Parker spielt mit alten Schwarten Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Butler Par...
72 downloads
678 Views
590KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Parker spielt mit alten Schwarten Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Butler Parker war konsterniert. Lady Simpson, die füllige und majestätische Erscheinung, hatte ihr Frühstück beendet und wandte sich plötzlich mit geradezu tragischer Geste an ihn und blickte ihn eindringlich an. Ihre sonst herben und strengen Gesichtszüge waren aus unerfindlichen Gründen weich geworden, hatten einen fast bittenden und beschwörenden Ausdruck angenommen. Dies allein reichte bereits, in Parker eine echte Überraschung auszulösen. Nun räusperte die ältere Dame sich ein wenig und reichte ihm die Hand. »Mylady hegen noch Wünsche?« erkundigte er sich in seiner höflichen Art. »Mein königlicher Herr«, antwortete Lady Agatha, »Ihr seid kein heitrer Wirt...« »Wie Mylady zu meinen belieben«, erwiderte der Butler gemessen und wußte nicht recht, ob er Myladys Hand ergreifen sollte. Vertraulichkeiten dieser Art waren ihm fremd. Er war das Urbild des hochherrschaftlichen Butlers, der schon von sich aus auf Distanz hielt. »Mein königlicher Herr«, wiederholte Agatha Simpson erneut, »Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil, wird das Mahl in seinem Fortgang oft durch Willkomm' erst geschenkt. Man speist am besten daheim, doch auswärts macht die Höflichkeit den
Wohlgeschmack der Speisen, nüchtern wäre Gesellschaft sonst.« »Mylady waren mit dem Frühstück nicht zufrieden; erkundigte sich Josuah Parker. »Ihr habt die Lust verscheucht und die Geselligkeit gestört durch höchst fremdartige Grillen.« Agatha Simpson räusperte sich erneut und blickte ihren Butler streng an. Parker fühlte sich unwohl, zeigte es jedoch nicht. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie das eines professionellen Pokerspielers. Solch eine Ausdrucksweise kannte er nicht, wie Lady Simpson sie gebrauchte. Normalerweise verzichtete sie auf alle sprachlichen Schnörkel und sagte rundheraus das, was sie dachte. Rücksichten waren ihr fremd. »Sollte meine Wenigkeit Myladys Unwillen erregt haben?« erkundigte er sich sicherheitshalber. »Ich bitte Euch, sprecht nicht! Es wird schlimm und schlimmer .. .« Lady Agatha hob ihren rechten Arm. legte die Außenseite ihrer Hand gegen die Stirn und schloß die Augen. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. »Sollten Mylady sich nicht wohl fühlen?« fragte Parker ehrlich besorgt. »Unsinn«, raunzte sie sofort und nahm ihre Hand wieder von der Stirn, »haben Sie denn noch immer nicht begriffen, Mr. Parker?«
»Nicht unbedingt, Mylady«, gestand Josuah Parker erleichtert. Nun war der Tonfall wieder völlig normal. »Ich habe zitiert, Mr. Parker«, redete die ältere Dame weiter, »es handelte sich um einen klassischen Text.« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit ungemein erleichtert.« »Sie haben den Text nicht erkannt, Mr. Parker? Ich muß mich doch sehr wundern!« »Könnte es sich möglicherweise um Shakespeare handeln, Mylady.« »Getroffen«, erwiderte sie und nickte beifällig, »aber Sie wissen natürlich nicht, um welches Drama es sich handelt, oder?« »Mylady sehen meine bescheidene Person momentan ein wenig rat- und hilflos«, gestand der Butler. »Macbeth«, sagte sie, »ich arbeite an der Rolle der Lady Macbeth, Mr. Parker. Und Sie müssen zugeben, daß ich die Rolle bereits beherrsche.« »Mylady waren in der Tat überzeugend.« Parker hütete sich, auch nur die Andeutung einer Kritik laut werden zu lassen. »Ich arbeite gerade an der Wahnsinnsszene, Mr. Parker«, verkündete sie und stand auf. Sie drapierte den weiten Morgenmantel um ihre Fülle, » und wissen Sie auch, warum ich mich mit dieser Rolle befasse?« »Mylady dürften damit eindeutig eine bestimmte Absicht verfolgen«, antwortete Josuah Parker. Er ahnte schreckliche Dinge. »Ich werde die Lady Macbeth spielen, Mr. Parker«, sagte sie stolz und präsentierte ihren üppigen Busen, »ich habe beschlossen, die Theaterwelt zu verblüffen.«
»Mylady werden keinerlei Schwierigkeiten haben«, wußte Josuah Parker bereits im voraus. »Ich werde die Leute staunen lassen«, prophezeite Lady Agatha, »ich werde selbstverständlich neue Maßstäbe setzen.« Man wird Mylady möglicherweise zu Füßen liegen«, übertrieb der Butler. »Natürlich«, wußte sie und nickte wohlwollend, »ich werde mir ein Theater mieten und einige Schauspieler engagieren. Ich werde Geschichte machen und demonstrieren, wie man die Lady Macbeth wirklich spielen muß.« »Die Kritiker der Welt werden Mylady feiern«, sagte Parker, »Mylady beabsichtigen, sich in Zukunft nicht mehr der Aufklärung von Kriminalfällen zu widmen?« »Natürlich«, entgegnete sie, »ich werde nur noch der großen Kunst leben, Mr. Parker. Ich habe meine wirkliche Berufung gefunden!« »Myladys Erlaubnis voraussetzend, möchte meine Wenigkeit sich erkühnen, Mylady zu diesem Entschluß zu gratulieren.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und glaubte ihr kein Wort. »Auch für Sie, Mr. Parker, wird ein völlig neues Leben beginnen«, sagte Agatha Simpson umgehend und lächelte. »Mylady erwecken Neugier in meiner Person.« »Sie werden mir beim Einstudieren der Rolle die Stichworte geben«, ordnete sie an, »besorgen Sie sich ein Textbuch, Mr. Parker. Und dann brauche ich noch zeitgenössische Schriften zur Rolle der Lady Macbeth. Ich sagte Ihnen ja bereits, ich werde
eine völlig neue Auffassung präsentieren.« Sie schritt zur geschwungenen Treppe, die ins Obergeschoß des altehrwürdigen Fachwerkhauses führte, blieb unten an der ersten Stufe stehen und blickte den Butler plötzlich aus großen Augen an, die Tragik und Furcht ausdrücken sollte. »Zu Bett«, erklärte sie dann, »daß selbstgeschaffenes Grauen mich quält, ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt! Wir sind noch jung im Handeln.«. »Wie Mylady zu meinen belieben«, antwortete Josuah Parker, der den sicheren Eindruck hatte, daß seine Herrin gerade erneut zitierte. * »Gott, was war das?« erkundigte sich Mike Rander. Der Anwalt war zusammen mit Kathy Porter aus der Bibliothek des Hauses gekommen und verfolgte die ältere Dame mit erstauntem Blick. Lady Agatha hatte die Galerie erreicht und verschwand im Korridor. »Das hörte sich nach Shakespeare an«, sagte Kathy Porter nachdenklich. »Lady Macbeth«, antwortete der Butler, »Mylady beabsichtigt, jene Bretter zu erobern, die die Welt bedeuten sollen.« »Das war aber ein Zitat von Macbeth, nicht von seiner Frau«, meinte Kathy Porter und lächelte. »Mylady dürfte es mit den Texten wohl nicht so genau nehmen«, ahnte der Butler, der dann ausführlich von den Absichten seiner Herrin berichten mußte.
Mike Rander, der vor Jahren zusammen mit Parker viele Abenteuer erlebte, war nach seinem Aufenthalt in den USA auf die Insel zurückgekehrt und verwaltete das beträchtliche Vermögen der älteren Dame. In der nahen Curzon Street bewohnte er ein Backsteinhaus, in dem sich auch seine Anwaltskanzlei befand. Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, ging ihm dabei zur Hand. Zwischen ihr und Mike Rander hatte sich im Lauf der Zeit eine Beziehung entwickelt, die von Lady Agatha mit großer Freude und Genugtuung beobachtet wurde. Die ältere Dame tat alles, um diese Verbindung zu fördern. Sie träumte davon die lieben Kinder, wie sie Mike Rander und Kathy Porter bezeichnete, miteinander zu verheiraten. »Falls Lady Simpson das durchsteht, werden ruhige Zeiten auf uns zukommen, wie?« fragte Rander und blickte Parker an. »Meine Wenigkeit wurde soeben als Stichwortgeber verpflichtet«, meinte der Butler. »Viel Spaß«, erwiderte Rander und lächelte ironisch, »aber Sie haben ja bekannterweise starke Nerven Parker. Sie werden es überleben.« »Offen gesagt, Sir, die Aufklärung von Verbrechen wäre sicher nervenschonender.« »Vielleicht haben Sie Glück, Parker. Stellen Sie sich mal vor, Sie würden als Darsteller engagiert. Wäre es nicht traumhaft, an Myladys Seite auf der Bühne zu stehen?« »Sir, Sie erwecken in meiner Wenigkeit Gefühle, die man nur als ungut bezeichnen kann.«
»Wie wäre es denn mit der Rolle des Macbeth?« stichelte Rander weiter und zwinkerte Kathy Porter zu, »Sie würden sich bestens machen.« »Sir, Sie versetzen meine Wenigkeit in eine gewisse Panik«, gestand der Butler. »Sie erlauben, daß man sich zurückzieht, zumal Mylady auf Bücher wartet, die sich auf ihre selbstgewählte Rolle beziehen?« »Ich erlaube«, gab Rander zurück und verbeugte sich in komischer Eleganz, »aber lassen Sie sich die Sache mit der Rolle des Macbeth noch mal gründlich durch den Kopf gehen, Mylady und Sie wären ein reizvolles Paar!« Butler Parker war erleichtert, als er etwa zehn Minuten später in seinem hochbeinigen Monstrum saß und von Shepherd's Market aus in die City von London fuhr. Er glaubte zu wissen, wo er jene Bücher erhielt, die Mylady von ihm erwartete. Sein Ziel war eine Bibliothek in der Nähe der Fleet Street. Sie gehörte einem gewissen John Waters, der eine angesehene Buchhandlung betrieb und als Kenner der Literatur galt. Parker hatte die Absicht, diesem John Waters mitzuteilen und ihn um Hilfe zu bitten, was die von Mylady erwarteten Bücher betraf. Während der ganzen Fahrt ging Parker nicht aus dem Kopf, was Mike Rander ihm ironisch vorgeschlagen hatte. Parker fürchtete, daß seine Herrin von sich auf den Gedanken kam, ihm eine Rolle zu übertragen. Josuah Parker befaßte sich mit der Möglichkeit, in solch einem Fall auszuwandern. *
Das dunkle Ladengewölbe war eine Oase der Stille. Parker passierte die langen, mit Büchern gefüllten Regale und hielt Ausschau nach einem Verkäufer oder John Waters. Kunden waren nicht zu sehen, und Parker gestattete sich ein lautes Räuspern. Er wollte auf sich aufmerksam machen, hatte aber keinen Erfolg damit. Da er in der Vergangenheit schon einige Male in diesem Gewölbe war, schritt er weiter, passierte eine Art Querschiff und näherte sich dem Glasverschlag am Ende des Hauptgewölbes. Dort pflegte John Waters sich aufzuhalten. Er war auch jetzt dort, doch er lag auf dem Boden und blutete aus einer Kopfwunde. Der Butler dachte an einen Unfall, beugte sich nieder und wollte sich um den Buchhändler kümmern. Dabei nahm er den altväterlich gebundenen Regenschirm von seinem angewinkelten linken Unterarm, legte ihn auf einen Aktenbock und hörte dann plötzlich im Magazin hinter dem Glasverschlag ein Geräusch, das ihm irregulär erschien. Parker richtete sich wieder auf und wechselte zur Tür des Magazins, dessen eisenbeschlagene Tür halb geöffnet war. »Hallo?« rief Parker verhalten, stieß die Tür vollends auf und kam jetzt erst auf die Vermutung, daß John Waters vielleicht doch keinen Unfall erlitten hatte. Parker schob sich vorsichtig ins Magazin und ... sah plötzlich nichts mehr. Diese Tatsache hing mit seiner schwarzen Melone zusammen, die man ihm tief in die Stirn getrieben hatte. Parker ging unter der Wucht des
harten Schlages in die Knie, reagierte aber sofort geistesgegenwärtig und ließ sich seitlich fallen. Mit der linken Schulter stützte er sich dabei gegen ein Regal und griff gleichzeitig mit der rechten, schwarz behandschuhten Hand nach seiner Kopfbedeckung, um sie wieder in die normale Lage zu bringen. Er verfolgte damit auch die Absicht, sein Sehvermögen wiederherzustellen. Nur so war er schließlich in der Lage, sich auf den nächsten Angriff zu konzentrieren. Parker konnte sich nicht vorstellen, daß man ihn schonen würde. Er dachte an John Waters im Glasverschlag, der immerhin aus einer Kopfwunde blutete. Der Butler konnte die schwarze Melone genau im richtigen Moment wieder nach oben drücken. Schräg vor sich machte er die Umrisse einer Person aus, die die Hände zum nächsten Schlag erhob. In diesen Händen befand sich augenscheinlich ein dickes Buch, das mit Sicherheit das Gewicht eines Vorschlaghammers hatte. Parker besaß die Nerven, diesen Schlag abzuwarten. Als die Person den Folianten erneut auf seinen Kopf setzen wollte, rollte der Butler sich noch mal seitlich weg und entging dem Schlag, der ihn bestimmt außer Gefecht gesetzt hätte. Parker hörte einen Fluch, als der Foliant sein Ziel verfehlte. Die Gestalt wandte sich hastig ab und ergriff die Flucht. Parker erhob sich und verzichtete auf jede Verfolgung. Unnötige Hast war ihm fremd, zudem war der Vorsprung des Mannes schon zu groß. Daß es sich um einen Mann handelte, wußte er inzwischen. Er hatte deutlich eine Männerstimme ausgemacht.
Weit hinten im Magazin fiel eine Tür ins Schloß. Der Mann hatte sich endgültig abgesetzt und das Weite gesucht. Parker vergewisserte sich, daß die Melone korrekt auf dem Kopf saß, schnipste einige Stäubchen von seinem schwarzen Covercoat und begab sich zu John Waters. Der Buchhändler war inzwischen zu sich gekommen und stöhnte. Er wollte sich aufrichten, doch ohne Parkers Hilfe hätte er es kaum geschafft. Waters öffnete die Augen, und blickte Parker verblüfft an.' »Darf man sich nach Ihrem werten Befinden erkundigen, Mr. Waters?« fragte der Butler. »Mr. Parker ...?« »Meine bescheidene Wenigkeit, Mr. Waters. Sie wurden das bedauernswerte Opfer eines Überfalls?« »Der Kerl stand plötzlich hier hinter mir«, erklärte John Waters. Er war etwa sechzig, mittelgroß und hager. Er faßte nach der blutenden Verletzung am Hinterkopf und stöhnte, als Parker ihn behutsam in den Bürosessel drückte. »Beraubte man Sie gewisser Barmittel?« fragte Parker, der sich im Glasverschlag bereits umgeschaut hatte. Der Butler deutete auf eine zerbeulte Blechkassette. »Wenn schon«, meinte John Waters, »viel war nicht in der Kasse, nur ein paar Pfund.« »Wenn Sie erlauben, wird man einen kurzen Blick in besagte Kasse werfen«, sagte Josuah Parker, um dann umgehend den Inhalt der Kassette zu überprüfen. »Sie sind in der glücklichen Lage, keinen Verlust für sich verbuchen zu
müssen«, meldete der Butler wenige Augenblicke später. »Dann begreife ich überhaupt nichts mehr«, entgegnete Waters und blickte auf das Taschentuch, das er gegen die Platzwunde am Kopf gepreßt hatte, »warum bin ich dann niedergeschlagen worden?« »Es könnte sich nicht um einen persönlichen Feind gehandelt haben?« »Aber nein, mit wem sollte ich schon verfeindet sein, Mr. Parker? Ich habe keine Feinde und ...« Das Telefon meldete sich in diesem Augenblick. Der Buchhändler hob ab, stutzte einen Moment und reichte dann den Hörer an Parker weiter. »Ich muß Ihrer Geste entnehmen, daß man meine Wenigkeit zu sprechen wünscht«, sagte Parker, um sich dann in die Verbindung einzuschalten. »Parker, sind Sie's?« fragte eine schneidend klingende Männerstimme. »Ohne jeden Zweifel«, erwiderte der Butler, »die Form Ihrer Anrede läßt übrigens den Schluß zu, daß Sie die sprichwörtliche Kinderstube im Eiltempo durchmessen haben.« »Zum Teufel mit Ihrer Kinderstube, Parker! Hören Sie jetzt mal genau zu, klar? Ich lasse mir von Ihnen nicht die Tour vermasseln, ist das kapiert worden?« »Sie erwecken in mir ein gewisses Unverständnis.« »Ich hab' keine Ahnung, wieso und warum Sie sich an mich gehängt haben, Parker, aber hüten Sie sich! Das nächste Mal knall' ich Ihnen nicht nur 'ne alte Schwarte auf den Kopf!« »Sie deuten eine Steigerung Ihrer Methoden an?« »Beim nächsten Mal, Parker, gibt's blaue Bohnen. Also, halten Sie sich
'raus und spielen Sie nicht mit Ihrem Leben.« »Sie könnten meiner Wenigkeit nicht freundlicherweise andeuten, wer Sie sind?« »Na schön«, lautete die Antwort. Die schneidende Stimme ging in ironisches Lachen über, »ich bin der Maulwurf. Und jetzt können Sie mal rumrätseln, wer ich sein könnte.« »Sie sind unlogisch«, stellte Parker in seiner höflichen Art fest, »vor wenigen Augenblicken deuteten Sie erst an, daß man sich kennt.« »Zerbrechen Sie sich mal ruhig den Kopf, Parker.« Es klickte in der Leitung. Auf der Gegenseite war aufgelegt worden. Parker tat dies nun ebenfalls und wandte sich wieder dem Buchhändler zu, der gerade erneut sein Taschentuch gegen die Platzwunde drückte. »Es geht schon wieder«, sagte John Waters, »es blutet nicht mehr.« »Sie sollten vielleicht dennoch einen Arzt aufsuchen«, schlug Josuah Parker vor, »doch vorher möchte ich noch einen flüchtigen Blick ins Magazin werfen, wenn es erlaubt ist.« »Ich komme mit«, sagte Waters, »vielleicht ist was gestohlen worden, Mr. Parker.« »Sie verwahren dort kostbares Gut?« »In einem Stahlschrank.« Der Buchhändler nickte. »Darin verwahre ich bibliophile Kostbarkeiten auf.« »Was, bitte, sollte man sich darunter vorstellen?« wollte Josuah Parker wissen. »Alte Bücher, Erstausgaben, Stahlstiche und Landkarten«, meinte John Waters, »aber ich kann mir kaum denken, daß der Täter hinter diesen Dingen her gewesen ist.«
»Gibt es Gründe für diese Annahme, Mr. Waters?« wollte Parker wissen und deutete dann auf den Schrank, dessen Türen weit geöffnet waren. Vor dem Schrank lagen alte Folianten, Karten und Stahlstiche wüst durcheinander. John Waters seufzte. * »Das klingt aber sehr interessant«, meinte Agatha Simpson anderthalb Stunden später. Parker war in das große und alte Fachwerkhaus der Lady Simpson zurückgekommen und hatte gerade Bericht erstattet. »Haben Sie die Bücher für Mylady mitgebracht?« fragte Mike Rander nicht ohne Grund. »Was für Bücher?« erkundigte sich die passionierte Detektivin. »Sachliteratur zu Macbeth«, erinnerte Kathy Porter. Sie tat so harmlos wie Mike Rander. Beide wollten Lady Agatha nur ein wenig auf die Probe stellen. Sie hatte schließlich angekündigt, sich nur noch der Kunst zu widmen. »Mr. Waters wird eine kleine Sammlung zusammenstellen, sobald er sich dazu wieder in der Lage fühlt«, beantwortete der Butler die Frage, um sich dann wieder Mylady zuzuwenden, »können Mylady unter Umständen noch solange warten?« »Dieser Täter war also hinter alten Büchern her«, sagte Agatha Simpson und runzelte die Stirn, »aber gestohlen hat er nichts, wie?« »Augenscheinlich nicht«, erwiderte Josuah Parker, »Mr. Waters wird aber noch eine genaue Sichtung vornehmen.«
»Was halte ich davon, Mr. Parker?« wollte sie prompt wissen. »Mylady halten diesen Überfall für rätselhaft«, erwiderte der Butler. »Das kann man wohl sagen«, sagte sie und nickte, »hatte ich in der Vergangenheit schon mal mit einem Maulwurf zu tun, Mr. Parker?« »Meine Wenigkeit kann sich an dies nicht erinnern, Mylady.« »Eben«, redete sie weiter, »von einem Maulwurf habe ich bisher auch noch nie etwas gehört.« »Möglicherweise nannte der Anrufer diesen Namen, um Mylady zu täuschen.« »Und dabei hat er mit Zitronen gehandelt«, äußerte Mike Rander, »er weiß schließlich nicht, daß Lady Simpson ab sofort nur noch Schauspielerin sein wird.« »Und das ist ein guter Entschluß«, fügte Kathy Porter hinzu und zwinkerte Mike Rander zu. »Nun, man soll niemals nie sagen«, erwiderte die ältere Dame umgehend, »und man sollte nicht alles wörtlich nehmen. Schließlich hat man mir da in der Buchhandlung den Fehdehandschuh hingeworfen.« »Ihnen, Mylady?« staunte Kathy Porter sichtlich. »Mir, mein liebes Kind. »Die ältere Dame nickte nachdrücklich, »natürlich auf dem Umweg über Mr. Parker, um genau zu sein.« »Sie fühlen sich herausgefordert?« fragte Mike Rander erstaunt. »Und wie, mein lieber Junge«, bestätigte sie, »ich kann es nicht dulden, daß man Mr. Parker einfach brutal niederschlägt. Das gleicht einer Kampfansage an mich!«
»Mylady sind zu gütigst«, warf Butler Parker ein, »aber Mylady sollten sich von ihren Absichten nicht abbringen lassen, die Rolle der Lady Macbeth zu spielen.« »Ich werde beides tun«, erklärte sie, »man kann das eine tun und braucht das andere nicht zu lassen.« »Sie wollen die Rolle der Lady Macbeth studieren«, fragte Kathy Porter ungläubig. »Aber selbstverständlich, meine Liebe«, antwortete die ältere Dame selbstbewußt, »das ist doch die einfachste Sache der Welt. Während ich den Kriminalfall löse, werde ich die Rolle memorieren. Das läßt sich gut miteinander verbinden.« Kathy Porter und Mike Rander tauschten schnell einen amüsierten Blick, während Parker höflich zu Boden schaute. Er ahnte wieder mal, was da auf ihn zukam. »Haben Sie diesen Bücherwurm davon abgebracht, sich an die Polizei zu wenden?« fragte Lady Agatha ihren Butler. »Dies, Mylady, war nicht notwendig«, erwiderte Josuah Parker. »Mr. Jon Waters wollte von sich aus den Zwischenfall nicht an die große Glocke hängen, wie er sich ausdrückte.« »Dann kein Wort zu McWarden«, erklärte Lady Agatha, »ich werde mir auch diesen Fall nicht aus der Hand nehmen lassen, meine Lieben. Die Stunde des Maulwurfs ist gekommen, erfaß' ich ihn, so werd' ich keine Gnade kennen und ihn dem Richter überliefern.« »Donnerwetter«, meinte der junge Anwalt, »stammt das auch aus >Macbeth<, Mylady?«
»Unsinn, erwiderte sie lächelnd, »das war von mir. Ich lebe bereits in meiner neuen Rolle, mein Junge! Ich weiß bereits jetzt, daß ich großen Erfolg haben werde...« * »Könnte er nach einem bestimmten Buch gesucht haben?« fragte Mike Rander, als er mit Josuah Parker in die City zurückfuhr. Lady Agatha hatte sich zum Rollenstudium in ihr Studio zurückgezogen, wie sie laut und deutlich verkündet hatte. Tatsächlich jedoch saß sie wohl vor dem Fernsehgerät und sah sich einen Video-Film an. Seitdem sie ein solches Gerät angeschafft hatte, lief der VideoRekorder auf Hochtouren. Agatha Simpson plante immer noch, einen Bestseller zu schreiben und hatte die feste Absicht, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen. Sie wußte, daß sie besser sein würde, als die in aller Welt bekannte Kriminalschriftstellerin. . Dies jedenfalls behauptete sie unentwegt und war auch bereit, den Beweis dafür anzutreten. Mylady suchte allerdings vorerst noch nach einem passenden Stoff für ihr Buch. Kathy Porter war ebenfalls im Fachwerkhaus in Shepherd's Market zurückgeblieben. Sie wollte noch einige Briefe schreiben und zudem das Telefon bedienen. »Sie sprachen gerade von jener Person, Sir, die sich Maulwurf nennt?« fragte der Butler zurück. »Wie auch immer«, redete der Anwalt weiter. Er war vierzig, groß und schlank und erinnerte ein wenig an einen bekannten James-Bond-
Darsteller. Randers Manieren waren lässig bis phlegmatisch, doch er konnte sich blitzschnell in einen harten Einzelkämpfer verwandeln, wenn man ihn angriff. »Dieser komische Maulwurf muß Sie kennen«, stellte Mike Rander fest, der neben Parker im hochbeinigen Monstrum des Butlers saß. »Er hätte sonst wohl kaum angerufen.« »Diese Tatsache, Sir, kann und sollte man unterstreichen.« »Und der scheint Sie auch zu fürchten, sonst wäre er Ihnen am Telefon nicht mit dieser Drohung gekommen.« »Ich möchte Ihnen nach wie vor beipflichten.« »Um einen miesen kleinen Dieb kann's sich also nicht gehandelt haben. Solch ein Typ würde sich auch kaum einen Kriegsnamen zulegen.« »Sie unterstreichen alle Punkte, Sir, auf die es ankommt.« »Also dürfte er etwas Bestimmtes gesucht haben, Parker. Und da er in einem Buchladen war, kann es sich nur um ein Buch handeln.« »Solch eine Gedankenkette, Sir, drängt sich förmlich auf.« »John Waters wird mit uns die Schwarten im Stahlschrank durchgehen«, redete der Anwalt weiter, »und dann werden wir unsere Schlüsse ziehen. Ich wette, Parker, Sie haben sich bereits eine erste Theorie gebildet, oder?« »In Ansätzen, Sir, zwischen dem Niederschlag Mr. Waters und meinem bescheidenen Auftauchen in den Gewölben müssen schätzungsweise zehn Minuten gelegen haben, wie eine Befragung Mr. Waters' ergab. Innerhalb dieser Minuten hat der Täter sich ausschließlich mit dem
Stahlschrank befaßt und darin gesucht.« »Damit dürfte klar sein, daß er nach einem bestimmten Buch fahndete«, faßte Mike Rander zusammen, »haben Sie sich schon danach erkundigt, ob in der Unterwelt ein Kerl namens Maulwurf bekannt ist?« »Man setzte sich bereits mit Mr. Horace Pickett in Verbindung, Sir.« »Aha, unser ehemaliger Meister in Sachen Taschendiebstahl«, antwortete Mike Rander und lachte leise. »Ein Meister seines Faches, Sir, der auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist.« »Ich weiß, Parker, ich weiß. Sie sollten doch inzwischen wissen, daß ich Pickett durchaus schätze. Hat er etwas herausgefunden? « »Nichts, Sir. Mr. Pickett wird jedoch weiterforschen und seine Beziehungen von früher spielen lassen.« »Warum interessiert man sich für alte Bücher?« sinnierte Mike Rander halblaut. »Ich denke jetzt nicht an echte Liebhaber, sondern an Kriminelle.« »Alte Bücher, Stiche und Landkarten können unter Umständen einen beträchtlichen Wert darstellen. Es gibt Sammler, die dafür horrende Summen zahlen.« »Der Täter hat aber kostbare Folianten einfach auf den Boden geworfen und wühlte noch, als Sie auf der Bildfläche erschienen, Parker. Warum hat er die alten Schwarten nicht einfach in einen Koffer befördert um sie dann später abzutransportieren?« »Er suchte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach einer ganz bestimmten Ausgabe, Sir.«
»Das ist es nämlich, Parker! Er suchte nach einem einzigen Buch!« »Man wird den Bestand im Stahlschrank zusammen mit Mr. Waters sichten müssen«, antwortete der Butler. Er steuerte sein hochbeiniges Monstrum, wie sein uralter Privatwagen spöttisch genannt wurde, durch die schmale Straße, in der sich der Buchladen befand. Wenig später trat Parker auf das Bremspedal und hielt. »Geschlossen«, sagte er, »Mr. Waters scheint den Überfall physisch und psychisch noch nicht ganz verwunden zu haben.« »Aber wir wollten uns doch hier treffen, oder? Sie riefen ihn an, Mr. Parker.« »In der Tat, Sir«, antwortete der Butler, »man kann nur hoffen, daß Mr. Waters dieses Schild an der Tür höchst eigenhändig angebracht hat.« * »Hallo, Waters, wo sind Sie?« rief Mike Rander, nachdem Butler Parker die Tür geöffnet hatte. Sie war nicht verschlossen gewesen. Im Gewölbe herrschte Dunkelheit, obwohl es erst auf Mittag ging. »Wo, zum Teufel, mag der alte Bücherwurm stecken?« fragte Rander weiter. Auch er kannte den Buchhändler von einigen Besuchen her. Während Mike Rander Parker einen warnenden Blick zuwarf, ging er weiter, sorgte aber dafür, daß er nicht aus der Tiefe des Gewölbes aufs Korn genommen werden konnte. »Mr. Waters scheint sich ein wenig verspätet zu haben«, erwiderte Josuah Parker, der ebenfalls sehr aufmerksam
war. Er hatte seinen schwarzen Covercoat geöffnet und auch die Knöpfe seines Zweireihers. Seine rechte, schwarz behandschuhte Hand griff nach einem der vielen Kugelschreiber, die sich in den Westentaschen befanden. Parker rechnete längst mit einer Falle und fürchtete, daß dem Buchhändler erneut etwas passiert war. Um aber lauernde Gegner zu verwirren und an möglicherweise gezielten Schüssen zu hindern, entschied er sich für eine Miniatur-Blitzlichtbombe. Er nahm den betreffenden Kugelschreiber in die Hand und entsicherte den Auslösermechanismus. »Es empfiehlt sich, Sir, die Augen zu schützen«, sagte Parker dann und ... warf den Kugelschreiber weit in die Tiefe des Gewölbes. Während das angebliche Schreibgerät noch durch die Luft flog, ergriff die Hand den Rand seiner schwarzen Melone und brachte die Kopfbedeckung dicht vor das Gesicht. Gleichzeitig schloß er fest die Augen. Dennoch, Parker wurde intensiv geblendet. Nachdem der Kugelschreiber fast in der Höhe des Glasverschlages auf dem Steinboden aufgeschlagen war, schien eine kleine, intensiv strahlende Sonne zu explodieren. Parkers Netzhaut schmerzte. Er sah nach einer weißen Leere bunte Kreise und war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Schritt zu tun. »Guter Gott«, sagte Rander halblaut, »das hat mal wieder gereicht, Parker.« »In der Tat, Sir«, gab der Butler zurück, »darf man sich erlauben, Sie auf ein deutliches Stöhnen aufmerksam zu machen?«
»Tatsächlich.« Rander hatte die Ohren gespitzt, hörte das Stöhnen und dann einen dumpfen Fall, der von einem wüsten Fluch abgelöst wurde. Parkers Augen hatten sich inzwischen wieder einigermaßen an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt. Er ging vorsichtig weiter und entdeckte im letzten Moment vor sich einen Bücherstapel, der förmlich aus dem Boden wuchs. Parker umging das Hindernis, näherte sich dem Glasverschlag und entdeckte dann hinter der Tür zum Magazin eine Gestalt, die verzweifelt mit den Händen in der Luft herumfuchtelte. Auf dem Boden machte er eine zweite Gestalt aus, die sich über eine Bücherkiste gelegt hatte und einem nassen Handtuch glich. Die beiden Männer im Magazin konnten noch immer nichts sehen, was allerdings auch kein Wunder war. Ohne jede Vorwarnung waren sie geblendet worden und hatten das grellweiße Licht voll hinnehmen müssen. Josuah Parker verzichtete auf Höflichkeiten, die in dieser Situation wirklich nicht angebracht waren. Mit dem Bambusgriff seines UniversalRegenschirms, der mit Blei ausgegossen war, klopfte er bei beiden Gestalten höflich an und wählte sich als Ziel die Stirn des ersten Mannes, der sofort Wirkung zeigte und zu Boden ging. Den zweiten Magazinbesucher behandelte Parker auf ähnliche Weise, diesmal jedoch wählte er den Hinterkopf des Mannes, der sich nach dem Anklopfen restlos entspannte und über der an sich großen Bücherkiste liegen blieb.
»Wo stecken Sie, Parker?« rief Mike Rander. Er befand sich neben dem Glasverschlag und traute sich nicht weiter. »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich Ihnen meine hilfreiche Hand leihen«, antwortete der Butler. Er wartete diese Erlaubnis allerdings nicht ab, sondern führte den Anwalt in den Glasverschlag und drückte ihn in einen einfachen Bürosessel aus Holz. »Wie lange werde ich noch bunte Kreise sehen?« erkundigte sich Rander. »Einige Minuten, Sir, werden Sie den Vorzug noch genießen können«, lautete Parkers Antwort, »inzwischen könnte meine Wenigkeit sich mit den beiden Männern befassen, die sich augenscheinlich unbefugt im Magazin aufhalten.« »Zwei Männer? Etwa dieser Maulwurf?« »Dies, Sir, wird man noch eruieren müssen«, entgegnete Josuah Parker in seiner höflichen Art. Er ging zurück in das Magazin und durchsuchte es. Dabei hatte er Gelegenheit, sich die Gesichter der beiden Bücherfreunde aus nächster Nähe anzusehen. Es waren rohe Visagen mit niedriger Stirn und eng stehenden Augen. In einem Kriminalfilm hätte, man die Männer ohne weiteres als Vertreter der Unterwelt eingesetzt. Parker fand zwei Schlagringe, zwei Springmesser und einen kleinen Stahldorn, wie man ihn zum Öffnen von Milchdosen benutzt. Der Butler nutzte die geistige Abwesenheit der beiden Gestalten, um sich nach Verpackungsmaterial für sie umzusehen. Er entschied sich für ein zähes, breites Klebeband aus Kunststoff und
verschnürte damit die Handgelenke der Männer. »Wen haben wir denn da?« Mike Rander war ins Magazin getreten und hielt die Augen bis auf schmale Schlitze geschlossen. »Es dürfte sich um zwei ordinäre Kriminelle handeln, Sir«, beantwortete der Butler die Frage, »meiner bescheidenen Ansicht nach wollten Sie nur einen Auftrag ausführen, der von dem bereits mehrfach erwähnten Maulwurf stammt. »Und was ist mit Waters, Parker?« »Vielleicht gibt es Kellerräume, Sir, in denen man nach Mr. Waters suchen sollte.« * Sie fanden John Waters in schlechtem Zustand. Er lag in seinem engen, stickigen Keller und mußte dann förmlich nach oben getragen werden. Es dauerte einige Zeit, bis er die ersten Fragen des Anwalts beantworten konnte. Ja, er war plötzlich von den beiden Männern überfallen und in den Keller geprügelt worden. Nein, sie hatten keine Fragen an ihn gestellt. »Waren Sie inzwischen in der Lage, Mr. Waters, einen kurzen Blick in den Stahlschrank zu werfen?« fragte Josuah Parker. »Ich begreife das alles nicht«, beschwerte sich John Waters, »warum plötzlich diese Überfälle? Ich bin doch nun wirklich nicht reich. Auch die Bücher drüben im Stahlschrank stellen kein Vermögen dar, auch nicht für einen eingefleischten Sammler.«
»Haben Sie vielleicht in jüngster Zeit irgendwelche Bücher angekauft? « fragte Mike Rander. »Das allerdings.« John Waters nickte. »Es handelte sich um zwei Frühausgaben von Shakespeare, aber bibliophile Kostbarkeiten sind das nicht gewesen.« »Diese beiden Bücher würde ich mir gern mal aus der Nähe ansehen«, bat Rander, »kommen Sie, Waters, wir werden Ihnen helfen.« Der Buchhändler blieb betroffen stehen, als sein Blick auf die beiden Männer fiel, die inzwischen wieder zu sich gekommen waren, ihre Augen aber fest geschlossen hielten. Sie saßen dicht nebeneinander auf den Steinplatten des Bodens, hatten die Näherkommenden gehört und zogen unwillkürlich die Köpfe ein. »Zu Ihnen später, meine Herren«, sagte Josuah Parker zu den Kriminellen, um sich dann John Waters zuzuwenden, »verfügen Sie über einen passenden Verschlag, in den man die beiden Besucher stecken könnte?« »Der Raum für das Putzgerät«, antwortete Waters und deutete auf eine Tür im Hintergrund. Parker bat die Kriminellen, sich von ihren Plätzen zu erheben, was sie allerdings nur mühsam schafften. Anschließend führte er sie in den kleinen, engen Raum, wo er sie auf Putzeimer drückte und dann die Tür hinter ihnen schloß. Danach ging er zurück zu Mike Rander, der mit Waters vor dem Stahlschrank stand. »Waters nimmt an, daß man die Bücher dort in der Kiste wegschaffen wollte«, meinte Rander und deutete auf einen solchen Behälter.
»Ich habe sie nicht dorthin gestellt«, schaltete der Buchhändler sich ein, »und sehen Sie, Mr. Parker, ein Teil der Bücher aus dem Schrank ist bereits in der Kiste.« »Dann sollte man auch noch die restlichen Bücher einpacken, wenn ich diesen Rat erteilen darf«, schlug Josuah Parker vor und blickte Mike Rander an. Der Anwalt nickte und wartete auf Waters Antwort. »Sie wollen die Bücher mitnehmen?« fragte Waters erstaunt. »Man wird sie pfleglich behandeln, Mr. Waters«, versicherte der Butler gemessen. »Was ist denn mit diesen Büchern?« fügte Waters fast verzweifelt hinzu. »Ich kann mir das plötzliche Interesse einfach nicht erklären. Sehen Sie doch, das dort sind die beiden Shakespeare-Ausgaben. Ich wiederhole noch mal, besondere Kostbarkeiten sind es gerade nicht.« »Auch jene Bände würde man mitnehmen, zumal Lady Simpson gerade an Shakespeare interessiert ist.« »Okay, nehmen Sie von mir aus alles mit«, sagte Waters entschlossen, »ich kann nur hoffen, daß ich dann meine Ruhe habe.« »Wie schaffen wir die Kiste weg, Parker?« fragte der Anwalt. »Wenn Sie gestatten, Sir, wird man sich um eine passende Transportmöglichkeit bemühen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und begab sich zurück in den Glasverschlag, um von dort aus einen Spediteur anzurufen. Er hatte das kleine Büro von John Waters noch nicht ganz erreicht, als das Telefon läutete.
»Buchhandlung Waters«, meldete sich der Butler, nachdem er abgehoben hatte. »»Waters? Sind Sie es etwa, Parker?« »In der Tat«, erwiderte der Butler, »und was Sie betrifft, hat man es gewiß mit dem sogenannten Maulwurf zu tun?« »Haben Sie etwa meine Warnung vergessen?« fragte die schneidende Stimme gereizt. »Hören Sie, Parker, ich scherze nicht!« »Sie sprachen von blauen Bohnen, um genau zu sein.« »Ist was passiert? Ich meine, in dieser Buchhandlung? « »Keineswegs und mitnichten«, gab der Butler zurück, »man erfreut sich allgemein der besten Gesundheit.« »Nicht mehr lange«, behauptete der Mann am anderen Ende der Leitung, der sich Maulwurf nannte, »wenn Sie die Buchhandlung verlassen, werden Sie sterben, darauf gebe ich Ihnen jede Garantie!« * »Reiner Bluff«, meinte der Anwalt, nachdem der Butler ihn informiert hatte. John Waters bekam nichts davon mit. Wegen eines kleinen Schwächeanfalls hatte er sich auf einen Stapel Bücher gesetzt und lehnte mit dem Kopf gegen die Wand. »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich mich Ihrer Meinung anschließen«, sagte Josuah Parker, »der Maulwurf kann sich unmöglich hier in der Nähe befinden, sonst hätte er Sie und meine Wenigkeit beim Betreten der Buchhandlung sehen müssen.«
»Also, was bezweckt dieser komische Maulwurf, Parker?« »Er möchte Zeit gewinnen, Sir, um inzwischen das in Marsch setzen zu können, was man wohl Hilfstruppen nennt.« »Und uns hier solange festnageln, wie?« »Davon sollte man in der Tat ausgehen, Sir.« »Dann nichts wie weg, Parker! Haben Sie einen Spediteur angerufen?« »Mr. Pickett, Sir. Er wird innerhalb der nächsten zehn Minuten mit letzter Sicherheit hier erscheinen.« »Seit wann betätigt Pickett sich als Spediteur?« Rander lächelte. Er hatte einen ganz bestimmten Verdacht. »Mr. Pickett ist das, Sir, was man gemeinhin flexibel zu nennen pflegt.« Hoffentlich wird er nicht erwischt, wenn er sich einen Lieferwagen ausleiht, Parker.« »Mr. Pickett betätigt sich nur noch innerhalb der Legalität, Sir«, versicherte der Butler. Er half dem jungen Anwalt, die restlichen Bücher in die Transportkiste zu legen. Nach wenigen Minuten war die Arbeit bereits beendet. »Darf man Sie einladen, Mr. Waters, bei Lady Simpson den Nachmittagstee zu nehmen?« fragte der Butler dann den Buchhändler. »Ich werde mein Geschäft schließen«, erklärte John Waters, der sich inzwischen ein wenig erholt hatte, »ich will nicht noch mal überfallen werden.« »Wo können Sie denn wegtauchen, Waters?« begehrte der Anwalt zu wissen.
»Ich fahre aufs Land«, redete John Waters weiter, »ich fahre zu meiner Schwester nach Oxford. Dort bin ich hoffentlich sicher.« »Ich glaube kaum, daß man Sie noch belästigen wird, wenn die Bücher erst mal hier aus dem Haus sind«, vermutete der Anwalt, »kommen Sie allein nach Oxford? Oder möchten Sie, daß wir Sie dorthin bringen?« »Nein, ich komme schon zurecht, wirklich. Vielen Dank für die Einladung, Mr. Parker, aber ich möchte so schnell wie möglich London verlassen. Ich habe jetzt nur noch Angst.« »Sie sollten sich einem gewissen Mr. Pickett anvertrauen«, schlug Josuah Parker vor, »dieser Gentleman wird Sie sicher nach Oxford bringen.« »Keine schlechte Idee«, fand Mike Rander und lächelte. »Pickett ist ein Bursche, der sich auskennt. Sie sollten das Angebot annehmen, Mr. Waters. Aber schnell eine andere Sache: Sie wissen ja, welche Bücher dort im Stahlschrank waren. Entwickeln Sie mal Phantasie, für welches Buch könnten die Kerle sich wohl interessieren? Gehen Sie davon aus, daß es nur um ein einziges Buch geht.« »Ich kann keinen klaren Gedanken fassen«, meinte John Waters und schüttelte langsam den Kopf, »ich kann immer nur wiederholen, daß die Bücher keine einmaligen Raritäten sind.« Während Mike Rander sich mit dem Buchhändler weiter unterhielt, schritt Parker nach vorn ins Gewölbe und beobachtete von einem der schmalen und hohen Schaufenster aus die Straße. Er glaubte nach wie vor nicht daran, daß der Maulwurf, wie er sich nannte, sich
in der Nähe der Buchhandlung aufhielt. Parker zeigte sich kurz in der geöffneten Ladentür, als dann ein kleiner Kastenlieferwagen erschien, der vor dem Eingang zum Gewölbe hielt. Wenig später stand der Butler einem gewissen Horace Pickett gegenüber, der eine durchaus bemerkenswerte Erscheinung war. Pickett, ehemaliger Meister-Taschendieb, war etwa sechzig, groß, schlank und hatte ein gut geschnittenes Gesicht. Er trug einen gepflegten Schnauzbart und erinnerte an einen hohen, jetzt allerdings pensionierten Offizier. »Ich habe zwei junge Männer mitgebracht, auf die man sich unbedingt verlassen kann«, sagte Pickett, nachdem er den Butler begrüßt hatte, »wohin soll die Kiste gebracht werden?« »Zu Lady Simpson nach Shepherd's Market«, antwortete Josuah Parker und deutete eine knappe Verbeugung an, als die beiden jungen Männer aus dem Kastenaufbau des kleinen Lieferwagens stiegen, »darf man fragen, Mr. Pickett, ob Sie inzwischen etwas von einem Maulwurf gehört haben?« »Nichts, Mr. Parker«, bedauerte Horace Pickett, »es scheint sich um eine neue Figur in der Szene zu handeln, falls es diesen Maulwurf überhaupt gibt.« »Sie haben Grund für die Annahme, daß der Maulwurf gar nicht existieren könnte?« »Warum sollte er auf sich aufmerksam machen, falls es ihn unter dieser Bezeichnung gibt?«
»Eine Begründung, die man nur als logisch bezeichnen kann«, entgegnete der Butler, »hier scheint man Spuren verwischen zu wollen.« »Was will denn der sogenannte Maulwurf, Mr. Parker?« »Er interessiert sich eindeutig für alte Bücher, Mr. Pickett.« »Wichtige Erstdrucke?« Horace Pickett kannte sich aus. Er hatte die beiden jungen Männer in die Buchhandlung geschickt, wo sie von Mike Rander in Empfang genommen worden waren. »Mr. Waters verfügt nach seinen eigenen Worten nicht über teure Erstdrucke, Mr. Pickett.« »Er könnte ein bestimmtes Buch von hohem Wert vielleicht übersehen haben?« »Damit dürfte kaum zu rechnen sein.« Parker und der ehemalige Eigentumsverteiler traten zur Seite, als die beiden jungen Männer mit den schweren Bücherkisten erschienen und sie auf die Ladefläche des kleinen Lieferwagens schoben. »Ab durch die Mitte«, schlug Rander vor, der kurz danach mit John Waters erschien, »räumen wir das Feld, bevor der Maulwurf mit seinen Hilfstruppen hier erscheint.« »Ein paar von meinen jungen Freunden sind mitgekommen, aber schon vorher ausgestiegen«, schickte Horace Pickett voraus, nachdem man sich kurz begrüßt hatte, »sie werden die Buchhandlung im Auge behalten.« »Es ist immer wieder ein reines Vergnügen, Mr. Pickett, mit Ihnen zusammenarbeiten zu können«, versicherte Josuah Parker gemessen. »Ich will wissen, wer dieser Maulwurf ist«, erwiderte Horace
Pickett, »das ist reine Neugier, Mr. Parker.« »Sie möge Ihnen erhalten bleiben«, gab der Butler zurück und wandte sich an Waters, der nervös in der Tür zu seiner Buchhandlung stand, »Sie sollten einsteigen, Mr. Waters. Stellen Sie sich unter den Schutz Mr. Picketts, wie ich nur empfehlen kann.« »Sie kommen nicht mit?« »Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit sich noch etwas in der Buchhandlung aufhalten und jener Dinge harren, die vielleicht noch kommen werden.« Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und ging zurück in die Buchhandlung. Er hoffte auf baldigen Kontakt mit dem Maulwurf. * »Ich hoffe, Sie fühlen sich relativ wohl«, schickte Josuah Parker voraus, nachdem er die Tür zu dem kleinen Raum geöffnet hatte. Sein Satz galt den beiden Kriminellen, die nach wie vor auf bzw. in den Putzeimern saßen und einen recht unglücklichen Eindruck machten. »Wir sehen uns noch mal wieder«, drohte einer der beiden dann und wollte Eindruck schinden. »Sie sollten solch einem zweiten Kontakt möglichst aus dem Weg gehen«, schlug der Butler vor, »und Sie sollten nicht ohne weiteres Aufträge übernehmen, deren Tragweite Sie nicht zu überschauen vermögen.« »Was sollen wir nicht?« fragte der Mann irritiert. »Übernehmen Sie niemals Aufträge von Personen, die Sie nicht kennen«,
übersetzte der Butler, »auf Sie wartet jetzt die Polizei, wie Sie sich vorstellen können.« »Hören Sie mal, Mann«, schaltete der zweite Kriminelle sich hastig ein, »müssen Sie die Sache hier gleich an die große Glocke hängen?« »Dem darf man sicher entnehmen, daß Sie der Polizei wohlbekannt sind, nicht wahr?« fragte Parker. Er bezog sich auf die Frage des Mannes. »Wir machen Ihnen 'nen Vorschlag«, redete der Kriminelle weiter, »wir packen aus, und Sie lassen uns laufen. Was halten Sie von dem Geschäft?« »Offen gesagt, gar nichts«, erwiderte Josuah Parker, »Sie werden meine Wenigkeit mit Sicherheit belügen.« »Lassen Sie's doch darauf ankommen.« »Sie wollen tatsächlich wissen, wer Sie engagierte?« »Nee, das nun gerade nicht«, redete der Mann weiter, »aber wir wissen, wohin wir die Schwarten bringen sollten.« »Sie reden jetzt von den Büchern, nicht wahr? Wie lautete genau Ihr Auftrag?« »Wir sollten einen Stahlschrank ausräumen und die alten Bücher wegschaffen.« »Stimmt«, fügte der andere Mann hinzu und nickte eifrig, »und wir sollten die Bücherkiste dann nach Soho bringen.« »Sie verfügen sicher über eine genaue Adresse, was Soho betrifft?« »Die Kiste sollten wir bei einem Ralph Moreland abliefern. Der hat da einen Spiel-Salon.« »Ihrem Weggang steht nichts mehr im Wege«, äußerte Parker und drückte dem Mann, der gerade seine Aussage
gemacht hatte, eine Schere in die Hand, »meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie dieses Werkzeug zu nutzen verstehen, um sich zu befreien.« »Wo ist da der Trick« fragte der Kriminelle mißtrauisch. »Darüber sollten Sie intensiv nachdenken«, meinte Parker höflich, »vielleicht kommen Sie so zu einem Resultat, meine Herren.« Er kümmerte sich nicht weiter um die beiden Männer, die wohl mit Sicherheit nicht wußten, wer sie engagiert hatte. Parker ging sogar davon aus, daß sie eben die Wahrheit gesagt hatten. Es war sinnlos, diese Kriminellen der Polizei in die Hand zu spielen. Damit brachte man sie nur um die Möglichkeit, sich um ihren Auftraggeber zu kümmern. Josuah Parker konnte sich nämlich gut vorstellen, daß die Männer nun alles unternahmen, um an ihren Auftraggeber heranzukommen. Kriminelle dieses Schlages würden nichts unversucht lassen, aus diesem Auftraggeber Geld herauszuholen. Möglicherweise hatten sie, was ihr Teilgeständnis betraf, einige wichtige Details unterschlagen. Parker schritt gemessen durch das Gewölbe der Buchhandlung, erreichte die Tür und entdeckte auf der Straße zwei junge Männer, die eindeutig betrunken waren und miteinander stritten. Parker öffnete die Tür. »In wenigen Minuten werden zwei Männer die Buchhandlung verlassen«, rief er den Streitenden zu, die etwa zwanzig Jahre zählten, man soll sie diskret überwachen.« »Geht klar, Sir«, erwiderte der erste Streitende, während sein Gegenüber
ihn mit ausgesuchten Schimpfworten belegte, »rechts an der Straßenecke steht ein Taxi.« Parker verließ die Buchhandlung, und die Streithähne schlossen sich ihm wie zufällig an. Sie benutzten den Butler als eine Art Schiedsrichter und geleiteten ihn zu der erwähnten Straßenecke. Dabei sorgten sie dafür, daß Parker immer wieder durch ihre Körper gedeckt und abgeschirmt wurde. Als Parker im Taxi saß und vom Fahrer eine Runde um den Block wünschte, stritten die beiden jungen Männer noch immer, um dann in einer Cafeteria zu verschwinden. Parker nahm sich vor, Horace Pickett bei nächster Gelegenheit zu beglückwünschen. Seine jungen Freunde hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet und alles getan, um ihn vor dem zu bewahren, was der Maulwurf blaue Bohnen genannt hatte. * Butler Parker befand sich in der Halle des altehrwürdigen Hauses der Lady Simpson und sichtete die Bücher, die er ausgepackt hatte. Die Sendung war von Pickett prompt abgeliefert worden. Der ehemalige Eigentumsübereigner befand sich zusammen mit John Waters auf dem Weg nach Oxford, um den Buchhändler dort erst mal aus der Schußlinie zu bringen. Kathy Porter half dem Butler bei der Arbeit und hatte eine grobe Vorsortierung vorgenommen. Mike Rander studierte intensiv die vielen alten Stiche, die Ansichten von Schlössern und Parks zeigten.
»Eine ungemein interessante Shakespeare-Ausgabe«, ließ Josuah Parker sich vernehmen und präsentierte Kathy Porter und dem Anwalt die beiden Bände, die John Waters erst vor kurzer Zeit gekauft hatte, »meine Wenigkeit bezieht sich dabei auf die Randnotizen und Regieanweisungen. Diese Bände müssen sich in der Hand eines Schauspielers oder eines Regisseurs befunden haben.« »Aus welcher Zeit stammen die Schwarten?« fragte Mike Rander respektlos. »Die Bücher dürften etwa hundertdreißig Jahre alt sein«, gab Josuah Parker zurück, »Mylady wird sich für die Regieanweisungen mit Sicherheit interessieren.« »Warum sollte der Maulwurf ausgerechnet hinter Shakespeare her sein?« meinte Rander kopfschüttelnd, »was haben Sie bisher entdeckt, Kathy?« »Galante Literatur aus dem vorigen Jahrhundert, Mike«, antwortete sie lächelnd, »dann Reise- und Landschaftsbeschreibungen, die sich zum größten Teil auf unser Land beziehen. Einige Bücher berichten aus Italien und Frankreich.« »Meine Stahl- und Kupferstiche hier stellen Schlösser und Parks dar«, sagte Mike Rander, »dann habe ich da noch Pflanzendarstellungen und Porträts.« »Womit man vor einem gewissen Rätsel stehen dürfte«, erklärte Josuah Parker. »Wo ist der Schlüssel zu deinem Geheimnis?« fragte der Anwalt und setzte sich auf den Rand eines der schweren Sessel vor dem Kamin, »ohne Grund sollten diese Bücher schließlich nicht gestohlen werden.«
»Gibt es in den diversen Reisebeschreibungen möglicherweise Randnotizen?« fragte Josuah Parker, der sich an Kathy Porter gewandt hatte. »Dazu muß ich die Bücher erst mal durchblättern«, entgegnete die Gesellschafterin der älteren Dame, »daß sie vorhanden sind, habe ich aber bereits gesehen.« »Ob Waters mehr weiß, als er bisher eingeräumt hat?« stelle Mike Rander nachdenklich zur Diskussion. »Könnte er vielleicht doch eine wichtige Ausgabe haben, die ein Vermögen wert ist?« fügte Kathy Porter hinzu. »Könnte er sie für ein Trinkgeld erworben haben? Sind die früheren Besitzer dieser Ausgabe jetzt darauf aus, das Buch wieder an sich zu bringen?« »Das wäre tatsächlich ein Grund.« Rander nickte und deutete dann auf die Kupfer- und Stahlstiche. »Das gilt übrigens auch für diese Bilder hier. Wir sind schließlich keine Experten und haben bisher nur das gehört, was John Waters uns erzählt hat.« »Mr. Waters zeichnete sich bisher, was meine Wenigkeit betrifft, durch Seriosität aus«, erwiderte der Butler. »Was nicht ausschließt, daß er vielleicht den Fischzug seines Lebens gemacht hat, Parker. Haben wir einen Experten, der uns auf die Sprünge helfen kann?« »Man sollte an einen gewissen Sir. James Crabbs denken, Sir.« »Schön, ich denke an ihn, wenn Sie darauf bestehen. Und wer ist das?« »Ein Privatgelehrter in Chelsea, Sir, der für große Versicherungshäuser als Experte tätig ist.« »Kennen Sie diesen Burschen, Parker?«
»Flüchtig. Sir James ist mit Mylady bekannt. Man nahm schon mal gemeinsam den Tee.« »Laden Sie ihn doch hierher ein«, schlug Mike Rander vor, »er soll sich den alten Kram mal genau ansehen. Vielleicht sieht er auf den ersten Blick, was mit dem Zeug los ist.« Parker ging hinüber zum Telefonapparat. Er wollte gerade den Hörer abnehmen, als der Apparat anschlug. Parker dachte sofort an den Maulwurf, doch diesmal meldeten sich Horace Picketts junge Freunde. Der Butler hörte einen Moment zu, legte dann auf und wandte sich an Kathy Porter und Mike Rander. »Die beiden Kriminellen aus der Buchhandlung sind Mitglieder eines Clubs, in dem Briefmarken getauscht werden«, schickte der Butler voraus, »und der Vorsitzende dieses Clubs ist ein gewisser Brett Sturgess, Sir.« »Brett Sturgess? Moment mal, diesen Namen habe ich schon häufiger gehört. Wer, zum Henker ist das nur?« »Mr. Brett Sturgess, Sir, ist eindeutig ein Gangster-Boß, wie man in den USA sagen würde. Sein Name wurde erst vor knapp einem Jahr in allen Zeitungen genannt, und zwar im Zusammenhang mit einer RauschgiftAffäre. Da man ihm direkt nichts nachweisen konnte und wichtige Zeugen die Aussage verweigerten, kam er ohne Strafe davon.« »Dieses Herzchen sollten wir uns doch mal ansehen, Parker«, schlug Mike Rander umgehend vor, »er wird uns vielleicht einige wichtige Schritte weiterbringen. Lassen wir Mylady in Ruhe, sie meditiert ja schließlich.«
Mike Rander sollte sich getäuscht haben. Oben auf der Galerie war ein explosionsartiges Räuspern zu vernehmen. Kurz danach erschien die ältere Dame in ihrem wallenden Hausmantel. Agatha Simpson blieb oben an der Treppe stehen und blickte nach unten. Sie räusperte sich noch mal und stieg dann majestätisch herab. »Was ist denn vorgefallen?« fragte sie mit tragisch klingender Stimme, »daß solch schreckliche Trompete ruft zum Rat die Schläfer dieses Hauses? Sprecht!« »Wie war das, Mylady?« erkundigte sich Mike Rander, während Kathy Porter sich hastig abwandte. In ihr stieg leises, unwiderstehliches Lachen auf. Ihr war klar, daß die Lady aus Macbeth rezitierte. »Das Telefon läutete, Mylady«, erklärte Josuah Parker inzwischen, »von einer schrecklich klingenden Trompete konnte meine Wenigkeit nichts vernehmen.« »Papperlapapp, Mr. Parker«, erwiderte sie streng und warf einen mißbilligenden Blick auf den Butler, »Sie haben eben keinen Sinn für wahre Poesie. Wer wollte mich sprechen?« Ich hoff, der Maulwurf war's!« »Nicht direkt, Mylady«, antwortete Josuah Parker, »Mr. Picketts Freunde machten meine Wenigkeit auf einen gewissen Mr. Brett Sturgess aufmerksam.« »Und was ist mit diesen Mann, Mr. Parker?« Sie redete jetzt wieder normal und ließ Erwartungsfreude und Neugier erkennen. »Ein Mann, der einen BriefmarkenClub leitet, Mylady.«
»Das klingt interessant«, behauptete sie, »ich werde mir dieses Individuum ansehen, Mr. Parker. Treffen Sie alle Vorbereitungen!« »Wollen Sie sich nicht lieber Ihrer Rolle als Lady Macbeth widmen?« fragte Rander, der auf Myladys Begleitung keinen sonderlichen Wert legte. »Aber mein lieber Junge«, gab sie zurück, »was wäret Ihr ohne mich? Mit starker Hand werd' das Gefährt ich durch des Schicksals Wogen lenken.« »Ist das auch von Shakespeare?« erkundigte sich Rander und verbiß sich ebenfalls ein Lachen. Er wagte es nicht, Kathy anzusehen. »Natürlich nicht«, sagte sie, »ich will damit nur sagen, daß wir meinen Rover nehmen werden. Ich selbst werde den Wagen steuern. Mr. Parker braucht etwas Nachhilfeunterricht in Sachen Autofahren. Er läßt sich neuerdings zu oft von Taxis abdrängen. Das muß und wird sich ändern!« Parker wußte, was da auf ihn zukam, doch sein Gesicht zeigte keine Regung. Er übte wieder mal Selbstbeherrschung. * Myladys Rover, von der Konstruktion her robust und überaus solide, machte, einen zerbeulten Eindruck. Dies hing mit den Fahrkünsten der älteren Dame zusammen, die so etwas wie eine Straßenverkehrsordnung souverän mißachtete. Lady Agatha bewegte sich durch den dichten Straßenverkehr, als säße sie in einem Panzer, für den es
kein Hindernis gibt. Sie hatte bereits einige Fahrzeughalter hinter sich gelassen, die, teils schluchzend, teils hemmungslos schreiend am Straßenrand gehalten hatten und einem Rover nachblickten, der durch den Verkehr pflügte. Es waren besonders die leicht gewagten Überholmanöver, durch die Lady Agatha sich auszeichnete. Gegenverkehr existierte für sie nicht. Sie löste Schnellbremsungen aus, zwang Fahrer zu kleinen Umwegen über die Gehwege und drängte Autos ab. Kampfbereit saß sie am Steuer ihres geländegängigen Wagens und genoß sichtlich diese kleine Ausfahrt nach Soho. Und sie verstand es schon gar nicht, daß immer wieder wie wild gehupt wurde. »Ein undiszipliniertes Benehmen ist das«, sagte sie, als ein Autofahrer, der um ein Haar in einem Vorgarten gelandet wäre, aufgebracht und langanhaltend hupte, »solchen Flegeln sollte man den Führerschein wegnehmen.« »Sie haben ihn vielleicht leicht erschreckt«, meinte Anwalt Rander, der sicherheitshalber auf dem Rücksitz saß. »Unsinn, mein Junge«, gab sie zurück, »ich passe mich nur den Verkehrsverhältnissen an.« »Gilt dies möglicherweise auch für den Möbelwagen dort, Mylady?« erkundigte sich Josuah Parker und deutete mit der rechten Hand auf ein wahres Gebirge von Lastwagen, der ihnen während des riskanten Überholvorgangs entgegenbrauste. »Aber selbstverständlich«, betonte Lady Agatha und hielt direkt auf den haushohen Kühler des Möbelwagens zu, »der Lümmel dort am Steuer
braucht schließlich nur zu bremsen, um mir die Vorfahrt zu geben, oder wie dies auch immer heißen mag.« Der Fahrer des Lastwagens schien entschlossen zu sein, seine Rechte zu wahren. Zudem hatte er natürlich längst erkannt, daß am Steuer des Rovers eine nicht gerade junge Frau saß. Ihm kam es darauf an, dieser scheinbaren Amazone eine Lektion zu erteilen. Natürlich hatte er keineswegs die Absicht, den Rover zu rammen. Er wollte nur für ein wenig Panik sorgen. Er hätte sich besser etwas anderes einfallen lassen sollen, denn Agatha Simpson dachte nicht im Traum daran, den Überholvorgang abzubrechen. Sie hielt ihrerseits konsequent auf den Möbelwagen zu und schien dabei sogar noch zu beschleunigen. »Allmächtiger Gott«, keuchte Mike Rander entsetzt, »das geht schief, Mylady! Bremsen Sie doch!« »Wozu denn, mein Junge, dieses Subjekt dort am Steuer wird doch wohl noch Respekt vor einer Dame haben.« Lady Agatha zuckte mit keiner Wimper, als der riesige Möbelwagen noch größer wurde. Josuah Parker, zwar angeschnallt, verlor -auch jetzt nicht die Nerven. Er hütete sich, Mylady ins Steuer zu fallen. Er saß offensichtlich entspannt auf dem Beifahrersitz und schätzte die Möglichkeiten ab, die sich noch boten. Viele waren es mit Sicherheit nicht... Der Lastwagenfahrer begriff fast im letzten Moment, daß aus seiner Lektion nichts wurde. Er hatte das Gefühl, es mit einer Selbstmörderin zu tun zu haben. Er riß das Lenkrad herum und vollführte gleichzeitig eine Vollbremsung.
Der schwere, bepackte Möbelwagen geriet leicht aus der Kontrolle und säbelte dabei einige Mülltonnen am Gehweg um. Mit quietschenden Bremsen hielt der Möbelwagen dicht vor einem Vorgartenzaun an, während Agatha Simpson elegant weiterfuhr und dabei zufrieden nickte. »Leben wir noch?« erkundigte sich Mike Rander vom Rücksitz her. »Aber ja doch, lieber Mike«, erwiderte die ältere Dame, »dies wird dem Flegel dort am Steuer eine Lehre sein, denke ich.« Der Flegel, wie Lady Agatha in gerade bezeichnet hatte, stand inzwischen neben dem Fahrerhaus und drohte mit geballten Fäusten hinter dem Rover her, eine Tatsache, die Lady Agatha im Rückspiegel mitbekam. »Haben Sie das gerade gesehen?« fragte sie und bremste den tollen Schwung ihres Wagens. »Was soll ich gesehen haben?« Rander wandte sich um und sah den Fahrer des Möbelwagens, der dem Rover und damit wohl sicher auch der Fahrerin den Vogel zeigte. »Er ... Er kratzt sich am Kopf«, wiegelte Mike Rander hastig ab. »Sie sollten die Geste nicht mißverstehen, Mylady.« »Er hat mir den Vogel gezeigt«, grollte Agatha Simpson und legte den Rückwärtsgang ein, »das ist eine Unverschämtheit, die ich mir nicht bieten lasse.« In wilden Schlangenlinien setzte sie den Wagen zurück. Die Fahrer jener Wagen, die sie bisher überholt hatte, fuhren hastig an die Seite, um mit der resoluten Frau nicht zu kollidieren.
»Mylady planen, Genugtuung zu fordern?« vergewisserte sich Josuah Parker. »Ich denke, daß ein paar Ohrfeigen genügen«, meinte sie vergnügt. »Der Fahrer scheint das sprichwörtliche Weite zu suchen, Mylady«, redete Parker weiter. Er hatte sich ein wenig umgedreht und nahm zur Kenntnis, daß der Fahrer des Möbelwagens wohl ahnte, was auf ihn zukam. Der an sich nicht gerade schmächtige Mann hatte noch gestutzt, nahm dann aber die Beine in die Hand und jagte wie ein aufgescheuchter Hase die Straße hinunter. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er an einer Ecke verschwunden war. »Feigling«, konstatierte die ältere Dame. Ihre Stimme klang enttäuscht, »und so etwas nennt sich nun Mann!« »Er war sich seiner Schuld wahrscheinlich zutiefst bewußt, Mylady«, behauptete der Butler. »Das möchte ich ihm auch geraten haben.« Sie stoppte den Wagen, da sie sich dunkel daran erinnerte, daß dies dem Getriebe nützte, falls man nun wieder den Vorwärtsgang einlegen wollte. Sie ließ die Kupplung ruckartig kommen, den Rover einer wilden Satz nach vorn tun und widmete sich dann wieder dem Verkehr. »Haben Sie was für meinen Kreislauf an Bord?« fragte Mike Rander mit heiserer Stimme und tippte Parker auf die Schulter. »Sehr wohl, Sir.« Parker holte aus seinem schwarzen Covercoat eine lederbezogene Taschenflasche, deren Verschluß er abschraubte und dann als Becher benutzte. Er füllte für den Anwalt einen Kognak ab.
»Okay, mein Junge, daß Sie mich an meinem Kreislauf erinnert haben«, machte die ältere Dame sich unmittelbar darauf bemerkbar, »auch ich brauche eine kleine Aufmunterung, Mr. Parker.« »Sofort, Mylady«, erwiderte der Butler. »Reichen Sie mir die Taschenflasche herüber«, redete die ältere Dame weiter, »nur ich weiß schließlich, welche Dosis ich brauche, Mr. Parker.« Anschließend trank sie wie ein Bauarbeiter aus der Flasche! * Der Briefmarken-Club war im Hinterzimmer einer Kneipe untergebracht und entsprechend dekoriert worden. An den Wänden hingen Bilderrahmen, die Schaubilder von besonders teuren und berühmten Marken zeigten. Auf einem Beistelltisch in der Nähe der Speisedurchreiche langweilten sich Fachzeitschriften, die mit Sicherheit noch nie aufgeschlagen worden waren. In einem großen Steckregal an der Längswand daneben lagerten Briefmarkenalben, die sehnsüchtig darauf warteten, endlich mal in die Hand genommen zu werden. Im Raum hielten sich drei Briefmarkenfreunde auf, lauter Männer, denen man einfach nicht zutraute, daß ihre großen Hände mit einer Pinzette umgehen konnten. Die drei Männer blickten in einer Mischung aus Spott und Irritation auf die Eintretenden. Sie sahen eine Frau von majestätischer Fülle, die einen kecken Hut trug, der an einen Napfkuchen erinnerte.
Am linken Handgelenk dieser Erscheinung, die in Tweed gehüllt war, baumelte ein perlenbestickter Pompadour. Hinter dieser durchaus resolut wirkenden Dame machten sie einen eleganten und auch ein wenig herablassend auftretenden Mann aus, der zur grauen Flanellhose einen dunkelblauen Blazer und eine diskret gemusterte Krawatte trug. Neben diesem Mann, der an einen bekannten Filmschauspieler erinnerte, bot sich ein echter Butler ihren Blicken. Er schien, was sein Äußeres und seine Gestik betraf, gerade die Aufnahmen zu einem Kostümfilm verlassen zu haben. »Ich suche einen gewissen Sturgon oder so, wie immer er auch heißen mag«, verkündete die resolute Dame. »Sturgess, Mylady«, warf der Butler höflich und diskret ein. »Das sagte ich ja gerade«, meinte die alte Dame streng, »Sie müssen genauer hinhören, Mr. Parker.« »Ich bin Brett Sturgess«, stellte sich einer der drei Briefmarkenfreunde vor und grinste amüsiert. Der Mann war von durchschnittlicher Größe, ein wenig rundlich und hatte einen kahlen, an eine Billardkugel erinnernden Kopf. »Sie sind das also!« Agatha Simpson hatte ihre Stielbrille entfaltet und blickte Sturgess durch die Lorgnette an, als habe sie es mit einem seltenen Insekt zu tun.« »Und was kann ich für Sie tun?« fragte Sturgess. »Sie wurden Mylady empfohlen«, schaltete der Butler sich ein und schob sich neben seine Herrin, »Ihr Kundendienst soll bemerkenswert prompt sein, Mr. Sturgess.«
»Kundendienst?« Sturgess wußte natürlich nicht, worauf Parker anspielte. »Sie schickten vor einiger Zeit zwei ihrer Clubmitglieder in eine Bücherei in der Nähe der Fleet Street«, sagte der Butler in seiner höflichen Art, »möglicherweise sollten sie Briefmarken gegen bestimmte Bücher tauschen.« Sturgess wußte inzwischen Bescheid und nickte seinen Clubfreunden kaum merkbar zu. Diese Sammler, breitschultrig und stark, erhoben sich von ihren Stühlen und schaukelten förmlich auf die ältere Dame zu. Man sah ihnen deutlich an, daß sie vor Kraft kaum laufen konnten. Doch dies änderte sich. Lady Agatha, deren Kreislauf durch den Trank aus der Taschenflasche wieder ins Gleichgewicht geraten war, reagierte auf ihre unverwechselbare Art. Aus dem Handgelenk ließ sie den Pompadour steigen. Einen Wimpernschlag später setzte sich der sogenannte Glücksbringer darin auf die linke Backe des ersten Mannes, der prompt zurücktaumelte und sich wieder setzte. Der Mann zeigte umgehend leicht glasige Augen und hatte Schwierigkeiten mit der Luft. Er hatte das dumpfe Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein, was sogar fast ein wenig stimmte. Der Glücksbringer in Myladys Pompadour war nämlich ein echtes Hufeisen von einem nicht zu kleinen Pferd. Der zweite Briefmarkenfreund war verblüfft. Er hatte mit dieser Reaktion keineswegs gerechnet und drehte sich zu seinem Clubfreund um, der sich gerade wieder erheben wollte, es jedoch nicht schaffte. Dabei ließ er Lady Agatha aus den Augen, was er wohl besser
nicht getan hätte. Er präsentierte seine Schienbeine schutzlos den großen Schuhen der resoluten Frau, und sie nutzte diese Einladung: Mit der rechten Schuhspitze trat sie äußerst undamenhaft und ungeniert gegen das linke Schienbein des zweiten Clubfreundes, der einen spitzen Schrei ausstieß und dann sein Bein hochzog. Anschließend tanzte der Mann auf einem Bein durch das Clublokal und weinte bitterliche Tränen. »Haben Sie sich gefälligst nicht so«, herrschte Agatha Simpson den Mann an, »so schlimm kann es gar nicht gewesen sein.« »Mein Bein, mein Bein ...« Der Mann hörte kaum zu und ließ sich neben seinem Freund im benachbarten Sessel nieder. Anschließend fingerte er vorsichtig nach dem Schienbein, von dem er annahm, daß es zumindest angebrochen sein mußte. »Moment mal, spinne ich?« ließ Brett Sturgess sich in diesem Moment vernehmen und faßte sich an die Schläfen. »So ganz richtig im Kopf können Sie tatsächlich nicht sein«, antwortete die ältere Dame, »sonst hätten Sie sich ja wohl nicht mit mir angelegt. Schämen Sie sich denn überhaupt nicht, eine hilflose Frau angreifen zu lassen?« * »Verdammt, Sie können froh sein, Lady, daß ich Humor habe«, erwiderte der Vorsitzende des BriefmarkenClubs. »Diesen Humor habe ich eben nicht«, gab die ältere Dame grimmig
zurück und deutete auf Mike Rander und Butler Parker, »wie können Sie sich unterstehen, die beiden Herren angreifen zu lassen?« »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie eigentlich reden.« »Von diesen Subjekten, die Sie in eine Buchhandlung geschickt haben«, erinnerte Agatha Simpson, »aber Mr. Parker wird Ihnen das noch eingehender erklären können.« »Wer immer auch meinen Namen genannt hat, er lügt«, stellte Brett Sturgess fest, »und jetzt sollten Sie abhauen, Lady, bevor ich ärgerlich werde.« »War das gerade eine Beleidigung?« erkundigte sich die ältere Dame bei ihrem Butler. »Man könnte dies in der Tat so auslegen, zumal die Ausdrucksweise des Mr. Sturgess nur als rüde bezeichnet werden kann.« »Diesen Eindruck hatte ich allerdings auch«, schaltete Mike Rander sich leicht ironisch ein, »ich möchte sogar noch einen Schritt weitergehen, Mylady. Sie wurden eigentlich zutiefst beleidigt.« »Sind Sie verrückt?« brüllte Brett Sturgess und bekam einen tiefroten Kopf. »Ich habe doch nur gefragt...« »Und das war bereits zuviel, junger Mann.« Agatha Simpson schüttelte verweisend den Kopf und .. . verabreichte dem Gangsterboß eine schallende Ohrfeige. Er hatte mit solch einem Schlag keineswegs gerechnet und legte sich seitlich auf einen kleinen Tisch. Parker bemühte sich, dem Mann behilflich zu sein. Sturgess war zu benommen, um hinter dieser Hilfsbereitschaft eine Durchsuchung
zu vermuten. Mit schnellen und geschickten Fingern förderte Josuah Parker einen kurzläufigen Revolver zutage, den er in der linken Tasche seines Covercoats verschwinden ließ. »Das ... Das werden Sie noch bereuen«, schwor Sturgess, als er wieder einigermaßen denken konnte. Er rieb sich die mißhandelte Wange und hob langsam die rechte Hand, um nach dem Revolver zu greifen, der längst schon nicht vorhanden war. Dann stach er mit der Hand blitzschnell in die Schulterhalfter, griff ins Leere und zeigte grenzenlose Verblüffung. »Ich warte auf Ihre Erklärung, junger Mann«, grollte die ältere Dame, »Mr. Parker wird Ihnen noch mal die Einzelheiten auseinandersetzen.« »Es handelt sich um zwei Männer, die dem Aussehen nach bereits in die Kategorie von Schlägern gehören«, schickte der Butler in seiner höflichen Art voraus, »besagte beide Männer befanden sich in der Buchhandlung eines gewissen Mr. John Waters und hatten die Absicht, die Bücher aus einem Stahlschrank in eine Kiste zu packen, um sie dann einem gewissen Mr. Ralph Moreland zu bringen.« »Ich verstehe kein Wort«, behauptete Sturgess und zuckte vorsichtig die Achseln, »Bücher... Eine Kiste ... Ralph Moreland?« »Sie wollen hoffentlich nicht abstreiten, daß Sie mit Moreland befreundet sind«, warf Mike Rander fast gelangweilt ein. »Ich kenne ihn«, erwiderte Sturgess vorsichtig und konzentrierte sich auf den Anwalt, »er kommt hin und wieder in unseren Club und tauscht Marken.«
»Für wen also sollten Ihre beiden Burschen die Bücher aus der Buchhandlung schaffen?« stellte Mike Rander die nächste Frage. »Davon weiß ich wirklich nichts«, behauptete Sturgess erneut, »die Kerle müssen Sie verkohlt haben, anders kann ich mir das nicht erklären.« »Wieso befinden Sie sich dann in diesem Haus?« Rander lächelte ironisch und deutete mit der Hand zur Zimmerdecke. »Genauer gesagt, guter Mann, halten sie sich in einem Zimmer hier über dem Club auf.« »Das... Das streite ich ab«, stieß Sturgess hervor, »woher wollen Sie denn das wissen?« »Ihre beiden Clubmitglieder wurden beschattet, als sie die bewußte Buchhandlung verließen«, sagte Mike Rander, »so einfach ist das.« »Dann haben die etwas getan, von dem ich nichts weiß«, log Sturgess umgehend, »ich lasse mir nichts anhängen. Moment, Lady, das war bestimmt keine Beleidigung, wirklich nicht.« »Davor möchte ich auch warnen«, entgegnete Agatha Simpson, »was sollte dieser Lümmel jetzt tun, Mr. Parker? Ich hatte Ihnen da etwas aufgetragen, es aber vergessen. Sie wissen ja, unwichtige Dinge merke ich mir grundsätzlich nicht.« »Mr. Sturgess wird sicher die Freundlichkeit haben, sich mit Mr. Ralph Moreland in Verbindung zu setzen«, antwortete der Butler, »Mr. Sturgess könnte Mr. Moreland ja bitten, auf einen Sprung vorbeizuschauen.« »Wie komme ich denn dazu?« wehrte Sturgess wütend ab.
»Nun, weil ich Sie darum bitte«, erklärte die passionierte Detektivin und lächelte in freudiger Erwartung. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk war bereits in erwartungsfrohe Schwingung geraten. Und nicht weniger erwartungsfroh sprangen die beiden Briefmarkenfreunde auf, die retten wollten, was noch zu retten war. * Josuah Parker hatte mit solch einem massierten und auch verzweifelten Angriff gerechnet und sich selbstverständlich darauf vorbereitet. In seiner linken, schwarz behandschuhten Hand befand sich eine kleine Spraydose mit einem Feinstzerstäuber. Dieses nützliche Gerät war kaum größer als ein Tascheninhalator. Als die beiden Männer kaum auf ihren Beinen standen, wurden sie von Josuah Parker bereits intensiv behandelt. Er drückte auf den Auslöseknopf und richtete den Spray, der als kaum erkennbarer Nebel aus der Düse trat, auf die Gesichter der Männer. Sie wichen sofort zurück, denn das sich ausbreitende Treibgas kühlte erst mal intensiv ihre Gesichtshaut. Dann verspürten Sie einen ersten Juckreiz auf der Haut, der in angenehmes Prickeln überging. Die Schleimhäute in den Nasen nahmen inzwischen den Wirkstoff des Sprays auf und reichten ihn an die Blutbahn weiter. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die beiden eben noch aktiv wirkenden Männer gewisse Ermüdungserscheinungen zeigten und
sich darüber offensichtlich amüsierten. Sie lächelten versonnen', schienen in sich hineinzuhorchen und schlossen die Augen. »Sie sollten wieder Platz nehmen«, schlug Josuah Parker höflich vor, »und vielleicht sollten Sie sich auch einem erquickenden Schlaf hingeben. Man wird Sie rechtzeitig wecken, falls Sie gebraucht werden.« Die Männer nahmen Platz wie gehorsame Kinder, lächelten glücklich, glucksten vor innerem Lachen und räkelten sich zurecht. Kurz danach waren Sie fest eingeschlafen. »Was war das?« fragte Sturgess und schüttete ungläubig den Kopf. Er kannte doch schließlich gerade die beiden Männer, die mehr als nur handfeste Schläger waren. In seinen Augen waren das bisher immer brutale und superharte Typen gewesen, und nun erinnerten sie ihn an Kleinkinder, die gerade die sättigende Flasche bekommen hatten. »Man gibt sich dem süßen Nichtstun hin«, beantwortete der Butler die Frage des Gangsters, »und dies sollten auch Sie ab sofort tun.« »Aber vorher rufen Sie den Lümmel an, der einen Spiel-Salon betreibt«, forderte die ältere Dame grollend, »wie heißt er denn noch, Mr. Parker? Nun bin ich doch gespannt, ob Sie sich den Namen gemerkt haben.« »Mylady sprechen sicher von einem gewissen Ralph Moreland.« »Richtig«, gab sie zurück, »das heißt, eigentlich könnte ich dieses Subjekt auch besuchen. Etwas Überraschung hat noch nie geschadet.« »Mylady denken in diesem Zusammenhang sicher daran, Mr. Sturgess zu
diesem Besuch einzuladen«, stellte Parker fest. »Genau das wollte ich gerade vorschlagen.« Sie nickte wohlwollend. »Und ich hoffe, daß er begeistert ist.« Solch einen Eindruck machte Brett Sturgess aber keineswegs. So etwas wie hier war ihm eigentlich noch nie passiert. Er fühlte sich von dem Trio völlig in die Enge gedrängt und sah keine Möglichkeit, dies zu ändern. Ja, er hatte sogar echte Angst, was gerade die Lady betraf. Frauen dieser Art kannte er nicht.. Dazu dachte Sturgess angestrengt über seine Schußwaffe nach, die aus unerfindlichen Gründen aus seiner Schulterhalfter verschwunden war. Er fand dafür keine Erklärung und fühlte sich ohne den Revolver nackt und bloß. »Worauf warte ich eigentlich noch?« Lady Agatha nickte Parker zu. »Fahren wir zum Spiel-Salon! Bei dieser Gelegenheit könnte ich dann gleich mal mein Glück versuchen. Sie wissen doch, wie erfolgreich ich an einem Automaten bin.« Parker, der in der Nähe der Tür stand, sah plötzlich, wie der Türknauf vorsichtig bewegt wurde. Er deutete mit der Spitze des UniversalRegenschirmes auf den Griff und brachte dadurch sogar seine Herrin dazu, daß sie seitlich an der Wand erst mal in Deckung ging. Kurz danach wurde die Tür zum BriefmarkenClublokal vorsichtig geöffnet. Eine zaghafte Stimme fragte nach Mr. Sturgess.« »Ihrem Nähertreten steht durchaus nichts im Weg«, erwiderte der Butler, »Sie sollten sich nicht genieren.« Es handelte sich um einen jungen, etwa fünfundzwanzigjährigen Mann,
der sich erstaunt umblickte und dann die rechte Hand ausstreckte. Sie präsentierte ein Päckchen. »Das is' gerade abgegeben worden«, sagte der junge Mann, »für Mr. Sturgess.« »Von wem erhielten Sie das Päckchen?« erkundigte sich der Butler. »Von 'ner Frau. Die war gerade vorn im Pub.« »Sie erlauben?« Parker nahm das Päckchen entgegen. Es war etwa so groß wie eine Zigarrenkiste. Parker legte sein Ohr an die Verpackung und blickte nach kurzer Zeit hoch. »Nun, was ist?« wollte die Detektivin wissen. »Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Bombe«, antwortete Josuah Parker, »man sollte sich ihrer möglichst schnell entledigen, wenn meine Wenigkeit dies empfehlen darf.« * »Ich komme zufällig vorbei«, behauptete Chief-Superintendent McWarden, ein bullig aussehender Mann von fünfundfünfzig Jahren, dessen Gesicht an das einer stets gereizten Bulldogge erinnerte. McWarden, untersetzt und mit unübersehbarem Bauchansatz ausgestattet, hatte leichte Basedowaugen und ein cholerisches Temperament. Er leitete im Yard ein Sonderdezernat zur Bekämpfung von Bandenverbrechen und war dem Innenministerium direkt unterstellt. Er war seit langem mit Butler Parker und Lady Simpson befreundet und hatte diese Freundschaft längst auch auf
Kathy Porter und Mike Rander ausgedehnt. McWarden erschien immer dann in Shepherd’s Market, wenn er mit einem Fall nicht recht weiterkam. Er schätzte vor allen Dingen die Fähigkeiten des Butlers und duldete daher auch die vielen kleinen Bosheiten der Hausherrin, die ihm galten. »Sagen Sie doch gleich, daß Sie meine Hilfe brauchen«, schnappte die ältere Dame prompt und genußvoll zu. »Mit welchem Problem werden Sie wieder mal nicht fertig, mein lieber McWarden?« »Nun, sagen wir mal, Mylady, mit einer Bombe«, antwortete der ChiefSuperintendent nicht weniger genußvoll, »sie detonierte in Soho und fetzte einen Briefmarken-Club auseinander.« »Und wann passierte das?« fragte Lady Agatha. »Vor etwa anderthalb Stunden«, gab McWarden zurück, »Personen wurden nicht verletzt, aber das dürften Sie ja bereits wissen, nicht wahr?« »Müßte ich das wissen, Mr. Parker?« Agatha Simpson wandte sich ihrem Butler zu. »Nur, wenn Mylady darauf bestehen«, lautete Parkers Antwort. Er, die Lady und Chief-Superintendent McWarden hielten sich in der großen Wohnhalle des Fachwerkhauses auf. Kathy Porter und Mike Rander befanden sich nach dem gemeinsamen Soho-Ausflug in der nahen Curzon Street in der Kanzlei des Anwalts. »Lassen wir doch das Versteckspiel, Mylady«, schlug McWarden vor und gab sich leutselig, »Sie und Mr. Parker wurden eindeutig identifiziert. Sie waren in dem Pub, in dem sich das
Clublokal der Briefmarkenbrüder befindet.« »Und was besagt das, McWarden?« grollte die ältere Dame. »Man wird ja wohl noch ungestraft irgendwo seinen Kreislauf stabilisieren dürfen, nicht wahr? Und falls Sie dagegen Einwände erheben wollen, dann werde ich mich beim Innenministerium beschweren. Es soll mir eine Freude sein.« »Mylady, ich bin in friedlicher Absicht gekommen«, versicherte McWarden und riß sich sichtlich zusammen, »ich frage ja nur, weil ich diese Briefmarkenbrüder kenne.« »Sie sammeln Briefmarken?« staunte die ältere Dame, »erzählen Sie mir mehr darüber, mein lieber Freund. Vielleicht entdecke ich dadurch ein neues Hobby für mich.« »Mylady, ich habe von Briefmarken keine Ahnung«,entgegnete McWarden, der sehr wohl begriff, daß die Lady ihn ablenken wollte, »ich möchte nur wissen, ob Sie etwas über die Bombe wissen. Sie waren also in diesem Pub?« »Sie kennen doch mein schlechtes Gedächtnis«, meinte sie, »das heißt, ich habe es nur, wenn es sich um völlig unwichtige Dinge handelt. War ich in diesem Pub, Mr. Parker?« »Der Vorsitzende des BriefmarkenClubs ist ein bekannter Gangster«, sagte McWarden, bevor Josuah Parker antworten konnte, »er heißt Brett Sturgess und mischt überall dort mit, wo es illegal etwas zu verdienen gibt. Ich bin schon seit langem hinter diesem Kerl her. Es wird höchste Zeit, daß er hinter Schloß und Riegel kommt.«
»Sie hoffen auf Myladys Hilfe, was diesen Ihren Wunsch betrifft, Sir?« fragte Parker. »Mehr möchte ich ja gar nicht. Diese Bombe ist für mich nur zweitrangig, glauben Sie mir. Es geht mir einzig und allein um Sturgess. Man wird die Bombe ja nicht ohne Grund auf ihn geworfen haben. Oder galt sie etwa Ihnen, Mylady?« »Klären Sie das mit Mr. Parker ab«, meinte sie und preßte ihre Mittelfinger in einer tragischen Geste gegen ihre Schläfen, »die Eule hört ich schreien und Heimchen zirpen ...!«' Sie wandte sich ab und schritt hinüber zur Freitreppe, die zur Galerie führte. »Was war das? Was hat Mylady gehört?« staunte der Chief-Superintendent und blickte Parker völlig entgeistert an, »Eulen und Heimchen? Ich habe nichts gehört.« »Mylady rezitierte Shakespeare«, erwiderte Josuah Parker gemessen und höflich, »Mylady haben die feste Absicht, sich der Öffentlichkeit als Lady Macbeth vorzustellen.« »Sie will als Schauspielerin auftreten?« McWarden schluckte. »In der Tat, Sir! Die Kunstwelt kann auf ein einmaliges Ereignis hoffen.« »Davon bin ich überzeugt«, sagte McWarden und lächelte spöttisch, »diesen Auftritt lasse ich mir nicht entgehen, dann kann ich wenigstens auf einem Schlüssel pfeifen. Und wie ich pfeifen werde!« * Butler Parker hatte sich mit Horace Pickett in Soho getroffen.
Die beiden Männer standen vor einem griechischen Restaurant und unterhielten sich über den Buchhändler John Waters. Lady Agatha war in ihrem Haus zurückgeblieben, um an ihrer Rolle zu arbeiten, wie sie behauptete. Wahrscheinlicher war allerdings wohl, daß sie sich einen Videofilm anschaute. Mike Rander und Kathy Porter hielten sich nach wie vor in der Kanzlei in der Curzon Street auf und waren von Parker nur kurz informiert worden, daß er sich mit dem ehemaligen Eigentumsumverteiler treffen wollte. »Waters fuhr tatsächlich zu seiner Schwester nach Oxford«, berichtete Horace Pickett, »sie hat dort ein kleines Landhaus, ist unverheiratet und heißt mit Vornamen Rose, Mr. Parker. Sie ist etwa fünfundfünfzig Jahre alt und leitet einen Verein, der sich mit Archäologie befaßt.« , »Ein Hobby, das man nur als ausgesprochen interessant bezeichnen kann«, stellte Josuah Parker fest. »Die Vereinsmitglieder buddeln nach alten Schloßresten, nach römischen Wasserleitungen und Tonkrügen.« »Sie lassen ihn überwachen, Mr. Pickett?« »Wie verabredet, Mr. Parker. Einer meiner Freunde hat sich dort eingemietet. « »Wegen der anfallenden Unkosten sollten Sie sich keine Sorgen machen«, schickte der Butler voraus, »Mylady wird das in der bekannt großzügigen Art zu regeln wissen.« »Wenn es um einen Kriminalfall geht, Mr. Parker, ist ihr wirklich nichts zu teuer«, sagte Pickett lächelnd, »Sie können sich darauf verlassen, daß der
Buchhändler rund um die Uhr unter Kontrolle ist.« »Ein beruhigendes Gefühl, Mr. Pickett, es könnte ja durchaus sein, daß die Gangster' sich nach wie vor für ihn interessieren. Oder für ein bestimmtes Buch, das sie nicht im Stahlschrank der Buchhandlung fanden.« - »Sie haben diese Bücher bereits gesichtet, Mr. Parker?« »Man kam bedauerlicherweise zu keinem Resultat«, antwortete Josuah Parker, »und Mr. Sturgess konnte sich nach der Detonation der Bombe entfernen, wenn ich es mal so ausdrücken soll.« »Er konnte sich absetzen?« wunderte sich Pickett sichtlich. »Die Verwüstungen, die die Bombe anrichtete, waren beträchtlich«, erwiderte der Butler, »es gab auch, wie eingeräumt werden muß, eine gewisse Irritation. Es ging um Sekunden, um einen bekannten Spruch aus dem Volk zu zitieren. « »Wurde jemand verletzt, Mr. Parker?« »Erfreulicherweise war dies nicht der Fall«, berichtete der Butler weiter, »es gelang meiner Wenigkeit, die Anwesenden dazu zu bringen, den Clubraum schleunigst zu verlassen. Man befand sich gerade vorn im Pub, als die Sprengladung detonierte. Es war meiner Wenigkeit leider nicht möglich, die erwähnte Bombe zu entschärfen oder sie auf die Straße zu werfen. Es hätte unter den vielen Touristen ein Blutbad gegeben, wie man als sicher unterstellen muß.« »Wieso haben Sie eigentlich gemerkt, daß es eine Bombe war?« erkundigte sich der ehemalige Eigentumsneuverteiler gespannt.
»Dem Päckchen entströmte, wenn man so sagen darf, ein Geruch nach Chemie«, beantwortete Parker die Frage, »es handelte sich, wie die Behörden wohl noch feststellen werden, um einen chemischen Zünder, der verwendet wurde.« »Sie denken jetzt an diesen Maulwurf, nach dem ich mich umhören soll, ja?« »In der Tat«, erklärte der Butler, »bisher scheint man es mit einem Phantom zu tun zu haben, das aber durchaus Bomben verschicken kann.« »Meine Bekannten und Freunde sind ausgeschwärmt, aber von einem Maulwurf haben sie bisher noch nichts gehört«, bedauerte Horace Pickett, »aber wir alle werden am Ball bleiben. Sollen wir uns jetzt auch um Brett Sturgess kümmern?« »Dies könnte in der Tat keineswegs schaden«, meinte Josuah Parker und nickte andeutend, »mit weiteren Aktivitäten seinerseits ist fest zu rechnen.« »Könnte er vielleicht dieser Maulwurf sein, Mr. Parker?« »Falls man sich die Mühe macht, einen Kriminalfall zu lösen, Mr. Pickett, sollte man grundsätzlich nichts ausschließen«, antwortete der Butler gemessen, »was mich betrifft, glaube ich allerdings kaum, daß Mr. Sturgess der eigentliche Gesuchte ist. Er dürfte ein Mann der brutalen Tat sein, nicht aber eine Person, die lang- oder mittelfristig zu planen in der Lage ist.« »Okay, ich werde Sie jetzt zu Moreland bringen«, sagte Pickett, »und lassen Sie sich gleich warnen, Mr. Parker. Ralph Moreland ist ein gerissener Kerl, der bestimmt langfristig planen
kann. Er hat schon immer zu den Leuten gehört, die andere anheizen, damit die für sie die Kastanien aus dem Feuer holen.« »Zudem dürfte er inzwischen von Mr. Brett Sturgess wissen, daß mit meinem Besuch zu rechnen ist«, fügte Parker höflich hinzu, »Sie können versichert sein, Mr. Pickett, daß meine Wenigkeit entsprechende Vorkehrungen getroffen hat.« * Der Spielsalon war in einem ehemaligen Kinosaal untergebracht, dessen Decke man heruntergezogen hatte. In langen Reihen standen die Killerund Gewinnautomaten nebeneinander und ließen sich mit Münzen füttern. Sie waren unersättlich und schienen die vielen Spieler förmlich zu hypnotisieren. Das Publikum, in der Mehrzahl männlichen Geschlechts, setzte sich aus Jugendlichen und Erwachsenen zusammen zwischen sechzehn und fünfzig. Es gab eine diskrete Hintergrundmusik, die aus unsichtbaren Lautsprechern auf die Spieler rieselte. Sie hatte kaum eine Chance, sich gegen das vielfältige Klicken der Automaten durchzusetzen. Grelle Lichtblitze zuckten durch den langen, schmalen Saal, der sonst im Halbdunkeln lag. Die grellbunte Beleuchtung der vielen Automaten brachte nur eine äußere Belebung in die Gesichter der Spieler, die keineswegs entspannt vor den Spielgeräten standen. Man wartete auf den großen Gewinn und beschwor förmlich die Automaten, endlich den Einsatz zu belohnen.
Parker kannte Spielsalons dieser Art nur zu gut. Wenn er an einem Fall arbeitete, mußte er immer wieder in solche Etablissements, in denen sich auch gern lichtscheues Gesindel aufhielt. Hinzu kam noch, daß in manchen Salons dieser Art unverblümt mit Drogen gehandelt wurde. Man hatte auf Parker gewartet, das stellte sich schnell heraus. Er schritt gerade gemessen zur mittleren Gasse, die von zwei Automatenreihen gebildet wurde, als zwei junge Männer ihm bereits entgegenkamen. Sie mochten etwa fünfundzwanzig sein, waren schlank und trugen dunkelbraune Lederkleidung. Ihr Haar war kurz geschoren, Zigaretten hingen lässig in den Mundwinkeln. »Auf dich haben wir gerade gewartet«, sagte einer von ihnen, der die rechte Hand in die Tasche seiner Lederweste geschoben hatte, »wetten, Mann, daß ich 'ne Kanone mit mir rumschleppe?« »Sie lösen in meiner Person eine gewisse Bestürzung aus«, versicherte der Butler, »darf und muß man unterstellen, daß Sie gewillt sind, ohne weiteres auf meine Wenigkeit zu schießen?« »Wie war das?« Der Angesprochene runzelte bedenklich die Stirn. »Klar, wir ballern los, wenn du Zicken machst«, übersetzte der zweite Mann und grinste, »un' das is' kein leeres Gewäsch.« »Sie haben die Absicht, mich zu Mr. Ralph Moreland zu bringen?« »Haben wir«, redete der Übersetzer weiter, »das geht ja wie geschmiert mit dir, Mann. Du scheinst 'ne ganz vernünftige Type zu sein. Los, stelzen wir weiter, der Boß wartet nicht gern .,.«
»Sie sprechen gerade von Mr. Ralph Moreland?« »Vom Boß«, wiederholte der junge Mann, »un' wenn du Glück hast, kommst du hier wieder mit heiler Haut raus.« »Was wird geschehen, wenn das sprichwörtliche Pech sich an meine Fersen heftet?« wollte Josuah Parker in Erfahrung "bringen. »Tja, Mann, dann wirst du eben rausgetragen«, lautete die Antwort, »aber danach kannst du dich dann für einige Monate in 'ner Klinik erholen. Wir sin' ja keine Unmenschen.« »Ihre Ausdrucksweise ist das, was man nur als farbig bezeichnen kann«, stellte der Butler in seiner höflichen Art fest. Josuah Parker schien sich mit dieser nachdrücklichen Einladung abgefunden zu haben. Er tat nichts, um das Mißtrauen der beiden jungen Männer zusätzlich noch zu aktivieren. Gemessen schritt er an den Automatenreihen entlang und bot das Bild eines Mannes, für den Selbstbeherrschung eine Selbstverständlichkeit war. Parker fiel das nicht sonderlich schwer, denn schließlich hatte er mit solch einem Empfang sogar gerechnet und sich innerlich darauf eingestellt. Die Spieler achteten überhaupt nicht auf die Dreiergruppe, die auf eine Tür zuhielt, die sich an der hinteren Stirnseite des ehemaligen Kinosaals befand. Sie fütterten die Automaten und bedienten Tasten. Sie alle befanden sich eindeutig in einer Welt ohne Realität. Als Parker die bewußte Tür fast erreicht hatte, wurde sie geöffnet. Ein etwa fünfzigjähriger Mann, mittelgroß und kräftig, winkte Parker wie einem
lieben Gast zu und lächelte gewinnend. Es konnte sich nur um Ralph Moreland handeln, denn er allein beherrschte die Szene. Hinter ihm tauchten zwei junge Männer auf, die einen sehr wachsamen, aber auch harten Eindruck machten. Moreland trug einen Nadelstreifenanzug und eine etwas zu bunte Krawatte, die an sich ein Stilbruch war. Er breitete die Arme weit aus und machte einen gutmütigen Eindruck. »Daß man sich endlich mal kennenlernt«, rief er Parker halblaut zu, »ich habe schon viel von Ihnen gehört.« »Auch umgekehrt trifft dies zu, Mr. Moreland«, antwortete Josuah Parker. »Mr. Brett Sturgess war bereits so freundlich, meine Wenigkeit auf Sie hinzuweisen.« »Bestens«, sagte Moreland und trat zur Seite. Er deutete auf die geöffnete Tür, »treten Sie doch näher. Ich denke, wir haben uns eine Menge zu sagen.« »Nun mach' schon«, sagte einer der Ledergekleideten, der hinter dem Butler stand. »Moment«, schaltete Moreland sich sofort ein, »immer schön höflich bleiben, Leute. Es könnte ja sein, daß wir beobachtet werden. Man muß mit allem rechnen.« * Parker blickte sich in dem Büro um, in das man ihn gebracht hatte. Es war sachlich und karg eingerichtet. Ralph Moreland, der neben seinem Schreibtisch stand, lächelte noch immer gewinnend, doch seine Augen waren daran keineswegs beteiligt. Sie hatten einen harten, abschätzenden Ausdruck angenommen.
Morelands Begleiter und jene beiden Männer, die den Butler bereits im Spielsalon empfangen hatten, standen links an einer Wand und waren sprungbereit wie junge Raubtiere. Sie warteten nur darauf, sich auf den Butler zu stürzen. Parker schien für diese Bedrohung kein Empfinden zu haben. Er stand in höflich-abwartender Haltung vor dem Schreibtisch. An seinem angewinkelten linken Unterarm hing der altväterlich gebundene Regenschirm. »Rücken Sie mal diese komische Spraydose raus«, verlangte Ralph Moreland. »Mr. Brett Sturgess scheint Sie demnach entsprechend informiert zu haben, Mr. Moreland«. »Wenn schon, Parker, für Sie wird das nicht mehr wichtig sein. Los, ich will diese komische Spraydose sehen! Was versprühen Sie da eigentlich? Muß ja ein sagenhaftes Zeug sein.« »Es handelt sich vom Prinzip her um ein weiterentwickeltes Lachgas«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »an dieser Stelle sollte man noch mal klar herausstellen, daß der Spray gesundheitlich völlig bedenkenlos ist.« Während Parker diese Erklärung abgab, griff er mit spitzen Fingern in eine der vielen Westentaschen und holte die angesprochene Spraydose hervor. Die jungen Männer hatten sich in gespannte Stahlfedern verwandelt. Sie waren bereit, Parker sofort zu attackieren, falls er versuchte, Moreland anzustauben. Doch der Butler hatte keineswegs die Absicht. Er stellte die Spraydose auf den Schreibtisch. Moreland langte vorsichtig nach dem kleinen
Zylinder und betrachtete ihn aus nächster Nähe. Er interessierte sich vor allen Dingen für den Auslöseknopf und legte probeweise einen Finger darauf. Dann richtete er die Sprühdüse auf den Butler. »Was wird passieren, wenn ich Ihnen 'ne kleine Dusche verpasse?« erkundigte sich der Gangster dann. »Meine bescheidene Person wird von einer gewissen Heiterkeit erfaßt werden«, entgegnete der Butler, »und diese Empfindung hängt wiederum eindeutig mit der Stärke der Dosis zusammen.« »Sie würden dann kaum was spüren, wie?« »Wie soll und darf man Ihre Frage verstehen?« »Sie bekämen kaum mit, wenn man Sie durch die Mangel dreht, oder?« »Besonderes Schmerzempfinden würde sich in der Tat kaum einstellen«, versicherte Josuah Parker. »Toll«, sagte Moreland und richtete die Düse auf den Butler, »wenn meine Leute Sie also verprügeln, Parker, werden sie kaum was merken, ja?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mr. Moreland.« , »Erst dann, wenn das Zeug verflogen ist, werden Sie spüren, was mit Ihnen passiert ist, ja?« »Erst danach, in der Tat, Mr. Moreland. Aber darf man bei dieser passenden Gelegenheit fragen, warum Sie die Absicht hegen, meiner Person Schmerzen zufügen zu wollen?« »Sie sind zu neugierig, Parker! Sie stecken Ihren Riecher in Dinge, die Sie einen feuchten Dreck angehen.« »Sie sprechen nun wahrscheinlich von einer Person, die sich Maulwurf zu nennen beliebt.«
»Okay, tun wir mal so.« Moreland nickte. Er lächelte längst nicht mehr, spielte noch immer mit dem Sprayzylinder und richtete ihn zwischendurch auf den Butler. Er freute sich wohl bereits im vorhinein darauf, den Butler anzusprühen. »Dieser Maulwurf interessiert sich wohl kaum ohne Grund für alte Bücher, Landkarten und Stiche«, redete Josuah Parker weiter, »es drängt sich also der Gedanke auf, daß der Maulwurf an persönlichen Wertzuwachs denkt.« »Woran denkt er?« Moreland blickte der Butler irritiert an. »An Gewinne«, übersetzte Parker frei, »und meiner bescheidenen Ansicht nach muß es sich um beträchtliche Summen handeln. Der bisherige Einsatz an Personen und Gewalt läßt eindeutig darauf schließen. Sollten Sie, Mr. Moreland, etwa dieser Maulwurf sein?« »Wie kommen Sie denn darauf?« erkundigte sich Moreland und lächelte flüchtig. Er hob langsam die rechte Hand und richtete die Sprühdüse des kleinen Stahlzylinders auf Parkers Gesicht. »Nun, man sollte immerhin die Gegenstände aus einem bestimmten Stahlschrank hierher zu Ihnen schaffen«, beantwortete der Butler die Frage des Gangsters. »Sie werden verdammt viel Zeit haben, sich das alles durch den Kopf gehen zu lassen«, meinte Moreland und ... drückte dann auf den Sprühknopf. Es war schon mehr als leichtfertig, daß Josuah Parker noch nicht mal den Versuch machte, den Kopf abzuwenden. Er schien sich mit
seinem Schicksal abgefunden zu haben. Das feine Zischen der Düse war fast überdeutlich zu hören. Die vier jungen Männer hatten sich neugierig von der Wand- gelöst und schwärmten aus. Sie wollten miterleben, was aus dem Butler wurde. Darüber hinaus warteten sie darauf,' sich endlich mit dem Mann befassen zu können. Sie wollten feststellen, ob man ihn tatsächlich durch die Mangel drehen konnte, ohne daß er brüllte oder gar schrie. Sie achteten nicht auf Ralph Moreland. Und gerade das hätte sich nämlich gelohnt. Der Spielhallenbesitzer zeigte ein völlig verblüfftes Gesicht und ... fuhr sich mit der linken Hand fahrig übers Gesicht. Dann legte er den kleinen Sprayzylinder aus der Hand, indem er ihn Parker zuwarf, der ihn geschickt auffing. Anschließend zeigte Moreland ein ausgesprochen heiteres Gesicht und gluckste verhalten in sich hinein. Er schien sich ungemein zu amüsieren ... * »Sie sollten sich vielleicht ein wenig um Mr. Moreland kümmern«, schlug der Butler höflich und gemessen vor. Mit der Spitze seines UniversalRegenschirms deutete er auf Moreland, der breit grinste und lustvoll die Augen verdrehte. Die vier jungen Männer hatten bereits mitbekommen, daß ihr Boß sich ein wenig ungewöhnlich benahm. Sie starrten auf Moreland und vergaßen darüber für einen Moment, daß es einen Butler Parker gab, der sie nicht ohne Grund abgelenkt hatte.
In Parkers Hand befand sich noch immer der kleine Sprayzylinder, dessen Inhalt er jetzt zielbewußt einsetzte. Während die vier jungen Männer noch nicht das glauben wollten, was sie sahen, sprühte der Butler sie geschickt an. Vorher jedoch hatte er die Düse oben auf dem Zylinder in die richtige Richtung gedreht. Moreland nämlich hatte sich selbst angesprüht, als er Parker behandeln wollte. Die vier jungen Männer reagierten jetzt und wollten sich mit Josuah Parker befassen. Sie waren schnell, stark und geschickt, doch all diese Fähigkeiten reichten nicht aus, Butler Parker auch nur in die Verteidigung zu drängen. Der Universal-Regenschirm in seiner Hand war eine Waffe, die durchaus mit einem Kendostock zu vergleichen war. Der altväterlich gebundene Schirm wirbelte durch die Luft und teilte ungemein harte, wirkungsvolle Schläge aus. Die jungen Kerle kamen überhaupt nicht an ihre diversen Stichoder Schußwaffen. Parker erstickte jede Handlung bereits im Keim und brauchte nur wenige Augenblicke, bis die vier jungen Männer auf dem Boden hockten und sich ihren Tränen hingaben. Sie waren nicht nur entnervt, sondern auch wie paralysiert. Die gezielten Schläge hatten Nerven- und Muskelpartien getroffen, die jetzt für eine Desorganisation wichtiger Gliedmaßen sorgten. Als Parker dieses für ihn kleine Zwischenspiel erledigt hatte, widmete er sich wieder Ralph Moreland. Parker sah man keineswegs an, daß er sich körperlich betätigt hatte. Die schwarze
Melone saß nach wie vor korrekt auf seinem Kopf, die schwarze Krawatte hatte sich nicht verschoben. Er schien den korrekten Sitz seiner Kleidung gerade erst vor einem Spiegel kontrolliert zu haben. Ralph Moreland kicherte wie ein Kleinkind, was Parker allerdings diskret übersah. »Sie werden jetzt mit Vergnügen an einem kleinen Ausflug teilnehmen, Mr. Moreland«, schickte der Butler voraus, »und Sie freuen sich bereits auf diese hübsche Abwechslung.« »Klar, natürlich.« Moreland nickte. »Wir werden natürlich nicht durch den Spielclub gehen«, redete Josuah Parker weiter. »Sie werden mir Ihren Notausgang zeigen, nicht wahr?« »Aber ja doch«, freute sich Moreland weiter, »den kennen nur meine Freunde.« »Man kann nur hoffen, daß Sie mich als Ihren Freund betrachten, Mr. Moreland.« »Und wie!« Ralph Moreland nickte noch intensiver. »Wer sind Sie eigentlich? Kennen wir uns nicht?« »Dazu später mehr«, schlug Josuah Parker vor, »kommen Sie, Mr. Moreland, ich weiß ja, daß Sie mir Ihren Notausgang unbedingt zeigen wollen.« Die vier jungen Schläger hatten den Dialog nur am Rand mitbekommen. Sie saßen sich in einem Kreis gegenüber und benahmen sich wie verspielte Kinder. Sie klatschten in die Hände, zuerst in die eigenen, dann wechselseitig in die ihrer Nebenleute. Josuah Parker regte an, doch ein hübsches Lied zu intonieren. Sie nahmen diesen Hinweis umgehend auf und stimmten ein Lied an, das allerdings nicht in eine Kinderstube
gehörte. Sie sangen einen Gassenhauer, dessen Text mehr als nur anzüglich und zweideutigeindeutig war. Dazu klatschten sie nun im Takt und strahlten den Butler dabei beifallheischend an. »Kommen Sie, Mr. Moreland«. Josuah Parker wandte sich an den Gangsterboß, »machen wir uns auf die Suche nach Mr. Brett Sturgess. Wir könnten ihn vielleicht mitnehmen.« »Doch nicht dieses Rindvieh«, meinte Moreland verächtlich und zog die Stirn kraus. »Sie hegen einen gewissen Groll gegen ihn?« fragte der Butler. »Das is' doch eine Flasche«, redete Moreland abfällig weiter, »der verpatzt alles.« »Und wo könnte er sich zur Zeit befinden?« »Er hat von Jessie Hodders aus angerufen.« »Dazu später mehr«, schlug der Butler vor, »gehen wir, Mr. Moreland. Sie sind sicher, daß der Maulwurf diesen Notausgang nicht kennt?« »Nee, den kennt er nicht«, meinte Moreland und lächelte' versonnen, »den würd' ich ausgerechnet dem auf die Nase binden.« Parker hätte gern weitere Fragen gestellt, die sich auf den Maulwurf bezogen, doch Moreland bestand mit der Hartnäckigkeit eines Kleinkindes darauf, seinen Notausgang zu zeigen. Parker ging darauf ein und folgte dem Gangsterboß, während die vier jungen Männer inzwischen dazu übergegangen waren, sich Witze zu erzählen, die auch nicht gerade als stubenrein bezeichnet werden konnten.
Das Gelächter der vier jungen Männer war noch lange zu hören. * »Sie haben diesen Flegel von einem Sturgess nicht gleich mitgebracht?« wunderte sich Lady Agatha und schüttelte mißbilligend den Kopf. »Mir wäre so etwas natürlich nie passiert.« »Mylady werden ein unerreichbares Vorbild bleiben«, behauptete Josuah Parker und deutete eine leichte Verbeugung an. Er hatte Moreland in einem der sogenannten Gästezimmer unten im Haus untergebracht und servierte, wenn auch ein wenig verspätet, den Nachmittags-Tee. Lady Agatha nahm ihn vor dem mächtigen Kamin in der großen Wohnhalle und hatte ihr Textbuch mitgebracht. Sie wollte damit verdeutlichen, daß sie nach wie vor an ihrer Rolle als Lady Macbeth arbeitete. »Was ist, wenn dieser Sturgess jetzt entwischt?« fragte die ältere Dame weiter, »er könnte schließlich der Maulwurf sein.« »Der sich dann aber wohl kaum selbst mit einer Bombe bedient hätte, Mylady«, antwortete Josuah Parker höflich. »Ein Ablenkungsmanöver, wenn Sie mich fragen«, schlußfolgerte sie kühn, »und bei wem ist dieser Sturgess jetzt?« »Er rief laut Mr. Moreland von einem gewissen Jessie Hodders aus an, Mylady. Meine Wenigkeit war so frei, Mr. Pickett zu bitten, sich um diesen Mr. Jessie Hodders zu kümmern.« »Dann ist die Sache ja in guten Händen.« Agatha Simpsons Stimme klang
versöhnt. Sie hielt große Stücke auf den ehemaligen Eigentumsumverteiler. »Einige seiner Freunde überwachen zudem den Buchhändler Waters«, fügte Josuah Parker hinzu. »Sehr schön«, meinte die ältere Dame, »auch diesem Waters traue ich selbstverständlich nicht über den Weg, Mr. Parker. Sind Sie schon mal auf den Gedanken gekommen, daß vielleicht er der Maulwurf ist?« »Ein Hinweis, Mylady, den man nur als ungemein verblüffend bezeichnen kann und muß.« »Ich weiß, Mr. Parker, aber ich gehöre eben zu den wenigen Menschen, die nicht in ausgefahrenen Gleisen denken.« »Dies, Mylady, kann man nur respektvoll unterstreichen.« In Parkers Gesicht rührte sich kein Muskel. »Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen«, meinte sie großzügig, »meine Theorien könnten Sie sonst nur unsicher machen. Was werde ich jetzt in diesem Fall unternehmen, Mr. Parker? Ich habe da bereits feste Vorstellungen, das versteht sich am Rand, aber ich möchte doch hören, ob auch Sie sich bereits einige brauchbare Gedanken gemacht haben.« »Mylady erwarten gegen Abend Sir John Crabbs.« »Wen erwarte ich? Wer ist denn das schon wieder?« »Ein Kunstsachverständiger, Mylady, der einen Blick auf die Bücher werfen sollte.« »Richtig, da sind ja noch diese Bücher«, gab sie fast unwillig zurück, »damit hat alles angefangen. Ich denke, auf diesen Experten kann ich durchaus verzichten.«
»Mylady haben bereits eine Entdeckung gemacht, während meine Wenigkeit außer Haus war?« »Ich werde meinen Gast verhören«, gab sie zurück, »ich werde ihm auf den Zahn fühlen. Er muß doch wissen, welche Bücher gestohlen werden sollten, und wozu das diente.« »Mr. Morelands Aussage könnte man dann eventuell mit der Expertise Sir Johns vergleichen, Mylady.« »Nun gut, ich will Ihnen eine Freude machen.« Sie nickte wohlwollend. »Sir John soll also kommen. Ich glaube, ich war es ohnehin, der ihn einlud, nicht wahr?« »So könnte man fast sagen«, erklärte der Butler höflich, obwohl seine Herrin kein Wort gesagt hatte. »Hat Sir John mit der Bühne zu tun?« fragte sie und nahm das Rollenbuch in die Hand. »Mittelbar, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, »er gilt allerdings als Kenner Shakespeares.« »Ein sympathischer Mensch«, erwiderte sie umgehend, »ich werde mich mit Sir John über die Rolle der Lady Macbeth unterhalten, Mr. Parker. Ich möchte sie schließlich voll ausschöpfen.« »Mylady sind nun in der Verfassung, den Gast des Hauses zu sehen?« »Ich werde das verschieben«, meinte sie, »ich muß mich meiner Rolle widmen, Mr. Parker. Übernehmen Sie das Verhör. Es kann sein, daß ich später doch noch komme, aber das Stück geht vor. Ich werde mich durch diesen Fall nicht ablenken lassen, zumal ich ihn eigentlich schon gelöst habe.« »Mylady setzen meine Wenigkeit in Erstaunen«, erwiderte der Butler.
»Natürlich ist der Fall so gut wie gelöst«, wiederholte die resolute Detektivin und schritt majestätisch zur Treppe, »der Buchhändler ist der Maulwurf. Oder vielleicht der Spielhöllenbesitzer, was weiß ich. Klären Sie das ab, Mr. Parker, ich kann mich nun wirklich nicht um jedes Detail kümmern.« Sie betrat die Galerie und memorierte dabei ihren Text. »Noch immer riecht es hier nach Blut. Alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht wohlriechend machen ...« Agatha Simpson war stehengeblieben und hatte ihre Hand gehoben, die laut Text klein war. Doch Myladys Hand war groß und ausgeprägt. Die Detektivin hatte sie gehoben, musterte sie, als sei sie völlig neu für sie, und sagte dann etwas von einem Fleck, den sie unbedingt entfernen wollte. Es schien sich dabei eindeutig um einen Blutfleck zu handeln. Parker lauschte Myladys Worten und bot das Bild eines interessierthöflichen Zuhörers, bis die ältere Dame oben auf der Galerie verschwunden war. * Das Telefon läutete. Josuah Parker hob ab, nannte seinen Namen und hörte zuerst mal ein scharfes Räuspern. Dann war eine schneidende, harte Stimme zu hören, die der Butler bereits kannte. »Sie haben Ihre letzte Chance verspielt«, sagte die Stimme. »Sie wollen einfach nicht begreifen, wie?«
»Sollte es etwas geben, das Ihren Groll ausgelöst haben könnte?« fragte der Butler in seiner bekannt höflichen Art. »Sie haben diesen Moreland abgeschleppt«, redete der Maulwurf weiter, »aber das bringt nichts, Parker, glauben Sie mir.« »Lady Simpson neigt der Ansicht zu, daß Mr. Moreland der gesuchte Maulwurf ist.« »Wie war das? Moreland - der Maulwurf? Und wer bin dann ich?« »Sie könnten aus Gründen eines gewissen Verwirrspiels diese Rolle nur akustisch verkörpern.« »Noch nicht mal schlecht gedacht«, meinte der Mann, der der Maulwurf sein wollte, oder es vielleicht tatsächlich war, »aber glauben Sie mir, Moreland bringt Sie nicht weiter.« »Dafür dürfte Mr. Brett Sturgess nicht sonderlich gut auf Sie zu sprechen sein. Sie sandten ihm immerhin eine Bombe ins Haus, die seinen Briefmarken-Club nachhaltig schädigte.« »Wer ist schon Sturgess?« lautete die fast verächtliche Antwort. »Er ist der Boß einiger Schläger, aber doch nicht mehr! Leute wie Sturgess kauft man von Fall zu Fall.« »Und dennoch scheint er für Sie eine gewisse Gefahr darzustellen, sonst hätten Sie solch eine Bombe kaum auf den Weg gebracht.« »Die Sprengladung galt Ihnen, Parker. Und das wissen Sie genau. Und weitere Überraschungen werden folgen, damit können Sie fest rechnen. Sie wollen einfach nicht kapieren, daß ich die besseren Karten habe.«
»Dafür besitzt Mylady die Bücher aus Mr. Waters Stahlschrank, um höflichst daran zu erinnern.« »Diese alten Schwarten«, urteilte der Maulwurf in abfälligem Ton, »die bringen nichts.« »Für Sie aber müssen Sie von hohem Wert sein«, gab Josuah Parker zurück, »schließlich haben Sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um sie in Ihren Besitz zu bringen.« »Das mit den alten Schwarten hat sich inzwischen erledigt, Parker. Aber verbeißen Sie sich ruhig in diese Bücher. Es ist schließlich nicht meine Zeit, die Sie da vergeuden.« »In der Tat«, antwortete Parker, »gibt es sonst noch etwas, das man hören müßte?« »Verdammt, ich werde Sie noch von Ihrem hohen Roß herunterholen«, ärgerte sich der Maulwurf hörbar, »Sie wollen mich doch nur provozieren, damit ich einen Fehler mache.« »Sind Sie sicher, ihn nicht bereits begangen zu haben?« erkundigte sich Josuah Parker. »Sie bluffen doch nur, Parker, aber das verfängt bei mir nicht.« »Wie Sie zu glauben belieben.« »Ich wiederhole, Parker: Sie bluffen doch nur.« »Sie trieben einen hohen Aufwand, um sich in den Besitz der alten Bücher, Landkarten und Stiche zu bringen«, schickte Josuah Parker gemessen voraus, »damit aber setzten Sie bereits eindeutig Akzente, die Rückschlüsse zulassen.« »Wieso denn das?« Der Maulwurf tat verwundert, wie deutlich zu hören war.
»Sie interessieren sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für eine gewisse Vergangenheitsperiode, die man wohl als geschichtlich bezeichnen muß.« »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, behauptete der Maulwurf. »Es bieten sich zwei Deutungsmöglichkeiten an«, erklärte Parker geduldig-höflich, »entweder geht es Ihnen um ein bestimmtes Objekt aus dem Stahlschrank der Buchhandlung, das für sich allein einen hohen Verkaufswert haben muß, oder aber Sie hoffen, aus einem dieser Objekte Angaben zu erhalten, die für Sie ein Vermögen wert sind.« »Mann, haben Sie vielleicht eine Phantasie«, staunte der Maulwurf. Seine Stimme klang nicht mehr messerscharf und schneidend. »Herzlichen Dank für Ihr Kompliment«, entgegnete Josuah Parker, »aber zu Ihrer Beruhigung möchte meine Wenigkeit doch umgehend feststellen, daß man nicht an einen versteckten Goldschatz denkt, dessen Lage auf einem alten Pergament verzeichnet ist. Oder sollte man vielleicht doch von solch einer Prämisse ausgehen?« * Es war dunkel geworden. Lady Agatha saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und ließ sich zu den West India Docks bringen. Horace Pickett, der Mann, der sich früher intensiv um fremde Taschen gekümmert hatte, erwartete doch Lady Agatha und den Butler, um ihnen den momentanen Aufenthaltsort von Brett Sturgess zu zeigen. Pickett hatte vor
einer halben Stunde angerufen und wußte, wo der Vorsitzende des Briefmarken-Clubs sich versteckt hielt. Für Mylady hatte es nach diesem Anruf kein Halten mehr gegeben. Sie wollte sich so schnell wie möglich mit diesem Gangster unterhalten, der nach dem Bombenanschlag geflüchtet war. »Werde ich verfolgt?« fragte die ältere Dame nach einer Weile. »Ich hoffe doch sehr, daß der Maulwurf nicht weggetaucht ist, Mr. Parker.« »Damit, Mylady, dürfte kaum zu rechnen sein«, antwortete Josuah Parker in seiner höflich-würdevollen Art, »es könnte durchaus sein, daß er bereits bei den West India Docks auf Mylady zu warten sich erlaubt.« »Woher sollte dieses Subjekt denn wissen, daß ich komme?« wunderte sie sich umgehend. »Dem Maulwurf dürfte bekannt sein, daß Mylady Mr. Ralph Moreland Gastrecht gewähren«, beantwortete der Butler die Frage, »er könnte deshalb zu der Schlußfolgerung kommen, daß Mr. Moreland den Namen Jessie Hodders erwähnte.« »Aha! Und wer ist Jessie Hodders?« wollte die Detektivin wissen. Ihr Namensgedächtnis war einmalig schlecht. »Laut Mr. Moreland rief Mr. Sturgess von dem gerade erwähnten Mr. Hodders aus an«, setzte Parker seiner Herrin geduldig auseinander, »laut Mr. Moreland kündigte Mr. Sturgess Myladys Besuch in dem Spielkasino an.« »Ich weiß, ich weiß«, gab sie ungeduldig und gereizt zurück, »ich kenne schließlich die Fakten, Mr. Parker. Und wer ist nun dieser
Lümmel bei den West India Docks? Wie heißt er noch?« »Mr. Jessie Hodders, Mylady.« »Sagte ich doch gerade«, meinte sie und räusperte sich, »hat dieses Subjekt bei den Docks eine Kneipe oder so?« »Mr. Jessie Hodders betreibt eine Fischhandlung, Mylady.« »Und ist natürlich ein Gangster, wie?« »Diese Fischhandlung, Mylady, dient sicher wohl nur zur Tarnung seines wahren Metiers.« »Vielleicht ist der Fischhändler der Maulwurf«, tippte sie an, »man sollte mit allen Möglichkeiten rechnen.« »Myladys Hinweis und Vermutung sollte man unbedingt ins Kalkül einbeziehen. »Werde ich denn noch immer nicht verfolgt?« Sie drehte ihre Fülle zur Seite und spähte durch das Rückfenster des hochbeinigen Monstrums auf die Straße. »Können Mylady etwas Ungewöhnliches feststellen?« erkundigte sich der Butler. »Einige Autos, die mir verdächtig vorkommen«, antwortete sie, »aber ich will mich da nicht unbedingt festlegen, Mr. Parker. Achten Sie aber auf die beiden Motorradfahrer... Sie sind gerade hinter dem kleinen Lieferwagen verschwunden. Natürlich haben sie sich in Deckung gebracht und wollen nicht entdeckt werden.« »Myladys Hinweis wird Befehl für meine Wenigkeit sein«, versprach der Butler, der die beiden Motorradfahrer natürlich die ganze Zeit über unter Sichtkontrolle gehalten hatte. »Wahrscheinlich hat man zwei Scharfschützen auf mich angesetzt«, vermutete Lady Agatha zielbewußt
weiter, »sie warten nur auf eine günstige Gelegenheit, um mich in die Zange nehmen zu können.« »Darf man höflich daran erinnern, Mylady, daß die Wagenscheiben schußfest sind?« »Schnickschnack, Mr. Parker. Und was ist mit der Karosserie?« »Sie widersteht ebenfalls normalen Geschossen, Mylady.« »Darauf möchte ich es lieber nicht ankommen lassen«, räsonierte sie, »schütteln Sie die beiden Lümmel ab, Mr. Parker! Oder sorgen Sie wenigstens dafür, daß sie vor einer Hauswand landen...« »Die beiden Zweiradfahrer, Mylady, bogen gerade in eine Querstraße ein.« »Nur ein Ablenkungsmanöver«, wußte Agatha Simpson wieder mal im vorhinein, »und Sie, Mr. Parker, fallen auf solch einen faulen Trick herein. Wirklich, ich wundere mich über nichts mehr!« * Das Fischgeschäft des Jessie Hodders war im Souterrain eines Backsteinhauses in der Manila Street untergebracht. Es gehörte zu einer ganzen Häuserzeile ähnlicher Bauten, die sich nicht gerade durch Modernität oder frisches Aussehen auszeichneten. Es gab hier viele kleine Läden, die um diese Zeit geöffnet waren und auf Kundschaft warteten. Parker fuhr erst mal an dem Fischgeschäft vorüber und zeigte sich Horace Picketts Freunden, die die genaue Adresse ausfindig gemacht hatten. Zudem wollte Parker dem ehemaligen Taschendieb deutlich machen, wo man sich treffen konnte.
In der nächsten Querstraße hielt der Butler und fand einen passenden Parkplatz vor einem Video-Club. Lady Agatha betrachtete die grellbunte Reklame und zeigte Interesse. »Dort scheint man ein hübsches Programm zu bieten«, sagte sie. »Ein Programm mit eindeutig pornografischem Inhalt, Mylady.« »Was macht das schon«, erwiderte sie, »ich bin schließlich kein Schulmädchen mehr, Mr. Parker! Nach meinem Gespräch mit dem Briefmarkenlümmel werde ich die Vorstellung besuchen ... Erinnern Sie mich daran!« »Wie Mylady zu wünschen belieben«, lautete die Antwort des Butlers, der die Fahrertür aufdrückte und Horace Pickett beobachtete, der sich dem hochbeinigen Monstrum näherte. Pickett hatte sich der Gegend angepaßt und trug einen einfachen, grauen Stoffmantel und eine karierte Mütze. Er machte einen etwas ärmlichen Eindruck, was er allerdings auch bezweckte. »Hallo«, sagte er, als Parker ausstieg, »das ging aber schnell. Guten Abend, Mylady!« »Es ging ausgesprochen langsam«, widersprach die ältere Dame, »Mr. Parker hat einfach keine Nerven, um mit dem Verkehr fertig zu werden. Dazu braucht man Mut und Entschlossenheit. Sie haben herausgefunden, wo dieser Lümmel sich versteckt hält?« »Nicht direkt bei Hodders«, erwiderte Horace Pickett, »er wohnt in einem Hinterhaus, aber an das kommt man nicht so leicht heran.« »Dann werde ich eben etwas energisch werden müssen«, freute die
ältere Dame sich prompt, »Sie wissen doch, mein lieber Pickett, eine Lady Simpson läßt sich durch nichts aufhalten.« »Und ob ich das weiß, Mylady...« Horace Pickett sah Lady Agatha bewundernd an, »um aber an Sturgess heranzukommen, muß man durch den Fischladen. Der Torweg rechts am Haus ist verschlossen und wird wohl auch bewacht.« »Dann werde ich eben durch den Fischladen gehen«, meinte Agatha Simpson, »übrigens, Mr. Parker, bei dieser Gelegenheit: wir hatten schon lange keinen Fisch mehr. Haben Sie ihn völlig von der Speisekarte gestrichen?« »Durchaus nicht, Mylady.« Parkers Geduld war und blieb belastbar. Er wandte sich wieder Pickett zu. »Befindet Mr. Jessie Hodders sich in seinem Ladenlokal? Wissen Sie inzwischen, wer er ist und welchen Beruf er tatsächlich ausübt?« »Ein mieser Geldverleiher ist er«, antwortete Pickett verächtlich, »er verdient sich mit Kleinkrediten an Hausfrauen und Dockarbeitern ein Vermögen. Die Zinsen sind reiner Wahnsinn. Möchten Sie Einzelheiten hören?« »Nicht unbedingt jetzt und hier«, gab der Butler zurück, »er hält sich zur Zeit in seinem Geschäft auf?« »In seinem Büro«, erläuterte Pickett, »er hat Sprechstunden, wie man hier in der Gegend sagt. Mit anderen Worten, er verleiht Geld oder läßt sich Wochenzinsen bringen. Er ist natürlich nicht allein. Die beiden Fischverkäufer vorn im Laden sind Muskelpakete und müssen früher mal geboxt haben. Sie haben schiefe
Nasen und Blumenkohlohren, wie man so sagt.« »Das klingt doch alles hübsch«, fand die ältere Dame und fingerte an ihrem perlenbestickten Pompadour. Sie vergewisserte sich, daß sich der Glücksbringer an Ort und Stelle befand. Dann schob sie sich aus dem Wagen, nachdem Pickett die hintere Tür geöffnet hatte, räusperte sich explosiv und holte tief Luft. Dann schaute sie Horace Pickett eindringlich an. »Nun, treuer Freund, was bist du so allein und wählst nur trübe Bilder zu Gefährten?« »Wie, bitte?« Horace Pickett machte einen irritierten Eindruck. Auf solche Art war er von Mylady noch nie angesprochen worden. »Macbeth, dritter Aufzug, zweite Szene«, erklärte der Butler, der sich inzwischen kundig gemacht hatte, »Mylady hegen die feste Absicht, sich der Welt als Schauspielerin zu präsentieren.« »Sagenhaft, Mylady«, bescheinigte Pickett, »ich werde in jeder Vorstellung anwesend sein.« »Nun übertreiben Sie nicht gleich, mein lieber Pickett«, gab sie huldvoll zurück, »aber ich habe selbstverständlich nichts dagegen. Aber nun zuerst zu diesem Fischhändler und Geldverleiher: Ich werde mir das Subjekt aus nächster Nähe ansehen. Und dazu kommt mir plötzlich ein Gedanke, Mr. Parker.« »Mylady gaben bereits zu verstehen, daß Mr. Hodders möglicherweise mit dem gesuchten Maulwurf identisch sein könnte«, bemerkte Josuah Parker. Er wußte im voraus, woran seine Herrin dachte.
»Richtig«, bestätigte sie umgehend, »nun, in wenigen Minuten werde ich letzte Gewißheit haben. Folgen Sie mir! Ich werde Ihnen demonstrieren, wie man Täter überführt!« Parker und Pickett setzten sich in Bewegung. * Das Innere des Fischladens war ansprechend dekoriert und paßte zur Ware, die hier feilgeboten wurde. An gekachelten Wänden hingen alte Fischernetze, Reusen und dunkelgrüne Glaskugeln, die früher wohl Stellnetze getragen hatten. Es gab eine hufeisenförmige Verkaufstheke, die ebenfalls gekachelt war. Darauf standen kleine Wannen aus Plastik mit den Früchten des Meeres. Lady Agatha hatte sich natürlich sofort ablenken lassen und setzte ihre bekannte Stielbrille auf. Durch die Lorgnette betrachtete sie das reichhaltige Angebot, nämlich Muscheln, See- und Süßwasserfische, Aale in beliebiger Größe, kleine und große Tintenfische und schließlich auch Hummer. »Das sieht ja alles sehr einladend aus«, fand die ältere Dame und ignorierte die beiden Verkäufer, die Lady Agatha musterten und sich dann auf den Butler konzentrierten. Es waren tatsächlich Muskelpakete, die hier wohl als Leibwächter fungierten. Sie trugen weiße Kittel, um sich als Verkäufer auszuweisen, doch diese Rolle nahm ihnen keiner ab. Lady Agatha war fasziniert von den geräucherten Aalen. Sie beugte sich tief über die Plastikschale, auf der die schwarzbraunen Köstlichkeiten lagen.
»Hier sollten Sie gleich einkaufen, Mr. Parker«, meinte sie, »aber zahlen Sie nicht gleich, was man von Ihnen verlangt, handeln Sie.« »Meine Wenigkeit wird sich bemühen, Mylady«, gab Josuah Parker höflich zurück und musterte seinerseits die Muskelmänner, die wohl endlich begriffen hatten, wer da gerade das Ladengeschäft im Souterrain des Backsteinhauses betreten hatte. Wahrscheinlich hatte man ihnen genau beschrieben, wie Lady Simpson und Butler Parker aussahen. Einer der beiden Muskelmänner ging hinüber zur Tür und riegelte ab. Dann zog er eine Sichtblende hinunter und wandte sich um. Er grinste breit und siegessicher. Der zweite Muskelprotz hielt ein langes Fischmesser in der rechten Hand und schärfte es an einem Wetzstahl. Auch er grinste und glaubte, mit dieser Handlungsweise Eindruck zu schinden. »Kommen Sie mal her, junger Mann«, forderte Agatha Simpson ihn auf und krümmte ihren erhobenen Zeigefinger. Ihre an sich schon dunkle und tragende Stimme hatte einen Unterton angenommen, der keinen Widerspruch duldete. Der Angesprochene gehorchte augenblicklich. Sein Gesicht nahm einen leicht dümmlichen Ausdruck an. »Wo finde ich dieses Subjekt, dem das Geschäft hier gehört? Wie heißt der Flegel noch?« »Jessie Hodders«, lautete die umgehende Antwort. Und dann, nach einigen Wimperschlägen, ging dem Muskelprotz wohl erst auf, daß sein Arbeitgeber beleidigt worden war.
»Hör' zu, Mädchen«, schickte der Muskelmann leichtsinnigerweise voraus und wetzte wieder sein langes Messer, »hör' zu, Tante, du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank, wie?« Lady Agatha betrachtete den Mann durch ihre Lorgnette, klappte die Stielbrille zusammen und ließ sie in der Tasche ihrer Tweedjacke verschwinden. Dann langte sie nach einem Räucheraal, der etwa achtzig Zentimeter lang und gut und gern zehn Zentimeter dick war. »Was ist das hier?« erkundigte sie sich bei dem Muskelprotz. »Was wohl?« fragte der zurück, »das is'n Aal, oder?« »Richtig, junger Mann«, bestätigte Lady Agatha und ... holte blitzschnell mit der Köstlichkeit aus. Bevor der Mann überhaupt eine Abwehrbewegung ausführen konnte, klatschte die resolute Dame ihm den Aal quer übers Gesicht. Da Agatha Simpson Golf spielte und dem Sportbogenschießen huldigte, verfügte sie über eine Muskulatur, die man durchaus als ausgeprägt bezeichnen konnte. Der Muskelprotz stöhnte, als der Aal sein Gesicht zeichnete. Er ließ das Messer fallen, dann den Wetzstahl und griff mit beiden Händen nach seinen schmerzenden Wangen. Dabei tat er einen halben Schritt zurück und kollidierte mit der Kante der gekachelten Verkaufstheke. Lady Agatha setzte ohne Zögern nach. Ihre Augen funkelten vor Vergnügen, ergab sich doch hier endlich wieder mal die Gelegenheit, sich körperlich zu betätigen. Und sie tat es ausgiebig! Lady Agatha benutzte einen Kabeljau und ohrfeigte damit den
immer noch völlig verdutzten und irritierten Muskelmann, der abwehrend die Arme hob, um sich zu schützen. Die Angreiferin fand aber sehr schnell eine Möglichkeit, die Deckung wieder herunterzuziehen, wie es im Fachjargon der Boxer so schön heißt. Sie langte herzhaft nach den Eisbrocken, auf denen die Frischfische lagen, stopfte eine Ladung davon unter das gestreifte Hemd des Mannes und trat dann erwartungsvoll zurück. Der so Behandelte quiekte wie ein Ferkel, riß prompt die Arme herunter und griff nach dem kühlenden Eis auf seiner behaarten Brust. Dadurch gab er sein Gesicht frei, worauf die ältere Dame nur gewartet hatte. Sie klatschte dem Muskelprotz zwei ansehnliche Schollen ins Gesicht und musterte dann kritisch diese ungewöhnliche Gesichtspackung. Der Mann schnappte inzwischen verzweifelt nach Luft und öffnete dabei weit den Mund. Er hätte es besser nicht getan, denn er forderte damit die Kreativität der älteren Dame förmlich heraus. Agatha Simpson stopfte ihm einige Crevetten in den Rachen, garnierte sie mit Zitronenscheiben und rundete das alles ab mit einer Portion Fischsalat, der in einer Porzellanschale angeboten wurde. Lady Agatha benutzte dazu einen Plastiklöffel und bediente sich ausgiebig. Der Muskelprotz schniefte, keuchte und gurgelte. Er schlug mit den Armen wie ein Ertrinkender um sich und wischte an seinen Augen, die etwas von dem Fischsalat abbekommen hatten. Genau das brachte die ältere Dame auf eine weitere Idee.
Sie langte wie selbstverständlich nach einer Riesentube aus Plastik, die laut Aufschrift mit Remoulade-Soße gefüllt war. Tausend Gramm standen damit zur freien Verfügung. Die Lady machte sich natürlich keine Illusionen darüber, was die Qualität dieser Kräutersoße betraf. Fast gelassen schraubte Lady Agatha den Verschluß ab und näherte sich dem Muskelprotz, der sich nach wie vor die Augen rieb und mit den Beinen in der Luft ruderte. »Nun liegen Sie endlich still«, donnerte Agatha Simpson den Mann an, der verdutzt Ruhe gab und die Hoffnung hegte, Hilfe zu bekommen. Doch darin wurde er enttäuscht. Die resolute Dame drückte fest auf das Tubenende und injizierte den Inhalt der Tube ins linke Nasenloch des völlig irritierten Mannes, der erst dann reagierte, als er bereits eine gehörige Portion erwischt hatte. Spuckend, prustend, schluckend und hustend, fuhr der Mann hoch, brachte sich mit verzweifelter Anstrengung auf die Beine und wollte die ältere Dame attackieren. Doch darauf schien sie wirklich nur gewartet zu haben. Sie hatte bereits mit dem Pompadour ausgeholt und setzte ihren sogenannten Glücksbringer treffsicher auf die Kinnlade des Muskelmannes. Der wurde vom Schwung mitgerissen, verlor den Halt unter den Füßen und setzte sich in eine Plastikwanne, die nicht nur mit Wasser gefüllt war. In dieser Wanne befanden sich einige Hummer, deren Scheren wie Kneifzangen aussahen. Noch wußte der Muskelprotz nichts davon, denn er war halb betäubt und zeigte verglaste Augen ...
* »Unverschämt, eine hilflose Frau angreifen zu wollen«, stellte Lady Agatha fest und blickte sich nach ihrem Butler um. Parker machte einen völlig unbeteiligten Eindruck und stand korrekt vor dem zweiten Fischverkäufer, der wie ein nasses Tuch über einem Sack lag, der mit Muscheln gefüllt war. »Hoffentlich haben Sie ihn nicht zu höflich behandelt, Mr. Parker«, redete die ältere Dame weiter. »Mylady können versichert sein, daß meine Wenigkeit auf unangebrachte Rücksicht verzichtete«, erwiderte Josuah Parker. Der Butler hatte den Mann mit einem kurzen und harten Schlag außer Gefecht gesetzt und damit den Griff seines UniversalRegenschirms benutzt. Ihm war es darauf angekommen, sich eventuell Lady Simpson widmen zu können, die Sich ja bekanntermaßen nur zu oft überschätzte. Butler Parker hatte inzwischen seinen Standort gewechselt und stand jetzt neben einer Tür in der verkachelten Wand, die in einen Hinterraum führte. Einen Augenblick später wurde diese Tür aufgestoßen. Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit eisgrauem, kurz geschorenem Haar, erschien im Türrahmen. Er trug ebenfalls einen weißen Kittel und machte einen energischen Eindruck. »Mr. Jessie Hodders?« erkundigte sich der Butler und lüftete höflich die schwarze Melone. »Hodders«, antwortete der Mann und nickte, »und wer sind Sie? Was soll
der verdammte Lärm hier? Wo sind denn meine beiden ...?« Er verzichtete darauf, den Satz zu beenden, da er inzwischen sah, was mit den Verkäufern geschehen war. Der Muskelprotz, der die Remouladen-Injektion von Mylady erhalten hatte, stieß gerade einen ungemein spitzen Schrei aus. Dann fuhr er aus der Plastikwanne hoch und griff mit beiden Händen verzweifelt nach seinem Gesäß, eine Geste, die durchaus angebracht war, wie sich deutlich zeigte. Ein starker Hummer hatte endlich zufassen können und bearbeitete mit seiner mächtigen Schere die linke Hinterbacke des Mannes. Der Hummer hatte sich festgebissen und dachte nicht daran, die Schere zu öffnen. Der Muskelmann jaulte inzwischen und trabte wie ein munteres Füllen durch das Fischgeschäft. Dabei glitt er über eine am Boden liegende Scholle und legte sich flach auf die Luft. Da sie ihn ja aus bekannt-physikalischen Gründen nicht zu tragen vermochte, stürzte der Mann ab und landete flach auf dem Boden. Der Mann im Türrahmen wollte sich blitzschnell wieder zurückziehen, doch Josuah Parker hinderte ihn daran. Er, hielt inzwischen den UniversalRegenschirm knapp über der Spitze in der rechten Hand und benutzte den Bambusgriff als Fußangel. Jessie Hodders war dadurch nicht in der Lage, diesen Fuß zu bewegen. Da sein Körper aber bereits in Bewegung war, stolperte der Mann und landete klatschend auf dem Boden. »Man bittet um Vergebung«, sagte
Parker in seiner höflichen Art, »der Fehler dürfte auf meiner bescheidenen Seite gelegen haben.« Jessie Hodders zog die Beine an, stemmte sich hoch und fiel dann wieder zurück auf den Bauch. Lady Agatha entpuppte sich gerade in dieser Situation als eine Frau, der Hilfsbereitschaft keineswegs fremd war. Zudem unterstrich sie jetzt, daß sie als frühere Pfadfinderin durchaus wußte, wie man erste Hilfe leistete. Sie kippte eine Schale mit frischen Heringen über den Kopf des Fischhändlers. Dabei kam es ihr jedoch keineswegs, auf die Heringe an, sondern auf das Eis, auf dem die Fische lagen. Hodders schnappte nach Luft, wurde überraschend schnell munter und stemmte sich erneut hoch. Diesmal schaffte er es, wieder auf die Beine zu kommen. Schwankend blieb er vor der älteren Dame stehen und sah sie aus Augen an, die vor Panik weit geöffnet waren. »Nun reißen Sie sich mal gefälligst zusammen«, raunzte die resolute Frau den Mann dann unwirsch an, »und hören Sie auf mit dem billigen Theater. Damit können Sie mich nun wirklich nicht beeindrucken.« »Mylady sind gekommen, um einige Fragen an Sie zu richten«, sagte der Butler, »aber dazu mehr in Ihrem Büro, Mr. Hodders.« »Ich... Ich glaub das alles nicht«, behauptete Jessie Hodders und entfernte einen grünen Hering von seiner Brust, »nein, das ist alles nicht wahr.« »Nun, teurer Freund, was bist du so allein?« fragte Agatha Simpson, die wieder mal eine Gelegenheit entdeckt hatte, Shakespeare zu zitieren, »was
bist du so allein und wählst nur trübe Bilder zu Gefährten?« »Ich bin allein?« fragte Jessie Hodders, der natürlich nicht wußte, an welcher Rolle die Lady arbeitete. Er sah Agatha Simpson verständnislos an. »Ich bin gekommen, deinen Freund zu sehen«, extemporierte sie weiter, »Brett Sturgess ist sein Name. Ich bring' ihm gute Kunde, wenn ihr ihn mir zeigt.« »Ich werd' verrückt«, klagte Hodders und verdrehte die Augen. »Das halt' ich im Kopf nicht aus.« »Banause«, sagte die ältere Dame verächtlich, »Mr. Parker, was halte ich von einem Menschen, der keinen Sinn für wahre Kunst hat? «. »Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, Mylady, wenn meine Wenigkeit darauf verweisen darf«, lautete Parkers diplomatische Antwort. Zugleich dirigierte erden Mann mit der Spitze seines Schirms in das Büro und entdeckte auf den ersten Blick einen kleinen, ungemein solide aussehenden Geldschrank, dessen Tür weit geöffnet war. Auf einem einfachen Schreibtisch lagen Schnellhefter und Papiere, an denen Jessie Hodders wohl eben noch gearbeitet hatte. Auch jetzt schienen diese Unterlagen für ihn von besonders großer Wichtigkeit zu sein, denn er schob sich nun wie zufällig an die vordere Kante des Schreibtisches heran, um Papiere und Schnellhefter abzuschirmen. »Man setzt selbstverständlich Ihre Erlaubnis voraus«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art und näherte sich dem Schreibtisch von der rechten Stirnseite her. Jessie Hodders
folgte Parkers Bewegung und machte alles dadurch nur noch auffälliger. Und es war dann Lady Agatha, die freudig zuschnappte und die Schnellhefter an sich nahm. Sie schlug den ersten auf und zückte ihre Lorgnette. »Sehr interessant«, meinte sie dann, »das hier dürfte ein Verzeichnis Ihrer Schuldner sein, wie?« »Meine Kunden«, korrigierte Hodders, »und diese Namen sind vertraulich, Mylady.« »So werde ich sie auch behandeln, guter Mann«, erwiderte die ältere Dame und blickte wieder auf die Namen und Zahlen, die dahinter verzeichnet waren, »Sie leihen im Schnitt etwa zwanzig Pfund aus, wie?« »Um Leuten mal aus der Verlegenheit zu helfen«, erwiderte Hodders, »und, verdammt, jetzt will ich endlich wissen, wer Sie sind und was Sie hier wollen. Das ist ja fast so was wie ein Überfall.« »Das bestreitet Mylady entschieden«, schaltete Josuah Parker sich ein, »Mylady kam nur, um ein wenig Frischfisch einzukaufen.« »Und es ist ein Skandal, daß Ihre beiden Verkäufer mich prompt anfielen«, beschwerte sich die ältere Dame, »ich glaube, ich werde da meinen Anwalt einschalten müssen. Mr. Parker, erinnern Sie mich daran.« »Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit fest verlassen«, antwortete der Butler und deutete eine knappe Verbeugung an, »aber vorher könnte man Mr. Hodders vielleicht nach einem gewissen Mr. Brett Sturgess fragen, der sich wahrscheinlich in der Nähe aufhält.«
»Das werde ich übernehmen«, antwortete die Detektivin und musterte Jessie Hodders eingehend, »ich kann nur hoffen, daß er sich etwas störrisch anstellt. Ich hätte wirklich nichts dagegen.« Nun, Jessie Hodders enttäuschte die ältere Dame auf der ganzen Linie. Er hatte überhaupt keine Lust, Myladys Unwillen zu erregen. * »Ausgeflogen«, stellte Agatha Simpson mißbilligend fest und blickte Jessie Hodders streng an, »ich glaube, junger Mann, Sie haben mich nach Strich und Faden belogen.« »Bestimmt nicht, Mylady, bestimmt nicht«, ächzte der Fischhändler und zog sicherheitshalber den Kopf ein, »ich weiß genau, daß Sturgess noch vor 'ner halben Stunde hier im Appartement war. Das kann ich beschwören.« »Was halte ich von diesem fadenscheinigen Angebot, Mr. Parker?« wollte die Detektivin von ihrem Butler wissen, der hinter dem Fischhändler stand. »Mylady provozieren möglicherweise einen Meineid«, erwiderte der Butler gemessen. »Ich bin also belogen worden.« Sie blickte Jessie Hodders eisig an. »Sie glauben doch hoffentlich nicht, daß ich mir das von Ihnen bieten lasse, oder?« »Mylady, mein Wort, bis vor einer halben Stunde war er noch hier«, wiederholte der Fischhändler. »Gehen wir zurück in Ihren Fischkeller«, sagte Lady Agatha, »und
dort werde ich meine Frage dann noch mal stellen.« »Er kam doch nur hier vorbei, um für einige Tage unterzutauchen«, erklärte Jessie Hodders eifrig, »wenn ich geahnt hätte, was da auf mich zukommt, hätte ich ihn erst gar nicht reingelassen.« »Er führte Gründe für sein geplantes Untertauchen an, Mr. Hodders?« wollte der Butler wissen, während man wieder zurück zur Treppe ging. »Er hat gesagt, er hätte Ärger mit ein paar Leuten. Und ich habe erst gar keine Fragen gestellt. Neugier zahlt sich nicht aus.« »Wieso wandte Mr. Sturgess sich ausgerechnet an Sie?« »Wir sind befreundet oder so.« Die Antwort fiel ein wenig zögernd aus. »Briefmarkenfreunde des Mr. Sturgess helfen bei Ihnen hin und wieder aus, nicht wahr?« forschte Josuah Parker weiter. Man stieg die Treppe im Hinterhaus hinunter und näherte sich der Haustür, die zum Zwischenhof führte. »Wieso sollten die Clubmitglieder bei mir aushelfen?« wunderte sich Hodders gespielt ahnungslos. »Die Clubfreunde des Mr. Sturgess haben Ihnen vielleicht geholfen, fällige Zinsen einzutreiben«, deutete Parker an. »Niemals. Welche Zinsen denn?« »Ich denke, ich werde mich gleich ärgern«, warnte die ältere Dame den Fischhändler. »Nun ja, manchmal haben die ausgeholfen«, sagte Jessie Hodders ungemein schnell, »es gibt ja 'ne Menge Leute, die einfach nicht zahlen wollen und auf die Vereinbarungen pfeifen,
Mylady. Sie können sich das überhaupt nicht vorstellen.« »Seit wann wissen Sie vom Maulwurf?« fragte Parker beiläufig. »Maulwurf? Nie gehört.« Jessie Hodders schüttelte den Kopf. »Und wer soll das sein?« »Ein Subjekt, das Bücher stiehlt«, schaltete die ältere Dame sich ein , »dieser Briefmarkenlümmel wird Ihnen doch davon erzählt haben, nicht wahr?« Man hatte den Zwischenhof durchmessen und betrat nun wieder die hinteren Räume der Fischhandlung. Bei der Gelegenheit warf Josuah Parker einen prüfenden Blick auf die beiden Muskelprotze, die er in eine große Plastikwanne gesetzt hatte, die mit Wasser und kleinen Eisstücken gefüllt war. Die beiden Männer waren von ihm an Händen und Füßen gefesselt worden. Als Bindemittel hatte der Butler zähe Schnüre aus einem der dekorativen Fischernetze verwendet. »Man wird sich möglicherweise gleich um Sie kümmern«, verhieß Parker ihnen und folgte dann Agatha Simpson und Jessie Hodders, die bereits das Büro des Fischhändlers betraten. »Wir frieren uns einen ab«, sagte einer der beiden Muskelpakete und klapperte zwischendurch mit den, Zähnen. »Für ein wärmendes Feuer wird gesorgt werden«, sagte Parker höflich, »zügeln Sie Ihre Ungeduld noch ein wenig.« Als Parker im Büro war, beschäftigte seine Herrin sich bereits mit den Kreditunterlagen des Mannes, der sich nicht getraute, die ältere Dame anzugehen. Jessie Hodders war
entnervt. Er hing in einem Sessel und blickte teilnahmslos auf Lady Simpson. »Erzählen Sie mir von diesem Maulwurf«, verlangte die resolute Dame, »noch halte ich mein Temperament unter Kontrolle, doch lange wird mir das nicht mehr gelingen.« »Okay, ich habe von diesem Maulwurf gehört«, räumte Hodders ein. Seine Stimme klang müde, »Sturgess hat davon geredet. Und das alles muß mit Moreland zusammenhängen, verstehen Sie? Ich weiß nicht, ob Sie den kennen, Mylady.« »Kennen denn Sie ihn, junger Mann?« »Nur flüchtig, ich bin ein paar Mal bei ihm im Spielsalon gewesen, aber mehr auch nicht. Ich habe geschäftlich nicht mit ihm zu tun.« »Sollte es möglich sein, daß Mr. Moreland Ihnen hin und wieder Kreditnehmer hierher ins Büro schickt?« schaltete Parker sich nun ein. »Danach wollte ich gerade fragen«, behauptete Agatha Simpson sofort, »Sie haben mir diese Frage von den Lippen genommen, Mr. Parker. Nun, junger Mann? Wie lautet Ihre Antwort auf meine Frage?« »Ja doch«, gestand der Fischhändler, »er schickt mir manchmal Leute rüber, die einen Kredit brauchen. Aber das ist doch wohl nicht verboten, oder? Ich lasse mein Geld eben arbeiten. Banken machen das doch auch.« »Aber sie hüten sich, Ihren Zinssatz zu nehmen, Sie Lümmel«, grollte Lady Agatha, »und jetzt will ich wissen, hinter welchen Büchern man her ist.« »Fragen Sie doch Moreland«, fuhr der Fischhändler nun hoch, »fragen Sie von mir aus auch Sturgess! Aber
fragen Sie nicht mich! Ich weiß überhaupt nicht, was gespielt wird ...« »Mylady nimmt Ihnen diese Schutzbehauptung selbstverständlich nicht ab«, schickte Josuah Parker voraus, »ein Mann Ihres Schlages, Mr. Hodders, begnügt sich niemals mit vagen Andeutungen, wenn er den Eindruck hat, ein Geschäft machen zu können.« »Sehr hübsch«, lobte die ältere Dame ihren Butler und nickte ihm wohlwollend zu, »gezielter und besser hätte auch ich kaum fragen können.« »Okay, ich passe endgültig«, seufzte der Fischhändler, »es geht um einen Goldschatz, glaube ich. Das wenigstens hat Sturgess behauptet. Und darum hab' ich ihn ja hier aufgenommen. Mehr kann ich wirklich nicht auf den Tisch legen. Ich bin restlos bedient und fertig, ich will nur noch meine Ruhe haben. Warum gehen Sie nicht endlich?« »Mylady hat noch eine Kleinigkeit zu regeln«, antwortete der Butler, »Mylady hat die Absicht, Ihre bisherige Buchführung zu vereinfachen und neu zu regeln.« »Nichts ist gewonnen, alles ist dahin, steh'n wir am Ziel mit unzufried'nem Sinn«, zitierte die ältere Dame aus ihrer Rolle als Lady Macbeth und deutete auf Hodders' Geschäftsunterlagen. »Ich versteh kein Wort«, erwiderte der Fischhändler verunsichert. »Mylady hat die Absicht, zufried'nen Sinnes Ihr Haus zu verlassen«, übersetzte der Butler, »Sie sollten in Ihrer Freizeit sich mit den unsterblichen Werken Shakespeares vertraut machen, wenn ich mir diesen Rat erlauben darf.«
»Ihr Feuerzeug«, sagte die ältere Dame und streckte die rechte Hand in Richtung Parker aus, »ich will sogar sehr zufrieden sein, wenn ich gehe!« * »Sie haben die Listen von diesem Hodders verbrannt?« fragte Mike Rander eine Stunde später. Lady Agatha und Butler Parker waren in das Fachwerkhaus zurückgekehrt. Die Besitzerin machte übrigens einen ungemein zufriedenen Eindruck. »Ich mußte schon aus Gründen der Menschlichkeit ein Feuer anzünden«, sagte Agatha Simpson ironisch, »ich hatte Ihnen doch von den beiden Flegeln erzählt, die Mr. Parker tiefgekühlt hatte, nicht wahr? Nun gut, diesen beiden Subjekten konnte geholfen werden.« »Sie sollten McWarden davon besser nichts erzählen«, meinte der junge Anwalt, »auch ich werde schleunigst das vergessen, was ich da gerade gehört habe.« »Ich bin mir keiner Schuld bewußt«, sagte Lady Agatha, »ich habe nur einem windigen Kredithai das Handwerk gelegt. Dafür sollte man mir bei Gelegenheit einen Orden überreichen.« »Es war ein hübsches Feuerchen, nicht wahr, Mr. Parker?« Sie sah Parker lächelnd an. »Mylady benutzten einen kleinen Tresor als Feuerstelle«, berichtete der Butler weiter, »und Mr. Hodders hatte währenddessen mit einem Tintenfisch zu tun.« »Mit einem Tintenfisch?« wunderte sich Kathy Porter und gluckste vor Lachen.
»Dieses Individuum, mein liebes Kind, wollte mich attackieren«, erklärte Lady Agatha, »und da habe ich ihm einen recht großen Tintenfisch um die Ohren geschlagen.« »Allmächtiger, warum war ich nicht dabei?« Rander schmunzelte. »Mr. Hodders dürfte Monate brauchen, bis er sein Kreditgeschäft neu aufgebaut hat«, vermutete der Butler, »durch ihn, um auch das zu erwähnen, wurde zum ersten Mal von einem Goldschatz gesprochen, um den es in diesem Fall zu gehen scheint.« »Ein Goldschatz?« Kathy hob die Augenbrauen, »das würde doch eigentlich zu den alten Büchern, Karten und Stichen passen, Mr. Parker, finden Sie nicht auch?« »Ausgezeichnet, mein liebes Kind«, lobte die ältere Dame, »leider läßt man mich ja nicht zu Wort kommen, sonst hätte ich davon bereits gesprochen. Natürlich hängt dieser Goldschatz mit den alten Büchern zusammen. Das ahnte ich sofort, als dieser Buchhändler überfallen wurde, aber auf mich wollte man ja nicht hören.« »Was sagen denn Sie dazu, Mr. Parker?« fragte Mike Rander skeptisch. »Mylady befinden sich möglicherweise auf einer heißen Fährte«, entgegnete der Butler, »zumal in alten Büchern oft und gern von verborgenen Schätzen gesprochen wird.« »In einem der Bücher befindet sich bestimmt ein Lageplan«, prophezeite Agatha Simpson, »und ich werde ihn natürlich finden.« »Wir haben sämtliche Bücher, Karten und Stiche bereits durchgearbeitet«, erinnerte Mike Rander.
»Leider eben nicht genau genug«, redete Lady Agatha weiter, »ich selbst werde noch mal eine genaue Sichtung vornehmen, Seite für Seite. Das heißt, Mr. Parker, Sie könnten mir da ein wenig zur Hand gehen, nicht wahr?« »Sehr wohl, Mylady«, antwortete der Butler. Er ging davon aus, daß seine Herrin einen weiteren Vorschlag machen würde und wurde davon auch nicht enttäuscht. »Das heißt«, redete sie munter weiter, »Sie könnten eigentlich eine Vorsortierung vornehmen, Mr. Parker. Sie wissen ja, wie knapp meine Zeit ist.« »Erwarten wir nicht Sir James Crabbs?« erinnerte Kathy Porter. »Wer ist denn das?« fragte die ältere Dame. Sie hatte wieder mal einen Namen und eine wichtige Verabredung vergessen. »Der Experte in Sachen Kunst«, erklärte Kathy lächelnd. »Ich weiß, mein liebes Kind«, erwiderte Lady Agatha umgehend, »aber ich sage Ihnen gleich, daß ich von diesem Experten nicht sonderlich viel halte. Ich verlasse mich lieber auf mich selbst. Mr. Parker wird schon eine Spur in den Büchern finden, denke ich.« Sie erklärte anschließend, sie müsse noch ein wenig meditieren, wobei sie unauffällig auf ihre Armbanduhr blickte. Lady Agatha wollte auf keinen Fall einen TV-Krimi versäumen, der in zehn Minuten begann. Sie winkte leutselig nach allen Seiten und begab sich majestätischen Schritts ins Obergeschoß des Hauses. »Dann suchen Sie mal schön«, sagte Rander lächelnd zu Josuah Parker,
»Sie werden den Goldschatz schon finden.« »Meine Wenigkeit wird sich alle Mühe geben«, erwiderte der Butler höflich. Er überhörte die Ironie des Anwalts, denn er war ein Mann, der sich einfach nicht aus der Ruhe bringen ließ. * Parker servierte Moreland das Abendessen. Der Gast des Hauses befand sich in einem kleinen Apartment, das sich im ausgedehnten Keller des Hauses noch unter dem Souterrain befand. Der kombinierte Wohn- und Schlafraum war hübsch eingerichtet und verfügte selbstverständlich über ein Bad samt Toilette. Es gab hier sogar so etwas wie ein Panoramafenster, das den Blick auf eine weite Hügellandschaft freigab. Es handelte sich dabei allerdings nur um einen optischen Trick, denn das Apartment verfügte natürlich nicht über Fenster. Moreland, der Besitzer des Spiel-Salons, lag auf der Bettcouch und sah kaum hoch, als Parker das Tablett auf dem Couchtisch abstellte. »Ich möchte nicht versäumen, Mr. Moreland, Ihnen Grüße auszurichten«, sagte der Butler. »Grüße? Von wem?« Moreland richtete sich auf. »Die Herren Hodders und Sturgess lassen sich empfehlen«, redete der Butler weiter, »Mylady geruhte, diesen beiden Männern einen Besuch abzustatten.« »Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« fragte Moreland mißmutig. »Hören Sie, ich verlange, daß man
mich sofort hier 'rausläßt, ist das klar? Ich sage Ihnen schon jetzt, daß ich der Lady und Ihnen eine tolle Klage an den Hals hänge. Was Sie hier mit mir machen, ist Kidnapping und Freiheitsberaubung.« »Sie werden verstehen, Mr. Moreland, daß Mylady und meine Wenigkeit dies völlig anders sehen und auch einschätzen«, antwortete Josuah Parker, »man leistete Ihnen etwas, was man Erste Hilfe nennen muß. Sie befanden sich in einem Zustand, den man nur als aufgelöst bezeichnen konnte. Sie waren nicht mehr Herr Ihrer diversen Sinne.« »Weil Sie mich mit diesem verdammten Spray angesprüht hatten.« »Dies, Mr. Moreland, taten Sie selbst und eigenhändig«, sagte der Butler in seiner höflichen Art, »falls Sie darauf bestehen, wird man Ihnen die Details gern noch mal ins Gedächtnis zurückrufen.« »Sie haben mich mit einem Trick reingelegt«, beschwerte sich Moreland weiter. »Sie verzichteten darauf, sich den Mechanismus der kleinen Spraydose erklären zu lassen«, widersprach Josuah Parker, »und es ist durchaus zu verstehen, daß Sie Mylady und meine Person ausschalten wollten, denn nach Lage der Dinge geht es ja um einen veritablen Goldschatz, nicht wahr?« »Goldschatz?« Moreland runzelte die Stirn und blickte den Butler konsterniert an. »Goldschatz? Wie kommen Sie denn darauf?« »Die Herren Hodders und Sturgess waren so entgegenkommend, davon zu berichten.« Parker verschwieg, daß Sturgess sich zu diesem Thema allerdings noch nicht geäußert hatte.
»Die Herren Hodders und Sturgess spinnen«, brauste Ralph Moreland auf, die wollen Sie aufs Glatteis führen.« »Was Sie natürlich niemals im Sinn haben, Mr. Moreland.« »Ich? Ich sage überhaupt nichts, damit das klar ist. Aus mir holen Sie nichts raus, Parker. An mir werden Sie sich die Zähne ausbeißen.« »Sätze dieser Art sind meiner Wenigkeit nur zu vertraut«, gab Josuah Parker gelassen zurück, »fest steht inzwischen, daß Sie, Mr. Moreland zusammen mit den Herren Hodders und Sturgess eine Art Arbeitsgemeinschaft gebildet haben.« »Glauben Sie doch, was Sie wollen.« »Mylady hält Sie für einen Kriminellen, der sich Maulwurf nennt. Dies ist ein schwerer Vorwurf, den Sie entkräften sollten, Mr. Moreland.« »Was Ihre Lady da glaubt oder nicht, ist mir schnurz und piepe«, meinte Ralph Moreland gereizt. »Fest steht, daß Mr. Sturgess' Mitarbeiter den Auftrag hatten, den Inhalt eines Stahlschranks zu Ihnen zu schaffen, Mr. Moreland.« »Davon weiß ich nichts.« Ralph Moreland blickte zu Boden. »Mr. Sturgess ist bereit, darauf jeden Eid zu leisten.« »Dann kommt er Ihnen eben mit 'nem Meineid. Ich weiß von nichts. Mehr kann ich nicht sagen.« »Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung noch, Mr. Moreland, bevor Mylady erscheint, um Sie zu interviewen.« »Soll das eine Drohung sein?« Moreland schaute wieder hoch. »Ein Hinweis«, meinte der Butler höflich.
»Auch Ihre komische Lady wird nichts aus mir rausbekommen«, behauptete der Betreiber des Spielsalons, was ich nämlich nicht weiß, kann ich auch nicht sagen. Hab' ich mich klar ausgedrückt, Parker?« »Es ist überraschend, Mr. Moreland, daß Sie nicht von einem Unbekannten sprechen, der Ihnen Geld dafür zahlen wollte, falls Sie gewisse Bücher, Karten und Stiche in Empfang nehmen wollten.« »Es gibt keinen Unbekannten.« »Dann sollte man Sie allerdings freisetzen. « »Wieso das?« Plötzlich kann ich gehen? Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« »Wenn es keinen Unbekannten gibt, Mr. Moreland, haben Sie auch nichts zu befürchten. Falls es diesen Unbekannten aber geben sollte, ob er sich nun Maulwurf nennt oder nicht, dann allerdings hätten Sie um Ihr Leben zu fürchten.« »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.« »Der Unbekannte, der vielleicht mit dem erwähnten Maulwurf identisch ist, könnte zu dem Schluß gekommen sein, daß Sie Mylady oder meiner Wenigkeit gegenüber gewisse Details erwähnten.« »Ich habe nichts zu befürchten«, behauptete Moreland mit fester Stimme, »und noch mal: Sturgess lügt. Ich habe ihm niemals den Auftrag gegeben, alte Schwarten zu mir zu bringen.« »Woher wollen Sie wissen, daß es sich bei den erwähnten Büchern um sogenannte alte Schwarten handelt?« »Alte Bücher sind für mich alte Schwarten«, redete Moreland sich heraus.
»Nun, es ist Ihr Leben, das Sie aufs Spiel setzen«, meinte Josuah Parker, »gehen Sie davon aus, daß man Sie in weniger als einer Stunde des Hauses verweisen wird.« »Aber damit ist für mich diese Entführung noch nicht erledigt«, sagte Ralph Moreland wütend, »da wird auf Sie noch einiges zukommen, Parker.« »Man wird den Dingen gelassen entgegensehen, Mr. Moreland.« Parker deutete eine leichte Verbeugung an und verließ das Apartment. Er brauchte die knappe Stunde, um gewisse Figuren aus dem Schachbrett dieses Falls neu zu arrangieren. Moreland durfte ab sofort nicht mehr aus den Augen gelassen werden. Und dazu brauchte er die Freunde und Bekannten des Horace Pickett. Von der großen Wohnhalle aus telefonierte er mit dem ehemaligen Eigentumsumverteiler Pickett, der ebenfalls draußen bei den West India Docks gewesen war, hatte auf diesen Anruf nur gewartet. Er nahm die Anregungen des Butlers entgegen und ließ sich sagen, was im Hinblick auf Ralph Moreland zu tun war. »Und wie geht es Mr. Hodders?« fragte der Butler abschließend. »Der ist restlos fertig mit den Nerven und hat sein Geschäft geschlossen«, berichtete Pickett. »Seine Fischverkäufer waren eben in einer Apotheke und haben sich Mittel gegen Husten und Heiserkeit besorgt. Das Sitzbad im Eiswasser scheint den beiden Schlägern überhaupt nicht bekommen zu sein.« *
Sir John Crabbs erinnerte deutlich an einen Stelzvogel. Er hatte einen kahlen Schädel, war ungewöhnlich groß, dürr und brauchte einen Zwicker, um Schriften deuten zu können. Er trug einen weiten Anzug, Gamaschen und hatte sich zusätzlich noch eine Sammlung von Lupen mitgebracht. Er war von Josuah Parker empfangen worden und wartete nun auf Mylady, die ihr Erscheinen zugesagt hatte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie oben auf der Galerie erschien und sich explosionsartig räusperte. Dann ordnete sie die Falten ihres weiten Hausmantels und schritt majestätisch nach unten. Sir James Crabbs stand auf und verneigte sich. »Bleibt sitzen, Herren, der König ist oft so und war's von Jugend an. O, steht nicht auf!« »Macbeth, dritter Aufzug, vierte Szene«, sagte Sir James umgehend und lächelte unergründlich. »Sie kennen sich aus, mein lieber Sir James«, sagte die Hausherrin hoheitsvoll und nickte leutselig. »Macbeth gehörte zu meiner Lieblingslektüre«, versicherte der Kunstexperte und Privatgelehrte, »Sie studieren die Rolle der Lady Macbeth?« »Ich plane eine Aufführung vor geladenen Gästen«, sagte die Detektivin und näherte sich ihm, »und danach werde ich mich dann dem großen Publikum stellen, Sir James. Ich hoffe, Sie als Besucher begrüßen zu können.« »Ich werde mit Sicherheit kommen«, entgegnete Sir James, »Sie verfügen über eine tragende Stimme, Mylady.«
»Ich weiß«, gab sie zurück, »ich werde damit mühelos große Häuser füllen. Ich werde meiner Lady Macbeth neues Leben einhauchen.« »Sie haben sich für eine geänderte Rollenauffassung entschieden, Mylady?« »In meiner Regie wird das Stück Lady Macbeth heißen müssen«, versicherte sie dem Gast, »aber darüber müssen wir uns noch ausführlich unterhalten, mein Bester.« »Nur zu gern, Mylady. Sie sind, wenn ich so sagen darf, die geborene Lady Macbeth.« »Natürlich«, erwiderte sie ohne falsche Bescheidenheit, »und die internationale Kritik wird mir das bestätigen, mein Bester.« »Darf man höflichst daran erinnern, daß Sir James einen Blick auf die Bücher, Karten und Stiche werfen sollte«, fragte Josuah Parker. »Alles zu seiner Zeit, Mr. Parker.« Sie blickte ihn streng an. »Wir wollen doch nichts überstürzen. Es gibt schließlich auch andere Dinge als die Lösung eines Kriminalfalls. Aber gut, ich beuge mich der Notwendigkeit.« Sir James hatte sich bereits ablenken lassen und beschäftigte sich mit den Büchern, die man aus der Buchhandlung des John Waters hatte stehlen wollen. Er rückte sich den Zwicker auf der schmalen Nase zurecht, nahm eine der vielen Lupen in die rechte Hand und begann mit seiner Arbeit. Parker servierte einen ausgezeichneten Sherry, und Lady Agatha hatte diesmal erstaunlicherweise nichts dagegen, daß ein Gast auf diese Art verwöhnt wurde. Sie hatte in einem der großen, bequemen Sessel vor dem
riesigen Kamin Platz genommen und schaute Sir James zu. »Suchen Sie nach Dingen, die auf einen Goldschatz hindeuten«, warf sie ein. »Ich werde einige Zeit brauchen, Mylady«, sagte Sir James. Er hatte den Sherry entdeckt Und griff nach dem Glas. Und dann, Lady Agatha schien ungemein verdutzt, leerte er das Glas in einem Zug. Parker schenkte nach, und Sir James brauchte keine Ermunterung, um auch dieses Glas blitzschnell auszutrinken. »Das schärft den Blick«, rief Sir James der älteren Dame zu, um sich dann Parker zuzuwenden, »lassen Sie die Karaffe gleich hier, Mr. Parker, ich werde mich selbst bedienen.« »Guter Gott«, murmelte die Lady, als Parker diesem Wunsch nachgekommen war und zu Mylady zurückgekehrt war, dieser Mann ist ein Trinker. Haben Sie denn das nicht gewußt, Mr. Parker?« »Dies, Mylady, entzog sich meiner Kenntnis«, bedauerte der Butler. »Wenn man nicht alles allein macht«, seufzte die ältere Dame, »nun, hoffentlich lohnt sich die Investition, der Sherry war nicht gerade billig.« Die Lady litt Höllenqualen, denn Sir James schärfte immer wieder seinen Blick, während er das Material sichtete. Er arbeitete ungemein schnell und sicher. Der Alkohol schien ihn zu beflügeln. »Nichts«, murmelte Sir James nach einer Weile und blickte die ältere Dame streng an, »im Grund ist das alles ziemlich wertlos, Mylady, Raritäten finden sich nicht darunter.«
»Kein Hinweis auf einen verborgenen Schatz?« wunderte sich Agatha Simpson., »Nichts«, wiederholte Sir James, »das allerdings erst auf den ersten Blick. Ich denke, ich werde jetzt einen zweiten auf die Bücher werfen. Mr. Parker, ich brauche noch etwas Sherry für meine Sehschärfe. Und dann sollten Sie mir vielleicht noch einen kleinen Imbiß servieren. Etwas Roastbeef, denke ich, wird es tun. Dazu dann allerdings noch einige nette Beilagen. Ich fürchte, das wird eine lange Nacht werden.« . Lady Agatha rutschte in ihrem Sessel in sich zusammen und verdrehte die Augen. * Das Telefon läutete. Parker ergriff den Hörer, meldete sich und hörte die ihm bekannte, schneidend-harte Stimme des Mannes, der sich Maulwurf nannte. Sie klang ironisch, soweit die Stimme es schaffte, diesen Ton anzunehmen. »Was macht den unser Experte?« erkundigte sich der Maulwurf. »Sie sind erstaunlich gut informiert«, antwortete der Butler gemessen. »Daher weiß ich auch, daß dieser Experte nichts finden wird«, redete der Maulwurf weiter, »Sie sind auf dem völlig falschen Dampfer, Parker.« »Mr. Moreland war so entgegenkommend, einige interessante Hinweise zu geben«, bluffte der Butler. »Moreland hat keinen blassen Dunst«, behauptete der Maulwurf weiter, »er nicht und auch Sturgess nicht. Von Hodders brauchen wir ja wohl
erst gar nicht zu reden, wie? Dieser Fischhändler hat mit uns überhaupt nichts zu tun, Parker, aber das werden Sie ja inzwischen schon selbst entdeckt haben, wie?« »Sie begingen einen Fehler«, bluffte der Butler weiter. Er befand sich in der erstklassig ausgestatteten Küche des altehrwürdigen Hauses und bereitete einen kleinen Imbiß für Sir James zu. Aus gutem Grund hatte er die Telefonverbindung hierher durchgestellt. Er wollte seine Herrin oben in der Wohnhalle nicht ablenken. »Jetzt ist wohl der nächste Bluff fällig, wie?« höhnte der Maulwurf. »Das Material aus Mr. Waters' Stahlschrank sollte nicht ohne Grund zu Mr. Moreland in den Spielsalon geschafft werden«, erwiderte der Butler. »Es wäre nie dort angekommen«, behauptete der Maulwurf und versuchte sich in leisem Auflachen. »Ihren Worten muß man entnehmen, daß Mr. Moreland unbeteiligt ist.« »Richtig«, bestätigte der Maulwurf, »aber ich weiß, daß Sie mir das nicht abnehmen werden.« »Nicht unbedingt«, sagte Parker, »Sie kennen die Herren Sturgess und Moreland, dies ist eine unumstößliche Tatsache, Daraus lassen sich gewisse Schlüsse ableiten.« . »Und die wären?« »Sie werden Verständnis dafür aufbringen, daß meine Wenigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt darüber nicht zu sprechen gewillt ist.« »Worte, nichts als Worte«, stichelte der Maulwurf weiter, »Sie wissen überhaupt nichts. Und noch mal, das Zeug aus dem Stahlschrank wird Sie nicht weiterbringen. Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit, Parker!«
»Sie scheinen eine gründliche Sichtung der Bücher, Karten und Stiche zu fürchten.« »Lächerlich. Aber von mir aus können Sie sich das einreden.« »Da das Material aus dem Stahlschrank des Buchhändlers eindeutig wertlos ist, was den materiellen Aspekt betrifft, müssen Sie am Inhalt interessiert sein. Würden Sie die Richtigkeit dieser Überlegung freundlicherweise akzeptieren? « »Machen Sie ruhig weiter, Parker. Sie amüsieren mich.« »Sie waren und sind eindeutig an einem gewissen Inhalt interessiert«, redete Josuah Parker gemessen weiter, »und dies kann nicht ohne Grund so sein. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß ein ganz bestimmter Hinweis in dem sichergestellten Material für Sie im wahrsten Sinn des , Wortes Geld bedeutet.« »Jetzt sind Sie aber stolz auf sich, wie?« »Eine gewisse Genugtuung möchte meine Wenigkeit keineswegs verhehlen«, räumte Josuah Parker ein. »Vielleicht wollte ich Sie nur auf eine falsche Spur lenken«, schlug der Maulwurf da vor. »Sie frönen der Unlogik«, stellte der Butler klar, »meine Wenigkeit bemühte sich ohne jede Vorankündigung zu Mr. Waters. Sie konnten also keineswegs wissen, daß mit meinem Erscheinen zu rechnen war.« »Vielleicht besitze ich bereits das Buch, hinter dem ich her war? Vielleicht wollte ich nur diesen Waters auf eine falsche Spur setzen, Parker. Haben Sie schon mal daran gedacht?«
»Ihnen dürften die Argumente ausgehen«, stellte der Butler weiter fest, höflich und gemessen, »besäßen Sie das Buch, hätten Sie sich weitere Anschläge erspart. Übrigens an dieser Stelle, herzlichen Dank für den freundlichen Hinweis, den Sie eben unabsichtlich gaben.« »Ich soll Ihnen einen Hinweis gegeben haben?« »Sie sprechen von sich aus von einem Buch. Davon war bisher nicht die Rede«, entgegnete der Butler, »die Suche nach einem wertvollen Hinweis, der sich möglicherweise auf einen Goldschatz bezieht, wird dadurch wesentlich beschleunigt, wie ich Ihnen versichern darf. Meine Wenigkeit erlaubt sich, Ihnen für dieses Gespräch zu danken.« Parker legte auf und widmete sich wieder dem Imbiß. Er hatte das gute Gefühl, dem Maulwurf gegenüber an Boden gewonnen zu haben.« * »Möge Ihnen ein noch langes Leben beschert sein«, sagte Josuah Parker, nachdem er die schwere Haustür geöffnet hatte, möge der sogenannte Maulwurf Sie verschonen, Mr. Moreland.« »Verschonen Sie mich mit diesem Quatsch«, fauchte der Betreiber des Spielsalons und schob sich in die Dunkelheit hinaus. Parker hatte die Lichter des kleinen Platzes vor dem Fachwerkhaus vorher gelöscht. Moreland sah sich einer pechschwarzen Wand gegenüber. »Der erwähnte Maulwurf fürchtete sicher, daß Sie ihm den sprichwörtlichen Rang ablaufen wollen«, fügte der
Butler höflich hinzu, »man darf daran erinnern, daß er mit Sprengstoff umzugehen versteht. Daraus läßt sich folgern, daß ihm auch der Gebrauch von Schußwaffen nicht fremd sein dürfte.« »Mich bringen Sie nicht in Panik«, behauptete Moreland und war dann in der Dunkelheit verschwunden. Parker langte nach einem Nachtsichtgerät, das er vorher im verglasten Vorflur abgestellt hatte. Es war kaum größer als eine Kleinbildkamera mit großem Teleobjektiv. Er schaltete das Gerät ein und sah dann auf dem kleinen Bildschirm den Besitzer des Spielsalons, der eindeutig vorsichtig war und gewiß auch Angst hatte. Moreland, mit bloßem Auge nicht auszumachen, hielt sich eng an die Hauswände und bewegte sich nur sehr langsam. Er blieb immer wieder stehen, horchte, pirschte sich dann weiter vor, blieb erneut stehen und blickte sich nach allen Seiten um. Parkers Warnungen waren auf fruchtbaren Boden gefallen, wie deutlich auszumachen war. Moreland hatte Angst vor dem Maulwurf, von dem er doch angeblich nichts wußte. Dieser Mann dort draußen in der Dunkelheit fürchtete um sein Leben. Parker legte das Nachtsichtgerät aus den Händen und griff nach seiner Gabelschleuder. Er legte eine hart gebrannte Tonmurmel in die Lederschlaufe und schickte dieses Geschoß dann auf die Luftreise, ohne dabei ein genaues Ziel anzuvisieren. Ihm kam es einzig und allein darauf an, für ein irreguläres Geräusch zu sorgen. Nachdem er die Tonmurmel verschossen hatte, hörte er einen scharfen, harten Aufschlag, griff
wieder nach dem Nachtsichtgerät und fing damit Moreland ein. Der Betreiber des Spielsalons hatte den Aufschlag selbstverständlich auch gehört, denn die Tonmurmel war nicht weit von ihm entfernt gegen eine Hauswand geschlagen. Moreland hatte endgültig die Nerven verloren und hüpfte und sprang wie ein Kaninchen hin und her, duckte sich ab und rannte dann hinüber zur nahen Durchgangsstraße. Kurz danach war er nicht mehr zu sehen. Nun, Parker machte sich wegen Moreland keine Sorgen. Er hatte sich schließlich mit Horace Pickett in Verbindung gesetzt und wußte, daß die Freunde des ehemaligen Taschendiebes jetzt Morelands Verfolgung und Beschattung aufnahmen. Parker begab sich zurück in die große Wohnhalle. Sir James hatte den reichhaltigen Imbiß bereits zu sich genommen und war wieder mal dabei, seine Sehschärfe zu pflegen. Er machte inzwischen übrigens einen aufgekratzten Eindruck. Agatha Simpson hatte die Wohnhalle verlassen und sich in ihr Studio zurückbegeben. Sie wollte und konnte einfach nicht länger zusehen, wie Sir James sich auf ihre Kosten labte. »Sie hegen noch Wünsche, Sir?« erkundigte sich der Butler. »Im Moment nicht, Mr. Parker«, erwiderte Sir James, dessen kahler Kopf plötzlich ruckartig nach vorn zuckte. Anschließend murmelte Sir James Worte, die Parker nicht verstand. »Darf man davon ausgehen, Sir, daß Sie eine Entdeckung gemacht haben?« wollte der Butler wissen.
»Vielleicht«, sagte Sir James etwas deutlicher, um dann wieder zu murmeln. »Noch eine kleine Erfrischung, Sir?« »Natürlich, natürlich«, antwortet Sir James jetzt sogar überdeutlich, »sehr interessant, Mr. Parker, was ich da entdeckt habe.« »Sie versetzen meine Wenigkeit in ein Stadium höchster Erwartung, Sir.« Parker füllte das Sherryglas. »Das hier ist eine Art Reiseführer«. James Crabbs hob ein Buch, dessen Rücken abgewetzt war, »darin werden besonders markante Punkte in der Gegend von Oxford beschrieben.« »Aus welcher Zeit, Sir, datiert dieses Buch?« fragte der Butler, der es bereits durchgeblättert hatte, bevor Sir James ins Haus gekommen war. Es enthielt eine Vielzahl alter Stiche, auf denen weite Landschaften und Schlösser zu sehen waren. »Dieses Buch ist um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts gedruckt worden«, meinte Sir James, »an sich ist es kaum wertvoll, aber Sie sprachen doch von einem Schatz, nicht wahr?« »In der Tat, Sir!« »Nun, hier wird von einem Goldschatz' gesprochen«, redete Sir James weiter, er soll sich in der Nähe von Oxford befinden, genauer gesagt, Mr. Parker, in der Nähe von Witney.« »Wie konnte man das bisher übersehen, Sir James?« fragte der Butler. »Dazu gibt es hier die Fußnote, die völlig vergilbt ist«, meinte der Experte und frischte seine Sehschärfe auf, »hier, Mr. Parker, sehen Sie nur! Aber Sie werden eine Lupe brauchen. Und dann hat man noch eine Art Randnotiz beigefügt. Leider ist die Tinte
ausgelaufen, man kann kaum noch etwas entziffern.« Er reichte Parker das Buch und griff nach der Karaffe, um sich neu einzugießen. Der Butler trat mit dem Buch unter das sanfte Licht einer Stehlampe und benutzte eine' Lupe, die stark vergrößerte. Parker entdeckte erst jetzt die völlig vergilbte Fußnote, die in einen Knick der Seite überlief. Das Papier war vergilbt und stockig. »Können Sie lesen, Mr. Parker?« fragte Sir James. »Nicht die erwähnte Fußnote«, bedauerte Parker. »Sie bezieht sich auf ein Buch, das eine Sammlung von Sagen und Märchen enthält, Mr. Parker. Vom Goldschatz selbst ist hier nichts vermerkt, doch ich kenne das Buch, das erwähnt wird. Darin gibt es einige Sagen, die von verborgenen Schätzen berichten.« »Hat dieses von Ihnen gerade erwähnte Buch einen Titel, Sir? « »Geschichten aus der Vergangenheit«, antwortete Sir James Crabbs, »so lautet der Titel. Es gibt nur wenige Exemplare davon.« »Und wo könnte man diese Exemplare finden?« »Tja, da muß ich erst mal gründlich, nachdenken«, meinte der. Experte, »und wahrscheinlich werde ich in den Notizen zu Hause in meiner Wohnung nachforschen müssen. Wie gesagt, dieses Buch ist sehr alt und existiert nur noch in wenigen Exemplaren.« »Müßte es nicht in einer öffentlichen Bücherei vorhanden sein, Sir? « »Das war das Stichwort«, sagte Sir James und nickte ruckartig, »natürlich daß ich daran nicht sofort gedacht habe. Sie finden eines der Exemplare in der Bibliothek des Earl of Witney.
Ein Irrtum ist ausgeschlossen, Mr. Parker.« »Könnte es in einer regulären Buchhandlung gestanden haben, Sir? Meine Wenigkeit denkt an die des Mr. John Waters in der Nähe der Fleet Street.« »Ausgeschlossen«, erklärte James Crabbs und schüttelte den Kopf, »ich kenne den guten Waters. Wenn dem so gewesen wäre, Mr. Parker, hätte er mich bestimmt verständigt.« »Dies, Sir, sollten Sie meiner Wenigkeit erklären.« »Waters ist Buchhändler mit Leib und Seele«, schickte Sir James voraus und lächelte plötzlich versonnen, »er liebte alte Ausgaben. Nein, niemals, er hätte einfach nicht schweigen können, er hätte von seinem Schatz erzählen müssen.« »Gibt es einen Grund, Sir, diese Bücher stehlen zu lassen?« Parker deutete auf die Bücher, Karten und Stiche die den langen Tisch vor dem Kamin bedeckten. »Ich sagte schon, besondere Kostbarkeiten sind nicht darunter. Auf einer Versteigerung würden sie nicht viel bringen.« »Wer könnte von der Fußnote gewußt haben, Sir James, die Sie meiner Wenigkeit zeigten?« »Da bin ich völlig überfragt, höchstens der gute Waters könnte sie entdeckt haben.« »Sind die erwähnten Geschichten aus der Vergangenheit einem breiteren Publikum bekannt?« »Natürlich nicht, die kennen nur wenige Experten. Man sollte sie eigentlich wieder neu auflegen und veröffentlichen. Es sind reizvolle Geschichten darunter. «
Während Sir James Crabbs wieder nach der Karaffe griff, um sein Sehvermögen zu schärfen, nahm Parker das Buch noch mal in die Hand und prüfte mit der Lupe die Fußnote. Die Randbemerkung, in Tinte ausgeführt, war leider nicht zu entziffern. »Ich denke, es wird Zeit für mich«, sagte Sir James, »meine Empfehlung an Lady Simpson. Ich werde ihr die Rechnung zuschicken.« »Ihre Hilfe, Sir James, ist hoffentlich bezahlbar.« »Ich werde Lady Simpson einen Vorzugspreis einräumen«, meinte Sir James und steckte seine Lupen ein, »ich denke, ich werde mich ausnahmsweise mit zweihundertfünfzig Pfund begnügen.« »Myladys Dank dürfte Ihnen bereits jetzt sicher sein, Sir.« »Es war nett bei Ihnen«, äußerte James Crabbs, »der Sherry war ausgezeichnet. Bitte, rufen Sie mir ein Taxi, Mr. Parker. Die Kosten dafür werde ich selbstverständlich extra berechnen.« Parker dachte an die berüchtigte Sparsamkeit seiner Herrin. Sie fiel mit Sicherheit aus allen Wolken, wenn sie erfuhr, was sie für die Begutachtung der Materialien zu zahlen, hatte. * Sie war wirklich einem Schlaganfall nahe. Butler Parker hatte Lady Simpson überaus schonend von der zu erwartenden Rechnung berichtet, und Lady Agatha rang nach Luft. »Ich habe mich hoffentlich verhört«, sagte sie nach langem Schweigen.
»Keineswegs, Mylady«, versicherte der Butler. »Das ist Raub und Wucher«, grollte sie, »ich werde selbstverständlich keinen einzigen Penny bezahlen, Mr. Parker!« »Sir James leistete wertvolle Hilfe, Mylady.« »Papperlapapp«, wehrte sie ungnädig ab, »diese Fußnote hätte ich natürlich auch ohne ihn entdeckt. Was besagt sie schon? Sie weist auf ein anderes Buch hin.« »Das recht selten zu sein scheint, Mylady. « »Das will er mir einreden«, regte sie sich auf, »er will sich doch nur interessant machen, Mr. Parker.« »Sir James' Angaben entsprechen der Wahrheit, Mylady«, redete der Butler weiter, »meine Wenigkeit sprach bereits mit dem Leiter der Bibliothek des Britischen Museums.« »Wahrscheinlich stehen die Geschichten aus der Vergangenheit dort reihenweise herum und verstauben, wie?« »Nicht unbedingt, Mylady, wenn man so sagen darf«, erwiderte Josuah Parker höflich, »es gibt dort ein einziges Exemplar, das unter Verschluß gehalten und nur in Sonderfällen ausgeliehen wird und zwar ausschließlich an Fachgelehrte.« »Aber der Earl of Witney besitzt solch ein Buch?« »Wie meine Wenigkeit bereits zu sagen sich erlaubte.« Parker deutete zustimmendes Nicken an. »Dann werde ich ihm einen Besuch abstatten«, sagte die ältere Dame energisch, »bereiten Sie alles für die Ausfahrt vor, Mr. Parker. Ich will dieses Buch jetzt unbedingt sehen. Darin
finde ich den Hinweis auf den Goldschatz, denke ich.« »Man soll nie etwas ausschließen, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Die Lady stutzte ein wenig, wandte sich dann jedoch ab und schritt hinüber in den kleinen Salon, um sich dem Frühstück zu widmen. In der Tür blieb sie stehen. »Wie war das noch?« fragte sie, »zweihundertfünfzig Pfund will Sir James haben?« »So lauteten seine diesbezüglichen Worte, Mylady.« »Dann werde ich ihm meine Gegenrechnung aufstellen«, meinte sie und lächelte plötzlich boshaft, »ich werde ihm jedes Glas Sherry und den Imbiß berechnen.« »Mylady werden den Wert des getrunkenen Sherry sicher hoch einsetzen«, vermutete der Butler. In seinem Gesicht rührte sich kein Muskel. Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Parker«, versprach sie, »er soll glauben, in einem französischen Luxusrestaurant gespeist zu haben.« Ihre Laune hatte sich wieder normalisiert. Die ältere Dame sprach dem Frühstück ausgiebig zu, redete dabei ununterbrochen von der strengen Diät, die sie einzuhalten gedachte, und aß wie ein Scheunendrescher, was die Menge betraf. Danach begab sie sich in ihre Gemächer, um sich für die Fahrt in Richtung Oxford anzukleiden. Josuah Parker war allein unten im Erdgeschoß. Mike Rander und Kathy Porter befanden sich in der Kanzlei des Anwalts in der nahen Curzon Street und wurden von Parker ins Bild gesetzt.
»Sollen wir mitkommen?« fragte Mike Rander. »Ihre Anwesenheit hier in London, Sir, wäre sicher wertvoller«, antwortete der Butler, »Sie und Miß Porter könnten eventuell eine Art Anlaufstelle für Mr. Pickett und dessen Freunde sein.« »Eine eigenartige Sache, was diese Fußnote betrifft, nicht wahr?« »Meine Wenigkeit erlaubt sich, Sir, Ihre Ansicht zu teilen.« »Wie, zum Henker, weiß der Maulwurf von dieser Fußnote?« »Eine ungemein berechtigte Frage, Sir, um es mal so auszudrücken.« »Und woher wußte er, daß dieses Buch mit der Fußnote ausgerechnet bei Waters zu finden war? « »Auch diese Frage, Sir drängt sich förmlich auf.« »Kann man unterstellen, daß Waters von dieser Fußnote wirklich nichts gewußt hat?« »Auch diese Frage, Sir, ist durchaus angebracht, wenn mir diese Feststellung erlaubt ist.« »Falls er davon gewußt hat, warum hat er sie uns dann verschwiegen?« »Sie berühren Fragen, Sir, die auch meine bescheidene Person beschäftigen«, antwortete Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Fühlen Sie diesem John Waters mal gründlich auf den Zahn, Parker«, empfahl der Anwalt eindringlich, »es könnte ja durchaus sein, daß der Mann uns bisher nur geleimt hat. Wie war das denn noch? Sie gingen doch wirklich nur rein zufällig zu ihm, oder?« »Um Literatur über Shakespeare zu besorgen, Sir«, bestätigte der Butler.
Und dabei wurden Sie außer Gefecht gesetzt und entdeckten diesen Waters, den man niedergeschlagen hatte. Verdammt, Parker, es muß da eine Verbindung zwischen Moreland und Waters geben, finden Sie nicht auch?« »In der Tat, Sir«, entgegnete der Butler, »Mr. Pickett kümmert sich um Mr. Moreland ganz besonders. Es könnte durchaus sein, daß die Herren Moreland und Waters sich hier in London treffen.« »Würden wir erfahren, wenn Waters die Gegend von Oxford verläßt?« »Mit Sicherheit, Sir«, sagte der Butler, »er wird von Mr. Picketts Freunden beschattet.« »Okay, gehen wir in die Endrunde«,, sagte der Anwalt, »was macht Lady Simpson, Parker? Deklamiert sie noch?« »Es steht zu fürchten, Sir, daß Mylady die Wahnsinnsszene der Lady Macbeth in Angriff nimmt«, antwortete Josuah Parker. »Viel Vergnügen«, spottete der Anwalt, »lassen Sie sich möglichst nicht anstecken, Parker.« * Butler Parker befand sich in einem saalartigen Raum barocker Prägung und suchte nach einem Folianten, der die Geschichte aus der Vergangenheit enthielt. Er war zusammen mit Lady Agatha nach Oxford gefahren, hatte dort kurz Station gemacht und war dann in das nahe Witney weitergefahren. Auf einem Hügel stand hier das Schloß des Earl of Witney, den die ältere Dame flüchtig kannte. Zur Zeit nahm sie den Tee mit dem Schloßbesitzer und hatte es dem Butler
überlassen, nach dem dicken Folianten zu suchen. Es war inzwischen früher Nachmittag geworden. Josuah Parker stand auf einer schmalen Galerie der Bibliothek und fahndete nach dem gesuchten Band. Er hatte bereits vom Earl of Witney gehört, daß in dem Raum eine gewisse Unordnung herrschte. Der Besitzer der bibliophilen Kostbarkeiten hatte nicht sagen können, wo das gesuchte Buch zu finden war. Der Bewohner dieses ansehnlichen Schlosses schien sich aus Büchern nicht sonderlich viel zu machen. Parker wollte sich gerade mit einer in Schweinsleder gebundenen Foliantenreihe befassen, als er plötzlich ein irritierendes Geräusch vernahm, das die Stille in der Bibliothek störte. Parker trat vorsichtig an das zierliche Geländer der Galerie und blickte hinüber zur Stirnseite des großen Raumes. Hatte er sich getäuscht? War irgendwo nur ein Fenster nachdrücklich geschlossen worden? Nach wenigen Augenblicken entdeckte Josuah Parker den ungebetenen Besucher. Dieser Mann kam ihm nicht völlig unbekannt vor. Es handelte sich eindeutig um Brett Sturgess, der sich normalerweise nur für Briefmarken interessierte. Sturgess hatte sich mit einer Maschinenpistole ausgerüstet und war auch, der Mann, sie zu benutzen, wenn es darauf ankam. Er betrat wie ein mißtrauisches Raubtier die Bibliothek, blickte sich immer wieder nach allen Seiten um und schien der Ruhe nicht so recht zu trauen.
Parker stand in einer Regalnische und hielt den dicken Folianten fest in der Hand. Er wollte Sturgess nicht unnötig herausfordern und wartete erst mal ab. Der Vorsitzende des Briefmarken-Clubs war inzwischen wohl zu dem Schluß gekommen, daß keine Gefahr für ihn bestand. Er klemmte sich die Maschinenpistole unter den linken Arm und fingerte mit der rechten Hand in einer der Außentaschen seines Jacketts herum. Schließlich gelang es ihm, einen Notizzettel hervorzuholen. Dann ging er langsam weiter, bis er einen ungemein großen Globus alter Prägung erreichte, der in einem viereckigen Gestell ruhte. Hier legte Brett Sturgess die Schußwaffe ab und befaßte sich mit dem Zettel. Um besser lesen zu können, wandte er sich halb um und hielt das Stück Papier ins Licht einer Fensterscheibe. Der Butler nutzte seine Chance. Auf leisen Sohlen ging er zurück zur Brüstung der Galerie und hob den dicken, schweren Folianten. Dann nahm er seine schwarz behandschuhten Hände vom Band und ließ das Druckwerk nach unten fallen. Es gehorchte wie selbstverständlich den Gesetzen der Schwerkraft und näherte sich dem kahlen Kopf des Gangsters. Ja, der Foliant schien von der billardkugelähnlichen Erscheinung förmlich angezogen zu werden. Es war schon durchaus beeindruckend, als der Foliant landete. Er krachte auf den Kahlschädel und ließ Brett Sturgess in die Knie gehen. Der Gangster produzierte einen ächzenden Laut, gurgelte dann wie ein Frühaufsteher während des Zähneputzens und stemmte sich
wieder hoch. Er wollte nach der Maschinenpistole greifen, doch Josuah Parker war aus durchaus verständlichen Gründen dagegen. Er hatte bereits das nächste Druckwerk fallen lassen und wartete auf den Einschlag. Der Foliant verkantete sich während der Senkrechtbewegung und schlug mit dem schweren Buchrücken ins Genick des Gangsters, der nach vorn gedrückt wurde und einen spitzen Schrei ausstieß. Der Mann legte seine Stirn gegen das Gestell des Globus und rutschte dann ab. Josuah Parker wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Nacheinander schickte er noch weitere Druckerzeugnisse nach unten auf Brett Sturgess und demonstrierte so die Macht des auch gedruckten Wortes. Brett Sturgess streckte die Beine aus und rettete sich in wohltuende Ohnmacht. * »Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Tag zu wünschen«, sagte Josuah Parker und lüftete grüßend seine schwarze Melone. Er stand vor dem Briefmarkenfreund, der im Armsessel saß und dessen Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt war. Parker hatte die Unterarme des Mannes an den schweren Lehnen vertäut. »Gut, Sie haben mich erwischt«, sagte Sturgess, »und jetzt?« »Man wird sehen«, antwortete Josuah Parker, »Sie suchten nach einem ganz bestimmten Buch?« »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich meine Karten auf den Tisch lege, oder?« fragte Sturgess verbissen.
»Man nahm bereits Einblick in ihre sogenannten Karten«, erwiderte Josuah Parker höflich und gemessen. Er deutete auf den Notizzettel auf einem Beistelltisch. »Auch Sie suchen nach den Geschichten aus der Vergangenheit, wie zu sehen ist.« »Ich interessier' mich eben für alte Geschichten«, meinte Sturgess und zuckte die Achseln. Auf seinem kahlen Schädel bildeten sich zwei ansehnliche Beulen, die von den Folianten verursacht worden waren. »Das gilt auch für Ralph Moreland«, sagte der Butler, »der Goldschatz, um bei dieser Bezeichnung zu bleiben, dürfte eine magische Anziehungskraft ausüben.« »Moreland? Gibt's denn den überhaupt noch?« Sturgess grinste andeutungsweise. »Er dürfte nach wie vor hinter dem Goldschatz her sein«, entgegnete Josuah Parker, »vielleicht sind Sie inzwischen zu Konkurrenten geworden, Mr. Sturgess.« »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich antworten werde, wie? Nee, Parker, machen Sie sich da mal keine Hoffnungen.« »Antworten Ihrerseits werden nicht mehr benötigt«, sagte Parker, »das Buch, nach dem Sie suchen, befindet sich nicht mehr in der Bibliothek, Mr. Sturgess.« »Wieso nicht?« »Es wurde entnommen, wenn ich so sagen darf. Vor Ihnen war bereits ein Bücherfreund hier und lieh sich den Folianten aus.« »Sie wollen doch nur bluffen.« »Wie Sie zu meinen Belieben, Mr. Sturgess. Aber ich möchte wiederholen und betonen, daß bereits
vor Ihnen ein Liebhaber alter Geschichten hier erschien. Das Buch ist eindeutig nicht mehr vorhanden! Und damit dürfte der Goldschatz, um den es ja wohl geht, für Sie unerreichbar geworden sein.« »Und ... Und wer soll vor mir hier gewesen sein?« »Mr. Moreland erfreut sich seit der vergangenen Nacht seiner Freiheit.« »Moreland?« Sturgess runzelte die Stirn. »Der Maulwurf«, tippte Josuah Parker an. »Unsinn, Moreland ist nicht der Maulwurf«, widersprach Sturgess fast heftig, »der hat nur für den Maulwurf gearbeitet.« »Sind Sie dessen sicher?« Parker nahm wie selbstverständlich zur Kenntnis, daß Sturgess nun doch redete. Der Gangster verzichtete auf alle Vorsicht. Er dachte nur noch an den Goldschatz und daran, daß man ihn ausgebootet hatte. »Moreland wurde doch von diesem Maulwurf angerufen und eingekauft«, berichtete Sturgess weiter, »und Moreland kam dann zu mir.« »Könnte Mr. Moreland Sie nicht belogen haben, was den Maulwurf betrifft?« ' »Wie meinen Sie denn das, Parker?« »Nun, Mr. Moreland könnte doch diesen Maulwurf nur erfunden haben, Mr. Sturgess.« »Ach so, das meinen Sie!« Sturgess senkte den Kopf. »Oder stammt dieser Zettel dort etwa vom Maulwurf?« fragte Josuah Parker höflich weiter. »Das wäre dann ein Indiz dafür, daß der Maulwurf existiert, Mr. Sturgess.«
»Ich hab' den Wisch erst vor einigen Stunden bekommen.« »Und wo erreichte er Sie, Mr. Sturgess? Der Verfasser des Hinweises muß gewußt haben, wo Sie sich aufhielten, nachdem Sie das Domizil des Mr. Hodders bei den West India Docks überhastet verließen.« »Ich glaube, mir geht jetzt ein Licht auf«, entgegnete Sturgess und nahm den Kopf wieder hoch. »Wie schön und durchaus angenehm für Sie, Mr. Sturgess.« »Stimmt, Parker«, bestätigte Sturgess, »aber ich sag' nichts.« »Das ist selbstverständlich Ihr gutes Recht, Mr. Sturgess«, pflichtete Parker ihm bei, »inzwischen hat der Maulwurf die Möglichkeit, den Goldschatz in seinen Besitz zu bringen. Er wird Ihr Schweigen ungemein schätzen und später sicher mit Ihnen teilen.« »Schnappen Sie sich diesen Buchhändler«, platzte Sturgess jetzt wütend heraus, »und wenn der ganze Schnee verbrennt, ich pfeif diesem Maulwurf was!« »Sie nehmen an, daß Mr. Waters der gesuchte Maulwurf ist?« »Schnappen Sie sich Waters«, wiederholte Sturgess, »ich laß' mich doch nicht von 'nem Amateur aufs Kreuz legen. Ich doch nicht!« * »O ja, mein Bruder hat mir viel von Ihnen erzählt«, sagte die Schwester von John Waters. Sie machte einen erfreuten Eindruck und ordnete das einfach geschnittene Haar mit einer nervösen Geste ihrer Hände. Sie zählte fünfundfünfzig Jahre, wie Parker
wußte, sah jedoch ein wenig älter aus. Sie wohnte in einem hübschen Landhaus am Rand von Oxford und schien eine begeisterte BlumenLiebhaberin zu sein. Der Garten hinter dem einstöckigen Landhaus war eine Blütenpracht. »Wäre es möglich, Madam, ihren Herrn Bruder zu sprechen?« fragte Josuah Parker. »John ist vor ein paar Stunden weggefahren, Mr. Parker. Er macht eine Feldbegehung.« »Was darf und kann man sich darunter vorstellen, Madame?« »John interessiert sich schon seit vielen Jahren für Archäologie«, schickte sie voraus, »ich glaube, ich habe ihn dazu gebracht, Mr. Parker. Sie wissen ja sicher, daß ich hier einen Hobbyverein für Archäologie gegründet habe und ihn auch leite.« »Ihr Herr Bruder war so freundlich, meiner Wenigkeit davon zu erzählen«, erwiderte Josuah Parker. Er musterte Rose Waters unauffällig, jedoch sehr eingehend. Sie hatte ein kleines, freundlich-rosiges Gesicht und braune Augen. Sie war mittelgroß, schlank und schien sich inzwischen wieder beruhigt zu haben. Sie ordnete nicht mehr fahrig das Haar. »Ihr Herr Bruder fahndet nach einem Goldschatz, was immer man sich darunter auch vorstellen mag, nicht wahr?« stellte Parker die entscheidende Frage. »Sie wissen davon?« Sie sah ihn sehr überrascht an. »Ich denke, daß Ihr Herr Bruder dieses Stichwort lieferte«, gab der Butler, zurück. »Der Goldschatz!« Rose Waters lächelte versonnen. »John stöberte in al-
ten Büchern und entdeckte dann eine Fußnote, Mr. Parker, in der auf diesen angeblichen Schatz hingewiesen wurde.« »Könnten Sie meiner Wenigkeit weitere Details dazu liefern?« »John sammelte doch alte Bücher, kauft sie an und verkauft sie wieder. Sie sind ja sein Kunde, wie er mir sagte. Nun, eines Tages fand er ein Buch, in dem von alten Schätzen berichtet wird, und in diesem Buch gab es eine Fußnote, die auf ein anderes Buch hinwies, in dem mehr über diese Schätze stehen sollte. Es handelte sich da um eine Sammlung alter Sagen und Legenden, Mr. Parker. Nun, man soll diese Dinge .-. natürlich nicht zu ernst nehmen, auf der anderen Seite enthalten sie selbstverständlich einen wahren Kern.« »Auf welch ein Buch verwies die angesprochene Fußnote, Madame?« »Auf ein Buch, das Geschichten aus der Vergangenheit heißt. Es ist ein sehr seltenes Buch, das nur noch in wenigen Exemplaren existiert.« »Sollte solch ein Buch sich hier in der Nähe von Oxford oder Witney befinden, Madam?« »John glaubt, daß es so ist. Unter uns: Mr. Parker, ich glaube nicht, daß es diesen Goldschatz gibt. Wir haben darüber in unserem Verein ausgiebig diskutiert.« »Wie interessant, Madam.« Parker war längst hellhörig geworden. »Die Mitglieder des Vereins erfuhren also von der Entdeckung Ihres Bruders, was das Buch betrifft, das die Fußnote enthält?« »Wir Maulwürfe haben alle Einzelheiten durchgesprochen. Die Frage war nur, wie man an das Buch
Geschichten aus der Vergangenheit herankommt. Wie gesagt, es gibt nur noch sehr wenige Exemplare davon.« »Sie nannten sich gerade, was die Mitglieder Ihres Vereins betrifft, Maulwürfe?« Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. »So bezeichnen wir uns untereinander«, meinte Rose Waters und lachte leise, »das hängt mit unseren Ausgrabungen zusammen. Wir buddeln manchmal wirklich wie die Maulwürfe.« »Eine ungemein treffende und hübsche Bezeichnung«, antwortete Josuah Parker, »nahm man sich innerhalb Ihres Vereins vor, nach diesem Goldschatz zu suchen? Von wem soll er stammen, um auch diese Frage zu stellen, Madam? Und welchen Wert stellt er dar?« »Das eben weiß man nicht genau, doch es scheint sich um Tafelgeschirr des früheren Earl of Witney zu handeln, der ein kleines Jagdschloß drüben auf den Hügeln erbaut hat. Jetzt sind davon nur noch bescheidene Mauerreste zu sehen. Die Menschen hier in der Region sprechen von einem Millionenschatz. Ob es aber der Schatz ist, von dem in dem Buch berichtet wird, weiß ich nicht. Das will John aber noch herausfinden.« »Er setzte sich bereits mit dem Earl of Witney in Verbindung?« »Das weiß ich nun wirklich nicht, Mr. Parker. Moment, Sie glauben, daß er die Geschichten aus der Vergangenheit besitzt?« »Sprach Ihr Herr Bruder nie davon?« »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Auch John glaubt natürlich nicht an diesen geheimnisvollen Goldschatz,
Mr. Parker. Dazu ist er zu sehr Realist.« »Sind Ihnen die Namen Sturgess oder auch Moreland bekannt, Madame?« Bevor Rose Waters antworten konnte, wurde die Tür zum Wohnraum ruckartig aufgedrückt. Rose Waters stieß einen Schrei aus, Parker hingegen hatte sich selbstverständlich unter Kontrolle und wandte fast im Zeitlupentempo den Kopf zur Tür. Dann lüftete er überaus höflich die schwarze Melone. * »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Mike Rander, »wer stand Ihnen da gegenüber, Parker?« »Mr. Ralph Moreland, Sir«, antwortete Parker, »er war übrigens nicht allein gekommen.« »Hatte er den Buchhändler Waters mitgebracht?« schaltete Kathy Porter sich ein. »Einen Revolver, Miß Porter«, erläuterte der Butler in seiner höflichen Art, »Mr. Moreland hatte die Absicht, meine bescheidene Wenigkeit zu töten. Bei dieser Gelegenheit wollte er auch die Geschwister Waters umbringen. Dabei ging es ihm in allererster Linie um John Waters, der einfach zuviel wußte.« »Ich wußte von Beginn an, wer der Maulwurf ist«, behauptete die ältere Dame, die sich ebenfalls in der großen Wohnhalle ihres Fachwerkhauses in Shepherd’s Market aufhielt. Es war kurz nach dem Frühstück, und Parker berichtete von seinen speziellen Erlebnissen.
»Spannen Sie uns nicht unnötig auf die Folter, Parker«, sagte Mike Rander lächelnd, »wir wollen was über die Zusammenhänge erfahren. Moreland also war und ist der Maulwurf. Wieso konnte er diese Rolle spielen?« »Durch einen Zufall, Sir, um bei der Wahrheit zu bleiben«, schickte Josuah Parker voraus, »zu den sogenannten Maulwürfen, wie die Mitglieder des archäologischen Vereins sich untereinander nennen, gehörte auch eine Frau, deren Name wirklich nichts zur Sache tut. Sie erzählte ihrem Bruder, der hier in London wohnt, von dem Goldschatz und nannte dabei selbstverständlich auch den Namen von John Waters.« »Und dieser Bruder setzte sich mit Moreland in Verbindung?« tippte Mike Rander an. »Keineswegs absichtlich, Sir, dies geschah mehr oder weniger zufällig, als besagter Bruder zusammen mit Freunden den Spielsalon von Ralph Moreland besuchte. Man hatte getrunken, sprach von und über Geld und kam dabei auf den sagenhaften Goldschatz zu sprechen. Moreland bekam Wind davon und kümmerte sich ab sofort um den Buchhändler Waters, dessen Bücher er stehlen lassen wollte. Meine bescheidene Wenigkeit hatte aber das Glück oder auch Pech, ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt in der Buchhandlung zu erscheinen, als die Mitarbeiter von Brett Sturgess die bewußten Bücher, Landkarten und Stiche an sich nehmen wollten. Die weiteren Einzelheiten dürften bekannt sein.« »Nur nicht so schnell«, wandte Lady Agatha grollend ein, »wieso konnte Moreland den Maulwurf spielen?«
»Nun wer warf die Bombe in den Briefmarkenclub von Sturgess?« fügte Kathy Porter irritiert hinzu. »Wenn es erlaubt ist, werde ich mit der letzten Frage beginnen«, antwortete der Butler, »Moreland bezweckte mit der Bombe zwei Ziele, wie er inzwischen bekannte: Einmal wollte er damit einen möglichen Mitbewerber um den Goldschatz ausschalten, nämlich Sturgess. Zum zweiten hatte er auch die feste Absicht, Mylady und meine Wenigkeit zu ermorden.« »Er wußte von Beginn an, daß ich für ihn die höchste Gefahr darstellte«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen und nickte zufrieden. »Die diversen Anrufe, die der Maulwurf tätigte, übernahm einer von Morelands Angestellten«, berichtete der Butler weiter, »dadurch wurde angerufen, als Moreland Myladys Gast hier im Haus sein durfte.« »Aber der Bursche hatte doch mächtige Angst, als er das Haus hier verlassen konnte«, warf Mike Rander ein. »Vor Sturgess«, erwiderte Josuah Parker, »er ging davon aus, daß Sturgess ihm den Bombenwurf nicht verzeihen würde.« »Was ja wohl auch stimmt, wie?« fragte Kathy Porter. »Sehr wohl«, bestätigte der Butler, »Mr. Sturgess legte bereits ein umfassendes Geständnis ab und belastete Moreland ungemein.« »Dann ist Waters also unschuldig?« fragte die Detektivin sicherheitshalber. »Auf der ganzen Linie, Mylady, wie es im Volksmund so treffend umschrieben wird.«
»Und was ist nun mit diesem Goldschatz?« fragte sie weiter. »Gibt es ihn denn nun?« »Dazu müßte man erst das oft erwähnte Buch finden, in dem die Geschichten aus der Vergangenheit stehen«, erwiderte Parker. »Kümmern Sie sich darum, Mr. Parker«, forderte sie ihn auf, »Ich rechne damit, es bereits in den nächsten Tagen lesen zu können.« »Mylady können sich auf mich verlassen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Bis dahin werde ich weiter an meiner Rolle arbeiten«, fuhr sie munter fort, »ich werde mich ab sofort nicht wieder ablenken lassen.« Sie stand auf und schritt durch die große Halle. Als sie die Treppe erreichte, blieb sie stehen und wandte sich zu Kathy Porter, Mike Rander und dem Butler um. »O, schwache Willenskraft«, deklamierte sie mit tragender Stimme und warf sich in Position, »gib mir die Dolche! Schlafende und Tote sind Bilder nur; der Kindheit Aug' allein scheut den gemalten Teufel.« »Wie war das?« fragte Mike Rander und verbiß sich ein Lachen. »Schon gut«, redete die ältere Dame weiter, »ich memoriere meinen Text,
wobei mir übrigens ein Gedanke kommt.« »Mylady erwecken Erwartungen in meiner bescheidenen Wenigkeit«, behauptete der Butler. »Ich spiele mit dem Gedanken, auf diese Rolle vielleicht doch zu verzichten. « »Eine gute Idee«, lobte Mike Rander spontan. »Ich denke, ich werde mich dem Gesang widmen«, redete die ältere Dame weiter und hüstelte gekünstelt, »ich bin sicher, daß ich einen sehr guten Koloratursopran besitze, oder auch einen ausgeprägten Alt.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, ließ Josuah Parker sich in altbewährter Höflichkeit vernehmen. »Ich werde oben in meinem Studio gleich ein wenig probieren«, verhieß die ehrgeizige Lady und rauschte dann über die Treppe zur Galerie. »Besorgen Sie Watte, Parker«, sagte Mike Rander, »oder haben Sie vielleicht Ohrenschützer im Haus? Ich fürchte, da kommen schreckliche Dinge auf uns zu.« »Mit letzter Sicherheit«, wußte Josuah Parker. Sein Gesicht blieb ausdruckslos wie das eines professionellen Pokerspielers.
ENDE
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen neuen
Nr. 261
Parker zieht dem »Tiger« Zähne Sie war eine begabte Dompteuse, Artistin und arbeitete in Spielfilmen als Double für weibliche Stars. Sie scheute keine Gefahr und ließ sich immer wieder auf halsbrecherische Abenteuer und Stunts ein. Sie konnte sich allerdings nicht gegen mörderische Anschläge wehren und hatte Josuah Parker ihr Leben zu verdanken. Der Butler hielt seine schützende Hand über die junge Frau und ließ sich mit einem zweibeinigen »Tiger« ein, der alles tat, um Parkers Schützling unter die Erde zu bringen. Lady Agatha Simpson war geradezu begeistert, als man auch sie angriff, hatte sie doch wieder mal die Möglichkeit, ungemein aktiv zu werden. Es gab wirklich kein Porzellan, das sie nicht zerschlug. Butler Parker aber schritt gemessen von Tatort zu Tatort und befaßte sich quasi mit der linken Hand mit echten Raubtieren und heimtückischen Killern. Günter Dönges präsentiert einen neuen Parker-Krimi, der bis zur letzten Zeile Hochspannung und Humor garantiert. Kenner wissen dies zu schätzen - neue Interessenten sollten BUTLER PARKER kennenlernen !