Mark Eisenegger · Stefan Wehmeier (Hrsg.) Personalisierung der Organisationskommunikation
Organisationskommunikation. Studien zu Public Relations/ Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationsmanagement Herausgegeben von Günter Bentele Die Reihe „Organisationskommunikation. Studien zu Public Relations/Öffentlich keitsarbeit und Kommunikationsmanagement“ zielt darauf, wesentliche Beiträge zur Forschung über Prozesse und Strukturen der Kommunikation von und in Organisationen in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu leisten. Damit kommen vor allem Arbeiten zum Tätigkeits- und Berufsfeld Public Relations/Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationsmanagement von Organisationen (Unternehmen, politische Organisationen, Verbände, Vereine, Non-Profit-Organisationen, etc.), aber auch zur Werbung oder Propaganda in Betracht. Nicht nur kommunikationswissenschaftliche Arbeiten, sondern auch Beiträge aus angrenzenden Sozialwissenschaften (Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie), den Wirtschaftswissenschaften oder anderen relevanten Disziplinen zu diesem Themenbereich sind erwünscht. Durch Praxisbezüge der Arbeiten sollen Anstöße für den Professionalisierungsprozess der Kommunikationsbranche gegeben werden.
Mark Eisenegger Stefan Wehmeier (Hrsg.)
Personalisierung der Organisationskommunikation Theoretische Zugänge, Empirie und Praxis
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1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Katrin Emmerich / Tilmann Ziegenhain VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16023-8
Inhaltsverzeichnis
Mark Eisenegger, Stefan Wehmeier Vorwort der Herausgeber
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Einleitung
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Mark Eisenegger Eine Phänomenologie der Personalisierung
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Theoretische Perspektiven
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Kurt Imhof Personalisierte Ökonomie
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Günter Bentele, Birte Fähnrich Personalisierung als sozialer Mechanismus in Medien und gesellschaftlichen Organisationen
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Jürgen Schulz Personalisierung in der Wirtschaft als Problem der Repräsentation
77
Peter Szyszka Personalisierung und CEO-Positionierung. Theoretische Reflexion eines Praxisproblems
91
Empirische Befunde
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Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution in der medienvermittelten Kommunikation
117
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
133
Matthias Vonwil Ackermann und die Deutschen – Die Geschichte eines großen Missverständnisses. Personalisierte Reputation am Beispiel der Deutschen Bank
159
Simone Huck-Sandhu, Diana Ingenhoff Personalisierung in der internen Kommunikation: Ergebnisse einer ländervergleichenden Analyse von Mitarbeiterzeitschriften
171
Sarah Zielmann, Ulrike Röttger Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Entwicklung von CEO-Blogs in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien
189
Swaran Sandhu, Sarah Zielmann CEO-Kommunikation. Die Kommunikation des Top-Managements aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen in deutschen Unternehmen
211
Arild Wæraas Endowing organizations with personality: The strategy of charismatic legitimation
237
Spezifische Zugänge
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Karl Nessmann Kommunikationsmanagement für Personen. Beratungsmodelle, Konzepte und theoretische Sichtweisen
255
Franzisca Weder Integrationsmanagement über Testimonials
271
Stefan Mathys Personalisierung als Element der Corporate Governance
295
David McKie, Debashish Munshi Personalisation possibilities: A plea for subjective transparency through science, action research, and strategic communication
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Stefan Wachtel Authentizität ist unerwünscht. Corporate Speaking aus Sicht der Beratungspraxis
319
Autorenverzeichnis
331
Vorwort der Herausgeber
Sowohl in der Kommunikation ‚über‘ wie in der Kommunikation ‚von‘ Organisationen ist Personalisierung im Trend. In der Außenkommunikation geben die Massenmedien den anonymen Organisationsgebilden ein Gesicht. Sie feiern oder brandmarken die Führungspersonen je nach Erfolg oder Misserfolg entweder als ‚Stars‘ oder als ‚Versager‘. Was als erfolgreich, kompetent oder integer zu gelten hat, wird am lebenden Menschen vorgeführt. Diese Personalisierungstendenz eröffnet Chancen im Wettbewerb um knappe öffentliche Aufmerksamkeit. Sie birgt allerdings auch Gefahren für die Organisationskommunikation. Erstens steigt die Skandalisierungsgefahr: Die Verantwortung insbesondere für moralisches Fehlverhalten einer Organisation als abstraktem Gebilde zuzuweisen, ist schwierig. Eine bekannte Person lässt sich hingegen plakativ an den Pranger stellen. Zweitens steht eine zu starke Personalisierung einem langfristig kohärenten Reputationsaufbau im Weg. Werden Organisationen ausschließlich über die jeweilige Führungsspitze wahrgenommen, müssen sie ihre Reputation mit jedem Führungswechsel von Neuem aufbauen und befestigen. Dennoch boomt die Personalisierung, nicht nur in der medienvermittelten Kommunikation, sondern gerade auch mit Blick auf die externe Kommunikation der Organisationen selbst. Verfahren wie ‚Personal Public Relations‘, ‚Personality Marketing‘, ‚Personal Branding‘, ‚Impression Management‘ etc. haben sich in den letzten Jahren zu einer wichtigen Facette der PR-Praxis entwickelt. Die verschiedenen Ausprägungen der Personalisierung, ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen sowie ihre Konsequenzen für die Organisationskommunikation waren das Thema der Fachtagung „Personalisierung der Organisationskommunikation“ der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). Die Konferenz wurde im Herbst 2006 in Zürich durchgeführt und vom „fög – Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft“ der Universität Zürich organisiert. Der vorliegende Sammelband fasst den Stand dieser Konferenz zusammen, ja er geht in wesentlichen Teilen noch darüber hinaus. Denn es ist gelungen, zusätzliche Autoren für dieses Buch zu gewinnen, die Wesentliches zum Thema Personalisierung beigetragen haben. Die Tagung und Herausgabe dieses Bandes waren nur durch das Engagement von Referenten und Autoren sowie weiteren Helfern im Hintergrund möglich. Ihnen allen gilt der Dank der Herausgeber. Zürich / Odense (Dänemark), im Mai 2009 Mark Eisenegger und Stefan Wehmeier
Einleitung
Eine Phänomenologie der Personalisierung Mark Eisenegger
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Personalisierung – ein schillernder Begriff
Die Systemtheorie als das dominierende Paradigma der letzten Jahrzehnte ist wesentlich dafür verantwortlich, dass die Personalisierungsthematik lange Zeit durch das Raster sozialwissenschaftlicher Reflexion fiel. In systemtheoretischer Optik verschwand die Person hinter der Rolle oder wurde in die Umwelt sozialer Systeme verbannt und galt somit nur noch als nachrangige Größe. Da die Personalisierungsforschung somit erst langsam beginnt, aus den Kinderschuhen zu wachsen, erstaunt es nicht, dass Personalisierung bis heute ein schillernder Begriff sozialwissenschaftlicher Reflexion geblieben ist. Weder besteht ein Konsens darüber, was unter Personalisierung genau zu verstehen ist (vgl. Holtz-Bacha et al. 1998), noch herrscht Einigkeit, ob ein Trend in Richtung zunehmender Personalisierung tatsächlich besteht. Es sind also einige konzeptionelle Unschärfen festzustellen, die sich auch in empirisch widersprüchlichen Aussagen zu einer wie auch immer gearteten Personalisierung niederschlagen. So finden wir erstens Studien, die einen Personalisierungstrend explizit verneinen: „All findings support the notion that (...) personalization cannot be observed.“ (Kaase 1994: 211) In diesem Zusammenhang wird betont, dass die öffentliche Kommunikation immer schon auf handelnde Eliten fokussiert gewesen sei (vgl. Häussler 2008: 7, Wilke 1998: 284).1 Diesen personalisierungsskeptischen Stimmen stehen zweitens solche gegenüber, die einen Trend in Richtung zunehmender Personalisierung explizit bejahen und Personalisierung als eine der auffallendsten Veränderungen in der öffentlichen und organisationalen Kommunikation bezeichnen (vgl. Imhof 2009, in diesem Band). Eine Zwischenstellung nehmen drittens Studien ein, die mit Blick auf verschiedene Urheber der Personalisierung – die Medien, das Publikum und die Organisationen – teils eine Zunahme personalisierender Tendenzen bestätigen, diese teilweise aber auch in Abrede stellen. Ein Trend in Richtung zunehmender Personalisierung lässt sich in der Medienberichterstattung gemäß diesen Studien zwar bestätigen. Im Hinblick auf die Selbstdarstellungsstrategien der Organisationen können dieselben Autoren eine derartige Entwicklung jedoch nur fallweise stützen. Und in Bezug auf die Publikumsorientierung kommen die gleichen Studien zum Schluss, dass ein verhaltenssteuernder Einfluss der Orientierung an Personen etwa im Zusammenhang von Wahl- und Kaufentscheiden nicht bestätigt werden kann (vgl. Brettschneider 2002: 28ff., Brettschneider/Vollbracht 2009, in diesem Band). Diese teils widersprüchlichen Forschungsbefunde rühren daher, dass in der kommunikationswissenschaftlichen Fachdebatte nicht immer präzis unterschieden wird, wo respektive auf welchen Bezugsebenen – in der medienvermittelten Kommunikation, in der organisationalen Selbstdarstellung oder in der Publikumsorientierung – Personalisierungsprozesse analysiert werden. Auch bleibt häufig unklar, von welchem Typus der Personalisierung 1
Es handelt sich bei diesen personalisierungsskeptischen Positionen um relativ alte Studien, die im aktuellen Fachdiskurs aber immer noch häufig zitiert werden.
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Mark Eisenegger
genau die Rede ist. Oft wird Personalisierung stillschweigend mit einer rollen-fernen oder gar privatistischen Form der Kommunikation über Individuen gleichgesetzt. Neben diesen analytischen Mängeln fällt auf, dass der sozialwissenschaftliche Personalisierungsdiskurs außerordentlich normativ besetzt ist (vgl. hierzu Hoffman/Raupp 2006: 456ff.). Zum einen wird als Folge personalisierender Tendenzen häufig ein allgemeiner Rationalitätsverlust beklagt. Personalisierung wird vor allem in der politischen Kommunikationsforschung aufgefasst als Gegenstück zu einer „sachbezogenen“ Kommunikation und es liegt die zumeist implizite Vermutung zugrunde, dass personalisierte Kommunikation im Widerspruch stehe zu einer rationalen Diskursführung. Insbesondere im Horizont der deliberativen Demokratietheorie von Jürgen Habermas gilt Personalisierung als demokratiegefährdende Erscheinung. Denn gemäß der normativen Demokratietheorie soll es in politischen Prozessen ja auf die Überzeugungskraft und Rationalität des besseren Argumentes ankommen und nicht auf dessen Urheber. Deshalb wird befürchtet, dass im Gleichschritt zu einer Zunahme personalisierender Tendenzen politische Entscheide nicht mehr auf der Basis guter Gründe gefällt werden, sondern auf der Basis von Personenmerkmalen. Dort, wo Personen in der Kommunikation wichtig würden, gewinne die simplifizierende Narration gegenüber der abwägenden Argumentation die Oberhand (vgl. Häussler 2008: 6). Erst recht erregt es dann Anstoß, wenn die öffentlich relevanten Entwicklungen „ins private Kostüm gekleidet und bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden“ (Habermas 1990: 262). Zum anderen wird Personalisierung auch verbreitet mit einer Tendenz zur DeInstitutionalisierung gleichgesetzt. Es wird angenommen, dass die mediengerichtete Personalisierung in ihrer Wirkung auf die direkte Legitimation über die Öffentlichkeit abziele, unter Umgehung institutioneller Verfahren und Gremien wie überhaupt unter Vernachlässigung der Organisation als Entscheidungs- und Willenseinheit (vgl. Sarcinelli 2005: 190). Diese Perspektive ist vor allem in politikwissenschaftlichen und institutionentheoretischen Ansätzen zu erkennen, die in der Tradition liberaler Öffentlichkeitsmodelle stehen und die demokratischen und parlamentarischen Institutionen und Verfahren als unabdingbare Voraussetzung für gerechte Interessenkompromisse betrachten (vgl. Marschall 2002: 388ff., Meyer 2001). Diese Zerfallsdiagnosen im Zusammenhang personalisierender Organisationskommunikation sind nicht unwidersprochen geblieben. So überzeugt die vielfach geäußerte Kritik nicht überall, durch Personalisierung würde lediglich eine Form von Zustimmungsmanagement jenseits aller Sachthemen und bar aller Rationalität betrieben. Es wird argumentiert, dass mit personalisierter Kommunikation sehr wohl Sachthemen verbunden sein könnten, gleichsam in „personal-verdichteter Form“ (Jarren/Donges 2006: 271). Gesamthaft sind auch diese normativ auseinanderklaffenden Einschätzungen zu den mit personalisierender Kommunikation einhergehenden Risiken letztlich das Produkt eines Personalisierungs-Verständnisses, das nicht deutlich macht, von welchem Typus von Personalisierung ausgegangen wird. Denn auch die Beantwortung der Frage, ob mit personalisierender Kommunikation dysfunktionale Effekte einhergehen oder nicht, hängt letztlich davon ab, welchen Personalisierungsmodus man im Blick hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die politische Kommunikationsforschung dazu tendiert, die Risiken personalisierender Kommunikation herauszustreichen, während die auf ökonomische Organisationen zentrierte PR-Forschung eher auf der Chancen-Seite zu verorten ist (vgl. etwa Nessmann 2009, Sandhu/Zielmann 2009, Zielmann/Röttger 2009, in diesem Band). Allerdings zeigt sich gerade in der PR-Forschung eine manchmal unzureichende kritische Dis-
Eine Phänomenologie der Personalisierung
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tanz zur PR-Beratungsindustrie, die – verkaufsgetrieben – Personalisierung mehrheitlich als unabdingbares Mittel der Reputationspflege sowohl in der internen wie der externen Kommunikation propagiert (vgl. Burson-Marsteller 2006, Casanova, 2002), dies allerdings unter krasser Vernachlässigung der mit extensiver Personalisierung verbundenen Risiken. Vor dem Hintergrund dieser analytischen Unschärfen sowie der normativ widersprüchlichen Einschätzungen der mit Personalisierung einhergehenden Konsequenzen für Organisationen setzt sich dieser Beitrag zum Ziel, die verschiedenen Typen und Modi der Personalisierung im Rückgriff auf die einschlägige Literatur herauszuarbeiten und eine Phänomenologie der Personalisierung zu entwickeln. Diese Begriffsarbeit ist notwendig, um die verschiedenen Erscheinungsformen personalisierender Kommunikation fruchtbarer erfassen und im Hinblick auf ihre organisationalen Konsequenzen – funktional oder dysfunktional – besser einschätzen zu können.
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Personalisierungstypen, Personalisierungsmodi
2.1 Orte der Personalisierung: Organisationale, mediale und publikale Personalisierung Holtz-Bacha et al. haben Personalisierung für den Bereich des Politischen definiert als einen Prozess, wonach die Person zum Deutungsmuster komplexer politischer Tatbestände wird, und zwar in der Selbstdarstellung der Politik, in der Fremddarstellung von Politik in den Medien oder auf Seiten der Wählerschaft bzw. des Publikums (vgl. Holtz-Bacha et al. 1998: 241). Überträgt man diese Definition auf nicht-politische Gesellschaftsbereiche und macht sie für den Bereich der Organisationskommunikation generell fruchtbar, so kann Personalisierung definiert werden als ein Phänomen, wonach die Person zum Deutungsmuster organisationaler Sachverhalte wird, und zwar in der organisationalen Selbstdarstellung, in der Fremddarstellung der Organisationen in den Medien oder in der Wahrnehmung der Organisationen durch das Publikum (vgl. Eisenegger/Konieczny-Wössner in diesem Band). Es kann also unterschieden werden zwischen einer organisationalen, einer medialen und einer „publikalen“ Personalisierung (vgl. Brettschneider 2002, Brettschneider/Vollbracht 2009 sowie Bentele/Fähnrich 2009, in diesem Band). Diese Typologie basiert auf der Unterscheidung der drei wesentlichsten ‚Orte‘ (Urheber/Träger) der Personalisierung, nämlich die Medien, das Publikum sowie die Organisationen selbst, wobei die eine Seite in ihrem Personalisierungsprozess beeinflusst ist durch die Erwartung eines Personalisierungsprozesses auf der anderen Seite. Organisationen betreiben nicht nur von sich aus Personalisierung, sondern insbesondere deshalb, weil sie sich wesentlich – und in zunehmendem Maß – an den Selektions- und Interpretationsroutinen der Medien orientieren. Sowohl die Organisationen wie die Medien wiederum nehmen Personalisierung deshalb vor, weil sie von einer substantiellen Personenorientierung des Publikums ausgehen. Trotz aller Interdependenz erscheint es plausibel, von einer klaren Hierarchie in der personalisierungstreibenden Wirkung der drei Dimensionen auszugehen. Die mediale Personalisierung als die personengebundene und personenfokussierende Vermittlung journalistischer Inhalte ist die wichtigste Triebfeder der organisationalen wie auch der publikalen Personalisierung. Denn in dem Maß, wie die Welt und die Organisationen in der medienvermittelten Kommunikation personalisierter beschrieben werden, beschreiben sich auch die Organisationen personalisierter und es wird auch die Wahrnehmung des Pub-
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likums in verstärktem Maß auf Personen geeicht (vgl. Imhof 2009, in diesem Band). Es ist also von weit reichenden Medialisierungseffekten auszugehen (vgl. Bentele/Fähnrich 2009, in diesem Band), die aber noch einer weitergehenden empirischen Validierung bedürfen, um die eingangs konstatierten Widersprüche der empirischen Personalisierungsforschung auszugleichen. Für eine solche empirische Validierung fehlt es bislang noch weitgehend an diachronen Forschungsdesigns, welche die Personalisierungsdynamik in der Medienberichterstattung, im Selbstdarstellungsmanagement der Organisationen wie auch in der Publikumswahrnehmung über lange Zeiträume untersuchen. Zum anderen fehlt es aber insbesondere auch an Forschungsvorhaben, welche die Personalisierungsdynamik in Politik und Wirtschaft vergleichend untersuchen. Die bisherige Forschung analysierte Personalisierung vorrangig im Kontext politischer Kommunikation und politischer Berichterstattung sowie in Bezug auf die Selbstdarstellung politischer Organisationen. Im nicht-politischen Bereich wurde Personalisierung bislang jedoch erst wenig Beachtung geschenkt. Das ist bemerkenswert, denn zunächst einmal ist es plausibel anzunehmen, dass das Ausmaß der Personalisierung sich in Politik und Wirtschaft als Folge der Funktionslogik beider Handlungssysteme grundlegend unterscheidet. Denn im Bereich der Politik gehört die Zuschreibung von personalisierter Verantwortung zum wesenseigenen Kern demokratischer Politik (vgl. Sarcinelli 2005: 102). Von daher überrascht es nicht, dass die Personalisierung der Politik in der Medienberichterstattung nach wie vor ausgeprägter ist als jene der Wirtschaft (vgl. Eisenegger/Konieczny-Wössner 2009, in diesem Band). Allerdings gleichen sich die Personalisierungswerte der beiden Handlungssysteme in den letzten Jahren stark an. Letzteres deckt sich mit dem Befund einer seit den 1990er Jahren sich beschleunigt vollziehenden Politisierung der Wirtschaftsberichterstattung (vgl. Eisenegger/Konieczny-Wössner 2009, in diesem Band, Imhof 2005).
2.2 Rollen der Personalisierung: Subjekt- und Objekt-Personalisierung Personen können in der Kommunikation grundsätzlich in zwei verschiedenen Rollen aufscheinen: Sie sind entweder Sprecher, oder aber Objekte der Kommunikation (vgl. Eilders/Neidhardt/Pfetsch 2004: 81). Während es unmittelbar einleuchtet, Personalisierung dort zu erfassen, wo Personen in ausgeprägtem Maß Objekte der Thematisierung darstellen, ist die Unterstellung von Personalisierung schon wesentlich erklärungsbedürftiger, wenn Personen eine sprechende Funktion einnehmen. Denn Kommunikation lässt sich ja im Normalfall immer auf Personen zurückführen, die als Urheber der Mitteilung fungieren. Das gilt selbst für hochgradig formalisierte und geplante Organisationskommunikation. So stehen hinter einzelnen Medienbeiträgen einzelne Journalisten, Korrespondenten oder Gastautoren, aber auch die Verlautbarungen politischer oder ökonomischer Organisationen können meist mühelos einem personalen Absender – zum Beispiel einem Mediensprecher, einem PR-Verantwortlichen etc. – zugeordnet werden. Personale Sprecher sind in der Organisationskommunikation also die Regel und nicht die Ausnahme. Von daher ist es zunächst einmal ein problematischer Kurzschluss, die von einzelnen Organisationsvertretern ausgehende Kommunikation – zum Beispiel die Kommunikation
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von/durch CEOs2 – einfach mit personalisierender Kommunikation gleichzusetzen. Vielmehr stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen im Falle der sprechenden Funktion von Personen überhaupt von Personalisierung ausgegangen werden kann. In diesem Beitrag wird die Ansicht vertreten, dass von einer solchen Subjekt-Personalisierung – verstanden als einer Personalisierung durch Personen in der sprechenden Funktion – erst dann gesprochen werden kann, wenn organisationale Sprecheraufgaben dauerhaft und exklusiv durch ranghohe Organisationsvertreter wahrgenommen werden. Es erscheint also zweckmäßig, SubjektPersonalisierung an die Voraussetzung temporaler (Dauerhaftigkeit/Exklusivität) und stratifikatorischer Merkmale (Status/Rang) der Sprecher zu knüpfen. Von dieser SubjektPersonalisierung zu unterscheiden ist die Objekt-Personalisierung, bei der Personen Gegenstände kommunikativer Erörterung darstellen, bei der also über Personen gesprochen wird, beispielsweise in der Medienberichterstattung oder im organisationalen Kommunikationsmanagement. Abbildung 1:
Dimensionen der Subjekt-Personalisierung A: Offiziell
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I
Ein Rollenträger spricht als Privatperson, um auf offizielle Fragen meinungsbildenden Einfluss zu nehmen
Ein Rollenträger spricht als Politiker, Unternehmer etc. und bezieht sich dabei auf die offiziellen Standpunkte seiner Organisation
D: Organisationsvertreter
C: Privatperson
C/D: Sprecherrolle
IV
II
Ein Rollenträger spricht als Privatperson über Aspekte aus seinem Privatleben ohne politische oder andere offizielle Motive
Ein Rollenträger spricht als Politiker, Unternehmer etc., übernimmt aber nicht die offizielle Position seiner Organisation
B: Inoffiziell
A/B: Sprachgebrauch
Verstraeten hat für die Politik eine Typologie vorgelegt, mit der verschiedene Ausprägungen der Subjekt-Personalisierung, also der sprechenden Funktion von Personen unterschieden werden können (vgl. Verstraeten 2004: 157). Die Typologie wurde hier derart weiter entwickelt, dass sie auf beliebige Rollenträger anwendbar ist. Die horizontale Achse des Schemas bezieht sich auf die Rolle, gemäß der eine Person (z.B. ein Politiker, ein Manager) eine sprechende Funktion ausübt, und zwar entweder als Privatperson oder als Organisationsvertreter. Die vertikale Achse unterscheidet die Sprache, derer sich die Person bedient. Demgemäß kann eine Person entweder die offiziellen Standpunkte der Organisation vertre2
Häufig wird in diesem Zusammenhang auch einfach von „CEO-Kommunikation“ gesprochen (vgl. unter anderem Sandhu/Zielmann 2009, Zielmann/Röttger 2009, in diesem Band).
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ten oder aber inoffizielle, d.h. persönliche Meinungen oder gar private Sachverhalte äußern. Aus diesem Schema resultieren vier Quadranten mit unterschiedlichen Graden der SubjektPersonalisierung: Quadrant I: Repräsentativ-offizielle Subjekt-Personalisierung. Die Person spricht in ihrer Rolle als Organisationsvertreter und vertritt die offiziellen Standpunkte der eigenen Organisation; Quadrant II: Repräsentativ-inoffizielle Subjekt-Personalisierung. Die Person spricht in ihrer Rolle als Organisationsvertreter, vertritt aber persönliche Standpunkte, die unter Umständen im Widerspruch stehen zur offiziellen Meinung der eigenen Organisation; Quadrant III: Persönlich-offizielle Subjekt-Personalisierung. Die Person inszeniert sich und spricht als Privatperson, aber mit dem Motiv, auf offizielle (z.B. politische) Sachfragen meinungsbildenden Einfluss zu nehmen.3 Quadrant IV: Persönlich-inoffizielle Subjekt-Personalisierung. Die Person inszeniert sich und spricht als Privatperson ohne politische oder andere offizielle Motive (z.B. in einer Talk-Show). Folgt man der Logik dieses Schemas, so ist mit Quadrant I der geringste Grad einer Subjekt-Personalisierung verbunden. Es stellt sich sogar berechtigterweise die Frage, ob hier überhaupt sinnvoll von Personalisierung ausgegangen werden kann. Üben Personen in ihrer Rolle als Organisationsvertreter eine sprechende Funktion aus und beziehen sie sich dabei überwiegend auf die offiziellen Standpunkte und Interessen der eigenen Organisation, so kann – wenn überhaupt – nur dann berechtigterweise von Personalisierung gesprochen werden, wenn die Sprecherfunktion wie oben definiert dauerhaft und exklusiv durch ranghohe Personen (z.B. CEOs) usurpiert wird. Hingegen scheint es wenig sinnvoll, diese Form der Kommunikation als Personalisierung zu fassen, wenn sie schwerpunktmäßig von spezialisierten Kommunikatoren (PR-Verantwortlichen u.ä.) ausgeübt wird. In letzterem Fall amtet die Person nur als Überbringer der Botschaft und ist als Rollenträger weitgehend austauschbar. Einen schon deutlich höheren Grad der Subjekt-Personalisierung wird in Quadrant II und III erreicht. Hier mischen sich privatisierende Elemente in die Kommunikation, sei es, dass ein Organisationsvertreter persönliche Standpunkte vertritt (Quadrant II), sei es, dass sich der Sprecher als Privatperson inszeniert, um auf offizielle Positionen meinungsbildenden Einfluss zu nehmen (Quadrant III). In beiden Fällen ist der Sprechakt exklusiv mit einer spezifischen Person verbunden. Der höchste Grad der Subjekt-Personalisierung ist in Quadrant IV gegeben. Hier inszeniert sich die Person komplett als Privatperson und zeigt auch keinerlei Ambitionen, offizielle Standpunkte oder Interessen zu vertreten. Es dominiert die expressive Selbstdarstellung. Der Sprecher spricht hier nur noch für sich selbst und hat sich weitestgehend von der eigenen Organisation abgelöst.
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Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich ein Politiker als Homosexueller outet mit dem Ziel, auf das Problem sexueller Diskriminierung aufmerksam zu machen.
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2.3 Modi der Personalisierung: Kognitiv-funktionale, normativ-soziale und expressivcharismatische Personalisierung In Bezug auf die Objekt-Personalisierung, d.h. die Darstellung und Wahrnehmung von Personen, hat es sich eingebürgert, zwischen einem rollennahen und einem rollenfernen Modus der Personalisierung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung geht im Ursprung auf Campbell zurück und wurde im deutschsprachigen Raum insbesondere von Lass und Brettschneider aufgegriffen (vgl. Brettschneider 2001, Campbell/Converse/Miller/Stokes 1960, Lass 1995). Unter rollennaher Personalisierung wird dabei die Thematisierung/Wahrnehmung instrumenteller Personenmerkmale gefasst wie Leistungs-, Kompetenz- oder Führungseigenschaften. Als rollenfern gilt eine Personalisierung auf der anderen Seite dann, wenn wertexpressive Merkmale wie die Integrität oder der Charakter der Person ins Zentrum gerückt werden. Verschiedene Studien haben versucht, die Dimensionen rollennah/rollenfern weiter auszudifferenzieren (Vgl. Abbildung 2). Unter anderem haben Wirth/Voigt in ihrer empirischen Studie insgesamt 94 Personalisierungsaspekte erhoben und diese Einzelmerkmale zu vier Hauptdimensionen verdichtet (vgl. Wirth/Voigt 1999: 149). „Managementfähigkeiten und Kompetenz“ messen rollennahe Merkmale. „Integrität“, „unspezifische Personenqualitäten“ und „Privates“ beziehen sich auf rollenferne Merkmale. Abbildung 2:
Übersicht über Komponenten der Personalisierung
Quelle: Wirth/Voigt 1999; Erweiterungen nach Dams 2007
Die in Abbildung 2 dargestellten Personalisierungs-Kategorien wurden mehrheitlich empirisch, das heißt faktoranalytisch abgeleitet. Es fällt auf, dass die verschiedenen Typologien einen unterschiedlichen Differenzierungsgrad aufweisen. Teilweise erfolgt auch die Zuordnung der einzelnen Personalisierungsmerkmale zu den beiden Dimensionen rollennah/rollenfern unterschiedlich (vgl. Dams 2007: 76). Zudem erscheinen einzelne Personalisierungsmerkmale in sich problematisch. So ist beispielsweise der Aspekt der „Vertrauenswürdigkeit“ (Jakubowski, 1998) eine Eigenschaft, die quer steht zu den anderen Personalisierungsaspekten, können relevante Publika doch sowohl in die Kompetenz, die Füh-
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rungsfähigkeiten wie auch in die Integrität einer Person vertrauen. Bei allen Unterschieden ist den oben dargestellten Typologien aber gemeinsam, dass sie sich auf image- respektive reputationsrelevante Attribute von Personendarstellungen beziehen. Im Fokus steht also die Frage, hinsichtlich welcher Reputationsmerkmale Personen in der medialen und organisationalen Kommunikation thematisiert und bewertet werden und welche Aspekte die Personenwahrnehmung des Publikums bestimmen. Andernorts wurde eine Reputationstheorie entworfen, die auf beliebige Akteure anwendbar ist, seien es Kollektiv- oder Individualakteure (vgl. Eisenegger 2005, Eisenegger/ Imhof 2008). Abgestützt auf die Theorie kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (Habermas 1984) erlaubt es diese Reputationstheorie, die wesentlichsten Modi der ObjektPersonalisierung zu benennen. Zentral ist die Beobachtung, dass sämtliche Akteure moderner Gesellschaften – also auch Personen – in Diskursen immer genau im Hinblick auf drei Weltbezüge thematisiert und bewertet werden können: Es sind dies die objektive, die soziale und die subjektive Welt (vgl. Habermas 1984: 75ff.).4 Diese drei Weltbezüge sind durch eine spezifische Thematisierungs- und Beurteilungslogik charakterisiert, welche unter anderem auch die Logik personalisierter Reputationskonstitution determiniert. In der objektiven Welt werden die Akteure danach beurteilt, ob sie in kognitiver Hinsicht den Zwecken ihrer Funktionssysteme (Politik, Wirtschaft etc.) dienen. In der sozialen Welt wird die normativmoralische Korrektheit zum Beurteilungsmaßstab. Und in der subjektiven Welt schließlich gilt das Interesse der Frage, welche emotionale Wirkung vom je individuellen Wesen des Akteurs ausgeht. Entsprechend gehorchen diese drei Weltbezüge den Geltungsansprüchen der kognitiven Wahrheit, der normativen Korrektheit und der emotionalen Attraktivität und Authentizität. Aus diesem Reputationsansatz lassen sich drei grundlegende Personalisierungsmodi ableiten, die im Folgenden kurz beschrieben werden (vgl. Abbildung 3). Erstens kann eine Person in der objektiven Welt kognitiv (sachlogisch) überprüfbarer Ursache-Wirkungszusammenhänge dahingehend thematisiert und beurteilt werden, ob sie in der Erreichung bestimmter Zwecke erfolgreich ist bzw. ob sie auf kompetente Weise die adäquaten Mittel ergreift, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Die objektive Welt umfasst damit insbesondere den Bereich der zweckgebundenen und „Entscheidungen fällenden Systeme“ (Habermas 1988: 132). In dieser Dimension werden die Leistungsziele der verschiedenen Funktionssysteme (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc.) zum Maßstab für die Beurteilung der Person. Diese kognitiv-funktionale Personalisierung ist ein Indikator für personalen Erfolg und für personale Fachkompetenz. Sie bemisst sich an der Frage, wie gut eine Person die ihr zugewiesene Leistungsrolle ausfüllt. Zweitens müssen sich Personen auch in einer sozialen Welt geltender Normen und Moralvorstellungen bewähren. Sie wird konstituiert durch einen normativen Gemeinschaftskontext, der festlegt, inwieweit das Handeln einer Person legitim erscheint (vgl. Ha4
Die Vorstellung, dass Akteure sich stets in dreifacher Hinsicht bewähren müssen, ist ein außerordentlich bedeutsames Theorem der Sozialwissenschaften. Bereits die altgriechischen Philosophen Platon und Aristoteles hatten die Unterscheidung zwischen einer Welt des Wahren, Guten und Schönen vorgenommen (vgl. Wilber 1999: 50ff.). Demgemäß konnten nur jene Bürger dauerhaft mit dem Respekt der antiken Gemeinschaft rechnen, die in der Welt das Wahren ihrem Auftrag dienten, sich in der Welt des Guten als tugendhafte Bürger erwiesen und in der Welt des Schönen auch noch über die notwendige innere und äußere Anmut verfügten. Dieselbe Trilogie finden wir auch in Kants berühmten drei Kritiken in Form des objektiven, ethischen und des ästhetischen Urteils (vgl. Kant 2004a-c). Wir finden diese drei Urteilsformen auch bei Sir Karl Poppers Unterscheidung einer objektiven, einer sozialen und einer subjektiven Welt (vgl. Popper/Eccles 1982). Und nicht zuletzt bilden diese drei Dimensionen wie oben ausgeführt den Kern der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (vgl. Habermas 1984).
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bermas 1988: 134). Im Zentrum steht die Frage, ob die Person in ihrem Erfolgsstreben nicht einfach blind über Leichen geht, sondern sich verantwortungsvoll an kodifizierte und nichtkodifizierte (informelle) Normen hält. Diese normativ-soziale Personalisierung bewertet die Sozialverantwortlichkeit und die Fairness einer Person. Die daraus resultierende soziale Reputation einer Person ist so lange intakt, wie das persönliche Streben nach funktionalem Erfolg nicht mit gesellschaftlichen Normen und Werten in Konflikt gerät. Die objektive und die soziale Welt treten einer Person als Außenwelten gegenüber, die sie entweder mit kognitiv-funktionalen Leistungserwartungen oder aber mit normativsozialen Ansprüchen konfrontiert. In der subjektiven Dimension wird die individuelle Welt der Person selbst zum Gegenstand der Reputationszuweisung. Das Interesse gilt hier der unverwechselbaren, individuellen Eigenart der Person. Drittens werden Akteure in der subjektiven Welt also danach beurteilt, was sie von ihrer spezifischen Subjektivität zur Erscheinung bringen (vgl. Habermas 1988: 136). Sofern sich Personendarstellungen im Modus dieser expressiven Personalisierung vollziehen, werden Charaktereigenschaften, die besonderen Talente und Begabungen, der individuelle Werdegang oder die je spezifische (private) Lebenswelt der Person ins Zentrum gerückt. Während in der objektiven Welt eine kognitive und in der sozialen Welt eine normative Bewertungsrationalität vorherrscht, dominieren in der subjektiven Welt emotionale oder ästhetisierende Geschmacksurteile. Die expressive Reputation einer Person kann sich zur charismatischen steigern, wenn sie auf dem Glauben an die außeralltäglichen Begabungen der jeweiligen Person beruht (vgl. Wæraas 2009, in diesem Band, Weber 1980: 124). Abbildung 3:
Funktionale, soziale und expressive/charismatische Personalisierung Funktionale Personalisierung
Soziale Personalisierung
Objektive Welt
Soziale Welt
Expressive/ charismatische Personalisierung Subjektive Welt
Messbare Zweckerfüllung; Funktionssysteme Personaler Erfolg; Fachkompetenz
Kodifizierte und nicht kodifizierte Normen
Individuelle Eigenart und Subjektivität
Sozialverantwortlichkeit; Soziale Legitimität; Fairness
Personalisierungsstil
Kognitiv-rational
Alimentierter Herrschaftstyp nach Max Weber
Rationale Herrschaft
Normativmoralisierend Traditionale Herrschaft
Persönlichkeit/Charakter; Begabungen/Talente; Werdegang; Private Lebenswelt; Charisma/Leadership; Faszinationskraft Emotional-ästhetisierend
Personalisierungssreferenz
Personalisierungsaspekte
Charismatische Herrschaft
Die drei Personalisierungsmodi der kognitiv-funktionalen (1), der normativ-sozialen (2) und der expressiv-charismatischen Personalisierung (3) lassen sich gewinnbringend mit den drei Typen personaler Herrschaft von Max Weber in Verbindung bringen (vgl. Weber 1980: 124ff.). Personalisierung als Inszenierung von „Herrschaft“ zu konzipieren erscheint durchaus sinnvoll. Denn Personalisierung lässt ja stets einzelne Personen aus der Masse hervortreten. Sie verschafft Beachtung und Prominenz – eine wesentliche Voraussetzung für Machterwerb.
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Rationale Herrschaft (=funktionale Personalisierung): Der Typus rationaler Herrschaft beruht gemäß Weber auf der Realisierung zweckrationaler Ziele. Bei der rationalen Herrschaft tritt die Person hinter die Verfahren und die durch sie repräsentierte Organisation zurück. Der Herrschaftsträger ist „nur“ Rollenträger einer Organisation, die er gestützt auf rationale Verfahren vertritt. Gehorsam wird dabei nicht dem personalen Herrscher entgegengebracht, sondern der gesatzten Leistungsregel, die den Herrscher konditioniert. Traditionale Herrschaft (=soziale Personalisierung): Demgegenüber ist traditionale Herrschaft an die Bedingung geknüpft, dass der Herrschaftsträger überlieferte Normen (Traditionen) einhält. Der Herrscher ist gehalten, sich in Übereinstimmung mit den moralischen und in der Gesellschaft allgemein akzeptierten Regeln und Geboten zu verhalten und gütig, das heißt auf eine Versöhnung der Gemeinschaft hin, zu regieren, auch um die „Dienstwilligkeit“ seiner Untertanen zu erhalten (vgl. Bendix 1964: 251). Charismatische Herrschaft (=expressiv-charismatische Personalisierung): Schließlich beruht die charismatische Herrschaft in Abgrenzung zum rational-legalen und traditionalen Herrschaftstyp auf der affektuellen, außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit, Heldenkraft oder Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnung (vgl. Weber 1980: 124).
2.
3.
Was lernen wir aus dieser Herrschaftstypologie für die drei Grundmodi der Personalisierung? In der Perspektive Webers ist der rationale Typ die unpersönlichste aller Herrschaftsformen. Rationale Herrschaft ist durch die Unspezifität im Hinblick auf die Herrscherpersönlichkeit gekennzeichnet. Der rationale „Herrscher“ ist zwar der ranghöchste, aber gleichwohl austauschbare „Diener“ einer ansonsten im Zentrum stehenden funktionalen Ordnung, die er vertritt. Bei der funktionalen Personalisierung respektive der in diesem Modus inszenierten rationalen Herrschaft bleibt also die soziale Einheit respektive die Organisation, welche durch die Person repräsentiert wird, im Fokus der Aufmerksamkeit. Es findet noch kaum eine Überformung der Organisation durch die Person statt. Dagegen sind die traditionale, und noch wesentlich stärker die charismatische Herrschaftsform strikte personenbezogen. Im Gegensatz zum rationalen vertritt der traditionale Herrschaftsträger nicht einfach eine spezifische Sozialordnung, er verkörpert sie (Schulz, 2009 in diesem Band). Bei der traditionalen Herrschaft sind die persönlichen Gefolgschaftsverhältnisse aber noch alltäglich (nicht außeralltäglich), weil die Legitimation des Herrschaftsträgers in den normativ-moralischen Erwartungen und Routinen der Gemeinschaft verankert ist. Hingegen beruht die Legitimation charismatischer Herrschaft ausschließlich auf den als außeralltäglich wahrgenommenen Qualitäten und Begabungen des Herrschaftsträgers selbst. Im charismatischen Fall wird die Person mitsamt ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten und Talenten zum alleinigen Grund der Herrschaftslegitimation. Die charismatische Herrschaft löst sich aus dem funktionalen Rollengeflecht und den tradierten Normen des Alltags, ja sie ist den kognitiven Verfahren wie auch den überkommenen Normen und Moralvorstellungen der Gesellschaft sogar strikte entgegengesetzt. Insgesamt zeigt sich somit im Falle der charismatischen Herrschaft die größte Abhängigkeit der Herrschaftsunterworfenen vom Herrschaftsträger. Übertragen auf den Gegenstand der Organisationskommunikation geht eine charismatische Personalisierung mit der größten Überformung der Organisation durch die charismatisierte Person einher. In Prozessen charismatischer Personalisierung werden ranghohe Vertreter selbst zur Botschaft, ihre Auftritte so-
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wie die Diskussionen über ihre besonderen Stärken und Schwächen werden zum eigentlichen Kommunikationsereignis und zum sich verselbständigenden Narrativ. In charismatisierenden Darstellungsformen ist somit die höchste Stufe der Personalisierung erreicht: Organisationen und Institutionen stehen nicht mehr für sich selbst, sondern für die charismatische Figur, der sie sich unterstellen. Es besteht guter Grund zur Annahme, dass unter Bedingungen moderner Mediengesellschaften die normativ formatierte, soziale Personalisierung wie auch die charismatische Personalisierung an Bedeutung gewonnen haben. Die Bedeutungssteigerung der sozialen Personalisierung ist wesentlich getrieben durch die Skandallogik der ökonomisierten Mediensysteme, die in verstärktem Ausmaß Normverstöße von Führungspersonen zum Thema macht. Die charismatische Personalisierung wiederum findet ihre wichtigste Triebkraft in einer Medienlogik, die eine eigentliche Star-Produktions-Maschinerie ausgebildet hat (vgl. Franck 1998: 4). Allerdings wäre es verfehlt, die Tendenz zur charismatischen Personalisierung allein den Medien zuzuschreiben. Sie ist wesentlich auch das Produkt eines spezifischen Wertewandels im neoliberalen Gesellschaftsmodell, der zu einer Aufwertung der charismatischen Führungsphilosophie im entbrannten globalen Wirtschaftskrieg geführt hat (vgl. Imhof 2009 in diesem Band). Zudem zeigt sich, dass charismatische Personalisierung stets in Krisenzeiten Hochkonjunktur hat. Das hatte bereits Max Weber erkannt, der charismatische Herrschaft beschrieb als das Kind bedrohlicher äußerer Situationen (vgl. Weber 1980: 661). Denn charismatische Personalisierung zielt auf Vertrauensgenerierung in unübersichtlichen, desorientierten oder eben krisenhaften Konstellationen (vgl. Abels 2004: 282). In derartigen Situationen neigen die Menschen dazu, der charismatischen Herrschaft zuzustimmen, weil sie einen neuen Aufbruch bei der Lösung virulenter Probleme verspricht, die man zwar rational nicht durchschaut, aber stark emotional empfindet.5 Allerdings tragen die Charismatiker ein deutlich höheres Skandalisierungsrisiko als die rational oder traditional/normativ legitimierten Herrschaftsträger. Denn weil bei der charismatischen Herrschaft nicht eine funktionale oder normative Ordnung im Zentrum der Herrschaftslegitimation steht, sondern der Herrschaftsträger selber, steht sie unter erheblichem Bewährungszwang und ist somit deutlich fragiler. Weber erkannte denn auch, dass das charismatische Herrschaftsverhältnis nur so lange dauert, wie dem Herrscher die außergewöhnlichen Gnadengaben zugeschrieben werden, das heißt sein Charisma sich durch deren Erweise bewährt. Ist hingegen der Charismatiker seiner Heldenkraft oder des Glaubens der Massen an seine Führerqualität beraubt, fällt seine Herrschaft dahin (vgl. Weber 1980: 725). Nicht von ungefähr gehört es zum Grundmuster der medialen Logik, aus dem Charismaträger gleich zweimal Profit zu schlagen, indem er zunächst als „Star“ umgarnt und bejubelt wird, um ihn später mit der noch viel größeren Vehemenz wieder vom Thron zu stoßen und als „Versager“ zu brandmarken. Die Organisationen tun also gut daran, dem ohnehin bestehenden medialen Trend zur charismatischen Personalisierung nicht auch noch selbst Vorschub zu leisten. Denn eine Organisation, die sich in zu starke Abhängigkeit von einer charismatischen Führungsperson begibt, zahlt einen hohen Preis, wenn der Ruf des Charismaträgers in der Öffentlichkeit starken Schaden nimmt.
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Kein Wunder also, dass die derzeitige Finanz- respektive Weltwirtschaftskrise von einem „Obama-Effekt“ begleitet ist, also einen neuerlichen Charisma-Schub ausgelöst hat.
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Mark Eisenegger Ursachen der Personalisierung in der Organisationskommunikation
Was sind die wesentlichsten Treiber der Personalisierung in Bezug auf die Organisationskommunikation, d.h. die Kommunikation über, von und in Organisationen? Kommunikationswissenschaftlich unbestritten ist erstens, dass die Selektions- und Darstellungslogiken ausdifferenzierter Mediensysteme eine wichtige, wenn nicht die wesentlichste Ursache der Personalisierung der Organisationskommunikation darstellen. Es wird für die vergangenen Jahrzehnte ein grundlegender Wandel der Selektions- und Darstellungsmechanismen öffentlicher Kommunikation diagnostiziert, der in einer stärkeren Orientierung an den Aufmerksamkeits- und Unterhaltungsbedürfnissen der Medienkonsumenten Ausdruck findet. Neben Schlagworten wie Infotainment und Boulevardisierung charakterisiert zunehmend Personalisierung die medienvermittelte Kommunikation und zwar sowohl in Bezug auf die Informationsselektion wie auch in Bezug auf die Darstellung selegierter Inhalte (vgl. Bentele/Fähnrich in diesem Band). Eine intensivierte Personalisierung der öffentlichen Kommunikation wird insbesondere mit dem Siegeszug des Fernsehens in Verbindung gebracht. Das Fernsehen kann gar nicht anders, als die Gesellschaft zu personalisieren (vgl. Marcinkowski 1998: 183). Es besteht allerdings guter Grund zur Annahme, dass das Fernsehen die Personalisierung öffentlicher Kommunikation nicht nur insgesamt beschleunigt hat, sondern auch zu einer massiven Aufwertung der expressiven Personalisierung geführt hat: Denn selbst wenn eine Person sich vor laufenden Kameras bemüht, ihre Funktion oder organisationale Aspekte ins Zentrum zu stellen, so gibt sie doch stets ein Stück ihrer Subjektivität preis, ob sie dies nun will oder nicht. Es wäre allerdings eine völlig verkürzte Sicht, die gesellschaftliche Personalisierungstendenz einzig und allein auf die Selektions- und Darstellungslogik moderner Massenmedien zurückzuführen (vgl. Imhof 2003: 313ff., Jarren 1998). Ebenso bedeutsam ist zweitens der soziale Wandel im Zusammenhang spezifischer Gesellschaftsmodelle. Dabei hat sich wie oben ausgeführt das neoliberale Gesellschaftsmodell als äußerst personalisierungswirksam erwiesen. Denn im neoliberalen Gesellschaftsmodell hat die Wirtschaftselite begonnen, sich wesentlich stärker als zuvor an Ideen charismatischer Herrschaft zu orientieren (vgl. Imhof in diesem Band). Diese ‚Charismatisierung‘ der Ökonomie ist das Produkt einer sich ab den 1990er Jahren durchsetzenden Sicht, wonach im entfesselten globalen Wirtschaftswettbewerb nur jene Unternehmen kompetitiv bleiben, die eine starke, innovative und visionäre Führungsfigur an der Unternehmensspitze vorzuweisen haben. Dieser Prozess wurde zusätzlich gefördert durch eine Börsenlogik, die äußerst sensitiv und teilweise irrational auf Personalrochaden an der Unternehmensspitze reagiert. Insgesamt schafft das neoliberale Gesellschaftsmodell in Kombination mit der ohnehin personalisierungs-zentrierten Medienlogik die Voraussetzung für ein Charisma-fixiertes Starsystem.6 Als Folge dieser Personalisierung im medialen und sozialen Umfeld reagieren drittens auch die Organisationen mit einer Intensivierung ihrer personalisierenden Kommunikation. Es zeigen sich also weitreichende Medialisierungs- und Anpassungseffekte, indem die Organisationen in ihrem Kommunikationsmanagement zunehmend stärker auf Personalisierungstaktiken setzen, die darauf abzielen, in der internen und externen Kommunikation
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Dass sich die Kommunikationswissenschaft nach wie vor kaum mit den Auswirkungen des allgemeinen, gesellschaftlichen (Werte-)Wandels auf die Logik und Form öffentlicher Kommunikation beschäftigt, macht sich auch in der Personalisierungsforschung negativ bemerkbar.
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bewusst und in verstärktem Maß auf Personen zu fokussieren (vgl. Nessmann und Bentele/Fähnrich in diesem Band). Insgesamt ist somit von einer beschleunigten Personalisierungsmotorik auszugehen, bei der sich Elemente des medialen, des sozialen und des organisationalen Wandels in den letzten Jahren wechselseitig bedingt und verstärkt haben.
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Fazit: Funktionen und Dysfunktionen der Personalisierung
Fassen wir abschließend die wesentlichsten Chancen und Risiken zusammen, die mit personalisierender Kommunikation verbunden sind. Unbestritten ist erstens, dass Personalisierung einen äußerst wirksamen Mechanismus der Komplexitätsreduktion darstellt, und dies sowohl in Bezug auf die organisationale Selbstdarstellung, die mediale Fremddarstellung wie auch in Bezug auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Wirklichkeit durch das Publikum. Im organisationalen Kommunikationsmanagement und in der medialen Berichterstattung lassen sich komplexe Inhalte tatsächlich anschaulicher vermitteln, weil personalisierte Narrative unmittelbarer an den lebensweltlichen Erfahrungsraum der Rezipienten anschließen und somit im Modus der Alltagsrationalität größere Aufmerksamkeit evozieren als unpersönliche Sachverhalte. Zweitens ist Personalisierung ein wirksames Mittel der Verantwortungsadressierung. Kommunikatoren und Rezipienten erwarten, dass nicht anonyme Mächte oder undurchsichtige Strukturen im Falle von Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden, sondern personale Verantwortungsträger (vgl. Hoffmann/Raupp 2006: 463). Drittens kann Personalisierung – sparsam dosiert und eingesetzt – auch ein Faktor der Vertrauens- und Reputationsbildung sein. Denn die Rezipienten neigen dazu, wie im Alltagsleben eher konkreten Menschen zu vertrauen als anonymen Organisationen oder Institutionen. Es wäre dennoch naiv zu glauben, dass personalisierende Kommunikation ausschließlich mit Chancen verbunden ist. Es gilt zu einem nicht erheblichen Anteil Dysfunktionen zu gewärtigen, die mit personalisierender Kommunikation einhergehen. So zeigt sich, dass die komplexitätsreduzierende Funktion personalisierender Kommunikation ab einer gewissen Stufe für die Gesellschaft insgesamt stark negative Konsequenzen zeitigt. Denn die Personalisierungstendenz in der Organisationskommunikation führt dazu, dass komplexe Probleme und Prozesse tendenziell aus dem Blickfeld geraten. Es wird suggeriert, die gesamte gesellschaftliche Entwicklung sei durch den positiven oder negativen Einfluss „großer Männer“ bedingt (vgl. Neumann-Braun/Müller-Doohm 2000: 83). Diese Personenfixierung hat letztlich zur Konsequenz, dass auf gesellschaftliche Krisen eher mit personalen Oberflächenreparaturen reagiert wird, anstatt mit tiefreichenden Systemveränderungen. Krisen werden mit dem Mittel des Köpferollens therapiert, anstatt die erforderlichen Systemreparaturen anzugehen (vgl. Adorno 1973: 190). Aber auch in Bezug auf die Reputationseffekte personalisierender Kommunikation wurden die Risiken insbesondere im PR-Fachdiskurs bislang wohl eher unter- statt überschätzt (vgl. Eisenegger/Konieczny-Wössner 2009, in diesem Band). So kann gezeigt werden, dass eine starke Personalisierung mit einer ausgesprochen volatilen Reputationsentwicklung einhergeht. Dies gilt insbesondere dann, wenn Personalisierung im Modus expressiv-charismatischer Kommunikation erfolgt, bei der die Person als Person ins Zentrum gerückt wird. Für das Reputations-Management der Organisationen bedeutet dies: Intensive
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Personalisierung behindert den kohärenten und berechenbaren Reputationsaufbau und sie führt zu einer unstabilen Reputationsentwicklung der Organisationen. Insofern Personalisierung als eine Facette des organisationalen Kommunikationsmanagements verstanden wird (vgl. Bentele/Fähnrich, Nessmann, Szyszka in diesem Band), so legen einzelne Forschungsbefunde in diesem Band nahe, Personalisierungsstrategien sehr vorsichtig einzusetzen und gegen Strategien abzuwägen, welche auf die gezielte Bewirtschaftung der Organisationsreputation insgesamt ausgerichtet sind.
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Theoretische Perspektiven
Personalisierte Ökonomie Kurt Imhof
Dieser Beitrag verfolgt drei Ziele: Zum Ersten setzt er sich mit dem Paradigma der PRForschung auseinander und zeigt, dass die sozialen Einheiten ‚Organisation‘ und ‚Person‘ im Licht öffentlicher Kommunikation zu den blinden Flecken der PR-Theorie zählen. Ursächlich für diese blinden Flecken ist die Vernachlässigung der Wechselwirksamkeit von Organisationskommunikation und öffentlicher Kommunikation in der PR-Forschung. Deshalb konnte sie die im Theorieangebot der Sozialwissenschaften enthaltenen Personalisierungs- und Medialisierungskonzepte nicht assimilieren. Zum Zweiten wird der Rückblick von der öffentlichen Kommunikation auf Organisation und Person plausibilisiert und neben dem Medialisierungskonzept in die zentralen sozialwissenschaftlichen Personalisierungskonzepte aufgenommen. Auf dieser Basis wird dann zum Dritten die These vertreten, dass die patriarchalische und die charismatische Beziehung die zwei zentralen Modi der Personalisierung von ökonomischen Organisationen darstellen und dass die charismatische Beziehung im neoliberalen Gesellschaftsmodell – folgenreich – massiv an Bedeutung gewonnen hat.
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Blinder Rückspiegel der PR-Forschung und der Aquariumsblick
PR – so die konsensuelle Definition – ist „das Management von Kommunikations- und Informationsprozessen zwischen Organisationen und ihren internen und externen Öffentlichkeiten“ (Grunig/Hunt, 1984: 6, Bentele, 1997: 22, Röttger/Hoffmann/Jarren, 2003: 17). In systemtheoretischer Übersetzung treten an die Stelle von Öffentlichkeiten einfach „Umwelten“ und an die Stelle von Organisationen „organisationelle Systeme“. Als prozessuale Begriffe intersystemischen Austausches bzw. Austausches mit der Umwelt finden wir: „Interpenetration“, „Intereffikation“ oder „strukturelle Koppelung“ (Westerbarkey 1995, Bentele/Liebert/Seeling 1997, Löffelholz 1997). PR-Forschung ist demzufolge die systematische, wissenschaftliche Analyse von Kommunikations- und Informationskoppelungen (oder Interpenetrationen, Intereffikationen) zwischen organisationellen Systemen und ihren internen und externen Umwelten. An dieser Definition und noch mehr an der Praxis der PR-Forschung fallen zwei Probleme auf, die opaken Interdependenzbegriffe und die unterbelichtete Personalisierung, während der dritte Punkt eine Perspektive zur Lösung dieser Probleme vorschlägt: Erstens: Opake Interdependenzbegriffe und mangelnde Medialisierungsperspektive Obwohl die Beziehung Organisation – Teilöffentlichkeit bzw. Umwelt über die genannten, Interdependenz markierenden Begriffe in der Theoriearchitektur angelegt ist, richtet sich der Blick der PR-Forschung nur aus der Perspektive von Organisationen auf Umwelten oder Teilöffentlichkeiten. Die PR-Forschung hat einen blinden Rückspiegel, das heißt sie
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blickt nicht von den Umwelten und Teilöffentlichkeiten auf die Organisationen, sie tut so, als ob die Organisationen durch diese Umwelten und Teilöffentlichkeiten nicht einem Wandel ausgesetzt sind, durch die sich die Organisationen und die sie repräsentierenden Personen dauernd neu konstituieren. Die Ursache für diesen blinden Rückspiegel lässt sich an den seltsam opaken Interdependenzbegriffen erkennen: „Interpenetration“ und „strukturelle Koppelung“ entstammen direkt der radikalkonstruktivistischen Systemtheorie, „Intereffikation“ ist davon inspiriert. Die vortheoretische Grundidee dieses Theorieansatzes ist die Autopoiese, das heißt die These einer durch die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaft ausgelösten Evolution von sozialen Systemen (Typen: Interaktion, Organisationen, Gesellschaft), die ihre Umwelten ausschließlich auf der Basis ihrer Eigenlogiken beobachten können. Damit entbehrt die Moderne nicht nur einer Perspektive, aus der das Ganze beobachtet werden kann, sondern auch der Perspektivenwechsel ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Perspektivenwechsel scheitert am Diktat der Autopoiesethese. Diese würde es erfordern, den Output sozialer Systeme – auch den eines autopoietischen Mediensystems – als Perturbationen (Irritationen) auf andere Teilsysteme (etwa Organisationen des Wirtschaftssystems) zu begreifen und die eigenlogischen Reaktionen dieser Organisationen auf diese Perturbationen wiederum als Perturbationen für das Mediensystem zu beschreiben. Während sich die radikalkonstruktivistische Systemtheorie an diesem theorieimmanenten Problem unter dem Stichwort „Steuerungsproblematik“ von Anfang an abarbeitet,1 sorgte der Import der systemtheoretischen Begrifflichkeit (Ronneberger 1977, Saxer 1991, Ronneberger/Rühl 1992) in die PR-Forschung für die weitere Vernachlässigung des Rückspiegels, die in der PR-Forschung bereits angelegt war. Unter dem Strich ist die PR-Forschung deshalb zu wenig offen für den notwendigen Transfer von Ansätzen der Sozialwissenschaft, die sich explizit mit der Dialektik von Organisationskommunikation und öffentlicher Kommunikation beschäftigen. In jüngster Zeit handelt es sich hierbei um Medialisierungsansätze, die von einem „neuen“ Strukturwandel der Öffentlichkeit ausgehen (vgl. Habermas 1990 [1962], Münch 1995, Imhof 2006a). Diese Ansätze beobachten, wie sich Organisationen dreifach verändern, weil sie den Outputformen und Inputbedingungen medienvermittelter öffentlicher Kommunikation ausgesetzt sind. Organisationen werden anders beschrieben, Organisationen beschreiben sich selbst anders und sie müssen sich aufgrund dieser Neubeschreibungen auch strukturell ändern. Diese Medialisierungsperspektive entwickelt sich in eine Richtung, in der sie Organisationen beliebigen Typs betrachtet, wie wir Fische im Aquarium betrachten und gleichzeitig beobachtet, wie die Fische ihr Verhalten verändern, wenn sich ihr Medium, das Wasser und dessen Sauerstoffgehalt, verändert. Kurz: Die Medialisierungsforschung beobachtet Struktur und Kultur medienvermittelter Kommunikation und die Organisationen
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Durch das Paradigma der Autopoiese ist dieser Systemfunktionalismus stets mit der Frage der Bedingungen der gesellschaftlichen Steuerung bei voneinander strikt unabhängigen Systemen konfrontiert. Die Versuche, dieses theorieimmanente Problem (jenseits eines bloßen Verweises auf einen nicht-intentionalen Evolutionsprozess) zu lösen, konzentrieren sich erstens auf die Möglichkeiten neo-neo-korporativer Verhandlungssysteme (Teubner 1989; Willke 1992), zweitens auf den vielfältig bestimmbaren systemtheoretischen Begriff der ,strukturellen Koppelung‘ (Sutter 2002), drittens auf die verstärkte Berücksichtigung der psychischen Systeme (und deren Inklusion in soziale Systeme) in der Systemtheorie (Nassehi 1997), viertens auf den Output des Mediensystems als Grundlage der Systemkoordination qua „Irritationen“ und daraus hervorgehende „Imaginationen“ über die Einheit der Gesellschaft (Luhmann 1996, 174ff.) und schließlich fünftens auf die Vorstellung, dass das Mediensystem die „gesellschaftliche Beobachtung beobachtbar macht“ (Marcinkowski 2000, 2002).
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beliebigen Typs, die im Medium dieser öffentlichen Kommunikation schwimmen und durch die Beschaffenheit dieses Mediums beeinflusst werden. Selbstverständlich wird mit diesem Aquariumsblick der Anspruch erhoben, dass die leitmediale öffentliche Kommunikation das wichtigste Medium für alle Organisationen ist, die auf Resonanz angewiesen sind. Diese Perspektive lässt sich über einen arenatheoretischen Öffentlichkeitsansatz verfeinern, der es erlaubt, die kommunikative Konstruktion von Organisationen in den Arenen unterschiedlicher Expertenkulturen zu beobachten und die Kommunikationsflüsse zwischen diesen Arenen und der leitmedialen Arena zu beschreiben (vgl. Habermas 1992: 399-467, Peters 1993, Imhof 1996, 2007). Zweitens: Unterbelichtung der Personalisierung An der PR-Forschung – in radikalem Unterschied zur PR-Praxis – fällt das erstaunliche Faktum auf, dass die soziale Einheit ‚Person‘ ein Schattendasein fristet. Und in diesem Schatten verschwindet auch die Personalisierung, immerhin das wesentlichste Element aller Narrationen. Dies ist bereits in den Grundbegriffen, das heißt in der Basisdefinition von PR angelegt, wo nur vom „Management der Kommunikationsprozesse von Organisationen“ die Rede ist. Auch da mag der benannte Theorieimport in der deutschsprachigen PRForschung eine Rolle spielen. Soziale Systeme sind hier psychischen Systemen (Bewusstsein) fremd und beide Systemtypen begegnen sich auf der Basis der Autopoiese. Dies schließt freilich die Beschreibung von Rollenveränderungen und Personalisierungen (als Folge von Perturbationen) für Organisationen nicht aus (macht sie allerdings nicht plausibler, weil die unmittelbare Gleichförmigkeit dieser Effekte evolutionstheoretisch nicht erklärt werden kann). Zu vermuten ist aber eher, dass der mangelnde Aquariumsblick der PRForschung die frühzeitige und detaillierte Analyse dieses Phänomens bei der kommunikativen Adressierung von Organisationen mit hoher Resonanz verhindert hat. Die Personalisierung ist eine der empirisch auffallendsten Veränderungen in der öffentlichen Kommunikation wie in der Organisationskommunikation. Der massive Anstieg von Personalisierungstechniken in der medienvermittelten Kommunikation und in der Selbstdarstellung von Unternehmen lässt sich seit den 1990er Jahren beobachten. Diese Unterbelichtung ist bedauerlich, weil exakt dieses Thema durch die wissenschaftsjenseitige Beratungsindustrie in der Spannbereite von grauem Common Sense bis hin zur farbigsten Scharlatanerie erobert worden ist. In umgekehrtem Verhältnis zur Vernachlässigung der Personalisierung in der PR-Forschung kümmert sich die PR- und Marketing-Beratung seit den 1990er Jahren in allen erdenklichen Formen und unter Titeln wie „Impression Management“, „PR für Persönlichkeiten“, „Personenmarketing“, „Ich-Marke“, „Ich-Aktie“, „Ich-Co.“, „Selbst-PR“ vorwiegend um den Wunsch von Personen nach gelenkter Selbstdarstellung und positiver Aufmerksamkeit (Nessmann 2005). Drittens: Personalisierung und Medialisierung in der Aquariumsperspektive Um die Konstitution des Gegenstandsbereichs Organisation in der öffentlichen Kommunikation zu berücksichtigen und die Vernachlässigung von Personalisierung auf Personenrollen und Organisationen zu überwinden, wird hier der Aquariumsblick angewendet: Beobachtet werden Organisationen mitsamt ihrem Spitzenpersonal im Medium der Organisationskommunikation und in der öffentlichen Kommunikation. Öffentliche Kommunikation
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ist das Aggregat von Organisations- und darin eingebetteter Rollenkommunikation (unter Einschluss der Medienorganisationen mit ihren Journalisten- und Expertenrollen). Damit lässt sich beides beobachten: die Organisationen mitsamt ihren Resonanzformen, wie die öffentliche Kommunikation mitsamt ihrem Wandel. Dies erlaubt es, die Erträge der Medialisierungsforschung in die PR-Forschung zu implementieren. Und dieser Blick erlaubt es auch, die wichtigsten sozialwissenschaftlichen Erträge hinsichtlich Personalisierungsformen zu assimilieren. Begonnen wird mit Letzterem, die Medialisierungsforschung schließt daran an. Welche Erträge liegen brach? Der erste Ertrag entstand nebenher und journalistisch in Karl Marx’ Beschrieb des Putsches des Louis Napoleon 1851. Er trägt den Namen „Bonapartismusthese“. Der zweite Ertrag entstand im Rahmen der religionssoziologischen Arbeiten Max Webers. Weber überführte darin den Charismabegriff aus der Religionsforschung in die Analyse von Herrschaftsformen, gliederte ihn in seine Herrschaftstypologie ein und stellte der charismatischen Herrschaft die patriarchalische Herrschaft gegenüber. Den dritten Ertrag verdanken wir unter anderen Joseph Schumpeter, der sich mit dem Phänomen der Wirtschaftskrise bzw. der Konjunkturzyklen auseinandersetzte und den „Unternehmer“ als diskontinuierlichen Sozialtypus fasste. Diese Perspektive befruchtete die sozialwissenschaftliche Forschung zum sozialen Wandel moderner Gesellschaften in Gestalt der Abfolge von Gesellschaftsmodellen, in denen sich auch die Personalisierungsformen wandeln. Außerdem bildet der Schumpetersche Unternehmer die ideelle Ressource der charismatischen Personalisierung in der aktuellen kommunikativen Konstitution der Ökonomie. Daran lässt sich der vierte Ertrag, die Medialisierungsforschung anschließen. Er rekurriert auf das Faktum der komplexitätsreduzierenden Personalisierung der öffentlichen Kommunikation und deren Effekte im neoliberalen Gesellschaftsmodell, das mit dem „neuen“ Strukturwandel der Öffentlichkeit begann. Den Anfang macht Karl Marx’ Bonapartismusthese und dann kommt der Charismaund Patriarchalismusbegriff in der Konzeptualisierung Max Webers. Diese Durchsicht verschafft die zwei zentralen, stratifikatorisch orientierten Personalisierungsformen, die sich auf das Handlungssystem Ökonomie mitsamt den entsprechenden PR-Strategien übertragen lassen (2. „Bonapartismus“, „charismatische Beziehung“ und „Patriarchalismus“). Anschließend wird dann Joseph Schumpeters „Unternehmer“ eingeführt und mit der Abfolge von Gesellschaftsmodellen und der damit verbundenen Neukonstitution öffentlicher Kommunikation verknüpft. Das Phänomen der Personalisierung von Unternehmen lässt sich als Medialisierungseffekt im neoliberalen Gesellschaftsmodell begreifen (3. Personalisierung im „neuen“ Strukturwandel der Öffentlichkeit). Im letzten Abschnitt werden dann die Erträge dieser Durchsicht zusammengefasst (4. Fazit).
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„Bonapartismus“, „charismatische Beziehung“ und „Patriarchalismus“
2.1 Bonapartismus in Politik und Wirtschaft Karl Marx hat in seinem glänzenden Essay „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“2 mit Bezug auf Hegel nicht nur darauf hingewiesen, „dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen sich sozusagen zweimal ereignen“ – nur habe Hegel vergessen –, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“ (Marx 1981 [1852]: 111).3 Marx hat damit darauf hingewiesen, dass die Geschichte in Umbrüchen zum Bauchladen wird, aus dem sich die Akteure bedienen, um Kontinuität in der Diskontinuität herzustellen. Im Falle des Staatsstreichs des Louis Napoleon 1799 und seines Neffen 1851, meinte er, das eine Mal eben als Tragödie, das andere Mal als Farce, aber beide Male mit Rückgriff auf die Draperien, Figuren und Symbole der römischen Republik und des römischen Imperiums. Während die Sansculotten der Französischen Revolution von 1789 symbolpolitisch auf die römischen Sklavenaufstände (Hut auf Stange) zurückgriffen, verwendeten die beiden Louis 1799 und 1851 die römische Herrschaftssymbolik, um ihren Staatsstreichen historische Legitimität zu verschaffen. Wie lange die sozialen Beine solcher Symbolpolitiken sind, zeigt die Grande Nation mit ihrer kaiserlichen Emblematik rund um ihre Präsidenten und zentralen Institutionen noch heute. Größe lässt sich symbolpolitisch der Historie entlehnen und deshalb hat sich der Symbol-Steinbruch Cäsars und Augustus’ bis in die Moderne hinein erhalten. Marx verweist im 18. Brumaire auf drei Phänomene, die zum Stand der sozialwissenschaftlichen Personalisierungsforschung in Herrschaftsordnungen gehören. Und alle drei Phänomene lassen sich zwanglos auf Personalisierungsformen in der Ökonomie übertragen: Erstens: Personalisierung und Krise Marx rekurriert auf die sprunghaft erhöhten Chancen an sich gerissener und zugeschriebener Macht einer Person in Zeiten großer Orientierungsunsicherheit, kurzum: in Zeiten der Krise. Dieser Befund hat sich von der politischen Herrschaftsforschung längst emanzipiert und findet sich sogar, ohne dass die Autoren deren Herkunft wissen, in einschlägigen modernen Managementtheorien (vgl. Carrell 2004, Faulhaber/Landwehr 2005). Krisen in Organisationen bewirken das Gleiche wie Krisen in der Gesellschaft. Sie erhöhen die Chance der Delegation aller Macht und Aufmerksamkeit auf eine Person, die von dieser Krise lebt, weil sie durch sie nicht nur an die Macht gekommen ist, sondern weil diese Macht nur durch die Krise gerechtfertigt ist. Entsprechend muss der Herrschaftsträger die Krise oder mindestens die Krisendrohung um jeden Preis perpetuieren. Nur so lange, als zwischen Untergang und lichter Zukunft ein Herrschaftsträger steht, der als Einziger die Dinge zum Guten lenken kann, bleibt seine ungeschmälerte Definitionsmacht erhalten. Die durchaus destruktiven Folgen einer Krisenperpetuierung durch solche Herrschaftsträger sind evident.
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Mit Bezug auf den Coup d'état des Louis Napoleon, der die Institutionen der Februar-Revolution von 1848 endgültig vernichtete. Marx rekurriert damit auf die von ihm beißend beschriebene Historisierung der Gegenwart in Phasen des Umbruchs, an diesem Beispiel in der „Tragödie“ des Staatsstreichs Bonapartes gegen das Direktorium und den Rat der 500 am 18. Brumaire (9. November 1799) bzw. seiner „Farce“, dem Putsch seines Neffen gegen die Errungenschaften der 1848er Revolution am 2. Dezember 1851.
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Zu Recht: Was in der Moderne im Rahmen der politischen Herrschaft um den Preis von Regressionen hinter den demokratischen Rechtsstaat bezahlt werden musste, ist innerhalb von Unternehmen noch nicht richtig angekommen. Die Gefahren, denen Unternehmen ausgesetzt sind, die einen ‚Bonaparte‘ auch dann einsam an der Herrschaft halten, wenn die Untergangsbedrohung vorbei ist, sind zahllos. In Krisen geborene Herrschaftsträger neigen dazu, eine permanente Bedrohungs-PR zu betreiben. Zweitens: Legitimation durch Invented Traditions Marx beobachtete, dass sich diese Herrschaftsträger auf die Geschichte und ihre Herrschaftsträger berufen, um ihrem Tun Pathos und Sinn, insgesamt also einen heroischen Frame zu verschaffen. Krisenphasen sind in Organisationen wie in Gesellschaften Perioden der Historisierung der Gegenwart. Unter Rückgriff auf den Bauchladen Geschichte werden die Entwicklung bis zur drohenden Apokalypse wie auch die Figuren entnommen, in deren Traditionslinie sich die Herrschaftsträger entwerfen. Je dezidierter die neu interpretierte Geschichte in den Fluchtpunkt der Gegenwart kurz vor der Entscheidung über Sieg oder Untergang mündet, desto größer ist die Definitionsmacht der Herrschaftsträger. Der Rekurs auf Herrschaftsträger der Geschichte produziert historische Legitimation. Je stärker sich die Herrschaftsträger kommunikativ in eine Traditionslinie einfügen können, desto besser funktioniert der „Bonapartismus“, das heißt die Übertragung der Legitimation aus Herrschaftsmythen, und desto größer ist die Willkürbandbreite der Herrschaftspraxis. Der allmächtige Krisenmanager moderner Unternehmen macht genau das Gleiche: Er schreibt eine neue Geschichte des Unternehmens, die in jüngster Zeit förmlich in die Apokalypse drängt, und die Geschicktesten unter ihnen rekurrieren auf Gründungsmythen oder vergangene und gemeisterte Zäsuren der Unternehmensgeschichte. Wenn man genügend bezahlt, dann verfügt dieser Krisen- oder Turnaround-Manager über eine von ihm kräftig bewirtschaftete Reputation, die der eines erfolgreichen Kriegshelden gleicht, eines Helden aus Sanierungsfällen an den unendlichen Frontlinien des Marktwettbewerbs. Die Kriegsmetaphorik schafft das nötige Charisma, um auch die absurdesten Restrukturierungen durchführen zu können. Solche Unternehmensumbauten sind unabdingbar nötig, selbst wenn sie aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive unsinnig sind. Helden in Krieg und Krise – das gehört zwingend zum Rollenskript – sind Helden der Tat. Deshalb werden im Rhythmus solcher Herrschaftsträger die politischen Institutionen bzw. das Unternehmen umgebaut. Solche Reorganisationen sind nichts anderes als gewaltige PR-Kampagnen. Durch sie wird in der Politik wie in der Wirtschaft die Tatkraft des Herrschaftsträgers kommuniziert, die in eine neue Zukunft führt. Unterschiedlich ist nur das Publikum: Beim bonapartistischen politischen Herrschaftsträger handelt es sich um das Staatsbürgerpublikum, das allerdings zu einem neuen Untertanenverband regrediert, und um ausländische Mächte; beim bonapartistischen ökonomischen Herrschaftsträger gilt es in erster Linie die Analystengemeinde, dann die Wirtschaftsjournalisten und die Shareholder sowie schließlich den Untertanenverband der Mitarbeiter mit Erwartungen zu versehen. In Krisen geborene Herrschaftsträger betreiben neben einer Bedrohungs-PR also auch eine Reorganisations-PR. Letztere wird durch Erstere begründet; die Begründung der Form der Reorganisation kommt mit wenigen Zeilen aus, sie lebt hauptsächlich vom Genie des kriegserfahrenen Helden. Auch wenn es nur die Kriege des Marktes sind.
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Drittens: Dialektik von Selbst- und Fremdpersonalisierung Marx’ Bonapartismusthese war seiner Zeit weit voraus. Sie ist kommunikationstheoretisch fundiert, das heißt Marx zeigt, dass die Usurpation und die Aufrechterhaltung autokratischer Macht auf gesellschaftliche Bedingungen der Orientierungsunsicherheit angewiesen sind und dass diese Herrschaft kommunikativ erzeugt und zugeschrieben wird, um realisiert werden zu können. Genau das, was Marx beschreibt, vollzieht sich seit den 1990er Jahren zuhauf in Unternehmen, die sich in einem ‚Turnaround‘ befinden, und wenn diese Unternehmen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind, dann vollzieht sich diese typische Krisenkommunikation nicht nur in der Binnenkommunikation des Unternehmens, sondern insbesondere gegenüber den Expertenkulturen der Wirtschaftsbeobachtung, den Analysten, in den Branchenmedien und in der leitmedialen Wirtschaftsberichterstattung. Personalisierung bedeutet in allen diesen Fällen Rettung. Der Glaube an die vermeintlichen Gnadengaben zumeist eines Mannes verschaffen der Person kommunikativ zugeschriebene Definitionsmacht weit über das Unternehmen hinaus und formieren die Erwartungen im Publikum aller relevanten Arenen. Je besser die Kommunikation kontrolliert werden kann und je besser die Definitionsmacht aufrechterhalten wird, desto länger erhält sich das Krisenmanagement. Marx ist für die PR-Forschung unverzichtbar, weil er den Aquariumsblick hatte. Im Blick hatte er das Phänomen, dass ein einzelner Fisch alle Macht im Aquarium an sich reißen kann, wenn allen Fischen das Aquarium als bedroht erscheint.
2.2 Charismatische Beziehung in Politik und Wirtschaft Max Weber hat sich durch viele Phänomene faszinieren lassen. Kaum eines faszinierte ihn so sehr wie das, was Marx beschrieben hat. Die Hälfte des Lebenswerks Max Webers ist der Abfolge von traditionaler und charismatischer Herrschaft gewidmet. Er lässt die ganze Vormoderne zwischen charismatischer und traditionaler Herrschaft oszillieren. Und genauso wie Marx beschreibt er beides mit dem Aquariumsblick. Das heißt, das Phänomen Herrschaft ist für Max Weber systematisch ein sozial konstituiertes Phänomen. Nie wäre ihm auch nur in den Sinn gekommen, Herrschaftsperioden wie die traditionelle Geschichtsschreibung oder die moderne Manager-Hagiographie als Abfolge ‚großer Männer‘ zu beschreiben und damit das Phänomen Herrschaft ins Metaphysische zu heben. Ihm ging es – genau wie Marx – um die soziale, heute würden wir sagen kommunikative Konstitution von Herrschaft und die von dieser Konstitution abhängigen Herrschaftsspielräume (Willkürbereiche), mithin auch um das innovative Potential von personalisierten Herrschaftsbeziehungen in sozialen Ordnungen (vgl. Imhof 2006b: 65-108). Weber verweist darauf, dass die „charismatische Herrschaft“ und die „charismatische Beziehung“ auf der Basis wahrgenommener Gnadengaben beruht. Er hat sich auf der Basis religionswissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Habitus beschäftigt, der solche Wahrnehmungen wahrscheinlich macht. Mit Bezug auf Magier und Propheten verweist Weber auf außeralltägliche, ekstatische Zustände, in die die charismatische Person im Rahmen magischer Handlungen ‚gerät‘. Ein Habitus also, der die Wahrnehmung von magischen Kräften evoziert. Mit Bezug auf den Kriegsherrn verweist er auf die charismatische Wirkung der Tat, auf den evozierten Unfehlbarkeitsglauben, der dann entsteht, wenn Geschichte ‚gemacht‘ wird. Denn entscheidend für die Eroberung und Stabilisierung charismatischer
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Herrschaft ist die Wahrnehmung von Gnadengaben, also die charismatische Beziehung der Herrschaftsunterworfenen zum Herrschaftsträger (vgl. Weber 1973a [1916]). Für Weber ist die charismatische Herrschaft die eigentliche revolutionäre Kraft in der Geschichte. Er setzt diese der traditionalen, patriarchalischen Herrschaft gegenüber. Während die charismatische Herrschaft Umbruchperioden kennzeichnet und dem Herrschaftsträger aufgrund der perzipierten Gnadengaben einen großen Willkürbereich verschafft, basiert die patriarchale Herrschaft auf Tradition. Die Herrschaftsunterworfenen gehorchen hier also auf der Basis überlieferter und religiös begründeter Normen, die den Willkürbereich des Herrschaftsträgers begrenzen, weil die Herrschaft normativ formatiert ist. Im Typus der charismatischen Herrschaft in Umbruchperioden haben wir dagegen nichts anders als den Marxschen Bonapartismus. Im Unterschied jedoch zum ‚Aufklärer‘ Marx, der das Phänomen des Bonapartismus scheiternden bürgerlichen Revolutionen zuordnet und aufgrund seiner Irrationalität für überwindungsbedürftig hält, kommt Weber zu einem ganz anderen Schluss: Weil die moderne, legale Herrschaft, die die vormoderne Abfolge von charismatischer und traditionaler Herrschaft ablöst, auf der Basis bloßer zweckrationaler Satzungen beruhe und mit der Sozialfigur des modernen Fachbeamten in Staat und Wirtschaft eine Spezies auf Herrschaftspositionen setze, die ausschließlich auf dem Vollzug gesatzter Normen bestehen würde, sieht er die Moderne im zweckrationalen Handeln des modernen Fachbeamtentums erstarren. Gegen diese Erstarrung setzt Weber die „plebiszitär-charismatische Herrschaft“ (Weber 1973b [1922], Mommsen 1982, 1988), in Gestalt des politischen Unternehmers zum einen und (allerdings nur sehr peripher skizziert) des kapitalistischen Unternehmers zum anderen. Weil also die Moderne im stählernen Gehäuse vereinseitigter Zweckrationalität in Wirtschaft und Staat erstarrt – das ist die Essenz seiner Bürokratisierungsthese –, muss der politische und der kapitalistische Unternehmer dieses Gehäuse immer wieder aufbrechen, um Innovationen Chancen zu verschaffen (vgl. Weber 1973c [1916], 1973d [1919]). Auf der Basis dieser Diagnose der Moderne führen seine Parteisoziologie, seine Charismatheorie und sein ausgeprägtes Interesse für das „Zeitungswesen“ zu einer ertragreichen Heuristik, welche die Legitimationsbedürftigkeit der staatlichen Institutionen, die Funktion und den Wandel der Parteien und ihrer Führer sowie die medienvermittelte öffentliche Kommunikation systematisch aufeinander bezieht (vgl. Weber 1988a [1922], Mommsen 1959, 1982). Diese Perspektive ist mit der Einsicht verbunden, dass sich die Politik „in hervorragendem Masse in der Öffentlichkeit mit den Mitteln des gesprochenen und geschriebenen Wortes“ abspielt (Weber 1985 [1922]: 525). In Kombination mit seiner Parteisoziologie, in der Weber die Ablösung der „Honoratiorenparteien“ durch moderne (Wahl-)“Maschinen“ konstatiert, wird dem Zeitungswesen bereits plebiszitäre Macht zugeschrieben, die dem Staat Personal wie Agenda von außen aufdrängt.4 Diese frühe ‚Medialisierungsperspektive‘, welche den Wandel der Parteien und ihrer zentralen Protagonisten direkt mit dem ökonomisch induzierten Wandel des Zeitungswesens in Beziehung bringt, erklärt die zentrale Bedeutung, die Max Weber bereits 1910 der Erforschung des „Zeitungsund des Vereinswesens“ anlässlich der ersten „Verhandlungen“ der Deutschen Gesellschaft
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Neben diesen unter charismatischen Führungsfiguren stehenden (Partei-)„Maschinen“ in Wahlkampfperioden sieht Max Weber nur im Zeitungsbetrieb einen kontinuierlichen politischen Betrieb. Deshalb ist für ihn der „politische Publizist und vor allem der Journalist [...] der wichtigste heutige Repräsentant der Gattung“, die sich für die Funktion des politischen Führers eignet (Weber 1988a [1922]: 525).
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für Soziologie (DGS) verleiht (Weber 1988b [1924], 2001 [1911]). Angeleitet durch seine These der vereinseitigten Rationalisierung der Moderne, in der die ‚Zweckrationalität‘ die ‚Wertrationalität‘ verdrängt, und auch angeleitet durch seine Einsichten aus dieser frühen und radikalen Analyse des Strukturwandels der Öffentlichkeit will er die „öffentliche Meinung“ durch möglichst charismatische Definitionsmacht herstellen. Charismatische Führer sollen die politische Herrschaft propagandistisch erobern, um die Erstarrung der Moderne von oben etwas aufzubrechen. In seinen politischen Schriften geht es also Max Weber – wie später, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen, Antonio Gramsci (1986 [1933/34]) – um eine ‚politisch-ethische Hegemonie‘ in der öffentlichen Kommunikation. Allerdings, im Unterschied zu Gramsci, sieht er diese Hegemonie nicht als Produkt einer der Aufklärungstradition verpflichteten sozialistischen Agitation, sondern vielmehr als Produkt einer sozialtechnologisch orientierten Verfassungsgesetzgebung in der Weimarer Republik, die die von ihm konstatierte marktschreierische Personalisierung in der Geschäfts- und Boulevardpresse durch ein adäquates Wahlgesetz ergänzt, damit beides zusammen zu einer sozialdarwinistischen Selektion plebiszitär-charismatischer Führer führt. Weber hatte den Aquariumsblick dermaßen internalisiert, dass er die Bedingungen der sozialen Konstruktion von charismatischen Personalisierungen begünstigen will und dann darauf vertraut, dass sich in diesen Opportunitätsstrukturen öffentlicher Kommunikation charismatische Führungsfiguren mitsamt ihren Wahlmaschinen ‚ausmendeln‘‘. Nur dadurch, so die Quintessenz seiner Diagnose, können der erstarrten Moderne noch „Werte“ eingehaucht werden.5 Bei Marx wie bei Weber ist also die Personalisierung ein Akt der kommunikativen Herrschaftskonstitution in der Öffentlichkeit. Beide ließen sich von der Bedeutung des sozialen Phänomens Personalisierung und der Personalisierungstechniken der Herrschaftsträger und ihrer Propagandaapparate beeindrucken. In der charismatischen Herrschaftsbeziehung erkannten beide kommunikative Prozesse, die sich exakt beschreiben lassen: Bedrohungs-PR in Gestalt einer Krisen- und Kriegssemantik, insgesamt also eine PR der Apokalypse, die sich aus der Geschichte bedient, um sie neu zu schreiben, und eine PR der Reorganisation des Bestehenden. Das sind die kommunikativen Ingredienzien außeralltäglicher Herrschaft.
2.3 Patriarchalismus in Politik und Wirtschaft Das Gegenstück, die traditionale, patriarchalische Herrschaft ist ebenfalls kommunikativ konstituiert, ihre Konstitution erfolgt aber primär über die Sozialisationsagenturen des klassischen Kirchen- und Erziehungswesens und in den symbolischen Formen repräsentativer Öffentlichkeit der Vormoderne, einem Phänomen der physischen Darstellung von Herrschaft, dem sich Norbert Elias (in der Tradition Max Webers) besonders gewidmet hat (Elias 1983). Die Sozialfigur des modernen kapitalistischen Unternehmers hat Weber nur
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Es ist die Tragik Max Webers und seines durch die Bürokratisierungs- bzw. Erstarrungsthese eingefärbten Blicks auf die Moderne, dass er die totalitären Gefahren seiner politischen Empfehlungen nicht sehen konnte. Diese ebenso wirkmächtige wie falsche Diagnose einer durch die Säkularisierung (im Wortsinn) ,entwerteten‘ Moderne führte zum einen in die kritische Theorie und zum anderen in die radikal- bzw. anarcholiberale Bürokratismuskritik. Während Erstere den Reichtum der Weberschen Analyse aufrechterhielt und ausbaute, verlor Letztere das analytische Potential und mündete in einen populistischen Antietatismus.
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am Rande beschrieben.6 Er skizziert ihn, ganz marxistisch, als Herrschaftsträger kraft seines Besitzes an den Produktionsmitteln und des Kaufes von Arbeitskraft. Mit den Mitteln seiner Darstellung der patriarchalischen Herrschaft lässt sich der klassische Unternehmer der Frühmoderne über die Gründerzeit bis hin zum Eigentümer einer im Familienbesitz befindlichen KMU bis heute beschreiben. Alle diese Unternehmerkohorten zehren von den traditionalen Normen patriarchaler Hausmacht, die sich auf den Privatbesitz erstreckt und die Herrschaftsbeziehung in eine wechselseitige moralische Verpflichtung einbettet. Auf die kürzeste Formel gebracht bedeutet dies: Schutz und Entlöhnung gegen Gehorsam und Arbeit. Diese feudale Sozialbeziehung im Bereich der Ökonomie hat sich gerade über die Aufklärungsbewegung in die Moderne transformiert. Durch die strikte Trennung des Öffentlichen vom Privaten, letzteres bestehend aus der bürgerlichen Intimsphäre einerseits, der Privatökonomie andererseits, konnte die patriarchalische Sozialbeziehung in dieser Sphäre die Epochenwende überwinden und als bürgerlicher Patriarchalismus zu einem wirkmächtigen Habitus gerinnen (vgl. Sennett 1983 [1977]). Diesem Typus eines patriarchalischen Unternehmers im Rahmen der Unternehmerdynastien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verdanken wir die industrielle Durchdringung der Moderne, und noch heute sind die Herrschaftsbeziehungen in den nicht börsenkotierten Klein- und Mittelbetrieben durch die normativen Gehalte des Patriarchalismus geprägt. Diese Personalisierung lebt von einer PR der Traditionen auch in qualitativer Hinsicht und einer PR der sozialen und moralischen Verpflichtung, weil die patriarchale Herrschaftsbeziehung normativ eingebunden ist, also einen Verpflichtungscharakter aufweist. Diese normative Eingebundenheit von kleinen und mittleren Unternehmen ist ursächlich sowohl für die Erwartungen, denen sich ihre Unternehmenskommunikation beugen muss, als auch für die Erwartbarkeit unternehmerischen Handelns. Die patriarchalische Beziehung mit ihrem Verpflichtungscharakter lenkt die Organisationskommunikation nach innen und außen wie die öffentliche Kommunikation, weil sie in etablierte Normen eingebettet ist. Normalerweise ist der Einbettungscharakter so stark, dass nur bei antipatriarchalischen Normverstößen die Normen überhaupt Thema werden. Es gibt mithin eine PR patriarchalen Typs, die nach innen und außen darauf achtet, das Unternehmen in seiner sozialen und moralischen Einbettung zu beschreiben.7 Wenn man nun Marx und Weber zusammennimmt, dann haben wir die zwei fundamentalen Typen der Personalisierung, die wir aus der Politik auf die Ökonomie übertragen können. Sie prägen die Organisationskommunikation wie die öffentliche Kommunikation. Es handelt sich um die charismatische und die patriarchalische Personalisierung. Beide Typen sind sozial bzw. kommunikativ konstituiert und in die Kultur der Moderne eingebettet. Die patriarchalische Personalisierung lebt auch in der aktuellen Moderne vom traditionalen Verpflichtungscharakter, den Besitz und Herrschaft haben. Die patriarchalische Personalisierung kennzeichnet den größten Teil der Unternehmen, die nicht börsenkotierten 6 7
Im Unterschied zum protomodernen Typus des calvinistischen Kapitalisten (vgl. Weber 1947a,b [1920]). Diese patriarchale Sozialbeziehung in der Ökonomie, die wechselseitige Verpflichtung von Herrschaftsträgern und Herrschaftsunterworfenen, ist in der Moderne so stark geblieben, dass der anhaltende charismatische oder rein marktökonomische Verstoß dagegen über kurz oder lang zu Reaktionen führt, die dieser Sozialbeziehung wieder Geltung verschaffen. Entsprechend wurzelt die aktuelle Bewegung des Corporate Social Responsibility (CSR) zutiefst in den Normen und Werten des Patriarchalismus. Nur in Gestalt des sozialpartnerschaftlichen Korporatismus im sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodell fand sich eine stabile moderne Alternative zur bloßen Willkürherrschaft, zur reinen Marktbeziehung, zum Patriarchalismus oder zur außeralltäglichen charismatischen Beziehung. Von Letzteren hat nur der Patriarchalismus den Vorteil der wechselseitigen Erwartbarkeit und damit der Stabilität.
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Familienunternehmen kleiner und mittlerer Größe. Die patriarchalische Personalisierung bezieht sich auf die alltäglichen Interaktionen zwischen dem Eigentümerchef und den Mitarbeitern, sie lebt vom Wert der Aufrechterhaltung traditionaler Normen und prägt eine öffentliche Erwartung wie eine PR traditionaler Qualität und der Verpflichtung dem Gemeinwesen und den Mitarbeitern. Diese patriarchalische Personalisierung hat auch die Großindustrien der Gründerzeit in der zweiten Hälfte des 19. bis weit in das 20. Jahrhundert hinein gekennzeichnet. Die Wirkung der normativen Grundlage des Patriarchalismus lässt sich heute noch mit den Mitteln der Industriearcheologie lesen. Diese zeigt uns nicht nur die Fabriken, sondern die Welten um sie herum, nämlich die Arbeitersiedlungen, die Kindergärten, die Schulen, die Krankenhäuser etc. Neben dem Aspekt der Kontrolle, die selbstverständlich dem patriarchalischen Herrschafts- und Personalisierungstyp eigen ist, zeigen sich hier die in Stein gebauten moralischen Verpflichtungen, die einst auch die Großindustrie prägten. Wie weit die Geschichte über diese vergangene Großindustrie – im Unterschied zu Klein- und Mittelbetrieben – hinweggeschritten ist, zeigt 2006 und 2007 nicht nur, aber passend aktuell und drastisch, die BenQ-Siemens-Affaire.8 Ausgerechnet bei Siemens, einem ursprünglichen Prototyp des patriarchalischen Großunternehmens. Mit dem durch diese Affäre beleuchteten Wandel der Wirtschaftskultur bei börsenkotierten Großunternehmen kommen wir den Bedingungen und Formen der aktuellen charismatischen Personalisierung näher. Der charismatischen Personalisierung entsprechen eine PR der Bedrohung und eine PR der Tat bzw. der fundamental-notwendigen Reorganisation, die nicht mehr an die sozialen und moralischen Verpflichtungen des Patriarchalismus gebunden ist. Die charismatische Personalisierung ist darauf angewiesen, permanent die Unabdingbarkeit, die Einmaligkeit und die Außeralltäglichkeit der Taten des CEOs zu evozieren. Wie konnte diese charismatische Personalisierung in das ökonomische Handlungssystem der Spätmoderne eindringen? Damit komme ich zum nächsten Teil, in dem die Erträge der Theorien diskontinuierlichen sozialen Wandels moderner Gesellschaften und des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit für das Personalisierungsthema aneinandergefügt werden.
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Personalisierung im „neuen“ Strukturwandel der Öffentlichkeit
3.1 Der Schumpetersche Unternehmer und die Manager-Hagiographie Joseph Schumpeters Theorie wirtschaftlicher Entwicklung mit ihrem besonderem Augenmerk auf den Unternehmer aus dem Jahre 1934 bedeutet gegenüber dem erreichten Stand in den Sozialwissenschaften hinsichtlich Personalisierung ein Rückschritt (Schumpeter 1997 [1934]). Schumpeter hatte gerade das nicht, was Marx und Weber auszeichnet, den Aquariumsblick. Er analysiert die Sozialfigur des Unternehmers im Rahmen einer naiven Handlungstheorie. Trotzdem ist sein Werk aus zwei Gründen wichtig: Zum einen ist mit ihm, mit
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Diese doppelte Affäre gründet zum einen im Outsourcing der defizitären Sparte Mobiltelefon an die koreanische Firma BenQ, die bereits ein Jahr später die Einstellung der Produktion verkündete, ohne an die sozialmoralischen und vertraglichen Pflichten der Arbeitsbeziehungen bei Siemens gebunden zu sein. Zum anderen gründet die Affäre in einer weitreichenden inner- und außerbetrieblichen Korruptionspraxis sowie Steuerdelikten.
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Nikolai D. Kondratiev (1926), John M. Keynes (2002 [1936]) und Simon Kuznets (1930) die Reflexion über den diskontinuierlichen sozialen Wandel der Moderne verbunden. Sie machten sich grundlegende Gedanken zum auffallenden Phänomen rascher wirtschaftlicher Entwicklung und den scharfen Kriseneinbrüchen, die diese Entwicklungsperioden immer wieder unterbrechen. Wir kommen also mit Schumpeter an eine Tradition sozialwissenschaftlichen Denkens, die in vielen verschiedenen Schulen versucht, die Moderne als Abfolge von Gesellschaftsmodellen zu verstehen. Diese Gesellschaftsmodelle lassen sich anhand ihres spezifischen Arrangements von Politik, Medien und Wirtschaft beschreiben (Imhof, 2007). Sie unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Personalisierungsformen. Zum anderen ist Schumpeter wichtig, um zu verstehen, warum die Figur des charismatischen Heroen aus der Politik in die Wirtschaft transferiert werden konnte. Das Verständnis der Personalisierungsformen im neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell beginnt mit Joseph Schumpeter. Unternehmer im Schumpeterschen Sinne sind Ausnahmefiguren, die in wiederum außeralltäglichen Lebensphasen in der Lage sind, durch eine „andersgeartete Willensaufwendung“ die Zwänge und Konformitäten der normalen Wirtschaftssubjekte zu überwinden und durch ihre „geistige Freiheit“ und einem „großen Überschuss von Kraft“ „neue Kombinationen“ durchzusetzen (Schumpeter 1997 [1936]: 126). Durch diese „neuen Kombinationen“, dem zentralen Begriff Schumpeterschen Denkens, kommt etwas grundlegend Neues in die Welt. Und dieses Neue wird durch „den Unternehmer“ geschaffen. Während Schumpeter das „normale Wirtschaftssubjekt“ als gefangen in den Konformitäten und Strukturen des Alltags beschreibt, überwindet sein Unternehmer eben diesen Alltag, durch seine „besondere Art die Dinge zu sehen“, „durch den Willen, durch die Kraft ganz bestimmte Dinge anzufassen und sie ...“ in seiner Intuition als „... real zu sehen“. Neben diesen außergewöhnlichen imaginativen Fähigkeiten und dem Willen, „allein und voraus zu gehen“, zeichnet sich dieser Wirtschaftsheroe „durch seine Wirkung auf andere“ aus, „die wir mit ‚Autorität‘, ‚Gewicht‘, ‚Gehorsamfinden‘ bezeichnen können ...“ (Schumpeter 1997 [1936]: 128f). Exakt bei dieser Wirkung auf andere bricht Schumpeter seine Analyse da ab, wo Max Weber und Karl Marx sie erst begonnen haben. Damit verflüchtigt sich das analytische Potential seines Werks genau da, wo unser alltägliches, unreflektiertes Verständnis des Helden und des Genies beginnt: In der religiösen Märtyrergeschichtsschreibung, in der traditionalen Geschichtsschreibung großer Männer und in der Romantik der Frühmoderne wurden die Sozialfiguren des Helden und des Genies aus der Vormoderne übernommen und in die Kultur der Moderne abrufbar eingelagert. Joseph Schumpeter ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Figur des Heroen auch in die liberale Wirtschaftstheorie Einzug hielt und seither immer wieder belehnt wird. Schumpeters Unternehmer bildet das kulturelle Erbgut einer Unternehmer-PR, die den Unternehmer als einsamen Kämpfer im Markt und gegen den Staat, gegen die Traditionen und die Widrigkeiten des Alltags und die Blindheit seiner Umgebung zeichnet. Seit den späten 1980er insbesondere aber in den 1990er Jahren hat die Managerelite der börsenkotierten Unternehmen dieses Selbstbild übernommen. Diese obersten Angestellten entwerfen sich als Schumpetersche Unternehmer, nicht zuletzt weil nur ihre Einmaligkeit ihre Einkommen rechtfertigen kann. Weil nun Schumpeter seine Analyse grundbegrifflich nicht auf den Aquariumsblick einstellte, sondern im Heldenepos stecken blieb, konnte er die Diskontinuität der Moderne in Gestalt von ökonomischen Kriseneinbrüchen und Konjunkturaufschwüngen nicht interpretieren. Schumpeter entdeckte, und das machte ihn zunächst berühmt, dass ‚seine‘ „Un-
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ternehmer“ „scharenweise“ auftreten (Schumpeter 1997 [1936]: 342) und ihm gemäß den Konjunkturaufschwung bewirken. Durch seine Blindheit gegenüber den Personalisierungsformen in spezifischen Kontexten, wie sie Marx und Weber beschrieben haben, ist er aber nicht in der Lage zu begründen, warum dies so ist.9 Er kann gerade nicht auf die krisenhafte Entwertung alles Gewesenen verweisen, die die Chance für charismatische Beziehungen in Politik und Wirtschaft sprunghaft erhöhen und die Opportunitätsstrukturen für seinen „Unternehmer“ erst schaffen. Wenn wir den Aquariumsblick anwenden und die Kontextbedingungen des Bonapartismus bzw. der charismatischen Herrschaft berücksichtigen, dann ist Schumpeters Unternehmer nichts anderes als das Produkt außergewöhnlicher Opportunitätsstrukturen, die Akteure zum Zuge kommen lassen, die zuvor kaum eine Chance hatten. Beides, die Opportunitätsstrukturen und die Figuren, die sie nützen, müssen zusammenkommen, um die Konzentration von Aufmerksamkeit, Definitionsmacht und (Risiko-)Kredit auf diese Sozialfiguren und ihre „neuen Kombinationen“ zu sichern. Darüber hinaus können wir von Schumpeter die Einsicht in die erfolgreiche Belehnung des Genie- und Heldenepos durch die Unternehmer- und Management-PR ableiten. Diese Belehnung gelingt umso besser, je stärker ökonomisches Handeln in der Semantik des Krieges und der Krise beschrieben wird.
3.2 Personalisierung im sozialen Wandel Das ist weder in der Wirtschaftsberichterstattung noch in der Unternehmenskommunikation immer der Fall. Im sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodell, das sich mit seiner keynesianischen Orientierung, dem Sozialversicherungswesen und der staatlichen makroökonomischen Steuerungspotentiale in der Schweiz, in Großbritannien, in Schweden und den USA in der Krise der 1930er Jahre und nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Zentrumsländern durchsetzte, wähnte man sich in der Epoche des ‚fine tunings‘ ökonomischer und sozialer Entwicklung, also auf einem linearen Modernisierungspfad, der die Krisen der Wirtschaftsgeschichte gebändigt hat (vgl. Imhof, 2005). Entsprechend geriet Schumpeter in Vergessenheit. Im sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodell hatte der Unternehmer als Genie neuer Kombinationen und als Held im Krieg des Marktes keine Existenznische. Er wäre als lächerliche Figur erschienen. Erst im neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, das sich nach der Wirtschaftskrise der 1974/75 Jahre langsam durchzusetzen begann, um in den 1990er Jahren seinen Höhepunkt zu erleben, veränderte sich die kommunikative Formatierung der Wirtschaft so, dass das Heldenepos wieder angestimmt werden konnte. Im globalen Steuer- und Standortwettbewerb, im Wettbewerb der Deregulation, in einem Wettbewerb kurzfristiger Maximalrenditen und in einem Wettbewerb der Personalisierung auf Seiten der quantitativ explodierenden Wirtschaftsberichterstattung entstand wieder, wie Prometheus aus der Asche, der Schumpetersche Unternehmer mitsamt den heroischen Selbstbeschrieben und einer Unternehmer-PR in Gestalt einer ManagerHagiographie. Die charismatische Personalisierung wurde jetzt freilich nicht auf die Krise
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Schumpeters Erklärung für die Clusterbildung von „Unternehmern“ ist „Nachahmung“. Das heißt wenn es einer schafft, erleichtert dieses Vorbild weiteren Unternehmern den Sprung ins Außeralltägliche (Schumpeter, 1997 [1936]: 339). Diese Innovativitäts-Nachahmungsthese erklärt jedoch die Diskontinuität nicht. Sie spricht eher für eine diffuse Verteilung von Innovativität wie Nachahmung und damit für Kontinuität.
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beschränkt, sondern im Kontext der kommunikativen Neuformatierung wirtschaftlichen Handelns auf Dauer gestellt. Die Ökonomie, die im sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodell also im Rahmen einer proaktiven volkswirtschaftlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik und eingebunden in internationale Wirtschafts- und Währungsabkommen bis in die frühen 1970er Jahre als rational beherrschbare Veranstaltung erschien, die Frieden und Prosperität innerhalb von „Volkswirtschaften“ auf Dauer sichern wird, wandelte sich unter der neuen ideellen Perspektive einer transnational entfesselten Ökonomie und eines wettbewerbsnotwendigen Antietatismus immer mehr in einen globalen Krieg des Marktes, in dem nur die transnational tätigen und sozial entbetteten Großunternehmen eine Chance auf Überleben hätten. Anhand von Indikatoren wie die Zahl der Manager-Hagiographien, am Boom von Managementtheorien wie Change Management, Transformationsmanagement, Turnaround Management, Krisenmanagement, Visionäres Management, Leadership in Krisen und immer wieder in allen möglichen Kombinationen Visionen, Leadership und Krisen können wir diese kommunikative Neuformatierung ökonomischen Handelns ablesen, die auch in der Beraterliteratur, in der McKinsey-Dogmatik bis in die Harvard Business School und in allen MBA-Kursen Niederschlag fand. Diese kommunikative Neukonstitution der Ökonomie erreichte in den 1990er Jahren auch die PR-Praxis, die sich seitdem dem „Personenmarketing“ aller annimmt, die zwischen Führungskraft und hoffnungsvollem Jungmanager diesem Sozialisationsprozess ausgesetzt sind. Gemeinsam ist diesem Schriftgut eine für die ganze Wirtschaftsgeschichte beispiellose, geradezu metaphysische Zentrierung auf die flexible und innovative Person, ihre innere Stärke und Orientierungsfähigkeit und ihre äußere Wirkung. Die Managementtheorien der 1990er Jahre bekämpfen Hierarchiestufen als bürokratische Lehmschichten und propagieren das Führungsverhalten des ‚Hinter-sich-Scharens‘ kraft persönlicher Überzeugungskraft. Die Menschen in den Großunternehmen wollen, gemäß diesen Theorien, keine Befehle empfangen, sondern überzeugt und mitgerissen werden. Das Individuum wird systematisch in einem Kontext beschrieben, der nur nach Kriterien des Leistungswettbewerbs selegiert, sich also darwinistisch reguliert. Entsprechend werden Anciennitätsprinzipien und erwartbare Karrierepfade und sichere Positionen als überholt und unflexibel dargestellt. Im umfassenden Playing Field der Märkte, im Konkurrenzwettbewerb, in den raschen Veränderungsprozessen sowie in der als rasend beschriebenen technologischen Entwicklung erscheinen feste Statuspositionen und Sicherheiten als Wurzel allen Übels. An deren Stelle tritt der Kampf um die ‚besten Köpfe‘ und die schlanke, temporäre und flexible Organisation mit schlanken, temporären und flexibeln Mitarbeitern, deren vernetztes Denken und deren Innovationskraft ihre Daseins- und Karrieresicherung übernehmen. Das Unternehmen erscheint als organischer Zellhaufen flexibler Teams, die sich wechselseitig als ‚Kunden‘ betrachten, und dieses fragile Gebilde wird allein durch das visionäre Denken und die Überzeugungskraft der Spitzenmanager zusammengehalten (vgl. Boltanski/Chiapello 2003 [1999]: 89-146). Natürlich würde jede Organisation, die diese Managementlehren zum Nennwert nehmen würde, sofort in sich zusammenbrechen. In unserem Zusammenhang ist nur entscheidend, dass wir seit den 1990er Jahren in Gestalt dieser Managementtheorien mit äußerst wirkmächtigen Selbstbeschrieben ökonomischer Organisationen konfrontiert sind, die das ökonomische Handeln systematisch in Termini des Schumpeterschen Unternehmers beschreiben, der dank seiner imaginativen Kraft zu ‚neuen Kombinationen‘, dank seiner Wil-
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lensstärke und seiner Überzeugungsfähigkeit auch Gehorsam und Nachfolge für pausenlose ‚Feldzüge‘ findet, die als aneinandergereihte Task Forces mittlerer und kleiner Charismaträger aufgefasst werden. Zwar bleibt das große Charisma den Vertretern des entstandenen Starsystems der internationalen Managerelite vorbehalten, aber so etwas Charisma muss sich jede Führungskraft aneignen. Für den sozialwissenschaftlichen Beobachter ist es nur ein beziehungsreicher Nebenschauplatz, dass zu den Initiationsriten dieses Handlungssystems neben religionsanalogen Massenveranstaltungen mit prominenten Managementwanderpredigern auch magische Handlungen wie das Durchschreiten von Beeten aus glühenden Kohlen, Urschreitherapien, kollektive Baumbesteigungs- sowie Auf- und Abseilübungen im Rahmen von Managementseminaren zählen. Diese aus der Perspektive einer aufgeklärten Moderne irrationalen Praktiken ergänzen die charismatische Beziehung seit jeher. Die charismatische Beziehung verlangt die symbolische Demonstration des persönlichen, innerlichen Involvements der Herrschaftsunterworfenen und die mitreißende Orientierungskraft des Charismatikers. Das sind aber nur die einen Indikatoren, wir können sie der medienvermittelten Kommunikation im Handlungssystem Ökonomie selbst entnehmen. Auf der Basis dieser Indikatoren sozialen Wandels können wir nachvollziehen, wie sich der resonanzstarke Teil der Ökonomie, derjenige der börsenkotierten transnationalen Unternehmen, selbst beschreibt und wie die außeralltägliche charismatische Personalisierung weit über diese Unternehmen hinaus bis in alle Fasern der Human Resources hinein zum alltäglichen Führungsinstrument erhoben worden ist.
3.3 Medialisierungs- und Reputationsforschung und der Nachrichtenwert des Versagens Die anderen Indikatoren sozialen Wandels, diejenigen des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit, finden wir im Medium, in dem wir alle schwimmen, in der öffentlichen Kommunikation. Denn in völlig isolierter Form lässt sich innerhalb des Handlungssystems Ökonomie diese bemerkenswerte Regression auf die Gnadengaben charismatischer Führer nicht plausibel aufrechterhalten. Daran schließt nun der letzte Ertrag, die Medialisierungsforschung, die diese Neukonstitution der Ökonomie in der öffentlichen Kommunikation beobachtet. Die empirisch vergleichende Öffentlichkeitsanalyse verweist uns auf einen neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit, das heißt auf die in kurzer Zeit erfolgte Ausdifferenzierung der Medien aus dem politischen System und der Koppelung eines nun eigenständigen Mediensystems an das ökonomische System. Die Medienorganisationen konnten und mussten sich in diesem Prozess, der in den 1970er Jahren begann und sich in den 1980er Jahren massiv beschleunigte (Dualisierung der elektronischen Medien), sozial, politisch und ökonomisch von ihren herkömmlichen Kontexten ablösen und wurden zu Dienstleistungsorganisationen mit beliebiger Kapitalversorgung und hohen Renditeerwartungen. Sie orientieren sich nicht mehr am Staatsbürgerpublikum wie noch die parteinahen Medien, sondern am Medienkonsumenten und schufen dadurch neue Selektions- und Interpretationslogiken öffentlicher Kommunikation.10
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Literaturübersicht vgl. Imhof 2006a.
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Dieser nach wie vor wichtigste Deregulationsvorgang im neoliberalen Wirtschaftsund Gesellschaftsmodell verschafft der Skandalisierung, Konfliktstilisierung und Personalisierung neue Entfaltungschancen, weil der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums zur Intensivierung und Professionalisierung einer nachrichtenwertorientierten Empörungsbewirtschaftung geführt hat (vgl. Schranz 2006). Die jüngste Forschung hat sich stark mit den damit verbundenen Folgen für das Verhältnis von Politik und Medien beschäftigt. Sie zeigt, dass sich Politik in diesem Prozess kommunikativ neu konstituiert (vgl. Imhof 2003). Entsprechend lässt sich feststellen, dass sich die Personalisierungen und Skandalisierungen in den Medien seit den 1980er Jahren deutlich erhöht haben und weiter zunehmen. Diese zielen auf die kognitiv, sozial und moralisch herausgehobene, besser noch auf die kognitiv, sozial und moralisch als defizitär darstellbare Person. Dieser Prozess ist freilich keineswegs auf die Politik beschränkt. Kein Teilsystem kann sich den neuen Aufmerksamkeitslogiken entziehen. Von noch unabsehbarer Bedeutung ist die massenkommunikative Neukonstitution der Ökonomie. Bemerkenswert sind dabei sowohl die Heldenepen auf Vertreter der Managementelite in Gestalt von Porträts, Homestorys und periodisch wiederkehrenden Ratings als auch der Anstieg empörungsheischender Anprangerung des führenden Wirtschaftspersonals. Oft lässt sich bezüglich derselben Person beides finden. Der Manager des Jahres t wird zum skandalisierten Wirtschaftsführer des Jahres t + 1. Die mediale Produktion von Reputation schafft die Voraussetzung zur Zerstörung derselben. Außerdem lässt sich in den Wellen der Managemententschädigungsdebatten eine anhaltende Skandalisierung beobachten, die das Führungspersonal von börsenkotierten Unternehmen exklusiv betrifft (vgl. Imhof 2005). Analog zu den Strukturwandelsindikatoren in der politischen Kommunikation lassen sich die Effekte des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit für die Wirtschaftsberichterstattung zeigen, die noch bis in die 1980er Jahre hinein weitgehend Verlautbarungscharakter hatte (vgl. Eisenegger 2004, Eisenegger/Imhof 2004, Eisenegger/Vonwil 2004, Eisenegger 2005, Schranz 2005, Tobler/Alder 2005, Schranz/Vonwil 2006): –
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Wie in der politischen Berichterstattung vollzog sich auch in der Wirtschaftsberichterstattung eine Substituierung der Skandalisierer. Waren es noch in den 1970er und 80er Jahren im Rahmen der Thematisierung von Umwelt- und Technikfolgerisiken soziale Bewegungen, so handelt es sich nun um etablierte politische Akteure, auf Medienevents spezialisierte NGO (z. B. Greenpeace) und vor allem um die Medien selbst. Sie konkurrenzieren als ‚Enthüller‘ die sozialen Bewegungen und Protestparteien, die diese Funktion traditionell innehaben. Selbst die Gewerkschaften werden hinsichtlich der Problematisierung sozialer Fragen durch die Medien konkurrenziert.11 Im Kontext der ausgeprägten Personalisierung der Wirtschaftsberichterstattung wurde die unpersönliche Form der Darstellung von Unternehmen und die ‚Wir-Kommunikation‘ der Selbstdarstellung durch eine hochpersonalisierte Kommunikation abgelöst, welche die Reputation von Unternehmen auf die Bewertung ihrer Führungsfiguren einengt. Damit wird die historisch gewachsene Organisationsreputation von Un-
Dies bezieht sich auch auf klassisch gewerkschaftliche Themen wie die Mindestlohnfrage sowie das Verhältnis von Spitzen- und Mindestgehältern, die Debatte über die Notwendigkeit, Arbeitsplätze für behinderte Menschen (wieder) zu schaffen, die Auseinandersetzungen über Arbeitgeber- / Arbeitnehmerloyalität sowie die Debatte über Standortloyalität und soziale Verantwortung.
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ternehmen äußerst folgenreich durch die Reputation ihres aktuellen Führungspersonals überformt. Zum einen lockert sich dadurch die Pfadabhängigkeit von Organisationen, weil mit der Erosion der gewachsenen Organisationsreputation auch die damit verbundene Selbstverpflichtung abnimmt; zum anderen wird das Unternehmen von der fragilen, persönlichen Reputation ihres Führungspersonals und dessen Rating abhängig: Die auf den Unternehmenszweck ausgerichtete historisch gewachsene, funktionale Reputation und die Orientierung des Unternehmens an normativen Ansprüchen (soziale Reputation) sowie seine moralische Integrität und Identität (emotionale Reputation) verkürzen sich auf die entsprechenden Aspekte der personalen Reputation des Spitzenvertreters. Zum Dritten entstand ein wachsender Widerspruch zwischen der auf die Medien hin orientierten, also personalisierten Außenkommunikation von Unternehmen und ihrer ‚wir-orientierten‘ Binnenkommunikation. Durch diesen Widerspruch ist die Binnenkommunikation dem Glaubwürdigkeitszerfall ausgesetzt. Die im Kontext der Ausdifferenzierung des Mediensystems sukzessive geschwundene Auseinandersetzung zwischen den Medien über die Interpretation beliebiger Vorgänge zu Gunsten einer gesteigerten Übernahme von Themen mitsamt den Interpretationen führte zu einem Schwund publizistischer Konflikte bzw. umgekehrt: zu einer intensivierten Resonanz gleichförmig nachrichtenwertgesteuerter Berichterstattung über Institutionen, Organisationen und Personen auch des Wirtschaftssystems. Schließlich ist seit den 1990er Jahren eine weitgehende Angleichung der Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken der Wirtschaftsberichterstattung an diejenigen der politischen Berichterstattung zu konstatieren und eine tendenzielle Verwischung der Ressortgrenzen zwischen Politik und Wirtschaft. Die neuen, auf die Maximierung der Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten ausgerichteten Kommunikationslogiken konstruieren den Lauf der Dinge wieder – wie die alte Geschichtsschreibung – als Produkt von Helden und Bösewichten, also als Ergebnis von Menschen und Taten und nicht von Verhältnissen, welche die Menschen, ihre Taten und deren Wirkungen jenseits bloßer Fähigkeits- und Charakterurteile beschreiben können.
Dies sind die Ingredienzien einer leitmedialen öffentlichen Kommunikation, die inzwischen dazu geführt hat, dass wir in der Wirtschaftsberichterstattung eine stärkere charismatische Personalisierung beobachten können als in der politischen Kommunikation. Während die Politikelite in nationalpartikulären Zusammenhängen beschrieben wird, gelten die Wirtschaftsführer als die eigentlichen Masters of the Universe. Entsprechend hoch ist der Nachrichtenwert ihres kognitiven, sozialen oder moralischen Versagens.
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Fazit
Diese innere und äußere Neukonstitution der Ökonomie hat massive Konsequenzen: Die für das Gesellschaftsmodell charakteristische Semantik eines unerbittlichen Steuer-, Standort- und Marktwettbewerbs, die medialen Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken, die modernen Managementtheorien und die darin verwurzelten PR-Strategien der Spitzenmanager erzwingen die charismatische Personalisierung. Alles mündet in den uralten Versuch der Quadratur des Zirkels, außeralltägliche Macht auf Dauer zu stellen. Die Personalisierungs-PR und die Personalisierungslogiken schaffen in den Arenen des Hand-
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lungssystems Wirtschaft und in der öffentlichen Kommunikation ein Starsystem, das Großunternehmen von Einzelfiguren abhängig macht, der Binnenkommunikation die Glaubwürdigkeit entzieht und das Unternehmen der Reputation dieser Spitzenfiguren ausliefert. Damit reduziert sich der Wert gewachsener Unternehmensreputation, es erhöht sich die Volatilität der Unternehmensbewertungen und insgesamt die Volatilität der Wirtschaft. Außerdem dreht sich aufgrund der kurzen Halbwertszeiten charismatischer Herrschaft das Karussell des Spitzenpersonals so schnell, dass mittlere Angestellte bei durchschnittlicher Verweildauer mehrfach neue Herrscher ein- und wieder ausziehen sehen und sich daran gewöhnen, die mit der charismatischen Personalisierung verbundenen Reorganisationen auszusitzen. Es ist eine Ironie dieses Gesellschaftsmodells, dass in ihm der Vorteil der Beständigkeit der modernen, arbeitsteiligen Großorganisation gegenüber personenzentrierten Herrschaftsformen erodiert. Als Lösung für das Problem kontinuierlichen Wachstums von komplexen Gesellschaften wird dieses Personalisierungscrescendo keinen Bestand haben. Die nicht-intendierten Folgen der sozialen Zwänge insbesondere zu charismatischen Personalisierungen sind zu groß. Im Nachhaltigkeitsdiskurs und in der Corporate-SocialResponsibility-Debatte zeichnen sich bereits seit geraumer Zeit Elemente eines neuen, stabileren Gesellschaftsmodells ab. Unter der Bedingung der nachrichtenwertorientierten moralischen Aufladung der medienvermittelten öffentlichen Kommunikation wird sich der Patriarchalismus auch in Großunternehmen wieder durchsetzen. Diese personenzentrierte Herrschaftsform ist in kognitiver, sozialer und moralischer Hinsicht rationaler als die charismatische Beziehung. Mit Letzterer sind nicht nur die größten Unternehmenszusammenbrüche in jüngster Zeit verbunden, sondern auch die erstaunliche Orientierung der Bewertungsgrundlagen von Unternehmen anhand von Erwartungen, die jeden Bezug zu realwirtschaftlichen Daten verloren haben. Allerdings sind beide Herrschaftsformen, die charismatische wie die patriarchalische Beziehung, spezifisch vormodern. Nur die Demokratisierung der Wirtschaft kann Führungsorganisationen aus Stake- wie Shareholders hervorbringen, in der die Deliberation und damit die Macht des besseren Arguments Geltung findet. Dazu müssen freilich soziale und moralische Probleme, wie im sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodell, möglichst dahin delegiert werden, wo sie allgemeinverbindlich gelöst werden können, in die korporativen Strukturen der Sozialpartnerschaft und in die Politik. Die in der öffentlichen Kommunikation stattfindende sozialmoralische Re-Regulation der deregulierten Wirtschaft ist ineffizient, teuer und fragil. Wenn die PR-Forschung sich dem Aquariumsblick öffnet und die Wechselbeziehungen zwischen Organisationskommunikation und öffentlicher Kommunikation in den Großaquarien von Gesellschaftsmodellen analysiert, dann ist sie gerüstet, um diese spannungsgeladenen Prozesse nicht nur verfolgen zu können, sondern sie ist dann auch in der Lage, in kritischer Distanz zur – und entgegen der – PR- und Marketingpraxis sowie der Beratungsindustrie betriebswirtschaftlicher Provenienz auf die Gefahren der Personalisierung der Organisationskommunikation hinzuweisen. Dabei erweist sich der Rekurs auf das klassische sozialwissenschaftliche Reflexionswissen über die Voraussetzungen und die notwendigen inhaltlichen Formen von charismatischer und patriarchalischer Personalisierung als ein heuristischer Zugang, um die aktuellen Formen der Personalisierung und der Personalisierungs-PR verstehen und erklären zu können. Darüber hinaus vermitteln die Einsichten aus den Theorien sozialen Wandels auf Kommunikationsregimes in Gesellschaftsmodellen, dass diese Modelle bestimmte Formen von Organisations- und darin eingebetteter Rollenkommunikation erfordern und andere ausschließen. PR-Forschung als wissenschaftliche
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Analyse von „Kommunikations- und Informationskoppelungen“ zwischen „Systemen“ bzw. „Organisationen“ und ihren „internen und externen Umwelten“ muss also auch die historischen Kontextbedingungen berücksichtigen, weil diese die Opportunitätsstrukturen von Organisationskommunikation bestimmen. In jüngster Zeit zählt dazu ganz zentral der neue Strukturwandel der Öffentlichkeit. Auf ihn und die Binnenkommunikation im Handlungssystem Wirtschaft sind die dargestellten Formen der charismatischen Personalisierung zurückzuführen. Beides ist eingebettet in ein Gesellschaftsmodell, dessen nicht-intendierte Folgen auch in dieser charismatischen Personalisierung sichtbar werden.
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Personalisierung als sozialer Mechanismus in Medien und gesellschaftlichen Organisationen Günter Bentele, Birte Fähnrich
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Einleitung
Als der DaimlerChrysler-Vorstand und jetzige CEO Dieter Zetsche sich schon vor einiger Zeit als Comic-Figur darstellen ließ und persönlich in einem amerikanischen Werbespot des von ihm geführten Automobilkonzerns auftrat, reagierte die deutsche Presse deutlich überrascht. Ist das Auftreten von „Dr. Z“, der damit als erster Vorstandschef eines im Deutschen Aktienindex notierten Unternehmens derartig Präsenz zeigte, „witzig oder unseriös“, fragte etwa die Süddeutsche Zeitung (vgl. Kuntz 2006, Pitzke 2006). Bisher hatten sich deutsche Medien eher darauf eingespielt, Fehltritte von Wirtschaftsgrößen wie Zetsche aufzudecken. Dass diese sich nun freiwillig ins Rampenlicht der Medien begeben, ist – zumindest hierzulande – verhältnismäßig neu. Im politischen Bereich hingegen ist die Strategie, das Führungspersonal ins Zentrum der Organisationskommunikation zu rücken, schon seit langem üblich; als Vorbild dienten hier präsidial verfasste politische Systeme wie beispielsweise die USA (vgl. auch Jarren/Donges 2006). Auch bei der deutschen Bundestagswahl steht weniger die zu wählende Partei, sondern der/die Kanzlerkandidat/-in im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zwar ist dieser Trend im Wirtschaftssystem bislang noch weniger ausgeprägt. Doch auch in der Kommunikationspraxis der Unternehmen wird die Einbeziehung der Führungspersönlichkeiten in die Kommunikationsstrategie – dem Beispiel Dr. Z. folgend – zunehmend als notwendig erachtet.1 Mit ihren Personalisierungsstrategien reagieren Politik und Wirtschaft offenbar im Zuge einer Mediatisierung der Gesellschaft in erster Linie auf ein Element der „Medienlogik“, eine Darstellungsform und -strategie des Mediensystems, Informations- und Unterhaltungsangebote stark und zunehmend personalisiert, also unter Fokussierung handelnder Individuen darzustellen. Personalisierung als mediale Darstellungsstrategie ist dabei bereits in den journalistischen Nachrichtenfaktoren angelegt (vgl. z.B. Galtung/Ruge 1965, Staab 1990). Die bisherige Forschung im deutschsprachigen Raum analysierte Personalisierung vorrangig im Kontext politischer Kommunikation und politischer Berichterstattung (vgl. z.B. Sarcinelli 2001, Kepplinger/Maurer 2005, Wiorkowski/Holtz-Bacha 2005) sowie in Bezug
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Als Indiz für die steigende Relevanz von Personalisierungsstrategien in der Kommunikationspraxis können auch verschiedene von Kommunikationsagenturen durchgeführte Studien gewertet werden, die den Zusammenhang zwischen der Bekanntheit des CEO und der Reputation eines Unternehmens untersuchen (vgl. Burson-Marsteller 2001, 2004, 2006, Güttler-Klewes 2001). Auch wenn es sich bei solchen Praktikerstudien um methodisch nicht immer wissenschaftlich transparente Studien handelt, d.h. deren Ergebnisse unter Validitätsgesichtspunkten zurückhaltend zu interpretieren sind, so können sie doch oft wichtige Trendaussagen liefern, wie in diesen beiden Fällen.
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auf die Selbstdarstellung politischer Organisationen (vgl. z.B. Brettschneider 2002, Scherer 2002, Soyke 2004). Im nicht-politischen Bereich wurde Personalisierung im Rahmen des Kommunikationsmanagements von Organisationen bislang erst wenig Beachtung geschenkt. Die vorhandene Literatur ist dabei stark auf die Kommunikationspraxis hin orientiert (vgl. z.B. Casanova 2004, Becker/Müller 2004, Zerfaß/Sandhu 2006). Was in der bisherigen Forschung auffällt, ist die mangelnde begriffliche Präzision und auch Differenzierung des Begriffs „Personalisierung“. Personalisierung als bewusst eingesetzte Kommunikationsstrategie (z.B. bei Unternehmen) ist sicher etwas anderes als der soziale Prozess, der Organisationen mehr oder weniger dazu zwingt, solche Strategien einzusetzen, oder aber Personalisierung als Teil der „Arbeitslogik“ von Medien. Der vorliegende Beitrag behandelt das Phänomen Personalisierung im Rahmen öffentlicher Kommunikationsprozesse. Personalisierung wird dabei als ein kommunikativer Mechanismus definiert, den Organisationen anwenden und in dem Personen fokussiert, d.h. in den Mittelpunkt der jeweiligen Kommunikation gestellt werden, sei es nun journalistische bzw. mediale Kommunikation und Berichterstattung einerseits oder PR- bzw. Marktkommunikation in Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur andererseits.2 Je nachdem, ob es um Medien oder nicht-mediale Organisationen geht, wird dabei von a) medialer oder b) organisatorischer Personalisierung gesprochen. Um die historischen Ursachen, aber auch die aktuellen Treiber für organisatorische Personalisierung erklären zu können, wird eine klare analytische Unterscheidung zwischen diesen zwei Typen als notwendig erachtet. Darauf aufbauend werden die Personalisierungsformen in eine logische Beziehung zueinander gebracht. Eine Verbindung zwischen den beiden Typen von Personalisierung wird durch den Begriff der Mediatisierung hergestellt. Ausgangsthese der folgenden Betrachtungen, für die hier argumentiert werden soll, ist, dass mediale Personalisierung, also die personengebundene und personenfokussierende Vermittlung journalistischer Inhalte, die wichtigste und die eigentliche Ursache von organisatorischer Personalisierung darstellt. Durch den gesellschaftlichen Mediatisierungsprozess und eine damit verbundene Ausrichtung gesellschaftlicher Subsysteme an den Regeln des Mediensystems, der „Medienlogik“, entsteht eine soziale Kraft, eine Art sozialer Zwang für Organisationen verschiedenen Typs, aufgrund dessen diese Personalisierung als Kommunikationsstrategie (organisatorische Personalisierung) überhaupt erst einsetzen. Mediatisierung als sozialer Umstrukturierungsprozess vermittelt insofern zwischen medialer und organisatorischer Personalisierung. Organisatorische Personalisierung zielt im Rahmen des Kommunikationsmanagements auf die Erreichung strategischer Kommunikationsziele ab, birgt gleichzeitig aber auch kommunikative Risiken für die betreffende Organisation (vgl. u. a. Eisenegger/Imhof 2004, Eisenegger 2005).3
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Dabei ist dieser Begriff Personalisierung nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der „Personen-PR“ oder „PRArbeit für Personen“. Vgl. weiterführend dazu Nessmann (2002, 2005). Personalisierung als kommunikative Strategievariante im Rahmen des Kommunikationsmanagements ist ebenso abzugrenzen vom Verständnis von „Publicity“ (vgl. Grunig/Hunt 1984). Bei dieser Überlegung bleibt ausgeklammert, dass historische Führungspersönlichkeiten, z.B. von Staaten aber auch anderen Organisationen, in der klassischen Soziologie (z.B. Marx, Durkheim, Weber) schon seit langem analysiert worden sind (vgl. den Beitrag von Kurt Imhof in diesem Band). Personalisierung im Zuge von Mediatisierung dürfte aber als Prozess innerhalb moderner Gesellschaften zu sehen sein.
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Personalisierung in den Medien
Personalisierung wird hier ursächlich als ein mediales Phänomen, d.h. als Phänomen, das sich innerhalb des journalistischen Systems als Regel(-system) bildet, aufgefasst. In der journalistischen Arbeit stellt Personalisierung dabei einen Selektions- und Konstruktionsbzw. Rekonstruktionsmechanismus dar. Mediale Personalisierung ergibt sich z.B. aus einer Bevorzugung personalisierter oder personalisierbarer Informationen bei der journalistischen Nachrichtenselektion (Bezug auf Personen oder Elite-Personen (= Personalisierung) als Nachrichtenwert) und andererseits durch die thematische und formale Aufbereitung von Themen (Personalisierung als journalistische Präsentations- bzw. Darstellungsform), wobei personenzentrierte Darstellungsformen möglicherweise zunehmend an Bedeutung gewinnen.
2.1 Personalisierung als Nachrichtenwert Die Nachrichtenwerttheorie ist ein Ansatz, der medienspezifische Selektionsregeln charakterisiert und rekonstruiert. Sie geht – ungeachtet gewisser erkenntnistheoretischer Probleme mit dem Ereignisbegriff – davon aus, dass einzelne Aspekte oder Merkmale eines Ereignisses (Nachrichtenfaktoren) seinen Nachrichtenwert bestimmen.4 Als früher Begründer der Nachrichtenwerttheorie gilt Walter Lippmann, der Ereignismerkmale untersuchte, die die Publikationswahrscheinlichkeit eines Ereignisses erhöhen, und diese erstmals als „news values“ bezeichnete (Lippmann 1990: 237). Die nachfolgenden Arbeiten der Nachrichtenwertforschung (vgl. im Hinblick auf die europäische Forschung u. a. Östgaard 1965, Galtung/Ruge 1965, Schulz 1976, Staab 1990, Eilders 1997) belegen eine Reihe von Nachrichtenfaktoren, die im Zusammenspiel mit anderen Rahmenbedingungen den Wert einer Nachricht bestimmen. Dabei erweist sich der Faktor Personalisierung als konstante Größe in der journalistischen Nachrichtenselektion. “The more the event can be seen in personal terms, as due to the action of specific individuals, the more probable that it will become a news item.” (Galtung/Ruge 1965: 68) Personalisierung als Nachrichtenwert bezeichnet dabei die Bedeutung, die Personen für einen berichteten Sachverhalt zugeschrieben wird (vgl. Staab 1990, Eilders 1997). Verschiedene Arbeiten der Nachrichtenwertforschung konnten belegen, dass Nachrichten durch Journalisten höhere Relevanz zugeschrieben wird, wenn sie personalisiert sind, d.h. Personen thematisieren (vgl. u. a. Schulz 1976, Staab 1990). Personalisierung bekommt somit insgesamt die Funktion eines Selektions- und eines Präsentationsmusters, d.h. eines „kleinen“ Regelsystems bei der Verarbeitung von (beobachteter) Wirklichkeit in Medienwirklichkeit (vgl. Bentele 2007a).
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Das Verhältnis der Begriffe Nachrichtenfaktor (Ereignisfaktoren) und Nachrichtenwert (Relevanzwert einer Nachricht) kann sinnvoll als das Verhältnis von Voraussetzungselementen (Ebene 1) und Ergebnis (Ebene 2) gesehen werden: „Der Nachrichtenwert ist nicht mit dem Begriff Nachrichtenfaktor gleichzusetzen (...) Im Verständnis der Nachrichtenwerttheorie wird einer Nachricht durch die Nachrichtenfaktoren erst ein Nachrichtenwert verliehen. Der Begriff Nachrichtenwert ist demnach auf der Konstruktebene angesiedelt, die Nachrichtenfaktoren stellen die Indikatoren dazu dar.“ (Eilders 1997: 26)
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2.2 Ursachen medialer Personalisierung Für die Bevorzugung personalisierter Nachrichten durch Journalisten finden sich in der Literatur verschiedene Gründe, die hier unter (1) Publikumsorientierung und (2) Medienstruktur zusammengefasst werden. (1) Verschiedene Ursachen für die mediale Personalisierung leiten sich aus den (vermeintlichen) Rezeptionsroutinen des Publikums ab. Unter „Rezeptionsroutinen“ sind dabei (ähnlich wie unter „Produktionsroutinen“) bestimmte Regelsysteme bzw. Codes zu verstehen, die im individuellen Rezeptionsprozess medialer Inhalte und Formen wirksam sind.5 Dabei ist zunächst der Faktor Identifikation zu nennen. Für Östgaard (1965) erhalten in erster Linie diejenigen Nachrichten und Berichte die Aufmerksamkeit des Publikums, die diesem vertraut sind. Diese Vertrautheit kann neben der geographischen, kulturellen oder zeitlichen Nähe zu den Rezipienten auch durch einen hohen Grad an Personalisierung in der Informationsvermittlung entstehen, die sich gewissermaßen als „vermenschlichendes“ Darstellungselement an die Gegebenheiten zwischenmenschlicher Kommunikation annähert (vgl. Robling 1983: 184). Dies gilt umso mehr, je bekannter bzw. prominenter die dargestellten Personen sind,6 so dass der Fokus der Massenmedien bevorzugt auf prominenten Personen, also solchen in einer herausgehobenen sozialen Stellung, liegt (vgl. auch Galtung/Ruge 1965). Personalisierung reduziert Komplexität und erleichtert den Rezipienten von publizistischen Medien außerdem den Umgang und den inhaltlichen Zugang zu Informationsangeboten: Durch persönliche Aussagen und Bewertungen können komplizierte Zusammenhänge nachvollziehbarer, verständlicher und auch unterhaltsamer vermittelt werden. „Die Personalisierung soll Unterhaltsamkeit statt Langeweile und Konkretion anstelle von Abstraktheit in der Berichterstattung verbürgen.“ (Robling 1983: 3) Die Human-Interest-Details bringen „Farbe“ in Blatt und Programm (ebd.: 59). (2) Andererseits sind rein praktische, in der Struktur der Medien begründete Ursachen für die Bevorzugung personalisierter Nachrichten zu nennen: “Persons can act during a time-span that fits the frequency of the news media, ‚structures‘ are more difficult to pin down in time and space. (...) Personification is more in agreement with modern techniques of news gathering and news presentation.” (Galtung/Ruge 1965: 69) Besonders das Fernsehen als Bildmedium, aber ebenso Presse und Internetmedien bedienen sich Personen und 5
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Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge (1965) bewerteten Nachrichtenfaktoren als kognitionspsychologisch erklärbare Selektionskriterien, die sowohl im journalistischen Auswahlprozess von Nachrichtenereignissen als auch im Rezeptionsprozess des journalistischen Produkts durch das Publikum wirksam sind: “we hypothezise that every link in the chain reacts to what it receives fairly much according to the same principles. The journalist scans the phenomena (...) and selects and distorts, and so does the reader when he gets the finished product, the news pages, and so do all the middle-men.” (ebd.: 71) Galtung/Ruge vernachlässigen dabei jedoch die Tatsache individuell unterschiedlicher Informationsverarbeitung, die heute als wesentliche Grundlage von Wirkungsprozessen der medial vermittelten Kommunikation gilt (vgl. Früh 1991, Eilders 1997). Zu der Verwendung des Routinebegriffs hinsichtlich der Medienproduktion vgl. z.B. Tuchman (1977) und Saxer et al. (1986). In der Semiotik (Zeichentheorie) ist die Regelgeleitetheit von Rezeptionsprozessen, und das heißt auch deren Routinecharakter, schon seit langem thematisiert worden, beispielsweise im Begriff der „publizistischen Codes“ (vgl. z.B. Bentele 1981, Nöth 2000). Vgl. zu diesem Problemkontext auch die neueren Befunde der Framing-Forschung (z.B. Scheufele 2004). Je prominenter eine Person, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Prominenz wirkt dabei selbstverstärkend, das heißt, je stärker eine Person öffentlich wahrgenommen wird, desto mehr steigt ihr Grad an Prominenz. Zu den Bedingungen und Bedeutungen von Prominenz in der medialen Berichterstattung siehe auch Peters (1994).
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Gesichtern, um komplexe politische oder ökonomische Sachverhalte darzustellen. In diesem Sinne ist mediale Personalisierung sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht ein Faktor zur Reduktion von Komplexität.
2.3 Personalisierung als Merkmal journalistischer Präsentationsund Darstellungsformen bzw. -programme Generell wird für die vergangenen Jahrzehnte ein Wandel der Selektions- und Interpretationsmechanismen öffentlicher Kommunikation diagnostiziert,7 der in einer stärkeren Orientierung an den Aufmerksamkeits- und Unterhaltungsbedürfnissen der Medienkonsumenten Ausdruck findet (vgl. Jarren 1998). Neben Schlagworten wie Infotainment und Boulevardisierung charakterisiert zunehmend Personalisierung die journalistischen Darstellungsformen (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006). „Im 20. Jahrhundert ist die personalisierende Nachrichtendarstellung zum Merkmal fast aller Medien geworden“ (Robling 1983: 183). Personalisierung spielt somit nicht nur bei der Nachrichtenselektion eine Rolle, sondern spiegelt sich auch in der Aufbereitungsform von Themen, z.B. als Interviews, Kurzzitate, Portraits, Reportagen oder im Rahmen des „Storytelling“. Daneben haben sich, dem Trend zur medialen Personalisierung entsprechend, auch neue Medienformate etabliert: Talkrunden und Promi-Berichterstattung (z.B. „Leute heute“) haben heute im Fernsehprogramm einen festen Platz, in fast allen Printmedien finden sich entsprechende Rubriken, zahlreiche Medien, z.B. Magazine im Printbereich, Talkshows im TV-Bereich, konzentrieren sich ausschließlich auf die Darstellung von (meist prominenten) Personen.8 Dabei sind es längst nicht mehr ausschließlich die altgedienten Stars des Showgeschäfts, die in den Medien persönlich zu Wort kommen. Die personalisierte Darstellung politischer Sachverhalte, nicht nur in Zeiten des Wahlkampfes, ist bereits seit langem Standard9 (vgl. z.B. Robling 1983, Holtz-Bacha/Lessinger/Hettesheimer 1998, Jarren/Donges 2006). Auch im Wirtschaftsbereich weist der Trend hin zu einer zunehmenden Personalisierung der Berichterstattung, die zunehmend Köpfe statt Zahlen in den Vordergrund der Berichterstattung stellt10 (vgl. z.B. Mast 2004: 323).
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Als Auslöser dafür werden in der Regel die soziale und ökonomische Ablösung der Medien von ihren herkömmlichen Trägern (wie politischen Parteien, Verbänden, Kirchen), der wachsende wirtschaftliche Druck und die steigende Konkurrenz unter den Medienanbietern genannt (vgl. z. B. Jarren/Donges 2006). In deutschen Talkshows wie „Anne Will“, „Menschen bei Maischberger“ oder „Beckmann“ präsentieren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wöchentlich ihre Einschätzung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Fast alle Printmedien haben mittlerweile mit „Menschen“, „Personen“ o. ä. überschriebene Rubriken. Nicht nur Klatsch- und Tratschmedien (z.B. Gala, Bunte, Bild der Frau), sondern auch die seriöse Wirtschaftspresse setzt auf Personalisierung: Die Financial Times Deutschland (FTD) stellt z.B. in der Rubrik „Kopf des Tages“ erfolgreiche Unternehmer vor und geht dabei auch auf persönliche Einstellungen und private Interessen der Manager ein. Das Manager Magazin konzentriert sich in seiner Berichterstattung stark auf Personen. Zur historischen Entwicklung der Personalisierung von politischen Informationen in publizistischen Medien vgl. Robling (1983: 16ff.). Für den Analysezeitraum 2004 weisen die Ergebnisse einer Studie der Zeitschrift Medien Tenor im Vergleich zum Vorjahr auf eine deutliche Steigerung der Personalisierung in der Unternehmensberichterstattung hin (vgl. VB 2005a, 2005b). Laut einer Studie zur Reputation deutscher Vorstandsvorsitzender ist der Anteil der Berichterstattung über deutsche Vorstandsvorsitzende im Zeitraum 1991 – 2001 um 50 Prozent gestiegen (vgl. Burson-Marsteller 2001).
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Die Versuche, konsistente Journalismustheorien zu entwickeln, sind nach wie vor in Entwicklung begriffen.11 Als Grundparadigma dominieren in Deutschland system- und handlungstheoretische Perspektiven, aber auch „Kombinationen“ dieser beiden Paradigma. Aus systemtheoretischer Perspektive sind seit ca. 30 Jahren Versuche vorgelegt worden, Journalismus als soziales System zu beschreiben (vgl. z.B. Rühl 1979, 1980, Blöbaum 1994, Scholl/Weischenberg 1998). Die Diskussion über das dem Journalismus übergeordnete soziale System (Publizistik, Öffentlichkeit, Medien etc.) dauert ebenso an wie die Diskussion über die Fassung der Binnenstruktur von Journalismus. Wichtig scheint hier – um Personalisierung als Phänomen einzuordnen – vor allem der Begriff des Programms. Rühl (1979, 1980) hat als Erster eine gesellschaftliche Funktion von Journalismus postuliert und darunter Konditional- oder Zweckprogramme (auch Input- und Outputprogramme) unterschieden. Blöbaum (1994, 2004) unterscheidet ebenso eine Funktion von Journalismus, die von einem binären Code gekennzeichnet ist, Leistungs- und Publikumsrollen, Organisationen, Programme und Reflexionseinrichtungen (z.B. die Wissenschaft – Journalismus). Darüber hinaus werden fünf Programmtypen unterschieden: Ordnungsprogramme, Darstellungsprogramme, Informationsprogramme, Selektions- und Prüfprogramme. Görke (2002, 2004) unterscheidet zwischen Selektionsprogrammen (Informationen) und Darstellungsprogrammen (Mitteilung). Versucht man das Phänomen mediale Personalisierung in so eine systemtheoretische Perspektive einzupassen, so könnte man Personalisierung – zumindest auf den ersten Blick – am ehesten den Darstellungsprogrammen zurechnen. Unter „Darstellungsprogrammen“ werden bei Blöbaum „Formen journalistischer Beiträge und Techniken der Präsentation von Inhalten“ (Blöbaum 2004: 209) verstanden. Da Journalisten aber auch schon personalisierte Inhalte bevorzugt auswählen, dürfte Personalisierung auch als Element von Selektionsprogrammen verstanden werden. In handlungstheoretischen Ansätzen wird der Programmbegriff weniger benutzt, hier würde man von Regeln und Regelsystemen sprechen (vgl. z.B. Bucher 2004: 271 ff.).
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Mediatisierung
Eingangs wurde die These formuliert, dass mediale Personalisierung wohl als die wesentliche Ursache für Formen organisatorischer Personalisierung betrachtet werden muss. Wie lässt sich dieser Prozess denken? Er lässt sich vor allem durch den Prozess der „Mediatisierung“ beschreiben und vermutlich auch erklären. Organisationen verschiedener funktionaler Teilsysteme der Gesellschaft werden unter eine Art Systemdruck gesetzt, Personalisierung als Kommunikationsstrategie um bestimmter Vorteile willen einzusetzen.
3.1 Die Mediatisierung der Gesellschaft In einer zunehmend differenzierten und komplexen Welt ist einerseits das Mediensystem, dessen wichtigste Funktion darin besteht, ein gesellschaftliches Beobachtungs- und Orientierungssystem zu sein (vgl. Bentele 1988, Kap. 5) schon stark ausdifferenziert und prinzi-
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Vgl. als Übersicht über neuere Journalismustheorien Löffelholz (2004).
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piell in der Lage, über alles jederzeit zu berichten, alles zu thematisieren.12 Andererseits kann nur ein minimaler Bruchteil der sich vollziehenden realen Ereignisse von den Rezipienten unmittelbar erlebt und beobachtet werden. Demzufolge wird der weitaus größte Teil der von der Bevölkerung aufgenommenen und verarbeiteten Informationen über das Mediensystem vermittelt, die von den Medien und ihren Quellen generierten Themen haben einen starken Einfluss auf die Publikumsagenda.13 „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Luhmann 1996: 9) Anhaltend ist eine Strukturveränderung zwischen Medien und Gesellschaft zu verzeichnen, die sich in einer Zunahme von medialen Angeboten, der Entwicklung neuer Medienformen, einer deutlich gesteigerten Vermittlungsleistung und -geschwindigkeit von Informationen und einer gesamtgesellschaftlichen Aufmerksamkeit und Anerkennung gegenüber den Massenmedien äußert (vgl. u.a. Jarren/Donges 2006). Die zunehmende mediale Vernetzung aller Lebensbereiche, die Saxer (2004: 151) als „gesellschaftliches Totalphänomen“ sieht, zusammen mit der Ausrichtung der Logik gesellschaftlicher Teilsysteme an der Medienlogik wird als Mediatisierung (synonym: Medialisierung) bezeichnet. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive kann Mediatisierung definiert werden als ein Prozess innerhalb von Informations- bzw. Kommunikationsgesellschaften,14 in dem Akteure und Organisationen innerhalb teilautonomer gesellschaftlicher (Funktions-)Systeme (wie z.B. Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft) ihr Handeln immer stärker nach den Regeln der medialen Logik ausrichten (müssen). Das Mediensystem und seine „Logik“ (Nachrichtenwerte, Entertainment/Unterhaltungswerte, Personalisierung, Geschwindigkeit) werden daher a) zum konstitutiven Faktor in solchen Gesellschaften und b) zu einem „Motor“ dieser Entwicklung.15 In der mediatisierten Gesellschaft wird Öffentlichkeit wesentlich massenmedial hergestellt (vgl. Neidhardt 1994, Gerhards 1993). Massenmedien leisten dabei einen entscheidenden Beitrag zur (medialen) Rekonstruktion der nicht-medial vorhandenen (natürlichen) oder hergestellten (sozialen) Wirklichkeit (vgl. Bentele 2007a, Luhmann 1996). Das Konstrukt bzw. Rekonstrukt der Medienwirklichkeit ist eine Leistung des Mediensystems, es vollzieht dabei die ihm eigene Beobachtungs- und Orientierungsfunktion. Die durch das publizistische System vermittelten Informationen sind dabei in einem starken Maße zu einem Konstituens von Gesellschaft geworden: Zur Information über sich selbst, zur Kommunikation mit der Gesellschaft und zur Legitimation ihrer Interessen sind die Organisationen der gesellschaftlichen Funktionssysteme zunehmend auf die Vermittlungsleistung des
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Zusätzlich ist das Mediensystem mittlerweile selbst global vernetzt und nimmt immer stärker globale Züge an. Befunde der Agenda-Setting-Forschung bestätigen einen signifikanten Einfluss der Themensetzung durch die Massenmedien (Media Agenda) auf die sog. Public Agenda (vgl. u. a. Brosius 1994, Schenk 2002, Jäckel 2005). In den westlichen Gesellschaften sind vielfältige Phänomene eines Strukturwandels zu beobachten, die in den Sozialwissenschaften zu verschiedenen Konzepten von Gesellschaft geführt haben. Dazu zählen u. a. postmoderne Gesellschaft, Mediengesellschaft, Informationsgesellschaft, Wissensgesellschaft etc. Einen guten Überblick liefern Meier/Bonfadelli (2004). Vgl. u. a. Bentele (1998: 143), Sarcinelli (1998). Schade (2004: 118) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen „Medialisierung“ als Operation bzw. Prozess und den daraus resultierenden (z.B. sozialen und psychischen) Folgen.
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Mediensystems angewiesen16 (vgl. Ronneberger 1977, Ronneberger/Rühl 1992). Dabei sind die gesellschaftlichen Funktionssysteme, ihre Organisationen und Akteure einerseits potenzielle Objekte medialer Beobachtung (vgl. Szyszka 2007). Sie nutzen das Mediensystem jedoch auch zur Beobachtung und Modifikation ihrer jeweiligen Operationen. So können beispielsweise politische Organisationen und auch das gesamte System politische Öffentlichkeit nur über das Mediensystem herstellen (vgl. Löffelholz 1997).
3.2 Mediatisierung als Programm-Adaption? Vorausgesetzt, es macht Sinn, Massenmedien17 als ein gesellschaftliches Funktionssystem zu betrachten (vgl. Luhmann 1997 (Bd. 2): 1102), und vorausgesetzt, es macht ebenfalls Sinn, neben (stabilen) Codes gesellschaftlicher Funktionssysteme die Existenz von „Programmen“ anzunehmen, die deutlich flexibler als Codes sind, so lässt sich Mediatisierung vermutlich am besten auf der Programmebene gesellschaftlicher Funktionssysteme und Organisationen ansetzen.18 Mediatisierung kann – auf einer makroanalytischen Betrachtungsebene, auch unabhängig vom Luhmannschen Ansatz betrachtet – als ein sozialer Prozess beschrieben werden, der sowohl auf der Ebene von Organisationen wie auch auf der Ebene gesellschaftlicher Funktionssysteme stattfindet, aber gleichzeitig mehrere Organisationen und gesellschaftliche Funktionssysteme tangiert. Da dieser Prozess für eine Anpassung dieser Funktionssysteme und innerhalb der Funktionssysteme sorgt, wird Mediatisierung hier als Anpassungsprozess (Adaption) definiert, in dem sich die Programme gesellschaftlicher Funktionssysteme und Organisationen an die Programme des Mediensystems, dessen System von Regeln und Routinen, anpassen. Ob dieser Prozess – evolutionär gesehen – zunächst als Anpassungsprozess von Organisationen verstanden werden muss, der dann die jeweiligen Funktionssysteme erfasst, ob dies in umgekehrter Folge geschieht oder ob dieser Prozess sich wechselseitig vollzieht, muss hier dahingestellt bleiben. Die Anpassung sozialer Funktionssysteme (wie Politik, Wirtschaft, Kunst oder Sport), aber auch der entsprechenden Organisationen an Medienprogramme wird vom Mediensystem mehr oder weniger erzwungen, vermutlich sowohl auf der Ebene von Organisationsprogrammen wie auch von Programmen der funktionalen Teilsysteme. Der Grund hierfür liegt vermutlich in den (evolutionären) Vorteilen, die Organisationen verschiedener Art, wie Unternehmen, Verbände, NGOs, innerhalb einer gewandelten öffentlichen Kommuni16
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In pluralistischen Gesellschaften ist es z.B. für politische Akteure zentral wichtig, politisches Handeln über Medien zu kommunizieren und zu legitimieren. Auch im Wirtschaftsbereich besteht eine zunehmende Notwendigkeit zum Einsatz kommunikativer Mittel, um vor dem Hintergrund gesättigter Märkte weiterhin Absätze zu erzielen. Darüber hinaus sind börsennotierte Wirtschaftsunternehmen gesetzlich (vgl. u. a. Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz) und moralisch (vgl. die Konzepte der Corporate Governance, z.B. Pasalic 2007) zu einer umfassenden Information aller relevanten Teilöffentlichkeiten angehalten. Die Frage, ob Massenmedien, Journalismus oder Öffentlichkeit als Funktionssystem und dementsprechend andere Systeme als Leistungssysteme betrachtet werden (als Überblick vgl. z.B. Scholl/Weischenberg 1998, Hohlfeld 2003, Löffelholz 2004) sowie die präzise Abgrenzung dieser Begriffe voneinander, ist zwar für die Kommunikations- und Journalismustheorie wichtig, kann an dieser Stelle aber aus pragmatischen Gründen unterbleiben. Auch wenn Journalismus als das dominante Funktionssystem ausgewählt würde, wären die nachfolgenden Überlegungen nicht grundsätzlich tangiert. Zur systematischen Einführung des Programmbegriffs vgl. Luhmann (1987: 432). Zur Unterscheidung von Code und Programm hinsichtlich Invarianz bzw. Variabilität vgl. z.B. Luhmann (1997(Bd. 1): 377). Zu Programmatik der Massenmedien, als gesellschaftliches Funktionssystem verstanden vgl. Luhmann (1996: 37, 129).
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kation haben, wenn sie sich den vom Mediensystem entscheidend definierten Regeln fügen bzw. diese für ihr eigenes Handeln adaptieren. Organisationen spüren Vorteile für die eigenen Kommunikationsaktivitäten und nehmen solche wahr, wenn sie sich an Regeln des Mediensystems besser anpassen.19 Public Relations als Kommunikationsfunktion von Organisationen kann sowohl in organisatorischer wie auch in gesellschaftlicher Perspektive beschrieben werden. In einer systemtheoretischen Perspektive kann Public Relations – wie auch Journalismus – als publizistisches Teilsystem begriffen werden (vgl. Ronneberger/Rühl 1992, Bentele 1994a, b), das strukturelle Kopplungen (vgl. Löffelholz 1997, Luhmann 2000) zu anderen gesellschaftlichen Systemen aufweist.20 Das PR-System als publizistisches Teilsystem fungiert in diesem Sinne als Leistungserbringer21 bzw. Interessenvertreter anderer Funktionssysteme (vgl. Ronneberger/Rühl 1992, Jarren/Donges 2006). Wird Mediatisierung als Programm-Adaption gesellschaftlicher Funktionssysteme (und deren Organisationen) an das Mediensystem verstanden, muss demnach das Verhältnis zwischen PR-System und Medien-System genauer betrachtet werden. Mediensystem und PR-System lassen sich als publizistische Teilsysteme verstehen, die u.a. ein gemeinsames Ziel – Publizität – haben. Beide sind auf das Medienpublikum ausgerichtet, dessen (knappe) Aufmerksamkeit gewonnen werden soll (vgl. u.a. Raupp 2004). Die komplexe Beziehung zwischen den publizistischen Teilsystemen kann dabei mit dem Begriff Intereffikation (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997, Bentele/Nothhaft 2004) beschrieben werden. Dabei wird ein gegenseitig vorhandener Einfluss, eine gegenseitige Orientierung und eine gegenseitige Abhängigkeit (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 240) zwischen den relativ autonomen Systemen unterstellt. Das bedeutet, dass die eine Seite ihre Leistungen nur auf Grundlage der Leistungen der anderen Seite erbringen kann und umgekehrt. Gleichzeitig können beide Seiten Einfluss auf die Kommunikationsleistung der jeweils anderen Seite nehmen. So versucht das PR-System durch gezielte Induktionen Publizität für spezifische Themen in der medialen Berichterstattung zu erlangen. Induktionen können dabei als „intendierte, gerichtete Kommunikationsanregungen oder -impulse definiert werden, die – werden sie wahrgenommen oder aufgenommen – zu Kommunikationseinflüssen werden, die wiederum zu beobachtbaren Wirkungen auf der komplementären Seite führen.“ (Bentele 2007b: 211) Das journalistische System entscheidet weitgehend autonom, ob und inwieweit es die Induktionen des PR-Systems akzeptiert. Die Voraussetzung für eine gelingende Interaktion liegt dabei in einer gegenseitigen Adaption. Eine Anpassung des PR-Systems an die journalistischen Regeln und Routinen erhöht in diesem Sinne die Chancen auf eine erfolgreiche Einflussnahme. Für das PR-System bilden dabei in einer Sachdimension die Kriterien medialer Nachrichtenselektion (Nachrichtenfaktoren: Personalisierung, Prominenz etc.) einen Orientierungsrahmen (Constraints), aus dem sich
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Adaption ist neben der Induktion eine wichtige Dimension im Intereffikationsmodell (vgl. Bentele/ Liebert/Seeling 1997, Bentele/Nothhaft 2004, Bentele 2007b), das die Beziehungen zwischen der Kommunikation von Organisationen und dem Journalismus beschreibt. In einer handlungstheoretischen Perspektive wird PR auf Akteursebene als „strukturiertes kommunikatives Handeln von Einzelakteuren in organisatorischen Kontexten betrachtet, d.h. entweder innerhalb von sozialen Organisationen oder in systematischen Beziehungen mit Organisationen. (...) Der organisatorische Kontext ist also konstitutiv für die Erbringung der Kommunikationsleistung.“ (Bentele 2007a: 149) Ronneberger/Rühl (1992) verstehen das Verhältnis von PR zu einzelnen gesellschaftlichen Funktionssystemen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. als „Leistung“.
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die Publikationschancen im journalistischen System ableiten lassen (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997, Bentele/Nothhaft 2004). Was bedeutet dies nun in Hinblick auf den Faktor Personalisierung? Es wurde dargestellt, dass die Herstellung von Öffentlichkeit wesentlich massenmedial erfolgt. Die gesellschaftlichen Funktionssysteme sind dabei zur Legitimation ihrer Interessen mittels PR auf die Medien als Vermittler ihrer Informationen angewiesen. Unter den Bedingungen der Mediatisierung der Gesellschaft im Sinne einer Anpassung der gesellschaftlichen Funktionssysteme an die Medienlogik ergibt sich soziale Personalisierung als eine Art Zwang, der sich auf organisatorischer Ebene manifestiert und sich als Adaption von medialen Personalisierungsmustern zeigt. Organisationen nutzen offenbar zunehmend Formen der personalisierten Kommunikation zur Verfolgung ihrer strategischen Kommunikationsziele, sind sich dabei aber nicht immer bewusst, dass mit solchen Entscheidungen nicht nur Vorteile einhergehen, sondern sich auch die Risiken entsprechend erhöhen. Bevor organisatorische Personalisierung nun weiter ausdifferenziert wird, soll der bisher erläuterte Gesamtzusammenhang in Form eines grafischen Modells (Abb. 1) dargestellt werden. Abbildung 1:
Entstehung von organisatorischer Personalisierung als Folge der Programmadaption sozialer Funktionssysteme an das Mediensystem
Die Abbildung stellt das Mediensystem und – mittels der geschwungenen Pfeile – Mediatisierung als Einfluss auf die Programme anderer Funktionssysteme (als Beispiele Politik und Wirtschaft) dar. Aus der Perspektive dieser Funktionssysteme ist dieser Einfluss eine Form von Programmadaption. Im Zuge dieser Programmadaption entsteht für die Organisationen in Politik, Wirtschaft etc. ein Druck, auch ihre Organisationsprogramme entsprechend auszurichten. Personalisierung wird so auch Element von Organisationsprogrammen. Nicht nur organisatorische Personalisierung, sondern auch mediale Personalisierung könnte den „Zweckprogrammen“, d.h. den outputorientierten Organisationsprogrammen (vgl. Luhmann 2000: 261 ff.) zugerechnet werden. Während mediale Personalisierung aber zum „Programmkern“, zur internen Arbeitslogik journalistischer und medialer Produktion ge-
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hört, ist dies bei organisatorischer Personalisierung nicht der Fall. Personalisierung bei nicht-medialen Organisationen wird in der Regel auf der Leitungsebene entschieden und vor allem von organisatorischen „Grenzstellen“ wie Kommunikationsabteilungen geplant und umgesetzt. Insofern kann organisatorische Personalisierung als eine organisatorische Kommunikationsstrategie (unter anderen) gesehen werden. Während Personalisierung zum „Programmkern“ einer Zeitschrift wie „Gala“, einer Sendung wie „Beckmann“, aber auch als Element zum Produktionsprogramm einer Nachrichtenagentur gehört, machen für Automobilunternehmen technische Programme (Konstruktion von Autos) und wirtschaftliche Programme diesen Kern aus. Die (personalisierte) Darstellung des CEO für interne und externe Publika muss eher zum kommunikativen „Unterstützungs- und Begleitprogramm“ desselben Unternehmens gezählt werden. Allerdings werden diese „Unterstützungsprogramme“ der Unternehmenskommunikation in Mediengesellschaften immer wichtiger und beginnen dadurch, dass sie eben nicht nur die laufende Leistungserstellung unterstützen, sondern auch immaterielles Kapital (Reputation und Vertrauen als Erfolgspotenziale) aufbauen, Legitimität gegenüber der Außenwelt sichern und auch Vorteile in Wettbewerb, Rentabilität und Liquidität zu schaffen,22 selbst Teil der „Kernprogramme“ zu werden.
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Personalisierung in der Organisationskommunikation
4.1 Zum Begriff der Organisation Der Begriff Organisation wird in den Sozialwissenschaften mehrdeutig verwendet. Als Organisation kann in einem instrumentellen Verständnis zunächst ein Instrument zur Steuerung von Leistungsprozessen verstanden werden. Relevant für die vorliegende Betrachtung ist das institutionelle Verständnis von Organisation. Hier bezeichnet der Begriff Institutionen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche (z.B. ein Wirtschaftsunternehmen, eine politische Partei, eine Kultureinrichtung, einen Sportverein etc.) mit spezifischen Eigenschaften. Systemtheoretisch werden Organisationen als soziale Systeme der Mesoebene beschrieben. Als soziale Gebilde bestehen sie aus Individuen oder Gruppen, deren Handeln im Rahmen einer funktionalen Differenzierung einer spezifischen Zweckorientierung dient. In diesem Sinne werden Organisationen zunächst wesentlich über die spezifischen Leistungen charakterisiert, die sie im gesellschaftlichen Kontext erbringen (vgl. z.B. Mayntz 1977, Staehle 1999, Schreyögg/Werder 2004, Szyszka 2007). Im Falle eines Wirtschaftsunternehmens sind dies beispielsweise die Umsatzerlöse oder der Aktienkurs, bei politischen Organisationen (z.B. einer politischen Partei) Gesetzesvorlagen oder Wahlergebnisse. Die Leistungen eines Fußballvereins hingegen spiegeln sich im Tabellenplatz oder im Klassenerhalt. Diese Ziele und Ergebnisse von Organisationen lassen sich also über Kennziffern oder Schlüsselbegriffe ausdrücken. Wahrnehmungspsychologisch betrachtet bleiben die Vorstellungen, die sich auf diesem Weg mit einer Organisation verbinden lassen, aber abstrakt. Organisationen als soziale Systeme sind immer eingebettet in einen übergeordneten Funktionszusammenhang. Sie lassen sich als Elemente gesellschaftlicher Funktionssysteme
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Vgl. dazu stellvertretend für viele und mit den wichtigsten Argumenten Zerfaß (2007).
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wie Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst etc. sehen.23 Organisationen operieren in der Erfüllung ihrer Kernaufgaben, aber auch in der Kommunikation über diese, nicht nur mit materiellen oder kommunikativen Werkzeugen und Instrumenten, sondern u. a. auch mit der geistigen Vorwegnahme konkreter Handlungen, also Plänen bzw. Strategien. Als eine Kommunikationsstrategie unter anderen bzw. als Teil solcher Kommunikationsstrategien lässt sich Personalisierung ausmachen, d.h. die intendierte, kommunikative Fokussierung auf Personen für die externe und interne Kommunikation. Personalisierung wird in internationalem Maßstab von politischen Organisationen als Kommunikationsstrategie schon seit längerem aufgegriffen und angewandt. Parteien rücken im Rahmen von Wahlkämpfen vor allem die Spitzenkandidaten bewusst und strategisch begründet in den Mittelpunkt der Kommunikation, um dadurch z.B. eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Häufig werden thematische Programme oder Teilprogramme eng an die öffentlich sichtbaren Kandidaten gekoppelt. Auch in Deutschland hat die öffentliche – auf die Person bezogene – Darstellung der Kanzlerkandidaten gegenüber der – auf Themen bezogenen – Selbstdarstellung ihrer Parteien deutlich an Bedeutung gewonnen (vgl. u. a. Brettschneider 2002, Holtz-Bacha/Lessinger/Hettesheimer 1998, Jarren/Donges 2006). Dementsprechend sind kommunikative Selbstdarstellungskompetenzen dieser Kandidaten deutlich wichtiger geworden; aus diesem Grund werden auch Kommunikationsberater (z.B. hinsichtlich Aussehen, Argumentationsverhalten, etc.) zunehmend hinzugezogen. Im Sportbereich, z.B. im Bundesligafußballsport, ist der Trainer für die Medien ein zentral wichtiger Ansprechpartner. Kommunikative Kompetenzen sind bei diesem Personenkreis zunehmend eine bedeutende Voraussetzung geworden, sportliche Fachkompetenz allein reicht schon lange nicht mehr hin. Im Kunstbereich ist das „Starsystem“ seit langem gewohnter Bestandteil, dies scheint sich jedoch durch die Notwendigkeiten öffentlicher Kommunikation und Vermarktung noch zu steigern. Auch in anderen gesellschaftlichen Systemen, etwa in der Wissenschaft, sind Formen von Personalisierung zu beobachten, beispielsweise werden Rankings von Universitäten, Fächern und Studiengängen immer wichtiger, der „Professor des Jahres“ wird ausgezeichnet etc. Zunehmend wenden auch Organisationen des Wirtschaftssystems, also vor allem Unternehmen, die Kommunikationsstrategie der Personalisierung an. Kommunikative Mittel sind z.B. „Homestories“, öffentliche Auftritte des Vorstandsvorsitzenden in Talkshows, die Einrichtung von CEO-Blogs, die Einbindung des „Chefs“ in Werbeanzeigen etc. (vgl. z.B. Zerfaß/Sandhu 2006)
4.2 Bedeutungsdimensionen organisatorischer Personalisierung Personalisierung im Rahmen der Organisationskommunikation stellt Mitglieder dieser Organisation (zumeist Führungskräfte) zur Erreichung der organisatorischen Kommunikationsziele in den Mittelpunkt der Kommunikationsaktivitäten. Dabei ergeben sich zwei Bedeutungsdimensionen von Personalisierung im organisatorischen Kontext:
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Vgl. Luhmann (1987). Luhmann ist allerdings, was das theoretische Verhältnis von Funktionssystemen und Organisationen anbelangt, nicht konsistent, vgl. dazu Kneer (2001), der in diesem Zusammenhang eine eigene Position entwickelt.
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(1) Vor dem Hintergrund der Mediatisierung der Gesellschaft stellt Personalisierung eine Herausforderung an die Kommunikation bzw. Kommunikationsabteilungen von Organisationen dar, weil ein großer Teil der Kommunikationsziele (z.B. Publizität für Themen und Marken, die Verbreitung von Images, Einstellungs- und Verhaltensänderungen) von Organisationen nur über die Massenmedien erreichbar ist.24 Um die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, müssen Organisationen sich demgemäß an die Medienlogik anpassen. (2) Folgerichtig setzen Organisationen Personalisierung im Sinne einer kommunikationspolitischen Strategievariante im Rahmen des Kommunikationsmanagements25 immer dann ein, wenn dies aufgrund ihrer Nutzen-Kalkulationen zur Erreichung der strategischen Kommunikationsziele Sinn ergibt (vgl. Szyszka 2004). Natürlich können hier Personalisierungsstrategien nicht nur in einer positiven Variante, sondern auch negativ – als DePersonalisierung – eine Rolle spielen. Verschiedene Bereiche des Kommunikationsmanagements nutzen Personalisierung im Rahmen der strategischen Kommunikation mit den Teilöffentlichkeiten der Organisation: Neben einer Einbindung der Personalisierungsstrategie im Rahmen der Media Relations werden personalisierte Formen der Kommunikation z.B. auch im Rahmen der Internal Relations (Kommunikation mit Mitgliedern der Organisation) oder der Investor Relations (Kommunikation mit Shareholdern) eingesetzt (vgl. Becker/Müller 2004).
4.3 Formen und Mechanismen organisatorischer Personalisierung Kommunikation ist für alle Organisationen entscheidend wichtig, ja sie bestehen – so Luhmann – nur durch Kommunikation.26 Dabei findet sowohl innerhalb von Organisationen als auch zwischen Organisationen und ihrer Außenwelt Kommunikation statt (vgl. TheisBerglmair 2003: 18). Sowohl interne (oder Binnen-)Kommunikation als auch externe Kommunikationsprozesse dienen dabei der Verfolgung des übergeordneten Organisationszwecks. Im Rahmen der Organisationskommunikation wird die für viele Außenstehende „abstrakte“ Organisation symbolisch repräsentiert27 (vgl. Theis-Berglmair 2003, Mead 24
25
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Davon sind Formen der direkten Kommunikation mit den Bezugsgruppen bzw. Stakeholdern des Unternehmens zunächst ausgeschlossen. Jedoch nehmen diese die betreffende Organisation zusätzlich medienvermittelt wahr (vgl. Bentele 1994a, b, 2007a). Massenmedien haben aufgrund der ihnen zugeschriebenen Glaubwürdigkeit eine hohe Bedeutung hinsichtlich der drei PR-Ziele Bekanntheit, Einstellungs- und Verhaltensänderung, wodurch die Ansprache der Organisationsteilöffentlichkeiten via Massenmedien gegenüber anderen Wegen der (direkten) PR-Kommunikation häufig nach wie vor bevorzugt wird (vgl. u.a. Mast 2002). Als Kommunikationsmanagement kann ein „arbeitsteilig und hierarchisch organisierter Steuerungsprozess bezeichnet werden, der den komplexen Prozess der (Umwelt-)Beobachtung, Analyse, Strategieentwicklung, Organisation, Umsetzung und Evaluation von organisationsbezogenen Kommunikationsprozessen enthält.“ (Bentele 2007a: 150) Kommunikationsmanagement ist in diesem Verständnis zu unterscheiden von ungeordneter oder routinisierter PR. Vgl. zu einem neueren Verständnis von Kommunikationsmanagement auch Zerfaß (2007). „Soziale Systeme bestehen aus Kommunikation. Kommunikation ist diejenige autopoietische Operation, die rekursiv auf sich selbst zurückgreift und vorgreift und dadurch soziale Systeme erzeugt. Kommunikation gibt es somit nur als soziale Systeme und nur in sozialen Systemen.“ (Luhmann 2000: 59) Im „symbolischen Interaktionismus“ wird kommunikatives Handeln als symbolisch vermittelte Interaktion definiert. Dies setzt einen Vorrat an Zeichen voraus, die für die Kommunikationspartner dieselben Objekte symbolisieren. Vgl. zur Bedeutung des symbolischen Interaktionismus für die Organisationskommunikationsforschung Theis-Berglmair (2003) und Raupp (2004).
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1995, Burkart 2002, Blumer 2004). Dies vollzieht sich maßgeblich in drei Bereichen: a) durch Handlungen der Organisation (z.B. Routineprozeduren, Rituale, etc.), b) durch organisationsspezifische sprachliche Ausdrucksformen (Kommunikationsstil, Slogans etc.), und c) durch das äußere Erscheinungsbild (Corporate Design) der Organisation. Etablierte Formen des Corporate Design sind etwa das Logo einer Organisation oder bestimmte Gestaltungskonstanten (vgl. Piwinger/Niehüser 1997, Abdullah/Hübner 2005, Schmidt 2007). Im Rahmen von Personalisierung als Strategie der Organisationskommunikation fungieren die Mitglieder bzw. Akteure einer Organisation auch als Symbole. Führungspersonen, etwa der Vorstandsvorsitzende eines Wirtschaftskonzerns, der Vorsitzende einer Partei oder der Cheftrainer eines Sportvereins, sind herausgestellte Organisationsakteure, die aufgrund ihrer Führungsrolle innerhalb der Organisation die Gesamtverantwortung für die Erreichung des Organisationszwecks tragen. Sie sind in diesem Sinne natürliche Repräsentanten einer Organisation und werden in der Öffentlichkeit demgemäß wahrgenommen. Dabei können Führungspersonen ihre Organisation auf doppelte Weise symbolisieren: Der Repräsentant gibt seiner Organisation zunächst auf visueller Ebene ein „Gesicht“, eine physische Repräsentanz, die die Wiedererkennbarkeit der betreffenden Organisation erleichtert. Gleichzeitig repräsentieren Führungspersonen als „Kopf“ die Interessen und Leistungen ihrer Organisation, sie können demzufolge auch als psychische Repräsentanz der Organisation angesehen werden. Bereits angedeutet wurde, dass die Vorstellungen von Organisationen in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst weitgehend abstrakt sind. Dabei ist das Image, das die Stakeholder einer Organisation von dieser haben, sicher konkreter als jenes, das solche Teilöffentlichkeiten haben, die nicht in direkter Beziehung zu dieser Organisation stehen. Insgesamt haben aber außenstehende Stakeholdergruppen immer nur einen begrenzten Einblick in die Binnenstrukturen und in die Entscheidungsstrukturen einer Organisation. Daher wird dem Auftreten und Verhalten von Repräsentanten in der Öffentlichkeit i. d. R. Repräsentativität für die betreffende Organisation unterstellt.28 Organisationsleitung und Organisationsleistung sind in der öffentlichen Wahrnehmung so klar miteinander verbunden. Das in der öffentlichen Kommunikation präsente Persönlichkeitsprofil der Führungsperson als Repräsentant der Organisation wird damit zum weitgehend unterstellten Profil der Organisationspersönlichkeit. Doch nicht nur herausgestellte Führungspersonen, sondern auch Mitarbeiter des mittleren Management werden als Repräsentanten ihrer Organisation wahrgenommen. Eine traditionelle und häufige Form der personalisierten Organisationskommunikation präsentiert bspw. die Leiter bestimmter Fachabteilungen in Kundenmagazinen oder Mitarbeiter in Mitarbeiterzeitschriften. Ein häufiges Kommunikationsziel dieser Form der personalisierten Kommunikation ist dabei der Aufbau von Vertrauen bei den relevanten internen und externen Teilöffentlichkeiten. 28
Über die Wirkung organisatorischer Personalisierung auf die Rezipienten, sei sie medial vermittelt oder nicht, gibt es in der Literatur noch widersprüchliche Befunde. Im Rahmen der politischen Medienforschung wurde vielfach unterstellt, dass die personalisierte Vermittlung politischer Sachverhalte auch Einflüsse auf die Politikwahrnehmung der Rezipienten besitzt. „Die für das Wahlverhalten komplexitätsreduzierende Zugehörigkeit zu einem politischen Milieu ist durch die affektgesteuerte Affinität zu Mitgliedern des politischen Personals ersetzt worden.“ (Imhof 2002: 93, Kepplinger/Maurer 2005) Brettschneider (2002) konnte diesen Befund nicht bestätigen: „Die Personalisierung des Wählerverhaltens ist ein Phantom.“ (ebd.: 206) Für den Wirtschaftsbereich belegen Studien zur Reputation von CEOs (z.B. Burson-Marsteller 2006) eine positive Korrelation zwischen dem Image des CEO und dem des Unternehmens bei den Befragten (vgl. auch Burson-Marsteller 2001, 2004, Güttler-Klewes 2001). Das trifft auch für (potenzielle) Aktionäre eines Unternehmens zu.
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4.4 Chancen und Risiken von Personalisierungsstrategien in der Organisationskommunikation Personalisierung als kommunikative Strategie(-variante) im Rahmen der Organisationskommunikation dient zunächst der Herstellung größerer medialer Publizität und klarerer Strukturen, um so die strategischen Kommunikationsziele (z.B. Herstellung von Vertrauen, Reputation, Image etc.) bei den relevanten Teilöffentlichkeiten zu erreichen (vgl. auch Jarren/Donges 2006: 270 ff.). Organisatorische Personalisierung unterliegt dabei bestimmten Bedingungen. Daraus ergeben sich Chancen und Risiken. Risiken können in der Innenund Außendarstellung zu kommunikativen (und somit politischen, ökonomischen etc.) Nachteilen werden, die bis hin zur Bestandsgefährdung der Organisation reichen können. (1) Chancen und Risiken Typ 1 – Kommunikatorqualität: Das Personalisierungspotenzial einer Organisation ist maßgeblich bestimmt und wird gleichzeitig begrenzt durch die Kommunikatorqualität des bzw. der Repräsentanten. Eine Personalisierungsstrategie kann nur dann den Zielen des strategischen Kommunikationsmanagements dienen, wenn die Führungsperson glaubwürdig, authentisch und gleichzeitig führungsstark in der Öffentlichkeit präsentiert wird.29 Im Rahmen einer Personalisierungsstrategie symbolisiert eine Führungsperson die Organisation in der Öffentlichkeit, wobei die Organisationsinteressen im Vordergrund stehen. Personalisierung im Sinne einer kommunikativen Fokussierung ist somit nicht unbedingt Selbstzweck des betreffenden Repräsentanten und insofern abzugrenzen von Formen der Publicity (vgl. Grunig/Hunt 1984). Dergestalt hat Personalisierung eine Reihe von Chancen, z.B. die bessere, verständlichere und klarere kommunikative Darstellung des Unternehmens, die Erzeugung von Vertrauen und Reputation etc. Kommunikationsrisiken ergeben sich aber dann, wenn der Repräsentant nicht über die notwendige kommunikative Kompetenz verfügt oder nicht professionell genug beraten wird. Negative Auswirkungen von Personalisierungsstrategien sind auch zu erwarten, wenn der Repräsentant stereotyp mit bestimmten Rollenklischees behaftet ist, die mit den Rollenanforderungen seines Amtes kollidieren, und insofern nicht über ausreichende Authentizität und Glaubwürdigkeit verfügt. (2) Chancen und Risiken Typ 2 – Passung und gemeinsamer Ziel- und Kommunikations„korridor“ von Repräsentant und Organisation: Im Rahmen der personalisierten Organisationskommunikation werden vom Persönlichkeitsprofil des Repräsentanten Rückschlüsse auf das Profil der Organisation gezogen. Das öffentliche Auftreten des Repräsentanten hat einen großen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Organisation. Personalisierte Kommunikation trägt dann zur Erreichung der Kommunikationsziele bei, wenn sich Repräsentant und Organisation im gleichen Ziel- und Kommunikationskorridor bewegen (z.B. in Hinblick auf Image- und Vertrauenswerte in der Öffentlichkeit) oder wenn soziale Passung30 gegeben ist, sie somit – alltagssprachlich ausgedrückt – gut zueinander passen. Hat ein Repräsentant über einen längeren Zeitraum demgemäß die Identität einer Organisation maßgeblich als Person geprägt und verlässt dann diese Organisation, so geht der Organisation in der Regel ein bestimmter Teil von Organisationsidentität und damit auch Organisationsimage, das an ihn gebunden war, verloren. Dabei bedarf es oft erheblicher Anstrengungen von Seiten der Organisationskommunikation, um neue Repräsentanten aufzubauen bzw. die Leistungen der Organisation (wieder) sichtbar zu machen (vgl. auch 29 30
Vgl. dazu die Ansätze des Impression Management (z.B. Rosumek 2005, Ebert/Piwinger 2007) Vgl. zu einem kommunikativen Passungsbegriff Bentele (2007a)
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Jarren/Donges 2006: 272). Andererseits können Kommunikationsfehler eines Repräsentanten – durch Übertragung – Imageverluste auch der Organisation nach sich ziehen. In dem Maße, in dem Organisationen auf Personalisierungsstrategien setzen, steigt dieses Risiko. Wenn eine Führungsperson schon negative Effekte auf die Organisation gehabt hat und diese Person abgelöst wird, hat dies umgekehrt häufig positive Auswirkungen (beispielsweise im Aktienmarkt). (3) Chancen und Risiken Typ 3 – Integrierte Kommunikation: Personalisierungsstrategien im Kontext der Organisationskommunikation unterliegen grundsätzlich Bedingungen und Zielen der Integrierten Kommunikation. Damit finden sie nicht ausschließlich im Bereich der Media Relations (Kommunikation mit den Medien) Verwendung, sondern sollten konsistent in die Kommunikation mit allen Teilöffentlichkeiten eingebunden werden. Eine Abstimmung von Außen- und Binnenkommunikation ist dabei insofern zentral, als dass die Mitglieder einer Organisation diese sowohl als reale Wirklichkeit erleben und sie gleichzeitig medienvermittelt wahrnehmen können. Ein Widerspruch zwischen der auf die Medien und ihre Aufmerksamkeitsbedürfnisse hin orientierten, also personalisierten Außenkommunikation und ihrer nach wie vor gemeinschaftsorientierten Binnenkommunikation birgt das Risiko kommunikativer Diskrepanzen bei den Mitgliedern der Organisation, das zu Glaubwürdigkeitsverlusten der Binnenkommunikation führen kann.31
4.5 Erscheinungsformen organisatorischer Personalisierung – einige Beispiele Personalisierung als kommunikative Strategie bzw. Strategieelement von Organisationen kommt in verschiedenen Bereichen und Verfahren32 des strategischen Kommunikationsmanagements (Media Relations, Investor Relations, Internal Relations, Customer Relations, Krisenkommunikation, Issues Management etc.) zum Einsatz. Auftritte der Organisationsführung in Fernsehshows, die persönliche Ansprache von Wählern und Kunden in Weblogs und Podcasts oder die Mitwirkung in Werbespots und bei Produktpräsentationen sind dabei nur einige Erscheinungsformen (vgl. dazu auch Becker/Müller 2004, Nessmann 2005). Abschließend sollen einige Beispiele personalisierter Organisationskommunikation aus Politik und Wirtschaft dargestellt werden. Die herausragende Bedeutung personalisierter Politikkommunikation im Rahmen von Wahlkämpfen wurde in diesem Beitrag bereits erwähnt. Auch im deutschen Bundestagswahlkampf 2005 standen die jeweiligen Spitzenkandidaten der Parteien – z.B. im Rahmen der Plakatwerbung, in TV- und Kinospots – im Mittelpunkt der Kampagnen. „Die CDU und ich ganz persönlich bitten Sie um diesen Auftrag“, richtete sich etwa die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wahlspot der CDU persönlich an die potenzielle Wählerschaft. Den Höhepunkt des personalisierten Wahlkampfs bildete, wie auch schon im Jahr 2002, das sog. TV-Duell im deutschen Fernsehen, in dem die Kanzlerkandidaten Angela Merkel und Gerhard Schröder nach US-amerikanischem Vorbild gewissermaßen im Zweikampf die jeweiligen Wahlprogramme ihrer Parteien vertraten. Persönliche Websites der Kandidaten vor und nach der Wahl (z.B. www.angela-merkel.de, www.bundeskanzlerin.de) 31 32
Vgl. dazu weiterführend den Ansatz der „Theorie des öffentlichen Vertrauens“ (Bentele 1994a, b, Bentele 2007a, Bentele/Seidenglanz 2007). Vgl. auch Eisenegger/Imhof (2004). Vgl. zum Begriff des „PR-Verfahrens“ und der Abgrenzung zu den Begriffen „PR-Instrument“ und „PRMedium“ Bentele (2007c), vorher ähnlich schon Bentele/Rutsch (2001) und Wehmeier (2002).
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unterstreichen die Bedeutung der personalisierten politischen Kommunikation (vgl. auch Bieber 2005). Im Wahlkampf 2002 hatten insbesondere die persönlichen Auftritte des FDPSpitzenkandidaten „für Aufsehen und Kopfschütteln“ (Jansen 2005, vgl. auch Michel 2005) gesorgt. Um besonders die jungen Wählerschichten zu gewinnen, wurde Guido Westerwelle mit dem sog. „Guidomobil“ auf Wahlkampftour geschickt und präsentierte sich in der Fernseh-Reality-Show „Big Brother“. Das schlechte Abschneiden der FDP bei der Wahl wurde in erster Linie mit den „unseriösen“ Auftritten Westerwelles begründet. Auch im politischen Tagesgeschehen dienen Formen der personalisierten Kommunikation der Vermittlung politischer Standpunkte. So repräsentiert die gegenwärtige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen öffentlichkeitswirksam, bspw. in der ARD-TalkShow Sabine Christiansen,33 die familienpolitischen Positionen der Bundesregierung (vgl. auch Schmelcher 2007). In der Wirtschaft sind Formen der personalisierten Kommunikation vor allem in den USA etabliert. Prominentes Beispiel ist dort der CEO und Mitbegründer des Computerherstellers Apple Macintosh, Steve Jobs. Die Inszenierung seiner öffentlichen Auftritte – etwa bei der Präsentation neuer Produkte – gleicht mittlerweile der eines Popstars (vgl. Lemm 2005). Auch die US-amerikanische PR-Branche selbst nutzt Formen der personalisierten Kommunikation: mit seinem Blog 6. A.M. (vgl. Blog Edelman) gibt Richard Edelman, der CEO der weltweit größten inhabergeführten PR-Agentur Edelman Group, seiner Agentur seit September 2004 einen sehr persönlichen Anstrich. Hierzulande nähert man sich dem Thema Personalisierung in der Organisationskommunikation eher vorsichtig. Ursachen dafür sind neben Unterschieden in der Kommunikationskultur vermutlich in befürchteten Kommunikationsrisiken für das Unternehmen zu sehen. Dies bestätigt eine Aussage von Werner Süss, Managing Director von Vattenfall Europe Sales: „Als CEO in den Medien, da geht es dir wie einem amerikanischen Filmstar. Du bist kurz vor Paris Hilton.“34 (vgl. o. V. 2007) Erst wenige Unternehmen setzen bewusst auf die öffentliche Positionierung ihrer Führungskräfte. Dazu zählt die Deutsche Bank, die ihren Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann z.B. mit Bild und Statement zeitweise auf der Startseite ihres Online-Auftritts präsentierte. Ackermann, der als einer der bekanntesten Manager Deutschlands gilt, machte in den vergangenen Jahren mehrfach Negativschlagzeilen woraufhin auch das Image der Deutschen Bank ins Wanken geriet. Positive Medienresonanz hingegen erzeugten die öffentlichen Auftritte Herbert Hainers, CEO des Sportartikelherstellers Adidas-Salomon (vgl. Ritzer 2006, Burson-Marsteller 200635), vor allem im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.
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Sendung vom 15.04.2007. Bereits im Rahmen des Wahlkampfs nahm die CDU-Politikerin im Focus Blog „Menschlich gesehen“ persönlich Stellung zu Inhalten des Wahlprogramms ihrer Partei (vgl. Focus Blog). Werner Süss nahm im April 2007 an der Podiumsdiskussion „Management means Communication“ an der Universität Leipzig teil. Auf die Frage nach der Bedeutung der personalisierten Unternehmenskommunikation gab er eine geteilte Antwort. Auch wenn personalisierte Kommunikation Risiken berge, würden die Chancen dieser Kommunikationsstrategie überwiegen (vgl. dazu o.V. 2007). Burson Marsteller (2006) erstellten im Rahmen einer CEO-Reputation-Studie ein Ranking von Vorstandsvorsitzenden, die in der Öffentlichkeit besonders deutlich und besonders positiv wahrgenommen werden. Dazu zählten neben Herbert Hainer (Adidas-Salomon) auch Håkan Samuelsson (MAN), Henning Kagermann (SAP), Wolfgang Mayrhuber (Lufthansa), Wolfgang Reitzle (Linde), Dieter Zetsche (DaimlerChrysler), Wulf Bernotat (E.ON), Harry Roels (RWE), Klaus Kleinfeld (Siemens). Ausschlaggebend für die Reputation seien eine eindeutige Positionierung und eine positive Wahrnehmung.
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Im Rahmen ihrer Investor Relations nutzt die Schweizer Bank UBS personalisierte Formen der Unternehmenskommunikation: In Videosequenzen antworten die Mitglieder des Vorstands auf häufig gestellte Fragen (FAQ) der Aktionäre (vgl. Website UBS). Bezüglich der gesamten Unternehmenskommunikation, speziell im Bereich der Investor Relations wird die persönliche CEO-Kommunikation als besonders wichtig eingestuft (vgl. GüttlerKlewes 2001). Siemens setzt auch im Rahmen der internen Kommunikation auf Personalisierung. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld wandte sich ab März 2005 in einem Intranet-Blog wöchentlich persönlich an seine Mitarbeiter, die so auf direktem Weg Fragen, Anregungen und Kritik an den CEO bringen konnten (vgl. Seith 2006). Gerade bezüglich Kleinfeld, dessen Start als durchaus gelungen bezeichnet werden muss, werden auch die Risiken von CEO-Personalisierung deutlich, wenn später von „Kleinfelds ChaosTagen“ oder „Kommunikations-Gau“ die Rede ist (vgl. Deekeling/Arndt 2006: 17). Und Dr. Z? Kaum ein CEO wurde in den vergangenen Jahren wohl stärker öffentlich positioniert als Dieter Zetsche. Medienwirksam griff er z.B. auf der Tokyo Motor Show zur Violine und spielte Bach. Im Rahmen der eingangs erwähnten Werbekampagne „Ask Dr. Z.“ (vgl. Website Ask Dr. Z) trat er nicht nur persönlich in Fernseh-Werbespots auf, sondern antwortete auch als Comic-Figur im Internet auf Fragen zu neuen Automodellen. „Diesen Teil der Öffentlichkeitsarbeit hat Zetsche linkerhand erledigt“ (Delekat 2007) und erntete damit die Sympathien von Medien und Aktionären. Im Mai 2007 gab der CEO, veranlasst durch die wirtschaftliche Krise des Konzerns, die Trennung von der US-Sparte Chrysler und die Umbenennung des Konzerns in Daimler AG bekannt. Die öffentliche Aufmerksamkeit bleibt Dieter Zetsche jedoch in nächster Zeit gewiss.
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Desiderate und Fragestellungen für die Forschung
Vor dem Hintergrund der primär theoretisch-analytischen Betrachtungen des Phänomens Personalisierung in diesem Artikel ergeben sich einige Stichpunkte für Desiderate der Forschung, die hier abschließend nur kurz angerissen werden können. (1) Interdisziplinäre Grundlagenforschung: Personalisierung in Medien und Organisationen wurde bislang vor allem im Rahmen der Politikwissenschaft bzw. politischen Kommunikationswissenschaft untersucht. Vor dem Hintergrund zunehmender Personalisierungstendenzen in den Medien einerseits und im Rahmen der Organisationskommunikation andererseits ist eine weitere Auseinandersetzung mit dem Phänomen auch aus anderen disziplinären Perspektiven wünschenswert, die zum Beispiel die historische Entwicklung personalisierter Kommunikation, psychologische Mechanismen von Personalisierung oder deren Wertschöpfungsbeitrag beleuchten. Solche interdisziplinäre Forschung, wie sie u. a. in der diesem Band zugrunde liegenden Tagung in Zürich, aber auch in den Ladenburger Diskursen36 begonnen hat, sollte sich nicht nur der bisherigen für das Phänomen relevanten Forschung in den einzelnen Disziplinen vergewissern, sondern sich u. a. Definitionsproblemen widmen, Personalisierungs-Typologien, theoretische Frameworks, interdisziplinäre Theorien entwickeln etc.
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Im Rahmen der Reihe „Ladenburger Diskurse“ der Gottlieb Daimler und Carl Benz-Stiftung findet derzeit ein von Andrea Römmele und Michaela Maier initiierter, forschungsorientierter und interdisziplinärer Diskurs zum Thema „Personalisierte Kommunikation in Wirtschaft und Politik“ statt.
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(2) Vergleichende Studien: Interessante Ansätze bieten sich auch im Rahmen deskriptiv-vergleichender Studien, z.B. hinsichtlich der Beschreibung von Formen personalisierter Kommunikation in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Vergleiche zwischen Personalisierung in Wirtschaft und Politik oder Vergleiche zwischen Personalisierungsformen in Sport und Kultur bzw. Formen, wie sie sich auf den Zeitungsseiten in der Rubrik „Vermischtes“ (z.B. Paris Hilton) finden, könnten interessante Aufschlüsse geben. Ebenso interessant wäre der internationale Vergleich. Mögliche Ansätze bieten sich hier bspw. auch im Bereich der Gender-Forschung, wobei die personalisierte Darstellung von Männern und Frauen in der öffentlichen Kommunikation vergleichend gegenübergestellt werden könnte. (3) Empirische Studien: Im Rahmen empirischer Erhebungen bieten sich zahlreiche weitere Anknüpfungspunkte an das Thema: Erhebungen von Personalisierungstrends in Medienberichterstattung und Organisationskommunikation (z.B. im zeitlichen Verlauf, in verschiedenen Medien, in verschiedenen Organisationsformen), Empirische Studien zur organisatorischen Personalisierung in Wirtschaft, Sport, Wissenschaft, Kultur etc., Einzelfallstudien zum Erfolg/Misserfolg kommunikativer Personalisierung, Untersuchungen der Effekte personalisierter Kommunikation, z.B. hinsichtlich eines Einsatzes personalisierter Kommunikation im Rahmen verschiedener PR-Verfahren (z.B. Krisenkommunikation, Internal Relations, etc.) sowie damit verbundener Chancen und Risiken für die betreffende Organisation, Analyse des Zusammenhangs zwischen personalisierter Kommunikation und den übergeordneten Kommunikationszielen von Organisationen (z.B. Vertrauensaufbau, Imagevermittlung). Solche Listen können fast beliebig verlängert werden. Personalisierung ist heute ein interessantes Phänomen, das verschiedene Disziplinen entdeckt haben oder gerade entdecken. Dabei stellt Personalisierung sicherlich nicht nur ein soziales Grundlagenphänomen dar, das weiterer interdisziplinärer Forschung bedarf, sondern ist gleichzeitig auch ein eminent praktisches Phänomen öffentlicher Kommunikation, dessen Strukturen, Chancen, Risiken und Wirkungen auch viele politische, wirtschaftliche und andere gesellschaftliche Organisationen tangieren. Insofern kann hier Forschung auch dazu beitragen, praktische Herausforderungen öffentlicher Kommunikation nicht nur theoretisch zu durchdringen, empirisch zu untersuchen, sondern auch in ihren praktischen Verläufen zu optimieren.
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Personalisierung in der Wirtschaft als Problem der Repräsentation Jürgen Schulz
Heinrich von Pierer will sich verstärkt seiner Familie widmen, Josef Ackermann bleibt der Chef, Angela Merkel bietet Wladimir Putin die Stirn, Joschka Fischer geht an die Uni – betrachtet man sich die Berichterstattung über Topmanager und Spitzenpolitiker zeigt sich: Personalisierung ist gefragt. Das belegen nicht zuletzt die vielen Rankings mit ihren allseits beliebten Balkendiagrammen (vgl. Vollbracht 2005: 53) und Studien (Burson-Marsteller 2001, FU-Berlin 2005) über den Zusammenhang zwischen den Reputationen von Person und Organisation. Wissenschaftler und Berater versprechen mit Schlagwörtern wie z.B. Leadership (Hinterhuber 2003) oder CEO-Kommunikation (Deekeling et al. 2006) Lösungen, um die Beliebtheitsskalen in die Höhe zu treiben. Dabei wird leicht übersehen, dass mit dem Trend zur Personalisierung Folgeprobleme für politische und wirtschaftliche Organisationen verbunden sind. Ziel des Beitrags ist es, auf diese Probleme am Beispiel der Wirtschaft zunächst aufmerksam zu machen, um dann einen Begriff von Repräsentation als Formprinzip zu entwickeln, an dem Aspekte und Probleme der Personalisierung demonstriert werden können. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass die Personalisierung der Organisationskommunikation auf der obersten Führungsebene ein Problem der Repräsentation ist.
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Aspekte und Probleme der Personalisierung
Der Trend zur Personalisierung in der Wirtschaft wurde begünstigt durch die Entwicklung der Medien. Auf immer mehr Kanälen waren Promi-News gefragt. Dieser Trend machte auch vor dem Wirtschaftsjournalismus nicht halt. Vorstände von Unternehmen, die am Neuen Markt notiert waren, avancierten zu Medienstars. Zu dem Zweifel an der Rationalität von Unternehmensentscheidungen gesellte sich ein irrationales Anlegerverhalten. Die Quantität der Berichterstattung über die Führungskräfte dieser Unternehmen war Ersatz für den ausbleibenden monetären Erfolg. Die Kapitalmarktkommunikation ersetzte immer mehr die Unternehmensführung und führte zu einem Missverhältnis zwischen der Ankündigung und Umsetzung von Entscheidungen. Für das überbordende Bemühen um die Darstellung rationaler Entscheidungen hat der schwedische Organisationswissenschaftler Nils Brunsson (1989) den Ausdruck „Talk“ geprägt. Durch das gleichnamige TV-Format hat sich auch die Wirtschaftsberichterstattung verändert. So ist z.B. der Talk bei Sabine Christiansen und Nachfolgerin Anne Will zum Stelldichein für früher unbehelligte Spitzenmanager geworden. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Reputation des Vorstandsvorsitzenden, Chief Executive Officer (CEO), und der Reputation des Unternehmens gibt, ist unbestritten. Doch worin liegen die Ursachen, dass Personalisierung ein Thema geworden ist und Bezie-
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Jürgen Schulz
hungsprobleme zwischen Unternehmen und Vorständen in erster Linie den Chefetagen zugerechnet werden? Durch den zunehmenden Trend zur Personalisierung rücken auch die Beziehungsprobleme zwischen CEOs und ihren Unternehmen in den Mittelpunkt des medialen Interesses. Und dabei zeigt sich ein erstaunlicher Widerspruch: Je gefragter Repräsentation ist, desto unmöglicher scheint sie zu werden. Für eine erste Analyse dieses Phänomens sollen hier drei Paradoxien der Unternehmenskommunikation hervorgehoben werden: Erstens: Die Paradoxie von Entscheidungen Auf den ersten Blick ist Wirtschaft eine rationale Angelegenheit, die sich durch die Verhältnisse von Angebot und Nachfrage, Input und Output, Einnahmen und Ausgaben bzw. Gewinn und Verlust regelt und dadurch berechenbar erscheint. Jedenfalls neigen Wirtschaftswissenschaftler dazu, den wissenschaftlichen Anspruch vornehmlich durch mathematische Kalküle oder zumindest Zahlen zu belegen (vgl. Luhmann 2000: 83). Ein wesentliches Prinzip ist dabei das Rationalitätsprinzip. Danach wird dem Menschen die Eigenschaft unterstellt, Entscheidungen durch Abwägen, Messen und Vergleichen alternativer Optionen so treffen zu können, dass ein optimales Ergebnis dabei herauskommt. Solche Entscheidungen, die zu messbar guten Ergebnissen führen, gelten als ökonomisch rational. Gleichzeitig wird aber der Mensch als psycho-physisches Subjekt und Störenfried des Rationalitätsprinzips in einer Als-Ob-Konstruktion quasi aus dem Paradies vertrieben und damit aus den weiteren wissenschaftlichen Betrachtungen ausgeschlossen (vgl. Gutenberg 1967 [1929]: 33 ff.). Auch wenn also immer noch von einer Rationalität der Entscheidung gesprochen wird, weiß man auf der anderen Seite auch, dass sich der Mensch faktisch weder in der Rolle des Konsumenten noch in der Rolle des Managers wie ein Homo oeconomicus verhält. Und auch die auf dem Idealbild des Nutzenmaximierers aufbauenden RationalChoice-Theorien sind nach deskriptiven Analysen entzaubert und kaum noch haltbar. So ist es für den Wissenschaftler ein Glücksfall, dass man bei genauerer Betrachtung in Wirtschaftsorganisationen auf so reizvolle Paradoxien stößt wie etwa die gleichzeitige Notwendigkeit und Unmöglichkeit des Entscheidens (vgl. v. Foerster 1992: 14). Entscheidungen sind nämlich konsequent gedacht nur dann notwendig, wenn sie eigentlich unmöglich sind, denn jeder zwangsläufige Entscheidungsverlauf, den z.B. die Managementlehren vorgeben, muss im Grunde gar nicht entschieden werden, weil er längst vorbestimmt ist. Echte Entscheidungen stehen im Angesicht einer ungewissen Zukunft, wenn die Unmöglichkeit darin besteht, dass die üblichen Entscheidungsverfahren der Betriebswirtschaftslehre zu keinen Lösungen führen und Entscheidungen trotzdem irgendwie getroffen werden müssen. In einem anderen Zusammenhang hat Clausewitz auf zwei wesentliche Aspekte von Entscheidungsprozessen aufmerksam gemacht – den Genius der Urteilskraft und die Friktion (heute im Zusammenhang der Organisationskommunikation auch als Issue bezeichnet) – und damit bereits auf die begrenzte Rationalität in der Entscheidungsfindung hingewiesen: „Man scheint mit der Wahl immer noch nicht entschieden zu sein und nicht recht zu wissen, aus welchen Gründen entschieden werden soll, so einfach die Sache auch ist“ (Clausewitz 1998 [1832]: 120). Besonders mit der durch die „Empörungsbewirtschaftung“ (Eisenegger/Imhof 2004: 248) gesteigerten Wahrnehmung von Krisen erhöht sich dieses Entscheidungsproblem für die handelnden Akteure. Denn obwohl Krisen bei den beteiligten Organisationen in der Regel Lähmungserscheinungen auslösen, bezeichnen sie keine endgültigen Zustände. Es
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müssen für die betroffene Organisation noch Handlungsmöglichkeiten existieren, auch wenn diese eine ungewohnte Herausforderung darstellen, für die es meist noch keine Programme und Routinen in Form von etablierten Verfahren gibt. Für den „Krisenmanager“ ergeben sich dabei Entscheidungsfreiräume, die in Bürokratien, wo Entscheidungen ja sonst entpersonalisiert werden, nicht möglich sind. Allerdings erwartet die Öffentlichkeit in Krisen auch solche Entscheidungen, so dass die Freiräume zur Entscheidungsfindung meist erst durch den massiven öffentlichen Erwartungsdruck entstehen. Im Krisenfall erwartet die Öffentlichkeit personale Entscheidungen und reagiert mit Empörung, wenn weiter bürokratisch (nicht) entschieden wird. Die Folge ist nicht nur für den Krisenfall, dass Organisationsleistungen zunehmend auf Persönlichkeiten, die somit als Führungskräfte eine Organisation als Ganzes repräsentieren, zugerechnet werden. Gerade durch den zunehmenden Zweifel an der Rationalität von ökonomischen Entscheidungen gewinnen Personen in der Wirtschaft an Bedeutung. Führungskräfte stehen zum Zweck der nicht-rationalen Plausibilisierung im Mittelpunkt des Interesses und in der Außenkommunikation geben die Massenmedien den anonymen Organisationsgebilden ein Gesicht und an diesem Gesicht hängt ein ganzer Mensch als zurechenbarer Entscheidungsträger. Zweitens: Die Paradoxie der Unternehmens- und Markenpersönlichkeit Führungskräften in der Wirtschaft muss man unterstellen, dass sie im Gegensatz zu Politikern kein funktionales Interesse haben, im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen. Das Konstrukt der juristischen Person in Kapitalgesellschaften hat nicht nur den Vorteil, die Haftung zu beschränken. Es bietet dem Unternehmer auch die Möglichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten der juristischen Person zu agieren. So wurden natürliche Personen durch die Konstrukte der Marken- und Unternehmenspersönlichkeit ersetzt. Dabei werden einem Wirtschaftsgut oder einer Organisation menschliche Eigenschaften zugeschrieben. In der Regel wird diese Form des Anthropomorphismus eingesetzt, um z.B. die abstrakte Identität einer Organisation mit Leben zu füllen. Kritisch gewendet kommt Joel Bakan (2004) zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Konzerne, verstanden als juristische Personen, nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation wie klinische Psychopathen verhalten. Bei Marken hat der Anthropomorphismus die Funktion, die ursprünglich persönliche Vertrauensbeziehung zwischen natürlichen Personen, Kaufmann und Kunde bzw. Mitarbeiter und Chef etc. zu ersetzen. Da im Zeitalter der Massenproduktion die Beziehung zwischen Kunde und Unternehmer unmöglich geworden ist, treten so an die Stelle natürlicher Personen so genannte Markenpersönlichkeiten. An fiktiven personifizierten Markenrepräsentationen wie Dittmeyer, Dr. Best oder Uncle Ben’s ist dieser Übergang von natürlichen zu imaginären Persönlichkeiten noch deutlich erkennbar. Darüber hinaus ist die Markenpersönlichkeit eine plausible Metapher der Werbewirtschaft. Denn nach Meinung vieler Marketingexperten menschelt es: „Die Übereinstimmung von menschlichen und MarkenPersönlichkeiten können bis zu einer Personifizierung der Marken mit realen oder virtuellen Persönlichkeiten führen“ (Klein-Bölting et al. 2003: 23). Würde man dieses Gerede, das inzwischen sogar an Marketing-Lehrstühlen reproduziert wird, ernst nehmen, müsste man sich mit Joel Bakan nicht nur um die Unternehmens-, sondern auch um die meisten Markenpersönlichkeiten und ihre Psychopathologien ernstlich Sorgen machen und sich fragen, was in der Sozialisation eines McRib, Meister Propper et al. schiefgelaufen sein mag.
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Jürgen Schulz
Die konzeptionelle Zuschreibung von menschlichen Eigenschaften auf Marken oder Unternehmen ist in der Regel trivial und selten faszinierend, weil man sich auf affirmative Eigenschaften beschränkt. Durch die gut gemeinte Schönfärberei leidet aber die kommunikative Faszination von Marken- und Unternehmenspersönlichkeiten. Mit Faszination ist nämlich im Sinne von Heinrich (1985) eine Rezeptionsmodalität gemeint, für die Caravaggios Bild der Medusa prototypisch ist; bei der also der Betrachter Gebannt-Sein und Vernichtet-Werden gleichermaßen empfindet. Damit wird das Paradoxe für faszinierende Persönlichkeiten unausweichlich. Gleichzeitig wird die Faszination aber in der gegenwärtigen Praxis der Unternehmenskommunikation notwendig und unmöglich zugleich. Drittens: Die Paradoxie der Führung Im Rahmen der neueren, systemtheoretisch inspirierten Managementtheorie unterscheidet Dirk Baecker (2001: 57) zwischen heroischem und postheroischem Management. Überlegungen zum heroischen Management finden sich bereits bei Max Weber als Legitimationsgeltung charismatischen Charakters, bei der man „dem charismatisch qualifizierten Führer als solchen kraft persönlichen Vertrauens in Offenbarung, Heldentum oder Vorbildlichkeit im Umkreis der Geltung des Glaubens an dieses sein Charisma gehorcht“ (Weber 2005 [1922]: 159). Im Gegensatz zu einem solchermaßen charismatisch gefassten Verständnis „heroischer Manager“ charakterisiert Baecker den „postheroischen Manager“ als einen Ermöglicher, der in erster Linie Voraussetzungen für Entscheidungen schafft, statt Entscheidungsfähigkeit ausschließlich an sich zu binden. Er ist ein Managertyp, „der die eigenartige Paradoxie formuliert, den anderen zu sagen: ‚Tut, was ihr wollt, aber tut es!‘ Der Postheroe ist jemand, der die Paradoxie, die anderen aktiv werden zu lassen, zu seiner aktiven Aufgabe erklärt“ (Baecker 2001: 57). Das Phänomen zeigt sich übrigens auch in der Politik im Entwurf der partizipativen Demokratie und Bürgergesellschaft als Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie. Das Problem ist nur, dass obwohl gute Gründe für ein postheroisches Führungsverständnis sprechen, der Bedarf an charismatischer Führung fortbesteht. Denn unabhängig von ihrer konkreten Leistung für ein Unternehmen haben charismatische Führer neben idealisierten Verhaltensmustern, preußischen Tugenden, unausgesprochenen Werten etc. immer auch Perspektiven für die maximalen Möglichkeiten einer Organisation und ihrer Mitglieder repräsentiert. Diese Fähigkeit ist gerade in Krisensituationen unersetzlich und mit Partizipation nicht zu ersetzen. Es ist daher zu bezweifeln, dass die Paradoxien und Krisen von Organisationen postheroisch gelöst werden können.
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Der Begriff der Repräsentation
Von Repräsentation ist in unterschiedlichen Zusammenhängen die Rede und die an diesen Ausdruck geknüpften Bedeutungen sind überaus vielfältig. Für unseren Zusammenhang ist dabei zunächst die sinnlich wahrnehmbare Darstellung eines häufig abstrakten Sachverhalts gemeint, die über ein einfaches Widerspiegeln oder Abbilden hinausgeht. Der Repräsentationsbegriff, auf den hier näher eingegangen werden soll, ist ein säkularisierter theologischer Begriff, für den Carl Schmitt (1954 [1923]) und Ernst H. Kantorowicz (1992 [1957]) in Bezug auf den europäischen Absolutismus wichtige Belege liefern.
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Für eine substantielle Beschäftigung mit den aktuellen Problemen der Personalisierung erscheint eine historische Betrachtung unumgänglich, handelt es sich doch um archetypische Probleme der Führung bzw. Herrschaft und damit der Zuschreibung von Entscheidungsgewalt und Verantwortung auf einzelne Personen. Schmitt (2004 [1922]: 43) vertritt die Position, dass die wesentlichen staatsrechtlichen Begriffe einen theologischen Ursprung haben. Den Repräsentationsbegriff entwickelt er am Beispiel des Katholizismus (1954 [1923]). Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die katholische Kirche eine Vielzahl von im Grunde unvereinbaren Widersprüchen und Gegensätzen in sich vereint (Schmitt 1954 [1923]: 11 f.) und trotzdem weltweit eine hohe Reputation genießt. Als Beleg für diese „Elastizität“ (ebd.: 6) der Kirche zählt Schmitt u. a. das widersprüchliche Nebeneinander von Demokratie und autokratischer Monarchie, Anpassung und Intransigenz, Monotheismus und Trinität (ebd.: 12), Matriarchat und Patriarchat sowie natürliche Gutheit und Bösheit des Menschen (ebd.: 13) auf. Ein neuerer Beleg ist das TV-Interview mit Papst Benedikt XVI. im August 2006, in dem der Papst das Christentum, den Katholizismus nicht als eine „Ansammlung von Verboten“, sondern ausdrücklich als eine „positive Option“ positioniert. Obwohl Schmitt den Terminus „juristische Person“ (ebd.: 31) auch für die Kirche verwendet, unterscheidet er diese aufgrund des Kriteriums der Repräsentation deutlich von dem gleichnamigen Rechtssubjekt der Vertretung einer Kapitalgesellschaft. „Im Repräsentativen [der Kirche] liegt ihre Überlegenheit über ein Zeitalter ökonomischen Denkens“ (ebd.: 32). Schmitts kritischer Blick auf Wirtschaftsunternehmen, die er in erster Linie als bloßen „Rechnungsmodus“ unfähig zur Repräsentation beschreibt, lässt sich einerseits mit seiner reaktionären Grundeinstellung gegenüber Fortschritt und Technisierung erklären. Darüber hinaus ist Schmitts Kritik an Wirtschaftsunternehmen vor dem Hintergrund des Taylorismus und einer Betriebswirtschaftslehre, die den Menschen als psycho-physisches Subjekt aus ihren Betrachtungen zunächst ausschloss, nachvollziehbar. Doch die Bedeutung der Wirtschaft hat sich verändert und schon bei Betrachtung geisteswissenschaftlich angehauchter Marketingliteratur gewinnt man leicht den Eindruck, dass sich zu Carl Schmitts „Politischer Theologie“ (2004 [1922]) nunmehr eine wirtschaftliche Theologie hinzugesellt hat. Zumindest bedienen sich die Autoren einer theologischen Begriffswelt, in der „Logos zu Hostien“ und „Marken zu Mythen“ werden (vgl. Bolz/Bosshart 1995). Zweifelsohne bieten auch Wirtschaftsunternehmen den Menschen mit ihren Marken vielfältige, aber häufig auch widersprüchliche, positive und negative Bedeutungsoptionen (vgl. Bakan 2004: 5). Objekte allein können die Unsicherheiten, Reaktanzen und Widersprüche nur bedingt auflösen. Daran ändern auch die konstruierten Marken- und Unternehmenspersönlichkeiten nichts. So versucht z.B. Volkswagen mit einer „Gläsernen Manufaktur“ Transparenz zu repräsentieren. Dabei ist dieses Vorhaben schon deshalb durch Kommunikation kaum zu lösen, weil Aufrichtigkeit durch Kommunikation unaufrichtig wird und somit inkommunikabel ist (Luhmann 1984: 207). Die „Gläserne Manufaktur“ ist vor allem ein Beispiel für die Naivität zu glauben, man könne Vertrauen durch Transparenz entfalten (vgl. Schulz/Zowislo 2006). Hier ist also bereits das erklärte Ziel der Repräsentation ungeeignet. Dagegen erscheint die Repräsentation von Unternehmen durch konkrete Persönlichkeiten wie Steve Jobs für Apple oder Dieter Zetsche für Daimler-(Chrysler) eher geeignet, Widersprüche und Missverständnisse aufzulösen. Damit ist die Ausgangssituation für Unternehmen und ihre Führungskräfte interessanterweise heute eine ähnliche, wie sie Schmitt 1923 für den römischen Katholizismus beschreibt; denn Wirtschaftsunternehmen
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sind heute höchst widersprüchliche Gebilde, die zwischen Gewinnmaximierung und gesellschaftlicher Verantwortung changieren und dabei widerstreitende Interessen und Erwartungen ihrer Anspruchsgruppen vereinbaren müssen. Zählt man die oben genannten Widersprüche und Paradoxien hinzu, dann kommt man nicht umhin, die Bezeichnung „complexio oppositorum“ auch auf Unternehmen anzuwenden. Nach Schmitt, und das Beispiel Benedikt XVI. ist ein Beleg dafür, kann dieser Status einer „complexio oppositorum“ nur durch „eine konkrete, persönliche Repräsentation konkreter Persönlichkeit“ (ebd.: 31) aufrechterhalten werden. Das „Prinzip“ (ebd.: 14) Repräsentation ist dabei also immer an eine Person gebunden. In der dogmatischen Selbstbeschreibung ist es die Einheit der Vielheit repräsentiert durch die Person des Papstes als Bischof von Rom und Nachfolger des heiligen Petrus. Die Konstellation für das Phänomen der Personalisierung in der Wirtschaft ist also vergleichbar. Kurz gefasst geht es bei diesem Begriff von Repräsentation also darum, immer offensichtlicher zutage tretende Unsicherheiten und Paradoxien der Wirtschaft durch geeignete Darstellungsformen sinnlich wahrnehmbar zu neutralisieren (vgl. Huth 2007: 15). Die Repräsentanten müssen dazu mit Macht ausgestattet und rechtlich legitimiert sein. Doch erst die ästhetische Form und insbesondere die Rhetorik machen diese Elemente der Repräsentation sinnlich wahrnehmbar. Für Schmitt sind daher juridische Rechtsform, ästhetische Form und Machtform bestimmend für die Repräsentation (Schmitt 1954 [1923]: 36). Gleichzeitig lassen sich Verfallsformen von Repräsentation anhand der gewählten Unterscheidungen sehr gut darstellen. So tendiert Repräsentation ohne Macht und juridische Form zur Dekoration, ohne ästhetische und juridische Form zur Macht- oder Gewaltdemonstration und ohne ästhetische Form und Macht werden Repräsentanten zu Exponenten (Schmitt 1954 [1923]: 34). Ausgehend von Schmitts Trias der Repräsentation sollen nun Aspekte und Probleme personalisierter Kommunikation untersucht werden.
2.1 Repräsentation der Rechtsform und juridische Legitimation Unternehmen sind als Kapitalgesellschaften juristische Personen, die rechtserheblich tätig werden können. Hinter den Organen einer Aktiengesellschaft, z.B. dem Vorstand, fungieren selbstverständlich natürliche Personen. Nur am Rande sei erwähnt, dass in den Rechtswissenschaften die Frage seit langem strittig ist, ob die juristische Person mit einer natürlichen Person gleichzusetzen oder nur ein Konstrukt und damit ein rein fiktiver Zurechnungsmodus ist. In Bezug auf eine ähnliche juristische Streitfrage beschreibt Kantorowicz (1992 [1957]) „die zwei Körper des Königs“. Eine kurze Textpassage verdeutlicht diesen Zusammenhang: „Der König hat zwei Kapazitäten, denn er hat zwei Körper, von denen der eine ein natürlicher Körper ist, der aus natürlichen Gliedern wie bei jedem anderen Menschen besteht, und in diesem Körper unterliegt er den Leidenschaften und dem Tod wie andere Menschen: der andere ist ein politischer Körper, dessen Glieder seine Untertanen sind, und er zusammen mit seinen Untertanen bilden eine Korporation [...]“ (Kantorowicz (1992 [1957]): 35).
Dieses Verhältnis von Herrscher und Untertan illustriert auch das Frontispiz auf Thomas Hobbes Leviathan. Im Detail des Kompositkörpers erkennt man, dass die inkorporierten
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Untertanen dem Haupt des übermächtigen Giganten zugewandt sind (vgl. zur politischen Ikonographie und Adaption des Riesenmotivs bis in die heutige Zeit Bredekamp 2003). Übertragen auf ein Wirtschaftsunternehmen können ebenso zwei Körper, nämlich juristische und natürliche Person, unterschieden werden. Die Legitimation der juristischen Person muss für unseren Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Allerdings hat sich im Rahmen vor allem globalisierungskritischer Bewegungen hier eine Diskussion entwickelt, die für Unternehmen existenzielle Bedeutung hat und nach wie vor klärungsbedürftig ist (vgl. Bakan 2004, Steger 2003). Die Kritik richtet sich auch gegen den Gedanken der Korporation, so dass im angloamerikanischen Sprachraum die Bezeichnung Corporation für Unternehmen zunehmend vermieden wird, auch um den Eindruck der gesamtgesellschaftlichen Inkorporiertheit zu vermeiden. Zu den großen Herausforderungen gehört die Bestimmung der legitimen Nachfolge der Führung des Unternehmens. Auch hierbei bietet die Theorie von Kantorowicz Legitimationsoptionen, die schon Königin Elisabeth I. von England zu nutzen wusste, indem sie zwischen dem mit natürlichen Schwächen behafteten weiblichen Körper und dem für die Herrschaftsfrage einzig relevanten – weil legitimierenden – politischen Körper unterschied. Am Beispiel der Deutschen Bank lässt sich gut nachvollziehen, dass mit Hilfe der ZweiKörper-Theorie auch ein Inder die Legitimation zum Vorstandsvorsitzenden erringen könnte, denn durch den Perspektivwechsel vom natürlichen zum politischen bzw. unternehmerischen Körper spielen ethnische Aspekte oder Geschlechterfragen keine Rolle mehr. Ein Beispiel legitimierender Nachfolgebestimmung liefert auch hier die katholische Kirche mit dem Verfahren der Papstwahl, das Konklave, dessen Legitimation unter anderem auf einem für diese sonst autokratisch geführte Institution überraschend demokratischen Prozess mehrerer Wahlgänge beruht. Das Konklave ist aber auch ein deutliches Beispiel für ein mit der Heiligen Schrift und insbesondere dem Römerbrief kompatibles Machtverständnis. Während in der Wirtschaft die Akteure ihren eigenen Willen zur Macht nur schwer verbergen können und der Weg nach oben eher an Rivalitäten in der Tierwelt erinnert, schafft es die katholische Kirche, Karrieredenken nach außen konsequent zu verbergen. In Unternehmen war die Nachfolge lange Zeit wie in der Aristokratie durch die leibliche Nachfolge geregelt. Zur Vergänglichkeit von Unternehmerdynastien passt ein Otto von Bismarck zugeschriebenes Zitat: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt vollends.“ In der Wirtschaftsberichterstattung trifft man immer wieder auf den Ausdruck „Kronprinz“, wenn es um die Bestellung eines neuen Geschäftsführers oder Vorstands geht und die Nachfolge nicht durch Abstammung bzw. Eigentumsrechte legitimiert ist. Bereits der Ausdruck „Kronprinz“ weist auf Legitimationsversuche hin. Aus rationalen Überlegungen heraus hat man Zweifel, ob der Kronprinz das hält, was der Vorgänger verspricht. Zweifellos gibt es nichtökonomische Gründe, wie z.B. Sympathie und Loyalität für die Wahl eines Kronprinzen. Ob diese Eigenschaften dann aber auch mit der Leitdifferenz der Wirtschaft harmonieren, bleibt dahingestellt, vor allem nach den bitteren Erfahrungen mit der Kronprinzennachfolge im Siemens-Konzern 2007. Damit verbunden ist die Kritik an der Entscheidung, den Vorstandschef nach seiner Amtszeit zum Chef des den Vorstand kontrollierenden Aufsichtsrats zu machen. Ein weiterer Aspekt ist die Maßlosigkeit, die den obersten Führungskräften aufgrund der Unverhältnismäßigkeit ihrer Einkünfte vorgeworfen wird. Das Problem liegt hier in der
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juristischen Form der Anstellung, vor allem, weil jeder Vorstand als Angestellter stets vergleichbar ist mit anderen Angestellten. Die exorbitanten Unterschiede zwischen einfachen Angestellten und Vorstand sind mit ökonomischen Kategorien kaum noch zu fassen. Im Unterschied dazu finden wir bei Schmitt am Beispiel der Institution der katholischen Kirche eine interessante Perspektive zum Angestelltendasein: „Dieser Rationalismus liegt im Institutionellen und ist wesentlich juristisch; seine große Leistung besteht darin, daß er das Priestertum zu einem Amte macht, aber auch das wieder in einer besonderen Art. Der Papst ist nicht ein Prophet, sondern der Stellvertreter Christi“ (1954 [1923]: 23 f.). Prominentestes Beispiel der wenigen Unternehmen, bei denen man den Eindruck gewinnt, der Vorstand repräsentiere die legitime Nachfolge des Firmengründers, ist die Robert Bosch GmbH. Die Tatsache, dass der Vorstandsvorsitzende gleichzeitig auch als Gesellschafter und Treuhänder der Eigentümer fungiert, verstärkt diesen Eindruck ebenso wie ein von dem Philosophen Odo Marquardt übernommener Leitgedanke des Unternehmens: „Zukunft braucht Herkunft.“ Zu überdenken wäre dann auch der in der Diskussion um Leadership häufig geäußerte Anspruch des Visionären als Unterschied zwischen Managern und Führern. Man mag sich an den gerne zitierten Ausspruch des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt erinnern: „Wer Visionen hat, sollte lieber gleich zum Arzt gehen!“
2.2 Repräsentation der Macht Die Machtform und damit die Repräsentation von Macht mag für Unternehmen weniger bedeutend sein als die juridische und die ästhetische Form der Repräsentation. Keinesfalls hat sie die Bedeutung der Repräsentation politisch/staatlicher Macht. Trotzdem gibt es Parallelen zwischen Machtrepräsentationen in Wirtschaft und Politik, auf die ich exemplarisch hinweisen möchte. Macht basiert auf der unausgesprochenen Androhung von Sanktionen. Dagegen ist es meist ein Zeichen von Machtverlust, wenn die Sanktionen Wirklichkeit werden. Die Kunst der Machtausübung besteht vor allem in einer subtilen Darstellung, für die Despotismus und Gewaltherrschaft die Gegenpole darstellen. Zur Repräsentation von staatlicher Macht gehörte historisch die öffentliche Bestrafung. Analog dazu kann in einer Mediengesellschaft die Absetzung von Führungskräften, z.B. durch einen machtvollen Aufsichtsrat, durchaus als öffentliche Bestrafung gesehen werden. Die Machtverhältnisse bei Porsche bzw. Volkswagen sind hierfür, ohne an dieser Stelle auf konkrete Akteure eingehen zu müssen, ein gutes Beispiel. Die Repräsentation von Macht dient in Unternehmen vor allem dem Machterhalt gegenüber Konkurrenten, wobei dieses Interesse in der Regel verdeckt bleibt. Der persönliche Wille zur Macht wird nicht offenbar. Vielmehr soll der Eindruck erweckt werden, alles geschehe im Dienste des Unternehmens und der Investoren, niemals aber aus einem persönlichen Machtinteresse. Darum wird ein Vorstandschef ebenso wie der Regierungschef eines demokratischen Staates in der Regel nicht als Machthaber bezeichnet, obwohl dieser Ausdruck durchaus zutreffend wäre. In Unternehmen hat man mit Ausdrücken wie Leadership und allgemein Management Umschreibungen für den Machtanspruch gefunden. Diese Zurückhaltung hat Tradition. Bereits im Mittelalter wurden monarchistische Herrschaftsansprüche durch das Gottesgnadentum legitimiert. Interessante Hinweise
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zur Moralisierung des Machtbegriffs liefert wiederum Carl Schmitt in seiner Schrift: „Gespräche über die Macht und den Zugang zum Machthaber“ (1994 [1954]). Interessant wird es, wenn Unternehmerfamilien wie Bertelsmann Manager mit der Führung ihres Unternehmens beauftragen. Aus Furcht vor einem Machtverlust wird dann darüber gewacht, dass die mit der Führung betrauten Manager mit ihrem natürlichen Körper stets hinter dem Unternehmenskörper zurückstehen. Andernfalls droht gegebenenfalls die vorzeitige Auswechselung des Repräsentanten. So musste Thomas Middelhoff nach seiner schillernden Karriere bei Bertelsmann das Unternehmen 2002 trotz seiner wirtschaftlichen Erfolge verlassen. Der Firmenpatriarch Reinhard Mohn kommentierte dies später so: „Eitle Manager sind egoistisch und schwer zu beeinflussen. Sie wissen alles besser“ (Peitsmeier 2004: 40). Der Journalist Thomas Schuler deutet den Abgang von Middelhoff im Zusammenhang mit dem zunehmenden Machtanspruch der Familie Mohn.
2.3 Repräsentation der ästhetischen Form Gegenüber dem ästhetischen Bewusstsein von Wirtschaftsunternehmen äußert sich Carl Schmitt kritisch: „Es ist nicht zu verwundern, daß der Zeit des Ökonomischen die schönen Äußerlichkeiten zuerst auffallen, denn ihr fehlt das Alles am meisten“ (1954 [1923]: 37). Dabei bezieht er sich mit der ästhetischen Form keineswegs nur auf das Äußerliche. Vielmehr hat „die Fähigkeit zur Form, auf die es hier ankommt, [...] ihren Kern in der Fähigkeit zur Sprache einer großen Rhetorik“ (ebd.: 38). Mit der Entwicklung der Massenmedien wachsen gerade die Ansprüche an die rhetorischen Fähigkeiten der Führungskräfte in der Wirtschaft. Gleichzeitig werden rhetorische Missgeschicke sichtbarer und damit Mängel der ästhetischen Form zum Thema öffentlicher Kommunikation. Man muss nicht lange nach Beispielen wie dem unfreiwillig provozierenden Victory-Zeichen von Deutsche-BankChef Ackermann auf der Anklagebank im Mannesmann-Prozess 2004 suchen. Rhetorische Fehlleistungen gehören zum Alltag der Managerelite (vgl. Schulz 2004). Dazu kommt, dass in einer Industrienation mit eher technokratischen Managertypen das Risiko für solche Fehlleistungen in der Natur der Sache liegt. Dazu bemerkt wiederum Schmitt: „Das ökonomische Denken kennt nur eine Art Form, nämlich technische Präzision, und das ist die weiteste Entfernung von der Idee des Repräsentativen“ (1954 [1923]: 34 f.). Neben unfreiwilligen Defiziten der ästhetischen Form gibt es aber auch Pflichtveranstaltungen wie die Hauptversammlung von Kapitalgesellschaften. Auf der inhaltlichen Ebene geht es um die rationale Argumentation, um das Zahlenwerk der Bilanz und die logisch schlüssige Argumentation in den Antworten auf die Fragen der Journalisten und kritischen Aktionäre. Ein weiteres Erfolgskriterium ist die Gemütsbewegung des Publikums auf der Beziehungsebene. Und schließlich geht es auch um das Ethos und damit um die Haltung und Glaubwürdigkeit des Sprechers. Dieser dritte Modus der Persuasion hat aber als Folge des Rationalismus gegenüber dem Logos des verbalen Arguments an Bedeutung verloren. Nicht ohne Folgen für den Auftritt von Spitzenmanagern, wie Brigitte Biel (2003) im Rahmen einer detaillierten Beobachtung und Analyse von verschiedenen Hauptversammlungen feststellt. Das Problem ist, dass für die Vorbereitung solcher Events in erster Linie auf den Sprechtext und das noble Argument Wert gelegt wird. Dabei übersehen aber die Zuschauer nicht, dass eine inkonsistente Darstellung den Unterschied zwischen Meinen und Sagen erst sinnlich erlebbar macht.
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Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Momenthaftigkeit der Repräsentation. Der Augenblick der Repräsentation muss sich allein aus Gründen der Wahrnehmbarkeit unterscheiden und herausgehoben sein. Wie Wenzel (2004: 14 f.) anhand verschiedener Quellen belegt, gewinnt die Unterscheidung zwischen öffentlich und privat für den Herrschaftsträger im Mittelalter wesentlich an Bedeutung. Dabei bestand das Vermögen des Repräsentanten zunächst darin, zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zu unterscheiden. Das Problem der Sichtbarkeit als Person wird in der Mediengesellschaft noch verstärkt durch die Erosion der Grenzen zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Man beobachtet, dass die Akteure offenbar zunehmend Probleme haben, zwischen privat und öffentlich zu unterscheiden. Genauer müsste man noch eine öffentliche Privatsphäre als Repräsentationsgrenze zwischen öffentlichem Auftritt und privater Privatsphäre einführen. Das Problem dieser privaten Privatsphäre für die Repräsentation beschreibt bereits Hegel: „Für einen Kammerdiener gibt es keinen Helden, ist ein bekanntes Sprichwort; ich habe hinzugesetzt [...], nicht aber darum, weil dieser kein Held, sondern weil jener der Kammerdiener ist“ (Hegel 1986 [1840]: 48). Zweifelsohne eine Feststellung, die die sozialromantische Ansicht relativiert, Führungskräfte müssten mehr Nähe zeigen oder am besten „zum Anfassen“ sein. Unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation kommt es vielmehr auf ein richtiges Verhältnis zwischen Nähe und Distanz an. Zuviel Aufmerksamkeit wirkt sich weder für das Unternehmen noch für die einzelne Person wertsteigernd aus. Insofern vermisst man in Georg Francks (1998) Ökonomie der Aufmerksamkeit ein Kapitel zur Inflation der Aufmerksamkeit, die dann droht, wenn die Privatsphäre nach außen gekehrt wird bei dem Versuch, das Aufmerksamkeitskapital zu erhöhen. Auch für das Wechselspiel von öffentlichem und nichtöffentlichem Handeln ist die Zwei-Körper-Theorie von Kantorowicz (1957) eine hilfreiche Unterscheidung, wie GallingStiehler am Beispiel des ehemaligen VW-Personalchefs Peter Hartz darstellt, der die Leidenschaften des natürlichen Körpers nicht verbergen kann und dadurch als Repräsentant für Wirtschaft und Politik nicht mehr „haltbar“ wird und bildlich „mit seinem zweiten Körper in den ersten stürzt“ (2007: 43). Der Umgang mit der öffentlichen Privatsphäre verlangt Raffinement von den Führungskräften. Die öffentliche Privatsphäre als Darstellung des Unternehmers im Kreise der Familie, wie man sie seit der Industrialisierung in Anlehnung an Darstellungen königlicher Familien verwendet (vgl. Huth 2007: 16 f.), hatte den Zweck, den Familiengedanken auf das Unternehmen zu übertragen. Die Unternehmerfamilie repräsentierte das Unternehmen als familienähnliche Gemeinschaft (siehe Abbildungen). Im Zuge der Veränderungen der Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitsverhältnissen und der für Familien unüblichen Möglichkeit aus zweckrationalen Erwägungen entlassen zu werden, ist diese Bedeutung aber heute weniger gewünscht. Dagegen wird die Privatsphäre heute leichtfertig von PR-Beratern als Versuch der öffentlichen Weichzeichnung eines kompromisslosen Managertypus eingesetzt. Ob dieser Zweck in dieser Form überhaupt repräsentabel ist, bleibt fraglich. In jedem Fall überrascht das naive Verständnis von Kommunikation. Die Fähigkeit zur Repräsentation, vor allem in der öffentlichen Privatsphäre, besteht aber gerade darin, strategische Überlegungen und zweckrationales Handeln nicht gewiss werden zu lassen.
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„Der Spagat bleibt nicht einfach zwischen dem Bild des Erfolgsmenschen, der 7.000 Euro in der Stunde verdient und einen teuren Sportwagen fährt, und der Vorstellung, Ackermann sei eigentlich ein Mann geblieben wie du und ich.“ Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.08. 2006.
Quelle: Jungbluth 2004: 58
Vielleicht ist dieses Problem für Führungskräfte auch gar nicht mehr wahrnehmbar, bewegen sie sich doch, wie Schmitt an anderer Stelle (1994 [1954]) schreibt, in einem Korridor der Macht, distanziert von ihrer Außenwelt. Der Medienrummel um die Mächtigen, die Hitparaden der Politiker und Vorstände führen zu einer weiteren Personalisierung der Macht. Zum einen wird nun durch Personalisierung die Macht verstärkt, zum anderen führt dieses Phänomen aber zu einer Vergrößerung der Distanz. Über diese Distanz zur „normalen“ Außenwelt berichten Vorstände vor allem nach dem Ende ihrer Karriere:
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Als Privatmann tritt der Top-Manager hinter der monströsen Unternehmung hervor. Häufig bleiben diese beiden Körper aber ein unvereinbarer Widerspruch und damit ein Problem der Repräsentation.
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Fazit
Die begrenzte Rationalität von Entscheidungen, die Paradoxie der Führung sowie die widersprüchlichen Konstrukte der Marken- bzw. Unternehmenspersönlichkeiten im Spannungsfeld zwischen juristischer und natürlicher Person definieren die Bedingungen für die Personalisierung der Organisationskommunikation. Weitere Irritationen entstehen dadurch, dass den Akteuren im Zuge immer schnellerer Veränderungen häufig gar nicht mehr bewusst ist, was das Unternehmen gerade repräsentiert oder repräsentieren soll. Welcher Unternehmensführer vermag es, für alle Anspruchsgruppen faszinierend darzustellen, was der Welt fehlen würde, wenn es das Unternehmen morgen nicht mehr gäbe? Neben dem Verlust des Kommunikationsobjekts hat man also auch mit dem Verlust einheitlicher Adressaten und ihrer Ansprüche zu tun und ist zusätzlich gezwungen, das eigene Selbstverständnis, für welches auch immer man sich entschieden hat, gegenüber vielfältigen Ansprüchen durchzusetzen. Entgegen dem überheblichen Duktus der Management-Literatur und Versprechen der Kommunikationsberater gibt es für diese Darstellungsprobleme aber keine einfachen Lösungen. Ein erster Schritt wäre das Bewusstsein, dass Unsicherheiten, Widersprüche und Friktionen immer häufiger zum Normalzustand von Unternehmen werden. Dadurch entstehen gesteigerte Anforderungen an die Außendarstellung. Erkenntnisse über den Umgang mit Widersprüchen liefert die katholische Kirche bzw. der politische Absolutismus. Da es hierbei um Vermittlungsprobleme geht, bei denen deduktive Argumentationen schnell an Grenzen stoßen, erscheint die Repräsentation als Modus der Kommunikation, der durch konkrete Persönlichkeiten Faszination im Erleben des Adressaten erzeugt und gleichzeitig eine Gewissheit induziert, unverzichtbar. Dabei soll Repräsentation nicht im Sinne von schmückendem Beiwerk oder einem Versuch der Verschleierung missverstanden werden. Vielmehr ist die symbolische Repräsentation Teil der sinnhaften Welt des Menschen und damit Teil der Realität. Die Repräsentation wird damit für die Organisationsrealität konstitutiv.
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Personalisierung und CEO-Positionierung. Theoretische Reflexion eines Praxisproblems Peter Szyszka
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Problemaufriss: Der CEO in der öffentlichen Kommunikation
Das Foto gehört zu jenen, die sich ins zeitgeschichtliche Gedächtnis gebrannt haben: Josef Ackermann, Vorstand der Deutschen Bank, und sein Victory-Zeichen – strahlend, süffisant oder gequält? Nur dem unbefangenen Betrachter bleibt dieser Interpretationsspielraum. Aus seinem Kontext gelöst, könnte das Foto 2005 entstanden sein, als Ackermann der Öffentlichkeit ein Rekordergebnis seines Unternehmens verkünden konnte. Die öffentliche Meinung reagierte gespalten, denn das Ergebnis wurde um den Preis des Abbaus von 6.000 Arbeitsplätzen erzielt. Das Medienecho: am Finanzmarkt positiv ob der Rentabilität des Unternehmens, in der Öffentlichkeit empört über den sozialen Preis, den Management und Unternehmen hierfür gezahlt hatten. Tatsächlich entstand das Foto 2004 zum Auftakt des „Mannesmann-Prozesses“. Josef Ackermann, des Verdachts der Untreue bezichtigt, weil es beim Verkauf von Mannesmann an Vodafone zur Zahlung einer Anerkennungsprämie an Mannesmann-Vorstand Klaus Esser gekommen war, begrüßte Esser zum Prozessauftakt mit der Victory-Geste. Ackermanns Auftritt provozierte. „Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht gestellt werden“, ließ er sich zitieren. Die Medien quittierten dies als Arroganz eines Wirtschaftsführers gegenüber gesellschaftlichen Interessen und Werten. Sein Name wurde Synonym für einen „skrupellosen Kapitalismus“.1 Sein Verhalten passte zum öffentlichen Image der Deutschen Bank: Bereits zehn Jahre zuvor hatte Hilmar Kopper als einer seiner Vorgänger angesichts millionenschwerer offener Handwerker-Rechnungen bei der Pleite des Baulöwen Schneider von „Peanuts“ gesprochen – „Kleinigkeiten“, die Handwerksbetriebe in den Ruin trieben. Dem öffentlichen Ansehen der Deutschen Bank hat das medial skandalisierte Verhalten ihrer Repräsentanten zwar geschadet, ihr Geschäftserfolg als einer weltweit führenden Investmentbank blieb davon unberührt (vgl. auch den Beitrag von Matthias Vonwil in diesem Band). Schon dieser einfache Befund macht deutlich: Ein und derselbe Sachverhalt erfährt in unterschiedlichen Meinungsmärkten unterschiedliche Bewertungen, weil jeder Meinungsmarkt seine eigenen, meinungsmarktadäquaten Bewertungsmaßstäbe anlegt. Ob 1
Vgl. ZEIT-Gespräch mit Josef Ackermann. In: DIE ZEIT, Nr. 22 vom 24.05.2007 (ZEIT-Magazin „Leben“).
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das Verhalten von Kopper und Ackermann dem Unternehmen geschadet hat oder im Gegenteil als Demonstration einer bestimmten Haltung im Wirtschafts- und Finanzmarkt hilfreich war, bedürfte sorgfältiger Analyse. Spekuliert werden kann darüber, ob sich beide Repräsentanten jeweils spontan selbst inszenierten oder ob ihre Inszenierungen Ergebnisse nüchternen strategischen Kalküls waren? Wechseln wir vom Medienprinzip der Skandalisierung zur Heroisierung. Im Gegensatz zu Ackermann genießt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking große öffentliche Wertschätzung. Wiedeking, der 1993 im Alter von 40 Jahren Vorstandsvorsitzender der Porsche AG wurde, machte das Unternehmen nicht nur zu einem der profitabelsten der Welt, er verstand es auch, sein Unternehmen vor Übernahmen zu schützen. Als ‚David‘ hat Porsche heute sogar beim ‚Goliath‘ Volkswagen AG das Sagen. „Wir haben gelernt, wann der Löwe hungrig ist, und werden alles tun, um nicht zu verraten, wann wir an die Tränke gehen“, so der strategische Leitsatz seines als „David-Prinzip“ titulierten Managementverständnisses.2 Der Name Wiedeking steht in den Meinungsmärkten von Öffentlichkeit und Wirtschaft für Ideenreichtum, Führungskraft und Erfolg. Ob Porsche tatsächlich ‚nur‘ ein ‚David‘ ist oder nicht spätestens mit dem Einfluss bei Volkswagen selbst zum ‚Goliath‘ wurde, das wäre eine andere Frage. Während die Medien Ackermann skandalisierten, heroisierten sie Wiedeking als Vorzeige-Manager. Titel wie „Manager des Jahres“ (Manager Magazin) oder die Verleihung des „Deutschen Image Award“ (FAZ-Institut) brachten dies öffentlich zum Ausdruck. Interessant daran ist: Die Marke der Unternehmer-Persönlichkeit Wiedeking überstrahlt nicht die Marke Porsche, sie strahlt mit ihr im Gleichklang, was Wiedeking zum obersten Autoverkäufer seines Hauses macht. Ohne Wiedeking, so kann unterstellt werden, wäre Porsche ‚nur‘ ob der Imageattribute „Sportlichkeit“ und „Status“ eine begehrte und nachgefragte Nischenmarke. Der unternehmerische Erfolg Wiedekings und dessen öffentlichkeitswirksame Präsenz in den Medien haben den Statuswert der Marke um eben diesen Erfolgsfaktor aufgeladen, was das Produkt Porsche noch begehrlicher und das Unternehmen mit gesteigerter Nachfrage noch erfolgreicher machte. Ist Wiedeking damit tatsächlich erfolgreicher als Josef Ackermann oder ist dies nur ein vordergründiger und nur bedingt relevanter Eindruck, den hier die öffentliche Meinung erweckt? Wiedeking gilt hier als erfolgreich. Seine Person genießt öffentlich Sympathie und Akzeptanz. Seine Reputation als „Held“ machte es beispielsweise möglich, die Diskussion um eine Offenlegung von Vorstandsgehältern öffentlich als einen von Neid diktierten „Sozialismus auf Vorstandsebene“ zu bewerten, vor dem viele Manager bereits kapituliert hätten,3 ohne dass er hierfür von den Medien ernsthaft abgestraft wurde. Der ökonomische Erfolg Wiedekings wird in der Öffentlichkeit positiv, derjenige Ackermanns dagegen eher negativ dargestellt. Wenn zwei das Gleiche tun, ist dies bekanntlich ja nicht dasselbe. Liegt es am Branchenimage, das der Autoindustrie vielleicht größeres öffentliches Vertrauen 2 3
Vgl.: „Boss der Genossen – Wiedeking legt sich mit den Managern an“. Portrait. In: DIE WELT vom 20.04.05. Wiedeking publizierte 2003 ein Buch gleichen Titels. Ebd.
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verschafft als Finanzdienstleistungen, selbst wenn diese das renommierteste deutsche Finanzunternehmen erbringt? Liegt es an der medialen Inszenierbarkeit der Themen, die bei Autos leichter erscheint, weil diese visualisierbar sind, und Dienstleistungen dagegen als virtuell wahrgenommen werden? Sind es die Inszenierungen, die im Falle des Themas Auto notwenigerweise öffentlichkeitsorientierter sein müssen, während eine Großbank stakeholderorientiert operiert? Oder ist es der Unternehmenschef selbst, der CEO,4 der als Unternehmensrepräsentant mit seiner Reputation und ihrer möglichst öffentlichkeitswirksamen Inszenierung ein Unternehmensimage in der Öffentlichkeit maßgeblich bestimmt? Öffentlichkeit im Sinne öffentlicher Darstellung erfahren Unternehmen – wie auch andere Organisationen – in der Mediengesellschaft im Wesentlichen als Medienöffentlichkeit; hier attestiert die Forschung schon längerfristig den Trend einer zunehmend personenzentrierten Darstellung von Organisationen und damit zur Personalisierung (vgl. z. B. Imhof 2002). Anstelle von abstrakten und anonym erscheinenden Organisationen bearbeiten Medien Organisationsthemen vorrangig auf der Ebene verantwortlicher Repräsentanten. Nicht mehr das Unternehmen sei das Unternehmen: „Der CEO ist das Unternehmen“, so eine in der Beratungspraxis zugespitzt formulierte These von Burson-Marsteller (2001: 8). Personalisierung gibt einem Unternehmen ein Gesicht (Becker/Müller 2005: 3); durch die Möglichkeit, Themen mit Personen zu verknüpfen, werden abstrakte Sachverhalte wie die Politik eines Unternehmens einfacher vermittelbar. Damit beeinflusst ein CEO maßgeblich die Darstellung des von ihm vertretenen Unternehmens in der Öffentlichkeit, so eine ableitbare These. Dies legt die Hypothese nahe, dass sich mit zunehmender Personalisierung eines Unternehmens in der öffentlichen Kommunikation auch der Einfluss des Prestiges eines CEO (personale Reputation) auf die Bewertung eines Unternehmens (organisationale Reputation) erhöht, weil CEO-Aussagen und -Verhalten als Unternehmensverhalten antizipiert werden. Daran lässt sich die abgeleitete Hypothese anschließen, dass bei ausgeprägter Personalisierung die öffentliche Bewertung von Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens sowie dessen Umgang mit Normerwartungen ebenfalls auf den CEO als verantwortliche Person übertragen werden. Der nachfolgende Beitrag geht in zwei Schritten („theoretische Analyse“ und „Praxiserkundung“) diesen beiden Hypothesen nach. Im ersten Schritt wird zunächst nach der Verortbarkeit und Verortung von Repräsentanten in einer systemtheoretisch geprägten Modellierung von Organisationen gefragt und eine frühere theoretische Grundlegung des Verfassers fortgeschrieben (vgl. Szyszka 2008). Vor diesem theoretischen Hintergrund setzt sich der Beitrag im zweiten Schritt anhand dreier Thesen differenziert mit der Praxisthese „Der CEO ist das Unternehmen“ auseinander, um bestehende Verkürzung und Simplifizierungen im Umgang der Praxis mit diesem Thema aufzuzeigen. Die Zusammenführung von Praxisbeobachtungen mit theoretischen und empirischen Befunden liefert dabei Anhaltspunkte für eine Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen von Personalisierung und damit auch von Chancen und Risiken strategischer CEO-Positionierung.
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Das Kürzel CEO steht für Chief Executive Officer. Es ist ein in der Wirtschaft eingeführtes Kürzel, das für den jeweils leitenden Unternehmensrepräsentanten steht. Das Kürzel wird im Weiteren allgemein als Sammelbegriff für die ersten Repräsentanten eines Unternehmens verwandt.
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Ansatz: Gesellschaft – Organisation – öffentliche Kommunikation
2.1 Organisationen ohne Akteure? Anlässlich einer Fachtagung zur „Personalisierung der Organisationskommunikation“, durch die auch der vorliegende Beitrag angeregt wurde, hat Imhof von zwei „blinden Flecken“ der PR-Forschung gesprochen, die weiterreichenden Erkenntnisprozessen gerade auch im Kontext von Personalisierung und CEO-Positionierung im Weg stünden: 1.
2.
Das Paradigma der PR-Forschung blicke kaum von Umwelten und Teilöffentlichkeiten auf Organisationen zurück und blende damit aus, dass nicht nur Organisationen, sondern eben auch deren Umwelten und Teilöffentlichkeiten einem kontinuierlichen Wandel ausgesetzt seien, den er als neueren Strukturwandel der Öffentlichkeit fasst. Bedingt durch Ansätze auf der Basis radikalkonstruktivistischer Systemtheorie degeneriere die soziale Einheit „Person“ als Organisationsakteur zum abstrakten Kommunikat und zu einem Bestandteil von Kommunikation, was nicht nur handlungstheoretisch zu einer Unterbelichtung von Personenrollen und Personalisierungseffekten führe, sondern auch gesellschaftstheoretische Folgen hätte.
Imhof forderte deshalb, dass sich PR-Forschung „explizit mit der Dialektik von Organisationskommunikation und öffentlicher Kommunikation“ beschäftigen müsse und öffentliche Kommunikation als „Aggregat von Organisations- und darin eingebetteter Rollenkommunikation“ zu untersuchen sei (vgl. den Beitrag von Kurt Imhof in diesem Band). Beide Einwände erscheinen zwar mit Blick auf die Breite des PR-Theoriediskurses berechtigt, halten dem Blick in die Tiefe aber nur bedingt stand. So hat Röttger bereits 2000 in ihrer Dissertation nicht nur auf eben diese Problematik verwiesen, sondern im Anschluss an systemtheoretische Grundüberlegungen und in Anlehnung an Giddens’ „Theorie der Strukturation“ (1997; im Orig. 1984) Organisationen als strukturpolitische Akteure in der Dualität von Struktur und Handlung modelliert, um PR-Arbeit als organisationale Funktionseinheit und mit ihr PR-Akteure in ihrem fachlichem Handeln empirisch schlüssig aus Meso-Perspektive untersuchen zu können (vgl. Röttger 2000: insb. 162 ff.). Aus ebenfalls organisationaler Perspektive hat sich der Autor des vorliegenden Beitrags 2004 systemtheoretisch orientiert mit Public Relations als zentraler System-UmweltProblematik von Organisationen auseinandergesetzt: Public Relations als öffentliche Beziehungen kondensieren hiernach in der Qualität des sozialen Vertrauens, das eine Organisation in der Öffentlichkeit genießt; eine organisationsseitige Schaffung funktionaler Transparenz wird damit zur Koexistenzbedingung (vgl. Szyszka 2004). Diese Überlegungen sind jüngst in einem Integrativen Modell der Public Relations auf systemtheoretischer Basis fortgeschrieben worden (vgl. Szyszka 2008). Der vorliegende Beitrag schließt hier an. Er bearbeitet dabei zunächst die im Kontext von Personalisierung zentrale Frage einer – in Imhof’scher Terminologie – „notwendigen Verheiratung von System und Akteur“, indem Personen über ihre organisationale Mitgliedsrolle als Repräsentanten behandelt werden: Repräsentation entsteht dabei durch Verknüpfbarkeit und Verknüpfung von Person und Organisation seitens eines Beobachters.
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2.2 Organisationssysteme als Rollensysteme Gesellschaft und gesellschaftliche Funktionssysteme sind abstrakte Größen, denn beide sind nicht direkt, sondern nur auf der Ebene von Organisationen beobachtbar und durch Kommunikation adressierbar (vgl. Fuchs 2004: 129 f). Organisationen operationalisieren gesellschaftliche Funktionssysteme und damit auch Gesellschaft. Als Organisationssysteme erbringen sie funktionssystemspezifische Leistungen. Organisationen sind Sinn-Systeme, deren kontingente Entscheidungsoperationen ihrer Selbstreproduktion (Autopoiese) dienen und auf Systemerhaltung und organisationale Weiterentwicklung zielen. Entscheidungen wiederum sind Ergebnisse der Selektion in Sinnzuweisungsprozessen, die immer doppelt codiert sind durch den Code des gesellschaftlichen Funktionssystems, welchem eine betreffende Organisation angehört, und einem egozentrischen Organisationscode, um Reproduktion im Wettbewerb mit anderen Organisationen zu ermöglichen.5 Das ‚Wie‘ von Entscheidungen und Selbstreproduktion führt dabei nicht nur beide Codierungen zusammen, es verleiht einer Organisation auch Identität und damit Einmaligkeit (vgl. Szyszka 2008). Entscheidungen sind damit Träger organisationaler Sinndispositionen, die auf dem Interesse einer möglichst weit reichenden Durchsetzung eigener Geltungsansprüche und einer möglichst Erfolg versprechenden Selbstreproduktion basieren. Entscheidungen sind riskante Prozesse (vgl. Luhmann 1984: 47), weil sich Organisationen auf eine bestimmte Option festlegen und damit andere mögliche, bisweilen von Beobachtern erwartete Optionen verwerfen. Dieses Risiko steigt, weil Beobachter organisationales Handeln als Entscheidung behandeln und auf organisationalen Sinn hin hinterfragen müssen. Mangels ausreichend verfügbarer Information operieren sie mit substituierter Sinnunterstellung. Bei der Bewertung ihrer Beobachtungen reflektieren sie zusätzlich Werte, Regeln und Geltungsansprüche des von ihnen vertretenen gesellschaftlichen Funktionssystems, weiter die eigenen, egozentrischen Geltungsansprüche und schließlich die Kontingenz der dem beobachteten und unterstellten Sinndispositiv vermeintlich zugrunde liegenden Entscheidung, die eben auch anders, nämlich in einer für den Beobachter vermeintlich zuträglichen Weise hätte getroffen werden können. Organisationen stehen bei der Absicht, ihre Geltungsansprüche durchzusetzen, im Wettbewerb mit anderen Organisationen und Gruppen des gleichen oder anderer gesellschaftlicher Funktionssysteme. Da sie durch ihre Einbindung in die Umwelt offene Systeme sind, finden eigene Geltungsansprüche ihre Grenzen in konkurrierenden Geltungsansprüchen. Diese gehen als Entscheidungsprämissen in Entscheidungen ein oder machen bei Nicht-Durchsetzbarkeit neue Entscheidungen erforderlich. Dies führt nicht nur zu organisationaler Weiterentwicklung, sondern auch zu organisationalem Wandel. Da Organisationen Operatoren gesellschaftlicher Funktionssysteme sind und sich Anpassung und Durchset5
Als egozentrischer Code soll hier kein ICH im Sinne psychischer Systeme verstanden werden, sondern die einer Organisation zugrunde liegende Verfassung, basierend auf in deren Vergangenheit kontinuierlich fortgeschriebenen Selbstbeschreibungen, in denen Funktionen und Erfahrungen reflektiert und Strukturen festgelegt werden, die Kommunikations- und Entscheidungsspielräume vorstrukturieren.
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zung organisationaler Geltungsansprüche nicht ein-, sondern wechselseitig vollziehen, nimmt organisationaler Wandel sukzessiv Einfluss auf gesellschaftlichen Wandel. Da gesellschaftlicher Wandel gleichzeitig auf Organisationen zurückwirkt, müssen Organisationen gesellschaftlichen Wandel beobachten, antizipieren und in organisationalen Entscheidungsprozessen mitreflektieren. Operativ sind Organisationen als autopoietische Systeme geschlossene Systeme (vgl. Luhmann 2000: 57). Dies bedeutet, dass sie von außen her als ein Ganzes beobachtet, bewertet und damit adressiert werden, dass sich hinter dieser ‚Fassade‘ aber gleichzeitig ein funktional ausdifferenziertes, hierarchisch organisiertes Entscheidungs- und Rollensystem verbirgt, mit dessen Hilfe eine Organisation erst operativ handlungsfähig wird. Sie sind Entscheidungssysteme, weil sich Entscheidungen immer von vorangegangenen Entscheidungen einer vorgeordneten Ebene ableiten lassen und an diese anschließen müssen, um funktional zu sein. Aus Beobachterperspektive sind Organisationen abstrakte Gebilde; der Begriff der „juristischen Person“ bringt dies treffend zum Ausdruck. Nicht Organisationen als solche denken, entscheiden und handeln, sondern Personen als Rollenträger von Mitgliedsrollen (vgl. Schimank 1992: 264). Als Körperschaften sind sie zwar rechts-, aus sich heraus aber nicht handlungsfähig, sondern müssen von befugten realen Personen vertreten werden. Entscheidungen werden von Personen als psychische Systeme getroffen, was das Entscheidungssystem gleichzeitig zu einem hierarchisch strukturierten Rollensystem mit definierten Entscheidungsrollen macht. An jede Entscheidungsrolle knüpfen sich ganz bestimmte Rollen- und damit Entscheidungserwartungen; mit abnehmender Stellung im Rollensystem wird der Entscheidungsraum schmaler und spezifischer. Personen sind Rollenoperatoren, ohne die eine Organisation nicht operationsfähig ist. Rollen bestehen immer unabhängig von einer bestimmten Person und werden für einen begrenzten Zeitraum mit einer Person besetzt. Da Organisationen erst auf der Ebene von konkreten Personen unmittelbar beobachtbar werden, repräsentieren Personen eine Organisation für die Dauer ihrer Zugehörigkeit. In der Binnendifferenzierung von Organisationssystemen lassen sich drei Typen organisationaler Funktionssysteme unterscheiden: das Führungssystem, das einer Organisation durch Entscheidung eine an organisationaler Zielereichung orientierte Verfassung gibt, an der sich die Entscheidungen nachgeordneter organisationaler Funktionssysteme ausrichten müssen, primäre Funktionssysteme/Ausführungssysteme, die unmittelbar an organisationaler Selbstreproduktion beteiligt sind, und sekundäre Funktionssysteme, die hieran mittelbar durch Auseinandersetzung und Bearbeitung mit aus System-Umwelt-Differenz resultierenden Legalitäts- und Legitimitätsproblemen von Geltungsansprüchen beteiligt sind. Entsprechend lassen sich im Rollensystem Führungsrollen von unterschiedlichen Typen von Ausführungsrollen unterscheiden, die mit unterschiedlicher Repräsentationsqualität verbunden sind. Träger von Führungsrollen – an ihrer Spitze ein CEO, Vorstandsvorsitzender, Verwaltungsratspräsident, Unternehmer oder Geschäftsführer – treffen organisationspolitische Grundsatzentscheidungen (verfassungsgebende Entscheidungen). Sie leiten diese von der
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doppelten Codierung ihrer Organisation, dem situativen Entscheidungsbedarf und dessen Rahmenbedingungen ab. Entscheidungen zielen auf erfolgreiche Selbstreproduktion. Nur diesen Rollenträgern ist ein intersubjektives Sinnverstehen organisationaler Entscheidungen vorbehalten, weil nur sie den Entscheidungsprozess (Kontingenz und Entscheidung) unmittelbar beobachten können. Nachgeordnete Rollenträger sind Betroffene von Entscheidungen, die diese immer als Entscheidungen behandeln müssen, auf deren Basis sie Anschlussentscheidungen treffen. Sinndispositionen vorgängiger Entscheidungen erschließen sich ihnen nur auf Basis verfügbarer Information und sind unterstellte Sinndispositionen. Eine Organisation kann damit im engeren Sinne nur von Trägern von Führungsrollen als verantwortlichen Entscheidern und im engsten Sinne vom Träger der zentralen Führungsrolle, dem CEO, vertreten und repräsentiert werden. Entsprechend konzentrieren sich interne und externe Beobachtungsinteressen auf diese Person. Um sich von mit Beobachtung verbundenen Anforderungen und Aufgaben zu entlasten, bedient sich das Führungssystem des sekundären Funktionssystems Public-Relations-Management, was Träger dieser Mitgliedsrollen zu funktional autorisierten Repräsentanten macht.
2.3 Organisationale Repräsentanten als „Adressen“ öffentlicher Kommunikation Das Rollensystem einer Organisation ist analog ein organisationales Repräsentationssystem, das Rollenträgern in Abhängigkeit von Rollenposition und Rollenmandat unterschiedliche Repräsentationswerte zuweist. Rollenträger des Führungssystems sind formale Repräsentanten, da verfassungsgebende Entscheidungen, die der Durchsetzung von Geltungsansprüchen zur Systemreproduktion dienen, nur von diesen getroffen und damit vertreten werden können. Unter diesen Rollenträgern trägt der CEO die Gesamtverantwortung; die weiteren Rollenträger des Führungssystems tragen Fachverantwortung für den von ihnen vertretenen Entscheidungsbereich. Als formale Repräsentanten einzustufen sind zudem die Rollenträger des Funktionssystems Public-Relations-Management, die Repräsentationsleistungen im Rahmen eines ihnen zugewiesenen Rollenmandats erbringen. Ihr Repräsentationswert ist dabei nicht nur vom Umfang des ihnen zugewiesen Rollenmandats (Quantität), sondern auch von deren Zugang zum Führungssystem und der damit verbundenen Möglichkeit einer direkten Beobachtung von Entscheidungsprozessen abhängig (Qualität) – ein bekanntes Praxisproblem. Alle anderen Rollenträger sind durch ihre Mitgliedsrolle informale Repräsentanten. Wie jeder andere Rollenträger repräsentieren sie immer dann Organisationsidentität und -kultur, wenn sie von Beobachtern als zu einer Organisation zugehörige Rollenträger identifiziert werden. Sie können in Einzelfällen zu formalen Repräsentationsleistungen autorisiert werden. Werden die vorstehenden Überlegungen zusammengefasst, dann sind Organisationen in öffentlicher Kommunikation auf zwei Ebenen adressierbar: organisational auf der Ebene von Leistungen oder Leistungsbeschreibungen und personal auf der Ebene von Repräsentanten. Wenn bei Medien als Beobachtern und Kommunikatoren öffentlicher Kommunikation schon längerfristig der Trend einer zunehmend personenzentrierten Darstellung von Organisationen und damit zur Personalisierung beobachtet werden kann, wie der dieser Arbeit
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zugrunde gelegte Eingangsbefund zeigt, dann bevorzugen sie zunehmend personale Adressierung. Diese gilt gleichermaßen als Auswahlkriterium wie als Darstellungsmittel (vgl. Scherer 1998: 698), was bedeutet, dass die Thematisierungswahrscheinlichkeit einer Organisation mit der Möglichkeit zu personaler Adressierung steigt; gleichzeitig ist damit auch eine verstärkte Personalisierung der Darstellung dieser Organisation in öffentlicher Kommunikation zu erwarten. Der attestierte Trend zur Personalisierung bedeutet aber nicht, dass eine Adressierung von Organisationen in öffentlicher Kommunikation i. d. R. vorrangig personalisiert erfolgen muss oder wird. Organisationale Adressierung findet statt, wenn Leistung und Leistungsfähigkeit oder Konflikte einer Organisation als Erwartung erfüllende oder von Erwartungen abweichende Systemleistungen verhandelt und bewertet werden (z. B. Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens). Von organisationaler Adressierung ist ebenfalls zu sprechen, wenn sich dieses auf ein bestimmtes organisationales Funktionssystem bezieht und in dieser Weise bearbeitet wird (z. B. der Forschungsabteilung eines Unternehmens). In beiden Fällen werden Leistungen oder Konflikte an sich und nicht die Frage personaler Verantwortung thematisiert. Indirekt wird dabei i. d. R. Public-Relations-Management als Informationsvermittler adressiert. Geht es dagegen um die Frage von Verantwortung, ist personale Adressierung zu erwarten. Wird personalisiert, adressieren Medien entsprechend der Rollenhierarchie. Geht es um eine Organisation als Ganzes, adressieren sie den CEO, da sie von ihm organisational verbindliche Aussagen erwarten können. Geht es dagegen um Fachthemen, erfahren formal fachlich verantwortliche Rollenträger, denen entsprechende Expertise unterstellt wird, spezifische Adressierung. Informale Repräsentanten schließlich werden adressiert, wenn Rückschlüsse auf organisationale Befindlichkeit gezogen werden sollen. Da Organisationen nicht auf der Ebene ihrer Entscheidungen, sondern nur auf der Ebene der Kommunikation von Entscheidungen oder der Umsetzung von Entscheidungen durch das Verhalten von Rollenträgern als Personenhandeln beobachtet werden können, ergeben sich für Beobachter zwei Bewertungs-/Interpretationsmöglichkeiten: Organisationsbezogen: Rollenhandeln wird als charakteristisch für eine Organisation und deren Verfassung eingestuft und der Organisation zugerechnet. Personenbezogen: Rollenhandeln wird als individueller Umgang einer Person in Erfüllung einer Rollenerwartung einer Organisation eingestuft und sowohl der Organisation als auch dem Rollenträger zugerechnet. Einen Grenzfall stellt z. B. die öffentliche Diskussion um Managergehälter dar, bei der sich Verhaltenszuschreibungen von Unternehmen weg zu diesen Rollenträgern verlagern, ihr Verhalten aber als nur im Kontext der repräsentierten Organisationen möglich eingestuft wird. Wird dagegen individuelles Verhalten exponierter Rollenträger in nicht-organisationalen, privaten Rollenkontexten beobachtet, wie jüngst im Fall des CEO der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, kann dies der Beobachter solange nur dieser Person und nicht der repräsentierten Organisation zuschreiben, wie sich kein erkennbarer Zusammenhang zwischen Rollenhandeln in privater und organisationaler Rolle herstellen lässt. Personalisierung ist ein Mechanismus zur Komplexitätsreduktion, der die kausale Linie von sozialem Vertrauen und Reputation fortschreibt: Eher abstraktes Systemvertrauen wird auf konkretes, von personaler Reputation abgeleitetes Personenvertrauen verlagert. Personenbekanntheit hat zudem Nachrichtenwert – für Medien wie für Organisationen. Der
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attestierte Medientrend zu zunehmender personaler Adressierung macht organisationsseitig nicht nur die Auseinandersetzung mit dieser Problematik zu einer Aufgabe des PublicRelations-Management, sie wird auch zu einer strategischen Option, die sich in einer von Aufmerksamkeitsökonomie geprägten Gesellschaft durch gezielte, mediengerichtete Personalisierungsstrategien bewirtschaften lässt. Ziele können hier Aufmerksamkeit, Profilbildung, Verankerung von Schlüsselinformationen und damit verbunden Identität stiftende und vertrauensbildende Wirkungen sein.
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Praxisbeobachtung: Personalisierung – Profilierung – Positionierung
Personalisierung bzw. Personifizierung ist kein spezifisches Medienphänomen, sondern ein Grundzug menschlicher Kommunikation. So findet sich Personifizierung (Anthropomorphismus) bereits in der Antike, wo Göttern menschliche Eigenschaften zugeschrieben wurden, um Normen und Werte nachvollziehbar kommunizierbar zu machen. Personalisierung geht über Personifizierung hinaus. Bei Personalisierung geht es nicht mehr um menschliche Eigenschaften an sich, sondern um das Herstellen einer Beziehung zwischen einem Ereignis und den dafür verantwortlichen bzw. hiervon betroffenen Personen, um ein Ereignis über deren Eigenschaften und Verhalten erklären und verstehen zu können. Ausgeprägt lässt sich dies im System der Politik beobachten. Hier werden bei Selbst- wie bei Fremddarstellung vorwiegend verantwortliche Politiker als Repräsentanten der Organisationstypen Parteien, Fraktionen, Kabinette usw. thematisiert, die mit ihrem Handeln die Systemlogiken des gesellschaftlichen Funktionssystems Politik repräsentieren und beeinflussen. Personalisierung vereinfacht das Widererkennen und die Zuordnung von Informationen. Es entstehen Schemata als „kognitive Strukturen aus Erwartungen, Wissen und Vorstellungen, die Umweltinformationen filtern, organisieren und bewerten“ (Hoffmann/Raupp 2006: 459). Die Verknüpfung von Organisation und Repräsentant macht Organisationen vermeintlich leichter beobacht- und adressierbar, weil soziale Komplexität durch scheinbare Konkretisierung reduziert und ein Beobachter damit entlastet wird. Da Personalisierung heute als ein zentrales Element öffentlicher Kommunikation eingestuft werden muss, macht dies organisationsseitig Personalisierung als Selbstinszenierung nicht nur möglich, sondern auch erforderlich; Politik macht hiervon systembedingt, Wirtschaft, z. B. über die Positionierung von CEOs, strategisch Gebrauch (vgl. Szyszka/Bentele 2008: 612).
3.1 Befund: „Der CEO ist das Unternehmen“ In einer Meinungsführerbefragung hat sich die deutsche Tochter der Public-RelationsAgentur Burson-Marsteller (BM) 2001 mit dem Einfluss der Reputation von Vorstandsvorsitzenden deutscher DAX 30-Unternehmen auf Image und Reputation der von ihnen vertretenen Unternehmen beschäftigt. Im Vergleich mit amerikanischen Untersuchungen kam man zu dem Befund, dass in Deutschland die Reputation des CEO in Stakeholder-Beziehungen mit 64 Prozent einen deutlich höheren Einfluss auf das öffentliche Ansehen eines Unternehmens nimmt als in den USA; hier wurde nur ein Wert von 45 Prozent ermittelt. In Shareholder-Beziehungen kehrte sich dies um: „In den USA lassen sich 95 Prozent der Befragten bei der Auswahl ihrer Anlagestrategien von einem hohen Ansehen des CEO
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leiten, in Deutschland trifft dies nur auf knapp 50 Prozent zu“ (BM 2001: 3). CEOReputation nimmt demnach nicht nur – wie eingangs unterstellt – in unterschiedlichem Umfang Einfluss auf die verschiedenen Meinungsmärkte eines Unternehmens, auch der Stellenwert von CEO-Bewertung in den Meinungsbildungsprozessen verschiedener Meinungsmärkte ist national unterschiedlich. Drei der Thesen, in denen BM ihre Befunde zusammenfasste, beschäftigten sich mit der Präsenz des CEO in Meinungsmärkten: 1.
2.
3.
„Der CEO ist das Unternehmen. Menschen neigen zur Personifizierung: Ein CEO wird weitgehend mit seinem Unternehmen gleichgesetzt. Eine starke Positionierung des CEO bedeutet ein positives Image auch für das Unternehmen. Dieses wiederum wirkt sich fördernd auf die Berichterstattung in den Medien, Kooperationen sowie auf Aktienkäufe und -empfehlungen aus. Ist das Image eines CEO hingegen schlecht oder undifferenziert, leidet das Unternehmen. Bekanntheit als zentraler Erfolgsfaktor. Die Reputation des CEO entsteht in den Köpfen der Befragten und wird primär durch Medienberichterstattung beeinflusst. Deshalb hat die Meinungsbildung in den Medien für den CEO und sein Unternehmen eine gleichermaßen zentrale Bedeutung für die Positionierung und Profilierung. Öffentliche Präsenz ist ein Muss. Ohne entsprechende Resonanz bleibt das Bild des CEO unscharf. Unternehmensstrategie als zentrales Thema. Die langfristige Unternehmensstrategie ist ein wichtiges Thema für die Kommunikation des CEO. Danach folgen Unternehmensziele und -politik. So gehört es zu den Hauptaufgaben des CEO, die übergeordneten Ziele und Strategien des Unternehmens zu ‚verkaufen‘“ (Burson-Marsteller 2001: 8).
Die Thesen betonen für börsennotierte Unternehmen eine Abhängigkeit der Unternehmensbewertung von der Reputation des CEO, der die Unternehmensstrategie verkörpert; dies unterstreicht die attestierte zentrale Bedeutung von Personalisierung in öffentlicher Kommunikation. Mit Präsenz, Positionierung und Profilierung arbeiten sie drei Ziele des kommunikationsstrategischen Umgangs mit einem CEO heraus. Auf den zweiten Blick bergen die Thesen aber Widersprüche und Probleme:6 Nicht nur starke, positiv belegte Positionierungen von CEO/Unternehmen sorgen für Medienbeobachtung und -berichterstattung, sondern auch negative oder widersprüchliche öffentliche Meinungsbilder. Fokussieren sich diese personalisiert auf den CEO, sollte ein Unternehmen auch neben dem CEO positionierungsfähig sein. Bekanntheit ist nicht gleich Reputation. Damit muss es immer um die wünschenswerte Bekanntheit als Profil des Unternehmens und/oder des CEO gehen. Da CEOs Repräsentanten auf Zeit sind, muss infrage gestellt werden, ob deren Präsenz tatsächlich ein „Muss“ sein kann. Zudem ist in öffentliche und fachöffentliche Präsenz zu unterscheiden. Unternehmensstrategien sind zentrales Thema am Finanzmarkt. Öffentliche Kommunikation dagegen interessiert sich neben der ökonomischen auch für die gesellschaftliche Leistungsfä6
In einer Folgestudie konnte Burson-Marsteller 2006 die zentrale Rolle des CEO bei der Beurteilung eines Unternehmens durch Shareholder unterstreichen (vgl. CEO Reputation Studien, in: prmagazin 10/2006, S. 34).
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higkeit eines Unternehmens (Nachhaltigkeit). Ausgeblendet bleibt z. B. der Zusammenhang zwischen dem Sozialkapital und Realkapital. Weiter bleibt festzuhalten, dass die BM-Studie nur börsennotierte Unternehmen untersucht hat. Werden die Befunde auf ein gedachtes mittelständisches Business-to-BusinessUnternehmen mit geringer Öffentlichkeitswirkung und geringem Öffentlichkeitsbedarf bezogen, werden Unterschiede deutlich: Unternehmenskommunikation beruht mit abnehmender Größe eines Unternehmens auf persönlicher Bekanntheit; dies gilt gleichermaßen für die interne Kommunikation wie für Geschäftsbeziehungen. Die Rolle des Unternehmers bzw. Geschäftsführers als Repräsentant ist auch hier zentral. Bekanntheit spielt hier weniger in der öffentlichen Kommunikation eine Rolle, sondern ist als persönliche Bekanntheit in den Beziehungen zu Mitarbeitern und Geschäftspartnern, aber auch im politischen Umfeld dieser Unternehmen von wesentlicher Bedeutung. Der Stellenwert des Repräsentanten bleibt unverändert; allerdings ersetzt Präsenz in interpersonalen Netzwerken hier in vielen Fällen Medienpräsenz. Investitionen und Finanzierung werden in diesen Fällen in der Regel nicht medienöffentlich verhandelt. Der Fokus Finanzmarkt hat in der Unternehmenskommunikation damit einen anderen Stellenwert. Der Erfolg von Unternehmen wird hier nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, sondern auch an Leistungsfähigkeit und Innovationspotential für den Kunden festgemacht. Zusammengefasst bedeutet dies, dass verantwortliche Repräsentanten nicht nur in Prozessen öffentlicher, sondern auch in Prozessen nicht-öffentlicher Kommunikation Einfluss auf Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens nehmen. Zum Ausdruck kommt dies z. B. dann, wenn bei einem Anlass formal das Erscheinen des verantwortlichen Repräsentanten erwartet und Nicht-Erscheinen als Botschaft (z. B. mangelnder Wertschätzung, mangelnder Verantwortungsbereitschaft) interpretiert wird. Wenn sich umgekehrt Aufmerksamkeit als Erwartung an diese Repräsentanten konzentriert, bietet dies diesen Personen die Möglichkeit zur Vermittlung von Inhalten und Schlüsselaussagen. Diese Befunde lassen sich auf alle Organisationstypen übertragen.
3.2 Thesen: Personalisierung und strategische Kommunikation Die vorstehenden Befunde sprechen für eine zentrale Rolle des CEO in der öffentlichen Kommunikation: Medien bevorzugen handelnde Personen anstelle anonymer Organisationen. Ein CEO als verantwortlicher Entscheider und erster Repräsentant lässt sich direkt adressieren und öffentlich zur Verantwortung ziehen. Mit seinem Namen lassen sich Leistungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens verknüpfen. An diese Adresse werden Erwartungen gebunden, die sich in Akzeptanz und Vertrauen und schließlich in Haltungen und Verhalten von Bezugsgruppen (Stakeholder wie Shareholder) niederschlagen. Ein Unternehmen wird auf diese Weise scheinbar konkret beobachtbar. „Scheinbar“ bedeutet, dass Beobachter mit Unterstellungen und Zuschreibungen operieren und Erfahrungen mit einem CEO durch Erwartungen an ein Unternehmen substituieren.
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Durch Personalisierung entsteht ein auf wenige Merkmale reduziertes Profil, das ein Unternehmen in ein bestimmtes Verhältnis zum CEO und den Beobachtern der Öffentlichkeit setzt. Anhand von Bewertungen dieser Profile werden Unternehmen in eine Rangfolge eingeordnet und in den Bedeutungsstrukturen öffentlicher Kommunikation positioniert. Von diesen Prozessen der Fremdpositionierung, die sich in medienöffentlicher wie öffentlicher Kommunikation vollziehen, ist die strategische Selbstpositionierung eines Unternehmens – darunter CEO-Positionierung – als gezielter Versuch der Einflussnahme auf Profil und Position eines Unternehmens in öffentlicher Kommunikation zu unterscheiden. Hiervon muss drittens die Selbstinszenierung eines CEO unterschieden werden, bei der es nicht oder zumindest nicht vorrangig um Unternehmensinteressen geht, sondern bei der ein CEO die über seine Rolle ermöglichte Präsenz in öffentlicher Kommunikation dazu nutzt, um im Peer-Wettbewerb eigene Interessen zu verfolgen. Theoretische und empirische Befunde hierzu sind bislang noch die Ausnahme. Anhand von drei Thesen wird deshalb im Weiteren versucht, zentrale Rahmenbedingungen sowie Möglichkeiten und Grenzen strategischer Positionierung auszuleuchten. These 1: Personalisierung macht ein Unternehmen adressierbar. Die Person des Repräsentanten übernimmt dabei mit ihren zentralen Persönlichkeitsmerkmalen bis zu einem gewissen Grad Stellvertreterfunktion für die von ihr vertretene Organisationspersönlichkeit. Personalisierung ist namentliche Adressierbarkeit, die einen Beobachter im kommunikativen Umgang mit Informationen entlastet. Becker/Müller sprechen davon, dass ein CEO das „Gesicht des Unternehmens“ sei, das „die öffentliche Darstellung und Einstellung zu einer Unternehmensmarke“ bestimme (2004: 3). Die Leistungen kommunikativer Adressierbarkeit lassen sich aber breiter fassen, wenn mit der Basismetapher des „Kopfes“ gearbeitet wird,7 die sich in drei Dimensionen (innen und außen sowie innen in Logos und Ethos) ausdifferenzieren und wiederum in Metaphern fassen lässt: Gesicht als Präsenz: Ein CEO visualisiert ein ansonsten anonymes Unternehmen und gibt ihm damit medial ein Gesicht, das im Zusammenhang mit CEO-Namen und Unternehmen erinnert werden kann. Name und Gesicht werden damit zu einer Adresse, die in öffentlicher Kommunikation wiedererkannt wird und die damit eine Zuordnung von Themen und Sachverhalten zu einem Unternehmen vereinfacht. Geist als Profil: Als zentraler Entscheider ist ein CEO Kopf eines Unternehmens, der die Unternehmenspolitik auf strategischer und visionärer Ebene verkörpert und Verantwortung für die operativen Ergebnisse trägt. Weil sich Erwartungen, Bewertungen und Zutrauen konkret an eine Person adressieren lassen, können Bezugsgruppen die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens auf die Kompetenz und die Leistungen des CEO zurückführen. Seele als Authentizität: Einem CEO kann unterstellt werden, dass er durch Entscheidung, Durchsetzung und Führung in der Auseinandersetzung mit Bezugsgruppeninteressen die Kultur eines Unternehmens sozial repräsentiert. An Erfahrungen mit der moralischen Integrität und Glaubwürdigkeit eines CEO und damit an seinen Umgang 7
Die Metapher „Kopf“ steht dabei für die Persönlichkeit als Ganze. Dies lässt sich an der schon seit Jahrzehnten geführten Imagekampagne „Dahinter steht immer ein kluger Kopf“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) markant aufzeigen.
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mit Kompetenz lassen sich damit Erwartungen knüpfen, die sich in Reputation und sozialem Vertrauen niederschlagen, das ein Unternehmen in der Öffentlichkeit genießt. Personalisierung ist ein Verfahren der Reduktion von Komplexität. Als Visualisierung erleichtert sie Beobachtern den Zugang zur Information; als Personifizierung entlastet sie ihn im Umgang mit unternehmensbezogenen Informationen, weil sich Informationen einem dem CEO unterstellten Persönlichkeitsprofil zuordnen lassen. Das Unternehmen erscheint physisch und psychisch adressierbar, weil mit der Person des Repräsentanten eine konkrete und verantwortliche Kommunikationsadresse besteht, der Unternehmensereignisse zugerechnet werden können. Reduktion und Zurechnung machen Personalisierung für Beobachter zu einem riskanten Verfahren. Als Repräsentant ist ein CEO der zentrale Rollenträger eines Unternehmens, der eine Unternehmenspersönlichkeit aber nicht verkörpern, sondern nur symbolisieren kann. Zurechnungen sind damit immer nur Annahme. Zudem ist ein CEO nur Repräsentant auf Zeit und damit austauschbar. Personalisierung macht die strategische Profilierung eines Unternehmens über einen CEO möglich. Bei CEO-Positionierung wird Unternehmenskomplexität gezielt reduziert, indem positiv belegbare Merkmale eines CEO (Stärken, Qualitäten) als für die Person und das Unternehmen zentral und repräsentativ markiert werden (Prestige wird zu Reputation).8 Angestrebt wird damit eine wünschenswerte Positionierung von Unternehmen und CEO in den Prozessen öffentlicher Kommunikation, die sich in Reputation niederschlagen soll. Über Ansehen und Wertschätzung wird eine Organisation im Vergleich mit anderen Organisationen desselben sowie anderer gesellschaftlicher Funktionssysteme einer Rangfolge zugeordnet und im Rollensystem öffentlicher Kommunikation positioniert. Auf diese Fremdpositionierung – vor allem durch Medien – versuchen Unternehmen durch strategische Selbstpositionierung Einfluss zu nehmen. Positionierung ist eine Subjekt/Objekt-Beziehung. Sie wird für ein Unternehmen immer dann relevant, wenn ihr die mit Reputation verbundene Position in öffentlicher Kommunikation Wettbewerbsvorteile im Aufmerksamkeitswettbewerb verschafft oder sie in öffentlicher Kommunikation thematisiert und damit Teil oder Gegenstand der hier ‚erzählten‘ Geschichten wird, in deren narrativem Muster ihnen eine jeweils ganz bestimmte Rolle zugewiesen wird. Da, wie das eingangs gewählte Beispiel Josef Ackermann zeigt, in verschiedenen Meinungsmärkten aufgrund unterschiedlicher Kontexte unterschiedliche Werte und Bewertungssysteme gelten, können zu einem Thema in verschiedenen Meinungsmärkten unterschiedliche Geschichten bestehen, die denselben Sachverhalt unterschiedlich bewerten, gleichzeitig für ein Unternehmen aber auch von unterschiedlicher Relevanz sind. Systemtheoretisch betrachtet geht es dabei um den Umgang mit Geltungsansprüchen. Öffentlichkeit, vorrangig vertreten durch Organisationen des Typus journalistisches Medium, beobachten nicht Organisationen als solche, sondern die Organisationsteile, die über das letztendliche Element der Entscheidung befinden: die zur Entscheidung als Rollenträger autorisierten Repräsentanten. „Gesicht“ steht dabei für den Umgang mit Aufmerksamkeit/Nicht-Aufmerksamkeit in Beobachtungsprozessen; „Geist“ und „Seele“ sind als Bewertungsindikatoren der Leistungs- und Gesellschaftsfähigkeit von Repräsentanten einzustufen, anhand derer auf die Leistungs- und Gesellschaftsfähigkeit einer Organisation zurückgeschlossen wird. Psychische Systeme, wie von Luhmann in „Soziale Systeme“ darge-
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Zur Unterscheidung von Prestige und Reputation vgl. Eisenegger 2005: 19 ff.
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legt (1984: 92 f u. 346 ff.), verfügen als Sinnsysteme eben auch über eine physische Dimension, die eine Adressierung von Repräsentant und Organisation erst möglich macht. Positionierung ist in diesem Zusammenhang der organisationsseitig beabsichtigte Versuch, durch Selbstbeschreibung ein Komplexität reduzierendes Schema vorzugeben, das ausgewählte Merkmale ‚markiert‘, damit als bedeutungsvoll einstuft und so Bewertungsvorschläge an die Beobachter der öffentlichen Kommunikation heranträgt – Selbstbeschreibung als eine Semantik, „mit der das System bewusst operieren kann“ (ebd.: 361). Im Sinne des Begriffs „Repräsentant“ kann dabei dessen beobacht- und adressierbare soziale Identität in organisationalen Systemoperationen bewusst in den Vordergrund gestellt, aber auch bewusst zurückgenommen werden. Dieses sind organisationale Systementscheidungen, die durch Adressierung eines Repräsentanten durch öffentliche Kommunikation auch von Beobachtern ‚erzwungen‘ werden können. These 2: Öffentliche Kommunikation vollzieht sich über ‚Geschichten‘, die Beteiligten und Betroffenen Rollen und Rollenbewertungen zuweisen. Diese Geschichten lassen sich einfacher mit konkreten Personen als Repräsentanten von Unternehmen erzählen und verstehen. Personalisierung stellt einen CEO nicht nur in den Vordergrund, als Repräsentant ist er auch verantwortlich handelnde Person in den Geschichten von Medien und öffentlicher Kommunikation. Wenn in der David-Geschichte im Eingangsbeispiel Porsche klug und listenreich die Goliaths aus Autobranche und Kapitalmarkt in Schach halten und von Erfolg zu Erfolg eilen kann, verkörpert Wendelin Wiedeking dort gleichzeitig Wiedeking und Porsche. Seine Messias-Geschichte dagegen – das Unternehmen war bei Wiedekings Eintritt wenig profitabel; er befreite es von existenziellen Sorgen – ist eine individuelle Personen-Geschichte, weil sie die Person alleine stellt und nicht als repräsentativ für das Unternehmen stehen kann. Beide Geschichten lassen sich nur ‚erzählen‘ und in öffentlicher Kommunikation verstehen, weil Gesellschaft und Medien mit Frames als Deutungsmustern operieren, die als Meta-Kommunikation Geschichten über die vermittelten Geschichten ‚erzählen‘ und Sinnzuweisung unterstützen: Frames „strukturieren Informationen in Form von abstrakten, thematisch unabhängigen Deutungsmustern, welche Komplexität reduzieren und die Selektion von Informationen leiten. Von Nachrichtenfaktoren unterscheiden sich Frames durch ihre höhere Komplexität und mehrdimensionale Struktur. Sie setzen sich aus mehreren Elementen zusammen, zu denen die Problemdefinition, die Identifikation von Ursachen, die Bewertung durch moralische Urteile sowie die Benennung von Handlungsempfehlungen gehören“ (Dahinden 2006: 308; Hervorh. im Orig.).
Das Beispiel Porsche ist Ausschnitt und Momentaufnahme in der Historie des Unternehmens. Als Episode schließt sie sich kontingent an eine Vorgeschichte an. Sie ist gleichzeitig Teil der Historie und aktuellen Situation von Automobilwirtschaft, deutscher und Weltwirtschaft als jeweils übergeordnete Rahmen, ohne die sie nicht verstanden und bewertet werden kann. Nach Dahinden lassen sich Geschichten in öffentlicher Kommunikation inhaltlich anhand von fünf themenunabhängigen Basisframes aus den Perspektiven von Konflikt, Wirtschaftlichkeit, Fortschritt, Moral/Ethik/Recht und persönliche Betroffenheit (Personalisierung) verhandeln und untersuchen (vgl. ebd.: 108). An diese knüpfen sich Bewertungsmaßstäbe, an deren Bewertungsschemata entlang Sinnzuweisungen erfolgen.
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Metaphern wie die von David und Goliath oder die des Messias verweisen darüber hinaus auf ein Repertoire narrativer Rahmengeschichten, die erinnert, in unterschiedlicher Weise neu erzählt und damit aktualisiert werden. Als von aktuellen Themen unabhängige Meta-Kommunikation weisen sie einem Unternehmen und/oder seinen Repräsentanten beim Auftreten eines konkreten Ereignisses eine auf eine Rahmengeschichte bezogene Rolle in einer aktuellen Geschichte zu. Zugrunde gelegt werden dabei das aktuell beobachtete Verhalten, in der Vergangenheit mit dem Repräsentanten gemachte Erfahrungen des berichtenden Beobachters sowie damit verbundene Erwartungen an den Fortgang dieser Geschichte. Die zugewiesene Rolle positioniert Unternehmen/Repräsentant in der Rollenkonstellation der Rahmengeschichte und ist damit bereits eine Bewertung. Gleichzeitig suggeriert sie einen erwarteten oder erwünschten Ausgang der aktuellen Geschichte. Verhalten sich Unternehmen/Repräsentant im weiteren Verlauf nicht erwartungskonform, verändern sich Rollenposition oder auch Rolle. Aus der Perspektive von Unternehmen lassen sich drei Arten von in öffentlicher Kommunikation erzählten Geschichten unterscheiden: Geschichten über Unternehmen, die Unternehmen oder Repräsentant zum Gegenstand und Thema öffentlicher Kommunikation machen – mit den beiden Extremen Skandalisierung und Heroisierung: Hier knüpfen sich an die Positionierung in diesen Geschichten und das oder die damit verbundene(n) Basisframe(s) für ein Unternehmen unmittelbare Risiken oder Chancen. Geschichten mit Unternehmen, in denen Unternehmen oder Repräsentanten zwar nicht im Zentrum stehen, aber in der Rollenkonstellation positioniert und damit Teil dieser Geschichte sind: Hier knüpfen sich an die Positionierung mittelbare Risiken oder Chancen. Unternehmensrelevante Geschichten, die Unternehmen oder Repräsentanten, ohne dass diese bisher unmittelbarer Gegenstand dieser Geschichten waren, thematisch betreffen oder abhängig von einer Weiterentwicklung der Geschichte betreffen könnten: Hier knüpfen sich an eine mögliche Positionierung noch offene, strategisch aber kalkulierbare Risiken oder Chancen. Geschichten wie die des Hauses Porsche sind in der Gesellschaft latent vorhanden. Durch Aktualisierung werden sie zu Themen öffentlicher Kommunikation, wo sie einen Lebenszyklus durchlaufen, ehe sie als Episoden abgeschlossen sind oder als abgeschlossen gelten. In diesen Geschichten spiegeln sich Quantität und Qualität der Public Relations eines Unternehmens: Public Relations als das wechselseitig adressierbare Netzwerk der Relationen zwischen einer Organisation und deren Umwelt (vgl. Szyszka 2008). Ist ein Unternehmen – wie vorstehend dargestellt – tatsächlich oder potentiell betroffen, weil ein Thema die Begrenzung oder Erweiterung organisationaler Entscheidungs- und Handlungsspielräume erwarten lässt oder mit Image- oder Reputationsveränderung verbunden sein kann, wird dieses Thema für das Unternehmen zum Issue (vgl. Ingenhoff/Röttger 2006: 323 ff). Um sich nicht zum Spielball der Narrationen von Medien und öffentlicher Kommunikation zu machen, bedienen sich Unternehmen der Funktion des Issues Management. Mit Hilfe dieses Verfahrens der Frühaufklärung und Frühwarnung wird das Ziel verfolgt, „organisationsrelevante Veränderungen im Umfeld des Unternehmens so früh wie möglich zu entdecken und zu antizipieren“, um Risiken und Chancen zu ermitteln und die strategische
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Orientierung eines Unternehmens zu unterstützen (Kuhn/Ruff 2007: 303 f). Issues Management identifiziert, beobachtet und analysiert Themen und Themenentwicklungen in der Unternehmensumwelt, bewertet deren organisationale Relevanz und schätzt mögliche Themenkarrieren ab (vgl. ebd.: 328 f). Identifikation und Beobachtung von Issues können immer nur Momentaufnahmen einer Geschichte und der damit aktuell verbundenen Sinnzuweisungen sein. Diese lassen sich zwar retrospektiv ableiten und erklären, Fortsetzung und Ende liegen aber in der Zukunft und können nur prognostiziert werden. Analyse und Prognose orientieren sich an den Frames der Rahmengeschichten, um Rollenkonstellation, eigene Rollenposition und den von einer Rahmengeschichte intendierten Fortgang der aktuellen Geschichte zu ermitteln. Geschichten müssen sich aber nicht in der intendierten Weise weiterentwickeln, weil sich Umweltbedingungen verändern, Rollenträger intervenieren oder andere Rollenträger hinzutreten können oder eine Geschichte von einer in öffentlicher Kommunikation als wichtiger eingestuften Geschichte abgelöst werden kann: Dieses zu antizipieren und zu prognostizieren, ist ebenfalls Sache des Issues Management. Rollenzuweisungen und -bewertungen knüpfen sich immer an Reputation und beruhen damit auf längerfristigen Erfahrungen der Beobachter mit dem Beobachtungsobjekt. Reputation als Wertschätzung reduziert für ein Unternehmen – so kann unterstellt werden – die Gefahr allgemeiner Skandalisierbarkeit, weil ein Abweichen von Erwartungen weniger erwartet wird. Ein CEO kann, wie das Beispiel Porsche zeigt, den Reputationswert eines Unternehmens steigern, wenn Erwartungen übertroffen werden. Bleibt ein Unternehmen dagegen hinter den gestellten Erwartungen zurück, wird ein CEO dann zum Reputationsrisiko für ein Unternehmen, wenn ihm die Verantwortung hierfür zugeschrieben wird. CEOWechsel können unternehmenspolitisch verschiedene Folgen haben: Sie können Chance sein, wenn an einen CEO geringere Erwartungen geknüpft werden als an das Unternehmen. Sie können Risiko sein, wenn der organisationale Reputationswert des Unternehmens stark an den personalen Reputationswert des CEO geknüpft ist. Sie können folgenlos sein, wenn mit einem CEO-Wechsel keine besonderen Erwartungen verbunden werden. Unternehmenskommunikation – selbst wenn sie ‚nackte‘ Zahlen vermittelt – ist mehr als eine Vermittlung von Fakten. Fakten werden von Beobachtern im Abgleich mit Erfahrungen und Erwartungen mit der aktuellen Unternehmensgeschichte in Beziehung gesetzt und dieser aktuell und prognostisch bewertend zugeordnet. Nicht nur die Frage, „Was heißt das aktuell?“, sondern auch die Frage, „Was bedeutet das zukünftig?“, werden hiermit verknüpft. Fakten werden also mit zugewiesenem Sinn belegt. Dies gilt gleichermaßen für Prozesse öffentlicher Kommunikation wie für unternehmensinterne Prozesse. Um Meinungsbildungsprozesse nicht allein der Interpretationsleistung eines Beobachters zu überlassen, muss Unternehmenskommunikation nicht nur Fakten vermitteln, sondern selbst Geschichten erzählen, die Fakten ordnen, ihnen Sinn zuweisen und damit Auskunft über organisationale Sinndispositionen geben. Die Vermittlung autorisierter Sinndispositionen ist dabei als Selbstdarstellung nicht nur Selbstmitteilung und Selbstzweck: Um nicht ausschließlich mit Unterstellungen zu operieren und ihre Beobachtungen, Einschätzung und Werturteile abzusichern, beziehen Beobachter bei der Bewertung ihrer Beobachtungen
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organisationale Selbstdarstellungen als Aussagen über organisationale Standpunkte und Positionen mit ein; Selbstdarstellung wird also auch nachgefragt. Da Kommunikation zur Reduktion von Komplexität immer Selektion ist und sich mit Sinndispositionen immer gleichzeitig Nutzendispositionen verbinden, geht Selbstdarstellung auf den Ebenen von Themen und Inhalten ein strategischer Selektionsprozess voraus, für den angestrebte und damit wünschenswerte Wirkung das maßgebliche Selektionskriterium ist. Selbstdarstellung lässt sich damit als ein strategisches oder zumindest strategisch intendiertes Public Storytelling bezeichnen. Strategisches Public Storytelling verfolgt das Ziel, Image, Reputation und Vertrauen als Formen von Sozialkapital zu erwirtschaften. Es operiert auf der Schnittstelle zwischen öffentlich relevanten und unternehmensrelevanten Geschichten (Themen) und Sachverhalten (Inhalten). Nicht die Geschichte an sich (Output) ist dabei relevant, sondern die möglichst wünschenswerte Wirkung dieser Geschichte als Outcome und Outflow (vgl. in diesem Kontext Zerfass/Pfannenberg 2004: 18 ff). Das kommunikationsstrategische Potential wird dabei von der Relevanz eines Themas in der Öffentlichkeit und damit von der Möglichkeit, Aufmerksamkeit für ein Thema zu gewinnen oder auf unternehmensrelevante Teile einer Geschichte zu lenken, und der Relevanz und Glaubwürdigkeit der mitgeteilten Inhalte als Akzeptanzkriterien begrenzt. Strategische Unternehmenskommunikation setzt sich mit eben diesen Differenzen zwischen dem Selbstverständnis eines Unternehmens und den Bedürfnissen und Möglichkeiten seiner Selbstdarstellung im Verhältnis zu Interessen und Erwartungen von Beobachtern auseinander. Da „unpersönliche Formen der Kommunikation über Organisationen unter den Bedingungen der Mediengesellschaft immer stärker durch hoch personalisierte Organisationsdarstellungen abgelöst werden“ (Eisenegger 2005: 41 f), ist Personalisierung in diesem Kontext nicht nur ein Mechanismus der Komplexitätsreduktion, sondern auch eine strategische Option, um ein Unternehmen in öffentlichen Diskursen zu positionieren und über Inhalte zu profilieren. Ziel von strategischem Public Storytelling ist es in diesen Fällen, die Reputation von Repräsentanten gezielt mit der des Unternehmens zu verknüpfen und dieses Konstrukt an wünschenswerter Stelle und in wünschenswerter Weise in die Prozesse und Geschichten öffentlicher Kommunikation einzubinden, um damit Einfluss auf eine positive Entwicklung des Sozialkapitals dieses Unternehmens zu nehmen. Im Zusammenhang mit These 1 wurde Repräsentantenpositionierung sehr allgemein als ein Typ organisationaler Selbstbeschreibung dargestellt, mit dem Organisationen bewusst operieren können. Die Diskussion von These 2 beleuchtete den systemtheoretischen Zusammenhang zwischen der operativen Geschossenheit eines Systems und dessen gleichzeitiger umweltbedingter Offenheit (vgl. Luhmann 1984: 22 ff., 357 ff.). In der narrativen Struktur öffentlicher Kommunikation spiegeln sich Selbstbeschreibungen und Fremdbeschreibungen und mit ihnen Selbst- und Fremdbewertungen. Sie lassen sich als auf PublicRelations-Prozessen basierende Differenz- und Diskrepanzstrukturen beschreiben, die ein komplexes Public-Relations-Netzwerk bilden (vgl. Szyszka 2008). In Public StorytellingProzessen öffentlicher Kommunikation erfahren organisationale Positionierungen immer neue Bewertungen, die verändernden Einfluss auf die Differenzen und Diskrepanzen innerhalb des organisationalen Public-Relations-Netzwerkes nehmen, dabei nicht nur die Tragfähigkeit bestehender organisationaler Selbstbeschreibung überprüfen, sondern auch deren gezielte Fortschreibung erforderlich machen. Unternehmenskommunikation, die mittel- und langfristig wirken will, muss entsprechend mit organisationalen Selbstbeschreibungen ope-
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rieren, welche Anschlussfähigkeit zu den unterschiedlichen Diskursen des Public Storytelling öffentlicher Kommunikation liefert. These 3: Unternehmenspolitisch kann Personalisierung als eine in vielen Fällen notwendige Kommunikationsstrategie nach innen und außen eingesetzt werden; die Bindung von Unternehmensreputation an die personale Reputation eines Rollenträgers und Repräsentanten macht dies allerdings zur Risikostrategie. Die zunehmende Ablösung unpersönlicher Formen der Kommunikation über Organisationen durch hoch personalisierte Organisationsdarstellungen macht die Reputation von Organisationen anfällig – so eine von Eisenegger vertretene These –, weil Prestige eines Repräsentanten als personale Reputation an die Stelle von organisationaler Reputation tritt (vgl. Eisenegger 2005: 41 f.). Die Unterscheidung in Organisation und Repräsentant als Rollenträger, der ein Unternehmen nur in sachlicher, zeitlicher und sozialer Dimension repräsentieren kann, verdeutlicht diese These. Unabhängig von personalisierter Unternehmensdarstellung ist ein CEO aufgrund der an seine Rolle gebundenen Gesamtverantwortung nach innen und außen immer der erste Repräsentant eines Unternehmens. Sein Rollenhandeln ist prinzipiell mit der vorgegebenen Codierung des Unternehmens, dessen Leistungszielen und damit an Rollenerwartungen gebunden, gleichzeitig aber nur ein Rollenhandeln auf Zeit. Repräsentation kann dabei solange als funktional eingestuft werden, wie sie sich auf die Unternehmenscodierung bezieht. Auf Reputation übertragen bedeutet dies: Personale und organisationale Reputation müssen sich in einem gemeinsamen Zielkorridor befinden, um funktional zu sein. Verlässt ein CEO den gemeinsamen Zielkorridor, wird personale Reputation für ein Unternehmen dysfunktional.9 Funktionale Repräsentation beschreibt damit die Kompatibilität von personaler und organisationaler Reputation bezüglich aktueller und angestrebter organisationaler Reputation. Unternehmenspolitisch ist CEO-Positionierung damit solange und in dem Maße als funktional einzustufen, wie sich CEO und Unternehmen in einem gemeinsamen Ziel- und Wertekorridor befinden und CEO-Beobachtung und -Bewertung nicht nur auf den Reputationswert des CEO wirkt, sondern auch auf das Unternehmen übertragen wird. Steht ein Unternehmen nur noch im Schatten seines CEO, wäre von Hyper-Personalisierung zu sprechen. Das eingangs skizzierte Beispiel Porsche zeigt dabei, dass der hohe Reputationswert eines Repräsentanten nicht gleichzeitig bedeutet, dass ein CEO in diesem Fall ein Unternehmen nicht überstrahlen muss, sondern dass sich personale und organisationale Reputation auch bei einem hohen Reputationsniveau in einem ergänzenden Gleichklang befinden können. Ein vom Unternehmen unabhängiger hoher Reputationswert eines CEO gilt als Mehrwert für ein Unternehmen (vgl. Gaines-Ross 2006). Seinen Reputationswert kann ein CEO bereits vor seinem Eintreten in das von ihm aktuell vertretene Unternehmen oder durch sein aktuelles Rollenhandeln erworben haben. Ein Mehrwert kann also durch Besetzung einer Rolle hinzuaddiert oder durch Rollenerfüllung erwirtschaftet worden sein; für beide Fälle ließen sich viele Beispiele aus der deutschen Unternehmenswelt anführen. Verfügt ein CEO über einen hohen Reputationswert, kann dieser als strategische Option zur Selbstdarstellung eines Unternehmens nach innen und außen eingesetzt werden. Personalisierung wird in
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Eisenegger spricht hier von funktionaler und – implizit – von dysfunktionaler Reputation (2005: 37 f).
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diesen Fällen zu einer strategischen Option, um in internen Prozessen z. B. die Identifikation von nachgeordneten Rollenträgern mit einem Unternehmen und in öffentlicher Kommunikation die Chancen auf die Präsenz des Unternehmens und damit dessen gezielte Profilierung und wünschenswerte Positionierung zu erhöhen. Personalisierung projiziert dabei die Leistungen eines Unternehmens auf den CEO und umgekehrt. Um angestrebte Mehrwerte zu generieren, wird damit der Reputationswert organisationaler Reputation auf die personale Reputation des CEO verlagert. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Leistungen dieses Unternehmens in Abhängigkeit von diesem CEO beobachtet werden, was mit Risiken verbunden ist. Der eingangs dargestellte Fall Ackermann macht kommunikationspolitische Risiken deutlich. Ob Ackermanns skizziertes Auftreten strategisch gewollt oder spontan selbstinszeniert war, ist unerheblich:10 Sein Auftreten wurde über seine Person hinweg in der Öffentlichkeit als Auftreten des ersten Repräsentanten der Deutschen Bank, als Auftreten eines führenden Repräsentanten der deutschen Finanzwirtschaft und als Auftreten eines einflussreichen Managers interpretiert und bewertet. Abgesehen davon, dass strategische Inszenierungen – wie jeder strategische Prozess – über ein Risikopotential verfügen, wird auf der Schnittstelle zwischen den Möglichkeiten strategischer Inszenierung eines CEO und dessen Selbstinszenierung das kommunikationsstrategische Risiko deutlich: Ein CEO entscheidet letztlich selbst über sein Verhalten und seine Inszenierung. Dazu kann er sich als vermeintlicher Kommunikationslaie fachlich beraten. Als gesamtverantwortlicher Entscheider entscheidet er damit selbst, wie er sich in Szene setzt oder in Szene setzen lässt. Sein tatsächliches Auftreten ist dabei neben seiner Inszenierbarkeit von seinem Gespür für eine Situation, seiner jeweils aktuellen Abwägung von unternehmenspolitisch und kommunikationspolitisch zu vertretenen Interessen und seiner Akzeptanz kommunikationsfachlicher Expertise abhängig. Als Repräsentant auf Zeit muss ein CEO mit unternehmenspolitischen Interessen immer zugleich auch persönliche Interessen vertreten, da sein personaler Reputationswert gleichzeitig auch sein personaler Marktwert ist; dies gilt für die Honorierung seiner Leistungen in der aktuellen Rollenposition wie für die Begehrlichkeit seiner Person bei anderen Unternehmen. In welcher proportionalen Verteilung diese beiden Interessenrichtungen zueinander stehen sollten, bedürfte näherer Untersuchung. Als Bedingung kann hier nur formuliert werden, dass sich Unternehmen und Repräsentant in einem gemeinsamen Zielund Wertekorridor befinden müssen, damit auch tatsächlich von Repräsentanz gesprochen werden kann. Bei näherer Betrachtung lassen sich zudem Mischformen einer Verknüpfung von unternehmenspolitischen und persönlichen Interessen finden: Führungskonflikte, bei denen sich ein Repräsentant öffentlich mit seinem personalen Reputationswert exponiert, um in internen Entscheidungsprozessen seine Vorstellungen entsprechend durchzusetzen. Eitelkeit als Attitüde, wobei sich ein Repräsentant selbst zur Botschaft macht, um anstelle des Unternehmens im Lichte der Öffentlichkeit zu stehen.
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Es ließe sich als dritte Möglichkeit sogar unterstellen, dass Geste und Interpretation gar nicht in einem Zusammenhang stehen müssen: Ackermann könnte die Geste auch in einem gesprächsweise anderen Zusammenhang gemacht haben, während die (medien)öffentliche Interpretation des Fotos an den ‚Tatort‘ gebunden wurde.
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In beiden Fällen kann ein CEO den gemeinsamen Zielkorridor verlassen, muss dies aber nicht zwangsläufig. Betont ein Repräsentant nur noch seinen eigenen Reputationswert oder wird eine Organisation ausschließlich in Abhängigkeit vom Reputationswert des CEO wahrgenommen (Hyper-Personalisierung), wird der Repräsentant zu einem unternehmenspolitischen Kommunikationsrisiko, da in öffentlicher Beobachtung und Bewertung nur noch er und nicht mehr mit ihm gemeinsam das Unternehmen adressiert wird. In diesem Fall ist er nur noch formaler, aber nicht mehr funktionaler Repräsentant, weil sein ‚Gesicht‘ und damit sein Reputationswert auch für ein anderes Unternehmen stehen könnte. Würde er sich in einer für beide Seiten erfolgreichen Unternehmenssituation vom Unternehmen trennen – so kann zunächst geschlossen werden –, geht einem Unternehmen mit dessen personalem Reputationswert auch ein Teil des organisationalen Reputationswertes verloren. Der unternehmenspolitische Mehrwert von CEO-Reputation sollte allerdings nicht überbewertet werden. Konflikt- und Krisensituationen von Unternehmen zeigen, dass bei der Übernahme der Verantwortung durch einen CEO und seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Verlust personaler CEO-Reputation durch organisationale Reputation kompensiert wird. Dies zeigt das aktuelle Beispiel der schweizerischen UBS im Kontext der amerikanischen Immobilienkrise: Mit dem Rücktritt des UBS-Verwaltungsratspräsidenten Marcel Ospel, der als Experte im globalen Bankenwesen galt, zog die Börsennotierung der UBS an den internationalen Kapitalmärkten trotz zweistelliger Milliardenverluste der UBS (in Dollar) wieder an. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass CEO-Positionierung aus den dargestellten Gründen vor allem kommunikationspolitisch eine Risikostrategie ist. Die ‚Halbwertzeit‘ organisationaler Rollenträger ist i. d. R. begrenzt. Organisationale Repräsentanten sind Repräsentanten auf Zeit, die zum gegebenen Zeitpunkt durch neue Repräsentanten ersetzt werden. Organisationale Selbstbeschreibung, die Repräsentanten markant adressierbar machen, können damit nur dann als funktional eingestuft werden, wenn eine Anschlussfähigkeit von Folgekommunikation auch über die Zuordnung dieser Repräsentanten zu einem Organisationssystem bestehen bleibt. Personales Rollenhandeln formaler Repräsentanten muss dazu nicht nur an organisationaler Selbstbeschreibung orientiert sein, um auf das Sozialkapital einer Organisation ‚einzuzahlen‘, sondern in öffentlicher Kommunikation auch als organisationsbedingt und nicht im Wesentlichen als personenbedingt interpretiert werden, um mittel- und langfristig – also auch über die Zeit der Zugehörigkeit eines Repräsentanten zu einer Organisation – funktional sein zu können. In Zeiten eines Shareholder Value kann dies schon per se als eine bisweilen schmale Gratwanderung eingestuft werden.
3.3 Theorie und Empirie: eine kurze Sekundäranalyse Weiterreichende empirische Untersuchungen zur CEO-Positionierung fehlen bislang noch. Interessante Befunde liefert eine Online-Befragung, die im Rahmen eines Projektseminars 2005 am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften (IPK) an der Freien Universität Berlin durchgeführt wurde. Befragt wurden dort PR-Praktiker, die sich in einem Unternehmen oder einer Agentur mit CEO-Kommunikation beschäftigen oder die dafür verantwortlich zeichnen: Die Ergebnisse sind in hohem Maße mit den Befunden konsonant, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit theoretisch entwickelt wurden.
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Der Studierenden-Untersuchung zufolge verkörpert ein CEO zwar Werte seines Unternehmens, „jedoch nicht alle in gleichem Maße“, vor allem bestehen Diskrepanzen zwischen ökonomischen und anderen Werten; CEO-Kommunikation vermittle Kundenorientierung und Qualität sowie Glaubwürdigkeit überdurchschnittlich gut, ökologische und soziale Werte dagegen fielen deutlich ab (vgl. IPK 2005: 32). Diese Befunde unterstreichen die vorstehend systemtheoretisch modellierte Trennung zwischen Organisation und Repräsentanten als Rollenträgern auf Zeit. Ökonomie, Ökologie und Soziales sind zentrale Nachhaltigkeitsfaktoren für die mittel- und langfristige Existenz eines Unternehmens in der Gesellschaft. Ein CEO ist dagegen Entscheider und Repräsentant für einen vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt. Seine Entscheidungen können nur in kurz- und mittelfristiger Perspektive erfolgen; seine personale Reputation bemisst sich am ökonomischen Erfolg des Unternehmens in dem von ihm zu verantwortenden Zeitraum. Personale und organisationale Reputation satteln damit auf differenten Erwartungen und Zeithorizonten auf. Beim Zusammenhang zwischen CEO-Persönlichkeit und Unternehmensimage lieferten die Studierenden-Befunde nach eigener Aussage „ein widersprüchliches Bild“: Während die große Mehrheit der Befragten das CEO-Image als prägend für das Unternehmensimage einstufte, weil „der CEO dem Unternehmen ein Gesicht gibt“, wurden die Auswirkungen von CEO-Image auf die betriebswirtschaftliche Performance eines Unternehmens als eher gering bewertet (vgl. ebd.). Die Befunde unterstreichen die schon in der BM-Studie thematisierte Differenz der Erwartungen von Stakeholdern und Shareholdern. Geht es um das Sozialkapital eines Unternehmens, über das in öffentlicher Kommunikation mitentschieden wird, benötigt ein Unternehmen einen Repräsentanten, der das Unternehmen zu verkörpern scheint. Entsprechend weisen weitere Studierenden-Befunde nach, dass ein „signifikant starker Zusammenhang“ zwischen der Prominenz eines CEO und der Häufigkeit der Berichterstattung über ein Unternehmen besteht, was die – auch hier geäußerte – Annahme zulasse, dass sich von der Präsenz des CEO in den Medien „positive Effekte“ für Medienarbeit und Unternehmensimage ergäben; dabei gehe es jedoch nicht nur um das ‚Gesicht‘ eines CEO, er müsse vielmehr „über inhaltliche Aussagen überzeugen“ (vgl. ebd.: 33). Geht es folglich um Realkapital, dann treten inhaltliche Aussagen in den Vordergrund. Hier wird – so lässt sich schlussfolgern – der CEO als Faktor und als Teil des Unternehmens bewertet, da die entsprechenden Diskurse von ökonomischen Kennziffern und Unternehmensstrategien bestimmt werden. CEO-Positionierung wäre aus dieser Perspektive vorrangig ein kommunikationsstrategisches Risiko. Zwei weitere Studierenden-Befunde schließlich lassen Aussagen über das Interesse des CEO an personaler Reputation zu. So gaben drei Viertel der Befragten an, „bei Presseveranstaltungen die Wünsche und Bedürfnisse des CEO in besonderem Maße zu berücksichtigen“; in knapp zwei Dritteln der Fälle wirkte der CEO selbst maßgeblich an der Gestaltung der Veranstaltungen mit (vgl. ebd.). Die überwiegende Zahl der CEOs ist sich danach offensichtlich des Einflusses eigener personaler Reputation auf organisationale Reputation bewusst, aber auch der Rückwirkungen von öffentlicher Präsenz und organisationaler Reputation für seinen personalen Reputationswert und damit seinen eigenen ‚Marktwert‘. Dies wird i. d. R. weniger in persönlicher Eitelkeit als vielmehr in strategischem Kalkül begründet sein.
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Schlussfolgerungen: Der CEO ist nicht das Unternehmen
Zusammenfassend kann damit die These der Burson-Marsteller-Studie, wonach der CEO das Unternehmen sei, negiert werden: Der CEO ist nicht das Unternehmen. Eine derartige, wenn auch provokative Behauptung verkürzt zu stark. Ein CEO ist ‚nur‘ der erste Repräsentant und dies auf Zeit. Seine personale Reputation bildet einen unternehmenspolitischen und vor allem kommunikationspolitischen Einflussfaktor. An Stellung und Stellenwert eines CEO im Zusammenhang mit der Kommunikationspolitik eines Unternehmens knüpfen sich Chancen, aber auch Risiken für die Unternehmenskommunikation, die CEO-Kommunikation und -Positionierung mit zunehmender Unternehmensgröße – auch das zeigen die Studierenden-Befunde – zu einer grundlegenden Problematik des Public-RelationsManagement machen. CEO-Positionierung steht damit nur in einem mittelbaren Zusammenhang zu Personen-PR oder Personality-PR als Öffentlichkeitsarbeit für einen „Menschen als Marke“ oder eine „Ich-Marke“ (Nessmann 2005: 3), denn sie stellt nicht eine Person als solche in den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern eine Person als Repräsentanten einer Organisation. Nutzt ein CEO dagegen die Öffentlichkeitsarbeit seines Unternehmens vorrangig zu Gunsten personaler Reputation, dann wird aus Unternehmens-PR Personen-PR. Dies wird heute weniger ein „Geschäft mit der Eitelkeit“, denn eigenes strategisches Kalkül sein: Unternehmenspolitisch ist dies dysfunktional. Anders als in der Politik, wo sich eine Durchsetzung von Interessen systembedingt enger an Personen knüpft als in der Wirtschaft, sollten sich bei Unternehmen die Grenzen zwischen funktional und dysfunktional deutlicher ziehen lassen. Das wäre aber eine neue Forschungsfrage.
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Empirische Befunde
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution in der medienvermittelten Kommunikation Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
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Einleitung
Personalisierung wurde für den Bereich des Politischen definiert als Prozess, der die Person zum Deutungsmuster komplexer politischer Sachverhalte erhebt, und zwar in der politischen Selbst- und Fremddarstellung sowie in der Wahrnehmung politischer Inhalte durch das Publikum (Holtz-Bacha 1998: 241). Dieses Verständnis von Personalisierung lässt sich auch für die Organisationskommunikation nutzbar machen. Personalisierung bedeutet dann die Tendenz, Personen zum Deutungsmuster organisationaler Sachverhalte zu machen, sowohl in der Selbst- und Fremddarstellung der Organisationen als auch in deren Wahrnehmung durch das Publikum. Eine solche Definition fokussiert auf die drei wesentlichen Elemente der Personalisierung, nämlich die Medien, das Publikum und die Organisationen selbst, wobei jede der drei Seiten beeinflusst ist von der Erwartung einer Personenzentrierung auf der anderen Seite (vgl. auch Bentele/Fähnrich sowie Brettschneider/Vollbracht, in diesem Band). So betreiben Organisationen in ihrem Kommunikationsmanagement Personalisierung nicht nur von sich aus, sondern insbesondere auch, weil sie sich an den Selektions- und Interpretationslogiken der Medien orientieren. Und die Organisationen und Medien setzen auf das Mittel der Personalisierung, weil sie von einer substantiellen Personenfixierung des Publikums ausgehen. Trotz aller Interdependenz besteht dennoch guter Grund zur Annahme, dass die mediale Personalisierung im Sinne einer personenzentrierten Selektion und Darstellung journalistischer Inhalte die wichtigste Triebfeder sowohl der organisationalen Personalisierung als auch der personenzentrierten Wahrnehmung durch das Publikum darstellt. In dieser Perspektive beschreibt die personalisierende ‚Konstruktion von Wirklichkeit‘ einen folgenschweren Medialisierungsvorgang, der darauf beruht, dass die Medien in ihren Narrationen zunehmend auf die Karte ‚Person‘ setzen und die Organisationen sich an diesen Vorgang anpassen, indem sie in verstärktem Maß eine personalisierende Reputationspflege betreiben (Bentele/Fähnrich, 2009, in diesem Band). Es stellt sich allerdings die Frage, welche Reputationseffekte von dieser Personalisierung auf die Organisationen ausgehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die politische Kommunikationsforschung dazu tendiert, die Risiken personalisierender Kommunikation herauszustreichen, während die auf ökonomische Organisationen zentrierte PRForschung eher die Chancen betont. Für die politische Kommunikationsforschung bildet Personalisierung zumeist das Gegenstück zu einer sachbezogenen, rationalen Diskursführung. Es wird befürchtet, dass im Zuge personalisierender Darstellung eine stark simplifizierende, expressive Kommunikationslogik gegenüber einer vernunftbasierenden Sachkommunikation die Oberhand gewinnt (Vgl. z.B. Häussler 2008: 6). Befürchtet wird zudem eine Tendenz der De-Institutionalisierung, das heißt eines Bedeutungsverlustes der Organisationen als Entscheidungs- und Repräsentationseinheit (Sarcinelli 2005: 190). Demgegen-
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
118
über neigt die PR-Forschung dazu, die Chancen personalisierender Kommunikation als Mittel der Aufmerksamkeitsmaximierung und der Reputationspflege vornehmlich für ökonomische Organisationen herauszustreichen (Vgl. etwa Nessmann, Sandhu/Zielmann sowie Zielmann/Röttger, in diesem Band). Vor dem Hintergrund der divergierenden Einschätzungen zu den Folgen personalisierender Kommunikation will dieser Beitrag empirische Belege zu der Frage liefern, inwieweit sich personenzentrierte Darstellungen in der medienvermittelten Kommunikation für die jeweiligen thematisierten Organisationen auszahlen. Der Beitrag setzt sich deshalb zum Ziel, wichtige, mit personalisierender Kommunikation verbundene Regularitäten der Reputationskonstitution in der öffentlichen, medienvermittelten Kommunikation zu benennen. Die Beurteilung der Reputationseffekte, die mit einer personalisierenden Wirtschaftsberichterstattung einhergehen, setzt voraus, das diesem Beitrag zugrundeliegende Personalisierungsverständnis zu klären. Denn Personalisierung ist nicht gleich Personalisierung. Es wird sich zeigen, dass die von einer personalisierenden Medienberichterstattung ausgehenden Reputationseffekte stark davon abhängig sind, in welchem Modus Personalisierung stattfindet.
2
Personalisierungstypen
Es muss sinnvollerweise unterschieden werden zwischen einer Subjekt-Personalisierung, bei der Personen in der sprechenden Funktion als Absender organisationaler Inhalte fungieren, und einer Objekt-Personalisierung, bei der über Personen kommuniziert wird, Personen also zum Gegenstand kommunikativer Darstellung und Erörterung werden, sei es in der Medienberichterstattung oder im Rahmen organisationaler Public Relations. Da prinzipiell jede Kommunikation, auch die organisational-formalisierte, im Ursprung auf personale Sprecher zurückverfolgt werden kann, ist die Unterstellung von Personalisierung mit Blick auf die „nur“ sprechende Funktion von Personen erklärungsbedürftig. Auch in diesem Beitrag wird die Ansicht vertreten, dass von einer Subjekt-Personalisierung erst dann sinnvoll gesprochen werden kann, wenn organisationale Sprecheraufgaben dauerhaft und exklusiv von ranghohen Organisationsvertretern ausgeübt werden (vgl. Eisenegger 2009, in diesem Band). In Bezug auf die Objekt-Personalisierung, d.h. die Darstellung und Wahrnehmung von Personen in Kommunikationsprozessen hat es sich eingebürgert, zwischen einem rollennahen und einem rollenfernen Modus der Personalisierung zu unterscheiden (vgl. Campbell/ Converse/Miller/Stokes 1960, Lass 1995). Verschiedene Autoren haben basierend auf dem Ordnungsschema rollennah/rollenfern verschiedene Unterkategorisierungen vorgenommen (vgl. Brettschneider 2001, Jakubowski 1998, Kindelmann 1994, Wirth/Voigt 1999). Während unter rollennaher Personalisierung die Thematisierung instrumenteller Personenmerkmale gefasst wird wie Leistungs-, Kompetenz- oder Führungseigenschaften, gilt eine Personalisierung als rollenfern, wenn wertexpressive Personenmerkmale wie der Charakter, die Integrität oder Privates ins Zentrum gerückt werden. Bei allen Unterschieden ist diesen Personalisierungs-Typologien gemeinsam, dass sie sich auf image- respektive reputationsrelevante Attribute von Personenmerkmalen beziehen. Andernorts wurde eine Reputationstheorie vorgestellt, die auf beliebige Kollektiv- oder Individualakteure anwendbar ist (vgl. Eisenegger 2005, Eisenegger/Imhof 2008a). Auf der Grundlage der Theorie kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas erlaubt es der
119
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution
Ansatz, die wesentlichsten Modi der Objekt-Personalisierung zu identifizieren (vgl. Habermas 1984). Dabei wird das im Fachdiskurs dominante, dichotome Schema rollennah/rollenfern erweitert zu einem dreidimensionalen Personalisierungs-Schema (vgl. Eisenegger, in diesem Band). Zentral ist die Beobachtung, dass sämtliche Akteure moderner Gesellschaften – also auch Individuen – in Diskursen immer genau im Hinblick auf drei Weltbezüge thematisiert und bewertet werden können: Es sind dies die objektive, die soziale und die subjektive Welt (vgl. Habermas 1984: 75ff.). Diese drei Weltbezüge sind durch eine spezifische Thematisierungs- und Beurteilungslogik charakterisiert, welche unter anderem auch die Logik personalisierter Reputationskonstitution determinieren. In der objektiven Welt werden die Akteure danach beurteilt, ob sie in kognitiver Hinsicht den Zwecken ihrer Funktionssysteme (Politik, Wirtschaft etc.) dienen. In der sozialen Welt wird die normativ-moralische Korrektheit zum Beurteilungsmaßstab. Und in der subjektiven Welt schließlich gilt das Interesse der Frage, welche emotionale Wirkung vom je individuellen Wesen des Akteurs ausgeht. Entsprechend gehorchen diese drei Weltbezüge den Geltungsansprüchen der kognitiven Wahrheit, der normativen Korrektheit und der emotionalen Attraktivität (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1:
Funktionale, soziale und expressive/charismatische Personalisierung Funktionale Personalisierung
Soziale Personalisierung
Objektive Welt
Soziale Welt
Expressive/ charismatische Personalisierung Subjektive Welt
Messbare Zweckerfüllung; Funktionssysteme
Kodifizierte und nicht kodifizierte Normen
Individuelle Eigenart und Subjektivität
Personalisierungsaspekte
Personaler Erfolg; Fachkompetenz
Sozialverantwortlichkeit; Soziale Legitimität; Fairness
Persönlichkeit/ Charakter; Begabungen/Talente; Werdegang; Private Lebenswelt; Charisma/Leadership; Faszinationskraft Authentizität
Personalisierungsstil
Kognitiv-rational
Normativ-moralisierend
Alimentierter Herrschaftstyp nach Max Weber
Rationale Herrschaft
Traditionale Herrschaft
Emotionalästhetisierend Charismatische Herrschaft
Personalisierungssreferenz
Quelle: Eisenegger 2009, in diesem Band
Erstens wird eine Person in der objektiven Welt kognitiv (sachlogisch) überprüfbarer Ursache-Wirkungszusammenhänge dahingehend thematisiert und beurteilt, ob sie in der Erreichung bestimmter Zwecke erfolgreich ist bzw. ob sie auf kompetente Weise die adäquaten Mittel ergreift, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Die objektive Welt umfasst somit den Bereich der zweckgebundenen und „Entscheidungen fällenden Systeme“ (Habermas 1988: 132). In dieser Dimension werden die Leistungsziele der verschiedenen Funktionssysteme (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc.) zum Maßstab für die Beurteilung einer Person. Diese funktionale Personalisierung ist ein Indikator für personalen Erfolg und für personale Fachkompetenz. Dieser Personalisierungstypus interessiert sich für die Frage, wie gut eine
120
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
Person die ihr zugewiesene Leistungsrolle ausfüllt. Funktionale Personalisierung lässt sich mit dem Typus rationaler Herrschaft von Max Weber in Verbindung bringen (vgl. Weber 1980: 124ff.). Bei der rationalen Herrschaft tritt die Person hinter die Verfahren und die durch sie repräsentierte Organisation zurück. Der Herrschaftsträger ist „nur“ Rollenträger einer Organisation, die er gestützt auf rationale Verfahren vertritt. Zweitens müssen sich Personen auch in einer sozialen Welt geltender Normen und Moralvorstellungen bewähren. Diese soziale Welt wird konstituiert durch einen normativen Gemeinschaftskontext, der festlegt, inwieweit Personen legitime Beziehungen mit ihrer Umwelt aufrechterhalten (vgl. Habermas 1988: 134). Im Zentrum steht die Frage, ob die Person in ihrem Erfolgsstreben nicht einfach blind über Leichen geht, sondern sich verantwortungsvoll an kodifizierte und nicht-kodifizierte (informelle) Normen hält. Diese soziale Personalisierung bewertet die Sozialverantwortlichkeit und Fairness einer Person. Die daraus resultierende soziale Reputation einer Person ist so lange intakt, wie das persönliche Streben nach Erfolg nicht mit gesellschaftlichen Normen und Werten in Konflikt gerät. Die soziale Personalisierung korrespondiert mit dem Typus traditionaler Herrschaft Webers (vgl. Weber 1980: 124ff.). Die Person ist gehalten, sich in Übereinstimmung mit den moralischen und in der Gesellschaft allgemein akzeptierten Regeln und Geboten zu verhalten (vgl. Bendix 1964: 251). Die objektive und die soziale Welt treten einer Person als Außenwelten gegenüber, die sie entweder mit kognitiv-funktionalen Leistungserwartungen oder aber mit normativethischen Ansprüchen der Gesellschaft konfrontiert. In der subjektiven Dimension wird die individuelle (Innen-)Welt der Person selbst zum Gegenstand der Reputationszuweisung, das heißt der Fokus liegt auf der charakteristischen, individuellen Eigenart einer Person. In der subjektiven Welt werden Akteure deshalb drittens danach beurteilt, welche Emotionen sie provozieren, indem sie ihre spezifische Subjektivität zur Erscheinung bringen (vgl. Habermas 1988: 136). Sofern sich Personendarstellungen im Modus dieser expressiven Personalisierung vollziehen, werden Charaktereigenschaften, die besonderen Talente und Begabungen, der individuelle Werdegang oder die private Lebenswelt der Person ins Zentrum gerückt. Kurz: Das Interesse gilt der inneren und äußeren Anmut – das heißt der Authentizität und Attraktivität – einer Person. Während in der objektiven Welt eine kognitive und in der sozialen Welt eine normative Bewertungsrationalität vorherrscht, dominieren in der subjektiven Welt emotionale oder ästhetisierende Geschmacksurteile. Die expressive Reputation einer Person steigert sich zur charismatischen, wenn sie auf dem Glauben an die außeralltäglichen Begabungen der jeweiligen Person beruht. Solche charismatische Herrschaft beruht in Abgrenzung zum rational-legalen und traditionalen Herrschaftstyp auf der affektuellen Hingabe an die Heiligkeit, Heldenkraft oder Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnung (Weber 1980: 124; Wæraas 2009, in diesem Band). In der Perspektive Webers ist der rationale Herrschaftstyp die unpersönlichste aller Herrschaftsformen. Der rationale „Herrscher“ ist zwar der ranghöchste, aber gleichwohl austauschbare „Diener“ einer ansonsten im Zentrum stehenden funktionalen Ordnung, die er vertritt. Bei der funktionalen Personalisierung respektive der in diesem Modus inszenierten rationalen Herrschaft bleiben die soziale Einheit respektive die Organisation im Fokus der Aufmerksamkeit. Dagegen sind die traditionale (=soziale Personalisierung), und noch wesentlich stärker die charismatische Herrschaftsform (=expressive Personalisierung) strikt personenbezogen. Im Gegensatz zum rationalen Herrscher vertritt der traditionale Herr-
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution
121
schaftsträger nicht einfach eine spezifische Sozialordnung, er verkörpert sie. Bei der traditionalen Herrschaft sind die persönlichen Gefolgschaftsverhältnisse aber noch alltäglich (nicht außeralltäglich), weil die Legitimation des Herrschaftsträgers in den normativen Prinzipien und Traditionen der Gemeinschaft verankert ist. Hingegen beruht die Legitimation charismatischer Herrschaft ausschließlich auf den als außeralltäglich wahrgenommenen Qualitäten und Begabungen des Herrschaftsträgers selbst. Im charismatischen Fall wird die Person mitsamt ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten und Talenten zum alleinigen Grund der Herrschaftslegitimation. Die charismatische Herrschaft löst sich aus dem funktionalen Rollengeflecht und den tradierten Normen des Alltags, ja sie ist den kognitiven Verfahren wie auch den überkommenen Normen und Moralvorstellungen der Gesellschaft sogar deutlich entgegengesetzt. Insgesamt zeigt sich somit im Falle der charismatischen Herrschaft die größte Abhängigkeit der Herrschaftsunterworfenen vom Herrschaftsträger. Übertragen auf den Gegenstand der Organisationskommunikation bedeutet dies, dass mit charismatischer Personalisierung die größte Überformung der Organisation durch die jeweilige Person einhergeht. In Prozessen charismatischer Personalisierung werden ranghohe Vertreter selbst zur Botschaft, ihre Auftritte sowie die Diskussionen über ihre besonderen Stärken und Schwächen werden zum eigentlichen Kommunikationsereignis und zum sich verselbständigenden Narrativ.
3
Regularitäten
Im Folgenden werden wichtige Regularitäten zu den mit Personendarstellungen verbundenen Reputationseffekten in der medienvermittelten Kommunikation vorgestellt und diskutiert. Die Untersuchung stützt sich auf eine mediale Reputationsanalyse von sieben Schweizer Großkonzernen im Zeitraum Januar 2004 bis März 2009.1 Für das Untersuchungsjahr 2008 wurde die Untersuchungsanlage auf ausgewählte politische Organisationen ausgeweitet, um Aufschluss über die unterschiedliche Personalisierungsintensität politischer und ökonomischer Organisationen zu erhalten.2 Für das erste Quartal 2009 wurden zudem die drei Typen funktionaler, sozialer und expressiver Personalisierung detailliert erfasst und die damit verbundenen Reputationseffekte (positiv/negativ) gemessen.
1
2
Die folgenden Schweizer Großkonzerne wurden inhaltsanalytisch ausgewertet: UBS, Credit Suisse (Banken); Novartis, Roche (Pharma); Swiss Re, Swiss Life und Zurich Financial Services (Versicherungen). Folgendes Mediensample wurde untersucht: Bilanz, Blick, CashDaily, Finanz+Wirtschaft, Handelszeitung, Le Temps, NZZ, NZZ am Sonntag, SonntagsBlick, SonntagsZeitung, Tages-Anzeiger, Weltwoche, Wochenzeitung, Schweizer Fernsehen Tagesschau, Schweizer Fernsehen 10vor10. Untersucht wurden folgende Parteien: Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS), die FreisinnDemokratische Partei der Schweiz (FDP) sowie die Schweizerische Volkspartei (SVP).
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
122 Abbildung 2:
Personalisierungsintensität von Wirtschaft und Politik
SPS
93%
FDP
92%
SVP
Politische Organisationen
46%
Zurich Versicherung
31%
Novartis
25%
UBS
21%
Swiss Re
15%
Swiss Life
15%
Credit Suisse
Ökonomische Organisationen
12%
Roche
9% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Lesehilfe: Die Darstellung misst den Anteil der personalisierenden Berichterstattung von sieben ökonomischen und drei politischen Organisationen im Untersuchungsjahr 2008. Die jeweiligen Prozentwerte zeigen die Anteile derjenigen Berichterstattung, in der Personenvertreter der jeweiligen Organisationen im Zentrum der Beiträge standen.
Mit Blick auf Abbildung 2 fällt auf, dass die Personalisierungsanteile der politischen Organisationen durchwegs höher sind als auf der Seite der ökonomischen Organisationen. Den Spitzenwert der Personalisierung nimmt die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) ein, bei der in rund 93% aller Beiträge einzelne Parteiexponenten im Zentrum der Berichterstattung stehen.3 Den höchsten Wert auf der Seite der Unternehmen nimmt die Zurich Versicherung mit einem Personalisierungsanteil von 31 Prozent ein. Dass die politischen Organisationen deutlich höhere Personalisierungsanteile aufweisen als die ökonomischen, erstaunt nicht, denn im Bereich der Politik gehört die Zuschreibung von personalisierter Verantwortung zum wesenseigenen Kern demokratischer Politik (vgl. Sarcinelli 2005: 102). Allerdings gleichen sich die Personalisierungswerte der beiden Handlungssysteme in den letzten Jahren stark an. Letzteres deckt sich mit dem Befund einer seit den 1990er Jahren sich beschleunigt vollziehenden Politisierung der Wirtschaftsberichterstattung (vgl. Schranz 2007). 3
Bemerkenswert tief sind die Personalisierungswerte der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Aufgrund ihrer autoritären und charismatischen Führungsstruktur sind für diese populistische Partei normalerweise außerordentlich hohe Personalisierungswerte zu verzeichnen. Diese erreichten beispielsweise zum Zeitpunkt der Eidgenössischen Wahlen im Jahr 2007 einen Wert von 85%. Dass die SVP im Untersuchungszeitraum 2008 nur vergleichsweise tiefe Personalisierungswerte erreicht, ist wesentlich dem innerparteilichen Zwist in dieser Phase um die Positionierung der Partei zuzuschreiben. Die entsprechende Berichterstattung zu diesem Kommunikationsereignis hat 2008 zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Beiträgen zur Parteiorganisation insgesamt geführt.
123
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution Abbildung 3:
Personalisierungsintensität nach Kommunikationsereignissen Reputationsindex -200
-175
UBS - Geschäftsgang / Krise Swiss Re - Geschäftsgang / Krise
-150
-125
-100
-75
-50
-25
27.8% 16.8%
Steueraffäre UBS-USA Credit Suisse - Geschäftsgang / Krise
5.6% 5.6%
Bankgeheimnisdebatte Kaderlohndebatte Finanzkrise
2.2% 2.2%
ZurichFS - Geschäftsgang / Krise World Economic Forum WEF 2009 Post - Geschäftsgang
1.9% 1.7% 1.5%
Radio Vatikan - Kommentator Vasella Raiffeisen-Gruppe - Geschäftsgang
1.3% 1.1%
Regulierung Finanzmarkt Schweiz SBB - Geschäftsgang SRG - Geschäftsgang
1.1% 1.1% 1.1%
Sulzer - Geschäftsgang / Abwahl Berg Swiss - Geschäftsgang
1.1% 1.1%
0%
50
75
100
-41 -27 -13 -55 -9 -10 0 22 -13 -29 -33 40 0 -40 -60 0 20
25% Reputationswert
25
-69
3.4% 2.4% 2.4%
Novartis - Geschäftsgang Swiss Life - Geschäftsgang
0 -7
50% Resonanz in %
75%
100% Resonanz in %
Lesehilfe: Ein Personalisierungswert (schwarze Balken) von 27.8% bedeutet, dass etwas mehr als ein Viertel aller erfassten Beiträge mit starker Personalisierung dem Kommunikationsereignis „UBS – Geschäftsgang / Krise“ zugeordnet wurden. Als „stark personalisiert“ wurden alle Beiträge codiert, die den CEO, den Vorstandsvorsitzenden oder einen anderen Rollenträger der Organisation zum Aufhänger hatten. Der Reputationsindex (schraffierte Balken) misst die Bewertung der erfassten Personen im jeweiligen Kommunikationsereignis. Ein medialer Reputationsindex-Wert von minus 7 bedeutet, dass die thematisierten Personen im betreffenden Kommunikationsereignis (leicht) negativ thematisiert wurden.4
Abbildung 3 zeigt die Kommunikationsereignisse5, in denen die untersuchten sieben Großkonzerne im Zeitraum Januar-März 2009 Resonanz erhielten, und zwar in absteigender Reihenfolge ihrer Personalisierungsintensität (in %). Auffallend ist der personalisierungstreibende Einfluss von Krisen. Krisenhafte Entwicklungen rücken regelhaft den CEO oder andere ranghohe Unternehmensvertreter in den öffentlichen Fokus und die Personalisierungsanteile schnellen in die Höhe. Hohe Personalisierungswerte sind deshalb Krisenindikatoren. Diese Regularität hat zwei Ursachen. Einerseits gehen Krisen stets mit einer 4
5
Der abgebildete Reputationsindex misst die medienvermittelte Reputation auf der Basis aller Medienbeiträge, in denen die sieben untersuchten Unternehmen thematisiert wurden. Der Reputationsindex kann maximal die Werte +100 bis -100 annehmen. Ein (hypothetischer) Wert von +100 bedeutet, dass die analysierten Unternehmen im jeweiligen Zeitraum ausschließlich positiv bewertet wurden. Umgekehrt bedeutet ein Wert von -100, dass die Unternehmen ausschließlich negativ bewertet wurden. Zur Methodik der medialen Reputationsanalytik vgl. (Eisenegger 2005, Schranz 2007). Kommunikationsereignisse werden definiert als thematisch zentrierte, kontinuierliche Berichterstattungsfolgen zu raum-zeitlich definierten Ereignissen oder Vorgängen (Eisenegger, 2003). Sie sind durch einen spezifischen Aktualitäts- und Situationsbezug charakterisiert und prozessieren verschiedene Beiträge (Presseartikel, TV- oder Radio-Beiträge etc.) zu einer laufenden Geschichte bzw. ‚Story‘.
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
124
Charismatisierung der öffentlichen Kommunikation einher (vgl. Imhof 2009, in diesem Band). Das heißt Krisen produzieren Hoffnungsträger. Das hatte bereits Max Weber erkannt, der charismatische Herrschaft beschrieb als das Kind „bedrohlicher äußerer Situationen“ (Weber 1980: 661), weil charismatische Personalisierung auf Vertrauensgenerierung in unübersichtlichen, desorientierten oder eben krisenhaften Konstellationen abzielt. Andererseits zeigt sich eine stark personalisierte Verantwortungszuschreibung von Schuld und Versagen im Krisenfall. Die Verantwortung für ein Fehlverhalten einer Organisation als abstraktem Gebilde zuzuweisen, ist sehr schwierig. Eine Person hingegen lässt sich wesentlich einfacher an den Pranger stellen. Abbildung 3 illustriert indessen eindrücklich, dass die negativen Reputationseffekte die positiven im Falle krisenhafter Personalisierungen klar dominieren.6 Schuldige und Versager zu brandmarken hat also im ökonomisierten Mediensystem offensichtlich größeren Nachrichtenwert, als den neuen Hoffnungsträgern zu applaudieren. Abbildung 4:
Entwicklung personalisierter und organisationaler Reputation
Reputationsindex 100
75
50
25
0
-25
-50
-75
Reputation organisational
2009.Q1
2008.Q4
2008.Q3
2008.Q2
2008.Q1
2007.Q4
2007.Q3
2007.Q2
2007.Q1
2006.Q4
2006.Q3
2006.Q2
2006.Q1
2005.Q4
2005.Q3
2005.Q2
2005.Q1
2004.Q4
2004.Q3
2004.Q2
2004.Q1
-100
Reputation personalisiert
Lesehilfe: Die Grafik zeigt die Entwicklung der personalisierten (schwarze Linie) und der organisationalen Reputation (gestrichelte Linie) der untersuchten sieben Großkonzerne über die Zeit. In den personalisierten Reputationsindex-Wert ging diejenige Berichterstattung ein, in der personale Organisationsvertreter den Aufhänger der Berichterstattung bildeten. Der organisationale Reputationsindex-Wert bezieht sich auf die Berichterstattung mit Fokus auf den Unternehmen insgesamt. Beide Reputationsindex-Werte können maximal die Werte +100 (stark positiv) respektive -100 (stark negativ) annehmen.
6
Vgl. die entsprechenden Reputationsindex-Werte.
125
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution
Abbildung 4 ist zu entnehmen, dass die personalisierte Reputation deutlich stärker schwankt als die organisationale. In der Börsensprache ausgedrückt geht Personalisierung mit einer volatilen Reputationsentwicklung einher. Je stärker die Unternehmensreputation auf den CEO oder andere ranghohe Organisationsvertreter reduziert wird, desto stärker schwankt die Reputationskurve. Umgekehrt ist die Entwicklung der organisationalen Reputation, welche am Unternehmen insgesamt festgemacht wird, durch größere Stabilität und Berechenbarkeit gekennzeichnet. Lob und Tadel liegen bei Personen also näher beieinander als bei den Organisationen insgesamt. Für das Reputations-Management bedeutet dies: Hohe Personalisierung behindert den kohärenten und berechenbaren Reputationsaufbau und führt zu einer instabilen Reputationsentwicklung. Wie wirken sich die drei Personalisierungsmodi der funktionalen, sozialen und expressiv-charismatischen Personalisierung auf die medienvermittelte Reputation aus? Dies illustrieren die Abbildungen 5, 6 und 7. Abbildung 5:
Einfluss der funktionalen Personalisierung auf die Unternehmensreputation
Reputationsindex 100
n=921
80 60 40 20
19.05 0.00 -10.45
0
18.75 -6.00
-8.49
-20 -40 -50.68 -60 -80 -100 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Personalisierungsanteil Funktionale Reputation in %
Lesehilfe: Die Grafik zeigt den Prozentanteil funktionaler Personalisierung (horizontale Achse) sowie die damit verbundenen medialen Reputationseffekte (vertikale Achse) der sieben untersuchten Schweizer Großkonzerne (schwarze Punkte) im Untersuchungszeitraum 1. Quartal 2009. Ein Wert von 80% / +18.75 bedeutet, dass die Personalisierung des betreffenden Unternehmens zu 80% im funktionalen, rollennahen Modus erfolgte und diese Form der Personalisierung einen positiven, funktionalen Unternehmens-Reputationswert von +18.75 zur Folge hatte. Die schwarze Linie illustriert den (logarithmischen) Zusammenhang zwischen den Dimensionen „funktionale Personalisierung“ (X-Achse) und „mediale Unternehmensreputation“ (Y-Achse).
In Abbildung 5 ist dargestellt, wie sich die funktionale Personalisierung auf die mediale Unternehmensreputation auswirkt. Die funktionale Personalisierung umfasst diejenigen Beiträge, in denen personale Unternehmensvertreter in rollennahen Zusammenhängen thematisiert wurden, also Kompetenz- und funktionale Erfolgsmerkmale der jeweiligen Orga-
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
126
nisationsvertreter ins Zentrum gerückt wurden.7 Dem Schaubild ist zu entnehmen, dass die analysierten Unternehmen weitaus am häufigsten im Modus funktionaler Personalisierung thematisiert wurden. Dementsprechend bewegt sich der Anteil der funktionalen Personalisierung im Spektrum von 60 bis knapp 90 Prozent. Die Effekte dieser funktionalen Personalisierung auf die medienvermittelte Reputation sind dabei im Untersuchungszeitraum leicht positiv (vgl. die Zusammenhangskurve in Abbildung 5). Auffallend ist auch, dass selbst im Falle wahrgenommener Inkompetenz / Erfolglosigkeit der jeweiligen TopShots die zugehörigen Unternehmens-Reputationswerte nur vergleichsweise moderate Negativausschläge erreichen. Dies lässt darauf schließen, dass personalisierte, funktionale Reputationsdefizite leichter korrigierbar sind als solche auf der Seite der Sozialreputation (vgl. nächsten Abschnitt). Insgesamt scheint es sich tendenziell reputationsstabilisierend auszuwirken, wenn der ranghöchste Vertreter einer Unternehmung als „dienender“ Rollenträger seiner Organisation thematisiert wird, also der Modus der funktionalen Personalisierung dominiert. Abbildung 6:
Einfluss der sozialen Personalisierung auf die Unternehmensreputation
Reputationsindex 100
n=234
80 60 40 20 0
-5.00 -12.00
-20 -37.50 -40.00
-40
-58.33 -67.89
-60 -80 -100.00
-100 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70% 80% 90% 100% Personalisierungsanteile Sozialreputation in %
Lesehilfe: Die Grafik zeigt den Prozentanteil sozialer Personalisierung (horizontale Achse) sowie die damit verbundenen medialen Reputationseffekte (vertikale Achse). Ein Wert von 22% / -58.33 (Punkt rechts) bedeutet, dass die Personalisierung des betreffenden Unternehmens zu 22% im sozialen Modus erfolgte und diese Form der Personalisierung einen stark negativen, sozialen UnternehmensReputationswert zur Folge hatte. Die schwarze Linie illustriert den (logarithmischen) Zusammenhang zwischen den Dimensionen „soziale Personalisierung“ (X-Achse) und „mediale Unternehmensreputation“ (Y-Achse). 7
Beispiele für eine solche funktionale Objekt-Personalisierung sind: „Schon an seinem ersten Arbeitstag macht der neue UBS-Chef Oswald Grübel seinem Ruf als Geldvermehrer alle Ehre.“ (Blick, 27.2.2009); „Grübel ist ein ausgewiesener Bankspezialist.“ (HandelsZeitung, 11.3.2009); „Schiro stiess 2002 als Nachfolger von Rolf Hüppi zum Versicherungskonzern. Dem ehemaligen Chef des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse Coopers gelang es innert Kürze, den schlingernden Versicherungskonzern wieder in solide Bahnen zu lenken.“ (Cash Daily, 29.1.2009); „In einer Zeit steter Meldungen über Verluste und Personalabbau präsentierte Daniel Vasella einmal mehr Rekordzahlen punkto Umsatz, Ebit und Gewinn.“ (Cash Daily, 29.1.2009).
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution
127
Abbildung 6 zeigt, wie sich die soziale Personalisierung auf die medienvermittelte Unternehmensreputation auswirkt. Als soziale Personalisierung wurden sämtliche Beiträge vergeben, in denen personale Organisationsvertreter in gesellschaftlichen Zusammenhängen thematisiert wurden, also die Personen in Bezug auf gesellschaftliche Norm- und Wertvorstellungen thematisiert wurden.8 Es wird deutlich, dass steigende soziale Personalisierungsanteile mit gesteigerten Reputationsrisiken einhergehen. Soziale Personalisierung korreliert mit der Unternehmens-Reputation also klar negativ. Zudem erreichen die negativen Reputationswerte ein massiv tieferes Niveau als ein beanstandetes funktionales Versagen (vgl. Abbildung 5). Hier zeigen sich die Effekte einer skandalisierenden Medienberichterstattung, die darauf spezialisiert ist, normativ-moralische Defizite der skandalisierten Personen zu brandmarken. Dabei wiegen Reputationsverluste in der sozialen Welt durchs Band schwerer als Reputationseinbußen in der funktionalen Dimension: In Frage gestellte kognitive Kompetenz lässt sich korrigieren, sofern sich entsprechende Erfolge wieder einstellen. Wahrgenommene moralische Defizite einer Person prägen den Ruf nachhaltiger und lassen sich meist nur unter Anwendung radikaler Maßnahmen – z.B. öffentliche Schuldeingeständnisse – korrigieren.
8
Beispiele für die soziale Objekt-Personalisierung sind: „Eine Handvoll alter Männer zieht die Strippen und schiebt sich eigennützig die Posten zu. Kielholz, Doerig und Villiger gehören dazu.“ (Tages-Anzeiger, 10.3.2009); „die Schweizer Grossbank ist in der zweiten Jahreshälfte 2008 tief in die Miesen gerutscht und musste das Jahr mit einem Milliardenverlust abschliessen. Dennoch reklamieren einzelne Konzernleitungsmitglieder weiterhin hohe Boni. Allen voran: Walter Berchtold, Chef Private Banking.“ (Bilanz, 13.2.2009); „Kielholz behauptet, die Führungselite sei systembedingt gezwungen, die Realität auszublenden und die Lage in rosa Farben darzustellen. (...) Das heisst konkret auch, dass Kielholz sehr wohl wusste, wie schlimm es etwa um Swiss Re stand.“ (SonntagsZeitung, 15.2.2009); „Kielholz bleibt – trotz Rücktrittsforderungen. Auch die anderen zwölf Verwaltungsräte bleiben. Unter ihnen Präsident Peter Forstmoser (65), Thomas Bechtler (59), Bénédict Hentsch (60) und Kaspar Villiger (67). Alles klingende Namen. Ein Vitamin-BKuchen aus Anwälten, Bankern, FDP-Politikern, Multiverwaltungsräten.“ (Blick, 13.2.2009); „Bradley Birkenfeld ist der Kronzeuge der amerikanischen Justiz gegen die UBS. Jetzt erscheint sein Name überraschend in den Akten einer Korruptionsaffäre in Kenya.“ (NZZ am Sonntag, 25.1.2009).
Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
128 Abbildung 7:
Einfluss der expressiv-charismatischen Personalisierung auf die Unternehmensreputation
Reputationsindex 100
n=165 100.00
80 60 40
35.71
20
13.64
0
0.00
-20
-21.13 -33.33
-40 -60 -75.00
-80 -100 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Personalisierungsanteil Expressive Reputation in %
Lesehilfe: Die Grafik zeigt den Prozentanteil expressiv-charismatischer Personalisierung (horizontale Achse) sowie die damit verbundenen medialen Reputationseffekte (vertikale Achse). Ein Wert von 39% / +35.71 (Punkt rechts) bedeutet, dass die Personalisierung des betreffenden Unternehmens zu 39% im expressiv-charismatischen Modus erfolgte und diese Form der Personalisierung einen stark positiven, expressiven Unternehmens-Reputationswert zur Folge hatte. Die schwarze Linie illustriert den (logarithmischen) Zusammenhang zwischen den Dimensionen „expressiv-charismatische Personalisierung“ (X-Achse) und „mediale Unternehmensreputation“ (Y-Achse).
Schließlich zeigt Abbildung 7 die Reputationseffekte der expressiv-charismatischen Personalisierung. Als expressiv-charismatisch wurde der Personalisierungsmodus kodiert, wenn die charakteristische Subjektivität der Person zum primären Gegenstand der Erörterung gemacht wurde, also etwa Charaktereigenschaften, die spezifischen Begabungen oder die private Lebenswelt die Personendarstellung bestimmte.9 Der Abbildung ist zu entnehmen, dass diese expressiv-charismatische Personalisierung mit tendenziell positiven Reputationseffekten korreliert. Das ist darauf zurückzuführen, dass es in der Untersuchungsphase (1. Quartal 2009) im Zusammenhang der Finanz- und Weltwirtschaftskrise zu einer Reihe von 9
Beispiele für die expressiv-charismatische Personalisierung sind: „Der neue Chef [Grübel, Anm. der Autoren] gilt als nicht pflegeleicht. Sein knallharter Stil, sein oftmals ruppiges Auftreten, sein gelegentlich als ungerecht empfundenes Wesen waren in den Gängen und Büros der CS berüchtigt.“ (Tages-Anzeiger, 27.2.2009); „Villiger gilt als integrierend, glaubwürdig und weiss auch in kritischen Situationen mit freundlicher Stimme zu argumentieren. (...) Mitarbeiter und Steuerzahler wird er überzeugen können, dass mit ihm und Konzernchef Oswald Grübel zugunsten der gesamten Volkswirtschaft ein Neuanfang bei der UBS möglich ist.“ (Tages-Anzeiger, 5.3.2009); „Fritz Gerber ist ein Gesicht dieser Generation. Einer, der sich von der heimatlichen Scholle hocharbeitete, ohne diese zu verleugnen. Einer, für den die international ausgerichteten Schweizer Konzerne das Tor zur Welt darstellten. Sein Weg führte in typisch schweizerischen Etappen dorthin.“ (Weltwoche, 19.3.2009); „Er [Schiro, Anm. der Autoren] hat die Gabe, die vielen Mitarbeitenden eines weit verzweigten Unternehmens auf einen gemeinsamen Weg einzuschwören, auf «The Zurich Way» (...). Einer wie er war zu Beginn des Jahrzehnts für Zurich Financial Services nötig.“ (Finanz und Wirtschaft, 30.1.2009).
Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution
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Personenrochaden an der Spitze der untersuchten Unternehmen kam und die neuen Hoffnungsträger in den Medien in dieser Startphase freundlich begrüßt werden. Es muss allerdings davor gewarnt werden, eine expressiv-charismatische Personalisierung nun einfach mit positiven Reputationseffekten gleichzusetzen. Vielmehr erhöht die charismatischexpressive Personalisierung die Fallhöhe der jeweiligen Personen und erlaubt es, die TopShots im Falle eines späteren Versagens umso medienwirksamer wieder vom Thron zu stoßen. Die expressiv-charismatische Personalisierung von heute ist also die Nahrung für die Skandalisierung von morgen. Zudem ist mit der expressiv-charismatischen Personalisierung die größte Überformung der Organisation durch die charismatisierte Person verbunden. In Prozessen expressiv-charismatischer Personalisierung werden ranghohe Vertreter selbst zur Botschaft, ihre Auftritte sowie die Diskussionen über ihre besonderen Stärken und Schwächen werden zum Kommunikationsereignis für sich. In charismatisierenden Darstellungsformen ist somit die höchste Stufe der Personalisierung erreicht. Organisationen und Institutionen stehen nicht mehr für sich selbst, sondern für die charismatische Person, der sie sich unterordnen. Dementsprechend zahlt eine Organisation, die sich in zu starke Abhängigkeit von einer charismatischen Führungsperson begibt, einen hohen Preis, wenn der Ruf des Charismaträgers in der Öffentlichkeit Schaden nimmt.
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Fazit
Mit Blick auf die drei Personalisierungsmodi konnte gezeigt werden, dass von der funktionalen Personalisierung eine tendenziell stabilisierende Wirkung auf die medienvermittelte Unternehmensreputation ausgeht. Werden einzelne Organisationsvertreter in ihrer Funktionsrolle thematisiert, so ist die mediale Reputationsentwicklung der Unternehmen den geringsten Schwankungen ausgesetzt. Selbst im Falle wahrgenommener Inkompetenz hat die funktionale Personalisierung nur vergleichsweise moderate Negativwerte zur Folge. Hingegen gehen von der sozialen Personalisierung die negativsten Reputationseffekte aus: Je stärker eine Person in sozialmoralischen Zusammenhängen thematisiert wird, desto negativer sind regelmäßig die Effekte auf die Unternehmensreputation. Die soziale Personalisierung entpuppt sich somit als eigentliches Minenfeld mit klar dominanten Reputationsrisiken. In Bezug auf die expressiv-charismatische Personalisierung sind die Befunde ambivalent: Wird die Person als Hoffnungsträger dargestellt, so kann die Organisation kurzfristig von einem Reputationsbonus profitieren. Zudem bietet die expressiv-charismatische Personalisierung den Vorteil, dass sich das Unternehmen/die Organisation vergleichsweise leicht vom allfälligen Reputationsmalus befreien kann: Es „rollt der Kopf“ und mit ihm die negativen Eigenschaften, die die Person auf sich vereinigt. Allerdings muss auch konstatiert werden, dass die expressiv-charismatische Personalisierung zu einer äußerst volatilen Reputationsentwicklung führt. Mit jedem Führungswechsel muss die Unternehmensreputation neu aufgebaut werden. Zudem erleichtert die expressiv-charismatische Personalisierung die Skandalisierung: Emporstilisierte und mit überschießenden Erwartungen versehene Charismaträger verschaffen großen Nachrichtenwert, wenn sie mit viel medialem Getöse wieder vom Thron gestoßen werden. Insgesamt warnt dieser Beitrag davor, die mit Personalisierung einhergehenden Reputationsrisiken in der Organisationskommunikation zu unterschätzen. Personalisierung führt zu einer volatilen Reputationsentwicklung und sie erleichtert die Skandalisierung im Kri-
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Mark Eisenegger, Esther Konieczny-Wössner
senfall. Werden Firmen zu stark über ihre Führungsspitze wahrgenommen, so muss die Unternehmensreputation mit jedem Führungswechsel – in Europa alle vier bis fünf Jahre! – neu bewirtschaftet werden (Eisenegger & Imhof, 2008b). Wer kurzfristigen Starkult betreibt, schadet dem langfristigen Reputationsaufbau.
Literatur Bendix, Reinhard (1964): Max Weber – Das Werk. München: C.H. Beck. Bentele, Günter/Fähnrich, Birte (2009): Personalisierung als sozialer Mechanismus in Medien und gesellschaftlichen Organisationen. In: Eisenegger/Wehmeier (2009, in diesem Band). Brettschneider, Frank (2001): Candidate-Voting. Die Bedeutung von Spitzenkandidaten für das Wählerverhalten in Deutschland, Grossbritannien und den USA von 1960 bis 1998. In: Klingemann/Kaase (2001): 351-400. Campbell, Angus/Converse, Philip F./Miller, Warren E./Stokes, Donald (1960): The American Voter. New York: John Wiley. Eisenegger, Mark (2003): Kommunikationsereignisse oder Issues – die Elementarteilchen sozialwissenschaftlicher Öffentlichkeitsforschung. In: Maier/Hurrelmann/Nullmeier/Pritzlaff/Wiesner (2003): 167-196. Eisenegger, Mark (2005): Reputation in der Mediengesellschaft – Konstitution, Issues Monitoring, Issues Management. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Eisenegger, Mark/Imhof, Kurt (2008a): Funktionale, soziale und expressive Reputation – Grundzüge einer Reputationstheorie. In: Röttger (2008): 243-264. Eisenegger, Mark/Imhof, Kurt (2008b): The True, The Good and the Beautiful: Reputation Management in the Media Society. In: Zerfass/Ruler/Sriramesh (2008): 125-146. Eisenegger, Mark (2009): Eine Phänomenologie der Personalisierung. In: Eisenegger/Wehmeier (2009, in diesem Band). Habermas, Jürgen (1984): The Theory of Communicative Action. Reason and the Rationalization of Society (Vol. 1). Boston: Beacon Press. Häussler, Thomas: Person vs. Argumentation? Die Personalisierung der politischen Berichterstattung in Grossbritannien und der Schweiz seit 1960. In: Zeitschrift für Kommunikationsökologie und Medienethik. 1/2008. 6-9. Holtz-Bacha, Christina (1998): Personalisierung als Strategie der Wahlwerbung. In: Imhof/Schulz (1998): 240-250. Holtz-Bacha, Christina (Hrsg.) (1999): Wahlkampf in den Medien – Wahlkampf mit den Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Imhof, Kurt/Schulz Peter (Hrsg.) (1998): Die Veröffentlichung des Privaten – die Privatisierung des Öffentlichen. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Imhof, Kurt (2009): Personalisierte Ökonomie. In: Eisenegger/Wehmeier (2009, in diesem Band). Jakubowski, Alex (1998): Parteienkommunikation in Wahlwerbespots: eine systemtheoretische und inhaltsanalytische Untersuchung von Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 1994. Opladen: Westdeutscher Verlag. Kindelmann, Klaus (1994): Kanzlerkandidaten in den Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Klingemann, Hans-Dieter/Kaase, Max (Hrsg.) (2001): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1998. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Lass, Jürgen (1995): Vorstellungsbilder über Kanzlerkandidaten. Zur Diskussion um die Personalisierung von Politik. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Maier, Matthias Leonhard/Hurrelmann, Achim/Nullmeier, Frank/Pritzlaff, Tanja/Wiesner, Achim (Hrsg.) (2003): Politik als Lernprozess? Wissenszentrierte Ansätze der Politikanalyse. Opladen: Leske + Budrich. Rensmann, Lars (2006): Populismus und Ideologie. In: Decker (2006): 59-80.
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Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
Dieser Beitrag verfolgt vier Ziele: Zum Ersten legt er dar, auf welche Art und Weise die Personalisierung der Unternehmensberichterstattung gemessen werden kann. Zum Zweiten untersucht er für den Zeitraum von 2002 bis 2007, ob die Unternehmensberichterstattung führender deutscher Massenmedien und ausgewählter internationaler Wirtschaftstitel zunehmend personalisiert wurde. Darüber hinaus schildert er – zum Dritten – die Chancen und Risiken der Personalisierung der Unternehmensberichterstattung anhand einiger ausgewählter Beispiele. Und schließlich – viertens – wird skizziert, welche Lehren für ein zielorientiertes Communication Performance Management daraus zu ziehen sind.
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Personalisierung in Politik und Wirtschaft
In westlichen Demokratien wird seit geraumer Zeit eine Personalisierung der Politik postuliert. Vor allem in Wahlkämpfen stünden mehr und mehr die Spitzenkandidaten im Mittelpunkt. Diese behauptete Entwicklung wird meist negativ bewertet: Personen und Show würden Inhalte und Substanz verdrängen. Dabei werden drei Aspekte der Personalisierung unterschieden: Erstens, die Personalisierung der Wahlkampfführung – also die Selbstdarstellung der Parteien. Zweitens, die Personalisierung der Medienberichterstattung über die Parteien – also deren Fremddarstellung in den Massenmedien. Drittens, die Personalisierung des Wählerverhaltens – also die Konsequenzen der vorangegangenen Personalisierungen auf das Verhalten der Rezipienten. Zudem werden zwei Dimensionen der Personalisierung unterschieden. Die erste Dimension beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Darstellung von Kandidaten versus Parteien und Themen. Eine Personalisierung läge vor, wenn die Selbst- oder Fremddarstellung bzw. die Wahlentscheidung zunehmend auf den Kandidaten beruhen würden – zulasten von Parteien und/oder Themen. Die zweite Dimension beschäftigt sich innerhalb der Darstellung der Kandidaten mit der Frage, welchen Stellenwert „unpolitische“ Kandidatenmerkmale für die Gesamtdarstellung und Bewertung der Kandidaten haben. Der Personalisierungshypothese folgend, müssten diese „unpolitischen“, rollenfernen Merkmale über die Jahre hinweg wichtiger geworden sein (vgl. mit weiterführender Literatur Brettschneider 2002). So populär solche Annahmen auch sein mögen – nicht in allen Teilaspekten lässt sich die „Personalisierung der Politik“ nachweisen und oft fällt sie nicht so dramatisch aus, wie vielfach behauptet: 1) Die Wahlkämpfe der Parteien waren schon immer zu einem gewissen Grad personalisiert. Kandidaten haben ihren Parteien seit jeher Gesicht und Stimme verliehen. In der Regel wurden die Spitzenpolitiker dabei mit einer bestimmten Sachpolitik in Verbindung gebracht: Adenauers Westintegration, Erhards Wirtschaftswunder, Brandts Ostpolitik. Das Ausmaß dieser Personalisierung variiert je nach politischem System (Personalisierung ist im präsidentiellen System der USA stärker als in den parlamentarischen Systemen Deutsch-
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Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
lands und Großbritanniens) und sie variiert von Wahl zu Wahl (in Abhängigkeit vom Kandidaten- und Themenangebot der Parteien sowie von der politischen Großwetterlage). Von einer dramatischen Zunahme dieser Personalisierung kann keine Rede sein; es ist jedoch tendenziell ein leichter Anstieg der Personalisierung feststellbar – verstanden als Versuch der Parteien, mit ihren Spitzenkandidaten die Aufmerksamkeit und Zustimmung der Wähler zu erlangen. Parteien stellen allerdings die unpolitischen Merkmale von Kandidaten äußerst selten in den Mittelpunkt ihrer Selbstdarstellung. Diesbezüglich kann nicht von einer Personalisierung der Politik gesprochen werden. 2) Die leicht wachsende Bedeutung der Spitzenkandidaten in der Selbstdarstellung der Parteien ist in erster Linie auf eine sich wandelnde Medienberichterstattung zurückzuführen. In den USA wurde die Berichterstattung über Präsidentschaftswahlen seit den 1950er Jahren zunehmend kandidatenzentriert (vgl. u.a. Wattenberg 1996: 93). In Großbritannien und Deutschland gewinnen Kandidaten für die Journalisten ebenfalls an Faszination. „The media – especially the popular media – intensify the personalization of government, viewing Prime Ministerial activities in short catchy phrases“ (Rose 1980: 22). Und auch innerhalb der Berichterstattung über die Spitzenkandidaten werden Schwerpunkte gesetzt, die als Personalisierung interpretiert werden können: An die Stelle der Aussagen über die Sachpositionen der Kandidaten treten immer häufiger Aussagen über deren Integrität und Führungsstärke, ihre innerparteiliche Unterstützung und ihr Standing in jüngsten Meinungsumfragen. Zudem wird zunehmend – und nicht nur von Boulevardmedien – über das Privatleben von Politikern berichtet. Einige Autoren führen dies auf die personalisierte Wahlkampfführung der Parteien zurück. Mehrheitlich sehen wissenschaftliche Beobachter in der Personalisierung der Berichterstattung jedoch nicht eine Konsequenz personalisierter Wahlkämpfe, sondern eine wesentliche Ursache für ebendiese Konzentration der Parteien auf ihre Spitzenkandidaten (Mediatisierung). „The modern campaign strategy which dominates all others and best fits media logic [Hervorhebung Verf.] is personalization, concentrating on telegenic leaders while programs and policy proposals remain in the background“ (Swanson/Mancini 1996: 272). Vor allem das Fernsehen, das für die Präsentation von Politik stärker als die Printmedien auf Aktionshaltigkeit, Verkürzung und Bildtauglichkeit angewiesen ist, konzentriert sich auf prominente Politiker. Dies wird zudem durch den Trend zur Boulevardisierung verstärkt, der mit der Verbreitung privat-kommerzieller Fernsehsender einsetzte (vgl. Postman 1988). „Die modernen Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, haben der politischen Macht ein Gesicht gegeben. Damit hat sich die politische Macht ... personalisiert“ (Radunski 1980, Seymour-Ure 1987). Für Oberreuter (1998: 17) ist das Ursache-WirkungsVerhältnis eindeutig: „Unterhaltung ist die Superideologie des Fernsehens, nicht Information. Die Politik ist längst den Eigengesetzlichkeiten dieser permanenten Show unterworfen ... Das Medium erzwingt [Hervorhebung Verf.] Visualisierung und Personalisierung“. Hinsichtlich der Medienberichterstattung über Wahlkämpfe – und über Politik allgemein – kann also tatsächlich von einer Personalisierung gesprochen werden (vgl. auch Brettschneider 2005). 3) Trotz der Personalisierung der Medienberichterstattung beruht die Wahlentscheidung der Wähler nach wie vor stärker auf langfristigen Bindungen an eine Partei (Parteiidentifikation) und auf der den Parteien zugeschriebenen Problemlösungskompetenz – statt auf der isolierten Kandidatenbewertung. Allerdings variiert auch dies nach politischem System und nach situativen Gegebenheiten. Und wenn Kandidaten von den Wählern bewertet
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
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werden, dann in erster Linie unter dem Gesichtspunkt ihrer Problemlösekompetenz, ihrer Führungsstärke und ihrer Integrität – nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer unpolitischen Merkmale. Über die Frisuren von Spitzenpolitikern (und -innen) wird zwar auf dem Grillabend mit Nachbarn gelästert, in der Wahlkabine hingegen sind sie irrelevant. Dort erweist sich die den Spitzenpolitikern zugeschriebene Problemlösekompetenz als deutlich wichtiger. Wenn sich also die Einstellungen der Wähler zu Spitzenpolitikern auf das Wählerverhalten auswirken, dann tun sie dies im Verbund mit Themenorientierungen. Mithin kann hier von einer allgemeinen Personalisierung im Sinne einer Entpolitisierung noch nicht die Rede sein (vgl. Brettschneider 2002). Anders als der Gesellschaftsbereich der Politik galt der Bereich der Wirtschaft lange Zeit als weitgehend frei von Personalisierung. Unternehmerpersönlichkeiten spielten in der Wahrnehmung von Unternehmen zwar immer wieder mal eine herausragende Rolle, meist stand jedoch die ökonomische Performance von Unternehmen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dies scheint sich zu ändern. Analog zur Politik lässt sich die Diskussion über die Personalisierung der Unternehmenskommunikation in drei Felder aufgliedern (siehe Abbildung 1). Abbildung 1:
Personalisierung der Unternehmenskommunikation
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
Personalisierung der Unternehmens-PR
Personalisierung der StakeholderWahrnehmung
1) Personalisierung der Unternehmens-PR: Analog zur Personalisierung der Wahlkampfführung von Parteien lässt sich fragen, welche Rolle CEOs und andere Vorstandsmitglieder in der Selbstdarstellung von Unternehmen spielen und wie sich der Stellenwert des Topmanagement in der Selbstdarstellung über die letzten Jahre hinweg entwickelt hat. Einer im Januar 2007 durchgeführten Studie des Manager Magazins und Lothar Rolkes zufolge wenden die Kommunikationsabteilungen von 137 befragten Unternehmen in Deutschland etwa 20 Prozent ihres gesamten Zeitbudgets für das Image des CEO auf (vgl. Kaufmann 2007). „Jedes Unternehmen hat ein Gesicht. Meist ist dies nicht das Produkt, das sich am besten verkauft, oder das am innovativsten ist. Das Gesicht eines Unternehmens ist identisch mit dem seines Lenkers. Der Chef ist nicht nur Chef, sondern eine Art zweites Logo“ (Kaufmann 2007). Laut Piwinger (2000: 22) ist der Grad der Personalisierung bei Investor
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Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
Relations besonders hoch. Hier ist neben dem Vorstandsvorsitzenden auch der Finanzchef ein gefragter Interviewpartner. Vor dem Hintergrund einer solchen Wahrnehmung ist der Boom mehr oder weniger gelungener How-to-do-Literatur zum Thema CEO-PR nicht weiter verwunderlich (vgl. Nessmann 2005). Und auch unter Kommunikationsverantwortlichen in Unternehmen ist die Relevanz der Personalisierung weitgehend unumstritten (vgl. Sandhu/Zielmann in diesem Band). Allerdings herrscht Unklarheit darüber, wie die Selbstdarstellung des Unternehmens personalisiert werden soll: Das Kontinuum reicht von einer Unternehmenskommunikation, in der das Topmanagement keine besondere Rolle spielt, über eine Variante, in der die Außendarstellung auf möglichst viele Schultern verteilt wird (neben dem CEO werden hier auch der Finanz-, der Personal- und der Entwicklungsvorstand aktiv in den Medien platziert), bis hin zur Konzentration der Unternehmenskommunikation auf den CEO – wobei auch Homestories in den Boulevardmedien zum Repertoire gehören. Aber: „Allen Personalisierungen der PR-Maschinerie zum Trotz: Das Auftreten deutscher Chefs ist vergleichsweise zurückhaltend, zumindest in der Öffentlichkeit. Während Spitzenpolitiker im Durchschnitt acht Interviews pro Monat geben, bringen es Vorstandsvorsitzende lediglich auf zwei“ (Kaufmann 2007). 2) Personalisierung der Stakeholder-Wahrnehmungen: Wenn die Selbstdarstellung von Unternehmen personalisiert wird, dann ist dies in der Regel kein Selbstzweck. Der Personalisierung liegt vielmehr die Annahme zugrunde, dass das Image und die Reputation des CEO erheblich die Wahrnehmung und die Bewertung des Unternehmens in verschiedenen Stakeholdergruppen beeinflussen – bei den eigenen Mitarbeitern oder den Lieferanten, den Kunden, Anlegern, Verbänden und politischen Akteuren, den Journalisten und der allgemeinen Öffentlichkeit. Die wenigen Studien zu diesem Thema beruhen fast ausschließlich auf Befragungen – in der Regel von Führungspersonal aus der Wirtschaft, der Politik und/ oder den Massenmedien – und sie stammen aus oft nicht verifizierbaren Untersuchungen, die im Auftrag oder in Eigenregie von Beratungsunternehmen durchgeführt wurden, die für ihre Kunden selbst Personalisierungskonzepte anbieten. Dabei werden Einflüsse der Personalisierung auf a) die Wahrnehmung, b) die Bewertung und c) das Verhalten von Stakeholdern ermittelt. So würden „sechs von zehn Menschen ein Unternehmen in den Medien aufmerksamer verfolgen, wenn sie dessen CEO kennen und schätzen“ (Hochegger 2006: 7). Rolke nimmt an, dass bis zu 70 Prozent des Unternehmensimages durch das Ansehen des Vorstandsvorsitzenden beeinflusst werden (vgl. Kaufmann 2007). Der „CEO Reputation Studie 2006“ von Burson-Marsteller (2006, 2001) zufolge beeinflusst der Ruf des Vorstandsvorsitzenden in Deutschland die Reputation des Unternehmens zu 60 Prozent, und dieser Wert sei seit dem Jahr 2000 konstant hoch. Laut der Studie „Corporate Reputation Watch“ von Hill & Knowlton (2004) halten 30 Prozent der befragten Executives den CEO für den wichtigsten Reputationstreiber (vgl. Becker/Müller 2004: 19). In der Nachfolgestudie „Return on Reputation“ heißt es: 53 Prozent der befragten Analysten „identified the quality of management, aside from financial performance, as the most important factor in driving corporate reputation in a way that would influence them. But the management team are not all equal; 87% regard the reputation of the CEO as either extremely or very important compared to 75% for the CFO, 40% for the company Chairman and 23% for other non-executive directors“ (Hill & Knowlton 2006: 4). Wie stark sich die CEO-Reputation im Verhalten der Stakeholder und schließlich im Unternehmenswert niederschlägt, ist hingegen umstritten. Sie scheint nicht so wichtig für die Kaufentscheidung von Kunden zu sein; dort stehen eher Produkt- und Servicequalität
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
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im Vordergrund. Und auch für die Mitarbeitergewinnung ist ein anderer Faktor wichtiger: die Karrierechancen. Für das Verhalten von Anlegern und Investoren wird der CEO-Reputation hingegen eine große Bedeutung beigemessen – zumindest von den durch Hill & Knowlton befragten Executives (Becker/Müller 2004: 20). Und Burson-Marsteller macht folgende Rechnung auf: Die Reputation eines Unternehmens könne bis zu 50 Prozent seiner Gesamtkapitalisierung ausmachen. Da die Topmanager durch ihr Verhalten und ihre Reputation knapp zwei Drittel der Unternehmens-Reputation beeinflussen würden, käme dies einem CEO-Anteil an der Gesamtkapitalisierung von mehr als einem Viertel gleich (Heinisch 2006: 253). Etwas geringer veranschlagt die Boston Consulting Group den Anteil des CEOImages am Aktienwert: 15 bis 20 Prozent (Casanova 2002: 70). Und auch nach Stöhlker (2001: 36) macht das Image des CEO 20 Prozent des Aktienkurses aus. Brandstätter (2006: 33) verweist auf das Beispiel DaimlerChrysler: Der Rücktritt Jürgen Schrempps am 28.7.2005 löste ein Kursfeuerwerk für die Aktien von DaimlerChrysler aus. Der Aktienwert stieg über Nacht um zehn Prozent, was sich in einem Anstieg des Börsenwerts von 36 Milliarden auf 40 Milliarden Euro niederschlug. Ist der Nachfolger eines CEO hingegen vergleichsweise unbekannt, so setzt der Kurssprung nicht sofort ein. Ob er überhaupt stattfindet, hängt dann maßgeblich von der auf den Wechsel an der Unternehmensspitze folgenden Medienberichterstattung ab, wie die Ernennung Peter Löschers zum Nachfolger von Klaus Kleinfeld bei Siemens im Mai 2007 zeigt – hier erfolgte die Börsenreaktion erst zwei Wochen nach dem Wechsel des Spitzenpersonals. Aber wie schon bei den Politikern, so sind auch für die Stakeholder von Unternehmen nicht die persönlichen, rollenfernen Merkmale der CEOs ausschlaggebend, sondern Eigenschaften, die mit ihrer Funktion im Unternehmen im Zusammenhang stehen. An der Spitze der vom CEO erwarteten Informationen, die dann auch für seine Bewertung relevant sind, steht die von ihm verfolgte Unternehmensstrategie, gefolgt von der Akquisitionspolitik und der Geschäftsentwicklung. Darüber hinaus seien seine Fähigkeiten im Change-Management wichtig – u.a. auch die Fähigkeit, Mitarbeiter zu orientieren und zu motivieren (vgl. Trummer 2006: 16, Hill & Knowlton 2006: 4). 3) Personalisierung der Unternehmensberichterstattung: Im Zusammenhang mit der Personalisierung der Politik wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Medienformat vor allem (aber nicht nur) des Fernsehens eine Visualisierung und Personalisierung auf Seiten der politischen Akteure erzwingt. Trifft dies auch auf den Bereich der Ökonomie zu? Führt die gleiche Medienlogik, die in der Politik zu einer Personalisierung der Selbstdarstellung von Parteien geführt hat, auch bei Unternehmen zu einer stärkeren Betonung ihrer Spitzenmanager? Bislang wurde dies kaum empirisch untersucht, weil man lange Zeit annahm, dass die Wirtschaftsredaktionen einer anderen Logik folgen als die Politikressorts. Allerdings wird immer häufiger eine „weitgehende Angleichung der Selektions-, Interpretationsund Inszenierungslogiken der Wirtschaftsberichterstattung an diejenigen der politischen Berichterstattung“ (Imhof in diesem Band) wahrgenommen. Ob diese Wahrnehmung zutrifft und wie stark personalisiert die Medien über Unternehmen berichten, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. Im Einzelnen wird folgenden Fragen nachgegangen: 1) 2)
Was kann man unter einer Personalisierung der Unternehmensberichterstattung verstehen und wie kann man sie messen? Wie hat sich die Personalisierung der Unternehmensberichterstattung entwickelt? Und wovon hängt es ab, ob die Massenmedien personalisiert berichten?
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4)
2
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht Welche Beispiele für personalisierte Unternehmensberichterstattung gibt es und welche Konsequenzen kann personalisierte Unternehmensberichterstattung mit sich bringen? Und schließlich: Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Ergebnissen für eine zielführende Unternehmenskommunikation ziehen?
Die Messung der Personalisierung von Unternehmensberichterstattung
Grundsätzlich stehen vier Wege offen, mittels systematischer Inhaltsanalysen der Medienberichterstattung die Frage zu klären, ob zunehmend in personalisierter Form über Wirtschaftsunternehmen berichtet wird: 1) Vor allem kann man die Höhe des CEO-Anteils an der Unternehmensberichterstattung und seine Veränderungen über die Zeit hinweg untersuchen. Dieser Weg ist angesichts der großen Bedeutung sinnvoll, die den Vorstandvorsitzenden sowohl in der Selbstdarstellung der Unternehmen als auch in der Wahrnehmung der Stakeholder zukommt. Personalisierung liegt dann vor, wenn der Anteil des CEO an der Unternehmensberichterstattung über die Jahre hinweg zunimmt. 2) Ferner lässt sich Personalisierung fassen, indem man – analog zur Politikberichterstattung – untersucht, welche Teilaspekte im Zusammenhang mit der CEO-Berichterstattung im Mittelpunkt stehen: die Stellung des CEO im Unternehmen, seine Fachkompetenz, seine Entlohnung oder rollenferne Aspekte (z.B. sein Privatleben). Personalisierung liegt dann vor, wenn rollenferne Aspekte an Bedeutung gewinnen. 3) Zudem kann man Personalisierung an dem Anteil des gesamten Vorstandes an der Unternehmensberichterstattung festmachen. Dieser Weg ist sinnvoll, weil einem Unternehmen nicht nur über den CEO, sondern auch über den Finanz-, den Personal- und den Entwicklungsvorstand Gesicht und Stimme verliehen werden kann. Personalisierung liegt dann vor, wenn der Anteil des gesamten Vorstandes an der Unternehmensberichterstattung über die Jahre hinweg zunimmt. 4) Und schließlich lässt sich das Ausmaß der Personalisierung bemessen, wenn man das Untersuchungsproblem nicht von Seiten der Akteure angeht, sondern von Seiten der Themen, die in der Unternehmensberichterstattung eine Rolle spielen. Dann ist zu fragen, welchen Stellenwert das Thema „Management“ beispielsweise im Vergleich zu den Themen „Forschung und Entwicklung“, „Ratings“, „Aktienwert“, „Geschäftsentwicklung“, „Kundenbeziehungen“, „Internationalisierung/Globalisierung“ etc. einnimmt. Personalisierung liegt dann vor, wenn das Thema „Management“ im Vergleich zu den anderen Themen an Bedeutung gewinnt. Im Folgenden werden alle vier Wege beschritten. Für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 15. Mai 2007 wird die gesamte Berichterstattung über die DAX-30-Unternehmen in meinungsführenden Medien inhaltsanalytisch erfasst. Das Institut Media Tenor hat Tag für Tag und Passage für Passage die Unternehmensberichterstattung in folgenden Medien systematisch codiert: Welt, Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, taz, Bild-Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, ARD Tagesschau, ARD Tagesthemen, ZDF heute, ZDF heute journal, RTL Aktuell, SAT.1 18:30, Pro 7 Nachrichten, Focus, Spiegel, Woche, Stern, Wirtschaftswoche, Financial Times, Wall Street Journal (Europe). Ins-
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
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gesamt wurden 286.180 Passagen über Unternehmen codiert. Neben der Häufigkeit der Berichterstattung wurde auch die Bewertung der CEOs ermittelt. Die Wahl fällt aus mehreren Gründen auf die DAX-30-Unternehmen. Zum einen gelten sie als Trendsetter, an denen sich beispielsweise MDAX-Unternehmen orientieren. Hinzu kommt die verstärkte Medienpräsenz in Folge der Pflichtpublizität börsennotierter Unternehmen. Mindestens 20 Prozent der Medienberichterstattung lassen sich auf das Listing dieser Unternehmen zurückführen, bei kleineren börsennotierten Unternehmen liegt dieser Anteil sogar bei 50 bis 60 Prozent. Mit ihrer Börsenpräsenz stehen Unternehmen also stärker unter öffentlicher Beobachtung. Und über sie wird häufiger berichtet. Dies erfordert einen nach außen erkennbaren Repräsentanten. Demzufolge müsste die Personalisierung bei börsennotierten Unternehmen stärker ausfallen als beispielsweise bei nicht an der Börse gelisteten Familienunternehmen. Zum anderen wird für börsennotierte Unternehmen nicht nur eine stärkere, sondern auch eine andere Personalisierung erwartet. So unterscheidet Imhof (in diesem Band) den Unternehmens-Patriarch vom charismatischen Manager. Beim Unternehmens-Patriarch in Kleinund Mittelbetrieben bestehe die Personalisierung vor allem in Form einer „PR der Traditionen“. Im neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell werde hingegen eher der „Heldenepos“ angestimmt. Imhof spricht in diesem Zusammenhang von einem „Starsystem der internationalen Managerelite“. Auch dies müsste die Personalisierung der Unternehmensberichterstattung bei börsennotierten Unternehmen begünstigen.
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Der Stellenwert des Managements und des CEO in der Unternehmensberichterstattung
Vieles spricht dafür, dass auch die Medienberichterstattung über Unternehmen personalisiert wird. Die meisten Beobachter terminieren den Wandel der Wirtschaftsberichterstattung auf die Mitte der 1990er Jahre. „Nichts ist spannender als Wirtschaft!“ – so die Wirtschaftswoche. Spannung ist eine Unterhaltungskategorie – bekannt aus der Sportberichterstattung und – unter dem Stichwort „Horse-Race-Journalism“ – auch aus der Politikberichterstattung. Wo Spannung versprochen wird, warten meist auch „Helden“ und „Versager“, denn Spannung ergibt sich nicht nur aus nüchternern Geschäftsberichten. Spannung braucht „Gesichter“, an denen sie sich entzünden kann. Und Spannung lebt vom Kampf und vom Wandel. „Wirtschaft, das war [Ende der 1990er Jahre, Verf.] Abenteuer … und die Akteure mussten Glamour und Strahlkraft haben“ (Brandstätter 2006: 27). Damit steht zu erwarten, dass die Personalisierung (und teilweise auch Entertainisierung) der Berichterstattung, wie wir sie aus dem Gesellschaftsbereich Politik kennen, auch im Gesellschaftsbereich Wirtschaft anzutreffen ist. Für diese Entwicklung sind daneben aber auch noch andere Gründe ausschlaggebend: So wirkten in den 1990er Jahren Großereignisse wie die Privatisierung der Deutschen Telekom und der Deutschen Bahn ebenso als Katalysatoren für die Personalisierung wie die „Peanuts“ des damaligen Chefs der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, im Zuge der Schneider-Pleite oder der Machtkampf zwischen Jürgen Schrempp und Helmut Werner bei Daimler-Benz. Zudem führte die Globalisierung mit ihrer stärkeren Fokussierung auf die Börse zu einem Personalisierungs-Schub.
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Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
So gilt Personalisierung als Megatrend im Journalismus. Sie dient der Komplexitätsreduktion. „Immer mehr Wirtschaftsredaktionen setzen bewusst auf die Personalisierung in der Berichterstattung, um die Entscheidungsträger mit ihren Verantwortlichkeiten sichtbar zu machen. Die Personalisierung erweist sich als gutes Mittel, um Geschichten zu erzählen und damit sperrige Stoffe anschaulich zu gestalten“ (Becker/Müller 2004: 28, Mast 2006: 349). Und Personalisierung hilft bei der für die Aufmerksamkeit der Rezipienten populärer Medien wichtigen Emotionalisierung. „Die Personalisierung der Berichterstattung … ist ein wichtiges Mittel zur Schaffung von Betroffenheit. Abstrakte Zahlen, Meldungen und Statistiken gehen erst dann ‚unter die Haut‘, wenn sie in ihren Konsequenzen von Personen klar ausgesprochen werden.“ (Mast 2006: 287) Dies gilt vor allem in Krisenzeiten oder im Fall von Reorganisationen eines Unternehmens. Wenn ein zum „Master of the Universe“ hochgejazzter CEO nicht die versprochenen Geschäftsergebnisse vorweisen kann, wenn er sich im Stil vergreift (wie Deutsche Bank-Chef Ackermann mit seinem selbstgefällig wirkenden Victory-Zeichen zu Beginn des Mannesmann-Prozesses) oder wenn es innerhalb des Vorstandes einen Machtkampf zu vermelden gibt, dann bedient das neben dem Nachrichtenfaktor „Prominenz“ auch noch den Nachrichtenfaktor „Konflikt/Schaden“. Diese Nachrichtenfaktoren gelten seit jeher als Garanten für die Publikation eines Ereignisses (vgl. Galtung/Ruge 1965). Abbildung 2:
Personalisierung der Berichterstattung über DAX-30-Unternehmen, 2002-2007 (Anteil Management-Themen in %)
21,6 18,6 14,7
2002
16,2
16,5
2004
2005
13,9
2003
2006
2007
Wie stark ist also die Personalisierung der Berichterstattung über DAX-30-Unternehmen in Deutschland und wie hat sie sich in den letzten fünf Jahren entwickelt? Gemessen am Anteil der Management-Themen an der gesamten Unternehmensberichterstattung ist ein deutlicher Anstieg von knapp 15 Prozent Management-Themen im Jahr 2002 auf knapp 22 Prozent im Jahr 2007 zu konstatieren (vgl. Abbildung 2). Neben dieser allgemeinen Entwicklung treten innerhalb der einzelnen Jahre jedoch deutliche Schwankungen auf. So ist die Unternehmensberichterstattung vor allem bei Krisen besonders stark personalisiert.
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Abbildung 3:
9,9 8,4
81,6
Personalisierung der Berichterstattung über DAX-30-Unternehmen, 2002-2007 (Anteil Akteure in %) 11,5
13,6
12,6
13,7
14,0
10,9
10,9
14,2
15,2
18,7
75,5
73,2
71,2
67,3
2004
2005
2006
2007
77,6
2002
2003 CEO
141
andere Vorstandsmitglieder
Unternehmen
Eine deutliche Zunahme der Personalisierung zeigt sich auch aus einer anderen Perspektive. Betrachtet man nicht die Themen der Berichterstattung, sondern die dort dargestellten Akteure, so steigt seit 2002 der Anteil des gesamten Managements deutlich an: Im Jahr 2002 entfielen noch 18,3 Prozent der gesamten Unternehmensberichterstattung auf die Vorstandsmitglieder; im Jahr 2007 sind es bereits 32,7 Prozent (vgl. Abbildung 3). Überwogen 2002 bis 2004 noch die CEO-Anteile die Anteile der sonstigen Vorstandsmitglieder, hat sich dies 2005 bis 2007 umgekehrt. Gleichwohl erhält der CEO fast genauso viel Medienaufmerksamkeit wie alle anderen Vorstandsmitglieder zusammen: 2007 stand der CEO in 14 Prozent aller Unternehmensberichte im Mittelpunkt; noch 2002 war dies nur in knapp zehn Prozent aller Passagen über Unternehmen der Fall. Dementsprechend sank der Anteil des Unternehmens als unpersönlicher Akteur in der Medienberichterstattung von knapp 82 auf gut 67 Prozent. Imhof (in diesem Band) verweist auf die Folgen dieser Entwicklung: „Im Kontext der ausgeprägten Personalisierung der Wirtschaftsberichterstattung wurde die unpersönliche Form der Darstellung von Unternehmen und die ‚Wir-Kommunikation‘ der Selbstdarstellung durch eine hochpersonalisierte Kommunikation abgelöst, welche die Reputation von Unternehmen auf die Bewertung ihrer Führungsfiguren einengt. Damit wird die historisch gewachsene Organisationsreputation von Unternehmen äußerst folgenreich durch die Reputation ihres aktuellen Führungspersonals überformt“.
142
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
Abbildung 4:
Die Bewertung des CEO in der Berichterstattung über DAX-30-Unternehmen, 2002-2007 (Anteil positiver minus Anteil negativer Bewertungen in %-Punkten)
-1,0
-0,9
-2,0
-4,4 -5,5
-9,4
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Aber über CEOs wird in den letzten Jahren nicht nur häufiger, sondern auch negativer berichtet als noch im Jahr 2002. Die Gesamtbewertung der CEOs, also der Saldo aus den positiven Darstellungen abzüglich der negativen Darstellungen, liegt mittlerweile bei fast zehn Prozentpunkten (vgl. Abbildung 4). Die CEOs ernten in der Regel nur dann Lob, wenn sie ihr Amt neu angetreten haben oder gerade ausgeschieden sind. Und in der Regel werden sie kritischer bewertet als die Unternehmen, die sie repräsentieren (vgl. Kolmer 2006: 56f.). Letztlich wird der CEO für problematische Entwicklungen bei Absatz, Umsatz, Gewinn und Börsenwert haftbar gemacht. Unternehmenserfolge hingegen werden oft – neben dem CEO – auf die Produkte oder auf eine passende Unternehmensstrategie zurückgeführt. Daran ändern auch Ausnahmen wie Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht viel, auf die weiter unten noch gesondert eingegangen wird. In den Medien halten sich in der Regel eher die „Nieten in Nadelstreifen“ und umstrittene Vorstandsvorsitzende, wie etwa der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Aufgrund des Nachrichtenfaktors Negativismus wird über sie häufiger berichtet als über erfolgreiche Unternehmer und vorbildliche Manager (vgl. Kolmer 2006: 57). Worauf genau beruht das Bild der CEOs in den Medien? Welche Image-Dimensionen dominieren und wie werden die CEOs auf den entscheidenden Dimensionen bewertet? Sachthemen sind nicht nur für die Beurteilung von Politikern ausschlaggebend, sondern sie machen auch den Großteil der Berichterstattung über CEOs aus (vgl. Abbildung 5). Dahinter verbirgt sich vor allem die Berichterstattung über die vom CEO vertretene Unternehmensstrategie sowie über Unternehmenszukäufe und Fusionen. Allerdings lässt die Bedeutung der Sachthemen seit Jahren nach – zugunsten der Berichterstattung über die Stellung der CEOs in ihren Unternehmen. Dabei geht es vor allem um das Standing des CEO innerhalb des Vorstands, um seine Kompetenzen – und zunehmend auch um seine Ablösung durch einen Nachfolger.
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Abbildung 5:
143
Darstellungs- und Bewertungsdimensionen für CEOs, 2002-2007
Anteil an der gesamten CEO-Berichterstattung 91,6
91,9
90,3
89,5
88,4 85,6
Sachthemen
9,5 7,2 4,8
4,9
4,1
2,5
1,5
1,0 2002
Stellung
7,6
2003
2004
1,3
1,5
2005
2006
2,4
Entlohnung Person Management Fachkompetenz
2007
Saldo positive Bewertung minus negative Bewertung in %-Punkten 30
Fachkompetenz
20 10 0
Entlohnung Person Sachthemen Stellung
-10 -20
Management
-30 2002
2003
2004
2005
2006
2007
144 Tabelle 1:
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht Personalisierungsgrad der Darstellung 2005/2006 bezogen auf den CEO (Anteile CEO, andere Vorstandsmitglieder und Unternehmen an der Gesamtberichterstattung über das Unternehmen in %)
Unternehmen 73,0 72,6 72,5 74,6 70,6 75,8 71,0 60,1 74,8 75,8 67,7 81,1 68,9 75,1 79,4 72,8 61,9 72,8 78,0
CEO 21,1 19,6 19,4 18,5 18,4 17,4 15,8 15,7 15,5 14,9 14,8 14,6 14,5 14,3 13,9 13,6 13,5 13,2 13,1
andere Vorstandsmitglieder 5,9 7,8 8,1 6,9 11,0 6,8 13,2 24,2 9,7 9,3 17,4 4,3 16,7 10,6 6,7 13,6 24,6 14,0 8,9
Durchschnitt
72,3
13,1
14,6
Commerzbank BASF VW Münchener Rück E.ON Metro ThyssenKrupp RWE Deutsche Lufthansa BMW Allianz Group Postbank
77,6 79,9 60,1 77,0 83,6 82,1 76,1 83,2 81,1 77,6 79,0 86,5
12,9 12,9 11,6 11,6 11,1 11,1 11,1 9,8 9,5 9,4 9,2 5,8
9,5 7,2 28,3 11,4 5,3 6,8 12,8 7,0 9,5 12,9 11,8 7,7
Linde MAN Adidas Altana Continental Hypo Real Estate Deutsche Bank Deutsche Börse TUI Deutsche Post Siemens Fresenius Med. Care SAP Henkel Bayer DaimlerChrysler Infineon Deutsche Telekom Schering
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
145
In der Berichterstattung schafft lediglich eine weitere Image-Dimension den Sprung über die Aufmerksamkeitsschwelle: die Entlohnung der CEOs. Vor allem im Jahr 2002 standen die Managergehälter massiv in der Kritik, so dass CEOs in diesem Jahr auf dieser Dimension sehr negativ bewertet wurden. Eine deutliche Verschlechterung der Bewertung ist vor allem auf der Dimension Managementfähigkeiten festzustellen, die jedoch nur knapp ein Prozent der gesamten CEO-Berichterstattung ausmacht. Eine deutliche Verschlechterung findet sich ebenfalls für die Image-Dimension Persönliches. Dabei werden den CEOs in zunehmendem Maße Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit abgesprochen, was sich im Übrigen auch im sinkenden Vertrauen niederschlägt, das die Bevölkerung den Topmanagern entgegenbringt (vgl. Albrecht 2006: 57). Allerdings: Die Berichterstattung über die persönliche CEO-Dimension macht lediglich ein Prozent der gesamten CEO-Berichterstattung aus. Gleiches gilt für die Dimension Fachkompetenz. Im Gegensatz zum Persönlichen oder zum Management-Thema wird die Fachkompetenz der CEO jedoch in der Regel nicht angezweifelt: Hier gibt es sogar 20 bis 30 Prozentpunkte mehr positive als negative Bewertungen (vgl. Abbildung 5). Bislang wurden lediglich die Durchschnittswerte für die Personalisierung aller DAX30-Unternehmen betrachtet. In einem nächsten Schritt gilt es daher zu untersuchen, über welche Unternehmen in stärkerem Umfang personalisiert berichtet wird und ob dabei vor allem der CEO oder aber der gesamte Vorstand im Mittelpunkt stehen. Gemessen am CEOAnteil an der gesamten Berichterstattung über ein Unternehmen gilt in der Regel: Je kleiner das DAX-30-Unternehmen, desto stärker ist die Berichterstattung personalisiert. In der Regel haben es diese Unternehmen schwerer, andere Vorstände als den CEO in den Medien zu platzieren. Hier filtern die Journalisten nach Prominenz. An der Spitze stehen – mit jeweils über 18 Prozent CEO-Anteil an der Gesamtberichterstattung: Linde, MAN, Adidas, Altana und Continental. Am anderen Ende des Personalisierungskontinuums finden sich – mit jeweils weniger als zehn Prozent CEO-Anteil: RWE, Deutsche Lufthansa, BMW, Allianz und Postbank (vgl. Tabelle 1). In diesen Fällen haben es die Unternehmen leichter, neben dem CEO beispielsweise auch den Finanzvorstand in den Medien zu platzieren. Ein niedriger CEO-Anteil bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass über ein Unternehmen nicht in personalisierter Form berichtet wird. Besonders deutlich wird dies an den Beispielen Infineon und VW: Hier liegt der CEO-Anteil deutlich unter dem Anteil der anderen Vorstandsmitglieder. Dies kann Teil einer Kommunikationsstrategie sein, die die öffentliche Darstellung auf mehrere Schultern verteilen und damit Reputationsrisiken reduzieren will. Es kann aber auch Ergebnis journalistischer Aufmerksamkeit auf das Handeln – und oft: auf die Verfehlungen – von Personal- oder Finanzvorständen sein. Bemerkenswerterweise ist es gerade der VW-Konzern, der für Journalisten vor allem unter dem Gesichtspunkt des gesamten Managements interessant ist. Andere Unternehmensthemen – wie etwa die Produkte oder die Mitarbeiter – machen hier deutlich weniger als zwei Drittel der Berichterstattung aus. Und unabhängig von der Größe des Unternehmens steigt die Personalisierung an, wenn ein Wechsel auf der Vorstandsebene bevorsteht. Im nächsten Kapitel werden einige dieser unternehmensbezogenen Personalisierungsdynamiken genauer untersucht. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welcher Zusammenhang zwischen der CEO-Reputation und der Unternehmens-Reputation besteht.
146 4
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht CEO- und Unternehmens-Reputation
Um den Zusammenhang zwischen der CEO- und der Unternehmens-Reputation zu ermitteln, hat der Media Tenor zusammen mit der Fondsgesellschaft der Allianz DIT (heute Allianz Global Investors) zwischen 2000 und 2004 die Berichterstattung über die DAX-30Unternehmen nach Kauf- und Verkaufsignalen für die Aktie aus Investorsicht hin ausgewertet. Während wirksame Produktkommunikation klare Kaufsignale auch auf eine 90Tage-Frist hin generierte, ließen sich bei Nachrichten über das Top-Management hauptsächlich Einmal-Effekte beobachten. Weit schwieriger ist es, den kontinuierlichen Wertbeitrag des CEO-Images zu beurteilen. Ein besonderer Stellenwert des CEO ist vor allem in kritischen Unternehmensphasen zu erkennen. Dann kann eine positive Reputation des CEO zeitweise Vertrauensverluste in das Unternehmen überbrücken. Solche Phasen sind daran zu erkennen, dass das CEO-Image auch über einen Zeitraum von einigen Monaten hinweg positiver ist als das Image eines Unternehmens. Dieser Fall kommt in der Praxis durchaus häufig vor: Die Sanierung eines Unternehmens verbunden mit Personalabbau, die Trennung von angestammten Geschäftsfeldern oder auch das Unternehmen stark belastende Investitionen in Forschung und Entwicklung, die gegenwärtige Ausschüttungen an die Aktionäre verringern, können zeitweise ein kritisches Unternehmensimage herbeiführen. Ist ein CEO als Sanierer, erfolgreicher Restrukturierer oder begnadeter Spürhund für neue Produkte bekannt, dann kann das positive Image des CEOs eine Art Hoffnungsdividende ermöglichen. Sie erlaubt es dem Unternehmen, die erforderliche Zeit und die nötigen Mittel in die Neuausrichtung zu investieren, ohne dabei permanent im Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung oder der Finanzmärkte zu stehen. Denn ein solches Kreuzfeuer führt nicht selten dazu, dass auch das Konsumenten- und Aktionärsvertrauen in das Unternehmen untergraben wird. Eine derart verstandene Positionierung geht einher mit klaren Sachbotschaften, beispielsweise der Kommunikation getroffener Maßnahmen oder der verabschiedeten Strategie, nimmt aber starken Rekurs auf die bisherige Erfahrung (Karriere) des Managers mit Blick auf das zu lösende Problem. Ein Beispiel dafür ist die Imagegestaltung des Daimler-Vorstandschefs Dieter Zetsche. Wir werden später darauf zurückkommen. Voraussetzung für die Nachhaltigkeit einer solchen Kommunikationsstrategie ist allerdings, dass es eine realistische Chance gibt, das Sachproblem in der avisierten Zeit zu lösen. Wenn ein Saniererimage aufgebaut worden ist, die versprochene Sanierung aber auf sich warten lässt oder von den Medien nicht in entsprechender Weise anerkannt wird, führt das im Regelfall zu einem massivem Reputations- und Vertrauensverlust des Vorstandschefs. Das sinkende Vertrauen, das Privatanleger dem Vorstandschef von Arcandor (ehemals KarstadtQuelle) in der jüngsten Umfrage des Manager Magazins entgegenbringen, ist ein Beispiel dafür: Thomas Middelhoff landete auf dem letzten Platz der deutschen Managerelite (vgl. Hetzer 2007). Umgekehrt ist es möglich, dass ein Unternehmen als ausgesprochen erfolgreich dargestellt wird, der CEO in den Medien aber kaum auftritt und mithin auch kein starkes Imageprofil entwickelt. Solange ein Unternehmen gut läuft und eine hinreichende Kommunikation nach innen stattfindet, war das in der Vergangenheit durchaus eine Option. Allerdings gibt es heute nur noch wenige Medien in der westlichen Welt, die nicht in erheblichem Ausmaß die Geschehnisse des Unternehmens als Wirken des Vorstandschefs darstellen und durch Zitate von ihm entsprechend belegen lassen. Von dem Chefredakteur einer deutschen Wochenzeitung ist überliefert, dass er beim Amtsantritt die Losung ausgab, fortan mög-
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
147
lichst in jedem Beitrag über Unternehmen einen CEO-Bezug zu bekommen. Dies bedeutet: Unternehmen, von denen es nicht genügend O-Töne des CEO gibt, stehen tendenziell in der Gefahr, weniger Berichterstattung zu bekommen als solche Unternehmen, bei denen der CEO für den Journalisten nicht zur Mangelware wird. Außerdem wird im Regelfall – auch in der Krise – zunächst einmal nach einem O-Ton des betreffenden Vorstandes nachgesucht. Nur wenn dieser nicht verfügbar ist, bestimmen externe „Experten“, zum Beispiel Analysten, Branchenbeobachter, Ratingagenturen oder Wettbewerber unmittelbar das Feld. Personalisierung beinhaltet große Chancen für die Unternehmens-Reputation. Allerdings ist insbesondere bei Aktiengesellschaften mit angestellten Spitzenmanagern eine erhebliche Fluktuation an der Tagesordnung. Wird die Personalisierung mit Blick auf den CEO überbetont, dann führt dies im Falle eines Wechsels sowohl in der internen als auch in der externen Öffentlichkeit zu einer tiefgehenden Verunsicherung. In dieser Hinsicht leisten Kommunikationsverantwortliche, die ihren Vorstandschef im Vergleich zum Unternehmen zu stark in den Mittelpunkt stellen, sich selbst und ihrem Chef keinen guten Dienst. In der Regel wird ihr eigener Posten ebenfalls vakant, wenn ein Wechsel an der Spitze stattfindet. Die besten Erfolgschancen für eine nachhaltige Personalisierung gibt es dort, wo die Nr. 1 eine „dienende Kommunikationskultur“ pflegt. Hier steht der CEO regelmäßig den Medien zur Verfügung, hebt aber in seiner Kommunikation vor allem die Leistungen des Unternehmens hervor und redet ganz generell eher dann in der Ich-Form, wenn es um seine Persönlichkeit geht, nicht aber, wenn es um die Strategie des Unternehmens und die Pläne für die Zukunft geht. Ein Beispiel für eine solche „dienende Kommunikationskultur“ war der Ansatz unter den beiden BMW-Vorstandschefs Joachim Milberg und Helmut Panke nach der Trennung von Rover. Ferner beinhaltet eine erfolgreiche Personalisierung neben dem CEO immer noch einige weitere Personen aus der Vorstandsetage (z.B. Finanzvorstand, Regional- oder Markenvorstand). Vom richtigen Ausmaß der Personalisierung und der geeigneten Kommunikation hängt es ab, ob das CEO-Image Last oder Lust für die Unternehmens-Reputation wird. Im folgenden Abschnitt gehen wir auf die Personalisierung anhand einiger konkreten Beispiele ein: E.ON, DaimlerChrysler, Siemens und Deutsche Telekom.
E.ON Mit einem Personalisierungsgrad von 11,1 Prozent bezogen auf den CEO und 5,3 Prozent bezogen auf weitere Vorstandsmitglieder verfolgte der Energiekonzern in den letzten Jahren eher eine One-Voice-Strategie als eine dienende Kommunikationskultur. Insgesamt war der Energiesektor in dieser Zeit von großen Umbrüchen gekennzeichnet: Einerseits gab es von Seiten der Brüsseler Behörden und der deutschen Regulierung Druck in Richtung mehr Wettbewerb, andererseits bestimmten Fragen nach einer langfristigen Sicherung der Energieversorgung, des Umgangs mit der Kernenergie sowie einer sinnvollen und wertsteigernden Investition der hohen Gewinne aus dem Gas- und Stromgeschäft im Inland die Unternehmensagenda. Zwischen Januar 2002 und Juni 2005 waren sowohl das Image des Unternehmens als auch das Bild des CEO Wulf Bernotat zumeist positiv. Dabei wurde Bernotat als erfolgreicher Stratege und Lenker präsentiert, gerade auch in der Berichterstattung im direkten Vergleich mit den Vorstandschefs von RWE. Abbildung 6 zeigt, dass die guten
148
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
Wertungen Bernotats bis Mitte 2005 eine positive Imagedividende für das Gesamtunternehmen brachten. Abbildung 6:
E.ON – Unternehmens- und CEO-Image (Saldo positive Bewertung minus negative Bewertung in %-Punkten)
30
CEO
20 10 0 -10
Unternehmen
-20 -30 1
2 3 2002
4
1
2 3 2003
4
1
2 3 2004
4
1
2 3 2005
4
1
2 3 2006
4
1 2 2007
Seit dem vierten Quartal 2005 hat sich das Bild allerdings gewendet – und das gilt sowohl für das Image des Unternehmens als auch für das Bild des CEO. Dies hat mehrere Ursachen: Bezogen auf das Inland prägten seit dem dritten Quartal 2005 kritische Berichte zur Preispolitik und zu den Kundenbeziehungen zunehmend das Image des Unternehmens. Diese Kritik wurde in der CEO-Kommunikation kaum aufgegriffen, war aber angesichts der „Geiz ist geil“-Welle der Berichterstattung in den deutschen Medien zu der Zeit ein Schlüsselthema. Stattdessen spielten Akquisitionspläne E.ONs in Spanien eine immer größere Rolle in der Berichterstattung. Auf diese strategische Facette konzentrierte sich auch die CEO-Berichterstattung. Damit wurde aber gleichzeitig auch die Erfolgswahrnehmung von Wulf Bernotat auf diesen einen Aspekt des Gesamtimages reduziert. Die Probleme, in Spanien tatsächlich zum Zuge zu kommen, liegen sicherlich auch in politischen Faktoren. Weil aber die Strategie eine derart herausragende Rolle im Unternehmensimage spielte, sank das Image Bernotats – wie auch das Gesamtimage des Unternehmens – in dem Maße, wie die Chancen auf den erfolgreichen Vollzug einer Übernahme schwanden. So zeigt sich das Paradox, dass ein Unternehmen geschäftlich ausgesprochen erfolgreich ist und Rekordgewinne einfährt, während gleichzeitig das Image des Unternehmens und des CEO schwindet. Machten Anfang 2005 Strategie-Themen noch rund 39 Prozent des Medienimages von Wulf Bernotat aus, so waren es im ersten Quartal 2007 knapp 64 Prozent. In diesem Zusammenhang und in dieser Zuspitzung ist Personalisierung dann eher eine Imagebelastung als ein Imagegewinn. Das gilt selbst dann, wenn das Medienbild des CEO positiver ist als das Bild des Gesamtunternehmens.
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
149
DaimlerChrysler Mit einem Personalisierungsgrad von 27,2 Prozent (je 13,6% bezogen auf den CEO und auf andere Vorstandsmitglieder) war die Fokussierung auf die Spitze bei DaimlerChrysler in 2005/2006 überdurchschnittlich hoch. Dies erklärt sich allerdings durch die im Frühjahr 2006 zunehmenden Spekulationen über die Stellung Jürgen Schrempps im Unternehmen. Jedoch hatte das Unternehmen auch schon zuvor – seit seinem Amtsantritt – stark auf die Personalisierung gesetzt. Dabei ging es in den 1990er Jahren zunächst darum, Jürgen Schrempp als erfolgreichen Sanierer und Problemlöser zu zeigen (A-Klasse, Fokussierung auf Daimler-Benz als Autokonzern, Ausgliederung und Verkauf von Nicht-Autogeschäftsfeldern) und anschließend als großen Strategen im Zusammenhang mit der Übernahme des amerikanischen Autoherstellers Chrysler. Der Konzern beließ es im Zuge der Chrysler-Übernahme nicht nur bei der Medienkommunikation, sondern ließ sogar durch den Wirtschaftsjournalisten David Waller (2000) ein Buch schreiben: „Die Stunde des Strategen“. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre kursierten Studien von Unternehmensberatungen, wonach durch Fusionen innerhalb von wenigen Jahren lediglich eine Handvoll weltweit dominierender Autohersteller entstehen würde, die anderen wären aufgrund fehlender Größenbetriebsvorteile und Verkaufsmacht zur Rolle als Nischenanbieter verdammt oder würden schlicht von den Großen geschluckt. Mit der Positionierung als Stratege durch die Übernahme von Chrysler und einer strategischen Beteiligung am japanischen PKW- und Nutzfahrzeugkonzern Mitsubishi wollte DaimlerChrysler als führender Autohersteller erscheinen, und Jürgen Schrempp wurde in diesem Zusammenhang durch die Unternehmenskommunikation als Vordenker und Richtungssteller für eine gesamte Branche positioniert. Bereits kurz nach der Übernahme von Chrysler zeigte sich allerdings, dass das Unternehmen auf der Spitze des Absatzzyklus erworben wurde und ein rascher und heftiger Gewinneinbruch schon nach kurzer Zeit einen umfassenden Sanierungskurs nötig machte. Zu diesem Zweck schickte der Konzern den Vorstand Dieter Zetsche in die USA, der im Auftrag Schrempps die Sanierung steuern und leiten sollte. Die Chrysler-Sanierung zeitigte bald Früchte und so konnte Dieter Zetsche als erfolgreicher Sanierer in den Medien präsentiert werden, der harte Schnitte nicht scheut, aber gleichzeitig den offensiven Dialog mit den Mitarbeitern und Führungskräften sucht. Damit war die Grundlage für seine Personalisierung als Nachfolger von Jürgen Schrempp gelegt. Allerdings erwiesen sich die Erfolge nicht als nachhaltig. Die Rabattschlacht im amerikanischen Automarkt fraß die Sanierungsgewinne relativ rasch wieder auf. Zudem lief auch die Beteiligung am japanischen Mitsubishi-Unternehmen nicht rund und der Konzern geriet im Inland wegen Qualitätsmängeln bei der Kernmarke Mercedes unter Druck. Die Bewertung des Unternehmens zwischen Januar 2002 und Anfang 2006 zeigt, dass die Wahrnehmung des CEO in den Medien stark mit der Gesamtwahrnehmung des Unternehmens korreliert (vgl. Abbildung 7). Von 2003 bis Mitte 2005 wurde der CEO Jürgen Schrempp jedoch fast durchgängig kritischer bewertet als das Unternehmen. Die Ursache dafür lag darin, dass er Ende der 1990er Jahre zwar als zukunftsweisender Stratege, nicht aber als Vorstand mit besonderer Produkt- oder Kundenkompetenz in den Medien etabliert worden war. So referierten die Medien bis 2005 immer wieder auf den Ausgangspunkt der strategischen Überlegungen („Welt AG“) und die Kluft zum Erreichten.
150
Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
Abbildung 7:
DaimlerChrysler – Unternehmens- und CEO-Image (Saldo positive Bewertung minus negative Bewertung in %-Punkten)
30
CEO
20
Unternehmen
10 0 -10 -20 -30 1
2 3 2002
4
1
2 3 2003
4
1
2 3 2004
4
1
2 3 2005
4
1
2 3 2006
4
1 2 2007
Neben der unbefriedigenden Performance des Gesamtunternehmens, zum Beispiel im Vergleich mit Wettbewerber BMW, war sicher auch die anhaltende öffentliche Kritik ein wichtiger Punkt für die vorzeitige Ablösung Jürgen Schrempps an der Spitze. Auch das Feld Personalkompetenz war nicht in der CEO-Kommunikation unter Schrempp besetzt. Als es im Juli 2004 zur Ankündigung des Abbaus von 6.000 Arbeitsplätzen in Deutschland kam, falls nicht bestimmte Einsparziele erreicht würden, generierte das in einem Monat rund 300 Beiträge – mehr als ein Drittel davon mit kritischer Tendenz. Als Schrempps Nachfolger Dieter Zetsche im September 2005 den Abbau von 8.500 Jobs ankündigte, gab es dagegen nur etwa 100 Beiträge in den Leitmedien. Die fehlende Skandalisierung hatte damit zu tun, dass Schrempps Nachfolger ein Image als erfolgreicher und glaubwürdiger Sanierer mitbrachte, während bei Schrempp zuletzt auch zunehmend kritisch über die Höhe seiner Bezüge angesichts der schlechten Performance des Unternehmens berichtet wurde. Mit der Bekanntgabe des Wechsels von Jürgen Schrempp zu Dieter Zetsche im Juli 2005 machte der Aktienkurs einen Sprung. Mit Zetsche, der im Januar 2006 sein Amt offiziell antrat, bekam DaimlerChrysler zum ersten Mal seit Jahren wieder eine positive Dividende der CEO-Kommunikation. Im Sommer 2006 beschritt der Konzern Neuland, indem eine an den Vorstandschef angelehnte Comic-Figur und auch der CEO selbst sogar in die Produktwerbung des Unternehmens eingebunden wurden. Der Überhang positiver über die negativen Wertungen schoss in die Höhe, bis zu einem Plus von 30 Prozentpunkten. Allerdings fehlte auch hier die Nachhaltigkeit, denn die Kampagne setzte noch darauf, Chrysler endlich auch nachhaltig zum Wertbestandteil und -treiber des Konzerns DaimlerChrysler zu machen. Als sich abzeichnete, dass Chrysler im Jahr 2006 wieder zum Sanierungsfall wurde, stellten einige Medien zugleich auch die Saniererqualitäten Zetsches in Frage, der seit Anfang des neuen Jahrtausends die Geschicke der Konzerntochter in seiner Hand hatte. Die Folge war ein heftiger Imageabsturz des CEO wie auch des Unternehmens insgesamt. Zum Jahresbeginn 2007 brachte Zetsche dann den möglichen Verkauf der Chrysler-Sparte als
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung
151
Testball ins Spiel: Die kurzfristige Unterstützung der Finanzmärkte und auch der Medien ließ nicht lange auf sich warten. Insofern blieb das Image Zetsches im Frühjahr 2007 positiver als das des Konzerns, obgleich beide unter dem Strich eher kritisch bewertet wurden. Ein weiterer Unterschied in der Personalisierung Dieter Zetsches im Vergleich zu Jürgen Schrempp ist, dass Zetsche wieder als „Car Guy“ positioniert wurde, weniger als strategischer Visionär. Da die Medien in Deutschland dringenden Handlungsbedarf in Sachen Qualität bei der Marke Mercedes ausmachten, war die Besetzung dieses Themas ab Jahresbeginn 2006 von großer Bedeutung. Was lässt sich aus der Personalisierung der Kommunikation bei DaimlerChrysler in den letzten Jahren lernen? (1) Strategiethemen dürfen und sollen eine wichtige Rolle im Image des CEO spielen, allerdings muss dabei genügend Spielraum für Überraschungen aus der Wirklichkeit bleiben. So eingängig wie bestimmte Slogans („Welt AG“) sind, so hoch ist das Rückschlagspotential, wenn die Strategie nicht oder nicht gleich aufgeht. (2) Für die ausgewogene Imagewahrnehmung der Führung spielt der Bezug zu den Mitarbeitern und zu den Produkten des Unternehmens eine wichtige Rolle. Dies gilt besonders bei konsummarktnahen Produkten. (3) Aufgrund vergangener Kompetenz ist für eine gewisse Zeit eine positive Imagedividende des CEO auf das Unternehmen übertragbar – so geschehen mit der Nominierung Dieter Zetsches als neuer Vorstandschef. Die Gefahr besteht allerdings darin, den Bogen zu überspannen. Das positive Image der Vergangenheit hält in der Gegenwart nur begrenzt an, wenn die neu gesetzten Ziele nicht erreicht werden oder ein zu kurzer Erwartungshorizont geschaffen wird. (4) Die Konzentration auf die Kommunikation der Unternehmensstrategie als Pläne vorrangig einer Person entspricht bei Aktiengesellschaften kaum der Wirklichkeit (der Vorstand arbeitet in der Regel als Kollektiv) und lässt wenig Raum für Fehler.
Siemens Auch bei Siemens liegt im Betrachtungszeitraum Januar 2002 bis Mitte Mai 2007 ein Vorstandswechsel – streng genommen sogar zwei (vgl. Vollbracht 2006). Die Nominierung von Peter Löscher als Nachfolger Klaus Kleinfelds im Mai 2007 spiegelt sich aber noch nicht in den Daten. Mit einer Personalisierung von 32,3 Prozent, davon 14,8 Prozent bezogen auf den Vorstandsvorsitz und 17,4 Prozent auf andere Führungskräfte und den Aufsichtsrat, ist die Personalisierung für die Jahre 2005/2006 weit überdurchschnittlich. Der hohe Wert ist allerdings durch die geplante Stabsübergabe von Helmut von Pierer an Klaus Kleinfeld ebenso wie bei DaimlerChrysler nicht nur ein Ausdruck aktiver personalisierter Kommunikation, sondern auch der allgemein steigenden Medienaufmerksamkeit im Falle eines CEO-Wechsels bei einem der größten deutschen Unternehmen. In der Ära von Pierers (bis Januar 2005) laufen CEO- und Unternehmensimage weitgehend parallel. Insbesondere gegen Ende seiner Amtszeit gibt es sogar noch einmal einen deutlichen CEO-Bonus. Die Personalisierung in der Zeit von Pierers wurde bewusst in die Dienste des Unternehmens gestellt. Im Jahr 2002 spielten der Aktienkurs und der Shareholder Value in der Berichterstattung über Heinrich von Pierer eine wichtige Rolle. Damit wurde auf die Unzufriedenheit mit der Performance einzelner Geschäftsbereiche reagiert, die dann zur Kommunikation von Personalabbau überleitete. Zwar musste von Pierer sich auch Kritik an Strategie oder Personalabbau in den Medien gefallen lassen, er konnte aber
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Frank Brettschneider, Matthias Vollbracht
insbesondere durch die zahlreichen Auslandsreisen, auch im Gefolge des jeweils amtierenden Bundeskanzlers, als oberster Repräsentant und Verkäufer des Unternehmens gezeigt werden, der milliardenschwere Aufträge für das Unternehmen mit nach Hause bringt und den Ruf der deutschen Wirtschaft im Ausland prägt. Zugleich wurde er in den Medien als Experte für China und Ostasien dargestellt. Der Imagefaktor Globalisierung spielte so – vor allem 2003 und 2004 – in der Kommunikation von Pierers eine wichtige Rolle. Im Umgang mit Restrukturierungsmaßnahmen und Personalabbau im Inland wurde von Pierer zwar kritisiert, er konnte jedoch einen Teil dieser Kritik durch aktive Kommunikation in Interviews und Gastbeiträgen kontern. Zudem war die Siemens-Kommunikation nahe am jeweils gefühlten Puls der Zeit. Ein Beispiel dafür ist die Verhandlung über Kostensenkungen durch unbezahlte Mehrarbeit in den unrentablen Werken in Kamp-Lintfort und Bochholt. Die intensive Diskussion über die schlechte Wirtschaftslage, hohe Arbeitslosigkeit und notwendige Reformmaßnahmen führte ab 2003 zu einer hohen Bereitschaft der Arbeitnehmer, für die Beschäftigungssicherung betriebliche Bündnisse für unbezahlte Mehrarbeit einzugehen. Siemens nutzte durch intensive öffentliche Kommunikation von Pierers diese Situation im Frühjahr 2004 – und erntete damit breite Zustimmung in den Medien. Die Süddeutsche Zeitung (26.6.2004) maß der Einigung bei Siemens gar Modellcharakter bei. Unter dem Strich diente die Personalisierung in der Zeit von Pierers zwar auch der Imagebildung des CEO, aber vor allem den Zielen des Unternehmens. In der Weise, wie Kommunikation zur Unterstützung bei eigenen Problemen eingesetzt wurde, aber auch zur Ansprache gesamtgesellschaftlicher Probleme, hatte sie in einigen Feldern Vorbildcharakter. Unter Klaus Kleinfeld änderten sich Ton und Inhalt der CEO-Kommunikation erheblich. Weit stärker als unter von Pierer befassten sich die Medien mit Führungsstil und Entlohnung des neuen Chefs. Während die Imagefaktoren Entlohnung, Kompetenz und Persönlichkeit unter von Pierer nur in sechs von 12 Quartalen mehr als zehn Prozent seines Medienbildes ausmachten, waren es bei Kleinfeld in keinem der knapp zehn Quartale seiner Amtszeit weniger als zehn Prozent, zumeist sogar deutlich über 15 Prozent. Das gipfelte in einem Beitrag der Bild-Zeitung (20.9.2006) über eine geplante 30-prozentige Erhöhung der Vorstandsbezüge: „Die frechste Gehaltserhöhung des Jahres“. Die kurze Zeit später – wohl als Reaktion auf die öffentliche Kritik – nachgeschobene Verschiebung der Maßnahme brachte keine Image-Entlastung. Auch Spekulationen über retuschierte Fotos mit und ohne Rolex-Armbanduhr gehörten in diese Kategorie. Globalisierung, Investitionen und andere Schwerpunkte im Image seines Vorgängers spielten in der Berichterstattung über Klaus Kleinfeld eine deutlich geringere Rolle. Die Berichterstattung über Produkte und Innovationen, eine unerlässliche Imagekomponente für den CEO eines Technologiekonzerns, waren im Medienbild Kleinfelds im Vergleich zu seinem Vorgänger ebenfalls nur selten vertreten. Insofern hat die Personalisierung unter Klaus Kleinfeld für das Image des Gesamtunternehmens in seiner relativ kurzen Amtszeit keine Imagedividende gebracht. Man kann angesichts seiner Bewertungen sogar zu dem Schluss kommen, dass Vertrauenskapital verspielt wurde. Die positivere Bewertung seit Beginn der Korruptionskrise konnte daran nichts ändern, weil das Bild des CEO nur marginal vorteilhafter war als das Bild des Unternehmens und beide deutlich im Minus (vgl. Abbildung 8).
Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Abbildung 8:
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Lehren aus der Personalisierung in der Kommunikation von Siemens seit 2002 sind: (1) Ein CEO kann als „oberster Verkäufer“ und Diplomat in eigener Sache sowie in Sachen der Volkswirtschaft platziert werden und damit können auch Imagedefizite im eigenen Haus durch zeitweilige Dellen in einzelnen Geschäftsfeldern kompensiert werden. (2) In Bezug auf harte Einschnitte im Unternehmen ist die CEO-Kommunikation maßgeblich auf das gegenwärtige Meinungsklima auszurichten. Nicht in dem Sinne, dass harte Maßnahmen wegen möglicher Kritik abgeschwächt werden sollten, wenn sie notwendig sind. Aber in dem Sinne, dass harte Maßnahmen in einem Klima gesellschaftlicher Opferbereitschaft sogar auf Zustimmung stoßen können, wenn sie richtig kommuniziert werden und in der Personalisierung die Gesamtverantwortung für den Umbauprozess klar bei der Spitze aufgehängt wird. In dem Maße, in dem das gesamtgesellschaftliche Klima und/oder die Lage des Unternehmens weniger kritisch gesehen werden, sind aber Restrukturierungsmaßnahmen in der Personalisierung besonders sensibel zu kommunizieren. Bei Kleinfeld wurden Entlohnung und Statussymbol zum Stein des Anstoßes. Hier holen die Medien ziemlich sicher das Bild vom „Wasser predigen und Wein trinken“ hervor – die Glaubwürdigkeit ist dann schnell untergraben.
Deutsche Telekom Ron Sommer, Helmut Sihler, Kai-Uwe Ricke, Rene Obermann – die Liste der Vorstandschefs der Deutschen Telekom im Zeitraum 2002-2007 spiegelt den Kampf des Ex-Monopolisten gegen den gnadenlosen Wettbewerb in Bezug auf die richtige Strategie und die Kommunikation gegenüber den Stakeholdern. Die Personalisierungsquote von 27,2 Prozent – davon 13,2 Prozent auf den CEO bezogen, 14 Prozent auf andere Vorstände und den Auf-
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sichtsrat – war in den Jahren 2005/2006 zwar überdurchschnittlich, aber nicht so ausgeprägt wie bei Siemens oder DaimlerChrysler. Die Telekom-Privatisierung und der anschließende Börsengang brachten dem einstigen Staatsunternehmen und seinem charismatischen Vorstandschef Ron Sommer in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre einen großen Popularitätsschub – zumindest bis zu dem Moment, als der Aktienkurs heftig einbrach und sich die Zeichner der letzten Aktientranche um den sicher geglaubten Gewinn betrogen fühlten. Seither führte Ron Sommer einen nahezu aussichtslosen Kampf, denn sein Name war untrennbar mit dem Thema Shareholder Value verbunden. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2002 betrug der Anteil des Imagefaktors Shareholder Value/Aktienkurs im Medienbild des CEO 11,6 beziehungsweise 15,4 Prozent. Zudem verdichteten sich Spekulationen über seine Stellung: Der Anteil der Aussagen zum Faktor „Management“ machten 23,3 beziehungsweise 36,4 Prozent aus. Produkte und Kundenbeziehungen, die Schlüssel zum nachhaltigen Shareholder Value, wurden dagegen im Rahmen der Personalisierung kaum mehr benannt. Das Image des Vorstandschefs Ron Sommer passte damit nicht mehr zur Wahrnehmung des Telekom-Konzerns. Der Aufsichtsrat unter Federführung des Bundes zog die Reißleine und betraute den Übergangskandidaten Helmut Sihler mit der Führung. Die FAZ (11.7.2002) titelte damals: „Vom Börsenstar zum Buhmann“. Helmut Sihler, ehemaliger Henkel-Chef und reaktivierter Ruheständler, war von Beginn an nur als Übergang gedacht, um eine geordnete Nachfolgeentscheidung vorbereiten zu können und „Ruhe hineinzubringen“ (FAZ 18.7.2002). Eine dezidierte Personalisierung fand in seiner kurzen Amtszeit kaum statt. Wenn, dann wurde auf seine Erfahrung als Krisenmanager rekurriert, die Geschäftslage stärker in den Vordergrund gestellt und die grundsätzliche Geschäftsstruktur zumindest für den Augenblick bestätigt. Damit erschien der CEO Sihler eher ein „oberster Sprecher“ denn als ein strategischer Gestalter. Gestaltung zog in das CEO-Image erst wieder mit der Berufung von Kai-Uwe Ricke ein, dessen Amtszeit von November 2002 bis zum November 2006 währte. Ricke hatte am Anfang seiner Amtszeit das zweifelhafte Vergnügen, ein Rekorddefizit von 25 Mrd. Euro (das meiste davon aus Sonderabschreibungen) kommunizieren zu dürfen. Aber der neue Chef startet mit einem „Vertrauensvorschuß“ (FAZ 21.05.2003), der sich in einer deutlich positiven Imagedividende des CEO für das Unternehmen über den Zeitraum annähernd eines Jahres niederschlägt (vgl. Abbildung 9). Prägend für die CEO-Kommunikation in dieser Phase ist eine stärkere Fokussierung der Berichterstattung über Ricke auf die Themenfelder Strategie, Produkte, Marktstellung und Geschäftslage. Auch die Kundenfokussierung tauchte erstmals als Hauptaspekt in der CEO-Kommunikation überhaupt auf. Unter kommunikativen Gesichtspunkten war die Personalisierung Helmut Rickes gleichzeitig breit und dennoch fokussiert angelegt. Allerdings brachte seine Strategie nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg für das Unternehmen. Das begründet den schleichenden Imageverlust sowohl des CEO als auch des Unternehmens seit dem zweiten Quartal 2005. Auch in der CEOKommunikation gilt der eherne Grundsatz, dass das Image den Fakten folgt (wenn gut kommuniziert wird). Eine Kommunikation kann aber handwerklich noch so gut sein – sie ersetzt auf mittlere Sicht nicht den tatsächlich erzielten Unternehmenserfolg. Insofern war zu erwarten, dass die Personalspekulationen auf absehbare Frist hin wieder beginnen würden. Im September 2006 erhielt Ricke noch einmal Rückenwind, weil der Aufsichtsrat seine Pläne zum Umbau des Unternehmens genehmigte. Doch im November war es dann so-
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weit: Ricke wurde nach knapp vier Jahren an der Spitze vom Chef der Mobilfunktochter T-Mobile, Rene Obermann, abgelöst. Abbildung 9:
Deutsche Telekom – Unternehmens- und CEO-Image (Saldo positive Bewertung minus negative Bewertung in %-Punkten)
CEO
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Obermann erhielt jedoch, anders als sein Vorgänger, keinen so ausgeprägten Antrittsbonus. Stattdessen wurde er mit dem Ruf des radikalen Sanierers und Kostensparers losgeschickt – und mit dem Ruf, die profitable T-Mobile-Tochter geführt zu haben. Besonders bezeichnend für die Ära Obermann ist seither, dass sich die CEO-Kommunikation um das Thema Kunde (genauer gesagt um das Halten und Wiedergewinnen von Kunden) dreht. Das hat sich Obermann auf seine Fahnen geschrieben, und im Unterschied zu den Vorgängern gibt es inzwischen eine eindeutige entsprechende Positionierung in den Medien. Fazit aus der Personalisierung bei der Deutschen Telekom: (1) Eine einseitige Fokussierung des CEO, zum Beispiel auf das Thema „Shareholder Value“, kann – wie am Beispiel von Ron Sommer gesehen – ein Schuss nach hinten sein. Nur einen Stakeholder in der Kommunikation als Hauptanspruchspartner zu sehen, lässt viel Raum für Fehler. (2) Die Personalisierung muss die wahrgenommenen Probleme des Unternehmens ansprechen. Es hat bis zum CEO Rene Obermann gedauert, bis die Probleme der Kundenbeziehung und Kundenbindung stärker in die Kommunikationsstrategie einbezogen wurden.
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Fazit
Was in der Politikberichterstattung schon seit langem gang und gäbe ist, hat in den letzten Jahren auch Einzug in die Unternehmensberichterstattung gehalten: Personalisierung. Diese Personalisierung drückt sich zum einen in der massiv gestiegenen Bedeutung von Managementthemen in der Berichterstattung aus, zum anderen in einem wachsenden Anteil des CEO und anderer Vorstände an der Unternehmensberichterstattung. Die Nachrichtenfakto-
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ren Prominenz und Negativismus begünstigen diese Art der Berichterstattung ebenso wie die Medienlogik in privat-kommerziellen Mediensystemen. Die zahlreichen, seit Mitte der 1990er Jahre entstandenen neuen Formate – von den Wirtschaftskanälen über populäre Wirtschaftsmagazine bis hin zur ausgeweiteten Wirtschaftsberichterstattung der traditionellen Medien – brauchen „Futter“. Und die Logik des Fernsehens – aber nicht nur des Fernsehens – verlangt mehr und mehr nach Visualisierungen und nach „Köpfen“. CEOs sind diese Köpfe. Sie sind „Botschafter“ ihres Unternehmens und stehen als solche unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Die Personalisierung der Berichterstattung findet aber nicht nur in einem wachsenden CEO-Anteil ihren Niederschlag. Personalisierung bedeutet auch, dass innerhalb der CEOBerichterstattung von Jahr zu Jahr weniger über Themen (wie seine Strategie oder seine Produktpolitik) berichtet wird. Stattdessen gewinnen Aspekte an Gewicht, die sich rund um seine Stellung im Unternehmen ranken. Aber: Gleichwohl stehen Themen nach wie vor im Mittelpunkt der CEO-Berichterstattung. Sie sind damit zugleich der Rohstoff, den Unternehmenskommunikatoren für eine Steuerung der CEO-Kommunikation nutzen können. Karl-Heinz Heuser, der CEO von Burson-Marsteller Deutschland, stellt zutreffend fest: „Sowohl der Vorstandsvorsitzende als auch die anderen Vorstandsmitglieder sollten in der internen und externen Kommunikation eine aktivere Rolle übernehmen – maßgeschneidert und themenbezogen“ (Burson-Marsteller 2006). Oder anders formuliert: Der Aufbau von CEO-Reputation erfolgt zum einen über sein Verhalten in Krisenzeiten. Er erfolgt aber auch – und in erster Linie – über Themen und den richtigen – d.h. nicht einseitigen – Themenmix. Die über die Jahre hinweg sinkende CEO-Reputation bei gleichzeitig steigender Personalisierung ist für Unternehmen mit substanziellen Reputationsrisiken verbunden. Unternehmen darf dies nicht gleichgültig sein – und sie können sich der Personalisierung kaum entziehen. Weil die CEO-Reputation eng mit der Reputation des Unternehmens verknüpft ist und weil die Unternehmens-Reputation als Intangible Asset einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenswert leistet, ist daher ein systematisches Themenmanagement zur Steuerung der CEO-Reputation notwendig. Sie sollte genauso ernsthaft geplant, durchgeführt und evaluiert werden wie etwa eine Marketingkampagne. Mit „CEO Capital“ gibt es einen praktikablen Ansatz von Leslie Gaines-Ross (2003), der damaligen Wissens- und Forschungsbeauftragten von Burson-Marsteller, für die operative Seite der CEO-Kommunikation. Und mit „Communication Performance Management“ gibt es einen praktikablen Ansatz zur Steuerung immaterieller Werte, hier der Kommunikation (vgl. Brettschneider/Ostermann 2006). Bestandteil des Communication Performance Managements ist das integrierte Themenmanagement, das die Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens – auch des CEO – auf die Unternehmensziele ausrichtet, indem es die für die Stakeholder des Unternehmens wichtigen Themen identifiziert (u.a. mit Hilfe von Issue-Scanning und Issue-Monitoring) und priorisiert sowie deren Kommunikation unterstützt (u.a. Line of the Day) und evaluiert (u.a. mit Hilfe von Medienresonanzanalysen, Web-Tracking, Marktforschungsdaten). „Modern business scholars today … do recognize intangibles such as intellectual property, innovation, relationships, and talent as the bedrock of the world’s knowledgeenhanced economies. Now that the value of intangibles is recognized, the importance of the CEO as a significant intangible asset in its own right has also become more acceptable“ (Gaines-Ross 2003: 9). In dem Maße, in dem sich diese Erkenntnis durchsetzt, werden auch die Kommunikatoren, die die Medienlogik kennen und ein professionelles Themenmanage-
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ment betreiben, in den Chefetagen an Gewicht gewinnen und im Vorstand mit der Produktion und dem Vertrieb auf Augenhöhe kommunizieren können. Entsprechende Unternehmen profitieren davon. Eine Untersuchung der 500 weltweit größten Unternehmen ergab: Der Börsenwert derjenigen Unternehmen, die über einen Kommunikationsexperten im Vorstand verfügen, stieg über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich um 6,6 Prozent über dem Börsendurchschnitt (vgl. Heinisch 2006: 259). Eine systematische Beobachtung der CEOBerichterstattung und eine systematische Steuerung der CEO-Kommunikation zahlen sich also aus – und dies umso mehr, je stärker die Unternehmensberichterstattung personalisiert wird. Systematische Beobachtung und Steuerung der Personalisierung helfen dabei, dass die CEO-Kommunikation keine Eintagsfliege bleibt (die vielleicht dem CEO, aber nicht dem Unternehmen hilft), sondern eine nachhaltige Entwicklung fördert, die einen Wertbeitrag zum gesamten Unternehmen leistet. Auf die Notwendigkeit einer solch nachhaltigen Entwicklung weist auch der Ex-CEO und Ehrenpräsident des Verwaltungsrates von Nestlé, Helmut Maucher (2007) hin: „Das Topmanagement muss sich für PR und die Information nach außen interessieren und auch selbst dafür zu Verfügung stehen ... Dabei besteht die Gefahr, dass sich der jeweilige Unternehmer mehr profiliert als das Unternehmen. Man kann dies nicht ganz vermeiden, aber der jeweilige Unternehmer (der ja irgendwann wechselt) muss alles tun, um die Profil- und Imagebildung auf das Unternehmen zu konzentrieren“.
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Ackermann und die Deutschen – Die Geschichte eines großen Missverständnisses Personalisierte Reputation am Beispiel der Deutschen Bank Matthias Vonwil
Mit dem Entscheid vom 29. November 2006 des vorsitzenden Richters Stefan Drees über die Einstellung des sogenannten „Mannesmann“-Verfahrens gegen die Zahlung von 5,8 Millionen Euro geht der spektakulärste Wirtschaftsprozess in der Deutschen Geschichte zu Ende.1 Und damit auch eine fast vierjährige Phase in der Geschichte der Deutschen Bank, welche von überaus starken Personalisierungseffekten in der massenmedialen Öffentlichkeit geprägt war. Josef Ackermann, Vorstandssprecher und Vorsitzender des Chief Executive Committees der Deutschen Bank, stand als Mit-Angeklagter die längste Zeit und insbesondere nach seinem ungeschickten und mittlerweile berühmt gewordenen ,Victory‘Zeichen im Mittelpunkt des Prozesses. Damit handelte er der Deutschen Bank ein massives Reputationsproblem ein und manövrierte deren Kommunikationsverantwortliche in ein Dilemma. Während Personalisierungsstrategien die öffentliche Darstellung einer Organisation auf die Kompetenz und Sympathie einer Person abstützen, drohte im Falle der Deutschen Bank die angeschlagene Personalreputation die Organisationsreputation zu unterwandern. Gleichzeitig konnte Ackermann nicht einfach aus dem öffentlichen Scheinwerferlicht genommen werden, denn der institutionelle Ablauf des Gerichtsprozesses entzog sich weitgehend dem Einfluss der Deutschen Bank, sorgte aber gleichzeitig für eine anhaltend negative, hohe mediale Präsenz. Damit bietet die Deutsche Bank ein interessantes Fallbeispiel zur Untersuchung von Personalisierungseffekten. Grundlage bildet eine inhaltsanalytische Untersuchung der Medienberichterstattung über die Deutsche Bank in ausgesuchten deutschen Leitmedien im Zeitraum von Januar 2003 bis August 2006. Dabei interessiert sich die Analyse im diachronen Vergleich für die Abfolge von Ereignissen mit hohem Personalisierungscharakter und dem Einfluss derselben auf die Gesamtreputation der Deutschen Bank. Auch wird untersucht, wie sich die personale und die organisationale Reputation gegenseitig beeinflussen, ob also die negative Wahrnehmung Ackermanns auf die Organisation durchschlägt. Da die Regularitäten personalisierter Reputationskonstitution in diesem Band bereits vorgestellt und theoretisch eingeführt werden (Vgl. Eisenegger/Konieczny in diesem Band), beschränkt sich dieser Beitrag auf die Fallbeschreibung und die daraus zu ziehenden Schlüsse. 1
Gegenstand des Mannesmann-Prozesses waren Prämien und Abfindungen im Umfang von rund 58 Millionen Euro, welche bei der Übernahme von Mannesmann durch den Mobilfunkkonzern Vodafone Anfang 2000 geflossen waren. Als Mitglied des Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten der früheren Mannesmann AG mussten sich Josef Ackermann und weitere Personen dem Vorwurf der Untreue stellen. Der erste Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf endete am 22. Juli 2004 mit einem Freispruch für alle Angeklagten. Das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2005 führte zu einem zweiten Prozess, welcher am 29. November 2006 auf Antrag der Verteidigung gegen eine Geldauflage in der Höhe von 5,8 Millionen Euro eingestellt wurde.
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Ausgehend von einem kurzen Problemaufriss (I) wird der Reputationsverlauf der Deutschen Bank im Untersuchungszeitraum beschrieben (II). Dabei sollen die wesentlichen Treiber genannt werden, welche zum Aufbau von Erwartungsstrukturen führen und im Anschluss an Erwartungserfüllung beziehungsweise Erwartungsenttäuschung zu Typisierungen, die sich über die Zeit hartnäckig halten. Dass dabei Personalisierungsmechanismen eine bedeutende Rolle spielen, soll in einer anschließenden empirischen Analyse gezeigt werden (III). Die Erkenntnisse aus diesem Einzelfall sollen mit allgemeinen Regularitäten der Personalisierung verglichen und entsprechend von den Spezifika des „Falles“ Deutsche Bank unterschieden werden (IV).
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Schlechter Ruf trotz ökonomischem Erfolg
Josef Ackermann, Vorstandssprecher und Vorsitzender des Group Executive Committees der Deutschen Bank, spaltet die deutsche Öffentlichkeit wie kein zweiter CEO einer großen deutschen Aktiengesellschaft. Auf der einen Seite ist die öffentliche Perzeption lange Zeit geprägt vom Eindruck der Ignoranz eines ausschließlich nach ökonomischer Logik handelnden Managers, der ohne Rücksicht auf Verlust seine Prinzipien durchdrückt und dabei weltfremd und abgehoben wirkt. Auf der anderen Seite ist Ackermann ökonomisch gesehen äußerst erfolgreich, richtet die Deutsche Bank strategisch neu aus, führt sie zurück zum Erfolg und kann damit die Bank als einzige der deutschen Banken in der Liga der Global Player halten. Aus reputationstheoretischer Perspektive ist diese Diskrepanz zwischen negativer Medienpräsenz und unternehmerischem Erfolg äußerst spannend und erklärungsbedürftig. Nicht, dass diese Konstellation von vorneherein ausgeschlossen werden müsste, aber eine Bank, deren größtes Kapital das von Kunden entgegengebrachte Vertrauen ist, scheint doch eher auf den guten Ruf achten zu müssen. Auf den ersten Blick scheint der Fall der Deutschen Bank der These zu widersprechen, wonach eine erfolgreiche Unternehmung zwingend auf eine positive Reputation ihres Führungspersonals angewiesen ist, damit dieses eine unternehmerische Strategie glaubwürdig vertreten kann. Gemäß den bisher nur unzureichend untersuchten quantitativen und qualitativen Veränderungen der Wirtschaftsberichterstattung (Mast 2003; Eisenegger/Vonwil 2004; Quiring 2004) nähert sich die Wirtschaftsberichterstattung der politischen Berichterstattung an. Man hat es also auch hier mit einer zunehmenden Personalisierung zu tun (Imhof 2002). Dadurch gewinnt die mediale Darstellung des CEO an Bedeutung oder, negativ ausgedrückt, wird die organisationale Reputation zunehmend von der personalen überlagert. Den Vorteilen erhöhter Aufmerksamkeit dank medienkompetentem Führungspersonal steht dann das Risiko zunehmender Moralisierung und Skandalisierung gegenüber (Eisenegger 2005: 42). Diesen veränderten medialen Bedingungen unterliegt die Deutsche Bank schon länger, steht sie doch ständig im Fokus der Öffentlichkeit. Als größtes und gleichzeitig einziges Deutsches Finanzinstitut mit globalem Anspruch repräsentiert es den Deutschen Finanzund Wirtschaftsstandort in besonderem Maße und wird gerade deshalb von der heimatlichen Presse nicht nur ständig beobachtet, sondern muss auch besonders hohen gesellschaftlichen wie ökonomischen Erwartungen gerecht werden (vgl. Eisenegger 2005: 106). Dieser so genannte „Heimathafeneffekt“ verstärkt sich noch durch die Rolle als großer Arbeitgeber, wichtiger Steuerzahler und durch die Pflege flächendeckender Kundenbeziehungen.
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Unter diesen Voraussetzungen wird der Deutschen Bank eine Personalisierungsstrategie quasi aufgezwungen. Und spätestens mit dem Mannesmann-Prozess lernt sie die enormen Reputationsrisiken kennen, die damit verbunden sind. 2
Reputationsverlauf der Deutschen Bank von Januar 2003 bis August 2006
Um den Reputationsverlauf der Deutschen Bank im massenmedialen Diskurs beschreiben zu können wurde eine Inhaltsanalyse durchgeführt. Grundlage der Untersuchung bildeten sämtliche Artikel zwischen Januar 2003 und August 2006 in Deutschen Leitmedien,2 in denen die Deutsche Bank zentral thematisiert wurde. Jeder der so selektierten 4844 Beiträge wurde entsprechend der vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) entwickelten Reputationsanalyse codiert.3 Erfasst wird die Bewertungstendenz gegenüber der Deutschen Bank pro Artikel, das heißt, „die über einen gesamten Medienbeitrag hinweg dominierende Bewertung“ (Eisenegger 2005: 94). Diese kann positiv, negativ, neutral oder ambivalent sein. Durch Indexbildung kann die Reputation pro Zeiteinheit angegeben und in einem diachronen Verlauf dargestellt werden (Vgl. Abbildung 1). Der Reputationsindex bildet einen Wert zwischen -100 und +100 ab, wobei ein Wert von -100 bedeuten würde, dass die Deutsche Bank in sämtlichen Artikel der entsprechenden Zeitperiode negativ bewertet wurde und ein Wert von +100 umgekehrt auf eine ausschließlich positive Bewertung zurückzuführen wäre (Eisenegger 2005: 95).
2
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Das Sample beinhaltet folgende Printmedien: Börsenzeitung, Financial Times Deutschland, Focus, Frankfurter allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Manager Magazin, Spiegel, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Tageszeitung, Die Welt und Wirtschaftswoche. Zur Methode der Reputationsanalyse siehe: Eisenegger, Mark (2005): Reputation in der Mediengesellschaft, Konstitution – Issues Monitoring – Issues Management. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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Reputation der Deutschen Bank im diachronen Zeitverlauf (Januar 2003 bis August 2006)
Abbildung 1 zeigt den Reputationsverlauf der Deutschen Bank von Januar 2003 bis August 2006. Auf der linken Skala ist der Reputationsindex mit Werten zwischen -100 und +100 abgetragen. Die Reputation der Deutschen Bank wird pro Woche (,Deutsche Bank Reputation‘) als auch als Trend (,Deutsche Bank Trend (Hoddrick-Prescott‘)) angegeben. Auf der rechten Skala sind die Resonanzwerte in Anzahl Artikel angegeben (,Resonanz Deutsche Bank‘).
Ein Blick auf den Reputationsverlauf der Deutschen Bank vermittelt einen ersten Eindruck über die Logik ihrer medialen Wahrnehmung und erlaubt die Beschreibung derjenigen Ereignisse und Interpretationen, welche für die Reputation der Bank von zentraler Bedeutung sind (Vgl. Abbildung 1). Dabei wird ersichtlich, dass die Deutsche Bank im Untersuchungszeitraum verschiedene Reputationsphasen durchmacht, die je durch spezifische Wahrnehmungsmuster und prägende Ereignisse gekennzeichnet sind und in deren Verlauf sich auch die öffentliche Einstellung zu Ackermann verändert. Eine erste Phase ist geprägt durch die lähmende Wirkung des Mannesmann-Prozesses und dauert bis zum Freispruch im Juli 2004. Ackermann steht ungewollt und vor allem ungünstig im öffentlichen Rampenlicht. Der Prozess fällt in eine Zeit, in der gerade die letzten Skandale des geplatzten New-Economy Hype vor Gericht verhandelt werden.4 Sein ungeschicktes Verhalten zum Prozessbeginn mit dem berühmten Victory-Zeichen und seiner Aussage, Deutschland sei das einzige Land, in welchem diejenigen, welche Werte schaffen würden, vor Gericht gestellt würden, führt vor diesem Hintergrund zu einer enormen Empörung und schafft die Voraussetzungen für ein mehrere Jahre anhaltendes und noch nicht überwundenes Misstrauen der deutschen Öffentlichkeit gegenüber Ackermann. Hier werden Attribute genannt, welche in der Folge bei verschiedenen Ereignissen immer 4
Zum New-Economy-Hype, zum Börsenboom um die Jahrtausendwende und zur Rolle von Banken und Analysten siehe Tobler, Stefan (2004): Aufstieg und Fall der New Economy. Zur Medialisierung der Börsenarena. In: Imhof, Kurt (2004): Mediengesellschaft: Strukturen, Merkmale, Entwicklungsdynamiken. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 231-261.
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wieder abgerufen werden: arrogant, abgehoben, ungeschickt oder auch eitel. Für Ackermann muss die gewaltige Medienresonanz, die er auslöste, überraschend gekommen sein. Nur so ist zu erklären, weshalb die Deutsche Bank erst ein paar Tage später eine Erklärung zum Victory-Zeichen nachschiebt und die öffentliche Empörung als Missverständnis darstellt. Ackermann habe lediglich den zur selben Zeit in den USA wegen Kindsmisshandlung angeklagten Popstar Michael Jackson nachäffen wollen, welcher seine Fans jeweils mit einem Victory-Zeichen begrüßt hatte (Financial Times Deutschland, 26.01.2004. 21). Diese nachgelieferte ,Erklärung‘ konnte aber die empörte Öffentlichkeit in keiner Weise besänftigen, im Gegenteil. Das mittlerweile berühmt gewordene Victory-Zeichen markiert ein ganz zentrales Schlüsselereignis in der Reputationsgeschichte Ackermanns und der Deutschen Bank. Hier wird Ackermann vorübergehend seines Charismas, seiner Definitionsmacht und seiner Glaubwürdigkeit beraubt. Mit aller Deutlichkeit zeigt sich der Vertrauensverlust in der zweiten Phase des Untersuchungszeitraums. Die strategische Ausrichtung der Deutschen Bank unter Ackermanns Führung wird heftig kritisiert. Die einseitige Ausrichtung auf das internationale InvestmentBanking sei zu risikoreich, weil es bei ungünstigen Bedingungen zu einer Existenzbedrohung für die Bank werden könne. Andererseits werde dadurch der deutsche Heimmarkt vernachlässigt. Beide Kritikpunkte zielen auf ein ganz spezifisch national geprägtes Erwartungsmuster ab: dass nämlich die Deutsche Bank als letzte deutsche Bank von internationalem Format unter allen Umständen eigenständig bleiben müsse (also nicht zuviel Risiko eingehen dürfe). Und dass sie, gerade als deutsche Bank, den Heimmarkt nicht vernachlässigen dürfe. Auch hier sieht sich die Deutsche Bank zu einer Reaktion gezwungen, sieht sich jedoch abermals dem Vorwurf reiner Lippenbekenntnisse gegenüber. Ackermann verkündet eine veränderte strategische Ausrichtung mit einem speziellen Fokus auf den deutschen Heimmarkt. Die unmittelbar danach vollzogene Rochade in der Führungsriege und insbesondere der Austritt aus dem Aufsichtsrat von Ulrich Cartellieri, der als Befürworter eines stärkeren Fokus auf den deutschen Heimmarkt bekannt war, ließen Zweifel an den wahren Absichten Ackermanns aufkommen. „Kaum hatten die Führungskräfte am Cap d’Antibes die Koffer gepackt, da sickerte eine Nachricht durch, nach der sich viele in der Deutschen Bank fragen, ob man die Botschaft aus Südfrankreich [strategische Anpassung, Anmerkung des Verfasser] nicht auch ganz anders lesen kann. Ist die Ernennung von Fitschen vielleicht nur ein Feigenblatt? Verabschiedet sich das 134 Jahre alte Traditionshaus nicht in Wirklichkeit gerade für immer von seinen deutschen Wurzeln, übernehmen die Investmentbanker in London und New York jetzt endgültig die Macht und treiben die Bank in eine internationale Fusion?“ (Handelsblatt, 24.09.2004: 10) Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, dass eine weitere Kommunikationspanne abermals zu heftiger öffentlicher Empörung führen musste. Die Öffentlichkeit stand in dieser Phase der Deutschen Bank so kritisch gegenüber, dass jeder Anlass recht war, um eine weitere Breitseite zu schlagen. Die Veröffentlichung eines Rekordergebnisses (eine Gewinnzunahme um 87% auf 2,5 Milliarden Euro) und die gleichzeitige Ankündigung eines massiven Stellenabbaus (6400 Stellen) im Februar 2005 führten zu einer breit angelegten „Kapitalismuskritik“. Dies vor allem auch deshalb, weil ein paar Tage zuvor die Arbeitslosigkeit in Deutschland zum ersten Mal die Grenze von 5 Millionen überschritten hatte. In dieser Debatte zeigte sich exemplarisch, dass Ackermann mittlerweile selbst zu einem News-Value für andere Akteure geworden war, will heißen, dass sich andere Akteure mittels „Fingerzeig“ auf Ackermann relativ einfach profilieren konnten. Neben Politikern
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war das beispielsweise die Frankfurter Goethe-Universität, welche die geplante HonorarProfessur für Ackermann nach der öffentlichen Empörung zurückzog (Frankfurter Rundschau, 13.04.2005: 20). Oder die relativ unbedeutende Organisation D.O.N.A.L.D., die „Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus“, welche Ackermann den „Mac-Moneysac-Preis 2005“ verlieh, den Preis für „Menschen, die ihre wirtschaftlichen Interessen frei von den Fesseln moralischer Bedenken durchsetzen“ (Frankfurter Rundschau, 18.04.2005: 1). Diese Beispiele zeigen nicht nur, dass die Reputation Ackermanns angeschlagen war, sondern vor allem, welche Bedeutung dem Handeln des Chefs der Deutschen Bank in der Öffentlichkeit beigemessen wird und wie leicht sich andere Akteure vom News-Value einer solchen öffentlichen Person eine Scheibe abschneiden können. In einer dritten Phase hat Ackermann dann das Vertrauen sukzessive über ökonomische Leistung zurückzugewinnen versucht. Die regelmäßig über Erwarten liegenden Ergebnisse haben in der Öffentlichkeit langsam zu einer respektvollen Anerkennung der ökonomischen Leistung geführt. Dabei kam Ackermann aber auch ein jenseits seines Einflussbereiches liegendes Ereignis zu Hilfe: der Verkauf der zweitgrößten deutschen Bank HypoVereinsbank an die italienische Unicredit, also ins Ausland, im Sommer 2005. Während also die zweitgrößte deutsche Bank (aus)verkauft wurde, war der Branchenprimus immer noch eigenständig, und dies mit wachsendem Erfolg. „Die ersten Analysten beginnen, Ackermanns Bemühungen an der Spitze der Bank zu honorieren“, schreibt etwa die FAZ am 8.9.2005. „Deutsche Bank gewinnt an Glaubwürdigkeit“, titelt die Börsenzeitung am 07.10.2005 in Bezug auf die strategische Ausrichtung. Aber dann ereignete es sich wieder, „das fast schon traditionelle jährliche Kommunikationsdesaster der Bank“ (Süddeutsche Zeitung, 02.06.2006: 25). „Eines steht fest: Krisenmanagement und Öffentlichkeitsarbeit gehören offenkundig nach wie vor nicht zu den Stärken der Deutschen Bank“, meint dazu das Handelsblatt (15.12.2005). Im Dezember 2005 schließt die Deutsche Bank vorübergehend ihren Immobilienfonds „Grundbesitz-Invest“, um Wertberichtigungen vorzunehmen. Dadurch verweigert sie ihren Kunden vorübergehend den Verkauf von Anteilen, weil sie befürchtet, dass aufgrund der Reaktionen auf die Ankündigung der Kurs des Fonds zusammenbrechen würde. In der Folge blieb zwar der Kurs des Fonds stabil, die Reputation der Deutschen Bank erlitt aber einen heftigen Rückschlag. Das Aushängeschild einer Branche, welche sich dadurch auszeichnet, dass sie sich in der Regel für weitgehende Liberalisierungen und Deregulierungen finanz- und wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen ausspricht, greift just in dem Moment in den Markt ein, als die Regeln des Kapitalmarktes ihr und ihren Aktionären zum Nachteil gereichen würden. Die Kunden wurden ihrer Handlungsfreiheit entzogen, quasi bevormundet und mussten zudem damit rechnen, dass der Fonds aufgrund der Wertberichtigungen später weniger Wert haben würde.5 Wieder war die Empörung groß, die Kritik heftig und abermals weitete sich der Kreis derjenigen aus, die sich öffentlich gegen die Deutsche Bank wandten. Nicht nur Kunden, Medien und Politik, sondern diesmal auch andere Banken und Finanzbranchenverbände äußerten sich negativ zur Vorgehensweise und deren Kommunikation. Auch hier brechen all die Stereotypen vergangener Missgeschicke wieder auf: fehlende Sensibilität, zu große Macht der Investment Banker im eigenen Haus und die bedingungslose Unterwerfung unter das Sharehol5
Wie sich später herausstellen sollte, waren die in der Öffentlichkeit kolportierten Befürchtungen über den Wertverlust massiv übertrieben. Die Wertberichtigungen bewegten sich im lediglich kleinen einstelligen Prozentbereich.
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der-Value-Prinzip. „Den Investment-Profis der Deutschen Bank sind die Kleinanleger relativ egal“ (Spiegel, 19.12.2005: 82). „Es scheint, als wolle die Deutsche Bank ihr Image systematisch ruinieren“ (Süddeutsche, 15.12.2005: 4). Im Anschluss an diesen „Zwischenfall“ entscheidet sich Ackermann für die Flucht nach vorn und lanciert eine kleine Debatte, in der die Ursache für den „tiefen Riss zwischen Ackermann und den Deutschen“, so die FAZ (03.02.2006: 14), analysiert wird. Er fragt, ob es angesichts der guten Zahlen nicht einmal angebracht wäre, mit Blick auf den einen oder anderen Erfolg der Bank ein wenig Stolz zu empfinden (Börsenzeitung, 03.02.2006: 8). Das Handelsblatt antwortet darauf folgendermaßen: „Der Liebesentzug (…) hat nicht zuletzt mit der Person des Schweizer Bankers zu tun. (…) An der Sensibilität dafür, welche besonderen Erwartungen die Kunden und die Öffentlichkeit an den Marktführer stellen, mangelt es (…) immer noch“ (Handelsblatt, 02.03.2006: 1). Schließlich gelingt der Deutschen Bank im Sommer 2006 doch noch eine „Charmeoffensive“ (Financial Times, 03.08.2006: 149). Zum einen konnte die Deutsche Bank belastende Ereignisse von sich fernhalten, zum anderen konnte sie mit einer auf die deutsche Öffentlichkeit abgestimmten Kommunikations- und Geschäftspolitik viel Goodwill ernten. Mit der Übernahme der Berliner Bank und der Norisbank kann Ackermann gleich an zwei „Reputationsfronten“ den herrschenden Eindrücken entgegenwirken. Zum einen werden die Akquisitionen als Bekenntnis zum deutschen Heimmarkt gedeutet, zum anderen als Stärkung des Privatkundengeschäfts gegenüber dem dominierenden Investmentbanking. Auch mit der Ankündigung von 1000 neuen Stellen innert Jahresfrist und der Vorstellung eines Programms für Förderkredite an den Mittelstand wird an der Korrektur des „Raubtierkapitalisten-Images“ (FAZ, 02.06.2006: 53) gearbeitet. Doch wittern die Medien den Grund für die Charmeoffensive in der anstehenden Wiederaufnahme des Mannesmann-Prozesses, für den sich der Schweizer ein Reputationspolster anlegen wolle. Insofern gerät Ackerman einmal mehr unter den Verdacht des reinen Opportunismus und bleibt das öffentliche Misstrauen groß.
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Personale versus organisationale Reputation
Die drei skizzierten Phasen im Reputationsverlauf der Deutschen Bank haben uns in diachroner Weise Aufschluss über die öffentliche Wahrnehmung geben können. Dabei hat sich gezeigt, dass Ackermann für die Reputation der Deutschen Bank eine zentrale Rolle spielt. Für die Beurteilung dieser Personalisierungseffekte sind zunächst einmal die drei hervorgehobenen Ereignisse zu betrachten (Vgl. Abbildung 1). Das Victory-Zeichen kann aufgrund seiner Eigenschaften als Schlüsselereignis bezeichnet werden.6 Hier ändert sich die öffentliche Beurteilung Ackermanns abrupt und ist nicht mehr dieselbe wie vor dem Ereignis. Die Kapitalismuskritik und die Berichterstattung rund um die Schließung des ImmobilienFonds zeigen, dass durch Schlüsselereignisse etablierte Typisierungen später wieder abgerufen und entsprechend bestätigt werden können. Soll die öffentliche Perzeption einer Person mittels einer Personalisierungsstrategie nachhaltig verändert werden, müssen solche
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Zum Konzept der Schlüsselereignisse siehe: Brosius, Hans-Bernd/Eps, Peter (1993): Verändern Schlüsselereignisse journalistische Selektionskriterien? Framing am Beispiel der Berichterstattung über Anschläge gegen Ausländer und Asylanten. In: Rundfunk und Fernsehen 41 (1993/94). 512-530.
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Ereignisse verhindert werden. Ansonsten werden erzielte Fortschritte innert kürzester Zeit wieder zunichte gemacht. Die Analyse soll in einem nächsten Schritt aber noch vertieft werden. Zu diesem Zweck wurden die Beiträge auch dahingehend untersucht, ob die Deutsche Bank in bedeutendem Maße über ihr Führungspersonal wahrgenommen wird oder ob es sich um eine weitgehend unpersönliche Form der Darstellung handelt. Unterschieden wird so zwischen den beiden Reputationstypen der personalen und der organisationalen Reputation (Eisenegger 2005: 41). Abbildung 2 zeigt den diachronen Verlauf im Verhältnis von personaler zu organisationaler Reputation über den Untersuchungszeitraum. Abbildung 2:
Personale versus organisationale Reputation der Deutschen Bank im diachronen Zeitverlauf (1. Quartal 2003 bis 2. Quartal 2006)
Abbildung 2 zeigt den Verlauf von personaler und organisationaler Reputation der Deutschen Bank quartalsweise von Januar 2003 bis August 2006. Auf der linken Skala ist der Reputationsindex mit Werten zwischen -100 und +100 abgetragen. Der Anteil an Personalisierung ist in Prozent angegeben.
Der Personalisierungsgrad der Deutschen Bank ist vergleichsweise hoch.7 Über den gesamten Zeitraum hinweg wird die Deutsche Bank in mehr als einem Viertel aller untersuchten Beiträge vorwiegend über ihren CEO wahrgenommen. Die Verlaufsanalyse bestätigt die Regularität, wonach die personale Reputation tiefer ausfällt als die organisationale. Und gerade dort, wo die personale Reputation stark negativ ausfällt, ist auch der Personalisierungsgrad hoch. Die letzten beiden Quartale im Jahr 2006 zeigen aber auch, dass es Ausnahmen gibt. Ganz offensichtlich haben die verstärkten Bemühungen um eine öffentliche Wahrnehmung des durch den CEO vermittelten Leistungsausweises der Deutschen Bank Früchte getragen. Es scheint also angebracht, Personalisierungsstrategien nicht per se als risikoreich zu bezeichnen, sondern eine weitere Differenzierung vorzunehmen. 7
Vergleichswerte finden sich im Beitrag von Eisenegger/Konieczny in diesem Band.
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Eine solche unterscheidet zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen moralischer Integrität und systemspezifischen Ansprüchen funktionaler Rollenausübung (Eisenegger 2005: 37). Soziale Reputation basiert also auf der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Bewertungsmaßstäbe, während funktionale Reputation die Erfüllung systemspezifischer Ziele, im ökonomischen System das Erwirtschaften von Gewinn, voraussetzt. Auch diese beiden Reputationstypen wurden in der Analyse codiert. Verknüpft man nun die personale Reputation mit der sozialen und funktionalen Reputation, gewinnt man zusätzliches Erklärungspotential für die Veränderung der medialen Wahrnehmung Ackermanns im Untersuchungszeitraum (Vgl. Abbildung 3). Abbildung 3:
Soziale versus funktionale Personalisierung der Deutschen Bank im diachronen Zeitverlauf (1. Quartal 2003 bis 2. Quartal 2006)
Abbildung 3 zeigt den Verlauf von sozialer und funktionaler Personalisierung der Deutschen Bank quartalsweise von Januar 2003 bis August 2006. Auf der linken Skala ist der Reputationsindex mit Werten zwischen -100 und +100 abgetragen. Der Anteil an Personalisierung ist in Prozent angegeben.
Abbildung 3 zeigt ein interessantes Wechselspiel zwischen funktionaler und sozialer Personalisierung. Während in der ersten Phase die soziale Reputation Ackermanns dominiert, nimmt die Bedeutung der funktionalen Reputation im weiteren Verlauf sukzessive zu. Die Perspektive der Medien auf Ackermann verschiebt sich also über die Zeit von der Sozialreputation auf die Funktionalreputation und damit von der Erfüllung sozialmoralischer Ansprüche auf die Erbringung ökonomischer Leistung. Damit aber gewinnt die Deutsche Bank in der Außendarstellung ihres CEOs wieder an Handlungsmacht zurück, denn die Wahrnehmung der eigenen ökonomischen Leistungsfähigkeit lässt sich in der Regel besser kontrollieren als die Wahrnehmung moralischer Integrität. Die Analyse lässt nun also auch eine differenziertere Beurteilung von Personalisierungsstrategien ökonomischer Organisationen zu. Weil eine erhöhte Personalisierung nicht zwangsläufig eine verstärkte mediale Fokus-
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sierung auf die Sozialreputation nach sich zieht, ergeben sich durchaus auch Chancen. Eine erfolgreiche Personalisierungsstrategie bedarf aber einer starken Ausrichtung auf die Vermittlung ökonomischer Kompetenz. Welches sind die thematischen Kontexte, in welchen eine starke Personalisierung zum Tragen kommt und wie wirken sie sich auf soziale und funktionale Reputation aus? Die zwei größten Kommunikationsereignisse8 im Untersuchungszeitraum sind die Mannesmann-Affäre (392 Beiträge) und die Kirch-Klage9 (326 Beiträge). Die öffentliche Wahrnehmung der Deutschen Bank wurde also wesentlich durch diese beiden Ereignisse geprägt, fast 15% der Berichterstattung über die Deutsche Bank beziehen sich auf Mannesmann oder die Kirch-Klage. In beiden Fällen haben wir es mit einer überdurchschnittlich hohen Personalisierung zu tun. Während diese bei Mannesmann mit einem Anteil von 76% enorm hoch ist und ausschließlich über Ackermann läuft, steht bei der Kirch-Klage der ehemalige Aufsichtsrat-Vorsitzende Rolf Breuer im Fokus und beläuft sich der Personalisierungsgrad auf immer noch hohe 42%. Beide Kommunikationsereignisse belasten die Reputation der Deutschen Bank, insbesondere deren Sozialreputation, stark und sind wesentlich für den negativen Reputationstrend in den ersten beiden Phasen des Untersuchungszeitraums verantwortlich (Vgl. Abbildung 1). Andere Kommunikationsereignisse mit einem hohen Personalisierungsgrad sind solche, die eine strategische Komponente beinhalten, also die langfristige Geschäftspolitik der Deutschen Bank zum Inhalt haben. Strategische Absichten der Deutschen Bank werden in der Medienberichterstattung oft auf die persönliche Handschrift des CEO zurückgeführt. Dies bedeutet, dass Erfolg und Misserfolg der Deutschen Bank sehr stark als Erfolg und Misserfolg von Josef Ackermann interpretiert werden. Er bestimmt die Strategie und er übernimmt die Verantwortung dafür. Ein Beispiel für solche Ereignisse sind die jährlich stattfindenden Hauptversammlungen der Deutschen Bank. Wie die Bilanzpressekonferenzen erfahren die Hauptversammlungen kurzfristig hohe öffentliche Aufmerksamkeit, werfen aber einen umfassenderen Blick auf die Tätigkeit der Bank und schlagen in der Regel einen Bogen von der vergangenen Entwicklung auf die zukünftigen Chancen und Risiken. Die Hauptversammlungen sind im Untersuchungszeitraum stärker personalisiert (durchschnittlich 58%) als die Bilanzpressekonferenzen, für beide gilt aber, dass die organisationale Reputation stark von der personalen abhängt. Im Übrigen zeigt sich bei der Analyse der Bilanzpressekonferenzen auch, dass die ökonomische Performance der Deutschen Bank in den Geschäftjahren 2002, 2003 und 2004 immer positiv ausgefallen ist und auch entsprechend bewertet wurde. Die schlechte Sozialreputation der Deutschen Bank und die schlechte Reputation Josef Ackermanns standen in einem starken Widerspruch zum öko-
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Zur Definition von Kommunikationsereignissen siehe: Eisenegger, Mark (2005): Reputation in der Mediengesellschaft, Konstitution – Issues Monitoring – Issues Management. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 136-142. Zur Methodik der induktiven Kommunikationsereignis-Analyse: Imhof, Kurt (1993): Vermessene Öffentlichkeit – vermessene Forschung? Vorstellung eines Projekts. In: Ders./Kleger, Heinz/Romano, Gaetano (1993): Zwischen Konflikt und Konkordanz. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der Vor- und Zwischenkriegszeit. Zürich: Seismo. 11-60. Der Rechtsstreit zwischen dem Medienunternehmer Leo Kirch und der Deutschen Bank zieht sich über mehrere Jahre hinweg und ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes noch nicht beendet. Im Kern geht es um ein umstrittenes TV-Interview, in welchem der damalige Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, die Kreditwürdigkeit Kirchs in Frage gestellt und damit den Zusammenbruch des Kirch-Imperiums herbeigeführt haben solle. Leo Kirch fordert deshalb Schadenersatz von der Deutschen Bank.
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nomischen Erfolg, welcher in dieser Zeit erzielt wurde. Dieser wird erst in jüngster Zeit umfassender gewürdigt.
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Fazit
Die empirische Analyse hat gezeigt, dass die Deutsche Bank zwischen Januar 2003 und August 2006 erheblichen Personalisierungseffekten durch ihren CEO Josef Ackermann ausgesetzt war. Die Frage stellt sich nun, inwiefern sich diese Effekte auf allgemeine Regularitäten der Personalisierung zurückführen lassen oder auf ganz spezifische Eigenschaften und Bedingungen der Deutschen Bank. Eine spezifische Eigenschaft der Deutschen Bank ist ihre Resonanzstärke. Die Deutsche Bank gehört zu denjenigen ökonomischen Organisationen mit den höchsten Aufmerksamkeitswerten in der Deutschen Medienlandschaft.10 Für diese Ballung öffentlicher Aufmerksamkeit sind mehrere Erklärungen denkbar. Die Deutsche Bank gehört zu den größten Unternehmen Deutschlands, sowohl was die Börsenkapitalisierung als auch die Anzahl Beschäftigter betrifft. Größe allein ist bereits ein Aufmerksamkeitswert. Darüber hinaus unterscheidet sie sich von ihrer nationalen Branchenkonkurrenz dadurch, dass sie nach der nationalen und internationalen Branchenkonsolidierung die einzig übrig gebliebene deutsche Bank ist, die nicht nur global ausgerichtet, sondern auch international konkurrenzfähig ist. Aus dieser Perspektive ist die hohe Aufmerksamkeit auf die volkswirtschaftliche Bedeutung zurückzuführen, auf welche Politik und Medien des Öfteren verweisen. Aus dem gleichen Grund wird auch die Eigenständigkeit der Deutschen Bank hoch gehalten. Gerade vor diesem national geframeten Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die „Deutsche“ Bank seit Mai 2002 nicht mehr von einem Deutschen, sondern von einem Ausländer, dem Schweizer Josef Ackermann, geführt wird. Diese Konstellation führt dazu, dass die Entwicklung der Deutschen Bank und die Handlungen ihres Chefs mit Argusaugen beobachtet werden. Hier liegt denn wohl die Hauptursache für die erklärungsbedürftige Ambivalenz im öffentlichen Erscheinungsbild der Deutschen Bank. Ausgehend von diesen Überlegungen können die Erkenntnisse zusammengefasst werden: 1) Der Personalisierungsgrad der Deutschen Bank ist mit 26% überdurchschnittlich hoch und übertrifft sämtliche von Eisenegger in diesem Band ausgewiesenen Werte für andere ökonomische Organisationen. Diese Personalisierung ist einerseits auf den Kontext des Mannesmann-Prozesses zurückzuführen, der wiederum selbst stark von Medialisierungseffekten getrieben wurde. Andererseits aber auch auf personenzentrierte Berichterstattung im Kontext der unternehmerischen Entwicklung, was zumindest teilweise auch mit den spezifischen Eigenschaften der Deutschen Bank erklärt werden kann. 2) Die personale Reputation ist in der Regel tiefer als die organisationale Reputation. Dies entspricht der allgemeinen Regularität, wonach das Reputationsrisiko bei zunehmender Personalisierung steigt.
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Vergleiche dazu: Schlipper, Michael, Newsletter von Media Tenor vom 11.07.2005: Medien-Image von Unternehmen in deutschen Meinungsführermedien, www.mediatenor.de/newsletters.php?id_news=179, und: Media Tenor Forschungsbericht Nr. 154 – 2. Quartal 2006, www.mediatenor.de/newsletters. php?id_news=266.
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3) Es gilt allerdings zu differenzieren zwischen funktionaler und sozialer Reputation. Soziale Reputation ist regelhaft mit tieferen Reputationswerten versehen, birgt also eher Reputationsrisiken, während funktionale Reputation in der Regel bessere, auch positive Reputationswerte erzeugt. Diese Regularität gilt auch für die Personalisierung. Starke Personalisierung ist zwar mit Reputationsrisiken verbunden, diese können sich auf der Ebene funktionaler Reputation aber auch als Chancen erweisen. 4) Die für die Deutsche Bank am stärksten prägenden Kommunikationsereignisse sind zugleich hoch personalisiert (Mannesmann-Affäre und Kirch-Klage), was für Personalisierungsrisiken durch Skandale und entsprechend einem doppelten Medialisierungseffekt spricht. 5) Regelhaft sind bei der Deutschen Bank ganz spezifische, wiederkehrende Kommunikationsereignisse stark personalisiert. Zum einen die Präsentationen der Jahresbilanzen, zum anderen die Hauptversammlungen. Beide fokussieren die ökonomische Performance und beurteilen die Entwicklung der Bank in einer umfassenden Perspektive, welche sowohl die vergangenen Leistungen als auch die zukünftigen Chancen interpretieren. Strategie und Performance werden von der Medienöffentlichkeit also stark auf die Verantwortung einer einzelnen Person zurückgeführt.
Literatur Brosius, Hans-Bernd/Eps, Peter: Verändern Schlüsselereignisse journalistische Selektionskriterien? Framing am Beispiel der Berichterstattung über Anschläge gegen Ausländer und Asylanten. In: Rundfunk und Fernsehen 41. 1993/94. 512-530. Eisenegger, Mark (2005): Reputation in der Mediengesellschaft, Konstitution – Issues Monitoring – Issues Management. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Eisenegger, Mark/Vonwil, Matthias: Die Wirtschaft im Bann der Öffentlichkeit. Ursachen und empirische Evidenzen für die erhöhte öffentliche Exponiertheit ökonomischer Organisationen seit den 90er Jahren. In: Medienwissenschaft Schweiz. 2/2004. 80-89. Imhof, Kurt (1993): Vermessene Öffentlichkeit – vermessene Forschung? Vorstellung eines Projekts. In: Ders./Kleger/Romano (1993): 11-60. Imhof, Kurt/Kleger, Heinz/Romano, Gaetano (Hrsg.) (1993): Zwischen Konflikt und Konkordanz. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der Vor- und Zwischenkriegszeit. Reihe: Krise und Sozialer Wandel, Bd. 1. Zürich: Seismo. Imhof, Kurt: Moral: Das Geschäft mit der Wiederherstellung von Vertrauen. Funktionen der Moralisierung in der Mediengesellschaft. In: risikovoice. 4/2002. 1-12. Imhof, Kurt/Blum, Roger/Bonfadelli, Heinz/Jarren, Otfried (Hrsg.) (2004): Mediengesellschaft: Strukturen, Merkmale, Entwicklungsdynamiken. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Mast, Claudia (2003): Wirtschaftsjournalismus. Grundlagen und neue Konzepte für die Presse. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Quiring, Oliver (2004): Wirtschaftsberichterstattung und Wahlen. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH. Tobler, Stefan (2004): Aufstieg und Fall der New Economy. Zur Medialisierung der Börsenarena. In: Imhof/Blum/Bonfadelli/Jarren (2004): 231-261.
Personalisierung in der internen Kommunikation: Ergebnisse einer ländervergleichenden Analyse von Mitarbeiterzeitschriften Simone Huck-Sandhu, Diana Ingenhoff
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Einführung
Mit der Einführung von E-Mail, Intranet und Mitarbeiter-TV schien die Ära der Mitarbeiterzeitschrift Mitte der 1990er Jahre endgültig vorbei zu sein. Doch selbst im Zeitalter von Weblogs, Podcasts und anderen digitalen Informations- und Kommunikationsformaten ist die Mitarbeiterzeitschrift ein wichtiges Instrument der internen Kommunikation geblieben (vgl. Meier 2002: 55, Winterstein 1996: 56-57, Zowislo/Schwab 2003). Als klassisches Medium der Hintergrundinformation, der Rahmung und der Sinnvermittlung hat sie in vielen Unternehmen gar eine Renaissance erfahren. Gerade im Reigen der individualisierten und stark fragmentierenden neuen Informationsmedien ist sie häufig das einzige verbindende Medium, das Mitarbeitern aller Standorte, Bereiche und Hierarchieebenen einen einheitlichen Deutungsrahmen anbietet (vgl. Mast 2006: 276-277, Huck 2005, Klöfer/Nies 2003). Ein unternehmensweiter, einheitlicher „Frame of Reference“ gewinnt in Zeiten des Wandels besondere Bedeutung: In sich verändernden Umwelten hat die interne Kommunikation die Aufgabe, Mitarbeitern strategische Ziele und Stoßrichtungen des Unternehmens zu erklären, Unternehmenswerte zu vermitteln und kognitive sowie soziale Orientierung zu bieten. Sie tut dies, indem sie zum Beispiel die Rahmenbedingungen der aktuellen Unternehmenstätigkeit erklärt und Mitarbeiter über die Gegebenheiten im Markt, aktuelle Issues oder auch Planungen und Strategien informiert (vgl. Bischl 2000, Cauers 2005, Viedebantt 2005). Um in der wachsenden Medienvielfalt Aufmerksamkeit zu erhalten und Leser für sich zu gewinnen, muss sich auch die Mitarbeiterzeitschrift verschiedener Nachrichtenfaktoren bedienen. Nachrichtenfaktoren beschreiben innerhalb der Nachrichtenwertforschung u. a. inhaltliche und formale Merkmale und Eigenschaften von Ereignissen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese zur „Nachricht“ und damit rezipiert werden (Sande 1971: 222; vgl. auch Galtung/Ruge 1965). Neuere Erkenntnisse zeigen, dass Auswahl und Verarbeitung von Nachrichten einerseits von diesen Beitragsmerkmalen, andererseits auf Rezipientenseite durch die jeweiligen intellektuellen Fähigkeiten, habitualisierten Fertigkeiten und Motivationen beeinflusst werden (vgl. Eilders 1997). Wichtige Nachrichtenfaktoren, die Eilders als Relevanzindikatoren charakterisiert, sind u. a. Reichweite, Schaden/Nutzen, Kontroverse/Konflikt, Prominenz, Einfluss und Nähe, da ihnen durch potentielle Betroffenheit gesellschaftliche Relevanz zugeschrieben wird. Da bisherige Erkenntnisse zeigen, dass sich die Mitarbeiterzeitschrift eher durch eine harmonische Gestaltung bei gleichzeitiger Vermeidung von kritischen Themen auszeichnet und somit Nachrichtenwerten wie Negativismus und Skandal eine geringe Bedeutung zukommt, könnte die Personalisierung ein wichtiger Nachrichtenfaktor sein, um den Mitarbeitern Themen und Kontexte der Unternehmung näherzubringen. Personalisierung gewinnt als Nachrichtenfaktor nach Eilders
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zusammen mit den weiteren Faktoren Vorhersehbarkeit, Emotion und Themenetablierung eine große Bedeutung aufgrund allgemeiner psychologischer Gesetzmäßigkeiten, wenn Bezüge zu eigenen Erfahrungen und inneren Schemata hergestellt werden können (vgl. Eilders 1997: 102). Die vorliegende Studie widmet sich daher der zentralen Frage, wie Personalisierung im Rahmen der internen Kommunikation durch Mitarbeiterzeitschriften eingesetzt wird. Anhand von quantitativen und qualitativen Inhaltsanalysen von Mitarbeiterzeitschriften in zwei Branchen (Banken sowie Informations- und Technologiebranche) und drei Ländern (Deutschland, Schweiz, Frankreich) wird mittels einer Längsschnittanalyse von 1995 bis 2005 untersucht, a. b. c.
welche Personen bzw. Personengruppen wie (z. B. durch Visualisierung) dargestellt werden und wie die Personalisierung umgesetzt wird, welche thematischen Bezüge und Issues zu Hintergründen bzw. zur Unternehmenstätigkeit allgemein hergestellt werden sowie wo und wie diese personalisierten Beiträge platziert werden.
Im Folgenden werden wir zunächst die Mitarbeiterzeitschrift sowie die mit ihr verfolgten Ziele im Kontext unserer Fragestellung analysieren und erste Forschungsergebnisse in diesem noch kaum systematisch erforschten Bereich diskutieren. Im zweiten Teil werden wir das Studiendesign, die Forschungsmethode und die Ergebnisse unserer Untersuchung vorstellen. Eine abschließende Diskussion greift die wichtigsten Aspekte noch einmal auf und diskutiert ihre Bedeutung für die weitere Forschung.
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Untersuchungsgegenstand Mitarbeiterzeitschrift
2.1 Die Mitarbeiterzeitschrift als Medium der Mitarbeiterinformation Die Mitarbeiterzeitschrift wird von verschiedenen Autoren (vgl. Cauers 2005: 23, Bischl 2000: 13, Meier 2002: 41) als zentrales, am weitesten verbreitetes und verlässlichstes Medium mit großer Relevanz für die interne PR angesehen. Die Relevanz gründet auch darin, dass die Mitarbeiterzeitschrift als das einzige, regelmäßig publizierte und formale Bindeglied zwischen den Mitarbeitern und dem Management charakterisiert werden kann. Bezüglich des Begriffs der Mitarbeiterzeitschrift existieren in der Literatur viele Synonyme, von der etwas veralteten Bezeichnung der „Werkzeitung/-zeitschrift“ (Haller 1982) bis hin zu selten benutzten Ausdrücken wie „Personalzeitschrift“, „Unternehmenszeitung“ und „Hauszeitschrift“. In die deutschsprachige Literatur hat der englische Begriff „employee magazine“ bislang keinen Eingang gefunden (vgl. Bischl 2000: 68). Die vorliegende Studie betrachtet die Mitarbeiterzeitschrift als ein zweckorientiertes und instrumentalisiertes Medium der innerbetrieblichen Kommunikation, das der Erreichung vom Unternehmen vorgegebener, wirtschaftlich motivierter Ziele dient. Hierzu benutzt sie journalistische Stilmittel und orientiert sich an Nachrichtenfaktoren. Nachrichtenfaktoren mit der höchsten Priorität sind das Unternehmen, seine Aktivitäten und Belange (vgl. Bischl 2000: 98, Meier 2002: 55-56).
Personalisierung in der internen Kommunikation
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Die Mitarbeiterzeitschrift hat viele Funktionen. Ihre drei zentralen Funktionen sind die Informationsfunktion zur Orientierung der Mitarbeiter über produkt-, branchen- und marktspezifische Entwicklungen und Zusammenhänge sowie über die unternehmenspolitischen Vorgänge und Ziele (insbesondere in Zeiten des Wandels) (vgl. Cauers 2005: 62), die Motivationsfunktion durch Vermittlung eines optimistischen Unternehmensbildes zur Steigerung der Leistung und des Engagements der Mitarbeiter (vgl. Kalmus 1998: 65) und zur Vermittlung der Identität und schließlich die Dialogfunktion als Verbindungselement zur Unternehmensleitung (vgl. Mast/Fiedler 2004: 20-22, Einwiller/Klöfer/Nies 2006: 222). Um diese Funktionen und Kernziele zu erfüllen, ist es wichtig, dass das Medium Vertrauen schaffen kann (vgl. Nimsdorf 1997: 192). Eine Möglichkeit, den Vertrauenszuschreibungsprozess zu unterstützen und zur Vermittlung unternehmensweit relevanter Themen beizutragen, ist der bewusste Einsatz des Nachrichtenfaktors Personalisierung (vgl. Galtung/Ruge 1965, Schulz 1990, Mast 2004: 323-324, Klöfer 1996: 31), d. h. die Bedeutung, die Einzelpersonen in der Darstellung eines Ereignisses zugesprochen wird. Die Personalisierung hat in den vergangenen Jahren vor allem im Zuge der CEOKommunikation an Bedeutung gewonnen, wo sie – extern wie intern – als rahmende und erklärende Vermittlungsstrategie eingesetzt wird (vgl. Burson-Marsteller 2004, Schäfer 2004: 6, Nessmann 2005). Im Kontext der Mitarbeiterzeitschrift wird sie meist auf Führungskräfte der ersten oder zweiten Hierarchieebene ausgeweitet, um auch die einzelnen Geschäftsfelder bzw. Bereiche personalisieren zu können. Zugleich zeigen sich Personalisierungsstrategien in Mitarbeiterzeitschriften aber auch bei der Darstellung von Mitarbeitern. Während im Fall der Personalisierung von Führungskräften vor allem Information und Rahmung im Vordergrund stehen dürften, lassen sich hinter der Darstellung von Mitarbeitern soziale Ziele wie Zugehörigkeitsgefühl, Motivation und Teilhabe vermuten.
2.2 Bedeutung des Nachrichtenfaktors Personalisierung Obwohl Mitarbeiterzeitschriften bereits auf eine über hundertjährige Tradition zurückblicken können, existieren bislang wenige Studien, die den Gegenstand umfassend erforscht haben (vgl. Bischl 2000: 16; Cauers 2005: 36). Zur Bedeutung des Nachrichtenfaktors Personalisierung im Kontext von Mitarbeiterzeitschriften liegen bislang noch keine Studien vor. Grundlegende Untersuchungen von Mitarbeiterzeitschriften finden sich bei Haller (1982), der in seiner inhaltsanalytischen Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass sich zwar die Mitarbeiterzeitschriften verschiedener Unternehmen und Branchen hinsichtlich Erscheinungshäufigkeit, Umfang und branchenspezifischer Thematik unterscheiden. In Bezug auf die abgebildete Realität zeichnen sich jedoch alle übereinstimmend durch Problemarmut, Konfliktscheuheit, Harmonie, Unternehmensperspektive und standardisierte Geschehen aus (vgl. Haller 1982: 111). Auch Cauers kommt in einer aktuellen Untersuchung zum Ergebnis, dass interne Missstände nur selten Gegenstand von Mitarbeiterzeitschriften sind (2005: 154). Vielmehr dominieren vor allem die Darstellung der Unternehmenserzeugnisse, die Illustration von Mitarbeitern im Unternehmensgefüge und die Situation des Unternehmens (ebd.). Innerhalb einer linguistischen Arbeit zeigt Bischl anhand von fünf Mitarbeiterzeitschriften verschiedener Branchen auf, dass es sich meist um ein „strategisches Medium der
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positiven Selbstdarstellung“ handelt (2000: 226). Mast und Fiedler (2004: 49-76) untersuchen mittels einer Befragung die 100 größten Banken und Versicherungen zum Thema Mitarbeiterzeitschriften im Zeitalter des Internets. Sie kommen u. a. zu dem Ergebnis, dass sich die Mitarbeiterzeitschrift gut eignet, auch komplizierte Hintergründe zu erklären. Darüber hinaus dient das Medium insbesondere der Mitarbeiterbindung und der Förderung des Dialogs mit den Mitarbeitern (ebd.). Die Redakteure der Mitarbeiterzeitschrift orientieren sich bei der Auswahl der Themen an ähnlichen Kriterien und Nachrichtenfaktoren wie Journalisten im Allgemeinen (vgl. Mast/Fiedler 2004: 35). Besonderheiten in Bezug auf die Mitarbeiterzeitung zeigt Haller (1982: 82-98) auf. So weisen Mitarbeiterzeitschriften für den Nachrichtenfaktor Aktualität zu 70 % einen nur mittleren Aktualitätsgrad auf, da meist erst nach Abschluss über die Unternehmensereignisse berichtet wird. Kontinuität im Sinne von explizitem Bezug auf vorhergehende Ausgaben liegt selten vor, da die Mitarbeiterzeitschrift meist innerhalb zeitlich größerer Abstände erscheint, was den direkten Bezug der Artikel aufeinander erschwert. Offensichtlich orientiert sich die Mitarbeiterzeitschrift stark an den Nachrichtenfaktoren der räumlichen und sachlichen Nähe. Über 80 % der Themen in den Artikeln stehen meist in enger Beziehung zum Unternehmen (sachliche Nähe), mehr als die Hälfte adressiert Ereignisse im Unternehmen (räumliche Nähe), während Geschehen aus dem privaten Kontext äußerst selten dargestellt werden (vgl. auch Mast/Fiedler 2004: 35). Weiterhin wird der Nachrichtenfaktor Relevanz angesprochen. Weit über 70 % der Artikel weisen eine Relevanz für die gesamte Belegschaft auf. Dies deutet aber gleichzeitig auch auf eine fehlende Zielgruppenspezifizierung hin. Der Nachrichtenfaktor der Valenz umfasst die Kategorien Positivismus respektive Negativismus, Problemgehalt und Kontroversität. Entgegen dem in den klassischen Medien vorherrschenden Trend zur Skandalisierung und Dominanz des Negativismus herrscht in den Mitarbeiterzeitschriften mit knapp 60 % eine überwiegend positive Berichterstattung vor. Dies zeigt sich auch in der extrem niedrigen Kontroversität. Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte lassen sich in nur knapp 5 % der Artikel finden. Die Untersuchung von Mast und Fiedler (2004: 49-76) unterstreicht dieses Ergebnis: Betrachtet man die in den Mitarbeiterzeitschriften dominierenden Themeninhalte, so überwiegen die Vorstellungen von einzelnen Geschäftsbereichen, Geschäftszielen, Strategien, Informationen über neue Produkte und Dienstleistungen sowie „Human Touch“-Inhalte, die die Verbindung zu den Lesern stärken und sie in das Geschehen des Unternehmens einbinden sollen, wie Jubiläen, Feste und Events. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt die Studie von Cauers (2005: 103105). In der Literatur wird zwar gefordert, auch heikle Themen in der Mitarbeiterzeitschrift aufzugreifen, damit Gerüchtebildung und Misstrauen verhindert werden können (vgl. u. a. Macharzina 1990: 155, Meier 2002: 24). Inwieweit diese in der Zwischenzeit tatsächlich angesprochen werden, erscheint vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse fraglich und wird daher ebenfalls Teil unserer Untersuchung sein. Im Zeitalter der Medialisierung und des Strukturwandels werden in den Medien immer stärkere Personalisierungstendenzen bei der Unternehmensdarstellung deutlich (vgl. Park/Berger 2006: 93). Die Repräsentation des Unternehmens durch eine kompetente Führungspersönlichkeit wird immer wichtiger, da in der Wahrnehmung eine Loskoppelung der Führungspersönlichkeit von der Organisation stattfindet (vgl. auch Rosenberg et al. 1986:
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123, Brettschneider 2001: 387 zum Verhältnis von Spitzenkandidaten und Parteien). Die Bedeutung des Nachrichtenfaktors Personalisierung nimmt also tendenziell zu. Bereits 1982 waren in fast der Hälfte der von Haller untersuchten Artikel in Mitarbeiterzeitschriften Menschen die dominanten Handlungsträger, wovon in über 80 % der Fälle innerbetriebliche Handlungsträger, also Management, Mitarbeiter etc. dargestellt wurden (vgl. Haller 1982: 90-93). Hierdurch können offensichtlich Möglichkeiten zur Identifikation mit dem Unternehmen geschaffen werden. Nach dem Nachrichtenfaktor Status wurden die im Zentrum der Artikel stehenden Personen weiter in Bezug auf die Unternehmenshierarchie analysiert. Hier sind die bisherigen Ergebnisse nicht ganz eindeutig, da Personen mit geringerem Status (31,6 %) ähnlich oft vorkommen wie jene mit hohem Status (22,1 %) (vgl. Haller 1982: 91-93). Auch die Frage nach dem Status wird in unserer Untersuchung aufgegriffen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Mitarbeiterzeitschrift primär ein Medium der positiven Unternehmensdarstellung ist. Ausgehend von dem Ziel, die Mitarbeiter primär zu informieren und zu unterhalten, findet eine kritische Berichterstattung offensichtlich kaum statt. Andererseits lässt sich festhalten, dass auch dialogorientierte Maßnahmen angestrebt werden, die durch das breite Spektrum an ergänzenden interaktiven Medien interner Kommunikation begleitet werden können. Es stellt sich also die Frage, wie die Themenauswahl erfolgt, wie diese präsentiert werden und welche Rolle dabei die Personalisierung spielt.
2.3 Thesen zur Personalisierung von Mitarbeiterzeitschriften Aus den dargestellten Erkenntnissen lassen sich vor dem Hintergrund unserer Fragestellung mehrere forschungsleitende Annahmen ableiten. Personalisierung wird dabei auf zwei verschiedenen Ebenen erfasst: als (a) Nachrichtenfaktor und damit journalistisches Gestaltungselement (operativ-journalistische Ebene) und als (b) Vermittlungsstrategie, mit deren Hilfe Inhalte für Leser leichter verständlich gemacht werden können und die damit systematisch zur Umsetzung von Zielen wie Information, Identifikation oder Motivation eingesetzt werden (strategische Ebene). Die erste Annahme stützt sich auf die Personalisierungstendenzen, die sich insbesondere auch für Wirtschaftsorganisationen feststellen lassen (Park/Berger 2006). Es wird angenommen, dass auch in Mitarbeiterzeitschriften Personalisierung als erklärende Vermittlungsvariable und zur Stärkung der Identifikation mit dem Unternehmen zum Einsatz kommt und dieser Einsatz in den letzten Jahren zugenommen hat (i.A.a. vgl. BursonMarsteller 2004, Schäfer 2004, Nessmann 2002 & 2005). These 1: In den Mitarbeiterzeitschriften im westeuropäischen Raum lässt sich innerhalb der letzten zehn Jahre ein zunehmender Einsatz der Personalisierung feststellen. Hierzu wird eine Längsschnittuntersuchung vorgenommen, um Veränderungen im Zeitraum der letzten Dekade feststellen zu können. Grund für die Begrenzung des Untersuchungszeitraums von 1995 bis 2006 ist die Annahme, dass es seit Beginn der 1990er Jahre infolge der steigenden Medialisierung und wachsenden Bedeutung des Internet im Feld der
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internen Kommunikation und damit auch bei der Gestaltung und Umsetzung von Mitarbeiterzeitschriften zu einem deutlichen Professionalisierungsschub kam. Die zweite Annahme verknüpft die Personalisierung mit der Visualisierung: Ausgehend von einer steigenden Personalisierung ist auch eine Zunahme der Visualisierung in Form von Personendarstellungen zu erwarten. These 2: In den Mitarbeiterzeitschriften im westeuropäischen Raum lässt sich innerhalb der letzten zehn Jahre eine Zunahme von Visualisierungen in Form von Personenabbildungen feststellen. Dabei kann angenommen werden, dass der Einsatz von Visualisierungselementen wie Personenfotografien, Schaubildern oder Informationsgrafiken entlang kultureller Unterschiede in verschiedenen Ländern variiert, sofern es sich bei einer Mitarbeiterzeitschrift um ein lokales, d. h. lediglich für das jeweilige Land produziertes Medium handelt (vgl. Hofstede 1993a, 1993b, Hall/Hall 1990, Hampden-Turner/Trompenaars 1993). Für die Untersuchung dieser zweiten These erscheint es vielversprechend, Mitarbeiterzeitschriften aus mehreren Ländern in die empirische Untersuchung mit einzubeziehen, um zu prüfen, wie sich die Nationalkultur als ein Einflussfaktor für die Ausgestaltung von Public-Relations-Instrumenten (vgl. Huck 2004) auf die Personalisierung und v. a. Visualisierung von Mitarbeitermagazinen auswirkt. Untersucht werden deshalb Mitarbeiterzeitschriften aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, die sich entlang der Kulturdimensionen unterscheiden. Bei der dritten Annahme gehen wir davon aus, dass die Themeninhalte sich mit dem jeweiligen Status der dargestellten Personen, d. h. dem Rang in der Unternehmenshierarchie, verknüpfen lassen. Basierend auf den oben dargestellten Ergebnissen von Haller (1982) rückt erstens die Frage, zu welchen Anteilen Führungskräfte sowie Mitarbeiter geringeren Status in der Mitarbeiterzeitschrift dargestellt werden, in den Mittelpunkt. Zweitens kann vor dem Hintergrund eines eher qualitativen Zugangs danach gefragt werden, in Verbindung mit welchen Themen über interne Akteure berichtet wird. Es kann angenommen werden, dass die Verknüpfung von Person und Thema für die vom Leser wahrgenommene Bedeutung und Kompetenz des Akteurs von Bedeutung ist: These 3: In Mitarbeiterzeitschriften kommunizieren Führungskräfte zu Strategiethemen, während Mitarbeitende im Kontext von sozialen Themen präsentiert werden. Die vierte Annahme greift die Forderung auf, auch kritische und kontroverse Themen in der Mitarbeiterzeitschrift zu diskutieren (vgl. u. a. Macharzina 1990: 155, Meier 2002: 24). Ohne Frage sind Mitarbeiterzeitschriften strategische Medien der positiven Selbstdarstellung, wie es Bischl (2000: 111) formuliert. In Zeiten digitaler Medien, die einen schnellen, ubiquitären und v. a. transparenten Zugang zu internen und externen Informationen über ein Unternehmen ermöglichen, erscheint eine offene interne Kommunikation über Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken für die Glaubwürdigkeit der Unternehmensleitung unabdingbar. Ausgehend von den Erkenntnissen früherer Untersuchungen muss allerdings davon ausgegangen werden, dass kontroverse Issues kaum angesprochen werden (vgl. Haller 1982). Als Issues lassen sich kontrovers diskutierte Themen von öffentlichem Interesse definieren, die eine Organisation tatsächlich oder potenziell betreffen und die mit unterschiedlichen Ansprüchen auf Seiten der Stakeholder und der Organisation belegt sind (vgl. Ingen-
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hoff 2004). In Anknüpfung an die in These drei formulierte Annahme, dass Führungskräfte verstärkt zu Strategiethemen zu Wort kommen, kann somit als letzte These festgehalten werden: These 4: In den Mitarbeiterzeitschriften im westeuropäischen Raum lässt sich innerhalb der letzten zehn Jahre keine Zunahme einer Einbindung von kontroversen Issues feststellen.
3
Empirische Untersuchung
3.1 Gegenstand und Anlage der Erhebung Die vier formulierten Thesen werden auf Basis einer quantitativen Inhaltsanalyse von Mitarbeiterzeitschriften untersucht, die um eine qualitative Auswertung der Magazine ergänzt wird. Um die beiden ersten Thesen untersuchen zu können, wurde die Inhaltsanalyse als Längsschnittanalyse angelegt. Erfasst werden Mitarbeiterzeitschriften der Jahre 1995 bis 2005, wobei Mitarbeiterzeitschriften in drei Zeitkorridoren jeweils etwa im Fünfjahresrhythmus ausgewertet wurden.1 Vor dem Hintergrund des Ländervergleichs wurden Magazine von Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich ausgewählt, was kulturelle Unterschiede gewährleistet, ohne für die Vergleichbarkeit der Daten wesentliche Kriterien wie etwa einen ähnlichen Entwicklungsstand der internen Unternehmenskommunikation zu vernachlässigen. Aus pragmatischen Gründen fand eine Beschränkung auf zwei Branchen statt. Mit der Bankenbranche und der Telekommunikationsindustrie können zwei unterschiedliche Branchen abgebildet werden, die für Kontinuität und Innovation, Stabilität und Wettbewerbskampf stehen. Die ausgewählten Unternehmen sind in Bezug auf Branche, Umsatz und Größe vergleichbar. Sowohl die Branchen als auch die Länder wurden bewusst festgelegt. Der Auswahl der Unternehmen, die angeschrieben und um Zusendung dreier Ausgaben ihrer Mitarbeiterzeitschrift aus den Jahren 1995, 2000 und 2005 gebeten wurden, lagen Ranglisten nach Unternehmensgröße und Umsatz zugrunde. Als Untersuchungsgrundlage lagen 28 Zeitschriften von 16 Unternehmen vor.2 Abbildung 1 zeigt die Zusammensetzung des Untersuchungssamples im Einzelnen. Bei der Studie handelt es sich um eine explorative Annäherung an Einsatzfelder, Umfang und Ausgestaltung der Personalisierung in Mitarbeiterzeitschriften. Repräsentative Aussagen für die untersuchten Branchen, Länder und Jahre können nicht formuliert werden, jedoch lassen sich Hinweise für die drei zentralen Fragestellungen unseres Beitrags und für die oben formulierten Thesen gewinnen. Den Kern der Studie bildet eine quantitative Inhaltsanalyse der ausgewählten Magazine. Ihre Ergebnisse werden durch eine qualitative Auswertung ergänzt, die den Kontext der quantitativen Daten näher erläutert und damit 1
2
Um die Entwicklung der Personalisierung im Zeitverlauf erheben zu können, wurden die Jahre 1995, 2000 und 2005 als Erhebungszeitpunkte ausgewählt. Im Kontakt mit den Unternehmen, die um die Zusendung ihrer Mitarbeiterzeitschrift aus den jeweiligen Jahren gebeten wurden, stellte sich diese klare Jahreszuordnung als problematisch dar, so dass die Untersuchungszeitpunkte auf Zeitkorridore ausgeweitet wurden und die Zahl der für die einzelnen Korridore vorliegenden Magazine leicht voneinander abweicht (siehe Abbildung 1). Deutschland: WestLB, DZBank, Commerzbank, Bankgesellschaft Berlin, HypoVereinsbank, Mannesmann, AOL, O2; Frankreich: Groupe Société Générale, Bouygues Telecom, France Telecom, Mobistar; Schweiz: Julius Bär, Berner Kantonalbank, UBS, Coop Bank.
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Verbindungslinien zu Aspekten wie Zielsetzung eines Berichts, wahrgenommene Bedeutung eines Akteurs in Verbindung mit einem bestimmten Thema usw. aufzeigen soll. Abbildung 1:
Zusammensetzung des Untersuchungssamples
Zusammensetzung der Stichprobe Zeitraum 1995 bis 2006, drei Zeitkorridore: Zeitraum 1 (1995-1997): 4 Magazine Zeitraum 2 (1999-2001): 10 Magazine Zeitraum 3 (2005-2006): 14 Magazine Länder Deutschland, Frankreich, Schweiz Branchen Bank; Informations- und Kommunikationstechnologie Anzahl der untersuchten 28 Zeitschriften Einheiten 555 codierte Beiträge Die Personalisierung soll im Rahmen der Inhaltsanalyse aus zwei Blickwinkeln untersucht werden: Betrachtet man das Medium Mitarbeiterzeitschrift aus journalistischer Perspektive, so kann Personalisierung als ein journalistisches Gestaltungsinstrument verstanden und analysiert werden. In diesem Kontext spielen v. a. die Nachrichtenwerttheorie, die zum Einsatz kommenden Stilmittel und die graphisch-visuellen Elemente eine zentrale Rolle. Diese handwerkliche Perspektive rückt Fragen der Aufbereitung und der Vermittlung von Inhalten über journalistische Stilmittel in den Vordergrund der Analyse. Als Medium der internen Unternehmenskommunikation ist die Mitarbeiterzeitschrift nicht nur ein journalistisch gemachtes Produkt, sondern in erster Linie ein Instrument interessengeleiteter Kommunikation. Studien wie bspw. die von Haller (1982) belegen dies sehr deutlich. In der Einleitung wurde bereits skizziert, dass Personalisierung im Rahmen der internen Kommunikation die Funktion einer Vermittlungsstrategie übernehmen kann. Es ist zu vermuten, dass Personalisierung auch in Mitarbeiterzeitschriften strategisch eingesetzt wird. Neben der journalistischen Perspektive lässt sich demnach eine strategisch orientierte Perspektive vermuten, die originären Zielsetzungen des Kommunikationsmanagements entstammen. Dieser zweite Blickwinkel versteht Personalisierung als Vermittlungsstrategie interner Unternehmenskommunikation, die u. a. in der Mitarbeiterzeitschrift zum Ausdruck kommt (Cauers 2000: 226). Die Wahl des Strategiebegriffs verweist deutlich auf die Kommunikatorperspektive. Eine Inhaltsanalyse kann allenfalls Annahmen über den strategischen Gehalt personalisierter Inhalte von Mitarbeiterzeitschriften formulieren. Um zu tragfähigen Aussagen zu gelangen, wäre die Ergänzung durch Leitfadengespräche mit den Chefredakteuren der untersuchten Mitarbeiterzeitschriften zwingend erforderlich. Dennoch versucht die Studie, Hinweise auf den strategischen Gehalt der untersuchten personalisierten Beiträge zu gewinnen. Dazu wird die Systematik des Einsatzes von personalisierenden Elementen näher beleuchtet, und zwar a) auf Basis der im Beitrag erkennbaren PR-Ziele und b) in Zusammenhang mit kontroversen Issues und sonstigen Themen. Über die Erhebung genannter Ziele und Motive sowie der Kontextfaktoren eines Beitrags soll diskutiert werden, inwiefern sich Verbindungslinien zu einem strategischen Einsatz der Personalisierung im Sinne einer Vermittlungsstrategie zeigen. Für die zur Untersuchung der Mitarbeiterzeitschriften notwendigen abzuleitenden Kategorien lehnt sich unsere Studie bei der Operationalisierung an die Untersuchung von Haller (1982) an. Darüber hinaus bezieht sie weitere
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Kategorien mit ein, die auf Basis einer Durchsicht typischer Magazine vorab erarbeitet wurden. In der Untersuchung werden die Artikel auf die Nachrichtenfaktoren Aktualität, Frequenz, sachliche und räumliche Nähe, Personalisierung, Status, Positivismus/Negativismus und Kontroversität hin analysiert. Vor dem Hintergrund der Fragestellung unserer Studie soll in den nachfolgenden Ausführungen zu den Ergebnissen unserer Inhaltsanalyse jedoch von Beginn an der Schwerpunkt auf den Nachrichtenwert der Personalisierung und auf die thematischen Schwerpunkte, die innerhalb einer Analyseeinheit gesetzt werden, gelegt werden. Bei den Akteuren werden jeweils die Haupthandlungsträger identifiziert und hinsichtlich ihres Status analysiert. Bei der Visualisierung wird untersucht, welche Darstellung in Bildern überwiegt: Wir unterscheiden zwischen Produkten, Informationsgrafiken und der Arbeitsumgebung des Unternehmens und den Mitarbeitern, getrennt nach Gruppen- und Einzeldarstellungen.
3.2 Nachrichtenfaktor Personalisierung Auf der journalistisch-operativen Einsatzebene wird Personalisierung als Nachrichtenfaktor im Zeitverlauf hinweg weitgehend konstant eingesetzt. Etwa 60 % der 555 untersuchten Beiträge arbeiten – in unterschiedlichem Ausmaß – mit Personalisierung. Diese Beiträge weisen eine weitgehend gleichmäßige Verteilung auf drei unterschiedlich starke Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Personalisierung auf (geringe, mittlere und hohe Ausprägung).3 Während sich für die beiden untersuchten Branchen keine signifikanten Unterschiede zeigen, offenbart der Ländervergleich aussagekräftige Besonderheiten. Den höchsten Anteil an personalisierten Beiträgen weisen mit rund 70 % die untersuchten schweizerischen Mitarbeiterzeitschriften auf, gefolgt von den deutschen Zeitschriften mit rund 63 % personalisierten Artikeln. Am geringsten ist der Prozentsatz bei den untersuchten französischen Magazinen (rund 53 %). Schweizerische Mitarbeiterzeitschriften weisen nicht nur die meisten personalisierten Beiträge auf, sondern auch die stärkste inhaltliche Ausprägung. Vor dem Hintergrund der Unterschiede im Ländervergleich kann vermutet werden, dass kulturelle Einflussfaktoren für den Einsatz des Nachrichtenfaktors Personalisierung bedeutender sind als Spezifika der beiden untersuchten Branchen oder Veränderungen im Zeitverlauf. So zeigt z. B. eine Analyse von Hofstede (2001: 500), dass sich die Schweiz (und auch Deutschland) in Bezug auf die Kulturdimension Machtdistanz als Maß für die Akzeptanz ungleicher Machtverteilung durch eine sehr geringe Machtdistanz auszeichnet4, während Frankreich einen sehr viel höheren Machtdistanzindex aufweist. Gleichzeitig sind die Schweiz, Deutschland und Frankreich nahezu gleich stark durch Individualismus geprägt, der sich durch hohe Werte bei Unabhängigkeit, Selbständigkeit, Autonomie und individueller Leistungsauszeichnung kennzeichnen lässt.5 Möglicherweise
3
4 5
Von einer geringen Personalisierung soll dann gesprochen werden, wenn Personen lediglich kurz namentlich genannt werden. Eine mittlere Ausprägung wird der Personalisierung zu Grunde gelegt, wenn Personen wesentlicher Teil eines Beitrags sind, in Kurzstatements zu Wort kommen oder ihre Funktion im Zentrum des Artikels stehen. Eine starke Personalisierung liegt dann vor, wenn Personen als Einzelakteure im Mittelpunkt eines Beitrags stehen. Machtdistanzindex Schweiz = 34, Deutschland = 26; Frankreich = 70 Individualismusindex von 68 (Schweiz) bzw. 69 (Deutschland) und 64 (Frankreich)
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lassen sich in den unterschiedlichen Kulturdimensionen erste Hinweise zur Begründung der festgestellten Unterschiede finden. Unsere erste These, dass es seit Mitte der 1990er Jahre zu einem zunehmenden Einsatz von Personalisierung kam, lässt sich vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse für die operativ-journalistische Ebene beleuchten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es im Zeitverlauf zu keinem verstärkten Einsatz des Nachrichtenfaktors Personalisierung kam. Hingegen besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen der Personalisierung als Gestaltungselement und landes- bzw. kulturspezifischen Faktoren, so dass sich hier ein Anknüpfungspunkt für weitere Studien bietet.
3.3 Personalisierung durch Visualisierung Ähnliche Ergebnisse zeigen sich für die Visualisierung von Personen. Während in der Schweiz rund 43 % der analysierten Beiträge ein Portraitfoto aufwiesen, waren es in Frankreich rund 27 % und in Deutschland rund 16 %. In deutschen Mitarbeitermagazinen war der Anteil der Beiträge, die überhaupt ein Foto aufwiesen, mit rund 22 % am höchsten. Wenn in Mitarbeiterzeitschriften in Deutschland Personenfotos eingesetzt werden, dann in rund 35 % der Fälle in Form von Gruppenfotos. In Frankreich werden Portraits (in rund 27 % der Beiträge) und Gruppenfotos (rund 22 %) deutlich ausgewogener verwendet. Zusammenfassend lässt sich für den Ländervergleich festhalten, dass in Mitarbeiterzeitschriften der untersuchten Unternehmen aus der Schweiz in erster Linie Portraitfotos eingesetzt werden, also sehr stark individuell personalisiert wird, während in den untersuchten Magazinen aus Deutschland mit den Gruppenfotos eher team- oder abteilungsorientiert personalisiert wird. Zwar lässt sich seit dem Jahr 2000 ein genereller Trend zum häufigeren Einsatz von Fotos und Grafiken konstatieren, jedoch zeigen sich kaum Unterschiede innerhalb der Kategorien der einzelnen Visualisierungsarten. Aussagekräftiger ist der Branchenvergleich: In den untersuchten Mitarbeiterzeitschriften der produkt- und lifestyleorientierten Informations- und Kommunikationstechnologiebranche enthalten rund 90 % der Beiträge ein Foto, während es bei den codierten Beiträgen in Banken lediglich 73 % sind. Bei Banken dominieren das Gruppenfoto (34 % im Vergleich zu 25 %) und die Informationsgraphik (15 % vs. 7 %), was die Magazine in ihrer Anmutung informationsorientiert erscheinen lässt. In Magazinen von Informations- und Kommunikationstechnologieunternehmen finden sich hingegen deutlich mehr Portraitfotos (24 % vs. 9 %). Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass der Einsatz von personalisierenden Elementen als Nachrichtenfaktor eng an die Visualisierung geknüpft ist. Wenn in einem Beitrag eine oder mehrere Personen genannt, zitiert oder portraitiert werden, so finden sich nahezu immer auch Portrait- oder Gruppenfotos. Unsere zweite These, nach der es im Verlauf der vergangenen Dekade zu einer Zunahme der Visualisierung von Personen kam, kann vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten als vorläufig bestätigt gelten. Ergänzend scheinen im Rahmen der Visualisierung kulturelle Unterschiede sowie Branchenspezifika zum Ausdruck zu kommen.
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Personalisierung in der internen Kommunikation 3.4 Darstellung von Personen und Personengruppen
Welche Personen werden im Text und auf Fotografien dargestellt? Handelt es sich in erster Linie um Führungskräfte oder kommen auch Mitarbeiter in nennenswertem Umfang zu Wort? Welche Bedeutung kommt Externen wie Kunden, Kooperationspartnern oder Experten für ein Thema zu? Insgesamt zeigt sich bei der Darstellung von Personen eine klare Dominanz interner Personen(gruppen). Lediglich ein Zehntel jener Personen, die in den untersuchten Mitarbeiterzeitschriften benannt werden oder zu Wort kommen, sind Kunden, Kooperationspartner, Experten oder andere externe Personen. Betrachtet man die Ergebnisse im Zeitvergleich, so zeigen sich zwei wesentliche Entwicklungen für die Darstellung interner Akteure: Während die Zahl der Beiträge über Mitarbeiter v. a. seit dem Jahr 2000 von rund 33 % auf rund 24 % gesunken ist, wird in den vergangenen Jahren verstärkt über das mittlere Management (Zeitraum 1: 12 %; Zeitraum 3: 19 %) sowie nach einem Einbruch Mitte der 90er Jahre auch wieder verstärkt über das Top-Management berichtet (Zeitraum 2: 23 %; Zeitraum 3: 28 %). Berichte über das Lower Management sind eher selten. Die gesunkene Zahl an personalisierten Beiträgen über Mitarbeiter wird durch den leichten Anstieg an Berichten über das Management seit der Jahrtausendwende ausgeglichen (Abbildung 2). Abbildung 2:
Darstellung von Personen im Zeitvergleich externe Pers onen Mitarbeiter Lower Managem ent Middle Managem ent Top Managem ent
Zeitraum 3 (2005-2006)
externe Pers onen Mitarbeiter Lower Managem ent Middle Managem ent Top Managem ent
Zeitraum 2 (1999-2001)
externe Pers onen Mitarbeiter Lower Managem ent Middle Managem ent
Zeitraum 1 (1995-1997)
Top Managem ent
0
5
10
15
20
25
30
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40
Auch im Branchen- und im Ländervergleich offenbaren sich Unterschiede: In Mitarbeitermagazinen der Telekommunikationsbranche kommen in rund einem Drittel der Beiträge das Top-Management und in jeweils rund einem Fünftel der Artikel das mittlere Management und die Mitarbeiter zu Wort. In den untersuchten Mitarbeiterzeitschriften der Banken
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haben mit rund 34 % der Beiträge die Mitarbeiter den höchsten Anteil unter den dargestellten Personen, gefolgt vom Top-Management (27 %), Middle Management (13 %) und Lower Management (11 %). Mitarbeiter und Top-Management sind auch im Ländervergleich die beiden Akteursgruppen, die am häufigsten in Mitarbeiterzeitschriften vorgestellt werden. Den höchsten Grad an Personalisierung weisen in diesem Zusammenhang die Mitarbeiterzeitschriften der Unternehmen in der Schweiz auf, wo in fast vier von zehn Beiträgen Mitarbeiter sowie in rund einem Drittel der Beiträge die Unternehmensleitung dargestellt werden. In den Magazinen der Unternehmen in Deutschland und Frankreich werden jeweils zu rund 30 % Top-Manager und Mitarbeiter dargestellt, jedoch zeigen sich für deutsche Mitarbeiterzeitschriften im Ländervergleich relativ hohe Anteile für Middle und Lower Management, während in Frankreich mit 24 % der Beiträge rund doppelt so häufig über externe Personen berichtet wird wie in den beiden anderen Ländern. Rechnet man die Zahl der Berichte über Führungskräfte zusammen, so dominiert diese Akteursgruppe deutlich. Wenn in Mitarbeiterzeitschriften über Personen berichtet wird, so stehen in rund zwei Drittel der Fälle Führungskräfte im Mittelpunkt der Berichterstattung. Aus quantitativer Sicht ergibt sich demnach eine klare Dominanz von Führungskräften als Gegenstand personalisierter Berichterstattung und als Kommunikatoren. In immerhin einem Drittel der Berichte, so ergibt die quantitative Inhaltsanalyse, werden Mitarbeiter im Rahmen einer Personalisierung genannt. Abbildung 3:
Akteure, Themen und ihre Positionierung im Magazin
Zu ähnlichen Ergebnissen führt auch die qualitative Textanalyse, die den Schwerpunkt auf das Aufzeigen und Verstehen von Zusammenhängen und Kontexten legt (vgl. Mayring 2003, Früh 2004). Beiträge und Themen wurden vor dem Hintergrund ihrer Verortung im Blatt, ihrer inhaltlichen Präsentation und ihrer Verbindung mit Akteuren über Instrumente der Personalisierung analysiert und interpretiert. Die qualitative Analyse macht deutlich, dass innerhalb der Texte Nennungen von Führungskräften sowohl im Mengenanteil als
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auch von ihrem inhaltlichen Gewicht her stark überwiegen. Die „gefühlte“ Präsenz von Mitarbeitern ist deutlich geringer, als es die allgemeine quantitative Auszählung suggeriert. Dies liegt unter anderem daran, dass Mitarbeiter im Durchschnitt v. a. im letzten Viertel der Magazine dargestellt werden, während Vertreter der Unternehmensleitung im ersten sowie zweiten Viertel der Hefte interviewt, portraitiert oder zitiert und das Middle Management im zweiten und dritten Viertel dargestellt wird (Abbildung 3). Damit zeigt sich eine klare Verbindung zwischen den dargestellten Akteuren mit den von ihnen personalisierten Themen und mit ihrer Positionierung im Magazin. Die qualitative Inhaltsanalyse weist demnach einen engen Zusammenhang zwischen der Hierarchiestufe des jeweiligen Akteurs und seiner Positionierung im Blatt nach. Unsere Untersuchung bestätigt damit die Ergebnisse anderer Inhaltsanalysen, nach denen Mitarbeiterzeitschriften eine klare Dominanz der Berichterstattung über Führungskräfte aufweisen (vgl. Haller 1982, Cauers 2005, Bischl 2000, Macharzina 1990). In diesem Kontext können sie als Verlautbarungsorgan der Unternehmensleitung, aber auch des mittleren Managements verstanden werden.
3.5 Personalisierung in Verbindung mit Themen, konflikthaltigen Issues und Kontext Bestätigt sich das Ergebnis einer Dominanz der Magazine durch das Management für die strategische Ebene, wenn Akteure in Zusammenhang mit Themen gesetzt werden? Kommen bei „wichtigen“, unternehmensrelevanten Themen ausschließlich Führungskräfte, bei „Human Touch“-Themen eher Mitarbeiter zu Wort? Der hohe Anteil an Berichten über Führungskräfte, der im vorigen Abschnitt beleuchtet wurde, findet seine Entsprechung in den verwendeten Darstellungsformen: CEOs, Top-Manager und Bereichsleiter kommen vor allem in Interviews zum Geschäftsverlauf, zu aktuellen und künftigen Herausforderungen, zu Zielen und Strategien sowie mit dem Ziel der Mitarbeitermotivation zu Wort. Die Unternehmensleitung und Führungskräfte der mittleren Führungsebene werden zudem häufig portraitiert, wenn sie z. B. eine neue Position antreten. Auch Mitarbeiter werden portraitiert oder interviewt, jedoch deutlich seltener und in geringerem Zeilenumfang. Bei der Darstellung von Mitarbeitern überwiegt deutlich die Verwendung von Zitaten oder Statements (z. B. neuer Mitarbeiter), Berichte über besondere Engagements oder Hobbys (z. B. Ehrenamt, sportliche Erfolge, ungewöhnliche Hobbys) sowie über Jubiläen. Insgesamt werden Führungskräfte demnach eher mit Themen, die für die Geschäftstätigkeit und die Fortentwicklung der Organisation bedeutsam sind, in Zusammenhang gebracht (Abbildung 4). „Human Touch“-Beiträge finden sich in den untersuchten Mitarbeiterzeitschriften nahezu nie in Verbindung mit Führungskräften – bei Berichten über Mitarbeiter sind sie hingegen die Regel. Damit kann These 3, die Führungskräfte und Mitarbeiter jeweils mit bestimmten Themen in Verbindung setzt, im Rahmen der Reichweite unserer Studie als bestätigt gelten. Es kann vermutet werden, dass Führungskräfte v. a. aus inhaltlichen Gründen und damit zur Information und Motivation der Mitarbeiter personalisiert werden, während Mitarbeitern im Rahmen der Berichterstattung eine eher sozial-integrative Funktion für Betriebsklima, Zugehörigkeitsgefühl und Identität zukommt. Die Ergebnisse unserer Inhaltsanalyse deuten darauf hin, dass Führungskräften nicht nur quantitativ, sondern auch von der inhaltlichen Konsequenz und der Relevanz ihrer Aussagen ein deutlich höheres Gewicht im Blatt
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eingeräumt wird als Mitarbeitern. Dieses Ergebnis liefert erste Hinweise für den Einsatz der Personalisierung als Vermittlungsstrategie (in Anlehnung an These 1): Indem in den Beiträgen das Management und damit Botschaften der Top-Down-Kommunikation dominieren, kann vermutet werden, dass Personalisierung in diesem Kontext zumindest in Ansätzen als Vermittlungsstrategie für die Kommunikation der Unternehmensleitung, aber auch der leitenden Führungskräfte mit Mitarbeitern eingesetzt wird. Ein systematischer Einsatz im Sinne einer Verbindung von operativ-journalistischer und strategischer Ebene zeigt sich jedoch nicht. Es kann angenommen werden, dass das Potenzial der Mitarbeiterzeitschrift als Informations- und Orientierungsmedium noch weitaus stärker ausgeschöpft werden kann, als es bislang der Fall ist, wenn Personalisierung stärker als Vermittlungsstrategie eingesetzt wird. Abbildung 4:
Unternehmensinterne Akteure und ihre Repräsentation über Themen
Künftige Herausforderungen Ziele
Jubiläen
Strategien
Hobbys
Geschäftsentwicklung
Engagement
Unternehmensthemen
„Human Touch“-Themen
Führungskräfte (Top und Middle Management)
Mitarbeiter
Gegen eine bewusst strategische Anlage spricht auch die Tatsache, dass die Berichterstattung in den untersuchten Mitarbeiterzeitschriften fast durchweg von internen Themen getrieben war. Das Themenspektrum ist sehr breit, so dass die Ausprägung für die im Rahmen der Codierung vorgegebenen Themen eher gering ausfällt. Die meisten Beiträge finden sich in den Magazinen zu Neuerungen oder Innovationen (etwa 14 %), einzelnen Geschäftsberichten (13 %) und zu Unternehmensphilosophie, -kultur und -identität (12 %). An vierter Stelle folgen Berichte über die Marktlage des Unternehmens und die Branche (8 %). Berichte über externe Themen liegen mit 6 % an fünfter Stelle, gefolgt von Berichten über Produkte (4 %), Strategien (4 %), konflikthaltige Issues und Kunden (jeweils 2 %). Die Rangfolge der Themen macht deutlich, dass Mitarbeitermagazine in erster Linie über interne Themen berichten. Externe Themen werden lediglich in 6 % der Beiträge aufgegriffen. Konflikthaltige Issues werden in nur 2 % aller Beiträge aufgegriffen, wobei sie durchweg im Kontext von aktuellen oder künftigen Herausforderungen und damit eher in motivationalen Bezügen anklingen. Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Glaubwürdigkeit
Personalisierung in der internen Kommunikation
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von Mitarbeiterzeitschriften überraschen die positivistische Berichterstattung sowie die weitgehende Ausblendung externer Bezüge und konflikthaltiger Issues. Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass durch die klare Dominanz der Führungskräfte, die geringe Berichterstattung über externe Bezüge und über konflikthaltige Issues die in der Fachliteratur konstatierte positivistische Tendenz von Mitarbeiterzeitschriften eher noch verstärkt wird. Konflikthaltige Issues, die ohne Frage bei jedem Unternehmen (latent oder offen) bekannt sind, werden – ganz im Sinne des Schönredens und Schönfärbens – nahezu gänzlich verschwiegen. Mitarbeiterzeitschriften, so kann in Bestätigung unserer vierten These festgehalten werden, scheinen auch rund 25 Jahre nach Hallers (1982) wegweisender Studie unabhängig vom kulturellen Kontext und von der Branche in weiten Teilen Verlautbarungsorgane der Unternehmensleitung zu sein.
4
Diskussion und Ausblick
Obschon die Mitarbeiterzeitschrift das älteste Medium der internen Kommunikation ist, gehört sie zu den am wenigsten untersuchten Instrumenten interner Kommunikation. Vor dem Hintergrund der in der Literatur formulierten Fragestellungen und Anforderungen an eine moderne, glaubwürdige Mitarbeiterzeitschrift ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem etablierten Medium dringend notwendig. Bislang liegen nur wenige Inhaltsanalysen und Kommunikatorbefragungen vor. Die Rezipientenperspektive und damit die Fragen, wie Mitarbeiterzeitschriften von Mitarbeitern wahrgenommen und genutzt werden, sind bislang kaum untersucht worden. Die Ergebnisse unserer quantitativen Inhaltsanalyse deuten darauf hin, dass sich Mitarbeiterzeitschriften in Bezug auf ihren Charakter als Verlautbarungsorgan, ihr Themenrepertoire und den Umfang der Personalisierung in den letzten 25 Jahren kaum weiterentwickelt haben. Vor dem Hintergrund gewandelter Rahmenbedingungen für die interne Kommunikation wie die zunehmende gesellschaftliche und arbeitsweltliche Dynamik, in der Stellenabbau und die Konsequenzen neu aufkommender Technologien kontrovers diskutiert werden, überraschen diese Ergebnisse. Die Mitarbeiterzeitschrift ist nicht nur durch neue Medien wie Intranet, E-Mail-Newsletter, Business-TV oder Podcasts ergänzt worden, sondern sieht sich auch anderen Erwartungshaltungen der Mitarbeiter gegenüber. Die Personalisierung, die als vielversprechende Strategie zur Vermittlung von Informationen, zur Motivation und Identifikation von Mitarbeitern eingesetzt werden kann, wird bislang in erster Linie als operativ-journalistisches Gestaltungselement eingesetzt. Als Nachrichtenfaktor oder Darstellungsform dient sie der Veranschaulichung von Sachverhalten. Ihr Potenzial gerade in aktuellen Kontexten interner Kommunikation scheint jedoch v. a. in einem verstärkten strategischen Einsatz zu liegen. Neben der Abstimmung der Themen und Inhalte der Mitarbeiterzeitschrift mit anderen Medien interner Kommunikation gewinnt in diesem Kontext in erster Linie die systematische Orientierung an den Erwartungen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden an Bedeutung. Mitarbeiterzeitschriften, so wird in der Literatur gefordert, sollten Magazine für Mitarbeiter oder gar von Mitarbeitern sein. Mitarbeiterzeitschriften haben Signalwirkung für die Identität, die Kultur und das Verständnis des internen Zusammenlebens und -arbeitens. Personalisierung eignet sich zweifelsfrei als Vermittlungsstrategie für Top-Down-Botschaften der Unternehmensleitung und des gehobenen Managements. Zugleich erscheint es aber mit Blick auf eine von Mitarbei-
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tern als glaubwürdig wahrgenommene Berichterstattung unabdingbar, dass der Anteil der Berichte über das Management und von der Unternehmensleitung zu Gunsten des Akteurs „Mitarbeiter“ reduziert wird. Es kann nicht das Ziel sein, die Mitarbeiterzeitschrift ihrer Funktion als zentrales, orientierendes Informationsmedium zu berauben. Es geht vielmehr darum, die Glaubwürdigkeit der Mitarbeiterzeitschrift weiter zu erhöhen, indem Mitarbeiter verstärkt zu Unternehmensthemen statt nur zu „Human Touch“-Themen zu Wort kommen, indem auch externe Themen aufgegriffen und möglicherweise konflikthaltige Issues aktiv angesprochen und thematisiert werden. Hierdurch wiederum könnte auch eine stärkere Bindung zwischen Rezipient und Medium aufgebaut werden, die unerlässlich ist, „(…) wenn die Mitarbeiterzeitschrift als strategisches Medium unternehmensrelevante Ziele begünstigen soll“ (vgl. Cauers 2005: 163). Inwieweit sie dazu tatsächlich in der Lage ist und inwiefern die diskutierten Strategien zur Gestaltung der Mitarbeiterzeitschrift wirken, kann allerdings nur eine Rezeptionsstudie auf Mitarbeiterseite zeigen.
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Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Entwicklung von CEO-Blogs in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien Sarah Zielmann, Ulrike Röttger
1
Prolog
Die mediale Aufmerksamkeit gegenüber CEOs hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen; es ist eine erhöhte Personalisierung der Wirtschaftskommunikation festzustellen (vgl. zur begrifflichen Differenzierung und Einordnung Neuberger 2000: 519f.; allgemein auch Krönung 2007: 125ff.). Mit der gestiegenen medialen Präsenz von CEOs hat sich die öffentliche Erwartung an das (kommunikative) Auftreten und die Entscheidungskommunikation von CEOs erhöht (vgl. grundlegend Imhof/Schulz 1998, siehe auch Deekeling/Arndt 2006: 47f.). Beispielsweise ist aus empirischen Studien (vgl. u.a. güttler+klewes 2001) bekannt, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Image des CEO und dem daraus resultierenden Aktienkauf besteht. Das heißt, die Wahrnehmung des CEO spiegelt auf die Wahrnehmung des Unternehmens zurück: Aktienbesitzer fällen Kaufentscheidungen orientiert auch an der Glaubwürdigkeit des CEO sowie anhand einer Bewertung von dessen menschlichen (und moralischen) Qualitäten (vgl. u.a. Eisenegger 2005, Eisenegger/Imhof 2004). Insgesamt zeigt sich, dass die Ansprüche an Unternehmen vielschichtiger geworden sind, positive Unternehmensbilanzen sind längst nicht mehr ausreichend, um breite innerorganisatorische sowie öffentliche Akzeptanz zu erreichen. Während die Aktienbesitzer am ehesten danach schauen, dass der CEO durch seine Anordnungen die bestmöglichen wirtschaftlichen Ergebnisse erzielt, interessieren sich etwa die Mitarbeiter stärker für ein gutes Arbeitsklima, sozial gerechte Arbeitsbedingungen sowie passende Aufstiegsmöglichkeiten. Ein Teil der Kunden verlangt vielleicht innovative Produkte oder Dienstleistungen, während ein anderer Teil vor allem darauf achtet, dass die Angebote beispielsweise unter Berücksichtigung bestimmter ökologischer Richtlinien bereitgestellt werden. Die Grenzen sind hierbei nicht trennscharf, einzelne Forderungen können sich gruppenweise überlappen – und auch im Widerspruch zueinander stehen. Einer muss dabei quasi für alles gerade stehen und über zielgruppenspezifische Auskünfte alle überzeugen. So richtet sich der Blick auf den CEO, um möglichst von ihm direkt zu erfahren, ob die eigenen Erwartungen von dem Unternehmen erfüllt werden.
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Sarah Zielmann, Ulrike Röttger
Dimensionen einer personalisierten Unternehmenskommunikation Natürlich interessieren sich weder Journalisten noch andere Anspruchsgruppen in gleichem Maße für alle Unternehmen bzw. ihre CEOs. Gleichzeitig gelingt es den einen Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern, sich von den Medien abzuschirmen und sich – wenn überhaupt – direkt an einzelne Stakeholder zu wenden, während andere gezielt auf die mediale Erwähnung hinarbeiten. Doch beides kann sich auf das Image des Unternehmens und auf die Reputation des CEO auswirken, je nachdem wie es gelingt, (Nicht-)Kommunikation aus der Unternehmensperspektive zu steuern (vgl. vb 2005: 53). So überrascht es wenig, dass CEOs nachweislich zunehmend Zeit aufwenden, um mit verschiedenen Stakeholdergruppen zu kommunizieren (vgl. Hood 2005). Dabei ist es wichtig, selbst Themen zu setzen und zu kontrollieren. Hierfür steht den CEOs eine Vielzahl an Instrumenten bereit, um sich und das Unternehmen kommunikativ zu positionieren. Prinzipiell lassen sich zwei Dimensionen1 einer personalisierten Unternehmenskommunikation unterscheiden: 1.
2.
Die Ausrichtung einer individualisierten Interaktion auf Kunden/Stakeholder. Basis ist hierbei die Verwendung von Kundeninformationen zur Erstellung zielgerichteter, individueller Angebote (Marketing-Verständnis). Das heißt, ein klar definierter Kundenkreis erhält beispielsweise von einem Pharmaunternehmen personalisierte Informationen per E-Mail oder hat einen personalisierten Zugang zu bestimmten Bereichen der Unternehmenshomepage. Ziel hierbei ist es, zum einen Streuverluste zu vermeiden und damit geringere Kosten für die Kommunikation zur Kundenbindung zu haben. Zum anderen sollen auf diese Weise wichtige (potentielle) Kunden intensiver betreut werden. Die individuelle Ansprache soll ihnen nicht zuletzt ein Gefühl der Exklusivität vermitteln. Personalisierung als Unternehmensstrategie, die darauf ausgerichtet ist, das Unternehmen, Unternehmenshandeln und -entscheidungen in hohem Maße über die Person des CEO öffentlich zu präsentieren und zu vermitteln; die personifizierte Repräsentation einer Unternehmung in der Öffentlichkeit koppelt die Unternehmensreputation stark an die personale CEO-Reputation. Diese Darstellung des Unternehmens über die Person des CEO hat Konsequenzen für die kommunizierten Inhalte, da verstärkt über persönliche und unter Umständen auch private Aspekte des CEO berichtet wird.
CEO-Blogs als Instrument der Unternehmenskommunikation Seit wenigen Jahren wird ein „neues“ Instrument immer wieder als die Unternehmenskommunikation revolutionierend gefeiert: Weblogs (kurz: Blogs; vgl. für einen Überblick von Blogs in der Organisationskommunikation Schmidt 2006: 95ff.). CEO-Blogs, d.h. Blogs, die von einem Mitglied des Top-Managements (z.B. Vorstand) oder dem Chief Executive Officer (CEO) geschrieben werden (für eine ausführliche Definition siehe Kapitel 2), werden in der Literatur mitunter als Königsdisziplin bezeichnet, Fallbeispiele stammen jedoch fast ausnahmslos aus den USA – und selbst dort wird immer wieder konstatiert, dass es meist die CEOs von PR-Firmen oder kleinen Technologieunternehmen sind, die einen
1
Dimension 1 und 2 müssen sich nicht ausschließen, im Folgenden beziehen sich die Autorinnen aber insbesondere auf die zweite.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie?
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eigenen Blog betreiben (vgl. Jones 2005). Von der Tendenz her handelt es sich bei den Befürwortern von Corporate Blogs und im Speziellen von CEO-Blogs um Praktiker, während Wissenschaftler überwiegend skeptisch auf die unternehmerische Nutzung dieses Kommunikationskanals blicken (vgl. Röttger/Zielmann 2006). An dieser Stelle soll festgehalten werden: Bei CEO-Blogs handelt es sich um Personalisierung schlechthin. Allein die Tatsache, dass die Hauptperson eines Unternehmens höchstpersönlich in regelmäßigen Abständen online einsehbare Einträge2 zu selbst gewählten Themen veröffentlicht,3 macht einen CEO-Blog zu einem personalisierten Aushängeschild der entsprechenden Organisation. Darüber hinaus erfordern es die ungeschriebenen Regeln des Bloggens, den Einträgen einen persönlichen Touch zu geben (siehe Kap. 2). Nicht zuletzt ist es üblich, persönliche Meinungen zu allen möglichen Themenbereichen zu äußern. Das heißt zugleich, dass ein solcher Blog für den CEO selbst und weitreichender noch für „sein“ Unternehmen zu einem Hindernis werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn ein Fehlverhalten des CEO über seine Positionierung in dem Blog verstärkt würde und sich die Personenreputation auf die Unternehmensreputation übertragen oder ein Stück weit auswirken würde. Ob dieses Wagnis einer derartigen Fokussierung auf den CEO einzugehen anzuraten ist (vgl. hierzu auch den Beitrag von Kurt Imhof in diesem Band), ist fraglich. Hier soll es jedoch vornehmlich darum gehen, zunächst anhand der existierenden Anzahl an CEO-Blogs zu ermitteln, ob diese überhaupt so verbreitet sind, dass sich die weitere Auseinandersetzung mit diesem neuzeitlichen Phänomen lohnte. In Bezug auf den Stellenwert dieser Form der personalisierten Unternehmenskommunikation in der Praxis ist weitgehend unklar, inwieweit in Europa externe CEO-Blogs strategisch eingesetzt werden. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass sie Image-, Thematisierungs- und/oder Informationsfunktionen erfüllen. Der generelle Vorteil des Internets und somit auch eines CEO-Blogs „liegt weniger im Mitteleinsatz, sondern in der Geschwindigkeit der Informationsdiffusion und der hohen Dichte an Mitteilungsselektionen“ (Herger 2004: 29, H.i.O.). Dieser Vorteil kehrt sich allerdings gleichfalls zu einem Nachteil um, wenn nicht hinreichend schnell im Netz reagiert wird (vgl. ebd.: 56). Diese Aussage deutet darauf hin, dass der Einsatz eines CEO-Blogs ein erhebliches Zeitbudget des CEO erfordert, was tatsächlich ein immer wieder geäußerter Grund für das Nicht-Lancieren eines Blogs ist. Weitere Pluspunkte für diese Art der Außendarstellung werden u.a. darin gesehen, dass die Kommunikation authentisch gestaltet werden kann sowie rund um die Uhr ein unmittelbares Feedback von Interessierten durch Trackbacks und Pingback-Kommentierung4 zu erhalten ist (vgl. Fischer 2006: 222). Vor allem die Gelegenheit, das Unternehmen hierüber menschlich darzustellen, ihm gegenüber den Stakeholdern ein Gesicht zu verleihen, wird von Befürwortern als weitere Erfolgsaussicht interpretiert. Mittels eines Blogs sei es möglich, die Person hinter dem Unternehmen zu erleben (vgl. Pleil 2004: 10). Gerade der informelle und persönliche Charakter von Blogs verspricht demnach Transpa2 3
4
Sei es ohne Einschränkung, sei es für einen Teilnehmerkreis, der sich vorher registrieren muss (wie etwa bei dem Blog der SAP-Manager). Dies setzt das Vertrauen der Rezipienten voraus, dass der CEO wirklich selbst bloggt, statt einen Ghostwriter dafür zu beschäftigen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Blogger-Gemeinde einen heimlichen Verfasser als Betrug auffasste, schnell als Faux Pax entlarvte und mindestens durch Diskreditierung bestrafte. Hierbei handelt es sich um automatisch erzeugte Querverweise, in denen aufgezeigt wird, ob ein Beitrag in einem anderen Blog zitiert und verlinkt wurde. Vgl. zu diesen und weiteren Begriffen die kurzen und verständlichen Erklärungen in Zerfaß/Boelter 2005: 32 ff. oder Häfliger 2005: 5ff.
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renz, Offenheit und Nähe zu den Stakeholdern und damit einen Sympathie- und Vertrauensgewinn. Nicht diskutiert wurde bislang, inwieweit der vorhandene Bekanntheitsgrad und die derzeitig attestierte Glaubwürdigkeit eines CEO für oder gegen die Etablierung eines eigenen Blogs sprechen, angesprochen wurde hingegen wiederholt die notwendigerweise offene Unternehmenskultur sowie ein entsprechend kommunikativer CEO für diesen eingefordert zwanglosen Kanal. Unter Einschluss aller Pro- und Contraargumente stellt sich die Frage, ob Wirtschaftsunternehmen unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Branchen in Europa überhaupt und in welchem Maße CEO-Blogs nutzen. Die im Folgenden vorgestellte Studie hatte zum Ziel, erstmals eine Bestandsaufnahme von europäischen CEO-Blogs zu leisten und zudem die Entwicklung des Stellenwerts von CEO-Blogs im Zeitverlauf zu beschreiben. Der Aufbau des Beitrags gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel wird eine Definition von Blogs vorgestellt, es werden die Anzahl an Corporate Blogs sowie deren Einsatzmöglichkeiten genannt und vor allem werden Merkmale von CEO-Blogs herausgestellt und aus der Literatur abgeleitete Relevanzkriterien von dieser speziellen Form von Blogs konkretisiert. Im dritten Kapitel werden das Ziel sowie die Untersuchungsanlage der Erhebung vorgestellt und im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der beiden Studien – also sowohl die Analyse ausgewählter CEO-Blogs in den vier Ländern als auch die Ergebnisse der CEO-Blogger-Befragung der ersten Runde – präsentiert. Im abschließenden fünften Kapitel werden auf die theoretischen Lücken zur Erklärung der Befunde hingewiesen und in einem Ausblick daran anknüpfende zukünftige Forschungsfragen benannt.
2
Definition und Relevanzkriterien von CEO-Blogs
Unter Blogs werden ganz allgemein „private oder technische Nachrichtendienste [verstanden], die als Website publiziert und ähnlich wie ein Tagebuch in regelmäßigen Abständen ergänzt werden“ (Zerfaß 2004: 5f.). In Blogs halten einzelne oder mehrere Internetnutzer ihre Meinung über besuchte Internetseiten fest oder kommentieren aktuelle Geschehnisse. Die Einbindung etwa von Podcasts macht diese Online-Tagebücher zu einem multimedialen Kanal mit wie bereits erwähnt stark persönlich gefärbtem Charakter. Überwiegend besteht die Möglichkeit, die eigenen Beiträge zu kommentieren. Blogs sind zudem sehr häufig mit wichtigen Fundstellen oder anderen Seiten verlinkt, auf die sich die Einträge beziehen. Dadurch sind sie untereinander stark vernetzt. Inwieweit ein Blog außerhalb der so genannten Blogosphäre bekannt ist, hängt vor allem davon ab, ob Journalisten herkömmlicher Medien, insbesondere der Leitmedien, hier recherchieren oder auf einzelne Beiträge aufmerksam werden und entsprechende Inhalte dann – im Interesse des Bloggers – in ihr eigenes Medium und damit einen erweiterten Kreis der Öffentlichkeit einspeisen.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Abbildung 1:
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Einsatzmöglichkeiten von Corporate Blogs
Quelle: Zerfaß 2005
CEO-Blogs stellen eine Sonderform von Corporate Blogs dar: Während Schätzungen in den USA von rund 5.000 Corporate Blogs ausgehen, werden im deutschsprachigen Raum (in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz) ca. 1.500 solcher Blogs vermutet. In Deutschland umfasste die Zusammenstellung der „Top 100 Business Blogs“ im Herbst 2005 insgesamt 370 Corporate Blogs. Im Winter 2006 waren hier bereits 540 Blogs aufgelistet. Da bei den Schätzungen oder Ermittlungen jedoch nicht immer die Vorgehensweise hinreichend transparent gemacht wird und es aus eigener Erfahrung schwierig ist, nicht in Suchmaschinen gelistete Corporate Blogs oder CEO-Blogs ausfindig zu machen, dürften die genannten Zahlen ungenau sein. Zum einen ist zu vermuten, dass es eine unbestimmte Anzahl an nicht erfassten Blogs gibt, zum anderen ist fragwürdig, ob etwa auch Blogs von Ein-Mann-Unternehmen hinzugezählt werden sollen oder inwiefern es sinnvoll sein kann, CEO-Blogs von kleinen Anwaltskanzleien mit solchen von mittelständischen Unternehmen, IT-Spezialisten oder international operierenden Unternehmen in einem Atemzug zu nennen und miteinander zu vergleichen. Generelle Vorteile von Corporate Blogs werden im Umgehen des massenmedialen Gatekeepings gesehen und damit zusammenhängend in der Dialogmöglichkeit mit den Stakeholdern. Dies ermöglicht sowohl das Aufgreifen innovativer Ideen aus der Blogosphäre allgemein wie auch das Beherzigen von unmittelbaren Anregungen von Kunden, Lieferanten etc. Nachteile bilden vor allem die Unsicherheit bezüglich einer negativen Auslegung bzw. Ausnutzung der Inhalte sowie die vielen Voraussetzungen etwa hinsichtlich des Zeitbudgets, aber auch der Preisgabe von Informationen, noch dazu mittels eines bestimmten, legeren Kommunikationsstils auf persönlicher Ebene. Damit ist davon auszugehen, dass CEO-Blogs keineswegs immer einen Beitrag zur Stabilisierung der Organisations-Umwelt-
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Sarah Zielmann, Ulrike Röttger
Beziehungen leisten, sondern ebenso eine teils sogar erhebliche Gefahr für das Vertrauen in und die Glaubwürdigkeit von Unternehmen darstellen können. Konkretisierung von CEO-Blogs CEO-Blogs werden von einem Mitglied des Top-Managements geschrieben, und zwar entweder unter einer privaten URL oder sie sind in den Internetauftritt des Unternehmens integriert. Entscheidend ist, dass sie einen deutlichen Unternehmensbezug aufweisen. CEOBlogs sind damit ein Teil der Unternehmenskommunikation, gehören also zu den geplanten Kommunikationsaktivitäten der obersten Führungsebene. Ausgeschlossen sind bei dieser Definition der Blog von einem Mitarbeiter in Führungsposition (z.B. Abteilungsleiter) sowie ein CEO-Blog, wenn dieser keinen Bezug zum Unternehmen hat (z.B. ein privater Blog über Freizeitaktivitäten des CEO). In der Praxis zeigt sich, dass die Grenzen zwischen unterschiedlichen Blog-Typen fließend sind (zum Beispiel ein Mitarbeiterblog, bei dem der CEO gelegentlich als Gast schreibt, oder ein CEO-Blog, bei dem der CEO regelmäßig Gastbeiträge von Mitarbeitern oder anderen aufnimmt). Besonderes Augenmerk bedarf der Feststellung, dass ein CEO-Blog eine besondere Form der Kommunikation ist, mit der der CEO seinen Aufmerksamkeitswert im Sinne des Unternehmens nutzt, es sich also um ein Instrument der Unternehmenskommunikation handelt. Das heißt, CEO-Blogs werden hier nicht betrachtet als ein Blog eines Individuums, sondern als der Blog des ranghöchsten Organisationsmitgliedes. Da nur solche Blogs in die Analyse einfließen, die einen Bezug zum Unternehmen haben, kann unterstellt werden, dass es sich um ein Instrument der personalisierten Unternehmenskommunikation handelt. Mehrere international vergleichende Untersuchungen zeigen auf, dass die Verbreitung von Blogs allgemein in Deutschland hinter anderen Industrieländern zurückbleibt. Keine zehn Prozent der Internetnutzer sind mindestens monatlich in Blogs aktiv. Besonders hoch ist der Anteil hingegen in Frankreich, wo es immerhin ein Viertel der Internetnutzer sind (vgl. Neuberger/Nürnbergk/Rischke 2007: 97ff.).5 Die vorliegende Untersuchung kann nur bedingt Gründe für dieses Phänomen benennen. Erwartungen an Form und Inhalt von CEO-Blogs können vor allem aus drei Perspektiven formuliert werden: aus der Perspektive des CEO selbst, aus der Sicht von den Rezipienten und von der Betrachtungsweise des Potenzials von Blogs, da das Format selbst bestimmte Relevanzkriterien vorgibt. Zum letzten Punkt gehört es, die technischen Optionen auszuschöpfen und kontinuierlich aktuelle verlinkte Beiträge zu bieten.
5
An der Spitze liegen ostasiatische Länder, mit Abstand gefolgt von den USA.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Tabelle 1:
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Relevanzkriterien und Untersuchungsdimensionen von CEO-Blogs
Blogs
CEO
Rezipienten
Relevanzkriterien Technikoptionen nutzen Regelmäßig Einträge schreiben, Verlinken Wichtige Stakeholder direkt kontaktieren Kommunikationsinstrument zur individuellen Nutzung Exklusive Neuigkeiten im informellen Stil erfahren Diskutieren, Feedback erhalten
Untersuchungsdimensionen u.a. Archiv, Blogroll, Podcasts, RSS, Tags Häufigkeit und Anzahl der Posts, Links, Trackbacks Autorschaft, Benennung der Zielgruppen Benennung/Erkennbarkeit der Zielsetzung Themen, Perspektiven, Bezüge Kommentarfunktion, Dialogbereitschaft
Eigene Darstellung
In nicht-repräsentativen Studien wurde in den Jahren 2004 und 2005 ermittelt, dass wichtige Gründe für das Lesen von Blogs vor allem die Exklusivität von Informationen sowie Informationen über neueste Trends, Nachrichten und Meinungen gepaart mit der persönlichen Meinung des Autors sind (vgl. ebd.: 107). Regelmäßige Einträge werden also von den Rezipienten erwartet. Ebenso Links zu anderen Blogs und Webseiten. Darüber hinaus verlangen die Leser eine größtmögliche Offenheit des Bloggers und dessen Bereitschaft zur deutlichen Meinungsäußerung. Dies sollte verbunden sein mit einer Ermutigung gegenüber den Rezipienten, aktiv zu partizipieren, wofür eine Kommentierungsfunktion angeboten werden muss, was inkludiert, Kommentare wiederum zu kommentieren. Allerdings ist der Stellenwert für eine aktive Teilnahme bei den Rezipienten in Deutschland nicht besonders hoch (vgl. ebd.). Vor allem erwarten die Rezipienten wie erwähnt Themen, die sie nicht auf der Homepage des Unternehmens finden und die einen persönlichen Touch haben. Im Allgemeinen sind die Erwartungen hinsichtlich der Problemlösungsmöglichkeiten mittels der neuen Medien sowohl seitens der Rezipienten als auch seitens der Organisationen zumindest teilweise überzogen. So reicht jedenfalls der bloße Einsatz von jedweder vorhandener Technologie nicht, wenn sie nicht adäquat und zielgruppenspezifisch eingesetzt wird, und nicht jedes Unternehmen möchte alle die Zielgruppen interessierenden Informationen im Netz bereitstellen (vgl. Kazoleas/Teigen 2006: 419f., 425f.). Bloggende CEOs schätzen die Möglichkeit, sich mittels ihres Blogs direkt an zentrale Stakeholder wenden zu können und dabei das Instrument für individuelle Zwecke (zum Beispiel zur Steigerung der Bekanntheit, Vermarktung eines Produkts oder zur Kundenneugewinnung) einzusetzen. Wie jedoch die Übersicht über die Einsatzmöglichkeiten von Zerfaß (Abb. 1) schon aufzeigt, gibt es nicht den einen Zweck und die eine Zielsetzung von Blogs bzw. CEO-Blogs. Vielmehr kommt es darauf an, einen CEO-Blog einerseits in die Kommunikationsstrategie des eigenen Unternehmens einzubinden und andererseits für die Erfolgsaussichten immer wieder die Erwartungshaltungen der Rezipienten in Erfahrung zu bringen und zu überlegen, wie genau darauf Bezug genommen werden soll.
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Sarah Zielmann, Ulrike Röttger Ziel und Untersuchungsanlage
Aufgrund der Dynamik des Feldes war es das Ziel, eine Untersuchung im Zeitverlauf durchzuführen. Zudem wurde angestrebt, Länder übergreifend explizit CEO-Blogs in Europa und nicht wie bisher üblich insbesondere in den USA in den Blick zu nehmen. Erstes Teilziel war dabei die Analyse der Häufigkeit von CEO-Blogs in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, gefolgt von dem zweiten Teilziel, Ähnlichkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die vier Länder sowie im Zeitverlauf zumindest in ersten Ansätzen zu beschreiben und ein Stück weit zu erklären. Tabelle 2:
Untersuchungsanlage
Expertenbefragung Online-Recherche Zufallsauswahl der Blogs
Dreiwöchige Blog-Analyse Experten- und Bloggerbefragung
Studie 1 Nov. 2005 bis Jan. 2006 Nov. 2005 bis Jan. 2006 vier CEO-Blogs in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien 12. Feb. bis 4. März 2006 Im Anschluss an die Analyse
Studie 2 Juni 2006 Juni 2006 acht CEO-Blogs in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien 11. bis 31. Juli 2006 Keine Wiederholung
Eigene Darstellung
Die Blog-Analyse erfolgte zu zwei Messzeitpunkten Anfang 2006 und im Sommer 2006. Wenngleich der Abstand relativ kurz war, sind hinsichtlich der Gesamtzahl sowie der Thematisierungsleistungen in einem Land und im Ländervergleich zum Teil relativ große Unterschiede auszumachen (siehe Kap. 4). Die Online-Recherche erfolgte über folgende Seiten:
http://technorati.com/blogs http://www.thenewpr.com/wiki/pmwiki.php?pagename=Resources.CEO BlogsList http://prplanet.typepad.com/ceobloggers/ http://www.corporateblogging.info/europe/ http://www.top100-business-blogs.de/ www.google.de/blogsearch www.yahoo.com
In Ergänzung zu den Eigenrecherchen wurden in jedem Land Experten per E-Mail kontaktiert mit der Bitte, ihnen bekannte, relevante CEO-Blogs in ihrem Land und wenn möglich in den drei ausgewählten anderen Ländern zu nennen.6
6
Hilfreich war der Fund der Homepage zu der Tagung Les Blogs 2.0 (in Frankreich): http://lesblogs. typepad.com/, da bei dieser Veranstaltung mehrere Experten als Referenten auftraten.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? 1. 2. 3. 4.
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Deutschland: Thomas N. Burg, Klaus Eck, Tim Fischer, Benno Häfliger, Christoph Neuberger, Thomas Pleil, Ansgar Zerfaß Frankreich: Gauillaume du Gardier, Jeffrey Hill, Loic Le Meur, François Nonnenmacher Großbritannien: Stuart Bruce, Suw Charman, Joël Céré, Andrew Corcoran, Adriana Cronin-Lukas, David Davis, Neville Hobson, Anthony Mayfield, Iwan McIntosh Italien: Luca De Biase, Diego Biasi, Guiseppe Granieri, Sergio Maistrello, Carlo Odello, Gino Roncaglia, Toni Siino, Antonio Sofi, Vincenzo De Tommaso, Paolo Valdemarin
Auf der Ebene des Gesamtblogs wurde analysiert, ob es sich um eine eigenständige URL oder eine Integration in die Website des Unternehmens handelt, ob der Blog dem Corporate Design des Unternehmens ähnlich bzw. identisch aufgemacht ist, ob der Blog mit der Unternehmensseite verlinkt ist und ob er öffentlich zugänglich ist oder nur für registrierte Nutzer zur Verfügung steht. Des Weiteren wurde über das Nachschlagen des allerersten Blogeintrags ermittelt, seit wann der CEO bloggt. Darüber hinaus wurde das Vorhandensein der relevanten technischen Funktionen (Suchfunktion, Archiv, Blogroll, RSS usw.) und von Kontaktmöglichkeiten sowie der Feedbackaufforderungen erfasst. Für die Analyse der einzelnen Blog-Beiträge wurden folgende Variablen codiert: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
die Autorschaft (CEO; eingeladener Gast, intern oder extern; Sonstiges), das Hauptthema des Beitrags, der Zeitbezug, die Perspektivenvielfalt (Darstellung verschiedener Meinungen und Perspektiven zu einem bestimmten Sachverhalt), die Perspektive des Beitrags (u.a. explizite persönliche Perspektive des Autors oder Unternehmensperspektive), das Vorhandensein von Verlinkungen im Beitrag, das Vorhandensein von Trackbacks (jeweils drei Tage nach dem Post), die Kontinuität der Berichterstattung (Bezug zu früheren Beiträgen, Kommentaren etc.), die Thematisierung von Kontroversen, die Bitte um Beteiligung zu bestimmten Fragestellungen samt Thema in Bezug auf die Beteiligungsbitte, die Anzahl an Leserkommentaren von unterschiedlichen Lesern (drei Tage nach dem Post), das Stattfinden von Diskussionen unter den Lesern inklusive einer möglichen Diskussionsbeteiligung des CEO sowie die Haltung der Leser zum Beitrag.
Zusätzlich zur inhaltsanalytischen Untersuchung der Blogs wurden Leitfadeninterviews mit ausgewählten CEO-Bloggern geführt. Jeweils vier CEO-Blogger aus Deutschland und Großbritannien sowie drei CEOs aus Italien erklärten sich bereit, in jeweils 45- bis 60minütigen telefonischen Interviews in ihrer Sprache über ihren Blog Auskunft zu geben. Die Gespräche wurden auf Tonband aufgezeichnet und anschließend anonymisiert transkribiert. Die Fragenkomplexe umfassten a) die Einbindung des Blogs in das Unternehmen und
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hier speziell die Unternehmenskommunikation sowie weitere Fragen zu den sonstigen Bloggingaktivitäten des Unternehmens, b) die Zielsetzung des Blogs inklusive Fragen nach der konkreten Zielformulierung, die mithilfe des Blogs erreicht werden sollen, c) einzelne Komponenten des Bloggens sowie dem dafür notwendigen Zeitaufwand hinsichtlich des analysierten Blogs, d) Fragen nach der Wahl der Beitragsthemen, e) der Ausnutzung prinzipieller Möglichkeiten, die Blogs bieten und f) der Bewertung auf einer Schulnotenskala von bestimmten Eigenschaften von Blogs allgemein (vgl. Kap. 4.7).
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Ergebnisse
4.1 Gesamtzahl aller CEO-Blogs Nach der Datenbereinigung7 für die Stichprobenziehung der ersten Studie ergab sich folgendes Bild: In Frankreich konnten mit 50 Blogs die meisten CEO-Blogs ausgemacht werden. In Deutschland und in Großbritannien waren es mit jeweils 25 nur halb so viele. In Italien konnten nicht mehr als fünf identifiziert werden. Auffällig ist damit u.a., dass es in Italien mehr Experten als CEO-Blogger gab. Wenngleich damit als Erstes festgehalten werden kann, dass CEO-Blogs in diesen vier Ländern eine marginale Rolle spielen, so lohnte die Wiederholungsstudie doch, um ein in kurzer Zeit verändertes Bild aufzuzeigen: Viele der zuvor ermittelten CEO-Blogs in Frankreich waren inzwischen inaktiv (mehr als vier Wochen nicht aktualisiert worden). Obschon einige neue hinzugekommen waren, war ihre Gesamtzahl von 50 auf 33 gesunken. Während unter gleichen Bedingungen (verwaiste Blogs versus Neugründungen) die Gesamtzahl mit 24 CEO-Blogs in Deutschland nahezu stabil geblieben war, war sie in Großbritannien von 25 auf 14 deutlich gesunken – und in Italien ebenso deutlich von fünf auf 16 gestiegen. Ferner ist anzumerken, dass CEO-Blogs wenig überraschend eine Männerdomäne darstellen, es sind nur äußerst wenige Frauen unter ihnen, und dass es eine Domäne von kleinen, insbesondere technologieaffinen Unternehmen ist. Die bloggenden CEOs stehen überwiegend Organisationen mit weniger als 25, häufiger sogar weniger als 15 Mitarbeitern vor. Die CEOs der analysierten Blogs sind überwiegend in den Bereichen Marketing (Collaborate Marketing, Online-Marketing, Search Engine Marketing usw.) und in der Softwareentwicklung tätig. Ein Unternehmen für Finanzberatung sowie eines für Krisenmanagementberatung muten schon fast exotisch an. Kaum ein Unternehmen beschäftigt im Übrigen einen PR-Praktiker, was angesichts der Größe der Unternehmen nicht weiter verwunderlich ist. Bei einer Organisation war es jedoch der externe PR-Beauftragte, der zur Einrichtung eines Blogs riet – und nun auch gemeinsam mit dem CEO bloggt. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar, denn fast alle Einträge der gesamten Blogs stammen von den CEOs selbst. Mitarbeiter werden etwas häufiger als Gäste eingeladen, als dass externe Gäste einen Beitrag verfassen. In der Regel bloggt jedoch wie gesagt der CEO höchstpersönlich. 7
Zahlreiche CEO-Blogs waren entweder ein Corporate Blog, der Blog einer Führungskraft, meist der PRVerantwortlichen, aber eben nicht des CEO oder mitunter auch eine schlichte Homepage. Viele waren seit Monaten, zum Teil schon seit Jahren nicht mehr aktualisiert worden und fielen somit aus der Analyse raus. Auch wenn sich kein Hinweis auf die Identität des Bloggers fand (entweder auf den Seiten des Blogs selbst oder durch telefonische Nachfrage bei den Unternehmen) schied der Blog aus.
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Die Zeit, die die CEOs für ihren Blog aufwenden, schwankt zwischen zweieinhalb Stunden täglich und einer Stunde pro Woche. Sie selbst lesen nicht alle regelmäßig andere Blogs, sondern die einzelnen Blogger haben zwischen keinem und 300 anderer RSS-Feeds abboniert. Die täglichen Leser – sofern sie erfasst werden – variieren zwischen 50-1.000 Lesern pro Tag. Kommentare zu beantworten, halten die einen für oberste Pflicht, während es die anderen „aus reiner Höflichkeit“ tun. Die meisten heben hervor, dass es wichtig wäre, den Blog auch auf Englisch anzubieten. Einig sind sich diesbezüglich vor allem die Italiener. Es zeigt sich also, dass die wenigen CEO-Blogger keineswegs alle zu den Freaks gehören, die sich vorab eingehend mit dem Instrument Blog für ihr Unternehmen auseinandergesetzt haben. Dies ist umso erstaunlicher, als dass auch von denjenigen, die besonders viel Zeit dafür investieren, nicht unbedingt am ehesten eine Strategie dahinter zu erkennen ist.
4.2 Gesamtzahl an Einträgen In der ersten Erhebungsphase verfassten Frankreichs vier Blogger zusammen mehr Einträge (insgesamt 135) als die zwölf Blogger aus Deutschland, Großbritannien und Italien zusammen (insgesamt 131). Das Ergebnis blieb gleich, wenn man den jeweils stärksten Blogger nicht berücksichtigte. Es fiel in der Wiederholungsstudie allerdings sichtbar anders aus: Frankreich ist deutlich schwächer geworden. Die nun doppelt so vielen Blogger kommen in dem gleichen Zeitraum von drei Wochen auf fast die gleiche Anzahl von Einträgen wie im ersten Erhebungszeitraum mit vier Bloggern (zusammen sind es 130, also sogar noch ein paar Einträge weniger). Die drei anderen Länder sind hingegen stärker geworden. Zusammen bringen sie es auf 345 Einträge. Wieder bleibt das Resultat gleich, wenn man den jeweils stärksten Blogger rausrechnet. Deutschland ist inzwischen am stärksten, Frankreich steht immerhin an zweiter Stelle, gefolgt von Italien, das als Schlusslicht von Großbritannien abgelöst wurde. Wenn man die Einzelbeiträge pro Blogger und pro Land betrachtet, zeigt sich in allen Ländern eine breite Spanne. Dies ist im Wesentlichen in der ersten und in der zweiten Studie gleich: Die Anzahl an Beiträgen variiert zwischen zwei und 76 Einträgen pro Blogger innerhalb von drei Wochen. Nach strengen Kriterien würde sich so betrachtet die Gesamtzahl der CEO-Blogs nochmals reduzieren, da vielfach in der Literatur eine Aktualisierung von Blogs mindestens zwei Mal pro Woche gefordert wird. Einen so strengen Maßstab wollten wir hier nicht anlegen, nicht allein, um höhere Zahlen präsentieren zu können, sondern da wir wie auch einige der befragten Experten der Meinung sind, dass für CEO-Blogs andere Maßstäbe gelten sollten. Wenn ein CEO nur zwei Mal im Monat bloggt, dann jedoch zahlreiche Kommentare erntet oder seine Einträge nachweislich die Aufmerksamkeit von Rezipienten finden, handelt es sich unserer Meinung nach um einen aktiven Blog.
4.3 Informationen über den Blog Die meisten Blogs existieren seit 2005. Nur einer hält schon seit 2002 durch. Bei diesem (französischen) Blog handelt es sich ausgerechnet um einen, der keine Kommentierungs-
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funktion zulässt. Auf schriftliche Anfragen reagiert dieser Blogger in mehreren Anläufen nicht. Dennoch handelt es sich um einen prominenten Blog, der vielfach in der Literatur und natürlich in anderen Blogs erwähnt wird. Auffällig ist, dass dieser Blogger eher selten über sein Unternehmen berichtet, stattdessen aber auffallend häufig innenpolitische Themen behandelt – und gelegentlich Politiker als Gast in seinem Blog interviewt. Das heißt, dieser Blog ist selbst offensichtlich zu einem Leitmedium geworden. Ziele und Zielgruppen werden in den untersuchten Blogs meist nicht auf der Frontseite genannt, allerdings sagen die Blogger mehrheitlich etwas darüber in ihrem allerersten Eintrag. Hierzu ist anzumerken, dass es fraglich ist, wer den Weg dorthin findet, noch dazu in der Erwartung, hierzu Informationen an der Stelle zu erhalten. Immerhin benennen die Blogger in der Wiederholungsstudie mehrheitlich die Zielsetzung ihres Blogs. Über die Zielgruppen macht hingegen nach wie vor fast kein Blogger eine Aussage. In der anschließenden mündlichen Befragung ausgewählter Blogger wurde eine große Bandbreite an Gründen genannt, einen CEO-Blog zu betreiben. Diese beginnt bei der strategischen Überlegung, darüber Expertise in dem von dem Unternehmen vertretenen Feld zu demonstrieren. Dies ist eng verbunden mit der Vorstellung, als Trendsetter der Branche wahrgenommen zu werden. Oder es geht darum, die eigenen Produkte und Dienstleistungen mithilfe des Blogs vorzustellen und hierzu Feedback von den Kunden zu erhalten. Die Liste der Nennungen setzt sich fort bei der Formulierung des Wunsches, über den Blog das Unternehmen transparenter darstellen zu können, bis zu der Aussage, „einfach aus Spaß an der Sache“ oder auch mit dem bloßen Ziel andere Blogger auf diese Art ohne konkretes Ziel zu kontaktieren. Sofern sich die Blogger überhaupt Gedanken darüber gemacht haben, was in der Fremdwahrnehmung relevant ist, so nennen sie „thougt leadership“, mehrere heben die Bedeutung von Blog Monitoring hervor. Es geht also nicht allein darum, selbst zu bloggen, sondern auch darum, Trends via Blogbeobachtung und Auswertung frühzeitig aufzuspüren. Interessant ist, dass etwa die Hälfte der CEOs ein Vorbild für ihren Blog hatte. Diese Gruppe hat sich ausnahmslos an US-amerikanischen Blogs orientiert. In beiden inhaltsanalytischen Untersuchungen zeigte sich, dass in der Mehrheit der Einträge auf andere Webseiten oder Blogs verlinkt wird, Trackbacks finden sich hingegen nur in zehn Prozent der Fälle. Ein Link zum Unternehmen ist bis auf sehr wenige Ausnahmen eine Selbstverständlichkeit. Anders sieht es aus mit den Funktionen einer Blogroll, die nur zwei Drittel der CEO-Blogger anbieten oder der Möglichkeit, RSS-Feeds zu abonnieren. Boten in der ersten Untersuchungsphase Letzteres fast alle an, sind es in der zweiten Erhebung immerhin neun von 32 Bloggern nicht. Hier zeigt sich also, dass nicht alle technischen Funktionen vollends ausgenutzt werden.
4.4 Leserkommentare Die Tatsache, dass einige Blogger Spitzenwerte von 100, in Ausnahmefällen auch über 1.000 Kommentare unterschiedlicher Leser bzw. Kommentatoren haben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sehr viele Blogs selten bis nie mehr als zwei und häufig wochenlang keine Kommentare erhalten. Zum einen mag dies der Reaktion der CEOs auf Kommentare geschuldet sein, doch vor allem liegt die Vermutung nahe, dass die Bekanntheit und das Image des Unternehmens und seiner Produkte hier eine sehr große Rolle spie-
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len. Die höchsten Werte erzielte der italienische CEO-Blogger Frederico Minoli8 (vgl. http://blog.ducati.com/), obwohl er von Beginn seiner Bloggerkarriere an klar gemacht hat, nicht zu antworten, da dies seine Zeit nicht erlaube – wohl aber alle Antworten zu lesen und in die Entscheidungsfindungen einfließen zu lassen. Da Minoli CEO des Motorradherstellers Ducati ist, scheint sich eine wahre Ducati-Fangemeinde an seinen Einträgen abzuarbeiten. Hier wird euphorisch auf Fragen von Minoli zu einzelnen Produktbestandteilen geantwortet, ebenso wie Wünsche in Bezug auf die Besetzung der nächsten Motorradrennfahrer geäußert werden. Auf Wunsch einiger Blogger wurde der Blog nach einer kurzen Zeit nicht nur auf Italienisch, sondern auch auf Englisch präsentiert, damit alle Ducati-Anhänger potenziell partizipieren können. Während bei diesem Blog zahlreiche unterschiedliche und immer wieder neue Leser Kommentare schreiben, scheinen andere Blogs einen kleinen festen Leserkreis zu haben, mit denen der CEO regelmäßig in einen Dialog tritt. Dass es dabei häufig um nichtige Alltagserlebnisse oder solche Themen geht, die nichts mit dem hinter dem CEO stehenden Unternehmen zu tun haben, könnte den Beobachter teilweise ob der dafür vermutlich aufgewandten Zeit überraschen, und zwar, da häufig hierbei nicht sichtbar wird, ob sich daraus irgendein Vorteil für das Unternehmen ergibt – außer dass der CEO für eine kleine Gruppe von Lesern Persönliches preisgibt. Allerdings ist ja das volle Ausmaß an Lesern nicht bekannt, so dass es denkbar ist, dass weitaus mehr Rezipienten passiv teilnehmen. Die Befragung der CEO-Blogger der ersten Runde (mit Ausnahme der französischen Blogger) hat allerdings zu Tage gefördert, dass der Kreis der Leser insgesamt überschaubar ist, sofern die CEOs deren Anzahl ermitteln. Insgesamt ist im Zeitverlauf eine Zunahme an Leserkommentaren zu verzeichnen, wenngleich wie gesagt die meisten Kommentare in allen Ländern auf ein bis zwei Blogger entfallen, so dass Durchschnittswerte nur bedingt aussagekräftig sind. Bemerkenswert ist allerdings, dass Großbritannien mit einem Mittelwert von 0,9 Kommentaren in der zweiten Erhebungsphase (1,17 in der ersten) diesbezüglich sichtbar am schwächsten dasteht. In der Wiederholungsstudie beträgt der Mittelwert in Deutschland 8,7, in Frankreich 6,6 und in Italien 5,9. Eine Erklärung hierfür bieten insbesondere die in der ersten Studie befragten Experten aus Großbritannien, die erklärten, dass vor allem die Briten gegenüber dem Phänomen Blog noch sehr verhalten seien, dass man vor allem nicht gewohnt sei, öffentlich, noch dazu in dieser Form, miteinander zu debattieren. Außerdem hafte Blogs aufgrund der medialen Berichterstattung insbesondere über Blogs von Prostituierten und ansonsten vor allem von Privatpersonen ein negatives Image an, so dass sich auch die CEOs sehr zurückhaltend mit dem Einsatz dieses Instruments zeigten. Schließlich ist abschließend zu den Dialogmöglichkeiten über einen CEO-Blog anzumerken, dass Leser so gut wie nie explizit um ihre Meinung gebeten werden. So geschah dies beispielsweise in der ersten Erhebung bei den insgesamt 266 Einzelbeiträgen gerade 17 Mal. Auffällig ist darüber hinaus, dass die CEOs keine kritischen Themen ihr eigenes Unternehmen betreffend ansprechen. Warum also sollten Leser die allgemeinen Informationen kommentieren? Wenn sie es doch tun, nehmen sie in aller Regel eine positive oder neutrale Haltung ein, nur selten versuchten sie mit dem CEO zu argumentieren.
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Frederico Minoli hat im Mai 2007 das Unternehmen verlassen. Die entsprechend kursierenden Gerüchte über seinen Wechsel hat er im Blog bestätigt. Der Blog wird nun von verschiedenen neuen Autoren mit Inhalten gefüllt.
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4.5 Themenspektrum nach Ländern Blog-Themen in der ersten Studie waren vor allem Informationen über die eigene Branche. Das heißt, es ging in den Beiträgen um Messen, Ausstellungen oder Kongresse, Forschungsergebnisse, Umfragen usw. – in der Regel in Form einer neutralen Informationsweitergabe. Dies ist bei den hinter den Bloggern stehenden kleinen, hochgradig spezialisierten Unternehmen zu erwarten, kann hierüber doch am ehesten in einem abgesteckten Expertisebereich „thougt leadership“ demonstriert werden. Persönliche Erlebnisse sowie allgemein gesellschaftspolitische Themen wurden hingegen kaum thematisiert. In der Wiederholungsstudie hat sich an den Top News, den Brancheninformationen, nichts verändert. Die Beiträge hierzu dominieren weiterhin mit Abstand (insgesamt sind es rund ein Drittel aller Beiträge, die sich hiermit befassen). Persönliche Erlebnisse und allgemein gesellschaftspolitische Themen haben hingegen an Gewicht hinzugewonnen. Ob dies der Zufallsauswahl der Blogs oder einem allgemeinen Trend geschuldet ist, könnte erst eine erneute Wiederholungsstudie wirklich zeigen. An zweiter Stelle hinter den Brancheninformationen stehen jedoch im Bereich von rund 14 Prozent der Beiträge solche, die sich mit Blogs allgemein oder mit Produkten bzw. Dienstleistungen des Unternehmens befassen. Auch dies ist wenig überraschend. Zum einen thematisieren Blogger gerne andere Blogs, zählt die Blogosphäre doch zu einer ihrer wichtigen Orientierungsgrößen. Nicht zu unterschätzen ist, dass Blogger tatsächlich für die engere Blogger-Gemeinde schreiben. Zudem ist die Vernetzung unter den Bloggern innerhalb der Länder groß. Zum anderen bietet es sich gerade für IT-Unternehmen und andere Unternehmen mit starker Spezialisierung an, in dem Blog eine Art günstiges Marketingtool zu sehen und die eigenen Produkte und Dienstleistungen hierüber sowohl vorzustellen als auch Feedback hierzu von den Kunden einzuholen und in neue Produktentwicklungen oder die Verbesserung von Dienstleistungen einfließen zu lassen. Der Hang zu Produkten und Dienstleistungen zeigt auf, dass relativ viele der CEO-Blogs dem Typ Produkt-Blog zuzuordnen sind, abermals wenig überraschend in Anbetracht der jeweiligen Unternehmensgröße.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Abbildung 2:
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Themen der einzelnen Blogbeiträge in Deutschland im Vergleich
Für Deutschland zeigt sich im Zeitverlauf: Das Themenspektrum ist noch etwas breiter geworden. Es wird etwas mehr über Produkte berichtet, ebenso mehr über Privates und Sonstiges. Dafür ist eine Abnahme an Beiträgen zu Blogs im Allgemeinen zu verzeichnen, ebenso haben die Berichterstattung über den eigenen Blog sowie die Branche selbst abgenommen.
204 Abbildung 3:
Sarah Zielmann, Ulrike Röttger Themen der einzelnen Blogbeiträge in Frankreich im Vergleich
Für Frankreich zeigt sich: Über die Branche wird im Vergleich zu den anderen Ländern am wenigsten berichtet. Alle Blogger bedienen ein breites Themenspektrum, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Studie. Es scheint, die Franzosen schreiben über alles – außer über das eigene Unternehmen.
Personalisierung als organisationale Kommunikationsstrategie? Abbildung 4:
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Themen der einzelnen Blogbeiträge in Großbritannien im Vergleich
Für Großbritannien zeigt sich, dass die drei stärksten Themen – Branchennews (über die Hälfte der Beiträge), Blogs allgemein und Produkte – weiter ausgebaut wurden. Alles andere spielt kaum eine Rolle.
206 Abbildung 5:
Sarah Zielmann, Ulrike Röttger Themen der einzelnen Blogbeiträge in Italien im Vergleich
In der ersten Studie bedienten die Italiener nicht nur insgesamt weniger Themen, sondern jeder Blogger hatte seinen eigenen Schwerpunkt und verfasste Einträge, die sich jeweils zwei oder drei Themenkategorien zuordnen ließen. In der Wiederholungsstudie war zu erkennen, dass die italienischen Blogs insgesamt thematisch breiter geworden sind. Branchennews dominieren allerdings weiterhin mit rund einem Drittel der Beiträge. Auffällig ist, dass die Italiener nie über ihren eigenen Blog schreiben. Nach der Branche folgen allgemeine gesellschaftspolitische Themen, Sonstiges und persönliche Erlebnisse. Allgemeine gesellschaftspolitische Themen sind deutlich wichtiger geworden.
4.6 Personalisierung der Themen? Einträge sowohl zu persönlichen Erlebnissen als auch allgemein zu gesellschaftsrelevanten Themen können als zusätzlicher Indikator einer Personalisierung innerhalb der Thematisierungsleistungen der CEO-Blogs aufgefasst werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein
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Italiener über die Steuergesetzgebung in Italien und seine Meinung dazu bloggt oder über das Leben und Sterben sinniert oder wenn ein französischer CEO-Blogger Bilder von der Geburt seiner Tochter postet. Bei einer höheren Fallzahl an CEO-Blogs und bzw. oder noch mehr Einträgen zu diesen Kategorien wäre es sinnvoll gewesen, die Kategorien feingliedriger und getrennt auszuweisen. Kriterium hier war jedoch, Themen herauszugreifen, die nichts mit dem Unternehmen selbst oder der Branche zu tun haben. Dazu zählen Beiträge, die ausschließlich die persönliche Haltung des CEO betreffen, und zwar zu außerhalb des Unternehmens liegenden Fragestellungen, oder aber Beiträge, in denen er persönliche Erlebnisse schildert. Diese Vorgehensweise diente zur Überprüfung, ob in dem personalisierten Instrumentarium der Unternehmenskommunikation eines CEO-Blogs sozusagen ein Subpersonalisierungsmittel ausgemacht werden kann. Die Ergebnisse erlauben wiederum, für die beiden dem Indikator untergeordneten Aspekte getrennte Tendenzen aufzuzeigen. Wenn man in Italien beide Anzeichen einer Personalisierung der Themen zusammenfasst, machen diese in der Wiederholungsstudie annähernd 30 Prozent der Beiträge aus, in Großbritannien keine drei Prozent. Zu den Einzelheiten lässt sich feststellen: Allgemein gesellschaftspolitische Themen sind in Italien deutlich wichtiger geworden, haben dafür in Frankreich und Deutschland abgenommen, wohingegen sie in Großbritannien nach wie vor keine Rolle spielen. Die insgesamt abnehmende Tendenz zur Thematisierung von gesellschaftsrelevanten Themen ist vermutlich eine persönliche Neigung der entsprechenden Blogger. Gleiches gilt für die in diesem Bereich gestiegenen Beiträge in Italien, die eventuell zukünftig zusätzlich mit einem Länderunterschied erklärt werden könnten, falls sich der Trend fortsetzte. Die Personalisierung der Themen ist mittlerweile in Deutschland am weitesten fortgeschritten, relativ dicht gefolgt von Italien und dann Frankreich, wohingegen Großbritannien ganz abgeschlagen ist. Persönliche Erlebnisse spielen im Zeitverlauf in Italien eine größere Rolle, während sie in Frankreich gleich stark geblieben sind. In Deutschland hat sich ihre Erwähnung mehr als versechsfacht, in Großbritannien sind sie nach wie vor eher unbedeutend. Nichtsdestoweniger sind mehr Einträge zu diesem Feld in allen vier Ländern zu verbuchen, so dass hier von einem allgemeinen Trend gesprochen werden kann. Es wird sich zukünftig zeigen, ob und welche CEOs sich auf dieses offensichtlich mehr oder weniger obligatorische Element einlassen werden und welche Konsequenzen dies haben wird.
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Fazit und Ausblick
CEO-Blogs sind in den vier untersuchten Ländern ganz offensichtlich ein noch junges Phänomen. Es sind insgesamt verschwindend wenige CEO-Blogs auszumachen, und zwar überwiegend solche von Klein(st)unternehmen aus technikaffinen Bereichen. Es gibt keinen über die Ländergrenzen reichenden Prototyp. Wenn man sich an anderen Blogs orientiert, schaut man in Richtung USA. Dies mag auch den Sprachbarrieren geschuldet sein. Gleichzeitig zeigt sich, dass beträchtliche Unterschiede etwa hinsichtlich des Ausnutzens aller Funktionen wie etwa der Podcasts bestehen, wobei hier Frankreich die Nase vorn hat. Das heißt, es wäre z.B. für deutsche Unternehmen lohnenswert, französische Blogs auf die Übernahme einiger eingesetzter Tools für den eigenen Blog zu überprüfen.
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Sarah Zielmann, Ulrike Röttger
Da die analysierten Blogs wenig dialogisch ausgerichtet sind, kreieren sie keine neuen Netzwerke und leisten keinen nennenswerten Beitrag zum Stakeholderdialog. Vor allem jedoch ist zu kritisieren, dass sie zu wenig strategisch angelegt und nur selten in eine übergreifende Kommunikationsstrategie eingebunden sind. Ihre Wirkungen bleiben damit eher zufällig, eine effektive und effiziente Nutzung des Formats kann so nicht erfolgen. Sie sind so aufgestellt weder geeignet, um Wertschöpfung zu steigern, noch um nachhaltig Unternehmensreputation zu erhöhen. Dennoch kann wohl gelten, dass Unternehmen, die jetzt einen CEO-Blog starten, voraussichtlich immer noch den first-mover-advantage haben werden. Es ist für sie aber wichtig, dass sie sich ihre Zielsetzung und deren Umsetzung genau überlegen. Der Blog von Frederico Minoli ist dafür wahrscheinlich das beste Beispiel. Zukünftige Forschungsfragen sind u.a. die, welche Rolle das jeweilige Gesellschaftssystem für den Einsatz von CEO-Blogs spielen und wie sich relevante kulturelle Faktoren genau erfassen lassen. Gleiches gilt für die Unternehmenskultur. Diesen Aspekt näher zu beleuchten wäre auch interessant, um herauszufinden, ob es ein Grund für börsennotierte Unternehmen ist, überwiegend nicht zu bloggen – von rechtlichen Restriktionen einmal abgesehen. Schließlich wäre es auch aufschlussreich, genauer zu ermitteln, welchen Einfluss das jeweilige Mediensystem und die öffentliche Kommunikationskultur auf CEO-Blogs haben. In welchen Ländern können in der journalistischen Berichterstattung Befürworter bzw. Skeptiker oder auch einfach nur die Nicht-Thematisierung ausgemacht werden und welchen Einfluss hat dies auf den Einsatz eines CEO-Blogs? Vor allem jedoch müsste die Perspektive um diejenige der Rezipienten erweitert werden. Die hierzu vorliegenden Studien sind überwiegend nicht-repräsentativer Natur und nicht auf das Format CEO-Blog ausgerichtet. Es müsste hier zudem nach Branchen getrennt untersucht werden, welche Erwartungen Rezipienten an Corporate Blogs bzw. CEO-Blogs haben und inwieweit sie diesen Informationen Vertrauen schenken. Wenn man sich nochmals in Erinnerung ruft, dass die Rezipienten exklusive Neuigkeiten im informellen Stil erfahren wollen, so tun sie dies bislang nur unsystematisch und vor allem zu wenig unternehmensbezogen. Aufgrund mangelnder kontroverser Themen entwickelt sich kaum ein Dialog. Ferner ist zu konstatieren, dass bislang viele Technikoptionen ungenutzt bleiben, auch hinsichtlich der Aktualität und Kontinuität der Einträge zeigt sich eine starke Varianz. Insgesamt müsste – nicht zuletzt den bloggenden CEOs – wohl vor allem die Zielsetzung ihres Blogs deutlicher werden. In Bezug auf das Untersuchungsdesign ist anzumerken, dass gerade aufgrund der doch recht geringen Fallzahl von CEO-Blogs diese alle über einen längeren Zeitraum in den Blick genommen werden müssten, um zu noch aussagekräftigeren Ergebnissen zu gelangen. Gleichzeitig darf und muss man jedoch kritisch fragen, ob sich der Aufwand überhaupt lohnte, ob es nicht zumindest relevanter erscheint, sich wenn überhaupt mit Corporate Blogs zu beschäftigen. Schließlich handelt es sich um ein Nischenphänomen, dessen Beschreibung und Analyse am ehesten eine Handvoll Praktiker interessieren dürfte, die hiermit Vermarktungs- oder Schulungschancen wittern. Nichtsdestoweniger könnten dieser Studie weitere vergleichende Fallstudien angeschlossen werden ebenso wie eine quantitative Befragung im Ländervergleich, wobei auch weitere europäische ebenso wie außereuropäische Länder – insbesondere Asien aufgrund seiner Vorreiterrolle – einbezogen werden sollten, wenn man daran glaubt, dass hier Potenzial drin steckt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren CEO-Blogs jedenfalls mit wenigen Ausnahmen kein Bestandteil der organi-
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sationalen Kommunikationsstrategie und leisten somit keinen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele. Die Rezipienten werden nur selten explizit einbezogen und viele Technikoptionen bleiben ungenutzt. Mittlerweile mag die Verbreitung und konkrete Ausgestaltung von CEO-Blogs schon wieder ganz anders aussehen. Nach dem sehr starken Einsatz des Internets bei den letzten Wahlen könnten sie gerade in Frankreich einen neuen Aufschwung erlebt haben. Die neuen Chancen und Schwierigkeiten könnten in weiteren sowie erweiterten Untersuchungen erforscht werden.
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CEO-Kommunikation. Die Kommunikation des Top-Managements aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen in deutschen Unternehmen Swaran Sandhu, Sarah Zielmann
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Problemaufriss und Aufbau des Beitrags
Die letzten Jahre waren für deutsche Top-Manager nicht einfach: Die „Diskussion über Manager-Gehälter stellt nur einen Höhepunkt der Personalisierung der Unternehmensberichterstattung dar“, meint Frank Brettschneider, der fünf Jahre lang über 280.000 Passagen über die DAX-30-Unternehmen untersucht und dabei einen signifikanten Zuwachs der Personalisierung festgestellt hatte (o.V. 2007, vgl. Brettschneider 2007). Oder plakativer: „Unternehmen werden in immer stärkerem Maße mit ihrem Chef identifiziert. (…) Sein Gesicht steht für das Unternehmen“ (Deekeling/Arndt 2007: 20). Die Personen an der Spitze von wirtschaftlichen Organisation – Geschäftsführer, Vorstandsvorsitzende, Gesellschafter oder weitere Führungskräfte der ersten Ebene, die wir hier der Einfachheit halber unter dem Begriff CEO (Chief Executive Officer) zusammenfassen – können sich medialer Aufmerksamkeit bei Erfolgen oder Krisen nicht entziehen. Ein Phänomen, das zunächst in der Politik – insbesondere in Wahlkämpfen – aufgetreten ist, nämlich Erfolg und Niederlage an Gesichtern festzumachen (vgl. Sarcinelli 2005, Weisbrod 2003, Imhof/Eisenegger 1999, Imhof/Schulz 1998, grundlegend Peters 1996 sowie Macho 1993), zeichnet sich inzwischen vermehrt ebenfalls in der Wirtschaft ab (vgl. Eisenegger/Imhof 2004: 248f., Eisenegger/Vonwil 2004, Mast 2003): Auf den Titelblättern von Wirtschaftsmagazinen, SpecialInterest-Zeitschriften sowie im Wirtschaftsteil von Zeitungen werden Köpfe immer wichtiger – es menschelt auch im Börsenteil: „Der Wirtschaftsjournalismus hat sich in den vergangen zehn Jahren radikal verändert. Im Mittelpunkt stehen in Zeitungen wie Zeitschriften immer weniger trockene Firmenanalysen und immer öfter die Macher und Moguln, die Denker und Lenker“ (Meier 2007: B5).
Nicht nur Vorstände der größten Firmen (DAX-Vertreter), sondern ebenso Mittelständer oder junge, dynamische Gründer dürfen selbst in Talkshows ihre Meinung vertreten. Dies wirft die drei Fragen auf, 1) inwieweit dieses Phänomen durch die Logik des Mediensystems verursacht wird, 2) inwieweit man daneben von einer Ausdifferenzierung innerhalb der Organisationskommunikation sprechen kann und 3) wie dieses Gebiet sowohl theoretisch als auch praktisch zu fassen ist. Für die Praxis nicht unerheblich ist das in der Regel enge Verhältnis zwischen CEO und Kommunikationsverantwortlichem, wie das Zitat des Karstadt-Kommunikationchefs Jörg Howe zeigt:
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Swaran Sandhu, Sarah Zielmann „Und mit Investor-Relations und dem CEO Thomas Middelhoff ist es (die Abstimmung, die Verf.) noch einfacher. Wir wohnen Büro an Büro, sind sozusagen eine Kommunikations-WG und reden immer wieder, um uns abzustimmen, fünf-, sechsmal am Tag“ (Howe 2007: 11).
Dieses Vertrauensverhältnis kann aber manchem Kommunikationschef zum Verhängnis werden, wenn er gemeinsam mit dem CEO ausgetauscht wird oder freiwillig geht, wie dies häufig zu beobachten ist. In diesem Beitrag wollen wir die Bedeutungszunahme der CEO-Kommunikation darlegen sowie eine Begriffsklärung zum Thema CEO-Kommunikation vorschlagen (Kap. 2) und dabei die häufig synonym gebrauchten Begriffe Personalisierung, Personifikation bzw. Personifizierung analytisch trennen (Kap. 3). Darauf folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer von uns durchgeführten empirischen Studie zur CEO-Kommunikation aus der Perspektive der Kommunikationsmanager (Kap. 4). Schließlich werden wir die Ergebnisse diskutieren und Vorschläge für die Konzeption des Forschungsfeldes CEO-Kommunikation machen (Kap. 5).
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Medialisierung der Wirtschaft und Folgen für die CEO-Kommunikation
In modernen Gesellschaften hat die Kommunikation durch Massenmedien eine herausragende Bedeutung. Medien stellen Öffentlichkeit her und die (ver)öffentlich(t)e Meinung ist eine wichtige Bezugsgröße für alle gesellschaftlichen Akteure. Am häufigsten werden noch immer politische Akteure thematisiert, doch wird in wachsendem Maße die Bedeutung für Wirtschaftsunternehmen herausgestellt (vgl. Imhof 2006a: 1, Imhof 2003: 205, TheisBerglmair 2005: 342f.). Zwar wissen wir, dass sich Wirtschaftsunternehmen bemühen, mithilfe von Kommunikationsmaßnahmen ihre Wettbewerbsposition zu optimieren, allerdings ist es schwierig, das Thema „CEO-Kommunikation“ mit den herkömmlichen PR-Modellen zu untersuchen, deren Instrumentarium dafür nicht ausreicht: „Hinsichtlich der Interdependenz zwischen medienvermittelter Öffentlichkeit und Wirtschaft verbleibt die PR-Forschung noch im Kanon ihrer traditionellen Fragestellungen zum Verhältnis von Organisationen und ihren Teilöffentlichkeiten und thematisiert die kommunikative Neukonstitution der Ökonomie kaum. Dies bedeutet, dass die PR-Forschung insbesondere die neuen Reputationslogiken bezüglich Unternehmen und ihres Führungspersonals, die Überformung der Organisationsreputation durch personale Reputation bzw. die Charismaeffekte bei der Managerelite, die moralische Aufladung der Wirtschaftsberichterstattung und alle damit verbundenen Medialisierungseffekte vernachlässigt“ (Imhof 2006c: 206f.).
Was folgt aus den Medialisierungseffekten für Wirtschaftsunternehmen und in der Konsequenz für die CEO-Kommunikation? Medien als intermediäres System sind für sie von stetig steigernder Bedeutung, da sie dauerhaft breite Teile der Bevölkerung erreichen und über die Medienöffentlichkeit ein größtmögliches Maß an Aufmerksamkeit kontinuierlich gesichert ist, gleichzeitig aber von dieser Seite ein wachsames Auge auf jegliche Unternehmensaktivitäten gerichtet wird. Die öffentliche Kommunikation über den CEO und über das Unternehmen muss daher systematisch beobachtet und ausgewertet werden, um wiederum seitens der Organisation Informationen massenmedial zu vermitteln, also in die öffentliche Meinung einzuspeisen. Eine Voraussetzung für die entsprechende Kommunika-
CEO-Kommunikation
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tion des CEOs ist es also, dass Wissen über die verschiedenen Umweltwahrnehmungen bezüglich sowohl des CEOs als auch des gesamten Unternehmens gesammelt wird, um dann entsprechende (Neu)Positionierungen vorzunehmen. Somit lässt sich – in Anlehnung an den klassischen PR-Management-Prozess – auch für die CEO-Kommunikation ein idealtypischer Ablauf definieren: Abbildung 1:
Management der CEO-Kommunikation
Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Cutlip/Center/Broom 2000: 341
Folgenschwer für die Organisationskommunikation und die Überlegungen des CEO-Auftritts ist der doppelte Medienbezug: Aufgrund des sehr hohen und weiter steigenden Einflusses der Medien a) nutzen alle gesellschaftlichen Akteure und so auch Wirtschaftsorganisationen die Medien, um Entscheidungen und Handlungen über diesen Kanal zu kommentieren und b) bemühen sich, ihr Handeln an der (ver)öffentlich(t)en Meinung zu orientieren. Medien wirken damit also zurück. Bislang ist – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen insbesondere in Form von unveröffentlichten Diplomarbeiten – jedoch kaum systematisch untersucht worden, wie die Medien über CEOs berichten und inwieweit sich dies in den letzten Jahrzehnten verändert hat sowie wie genau sich dies einerseits auf die Reputation des entsprechenden Unternehmens, andererseits auf die Unternehmenskommunikation auswirkt. Die Ergebnisse einer Inhaltsanalyse1 zeigen, dass CEOs in den USA zunehmend als Person hervorgehoben werden. Dabei sticht hervor, dass das Image des CEOs stark von seiner jeweiligen fachlichen Kompetenz und den persönlichen Eigenschaften abhängig beurteilt wird. In der Studie konnten fünf Dimensionen zur Beurteilung des CEO-Images herausgefiltert werden (in folgender Reihenfolge): 1. Kompetenz, 2. persönliche Eigenschaften wie Alter, Gesundheit, Religion, physische Erscheinung, Lebensstil, 3. Charisma, 4. Zuverlässigkeit (reliability) und 5. Integrität (vgl. Park/Berger 2004: 105, 108). Auffallend ist, dass am häufigsten über CEO-Wechsel berichtet wurde (in 53% der analysierten Beiträge), was zum einen auf die hohe Fluktuation hindeutet, zum anderen aber auch die Wichtigkeit der Person an der Spitze hervorhebt. Mit deutlichem Abstand folgten auf Platz zwei bei der Thematisierung persönliche Geschichten (12%), z.B. über die Herkunft, den Lebensstil oder das gesellschaftli-
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Park und Bruce (2004) werteten vier amerikanische Zeitungen (Wall Street Journal, USA Today, New York Times und Houston Chronicle) über den Zeitraum von 1990-2000 inhaltsanalytisch aus. Ziel war es, die Konzentration auf und die Valenz von CEOs sowie Dimensionen des CEO-Images in der Berichterstattung zu ermitteln.
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che Engagement des CEOs (vgl. ebd.: 106). Neben dieser Inhaltsanalyse liegen einige empirische Studien (u.a. statt vieler Burson-Marsteller 2006, Gaines-Ross 2003) und praxisnahe Reflexionen und Handlungsanweisungen (Deekeling/Arndt 2006, Assion 2006, FischerAppelt 2005, Neumann/Ross 2004, Becker/Müller 2004) zu dem Thema CEO-Kommunikation vor, die insbesondere unterschiedliche Expertenansichten (u.a. von Journalisten, Wirtschaftsanalysten, Politikern und Gewerkschaftsvertretern) analysieren. Ebenfalls theoretisch reflektiert wurde die Bedeutung des CEOs in der internen Kommunikation (vgl. Pincus et al. 1991) oder im Kontext der symbolischen Führung (vgl. Grunig 1991). Die Rolle der Kommunikationsverantwortlichen bei der Entscheidung über die Kommunikationsaktivitäten des Top-Managements bleibt hingegen eher ein blinder Fleck. Der bisherige Forschungsstand kann zugespitzt folgendermaßen zusammengefasst werden: überwiegend normative, praxis-orientierte How-to-do-Literatur setzt sich a) beratungsorientiert mit der CEO-Reputation, b) interpretativ mit der Inszenierung und Impression Management und c) der Positionierung des CEOs auseinander. Die Autoren einiger weniger d) Theorie geleiteter Arbeiten systematisieren das Feld. Tabelle 1:
Systematisierung des Forschungstandes zur CEO-Kommunikation
Kategorie a) Beratung b) Inszenierung bzw. Impression Management c) Positionierung d) Systematisierung
Autoren/Studien Burson-Marsteller Studien (diverse); Gaines-Ross 2003, Deekeling/Arndt 2006; güttler-klewes 2001 und weitere Repräsentanz Expert; 2004 Nessmann 2005; Deekeling 2004; Ebert/Piwinger 2007; Neumann/Ross 2004 und weitere Casanova 2004; Becker/Müller 2004; Fischer-Appelt 2005 und weitere Gaines-Ross 2003 und 2006, Deekeling/Arndt 2006; Zerfaß/Sandhu 2006 und weitere
Forschungslücken bleiben jedoch zum einen die Innensicht der Unternehmen sowie zum anderen die Kopplung der Personalisierung/Personifizierung an zusätzlichen Variablen wie etwa die der Unternehmensgröße oder der Branche sowie eine zusätzliche Medieninhaltsanalyse im Zeitverlauf. Die vorliegende Studie konzentriert sich deshalb auf die Frage nach der Bedeutung der Kommunikation des Top-Managements von börsennotierten Unternehmen aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen. Spiegelt man die Personalisierungs-Tendenz im Journalismus zurück auf das Kommunikationsmanagement, stellt sich die grundlegende Frage, ob und inwiefern Personifizierung Teil des Kommunikationsmanagements sein kann. Und es stellt sich auch die Frage, wie hoch der Grad der Steuerungsfähigkeit ist. Denn wie einleitend erwähnt erwarten Medien ebenso wie Stakeholder Informationen über den CEO und von dem CEO selbst, so dass CEOs und ihre Kommunikationsverantwortlichen aufgrund der institutionellen Rahmenbedingungen eines beschleunigten Wirtschaftssystems (Deutschmann 2005) zur personifizierten Repräsentation und den damit verbundenen Risiken gezwungen sind (vgl. hierzu Imhof 2006b). Leitende These der Untersuchung war, dass Unternehmen selbst im Sinne eines systematischen Vorgehens darauf setzen, um damit einen Beitrag zum Erreichen ihrer eigenen Ziele zu leisten. Man kann davon ausgehen, dass bei
CEO-Kommunikation
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steigender Größe des Unternehmens auch dessen wirtschaftliche Potenz und damit die gesamtgesellschaftliche Relevanz und in den letzten Jahren die erwartete Verantwortungsübernahme2 zunehmen. Deshalb kommen der obersten Leitung mehr Repräsentationsaufgaben nach innen und nach außen zu (vgl. Scheurer 2001). Wie zu Beginn aufgezeigt bedeutet dies, dass die personale Reputation zunehmend die Unternehmensreputation überformt (vgl. Imhof 2006c). Dies kann – meist vorübergehend – positiv verlaufen, wenn ein charismatischer CEO für sich sowie sein Unternehmen punkten kann. Allerdings unterliegt dieser Effekt häufig einer kurzen Halbwertszeit, nicht zuletzt aufgrund der immer kürzeren Verweildauer von CEOs bei einem Unternehmen und ist damit gefährlich sowohl für die Glaubwürdigkeit und die damit zusammenhängende Reputation des CEOs als auch des gesamten Unternehmens.
Definition CEO-Kommunikation Unter CEO-Kommunikation verstehen wir nachfolgend alle Kommunikationsaktivitäten der obersten Führungsebene und insbesondere der obersten Entscheidungsinstanz, also wie eingangs erwähnt Vorstandsvorsitzende, Sprecher des Vorstands, Geschäftsführer oder Gesellschafter. Da es keine homogene Bezeichnung für diese Gruppe gibt, bedienen wir uns des Anglizismus „CEO-Kommunikation“, um eine Vereinheitlichung herbeizuführen (vgl. grundlegend Deekeling/Arndt 2006, Becker/Müller 2004 sowie Gaines-Ross 2003). CEOKommunikation umfasst demnach „… alle systematisch geplanten, durchgeführten und evaluierten Kommunikationsaktivitäten der obersten Führungsebene einer Organisation mit ihren internen und externen Bezugsgruppen. Als Teil der Unternehmenskommunikation zielen sie darauf ab, Handlungen zu koordinieren, Interessen abzugleichen und Handlungsräume zu sichern“ (Zerfaß/Sandhu 2006: 52).
Es geht also nicht um Zufallsprodukte der CEO-Kommunikation oder spontane CEOÄußerungen3, sondern um bewusst geplante und überprüfbare Aktionen, die sich sowohl nach innen als auch nach außen richten können. Somit kann CEO-Kommunikation als eine ausdifferenzierte Teildisziplin im Rahmen des Kommunikationsmanagements angesehen werden4. Dabei stellt sich u.a. die Frage, inwieweit sich hieraus Konsequenzen für die kommunizierten Inhalte ergeben, ob beispielsweise in wachsendem Maße private und persönliche Aspekte des CEOs betont werden – und welche Chancen sowie Risiken sich dann daraus wiederum ergeben (vgl. hierzu sowohl Kap. 3 als auch Kap. 4). Bei Politikern ist in der modernen Mediengesellschaft nicht allein der Status entscheidend, sondern darüber hinaus die Medientauglichkeit, insbesondere die Telegenität (vgl. 2
3
4
Vgl. die Diskussion um Corporate Governance und Corporate Social Responsibility, der sich die Unternehmen nicht mehr entziehen können u.a. Imbusch/Rucht 2007, Hilb 2006, Maclean/Harvey/Press 2006, Hauser 2004, Schwalbach 2003, Habisch 2003. Es wäre interessant, diese samt ihrer medialen Auswirkungen – insbesondere in Krisenzeiten – gesondert zu erfassen (z.B. ist die Deutsche Bank mit „Peanuts“ und „Victory“ ein passendes Beispiel für nicht intendierte Kommunikation, die dann zur Krise geführt hat). Dies kann jedoch im Rahmen der hier präsentierten Überlegungen nicht geleistet werden und wird daher bewusst vernachlässigt. Vgl. Deekeling/Arndt 2006: 8, die von „einer neuen Managementdisziplin an der Schnittstelle zwischen Strategie, Führung und Kommunikation“ sprechen. Anm. d. Verf.: Soweit wollen wir hier nicht gehen.
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Wilke 1996: 99ff.). Mittlerweile finden sich in der Literatur Hinweise darauf, dass ein CEO ohne hohe kommunikative Kompetenzen nicht für eine Position im Top-Management geeignet sei (vgl. Watson 2002: 60, Berner 2003). In diesem Beitrag diskutieren wir daher auch, ob diese Eigenschaften aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen für die CEOKommunikation eine Rolle spielen. Ein wichtiger Punkt für die Konzeption und Umsetzung der CEO-Kommunikation sind – insbesondere bei börsennotierten Unternehmen – die institutionellen Regelungen zur Berichterstattung. So sind beispielsweise alle Äußerungen eines Unternehmensvertreters, die sich auf den Börsenkurs des Unternehmens auswirken können, extrem reglementiert. Diese Anforderungen potenzieren sich, wenn Unternehmen an mehreren Börsen und im Ausland gehandelt werden, da dann die jeweiligen Landesregelungen greifen. Aus diesem Grund ist die CEO-Kommunikation bei börsennotierten Unternehmen nicht frei von institutionellen Einschränkungen (vgl. Rao/Sivakumar 1999) und wahrscheinlich nur in enger Abstimmung mit der Investor-Relations-Abteilung zu verwirklichen. Alternativ stehen dem CEO jedoch weitere Kommunikationsoptionen offen, die nichts mit dem Börsenhandel zu tun haben, also z.B. Sponsoring aller Art, Philanthropie, CSR etc. Es ist bereits mehrfach angeklungen, dass CEOs seitens der Medien ins Rampenlicht gestellt werden und dass Unternehmen versuchen – mit Unterstützung ihrer Kommunikationsverantwortlichen – sie dort mit den passenden Scheinwerfern zu beleuchten. Diese Differenzierung der öffentlichen Positionierung ist wichtig und soll daher im Folgenden näher veranschaulicht werden.
3
Personalisierung oder Personifizierung der Unternehmenskommunikation?
CEOs werden als die „wichtigsten Sprecher und Repräsentanten“ bezeichnet, die „in der internen und externen Öffentlichkeit (..) die herausragende Rolle“ (Deekeling/Arndt 2006: 8, vgl. auch Huck 2006: 62) spielen bzw. spielen sollten. Allerdings ist anzumerken, dass zwar das Potential des kommunikativen Auftritts von CEOs in der Literatur als wichtig beschrieben wird, aber gleichzeitig konstatiert wird, dass sich diese Einsicht noch längst nicht in deutschen Unternehmen durchgesetzt habe (Deekeling/Arndt 2006: 22). Umso spannender ist die Frage, wie es um die Einschätzung der kommunikativen Bedeutung von CEOs bei börsennotierten Unternehmen steht und wie die dortigen Kommunikationsverantwortlichen „ihren“ CEO diesbezüglich versuchen zu formen und zu unterstützen. Bernd Blöbaum (vgl. nachfolgend 2006: 215f.) beschreibt Personalisierung in der Kommunikationswissenschaft zum einen als eine Bezeichnung für eine Tendenz der medialen Darstellung und zum anderen für einen Nachrichtenfaktor. Als Letzteres steht Personalisierung für die empirisch ermittelte Erkenntnis, dass Themen und Ereignisse, bei denen Individuen handeln oder von Handlungen betroffen sind oder bei denen sich (gesellschaftlich relevante) Ereignisse an Personen festmachen lassen, eine höhere Chance haben, die Aufmerksamkeit der Medien oder des Publikums zu erreichen. Personalisierung ist demnach ein von Medienakteuren zugeschriebenes Merkmal von Ereignissen (vgl. hierzu auch Galtung/Ruge 1965: 68). Darüber hinaus bezeichnet Personalisierung die Art einer medialen Darstellung, bei der individuelle Schicksale in den Vordergrund gestellt werden. So ist etwa zu beobachten, dass auch wirtschaftliche Themen und Entwicklungen an persönliche Geschichten gekoppelt werden. Als weitere feststellbare Tendenz der Medienberichterstat-
CEO-Kommunikation
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tung meint Personalisierung schließlich die zunehmende Orientierung an prominenten Personen bei der Vermittlung von Medieninhalten. Personifizierung bzw. Personifikation meint hingegen eine von Unternehmensseite aktive, zielgerichtete Repräsentation einer Organisation durch das Top-Management in der Öffentlichkeit bzw. zunächst in erster Linie den Versuch der Platzierung des CEOs in den Medien. Da den ranghöchsten Unternehmensvertretern starke Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, sollen eben diese allen Stakeholdern bekannt gemacht werden, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in das jeweilige Unternehmen zu stärken (vgl. Zerfaß/Sandhu 2006: 52f.). Empirische Studien haben gezeigt, dass die Wahrnehmung des CEOs auf die Unternehmen zurückspiegelt: Aktienbesitzer interessieren sich auch für die menschlichen Qualitäten und die Glaubwürdigkeit der CEOs, um daran orientiert Kaufentscheidungen zu fällen (vgl. Deekeling/Arndt 2006: 38f., Gaines-Ross 2006, güttler+klewes 2001). Dies wiederum setzt verständliche Erklärungen des CEOs voraus, stellt also entsprechende Anforderungen an seine kommunikativen Kompetenzen (vgl. Deekeling 2004: 20). Entscheidend ist, dass es nicht darum geht, die Person des CEOs ins positive Licht zu rücken (vgl. zur Personen-PR bzw. Personality-PR u.a. Nessmann 2005 oder Herbst 2003), sondern über die personifizierte Repräsentanz bzw. Personifikation einen Beitrag zum Reputationsmanagement des Unternehmens zu leisten. Es steht also nicht die Person zuerst im Vordergrund, sondern die Funktion des CEOs. Damit sind natürlich Risiken verbunden, so etwa das Risiko, dass im Falle der Abwanderung des CEOs zu einem anderen Unternehmen auch ein Reputationsverlust für das Unternehmen einhergehen kann oder aber dass die Reputation des Unternehmens nachhaltigen Schaden nehmen kann, wenn der CEO in eine ImageKrise gerät (vgl. Bauhofer 2004, Watson 2002). Tabelle 2:
Klassifikation von Personalisierung und Personifizierung
Kategorie Personalisierung
Personifizierung oder Personifikation
Personen-PR bzw. Personality-PR
Ausprägung a) mediale Darstellung von Personen (z.B. Schicksale, etc.) b) Nachrichtenwert, der sich auf die Berichterstattung auswirkt - medial vermittelter Prozess, bedingt von Organisationen steuerbar Aktive, zielgerichtete Darstellung einer Organisation und ihrer Kernbotschaften in der Öffentlichkeit durch eine Person, die als symbolischer Träger von Organisationsbotschaften agiert. Personen treten als Repräsentanten von Organisationen auf. - bewusster Einsatz im Rahmen des Kommunikationsmanagements von Organisationen Der Versuch, eine Person mit Mitteln des Impression-Managements zu einer „Persönlichkeit“ des öffentlichen Lebens zu machen, d.h. überwiegend durch sozialpsychologische Mechanismen oder über symbolische Güter wie Prestige oder Prominenz zu einem positiven Image zu versehen bzw. zu inszenieren. - Personen-PR ist entkoppelt von organisatorischen Zielen und dient persönlichen Zielen, kann folglich also nicht im Rahmen des Kommunikationsmanagements betrieben werden.
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Es lässt sich festhalten, dass Medien zunehmend häufig über das Top-Management von Unternehmen berichten aufgrund des Nachrichtenwertes Personalisierung und Unternehmen selbst die CEOs zur personifizierten Repräsentation aktiv nutzen im Sinne der Personifikation5. In diesem Beitrag wird die personifizierte Repräsentation bzw. Personifikation oder Personifizierung thematisiert, also die kommunikative Darstellung des Unternehmens durch die Person des CEOs.
4
Studie zur CEO-Kommunikation und deren Einschätzung durch Kommunikationsmanager in Deutschland
4.1 Vorgehensweise Ziel der Untersuchung war es, die ranghöchsten Kommunikationsverantwortlichen in Unternehmen, die im DAX30, TECDAX30 (technologieaffine Unternehmen) sowie GEX (inhabergeführte Unternehmen) Indizes an der deutschen Börse notiert sind, zu ihren Ansichten und zur konkreten Ausgestaltung der CEO-Kommunikation insbesondere ihres Unternehmens zu befragen. Das Projekt hatte eine Laufzeit von März bis September 2006. Der Fragebogen wurde basierend auf dem Literaturstand in einem explorativen Forschungsdesign entwickelt, mit vier Pre-Testern in einer ähnlichen Position getestet und danach leicht modifiziert.6 Da als Kontrollvariablen die Mitarbeiterzahl und der Umsatz der Unternehmen abgefragt wurden, kann eine Unterscheidung zwischen Konzernebene und kleineren Unternehmen durchgeführt werden7. 5
6
7
Das folgende Beispiel ist zwar inzwischen aufgrund der rückgängig gemachten Fusion „ancient history“, nichtsdestoweniger illustriert es deutlich, wie herausforderungsreich die personifizierte Repräsentation sein kann: Dieter Zetsche (Vorsitzender des Vorstands der DaimlerChrysler AG) pries in einer derart einzigartigen Werbekampagne eine Zeit lang selbst die Chrysler-Fahrzeuge in den USA in Fernsehspots an. In Umfragen stellte sich allerdings heraus, dass die große Mehrheit der Käufer davon ausging, „Dr. Z.“ sei eine fiktive Werbefigur. Die Fernsehspots wurden parallel mit einer Website „askdrz“ flankiert, die Dr. Z. als animierte Comic-Figur dargestellt haben, die Fragen beantwortet. Die Spots wurden daher früher als geplant abgesetzt: es haben sich weder die Absatzzahlen noch das Image verbessert. Die Website hatte nach Angaben des Unternehmens inzwischen über 1 Million Besucher (Stand 15.05.2007) und wurde danach als Frage-undAntwort-Forum genutzt. Nach der Abspaltung des Chrysler-Konzerns und der Neufirmierung als Daimler AG ist auch die Seite vom Netz genommen worden. Die Kommunikationsverantwortlichen wurden entweder über die Website des Unternehmens, telefonisch oder über Nachschlagewerte wie Branchenmagazine (z.B. Kress-Report) erfragt. Jeder verifizierte Ansprechpartner hat im Juli 2006 eine personalisierte und individualisierte E-Mail erhalten mit der Bitte, sich an der Umfrage zu beteiligen. Personalisiert bedeutet, dass die Kommunikationsverantwortlichen namentlich angeschrieben wurden. Individualisiert heißt, dass ein Bezug zu dem jeweiligen Unternehmen hergestellt worden ist, um Interesse für die Umfrage zu wecken. Jeder Beteiligte erhielt das Angebot, einen Ergebnisbericht zugeschickt zu bekommen. Als besonderer Service wurde zudem eine personalisierte Auswertung der Fragen in einem Benchmarking mit dem gesamten Sample offeriert. Dazu musste allerdings die Zusicherung einer anonymen Auswertung aufgehoben werden, da der Datensatz für eine individualisierte Auswertung eindeutig zuordenbar sein muss. Die Befragten konnten entweder direkt einen OnlineFragebogen ausfüllen oder sich alternativ eine PDF-Datei zum Ausdruck herunterladen und entweder per Fax oder postalisch zurückschicken. Die überwiegende Mehrheit hat die Online-Variante gewählt. Anfang August wurde eine Nachfassaktion per E-Mail durchgeführt. Es sind insgesamt n=149 Unternehmen angeschrieben worden, davon alle DAX30- und alle TECDAX30Unternehmen sowie 89 Unternehmen, die im GEX notiert sind. Insgesamt konnten n=39, d.h. 26% verwertbare Fragebögen in die Auswertung einfließen. 14 Unternehmen haben kategorisch eine Beteiligung an Er-
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4.2 Ergebnisse 4.2.1 Steigende Bedeutung der CEO-Kommunikation Insgesamt gehen die Befragten von einer Bedeutungszunahme der Kommunikation des Top-Managements aus. Auffällig ist allerdings, dass während etwas mehr als ein Drittel der Großunternehmen CEO-Kommunikation bereits heute für wichtig hält, es bei den Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern bereits über zwei Drittel sind (vgl. Tab. 3). Tabelle 3:
Die Bedeutung der Kommunikation des Top-Managements
Die Bedeutung der Kommunikation des Top-Managements… …wird in Zukunft erfolgskritisch …nimmt in Zukunft eher zu …ist bereits heute wichtig …nimmt in Zukunft eher ab …wird keine Rolle mehr spielen keine Angabe
Über 15.000 MA (n=11)
Unter 15.000 MA (n=9)
Unter 1.000 MA (n=18)
46% 9% 36% ./. ./. 9%
11% 33% 44% 11% ./. ./.
17% 17 % 67% ./. ./. ./.
Offensichtlich versprechen sich gerade kleinere Unternehmen über die personifizierte Repräsentation einen Image- oder Reputationsgewinn. Dass fast die Hälfte der Kommunikationsverantwortlichen von Großunternehmen eine zukünftig erfolgskritische Bedeutung der CEO-Kommunikation erwartet, deutet auf einen verstärkten Trend nicht allein seitens der Medien hin, sondern auch auf eine bewusste Steuerung von Unternehmensseite. Die Befragten haben in einer nächsten Frage drei Zitate bewertet: „Mitarbeiter wollen ihren eigenen Standpunkt auch aus dem großen Zusammenhang heraus verstehen können – und dies muss eine Führungskraft mit Worten glaubhaft leisten können.“ (Professor Heinz Riesenhuber, ehemaliger Forschungsminister)
Bei der Bewertung dieses Zitats sticht hervor, dass von den DAX30-Unternehmen ca. zwei Drittel der Aussage voll zustimmen, wohingegen es bei den beiden anderen Unternehmenshebungen jeder Art abgelehnt. Vor dem Hintergrund des unbefriedigenden Rücklaufs von nur 26% konnte das eigentliche Ziel, tatsächlich zwischen den drei Börsensegmenten zu vergleichen, nicht realisiert werden. Dennoch lassen sich insgesamt Tendenzen aufzeigen, die in Folgestudien einer weiteren Überprüfung unterzogen werden könnten. Da feststellbar ist, dass alle Unternehmen mit mehr als 15.000 Mitarbeitern zu den DAX30-Unternehmen gehören und diese Gruppe getrennt ausgewiesen werden konnte, wird im Folgenden häufiger von den DAX30-Unternehmen und eben „den anderen“, dann zusammengefasst die TECDAX- und GEX-Unternehmen, die Rede sein. Darüber hinaus werden die Ergebnisse ansonsten unterteilt in die drei Gruppen der Unternehmen mit 1-1.000 Mitarbeitern, mit 1.001-15.000 sowie mit mehr als 15.000 Mitarbeitern ausgewiesen. Wichtig ist zu betonen, dass selbst wenn überwiegend 38 oder 39 Befragte alle Fragen beantwortet haben, gelegentlich auch bis zu vier Befragte einzelne Fragen ausgelassen haben. Diese fehlenden Angaben sind in der vorliegenden Auswertung berücksichtigt worden, so dass sich die Häufigkeitsangaben in Prozenten und die Mittelwertangaben immer auf die tatsächlich vorliegenden Antworten aus der jeweiligen Gruppe beziehen, und zwar unter Einbeziehung der nicht-gegebenen Antworten aus der Gruppe. Dennoch wird zur besseren Lesbarkeit nicht immer aufgeführt, um wie viele Antworten es sich genau handelt. Darüber hinaus werden die Prozentwerte gerundet.
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gruppen zusammengenommen nur rund ein Drittel sind, und zwar etwa ein Fünftel der Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern und etwas mehr als zwei Fünftel aus den Unternehmen mit 1.001 bis zu 15.000 Mitarbeitern (vgl. Tab. 4). Tabelle 4:
Führungskraft als glaubhafter Sinnstifter
Führungskraft als glaubhafter Sinnstifter
Über 15.000 MA (n=11)
Unter 15.000 MA Unter 1.000 MA (n=9) (n=18)
stimme voll zu
64%
44%
22%
stimme zu
27%
44%
61%
Indifferent
./.
11%
6%
lehne ab
./.
./.
11%
lehne voll ab
./.
./.
./.
keine Angabe
9%
./.
./.
Dies ist insofern wenig überraschend, als dass in kleinen Unternehmen die Unternehmensphilosophie deutlich präsenter sein sollte und weniger von Veränderungen etwa auch im Zuge von Internationalisierungsprozessen des Unternehmens oder durch Fusionen bzw. Change-Prozesse (vgl. Mast 2006) beansprucht werden dürfte. Hinzu kommt eine wahrscheinlich relativ hohe Stabilität der Führungsebene in kleineren Unternehmen, insbesondere bei Familienunternehmen. Während sich die Mitarbeiter also in kleineren Unternehmen relativ problemlos mit ihrem Unternehmen identifizieren können oder einen kritischen Standpunkt aufgrund von handfesten, für sie klaren Informationen vertreten können, braucht es bei den größeren Unternehmen deutlicher den CEO als Leitfigur, der auch neue Werte und Ziele des Unternehmens darlegen und glaubhaft vertreten kann. In dem zweiten Zitat ging es um die Bedeutung von Vertrauen in den CEO: „… immer habe ich nach dem Grundsatz gehandelt, lieber Geld verlieren als Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner Versprechungen, der Glaube an den Wert meiner Ware und an mein Wort, standen mir höher als ein vorübergehender Gewinn.“ (Robert Bosch, Gründer der Robert Bosch GmbH)
Mehr als doppelt so viele Befragte aus den DAX30-Unternehmen stimmen dieser Aussage voll zu, und zwar rund 46% gegenüber 22% aus den beiden anderen Gruppen (vgl. Tab. 5).
CEO-Kommunikation Tabelle 5:
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Relevanz des Vertrauens in den CEO
Relevanz des Vertrauens in den CEO stimme voll zu stimme zu indifferent lehne ab lehne voll ab keine Angabe
Über 15.000 MA (n=11)
Unter 15.000 MA (n=9)
Unter 1.000 MA (n=18)
46% 46% ./. ./. ./. 9%
11% 56% 22% ./. ./. 11%
28% 33% 33% 6% ./. ./.
Wir erklären uns das Resultat aus den Erfahrungen und dem Wissen der Kommunikationsverantwortlichen der DAX30-Unternehmen, die darum wissen, dass verlorenes Vertrauen in den meisten Fällen auch monetäre Verluste nach sich ziehen wird. Selbst wenn sie dies nicht aus eigener Erfahrung bestätigen können müssen, so können sie sich nahezu kontinuierlich über solche Fälle aus den Medien informieren, ein Umstand, der zumindest medial häufiger kommuniziert wird als in Bezug auf kleinere Unternehmen. Ebenso könnte dies Rückschlüsse auf einen höheren Professionalisierungsgrad bzw. eine Auseinandersetzung mit der strategischen Rolle der Kommunikation geben. Zuletzt sollten mit einem Zitat die kommunikativen Aufgaben des CEOs für das Unternehmen als Ganzes illustriert werden: „Managing image and company reputation is one of the more obvious jobs of the CEO.“ (Jack Welch, ehemals CEO von General Electric) Tabelle 6:
Imagepflege als Aufgabe des CEOs
Imagepflege als Aufgabe des CEOs stimme voll zu stimme zu Indifferent lehne ab lehne voll ab keine Angabe
Über 15.000 MA (n=11)
Unter 15.000 MA (n=9)
Unter 1.000 MA (n=18)
91% ./. ./. ./. ./. 9%
33% 56% 11% ./. ./. ./.
39% 44% ./. 11% ./. 6%
Alle Kommunikationsverantwortlichen der größten Unternehmensgruppe stimmen hier voll zu, bei den anderen beiden Gruppen sind es jeweils immerhin etwas mehr als ein Drittel und bis zu knapp 90 Prozent, wenn man die Aussagen „stimme voll zu“ und „stimme eher zu“ addiert. Dies zeigt klar, dass sich die Kommunikationsverantwortlichen absolut über den Umstand bewusst sind, der seit Längerem in allen Medien und Branchenmagazinen thematisiert wird: Das Image des CEOs hat einen großen Einfluss auf das Unternehmensimage und dies wiederum drückt sich in messbaren Erfolgsquoten des Unternehmens (etwa
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dem Kauf von Aktien) aus.8 An dieser Stelle halten wir es für erwähnenswert, dass die ethische und moralische Autorität des CEOs von fast 90 Prozent der Befragten als sehr hoch bzw. eher hoch eingestuft werden. Bei den DAX30-Unternehmen ist der Anteil derjenigen, die mit „sehr hoch“ geantwortet haben, deutlich höher als bei den anderen Unternehmen. Neben der funktionalen Reputation (Fachkompetenz) erhalten CEOs demnach Anerkennung für ihre moralische Integrität, soziale Reputation hat eine maßgebliche Bedeutung und kann die funktionale Reputation überlagern (vgl. zu den Begriffen funktionale und soziale Reputation Eisenegger/Imhof 2004: 242, ausführlich Eisenegger 2005: 28f.). Mit anderen Worten: Ein CEO kann ökonomische Leistungswerte erbringen, den Aktienkurs steigern oder neue Umsatzrekorde einfahren (funktionale Reputation), wenn aber seine persönliche Integrität (Korruption) oder die Handlungen (Stellenabbau bei gleichzeitigem Milliardengewinn) moralisch verwerflich sind, kann es zu einer Überlagerung der funktionalen Reputation durch die soziale Reputation kommen und die monetär sichtbaren Leistungswerte werden somit nahezu wertlos, weil das Gleichgewicht von den internen und externen Umwelten nicht mehr als stimmig empfunden wird.
4.2.2 Aufgabenverteilung und Anspruchsgruppen des CEOs Bislang ist relativ wenig über die Aufgabenverteilung an der Unternehmensspitze bekannt. Wir haben die Kommunikationsverantwortlichen mit einem Bündel von typischen Aufgaben von Top-Managern konfrontiert, das in der bisherigen Literatur allgemein als wichtig aufgeführt wird (z.B. Bunz 2005, Berner 2003, Scheurer 2001, Schrader 1995), wobei wir viele typische Managementaufgaben bewusst vernachlässigt haben, da die kommunikativen Faktoren erfasst werden sollten. Einige sind bewusst beibehalten worden, einerseits um Verzerrungen zu vermeiden, die entstehen, wenn man ohnehin nur kommunikative Aspekte in ihrer Wichtigkeit bewerten kann, andererseits um wichtige Vergleichswerte zu produzieren, also zu erfassen, ob inzwischen insgesamt betrachtet typische Managementaufgaben oder Kommunikationsaufgaben als relevanter eingestuft werden. Wenig überraschend ist die typische Managementaufgabe ,eine langfristige Unternehmensstrategie auszuarbeiten‘ auf Rang eins (Mittelwert 1,219). Führungskräftekommunikation und Repräsentation nach außen auf den Rängen zwei und drei (1,54 bzw. 1,56) werden nahezu als gleichgewichtig eingestuft. Die interne Kommunikation allgemein (1,77) verweist auf Platz fünf andere klassische Managementaufgaben wie etwa die Krisenbewältigung (2,05) auf dahinter liegende Plätze. Die Kommunikation nach innen wird also weniger wichtig eingestuft als die externe Kommunikation, allerdings noch vor anderen Manage8
9
Diese Korrelation wird wiederholt in verschiedenen Studien propagiert, z.B. von Burson-Marsteller. Allerdings scheint dies nur eine monokausale Erklärung zu sein, da andere Faktoren ausgeklammert sind. Beispielsweise hat sich der Aktienkurs von Siemens im vergangenen „annus horribilis“ (1.4.2006 bis 1.4.2007) vom größten Wettbewerber GE entkoppeln können und hat diesen sogar im letzten Quartal überrundet, trotz sämtlicher Negativmeldungen in diesem Zeitraum (BenQ-Verkauf, Korruptionsuntersuchung, etc.). Hier wird offenbar von den Investoren fein unterschieden zwischen der funktionalen Leistungserfüllung (also Return on Invest für die Anleger zu generieren) und der moralischen Integrität der Führungsspitze bzw. des Unternehmens. Obwohl das Image des ehemaligen CEO Klaus Kleinfeld verheerend war und er fast zeitlich mit Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer abgetreten ist, liefert das Unternehmen glänzende Zahlen: Offensichtlich kann die geforderte Kausalität zwischen CEO-Image und Unternehmenserfolg nicht aufrechterhalten werden, da es feine Unterschiede in der Bewertung der Reputationsarten gibt (vgl. Eisenegger 2005: 28ff.). Bewertung auf einer Likert-Skala nach deutschen Schulnoten.
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mentaufgaben angeführt. Ein differenzierteres Bild zeigt sich, wenn hier als intervenierende Variable die Größe der Unternehmen berücksichtigt wird: die Kommunikationsverantwortlichen aus den Großkonzernen der DAX30 stufen die Repräsentation nach außen als eine weniger wichtige CEO-Aufgabe ein als ihre Kollegen aus dem TECDAX- und GEXSegment. Bei der internen Kommunikation verhält es sich genau umgekehrt, und zwar sowohl bezogen auf die Führungskräfte als auch auf die interne Kommunikation allgemein: Diese halten die Kommunikationsverantwortlichen aus den DAX30-Unternehmen für wichtiger als ihre Kollegen aus den beiden anderen Segmenten. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass sich die CEOs aus den DAX-30-Unternehmen in der Außenkommunikation eher auf ihre Kommunikationsverantwortlichen verlassen als hier selbst agieren zu wollen. Hingegen ist die interne Kommunikation häufig ein vernachlässigtes Feld. Zugleich ist es gerade bei den großen DAX-30-Unternehmen wichtig, dass die Mitarbeiter hinter ihrem Unternehmen stehen und über die Ziele und die Strategien für ihre Erreichung informiert sind. Dies versucht der CEO offensichtlich, über die Ebene der weiteren Führungskräfte zu vermitteln, eventuell holt er sich so auch Informationen von innen für weitere Entscheidungen. Aber auch die Entwicklung der langfristigen Unternehmensstrategie ist – von den planerischen und budgetären Erwägungen abgesehen – primär eine kommunikative und politische Umsetzung, in der es darum geht, die wichtigsten Stakeholder frühzeitig kommunikativ mit einzubinden. Die beste Strategie versickert wirkungslos, wird sie nicht entsprechend kommunikativ vorbereitet und umgesetzt. Dazu dienen vor allem die Führungskräfte nach innen und die Gremien wie der Aufsichtsrat nach außen bzw. gegenüber Investoren. Der Befund der Aufgaben deckt sich mit den wichtigsten Stakeholdern (siehe Kapitel 4.2.3). Wenn die Abstände auch nicht gewaltig sein mögen, es ist sichtbar, wie hoch die Anforderungen und Erwartungen an den CEO hinsichtlich der Gestaltung der internen und externen Kommunikation sind. Ein Befund, der in der modernen Mediengesellschaft zwar nicht gänzlich unerwartet ist, doch möglicherweise noch vor wenigen Jahren weniger drastisch auszuweisen gewesen wäre.
4.2.3 Wichtige Stakeholdergruppen für den CEO Abbildung 2:
Wie wichtig sind die folgenden Gruppen für die Kommunikation des CEOs Ihres Unternehmens?
Quelle: eigene Darstellung (n= 38, Ranking nach Schulnoten 1-5; 1=sehr wichtig)
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Als wichtigste Stakeholder werden die Kunden genannt, deren zugeschriebene Relevanz wiederum von den kleinsten zu den größten Unternehmen zunimmt. An zweiter Stelle stehen Investoren und Finanzanalysten, gefolgt vom Aufsichtsrat. Diese Rangfolge ist aufgrund der Tatsache, dass börsennotierte Unternehmen untersucht wurden, nicht weiter erstaunlich. Auffallend ist allerdings, dass mediale Multiplikatoren erst an fünfter Stelle als relevante Stakeholder genannt werden, nach den Mitarbeitern auf Platz vier. Ganz offensichtlich werden zunächst die obersten Prioritäten abgearbeitet, und zwar: Geld verdienen (mit den Kunden) und Kapitalgeber zufrieden stellen (Investoren). Erst dann kommen interne Kontrollgremien (Aufsichtsrat) sowie die Motoren des Unternehmens, die Mitarbeiter. Aus dieser Perspektive ist es nicht verwunderlich, dass es für Journalisten schwierig sein kann, CEOs vor laufende Kameras zu bekommen oder in Talkshows einzuladen. Festzustellen ist, dass sich aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen das Topmanagement eher direkt an die Kunden und nach innen richten sollte, während sie – als professionelle Kommunikatoren – selbst den Journalisten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen: Somit wird eine Arbeitsteilung angestrebt. Eigentlich kann es schon als Privileg gewertet werden, einen exklusiven Interviewtermin mit dem CEO für einen Bericht in einem Magazin oder Ähnlichem zu erhalten, wäre es doch ebenso denkbar, dass der Kommunikationsverantwortliche ein solches Interview selbst verfasst, dem CEO eventuell zur Freigabe vorlegt und dann an die entsprechende Redaktion schickt, um dem CEO den Rücken frei zu halten für die Kommunikation mit den für ihn wichtigen Stakeholdern. Auf der anderen Seite benötigt ein Unternehmen eine gesellschaftlich legitimierte „license to operate“ (Zerfaß 1996: 34) und diese kann nur über die mediale Präsenz und Kontakte nach außen etabliert und gehalten werden. Insgesamt fällt zudem auf, dass jeweils stets die Großkonzerne die Wichtigkeit von den angeführten Stakeholdern für die Kommunikation des CEOs höher einstufen als ihre Kollegen aus den beiden anderen börsennotierten Unternehmen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass seitens der Kommunikationsverantwortlichen der größeren Unternehmen klarer davon ausgegangen wird, dass sich der CEO auch tatsächlich persönlich an die Stakeholder wenden muss und dies nicht allein seinem Sprecher oder einem anderen Mitarbeiter aus der Unternehmenskommunikation überlässt. Dies spricht dafür, dass es in Zukunft gerade in den Großunternehmen wichtiger werden wird, Konzepte seitens der Kommunikationsverantwortlichen für die CEO-Kommunikation zu entwerfen (vgl. Graham 1997). Denn es ist damit zu rechnen, dass die hauptamtlichen Kommunikatoren diesbezüglich stärker beratend intervenieren müssen (vgl. Deekeling/Arndt 2006: 141ff.), entweder weil sie vom CEO darum gebeten werden oder weil ihnen andernfalls die Kontrolle über die Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens ein Stück weit entgleitet.
4.2.4 Einflussfaktoren auf das CEO-Image Die Frage lautete: „Bitte beurteilen Sie den Einfluss von folgenden ausgewählten Eigenschaften Ihres CEO für sein/ihr Image.“ Als besonders relevant sehen die Kommunikationsverantwortlichen persönliche Qualitäten des CEOs an. Darunter fallen Glaubwürdigkeit, Überzeugungskraft, Authentizität und Integrität sowie Charisma.10 10
Anstatt die Diskussion um Charisma in der Wirtschaft seit Max Weber nochmals nachzuzeichnen siehe stattdessen die Zusammenfassung bei Fanelli/Misangyi 2006 mit einem besonderen Bezug zum CEO und
CEO-Kommunikation Abbildung 3:
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Einflussfaktoren auf das CEO-Image
Quelle: eigene Darstellung (n= 38, Ranking nach Schulnoten 1-5; 1=sehr wichtig)
Was sich allerdings hinter diesen – unter Umständen auch austauschbaren – Begriffen verbirgt, hat auch die Wissenschaft nur begrenzt erschließen können (z.B. als Übersicht Fanelli/Misangyi 2006). Offensichtlich geht es um den Wesenskern einer Person, die eine unverwechselbare und moralisch integre Persönlichkeit formt (vgl. hierzu z.B. Wachtel 2003). Wie allerdings diese Eigenschaften erworben werden – und ob dies nicht nur Zuschreibungen von außen sind –, konnten wir im Rahmen dieser Studie nicht erheben. Kennzeichnend ist jedoch, dass es weniger auf die „trainierbaren“ Eigenschaften wie Fachkompetenz oder mediales Auftreten ankommt, sondern dass die wichtigsten Eigenschaften die ethisch-moralische Werteebene berühren. Implizit wird also ein Bild auf den CEO projiziert, das sowohl einen integren und moralischen Manager fordert, aber gleichzeitig auch Überzeugungskraft und Durchsetzungsfähigkeit verlangt. Auch Kooperationsbereitschaft und Netzwerkfähigkeiten sind als stärker „feminine“ Werte eher am Ende der Skala zu finden. Es geht also um die Beschreibung von maskulinen „Macher-Eigenschaften“, wie sie auch dem Idealtypus des „kreativen Zerstörers“ von Joseph A. Schumpeter (1997) nachgezeichnet wurden. Nun darf man nicht vergessen, dass es sich hier nicht um tatsächliche Eigenschaften eines CEO handelt, sondern um idealtypische Einschätzun-
den externen Stakeholdern, kritisch dazu Khurana 2002 und Hayward/Rindova/Pollock 2004. Für eine Beschreibung des deutschsprachigen Forschungsstandes siehe Steyrer 1999 sowie historisch den Beitrag von Kurt Imhof in diesem Band.
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gen der befragten Kommunikationsverantwortlichen, also einen kommunikativen „Idealtypus“ eines CEO.11
4.2.5 Instrumente der CEO-Kommunikation Für Kommunikationsverantwortliche ist die Wahl des richtigen Kommunikationsinstruments zur Positionierung des Top-Managements von entscheidender Bedeutung. Abbildung 4:
Bedeutung der Kommunikationsinstrumente
Quelle: eigene Darstellung (n= 38, Ranking nach Schulnoten 1-5; 1=sehr wichtig)
Die Frage lautete: „Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Bedeutung folgender Kommunikationsinstrumente, um den CEO ,in Szene zu setzen‘ bzw. zu positionieren?“ Auffallend ist, dass zunächst die persönliche Beziehung bzw. der persönliche Kontakt zu Analysten und zu Journalisten als wichtigstes Kommunikationsinstrument aufgefasst wird. In Vier- bis AchtAugen-Gesprächen kann sich die Person des CEOs wohl stärker entfalten als in genau definierten Settings, die nach bestimmten Skripten ablaufen wie z.B. bei einer Pressekonferenz oder bei einem Fernsehauftritt. Sofern hier eine vertrauliche Atmosphäre aufgebaut werden kann, kann der CEO seine „Maske ablegen“ und „Tacheles reden“. Diese Kommunikation bekommt gleichzeitig – durch die Verknappung des Zugangs zum CEO – einen exklusiven 11
Zum Begriff des Idealtypus siehe Weber 1991: 77: Er hat „die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes ..., an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihrer empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird.“
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Charakter. Dieser wird gleichsam verstärkt, wenn man Themen behandelt, die „off-topic“ sind, also nicht als verlautbare Kommuniqués des Unternehmens oder des CEOs thematisiert werden, sondern als Hintergründe, Überlegungen und Details erst sichtbar werden. Neben diesen stark personenzentrierten und direkten Kommunikationsformen sind Interviews oder Berichte in speziellen Wirtschaftsmagazinen von Bedeutung, ebenso wie die überregionalen Printpublikationen eine wichtige Rolle spielen, dazu zählen natürlich die Qualitätszeitungen. Insgesamt sind dies die Medien der gesellschaftlichen Elite und Meinungsführer. Erst danach kommt undifferenziert das Fernsehen, dem aber durch die Präsenzwirkung häufig eine starke Wirkung zugeschrieben wird. Aber die Positionierungsmöglichkeiten für das Thema Wirtschaft sind im Fernsehen eher gering und beschränken sich auf spezialisierte Nachrichtensender wie N24, Bloomberg, CNBC oder n-tv oder es ist in PolitTalkshows zu finden. Ansonsten wird das Thema Wirtschaft in den Tagesnachrichten oder in wirtschaftskritischen TV-Magazinen wie „Monitor“ oder „Report“ abgehandelt.12 Die elektronische Mitarbeiterkommunikation hat eine leicht höhere Relevanz als die klassische Mitarbeiterzeitung, die auf der gleichen Stufe steht wie persönliche Auftritte auf Kongressen und Veranstaltungen. Hingegen werden die Übernahme von Mandaten sowie symbolische Handlungen, die in der Regel inszeniert werden, wie eine Werkseröffnung oder ein Jubiläum oder die Übernahme von Ehrenämtern, als nicht besonders wichtig angesehen. Noch keine Rolle spielen neue Medien wie Weblogs oder Podcasts für die CEOKommunikation. Symbolische Handlungen, die beispielsweise für die Inszenierung des CEOs eingesetzt werden können (vgl. Deekeling 2003), und Ehrenämter werden gemeinsam mit den neuen Medienformaten der Social Software (Weblogs oder Podcasts) als eher unwichtig eingeschätzt.
4.2.6 Chancen und Risiken der CEO-Kommunikation Abbildung 5:
Glaubwürdigkeits- und Skandalisierungsrisiken
Quelle: eigene Darstellung (n= 38, Ranking nach Schulnoten 1-5; 1=sehr wichtig) 12
In der Auflistung waren international führende Finanzpublikationen wie das Wall Street Journal, Financial Times oder entsprechende Fernsehsender nicht aufgeführt, weil diese wahrscheinlich nur für die Großkonzerne interessant sind und nur in Ausnahmefällen über die kleineren Unternehmen berichten. Allerdings kann man davon ausgehen, dass für die DAX30-Konzerne aufgrund der Aktionärsstruktur die internationale Berichterstattung maßgeblich sein kann.
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Der CEO übernimmt eine Schlüsselrolle in der Kommunikation und verleiht einer Organisation ein Gesicht. Dazu ist die Kongruenz von Aussage und Handlung besonders relevant. Wird diese gebrochen (z.B. Siemens erhöht die Vorstandsgehälter und gleichzeitig geht das verkaufte Tochterunternehmen BENQ insolvent), führt dies zu Verletzungen der Glaubwürdigkeitspostulate der Öffentlichkeit (Buß/Fink-Heuberger 2000: 104f.) und führt zu einer Skandalisierung der Situation. Durch die starke Betonung der Person an der Spitze werden aber auch Reputations- und Skandalisierungsrisiken freigesetzt. Die Erkenntnis darüber ist besonders bei den Kommunikationsverantwortlichen in Großunternehmen vorhanden. Trotzdem wird an dem „Zwang zur Personalisierung“ (Imhof 2006b) festgehalten – vielleicht auch, weil keine andere Option besteht und die Ansprüche der Medien sich so stark auf die Person fokussieren, dass eine proaktive Personalisierungsstrategie mit mehr Chancen verbunden ist. Dass in Großkonzernen Personen eigentlich keine Rolle mehr spielen und austauschbar geworden sind, weisen die Befragten deutlich zurück. Einzig die Kommunikationsverantwortlichen aus der mittleren Gruppe, den Unternehmen mit 1.000 bis 15.000 Mitarbeitern, verorten diese Aussage eher im hinteren Mittelfeld, wohingegen die anderen Befragten sie tatsächlich entschieden ablehnen. Herausragend für alle Befragten ist, dass Reden und Handeln des CEOs übereinstimmen müssen. Hingegen stimmen der Aussage „Glaubwürdigkeit unseres CEO ist unser wichtigstes Kapital“ deutlich mehr Kommunikationsverantwortliche der DAX30-Unternehmen zu als aus den anderen beiden Unternehmensgruppen. Hierzu wurde bereits angeführt, dass dies am ehesten auf das mediale Aufgreifen von Glaubwürdigkeitsverlusten und damit einhergehenden negativen wirtschaftlichen Folgen verbunden sein dürfte.
4.2.7 Personifizierung beinhaltet (noch) nicht Privatisierung Der Aussage „Das Privatleben von Managern sollte absolut tabu sein für die Unternehmenskommunikation“ stimmen zwar mehr als die Hälfte der Befragten zu bzw. eher zu – aber zugleich bleiben fast ein Drittel indifferent und rund zehn Prozent lehnen die Frage eher ab oder ab. Die DAX30-Unternehmen sehen hierbei offensichtlich eine größere Gefahr als ihre Kollegen aus den anderen Unternehmen. Niemand hat die Aussage abgelehnt und über zwei Drittel aus dieser Gruppe haben ihr zugestimmt bzw. eher zugestimmt. Erstaunlich ist, dass wiederum fast die Hälfte der Befragten der Aussage zustimmt „Privates bzw. die persönliche Seite von Managern macht eine Organisation sympathischer/freundlicher“, während ein Drittel indifferent dazu stehen und die anderen der Aussage gegenüber ablehnend gegenüberstehen. Allerdings zeigt sich bei genauer Betrachtung auch hier die Skepsis der Kommunikationsverantwortlichen aus den DAX30-Unternehmen. Das heißt, dass personifizierter Kommunikation zwar eine hohe Bedeutung beigemessen wird, der Einbau von privaten Elementen seitens der Kommunikationsverantwortlichen jedoch eher zu vermeiden gesucht wird.
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4.2.8 Wichtige Merkmale der Befragten Zugang zum CEO und externe Beratungskonkurrenz Einleitend haben wir hervorgehoben, wie wichtig der gute Zugang der Kommunikationsverantwortlichen zum Top-Management ist. Empirisch konnten wir feststellen, dass knapp drei Fünftel der Befragten zustimmen oder eher zustimmen, in die wichtigsten Entscheidungsprozesse eingebunden zu sein. Gut zwei Fünftel haben hier jedoch indifferent bis ablehnend geantwortet. Gleichzeitig lässt sich konstatieren, dass mehr als vier Fünftel (85 Prozent) jederzeit Zugang zu ihrem CEO haben. Dies deutet darauf hin, dass es relativ vielen von ihnen offensichtlich nicht in ausreichendem Maße gelingt, sich entsprechend zu positionieren, um tatsächlich als Berater und „Sparring Partner“ agieren zu können. Dazu passt der Befund, dass mehr als ein Drittel (39 Prozent) der CEOs in bestimmten Situationen zusätzliche externe Kommunikationsberatung in Anspruch nehmen. Zwar wurde hier nicht abgefragt, ob diese Aufgabe von Einzelberatern oder Agenturen und welcher Art genau (wissenschaftlicher Beratung oder PR-Beratung) übernommen wird, doch ist davon auszugehen, dass die Position des Kommunikationsverantwortlichen damit geschwächt wird. Interessant ist, dass es den Befragten aus den DAX30-Unternehmen eher gelingt, in die wichtigsten Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden: Während hier 73 Prozent der Befragten zustimmen oder eher zustimmen, dort eingebunden zu sein, sind es bei den Unternehmen mit 1-1.000 Mitarbeitern nur 45 Prozent, bei der mittleren Gruppe immerhin 67 Prozent. Externe Kommunikationsberatung durch den CEO wird nach Kenntnis der Befragten am häufigsten in den Unternehmen der mittleren Gruppe in Anspruch genommen, wobei die DAX30-Unternehmen das Schlusslicht bilden, was erneut auf die dortige herausgehobene Stellung der Kommunikationsverantwortlichen hindeutet. CEO-Kommunikation ist kein Zufallsprodukt. Der Aussage, „unser CEO wird kommunikativ auf ein Gespräch vorbereitet“, stimmen fast alle Befragten der DAX30Unternehmen zu (73 Prozent) bzw. eher zu (18 Prozent), während es bei den anderen nur 22 (zustimmend) bzw. 30 Prozent (eher zustimmend) waren. Auch hier zeigt sich also eine größere Professionalität bei den DAX30-Unternehmen.
Alter, Ausbildung und Berufsbezeichnung Dass die meisten Befragten zwischen 40 und 49 Jahren alt sind, ist aufgrund ihrer Position als Kommunikationsverantwortliche in börsennotierten Unternehmen nicht weiter verwunderlich. Des Weiteren zeigen die erhobenen soziodemographischen Daten allerdings, dass es sich keineswegs um eine homogene Gruppe handelt, die Kommunikation für die ausgewählten deutschen Unternehmen leistet – von einer Professionalisierung ist man hier noch weit entfernt: Es erstaunt, dass immerhin ein knappes Drittel der Befragten kein Hochschulstudium abgeschlossen hat. Von den 27 Kommunikationsverantwortlichen, die über einen solchen Abschluss verfügen, haben wiederum gut ein Viertel Kommunikationswissenschaft, Publizistik oder Journalistik studiert. Die Hälfte von ihnen arbeitet in den Unternehmen mit 1-1.000 Mitarbeitern. Darüber hinaus lässt sich kein eindeutiger weiterer
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Schwerpunkt festmachen. Von Biologen, Geografen, Historikern, Politikwissenschaftlern, Juristen, Volks- und Betriebswirten bis zu Ingenieuren und Elektronikern ist alles vertreten. Fast die Hälfte der Befragten hat nicht an irgendwelchen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Kommunikationsmanagement/PR teilgenommen, wobei zertifizierte Ausbildungsmaßnahmen so gut wie nie durchlaufen worden sind. PR-Training findet im Rahmen von zeitlich überschaubaren Unterrichtseinheiten statt, die ab und zu oder einmalig eingeschoben werden können. Im Übrigen ist auffällig, dass die offizielle Bezeichnung der Position der Befragten mehrfach Querbezüge bzw. die Verschmelzung von der allgemeinen Unternehmenskommunikation und Investor Relations aufweist. So finden sich Benennungen wie Director Communication, Investor & Public Relations, IR/PR Manager, Investor Relations & PR, Leiter Kommunikation/Investor Relations oder Pressesprecher, Head of IR und Marketing. Eine solche Vermischung scheint jedoch nicht bei den DAX30-Unternehmen vorzukommen. 5
Fazit und Ausblick: CEO-Kommunikation als Herausforderung und Forschungsfeld
Die Rolle des Kommunikationsverantwortlichen wird strategischer und eine ManagementAufgabe. Auch die Professionalisierung schreitet voran. „Strategisch kommunizieren und führen“ (Sievert/Langen 2006) wird zu einer Schlüsselqualifikation der nächsten Generation von Kommunikationsmanagern. Topmanager können sich – gestützt durch positive Ertragszahlen oder Umfragewerte – zu einem Höhenflug als „Celebrity CEO“ (Hayward/Rindova/Pollock 2004) aufschwingen, ohne dass dies der Kommunikationsverantwortliche verhindern kann. Werden allerdings die hohen Erwartungen enttäuscht – sei es durch weniger gute Geschäftszahlen oder durch menschliches Fehlverhalten –, kann der Sturz umso tiefer sein, Beispiele sind jedem sofort präsent. Hier wird deutlich, dass die moralische Reputation einer Person offenbar die funktionale Reputation überlagern kann: dies bedeutet, dass trotz wirtschaftlichen Erfolgs die Reputation darunter leidet, wenn die Integrität einer Person in Frage gestellt wird. Es hat sich insbesondere gezeigt, dass von CEOs zunehmend moralische Integrität verlangt wird, blendende Geschäftszahlen allein also keine gelungene Performance versprechen. Dies stellt neue Herausforderungen auch an die Kommunikation hinsichtlich der organisatorischen (wie gesellschaftlichen) Verantwortungsübernahme seitens des CEO und des Unternehmens. Ein Kommunikationsmanager, der eine tragfähige, aber auch belastbare Beziehung zum Top-Management hat (vgl. Graham 1997), muss auch im Geschäft mit Eitelkeiten seine Stimme kritisch erheben können, um eine Erdung mit den moralisch-ethischen Grundpostulaten der öffentlichen Meinung wieder herstellen zu können – dies kann bei den starken Persönlichkeiten der Top-Manager schwierig sein (vgl. Eidenschink 2003) und fordert neue „Sparring“-Kompetenzen des Kommunikationsmanagers. Wendelin Wiedeking, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und von den Teilnehmern der Befragung als bester Kommunikator im deutschsprachigen Raum gekürt, und sein Kommunikationschef Anton Hunger (Kalt 2006) sind ein eingespieltes Team, das dies brillant tut. In Folgestudien wäre es diesbezüglich aufschlussreich, nicht nur die Sicht des Kommunikationsmanagers, son-
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dern auch seines Auftraggebers, des CEO, einzubeziehen. Dies ist in der Kommunikationsund PR-Forschung eine nicht zuletzt aus Gründen des schwierigen Feldzugangs zur obersten Führungsebene (sowohl bei Wirtschaftsunternehmen als auch etwa bei politischen Akteuren) eine bislang vernachlässigte Größe. Trotz des Postulats des strategischen Kommunikationsmanagements: Wenn es um Personen geht, geht es auch immer um Werte, Ethik und Moral. Und diese personengebundenen Werte zu stärken und in den Mittelpunkt zu rücken, ist eine der wichtigsten Aufgaben, wenn es um die Kommunikationsarbeit mit dem Top-Management geht. Es sollte deutlich geworden sein, dass kommunikative Kompetenzen tatsächlich unverzichtbar für heutige CEOs geworden sind und sich die CEO-Kommunikation als wichtiger Aufgabenbereich für Kommunikationsmanager herauskristallisiert. Obwohl es erste Anzeichen für die Bedeutung des CEO-Images für das Unternehmensimage gibt (vgl. Brettschneider 2007, Burson-Marsteller 2006), kann diese Rückkopplung nicht ohne weiteres generalisiert werden. Festzuhalten ist zum einen, dass in dieser Studie die Kommunikationsverantwortlichen danach befragt wurden, welchen Stellenwert die CEO-Kommunikation aus ihrer Sicht hat. Es wurden also nicht etwa die Stakeholder befragt oder eine Analyse vorgenommen, die die CEO-Kommunikation in Beziehung gesetzt hätte zum Unternehmensimage. Die tatsächliche Auswirkung wäre also weiter zu erforschen. Zum anderen ist es auffällig, dass in der Praxis mehrheitlich Stimmen anderer Kommunikationsverantwortlicher laut werden, wenn es um die hohe Bedeutung von CEOKommunikation geht, und zwar diejenigen von Agenturen und ihren Vertretern, die hierbei natürlich auch ein Tätigkeitsfeld formen und mit ihrer Expertise besetzen wollen (vgl. pars pro toto Deekeling/Arndt 2007: 20). Es zeigt sich also: Auch für das junge Forschungsfeld CEO-Kommunikation stellt sich die Frage, welchen Beitrag es in diesem Prozess genau leisten kann.
Zur Konzeption eines sich abzeichnenden Forschungsfeldes Dieser Beitrag hatte zum Ziel, das Feld „CEO-Kommunikation“ zunächst theoretisch zu beschreiben und anschließend empirische Ergebnisse im Sinne der Kommunikatorforschung zu präsentieren. Natürlich sind die Ergebnisse in ihrer Aussagekraft beschränkt, umfassen sie doch nur einen kleinen Ausschnitt. Dennoch kann damit das Forschungsfeld umrissen werden. Zukünftig sind aus unserer Sicht vor allem folgende, systematische Arbeiten gewinnbringend: 1.
2. 3. 4. 5.
Theoretische Anbindung des Forschungsfeldes innerhalb der Organisationskommunikation und v.a. an die Organisationssoziologie bzw. Managementforschung, die sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigt; verstärkter Einsatz von komparativen Studien (Länder- und Branchenvergleiche); Einbeziehung weiterer Stakeholdergruppen in die Bewertung der CEO-Kommunikation (360 Grad-Modelle); Längs- und Querschnittsanalysen mit inhaltsanalytischen Instrumenten; qualitative Studien mit CEOs und Kommunikationsverantwortlichen zur stärkeren Untersuchung der Beziehung zwischen beiden, z.B. durch ethnomethodologische Verfahren.
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In der Konzeption von CEO-Kommunikation bleibt das Spannungsfeld zwischen privater und öffentlicher Kommunikation des CEO ein interessantes Forschungsfeld. Insbesondere bei Top-Managern besteht ein nicht unbegründeter Verdacht an Eitelkeit und Narzissmus (vgl. Kahlen/Wiskow 2006, Berner 2003). Wenn das Impression Management überzogen wirkt und weder zur Person noch zu den gesellschaftlichen Grundwerten passt, kann die CEO-Kommunikation zu einem nur schwer kalkulierbaren Risiko werden. Bezüglich der Aufnahme von privaten Inhalten in die CEO-Kommunikation wäre es interessant, diese (Vermeidungs-)Strategie der Kommunikationsverantwortlichen abzugleichen mit der Medienberichterstattung, d.h. zu prüfen, ob eine Zurückhaltung seitens der Journalisten ebenso erfolgt oder genau das Gegenteil der Fall ist, also ein medienlogischer Zwang zur Personalisierung besteht. Zusätzlich können Ähnlichkeiten und Unterschiede zur politischen Kommunikation herausgearbeitet werden. Eine Langzeituntersuchung (vgl. Schatz 2004) könnte Änderungen im Zeitverlauf aufzeigen und eine Gegenüberstellung mit anderen Ländern allgemeine Trends bzw. Abweichungen innerhalb Europas oder zwischen europäischen und anderen Kontinenten deutlich machen: welchen Einfluss hat beispielsweise das jeweilige Mediensystem oder die Nationalkultur bzw. die Rolle des Journalismus? Insgesamt zeigt sich, dass viel Forschungspotential frei liegt. Gefordert sind nicht allein weitere empirische Studien, sondern speziell dort, wo es um Ländervergleiche oder Branchenvergleiche gehen könnte, auch weitergehende theoretische Erklärungen. Die weitere Bearbeitung hat damit zum einen wissenschaftliche Bedeutung und könnte zugleich praktische Handlungsanleitungen geben, vor allem dann, wenn es gelänge, in Langzeitanalysen (Kommunikations-)Risiken und (Kommunikations-)Chancen von unterschiedlichen CEO- sowie Unternehmenstypen aufzuzeigen. Dazu gehört auch eine stärker interdisziplinär ausgerichtete Anbindung an weitere Disziplinen wie die Organisationssoziologie oder die Managementforschung.
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Endowing organizations with personality: The strategy of charismatic legitimation Arild Wæraas
1
Introduction
How do organizations acquire organizational legitimacy, and what is the basis for legitimacy? The interest in the relationship between organizations and their environments in literatures such as organizational theory and corporate (organizational) communication has produced various answers to these questions. For example, in organizational theory, legitimacy is often seen as based on the appropriateness of formal structures, procedures, and goals, and gaining legitimacy is a matter of adapting to widely shared social norms and values (cf. DiMaggio/Powell 1983, Dowling/Pfeffer 1975, Meyer/Rowan 1977, Parsons 1956, Suchman 1995). In corporate communication, the term reputation is usually substituted for legitimacy, and has been found to result from emotional appeal, vision and leadership, financial performance, workplace environment, social responsibility, and great products and services (cf. Fombrun/van Riel 2004). Recently there has been a growing interest in the impact of corporate personality on organizational survival and success. It has been claimed that a positive corporate personality contributes significantly to an organization’s reputation, and that organizations manage their reputation by managing their corporate personality (cf. Davies et al. 2003, Olins 1978). The essence of this line of reasoning is that the perceptions stakeholders have of an organization’s characteristics may resemble those usually associated with humans and can be described along the same dimensions. In much the same way as likable individuals attract friends and admirers, organizations may acquire similar support from stakeholders if they are seen as attractive and likeable. In this chapter it is argued that organizations seek to acquire such support by displaying charismatic personality traits. The background for this claim is the degree to which organizations attempt to be perceived as something more than rational, goal-oriented entities by making stakeholders identify with, like, and trust them on a very personal level. They do so, it is argued here, by conveying verbal messages carefully designed to project characteristics usually associated with charismatic individuals. The goal of these efforts is to obtain external support that is based on strong emotional attachments to the organization. Expanding on the ideas of Max Weber, I will use the terms charismatic legitimacy and charismatic legitimation to analyze this phenomenon. More precisely I will argue that the efforts to create emotional attachments to a corporate ‘persona’ represent a strategy of charismatic legitimation where the ultimate aim is to obtain charismatic legitimacy. The chapter starts by outlining the concepts of charismatic legitimacy and corporate personality and discusses the benefits of using these individual-level constructs to analyze organization-level processes. Then it addresses how the strategy of charismatic legitimation entails promoting charismatic human-like characteristics. Data from a study of the Norwegian
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Railways Agency (the NSB) are used to illustrate the strategy. Lastly, some lessons from this case study regarding the potential benefits and risks of charismatic legitimation are discussed.
2
Corporate personality and charismatic legitimacy
2.1 Can organizations have personalities? The idea of organizations having personalities is based on the notion that organizations in many ways are like individuals. Both in everyday language and in theories of organizational behavior and communication, organizations are personified and attributed with human personality traits. In fact, a ‘personality’ or ‘person’ metaphor has become so common that it is virtually taken for granted as a meaningful way of understanding organizations (cf. Czarniawska 1997, Davies/Chun 2002, Olins 1978). According to Czarniawska (1997: 41) personifying organizations emerges from the view that “…organizations are not really individuals, but for all practical purposes they are like individuals” (italics in original). In other words, organizations are understood as social actors (cf. Allen/Caillouet 1994, Scott 2003, Whetten/Mackey 2002) or as ‘super-persons’ with qualities that are comparable to those of individuals (cf. Sevón 1996). Similar perceptions apply to product brands (cf. Aaker 1997). For example, while Coca-Cola is believed to be “cool” and “all-American”, Pepsi is “young” and “exciting” (cf. Slaughter et al. 2004). Borrowing from Aaker’s (1997) definition of brand personality, corporate personality is here defined as the human personality characteristics perceived to be associated with an organization (cf. Davies et al. 2003, Slaughter et al. 2004). Perceptions of corporate personality are manifested in a number of ways. For example, organizations attempt to make their relevant audiences believe that they have human-like features. Claims of being honest, responsible, open, reliable, etc. are made in slogans, value, vision, mission, as well as brand statements, as important parts of corporate branding, reputation management, marketing, and employment advertisements and personnel recruitment efforts. Furthermore, scholars and practitioners talk about the learning organization (cf. Senge 2006), the innovative organization (cf. Fenton/Pettigrew 2000, Mintzberg 1979), the intelligent organization (Pinchot and Pinchot 1993), and the expressive organization (cf. Schultz et al. 2000). Several metaphors for dysfunctional personality characteristics have also been suggested such as the neurotic organization (de Vries and Miller 1984), the addictive organization (cf. Schaef/Fassel 1988), and the suicidal organization (cf. Weaver 1988). Recently, pathologically psychopathic organizations have been described by Joel Bakan (2004). Some researchers have conducted more systematical research on the basis of personality dimensions. For example, Slaughter and his colleagues (2004) found that organizational personality could be captured using five factors: Boy Scout (friendly, attentive to people, pleasant), innovativeness (interesting, exciting, unique), dominance (successful, popular, dominant), thrift (low budget, low class, simple), and style (stylish, fashionable, hip). Similarly, Davies and his colleagues (2003) suggest measuring reputation on the basis of dimensions encompassing agreeableness (cheerful, pleasant, open), enterprise (cool, trendy, innovative), competence (reliable, secure, hardworking), chic (charming, stylish, elegant), ruthlessness (arrogant, aggressive, selfish), machismo (masculine, tough, rugged), and informality (casual, simple, easy-going).
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Thus, although it is clear that organizations do not have personalities from a purely objective standpoint, it is just as clear that they are attributed – and attribute themselves – with specific human personality traits. By using a personification metaphor to explore this phenomenon, which in this text includes the concept of charismatic corporate personality, we can understand organizations better (cf. Davies/Chun 2002), and not least their strategic attempts to construct a particular impression of themselves.
2.2 Charismatic personality and legitimacy Charismatic characteristics, like other personality characteristics, are usually attributed to individuals. However, some organizations enjoy a standing that is comparable to those of charismatic individuals. Such organizations have in common a very profound and personal relation to their members or ‘followers’. Just like some brands seem to have “spiritual power” and “have become some kind of replacement or supplement for religious belief” (Olins 2000: 63), ‘fans’ of these organizations display a remarkable degree of support and loyalty, almost to the point of religious worshiping. For example, some Harley Davidson bikers are so devoted that they have the brand name tattooed on their arm and make their relation with the organization into a very personal matter. Many Apple users are so loyal and committed that they voluntarily become unpaid advocates of the brand, and some of them are so extreme that they are referred to as “Apple evangelists” or “Apple zealots”. Thus, they display much of the same dedication that followers of charismatic individuals are known for (cf. House/Baetz 1979), which cannot be explained merely by pointing to the rational attributes of the products. Rather, the admiration is based on what the organization is perceived to be and represent, on the basis of which the organization derives legitimacy. A natural starting point for understanding the concepts of charisma and charismatic legitimacy are Max Weber’s works. Inspired by the old Greek word “charisma”, which was originally used to denote a divine gift, Weber proposed that the charisma of an individual leader could provide a government with a basis for gaining and retaining legitimacy. A government could be legitimate because its leader is “considered extraordinary and treated as endowed with supernatural, superhuman, or at least specifically exceptional powers or qualities” (Weber [1922] 1968: 359). Success in producing change within these settings and in pursuing a vision for the future would be explained by the leader’s exceptional personality, which his or her followers would perceive as charisma. Oratory, spiritual and magical endowments, heroism and sanctity were among the special abilities that Weber cited. Believing that the person is blessed with these gifts, the followers treat “the individual concerned … as a leader” (ibid.) and accept his or her government as legitimate. A renewed interest in Weber’s use of the term emerged in studies of organizational and managerial matters several decades after his death. Charisma became linked to the personalities of political leaders (cf. Friedland 1964, House et al. 1991, Willner 1984), public managers (cf. Javidan/Waldman 2003), and to those of corporate leaders (cf. Bryman 1992, Conger/Kanungo 1998, House 1977). While these studies differ slightly in their definitions of charisma, most of them share the view that charisma is related to a belief in exceptional characteristics and that charismatic individuals make a very profound emotional impact on subordinates or followers. However, recently in some studies the concept of charisma has been extended beyond the strict focus on individual persons. Some have argued that charisma
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resides in the relationship between the leader and its members (cf. Conger 1989, Gardner/Avolio 1998, Shamir 1991), suggesting that charisma is a relational phenomenon. Kärreman and his colleagues (2006) expand the concept even further by proposing that organizational routines may acquire charisma through some process of charismatization, and Temporal and Alder (1998) claim that “corporate charisma” – i.e. charisma attributed to the organization as a whole – is essential for success. This text expands on the latter views by discussing the forms of communication that organizations exhibit to create impressions of a charismatic corporate personality. For our purpose of relating the concept of charisma to corporate personality, the notion of charisma being based on beliefs is crucial. In Weber’s terminology, charisma cannot exist unless it is believed in. What determines the emergence of an individual’s charisma is how the individual is perceived by the followers. If the leader is socially defined as charismatic, then he or she is a charismatic leader. Weber did not fully elaborate on this phenomenon, but he did contrast charisma that is inherited “by virtue of natural endowment” (i.e. pure charisma) with charisma that is “produced artificially in an object or person through some extraordinary means” (Weber [1922]1968: 400). This distinction has inspired neocharismatic theorists to suggest that “modern” charisma is primarily an attribution (cf. Conger/Kanungo 1994) and, given an effective way of communicating, that any leader could be perceived as charismatic. In this perspective, modern charisma may have more to do with “stage management and advertising”, and charismatic leaders may become “products of the artifices of media experts and advertising exponents who consciously seek to train them in the art of striking oratory and to create an aura of an extraordinary person” (Bryman 1992: 31-32). As a result, the legitimacy of charismatic leadership is an attribute of the belief of the followers and not of the quality of the leader (cf. Bensman/Givant 1975). Because organizations are ‘born’ with neither charisma nor personalities, there can be no such thing as organizational charisma that is inherited “by virtue of natural endowment”. Assuming that organizations are ‘super-persons’, only by being attributed with a charismatic personality by outside observers can they acquire charismatic legitimacy. Thus, external perceptions of the corporate personality will determine the extent to which the organization has a similar status as charismatic individuals. In order to acquire such a status, organizations must display ‘evidence’ of having attractive personalities. The more attractive and charismatic the displayed personality characteristics are, the greater the chance of acquiring charismatic legitimacy. This makes communication a crucial instrument.
3
The strategy of charismatic legitimation
How do organizations make claims of having a charismatic corporate personality, and what are the charismatic characteristics they claim to have? To answer these questions, we need to know what to look for; hence an operationalization of charismatic characteristics is necessary. Max Weber’s description of charisma is of some help, as it relates charisma to heroism, vision, spiritual gifts, and the capacity to perform ‘revelations’. However, a problem with his description is its lack of specificity. In order to reach a more complete and precise understanding of charismatic legitimation, a more stringent theory proposed by Conger and Kanungo (1988, 1994, 1998) will be adapted to the context of this paper.
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3.1 Adapting the attribution theory to organizations Using an instrumental approach to the study of individual charisma, Conger and Kanungo claim that charismatic leadership should be considered as an observable behavioral process “that can be described and analyzed in terms of a formal model” (cf. Conger/Kanungo 1987: 637). The authors assume that charisma is essentially an attribution, and that certain characteristics are causally responsible for this attribution. They ask: “If the follower’s attribution of charisma depends on observed behavior of the leader, then what are the behavioral components responsible for such attributions?” (641). On the basis of an extensive study of charismatic leaders, they propose that being visionary, articulate, sensitive to the environments, sensitive to member needs, unconventional, and taking personal risks, are the characteristics that lead to such attributions (1998: 114-115). Table 1:
Observable characteristics of charismatic leaders. Adapted from Conger and Kanungo (1998)
Characteristic
Meaning
Vision
Inspirational, able to motivate, has vision, often brings up ideas about possibilities for the future, provides inspiring strategic and organizational goals, consistently generates new ideas for the future of the organization
Articulation
Exciting public speaker, skillful performer when presenting to a group
Environmental sensitivity
Readily recognizes constraints in the social, cultural, physical environments and within the organization, recognizes the skills and limitations of other members in the organization, recognizes new opportunities and seizes them to achieve goals
Behavior
Engages in unconventional behavior to achieve organizational goals, uses non-traditional means to achieve organizational goals, often exhibits very unique behavior that surprises other members of the organization
Personal risk
Engages in activities involving personal risk and self-sacrifice, takes high personal risk for the sake of the organization, often incurs high personal costs
Sensitivity to member needs
Shows sensitivity and expresses personal concern for the needs and feelings of member in organization, influences others by developing mutual liking and respect
Expanding on Conger and Kanungo’s attribution theory, we may assert that strategic selfpresentation that promotes any character or personality as visionary, articulate, sensitive to the environments and to member needs, unconventional and risk-taking, involves charismatic legitimation. By substituting “leader” with “organization”, and “member needs” with “stakeholder needs”, the theory could be adapted to the organizational level and used to identify attempts at exhibiting a charismatic corporate personality.
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Certainly, these characteristics may seem a bit ordinary and distant from the extraordinary, magical, and exceptional qualities that provided Max Weber’s focus. Conger and Kanungo’s instrumental approach may also seem somewhat distant in relation to the intangible nature of charisma. However, on a more operational level, their theory is easier to grasp and more straightforward to work with than Weber. In addition, an important reason for choosing Conger and Kanungo’s theory is its explicit basis in the assumption that charisma does not reside ‘naturally’ in an actor, but in the way the actor is perceived: Charisma is an attribution, and as such, the theory suggests a causal connection between perceived characteristics and subsequent attributions. Consequently, charisma could be attributed to virtually any ‘persona’ that displays the relevant behavior and communication. If some characteristics are causally responsible for attributions of charisma, then in theory the same attributions should be produced when an organizational ‘super-person’ displays them, as when they are displayed by an individual person. It is important to recognize that the following discussion builds on an adapted version of Conger and Kanungo. This adaptation leads to some limitations. First, while Conger and Kanungo’s theory is based on a study of attributions of individual persons who are already socially defined as charismatic, no organization is socially defined as charismatic. This text does not search for characteristics that are responsible for such attributions, for example by investigating what separates charismatic organizations from non-charismatic organizations. Here the focus is on the strategic attempts to become known for characteristics that – according to the attribution theory – produce attributions of charisma for individuals. Second, not all the characteristics that define charisma on the individual level may apply to the organizational level. While an individual may be perceived as a hero when taking personal risks and therefore is likely to produce attributions of charisma, there is nothing heroic in jeopardizing the existence of an entire organization or the safety of its employees. Taking risks does not seem to add meaningfully to our understanding of organizational legitimation and will be omitted from the following discussion. The other characteristics should be possible to identify in verbal messages if a strategy of charismatic legitimation is chosen (see table 2). The next section of this chapter reviews the basis for identifying such messages. Table 2:
Identifiable personality traits in charismatic legitimation
Characteristic
Meaning
Visionary
Verbal messages reflecting visions and future ideas
Articulated
Verbal messages reflecting articulation, expressiveness, formulated in a well-articulated and eloquent way
Environmental sensitivity
Verbal messages reflecting sensitivity to changes in the environments and the ability to adapt to these changes
Unconventional
Verbal messages reflecting new, unique and original ways of acting and communicating
Sensitivity to stakeholder needs
Verbal messages reflecting concern for and attention to stakeholder needs
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3.2 Charismatic characteristics in self-presentation Visionary: Organizations present themselves as visionary primarily through their corporate visions and various messages deducted from them. Since the 1990s, having and communicating a corporate vision has become increasingly widespread, in the private as well as the public sectors. Most modern organizations have a corporate vision and seek to promote it through various media that are visible to stakeholders and the general public such as internet web pages, press releases, speeches, annual reports as well as letters to shareholders. Some organizations are generally acknowledged as “visionary organizations” on the basis of their focus and dedication to a vision, and stand out as model examples for other organizations (cf. Collins/Porras 1991, 1994). Thus, being visionary is one of the most attractive corporate characteristics with which an organization currently can be associated. Corporate visions not only have an instrumental function in terms of contributing to efficiency (cf. Baum et al. 1998), they also are symbols (cf. Aberbach/Christensen 2007): Simply having a corporate vision demonstrates that the organization wants to achieve something for itself and as such it says something about the organization’s strength of character and the will to achieve changes (cf. Piper 2005) – just like some of the most charismatic individuals throughout history have been known for (e.g. Martin Luther King, Hitler, Ghandi). Articulate: Organizations demonstrate that they are articulate in a number of ways. In addition to being more expressive (cf. Schultz et al. 2000), the content of organizations’ corporate vision and mission statements, press releases, newsletters and other selfpresentational messages is usually carefully developed and refined. PR executives and consultants assist in making the statements as well-expressed and elegant as possible, thus reinforcing the notion that how something is communicated may be as important as what is communicated. In addition, public relations executives and consultants often train top managers or other organizational spokespersons prior to media interviews where the purpose is to represent the organization in the most positive way. The importance of being viewed as an articulate and expressive organization is further confirmed by the concept of storytelling used currently by many organizations. Corporate stories are created to convey the organization’s values, its vision and mission, and may contribute to giving the organization an aura of “magic”. Sensitive to the environments: Organizations often assess constraints and opportunities in external environments, as variations in market signals, government policies and potential human resources may affect their business. These activities are consequences of being part of an “open” system and dependent on external resources (cf. Pfeffer 1981, Scott 1998). Although this kind of sensitivity seems to be taken for granted today as organizations often are exposed to similar change pressures from the environments, it is not uncommon to find expressions of environmental sensitivity in external organizational communication. Such expressions may encompass statements of being “open”, “ready to change”, “change oriented”, “adaptive”, etc. (cf. Christensen/Morsing 2004, Kvåle/Wæraas 2006, Sandstrøm 2003). Unconventional: Rapid spread of technology has resulted in more similar products and greater problems for customers to make purchase decisions. Creating differentiation on the organizational level is assumed to be crucial for success and survival (cf. Ind 1997). It is generally regarded as increasingly important to do things that others do not, and to do them in ways that are perceived as unique (cf. Kunde 2002). In order to do so, organizations convey
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that they are not like other organizations and that they do not adhere to conventional methods of operation: They claim to be “unconventional”, different”, “original”, “unique”, etc. Organizations that succeed in being known for these attributes are assumed to have the best reputations (cf. Fombrun/van Riel 2004). Sensitive to stakeholder needs: Finally, organizations promote themselves as being sensitive to stakeholder needs in a number of ways. Although organizations do not have followers in the same sense that charismatic leaders have followers (although one might argue that Harley Davidson and Apple are close examples), they do have stakeholders. In much the same way as charismatic leaders bring “well-being to [their] faithful followers” (Weber [1922] 1968: 1114), organizations must attend to the needs of their stakeholders and make sure that they – as well as the general public – see them as attentive. This concern leads organizations to portray their personalities using characteristics such as “service minded”, “friendly”, “trustworthy”, “considerate”, etc. In addition, organizations prove their concern for stakeholders through corporate social responsibility (CSR) initiatives, for example by donating money to charity or supporting local non-profit organizations. They make their activities known publicly for example in newspaper articles, on their internet web sites or in their annual reports, thus reinforcing the image of an organization that it is sensitive to the needs of current and potential stakeholders. A number of single examples could be given of organizations that promote themselves as having one or more of the above described characteristics. However, it should be noted that Conger and Kanungo’s theory is based on the idea that that the perceived characteristics are interrelated and form a constellation of components. In order to claim that organizations today practice a form of charismatic legitimation, they must base the presentation of their corporate personality on all the charismatic characteristics. In the next section of this chapter, an illustration of such a strategy is given through a study of the Norwegian State Railways.
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Charismatic legitimation: The case of the Norwegian State Railways
Having been a typical ‘under attack’ organization for many years, towards the turn of the millennium the Norwegian Railways (NSB) acknowledged the need to get on the offensive and rebuild its legitimacy. The values and characteristics with which it had come to be associated were no longer seen by the top management as having a legitimizing effect. The general image of NSB was that of a slow, unreliable organization, overly expensive, and not customer-focused. This image was reinforced by numerous technical problems related to the construction of a new train track in the late 1990s as well as the fact that competition from foreign train companies and reductions in government funding were threatening its existence. In other words – for most people it was not an attractive organization, and by far a charismatic one. As a result, almost immediately following a change in formal status from a government enterprise to a state-owned corporation in 1996, the CEO appointed a project team with the mandate of assessing the organization’s internal and external communication. The goal was to increase the organization’s legitimacy (“reputation”) by conveying that NSB had become a modern corporation, and that it was no longer a bureaucratic, slow government entity. The process started in the summer of 1997 and lasted as long as three years, due to a number of implementation problems. During those years, especially until 1999, many attempts were
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made at defining the content of appropriate verbal messages. As such, NSB represents an interesting case on the basis of which to study verbal messages in strategic self-presentation. An important emergent finding from the study of this process was the significance of a “new” and attractive corporate personality. More specifically, the data indicated that the verbal messages that were developed during the process contained references to a charismatic corporate personality. The following paragraphs describe the process and how it can be understood as an effort to endow the organization with a charismatic personality.
4.1 Methods and data The study from which these data emerged involved a large qualitative examination of the change processes following the corporatization of NSB in 1996. By studying archive data, the purpose was to extract verbal messages related to strategic legitimation in general and to corporate personality in particular. While the research project investigated the magnitude of various types of legitimation, in this text the focus is on messages and characteristics that pertain to charismatic legitimation only.1 Data sources and data collection: Data collection was carried out in the spring of 2001. The main source of the study was archive data such as board reports, memos, meeting minutes, strategy notes or consultancy reports discussing and making various suggestions for the content of the verbal self-presentation. Some documents were written as parts of an ongoing discourse in the NSB top management team, others were recommendations made by the consultancies only, as part of an assigned independent project. The documents were all retrieved from NSB’s central archive, to which I was granted access. Data analysis: I conducted an extensive examination of the documents in order to extract and analyze any verbal message that could be related to legitimation. The analysis was carried out in two steps. First, all suggestions were extracted from the reports and listed on a broad basis in order to capture the span of the suggestions. This list contained more than 100 suggestions and suggestion-like type of statements. Second, unclear or irrelevant messages were omitted. The list then consisted of 74 verbal messages, some formulated as short sentences (visions, brand essence statements, personality descriptions), some as values or adjectives, as part of a value foundation, or as desired personality characteristics. Evidence for the use of charismatic legitimation was denoted when a suggested verbal message conveyed one or several of those characteristics. Some verbal messages invoked several charismatic characteristics simultaneously. For example, some messages depicted NSB as both visionary and articulate. I chose a pragmatic approach to handle this problem by counting those messages more than once. I chose the same approach when similar messages were suggested in different reports or as variations of the same theme. In addition, all the suggested visions, corporate stories, as well as the corporate brand and personality messages made in the form of sentences were interpreted as messages potentially contributing to articulation. This gave a total count of 114 verbal messages.
1
The other forms of legitimation were Max Weber’s traditional and legal-rational forms of legitimation, as well as normative and pragmatic legitimation derived from Suchman’s (Suchman 1995) review of the concept of legitimacy.
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4.2 Findings Table 3 provides an overview of the content of the verbal messages and gives typical examples of each. In total, six messages conveyed an impression of NSB as visionary. NSB did not have a vision prior to 1997, but with the help of PR and communication consultants, several visions were outlined and developed in the process that followed. The chosen corporate vision was “NSB – the most resource efficient and socially valuable transportation company in Norway”. This formulation became widely used by NSB top managers in their external communication to emphasize the organization’s visionary character. As for articulation, 35 verbal messages – many of which overlapping and variations of the same theme – were found to call attention to NSB’s qualities as a well-articulated, expressive, and eloquent organization. In addition to the visions and four corporate stories developed for internal as well as external audiences, a number of verbal messages were interpreted as evidence for articulation. Examples include the message “the most relaxing, comfortable, and harmonic way of traveling” as well as the two sub-brand essence statements “long distance is pure adventure” and “you can savor your journey in large mouthfuls”. Nine verbal messages concerned NSB’s ability to stay focused in the face of changes in the environments and to be competitive. For example, one brand promise was “continuous improvements”, another was “modern trains for the future”. One brand essence statement claimed that “NSB makes large investments and improvements to remain competitive”. Ten messages were found to present NSB as unconventional. One example was the brand message “Unique Norwegian traveling – a new way of traveling”. Other examples include the slogan “The new NSB”, and “Not just a train company”. The latter reflected the offer to do grocery shopping, wash clothes, as well as clean the car for the passengers while they were away; services that are rather unusual, albeit innovative, for a transportation company. Finally, a total of 39 suggestions were categorized as describing NSB’s personality as sensitive to stakeholder needs, which clearly makes this characteristic an important one. A number of verbal messages appeal to the customers’ self-interests such as “our staff will take good care of you”. Suggestions for personality features were also typical: “NSB is preoccupied with its fellow human beings’ comfort and well-being”, and was described as “accommodating”, “friendly”, “considerate”, etc.
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Verbal messages classified according to conveyed charismatic characteristic
Charismatic characteristic
Number of sugg.
Conveyed through
Examples
Visionary
6
Corporate visions Sub-brand visions
Articulate
35
Corporate visions Sub-brand visions Storytelling Brand messages
Sensitive to environments
9
Brand promises Brand essences
“The most resource-efficient and societally valuable transportation company in Norway” “The most time-efficient way of traveling” “Creating bonds between people” (all suggested visions and stories) „the most relaxing, comfortable, and harmonic way of traveling“ “Long distance is pure adventure” “You can savor your journey in large mouthfuls“ “Continuous improvements” “NSB makes large investments and improvements to remain competitive” “Modern trains for the future”
Unconventional
10
Brand messages Slogans Brand promises
Sensitive to stakeholder needs
30
Other characteristics*
24
Brand promises Values Personality descriptions Values Personality descriptions Slogans Brand messages Corporate visions
Sum
114
“Unique Norwegian traveling – a new way of traveling” “The New NSB” “Not just a train company” “Preoccupied with its fellow human beings’ comfort and well-being” “accommodating” “considerate” “Safe” “on time” “responsible” “hygienic”
* Other characteristics means characteristics that matched legitimation dynamics associated with other forms of legitimation, for example legitimation based on legalrational values and characteristics (“predictability”, “responsibility”, “reliability”, etc). Non-classifiable verbal messages were also included in this category.
Arild Wæraas
248 5
Discussion
Although there is considerable variation regarding the number of verbal messages within each category, there is enough evidence to argue that the messages describe NSB with many of the same characteristics that have been found to apply to charismatic individuals. The messages cover all charismatic characteristics, and of the 114 accumulated messages only 24 did not contain any references to charismatic characteristics. Thus, the findings demonstrate that the verbal messages were aimed mainly at building legitimacy on the basis of what NSB did not have – a charismatic corporate personality. This paradox goes to the heart of the complexities of organizational legitimation suggested by Weber: An organization is legitimate if the environments think that it is acceptable. Even if NSB may not really have been visionary, articulate, unconventional, or sensitive to the environments and to stakeholder needs, the logic of the suggested messages was to make the relevant audiences believe that it was so. The findings suggest that charismatic characteristics may play an essential part in organizational legitimation, thus representing attempts to endow NSB with a charismatic corporate personality. The strategy of charismatic legitimation illustrated through the NSB case gives rise to a number of ideas and thoughts. A few comments are made regarding the specific findings reported here and, subsequently, some more general issues in relation to charismatic legitimation are discussed. First, what could explain NSB’s choice to build legitimacy on the basis of a charismatic corporate personality? Second, how successful may such a strategy be? What are its potential risks? Given NSB’s initial lack of emotional appeal and attractiveness, the choice of strategy is somewhat surprising. Indeed, it could be argued that transportation of passengers and goods on rails is something quite straightforward, technical, functional, with nothing mysterious and with no immediate aura of magic, and therefore, that the organization never can be ‘fancy’ or produce affectionate devotions like Harley Davidson or Apple. Following such a line of reasoning, verbal messages promoting NSB’s role in serving society since the late 1800s, as well as more “old-fashioned”, good bureaucratic and rational virtues such as punctuality, predictability, responsibility, and safety, should be more effective in enhancing NSB’s legitimacy. However, as shown in table 2, such characteristics were represented only to a minor degree in the verbal messages. The verbal messages suggest that attracting passengers was not only a question of being on schedule and going from A to B. Something in addition to the core activities was perceived as necessary; something intangible that would have the power to attract. This explanation is supported by an interesting body of evolving literature. Several writers have suggested that we live in a “dream society” (Jensen, 1999) or “experience economy” (Pine & Gilmore, 1999), where organizations must appeal to the environments’ dreams and aspirations and connect with them on an emotional rather than rational level in order to obtain external support. Customers demand emotional satisfaction and rely increasingly on their senses and emotions, not on rational logic, when acting and making purchase decisions (cf. Hill, 2003). Thus, building emotional appeal has become crucial for organizational survival and success (cf. Aaker 2004, Fombrun/van Riel 2004, Keller 2000), and customers look for organizations that have the “Midas touch” (cf. Fombrun 1996). Simply stated, today it is expected that organizations express their personalities and their values. Thus, charismatic legitimation is probably not something that is done only by NSB. Indeed, when a problem-ridden
Endowing organizations with personality
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organization such as NSB engaged in charismatic legitimation, there is all the more reason to believe that other, more successful organizations do the same. As for the potential risks of charismatic legitimation, the benefits of relying on charismatic legitimation can and should be questioned. One particularly imminent issue is when organizations such as NSB, which do not have much emotional appeal, set out to build legitimacy on the basis of a charismatic corporate personality. In such instances, the organization puts a lot of pressure on itself to confirm and back up the claims with substantial action. The audience may be temporarily seduced and persuaded, but if the gap between what is being said and what is being experienced by customers is not bridged, the organization may face even greater legitimacy problems. Interestingly, this was precisely what happened to the NSB case. In June 2000, the board of directors fired the CEO due to a number of accumulated problems, financial as well as reputational. The new CEO canceled all corporate branding and reputation management programs, including the corporate vision and value statements, and reinstated a clear focus on improving services. He said: “We have been too eager in communicating the ideal brand position, not knowing if we would be able to deliver” (Wæraas 2007: 165). Also Max Weber questioned the durability of charismatic legitimacy and warned that it might be short-lived. Referring to the charismatic leader, Weber noted that “He gains and retains [his authority] solely by proving his powers in practice” ([1922] 1968: 114). Thus, unless there is some form of validation of the verbal messages, lack of credibility may become a serious problem. When being perceived – like NSB – as a slow, bureaucratic, oldfashioned organization, and therefore not much liked or admired, trying to enhance legitimacy by presenting a charismatic corporate persona may not be the right place to start. It could be claimed that such organizations should first ‘deliver the goods’ and remove the causes for the lack of legitimacy, and that only then, when basic problems are taken care of, may messages of a more emotional nature be developed and conveyed. Otherwise, the organization may be forced to revise its claims in accordance with actual and more realistic descriptions. This is not to dismiss the benefits of corporate marketing or of presenting one’s virtues favorably, but to point to some risks of presenting a corporate personality that is not credible or recognizable. Thus, presenting a charismatic corporate persona may have more successful impact when it is used to maintain and reinforce a strong image rather than building or protecting legitimacy.
6
Concluding remarks
In this chapter, the concepts of charisma and charismatic personality were introduced in order to understand current tendencies in organizational legitimation. The metaphor of charismatic corporate personality enables us to better analyze the fact that verbal messages developed and used for legitimation purposes may contain references to human-like characteristics that are usually attributed to charismatic individuals. These tendencies can be understood as efforts to endow an organization with a charismatic corporate personality, in the hope that some of the emotional appeal or personal magnetism that charismatic individuals are known for will be attributed to the organization. The concept is used for analytical purposes only, as organizations and their leaders most likely do not use the term in order to describe their strategies.
250
Arild Wæraas
For purposes of generalization from the NSB case it is important to note that NSB represents only one illustration. There may be cases where the emphasis on charismatic legitimation is less prominent than what is found here, but there may also be cases where it is more prominent. Further research is needed to explore the general magnitude of charismatic legitimation, for example by comparing the legitimation efforts of organizations that are generally seen as admired and attractive, with those that are not. Determining whether charismatic legitimation is a remedy for certain situations only or whether it is a universal phenomenon, would be particularly valuable. In line with this argument, future research should examine the extent to which charismatic legitimation varies from one industry to another, from the beginning of the organizational life cycle to the end, and from public to private organizations.
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Acknowledgments This chapter is based on data from the author’s doctoral dissertation. Special thanks to Petter Holm for comments and suggestions.
Spezifische Zugänge
Kommunikationsmanagement für Personen. Beratungsmodelle, Konzepte und theoretische Sichtweisen Karl Nessmann
1
Frage- und Problemstellung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit einer ständig wachsenden Facette der Kommunikationswirtschaft. Immer mehr Personen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kunst und Sport sowie aus dem Show-, Mode- und TV-Business lassen sich auf ihrem Weg in die Öffentlichkeit (insbesondere in die Medien) von Kommunikationsagenturen und Beratern bzw. Coaches begleiten. Ein Blick in die Websites der Anbieter zeigt, dass der Markt floriert und die Nachfrage steigt. Angeboten werden neben klassischer PR-Beratung insbesondere Einzelcoachings und Seminare zu Themenbereichen wie Interview- oder Präsentationstraining, Vorbereitung für öffentliche Auftritte und Pressekonferenzen, Imageund Markenbildung, Ghostwriting, Farb- und Stilberatung etc. Aber nicht nur der professionelle Berater- und Seminarmarkt boomt. Auch der Büchermarkt wächst rasant, das Angebot ist mittlerweile kaum mehr überschaubar. Auch die verwendeten Dachbegriffe könnten unterschiedlicher nicht sein: die Rede ist von Personality PR, Personal Marketing, Personal Branding, Reputation Management, Impression Management u.v.m. Der Begriff Personalisierung ist, wie der vorliegende Tagungsband dokumentiert, der Schlüsselbegriff. Inwieweit lässt sich das Phänomen der Personalisierung, das hier primär aus der Beratungsperspektive abgehandelt wird, theoretisch verorten? Welche Beratungsund Konzeptionsmodelle werden in der Praxis angewendet? Wer sind die wichtigsten ‚Treiber‘ der Personalisierung? Wer sind die zentralen ‚Mitspieler‘ des PersonalityMarktes? Welche Rolle spielt heute das Kommunikationsmanagement für/von Personen im Zusammenhang mit der Organisations- bzw. Unternehmenskommunikation? Welche Qualifikationen und Kompetenzen benötigen Personality-Berater/Coaches, um Personen und Unternehmen erfolgreich zu positionieren? Diese Fragen werden im vorliegenden Beitrag behandelt.
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Karl Nessmann Historische Vorbemerkung
Das Phänomen der Personalisierung und die damit zusammenhängenden Bereiche der Positionierung von Personen sind so alt wie die Menschheit selbst. Der Mensch hat seit jeher bewusst oder unbewusst ein reichhaltiges Repertoire an Techniken eingesetzt, um einen nachhaltigen (positiven) Eindruck zu hinterlassen. In fast allen Büchern und Beiträgen zur PR-Geschichte werden Personen aus Politik, Religion, Kunst oder Wissenschaft als ‚Vorgänger‘ oder Pioniere der modernen Public Relations genannt. Als Beispiele werden Philosophen wie etwa Aristoteles oder Platon, politische Führer wie Cäsar oder Napoleon sowie religiöse Führer wie Jesus, Moses, Buddha oder Mohammed angeführt. „Political, religious and business leaders have found it necessary to communicate to publics throughout history, and many used tactics quite similar to those used by public relations professionals today.“ (Grunig/Hunt 1984: 15) In einer vom Autor durchgeführten Analyse der PR-Geschichte (vgl. Nessmann 2000, 2004, 2005) konnte anhand konkreter Fallbeispiele (Könige, Kaiser, Staatsmänner, Kaufleute etc.) aufgezeigt werden, dass vor allem berühmte und einflussreiche Persönlichkeiten, die in die Geschichtsschreibung Eingang gefunden haben, in den letzten 2000 Jahren zahlreiche Mittel einsetzten, die wir heute als ‚PR-Maßnahmen‘ bezeichnen würden. Dazu gehörte etwa der bewusste Einsatz ‚modischer‘ Kleidung, Frisuren, Make-up und Accessoires, den persönlichen Lebensstil zur Schau zu stellen, sich im Lichte anderer zu sonnen und sich mit Prominenten zu umgeben (Birging, Boosting), das Prägen von Münzen mit dem Abbild der Persönlichkeiten, das Portrait (natürlich von den großen Meistern der jeweiligen Epoche gezeichnet oder gemalt), die Inszenierung von gesellschaftlichen Ereignissen (Hochzeiten, Geburtstagen, Erfolgen), der Besuch von Festen sowie öffentliche Auftritte jeglicher Art, die Herausgabe von Schriften (Dokumenten, Manifesten, Büchern, Memoiren, Autobiographien) und mit dem Aufkommen der Massenmedien der bewusste Umgang mit Journalisten. Der Rückblick in die Geschichte ergibt noch ein interessantes Detail. Fast alle historischen Persönlichkeiten, die auch über ihren Tod hinaus einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, verfügten über Propagandisten, die über sie positive Informationen (Geschichten) verbreiteten und ihre ‚Auftraggeber‘ lobten. Schon Jesus Christus verfügte über 12 Apostel (heute könnte man sie als Spin-Doktoren oder Personality-Berater bezeichnen), die seine Ideen, Taten und Werke verbreiteten. Fazit: Personalisierungs-, Inszenierungs- und Positionierungsstrategien, wie sie hier in diesem Beitrag diskutiert werden, gab es im Grunde genommen schon immer. Allerdings hat sich ab den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts der Bereich des personalisierten Kommunikationsmanagements zu einem eigenständigen Markt ausdifferenziert und stark professionalisiert, wie die folgenden Ausführungen zeigen.
Kommunikationsmanagement für Personen 3
257
Theoretische Verortung und gesellschaftliche Treiber
Personalisierung ist der Schlüsselbegriff in diesem Kontext. Das Phänomen der Personalisierung ist theoretisch betrachtet auf mehreren Ebenen zu verorten: erstens im gesellschaftlichen Kontext, insbesondere im Spannungsfeld ‚Individuum und Gesellschaft‘, zweitens in der medienvermittelten öffentlichen Kommunikation und drittens im Kontext der Organisations- bzw. Unternehmenskommunikation.
3.1 Personalisierung als gesellschaftliches Phänomen Das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell hat die Personalisierung und die damit zusammenhängenden Phänomene der Selbstdarstellung beschleunigt. In den westlichen Industrienationen ist ab den 80er Jahren ein Trend zur Individualisierung bemerkbar. Werte wie Selbstverwirklichung, Selbsterfüllung, Selbstzufriedenheit spielen eine immer wichtigere Rolle. Glück, Freude und Lebensgenuss sind neue Wertekategorien, die vor allem bei Menschen der sogenannten Wohlstandsgesellschaft zu beobachten sind. Diese Menschen erwarten mehr vom Leben, sie wollen ihr eigenes Leben leben, sich selbst verwirklichen, ihren ganz persönlichen Stil finden, unverwechselbar und einzigartig sein. Persönlichkeit und Individualität werden als Werte immer bedeutsamer. Der ‚Motor der Individualisierung‘ läuft auf vollen Touren (vgl. Beck 1994). Der ‚Kampf um die Aufmerksamkeit‘ wird immer härter (vgl. Franck 1998), die ‚magische Kraft der Beachtung‘ bekommt eine neue Dimension (vgl. Tarr-Krüger 2001). Die Anforderungen des Arbeitsmarktes haben sich geändert (vgl. Bridges 1994 oder 1996). Immer mehr Menschen drängen auf einen gesättigten Arbeitsmarkt. Der Wettbewerb unter den Jobsuchenden wird immer stärker, die Auswahlverfahren immer härter. Der neue Kapitalismus mitsamt seinen negativen Auswüchsen der Globalisierung (auf die in diesem Beitrag nicht detailierter eingegangen werden kann) fordert den „flexiblen Menschen“ (vgl. Sennet 2000), der sich ständig neu bewerben, behaupten und positionieren muss. Davon sind nicht nur Selbständige, sondern auch Angestellte und Führungskräfte (CEOs) in Organisationen betroffen.
3.2 Personalisierung in den Medien Aus Sicht der Medien ist Personalisierung relativ klar zu verorten. Es handelt sich um einen Nachrichtenfaktor, der neben vielen anderen Faktoren wie z. B. Nähe, Aktualität, Publikumsinteresse etc. bei der Nachrichtenauswahl eine dominante Rolle spielt. Prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport etc. bieten einen hohen Nachrichtenwert. Je stärker ein Ereignis personalisiert ist, d.h. sich im Handeln oder im Schicksal von Personen darstellt, desto eher wird es zur Nachricht (vgl. Staab 1990). Es ist unübersehbar, dass die Personalisierung in den Medien in den letzten Jahren deutlich zunimmt. Medien berichten in zunehmendem Maße über Personen (vgl. Park/Berger 2004, Eisenegger/Imhof 2004, Nessmann 2005, Zerfaß/Sandhu 2006). Mittlerweile haben fast alle Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Magazine) eigene Rubriken wie etwa Szene, Leute, Men-
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Karl Nessmann
schen, Promis – und zwar nicht nur Boulevardzeitungen, sondern auch Qualitätszeitungen und Wirtschaftsmagazine. Die Personalisierungstendenzen in den Medien gehen sogar so weit, dass eigene TV- und Zeitungsformate produziert werden, die ausschließlich über die ‚Promis‘ berichten. Die Redakteure bzw. Journalisten werden als Adabeis, Gesellschaftsbzw. Society-Reporter bezeichnet. Die sogenannte Klatschpresse hat Hochkonjunktur. Das „Geschäft mit der Eitelkeit“ (Bürger 1999) blüht.
3.3 Personalisierung aus Sicht der Organisationskommunikation Im Kontext der Organisationskommunikation – hier definiert als Kommunikation in/von/über Organisationen (vgl. Szyszka 2005: 597) – bedeutet Personalisierung zunächst ganz allgemein den idealerweise strategisch geplanten Einsatz von Personen im Rahmen des Kommunikationsmanagements von Organisationen. Personalisierung ist somit eine Form der Inszenierung und Positionierung von Organisationen und ihren Repräsentanten, eine Kommunikationsstrategie bzw. eine mögliche Strategievariante des Kommunikationsmanagements. Die Führungskräfte von Organisationen rücken dabei immer mehr in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Personalisierung wird zum Schlüsselfaktor – für Einzelunternehmer, KMUs und börsenorientierte Großkonzerne. Die Notwendigkeit, die Unternehmen und die Führungskräfte öffentlich und transparent zu machen, steigt. Die Stakeholder sind zunehmend daran interessiert, was für ein Mensch der Chef/die Chefin ist, und die Medien konzentrieren ihre Berichterstattung immer stärker auf jene Personen, die das Unternehmen leiten. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Bereiche CEO-Kommunikation bzw. CEO-Positioning (vgl. McGrath 1995, Watson 2002, Gaines-Ross 2003, Casanova 2004, Becker/Müller 2004, Repräsentanz Expert 2004, Deekeling/Arndt 2006, Zerfaß/ Sandhu 2006, Hochegger Research 2006, Biehl 2007) immer mehr an Bedeutung. Das Kommunikationsmanagement für Personen bzw. Personal Communication Management (PCM) ist mittlerweile auch im Kontext der Organisations- bzw. Unternehmenskommunikation (PR) ein unverzichtbarer Bestandteil. Vor dem Hintergrund des neoliberalen Gesellschaftsmodells entwickelte sich ein Beratungsbusiness mit dem Fokus auf Pesonen. Agenturen und Berater haben die Organisationen und deren Akteure (insbesondere CEOs) systematisch zur personalisierten Selbstdarstellung angehalten. Dieses Faktum ist zugleich ein weiterer Treiber der Personalisierungsdynamik.
4
Der Personality-Markt
In diesem gesellschaftlichen Kontext entstand ein rasant wachsender Markt. Personen aus allen Bereichen (insbesondere aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur) lassen sich auf ihrem Weg in die Öffentlichkeit von Agenturen und Beratern begleiten. Meist verfügen sie über einen eigenen Stab, der sie in Sachen Öffentlichkeitsarbeit (PR) berät. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Markt (vgl. Rein/Kotler/Stoller 1997, 2006) wird hierzulande über diese Beratungstätigkeit kaum gesprochen. Es handelt sich dabei eher um eine ‚Undercover-Tätigkeit‘, die sehr vertraulich, diskret und verdeckt abläuft. Personalisierung ist zum
Kommunikationsmanagement für Personen
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Schlüsselfaktor für erfolgreiche PR/Organisationskommunikation geworden und aus dem alltäglichen Agentur- und Beratergeschäft nicht mehr wegzudenken.
4.1 Die ‚Mitspieler‘ des Personality-Marktes Die wichtigsten ‚Mitspieler‘ des Personality-Marktes sind zusammengefasst: die Akteure, die Medien, das Publikum und die Berater. Sie alle funktionieren nur im Miteinander und bilden somit eine Art Symbiose. Die Akteure drängen sich immer mehr in die Medien. Das Spektrum reicht von teilweise noch unbekannten Einzelpersonen bis hin zu bereits Prominenten aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Bildung, Showbusiness etc. Durch die personalisierte Berichterstattung kann ihr Bekanntheitsgrad steigen und in gewisser Hinsicht lässt sich dadurch auch Popularität, Macht, Einfluss und finanzieller Erfolg sichern. Durch den höheren Bekanntheitsgrad steigt allerdings auch das Skandalisierungsrisiko (vgl. Eisenegger/Imhof 2004), was einige Akteure (insbesondere aus Politik, Kultur und Showbusiness) wiederum bewusst in Kauf nehmen bzw. in Form von bewusst gesteuerten Gerüchten inszenieren, um mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Medien (Print, TV, Hörfunk, Internet etc.) berichten zunehmend über die Akteure. Die personalisierte Berichterstattung führt in der Regel zu erhöhten Auflagen- und Verkaufszahlen, gleichzeitig rückt die inhaltliche, faktenorientierte Berichterstattung zunehmend in den Hintergrund. Das Publikum konsumiert diese ‚Geschichten‘, partizipiert am Geschehen, identifiziert sich mit den Prominenten und befriedigt damit seine voyeuristischen Bedürfnisse. Die Berater (Marketingoder PR-Berater) vermitteln zwischen den Akteuren, den Medien und dem Publikum. Dies ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die neben zahlreichen Qualifikationen und Kompetenzen (die weiter hinten noch dargestellt werden) auch viel Fingerspitzengefühl benötigt. Denn die Ziele der Kunden sind sehr vielseitig und teilweise ambivalent: Sehr häufig geht es um übergeordnete Ziele wie Macht, Ruhm, finanziellen Erfolg oder schlichtweg darum, den wirtschaftlichen Handlungsspielraum von Personen zu sichern. Gleichzeitig geht es oft auch darum, persönliche Leistungen bekannt zu machen, Standpunkte zu vermitteln oder Glaubwürdigkeit, Akzeptanz, Sympathie, Verständnis und Vertrauen herzustellen (ausführlich dazu vgl. Nessmann 2005). Die zum Teil widersprüchlichen Ziele sind es auch, dass es Personality-Beratern nicht immer gelingen kann, dem Kunden zu einem kongruenten und authentischen Auftritt zu verhelfen.
4.2 Der Büchermarkt Nicht nur der professionelle Beratermarkt boomt. Auch der Büchermarkt wächst rasant. Die Literatur zu diesem Themenbereich ist mittlerweile kaum mehr überschaubar. In den letzten Jahren sind zahlreiche Ratgeberbücher (überwiegend im How-to-do-Stil verfasst) zu den Themen Promoting-Marketing-Branding Yourself auf den Markt gekommen, die sich mit Begrifflichkeiten rund um die Vermarktung von Personen beschäftigen. Eine erste Literatur-Bestandsaufnahme der überwiegend deutschsprachigen Bücher ergab ein regelrechtes Begriffswirrwarr (vgl. Nessmann 2002 oder 2003). Seit dieser ersten Bestandsaufnahme hat
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sich das Angebot vervielfacht, zahlreiche neue Bücher sind auf den Markt gekommen.1 Um sich von der Konkurrenz abzuheben, wird mittlerweile mit Superlativen agiert. Aus der ‚Ich-Aktie‘ (vgl. Lanthaler/Zugmann 2000) wird ‚Die andere Ich-AG‘ (vgl. Strauss 2003), die ‚Ich-Marke‘ (vgl. Greisinger 1998) bzw. ‚Marke-Ich‘ (vgl. Seidl/Beutelmeyer 1999) wird zum ‚Guru‘ (Greisinger 2004). Das Niveau dieser Bücher ist sehr unterschiedlich. Zum Großteil handelt es sich um Ratgeberbücher mit How-to-do-Charakter, allerdings teilweise durchaus wissenschaftlich fundiert. Die Autoren nähern sich der Thematik (je nach fachlichem Hintergrund) entweder aus der Marketing- oder aus der PR-Perspektive und greifen auf verschiedene Denkschulen und theoretische Disziplinen (z. B. Pragmatismus, Symbolischer Interaktionismus, Impression Management) zurück, allerdings ohne sie immer beim Namen zu nennen. Fast alle dieser Autoren bieten Anleitungen dazu, wie man sein persönliches Potenzial (Stärken, Werte, Visionen, Ziele, Wünsche etc.) identifiziert, den sogenannten USP (Unique Selling Proposition) findet und einen nachhaltigen Eindruck (Impression/Reputation) hinterlässt. Die meisten Autoren gehen davon aus, dass der ‚Mensch zur Marke‘ 2 gemacht werden kann bzw. dass Merkmale und Gesetzmäßigkeiten großer Produktmarken auf den Menschen übertragbar seien. Auffallend in den Ratgeber- und Sachbüchern ist die Ökonomisierung der Sprache. Dies hängt wiederum mit dem oben skizzierten neoliberalen Gesellschaftsmodell zusammen, das ja insgesamt eine Ökonomisierung der Gesellschaft zur Folge hat. Es ist die Rede vom ‚Unternehmen Mensch‘, vom ‚Produkt Mensch‘, das zur verkaufsgerechten Ware umstilisiert wird. „Führen sie sich selbst wie ein erfolgreiches Unternehmen oder wie eine Aktiengesellschaft“, lautet etwa das Credo einiger Buchautoren. Der Begriff ‚Markt‘ ist zur vorherrschenden Metapher geworden. Der Mensch wird zum Teil zu einer reinen ökonomischen Größe degradiert. Viele Autoren behandeln das insgesamt widersprüchliche Thema einseitig und plakativ. Gesellschaftskritische Fragen werden ausgeklammert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass – zumindest bei uns in Europa – die Themen Promoting/Marketing/Branding Yourself bei vielen Menschen große Skepsis hervorrufen und negativ besetzt sind.3 Die gesellschaftspolitische Debatte über Sinn und Unsinn solcher Angebote kann hier nicht zu Ende geführt werden (vgl. Nessmann 2005). 1
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Die bekanntesten deutschsprachigen Ratgeber zu dieser Thematik sind nach Erscheinungsjahr geordnet: Bierach (1980), Ewert (1993), Asgodom (1996/2003), Lorenzoni (1996), Hars (1997), Greisinger (1998/2004), Seidl/Beutelmeyer (1999/2003), Hesse/Schrader (2000), Kremer (2000), Lanthaler/Zugmann (2000), Cornelsen (2001), Märtin (2001), Weiser (2001), Härter/Öttl (2002), Schoiswohl (2002), Graeter (2003), Ogger (2003), Püttjer/Schnierda (2003), Vogel (2003), Braun-Höller (2004), Böhm (2005), Enkelmann (2005), Etrillard (2005), Weyand (2006/2007), Hoenerbach (2007). Aus dem angelsächsischen Raum sind vor allem folgende Autoren aufgefallen: Dainard (1990), Leeds (1992/1998), Franklin (1996), Ballback/Slater (1998), Rye (1998/2001), Bridges (1998), Peters (1999/2001), Baker (2000), Herman (2000), Spillane (2000), Trout/Rivkin (2000), Inches (2001), Ries/Trout (2001), Edwards (2002), Genasi (2002), Graham (2002), Roffer (2002), Montoya/Vandehey (2003/2005), Pringle (2004), McNally/Speak (2006), Arruda/Dixson (2007), Van Yoder (2007), Marcum/Smith (2007). Eine ausführliche Literaturliste über deutsch- und englischsprachige Bücher zu dieser Thematik kann beim Autor angefordert werden: [email protected] oder www.uni-klu.ac.at/~knessman. Zum Thema ‚Mensch als Marke‘ existiert ein deutschsprachiger Sammelband, der auch wissenschaftlich fundierte Beiträge beinhaltet (vgl. Herbst 2003). Typische Assoziationen in diesem Zusammenhang sind: Prostitution, Oberflächlichkeit, Schleichwerbung, Manipulation, Täuschung, Lügengeschichten, Verschleierungstaktik, Ausverkauf, Angeberei, Effekthascherei, Snobismus, Egoismus, Eitelkeit, Selbstverherrlichung … (ausführlich dazu vgl. Nessmann 2005: 3).
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4.3 Beratungsmodelle In der Literatur gibt es bislang kaum wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse darüber, welche Beratungs- und Konzeptionsmodelle im Zusammenhang mit der Positionierung von Personen angewendet werden. Lediglich in der explorativen Studie von Judy Motion (1999) gibt es erste Hinweise darauf. Die Autorin befragte neuseeländische PR-Praktiker, die unter anderem auch Politiker beraten. Dabei identifzierte sie zwei Beratungsansätze: the formative and the advisory approach. „The formative mode is an active constitution of a public identity, whereas the advisory mode is a communication counseling approach. The paper argues that the formative role is more closely aligned to the marketing techniques of promotion and selling, whereas the advisory role fits more closely with the public relations roles of communication counseling and relationship building.“ (Motion 1999: 465).
In dieser Studie wird zumindest angedeutet, dass Berater, die auf die Postionierung von Personen spezialisiert sind, auf unterschiedliche Disziplinen bzw. Techniken zurückgreifen. Das Spektrum reicht von klassischen Marketingtechniken über traditionelle PR- bzw. Kommunikationsansätze bis hin zu Methoden der Identitätsentwicklung, die üblicherweise im Kontext von CI-Prozessen angewendet werden. Nähere Hinweise darüber, welche PRund Marketingtechniken konkret angewendet werden, werden nicht genannt. Vor dem Hintergrund dieses Forschungsdefizites untersuchten wir den oben skizzierten Buchmarkt nach derartigen Beratungs- und Konzeptionsmodellen und gelangten in dieser Metaanalyse zu ähnlichen Erkenntnissen wie Motion (1999): wir identifizierten drei verschiedene Beratungsmodelle, die sich insbesondere hinsichtlich Konzeption und Planung unterscheiden (vgl. Nessmann 2007).
4.3.1 Das Marken- bzw. Marketingmodell Das Marken- bzw. Marketing-Modell begreift den Menschen als ‚Marke‘ und nutzt die Erkenntnisse der modernen Markenführung und des Marketings. Die Vertreter dieses Modells4 operieren dabei unter den Dachbegriffen Personal Branding/Personal Marketing und orientieren sich bei der Konzepterstellung in der Regel an den 4 P’s: Produkt: Dienstleistungen, Angebote, Qualitäten der Person; Preis: die Bedingungen, zu denen eine Person bereit ist, ihre Dienstleistungen anzubieten (Honorare, Gehälter); Platz: der Ort bzw. die Bühnen, wo die Person ihre ‚Produkte‘ bzw. Dienstleistungen anbietet; Promotion: die Kommunikationsinstrumente wie etwa Werbung, Sponsoring, Testimonials, Public Relations etc. Den Public Relations wird dabei eine große Rolle zugeschrieben. So schreiben z. B. Rein/Kotler/Stoller (1997: 268) in ihrem Sachbuch ‚High
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Eine Auflistung sämtlicher Autoren würde den Rahmen sprengen. Siehe dazu die entsprechenden Titel im Literaturverzeichnis.
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Karl Nessmann Visibility. The Making and Marketing of Professionals into Celebrieties‘: „(...) and the most essential support for most aspirants comes from public relations“.
4.3.2 Das Reputation-Modell Auch das Reputation-Modell greift auf die Erkenntnisse der modernen Markenführung zurück und versteht ebenfalls den Menschen als ‚Marke‘. Die Vertreter dieses Modells operieren dabei unter dem Begriff Reputation Management. Sie verwenden in der Regel nicht mehr den Begriff Image, sondern Reputation. Die definitorischen Unterscheidungsversuche sind theoretisch betrachtet nicht besonders überzeugend, wohl aber der von den Autoren propagierte Weg, wie der Ruf einer Marke/Person aufgebaut werden kann.5 Die Eckpfeiler des Reputation- Management-Modells sind Berechenbarkeit, Kalkulierbarkeit, Nachhaltigkeit (in sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht), Orientierung an den Stakeholdern (Investoren, Analysten, Kunden, Mitarbeitern etc.), sowie die sich hieraus ergebenden Unterstützungspotenziale für das Unternehmen bzw. die Person. Das Stakeholder-Monitoring (vgl. Bauhofer 2004) und das CEO-Reputation-Monitoring (vgl. Casanova 2002, 2004) sind hier das empirische Herzstück und zugleich Ausgangspunkt für sämtliche Maßnahmenplanungen, die sich im Wesentlichen auf folgende Elemente konzentrieren: erstens auf Themenführerschaft durch Issues-Management in Form von Schlüsselbotschaften, und zweitens auf gezielte Inszenierungen in den Bereichen Ereignismanagement und Mediaplacement. Detaillierte Angaben zur Umsetzung der Maßnahmen werden allerdings von den Autoren nicht getätigt. Die bereits empirisch bewährten Instrumente zur Messung der Unternehmensreputation wie z. B. der ‚Reputation Quotient‘ (vgl. Fombrun/van Riel 2004 oder Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007) oder das von Eisenegger (2005) entwickelte Modell ‚Issues Monitoring‘ wurden bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt. Eine Adaption der Messinstrumente für Personen steht noch aus.
4.3.3 Das PR-Modell Das Public-Relations-Modell versteht sich als Weiterentwicklung des reputations- und markenorientierten Modells. Es orientiert sich ebenfalls an den personen- und unternehmensbezogenen Werten, an den für das Unternehmen und die Person relevanten Stakeholdern und ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Public Relations (PR) versteht sich hier allerdings nicht (wie im Marketing) als bloße Presse- bzw. Medienarbeit und als Element des Marketing-Mix, sondern als eigenständige Kommunikationsdisziplin. Im Kontext der Organisationskommunikation ist PR eine unverzichtbare Managementfunktion bzw. eine 5
Theoretisch fundierte Begriffsbestimmungen von ‚Image‘ und ‚Reputation‘ liefern z. B. Eisenegger (2005) und Herger (2006), zum Thema ‚Prominenz‘ Wippersberger (2007).
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Kommunikationsfunktion des Managements. Das PR-Modell ist – was die einzelnen Planungsschritte betrifft – allerdings wesentlich differenzierter und systematischer als die vorhandenen Modelle. Es orientiert sich an den einzelnen Stufen der klassischen PRKonzeptionslehre: Briefing (Klärung der Aufgaben- und Problemstellung), Bestandsaufnahme und Situationsanalyse (Erhebung sämtlicher personenbezogener und unternehmensbezogener Fakten und deren Analyse), Strategie (Formulierung von Kommunikationszielen, Bezugsgruppen, Botschaften und strategischen Leitlinien), Taktik (detaillierte Maßnahmenplanung) und Evaluation (Erfolgs- und Wirkungskontrolle, Reflexion). Im TaktikTeil werden die personenbezogenen PR-Instrumente systematisch in vier Maßnahmenbündel zusammengefasst (vgl. dazu ausführlich Nessmann 2005): Datendokumentation zur Person: Lebenslauf, wichtige Eckdaten zur Person, Fotoarchiv, Steckbrief (Stärken, Schwächen, Vorlieben, Visionen, Ziele, Werte, Lebensmotto und andere typische Journalisten-Fragen) Impression Management: Strategien und Taktiken der Selbstdarstellung, bewusster Einsatz von Sprache, Kleidung, Symbolen. Umgang mit Menschen (Wertschätzung, Anerkennung, Lob, konstruktive Kritik, Höflichkeit, Respekt etc.)6 Medien- und Themenmanagement: Basispressemappe, Presseaussendungen, Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche mit Journalisten, Leserbriefe, Gastkommentare, Interviews, Homestories, Homepage, Weblogs, Visitenkarten, Postkarten, Publikationen (Bücher, Artikel, Autobiographie etc.) Social Management: gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen, sich in Vereinen, Clubs und Interessensvertretungen engagieren, karitative oder soziale Einrichtungen unterstützen, an öffentlichen Diskussionsveranstaltungen teilnehmen, Vorträge oder Seminare abhalten, Feste geben und besuchen, regelmäßige Kontakt- und Beziehungspflege, Networking u.v.a.m. Im Gegensatz zu den Marketing- und Reputation-Modellen, die eher betriebswirtschaftlich ausgerichtet sind, ist das PR-Modell kommunikationswissenschaftlich zu verorten. Die personenorientierte Sichtweise von Public Relations versteht sich als Ergänzung zu den bisherigen PR-Ansätzen. Die bisherigen PR-Theorien reflektieren nämlich Public Relations entweder aus der Organisationsperspektive (wie die organisations- oder marketingtheoretischen Sichtweisen) oder richten ihr Augenmerk auf die Gesellschaft (wie die gesellschaftsoder kulturtheoretischen Sichtweisen). Während beispielsweise der organisationsbezogene PR-Ansatz sich die Frage stellt, welchen Beitrag Public Relations zur Erreichung von Organisationszielen leistet, lautet die zentrale Leitfrage beim personenorientierten Ansatz: Welchen Beitrag leisten Public Relations zur Erreichung von persönlichen und organisationsbezogenen Zielen? Dabei werden auch kulturelle, gesellschaftliche und ökonomische Aspekte mit reflektiert. Die theoretischen und methodischen Elemente dieser drei Beratungsmodelle wurden im Personal-Communication-Management-Modell aufgenommen, weiterentwickelt und integriert.
6
Die Literatur zum Thema ‚Impression Management‘ ist mittlerweile kaum mehr überschaubar (vgl. z. B. Rosenfeld et.al 2002, Mummendey 1995, Bazil 2005).
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Karl Nessmann Personal Communication Management
Personal Communication Management (PCM) wird hier nicht nur als eine Teilfacette des organisationalen Kommunikationsmanagements gesehen, sondern als Sammelbegriff für alle Formen professionell gestalteter, d. h. systematisch geplanter, kontinuierlich umgesetzter und evaluierter Kommunikation von/für Personen aus allen gesellschaftlichen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Religion, Sport, Kultur, Bildung, Showbusiness etc.) verstanden. Das übergeordnete Ziel besteht darin, Personen (und somit auch die Unternehmen, für die sie tätig sind) in der Öffentlichkeit erfolgreich zu positionieren (profilieren, inszenieren, differenzieren). PCM richtet den Blick nicht nur auf CEOs als Rollenträger (wie etwa bei Zerfaß/Sandhu 2006),7 sondern in einem breiteren Sinn auch auf die Profilierung und Positionierung von mehr oder weniger prominenten Menschen in der (Medien-)Gesellschaft, wie z. B. Politiker, Künstler, Sportler, selbständige Einzelunternehmer (Rechtsanwälte, Ärzte, Lebens- und Erziehungsberater, Wirtschafts- bzw. Unternehmensberater, Therapeuten etc). Die meisten von ihnen sind ebenfalls in Organisationen eingebettet bzw. mit Organisationen/Verbänden vernetzt und den oben skizzierten gesellschaftlichen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt. Dieser Definition von Personal Communication Management liegt ein verhaltensorientiertes Kommunikationsverständnis zugrunde: Kommunikation ist demnach nicht nur – verkürzt gesagt – Reden bzw. Schreiben (z. B. in Form von Presseinformationen), sondern auch Tun bzw. Handeln (z. B. indem mit konkreten Aktivitäten gesellschaftspolitische Verantwortung übernommen wird). Mit einem solchen Verständnis von Kommunikation lassen sich auch die vielen Bemühungen von Personen, einen möglichst positiven bzw. nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, am ehesten erfassen und beschreiben. PCM als wissenschaftliche Disziplin untersucht die hier skizzierten gesellschaftlichen Hintergründe und Ursachen für die steigende Bedeutung von Personalisierungstendenzen, die vielfältigen Selbstdarstellungsformen von Personen aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie die unterschiedlich angewendeten Positionierungsmodelle, Methoden und Instrumente. PCM lässt sich somit nur interdisziplinär erforschen. Zu viele Disziplinen spielen hier eine Rolle: Soziologie, Psychologie, Philosophie, Geschichte, Wirtschaft, Medienund Kommunikationswissenschaft (und hier wiederum insbesondere die Bereiche Organisationskommunikation, Medienethik, Medienökonomie, Cultural Studies). PCM als Coaching- bzw. Beratungsdienstleistung rückt den Menschen mit seiner Wesensart, mit seinen Charaktereigenschaften (Werten, Stärken und Schwächen) in den Vordergrund und positioniert ihn in den wichtigsten Märkten (z. B. im Kapital-, Absatz-, Arbeits- oder Meinungsmarkt). PCM-Berater/Coaches (oder kurz: Personality-Berater/ Coaches) unterstützen den Kunden dabei, sein persönliches Potenzial (Stärken, Schwächen, Werte, Visionen etc.) zu erkennen, bei den für ihn relevanten Bezugsgruppen (intern wie extern) einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen (Impression Management), eine positive Reputation aufzubauen (Reputation Management), sich als ‚Marke‘ in der Öffentlichkeit zu positionieren (Personal Branding). 7
Zerfaß/Sandhu (2006) differenzieren zwischen a) CEO-Kommunikation bzw. Executive-Kommunikation, b) CEO-Positionierung bzw. Personifizierung, c) Führungskommunikation und d) Kommunikationsmanagement für Personen.
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Die vom Autor durchgeführten Recherchen und Befragungen in der PR-Branche dokumentieren, dass sich PR-Berater zunehmend als Coaches verstehen. Ein PR-Berater entwickelt in der Regel Kommunikationskonzepte und gibt dem Kunden Tipps, Vorschläge und Ratschläge. In der Rolle des Personality-Coach bemüht er sich, möglichst keine Ratschläge zu geben, sondern begleitet die Person durch unterstützende Fragen. Dadurch soll vermieden werden, dass einerseits der Berater/Coach Teil des Systems wird und andererseits die gecoachte Person sich mit den Ratschlägen des Experten zu sehr identifiziert und eigene Lösungsideen und Erfahrungen weniger nutzt. Dem Klienten werden wohl mehrere Handlungsalternativen angeboten, er muss aber letztlich selbst entscheiden, welche Variante passt. Dabei ist es besonders wichtig, auf der Prozessebene zu denken, d.h. nicht inhaltlich zu überlegen (welche Lösung ist möglich?), sondern auf der Prozessebene zu agieren (wie kommt die Person zu ihrer Lösung?). Ein Coach stellt seine Ideen und Lösungsansätze hintan und glaubt an die Lösungskompetenz und Selbstverantwortung des Klienten: jeder trägt die Lösung in sich – jede Person ist für sich selbst verantwortlich. Personal Communication Management erfordert von PR- und Kommunikationsberatern neben grundlegenden Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit in der Unternehmenskommunikation zusätzliche Kenntnisse aus dem Bereichen Coaching, Branding, Reputation Management und Impression Management etc. Besonders wichtig dabei ist die Einhaltung von ethisch-moralischen Prinzipien, wie sie etwa in den PR-Codizes festgehalten sind. Denn immerhin steht relativ viel auf dem Spiel: Vertrauen, Verständnis, Akzeptanz, Glaubwürdigkeit, Integrität und – last, but not least – die Reputation der Person und des Unternehmens. Die dazu erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen sind dementsprechend vielseitig. Ein PCM-Berater/Coach hat Kenntnisse über den Personality-Markt (die wichtigsten Mitspieler, den Seminar- und Büchermarkt), die wichtigsten Treiber der Personalisierung (gesellschaftliche Entwicklungen, Wertewandel), die Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten der Branche (z. B. Politik, Wirtschaft, Kultur, Showbusiness etc.), die unterschiedlichen Planungskonzepte und Modelle (Marketingmodell, Reputationsmodell und PR-Modell), die vielfältigen Maßnahmen und Instrumente (Self Management, Impression Management, Media Management, Social Management), die Chancen und Gefahren von Personalisierungs- und Inszenierungsstrategien, die zentralen Grundsätze und Prinzipien dieser verantwortungsvollen Beratungs- bzw. Coachingtätigkeit (insbesondere ethisch-moralische Prinzipien). Wie viel Detailwissen und welche Spezialkenntnisse für die hier aufgelisteten Aufgabenbereiche erforderlich sind, dürfte aus den vorangegangen Ausführungen deutlich geworden sein. Vor allem die kritische Auseinandersetzung mit der Ökonomisierung, den negativen Assoziationen und den hohen Emotionen, die das Thema mit sich bringt, ist für PersonalityBerater besonders wichtig. Die bislang von der PR-Wissenschaft und den PR-Berufsverbänden hervorgebrachten Qualifikationsprofile reichen jedenfalls nicht mehr aus, um die neuen Anforderungen von Personal Communication Management hinreichend beschreiben
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zu können. In den Berufsbildern fehlen die für die personenorientierte PR-Arbeit erforderlichen Zusatzqualifikationen.
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Fazit
Wer PCM professionell betreiben möchte, muss bewusst, systematisch und kontinuierlich vorgehen. Der kommunikative Auftritt von Personen sollte strategisch geplant werden. Im Zuge des Weiterbildungsprojektes ‚Personal Communication Management – Personen erfolgreich positionieren‘8 wurde für Kunden aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Bildung etc. ein idealtypisches PR-Konzeptionsmodell für Personen entwickelt (vgl. Nessmann 2005). Dieses wurde im Laufe der Jahre modifiziert und angepasst (vgl. Nessmann 2007, 2008). Personality- Berater/Coaches müssen sehr behutsam vorgehen und individuell auf die Person und deren Umfeld (Organisation/Gesellschaft) eingehen. Bei der Personality-Kommunikation geht es nicht um bloße Publicity, um billige Verkaufstricks, um egozentrierte Selbstdarstellung oder um kurzfristige Aufmerksamkeit. Personalisierung darf auch nicht mit Privatisierung verwechselt werden. Die Intimsphäre von Personen sollte nach Möglichkeit gewahrt bleiben. Personal Communication Management basiert auf personenbezogenen und unternehmensbezogenen Werten und ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Aus Sicht der Organisationskommunikation ist Personality-Kommunikation eine verantwortungsvolle Managementaufgabe. Die Chancen und Gefahren von Personalisierungsstrategien, insbesondere die von Eisenegger/Imhof (2004) dargelegten Reputationsrisiken und die von Zerfaß/Sandhu (2006) möglicherweise auftretenden Interessenskonflikte (z. B. das Vorstände oder Geschäftsführer auf Kosten der Eigentümer zugleich auch PR in eigener Sache betreiben), müssen behutsam reflektiert werden. Im Sinne der ‚Integrierten Kommunikation‘ muss der Auftritt von Führungskräften mit allen anderen kommunikativen Bemühungen der Organisation in Einklang gebracht werden. Es geht um die Koordination der Corporate Brand und der Personal Brand. Die Personalisierung darf dabei nicht bloßer Selbstzweck (Ego-Marketing von eitlen Managern) sein, sondern muss sich in den Dienst des Unternehmens stellen. Die Handlungen der Person müssen mit Aussagen und Werthaltungen in Einklang gebracht werden. Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Authentizität entstehen im Spannungsfeld zwischen Aussagen, Handlungen und Werthaltungen. Eine Person erscheint uns daher nur dann als authentisch, vertrauens- und glaubwürdig, wenn ihre Taten (Handlungen) konsistent mit ihren Worten (Aussagen) und Werthaltungen (ethisch-moralischen Prinzipien) übereinstimmen.
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Im Jahr 2005 wurde an der Universität Klagenfurt erstmals der Kompaktlehrgang ‚Personal Communication Management – Personen erfolgreich positionieren‘ als Pilotprojekt angeboten. Es handelte sich dabei um das bislang einzige universitäre Weiterbildungsangebot, das wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisorientiert die wichtigsten Erkenntnisse zur Positionierung von Personen vermittelte (www.pcm-lehrgang.at).
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Integrationsmanagement über Testimonials Franzisca Weder
Aus verschiedenen wissenschaftlichen und praktischen Perspektiven wird heute versucht, die (neue) Wirklichkeit der medialen Durchdringung der Gesellschaft, die Bestimmung des gesellschaftlichen Geschehens durch kommunikative Prozesse und ihre Gesetzmäßigkeiten, die Verdichtung von Kommunikationen zu bestimmten Themen bei gleichzeitiger Aus- und Binnendifferenzierung gesellschaftlicher Strukturen zu verstehen. Das gesellschaftliche Wissen wächst durch den dynamischen Wandel der gesellschaftlichen Kommunikationsstrukturen, aber die mögliche Teilnahme am Wissen nimmt ab, Expertengruppen differenzieren sich aus, es findet eine ‚Modularisierung des Wissens‘ sowie ein massiver Ausbau von Maßnahmen und Strategien statt, die Komplexität von Wissen und Botschaften zu reduzieren – Phänomene, mit denen sich unterschiedlichste wissenschaftliche Disziplinen, insbesondere die Kommunikationswissenschaft, auseinandersetzen. Im Zentrum der vorliegenden Auseinandersetzung zum Thema Personalisierung unter besonderer Berücksichtigung der kommunikationsstrategischen Ziele des Einsatzes von Testimonials steht die Frage, ob und wenn ja wie die Bindung bestimmter Zielgruppen an eine Organisation über diese individualisierte Form der Darstellung bestimmter Inhalte und Botschaften funktioniert. Die hier auf der Basis von organisationstheoretischen Überlegungen zu diskutierende These: Testimonials1 verstärken die Aufmerksamkeit zu bestimmten Themen, die Teilnahme am über Organisationen generierten und über Kommunikationsmanagement verbreiteten ‚Wissen‘, und können so die Ziel- und Anspruchsgruppen (Stakeholder) einer Organisation in ein entsprechendes Themenfeld integrieren. Somit entsteht eine Bindung an eine Organisation2 und einen Strukturzusammenhang über diese hinaus. Wird der Einsatz von Testimonials aus PR-strategischer Sicht wie soeben angedacht als Integrationsmanagement konzipiert, ist die bisher fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema Testimonials seitens der PR-Forschung zu bemängeln. Allein die Wirtschaftswissenschaften beschäftigen sich – zumeist stark (management-)praktisch orientiert – mit dieser ‚Spezies‘ und den entsprechenden Möglichkeiten im Einsatz unter MarketingGesichtspunkten (vgl. exemplarisch Kotler/Bliemel 1995, Meffert 2000). Dem gegenüber wird Personalisierung in der PR wenn dann unter Bezugnahme auf Nachrichtenwerttheorien (vgl. exemplarisch Schulz 1976, Ruhrmann 2005) mit einem Fokus auf CEO-Kommunikation und Personality-PR3 diskutiert. Die besondere Herausforderung liegt nun darin, die bestehende Forschung zu erweitern und das Phänomen der Personalisierung anhand von Möglichkeiten und Formen individualisierter Darstellung von Inhalten zu diskutieren – eine 1 2
3
Engl., vom lat. Testimonium = Zeugnis, Zeugenaussage, Beweis, „Empfehlung durch Dritte“, Haase/ Köppler 1986: 125. Im Folgenden wird der Terminus Organisationen als Dachbegriff für Formen der „Koordination und Zurichtung gesellschaftlicher Aktivitäten“ (Ortmann/Sydow/Türk 2000a: 16) und damit für profit- und nichtprofitorientierte strukturelle Einheiten verstanden, in denen Aktivitäten mit einem bestimmten Ziel, mit bestimmten Ressourcen und nach bestimmten Regeln zu beobachten sind (vgl. hierzu auch Kieser/Ebers 2006). Vgl. hierzu exemplarisch Herbst 2003, Herger 2006 oder Mummendey 1995.
272
Franzisca Weder
davon sind Testimonials. Im Folgenden wird in diesem Sinne versucht zu zeigen, dass Personalisierung in der PR nicht nur eine Strategie für Kommunikation aus Organisationen, sondern auch für Kommunikation in und über Organisationen ist – insbesondere wenn das Ziel die Integration der Stakeholder in das organisationale Feld (dieser Begriff wird im Folgenden noch näher erläutert) ist. Hierbei kommt Testimonials, so die These, eine zentrale Rolle zu. Im Rahmen der vorliegenden Diskussion wird zunächst unter Rückgriff auf die sozialtheoretische Unterscheidung von kommunikativem Handeln und Kommunikationsstrukturen PR als ‚Integrationskommunikation‘ auf organisationstheoretischer Ebene konzipiert (Kap. 1). Nach einer kurzen Beschreibung von Testimonials und den entsprechenden Kommunikationsprozessen (Kap. 2) wird Vertrauen als das ‚Integration stiftende‘ Element in ein organisationales Feld, konkret: eine Teil- bzw. Themenöffentlichkeit, entwickelt und dessen Ausbilden als die Hauptfunktion von Testimonials diskutiert (Kap. 3), bevor ein kurzer Ausblick die Überlegungen abschließt (Kap. 4).
1
Kommunikationsmanagement als ‚Integrationskommunikation‘
Das gesellschaftstheoretische ‚Problem‘ der Inklusion und Exklusion eines Individuums beschäftigt die Wissenschaft schon seit mehreren Jahrhunderten, wobei sich die Überlegungen zumeist auf eine oder mehrere Person(en) in Bezug auf ein (Sozial-)System beziehen und in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Differenzierungs- bzw. Entgrenzungsprozessen diskutiert werden (vgl. für eine Übersicht u.a. Bohn 2006, Stichweh 2005). Daran anschließend gehören Fragen der Integration zu den grundlegenden Problemstellungen der Soziologie (vgl. Friedrichs, Jagodzinski 1999: 9). Die unterschiedlichen Ansätze verteilen sich auf Makro-, Meso- und Mikroebene, auf die Kontexte der System- und der Sozialintegration.4 Sozialintegration meint dabei Face-to-face-Interaktionen, zur Debatte stehen „die geordneten oder konfliktgeladenen Beziehungen der Handelnden eines sozialen Systems“, Systemintegration bezieht sich demgegenüber auf die Verbindungen zu denjenigen, die nicht physisch in Raum und Zeit anwesend sind, es geht demnach „um die geordneten oder konfliktgeladenen Beziehungen zwischen den Teilen eines sozialen Systems“ (Lockwood 1970: 125, Herv. i. O.). Im Folgenden wird kurz das hier zu Grunde liegende Verständnis von Integration skizziert (1.1.), bevor Kommunikationsmanagement und damit PR als Teil dessen als Integrationskommunikation konzipiert wird (1.2.). Erst daran anschließend ist es möglich, das Ziel von Personalisierung in der PR und hier im Speziellen den Einsatz von Testimonials zu diskutieren (Kap. 2 und 3).
1.1 Integration Unter Integration wird im Allgemeinen eine „Einbeziehung, Eingliederung, Vereinheitlichung“ (Schlögl 2003: 79) verstanden; es geht dabei um die Überwindung der Trennlinien, um das Ineinanderfließen, Sich-Verknüpfen von Teilen. Ausgeklammert werden sollen hier 4
Diese Unterscheidung findet sich u.a. bei Lockwood 1970 oder Habermas 1981; im Folgenden wird auf die strukturationstheoretischen Überlegungen von Anthony Giddens Bezug genommen (vgl. Giddens 1995b: 81).
Integrationsmanagement über Testimonials
273
die praxisbezogenen, zumeist soziologisch geprägten Überlegungen interkultureller Integration,5 vielmehr geht es um das Grundphänomen des Vorhandenseins bestimmter Strukturen und der Frage nach der Teilhabe von Akteuren an dieser Struktur durch ihr Handeln. Beschrieben werden heute verschiedene Formen der Integration, so z.B. Integration durch Adaption, über einen Wertekonsens (Wertekonsens als Voraussetzung für Integration, gemeinsame Orientierung durch Normen, vgl. Parsons 1967) oder Integration als reflexiver Abstimmungsprozess (Abstimmung zwischen System und Umwelt, Umweltbedingungen können in die eigenen individuellen Entscheidungsprämissen aufgenommen werden, vgl. insbes. Willke 1980, Luhmann 1971). Wie beschrieben ist der Ausgangspunkt für diese Überlegungen zumeist die Feststellung von Differenzierungsdynamiken, und Integration damit die „Vermittlung zwischen den durch Differenzierung erhöhten Handlungschancen des Gesamtsystems und den gleichzeitig anwachsenden und zu bewältigenden Interdependenzen der ausdifferenzierten, autonomen Teile“ (Foemer 1981: 12). Krüger (1984: 23) definiert Integration in diesem Sinne als Aktionsgefüge, „in dem die einzelnen Teile ex ante wechselseitig aufeinander bezogen sind“. Auch betriebswirtschaftliche Interpretationen und daran anschließend Ansätze der integrierten Unternehmenskommunikation (vgl. va. Bruhn 2003, Zerfaß 2005, 2007, Kirchner 2001, siehe Kap. 1.2) sprechen von einem präsituativen, planerischen Gestalten (vgl. Bleicher 1991: 47). Im Folgenden wird Integrationsdynamik in diesem Sinne als reflexiver Austausch- und Abstimmungsprozess betrachtet, der (kommunikations-)strategisch gestaltet werden kann. Im Anschluss an Giddens’ Theorie der Strukturation (vgl. Giddens 1988, 1995a) wird für die vorliegende PR-theoretische Diskussion zum Einsatz von Testimonials die Gesellschaft als Strukturzusammenhang und gleichzeitig als akteurbezogene Handlungskonsequenz verstanden. Handlung und Struktur sind dabei zwei miteinander verwobene Begriffe, Strukturen sind kein Rahmen, der über den Individuen ‚hängt‘, sondern Bedingung und Resultat des Akteurshandelns. Strukturen sind damit „chronisch in das Handeln selbst eingebettet“ (Giddens 1988: 290). Struktur existiert nicht ohne Handlungen, Handlungen bestehen nicht ohne die Bedingung durch Strukturen. Struktur ist kein Zwang, schränkt das Handeln nicht nach einem bestimmten Muster ein, sie ermöglicht es. Soziale Strukturen und damit auch organisationale Strukturen sind damit das ‚Medium‘, in dem sich jedes Handeln vollzieht. Im Handeln nehmen Akteure Bezug auf bestimmte Regeln und Ressourcen und reproduzieren gleichzeitig diese Strukturen des Sozialen. An dieser Stelle sei ergänzend auf die Theorie gesellschaftlicher Differenzierung von Uwe Schimank verwiesen, der ebenfalls system- mit akteurstheoretischen Überlegungen verknüpft (Schimank 1988, 2000); soziale Wirklichkeit entsteht in seinem Verständnis gemeinsam konstituiert durch handlungsfähige und handlungsprägende Systeme. Auch Schimank spricht über die Verknüpfung beider als rekursivem Zusammenhang, in dem soziale Systeme einerseits Kontingenzbestimmungen für das Handeln darstellen, aber auf der anderen Seite vom Akteurshandeln (re)produziert werden, in Giddens’ Worten: „Struktur wird immer nur wirklich in den konkreten Vollzügen der handlungspraktischen Strukturierung sozialer Systeme“ (Giddens 1988: 290, Herv. i. O.). Wie lässt sich der Begriff ‚Integration‘ auf der Basis dieser Überlegungen für die PRForschung konkretisieren? Welche Indikatoren für System- und Sozialintegration lassen sich fassen? Erst wenn diese vorliegen, ist es möglich, erstens zu überprüfen, inwieweit diese zusammenhängen, also ob konkret System- über Sozialintegration hergestellt werden 5
Eine gute Übersicht über verschiedene theoretische Herangehensweisen bieten Friedrichs/Jagodzinski 1999.
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Franzisca Weder
kann und ob dies über Testimonials passieren kann. Zweitens geht es darum, eine PRtheoretische Bestätigung zu bekommen, dass Struktur- und Handlungsebene als miteinander verknüpft gedacht werden müssen. Den folgenden Ausführungen wird das Schema der Ebenen und Indikatoren der Integration von Friedrichs/Jagodzinski (1999: 20) zu Grunde gelegt (Abb. 1). Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Mikro- und Mesoebene, d.h. den Individuen und deren Handlungen, sowie den strukturellen Zusammenhängen auf der gesellschaftlichen Mesoebene, die derartige Handlungen bedingen bzw. in die eine Integration stattfinden kann. Abbildung 1:
Integrations-Indikatoren, Darstellung nach Friedrichs/Jagodzinski
Ebene
Beispiele
Makroebene
Gesellschaft,
Indikatoren für Integration/Desintegration
gesellschaftliche Subsysteme Politik, Wirtschaft, staatliche Organe, Religion
Mesoebene
Politische Konflikte, politische Partizipation, Kriminalität, nationale Identifikation, Nationalstolz
Organisationen, Unternehmen, Institutionen, Verbände etc. Gemeinden, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Kirchen, Vereine, Unternehmen, Gerichte
Mikroebene
Lokale Identität, Mitgliedschaft, Volunteering, Spendenbereitschaft, Identifikation mit dem Unternehmen
Individuen, kollektive Akteure, Gruppen Freundschafts-, Kontaktnetzwerke, Familie
Zahl der Freunde/Kontakt- und Kooperationspartner, Hilfeleistung, Unterstützung, Gruppenidentifikation
Es stellt sich aus PR-theoretischer Sicht nun also die Frage, welche Strukturen auf der Mesoebene vorliegen, welche Ziele Kommunikationsmanagement generell und im Speziellen mit dem Einsatz von Testimonials verfolgt und welche Integrations-Indikatoren dabei eine Rolle spielen können.
1.2 Organisationales Feld als ‚Integrationsraum‘ Auf der theoretischen Meso- und damit Organisationsebene finden sich konstitutionelle Zusammenhänge, z.B. Unternehmen, auf die bezogen Kommunikationsmanagement theoretisch und praktisch untersucht wird. Im Folgenden geht es darum zu skizzieren, wie sich ein Zusammenhang strukturell fassen lässt, in dem Systemintegration passieren kann. Unternehmen werden hier als eine Form von Organisationen verstanden, die als ‚organisationales Feld‘ definiert werden; dieses Konzept macht es erstens möglich, bestehende Strukturen über Organisationsgrenzen hinaus zu fassen. Darüber hinaus können damit auch die von diesen Strukturen bedingten und diese vice versa reproduzierenden (sozialen) Handlungen miteinbezogen werden. Wie ist das theoretisch zu erklären? Der Begriff des ‚organisationalen Feldes‘ beschreibt die wechselseitigen Beziehungen in einem eine Organisation übergreifenden Zusammenhang, ein organisationales Feld umfasst also auch die Umwelt, insbe-
Integrationsmanagement über Testimonials
275
sondere die ‚relevante Umwelt‘ einer Organisation (Anspruchs-, Bezugsgruppen bzw. Stakeholder6) (vgl. hierzu u.a. Powell/DiMaggio 1991: 64 f., Scott/Meyer 1991: 108, Hasse/ Krücken 1999: 16). Ein organisationales Feld ist demnach eine „netzwerkartige Figuration[..] wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure aus disparaten sozialen Systemen“ (Beschorner 2004: 260). Für die vorliegenden Ausführungen sind also zwei Basisannahmen von Bedeutung: Erstens ist die moderne Gesellschaft als ‚Organisationsgesellschaft‘ von Organisationen durchdrungen (vgl. u.a. Ortmann/Sydow/Türk 2000a); zweitens ist sie eine Medien-, Informations- bzw. Kommunikationsgesellschaft (vgl. exemplar. Münch 1991, 1992 oder Imhof 2006), öffentliche und private Kommunikationen sind die Basisressource der Gesellschaft, sie manifestieren sich in Strukturen, die wiederum von entsprechenden Kommunikationsprozessen über Organisationszusammenhänge (re)produziert werden. Im Anschluss an Powell/DiMaggio (1991: 65) und Walgenbach (2000: 39) lassen sich die folgenden als Prozessfaktoren eines organisationalen Feldes beschreiben: 1. 2. 3. 4. 5.
Interaktionsströme zwischen den Organisationen eines ‚Feldes‘, interorganisationale „Beherrschungsstrukturen und Verbindungsmuster“, Bewusstsein über die Eingebundenheit in das Feld, gemeinsame Deutungsmuster und -systeme sowie zu bewältigende Informationslasten (vgl. Beschorner 2004: 260).
Eine Erweiterung dieser theoretischen Überlegungen aus kommunikationswissenschaftlicher und damit auch PR-theoretischer Perspektive erscheint hier notwendig, fehlt in den hier angeführten Prozessfaktoren doch die Auseinandersetzung mit Kommunikationsflüssen in einer, aus einer und um eine Organisation herum. Öffentlichkeit wird hier als thematische Struktur öffentlicher Kommunikation, als Komponente verstanden, als Strukturkomplex, Interaktions- und Beziehungsgefüge (vgl. u.a. Gerhards/Neidhardt 1991: 44 ff.). In diesem laufen die Bewertung von Erfahrungen und (Selbst-)Beobachtungen, Thematisierung und Selbstvergewisserungs- sowie Selbstbewusstseinsbildungsprozesse von Akteuren und Akteurskonstellationen ab (vgl. u.a. Dewey 1996). Öffentlichkeit ist damit ein Beziehungsnetz bzw. Interaktionsfeld, welches andere Interaktionsfelder überlagert und Verbindungslinien zu anderen Lebens- und Gesellschaftssystemen bzw. -bereichen herstellt. Sie besteht aus einer Vielzahl von mehr oder weniger (intensiv) aufeinander bezogenen Einzelöffentlichkeiten, die sich mit bestimmten als Stakeholder definierten Akteurskonstellationen decken können. Diese Teilöffentlichkeiten sind durch abgrenzbare Themen und Meinungen, durch unterschiedliche Funktionen sowie einen unterschiedlichen Grad der Medialisierung gekennzeichnet.7 Die oben beschriebenen Prozessfaktoren eines organisationalen
6
7
Zum Begriff Stakeholder und Stakeholder-Management vgl. u.a. Freeman 2004: 228-241; zur historischen Dimension des Stakeholder-Ansatzes vgl. Ambler/Wilson 1995; die Überlegungen von Freeman wurden insbesondere von Carroll 1996 weiterentwickelt. Unterschieden werden im Anschluss an Zerfaß 1996, Gerhards/Neidhardt 1991: 19 ff. episodische Öffentlichkeiten/Encounter-Öffentlichkeit (Gespräche, Begegnungen, Interaktionen), thematisch zentrierte Interaktionssysteme, Präsenzöffentlichkeiten (Podiumsdiskussionen, Vorträge, Demonstrationen, Versammlungen etc.), Medienöffentlichkeit (konstruiert durch elektronische oder materielle Medien) sowie die kontrollierte Medienöffentlichkeit, durch die die Kommunikation zwischen räumlich oder zeitlich getrennten, aber generell abgrenzbaren Teilnehmerkreisen (Videokonferenz, Telefonat, Diskussionsforum, Internetcommunity etc.) ermöglicht wird. Zur Modellierung der Arenaöffentlichkeit siehe Weder 2007: 27.
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Franzisca Weder
Feldes lassen sich ergänzt durch öffentlichkeitstheoretische Überlegungen wie folgt spezifizieren: 1. 2. 3. 4. 5.
Kommunikationsströme in, aus und um eine Organisation, kommunikative Verbindungsmuster zwischen Organisation und Stakeholdern, kommunikatives Bewusstsein über die Eingebundenheit in das Feld, gemeinsame Kommunikationsmuster, Ziele und Deutungsmuster und gemeinsame Themenstruktur und Grad der Information.
Im Folgenden ist wird nun diskutiert, bei welchen dieser Prozessfaktoren Testimonials eine zentrale Rolle zukommen kann, auf welche Art und Weise sie also Strukturen in einem organisationalen Feld ausbilden können. Dazu erscheint es sinnvoll, Kommunikationsmanagement und im Speziellen ‚PR‘ zu definieren, da es dabei um das strategische Management der oben angeführten Prozessfaktoren, gerichtet an die Stakeholder einer Organisation, geht.
1.3 ‚Integriertes‘ und ‚Integrierendes‘ Kommunikationsmanagement Öffentlichkeitsarbeit (PR8) wird hier von anderen Formen des Kommunikationsmanagements (z.B. Marktkommunikation9) unterschieden, sie stellt Selbstbeobachtungen für die gesellschaftlichen Teil- bzw. entsprechenden Organisationssysteme her und sorgt dafür, dass diese in Beziehung setzbar sind (‚Public-Relations‘). Dieses Einbinden, das ‚InBeziehung-Setzen‘ passiert dann über den Journalismus bzw. die Medien. Öffentlichkeitsarbeit weist einem Ereignis eine bestimmte Bedeutung zu und bildet über diese Bedeutungszuweisung bzw. Kategorisierung die ‚in-Beziehung-setzbaren‘ Selbstbeobachtungen (vgl. Gottwald 2006). Auf diesem Wege ist es möglich, Einfluss auf die formale und inhaltliche Ausgestaltung organisationsseitig als relevant erkannter Teile öffentlicher Kommunikation zu nehmen – im Fokus stehen also die Stakeholder. In diesem Sinn zielen alle Formen strategischen Kommunikationsmanagements einerseits auf die Änderung von Umwelterwartungen von als relevant bewerteten Umweltsystemen (Publika, Ziel-, Anspruchs- oder Bezugsgruppen) ab. PR wird dabei als eine Teilfunktion von Kommunikationsmanagement betrachtet, das mit Marketing und interner Kommunikation abgestimmt bzw. ‚integriert‘ werden sollte. Aus den Wirtschaftswissenschaften stammt der Begriff der ‚Integrierten Unternehmenskommunikation‘, er wird konkret mit dem Namen Manfred Bruhn in Verbindung gebracht. Spricht dieser von einer erweiterten Bedeutung von Public Relations, weist er insbesondere auf die Pflege der Beziehung zu relevanten Anspruchsgruppen hin, die einen strategisch großen Wert für die gesamte Unternehmenskommunikation hat. PR hat in seinen Augen die Verantwortung für das „Management der Beziehungen zu relevanten Anspruchsgruppen“ 8
9
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird ‚Public Relations‘ verstanden als die ‚Gestaltung und Pflege der Beziehungen zu einer (bestimmten) Öffentlichkeit. Es geht also um ein Wechselverständnis zwischen einer bestimmten Organisation, Institution, einem Unternehmen und der Öffentlichkeit, meint die Kommunikation in und von Organisationen, genauer ein „wie auch immer geartetes Vertrauensverhältnis zwischen der Public Relations treibenden Organisation und der Öffentlichkeit“. Vgl. u.a. Röttger 2004: 8. Kommunikationsmanagement wird hier als Überbegriff für Organisationskommunikation, PR und Marktkommunikation (Werbung, Marketing etc.) begriffen. Vgl. hierzu Zerfaß 2004, Theis-Berglmeier 2005.
Integrationsmanagement über Testimonials
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(Bruhn 2003: 96 f.) und demnach einen strategischen Wert für die Unternehmenskommunikation. Das ‚integrierte Beziehungsmanagement‘ einer Organisation, verstanden als „offenes, komplexes, zweck- und zielorientiertes System“ und geprägt von zirkulären Wechselbeziehungen und intentionalen Handlungen (Kirchner 2001: 25 f.), schafft für Karin Kirchner ebenso wie für Ansgar Zerfaß, die aus einer stärker kommunikationstheoretisch geprägten Perspektive argumentieren, Beziehungsstrukturen, konkret strukturelle Zusammenhänge mit Netzwerkcharakter. Der Netzwerkknotenpunkt liegt bei der „gut funktionierenden Unternehmensführung“ (Kirchner 2001: 50), da die Kommunikations- aus den Unternehmenszielen folgen. Zerfaß schreibt im Verhältnis Unternehmensführung, Unternehmenskommunikation10 und Öffentlichkeitsarbeit der PR (Public Relations) einen systematischen Platz im strategischen Kommunikationsmanagement zu (Zerfaß 2005: 18); Unternehmenskommunikation und PR befinden sich so in einem Spannungsfeld aus „voluntaristischem Handeln und strukturellem Determinismus“ (ebd. 85). Integration der Stakeholder via Kommunikationsmanagement kann nur dann funktionieren, wenn die PR aus dem im Sinne des integrierten Kommunikationsmanagement erweiterten Spektrum an Kommunikationsmöglichkeiten schöpft, also mit interner Kommunikation und Marketing gemeinsam gedacht wird. Bei PR im hier verstandenen Sinn geht es also vor allem darum, auf Dauer gestellte Strukturen zu konstituieren, über die sich die Stakeholder (d.h. die relevante Umwelt einer Organisation) in diese Struktur integrieren können. PR meint also das gezielte Schaffen von Strukturen, die Integration ermöglichen, das strategische Schaffen von Themenöffentlichkeiten über die Vermittlung bestimmter Informationen, von Wissen und Bedeutungen (Selbstbeobachtungen, s.o.). Das Ziel: Handlungen der Stakeholder in einen größeren Beziehungszusammenhang, konkret: das organisationale Feld, stellen, anknüpfbar machen. Die zentrale hier zu diskutierende Frage lautet nun: Ermöglicht der Einsatz von ‚Zeugen‘ für bestimmte Informationen, Botschaften, Qualitäten oder Charakteristika eines Produktes oder einer Dienstleistung im Rahmen von PR die beschriebene Systemintegration in ein organisationales Feld, konkret: zunehmendes Wissen, veränderte Einstellungen (positive Wahrnehmung, Vertrauen) und Handlungen (z.B. Kaufbereitschaft), also eine langfristige, nachhaltige Bindung von Stakeholdern an eine Organisation? In Bezug auf Abb. 1 kann als Ziel des Kommunikationsmanagements unter ‚Integrationsgesichtspunkten‘ die Unterstützung, Identifikation, Mitgliedschaft, Spendenbereitschaft oder der Kauf von Produkten und Dienstleistungen beschrieben werden. Im Folgenden soll die These diskutiert werden, ob und wenn ja wie diese Indikatoren von Integration auf der Mesoebene (Systemintegration) durch Integration auf der Mikroebene (Sozialintegration) erreicht werden und welche Rolle Testimonials dabei spielen können. Konkret wird dabei die These diskutiert, dass Testimonials Freundschafts- und Kontaktnetzwerke, individuelle Unterstützung oder Identifikation konstruieren und so eine Verknüpfung zur Mesoebene – hier einer Organisation – herstellen können. Dies würde bedeuten, dass über Sozialintegration Systemintegration (in das organisationale Feld) ermöglicht werden kann.
10
„Unternehmenskommunikation umfasst sämtliche Kommunikationsprozesse in und von erwerbswirtschaftlichen Organisationen. (…) Die drei Kernbereiche der Unternehmenskommunikation sind die Organisationskommunikation, Marktkommunikation und Public Relations.“ Vgl. Zerfaß 2005: 20
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Franzisca Weder Testimonials
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, wird Personalisierung in der PR zumeist auf Basis der Nachrichtenwerttheorie diskutiert; hierbei spielen Thematisierungsprozesse, Darstellungszwänge und Möglichkeiten zur Inszenierung in der massenmedialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle (vgl. Schulz 1997), Aufmerksamkeit ist zur zentralen Währung geworden (vgl. Franck 1999). Der Nachrichtenfaktor Personalisierung11 bezieht sich auf die systematische Konzentration auf eine Person, eine Persönlichkeit, die mit einem bestimmten Prädikat ausgezeichnet ist, das in der Währung Aufmerksamkeit etwas ‚wert‘ ist. Personalisierung ermöglicht die Reduktion von Komplexität, ein Ereignis oder Sachverhalt wird einfacher kognitiv zu verarbeiten (vgl. Kamps 1998). Durch die begrenzte Anzahl dafür geeigneter Personen in der Öffentlichkeit werden Identifikationsmöglichkeiten12 geboten und Erwartungssicherheit gegeben. Da Testimonials zumeist in Werbung und Marketing eingesetzt werden und dementsprechend auf diesen Themenkreis eingeschränkte Ausführungen in der Literatur zu finden sind, erscheint hier eine theoretische und praktische Auseinandersetzung mit Testimonials aus PR-theoretischer Perspektive als notwendig. Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht die Frage, welche verallgemeinerbaren Aussagen zu Testimonials auch für den Einsatz dieser aus PR-strategischen Gesichtspunkten zu finden sind und vor allem, wie das Ziel der Integration von Stakeholdern in das organisationale Feld erreicht werden könnte. Dazu werden in einem ersten Schritt die Varianten individualisierter Darstellung von Botschaften in Form von Testimonials skizziert (2.1.), bevor in einem zweiten Schritt die marketingtheoretischen Grundlagen zur Testimonial-Kommunikation kurz beleuchtet werden.
2.1 Promis, Experten, Laien – Arten von Testimonials Der Begriff ‚Testimonial‘ bezeichnet einen Fürsprecher für Produkte oder Dienstleistungen, der zumeist im Rahmen von Werbung auftritt. Grundsätzlich lässt sich zwischen dem offen-expliziten und dem verdeckt-impliziten Testimonial unterscheiden (vgl. Haase 2000), was bedeutet, dass die argumentative Einbindung des Testimonials in die Werbebotschaft offen und ausdrücklich oder verdeckt passiert. Die meistzitierte marketing-theoretische Einteilung stammt von Awada, der zwischen Prominenten, Unbekannten (Kunden, Firmenangehörige, Experten) und künstlichen Personen unterscheidet (vgl. Awada 2003: 27 ff.). Testimonials empfehlen Produkte, Dienstleistungen oder Ideen, sie legen ‚Zeugnis‘ von der Qualität und Nützlichkeit des beworbenen Objekts ab. Nicht nur bei einem Blick ins aktuelle (Werbe-)Fernsehen wird deutlich, dass Prominente eine besonders beliebte Art der ‚Zeugen‘ bzw. Fürsprecher darstellen. Der Begriff ‚Prominenter‘ entstammt dem Filmmilieu der 20er Jahre. Karl Kraus konstatiert als früher Zeitzeuge der Wortschöpfung: „Komödianten, Filmfritzen, Kabarettfatzken, Boxer, Fußballer, Parlamentarier, Eintänzer, Damenfriseure, Literaturhistoriker, Persönlichkeiten schlechtweg – alle können prominent sein“ (Kraus 1961: 51). Der Prominenzbegriff hat seinen Ursprung im Lateinischen und leitet sich von dem Wort „prominere“ 11 12
Vgl. zur Nachrichtenauswahl u.a. Kunczik/Zipfel 2001, zur Gatekeeperforschung Shoemaker/Reese 1991 oder zur Nachrichtenwertforschung Ruhrmann et al. 2003. Vgl. u.a. Östgaard 1965, bei dem Personalisierung zum Faktor Identifikation zugerechnet wird.
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(herausragen) ab (B. Peters 1996: 16). Prominente sind die ‚Inkarnation des common sense‘ einer Gemeinschaft und Bestandteil ihrer Identität, sie entspringen den Ideologien, denen Gemeinschaften folgen (Sportlichkeit, Erfolg, Schönheit als Ideal) oder die ihnen zugrunde liegen (vgl. Röhr/Lönneker 2001). Der Einsatz von Prominenten als Testimonials fällt heute unter den Begriff ‚Celebrity-Marketing‘ (Überblick bei Awada 2003) und reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Um höhere Verkaufserlöse zu erzielen, wurden Produkte bereits damals nach Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses benannt.13 Nach Ansicht heutiger Werbeexperten aus Wissenschaft und Praxis schafft Werbung mit Prominenten mehr und nachhaltigere Aufmerksamkeit als Werbung mit unbekannten Darstellern,14 doch verdrängen zunehmend ‚neue‘ Gesichter aus dem Alltag die Prominenten. Ein aufmerksamkeitsstarkes Werbesujet der letzten Monate entstammt einer Anzeigenkampagne der Pflegemittel-Firma Dove, die durch die Darstellung von ‚molligeren‘, natürlichen Frauen mit Tatoos, Gewebe- und anderen ‚Schönheitsfehlern‘ den Realismus in der Werbung repräsentiert.15 Ähnliche Veränderungen werden auch im Bereich Gesundheit/Medizin deutlich. So setzt beispielsweise der Verband der forschenden Arzneimittelindustrie in Deutschland (www.vfa.de) einerseits auf Mitarbeiter, speziell Forscher deutscher Pharmafirmen, und andererseits auf behandelte Laien als Sprecher für ein verbessertes Image der Pharmaindustrie. Eine Metastudie aus der soziologischen Praxis belegt, dass „Laien tendenziell die besseren Helfer (Berater, Therapeuten usw.) sind“ (Müller-Kohlenberg et al. 1994: 24) und dementsprechend immer öfter als Experten eingesetzt werden; Wissenstransfer passiert heute vermehrt auch ‚bottom-up‘, z.B. in Schulen, Universitäten etc., eine Folge des schwindenden Vertrauens in die Wertbindung der Professionellen und der Demystifikation von Expertenwissen. Dennoch stellt der Experte nach wie vor eine beliebte Art von ‚Fürsprecher‘ und ‚Berater‘ dar. Bei Experten und Laien handelt es sich um komplementäre Rollen, Laie ist man nur im Gegensatz zu einem Experten, Laie ist, wer bei der Lösung von Problemen ein entsprechendes Expertenwissen konsultiert, Experte nur, wenn es jemanden gibt, der eine spezielle Expertise zur Lösung der eigenen Probleme benötigt. Kennzeichen von Experten ist erstens, dass sie über ein ausdifferenziertes Sonderwissen verfügen (Kompetenz), und zweitens, dass sie dieses Wissen in Beratungsverhältnisse auf nicht-wissenschaftliche praktische Probleme anwenden, um diese entweder zu lösen (z.B. im Auftrag eines entsprechenden ‚Kunden‘) oder Entscheidungsträgern bei der Problemlösung zu assistieren (Beraterrolle). Dementsprechend finden sich Experten heute auch in den Massenmedien in unterschiedlichen Kontexten wieder (vgl. H.P. Peters 1996), von Dr. Best und der Zahnarztfrau in der Werbung bis zu Herrn Lauterbach und anderen Gesundheitssystem-, Terror- oder Klimaexperten in Nachrichten- und Talksendungen aller Genres. Die besondere ‚Spezies‘ der Experten als Testimonials kann selber einen hohen Grad an Berühmtheit erreichen bzw. vom Wunsch motiviert sein, neben der wissenschaftlichen auch politische bzw. öffentliche Reputation zu gewinnen (Vgl. B. Peters 1994). Für eine Diskussion der These, dass Testimonials Integrations-Indikatoren auf der Mikroebene setzen (Freundschaft, Vertrauen etc., vgl. erneut Abb. 1), um so eine Bindung 13 14 15
Überblick dazu in Prominente in der Werbung. Da weiß man, was man hat, 2001 hrsg. durch Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. hierzu http://www.absatzwirtschaft.de/pdf/DMP_Testimonials_2005.pdf (26.01.2006) und http://www. horizont.net (3.5.2007). Vgl. hierzu http://economyaustria.at/Text/?id=2593540 (3.5.2007).
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zur Organisation auf der theoretischen Mesoebene herzustellen (Kauf, Spenden etc.), erscheint es also zunächst notwendig, das Verhältnis von Experten- oder prominenten Testimonials zum Publikum zu überprüfen – wie angedeutet führt hier der Weg über marketingtheoretische Überlegungen.
2.2 Testimonial-Kommunikation aus marketingtheoretischer Perspektive Ob Prominenter, Laie oder Experte, das zentrale Charakteristikum der Beziehung Testimonial-Publikum ist die unterschiedliche, asymmetrische Wissensstruktur zwischen den am Kommunikationsprozess Beteiligten. Bereits in der Einleitung wurde auf die Modularisierung von Wissen und die Notwendigkeit der Reduktion von Wissen und Botschaften hingewiesen. Anknüpfend am theoretischen Erklärungszusammenhang der Neuen Institutionenökonomik (vgl. hierzu u.a. Coleman 1990, Ebers/Gotsch 1999), lässt sich diese Kommunikationsbeziehung als (rationales, vgl. hierzu u.a. Elster 1989, Cook et al. 2005) Tauschgeschäft von Aufmerksamkeit gegen Information (vgl. Franck 1999, Davenport/Beck 2001) beschreiben. Insbesondere der so genannte ‚Prinzipal-Agenten-Ansatz‘ untersucht und erklärt die Interdependenzen zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent) (vgl. Picot 1999: 85-94, Göbel 2002) über das Charakteristikum eines Wissens-, Informations- bzw. Autoritätsgefälles. Das Testimonial wird dementsprechend für eine bestimmte Tätigkeit beauftragt bzw. genutzt (Wissensvermittlung, Komplexitätsreduktion etc.), es verfügt also über mehr Informationen als die andere Seite (Prinzipal, hier das Publikum, kommunikationsstrategisch: die Stakeholder). Das Besondere aus kommunikationsstrategischer Sicht ist dabei erstens, dass der Prinzipal vom Wissensvorsprung des Agenten abhängig ist, was zweitens bedeutet, dass diese Informationsasymmetrie strategisch gebildet aufrechterhalten werden kann (vgl. u.a. Ruß-Mohl/Fengler 2006: 59, Schweizer 1999). Die für den vorliegenden Zusammenhang wichtigsten Charakteristika der TestimonialPublikum-Kommunikationsbeziehung ist also die generelle Informationsasymmetrie in den Austauschprozessen Information vs. Aufmerksamkeit. Das „Über- und Unterordnungsverhältnis“ (Delhees 1994: 18) markiert einen Zusammenhang, in dem Kommunikationsprozesse einseitig ablaufen. Im Sinne des in Kap. 1 angeführten hier vertretenen Verständnisses von Kommunikationsmanagement mit dem Ziel der Stakeholderintegration führt eine asymmetrische Beziehungskonstellation allerdings zu erhöhter Komplexität und verhindert das Entstehen von netzwerkartigen Beziehungsstrukturen über eine Organisation hinaus zu den Stakeholdern; ebenso wird Integration als reflexiver Abstimmungsprozess erschwert, die in Kap. 1.2 beschriebenen Prozessfaktoren sind nur schwer realisierbar. Wie kann also das marketingtheoretische Verständnis von Testimonials als Agenten mit ‚Wissensvorsprung‘ PR-theoretisch erweitert werden? Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht die Frage, welche verallgemeinerbaren Aussagen zu Testimonials auch für den Einsatz dieser aus PR-strategischen Gesichtspunkten zu finden sind und vor allem wie das Ziel der Integration von Stakeholdern in das organisationale Feld erreicht werden könnte. Dies führt über den Faktor ‚Vertrauen‘, konkret die Überlegung, dass Testimonials einen NetzwerkZusammenhang über Vertrauen schaffen können, der die Integration der Stakeholder in das organisationale Feld ermöglicht.
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Vertrauen hat in der Informations- und Mediengesellschaft massiv an Bedeutung gewonnen, es gibt Entscheidungssicherheit, ist ein zentraler Strukturbildner, Mittel zur Reduktion von Komplexität und damit stabilisierendes Element (vgl. Luhmann 2001, Giddens 1990). Im Folgenden wird ein kurzer Blick auf die bestehenden Definitionsangebote zu Vertrauen geworfen, um auf dieser Basis zweitens über die Rolle von Vertrauen beim Schaffen von Integrationsmöglichkeiten durch Kommunikationsmanagement mittels Testimonials zu diskutieren. Wichtig dabei erscheint der Hinweis darauf, dass sich die Differenzierung zwischen System- und Sozialintegration in Vertrauensfragen wieder findet; so wird sowohl in praktischen Auseinandersetzungen als auch wissenschaftlichen Definitionsversuchen zwischen Vertrauen in Personen und in Organisationen, zwischen dem Bilden von Vertrauen erhaltenden Systemen und Vertrauen generierenden (Sozial-)Systemen unterschieden. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die vorliegenden Überlegungen, die wie beschrieben von PR als einer Form des strategischen Kommunikationsmanagements ausgehen, mit dem Ziel, Integration in ein organisationales Feld (Systemintegration) über Sozialintegration herzustellen. Im Folgenden wird Vertrauen als strukturbildender Faktor vorgestellt (3.1), bevor im Anschluss die marketingtheoretischen Überlegungen aus Kap. 2.2 durch die PRtheoretische Perspektive erweitert werden (3.2); auf dieser Basis lassen sich in Kapiteln 3.3 die Fragen diskutieren, welche Art von Testimonial PR-strategisch als ‚geeignet‘ eingestuft werden kann und ob Testimonials in der Lage sind, eine langfristige, nachhaltige Bindung der Stakeholder an eine Organisation zu erreichen.
3.1 Vertrauen als Strukturbildner Heute existieren zahlreiche wissenschaftliche Definitionsversuche (vgl. u.a. Petermann 1996), den reichhaltigsten Fundus bieten hier Psychologie (vgl. u.a. Köhnken 1990, Petermann 1996) und Soziologie (vgl. für einen Überblick Endress 2002). Im Mittelpunkt steht bei letzteren zumeist das zwischenmenschliche Vertrauen, resultierend aus bisheriger Erfahrung und der Hoffnung auf das Gute im Menschen (Schottlender 1958), Vertrauen erweitert die Möglichkeiten des Erlebens und Handelns und gibt gleichzeitig Sicherheit (Luhmann 1973, 2001), damit ist Vertrauen „eine der wichtigsten synthetischen Kräfte innerhalb der Gesellschaft“ (Simmel 1922: 393). Ausgehend von wirtschaftlichen Austauschprozessen wird Vertrauen als ein die Transaktionskosten senkendes ‚Schmiermittel‘ für den „reibungslosen Ablauf von Transaktionen“ (Göbel 1992: 34, vgl. auch Ripperger 1998) verstanden, als Möglichkeit, Wissensund Informationsasymmetrien abzubauen (oder zum ökonomischen Zwecke gezielt zu steigern) und damit Transaktionskosten zu senken. Hauptbedingung der Vertrauenserfordernisse ist aber „nicht das Fehlen von Macht, sondern das Fehlen vollständiger Informationen“ (Giddens 1995a: 48), Vertrautheit und Zuversicht setzen also asymmetrische Beziehungen zwischen System und Umwelt voraus (Luhmann 2001: 151). Bereits Parsons verwies darauf, dass Vertrauen ein Mechanismus ist, der den „competence gap“ zwischen Experten und Laien oder, wie weiter oben argumentiert, Prinzipal und Agent überbrückt (Parsons 1978: 46). Hierin liegt also eine Bestätigung dafür, dass Prinzipal-Agenten-Beziehungen und deren charakteristisches Informationsgefälle Vertrauen notwendig machen. Als
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zentraler Baustein der Vertrauensdiskussion bezogen auf Kommunikationsprozesse zwischen Testimonials und Publikum wird also Informationsasymmetrie als Charakteristikum und zugleich Voraussetzung der Organisationskommunikation mit den Zielgruppen via Testimonials beschrieben. Der Aufbau von Vertrauen lässt sich sowohl über kognitive als auch affektive Komponenten definieren. Es handelt sich um ein kollektives (vgl. u.a. Fombrun 1996), ein einstellungsähnliches (vgl. u.a. Meijer 2004, Einwiller 2003) und ein mehrdimensionales Konstrukt, setzt sich aus den kognitiven Faktoren Kompetenz und soziale Integrität (vgl. Eisenegger 2005) und affektiven Faktoren wie Sympathie/Faszination (vgl. u.a. Schwaiger 2004) zusammen. In diesem Sinne geht es um den „Ruf der Vertrauenswürdigkeit“ (Eisenegger 2005: 29) als zentralem Mechanismus sozialer Integration. Das Ziel: Erwartungssicherheit zu ermöglichen – auf Seiten des Kommunikators und des Empfängers/Publikums. Einem Testimonial wird hier die Funktion zugeschrieben, interpersonales Vertrauen als Grundlage für eine Form sozialer Austauschprozesse durch sowohl kognitive als auch affektive Komponenten herstellen zu können. In Bezug auf das Integrations-Indikatoren-Schema (Abb. 1) können Testimonials also Vertrauen wie in freundschaftlichen oder kooperativen Beziehungszusammenhängen auf Mikroebene herstellen. Wie sich darüber Systemintegration in ein organisationales Feld ermöglichen lässt, wird im Folgenden nun aus einer explizit PRtheoretischen Perspektive diskutiert.
3.2 Testimonial-Kommunikation aus PR-theoretischer Perspektive Personalisierung in der PR – die erste Frage, die sich nach den bisherigen Ausführungen stellt, ist, welche Unterschiede zum Einsatz von Testimonials in der Werbung festzustellen sind, und die zweite, wie das Ziel der Integration von Stakeholdern in das organisationale Feld über Testimonials passieren kann. An dieser Stelle sei erneut auf Abb. 1 verwiesen, in der die Ebenen und Indikatoren der Integration exemplarisch zusammengestellt wurden. Dementsprechend wurde als Ziel des Kommunikationsmanagements die Unterstützung, Identifikation, Mitgliedschaft, Spendenbereitschaft oder der Kauf von Produkten und Dienstleistungen beschrieben; die hier vertretene These: Über den Einsatz von Testimonials werden diese Indikatoren von Integration auf der Mesoebene durch Integration auf der Mikroebene erreicht. Konkret wird davon ausgegangen, dass Testimonials über kognitive und/oder affektive Komponenten Freundschafts- und Kontaktnetzwerke, individuelle Unterstützung oder Identifikation verursachen können. Doch wie lässt sich nun über Sozialintegration Systemintegration (in das organisationale Feld) herstellen? Auf der Suche nach den wichtigen Integratoren, mit denen diese Verknüpfung möglich wird, soll hier im Anschluss an Friedrichs/Jagodzinski (1999: 11ff.) zwischen relationalen und absoluten Integrationsbegriffen unterschieden werden. Da wir mit der Überlegung, dass durch kognitive und affektive Faktoren Vertrautheit zwischen Testimonial und Stakeholdern entsteht, auf der Mikroebene ansetzen, geht es insbesondere um die inneren Zustände, die Bedingungen, unter denen sich ein Individuum mit einer bestimmten Gruppe identifiziert. Ebenfalls spielt das ‚äußere Verhalten‘ eine Rolle; so entwickeln die Autoren im Sinne des rationalen Handelns eines Individuums die These, dass eine Person umso stärker integriert ist, je mehr sie mit anderen kooperiert (ebd.: 12); ebenso ist eine Person „in ein System
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integriert, wenn sie zum Erhalt des Systems oder zur Erfüllung der Systemfunktionen beiträgt“ (ebd.: 13). Neben diesen qualitativen sind die quantitativen Integrationsfaktoren von Bedeutung, insbesondere bei diesen kann Testimonials eine zentrale Funktion zukommen. Friedrichs/Jagodzinski gehen davon aus, „dass ein System umso stärker integriert sei, je größer der Anteil derer ist, die sich mit dem System identifizieren, die kollektiven Ziele und Werte teilen“ (1999: 14); die Integration hängt dann direkt mit der Kontaktdichte zusammen, wobei auch Freundschaftsbeziehungen hier als maßgeblich angesehen werden.16 In Bezug auf Luhmann (1997: 601ff.) ist allerdings darauf zu verweisen, dass sowohl Konflikte als auch Kooperationen integrieren. Ein Testimonial, das negative Sympathiewerte hervorruft, kann also ebenfalls integrativ wirken. Der Beziehungszusammenhang, der im Rahmen kommunikationsstrategischer Maßnahmen über die Prozessfaktoren (vgl. Kap. 1.2) hergestellt bzw. (re)produziert wird, wird hier als Netzwerkzusammenhang konzipiert. Damit ist er eine Steigerungsform der Kooperationsformen Vertrag und Organisation, eine eigenständige Koordinationsform auf der theoretischen Mesoebene mit einem jeweils variablen Grad an Selbstorganisation und damit Handlungsfähigkeit. Er wird verstanden als „eine klar identifizierbare und unter bestimmten, spezifizierbaren Umständen lebensfähige ökonomische Austauschsform“ (Powell 1996: 213, Herv. n. i. Orig.), bei dem es primär um die Beziehungen, die interdependenten Strukturen mit einem mittleren Grad der gegenseitigen Verpflichtungen geht. So ist eine Testimonial-Stakeholder-Beziehung (z.B. mit der netten Zahnarztfrau) nicht als ‚echte‘ Freundschaft zu verstehen. Der Kern eines Netzwerks ist die Kombination von Kompetenzen, die komplementäre Ergänzung verschiedener Stärken – im Falle der Testimonial-StakeholderBeziehung die Kombination von Wissen (Agent) und Aufmerksamkeit für eine Botschaft (Prinzipal). Es entsteht eine spezielle Netzwerkkooperation (‚emergenter Elementarakt‘, vgl. Teubner 1992: 2000) und damit ein eigenes Operationssystem, wodurch eine ‚MehrFunktion‘/,Mehr-Leistung‘ (Kenis/Schneider 1996: 477) entsteht – auf diese wird beim PRstrategischen Einsatz von Testimonials abgezielt. Wie weiter oben in Bezug auf Friedrichs/Jagodzinski (1999: 14) beschrieben, teilen Testimonial und Stakeholder kollektive Werte und Ziele, für die das Testimonial Zeugnis ablegt und die der Stakeholder mit ihm teilt (Qualität eines Produktes, bezüglich der Zahnarztfrau der Wert gesunder Zähne und guter Ernährung etc.). Das Handeln des Testimonials und der Stakeholder als Netzwerkmitglieder ist dabei gleichzeitig korporativ am gemeinsamen Zeck (an der gemeinsamen Realisierung der Prinzipal-Agent-Beziehung) und vertraglich an den Individualzwecken der Mitglieder orientiert; keine der beiden Orientierungen hat normativen Vorrang – dies ein erneuter Hinweis auf die ‚Quasi-Kooperation‘ auf der Mikroebene; keiner der Kooperationspartner ist gänzlich involviert, kein Testimonial und kein Stakeholder dauerhaft an eine Organisation (an den Kauf eines Produktes oder Spendertätigkeit) gebunden. Eine Gleichzeitigkeit in der Orientierung an Zielen auf Mikro- und Mesoebene ist möglich. Doch ein Mindestmaß an Bindung liegt vor, wenn Vertrauen den Beziehungszusammenhang strukturiert. Wenn die Handlungs- und Verhaltensmuster, Wertvorstellungen und Eigenschaften eines Testimonials den Erwartungen des Publikums (der Zielgruppe) entsprechen, entsteht Vertrauen; diesbezüglich auftretende Diskrepanzen führen zu Misstrauen (vgl. Gabriel 1999: 202, Hetherington 1998: 791). Wie Gabriel in Bezug auf politische 16
An dieser Stelle ließen sich die Diskussionen um Individualisierungsphänomene (Beck 1986, Zapf 1987 etc.) anschließen, die hier aber den Rahmen der Ausführungen sprengen würden; außerdem liegt der Fokus wie beschrieben vornehmlich auf der Verknüpfung von Makro- und Mikroebene.
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Objekte und/oder Gemeinschaften entwickelt, lässt sich erstens von reziproken Beziehungen zwischen Testimonials und Stakeholdern sprechen. Vertrauen leistet hier einen „unverzichtbaren Beitrag zur Integration“ und stellt „zweckfreie, stabile Bindungen“ her (Gabriel 1999: 202). Ein letzter Hinweis Gabriels sei hier herangezogen: Ebenfalls in Bezug auf die politische Gemeinschaft und die politische Führung weist er darauf hin, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen der Gruppe (hier den Stakeholdern, dem Publikum) und den politischen Objekten (hier den Testimonials) nicht allein die Integration ermöglicht, sondern auch die Performance des Systems beeinflusst (Gabriel 1999: 203). Hierin liegt eine Bestätigung für die These des reziproken Verhältnisses und der Rekursivität der Beziehungskonstellation, der Bedingung der Akteurshandlungen durch die Struktur und gleichzeitig der Herstellung und Bestandswahrung des Systems durch die Handlungen; aus PRtheoretischer Perspektive. Erst wenn das Vertrauen in das Unternehmen, hier konzipiert als organisationales Feld, vorhanden ist (Systemintegration), ist der langfristige Bestand gesichert. Dieses Vertrauen wird über Testimonials über Indikatoren auf der Mikroebene (vgl. erneut Abb. 1) hergestellt, Sozial- führt dementsprechend zu Systemvertrauen und damit zum Systemerhalt. Erinnert sei an das theoretische Grundverständnis von Integration im Sinne von Giddens (1990, 1995): Systemelemente werden durch den rekursiven Einbezug in den Systemzusammenhang – durch den dieser reproduziert bzw. verändert wird – zu Systemelementen. Soziale Beziehungen liegen nur dann vor, wenn Akteure Aktivitäten und Ereignisse über einzelne Interaktionen hinaus rekursiv (wechselseitig) in Zeit und Raum aneinander bzw. miteinander (ver-)binden. Eine Bestätigung findet sich auch in eher wirtschaftswissenschaftlich orientierter Literatur, in der beschrieben wird, dass ein CEO und seine Reputation die Unternehmensreputation maßgeblich bestimmen (vgl. Bauhofer 2004: 93); ein Imagetransfer beim Einsatz von Testimonials findet so gut wie immer statt – wenn nicht geplant, dann doch zufällig. Wichtig dabei ist ein ähnlicher Hintergrund der beiden Objekte: „Wechselseitigkeit ist ein wichtiges Merkmal eines Imagetransfers: Ein Imagetransfer ist keine einseitige Übertragung von Assoziationen, sondern ein wechselseitiger Vorgang“ (Hagendorf/Prümke 2003: 95). Der Transfer ist aber nur dann möglich, wenn ein gemeinsamer Kontextbezug hergestellt ist, d.h. wenn sich das Akteurshandeln (hier der Testimonials) auf die gleiche Struktur, auf die sich auch das Akteurshandeln des Kommunikationspartners (hier des Publikums) bezieht. Dies bedeutet für die hier untersuchte Testimonial-PR, dass sie die öffentliche Kommunikation berücksichtigen, ja ‚mitgestalten‘ muss, um eine Integration der Zielpublika zu erreichen; es genügt nicht, die Faktoren der Vertrauenswürdigkeit im Akteurshandeln eines Testimonials (also rein auf Handlungsebene) zu sichern, allein ‚Quasi-Freundschaftsverhältnisse‘ oder ‚-Kooperationen‘ zu entwerfen. Darüber hinaus muss der Kontext, auf den sich dieses Handeln bezieht, die Organisation, ebenfalls kommuniziert, transparent gemacht werden. Abschließend ist zu diskutieren, wie sich der Einsatz von Testimonials in der praktischen Öffentlichkeitsarbeit konkret gestaltet und ob ein Unterschied in der Eignung von bestimmten Testimonials (Experten, Prominente, Laien) besteht.
3.3 Prominente, Experten oder ‚Menschen wie Du und ich‘? PR-praktische Überlegungen Im Anschluss an die marketingtheoretische Differenzierung verschiedener Arten von Testimonials stellt sich erstens die Frage nach deren Eignung aus PR-theoretischer Perspek-
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tive und zweitens danach, ob Testimonials auch eine langfristige, nachhaltige Strukturation über den Aufbau von nachhaltigen Kommunikationsstrukturen, also die nachhaltige Übertragung der eigenen Reputation auf die übergeordnete Organisationsstruktur gewährleisten können. In Kapitel 2 wurde der Kommunikationsbeziehungszusammenhang zwischen Testimonials und Publika (Akteuren) als Prinzipal-Agenten-Beziehung konzipiert, der Prominente beispielhaft als Agent des Publikums (Agent, der über Wissen über eine Organisation und deren Prozessstrukturen verfügt) definiert. Bei Experten ist die für PrinzipalAgenten-Beziehungen charakteristische Informationsasymmetrie sehr deutlich, handelt es sich bei ihnen zumeist um Akteure, die im Sinne der zu Beginn erwähnten ‚Modularisierung des Wissens‘ als Spezialisten, sich als Akteure mit Sonderwissen abgrenzen. Vertrauen entsteht über die Komponenten Kompetenz und Expertentum (vgl. Hovland et al. 1953). Dem gegenüber suggeriert der als Testimonial eingesetzte Laie nicht, dass er über einen Wissensvorsprung verfügt, konstruiert wird bei ‚Menschen wie Du und ich‘ stattdessen gezielt eine scheinbare Kommunikationssymmetrie über die Faktoren Vertrautheit (familiarity), Sympathie (likability) und/oder Ähnlichkeit (Identifizierbarkeit, similarity) (vgl. Fanderl 2005: 109). Ein Laien-Testimonial ist damit eher in der Lage, Integrations-Indikatoren auf der Mikroebene herzustellen. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob Testimonials als Form individualisierter Darstellung bestimmter Botschaften eine nachhaltige Bindung an eine Organisation ermöglichen, auch hier zunächst der Blick auf Konzepte, die marketingtheoretisch seit nahezu hundert Jahren eingesetzt werden (vgl. u.a. Kotler/Bliemel 1995: 891 f., Herger 2006: 114). Hier bestätigt sich, dass Testimonials zwar 1) Aufmerksamkeit/Wissen (erstes Interesse) generieren, 2) Verstehen, Konkretisierung sowie 3) (Anschluss-)Handlungen aber nicht gewährleisten können, nachhaltige Strukturbildung damit nicht ermöglichen. Auch das Gros der Marketing-Entscheider in Deutschland ist sich darin einig, dass ein Protagonist kaum den gesamten Lebenszyklus einer Marke begleiten kann.17 Selbst ein hoher Bekanntheitsgrad reicht nicht aus, um als Testimonial einen gelungenen Imagetransfer auf ein Objekt bzw. eine Institution zu erreichen (vgl. Hagendorf/Prümke 2003). Der Einsatz von Prominenten wird heute auch beim breiten Publikum immer stärker hinterfragt. 61% der Deutschen haben das Gefühl, dass Testimonial-Werbung inzwischen ‚ausgereizt‘ sei.18 Der Einsatz von insbesondere prominenten Testimonials ist „kurzzeitig für jede Marke denkbar“ (Awada 2003: 57), aber kein geeignetes Mittel für langfristige Kommunikationsstrategien. Die ‚Zerbrechlichkeit‘ von Glaub- und damit Vertrauenswürdigkeit zeigt sich insbesondere daran, dass sich ein positives Image schnell in das Gegenteil umkehren kann und sich so als Negativ-Folie auf das entsprechende Produkt, die entsprechende Dienstleistung etc. legen kann, so geschehen z.B. bei Boris Becker, der durch seine Wäschekammer-Affäre dem AOL-Slogan „Bin ich schon drin?“ neue Bedeutung hinzufügte.19 Zusammengefasst gibt es also drei Faktoren, die insbesondere gegen den Einsatz pro17
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www.tns-emnid.de (05.08.2005). Die Marktforscher von TNS Sport haben mit der Studie ‚PromiVision 2005‘ Deutschlands die erste repräsentative Grundlagenstudie zum Thema Prominente in der Werbung durchgeführt. Dabei wurden in Online-Interviews Marketing-Entscheider der 500 größten werbetreibenden Unternehmen befragt. http://www.absatzwirtschaft.de (26.01.2006). An dieser Stelle sei kurz auf eine Möglichkeit verwiesen, negativen, unintendierten Effekten vorzubeugen: der Einsatz sogenannter ‚künstlicher Testimonials‘. So wurden für viele Marken Symbolfiguren geschaffen, mit denen sie personifiziert werden. So unterscheidet man zwischen realen Menschen, wie z.B. Klementine, Frau Antje oder dem Marlboro-Cowboy, und Comic-Figuren, wie dem HB-Männchen, Meister Propper oder dem Bärenmarke-Bär. Vorteil: Die künstlichen Testimonials sind kostengünstiger und zuverlässiger, das Ri-
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minenter Testimonials sprechen: wenn Prominente für zu viele Produkte eingesetzt werden (vgl. Michael 2004), wenn ein Prominenter die Marke überstrahlt und wenn durch einen Fehltritt das Image der Prominenten in ein schlechtes Licht gerückt wird (vgl. Olsson 2003). Laien-Testimonials können hingegen eher einen gemeinsamen Interpretationsrahmen über die beschriebenen Kategorien schaffen, „der die gemeinsamen Sinndeutungen der Akteure enthält und der die Basis für die Implementation problemminimierender oder problemlösender Maßnahmen darstellt“ (Foemer 1981: 63). Laien handeln eindeutiger, ihre Handlungszüge und damit Wirklichkeitskonstruktionen sind berechenbarer. Auch die von der Autorin 2004/2005 durchgeführte Analyse von Gesundheitskampagnen im deutschsprachigen Raum belegt, dass große Unterschiede in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit von Prominenten, Laien und anderen Arten von Testimonials bestehen. Im Rahmen einer qualitativen Befragung wurde von den 350 befragten Medizinjournalisten und 350 PRSchaffenden aus dem Gesundheits-/Medizinbereich in Deutschland mehrheitlich auf Familie, Bekannte und Freunde als diejenigen mit dem größten Einflusspotential auf das individuelle Gesundheits-Verhalten verwiesen (vgl. Gottwald 2006). Laien sind auch diesen Ergebnissen nach eher in der Lage, einen gemeinsamen Wirklichkeitsraum, einen gemeinsamen Kontext zu schaffen bzw. entsprechende Regelsysteme und Ressourcen zu verdeutlichen, auf die sie sich in ihrem Handeln beziehen. Die Kongruenz dieser ‚Bezugsstrukturen‘ des individuellen Handelns ist deutlich höher als bei einem Prominenten oder Experten, dies beinhaltet nachhaltigere Bindungschancen (vgl. ebd.). Doch fehlt Laien-Testimonials auf der anderen Seite – und hier muss die weiter oben mit ‚ja‘ beantwortete Frage, ob Laien die ‚besseren Testimonials‘ seien, mit ‚nein‘ beantwortet werden – der ‚Informationsvorsprung‘ des Agenten, der an anderem Ort bereits als Grundlage, als Charakteristikum für Vertrauensaufbau definiert wurde; vemeintliche Kommunikationssymmetrie kann dazu führen, dass das Publikum bzw. der entsprechende Rezipient zum Agenten wird, sich also selber einen Wissensvorsprung attestiert. In diesem Fall führt sich der Einsatz eines Testimonials ad absurdum. In den bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass für eine theoretische Auseinandersetzung mit Personalisierung und speziell dem Einsatz von Testimonials aus der Perspektive der Organisationskommunikation, zwischen Marketing- und PR-Kommunikation unterschieden werden muss. Wie bereits in Kap. 1 beschrieben, differenzieren wir Kommunikationsmanagement in Organisationen, von Organisationen und über Organisationen (Szyszka 1999: 1), mit Zerfaß PR-Kommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit von Marketing und interner Kommunikation (für ihn: Organisationskommunikation) (vgl. Zerfaß 2004, 2007). Wie sieht es allerdings in der Praxis aus? Findet der Einsatz von Testimonials marketing- und PR-strategisch unabhängig voneinander statt oder lassen sich synergetische Effekte aus einem ‚integrierten‘ Verständnis, aus der Abstimmung der Kommunikation von, in und über Organisationen ableiten? Ein Blick in die PR-Praxis zeigt, dass zumeist die im Rahmen von Marketingstrategien eingesetzten Testimonials von der PR ‚mitgenutzt‘ werden. Das entsprechende Testimonial ist dann neben der Werbung ebenfalls auf Pressekonferenzen oder Events präsent, die zur Bindung von Stakeholdern, zum Aufbau von Vertrauen bzw. zur Generierung von Aufmerksamkeit kommunikationsstrategisch durchgeführt werden. Eine andere Variante ist der nur PR-strategische Einsatz eines Testimonial siko leicht zu zerstörender und nahezu unmöglich wieder aufzubauender Reputation fehlt (vgl. Kloss 2000: 173).
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zum Zwecke des allgemeinen Reputationsaufbaus einer Organisation, wie dies beispielsweise im Oktober 2007 in Wien zu beobachten war. Der Mobilfunkbetreiber mobilkom austria präsentierte im Rahmen der Eventreihe ‚mobile.futuretalk‘20 den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten von Amerika und jüngsten Friedensnobelpreisträger Al Gore zum Thema ‚Is the future still mobile?‘ Der prominente Gastredner trat hier nicht zu MarketingZwecken für den Kauf einer Mobilfunk-Dienstleistung oder eines entsprechenden Produktes auf, sondern besetzt vielmehr ein Thema, stellt einen Konnex zwischen dem Unternehmen mobilkom austria und dem Thema ‚Mobilität‘ her. Für dieses wird Aufmerksamkeit insbesondere in der massenmedialen Öffentlichkeit generiert und über entsprechende PRAktionen (Event, Pressekonferenzen, Pressemeldungen etc.) ein Strukturzusammenhang aufgespannt, in den sich auch Stakeholder integrieren, an dem auch die teilhaben können, die nicht zu den bestehenden Kunden des Unternehmens gehören. Ein Teilnehmer an dem entsprechenden Event, auf dem Al Gore über Mobilität und die Zukunft spricht, wird informiert. Es entsteht eine gemeinsame Themenstruktur (Prozessfaktor 5, vgl. Kap. 1.2); gemeinsame Ziele und Deutungsmuster (drohender Klimawandel, Handlungsbedarf etc.) lassen soziale Nähe entstehen (Prozessfaktor 4), soziale Nähe suggeriert die Eingebundenheit in das Themenfeld und damit die Nähe zu der Organisation, die Mobilität bietet (mobilkom austria) (Prozessfaktor 3); über den Event und parallele PR-Aktionen (Presseinformationen, die sich in den Medien wiederfinden etc.) entsteht ein Verbindungsmuster, die möglichst ‚integrierten‘ (vgl. Kap. 1) Kommunikationsströme in, aus und um eine Organisation und damit interne Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ergänzen sich (Prozessfaktoren 2 und 1). Der größte Unterschied zwischen einem marketing- und einen PR-strategischen Einsatz von Testimonials liegt darüber hinaus darin, dass er in der PR noch kurzfristiger wirkt als in der Werbung – ein mehrfacher Auftritt auf Pressekonferenzen ist für Journalisten, die die entsprechenden Botschaften veröffentlichen sollen und wollen, wenig attraktiv. Der Einsatz eines Testimonials funktioniert in der PR eher punktuell, ist eher aktionsgebunden, die Aufmerksamkeit für eine PR-Maßnahme (z.B. Pressekonferenz oder Event) soll erhöht werden. Er ist nicht Teil einer langfristigen Kommunikationsstrategie, vielmehr geht es darum, an bestimmten Schlüsselstellen Aufmerksamkeit zu generieren, zu verstärken, eine thematische Teilöffentlichkeit zu bilden, an der (neue) Stakeholder teilhaben und sich so in das organisationale Feld integrieren können. Öffentlichkeitsarbeit ist ein strategisch verankerter „Bestandteil der Unternehmenskommunikation, der episodische Kommunikationsprozesse, Präsenzveranstaltungen, mediale Vorgehensweisen und publizistische Kampagnen in einem situativen Ansatz zusammenführt“ (ebd. 21). Der Einsatz von Testimonials in der PR ist also in komplementärer Ergänzung zum Marketing zu sehen (vgl. Abb. 2); hier bestätigt sich die Idee der integrierten Unternehmenskommunikation, der Notwendigkeit der Ergänzung von kommunikationsstrategischen Maßnahmen des Marketings und der PR (sowie der internen Unternehmenskommunikation).
20
www.mobilefuturetalk.at (02.01.2008).
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Abbildung 2:
Ziele individualisierter Darstellung über Testimonials, eigene Darstellung Kurzfristiges Ziel
Langfristiges Ziel
Marketing
Vertrauen/Bindung
Kauf, Spenden etc.
Indikatoren auf der Mesoebene (vgl. Abb. 1)
PR
Aufmerksamkeit, Wissenszuwachs
Bekanntheit, Vertrauen, Bindung
Indikatoren auf der Mirkoebene (vgl. Abb. 1)
Anhand der vorliegenden theoretischen und praktischen Überlegungen wurde deutlich, dass System- über Sozialintegration über den Einsatz von Testimonials nur in der Kombination von PR und Marketingkommunikation, also in Form von integrierter Unternehmenskommunikation erreicht werden kann. Nur wenn das Testimonial sowohl PR- als auch marketingstrategisch eingesetzt wird, kann über das Schaffen von Integrations-Indikatoren auf Meso- und Mikroebene eine Bindung der Stakeholder an die Organisation, eine Integration dieser in das organisationale Feld ermöglicht werden. Vertrauen in ein Testimonial bedeutet das Entstehen von Integrations-Indikatoren auf Mikroebene (Vertrauensverhältnis wie in einer freundschaftlichen oder familiären Beziehung), das Testimonial stellt als ‚Vertreter‘, als ‚Zeuge‘ einer Organisation die Verbindung zur Mesoebene her und kann IntegrationsIndikatoren wie Kauf- oder Spendenbereitschaft etc. ‚verursachen‘, eine Integration in und damit eine Bindung an die Organisation ermöglichen.
4
Diskussion und Ausblick
Der Einsatz von Testimonials im Kommunikationsmanagement dient dem Zweck, Informationen zu verbreiten, Wissen zu vermitteln und darüber Einstellungs- und Verhaltensänderungen (Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung, Spendenbereitschaft etc.) bei einem Publikum (und den entsprechenden Akteuren) zu erreichen, „Informationsaufbereitung und -auswertung stellt das Bindeglied zur Entscheidungsfindung dar“ (Krallmann 1982: 31). Vertrauen als komplexitätsreduzierendes und Entscheidungen vereinfachendes Charakteristikum von (Kommunikations-)Beziehungen wird heute vielfach diskutiert, die Erklärung des Aufbaus von vertrauensbildenden und erhaltenden Strukturen im Sinne der Schaffung von Integrationsmöglichkeiten über Testimonials wurde hier auf der Basis der Giddens’schen Idee der institutionellen Abstützung von Vertrauen entwickelt. Vertrauen wurde definiert als der Mechanismus bzw. das sowohl strukturell als auch prozessual zu fassende Phänomen, der bzw. das Überbrückung von Wissens- bzw. Informationsgrenzen ermöglicht. Vertrauen ist reflexiv, es erleichtert Entscheidungen und erweitert die Handlungsspielräume. Es handelt sich um einen ‚Rückbettungsmechanismus‘, einen Mechanismus zu Vermittlung systemischer Kontexte, sollte also nicht allein auf die Handlungsdimension beschränkt betrachtet werden (Giddens 1995b: 83 ff., 88). Vertrauen bezieht sich also sowohl auf interaktionales Kommunikationshandeln als auch auf den Beziehungszusammenhang (vgl. Sztompka 1999: 60 ff.), seine Qualität, die Stabilisierung von Erwartungsstrukturen (vgl. Imhof/Gaetano 1996: 9) und die Regeln der Sinnkonstitution.
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Bei einem Testimonial-Einsatz im Rahmen von PR-Handlungen geht es also weniger darum, einen Fürsprecher für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung einzusetzen, als vielmehr darum, ein bestimmtes Thema zu besetzen und dementsprechend Aufmerksamkeit über Prominenz, Expertentum oder ‚soziale Nähe‘, beispielsweise durch ein LaienTestimonial, zu erlangen. Personalisierung in der PR über Testimonials bedeutet ebenso wie im Marketing, dass statt Sachkomplexität, Alltäglichem oder komplexen Verfahrensabläufen, statt der Diskussion um die Ursachen und Folgen bestimmter Tatbestände oder Ereignisse bestimmte Eigenschaften oder Symptome anhand einer Person dargestellt werden, die in eine Gesamtthematik eingeordnet sind und so zusätzliche Klarheit, Verständnis und Akzeptanz zu einem Sachverhalt hervorrufen. Erst der kommunikationsstrategische Einsatz von Testimonials als individualisierter Darstellungsform bestimmter Botschaften im Rahmen ‚integrierter Unternehmenskommunikation‘, d.h. sowohl aus marketing- als auch PR-strategischer Sicht, schafft IntegrationsIndikatoren auf Mikro- und Mesoebene und macht Stakeholder-Integration möglich. Das entsprechende Kommunikationsmanagement lässt sich dann als Integrationsmanagement beschreiben. Die vorliegende Diskussion erhebt nicht den Anspruch eines ausgearbeiteten Modells für die Möglichkeiten, über den Einsatz von Testimonials im Rahmen von Kommunikationsmanagement Vertrauen zu generieren und damit Integrationsmöglichkeiten in eine Themenöffentlichkeit zu schaffen. Dies bedarf erstens der zusätzlichen Berücksichtigung der Dimension ‚interne Kommunikation‘ und einer Diskussion über Ziele und Möglichkeiten von Testimonials dabei und zweitens einer qualitativen Analyse des Kontextes, also der eingesetzten Testimonials und zugleich der entsprechenden Organisationsstrukturen, in die das (Kommunikations-)Handeln eingebettet ist. Dennoch wurden zwei wichtige Anliegen erfüllt: Die Forschungslücke zum Einsatz von Testimonials aus PR-Sicht konnte zumindest ein Stück weit gefüllt werden, und insbesondere die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen von Testimonials als kommunikationsstrategischem Instrument zur Strukturierung öffentlicher Kommunikation repräsentiert die Chancen, besser: das Potenzial, das in der Verschränkung der Untersuchung von öffentlicher Kommunikation und Organisationskommunikation liegt. Testimonial-Forschung als Teil der PersonalisierungsForschung ist also ein Forschungsgebiet, das dringend weiterer PR-theoretischer Bearbeitung bedarf.
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Personalisierung als Element der Corporate Governance Stefan Mathys
Inwieweit eine Führungspersönlichkeit die Führung und Kontrolle, sprich die Einhaltung einer guten Corporate Governance, in einer Kapitalgesellschaft oder Publikumsgesellschaft gewährleisten, unterstützen oder gar gefährden kann, darüber scheiden sich die Geister. Man kann beliebig Fallbeispiele für einen positiven Einfluss einer starken Führungspersönlichkeit wie auch Beispiele von Personalisierungen mit äußerst negativen Auswirkungen auf die glaubwürdige und transparente Unternehmensführung heranziehen. Dieser Beitrag soll anhand der seit einigen Jahren intensiv geführten Diskussion um Corporate Governance den Aspekt der Personalisierung und den Einfluss der persönlichkeitsbezogenen Kommunikationsstrategie und Unternehmensführung beleuchten. Der Begriff der Personalisierung wird hier verstanden als Existenz und Wahrnehmung einer starken Führungspersönlichkeit, der Verantwortlichkeit und Vertrauenswürdigkeit attestiert werden. Die Verbindung zur Corporate Governance ist insofern relevant, da die wegweisenden Richtlinien im Bereich der Corporate Governance die Rolle der Führungsverantwortung stark mit einbeziehen und auch konkrete Empfehlungen zum Beispiel zum Thema der Aufgabentrennung von operativer Führung (Geschäftsleitung) und strategisch-überwachenden Führung auf Ebene Verwaltungsrat abgeben. Es ist also zu diskutieren, inwieweit die Ausprägung und Positionierung der Führungspersönlichkeit die Ziele des Gesetzgebers und der Selbstregulierung bezüglich Corporate Governance unterstützen kann. Um es vorweg zu nehmen: Eine abschließende Antwort über die Qualität des Beitrags der Personalisierung an eine gute Corporate Governance kann nicht vermittelt werden. Die Fragestellung bedarf einer Differenzierung zwischen interner und externer Personalisierung, sprich zwischen Public Relations der Systemumwelt und Public Relations der internen Öffentlichkeit des Unternehmens. Wie immer in sozial- oder auch betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, in denen komplexe Systeme beobachtet werden, stehen wir vor dem Problem der Nicht-Singularität der Einflussfaktoren. Gerade die Frage der Unternehmensführung lässt sich schwierig auf einzelne positive wie negative Einflussfaktoren herunterbrechen. Ich versuche auf den folgenden Seiten, ansatzweise eine Vorstellung der Implikation der Personalisierung zu vermitteln. Nach einer kurzen Einführung in das Modell der Corporate Governance zeigt ein Fallbeispiel auf, wie eine zu schwach ausgebildete Personalisierung in einem Unternehmen massiven Schaden anrichten kann. Aufgrund dieser einleitenden Ausgangslage analysieren wir im zweiten Teil des Beitrags die Verantwortung, das Vertrauen und die Macht als Elemente der Führungspersönlichkeit, und versuchen darüber die Legitimation einer starken Leitfigur herzuleiten. Vertrauen ist ein Kernelement der Corporate Governance beziehungsweise der Unternehmensführung. Doch gerade das Vertrauen in Führungspersönlichkeiten und in das System Wirtschaft im Allgemeinen hat in den letzten Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung gelitten. Vorgeworfen wird den Unternehmen wie den Führungspersönlichkeiten mangelndes Verantwortungsbewusstsein und eine zu einseitig gelagerte Macht (Principal-Agenten-Dilemma). Die Interdependenzen zwischen Vertrauen, Verant-
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Stefan Mathys
wortung und Macht werden versucht darzustellen. Verschiedene Aspekte der Managementkompetenz führen uns am Schluss über das fachliche Know-how, methodische Kenntnisse, soziale Qualitäten zur ethischen und kommunikativen Kompetenz als Anforderung und Auszeichnung von Managementleistung.
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Corporate Governance und Unternehmenskommunikation
Der Begriff der Corporate Governance wurde seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu einem zentralen Schlagwort in der Unternehmensführung. Das juristisch und ethisch richtige Zusammenspiel von Führung und Kontrolle in Publikumsgesellschaften im Interesse der Investoren, der Mitarbeiter, des Staates und der Öffentlichkeit steht im Zentrum der Debatte. Das Problem der Informationsasymmetrie zwischen Eigentümern und Management („Principal-Agent-Dilemma“) ist in der Theorie nicht neu, hat sich in den letzten Jahren in der Praxis aber stark akzentuiert. Dies unter anderem infolge der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung von Unternehmen, der verstärkten Verästelung derer Strukturen (Konzern- und Holdingstrukturen) und der damit oft verbundenen Entfernung und Entfremdung der Unternehmensführung von den einzelnen Unternehmensteilen und von den Eigentümern. Auslöser der verstärkten Diskussion um die Führung, Kontrolle und Kommunikation in Unternehmen waren die großen Firmenskandale in den USA und auch in Europa. Im Rahmen der Ordnungspolitik einerseits und innerhalb der Selbstregulierung von Verbänden und Branchen andererseits versuchen Behörden, Selbstregulierungsorganisationen und Unternehmen mittels Gesetzen, Richtlinien, Ethikkodizes und anderen „Best Practice Standards“, den Erwartungen des Marktes und der Öffentlichkeit an eine offene, transparente und der Wahrheit entsprechende Unternehmensberichterstattung gerecht zu werden. Die Unternehmenskommunikation, sowohl als externe Öffentlichkeitsarbeit wie auch als innerbetriebliche Führungsfunktion, nimmt in dieser Forderung eine dominierende Stellung ein. Neben geforderten Minimalstandards zur Offenlegung von geschäftsrelevanten Daten im Rahmen der finanziellen Unternehmensberichterstattung sowie der neu auferlegten Pflichtkommunikation von Größen wie den Managemententschädigungen oder den an Berater und Revisoren bezahlten Honorare gilt das Augenmerk der Anspruchsgruppen immer stärker auch den weicheren Faktoren wie den Führungsprinzipien, Personalpolitik oder dem ethischen Marktverhalten, was auch unter dem angelsächsischen Terminus Corporate Social Responsibility zusammengefasst werden kann. Durch die verstärkte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, dem veränderten Informationskonsumverhalten der verschiedenen Anspruchsgruppen und den stetigen Ausbau der Massenmedien sind Handlungen von privaten Unternehmen in die Arena der Öffentlichkeit geraten. Das Zusammenspiel von Ethik, Kommunikation, Führung und Verantwortung wird aufmerksam beobachtet und in den Massenmedien diskutiert. Wie interagiert ein vermeintlich geschlossenes System wie die Unternehmung mit der Umwelt, wo beginnt die Umwelt, wo treffen Verantwortung und Selbstzweck aufeinander? Für diese Betrachtungen stellt die Systemtheorie der Gesellschaft nach Niklas Luhmann das ideale Basisgerüst dar (Luhmann 1985b). Ein Unternehmen agiert innerhalb der Öffentlichkeit als Teilsystem und steht in permanenter Interaktion mit anderen Teilsystemen und es definiert seine Systemgrenzen ständig neu durch die Kommunikation und Reproduktion seiner Systemelemente. Das Un-
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ternehmen an sich besteht wiederum aus verschiedenen Teilsystemen, die zwecks Reduktion von Komplexität gebildet werden. Die sozialwissenschaftliche Systemtheorie bildet die logische Basis zur Diskussion des Zusammenspiels von Corporate Governance, Unternehmenskommunikation und somit auch der Personalisierung von Unternehmen. Corporate Governance definiert sich fast ausschließlich über Kommunikationsmaßnahmen und Systeminteraktionen, getrieben von juristischen, ökonomischen, moralischen und kommunikativen Erwartungen der Öffentlichkeit als Grundmenge des Systems (vgl. Baecker 1999, Luhmann 1985b, Willke 2001). Der Unternehmenspatron, ein Chief Executive Officer (CEO) oder ein Präsident des Verwaltungsrats spielen in dieser Funktion sowohl des Leiters, des Kontrolleurs wie auch des Kommunikators eine bedeutende, um nicht zu sagen eine entscheidende Rolle. Wie stark ein Unternehmen sich jedoch entscheidet, diese Rolle in der Person des Chefs kommunikativ zu nutzen, sprich das Unternehmen durch Personalisierung der Führung zu positionieren, liegt in der Findung und Definition der Strategie, im Besonderen der Kommunikationsstrategie. Entscheidungen zum Ausmaß und Gewichtung der Personalisierung obliegen deshalb oft nicht einer kommunikationspolitischen Entscheidung oder einem unternehmensstrategischen Prozess, sondern sind zu einem großen Teil abhängig von der Persönlichkeit in Führungsfunktion. Diese als These formulierte Behauptung bedarf jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung im Bereich der Kommunikations- oder Organisationsforschung. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis soll zeigen, dass eine fehlende oder zu schwach ausgebildete Personalisierung einen großen Konzern massiv ins Schlingern und an den Rand des totalen Vertrauensverlusts bringen kann.
1.1 Fallbeispiel: Adecco – das führungslose Straucheln in einer Kommunikationskrise Es waren ein paar wenige Zeilen eines Pressecommuniqués, die an einem Montagmorgen im Januar 2004 für den größten je verzeichneten Tagesverlust eines SMI-Titels an der Schweizer Börse sorgten und für den international tätigen Stellenvermittler Adecco den Auftakt eines Kommunikationsdebakels bildete, das für den Milliardenkonzern einen enormen Vertrauensverlust zur Folge hatte. In der knappen Mitteilung gab das Unternehmen bekannt, dass es der Revisionsstelle nicht möglich sei, die Prüfung des Jahresabschlusses termingerecht abzuschließen, weil „materielle Schwächen“ im internen Controlling in gewissen Teilbereichen im Nordamerika-Geschäft festgestellt worden seien. Hinzu kämen „mögliche Buchhaltungs- und Kontrollprobleme in gewissen Ländern“. Vorgesehen war die Veröffentlichung des Abschlusses auf den 4. Februar gewesen. Zu welcher Verunsicherung – insbesondere nach den Bilanzskandalen um Enron und Parmalat – diese unpräzise und verwirrende Information an den Finanzmärkten führte, zeigte sich gleich zur Eröffnung des Börsenhandels, als der Kurs der Adecco-Aktien um 37 Prozent einbrach. Da Adecco im Laufe des Tages „aus rechtlichen Gründen“ keine weiteren offiziellen Statements abgab, waren den Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Die Aktien gingen bei Börsenschluss mit einem Minus von 35 Prozent aus dem Handel. Das Unternehmen hatte an einem Tag somit rund 5,4 Milliarden Franken an Börsenwert eingebüßt. Als Folge der fehlenden Informationsgrundlagen drifteten die Analystenempfehlungen dar-
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auf weit auseinander. Viele Banken stuften Adecco sogleich von „Kaufen“ auf „Verkaufen“ um – andere warteten ab oder sahen die Wertverluste gar als Kaufgelegenheit. Der Hinweis von Adecco auf rechtliche Restriktionen und die damit verstärkende Wirkung auf die unglückliche Kommunikationspolitik hing in der Tat mit der Zweitkotierung der Adecco-Aktien an der New York Stock Exchange und den damit verbundenen strikten gesetzlichen Vorschriften sowie der Möglichkeit von drohenden Klagen zusammen. In diesem Umfeld sorgte die von Adeccos Finanzchef Felix Weber anderntags in der „New York Times“ vorgebrachte Aussage, dass es bei Adecco nicht um buchhalterische Unregelmäßigkeiten gehe, sondern das Kontrollumfeld nicht gut sei, zwar für eine erste Beruhigung an den Finanzmärkten, weil nicht mit dem schlimmsten Szenario gerechnet werden musste. Da diese Aussagen von Adecco jedoch weder offiziell bestätigt noch dementiert wurden, knüpften die Spekulationen an dieser Ungereimtheit an und ließen Fragen nach den internen Machtkonstellationen und Kontrollmechanismen folgen. Mehr dazu erfuhr die Öffentlichkeit vier Tage nach dem Communiqué vom Montag: Adecco teilte mit, dass Finanzchef Felix Weber abtrete und das Unternehmen verlasse. Auch die Kündigung Julio Arrietas – zuständig für das „problembeladene“ USA-Geschäft – wurde bekannt gegeben. Am Mittag organisierte Adecco für Medien und Finanzanalysten eine Telefonkonferenz. Geführt wurde diese vom Verwaltungsratspräsidenten und ehemaligem CEO John Bowmer, der neu neben dem damaligen und erst 37-jährigen Konzernchef Jérome Caille als Executive Chairman die Abklärungen und Untersuchungen betreute. Er wolle Adecco als „Troubleshooter“ durch die aktuelle Krise führen, so Bowmer. Sein erster Auftritt in dieser Rolle misslang aber. Für Medien wie Analysten blieb das Gespräch unbefriedigend: „Pressekonferenzen tragen in der Regel zur Klärung von Sachverhalten bei, dass sie auch die Irritation steigern können, zeigt das Beispiel von Adecco“ (Gamma 2004: 2). „Bowmer, begleitet von einem Juristen, antwortete auf die meisten Fragen mit einem ,no comment‘ und betonte mehrmals, wegen der rechtlichen Vorschriften in einer ,kommunikativen Zwangsjacke‘ zu stecken. Konkret ermittelten in den USA sowohl die Börsenaufsicht SEC als auch die New Yorker Staatsanwaltschaft gegen Adecco“ (Speiser, 2004: 23). Noch während der Konferenz verloren die Aktien 16 Prozent. Erwähnt wurden zu diesem Zeitpunkt nochmals die Schwächen des US-Geschäfts, welche die Sicherheit der Computersysteme, die Abstimmung von Lohnkonten und Fehlern in der Rechnungsstellung beträfen. Abgeklärt würden auch Vorwürfe von „Whistleblowers“ und Informanten, die auf Missstände in der Buchführung aufmerksam gemacht hätten. Vor diesem Hintergrund und wegen des weiter bestehenden Informationsvakuums hielt sich die Wirtschaftspresse mit bissigen Kommentaren nicht zurück: So war nicht nur die Rede von Verwirrung, spärlichen Informationen und Unregelmäßigkeiten, sondern auch von einer fragwürdigen Informationspolitik Adeccos (NZZ), der miserablen Kommunikationsleistung (Tages-Anzeiger) oder gar vom kommunikativen Super-GAU (Finanz und Wirtschaft). Gleichzeitig hielt die Presse auch nicht vor Systemkritik zurück: Es sei derzeit für den Investor unfassbar, was sich um Adecco abspiele, schrieb die „Finanz und Wirtschaft“ (vgl. Schuppli 2004: 13). „Die Akteure dieses Unternehmens setzen alle Gesetzesmäßigkeiten, Usanzen und Börsengepflogenheiten außer Kraft. Von gelebter Corporate Governance scheinen sie gar nichts zu halten“ (Schuppli 2004: 13). Als weitere Folge der Ungereimtheiten wurden in den USA mehrere Sammelklagen eingereicht. Diese zielten auf Schadenersatzzahlungen an Aktionäre ab mit der Begründung, die Geschäftsleitung habe falsche und irreführende Angaben zum Geschäftsverlauf gemacht respektive bestimmte
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Aktionäre bevorteilt. Zudem eröffnete die Schweizer Börse SWX eine Voruntersuchung zur Abklärung, ob Adecco die Ad-hoc-Publizitätsvorschriften verletzt habe. Gleichzeitig verdichteten sich in den Medien Gerüchte über (seit langem schwelende) interne Machtkämpfe zwischen den zwei Hauptaktionären und einstigen Fusionsparteien Klaus Jacobs (Adia) und Ecco-Gründer Philippe Foriel-Destezet. Aus dieser Konstellation hätte sich laut Medienberichten eine Pattsituation im Verwaltungsrat ergeben, welche seit längerem Entscheidungsfindungen blockiere und unter anderem zu den Kontrollproblemen geführt habe. So saß einerseits Jacobs Sohn Christian im Verwaltungsrat, auf der anderen Seite ist die Familie Foriel-Destezet eng befreundet mit dem CEO Jérôme Caille, der auch Patensohn von Philippe Foriel-Destezet ist (vgl. Affentranger/Kowalsky 2004: 86). Ein hörbares Aufatmen ging durch die Reihen der Betroffenen, als Adecco dann am 1. Juni 2004 endlich seine Zahlen zum vergangenen Geschäftsjahr vorlegen konnte. Adecco gab dazu bekannt, dass die unabhängige Untersuchung abgeschlossen und diese keine schwerwiegenden Fehler zutage gefördert habe sowie die Revisionsgesellschaft Ernst & Young den konsolidierten Abschluss abnehme. An der Generalversammlung, die am 29. Juni stattfand, kam es zur Neubesetzung des Verwaltungsrates. Sieben von neun Verwaltungsratsmitgliedern, darunter Präsident John Bowmer, traten zurück. Das Präsidium wurde von den beiden Hauptaktionären Klaus Jacobs und Philippe Foriel-Destezet gemeinsam übernommen. Die Décharge wurde dem Verwaltungsrat erteilt. Anfang März 2005 beendete die amerikanische Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC ihre Untersuchungen. Adecco konnte mitteilen, dass die Buchhaltungsprobleme keine Sanktionen zur Folge hatten und es nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens komme. Die Bilanzprüfung hat den Konzern rund 150 Millionen Franken für die mit der Analyse betrauten Anwälte, Berater und Buchprüfer gekostet. Rückblickend und aus dem Blickwinkel der Personalisierungsdiskussion betrachtet, kann als eigentliches Problem hinter den Ereignissen eine fehlende starke Persönlichkeit gedeutet werden. Die beiden Lager der ehemaligen Unternehmen Adia und Ecco waren nach ihrem Zusammengehen kulturell und führungstechnisch noch nicht zu einer Einheit mit einer starken Spitze zusammengewachsen. Die starke Frau oder der starke Mann an der Spitze hat gefehlt. Ein Patron, der sowohl gegen innen wie auch gegen außen Vertrauen geschafft und Stärke ausgestrahlt hätte. Mit Klaus Jacobs wurde diese Lücke später geschlossen und das Unternehmen Adecco konnte den langwierigen Prozess zurück zum vertrauenswürdigen Unternehmen beginnen. Kaum ein anderes Beispiel aus der jüngeren Unternehmenspraxis zeigt so exemplarisch, wie eine falsch verstandene Corporate Governance, die Dominanz juristischer Prinzipien über kommunikationspolitischen Anliegen und eine schwach ausgeprägte Personalisierung ein Unternehmen arg in Schwierigkeiten versetzen kann, beziehungsweise seinen betriebswirtschaftlichen Handlungsspielraum einzugrenzen bis partiell auszusetzen vermag.
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Der Faktor Mensch als Basis der Personalisierung und der Corporate Governance
Der Auftritt einer starken Person an der Spitze eines Unternehmens, einer politischen Organisation oder eines beliebigen Teilsystems in der Gesellschaft ist immer stark gekoppelt an die Attribute Verantwortung, Vertrauen und Macht. Die Kunst der positiven und gewinn-
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bringenden Personalisierung liegt darin, die Verantwortung und die Macht optimal zur Schaffung von Vertrauen sowohl gegen innen wie gegen außen zu nutzen. Wir werfen nun einen vertieften Blick auf den Menschen und somit auf die Elemente von komplexen sozialen Systemen, mit dem Ziel, das Problem der Steuerung von Sozialsystemen – und somit der Personalisierung von Organisationen – zu analysieren. Am Ende werden wir darauf zurückkommen, dass die Diskussion um Corporate Governance, also um die Frage der Akzeptanz der Systemverträge und Interaktionen aller beteiligten Anspruchsgruppen, stark auf der Ebene der Menschen mit ihren persönlichen Eigenschaften, Zielkonflikten und Nutzenmaximierungen abgestützt ist (vgl. Willke 2001: 149-151).
2.1 Verantwortung als Prämisse wirtschaftlichen Handelns Verantwortung als Wert und Ziel des menschlichen wie des unternehmerischen Handels gegenüber anderen Parteien und Anspruchsgruppen stellt einen zentralen Pfeiler der Corporate Governance und der Personalisierungsdebatte dar. Und zwar sowohl als Basis, als anzustrebendes Ziel wie auch als Mittel zu dessen Erreichung. Neben der sozial-ethischen Bedeutung des Verantwortungsbegriffs muss aber auch die funktionale Verantwortung, sprich die treuhänderische Aufgabe der erfolgsorientierten Unternehmensführung, in die Analyse mit einbezogen werden. Verantwortung wird als Begriff einerseits in der wirtschaftspolitischen Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft und gegenüber ihren Anspruchsgruppen verwendet, andererseits wird die ökonomische Verantwortung der Unternehmensführung, gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um hohe Managementgehälter, in die Argumentationslinie eingebaut. Die Verantwortung als Begriff ist traditionellerweise an eine kausale Rechtfertigung gebunden und die Einforderung dieser Rechtfertigungen hat im Rahmen der diskursethischen und mediatisierten Kommunikation und Anschlusskommunikation im System der Gesellschaft stark zugenommen. Die allgemeine Entwicklungstendenz der westlichen Gesellschaft hat für eine verhältnismäßig lange Zeit eher in Richtung der Verminderung der individuellen Verantwortung geführt. Eine Hauptströmung der Philosophie der Moderne, von Spinoza bis zum Marxismus, hat die formale Wirkung des Ganzen so sehr betont, dass die individuelle Verantwortung des Menschen und die Rolle des Individuums stark heruntergespielt wurden. In der Metaphysik hat man behauptet, dass das kollektive Subjekt mehr Substanz als das individuelle hätte, und diese metaphysische Überzeugung hat sich in der Politik, in der Ökonomie, in der Methodologie der Sozialwissenschaften und in den konkreten gesellschaftlichen Vorgängen und Prozessen widergespiegelt (vgl. Buttiglione 2000: 9). Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war in Europa geprägt von einer deutlichen Abkehr von allem Kollektiven. Die persönliche Verantwortung rückte wieder ins Zentrum des menschlichen Handelns. Aus dieser Geisteshaltung entsprang – im Gleichschritt mit dem wirtschaftlichen Aufschwung – der Liberalismus bzw. der Neoliberalismus in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Seit der Jahrtausendwende können wir jedoch bereits wieder eine neue Suche nach einem Gleichgewicht der kollektiven und individuellen Verantwortung feststellen. Im Bereich der Ökonomie hat lange die Überzeugung geherrscht, dass die größere Dimension den entscheidenden Vorteil im Wettbewerbskampf bieten kann. Große Unternehmen und Konzerne können aber leicht der Versuchung zum Opfer fallen, bürokratische Führungsmethoden einzuführen, in denen der einzelne Arbeiter keine indivi-
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duelle Verantwortung für das gesamte Ergebnis des Arbeitsprozesses trägt. Diese Sicht wurde mit der Entwicklung und vor allem in der Tertiärisierung der durch Industrieproduktion geprägten westlichen Welt angepasst. Heute gilt ganz klar die Maxime, dass nur durch Partizipation, Motivation und Loyalität zum Unternehmen und zum hergestellten Produkt auf allen Ebenen der Hierarchie die Verantwortung der Mitarbeitenden und somit eine gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens gefördert werden kann (Buttiglione 2000: 9-10). Versucht man Verantwortung als Begriff zu definieren, stößt man auf unterschiedliche Ansätze. Einen nützlichen und greifbaren Versuch macht Matthias Maring: „Verantworten bedeutet, dass sich jemand für Handlungen, Handlungsfolgen, Zustände, Aufgaben, usw. gegenüber einem Adressaten, dem man verpflichtet ist, und vor einer Instanz, die nicht identisch mit dem Adressaten sein muss, gemäss Standards, Kriterien, Normen, Werte, Massstäbe, usw. zu rechtfertigen hat“ (Maring 2001: 14). Dies gilt gemäß unserer einführend diskutierten dualen Bedeutung von Verantwortung sowohl für die sozial-ethische wie auch die funktional-ökonomische Ausprägung. Die Vielschichtigkeit und klar interaktive Ebene der „Ausübung“ von Verantwortung macht eine enge Verflechtung von Verantwortung und Kommunikation deutlich. In der Personalisierung von Unternehmen greifen die Verantwortung der Führungspersönlichkeit gegenüber dem ihr anvertrauten Unternehmen und die Verantwortung für sich und seine Person selbst ineinander und müssen sich sowohl der funktionalen wie der sozialen Prüfung der Öffentlichkeit stellen. Verantwortung wahrzunehmen entspricht einerseits nicht dem Bild des Eigennutzen maximierenden Menschen, ist aber auch für zur Verantwortung gewillte und motivierte Personen ein zu komplexes Umfeld, um sich zu orientieren und richtig zu handeln, denn: „Den privaten Wirtschaftssubjekten, nämlich Haushalten und Unternehmen (und somit auch den Unternehmern und Führungskräften, S.M.) auf dem Markt echte Verantwortung zuzuweisen, insofern sie für die Folgen ihres Handelns voll einzustehen haben, ist nur möglich, wenn diese die Voraussetzungen ihres Handelns durchschauen und dessen Folgen überblicken“ (Hengsbach 1996: 29). Verantwortung wahrnehmen, diese zu leben und auch sichtbar zu machen, bedingt eine weitere Prämisse, die in den letzten Jahren stark gelitten hat: Vertrauen. Das Vertrauen in die Rollen der Wirtschaftssubjekte und deren verantwortliches Handeln und Verhalten wurde arg strapaziert und ist an vielen Orten wenn nicht gänzlich verloren gegangen dann zumindest zu großen Teilen entzogen worden.
2.2 Vertrauen schafft unternehmerischen Handlungsspielraum Im Zentrum allen Bemühens steht das Vertrauen als Maxime zur Erreichung des betriebswirtschaftlichen Handlungsspielraumes, der einem Unternehmen die Legitimation der Anspruchsgruppen verleiht, seinem Kerngeschäft nachzugehen, Ressourcen zu nutzen und innerhalb einer staatlichen ordnungspolitischen Rahmenordnung als Teil des öffentlichen Systems der Gesellschaft zu existieren. Vertrauen ist generell Grundlage des Lebens, ansonsten würden wir dauernd das Gegenteil erwarten und werden in unserem Handeln blockiert. Und speziell in komplexen Organisationen können Kontrolle und steile Hierarchien das Vertrauen unter den Menschen nicht ersetzen. „Ohne Vertrauen, unter dem Leitprinzip systematischen gegenseitigen Misstrauens, entstehen Reibungsverluste sonder Zahl, und
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der Kontrollaufwand wächst ins Ungemessene. In einem gewinnorientierten Unternehmen sind die Kosten fehlenden Vertrauens unerschwinglich“ (Böckli 2005b: 31). Vertrauen ist also ein wesentlicher Faktor für das gute Funktionieren einer Unternehmensspitze, kommt aber in der Debatte um die Corporate Governance kaum zur Sprache. Das ganze Augenmerk scheint auf die Kontrolle gerichtet zu sein. „Vertrauen ist jedoch nicht nur von nebensächlicher Bedeutung, sondern sogar ein Kernelement richtig verstandener Corporate Governance“ (Böckli 2005b: 31). Hier kann eine bewusst und sensibel eingesetzte Personalisierungsstrategie dem juristisch motivierten Gerüst der Corporate Governance eine Vertrauensbasis schaffen, die am Ende das Ziel der offenen und transparenten Unternehmensführung und -kontrolle effizienter und effektiver unterstützen kann als Gesetze, Regulierungen und Richtlinien. Die Strategie der Personalisierung ist jedoch auch mit Risiken behaftet, denn Vertrauen bezieht sich stets auf eine kritische Alternative, in der der Schaden beim Vertrauensbruch größer sein kann als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird. Vertrauen zieht den Vertrauensbruch durchaus in die Abwägung der Handlung mit ein, während in der Hoffnung – als verwandter Begriff des Vertrauens – die Zuversicht des positiven Ausgangs die negative Alternative verdeckt. Der Hoffende fasst trotz Unsicherheit einfach Zuversicht. Zu vertrauen bedeutet jedoch, nicht immer zu Recht zu vertrauen. Vertrauen kann auch unbedacht, leichtsinnig oder routinemäßig erwiesen werden. Durch die Reduktion von Komplexität werden Handlungsoptionen erschlossen, die ohne Vertrauen unwahrscheinlich und unattraktiv geblieben, also nicht zum Zuge gekommen wären. Man schließt durch Vertrauen gewisse Entwicklungsmöglichkeiten von der Berücksichtigung aus und neutralisiert somit Gefahren, die nicht ausgeräumt werden können, die aber das Handeln nicht irritieren sollen (vgl. Luhmann 2000b: 29-30). Mit einer bewusst gestalteten oder auch spontan entstandenen Personalisierung kann über eine vertrauenswürdige Person beziehungsweise über deren Reputation in der Gesellschaft eine positive Rückkopplung auf das Unternehmen ausgelöst werden. Zu unterscheiden ist hier jedoch die funktionale, am beruflichen Leistungsausweis gemessene Reputation von der sozialen, am privaten Leben der Person abgeleiteten Reputation. In Unternehmen und Organisationen kann somit nicht alles Handeln durch sichere Voraussicht seiner Wirkung geleitet sein. Es bleiben Unsicherheiten zu absorbieren und es muss Rollen geben, denen diese Aufgabe in besonderem Maße obliegt. Eine solche Rolle, zum Beispiel eines leitenden Managers, wird an seinem Erfolg gemessen und kontrolliert. Da das Resultat seiner Handlungen erst zeitlich nachgelagert in Erscheinung tritt, müssen das System, dessen Umwelt und sämtliche involvierten Akteure einen Vertrauensvorschuss leisten. Die Gesetze, Regeln und Richtlinien im Rahmen der Corporate Governance versuchen nun über kontrollierende und sanktionierbare Regeln, das Vertrauen im System aller Beteiligten zu ersetzen. Die Komplexität wird nicht mehr durch die Zerstückelung und Zerlegung derselben in einzelne und gegenseitige Vertrauensbeziehungen reduziert, sondern es wird gar versucht, das System und die Regeln zu erweitern, was jedoch zu einer Erweiterung von Komplexität führt (vgl. Luhmann 2000b: 27-38). Vertrauen durch Personalisierung muss mehr Eingang finden in die Diskussion um Corporate Governance. Bisher wurde das kaum getan. Da jede Organisation mit überraschenden internen Entgleisungen rechnen muss, könnte der Gedanke nahe liegen, diesem Risiko durch den Übergang zum Misstrauensprinzip zu begegnen. In der Tat basieren die überbordenden Kontroll- und Dokumentationspflichten im Zuge der Corporate Governance
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auf dem Misstrauensprinzip. Mehr Information und Transparenz sowie eine sichtbare Präsenz und Unterstützung der Unternehmensführung sind durchaus begrüßenswerte Maßnahmen und Ziele der Corporate Governance, doch sie müssen als Element der Vertrauensbildung und nicht als Abwehr von Misstrauen definiert werden (vgl. Böckli 2005b: 31). Das gemeinhin entworfene Bild der Corporate Governance enthält unter anderem folgende Schwäche: Das Verhältnis zwischen dem obersten Aufsichtsorgan und dem Management wird fast immer als antithetisch dargestellt. Es erscheint dann als Einbahnstraße, als ein Verhältnis von Überwachern zu den Überwachten. „In einer derartig einseitigen Sicht (…) muss sogar der Verdacht aufkommen, Corporate Governance sei darauf aus, ein Klima systematischen Misstrauens aufzubauen“ (Böckli 2005b: 31). Das Ziel jeder Corporate Governance – ein ausgewogenes Verhältnis von Führung, Kontrolle und Transparenz an der Unternehmensspitze – ist ohne geradezu unsinnige Reibungsverluste auf Dauer nur in einem Verhältnis des Grundvertrauens erreichbar. Dieses Grundvertrauen kann nur durch Information und Kommunikation aufgebaut und gestützt werden (vgl. Böckli 2005b: 31). Das heißt mit anderen Worten, die Personalisierung findet nicht nur in der externen Kommunikation gegenüber der Systemumwelt oder intern gegenüber den Mitarbeitenden statt, sondern muss auch auf der Mikroebene im Zusammenspiel zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat funktionieren. Kommunikation, Vertrauen, Hierarchien und Verantwortung gipfeln in ihrer operativen Ausgestaltung oft in Machtgefügen, Machtspielen und Machtdemonstrationen, die einen sowohl Eigennutzen optimierenden wie auch Status demonstrierenden MotivationsHintergrund haben. Dies führt uns zur näheren Betrachtung des Machtaspekts in der Diskussion um die Personalisierung von Unternehmen.
2.3 Macht – Medium der Kommunikation Es gibt zahlreiche, widerspruchreiche Versuche, das Phänomen der Macht auf einen theoretisch und empirisch erfolgreichen Begriff zu bringen. Oft wird Macht im Zusammenhang mit deren Wirkung gegen möglichen Widerstand beschrieben, als Spiel zwischen Gegnern, als Tausch unter Marktteilnehmern oder als Medium der Kommunikation innerhalb eines Systems (vgl. Luhmann 2003: 2-3). Die Macht als Kommunikationsmedium einzustufen, ist eine Sichtweise, die bisher kaum erkannt oder ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Im Gegensatz zu den traditionellen Definitionen und Beschreibungen des Phänomens der Macht, in denen immer die Wirkungskraft und die Stärke in der höher gestuften Position innerhalb einer Hierarchie eines Systems als einseitiges Machtgefälle beschrieben wurde, ermöglicht Luhmanns Ansatz eine wechselseitige Wirkung, in der sich Macht nicht mehr an ein klassisches Gefälle der Hierarchie halten muss. Neben der Evolution und der Systemdifferenzierung wurde den Fragen der Motivation und der Befolgung von Kommunikation weniger Beachtung geschenkt. Sie wurden teils als bloß psychologische Tatbestände gesehen und den Individuen zugerechnet, so dass man sie bei einer makrosoziologischen Betrachtungsweise übergehen konnte. Teils wurden sie unter Sonderbegriffe wie Konsens, Legitimität, informale Organisation, Massenkommunikation und Ähnliches gebracht. Luhmann gibt der Kommunikation nun mehr Gewicht. „(…) Statt dessen gehen wir von der Grundannahme aus, dass soziale Systeme sich überhaupt erst durch Kommunikation bilden, also immer schon voraussetzen, dass
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mehrfache Selektionsprozesse einander antizipativ oder reaktiv bestimmen“ (Luhmann 2003: 5). Die Kommunikation zwischen zwei Partnern setzt neben gemeinsam verstandenen Sprachcodes auch einen Code generalisierter Symbole voraus, welche die Übertragung von Selektionsleistungen steuern. Im Gegensatz zur reinen Sprache haben Kommunikationsmedien, zu denen wir Macht zählen, mithin auch eine Motivationsfunktion, indem sie die Annahme fremder Selektionsleistungen nahe legen und für den Normalfall erwartbar machen. Kommunikationsmedien können sich immer dann bilden, wenn die Selektionsweise des einen Partners zugleich als Motivationsstruktur des anderen dient. „Für Macht gilt insofern nichts anderes als für die Liebe oder für Wahrheit. In jedem Falle bezieht sich die Einfluss nehmende Kommunikation auf einen Partner, der in seinen Selektionen dirigiert werden soll“ (Luhmann 2003: 8). Die starke Emotionalität des Themas macht eine wissenschaftliche und neutrale Annäherung nicht leichter. Macht im Alltag zu thematisieren, bedeutet potenziell, Macht zu gefährden. Dies ein weiteres Hindernis, Macht als Begriff offen und wertneutral anzugehen. Hoffmann versucht Macht folgendermaßen zu definieren: „Macht ist die von Dritten auf Zeit verliehene Legitimation einer Person oder Gruppe (als Machtträger) gegenüber einer anderen Person oder Gruppe (als Machtbetroffene), etwas zu verändern, zu gestalten, zu beeinflussen, zu entscheiden, durchzusetzen, zu kontrollieren und für diese Prozesskette die Verantwortung zu übernehmen“ (Hoffmann 2003: 47). Hoffmann lässt in seiner Definition die (positive) Möglichkeit der Gestaltung und Beeinflussung durch Macht offen, sieht letztere aber klar beim Machthaber angesiedelt. „Macht beschränkt den Spielraum von Machtbetroffenen“ (Hoffmann 2003: 47). Hier bringt Luhmann den neuen Aspekt der gegenseitigen Machtausübung durch Selektion von Handlungsoptionen auf beiden Seiten des Machtgefälles. Hoffmann gesteht den Machtabhängigen zwar eine gewisse Fähigkeit zu „starken Machtimpulsen“ zu, dies jedoch nur in abwendender und protestierender Manier, zum Beispiel auf politischer Ebene durch Nicht-Wahl eines Kandidaten, auf wirtschaftlicher Ebene durch Streik oder durch den Kommunikationskanal der Massenmedien. Das aktive und gestalterische Momentum der Macht sieht Hoffmann beim Machthaber angesiedelt. Willke sieht in der Macht ein Steuerungsmedium zur Bewältigung (Steuerung) komplexer Systeme. So stellt er die Frage, wie es möglich sei, eine Vielzahl von Akteuren, Gruppen, Organisationen, Motiven, Interessen, Werten, Logiken, etc. so zu koordinieren, dass über alle Gegensätze und Widersprüche hinweg kollektives Handeln und die Stabilisierung der Einheit des Sozialsystems gelingen können (vgl. Willke 2001: 151). Information ist in dem Sinne auch Macht, und wer Informationen besitzt, bestimmt über deren Distribution und Mitteilung. Kommunikation ist folglich das Teilen, Verteilen, Eingrenzen und Führen von Macht und Machtelementen. Was für die interne Machtverteilung und Kommunikation gilt, hat ebenfalls für die externe Systeminteraktion Gültigkeit. Die Systemumwelt, das heißt die Teilpublika der Gesellschaft, Medien und andere Anspruchsgruppen, spielt ihrerseits das Machtspiel der Information und Kommunikation und zwingt somit Organisationen neue Spielregeln der Transparenz und Offenlegung auf, die im Programm der Corporate Governance münden. Eine starke Personalisierung kann aus dem Blickwinkel auch als Gebrauch von Macht durch Bündelung von Information und Kommunikation betrachtet werden. Wenn wir jetzt konkret in die Organisation und in die Machtstrukturen der Unternehmen schauen, erkennen wir das komplexe Zusammenspiel zwischen den Akteuren, welches die genaue Zuordnung von Macht so schwierig macht. In der externen Kommunikation
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findet Macht Gegenmacht und reizt Widerstand. In der internen Systemwelt einer Organisation erzeugt Macht Gegenmacht (vgl. Luhmann 2003: 107-108). Nach der Systemtheorie verschiebt sich mit zunehmender Komplexität das Machtverhältnis zugunsten der Untergebenen, das heißt, der Vorgesetzte macht nicht nur von seiner Befehlsmacht Gebrauch, sondern sucht in erster Linie Konsens, da er auf Mitarbeit der Untergebenen angewiesen ist. Diese ihrerseits tun gut daran, Loyalität zu zeigen, um den Vorgesetzten nicht in die äußerste Handlungsalternative der Entlassung zu drängen. Die Machtverschiebung zu den Untergebenen fördert die Zusammenarbeit und reduziert wiederum die Komplexität der Interaktionen. Die neue Macht der Untergebenen erkennend, haben die Führungspersonen den Mitarbeitenden suggeriert, es sei gut für sie, ihre Macht kollektiv auszuüben, Vertreter zu wählen und Organisationen (zum Beispiel Gewerkschaften) zu bilden, um Einfluss auf Entscheidungen in der Unternehmensführung auszuüben. Was in verschiedenen Ländern unter Partizipation und Mitbestimmung als emanzipierte Form des Firmenmanagements verkauft wird, ist indes ein Trick der Führung, den Unterschied und das Gefälle zwischen Führung und Untergebenen auszugleichen, zu ebnen und damit zu leugnen. Den Untergebenen wird damit aber die Machtbasis entzogen, die sie ja erst durch den Unterschied und das Gefälle erlangt haben. Unter Vorgabe eines Machtausgleichs wird nur die Macht reorganisiert, die die Untergebenen im Großen und Ganzen schon haben (vgl. Luhmann 2003: 107-112). Die Zunahme der Macht der Untergebenen bringt ein neues Problem ans Tageslicht. Die Machtverhältnisse unter den stufengleichen Untergebenen orientieren sich ebenfalls neu. Wenn in Organisationen die potentielle Macht sich weitgehend auf Untergebene verlagert, wird es umso wichtiger, wie diese ihr Verhältnis zueinander regeln. Der Vorgesetzte, beziehungsweise die Unternehmensführung gerät in die Rolle des Transformators in internen Machtkämpfen. Die Corporate Governance begegnet dieser Anforderung oder dieser Rolle mit Empfehlungen zur internen Unternehmenskultur mit einem allgemeingültigen Code of conduct, offenen Kanälen der Meinungsäußerung, das Mitteilen von vermeintlichen Missständen (Whistleblowing) und integrierenden kulturellen Elementen wie Mitarbeiterfeste und Informationsveranstaltungen.
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Kommunikationskompetenz als Managementleistung
Die vorangehenden Analysen der Personalisierung und deren Bedeutung für die Corporate Governance führen uns zur Kommunikationskompetenz der Führungskräfte. Letztlich operationalisieren sich die Ausprägungen der Verantwortung, des Vertrauens sowie der Macht in Kommunikationsaktivitäten. Kommunikation ist jedoch nur ein Element einer breiter gefassten Managementkompetenz, die in ihrer Gesamtheit die Personalisierung einer Führungsperson ausmachen. Ralf Winnes unterscheidet zwischen der fachlichen, der methodischen, der sozialen, der kommunikativen und der ethischen Führungskompetenz (vgl. Winnes 1996: 91-98). Die Fachkompetenz beschreibt die selbsterklärende Fertigkeit einer Führungsperson, in dem ihm unterstellten Fachbereich über das notwendige Grundwissen zu verfügen, das ihm erlaubt, strategische und operative Entscheidungen auf Basis der konkreten Tätigkeit zu evaluieren und zu treffen.
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Die Methodenkompetenz erfordert nicht nur Wissen und Erfahrung im Bereich der fachlichen methodischen Kompetenz, sondern schließt die methodische Managementkompetenz mit ein. Die Systemorientierung und die notwendige Selektion aus multiplen situativen und sozialen Konstellationen in der unsicheren Interaktion innerhalb der Systemumwelt führten zwangsweise zur Ausbildung der Sozialkompetenz als Führungsqualität. Ein neues Rollenverständnis der Führungskräfte ging einher mit neuen Organisationsstrukturen, welche sich durch mehr Partizipation, Dezentralisation, Kommunikation und beschleunigter Geschwindigkeit der Abläufe und Entscheidungsimperative auszeichneten. Aufgrund des erhöhten Bedarfs an Interaktion und kooperativem Verhalten der Organisationsmitglieder untereinander und gegenüber der Systemumwelt ist die Kommunikationskompetenz nicht nur logische Folge und Teil der Sozialkompetenz, sondern sie ordnet sich dieser von der Bedeutung her unter. Ralf Winnes definiert denn Sozialkompetenz bereits 1996 mit Begriffen, die fünf bis zehn Jahre später zur Qualität einer guten Corporate Governance attributiert werden und heute ein modernes Anforderungsprofil einer Führungsstelle beschreiben: „Sozialkompetenz umfasst den Bereich von Fähigkeiten, den man auch mit Selbstfindung und Selbststeuerung umschreiben kann. Es geht hier um Sachverhalte wie Engagement, Risikobereitschaft, Motivationsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Es sind letztlich Fragen eines sehr persönlichen Arbeitsverhaltens und des angemessenen Bewegens im sozialen Gefüge des Unternehmens. (…) Zur sozialen Kompetenz gehört aber auch ein entsprechendes Rollenverständnis gegenüber den Ordnungsprinzipien unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Es gehört die Fähigkeit dazu, Stellung und Sinn der eigenen Arbeit in der Gesellschaft zu begreifen und einen Beitrag zu deren Erhaltung zu leisten“ (Winnes 1996: 94).
Unter der Ethikkompetenz schließlich subsumiert der Autor die Gesamtheit der ökonomischen, sozialen und ökologischen Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft in ihrem Handlungskonzept unter der Annahme, dass „ein grundsätzliches Verständnis von Sachfragen, Methoden und sozialen Beziehungen nicht mehr ausreicht, in einer pluralistischen Gesellschaft zur Führung kompetent zu sein“ (Winnes 1996: 94). Während das Konzept die Kommunikationskompetenz zwar explizit berücksichtigt, ist die doch etwas beiläufige Subsumierung unter die allgemeine Sozialkompetenz („Als Unterbegriff der Sozialkompetenz muss deshalb die Kommunikationskompetenz ebenfalls miteinbezogen werden“ (Winnes 1996: 94)) angesichts ihrer Bedeutung etwas zu einfach beziehungsweise ohne adäquates Gewicht eingebunden. Corporate Governance erfordert ein Führungsprofil, das die Kommunikationskompetenz und somit auch die Personalisierung höher bewertet und sich gleichberechtigt neben die Qualitäten auf fachlicher, methodischer, sozialer und ethischer Ebene einreiht. In der Annahme und aufgrund empirischer Beobachtungen sowie praktischer Erfahrung, dass die Unternehmenskommunikation sowohl als organisationale Einheit wie auch als Handlungsfunktion der Unternehmung in oberster operativer Führung von einem Mitglied der Geschäftsleitung, meistens dem CEO, geleitet und verantwortet wird, möchte ich hier der Kommunikationskompetenz mindestens die gleiche Priorität wie den anderen erwähnten Managementkompetenzen zuschreiben.
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Fazit
Corporate Governance ist ein juristisch motiviertes und ökonomisch verankertes Instrumentarium der Unternehmensführung und als solches mit großen Implikationen für die Unternehmenskommunikation von Publikumsgesellschaften verbunden. Basis jeder Führungsund Kontrollanordnung ist und bleibt jedoch das Vertrauen der einzelnen Akteure in das System, die Prozesse und die anderen beteiligten Akteure. Führungspersönlichkeiten müssen in ihrer Rolle dieses Vertrauen sowohl aufnehmen wie auch an ihr Umfeld vermitteln. Dazu müssen sie die Verantwortung wahrnehmen und den ihnen entgegengebrachten Vertrauensvorschuss einlösen. Macht spielt dabei eine nicht zu vernachlässigende Rolle, denn Macht als Kommunikationsmedium ermöglicht erst die Ausübung dieser Rolle. Mit Vertrauen, Verantwortung und Macht spricht ein Unternehmen die Anspruchsgruppen beziehungsweise Teilpublika der internen und externen Öffentlichkeit und somit der Personalisierung von Unternehmen an. Die interne Kommunikation lebt sehr stark von der Präsenz der Führung in glaubwürdiger und lebhafter Erscheinung und ergänzt schriftlich abgefasste Verhaltensregeln mit personalisierter Firmenkultur, was die Idee der Corporate Governance erst zum tatsächlichen Erfolg führen kann. Loyalität, Integrität und sozialkonformes Verhalten – auch in Machtstrukturen und Untergebenenverhältnissen – entsteht nur durch ein starkes und sichtbares Auftreten der Vorgesetzten über alle Hierarchiestufen und regionale Strukturen. Macht macht Corporate Governance erst möglich – und wird in einer ausgeprägten Personalisierung umso sichtbarer –, kann die Idee dahinter aber schnell zerstören. Die Personalisierung muss im Lichte der guten Führung und Kontrolle von Kapital- und Publikumsgesellschaften in erster Linie und ausgeprägt gegen innen gelebt werden. Die Führung muss sichtbar, glaubhaft engagiert und greifbar auftreten und den Mitarbeitenden das Gefühl einer starken und vertrauensvollen Unternehmensführung vermitteln. Macht als Kommunikationsmittel soll hier im positiven Sinne genutzt werden. In der externen Kommunikation muss die Personalisierung sensibler und differenzierter eingesetzt werden. In Gremien, Organen und Kommunikationsarenen, die sehr stark auf persönlichen Kontakten aufbauen – dazu zählen Bereiche der Unternehmenskommunikation wie politisches Lobbying, Beziehungspflege zu Großinvestoren und die Krisenkommunikation –, ist ein stark personalisierter Auftritt eines CEO oder Verwaltungsratspräsidenten durchaus angebracht beziehungsweise unumgänglich. In der breiten Kommunikation der Public Relations (z.B. in der klassischen Medienarbeit, im Auftritt bei Sponsoringaktivitäten oder in der Marketingkommunikation) ist der zu generierende Mehrwert einer starken Personalisierung beschränkt und kann leicht durch eine spontan negative soziale Reputation der jeweiligen Personen reduziert werden. Der Verzicht auf eine kommunikative Personalisierung – ob bewusst strategisch oder unbewusst zufällig gewählt – ist jedoch auf keinen Fall zu empfehlen. Zu viele negative Beispiele einer schwachen Wahrnehmung der Führung in der Öffentlichkeit – und bei differenzierteren Anspruchsgruppen wie zum Beispiel den Investoren – unterstreichen dies.
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Personalisation possibilities: A plea for subjective transparency through science, action research, and strategic communication David McKie, Debashish Munshi
Abstract This chapter suggests that, in seeking the status of a conventional science, public relations has suffered collateral damage by foregrounding outmoded approaches, assumptions, and methodologies. In particular, it contends that, because the main impact of science stems from notions of quantitative rigour and impersonal knowledge (often assumed to be overlapping), public relations marginalises issues around personalisation. In this, the field lags behind other disciplines, which from the early 20th century, have adapted to changing protocols around objectivity in post-quantum science and have followed feminism’s lead in accepting the personal as a valid part of scholarship. Indeed, rejecting views of subjectivity as an “impure” feature that must be excluded from pure research, scholars in certain fields (e.g., knowledge management; sociology of science) situate it as central to knowledge construction. Public relations, however, still lacks explicit engagement with such open acknowledgement of personal desires, personal interests, and personal investments, or what might be called subjective transparency. In conclusion, building on recent writings in action research and organisational communication, we propose future directions less inhibited by implicit claims to objectivity, and more open to acknowledging personal interests (including explicit commitments to justice issues declared upfront). Introduction: Questionable neutrality and the importance of the personal In the wake of the sociological work of Beck and Giddens (see Beck/Giddens/Lash 1994), the term knowledge society involves something different in the present than it did in the past. It must now acknowledge the self-reflexivity of social actors having “ever greater capacities for self-interpretation and actions” (Delanty 2001: 5) and the enabling of “something like a democracy of knowledge rooted in citizenship” (p. 3). These have been enhanced by the spread of technological access and institutions such as Wikipedia and can be seen in the shift of attention away from the content of knowledge and onto the credibility of sources and what they may be sharing or hiding. Through the blogging phenomena, the shift is visible from personal and corporate credibility (see Scoble/Israel 2006: Naked Conversations: How Blogs Are Changing the Way Businesses Talk with Customer) to the growth of citizen journalists (see Treymayne 2007: Blogging, Citizenship, and the Future of Media). Credibility testing also occurs in academic contexts, especially in relation to neutrality and objectivity. Fairclough (1989), for example, describes neutrality as “spurious” (p. 5),
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and asserts that the “investigation of social matters is perfectly compatible with committed and ‘opinionated’ investigators” (p. 5). Commonplace in Fairclough’s area of critical discourse analysis, and elsewhere, this view is not widespread among public relations educators, who are rarely transparent in revealing their own backgrounds and beliefs. At this point let us declare our own interested position: “the history of every scholar’s personal development – cultural backgrounds, ideological predilections, places of study, theoretical preferences, and life trajectories – impacts on their research projects” (McKie/Munshi 2007: 5). This chapter’s examination of consciously personalising academic work covers a diverse range of writers and writing but we begin by interlinking examples from three histories: science; women; and public relations. At least since the “new science” of quantum physics established that the presence of an observer not only involved their participation, but could determine what is perceived (the classic wave or particle decision), objectivity can no longer be accepted as the research norm. Leading quantum scientists, such as Max Planck, opened up physics to include the personal: “Science cannot solve the ultimate mystery of nature . . . because in the last analysis we ourselves are part of the mystery we are trying to solve” (Baets 2006: xiii). Despite these findings, certain researchers continue to function as if objectivity, free from human interference, were possible. Such views are not just outmoded but limiting, because including “ourselves as part of the mystery” need not entail surrendering scholarly rigour and can enable more reflective productions of knowledge. Such subjectivity-augmented inclusiveness is evident in research involving gender and science. The notion that science is properly impersonal has been de-centred by feministinfluenced work on science and by scientists: Fox Keller’s (1985) pioneering Reflections on Gender and Science; Longino’s (1990) Science as Social Knowledge: Values and Objectivity in Scientific Inquiry; and Harding’s (2006) Science and Social Inequality: Feminist and Postcolonial Issues? These writings on women and science tend to gravitate around the critique embedded in Bonnie Spanier’s (1995) inserted oblique in Im/Partial Science: Gender Ideology in Molecular Biology. That is to say scientific impartiality also includes “I’m,” or certain partialities, particularly gender and race partialities, and certain positions that involve the personal. As a consequence, contributors to studies of women and science frequently declare from the outset, personal aspects that they see as relevant to their research approaches. As well as signaling their attitude to the area that they study, the practice often makes usefully explicit taken-for-granted exclusions and socially odd partialities (e.g., massive U.S. funding for space exploration in times of life-shortening racial inequalities). Genderinclusive scientific studies also point to potential biases, the forces behind particular research agendas, and interdisciplinary intersections that inform readers about the context and purpose of specific research. A case in point is Whitaker’s (2001) chapter introduction. Rather than stopping conventionally after stating her scientific credentials and status, she sets out her conscious decision to intersect two disciplines, which are more usually, and without justification, kept apart: “I am a doctoral candidate in the Department of Hydrology and Water Resources at the University of Arizona, while simultaneously pursing a master of arts in the Department of Women’s Studies. My educational background is saturated with science: my undergraduate degree is in geology, and I also have a masters of science in hydrology. I identify myself as a
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scientist, but I also consider myself a feminist, which is why I began taking classes in women’s studies.” (Whitaker 2001: 48)
In declaring her knowledge bases and partialities, Whitaker (2001) takes the classic feminist view that the personal is political and extends it to acknowledge how the academic may also be political. This practice, of articulating interests and declaring relevant personal background, is adopted by almost every one of the 37 writers in the 33 chapters of Mayberry, Subramaniam, and Weasel’s (2001) Feminist Science Studies: A New Generation. The contrast with public relations is marked. We looked at Toth’s (2007) roughly comparable (in terms of contributors and forward-looking “next generation” orientation) collection, The Future of Excellence in Public Relations and Communication Management: Challenges for the Next Generation. Of the 29 authors featured in Toth’s (2007) 27 chapters, we found only two with explicit personal statements. One is Hung’s (2007) footnote expressing “her greatest gratitude to her PhD adviser, Dr. James Grunig, for his guidance in the author’s study in the University of Maryland . . . . [and] Dr. Larissa Grunig for her teaching and support all the time” (p. 443, fn.). This is a limited declaration, but useful since the Grunigs are key architects of the Excellence theory featured in the book. Unlike other contributors, Hung (2007) acknowledges a prior academic/personal relationship that may be seen to colour the approach taken and so it is useful knowledge to readers who may be unaware of the previous relationships. This is not to suggest that other contributors are concealing such a relationship since many of them are named outside their chapters as having also been doctoral students of the Grunigs. However, we do see it as illustrative of the public relations practice whereby no one normally draws attention to anything personal, or to aspects of cultural/educational/political formation, even when it may be pertinent to issues addressed, or excluded. The second exception is a personal and passionate entry by Sha and Ford (2007), who: feel that it is important for readers to understand the diverse personal backgrounds of the authors. We offer this information not to justify or apologize for our presentation of this chapter, but rather to acknowledge, as did Gunaratnam (2003) [in Researching “Race” and Ethnicity: Methods, Knowledge and Power], that our identities have affected and continue to influence our development as public relations theorists and practitioners. Bey-Ling Sha is a Chinese American woman married to a White Frenchman, and they have two biracial, bicultural, and multilingual children. Rochelle Ford is an African American woman who was raised in a primarily Caucasian American environment, but whose childhood home was culturally African American. A wife and mother of four, she is raising her children in a predominantly African American community and teaches students primarily from the Black diaspora. These culturally rich backgrounds at the intersections of race, gender, culture, language, and nationality have given rise to our personal and academic interests in diversity issues in public relations. We both have written about diversity issues in public relations, researched them, practiced multicultural public relations, and made numerous presentations on diversity in public relations. (p. 382)
To us this exemplifies some of the strengths in presenting the personal. The authors concisely set out how, and why, they write about what they write about. They encourage readers to see the partiality in their positions; they illustrate how denying such backgrounds would indeed be professing a spurious neutrality by dissociating themselves from the personal histories forming them as academics as well as people. Their contribution also, implicitly, raises questions about whether any of the other contributors have anything as
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relevant to declare, and what might be the prevalence, and consequences, of assumed objectivity as the usual protocol for public relations writing.
Uncovering histories: Personal differences with political consequences There have been a few other notable exceptions. The major historian of public relations was early in declaring a subjective position and in sharing relevant personal experiences. Indeed, Scott Cutlip’s (1994) The Unseen Power: Public Relations, A History offers a useful point of comparison and contrast to one of the key texts of feminist history, Sheila Rowbotham’s (1973) Hidden from History: 300 Years of Women’s Oppression and the Fight against It. Both historians make a point of bringing elements, which have been out of sight, into the foreground. Cutlip (1994) describes how his book arose out of a series of discussions, “on the role of public relations in our economic, political and social history” (p. ix), with American historians of the 20th century, and how these talks inspired him to defend public relations practice against charges that it was “a corrosive element in our society” (p. ix). Emphasising his own credentials as “an author and teacher in this field since 1946” (p. x), Cutlip (1994) argued from personal conviction for “the good for society that can be accomplished through ethical, effective public relations” (p. ix). Both Cutlip and Rowbotham establish their books as transparently motivated by honestly interested rather than disinterested accounts. Their declarations of personal motivation seem preferable to an unspoken claim to write an objective, or innocent, account. Cutlip later modified his positive portrayal of public relations, but not his personalised approach. After noting his own career had “spanned 62 years in newswork, public relations, and education of two generations of public relations practitioners” (p. 282), Cutlip (1995) lamented the state of the American system and how “America’s public relations practitioners, some 150,000 strong, wield a major influence in that system by providing nearly half of the mainstream media’s daily content” (p. 283) with a biased effort “to put a favorable spin on the news in the interest of the client, not the public’s interest” (p. 283). Cutlip has had few successors, Rowbotham has had many, and the genre of women in public relations history is tiny. Aldoory (2005) recently noted that “very little has been done to uncover the history of women in public relations and the contributions that female figures have historically made to the field” (p. 902). While it is speculative, we wonder what might have happened, or might yet happen, if personal accounts along the lines of Sha and Ford (2007) were to be given more encouragement, engagement, and standing (as in Rowbotham’s feminist history). In terms of more recent history of women and public relations, a countervailing voice to Cutlip’s (1995) “favorable spin” (p. 283) comes from Nancy Snow’s (2004) chapter on U.S. Public Diplomacy. Snow (2004) describes her career in the early 1990s as “a government propagandist” (p. 17) for “the U.S. Information Agency (USIA) and the State Department in Washington, D.C.” (p. 17), whose “euphemism was public diplomacy” (p. 17). In polemical prose, which is infused with personal passion, Snow (2004) argues for partiality, based on personal belief, for the cause of peace because “the war propagandists, both state and stateless actors, are dominating the media landscape” (p. 2).
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Conflicting positions: Science and action research Rather than Snow’s sense of multiple voices contesting “truths,” conventional senses of science in public relations cluster closer to pre-quantum physics notions of observable measurement with mathematical proofs. In navigating by these conventions, public relations diminishes earlier meanings of science as the attempt to obtain reliable knowledge about the world. In this more general sense, action research can count as science. Indeed, while, as Reason and Bradbury (2008) note, action research is not “well linked to the mainstream of academic research with its conventional if unsupportable notions of objectivity” (p. 3), they can also justifiably claim that it “demonstrates an inquiry-in-action that positively shapes the lives of literally hundreds of thousands of people everyday around the world” (p. 3). It does this by encouraging people who seek socially positive change to go ahead and declare that desire and enact it openly. It also does so without accepting that this transparent subjectivity strains academic credibility if these people are researchers, or hinders the abilities of individuals to act as active citizens of the knowledge society even if they are not academics. Reason and Bradbury (2008) then usefully cluster the diversity of research practices around the terms first-, second-, and third-person. They position first-person skills and methods as addressing the researcher’s ability “to foster an inquiring approach to his or her own life, to act choicefully and with awareness, and to assess effects in the outside world which acting” (p. 6). This approach should be at the core of public relations research but is currently inhibited by protocols favouring the exclusion of personal considerations when, in fact, “first-person inquiry provides a foundational practice and disciplines through which we can monitor the impact of our behaviour” (Reason/Bradbury 2008: 6). It is almost another two decades on since Olasky (1989) noted that “the basic debate about public relations purpose was aborted some 25 years ago because public relations practitioners had developed a comfortable paradigm and did not want to give it up” (p. 94). First-person practices offer excellent avenues to reopen this debate, and others like it, on self-interest in the field’s practice and research, and help to keep both practitioners and researchers honest. In Reason and Bradbury’s (2008) descriptions of five characteristics of action research, all five indicate how it aligns better methodologically, and resonates better in practice, with contemporary public relations than do protocols from 19th century physics experiments. Characteristic one sees action research as “a set of practices that responds to people’s desire to act creatively in the face of practical and often pressing issues in their lives in organizations and communities” (Reason/Bradbury 2008: 3). This would almost fit as a description or public relations, and is unusual in covering public relations as practiced both by political activists in organisations such as Greenpeace as well as climate change denial officials in oil companies. It differs usefully from textbook definitions of public relations in stressing the creativity inherent in promotional acts – a factor that becomes much more obvious when impersonal objectivity is jettisoned and subjectivity is acknowledged. Reason and Bradbury’s (2008) second characteristic sees action research as “engagement with people in collaborative relationships, opening new “communicative spaces” in which dialogue and development can flourish” (p. 3), which aligns clearly with communication research discussions (Heath et al. 2006). Characteristic three notes that action research “draws on many ways of knowing, both in the evidence that is generated in inquiry and its expression in diverse forms of
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presentation as we share learning with wider audiences” (Reason/Bradbury 2008: 4). This fuses the primary public relations function of learning about audiences, to learning with wider audiences. The sound ethics of that cooperative widening correct the organisationcentric practice of corporate public relations with its tendency to narrow audiences to key stakeholders only. Ethical concerns carry over to characteristic four and the description of action research as “values oriented, seeking to address issues of significance concerning the flourishing of human persons, their communities, and the wider ecology in which we participate” (Reason & Bradbury, 2008, p. 4). The terms of this fourth characteristic similarly echo ongoing pleas for a more values-driven public relations in Guth and Marsh’s (2008) Public Relations: A Values-Driven Approach. In the fifth and final characteristic, Reason and Bradbury (2008) position action research as relevant practice for public relations in two ways: by incorporating the personal as part of updated post-objectivity research; and by reorienting relations to knowledge. For the former, in stressing research as “a living, emergent process that cannot be predetermined but changes” (p. 4), Reason and Bradbury (2008) reject “conventional if unsupportable notions of objectivity” (p. 3) in favour of applications of the sciences of complexity to organisations (Mitleton-Kelly 2003), crises management (Gilpin/Murphy 2008), and public relations (Murphy 2000, McKie 2001). This commitment to continuous adaptability, which necessarily involves recognising, and working with, ongoing personal change, reorients knowledge relations because “those engaged deepen their understanding of the issues to be addressed and develop their capacity as co-inquirers both individually and collectively” (Reason/Bradbury 2008: 4). That shift onto knowledge as cooperative process rather than knowledge as object has practical and theoretical implications. It points, for example, to reallocating resources away from the establishment and promulgation of a fixed body of public relations knowledge and towards engaging with public relations as a learning profession in which individual accounts are not just acceptable but essential.
Nothing to declare but objectivity? Opening the organisation person and strategic communication initiatives The role for participant action researchers often stems from personal desires to make a difference. They are asked to declare their subjective interests and wishes as a matter of honest practice, rather than to obscure them by seeming to operate with objectivity that fails to disclose partialities. If the researcher has nothing to declare but an implicit objectivity, we suggest that her or his position might be termed “strategic amnesia” (i.e., an attempt to gain competitive advantage through assuming impartiality). By the simple step of not acknowledging any personal standpoint, history, and affiliations that may lead to questions about their impartiality, non-disclosing researchers are frequently accorded the credibility associated with non-aligned, third-party observers. What happens when disclosure is part of the agenda? One set of answers emerged recently in organisational communication. May and Mumby (2005a) focus their entire collection, Engaging Organizational Communication: Theory and Research, on what their introductory chapter calls, “Thinking about Engagement,” and note that “all theories are partial, perspectival, political, and contested” (May/Mumby 2005b: 278). Moving beyond the boundaries of conventional science, and much communication science, the book has a
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further distinctive theoretical thrust in its self-reflective engagement with a variety of research traditions, such as critical theory, feminist theory, postmodern theory, and structuration theory, which have been informing organisational communication. Commendable though these aims are, May and Mumby’s collection is more appealing for this chapter because their volume exhibits a willingness to display subjective aspects. In the resulting “discourse of vulnerability” (Mumby/May 2005b: 12), each individual contributor is involved in sharing their personal stories. These narratives provide explanations about how leading thinkers in the field of organisational communication came to the theories they went on to explore further in their later academic careers. This experiential and personal dimension helps engage readers as well as explicating the rationales for their projects. Although the book looks at “points of convergence and divergence among the theories represented” (Mumby/May 2005a: 10), it arrived there by an unusual route since the editors “asked each contributor to write a chapter that not only examined a particular perspective but also addressed the ways in which each scholar himself or herself ‘engaged’ with that perspective” (p. 2) and “each chapter is written from a very personal – rather than a ‘god’s eye’ – point of view” (p. 2). Through this device, major writers in organisational communication connect their personal background to their scholarship. The result is a balance between the rigidity of knowledge traditions, sometimes stifled by scientific discourses and protocols, and the linguistically energetic subjectivity of personal experience. This can be seen in Stan Deetz’s (2005) chapter on “Critical Theory,” which plots how his autobiographical bearings guided his subsequent development: My personal biography is clearly represented in my critical scholarly work and interventions in actual organizations. My reconstruction and presentation of critical theory here inevitably reveals biography. I grew up relatively poor on a dairy farm in a small, rural, isolated community in Indiana. The emphasis here was on the community, family, and church as central institutions giving meaning and direction to life. The “simple life” was a core moral theme: taking only what you needed, giving back as much as you could. Decision making guided by the health of the community, driven by consensus and the need to endlessly live together, was an everyday reality. Farm work is very lonely and contemplative but also cooperative and collaborative. The extended illness, and finally the death, of my sister accentuated and deepened these cultural properties and heightened my sense that the world was filled with both injustices and beauty, some of which you can do something about and some not. (p. 87)
Deetz makes it clear that his approach to the study of communication can be traced back to his own subjective life experiences. Similarly, Brenda Allen (2005) takes a social constructionist approach to the study of communication because of the gender/race/class challenges she faced in her life as a scholar. Her “social identity as an African American woman” (Allen 2005: 43) affected how others interacted with her and “because these interactions influenced many of my decisions and behaviors, they illustrate the social constructionist tenet regarding connections between social action and knowledge construction” (p. 43). Allen (2005) argues that the process of building a body of knowledge “is specific to historical and cultural contexts” (p. 49) and, so, by acknowledging differences in the way knowledge is constructed, is crucial in bringing about social change.
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Subjectivity lies at the heart of acknowledging differences in the way knowledge is constructed. The ways in which we as scholars theorise is, as Taylor (2005) says, “tied up in the specifics of the places and times we have lived and studied, the texts we have read, the lectures we have heard, the students we have taught, the studies we have constructed, and the personal and professional relationships we have developed” (p. 132). It was Taylor’s (2005) own life experiences, which had “sensitized” him to the “relationships between violence and voice” (p. 133) and led him to do research on the history of nuclear weapons in the U.S. It was this research, in conjunction with his engagement with postmodernism that, in turn, allowed him to formulate fresh conceptualisations on the nature of organisational communication. Such open recognition of subjective influences is healthy in emphasising the human dimension of scholarship, and in opening up the potential for understanding a diversity of ideas and interpretations around theory-building: emotionality and subjectivity are “crucial elements of diverse organizing practices” and these elements are essential in “challenging the very basis of organizational control” (Broadfoot/Munshi 2007: 251). In Primate Visions, scientist-philosopher Donna Haraway (1989) says that her work “will not be a disinterested, objective study, nor a comprehensive one – partly because I have stakes I want to make visible (and probably others as well). I want this book to be interesting for many audiences, and pleasurable, and disturbing for all of us” (p. 3). We similarly wish to take public relations out of a straitjacket of spurious objectivity and frame it in complex ways that are rewarding and disturbing, as well as committed to environmental and social change. As Richardson (2000) says, authors can forgo trying “to play God, writing as disembodied omniscient narrators claiming universal, atemporal general knowledge” (p. 928) and “still have plenty to say as situated speakers” (p. 928). To end personally, we seek to “make visible” the stakes we have in our public relations research and how these have been catalysed by our life experiences derived from living and working in different cultures and institutions. These underpin our aspiration to reconfigure public relations and make it responsive to “ecology, equity, and enterprise” (McKie/Munshi 2007). We make no pretence to objectivity in the process.
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Authentizität ist unerwünscht. Corporate Speaking aus Sicht der Beratungspraxis Stefan Wachtel
So lange es Originale gibt, so lange gibt es Doubles, und fast so lange auch Wettbewerbe der Doubles. Seit Jahrzehnten schon gibt es Elvis-Presley-Contests. Die gab es schon zu seinen Lebzeiten, und eines Tages nahm Elvis in Las Vegas selber teil. Er erreichte einen beachtlichen vierten Platz. Drei Doubles schienen dem Publikum authentischer. Solche Geschichten – diese ist auch noch wahr – lassen auf die Idee kommen, es käme darauf an, ob öffentlich auftretende Akteure der Wirtschaft authentisch scheinen – und nicht, ob sie es auch sind. Dies ist der Verdacht der Praxis gegen ein Klischee von Authentizität. Diesem geht der Beitrag nach. Als Gegenbild entwirft er die Verankerung praktikabler Authentizität in Corporate Speaking: ein integriertes Herangehen an Auftritte des Spitzenmanagements der Wirtschaft. „Authentizität“ scheint zunächst eine wesentliche Kategorie zu sein in Bezug auf die Personalisierung oder Personifizierung von Anliegen diverser Organisationen durch ihr Spitzenpersonal. Gelungene Personifizierung nämlich setzt voraus, dass auftretende Akteure einen erheblichen Teil von sich selbst zeigen. Auf den ersten Blick scheint es, und nicht wenige Ratgeber verlangen es auch, diese müssten eins sein mit diesem Selbst, während sie ihre Arbeit tun. Ich möchte zeigen, dass gerade dies eben nicht ihre vordringliche Aufgabe ist, sondern die Erfüllung einer Rolle. Die wiederum zählt allerdings so etwas wie den Eindruck von Authentizität zu ihren Voraussetzungen. Dahinter steht aber zuerst Uneinigkeit über die Intension des Begriffs Authentizität. Deshalb ist eine Begriffsklärung verschiedener Authentizitäten überfällig: Es gibt deren zwei. Und schließlich versucht der Text eine Neu-Einordnung in den Kanon der Ziele integrierter Auftrittsberatung („Corporate Speaking“).
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Zwei Typen von Authentizität
Die Überlegung beginnt mit dem Alltagsverständnis eines Begriffes, in der Fassung des Online-Lexikons Wikipedia: „Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch externe Einflüsse bestimmt wird, sondern aus der Person selbst stammt. Gruppenzwang und Manipulation beispielsweise unterwandern persönliche Authentizität.“ Die Unternehmenskommunikation operiert oft unreflektiert mit diesem Begriff: etwa in dem Sinne, dass eine Authentizität Ziel der Bemühungen der Auftrittsvorbereitung sei. Versucht die praktisch tätige Unternehmenskommunikation „Authentizität“ zu definieren, liest sich das etwa folgendermaßen: „Authentizität ist der Zustand wahrer Echtheit eines Menschen, der in seiner natürlichen Souveränität denkt, fühlt und handelt. Dieses selbstbestimmte ,Denk-Fühl-Handeln‘ sieht einen Menschen zwar im Kreis der unterschiedlichen Sozialitäten, er denkfühlhandelt aber autonom, und weder lässt er sich
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von seinen Umfeldern manipulieren und korrumpieren, noch versucht er dies selbst.“ (Graf 2004) Dies ist die Begriffsintension erster Stufe: Ich nenne sie Authentizität Typ I. Bei der Authentizität des Typs I handelt es sich um eine solche mit einzigem Bezug zur Person selbst, im Sinne von Ich-Identität. Sie ist lediglich Ausdruck und nicht Eindruck. „Wahre Echtheit“: Ohne Zweifel gibt es den Typ Mensch, auf den solche Definitionen zutreffen, nur möglicherweise nicht im Spitzenmanagement: Es scheint hier praktisch nicht relevant, wie ein bestimmter Manager ist, sondern nur, ob er seiner Aufgabe genügt: Die Stakeholder der Organisation wollen: eine wirkungsvolle Rede, ein zutreffendes Statement, eine gute Antwort. Auf dieser Basis und mit dieser Erwartungshaltung geht das Publikum heran: In dieser Sicht gibt es keine „Echtheit“, sondern nur Eindrücke und allenfalls Feedbacks. Die Verwendung des Begriffs im Sinne von „… ist authentisch“ muss in der Praxis gerade deshalb vom Typ I abweichen: Jemand oder jemandes Handlung „… kommt“ jemandem „authentisch vor“. Diese ist – im Gegensatz zur Ich-identen – eine rollenbezogene Authentizität. Diese nenne ich Authentizität Typ II. Dieser Typ ist nicht nur verschieden vom Typ I, sondern steht ihm entgegen, kaum anders als Authentizität und Zivilisiertheit (Zivilisiertheit bedeutet immer schon: den Anderen nicht mit seiner Authentizität zu belästigen; vgl. Sennett 2005). Das Authentische ist in diesem Verständnis Ergebnis eines stimmigen Eindrucks. Eine als authentisch bezeichnete Person wirkt besonders echt, das heißt, sie vermittelt ein Bild von sich, das beim Betrachter als real, urwüchsig, unverbogen, ungekünstelt wahrgenommen wird. Dabei ist die Frage ganz unerheblich, ob es sich um die realen Eigenschaften dieser Person handelt, da in einem modernen Kommunikationsverständnis der Empfänger und nicht der Sprecher die Bedeutung bestimmt. Das Publikum entscheidet. Hinter der Vorstellung der Authentizität Typ II steht eine Art Konsensustheorie des Authentischen. Sloterdijk (2005: 327ff.) weist darauf hin, dass wir uns heute den Bauplan aller Inszenierungen besorgen können. Wir können heute durch die Medien selbst „hinter die Kulissen“ sehen, mit einem Beispiel der Organisationskommmunikation etwa hinter die Kulissen von Wahlkampfberatern. ARD und ZDF überboten einander in den vergangenen beiden Bundestagswahlkämpfen mit Dokumentationen, die deren Kunst sezieren. Das Klischee von der Authentizität des Typ I ist ein deutsches Klischee. Das deutsche Massenpublikum, an das sich alle Personifizierungsbemühung wendet, wünscht sich angesichts dessen eine Rückkehr ins „Authentische“ (vgl. Schwertfeger 2002). Dieser Wunsch sitzt tief, und dafür gibt es mehrere Gründe: etwa einen historischen und einen kulturkritischen. Der historische Grund: Die Romantik unterstützte die Vorstellung des Authentischen. Den wahren Menschen wollten ihre Protagonisten bewahren, durch Ausflüge in Wald und Flur, gegen den aufkommenden Kapitalismus: wie Karoline von Günderrode, die sich hinter Wiesbaden in den Rhein gestürzt hat, weil sie vermeintlich nicht authentisch leben konnte. Im Biedermeier wurde Authentizität ebenfalls zum Ideal: „Sicher vor ‚Lug und Trug‘ schien der Mensch vermeintlich nur in den eigenen vier Wänden, in der eigenen Familie, mit der Liebsten, in den Dingen des Herzens.“ (Kocks 2003) Dagegen steht seit dieser Zeit das Pendant: das Äußerliche. Das Jahr 1968 gab dem Klischee weitere Nahrung: Spontan sein wurde das Ziel, ganz man selbst – ohne Methode und ohne gefallen oder wirken zu wollen. Gegen „Amerikanisierung“ der Managementkultur, das ist der kulturkritische Grund, formiert sich seitdem Protest, und immer öfter gegen das Angelsächsische des globalen
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Spitzenmanagements. Und dies ist vom deutschen Unternehmertum in diesem Punkt verschieden: Wie in den angelsächsischen Ländern der Auftritt, die Verführungen durch Inszenierung, zum Grundschulwissen gehört, ist dort der deutsche Satz „Fachlich ist er gut“ schlicht nicht denkbar. Während solch ein Satz hierzulande manchen Manager-Auftritt gegen Kritik immunisiert. Um im Begriff zu bleiben: Auf Authentizität des Typs I beharren auch viele Spitzenmanager selbst (vgl. Wachtel 2007).
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Organisation und Authentizität
Jürgen Schulz erklärt in diesem Band die Zusammenhänge zwischen Person und Organisation: Die Person repräsentiert und erhält somit Zuschreibungen seiner Organisation – und wird in ihren Handlungen auch so rezipiert. Dass Auftritte des Spitzenmanagements so ablaufen sollen, wie es dem Auftretenden „authentisch“ vorkommt, ist im Plan dieser Repräsentation der Organisation nicht vorgesehen. Das Handeln der Akteure kann insofern Wert schaffen oder vernichten, es kann Aktienkurse stabilisieren oder im schlechten Fall mit sich reißen – weshalb die Kommunikatoren von Wirtschaftsunternehmen den Auftritt professionell beeinflussen wollen. Das Vorlesen von Texten reicht dafür nicht aus (vgl. Wachtel 2007, 2008), das Spitzenmanagement muss selbst „Eindruck machen“. Auftritte des Spitzenmanagements werden heute in Rede und Antwort detailliert vorbereitet, etwa Aufsichtsrats-Präsentationen, Pressekonferenzen, Hauptversammlungen, Medienauftritte, Analystensettings, Gesellschaftsreden und interne Auftritte. Authentizität vom Typ I hat dort auf den ersten Blick keinen Platz. So einfach wollen wir es uns aber nicht machen, sondern tiefer hinein sehen: Vielleicht ist ja die eine oder andere Art von Authentizität in der Personifizierung des Unternehmens durch dessen Spitzenpersonal zu finden, in bestimmten Personen (habituell) oder Konstellationen (situativ).
2.1 Habituelle und situative Authentizität Manchen Personen wird zugesprochen, sie seien per se als Ganzes authentisch. Dieses „Habituelle“ bedeutet: an der Person dran, etwa auch: Eigenarten, die nicht abzulegen sind. Praktisch drängt sich sogleich das Bild auf: Jemand kann nicht anders, kann sich nicht verändern, ist rigide, will nicht in die Rolle, ist „von der Rolle“. Besonders betrifft dies in Deutschland den einen CEO, der regelmäßig in Rankings ganz am Ende steht. (Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte den ehemaligen CEO der Deutsche Bahn AG einen „knorrigen Typ“, um diese durchgängige Authentizität zu würdigen.) Dieser habituellen Authentizität gegenüber steht die situative. Sie zeigt den Menschen, wie er im konkreten Moment ist, und durchaus nicht immer und nicht einmal typisch für gerade diese Person: Als Beispiel mag derselbe Gerhard Schröder dienen, der am Wahlabend 2006 in der „Elefantenrunde“ der öffentlich-rechtlichen deutschen TV-Sender „aus der Rolle fiel“ – nachdem er viele Jahre die nämliche perfekt gespielt hatte. Ein Beispiel aus dem Spitzenmanagement: „Sichtlich nervös stellte Festnetz-Chef Raizner gestern einen in rosa (gemeint: Magenta) gehaltenen Bierdeckel vor, der das veränderte Preisschema darstellt.“ (Handelsblatt, 1.9.2006) Eine gute Personifizierung der „Corporation“? Ja und nein. Einerseits: Der Spitzenmanager sollte nicht zeigen, dass er
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nervös ist. Andererseits ist die Idee des Bierdeckels sehr wirkungsvoll – und wie alle Inszenierungen – eben gerade nicht authentisch. Das Nicht-Authentische dieses Vorfalls ist das dem Unternehmen Nützliche. Weder habituelle noch situative Authentizität war hilfreich.
2.2 Inszenierte Authentizität Aber was bringt dann weiter? Es geht im Feld praktischer Auftrittsberatung, auf dem wir uns inzwischen befinden, immer um das Ergebnis. Das heißt seit alters her: Auftrittswirkung! Und Wirkung ist nicht denkbar ohne Formanstrengung. In der Wirtschaft ist deshalb Inszenierung existenziell, und „Inszenierung von Authentizität“ (Fischer-Lichte et al. 2007) im Wortsinne an der Tagesordnung. Externe wie interne Veranstaltungen wie Führungskräfte-Konferenzen brauchen theatralische Mittel: Dekoration, Licht, Bühne, Bilder, die Farbe der Krawatte. Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu verstehen, warum dennoch nach Authentizität verlangt wird. Gemeint sein kann nur die des Typs II, im Sinne von: „Anschein des Authentischen“. Authentisch scheinend UND inszeniert sein: Artefakte wie der Bierdeckel machen Auftritte wirkungsvoll. Und wirkungsvoll sind sie, wenn das Unechte gut integriert wird. Umgekehrt ist das Authentische an den oben genannten Beispiel („nervös“) gerade nicht hilfreich. Um dieses Problem zu lösen, bietet sich Executive Coaching als Modus an, denn die Fähigkeiten der Person müssen mit der Inszenierung Schritt halten. Hier bestätigt sich, was schon Alltagserfahrung ist: Mit dem Maß der Übung steigt die Chance der Wertschaffung. Exakt hieraus speist sich die Überzeugung der Kommunikationsverantwortlichen, der das Unternehmen personalisierende Spitzenmanager müsse seine Auftritte trainieren. Dies ist ein Feld praktischer „Wirtschaftsrhetorik“ (Bazil/Wöller 2008, auch Geißner et al. 2002, Gutenberg 1999, Wachtel 2004b). Wenn jeder wirkungsvolle Auftritt inszeniert ist, ist es auch der missratene? Die Victory-Geste eines Spitzenmanagers? Stimmt die Überlieferung, so war sie in der Tat authentisch. Das Problematische war nicht die Geste selbst; sie war eine Übersprungshandlung, wie sie jedem Akteur in der existenziellen Erfahrung Gerichtsverhandlung passieren kann. Das Wert-Vernichtende war vielmehr: Im Anschluss an die Geste hat die Kommunikation der Bank den (authentisch) zutreffenden Sachverhalt preisgegeben: Herr Ackermann sagte zu Herrn Esser, dem ehemaligen CEO von Mannesmann: „Das ist ja hier wie bei Michael Jackson“ – und erhob dabei zwei Finger wie dieser. So wird es im Gerichtssaal gewesen sein, nur wird so im Nachhinein der eigene CEO auf diese Weise mit einem mutmaßlichen Verbrecher in einem Atemzug genannt. Dagegen hätte die Kommunikation des Hauses andere, ebenso zutreffende Aussagen anbieten müssen, die weniger authentisch und gleichwohl passend gewesen wären.
2.3 Personalisierung oder Personifizierung? Es ist diskutabel, ob es sich bei all dem um Personalisierung oder Personifizierung handelt. Personalisierung bedeutet: Zuschnitt von Angeboten auf vielfache persönliche Interessen, bedeutet Individualisierung, etwa das, was Internetfirmen des „Web 2.0“, solche Firmen,
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die den Austausch mit Nutzern und von Nutzern untereinander zum Geschäftsmodell machen, systematisch angehen. Das Ziel sind möglichst viele Derivate desselben Produktes oder derselben Dienstleistung mit möglichst hohen Skaleneffekten. In der praktischen Auftrittsberatung und CEO-Kommunikation geht es um das Umgekehrte: Es geht um Personifizierung. Personifizierung ist eine Technik von Organisationen, sich ihrer Repräsentanten zu bedienen. Auf den Begriff gebracht: Es geht um die Zurichtung von Menschen auf ein Einheitliches; in fast allen Spielarten um eine Unternehmensmarke (vgl. Deekeling/Arndt 2006). Das Gegenteil von Personalisierung also, das permanente „In der Spur bleiben“ des Spitzenpersonals, ist das Gebot der Praxis. Personifizierung ist sein Modus. Personifizierung ist aber auch eine der Bestrebungen professioneller Kommunikationsmanager, denen es um den Eindruck geht, den das Spitzenpersonal macht. Das „Impression Management“ (Bazil 2005) des Managerauftritts hat zunächst keine Referenz im Realen, es hat noch nicht einmal eine notwendige Referenz im Akteur selbst. Der auftretende Spitzenmanager, dessen Aufgabe die Repräsentation einer Organisation ist, hat Authentizität vom Typ I nicht im Dienstvertrag, wohl aber Auftritte vor allen Stakeholdern. Er soll etwas nach außen zeigen. Auch von der Rollendefinition her wird die Hypothese vom Anfang gestützt: Es kommt einer Praxis nicht darauf an, ob die handelnden Akteure authentisch sind oder nicht. Es kommt ihr darauf an, ob sie authentisch scheinen: Authentizität Typ II.
2.4 Rhetorik und Public Relations In der praktischen Rhetorik ging es immer schon um professionelle Authentizität, die kaschiert, dass sie nicht eine solche des Typ II ist. Der Anschein ist seit Jahrtausenden das tägliche Ziel integrierter Auftrittsberatung. In der antiken Rhetorik mündete dieser Kompromiss in einen Generalimperativ der damals schon rührigen Innung der Rhetoriktrainer: „Die Kunst soll die Kunst verbergen.“ Um es systematisch einzuholen: Das Gegenteil des authentischen ist der methodisch geformte Auftritt. Mit einem Beispiel: Der Vorstandsvorsitzende mit der Gitarre oder der mit dem Cowboy-Hut auf der Führungskräfte- und Mitarbeiter-Versammlung. Auch hier wieder: Gerade das Inszenierte scheint authentisch. Für deutsche Unternehmenskommunikation oder Organisationskommunikation sind solche theatralisch gelungenen Auftritte nicht typisch. Dieser Umstand, dass oft gerade das NichtAuthentische ankommt und das Authentisch-Sachlich-Korrekte langweilt, irritiert. Dabei ist professionelles Kommunizieren des Spitzenmanagements immer schon darauf programmiert. Die Public Relations, wenn sie erfolgreich sind, produzieren den Schein des Authentischen. Nur passt das nicht in das Klischee und erst recht nicht in die standesethischen Bekundungen der Branche der PR-Berater (vgl. Brauer 2005). Autoren aus den Public Relations geben regelmäßig an, wie wichtig etwa „Ehrlichkeit“ für die tägliche Kommunikationsberatung sei, „um dann authentisch die Wirklichkeit wie sie ist abbilden zu können“ (Kaminski 2007). Vom Typ I will die deutschsprachige Beratungswelt nicht lassen. Nicht selten scheint allerdings hier das Klischee der Authentizität vorgeschoben zu sein, um es instrumentalisieren zu können, vor allem in Zeiten gefährlichster Entfremdung
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zwischen Spitzenmanagement und Volk. Kaum anders kann man die Versuche gängiger Business-Literatur verstehen, Authentizität unisono als „Erfolgsfaktor“ (Rosenfeld 2005) anzupreisen, oder gar als „Erfolgsstrategie“ (Kaminski 2007). Eigentümlich ist nur, dass immer wieder behauptet wird, auch dann noch, wenn wie hier diese Eigenschaft längst zur Taktik degeneriert ist, der so Beratene könne alles „aus sich selbst heraus“ entwickeln – etwa ohne ein Executive Coaching, das in dieses Klischee nicht passt. Und zwar so, dass man beim Lesen den Eindruck haben muss, diese Autoren gingen ihrer eigenen Taktik auf den Leim und glaubten das selbst. Die Praxis zeigt zwar: Inszenierung findet statt und dient dem Unternehmensziel. Nur soll die Überformung nicht zu sehen sein. Zwei Lebenslügen der deutschsprachigen PR, „Sachlichkeit“ und „Nichtpersönlichkeit“ (Wachtel 2003a) kämpfen dagegen an, dass öffentlich herauskommt, was Bemühung erfolgreicher PR ist. Dieses kontrafaktische Beharren verwundert nicht, wenn man das Selbstverständnis der deutschen PR ansieht: Die Akteure verstehen sich von ihrer Herkunft her fast ausschließlich als Journalisten. Dabei stand die Kunst der Modifikation des Authentischen, die Rhetorik, Pate bei der Geburt der PR. Der historische Zusammenhang zwischen Rhetorik und Public Relations ist weitgehend verschüttet (vgl. Wachtel 2003a: 25f.), dabei wurzelt die PR in der Rhetorik. Von ihrer Aufgabe her – Aufmerksamkeit schaffen und interessieren – sind die Public Relations eben nicht grau; sie wollen wirken und attraktiv machen. Die wiederkehrende Beschwörung der Authentizität I erweist sich so als eine weitere Lebenslüge der deutschsprachigen Public Relations. Und auch sie wird am Leben erhalten, schon deshalb, weil ihre Vertreter sich damit ethisch geben können: Wer zur Authentizität aufruft, gewinnt an Kredit. In den Public Relations hat diese Haltung praktische Konsequenzen: Solchermaßen unvorbereitete Vorstände reden so langweilig wie die Pressemeldung, die ihrer Rede voraus ging. Beide Texte stammen vom selben Autor. Aber selbst praktische deutsche PR erkennt: Es geht beim Manager-Auftritt zusehends um Personen und nicht – wie in der deutschsprachigen PR – immer nur um Texte. Der Trend heißt: Vom Text zur Person (Wachtel 2003a). Die deutschsprachige PR fertigt nicht mehr nur Produkte an: Redemanuskripte, Q&A, Charts; „Die Rede für den CEO“ ist heute nicht mehr nur ein Papier. Ein zweiter Trend geht vom Produkt zur Aktion. Die Rhetorik ist 2500 Jahre alt, und von der „PR-Arbeit in der Antike“ (Petersen 2005) lernt die Beratungspraxis noch heute. Die heutige Politikberatung und die moderne Wirtschaftsrhetorik bedienen sich kaum anderer Regeln als vor Jahrhunderten. Der einzige Unterschied liegt darin, dass Medien – anders als vor Jahrtausenden – den Fußmarsch zum Ort des Auftritts ersparen. Das Problem hat also nichts zu tun mit einer vorgeblich neuen und speziellen „Mediengesellschaft“. Dahinter steht eher ein anderes Klischee: die Angst, Unterhaltungswert bedrohe irgendeinen „Inhalt“. Das ist nicht wirklich belegt. Und allzu unterhaltsam sind die Auftritte von Spitzenmanagern häufig ohnehin nicht.
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Das Klischee vom authentischen Spitzenmanager
Aber schauen wir noch einmal in die Alltagserfahrung: Die Authentizität bedeutender Akteure ist zwiespältig zu beurteilen. Einerseits zeigen markante Beispiele – etwa der CDUSpitzenkandidat Stoiber im deutschen Wahlkampf 2002 –, dass ausgestellte Authentizität allein nicht genügt. Der Wahlkampfberater, er müsste noch heute sein Lehrgeld
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zurückzahlen, hatte damals eine besonders dumme Idee: den Kandidaten so zu lassen, wie er ist (er kann sich seiner Kundschaft im TV z. B. schwer verständlich machen; er redet Sätze ohne Ziel; er macht einen gequälten Eindruck). Das ging gehörig an der Aufgabe vorbei, eine Antwort zu finden auf die Frage: Wer gibt uns in den nächsten vier Jahren den Kanzler (vgl. Kocks 2003)? Dass der Kandidat dem Wahlvolk, das ja Authentizität will, als „der Authentische“ präsentiert wurde, war sicher klug. Dass er dann wirklich authentisch war, stand dem Ziel des Wahlkampfes im Wege. Auch in Wirtschafts-Organisationen gibt es Beispiele. Diejenigen Spitzenmanager, die authentisch waren oder so etwas ähnliches, die sagten, was ihnen gerade einfällt, sind nicht mehr auf ihrem Stuhl; der Vorstandsvorsitzende, der Journalisten anredete mit: „Das ist eine unverschämte Frage“, der Miteigentümer-Geschäftsführer, der auf der Hauptversammlung antwortete: „Sie Dünnbrettbohrer!“ Welchen Wert Spitzenmanager vernichten, die im falschen Moment authentisch sind, wäre ein Studie wert. Oft bleibt nur die Beteuerung von Authentizität: „Ich bin kein Industrieschauspieler. Ich bin Mehdorn!“ Derjenige, der sein Unternehmen personifiziert, will sich nicht in die Rolle begeben. Studien zum Konnex aus Image des Unternehmens und seinem ersten Angestellten (vgl. Gaines-Ross 2003) legen dagegen nahe, dass gerade das eines der gravierenden Probleme großer Unternehmen ist. Zu raten ist deshalb: „Authentisch: Besser nicht!“ (Wachtel 2006) Auch der Vorstand selbst möchte ganz er selbst sein, oder der Kommunikationsmanager glaubt von ihm, das solle er. Mit der Interdependenz aus Wirtschaft und Gesellschaft greift das Klischee immer wieder auf die Business-Welt über. Und es ist nicht begrenzt auf naives Publikum. Der ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte schreibt 2007 in der „Welt“ unter einer Überschrift wie „Führen heißt voran gehen“: „Authentisch sein, das heißt, der zu sein, der man wirklich ist, unverdeckt von einem pastellfarbenen Schleier guten Benehmens oder wohlklingender Reden.“ Noch in den praktischen Situationen, in denen zu entscheiden ist: „Wie gebärden sich die Personen, die die Organisation personifizieren?“, lebt das Klischee. Im Executive Coaching von Spitzenmanagern, das ja in diesem kulturellen Kontext steht – ist der Begriff „authentisch“ so lebendig wie kein zweiter. Täglich werden Auftrittscoaches wie ich von Spitzenmanagern ermahnt: „Ich will authentisch bleiben.“ Oder: „Ich will mich nicht verbiegen.“ Auf Authentizität Typ I wird beharrt. Ausgerechnet Jack Welch, der sein Leben lang auffiel durch brutalste Machtakkumulation und zielsichere Selbstinszenierung, kommt auf seine alten Tage – kaum anders als die Romantiker auf den Katholizismus – auf das Bild des authentischen Managers: „Das Beste, was Sie für Ihr berufliches Fortkommen tun können, ist wahrhaftig zu sein. Nicht künstlich, aufgesetzt.“ und „Betrachten Sie die Authentizität als Ihre Basis. Lassen Sie nicht zu, dass irgendeine Organisation versucht, sie Ihnen auszutreiben.“ (Welch/Welch 2007) Aus der Sicht wirtschaftlicher Organisationen und ihrer Shareholder erstaunt das: Wer sollte personifizierte Authentizität so üppig bezahlen, wie das im heutigen globalen Business geschieht, und warum? Vergütet wird vielmehr die Rollenkonformität.
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Authentisch scheinen in der Rolle
Der Auftritt des Spitzenmanagements ist das Unsicherste überhaupt. Der CEO selbst ist ein kommunikatives Risiko. Er soll repräsentieren und will gleichzeitig er selbst sein.
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Allerdings ist nur das eine im Dienstvertrag festgeschrieben: Die Rolle. Auch von daher ist es schwer vorstellbar, dass Authentizität des Typs I praktikabel sein kann: Die Dienstaufgaben erfüllen und dabei zugleich authentisch sein scheint wie die Quadratur des Kreises. Das Glossar einer der führenden Business-Akademien (vgl. Die Akademie 2004) verrät uns – im Gewand einer Definition – die Auflösung: Authentizität, das sei „Glaubwürdigkeit, Echtheit, Zuverlässigkeit, Stimmigkeit. Bei authentischen Personen wirkt die gesamte Erscheinung authentisch, wenn rationale und emotionale, verbale und nonverbale, sichtbare und nicht sichtbare Signale und Informationen übereinstimmen.“ Die Erscheinung wirkt so als ob. Aus dem Versuch, Typ I zu begründen, wird ein Plädoyer für Typ II. Die in der Praxis angestrebte Authentizität ist – eingestanden oder nicht – die kultivierte, die sich zugleich einer Rolle verschreibt. Anders sind gute Auftritte etwa von Vorständen nicht denkbar. Denn nur derjenige Vorstand, der in Auftritten authentisch und rollenadäquat zugleich ist, schafft Wert. Schließlich sagt auch die Perzeptionsseite: Spitzenmanager werden heute nach Rollenkongruenz beurteilt. Sie stehen für etwas und sie spielen Rollen. Die jeweilige Rolle einerseits und die Eigenart der Person, beides ist das Material, aus dem der Gesamteindruck konstruiert wird. Denn Spitzenmanager stehen für eine Unternehmensmarke, für die es nicht relevant ist, wie sie „eigentlich“ und „wirklich“ sind. Die Marke verlangt Disziplin in der Rolle. Sollmann (2006) diskutiert deshalb einen „Dreiklang“. Spitzenmanager „lernen die Kunst, ich selbst zu sein“ (als Persönlichkeit) UND „anders zu sein“ (im Rollenverhalten unterscheidbar) und „öffentlich zu sein“ (Öffentlichkeitskompetenz). Alle drei Dimensionen verfließen – oder verfilzen – im Berufsalltag: Die Rolle frisst sich nicht selten tief in die Person vor. In Georg Büchners „Dantons Tod“ sagt einer seiner Leute: „Man müsste ihnen die Masken vom Gesicht reißen.“ Und Danton erwidert: „Da werden wohl die Gesichter mit gehen.“
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Corporate Speaking: Integrierte Auftrittsberatung praktisch
Corporate Speaking ist die Gesamtheit der Maßnahmen, um Auftritte des Spitzenmanagements in allen internen und externen Auftritten zu planen, zu platzieren, vorzubereiten und durchzuführen. Seine Komponenten sind Anbindung an Themen, deren rhetorische Aufbereitung in Denkstil und Sprachstil, Methoden zum Sprechstil im Executive Coaching bis hin zu Inszenierung und Dresscode sowie Foto-Planung. Grenzen dieses Feldes sind strategische Kommunikationsberatung und am anderen Ende die Durchführungsseite von Eventmanagement und Medienbegleitung. Corporate Speaking speist sich methodisch aus der Rhetorik und ist strategisch Teil von Branding und Gesamtkommunikation (Repräsentanz Expert 2004: 11). Die Unternehmenskommunikation versteht diese Herausforderung als integrierte Arbeit, die von Anfang an die Situation im Blick hat und die auftretenden Personen einbezieht. Praktisch heißt das: Stichworte, die zusammen mit dem Auftretenden entstanden sind, Antwort-Argumente, strategisch gewollte Themen, die sich im Auftritt auch wirklich wiederfinden, schließlich Soundbites, die medial weiter verarbeitet werden. In integrierter Arbeit entsteht nichts, das dem Ergebnis nicht dient. Corporate Speaking schont Ressourcen.
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Integrierte Auftrittsberatung verzahnt Inhalt und Form. Die Rückbindung des Auftritts des Spitzenmanagements an Corporate Messaging fördert einen erfolgreichen Auftritt. Dazu stellt Corporate Speaking Methoden bereit – von der Vorbereitung aller Auftrittssituationen des Spitzenmanagements bis hin zur professionellen markengerechten Erscheinung des CEO.
5.1 Positionierung des CEO Die Personifizierung von Spitzenmanagern wird wertrelevant. Vor allem CEOs vertreten die Unternehmensmarke, müssen Geschäftsentscheidungen öffentlich begründen, und all dies unter permanentem Rechfertigungsdruck. „Öffentlichkeitsscheu“ ist längst eine derjenigen Eigenschaften, die Zweifel an der Rollenerfüllung aufkommen lassen. Die aber können Spitzenmanager nur professionell gestalten, wenn sie richtig positioniert sind: Wofür steht der Vorstand? Dazu werden aus Markenwerten und Kommunikationszielen Konsequenzen für die Auftritte des Spitzenmanagements abgeleitet: Wo wird er platziert? Wer zu welchen Themen? Mit welchen zitierbaren Äußerungen (Soundbites)? In welchem Ton? In welcher Prozedur (vorlesen, frei reden etc.)? Wie inszeniert? In welcher Erscheinung (vgl. www.ceokommunikation.de)? Abbildung 1:
Corporate Speaking – Integrierter Auftritt
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5.2 Integrierung von Produkt und Aktion Zunächst gilt es, die Vorbereitungs-Produkte zu professionalisieren: Redemanuskripte, Stichwortkonzepte, Medienbild-Analyse (flankierend), Sheets über Setting, Publikum und Event/Dramaturgie, Prozess- und Zeitpläne, Dresscode-Sheets, Foto-Skribbles und -Pläne, all das soll so beschaffen sein, dass es auf die Auftrittswirkung einzahlt. Corporate Speaking ist ein Prozess, der vom Produkt zur Aktion führt. Vehikel sind intelligente Redevorlagen, entstanden zwischen dem auftretenden Spitzenmanager, Kommunikationsleuten und Coach, die das Vorlesen von Fremdmanuskripten strukturell umgehen. Das spart Zeit und Ressourcen (vgl. Repräsentanz Expert 2004). Im Executive Coaching durchzuproben sind vornehmlich die ersten Auftritte. Später genügt oft Konzeptlieferung und Probe am Telefon. In Einzelfällen liefert der Coach aus einem Telefonat das Stichwortkonzept ohne Zutun von Redenschreiber oder Coach. Dazu legt der Auftrittsberater eine Datenbank an, modulartig aus bereits frei gesprochenen Passagen. Ergebnis ist eine erfolgreiche Aktion statt gelieferter Text: „Rede“ und „Antwort“ („Q&A“), a. b.
inhaltlich: vom Redner selbst mitgeprägt, und stilistisch: dem Sprach- und Sprechstil des Auftretenden Raum lassend.
Dieser Prozess setzt nur für die ersten Auftritte etwas mehr Zeit voraus. Die Herstellung eines ausformulierten Fremdmanuskriptes entfällt für viele Situationen, sobald der Anstoß gegeben ist und Redner und Kommunikatoren die Prozedur kennen. Die Produkte wiederum werden mit dem Executive Coaching verzahnt. Prozess des Corporate Speaking
Wirkungsuntersuchungen von Auftritten erstellen an Markenwerte und Strategie ankoppeln mit Issues Management verzahnen/auf Themen hin platzieren Soundbites auswählen/entwickeln Produkte für mündliche Sprache aufbereiten Executive Coaching/deutsch/englisch Staging und Auftrittsinzenierung entwickeln Spitzenmanager bei Auftritten begleiten
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Fazit
Während der Praktiker und Coach auf den gekonnten Eindruck von Authentizität hin arbeitet, bleibt die wissenschaftliche Beschreibung von Authentizität problematisch. Die Authentizität des Typ II erscheint wesentlich besser begründbar als die des Typ I. Für das praktische Corporate Speaking gilt ohnehin: „Authentizität“ als Typ I ist keine professionell handhabbare Kategorie – wie es auch schon die beliebten Ziele „Glaubwürdigkeit“ und „Offenheit“ nicht sind.
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Nicht anders als bei Elvis braucht es den gekonnten Eindruck von Authentizität. Das Authentische ist nur als Schein praktikabel. Mehr Authentizität ist im Corporate Speaking nicht zu gewinnen, als die da heißt: authentisch scheinen in der Rolle.
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Stefan Wachtel
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Autorenverzeichnis
GÜNTER BENTELE, Jahrgang 1948, Prof. Dr. phil., Lehrstuhl Öffentlichkeitsarbeit/PR an der Universität Leipzig seit 1994. Promotion 1982, Habilitation 1989 an der FU Berlin. 1989-1994 Professor für Kommunikationswissenschaft/Journalistik an der Otto-FriedrichUniversität Bamberg. 1995 bis 1998 Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). 1998 Visiting Research Professor an der Ohio University Athens/Ohio und State University, San Diego (USA), Gastprofessuren an den Universitäten Zürich, Lugano, Klagenfurt, Jyväskylä (Finnland), Sofia (Bulgarien) und Riga (Lettland). Autor und Herausgeber von über 40 Büchern, darunter einige Standardwerke, Autor von über 180 Aufsätzen und Artikeln. 2004 Deutscher PRPreis „PR-Kopf des Jahres“. 2007 „Professor des Jahres“. E-Mail-Adresse: [email protected] FRANK BRETTSCHNEIDER, Jahrgang 1965, Prof. Dr. rer. pol., Studium der Politik- und der Kommunikationswissenschaft sowie des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; seit 2006 ordentlicher Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim; Arbeitsschwerpunkte: Communication Performance Management, Themen- und Issues Management, Reputations-Management, CEOKommunikation, Campaigning, Wahl- und Einstellungsforschung, Medienwirkungsforschung. E-Mail-Adresse: [email protected] MARK EISENEGGER, Jahrgang 1965, Dr. phil., Studium der Soziologie, Publizistikwissenschaft und Informatik an der Universität Zürich; seit 1998 Leitungsmitglied des „fög – Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft“ der Universität Zürich; seit 2005 Vorstand des „European Centre for Reputation Studies“ (ECRS) mit Sitz in Zürich und München; Arbeitsschwerpunkte in Forschung und Lehre: Reputationsforschung, Wandel der Wirtschaftskommunikation, Öffentlichkeitssoziologie. E-Mail-Adresse: [email protected]
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BIRTE FÄHNRICH, Jahrgang 1981, M.A., Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft, Kulturwissenschaft und Psychologie an der Universität Leipzig, seit 2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Abteilung Kommunikationsmanagement & Public Relations an der Universität Leipzig; Arbeitsschwerpunkte: Internationale Kommunikation von Staaten, Wissenschaftskommunikation, PR-Berufsfeldforschung. E-Mail-Adresse: [email protected] SIMONE HUCK-SANDHU, Jahrgang 1977, Dr., Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, Stuttgart; Wissenschaftliche Assistentin am Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim, Stuttgart; Arbeitsschwerpunkte: Organisations- und interne Kommunikation, Kommunikationsmanagement, Innovationskommunikation und internationale Kommunikation. E-Mail-Adresse: [email protected] KURT IMHOF, Jahrgang 1956, Prof. Dr. phil., Studium der Geschichte, Soziologie und Philosophie an der Universität Zürich; seit 1997 Leiter des „fög – Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft“ der Universität Zürich; seit 2000 ordentlicher Professor für Publizistikwissenschaft und Soziologie an der Universität Zürich; Arbeitsschwerpunkte: Öffentlichkeits- und Mediensoziologie, Soziologie sozialen Wandels, Minderheitensoziologie. E-Mail-Adresse: [email protected] DIANA INGENHOFF, Jahrgang 1971, Prof. Dr., Studium der Kommunikationswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie an den Universitäten Essen, Granada und St. Gallen, ist seit 2005 Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Fribourg (Schweiz) und verantwortet die Bereiche Organisationskommunikation/PR und Medienökonomie. Zuvor leitete sie von 2002 bis 2005 das Center for Corporate Communication am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement (=mcminstitute) der HSG Universität St. Gallen. Arbeitsschwerpunkte: Organisationskommunikation, Reputationsmanagement und -messung, Verantwortungskommunikation, international vergleichende PR. E-Mail-Adresse: [email protected] ESTHER KONIECZNY-WÖSSNER, M.A., geb. 1980, Doktorandin an der Berlin Graduate School of Social Sciences (BGSS) der Humboldt-Universität zu Berlin und Visiting Student am European University Institute (EUI) in Fiesole. Arbeitsschwerpunkte: Transnationalisierung von Öffentlichkeit, Politische Kommunikation, Reputationsforschung. E-Mail-Adresse: [email protected]
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STEFAN MATHYS, Jahrgang 1974, lic. oec. publ., Studium der Betriebswirtschaftslehre und Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich; Doktorand am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich; von 2001-2008 Leiter Public Relations von KPMG Schweiz; seit 2009 PR-Berater und Partner von Barino Consulting in Zollikon. E-Mail-Adresse: [email protected] DAVID MCKIE is Professor of Management Communication at Waikato Management School, New Zealand, CEO of RAM (International) Consultancy, and has published around 4 books, 22 book chapters, and 50 refereed journal articles in following research areas: action inquiry and research; change management; communication; leadership; creative industries, emotional intelligence, futures; Complexity theory; public relations and marketing; social marketing and media; and strategy. e-mail: [email protected] DEBASHISH MUNSHI is Chairperson and Associate Professor in the Department of Management Communication at the University of Waikato, New Zealand. He is the coauthor of Reconfiguring Public Relations: Ecology, Equity and Enterprise (Routledge 2007) and his research straddles communication, culture, politics, and subjectivity. e-mail: [email protected] KARL NESSMANN, Mag. Dr. Phil. Jg. 1956, Assistenzprofessor an der Alpen-AdriaUniversität Klagenfurt, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Fachbereich Organisationskommunikation/Public Relations. Institutsvorstand Stv. und Studienprogrammleiter (seit 2008). Initiator und Leiter diverser Universitätslehrgänge für Öffentlichkeitsarbeit sowie des Forschungs- und Weiterbildungsprojektes „Personal Communication Management-Personen erfolgreich positionieren“. Arbeitsschwerpunkte: PR für Schulen, PR für Personen, PR-Evaluation und PR-Weiterbildung. E-Mail-Adresse: [email protected] ULRIKE RÖTTGER, Jahrgang 1966, Prof. Dr. phil., Dipl.-Journ., Studium der Journalistik und Raumplanung an der Universität Dortmund; nach dem Studium Tätigkeit in einer Agentur für Kommunikationsberatung; 1994 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH Hannover; 1994-1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik der Universität Hamburg. 1998-2003 Assistentin und Oberassistentin am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich; seit 2003 Professorin für Public Relations an der WWU; Arbeitsschwerpunkte: PR/Organisationskommunikation: Hochschul-PR, CSR-Kommunikation, Kampagnenkommunikation, Issues Management, Interne Kommunikation, Online-PR/Weblogs, Kommunikationsberatung, Kommunikatorforschung. E-Mail-Adresse: [email protected]
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SWARAN SANDHU, Jahrgang 1976, Diplom-Kommunikationswissenschaftler, Studium der Kommunikationswissenschaft in Stuttgart-Hohenheim und Public Relations in Syracuse, NY. Mehrjährige Berufserfahrung in Politik- und Kommunikationsberatung. Seit 2006 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Luzern im Schwerpunkt Gesellschaftsund Kommunikationswissenschaften; Arbeitsschwerpunkte: Public Relations und Kommunikationsmanagement, Organisationskommunikation, neoinstitutionalistische Organisationstheorie sowie Social Media. E-Mail-Adresse: [email protected] JÜRGEN SCHULZ, Prof. Dr. phil., Berufsausbildung, berufsbegleitendes Studium an der FH Ludwigshafen; Tätigkeit im internationalen Marketing und Vertrieb bei der BASF AG Ludwigshafen; Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der HdK Berlin; 1996-2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Künste. Promotion 2001 an der Humboldt-Universität Berlin; seit 2005 Juniorprofessor für strategische Kommunikationsplanung an der Universität der Künste Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Organisations- und Marketing-Kommunikation. E-Mail-Adresse: [email protected] PETER SZYSZKA, Jahrgang 1957, Prof. Dr. phil., Studium der Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Soziologie an der Universität Münster; 2000 bis 2004 Aufbau des Instituts für Kommunikationsmanagement an der Fachhochschule Osnabrück/ Lingen (D); 2004 bis 2009 Professor für Organisationskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur (CH); seit 2009 Inhaber des PRVA-Stiftungslehrstuhls für Public Relations an der Universität Wien (A). Arbeitsschwerpunkte: Theoretische Grundlagen von Public Relations und Kommunikationsmanagement, Theorie-/Praxis-Transfer. E-Mail-Adresse: [email protected] MATTHIAS VOLLBRACHT, Jahrgang 1968, Diplom-Volkswirt, Studium der Volkswirtschaft und Kommunikationswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, anschließend Wirtschaftsjournalist. Seit 1994 Leiter Unternehmens- und Wirtschaftsanalyse bei Media Tenor International Zürich; Arbeitsschwerpunkte: Unternehmensimages, Krisenkommunikation, CEO-Kommunikation, Finanz- und Strategiekommunikation, Frühwarnsysteme, Zielsysteme, Medieneinfluss auf Volkswirtschaft und Finanzmärkte, Trendforschung. E-Mail-Adresse: [email protected]
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MATTHIAS VONWIL, Jahrgang 1974, lic. phil., Studium der Soziologie, Betriebswirtschaft und Politikwissenschaften an der Universität Zürich; von 2004 bis 2007 Assistent und Projektleiter am fög – „Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft“ der Universität Zürich; seit 2009 Leiter der qualitativen Marktforschung und Leiter der Reputationsstudie BusinessReflector bei der GfK Switzerland. E-Mail-Adresse: [email protected] STEFAN WACHTEL, Jahrgang 1960, Dr. phil., Senior Coach bei ExpertExecutive in Frankfurt a. M. Er bereitet Vorstände auf öffentliche Auftritte vor. 1990-1997 trainierte er Moderatoren für Fernsehstationen. Lehrveranstaltungen an der European Business School und an der Wirtschaftsuniversität St. Gallen. Mitarbeit: „Corporate Speaking“. Autor von fünf Büchern; Handelsblatt-Kolumnist („5 Weisen“). Drei Publikationen in „Harvard Businessmanager“. E-Mail-Adresse: [email protected] ARILD WÆRAAS, born 1971, Dr. polit, Associate Professor at the Department of Political Science, University of Tromsø, Norway, and Adjunct Professor, L. Douglas School of Government and Public Affairs, Virginia Commonwealth University, Virginia, USA. Research areas: Organizational identity, legitimacy and reputation, public management, corporate social responsibility. e-mail: [email protected] FRANZISCA WEDER, Jahrgang 1977, Ass. Prof. Dipl.-Journ. Dr., Studium des Journalismus, der Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Eichstätt; seit 2005 am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt, seit 2008 als Assistenz-Professorin; seit 2006 Lektorentätigkeit an der FH Wien, Studiengang Kommunikationswirtschaft; Gastdozentin an der University of Alabama, USA. Forschungsschwerpunkte: Öffentlichkeits- und Kommunikationstheorie, Organisationskommunikation, kommunikative Verantwortung, Medienethik, Gesundheitskommunikation. E-Mail-Adresse: [email protected] STEFAN WEHMEIER, Jahrgang 1968, Dr. phil, Studium der Publizistik, Geschichte und Wirtschaftspolitik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Adjunct Professor Strategic Communication am Institut für Marketing und Management der University of Southern Denmark. Arbeitsschwerpunkte: Public Relations, Organisationskommunikation, Mediensysteme und -strukturen, Online-Kommunikation. E-Mail-Adresse: [email protected]
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SARAH ZIELMANN, Jahrgang 1976, M.A., Studium der Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und des Öffentlichen Rechts in Göttingen und Padua, Magisterabschluss in Leipzig. Bis Ende 2003 Assistentin im Bereich PR/Organisationskommunikation am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Seitdem wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster; Arbeitsschwerpunkte: Politische PR, Organisationskommunikation, international vergleichende Forschung, Gesundheitskommunikation. E-Mail-Adresse: [email protected]