Butler � Parker � Nr. 92 � 92
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Butler � Parker � Nr. 92 � 92
Günter Dönges �
Parker schielt � nach blonden � Bienen � 2 �
»Darf ich mir erlauben, Ihnen meine wahrscheinlich bescheidene Hilfe anzubieten?« Josuah Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum verlassen und stand jetzt neben den beiden Wagen, die sich ineinander verkeilt hatten. Der Fahrer des chromverzierten Buick war außer sich und augenscheinlich nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Er war etwa 50 Jahre alt, mittelgroß und Besitzer eines bereits deutlich ausgeprägten Bauches. Er starrte auf die junge Frau, die auf dem Beifahrersitz des offenen Sportwagens saß und nach Luft schnappte. Die zweite junge Frau, auch etwa 20-22 Jahre alt, die Fahrerin des Sportwagens, humpelte um den Zweisitzer herum und kümmerte sich um die Begleiterin. Sie sah etwas überrascht hoch, als sie Parkers Angebot hörte. Der Butler stellte selbstverständlich keine weiteren Fragen. Hier galt es erst mal zu helfen. Er hielt seinen wageneigenen Verbandkasten in der Hand und wollte sich mit der nach Luft schnappenden jungen Dame beschäftigen, die offensichtlich eine kleine Rißwunde rechts der Nasenwurzel davongetragen hatte. Seine selbstlose Hilfe schien allerdings nicht mehr willkommen zu sein. »Lassen Sie!« fauchte ihn die Fah-
rerin des Sportwagens an, als Parker sich die Wunde näher ansehen wollte, »lassen Sie! Ich mache das schon.« Sie hielt tatsächlich bereits ein Heftpflaster in der Hand, drückte es auf die Rißwunde der aufstöhnenden Beifahrerin und strich ihr dann beruhigend über das Haar. Danach richtete sie sich auf und wandte sich Parker zu, der still zugesehen hatte. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie angefahren habe«, meinte sie, »aber das sind wohl die Nerven…« »In der Tat.«, erwiderte Parker höflich, »darf ich fragen, ob Sie sich eine Verletzung zugezogen haben?« »Bei mir ist alles in Ordnung. Vielleicht nur eine kleine Prellung am Oberschenkel. Aber das ist nicht so wichtig.« »Dennoch sollten Sie und Ihre Begleiterin so schnell wie möglich einen Arzt aufsuchen, wenn ich mir diesen Rat erlauben darf.« »Kümmern wir uns lieber um den Mann dort drüben.« Die Fahrerin des Sportwagens deutete auf den Buick, neben dem der bauchbehaftete Fahrer stand. Er schien gerade einen mittelschweren Schwächeanfall überstanden zu haben und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Er atmete schnell und flach und schien Angst zu haben, hinüber zum Sportwagen zu sehen. 3 �
»Ich begreife das nicht. Ich begreife das einfach nicht.«, murmelte er fassungslos, als Parker neben ihm stand. »Ich hatte doch genau aufgepaßt. Und plötzlich war der Sportwagen vor mir. Wie durch Zauberei. Ich begreife das einfach nicht.« »Haben Sie sich verletzt?« erkundigte Parker sich erst mal. Der Mann schüttelte den Kopf. »Nichts. Nichts!« sagte er dann, »alles in Ordnung. Ich begreife das nur nicht. Ich fahre doch schon seit Jahren. Und so etwas ist mir noch nie passiert!« »Die zuständige Polizei wird diesen Vorfall klären«, antwortete Parker beruhigend. »Wann, wenn ich fragen darf, ereignete sich dieser peinliche Zusammenstoß?« »Vor ein paar Minuten«, sagte die Fahrerin des Sportwagens. Sie hatte sich inzwischen eine Zigarette angezündet und sah sich den zertrümmerten Wagen an, den sie eben noch gefahren hatte. »Wir kamen dort aus der Straße. Und ich glaube, wir hatten sogar Vorfahrt.« Sie beurteilte die Rechtslage nicht unrichtig. Sie war mit ihrem Sportwagen aus einer von rechts kommenden, wenn auch mit Gesträuch bewachsenen Seitenstraße gekommen und war von dem Buick auf die Hörner genommen worden. »Ich – ich habe das wirklich nicht gewollt.«, entschuldigte sich der
Fahrer des Buick. Er schien sich inzwischen etwas beruhigt zu haben, »aber hatten Sie wirklich Vorfahrt?« »Eindeutig«, mischte sich die Beifahrerin in die Unterhaltung. Sie fingerte nach dem breiten Pflaster rechts von der Nasenwurzel, »aber ich kann verstehen, daß Sie nicht aufgepaßt haben. Wer würde hier auch schon mit einem zweiten Wagen rechnen?« Parker mußte ihr Recht geben. Sie befanden sich weit außerhalb der Stadt, bereits auf dem flachen Land. Im Hintergrund waren die letzten Reihenhäuser einer Bungalow-Siedlung zu erkennen. Links von der Unfallstelle erhob sich leichtes Hügelland, das dann hinunter zum Strand führte. Man sah dort die Dächer einiger Ferien- und Bootshäuser. »Falls Übereinstimmung zwischen den Parteien besteht, sollte man jetzt die Polizei verständigen«, schlug Parker vor. * »Polizei?« Der Buick-Mann sah den Butler einigermaßen entsetzt an. »Es wird wegen der Schuldfrage sein«, erwiderte Parker höflich. »Das – das nehme ich auf mich«, reagierte der Buickfahrer und reichte der Fahrerin des Sportwagens seine Visitenkarte, »ich werde für alle ent4 �
standenen Schäden aufkommen, meine Damen.« Die beiden jungen Autofahrerinnen sahen sich unentschlossen an. Mit dieser Entwicklung hatten sie offensichtlich nicht gerechnet. »Der Wagen war so gut wie neu«, sagte dann die Frau, die gesteuert hatte. »Sie werden sich nicht zu beklagen haben«, gab der Buickfahrer schnell und eindringlich zurück. »Ich weiß nicht recht.« Die Fahrerin des Sportwagens überlegte. »Und was ist, wenn ich nicht arbeiten kann?« fragte die Beifahrerin unsicher, »ich meine da den Verdienstausfall, Krankenkosten. Ich kenne mich nicht genau aus.« »Ich werde sämtliche Kosten übernehmen«, erklärte der Buickfahrer noch einmal. Er wandte sich an Parker, »Sie werden das bezeugen können, falls man mir nicht glaubt!« »Die Damen hätten es vielleicht lieber schriftlich«, schlug der Butler vor. »Bekamen Sie es schriftlich?« fragte Anwalt Mike Rander eine gute Stunde später, nachdem Parker den Vorfall geschildert hatte. Rander, seine Sekretärin Sue Weston und Parker befanden sich in einem Bootshaus am Ufer des Michigansees. Parker war gekommen, um seinen jungen Herrn zurück in die Stadt zu holen. »Der betreffende Herr formulierte
die Dinge mit wenigen Worten auf einem Stenoblock, den die Beifahrerin mit sich führte.« »Schön«, sagte Rander, »der Mann schien sich schuldig zu fühlen, wie?« »In der Tat, Sir. Ich darf in diesem Zusammenhang feststellen, daß ihm die Regulierung des Schadens nicht sonderlich schwerfallen wird. Meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte Mister Blanton über das verfügen, was man gemeinhin Geldmittel nennt.« »Blanton? Walt Blanton!?« Rander sah seinen Butler etwas überrascht an. »In der Tat, Sir, Mister Walt Blanton.« »Muß man diesen Namen kennen?« wollte Sue Weston wissen. Mike Randers Sekretärin, langbeinig, aschblond, schlank wie eine Gerte und von reizvoller Schönheit, wie Parker es ausgedrückt hätte, sah ihren Chef neugierig an. »Walt Blanton ist der Inhaber einer respektablen Gebäudereinigungsfirma«, erläuterte Josuah Parker sofort wie aus dem Handgelenk. Er wußte selbstverständlich wieder mal Bescheid. »Mister Blanton besitzt darüber hinaus einige Großküchen und Lokale in der Stadt. Er ist durchaus das, was man als reich bezeichnen würde.« »Wohnt er hier draußen?« fragte Sue interessiert weiter. »Das ist es ja eben«, meinte Rander 5 �
lächelnd, »darum wundere ich mich ja. Hier draußen habe ich ihn noch nie gesehen. Aber vielleicht hat er sich inzwischen auch einen kleinen Ferienbungalow angeschafft.« »Mister Blanton scheint es nur um eine Übernachtung zu gehen«, schaltete Josuah Parker sich ein, »ich bemerkte auf dem Rücksitz seines Buicks einen kleinen Koffer, der nur die notwendigsten Nachtutensilien enthalten konnte.« »Nicht unser Bier!« Für Rander war der Fall erledigt. »Wir fahren in einer Stunde zurück in die Stadt, Parker.« »Sehr wohl, Sir!« »Sonst noch etwas?« Rander war nicht entgangen, daß sein würdevoller Butler noch etwas auf dem Herzen hatte. »In der Tat, Sir… Ich möchte mir erlauben, an Sie eine Frage zu richten, die in das Gebiet der Gerichtsmedizin fällt.« »Gerichtsmedizin?« »Ein Fachgebiet, Sir, mit dem Sie als Strafverteidiger immer wieder konfrontiert werden.« »Und wie lautet Ihre Frage?« Rander wurde etwas mißtrauisch. Die Hartnäckigkeit seines Butlers mußte gewisse Gründe haben. Und wenn Parker diese Hartnäckigkeit an den Tag legte, dann war meist damit zu rechnen, daß sich wieder mal ein Kriminalfall ankündigte. Sue Weston hingegen wurde kei-
neswegs mißtrauisch. Sie witterte freudig einen neuen Fall. Sie hoffte, von Butler Parker nicht enttäuscht zu werden. »Ihre Frage«, erinnerte Rander nervös, als Parker schwieg. »Es handelt sich um eine kleine Platz- oder Rißwunde, Sir, die vielleicht zwei oder drei, höchstens aber vier Minuten alt ist und die vielleicht anderthalb Zentimeter lang ist. Genügt die angegebene Zeitspanne, um solch eine gerade geschilderte Wunde verharschen zu lassen?« »Kommt wohl darauf an, wie tief sie ist.«, meinte Rander achselzuckend und irgendwie erleichtert. Er hatte mit einer wesentlich komplizierteren Frage gerechnet. »Warum fragen Sie?« »Ich spielte auf eine kleine Rißwunde an, die ich laienhaft behandeln durfte, Sir Sie war bereits verharscht und meiner bescheidenen Ansicht nach bereits sehr eingetrocknet.« * »Warum halten Sie?« fragte Rander, als Parker sein hochbeiniges Monstrum bremste und ausrollen ließ. Er saß zusammen mit Sue Weston im Fond von Parkers Wagen, dessen Trennscheibe heruntergelassen war. »Ich möchte meiner ehrlichen Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, Sir, daß die beiden kollidier6 �
ten Wagen bereits weggeschafft worden sind.« »Wieso!?« Rander wurde unruhig. Sollte sein Butler schon wieder dabei sein, einen neuen Fall aufzubohren? »Die beiden Wagen hatten sich innig miteinander verbunden, Sir.« »Man wird sie abgeschleppt haben. Fahren Sie weiter, Parker!« Der Butler verzichtete auf eine Antwort und ließ seinen hochbeinigen Wagen, ein ehemaliges Taxi aus London, das nach seinen Wünschen und Vorstellungen umgebaut worden war, wieder anrollen. Mike Rander vergaß sehr schnell diesen Zwischenfall und diktierte Sue Weston einige wichtige Briefe, die noch an diesem Nachmittag hinausgehen sollten. Mike Rander unterhielt in der City von Chikago zwar ein erstklassig besetztes Anwaltbüro, doch dort ließ er sich nur in besonderen Fällen sehen. Vom Studio seiner Dachgartenwohnung aus erledigte er die Fälle, die er sich vorbehielt und die besonders interessant waren. Als häufig konsultierter Anwalt konnte er sich das leisten. Er befand sich in der glücklichen Lage. sich aussuchen zu können, was ihn reizte. Die Höhe der jeweiligen Honorare spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Sue nahm die Diktate auf, war aber mit ihren Gedanken nicht ganz bei der Sache. Sie wurde den Verdacht nicht los, daß Josuah Parker
einem neuen, vielleicht sehr aufregenden Kriminalfall auf der Spur war. Sue hoffte sehr, daß er diese Spur nicht aus den Augen verlor. * Parker befand sich allein in der Dachgartenwohnung geräumigen seines jungen Herrn. Das elegant eingerichtete Penthouse lag auf dem Dachgarten eines großen Hochhauskomplexes, in dem fast ausschließlich Firmenbüros untergebracht waren. Der Bau gehörte Mike Rander, der hier einen Teil seiner bisherigen Einkünfte investiert hatte. Das Bürohaus befand sich an der Lincoln Park Avenue in der Nähe des Michigan. Von den Fenstern des Penthouse aus hatte man einen traumhaft schönen Blick auf den See. Dieser Anblick interessierte den Butler aber im Augenblick nicht. Er befand sich in der großen Wohnhalle und telefonierte. Er sprach mit einem gewissen Mister Walt Blanton, der sich sofort an seinen peinlichen Unfall erinnerte, nachdem Parker sich vorgestellt hatte. »Ich nehme mir die Freiheit, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen«, sagte Parker. »Wie bitte? Ach so! Alles okay, Mister Parker.« »Sie wurden, wie ich feststellen 7 �
konnte, schnell abgeschleppt?« »Nun ja, wir bekamen die Wagen ziemlich rasch auseinander«, sagte Blanton, den Parker unter seiner Privatadresse erreicht hatte, »vielen Dank für den Anruf!« »Dürfte ich mich darüber hinaus nach dem werten Befinden der beiden jungen Damen erkundigen?« »Auch da ist alles in Ordnung. Ich denke, das wär’s, Mister Parker.« »Selbstverständlich, Sir!« Parker entging nicht, daß Blanton an einer weiteren Unterhaltung nicht sonderlich interessiert war, doch er überhörte das. »Könnten Sie mir die Adresse der beiden Kontrahentinnen vermitteln, Sir?« »Warten Sie – Statler-Hotel – Miß Cornake und Miß – Sagen Sie mal, warum wollen Sie die Namen haben? Ist da noch etwas?« »Keineswegs, Sir. Ein Gebot der Höflichkeit, mich auch dort nach dem Wohlbefinden zu erkundigen.« »Also, Statler-Hotel – Miß Cornake und Miß Tronsers – So, und damit…« »Ich bedanke mich für Ihre Freundlichkeit, Sir.« Parker legte auf, trat an das breite Fenster der großen Wohnhalle und genoß das Panorama. Es war dunkel geworden, doch die Sealine erstrahlte im hellen Licht. Für diesen Ausblick hätte ein Gastronom wahrscheinlich ein Vermögen gezahlt und sofort ein Lokal im Penthouse eingerichtet.
Parker sah also nach draußen, doch er sah eigentlich gar nichts. Er dachte intensiv nach und kam zu einem Entschluß. * Robert T. Tale, 45 Jahre alt, groß, schlank und Sportsmann durch und durch, stieß mit seinem Jaguar rückwärts aus der Garage und fuhr hinunter zur Straße. Er wohnte in einem teuren Bungalow in einer exklusiven Wohngegend und wollte in die City, um sich dort mit einigen Geschäftsfreunden zu treffen. Tale war Anlageberater und Börsenagent. Er dachte an diesem Abend noch, einen besonders guten Abschluß zu tätigen. Er reflektierte nicht mehr auf dieses Geschäft, als das Heck seines Jaguar plötzlich gerammt wurde. Tale erhielt einen sehr harten Stoß, konnte sich aber am Steuerrad festklammern. Er wurde gegen die Wagentür gestoßen und erlitt eine an sich harmlose Prellung, wie sich später herausstellte. Die Beschädigung an seinem Jaguar hingegen war nicht so harmlos. Das Wagenheck war zusammengepreßt worden. Und noch wesentlich verbeulter war die Fronthaube eines Porsche, der so aussah, als hätte er alle Anstrengungen gemacht, in den 8 �
Kofferraum des Jaguars zu klettern. Tale war schnell aus dem Wagen und lief auf den Porsche zu. Er hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Er konnte sich von einer vorerst gewissen Schuld nicht freisprechen. Er war sich fast sicher, daß er nicht hinreichend genug aufgepaßt hatte, als er rückwärts auf die Straße gestoßen war. Dieses ungute Gefühl weitete sich zu einer Panik aus, als er die beiden reizenden Mädchen sah, die wie erstarrt im Porsche saßen, dessen Verdeck geöffnet war. Sie schienen noch unter einem bösen Schock zu stehen, denn sie rührten sich nicht. »Hallo – Hallo! Was ist denn!?« Tale stand neben dem Porsche und beugte sich zu den beiden jungen Damen hinunter. Die Frau am Steuer war seiner Schätzung nach knapp 21 oder 22 Jahre alt und sah attraktiv aus. Die Beifahrerin war nicht viel älter. Sie faßte ich gerade stöhnend an den Kopf. Voller Entsetzen stellte Tale fest, daß zwischen ihren Fingern kleine rote Rinnsale hervorsickerten. Sie mußte sich verletzt haben. »Tut mir schrecklich leid«, stieß Tale hervor, »kommen Sie, ich helfe Ihnen. Können Sie aussteigen?« Die Fahrerin nickte und stieg etwas schwerfällig aus dem Porsche, wobei Tale ihr vorsichtig half. Sie lehnte sich gegen die Tür und
atmete tief durch. Tale lief um den Wagen herum und kümmerte sich um die Beifahrerin. Sie biß die Zähne zusammen, als sie ausstieg. Dabei stöhnte sie leise. »Ich weiß, es war meine Schuld«, sagte Tale entschuldigend, »ich hätte… Ich habe wohl… Ist ja auch verdammt unübersichtlich hier.« »Sie haben es ja nicht absichtlich getan«, sagte die Fahrerin des Porsche. Dann kümmerte sie sich um ihre Freundin und strich ihr über das Haar, dabei beruhigende Worte sprechend, die Tale in seiner Aufregung überhaupt nicht verstand. »Warten Sie, ich telefoniere sofort nach einem Arzt.« Tale war immer noch außer sich, daß ihm dieser Unfall passiert war. »Darf ich Sie ins Haus einladen? Bitte, kommen Sie!« Er war ungemein hilfreich, als er die beiden Porschefahrerinnen in den Bungalow führte, um ihnen Whisky anzubieten. Er hatte die Gläser schon in der Hand, als er sie schnell wieder an die Seite stellte. »Entschuldigung«, sagte er verlegen, »aber das sollten Sie jetzt wohl nicht trinken.« »Mir stünde jetzt aber der Sinn nach einem Schluck Whisky«, sagte die Fahrerin des Porsche. »Und die Polizei?« Tale war fair. Durch und durch. »Was würde die Polizei sagen, wenn Sie nach Whisky riechen? Das gäbe ein völlig schiefes Bild.« 9 �
»Polizei?« meinte die Beifahrerin, die sich ein Taschentuch gegen die Rißwunde an ihrer Schläfe gepreßt hatte. »Ich denke, die sollten wir doch aus dem Spiel lassen, wenn Sie einverstanden sind!« »Aber gern!« reagierte Tale aufatmend. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, »Sie sind einverstanden, wenn wir die Geschichte unter uns erledigen? Sie können versichert sein, daß ich für alle entstandenen Kosten aufkomme!« * Parker ignorierte die teils erstaunten, teils amüsierten Blicke, die ihm und seiner Aufmachung galten. Er war diese Blicke gewöhnt, sie machten ihm nichts mehr aus. Zudem konnte er sich nicht erklären, warum er stets dieses Aufsehen erregte. Seine schwarze Dienstkleidung als Butler war in seinen Augen vollkommen normal. Und seiner stets würdevollen Bewegung war er sich überhaupt nicht bewußt. Parker durchmaß die große Halle des Statler-Hotels und erkundigte sich beim Empfangschef nach den beiden Damen Cornake und Tronsers. »Die Damen sind vor etwa einer Stunde abgereist.«, lautete die Auskunft, »nein, nein, sie haben nichts hinterlassen, wo sie zu erreichen sind!«
»Demnach scheint es den Damen Cornake und Tronsers gesundheitlich wieder gutzugehen.« »Wie bitte?« Der Empfangschef wußte mit Parkers Bemerkung nichts anzufangen. »Sie erlitten einen Autounfall, und ich wollte mich verabredungsgemäß als Zeuge zur Verfügung stellen.« »Autounfall!?« »In der Tat. Eine der beiden Damen erlitt oberhalb der Nasenwurzel eine Verletzung, die ich am Unfallort behandeln konnte.« »Nasenwurzel? Da müssen Sie sich irren.« »Wie darf ich Ihre Worte interpretieren?« »Weder Miß Cornake noch Miß Tronsers waren verletzt. Sind Sie sicher, die Namen nicht verwechselt zu haben?« »Mir scheint in der Tat, daß mein Gedächtnis zeitweilig unter gewissen Ausfallerscheinungen leidet.« Parker schien verblüfft zu sein. »Sind Sie sicher, Sir, über der Nasenwurzel kein Pflaster gesehen zu haben und daß keine der beiden Damen humpelte?« »Vollkommen sicher!« Der Empfangschef wußte es genau. »Dann möchte ich sehr um Entschuldigung bitten.« Parker lüftete seine schwarze Melone und verließ die Rezeption. Gemessen und würdevoll schritt er zurück zum Ausgang und ging hinunter auf die 10 �
Straße. Ihm entging dabei eine ältere Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die gerade aus einem Schnellimbiß kam und auf einen Kombiwagen zuging. Diese ältere Frau erwies sich als geschickte und erfahrene Autofahrerin, denn sie hängte sich an Parkers hochbeiniges Monstrum und folgte dem Butler durch die Stadt. * »Was ist denn jetzt schon wieder?« fragte Walt Blanton gereizt, nachdem Parker von der Vorzimmerdame in sein Privatbüro geführt worden war. »Ich erlaube mir, Ihnen einen ausgesprochen schönen Tag zu wünschen«, antwortete Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Ich habe nicht viel Zeit.«, schnarrte Talanton, »was also haben Sie mir zu sagen?« »Ich möchte noch mal auf den bedauerlichen Unfall zurückkommen, dessen Augenzeuge ich wurde.« »Die Sache hat sich längst erledigt.« Blanton kam um den Schreibtisch herum und zündete sich eine Zigarette an, »ich komme für alle Schäden auf. Aber das dürfte inzwischen nur eine Sache zwischen den Damen und mir sein!« »Wie, wenn ich fragen darf, wer-
den Sie die Reparaturkosten begleichen?« »Ich weiß zwar nicht, was Sie das angeht, Mister Parker, aber ich werde mit einem Scheck zahlen! Jetzt zufrieden?« »Noch nicht ganz, Sir. Sie werden auch für etwaige Arztkosten aufkommen? Für Verdienstausfälle und Dauerschädigungen der Gesundheit?« »Was soll ich denn machen? Das ist immer noch billiger, als mich verklagen zu lassen.« Blanton vergaß seine Gereiztheit. Er sah jetzt aus wie ein Mann, der sich schwere Gedanken machte. »Ist Ihnen möglicherweise begannt, Sir, wohin die beiden Unfallwagen gebracht wurden?« »In die Hopson-Werkstätten. Liegen im Süden der Stadt – Sagen Sie mal, sind Sie etwa von der Polizei? Natürlich nicht, das sieht man, aber Sie stellen Fragen.« »Ich nehme mir die Freiheit, mich in meiner freien Zeit mit der Aufklärung von Kriminalfällen zu befassen«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Kriminalfälle?« »Gewiß, Sir. Und ich möchte keineswegs verhehlen, daß mir Ihr Fall suspekt erscheint, was die beiden Damen anbetrifft.« »Ausgeschlossen!« Blanton hatte energisch begonnen, doch die letzte Silbe war bereits zu einer Frage 11 �
geworden. »Wer verständigte einen Abschleppwagen?« fragte Parker gemessen weiter. Er wußte wieder einmal genau, was er wollte. »Ein vorbeikommender Verkaufsfahrer war das.« »Und wie lange dauerte es, bis der Abschleppwagen erschien?« »Ich würde sagen, etwa knapp eine halbe Stunde. Hören Sie, Sie glauben wirklich, daß es sich hier um eine faule Sache handelt?« »Eine vorerst vage Vermutung, Sir, wie ich offen einräumen muß. Wenn Sie erlauben, werde ich mir beide Unfallwagen einmal aus der Nähe, und zwar in der bewußten Werkstatt, ansehen.« »Einverstanden, Parker.« Blanton witterte Morgenluft. »Aber seien Sie vorsichtig. Ich möchte keinen Ärger mit den beiden Frauen haben. Ehrlich gesagt, eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, daß sie mich hereinlegen wollen. Dazu sehen sie zu nett aus.« * Bevor Parker sich in der HopsonWerkstatt sehen ließ, öffnete er den Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums und rüstete sich mit einigen Gegenständen aus, die ihm wichtig erschienen. Als gerissener Gangsterjäger hatte er seine sehr speziellen Erfahrungen machen
müssen. Hinzu kam sein Instinkt, eine gewisse Vorausahnung dessen, was auf ihn zukommen würde. Die Hopson-Werkstatt konnte sich übrigens sehen lassen. Es handelte sich um einen Reparaturbetrieb mit insgesamt sechs Hebebühnen, einer Lackiererei und einer Blechschlosserei. Der große hallenartige Werkstattraum war peinlich sauber. Unter der Flachdecke brannten bereits Neonlichter, da es auf! den späten Nachmittag zuging. Parker sah mit schnellem Blick, daß hier tatsächlich gearbeitet wurde. Monteure in blauen Overalls beschäftigten sich mit Wagen aller Marken. Sie wurden angeleitet und kontrolliert von zwei Werkmeistern, die graue Kittel trugen. Ein Mann in einem weißen Kittel kam auf den Butler zu und nickte begrüßend. »Wallant.«, stellte er sich vor, »ich bin hier der Montageleiter. Was kann ich für Sie tun?« »Mein Name ist Parker. Josuah Parker«, antwortete der Butler, »Mister Blanton, dessen Buick hier vor einigen Stunden angeliefert wurde, bat mich, aus dem Handschuhfach einige Papiere mitzubringen.« »Blanton. Das ist der Buick, der mit dem Lancia zusammengestoßen ist, ja?« »In der Tat…« »Dann kommen Sie doch bitte mit. Sind Sie irgendwie legitimiert?« 12 �
»Sie können Mister Blanton anrufen, falls er es inzwischen nicht schon getan hat.« Mister Blanton hatte angerufen, wie sich herausstellte, und sich haargenau an die Empfehlungen des Butlers gehalten. Daraufhin führte Wallant den Butler hinüber in eine zweite Halle, die allerdings kleiner war. Hier standen Unfallfahrzeuge herum und warteten auf die Reparatur. Parker blieb vor dem Lancia stehen, der von Blantons Buick gerammt worden war. »Sieht böse aus, wie?« Wallant lächelte, »die ganze Vorderachse ist hin. Das Chassis wahrscheinlich verzogen.« »Läßt sich dieser Wagen wieder reparieren?« wollte Parker wissen. »Natürlich, aber das wird einiges kosten.« Wallant lächelte, »ganz zu schweigen von der Zeit. Die Ersatzteile müssen wir erst in Italien anfordern, falls sie nicht beim Importeur liegen. Aber da haben wir schon die tollsten Überraschungen erlebt.« Parker studierte intensiv den Lancia, also jenen kleinen Sportwagen, den die beiden Damen Cornake und Tronsers gefahren hatten. Der Wagen sah tatsächlich arg mitgenommen aus. Er schien, aber da war Parker sich nicht ganz sicher, jetzt wesentlich schrottreifer auszusehen als draußen auf der Straße. »Dort drüben steht der Buick«,
sagte Wallant inzwischen, »dieser Schlitten hat Glück gehabt. Der dürfte in ein paar Tagen wieder flott sein.« Parker kam es so vor, als sei der Schaden am Buick nicht verändert worden. Aber auch das konnte selbstverständlich eine Täuschung sein. Da er schon einmal vom Handschuhfach gesprochen hatte, öffnete er den Buick und fingerte herum. Wie Blanton gesagt hatte, fand er einige Prospekte und Reklamebriefe, die der Besitzer früher wohl achtlos dort deponiert hatte. Parker steckte die völlig unwichtigen Briefschaften ein und nickte Wallant freundlich zu. »Alles okay?« wollte der Werkstattleiter wissen. »Erfreulicherweise«, meinte Parker, »darf ich fragen, ob Sie sich auf das spezialisiert haben, was man exotische Wagen nennt?« »Wieso?« Wallant schien nicht zu verstehen. Parker deutete auf die vielen Sportwagen, die in der Nebenhalle nebeneinander aufgereiht waren und alle auf ihre Reparatur warteten. Hier waren die Marken Porsche, Lancia, Volvo, Alfa Romeo, Iso Rivolta, Triumph und Abarth reichhaltig vertreten. Sie sahen alle ziemlich mitgenommen aus. »Ach, das meinen Sie.« Wallant lächelte, »scheint sich herumgesprochen zu haben, wie gut wir arbeiten. 13 �
Wir haben nichts dagegen. Das ist die beste Reklame!« Parker und Wallant gingen zurück in die Montagehalle und sahen ein paar Minuten lang schweigend den Arbeitern zu. Dann lüftete Parker höflich seine schwarze Melone und kehrte zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum. Er hatte den Wagen noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich stehen blieb und sich zu Wallant umdrehte. »Die Adresse der beiden Fahrerinnen«, bat er höflich, »ich möchte Ihnen meine Aufwartung machen.« »Kommen Sie mit ins Büro«, erwiderte Wallant freundlich, »unser Reparatur-Annahmeleiter weiß da besser Bescheid als ich.« Parker folgte Wallant ins Büro. »Moment.«, bat Wallant, »ich bin sofort wieder zurück. Sehen Sie sich inzwischen ein paar Zeitschriften an. Es dauert nur wenige Minuten!« * Es dauerte noch nicht mal eine einzige Minute. Plötzlich öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer, durch die Wallant hinausgegangen war. Der Werkstattleiter kam zurück, aber nicht allein. In seiner Begleitung befanden sich zwei stämmige Monteure, deren Muskelpakete nicht zu übersehen waren. Sie bauten sich links und rechts von Wallant auf, der eine schallgedämpfte Pistole in
der rechten Hand hielt. »Wenn ich nicht sehr irre, sehe ich mich einem ausgesprochen unfreundlichen Akt gegenüber«, sagte Parker höflich. »Sie sind ein schneller Mann«, sagte Wallant lächelnd, »hoffentlich begreifen Sie auch weiterhin so schnell!« »Ich werde mir Mühe geben«, versprach Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, »es würde allerdings förderlich sein zu erfahren, was Sie mit meiner bescheidenen Wenigkeit zu tun gedenken.« »Nichts, sofern Sie nicht verrücktspielen!« »Darf ich des weiteren fragen, aus welchem Grund ich mir Ihren Unmut zugezogen habe?« »Denken Sie mal nach! Vielleicht sind Sie einfach zu neugierig, Parker. Aber kommen Sie jetzt, wir wollen das Büro hier nicht unnötig blockieren.« Parker ließ sich selbstverständlich nicht nötigen. Er schien sich in sein Schicksal ergeben zu haben. Er folgte den beiden Monteuren, die ihn in die Mitte nahmen und mit ihm im Nebenraum verschwanden. Dieser Nebenraum war leer. Er enthielt die Einrichtung eines üblichen Büros und sah völlig unverdächtig aus. Die beiden Monteure dirigierten den Butler durch eine rechts liegende Tür in einen schmalen Korridor, der vor einer Tür aus 14 �
Eisenblech endete. »Wir werden Sie nur kurz festhalten«, sagte Wallant, der nachgekommen war. Parker verzichtete auf eine Antwort und ließ sich willig weiter abführen. Hinter der Eisenblechtür gab es eine Betontreppe, über die man in diverse Kellerräume gelangte. Vor einer Tür blieben die beiden Monteure stehen. Einer von ihnen öffnete einen fensterlosen Raum, in dem es penetrant nach Motorabgasen roch. Parker wurde fast höflich in diesen Raum hineingebeten. Dann schloß sich die Tür hinter ihm. Der Butler wartete, bis die Schritte der beiden Monteure verklungen waren. Dann griff er nach einem Kugelschreiber, der nichts anderes war als eine getarnte Speziallampe. Mit dem scharf gebündelten und erstaunlich hellen Lichtstrahl untersuchte der Butler sein kleines Gefängnis. Es bestand aus nackten Betonwänden, die allerdings einen leicht rauch- und rußgeschwärzten Eindruck machten. Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe interessierte sich vor allen Dingen für die Öffnung in der Decke dieses Bunkers. Diese Öffnung, die durch ein Sieb gesichert war, schien das Austrittsende einer Entlüftung zu sein. Parker schaltete das Licht ab und ging zur Tür zurück. Er untersuchte das Schloß. Zuerst nur mit den Fin-
gerkuppen, dann wieder mit dem Lichtstrahl. Er wollte gerade nach seinem kleinen Spezialbesteck greifen, als er über sich das leise Vibrieren und Rattern eines wohl stationär angebrachten Motors hörte. Parker blieb einen Moment regungslos stehen. Er lauschte hinauf zur Betondecke und ließ dann den Lichtstrahl seiner Miniaturtaschenlampe zurück auf die Sieböffnung fallen. Zu sehen war nichts. Wenigstens jetzt noch nicht. Dann allerdings glaubte er leicht angedunkelte Rauchwolken ausmachen zu können. Und einige Sekunden später roch er die austretenden Auspuffgase. Man wollte ihn ermorden! Parker wußte nur zu gut, wie hochgiftig Kohlenmonoxyd ist. Der niedrige und enge Bunker mußte sich sehr bald schon mit diesem Auspuffgas füllen. Es war dann wirklich nur noch eine Frage der Zeit, bis er erstickte… * Wallant befand sich in seinem Werkstattbüro und telefonierte. Er war etwas nervös, als er gerade kurz zuhörte. Er nickte mehrmals dazu. »Natürlich hatte er Lunte gerochen«, sagte er dann gereizt, »ich hab das deutlich gemerkt… Wo er jetzt ist?… Wo schon!… Ja, natür15 �
lich… ich lasse ihn verschwinden… Sicher ist sicher!… Okay, ich werde dann anrufen Bis… nachher!« Wallant zündete sich eine Zigarette an und wanderte vor dem Fenster seines kleinen Büros auf und ab. Er beobachtete die Angestellten, die aus dem Umkleideraum kamen und hinüber zum Parkplatz gingen. Es war Feierabend, und es war gut so für Wallant. Damit war man unter sich und brauchte keine neugierigen Mitarbeiter zu fürchten. Er verließ sein Büro und ging zu den Monteuren hinüber, die am Material-Ausgabeschalter herumlungerten. Er sah sie fragend an. »Das Ding läuft jetzt schon seit knapp zehn Minuten«, sagte einer der beiden Männer, »er müßte längst hinüber sein.« »Stell den Motor ab!« Wallant nickte dem zweiten Monteur zu und ging dann mit ihm in den langen Korridor, der zur Kellertür führte. Wallant und sein Begleiter hatten den bewußten Bunker noch nicht ganz erreicht, als sie bereits die Auspuffgase rochen. Penetrant, aufdringlich und tödlich. Wallant hüstelte unwillkürlich. »Wohin lassen wir ihn verschwinden?« fragte der Monteur sehr sachlich. Er schien solche Dinge nicht zum erstenmal zu machen. »Irgendeine private Tiefgarage werdet ihr wohl schon finden«, meint Wallant nervös, »ihr habt ja
Zeit genug. Es muß aber auf jeden Fall nach einem tödlichen Versehen aussehen, ist das klar?« Dem Monteur leuchtete das ein. Er nickte und grinste. Dann sperrte er das Schloß auf, drückte sein Taschentuch gegen Mund und Nase und öffnete die Tür. Eine übelriechende Abgaswolke quoll Wallant und ihm entgegen. Die beiden Männer wichen zurück und warteten einen Moment, bis die tödliche Konzentration im Betonbunker nachgelassen hatte. »Hol ihn ‘raus!« kommandierte Wallant. Der Monteur nickte und ging schnell in den Betonbunker. Doch erstaunlicherweise kam er nicht mehr zurück! * »Er muß zuviel geschluckt haben«, sagte Wallant nervös. Er war zurück nach oben gelaufen und fing den zweiten Monteur ab, der gerade aus der Werkstatt kam, wo er den Motor abgestellt hatte. »Schnell, bevor was passiert…« Wallant und der zweite Monteur rannten durch den Korridor hinüber zur Kellertreppe, stiegen sehr hastig nach unten und näherten sich dem Betonbunker. Sie hatten ihn noch nicht ganz erreicht, als das harte und laute Zuschlagen einer Tür ihre Gehör16 �
gänge traf. Wallant und der zweite Mann wirbelten herum und starrten ziemlich fassungslos auf die Eisenblechtür oben an der Treppe, die sich unerklärlicherweise geschlossen hatte. Wallant rannte zurück zur Treppe, über die Stufen nach oben und wollte die Tür öffnen. Gewiß, die Klinke ließ sich herunterdrücken, doch die Tür war fest verschlossen. »Benny! Schnell!« Wallant rüttelte verzweifelt an der Tür. Ihm kam inzwischen der Gedanke, überlistet worden zu sein. Benny hörte nicht. Er war im Betonbunker und kam jetzt heraus. Er schleppte sich mit seinem Partner Joe ab, der ohnmächtig war. Benny ließ Joe ziemlich unsanft zu Boden gleiten und rannte hinauf zur Tür, mit der Wallant sich noch immer befaßte. Verzweifelt, wütend und sinnlos. Sie wich und wankte nicht. Sie war neu, solide und eben aus dickem Eisenblech. »Von außen abgeschlossen«, wütete Wallant, »abgeschlossen… Von irgendeinem…« »Von diesem komischen Burschen«, stieß Benny nervös hervor, »er ist nämlich nicht mehr im Bunker!« * Womit er keine sinnlose Behauptung aufgestellt hatte.
Jenseits der bewußten Tür aus Eisenblech befand sich Josuah Parker, der die Dauerbehandlung durch Monoxyd erstaunlich gut überstanden hatte. Dank seiner Spezialzigarre übrigens, die nichts anderes war als eine Mundpatrone zum Wegfiltern von schädlichen und giftigen Gasen. Bei dieser Zigarre handelte es sich um eine Spezialkonstruktion des Butlers. In Verbindung mit einer Nasenklemme, die Parker sich im Bedarfsfall aufsetzte, verschaffte er sich mittels dieser Zigarrenpatrone atembare Luft. Er konnte den Patroneneinsatz darüber hinaus auswechseln und sich dann mit reinem Sauerstoff versorgen. Parker war, wie sein junger Herr nicht ohne Berechtigung immer wieder behauptete, ein erfinderischer Geist. Der Butler hatte Joe mittels seines Spezialregenschirms noch im Bunker außer Gefecht gesetzt. Dann war er Wallant gefolgt und hatte gewartet, bis er ihn und Benny zusammen im Keller einsperren konnte. So leicht war das alles gewesen. Allerdings eben nur für einen gewissen Josuah Parker. Der Butler war selbstverständlich peinlich berührt. Schließlich hatte man ihn ermorden wollen. Und mit solchen Absichten war er noch nie einverstanden gewesen. Er befand sich also jetzt vor der geschlossenen Kellertür und überlegte, wie er sich 17 �
verhalten sollte. Der überstandene Mordversuch war für ihn das sichere Zeichen dafür, daß er mit seinen Vermutungen in ein Wespennest gestochen hatte. Sein vager Verdacht hatte sich als richtig erwiesen. Er verstand allerdings nicht, warum man gleich mit einem Mordversuch reagiert hatte. Hier schien es demnach um sehr große Dinge zu gehen. Es kann nicht verschwiegen werden, daß Josuah Parker liebend gern sogenannte Retourkutschen fuhr. In diesem Fall bestand diese Retourkutsche darin, daß er sich hinüber in die Werkstatt bemühte und hier den tatsächlich stationär angebrachten Automotor in Gang setzte. Er wollte den drei potentiellen Mördern ein wenig deutlich machen, was es heißt, in tödliche Angst zu geraten. Da er aber gleichzeitig keineswegs zum Mörder werden wollte – er wußte wirklich sehr genau, wie gefährlich Auspuffgase sind – zog er den Metallschlauch für die Abgase aus einem Rohrstutzen, der aus dem Betonboden hervorragte. Dann begab der Butler sich zurück zur Kellertür und pochte leise gegen die Eisenblechfüllung. »Darf ich in aller Form nachfragen, ob Sie noch verhandlungsfähig sind?« erkundigte er sich. »Parker… Parker…! Lassen Sie uns ‘raus! Schnell… Stellen Sie den verdammten Motor ab! Sie bringen uns
um!« Es war Wallant, der auf diese Art und Weise seine Besorgnisse äußerte. Er schien total vergessen zu haben, was er mit dem Butler vorgehabt hatte. »Darf man fragen, für wen Sie arbeiten?« erkundigte sich Parker durch die Tür, deren Blech wie ein Resonanzboden wirkte. »Schnell! Parker, stellen Sie den Motor ab!« Wallant war zu ängstlich, um antworten zu können. Oder zu wollen. »Für wen arbeiten Sie, Mister Wallant?« fragte der Butler erneut, »Ihre Auskunft gegen das Abstellen des Motors!« »Für… Für die Bienen… Die blonden Bienen!« hustete Wallant hinter der Tür. »Sind Sie sicher, sich nicht geirrt zu haben?« »Nein! Für die blonden Bienen. Aber stellen Sie keine weiteren Fragen! Mehr wissen wir hier alle nicht!« »Und wie sieht es mit Mister Hopson aus, dem diese gutgeleitete Werkstatt wohl gehört?« »Wir… Wir wissen es nicht! Stellen Sie das Ding ab, Parker! Sie bringen uns um!« »Ich werde Ihre dringende Bitte einer eingehenden Prüfung unterziehen«, sagte Parker, wobei seine letzten Worte fast im wütenden Gehämmer gegen das Eisenblech untergin18 �
gen. Panik schien die drei potentiellen Mörder erfaßt zu haben. Sie versuchten mit ihren nackten Fäusten die Tür einzuschlagen, was technisch natürlich eine Unmöglichkeit darstellte. Parker schritt zurück in die Büroräume, dann in die Werkstatthalle und kontrollierte noch einmal den laufenden Motor und die entstehenden Abgase. Sie entwichen gefahrlos hinauf zum Dach der Werkstatthalle und entwischten durch geöffnete Luken nach draußen. Den drei Männern im Keller konnte also nichts passieren. Parker setzte seine schwarze Melone zurecht, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und schritt von dannen. Nicht ohne im Büro Wallants einen kleinen Gegenstand aus Metall zurückgelassen zu haben, der nicht größer war als eine Münze und sicher nicht dicker als ein normaler Knopf. Dieser Gegenstand aus Metall war von Parker auf dem Oberteil eines Aktenschrankes deponiert worden. Parker war eben ein durch und durch neugieriger und interessierter Mensch. * Parker hatte sein hochbeiniges Mon-
strum vom Werkstattgelände entfernt und es in einer stillen Seitenstraße untergebracht. Er war zu Fuß zurückgegangen und hielt sich jetzt, zusammen mit einem kleinen Transistorradio, in der Werkstatt auf, in der nur noch einige Notlampen brannten. Der stationäre Automotor brummte und spuckte seine Auspuffgase hinauf zum Hallendach. Was die drei Männer im Keller natürlich nicht wissen konnten. Sie sahen sich nach wie vor gefährdet. Parker wartete auf irgendein Ereignis. Er wartete darauf, daß die drei Männer die Eisenblechtür bezwangen und sich vielleicht Besuch einstellte. Irgend etwas mußte geschehen. Nach etwa zehn Minuten passierte tatsächlich etwas. Draußen vor der Werkstatthalle erschien ein Auto, dessen Scheinwerfer kurz aufleuchteten. Der Motor wurde abgestellt, eine Wagentür klappte zu, dann waren Schritte zu hören. Parker, der sich zwischen zwei Fahrzeugen aufgebaut hatte, reckte sich ein wenig hoch, um besser zu sehen. Den Schritten nach zu urteilen, mußte eine Frau aus dem Wagen gestiegen sein. Parker hatte sich keineswegs getäuscht. Die kleine Tür im großen Schiebetor wurde energisch aufgedrückt. 19 �
Dann war eine äußerst attraktive, junge Dame zu sehen, die einen beigen Hosenanzug trug, der ihre Linien freundlichst unterstrich. Die junge Dame, die Parker noch nie vorher gesehen hatte, schien sich mit den Örtlichkeiten auszukennen. Sie marschierte schnurstracks hinüber in den Bürotrakt und rief Wallants Namen. Parker bediente sein kleines Transistorradio. Ein Clip, der vom Gerät in Parkers linkes Ohr führte, übernahm die weitere akustische Kontrolle. Parker hörte wildes, verzweifeltes Hämmern gegen die Eisenblechtür, verwischte Rufe, dann Schritte, das Drehen eines Schlüssels im Schloß und schließlich das hastigschnelle Öffnen einer Tür. Alles war so deutlich, als befinde Parker sich an Ort und Stelle. »Gott sei Dank!« stieß Wallant aus, »ich dachte schon, wir wären nicht mehr ‘rausgekommen.« »Darf ich mal wissen, was eigentlich los ist?« fauchte eine Frauenstimme, die selbst jetzt noch irgendwie sexy wirkte. »Parker!« »Was ist mit ihm?« »Er hat uns ‘reingelegt, Hilda… Nach allen Regeln der Kunst. Wie, weiß ich auch nicht. Normalerweise hätte er längst tot sein müssen.« »Nun mal der Reihe nach«, verlangte die Frauenstimme von
Wallant, »wie konnte das passieren?« Wallant ging notgedrungen in die Details, wobei ihm die beiden Monteure assistierten. Dann trat Stille ein. »An die Polizei wird er sich nicht wenden«, sagte die Frauenstimme. »Und warum nicht?« Wallant wollte es wissen. »Wir wissen inzwischen, wer dieser Parker ist… Einzelheiten später… Nach Lage der Dinge wird er auf eigene Faust weiterarbeiten. Und das ist unsere Chance!« »Dann sollten wir es so schnell wie möglich hinter uns bringen«, antwortete Wallant wütend, »ich bin darauf, es ihm scharf heimzuzahlen!« »Du wirst erst mal aus der Schußlinie genommen«, erwiderte Hilda, »und ihr beide auch. Wenn er hier wieder auftaucht, müßt ihr verschwunden sein. Er darf nicht wissen, was wirklich gespielt wird.« »Und wer wird ihn übernehmen?« Wallants Stimme klang wieder tatkräftig. Er schien seinen Schock überwunden zu haben. »Das machen wir jetzt.«, sagte die junge Dame namens Hilda, »wir werden euch mal zeigen, wie geschickt und unauffällig Frauen arbeiten können!« *
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»Wurden Einzelheiten besprochen?« fragte Mike Rander anderthalb Stunden später, nachdem er sich die Geschichte seines Butlers angehört hatte. »Ich muß bedauern und verneinen, Sir.« Parker befand sich im Studio seines jungen Herrn und sah untadelig aus. Er schien niemals so etwas wie ein fast tödliches Abenteuer hinter sich gebracht zu haben. »Wer ist diese Hilda?« fragte Rander. »Hilda Hopson, Sir. Die Tochter jenes Mannes, dem die Werkstatt gehört. Ich war so frei, ihr nach der Unterhaltung zu folgen. Dabei konnte ich feststellen, wo sie wohnt.« »Um was geht es eigentlich?« schaltete Sue Weston sich ein, »warum wollte man Sie wegen eines Autounfalls umbringen, Mister Parker? Und wer sind die blonden Bienen?« »Wenn Sie gestatten, Miß Weston, werde ich der Reihe nach antworten«, gab Parker gemessen zurück, »mir scheint, es handelt sich vorerst nur um einen Verdacht, daß dieser Unfall manipuliert war.« »Mit welcher Absicht?« Sue Weston interessierte sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr. »Um das zu machen, was man gemeinhin Geld nennt.«, redete der Butler weiter, »auf eine, wie ich einräumen muß, ungewöhnliche Art.«
»Das müssen Sie mir erklären.« »Ich darf noch mal an die beiden jungen Damen erinnern, die mit dem Fahrzeug Mister Blantons kollidierten. Sie waren im Recht, was die Auslegung des Unfalls anbetrifft. Sie verzichteten auf Zuziehung der Polizei und ließen es sich von Mister Blanton schriftlich geben, daß er für alle Schäden und Folgeerscheinungen aufkommen wird.« »Sie meinen, die beiden Frauen hätten den Unfall absichtlich herbeigeführt?« Sue sah Rander erstaunt an. Rander gab diesen Blick prompt zurück. »In der Tat.«, redete der Butler bereits weiter, »ich gehe von der Annahme aus, daß der Unfall absichtlich und kalkuliert herbeigeführt wurde. Ich möchte darüber hinaus sogar behaupten, daß die jeweiligen Opfer sehr genau ausgewählt werden.« »Aber wie macht man das große Geld?« Rander war von den Ausführungen seines Butlers fasziniert. »Ich denke erst mal an die Reparaturkosten, Sir, die man natürlich ungemein hochtreiben kann, falls die betreffende Werkstatt mit zum Komplott gehört. Das könnte unter Umständen bis zum Ersatz eines neuen Wagens gehen. Und dann möchte ich auf die sogenannten Folgeschäden hinweisen. Die Damen gaben sich ja am Unfallort als verletzt aus…« 21 �
»Sie gaben sich nur aus?« fragte Sue Weston überrascht, »Sie glauben, Mister Parker, daß sie überhaupt nicht verletzt waren?« »Gewiß, Miß Weston. Ich erinnere an die kleine Rißwunde, die ich beim Blanton-Unfall behandeln durfte. Mir fiel auf, daß die Wunde bereits völlig verharscht war. Ein Umstand, den ich einfach nicht akzeptieren kann. Hier scheint man eine Verletzung vorgetäuscht zu haben!« »Wenn das so ist, Parker, dann haben wir es aber mit besonders netten Subjekten zu tun«, sagte Rander kopfschüttelnd, »schade, daß Sie nicht noch weitere Fälle zusammentragen können. Die Betroffenen werden kaum zu erfassen sein!« »Bis auf Mister Blanton«, erinnerte Sue Weston. »Richtig«, sagte Rander, »hoffentlich lebt dieser Mann nicht ab sofort gefährlich. Er ist Ihr einziger Anhaltspunkt, Parker, haben Sie daran schon mal gedacht?« »Gewiß, Sir.« »Denken allein genügt nicht. Blanton muß diskret bewacht und beschützt werden.« »Was bereits geschieht, Sir. Ich war so frei, ein Detektivinstitut mit der Überwachung zu beauftragen. Ich hoffe, Sir. daß Sie diese meine Maßnahme noch nachträglich billigen werden.« »Selbstverständlich!« Rander
lächelte. »Es wäre ja prächtig, wenn diese blonden Bienen ihm sehr bald schon auf den Pelz rücken würden.« »Falls sie es tun, Sir.« »Wieso nicht?« »Die bewußten blonden Bienen, Sir, könnten Mister Blanton auch aussparen, was besagen soll, daß sie vielleicht darauf verzichten werden, ihn zur Kasse zu bitten!« Walt Blanton war viel mutiger, als, er aussah. Der Mann mit dem deutlichen Bauchansatz hatte sich mit einem gewissen Josuah Parker abgesprochen und befand sich jetzt im Büro der Hopson-Werkstatt. Er sah nervös und schuldig aus, wie es seiner Rolle entsprach. »Sie erinnern sich, Miß Hopson«, sagte er zu Hilda, die ihn empfangen hatte, »gestern wurde mein Buick von Ihrer Firma abgeschleppt. Ich bin da in einen Lancia ‘reingefahren.« »Eine mehr als komische Sache«, meinte Hilda Hopson. Sie trug einen weißen Arbeitskittel, der knapp vor den Knien endete. Sie sah sehr einladend und reizvoll aus. »Komische Geschichte?« fragte Blanton. Er war ehrlich irritiert. »Wir haben versucht, die beiden jungen Damen anzurufen«, sagte Hilda Hopson, die sich ihm als Kundenberaterin vorgestellt hatte, »wegen des Kostenvoranschlags… Aber eigenartigerweise haben sie 22 �
das Statler-Hotel verlassen, ohne ihre neue Adresse anzugeben.« »Sie sind abgereist?« »Sieht so aus. Was nicht heißen soll, daß sie sich nicht noch melden werden. Aber vorerst wissen wir nicht, wie und wo wir sie erreichen können!« »Wie hoch kommt denn die Reparatur des Lancia?« fragte Blanton, gemäß Parkers Anweisung. »Grob geschätzt etwa tausend Dollar«, erwiderte Hilda Hopson, »der Schaden ist doch harmloser, als wir zuerst vermuteten.« »Das würde ja wirklich noch gehen«, meinte Blanton und mimte äußerst gekonnt eine gewisse Erleichterung, »und was ist, wenn die beiden Frauen sich nicht mehr melden?« »Nun, wir beginnen mit der Reparatur erst nach Rücksprache. Sollten sie sich nicht melden, werden wir den Lancia vorerst auf Eis legen. Aber die beiden Damen werden sich bestimmt melden. Solch einen Lancia läßt man nicht einfach stehen! Es sei denn…« »Es sei denn…?« Blanton war ganz Ohr. »Es sei denn, die beiden Damen haben gute Gründe, sich nicht sehen zu lassen.« »Sie meinen, sie könnten den Lancia gestohlen haben?« »Es wäre immerhin möglich.« »Daran habe ich noch gar nicht
gedacht.«, sagte Blanton, »vielleicht baten Sie mich deswegen, die Polizei aus dem Spiel zu lassen. Das wird es sein. Haben Sie sich schon mit der Polizei in Verbindung gesetzt?« »Das werden wir tun, wenn die beiden jungen Damen sich innerhalb der nächsten drei Tage nicht melden«, antwortete Hilda Hopson, »irgend jemand muß der Wagen ja gehören!« * »Leider dürfte meine bescheidene Vermutung zutreffen«, sagte Parker ein paar Minuten später. Er befand sich zusammen mit seinem jungen Herrn im hochbeinigen Monstrum. Über Parkers Transistorradio hatten Rander und er die Unterhaltung zwischen Blanton und Hilda Hopson Wort für Wort mitverfolgen können. Was nicht weitet verwunderlich war, denn in Blantons Westentasche stak ein Kugelschreiber, den er von Parker in Empfang genommen hatte. Und dieser Kugelschreiber war im Grunde nichts anderes als ein leistungsstarker Sender. »Er kommt.«, sagte Rander und deutete hinüber auf die Hauptstraße. Blantons Ersatzwagen erschien und rollte langsam zurück in Richtung City. Rander und Parker verzichteten auf einen Kontakt mit Blanton. Es sollte und mußte vorerst 23 �
geheim bleiben, daß er mit Parker und Rander unter einer Decke stak. Zudem wurde er ja von dem Privatdetektiv beschattet und beschützt, den Parker engagiert hatte. »Und wie soll’s jetzt weitergehen?« fragte Rander seinen Butler. »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mit Miß Hopson ein vertrauliches Gespräch führen. Könnten Sie freundlicherweise jene Arbeit übernehmen, von der ich bereits sprach?« Rander nickte und stieg aus dem hochbeinigen Monstrum. Er nickte Parker verabschiedend zu und mischte sich unter die Fußgänger. Josuah Parker setzte sein Gefährt in Bewegung und rollte auf dem Umweg über die nahe Hauptstraße hinauf auf das Grundstück der Hopson-Werkstatt. Hilda Hopson zuckte mit keiner Wimper, als Parker ihr gegenüberstand. Sie mußte wissen, um wen es sich handelte. Parkers Aussehen war ihr mit Sicherheit beschrieben worden. Doch sie ließ sich nichts merken. »Miß Hopson«, stellte sie sich vor, »was kann ich für Sie tun?« »Parker, mein Name… Josuah Parker«, nannte der Butler seinen Namen, »wie ich hörte, befassen Sie sich mit Reparaturen.« »Richtig«, sagte Hilda lächelnd. »Aber auch mit Bienenzucht?«
»Bienenzucht?« Hilda Hopson hüstelte leise. »Mit sogenannten blonden Bienen«, führte der Butler höflich weiter aus. »Mit blonden Bienen?« Aus dem Hüsteln wurde ein mittelschwerer Hustenanfall. »Eine Spezies, die mir allerdings bislang unbekannt war«, gestand Parker, »aber vielleicht können Sie mich aufklären und ins Bild setzen.« »Ich fürchte, Sie sind falsch informiert worden«, meinte Hilda Hopson, »wer, wenn ich fragen darf, hat denn von diesen blonden Bienen gesprochen?« »Einer Ihrer Imker«, erwiderte Parker gemessen, »Sie würden dazu wahrscheinlich Monteur oder Werkstattleiter sagen!« »Mister Wallant?« Hilda Hopson war ganz Wachsamkeit. »Sehr gut möglich, aber nicht sicher«, sagte Parker, der sich in dem Raum umsah. Es handelte sich um jenes Büro, in dem er den bewußten Metallknopf am Vorabend zurückgelassen hatte. »Können Sie nicht endlich sagen, was Sie wollen?« fragte Hilda Hopson gereizt. Sie schien die Geduld verloren zu haben, »Sie reden in Rätseln.« »Dafür war jener kleine Sender aber rätsellos«, meinte Parker. Während er noch sprach, fuhr er mit der Zwinge seines Universal-Regen24 �
schirms über den Schrank und fegte den Sender hinunter in seine schwarz behandschuhte, linke Hand. Dann präsentierte er den Sender. »Ein nützliches Gerät, Miß Hopson, wie ich versichern darf. Es ist in der Lage, alle geführten Gespräche in diesem Raum auf einen Sender zu übertragen. Was er übrigens gestern abend unter Beweis stellte, wie ich bemerken möchte… Ihre Stimme, zum Beispiel, kam ungemein klangvoll durch!« Hilda Hopson starrte den Butler entgeistert an. Diese Offenheit hatte sie nicht erwartet. Sie wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß es stets zu Parkers Taktik gehörte, ehrlich und offen zu sein. Damit hatte er in der Vergangenheit immer wieder seine Gegner verwirrt. »Sie… Sie haben mitgehört, was hier gesprochen wurde?« fragte Hilda Hopson endlich und atmete tief durch. »In der Tat! Ich fühlte mich dazu legitimiert, nachdem die drei Herren Ihrer Firma alle Anstrengungen unternahmen, um mich dorthin zu befördern, was man im Volksmund gemeinhin das Jenseits nennt.« »Entweder sind Sie verrückt, oder…« »Oder, Miß Hopson…?« »Sie sind ein sehr cleverer Mann«, sagte Hilda und rang sich ein Lächeln ab, »aber was Sie da angeblich gehört haben wollen, streite ich
ab!« »Aber natürlich! Wie gut ich Sie verstehe!« »Was… Was wollen Sie eigentlich?« »Ich mache Ihnen einen hoffentlich gangbaren Vorschlag, Miß Hopson. Stellen Sie Ihre gestellten Unfälle ein, dafür werde ich mich bemühen, Sie und Ihre Firma zu vergessen.« »Sie müssen wohl doch verrückt sein! Sie glauben doch nicht, daß ich Sie…« Während sie noch sprach, warf sie sich nach vorn und drückte auf einen Klingelknopf, den der Butler bisher total übersehen hatte. Sekunden später stürmten zwei Monteure in das Büro. Sie wollten sich auf Parker werfen, doch er war einfach nicht mehr zu sehen. Wie Hilda Hopson übrigens auch. Parker und Hilda Hopson waren von einem dicken Nebel verschlungen worden, der sich im Büro ausbreitete. Die beiden Monteure rammten mit Knien und Oberschenkeln gegen Büromöbel, tasteten sich durch die Nebelwand und erlitten peinliche Niederlagen, als ein gewisser bleigefütterter Bambusgriff, der zu einem Universal-Regenschirm gehörte, nacheinander ihre Stirnpartien traf. Die beiden Monteure machten es sich auf dem Boden bequem und legten eine Arbeitspause ein, die vertraglich und gewerkschaftlich 25 �
sicher nicht ausgemacht war. Parker befand sich um diese Zeit bereits in der Nebenhalle und bediente seinen mitgebrachten Fotoapparat. Er betätigte sich als Lichtbildner und interessierte sich vor allen Dingen für die Kennzeichenschilder der Unfallwagen. Die beiden Monteure kamen inzwischen zu sich und damit auf die Idee, man könnte vielleicht mal die Fenster öffnen, um der Nebelschwaden Herr zu werden. Was sie auch besorgten. Es dauerte zwar etwas, doch die Schwaden lösten sich tatsächlich auf. Nicht hingegen die Kopfschmerzen der beiden Monteure. Parker mußte sehr nachdrücklich mit dem Bambusgriff zugelangt haben. »Still!« sagte der erste Monteur plötzlich und hob lauschend den Kopf. »Da klopft doch einer«, ergänzte der zweite Monteur in schneller Deutung der gehörten Geräusche. »Dort, aus dem Schrank!« sagte der erste Monteur. »Genau«, bestätigte der zweite Monteur. Auf Zehenspitzen gingen die beiden Männer auf einen Aktenrollschrank zu, bauten sich auf, zogen kurzläufige Pistolen und ließen die Jalousie des Schranks herunterfallen. »Sie!« staunte der erste Monteur. »Miß Hopson!« wunderte sich der zweite Monteur.
Hilda Hopson sagte hingegen gar nichts. Sie ließ sich aus dem Zwischenfach des Rollschranks herausfallen und war sehr unwirsch. * »Er wird seinen Wagen abholen.« Hilda Hopson deutete nach draußen auf den werkstatteigenen Parkplatz, »der Wagen wird unauffällig überwacht.« »Und wenn er kommt?« wollte der erste Monteur wissen. »Dann folgt ihr ihm!« sagte Hilda, »er darf das Grundstück nicht verlassen! Ist das klar?« Es war klar. Hilda war immerhin deutlich genug gewesen. Sie scheuchte die beiden Monteure mit einer gereizten Handbewegung aus dem Büro, überlegte kurz und beugte sich dann über das Telefon. Doch schon nach dem Drehen der ersten Nummer hielt sie ein und legte den Hörer zurück auf die Gabel. Sie hatte sich plötzlich an Parkers Miniatursender erinnert. Sie war sich nicht ganz sicher, ob auch dieses Gespräch abgehört wurde. Sie kam zu dem Entschluß, von einer öffentlichen Fernsprechzelle aus anzurufen. Dazu brauchte sie nicht weit zu gehen. An der nächsten Straßenecke konnte sie damit bereits bedient werden. Hilda Hopson kam am Fenster vorbei und blieb fasziniert stehen… 26 �
Sie hatte den Butler erkannt, der gerade gemessen und würdevoll auf sein hochbeiniges Monstrum zuging, als sei überhaupt nichts passiert, als brauche er nichts, aber auch gar nichts zu befürchten. Josuah Parker schien nicht im Traum damit zu rechnen, daß man sich erneut mit ihm befassen könnte. * Die beiden Monteure – sie waren keineswegs identisch mit den Monteuren Joe und Benny – hatten sich zwischen abgestellten Autos aufgebaut und das hochbeinige Monstrum Parkers nicht aus den Augen gelassen. Als Parker plötzlich an der hinteren Ecke der großen Werkstatthalle erschien und auf seinen Privatwagen zuschritt, sahen sie ihre Stunde gekommen. Sie waren sich längst einig darin, wie man einen Mann namens Parker außer Gefecht zu setzen hatte. So etwas hatten sie in der nahen Vergangenheit immer kurz und schmerzlos über die Bühne gebracht. Sie trennten sich also, bildeten eine Art Zange und schlenderten langsam auf den Butler zu. Für sie war der Fall eigentlich schon gelaufen. Was jetzt kam, war nur noch kalte Routine, die zum Gähnen reizte. Haie, der erste Monteur dieser Gruppe, stand noch etwa zehn
Meter von Parker entfernt. Er sah hinüber zu Richie, dem zweiten Monteur. Er wollte sich vergewissern, daß auch sein Partner einsatzbereit war. Erstaunlicherweise schien Richie aber plötzlich so etwas wie eine Indisposition zu erleben. Er blieb nämlich ruckartig stehen, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis gelaufen. Er beugte sich zu seinem rechten Oberschenkel hinunter und fingerte an seiner Hose herum. Haie war verärgert. Jetzt war schließlich nicht die Zeit, sich mit dem Stoffmuster der Arbeitshose zu befassen. Richie schien nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben, wie er es am liebsten laut und deutlich gesagt hätte. Richie erlitt einen Schwächeanfall. Er rutschte in die Knie, fingerte weiter an seiner Hose herum und sackte dann haltlos in sich zusammen. Er fand nicht mehr die Kraft, seine Hände vorzustrecken und seinen Oberkörper abzufangen. Mit dem Gesicht voran landete er auf dem Asphalt. Dabei erlitt seine Nase einen kleinen Schaden, da sie sich als improvisierte Schlittenkufe mißbraucht fühlte. Die Nase schrammte nämlich über den schwarzen Belag des Parkplatzes und bremste so das Ausrutschen des Oberkörpers ab. 27 �
Haie zog sicherheitshalber seine kurzläufige Pistole. Irgend etwas stimmte da nicht, wie er sehr scharfsinnig herausgefunden hatte. Irgendeine undefinierbare Gefahr lag in der Luft. Er zuckte zusammen, als sein linker Oberschenkel von einem Insekt gestochen wurde. So wenigstens fühlte sich der kleine, aber schmerzhafte Einstich an. Haie fingerte nach dem schmerzenden Einstich und blieb betroffen stehen. Es handelte sich durchaus um einen Einstich, doch das Insekt war gar kein Insekt, sondern ein kleiner Pfeil, der in seinem Oberschenkel stak. Dieser Pfeil war vielleicht so dünn wie eine besonders feine Stricknadel. Und nicht länger als ein Streichholz. Der Schaft zeigte buntes Gefieder. Haie hörte sich aufstöhnen. Er dachte unwillkürlich an Amazonas, an Indianer, an Blasrohre und an Vergiftung. Der Gedanke an eine Vergiftung breitete sich blitzschnell in ihm aus. Er glaubte bereits so etwas wie eine erste Schwäche und einen Hitzestau im Körper zu fühlen. Ihm wurde kurzfristig schwarz vor Augen, und er hatte nicht mehr die Kraft, die Knie durchgedrückt zu halten. Das Ende vom Lied war ein Kniefall.
Seine Nase wurde zwar verschont, aber dafür schrammte er mit seinem Kinn über den schwarzen Asphaltbelag. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er bewegungslos auf dem Boden liegenblieb… * Josuah Parker hatte inzwischen die Fahrertür seines hochbeinigen Monstrums geöffnet und setzte sich ans Steuer. Er schien mit dem körperlichen Zusammenbruch der beiden Monteure Haie und Richie überhaupt nichts zu tun gehabt zu haben. Was jedoch keineswegs stimmte. Parker hatte die beiden Blasrohrpfeile mittels Preßluft aus dem hohlen Schirmstock abgeschossen. Sehr treffsicher, wie sich gezeigt hatte. Er hatte die Pfeile prophylaktisch abgefeuert, um Bleigrüßen zuvorzukommen. Zudem wollte er das Gelände der Hopson-Werkstatt ungehindert verlassen. Aus verständlichen Gründen hielt er dieses Gelände für ausgesprochen ungastlich. Keiner stellte sich ihm und seinem skurrilen Wagen in den Weg, als er hinüber zur Straße rollte. Im Rückspiegel beobachtete Parker Hilda Hopson, die aus dem Bürogebäude gelaufen kam und sich um ihre beiden speziellen Mitarbeiter kümmerte. Sie war im Augenblick nicht so wichtig. Jetzt galt es erst mal, wei28 �
tere Informationen zu sammeln. »Hat es geklappt?« fragte Mike Rander, nachdem er zu Parker in den Wagen gestiegen war. Rander war als eine Art Eingreifreserve vor der Werkstatt zurückgeblieben. Für den Fall eines Falles. Er hätte seinen Butler heraushauen sollen, falls man ihn überwältigt oder überlistet hätte. »Ich war in der erfreulichen Lage, Sir, alle Sportwagen samt ihren Kennzeichen fotografieren zu können«, sagte Parker und zog aus seiner Westentasche eine Kleinstkamera in der Art der sattsam bekannten Minox. »Damit werde ich Lieutenant Madford auf die Nerven fallen«, versprach Mike Rander, »fahren Sie mich zum Hauptquartier der Polizei. Es kann nicht lange dauern, bis wir die Wagenbesitzer festgestellt haben!« Josuah Parker lieferte seinen jungen Herrn bei der Polizei ab und lüftete gemessen seine schwarze Melone, als er sich von ihm verabschiedete. »Was haben Sie jetzt vor?« erkundigte sich Mike Rander, der bereits neben dem Wagen stand. »Ich werde mir die Freiheit nehmen, Sir, Mister Hopson einen Höflichkeitsbesuch abzustatten«, erwiderte Josuah Parker, »vielleicht gelingt es mir in diesem Zusammenhang, den Korb der blonden Bienen aufzuspüren.«
*
Josuah Parker blieb interessiert stehen. Sein Blick galt einer Szene, die sich am Rand eines Swimmingpools abspielte. Auf einem Frotteetuch lag ein etwa fünfzigjähriger Mann, der nur eine Badehose trug. Er lag mit dem Gesicht nach unten und ließ seinen gut gepolsterten Rücken von den mehr als liebevollen Händen zweier Masseusen verwöhnen. Diese Damen mochten insgesamt etwa achtunddreißig oder vierzig Jahre alt sein. Sie trugen mehr als knappe Bikinihöschen. Wegen der Sonne hatten sie auf die Oberteile verzichtet. Was sie sich übrigens durchaus leisten konnten, wie Parker insgeheim konstatierte. Die sich darbietenden Formen waren das, was man als fest und stabil bezeichnen konnte. Aus einer Sprühdose verabreichten sie dem Mann Sonnenöl auf den Rücken. Anschließend verteilten sie es mit ihren Händen. Etwas zu aufdringlich und zu nachdrücklich, wie Parker fand. Links vom Swimmingpool stand das Wohnhaus der Familie Hopson. Es handelte sich um einen Bau, der teils aus behauenen Bruchsteinen, teils aus Glas und Chrom errichtet war. Dieses Haus konnte nicht 29 �
gerade billig gewesen sein. Geöffnete Verandatüren führten in das Haus hinein. Über dieser Idylle lag leise, etwas süßliche Tanzmusik, die den Nerven und Sinnen schmeichelte. Sie wurde von einem großen Kofferradio geliefert, das neben einem Telefon am Beckenrand stand. »Ich hoffe, nicht allzusehr zu stören.« machte Parker sich bemerkbar. Er lüftete höflich seine schwarze Melone, als die beiden Masseusen überrascht zu ihm aufblickten. Sie stießen allerdings keine kleinen oder spitzen Schreie aus. Und sie versuchten auch keineswegs, in falscher Prüderie ihren Oberkörper hastig einzuhüllen. Sie staunten nur, daß plötzlich ein Besucher am Beckenrand stand. »Was ist denn?« murrte der Mann, der auf dem Bauch lag. Er vermißte wahrscheinlich die wohlig zarten Hände seiner beiden Helferinnen. Langsam wandte er sich um und starrte den Butler nun ebenfalls überrascht an. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich in gewohnt gemessener Weise vor, »habe ich die Ehre, Mister Hopson gegenüberzustehen?« »Was wollen Sie?« fragte der Mann ruppig. Er richtete sich auf und griff nach seiner Sonnenbrille. »Mister Hopson?« erkundigte sich Parker noch einmal. Seine Hartnä-
ckigkeit war niemals zu beeindrucken. »Ja, doch! Was wollen Sie?« Die beiden Masseusen sahen ihren Herrn und Meister etwas unsicher an, doch noch scheuchte er sie nicht davon. Er zündete sich eine Zigarre an. »Ihre Tochter Hilda«, weiter kam der Butler nicht. Die beiden Masseusen schienen irgendein geheimes Zeichen von Hopson erhalten zu haben. Sie sprangen plötzlich geschmeidig wie die Katzen hoch und warfen sich auf den Butler. Josuah Parker war ehrlich überrascht. Mit solch einem prompten Angriff hatte er nicht gerechnet. Zudem hatte er es mit zwei halbnackten jungen Frauen zu tun, die ihn ein wenig aus dem Konzept brachten. Durfte er überhaupt jene Mittel anwenden, die ihm geläufig waren? Die beiden Masseusen hingegen hatten keine Hemmungen. Sie erwiesen sich als ausgezeichnete Einzelkämpferinnen, die sich in Karate und anderen Sportarten sehr gut auskannten. Es kam, wie es kommen mußte. Parker erlebte und erlitt sein Cannae, seine sehr persönliche und totale Niederlage. Gewiß, er wehrte sich. Würdevoll und zurückhaltend. Wie gesagt, er hatte es schließlich mit zwei fast ent30 �
blößten Frauen zu tun, doch er brachte es einfach nicht über sich, hart zuzupacken. Und wenn er es versehentlich mal tat, dann griff er ungewollt in straffes und nacktes Fleisch. Parker fühlte sich nach wenigen Sekunden bereits in die Luft gehoben. Er konnte gerade noch seine schwarze Melone festhalten, bevor er in hohem Bogen in den Swimmingpool fiel. Aufklatschendes Wasser umgab ihm. Parker war derart verblüfft, daß er erst mal auf Tauchstation ging. * »Nicht umbringen!« sagte der speckrückige Mann und beugte sich interessiert vor. Er wie seine beiden Masseusen sahen Parker, der sich langsam dem gekachelten Grund näherte. Er war deutlich zu erkennen. Und die Melone auf seinem Kopf saß wie festzementiert. Die beiden Masseusen hechteten ins Wasser und tauchten sofort. Auch jetzt zeigten sie, welchen Wert eine sportliche Ausbildung besitzt. Wahrscheinlich trimmten sie sich entsprechend. Der Mann am Beckenrand verfolgte seine beiden Gespielinnen. Zwar nur mit den Augen, aber doch sehr intensiv.
Die beiden Masseusen befanden sich längst unter Wasser und machten sich an Parker heran, der jetzt leblos auf dem Grund des Schwimmbeckens lag. Er bewegte sich nicht. Sie griffen nach ihm, nahmen ihn zwischen sich und tauchten mit Parker wieder auf. Sie bugsierten ihn an den Rand des Schwimmbeckens und schoben ihn ans rettende Land. Der Speckrückige rührte keine Hand, als die beiden Mädchen sich abmühten, Parker endgültig zu bergen. Er sog an seiner Zigarre und ließ den Butler nicht aus den Augen. »Durchsucht ihn nach Waffen«, sagte er dann, als Parker in einer Wasserlache lag. Schnell und geschickt besorgten die beiden Masseusen dieses Geschäft. Sie fanden nichts von Interesse. Sie übersahen eine Menge, doch das war entschuldbar. Sie hatten ihre Suche nur auf Schuß-, Hiebund Stichwaffen konzentriert und abgestellt. »Nichts!« sagte die erste Masseuse die übrigens Norma hieß. »Fehlanzeige«, fügte Kate hinzu. »Was sollen wir mit ihm machen?« »Bringt ihn ins Haus«, ordnete der Speckrückige an, »seht zu, daß er bald wieder auf dem Damm ist!« Die beiden Masseusen verluden den regungslosen Butler auf eine fahrbare Sonnenliege und karrten ihn dann ins Haus. Der Mann mit 31 �
dem ausgeprägten und eingeölten Speckrücken folgte langsam. * »Mein Herz… Das Herz…!« stöhnte Parker, nachdem die beiden Masseusen ihn wieder zu sich gebracht hatten. Er deutete auf seine Westentasche. Kate verstand augenblicklich. Sie griff in die bewußte Westentasche und zog etwas leichtsinnig und bedenkenlos eine Pillendose hervor, wie sie gebräuchlich ist. »Pille!« hauchte Parker, dessen Augen halb, geschlossen waren. Er wartete, bis Kates Finger die Dose öffneten. Dann preßte er die Augen fest zusammen, und hielt für einen kurzen Moment den Atem an. Nicht ohne Grund, wie sich schnell zeigen sollte. Die Pillendose hatte es in sich. Zwar waren keine Pillen darin, sondern ein graues Pulver auf einer Unterlage, die dem Durchmesser der kleinen Dose entsprach. Diese Unterlage war an einer starken Spiralfeder angeschlossen, die vom Deckel der Dose zusammengepreßt wurde. Öffnete man nun die Dose, so entspannte sich die Spirale, ließ die Einlage hochschnellen und verstreute damit das bereits erwähnte Pulver. Parker konnte von Glück sagen, daß er den Atem angehalten hatte. Das Pulver breitete sich explosions-
artig aus und versprühte in der nahen Umgebung. Kate und Norma, die beiden Masseusen, die völlig unvorbereitet waren, wurden von dem Puder voll erwischt. Sie husteten wie auf Kommando derartig drauflos, daß Parkers Trommelfelle in starke Vibration gerieten. Doch sie husteten und niesten nicht nur, sie weinten auch. Eine Tränenflut ergoß sich aus ihren Augenwinkeln und nahm ihnen jede Sicht. Die beiden Damen waren derart gerührt, daß sie sich nach knapp anderthalb Sekunden auf dem Teppichboden herumwälzten und es ablehnten, weiter mitzuspielen. Was dem Butler nur recht sein konnte. Er stand überraschend leichtfüßig auf und baute sich rechts von der Verandatür auf. Er wollte alles tun, um den Mann mit dem ausgeprägten Speckrücken höflich zu empfangen. Ein Butler Parker wußte schließlich, was sich gehörte. Der Mann mit dem Speckrücken ließ nicht lange auf sich warten. Seine Schritte waren bereits auf der Veranda zu hören. Als er die Schwelle zum großen Wohnraum hinter sich gebracht hatte, entdeckte er die beiden Masseusen, die im Moment nur noch still weinten. »Was soll denn das bedeuten?« erregte sich der Mann. »Eine kleine und durchaus ver32 �
ständliche Indisposition der beiden Damen«, erwiderte Parker und langte mit seinem Universal-Regenschirm diskret zu. * Die beiden Masseusen starrten den Butler aus verweinten Augen an und kamen sich sehr hilflos vor. Was wohl damit zusammenhing, daß Josuah Parker sie mit einigen Metern Gardinenschnur verpackt hatte. Er wollte sich eine zweite Auseinandersetzung mit diesen handlichen Mädchen ersparen. Der Mann mit dem Speckrücken fühlte sich ebenfalls nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Was in seinem Fall damit zusammenhing, daß er gerade aus seiner kurzfristigen Ohnmacht erwacht war. Er hatte sich mit den neuen Umständen noch nicht so recht vertraut gemacht. Parker fühlte sich allerdings auch nicht wohler. Was damit zusammenhing, daß er naß wie ein Kater war, was seinem Ordnungssinn widersprach, zum anderen, daß er von den beiden Masseusen hereingelegt worden war. Was vielleicht seine Eitelkeit verletzt hatte. »Ich möchte Sie keineswegs unnötig lange stören«, eröffnete der Butler die Unterhaltung, »ich möchte Ihnen nur ein Angebot wiederholen, das ich Ihrer Tochter Hilda bereits machte.«
»Meine Tochter? Ich habe überhaupt keine«, erwiderte der Mann. »Sie sind also doch nicht Mister Hopson?« »Nein, nein. Ich bin nur sein Teilhaber. Ich heiße Pete Morgan.« »Und wo finde ich Mister Hopson?« »Hopson hat sich in seinen Ferienbungalow am See zurückgezogen«, antwortete Pete Morgan, der Mann mit dem ausgeprägten Speckrücken, »ich vertrete ihn hier – äh – ich meine, natürlich in der Firma. Ich hab mir heute nur einen freien Tag genommen.« »Wissen Sie, was sich in der Werkstatt abspielt?« »Keine Ahnung! Was soll denn los sein?« Josuah Parker verzichtete auf nähere Erklärungen. Er hatte keineswegs die Absicht, die Wahrheit aus diesem Pete Morgan herauszuprügeln. Gewalt mochte Parker nicht. Erzwungene Aussagen schon gar nicht. »Die Adresse von Mister Hopson«, sagte er ungewöhnlich knapp. Pete Morgan zögerte einen Moment, rückte dann aber mit einer SeeAdresse heraus. »Unter welcher Nummer können Sie ihn telefonisch erreichen?« erkundigte Parker sich weiter. Morgan nannte die Nummer, worauf Josuah Parker ans Telefon ging und diese Nummer wählte. Es dauerte
nur kurz, bis sich auf der Gegenseite eine Frauenstimme meldete, die in Parkers Ohren sympathisch klang. »Läßt es sich ermöglichen, Mister Hopson zu sprechen?« fragte Parker diese sympathische Frauenstimme. »Wenn Sie einen Moment warten wollen, Sir. Wen darf ich melden?« »Mister Rander.« Mehr sagte Parker nicht. Er hatte absichtlich aufgelegt, um der Unterhaltung mit Hopson nicht vorzugreifen. Er nickte Pete Morgan und den beiden Masseusen freundlich zu. »Darf ich mir die Freiheit nehmen, Sie zu einer kleinen Landpartie einzuladen?« Selbst wenn sie etwas dagegen gehabt hätten, sie sagten nichts. Sie starrten wenig später nur das hochbeinige Monstrum an, das Parker vor die Veranda geholt hatte. Und sie brachen wieder in Tränen aus, als Parker sie in den Fond des Wagens setzte. Die beiden Masseusen schienen gerührt zu sein. Pete Morgan hingegen war ärgerlich und ängstlich zugleich Diese geplante Ausfahrt schien ihm nicht zu behagen. Parker setzte seine Gäste auf den Rücksitz, schloß die Fensterjalousetten, damit man nicht in den Wagen sehen konnte und verriegelte vom Fahrersitz aus elektrisch die beiden hinteren Türen. Dann begab er sich noch einmal zurück in das Haus des Mister Hopson. Wonach er suchte, hätte er noch
nicht mal genau sagen können. Ihm ging es nur darum, so etwas wie die Atmosphäre zu schnuppern. Er wollte herausfinden, ob dieses Haus der Korb der blonden Bienen sein konnte. Dieser Verdacht bestätigte sich keineswegs. Das Haus machte einen unpersönlichen Eindruck. Es verriet auf keinen Fall die Daueranwesenheit von einigen Frauen. Es verfügte weder über Geheimtüren noch Geheimgänge. Es war ein ganz normales Haus, das allerdings unaufgeräumt und etwas verwildert wirkte. Parker wollte gerade zurück zum Wagen gehen, als er draußen am Schwimmbecken das Telefon hörte. Er beeilte sich, an den Apparat zu kommen. »Ja, bitte?« fragte er neutral. »Hier ist Hilda«, meldete sich Mister Hopsons Tochter, wahrscheinlich von der Werkstatt aus, »hören Sie, Pete, seien Sie auf der Hut! Parker könnte vorbeikommen. Halten Sie ihn unter irgendeinem Vorwand fest! Er darf nicht länger frei herumlaufen. Er weiß schon zuviel!« »Es tut einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann äußerst wohl, derart positiv eingeschätzt zu werden«, gab der Butler in seiner höflichen Art zurück, »ich muß Ihnen aber leider mitteilen, daß ich bereits hier anwesend bin. Ich möchte frei heraus sagen und geste-
hen, daß dieser Ausflug, wenn ich ihn so nennen darf, sich bereits sehr gelohnt hat. Ich wünsche Ihnen und gewissen blonden Bienen noch einen recht angenehmen Tag!« * »Hier sind die Adressen der jeweiligen Autobesitzer«, sagte Lieutenant Madford etwa um diese Zeit zu Mike Rander, »ich habe sie an betreffenden Wagenfotos anheften lassen.« »Und?« fragte Rander interessiert, »existieren diese Leute tatsächlich?« »Sie existieren tatsächlich«, gab Madford zurück. Der stets gereizt aussehende und oft auch so reagierende Kriminalist nickte nachdrücklich. Er war mittelgroß bis fast klein, pflegte seinen schwarzen Lippenbart, der nicht größer als ein Doppelstrich war und ärgerte sich laufend mit seinem Mitarbeiter, Sergeant McLean herum, der im Gegensatz zu Madford an einen plumpen Grislybären erinnerte. Rander nickte und überflog die Adressen, die McLean herausgesucht hatte. Etwa zwölf der insgesamt achtzehn Wagen gehörten erstaunlicherweise Frauen. Der Rest ging an Männer. Sie alle wohnten im Stadtbereich von Chikago, und zwar in Wohnvierteln, die man als gut bezeichnen konnte.
Die Frauen schienen insgesamt gut zu verdienen, sonst hätten sie sich diese kostspieligen Sportwagen sicher nicht leisten können. Welchen Berufen sie allerdings nachgingen, ließ sich aus Madfords Aufstellung nicht herauslesen. Bei den Männer war es nicht viel anders. »Ich habe mir Parkers Behauptungen noch mal durch den Kopf gehen lassen«, sagte Madford, nachdem Rander seine Prüfung beendet hatte, »ich will Ihnen ehrlich gestehen, Rander, daß Parker hier weiße Mäuse zu sehen scheint.« »Das behaupten Sie doch immer, wenn er wieder mal einen neuen Fall angebohrt hat.« »Lassen Sie die Vergangenheit.«, sagte Madford schnell. »Bleiben wir bei den Wagen und bei Parkers Theorie. Ich habe beim zuständigen Revier nach der Hopson-Werkstatt gefragt. Ein untadeliger Laden. Hopson ist ein bekannter Geschäftsmann, der nie krumme Sachen machen würde.« »Vielleicht sind die Geschäfte seiner Tochter Hilda dafür um so krummer.« »Alles reine Vermutungen…« Madford witterte eine Möglichkeit, Parker blamieren zu können. »Der Mordanschlag auf Parker war keine Vermutung, sondern eine sehr reale Tatsache«, erwiderte Rander, »ich habe Ihnen bereits gesagt, wie Parker sich die Geschäfte der blon-
den Bienen vorstellt. Und ich muß sagen, daß mir das alles verdammt plausibel erscheint, Madford, ob Ihnen das nun paßt oder nicht.« »Blonde Bienen! Wenn ich das schon höre. So was ist mir noch nie über den Weg gelaufen. Da scheint man Ihrem Butler einen tollen Bären aufgebunden zu haben.« Madford grinste erfreut. Er hoffte insgeheim, daß seine Behauptung zutraf. »Streiten wir nicht herum. Ich werde mir die Besitzerinnen der Sportwagen mal aus der Nähe ansehen.« »Wenn Sie nichts dagegen haben, komme ich mit.« »Weil Sie die ganze Sache für aufgelegten Schwindel einen halten?« frotzelte Rander und stand auf. »Genau«, sagte Madford bissig, »ich möchte endlich mal erleben, daß Ihr Butler sich bis auf die Knochen blamiert.« * »Immer noch so sicher?« fragte Rander, als er zusammen mit Lieutenant Madford die ersten vier Adressen hinter sich gebracht hatte. »Komische Geschichte«, räumte Madford nachdenklich ein, »die Adressen stimmen, aber in allen vier Fällen sind die betreffenden Frauen laut Zeugenaussagen unterwegs.« »Sie befinden sich im Urlaub«, prä-
zisierte Rander, »und das schon seit einigen Wochen.« »Warum eigentlich nicht?« fragte Madford hoffnungsvoll. »Warum eigentlich?« fragte Rander dagegen. »Wer kann sich einen wochenlangen Urlaub leisten? In allen Fällen handelte es sich um Berufe, die solch langen Urlaub nicht kennen. Kosmetikerin… Vertreterin… Sekretärin und schließlich Mannequin!« »Könnte Zufall sein.« »Sie wollen einfach nicht mißtrauisch werden«, redete Rander lächelnd weiter, »Sie haben es sich in den Kopf gesetzt, Parker blamiert zu sehen.« »Sehen wir uns die nächsten Adressen an.« schlug Madford vor, »vielleicht wechseln wir jetzt mal auf die Männer über.« Mike Rander war einverstanden. Und er lächelte süffisant, als sie drei Männeradressen hinter sich gebracht hatten. »Hören Sie schon auf«, sagte Madford, der dieses Lächeln richtig deutete, »hier stinkt tatsächlich einiges.« »Alles«, sagte Rander und lächelte nicht mehr, »auch diese Sportwagenbesitzer sind alle unterwegs. Urlaub! Scheint sich um ‘ne Massenerscheinung zu handeln.« »Wir hatten einen Vertreter, einen Schriftsteller und einen Wohnungsmakler…« Madford zählte sachlich 36 �
auf. Die Blamage Parkers schien er vergessen zu haben. »Ich werde Ihnen etwas sagen, Rander, ich besorge mir einen Durchsuchungsbefehl und lasse mir von den Hopson-Leuten die Geschäftsunterlagen zeigen. Ich will jetzt genau wissen, welche Personen die Unfälle an den Sportwagen verursacht haben. Dann sehen wir weiter. Dann werden wir genau wissen, ob in allen Fällen ohne Einschaltung der Polizei Einigung zwischen den Unfallpartnern erreicht wurde.« »Vollkommen richtig. Das ist der Weg!« Rander war grundsätzlich einverstanden, »aber vielleicht sollten wir uns vorher erst mit Parker in Verbindung setzen. Ich würde gern seine Meinung hören!« »Das fehlte noch, daß ich mir von Ihrem Butler Vorschriften machen lasse«, brauste Madford gereizt auf. »Ich werde Parker zeigen, wie wir von der Polizei solche Dinge klären. Ihm werden die Augen übergehen. Fachleute sind eben besser als Laien. Sie werden ja sehen!« * Pete Morgan und die beiden Masseusen Norma und Kate erwachten fast gleichzeitig aus ihrem Schlaf, den Josuah Parker ihnen verordnet hatte. Auf eine sehr einfache Art übrigens. Vom Fahrersitz seines Wagens
aus hatte Parker eine Dosis Lachgas in den Fond geschickt. Bei dieser handelsüblichen Ware blieb es selbstverständlich nicht. Parker wäre nicht Parker gewesen, wenn er dieses Lachgas nicht mit einem zusätzlichen Spezialmittel angereichert hätte. Dieses Spezialmittel wirkte ausgesprochen entspannend auf die Psyche derjenigen, die es schluckten und einatmeten. Pete Morgan und die beiden Masseusen Norma und Kate kamen also zu sich und wurden sofort von einer heiteren Grundstimmung erfaßt. Sie fanden diese Welt ausgesprochen nett und schön. Sie waren erfüllt von einer überquellenden Liebe zu ihr und hatten das dringende Bedürfnis, dies der Umwelt mitzuteilen. Pete Morgan, der Mann mit dem Speckrücken, eröffnete den fröhlichen Reigen. Er stand auf, sah die weite Wiese um sich herum, die blühenden Blumen und die sanft raschelnden Sträucher. Er übersah, daß er inzwischen seine Badehose nicht mehr trug. Pete Morgan bereitete weit die Arme aus, als wolle er die ganze Welt umarmen. Er kicherte freundlich. Sein Gesicht war ein einziges, breites Lachen. Er öffnete also weit die Arme und hüpfte anschließend mit der Grazie eines Nilpferdes über den Rasen. Dabei sang er. Nicht besonders 37 �
schön oder harmonisch, dafür aber laut. Er sang seine Freude weit in die Welt hinaus und fand es vollkommen in Ordnung, daß die beiden Masseusen Norma und Kate sich seinem Treiben anschlossen. Kate und Norma hatten ihre Arme ebenfalls weit ausgebreitet. Auch ihnen war es völlig schnuppe, daß sie nackt waren. Diese Nacktheit entsprach ihrem augenblicklichen Lebensgefühl. Sie hüpften hinter Pete Morgan her und vereinigten sich schließlich mit ihm zu einem Ringelreihen, der fast so etwas wie eine Grundchoreographie erkennen ließ. Sie tanzten im Kreis herum und flatterten anschließend mit ihren ausgebreiteten Armen weiter, geführt von Pete Morgan. * Die beiden Streifenpolizisten saßen in ihrem Wagen und hatten eine kleine Pause eingelegt. Sie hatten ihr Fahrzeug in den Seitenweg eines mittelgroßen Parks gestoßen und konnten sicher sein, daß sie hier von Vorgesetzten nicht sofort ausgemacht wurden. Der erste Streifenpolizist, der am Steuer saß, rauchte genußvoll eine Zigarette. Sein Partner genoß gerade einen Hamburger, in dem zu seiner ehrlichen Überraschung sogar Gehacktes sein mußte. Er hatte näm-
lich das Gefühl, hin und der auf kleine Fleischbröckchen zu beißen. »Kneif mich mal«, sagte der Fahrer des Streifenwagens plötzlich und ließ seinen Unterkiefer um einige Zentimeter herabfallen. »Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.«, stieß der Beifahrer aus und vergaß seinen Hamburger. Er starrte wie sein Fahrer durch die Seitenscheibe hinaus in den Park. Was sie beide sahen, hatten sie vorher noch nie zu sehen bekommen. Angeführt von einem reichlich bespeckten Mann, der völlig nackt war, hüpften zwei ebenfalls völlig entblößte junge Damen über den Rasen und spielten Elfenreigen. Sie gaben sich ungeniert und in den Augen der beiden Streifenfahrer auch hemmungslos. Sie hatten sich an den Händen gefaßt und drehten sich im Kreis. Dabei jauchzten sie wie spielende Kinder. Sie spielten Häschen in der Grube und andere alberne, aber nette Spiele, um sich dann aufzulösen und wieder hintereinander über den grünen Rasen zu tollen. »Kneif mich mal!« sagte der Fahrer des Streifenwagens erneut und schloß für einen Moment die Augen. Dann öffnete er sie wieder zögernd und ungläubig. »Drei Verrückte!« Der Beifahrer verschluckte sich fast am Rest seines 38 �
Hamburgers. Dann stieß er die Wagentür auf und sprang ins Freie. Der Fahrer folgte ihm. Dann sahen sie sich beide etwas unentschlossen und nervös an. Sie hatten das bestimmte Gefühl, hier eingreifen zu müssen. Was sich anschließend abspielte, entzückte die vielen Besucher dieses städtischen Parks. Sie hatten die Wiese freigegeben und genossen das Schauspiel. Zwei uniformierte Polizeibeamte mühten sich nämlich ab, drei nackte Schmetterlinge anzufangen, die sich als ungemein erfindungsreich entpuppten. Die beiden Streifenpolizisten waren schon nach wenigen Minuten in Schweiß gebadet. Immer wenn sie glaubten, endlich zupacken zu können, immer dann entwischte ihnen die Beute. Fröhliche Lieder singend, kurvten die drei Nackten um sie herum und verwickelten sie in dieses neckische Spiel. Dabei zeigte sich deutlich, daß Pete Morgan äußerst listig und schnell war, was man ihm vielleicht gar nicht zugetraut hätte. »Ruf Verstärkung ‘ran!« keuchte der Streifenfahrer seinem Partner zu, »so kriegen wir die nie!« Der Beifahrer atmete sichtlich auf. Er hatte endlich eine legale Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen. Er trabte schleunigst zurück zu seinem Streifenwagen. Wodurch ihm eine delikate Beob-
achtung entging. Pete Morgan hatte den Streifenfahrer in eine Art Falle gelockt. Der Mann sah sich plötzlich in die Zange genommen. Die beiden Masseusen warfen sich auf ihn und wollten ihn dazu zwingen, sich an dem heiteren Tanzspiel auf dem Rasen zu beteiligen. Der Fahrer des Streifenwagens hatte verständlicherweise etwas dagegen. Er genierte sich sichtlich, als die beiden Damen ihm die Schuhe und Hosen ausziehen wollten. Er wehrte sich verzweifelt gegen diese Behandlung, doch er hatte keine Chancen. Zusammen mit dem herumjuchzenden Pete Morgen schafften sie es, den Streifenwagenfahrer innerhalb weniger Minuten – genau waren es anderthalb Minuten – in einen paradiesischen Zustand zu versetzen. Der Fahrer des Streifenwagens hockte sich verzweifelt auf den Rasen und bedeckte das, was er zu seiner Ansicht unbedingt bedecken mußte. Pete Morgan und die beiden Masseusen mißdeuteten dieses Niederhocken und ließen das fröhliche Spiel vom Häschen in der Grube wieder aufleben. Sie faßten sich an ihren Händen und umtanzten den vor Scham schwitzenden Mann. Begleitet wurde dieses Spiel vom und wiehernden donnernden 39 �
Gelächter der Parkbesucher, die sich inzwischen etwas näher her angeschoben hatten. Sie genossen die heitere Beschwingtheit der Tanzgruppe und das ungenierte Spiel. * Josuah Parker hatte inzwischen den Nordstrand des Sees erreicht und näherte sich dem Ferienhaus des Mister Hopson. Seine drei Fahrgäste, die er im Park zurückgelassen hatte, hatte er längst vergessen. Er dachte intensiv an die blonden Bienen. An dieser Stelle muß gesagt werden, daß Parker keineswegs abartig veranlagt war. Er hatte die drei Fahrgäste nur aus dem einen Grund in euphorische Stimmung versetzt, um sie loszuwerden. Er wußte aus ähnlichen Situationen, daß vorbehandelte Gegner früher oder später in irgendeinem Revier landeten. Er wußte aus Erfahrung, daß man sie dann erst mal wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem Verkehr zog. Damit gewann Parker einen zeitlichen Vorsprung. Zum anderen setzte er seine so behandelten Feinde geschickt außer Gefecht. Er schickte sie in eine Art Neutralisation. Sie hatten keine Möglichkeit mehr, seine Wege zu kreuzen oder ganz einfach auf ihn zu schießen. Parker hatte seine drei Fahrgäste also längst vergessen. Er ließ sein
hochbeiniges Monstrum auf dem Parkplatz eines See-Restaurants stehen und lustwandelte zu Fuß weiter. Er hatte sich beim Parkplatzwächter nach Mister Hopsons Haus erkundigt und wußte, wo es zu finden war. Selbstverständlich war ihm klar, daß man im Haus vielleicht bereits auf ihn wartete. Hilda Hopson konnte da vorgesorgt haben. Er mußte also besonders vorsichtig sein. Fiel er noch einmal in die Hand dieser Trick-Gangster, dann war es um ihn geschehen. Das Dach des Hopson-Hauses war bereits zu erkennen. Es lag hinter einer nicht besonders hohen Düne oder einem Hügel, auf dem hoher Strauchbewuchs zu sehen war. Der Zufahrtweg, der auch andere Grundstücke berührte, führte um diesen dünenartigen Hügel herum. Parker tat genau das, was man von ihm vielleicht erwartete. Er verzichtete darauf, sich dem Haus auf Umwegen zu nähern. Dort waren möglicherweise Posten aufgestellt worden. Parker benutzte den normalen Weg und hoffte unbelästigt zu bleiben. Aber darin sollte er sich täuschen… Er befand sich in der Höhe einiger Sträucher, als er deutlich und unüberhörbar angesprochen wurde. Eine Frauenstimme bat ihn nicht besonders höflich, schleunigst die 40 �
Arme hochzunehmen. Ein Wunsch, dem der Butler sich weder verschließen wollte noch konnte. Langsam drehte er sich in die Richtung der Stimme. Er war nicht sonderlich überrascht, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es handelte sich um das der LanciaFahrerin, die mit Walt Blanton zusammengestoßen war. »Miß Cornake oder Miß Tronsers?« erkundigte sich Parker in seiner bekannt höflichen Art. »Cornake«, sagte die junge Dame, die den Lancia gefahren hatte. Sie lächelte kalt. »Miß Hilda Hopson scheint Sie tatsächlich schon verständigt zu haben«, sagte Parker. »Richtig«, erwiderte Miß Cornake, »gehen wir doch ‘rüber zum Haus, Mister Parker!« Auch jetzt wollte und konnte der Butler sich nicht widersetzen. Er wunderte sich jedoch darüber, daß Miß Cornake ungeniert und in aller Öffentlichkeit ihre Pistole trug. Sie schien sich hier draußen vollkommen sicher und unbeobachtet zu fühlen. * »Ihr Butler scheint mal wieder tätig gewesen zu sein«, sagte Lieutenant Madford. Er kam aus der Funkzentrale und hatte Mühe, ein Grinsen zu
unterdrücken. »Wieso?« Rander war sofort beunruhigt. »Da kam gerade eine sehr komische Meldung durch«, redete Madford weiter, »auf einem Parkrasen im Norden der Stadt mußten drei Streifenwagenbesatzungen eingreifen, um ein Tanzfestival zu unterbinden.« »Ich verstehe immer noch kein Wort.« »Die Streifenfahrer mußten vier nackte Tänzer und Tänzerinnen aus dem Verkehr ziehen. Sie produzierten sich in aller Öffentlichkeit als Ballett.« »Na, und?« »Drei davon waren bisher nicht zu identifizieren, der vierte Tänzer gehörte zur Polizei. Er scheint nicht ganz freiwillig mitgemacht zu haben!« »Was Sie Parker nicht alles in die Schuhe schieben wollen«, meinte Anwalt Rander kopfschüttelnd, »Sie müssen eine Allergie gegen ihn haben.« »Wir reden später noch mal darüber«, entschied Lieutenant Madford, »die ganze Geschichte sieht mir verdammt nach Parkers Handschrift aus. Kommen Sie, sehen wir uns die Geschäftsbücher der Hopson-Werkstatt an. Ich habe meinen Durchsuchungsbefehl bekommen.« Rander und Lieutenant Hopson 41 �
fuhren mit dem Lift hinunter in die Halle des Polizeihauptquartiers. Sie nahmen den Dienstwagen von Madford, um unterwegs erreicht werden zu können. Sie waren bei der Werkstatt noch längst nicht eingetroffen, als plötzlich eine Funksprechdurchsage für Lieutenant Madford erfolgte. Der drahtige, schmale Mann meldete sich und sah Rander ruhig an, als die Durchsage erfolgte. Rander reagierte übrigens stumm. Aus dem Lautsprecher des Dienstwagens kam die Meldung, daß im Bürotrakt der Hopson-Werkstatt ein Feuer ausgebrochen war, das gerade von der Feuerlöschpolizei bekämpft wurde. »Ich denke, wir ersparen uns die weitere Fahrt.«, sagte Rander, »da scheint man schneller zu sein, als ich dachte. Ich wette um jede Summe, daß gerade die Geschäftsunterlagen in Flammen aufgegangen sind.« * Parker sah sich einer erfreulich aussehenden Runde gegenüber. Sie bestand aus einem guten Dutzend sehr reizvoll anzusehender junger Damen, die überall und zu jeder Zeit einen Job als Mannequin hätten bekommen können. Parker entdeckte auch ein zweites, bekanntes Gesicht. Es handelte steh um das der Beifahrerin aus dem
gerammten Lancia, Miß Tronsers, die einen völlig unverletzten Eindruck machte. Das von Parker gespendete Pflaster war nicht mehr zu sehen. Aber auch eine Rißwunde rechts von der Nasenwurzel schien sich in Luft aufgelöst zu haben. »Ich gestatte mir, Ihnen einen erholsamen Tag zu wünschen«, sagte Parker zu den Damen und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Als ich Sie sah, wußte ich gleich, daß Sie Ärger machen würden«, erwiderte Miß Tronsers bitter. * »Es hing wohl damit zusammen, daß Ihre Wunde nicht überzeugen konnte«, erwiderte Parker höflich, »Sie hatten sie etwas zu nachlässig imitiert…« »Jeder Fehler läßt sich reparieren«, meinte Miß Tronsers kühl, »Sie werden es bald erleben…« »Glauben Sie wirklich, daß sich ein Mord noch lohnt?« erkundigte sich Parker. Er wurde von Miß Cornake in Schach gehalten, doch er übersah die Waffe in ihrer Hand. Er sah sich die Damen der Reihe nach sehr interessiert an. Und er wunderte sich, daß sich so viele hübsche junge Mädchen zu einem großen Betrugsmanöver versammelt hatten. »Und warum sollte sich ein Mord nicht mehr lohnen?« wollte Miß Cornake wissen. 42 �
»Ihre Methoden sind inzwischen bekannt… Inzwischen wohl auch bei der Polizei… Ich darf auf meinen jungen Herrn, Mister Rander verweisen, der mit den zuständigen Behörden bereits Kontakt aufgenommen hat.« »Was ist bekannt?« fragte Miß Tronsers. »Die Methode, nach der Sie zu arbeiten belieben«, redete der Butler weiter. Er war durchaus damit einverstanden, daß er sprechen durfte. Damit verschaffte er sich wertvolle Zeit. »Sie stellen, sehr geschickt und überzeugend übrigens, Verkehrsunfälle, und zwar so, daß die Kontrahenten sofort einsehen, schuldig zu sein. Sie scheinen sich diese Kontrahenten nach ganz bestimmten Gesichtspunkten auszusuchen, denn in wohl allen Fällen erklären sie sich bereit, die Polizei aus dem Spiel zu lassen. Diese Ihre Kontrahenten versichern schriftlich, für alle Schäden und Folgen materieller und persönlicher Art aufzukommen, womit Sie dann anschließend die Möglichkeit haben, diese Leute zur Kasse zu bitten…!« »Nicht schlecht, Mister Parker«, sagte Miß Cornake hinter ihm. »In Zusammenarbeit mit der Hopson-Werkstatt dürften Sie den Kontrahenten Werkstattrechnungen präsentieren, die sich gewaschen haben. Da es sich um exotische Sportwagen handelt, wie ich es wohl ausdrücken
darf, dürften diese Rechnungen das sein, was man gemeinhin gesalzen nennt!« »Warum reden Sie nicht weiter?« fragte Miß Tronsers kalt. »Die bewußten Kontrahenten dürften in der Regel wohl die Kosten aufbringen müssen, die einem fast neuen Sportwagen entsprechen. Sehe ich dies in etwa richtig, meine Damen?« »Das war ja nicht mehr schwer zu erraten«, gab Miß Cornake hinter Parker zu. »Darüber hinaus dürften den Kontrahenten anschließend gewisse Verdienstausfallrechnungen präsentiert werden. Auch diese Summen dürften sich sehen lassen.« »Richtig«, bestätigte Miß Tronsers, »Sie sagten es ja schon, wir suchen unsere Kunden sehr sorgfältig aus.« »Sie verwenden als sogenannte wahrscheinlich Rammfahrzeuge mehr oder weniger das, was man Gebrauchtwagen nennt. Ist auch das richtig?« »Natürlich… Die bewußten Sportwagen kaufen wir gezielt auf Schrottplätzen und Autofriedhöfen«, bestätigte Miß Cornake, »bei Hopson werden Sie so hinfrisiert, daß sie gerade noch für einen Einsatz ausreichen.« »Darf ich unterstellen, daß es sich bisher um ein sehr einträgliches Geschäft gehandelt hat?« »Und ob!« Miß Tronsers lächelte, 43 �
»wir konnten uns nicht beklagen…« »Wobei mir eines, offen gestanden, ziemlich unklar erscheint, meine Damen.« »Fragen Sie nur, Parker… Wir stehen gern Rede und Antwort!« »Sie gehen pro gestellten Unfall immerhin ein Risiko ein… Sie müssen doch damit rechnen, daß Ihnen etwas passiert…« »Ohne Risiko kein Geschäft, Parker! Aber abgesehen davon, wir üben so etwas… Solange, bis es sitzt!« »So etwas dachte ich mir schon. Und was werden Sie in Zukunft unternehmen? Sie sind sich doch hoffentlich im klaren darüber, daß die momentanen Methoden nicht mehr anwendbar sein werden.« »Wirklich nicht?« Miß Tronsers sah den Butler interessiert an. »Ein gezielter Artikel, an alle Zeitungen weitergegeben, dürfte ahnungslose Autofahrer und potentielle Opfer in Zukunft warnen…« »Und wer will diesen Artikel schreiben?« »Mister Rander, zum Beispiel!« »An Ihrer Stelle wäre ich da nicht so sicher«, erwiderte Miß Tronsers. Parker befand sich wieder mal in einem fensterlosen Kellerraum. Er war von den jungen Damen weggeschafft worden, nachdem man ihm kaum etwas belassen hatte. Gewiß, er trug noch seine Kleidung, doch sämtliche Taschen waren ohne
jeden Inhalt. Selbst den letzten, noch so harmlos aussehenden Kugelschreiber hatte man ihm weggenommen. Die jungen Damen schienen genau informiert worden zu sein und mißtrauten jetzt jedem Gegenstand. Parker hatte Zeit und Muße, seine Gedanken zu ordnen. Er nutzte diese Zeit. Er durfte davon ausgehen, daß seine Schilderung der Methoden der blonden Bienen richtig gewesen war. Das Prinzip dieser Riesengaunerei war also klar. Es handelte sich um einen raffinierten Trick, um ohne viel Risiko zahlungskräftige Männer ausnehmen zu können. Die monatlichen Einnahmen konnten sich mit Sicherheit sehen lassen. Auf der anderen Seite hingegen war diese Gaunerei vielleicht das, was man kleinkariert nennen mußte. Gewiß, die Damen erhielten aus ihren vielen Einzelquellen regelmäßig Geld, doch das ganz große Geschäft konnte dies nicht sein. Profis und ausgekochte Gangster hätten sicher einen ganz anderen Stil bevorzugt. Hatte Parker vielleicht etwas übersehen? Sah er nur die Spitze eines riesigen Eisbergs? Ging es hier um ganz andere Dinge und Summen? So sehr er sich auch den Kopf zerbrach, eine zusätzliche Version wollte ihm nicht einfallen. Er unterstellte theoretisch, daß es 44 �
also nur um gestellte Unfälle, um gefälschte Reparaturrechnungen und um angebliche Verdienstausfälle ging. Auch damit ließ sich schließlich Geld machen. Wie konnte er aber außerdem damit die Absicht verbinden, daß man ihn umbringen wollte? Betrüger und Gauner – und hier hatte er es wohl mit einer weiblichen Gruppe zu tun – Betrüger und Gauner also neigten eigentlich nicht zum Mord. Sie gingen solchen Dingen aus dem Weg. Wer wollte hier zum Mord antreiben? Parkers Gedanken befaßten sich mit einem anderen Problem. Wieso waren die jungen Damen so sicher gewesen, daß kein aufklärender Artikel an die Zeitungen gelangen würde? Was wußten sie? Was hatten sie ihm verschwiegen? War es ihnen gelungen, seinen jungen Herrn zu überwältigen? Befand Mister Rander sich vielleicht in Lebensgefahr? Josuah Parker wurde unruhig. Er kam zu dem Schluß, daß er es sich einfach nicht leisten konnte, länger untätig herumzusitzen. Er kannte jetzt den heimatlichen Korb der blonden Bienen, wie die Gaunerinnen sich nannten. Er wußte, wie sie arbeiteten. Es gab nichts mehr, was ihn hier länger hielt. Josuah Parker wollte gerade Maßnahmen zu seiner Befreiung treffen, als er draußen vor der Tür Schritte hörte. Er stand auf und rückte seine
schwarze Melone zurecht. Korrekt und würdevoll wollte er den blonden Bienen begegnen. Leider war ihm unbekannt, was sie von ihm wollten… * Sue Weston hatte sich zuerst äußerst, gelangweilt. Inzwischen war aus dieser Langeweile echte Besorgnis geworden. Weder Mike Rander noch Butler Parker hatten sich in den vergangenen Stunden gemeldet, eine Tatsache, die ihr unbekannt war. Sue Weston, die langbeinige und attraktive Sekretärin des Anwalts, die Frau mit den betonten Backenknochen und dem pikanten Gesicht, Sue Weston also stand neben dem Telefonapparat in der Wohnhalle des Penthouse und wartete ungeduldig auf ein Lebenszeichen. Sie wußte natürlich, welchem Fall Sander und Parker nachgingen. Parker hatte sich darüber ja hinreichend verbreitet. Aber sie wußte nicht, was sich inzwischen getan hatte. Und gerade das beunruhigte sie. Sie zuckte zusammen, als sich das Telefon endlich meldete. Etwas zu hastig griff sie nach dem Hörer und meldete sich. »Mark Coffins«, meldete sich eine leicht angerauhte Stimme. »Hören Sie, Miß Weston, sind Mister Rander oder Parker zu sprechen?« 45 �
»Sie haben sich seit Stunden nicht mehr gemeldet.«, antwortete Sue. Sie kannte Coffins. Der Privatdetektiv arbeitete häufig für Mike Rander und Butler Parker. Er war selbständig, besaß ein eigenes Büro und qualifizierte Mitarbeiter. Seine Detektei war nicht sonderlich groß. Dafür war sie solide und gut. »Glauben Sie, daß etwas passiert ist?« fragte Coffins sofort. »Ich weiß es nicht.«, gab Sue zurück, »aber es ist gegen die Regel, daß sie sich nicht melden. Von wo aus rufen Sie an, Mark?« »Ich bin auf diesen Blanton angesetzt.«, sagte Coffins, »wissen Sie Bescheid, worum es geht?« »Selbstverständlich«, lautete ihre Antwort. »Was ist mit Blanton?« »Er hat gerade Besuch bekommen«, sagte Coffins, »zwei nette Girls sind bei ihm aufgetaucht. Sie sind seit etwa zehn Minuten in seinem Haus. Was mir nicht paßt, wenn ich ehrlich sein soll. Ich würde am liebsten mal ‘reinsehen.« »Dann würde ich es an Ihrer Stelle tun«, gab Sue spontan zurück, »auch blonde Bienen können stechen. Rufen Sie mich wieder an, ja?« »Geht in Ordnung, Ende!« Mark Coffins legte auf, und Sue konnte sich wieder mit ihren ziemlich trüben Gedanken befassen. Sie zündete sich eine Zigarette an und nahm sich vor, Mike Rander und Butler Parker noch etwa eine halbe Stunde zu
geben. Hatten sie bis dahin nicht angerufen, wollte sie selbst aktiv werden. Und zwar auf eigene Rechnung und Gefahr. * »Zugegeben«, sagte Blanton etwa um diese Zeit zu seinen beiden Besucherinnen, »dieser Mister Parker hatte mich gebeten, zu Hopson zu gehen. Wogegen ich nichts hatte. Warum auch? Ich hatte mich ja nur nach den beiden Lancia-Fahrerinnen erkundigt…« Auf Blantons Stirn standen dicke Schweißtropfen. Was keineswegs mit der im Zimmer herrschenden Temperatur zusammenhing, sondern mit den beiden Pistolen, deren Läufe auf ihn gerichtet waren. An sich paßten die Pistolen nicht zu den beiden Besucherinnen. Sie waren jung, sahen sehr gut aus, hatten blondes Haar und wirkten nicht, als könnten sie die Waffe auch bedienen. Ihre kalten Augen allerdings redeten eine wesentlich andere Sprache. Und das hatte Blanton durchaus begriffen. »Was hatte Parker Ihnen erzählt? Warum schickte er Sie zur Werkstatt?« fragte die hellblonde Besucherin. »Ich will vollkommen ehrlich sein«, meinte Blanton und wischte sich verstohlen über die schweißnasse Stirn, »Mister Parker… also, 46 �
dieser Butler… er meinte, an dem Unfall mit dem Lancia wäre etwas oberfaul gewesen.« »Wieso?« wollte die dunkelblonde Besucherin wissen. »Mister Parker meinte, der Unfall sei nur vorgetäuscht worden, um Geld aus mir zu holen.« »Hatte er Beweise für seine Behauptungen?« Die Hellbonde sah ihn abweisend an. »Haben Sie mit anderen Leuten bereits darüber gesprochen?« wollte die Dunkelblonde zusätzlich wissen. »Er hat es mir aufgeschrieben«, sagte Blanton und griff automatisch und sehr überzeugend nach einem Stapel Papier, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Bruchteile von Sekunden später waren die beiden blonden Bienen sehr enerviert und überrascht. Sie sahen sich einem weißen Wirbel von herumflatternden Akten gegenüber. Sie hatten plötzlich keine richtige Sicht mehr und mußten kurz hintereinander einige Wirkungstreffer kassieren. Blanton warf der Hellblonden einen Aschenbecher an den Kopf. Dieser Aschenbecher war zwar nicht besonders schwer, dafür aber gut gefüllt. Die Hellblonde verschluckte fast einen Zigarrenstummel und wurde von der herumstäubenden Asche geblendet. Die Dunkelblonde wurde wesentlich härter erwischt.
An ihrem Kopf landete die wohlgefüllte Schreibschale, die unter anderem Bleistifte, Kugelschreiber, Heftklammern und Reißzwecken enthielt. Einige dieser Reißzwecken rutschten der Dunkelblonden in den Ausschnitt und bohrten sich mit ihren Spitzen bei hastigem Zurückwerfen in das feste Fleisch der Brust. Worauf die Dunkelblonde mit einem gellenden Schrei reagierte… * Mark Coffins war vorsichtshalber um Blantons Haus herumgegangen, um eventuell nicht zu stören. Größte Diskretion gehörte zu seinem Handwerk. Als er noch vorsichtiger durch eines der Wohnzimmerfenster in das Haus spähte, gingen ihm fast die Augen über. Blanton, der Mann also, den er überwachen und eventuell beschützen sollte, hielt in jeder Hand eine offensichtlich schußbereite Pistole und bedrohte damit zwei reizende Mädchen, die gerade leicht verwirrt ihre Hände in Richtung Zimmerdecke streckten. Blanton ließ die beiden Damen eine Kehrtwendung vollführen und bugsierte sie aus dem großen Wohnraum. Er verschwand mit ihnen in der Diele. Mark Coffins schüttelte ungläubig den Kopf. Das hatte er diesem Blan47 �
ton niemals zugetraut. Der Mann mit dem deutlichen Bauchansatz schien sich wirkungsvoll zu helfen zu wissen. Coffins wandte einen branchenüblichen Trick an, um das Fenster zu öffnen und hochzuschieben. Dann stieg er in den Wohnraum und pirschte sich vorsichtig an die Dielentür heran. »Hände hoch!« hörte er hinter sich. Er blieb sofort stehen und gehorchte. »Umdrehen! Und keine falsche Bewegung! Langsam beginne ich nervös zu werden!« Mark Coffins gehorchte erneut und sah sich dann Blanton gegenüber, der ihn nicht aus den Augen ließ. Blanton hielt nach wie vor die beiden Schußwaffen in seinen Händen. * »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Blanton knapp eine halbe Stunde später. Er befand sich zusammen mit Mark Coffins im Studio Mike Randers. Trotz seiner Leibesfülle und seines freundlichen Gesichts strahlte er Energie und Entschiedenheit aus. Man hätte ihm das niemals zugetraut. »Können die beiden Frauen auch wirklich nicht entwischen?« fragte Sue Weston, die man inzwischen informiert hatte.
»Ausgeschlossen…« meinte Mark Coffins, »Mister Blanton hat sie in seinem Keller untergebracht. Und ich habe die beiden blonden Bienen flügellahm gemacht. Zusätzlich… Sie tragen Handschellen und dürften kaum davonfliegen können.« »Sie wollten ganz offensichtlich Spuren verwischen«, redete Walt Blanton weiter, »das war für mich klar zu erkennen. Sie dürften erkannt haben, daß es ihnen ans Fell gehen soll.« »Ob Sie Mister Rander und Mister Parker bereits erwischt haben?« sorgte sich Sue Weston. »Warum melden sie sich nicht?« »Wir sollten von dieser Tatsache ausgehen«, sagte Walt Blanton sachlich, »ich habe sie vor ein paar Stunden vor der Hopson-Werkstatt zurückgelassen. Mehr weiß auch ich nicht.« »Sollten wir nicht dort beginnen?« fragte Sue drängend, »vielleicht finden wir dort eine Spur?« »Einverstanden«, erklärte Blanton und sah Coffins an, »was sagen denn Sie als Fachmann dazu?« »Ich würde erst mal mit Lieutenant Madford oder Sergeant McLean reden«, antwortete Coffins, »Rander und Parker arbeiten doch häufig mit diesen beiden Leuten zusammen…« Sie ging sofort ans Telefon und wählte die Nummer des PolizeiHauptquartiers. Als sie Lieutenant Madford verlangte, meldete sich 48 �
McLean. »Der Chef?« fragte McLean sofort und hastig. »Nein, auch hier hat er sich nicht gemeldet… Er ist zusammen mit Mister Rander weggefahren. Soviel ich weiß, wollten sie ‘raus zu einer Werkstatt. Aber die ist inzwischen abgebrannt, und Madford und Mister Rander sind dort nicht aufgetaucht.« »Handelte es sich um die HopsonWerkstatt?« »Genau…!« »Hören Sie, McLean, da scheint etwas passiert zu sein«, sagte Sue hastig, »ich will zwar nicht den Teufel an die Wand malen, aber mir schmeckt dieses Schweigen nicht.« »Mir grundsätzlich schon«, sagte McLean ironisch, »ich habe nichts dagegen, daß Madford sich mal für ein paar Stunden nicht sehen läßt. Eine wahre Erholung für mich…« »Bringen Sie doch bitte alles über die Hopson-Werkstatt in Erfahrung«, sagte Sue, die unwillkürlich lächeln mußte. Sie wußte, daß Madford und McLean zueinander wie Hund und Katze waren. »Stellen Sie fest, wer Hopson ist, wo er wohnt und so weiter… Sie wissen besser als ich, worauf es ankommt…« »Okay, Chefin«, sagte McLean. »Können wir uns in einer halben Stunde vor der Hopson-Werkstatt treffen?« bat Sue dann, »irgendeinen Hinweis muß sich dort doch finden
lassen.« * Sie saßen in einem ruhigen Schnellimbiß in einer Nische und konnten sich ungestört unterhalten: Sue Weston, Walt Blanton, Sergeant McLean und Mark Coffins. Sie hatten sich untereinander bekannt gemacht, soweit das notwendig gewesen war und befanden sich bereits mitten im Thema, das sie alle beherrschte. »Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß Madford und Mister Rander zusammen weggefahren sind«, sagte McLean, »und es stimmt, daß sie zur Hopson-Werkstatt wollten. Madford hatte sich Durchsuchungsbefehl einen besorgt… Angekommen sind er und Mister Rander aber nicht. Das steht ebenfalls fest.« »Es steht auch fest, daß der Bürotrakt der Werkstatt abgebrannt ist.«, sagte Coffins, »ich fuhr eben dort vorbei.« »Hat es überhaupt noch einen Sinn, zur Hopson-Werkstatt zu fahren?« wollte Sue Weston wissen. »Kaum«, sagte Blanton, der Mann mit dem ausgeprägten Bauchansatz, »was dort vielleicht zu finden gewesen wäre, hat man inzwischen längst weggeschafft oder vernichtet. Ich denke, diese Zeit können wir uns ersparen.« 49 �
»Und was ist mit den beiden Hübschen, die Sie in Ihren Keller eingesperrt haben?« fragte McLean ihn. »Ich glaube, daß sie selbst unter der Folter kein Wort sagen werden«, erwiderte Blanton, »verlorene Zeit, wenn wir uns mit den beiden blonden Bienen befassen…« »Dann also ‘raus zu Hopsons Privatadresse«, schlug Mark Coffins vor, »eine andere Möglichkeit sehe ich nicht…« * »Einen Moment… Ich werde Daddy holen«, sagte Hilda Hopson zu Mark Coffins und Sue Weston. Sie lächelte neutral und verließ den großen Wohnraum. Sue Weston und Privatdetektiv Mark Coffins waren allein ins Haus gegangen. Aus taktischen Gründen, wie erklärt werden muß. McLean und Walt Blanton befanden sich im Wagen, der in einer Nebenstraße stand. Es dauerte nur knapp zwei Minuten, bis Hilda mit ihrem Vater zurückkam. Ben Hopson war ein etwa 60jähriger Mann, der einen zerstreuten und abwesenden Eindruck machte. Er trug eine saloppe Hose, ein Freizeithemd und hatte erstaunlicherweise ölverschmierte Hände und Unterarme. »Was wollen Sie?« fragte er desin-
teressiert und fast beiläufig, »ich habe nicht viel Zeit…« »Daddy sammelt alte Autos… Veteranen«, erklärte Hilda Hopson lächelnd. »Was ist also?« wiederholte Ben Hopson, »geschäftliche Dinge besprechen Sie besser mit meiner Tochter. Sie leitet die Firma… Ich interessiere mich nur noch für mein Hobby…« »Wann waren Mister Parker oder Mister Rander bei Ihnen?« fragte Mark Coffins, der sich die Antwort schon denken konnte. »Kenne ich nicht… Wenden Sie sich an meine Tochter… Guten Tag, die Herren!« Ben Hopson nickte mürrisch und ging traumverloren aus dem Wohnraum. Hilda zuckte die Schultern und lächelte. Sie schien sich mit dem skurrilen Verhalten ihres Vaters längst abgefunden zu haben. »Es geht ihm wirklich nur noch um seine Autoveteranen«, sagte sie, als ihr Vater nicht mehr zu sehen oder zu hören war, »es ist bei ihm zu einer Marotte geworden. Was soll ich machen? Hauptsache, er fühlt sich wohl dabei!« »Natürlich«, sagte Sue höflich, »haben Sie Mister Rander oder Mister Parker gesehen?« »Mister Parker«, bestätigte Hilda Hopson, »er war im Betrieb. Ich habe mich mit ihm unterhalten.« »Wegen der verunglückten Sport50 �
wagen?« fragte Coffins. »Ja… Er schien zu glauben, daß mit diesen Wagen irgend etwas nicht stimmt.« »Mit den Unfällen«, korrigierte Sue kühl. »Ja, auch so etwas deutete er an…« Hilda Hopson ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, »Mister Parker – das ist doch dieser Butler, nicht wahr – Mister Parker bat um die Adressen der Sportwagenbesitzer.« »Und bekam er sie?« schaltete sich Mark Coffins wieder ein. »Selbstverständlich…« »Könnten wir sie noch mal bekommen?« »Das wird sich schwer machen lassen«, sagte Hilda Hopson, »Sie wissen vielleicht nicht, daß unser Bürotrakt abgebrannt ist. Leider sind dabei alle Geschäftsunterlagen vernichtet worden. Restlos. Für uns ist das ein sehr schwerer Verlust. Wir werden jetzt alle Einzelheiten mühsam rekonstruieren müssen.« »Wie dumm!« sagte Sue lächelnd. »Nicht wahr?« meinte Hilda Hopson etwas ironisch. »Und wie passend«, fügte Sue Weston bissig hinzu. »Ich verstehe nicht…« Hilda Hopson schaltete auf Beleidigtsein um, »ich verstehe Ihr Erscheinen ebenfalls nicht. Ich habe das Gefühl, daß Sie hinter den Hopson-Betrieben irgendwelche Unregelmäßigkeiten vermuten.«
»Sparen wir dieses Thema erst einmal aus«, schloß Sue, »aber hüten Sie sich, Ihre Bienen stechen zu lassen, Miß Hopson! Hüten Sie sich, Mister Rander, Parker und Lieutenant Madford etwas anzutun! Ich würde dann auf alle Höflichkeit verzichten und sogar gewisse Bestimmungen und Gesetze umgehen! Ich würde mich dann nur noch revanchieren… und zwar so, daß Ihnen Hören und Sehen vergeht!« * »Ihr Ton gefällt mir nicht.«, sagte Hilda Hopson. »Wenn schon!« Sue Weston, in Sorge um Rander und Parker, hatte sich in Rage geredet. »Sie haben noch nicht begriffen, wer am längeren Hebel sitzt.«, redete Hilda Hopson weiter. »Und wie soll dieser Hebel aussehen?« fragte Mark Coffins, der aufmerksam zugehört hatte. »Sie können mir nichts, aber auch gar nichts beweisen«, meinte die Tochter des Veteranenliebhabers, »ich hingegen kann Dinge tun, die Sie niemals kontrollieren oder abstellen können.« »Worauf spielen Sie an?« »Vielleicht weiß ich, wo sich Rander, Parker und Madford befinden.« »Jetzt bluffen Sie doch nur!« »An Ihrer Stelle würde ich das 51 �
nicht behaupten, Miß Weston… Gehen Sie ruhig von der Tatsache aus, daß ich die Wahrheit sage…! Demnach sollten Sie sich hüten, irgendwelche Drohungen auszusprechen.« »Sagen Sie doch offen, was Sie wollen!« »Ich will meine Ruhe haben… Ich will nicht, daß man hinter mir herspioniert…« »Was ist mit Rander, Parker und Madford?« fragte Mark Coffins dazwischen. »Sie werden sich an Ort und Stelle überzeugen können«, sagte Hilda Hopson, trat etwas zur Seite und gab zwei Monteuren den Weg frei. Es handelte sich um die Herren Haie und Richie, die auf dem betriebseigenen Parkplatz der Hopson-Werkstatt von einem gewissen Butler Parker mittels Blasrohrpfeilen außer Gefecht gesetzt worden waren. Sie hatten sich längst von ihrem Schock erholt, hielten schallgedämpfte Waffen in ihren Händen und sahen so aus, als würden sie sich nicht mehr aufs Kreuz legen lassen. Bildlich gesprochen, natürlich. Sue Weston und Mark Coffins hoben ohne jede weitere Aufforderung ihre Arme. Sie hatten das erreicht, was ihnen vorschwebte… *
»Nun wissen Sie also, wie man uns eingefangen hat.«, beendete Mike Rander seine Geschichte. »Man hat uns ‘reingelegt wie blutige Anfänger«, fügte Lieutenant Madford hinzu. Rander und Madford leisteten Josuah Parker im fensterlosen Keller Gesellschaft. Sie waren nicht in bester Stimmung und ärgerten sich wohl über ihre Arglosigkeit. Madfords Wagen war kurz vor den Hopson-Betrieben von einem harmlos aussehenden Lkw gerammt worden. Nachdem Madford und Rander ausgestiegen waren, um den Schaden zu besichtigen, hatte der Beifahrer des Lkw-Fahrers ihnen eine schallgedämpfte Pistole gezeigt und sie gebeten, in den Laster umzusteigen. Was Madford und Rander selbstverständlich getan hatten. Sie hatten schließlich gleich gesehen, daß sie es mit Vollprofis zu tun hatten. Der Rest war schnell über die Bühne gegangen. Man hatte sie im geschlossenen Kastenaufbau des kleinen Lkw durch die Stadt transportiert und dann bei gewissen blonden Bienen abgeladen. Diese reizvollen Damen hatten sie genau durchsucht und schließlich zu Parker in den Keller gesteckt. Wo sie sich nun ärgerten… »Ich möchte bloß wissen, was diese blonden Bienen und ihre Köni52 �
gin sich denken«, sagte Madford, »planen sie einen Massenmord?« »Ich fürchte, Sir, man sollte von dieser Voraussetzung ausgehen«, antwortet Josuah Parker, »ich darf darauf verweisen, daß man bereits meine bescheidene Wenigkeit mittels Kohlenmonoxyd umbringen wollte. Dies beabsichtigten die Herren Wallant, sowie die beiden Monteure Benny und Joe… Sie erinnern sich, daß ich sie nach diesem Mordanschlag in den Monoxydkeller steckte?« »Fassen wir doch mal zusammen«, übernahm Mike Rander das Wort, »wir haben es, abgesehen von dieser Hilda Hopson, mit dem Werkstattleiter Wallant und den Monteuren Benny, Joe, Haie und Richie zu tun, stimmt das?« »In der Tat, Sir! Und mit den blonden Bienen…!« »Okay! Mit den blonden Bienen! Dazu gehört diese Hilda Hopson, die beiden Masseusen und eine nicht genaue Zahl von jungen Frauen, die für die jeweiligen gestellten Unfälle zur Verfügung standen und stehen…« »Wobei man auf keinen Fall Mister Pete Morgan vergessen sollte«, erinnerte Josuah Parker, »er gab sich als Teilhaber Mister Hopsons aus, den wir bisher noch nicht kennenlernen durften.« »Eine ganz schöne Bande. Ich meine die Zahl der Mitglieder«,
stellte Madford melancholisch fest. Erstaunlicherweise war er nicht gereizt, was man doch eigentlich hätte vermuten sollen. Es sah so aus, als sei sein Stolz gebrochen worden. Es war auf jeden Fall nicht der Lieutenant Madford, den Rander und Parker bisher kennengelernt hatten. »Will man uns also umbringen?« Rander kam auf den Kernpunkt zurück. »Man müßte sich fragen, was damit erreicht würde«, antwortete der Butler, »außer Ihnen, Mister Rander und Mister Madford und außer meiner bescheidenen Wenigkeit gibt es noch zusätzliche Mitwisser… Ich denke in diesem Zusammenhang an Mister Blanton…« »… und an Sue… Ich meine, Miß Weston«, führte Rander weiter aus, »will man auch die umbringen?« »Ganz zu schweigen davon, daß diese blonden Bienen damit rechnen müssen, daß in meiner Dienststelle noch zusätzliche Beamte von der ganzen Geschichte wissen…« »Diesen Massenmord würde sich keine Gang der Welt leisten«, erklärte Mike Rander nachdrücklich, »das hat es in der Kriminalgeschichte noch nie gegeben.« »Es wird immer ein erstes Mal geben, Sir«, sagte Parker gemessen. »Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand, Parker!« »Keineswegs, Sir, ich erlaube mir aber darauf hinzuweisen, daß wir es 53 �
nicht mit dem zu tun haben, was man Gangster nennt. Hier scheinen Frauen am Werk zu sein, die das Metier im Grunde nicht kennen. Diesen Laien, wenn ich es so umschreiben darf, diesen Laien also sind Kurzschlußhandlungen durchaus zuzutrauen.« »Sie wirken außerordentlich beruhigend auf meine Nerven«, meinte Rander in einem Anflug von Galgenhumor, »können Sie vielleicht darüber hinaus etwas für uns tun? Oder sind auch Sie so ausgeplündert worden wie wir?« »In der Tat, Sir!« »Dann Prost Mahlzeit.«, meinte Rander seufzend, »dann müssen wir uns eben überraschen lassen.« »Ich bitte darum«, sagte Parker höflich und gemessen, »man wird sich tatsächlich überraschen lassen müssen…« * »Was machen Sie denn?« fragte Madford, als Parker sich niederließ. Sehen konnte er zwar nichts, doch er hörte es. »Wenn Sie erlauben, treffe ich einige Vorbereitungen zu unser aller Befreiung«, antwortet Parker. Mike Rander, der von den Überraschungen seines Butlers wußte, stellte keine Fragen. Er wartete nur auf das Ergebnis von Parkers Aktion. Josuah Parker war völlig durch-
sucht worden. Man hatte ihm alles abgenommen, was vielleicht hätte gefährlich werden können. In seinen diversen Taschen befand sich wirklich kein einziger Krümel mehr. Und dennoch… Man hatte da etwas übersehen und nicht mit der List eines Josuah Parker gerechnet. Mit der List und mit dem Erfindungsreichtum dieses Mannes. Parker zog sich zuerst mal den linken Schuh aus. Es handelte sich um einen soliden, handgemachten Schuh in schwarzer Farbe, der nach seinen eigenen, sehr persönlichen Vorstellungen gebaut worden war. Das eigentliche Geheimnis dieses Schuhs bestand in seinem blockartigen Absatz. Dieser Absatz ließ sich nach dem Entfernen eines kleinen Stahlstiftes seitlich wegdrehen und öffnete den Zugang zu einem ansehnlichen Hohlraum. In diesem Hohlraum befand sich keineswegs eine Kanone, wie man ironisch hätte vermuten können. Doch in diesem Hohlraum gab es eine Gummiblase, die zu achtzig Prozent mit einem Pulver gefüllt war. Um was es sich handelte, sollte sich später zeigen. Parker nahm diese Gummiblase hoch und ließ sie in einer seiner Westentaschen verschwinden. Anschließend barg er noch aus dieser Höhlung drei Metallkapseln, die wie gekappte Kugelschreiberminen 54 �
aussahen. Gemessen und würdevoll zog er sich den Schuh wieder an, nachdem er den Absatz in Ordnung gebracht hatte. Nun kam der rechte Schuh an die Reihe. Auch hier ließ der Absatz sich zur Seite bewegen. In dem freigelegten Hohlraum dieses Absatzes fand sich ein flaches Kästchen aus Styropor. Dieses Kästchen war nicht größer als eine etwas flach geratene Streichholzschachtel. Parker nahm das Kästchen sehr behutsam hoch und verstaute es ebenfalls in einer der diversen Westentaschen. »Wenn Sie erlauben«, sagte er zu Rander und Madford, nachdem er auch diesen Schuh wieder in Ordnung gebracht und angezogen hatte, »wenn Sie erlauben, werde ich jetzt Schritte zur allgemeinen Befreiung unternehmen…« Madford war viel zu geschlagen, um noch so etwas wie Hoffnung empfinden zu können. Rander hingegen war voller Optimismus. Parker hatte in der Vergangenheit schon ganz andere Situationen gemeistert. Josuah Parker ging zur Tür und befaßte sich mit dem Schloß. Er führte eine der drei Metallkapseln in das Schloß ein, bis nur noch ein Drittel hervorragte. Die beiden anderen Kapseln klemmte er zwischen Tür und Rahmen, und zwar in der Höhe
des draußen befindlichen und vorgelegten Riegels. Er hatte sich diese Stelle beim Hineinführen in den Keller sehr gut gemerkt. »Wenn ich raten darf, sollte man jetzt die Augen schließen und sich umwenden«, sagte er. Dann knickte er die dünnen Metallkapseln mit seinen behandschuhten Fingern kraftvoll zur Seite. Zuerst tat sich überhaupt nichts. Dann allerdings war ein feines Zischen zu hören, das plötzlich in ein giftiges Brausen überging. Madford, der sich umgedreht hatte, riskierte ein Auge. Um es sofort wieder fest zu schließen… Der enge Kellerraum war blendend hell erleuchtet. Es handelte sich um ein gleißendes Licht, das von der Tür herkam und seinen Ursprung in den drei Metallkapseln hatte. Zu dieser Zeit wußte Madford im Gegensatz zu Mike Rander noch nicht, daß Parker seine Spezialminiaturthermitlanzen zum Einsatz brachte. Diese winzig kleinen Thermitlanzen mit größtem Wirkungsgrad fraßen sich gierig durch das hindernde Metall, lösten und schmolzen es und ließen es als Eisentropfen zu Boden fallen… * »Das dürften sie sein«, meinte Blan55 �
ton. Er saß neben McLean in einem neutral aussehenden Dienstwagen der Polizei. Blanton wies hinüber in die Seitenstraße, aus der ein kleiner Lieferwagen kam, an dessen Steuer ein Mann saß. »Hoffen wir’s…!« sagte McLean und ließ den Motor seines Wagens anspringen. Er wartete, bis der kleine Kastenlieferwagen auf der Straße war, dann machte er sich an die Verfolgung. Blanton, der Mann mit dem ausgeprägten Bauchansatz entpuppte sich von Minute zu Minute immer mehr zu einem Tatmenschen. Blanton war einfach nicht mehr zu bremsen. Er schien bisher ein völlig falsch gepoltes Leben gelebt zu haben. Nun hatte er seine wahre Berufung erkannt. McLean hingegen ließ sich wieder mal nicht aus der Ruhe bringen. Der grislygroße Mann mit dem Phlegma und Temperament eines Bernhardiners genoß es im Grunde, nicht von Lieutenant Madford herumkommandiert zu werden. Und irgendwie schmerzte es ihn tief, daß ausgerechnet er seinen Chef nun befreien sollte, diesen Chef, den er pro Tag wenigstens ein Dutzendmal an den Südpol wünschte. Blanton hatte sich eine Zigarre angezündet und stellte nach einer Viertelstunde fest, wohin die Fahrt ging. »‘rauf zum Nordufer des Sees«,
sagte er, »ob Sie’s glauben oder nicht, Sergeant, dort in der Gegend haben die blonden Bienen mich hereingelegt. Vielleicht finden wir dort den Bienenstock.« Wogegen McLean im Prinzip sicher nichts einzuwenden hatte. Er hoffte aber, daß Madford zumindest einige Bienenstiche davongetragen hatte… * Parker brauchte sich überhaupt nicht anzustrengen. Mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand tippte er fast nachlässig gegen die schwere Eisentür des Gefängnisses. Wie durch Zauberei, und durchaus gut geschmiert, schwang die Tür leicht nach außen und gab den Weg frei. Die drei kleinen Thermitlanzen hatten ihre Schuldigkeit getan. »Wenn ich also bitten darf!?« Als höflicher Butler trat Parker zur Seite und ließ Mike Rander und Lieutenant Madford aus dem Keller. Gemessen und würdevoll folgte er. Madford sah den Butler draußen vor der Tür in einer Mischung aus Ungläubigkeit, Scheu und Verblüffung an. Er kannte den Mann. Gewiß…! Aber er hatte bisher noch nie erlebt, wie Parker tätig wurde. Er hätte nicht gewußt, was er jetzt hätte sagen sollen. Mike Rander war überhaupt nicht verblüfft. Ihm war bekannt, wie tief 56 �
und gut gefüllt die Trickkiste seines Butlers war. Er hätte sich höchstens gewundert, wenn Parker keine Lösung des anstehenden Problems gefunden hätte. Parker übernahm die Führung und steuerte auf die Kellertreppe zu. Rander und Madford folgten im Gänsemarsch. Parker stieg nach oben, lauschte einen Moment und bewegte dann den Türknauf. Diese Tür ließ sich ohne Schwierigkeiten öffnen. Die blonden Bienen hatten sie nicht zusätzlich gesichert. Sie mochten dazu keinen Grund gesehen haben. Was zu verstehen war, wenn man an die dicke Eisentür unten im Keller dachte. Parker betrat einen kleinen Korridor, von dem er wußte, daß er hinüber in die große Wohnhalle führte. Madford und Rander folgten dichtauf. Und Madford fragte sich jetzt, was sich wohl in jenem flachen Styroporkästchen befand, das der Butler aus einer seiner Westentaschen gezogen hatte… * Die beiden jungen Lancia-Fahrerinnen Cornake und Tronsers befanden sich inmitten der übrigen blonden Bienen und warteten auf das Eintreffen ihrer Oberbiene. Sie vertrieben sich die Zeit mit
Lesen, Reden und Schönheitspflege. Man hatte viel Zeit. Miß Cornake und Miß Tronsers saßen nebeneinander und unterhielten sich leise über die Zukunft. »Ich weiß auch nicht, was Hilda machen wird«, sagte Miß Tronsers gerade, »aber ich glaube doch, daß unsere bisherige Masche geplatzt ist.« »Wieso denn?« Miß Cornake dachte anders über dieses Problem, »sobald wir alle festgesetzt haben, die etwas wissen, können wir doch weitermachen!« »Und wie lange wollen wir die Leute festhalten?« fragte Miß Tronsers zweifelnd. »Darüber werden wir uns eben Gedanken machen müssen.« »Wir können sie auf keinen Fall umbringen!« Miß Tronsers dachte erfreulich realistisch. »Warum eigentlich nicht?« Miß Cornake schien kein Gewissen zu haben. »Na, ich bitte dich. Das wäre doch Massenmord!« »So viele sind es nun auch wieder nicht.«, schränkte Miß Cornake ein, »was sollen wir denn sonst machen? Aufstecken, nachdem wir alles so gründlich aufgebaut haben? Diese Quellen werden noch in Jahren sprudeln, wenn wir es nur richtig anpacken.« »Mir schmeckt das nicht! Mord!« Miß Tronsers schüttelte angewidert 57 �
den Kopf. »Bisher hat mir das alles nichts ausgemacht. Wir haben ja nur Leute geschröpft, die es vertragen konnten. Und mir hat’s Spaß gemacht.« Sie deutete hinüber zu den blonden Bienen in der Wohnhalle, »glaubst du, daß sie Mord mitmachen? Ich bin fest davon überzeugt, daß sie dann aussteigen werden!« Miß Cornake wollte antworten. Sehr energisch übrigens. Sie wollte ihrer Freundin Tronsers das Wort verbieten. Doch sie fand plötzlich nicht mehr die Worte, die sie sagen wollte. Irgend etwas umnebelte ihre Sinne. Irgend etwas, was eigentlich recht angenehm und wohltuend war. Sie fühlte sich ungemein leicht, schien innerlich zu schweben. Ein fröhliches leicht verträumtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie nahm den Kopf herum und… war plötzlich wieder auf dem Boden. Sie sah in der geöffneten Dielentür die Herren Parker, Rander und Madford. Miß Cornake griff hastig nach ihrer Schußwaffe, die neben ihr auf einem kleinen Tisch lag. Sie riß die Waffe hoch und wollte schießen, doch auch dazu kam es nicht mehr…
Parker sah sofort, daß Miß Cornake schießen wollte. Da er ohne jede Waffe war, mußte er den Inhalt des kleinen und flachen Styroporkästchens in die Schlacht werfen. Was er sofort tat! Der Gegenstand, der im Kästchen wohlverpackt gewesen war, entpuppte sich als Blitzlichtbombe… Diese Bombe, flach und aus einem milchigen Glas bestehend, zerplatzte beim Aufschlagen auf den Boden. Der Effekt war sagenhaft. Eine grelle Helligkeit, die unbedingt blenden mußte, stach vom Fußboden hoch und lähmte die Sehnerven samt Augenmuskeln. Dieses Licht war derart intensiv, daß alle im Raum in Bruchteilen von Sekunden nur noch totale Schwärze um sich hatten. Inklusive Rander und Madford, die von Parker nicht mehr hatten vorgewarnt werden können. Parker hingegen hatte die Augen fest geschlossen und sich schnell abgewendet. Dennoch mit einigen Sehstörungen behaftet, überblickte der Butler das Feld der blonden Bienen und begann mit dem Aufräumen. Für ihn gab es jetzt eine Menge zu tun…
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Haie, der am Steuer des kleinen Kastenlieferwagens saß, ließ den Wagen �
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ausrollen, stieg aus und klopfte hinten gegen die Tür der Ladefläche. Diese Tür wurde von innen geöffnet. Richie stieg aus und grinste. Er hielt einen schallgedämpften Revolver in der Hand und winkte damit in den Kastenaufbau hinein. Worauf Sue und Mark Coffins nacheinander ins Freie stiegen. Sie waren an den Händen gefesselt. Schwungvoll und selbstsicher marschierten die beiden Monteure Haie und Richie mit ihren beiden Gefangenen auf das Haus zu. Und bevor sie sich wundern konnten, warum sie nicht liebevoll erwartet und begrüßt wurden, zuckten sie kurz hintereinander wie unter besonders spitzen Insektenstichen zusammen. Eigentlich wußten sie schon in diesem Moment, was sie erwischt hatte. Dennoch sahen sie überrascht auf ihre Oberschenkel. »Blas…« keuchte Haie. »…rohr!« vollendete Richie, ebenfalls keuchend. Sie vergaßen ihre Schußwaffen, sie vergaßen Sue Weston und Mark Coffins. Und sie kümmerten sich nur noch um die kleinen, bunt gefiederten Blasrohrpfeile… * »Ich erlaube mir, Ihnen einen schönen Tag zu wünschen«, begrüßte Parker Sue Weston und Mark
Coffins. Er lüftete seine schwarze Melone, die sich längst wieder in seinem Besitz befand. Und über seinem linken, angewinkelten Unterarm befand sich der Universal-Regenschirm. »Wie – wie geht es Mister Rander?« fragte Sue hastig. »Ausgezeichnet.«, antwortete Parker, »wenngleich er im Moment an einer an sich harmlosen Sehstörung leidet. Er wird, so glaube ich, Miß Weston, Ihre Hilfe durchaus begrüßen.« Sue wartete nicht länger ab. Mit Riesensätzen lief sie ins Haus. Mark Coffins sah ihr amüsiert nach. Er wie Sue waren von Parker befreit worden. »Sie scheint aber mächtig an ihrem Arbeitgeber zu hängen«, sagte er dann. »Es dürfte mit dem äußerst guten Arbeitsklima zusammenhängen, das Mister Rander pflegt.«, kommentierte Josuah Parker gemessen, »darf ich fragen, wo Sie Miß Hopson gelassen haben? Ich hätte sie sehr gern hier gesehen.« »Sie ist in der Stadt geblieben«, antwortete Mark Coffins, »wahrscheinlich will sie dort die Stellung halten. Und was ist hier gelaufen?« »Sobald auch jene Herren hier sind, Mister Coffins, werde ich mit einer Erklärung dienen«, sagte Parker und deutete hinaus auf die Zufahrtsstraße. 59 �
Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis auch Sergeant McLean und Blanton an Ort und Stelle waren, die den Kastenlieferwagen beharrlich und geschickt verfolgt hatten. * »Soviel Initiative hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.«, sagte Madford zu McLean. Er gab sich wie gewohnt bissig, zumindest wollte er seinem Sergeant gegenüber diese Tonart anschlagen. »Nur notgedrungen«, sagte McLean gelassen. »Wie, bitte?« Madford glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Nur notgedrungen«, wiederholte McLean trocken, »ich allein hätte mir wegen Ihnen kein Bein ausgerissen.« »Wissen Sie, McLean, was Sie da gesagt haben?« Madford warf sich in Positur und wollte wieder einem kleinen Cäsar gleichen, doch das mißlang. Er erinnerte jetzt eigentlich nur noch an einen zerzausten Hahn. »Spielen Sie sich doch nicht so auf, Chef«, meinte McLean, »haben Sie sich ‘reinlegen lassen oder nicht? Mir ist das noch nie passiert.« Madford pumpte sich voll Luft, doch er brachte keinen Ton hervor. Er war irritiert. Zudem wandte sich McLean einfach ab und ließ ihn stehen. Madford senkte den Kopf, hüstelte
ein wenig und befaßte sich dann anschließend mit seiner Zigarette, die er sich auf eine sehr komplizierte und zeitraubende Art anzündete. Mike Rander, der diesen Wortwechsel mitbekommen hatte, grinste in sich hinein. Er gönnte Madford diesen harten Nasenstüber. Es stand zu erwarten, daß sich die Zusammenarbeit zwischen Madford und McLean in Zukunft etwas normalisierte. * Es war dunkel geworden, als Rander, Sue Weston und Josuah Parker endlich wieder im Penthouse waren. Sie hatten einen anstrengenden Tag hinter sich und wollten zuerst auf einen Imbiß verzichten, um Parker keine Mühe zu machen. Der Butler aber bestand darauf, ein kleines Abendessen zu servieren. Er verschwand in der reichhaltig ausgestatteten Küche. Sue Weston und Mike Rander befanden sich im Studio des Penthouse und gingen die letzten Ereignisse noch einmal gründlich durch. »Eigentlich können wir zufrieden sein«, sagte Mike Rander, »die Mehrzahl der blonden Bienen befindet sich hinter Schloß und Riegel.« »Vor allen Dingen die Damen Cornake und Tronsers«, sagte Sue zufrieden, »sie scheinen eine beson60 �
ders wichtige Rolle gespielt zu haben.« »Aber sie sind nicht mit Hilda Hopson zu vergleichen, die sich leider abgesetzt hat.« »Mit welchen Leuten haben wir es jetzt noch zu tun?« »Das ist schnell aufgezählt.«, antwortete Mike Rander, »da wäre zuerst mal Hilda Hopson. Ja, und dann sind da noch der Werkstattleiter Wallant und die beiden Monteure Benny und Jop. Sie wissen, diese Burschen, die Parker im Hopson-Betrieb mit Monoxyd umbringen wollten.« »Und ob ich weiß!« Sue Weston nickte, »glauben Sie, daß Hilda und die beiden Monteure Benny und Joe noch mal aktiv werden?« »Irgendwie glaube ich fest daran«, sagte Kander, »diese Hilda wird nicht aufgeben. Sie ist nicht der Typ dafür.« »Glauben Sie, daß Hilda Hopson die Chefin der Bande war und ist?« »Sehr wahrscheinlich. Aber mir ist noch nicht klar, welche Rolle dieser Pete Morgan spielt.« »Der angebliche Teilhaber Mister Hopsons, der sich von den beiden Masseusen verwöhnen ließ?« »Genau, Miß Weston. Schön, er sitzt noch. Sie wissen, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Und Madford will uns sofort informieren, wenn er freigesetzt wird. Wahrscheinlich geht das schon in den
nächsten Stunden über die Bühne, da er Kaution stellen will.« »Aber er dürfte dann doch überwacht werden, oder?« »Selbstverständlich. Das werden Madford und McLean übernehmen Wir alle sind ja gespannt, was Pete Morgan tun wird.« Ein diskretes Hüsteln ließ Mike Rander zur Seite sehen. Josuah Parker stand in der geöffneten Tür. »Ich erhielt gerade einen Anruf von Sergeant McLean«, sagte Parker gemessen, »Mister Pete Morgan und die beiden Masseusen sind vor einer halben Stunde gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden.« »Dann dürfte es ab sofort besonders interessant werden«, sagte Rander, »ich bin gespannt, was er tun wird.« »Ob er zu Hilde Hopson fahren wird?« warf Sue Weston in die Debatte. »Zumindest in das Haus Mister Ben Hopsons«, korrigierte der Butler, »und dort dürfte Mister Morgan die Tochter von Mister Morgans Teilhaber sicher nicht antreffen.« * Was übrigens vollkommen stimmte. Hilda Hopson wußte nur zu gut, wie begehrt sie war. Nach dem Losfahren des kleinen Kastenlieferwagens war sie etwa eine Viertelstunde später ebenfalls gestartet, um hinaus 61 �
zum See zu kommen. Praktisch in letzter Sekunde hatte sie knapp vor dem Landhaus gemerkt, was sich dort inzwischen abgespielt hatte. Sie hatte alle die Leute gesehen, die ihr zutiefst verhaßt waren: Parker, Rander, Lieutenant Madford, Blanton und Sue Weston. Sie hatte schleunigst abgedreht und war zurück in die Stadt gefahren. Es leuchtete ihr ein, daß sie vorerst zurückstecken mußte. Hilda Hopson, jetzt praktisch ohne Bienen – um bei diesem Ausdruck zu bleiben – wollte dennoch nicht aufstecken. Sie hielt sich in der Stadt auf. Und zwar in einer Wohnung, die sie sich schon vor Monaten unter einem falschen Namen gemietet hatte. In diesem ruhigen Haus galt sie als Miß Carpenter, die als Fotomodell viel unterwegs und nur sporadisch zu Hause war. In dieser sehr gepflegt eingerichteten Wohnung hatte sie die Nacht verbracht, ohne aber Schlaf zu finden. Unruhig war sie herumgewandert und hatte immer wieder überlegt, was zu tun war. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, das angesammelte Geld zu nehmen und Chikago zu verlassen. Irgendwo in den Staaten konnte sie als Miß Carpenter untertauchen. Geldliche Sorgen brauchte sie sich nicht zu machen. In dieser Hinsicht war sie erstklassig gepolstert. Die
Arbeit mit den gestellten Unfällen hatte sich sehr gelohnt. Sie verfügte über ein Vermögen. Aber da war der Ehrgeiz in ihr, dieser Ehrgeiz, der sie fast verbrannte. Und da war der verletzte Stolz. Man hatte sie, Hilda Hopson – man denke nur – man hatte also sie ausgetrickst und ihre Kreise gestört. Damit wollte und konnte sie sich einfach nicht abfinden. Sie kam von Stunde zu Stunde immer mehr zu der Erkenntnis, daß sie sich rächen mußte. Und sie wußte sehr gut, an wem. Es war hell geworden, als sie endlich alles klar und deutlich vor sich sah. Sie ging ans Telefon und wählte eine bestimmte Nummer. Auf der Gegenseite dauerte es eine Weile, bis abgehoben wurde. »Clive«, sagte eine Männerstimme nur. »Hilda«, erwiderte sie, »weißt du schon, was passiert ist?« »Ich habe gerade die Zeitung gelesen«, erwiderte Wallant, denn um ihn handelte es sich. »Pleite auf der ganzen Linie. Wir können einpacken!« »Bist du sicher?« fragte Hilda kühl zurück. Sie wußte, wie sehr sie bisher auf Wallant gewirkt hatte. Sie wußte vor allem, wie ergeben er ihr war. »Siehst du es etwa anders?« fragte Wallant überrascht zurück. 62 �
»Darüber möchte ich mit dir reden«, erwiderte Hilda Hopson, »wir sollten uns irgendwo in der Stadt treffen.« »Einverstanden! Sofort!« Wallant schien bereits Feuer und Flamme zu sein. »Komm aber bitte allein«, sagte Hilda, »Benny und Joe werden im Moment noch nicht gebraucht.« * »Sie scheinen über das zu verfügen, was man starke Nerven nennt.«, sagte Parker, nachdem er seine schwarze Melone grüßend gelüftet hatte. Er stand wieder am Rand des bewußten Schwimmbeckens und sah zu den beiden Masseusen hinunter, die den Speckrücken Morgans gerade eingecremt hatten. »Hallo, Mister Parker!« Pete Morgan war überhaupt nicht nachtragend. Wenigstens tat er so. Er richtete sich aus der Bauchlage auf und grinste. »Ich hörte, daß man Sie und Ihre Masseusen gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt hat.«, meinte Parker, »und aus Gründen der Höflichkeit wollte ich keineswegs versäumen, Ihnen einen Besuch abzustatten.« »Nett von Ihnen, Parker.« Pete Morgan scheuchte die beiden mit einer Handbewegung ins Haus. »Sie brauchen übrigens keine Sorge zu haben. Die beiden Kätzchen werden
ganz sicher nicht mit Kanonen zurückkommen. Ich weiß doch, daß ich von der Polizei beschattet werde!« »Warum bleiben Sie, wenn ich fragen darf, nicht bei dem Ausdruck der die Damen blonde Bienen nennt?« »Ich weiß wieder mal nicht, wovon Sie reden.« Pete Morgan grinste amüsiert. »Wollen Sie mir immer noch etwas anhängen?« »Wenn es sich einrichten läßt, sehr gern, Mister Morgan!« »Geben Sie sich keine Mühe, Parker! Ich bin gut eingecremt und daher schlüpfrig wie ein Aal. Mir kann man überhaupt nichts nachweisen. Und was unseren kleinen gemeinsamen Ärger angeht, so verzichte ich darauf, Sie wegen Hausfriedensbruch zu verklagen!« »Müßte dies nicht Mister Hopson tun? Schließlich gehört nach meinen Informationen ihm dieses Haus.« »Ich bin Mitbesitzer. Wie bei der Firma. Eigentlich bin ich alleiniger Besitzer, wenn man richtig nachrechnet, aber das sollen die Anwälte tun.« »Sie wollen sich von Hopson trennen?« »Und wie! Und zwar so schnell wie möglich. Ich will doch nichts mit diesen Gaunereien zu tun haben. Ich habe gerade davon in den Morgenzeitungen gelesen. Auf was die Menschen nicht alles kommen. Täuschen 63 �
Verkehrsunfälle vor und sorgen dafür, daß sie im Recht sind, verzichten auf die Polizei und schröpfen dann anschließend ihre Opfer. Sehr unfein, wenn Sie mich fragen.« »Von all diesen Dingen haben Sie natürlich nie etwas gewußt, wie ich unterstellen muß?« »Genau, Mister Parker! Nichts, rein gar nichts. Ich war ahnungslos wie ein Säugling. Ich habe mich nur für die Firma interessiert. Und daß ich mit diesen Dingen nichts zu tun hatte, läßt sich beweisen.« »Falls Miß Hopson nicht das Gegenteil aussagen wird.« »Falls ja, würde sie nur lügen! Ich kenne dieses ehrgeizige Mädchen. Sie würde das Blaue vom Himmel herunterlügen, nur um mir zu schaden. Und ich weiß auch, warum.« »Ich lasse mich gern überraschen, Mister Morgan.« »Um mir eins auszuwischen. Nur darum. Sie kommt einfach nicht darüber hinweg, daß ihr Vater die Werkstatt nicht mehr halten konnte. Sie verzeiht es mir nicht, daß ich jetzt fast Alleininhaber bin.« »Wenn ich Ihre Hinweise richtig interpretiere, Mister Morgan, dann müssen Sie sogar befürchten, daß Miß Hopson sich eines Tages in anderer Form an Ihnen rächen wird.« »Richtig! Ich spiele schon mit dem Gedanken, mich unter Polizeischutz stellen zu lassen. Die beiden Detek-
tive, die seit meiner Entlassung hinter mir her sind, reichen mir einfach nicht aus. Unter uns, sie machen nicht gerade einen intelligenten Eindruck.« »Sie werden hier im Haus bleiben?« »Aber selbstverständlich. Der alte Hopson interessiert mich nicht. Er stört mich allerdings auch nicht. Er soll von mir aus mit seinen alten Mühlen spielen. Ich bin kein Halsabschneider, verstehen Sie?« »Dies möchte und kann ich nicht beurteilen«, sagte Parker würdevoll, »zumindest sind Sie bemerkenswert, Mister Morgan. Ihre Kaltblütigkeit, die von den anderen Mitmenschen vielleicht sogar als Frechheit bezeichnet werden könnte, ist rühmenswert!« »Vielen Dank für das Kompliment.«, erwiderte Morgan lächelnd, »aus Ihrem Mund höre ich es besonders gern. Darf man fragen, was Sie jetzt tun werden? Ich nehme an, Sie suchen Hilda, nicht wahr? Die Bienenkönigin?« Morgan grinste satt. »In der Tat! Von den Herren Wallant, Benny und Joe ganz zu schweigen, zumal sie nur Helfershelfer und Handlanger sein dürften.« »Wenn Sie sich nur nicht täuschen. Wallant würde ich an Ihrer Stelle nicht unterschätzen.« »Sie kennen ihn näher?« »Nur flüchtig. Wie man einen Werkstattleiter eben so kennt. Ich 64 �
glaube übrigens, daß er bis zum Stehkragen in Hilda Hopson verknallt ist. Er würde unter Umständen wohl sogar für sie durchs Feuer gehen.« »Ich bedanke mich für diesen Hinweis, Mister Morgan.« »Gern geschehen. Man muß eben mitarbeiten und behilflich sein, wenn es darum geht, Gauner und Gangster zu jagen. Man weiß ja, was man als Staatsbürger zu tun hat.« »Sie fürchten nicht, daß eine der festgenommenen Damen gegen Sie aussagen wird?« »Nein, nein!« Morgan lächelte süffisant. »Sie haben keine Angst, daß die beiden Monteure Haie und Richie Sie anschwärzen könnten?« »Niemals.« »Demnach scheinen Sie die Damen Cornake und Tronsers auch nicht zu fürchten?« »Wieso denn? Sie vergessen, daß ich eine fast blütenweiße Weste habe.« Pete Morgan grinste weiter. Und das war nicht gespielt. Vermutlich hatte er sich in der Vergangenheit sehr gut abgesichert. Das Fußvolk der Gang schien ihm nichts anhaben zu können. »Dann erlaube ich mir abschließend, Ihnen noch einen angenehmen Tag zu wünschen.« Parker lüftete seine schwarze Melone. »Es würde Ihnen auch nichts ausmachen, wenn ich der Polizei erzählte, was Sie und
Ihre beiden Masseusen mit mir vorhatten?« »Haben Sie Augenzeugen?« fragte Morgan. »Warum gehen Sie jetzt unter Ihr Niveau, Parker. Sie wissen doch selbst sehr genau, daß dann höchstens Aussage gegen Aussage stehen wird.« »Ich erlaube mir, um Entschuldigung zu bitten. Sie haben selbstverständlich recht, Mister Morgan!« »Macht doch nichts! Macht rein gar nichts, Parker«, sagte Pete Morgan leutselig und lächelte, »aber da wäre etwas, was mich interessierte. Was war das für ein Lachgas, das Sie mir und den beiden Mädchen vorsetzten? Könnten Sie mir davon etwas beschaffen? Sie ahnen ja nicht, wie high man danach ist.« * Parker wollte das Grundstück bereits verlassen, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoß. Seiner Ansicht nach hatte man sich bisher viel zuwenig mit Mister Ben Hopson befaßt. Es wurde Zeit, diesen Fehler zu korrigieren. Parker ging um das Haus herum und hielt auf das große Gartenhaus am Ende des Grundstückes zu. Im Näherkommen hörte er leises Hämmern. Das Gartenhaus, früher einmal eine Remise, war in eine kleine Werkstatt mit angrenzendem 65 �
Museum umgebaut worden. Ben Hopson, der Vater Hildas, kniete neben einem Veteranen und mühte sich mit dessen Trittbrett ab. Es handelte sich um einen alten Cord aus dem Jahre 1930, einen Zweisitzer mit einem Klappverdeck und mächtigen Scheinwerfern. Hopson sah überhaupt nicht hoch, als Parker die kleine private Werkstatt betrat. Der Butler kontrollierte das angrenzende Museum etwas näher. Er war ehrlich überrascht von dem, was er sah. Es gab uralte Fords, einen Buick, der knapp um die Jahrhundertwende erbaut worden sein mußte und noch an eine Pferdekutsche erinnerte, er fand einen der begehrten Alt-Bugattis und einen Packard. Alle diese Wagen befanden sich in einem ausgezeichneten Zustand. Sie schienen die diversen Fabriken gerade erst verlassen zu haben. Es mußte eine Unsumme von Geld und Zeit gekostet haben, diese Veteranen wieder auf Hochglanz zu bringen. »Ein einzigartiges Hobby, wenn ich es bescheiden so ausdrücken darf«, sagte Parker, sich wieder Ben Hopson zuwendend. »Was verstehen denn Sie davon?« fragte Hopson brummig, immerhin aber mit einem ersten Anflug von Interesse. »Ich vermisse, wenn ich offen sein darf, einen Duesenberg. Er gehört
eigentlich unbedingt in eine Sammlung von Auto-Veteranen.« »Duesenberg!« seufzte Hopson und verdrehte entzückt die Augen, »beinahe hätte ich einen bekommen.« »Dafür werden Sie ja einen Lozler ,Light six’ Runabout bekommen Jahrgang 1912!« »Wie bitte?« Ben Hopsons Augen verdrehten sich vollends, »wer sagt Ihnen, daß ich den bekommen kann?« »Wollte Ihre Tochter Hilda Ihnen nicht eine Freude machen?« antwortete Parker ausweichend, »setzen Sie sich mit ihr in Verbindung. Vielleicht weiß sie inzwischen schon mehr als meine bescheidene Wenigkeit.« Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und verließ die kleine Werkstatt. Ben Hopson – das konnte Parker allerdings nicht sehen – verfolgte den Butler mit nachdenklichem Gesicht, in dem die Augen fanatisch glühten. Oder war es Haß? Vielleicht auch nur vor Verwirrtheit. * Sie hielt ihren Wagen nur kurz an, damit Wallant schnell einsteigen konnte. Er saß noch nicht ganz richtig neben ihr, als sie bereits Gas gab. »Nervös?« fragte Wallant. »Etwas«, gab sie offen zu, »aber 66 �
das wird sich bald ändern, Clive.« »Was hast du eigentlich vor?« wollte Wallant wissen. »Wozu rätst du mir?« »Tauchstation«, meinte Wallant offen, »was für Chancen haben wir noch? Die Zeitungen haben von den blonden Bienen geschrieben und von den Tricks, mit denen wir gearbeitet haben. Da sitzt für uns nichts mehr drin.« »Rede weiter«, sagte sie nur, als er sie fragend ansah. »Die Mädchen sitzen hinter Schloß und Riegel«, fuhr Wallant fort. Sehr eindringlich sogar. »Haie und Richie fallen ebenfalls aus. Festgesetzt. Wir sind nur noch zu viert. Du, Hilda, ich und dann Benny und Joe.« »Das müßte reichen.« »Reichen, wozu?« »Um es diesem Butler Parker heimzuzahlen. Ihm haben wir alles zu verdanken.« »Okay, du willst also ‘ne Retourkutsche fahren, Hilda. Kann ich verstehen!« »Wir machen irgendwie weiter.« »Ist doch sinnlos, Hilda. Unsere Masche kennt jetzt jeder. Auf die fällt kein Mensch mehr ‘rein.« Sie schwieg und zündete sich eine Zigarette an. Sie hatte die Innenstadt verlassen und fuhr ziellos durch die Straßen der Vororte. Sie sagte nichts. Sie hörte nur zu. »Ich mache dir einen anderen Vorschlag, Hilda«, sagte Wallant, »wir
zahlen Benny und Joe aus. Und dann setzen wir uns ab und lassen irgendwo Gras über die Sache wachsen.« »Ich will nicht aufstecken. Ich will es ihm heimzahlen!« »Wie denkt denn Morgan darüber?« Er sah sie jetzt lauernd an. »Pete Morgan?« fragte sie. »Pete Morgan«, bestätigte Wallant, »er ist doch der Mann im Hintergrund, oder?« »Wie kommst du denn darauf?« »Nun, man hat sich doch so seine Gedanken gemacht.« »Unsinn. Morgan hat damit überhaupt nichts zu tun.« »Dann hast du allein die ganze Geschichte aufgezogen?« Wallant sah sie, ungläubig an. »Natürlich, gerade wegen Morgan. Weil er Daddy und mich aus der Firma herausgeboxt hat. Daddy war und ist Pleite. Und dagegen wollte ich etwas tun!« »Und Morgan hat mit den blonden Bienen wirklich nichts zu tun?« Wallant wahr ehrlich verblüfft. »Nein.« »Also gut, dann habe ich mich eben, geirrt. Dann bist und bleibst also du der Boß! Mach Vorschläge!« »Zuerst muß Parker aus dem Weg geräumt werden. Er soll dafür zahlen, daß er uns das Geschäft verdorben hat.« »Wie stellst du dir das vor, Hilda?« Hilda Hopson stoppte den Wagen 67 �
und entwickelte Wallant ihren Plan. Es stellte sich heraus, daß sie bereits sehr genaue Vorstellungen darüber besaß. * »Wir wissen jetzt alles darüber wie die blonden Bienen gearbeitet haben«, sagte Lieutenant Madford. Es war Nachmittag geworden, und er hatte Gäste. In seinem Büro befanden sich Rander, Sue Weston und Josuah Parker. »Haben sich besondere Gesichtspunkte ergeben?« fragte Rander. »Parkers Vermutungen waren von Anfang an richtig«, sagte Madford etwas schnell, »diese blonden Bienen haben es zugegeben.« »Und wie wurden sie engagiert?« fragte Sue Weston. »Hilda Hopson setzte Inserate in die Zeitungen, in denen sie Hostessen für die Hopson-Firma suchte. Dann wählte sie die Mädchen aus, die sie brauchen gönnte. Alles erstklassige Autofahrerinnen, die die Unfälle so hinzauberten, wie man es wünschte.« »Gab es Geständnisse?« mischte Rander sich ein. »Geständnisse am laufenden Band.« Madford nickte. »Die blonden Bienen wissen, daß es ihnen an den Kragen geht. Sie sind sehr mitteilungsbedürftig. Wogegen wir nichts einzuwenden haben.«
»Und was ist mit den Monteuren Haie und Richie?« »Sie wurden von Wallant angeheuert. Wie die beiden Monteure Benny und Joe. Es handelt sich da um ehemalige Teufelsfahrer. Sie wissen schon, Männer, die schrottreife Karren restlos und endgültig zusammenfahren. Sie übten die Unfälle mit den Mädchen ein und trainierten sie!« »Und über allem stand Hilda Hopson?« Rander sah den Polizeilieutenant erwartungsvoll an. »Alle Hinweise deuten auf Hilda Hopson«, bestätigte Madford, »sie hielt die Fäden zusammen und vergab die jeweiligen Einsätze. Für alle die, die wir bisher festgesetzt haben, ist Hilda Hopson die Chefin des Unternehmens.« »Wissen die Mädchen, wie man an die Adressen! der Leute herankam, die man dann später rammte?« »Davon wissen sie nichts. Darum haben sie sich wohl auch gar nicht gekümmert. Sie haben die einstudierten Unfälle gebaut und kassiert.« »Was, zum Beispiel?« »Sie bekamen pro Unfall 500 Dollar. Pro Person. Sehr nett, wenn man bedenkt, wie wenig sie dazu zu tun hatten.« »Und wie oft traten die Mädchen in Aktion?« wollte Sue Weston wissen. »Pro Woche wenigstens einmal. In der Regel rammten sie zwei Wagen 68 �
in der Woche.« »Bei der Anzahl von blonden Bienen ergibt das einen ganz tollen Wochendurchschnitt.«, sagte Rander überrascht, »ich muß schon sagen, das Geschäft ist verdammt groß aufgezogen worden. Und dennoch, hinter Hilda Hopson muß doch so etwas wie der wahre Chef gestanden haben. Woher bekam Hilda die richtigen Adressen? Sie müssen sich ihre Opfer doch sehr genau ausgesucht haben.« »Wenn Sie mich fragen, Rander, dann ist dieser Mann im Hintergrund dieser Pete Morgan.« Er wandte sich an den Butler und runzelte die Stirn. »Warum sagen Sie eigentlich nichts, Parker?« »Ich bin so frei, Sir, interessiert zuzuhören«, erwiderte Parker höflich, »und was den Mann im Hintergrund anbetrifft, so wird ihn nur besagte Miß Hilda Hopson nennen können.« »Die sich längst abgesetzt hat.« »Die meiner bescheidenen Ansicht nach mit Sicherheit wieder auftauchen wird, Sir. Ich fürchte, daß Sie sich an meiner bescheidenen Wenigkeit rächen wird!« * »Wie wollen Sie solch einem Mordanschlag entgehen?« fragte Sue Weston, als sie zusammen mit Mike Rander im hochbeinigen Monstrum
des Butlers saß. »Man wird sich ein wenig vorsehen müssen«, antwortete Parker, der steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer saß und seinen Wagen durch den nachmittäglichen Verkehr lenkte. »Wie ich Sie kenne, haben Sie sich doch bestimmt gewisse Gedanken gemacht.«, sagte Rander lächelnd. »In der Tat, Sir«, antwortete der Butler, »ich finde, man sollte es Miß Hopson nicht zu schwer machen.« * Im Penthouse angekommen, ließ Parker gewohnheitsgemäß das Tonband abspielen, das an den automatischen Antwortgeber angeschlossen war. Abgesehen von einigen in diesem Zusammenhang unwichtigen Anrufen hatte ein gewisser Pete Morgan sich gemeldet. Mit Uhrzeit übrigens, die er auf dem Band nannte. Demnach hatte er vor etwa einer halben Stunde angerufen. Pete Morgan, der Mann mit dem Speckrücken und den beiden reizenden Masseusen teilte kurz und knapp mit, er habe Mister Parker etwas Wichtiges zu sagen. Er bat um einen sofortigen Rückruf. Rander hob erstaunt die Augenbrauen, als das Band diesen Anruf reproduzierte. »Pete Morgan?« sagte er dann, 69 �
»diesem Halunken ist doch nicht über den Weg zu trauen!« »Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich gern zurückrufen.« Rander und Sue Weston blieben neben Parker stehen, der Morgans Nummer wählte. Es dauerte eine Weile, bis auf der Gegenseite abgehoben wurde. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »habe ich die Ehre, mit Mister Morgan zu sprechen?« »Hier ist Hopson«, sagte die brummige, immer etwas abwesend klingende Stimme von Ben Hopson. »Sehr erfreut, Sir«, sagte Parker, »besieht die Möglichkeit, Mister Morgan zu sprechen, Mister Hopson?« »Der – der ist weggefahren«, sagte Hopson. »Wissen Sie möglicherweise, wohin seine Fahrt ging, Sir?« »Keine Ahnung! Warten Sie, er hat was von meiner Tochter gesagt. Er wollte sich mit Hilda treffen. Aber wo, das kann ich nicht sagen.« Bevor Parker weitere Fragen stellen konnte, hatte Hopson bereits aufgelegt. Es drängte ihn sicher, zurück zu seinen Veteranen zu kommen. »Komische Geschichte«, sagte Rander verblüfft und sah seinen Butler an, »was soll man davon halten? Zuerst ruft Morgan an, dann ist er angeblich verschwunden.« »Man sollte dem Hause Hopson
vielleicht einen kleinen Besuch abstatten«, schlug der Butler vor. * Das Haus war leer. Nur weit hinten von der kleinen Werkstatt her war leises Wimmern zu hören. Mister Hopson beschäftigte sich wohl mit einem Blechteil, das zu einem Veteranen gehörte. Rander und Parker – sie waren allein gekommen und hatten Sue aus Sicherheitsgründen zu Hause gelassen. Rander und Parker also gingen vorsichtig durch alle Räume und suchten nach Pete Morgan und den beiden attraktiven Masseusen. »Nichts!« sagte Rander schließlich und stockte seinen kurzläufigen 38er zurück in die Schulterhalfter, »der alte Hopson scheint die Wahrheit gesagt zu haben.« »Wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, Sir, so sollte man mit Mister Hopson einige Worte wechseln«, sagte Parker. Rander und Parker verließen das Haus durch den rückwärtigen Eingang, passierten den bereits bekannten Swimmingpool und näherten sich der ehemaligen Remise. Das Hämmern wurde jetzt abgelöst durch ein Geräusch, das an einen Bohrer erinnerte. »Mister Hopson!?« Parker ging dem Geräusch nach. Rander folgte dichtauf. 70 �
»Stehenbleiben und Hände hoch!« Es handelte sich um Hopsons Stimme, aber sie war nicht wiederzuerkennen. Sie. klang hart und sehr energisch. Parker und Rander gehorchten augenblicklich, und sie nahmen schleunigst die Arme hoch. Zwischen den alten, bereits aufpolierten Veteranen erschien Ben Hopson. Er hielt eine Maschinenpistole in der Hand, auf deren Mündung ein ansehnlicher Schalldämpfer stak. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, daß diese Mündung auf die Herren Rander und Parker gerichtet war. »Reingefallen«, freute sich Hopson, der gar nicht mehr leicht vertrottelt oder abwesend wirkte, »ist eine Überraschung für Sie, oder?« »In der Tat, Mister Hopson«, sagte Parker, »Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit hatten uns eigentlich auf Mister Morgan konzentriert.« »Pete ist unterwegs. Er hat die Kriminalbeamten weggelockt. Was gar nicht so schwer war. Diese Idioten tun ja genau das, was man will, man muß es nur etwas geschickt anstellen.« »Demnach stecken Morgan und Sie unter einer Decke?« »Klar«, sagte Hopson, »Pete besorgte die Adressen unserer Spezialkunden, und ich beriet meine Tochter.«
»Mister Morgan besorgte die Adressen der Männer, die in einen Unfall verwickelt wurden?« wiederholte Parker gemessen. »Genau, Parker. Da staunen Sie, wie?« »Wie besorgte Mister Morgan diese Adressen?« »Pete ist ein ehemaliger Versicherungsvertreter. Das heißt, er hat immer noch seine Agentur. Er wußte aus erster Hand, wer ein zahlender Kunde werden könnte. Seine Auswahl und seine Tips waren erstklassig.« »Ich begreife einfach nicht.«, sagte Rander kopfschüttelnd, »ich begreife nicht, warum Sie dieses Theater aufgezogen haben, Hopson. Verdienten Sie mit Ihrer Werkstatt nicht genug? Das ist doch ein Betrieb, der sich sehen lassen kann!« »Unsere Masche brachte mehr ein«, antwortete Hopson lächelnd, »und zwar ohne Arbeit. Aber so etwas werden Sie nie verstehen. Ihnen fehlt wohl der Sinn fürs Geld!« »Und wie, wenn man höflich fragen darf, soll es jetzt und hier weitergehen?« erkundigte sich Josuah Parker höflich. »Sie werden sterben«, sagte Ben Hopson schlicht und einfach. »Hilda besteht darauf! Und warum soll ich ihr diesen Gefallen nicht tun? Sie haben uns ja schließlich dieses einträgliche Geschäft verdorben.« 71 �
»Dann war Mister Morgans Anruf nur ein Trick?« »Ja und nein zugleich!« »Das verstehe ich nicht.«, sagte Rander. Er schielte zu Parker hinüber und wartete auf dessen Eingreifen. Aber Parker rührte sich nicht. Er hatte seine Hände allerdings zusammengelegt und sie aus Gründen der Bequemlichkeit auf der Wölbung der schwarzen Melone niedergelassen. »Nun ja, sehr einfach.« Hopson lächelte milde und überlegen. »Pete Morgan rief an, um die beiden Detektive vom Haus wegzulocken. Er hat aber keine Ahnung gehabt, daß er nicht weit kommen wird. Sein Wagen wird nämlich in die Luft fliegen. Ich habe ihm eine kleine, nette Bombe unter den Fahrersitz gelegt. Selbstgebastelt!« »Sie wollen ihn loswerden?« »Selbstverständlich. Er würde in Zukunft nur stören.« »Stören!? Wobei?« »Wenn Hilda und ich neu beginnen. Irgendwo. Vielleicht in Europa. Diese Sache mit den gestellten Unfällen ist ausbaufähig, finden Sie nicht auch?« »In der Tat.«, sagte Parker würdevoll, »darf man fragen, wer diese Grundidee hatte?« »Das war Hilda«, sagte Hopson, »ein sehr begabtes Mädchen!« »Und was wird aus Mister Wallant und seinen beiden Mitarbeitern
Benny und Joe?« »Sobald sie Ihre Sekretärin erwischt haben, werden sie abgehalftert.«, sagte Hopson, »wenn man schon einen Schlußstrich zieht, soll man es auch gründlich tun.« Sue Weston befand sich um diese Zeit im Penthouse. Sie saß im Studio und tippte auf der Schreibmaschine. Sie war allerdings nicht ganz bei der Sache. Sie konnte dem Text, den Rander ihr diktiert hatte, keinen Reiz abgewinnen. Sie dachte an Josuah Parker. Sie dachte vor allen Dingen aber an einen gewissen Mike Rander. Sie schreckte hoch, als die Türklingel sich meldete. Sue ging in die große Wohnhalle der Dachgartenwohnung und öffnete den kleinen Wandschrank neben der Tür. Sie schaltete den darin befindlichen Fernseher ein. Es dauerte nur Sekunden, bis das Bild auf dem Schirm erschien. Sue war mehr als überrascht. Vor der getarnten Panzertür zum Dachgarten stand eine Frau, die einen sehr mitgenommenen und abgerissenen Eindruck machte. Es mußte sich um Hilda Hopson handeln. »Ja, bitte?« fragte Sue über die Wechselsprechanlage. »Hilda Hopson. Schnell! Bitte, machen Sie auf! Schnell. Ich werde verfolgt!« Während Hilda redete, sah sie sich 72 �
tatsächlich ängstlich zum Lift um, der hier oben endete. Ihre Angst schien echt zu sein. Sue Weston überlegte einen Moment. Sie schwenkte die im Endkorridor versteckt angebrachte Fernsehkamera und durchforschte jeden Winkel des Raumes, in dem Hilda Hopson stand. Sie war tatsächlich allein. »Kommen Sie«, sagte Sue und drückte auf den elektrischen Türöffner, »gehen Sie durch den Dachgarten zum Penthouse. Ich werde Sie an der Haustür erwarten!« * »Ich muß ehrlich gestehen und einräumen, Mister Hopson, daß ich Sie unterschätzt hatte«, sagte Josuah Parker höflich, »aber ich finde, auch Sie haben ein wenig falsch kalkuliert!« »Bluff! – Nichts als Bluff!« sagte Hopson. Um dann wie von einer Tarantel gestochen zusammenzuzucken. Was wohl damit zusammenhing, daß er plötzlich ohne Maschinenpistole war. Er warf sich wütend herum und prallte mit seinem Kinn gegen die Faust von Mark Coffins. Ben Hopson verdrehte prompt die Augen und rutschte zu Boden. Mark Coffins grinste und nickte
Rander und Parker zu. »Wie auf Bestellung!« sagte Rander erleichtert, »wieso sind Sie hier, Mark?« »Ich war so frei, Sir, Mister Coffins auf Mister Hopson anzusetzen.« antwortete Parker gemessen, »ich muß an dieser Stelle gestehen, daß ich Mister Hopson nie so recht über den Weg traute. Er war einfach zu schusselig, wenn ich diesen etwas lässigen Ausdruck ausnahmsweise einmal verwenden darf.« Mark Coffins griff in seine Hosentasche und legte Hopson, der immer noch ohnmächtig war, Handschellen an. »Bleiben noch Hilda und Morgan«, sagte Rander, »Wallant und die beiden Monteure sind nur Mitläufer.« »Mister Morgan wird sich bald hier einfinden«, meinte Coffins, »und er wird wahrscheinlich gegen Hopson aussagen. Ich habe zwar die Sprengladung unter Morgans Sitz entschärft, aber sie nicht entfernt. Mister Morgan soll wissen, was Hopson mit ihm vorhatte.« »Ausgezeichnet, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf«, sagte Parker, »die Dinge scheinen einem schnellen Ende zuzutreiben. Man sollte die restliche Entwicklung zu Hause abwarten, Sir.« * Hilda Hopsons Plan war einfach, er � 73 �
war dafür aber auch gut. Sie wollte Sue Weston als Geisel verwenden und damit Rander und Parker in eine tödliche Falle locken. Sie verbiß sich ein Lächeln, nachdem sie die schwere Tür zum Dachgarten aufgedrückt hatte. Sie ging schnell auf das Penthouse zu, das auf der rechten Seite des riesengroßen Dachgartens stand. Nur noch wenige Schritte, dann hatte sie es geschafft. Hilda Hopson hatte die schwere Zugangstür zum Dachgarten mit einem Schlüssel aus ihrer Handtasche gesperrt. Sie hatte sich so nicht schließen lassen können. Damit war auch der Zugang für Wallant und die beiden Monteure Benny und Joe frei. Es war ja alles so einfach, wenn man nur gründlich überlegte und sich etwas einfallen ließ. Hilda Hopson hatte die Tür zum Penthouse erreicht. Sie befand sich rechts von der Ziegelwand des Dachhauses, die zur Tür hin in eine aparte Holzverkleidung überging. Links von der Haustür gab es wieder eine kompakte Ziegelwand. Die Fenster dieses Penthouse gingen samt und sonders zum See hinaus. »Kommen Sie bitte!« hörte sie Sues Stimme, »ich bin gerade am Telefon.« Hilda Hopson drückte die nur angelehnte Holztür zum Penthouse auf und betrat einen kleinen Vorkor-
ridor. Sie ging weiter zur Durchgangstür, die ins Haus führen mußte. Hilda wirbelte überrascht herum, als hinter ihr ein leises Klicken zu hören war. Fassungslos starrte sie auf die Wand, die statt der Eingangstür jetzt hinter ihr zu sehen war. Die Tür war nicht mehr vorhanden. Sie war durch eine Wand ersetzt worden. Hilda warf sich zurück, rannte zur Durchgangstür und wollte sie öffnen. Sie war fest und solide. Und sie rührte sich nicht. Hilda Hopson hatte sich selbst gefangen! Für sie gab es kein Entwischen mehr. »Gedulden Sie sich etwas«, sagte Sue über einen Lautsprecher, der in diesem korridorartigen Viereck oben an der Decke installiert war, »Mister Rander und Mister Parker werden sicher bald zurück sein. Nehmen Sie inzwischen mit etwas Musik vorlieb, ja?« Leise, einschmeichelnde Klänge, die die Nerven schonten, rieselten aus dem Lautsprecher auf Hilda herab, die sich vor Zorn und Wut die Lippen blutig biß. * »Damit können wir die Akten schließen«, sagte Madford, der sich im Penthouse befand. »Hopson hat 74 �
Morgan beschuldigt, und der wieder Hopson. Wallant und seine beiden Monteure sitzen ebenfalls hinter Gittern. Das wäre es, würde ich sagen.« »Und die beiden Masseusen, wenn man höflichst fragen darf?« erkundigte sich Josuah Parker. »Die scheinen Eindruck auf Sie gemacht zu haben«, meinte Madford lächelnd, »ich habe sie McLean zum Fraß vorgeworfen. Er darf sie verhören. Sie saßen bei Morgan im Wagen.« »Wo erwischten Sie Wallant und die beiden Monteure Benny und Joe?« wollte Sue Weston wissen. »Unten in Randers Tiefgarage. Sie warteten auf ein Zeichen von Hilda Hopson. Sie fielen aus allen Wolken, als wir dann auf der Bildfläche erschienen. Vielen Dank übrigens für Ihren Anruf, Miß Weston!« »Es war mir ein Vergnügen«, sagte sie lächelnd. »Kann ich mir vorstellen, nachdem Sie Hilda hereingelegt hatten. Ich möchte aber nur wissen, wie Sie sie überlisteten. Das mit der falschen Haustür habe ich nicht begriffen. Ein neuer Trick von Ihnen, Parker?« »In der Tat, Sir«, sagte Parker, »es handelt sich um die Holzverkleidung rechts von der wirklichen
Haustür. Sie hängt auf Schienen und Rollen und kann nach Bedarf nach links verschoben werden. Elektrisch natürlich, worauf ich aber wohl nicht besonders hinzuweisen brauche.« »Natürlich nicht.«, erwiderte Madford lächelnd. »Und wie geht es weiter?« »Die eben erwähnte Holzverkleidung läßt sich also nach links bewegen und verdeckt dann die eigentliche Haustür. Sie gibt dabei eine zweite Haustür frei, die aber nur der Zugang zu einer Kammer ist, die man als improvisiertes Gefängnis bezeichnen könnte. In diese Kammer ließ Miß Weston unseren Gast eintreten und bewegte dann die Holzverkleidung zurück nach rechts, wo sie eigentlich aus architektonischen Gründen auch hingehört.« »Wissen Sie was, Parker«, sagte Madford kopfschüttelnd und anerkennend, »mit Ihnen möchte ich mich nie anlegen. Ich habe so das dumpfe Gefühl, von Ihnen wird jeder über den Löffel balbiert!« »Sie dürfen versichert sein, Sir«, sagte Parker gemessen und würdevoll, »daß ich mich bei Ihnen besonders bemühen würde, um Ihre Erwartungen nicht zu enttäuschen!«
ENDE
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