemeinen schrittweise zum Einzelnen gelangen. 1)
Erasmus' copia-Schrift geht also insbesondere dadurch über die Tradition der humanistischen Lehrschriften zur praktischen Rhetorik hinaus, daß er versucht, eine Methode aufzuzeigen, durch die bestehende, rhetorische Sprachformungen vom Schüler nicht passiv rezipiert und dann reproduziert, sondern jeweils aktiv eneugt werden sollen. Piccolomini hane sein Lehrhuch zur copia anhand der sechs von der klassischen Rhewrik vorgegebenen Redeteile organisiert, und dadurch variierte er lediglich das statische Klassifizierungsschema seiner Vorgänger. Er weist allerdings - und darin mag man eine erste Vorausdeurung auf Erasmus erkennen - auch darauf hin, daß es nur der Vermitdung des Prinzips bedarf, um dem Rhetorikschüler durch Imitation der Beispiele den Zugang zu selbst erstell16 ten Variationen zu ermöglichen.
24 CAVE (1979). S. 11.
2S Erasrnus, Dt- eopia, S. 22: Nos fomJulas qUilSdam eopifu uu fonra osr(1ldat turnus eonari, sie ur 11 gt'nt'rufibus prgrodus ud ponicufam tUvmirnnus. 26 Piccolomineus, Anis rlmorieot protupto, S. 1016, spricht am Beginn des zweiten Textabschnius davon, auf Grundlage der genannten Beispiele zum aordiurn könne m:l.n S(lbst ..fast unühlig viele andere~ erfinden: Tibi"K0 inprimis tOS t'Xordirndi ralionn. tt varialiontl quat circa amornn sunl, (f btntvokntiam dttcribtrt curobo. quibus inurutUnribus innumtrobiln pmt olios. tu ipst a imltalio1lt' invmirt possis.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRl:."TATION
Copia und variatio sind für Erasmus Begriffe, die zueinander in einer engen lI Beziehung stehen. So bezeichnet er die copin als Übung oder Methode, die dazu l8 diene, eine Rede zu variieren. Während man copin als das rednerische IdeaJ be-
zeichnen kann, das Erasmus vorschwebt, stellt die varia/io oder die varj~tas, also der Abwechslungsreichtum, das zu erreichende Zid des rednerischen Ausdrucks dar. Es ist prägnant, daß Erasmus hier als illustrative Analogie die schöpferische Kraft der Natur diene: Eine solche Kraft hat der Abwechslungsreichtum [varil"tdJ] in jeder Hinsicht, daß überhaupt nichts so glänzend sdn kann, daß es nicht doch schäbig zu sein scheint, wenn ihm der Abwechslungsreichrum fehlt. Die Natur selbst erfrcm sich in a.Ilerer~ ster Linie dieses AbwechslungsreichtUms, in der es tron der so unermeßlichen Fülle der Dinge überhaupt nichts gibt, das sie nicht noch mit einem gewissen wunderbaren künstlerischen Abwechslungsreichrum verziert.l'J
Erasmus' De copia hat somit nicht zum Ziel, eine sprachliche Abbildung der Weh durch die Verbindung der beiden Komponenten mund vn-ha zu erreichen. Die Entsprechung zwischen der Natur und der Sprache siedelt er auf einer anderen Ebene an: Die gleichen generativen Prinzipien, die in der Natur zu einer unermeßlichen und unendlichen Fülle der Dinge führen, sollen auch in der Sprache nunbar gemacht werden. Man könnte daher in Abgrenzung zum "mimetischen Sprachmodell", das den Vorgängern von Erasmus zugrunde lag und bei dem es um eine Reproduktion erlernter Klassifikationsschemata ging, bei Erasmus' Ansan von einem "generativen Sprachmodell" sprechen. Während die Autoren, die vor Erasmus im Genre der copia-Literatur schrieben, lediglich statische Klassifi· kationen vorlegten, die sich der Schüler einz.uprägen hatte, um sie bei konkreten Fällen z.u verwenden, steht bei Erasmus ein schöpferischer, kreativer Impuls, der dem Schüler vermittelt werden soll, im Vordergrund. In Kapitel 9 empfiehlt Erasmus einige Übungen, durch dje sich der Schüler copia erarbeiten könne: Er rät zur Übertragung von dichterischen Texten in Prosa sowie auch umgekehrt die poetische Umformung eines Prosastoff'es, den Wechsel von einer Gedichtganung in die andere, die Nachahmung des Stils verschiedener Autoren sowie schließlich das regelmäßige Lesen der vorbildlichen Autoren. Ein Text wird dadurch in den Händen des Schriftstellers oder Redners zu einem Material, das in eine geradezu beliebige literarische Form gebracht werden kann. Dieses Modell der Modulation eines Textes beschreibt Erasmus unmittelbar darauf in Anlehnung an Quintilian:
27 Hierftir gibl es auch antike Bdegndlen. etwa Cie.. tU or. 2,58. Vgl. Kommenrar zu D, copia,
S.27. 28 Erasmus, Dr eopia, 1,2, S. 26; hane orationis varillndlu rationrm; 1,7. S. 32: hllre vilriandllr ,rarionis rxrrdtlltio. 29 Erasmw, Dr eopill, 1.8, S. 32: Tanfllm ubiql« lIim hIlb,t varirtllJ, ur nihil omnino tAm nitid'llm lir, quod non sqUllkrr vUUlltur dtra lJuius commrndlltionrm. Gaudrt ipla nllrurll wl in primi! van·rtllu. qUllr in film immrlUa rrrum lurbo nihil usqUilm "Iiquit. quod non Ildmirllbili quodam varirtllJis ar~ tificio drpinxrril.
BRUNOS RHETORIKMODEll VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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Wenn wir uns die Regeln sorgfiltig ins Gedächtnis eingeprägt haben, wollen wir öfters absichtlich irgendwelche Gedanken vornehmen und diese so zahlreich wie möglich abwandeln, wozu auch Fabius [Quintilianus] aufforderr, indem er sagt: ,wie,. wir auch oft aus demselben Srück Wachs immer wieder andere Figuren bil-
d,n.
Es mag nicht unimeressam sein, daß in Johannes Reuchlins Dt vubo mirifico ebenfalls dieser Wachs-Vergleich herangezogen wird, hier aber, um die produktive Kraft der Natur zu symbolisieren. Die Parallelisierung der Produkcionsprinzipien von Namr auf der einen und Sprache auf der anderen Seite, wie wir sie bei Erasmus erkennen können, mag hier ihr Äquivalem haben: Die Namr bildet, um nicht müßig zu sein, ständig etwas gewissermaßen aus Wachs: bald ein Pferd, bald einen wwen und nach dessen ursrörung einen Menschen. Das eine überlebt das andere, und immer ~räbt das Spätere das Frühere.'!
Natur und Sprache gehen beide auf produktive Variationsprinupien zurück. Wie bereits oben in Kapitel 5.2 gezeigt. nimmt Bruno im Artificium p"orandi diesen Wachs-Vetgleich ebenfalls auf, um seinen Begriff von ..Topos" zu erläutern. Darauf möchte ich im anschließenden Kapitel 8.1.2 näher eingehen. Im Hinblick auf diesen Gedanken zeigt sich, warum im Zemrum von D~ copia - wie Erasmus ausdrücklich betom - eine grundlegende Neuimerpretacion des copia-Begriffs steht. Der neue Akzem bei dieser Deutung besteht darin, daß nicht ein statisches, topisches Schema gegenüber einem anderen bevorzugt wird, daß es also nicht primär auf das Finden der .. richtigen" Topoi ankommt, wenn man eine geeignete Systematisierung finden will, durch die rednerische copia realisien werden kann. D~ copia soll gerade die flexible und unbeschränkt offene Behandlung der Topoi lehren. Die dynamische Variation der Sprache kann für Erasmus ge· nauso wenig wie die dynamische Variation der Natur durch unflexible Kategorien erfaßt und bei der Erstellung von Texten wieder reproduziert werden. Das Verfassen eines Textes beSteht nicht im Abarbeiten einer Liste von Anweisungen und Variationsmöglichkeiten, sondern dem Erstellen eines Textes liegt ein kreatives Prinzip z.ugrunde, das dem der schöpferischen Namr analog ist. Das Aufkommen dieses copja-Begriffs im frühen 16. Jahrhundert kann als ein Kennz.eichen dafür interpretiert werden, daß sich auch in der rhetorischliterarischen Theorie jener Zeit eine Verschiebung von aus der Scholastik sramJl menden, formal-logischen hin zu narrativen Textstcukruren abzeichnet. Die Fülle der Rede wird nicht durch eine bloße Ausdehnung oder Vervidfaltigung von Ausdrücken und Inhalten erreicht, sondern der produktive Impuls des Redners nimmt seine Kraft von einer eigenen, inneren Sprachqudle. Zwischen dieser 30 Erasmus, Dt copia. 1,9, S. 34: Pra«'/1til diligtntt'r mtmomlt nulndatis, slUpius IX industria unltnlias quasdam sumamus tasqut wnt'mus quam numtrosissimt, qurnuuimodum montt Fabiw, 'willt tadrm: inquitm. 'ura aliat atqur aliat fOnnat duti wlmt' [Quim., imt. 10,5,91. 31 Reuchlin. Dt Vtrbo mirifiro. S. 56: Fingil natura ~mp". nt sir O4iosa, umquam IX rtra modo tquum, modo ltontm. tt tO dntrueto homintm. SUptrstts nt alur aUtriUJ, ltmptrqut ucundus priorrm Itptlil. 32 C.WE (1976), $. 64 r.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Vorstellung und dem im Neuplatonismus der Renaissance auf der Grundlage von Plawns SympOJion und dem Kommentar des Ficino hierzu auftauchenden Konzept dynamischer, göttlicher Inspiration in der Tätigkeit des Künsrlers besteht ei~ JJ oe gewisse Entsprechung. Die auf copia basierende Sprachfahigkeit des Menschen wird damit bei Btuna wie bei Erasmus nicht als ein äußeres, sprachliches Ausdrücken geistiger, logischer Strukturen im Sinne einer Zeichentheorie verstanden, sondern dient dazu, "das Schanhaus der geistigen Begriffe zu entriegeln. ",}1 Die von Erasmus dargestellte Dcucung des copia-Begriffs als eine kreative Quelle, aus der sich die menschliche Sprach beherrschung speisen kann, deutet eine Enrwicklungslinie an, die von Bruno aufgenommen wurde, An die Stelle der mittelalterlichen Vorstellung einer materialen Ausdehnung von Inhalten setzt Erasmus einen Sprachimpuls, der gewissermaßen eigendynamisch Sprachfülle er· zeugen kann. Bruno radikalisiert diesen Ansan, indem er die Produktionsprinz.ipien der Natur und der Sprache ebenfalls als äquivalent betrachtet, dabei aber das Augenmerk auf die unendliche Schaffenskraft der Natur richtet: Eine Sprache, in der ein unendlicher Kosmos z.um Ausdruck kommen soll, muß diese Fülle in die Unendlichkeit ausdehnen können. Von dem bei Erasmus noch spürbaren spiele~ rischen Umgang mit Sprache ist bei Bruno nichts mehr zu erkennen. Rhetorische copia kann nur einen ernsthaften Sprachansatz. konsütuieren, wenn in ihr die Wurzeln der Sprachproduktion systemacisch und umfassend registriert und auf· geführt werden. Bruno kritisiert am copia.Begriff der Humaniscen, Erasmus eingeschlossen, gerade ihr unsyscemacisches (prom;sczu) Vorgehen, nämlich daß sie "durcheinander all das. was ihnen in die Finger kommt. auf verschiedene Arten abzuändern lehren",JS während Bruno selbst z.um "Fundament der vorliegenden Kunst" vordringen und dabei a1l diejenigen "Ausdrücke. die nicht universell sind", beiseite lassen will..16 Die Radikalirät von Brunos copia-Begriff beruht auf dieser Absicht. ganz zu den Quellen zurückzugehen, in denen das Entstehen von Texten seine Grundlage hat. Brunos copia-Konzepr lehnt sich dadurch zugleich an Erasmus an und geht über ihn hinaus. Man kann konstatieren, daß eine gewisse Konvergenz. der
33 Diesen Aspekt kann ich hier nur andeuten. Vgl dazu NELSON (19S8). CAVE. (1979). S. 60 f.. und speziell zu Ficino ßEJERWALTF..$ (l980B). passim. bcs. S. 47, wo abbildende und nachbil· dende Kreativitäl komrastien werden und so auch eine Vc:rknüpfung zum oben genannlen Wachs.vergleich bei Rc:uchlin und ErasmuS naheliegt: MWenn also auch im Sinne Ficinos Kunst ,Darstellung' oder .Nachahmung' der Namr sein soll. dann .wiederholt' sie nicht einfach im Modus der Fiktion oder IIIwion die Wirklichkeit. sondern erfaßt Natur in ihren sie von innen oder vom universalen schöpferischen Prin1.ip her bc.-gründenden Ikwcgungs- und Sinn-Strukmren.~ 34 C,wE (1979). S. 60: ~ln the psychologic:al dOlllain, eopiA may thus ~ traoo::! b;lck [... ] to ils sourcc in the mind, the point, al which language elllerges and unlocks the lre;lSure-house of menlal conccpls.M
35 Artificium 11.2. S. 99 (376): [... Jqui promiscw qwueunq~ O(currnnt. V4n'is modis MunI infketnY {. . .j 36 Artifieium 11.2. S. 100 (376): 114m igitur pro ipsis. qUlI( prntstntis arti1 pdrtFm eonstituuJ!l ar11« fimdamrntum [. . ./. IUirrtis igiturfimnulis iUis. quar non sunt vniurrsalr1 [. . ./.
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Grundvorstellungen von cupia als sprachtheoretischem Begriff bei den beiden AutOren festzustellen ist. Auch im Detail sind die Parallelen zwischen den me~ thodischen Ansätzen in Oe cupia und im Artificium perurandi recht offensichtlich: In ganz ähnlicher Weise wie bei Erasmus finden wir auch bei Bruno einen in res und verba getrennten cupia~Begriff, dessen sprachkonzeptionelle Voraussetzungen nicht zum Thema gemacht werden. Bruno rückt dabei den Begriff cupia selbst nicht in den Mittelpunkt und versucht auch nicht, in der Terminologie innerhalb des Artificium perurandi Eindeutigkeit zu erreichen. Die Bezeichnungen cupia verburnm und copia rtrum werden von ihm zwar an den TextsteIlen verwendet, an denen er die entsprechenden Kapitel einleitet,37 und auch an anderen SteUen wird der Begriff cupia in dieser aus dem Rhetorischen stammenden Bedeutung gebraucht,38 aber die zweifache copia wird nicht als klarer, den gesamten zweiten Teil des Artificium perurandi aufspannender Leitbegriff eingeführt. Seide Autoren benutzen den doppelten Begriff der cupia als Gerüst für den Aufbau ihret Abhandlungen. Erasmus äußert explizit, daß er diese Trennung aus rein praktischen, und das heißt didaktischen Gesichtspunkten vorgenommen habe. eine strikte Trennung aber nicht durchführbar sei; Bruno reflektiert über diese Trennung nicht. Die Frage des klassischen mimetischen Sprachmodels. auf welche Weise die Welt mittels Sprache angemessen repräsentiert werden kann, ist also in beiden Texten mit der Unterscheidung in res und vrrba nicht impliziert." Darüber hinaus betOnen beide Autoren den Emwurfcharakter ihrer T ate: Seide versuchen. lediglich ein methodisches Modell. nicht aber dessen vollständige detaillierte Ausarbeitung vorzustellen. Bei beiden gehe es um ein Sprach- oder Texekonzept, nicht allein um die Aufarbeitung einer schulmäßigen Lehre...a Ebenso betonen beide Autoren, daß sie sich von dem Textgenre. an das sie anknüpfen. methodisch zugleich distanzieren. Dabei hebt sich - von Brunos Standpunkt aus be~ trachtet - der Neuansatz, den Erasmus für seine Schrift beanspruchte. nicht wesentlich von den anderen "humanistischen" Konzeptionen der cupia ab. Bei allen geht es Brunos Darstellung zufolge um eine mehr oder minder nichtige Spielerei mit Sprach variationen. Die Lehrgebäude der klassischen Grammatik und Rhetorik werden von Erasmus wie von Bruno herangezogen und unter dem Leitgedanken der copia neu arrangiert. Dadurch kommt es zu Parallelen zwischen den beiden Texten. So lassen sich zwischen den Elememen des ersten Alphabets bei Bruno und den Synonym~ listen in Buch I von Oe cupia durchaus Entsprechungen finden, wie sie seit jeher in den Phraseologien der Schulen vorhanden waren. Ebenso finden sich die grammalischen Begriffe, die Bruno in seinem dritten Alphabet nennt, in analoger Weise bei Erasmus behandele Srunos viertes Alphabet zeigt eine auffallend enge 37 Anificium 11.2. 5. 99 (376): ropia llt'rborum; Anificium 11.12, 5. 130 (396): copia rrrum. 38 Anificium 11.3. 5. 106 (380): dupla grnus ropiar; Arrifirium lIA, S. lOG (380); ropiosr. Arrificium 11.9, 5. 126 (394): ropia Wlriandarum pJmuium. 39 GcringHigig steht aber auch diese Fragcstellung bei Erasmus im Hintergrund. "g!. CAVE (1979). 5.29-31. 40 Dr copia 1.1.5.26: Arrificium 11.9, S. 126 (394).
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PHILOSOPHISCHE INTERl'RtiATION
Parallelität zu Erasmus: Bruno teilt die geometrische Figur, die er dem vierten Alphabet zuschreibt, in eine horizontale und eine vertikale Reihe, von denen in der einen die "Begriffe, die die Syntax variieren", in der anderen diejenigen, "die die Redefiguren verändern", zu finden sind. Parallel dazu behandelt Erasmus in Kapitel 32 die "Variationsmäglichkeir durch die Syntax, cl.h. durch die Konstruktion" und in Kapirel33 die "Variacionsmäglichkeir durch verschiedenartige Veränderung der Redefiguren":1 Die von Bruno nun für die heiden Reihen angeführten Beispiele werden ebenWIs ausnahmslos bei Erasmus innerhalb der Ka· pitel 11 bis 32 behandelr.~2 so daß Brunos viertes Alphabet möglicherweise in direkter Adaption von D~ copia entstanden ist. An das Kapitel 32 schließen sich bei Erasmus die erwähnten zwei Beispielsätze an, durch die eine Zäsur in D~ copia entsteht. Es war vornehmlich dieser Abschnitt von Kapitel 11 bis 32, der für den Gebrauch von Dr copia in der Schule benutzt wurde. So behandelt die anonyme Epitome, die von D~ copia erschien, genau diesen Abschnin, und auch die Tabudes Georg Major beschränkten sich für Buch 1 von De copia auf diese Kapitel.iJ Es erscheint aus diesem Grunde nicht unwahrscheinlich, daß Bruno in sei· nem vierten Alphabet direkt auf Erasmus zurückgegriffen hat. Die vielschichtigen Bezüge, die das Rhewrikmodell des Artificium paorandi zum humanistischen copia-Begriff aufweist, zeigen, daß Brunos Rhetorikschrift als Auseinandersetzung mit der humanistischen Sprach- und Literarurvorsrellung gelesen wetden muß. Bruno nimmt den bei Erasmus spürbaren Gedanken einer dynamischen Sprachproduktion auf und übersetzt ihn in das eigene Konzept der Unendlichkeitsmeraphysik. Die Rhetorik Brunos ist also - wie auch Erasmus' Dr copia - keine Rhetorik im traditionellen Sinne. Erasmus reflektiert über einen neuen produktiven Umgang mit den klassischen Vorbildern, durch den die Re· form der Literatur auch zu einer Reform des Menschen führen soll.'" Erasmus und Btuno entwickeln in diesem Sinne kein Gegenkonzepr zur herkömmlichen Rhetorik, sondern sie versuchen, auf dem Fundament der traditionellen Rhetorik ein neues Verständnis für die Bedeutung der Sprache für den Menschen zu ver· mitteln und die neue Sprache mit der angestrebten Reform des Weltbildes in OkJ ang zu bO" EIn ringen.
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41 Artificium 11.7. S. 120 (390): unninOJ synlRXin lIariant~J /. ..} tr unninoJ figuram kJ("JItionis mutantn. - fk copia, S. 75 r.: Variandi ratio pa auvraSlv, id Nt comtrlKtion~m /. ../ Variandi ratio ~r mUlJltion~m figura~ IIdriis modiJ. 42 Artifirium 11,7, S. 120 (390): Die Kasus bei ErasnlUS S. 58. Personen S. 56. Num~fUJ S. 56; ~ty mologia S. 62, amplifiwio S. 73, compolitio S. 74, r~"uio S. 72, fNriphraJis S. 61, hyp~rbo'" S. 74, diminutio S. 74. mtlDnymia S. 68, synmioch~ S. 70.
43 RJx (J 946), S. 600 r. 44 SOWARDS (1958), S. 129-135. 45 Am Rande sei noch auf zwei weniger relevanIe Stellen
aufmer~m gemacht, an denen ErasnlUS
Einfluß auf das Artificium p~rorandi gehabt haben könnte: 1. Brunos Wonspicl mil dem Begriff ropiß in Artificium 11.2. S. 99 (376): d~ tanto comu copia~ inopiam rtfrrtnt, findel eine Entsprechung in einem Brief des Erasmus an Coler, in dem er seine !ksch:.iftigung mit D~ ropia mit den WOrten charakterisiert: In abJolwnda Copia m~a nunc Jum IOtuJ. ut iam amigmnti imtdr IIWrt' pOllit, m~ Jimul ~t i1l m~dia copia rt in summa wrwri i1lopia. (Erasmus. OpuJ Epistowrum, Band I. S. Brief 237 an Colet vom 29.1 0.1511). 2. Möglicherweise h:;H auch Alsteds Bewertung des
4n.
BRUNOS RHI:./ORIKMODEU VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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8.1.2. Topos-Begriff und "Notizbuch-Methode" Erasmus hatte in D~ copia (im Rückgriff auf eine Srelle aus Quinrilians Rherorik) die kunstvolle rhetorische Handhabung eines Sanes oder Textes mit dem Modellieren eines Wachsstückchens verglichen und damit zu illustrieren versucht, wie vielf.iJtig formbar ein Text sein kann, wenn man ihn den Anwendungsmöglichkeiten. die die rhetorische copia zur Verfügung steUt, umerzieht. Auch Bruno bediem sich im Artificium pfflJrandi dieses anschaulichen Vergleichs. Doch innerhalb von Brunos Text nimmt dieser Vergleich einen anderen. jedoch nicht minder wichtigen systematischen Ort ein: Für Bruno wird das Stück Wachs zum Sinnbild für den Begriff des Topos. wie er ihn im Artificium p~rorandi verstanden wissen will. Jeder Topos muß die Eigenschaft besitzen. in universeller Weise auf jeden erdenklichen Gegenstandsbereich übertragbar zu sein: Es sind also die Topoi bestimmte Sitze der Argumente oder der Erörterungen. die zwar zunächst und prinzipiell nur eine einzige äußere Erscheinung zeigen, auf kunstvolle Weise aber dennoch in eine Gestalt und Umgestaltung verwandelt werden können, die jede Form annehmen kann, nicht anders. als wie wir aus demselben Stück Wachs bald die Figur eines Pferdes, bald die eines Menschen, bald die eines Turmes kneten können. Wenn aber ein Topos herangezogen würde. der nicht leicht veränderlich iSl, so wäre er nur dem Namen nach ein Topos, nicht aber im eigentlichen Sinne....
Dieser Topos-Begriff bildet den Kern der philosophischen Rhetorik des Artificium paorandi. Die Topik. die Bruno im zweiten Teil des Artificium p~rorandi unter dem Etikett der copia r~rum erstellt. besitzt keinen direkten Anknüpfungspunkt in Erasmus' D~ copia. Brullo etabliert hier als einzigen notwendigen Redegegenstand, als die universelle r~I der Rhetorik. den Menschen; die Analogie. in der der Mensch zu allen anderen Seinsstufen steht, erübrigt es, über mehr als den Menschen zu sprechen. Im Menschen ist das Universum enthalten. Topoi sind, in diesem Sinne verstanden, Prädikate des Menschen. die unter Zuhilfenahme von Analogien auf jeden anderen Gegenstand übertragen werden können. Was Erasmus durch den Vergleich mit Wachs als Qualität der copia charakterisiert hat. wird von Bruno auf die Topik übertragen. Bruno akzentuiert den Unterschied zwischen der copia vaborum und der copia r~rum stärker als Erasmus. Während im Konzept von D~ copia - wie Erasmus unterstreicht - eine absolut strikte Trennung zwischen dem Bereich der vtTba und dem der r~s nicht Artifieium puorandi in der Einleitung flir den Leser mil den Worten plus halm likfJus is~ in nemu, quam in fronte p'Omiltit (Artificium, S. 10 (330) eine: Vorbge in einer Äulkrung, die: Erasmus in e:inem Brief vom Oeumber 1500 über seine Arbeit an /k eopia macht: Et auius usr in nctssu opus aprrit qUAm in ingrmu promitttbat. (Erasmus, Opus Epiuo/aTUm, Band I, S. 317, Brie:f 136 an Augustinus Vinttntius vom 9.12.1500). 46 Artificium 1I,12. S. 130 f. (396): Sunt igitur Ioca crrtm srdn arguml'nlorum, 1)(1 disnmuum, qUAl fiett Imam primo arql«' principi4/iftr rtfiranr lplcilm, artificiou IIlml'n in omniftrmnn pralslnranonnn lt npra~ntlltionfflleonumi /XIssunr. haud a/iftr qUAm Cl lwm ctra, nune quitkm lqul: nune hominis, nune tums [of7l'Ulm txp,.imimus. Si quis vt'O Iocus afJtratur, qui Jäeilt non sit vtrtibilis, ilk nomin, rantum Iocus ,nt, non aut,m rt ipsa.
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vorgenommen werden kann, liegt für Bruno im Rherorikmodell des Artificium p"orand; die capia raum methodisch auf einer anderen Ebene als die copia V"~ borum: Während die capia verborum die verschiedenen linguistischen, rhetori~ sehen, aussagenlogischen und srilistischen Mine! kombinien und variiert, beruht die copia raum bei Bruno auf einer Topik. in der ausschließlich der Mensch thematisch gemacht wird. Der wichtige Rang, den Bruno der Topik und dem Insrrument des Topos in~ nerhalb seines Rhetorikmoddls zuschreibe, spiegelt eine der prägenden Tendenzen des philosophischen Denkens im 16. Jahrhundert wider. Brunos Vemändnis von Rhetorik und Topik kann vor diesem historischen Hintergrund schärfere Konturen gewinnen. Der Begriff des Topos fungiene als eines der zentralen Kon47 zepte in der geistesgeschichtlichen Diskussion der Frühen Neuzeic Im Zentrum dieser Diskussion stand die Frage nach einer wissenschaftlichen Methode, die universell auf jeden Gegenstand und in jedem Bereich der Wissenschaft angewendet werden kann. Diese Methode versuchte man auf der Basis der Sprache zu 48 entwickeln. Während die mittelalterliche Syllogistik den Schwerpunkt auf die Schlußfolgerungen und ihre verschiedenen logischen Formen legte, zielte die topische Methode darauf ab, mit Hilfe der Topoi zu den Prädikaten einer Sacheoder genauer: zur vollständigen Prädikation einer Sache - zu gelangen. Topoi diemen als ein Referenzsystem, durch das ein Gegenstand gefühn werden mußte, um die Gesamnahl seiner Prädikue zu ermitteln, und ermöglichten so ein vollständiges Ordnungssystem von Wissen. Auf dem Weg zu einer solchen "topischen Logik" hat das um 1480 vollendete, jedoch erst 1515 in Löwen in gedruckter Form erschienene Werk Dt invmriont diakctica des deutschen Humanisten Rudolph Agricola wesentliche Impulse gegeben. Der hier formuliene methodische Neuansan der Humanisten gegenüber der mittelalterlichen Scholastik betrifft im Kern die Frage nach dem wechselseitigen Verhältnis zwischen Rhetorik und Dialektik. Im historischen Verlauf des abend~ ländischen Denkens kann die unterschiedliche Einordnung von Rhetorik und Dialektik in das Konstrukt eines wissenschaftlichen SYSfems anhand der Verschiebung des Bedeurungsfeldes nachvollzogen werden, dem der Topos-Begriff unterworfen war:~ Bereits in der aristotelischen Topik und Rhttorik stößt man auf voneinander abweichende Nuancierungen des Topos-Begriffs. Aristoreles zufolge ist es Aufgabe der Dialektik, "eine Methode zu finden, nach der wir über jedes aufgestellte Problem aus wahrscheinlichen Särzen Schlüsse bilden können und,
47 Der hier wiedergegebene Überblick über den Topos-Begriff richtel sich primär ;luf Aspekte, die zur Dwtung des Artificium ptrorllndi sinnvoll sind. Für einen weilen Blickwinkel ;luf den ToposBegriff vgl. grundlegend SCHMIDT-BJGGEMANN (1983) und ONG (1974); zum überblick ferner GERL (1989), S.92-126; COPENHAVERJSCHMllT (1992), S. 196-239; SCHMllT/SKINNER (1988), S. 143--198: LECHNER (1962): VASOIJ (J 968): BUCK (1968): FISCHER (1973): EMRICH (1972). 48 Zu diesem Methoden-Ansao.. und allgemein zum Begriff wMc:dlOde~ in dicsc:m Kontext vgl. GILBERT (1960), S, 119-220. 49 Zum folgenden Überblick vgl. auch MOSS (1996); GOlDMANN/KANN/PRlMAVESI (1998),
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wenn wir selbst Rede stehen sollen, in keine Widersprüche geraten."so Die in der Topik behandelten Topoi ermöglichen nicht die Ermitdung von selbstevidenten Sätzen, deren Verwendung in Syllogismen zur Erzeugung weiterer wahrer Sätze dienen kann, sondern von lediglich wahrscheinlichen Sätzen, also von Sätzen, "die Allen oder den Meisten oder den Weisen wahr scheinen, und auch von den Weisen wieder enrweder Allen oder den Meisten oder den Bekanntesten oder Angesehensten."s, In der Rhetorik schreibt Aristote!es, Rhetorik und Dialektik stünden in einer Wechselbeziehung, "denn beide beschäftigen sich mit Gegen~ ständen solcher Art, deren Erkenntnis auf eine gewisse Weise allen, und nicht einer sprudlen Wissenschaft gemeinsam ist. "H Dem entsprechend unterscheidet Aristoteles zwei Arten von Topoi, zum einen die allgemeinen, aus denen man "sowohl einen dialektischen oder rhetorischen Schluß über Recht oder Natur oder über was auch immer bilden {kann], obwohJ diese Gegenstände ihrer Art nach verschieden sind", zum anderen die spruellen, "welche von Aussagen abgeleitet werden, die spezifischen Arten und Gattungen von Gegenständen angehören, wie es z.8. Aussagen aus der Physik gibt, aus denen weder ein rhetorischer noch ein dialektischer Schluß für die Ethik gewonnen wird".B In diesem Sinn können Topoi mehr oder weniger stark von den inhaltlichen Gegebenheiten einer Rede oder eines Themas beeinflußt sein, je nach Thematik also mehr oder minder materialen Gehalt aufweisen. Zur Findung der Vordersätze von Schlußfolgerungen konnten also auch neben den rhetorischen Topoi die Sätze der jeweiligen Fachwissenschaften als "Topoi" herangezogen werden. Diese Tendenz zur "Versachlichung" der Topoi setzte sich in der römischen Rhetorik fort: Ciceros Topica knüpfen an die Topik des Aristoteles an, transferieren die dortigen Topoi jedoch in den rhetorischen Kontext eines römischen Anwalts. Die Topoi ermöglichten es nun, einen vorliegenden Streitfall genau zu kategorisieren und argumentativ zu durchleuchten. Eine direkte Anknüpfung an die Schlußlehre wurde nicht beabsichtigt. Der Redner fand in den Topoi nun fertige VersatzStücke für Argumentationen, nicht mehr die Prämissen für Schlußfolgerungen. Dadurch hatte Cicero die dialektische Topik des Arisroteles vollständig in die Sphäre des Rhetorischen übertragen, die Topoi waren nun literarisiert. Stärker noch als in seiner Topik-Schrift hatte Cicero bereits in seinem ]ugendwerk De invmtione eine äußerst pragmatische Annäherung der Rhetorik an das Topos-Konzept versucht. Und eine weitere Nuance kam hinzu: Hatte Aristotdes für die Anwendung in der Dialektik von Sätzen gesprochen, die zwar nicht selbstevident, aber doch bei den Weisen und überhaupt den meisten Menschen akzeptiert waren, so brachte Cicero diesen Gedanken in seine Rhetorik ein, indem er nahelegte, Äußerungen und Zitate anerkannter Persönlichkeiten ebenfalls als Argumentationshilfen beim rednerischen Vortrag einzusetzen. Als Topos
50 5J 52 53
AriSl .. Arist., AriSI .. Arisl.,
Topik 1.1. Topik 1.1.
Rhn. 1,1,1. Rhn. 1,2,21.
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konnten nun auch Sprichwone und Sinnsprüche verwendet werden, die der Redner zur Unterstützung seiner Argumente heranz.iehen konnte. So verstanden, war der Topos keine formale Suchkaregorie mehr, sondern bereits ein fertiges, ausformuliertes Argument. Damit hane der Topos·Begriff bereits eine Becleu· tungsbreire erlangt, die in den folgenden Jahrhunderten in sehr verschiedenen Facetten rezipiere und auch wieder produktiv weiterentwickelt wurde. Eine nächste wichüge Station in der Entwicklung der topischen Theorie bildete Boethius.~ Seine Synthese des rhetorischen und des logischen Topos.Begriffs war für die weitere Entwicklung im Laufe des Mirtdahers von weüreichender Bedeutung. In seiner Schrift D~ diffirmtiis ropicis unterscheidet er zwar Dialektik und Rhetorik als zwei verschiedene Wissenschaftszweige, heront jedoch. daß in beiden die seihen Topoi zur Anwendung kämen. Der Rang der Rhetorik wird hinter denjenigen der Dialektik zurückgestuft: Während die Dialektik sich mit allgemeinen Fragen beschäftigt, richtet sich die Rhetorik auf den konkreten Fall; während Dialektik dialogisch vorgeht. bleibt Rhetorik monologisch; während in der Dialektik nur die strengen Formen der Syllogismen zulässig sind. können in der Rhetorik auch weniger strenge Formen angewandt werden. Rhetorik wurde dadurch - überspitzt gesagt - zu einer etwas laxeren Form der Dialektik. welche wiederum als ein Teil der Logik begriffen wurde.)) Für die miuelalterliche Philosophie blieb Boethius der prägende Einfluß. Der Topos·Begriff schwankte weiterhin zwischen einer Deutung, derzufolge durch Anwendung einer Topik kategoriale Aussagen und Syllogismen möglich waren, und einer Deutung, derzufolge Topoi als lediglich auf übereinstimmung beruhende, wahrscheinliche Argumentationsmuster bzw. bereits als deren materiale Inhalte begriffen werden konnten. überdies wurde seit der römischen Rhetorik (wohl in Anlehnung an griechische Vorlagen) der Topos-Begriff noch in einem anderen Feld innerhalb der Rhetorik angewandt: An der lerzten Stelle der klassischen fünf Aufgaben, die ein Redner beim Ausarbeiten seines Vortrags zu erfüllen harre, srand das Memorieren des fertiggestellten Redemanuskripts (mmlOria). Vor allem die pseudo-ciceronische Rhuorica ad Htrtnnium und die Rhetorikschrift Quintilians waren für die Ausformung der rhetorischen Gedächtnistheorie von großer Bedeutung.)6 Der Kunstgriff dieser Mnemotechnik beruhte dabei auf einer Verräumlichung der Vorstellungskraft: Der Redner errichtete sich in Gedanken etwa ein Gebäude. das er im Verlauf der Rede imaginär abschreiten konnte. Innerhalb dieses Gebäudes oder Raumes definierte er nun festgelegte Orte, also Topoi, an denen er sich bestimmte eindrucksvoUe und daher leicht einprägsame Bilder oder auch Gegen. stände vorstellte. Die zentralen Begriffe dieser Mnemotechnik waren also der On (locus) und das Bild (imago). Der Redner machte sich dabei die Tarsache zunutze, daß es einfacher ist, einen optisch-räumlichen Eindruck im Gedächtnis zu behal-
54 GREEN-PEDERSEN (1984),00. S. 39-82. 55 Die Bücher 1-3 von lk wpicu diffi"ntiiJ behandeln die Dialektik, in Buch 4 nimmt Boethius die Abgremung zur RhetOrik vor. 56 YATES (1966).
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ten als erwa eine abstrakte Abfolge von StichwOrten oder gar ein auswendigge~ lerntes Redemanuskript. Der mnemotechnische und der logisch.argumentauve T opos~Begriff zeigten eine gewisse Annäherung in ihrer Interpretation: In beiden Deutungen bildet der Topos ein zunächst unbesummtes nGefliß", aus dem Mate~ rial für die Rede entnommen werden kann. Die Rh~torica ad H~rmnium ver· gleicht die Gedächtnisorte demgemäß mit Wachstafeln, in die "die Bilder wie Buchstaben" eingekratzt werden können.)7 Dadurch bildete das topische System eine Art Vorratslager, an dem Objekte deponiert und wieder aktiviert werden konnten. Überdies bOt die Verräumlichung, die der Begriff des nOrtes" sugge~ rien, auch ein Ordnungssystem, durch das Beziehungen zwischen Begriffen und Begriffsfeldern her~ und dargestellt werden konnten. Die Suchorte lagen nicht willkürlich, sondern lieferten auch eine planvolle, gestufte Gliederung. Zwischen den bisher genannten verschiedenen Auffassungen darüber, was ein Topos ist und was er leisten kann, kam es zu zahlreichen Interferenzen. Der To~ pos~Begriff entwickelte dadurch ein recht diffuses Bedeutungsfeld, dessen Fruchtbarkeit im Laufe der geistesgeschichclichen Entwicklung vor allem darin bestand, daß die Unschärfe der Definition immer wieder produktive Neudefinitionen hervorrief. Ein weiterer bedeutender Zweig dieser Fortentwicklung bestand in der Bezugnahme auf den Begriff des "Gemeinplatzes" (JoCUJ communis). Die Booeurungsentwicklung dieses Begriffs kann mehr oder minder parallel zu derjenigen des eben skizzierten Topos·Begriffs aufgefaßt werden. Bereits Aristo· teles unterschied die speziellen Topoi aus den einzelnen wissenschaftlichen Diszi~ plinen von den "Gemeinplätzen", die übergreifend in Reden zu Themen aus allen Disziplinen verwandt werden konnten. Wenn Topoi gerade dadurch charakteri· siert sind, daß sie Fundstätten für Argumente sind, die allgemein in allen Redety~ pen einsenbar sind, konnte man den Begriff des nGemeinplarzes" gewissermaßen als pleonastische Ausdrucksweise oder als Oberbegriff betrachten. Eine neue Nu~ ance erhielt der Ioeu; eommunis jedoch in der rhetorischen Theorie der amp/ifiea· lio bei Cicero (siehe dazu oben Kapitel 4.3.4): Eine in einer Rede behandelte konkrete Fragestellung konnte Cicero zufolge dadurch noch rhetorisch intensi~ viert werden, daß der Redner das vorliegende Problem zu einer allgemeinen Fra· gestellung ausdehnte. Dabei sollte von den gegebenen Umständen des zur Ver~ handlung vorliegenden Sachverhalts abstrahiert werden. so daß gewissermaßen aus dem konkret gegebenen ein Modellfull konstruiert wurde. Zur argumentati~ ven Ausschöpfung djeser abstrahierten Fragestellung konnten - soweit möglich dieselben Topoi herangezogen werden, durch die auch der konkrete Fall geführt werden konnte. Die nun aber notwendige allgemeine Betrachtung eröffnete den Weg zu einer Umdeutung des Incus communis: Je formaler und musterhafter der Fall behandelt wurde. desto formaler und musterhafter konnten auch die hierfür herangewgenen Argumente sein. So entwickelte sich der Ioeus communis von ei~ ner tOpischen Suchkategorie zu einem mehr und mehr inhaltlich verstandenen,
57 RJw.
H~r.
3.17.30.
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AoskeLhaften Standardargumem - ZU dem also, was man heute pejorativ unter einem "Gemeinplatz" versteht. Die Topoi werden nun mehr und mehr die Argumente selbst, nicht mehr die Orte, an denen man nach ihnen suchen muß. Die hier angedeutete EmwiekJung hin zu einem materialen Verständnis des weus communis findet eine scarke Ausprägung in der sogenannten Florilegienlitecatur, in der unter bestimmten Überschriften und Kapiteln Zitate, Sinnsprüche, Sentenzen und Ähnliches gesammelt wurden, um diese dann wiederum bei entsprechenden Anlässen einsetzten zu können. Topoi waren nun Themen, für oder gegen die man sprechen konnte und zu denen man Pro- und Contra-Argumente sammeln konnte. Diese bereits in der Antike praktizierte Methode wurde das gesamte Mittelalter hindurch fortgeführt.~ Diese topische Methode fiel in der Renaissance wieder auf fruchtbaren Boden. Den Anstoß zu dieser neuen Konzentration auf das Topische gaben die Humanisten.)' Im Zentrum der humanistischen Bewegung stand die Idee der Nachahmung (imitatio) der Antike, insbesondere der literarischen Leisrungen der lateinischen Autoren. Um den Lateinschülern die antiken Autoren nutzbar zu machen, entwickelten die Humanisten eine Exzerpier-Methode, die zwar auf einer simplen Idee beruhte, die aber weitgefächerte Folgen hervorrief. Der Schüler sollte sich ein Notiz.buch erstellen, in dem er sich in verschiedenen Kapiteln Zitate notieren konnte, die er stilistisch oder phraseologisch für wertvoll und bei zukünftigen Reden für wiederverwendbar hielt. Beim ErsteHen eines eigenen Textes konnten dann die notierten Einfälle wieder aktiviert und in den Text integriert werden. Die formale Strukturierung nach Kapireln und Unterkapiteln erinnert an die räumliche Orientierung des Gedächmisses aus der rhetorischen Mnemotechnik, so daß man hier durchaus wieder von Topoi sprechen kann, also von Orten, die man kennen und aufsuchen muß, wenn man Antworten auf gewisse Fragen finden will. Eine solche Deutung des Topos-Begriffs wurde oft in Anlehnung an Quintilian metaphorisch mit der Vorgehensweise eines Jägers verglichen, der, wenn er eine bestimmte Tierart erjagen will, auch die Orte kennen muß, an de60 nen sich diese Tiere mit Vorliebe aufhalten. Diese Notizbuch-Methode bildete ein tragendes Fundament der humanistischen Bewegung, das kaum überschänr werden kann. ROBERT R. BOLGAR hat versucht, die kulturelle Entwicklung der Hochrenaissance im wesentlichen auf diese spezifische Interpretation der imitatioVorstellung zurückzuführen." BOLGAR fand erste Anstöße für diese Methode bei Petcarca, und spätestens seit Leonardo Bruni bildet für ihn die Kompilationsmethode den Mittelpunkt der Renaissance-Pädagogik. Obwohl diese Notizbuch· Methode sehr eng an die Schule geknüpft war, zeigt sich doch bei näherer Be58 ElFERT/KOLZERIRAUNER (1989). 59 Zu die:srr praktische:n Umsrnung da Topos-KonZC'plS vgl. LECHNER (1962), S. 153--199. 60 Quint., ins!. 5, I0,20 f. 61 BoLGAR (1954), Kapitel VII,1: ~The: populnisation of a ntw me:lhod of stud(, S. 265-275. Ähnlich hoch bewe:ru:t JOACHIMSI'.N (1926) die BedeulUng der ftGe:mdnpl;l(7.~.Büche:r rur die Enrwicklung der Logik im 16. Jahrhundw. Vgl. fe:rne:r dazu die: umfasstnde: Unte:rsuchung von Moss (1996).
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crachrung, wie tron unterschiedlichsrer Facenen der Topos-Begriff das einheirsstiftende Element des Renaissance·Humanismus bildete. Die drei wesenrlichen Bereiche, in denen der Topos-Begriff im 15. und 16. Jahrhundert wieder aktualisiert wurde - die Rherorik, die Mnemotechnik und die dialektische Logik -, können so als Zweige einer zusammengehörigen, historischen Entwicklung be61 trachtet werden. Die divergierenden Entwicklungslinien dessen, was im weitesten Sinne als T o~ pos begriffen werden kann, näherten sich im 15. und 16. Jahrhundert wieder einander an, wurden nun aber in einer neuen Sicht, nämlich in der Sicht hin auf eine generelle wissenschaftliche Methode betrachtet. Die Topik als ein Instrument zur Findung von Argumenten entwickelte sich nun in Richtung auf eine For63 schungsmethodologie. Topoi dienten nichr nur als allgemeine Suchformeln, sondern konnten, wenn man sie in eine räumliche, hierarchische Ordnung brachte, auf ihrer obersten und allgemeinsten Stufe abstrakte Kategorien oder "Prädikabilien" bilden. "Die ,1oci communes' sind (...] in der Bedeutung, die ih~ nen die Humanisten mit dem Ausbau ihrer Methodenlehre geben, mehr als bloße Fundörter für Beweisgründe wie bei Cicero und Quincilian, sondern Ordnungsschemata oder Einteilungsprinzipien, welche die Fülle der Erscheinungen sinnvoll gliedern, indem sie dieselben auf allgemeine Gesichtspunkte zurückführen." Die Topoi bildeten so ein "erkenntnistheoretisches Begtiffssystem", das die arisroteliM sche Logik ersetzen sollte. Dadurch mußte das Verhältnis von Rhetorik und Dialektik neu definiert werden: Dem ciceronischen Konzept, bei dem die rhetorische inventio der dialektischen Brauchbarkeirsprüfung von Gedanken und Argu~ menten vor~ und übergeordnet war, wurde nun ein Konzept konträr gegenübergestellt, bei dem die Dialektik mit einem tiefgehenden Wahrheitsanspruch die .. nackten Tatsachen" auhufinden vermochte, während die Rhetorik lediglich in einem sekundären Schrin dazu diente, diese Tatsachen sprachlich zu "bekleiden".6) Dieses Wechselvethältnis zwischen Rhetorik und Dialektik, das bereits AristoteIes am Anfang seiner Rhrtorik genauer zu bestimmen versuchte, war das 66 Kernproblem der humanisüschen Methodendiskussion.
62 BOLGAR (1954), S. 272: ..Since the lhineemh cemury, preachers had been accustomed 10 rdy on .scrmonbooks for me anecdoles 01' rx~mpla with which Ihey iIlwtr:ued Iheir argumenlS, and the malerial in these utililari.an compilalions was normally arranged under headings mat represenled IOpics ror discussion. Agricola merdy IUmed 10 Humanisl use a commOn medieval technique.~ ibid.. S. 274: ~The whole purJXlse of Ihe Humani.$lS in uansmogrifying Greek and Larin lilerature inlO aseries or nOies was 10 producc a body or material which could be easily ret:l.ined and repeale
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Bruoos Rhecocikmodell im Artificium ptrorandi z.eigt einige Anknüpfungs· punkte an die Rahmengrößen dieser als Grundlagenwissenschaft verstandenen "Rhetoridialekrik" des 16. Jahrhunderts. Er benutzt einen Topos-Begriff. der in mancher Hinsicht mit dem bei Agricola formulierten Verständnis des Topos ver· 67 glichen werden kann. Zum einen muß die Topik der copia rtrUm universalisusch gedeutet werden. Die den Bereich des Menschlichen erfassenden Topoi sind universell 7.U verstehen, da der Mensch in Analogie zum Sein im gesamten steht. Zum anderen sind diese Topoi die Kategorien, in denen die Gesamtheit der Prädikationen aller Dinge erfaßt werden können. Bruoo verdeutlicht dies recht drastisch, indem er - wie oben in Kapitel 5.2 paraphrasien - Füße und Arme des Menschen als Topoi darstellt, die in analoger Weise auf Schiffe. Häuser, Staaten usw. übem'l.gen werden können. 1m übrigen nennt er als zweites Beispiel den Topos desgmus, der in den traditionellen Topiken im Anschluß an AristOteies und Cicero und so auch bei Agricola genannt wird, und wendet diesen Topos - sicher in satirisch gefarbter überspinung - auf das Beispiel ..Wasserkrug" an. Der Mensch, erfaßt und verzeichnet in der Topik, impliziert ein begriffiiches Eintcilungsprinzip, das universell verwendbar ist. Durch djeses Verständnis des Topos-Begriffs nimmt Bruno also eine Konstante auf, die im historischen überblick erkennbar geworden ist: Im rhetorischen Kontext blieb der Begriff des Topos stets formal gefaßt, auch wenn die römische Rhetorik den Aspekt der praktischen Anwendbarkeit stark betonte. Die Topik war immer eine Methode, um Beweise zu ermitteln, nie bezeichnet aber Topos den Inhalt der Argumente selbst. Die entscheidende Innovation, die durch Agricola angestoßen wurde und die sich für Bcunos Topos-Konzept im Artificium p~rorandj ebenfalls konstatieren läßt, ist die "kategoriale Gleichschaltung in der Topik": Die topische Methode wurde nun nicht mehr primär angewandt, um argumentative Schlußformen zu ermitteln; Topoi dienten nun dazu, kategoriale Aussagen zu treffen. Die Argumentationslehre wurde bei Agricola direkt an die Dinge selbst angeknüpft, "die Iogjsch~ Referenz der Kategorien (fiel} mit der m~taphysjschm" zu68 sammen. Ab diesem Momem macht es keinen Sinn mehr, die dialektischlogische von der rhetorischen Dimension zu trennen, und vor diesem Himergrund steht auch das Artificium p~roraNIi. Die metaphysische Deutung des Topos-Begriffs bei Bruno, daß nämlich die vom Menschen abgeleiteten Topoi zugleich universell sind, indem sie in Analogie auf den gesamten Kosmos ausgedehnt werden können, findet sich in einer Vorstufe bei Agricola: Obwohl ein jedes (DingI durch die ihm eigenen Merkmale abgesondert ist, haftel doch allen eine bestimmte gemeinsame äu~re Gestalt an, und alle haben die Ten. denz zu einer Ähnlichkeit ihres Wesens [... ]. Diese Gemeinsamkeiten also hat man deshalb loci genannt, weil sie ebensowohl alles, was nur von einer Sache gesagr wer· den kann, als auch alle Argumente in sich enthalten, da in ihnen wie in einer An 67 Zum Topos-Begriffbci Agricola ... g!. MACK (1993), bcs. S. 130-167. 68 SCHMIDT·BIGGEMANN (1983), S. 6-9.
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Zufluchtsort und Vorratskammer alle Werkzeuge zur Hersrellung von Glaubwür~ digkeir aufbewahrt sind. Ein locus ist also nichrs anderes als ein bestimmtes Merk· mal. das eine Sache mit anderen gemein hat [... ].69
Im Arrificium pnvrandi ist lediglich die Pointe anders gesetzt. Bruno geht von ei~ ner anthropozentrischen Perspektive aus: Für ihn liefert der in einer Topik erfaßte Mensch als nVorrarslager" all die bestimmten Merkmale. die neine Sache mit anderen gemein hat" und dadurch eine überzeugende Argumentation möglich machen. Brunos Wachs-Vergleich nimmt Agricolas Gedanken, alle Dingen hätten eine nTendenz zu einer Ähnlichkeit", wieder auf. Bruno überlagert die Topos-Definition Agricolas mit einer anthropozentrischen Sichrweise, auf deren Ursprünge ich in den folgenden Kapiteln noch näher eingehen möchte. Ferner knüpft Bruno im Artificium puorandi - auf einer vollkommen anderen Ebene - an die humanistische Rhetorikrradition an: Zur systematischen Erschließung sprachlicher Ausdrucksformen empfiehlt Bruno das planmäßige Exzerpie. ren der vorbildlichen Autoren. Auch diese Methode war, wie oben gezeigt. im Grunde eine Variante zur rhetorischen Topik. Wie schon allein die Systematik der inhaltlichen Organisation zeigt, steht auch Erasmus' De copia in dieser Tradi· tion. Topoi waren hier die Rubriken und Überschriften, unter denen Traditions~ gut gesammelt wurde, um es bei den entsprechenden Gelegenheiten wiederverwenden zu können. Bei Bruno wird das humanistische "Notizbuch" allerdings zu einem Alphabet: Damit wir zur rechten Zeit einen verfügbaren Apparat von Reden und je nach den Besonderheiten und Eigentümlichkeiten in allen drei Redegauungen einen Vorrat bestimmter Formeln zur Hand haben, sollen wir uns für all diese einzelnen Punkte eigene Buchseiten einrichten. Deren Art, Form und ausgewählten Gebrauch brauchen wir aber nicht aus unseren und aus den Büchern der Grammatiker heraus· fischen, sondern sie sollen so vorbereitet werden. daß, wenn wir uns ein Buch eines herausragenden Redners zur Hand nehmen, überall Säo.e und Phrasen, die zu einem jeden Zweck passen, gesammeh und in den ihnen zukomme':nden KJassen ver· u:ichnel werden und die man dann in die oben genannte Form von Alphabeten 70 bringen sollte.
Bruno knüpft im Artificium paorandi an diese klassische': Notizbuch-Methode an. Doch auch hier setzt er wieder eigene Akzente. Erasmus hatte in Dr copia ebenfalls die Verwendung des Notizbuchs als eine "Methode zur Sammlung von txrmpla" aufgegriffen. Als Topoi für das zu verwendende Notizbuch rät er zu kon~ [rären Begriffen wie nFrömmigkeit" und nGortiosigkeit", "GlauberTreue" und 69 Agricola, Dr invmrionr diakctica. $. 19 f. 70 Anifitium 11.10, S. 128 f. (395): Pro singulis horum, vt suo umport promptum oralionum apparatum rt formuldrum urtarum pro idiomatis cuiusq/d proprirtltu in tripliN' gmrn CaUUlT1lm habramus topiam. ofHJrtrt ~(Uliarrs paginas ron;rilurrr. Horum modum, formam, rt ukCtltm rationrm non a Grammaticis rt librUulis nostris dtbrmus rxaucupari. srd hac forma prtUparrnrur. v/ sumplO prlU manibus rxulLrmissimi oratons libro, prmim unumUts rt phrauJ lU1 propoJitum unumquoJqur prrrjnmUJ roUigrrulo ad proprins cuum, qunr hic nOfallU sum, rt quas ad alphabrtum ftl"mll prardicfa rt· digrrr ofHJrtrt. rtftrantur.
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PH1LQSOIlHISCHE INTERPRETATION
"Untreue" usw. Die topische Sammel~ und Ordnungsmethodik gah Erasmus als ein universelles Methodenkonzept. In AnknüpnlOg an D~ copia schilden Erasmus die topische Verwendung des Notizbuchs auch in seiner "Theologischen Methodenlehre" (Ratio s~u compmdium vmu th~%gjae): 71
Das heißt, du sollS( dir irgendwelche theologische Themen entweder selbst zusammenstellen oder sie, tx:reirs von einem a.nderen ausgearbeitet, übernehmen; auf diese hin sollst du dann alles, was du liest, wie in gewisse Nester sammeln; dadurch soll es dann auch leichter ersichtlich sein, was du c=ntlehnen und aufbewahren willsr. Erwa (um nur bespielhalber einige Gesichtspunkte anzuführen): Ober den Glauben, über das Fasten über das Ertragen von Übeln, über die Unterstützung der Kranken, wie man gonlose Amrsrräger emagen mÜSS(', über die Vermddung des Ärgernisses der Schwachw I...]. Wenn man sie dann nach der Zusammengehörigkdt und der Nichnusammengehörigkeir der Gegenstände geordner hat, dann muß man auf sie hin alles dnreihen, was immer sich an Maßgeblichem in allen Büchern des Alten Testamenrs, in den Evangelien und den Aposrelbriefen findet, was übereinstimmt oder sich widerspricht (wie wir es berdrs in unserer ,Copia' auch angegeben haben). Wenn es einem nun gut erscheint, könnte er auch aus allen Imerpreren, schließlich sogar aus den Büchern der Hdden hier zusammentragen, was er einmal für nüulich 71 halten könme.
Die Notizbuch·Methode wird dadurch zu einem Instrument, das eine Sammlung und Ordnung von Wissen ermöglicht und als methodisches Prinzip auf alle Wis· sensgebiete übertragen werden kann. Im Artificium perorandi saUen nun jedoch keine inhaldichen, thematischen Muster aus den Texten exzerpiert werden; Bruno geht es - im Hinblick auf das "Notizbuch" - allein um die copin v~rbornm, al· so um formale Argumemationsbegriffe. Die Alphabete der copia v~rbornm, die Bruno zuvor aufgeführt hatte. können nun als Rubriken, als Topoi also, verwen· det werden und so noch durch weitere Begriffe vervollständigt werden. Bruno schränkt diese Methode also strikt auf die Seite der rhetorischen mein. Der Gesamtblick auf das Rhemrikmodell des Artificium perorandi zeigt, daß Bruno sowohl für die copia lJ~rborum als auch für die (opia rmml verschiedene Aspekte des zeitgenössischen Topos-Begriffs realisiert. Betrachten wir zunächst die Topik der copia urum: Durch die Rückbindung seiner Topos.Theorie an die magische Sympathienlehre und die Vorstellung vom Makrokosmos im Mikrokosmos kommt Bruno zu einet radikalen Interpretation des Topos-Begriffs. Dennoch ist sein Verständnis der Topik in drei Hinsichten angelehnt an die Vor· stellungen von Topoi, wie sie die Renaissance wieder neu diskutierte. Zum einen
71 Erasmus, Dt fopio S. 258: Ergo qui dminauit pr omnt gmUJ au/orum !«t;O"t grJlJlOn· (nam id omnino umtl in vita facimdum ti qui vt{i/ inur muli/os habai). priUJ sibi qUilm plurimos fomparllbit !«os. &s sumtt partim 0 gtntribUJ oe panibus uitiorum virtutumqut. pllnim ab his qUilt runt in rtbus mortnlium pratcipUil, qwuqUt jrtq,""rissimt soknt i" sumk"Jg i"cidtrt. {. ..] Pura si/ r.umpli causa pn·mUJ focu.s pitlaS tt imitlaS. {. ..] Sit proximus si vidttur titulus fidn {. .. J; to/itUmqut fit prfidia. 72 Erasmus. Mt/hodUJ. S. 453.
BRUNOS RHI:.TORIKMODELL VOR SEINEM HISTORlSCHEN HINTERGRUND
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besirz.[ dieses Topos~Konzept eine universalistische Tendenz. Topoi werden verstanden als universelle ontologische Kategorien, in denen die Gesamtheit der Welt erfaßbar wird. Sie reduz..ieren die Komplexität der Welt auf eine durchgängige Snuktur, die sich in allem Seienden findec Agricola und Bruno gründen beide ihre Topik auf die Idee der Ähnlichkeit. Während Agricola von der ,.Ähnlichkeit des Wesens der Dinge" eine Reihe allgemeiner Wesensmerkmale ableitet, postuliert Bruno die Ähnlichkeit des Menschen zum Kosmos, durch die die Welt aus dem Menschen expliziert werden kann. Brunos Topos-Begriff vereinigt dadurch die bereits bei Aristoteles nachweisbare divergierende Deutung des Topos zwischen konkretem Sachbezug und Abstraktion. Bei Bruno können die Topoi ganz konkret aus dem Menschen abgeleitet werden und haben bereits dadurch eine allgemeingültige Universalüät. Ferner zeigt sich im Artificium p~rorandi eine inventive Funktion des Topos. Topoi dienen dazu, Prädikationen und Aussagen zu erzeugen und sind so die Grundlage für den heuristischen Proz.eß, bei dem die Welt zu einem Text geformt wird. Es ist jedoch jeweils das Durchführen eines Gegenstandes durch die Suchmuster, das Aufsuchen der ..Örter" notwendig, um Ähnlichkeiten zu ermineln und Bez.iehungssnukturen zu finden. Schließlich ha~ ben die Topoi eine Ordnungsfunktion. Topoi bieten Eimeilungskriterien, durch die eine geordnete Erfassung der Welt möglich wird. Die Ordnung der Topoi selbst kann keine Letztbegründung erfahren, aber auf ihr aufbauend läßt sich ein umfussendes Bild der Welt konstruieren. Auch im Hinblick auf die eopia verborum hat Bruno an die Tradition des Topos-Begriffs angeknüpft. Die topische Notizbuch~Methode der Humanisten führt Bruno als ein fundamentales Hilfsmittel ein, bei dem die allgemeinen, formalen Begriffe rhetorischer Argumentation, um die es ihm in der eopia verborum geht, ermittelt und geordnet werden (den Begriff wem verwendet Bruno in diesem Zusammenhang nie). Auch hier könnte man durchaus sagen, daß Bruno auf die universalistische, die inventive und die ordnende Funktion des Toposbegriffs zurückgreift. Nie sprachJichen Elemente, die in der eopia verbonlm zur Sprache kommen, sollen aufgefunden, systematisch gesammelt und schließlich miteinan~ der kombiniert werden. So betrachtet ist das Artifieium p~roral1di ein Rhetorikmodell, das ganz wesentlich topisch funktioniert. Bruno liefen in mancher Hin~ sicht sicher eine extreme Interpretation des Topos, doch bleibt gleichwohl die Anbindung des Artificium ptrorandi an zeitgenössische Denkmodelle offensichtlich.
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8.2 Der lullistische Kontex, 8.2.1 Das lullistische Modell Daß Bruno im Artificium p"orandi zumindest in der formalen Methodik an das spärffiindalterliche universalwissenschaftliche Modell des Raimundus Lullus anknüpft. ist auf den erSten Blick ersichtlich: Für die Variierung der ersten heiden Alphabete, die Bcuna im zweiten Teil des Artificium p~rorandi bei der Darstellung der copia v"borum einsetzt, fügt er dem Text eine Abwandlung der nach der
An magna des Lullus benannten "Vienen Figur" bei (siehe Abbildung I und 4). Diese geometrische Figur ermöglicht die Kombination einer theoretisch beliebigen (bei Lullus in aller Regel auf neun begrenzten) Anzahl von Elemenren miteinander, indem diese Elemente auf konzentrischen, drehbaren Scheiben verschiedener Größe abgetragen und durch Drehung in verschiedene Stellungen zueinander gebracht werden. Die Einwirkung des Iullistischen Universalmodells von Wissenschaft auf Brunos Denken ist äußerst komplex. Die lullistische Kombinatorik erfuhr in der Renaissance ein überaus breites Nachwirken und bot auch den enzrklopädischen Bestrebungen des 17. Jahrhunderts ganz wesentliche Anregungen. j Ich möchte im folgenden im wesentlichen auf zwei grundlegende Aspekte des Lullismus eingehen, für die in Brunos Rhetorikmodell eine Entsprechung gefunden werden kann. Zum einen ist dies die mit Hilfe von geometrischen "Maschinen" mechanisierte Kombinatorik, durch die eine Invemion von Wissen in universaler Dimension erreicht werden soll. Zum anderen möchte ich zeigen. daß das omologische Stufenmodell, das sowohl der Philosophie des Lullus als auch der Rhetorik des Artificium puoTandi zugrundeliegt, die Basis Rir heide universalistischen Ansätze bildet. Bereits Lullus selbst stellte eine enge Beziehung zwischen der Methodik seiner Universalkunst und sprach philosophischen Problemkreisen wie Kommunikation. Bedeutung und Zeichentheorie her. Die Lullsche Kunst wie auch der spätere Lullismus stehen von Anfang an im Spannungsfeld zwischen (scholastischer) Lo· gik und klassischer rhetorischer Lehre. Lullus selbst hat zahlreiche Schriften zur Rhetorik verfaßt, sowohl in praktischer Anwendung in Form von Predigten und 74 Traktaten als auch in der Theorie, etwa in seiner Rrthorica nova. Auch die rhetorische Komponente in Lullus' Denken rekurriert auf die zwei fundamentalen Komponenten seiner ars artimn, namentlich in logischer Hinsicht auf die geometrische aN combinatoria und in metaphysischer Hinsicht auf die im wesentli· ehen wohl neuplatonisch inspirierte Idee einer "Ähnlichkeit", die alle Seinsebenen
73 Vgl. Wffi Überblick SCHMIDT-BJGGEMANN (1983), S. IS5-211; Ross] (l960), S.63-129; Rossl (I % I). Dic rhclOrischc Im inwntilla bildctc auch cinc wichtigc Basis Hjr Bacons Wisscnschafukonupl. vgl. ROSSI (1968). S. 152-166. 74 Zur Bedcutung dcr Rhctorik bei Lullus vg!. dic umfassendc RckonSltuklion von JOHNSTON
(1996).
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durchdringr.7) LuJlus' Schriften zur Rhe[Qrik bilden deshalb keinen wirklich eigenständigen Bereich seines Denkens, sondern stellen eine Ausdifferenzierung seines Wissenschansmodells unter einer sprachphilosophischen Perspektive dar. Ein Einfluß der Lullschen Philosophie auf das Artificium p~rorandi zeigt sich in diesen beiden prinzipiellen, methodologischen Aspekten, nicht jedoch in der hi~ storischen, stark von der minelalterlichen an pra~dicandi geprägten, genuin Lullsehen Rhetorik. Die Kombina[Qrik des Lullus hane insbesondere auf die Theorie der Gedächt~ niskunst im 16. jahrhundert immensen Einfluß. Auch Bruno macht in seinen ersten, in Paris entstandenen Texten zur Gedächmislehre ausgiebigen Gebrauch 76 von der Lullschen Technik. Bereits Lullus selbst verstand die Anordnung der Buchstabenelemente auf geometrischen Figuren unter anderem auch als ein mnemonisches Hilfsmittel, das die Einprägung seiner Kunst ins Gedächtnis er~ leichtern sollte. Durch die räumliche Anordnung der Buchstaben konnte sich das Gedächtnis auf eine Visualisierung stünen, durch die der Vorgang der Kombinarorik zugleich einer Anordnung oder Bewegung der Buchstabenelemente im Raum entsprach. Neben Lullus war für Brunos Gedächmisweorie als ein zweiter Tradicions~ strang die klassische rhetorische Theorie des Gedächtnisses von Bedeutung. Diese stützte sich vornehmlich auf die bereits oben genannten Darstellungen bei n Cicero, in der Rh~ton·ca ad H~rmnium und bei Quintilian. Bruno selbst nennt als einen seiner Lehrmeister der Gedächtniskunst Petrus von Ravenna, dessen Aufarbeitung der aus der Rhetorik stammenden, traditionellen Gedächtnistheorie 78 im 16. jahrhundert weit verbreitet war. Auch Nr Petrus von Ravenna beruhte die Mnemotechnik auf einem Ortsystem: Man versuchte, sich ein möglichst komplexes Gebäude vorzustellen und innerhalb dieses Gebäudes Bilder und Gegenstände zu lokalisieren, die durch assoziative Verkenung zu den einzuprägenden Scichpunkten führten. Dabei hing es auch Petrus von Ravenna zufolge - wie es ja bereits in der antiken Mnemotechnik betont wurde - primär von der emo~ tional anregenden Eindcuckskran der vorgestellten Gegenstände ab. ob und in welchem Maße sie im Gedächtnis behalten werden konnten. 79 Durch das Ab~
75 JOHNSTON (1996), S. 70-82 bzw. S. 34-47. 76 Zu Brunos Lullismus in diesen frühen Taren lur Gedächlnistheorie vgl. VASOU (1958) und allgemein ROSSI (1959) und BOMBASSARO (1997). 77 VATIS (1966), S. 11-184. 78 Explicitt;o trig. fig.• S. 130: Hoc pri"npium rxfitit, '1uo ad artiJ mmlora"di ratio,us adst'llMndm sum promotus. Ipsum adhuc PU" 0( mo"immtis ~~""aliJ npiKart potl4i. Der Photnix siw dt artifirioJa nltmorin des Perrus von R:.venna, Erstausßlibe Venedig 1491. wurde lahJreich wiederauf· gelegt und auch übe:rserl'.l, vgl. YATIS (1966), S. 107 mit Anm. 19 und 20. 79 Pelrus von Ravenna rät daw, man solle:, wenn man sich ein bestimmtes Objekt besonders effektiv ins Gtdächtnis einprägen wolle. in seinem Onsysrem ~junge Mädchen einsetzen: trgo habt utiUissimum i" artifiriosa mtmoria '114M diu MOli 0( putkrt. si dto mtmi"isst OIpiJ uirgi"ts pulrlxrn·maJ
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schreiten dieses Gedächtnis-Gebäudes in Gedanken konnren dann die memorienen Inhalte wieder abgerufen und aktiviert werden. Bcunos originelle Leistung bestand nun in der Verschmelzung dieser heiden Traclirionssrcänge, der lullisuschen Kombinatorik einerseits und der rherorischen 1IO Gedächrnistheorie andererseirs. Während bei Lullus die Elemente, die er auf den drehenden Scheiben lokalisierte. allein durch Buchscaben repräsentiert WUTden, sente Bcuna beispielsweise in De umbril ituarum auf die drehenden Scheiben Bilder. die durch ihre besonders eindrucksvolle Wirkung das Gedächtnis des Benutzers stimulieren sollten. Diese Synthese hane nicht nur den Sinn, durch die Verkettung der beiden Mechanismen die Wirkung der Mnemotechnik zu erwei· tern; Brunos Absicht bestand - wie die neueren Untersuchungen zu Brunos Mnemotechnik deuclich machen - viel eher darin, eine neue Art der Logik zu begründen. die sich sowohl auf die Mnemotechnik als auch auf dje Kombinatorik stützen konnte (/ogica phantastica)." Die Verbildlichung als Vehikel des Denkens in Brunos Philosophie steht in der Tradition der aUegorischen. emblematischen und symbolischen Ikonologie der Renaissance.'l Das Ziel dieser Verbildlichung (insbesondere in D~ IImbris i&arum und in D~ composition~ imaginum) bestand nicht einfach darin, durch einen bestimmten Bestand an Bildern eine gegebene Anzahl von Worten ins Gedächtnis einzuprägen. wie djes im Anwendungsbereich der Rhetorik der Fall war. Brunos lullistische Gedächtniskunst sollte vielmehr dazu dienen, eine unendliche Anzahl von Wörtern durch eine festgelegte, endliche Anzahl von Bildern zu memorieren. War die Zahl der memorierbaren Wörter aber unendlich groß, so konnte die Kombinatorik auch und vor allem dazu benutzt werden. neue Ausdrücke zu generieren. Brunos Mnemotechnik erfüllte dann aber nicht mehr nur die Aufgabe, eine gewisse Menge von "gedanklichem Material" für den Benutzer jederzeit reproduzierbar zu machen, sondern sie war in dieser Form auch eine Kunst des Denkens überhaupt. Die lll1lsche Kunst war so verstanden nicht mehr nur ein Instrument zur Erweiterung rhetorischer Kunstfertigkeit; durch sie konnte nun eine logische Struktur eratbeitet oder konstruiert werden. die der Struktur der Wirklichkeit entsprach. Philosophische GrundJage hierfür war die platonische Ideenlehre. mit der in D~ umbm itkarum die Lullsche Universalkunsl verknüpft wurde. Es ist vor diesem Hintergrund ein auffallendes Phänomen, daß Bruno im Artificium p(rorandi gerade nicht mit Bildern arbeitet. Auf den Lullschen Drehscheiben rotieren hier Buchstaben, und diese Buchstaben repräsencieren keine Bilder. sondern sie stehen für die in den Alphabetlisten zusammengestellten rhetorischen und grammatischen Termini. In diesem Sinne handelt es sich beim Lullismus des Artificium prrorandi also zunächst durchaus um einen "klassischen" Lullismus ohne Einsatz von Bildern. Von dieser Abweichung abgesehen, kann
80 ROSS1 (1960), S. 10}-129 und 140. 81 C",rus Circat'US, S. 234. Vgl. Rossl (1960), S. 140 f. Vgl. hiel'lu LXXIII. und (19918). 82 VASQU (1958), 00. S. 264 f.
Y.;l.
SHJRU'.SE (l991A), S. LVI-
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aber die Verwendung der LuJlschen Kombinatorik im Artificium perorandi mit den oben angedeuteten Charakteristika des Brunoschen LuUismus in Zusammenhang gebracht wetden: Zunächst dient die Räderfigut dazu. den Vorgang der Kombination zu formalisieren. Der Benutzer der Brunoschen Rhetorik verfügt durch das Rad über ein anschauliches und umfassendes Instrument, mit dem er eine systematisch geordnete Verknüpfung der einzelnen Alphabetelemente bewerkstelligen kann. Zweitens dient die Lullsche Figur dazu, diese Kombination der Elemente aus dem Gedächtnis zu erstellen. Das räumliche Gedächtnis wird dadurch unterstünt, daß man sich die einzelnen Buchstaben in einer geometrischen Anordnung auf dem Rad vorstellen kann. Diese räumliche Lokalisierung der zu memorierenden Elemente ist das klassische Hilfsmittel der antiken Mnemotechnik. Schließlich kann mit Hilfe dieser Mittel nicht nur etwas Gegebenes ins Gedächtnis eingeprägt werden. sondern die Mechanismen dieser Kunst er~ möglichen eine produktive Gedächmisleistung, bei der aus einem Bestand von Gegebenem Neues entsteht. Bei den Erläuterungen. die Bruno in KapitellI.6 des Artificium perorandi zur Anwendung der Lullschen Kombinationsfigur gibt, deutet er all diese Elemente an: Wenn du daher begonnen hast, eine einzige Art Rede, nämlich das, was auf nur einen Typus Bezug nimmt, beständig auszuüben, könnrcst du dich beständig bemühen. ebendiesen zu Ende zu bringen. So erreichen wir es, daß wir durch diese Vorgehensweise nicht nach Zufall, sondern auf eine bestimmte, sichere Art und Weise folgerecht handeln, nicht unruhig und stockend, sondern indem wir mit fem:m und beständigem Mut das Vorhaben durchführen, wenn nur die Bedeutung der Zeichen 1J eines jeden AlphabetS fest und beständig im Geist hmct.
Wie diese Textpassage zeigt, geht es Bruno darum. mit Hilfe der Figur eine formale Operationalisierung der Variationen und Kombinationen zu erzielen. durch die mit Hilfe mentaler Gedächtnisleistungen ständig neue Redeformen erzeugt werden. Betrachtet man diese methodische Ausrichtung. so scheint es korrekt zu sein, das Artificium perorandi, wie es die große Mehnahl der Forscher bislang getan har. in die Kategorie von Brunos ..Lullistischen Schriften" einzuordnen. Neben den eben genannten Charakteristika lassen sich jedoch auch durchaus Akzentverschiebungen feststellen, die den Lullismus des Artificium perorandi von der Adaption des lullisrischen Modells in den anderen Schriften Brunos abheben. ROSSI sieht den LuJlismus Brunoscher Prägung insbesondere durch drei Eigentümlichkeiten bestimmt: (I) Bruno lehm eine nur zweckmäßige. eher zufällige Be7.iehung zwischen wcus und imago ab; beide sollten viel eher in einer logischen Beziehung
83 Artificium 11,6, S. 118 f. (3870: ItaqlY ~'fMlUo si CtNptris akbrart vnum orationis gmus, vtpot~ quod ad vnum lJPum rrftrrur, ad itkm prrficimdum ~rprtuo con~ndas. ltaq~ hacflrma rontingtt nos non ca.su, ud «Ha quadam rationr optran rol1Stqurnrrr, non trtpidanJq tt hanitanM, Sid firmo comtanriq~ spiritu propositum ptrllgmJq, dummodo cuiusqlY Afphabtti notarum signifieatio firmi. ur tt comtanur mtnti [lies: mmrij inhatrtllt.
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zueinander stehen. (2) Bruno ersetzt die üblichen Bilderlisten mir mythologi. sehen und astrologischen Bildern, die für ihn die innere Beziehung zwischen den einzelnen Bildern besser repräsentieren können. (3) Die Buchstaben auf den Rädern stehen für diese bildhaften Symbole. so daß diese Bilder die eigentlichen 54 Elemente der Kunst bilden. Alle diese drei Charakteristika treffen aber auf den Lullismus im Arrificium pnvrandi nicht zu. Die Operationen. die durch die Kombination der Buchstaben in den Alphabeten bewirkt werden sollen, sind im weiteren Sinne - rhetorischer Art, cl.h. sie sind nicht an die Imaginationskraft von Bildern geknüpft, sondern dienen zur Eneugung eines Textes allein auf der Ebene der Sprache. Auffallend ist am Anificium pn-orandi also gerade die abstrakte "Unsinnlichkeit" seines Inhalts, die auf eine formale Diskursivicät be~ 8 schränkt zu bleiben scheint. } Auch dieses Merkmal scheint das Artificium p~r orandi näher an den genuinen Lullismus als an Brunos luUistische Gedächtnistexte anzunähern. Die LuJlsche Philosophie der An magna war von Anfang an sehr von ihrer Sprachgebundenheit geprägt, so daß zwischen ihrer Deutung als Lehre von allem möglichen Wissen oder als voHständige Beschreibung aller Sprachmöglichkeiten letztendlich kein Unterschied bestand und der Schrin hin ll6 zu einer rhewrischen Interpretation der Lullschen Philosophie nicht groß war. Beim ersten Alphabet in Artificium prrorandi 11,3 hebt Bruno hervor, daß er hier einige Begriffe zwammengestellt habe, "die in jeder Rede oder in den meisten einen Platz finden", und zuvor hatte er über diese Begriffe von "universellen For87 men und Vorgehensweisen" gesprochen. E.s besteht also ein offenkundiger Un~ terschied zwischen der Universalität der Lullschen und der hier für die copia v~r borum von Bruno dargelegten Begriffe: Während Lullus die Universalien der Welt "real" bei den Dingen zu erfassen sucht, bleibt Bruno in seiner Liste allein auf der Ebene des logisch-thewrischen Diskurses. Universal sind Brunos Alphabetbelegungen nut insofern, als sie die Gesamtheit des rhetorischen Systems (mit all seinen logischen Irnplikationen) zu umfassen suchen. Damit sind wit - nach dem logisch-kombinatorischen Aspekt des Brunoschen LuUismus - bei einem zweiten Punkt angelangt, der für die Bestimmung des luUistischen Charakters des Artificium perorandi wesentlich von Bedeutung ist: Die spezifische Anknüpfung Brunos an die lullistische Tradition wird in diesem Kontext nur dann verStändlich. wenn man den metaphysischen Erklärungswert, den Lullus für seine kombinatorische Logik beanspruchte, mit in Betracht zieht. Lullus hatte als Basis seiner Kombinatorik eine Tafel von Prinzipien (dignitaus oder praedicata absoluta) zusammengestellt, die er aus den Amibutionen Gottes ableitete und die daher als Prinzipien die gesamte Welt repräsentieren konnten. Erweitert wurden diese Stammbegriffe durch weitere Begriffsbestimmungen: re~ lacive Prädjkate (praedicata relata), Fragen (quaestiorm) , Subjekte (mbüetfl), Tu84 ROSSI (1960), S. 140 r. 85 Zur Bedeutung der Formhaftigk(it in Brun05 Denk(n vgl. rern(r Qrro (1991). 86 SCHMIDT-BIGGEMANN (1983). S. 157.
87 Artificium 11,3, S. 101 On): unnini 1/onuUi. qui wl in omni orationr vtl i1/ plun'mir Jorum hah('nt. - Artifirium 11,2, S. 100 (376): jormm atqU(' rationtr vniumaln.
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genden (virtuw) und Laster (vitia). Diese Lullschen Begriffe konnten nun als universale, den Bau der Weh konstituierende Kategorien gedeutet werden. Eine Kombinatorik, die von diesen ersten Prinzipien ausging, konnte daher auch universalen Erklärungswen beanspruchen. Bei Bruno wie bei Lullus können die auf den geometrischen Figuren zu kombinierenden Begriffe einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die ursprünglich Lullsche Kunst gründete ihren Anspruch, universelle Gültigkeit zu besitzen, gerade darauf, daß die Prinzipien dieser Logik aus den Attributen Goues, und damit aus den elementaren Bausteinen der Welt, abgeleitet wurden. Diese Sichtweise auf den Lullismus übernahm Bruno auch.88 Diese Begründung ist aber in Brunos Rhetorikmodell für das Kombinationsrad der capia v~rborum nicht zu finden: Bruno versucht zwar hier, umfassend und vollständig die Begriffsgruppen des sprachlichen Diskurses im Hinblick auf Grammatik, Logik, Stilistik usw. zu erfassen, doch eine metaphysische Verankerung dieser rein sprachlichen Operationen findet nicht statt. Bruno bleibt hier rein auf der Ebene der Sprache und versucht, allein die Mechanismen der Texter· stellung zu analysieren. Dennoch findet die Rückbindung an ein metaphysisches Konzept innerhalb von Brunos Rhetorikmodell stau, doch bleibt diese allein der capia raum überlas· sen. Hier allerdings bleibt Bnmo ganz im Kontext lullistischer Vorstellungen: Der Mensch kann deswegen als die Grundlage einer universellen Topik herangezogen werden, weil in der gesamten Welt eine strukturelle Einheit besteht. Zwar sind also die Elemente der capia vtrbarum, die Bruno auf den Kombinationsfiguren lokalisiert, nur in sprachlicher, nicht aber in metaphysischer Sicht universell, doch die Universalität des gesamten Rherorikmodells wird durch die capia r~rum garantiert. Die dort als methodische Grundlage herangezogene innere Verbindung aller Teile der Welt ermöglicht erst das postulierte Konzept einer Einheit des Wissens. In D~ umbris ,.!karum wird auf dieses Grundkonzept der "Stufenleiter der Dinge" mit fast den gleichen Worten verwiesen, mit denen Sruno diese Idee auch im Artifidum p~rarandi formuliert: Sruno postuliert, es bestehe "zwischen allem eine gewisse Ordnung und Verbindung" und betont dabei, er habe dies "bereits in den früheren Schriften" gesagr.89 Damit spielt er auf eine Stelle in D~ umbris id~arum an, in der explizit auf die Vorstellung einer scala natura~ verwiesen wird: Da nun zwischen aJlem eine gewisse Ordnung und Verbindung besteht, in der die umeren auf die minIeren und die mirtIeren den oberen Körpern folgen, werden auch die msammengeserzten mit den einfachen und die einfachen mit den noch einf3cheren vereint; das Marerielle ist mit dem Geistigen und das Geistige weiterhin mit dem Immateriellen verbunden. So gibt es nur einen Körper des universaJen Seienden, eine Ordnung, eine Leitung, ein Prinzip, ein Ziel, ein Erstes, ein Letztes. [... 1 Darum müssen wir uns mit aUer Kraft bemühen, daß wir bei den kleinsten Vorgängen im Geist die Leiter der Natur vor unseren Augen haben und so durch 88 Vgl. etwa Dt Ipte. Imll., S. 335. 89 Arrijicium 11,13. S. 131 (396): Q/lUz. /lt JiximUJ in Illpmoribus, in omnibus rtbus liClH (onntxio qlllud4m /. .. /.
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innere Vorgänge stcu von der Bewegung und der Vielheit zum Süllstand und zur Einheit zu gelangen versuchen. Wenn wir dies nach unseren Möglichkeiten verrichren, dann werden wir auch nach ihren Möglichkeiten von den wunderbaren gänlichen Werken umcrstü[Zt. Dazu ermunren und ermahm uns die vorgezeich90 nete Verbindung der Dinge und die Abfolge dieser Verbindungen.
Die hier formuüene innere Einheitlichkeit des Weltganzen bilder einen Eckpfeiler in Btunos Denken; diese Vorstellung spielt wieder in Btunos systematischem Spärwerk, der Frankfurter Trilogie, insbesondere in D~ monade numao et figura, eine konzeptuelle Rolle: Durch das Auf· und Absteigen auf dieser Leiter - den ordin~r scala~. wie die entsprechenden Kapitel auch don benannt werden - kann die Entfaltung der Welt aus der Einheit über die Zahl zur Vielheit nachvollzogen und die Komplexität der Welt diesen Stufen entsprechend betrachtet werden.'l Das Bild der Leiter der Natur hat daher innerhalb von Brunos Philosophie auch n eine eindeutig erkenntnistheoretische Dimension. Es gibt eine innere Verkettung der einzelnen Seinssrufen, und das Ziel der Kunst besteht darin, einen Auf~ und Abstieg auf diesen ontologischen Stufen zu ermöglichen. Auch diese Vorstellung gehört ausdrücklich bereits in den Kontext des genuinen Lullismus, etwa im Lib(r d( asansu (( de5C(nsu.'J Nur in diesem Kontext ist also die Adaption der Lullschen Logik als einer umfussenden Methode des Wissens bei Bruno verständlich. Indem das Arrificium paorandi auf djeser Vorstellung basiert, wird es zu einer Universalkunst im genuin Lullschen Sinne. Brunos Rhewrik kann als ein universalwissenschafdicher Ansatz interpretiert werden, in dem das Lullsche Modell produktiv verarbeitet worden ist. Das Rhe~ wrikmodell des Artificium paorandi kann dem universalwissenschafdichen Konzept des Lullus vergleichend gegenübergestellt werden; Bereits im VorwOrt zum Arrificium perorandi hatte Bruno in Anlehnung an den pseudo~aristotelischen Brief an Alexander auf den universellen Deurungscharaktcr und die Erkennmisfunktion der Rhetorik verwiesen und in allegorisierter Form die Rhetorik selbst als die Lenkerin und Leiterin des menschlichen Lebens vorgestellr. Konkret hat er die drei Redegatrungen der Rhetorik, die das Aufbauprinzip des gesamten Artifidran p(rorandi bilden, im ersten Kapitel als eine Einteilung übernommen. in die man "wenn man sie in einer breiteren Bedeutung auffaßt, jeden Gegenstand der
90 Dt umbris, S. 29 f.: Cum vtro i" rtbus omnibus ordo sir alq~ eo""txio, UI inftriora mtdHs tt mtdia suptrioribus sueuJa,,/ eorpon'hw. eompoJita Jimplicibus. simp/ida simp/idorihus uniantur, matuia· /ia spiriruaiibus, spin'tua/ia pronus inmattria/ibus adhatrtam, u/ unum si/ ullivtni tl/tis eorpw, UIIUS ordo, una gubtrnatio, unum prineipium, unus finis, unum primum, unum txtratmum. {... } iliud obnixt nobis Nt intmldndum, ut pro tgrtgiis animi o~rlltionihus nmurat scbalnm ,mtt oru/os habtnlN, stmp" n mo/u. tt mu/tiludint, ad statum tt unitattm ptr imrimtetlJ o~rarionts ttndtrt eonItndnmus. Quod (um pro ftcubatt pranti/trimus. pro ftrvbmt lfuoqUt diuinis mubirudini mirabi/ius optribus eonfomlabimur. Ad ipsum Ttrum pra<signara (on'ltxio, n eonntxorum (onstfJutmia nos co'lfimn
92 $PRUIT (1988). S. 89 f. 93 Pl.,A'n:ECK (1%2-1964). Band I. S. 117-120 und 379-383; YATES (1966). $. 166-168.
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Beuachtung" einbeziehen könne.~ Diese Formulierung erinnert an die lullistische Ausrichtung auf omne sdbik, auf den ganzen Bereich des Wißbaren. Im Hinblick auf dje methodische Praxis - durch die Verwendung geomcuischer Kombinationsfiguren - und auf die epistemologische Ausrichtung - der Kompeten2.bereich kennt keine thematische Beschränkung - ist Bruno in seiner Rhetorikschrift vom Lullismus beeinAußt. Der universalwissenschafdiche Anspruch des Artificium perorandi beruht jedoch nicht darauf, daß die Klassifizierungen des rhetorischen lehrsystems universelle Kategorien beinhalten, ähnlich wie die Lullschen Begriffstafeln auf göttliche und damit universelle Prädikate zurückgehen. Der genuine Kern von Brunos Rhetorikmodell liegt in einer anderen Idee begründet, die zwar auch eine gewisse Nähe zum Lullismus aufweist, sich jedoch nicht ohne weiteres aus dem Lullschen Modell ableiten läßt: Diesen methodischen Kern kann man in Brunos VOfSlellung vom Menschen als einer universellen Analogie festmachen. Brunos Topik im Artificium perorandi erstreckt sich nicht auf die göttlichen dignit4tes, sondern allein auf den Menschen. In dem Moment, in dem der Mensch mit Hilfe der Rhetorik vollständig erfaßt ist, läßt sich das univetselle Wissen in Analogie dazu entfalten. Die VorsteIJung einer Mensch-Kosmos-Analogie wird im Grunde in der scala n4turae bei Lullus ebenfalls gedacht: Auch bei Lullus kann die gesamte \Velt als eine wechselseitige Durchdringung, als Relationalität von Prinupien begriffen werden. Doch im Artificium perorandi kommt eine besondere, nämlich stark erkenntnistheoretisch akzentuierte, Wendung dieses Gedankens hinzu. Sruno rekurriert also im Arrificium perorandi auf zwei Denkfiguren des Lullismus: Zum einen dient ihm die Lullsche Kombinatorik als ein "Regelsystem zur Erstellung von Strukrurgemgen", durch das Relacionen systematisch generiert werden können, zum anderen stÜtz.t sich Brunos Rhetorikmodell auf die Vorstellung einer "Analogie zwischen den Seinsstufen", einer "durchgängigen Struktur in allen Teilen der Seinshierarchie".9s Ich möchte im folgenden Kapitel 8.2.2 noch näher auf die heuristische Relevanz dieses Konzepts eingehen, das neben einer ontologischen auch eine - im Hinblick auf das Artificium perorandi vor allem interessante - erkenntnistheoretische Lesart eröffnet. In Kapitel 8.2.3 möchte ich dann in einem zweiten Schritt an hand dreier lullistischer Vergleichstexte die Bez.iehung rhecorischer Konzepte zum Lullschen Modell beschreiben. Diese T exre sollen zeigen, daß Brunos rhetorisch-lullisrischer Ansatz durchaus dem Konzept des Artifici11m perorandi nahekommende, zeitgenössische Parallelen kenne.
94 Anifieium I, I, S. 28 (339): Itnq~ Me trip/lX gmw steundum omp/iortm significotiontm oectptum, omnrm comiduotionis mattn·om, non eiuilnn modtJ, wrum triam oeaMmicom sm philosophieom gtnrra/ittr dictam stu ThrokJgieom includit.
95 ßLUM (l980), 5. 24 r. Auch BLUM hebl in C:1"Slc:r Linie: diese- beidc:n Komp>nc:nlc:n ah wc:sc:mlich Hir ßrunos Lullismus hc:rvor (5. 23-26).
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
8.2.2 Mensch und Universum in Analogie erkenntnismeoretische Dimensionen Der zentrale Gedanke. auf den sich Brunos Rhetorjk~Konzepf im Artificium ptyorandi stützt, besteht in der Vorstellung, der Mensch könne als ein Analogon zu allen Bereichen der Welt begriffen werden, so daß alles. "was auch immer über den Menschen ausgesagt wird, auf entsprechende Weise über all jenes gesagr werden kann".'16 Mit dem Verweis auf diesen Analogie-Gedanken leitet Bcuna den Abschnin seiner Rhetorik ein. in dem er eine Topik des Menschen, die copia rtrum seines Rhetorikrnoddls, erstellt. Die "sprachJiche Erfassung" des Menschen ist, legt man diesen Analogie-Gedanken zugrunde, mü der sprachlichen Erfassung der Welt gleichzusenen. Diese Vorstellung bildet die zentrale GelenksteUe 97 und den methodischen Hauptgedanken von Brunos Rhecorik. Die Frage nach der Stellung des Menschen im Kosmos gehört zu den Grund· problemen, auf die das Denken der Renaissance wieder in besonders intensiver Weise eine Antwort zu finden suchte; die Bedeutung dieser Fragestellung für die· se Epoche wurde mindestens seit den für die Erforschung der Frühen Neuzeit grundlegenden Arbeiten von jACOB BURCKHARDT mit der bekannten Formel von der nEntdeckung der Welt und des Menschen" in vielfältiger Weise in der hion storischen Forschung erörtert und diskutiert. Eine der wirkungsreichsten Stellungnahmen aus der Frühen Neuzeit zu dieser Frage bildet Pico della Mirandolas Orario de hominis dignirau. Der Mensch wird dort als ein Wesen bestimmt, dem bei der göttlichen Schöpfung keine festgelegte Stellung im Kosmos zugeschrieben wurde, sondern das vielmehr in sich die Möglichkeit enthält. sich an alle Ebenen der Schöpfung anzugleichen und sich so sein eigenes Wesen selbst zu schaffen. Der Mensch kann etwa ein "tierisches" Leben führen, das allein auf den Nah· rungserwerb ausgerichtet ist, das aber an Kultur und Wissenschaft nicht interessiert ist. Es ist dem Menschen aber auch möglich, sich kraft seiner Wandlungsfahigkeit bis in die Sphäre des Göttlichen zu erheben. Im Hinblick auf diese (in er· 99 ster Linie neuplaconisch geprägte und auch von Cusanus zuvor aufgenommene ) Traditionslinie war für Bruno vor allem die magisch-mystische Interpretation der Makrokosmos-Mikrokosmos·Vorstellung von Bedeutung. Bruno interpretiert die hermerischen Schriften als Ausformulierung dieser offenen Anthropologie. Ein großes Wunder wird der Mensch von T rismegisms genannt. da er in GOIt ülx:rgehen kann und gleichsam Gon werden kann, und weil er versuchen kann, al96 Artificium 11,13, S. 132 (397): {. .. I tr itko quicquid dieitur tU homü" pro IUO Cllptu d~ iiliJ din ptJ+ tnt.
97 Zur Geschichte dies<':f Denkfigul vom Wechselverhältnis zwischen Mensch und Kosmos vgl. den umfassc:nden hislorischen Längsschnitt bei SCHMIDT·BIGGEMANN (1998). Kapilel IV. MKosmos anth1oposM. S. 205-319, zu dies<':f Idee speziell in der Renaissance ALBERllNI (1999) sowie GEN"llL.E (1925), S. 33-96. Eine T cxuammlung :.IUS dem - im weiteren Sinnt - humani+ nischen Konlcxt dies<':r Vorstellung findtt sich in CAS$IRERlKRiSTELLERlRANDALL (1948). 98 BURCKHARDT (1%6), S. 261-331, erstmals Basel 1860. 99 FI..ASCH (1998), S. 154 f.
BRUNOS RHETORIKMODEu.. VOR SEINEM HISTORISCHEN HlrITERGRUND
les zu w~rden, wie auch Gon alles ist; ohn~ Ende strebt er [... ] zu 1OO wie auch Gon unendlich, unerm~ßljch und überall ganz ist.
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sein~m Obi~k[,
Die freiheitliche Subjektivität, die hier dem Menschen zugeschrieben wird, eröffnet ihm die T rannendenz der irdischen Welt bis hin in den Bereich des Göttli~ ehen. Menschliche Erkenntnis wird als der unendliche Versuch der Annäherung und Angleichung an Gou verstanden. Auch das philosophische Konzept des Lullus beruht auf dieser Grundannahme, wonach der menschlichen ErkenntnisflLhigkeit prinzipiell die Möglichkeit offensteht, sich auf den verschiedenen ontO101 logischen Ebenen auf und ab zu bewegen. Der gesamte Kosmos iSt demnach ein relationales Gefüge, auf dem der Mensch mit Hilfe der Lullschen Methodik auf seinen verschiedenen Stufen auf~ und abschreiten kann und dadurch den Kosmos als ein Relationsgeflecht wahrnehmen kann. Während nun aber in dem eben skiwerten geisresgeschichtlichen Kontext von der subjektiven Erkennmismöglichkeit des Menschen die Rede ist, scheint da.s Artificium perorandi in der genannten Analogie-Vorstellung zunächst eine andere Denkrichtung aufzuweisen. Bruno formuliert in seiner Rhetorik ausführlich die erkenntnistheoretische Dimension, die der Mensch als Objekt der Sprache bietet: Der Mensch als der Redegegensta.nd einer auf universelle Erkenntnis gerichteten Rhetorik stellt eben nicht das Subjekt, sondern das Objekt rhetorisch geformter Sprache dar. Bruno spricht an dieser Stelle nicht von der subjektiven Erkenntnisfahigkeit des Menschen, sondern von dem Rang, den det Mensch als Objekt der Erkenntnis einnehmen kann, und die Universa.ltopik, wie sie Bruno im zweiten Teil des Artificium perorandi vom Menschen zu erstellen versucht, erfußt den Menschen als Redeob;ekt; über die subjektive Erkenntnismöglichkeit des Menschen ist dadurch noch nichts gesagt. Bcuno denkt hier - anders als etwa Pico - nicht die subjektive, freiheitliche Unbestimmtheit des menschlichen Wesens, sondern der Mensch wird als ein Mikrokosmos verstanden, dessen innere Strukturen Rückschlüsse auf die Strukturen der Welt zulassen. Es erscheint daher angebracht, die in dem von Bruno formulierten AnalogieGedanken enthaltene etkenntnistheoretische Dimension näher zu beleuchten. Im folgenden möchte ich versuchen, Brunos Konzept von Rhetorik unter dieser Perspektive als eine Erkenntnismethode zu deuten. Dabei liegt eine methodische Annäherung an diese Frage von den zwei Richtungen her nahe, die ich eben skizziert habe. Es ist auf einer ersten Ebene zu fragen, wie Bruno diesen fundamenta~ len Gedanken der Analogie zwischen dem Menschen und jeglichem Seinsbereich 100 {h immtnso, S. 206: Miracuium magnum tl TrismTslQ tlpptUabiturhomo, qui i/'J Mum tranKat quasi ipst sir tkus, qui cematur om/'JUt jim, sicut MUS t'Sl om/'JUt; rJd objmum si/'Jr ji/'Jt {. .. / CO/'Jtrndit, sicut i/'Jji/'Jirus tst drus. immmsus, ubiql« rOIUS. Der Verweis auf diese Stelle aw den Htrmrrica, Ascu-pius 6, ist vor allem dadurch bekannt, daß Pico ddla Mirandola sie in seiner Ortlrio M hominis dignitlltr, 1, an den Anfang slell!. Vgl. YATIS (1%4), bes. S. 28. Zur Gönlichkeil des Menschen im Hermerismw vgl. auch BURKE (1974), bes. S. 101 f. und YATES (1988), S. 147168. Zur Rezeption dieses Gedankens aw dem Kreis der florentinischen Akademie vg!. PAP! (1968), S. 167-178. 101 Rossr (1961), 5.190.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
denken kann. Welche philosophischen Implikarionen sind darin enthalten? Worauf kann sich die Mensch-Welt-Analogie gründen? Eine zweite Ebene wird durch die Frage danach gebildet, inwiefern für Bruno dieser Analogie-Gedanke in einem rhetorischen Prozeß Bedeutung haben kann, cl.h. in welcher Form Sprache überhaupt die Eigenschaft zukommen kann, als ein Instrument menschlicher Er· kenntnis brauchbar zu sein. Es ist also die Frage zu stellen, welche Rolle der Mensch als sprechendes Subjekt und als ropisch erfaßres, ..besprochenes" Objekt
im RhecorikmodeLl des Anificium perorandi spielr.
I01
Fragen wir zunächst nach der objektiven Rolle: Wie wird die Analogie zwischen Mensch und Welt im Artificium perorandi gedacht? Die Vorstellung von der Verwendbarkeit der Topoi als grundlegendes Instrumentarium zur Bildung allgemeiner Analogien wird von Bruno einleitend z.ur Topik der copia rerum, also erst im Schlußteil des Artificium perorandi, formuliert, doch bereits im etsten Teil des Textes war dieser Gedanke vorbereitet worden. In Kapitel 1,1 stellt Bruno die drei Redegenera, "wenn man sie in einer breiteren Bedeutung auffaßt", als Modellfalle für jegliche Fragestellung vor und eröffnet dadurch rur die Rhetorik eine thematisch universelle Ausrichtung, so daß man mit ihr ..jeglichen Gegenstand der Betrachtung, nicht nur einen bürgerlichen, sondern auch einen akademischen oder einen ganz allgemein philosophisch zu nennenden oder auch einen theologischen" behandeln kann. 10' In diesem Sinne kann die ursprünglich soziale (..bürgerliche") Funktion der Rhetorik, also ihr eigentümlicher Einsan bei politischen oder sonstigen, allgemein gesellschaftlichen Anlässen, wie sie von den drei Redegenera umrissen werden, in eine rhetOrisch-wissenschaftliche Methodik umgedeutet werden, genau dadurch nämlich, daß der Bereich des Menschlichen in Rhetorik wie Wissenschaft den fundamentalen Ausgangspunkt liefern muß. Schon im erSten Kapitel des Artificium perorandi erscheint die Rhetorik also als eine universalwissenschaftliche Technik, die ausgehend von ihrem ursprünglichen Verwendungsbereich, der ..bürgerlichen Diskussion", auch auf alle anderen Wissensbereiche erweitert werden kann. Bruno spricht bei seiner Analyse der rhetorischen amplificatio, also eines in Brunos Kommentierung der klassischen Rherorik durchaus zenualen Begriffs, davon, daß bei rednerischem Lob und Tadel stets eine Relation zur Ebene des Menschen herstell bar sei. Die amp'ificat;o, die nun anhand des Emporhebens und Schlechtmachens von Menschen betrachtel wird, lSI gemeinhin gühig für Lob und Tadel von allem; auf dieselbe Weise nämlich rühmen wir eine Gesellschaft und einen Staat wegen seiner
102 Die Verwendung des Subjekl-Begriffs Hir Brunos Philosophie ist - im Hinblick aufOescanesproblematisch, besonders wenn es um erkenntniSlheoretische Fragesiellungen geht. Wenn hier und im folgendem der Subjekt-Begriff r;üh. so referiert er nicht auf das Oescansche Vem2ndnis als unzweifeJbare G:wißheit jeder Erkenntnis. sondern der Subjekt-Begriff erschließt sich über die produktiven. mema.len Lcismngen. Zu dieser Frage vgl. FELLMANN (987) und (1989) s0wie BREMER (1980). 103 Artifirium 1,1. S.28 (339): ltaq~ hoe tripla gmw sreundum ampliorrm lignifieationnn aeuptum, omnnn ronlidrrationis maun'am. non riuikm modo. wrum rritlm aauümictlm sru philosophienm gmrralitn' dictam sru Throiogienm i"du4it.
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Gründer, Bewahrer und Tu&enden, wie auch Menschen wegen ihrer Vorfahren, ihrer Ehern und ihrer Taten. '
Für Brunos Wittenberger Zeit, also das unmittelbare Umfeld, in dem das Artificiurn puorandi entstand, können weitere Anklänge an diesen Grundgedanken gefunden werden. In Dt lampade combi71atoria, der ungefahr zeitgleich mit dem Artificium ptrorandi entstandenen Abhandlung zur Lullschen KombinatOrik, adaptiert Bruno für die Umsetzung seines Ziels nicht Methoden der Mnemotechnik oder der Rhetorik wie im Artificium p",orandi, sondern er lehnt sich streng an die von Lullus erarbeiteten Begriffe und Schemata an und diskutiert diese. Bruno stellt dabei ausdrücklich einen Bezug zu seiner eigenen, mnemotechnischen Lehre der Drtißig Sitgtl (gedruckt 1583) her, und er verweist explizit auch auf eine "rhetOrische" Deutung dieser Siegel: Wenn du Rhetoriker oder Dichter oder Prophet bist, dann füge aus allen Begriffen. die dir einfallen. entnommene Metaphern und Übertragungen hinzu. die du über Ähnlichkeiten, Analogien oder durch Verneinungen oder auf andere Weisen, wie wir sie im Siegel des A p e I I es und des Phi dia s eröffnet haben, anpaßt. So kann nämlich über alles alles gesagt werden, wie zum Beispiel über den Menschen Schlange. pflanze. Ben, Schaf, Löwe. Wolf, Wurzel, Zweig. St
Dieses Zitat zeigt durch den expliziten Verweis auf die Drtißig Sitge/ zunächst, daß ein prinzipieller, methodischer Zusammenhang zwischen denjenigen Mechanismen fesausteIlen ist, auf denen Bruno seine Mnemotechnik einerseits und seine im Artificium ptrorandi erstellte Rhetorik andererseits basieren läßt. Die beiden genannten Siegel des Apelles und des Phidias stellen Hilfsmittel dar. durch die sich Analogiebildungen erzeugen lassen. Die Siegel repräsentierten für Bruno vielfliltige Ordnungsysteme, durch die die Vielheit der Welt strukturiert und memoriert werden konnte. Die Idee, der Mensch könne als ein universelles Analogon verstanden werden, stellt Bruno als einen Grundgedanken innerhalb dieser Mnemotechnik dar. Die rhetorische Interpretation der Lehre von den Drtißig Sitgtln, deren Möglichkeit Bruno hier offensichtlich anrät, ist als eine Lesan dieses Aspekts von Brunos Philosophie interpretierbar. Die Rhetorik (oder auch jede sprachliche Äußerung eines Dichters oder "Propheten") bietet mit der ihr immanenten Orientierung auf den Menschen hin also ein den Siegeln vergleichbares Strukturierungsmuster, durch das mental eine Ordnung der Welt generiert werden kann. 104 Artificium J. I6. S. 57 (354): Ampliftentio. qWlt obsuunlur in rffmndis hominibus /Xl tbprimmdu. eommunis Nt ad omnium ItlUlkm rt vitllprrium, rtldnn mim rntionr crlrbramus ciuitatrm rt rrmpub. a suis jul/Mwribus, srruntoribus rt uirtutib. qUil homil/rJ a suis tnIlioribus, pllrrl/tibus rl jäcil/oribus. 105 Lamp. eomb.• S. 303 ff.: Si rktoricus /Xl poltn /Xl prophrlll, addr rx oml/ibus t"",il/is qUillioCllmqur occummt, llssumpras mrtaphoras sru trnnsltllionrJ. qum IXr similitudinrs. proportionn. /XI p" nrgatiol/rJ. /XIllliiJ modis qui in JigiUiJ A P r 11 i s lltqur Phi dia r a nobis aprriuntur. ae· eomodrs. Sie mim rk oml/ibus oml/ia dir; possunt, ut rk hominr ~ns. plal/ta, kctus. ouis. ko, lupw. radix. ramw. stirps. j'nutus, tnIlnw. eauda, drns rt a/ia al/tma miUia.
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rhetOrische Grundkonupt gliedert sich in Bcunos kosmologische Vorstellung von einem 5tufcnkosmos ein, eines inneren ordD fUllUrar, wie ihn Bruno auch als grundlegend für das mnemotechnische Konzc:pt in Dc umbris uuarum formuliert hane. Die Leiter (Ka/a) und die Kette (catma), die Bcuno eknfalls als Siegel beschrieb. stellen die entSprechenden mnemotechnischen Denkfiguren dar, und in der Expli€atio triginta sigi/iDrum stellt Bcuoo diese Beziehung der Siegel zu seiner früheren Schrift De umbriJ warum und zu seinem Lullus-Kommentar De architulUra lulliana ausdrücklich her.'ll6 Die Lullsche Kala natunu ist demnach ein Ordnungsmuster. das ein sowohl für sein mnemotechnisches als auch für sein rhetorisches Konzept brauchbares Srrukturierungssysrem bildet. Versteht man die Struktur der Weh als eine Entfaltung der göttlichen Einheit, so besteht zwischen den einzelnen Ebenen des Seienden ein lebendiger Wirkzusammenhang. Bruno adaptiert für diese Idee die auch im Lullismus betonte, traditionelle Vorstellung von einer Stufenleiter der Natur; dabei lehm er allerdings die mittelaherliche Ausprägung, die sich im aristotelischen Sphärenmodell des Universums mit seinem hierarchisch angelegten, omologischen ordo-Gedanken 107 manifestien, strikt ab. Für Bruno präsentiert sich die Struktur des Universums nicht in einer eindimensionalen, klar gestuften Gliederung. Vielmehr besteht zwischen allen Elememen des Universums eine sich ins Unendliche entfaltende Be~ z.iehungsstruktur. Die Analogien, die zwischen allen Bereichen des Seienden entwickelt werden können, erfaßt Bruno im Artificium pnorandi ausdrücklich auch und gerade als ModeU für den rhetorischen Prouß: Weil. wie wir o~n gesagt ha~n. in allen Dingen eine Ordnung und C'in ~isser Zuwnmenhang beslehl. so beslehl auch Ähnlichkeil und Verwandtschaft oder Verhältnis oder VerhähnismäßigkC'it. UnähnlichkC'it oder GegensänJichkeil; nachdem wir also einen Durchlauf durch eine Rede vornehmlich mit einem bestimmlen Inhall in einer Redegartung und mil einem Proposilum, vollendet haben, können wir ein Proposirum in ein anderes Proposirum umwandeln, indem wir die Begriffe anpassen und die Reihenfolge ändern, so daß nichl einmal die Künstler. die in dieser Disz.iplin ausgebildel sind, dieses Kunstwerk aufdecken können. Es gibt darin al$0 keinen Teil oder keinen Topos, der nichl genausogUl erSler wie auch milderer los oder lettler sein könnle.
Bruno nimmt eine, die gesamte Natur im Inneren verbindende Struktur an. durch die jeder Bereich des Seienden mit jedem anderen in Relation steht. Die 106 Si:. IlfjU., S. 81 f.; Exp/icilno tri:. li:.• S. 123 ((mit Verweis auf IR umbril. intmtio Joi11Ulurtiil. S. 27-29) und 127 ( (mil Verweis auf nonum fltput ~nJit~ I«tioniJ /ibri fk IZrchit«tfJril ilrtil LIIUia/'UU, S. 23 f.).
107 LOVE]O't(993).S.143-149. 108 Artificium 11,13. S. 131 f. (396 (); Qvia. vt Jiximlll in tuprrioriblll. in omniblll nbJu I~ (lt orJo n (()nnD:io rpuut/Ilm. itil ~tiIlm nt limi/itutio rt .ffinitill wl proJHIrtio InI proportiOffil/itAl. dulimi/i~ lnI rontr.lÜtAJ:
Iw poJtqum ""um o,.tionu JUC1mum romplnurimlll, in pnuripUII
'IwuiIlm 1IWtaUz in ~"'o tpW't rt prop.nito. ptnJllmlll proptnitllm UI1Nm in ./iJUI proptnihlm ronll""" IZPWrU "",,inu rt mNtilto orJin~. iw 1ft n~ ipli ilTtifittJ, lub ~wm Jiscip/itUl imtructi. ieImI .rtiftcium drplYlxntkr~'IJ«illlt. NIdI. mim /'ItrJ nt. lnI nuDIlI 1004. 'Iui non pouit tU< primIlI iU'Iw iltqW _dillllZtqW ~.frjmllJ.
BRUNOS RHETORlKMODEll. VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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lullistische Idee der scala natura~ steht auch hier im Hintergrund. Brunos Rhetorik weist dadurch eine enge Verbindung mit bestimmten metaphysischen Grundannahmen auf: Die Vielheit der Weh kann nur begriffen werden, wenn man die Realität als wesentlich relational betrachtet. In einen sprachphilosophisehen Kontext übertragen bedeutet dies, daß auch Sprache nicht als ein begrenzendes und definierendes, sondern als ein Beziehungen knüpfendes Medium betrachtet werden muß. Ein Seitenblick auf das sprachphilosophische Kom.epr des Nicolaus Cusanus kann zeigen, wie eng Brunos Rhetorik mit der neuplatonisch geprägten Metaphysik des Einen in Verbindung sreht.10'1 Gottes Schöpfung der Welt wird von Cusanus als ein Prozeß begriffen, bei dem sich die göttliche Einheit in die Vielheit des Seienden entfaltet. Diese Vielheit kann vom Menschen nur in ihrer Unterschiedenheit und Andersheit wahrgenommen werden; allein GOtt ist diejenige Instanz, von der keine Andersheit mehr gedacht werden kann: GOtt - und durch ihn dje lIO gesamte Schöpfung - ist ein non a/iud. Wenn Sprache die menschliche Wahrnehmung der Welt erfasst und beschreibt, kann dies nur über definitOrische, Anderes von Anderem abgrenzende Bestimmungen geschehen. So gibt es einen immanenten Grund dafür, daß Sprache bei der Erfassung des Göttlichen versagen muß. Das Einzelne wirft jedoch einen Widerschein des Einen zurück, insofern es eine Realisierung gewisser Aspekte des Einen in der Endlichkeit darstellt. Umgekehrt heißt dies aber auch, daß auch die Einzeldinge niemals in ihrer gesamten Dimension sprachlich erfaßt werden können. Wäre dies möglich, so enthielte diese sprachliche Erfassung eines beliebigen Dinges genaues und umfassendes Wissen über jegliches Ding. Phi los 0 P h. Mit bewundernswertem Scharfsinn hast Du einen Ausspruch des Trismegisrus erhelh, welcher sagee, daß Gort mir dem Namen aller Dinge, und alle Dinge mir dem Namen Gotres genannt würden. Lai e. Fasse Benannrwerden und Benennen in der Weise in Eines, daß sie in der höchsren Vernunft koinzidieren, dann wird alles klar sein; denn Gou isr die genaue Besrimmtheir eines jeden Dings. Hätte man also von einem einzigen Dinge ein genau besrimmres Wissen, so würde man damit norwendigerweise Wissen von allen 11l Dingen überhaupt besitzen.
Damit ist im Kern die Leitidee des Artificium p~rorandi formuliert: Der elementare Gedanke in Brunos Rhetorik, es genüge die vollständige rhetorische Erfassung eines einz.igen Redegegeostandes, um zu universalem Wissen gelangen zu können, wurde in seiner erkenntnistheoretischen Dimension bereits bei Nicolaus Cusanus formuliert. Und auch die Implikationen, die in dieser ideellen Vorstellung enthalten sind, werden hier kJar gedacht: Universalwissen kann durch universelle Er-
109 VgJ. w d~n folg~nden Ge
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
kenntnis erlangt werden. So füge sich dieser Aspekt von Bcunos RhetOrik harmonisch in sein Konzept der Einheirsmeraphysik ein. Bcunos Erarbeitung der Rhetorik steht also im Kontext seiner Konzeption der Weltseele als wesentlichem Bestandteil seiner Einheitsmetaphysik. In den italieni-
schen ~ialogen aus seiner ~it i~ E~fland ~at Bmno diese Weltseele,n-Leh.re ausführlich vorgestellt und diskutiert.
Von Ihr als der Wirkung des Einen Im
Seienden werden alle Teile der Welt eingenommen. Durch diese gedankliche Verknüpfung verarbeitet die Rhetorik Bcunos also einen ganz: wesentlichen Aspekt seiner Philosophie: die Monadologie. Jedes Element der Welt wie auch der Sprache steht in einem unendlichen Relarionsgeflecht, und im Ausgang von jedem beliebigen Objekt ist eine Annäherung an die, in ihrer Unendlichkeit auf lIl das Eine verweisende Struktur der Welt möglich. Erst durch diesen systematischen Baug kann die Rhetorik im Sinne Brunos als eine philosophische Erkenntnismethode verstanden werden. Der Begriff der Analogie, der in Brunos lateinischem Spärwerk in emer Linie mathematisch gedeutet wird, erfährt hjer eine Wendung ins Sprach1jche: Es ist die Analogie als eine Wirkung dieser Weltseele, die das Einzelne mit dem Ganzen zu einem Zusammenhang verbindet. Die innere Verknüpftheit des Kosmos eröffnet die Möglichkeit, durch die die vollständige Kenntnis eines Dinges den Weg zur Kenntnis aller Dinge und dadurch zu einer allumfassenden Erkenntnis zu ebnen vermag. Wie steht es nun aber mit der menschlichen Erkenntnisflthigkeit, oder genauer: mit der Erkenntnisfunktion der Sprache für den Menschen? Welche Position nimmt Bruno in der Frage ein, ob und wie Sprache eine Instrument menschlicher Erkenntnis sein kann? Das Artificium puorandi selbst - und es ist wichtig, dies zu betonen - weist in dieser Hinsicht, abgesehen von den Andeutungen in der Einleitung 2um Artificium p"orandi, eine argumentative leemelle auf: Die erkenntnistheoretischen Möglichkeiten des Menschen werden nur in Andeutungen erörten, wie überhaupt über die Fähigkeiten des "Redners" aus Brunos Rhetorik nahe1.u nichts zu erfahren ist. Diese leerstelle des Artificium p~rorandi kann jedoch dadurch gefüllt werden, daß man diese zweite Fragestellung nach der subjektiven Erkenntnisfunktion der Sprache als die Gegenseite der oben behandelten Frage nach der Bedeutung des Menschen als Objekt des Sprechens betrachtet. Beide Fragestellungen können sozusagen als die beiden Seiten derselben Medaille betrachtet werden: Gerade dadurch, daß in diesem Rhetorikmodell der Mensch als sprechendes Subjekt und als "besprochenes" Objekt koinzidiert, kann die Anwendung der Brunoschen Rhetorik eine erkenntnistheoretjsche Dimension entfalten - Sprache somit als Medium, in dem beim Erkenntnisprozeß eine Unterscheidung von Subjekt und Objekt nicht mehr möglich ist. Sprache ist ein rein menschliches Werkzeug, und umgekehrt ist deshalb auch der Mensch dasjenige Objekt, das mit Hilfe von Sprache am besten beschrieben werden kann. 112 Vgl. ~rwa Vi la CilUSil, S. 238-241 (.. Olxr dir UrJIlcht-, S. 62--64). 113 CAsSIRER (1922), 00. S. 292 f. Zu diesem C~dankcn in Brunos SI'RUIT (1989), S. 200-205.
~Erk~nmnis[hMric"
vgl.
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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In dieser Perspektive kann man das Artificium p~rorandi in einen Grundge. danken von Brunos Erkenntnistheorie einordnen: Bruno z.ufolge gibt es keinen privilegierren Weg zur Erkenntnis. Jedes Lebewesen besitzt dje ihm eigentümlich zukommenden Erkenntniswerkzeuge, und nur mit deren Hilfe ist es dem jeweiligen Individuum möglich, einen erkennenden Zugang zur Welt zu erhalten. Jede Erkenntnis ist dadurch nicht objektiv, sondern kann nur in Abhängigkeit von dem jeweiligen erkennenden Subjekt richtig gedeutet werden. Jede Erkenntnis ist durch dje prinzipielle Erkenntnismöglichkeit des Subjekts vorbestimmt, so daß umgekehrt jede Erkenntnis auf das erkennende Subjekt zurückverweist. Das Erkennen der Welt ist nicht ein abbildhaftes Projezieren von Strukturen in ein mentales Gefüge; Bruno beschreibt die beiden höchsten Instanzen der Er· kenntnis, den int(/Iectus und die mens, mit Hilfe von Spiegel metaphern. Beide Stufen menschlicher Erkenntnis stellen dabei zwei verschiedene Grade der Annä· herung und Identifizierung von erkennendem Subjekt und Objekt, eine Reflexion, dar: Während der int(/kct!1J ein "lebender Spiegel" ist, der "sowohl sieht als auch das Sichtbare, dem er entgegengehalten wird und das ihm entgegengehalten wird, in sich selbst hat", ist die mens, über dem Inlellekt und jeglicher Erkennlnis stehend, ein lebender und zugleich vollständiger Spiegel, in dem Licht, Spiegel und alle Figuren eins sind, [..] als ob der ganze Kopf ein Auge wäre, und der nach allen Seiten gerichtete Blick in einem einzigen Akt a11 das sähe, was über ihm und umet ihm, vor ihm und hinler ihm, und als ob er unteilbar sei - in ihm und außerhalb von ihm sei. 11'
Bruno versteht den menschlichen Geist daher als eine Meßinstanz, die in ihrer Erkenntnisbewegung bereits eine Maßgabe für die zu gewinnende Erkenntnis mitenthält. Der spezifisch menschliche Erkennmisprozeß geht dabei durch Messen und Zählen vor sich, wie Bruno im Rückgriff auf eine alte etymologische ll Ableitung des Begriffs mms von mmsurare, "messen" formulierr. } In De monatk schildert Bruno mit Begeisterung, daß die eingeborene amerika nische Bevölkerung nicht wie die Europäer mit Hilfe eines Zehnersystems zählen: Und die unbeschuhte Menschengattung im vienen ErdleiI, den wir Amerika nen· nen, bestimmt mit der Zwanzigheit, wie wir mit der Zehnheit, die Periode, mir der sie die Monade wieder aufnehmen (indem sie nämlich die Zehen auch noch bei der Zählung hinzunehmen)."~
Entsprechend muß bei den Tieren auch ein jeweils eigentümlicher Erkenntniszugang zur Welt bes[ehen. Bruno fährt in D~ monade fort: 114 Summtt trrm" S. 32: ~t dicitur in~Jlrrtio, quasi in~ma ketio, atqur si sptcuJum vitiUm quoddam sit, tum vidms, tum in g ipso habrns visibilia, quibus obiicitur IKJ qUil~ ifJi obiiciuntur /. .. J, &quitur mtns Jup"wr inuJlrrtu tl omni cognitiont, qwu /. .. / omnia romprthtndit tl proportionatur sprculo turn vivo tum pkno, quod uum m Jux, sptculum ct omnts figurlu, I... JSUul si caput totus rsgt ocuJus, tl undiqur visus uno tUIU viderrt luptriora. infuiora, anurioriA, posuriora, ~t. cum fit individuum. intm'ora ~t auriora. Zu dieser Spicgelmetaphorik bei Cusanus vgl. FLASCH (1998). S. 451 f, lU dieser Mm.pher bei Bruno umf.uscnd ÜTTO (1984). S. 305-310. 115 Sig. figilL, S. 215. 116 Dt montUk, S. 465.
172
PHILOSOPHISCHE I!'ITERPRETATION
Es wurde also von uns nicht dnfach so ~haupte(, daß verschiedene Ancn wegen ihrer Finger oder aus tieferen Gründen verschiedene Zahlen kennen, so wie sie auch verschi~ene Zahlen von Gliedern und - was sich aus den Gliedern ableitet - Figure=n haben: Für viele Vögel nämlich wird die Zahl (wenn sie zählen) durch die Achtzahl ihrer Zehen begR'nzt. und Spinm'n und Bienen bauen nach der Anzahl ihrer ll Beine ihren Wohnsitz und die Ecken ihrer Häuser. ?
Im Erkenmnisprozeß selbst sind also bereits gewisse Voraussetzungen beim erkennenden Subjekt gegeben, hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann. Es gibt eine unauflösbare innere Verknüpfung zwischen Subjekt und Objekt der . 111 Erkenntnls. Wahre Erkenntnis muß daher immer die Erkenntnis des SelbS[ einschließen. Auf den Gedanken, daß rhetorisch geformte Sprache ein Erkenntniswerkz.eug des Menschen sein kann, geht Bruno in seiner Rhetorik nicht explizit ein. Allerdings deutet Bruno im Einleirungskapitel zum Artificium p~rorandj, in dem er den pseudo-aristotelischen Brief an Alexander verarbeitet, darauf hin, daß Sprache durchaus eine erkenntnistheoretische Dimension aufweist. Er seellt dorr die Rhetorik dem "äußeren Sehen", also dem Gesichtssinn der Augen. gegenüber: Die Rhetorik vermitde dem Menschen die viel brauchbarere Fähigkeit, mit den "inneten Augen" zu sehen. Als eine Begründung für den Wen der Rhetorik nenne er: 13. Weil so, wie es angenehm ist, mit den äußeren Augen zu schauen, es noch viel 1l9 bewundernswerter erscheint, mit inneren Sinnen Einblick erlangen zu können.
Rhetorik wird hier gewissermaßen als ein innerer Sinn des Menschen verStanden, der uns - ähnlich wie das Auge - Erkenntnis der Welt liefern kann. Hinrer Brunos Rhetorik-Konzept steht in diesem Sinne also durchaus eine Vorstellung von einer erkenntnistheoretischen Funktion von Sprache. Und: Seine Rhetorik stellt sich im Grunde als ein Sprachkonzept heraus, das zwischen rhetorischer und dichterischer Sprachäußerung keine Trennung kennt. Rhetorik wird Sprach- und T extmeorie. Der Sprache wird die Möglichkeit einer Erkennmisleistung zugeschrieben, und die Sprachfähigkeit des Menschen kann folgerichtig als ein "Organ des Sehens" identifiziert werden. Diese Einordnung der Sprache sieht FELLMANN auch in der Erkennrnisrheorie, wie sie Bruno in den H~rojschm L~j dmschaftm schildert, gegeben: Der scholastischen Reduktion des Denkens auf Terminologie wird die Spl
117 Dr mOlfa.t:U. S. 465. 118 Zu dic:sem ~a priort in Brunos Erkenntnistheorie, wie es vor allem in Dr umbris zu finden ist. vgl. SPRUIT (1988), S. 78-97 (ML'origine ddl'ombra e I'a priori della cono5Cenz.a~). 119 Artiftnum, S. 26 (338): 13. Quia sicut iucundum rst orulis (Xurnis vidrrr, mulu) admirabiliw vidrtur nu unJib. inurnis pon, inspi«".
BRUNOS RHl:.iORIKMODEll VOR SEINEM HISTORISCHEN HIl'ITERGRUND
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philosophischer Ekenntnis ziehe. Die aristotelische Regelpcxtik ist ihm ein Greud, da sie den Dichter zum Nachahmer macht [...} Damit wird R.egelhaft~eit nicht geleugnet, aber die Regeln bleiben dem affektiven ImpuJs untergeordnet.
Brunos Rhetorik zielt (ganz im Sinne der von FELLMANN genannten Gegenü~r stellung von ..Terminologie" und ..Sprachemndung") auf die Erreichung der sprachlichen copia - und damit auf eine adäquate Weltbeschreibung - nicht durch das vollkommene Leugnen von Regeln. Aber die Regeln dienen nicht mehr wie in der klassischen Rhetorik dazu, gute und luueffende Argumente von schlechten und unbrauchba.ren zu unterscheiden und diese überzeugend vonragen zu können. Sprache besint vielmehr eine Eigengesenlichkeit. die der Redner für sich nunbar machen und in einen Sprachfindungsprozeß integrieren soll. Copja wird dadurch zu einem rhetorischen Leitbegriff, in dem Erkenntnis als produktiver Prozeß. als Bewegung. als fließen versinnbildlichr werden bnn. Bruno enrwirft in seiner Rherorik das Konzepr einer Texrtheorie; die Wirkung der so verstandenen "Rhetorik" auf einen "Hörer" isr irrelevant. Sie hat in diesem Sinne keine Mitteilungsfunkrion. sie bleibt auf das sprechende Individuum bezogen. Bruno har in der rhetorischen, von Erasmus inspirienen copja, verstanden als ein rrei~nder Sprachimpuls, eine sprachlich-rhetorische Methode gefunden, die UnendJichkeit der Welt in das menschliche Bewußtsein hineinzuspiegeln, Erkennendes und Erbontes mir einander zu vereinen. Die im Artifidum pn-orandj regdhaft dargelegte Methode zur Spracherfindung ruft die Produktion eines Tates hervor, der unendlich ist und stets auf allen seinen Ebenen einer Variation unterliegt. ERNST CAssIRER beschreibt diesen diaJektischen Vorgang der proz.essualen Annäherung an die Unendlichkeit mit folgenden Wonen: Obera.ll spürt man in der Verkündung seiner [sc. Brunos] kosmologischen Grundansicht dieses subjekrive Pathos; überall liegt bei ihm der eigentliche Accent nicht sowohl auf dem Universum. als auf dem Ich, das die Anschauung des Universums in sich zu eruugen hat. Die neuC' Wehansicht stellt sich durchweg in der Form eines neuen Impulsc:s, eines neuen Antriebes und Auftriebes. dar. Der Mensch findet sein wahres Ich erst. indem C'r das unendliche All in sich hinein zieht. und indem er auf der anderen Seite sich selbst zu ihm C'[Weitert,'I'
Sprachfindung ist mir Ich-Findung gleichzuserzen. 1U In Brunos Sprachtheorie treten das Ich und die Welr zusammen. Sprache gilt ihm ab kreatives, dynamisches Prinz.ip, das selbst und unabhängig von der Weh ein Denkmodell darstellt. und nur eben durch diese, sich ins Unendliche fortpflanzende und sich vervielf'alrigende, eigengesenliche Dynamik wird sie zum Abbild des Kosmos. Die inventive Funktion der Sprache eröffnet dem Menschen einen erkenntnistheoretischen Zugang zur Weh. Ähnlich wie die menschliche mms durch Zählen und Messen die Welt für den Menschen zu strukturieren vermag, so bon 120 FEllMANN (1989), S. XXIV.
121 CASSlREIl. 092n. S. 200.
122 Vgl. hie:nu ilum die: Thc:se von der lkUdlung ~en Unendlichkeit und Bewußtsein bei STADLER(1986).
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PHILOSOPHISCHE INTF.RI'RETATION
Sprache als ein spezifisch menschliches Instrument betrachtet werden, das für den Menschen ein Ordnungssystem eneugen kann. Sprache als ein Spezifikum des Menschen stellt also eine rein menschliche Zugangsweise zur Welt, gewi~rma· lkn einen rein menschlichen Spiegel der Welt dar. Der Gedanke, der Mensch unterscheide sich eben gerade durch das Sprachvermögen von allen anderen Lc· bew~n. ist eine alte Vorstellung, und - wie bereits oben dargestellt - wurde dieser Gedanke auch in Brunos Rhetorik programmatisch in der Vorrede formuliert. Seit ihren Anl1ingen in der griechischen Sophistik iSt die Rhccorik eine Kunsttheorie, die sich auf den Menschen richtet und ihr Instrument, die Sprache. ist in besonderer Weise ein menschliches Instrument, ein Instrument, das nur der Mensch als das .,sprachbegabre Tier" beherrsche. Rhetorik reflektiert nicht über eine objektive Erfassung von Tatsachen. sondern sie versucht als wissenschaftliche Disziplin stets. die Bedingungen und Wirkungen menschlichen Sprachgebrauchs auf formaler Ebene zu erfassen. Erkenntnis ist demnach keine objektive Erkennt· nis, sondern ein nach den bereits angelegten geistigen Strukturen verfahrendes Nachschaffen der Welt. Dieses Argument zugunsten der RhetOrik wurde bereits in der griechischen Antike von der sophistischen Bewegung verwendet. und wie BRlAN VICKERS betOnt hat. nahm man in der Renaissance sehr wohl die pro-rhetOrischen Stellung. nahmen des Sophisten Isokr:ates zur Kenntnis. während etwa die Polemik Platons gegen die Sophisten und die Rhetorik weitgehend im Himergrund blieb. IU Iso· krates diente die Betonung der Sprachfahigkeit des Menschen als emscheidendes Kriterium dafür, daß Rhetorik im eigentlichen Sinne Philosophie sei: In den meinen unS(:rer Fähigkeiten unterscheiden wir uns gar nicht von den Tieren: vielen sind wir an Beweglichkeil, Ausdauer und anderen Kriften sogar unterlegen. Ab<:r weil uns die Gabe angeboren in, einander zu übeneugen und uns S(:lbst im von uns gewünschten Lichl zu zeigen. haben wir nicht nur aufgehört, wie Tiere zu leben. sondern haben uns zusammengetan, Städte gegründet. Gesetze gegeben und Künste erfunden, und dank der Sprache haben wir D.SI alles Angestrebre auch wirklich erreiche (... ) Mit Sprache el'7.iehen wir die Unwissenden und bilden die Wissenden. 'Nichrs. was m;1 Verstand gelan wird, geschieht ohne Sprache', und darum wird Sprache 'zum Lenker alles Handelns und Denkens. und die Weisesten unrer . ,. 110 · am a11 ermelsren uns braue hen sie
Diese Gedanken erinnern an die Textpassage in der Einleitung Brunos zum Artificium perorandi. wo er die Rhetorik als .. Führerin des gesanllen menschlichen ln Ldxns", durch we ..alle klugen Handlungen vollbracht werden", vorführt. In 123 VICKER.S (1989), S. 124-128. Zum Streit um die RhelOrik zwischen PlalOn und der Sophistik. wie er sich in den platonischen Dialogen spiegelt. vgl. IJSSEUNG (1988), S. 16-30. 124 lsakrates. AnriMsis-&ek. 253fT.. 7itien in der Überscl2ung bei VICKERS (1989). S. 126 f. Zur Definilion des Menschen als ..sprach-Tier- im KontC'Xt der Ren2iwnce·Rhnorik vg!. auch VICKERS (1988), S. 270-276, bc:s. S. 272. Anm_ 55. Eine historische Einordnung dieser isokr.udschen Idee findet sich bei IJSSWNG (t 988). S. 31-42. 125 Artiftdllm. S. 26 f. (38): J4. QuUt Ji~t Prin«f» (iu;,atnn XUbnrutt, iUl faOlndJt sraliD /. ../ vniwrJIU vitM hurruuuu DIIJ( ~ "Uktur. SiqlliJnn Dmlln pnu/n"Ut~ IU"tUS DrlltU11I~ fNifidlintur,
qua bD"" iUkpta CDmn'llnn1U 1.. ./.
BRUNOS RHETORIKMODEU, VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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der Diskussion um den Wert von Philosophie und Rherorik war der Verweis auf das spezifisch menschliche Sprachvermögen ein Srn.ndardargument, und Bruno nimmt in der Einleimng zu seiner Rhetorik diese Argumentation auf. Die erkenntnistheoretische Dimension, die Bruno im RhetorikmodeLl des Ar· tificium ptTorandi entfaltet, kann auf zwei Grundgedanken zurückgeführt werden, bei deren Verknüpfung RhetOrik als eine Erkenntnismethode etabliert werden kann. Der eine Gedanke beruht auf der Idee, jedem Lebewesen komme ein eigener, zwischen den verschiedenen Anen unvermirtelbarer Erkenntniszugang zur Welt zu. Dabei projiziert das erkennende Subjekt zwangsläufig die individuellen Erkenntnisstrukturen auf das zu erkennende Objekt, so daß Erkenntnis nicht in einer Repräsentation des Objekts, sondern in einer Annäherungsbewegung zwischen Subjekt und Objekt besteht. Menschliche Erkenntnis besitzt dadurch in IU einem teleologischen Sinne kein Ziel. > Bruno nimmt damit einen Gedanken des Cusanus auf. "Alles echte und wahrhafte Erkennen", so hat dies CAsSIRER im Hinblick auf Cusanus formuliert, ist nicht auf ein bloßes Abbilden der Wirklichkeit gerichtet, sondern es stellt sters eine bestimmte Richtung geistigen Tuns dar. [... ] Der Geist gelangt nur dort zur wahrhaften Einsicht, wo er nicht ein äußeres Dasein abbildet, sondern wo er sich selbst und sein eigenes Wesen 'expliziert'. (... 1 Und wie die Grundformen der Anschauung, wie Raum und Zeit in diesem Sinne im Geiste 'impliziert' sind, so ist es auch der B~riff von Zahl und Größe, so sind es alle logischen und mathematischen Kategorien .. 1
Selbst die Erkenntnis Gones ist rur Cusanus abhängig von den erkenntnistheorem tischen Vorbedingungen des Erkennenden. RhetOrik, wie sie im Artificium ptr· orandi gedacht wird, kann dann als eine Form dieser Selbstexplikation verstanden werden. Um Rherorik aber als Erkenntnismethode ansehen zu können, muß auch der zweite Grundgedanke in dieses Konzept integriert werden: Sprache kann als ein spezifisches Erkenmnisprinzip des Menschen betrachtet werden, das den Menschen als "Sprachtier" von allen anderen Tieren unterscheidet. Ist dies der Fall, so spiegelt sich in der planmäßigen Anwendung von Sprache, in der Rhetorik also, die Struktur menschlicher Erkenntnis selbst. Begreift man Sprache als ein Spe-Lifikum des Menschen und Rhetorik als die systematische Lehre von der sinnrragenden Verwendung von Sprache, so muß die Grundkonstellation der Rhetorik, wie sie im Artificium puorandi formuliert wird, als das Sprechen des Menschen 126 Zu dieser amildcologischen Anthropologie vgJ. BREMER (1980), bes. S. 519-526.
127 CASSIRER (1927), S. 43. 128 Die anthropountristischc Sicht iSI somit nicht absolul, sondern man kann entsprechend auch eine "[eo7.cntrislische~ Siehl konstatieren, eine Sichl also, bc:i der e[W;l ein Löwe Gott als einen Löwen wahrnmrnen würde. Vgl. da2.U die bc:kannte Sidie bc:i Cusanus, D~ visioM Dri, Band 3. S. 114: Homo non POUlS iudicar~ nui IJUmaniur. QUIlndo mim homo tibi [sc. Deo} jäciem aunbuit extra hutmlnam s/Ucüm i/!am non qUll~n·t. quw iut!icium suum t'St infra rulturam hUlrulrulm eontraetßm. Et huius eontraetionis passion~m in iudüando non mr. Sie si ko jäci~m tibi artribu~rrr non nisi koninam iudicam ~t bof bovinam rr aquila aquiJirulm. Vgl. dazu FLASCH (1998), Ka· pile! V, 10: "Sehen als Gesehcnwcrdcn, Gesehenwerden als Sehen~, 5. 418-423.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
über den Menschen verstanden werden: Subjekt und Objekt der Rhetorik sind identisch, Sprache als spezifisches Werkzeug des Menschen reflektien über den Menschen. Letztendlich läßt sich dieses Rherocikkonzept Brunos nur im Rahmen seiner Meraphysik begreifen, in der die EinheirsvorsteUung des Kosmos eine tra· gende RoUe einnimmt. Aufgrund dieser Vorstellung von der universellen Einheitlichkeit der Welt, wie sie Bruna in der coincidmtia oppositornm bei Nicolaus Cusanus vorgeformr fand. kann wahre Erkenntnis nur eine Erkenntnis des Selbst 1 sein. l'J Wdrerkenmnis und Sdbsterkenmnis sind identisch. Durch diese Verknüph.mg wird eine innere. systematische Verbindung von Brunos Rherorikkon· zepr zur Erkenntnistheorie geschaffen: Rhewrik ist im Artificium pn-orandi für Bruno nicht die Lehre von der wirkungsmächtigen und überzeugenden Darstel· lung von Gedanken und Argumenten, sondern sie stellt in ihrem eigentlichen Kern eine Erkennmismethode dar.
8.2.3 Lullismus als Rhetorik Anhand weiterer Texte, die zum Vergleich herangezogen werden sollen, möchte ich im folgenden versuchen, die Verknüpfung des lullistischen Wissenschaftsmodells mit den Methoden der Rhetorik, wie sie bislang für das Artificium perorandi konstatiert wurde, noch näher zu charakterisieren. Ich möchte dadurch zeigen, daß Brunos Rhetorikschrift in ihrer Verbindung von LuUismus und klassischer Schulrherorik in der Traditionslinie eines Textgenres steht, das mit unterschiedlichen Gewichtungen die Verschmelzung des Lullismus mit dem System der Rhetorik zum Inhalt hane. Bei diesen Texten handelt es sich - aus der Zeit vor Bruno - um den Kommentar zur Lullschen An brevis von Heinrich Cornelius Agrippa, die pseudo-lullsche Isagoge in rhetoricam (1515), die von dem Pariser LuUisten Remigius Rufus ediert und möglicherweise auch verfaßt wurde und - unter dem Aspekt der Rezeption des Brunoschen Rhetorikkonzeprs - um Johann-Heinrich AlSteds Schriften Theatrum scholasticum (1610), den Consiliarius academicus (1610) und die Trigae canonicae (1612). Wie bereits oben gesagt, war die Lullsche Kunst auch in einer streng sprachbe· zogenen Perspektive im Sinne einer "Universalgrammatik" imerpretierbar, indem man den Unterschied zwischen dem mit Sprache formulierbaren und dem überhaupt möglichen Wissen nur gering akzentuierte. So verstanden war die Kunst des Lullus durchaus der Rhetorik vergleichbar: Mit einer gewissen, topisch orga· nisierten Menge von universellen Begriffen war es möglich, eine Rede zu verfassen, in der ein allumfassendes, enzyklopädisches Wissen dargestellt werden konme. Ob nun die neue Logik des Lullus als eine Art des korrekten Schlußfolgerns aus unbestreitbaren Protasen oder als ein Mechanismus, der mittels einer Topik neue Argumente erschließen konnte. verstanden wurde - letztendlich blieb 129 Zu den spezifischen Merkmalen der Cusmus-Ro-.eplion bei Bruno vgl. MEIER-OBER (1989), s. 23\-28\, zur coincitkntia oppositorum 00. S. 257-281 sowie NEUSER (1994).
BRUNQS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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nur die Frage zu klären, in welcher sprachlichen Form das so entscandene Wissen verminelt werden konnte. In diesem Sinne konnte man nun auch das rhecorische System in die Lehre der Lullschen Kunst einbinden (wie gesagt tat dies bereits LuUus selbst explizir). sie gewissermaßen auf die Rhetorik hin orientieren. so daß durch diese mechodische Erweiterung auch die Vermittlung des neuen Wissens in gebundener Rede in die Lullsche Lehre integriert werden konnte. Das Verhältnis zwischen LulJismus und Rhetorik konnte - wie die nachfolgenden Beispiele zeigen - verschieden gewichtet werden: Enrweder war das lullistische Konzept die Basis jeglicher Wissensermittlung. die der Rhetorik nur sekundär zur sprachlich ansprechenden Umformung des ermittelten Wissens bedurfte. oder aber der Lullismus selbst wurde als ein rhetorisches Modell interpre(ien, bei dem rhetorische Schemata bereits in die Kombinatorik der Begriffe eingebunden werden mußten. Ich möchte das Rhecorikmodell, wie es Bruno im Artificium p{Torandi vorgesteUt hat, nun den Texten der drei Autoren vergleichend gegenüberstellen, und zwar vor allem im Hinblick auf die folgenden Fragestellungen, die im Artificium p~rorandi im Vordergrund stehen: Worauf gründet sich in diesen Texten der Anspruch aufUniversalüät? We.1che Rolle spielt der Mensch als eine Stufe in der natürlichen Hierarchie der Seinsehenen? Und in welcher Hinsicht werden die Eimeilungsschemara der traditionellen Rhetorik mit dem lullistischen Konupt verknüpft? Heinrich Comdius Agrippa Als einen AnS2t2 2.U einer rhetorisch orientierten Interpretation des Lullus können die In artnn brronn RBymunJi Lullij Commmlilria des Comelius Agrippa idenri110 fizien werden. Agrippas Verknüpfung von Rhetorik mit Lullscher Kombinatorik wa.r Bruno nicht unbekannt. In einem seiner lullistischen Texte aus der Wittenberger Zeit, der Schrift D~ IamptUk combinatoria, die später zusammen mit Agrippas Kommentar in der Zetz.nerschen Sammlung lullistischer Texte ediert wurde. erwähnt Bruno ein Kornmenrarwerk Agrippas zu Lullus. das vermudich mit dem genannten identisch ist. Bruno bringt allerdings dieser Schrift nicht allzu viel Hochschät2ung entgegen: Durch die Aneignung der AusRihrlichkei( des Lullw versuchte Cornelius Agrippa, sich das Ansehen und die Ehre eines Mannes zu verschaffen, der - wie er selb$( oft betom - über ein unnü~ Vermögen verfuge (weit mehr als nach der Meinung der Meisten über ein v~r:ächdiches Vermögen), und er hat in seinen eigenen Kommenraren über dieses Thema nichr so sehr Lullus, als viel mehr sich selbsr erläu(ern wo11 en. '"
130 Zu Agrippas Lill-Kommentar vgl.. SCHMIDT-BIGGEMANN (983), S. 167-174; Rossl (1%1), S. 183-185; RISSE (964), Band \, S. 537-539" Ich oo,UlU' de:n Tat, der in der Werbusgabc: Agrippas abgedruclct wurde:. Der Lullw-Kommmw enchicn wiederum in der von Zm.ncr h~rawgcgeben Sammlung l:U Lullw. 131 !..Amp. comb., S. 235: A L,JJii lr4JitinltUt tbibitll Mmnt 0"lw prÜfm libi tomJNlTIlIY ItlUiuÜ 111 plurimum mIltu llUJ IadtmmUt PrlMt, i1U1lm pfun"1M",'" illliitio ","lnIf"t7fdat IUjJkimW Cor· ntülU AtripfNl. i1ui propriis IUp" h4« tommntusriis no" IlIm LulJiu'" 91Ul'" ~ ;PIU'" iUustTllTt t!4·
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Bcunos Uneil über Agrippas Kommentar ist insofern durchaus zuneffend, als der Verfasser selbst in der Vorrede betOnt, er habe in diesem Kommentar auf dem "Fundament der blllschen Kunst "ein Bauwerk errichtet". Die von Bruno kritisierte Erweiterung der Lullschen Grundlage ist durchaus von Anfang an inten2 diert. ' .l In der Tat bleibt nur der Anfang des ersten Kapitels dieses Kommentars recht eng an den Vorgaben der Lullschen Kunst. Hier zählt Agrippa die pratdicara absoluta, pratdicata rtlara, quaestionfi und die subiecrtl sowie die entspre-
chenden vier geometrischen Figuren auf und erläutere. wie man mir diesen Begriffen verschiedene Kombinationen erstellen kann. Soweit kann man dies in den Kontext des genuinen Lullismus einordnen. Eine Erweiterung allerdings nimmt Agrippa vor, die nicht direkt auf Lullus zurückgeführt werden kann: Auch die ari1jj stotelischen Kategorien werden auf einem Kombinationscad angebracht. In einem weiteren Schrin, dem fünften Abschnitt des ersten Kapüels, gibt Agrippa nun Anweisungen, wie dje genannten Lullschen Begriffsgruppen erweitert werden können. Denn wir können außer diesen Begriffen auch andere, außerhalb liegende, sogar vollkommen fremde und beliebig viele heranz.iehen, die wir dann auf genau dieselbe Weise durcharbeiren können.!}!
Agrippa verstand also die Lullschen Begriffsgruppen als nicht mehr wei(er reduzierbare Oberbegriffe, aus denen aber immer speziellere Begriffe deduziert werden konnten. Diese Entfaltung von Begriffen führt er nun durch. So können narr der Lullschen Subjekte auch beliebig spezielle Subjek(c verwende( werden. Agrippa führt hierzu ein Beispiel aus der Rhetorik an: Wenn in ähnlicher Weise nun eine Rede im gmus dffllomJTativum gehalren werden soll, also etwa über eine zu lobende Person, dann serze sie anstelle des Subjekts in die Miere, und schreibe um sie ihre Abstammung, ihre Familie, ihr Heimatland, die EIrern, die Vorfahren [... ] und zu diesen einzelnen Begriffen noch andere Bezeichnungen, so daß die Anordnung klar und einfach iSf und diese Dinge mit einander " Ijj verbd un en werdk en onnen.
Ein ähnliches Vorgehen schildert Agrippa auch für den Fall des g~nUJ tk'ib~rati vum, und entsprechend können nicht nur die subi~cta, sondern alle anderen Termini, die Lullus verwendet hane, erweitert werden. Zur Erläuterung schließt
132 133 134 135
Imravit. Symalnisch ist dieser San nicht ganz \dar. Ich deute BrUMS Hinweis auf die vamt suffi{irnNa als Anspielung auf Agrippas Schrin Dr vanitau seimtiarum, in deren 9. Kapitel er sich mit iiu!kmer Geringschiit1.ung über die Lullsche Kunst iiu!krt. Aßrippa, In arum brrvffl/, S. 317 f.: [' .. J {uius fimdamrnto innirus, iUli!uravi rtilt1tl rgo aliquod ardificium suprrsrrurrr, arq~ harr in arum brrvrm slKcin{ta {ommrntariola scribrrr {. ..]. Ag.tipp~, In artffl/ brtvrm, S. 326 f. und 449. Vgl. dazu SCHMIDT-BIGGEMANN (1983), S. 168. Agrippa, I" artrm brtvrm, S. 359: Possumus tamm prarur utos trrminos alios aeriprrr r>:tranros. rtiam alimissimos rt qUitntumlibr, mu!tos, prr qUDS rodrm modo discurTffl/us. Agrippa, In artrm brrl!('11l, S. 361: Simili rationr si in gmrrr iUmOl'/StraNuo oratio habrnda sit, vtputa in prrsona laudanda, p01lJttur illa tanquam pro subiruo in crntro, rt eirCllmJ{ribamus iUi originrm. grntrm, patriam. parmttJ, maior('S [' .. J, rt singulis istis alillS ,ktrrmimttionrs, VI rrrtus rt Jitcilis sit ordo, rt varir pOSJint har rrs intrr sr {ommisrrri.
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Agrippa einige selbst erneIlte Alphabetbelegungen aus den Bereichen Theologie. 136 Philosophie. Medizin und Ethik an. Über die Auffindung dieser neu erneUten Fach-Topoi sagt er einleitend: Es gibt nun aber auch äußere Begriffe. die nicht offensichtlich in dieser Kunst aufgezeichnet sind, deren vielfache Fülle jedoch aus der Vervielf'ahigung der Prinzipien hervorgeht, wie wir oben gezeigt ha~n [... ] und damit dies klarer wird, wollen wir einige Beispiele in Tafeln anführen; entsprechend werden wir dann ähnliche erstellen und sie auf die Figuren und Kreise setzen. indem wir die Menge der Begriffe mir ll1 Alphabetbuchstaben kennzeichnen.
Die Methode. mit der Agrippa hier Spezialropiken für bestimmte Wissenschaftszweige erstellt. ist rur den Lullismus des 16. JahrhundertS vielleicht ein früher, aber mit Sicherheit kein Einzelfall: Die lullschen Begriffe wurden häufig als eine vollständige Kategorienrafel interpretiert. als allgemeinste Topoi, aus denen man IM spezielle Topoi ableiten kann. War man einmal im Besitz dieser Topoi, konme man für einen besrinumen Wissensbereich wiederum mit Hilfe der geometrischen Figuren ein Wissen explizieren, das implizit bereits in der Universaltopik des Lullus vorhanden war. Die Bezugnahme auf die traditionelle Rhetorik wird im zweiten Kapitel von Agrippas Kommentar noch enger. Agrippa spricht hier in fünf Abschnitten konkrere Belange der Rooe an: Zunächst gibt er Anweisungen zur Variation bei der Form von Sätzen und zu den Methoden des Definierens. Dann kommt Agrippa auf die Argumeme zu sprechen und nenm die Formen von Syllogismen, die Teile einer Rede, dann auch eine Topik, in der die loea intrimtca und die wea ~trins~ea unterschieden werden. Alle diese Themen behandelt Bruno ebenfalls und in sehr ähnlicher Form im ernen Teil des Anificium pn-orandi. Auch im dritten Kapitel verarbeitet Agrippa zahlreiche Lehranweisungen der Rhetorik, so im groben die drei Hauptteile von Reden, ingr~sio. tkdurtio und eonfirmatio, und auch hier greift Agrippa wieder auf das rhetorische Lehrsystem zurück, etwa bei der auch von Bruno im Anificium pa-orandi behandelten Frage, wie die Zuhörer vom Redner attmh', dociks und bm(/Jo/i gemacht werden können. Abschließend setzt Agrippa an das Ende des dritten Kapitels drei Musterreden, die von ganz verschiedenen Themenbereichen handeln: Die erste dieser Reden handelt vom Fa· Sten; 139 die zweite Rooe übernimmt Agrippa wönlich aus der Isagog( in rhnorieam, wo diese als Beispiel rur eine enzyklopädische Rede am Ende des Textes wieder-
136 Agrippa, In arum brrrHm, S. 365-369. 137 Agrippa, In arttm brtvtm, s. 364: Sunt autm! um/ini atTanti.
quinmq~ non
sunt apmt in h.u artt notAri. qU4rum mubipkx ropia tmtrgit t:x mubipJicarionibus prindpiorum, ur lupra Mundimus /.. .} tt ur ista clariora sint, txnnpla aJiquA pu tabu/as ponnnus, iuxl4 quAt limilia jimnabimur. tt rtdlKnnus in figuras tt circu/os. s«undum multitruiinnn ttrmiMrum Jirtnis pratlignanM.
138 Vgl. e:rwa die: Vorgc:he:nswc:isc: von Pie:rre: Gr~ire: SCHMIDT-BIGGEMANN (1983), S. 165 f. 139 Agrippa. In arttm brtVt'm, S. 425-430.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
gegeben worden war.I
Das zweite und deine Kapitel von Agrippas
Lull~Kommentar
haben nicht
mehr viel mit den bekannten Elementen des Lullismus zu cun. Agrippa stellt hier gewissermaßen den Praxisbezug der Lullschen Kunst her. Allein durch die Aussa-
gen, die durch die logischen Operationen aus den Kombinationsfiguren gewonnen werden konnten. blieb der Lullismus eine Wissenschaft für Spezialisten. Agrippa zieht die Rhewcik deshalb gewissermaßen als eine Hilfswissenschaft her· an, um die lullistische Methode auch sprachlich vermitteln zu können. Diese Idee einer lulliscische Rhetorik hat im Hinblick auf ihr Modell nur sehr wenig rnü dem AnsatL zu mn, mit dem BNno im Artificium pn-orandi die lullisci· sehe Methodik mit der Rhetorik verknüpft. Agrippa rhetorisiert zwar die Lullsche Kunst, d.h. er integriert auch das Obeneugen des Zuhörers bzw. Gesprächspartners mit in die Theorie der Kunst. Agrippa interpretiert Lullus aber ansonsten in durchaus .,konventioneller" Weise, indem er den Universalanspruch der Kunst auf die Vollständigkeit der Universaltopik Stürzt. IU Auf der Basis der von Lullus ermittelten Oberbegriffe läßt sich jedes Thema behandeln, und die Rhetorik dient lediglich in einem zweiten Schritt dazu, die so eneugten Texte sprachlich besser vermittelbar zu machen. Eine wirklich systematische Verbindung der beiden Disziplinen gibt es in diesem Modell nicht. Unter dem Gesichtspunkt der Rhetorik ist die Deutung des Lullismus durch Agrippa in diesem Sinne sehr 143 oberflächlich. Betrachtet man im Vergleich dazu Bruno, dann zeigt sich eher eine andere Gewichtung. Bruno versucht eine gleichwertige Verknüpfung beider Künste. Er knüpft an LuUus in zwei Hinsichten an: einerseits im Versuch, eine vol1ständige Kombinatorik universeller Elemente zu erreichen, andererseits in der Vorstellung eines vollständigen Stufenmodells, bei dem eine Stufe unter bestimmten Umständen als exemplarisch für alle anderen angesehen werden kann. Die Kombinationsinstrumeme des Lullus potenzieren die Kraft. der Rhetorik sowohl auf der Ebene der verba als auch auf der Ebene der m: Sprache und InhaIr fließen bei Bruno in gleicher Weise in das kombinatorische Wissensmodell mit ein. Die universelle Topik des Lullismus wird modifiziert zu einer Topik des Menschen. die nur durch die Adaption des StufenmodeUs universell sein kann. Beide Ansäne sind daher im Grunde nicht miteinander vergleichbar. Brunos
140 Agrippa. In Dn~m br~wm. S. 431--436. Einleitend verweiSI Agrippa darauf. daß er diesen Textabschnitt aus der ~RhelOrik des Raymundus übernommen habe (S. 431): Alurum nunc (X~mplum mo, quod ponit ip" &ymundw in lU11 RJmonCD. Diese tnzyklopädischt Redt SIeht dann wieder in der Ztnnerschen Sammlung als oratio (X~mplanl auf S. 232-236. 141 Agrippa, In Drum br~lJmI, S. 436-448. Das Zilat steht in Sap. 1,7. 142 Auch VASOl.l (1958), S. 261 r.. beton! den ~meeea.nismo dialcttico e retorico d'immediato valore encidoptdico in Agrippas Kommeniar, wobei er aber Slark den mnemOlC'Chnischen Aspekt der Rhctorik hcrvorhebl. 143 RISSE (1964), Band I, S. 539, kommt zu dem Schluß: ~Im ganzen versucht er, die Denkpraxi.s der RhelOrik mort gtomtrriro zu sYSlematisieren'M
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Bezugnahme auf den Lullismus ist nur im Hinblick auf einige Elemente des Lullsehen Modells erkennbar, in anderen Hinsiehten jedoch übernimmt er rhetori· sehe Arbeirsmuster, während Agrippa das Lullsche Modell zunächst übernimmt und dann durch die Rhetorik lediglich erweitert.
Remigius Rufus Ebenfalls am Anfang des 16. Jahrhunderts entstand die Isagog( in rhetQricam,''''' und hier stößt man auf eine Verknüpfung von Rhetorik und Lullismus, die den Elementen von Bcunos Rhetorikmodell wesentlicher näher steht. Diese pseudolullische Schrift wurde von Remigius Rufus, einem Schüler des berühmten Pariser Lullisten Bernardus Lavinheta, herausgegeben, möglicherweise hat er sie auch l45 selbst verfaßt. Lavinheta war einer der prägenden Einflüsse für die "Renaissance" des Lullismus im Paris des frühen 16. Jahrhunderts. Er bemnte vor allem die enzyklopädische Seite der Lullschen Kunst, einen Aspekt, der auch in der Isagoge in rheloricam wesendich von Bedeutung ist (wie die beigefügte "enzyklopädische" Musrerrede zei ?:), und scharte ei.nen ~eis von Schülern um si0, zu ~enen l auch Rufus gehörte. Gedruckt erschien dieser T oct erstmals 1515 In Pans und wurde dann wie auch Agrippas Kommentar wieder in der Sammlung der lullisri· sehen Schriften von Zenner publiziert. Einleitend bietet dieser Text eine spiegel. bildliehe Perspektive zu derjenigen in Agrippas Lull-Kommemar: Hier wird das Modell des Lullismus in das System der Rhetorik integriert. Der Lullismus dient dazu, der Rhetorik, die hier im traditionellen Sinn als eine menschlich·soziale Disziplin verstanden wird, einen universellen Anspruch zu eröffnen: Ganz allgemein bert:l.chret rrelten sich in dieser Wissenschaft [sc. der Rhetorik] alle Wissenschaften. Die Aufgabe des Redners besreht darin, über die Din~ sprechen zu können, soweit sie mit dem Staat und den Belangen der Bürger zu tun haben sowie ··h mit I ren Ursac hen. '"
Em die Verknüpfung von Rhetorik und Lullismus führt hier also zu einer universellen Kuosc. Unterschieden werden als wesentliche Elemente der Rhemrik zunächst die subiuta und die applicati01us, von denen die Subjekte im ersten, die Anwendungen (applicationes) im zweiten Teil behandelt werden. Die Subjekte stellen die Topoi der Rhetorik dar, d.h. in ihnen ist all das erfaßt, worüber ein Redner sprechen kann. Dic= gesamte Redekunst besteht aus dc=n Subjc=ktc=n und den Anwendungc=n. Die Subjc=kte, die man zumeist Topoi odc=r Bc=griffc= odc=r Dingc= Im] nennt, sind inge·
144 ROSSI (1%0), S. 74-ni ROSSI (1961). S. 192-194; VASOll (1958), S. 260 f. 145 Lemc:res vermutc:t YATES (1966), S. 175 mit Anm. 28. Vgl. daw auch CURERAS Y ARTAU (1939-1943). Band 2, S. 214-216. 146 VICfOR (1975), 00. S. 504. 147 Ps.-Lullus. lsagogt in rhttorieam. S. 187; Ptrjimetorit tttringunlur omntS ttrkS in hat' scimtitt /Sc. rhttorial/. Oroto";' offirium tSt pos~ d;(tri tb "bus, inqUilntum ptrrintnt ad "mp. tt ulilitaum cillikm, ntt' non ad eaustZS.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
samt neun: Gon, Engel, Himmel, Mensch, Imaginatives, Sensitives, Vegef2üves, Elementatives, Inurumemative5. Man nennt sie deshalb Subjekte, weil wir im Grunde nur über sie sprechen oder weil von ihnen Beweise und Widerlegungen ab. d ,. geIeltet wer en.
Das ist bereits der entscheidende methodische Ansatz in dieser RhetOrik: Ver· wendet werden eben nicht die Lullschen Kombinationsfiguren. Der Schwerpunkt liegt allein auf den lll1lschen Subjekten. die hier als rhetorische Topoi im Sinne von Oberbegriffen vec5[anden werden, aus denen sich enzyklopädisches Wissen ableiten läßt. Der erste Abschnitt der Abhandlung differenziert nun diese neun Topoi aus, indem die verschiedenen Kategorien der Lullschen Tafel. die Prädikate und cLe 10 Fragen auf die Subjekte übertragen werden. Aus den gegebenen neun Begrif~ fen gehen so zahlreiche weitere hervor. etwa indem im Abschnitt D~ Imaginativo die verschiedenen Arten von Tieren (urr~stria. aquati/ia. volati/ia, ign~a. amphibia 14 ~t(.) ausdifferenziert werden. <) im Abschnitt über die Prinzipien Principium, M~ dium und Finis auf die verschiedenen Bereiche der Ontologie und der Wissenl50 schaft angewandt werden. Im Hinblick auf Maioritas. A~qua/itas und Minoritas wird betont, daß mit diesen Begriffen das gesamte Universum erfaßt und beschrieben werden könne.I'!1 Der Universalitätsanspruch der Rhetorik kann sich somü - ganz ähnlich wie bei Agrippa - darauf gründen, daß die erstellte Topik die universellen Prinzipien, wie sie die Lullsche Kunst enthält, zu rhetorischen Topoi umgewandelt hat. Die Verbindung dieser Gedanken mit den konkreten Zielen der Rhetorik ist in diesem ersten Teil des Textes nur in Ansätzen zu er~ kennen, etwa wenn die vier Elemente auf ihre Verwendbarkeit in den drei RedeI genera hin überprüft werden. 'l2 Diese, auf die Lullsche Systematik gestürzte T o~ pik wird etgänzt von einer umfangreichen schematischen Übersicht über die Einteilung der Wissenschaften, die dem Zweck diene, daß der Redner ..über jeI den Redegegenstand und in allen Disziplinen" sprechen könne. '!3 Ganz ähnlich wird auch in Agrippas Kommentar zur Lullschen Kunst eine Erweiterung der allgemeinen Topoi um die speziellen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen gegeben. Soweit also ist ein rhetorischer Bezug nur in Ansänen zu erkennen: Im
148 Ps.-Lullus. ISllgogf in rJmoricam. S. 187: Tota aN diundi dividirur in {... / Subi((1JJ Er Appficarionn. Subiurll, quaf pkriquf UKOJ SfU umrinoJ sill( fl':S apJlff"'nt. in IOto sun! novml: Dtus. Angt. lus. C(}(lum. Homo, Imaginariva. SmJiriva. Vfgnari/!a, Ekmmrari/!ll, Instrumm1JJtiva. Et dinmtur subitera, quia tk iis prindpaliur Ioquimur aut quill ab iis sumuntur ronjirmJ1lionn n ronfula· tio"tJ. 149 Ps.-Lullus, lsagogt in rlmoricam. S. 191. 150 'l.B. Ps.·Lullus, ISilgogt in rhnorieam, S. 201: Mtdia: TJuologiu dicimw ChriStum nlt nlfdialorfm inur Dtum n homints. Phpiu, homo nt mfdium mundi tuptrioris n inftrioris. 151 Ps.-Lullus, Itllgogt in ,hnoriellm. 5.201: ISla!ria Mdwumu, pfr omnia subücfa. p,ardiell1JJ. (f pt, omnrs ScifntUu lt rrs mundi. pt, prttrdiellmnlfa acciMmium suo o,dint. 152 Ps.-LuIJus. Iwgogt in rlmorieam. S. 189. 153 Ps.-Lullus, lsagogt in ,hnorieam. S. 20S-223. mit der einleitenden Bemerkung: Ad mlliomn aUffm apTffl;ontm primat tt ucundlu panis uquitu, omnium diJriplinarum di/!isio. ul libtrius Orttto, in omni Inllurill n prr omnN diJcipli"at discurruf possit.
BRUNOS RHETORlKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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wesentlichen wird die Lullsche Kunst verwendet, um eine Universaltopik zu deduzieren. Der z;weite, im Umfang recht knappe: Teili>' geht auf die app/icationes, d.h. auf die übertragung der dargestellten Topik auf die Rhetorik, ein. Das Organisati. onsschema stellen hierbei die drei Rc:degenera dar. Einleitend wird die Frage be· handelt, in wdcher Form die universellen Subjekte des ersten Teils der Abhandlung in die Rahmengräßc:n der Rhetorik eingepaßr werden können: St~eif ü~r jedes ihm gestdltl:: Thl::ma sprl::· chl::n 1.u können, Als erster nun hat Gorgias von Lronrinoi es gewagr. ü~r jedes Ding in der Weh 'tU sprechl::n, und er sagtl::, der Rede~enstanddes Ikdnl::rs sei die
Es ist dil:: Kunst des Rednl::rs, aus dl::m
ganze: Wdt; ihm wurde wt:gl::n seiner Beredsamkeir in Ddphi ein goldenes Standbild errichter. AristoreIes alx:r - und ihm isr Cicero in der Rherorik an Herenniw gefolgt - sagt, der Redner spreche über drei Anen von Fällen, das gmw dmtoturratilIum, das gmw tk'ib~ratillum und das gmw iudiciak. und fur alle dieSI:: Anen von Fällen sind die Subjekte solowagen der Gegensrand. Die Priidikate werden dem g~ nw tkmonsrratillum. die Respectiva dem grnw tklibt'Tatillum, die Fragen dem gmw iudiciak l.ugeordnet,lSS
Die Rhetorik bietet demgemäß eine Organisationsstrukrur. die in die Lullsche Lehre eingepaßt werden kann. Die drei Möglichkeiten der Argumentation, wissenschaftlich erfaßt in den drei Rc:degenera, werden so mit den Lullschen Katego. risierungen aufs engste verknüpft (app/icatio). Diese Verknüpfung wird dann für das gmus dnnonstrativum mit den Prädikaten und das gmus iudiciak mit den Fragen durchgeführt, vermutlich versehentlich wird dabei das gmus dAiberativum awgelassen. Dabei bleibt der Focw bei diesen Übertragungen der Mensch. Der entscheidende Schritt zur enzyklopädischen Erweiterung der Funktion der Rhetorik wird nun durch die Ausweitung dieses Bereiches erreicht. Ganz ähnlich, wie Bruno dies im Artificium perorandi tut, wird der Mensch hier als Planhalter genommen, der die Gesammeir aller Teilbereiche des Universums repräsentieren kann. Die drei Rc:degenera erfassen drei ganz prinz.ipidJe menschliche Sprechsituationen, und entsprechend bietet die Rhetorik Anweisungen darüber, wie diese Situationen zu kategorisieren sind. Diese Perspektive muß nun erweitert werden, um aus der Rhetorik eine enzyklopädische Kunst zu machen. Alles, was bislang über I'ersonen gesagt wurde, kann in ähnlicher WeiSI:: auf alle Dinge der Wdr übertragen werden, auf alle Subjekte, wenn man nur Maß und Zid bewahrt und sofern das in angepaßrer Weise geschiehl. Und so lolx:n wir dann I S4 Ps.-Lullus, Ispgog~ in rhnori~Jlm, S. 224-231. ISS Ps.-LuIlus, lsagogr in rJN"'ri~am, S. 224: Oralons tft C( tnnport fJOJW t/icnr tk quanmqt« ",ibi proposita. Pn'1nUS autnn (;q~ UonlinllS tk omni " munJi allSllS tft tlissarrr. tiixilqt« oratons matviam r:m' totum muntlum: hui~ ob ~!Dqt«ntiam StllllUl aurta nYt"ta tft lRlphis. AnslO~1n allum tl qunn imjtlllllS tfl CjUTO lul HnYnnjum tlidt oralO"", urrJ,Ilri d"a 3. :mrra ~ausa~m. [RmONtralilNm. Jrlibn-Iltiuum. iru/iri4f... ~t tui omnia jllA INura ~.ilusanlm ~ lubi«ta tJlnqlUlm matni.ll. [RmonsrrlltilJ(1 ?raft/iratJI lkljlH-rarilJ(1 AppliranlJJr t;tnrrJ' Rnp«tj/!.il I ru/inilli QlUlntiontf
""11m,
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
einen Hund wegen seiner Treue einen E.sd wegen seiner Dummheit einen EJephanrcn wegen seiner Gdehrigkcit (... ) Auch den Blumen .scheint ein Sinn innezuwohnen. da sie sich ja nach der Sonne richten. Ganz ähnlich können wir von den Dingen des Körpers her jedes Ding in der Wdr je nach seiner Art und unter Ikwahrung du cntspr~cndcn Hinsicht 10L
~n.
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Zunächst ist also eine ganz offensichtliche Parallelität zu Brunos RhetorikKonzept fesnusteUen: Der Mensch. den in Sprache zu erfassen die Rhetorik die geeignete Kunst ist, kann als Kosmos im Kleinen verstanden werden; was nach den Regeln der Rhetorik über ihn auszusagen ist, kann bei Bewahrung der richtigen Obertragungskriterien über .,alle Dinge der Welt ausgesagt werden. Im obi· gen Zitat wird dies ausgehend vom Subjekt Mensch beispielhaft in der Ülx:rtragung auf die Lullschen Subjekte Tier (ImaginatilJum) und PAanu (Vtgt'tativum)
vollzogen. Rherorik wird also dann zur enzyklopädischen Kunst, wenn die Regeln, die sie zur Beschreibung von einem der neun Subjekte liefen, auf das gesamte Arsenal der Lullschen Subjekte erweiten werden. Die Rhetorik als die Kunst des ~Ianvollen Sprechens ist die dem Menschen eigentümliche Ausdrucksform. ~7 Der Konvergenzpunkt ~ider rhetorischen Ansätze besteht darin. daß stets der Mensch als Fluchtpunkt der Rhetorik gewahrt bleibt. Die Rhetorik· schrift des Remigius Rufus führt djesen Gedanken konkret auf die Vorstellung einer Kala naturlU zurück. wie sie in der Stufung der Subjekte in der Lullschen Methodik zu finden ist.l'le Tron dieser Parallelität besteht aber ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Ansätzen: In der Isagoge in rht'toricam wird die kategoriale Vollständigkeit. die den Lullschen Schemata zugeschrieben wird. in das rhetorische Argumentationsfeld übernommen. so daß eine enzyklopädische Erf.usung der Weh in der Rherorik eben auf die Universalir.it dieser Topoi gegründet ist. Diese Universalität besteht aber in einer beschränkten. statischen Hierarchie. vorgegeben in den neun Subjekten. Der enzyklopädische Redner kann zwar die LeersteUen innerhalb dieses Gebäudes ausfüllen. indem er die Stufen dieser Hierarchie. ausgehend von dem in der Mitte des Kosmos sIehenden Menschen, nach oben oder nach unren beschreitet und durch angemessene Übenragungen vorn Menschen auf andere 156 Ps.-Lullw, ISllgogr in rMtorieam. S. 230; Omnia qu." huNU/w dicta JunI dr pmoniJ, poullnt Jimili/" applicari ad omnn ffl muMi. ad omnia Jubireta, modo rt ralionr Javatu. dllmmoJo iU"" fiat rommotk. Et sie laudamw Canrm a JUblit4~ kinum. sUllUJilAtr Ekp/Hmtllm. J«j/;t4~ {...} bl~ vitktuT ~iam JnlJW floribUl. qu; wqllllntur Simi/iwr il rrbUl OIrporis poslllmw ullularr om1ll'm rrm mllNÜ S«IIMlim SlIlIm m«illm, rt ikbilD '"'-Wut rtSp«1U.
S
157 IX! Mtnsch wird hia awdriic.kJich :W das "Sprachtitr- bacichntt, Ps.-LuUw. ISllfOf>C in rlKU1TU.m. S. 187: Homo nt ."imAl .rU04IaU loqwnJ. 158 ZAMBEW (1965). S. 136 f.. 00001. daß gcradt durch dtn Rtkuu auf diese luUistischt Vorstdlung die Rhcrorikschrifl dc:s Rufus tin rypi.schc:s psaxIo-lullschc:s Wtrk dieser Zcil ist. das Para11dtn zu dtrn bc:kannlcn Tat Dr .u4ihlluhb.wri", ttigl.
BRUNOS RHETORIKMODEU VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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Seinsebenen exerapoljert. 'SOl Die Grenzen, innerhalb derer diese Extrapolation vor sich gehe, sind jedoch bereits vorgegeben, und die Rhetorik liefert lediglich geeigneee Mechanismen. um diese Obertr:lgungen vonundtmen. Die Rhetorik wird hier - ganz. mindaleerlich - in ein bereits beseehendes omologisches Gerüst eingeordnet, bleibt also auch hier ledigüch eine der Omologie umergeordnete .. Hilfswissenschaft... In der ISQgog~ in rh~/ori(am finden wir somie einen Kerngedanken des Srunoschen Rhe[Orikmodells vorformuliert: Rhetorik als die sprachliche KommunikationskußSt zwischen Menschen kann zu einem universellen Wissenschaftsmodeli erweitert werden, indem man den Menschen als Objeke der Rhetorik nimme und ihn als exemplarisch für alle omologischen Stufen deutet. Oie Rhe[Orik stelle dann die Kriterien zur Verfügung, durch die nicht nur das Lobens- und Tadelnswerte am Menschen e/kanm und spr:lchlich formuliert werden kann. sondern vom Menschen ausgehend läße sich eine universelle Erweieerung vornehmen. Eine Topik, mie der der Mensch beurteile und kaeegorisiere werden kann, ise auf jedes erdenkliche Objekt übertragbar. Remigius Rufus stÜ[l.t diese Idee auf die Lullsche Skala-Vorstellung, doch auch ohne sich konkree auf diese Idee berufen zu müssen. kann diese Denkfigw vor einen allgemein ..humanistischen" Hintergrund gestellt werden. Der seit der Antike diskutierte Universalitätsanspruch der Rhetorik. den Rufus mie dem Verweis auf den Sophiseen Gorgias ins Spiel bringt, kennee in zwei verschiedenen Richtungen hin akunrujert werden, entweder auf der Grundlage der lullistisch geprägten Skala-Vomdlung oder aber uneer Beconung des logisch-argumentativen Charakter der Rhetorik und ihrem Rang als Kunse des Obencugens überhaupe. Oie IJIlgog~ in rh~tori(am basiert ganz offensichtlich auf der Skala-Vorstellung, doch auch außerhalb lullisti.scher Kontexee wurde die Rhecorik mit denselben anthropozeneristischen Argumeneen verteidigt. Hierfür möchte ich auf die wohl bekannteste (und die erste umfassende humanistische) Rhecorik.schrift des 15. JahrhundertS verweisen, die Rh~/ori(orum libri quinqu~ (1433/1434) des Georgius T rapezuntius. Mit dem Ziel, die placonische Kritik an der Rhetorik zurückzuweisen. hane Trapezumius in jungen Jahren eine Rede verfaßt, in der er die Argumente des Gorgias für die Rhetorik aufgriff. '60 In seiner Rheeorik nun formuliere er in ganz ähnlicher Weise wie Rufus die Idee. die Beurteilungskriterien für den Menschen. insbesondere bei der Lobestopik des gmus dnnonsrra/ivum, seellten zugleich auch universelle Beureeilungskriterien mie uneingeschränkter Gültigkeit dar.
159 Auch der klassische Verweis auf di( Jakobsl(itu als Symbol der KII/a NltllTQ,f findet sich, Ps.Lullus, IUlf1't' in rlKtoricllm, S. 201: EI JrsrnukruiD p" KIllmn !lIaJb im omnibw lubi«ris inwnitllr rrulioritllS, IIUI IIC'lUilÜW, IIUt minoriw (. .. j. 160 Zur Biographie und zum rhetorischen Gruodkonzcpt von T rapauntiw vgI. MONFASANI (1976), ZUt Orllho tk /auJibus ,ltNfwnri, S. 258-261.
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PHILOSOPHISCHE Il"ITERPRETATION
Das g"'us dnnolUtTiltivum richtet sich auf d2s verswkende lo~n oder Tadeln dner bestimmten Person. Seine heiden Teile sind also lob und Tadel. Lob ist das gestci. gem: Ansprechen der gutcn Din~1 von den~ wir sagen, daß sie der bestimmten Person inne seien. Tadel ist das gesteigerte Ansprechen der schlechten Din~, von denen wir sagen. daß sie der bestimmten Person inne saen. Doch wenn ich auch gesagt habe. daß es hier um Lob und Tadel bestimmter Penonen gdle, so weiß K:h doch sehr wohl. daß man die Teile des gmw dmtonstrarivum nicht nur auf Personen, sondern auch stets auf Dinge. Zeiten, Orte, PR~n und Tiere übertragen kann. Denn wie wir oft einulne Menschen und auch gwu: Völl«r mit dntt Ikschreibung ~n. halten wir auch one Tugend, den Frühling oder den Sommer, Berge. Gänen, Weinreben. Lorbeer. Rinder oder Pferde des Lobes oder des Tadels Air WÜrdig. All dies - so meinen wir - kann, wenn wir darüber sprechen, den Plan von Person~? einne~men. De~n fast die gleichen To~i können wir in der Beweis· rührung bei Jenen wie auch bei Personen gebrauchen.
Bruno hatte sich in seinen Anmerkungen zur amplificatio, als er im ersten Teil des Artificium paorandi über die rhetorischen Strategien zu Lob und Tadel sprach. ganz ähnlich geäußert. und im Kontext des Artificium p~rorandi läßt sich diese Stelle durchaus als eine Vorausdeutung auf Brunos universaltopisches Kon· zept in der copia r~m lesen: Die IZmp/ificlZtio, die nun anhand des Emporhebens und $chlechtmachens von Menschen betrachtet wird, ist gemeinhin gültig für Lob und Tadd von allem; auf dieselbe Weise nämlich rühmen wir eine Gesellschaft und einen Staat wegen seiner Gründer, Bewahrer und Tu§enden, wie auch Menschen wegen ihrer Vorfahren, ih· rer Eltern und ihrer Taten. I
Bnmo scheint hier die Argumentation von Trapauntius aufzunehmen, bleibt aber bei dem Beispiel, das er für die Universalisierung der Lobestopik anführt. im Rahmen der traditionellen Topik. Die Rhetorik des Soarez etwa macht in Anleh· nung an die encsprechende Stelle bei Quintilian allein rur das Lob der Städte den Hinweis, daß hierbei dieselben Topoi wie beim Lob des Menschen verwendet werden könnten.
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T~pezunliw, !?klontorum
b'bn quinqut', S. 368: DtmonstraliltUm tSI, qUM aUnbuilur in aliruius ttrtAt' ptrsDlUU lawm, t'tl vituft't'ilriontm cum Ilmplijiciltio,u. Eius 1JIlr1a funt. laus (1 viruprrlllW. UzUS. ~I orillio amplifitllti/Jll rtrJIm hoMrum, qUlU ft'rtat' inNW ~rsDMt didmus: VituJ't'rillio, NI orllrW IlmplificlltilJll "rum rn.a/llrum. qu.aJ ttrnlr inNW JNrsDMt' din·mus. Vt'rum t'tsi rmIlrum ft'rsDlUZrum laJUbm (1 vituf'TIltionrm t!jU Iljfirmo, non tamnr iporo hm tinnonstrlltivi t,tnt'ris J1Ilnt'S non 16ll1m pnstJnis, St'd ubus, ttmporiblls. wis. plantis. ilniMiltUiblls ttiMm nonnumqlUlm attribui. Ntun. 111 sinptos SIl~ homines, t,nrlt'Sqw IIniurrus JnnOllStrationt' ilmplLttimur, sit vi,.. tUllim ll/iqlUlm. WT. aut iUatatt'm. monUf, ortoJ, viUJ, IaUrtlS. boJ/f'J, tqllOl. out vitllp"illiont'. alll IaUlit Jipt' putamus Jipos puumus: q_ umn;". qllum th bis Jicitur. pnJOMrum tt'Mrt ltxrIm arbilTllmur. t'isJrm mim I«is ft'rr in hontm a"Jw in pnJOMntm thmonstrationt' ulnUium t'S1. 162 ATtijinl4m 1.16, S. 57 (3)4): Amplificatio. qlUlt' obsnv4'l1r in df~ homi"ibllS IJt'I Jrprimnrdis. C'OmMu"is t'St ll(/omnil4m /IlJUkm rl "ituJ'"ium. r.Jnn mim ntwrtt' ulrbramus t1l4itatnn t't mnpub. a slin fil111JaUJribus, St"fJUIUJribus t't vinutib. qlUl homi"n a fUis mttion·bus, pamllibus t't Jittinoribus.
BRUNOS RHETORIKMODEU_ VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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Das Lob d~r Städt~: Städt~ lobl man g
Die methodische Kernaussage von Bcunos RhetOrikmodeil. eine Topik des Menschen könne auch als Universaltopik gedeutet wt'rden. wenn man vom Menschen ausgehend Analogien bildet, kann als eine Vorstellung identifiz.ien werden. die mit verschiedenen Traditionslinien verknüpft ist; diese Traditionslinien verliefen im weiten Gebiet der Rhetorik der Renaissance parallel zueinander und konnten in unterschiedlichen Kontexten und unter BetOnung unterschiedlicher Aspekte aktivien werden. Eine Anbindung dieser Id~ an die lullistische fca/a naturlU ist nicht zwingend. Trapezumius stand der subjektivistischen Rhetorikphilosophie der Sophisten nahe, derzufolge es über die Wahrheit des Überzeugenden hinaus keine "wirklichere Wahrheit" mehr gebe. Die anthropozentrische Universalisierung der Rhetorik steht bei ihm eindeutig vor einem anderen Hintergrund als bei Bruno: Im Sinne der griechischen Sophistik deutet Trapezumius die Rhetorik als "politische Wissenschaft", insofern die Arbeitssehrine des Redners mit den Arbeitsschrinen des Politikers von der Erarbeirung politischer Konzepte bis zu ihrer praktischen Durchset2ung identisch sind. In dieser Perspektive steht auch der Mensch ~ Staatsbürger - und nur der Mensch - im Zentrum rhetorischer Technik.' Der Analogie-Gedanke in Brunos Rhetorik hat auch in diesem sophistischen Kontext seine Wurzeln. Der subjektivistische und anthropozentristische Rhetorikansan Bcunos läßt sich als rhetorische Umsenung des bekannten Zitats des Sophisten Procagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge. lesen. In Brunos Topik der copia ro-um ist der Mensch in der Tat das Maß aller Dinge. An ihm muß sich das Messen der Weh. die eigenrümliche Aufgabe der mms des Menschen. ausrichten. Die Vorstellung von der Analogie zwischen Mensch und Welt kann also nicht als eindeutig lullistischer Einfluß in Brunos Rhetorik gedeutet werden. Vielmehr war diese Vorstellung in verschiedensten Varianten immer dann im Hintergrund, wenn die Universalität der Rhetorik thematisiert wurde. Die Isagogt in rhttoricam stellt eine lullistische Umdeurung dieser Idee dar, doch die Renaissance formulierte das Problem der Anthropologie, die Frage nach der Stellung des Menschen im Wehganzen, in zahlreichen anderen ähnlichen Varianten.
163 Soara. IR tlrt~ rJxtQrictl 1.49. S. 49: 0.- "'JIIk IIrbillm: Law1anillT IIrlNs simili", tI"lllL homi"n. Ntlm pro J'tlrrnu (11 eon4itQr. n m.dillm Illllhori14tu tlffn1 W'lIISW, n virtlltn iU vilUr drell m~ Stili, ~tlMm'lw i" singuw. - Quim .• iml. 3.7.26: LaruiRnlUT tllltmr urbcs simib·", tI"lw hominn. "tlm pro parmu nt eonaitor, n mlllnu7I tllICfOritlllU tulfn1 wtllSW, 111 iis. 'lli tnrIl JininlUT orti, ~I vimlln tlC vilUl cirrll m ~ttIJ etuicm '111M in singuw /' . .). 164 Zur Rh~t'Orik als ~political sciencc~ bei Trapczuntiw vgI. MONFASANI (976). S. 260 f.
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PHILOSOPHISCHE lNTERPRETATION
Johann-Hcinrich Alstcd Eine erste Bezugnahme Alsreds auf Brunos Rhetorikkonu:pt im Artifirium pn-l orandi findet sich in der 1610 erschienenen Schrift Th~lltTum scholasticum. " Das Gesannkonzept di~r Schrift beruht auf einem dreiteiligen Aufbau. der die drei Teile Mnemotechnik. Logik und Rhetorik umfiJk Einleitend zum dritten Teil. der Rhetorik, erläutcn AlSted: Ober die in diesem Buch angewandte Methode. Nun steht noch der dritte TdJ u~es Th~lltnlm aw, die VoUendung der Spl'2chc; sie kann man durchaus mit anem Dach vergleichen. Denn wie ein H2W aw drei w~ndichen Teilen besteht. dem Fundament. den Wänden und dem Dach. so setzt sich auch das Th~'l/rum Kholauicum aus drd Teilen zusammen: Von Wes(:n nimmt das G~chtnis den Rang des Fundaments an. die Urte:ilsbildung den Rang der Wände: und die Ber~amkei[ den Rang des Daches. Nimm einem Bauwerk das Fundament, und es wird zusammenbrtthen. Entferne die Wände, die die Räume voneinander abtrennen, und das Haus wird unbrauchbar. Nimm das Dach W$' 1 und Regen, Schntt und Hagel werden die Wände und das Fundament zerstören.
Innerhalb des Rhetorik·Abschnines bilden die copja vvborum und die copja r"~ um kleinere Unterabschnitte. Die copja v"borum beruht für AJSted kurz gesagt. darauf, daß man, "wenn man auf einen Satz Stößt. diesen in Subjekt und Prädikat auflöst und beides dann durch die verschiedenen grammatischen, rhetorischen und logischen Ikgriffe führt."I" In diesem Zusammenhang verwdst Alsted auf das Artificium prroranJi, das allerdings z.u jener Zeit noch nicht publiz.iert war. Dabei übernimmt er den Text Brunos praktisch wönlich: Giorc:bno Bruno hai hier erwas Eigentümliches beobachtet: Man mü.sse ein AJphabet mit bestimmten Begriffen bilden; LB. A. bejahend. B. verneinend. C. fngend, D. anrwortend. E. aktiv, F. pu.siv, G. priv:uiv, und so sollten - wie er sagt - die anderen A1phabetbuchsube:n auch eine bestimmende oder abstrakte oder konkrete oder metaphorische Bedeutung erhalten. Bei A. der Bejahung müßte man nun also sagen: Alle Menschen begehren von Natur :lIW zu wissen. Bei B. der Verneinung mUßte man sagen: Es gibt keinen Menschen, der nicht von Natur aus zu wissen begehrt. Bei C. der Frage: Kann es einen Menschen geben, der nicht irgendwann das Bedürfnis nach Wissen verspürt? Bei D. der Anrwort: Wenn mich eim:r fragre. was es denn sei, was dem Menschen eigentümlich zukomme, dann könnte ich nichts anderes anrworten oder behaupten, als: das Begehren nach Wissen usw. In diesem Sinne schreibt der Autor für die Verbindung der einulnen grammatischen, rhetOri~
16, Zur Rezeption des AnifiriNm ~rorllnJi bei Aluro vgl. auch HOTSON (2000). S. ,0 f. 166 Alnro. "Thufrwm sJJDlIlSriNm, S. 22,: Dr mnhDJe i" h« /ibro: TmUt thurri "#I1rri 14'1 SNpvts'. Wk/iar /i"flI'U 1'"1"'"': tfUtlm "." inrpy wmfNITilvrriJ l«'IIt. 5iNI nrim tittmus rrilJw WflSl/lt ptJrtiJnu c.smtill/ibvs. filTfumnrUl. pannibNJ. (1 UmJ: iu tt tNiltnIM KholllStiNm rribw ./nMvilllr /Hlnibtu., i"y, tfUtlS mnntltW httbn fiuu/Ilmnrti. jwJirillm fNlritnlm, tlDtpunlilll«ti. ToI1I fimd.tl1PWllllm IlrtlijiritJ. rt p",ti"NJ (tJMU/n. P.NIn. 'I Ni finu,,' Jisti1ln4 otbintlil. rrmllW; bmNJ"';1 inNnw. AUf" ttrlNm: pJ"VÜI, "ix, trlUUilt, JMlrinn NfID Nm jitl"l/UnntU1 "min. 167 Alstcd. 71N.lnlm sdNJwrinlm, S. 242: 0biJz1/I .JifUtl phriIJi. t.", rtwJI1t i" sNbj«rum rt prudieil111m: Nfrw11UJ1It Jtdw ptr li"pw It'rmi_ tr.mmAncos. rhtlDrian. "'tian.
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BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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sehen und logischen Begriffe eine andere Varia[ionsmethode vor, nämlich fol~ndes Schema. bei dt=m es an der Waagrechten und an der Senkrech[t=n Begriffe gibt. 61
Unmittelbar im Anschluß an diesen Textabschnin fügt Alsted eine schematische Figur ein, die im Prinzip der dritten Figur im Artificium pn-orandi enstpricht; al~ lein die graphischen Elemente wie Raster- und Zeilenlinien fehlen. Auch die praktischen Erläuterungen. die er für die Anwendung dieser Figur gibt, entsprechen fast wörtlich den Beispielen. die Bruno in diesem Zusammenhang in Kapi1 tel? des zweiten Teils des Artificium pn-orandi gegeben hatte. 6'l AlSted rezipiert hier das Rhewrikmodell des Artificium p~rorandi in seiner Deutung als radikale Vervielfaltigungsmethode sprachlicher Ausdrucksformen. Er übernimmt dabei bis ins Detail Bcunos Text und ersrellt so gewissermaßen eine Kunfassung von Brunos Darsrellung der copia lJn-bornm. Im Kontexr von Alsteds Schrift betrachret, srehe die Bezugnahme auf Bmno jedoch nicht im Zenrrum, sie bildet nur ein kleines Kapitel in dem Abschnitt über die copia lJ~rborum. und die copia-Lehre wiederum stellt nur einen kleinen Abschnitt in der Rhetorik dar. Diese Bezug~ nahme auf Bruno kann also nicht als ein lullistisches Rhetorikkonzept bei Alsted gedeutet werden. Interessant allerdings ist hierbei, daß Alsted das Manuskript der Brunoschen Rhetorik, das er - wenn man seinen eigenen Angaben glauben kann - bei Erscheinen des Th~atrum scholasticum noch nicht lange besessen hatte, in diesen Text übernommen hat. Eine VerknüplUng des rhetorischen copia-Konzepts aus dem Artificium pa'orandi mit lullistischen Vorstellungen findet sich jedoch in Alsteds ebenfalls 1610 erschienenen Schrift Consiliarius acadffllicus. Der größte Teil dieser Schrift be~ steht aus 61 Tafeln. in denen AJsted zumeist mit Hilfe ramistischer Deduktionsstrukturen zum Nunen junger Studenten Ordnungsschemata für die verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft angibt. Das Thema dieser Schrift ist also die Frage nach der geordneten Struktur von Wissen, gewissermaßen die zentrale Frage im Schaffen des Enzyklopädisten Alsted. Wie bereits aus dem Frontispiz zu er168 A!st«!, Thtatrum Jrholastirum, S. 242 (: jordanUJ 811lnw hit aliquid preuliart obmvat: vwliut constitJ«ndum tJSr alphabrtum crrt011lm ~rmin011lm; v.g. A. ajJimuuiw. 8. n'latiw. C inurrogotivr. D. mponsiw. E. attiw. F. pasJiw. G. prilldtiw. It sit rrliqWlS literas alphabrti IXI tkfinitillt lIti Itbstracn'w, lIti conerrtillt, wl mrt4phoricr signijitllrt lIit. E.G. n: A tub affirmationr dicmaum. Omnrt hominrt natura so'rt Jrtitkrant. Ex B sub n'lationr: NuUw hominum fit, qui seirt naturaliur non tbtitkrrt. Ex C tub inurroglttionl': An quiJquam hominum rut potm, in qunn Itimai cksidrrium non aliqUDnM elldat? Ex D sub rrspomiont: Si quiJ a mr quarrat. '114M sil, qJ«Hi homini maximt conlltniat: aliud rrspontkrt ttu affirrt non pouum, prarur seirnai tkswrium ru. Itrm autor prr complieationrm trrmin011lm grammatico11Im. mrtoriC011lm, rt Jqgi(tJ11lm. alium Wlruuionis modum prartm'bit hor sclltmdu, in 'lUD Junt trrmini latitudinis rt altiludinis. 169 Alsted. Thratrum Jrholastieum, S. 243 (: Praxis rtt duplrx: Um mim variarr phrllJin, wl Jingula tlrmtnW prr u. IX//Kr combinaw. Sit pouumus ditrrr prr A. Omnis homo, qui ä...eproltOl; dieitur, natura sri" cksickrat. prr 8. amplificationrm: ut, Dmnr animal ad imaginrm Dn" erratum, rt qU6d divinam in in omnibus naturam armulari vitlrtur. Jeirr tksitkrat, NC. Srrundw modus tst tombinatus. E.g. trrmini latitudinis conjunguntur rum urminis altitudinis. A. i.t. hominis ttymologia fkduettur prr urminoJ latitudinis A. 8. Cut, rtymologill drdueitur primo /Kr nominativum, dicrndo A.A. Homo, qui itlro äv9proltOl; apprilatur, qui habrt os sublimr. Jrirr drsidrrat. Prr A.8. Hominis, qui rrrctum habrt lIultum, ttt setrr. Pr, A. C. Habrnti os sublime innata tst teirndi rupidit4J rlt.
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sehen ist, hat Alsted an diesen ersten und umfänglichsten Teil des Textes einen 170 Anhang angefügt, der die copia verbornm und die capin r~rom zum Thema hat. Dieser Anhang reflektiert somit ebenfalls das Problem, Wissen zu ordnen und (in der copia va-borum) sprachlich zu präsentieren. Alsred. beginn{ mit der capin raum. Diese besteht aus vier ..Siegeln" oder l7l .,Schlüsseln", auf die er zunächst näher eingehr. Das eme Siegel ist das Siegel der Enzyklopädir; damit nimmt Alsred die Disriplinenorclnungen aus dem ersten Teil der Schrift wieder auf. Jedes Thema, über das zu sprechen ist, müsse ZU~ nächst durch die einzelnen Disziplinen geführt werden. Als Beispiel hierfür nennt er das .. Brot". das man metaphysisch etwa unter den Gesichcspunkten der Wahrheit und Güte, physisch unter den Gesichtspunkten seiner Materie und seines Entstehens, theologisch als götdiches Brot, ökonomisch im Hinblick auf die RoUe der Mutter, die für eine Familie zu sorgen hat usw. betrachten könne. Dann kommt Alsted zum zweiten Siegel: Das ZWEITE Siegel ist das Siegel d~r Unilm'Ja/iriir. Durch dieses kann alles über alles gesagt werden, b~jahend oder v~rn~in~nd, als Proprium od~r als Improprium usw. Z.B. kann über den M~mchm gesagt werden, er sei ein Gon, ein Engel, ein Teufel, ein Wolf, ~ine Pflanze, ein Schaf, eine Schlange, eine Taube usw. Süht hürm zu Bruno, Dt Lampatk combinaroria, &piu/2, Mmtbrum 2. Alsteds copia-Anhang Stellt auch einen universalwissenschaftlichen Ansatz dar. Er übernimmt - wie er sagt - aus D~ kzmptuk combinatoria Brunos Vorstellung der universellen Analogie und benutzt sie hier als ein Element zur Universalisierung der copia rerum. Im Artificium perorandi nimmt Bruno diese Idee ebenfalls als Basis für seine copia rtrum, doch auf diesen Text bezieht sich Alsted. zumindest explizit hier nicht. Das dritte Siegel ist das Siegel der ,.Autoren" (SigiUum Authoritatis). Hier empfiehlt Alsted, zur Bestimmung von Begriffen auf Zitate bei den maßgeblichen Autoren zurückzugreifen. Alsted. nennt als Beispiele die biblischen Autoren und Vergil. Das vierte Siegel wird durch das .,Lullsche Alphabet" gebildet. In der üblichen tabellarischen Form gibt Alsred hierzu die Lullschen Begriffe. die Subjekte, Prädikate, Fragen usw. wieder. Die Anwendung dieser vier Siegel stellt eine universelle Inventionsmethode dar, um ein Thema rhetOrisch abhandeln zu können. Für die copia lJn'borum nennt AlStOO drei Vorgehensweisen: Die eme An besteht darin, einen gegebenen Satz zunächst in allen grammatischen Strukturen (Nominativ, Genitiv, Dativ), dann durch stilistische Tropen und Figuren (Ironie, Metapher, Exclamatio) und schließlich durch Termini der "Logik" (Form. Wirkursache) zu variieren. Dieses Vorgehen erinnert stark an Brunos Belegung der 170 A1Slcd, Omsiliarius IIcadnnicus, Frontispil.: {,. ,} Ac((Ssi, Consilium tU Copia rrrum rt lJ(,borum. 171 A1SIed" Consiliarius aclldnnicus, S. 1; 1: Copiam rmlm qUJuu()r Si~UiJ Jnl ClavibUJ contintn tt rtsrran' ajo, tntor. 172 Alsled" ConsiJian'us acadnnicus, S. 1;2: SECUNDUM Si~Uum tJt VnjYefsit:uis .. quo fit ut om/tiA M omnibUJ aici pol1im, affimuurM wl n7,arulo: proprir wl improprit rtc. &tmpli xratiA, tU Homint aio pokSt, quod sit tkus, IIngtJus, aiAboJus, lupus, plan/li, ovis. Jr~n.J, columba m... Vid~ Brunwn dc: Lamp. Combinat. Lullian. ap. 2. mtmbro 2.
BRUNOS RHETORIKMODEll. VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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dritten Figur im Artificillm perorandi (siehe Abbildung 3). Die zwei re An der copia verborum beruht auf einer recht eigentümlichen Methode, Briefe nach Adres· saten und Inhalten zu ordnen. Für die dritte An beruft sich Alsted ausdrücklich auf Brunos Rhetorik. AlSted zufolge sei jedoch Brunos Darstellung dieser Methodik sehr dunkel, so daß er nun versuchen wolle, diese Methode kurz und deutlich 173 darzustellen. Alsted referiert nun - über lange Strecken wörtlich nach dem Text 17 des Amficillm perorandi - Bcunos Ausführungen zur copia verborum: • Er fühn das erste Alphabet Bcunos mit den termini gmerakJ, das zweite Alphabet der ..Umhüllungen", und das dritte Alphabet der "Farben" an, und fügt hierbei sogar noch vervollständigend die Beispielsätze für diejenigen Alphabetbuchstaben bei, die in Brunos Text nicht gegeben werden. Das Buchstabenquadrat und auch die Lullsche Radfigur gibt Alsted nicht wieder, wohl aber die dritte Figur des Anifici~ 11m ptrorandi. Diese ist in ihrer Struktur (wenn auch nicht drucktechnisch) iden~ tisch mit derjenigen in der Ausgabe des Artificium perorandi (siehe Abbildung 3 und 16). Im Comi/iarius acadmticus nimmt Alsted also auf die beiden ganz wesentlichen Teile in Brunos Rhetorikmodell Bezug: Die copia rerum beruht Alsted zufolge unter anderem auf einem Universalitätsprinzip, demzufolge "alles über alles ge~ sagt werden" könne. Zwischen den verschiedenen Bereichen det Welt gibt es somit durchgängige Strukrurähnlichkeiten, durch die einzelne Teile det Welt in Entsprechung zu anderen Teilen betrachtet werden können. Diese Idee hatte Bruno auch seiner Universaltopik im Artificium perorandi zugrundegelegt. Überdies basiert Alsteds copia verborum auf einer umfassenden Sprachkombinatorik, die nicht nur ähnlich zur copia verborum im Amficium perorandi ist, sondern so-gar ausdrücklich von dort übernommen ist. Der Comi/iarius acatkmicus bietet ein universalwissenschaftliches Konzept, das ganz wesentlich auf methodischen Ele~ menten des Amficium perorandi beruht. Alsteds Triga( canonica(, der drine hier zu vergleichende Text, waren, wie be~ reifS oben in Kapitel 2.2 dargestellt, bewußt als ein Gegenstück zu Brunos Amficillm perorandi konzipiert; beide Texte erschienen 1612 in Frankfurt. Die Trigae canonicae bestehen aus drei Abschnitten, von denen der erste eine Mnemotechnik, der zweite eine Erklärung der Lullschen Kunst und der dritte eine Übertragung der Lullschen Technik auf die Rhetorik darstellt. AlSted nennt auf der ersten Seite der Schrift Quellentexte. auf die er beim Abfassen seiner Schrift zurückgegriffen hat; don findet sich zwar auf der Rückseite der Umschlagseite ein Verweis auf fordanuJ Brunus Nolanus, tU Archiucrura Lulliana n compoJitione imaginum, nicht aber auf die Rhetorik. Die inhaltlichen Parallelen zwischen den beiden Texten sind im dritten Teil der Trigae canonicae, der Rhetorik, zu finden. AlSted betont hienu einleitend den Bezug seines rhetorischen Konzepts zur Lullschen Kunst: 173 AlSled, ComHillriw Ilcadmoicw, S. 156:
T~rtiw
modUl rrt Jordani Bnmi, 'I-m ilk in m./Ilnu/ s/cripta/ RJutoriCIl I...) trlldidit; ~d obscurt. Hunc tgo paspicut tt brtvi~r txplanabo. 174 AlSled, Consilillriusllauumicw. S. 156-165.
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PHIWSOPHISCHE INTERPRETATION
Diesen Abschniu wollte ich zum allgemeinen Nutten schreiben, und zwar über den Aufbau und die Anwendung der Lullschen Kunst. und wollte ihn denjenigen zur Verfügung stellen, die eine weitere Erklärung oder auch Anwendung dieser Kunst L'b nogen ' .. h(cn. '" oel moc
Zunächst konzipiert AlStOO in einem ersten Abschnin, den er die copia raum nennt, drei Räder, die er den drei Redegenera zuordnet. Die Anwendung der Räder auf ein spezielles Rederhema funktioniert dabei recht simpel: Allgemein muß gesagt werden, daß jeder Kreis aus drei wesentlichen Teilen besteht, nämlich dem Zemrum, dem Umkreis und der Norm oder Regel. Ins Zentrum ist das Thema zu schreiben, über das man reden soll. Auf den Umkreis sind die rhemfischen Argumeme zu senen, die jeder Redeganung eigentümlich sind. Mit der Norm werden logische Argumente festgelegt, entweder nach Art der Peripatetiker oder nach der Memode des RamUS. '76
Diese drei Variablen belegt Alsted nun für die drei Redegenera mit den jeweils notwendigen Inhalten. Dabei nennt er für das genus de/iberativum acht Stichpunkte wie das Für und Wider für einen Feldzug oder für das Einführen einer Steuer, wie sie Bmno in enger Anlehnung an die Rhetorik an A/exander auch für das genus de/ib"atilJUm genannt hatte. Diese Parallelitäten lassen sich auch für die beiden anderen Redegattungen feststellen. Das gmus iudicia/e wird strukturiert durch die vier status; außerdem werden die untechnischen Beweismittel genannt. Für diese Listen nennt Alsted die Bib/iotheca des Antonius Possevinus als Quelle, wo sich die identische Zusammenstellung findet. In Für den zweiten Teil des Rhetorik·Abschnitts, die copia verborum, Stellt Alsted ein gleichschenkliges Dreieck vor, bei dem an je einer Seite grammatische, rhetO~ tische und dialektische Begriffe notiert werden können. Alsted erklärt jedoch hierbei keine Einzelheiten. Er verweist lediglich darauf, Btuno habe hierfür ein Quadrat benutzt: Dieses Drei«:k ist das Schema, mit dem eine Rede entsprechend der Kunst der logik, der Grammatik und der Rherorik modifiziert werden kann. Bruno hat dafür ein Quadrat verwt:ndet, wie wir es im Thtatrum scholnsticum und im Consi/iarius acadnnicus beschrieben haben. Uns aber gefallt das Dreieck besser (... 1. In
175 Alsled, Tn'gat ranonicat, S. 157: Hat'C IJ()lui sm'btrt' bono publüo, dt arc/,iUrtura t'f usu artis Lullianat. paratus dtdtri iis, qui aliam tjus anis txplieationnn vtl t'fmm npplieationnn adfrrrt ronantur. 176 AJSled, Trigat eanonitat, S. 157: In gtntrt nourur, qutmlibtt circulum tribus panibus mmtialibus eonst4lrt tk,,"t, vidtliut untm, circumfrmltia, t'f norma siw rtgUla. In Unlro scribtndum tu thtma, dt quo diun4um. In circumfruntia ponnuJa tUni argumtnla oraUJria, cuiusqUl' gn'/t'n's propria. In nof'mil txprimtnda tunt argununCillAgiell, wl tX mtnU Ptripatttieorum, wl jUXf
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HlsroRJSCHEN HINTERGRUND
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Damit verweist Alsted auf die oben genannten Stellen, in denen er auf Brunos drine Figur des Artificium p"orandi eingeht. Für die Verwendung dieses Dreiecks schreibt er: Die praktische Anwendung dieses so geb:auterJ Dreiecks ist folgende Wenn man mit irgendeinem S:aez :lCbeitet, dann muß er, aufgeteilt in Subjekt und Pridikat, durch jene grammatischen, rhetorischen und logischen Begriffe durchgdiihn wer~ den, wie wir es in unseren Schriften n:ll11ens Th~/ltrum und CAnsi/Utrius dargc:stdlt h:alxn, wor.auf wir hier verweisen möchten. l1t Als Erweiterung dieses Rhetoriksystems fügt Alsted zusättlich noch drei weitere Kreise an, einen "logischen", einen "historischen" und einen "praktischen". Der Rhetorikabschnin der Triga~ canonica~ hat nur wenige Parallelen zum Ar~ hficium p~rorandi. Die Gliederung nach den Redegenera und die Anordnung der jeweiligen Topoi auf Kombinationsrädern findet sich ähnlich in Brunos Rhetorik, doch verweist Alsted hierfür ja ausdrücklich auf Possevinus. Brunos dritte Fi~ gur dient als Inspiration für A.Isteds Dreiecksfigur, doch auch hier bleiben die Parallelen auf rein formaler Ebene. A.Isted akzentuiert hier wieder die lullistische Komponente sehr stark: Die copia v"bornm ist eine reine Kombinatorik linguisti~ scher Karegorien, während in der copia r(rUm je nach dem jeweiligen Thema oder der wissenschaftlichen Disziplin verschiedene Begriffe auf den Kombinationsrä~ dern angebracht werden. Zusammenfassend läßt sieh fur AJsteds Rückgtiff auf das Rhetorikmoddl des Amficium p"oraruli sagen: In allen drei genannten Texten verwendet Alsted die Einteilung in die copia wrbornm und die copliz rtrUm. Während dabei für die copia rtrUm kein einheidiches Konttpt zu erkennen ist, löst Alsted in allen drei Schriften die vO'ba in die drei Elemente Gr:lITlmatik, Rhetorik und Dialektik auf und versucht, auf der Grundlage der den einzelnen Diniplinen zugrundeliegenden Einteilungskriterien eine Variation des sprachlichen Ausdrucks dadurch zu erreichen, daß die verschiedenen Kriterien, einzeln oder miteinander kombiniert, auf einen gegebenen San übertragen werden. Dadurch hat er den Kern von Brunos copia vO'bornm erfaßt und übernommen. Brunos Idee von der universellen Analogie des Menschen findet sich nur - mit ausdrücklichem Verweis auf Bruno - im Consi/iarius Acadnnictts wieder, wo zudem auch die Absicht der Schrift ganz ähnlich ist wie diejenige des Artificium p",orandi: A.Isted gibt hier einen Weg an, Wissen zu ordnen und zu strukturieren sowie auf rhetorischem Wege eine Aw· dehnung des Wissens zu erreichen. Interessant waren für A.Isted die von Bruno dargestellten Methoden reiner Sprachkombinatorik, wobei sich bei ihm für Brunos universalistisches Topos~Konzept keine direkte Entsprechung erkennen läßt. Während Alsted also in erster Linie die Sprachkombinatorik der copia wrbornm rezipierte, konnten in den lullis(isch~rhetorischen Texten von Agrippa und Rufus andere Parallelen zu Brunos methodischem Ansan identifiziert werden. 179 Alstcd. Tnt'u C/lnonulU, S. 167: PrIlXis tTittntJdi itil etnutrwti 1II/is 61: Si tKnImlt phr~is ./iqlUl, (. r.tion~ subj«ri t1 prauJir.ti 1'" tnminos illos Gr.mMiltian, RJxton'(os t1/Afirtn nI tktIlI«Nk: ul oSlmJimus in IiKarro t1 (omi/uno nosrriJ: qJ14 Ir .mmulJzmus.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Agrippa versuchte, ähnlich wie Bruna eine universeUe Topik zu ersteHen, doch blieb er dabei sehr streng an den Vorgaben des originalen Lullschen Modells. Die Lullschen Topoi diemen ihm als Fundament, von dem ausgehend er für einzelne Wissenschaftsdisz.iplinen spezielle Topoi ableitete. Das spezifisch Rherocische blieb dabei im wesentlichen im Hintergrund. Die Isagoge in rhttoricam hingegen greift auf den auch bei Bruno zentralen lullistischen Gedanken einer ontologischen Stufung der Welt zurück, in der der Mensch als exemplarisch für die Ge~ samtheit des Kosmos genommen werden kann. Die Zusammenschau dieser Texte zeigt, daß Brunos Rherorikmodell mit Ideen und Motiven arbeitet, die in der Diskussion um die rhetorische Komponeme des Lullismus gängig waren. Eine Einflußgröße auf diese Diskussion bildete hierbei - wie gezeigt - auch die humanistische Frage nach der Universalität der Rhetorik und der Bedeutung der Sprache für den Menschen.
8.3 Der kabbalisrische Konrexr 8.3.1 Alphabetquadrat und Buchstabenpermutation Zu den prägenden Einflüssen, die auf das philosophische Denken Europas im 16. Jahrhundert wirkten, gehörte die Kabbala, eine bedeUtende Strömung inner~ halb der mittelalterlichen, jüdischen Mystik. Auch in Brunos Denken lassen sich Spuren finden, die auf den Einfluß kabbalistischer Vorstellungen auf seine Philosophie verweisen. ' 8(1 Die Verminlung jüdisch-mystischer Konzepte an das christliche europäische Geistesleben verlief in erster Linie über die "christlichen Kabbalisten", einer Gruppe von Autoren an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert, die die kabbalistische Literatur produktiv aufgriffen und in einen christlichen Kontext zu übersetzen versuchten. Diese Adaptionsversuche wurden häufig mit dem Verweis darauf legitimiert, daß zwischen kabbalistischem und christlichem Denken eine grundsänliche Übereinstimmung bestehe. Pico della Mirandola, ei· ner der ersten und wirkungsreichsten Autoren umer den christlichen Kabbalisten, hob dje prinzipielle Ähnlichkeit zwischen der Lullschen Kunst und den Methoden der Kabbala hervor. Diese Grundübereinstimmung bestand seiner Ansicht nach darin, daß in beiden Künsten eine Kombinatorik erstellt werden solle, die auf den AJphaherhuchsraben als den zu kombinierenden Elemenren beruhe. So charakterisierte er in seinen Conc1usio,m, einer Thesenschrift, in der er gerade diesen philosophischen Synkretismus zu belegen versuchte, die Kabbala als eine "Wissenschaft der Umdrehung des Alphabets""" und in der Apologia, einer Verteidigungsschrift dieser Thesen, äußert er, die Juden würden die Kabbala verehren als eine 180 OE UON-JONES (1997); Y....TF..'i (1964), S. 257-274; SI'ANG (1999). 181 Pico, umdUJionrs cabaJiujc4t 2, S. 108; / ... / Jcitntia. qU4m tgo 11()(0 Afphabttariat rroaiutionis
[•.. 1
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Kombinationskunst, also als eine An des Vorgehens in der Wissenschaft, und diese ist ähnlich dem, was bei uns die Kunst des Raimundus genanm wird, mägen sie vielleicht auch auf verschiedene Weise vor sich gehen.l'~
Diese Übereinstimmung zwischen LulJismus und Kabbala mag nicht von ungerahr kommen, da - im hisrorischen Rückblick betrachtet - für die Entwicklung der Lullschen Methode ganz bewußt der Gedanke eine Rolle gespieh hat, durch die direkte Aufnahme von Einflüssen aus der jüdjschen Mystik eine besondere Anziehungskraft auf jüdische Leser auszuüben: Lullus hatte die Vorstellung und die Hoffnung, durch seine Kunst ein wissenschaftliches Instrument zu enewikkein, das gleichermaßen für alle drei großen Weltreligionen jener Zeit akzeptier1BJ bar und anwendbar sein sollte. Das Buchstabenquadrat, die zweite geometrische Figur des Artificium p~roran di, kann von verschiedenen Vorläufern inspiriert sein. In einer bestimmten Modifikation hatte bereits Lullus Quadrate, die mit Buchstaben ausgefüllt sind, in die Methodik seiner Kunst übernommen (siehe Abbildung 15). Dabei werden die neun Buchstaben B bis K zunächSt in Zweierkombinationen in quadrauschen Kammern aufgeführt, in denen dann übersichtlich alle möglichen kombinatori· schen Verknüpfungen von zwei Elementen aus dieser Menge ablesbar sind. Lullus gibt in der sogenannten dritten Figur der An br~lJis alle möglichen Kombinatio· nen der Alphabetelernenre B bis K an, wobei er Umkehrungen nicht berücksich· l tigt. 8
182 Pico, ApoWgia, S. 180: In unill~nali auum duas Jci~ntias, hoc mim nomin~ honorifi<arunt. IIn4m qUlU dirilur an tombinandi, tt tJl modus quidam proudmdi in seimriis. ~I tJl simik quid, SiCUl tlf'ud nOslros ditilur an Raymundi, lierl fortr dil,~rso moM proc~d4nt. 183 Ober tatsächliche, hiSlOrisch nachweisb:ne, bbbalislische EinOüssc auf Lullus wird noch debatiw, vgl. KiLCHER (1997), S. 152-175 und die emsprWtenden Anmerkungen. Vgl. auch SCHMIDT·BIGGEMANN (1983), S. 156-160. Zumindest der Lullismus slellte die Verbindung zur Kabbala her, wie Ctw:l das Anf-ang des 16. Jahrhundens enLSlandene pscudo-lullsche Werk D~ auditu Itnbb4/iJti
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Die christlichen Kabbalisten re-Lipierten die sowohl in ihrer historischen Entwicklung als auch in ihrer Systematik stark divergierende Lehre der Kabbala vor· nehmlich in zwei Hauptlinien. Ich möchte im folgenden diese heiden Hauptlinieo skizzieren, in denen zum einen eine mystisch-kontemplative, zum andern eine magisch-dämonische Interpretation der Kabbala formuliert wurde. In der Lull· sehen Methode wie in der Kabbala bildeten die Buchstaben des AlphabetS das grundlegende Instrumentarium. Die Funktion der Buchstaben wurde jedoch in den heiden Imerpret:nionsweisen der Kabbala je umerschiedlich akzentuiert. In der mystisch-kontemplativen Sicheweise bildete die Sprache selbst und der ihr immanente Bedeucungsgehalt den prinzipiellen Gegenstand der Betrachtung. Die Kabbalisten unterschieden zwischen drei Techniken, die auf der elementaren l87 Ebene der Buchstaben ansenten. Die GmJatria machte sich die Äquivalenz von Buchstaben und Zahlzeichen zunune: Da im Hebräischen die Buchstaben auch als Zahlzeichen gelesen werden können, konnte man einen Text auch als eine Zahlenkolonne verstehen. Auf diese Weise konnten nun aufgrund zahlenmäßiger Übereinstimmung Assoziationen und Verbindungen zwischen Worten hergestellt werden, die sich auf die Verknüpfung von Zahlenwerten stützen ließen. Im Nota~ rikon, dem zweiten Verfahren, wurden die Anfangs~ oder Endbuchstaben von Worten genommen, um aus djesen wieder neue Worte zu bilden. Ein San konnte so je nach Lesart wiederum zu neuen Worten und Sätzen führen. Für den Kontext des Artificium p~rorandi ist aber in erster ünie das dritte Verfahren, die TmJurah, von besonderer Bedeutung. Bei dieser Technik wurden die einzelnen Buchstaben des Alphabets in ihrer Position umgestellt oder miteinander vertauscht. Diese Kombinationen und Permutationen konmen auf verschiedene Weise praktiziert werden. Um diese Kombinationen nun - ganz ähnlich, wie Lullus es getan hatte - in einer optisch leicht erfaßbaren Anordnung zu veranschaulichen, nahm man quadratische Figuren zu Hilfe, in denen die Alphabetbuchstaben angeordnet waren. Bei den christlichen Kabbalisten der Renaissance finden wir Kombinationstafeln, auf denen die Verknüpfung der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets zu Zweiergruppen zusammengefaßt und in einer rechteckigen Anordnung wiedergegeben wurden. So fügte ]ohannes Reuchlin in D~ aru cabalisHca, einer dialogischen Schrift, die in einer synkretistischen Perspektive die Kabbala vom christlichen Standpunkt aus zu deuten versuchte, die Darstellung einer rechteckigen Buchstabemafel in den Text ein (siehe Abbildung 8) und erklärt zu ihrer Funkti~ onswelse: Dieses ganZ(: Werk geht aus der Umdrehung des Alphabets hervor, so daß wechselseitig Buchstabe Hir Buchstabe jeder mit seinem Gegenüber kombinien wird, also jeweils a für bund b Rir a, ähnlich c Rir d und d Rir c, ebenso e für fund f Rir e. Das geht im Hebräischen freilich deshalb ohne große Probleme, weil diejenigen
187 SCHOLEM (1967), S, 108 f.: KlI.CHER (1997), $. 115-117.
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Laure:, die die Lareiner Vokale nennen, in der Reihe des Alphabets der Juden nicht vorkommen. 'u
Reuchlin verweist hierbei auf die mittelalterlich~kabba1istische Schrift mit dem Titel So/TJa,irah, deren Verfasserschaft dem biblischen Patriarchen Abraham zugeschrieben wurde. und zitiert daraus die Anweisung, alle Buchstaben des hebräischen Alphabets miteinander zu kombinieren. Dieselbe Quadratfigur findet sich dann auch im 1552 erschienenen Kommentar des Guillaume Postel zum Sifa J~ 2irah (siehe Abbildung 7).1'9 Dabei sind in 22 Zeilen und 11 Spalten insgesamt die 231 Kombinationen von Buchstaben angegeben. von denen im Sifa Jnirah l90 die Rede ist. Das Ziel des meditierenden Kabbaüsten besteht darin, den Namen GOttes zu erfassen, der sich durch die Sprachhaftigkeit der Natur in der Kombinatorik der Buchstaben offenbaren kann. Durch die Betrachtung der Buchstaben allein kann eine riesige FüUe von Sinngebungen erzeugt werden. Die Poime der Temurah beruht gerade darauf, daß in unendlicher Folge jeder Buchstabe durch jeden ersetzt werden kann, so daß daraus also eine unendliche Kombination (hebräisch: Zirnf) hervorgeht. Wie Reuchlin umersueicht, gibt es dabei keinerlei Einschränkungen: Noch viel Geheimnisvolleres, sagte er. werde ich euch in diesem dritten Teil der KabbaJa, der [Temurah] genannt wird. zeigen. wo die Stellung der Buchstaben gegenseitig miteinander verrauscht wird, und zwar so oft, wie die AJphabetbuchstaben vertauscht werden können. Dieses Verrauschen findet entsprechend der Anzahl der Buchstaben zweiundzwanzigmal starr. weil die Juden 22 Buchstaben besitzen; wenn wir immer zwei von diesen Buchstaben zusammensrellen, dann kann jeder mir je· dem ersenr werden. und diese Kombinarion heißr [Ziruf].I'1
Die Memodik der Temurah impliziert also eine Vollständigkeit oder strebt diese zumindest an. Das Kombinations- und Permutationsverfahren der Kabbala dient einem heuristischen Zweck. Reuchlin formulien in D~ arU cabalish"ca diese An· näherung an das Ziel der Buchstabenmeditation mit folgenden Wonen:
188 R~uch[in, Vt tim cabalislica, S. 878: Totum hoc opifieium rvroit tx alphabtticariil rrllOlutiont, ur succrdar mutuo liura pro littra propn'o sibi iugo rombinata, seilten vicissim a pro b, tt b pro a, simiu·ur e pro d, tl d pro e, ilrmqUt t pro j tt f pro t. Quoti farilius in Htbraieis nutlo quidnn obstanu proctdil, quia IJOCts qUilJ unini voeaks nominam, non sunt in ordin~m afphabni JutUUorum rrpositat. 189 Reuchlin, Dt aru eabalistica, s. 878: [... J pattr nosur Abraham dixit, ut in lib,; It/Vra ca. 1. kgilur. AuplJ (Um omnibus, tt omnill (Um akph. halid s«w arqut Btrh cum omnibus, n omnill cum bnh. tr ita dr singulis. (. POSteI, Kommentar zum &ftrjairah, S. 74.) 190 PosteI, Kommentar zum ~ftr jtzirilh, S. 121. 191 Reuchlin, Dr artt cabalisriea, S. 878: Multo fortt occultiora, inquit, osundam uobis in hac ttrtia Cabalr« part~, qwu [Ttmurahj nominalur, ubi mutua sir litmu positio, tt rotin fit, quotitS alphabttll ptrmutanlllr. Ptrmutllnlur auttm iuxta numtntm liurarum bis tI vigitS, quill viginti dUilJ k· gimus ludatorum liuras, stmprrqut binis quibusqut litais eoniugalis liabit alttram sum~rt pro alura. tt ta rombinatio dieitur [Ziruft [.. .j.
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Wc=nn nämlich jener große Name. den wir mit allen Kräften zu erfassen versuchen, durch alle Kombinationen der Buchstaben vom Ende bis z.urn Anfang durchgefühn worden ist. dann zeigt sich uns freigiebig dessen göttliche Erkennmis. und sie wird unserem Willen ihre Möglichkeiten anbieten und wird uns milde gehorsam sein."l
Die mystische Dimension der Benennung Gottes steht im Zentrum der kabbali· stischen Kontemplation. und an sie versucht sich der Kabbalist durch die BuchstabenkombinatOrik heranzutasten. Das Buchsrabenquadrar, das Reuchlin in die· sem Zusammenhang nennt, kann als ein mystisches Instrument verstanden werden, das diese Dimension der Gonesschau eröffnen kann. Die Anwendung der Technik der Temurah stellt ein hermeneurisches Verfah· ren dar, das es ermöglicht, ausgehend von einem beliebigen Text durch Kombi· nalion und Permutation von Buchstaben eine unendliche Fülle von Deutungen und Bedeutungen zu erzeugen. Wie Reuchlin betont, liefen dieses Verfahren vor allem deswegen so viele verwendbare Ergebnisse, weil die hebräische Schrift keine Notation von Vokalen kennt und daher praklisch keine sinnlosen Buchstaben· verbindungen vorkommen können. Das Verfahren der Temurah kann in diesem Sinne als eine Methode verstanden werden, die die Produktion eines unendlich verändenen Textes durch den potentiell unendlichen Pcozeß der Kombinalion und Permuralion ermöglicht. Die sprachliche Ordnung wird dabei in ihre Grundbestandteile, die Buchstaben, zerlegt und auf immer wieder neue Weise disponien. Der Mystiker gelangt schließlich durch die unendliche kombinatori· sche Fülle, die die göttliche Schöpfungssprache in sich birgt, zur Erkenntnis Gottes bzw. seines geheimen, unaussprechlichen Namens. Der Grundgedanke der kabbalistischen Kontemplation beruht darauf, daß durch das Verfahren der Temurah die unendliche Zusammenschau der Vielheir lentendlich eine Einheit erkennbar werden läßt, dje im Sinne der jüdischen Mystik die Einheitlichkeit der Weh in ihrem Schöpfer zeigt. Als der Begründer der kabbalistischen Wissenschaft von den Kombinationen der Buchseaben kann der mittelalterliche Kabbalist Abraham Abulafia (1240- ca. 19J 1295) betrachter werden. Abulafia seeHt sich auf die Basis der Logosmystik, wie sie in dem für ihn grundlegenden kabbalistischen Text, dem Stftr }rzirah, darge. stellt wurde. '94 Die Schöpfung der Welt wird dabei als ein Sprechakt gedeutet: Gott schuf die Dinge der Welt dadurch, daß er sie aussprach. Indem der Mysti. ker seine Aufmerksamkeit auf die Buchstaben dieser Schöpfungssprache, also auf die Buchseaben des Hebräischen, richtet, betrachtet er zugleich die prinzipiellen Schöpfungskräfte Gones. Abulafia verstand nach dem biblischen Schöpfungsbericht die Welt als etwas allein durch Sprache Geschaffenes, so daß die Buchstaben 192 Reuchlin. D~ am ~ab
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als Elemente der Schöpfungssprache zugleich auch die elementaren Bausteine der Welt darstellen. Sprache und Natur sind genuine Ausdrucksformen GOttes. Eine mystische Meditation über diese Elemente der Welt ermöglicht für Abulafia zugleich eine kontemplative Schau Gottes. So stellte Abulafia die Buchstaben und die Möglichkeit ihrer Kombination in den Mittelpunkt seiner Mystik. Ziel dieser Mystik war es nicht, eine hermeneutische Annäherung an einen bestimmten Offenbarungstext zu erreichen. Vielmehr versuchte Abulafia, durch potentiell unendliche Kombinatorik und beständige Neuordnung der Buchstaben, die für sich genommen gar keine Semantik besinen können, zu den Mechanismen der "Sin~ nerzeugung" selbst zu gelangen. Anders als die Medirntion über die Deutung einer religiösen Schrift versetzte die Meditation über die Buchstaben den Mystiker in die Lage, die Buchstaben selbst als eine "aurnrke Materie<
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Das Buchsrabenquadrat findet sich im Kontext der Renaissance·Magie auch in l99 der eben genannten, eher dämonologischen Verwendung. Die Grundvorstellung für diese Deutung der Kabbala bildete dje sprachmyscische Idee, daß derjenige, der den wirklichen Namen eines Dinges kennt, auch die Macht über dieses Ding besitzt. Der gesamte Kosmos wurde dabei als ein zusammenhängendes Wirkgeruge verstanden. Der Begriff der Magie. wie er in der Renaissance verwendet wurde. beruhte auf der VorStellung, daß der Magier. der Einsicht in die verschiedenen Stufen des Kosmos und ihre Wirkzusammenhänge besitzt, imstande sein kann, auf diese Zusammenhänge Einfluß zu nehmen und durch bewußte Erzeugung von bestimmten Kräften Veränderungen auf anderen ontologischen Stufen hervorzurufen. Diese Einflußnahme insbesondere auf die Sphären der Engel und Dämonen beruhte dieser Vorstellung zufolge darauf. daß man die Namen der enrprechenden göttlichen Wesen kannte und so mit ihnen in Verbindung treten konnte. Auf diesen Kontext nimmt Agrippa in De oecu/ta philmophia mit den von ihm dargestellten kabbalistischen Buchstabenquadraten Bezug. Agrippa ordnet die Quadrate nicht in die Methodik der Temurah ein. Er stellt hingegen ein Verfahren vor, mit dem man aus den Texten der Heiligen Schrift die Namen der 72 Engel. die den Namen Gottes besitzen. extrahieren kann. Im 35. Kapitel des dritten Buches von De oeeu/ta philosophia berichtet der von einer Methode. wie man auf Grundlage einer biblischen Textstelle diese Namen finden kann: Im 2. Buch Mus;; finden sich drei Verse, deren jeder (in hebräischer Sprache) zweiundsiebzig Buchstaben enthäh [... ]. Werden diese Verse jeder in einer Linie geschrieben, und zwar der ersre und der drine von der Rechten zur Linken, der mittlere aber umgekehrt von der Linken 7.ur Rechten, so machen je drei untereinanderstehende Buchstaben einen Namen aus, und es sind dies die zweiundsiebenzig NalOO men, welche die Hebräer Schemhl1nphorl1J nennen.
Dieses praktische Verfahren zur Ermittlung magischer Namen hat nur wenig mit dem Verständnis der BuchstabenkombinatOrik bei Abulafia gemein. Agrippa zielte nicht auf einen erkenntnistheoretischen Zugang zur Welt des Göttlichen, sondern auf eine magische Praktik ab. Die schöpfungstheologischen Implikationen von der Sprachhaftigkeit der Welt, Abulafias fundamentaler Ausgangspunkt, werden von Agrippa jedoch auch als Argument dafür verwendet. daß diese Form praktischer Magie möglich ist. Im ersten Buch von De occulta philosophia hatte er in diesem Zusammenhang geäußert: Die zweiundzwanzig Buchstaben des hebräischen Alphabets sind das Fundament der Welt und aller Kreaturen, die darin exiStieren und genannt werden; alles Gesprochene und alles Erschaffene ist aus ihnen und erhält aus ihren Kombinationen Namen. Sein und Knft. Wer sie aber erforschen will. muß die Kombination der
199 Zu dieser zweiten. magischen Deutung der Kabbala vgl. KllCHER (1997), Kapitel 3.3.1: ~Die Begründung der Konfiguration von Kabbala und Magi(' in der Renais.sa.ncc~. S. 176--18S. Zum MagiebrgrilT: MOUER-jAHNCKE (979). 200 Agrippa, Dt UCC14Ua phiuJlophitt. S. 422.
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Buchsu.ben n:u:ht:inandt:r so langt: durchlauft:n. bis dt:r götdicht: Namt: und dt:r Tat dt:r ht:iligstt:n Buchstaben sich offt:nban; dt:nn dit: Namt:n und WOrtt: haben bei magischt:n Wt:rkt:n deshalb t:int: Wirksamkt:it, wt:il das Priruip, worin dit: Nuur 1 magisch wirkt, dt:r NamC'n Gones in.·
Im w~iteren stellt Agrippa nun alphabetische Kombinacionstafeln vor, für deren Verwendung er aber auch hier wiederum nur die Ermittlung magischer Bezeich· nung~n als Ziel angibt: Es gibt übrigens auch noch andere Mt:thodc:n, um aus denselben Versc:n dn Scht:mhamphoras zu bildt:n. z.B. wt:nn allt: drei in gC:r2dt:r Ordnung von dC'r Rt:ch. tt:n zur Linkc:n umt:rc:inandc:rgc:sc.hrit:ben wt:rden, außer dem Ausz.it:hen durch dit: Tafeln Ziruf und dit: VerK'nungstafein. dessen wir oben Erwähnung gt:ttn haben. Da dit:SC Tafdn zu allt:n, sowohl göttlichen als e~lischen Namt:n dient:n, so wollen wir diesdbt:n glt:ichf.a.lls dit:Rm Kapitd beifügt:n.•
Daran schließt Agrippa nun eine Reihe von Buchsrabemafeln an: Darr finden sich zunächst zwei hebräische Varianten zu genau dem Buchstabenquadrat, wie es Bruno benunt, wobei Agrippa einmal das Alphabet in der gewöhnlichen (siehe Abbildung 5) und einmal in inverser Reihenfolge in das Quadrat einsenc. Ebenso gibt er in seiner Schrift zwei Varianten der tabula combinationum ziruph wieder, die genau denjenigen bei Reuchlin und POStel entsprechen (siehe Abbildung 6). Diese Buchstabenfiguren dienen duu, mit Hilfe verschieden~n~r Techniken ma· lOJ gisch wirksam~ Gauesnamen zu finden. Die v~rschiedenen A.kz.enruierungen bei der Verwendung des Buchsc3benquadrats bei Reuchlin einerseits und bei Agrippa andererseits werden nun deutlich: Dienre die Meditation über die hebr2..ischen Buchstaben im Sinne der unendlichen Kombinatorik bei Reuchlin einer Offenbarung des lenten Geheimnisses der Welt, so kann man mit Hilfe der von Agrippa dargestellten magischen Technik die Namen von dämonischen Mächten ermitteln, die durch die Kenntnis des Namens dem eig~nen Einfluß unterworfen werden können. Das Buchstabenquadrat konnte sowohl für die kontemplative wie auch die magisch-dämonologische Seite der Kabbala herangezogen werden. Bruno selbst machte außer im Artificium p~rorandi auch in anderen Texten Gebrauch von den kabbalistischen Kombinacionsfiguren. In Kapitel 5.1 wurde bereits erläutert, daß Bruno auch in Dr composih·on~ imaginum ein ganz ähnJiches Buchstabenquadrat wie im Artificium p~rorandi einsent. Dorr benutzt Bruno die im Quadrat verorteten Buchstaben als Platzhalter, die nacheinander mit verschiedenen, immer genauer ausdifferenzierten Signifikat~n belegt werden: Zunächst stellt der Buchstabe A einen Bauern dar, in einem nächsten Schritt bildet Bruno ein gam..es Alphabet mit Bauern aus verschiedenen Regionen Italiens, diesen wer· den die Familienmitglieder zur Seite gestellt und so fon. Am Ende dieses Prozesses ergibt sich eine riesige Fülle, durch die schlie.ß1ich die "alles erzeugende Mo201 Agripp;l, IR ()("C'II/u phiwwphi., S. 172. 202 Agripp;l, IR tKOIha phiwwphill, S. 422 r. 203 KllCHER (1997). S. 184.
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nade" erkannt werden kann. Darin können Parallelen zu der mystischen Gones· schau, die ReuchJin mit der Anwendung des Buchscabequadrats verbindet, identifiz.iert werden: Das Quadrat liefen durch seine planmäßig strukruriene Anord· nung den Impuls zu einem systematisch vollzogenen Prozeß. der durch eine immer gröfkr werdende Komplexität den Schein von der Betrachtung der Vielheit zur Einheit ermöglicht. Diese: quadratische Struktur verwendet Bruno im Anschluß an die genannte Textpassage in D~ compolition~ imaginum nochmals. Er bildet ein Orusysrem mü Höfen und darin lokalisierten Häuxrn (domus n atria), die er mir verschiedenen Gegenständen und Personen anfüllt (siehe Abbildung 11).10. Den durchnumerienen uilen und Spalten des QuadratS werden also wiederum Objekte zugewiesen. Ganz. ähnlich, wie er es auch im Artificium p~roratldi rät, beschreibt er die verschiedenen Möglichkeiten, wie man sich in diesem Quadrat bewegen und ver· schiedene Verknüpfungen vornehmen kann. Bruno verweist hier implizit auf die kabbalistische Tradition des Alphabetquadrats, indem er "entsprechend der An· zahl der hebräischen Buchscaben"m 22 ama konzipiert. Ziel ist es wiederum, alle Möglichkeiten der Kombinierung durchzuspielen, "so daß die mit verschiedenen Verknüpfungen an verschiedenen Orten vermischten Bilder alles zeigen werden, was auch immer an Möglichkeiten geboten ist.,, 206 Alle bislang genannten Verwendungen des Alpha~tquadrats bei Bruno stehen in Zusammenhang mit Konzepten, in denen Orte und - anders als im Amficium puorandi - Bilder die Basis des mnemotechnischen Instrumentariums bilden. lm Schlußkapitel von D~ minimo präsentiert Bruno hingegen ein Alphabetquadrat, ~i dem keine Bildsysteme zur Anwendung kommen sollen. In der Kapitelüberschrift spricht Bruno von einer ..~heimen Schrift, die durch das Minimum und das Maß emhüllt" werden kann. Die Deutung dieser dunklen Textpassage ist vor große Schwietigkeiten gesteUt, wie überha~t hier freilich nur eine scWag· lichtartige Interpretation gegeben werden kann. In Brunos Text werden insge. Im samt acht Buchstabenquadrate wiedergeben. Das erste Quadrat bezeichnet er als die ..erste Mutter", die "in der gewöhnlichen, alten Reihung angeordnet in" (siehe Abbildung 12).1IO Die erste Zeile bildet ein normales Alphabet, und in den
204 Compos. imag., S. 310 f. 205 Compqs. imag., S. 310: [... / iuxta rkmmtorum Hrbrororum flum«um. 206 Compos. imag., S. 310: Vt variis commixus nodis ,imu"'t'I'o ltrisIJur I Omnio mOmlTODuflt qlJM~mqur O((Il.SJI) pronuu. 207 Dr minil1W, S. 350: Oe ouuUo Il7'iptura. minimo 11 mmsura ap/irobili. 208 Nach der Rduivierung der aufYAl'ES basietenden Bruno-lntcrprwlIIion als Typus des Renaissancc-Magus isl cin umfusc.ndcs Vm"lindnis Rir Brunos Gcdichlniskunst erst im Em5tche-n. vgi. Sn.JRu:.sE 0991B). ba. S. 68 f. und STURLESE (1993). Zu dC'ffi gcnannlen Kapild in Dr m;,,;mo merke-n die- He-rausgc-ba an: ~capitolo duro ad inle-nde-re-, diffJciIe- ad inle-rpunge-re-. c-d C'Vidcnte-mcmc mal corrcl1o da1I'aUlOfC' mcdcsimo. ch~ vi ha luciuo ve-rsi (ilii in numero nuggiofC' dd 5OIilO". Auf S. 351 scheinl auch eine- Figur, die- Bruno muunaßlich vorgesehcn haue-, nietll im Druck wi~rg~n worde-n l:U sein. 209 Dr mininw. S. 352-359.
210 lA m;n;m8, S. 352: PRIMA .MATER: OrrJ;1UlrUl rt ontiqua sm, disposiUl.
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folgenden Zeilen ist die Buchstabenfolge um eine Position nach links verschoben. Auffallend ist, daß Bruno jeder Alphabeneile einen Begriff voransetzt. Das sich daran anschließende Quadrat bezeichnet Bruno als die "erste Tochter, bei der die zweite Ordnung die erste wird und die erste in kreisförmiger Umwälzung an das Ende wandert" (siehe Abbildung 13).211 Entsprechend wird die Zeilenanordnug bei der "zweiten Tochter" variiert, und Bruno weist darauf hin, daß man in ana· loger Weise weitere Tochter-Quadrate erzeugen kann. Bei den weiteten Quadraten variiert Bruno in zweierlei Hinsichten: Zum einen können die Begriffe, die den Zeilen vorangestellt werden, ersetzt werden, so daß neue ..Mütter" entstehen. Zum anderen ist auch die Reihenfolge der Alphabetbuchstaben innnerhalb der Quadrate beliebig und kann variiert werden. So bietet Bruno etwa Beispiele für Buchstabenreihen, bei denen die fünf Vokale am Anfang stehen oder aber Reihen, bei denen die Anfangsbuchstaben der Zeilen-Begriffe die Reihenfolge der Buchstaben konsirutieren. Abgesehen von der Grundstrukrur, die aus Buchsta· benreihen mit vorangestellten Begriffen besrehr, gibt es aha eine unendliche Variationsmöglichkeit bei der ErneUung der "Mutter"-Quadrate, aus denen dann die ..Tochter"-Quadrate generiert werden können. Darüber hinaus kannst du dir unzählige Müner vervielfältigen, und wie die Art und Anordnung der Buchstaben variieren kann, so vielf'ahig ist auch die Zahl der Töchter, die man bei einer Muner finden kann. Aus den Buchstaben der ersten Mütter wirst du tausendfach fündig werden, so daß durch die verschiedene Anzahl das verschieden Verknüpfte in diesem Kunsrwerk niemals wirklich beender werden kan n. '"
Harre Bruno im ersten Quadrat die Metaphorik des Bauern herangezogen, für den das Buchstabenquadrat einen Acker darstellt, auf den er seine Saat ausstreuen kann, so wird auch hier der Vorgang des Erzeugens durch den Verweis auf "Mütter" und ihre ..Töchter" symbolisiert. Jedes Mal geht es um die geordnete Erzeugung einer im Grunde unendlichen Vielfalt. Bruno verwendet das Buchstabenquadrat in allen genannten Beispielen aus seinen Schriften als Instrument, das zwei Funktionen in sich vereinigen kann: Die Quadrate enthalten zum einen eine ins Unendliche ausdehnbare Potentialität, die bei der Anwendung durch den Betrachter in immer größerem Ausmaß ausgefüllt werden kann. Durch unterschiedliche Belegung der Buchstaben, durch Umorganisation des Quadrats oder durch verschiedene "Bewegungen" auf der geometrischen Struktur des Quadrats kann so aus einem bestimmten Fundus an Buchstaben und deren Belegungen eine vieldimensionale Bedeutuogsstrukrur erzeugt werden. Zugleich mit dieser Multiplikationsfunktion gewährt dieses Ten·
211 Dr ",inimo, S. 353: PRiMA FILlA: Cui ucunduJ ordo fit primus, rt primus circulari ordinr rrjlrcuntr migr4t in ulrimum. 212 Dr minimo, S. 355: PriUUrt4 innumrr4r tibi m4tm mu!Jiplic4ntur, / Vt s~ciN INlri4, varUl Nt positur4 rlnnmti, I N4t4rum numn-us QU6lJUt tJ sub m4ITr rrptrtus; I At mtllrum pn'mis rk rkmmfis milia dUCtJ. I Vr INlrio numrro IHm·r fOrU!rx4 pa iJJud I Anis opus nunquam possunt finirirr aptr.
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dieren ins Unendliche einen kontemplativen Einblick in die Einheitsstrukrur, die hinter dieser Fülle zu erkennen ist. Zwischen der Suche der Kabbalisten nach dem Namen Gottes, der durch die Kombinatorik der Schäpfungsbuchsraben gefunden oder zumindest erahnt werden kann. und Brunos Anwendung des Buchsrabequadrars zur Erzeugung einer nicht-linearen, vielfa.ltigen Beziehungsstruktur können Parallelen gezogen werden. Buchstabenkombinawcik und die Anordnung von Buchstaben in quadratischen geometrischen Feldern dienen als Instrument eines planmäßigen und potentiell unbegrenzten Inventionspro2esses. Die Rhetorik des Artificium p"orandi eneugt keinen eindimensionalen, sequentiellen T exr, sondern sie ermöglicht an jeder Stelle des Textes eine praktisch unendliche Menge an Referenzen und Asso~ ziationen. Das Erzeugen dieser multidimensionalen Textur entspricht der kabba~ listischen Suche nach dem Namen Gottes, der ebenfalls nicht als ein gewöhnli. eher Name in Form einer bestimmten Buchstabenfolge gedacht wurde. Auf dieser methodischen Ebene kann man somit eine Konvergenz zwischen der Verwendung der Buchstabenkombinatorik und des Buchstabenquadrats bei Bruno. speziell im Artificium p~rorandi, und in der Kabbala ausmachen.
8.3.2 Das kabbalistische Sprachmodell Ober die eben genannte Adaption des kabbalistischen Modells der gänlichen Wirkungsweisen hinaus läßt sich auf der semantischen Ebene des Sprachkonzepts der Kabbala eine Parallele zu Brunos Rhe(Qrik~Vorstellung erkennen. Die Kabbala sent mit ihrer KombinatOrik nicht erst bei den elementaren Bedeutungsträ~ gern, den Wonen, an, sondern sie geht bis auf die Elemente dieser Bedeutungs· träger, die Buchstaben, zurück. Die einzelnen Buchstaben werden erst in ihrer Kombination zu Bedeutungsträgern. Die kabbalistische Sprachauffassung grenzt sich somit klar von jeglichen Formen eines Sprachvemändisses ab, das in Sprache eine An Abbildung der Welt sieht. Die Buchstaben bilden die Instrumeme, mit denen GOtt die Schöpfung der Welt ausgefühn hat. Sprache und Welt können daher nicht zueinander in Beziehung stehen wie Urbild und AbbiJd, da die Welt überhaupt erst aus der Sprache hervorgegangen ist. Eine semantische Deutung von Sprache ist demnach nicht möglich. Sprechen ist dieser Auffassung z.ufolge nicht ein Abbilden. sondern ein Nachbilden der Welt. Die Sprache fallt mit der Welt zusammen "wie die Gußform mit dem geformten Objekt".m Die Buchsta· ben rtpräs~nri~rm nicht die Bausteine der Weh, sie sind die Bausteine der Welt. Daher macht es keinen Sinn, "den Namen von der Schöpfung oder die Schöp· ll4 fung vom Namen unterscheiden" z.u wollen. 213 EcO(l997),S.44. 214 POSte!, Komm. zum &ftr }rdrllh, S. 124: IMo nrc nomrn a erratum. nrc crraturll a nominr po~JI srparllri, srd ab altrro aiurum mo~lur. In nom;nr rrt rxponirur. 111 ruJ finrm rt proprir14lnn. In rr auum mourtur, 111 in luum proprium wum. Nam imposito pn wrbum Dei nominr rrbus prarcognitis ra in sr wr rorfKrunt.
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Die Nachbildung der Weh mit Hilfe der Sprache ist dem Menschen nicht möglich, da dies hieße, den schöpferischen Sprech-Akt Gottes nachzuahmen. Die kabbalistische Buchstabenmeditation bietet aber dennoch die Möglichkeit, sich an die göttliche Schöpfungssprache und dadurch an die Stimme GOttes anzunähern. In D~ arte caba/iJtica schilden Reuchlin diese spekulative Annäherung, indem er auf das von ihm ebenfalls an djeser Stelle wiedergegebene Buchstabenquadrat Bezug nimmt. Darin werden die Erkenntnis des Gottesnamens und die Erkennrnis der Welt gleichermaßen angestrebt. Die Welt wird zum Text: Denn wir müssen mit aller Kunstfen:igkeit so lange die einzelnen Kombinationen durchlaufen, bis die Stimme Gones in Erscheinung triu und uns offen der Text der heiligsten Schriften vor Augen liegt. Diese Stimme Gones freilich regnet auf uns in allen Buchsraben des AlphabetS vom efSlen bis zum letzten, dem zweiundzwanzignen, reichlich ihre Kraft und Macht herab, bis irgendwann auch die Kombinationen, die für nicht bedeutungstragend betf2chtet werden, eine größere Wirkung entfalten als die Bezeichnungen mit einer vordergründigen Bedeutung. wie ja auch lls der Sonnensuahl kräftiger brennt als die Sonne selbst, von der er ausgehr.
Die Vorstellung, daß das gesamte, für den Menschen erfaßbare Wissen durch die vollständige kombinatorische Zusammenstellung der Bestandteile der Sprache beschrieben werden kann, ist im Denken der Renaissance gängig und bildet eine Variante zum Topos vom "Buch der Natur". Galilei etwa, dessen Übernahme dieses Topos das Wissenschaftsbild bis heute prägt, spielt im Dialog üb~r di~ b~i den hauptsiichlichsun W~'tsystmu auf dieses Sprachmodell an: Ich besitze ein weit kürzeres Büchlein als den Aris[Oteies und den Ovid, worin alle Wissenschaften enthalten sind und wovon man mit geringster Mühe die vollkommenste Übersicht erlangen kann; es ist das Alphabet. Kein Zweifel, durch richtige Anordnung und Verbindung dieses und jenes Vokals mit dem und jenen Konsonanten kann man die zuverlässigste Auskunft über jeden Zweifel erhalten, kann die Lehren aller Wissenschaften, die Regeln aller Künste gewinnen; gef2de wie der Maler bloß verschiedene Farben mischt, die getrenm auf der Palette liegen, von dieser ein bißchen und von jener ein wenig, und daraus Menschen, Pflanzen, Bauten. Vögel, Fische bildet. kun. alles Sichtbare nachahmt, ohne daß er auf seiner Palette Au116 gen, Federn, Schuppen, Bläuer oder Steine häue.
215 Rtuchlin, Dr aru cabillistica, S. 883: Oportrt mim nos artificiosr IXr singuw combinationrs film diu discurrrrr quousq~ vor Dd paUllt, rI aprrtu,s sr nobis offrrat SilcraJissimarum KTipturarum lrxtUS. lila nrmpr vor Dei. omnibus alphabttis a primo ad ultimum, vUkliut vigrsimum srrundum, virtuum suam tt vawrrm largiur impluit, ut rombinationts IlliqUtl1lto maiorrm rffirariam quar rrputlJntur. non signijirarillor. quam nomino primario signijicatu pratsttnl. IItlut; radius solis fortius quidtm urit quam sol ;pu undr mamwit. 216 Galilci. Dialog. S. 114 (. I dur miUSimi sistrmi drl mo"M. S. 135). Zu dicsc:r miudaherlichen Mttapher des NaturversündniSStS allgemein vgl. GIOY (1995), Band 1, S. 146-150 und CURTIUS (1978), S. 323-329; zu den antiken Quelltn, v.a. im Bertich der Alomlehre vg!. auch BJ.UMENBERG (J 981A), S. 36--46, und HIRSCH (1996). Für Bruno sicher von Bedeutung ist die bckanme "alOmistischt DeUlung der Spl'2cht Ix-i Luluez, Dt rtrum natura. I. 817-829. M
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Auch im Artificium p~rorandi nimmt Btuno diese Idee auf. Im einleitenden Kapitel zum zweiten Teil charakterisiere er das eme Alphabet folgendermaßen: Jetzt [kommen wir] also zu dem, was den Bestandteil und das Fundament der vorliegenden Kunsr ausmach! und was in jedem Diskurs und jeder Rede gleichsam als Bestandteile zusammenkommt, nicht weniger, als eine bestimmte und festgelegte Zl7 Anzahl an Buchstaben eine unendliche Menge an Worten bilden kann.
Bruno parallelisiert seinen Rhetorik-Ansatz hier also mit dem in der Kabbala grundlegenden Ansarz zur Deutung von Sprache: Elememar ist die RhclOrik des Artificium paorandi deshalb, weil in ihr wie in der Kabbala bis an die Wurzeln der sprachlichen Bedeutungsträger zurückgegangen wird. Daß die schöpferische Kraft der Natur und die invemive Funktion der BuchstabenkombinatOrik einan~ der analoge Methoden sind, hat Bruno an anderer Stelle mit ganz ähnlichen Worten, wie im Artificium perorandi formuliert: Aus den verschieden angeordnelen vier Elementen, die sich in unzählbar vielen Verhähnisgraden verknüpfen, ergibt sich die Menge der u07..ählbaren Elemcnrverbindungen. Aus der Anzahl der 24 Buchstaben können die Vokabeln für alle unendlich vielen Ausdrücke, die waren, sind und sein können, und für unendlich viele lII arrikulierte Worte zusammengeschmolzen werden.
Worin bestehen nun in dieser Hinsicht die Parallelen zwischen Brunos RhetorikKonzept und der kabbalistischen Sprachauffassung? Bruno selbst stellt keine ausdrückliche Beziehung zwischen seiner Rhetorik einerseitS und der Sprachdeutung in der Kabbala andererseits her. Es ist allenfalls der sprachphilosophischhistorische Komext, der diese Parallelen deutlich werden läßt. Die Kabbala hat die Ebene der Semamik aus dem Bereich ihrer Betrachtung eliminiert. Wenn nun eine Semamik obsolet ist, dann können wiederum auch die Mechanismen der Sprache universellen Charakter beanspruchen: Wenn zwischen Sprache und Welt kein Umerschied mehr besteht, dann sind die Universalien der Sprachbildung auch die Universalien der Welt. Dieser Grundgedanke nun wurde von Bruno in modifizierter Form auf die Rhetorik übertragen. Die Rhetorik versteht Bruno als eine Kunst, die insofern die Bestandteile ihres Systems als universelle Charakteristika beanspruchen kann, als sie die wissenschaftlichen Prinzipien des menschlichen Diskurses überhaupt erarbeitet. Da die RhetOrik aber nicht auf die Buchstaben als die kleinsten Elememe
217 Artifieium 11,2, S. 100 (376): fam igi/ur pra ipsis. qMr pra~srn/is artis partrm eomliruunr atqw fimdam~nlum, quar in omni diJ(unu (I orationr (OI/eurrunr IIf'futi partN, I/on minus qWlm emus ~r tkfinirus litrrllrum num~rU.J, infinitam /ltrborum mubitudinnn eonflart poINt. 218 6:pfiratio trig. fig., S. 128r: 6: rkmrnris quatuor dilJmimodr ordinariJ, innumrrabifiumqu~ proportionum gradibus eonmribus. innummlbilium rkmrntatorum mubitudo diduritur. Numrro quatllor rt viginri rkmrntorum. omnium qlUlr jiurull/. lUm rt (ur POSIUII/ infinirorum idiom4tum lJO(abula articulatarqur IJO((J infinitar ronflari polsunr.
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der Sprache zurückgreift, wie dies im bbbalisoschen Sprach paradigma der Fall ist, sondern auf Sätze, und es also nicht genügen bnn, einfach die Buchstaben vollständig zu kombinieren,l19 muß die Rhetorik ihre Elemente, nämlich Redege· genstand (res) und dessen sprachliche Erfassung (verba), in zwei Arbeirsschrirren erfassen. Bruno verlagert dadurch den Schöpfungscharakter der Sprache, der in der Kabbala auf der Göttlichkeit der Sprache beruhte, in den Menschen zurück. In dieser amhropozentristischen Sicht bringen die Elemente der Sprache keine kosmogonischen Implibtionen mit sich. Das bbbalistische SchöpfungsaJphabet wurde bei Bruno zu einem "Alphabet des Denkens". Sprache kann für Bruno nicht deswegen eine erkenntnistheoretische Dimension entfalten, weit die Welt im Grunde sprachlich verfaßt ist, sondern deshalb, weil dem Menschen die Sprache das umfassendste Erkennrnismirrel darstellt. Wie die Buchstaben jedes erdenkliche Wort bilden können, so erStellt die Rhetorik eine vollständige Erfassung von Argumentationsschemata. Bruno be· tont, daß diese, in der copia verhornm erfaßten sprachlichen Elemente zwei Bedingungen erfüllen müssen: Zum einen müssen sie in ihrer reinen Formalität universell, also prinzipiell in jeder Art von Rede verwendbar sein, und zum ande· ren müssen sie vom Redegegenstand vollkommen gelöst sein: Wir lassen also diejenigen Ausdrücke beiseite, die nicht universell sind und vom Inhalt der jeweils zu behandelnden Sache abhängen, und Stellen nur universelle, for· male Mine! 7.usammen, die wir im folgenden auf eine bestimmte Zahl reduzieren 110 müssen.
Dadurch erhält Bruno die Elemente einer Rede, die zunächst unabhängig vom zu behandelnden Gegenstand auf rein formaler Ebene sprachliche Argumentation erfassen. Dieser Versuch, sprachliche Ausdrucks- und Argumentationsweisen zu systematisieren, war seit jeher Ziel des rhetorischen lehrsystems. Mit diesen formalen Elementen der Sprache wird also nur ein innersprachlicher Mechanismus beschrieben; es gibt in der copia verbornm keine Semantik, die über die Grenzen der Sprache hinausweise. Text, Textsuukmr und Semantik fallen zusammen. Man kann das Rhetorikmodell des Artificium paorandi als eine Erweiterung der bbbalistischen Buchsrabenmystik beschreiben. Bruno griff auf die Unterscheidung zwischen copia verbonml und copia rman zurück; diese Unrerschei· dung macht in der Kabbala keinen Sinn, da die m nicht nur aus den verba hervorgingen, sondern im Grunde von ihnen nicht zu (rennen sind. Für die formale
219 Genaugenornffien beruht die Methodik des Anifirium prrorandi doch auf einer Buchsu.benkombinatorik, da Bruno die Elemente der Sprache ja in Alphabeten anordnet und dieS(' Buchstaben sich dann auf den geometrischen KOffibin:l.Iionsinslrumen!en wiederfinden. In diesem Sinne iSI das Anifirium ptrorandi eine Erweiterung der kabbalistischen Buchsubenkombinatorik. 220 Anifirium 11.2. S. 100 (376): &imis igitur formu'is iBis, qwu non Junt vniumnln. qU4tqUt ab ipsa rti trartllndat rnauria Juggtnmtur, fomuu alqut rationts vniutfSillts, quat ad ur/um numrrum inftriw disringutndum rt'ducuntur. affirrmus.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Ebene der Sprache. die v~,.ba. nahm Bmno den radikalen Ansarz der Kabbaliscen auf: Indem er alle formalen Elemente des sprachlichen Diskurses vollscändig zusammenstellte, konnte der Proz.eß einer stetigen KombinatOrik dieser Elemente einen umfassenden. universellen Anspruch erheben. Mehr als dje aus diesen un~ endUchen Kombinationen hervorgehenden formalen Argumentationssrrukcucen kann es nicht geben. Brunos copia va-borum ist somit auf eine ähnliche Weise elementar wie die Buchstaben des hebräischen Alphabets rur die Kabbalisten mit dem Unterschied freilich, daß bei Bcuno nicht auf den $chöpfungsprozeß der Welt durch GOtt, sondern auf die Nachschöpfung der Welt im sprachlichen Erkennmisprozeß des Menschen reflektiert wird. Der universelle Anspruch der copia raum kann, wie angedeutet, keine Inspirationen aus der Kabbala be7.iehen. Die Vorstellung der Analogie zwischen Mensch und Welt taucht im Deutungspa. radigma der Kabbala nicht auf; hier ist Bnmos Inspiration sicher auf andere Quellen zurückzuführen. Doch die eben aufgezeigten Parallelen zeigen, daß die kabbalistische Idee von der heuristischen Funktion einer Kombinatorik der ele· metaren Schöpfungsbuchstaben in Brunos Rhetorikmodell in seinem Konzept der copia vaborom wiederzufinden ist.
8.3.3 Kabbala und Kryptologie Von den ersten heiden Figuren, die Bruno im Artificium paorandi verwendet, dem Lullschen Kombinationsrad und dem Buchstabenquadrat, können auch Verbindungslinien zu einem in der Renaissance wieder intensiv studierten Gebiet nI gezogen werden: zur Erforschung und Verwendung von Geheimschriften. Die beiden ersten Figuren des Artificium p~rorandi bildeten die Grundlage für zahlreiche von den Kryptologen konzipierte Chiffrierungstechniken. Die Theoretiker auf diesem Gebiet betonten stets, daß die Kabbala als eine Art Vorläufer für die neuen Methoden der Kryptographie zu verstehen sei. Einen Nachklang dieser Verbindung von Kabbala und Geheimtechniken findet sich noch in dem im Deutschen mittlerweile altertümlichen Begriff der .. Kabale", mit dem intrigante Machenschaften bezeichnet werden. Umgekehrt wurden in der Mystik der Kabbala ja die heiligen Schriften als ein codierter Text verstanden, für dessen Entschlüsselung die Kabbala die entsprechenden Instrumente liefern konnte. Der Schrin von der Kabbala als Interpretationstechnik hin zu einem Dekodierungsverfahren, von einer Entschlüsselungs. zu einer Verschlüsselungstechnik, war also nicht sehr groß.
221 Zur Kryp[Ologie der Renaissance in ihrem his[Orischen Komext vg!. KAHN (I %7), Kapitel 4: ftOn ,he Origin of Sp«.ies", S. 125-156. und umfassend STRASSER (1988).
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
209
Das kabbalistische Notarikon~Verfahren, bei dem die Anfangs- und Endbuchstaben von Worten eine besondere Rolle spielten, wurde in der Frühen Neuzeit als eine steganographische Technik verstanden. Ähnlich stellt ]ohannes Reuchlin auch die Temurah, das dritte der kabbalistischen Verfahren, in De arte caba/iJtica als eine kryptographische Methode dar: Vielleichr noch viel Geheimeres werde ich euch nun in diesem drinen Teil der Kabbala zeigen [... ], in dem abwechselnd die Position der einzelnen Buchstaben vertauscht wird, und das so oft, wie man die Alphabete durchwec.hseln kann. Denn es wird entsprechend der Anzahl der Buchsraben vierundzwanzigmal vertauscht, da ja wir ja vierundzwanzig hebräische Buchstaben haben, und immer werden je zwei Buchstaben zusammengestellt und der eine anstelle des anderen genommen. Wenn nun als erste Verbindung a und b bestehen, als zweire c und d, als drine e und f, und ich nun jemanden, der in dieser Kunu bewandert ist, durch einen Brief auffordern will, daß er vor den Füßen des Fürsten niederfallen solle, um einer Stnfe zu entgehen, dann schreibe ich dbcf, W2S jener dann als Cade [.. Falle!] verstehen wird m ww.
Der von Blaise de Vigenere verfaßte und 1586 in Paris erschienene Tra;ctl tks chiffres, ou secretes man;ereJ d'escr;re war eines der einflußreichsten Werke zur Kryptologie in der Frühen Neuzeit. Das Kombinarionsrad findet bei ihm keine Anwendung, doch bis heute wird vor allem die Verwendung des Buchstabenqua~ drates zu Zwecken der Verschlüsselung mit seinem Namen verbunden: In der modernen kryptologischen Literatur wird allgemein von der Vigenere-Tafel und den Vigenere-Chjffrierschrirten gesprochen, obwoW ]ohannes Trithemius eigentlich schon vor Vigenere diese Figur 'Zu kryptographischen Zwecken mgev.'and.t hane.l.U Vigeneres Abhandlung stellt ein Kompendium unterschiedlichster kryp~ rographischer Techniken dar, bei denen in zahlreichen verschiedenen Formen auch graphische Anordnungen von Buchstaben vorgestellt werden. Bei Vigenere ist der Bezug zu den kabbalistischen Wurzeln der Geheimschriften dadurch deU[~ lieh erkennbar, daß er unter anderem Tafeln mit hebräischen Buchstaben verwendet und an zahlreichen Stellen die Verbindung zur kabbalistischen Tradition und den in ihr tradierten Texten herstellt. So gibt er auch eine Transposicionsrafe! des kabbalistischen "Ziruf' wieder, in der gleichen Form, wie sie in Agrippas
222 Rcuchlin, Dr ant cobo!illico, S. 878: MwllO font fKCIlhioro {.. .} ostmdam vobis in hae tmw CobollU pant /. ..}, ubi mullUl sit litaa. pro likra positio. tt u)ti(1 sit, qWJriN olphabttll JNrmutllntur. Ptm/utJ1.mur outtm iuxtll nwmtTWm !iltt'rarum bis tt VigiN, quw vigini dfUIJ /tgimus ludtuorum litmlS, srmptrqut binis quibusqut littns roniugolis [iubit a[/tram SWmtrt pro alura, /. ..} UI si t:C istis 10( liuris alplmbtti fArini abc d t f lonlinuo bimu tt binm roniugo~ro, qUilknus sub iugo primo sim 0 b, sub smmM l d, sub Imio t f. ~fjmqut pn- tpistoksm huius artU pn-itum aliqunn hortllrim, ut supplicaturus prinapi, CJUUtI anti pttin rius Sie scribo, dlKf. ql#Hi iJk inuUigtl Codt, itß tt dt 111,.,.s. 123 KAHN (1%7), S. 148; BAUER (997), 114 f. SHUMAKER (1982), S. 125 f., cnäuten dit Verwtndung des Quadr.us zur ChifTricrung. Auch bei Harsdörfa, Mothtmatischt wnd Philosophischt Erqwidmwndnr, Band 3, S. 46 f" finder sich dann das Buchnabenqu.adm als eine krypIOgnphischt T cchnik wieder.
s.
210 D~
PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
occu/ta phiwsophia zu finden ist (siehe Abbildung 6), und verweist hierfür auf
den S~r ]airah als Quelle.2.14 Ebenso verwendet Vigenere ein Quadrat mit lateinischen Buchstaben. das in seiner Form mit demjenigen in Brunos Text identisch .
1St.
2l~
Das Lullsche Kombinarionsrad. das in Vigeneres Kompendium nicht erwähnt wird. gehört zu den ältesten, in der Kryptologie verwendeten Hilfsmitteln. Bei Leon Banista Albeni (1404-1472). dem n Vater der modernen Kryptographie" /Z6 findet sich zum ersten Mal das Kombinacionsrad als eine Chiffriermaschine. und m bis in die jüngste Zeit war diese Chiffriermethode eine gängige Praktik. In Gio~ vanni Battista della Portas De occultiJ iiterarum not;s, einem Kompendium zahlreicher verschiedener Methoden der Kryprographie, wird ebenfalls das Lullsche Rad als eine Methode der Verschlüsselung vorgestellt: Es liefen einen Algorith. mus, durch den systematisch Buchstaben durch symbolische Zeichen ersetzt und dadurch chiffriert werden können. Dafür sind natürlich viele Möglichkeiten 2llI denkbar, und della Pona stellt einige davon vor. Ebenso greift deHa Porta auch auf das Buchstabenquadrat zurück; dieses kann sowohl als Ersatz für das Rad als auch als Erweiterung seiner Möglichkeiten dienen: Das Kunstwerk des Rades kann auch (wenn das Kreisinstrumem nichr verwendet werden kann) auf eine flache Tafel übenragen werden; diese Tafel bietet uns außer den Geheimnissen. die das Rad mit sich bringt, vidf'altige und noch verwickehere Schreibmethoden [... ]. U9 Das Buchstabenquadrat kann dann verwendet werden, wenn ein Rad, das durch seinen mechanischen Einsatz den ganzen Vorgang etwas erleichtern könnte, nicht zur Hand ist, Chiffrierrad und Buchstabenquadrat sind hier einander analoge Methoden der Verschlüsselung, Beide bieten dem Benutzer eine graphische
224 Vigenere, Trainl da chiffrts, S. 9S': ~Table des Ziruphs, ou commutations d'a1phabeu"; dazu S. 94': "ainsi du reste suivant ce qui esl c:scril dans 11' IEZIRAH." 22S Vigenere, Trairtl da chiJfm, S. SO'. 226 BElffELSPACHER (1996), S. 13. 227 Albeni, Dt> ciftiJ, S. 42. Auch in der Suganographia des Trithemius, die allerdings gedruckt erSI 1606 erschien. findel sich eine magische Verwendung des Kombinationsrades (S. S). Eine frühe Varianie zu diesen Chiffriermaschinen findel sich etwa in einem Schloß, daß sich nur durch Einslellung einer beSlimmlen siebensldligen Buchslabenkombinalion auF einem Buchstabenkranz öffnen läßl, beschrieben bei Cardanus, Dt subrilitate, S. 60S f. Zur modernen Benunung dieses InSlrUmenl$ vgl. die Faml-afeln B bis N bei BAUER (I99n. Zur Geschichle der KrypIO' graphie vor Alberti vgl. MEISTER (1902). 228 della Porta, De occulris litt'Tarum notis, S. 92-103. In der hier verwendeten Ausgabe: von IS93 sind im Texl selbst diese Räder nur schematisch dargestellt; nach der Vorrede an den Leser am Anfang des Texles (unpaginien) sind sie wiedergegeben mil dem Verweis auf die enLSptechenden Seiten im T 01, und Folgender Emschuldigung: Quoniam harum figu,arum fomuu Typogra-
pm non fi«runr in umpore mJditae, inter exruanuJum omiSSlu fueranr. SetJ nt> quill huir open duuer. hu< sunt refJOsitllt. 229 della POrla, De «cultis littrarum notiJ, S. 103 f.: Pott1t igiru, /?Qrat> anificium (si sphat>,;co insrrummlO UN° non libl«rir) in planam tJlbulAm. rtfim, quat tJlbulA pra~rer obscuriraus, quaJ Rota ing(1"('biJr. mulriplius tt pnpltxiom nobis scribt"IIi modos imponabit /..,/.
BRUNOS RHETORIKMODEll VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
211
Übersicht über alle 26 möglichen ..Verschiebechiffren", die mit einem gewöhnlichen Alphabet erzeugt werden können, und zugleich kann hier leicht bei jedem 230 zu verschlüsselndem Buchstaben die ..Verschiebung" variiert werden. Della Portas hierzu abgebildetes Buchstabenquadrat ist so modifiziert, daß die Spalten durchnumeriert und die Anfange der Zeilen am linken Rand mit den symbolischen Zeichen, die sonSt auf den Drehscheiben der Räder angebracht sind, gekennzeichnet sind. Della Porra beschreibt, wie mit Hilfe des Buchstabenquadrars die Methodik des Rades erweitert werden kann. Der erste zu verschlüsselnde Buchstabe wird aus der ersten Spalte ausgewählt und durch das in der emsprechenden Zeile am Anfang stehende Zeichen verschlüsselt, der zweite Buchstabe wird aus der zweiten Spalte ausgewählt und durch das hier am Zeilenanfang stehende Zeichen verschlüsselt. Da die Zuordnung von Buchstabe zu Zeichen in jeder Spalte anders ist. wird die Chiffriertechnik äußerst komplex: Je nach ausgewählter Spalte ist dasselbe Symbol mit einem anderen Zeichen belegt.2.I1 Bereits vor della Porta hane Johannes Trithemius die Verwendung von Buchstabenquadraten beschrieben. In Buch 5 seiner Polygraphia von 1518 wird eine r~cla transposilionis labu/a und eine aversa transpositionis tabu/a angeführt, wobei sich die beiden allein dadurch voneinander umerscheiden, daß das Alphabet einmal von rechts nach links und einmal von links nach rechts läuft. Das Prinzip ist hier also dasselbe wie in Agrippas D~ occulta phi/osophia. wo neben der rabu/a commulationum recla (siehe Abbildung 5) ebenso eine entsprechende gegenläufige Tabelle abgedruckt wurde. Trithemius hebt ähnlich wie della Pom hervor, daß die Verwendungsweisen dieses Instrumems äußerst zahlreich seien. ja, daß sogar ausgehend von der graphischen Darstellung des Buchstabenquadrats verschiedene neue Verfahren emwickelt werden könnten: Die Verwendungsweisen dieser Erfindung sind aber nahezu unendlich viele, von denen wir entsprechend der notwendigen Einleitung die folgenden für den Leser ausgcwilhl[ haben und ihm das Obrige zur Findung selbst überlassen haben. [... ] In diesen heiden Tafeln ist gänz.lich .Wurzel und Fundament der genannten Tranwsition emhahen, und darauf läßt SIch das Gerüst des ganz.en Bauwerks aufbauen.•
Trithemius betont weiterhin, daß die vollständige Kenntnis dieser beiden Quadrate den Schlüssel zu jeglichem kryptifizierten Text bieten könnte, der mit Hilfe der Transposition von Buchstaben erstellt wurde; die Verwendbarkeit dieser Tafeln ist universell:
230 BE\!rELSPACHER (1996), s. 13-15. 231 delta Porta, D~ ()(cubis lit~rarum 1I0tis, S. 105. 232 T rithemius, Polygraphja, S. 01': 51111t allum Modi hlliUJ adjmKlI';OllU pmt illfillirj, t qlljbUJ 1101 pro lI«lSSIlriA j1ltroducriOll~ uqlU1ltn keton' pranjf!lilvjmw, l1IjUJ rtüqua illgmio poJmlwm1ll rtstrr.'amUJ. /' .. / /11 his duabUJ IabllÜJ radix u fimdammrum mtmorau rrtll'lsposjNollis omnjno polIifllr, sllp~r '1110 strlletura toNus a~dificii ~olJocarllr. Zur Kryptographie: bei T rithcmius vgl. auch SHUMAKER (1982).
212
PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Wenn man nämlich diese beidc:n Tafeln richtig erkannt und verstanden hat. dann kann einem keine Tr:msposition von Buchstaben. wenn man nur sorgf2}tig vorgeht.
verborgen bleilx.n.l.U
Die moderne Kryptologie unterscheidet zwei Arten von Steganographien, die technische und die linguistische Steganogr:aphie. Als technische 5teganographie gilt eine Methode. bei der ein Text nur durch Anwendungen gewisser praktischer Techniken lesbar wird, beispielsweise die Verwendung von Geheimtinte. die nur bei entsprechenden chemischen Opt:r.ltionen sichtbar wird. Die Linguistische Sreganographie beruht auf der Idee. einl:' geheime Nachricht als unverfaniiche und nicht sofort als codiert idencifizierbare Nachricht erscheinen zu lassen. Genau dies war das Ziel der Bücher 1 und 2 der Polygraphia: Sie bieten eine Ver· schltisselungsmethode, bei der der verschlüsselte Text keinerlei Hinweis darauf gibt, daß neben dem offensichdichen WortSinn ein weiterer Sinn hinter den ein~ zeinen Worten versteckt sein könnte. Der chiffrierre Text ist somit zumindest auf zwei Ebenen zu lesen, von denen die eine allein dafür erzeugt wurde, um die andere zu verschleiern. Trithemius bedient sich hierfür einer Reihe von über 300 Buchstaben~ und Wortlisten.LI) In jeder Liste werden die 24 Buchstaben des speU6 ziellen, von Trimemius verwendeten Alphabers mit lateinischen Worrformen belegt, wobei von dem angegebenen WOrt keine Rückschlüsse auf den ihm zuge~ wiesenen Alphabetbuchsraben gezogen werden können. In diesen Listen finden sich verschiedenSTe grammatische Formen lateinischer Wörrer (teilweise an manchen Stellen durch nicht variable, syntaktische Ü1>erleitungsworre verknüpft, die zwischen den Listenkolumnen abgedruckt sind), die jaioch so arrangiert sind, daß bei sukzessiver Verwendung der Listen jedes Listenelement mit jedem Li~ stenelement des jeweils folgenden Alphabets kombiniert werden kann:
a
D,us
a
ckmms
a
cr~anJ
a
b
Cr~ator
b
c/ml~ntiJSimUJ
b
r~~nJ
b
c
Conditor
c
plUS
c
d
Opij",
d
pljSsnnus magllus exulsus
d
,
f
usf.
m
Dominus Dominator
, f
,
f
consvvans modtTans guberna,lS ordinans
c
d
,
f
carIos ukstia suptTukItia mundum mundana homines
Als Beispiel für die Anwendung dieser Chiffrierrechnik könnte man nun etwa die Verschlüsselung des von Reuchlin im oben genannten Beispiel verwendeten 233 T rithemius. PoI:ttrllphiA, S. 0 ,': His nmim '_bus tIlbulis riu (Of"'iris n inu//mis, null. mUlspqJitiD [jU'Tllrvm WU'Tr fH'rmr (11m di/itrnritt Dpllntmr. 2}4 BAUER (l99n, S. 9 f. 235 VgJ.duu5n.ASSER(l988),S.44-46;AR.~OLO(1971),S.191 f. 236 Die 8uchsubenreihe in diese:n Wlcn tut folgende Anordnung: abc d e f g h i k I m n 0 p q r s I 'lI X yt.w. 237 Trithemius, PoJ,r;ntphUz. S. Ar-A". Dusdbe Print.ip 'lI~det ddla Pom., ~ tNnIlris [j. fn'1Irl1m flDm, S. 138-159.
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
213
Wortes "ade" [Falle!] durchführen: Die ersten vier Buchstaben dieses WOrtes können chiffriert werden, indem nacheinander aus den Listen die den Buchstaben entsprechenden Worte aneinander gereiht werden, so daß also aus c-a-d-e die Wendung Conditor ckmem modaam mundana [Gütiger Schöpfer, der Du das Irdische lenksd wird. Trithemius stellt dadurch in den ersten beiden Büchern der Polygraphia ein Verfahren vor, mit dem ein Text generiert werden kann, der in sich zugleich zwei verschiedene [nhaltsschichten vereinigt. Dies gelingt ihm im Grunde dadurch, daß er einen Text auf eine Abfolge grammatischer Strukturen reduziert und dieses Gerüst dann mit verschiedenen semamisehen Belegungen ausfüllt. Trithemius trenm die grammatische von der semantischen Ebene des Textes, so daß eine Veränderung der semantischen Belegung innerhalb der grammatischen Form eine Bedeutungsänderung des chiffrierten Textes bewirkt. Diese Methodik kann als ein vereinfachtes Prim.ip dessen beschrieben werden, was die theoretische Basis von Brunos copia verborum im Artificium perorandi darstellt. Brono radikalisiert diesen Ansatz: Während die linguistische Steganographie von einem gegebenen Text ausgeht, der verschlüsselt werden soll, indem er in einen anderen Text transformiert wird, sucht Bruno die Prinzipien der T extgenerierung überhaupt. Nicht ein Text soll auf einen anderen, sondern alle Texte sollen auf alle Texte verweisen. Während Trithemius durch ein Spiel mit Grammatik und Semantik eine Überlagerung von zwei Bedeurungsebenen eines Textes erreicht, schichtet Bruno den Aufbau der Sprache in verschiedenen, prinzipiell unendlich vielen Ebenen. Diesen Schichten bau der Sprache beschreibt er metaphorisch durch die Begriffe "Umhüllung" und "Färbung". Bruno versucht, das fundamentale Gerüst der Sprache 1.U finden, indem er alle logischen, grammatischen, rhetorischen und im weiteSten Sinne stilistischen Kategorien der Sprache zusammenstellt, sie auf den Figuren miteinander kombiniert und durch dieses Verfahren nicht nur aus einem Text einen anderen, sondern aus jedem Text jeden Text erzeugen kann. Brunos copia verborum griff somit bei der Übernahme des Kombinarionsrades und des BuchStabenquadrats auf in der Kryptographie gängige Chiffrierinstrumente zurück. Die Mechanismen, die die KIypwlogen heranzogen, setzte Bruno produktiv um. Doch es ging ihm nicht darum, nur einen Text in einen anderen zu verschlüsseln, sondern die Mechanismen zu finden, durch die jeder Text in jeden anderen verschlüsselt werden konnte. Unter der Perspektive, die Unendlichkeit ..denkbar" zu machen, zielte Bruno nicht darauf ab. die ..richtigen" Texte von den "Falschen" zu trennen, sondern er war auf der Suche nach den Strukturen der Textgenerierung überhaupt. Im Artificium puorandi verknüpft Bruno zwei Inspirationen, die aus der kryptologischen Literatur stammen: die an der Kabbala geschulten Methoden der Buchstabenkombination und -permutation. durch die unendlich viele Chiffrierungsschlüssel erzeugt werden können, und die Textgenerierung mit Hilfe der linguistischen Steganographie. Die kryptologischen Texte des 16. jahrhunderts griffen auf Methoden der Kabbala zurück. die dabei sowohl als ein Deutungsverfahren als auch als ein Kodierungsverfahren interpretiert wurde. T ate konnten
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PHILOSOPHISCHE INTERPR11ATIQN
mit Hilfe der kabbalistischen Techniken planmäßig chiffriert und dechiffriert werden, sofern der Kodierungsschlüssel bekannt war. Das aus der kabbalistischen Traditionslinie bekannte Buchsrabenquadrat wurde ebenso wie das lttllsche Kombinacionsrad hierbei als ein universales [ostrumem mit fast unendlicher Anwendungsvielfalt in die kryptologischen Techniken übernommen. Diese Funktion eines Instruments zur Generierung von Texten erfülh das Buchstabenquadrat auch im Artificium pmJrandi. In den Schriften zur Kryptographie wie auch in der Kabbala wurden die Buchstaben als diejenigen Sprachelemente betrachtet. an denen die Variationsrechniken ansenten. Brunos Rhetorik hingegen ging nicht bis auf die Ebene der Buchstaben zurück, sondern setzte auf der Ebene der sprachlichen Grundbegriffe an, die er als ein "Alphabet des Denkens" verstand. Das Artificium paormuli sollte also nicht Buchstabenkenen aus Buchstabenkenen en.eugen, sondern Texte aus Texten. Die 5teganographie (in der modernen Bedeutung des WOrtes) beruht auf der Idee, daß ein sinntragender Text wiederum einen anderen sinntragenden Text en.eugen kann, wenn man im Besitz der richtigen Verschlüsselungstechnik isc In diesem Sinne kann man Brunos Rhetorikmodell als ein steganographisches Verfahren auffassen: Es ist gerade die Pointe an der steganographischen Chiffrierung, daß ein verschlüsselter Text zunächst nicht als ein solcher zu erkennen ist; man sieht nicht auf den ersten Blick, daß der chiffrierte Text auf einen anderen Text verweist. Indem Bruno nun die Buchstaben des Alphabetquadrats mit Bedeurungen belegte, machte er aus dem in unendlichen Variationen verwendbaren Buchstabenquadrat ein Instrument der linguistischen Steganographie. Hierbei konnten die kryptographischen und kabbalistischen Techniken der Buchstabenpermutation weiterhin in derselben Weise angewandt werden. Nur: Nun wurde nicht aus einer Buchstabenkette eine andere erzeugt, die im Hebräischen noch relativ problemlos als Text verstanden werden konnte, in anderen Sprachen jedoch klar als ein chiffrierter Text erkannt werden mußte, sondern nun konnte aus einem Text praktisch jeder beliebige andere Text en.eugt werden. Brunos Rhetorikschrift nimmt dadurch Tendenzen vorweg, die sich historisch in der Konvergenz zwischen kryptologischen und universalsprachlichen Konzepten des 16. und 17. Jahrhunderts ausmachen lassen. Das Sprachbild, das das Artificium paorandi entwirft, kann in einem radikalen Sinne durchaus als eine "philosophische lingua tmiv~rsalis" bezeichnet werden, insofern Brunos Rhetorikansatz von philosophischen Prinzipien geprägt ist. Von Brunos copia vabornm, verstanden als ein ,,Alphabet des Denkens", bis erwa zu Leibniz' Vorstellung einer charact~ristica Imiv~rsalis ist es kein großer Schrin mehr. Lullus und der LuUismus stellen eine grobe und je nach Standpunkt noch relativ uneffektive Vorsrufe auf dem WeBezu den Konzepten philosophischer Universalsprachen im 17. Jahrhundert dar. Brunos Rhetorikmodell ist dadurch auch ein Exponent eines kulruthi238 MllTIL.STRAß (970), S. 42,-'13,
(~Die
Idee der Kunstspr1lche von Lull bis Lcibniz"); zu Lcibniz' Idee eines .,Alphabets des Denkens· S. 433-43,. Das Sprachkonzept Brunos, wie es im Anifinum prrorandi formuliert wird, kann ohne weiterc:s in dies.c Entwicklungslinie von Kunst-
BRUNOS RHETORIKMODELL VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
215
storischen Prozesses, bei dem in "erstaunlichem Maße viele dieser [universalspr.achlichen) Kommunikarionsmerhoden in ihrer Entstehung und En(Wicklung von der Kryptologie der damaligen Zeit beeinRußt waren, von ihr ausgingen oder sich andererseits zu kryptologischen Zwecken verwenden ließen.":'»
8.3.4 Der kabbalistische Begriff des indummrum im Artificium pnvrandi In der Terminologie, die Bruno im Artificium ptTorandi verwendet, läßt sich ein weiterer Verweis auf kabbalistisches Denken identifizieren. Bruno erläuten die methodische Bedeutung des zweiten Alphabets innerhalb seines Rhetorikmoddls in metaphorischer Umschreibung durch den Verweis darauf, dieses Alphabet könne als ein Alphabet der "Umhüllungen" benutzt werden. Dieser Begriff "Umhüllung" (indummtum) spielt im Denken der Kabbala eine wichtige Rolle. Wie bereits oben gezeigt, geht Bruno bei den einzelnen Alphabeten von einer Stufung aus: Das erste Alphabet soll durch "allgemeine Begriffe" (t~ini gmtTaus) gefüllt werden, die unminelbar auch als argumentative Topoi verwendet werden können. Dieses erste Alphabet stellt die Schnittstelle zwischen der copia VtTborum und der copia rtrUm dar. Die mit Hilfe dieses Alphabets gebildeten Aussagen bilden das Grundmaterial, mit dem der Redner o~rieren kann. Das zweite Alphabet stellt diesen Grundaussagen in einer weiteren Stufe "äußere" Charakteristika zur Verfügung, die Bruno als "Umhüllungen der Reden und Aussagen" beschreibt und mit denen man die durch das erste Alphabet produz.ienen Säru ver· vieLfliltigen kann. Nachdem aus den viden, zuvor genannten Begriffen Alphabete gebildet wurden, so daß wir reichlich und ohne Verwirrung Variationen vornehmen und eine Aussage immer wieder auf andere Weise auffassen können, haben wir auf diese An nun aus diesen Umhüllungen der Reden oder Aussagen ein Alphabet gebildet, um die Ordnung der Sätze zu bereichern, aUS1.uschmücken und zu modifiueren. Wir bezeichnen dies mit dem Namen "Umhüllung", weil es nicht die Substanz - oder die Materie - der Rede bednflußt, sondern nur ihre äußere Form, und es gibt keine Rede. l4O auf die diese Umhüllungen nicht übertragen und angewandr werden können.
sprachen inlcgrim werden, vgl. MI1TELSI'RAll (1970), S. 42S: ~Die Konmuklion einer Kunsrspr1lche verfoIßlI ... ] nichl nur das Ziel, wissenschmlidlem Sprechen ein Höchstmaß von Exakthei! w verldhen. sondern such! darüber hinaw ein sprachliches (begrimiches) Verfahren tur VerfUgung :tu Slellen, das mir Hilfe endlich vider Regeln über eine Klasse von Grunddementen wissenschaftliche &gebniue selbst erttug!. ~ Zu dieser in_tiD als rhetorische DimeMion in den Universiliprachenkonttplen v.a. des 17. Jahrhundens vgI. ROSSI (1991). 239 StllASSER (1988), S. 14. 240 Amfidllm 11.4. S. 106 r. (380): PtHt'lUltm a pl"ribllS tlietiDnibllS pnut/iren ./phtJlKu fiurint amJtitukl, '1/.0 ptmimllS alpW n n·tr. confiuwn..m /JlllriJlndi riltwnnn iM"..,......t '1Ui1m lmiI viu, unD ",otI6. ilW vi.....lio ",Ofk, .mf'"t pouimllJ ..""ncilrtiDnnn: h« '''1mt auutitunnus tdphtJlKtum. (f1pulfu/~. onumtl6, tt motiifi~ilNiD stntnrtUtnlm ort/inrm. olln hiKt orilt;on"'m JtU l'n",nciiltiDn",m int/"'l'1UntiJ. HIKC ;ntl",mmtOnlm nom;n.. ;nscribimus. '1",itl Mn tU! J",btuntiilm Dnu;oniJ pnrint:.
216
PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
Das sich daran anschließende Alphabet diem nun wiederum in einem zweiten Schritt nur der äußerlichen Erweiterung dieser zuvor vorgenomenen >tUmhüllun~ gen " : O})(:r die erwähnt(: Form der Umhü1lun~n hin:aus. durch die Reden ganz. offensichdich umgd"orm[ werden können, folgt nun das Verfahren mit Hilfe von Farixn. durch all die im einu:lncn sowohl M2.u:rie wie Form vuiicrt werden können. Denn das gmtt zuJeru genannte Alphabet lunn in a1l seinen Bcstandtdlen vom nun fol· ~nden Alphabet auf verschiedene Wosm gcfarbt werden, wie ja auch das oben genannte Gewand mit verschiedenen Farben mit großem Ennücken variiert werden ,__
A.ilnn.
:41
Dieser Begriff der ..Umhüllung" steht in Zusammenhang mit der kabbalistischen Lehre von den zehn Sephiroth; diese Sephiroch - so BCUDO - könne man .,in unserer Sprache etwa GIi~tkr odn' KkUkr nennen".242 Die Sephiroth (..Grundzahlen") wurden von den Kabbalisten mit den Zahlen von Eins bis Zehn identifiziert und bezeichneten die tehn Attribute oder Potenten der unendlichen Gottheit (En-Soph). Das Verhältnis dieser Sephiroth zueinander wird dabei als ein emanalOrischer Vorgang begriffen. Die oberste Sephira ,Kether', die als einzige in direkter Verbindung mit der Gottheit steht oder sogar mit ihr eine Einheit bildet. bringt aus sich die einzelnen anderen Sephiroth hervor. Diese Entfaltung aus einer Einheit bis hin zur Zehnheit generiert die Grundkräfte. durch die Gott in der Welt wirksam ist. Die Sephirorn bezeichnen die primären Kräfte, durch die Gon seinen Schöpfungsakt in der Welt ausübr. Die Lehre von den Sephiroth beschreibt somit das Wechselverhältnis zwischen der unendlichen Einheiclichkeit Gottes und det daraus eruugten Vielheit. Das Konzept der Monadenlehre, wie es Bnmo in D~ momuk formuliert. kann als eine Variante zu diesem kabbalistischen m Grundgedanken gelesen werden. 1m übrigen ist die Vorstellung. der Mensch könne vom Götdichen nur dann, wenn es mit Gewändern verhüllt ist, eine Ahnung erlangen, in der gesamten Religionsgeschichte zu finden; nut die konrurenhafte Form. nicht der wahre ..Inhalt des Göttlichen ist dem Menschen zugäng. \.,eh'~ Die Sprachhaftigkeit der Weltschöpfung wurde von den Kabbalisten mit den tehn göttlichen Grundkräften in Beziehung gesetzt: Die innere Verknüpfung der einzelnen Sephiroth zueinander wurde in der Kabbala überdies im Bild des Sephiroth-Baumes veranschaulicht. Dieser stellt den Bezug der einzelnen WirSl'W tUJ mJltrrWm. snI tll1/1wm tUJ txtritlS«ilm formilm. "~qJU Nt IlIJa orlltio cui om"ii1 hII« i"Jw· mmtil "~f{wilnt aUDmodllri, appropriari. 241 Anificium 11.5. S. 111 (383 f.): VItra formilm priUJit'Jilm in4wmmtOrJ4m, qwibllS orillio"~ "ilmfomwri viJm1l4r. l~currit mt;D aJlorJ4m. qwi6. Dm"i6. IU si"plis. 114m miltnUu, 114m fornuu INlri· a"lWr. Nilm kl1um pn»tim~ Jirtwm AlphlllN-twm. pn sirrpla n omniil manhrll 11 P'iUJmU variis moJiJ NJlo'IIn' pqtns. qwnrlll(/m04wm iJnn in4wmnl1l4m coloriJ JiWTIitilu m,Jrjp/i~itn, non lirrr iWJln4iwu, ""rUllWT. 242 c.hJm/a, 5.865 (a IGthN/a, S.25) : ..per la romr:rnplaz.ionr: di qur:llr: dicu St:phirolh. ehr: chiamamo in nostfa lingua rnr:rnbri t:d indumr:mt. 243 SPANe (1999). 244 SCHIMMEL (1993).
BRUNOS RHETORlKMODEl.l. VOR SEINEM HISTORISCHEN HINTERGRUND
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kungskräfte zueinander her, indem er in einem graphischen Modell eine Ver· knüpfung durch Verbindungslinien hemellr. Diese insgesamt 22 Verbindungs. wege wurden von den Kabbalisten mit den 22 Buchstaben des hebräischen A1phabc:lS identifiziert, so daß die Wirkungsweise Gottes aufs engste an eine sprachliche Ausdrucksform gebunden wurde. Das Schöpfungsalphabc:t kann auf diese Weise wiederum als ein Wechselspiel zwischen den einzelnen Primärkräfren verstanden werden. Bruno war mit dieser Lehre, die in den Texten der chrisrli· ehen Kabbalisten eine ganz herausragende Stellung einnahmen, gU( vertraut und greift an zahlreichen Stellen in seinen Werken auf sie zurück. 24S Die Explikation der Sephiroth aus der ursprünglichen Einheit wurde von den Kabbalisten in enger Anlehnung an die neuplatonische Emanationssymbolik beschrieben: So werden die Grundzahlen als ein Fließen durch GeflAße, Röhren oder KanäJe, als StrahJen von Licht, als Stimmen oder eben auch als Gewänder 246 der Gottheit beschrieben. Auch Bruno stellt dies durch die Verknüpfung der neu platonischen Metaphern von Licht und Umhüllung in D~ monw dar: Daher werden ihr uhn Umhüllun~n (die die Mekubalen [. die Kabbalisten] Sephiroth nennen) wgeschrieben. Sie sind unter dem Namen "Umhüllungen" be'bont, weil sie Gon als den in sc=iner absoluten Subswn unnennbaren und unfaßbaren nicht (direkt] beu.ichnen, sondern nur in gavissen :iußeren Hinsichten, w gleichsam durch Schleier, die das üchr nichr durchdringen kann.
In der kabbbalistischen Sephiroth-Lehre wird nicht nur der Versuch gemacht, eine Erklärung für die Sprachgebundenheit der Kosmogonie zu geben, wie sie im Zentrum der kabbalistischen Sprachmystik scand. Die Kontemplation der primären Wirkungskräfte Gottes eröffnet umgekehrt: auch eine erkenntnistheoretische Perspektive. Der geistige Nachvollzug der zehn Schöpfungskräfte sowie der aus ihnen ableitbaren 22 Buchstaben, die die Kabbalisten insgesamt als die ..32 Wege der Weisheit" beu:ichneten, ermöglicht dem Mystiker eine Annäherung an die Erkenntnis Gottes. Die Wahrnehmung der Wirkungen Gottes auf den verschiedenen ontologischen Stufen der Weh gibt zwar nicht die Einsicht auf das Wesen Gones frei, da die direkte Erkenntnis Gottes dem Menschen unmöglich ist; doch dem Mystiker ist es auf diese Weise möglich, Gon zumindesr in seinen Äußernn· gen, also in seinen "Umhüllungen", wahrzunehmen. Im weiteren Sinne läßr sich diese Vorstellung in den Rahmen von Brunos Erkennrnistheorie einordnen. Das erkenntnistheoretische Konzepr Brunos greift auf die platonische Vorstellung lU rück, daß es dem Menschen prinzipiell unmöglich ist. zur Erkenntnis der archetypischen Ideen zu gelangen. Allein die Auswirkungen dieser Urideen kann der Mensch wahrnehmen. Diese bez.eichnet Bruno 245 Zur Sephiroth-uhr(' in d(':n il:aJienisch('n Schriftt'.n Drunos sidlt'. OE LEON-JONES (1997). $.29-52. 246 MAlER (1995). S. 48--50. 247 ~ monatk. $. 462: Hinc Dmm iUi Indummhl (qU4~ &phiroth Mrcuollin IIp,"'''mt) Ildtriouuntur. IndummtOl'llm nomin~ ukbrlltd, quill tUllm in sllbswnrill Ilosolutd i",lOmi1lJlbi!nn n in(o",pt"thnnioikm non Sirifi(ilnt, ud aumil '1uiouuiJlm rtSp«tibus tilmqJUlm 'ueil i1lJl«mibi/is wlJl",inibus.
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
~benfalls
in Anlehnung an die Lichuneraphorik aus dem platonischen Höhlengleichnis in D~ umbriJ uuarum als die "Schauen der Ideen". Die kabbalisnsche Vorstellung der ..Umhüllung" und die platonische Deutung als ..Schatten" kön~
nen hierbei als nahezu äquivalente Metaphern
~riffen
werden. Diesen Gedan-
ken der schattenhaften, mittelbaren Erkenntnisfahiikeit des Menschen hat Sruno l an zahlreichen Stellen in seinem Werk ausgefühn. Er ber.racht('r dieses Konupt als eine Vorscellung, die sich in viden verschiedenen philosophisch-religiösen Traditionen wiederfinden läßt: (... ) aus~hend von der Erkenntnis aller abhängigen Dinge (könm:n wir) bestenf.tlls auf die Spur der Erkenntnis des ersten Prinzips und der emen Ursache kommen [... ]. Entspringt doch das AJI Seinem Willen und Seiner Güte, die du Prinzip Seim:r Tätigkeit, Seiner alles umfassenden Schöpfung, bilden. Oassdbe gih auch fur das Verständnis der Kunstwerke, insofern jemand, der eine Statue betrachtet, nicht den Bildhauer betrachret. Wer das Bild der Hdena ansieht, sieht nicht Apelles, son· dem das Werk seiner Tätigkeit, das sich seinem herausragenden Genie verdankt. [...1Oie Erkenntnis des Universums bedeutet also nicht, erwas über das Wesen und die Substanz. des ersten Prinzips zu wissen, sondern nur die Akzidenzien der Ahi· denzien z.u kennen. [... 1 Weil also die göttliche Substanz. unendlich ist und sich überaw weit entfernt von ihren Wirkungen hält, welche die äußerste Grenze unse· res Erkenntnisvermögens darstellen, so können wir unminelbar von ihr gar nichts wissen, sondern nur ihre ..spur" erkennen, wie die Platoniker sagen, ihre "entfernte Wirkung" - in den Worten der Peripatetiker, ihre "Hülle" - im Sinne der Kabbalisten, ihre "Rückansicht" - nach der Lehre der Talmudisten oder - mit den Apokalyptikern zu reden - nur ihr ,.Spiegelbild", ihren "Sch:menriS", ihre Verschlüsselung im "Rätsel" .lot
Bruno integriert hier die eben skizzierte ,.kabbalistische Erkennmischeorie" in den Kontext einer philosophischen Denhcadition: Der Versuch der Kabbalisten, die Konturen GOttes in den als seine Wirkungsweisen verstandenen ,.Umhüllungen" zu ahnen, wird von Bmno als die einzig mögliche Annäherungsweise an die Er· kenntnis der Welt verstanden. Es darf dem Philosphen nicht darum gehen, in Detailanalysen dje Strukturen der Natur zu untersuchen, da das Verhältnis der Natur zu ihrem Schöpfer ähnlich akzidentiell ist, wie das des Bildhauers zu sei· nern Kunstwerk. Zur wahren Erkenntnis kann er nur gelangen, wenn er den auf das Göttliche zielenden, zeichenhaften Verweischarakter, der die Einheitlichkeit der Weh in der Vielheit ihrer Ebenen stiftet, wahnunehmen vermag. Es kann nur eine Art symbolischer Kombinatorik sein, die den Blick auf das göttliche Universum eröffneL Aus der Vielzahl der Erscheinungen müssen die Konturen, die die Schatten der Ideen in der sinnlichen Welt hinterlassen haben, herausge. filtert und wiederum in Bez.ug zueinander gesetzt werden. Erst auf diesem Abstraktionsniveau erhält der Philosoph einen wirkJichen Einblick in die Strukrur der Welt. Es ist diese Vorstellung, durch die auch Brunos Texte zur MnemOlcchnik ihre universalwissenschaftliche Prägung erhalten. Diese Zeichenhaftigkeit der 248 SPRUIT (1988). bcs. S. S7-n.
249 lk IR C"UJiI, S. 227 ( (. OHrJi, Uruuht, S. S2 f.) IH~orhebung M.5.j.
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Erscheinungen. für die er dann häufig auch wieder den Begriff .. Umhüllung" gebraucht. wiU Bruno mit Hilfe seines semiotischen Instrumentariums herausat· no beiten. Beteits oben habe ich auf Brunos Auffassung verwiesen, im Bereich der Sprache könne es keine Synonyme geben. In diesem Zusammenhang beschreibt Bruno den Yerweischarakter. der den mnemonischen Arbeimechniken zugrun· deliegt, als .Umhüllung"' Die inneren Formen der Natur werden auf zwölfWei~n emf.a.lu:t (von denen auch die zwölf Bezeichnungen abgeleiter sind); dies sind Gesrahen, Figuren, Bildn~, Ähnlichkeiten, Bilder, Erscheinungen. ßeispieLhaftigkeiren, Hinwe~, Kennzeichen, Pr.igungen und Siegel. Die Abgrenzungen und Unterscheidungen di~r Beu:ichnungen kann dir weder ein Grammatiker noch ein gewöhnlicher Philosoph geben, sondern du mußt ganz allein ~Ibst darüber nachdenken. Auch wenn wir di(Se mir Hilfe von anderen Substantiven erkb.ren wolhen, würden wir in einen niemals zu Ende kommenden Prozeß eintreten, denn wir sind der Ansicht, daß es bei den Substamiven keine Synonymik geben kann. Jedcr soll also nach seinen Möglichkeiten dcn Unterschied bis zur ZwölfUhl hin zu vervielf'a.ltigen versuchen. [... ) Diese zwölf Umhüllungen werden also zunächst durch sich selbst geradewegs. d:lRn aber lSl auch schräg durch alle übrigen durchgeführt.
Es mag nicht zuf'allig sein, daß Bruno hier auch auf die Unmöglichkeit eingeht. auf rein sprachlich..d.iskursivem Wege. also mit der Sprache der ..Grammatiker". die Kontemplation über diese: Umhüllungen zu erfassen_ Die Frage. wie denn diese zu erkennende Ähnlichkeit beschaffen sei. läßt sich nur durch inneres Schauen beantworten. Eine rein sprachliche Beschreibung ist deshalb unmöglich, weil es in der Sprache wie auch in der Namr keine Synonyme gibt; derjenige. der in der Betrachtung der Natur wie in der Sprache das Wirken Gortes erkennen wiU. muß diese mehr oder minder unendliche Semantik zugleich betrachten, und erst in dieser spekuJativen Zusammenschau uigt sich die wahre Erkenntnis der Natur. Mit dem Begriff des indummtum haben wir es also mit einem untralen Begriff in Brunos Philosophie zu tun. Das Modell einer auf die ..Umhüllungen" gestünten, spekulativen Erkenmnismemode hat Bruno auf verschiedene Weisen in verschiedenen Texten umzusetzen versucht. Die Funktion der .. Umhüllungen" konnten dabei aus ganz unterschiedlichen philosophischen Kontexten stammen· 250 Vgl. hierw S. 107.
251 Sig. sigilJ. S. 204 r.: IlItrinsmu 'trum mltur(llium fonnJlt auMtrim rationibus (srnmdum q/UlJ duod«im sumunt a.mDmiTllltiontS) np/itansur.. sunt auttm sptdt1, figurat, simulaCTa, similitudintS, imagintS, sptma, fX'mplan·a, iuJiria, si!"". nOUlt, rha,arttrtS, sigiiJi. qUiJ,...,m aiffi,mriam tt JiHinrriontm non (I grammatisUl ntr a _'xari phiIDsopho prrquirm, sra ptr umtr iprum mtJiUl". NOI ('tm;m li ha« prr alia nomina t:r:plirilrt wümllJ, p''Ot'tSsum nu"'qUil", t"",ilUlnau", adon·t· mur, SJI'Ionymiam mi", purilm ;n nominibus nulJam ('fI(' rrrdimut. QuiHfllt ;gitur pro lUil ftt:NlIIltt aiffrrrnriam ruJ Juodtrutrium ",IIUipü('llntillm ptrUnttt. {...} Multiplir.ntur harr in.JummUl amm, quattnus p
aW1-
rone linD nropl:iUonica, rcco dirC:ID di motivi cabalislici ed CSOlerici" und ~Ia vicina crcdidl ddlr diSC\Wioni dialerlico-reloriche umanililic.hc".
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PHILOSOPHISCHE INTERPRETATION
de Begriffssyscc.me übernehmen und entsprechend besteht der Zugang zur Annäherung an das Gördiche in verschiedenen Bereichen. $0 spricht Bnmo etwa von m den uhn aristotelischen Karegorien oder auch von den Lullschen ulatjon~ D~i wie Wahrheit, Leben, Liebe usf. als eCW:lS, was die jüdischen Kabbalisten alles :auf die tthn Sephiroth, wir abc.-r wolx:i wir jedoch nichts hinzufügten. sondern ebc-ndiest: endilteten, auf dreißig Umhüllungen ~bracht habc.-n.m I
All diese konzeprudlen philosophischen Ansätze lassen sich in Brunos synkretistischer
Sich[Wei~
als Varianren des kabbalistischen Emanationsmoddls imerpretie-
ren.
Dieses Modell hat Bruno im Artificium p"orandi nicht primär in ein mecaphysisches Konu:pt gefaßt, sondern er hat es in einen sprachphilosohischen Kontext gcscdlt. Dieser Sprachbezug bestand in starkem Malk bereits in der ursprünglichen kabbalistischen Sephiroth-Lehre. Da die Kabbalisten die Schöpfung der Welr als eine sprachliche Äußerung Goues demeten, war in den zehn Sephiroth auch eine sprachliche Koponeme enthalren. Der Weg hin zu einer rherorischen Deutung der "Umhüllungen", wie sie Bruno im Artificium ptTorandi vornahm, ist daher nicht weit. Begreift man nach dem kabbalistischen Konzept Sprache nicht als eine zeichenhafre Wiederga~ der Weh, sondern als den ursprünglichen Schöpfungsmechanismus der Weh selbst, dann bietet die Sprache unauso wie die Natur - da ~ide nicht voneinander zu trennen sind - ein Komemplationsobjekt, mit dessen Hilfe eine Annäherung an das Göttliche erreicht werden kann. Die Deurung des Artificium ptToraruii findet auf dieser moddlhaften E~ne eine klare Emsprechung zur kabbalistischen Sprachmyscik: Die elementaren Bausteine der Sprache entsprechen auch den elementaren Bausteinen der Weh. Bcuno propagien zwar im Amficium ptTorandi nicht expliz.it die sprachfundierte kabbalistische Kosmologie, aber er versteht die Betrachtung von Sprache ebenso wie die Betrachtung der Natur als ein Objekt, das den Schlüssel zur gönlichen Erkenntnis emhält. Der kabbalistische Grundgedanke, nach dem die direkte Erkennmis Gones nicht möglich ist, eine Ahnung des Görtlichen jedoch durch dje vollständige Verknüpfung der ihm zuschreibbaren Wirkungsweisen erlangt werden kann, kann somit auch als das Grundmodell des Artificiutll p~rorntldi angesehen wer· den. Bcuno zerteilt die Elemente der Sprache mit Hilfe rhetorischer Kategorien in ihre einzelnen Bestandteile und versuchr dann in einem zweiten Schrin, eine stufenweise, .. umhüllende" Kombinatorik dieser Elemente zu erzielen. Diese Schichtung in einzelne kombinatorische Ebenen ist eine Organisation, wie sie auch in den mnemotechnischen Schrinen Bcuoos wiederzufinden ist. So gliedert Bcuno beispielsweise auch in D~ umbriJ itkarum diese Schichten seines Bildsy-
252 ER mo".atk, S. 461. 253 Dr Ilrrh. /,JJ., S. 42: Qwu om"iIlludtui CAJm/iskU tui tkum St-phirolh. 'flliJmt i/Jis IU!Jmtn. yJ rmdnn aplirll"ta. mJrfimllJ i"JlImrntll.
""Oi tui rrifi"tIl. haud
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n sterns in subi~eta, adi~ctaJ adstantia und circumstdntia. . . Wie RITA STURLESE plausibel macht, beruht der innovative Kern in Brunos mnemotechnischen Schriften darauf, daß er den menschlichen Geist als eine Instanz. verstand, die .,die Daten der Sinneswahrnehmung nach symbolisch-phantastischen Strukturen organisiert. Dadurch enrdeckte Bruno .,die zentrale Funktion der Phantasie und gelangte so zur Anerkennung der symbolischen Natur des Gei5[es, den er als um spontane, dynamische und unendliche bilderzeugende Tätigkeit interpretierte. Es ist - wie ich bereits oben in Kapitel 8.2.1 in Zusammenhang mit Brunos LulIismus im Artificium p~rorandi erklärt habe - gerade die Bildhaftigkeit. von der im Artificium puorandi in auffallender Weise keine Spur zu finden ist. Im Artificium puorandi kann also der A.kz.ent auch nicht auf dieser bildbasierten Funktionsweise des menschlichen Geistes liegen. Wenn die mnemotechnischen Schriften und das Artificium puorandi auf einer gemeinsamen konzeptionellen Basis stehen. so kann diese nur in einer Parallelität zur kabbalistischen indummtum-Vorstellung identifiziert werden. Brunos mnemotechnische Schriften wie auch das Artificium p~rorandi versuchen eine Ordnung zu stiften, innerhalb derer die Vielheit der Welt in einem unendlichen, inventiven Pro:z.eß verortet werden kann. Diese Ordnung geht entweder aus der bildhaften Arbeitsweise des Geistes oder aber aus den sprachlichen Grundelemeßten. die die Rhetorik systematisch zusammenzustellen versucht. hervor. Die .,Unendlichkeit der Phantasie" und die daraus folgende .,unendliche Formbarkeit ul des Bildes )6, die notwendigerweise das Prinzip von Brunos bildhafter Deutung der Mnemotechnik bilden muß, findet ihre Entsprechung in der dem Artificium p~rorandi zugrundeliegenden Vorstellung, daß Rhetorik im Sinne Brunos einen ständigen. dynamischen Prozeß der Sprachbildung und -umbildung generiert. Der unendlichen Verwandlung der Sprache im Artificium puorandi steht dadurch die bildhafte Metamorphose in D~ umbris itkarum gegenüber. Auch don muß "die Metamorphose [... ] unendlich sein können, damit ein einziges Bild Träger unendlicher Bedeutungen, oder besser: Punkt der Entfaltung unendlich vieler Differenzen werden kann. «2)1 Diese flexible und dynamische Auffassung von Sprache bildet das Grundelement von Brunos Philosophie. Konsequenterweise versteht CIUBERTO sein Projekt eines Bruno-Le:xikons als ein .,work in progress", das diese Dynamik widerspiegeln muß.l~ Der Prozeß der Strukrurierung der Vielheit ist auf ein Ziel gerichtet, nämlich darauf, auf die monadologische Struktur der Welt zu verweisen. Die Kabbalisten versuchten sich der unendlichen Gottheit dadurch anzunähern, daß sie die Sephiroth und die Schöpfungsbuchstaben kontemplativ betrachteten. Die Brücke von U
2,4 VASOl.I (19,8). 5.278--282. 2" 5TURLESE (1991 B), 5. 70-72. 256 5TURLESE (19918). S. 7\ f. 257 SJ1JRLESE (1993), 5. 84. Vgl. dazu auch DE ROSA (1991). 258 ClUBERTO (1979), 5. XLI.
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der Vielheü zur Einheit läßt sich so durch die Erkennmis der Emfahungsprinzipieo der Einheit schlagen. Durch die Fähigkeit, mir Zahlen und Buchstaben zu operieren, hat der Kabbalist in sich bereitS eine An Gorthafcigkeit: Diese Fähigkeit verleiht ihm zwar nicht die Möglichkeit der direkten Erkenmnis Gottes. aber er kann zumindest sein Wirken, seine "Umhüllungen" erkennen. Bmoos Monadologie bringt dieselbe Schlußfolgerung mir sich: Den Einblick in die monadisehe Struktur der Welt trägt der Mensch bereits in sich; die Erkenntnis der Welt ist im Grunde eine Selbsrerkennmis des Individuums. RiTA STURLESf. stellt ihre Interpretacion von De compositiont imaginum auf eine ganz ähnliche Basis. Die bilderzeugencle Fähigkeit der PhantaSie steht im Mittelpunkt des von ihr vorgeschlagenen Mnemotechnik-Konzeptes. "Diese Kraft steht gerade aufgrund ihres schöpferischen Charakters in keiner Opposition, sondern in Einklang mit der physischen Natur, denn sie iSt ein Modus, in dem sich die allgemeine Natur entfaltet. Denn auch der menschliche Geist ist Natur, und seine Kraft ist der Ausdruck eben desselben kosmischen Prinzips, durch das alles geformt und gebildet . cl ,,15' Wir . Damit ist im Kern die kabbalistische Vorstellung von der Sprachhaftigkeit der Welt formuliert: Der über die Zahlen und Buchstaben meditierende Kabbalist versucht nicht, eine Abbildung der Welt vorzunehmen; die Prinzipien, mit denen er arbeitet, sind die kosmischen Prinzipien selbst, die die gesamte Welt hervorgebracht haben. Der Unterschied besteht jedoch darin, daß die kabbalistische Sprachtheorie nicht die Bildhaftigkeit des menschlichen Geistes, sondern seine Fähigkeit zur eher abstrakten Benutzung von Zahlen und Buchstaben ins Zentrum rückt. Das von Bruno im Artificium paorandi vorgestellte Rhetorikmodell übernimmt diesen Blick auf die Sprache. Der Rheroriker greift zurück auf die elementaren Allgemeinbegriffe des rherorischen Diskurses. Der Unendlichkeit des rhetorischen Prozesses, die Bruno im Artificium p~rorandi anstrebt, steht die Unendlichkeit der Phantasie in der Deutung nach STURLESE gegenüber. Und wie bei den Kabbalisten die Kontemplation über die Schöpfungsprinzipien die "Umhüllung" Gones sichtbar machen kann, so kann der Mensch mit Brunos geometrischen Systemen eine auf die Einheit verweisende Ordnung der Vielheit erzeugen. Wie die kabbalistische Sephiroth-Lehre sozusagem ein Filter ist, durch den die Vielheit der Welt mit Hilfe von Zahl- und Buchstabenanalogien, gleichsam also in den Umhüllungen Gones, gebündelt werden und so einen Widerschein der götdichen Einheit spiegeln kann, so soll die systematische Ordnung, auf der Bruno im Artificium paorandi den Sprachbildungsprozeß basieren läßt, die Einheit in der strukturierten Vielheit sichtbar machen. Das Buchsrabenquadrar dieme in der kabbalistischen MyStik genau diesem Zweck, Einheit und Vielheit aufeinander zu beziehen. Wie ich oben (siehe Kapitel 8.3.1) gezeigt habe, zog Bruno das Buchsrabenquadrat auch in anderen Schriften als ein Ordnungsinstrumem heran, durch das Einheit und Vielheit korreliert werden können. Das Rhcrorikmodell 259 SruRLESE (1991 B), S. 55.
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des Artificium p"orandi, das Gedächtniskonzept (in D~ umbris uuarum und D~ composition~ imaginum) und die kabbalistische Sephiroth-Lehre stimmen in ihrer monadologischen Ausrichtung überein: In allen Fällen soll ein produktiv arbeitendes Ordnungssystem die Einheit der Welt in ihren Komuren sichtbar machen.
9 Zusammenfassung: Eine sprachphilosophische Gesamrinrerprerarion des Artificium perorandi Giordano Brunos Wittenberger Rhcrocikschrift kann als philosophisch begründetes Konzept einer Textmeorie gedeutet werden. Das darin formulierte Rheto· rikmodell läßt einen revolutionären, sprach philosophischen Ansatz erkennen. an den Bruna auch in anderen Schriften anknüpft: Wenn Sprache BTunos neuer, vom Unendlichkeitskonzept geprägter Weitsicht Rechnung tragen soll. darf sie nicht durch ein begrenztes, definiertes Feld von Zeichen konstituiere sein, sondern muß selbSt durch eine innere Flexibilität und Dynamik eine Öffnung zur Totalität der Welf aufWeisen. ohne dabei andererseits in vollkommene Beliebigkeif abzugleiten. Dieser Entgrmzung tkr Sprach~ als Kernidee des Artificium p"orandi kann ein systematischer Ort in Brunos Philosophie zugewiesen werden: Die unendliche Produktivität der Natur kann für Bruno nur in einer Sprache erfaßbar sein, die selbst eine ins unendliche strebende Produktivität entfaltet. Sprechen kann nicht mehr statisches Beschreiben sein. sondern muß nun als prozessuale Annäherung an die Vielfalt der Wirklichkeit begriffen werden. Die traditionelle Philosophie. die mit einer möglichst genauen und scharfen Abgrenzung von Begriffen arbeitet. widerspricht dieser Vorstellung diametral. Das Rherorikmodell des Artificium p~rorandi ist ein Kennzeichen dafür. daß Bruno Hauptpunkte seines philosophischen Denkens. die Metaphysik der Unendlichkeit und die Koinzidenzidee. auch in den Problembereich der Sprache verlagert. Die cusanische Vorstellung, konsequentes Denken der Unendlichkeit könne zugleich auch Annäherung an das Denken der Einheit sein, wird in Brunos Rhetorik auf die Sprache übertragen. Das Artificium p~rorandi ist der Versuch, Sprache z.u enefesseln; Sprache muß sich der Unendlichkeit öffnen, um das unendliche Universum angemessen repräsentieren zu können. Der erste Teil des Artificium puorand; stellt ein Kompendium der klassischen rhetorischen Lehre dar, wobei hier - wie auch in der copia r~rnm des zweiten Teils - das Material nach den drei Redegattungen der klassischen Rhetorik systematisiert ist. Die Anknüpfung an die Rhrtorik an Akxand~r ist dabei nur in den Anfangskapiteln nachzuweisen; über diesen Text hinaus rezipiert Bruno die gängigen Quellen der antiken Rhetorik. An mehreren Stellen in diesem ersten Teil deutet Bruno an. daß die Rhetorik eine Methode biete. über jegliches Thema zu sprechen, insofern also eine universelle Erörterungs- und Diskussionsmethode darstelle. Insbesondere der Bezug der Rhetorik z.u menschlich-sozialen Kontexten kann als Modell begriffen werden. in dem nicht nur der Mensch. sondern der gesamte Kosmos implizit enthalten ist. Wie Bruno bereirs in der Einleitung zum Artifirium p~rorandi andeutet. begreift er Rhetorik als eine Erkennrnismethode. als eine Möglichkeit der inneren Schau. Primär ist aber dieser erSte Teil ein Überblick über das Lehrgebäude der Rhetorik. Die eigentümliche Darstellungform Brunos, der hier in fast jedem Kapitel durch die Anwendung von Aufzäh-
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lungen die inhaltliche Schematik hervorhebt. kann als eine ..Topisierung" ver~ standen werden. In verschiedenen Hinsichten und auf verschiedenen Ebenen bildet die Rhetorik Topoi. in denen der Mensch in vielf'altigsten Perspektiven erfu.ßt werden kann. Der zweite Teil des Artificium paorandi g1ieden sich in die zwei Abschnitte. die copia vaborum und die copia rerum. Mit Hilfe verschiedener Alphabete, die als Ordnungsschemata dienen und die durch die Anwendung geometrischer Kombinations~ und Permutationsfiguren miteinander verlmüpft werden können, werden hier allgemeine Begriffe gesammelt. die auf den verschiedenen Ebenen der Sprache auftreten: Begriffe mit stark aussagenlogischer Formalität finden sich hier ebenso wie grammatische oder stilistische Kategorien der Rhetorik. Diese Begriffe decken das ganze Feld der Sprache von ihrer formalen bis hin zu ihrer poetisch~dichterischen Schicht ab. Ebenso stuft Bcuno die einzelnen Alphabete in ihrem Verhältnis zueinander. so daß sich Sprache hier - wie er mit einem Bei~ spielsatz 1.(igt - gleichsam mehrdimensional entwickeln kann. Rhetorik wird zu einem Prozeß, bei dem Sprache vielschjchtig modulien und modifizien wird. Bcuno unterstreicht. daß das Artificium paorandi lediglich ein ModeU oder eine Methodik der Rhetorik vorstelle. nicht aber bereits dessen endgültige praktische Umsetzung. Die Universalität der in Alphabeten zusammengestellten Begriffe soll dadurch erzielt werden. daß der Redner die vorbildlichen Texte angesehener, dem Literaturkanon angehöriger Rhetoriker systematisch durcharbeitet und die Alphabetbelegungen immer weiter vervollständigt und ergänzt. Auf diese Weise werden die Kombinationsalphabete zu Mechanismen, die eine im Grunde unendliche Vielzahl von Sprach- und Textebenen erzeugen können. Die copia vaborum abstrahien noch völljg vom Inhalt der Rede. Sie beschreibt lediglich auf formaler Ebene (und hierzu gehören auch die grammatischen. metaphorischen und stilistischen Modifikationsmöglichkeiten) die Bildung eines Textes aus der Kombination ihrer Elemente. Der ..Sachbezug" der Rhetorik wird durch die copia r~rum hergestellt. Hierbei führt Bcuno den Begriff des Topos ein. In AnJehnung an die gängige rhetorische Bedeutung dieses Begtiffs definien Bru~ no einen Topos als denjenigen On. an dem Argumente zu finden sind. die generell auf jedes Redethema angewandt werden können. Ein Topos ist - wie Bruno durch einen Vergleich verdeutlicht - ein Stück Wachs. das in den Händen des Redners zu jedem beliebigen Argument geformt werden kann. Bruno greift nun auf die magisch-hermetische Idee des Anthropozenrrismus zurück und unterstreicht, daß allein der Mensch als ein Topos der Rhetorik gelten könne. da nur er allein auch die Gesamtheit des Kosmos repräsentieren könne: Der Mensch ist eine universelle Topik. Dadurch knüpft Bruno wieder an den ersten Teil des Artificium paorandi an und versuchr. geordnet nach den drei Gattungen der Reden. eine topische Erfassung des Menschen zu geben. Indem Rhetorik als Redegegenstand also den Menschen annimmt und einen Text zu erzeugen versucht, der den Menschen inhaltlich und sprachlich auf allen Ebenen und unrer Ausschöpfung aller Möglichkeiten erlaßt und beschreibt, wird sie zur universellen Wissenschaft. Da für Bruno zwischen allen Bereichen der
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Welt ein vereinheitlichendes Beziehungsgeflecht besteht, muß der Text. in dem die Welt repräsentiert werden soll, zu einer mulürelationalen Textuc werden. Jeder Versuch, die Welt in einer linearen Texrsrrukw( zu erfassen, in dem Beunaschen Kosmos inadäquat. Das Artificium perorandi Stellt den Versuch dar, Sprache aus ihrer begrenzten Linearität zu lösen und sie über jede Begrenzung hinwegzuheben. Rhetorik beschränkt sich dann nicht mehr darauf, aus einer Reihe von sprachlichen Präscmationsformen die passendste oder überzeugendste auszuwählen; Rhcwcik wird zu einem Mechanismus, der Sprache - wie Beuna an mehreren Stellen sagt - "multiplizieren" kann. Btunos Rhetorikmoclell, wie es aus dem Artificium perorandi deutlich wird, knüpft an Vorstellungen aus verschiedenen Sprachkonzepten an. Ausdrücklich bezieht sich Bruno auf Erasmus' Schrift De copia und distanziert sich kritisch von dem dort benutzten Begriff von copia. Erasmus gibt in diesem Text ganz ähnlich wie Bruno unter Verwendung des Einteilungsschemas copia verborum und copia rerum Anweisungen darüber, wie ein Schüler die Ausdrucksfähigkeit und Geschmeidigkeit der lateinischen Sprache erlernen kann. Erasmus schreibt in einem bereits bestehenden Lehrbuch-Genre, doch er setzt seine Deutung des copia~ Begriffs ausdrücklich von seinen Vorgängern ab: Er versteht copia - in Nähe zu neuplatonischen Liebestheorien - als eine kreative Quelle. aus der die menschliche Sprachbenutzung Impulse erhalten kann; copia enthält den Schlüssel für schöpferische Sprachgesta1tung. Bei Erasmus wird copia zu einem Begriff. bei dem nicht mehr durch Heranziehung statischer Schemata Sprache auf verschiedene Niveaus umgeleitet und so modifiziert wird. sondern copia kennzeichnet nun die produktive. eher spielerische Fähigkeit zu sprachlicher Innovation. Ebenfalls bei Erasmus wird die auch bei anderen Humanisten vorgestellte "No~ tizbuch~Methode" angeraten, das Exzerpieren der klassischen Autoren unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Modifikation: copia wird nicht durch als kano~ nisch betrachtete Variationsmuster erreicht, sondern durch produktives Weiter~ verarbeiten anderer Texte. Auch diese Exzerpier-Methode übernimmt Bruno in sein Rhetorikkonzepr. Das Rhe(Drikmodeli Brunos läßt sich als eine vielschichtige Anlehnung an (Dpische Systeme verstehen: Diese Verbindung zeige sich zum einen in der Verwendung der auf einer (Dpischen Ordnung basierenden "NQ[iz~ buch~Methode", zum anderen in der universalropischen Deutung des Menschen. Das von den Humanisten praktizierte planvolle Exzerpieren der vorbildlichen Texte und die Einordnung der dabei ermittehen stilistischen und argumentativen Muster umer verschiedene Rubriken oder "Topoi" kann als eine Erfassung sprachlicher Mechanismen umer einer universalistischen Perspektive gedeutet werden. Eine umfassende Analyse der klassischen Rhetoriker führt z.u einer im~ mer vollständigeren Erfassung rhetorischer Sprache. Bruno adaptiert diese Methode für die "Topoi" der copia verbonon: Die dort kombinierten Elemente der Sprache greifen auf diese Topoi zurück, um Sprache auf allen ihren Ebenen vollständig zu erfassen. Einen mehr materialen Topos-Begriff formuliert Bruno in der copia rerum: Die Analogie des Menschen zu allen anderen Stufen des Kosmos macht es möglich, den Menschen als "Universahopos" zu interpretieren. Der
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Mensch kann als Suchmuster für jeden Redegegensrand dienen, indem die Ana~ logie zwischen Gegenstand und Mensch hergesceUt wird. Dadurch ist der Mensch eine Topik. die sich - wie man ein Stück Wachs beliebig formen kann - zu je~ dem anderen Gegenstand in Relation senen läßt. Das Artificium pa'Ora1ldi kann ferner als Auseinandersetzung Brunos mit dem LuUismus gelesen werden. Aus dem Lullschen Modell übernahm Bruno die geometrischen Figuren, cUe auch bei LulIw dazu gedient harren, cUe vollständige Kombinatorik einer Anzahl von Buchscabendementen zu erzielen. Verstand man diese Elemente als göriliche und dadurch auch der gesamten Schöpfung z.ukom~ mende Arrribure, dann war die Awformulierung von Säuen aw diesen Elementen (unter Einbeziehung von Relationsprädikaten, Fragen, Subjekten usw.) ein Weg, alle möglichen Fragen zu beantworten und so universelles Wissen zu erlangen. Srunos Rhetorik zeigt mit diesem Modell einige Konvergenzen: Auch er sucht nach Elementen, die als Attribute in der gesamren Schöpfung zu finden sind; doch der Mensch kann die Erkenntnis der Welt nur in sich selbst finden, und so wird der Mensch zur Universaltopik. Ferner geht es in Brunos Rhetorik um die Formulierung von Sätzen; doch während die geometrischen Maschinen des Lullus Sätze nur auf einer formalen, logischen Ebene zu formulieren vermögen, schöpft Brunos Rhetorik alle Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache von der logisch-formalen bis hin zur poetischen Ebene aus. ~nso findet man bei Lullus die Vorstellung eines natürlichen Stufenmoddls, auf dem der Mensch eine Srufe einnimmt und das dem lntdlekt ein Auf- und Abschreiten der verschiedenen ontologischen Ebenen erlaubt. Auch diese Idee nimmt Bmno auf, indem er seine universdie Topik vor den Hintergrund dieser natürlichen Stufenleiter stellt. Die Konvergenz zwischen dem Lullismw und der Rhetorik, die wegen des aussagenlogischen Modells, von dem der Lullismus ausging. nahe lag, regee auch luLListi~ sehe Autoren wie Corndiw Agrippa und Remigius Rufus dazu an, ein Konzept eines rhetorischen Lullismus zu enrwickdn; Rufus formuliert ähnlich wie Bruno die Idee einer universellen Rhetorik, in der der Mensch als Analogon zur Welt verstanden werden kann. Bruno rcferiert damit auf eine zentrale Denkfigur dcr Renaissance, die Vor~ stellung von einer Analogie zwischen dem Mikrokosmos Mensch und der gesamtcn Welt als Makrokosmos. Für diese Vorstellung lassen sich zumindest drei nicht scharf voneinander abgrenzbare Traditionsstränge festmachen: ein 'ulli~ stiJch-magischn-, in dem die scala natural'- Vorstellung mit der Idee einer magi~ schen Wirkbeziehung (Sympathie) zwischen verschiedenen ontologischen Stufen des Kosmos verknüpft wurde (Agrippa), ein rhl'toroch-sophistisch", der bis in die antike Idee vom ..Menschen als dem Maß aller Dinge" 'turüekreicht und vor allem dann aktiviert wurde, wenn es um eine Verteidigung der Rhetorik als eine Grundlagenwissenschah geht (Gorgias, Trapczunuus), und ein philosophischhumanistisch", auf dem das Konz~pt der frühneuztitlichen Anthropologie mit der bedeutenden Rolle der ..Würde des Menschen" basiene (Pico, Pomponazzi, Vives' Fabula tk hominl'). Brunos Rhetorikkonzept steht dadurch im Brennpunkt zentraler Ideen der europäischen Renaissance: Die' Entdeckung des IncUviduums
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mit seinen potentiellen Emfalrungsmäglichkeiten verbindet er mit der Vorstd· lung eines Spracbbezugs des Denkern; dem Philosophen, der die richtige Sprache gefunden hat, kann sich die Unendlichkeit des Kosmos enthüllen. Eine weitere Einflußgräfk auf das Artificium p"oran'i stellt die - vom LuUis· mus nicht suikt uennbare - jüdische Mystik der Kabbala dar. Die Kabbala ist charakterisiert durch den Rückgriff auf die Wurzeln der Sprache. die Buchstaben, als Basiselemem jeglicher Weltbeschreibung. Die kabbalistische Sprachthrorie
geht von einer
Glei~t2ung
von Welt und Sprache aus. Die göttliche Schöp-
fung wird als aus einem Sprechakt hervorgegangen verstanden. Die hebräischen Buchstaben repräsentieren damit zugleich die Elemente der Weh. Die Welt ist gegenüber den sprachlichen Lauten nicht präexisrcm, sondern Sprechen und Werden sind einander analoge Vorgänge. Die Vielheit der Schöpfung läßt sich auf die 22 Buchstaben-Elemente reduzieren. In diesem Sinne kann die Kabbala als eine Kombinationskunst verstanden werden. In den (christlichen) kabbalistischen Texten wird hierfiir häufig ein in verschiedenen Varianten verwendbares Buchstabenquadrat, die Tabula Ziruph, verwendet, wie es auch Bruno als zweite Figur im Artificium p"orandi zur Kombination der Alphabetelemente heranzieht. Brunos Rhetorik kann als übertragung des kabbalistischen Sprachmodells auf die menschliche Erkenntnisrahigkeit interpretiert werden: Die Rhetorik versteht er als eine Kunst. die - gewissermaßen als universalsprachlicher Ansatz - insofern die Bestandteile ihres Systems als universelle Charakteristika beanspruchen kann, als sie die allgemeinen Prinz.ipien des menschlichen Diskurses überhaupt erarbeitet. Da die Rhetorik aber nicht auf die Buchstaben als die kleinsten Elemente der Sprache zurückgreift. wie dies im kabbalistischen Sprachparadigma der Fall ist. sondern auf Sätze. und es also nicht genügen kann, einfach die Buchstaben vollständig zu kombinieren. muß die Rhetorik ihre Elemente. nämlich Redegegenstand (ra) und dessen sprachliche Erfassung (lIUba). in zwei Arbeitsschrinen er-
bn. Auch die Verwendung der Metapher des ..Gewandes" (indummtum) weist auf einen kabbalistischen Einfluß bei Bruno. Er beschreibt die stufenweise Metamorphose der Sprache durch die kombinatorischen Instrumente als "UmhüJlung", in der zugleich eine Verschleierung als auch eine konturenhafte Verdeutlichung des sprachlichen Ausdrucks gedacht wird. Die zehn kabbalistischen Sephiroth wurden als die zehn primären Wirkungsweisen Gones verstanden. Der Versuch der Kabbalisten. die Konturen GOttes in den als seine primären Wirkungsweisen verstandenen "Umhüllungen" zu ahnen, wird so von Bruno auf die Rhetorik übertragen. Em in ständigen Verkleidungen und Modifikationen läßt sich die unendliche Einheit erahnen. Ein weiterer prägender Einfluß auf Brunos Rhetorik kann in den kryptologischen Forschungen des 16. JahrhundertS vermutet werden. Das Lullsche Rad gehört als Chiffrierscheibe zum ältesten Bestand geheimschriftlicher Techniken. Insbesondere die kabbalistische Technik der Kommutation von Buchstaben diente der Kryptologie als Inspintion. und so wurde auch häufig das Buchstabenquadrat (Tabula Ziruph) als Hilfsmittel zur Chiffrierung verwendet. Zwei der
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drei geometrischen Figuren des Artificium p~rorandi finden sich in den wichtigsten krypwlogischen Texten der Renaissance, so daß Brunos Rhetorikmodell in die Nähe der zeitgenössischen geheimschriftlichen Konzepte gerückt werden kann. In der Tat zeigt Brunos Bild der Rhewrik Nahmellen mit einem geheimschriftlichen Modell: Die Idee einer steganographischen Verschlüsselung besteht darin, den zu verschlüsselnden Text nicht für jedermann offensichtlich zu kodieren, sondern in einen anderen sinnrragenden Text zu verwandeln, der nicht auf den ersten Blick als eine chiffrierte Borschaft erkenntlich ist. Auch das Artificium p~roralldj versucht. Mechanismen aufLuzeigen, durch die ein sinnuagender Text in einen anderen sinnuagenden Text umgewandelt werden kann. Doch Brunos Rhetorikmodell geht noch einen Schriu weiter: Ziel ist es, eine konrinuierliche. sinnerhaltende Mutation eines Saczes oder Textes systematisch zu ermöglichen. Brunos Rhetorik kann so in die Koordinaten zweier historischer Entwicklungen im Bereich der Sprachphilosophie eingeordnet werden, die in der Frühen Neuzeit prägend waren: die humanistisch vorgeformete Frage nach der "Leitwissenschaft Rhetorik" und die Übernahme geheimsprachlicher, lullistischkabbalistisch beeinflußter Ansätze zur Erarbeirung philosophischer Universalsprachen. Im weiteren Sinne kann Bruno in den Kontext der Versuche des 16. und 17. JahrhundertS gestellt werden, auf Grundlage der Rhetorik als Leitwissenschaft eine allgemeine wissenschaftliche Methode zu erarbeiten. Rhetorik wurde nun nicht mehr als die Kunst des Überzeugens und des Wahrscheinlichmachens gedeutet, als die sie besonders AristoteIes verstanden haue. Die Universaltopiken deren Herkunft ebenfalls in Anlehnung an die oben genannte, humanistische "Notizbuch-Methode" zu deuten ist - suchten nach einer Neubestimmung rhetorischer und dialektischer Topoi. Brunos Rhetorik ist eine Variante zu den in der Frühen Neuzeit entstandenen wissenschaftlichen Konzepten, bei denen durch die Kombination von Rhetorik (Topisierung) und Dialektik (Schlußlehre) lückenlose Deduktionen erzielt werden soUten. Beide Tendenzen. die Topisierung und die Universalisierung der Rhetorik, lassen sich in Ansätzen in Brunos Rhetorik erkennen. Auch er versteht - in seiner originellen Deutung - Rhetorik als eine sprachbasierte Erkennrnismethode, deren Anwendung eine "wissenschaftliche" Erfassung der Welt ermöglicht. Die topische Erfasssung des Menschen wird in Brunos Deutung zu einer Universalropik. Brunos Sprachbild tendiert zur Auflösung von Grenzen. Die Sprache der Mathematiker ist genausowenig wie die der Grammatiker und "Pedanten" ein exklusives Instrument. die Wirklichkeit der Weh zu beschreiben. Erkenntnis und Suche nach Wahrheit sind Prozesse der Annäherung an die Unendlichkeit, und Bruno versucht im Artificium p~rorandj. Rhewrik als ein wissenschaftliches Konzept zu etablieren. das diese Suche ermöglicht. Totale Wahrheit kann nur in einer totalen Sprache gefunden werden. In einer für den Manierismus eigentümlichen Weise verschränken sich in Brunos Sprachkonzept rationalistische mit antirationalistischen Tendenzen. Die Uneinheidichkeit von Brunos Sprache, von der Aufnahme der experimentellen Sprachansärze der italienischen DichtUng bis hin zur rationalen, neuz.eiclichen Wissenschaftssprache, wie sie später mit dem Na-
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men Galileis idemifziert wurde. zeigt den Philosophen bei dem Versuch, der Sprache ihre Totalitär zurückzugeben. Sprache wird ein Instrument menschlicher Wahrheirssuche. Das Artificittm p~rorandi stellt einen Reflex auf Brunos Versuch dar, ein Sprachsysrem zu entwerfen, das konzepruell dieser Entgrenzung der Sprache dient.
10 Nachwort: Hypertext, Intertextualität und Btunos kombinatotische Rhetorik Die Untersuchung des Anificium p~rorandj hat gezeigt, daß Brunos Rhetorik wenn auch in skizzenhafter Form - eine recht bizarre und radikale Textmeorie entwirft. Das herausstechendste Merkmal dieses neuen Rhetorikkonzepts besteht in der Auflösung der linearen Struktur innerhalb eines Textes. Das Sprachmodell des Artificium perorarwi reflektiert damit die Skepsis gegenüber der Vorstellung von Texren als geschlossenen Sinneinheiten. Brunos Ansatz besteht darin, die kleinsten, allgemeinen Elemente von Texten vollständig herauszufiltern und sie kombinatorisch zu einem Textgeflecht zu verbinden. bei dem an jeder Stelle des Textes alle möglichen Verbindungen in alle anderen möglichen Texte gewgen
werden. Ein Text muß diese Nicht-Linearität und Mehrdimensionalität au..fw-eisen, wenn er eine philosophisch brauchbare Weltbeschreibung liefern und der Struktur der Welt als einem multiplen, vielschichtigen Relationsgefüge gerecht werden soll. Die Vorstellung von einem Text als ein "einheitliches Ganzes", das "die Wirklichkeit des Makrokosmos in eine neue. aber diesem analoge Gestalt" transferiert. läßt sich in der neuplatonischen Tcaditionslinie der Philosophiegeschichte immer wieder nachweisen.! Das Artificium p~rorandi srellt einen Weg dar, wie dieser unendliche Welr-Text. der Texrclusrer, in dem alle denkbaren Texte enthalten sind. en.eugr werden kann. Zugleich sind in diesem Rhetorikmodell Textstruktur und Denkstruktur aufs engste miteinander verknüpft. Sprache ist nicht ein Abbild von Denkvorgängen. Sprache ist das Medium, in dem sich das Denken vollzieht. Text, Struktur des Textes und seine Bedeutung fallen zusammen. Sprache verliert ihre Mitteilungsfunktion und spiegelt allein das Denken des Subjekts wieder in das Subjekt zurück. Vorbehalte gegen die Möglichkeit einer angemessenen Formulierung philosophischer Konzepte in Schrifttcxten sind so alt wie die Philosophie selbst. Platon hat seine Philosophie zwar in Form von schrifrlich verfaßten Texten festgehalten, doch versuchen diese Texte gerade dadurch, daß sie die - auch von Bruno häufig gebrauchte - Form von Dialogen zwischen zwei oder mehr Gesprächspartnern annehmen, die Linearität und z.eidiche Sukzession normaler Texte zu durchbrechen. Die Kritik des platonischen Sokrates an der Erfindung der Schrift im Dialog Phaidros richter sich gegen die Hoffnung. der menschliche Geist könne seine Leistung durch Zuhilfenahme schriftlicher Aufzeichnungen noch steigern. Vielmehr wird der platonischen Kritik z.ufolge dje Geistestätigkeit durch schriftliche Fixierung eingeschränkt. Denn diese Erfindung wird der lernenden Seele vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachlässigung des Gedächrnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich
I BEIERWAl.TES (19858), S. 97.
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nur von außen vc:rmittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden,l
Wahres Lernen ist demnach nicht die Aufnahme von außen stammender Eindrücke. sondern eine innerliche. mentale Leistung. Brunos Rhemrik vermine!t ganz in diesem Sinne eine Gedächmisrechnik, bei der Sprache 'Zu einem Instru~ ment des Subjekts wird, das einen unendlichen, innersubjektiven Geisresprozeß anregt. Bruno setzte sich über alle Denkschulen hinweg: Der alleinige Glaube an die ..Großen Bücher", an die Schriften des AristoteIes, wie sie die Scholastik verehree, oder die Texte Homers, Vergils oder Ciceros, in denen die Humanisten eine neue Weitsicht zu finden glaubten, oder auch an das "Buch der Bücher", die Bibel. bedeuteten ihm eine unzulässige und unnötige Einschränkung. Dabei richtete er seine Kritik nicht primär gegen die jeweiligen Inhaln:, sondern - wie berei(S vor ihm Pico della Mirandola - gegen den Absolmhei(S3.nspruch eines wie auch immer gearteten Literamrkanons - gegen die Vomellung also, das "Buch der Na(Ur" könne in die Form eines linearen TeX(es gebracht werden. Für Bruno eO(· sprach der Vielheit der Welten eine Vielheit der Sprachen und philosophischen Traditionen, von denen jede rur sich eine Berechtigung besitzt. Überdies sollen die, in deren Hände dieses Buch fallt, wissen, daß wir keine solche Gesinnung haben, daß wir einer festgelegten An. von Philosophie anhängen, und überhaupt lehnen wir nicht irgendwelche An zu philosophieren ab. Jeden einzelnen von denen, die sich bei der Betrachtung der Dinge auf ihre eigene Vorgehensweise gesrü[2( haben, verehren wir sehr. Wir gehen nicht gegen die Mysterien der Pythagoräer vor, wir verachten nicht die Glaubenssätze der Platoniker, und sofern sie sich auch auf irgendein Funda~ent .in den .Dinfen stürzen, weisen wir auch nicht die Schlußfolgerungen der Penpateuker zunick.
Bruno propagierte eine Öffnung des Horizon(S, eine Befreiung von grundlosen Einschränkungen, und das Rhetorikmodell des Artificium p"orandi artikuliert dadurch grundsätzliche Überzeugungen Brunos. Erst die radikale Öffnung des Blicks, der Versuch, die TotaJität der Welt in ihren verschiedensten Facetten zu erfassen, macht eine Philosophie, die ihren Namen verdient, möglich. Das Artificium perorandi zeigt den Versuch Brunos, Sprache und Denken nicht aJs eine sukz.essive Abfolge von Worten zu verstehen, sondern als ein Netz von Beziehungen, das ganz wesentlich durch stets zugleich mitgeclachte Verknüpfungen konstituiert wird. Dieser Begriff von Text besitzt eine enge Verbindung zu dem Konzept von "Hypertext" , das in den letzten Jahrzehnten immer
2 Platon. Phaid,os 275A. 3 Dr umbris, S. 22: Suprr hare "owri"t in qU()rum manus ars ista incitkrit, "os rius rssr ingrnii. Ul tkznmilldto alirnlU philotophiar grnrri simus adstrieti: nrqur ut prr uniwrsum quamcumqw phiIosophandi lliam conumnamus. Nrminrm quippr rorum qui ad rrrum conumpLuionrm proprio innixi ingmio, aliquid artifidou mrthodicrqur Junr moJiti, non magnificamus. Non aboirmUJ PyllJagori(orum mJ1t~: non fNlrvifacimus Platonicorum fidn: rr quatrnus rrair sunr naCfa fimdamrnlum Prrt'pautirorum wiodnia non tkspicimuJ. Vgl. dazu CiUBERTO (J 986), S. 210-213.
"0"
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stärker sowohl in der Üteraturwissenschaft als auch in den Computerwissen. schaften diskmiert wird. Der Ikgriff Hypertoct wurde von THEOOOR NELSON in den 60cr Jahren geprägt. Ihm lag die Idee zugrunde, daß die Literatur zu einem 4 bestimmten Thema "a system of interconnea:ed writings" sei. Bereits 1945 hatte VANNEVAR BUSH - an den sich NELSON anlehnte - die Konzq>tion eines technischen Geriits entwickelt, Ixi dem zwischen zwei auf Mikrofilm vorhandenen Toren Verknüpfungen hergestelh, gespeichert und wieder abgerufen werden konnten. BUSH, ein Ingenieur in leitender Position in der amerikanischen Walfenfocschung, wurde dalxi durch die Einsicht angeregt, daß die immer größer werdende Fülle an vorhandenen Informationen zu einzelnen Themenbereichen kaum mehr überschaubar war. Eine Venrbeitung aller zugänglichen Informationen war nicht mehr möglich, und so sah BUSH in seiner Idee "a new rdationship berween thinlcing man and ehe sum of knowledge".s Ein Problem stellten für BUSH die üblichen Ordnungssysteme von Wissen dar, die allesamt auf einer alphabetischen oder numerischen Ordnung beruhten. Die neue Idee war nun, eine Art von Texrualität zu enrwerfen, die unserem Denken adäquater in als die gewöhnliche Form li neuer Texte. Da unser Denken Wissen assoziiert, also thematisch und nicht nach äußerlichen Kriterien wie alphabetischen oder numerischen Kennzeichnungen ordnet, suchte BUSH nach Methoden, durch die Tate njchr erwa nach Verf.usernamen oder anderen willkürlichen Kriterien gruppiert wurden. Die dafi.ir geeignete Apparatur, die BUSH ..Memo" nannte (und die nie gebaut wurde), ..is a device in which an individual stores his books, records and communications, and which is mechaniz.ed so that it may Ix consulted wirb 0 ceeding speed and flex.ibiliry. It is an enlarged intirnare supplement of his memory.... Wie BUSHS Aunan im Atlantic monrhly mit seinem programmatischen litd ..As we may think" nahdegre, war die ArbeitsWeise des Geriites an der vermuteten Struktur mentaler Vorgänge orientiert. Die bei Plaron prognostizierte Verringerung der Gedächtnisleisrung bei der Verwendung schriftlich fixierter Texte soll also gerade dadurch aufgefangen werden, daß die lineare Struktur der Texte aufgelÖSt und in eine Anordnung transformiert wird, die der Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses angepaßt ist. Die Frage nach Formen der Textualität steht in enger Verbindung mit Fragen nach Wissen und dessen Ordnung, nach einer Enzyklopädie des Wissens. Johann Heinrich Alsted, der Herausgeber des Artificium p~rorandi, war einer der ersten, der sein Ordnungssystem der Wissenschaften mit dem Begriff ..Enzyklopädie" 7 (Encycwpa~dia, 1630) bezeichnete. Aus seinen überlegungen zu einem System der Wissenschaften ging sein Interesse für Brunos univetsalinischen Rherotikansan hervor. Enzyklopädisten im eigentlichen Sinne versuchten stets nicht nur, 4 Zitiert nach BOlTIR (1991). S. 23. Zu dieser Vorgc:scbicht!: des Hypcrlc:rl-Begriffs vgI. BOlTER (l99I). S. 21-25 und lANOO\1r (I992), S. 1+-18. 5 Zilien nach BOlTIR (991). S. 24. 6 Ziliert nach lANOOw (1992), S. 15. 7 Zur Geschicht!: des Enzyklopädie-Begriffs von dcr Frühen Nna.cil biJ; ins 19. Jahrhundcn vgI. DIEJlSE (19m.
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eine alphabetische Liste von Definitionen anzugeben, sondern richteten ihr pri~ märes Interesse vor aJlem darauf. Relationen zwischen den einzelnen Wissensgebieten und deren Untergruppen henusrellen. In der Form eines gewöhnlichen, fließenden Textes oder der alphabetischen Reihung von Begriffserklärungen war diese innere Bez.iehungsstruktuf von Wissen nicht hersteLlbar. Die scrukrurelle Organisation von Wissen wurde vor allem nach der Erfindung des Buchdrucks wieder als ein Problem empfunden. Während die handschriftliche Kultur der Antike und des Mirtelalrers auf einen überschaubaren Schrinenkanon zurückgreifen konnte, stellte die explosionsartige Vermehrung von Texten ab dem 16. Jahrhundert eine vollkommen neue Smfe der Entwicklung dar. Ein analoger, grundsän.l.icher Veränderungsprozeß läßt sich beim Wandel von oralen zu literalen Kulturen fesmeIlen.' Durch die Konfrontation mit den neu entdeck~ ten, aber grundsän.l.ich anderen Schriftkulturen Südamerikas sah sich auch die europäische Renaissance unvermittelt mit dem Problem konfromien, über die Individualität der eigenen Kultur zu reflektieren, und mußte sich so die besonde~ re Rolle von Schrift und Sprache und den besonderen Rang des "Buches", wie es 9 die abendländische Kultur entwickelt hatte, aufs neue bewußt machen. Die enzyklopädistischen Bemühungen antiker Autoren wie Varro oder Plinius, die Sammlung des Wissens des Altertums in der Spätantike durch AutOren wie Martianus Capella, Cassiodor oder Isidor von Sevilla und die Neustrukturierung des Systems der Wissenschaften um das 12. Jahrhundert durch Dominicus Gun~ dissalinus und Hugo von St- VictOr basierten im Grunde alle auf dem hierarchisch 10 organisierten Modell der Sieben Freien Künste oder Abwandlungen dazu. Eine Wissensordnung kann in diesem System dadurch erreicht werden, daß Texte einfach thematisch gruppiert werden, etwa indem die Bücher einer Bibliothek je nach Thematik in verschiedenen Regalen aufbewahrt werden. Texte als inhaltliche Einheiten wurden so einer bestehenden Ordnungsstruktur zugewiesen; eine mehrdimensionale Vernenung von Texten, die zugleich verschiedenen Wissens~ bereichen zuzuschreiben sind, ist nicht möglich. Ersr das Entstehen einer von ei· nem Einzelnen kaum mehr zu verarbeitenden Fülle neuer Texte, wie sie der Buchdruck möglich machte, brachte diese Struktur ins Wanken. Seit Gutenbergs Erfindung wurden von Jahrhundert zu Jahrhundert stetig immer mehr Bücher gedruckt, die Fülle vorhandenen Wissens und existierender Texte nahm kontinuierlich zu. Von den enzyklopädischen Bemühungen zahlreicher Wissenschaftler im Barock, als einer deren Exponenten Alsted betrachtet werden kann, über die große Encycwptdü, das große Gemeinschaftswerk der französischen Aufklärung bis hin zu BUSHS Formulierung des Problems, Wissen, das in Texten 80NG (1982). Zur 1kd~U1ung d~r Literaliläl Hir di~ Emwicklung der ~mikc:n Kultur vgl. HAVELOCK (1982) und SNEU. (1993). zum Buchdruck EISENsrl::IN (1979) und (1983). 9 Vgl. MIGNOLO (1995). !>es. di~ Einl~ilUng ("On Dc:scribing Oursdves Describing Oursdvcs: Comparalism. DifTe:rc:ne:es. and Pluritopic H~rme:ne:U1ics"), S. 1-25. 5Owie: Part 1 (~The: Coloniulion of Languagcs~). S. 29-122. Zu Rc:flexc:n bc:i BruM auf die: Erobc:rung Amerikas vgl. PAPI (1968), bes. S. 194-233. und Rlcci (1991). 10 FLASCH (1995). S. 298-309.
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formulien ist, zu ordnen - stets war man nun auf der Suche nach einem Hypertext·System, durch das eine Verknüpfung von Texten zu einer umfassenderen Textstruktur möglich war. Enzyklopädien im modernen Sinne des WOrtes zielten immet darauf ab, nicht nur Definitionen und Erklärungen zu Begriffen zu geben, sondern auch Relationen zwischen verschiedenen Wissensfeldern aunuzeigen. D'Alembert betont, we französische Enzyklopädie solle...soweit dies möglich ist, Gliederung und Verkettung der menschlichen Kenntnisse aufz.eigen"," wobei er zugleich betont, daß man aus verschiedenen Perspektiven zu verschiedenen Ordnungsstrukturen gelangen könne. "Jedenfalls würde aber diejenige enzyklopädi. sehe Übersicht den Vorzug vor allen anderen verdienen, die in der Lage wäre, die mannigfaltigsten Verbindun~spunkte und Bez.iehungen zwischen den einzelnen Wissenschaften aunuzeigen." l Die ab 1974 erschienene, 15. Auflage der Encyclopaedia Britannica versucht, diesem Problem Rechnung zu tragen. Die Herausgeber haben die streng alphabetische Struktur aufgelöst und sie durch drei, miteinander in Beziehung stehende Komplexe ersetzt: Die "Propaewa" bietet eine grobe Ordnung des Wissens in 10 Wissensfeldern (..oudine of knowledge"), die in der "Macropaedia" in 681 Artikeln detailliert ausgeführt werden ("knowledge in deprn"). Die ..Micropaedia" versammelt als "ready reference" zahJreiche, alphabetisch geordnete Kleinartikel, die als gewöhnliches Nachschlagewerk oder als Ergänzung zu den Darstellungen in der "Macropaedia" herangezogen werden können. Durch diese Stufung kann sich der Benuner die Wissensfelder in einer planmäßigen Ordnung erarbeiten, wobei er nach Bedarf zwischen den Informarionen aus den verschiedenen Textebenen wählen kann. Die Informations-Revolution, die durch Vernetzung compmerbasierter Texrsysteme zu einem Hypertextsystem entstand, bildet nur eine neue Stufe eines Prozesses, der mit dem Buchdruck begann. Die Texttheorie. die Bruno im Artifidum perorandi formulierte, ging aus der Konfrontation mit demselben Problem hervor, durch das auch BUSH und NELSON angeregt wurden, eine technische lösung zur Vernenung von Texten zu finden. Auch die Parallelen zwischen den manieristischen Ausdrucksformen in Literatur und Kunst der Spätrenaissance und den Stilformen des 20. Jahrhunderts, wie ich sie oben in Kapitel 7 angedeutet habe. lassen sich teilweise durch diesen epochalen Wandel begründen. Das Interesse des 16. und 17. Jahrhunderts für den Lullismus als ein mechanischgeometrisches System, das die Erstellung eines nicht-hierarchischen und nichtlinearen Relationsgefüges möglich machte, läßt sich zumindest in einer Perspekü· ve auf dieselben Wurzeln zurückführen, aus denen moderne Hypertextsysteme hervorgingen: Die Organisation des Wissens ließ und läßt sich nicht mehr durch Rückgriff auf Begriffsfelder bewerkstelligen, die in einer pyramidisehen Anordnung srrukturiert wurden. und an deren Spine ein srarres System von "Künsren" steht. (Die brennende mittelalterliche Bibliothek in UMBERTO Ecos Der Namt 11 D'A1cmbcrl, DiJ("(JlJrJ prllimi/U1irr, S. 13. Zu D'A1cmbcns Wissens- und Wissenschafukonzept
vgl. NEUSER (l995A), S. 85-106. 12 D'AJcmbcrt, Discours prllimi"airr, S. 87-89.
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da Ros~ mag als ein eindrucksvolles Symbol für diesen Wandel gelten.)" Die Re· naissance markiere einen wichtigen Einschnin im prinz.ipiellen Verständnis von Text und Sprache. RJCHARD W ASWO hat als ein wesentliches Charakteristikum für das Sprachkonzept der Renaissance den Wandel von der referentiellen zur relationalen Se· mantik betont: Sprachliche "Bedeutung" konstituiert sich nicht durch einen hersrellbaren Bezug zwischen Sprache und Ding, sondern "Bedeutung" gehr erSt als Funktion aus den vielfachen Beziehungen hervor, die zwischen den Wonen einer Sprache bestehen. Die Semantik einer Sprache besteht nicht in ihrem Bezug zu einem realen Referenzobjekr. sondern ist eine dynamische Funktion ihres Gebrauchs. Diese innere Relationalüär von Sprache drückt sich in Brunos Sprachkonzept aus. Und auch für das 20. Jahrhundert läßt sich - erwa in der sprachanalytischen Philosophie - die Sicht auf Sprache als ein System von Konrexrrelationen als charakteristisch wahrnehmen. '4 Die Spätrenaissance und die kulturelle Gesammeir des 20. Jahrhunderts bilden epochale Komplexe, die in Beziehung zueinander stehen. Die poStmoderne lnrertextualitätsdiskussion kann verstanden werden als .,Radik.alisierung wesentlicher Fragestellungen, welche bereits die Autoren zu Anfang unseres jahrhunderts angesichts der Relaüvierung aller Werte und der Fragmemarisierung individueller Erfahrung hervorgerrieben haben". l6 Diese Autoren (wie Canetti, Broch, Musil oder auch Borgesl~ und joyce )
13 Vgl. STOCKER (1997), S. 213. 14 WASWO (1987), S. 13: ~By ums divorcing meanings from reference and regarding il as a funetion of the manifold relalions of WOHls with each other, Saussure proposcd in his domain (independently developed in other domains, as weil) what has become one of the major revolmions in twenderh century Ihought: lhe shift from referential to relarional semamics, from regarding Ihe meaning of language as a given objCCl of reference co regarding il as a dynamic fllnction of use. This revolution did not begin wilh Saussure - I shall bc: arguing lh:l1 il is a ddinilivC' fealure of the Renaissance - and il is not by means complete." Die Aktualität einer ~Neuen RhelOrik" ruhr! BARlu.l (1%9), S. 5 f., in Anlehnung an Fouo.ULT (1966) auf eine ganz ähnliche Ursache zurück, nämlich auf die von FOUo.ULT vorgenommene Unterscheidung "ZWischen ~un'et~ della somiglianza, ci~ della simpatia, dell'affinit~ ontologio ua ogni pane deJruniverso, e una succes· siva del ,rapprc:sc:ntare', ove a1cuni elementi diventano ,segni' di a1ui, pcrdendo in consiSIC'na fIsica e guadagnando in rigore sciemiflco." Auf diese neuen Herausforderungen kann die Rhetorik BARlLLl zufolge eine brauchbare AntWOrt sein. Ähnliche Verbindungen zwischen Brllno und posutruklUraiiSlischen Denkern sieht NQFERl (1974). 15 MENDOZA (1995), S. 225-232. uc:ht Parallelen rwischen Brunos Kosmologie und dem dar:llW folgenden universalen, ~vernel1.len~ Wi.ssenschafukonzepl einerseits und Borges' Erzählung ~Die Bibliothek von Babylon~ andererseits. Borges wiederum bildet im übrigen in ECOs D" N(lmt Rost" das Vorbild Hir den BibliothC'kar namens Jorge von Burgos, in des.scn Bibliothek das gesamte Wissen der Christenheit umer Verschluß gehalten wird. 16 Joyce bc:lOm gerade die anspielungsreichc: Verschlü.sselung als methodisches Prin7jp im UIyIJt1: J've put in 50 many enigmas and puules thaI it will kup lhe professors busy for cemuries arguing over what I mca.nl, and !hat's ,he only way of insuring one's immortality." (Zitien nach 213) In dic:sc:m Sinne ist Joyce rur CURllUS (1978), S. 304 f., im übrigen das EscH (1977), Paradebeispiel Hir einen manieristischen Schriftsteller: ~ Was ist das Ld>cnswerk eines James Joyce anderes als ein riesiges manieristisches Experiment? Das Worupiel (pu,,) ist einer sc:iner lr:llgenden pfeiler: Zur literarischen Vernerwng von Texten im Werk jüngerer deuucher Autoren wie lngeborg Bac.hmann und Uwe Johnson vgl. HELBLING (1995).
ur
s.
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haben "in ihren polyperspekcivischen Romanen vorbildlich die Signaturen auch der Postmoderne aufgezeigt. in der die Lesbarkeit der Welt nicht mehr durch den Rekurs auf eine Wissensmethode und im Vertrauen auf eine Autorität - z.B. eine alles Wissen speichernde Universalbibliomek - gewährleistet sei."'7 Der hier spürbare. kritische Blick auf die großen Paradigmen steht kulturgeschichtlichen EnrwickJungen im 16. jahrhundert gegenüber. die dazu fühn:en, daß Texte vor allem in ihrer inhaltlichen, auf andere Texte rekurrierenden Vidschichtigkeit erfaßt wurden: Die Parallelen, die CURnus und HOCKE zwischen dem Manierismus des 16. und 17. jahrhunderts einerseits und dem des 20. jahrhundert ande~ rerseits gezogen haben, könnten unter anderem auch dadurch hervorgerufen worden sein. daß am Anfang beider historischer Phasen ein revolutionärer Wandel der Diskursmedien stattfand; das zog die grundsänliehe Frage nach sich. wel~ che Bedeutung die Struktur von Texten für das Wissen und die Ordnung von Wissen haben. Die humanistische jmitatio~Idee mündete in das Ideal eines planmäßigen Systems intertextueUer Verknüpfungen, die vor allem durch sorgfaltige Benunung der "Notizbuch-Methode" praktisch umgesent werden konnte. Erasmus' Adagia erwa können in dieser Hinsicht gewissermaßen als Handbuch und Quellensammlung intertexruellen Schreibens verstanden werden. und es ist gewiß kein Zufall, daß Erasmus das Verb intmtx~r~ ("verwehen") in genau dieser Literari18 schen Bedeutung im Vorwort der Adagia verwendet. Die Enrwicklung der Kryptographie ab dem späten 15. jahrhundert als regelhafte. kombinatorische Methode. Texte aus Texten zu erzeugen. unterstreicht die Bedeutung dieses neu~ en Verhältnisses zur Texrualität. Was ein Text ist, ist er nun auch und vor allem in Relation zu anderen Texten. Bruno griff im Artificium p~rorandi in radikaler Weise diesen Textansan auf. Die luUistische Kombinatorik, die kabbalistische Sprach universalität und die humanistische Analyse grammatischer. rhetorischer und logischer Strukturen verknüpfte er zu einem Modell von Text. in dem sich die Dezentralisierung des Universums widerspiegelt. Die Struktur dieses Textes und die Struktur der Welt konvergieren. Das "Buch der Natur" kann nicht enniffert, sondern muß konstruiert werden.
17 BAUER (1994). S. 38. Zur aktuellen Diskussion zur lntenextualitäl vgl. HELBIG (1996). 18 VgJ. dazu SCHOloCK (1991), zur lnterlc:xtualitä, in der Ren:lissancc: generc:ll SCHOloCK (1984). Er:lSffiW schreibt in den Prolcgomen;a zu den Adagia. K.:ipitc:l 8, S. 64. man solle die einzelnen :Iufgefühnen Semenzen ~pl:lnvoll und p:ISSCnd miteinmder vCfWcbc:n": froiw si seiu (t in foco imerteX:lmur adagia. futurum Nt. ur srrmo t(ltUS rt onri'luiratiJ (fU JuUuJit 'l"ibusd4m Jur(at {. .. 1.
11 ANHANGA:
Inhaltsübetsicht zum Artificium perorandi
ERSTER TEIL
Vorwort
15 Gründe für das Swdium der Rherorik
Kapitel I:
die drei Redegatrungen
gmus tk/ibuativum
Kapitel 2 : Kapirel 3 ,
Kapitel 4 : Kapirel 5, Kapirel 6, Kapitel 7:
Kapitel Kapitel Kapirel Kapirel Kapitel 12:
Kapirel 13, Kapitel 14:
8:
9: 10, I I,
die Topik der sogenannten capituIa finalia eine Topik für den Fall, daß der Topos des Nützlichen (utiM mit dem Topos des Ehrenhaften (hon~stum) in Wider~ spruch gerät Übersicht und Einleirung zu den folgenden Kapiteln: Topik zu religiösen Fragen Topik 2.U staarspolitischen Fragen Topik zu Bündnisfragen Topik zur Führung eines Krieges Topik zur Unterdrückung eines Krieges Topik zur Beendigung eines Krieges Topik zu Fragen der Sraarsfinanzen die Vorrede kxorditlm) die Schilderung (nl1"l1tio) die Zusammenfassung (confirmatio)
gmus dnnonstrativum
Kapirel 15, Kapitel 16, Kapirel 17,
Ziel des gmlJJ demonstrativum: Lob und Tadel Topik zur amp/ificatio eine weitere Topik zur amplificatio
INHALTSüBERSICHT ZUM ART/FIC/UM I'ERORANDI
240 gmus iutliOllk
Kapitel 18, Kapitel 19, Kapitel 20, Kapitel 21, Kapitel 22, Kapitel 23, Kapitel 24,
Einleitung und status-Lehre die logischen Schlußverfahren "innere" Topoi der Argumemation "äußere" Topoi der Argumentation die Zurückweisung der gegnerischen Argumente (rifutatio) die Anordnung der einzelnen Argumente verschiedene Anweisungen z.u sprachlichen und mimischen
Belangen Kapitel 25,
Topik zur Eneugung von Affekten
ZWEITER TEIL
Kapitel 1: Kapitel 2:
I
Einleitung, Überblick Überblick, copia-Begriff
copia vuborum
Kapitel 3: Kapitel 4,
Kapitel 5; Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8: Kapitel 9, Kapitel 10,
Kapitel 11:
I. Alphabet: allgemeinste Begriffe des rhetorischen Diskurses 2. Alphabet: Alphabet der "Umhüllungen" 1. Figur: das Lullsche Kombinationsrad und seine Anwendung 3. Alphabet: Alphabet der "Farben" 2. Figur: das Alphaberquadrat und seine Anwendung 4. Alphabet: Alphabet der Synrax und der Redefiguren 3. Figur: der Gnomon die Verknüpfung der 2. mit der 3. Figur abschließende Bemerkungen: Das bisher Ausgefiihne stellt lediglich ein methodisches Prinzip dar. 5. Alphabet: Alphabet mit Begriffen aus der rhetorischen Theorie Hinweise zur "Notizbuch"·Methode 6. Alphabet: verschiedene argumentative Begriffe
INHALTSOBERSICHT ZUM ART/FlaUM PERORANDI
copuz rn-um
Kapitel 12: Kapitel 13, Kapitel 14, Kapitel 15,
Oberleitung; Bestimmung des Topos-Begriffs Der Mensch als universeUes Analogon Topik des gmus dononstrativum Topik des gmUJ tklib~rativum Topik des gmUJ iudiciak
241
12 ANHANG B: Abbildungen
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Abbildung 4: Ein Kombinarionsrad aus der An br~vis des Raimundus Lullus
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Abbildung 8: Die Tabula Ziruph aus ]ohannc:s Reuchlins D~ 4rt~ cabaliJrica
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13 ANHANG C:
Abkürzungen
Alle hier durch Abkürzungen angegebenen Textausgaben sind im Lirerarurver· zeichnis vollständig zitiert. Die Schriften Brunos finden sich - soweit nichl anders angegeben - entweder in der Ausgabe der lateinischen (Ol) oder der italienischen Werke (Dia!. it.). Die übrige Primärliteratur wurde im Text durch Angabe von Verfassername und Kuntitel z.itiert. Sekundärliteratur durch Angabe von Verfassername und Jahreszahl. Die lateinischen Zitate aus dem Artificitml per· orandi folgen genau der Orthographie des Erstdrucks. alle übrigen lateinischen Zitate wurden, soweit dies sinnvoll in, an die übliche Orthographie angepaßt. Arisr., Rhet.
Arist., Topik Artificium Aschennittzvochsmahl Cabbaiß Cantus Circaeus ema Cie., tU orat. Cie.• dill. Cie., inv. Cie., off.
Cie.,orat. Cic.• part. Cic.,
top.
Compos. imago De areh. tull. De immmso Demagia Dt minimo Demonad~
Dt spte. semt. De umbris Dt Ia causa EroidjUrori Explieatio tyig. sig. Hn-oisehe Ltidmsehafim Kabbaiß
AristOreIs, Rhnorik Arisroreles, Topik (Organon Y? Bruno, Arrifidum paorandi Bruno, Das AlehtmlitlWoehsmahi Bruno, Cabbala dei eavalla ptgauo (Dia!. ir.) Btuno. Cantus Ciredtlts (Ol 11,1) Bruno, La ema tU le eenen' (Dial. ir.) Cicero, De oralore Cicero, Dt divinationt Cicero, De inventiont Cicero, De offieiis Cicero. Orator Cicero, Partitiones oratoriae Cicero, Topica Bruno. De imaginum. siK1lOmm tt idtnmm compositione (Ol 11,3) Bruno, De archiuetura lullinnn (Ol 11,2) Bruno, Oe immenso et innumerabilibus seu de universo er mundis (Ol I, 1 und 1,2) Bruna, De l1zagia (Ol 111) Bruno, De rriptici minimo et menSfml (OL 1,3) Bruno, De mo"adt numero et figura (Ol 1,2) Bruno, De specienml scmtinio (OL 11,2) Bruna, De IImbris idtanan (cd. Srurlese) Bruna, De la enlun. prilldpio t uno (Dia!. il.) Bruno, De gli eroid jilrori (Dia!. it.) Bruna. Trigima sigillonml n:plicatio (OL 11.2) Bruno, Von dm htroischm Lddmschafim Bruna, Die Kabbala dts Pegasus
ABKüRZUNGEN
ump. combo Orah·O vakdict. Quint., inst. RaA RaA, tramL Fi/.
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Bruno, De lampatk combinatoria /uilia1Ul (OL Il,2) Bruno, Oratio vakdictoria (Ol f,1) Quintilian, Institutio oratoria
Rhetorica ad Akxandrnm Rhetorica ad Akxandrum nach der lateinischen Obersenung von Filelfo
Rhet. Her. Sig. sigilI. Spaccio Summa tenno Ober die Ursache Vertreibung
Rhetorica ad Herennium Bruno, Sigi/Jus sigi/wrnm (Ol 11,2) Bruno, SplUcio tk/Ia bestia trionfante (Dia!. ie.) Bruno, Summa terminorum metaphysicornm (Ol 1,4) Bruno, Ob" die Ursache, das Prinzip und das Eine (ed. RippeUSchmidt) Bruno, Die Vertreibung tkr triumphierendm Bestie
14 ANHANG 0: Literaturverzeichnis
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