Atlan - Held von Arkon Nr. 198
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Atlan - Held von Arkon Nr. 198
Planet der Zombies Der Tod ist ihr ständiger Begleiter denn Blutopfer und Dämonenglaube beherrschen die Welt von Dirk Hess
Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein bruta ler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Herr schaft antreten zu können. Gegen den Usurpator kämpft Gonozals Sohn Atlan, Kristallprinz und rechtmäßiger Thronerbe des Reiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen, die Orbana schols Helfershelfern schon manche Schlappe beibringen konnten. Mit dem Tage jedoch, da der Kristallprinz Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, scheint das Kriegsglück Atlan im Stich gelassen und eine Serie von empfindlichen Rückschlägen begonnen zu haben, die schließlich zu einer erneuten Versetzung des Arkoniden in die Mikroweit führten. Dort – nach turbulenten und gefahrvollen Abenteuern mit Dophor, Gjeima, den Jansonthenern und dem wahnsinnigen Motros – hat Atlan endlich Prinzessin Crysal gira entdeckt, die Arkonidin, die den Maahks von Skranstasquor als Experimentierob jekt dienen mußte. Mehr noch: die beiden Arkoniden sind in den Besitz eines Raumschiffs gelangt – und dieses Raumschiff bringt sie zu einer anderen Welt, zum PLANETEN DER ZOMBIES …
Planet der Zombies
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz schlägt sich durch.
Crysalgira - Atlans neue Weggefährtin im Mikrokosmos.
Huitz-Karamant - Hohepriester eines grausamen Kults.
Ilistrik - Ein Mädchen soll geopfert werden.
Papan - Ilistriks Geliebter.
1. Ich litt unter grausamen Alpträumen. Meine Umgebung war so real, wie ich sie seit meiner Geburt wahrzunehmen gelernt hatte. Ich atmete die gewohnte Sauerstoffat mosphäre ein. Nahrungskonzentrate standen mir in ausreichendem Maß zur Verfügung. Wollte ich frische Nahrung zu mir nehmen, brauchte ich das kleine Raumschiff nur zu verlassen. Draußen gab es eine dichtwach sende Flora. Die Gewächse trugen verschie denfarbige Früchte. Ich hatte sogar kleinere Tiere entdeckt, die man jagen konnte. Trotzdem haderte ich mit meinem Schick sal. Ich hatte dem Tod oft genug ins Auge ge sehen. Ich hatte sehr oft Dinge gewagt, die einem anderen Arkoniden niemals in den Sinn gekommen wären. Aber diesmal quälte mich das Bewußtsein, daß ich in einer aus sichtslosen Lage gefangen wäre. Im Augenblick kannst du nichts an deiner Lage ändern, wollte mich mein Extrasinn beruhigen. Finde dich damit ab! Du wirst den Spuren der fremden Völker folgen. Ihre Legenden sprechen von der Überwelt. Damit kann nur dein Raum-Zeit-Kontinuum ge meint sein. Eine von diesen raumfahrenden Rassen wird den Weg dorthin kennen. An die mußt du dich halten. Ich war ein Freund schneller Entschlüsse. Am liebsten wäre ich sofort ins All gesteu ert. Aber wohin hätte ich mich wenden sol len? Ich besaß überhaupt keine kosmischen Bezugspunkte. Ich wußte nur, daß ich im Mikrokosmos gelandet war. Daran waren die Maahks schuld. Nicht ganz, denn ich war mit der Verkleinerung
durch den Molekularverdichter einverstan den gewesen. Die kontinuierlich verlaufende Schrumpfung stand wie ein Hinrichtungs prozeß vor mir. Ich erinnerte mich daran, wie der plötzliche Übergang in den Mikro kosmos erfolgt war. Das Ganze ähnelte einer Transition, mit der unsere Raumschiffe Lichtjahrhunderte in einem Sekundenbruch teil übersprangen. Jetzt war ich so klein, daß mich keine Macht der Welt mehr erkennen konnte. Ich war viel schlimmer dran als ein ge strandeter Raumfahrer! Ich mußte unwillkürlich an die Geschich ten von der Eroberung des Sternenraums durch meine Vorfahren denken. Fern vom Großen Imperium der Arkoniden waren Raumfahrer auf unerforschten Welten hava riert. Nur selten hatte man wieder etwas von ihnen gehört. Die Unglücklichen waren dazu verdammt gewesen, auf einer lebensfeindlichen Welt auszuharren. Sie gaben die Hoffnung nicht auf, daß eines Tages ein arkonidisches Raumschiff am Himmel erschien, um sie ab zuholen. Sie nutzten ihre Zeit dazu, um die eisbedeckten Gipfel eines fernen Gebirges zu erreichen. Von dort aus konnten sie die gleißenden Sterne noch besser sehen. Sie waren ihrer Heimat um eine kaum meßbare Strecke nähergekommen. Wie aber sollte ich meiner Heimat im Normalraum näherkommen? Ich war kleiner als das kleinste Virus. Die Welt, auf der ich im Augenblick lebte, war vielleicht mitsamt allen benachbarten Wel ten, Galaxien und kosmischen Weiten in ei nem Virus eingebettet. Ich stöhnte unterdrückt auf. Ich dürfte mich nicht länger mit solchen Gedanken quälen. Das führte zu nichts.
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Dirk Hess
Immerhin hatte ich einen Leidensgenos sen gefunden. Eine junge, arkonidische Prin zessin. Sie war auf dem gleichen Weg wie ich in den Mikrokosmos verschlagen wor den. Ich war nicht mehr allein unter den phantastischen Wesen, die diese Welt bevöl kerten. Crysalgira Quertamagin war so schön und reizvoll anzusehen, daß ich meine Depressi on schneller als erwartet überwinden konnte.
* »Draußen ist irgend etwas passiert«, stell te Crysalgira überrascht fest. Sie nahm die Hand von der Tastatur, mit der man die Bildschirmeinstellung verän dern konnte. »Anscheinend ein Wetterumschwung«, meinte ich. Auf dem Bildschirm war nur bleigraues Wogen und Wabern zu sehen. Dazwischen ragten die düsteren Schemen hochwachsen der Pflanzen auf. Sie erinnerten an gespen stische Monstren. Ihre dürren Äste waren gespreizt. Viele hatten ihre Fruchtlast verlo ren. »Was war das?« Crysalgira sah mich überrascht an. Die Außenbordmikrophone übertrugen ein orgelndes Geräusch in das zentrale Laut sprechersystem. Es schwoll an, ebbte aber ebenso rasch wieder ab. Man konnte mei nen, ein Riese würde eine mächtige Harfe schlagen. »Sehen wir uns das an Ort und Stelle an!« Crysalgira blickte mich prüfend an. Sie hatte wenig Lust Vruumys' Raumschiff zu verlassen. Das dreißig Meter hohe Schiff bot uns Schutz vor den Unbilden der Natur. Es war eine Art Fluchtburg geworden, in der wir uns sicher fühlten. »Vielleicht stellen die Geräusche eine Be drohung für unser Schiff dar«, vermutete ich. »Bevor wir uns um Vruumys' Aufzeich nungen kümmern, will ich mich vergewis sern, ob draußen alles in Ordnung ist.« »Schon gut, Atlan! Ich komme mit.«
Crysalgira wendete sich vom Bildschirm ab. Ihr dünner, flexibler Anzug aus irgendei ner Metallfaser betonte ihre jugendliche Fi gur besonders reizvoll. Ich trug eine Kombi nation aus dem gleichen Material. Die An züge stammten aus dem Arsenal Vruumys'. Ich hatte den Sternenfahrer eine Zeitlang be gleitet. Ich war zu ihm gestoßen, als er an der Mündung des Jongquatz nach Urnen tauchte. Vruumys war davon besessen gewe sen, das ewige Leben zu erlangen. Er hatte den Tod gefunden. Seine Ausrüstung hatte mich zu diesem Raumschiff geführt. Welch eine Überraschung für mich, daß auch Crys algira hier Schutz gesucht hatte! Schade, daß der Bepelzte nicht mehr leb te. Er hätte mir mehr über diesen Planeten verraten können. Jetzt mußte ich zusammen mit Crysalgira daran gehen, die Geheimnisse zu enträtseln. Eine graue Nebelwand hatte das hellrote Raumschiff eingehüllt. »Unheimlich«, murmelte Crysalgira. Ich ergriff ihre Hand. Ich spürte, wie sie sofort ihre Finger um mein Gelenk schloß. Sie fröstelte leicht. Der Boden knirschte unter unseren Füßen. Der Sand war trocken. Einige breitflächige Blätter zerfielen knisternd. »Das könnte ein natürlicher Jahreszeiten wechsel sein.« »So plötzlich?« fragte Crysalgira. »Es war doch vorher überhaupt nichts davon zu mer ken. Ich habe die Umgebung genauestens beobachtet. Du bist kaum eine Stunde hier, Atlan.« »So etwas kann sehr schnell gehen.« Ein Nebelstreifen verschleierte Crysalgi ras Gesicht. Die Feuchtigkeit legte sich schwer auf meine Lungen. »Gehen wir nicht zu weit vom Schiff weg. Bei diesem Nebel verlieren wir leicht die Richtung.« Ich drehte mich um. Der raketenförmige Schiffskörper ragte zwischen den schrägste henden Gewächsen empor. Er war nichts weiter als ein Schemen in der ständig wech selnden Nebelfront.
Planet der Zombies Ich machte ein Zeichen auf den Boden. »Meinst du, wir finden damit schneller zum Schiff zurück?« Ich ließ mich nicht beirren und kerbte mit dem Stiefelabsatz ein weiteres Kreuz in den sandigen Boden. Dicht vor uns orgelte plötzlich ein an schwellender Ton durch die Nebelwand. Die Dampfschwaden kamen in Bewegung und verschoben sich zu blaßgrauen Schlieren. An einigen Stellen kam etwas Licht durch. »Das sind keine Tiere«, flüsterte ich. »Irgendeine mechanische Tonerzeugung. Ich werde den Verdacht nicht los, daß es sich um ein kultisches Musikinstrument han delt.« »Aber in unmittelbarer Nähe des Raum schiffes leben doch keine intelligenten We sen.« Dem abrupt verstummten Orgelton folgte ein perlendes Glucksen. »Dort vorn hat sich etwas bewegt!« Ich ergriff Crysalgiras Schulter. »Dicht bei mir bleiben!« Ich sah mich nach einer geeigneten Waffe um, konnte aber außer einigen vertrockneten Ästen nichts entdecken. Wenn fremde Wesen Vruumys' Raum schiff aufgespürt hatten, stand uns ein schwerer Kampf bevor. Ich wußte so gut wie gar nichts über unsere nähere Umgebung. Die Fremden kannten sich hier aus. Sie wuß ten, wie man ungesehen an das Schiff heran kam. Plötzlich verfluchte ich meinen voreiligen Entschluß, Vruumys' Schiff so überstürzt verlassen zu haben. Drinnen hätten wir uns verbarrikadieren können, bis der Nebel nachgelassen hatte. Der Nebel war eine tödliche Falle für den, der sich hier nicht auskannte. Zuerst beachtete ich die kaum ellenlangen Fühler nicht, die aus dem Sandboden ragten und eigenartige Pendelbewegungen voll führten. Ich ging achtlos an ihnen vorbei. Auch Crysalgira merkte nichts. Plötzlich durchzuckte mich ein elektrisie render Schmerz. Ich sprang ein paar Meter
5 nach vorn und tastete mich über die metalli sche Legierung meines Anzugs. Darunter bemerkte ich eine rasch anschwellende Hautreizung. Crysalgira schrie entsetzt auf. »Sie kommen aus dem Sand!« Ich verharrte in der Hocke. Dicht hinter den ausgedörrten Pflanzensträngen schoben sich zahlreiche Fühler aus dem Sand. Sie entsprossen einer glasähnlichen Halbkugel. Sekundenlang geschah überhaupt nichts. Die Wesen schienen auf irgend etwas zu warten. Auf was, das sollte ich gleich erfahren. »Schnell, Atlan … ins Schiff zurück!« Wir blickten in die Runde. Noch bevor wir auf dem Weg zurücklaufen konnten, auf dem wir in die Nebelfront vorgestoßen wa ren, umzingelten uns die unbekannten Füh lerwesen. Die Biester besaßen anscheinend keine Augen. Aber sie konnten uns auf irgendeine Weise orten. Daß sie ganz und gar nicht wehrlos waren, hatte ich bereits erfahren müssen. Ihre beste Waffe schien eine orga nische Batterie zu sein, mit der sie kräftige elektrische Schläge austeilten. Der Sand um uns herum wurde unwahr scheinlich schnell aufgeworfen. Zum Vor schein kamen raupenförmige Leiber, die an der Spitze mit jeweils zwei elastischen Füh lern versehen waren. Jetzt falteten sie sogar noch schlanke Beinklauen vom Vorderkör per ab. Damit konnten sie einen Arkoniden umschlingen. Ich schätzte die Gesamtlänge einer sol chen Sandraupe auf etwa fünfzehn Meter. »Laß uns versuchen, hier durchzubre chen!« Ich zerrte Crysalgira durch eine Lücke in der Phalanx der Sandraupen. Ich wußte nicht, ob das die richtige Richtung war. Ich hoffte nur, in den nächsten Minuten auf mei ne Zeichen zu stoßen, mit denen ich den Weg markiert hatte. Da brauste der Orgelton über mir mächtig anschwellend auf. Ich schaute hoch. Im Nebel war zuerst überhaupt nichts zu erkennen. Wir mußten
6 weiterlaufen. Die Sandraupen waren an scheinend entschlossen, uns nicht entwi schen zu lassen. Dann zerplatzte irgend etwas. Trockene Blätter regneten auf uns herunter. Ein süßli cher Geruch machte sich breit. Mit dem Glucksen, das jedem Orgelton folgte, regne te eine Vielzahl kleiner Perlen auf uns her unter. Es war wie ein Hagelsturm, der so rasch verschwand, wie er gekommen war. Der süßliche Geruch hielt unvermindert stark an. Unzählige rotschimmernde Perlen lagen im Sand. Dort, wo sie niedergefallen waren, stiegen gelbliche Dämpfe auf. Als ich näher hinschauen wollte, waren die Perlen ver schwunden. Ich stieß Crysalgira an. »Weiter! Das Geheimnis dieser artfrem den Natur werden wir auf der Flucht vor den Sandraupen bestimmt nicht enträtseln.« Hätte ich mich umgedreht, so wäre mir nicht entgangen, daß dort, wo die kleinen ro ten Perlen im Sand verschwunden waren, zitternde Raupenfühler auftauchten. Ich eilte mit Crysalgira an der Hand blindlings durch den Nebel. Ich wußte nicht, welche Rich tung wir eingeschlagen hatten. Ich war le diglich von dem Gedanken besessen, so schnell wie möglich aus der Reichweite der Sandraupen zu kommen. Ich achtete nicht auf die Luftwurzeln, die sich uns in den Weg stellten. Beim nächsten Schritt verfing ich mich mit dem Fuß in ei ner schlingenähnlichen Wurzel. Ich stürzte schwer zu Boden und spürte einen brennen den Schmerz, als die Wurzel mir die rechte Brustseite aufschlitzte. »Crysalgira!« Mein Schrei verhallte im wogenden Ne bel. Das letzte, was ich noch mit Bewußtsein wahrnehmen konnte, war das Verschwinden meiner Begleiterin. Ein riesiger Raupenkör per war vor ihr aufgetaucht und hatte sie mit mehreren Greifklauen fest an sich gepreßt. Dann verlor ich in einer Woge von Schmerz und Verzweiflung die Besinnung.
Dirk Hess
* Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich so im Sand gelegen hatte. Die kleinste Erschüt terung verursachte mir heftige Schmerzen. Das Blut an meiner Seite war bereits ge trocknet. Mein Arm war steif und gefühllos. Ich wollte mich aufrichten. Vor meinen Augen tanzten grelle Schemen. Es ging nicht. Ich war zu absoluter Regungslosigkeit verdammt. Ich wußte, daß ich jederzeit wieder das Bewußtsein verlieren konnte. Mein augen blicklicher Zustand konnte höchstens mit dem kurzen Erwachen nach einer schweren Operation verglichen werden. Zehn Meter neben mir kroch eine San draupe vorüber. Die wellenförmigen Kriech bewegungen ihres fetten Körpers übertrugen sich auf den Untergrund. Ich hatte keine Angst mehr vor diesen Biestern, obwohl ich wußte, daß ich mich nicht mehr wehren konnte. Anscheinend war ich den Tieren als Beute nicht mehr interessant genug. Ein Sterbender erweckt höchstens Interesse bei Aasfressern. Ich stöhnte verzweifelt. Wo mochte Crysalgira gelandet sein? Sollte ich sie nach so kurzer Zeit bereits wieder verloren haben? Es ging mir nicht in den Sinn, daß meine ganze Wanderung durch den Mikrokosmos umsonst gewesen sein sollte. Verzweifelt bäumte ich mich gegen mein Schicksal auf. Ich wollte nicht sterben. Ich dämmerte in einen tödlichen Schlaf hinüber. Es gab keinen Übergang und keine merkbaren Stationen auf dem Weg ins ewige Nichts. So ist das also, schoß es mir durch den Kopf. So erlebt man sein eigenes Ende! Trotzdem wollte ich es nicht wahrhaben. Ich hatte weit gefährlichere Situationen erlebt. Warum sollte ich ausgerechnet auf dieser Welt im Mikrokosmos sterben. Ob ich mich im Tode wieder vergrößern würde? Dann mußten diese Daseinsebenen
Planet der Zombies mit mir zusammen untergehen. Aber ich be zweifelte das. Ich besaß eine Körpermasse, die sich der Umwelt angepaßt hatte. Es war nicht so wie damals bei meiner ersten Ver kleinerung, als ich meine ursprüngliche Masse behalten hatte. Ich mußte trotz des Ernstes der Situation grinsen. Ich stellte mir gerade vor, wie ich während des unverhofften Schrumpfungs prozesses als Zwerg die Spuren eines Riesen hinterlassen hatte. Obwohl ich damals nur wenige Zentimeter groß gewesen war, hatte mein Gewicht ungefähr neunzig Kilogramm betragen. Jeder Schritt war damals mit Ein brüchen in den Untergrund verbunden gewe sen. Ein peitschenartiger Knall riß mich in die schmerzende Wirklichkeit zurück. Der be reits bekannte Orgelton brauste auf und er losch im perlenden Glucksen. Unzählige Körner prasselten auf mich herunter. Lauter kleine, rote Samenkörner. Dann war es wieder totenstill. Der Nebel hatte sich noch nicht wieder verzogen. Es war düster wie in einer Gruft. Geräusche aus der Ferne wurden vom Nebel verschluckt. Die wogenden Schlieren wirk ten wie ein Samtvorhang. Plötzlich empfand ich ein warmes Prickeln im rechten Arm. Du kannst den Arm wieder bewegen, er klärte mein Extrasinn erregt. Richtig! Ich spannte die Sehnen und spreizte alle Finger meiner Rechten. Es tat überhaupt nicht mehr weh. Das Prickeln in den Muskeln hielt unvermindert an. Die Raupen kommen wieder aus dem Sand, warnte mich mein Extrasinn. Dein Re generierungsprozeß trifft mit ihrem Auftau chen zusammen. Vielleicht besteht da ir gendein Zusammenhang. Ich war viel zu aufgeregt, um darüber nachzudenken. Ich empfand eine unbe schreibliche Freude. Ich brauchte nicht zu sterben. Dessen war ich mir ganz sicher. Meine Kräfte wuchsen mit jedem verstrei chenden Augenblick. Ich vergaß sogar die Gefahr, in der ich schwebte. Die Sandraupen
7 entfalteten gerade ihre Fühler und durchstie ßen den Boden in meiner unmittelbaren Nä he. Ich lag immer noch in der Wurzelmulde. Mein rechtes Fußgelenk wurde von einer Wurzelschlinge umspannt. Dicht über der gefährlichen Brustwunde ragte ein hartes, messerscharfes Wurzelstück hervor. Kein Wunder, daß es mich so schwer verletzt hat te. Zwischen den Wurzeln lagen etwa zwan zig Samenkapseln. Ich konnte jetzt meinen Arm so weit be wegen, daß es mir nichts mehr ausmachte, die kleinen Kapsein aufzusammeln. Die Dinger fühlten sich warm und weich an. Fast so wie durchblutetes Fleisch. Ich empfand dabei eine kaum ausdrückbare Ge borgenheit. Ich hielt die kleinen Körner fest und wollte sie nicht mehr hergeben. Da fiel mein Blick auf die Brustwunde. Der klaffende Riß hatte sich größtenteils geschlossen. Mir war die Schnelligkeit des Heilungsprozesses unverständlich und sogar unheimlich. Es gab kein Medikament, das in so verblüffend kurzer Zeit tödliche Verlet zungen auskurieren konnte. Wir Arkoniden kannten ein solches Zaubermittel jedenfalls nicht. In der Wunde lagen drei Samenkapseln. Sie hatten sich in eine zerfließende Gelatine masse verwandelt, die sich kaum noch vom rohen Fleisch unterschied. Ich berührte die Wunde nicht. Aus Angst, ich könnte mir eine Infektion zufügen, ließ ich sogar die Samenkapseln jener unbekann ten Pflanze unangetastet in der Wunde. Eine phantastische Möglichkeit schoß mir durch die Gedanken. Sollten diese kleinen Samenkörner etwa an meinem Gesundungsprozeß schuld sein? Ich näherte die Hand mit den Körnern mei ner Nase. Ich roch daran. Der süßliche Duft war unverkennbar. Ich wurde mit brutaler Kraft hochgeris sen. Um ein Haar hätte ich die aufgesam melten Samenkapseln verloren. Ein häßlicher Raupenkopf wollte sich
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über mich senken. Von seiner schwabbeli gen Stirn rieselte Sand. Die Fühler zuckten aufgeregt durch die Luft. Ich wich ihnen ge schickt aus. Kurzentschlossen riß ich den Fuß aus der gefährlichen Wurzelschlinge. Ich mußte tief durchatmen, als ich in die Hocke kam. Ich spürte, wie mir das Blut in den Schläfen pochte. Hastig kroch ich auf allen Vieren vorwärts. Hinter mir verkeilte sich der mächtige Raupenkörper zwischen den Luft wurzeln. Das Biest wollte sich sofort daraus befreien. Das mißlang ihm kläglich. Im Ge genteil, es riß mehrere Bäume aus und wur de von den Stämmen noch fester an den Bo den gedrückt. Ich wischte mir den Staub aus den Augen. Es brannte höllisch. Abgesplitterte Holzteile schnellten durch die Luft. Die gefangene Raupe kämpfte wie ein Berserker um ihre Freiheit. Eine Bebenwelle nach der anderen ging von ihrem ruckhaft hochschnellenden Körper aus. Eine mächtige Sandladung erwischte mich im Rücken. Ich verlor den Halt und stürzte einen schräg abfallenden Hang hin unter.
* Die Raupen hatten sich zu einem langen Zug formiert. Ihre Körper sonderten ein Se kret ab, das es den nachfolgenden erlaubte, noch schneller über den Sandpfad zu krie chen. Der Raupenschleim verband sich mit den Sandpartikeln zu einer Masse, die an der Luft erhärtete. Ich hatte Sand in den Mund bekommen. Es knirschte, als ich mir mit der Zunge über die rissigen Lippen leckte. Meine Wunde hatte sich völlig geschlos sen. Eine ungeahnte Kraft durchströmte mei nen Körper. Ich fühlte mich wie neugeboren. Langsam ließ die Anspannung nach, unter der ich bis jetzt gestanden hatte. Ich erinnerte mich plötzlich an die ge heimnisvollen Samenkörner. Ich hob die Rechte und öffnete sie.
Auf meinem Handteller lagen fünfzehn rote Samenkügelchen. Sie schimmerten dun kelrot. Ein intensiv süßlicher Geruch ging von ihnen aus. Ich spürte, daß sie von sehr elastischer Konsistenz waren. Ich steckte die Samen in meine Gürtelta sche. Das aufgerissene Brustteil meines elasti schen Metallanzuges ließ sich ohne Schwie rigkeiten zusammenstecken. Winzige Ösen schlossen sich ineinander. Sie garantierten mir einen einwandfreien Sitz des Kleidungs stückes. Der Nebel blieb hinter mir zurück. Erst jetzt fiel mir auf, daß sich die düstere Wolkenwand auf den Wald konzentrierte, an dessen Rand Vruumys' Raumschiff stand. Vor mir breitete sich eine grasbewachsene Ebene aus, in der ein schwarzer Berg aufrag te. Das war auch die einzige Erhebung in unmittelbarer Nähe. Die Sandraupen zogen dicht hintereinander auf diesen Berg zu. Die Erhebung erinnerte mich an einen ar konidischen Trichterbau. Sie war schät zungsweise dreißig Meter hoch. Die Seiten flächen waren glatt und schimmerten metal lisch. Es konnte sich aber auch um einen be sonders ebenmäßigen Felsen handeln. Ohne Hilfsmittel würde man den Berg nicht er klimmen können. Sein Oberbau ragte wie ein Pilzdach annähernd vierzig Meter weit über die Ebene. Was suchten die Sandraupen dort? Der lange Zug setzte sich aus mehreren hundert Tieren zusammen. Einige hatten sich grotesk verändert. Auf ihrer vorher glat ten und ebenmäßigen Haut wuchsen jetzt ro te Geschwüre. Trotzdem setzten sie ihren langen Marsch fort. Die ersten hatten den Pilzberg erreicht. Ich wartete gespannt darauf, was jetzt fol gen würde. Fünf Raupen bildeten einen Stern. Die an deren verhielten sich abwartend. Einige wiegten ihren Oberkörper hin und her. Jetzt berührten sich die fünf Raupen, die zusam men ein sternförmiges Gebilde formten, mit den Körperenden. Sie wölbten sich hoch und
Planet der Zombies standen jetzt stocksteif wie eine Pyramide unter dem Dach des Berges. Sofort setzten sich andere Raupen in Be wegung. Sie krochen an den Seitenflächen der Raupenpyramide hoch und formten er neut eine bewegliche Pyramide aus Raupen körpern. Auf diese Weise schafften die plumpen Tiere es in sehr kurzer Zeit, eine Verbindung zum ausladenden Dach des Berges herzu stellen. Danach fluteten die anderen hastig über ihre Artgenossen hinweg. Ob die Tiere einem inneren Ruf folgten? Ich mußte an Crysalgira denken. Ein wehmütiges Gefühl beherrschte mich. Ich suchte die Gegend nach der arkonidi schen Prinzessin ab. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte das helle Schim mern ihrer flexiblen Kombination nirgends entdecken. Sie blieb verschollen. Ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit seit meinem Unfall an der Baumwurzel verstri chen war. Das letzte, was ich von Crysalgira mitbekommen hatte, war ihre Entführung durch die Riesenraupe. Der schreckliche An blick hatte sich fest in meine Erinnerung eingebrannt. Es besteht kein Grund zur Verzweiflung, meinte mein Extrasinn. Du hast nicht gese hen, wie die Raupe das Mädchen getötet hat. Solange du keinen konkreten Hinweis auf ih ren Tod entdeckst, darfst du die Hoffnung nicht aufgeben. Wer weiß, was die Sandraupen mit mei ner Begleiterin angestellt hatten. Ich wußte, daß Raupen in dieser Größenordnung ihre Opfer durch säurehaltige Sekrete zersetzen. Wenn ich Pech hatte, war von dem Mädchen nichts übriggeblieben. Du vergißt ihren Metallanzug. Mein Extrasinn hatte recht. In meiner La ge konnte mich nur das Prinzip Hoffnung auf den Beinen halten. Vom weitausladenden Bergkegel ertönten schrille Laute. Ich sah, wie mehrere Raupen miteinander rangen. Einige hatten sich mit glitzernden Seidenfäden umsponnen. Sie la gen wie große Eier auf dem Berg. Andere
9 wiederum spien jene Kokonfäden aus, ohne die Umhüllung zu erreichen. Das Treiben der Sandraupen wirkte auf mich grotesk und abscheulich. Die hellen Leiber waren teil weise mit Geschwüren bedeckt, die oft meh rere Meter breit waren. Bei diesen Tieren klappte die Metamorphose nicht. Sie wand ten sich gegen ihre Artgenossen. Einige stürzten kämpfend in die Tiefe. Ich wagte mich bis auf etwa tausend Me ter an den Berg heran. Die Details waren noch erschreckender als meine Beobachtungen aus der Ferne. Die zerschmetterten Raupenkörper schienen von einer geheimnisvollen Kraft am Leben ge halten zu werden. Sie zuckten kläglich auf und nieder. Der Wind trug einen süßlichen Gestank zu mir herüber. Der Geruch erinnerte mich an die roten Samenkapseln. Auf dem Berg türmten sich die Kokons zu einem mächtigen Ring. Die Fäden waren enggesponnen, so daß man unwillkürlich an riesige Eier erinnert wurde. Einige Raupen kämpften immer noch gegen die hochkrie chenden Artgenossen. Ich erkannte, daß die Verbindung zum Boden bald abreißen würde. Plötzlich erstarrte ich. Ich zitterte vor Er regung, als ich die gelbliche Sandraupe über den Rand des Bergplateaus kriechen sah. Sie taumelte sekundenlang, fing sich aber rasch wieder. Sie schleppte einen Körper mit sich auf den Berg der Kokons. Die Raupe hielt Crysalgira mit ihren seit lichen Greifklauen fest an sich gepreßt.
* Jeden Augenblick mußte die Verbindung zum Plateau zusammenbrechen. Die letzten drei Raupen krochen über ihre Artgenossen höher hinauf. Die Tiere, die am Boden die erste Pyramide bildeten, würden niemals oben ankommen. Sie gehörten zu den Tie ren, deren Körper über und über mit Ge schwüren bedeckt waren. Sie fielen einem
10 natürlichen Selektionsprozeß zum Opfer. Die Natur konnte sich nicht mit schwachen und kranken Geschöpfen belasten. Das hätte den ganzen Zyklus der ewig wiederkehren den Metamorphose gestört. Auf diese Weise wurde ein natürliches Gleichgewicht einge halten. Ein Raupenkörper donnerte in die Tiefe. Es rauschte, dann zerschellte das mächtige Tier auf der Ebene. Ich sprang auf den Sockel der lebenden Kletterpyramide. Paß auf, daß du den elektrisierenden Füh lern nicht zu nahe kommst, warnte mich mein Extrasinn. Aber ich brauchte mich nicht sonderlich in acht zu nehmen. Die Raupen waren schon so kraftlos, daß ihre Fühler schlaff herunter hingen. Es war eine ganz andere Gefahr, die mich jetzt bedrohte. Eben schwangen sich die letzten Raupen über den Rand des Bergplateaus. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis sich die Py ramidenraupen vom Rand des Berges lösten. Sie würden in sich zusammenfallen und mich zwischen sich begraben. Ich vermied es, den ekligen Geschwüren zu nahe zu kommen. Das Klettern strengte mich an. Die Haut der Raupen war glitschig, und ich mußte mich darin verkrallen, um nicht abzurutschen. Ich mußte es trotzdem schaffen. Crysalgi ra war dort oben. Ich blickte hoch. Noch zehn Meter, dann war das Schlimmste über standen. Oben würde ich weniger Schwie rigkeiten haben. Die meisten Sandraupen hatten sich in einen festen Kokon eingespon nen. Vielleicht ist Crysalgira schon lange tot, ging es mir durch den Kopf. Wenn du jetzt aufgeben würdest, meinte mein Extrasinn, wirst du dich immer fragen, ob du die Prinzessin nicht doch im Stich ge lassen hast. Es gibt nur einen Weg. Du mußt dich davon überzeugen, ob sie noch lebt! Dicht vor mir löste sich eine Raupe aus der Pyramidenverankerung. Ich spürte den Ruck, als das Tier in die Tiefe stürzte. Ich
Dirk Hess zog mich weiter hoch. Jetzt erwischte ich ei ne verkümmerte Greifklaue, die sich längst von dem darunterliegenden Raupenkörper gelöst hatte. Sekundenlang schwebte ich zwischen Himmel und Erde. Tief unter mit lagen die zerplatzten Raupen auf dem Boden. Ich gönnte mir keine Ruhe. Ich durfte kei ne Pause machen. Wie ich die letzten Meter geschafft hatte, werde ich wohl nie erfahren. Wie in Trance war ich über die schlaff wer denden Raupenkörper gekrochen und hatte mich über den Rand des Plateaus gezogen. Schweiß lief mir brennend in die Augen winkel. Die Brustwunde juckte. Der Wind trieb die seidigen Fäden einiger auseinandergebrochener Kokons über das Plateau. Die verkrümmt daliegenden Tiere starben. Dafür türmten sich ringsum zahlrei che geschlossene Kokons auf. Einige lagen dicht am Rand des Bergplateaus. Es wurde rasch kalt. Von der Ebene wehte ein eisiger Wind herüber. Weit in der Ferne riß die Nebelwand auf. Zwischen den gei sterhaften Schwaden ragten kahle Bäume und leere, aufgeplatzte Fruchtdolden auf. Die abgestorbenen Gewächse mit den ro ten Samenkapseln erkannte ich. Sie haben ihre Samen ausgestreut, die die Sandraupen belebten. Jetzt sah ich auch Vruumys' Raumschiff. Es stand am gegenüberliegenden Ende des toten – Waldes. Wenn der Nebel nicht stär ker wurde, konnte ich das Schiff ohne große Schwierigkeiten wiederfinden. Ich mußte an Vruumys denken. Der arme Kerl hatte das ewige Leben gesucht. Daß die Samenkapseln aus den Gewächsen dicht beim Landeplatz etwas damit zu tun haben könnten, hätte er sich bestimmt nicht träu men lassen. Es war die Ironie des Schick sals, daß man die erträumten Dinge immer ganz woanders sucht. Man geht achtlos an ihnen vorbei. Man vergeudet seine Lebens kraft mit sinnlosen Kämpfen. Ich wollte diesen Fehler nicht begehen. Das nahm ich mir jedenfalls vor! Wo steckte die Raupe mit Crysalgira? Es
Planet der Zombies war nicht leicht, sich im Durcheinander der Kokons zurechtzufinden. Mir war auf einmal erbärmlich kalt. Die metallische Kombination konnte den eisigen Wind nur teilweise abhalten. Ich mußte in Bewegung bleiben, damit mein Blut zirku lierte. Außer dem Juckreiz spürte ich nichts mehr von der gefährlichen Verletzung. Plötzlich hielt ich erschrocken inne. Das Geräusch der zu Boden krachenden Raupen leiber drang dumpf nach oben. Ich drehte mich um. Die letzte Verbindung zum Boden war abgerissen. Es ging dreißig Meter tief hinunter. Da sich das Plateau wie ein Pilz dach überwölbte, gab es für mich keine Möglichkeit, an den Wänden hinunterzuklet tern. Vielleicht schaffte ich das mit den Ko konfäden. Ich ergriff mehrere Fäden, prüfte ihre Stärke und zerrte mit aller Kraft daran. Sie gaben nach und rissen. Sie waren so ela stisch und glatt, daß ein Knoten immer wie der aufging, wenn man sie zusammenband. Ich versuchte es sogar mit einem Spezial knoten, den arkonidische Raumfahrer bei Plastiksicherungsleinen im All anwendeten. Doch umsonst. Ich war auf dem Plateau gefangen. Da ich mich nicht verpuppen konnte wie eine Raupe, war ich praktisch zum Tod durch Hunger und Durst verurteilt. Hier oben wuchsen keine Pflanzen. Die Nah rungskonzentrate in meiner Gürteltasche würden meine Leiden nur unnötig verlän gern. Ich befand mich in einer aussichtslo sen Lage. Der nächste Raupenzug würde aller Wahrscheinlichkeit nach erst in fünf bis sechs Monaten zum Pilzberg aufbrechen. Bis dahin war ich längst verhungert. Der Wind würde über meine Gebeine wehen, und die ausschlüpfenden Tiere würden die Reste der Kokons über mich ausbreiten. Ich ging langsam durch die Reihen der übereinanderliegenden Kokons. Die Gebilde erinnerten an überdimensionale Eier. Ihre Form war oval, an den Enden leicht abge stumpft. Ansonsten waren keinerlei Aus
11 buchtungen zu erkennen. Bis auf einen Kokon. Es durchzuckte mich siedendheiß: Die Raupe hatte Crysalgira unter die schützende Hülle aus Seidenfäden genommen, um sie später als Nahrung für das ausschlüpfende Tier zu verwerten. Ich sprang auf den Kokon zu und riß er regt an den Fäden. Ich achtete nicht darauf, daß ich mir dabei die Finger verletzte. Das Bündel bewegte sich nicht. Mühsam zog ich die Fäden, die unter der Oberschicht miteinander verklebt waren, mit aller Kraft auseinander. Dann erblickte ich Crysalgiras Gesicht. Es war leichenblaß. Die Haut war mit Schimmel bedeckt, der an scheinend eine Art Konservierungsmittel darstellte. Sie atmete nicht mehr. Ihre Wan gen fühlten sich eiskalt an. Ich schrie meine Verzweiflung laut in den frostigen Wind hinaus. Meine Augen trän ten. Ich fühlte mich am Ende.
2. Ein anderer Planet. Viele Lichtjahre entfernt von den Schif fahrtsrouten der raumfahrenden Rassen in diesem Kosmos. Die Gefühlsbasis der Leerraumkontrol leure. Huitz-Karamant senkte den leuchtenden Stab. Der Fetisch glühte kurz auf, dann zer fielen die Gebeine der Geopferten zu Staub. »Wir verehren dich, allmächtiger HuitzKaramant! Du bist unser Schutzherr. Du be wahrst uns vor den Dämonen der Tiefe und bescherst uns ein Leben in Freiheit und Ge sundheit!« Aus der Tiefe des Kraters stiegen schwef lige Dämpfe auf. Ein dumpfes Grollen er schütterte die Hänge in unregelmäßigen Ab ständen. Es klang wie das Klopfen einer Schar Bergsteiger, die einen gefangenen Zy klopen durch Peitschenschläge zur Arbeit treiben. Ein Blitz tauchte den Krater sekundenlang
12 in gleißendes Licht. Die Schar der andächtig versammelten Bergbewohner brach in einen Entsetzens schrei aus. Einige Männer warfen sich auf den Boden. Trommelten mit den Fäusten auf die Felsen, um so das Klopfen aus der Tiefe zu übertönen. Sie hatten erbärmliche Angst. Einige gerieten in Ekstase. Die schwefli gen Dämpfe trieben zwischen ihnen hin durch. Sie wirkten betäubend auf diejenigen, die sie einatmeten. Es sah erschreckend aus, wie sich die blauhäutigen Männer am Boden wälzten. In wenigen Augenblicken waren sie über und über mit Staub bedeckt. Über den spitzgiebeligen Türmen des Tempels stand die Sonne. Ihre Strahlen drangen wie Flammenspeere durch die Schwefelwolken. Ab und zu kreischte ein schwarzer Vogel. Von den Dämpfen be täubt, flatterte eine Vogelschar in den Kra ter. Sie wurde nie wieder gesehen. Huitz-Karamant hob seinen strahlenden Fetisch erneut und streckte ihn weit von sich. Seine eindrucksvolle Gestalt war mit bunten Vogelfedern geschmückt. Auf sei nem Kopf saß eine goldene Krone, die aus dem Schädel eines Geopferten gefertigt war. Glitzernde Bergkristalle verzierten das Wür dezeichen des Hohenpriesters. »Die Auserwählte soll die Wut der Dämo nen besänftigen! Wir opfern sie im Glauben an die Allmacht des Blutes. Nur so werden unsere Hütten verschont bleiben. Blut für Blut und Leben für Leben!« Andächtig murmelnd wiederholte die Menge die Worte des Priesters. Zwei stämmige Krieger führten ein junges Mädchen heran. Die Unglückliche hielt den Kopf gesenkt. Sie war nackt. Nur eine Kette aus Tierzäh nen bedeckte ihre Brust. Die Gehilfen des Priesters hatten ihr vorher die Augenlider, die Nasenflügel und die Wangenknochen mit einer weißen Farbe eingerieben. Ob gleich sie vor Angst schwitzte, war die Far be auf der Haut geblieben. Sie sah wie eine Inkarnation des Todes aus.
Dirk Hess Sie wußte genau, daß sie sterben würde. Der kultische Singsang wurde lauter. Lan ge Reihen von Bergbewohnern wiegten sich im Rhythmus der Trommeln. »Bringt sie zum Altar der Dämonen!« Die Krieger schoben das teilnahmslos wirkende Mädchen weiter. Vor ihnen tauch ten zehn offene Steinsarkophage auf. Sie be standen aus dem gleichen Material wie die Tempeltürme. Auf ihren Seitenflächen sah man Bildreliefs. Der Stein war fast schwarz. Aus der Ferne betrachtet, wirkte er wie moosüberzogener Basalt. »Legt sie in die Höhlung des Todes!« Die Krieger packten das Mädchen grob an den Armen und wollten sie in das Innere ei nes Sarkophags legen. Als sie die Blutrinne im Innern erblickte, deren Abfluß dunkelrot verkrustet war, stieß sie einen gellenden Schrei aus. Die Krieger verharrten sekundenlang un schlüssig. In die Reihen der andächtig niederknienden Bergbewohner kam Unruhe. Ein Opfer durfte sich nicht wehren. Das verstieß gegen die heiligen Regeln des Huitz-Karamant. Man sollte den Zorn der Dämonen nicht un nötig herausfordern. Ein junger Bursche sprang auf. Er zitterte vor Erregung, als er einen spitzen Dolch aus seinem Lederschurz hervorzog. »Papan!« kam es aus dem Mund des Op fers. »Du darfst nicht sterben, Ilistrik!« Der Priester verließ die breite Stufe vor dem Sarkophag. Seine Augen flammten zor nig auf. Er deutete mit dem strahlenden Fe tisch auf den jungen Mann. »Unglückseliger! Wie kannst du es wa gen, den heiligen Ritus zu stören. Knie nie der, sonst trifft dich mein Bannstrahl!« Papan zitterte am ganzen Leib. Noch vor wenigen Augenblicken war ihm jeglicher Widerstand gegen das heilige Reglement des Opferzeremoniells absurd erschienen. Aber er liebte Ilistrik. Er wollte sie nicht verlie ren. »Ihr … ihr dürft sie nicht opfern! Ich fle
Planet der Zombies he euch an!« Die beiden Krieger hielten das Mädchen im eisernen Griff ihrer Fäuste. Ihre blauen Brustkörbe hoben und senkten sich wie Bla sebälge. Huitz-Karamant machte eine eindeutige Bewegung. »Ich will ihr Blut in die Tiefen der Dämo nenzitadelle rinnen sehen! Opfert sie!« Der Priester hielt den Jungen anscheinend für so verängstigt, daß er ihm keine weitere Beachtung schenkte. Das war sein Fehler. Papan sprang zwischen der Menge der Andächtigen hindurch. Alle, die ihn festhal ten wollten, wurden beiseitegestoßen. Ein ekstatisch Tanzender versperrte Papan den Weg. Papan stieß mit dem Dolch zu. Der Mann brach zusammen. Zwischen seinen verkrampften Händen quoll ein dunk ler Blutstrom hervor. Papan war über sich selbst entsetzt. Er hätte es nie für möglich gehalten, daß er ge gen ein Mitglied seinen Volkes die Waffe erheben würde. Er wußte, daß ihn die Dä monen dafür schwer bestrafen würden. Aber er konnte nicht mehr zurück. »Opfert sie!« Der Schrei des Priesters ging in der Rase rei der Menge unter. Die blauhäutigen Arme der Aramacs reckten sich in die Luft. Es war ein einziges Chaos. Und die Gesänge und Schreie der Dämonenanhänger wurden vom Pochen aus dem Erinnern überlagert. »Opfert sie!« Jetzt hatte Papan die Krieger erreicht. Der eine ließ das Mädchen los. Seine Rechte zuckte zum Säbel, den er im Gürtel seines Lederschurzes trug. Die beiden Kontrahenten umschlichen sich wie Raubkatzen. »Schaff sie auf den Opferblock!« Huitz-Karaments Stimme schrillte. Der Priester war außer sich vor Zorn. Das Mäd chen mußte sterben. Papan war durchaus nicht kampferprobt. Er hatte sich bisher noch nie im Ringen Mann gegen Mann bewähren müssen. Trotz
13 dem hatte er so manche Nachtstunde damit verbracht, die schlanken Fleischziegen in der Ebene zu jagen. Das war ziemlich ge fährlich. Die Tiere besaßen lange, gekrümm te Hörner, mit denen sie einen Aramac ohne weiteres aufspießen konnten. Papan versuchte sich vorzustellen, daß der vor ihm stehende Krieger nichts weiter als eine Fleischziege war, die ihn bedrohte. Bevor der Mann mit dem Säbel zuschla gen konnte, hatte Papan ihn unterlaufen und mit dem Dolch zu Boden gestreckt. »Ilistrik!« Papan riß den anderen Krieger an der Schulter herum. Er wollte wieder zustechen, doch dieser Gegner war auf der Hut. Papan taumelte stöhnend zurück, als ihm ein Tritt in den Unterleib traf, und fiel. Ilistrik hatte dem Kampf bis jetzt zitternd zugesehen. Als sie merkte, daß der Hohe priester den leuchtenden Fetisch auf sie rich tete, stürzte sie entsetzt davon. »Papan … er will uns vernichten!« Papan rollte sich am Boden ab. Der Säbel hieb des Kriegers ging fehl. Ilistrik stand jetzt dicht neben ihrem Ge liebten. »Wir werden zusammen sterben«, stieß sie hervor. »Nein … niemals!« Papan sprang mit der Schnelligkeit eines Bergrioletts auf und versetzte dem Krieger einen gewaltigen Fausthieb. Den Dolch hatte er längst verloren. Bevor, der Gegner den Schlag kontern konnte, war Papan über ihm. Er drückte den säbelführenden Arm weit zu rück und ruckte mit dem Knie hoch. Er traf den Krieger so kräftig in den Unterleib, daß er sich selbst dabei weh tat. Der Krieger taumelte haltlos zurück. »Die Dämonen werden euch grausam zu Tode quälen!« schrie der Hohepriester. Er konnte es nicht verhindern, daß der halb be täubte Krieger genau in den flammenden Fe tisch taumelte. Plötzlich roch es nach verbranntem Fleisch. Der Krieger blieb ruckhaft stehen und sank wie in Zeitlupe zu Boden. Noch
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bevor er die Erde erreicht hatte, verwandelte sich seine blaue Haut in eine pulverige Mas se. Durch die erregte Menge ging ein Auf stöhnen. Das Pochen im Erdinnern wurde heftiger. Schweflige Dämpfe reizten viele zum Hu sten. »Haltet sie!« Der Schrei des Hohenpriesters wurde durch ein Heulen beantwortet. Es kam aus der Tiefe des Kraters und brach sich gespen stisch an den düsteren Wänden. Papan hatte Ilistriks rechte Hand ergrif fen. Sie liefen zusammen auf die Tempeltür me zu. In der Ebene hätten sie sich nirgend wo verbergen können. Nur in der Höhle ih rer Gegner gab es unzählige Verstecke, die nicht einmal der Priester kannte.
* Von den Wänden tropfte schleimiges Wasser. »Wann kommen wir wieder ans Tages licht, Papan?« In der Dunkelheit leuchteten Ilistriks Op ferfarben in einem phosphoreszierenden Gelb. Man konnte sie für ein Gespenst aus der Tiefe des Kraters halten. »Ich weiß nicht mehr, wo wir sind, Ili strik. Ich dachte, wir würden in einer Kuppel herauskommen. Aber ich fürchte, wir haben uns verirrt.« Das Mädchen weinte. Sie war schwach. Die Ereignisse der letzten Stunden waren zuviel für sie gewesen. Sie hatte sich fast schon damit abgefunden, sterben zu müssen. Doch dann war ihr Lebenswille noch einmal erwacht. Sie liebte Papan. Aber ihre Liebe war von Anfang an verdammt gewesen. Dessen war sie sich jetzt ganz sicher. »Gib mir deine Hand, Ilistrik!« Papan half dem Mädchen über einen mor schen Holzsteg. Vor ihnen teilte sich der Gang. Die Wände gehörten zum Fundament des Tempels. Ob das die Grundmauern eines Turmes waren, wagte Papan nicht zu sagen.
Immer wieder tauchten Reliefs mit Fabelwe sen oder Bergrioletts auf. Plötzlich blieb Ilistrik stehen. Sie deutete auf ein leuchtendes Bild weit hinten an der Gangkrümmung. »Das Bild des Dämons!« Papan war ebenfalls stehengeblieben. Die Angst des Mädchens übertrug sich auch auf ihn. Die Dämonenfurcht war in beiden glei chermaßen tief verwurzelt. Daß er während des Opferzeremoniells darüber hinwegge gangen war, ließ sich nur aus seiner tiefen Zuneigung zu Ilistrik erklären. Aus mehreren Deckenöffnungen drang schwacher Lichtschimmer in den Gang. Aus den Nischen und Wandrissen kam das Klop fen aus dem Erinnern. Es war lauter als das Klopfen ihrer Herzen. »Wir schließen die Augen, Ilistrik, dann kann uns der Dämon nicht bannen!« Ilistrik schüttelte den Kopf. »Nein, Papan! Ich gehe nicht an dem Bild vorbei. Du weißt, daß schon mancher Ara mac von den Dämonen in eine Salzsäule verwandelt worden ist. Die Dämonen in der Tiefe besitzen Kräfte, von denen wir nichts ahnen.« Das Mädchen war nicht dazu zu bewegen, an dem Bild des Dämons vorbeizugehen. Es handelte sich um eine rechteckige Glanzschicht, die das Brustbild eines kahl geschorenen Wesens bedeckte. Der Dämon besaß drei Augen, die wie glühende Kohlen glommen. Statt einer Nase waren nur zwei Schlitze erkennbar, die über einem halb mondförmigen Maul saßen. Papan wandte sich ab. Er wollte sich gera de umdrehen, als er auf den Fackelschein hinter sich aufmerksam wurde. »Die Männer des Priesters!« »Dann sind wir verloren. Es ist gleichgül tig, ob wir in ihre Hände fallen, oder ob wir vom Dämon in Salzsäulen verwandelt wer den.« Papan wollte sich den Kriegern des Ho henpriesters nicht ergeben. »Nein, Ilistrik! Solange wir noch fliehen können, laß uns davonlaufen. Es wäre tö
Planet der Zombies richt, wenn wir jetzt aufgeben würden. Ich habe dich nicht umsonst aus der Gewalt des großen Huitz-Karamant befreit.« Sie sahen sich gehetzt um. Hinter ihnen kamen die Krieger heran. Sie waren noch weit genug von ihnen entfernt. Vor ihnen glühte das Bild des Erddämons. »Vielleicht können wir zu den Lichtöff nungen hinaufklettern«, schlug Papan vor. Er sprang über ein schleimiges Rinnsal und kletterte geschickt an den hervorstehenden Tempelreliefs hoch. Er nutzte jede Öffnung und jedes vorstehende Felsstück aus, um an der feuchten Wand hochzukommen. Wenig später drehte er sich um. »Folge mir, Ilistrik! Hier oben ist eine Öffnung, durch die wir beide kriechen kön nen.« Dumpfe Stimmen wurden lauter. »Sie werden uns sehen, wenn du dich nicht beeilst«, rief Papan unterdrückt. Ilistrik rutschte immer wieder von den feuchten Reliefausbuchtungen ab. »Ich … ich schaffe es nicht, Papan!« keuchte sie. Ein Schrei ließ das Mädchen erstarren. Die Krieger des Hohenpriesters hatten sie entdeckt. Das Licht der Fackeln kam rasch näher. Säbel rasselten. Ein Mann rutschte auf dem glitschigen Boden aus. Ein anderer stolperte über ihn. Fluche wurden laut. Papan hatte Ilistriks rechtes Handgelenk umklammert. Mit der Linken hielt er sich an einem Wandriß fest. Seine Finger stießen in die scharfkantige Höhlung vor und krümm ten sich. »Du mußt mir helfen, Ilistrik! Du darfst nicht aufgeben!« Papan zog das Mädchen keuchend hoch. Sie mußten für ein paar Atemzüge ver schnaufen. Inzwischen waren die Krieger herangekommen. Einer schleuderte seinen Säbel. Papan duckte sich, so daß die Waffe über ihn hinweggeschleudert und durch die Deckenöffnung fiel. »Weiter, Ilistrik!« Papan schob seine Begleiterin durch die Öffnung.
15 »Laß dich auf der anderen Seite 'runterfal len! Es geht nur ein paar Meter abwärts.« Zwei Krieger kletterten jetzt ebenfalls an der Wand hoch. Der eine hatte seinen Säbel zwischen die Zähne genommen. Er war fast oben, als Papan mit dem Fuß nach ihm trat. Der Krieger wich aus und klammerte sich daran fest. »Ergib dich! Im Namen des großen HuitzKaramant … wir kriegen dich doch, elender Frevler!« Papan verlagerte sekundenlang das Ge wicht von seinem freien Fuß auf die Hand des Kriegers. Dann zog er sich kraftvoll hoch, winkelte die Knie an und trat schwungvoll zurück. Der Krieger ließ ihn sofort los, als er den Halt verlor. Bevor der andere mit dem Säbel zuschlagen konnte, war Papan in der Deckenöffnung ver schwunden. Er sprang einfach hinein und landete neben Ilistrik. Die Krieger stießen Verwünschungen aus. In ihren harten Gesichtern stand grenzenlose Wut. Sie wollten an der Wand hochklettern, um die Flüchtenden zu verfolgen, als die Stimme des Hohenpriesters ertönte. Im Widerschein der Fackeln tauchte die hochgewachsene Gestalt von Huitz-Ka ramant auf. Der Hohepriester hielt wie üb lich den leuchtenden Fetisch. »Sie werden ihrem gerechten Schicksal nicht entgehen. Sie rennen in ihr Verderben. Hinter dieser Wand liegt die Katakombe der Seelenlosen.« Das Fluchen der Krieger war verstummt. In den Augen der harten Männer machte sich blankes Entsetzen breit. Die Seelenlosen waren fast genau so schlimm wie die Dämonen, die sie in jenen bedauernswerten Zustand versetzt hatten. Einmal in jedem Menschenalter sollten die Seelenlosen das Bergdorf der Aramacs heimsuchen. Solange sich die Krieger erin nern konnten, was das nicht geschehen. Vielleicht würde ihre Generation davon ver schont bleiben, wenn Papan und Ilistrik in die Arme der Seelenlosen liefen.
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* Ein schweres Eisentor versperrte den Flüchtenden den Weg. Auf seiner Oberflä che waren kunstvolle Bilder eingeätzt. Ein breiter Riegel lag in den Scharnieren des Tores. Ein Ende war mit der Gangwand ver keilt, das andere Ende vergrößerte sich zu einem Drehscharnier. »Die Bilder stellen den Tod dar«, meinte Papan. »Es sind die Seelenlosen, von denen die Tempeldiener berichteten. Siehst du ihre verkrüppelten Gestalten denn nicht? Genau so hat der große Huitz-Karamant die Un heimlichen beschrieben.« Papan rief sich die Berichte über die See lenlosen ins Gedächtnis zurück. Als kleiner Junge hatte er ihnen fasziniert gelauscht. Er hatte eine Apokalypse der Seelenlosen nie persönlich mitgemacht. Soweit er dar über informiert war, lag die letzte viele hun dert Planetenjahre zurück. Die Tempeldiener gaben zu allen Zeiten farbige Schilderungen über das Grauen aus der Tiefe zum Besten. So etwas schockierte die Aramacs und machte sie zu willfährigen Sklaven der Prie sterkaste. In den Geschichten war die Rede von apokalyptischen Grausamkeiten gewe sen, von Erdbeben, Gesteinslawinen und Feuerzungen, welche die Hütten der Ara macs vernichteten, von Entführungen durch die Seelenlosen und entsetzlichen Marterun gen. Papan erinnerte sich auch an die ver stümmelten Körper, die man am Kraterrand gefunden hatte. Sollten die Seelenlosen tat sächlich existieren? Papan erschauerte, als er daran dachte, daß sie in wenigen Augenblicken diesen dä monischen Wesen gegenüberstehen konnten. Er war aber auch realistisch genug, um sich ihre Chancen ausrechnen zu können, wenn sie zurückliefen. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als durch dieses Tor zu fliehen!« »Willst du das wirklich wagen?« fragte Ilistrik schüchtern.
Papan nickte langsam. »Hilf mir, den Riegel vom Tor zu lösen!« Ilistrik stemmte sich dagegen. Gemein sam wuchteten sie das schwere Ding hoch, klappten es aus der Halterung und ließen es einfach fallen. Das Tor ächzte in den Angeln. Es ließ sich nur mit großer Mühe öffnen. Schließ lich hatten sie es so weit aufgestoßen, daß sie in den dahinterliegenden Raum eindrin gen konnten. Die Luft war stickig und abgestanden. Es roch nach Verwesung und Schimmel. Ir gendwo tropfte Wasser von der Decke. Ringsum herrschte düsteres Halbdunkel, das dicht unter der Decke durch eine indi rekte Lichtquelle erzeugt wurde. »Eine Treppe!« rief Papan und deutete auf die breiten Stufen, die in den Fels geschla gen worden waren. Der Boden war mit einer glitschigen Pilz schicht überzogen. Sogar die breiten Stufen, die in eine finstere Höhlung hinabführten, trugen den Teppich aus Fäulnis und Ver gänglichkeit. »Ich habe Angst, Papan! Laß uns das Tor wieder schließen. Ich will dort nicht hinun tergehen. Bitte, hör auf mich!« »Ich gönne dem Priester nicht die Genug tuung, daß wir uns freiwillig in die Hände seiner Schergen begeben.« Sekundenlang unterbrach das Pochen aus der Tiefe ihr Gespräch. »Hörst du die Dämonen, Papan? Sie sind böse. Sie verlangen, daß ich mich opfern lasse.« »Unsinn! Wir gehen jetzt die Stufen hin unter, und du wirst sehen, daß uns nichts ge schieht.« Ilistrik ließ sich wie ein störrisches Kind von Papan zu den pilzüberwucherten Stufen zerren. Ihr Atem ging hektisch. »Du läufst den Seelenlosen in die Arme, Papan!« Er antwortete ihr nicht, sondern zog sie von Stufe zu Stufe tiefer. Er hatte es längst aufgegeben, die Stufen zu zählen, als er eine Plattform erreichte. Hier unten war es noch
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finsterer als in den oberen Räumen. Der ab scheuliche Verwesungsgestank nahm ihnen den Atem. Das war schlimmer als die Schwefeldämpfe am Kraterrand. Ilistrik würgte unterdrückt. Es ließen sich jetzt schwarze Nischen und Wandvorsprünge in der Finsternis ausma chen, die sie vorhin nicht gesehen hatten. Ih re Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, so daß sie sich einigermaßen orientieren konnten. »Du glaubst doch selbst nicht, daß in die ser Dunkelheit irgend etwas Lebendiges an zutreffen ist«, wollte Papan das zitternde Mädchen beruhigen. »Bei den Dämonen im Krater ist das etwas ganz anderes. Dort glüht das Berglicht. Es lockt die toten Seelen an wie das Feuer die Insekten. Nein, in der Dunkelheit ist niemand.« »Aber … aber woher stammt dieser teufli sche Gestank?« Papan zog die Stirn kraus. »Woher soll ich das wissen? Verfaulende Pilze, schlechtes Wasser und alte Holzvorrä te. Vielleicht auch ein paar tote Aramacs, die sich hier unten verirrt habe.« Papan ließ seinen Blick über die schwar zen Nischen gleiten, die in regelmäßigen Abständen in der Wand gähnten. Einige wa ren wollig mit Pilzen überwuchert, andere wiederum waren wie gierige Mäuler aufge rissen. Auf einmal blieb Papan wie angewurzelt stehen. In einer Wandhöhlung waren zwei glühende, dich nebeneinander stehende Punkte aufgetaucht. Sie erloschen wie unter einem Lidschlag und tauchten erneut auf. Diesmal etwas weiter vorn. »Die Seelenlosen!« kreischte Ilistrik pani kerfüllt auf.
* Das Wesen ließ sich einfach aus der Höh lung fallen, landete auf allen vieren und richtete sich ruckhaft auf. Seine Haut war blaßblau, fast weiß. Darunter zeichneten sich schwarze Adern ab. Die Gliedmaßen
schlotterten wie fleischlose Knochen um sei nen hageren Leib, der mehr aus Knochen und Sehnen als aus Fleisch bestand. Das Schlimmste waren die teuflisch leuchtenden Augen. Papan hatte das Gefühl, eine eisige Hand würde nach seinem Herzen greifen. Er spür te lähmende Angst, die sich plötzlich in sei nen Gliedern festsetzte. Er wollte sich dage gen wehren, doch es war umsonst. Das läh mende Gefühl wurde eher noch stärker. Er kam sich völlig schutzlos vor. Das Schlim me daran war, daß er Ilistrik nicht mehr be schützen konnte. »Der Opfertod durch den Hohenpriester wäre gnädiger gewesen«, stammelte Ilistrik. Sie mußten den Terror im Labyrinth der Seelenlosen bis zum bitteren Ende durchste hen. Die Unheimlichen kamen lautlos auf sie zu. Die leuchtenden Augen, die tief in den Höhlen der glatten, haarlosen Schädel saßen, starrten sie unablässig an. Papan hatte Ilistrik ganz fest an sich ge preßt. Ohne daß es ihnen bewußt geworden wäre, wichen sie Schritt für Schritt zurück. Eben kroch ein Weißhäutiger aus einer Wandnische zu ihrer Linken. Sein Hals be stand aus einem riesengroßen Kropf, dessen runzelige Haut dunkel geädert war. In den Händen hielt er einen leuchtenden Stein. Und als er völlig im Freien stand, erfüllte das Leuchten und Glimmen dieses Steines den gesamten Raum. »Das Feuer aus dem Dämonenberg«, stellte Papan trocken fest. »Der Seelenlose besitzt dieselbe Kraft wie Huitz-Karamant.« Papan wurde ganz deutlich an den strah lenden Fetisch des Hohenpriesters erinnert, mit dem Huitz-Karamant jeden Aramac auf der Stelle töten konnte. Über den Ursprung des Fetischs bestand Unklarheit. Die einen behaupteten, er wäre dem Hohenpriester von den Göttern verliehen worden, die anderen hielten ihn für eine Gabe der Dämonen. Fest stand jedenfalls, daß tief unten im Krater schlund eine ähnlich leuchtende Masse pul sierte.
18 Jetzt rissen die Seelenlosen ihre häßlichen Münder auf. Es klang wie das Zischen un zähliger Schlangen. Die Klauen reckten sich vor, als wollten sie den beiden Lebendigen schon vorher durch Zeichen verdeutlichen, was sie erwar tete. »Ich halte das nicht mehr aus, Papan!« »Wir versuchen, wieder nach draußen zu kommen«, schrie der junge Mann und ver setzte seiner Begleiterin einen heftigen Stoß. Das Mädchen erkannte die Chance augen blicklich. Blitzschnell rannte sie an dem zu packenden Gegner vorbei. Die Klauen stie ßen ins Leere. »Lauf weiter, Ilistrik! Wir treffen uns an der Tür!« Das Rascheln trockener Haut, das Zischen der Seelenlosen und das Rinnen einer unter irdischen Quelle begleiteten den dämoni schen Kampf. Als der Unheimliche seinen leuchtenden Stein auf Papan schleuderte, ging ein Rau nen durch die Menge. Papan duckte sich. Der strahlende Sche men schnellte über ihn hinweg und krachte in eine düstere Höhlung hinein. Im gleichen Augenblick dröhnte ein gräßlicher Schrei durch das Gewölbe. Papan preßte beide Hände gegen die Ohren, doch der Schrei drang ihm durch Mark und Bein. Im glei chen Augenblick wußte Papan, daß sie beide noch eine Chance hatten. Der Stein war genau in das Knäuel meh rerer Höhlenschlangen gefallen. Die Glut verbrannte ein paar Tiere. Die anderen konnten jedoch rechtzeitig ins Freie kom men. Die Seelenlosen unterbrachen ihren schweigenden Marsch. Sie verhielten sich unschlüssig. »Die Schlangen werden euch besser schmecken«, stieß Papan zwischen den zu sammengepreßten Zähnen hervor. Er sah noch, wie die etwa zwei Meter langen Schlangen über die Unheimlichen herfielen. Kein Wehlaut verließ die Lippen der Weiß häutigen. Man konnte meinen, sie wären
Dirk Hess längst gestorben und würden jetzt nur ihre Scheinexistenz verlieren. Papan drehte sich um und rannte zum Eingang zurück. Er hetzte über die modrigen Stufen. Nur ein Gedanke beherrschte sein Bewußtsein: Er wollte aus der Höhle dieser schrecklichen Kreaturen entkommen! Ilistrik hockte zusammengekauert an der schweren Eisentür. »Komm jetzt, wir suchen uns in den Gän gen weiter oben ein Versteck.« Sie waren so mit sich und ihren Ängsten beschäftigt, daß sie es versäumten, das Eis entor zum Gewölbe der Seelenlosen wieder zu verriegeln.
* Sie hatten ein paarmal das Tageslicht ge sehen. In welchem Teil der Tempelanlagen sie umherirrten, wußte keiner von beiden. Sie waren müde und abgekämpft. Mehr als einmal waren sie nahe daran gewesen, sich den umherstreifenden Kriegergruppen zu er geben. »Ich muß uns unbedingt etwas Eßbares besorgen«, sagte Papan. »Wir sterben sonst an Erschöpfung. Die Flucht hat unsere letz ten Kraftreserven gekostet.« »Wir können uns sicher noch eine Zeit lang in den Tempelgängen verbergen. Aber ist das nichts weiter als ein Aufschieben un seres Schicksals, das längst beschlossen ist?« Papan senkte den Blick. Er hätte Ilistrik gerne getröstet, aber in diesem Augenblick brauchte er selbst Trost, um die Strapazen der Flucht weiter ertragen zu können. »Wir werden versuchen, in die Ebene zu gelangen.« »Und wie willst du an den Männern des Hohenpriesters vorbeikommen, Papan?« »Wir warten die Dunkelheit ab. Im Zwie licht der Dämmerung laufen wir den Krater hang hinunter. Es dauert immer eine Weile, bis sie die Lagerfeuer angezündet haben. Wenn wir den richtigen Moment abpassen, sieht uns keiner.«
Planet der Zombies Ilistrik schmiegte sich eng an ihren Be gleiter. »Und was wird aus uns, wenn wir den Kriegern tatsächlich entkommen sollten?« fragte sie leise. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Die bemalten Lider glänzten wie taunasse Kieselsteine. »Woher soll ich wissen, was uns die Göt ter vorausbestimmt haben? Wir werden le ben, das ist die Hauptsache.« Papan hatte absichtlich schroff gespro chen. Damit beruhigte er sich selbst, und es vermittelte ihm ein gewisses Überlegen heitsgefühl. Er hatte es bitter nötig, endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben. Er war auf sich allein gestellt. Kein einziger seines Stammes würde ihm helfen. Dafür hatten sie alle zuviel Angst vor dem großen HuitzKaramant. »Bisher hat sich noch kein einziger Ara mac in der Ebene angesiedelt«, begann Ili strik von neuem. »Wir sind Kinder der blau en Berge. Hier kennen wir jedes Tier. Die Natur ist uns vertraut. Hier sind wir näher am Heim unserer Götter.« Papan verzog spöttisch die Lippen. »Und näher bei den teuflischen Dämonen! Hast du die Seelenlosen etwa schon verges sen? Nein, Ilistrik, ich bin fest entschlossen, mein Glück in der Ebene zu wagen.« Papan wußte, daß die Ebene von furchtba ren Stürmen durchtost wurde. Mehrmals im Jahr traten die reißenden Ströme über die Ufer und überschwemmten riesige Gebiete. Von den Bergen hatte er oft die glänzenden Wasserflächen gesehen, über denen Nebel bänke standen. Es war ein rauhes und wildes Land, das er für sich und Ilistrik erobern wollte. Kein Aramac hätte das gewagt. Aber er war ja auch längst kein Aramac mehr. Auch, wenn seine Haut blau war, hatte er mit seinen Brüdern nichts mehr gemein. Plötzlich richtete sich Papan lauschend auf. Aus dem Felsengang war das Scheppern von Waffen gedrungen. »Die Krieger des Hohenpriesters!« Papan drückte seine Begleiterin in eine schmale Felsennische. Er atmete erleichtert
19 auf, als sich der Durchbruch als tief genug erwies, um zwei Aramacs Schutz zu bieten. »Hier können wir uns verstecken, bis die Horde vorbei ist. Wenn wir uns still genug verhalten, merken sie nichts.« Ilistrik preßte sich an den feuchten Felsen. Sie wollte etwas erwidern, doch Papan ver schloß ihr mit der flachen Hand den Mund. Er starrte aufgeregt in die Dunkelheit hin aus. Auf einmal war dort flackernder Licht schein. Sie gingen in Dreierreihen durch den Gang. Einer hielt jeweils die Fackel, die an deren zwei hielten entweder Säbel oder stoß bereite Lanzen in den Händen. Sie durch kämmten systematisch das Gewölbe. »Vielleicht stecken sie in den Felsennis chen. Laßt keinen Fußbreit Boden außer acht«, hörte Papan den ersten Krieger rufen. Weiter hinten antwortete einer: »Hast du Angst, daß der große Huitz-Karamant dich für den Mißerfolg unserer Suche verantwort lich machen wird?« Der Anführer der Kriegerschar stieß den Lanzenschaft in den Boden und blieb ruck haft stehen. »Wir werden den Frevler und das Opfer finden. Sollten die Götter uns keinen Erfolg bescheren, so wird jeder zehnte von uns ster ben.« Papan erschauerte, als die Worte des Kriegers an sein Ohr drangen. Diese Ent scheidung war typisch für den Hohenprie ster. Die Krieger mußten die Jagd auf ihn und Ilistrik fortsetzen, wenn sie nicht selbst getötet werden wollten. Papan drückte sich tiefer in den Boden schlamm. Über ihm warfen die unregelmäßi gen Felsenausbuchtungen lange Schatten. Ilistrik wollte panikerfüllt hochkommen, doch Papan konnte sie noch einmal beruhi gen. Er sah sie kurz an. Das genügte. Dicht vor der Wandhöhlung tauchte eine Fackel auf. Ein Krieger schaute durch die Öffnung ins Innere. Papan und Ilistrik wagten nicht zu atmen. Das flackernde Licht tanzte über die Fels
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wand, wanderte über den Boden, hielt kurz an und verschwand dann wieder. Der Krie ger hatte die Flüchtlinge übersehen. »Hier stecken sie nicht. Wie sieht's bei euch drüben aus?« »Auch nichts.« Die Stimmen verloren sich im Gang. Das Rasseln der Waffen wurde leiser und ver stummte schließlich ganz. Papan wischte sich den zähflüssigen Schlamm aus dem Gesicht. Er grinste zuver sichtlich. »Na, Ilistrik, was sagst du jetzt? Ich glau be, die Kerle sind wir für eine Weile los.« »Hoffentlich hast du recht!« Ilistrik wollte noch etwas sagen, doch sie sank seufzend zu Boden. Sie hatte keine Kraft mehr. Papan wußte sofort, daß er dringend et was Eßbares heranschaffen mußte. So ka men sie nicht mehr weit. Ilistrik hatte sich bis jetzt tapfer gehalten. Aber jetzt war der kritische Punkt gekommen. Hunger, Durst und eine extreme seelische Anspannung hat ten ihre Kräfte aufgezehrt. »Warte hier auf mich, Ilistrik! Ich laufe den Gang hinunter. Vielleicht kann ich den Kriegern ein paar Verpflegungspäckchen ab nehmen!« Ilistrik umklammerte zitternd seinen Arm. »Du darfst mich jetzt nicht allein lassen, Papan. Ich weiß, daß wir uns niemals wie dersehen werden, wenn du jetzt gehst.« Papan drückte das Mädchen sachte zu Bo den. »Bleib nur ganz still in der Höhle, Ilistrik, dann wird dir auch nichts geschehen. Die Krieger kommen bestimmt nicht wieder hier vorbei. Zweimal nehmen sie nie dieselbe Strecke. Du mußt versuchen, ein bißchen zu schlafen. Vergiß die Krieger! Ich komme ja gleich zurück!« Sie sahen sich ein letztes Mal an, dann war Papan im Gang verschwunden. Ilistrik hockte in der finsteren Höhle und weinte.
* Vorsichtig löste Papan die Lederriemen
vom Bündel der Marschverpflegung. Der Wachtposten wandte ihm den Rücken zu. Der Mann saß zusammengesunken vor ei nem flackernden Feuer. Der Qualm wurde von einer Deckenöffnung angesaugt. Sie befanden sich dicht unter dem oberen Tempelbezirk. Hier war das Pochen aus dem Erdinnern wieder ganz deutlich zu hören. Papan hatte es fast schon vergessen. Vielleicht war es aber auch stärker geworden. Vielleicht for derten die Dämonen nur noch ungeduldiger ihr Opfer. Papan kroch auf dem Bauch vorwärts. Er lag jetzt ganz dicht hinter dem Verpfle gungsbündel des Suchtrupps. Der Geruch des salzigen Trockenfleischs stieg ihm in die Nase. Er mußte sich gewaltsam beherrschen, jetzt nicht einfach alles in sich hineinzusch lingen. Er war sehr hungrig. In seinem Ma gen war ein flaues Gefühl. Plötzlich räusperte sich der Wachtposten. Weiter hinten geisterte Fackelschein über die bemalte Höhlenwand. Papan erstarrte. In seinen Händen lag die Lederschnur, mit der das Lebensmittelbün del zusammengeschnürt worden war. Das war seine einzige Waffe. In den Augen des Kriegers stand nacktes Entsetzen, als er Papan erblickte. Der Mann hatte sich unverhofft umgedreht und wollte gerade, nach einem Trockenfleischpaket greifen. Papan war über und über verdreckt. Der Höhlenschlamm und die modernden Pilze hatten seine Haut mit einem Schmutzfilm überzogen. Mit etwas Phantasie konnte man ihn durchaus für einen Seelenlosen aus den Katakomben der Verlorenen halten. Der Krieger schrie entsetzt auf, griff aber sofort nach seinem Säbel. Papan zögerte keine Sekunde. Er sprang hoch und schleuderte dem Krieger einen Le bensmittelballen in den Unterleib. Der Mann ging sofort zu Boden und landete mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Fels wand. Irgendwo im Hintergrund des Ganges
Planet der Zombies wurden Stimmen laut. Auch das noch, durchzuckte es Papan. Gleich wimmelt es hier von Bewaffneten. Sie müssen den Schrei des Wächters gehört haben. Daß die Stimmen einen ganz anderen Grund haben konnten, kam ihm jetzt nicht in den Sinn. »Du wirst vor mir bei den Göttern lan den«, stieß Papan gepreßt hervor. Der Krieger stand breitbeinig vor ihm. Der Säbel beschrieb einen blitzenden Halb kreis. Papan sprang auf den überraschten Geg ner los und umfaßte mit beiden Händen des sen waffenführendes Handgelenk. Er ließ nicht mehr los. Er ignorierte sogar einen Tritt des anderen, der ihn sekundenlang nach Luft schnappen ließ. Mit aller Kraft riß er den Arm des Mannes herunter und stemmte wuchtig sein Knie dagegen. Der Wachtposten schrie schmerzgepeinigt auf. Sein Säbel rutschte klirrend über den Boden. »Jetzt sieht die Sache schon besser aus!« Bevor Papan den Krieger zu Boden drücken konnte, hatte sich der Mann freige macht. Er stolperte ein paar Schritte weit weg und langte wieder nach seinem Säbel. Papan sprang seinen Gegner von hinten an. Beide fielen zu Boden und rutschten über den glitschigen Moosbelag. Sie kamen erst wieder unmittelbar vor der Gangwand auf die Füße. Plötzlich gellte ein Schrei durch den Gang. Papan hielt sekundenlang irritiert in ne. Das nutzte der Krieger sofort aus. Ob wohl Papan dem mörderischen Säbelhieb auszuweichen versuchte, konnte er nicht verhindern, daß er am linken Oberarm ge troffen wurde. Es schmerzte höllisch. Blut tropfte auf den Boden. Es war weniger der Schmerz, der ihn bis zur Weißglut reizte, als vielmehr die Wut über sich selbst. Er war auf einen uralten Trick hereingefallen. Bevor der Wachtposten zum tödlichen Schlag ausholen konnte, war Papan hinter ihn gesprungen. Ein Ruck, und er schlang
21 den Lederriemen um den Hals seines Geg ners. Der Wutschrei des Unterlegenen ging in ein Gurgeln über. »Du hast dich zu früh gefreut, Kerl!« Papan spannte die Muskeln an. Seine Lip pen bildeten zwei scharfe Striche. Grelle Schemen tanzten vor seinen Augen. Gerade in diesem Augenblick spürte er seine Schwäche besonders deutlich. Aber er war weit davon entfernt, sich zu ergeben. Papan wußte nicht, wie lange er den Mann in seinem mörderischen Würgegriff gehalten hatte. Plötzlich wurde der Körper schlaff. Papan ließ ihn zu Boden gleiten und löste die Lederriemen. Er war schweißgebadet. Er brauchte den Reglosen nur kurz anzusehen, um zu wissen, daß er von ihm nie wieder etwas zu befürch ten hatte. Die Seele des Kämpfers war in das Reich der Götter von Aramac eingegangen. Papan riß einen Lebensmittelballen ganz auf und stopfte sich hastig einen Streifen Trockenfleisch zwischen die Zähne. Es schmeckte köstlich, und er vergaß für ein paar Minuten die Gefahr, in der er schwebte. Er kam erst wieder zur Besinnung, als das Grölen mehrerer Krieger aus dem Gang zu ihm drang. Er stopfte den Fleischstreifen in das Bün del zurück und befestigte es an seinem Schurzgürtel. Dann hob er den Säbel des Wachtpostens auf. Er war wieder kampfbereit. Das Feuer war niedergebrannt. Nur die Asche glühte noch ein bißchen. Das Lärmen der Krieger verlor sich in der Ferne. Es klang triumphierend und höhnisch zugleich. Irgendwie glaubte Papan, zwi schen dem Lärmen die Stimme einer jungen Frau hören zu können. Ilistriks Stimme? Plötzlich glaubte Papan, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihm wurde sekun denlang schwarz vor Augen. Sie haben Ilistrik aufgespürt, schoß es ihm durch den Kopf.
*
22 Von jetzt an nahm Papan keine Rücksicht mehr auf sich. Der Säbel in der Rechten war zum tödlichen Schlag ausgestreckt. Sollten diese elenden Schufte nur kommen, ging es dem Aramac durch den Kopf. Er würde den Tod seiner geliebten Ilistrik bitter rächen. Auf dem Gangboden lag ein Tuchfetzen. Papan bückte sich. Er wußte sofort, daß dieser erbärmliche Kleidungsfetzen einmal Ilistriks Hüften bedeckt hatte. Papan schluchzte wie ein Wahnsinniger auf. Aber es war niemand mehr da, der seine Verzweiflung hätte verstehen können. Er war ganz allein. Die Entbehrungen der verzweifelten Flucht waren auf einmal sinnlos geworden. Sie hatten Ilistrik wieder eingefangen. Wo möglich stand sie schon vor Huitz-Kara mant. Sie konnten sie jeden Augenblick op fern. Und der Hohepriester würde keine Sekun de damit zögern. Dessen war sich Papan ab solut sicher. Papan ging wie ein Schlafwandler durch den Gang. Ihm war es egal geworden, was die Krieger mit ihm anstellten, wenn sie ihn jetzt erwischten. Ein zweitesmal würde er das Mädchen nicht wieder aus den Klauen des Hohenpriesters befreien können. Soviel Glück durfte er sich von den Göttern nicht erhoffen. Es war bereits am späten Nachmittag, als Papan das Tempellabyrinth durch eine Turmpforte verließ. Er war nach längerem Umherirren unter einem Turm gelandet und über die korkenzieherartig nach oben ge wundenen Treppen ins Freie gelangt. Jetzt stand er zwischen den monströsen Götzenbildern, die jene gefährlichen Erddä monen aus dem Krater vom Tempelbezirk fernhalten sollten. Die Opferstätte lag unmit telbar vor ihm. Das Pochen und Klopfen aus dem Krater schallte geisterhaft durch die Stille. Der Wind wehte schweflige Dämpfe herüber. Die letzten Sonnenstrahlen hüllten die Tür me in einen goldenen Schimmer. Das war ein Anblick des Friedens. Aber Papan wuß-
Dirk Hess te, daß man hier niemals sicher sein konnte, ob nicht doch Gefahr drohte. Abgesehen von den schrecklichen Erddä monen, die jeder Aramac fürchtete, gab es unverhoffte Giftwolkenausbrüche. Wer von den gelben Wolken überrascht wurde, ver schwand meistens auf Nimmerwiedersehen im Krater. Es traten auch kurze Erdstöße auf, die schon manch einen in eine Erdspalte gerissen hatten. Wollte man dem Unglückli chen helfen, dann schlossen sich die Spalten vor den Augen der entsetzten Aramacs. Nach jeder Opferzeremonie verkrochen sich die Aramacs in ihren Berghütten. Sie la gen auf ihren Fellen und beteten zu ihren Göttern. Der Sage nach holten sich die Schrecklichen aus der Tiefe bei Einbruch der Dunkelheit die Blutopfer aus den Sarko phagen des Opferplatzes. Papan wunderte sich also nicht über den verwaisten Tempelplatz. Etwas weiter unterhalb ragte der Krater wall wie eine mächtige Mauer auf. Der obe re Rand verschmolz nahezu völlig mit dem senffarbenen Himmel. Die betäubenden Dämpfe krochen schwerfällig über den Bo den. In dieser Abgeschiedenheit konnte man rasch unter den Bann der hypnotischen Dämpfe geraten. Das ging langsam vor sich, aber schnell genug, um einen Aramac ins Verderben zu reißen. Doch diesmal verhin derte der Wind eine zu starke Konzentration der Giftwolken. Es gab nirgendwo größere Wolkenballungen. Früher hätte Papan einen anderen Weg gewählt. Diesmal war ihm jede Abkürzung recht. Er mußte an die Bezeichnung denken, die seine Brüder den Ausdünstungen des Kraters gegeben hatten: Dämonenschweiß! Eine treffende Namensgebung, wenn man sich die gefährliche Wirkung der Dämpfe vor Augen führte. Papan wischte sich über die Augen. Das Schwächegefühl hielt nur kurz an. Dafür empfand er auf einmal eine heitere Gelöst heit. Er begann sich einzureden, daß Ilistrik noch lebte. Der Wunsch, das Mädchen wie
Planet der Zombies der in seine Arme schließen zu können, wur de übermächtig. »Ilistrik! Sie haben dich verschont. Ich weiß es«, kam es von den Lippen des Um hertaumelnden. Die Sarkophage des Opferplatzes ragten schwarz und unheilverkündend in die Höhe. Es waren Monolithe, die in regelmäßigen Abständen den Opferplatz begrenzten. Auf einmal glaubte Papan, seine Geliebte durch die Dampfschwaden auf sich zukom men zu sehen. Im Wabern der warmen Luft, die von den gelben Dämpfen aus dem Krater durchsetzt war, irrlichterten Sonnenstrahlen. Die letzten Boten des Tages durchstießen immer wieder die betäubenden Nebel. In Pa pans Bewußtsein verwandelten sich diese Licht- und Schattenspiele zu Figuren. Ilistrik nahm konkrete Formen für den einsamen Aramac an. Papan streckte sie Hände nach dem Traumbild aus, doch seine Finger spürten nur den Seidenhauch der warmen Dämpfe. »Ilistrik, warum hast du nicht auf mich gewartet?« Es kam keine Antwort. Die Sarkophage ragten stumm und finster vor ihm auf. In der Opfermulde des ersten Sarkophags lagen die sonnengebleichten Gebeine eines Kriegers. Der Mann war schon vor langer Zeit geopfert worden. Aber die Dämonen hatten ihn offensichtlich verschmäht. Des halb lagen seine sterblichen Überreste auch noch im Sarkophag. »Ilistrik, ich habe Lebensmittel erbeutet! Genug, um bis ans andere Ende der großen Ebene zu kommen.« Ilistrik antwortete ihm nicht. Sie würde ihm niemals wieder antworten können, denn sie war tot. Sie lag in genau demselben Sar kophag, den Huitz-Karamant vor ihrer Be freiung für sie ausgesucht hatte. Das Blut in der Abflußöffnung glänzte frisch. Papan stieß einen grauenhaften Schrei aus, als er die starren, weitgeöffneten Augen seiner geliebten Ilistrik erblickte. Er schrie immer wieder.
23 Das Echo seiner Schreie brach sich an den Kraterwänden und wurde verzerrt zurückge worfen. Oben in den Hütten der Aramacs kauerten sich die Bergbewohner ängstlich zusammen. Sie glaubten, die Dämonen würden sich jetzt ihre Blutopfer holen.
3. Plötzlich wußte ich, daß Crysalgira noch lebte. Im eisigen Windhauch, der alles auf dem Hochplateau erstarren ließ, zerrte ich die ar konidische Prinzessin aus dem Kokon der Seidenfäden heraus. Meine Finger schmerz ten erbärmlich. Ich konnte sie kaum noch einzeln bewegen. Die Haut unter den Nägeln war blaugefroren. Sie lebte, erkannte ich, aber sie wird er frieren, wenn ich sie nicht sofort ins Warme bringe. Ein unerfüllbarer Wunsch, wie ich mir eingestehen mußte. Ohne fremde Hilfe kam ich nicht mehr vom Plateauberg herunter. Erst recht nicht mit Crysalgira, die leblos in meinen Armen lag. Ich sah mich um. Mein Atem kondensier te zu weißen Wölkchen, die vom eisigen Wind davongetragen wurden. Es gab keinen unmittelbaren Schutz vor der grimmigen Kälte. Die riesigen Raupenkokons türmten sich zu mächtigen Hügeln empor. Aber sie waren so windschlüpfrig, daß es nirgends einen toten Winkel gab. In den letzten Minuten war es noch kälter geworden. Der Sturm orgelte über das Hochplateau hinweg, als gelte es, alles Le bendige in kürzester Zeit zu Eisklumpen er starren zu lassen. Der tödliche Reigen aus Eis und Staub umgab mich wie ein Vorbote des Todes. Noch ein paar Stunden, und ich würde der Verlockung des Schlafes nachge ben. Es kostete mich schon jetzt große Über windung, mich nicht einfach neben die Ko kons zu legen und einzuschlafen. Die Temperatur sank weiter. Ich wollte Crysalgira warmreiben. Aber
24 es nützte nichts. Meine Hände waren kalt wie Eiszapfen. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Vorsichtig ließ ich ihren Körper gegen den aufgeschlitzten Ko kon gleiten. Unter den Seidenfäden schim merte der erstarrte Raupenkörper in einer seltsam verkrampften Haltung. Du hast die roten Samenkapseln verges sen, erinnerte mich mein Extrasinn. Sie ha ben dir das Leben gerettet. Warum sollten sie Crysalgira nicht wieder auf die Beine helfen können? Richtig, sagte ich zu mir selbst. Das wer de ich versuchen. Ich hatte die ganze Zeit über daran ge dacht. Aber irgendwie hatte die Kälte meine Entschlußkraft gelähmt. Der Frost saß mir wie ein hinderlicher Blick im Genick. Ich konnte ihn nicht abstreifen. Er war allgegen wärtig. »Du wirst wieder leben, Crysalgira«, sag te ich leise, als ich mit den steif gefrorenen Fingern die Schlaufe des Gürteltäschchens öffnete. Vier rote Samenkapseln rollten her aus. Ich konnte nicht verhindern, daß sie herunterfielen. Meine Finger versagten mir den Dienst. Drei Kapseln wurden sofort vom Wind in den geöffneten Raupenkokon ge weht. Fluchend tastete ich über den Boden. Meine Hände zitterten. Ich verfluchte meine Unachtsamkeit. Die Kapseln waren zu wert voll, als daß ich sie hätte sinnlos vergeuden können. Wer weiß, in welcher Notlage ich sie noch einmal gebrauchen konnte. Schließlich spürte ich die Kapsel zwi schen den Fingern. Ich preßte beide Hände schützend darüber. Der Wind durfte sie nicht wegwehen. Vorsichtig hob ich das kleine, rote Wunderding auf. Eine Kapsel müßte genügen, ging es mir durch den Kopf. Vorsichtig preßte ich die Samenkapsel ge gen Crysalgiras Lippen. Zuerst geschah überhaupt nichts. Ich atmete kurz und langsam. Die eisige Luft stach mir wie mit tausend Nadeln in die Lungen.
Dirk Hess Plötzlich wurde die Kapsel weich wie ge schmolzenes Wachs. Sie verformte sich und rutschte zwischen den Lippen hindurch in Crysalgiras Mund. »Du wirst leben«, flüsterte ich gespannt. »Ich weiß es einfach.« Ich wünschte, ich hätte gewußt, wie wir das Plateau verlassen konnten. Ich hatte in zwischen alle Möglichkeiten in Betracht ge zogen, war aber zu keinem Ergebnis gekom men. Ich strich Crysalgira eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Täuschte ich mich, oder hatte ihre blasse Haut einen rosigen Schimmer be kommen? Ich nahm sie hoch und legte mein Ohr gegen ihre Brust. Ihr Herzschlag war schwach. Aber ich konnte ihn deutlich ver nehmen. Die geheimnisvolle Samenkapsel hatte ih re Wirkung nicht verfehlt. Innerlich war ich von einem Gefühlssturm ohnegleichen erfüllt. Ich hatte mir in den letzten Stunden nichts sehnlicher gewünscht, als Crysalgira noch einmal lebend wiederzu sehen. Hatte die arkonidische Prinzessin sich nicht eben bewegt? »Chergost«, kam es hörbar von ihren Lip pen. »Ich werde Orbanaschol niemals gehö ren.« Ich hätte vor Freude am liebsten laut auf geschrien. Crysalgira kam wieder zu sich. Auch wenn sie meinen Namen nicht genannt hatte, die Hauptsache war, daß sie lebte. Sie schlug die mandelförmigen Augen langsam, wie unter großer Anstrengung auf. Ich glaubte, so etwas wie Erstaunen darin le sen zu können. Das Rot ihrer Iris vertiefte sich zu einem Leuchten. »Atlan?« »Ja, Crysalgira. Ich bin es. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die gräßlichen Raupenungeheuer bedrohen uns schon lange nicht mehr.« Plötzliches Erschrecken glitt über ihre ebenmäßigen Züge. Ihre Augenlider flatter ten. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Lip pen bewegten sich stumm.
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»Ganz ruhig, Crysalgira! Die Raupenun geheuer haben sich verpuppt. Sie liegen starr und reglos auf dem Plateau.« Ich strich ihr beruhigend über die Stirn. Schließlich entspannte sie sich wieder. »Es ist so schrecklich kalt«, sagte sie. »Du mußt dich bewegen, sonst erfrierst du.« Crysalgira wollte aufstehen, aber die Beine versagten ihr den Dienst. Ich mußte sie stützen. Sie schwankte wie eine Schlafwand lerin. Jetzt schien sie sich an alles zu erinnern. Sie sah den Plateaurand vor sich liegen. Der Sturm trieb Schneewolken darüber hinweg. Den Boden konnte man nicht erkennen. Al les war finster und wolkenverhangen. »Wir werden hier oben sterben, nicht wahr?« Crysalgira sah mich fragend an. Trotzdem glaubte ich einen unbändigen Lebenswillen in ihren Augen zu erkennen. Was hätte ich ihr antworten sollen? Ich hatte sie aus dem todesähnlichen Schlaf ge weckt, um nicht allein sterben zu müssen. Ich hätte es im Grunde genommen nicht tun dürfen. Beschämt senkte ich den Blick. »Es tut mir leid, Crysalgira.« Im gleichen Augen blick trug der Wind das Zerreißen eines Ko kons zu mir herüber. Mehrere Seidenfäden wurden vorbeigewirbelt. »Was ist das?« stammelte Crysalgira ent setzt. »Du hast doch gesagt, die Raupen hät ten sich verpuppt?«
* Wir erlebten eine unglaubliche Verwand lung mit. Die Seidenhaut des Kokons brach in der Mitte auseinander. Es ähnelte dem Aus schlüpfen eines Vogels aus der schützenden Eierschale. Die teilweise festgefrorenen Ko konfragmente klebten am Boden. Das Innere war dunkel. Eine unregelmäßig geformte Masse beherrschte den knapp sechs Meter breiten Raum.
»Wenn sich die anderen Kokons ebenfalls öffnen, ist hier oben die Hölle los«, meinte Crysalgira stockend. »Glaube ich nicht. Sonst hätten wir längst etwas davon bemerkt.« Ich wußte jetzt auch, weshalb sich gerade dieser Kokon mit Leben erfüllt hatte. Es fiel mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Mein Extrasinn bestätigte mir meine Vermu tung sofort: Die Samenkapseln, die der Wind in den Kokon geweht hat, beschleunigen die Metamorphose der verpuppten Raupe um ein Vielfaches. »Wir müssen aus der Nähe dieser Kreatur verschwinden«, schrie ich aus Leibeskräften. »Wenn das Biest in diesem Tempo weiter wächst, stehen wir ihm bald im Wege.« Ich faßte Crysalgiras Körper mit beiden Händen. Sie konnte sich noch immer nicht ohne fremde Hilfe auf den Beinen halten. Sekundenlang war ich versucht, ihr eine weitere Samenkapsel zu geben. Aber ich un terließ es dann doch. Sie würde genauso wie ich vorhin wieder zu Kräften kommen. Wir schafften es schließlich, etwa zwan zig Meter von der auseinanderberstenden Hülle der verpuppten Raupe wegzukommen. Was wir jetzt sahen, verschlug uns den Atem. Zwischen den Resten des Kokons erhob sich ein fast zehn Meter langer Schmetter ling. Seine angewinkelten Beine scharrten nervös im Staub. Die buntgesprenkelten Flü gel waren noch nicht auseinandergefaltet. Sie lagen wie schlecht gewachstes Tuch an dem langen, röhrenförmigen Körper an. »Er verträgt die Kälte genausowenig wie wir«, stellte ich fest. »Die Tiere schlüpfen normalerweise nur in der warmen Jahreszeit aus. Meine Lebenskügelchen haben den na türlichen Ablauf vorweggenommen.« »Lebenskugeln?« fragte Crysalgira un gläubig. »Das erkläre ich dir später … falls es für uns noch ein Später gibt.« Der Riesenfalter machte ein paar unge schickte Bewegungen. Dabei knickte er mit dem hinteren Beinpaar ein. Er drehte sich
26 um die eigene Achse und wollte sich vor wärtsbewegen. Die gewaltigen Augen schimmerten wie zwei aus Erz getriebene Scheiben. Unzähli ge Facetten bedeckten die mächtige Run dung. Ein Paar gefächerter Fühler wedelten um den Kopf des Tieres. Der eisige Wind ließ sie jedoch nach wenigen Augenblicken erstarren. Wie in Zeitlupe entfalteten sich die weit ausladenden Flügel des Falters. Sie streckten sich weit aus, berührten andere Kokons und ruckten dann rhythmisch auf und nieder. Er will trotz der Kälte davonfliegen, si gnalisierte mir mein Extrasinn. »Er wird nicht weit kommen«, sagte ich wie zu mir selbst. »Aber weiter als wir!« Crysalgira hatte recht. Der Falter konnte das lebensfeindliche Plateau verlassen. Er würde zwar irgendwo in der vereisten Ebene zugrunde gehen, aber für eine kurz bemessene Zeitspanne konnte er sich den Traum vom Fliegen erfüllen. Der Falter hatte keinerlei Überleben schancen. Er war viel zu früh ausgeschlüpft. Er war ein Wesen, das sich in den warmen Jahreszeiten am wohlsten fühlte. Er würde niemals Bekanntschaft mit den Doldenge wächsen machen, deren Stämme wie Ske lettfinger in den sturmdurchtosten Himmel ragten. Er würde sich niemals am Nektar der Blüten berauschen können, und er würde seine Eier niemals in den warmen Sand le gen können. Um diese Zeit war der Boden steinhart gefroren. Ich betrachtete den riesigen Falter. Plötz lich kam mir ein phantastischer Gedanke. »Das Tier könnte uns zur Ebene hinunter tragen. Was meinst du dazu, Crysalgira?« Die Prinzessin sah mich zweifelnd an. Anscheinend hielt sie mich für verrückt. Meine Idee mußte ihr so absurd vorkom men, daß sie sogar auf eine Antwort verzich tete. Ich ergriff ihre Hand und sah sie eindring lich an. »Es ist unsere letzte Chance, Crysalgira.
Dirk Hess Uns bleiben höchstens noch ein paar Sekun den, dann verschwindet das Tier im Sturm.« »Wie sollte uns der Falter befördern kön nen? Das Biest ist doch keine Flugmaschi ne.« Ich zog sie am Arm in meine Richtung. »Tu genau das, was ich dir zeige. Mit et was Glück schaffen wir es schon. Hauptsa che, du fühlst dich stark genug.« Ich nickte ihr aufmunternd zu, dann liefen wir auf das riesige Insekt zu. Die weitausla denden Flügel standen wippend vom Körper ab. Sie vibrierten immer schneller. Eiskri stalle wirbelten darüber hinweg. Plötzlich machte der Falter einen Riesen satz. Eine Flügelspitze streifte mich. Ich wurde mit brutaler Gewalt zu Boden ge schleudert. Der Falter stand jetzt dicht am Plateaurand. Ich hatte Angst, er würde über die vereiste Rundung in die Tiefe stürzen. »Halte dich an seinen Beinen fest, Crysal gira!« Der Sturm riß mir die Worte vom Mund. Meine Haut brannte vor Kälte, während ich in den Füßen kein Gefühl mehr hatte. Ich stolperte mit letzter Kraft auf das Tier zu. Jetzt machte es ein paar unentschlossen wir kende Flügelschläge. Die Kälte irritierten es offensichtlich. Trotzdem würde es den Flug vom Plateau wagen. Sein Instinkt ließ ihm keine andere Wahl. Ich sah, wie sich Crysalgira schwerat mend an das letzte Beinpaar des Insektes klammerte. Sie hatte ihre beiden Arme um die spitzgezackten Gelenke geschlungen. »Nicht loslassen, egal, was passiert!« Ich wußte auch so, daß Crysalgira nicht lockerlassen würde. Ich fand dicht vor ihr Halt. Der Falter ignorierte uns völlig. Anscheinend hatte die Kälte seinen Organismus schon so weit ge lähmt, daß er um sich herum nichts mehr wahrnehmen konnte. Jetzt wagte das Insekt einen Aufsprung. Ich wurde gewaltsam durchgeschüttelt, konnte mich aber festhalten. Crysalgiras Ge sicht war vor Anstrengung verzerrt. Sie wußte genauso wie ich, daß es um Leben
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und Tod ging. Dann rauschte es über uns. Sekundenlang sahen wir überhaupt nichts. Aber ich wußte, daß der Falter vom Plateau abgehoben hatte. »Er fliegt«, schrie ich atemlos.
* Der Eissturm wirbelte uns gehörig durch einander. Das Heulen und Pfeifen der ent fesselten Elemente verschluckte uns. Selbst der riesige Falter war zum Spielball des Sturmes geworden. Die eisige Luft erschwerte mir das Atmen immer mehr. Ich hatte keine Ahnung, in welche Rich tung wir getrieben wurden. Ab und zu schimmerte eine helle Stelle durch das grauschwarze Wogen des Sturmes. Eis brocken wirbelten an uns vorbei. Es wurde immer schlimmer. Die Beine des Falters bewegten sich nicht mehr. Sie wirkten wie Fremdkörper an dem röhrenförmigen Leib. Crysalgira macht schlapp, signalisierte mir mein Extrasinn. Entsetzt sah ich, wie Crysalgira langsam an den gezackten Beingliedern des Falters abrutschte. Sie riß sich dabei die Handflä chen auf. Aber kein Wehlaut verließ ihre zu sammengepreßten Lippen. Ein mächtiger Flügelschlag verschaffte dem Falter wieder etwas Auftrieb. Aber im Gegensatz zu den ersten Flugbewegungen waren das recht matte Versuche, dem Sturm zu trotzen. Ich schwang mich beim nächsten Aufprall einer heftigen Sturmböe mit beiden Beinen hoch. Der Wind unterstützte mich dabei, in dem er kräftig gegen meinen gewölbten Rücken peitschte. Crysalgira merkte, daß ich ihr helfen wollte. Aber sie war schon zu schwach, um mich dabei unterstützen zu können. Ich verfluchte die schlechten Sichtbedin gungen. Ich hätte zu gern gewußt, in wel cher Höhe wir uns befanden. Der Boden konnte nicht mehr weit unter uns liegen. Der
Falter hatte ständig an Höhe verloren. Jetzt verschränkte ich beide Beine zwi schen zwei erfrorenen Fußgelenken des Fal ters. Die Verbindung hielt. Jetzt ließ ich mit einer Hand los und langte hastig nach Crys algiras Schulter. Plötzlich ging ein höllischer Ruck durch den Körper des Insekts. An einer Stelle dicht über dem Nacken zerbrach der Chitinpanzer. Es knackte hölzern. Der Sturm riß die kraft los werdenden Schwingen mit Urgewalt hoch. Auf einmal flatterten sie haltlos in den Wolken aus Eiskristallen. Ich erkannte sofort, daß der Falter tot war. Blitzschnell schlang ich meine rechte Hand unter Crysalgiras Achsel. Meine Fin ger verkrallten sich in den metallischen Seg menten ihrer Kombination. Sie hing jetzt mit ihrem ganzen Körpergewicht an meiner Hand. Eine Sturmböe riß mir die Luft vom Mund weg. Sekundenlang wurde mir schwarz vor Augen. Ich hätte am liebsten losgelassen. Als ich wieder einigermaßen klar sehen konnte, tauchten knapp zehn Me ter vor uns die ersten Schneeverwehungen auf. Loslassen, oder das Insekt begräbt euch unter seinem Körper, warnte mein Extra sinn. Der Sturz war kurz und schmerzlos. Kaum hatte ich die Beinglieder des Falters losgelassen, als auch schon der Aufprall kam. Auf stiebender Schnee bremste die Wucht des Falles beträchtlich ab. Wir rollten ein paar Meter durch Schneeverwehungen und landeten in einer halbwegs windge schützten Kuhle. Dann war alles vorbei. Den Falter sehen wir nie wieder. Der Sturm riß ihn noch ein paar hundert Meter weit mit sich. Er ver schwand im tosenden Inferno. »Wir sind auf der Ebene gelandet«, stam melte Crysalgira fassungslos. »Und wir sind unverletzt.« Ich half ihr auf die Beine und klopfte ihr den Schnee von der Kombination. »Wir nehmen sofort die Suche nach Vruu mys' Raumschiff auf«, schlug ich vor.
28 »Wenn wir zu lange an einem Fleck stehen bleiben, macht uns die Kälte schläfrig.« »Aber welche Richtung nehmen wir?« Ich hielt die Hand hoch. Der eisige Wind hauch fraß sich mit außergewöhnlicher Stär ke ins Fleisch. Er drang mir in Mund und Nase, ließ die Augen tränen und stach durch die Ritzen der Kombination. »Wenn sich die Windrichtung nicht ge dreht hat, müssen wir gegen den Sturm lau fen. Ich habe mir vorhin die Richtung ge merkt, in der das Raumschiff steht.« »Wenn er aber doch gedreht hat?« fragte Crysalgira resignierend. »Dann werden wir erfrieren. Höhlen gibt es in der Ebene nicht.« Eine lakonische Feststellung, wie ich mir eingestehen mußte. Doch sie entsprach der Wahrheit. Aber wir hatten das Unmögliche ge schafft, lebend in der Ebene zu landen. Das war mir vor einer Stunde noch unglaublich erschienen. Warum sollten wir dann nicht auch Vruumys' Schiff wiederfinden? Gegen über dem Wahnsinnssturz vom Plateau war diese Suche direkt ein Kinderspiel. Du übertreibst wie üblich, wisperte mein Extrasinn. Die Sichtweite beträgt höchstens zwanzig Meter. Du mußt scharf aufpassen, sonst verirrst du dich. Wir kämpften uns verbissen durch die Eishölle. Ich stemmte mich unermüdlich gegen den Sturm. Meine Haare waren voller Eis. Der Schweiß gefror mir sofort auf der Haut. An den Augenbrauen hingen lange Eisfäden. Crysalgira hatte sich bei mir eingehängt. Sie setzte tapfer Schritt vor Schritt. Jeder Meter wurde zur Qual. Wir stolperten wie Blinde durch die Gegend. Als ich gegen einen querliegenden Baumstamm stieß, der halb vom Schnee zugeweht war, wußte ich, daß wir den Wald erreicht hatten. »Es kann nicht mehr weit sein, Crysalgi ra.« »Es wird auch Zeit«, vernahm ich ihre Stimme dicht neben meinem Gesicht. »Ich spüre meine Beine nicht mehr.«
Dirk Hess Schließlich tauchten vor uns die mächti gen Schemen der froststarren Doldenge wächse auf. Sie standen weit auseinander. Der Sturm hatte eine breite Bresche in den Wald geschlagen. Links und rechts bildeten die herabgekrachten Stämme und Äste bi zarre Muster. Manchmal glaubte man düste re Gestalten erkennen zu können. Aber das waren natürlich Sinnestäuschungen. Wir wa ren die einzigen lebenden Wesen in der Höl le des Eissturms. Obgleich die lähmende Kälte unsere Her zen im tödlichen Griff hielt, gingen wir wei ter. Ein gelblicher Lichtschimmer wies uns den Weg. Es war die Schleusenlampe von Vruumys' Raumschiff. Mit letzter Kraft schob ich Crysalgira durch die Schleuse ins Innere des Raum schiffs. Dann verlor ich das Bewußtsein.
4. Ich wußte, daß wir in den Weltraum gest artet waren. Das sanfte Vibrieren des Bodens übertrug sich auch auf den Kontursessel, in dem ich ausgestreckt lag. Eine Armstütze hatte sich abgeklappt und zu einem schmalen Tablett auseinandergefaltet. Die Versorgungsautomatik des Schiffes servierte mir ein heißes Getränk. Eine Luft dusche sorgte für mein übriges Wohlbefin den. Langsam kehrten meine Lebensgeister zurück. Ein Rufzeichen vom Kontrollpult ließ mich in die andere Richtung blicken. Crysal gira stand vor dem Bildschirm. Eine Reihe mir unverständlich erscheinender Symbole wechselte sich auf der Schirmbildfläche ab. »Was treibst du denn dort, Crysalgira?« Die Prinzessin drehte sich lächelnd um. »Das ist ein wunderbares Schiff, Atlan! Es arbeitet völlig selbständig. Man braucht nur seine Wünsche zu äußern, und es richtet sich danach.« Zu viele automatische Spielereien waren mir verdächtig. Da gefielen mir unsere arko nidischen Mittelklasse-Raumer besser. Man
Planet der Zombies mußte Schalten und Navigieren können. Meinte ich jedenfalls. Vielleicht aus sportli chem Elan heraus, oder einfach aus dem Ge fühl, selbst für den Kurs eines Raumschiffs verantwortlich sein zu wollen. Was wußte ich denn schon von der Men talität der bepelzten Raumfahrer? Eigentlich fast gar nichts. Vruumys war ein netter Kerl gewesen. Aber um ihn in allen Eigenheiten beurteilen zu können, fehlte mir das Wissen über seine Rasse. »Wie hast du das Schiff gestartet?« fragte ich neugierig. »Ganz einfach!« Crysalgira deutete auf das Pult vor dem Panoramabildschirm. Aus einer kreisrunden Öffnung ragte der Hand griff des Dreizacks, den ich in Vruumys' Hinterlassenschaft gefunden hatte. Es war zweifelsohne eine Art von Zündschlüssel, mit dem das Schiff sich statten ließ. Bevor ich meiner Verwunderung Aus druck verleihen konnte, schallte eine fremd artig klingende Stimme durch die Zentrale. Sie sprach reinstes Arkonidisch. »Kurzschluß im elektronischen Unterbau der Hauptschleuse. Ursache unbekannt. Soll die Reparatur eingeleitet werden?« Ich runzelte die Stirn und sah Crysalgira fragend an. »Wer zum Teufel war denn das? Sind wir etwa nicht allein im Schiff?« Crysalgira brach in Gelächter aus. Von den Strapazen der vergangenen Stunden war überhaupt nichts mehr zu spüren. Sie schien das Abenteuer besser überstanden zu haben als ich. »Das Schiff redet mit uns«, erklärte mir Crysalgira. Ich machte ein ungläubiges Gesicht. »Das Schiff? Du meinst die Steuerpositro nik, oder?« »Natürlich, Atlan! Ich habe vor deiner Ankunft genügend Zeit gehabt, mich hier umzusehen. Ich wußte ja nicht, daß ich je mals wieder einen Arkoniden treffen würde. Ich mußte mich auf eine lange, einsame Zeit ohne jede Begleitung einrichten. Also pro grammierte ich die Grammatik unserer Spra
29 che in die Positronik. Es ging ziemlich schnell. Sämtliche Funktionen des Schiffes können von uns akustisch manipuliert wer den. Das Schiff versteht uns, und wir verste hen das Schiff.« »Phantastisch«, mußte ich mir eingeste hen. »Das erschließt uns ungeahnte Mög lichkeiten.« Übergangslos schallte die Stimme der Po sitronik durch den Raum. Sie wiederholte ihr Anliegen noch einmal. »Kurzschluß im elektronischen Unterbau der Hauptschleuse. Ursache noch unbekannt. Soll eine Reparatur eingeleitet werden?« Ich ließ den Blick über die verwirrenden Kontrollinstrumente gleiten. Ich konnte kein System in die Anordnung der Hebel und Schaltsegmente bringen. Selbst wenn man voraussetzte, daß die Funktionen nach streng logistischen Gesichtspunkten angeordnet waren, mußte man zuerst das ganze System analysieren. Dazu hätte ich viel Zeit benö tigt. Zuerst antwortete ich der Positronik auf die dringende Anfrage. »Ursache für den Kurzschluß ermitteln. Alles Weitere wird später entschieden wer den.« Ich strich mir nachdenklich über die Stirn. Der Kurzschluß in der Hauptschleuse inter essierte mich nicht sonderlich. Ich hätte lie ber gewußt, ob es so etwas wie ein Logbuch gab. Vruumys Aufzeichnungen hätten mir mehr über die Verhältnisse in diesem Ster nenraum verraten können. Nachdem wir in den Weltraum gestartet waren, konnte ich mein ursprüngliches Ziel weiterverfolgen: Die Rückkehr in den Ma krokosmos! Dabei war selbst der kleinste Hinweis entscheidend. Ich wollte keine Spur außer acht lassen. »Gibt es Aufzeichnungen über die Arbeit Vruumys?« Crysalgira sah mich erstaunt an. Sie hielt ein Glas in der Hand, das mit einer rötlichen Flüssigkeit gefüllt war. »Trink mal. Das Zeug schmeckt sehr gut. Es ist anscheinend mit Nährstoffen angerei
30 chert worden. Es vertreibt den Hunger bes ser als jedes Schlemmermahl. Um den tech nischen Kram kannst du dich später küm mern.« Während ich an dem Getränk nippte, ver änderte sich die Bildschirmeinstellung. Ein bepelztes Wesen wurde sichtbar. Die gelben Augen leuchteten so naturgetreu, daß es den Eindruck erweckte, der Raumfahrer würde leben. Ich ließ das Glas sinken und starrte sprachlos auf den Bildschirm. »Das ist Vruumys«, stieß ich aufgeregt hervor. Im Lautsprecher über dem Schaltpult knackte es leise. Dann vernahm ich die Stimme, die ich noch in bester Erinnerung hatte. Es war Vruumys Stimme. »Ich beginne mit meinen persönlichen Aufzeichnungen, denen ich folgenden Titel gegeben habe: Die privaten Gedanken des Forschers Vruumys' während seiner Reise durch den bekannten Leerraum …« Der Text wurde automatisch ins Arkoni dische übersetzt, so daß Crysalgira keine Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. Vruumys schilderte zuerst seine Beweg gründe, die ihn zum Aufbruch ins Unbe kannte veranlaßt hatten. Sein Erzählstil war blumenreich und selbstgefällig. Aber das war wohl eine Eigenart der Tejonther, wie sich Vruumys' Volk nannte. Wir Arkoniden drückten uns da wesentlich prägnanter aus. Vruumys war von dem Gedanken beses sen gewesen, den Schlüssel zum ewigen Le ben zu finden. Dafür nahm er alle Strapazen eines abenteuerlichen Fluges durch den be kannten Leerraum in Kauf. Um sich diesen Wunschtraum erfüllen zu können, verzichte te Vruumys sogar an der Teilnahme beim »Kreuzzug nach Yarden«. Ich erfuhr in einem langen, ausführlichen Bericht, daß sich alle dreihundert Jahre etwa zehntausend Raumschiffe zum »Kreuzzug nach Yarden« trafen. Zu welchem Zweck diese gigantische Flotte in die Weiten des Alls aufbrach, war aus Vruumys' Bericht nicht ersichtlich. Der Tejonther erging sich
Dirk Hess in geheimnisvollen Andeutungen, die das Rätsel nur noch vergrößerten. Ein Hauch des Unbekannten lag über den Aufzeichnungen. Ich ahnte, daß ich hier an Dingen rührte, deren Tragweite mir nur in Umrissen klar war. Ein faszinierender Gedanke zog sich durch Vruumys Bericht. Der Tejonther hatte an vielen Beispielen eine kosmologische Theorie entworfen. Bei seinen Fahrten durch den Raum hatte er sorgfältig alle kosmi schen Phänomene registriert und analysiert. Seine Messungen waren exakt und mit be sonderer Akribie in die Positronik eingege ben worden. Ich ließ mich von der angenehmen Stim me des Tejonthers in Bann schlagen. Ich öff nete mein Bewußtsein der aufregendsten Schilderung, die ich seit langem vernommen hatte: »… entdeckten wir immer wieder diesel ben Phänomene. Ob es sich um veränderli che Sonnen, Kometen, Magnetfelder, Inter ferenzerscheinungen zwischen den Sternen inseln handelt, die physikalischen Bedingun gen gleichen sich aufs Haar. Wie sollte es sonst auch erklärbar sein, daß die tejonthi schen Rassen auf fast allen Sauerstoffwelten in der relativen Lebenszone anzutreffen sind. Unsere Biologie ist perfekt. Wir haben uns als maximal angepaßte Metabolismen erwiesen. Es gibt keine Rasse, die sich so schnell an verschiedene Umweltbedingun gen anpassen konnte. Deshalb bevölkern wir auch das Universum. Ich möchte hier zur Diskussion stellen, daß es eine Überwelt gibt, eine Existenzebene, in der dieser uns allen bekannte Leerraum zusammen mit dem noch unbekannten Leerraum eingebet tet ist. Eines Tages werden wir auch, in den unbekannten Leerraum vorstoßen. Wenn meine Theorie stimmt, werden wir dort ebenfalls tejonthischen Rassen begegnen. Die tejonthische Lebensform ist universell …« Ich unterbrach den Redefluß der Auf zeichnungen. Die Ausführungen über die biologische Einzigartigkeit einer Rasse in
Planet der Zombies teressierte mich weniger. Derartige Gedan ken kannte ich zur Genüge. Mehrere Wis senschaftler von Arkon vertraten dieselbe Ansicht und hielten unser Volk für den Na bel des Universums. Bevor ich die interessanten Stellen in Vruumys' Bericht noch einmal abrufen konnte, ertönte das Warnsignal der Überwa chungsautomatik. »Sämtliche Meldesensoren im Bereich der Hauptschleuse sind ausgefallen. Es existiert keine Verbindung mehr zwischen der Po sitronik und der Hauptschleuse.« Ich erinnerte mich sofort an die erste Mel dung über den Kurzschluß im Bereich der Hauptschleuse. Anscheinend war der Defekt größer, als ich zuerst angenommen hatte. Ich wollte jedoch keine Anstrengungen in dieser Angelegenheit unternehmen. Das Schiff war so konstruiert worden, daß es sich selbst steuern und reparieren konnte. »Ich erwarte zuerst eine genaue Fehler analyse. Vorher ergeht keine Weisung. En de.« Dafür war die Sache für mich erledigt. Ich konnte mich wieder Vruumys' Bericht zu wenden. Die Positronik schaltete den Über wachungskomplex aus dem Kommunikati onsnetz und blendete Vruumys' Bild wieder ein. Crysalgira war dem Geschehen nachdenk lich gefolgt. Sie unterbrach mich, als ich meine Fragen zur Vruumys' Bericht formu lieren wollte. »Du solltest die Schadensmeldung nicht auf die leichte Schulter nehmen, Atlan. Es könnte sich um einen ernsteren Defekt han deln.« Da war ich anderer Ansicht. Das Schiff war so konstruiert worden, daß es normale Fehlerquellen von selbst beseitigte. Es gab genügend Robot-Servo-Mechanismen, die eine Reparatur jederzeit durchführen konn ten. Anders verhielt es sich natürlich bei Schäden, die durch äußere Gewalteinwir kung verursacht wurden. Ein Strahlschuß leck konnte das Schiff nicht aus eigenen Mitteln ausbessern.
31 »Du kannst dich ja mal im Bereich der Hauptschleuse umsehen, Crysalgira. Viel leicht findest du eine durchgebrannte Siche rung. Ich kümmere mich in der Zwischen zeit um Vruumys' Aufzeichnungen. Abge macht?« Crysalgira war nicht besonders glücklich über meine Entscheidung. Aber sie verließ den Kommandoraum ohne Murren. Ich machte es mir im Kontursessel be quem. Die Projektion Vruumys' war so echt, daß ich den Tejonther für tatsächlich exi stent halten konnte. »Ich wünsche spezielle Angaben über den Komplex Überwelt und die damit verbunde nen Konsequenzen.« Kaum hatte ich den Satz beendet, als sich die Projektion auf dem Bildschirm bewegte. Die Antwort kam sofort. »Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß es einen Überraum gibt, in den der be kannte Leerraum eingebettet ist. In der ent sprechenden Extrapolation meiner Theorie müßten alle noch zu entdeckenden Leerräu me ebenfalls in diese überdimensionale Exi stenzebene eingebettet sein. Ich weiß, daß die Leerraumkontrolleure, die Tropoythers, über exakte Detailinformationen zu diesem Komplex verfügen …« Ich unterbrach den Redefluß durch eine Zwischenfrage. »Wer sind diese Tropoythers, und wo kann man sie finden?« Statt einer Antwort erschien in blutroter Schrift eine Bildschirmeinblendung: KEINE INFORMATION MÖGLICH! Ich dachte kurz nach. Vruumys stützte seine Theorie auf bestimmte physikalische Beobachtungen und auf die Kenntnis von den Tropoythers. Also gab es Wesen, die einen Weg nach oben kannten. Eine raum fahrende Rasse, die mir den Weg in den Ma krokosmos verraten konnte. Ich brannte vor Ungeduld, als ich weitere Schilderungen aus Vruumys' Bericht abfrag te. Doch dazu kam es nicht mehr. Die Po sitronik schaltete den Bericht ab. Im glei
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chen Augenblick stürzte Crysalgira atemlos in die Zentrale. Ich wußte sofort, daß etwas nicht in Ordnung war. »Das Raumschiff zerfällt! Wir sind verlo ren, Atlan!« Crysalgiras Gesicht drückte namenlosen Entsetzen aus.
* »Der untere Schleusenraum ist total zer setzt«, begann Crysalgira fassungslos. »Hätte sich das Schott nicht rechtzeitig ge schlossen, wäre ich erstickt. Im gesamten Schleusenraum herrschen Weltraumbedin gungen.« Ich verstand das Ganze nicht. Wir waren während unserer Reise durch den Raum kei nem anderen Schiff begegnet, ich konnte mir keinen Defekt vorstellen, der solche Auswirkungen besaß. Du bist sehr vergeß lich, tadelte mich mein Extrasinn. Weißt du etwa nicht mehr, was in Vruumys' Station passiert ist? Ich schlug mir mit der flachen Hand ge gen die Stirn. »Daß ich daran nicht mehr gedacht habe! Nachdem Vruumys gestorben war, begann in seiner Station eine Reaktion, der sämtli che Konstruktionen zum Opfer fielen. Auch der Wahnsinnige Motros starb dabei. Es handelte sich um eine Art von kristallinem Verfall. Alle Objekte kristallisierten sich und zerfielen schließlich zu Kristallstaub. Sogar organische Substanzen.« Crysalgira erkannte sofort die schreckli chen Konsequenzen, die meine Erklärung beinhalteten. »Wie hast du den Untergang der Station überlebt?« fragte sie mich. »Ganz einfach, Vruumys' Kombination schützte mich vor den Kristallen. Die einzel nen Segmente bieten einen sicheren Schutz gegen den Zerfall. Leider erschöpft sich die Wirkung damit. Wenn der Kristallfraß die Zentrale erreicht, müssen wir sterben. Wir besitzen keine Weltraumanzüge, um uns vor der explosiven Dekompression schützen zu
können.« Crysalgira war mit meiner Erklärung nicht ganz einverstanden. »Schön, ich glaube dir ja, daß du ein ähn liches Phänomen beobachtet hast. Aber wa rum sollte derselbe Kristallfraß unser Raum schiff vernichten? Wie sind die Kristalle überhaupt in das Schiff gekommen?« Ich dachte kurz nach. »Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder zerfallen nach Vruumys' Tod alle Einrich tungen, die ihm einmal gehört haben. Das würde bedeuten, daß die Kristallsubstanz ei ne Art Vollstreckerfunktion besitzt. Nach dem Ende eines Tejonthers sollen die techni schen Einrichtungen nicht in unbefugte Hän de fallen. Andererseits wäre es aber auch denkbar, daß ich eine mikroskopisch kleine Menge von dieser Kristallsubstanz in das Schiff einschleppte. Meine Kombination hat ein Wachstum der Kristalle wirksam einge dämmt. Nachdem das Teufelszeug erst ein mal Fuß in der Schleuse gefaßt hat, vergrö ßerte es sich rasch.« Crysalgira atmete tief durch. »Das ist unser Tod. Wir besitzen keine Waffen gegen die Kristalle. Sie breiten sich ziemlich schnell aus. In der Zeit, als du dir Vruumys, Aufzeichnungen angehört hast, löste sich die gesamte Hauptschleuse auf. Du kannst dir vorstellen, daß sich der Prozeß beschleunigt. Je mehr es von der Kristall substanz gibt, desto rascher läuft der Zerfall prozeß ab.« »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich kenne die Wirkung besser.« Ein unheimliches Knistern drang in die Zentrale. Es hörte sich an, als würde das Schiff durch einen Meteoritenschwarm ra sen. Ich schlug auf die Kommunikationstaste des Schaltpults. »Besitzt das Schiff eine wirksame Waffe gegen den kristallinen Zerfall und seine Fol gen?« Keine Antwort. Dafür eine Bildschirmein blendung in blutroter Schrift: KEINE IN FORMATION MÖGLICH. DIE MÖG
Planet der Zombies LICHKEITEN DER SELBSTREGULIE RUNG DURCH DIE SCHIFFSAUTOMA TIK SIND BEGRENZT. »Da haben wir den Salat«, schrie ich un beherrscht. »Das Schiff ist gegen den Zerfall genauso machtlos wie wir.« »Aber wir können doch nicht tatenlos zu sehen, bis das Schiff unter unseren Füßen zerfällt«, stieß Crysalgira entsetzt hervor. »Das ist ja schlimmer als eine Hinrichtung.« »Die Positronik kann uns sogar den ge nauen Zeitpunkt unseres Todes errechnen«, entgegnete ich sarkastisch. Zunächst mußte ich wissen, wieweit der Zerfallsprozeß vorangeschritten war. Alle weiteren Aktivitäten wurden davon be stimmt. »Welche Aggregate sind vom Zerfall be troffen?« Die Antwort kam sofort. »Die Hauptschleuse existiert nicht mehr. In kurzer Zeit müssen der Lagerraum und sämtliche Servoeinheiten im unteren Schiffssegment abgestoßen werden.« Ich überlegte kurz und fragte weiter: »Wie lange wird der Antrieb noch funk tionieren?« »Frage präzisieren!« »Wie lange ist das Schiff dazu in der La ge, einen Planeten in der relativen Lebens zone anzusteuern und auf ihm zu landen?« Ich sah, wie Koordinatensysteme über den Bildschirm flimmerten. Das Schiff verglich seinen gegenwärtigen Standort mit den Sternkarten im Kartentank. Die Positronik löste ihre Aufgabe innerhalb weniger Sekun den. »Es befinden sich zwei Planeten in er reichbarer Nähe, auf denen wir landen kön nen. Welt Nummer eins kann jedoch nur mit Hilfe von Atemgeräten betreten werden. Welt Nummer zwei wird von tejonthischen Raumschiffen gemieden.« Ich fragte nicht nach dem Grund, sondern entschied mich sofort dafür, auf der Welt Nummer zwei zu landen. Obwohl uns die Positronik versichert hat te, es würde alles glattgehen, war mir alles
33 andere als wohl in der Haut. Das Knistern und Rascheln innerhalb der Schiffszelle hat te sich zu einem starken Kratzen gesteigert. Ein Teil der Beleuchtung war ausgefallen. Die Notstromaggregate versagten ebenfalls. Was war, wenn sich die Positronik verkal kuliert hatte? Ich besaß genügend Phantasie, um mir vorstellen zu können, wie unser Tod ausse hen würde. Der Kristallfraß hatte uns umzin gelt. Er machte weder vor den Antriebsma schinen, noch vor den hermetisch abgerie gelten Zentralräumen halt. Zuerst würde die Luftversorgung ausfallen. Dann die Energie versorgung. Schließlich der gesamte An trieb. Die Zentrale konnte uns zwar für kur ze Zeit eine reelle Überlebenschance gegen das Vakuum des Alls bieten, aber auch das würde nur von kurzer Dauer sein. »Welt Nummer zwei mit Höchstge schwindigkeit ansteuern«, schrie ich in das Mikrophon, das in der Schaltplatte des Kommandositzes eingebaut war. Das Schiff reagierte sofort. Die Triebwer ke heulten auf und ließen uns für kurze Zeit die Bedrohung durch den Kristallfraß ver gessen. Die Instrumentenanzeige flackerte, aber sie stabilisierte sich rasch wieder. Wir saßen auf einem Pulverfaß, dessen Lunte fast völlig abgebrannt war. Es war für mich unerträglich, absolut nichts dagegen unternehmen zu können. Während unter uns ein Gerät nach dem anderen seinen Geist aufgab, rasten wir mit unvorstellbarer Ge schwindigkeit auf den rettenden Planeten zu.
* Die Luft in der Zentrale war stickig und abgestanden. Sie wurde längst nicht mehr erneuert. Ich lag schweratmend im Kontursessel und schnappte nach Luft. Schweißperlen standen mir auf der Stirn. Crysalgira erging es nicht anders. Irgendwo schmorte eine Leitung. Der Ge stank war kaum noch zu ertragen. Aber ich war schon so schwach, daß ich nicht mehr
34 aufstehen konnte, um das Löschgerät einzu schalten. Das wäre auch sinnlos gewesen. Es gab keine Absaugautomatik für die chemi schen Substanzen, die den Brand bekämpfen sollten. Wir wären elend erstickt. Auf dem Bildschirm vergrößerte sich eine kleine gelbe Sonne. Sie stand genau im Zen trum der Bildschirmerfassung. Das war der Zielstern, auf den wir zurasten. Mehrere Pla neten kamen ins Bild. Es waren ausnahms los unbewohnte Welten. Plötzlich verschlechterte sich das Bild. Schräge Streifen rasten über die Bildschirm fläche. Die Auflösung war miserabel. Ich knirschte mit den Zähnen. Ich wußte genau, was passiert war. Der Kristallfraß breitete sich auf der Oberfläche des Raum schiffs aus. Er zersetzte gerade die Außen objektive der verschiedenen Kameras. Der Bildschirm flackerte ein letztes Mal auf, dann erlosch er. »Aus und vorbei«, stieß ich zwischen den zusammengepreßten Zähnen aus. »Jetzt flie gen wir blind.« »Wir sind hilflos wie Neugeborene«, seufzte Crysalgira. Das Mädchen hatte absolut recht. Wir wa ren zu absoluter Handlungsunfähigkeit ver dammt. Ein Schütteln ließ die Schiffszelle erbe ben. Aber der Antrieb summte immer noch im gleichen Ton wie bisher. In den metalli schen Verstrebungen knirschte es beängsti gend. Wenn die Kommandozelle undicht würde, starben wir innerhalb weniger Se kunden. Der kleinste Riß genügte, um die noch verbliebene Restluft ausströmen zu las sen. Dicht unter uns herrschten Weltraumbe dingungen. Ein schrilles Kreischen übertönte auf ein mal jedes andere Geräusch. Ich wollte mir die Ohren zuhalten, doch zwei blitzschnell hochklappende Riegel schmiedeten meine Handgelenke an die Sessellehne. Ein breiter Plastikgurt schlang sich um meinen Ober körper. Keine Panik, wisperte mein Extrasinn, das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme der
Dirk Hess Überwachungsautomatik zu deinem Schutz. Die Antigravgeneratoren arbeiten labil. Es kann jeden Augenblick zum Durchschlag der Beharrungskräfte kommen. Crysalgira war gleichfalls angeschnallt. Ein unvorstellbarer Lärm erschütterte die Kommandozelle. Ein anfänglich gerade noch zu ertragendes Heulen steigerte sich zu einem Lärmorkan, der mir die Trommelfelle zu sprengen drohte. Die Wände bogen sich an einigen Stellen gefährlich weit durch. Beulen und Ausbuchtungen entstanden, ver schwanden wieder und bildeten sich an an derer Stelle neu. Auf dem Schaltpult zer sprangen sämtliche Glasabdeckungen. Es knisterte. Funken sprühten aus den Instru mentenhalterungen. Ich starrte wie ein gefangenes Tier auf die Frontseite der Zentrale. Ein Klirren, und der Bildschirm zerbarst in tausend Stücke. Ein Splitterregen ging auf mich nieder. Ich woll te mir die Stücke vom Gesicht wischen, aber der Gürtel ließ mich nicht los. Crysalgira schrie entsetzt auf, als sich ihr Kontursessel rasend schnell um die Boden verankerung drehte. Er kam erst wieder zum Stillstand, als sich eine Querverstrebung aus dem Boden hochgewölbt hatte. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte ich, daß Crysalgira ohnmächtig geworden war. Voller Schrecken mußte ich mitanse hen, wie sich das spitze Ende der Bodenver strebung rasch hochschob. Jetzt deutete das Stück direkt auf Crysalgiras Brust. Sie wird bei lebendigem Leib aufgespießt, durchzuckte es mich. Doch im gleichen Augenblick knickte die Stahlstrebe an. Sie blieb zitternd vor der Be wußtlosen stehen. Irgend eine unbekannte Kraft versetzte das Raumschiff in Kreiselbewegungen. Es ging immer schneller. Ich fühlte, wie sich mein Innerstes dagegen wehrte. Es war ein Gefühl, als würde einem der Magen umge stülpt werden. Gleichzeitig wurde ein anderer Effekt wirksam: Die Temperatur stieg rasch an. Es wurde unerträglich heiß. Die Restluft in der
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Kommandozelle war trocken und hitzegela den. Teile der Plastikverkleidung an Boden, Decke und Wänden begannen sich aufzu wölben. Jeder Atemzug war schmerzvoll. Die Flammenzungen versengten einem schon die Haare. Aber der Sturz war noch lange nicht zu Ende. Die Antischwerkraftneutralisatoren ver ringerten spürbar ihre Leistung. Immer wie der kam ein Druck durch die unsichtbaren Kraftfelder, daß ich mich wunderte, weshalb ich noch nicht die Besinnung verloren hatte. Die Druckwellen wirkten wie Hammerschlä ge auf meinen Organismus. Ich wollte an mir heruntersehen, aber mein Kopf wurde mit unvorstellbarer Kraft gegen die Nackenstütze des Kontursessels gepreßt. Ohne diese Stütze hätte ich mir längst das Genick gebrochen. Glücklicherweise gab das Material meines Sessels nach. Sekundenlang lastete die ganze Stärke der durchkommenden Schwerkraft auf mir. Ich schrie laut auf, doch der Druck erstickte meine Stimme mit einem Schlag. Das Schiff will landen. Es hat mit voller Maschinenleistung abgebremst, interpretier te mein Extrasinn das Geschehen. Ich war kaum noch zu einem klaren Ge danken fähig. Alles schmerzte höllisch. Um mich herum knirschte und ächzte das über belastete Material der Schiffszelle. Dann wurde ich in einer Wolke aus Lärm, Hitze und umherfliegenden Trümmer stücken ohnmächtig. Ein gewaltiger Schlag riß mich aus dem Sessel. Die Plastikgurte rissen mir die Handgelenke auf. Ich blieb zwischen den Trümmern liegen.
5. Vruumys' Raumschiff existierte nicht mehr. Das einzige, was davon übriggeblie ben war, wurde mit dem Sand der Ebene vermischt und vom Wind davongetragen. Bald war auch das letzte Glitzern der Kri stallfragmente verschwunden.
Wir waren allein. »Wir leben, Crysalgira! Wir sind sicher auf dem Planeten gelandet.« Crysalgira lief stumm und teilnahmslos neben mir her. Seit unserer Bruchlandung hatte sie kein einziges Wort mehr gesagt. Sie steht unter einem schweren Schock, meinte mein Extrasinn. Vruumys' Raum schiff war ihre neue Heimat im Mikrokos mos gewesen. Jetzt fühlt sie sich nackt und schutzlos. Aber ich bin doch bei ihr, dachte ich als Entgegnung auf die Analyse meines Extra sinns. Ich kann sie beschützen. Mir kann sie vertrauen. Du vergißt, daß Crysalgira eine Frau ist. Die Versetzung in den Mikrokosmos hat sie vor scheinbar unlösbare Probleme gestellt. Es genügt nur ein auslösendes Ereignis, um diesen Schock hervorzurufen. Crysalgira hatte von dem Absturz nichts mehr mitbekommen. Gleich, nachdem ich wieder zu Besinnung gekommen war, hatte ich sie aus den Gurten losgemacht. Der Kri stallfraß hatte inzwischen die Zentralewand aufgelöst. Wir lagen mitten auf einer weiten Ebene des Planeten. Bevor der Kristallisati onsprozeß uns den Boden unter den Füßen auflöste, war ich mit der Bewußtlosen aus der Wandöffnung gesprungen. Aus sicherer Entfernung verfolgte ich den Auflösungsprozeß. Dabei war Crysalgira auch wieder zu sich gekommen. Sie hatte überhaupt nicht auf meine Fragen reagiert. Das war bis jetzt so geblieben. Ich blickte mich um. Hinter uns ver schmolz der Horizont mit der hitzeflim mernden Einöde der Ebene. Weit und breit war kein einziger Baum zu erkennen, der uns Schatten hätte bieten können. Ich sah auch nirgendwo eine Wasserstelle. Der Durst quälte uns besonders stark. Crysalgi ras Lippen waren aufgesprungen. Auf ihrer zarten Haut zeigten sich bereits gerötete Stellen, die auf ein Erythem schließen lie ßen. Vor uns lag ein Gebirge. Die dunkelblau en Bergrücken bildeten eine langgestreckte,
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gezackt wirkende Linie. Über mehreren Ber gen standen Rauchfahnen, was darauf schließen ließ, daß es dort tätige Vulkane gab. Wir mußten so schnell wie möglich dort hin gelangen. In der Ebene hatten wir kei nerlei Überlebenschancen. Es sah nicht so aus, als würden wir auf einen Fluß oder doch zumindest eine Quelle stoßen. Der Bo den war mit vertrocknetem Gras bedeckt. Unzählige Risse zogen sich durch den sandi gen Boden. Das Land war staubtrocken. Auf einmal blieb ich wie angewurzelt ste hen. »Warte einen Augenblick, Crysalgira«, rief ich meiner Begleiterin zu. »Und sei ganz still.« Sie hörte nicht auf mich, sondern ging weiter. Ihr Blick war ins Leere gerichtet. Ich kniete nieder. Vorsichtig strich ich mit der Rechten über den Boden. Eine leichte, kaum wahrnehmbare Vibration übertrug sich auf meine Hände. Ich legte den Kopf auf die Erde. Ein dumpfes Grollen drang in meine Ohren. Fast so wie bei einem Erdbeben. Dann ertönte ein Klopfen. Ich wollte die Richtung bestimmen. Das war nicht leicht, denn die Geräusche kamen von schräg un ten. Aber wenn mich nicht alles täuschte, lag die Geräuschquelle am Fuß des Gebirges. Eine innere Stimme ermahnte mich zur Vor sicht. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Crysalgira war weitergegangen. Sie be wegte sich wie eine Träumerin vorwärts. Ich lief rasch hinterher und ergriff ihre Hand. »Komm endlich zu dir«, rief ich ungedul dig. Aber Crysalgira antwortete mir nicht. Ihre Augen waren starr auf das Gebirge ge richtet, das vor uns lag.
* Als ich die spitzgiebeligen Türme am Fuß des Kratergebirges erblickte, wußte ich, daß dieser Planet bewohnt war. Diese Anlagen waren von Wesen konstruiert worden, die eine bestimmte Zivilisationsstufe erreicht
hatten. Ich erinnerte mich auf einmal wieder an die Aussage der Schiffspositronik, mit der sie diesen Planeten charakterisiert hatte: Pla net Nummer zwei wird von tejonthischen Raumschiffen gemieden! Weshalb mieden Vruumys' Rassengenos sen diesen Planeten? Stand er unter Quaran täne, oder waren die Bewohner den Tejon thern feindlich gesinnt? Dann hätten sie dich bestimmt nicht erst landen lassen, meinte mein Extrasinn folge richtig. Sie hätten euch im Orbit abgeschos sen. Diese Gedanken trugen nicht dazu bei, meine Stimmung zu bessern. Ich machte mir große Sorgen um Crysalgiras Zustand. Eine Gefahr durch feindliche Planetarier konnte unser Verderben sein. Die Türme strahlten eine unheimliche Wirkung aus. Die Art jener bedrohlichen Aura ließ sich nur schwer beschreiben. Auch mein Extra sinn bot mir keine Hilfe dabei an. Der An blick der Türme ließ all jene Schrecken in mir wach werden, die man normalerweise nur in seinen Träumen wahrnimmt. Ich fragte mich, ob es richtig war, so ohne Schutz und Deckung einfach auf die Türme zuzugehen. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich mußte einen Brunnen finden, um unseren brennenden Durst zu löschen. Je näher ich an die Türme herankam, de sto lauter wurde das Pochen und Klopfen aus der Tiefe. Dunstschleier standen zwischen den Tür men. Sie stiegen aus einem mächtigen Kra ter auf, der sich schräg vor den Türmen auf wölbte. Dicht dahinter waren noch andere Bauwerke zu erkennen. Einige davon waren kuppelförmig und schienen schon uralt zu sein. Dann gab es noch langgestreckte Mauern mit unzähligen Standbildern, die entweder Gestalten aus der Mythologie der Planetarier darstellten, oder aber Abbildungen der Per sönlichkeiten waren, die hier den Ton anga ben.
Planet der Zombies Du hast bis jetzt noch keinen einzigen Planetarier zu Gesicht bekommen, wisperte mein Extrasinn. Das kann kein Zufall sein. Man beobachtet euch sicher schon lange. Wie sahen die Bewohner des Planeten aus? Mangels einer Bezeichnung für diese Welt, gab ich ihr den Namen »Vruumys' Planet«. Welche Lebewesen bevölkerten die Ebenen und das Gebirge? Vielleicht würden mir die Standbilder mehr verraten, die eine lange Mauer zierten. Obwohl sie etwa zwei tausend Meter von uns entfernt waren, konn te ich bereits mit Sicherheit sagen, daß die Fremden arkonidenähnlich waren. Auch Vruumys' Rasse mußte ich zu den Arkoni denähnlichen rechnen. Die Tejonther besa ßen zwei Arme, zwei Beine und einen Kör per, der bis auf unwesentliche Details mei nem Organismus glich. Der Wind trug einen schwefligen Geruch heran. Das rührte aller Wahrscheinlichkeit nach von den vulkanischen Aktivitäten des Gebirges her. Eine mächtige Wolke schob sich zwischen die Türme und die etwas wei ter dahinterliegenden Kuppelbauten. Eine breite Treppe lag vor uns. Es waren wenigstens hundert Stufen, die zu einem großangelegten Platz hinaufführten. Zwei mächtige Skulpturen bildeten die Eingangs pforte. Sie stellten Fabelwesen dar. Eine Mi schung aus Raubtier und aufrecht gehenden Wesen, deren Klauen mit langen Krallen be wehrt waren. Crysalgira ging ohne Scheu an den mon strösen Gestalten vorbei. Ich war gespannt, ob wir dort oben nicht auf Angehörige der planetarischen Zivilisati on stoßen würden. Die gespenstische Stille zerrte an meinen Nerven. Es mußte doch ein Kontakt mit den Frem den möglich sein. Sie konnten sich doch nicht ewig vor uns verstecken. Was wurde hier gespielt? Langsam stiegen wir über die letzten Stu fen. Ich griff erneut nach Crysalgiras Hand. Ich wollte sie nicht allein auf die düsteren Türme zugehen lassen. Bis auf das merkwürdige Pochen tief un
37 ter der Erdoberfläche war es totenstill. Unse re Schritte klangen auf den quadratischen Bodenplatten hohl. Ich glaubte, unsere Her zen schlagen zu hören. Plötzlich nahm ich in den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Ich drehte mich blitz schnell um. Crysalgira ging weiter gerade aus, als wäre nichts geschehen. Ich konnte nichts erkennen, was die An wesenheit fremder Wesen verraten hätte. Wir waren die einzigen, die über den großen Platz gingen. Crysalgira ging voraus. Täuschte ich mich, oder hatte sie ihre Schrit te beschleunigt. Sie lief genau auf mehrere Behälter zu, die den Platz begrenzten. Es waren rechteckige Behälter, deren Wände aus dunklen Steinen bestanden. Die Oberfläche war mit mythologischen Symbo len verziert. Sie erinnerten mich sofort an Sarkophage. Jetzt hatte Crysalgira den mittleren Behäl ter erreicht. Sie stand dicht davor. Sie sah genau in diesem Augenblick in sein Inneres. Ich schaute gebannt zu ihr hinüber. Plötzlich erfüllte ihr Schrei die Luft. Cry salgira schrie markerschütternd auf, drehte sich um und bedeckte mit beiden Händen ihr Gesicht.
* Das Mädchen war höchstens fünf Stunden tot. Sie wirkte völlig arkonidisch. Ihre hohe Stirn ließ auf ein beträchtliches Hirnvolu men schließen. Sie gehörte mit hundertpro zentiger Wahrscheinlichkeit der herrschen den Rasse auf diesem Planeten an. Ihre Haut war blaßblau. Kultische Male reien bedeckten ihr Gesicht und den Brust ansatz. Selbst nach arkonidischen Maßstä ben war sie eine Schönheit. Sie konnte kaum älter als achtzehn Jahre gewesen sein, als man sie getötet hatte. Ein Dolchstoß hatte ihr das Herz durch bohrt. Ihr Gesicht drückte noch im Tode den Schmerz und die Angst aus, die sie während
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der abscheulichen Prozedur empfunden ha ben mußte. Ich wandte mich von diesem grausigen Anblick ab. Crysalgira stand schluchzend vor dem Sarkophag und bedeckte mit beiden Händen ihr Gesicht. »Du kannst nichts mehr daran ändern«, versuchte ich sie zu beruhigen. Sie hat ihren Schock überwunden, signali sierte mir mein Extrasinn. Der entsetzliche Anblick hat die physische Mauer in ihrem Innersten durchbrochen. Ich wußte, daß ich ganz behutsam vorge hen mußte, wenn Crysalgira keine ernsten psychischen Schäden davontragen sollte. »Vergiß das Schreckliche«, flüsterte ich ihr zu. »Ich bin bei dir. Ich werde es nicht zulassen, daß die Fremden dir irgend etwas antun.« Crysalgira legte ihren Kopf an meine Schulter und weinte. »Oh, Atlan … ich ertrage das einfach nicht! Kannst du mir sagen, wie wir wieder nach Arkon zurückkommen können?« Das hätte ich selber gerne gewußt. Ich biß mir nervös auf die Lippen. Ich hatte erkannt, daß Crysalgira jeden Augenblick die Nerven vollends verlieren konnte. Ich drückte ihr sanft auf die Schulter. Sie blickte mich aus tränennassen Augen an. Sie wollte etwas sa gen, doch der Schreck verschloß ihr die Lip pen. Ihre Augen verengten sich vor pani scher Angst. »Was hast du auf einmal, Crysalgira?« Anstatt mir zu antworten, gab sie mir einen heftigen Stoß vor die Brust. Ich tau melte beiseite und wäre beinahe zu Boden gestürzt. Crysalgira hatte mir das Leben gerettet! Im gleichen Augenblick schrammte genau dort eine gefiederte Lanze über den Marmor des Platzes, wo ich eben noch gestanden hat te. Die Fremden, durchzuckte es mich. Sie haben uns umzingelt.
*
Sie kamen aus allen Richtungen. Das sind ernstzunehmende Gegner, warn te mich mein Extrasinn. Sie sind bewaffnet. Du hast nur deine Hände. Sie beobachteten uns vom Rand des großen Platzes, als hielten sie uns für seltene Tiere. Es waren schlanke, hochgewachsene Krieger. Ihre Haut schimmerte in einem hel len Blauton. Man hätte sie für Arkoniden halten können. Ihre Gesichter drückten Intel ligenz und Verschlagenheit aus. Eben machte ein Krieger die Bewegung des Kopfabschneidens. Andere lachten hä misch auf. Crysalgira war bis an die Sarkophage zu rückgewichen. Sie bedeckte mit einer Hand den Mund, um nicht schreien zu müssen. Plötzlich traten zwei Krieger vor. Ihre blaue Haut wölbte sich über mächtigen Mus kelpaketen. Der eine hielt einen Speer in der Rechten, der andere einen Säbel. Ihre makel los weißen Zähne leuchteten, als sie etwas riefen. Ich konnte sie nicht verstehen. Aber ir gendwie erinnerten mich ihre Worte an das Varganische. Ischtar und Magantilliken hat ten genau so, oder doch zumindest so ähn lich gesprochen. Trotzdem konnten das kei ne Varganen sein. Ich befand mich im Mi krokosmos. Hier hatte man noch nie etwas vom Großen Imperium der Arkoniden, ge schweige denn etwas von den verschollenen Varganen gehört. Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht mehr. Die beiden Krieger stürmten schrei end auf mich zu. Wir standen uns jetzt wenige Meter ge genüber. Ein stechender Geruch ging von den beiden aus. Ihre Ausdünstungen wurden von einer Mischung aus Schweiß und Schwefel beherrscht. Die federgeschmückte Lanze des einen war auf mein Herz gerich tet. Bevor der Krieger zustoßen konnte, war ich auf ihn zugesprungen und hatte den Lan zenschaft mit beiden Händen gepackt. Ein Ruck, und der Mann lag am Boden. Jetzt hielt ich den Speer in der Hand. Eine nicht
Planet der Zombies zu verachtende Waffe, wenn man berück sichtigte, daß mein zweiter Gegner einen Sä bel besaß. »Schnell, Crysalgira, lauf zu den Türmen hinüber!« Doch meine Begleiterin reagierte nicht. Sie verfolgte meinen Kampf voller Entset zen. Ich parierte den Säbelschlag mit dem Speerschaft. Der Krieger holte wutschnau bend zum zweitenmal aus. Jetzt hatte sich der andere wieder aufgerappelt. Er attackier te mich mit bloßen Fäusten. Diesmal schmetterte ich ihm die flache Speerklinge vor den Körper. Der Krieger stieß geräusch voll die Luft aus und hielt sich sekundenlang den Leib. Die beiden drängten mich bis an die Sar kophage. Ich hätte einen oder vielleicht so gar beide töten können. Aber es widerstrebte mir, zum Äußersten zu gehen, bevor ich es nicht mit anderen Mitteln versucht hatte. Ich wußte nicht, wie lange ich auf diesem Plane ten bleiben mußte. Wenn ich überleben wollte, mußte ich mit den Blauhäutigen aus kommen. Warum äußerten sie sich nicht? Warum bevorzugten sie den Kampf? Ich machte die Geste des Friedens. Ich streckte meine leere Hand aus. Der Speer lehnte dicht neben mir am Rand eines Sar kophags. »Ich bin nicht euer Feind! Wenn ihr mich versteht, wißt ihr, daß ich eure Freundschaft wünsche.« Der eine funkelte mich zornig an. Er zeig te keinerlei positive Reaktion auf meinen Vermittlungsversuch. Dabei war ich mir ganz sicher, daß er mich verstanden hatte. Bevor ich den Speer ergreifen konnte, hatten mich die beiden gegen den Sarkophag gepreßt. Ich verlor sekundenlang den Boden unter den Füßen. Ich lag mit dem gekrümm ten Rücken über der Opferhöhlung. Panik ergriff mich, als ich das tote Mädchen dicht unter mir sah. Ein Triumphschrei ertönte. Weiter hinten fielen mehrere Krieger in den Schrei ein.
39 Einer von meinen Gegnern legte mich durch einen heimtückischen Tritt in die Seite lahm. Ich nahm wie durch einen Schleier wahr, wie mein Gürteltäschchen aufriß. Ein paar von den kostbaren Lebenskügelchen rollten in das Innere des Sarkophags. Dann sah ich die blitzende Säbelklinge dicht über meinem Hals. Ich erwartete den tödlichen Streich und schloß die Augen. Wehr dich, pulste mein Extrasinn. Gib dich nicht geschlagen! Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen den Rand des Sarkophags. Den einen Krie ger konnte ich noch abschütteln, doch dann traf mich die Faust des anderen in der Herz grube. Mir wurde sofort schwarz vor Augen. Das letzte, was ich noch hören konnte, war Crysalgiras Aufschrei.
6. Ich kam in einer schmutzigen Hütte wie der zur Besinnung. Ohrenbetäubender Lärm drang von allen Seiten ins Innere. Ich konnte nicht nach draußen sehen. Aber ich wußte, daß es Nacht war. »Sie haben dich verschont, Atlan«, hörte ich Crysalgira dicht neben mir sagen. Ich wollte sie etwas fragen, doch ein tieri scher Schrei ließ mich zusammenzucken. Es war ganz dicht neben unserer Hütte gewe sen. Hastige Schritte wurden laut. Irgendwo in der Ferne rollten Felsblöcke einen Ab hang hinunter. Der Schrei einer Frau erstarb in einem Röcheln. Ich sah Crysalgira ernst an. »Was ist dort draußen los?« »Ich weiß es nicht, Atlan. Sie haben uns nach kurzem Marsch durch die Felsen in ih re Siedlung gebracht. Alles armselige Hüt ten. Sie gaben mir etwas zu trinken und sperrten uns dann in dieses Loch. Ich wollte sie etwas fragen, oder mich zumindest ver ständlich machen, aber sie ließen nicht mit sich reden.« Ich dachte kurz nach.
40 »Vielleicht eine Stammesfehde? Ein be nachbarter Stamm könnte dieses Dorf ange griffen haben.« Ich hörte das Prasseln von Flammen. Der Widerschein eines Feuers drang durch die Bodenritze der schmalen Tür hindurch. Es roch auf einmal verbrannt. Etwas krachte auf die Erde. Es schepper te, als würden mehrere Tonkrüge zersplit tern. Befehle wurden gegeben. Säbel rassel ten. Ich hörte sogar das Weinen von Kin dern. Ich wollte die Tür aufbrechen, doch Crys algira hielt mich zurück. »Das nächste Mal werden sie dich töten, Atlan. Du hast mehr Glück als Verstand ge habt, daß sie es nicht schon beim erstenmal getan haben.« »Soll ich hier warten, bis sie uns das Dach über dem Kopf anzünden? Wer weiß, was dort draußen vor sich geht.« Dicht vor unserem Gefängnis schrie ein Mann laut auf, verstummte aber sofort wie der. Ich vernahm den dumpfen Fall eines Körpers. Es wurde mehrmals etwas geflü stert. Schade, daß ich die Sprache der Blau häutigen nicht verstand. Es hätte mir sehr geholfen. Plötzlich knirschte ein Riegel. Ich zog Crysalgira dicht an mich heran. Wir starrten angespannt atmend auf die Tür, als erwarteten wir den Leibhaftigen. Langsam öffnete sich die Tür. Qualm wurde hereingeweht. In unmittelbarer Ent fernung brannten mehrere Hütten. Im flackernden Schein der Flammen erkannte ich mehrere, Krieger, die schreiend vorbei liefen, ohne sich um uns zu kümmern. Ein junger Mann kam zu uns in die Hütte. Er blieb leicht vornübergebeugt stehen. Mei ne Anspannung ließ sofort nach. Ich wußte, daß wir von dem Fremden nichts zu be fürchten hatten. Er sagte etwas und hob sei ne rechte Hand. Ich tat dasselbe. Jetzt drehte er sich um und machte einen Wink. Ein junges Mädchen kam aus dem Schatten der Hütte und gesellte sich zu ihm.
Dirk Hess Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Dazu war es zu dunkel. Der junge Mann war von Kopf bis Fuß verdreckt. Seine Augen glänzten fiebrig. Er war abgemagert. Mehrere verkrustete Wun den auf seinen Armen zeugten davon, daß er noch vor kurzer Zeit gekämpft hatte. Jetzt deutete er auf sich und sagte »Papan«. Ich verstand ihn. Er hatte seinen Namen genannt. »Altan«, sagte ich und deutete auf mich. Dann zeigte ich auf Crysalgira und sprach langsam ihren Namen aus. Der junge Mann nickte erfreut und mach te uns mit seiner Begleiterin bekannt. »Ilistrik!« Das Mädchen war einmal sehr schön ge wesen. Doch jetzt war sie nur ein unglückli ches Abbild ihrer einstigen Schönheit. Ihre Haut hatte sich mehlig weiß verfärbt. Tiefe Ringe zogen sich um ihre Augen. Sie atmete flach und hektisch wie eine Kranke. Als ich die schreckliche Wunde über ih rem Herzen erkannte, wußte ich plötzlich, wen der junge Mann mitgebracht hatte. Crysalgira tat einen unterdrückten Schrei und umklammerte ängstlich meine Schulter. »Das Mädchen aus dem Sarkophag.« Ich nickte. Ich hatte sie auch wiederer kannt. »Sie ist es. Und ich ahne auch, wie das Unglaubliche geschehen konnte. Als mich die beiden Krieger an den Sarkophag dräng ten, verlor ich ein paar von den Lebenskü gelchen. Sie rollten über den Körper der Toten. Später hat sich die Wirkung der roten Körner voll entfaltet. Das Mädchen ist von den Toten auferstanden.« »Aber das ist doch Wahnsinn«, stammelte Crysalgira. Papan lächelte. Er deutete immer wieder auf Ilistrik und dann auf mich. Er wiederhol te dabei fortwährend dieselben Worte. An scheinend wollte er sich bei mir bedanken. Ilistrik stand ohne ein Wort zu sagen da. Sie wirkte wie eine Puppe, die ein Zauberer beseelt hatte. Ihr Blick war leblos und kalt.
Planet der Zombies Die Samenkörner haben sie zwar zum Le ben erweckt, gab mein Extrasinn zum be sten, aber sie haben ihren Geist nicht wieder regenerieren können. Sie war schon zu lan ge tot. Gespenstische Schemen huschten an den brennenden Hütten vorüber. Die Körper wirkten gedrungen und irgendwie verkrüp pelt. Ich merkte, wie Papan nervös zu ihnen hinüberschaute. Er schien die Angreifer zu fürchten. Einer von den Fremden blieb mitten im Lauf wie angewurzelt stehen. Er griff sich schreiend zur Brust. Ein Speerschaft ragte wippend aus seinem Körper. »Wir müssen hier schleunigst verschwin den«, schrie ich. Papan verstand mich, auch wenn wir bei de eine andere Sprache redeten. Er zog Ili strik zu sich. Sie folgte ihm widerspruchslos. Jetzt wies er in den finsteren Hintergrund. Weit hinter den brennenden Hütten ragten mächtige Felsen auf. Sie standen wie die Zinnen einer Zyklopenfestung in der Nacht. Dort sollten wir anscheinend einen Unter schlupf finden. Ich mußte diesem Papan vertrauen, ob ich wollte oder nicht. Mein Extrasinn riet mir: Vertraue ihm. Das Chaos im Dorf der Blauhäutigen hält nicht ewig an. Später gibt es für dich und Crysalgira keine Gelegenheit mehr zur Flucht. Überall lagen verbrannte Kleiderfetzen auf dem Boden. Teile von den brennenden Hütten säumten den Weg. Träge wälzten sich die Qualmwolken über die Körper der getöteten Angreifer. Fällt dir denn an den Fremden nichts auf? Mein Extrasinn wollte mich auf etwas ganz Bestimmtes hinweisen. Ich sah mir einen von den Fremden genauer an. Er sah ganz anders als die blauhäutigen Krieger aus. Sein Körper war mager und von schrecklichen Geschwüren entstellt. Unter seiner mehlig weißen Haut zeichneten sich schwarze Adern ab. Das Gesicht war furcht
41 bar. Papan zerrte mich gewaltsam von dem Toten weg. Sein Gesicht drückte Angst und Abscheu aus. Er machte abwehrende Ge sten. Vielleicht sind das Kranke, mutmaßte mein Extrasinn. Das könnten Seuchen träger sein, gegen die sich die Blauhäutigen zur Wehr setzen. Wenn mein Extrasinn recht hatte, befan den wir uns in Lebensgefahr. Die verunstal teten Kreaturen kamen aus allen Richtungen. Sie liefen zwischen den brennenden Hütten hindurch und krochen selbst unter den Ab sperrgittern zwischen den Laufgängen hin durch. Wir kamen an einem Zaun vorbei, der diesen Teil des Dorfes von einem Steilhang abgrenzte. Es war so tief, daß ich den Boden der Schlucht nicht sehen konnte. Weiter hin ten wurde anscheinend noch weiterge kämpft. Mehrere Fackeln flammten auf. Aber Genaueres vermochte ich nicht zu er kennen. Wir rückten enger zusammen. Links von uns fiel der Abhang steil in die Tiefe. Vor uns bildeten zwei Hütten einen schmalen Durchgang. Eine Hütte stand direkt neben dem Abgrund. Rechts brannten die Hütten lichterloh. Nach dort konnten wir nicht aus weichen. Plötzlich stieß Papan einen schrillen Ent setzensschrei aus. Drei grausige Gestalten versperrten uns den Weg. Sie streckten ihre langen, knochi gen Arme nach uns aus. Ihre Fingerspitzen endeten in messerscharfen Krallen. Damit konnten sie tödliche Schläge austeilen. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Als sie ihre dünnlippigen Münder öffneten, klang es, als würden Schlangen zischen. Kurzentschlossen hob ich ein brennendes Holzscheit vom Boden auf. Rechts von mir krachte das Dach einer brennenden Hütte zusammen. Funken sprühten herüber und versengten mir die Haare. »Hinter mir bleiben, Crysalgira! Wenn unser Freund nichts gegen diese Schreckens
42 gestalten unternimmt, werde ich uns den Weg freikämpfen.« Ich schlug ohne Warnung zu. Der erste Mißgestaltete brach ohne einen Laut zusam men. Die beiden anderen wichen zurück. »Das hat sie beeindruckt«, rief ich trium phierend. Papan schien seine Furcht überwunden zu haben. Er langte nach seinem Säbel und at tackierte tapfer die Unheimlichen. Als er einen von ihnen mit einem wuchti gen Hieb zu Boden streckte, ergriff der dritte die Flucht. Er verschwand im Funkenregen einer Hütte. Wir würden ihn niemals wieder sehen. Denn im gleichen Augenblick begrub ihn das einstürzende Dach unter sich. »Weiter«, rief ich Crysalgira zu. Wir ließen die brennenden Hütten hinter uns. Das Geschrei der kämpfenden Parteien verhallte in der Nacht. Ich konnte jetzt wie der deutlich das Hämmern und Klopfen in der Tiefe vernehmen. Ich hielt Papan am Arm fest und deutete auf den Boden. Er blickte mich fragend an. Ich machte ein paar langsame Klopfbewe gungen. Er nickte mit dem Kopf und grinste übers ganze Gesicht. Dann deutete er auf die mächtigen Felsen, die jetzt dicht vor uns la gen. »Dort soll ich mehr über den Ursprung dieser geheimnisvollen Geräusche erfah ren?« fragte ich zweifelnd. Ein steiler Pfad führte zwischen den Fel sen weiter nach oben. Wir mußten hinterein ander gehen, so eng war es. Wenn wir jetzt von oben angegriffen worden wären, hätten wir kaum eine Chance gehabt. Schließlich standen wir auf dem Gipfel der Felsenaufwölbung. Tagsüber hatte man hier bestimmt einen phantastischen Blick über die Ebene. Jetzt sah man nur düstere Schemen. Bis auf einen kreisrunden Krater, dessen Umrisse wie von Scheinwerfern angestrahlt aus der Finsternis leuchteten. »Das ist ja unglaublich«, stieß ich hervor. Papan lächelte. Er hatte meine Überra schung richtig gedeutet. Das hier war ein
Dirk Hess Phänomen, das niemals natürlichen Ur sprungs sein konnte. Crysalgira erblickte die Raumschiffe zu erst.
* Ich dämpfte ihren Optimismus sofort. »Damit können wir bestimmt nicht von Vruumys' Welt starten. Das sind Wracks. Sie liegen hier sicher schon ein paar tausend Jahre.« Crysalgira seufzte enttäuscht. Sie hatte sich schon vorgestellt, mit einem dieser Schiffe von diesem ungastlichen Planeten fliehen zu können. Nein, wir waren dazu verdammt, noch länger hier auszuharren. Plötzlich sah ich genauer hin. Dort unten hatte sich etwas bewegt. Dampf Schwaden wehten geisterhaft über dem Krater. Im gelblichen fluoreszierenden Qualm erkannte ich etwa zehn Gestalten. Es waren Mißgestaltete, die an den Kraterwän den hochkletterten. Sie wollten in das Dorf gelangen. Ob diese Kreaturen dort unten im Krater hausen, fragte ich mich. Das Rätsel war nicht kleiner, sondern eher noch größer geworden. An den Kraterwänden klebten mächtige Kuppelgebäude. Einige von ihnen waren völlig durchlöchert, andere wiederum schie nen noch intakt zu sein. Weiter unten lag noch ein Raumschiffswrack. Es handelte sich ebenfalls um eine zylindrische Kon struktion mit spitzen Seitenstabilisatoren. Vruumys' Schiff hatte so ähnlich ausgese hen. Geschwungene Metallstege führten in die Kratereinbrüche hinunter. Sie verschwanden in der Tiefe. An einigen Stellen standen klei ne Boden- und Kletterfahrzeuge. Die ganze Szene wurde von einem grellen Lichtschimmer ausgeleuchtet. In den Boden einbrüchen rumorte es. Das Klopfen und Hämmern kam direkt aus dem Krater. Es war aber ganz anders, als wie ich es von vul kanischen Landschaften her gewöhnt war.
Planet der Zombies Hier vermißte ich das dumpfe Grillen der unruhigen Erdschichten. Das Klopfen ließ eher auf zielgerichtete Aktivitäten schließen. Ein phantastischer Gedanke schoß mir durch den Kopf. Ob die Besitzer dieser Wracks noch im mer im Krater lebten und an ihrem Projekt arbeiteten? Wie soll das möglich sein, korrigierte mich mein Extrasinn. Sieh dir die Schiffe an. Sie sind viel zu alt. Dort unten lebt keiner mehr von den ehemaligen Besatzungen. Eher könnten die blauhäutigen Bergbewoh ner Nachkommen dieser Kraterbewohner sein. Hier hatte jedenfalls ein unglaublicher Einsatz an technischem Material stattgefun den. Eine raumfahrende Rasse hatte einen riesigen Aufwand getrieben, um irgend et was aus dem Boden zu holen. »Was hältst du davon, Crysalgira?« Die arkonidische Prinzessin zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht den blassesten Schimmer, Atlan. Aber eins steht für mich fest. Das ist nie und nimmer ein Vulkankrater.« Das stimmte! Erstens waren die Boden höhlungen viel zu regelmäßig angeordnet. Ein Magmaausbruch hätte sie nicht auf diese Weise entstehen lassen. Und zweitens stammte das grelle Leuchten aus der Tiefe bestimmt nicht von glutflüssiger Lava her. Das erinnerte mich eher an das Glühen eines mächtigen Raumschiffskonverters. »Das Ganze könnte eine gigantische Bau stelle sein«, meinte Crysalgira. »Oder eine archäologische Ausgrabungs stätte. Ich habe mal einen ausgeplünderten Planeten gesehen. Das sah ganz ähnlich aus wie hier. Die Plünderer hatten Wind davon bekommen, daß auf Mizota-IV intelligente Wesen zu Hause gewesen waren. Um sich an ihrem Erbe zu bereichern, sind viele Pira tenschiffe gestartet. Ihre Besatzungen haben den Planeten geplündert. Sie haben versun kene Städte offengelegt. Jeder einzelne Fundort glich diesem Krater hier bis aufs Haar.«
43 Papan war unserer Unterhaltung neugierig gefolgt. Er konnte uns zwar nicht verstehen, ahnte aber, daß wir uns die Köpfe über den Krater dort unten zerbrachen. Crysalgira deutete meine Unruhe richtig. »Du meinst, wir sind hier auf ein großes Geheimnis gestoßen, nicht wahr? Und du willst es unbedingt enträtseln.« »Ja, Crysalgira. Allem Anschein nach ha ben die fremden Raumfahrer wenig Erfolg bei ihrer Suche gehabt. Es sieht nicht so aus, als wären sie zum Ziel gekommen. Ihre Kuppeln sind beschädigt. Ihre Raumschiffe verrotten ohne Wartung am Boden.« Die technischen Gerätschaften waren über den gesamten Kraterboden verstreut. Nichts deutete auf eine Flucht der Fremden hin. Ih re Schiffe waren ja auch gar nicht gestartet. »Was könnte die Fremden daran gehin dert haben, wieder von hier zu verschwin den?« fragte Crysalgira folgerichtig. »Zweierlei«, begann ich nachdenklich. »Sie sind hiergeblieben, weil sie hofften, doch noch an das gesuchte Objekt heranzu kommen. Oder aber sie wurden festgehal ten.« Crysalgira zog die Augenbrauen kraus. »Was meinst du damit?« »Ganz einfach«, erwiderte ich. »Eine ge heimnisvolle Kraft, die mit dem gesuchten Gegenstand zusammenhängt, hat sie an der weiteren Arbeit und am Start gehindert. Ich denke da an eine Totalamnesie. Sie wußten nicht mehr, daß sie mit Raumschiffen herge kommen waren, um ein Geheimnis zu ent rätseln.« »Das setzt voraus, daß Papan und seine Begleiterin Nachkommen jener Raumfahrer sind, die diesen Krater aufgeschüttet haben.« »Ja, Crysalgira! So etwa könnte es gewe sen sein. Das Erbe ihrer Vergangenheit lebt höchstens noch in den Geschichten ihrer Priester fort. Die Wahrheit haben sie längst vergessen. Aus den Raumfahrern ist ein Stamm primitiver Bergjäger geworden. Und wenn ich an die Sarkophage weiter unten denke, haben wir den Beweis, daß sie auf ei ne sehr tiefe Stufe gesunken sind. Nur kultu
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rell tiefstehende Naturvölker opfern ihre ei genen Artgenossen den Göttern.« »Aber wie könnte die Kraft aussehen, die eine solche Veränderung bewirkt hat?« Ich hob die Schultern an und machte ein ratloses Gesicht. »Keine Ahnung, Crysalgira. Aber ich werde es herausfinden. Du bleibst bei den beiden, während ich mich im Krater ein biß chen umsehe. Wenn es gefährlich werden sollte, können sie dir am besten weiterhel fen. Sie wissen hier Bescheid. Ich wäre euch nur hinderlich.« Anfänglich sträubte sich Crysalgira gegen mein Vorhaben. Aber schließlich sah sie ein, daß ich mich nicht davon abbringen lassen würde. Ich machte Papan klar, daß ich in den Krater hinuntersteigen wollte. Als er mich verstanden hatte, machte er heftige Abwehrbewegungen. Ich grinste den Blauhäutigen zuversicht lich an. Schließlich sah er ein, daß ich mir keine Angst machen ließ. Er deutete zuerst auf seinen Säbel, dann auf Crysalgira. Das hieß soviel wie: Du brauchst dir keine Sor gen um die Frau zu machen. Ich werde sie beschützen. »Paß auf dich auf, Atlan«, rief Crysalgira. »Wir werden uns wiedersehen. Ich kom me ganz bestimmt wieder zurück.« Hinter den Felsen ging die Sonne auf. Ihre Strahlen überschütteten das weite Land mit seinen Lichtschauern. Die Qualmwolken der Nacht wurden vertrieben. Auch das Geschrei der Kämpfenden verstummte. Eine friedvol le Stille breitete sich aus. Sogar das Häm mern und Klopfen in der Tiefe war ver stummt.
7. Bei meinem Abstieg war mir kein einzi ges lebendiges Wesen begegnet. An mehre ren Stellen lagen jene mißgestalteten Krea turen. Sie waren entweder beim Ausstieg aus dem Krater umgekommen, oder aber im Kampf mit den Blauhäutigen gestorben. Sie gehören ein und derselben Rasse an,
stellte mein Extrasinn fest. Sie leben nur in verschiedenen Regionen. Es ist nicht ausge schlossen, daß die Mißgestalteten ihre Be hausungen tief unter der Erdoberfläche ha ben. Sie sehen wie Lebewesen aus, die das Sonnenlicht meiden. Vielleicht hatten die Unheimlichen tief unten im Krater ihre Höhlen. Ich würde sehr vorsichtig sein müssen, je tiefer ich hinun terkam. Auf einmal war auch wieder das Hämmern und Klopfen da. Es ließ manch mal die Kraterwände erbeben und kam wummernd aus den tiefen Einbrüchen. Hel ler Lichtschein drang geisterhaft herauf. Dampfschwaden begleiteten den merkwür digen Vorgang. Dicht vor mir ragte eine riesige Kuppel auf, deren Seitenfläche wie von einer Gigan tenfaust zerschmettert war. Die Stützverstre bungen ragten aus den Löchern der Kuppel decke in den gelben Himmel. Breite Risse zogen sich quer über die gesamte Wölbung. Ich zwängte mich durch einen solchen Riß ins Innere der ersten Kuppel. Das Bau werk war schräg in die Kraterwand getrie ben worden. Mit einem Ende steckte es di rekt im Erdreich. Im Innern stapelten sich Maschinen blöcke, Lastenkräne und Ersatzteile für Bohrmaschinen. Alles war von einem dicken Staubmantel bedeckt. Hier war seit vielen hundert Jahren nichts mehr angerührt wor den. Meine Schritte klangen hohl. Staub wir belte auf. Ich räusperte mich, und der Ton wurde mehrfach als Echo zurückgeworfen. Es klang unheimlich. Irgendwo raschelte et was. Ich drehte mich um, aber da war nie mand zu sehen. Eine unheimliche Stimmung ergriff Besitz von mir. Es war, als müßte ich mit dem Erscheinen eines schrecklichen Dä mons rechnen. Aber außer mir hielt sich kein lebendiges Wesen in der Kuppel auf. Es waren auch nirgendwo Spuren im Staub zu erkennen. Das beruhigte mich ein wenig. Denn insge heim hatte ich befürchtet, jene mißgestalte ten Wesen in den Kuppeln anzutreffen. Die
Planet der Zombies schienen sich jedoch bei Tagesanbruch in ih re Schlupfwinkel zurückgezogen zu haben. Vorsichtig wischte ich den Staub von ei nem kantigen Metallblock. Es kamen Kon trollverglasungen zum Vorschein. Fremdar tige Schriftzeichen bedeckten die Tafel. Dann spürte ich unter den Fingerspitzen die Vertiefungen von Schalttasten. Hastig beseitigte ich den restlichen Staub von der Konsole. Die Programmierungseinheit für positro nische Meßsonden, meinte mein Extrasinn. Von hier aus wurden die Ausgrabungsarbei ten überwacht und gesteuert. Wenn ich gedacht hatte, hier mehr über den Sinn und Zweck der Arbeiten zu erfah ren, wurde ich enttäuscht. Die Maschinen gaben ihr Geheimnis nicht preis. Größten teils waren sie so verrottet, daß man ihre Funktion nicht mehr feststellen konnte. Ich war genauso schlau wie vorher. In der anderen Kuppelhälfte erregte eine breite Piste meine Neugier. Die Rampe zog sich bis zu einem geöffneten Tor hinüber. An ihren Seiten standen kleinere Maschinen, die mit Plastiktüchern abgedeckt waren. Sie waren knapp mannshoch und etwa drei Me ter lang. Die Plastiktücher knisterten, als ich sie berührte. Mit einem Ruck riß ich sie herun ter. Der Anblick des zum Vorschein kom menden Geräts verschlug mir den Atem. Es handelte sich um ein Kettenfahrzeug. Es war anderthalb Meter breit und offen sichtlich für nur einen Fahrgast konzipiert worden. Man saß unter einer durchsichtigen Abdeckhaube. Die Bedienungselemente wa ren übersichtlich angeordnet. Ein Steuer knüppel und unten am Boden drei Tretpeda le. Die Anzeigeinstrumente ließen darauf schließen, daß das Fahrzeug auch auf auto matische Steuerung umzuschalten war. Ich schwang mich auf den Fahrersitz und ergriff den Steuerknüppel. Die Maße stimmen, wisperte mein Extra sinn. Die fremden Raumfahrer besaßen ar konidische Körperformen. Das war ein Indiz mehr für die Vermu
45 tung, die blauhäutigen Bergbewohner wür den in direkter Linie von den Raumfahrern abstammen. Das Kettenfahrzeug rührte sich nicht von der Stelle. Ich rüttelte am Steuerknüppel, trat die Pedale nieder und drückte ein paar klei ne Knöpfe ein. Es passierte überhaupt nichts. Beim nächsten Fahrzeug verhielt es sich nicht anders. Erst beim fünften hatte ich mehr Glück. Kaum hatte ich mich auf den schmalen Schalensessel gehockt, als ein Vibrieren durch die Maschine ging. Irgendwo rasselte ein Aggregat. Anscheinend mußte Staub an die empfindlichen Teile gekommen sein. Ich drückte langsam das erste Pedal nie der. Die Wirkung war umwerfend. Ich wurde völlig durchgeschüttelt. Das Fahrzeug bock te wie ein Reittier. Ich stieß mehrmals un sanft mit der Stirn gegen die Sichtscheibe. Dann speilte sich das Motorengeräusch zu einem gleichmäßigen Summen ein. Die Ket tenbänder drehten sich langsam. Je stärker ich auf die ersten Pedale trat, desto schneller bewegten sie sich. Auf ein mal raste mein Fahrzeug blitzschnell im Kreis herum. Mir wurde schwindlig, bevor ich herausfand, wie man mit dem Ding um zugehen hatte. Die Richtung wurde durch ein Auf- und Niederdrücken des Steuerhe bels gewählt. Man konnte Kurven, Steigun gen und Abfahrten damit bewältigen. Ich fand sehr schnell heraus, daß die Funktionen äußerst einfach gehalten waren. Mit Volldampf raste ich aus der Kuppel heraus. Draußen wirbelte ich eine riesige Staub wolke auf. Trümmerstücke wurden von den Kettenbändern erfaßt und beiseite geschleu dert. Der. Motor heulte jedesmal laut auf. Als es plötzlich steil in die Tiefe ging, merk te ich erst, zu welchen akrobatischen Lei stungen meine Neuerwerbung überhaupt fä hig war. Die Kettenbänder paßten sich dem Unter grund an. Selbst Bodenunebenheiten ließen
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sich risikolos überwinden. Egal, ob ich Erd spalten oder eine Geröllhalde voller Ge steinsbrocken überfahren wollte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, daß mich das Ketten fahrzeug sogar sicher an der steilen Krater wand hochbringen würde. Wenn die Batterieleistung solange anhält, meinte mein Extrasinn sarkastisch. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Ich ratterte genau auf ein metallisch schim merndes Band zu, das in ein Erdloch führte. Gelbe Dämpfe stiegen aus der Öffnung ins Freie. Das Hämmern und Pochen aus der Tiefe klang jetzt deutlicher als jemals zuvor an mein Ohr. Wenig später hatte mich das Fahrzeug ins Innere des geheimnisvollen Kraters trans portiert. Die Unterwelt zog mich in ihren Bann.
* Die Bohrung war etwa zehn Meter breit. An ihren regelmäßig geformten Wänden führen schmale Metallstege in die Tiefe. Sie wanden sich wie Wendeltreppen hinunter. Seitlich waren sie fest mit der Felswand ver schweißt worden. Mein Fahrzeug ließ sich kinderleicht in die Tiefe steuern. Es war überhaupt nicht an strengend. Die Kettenbänder machten jede Bewegung meiner Hand mit, die vom Steu erknüppel durch ein kompliziertes elektroni sches System übertragen wurden. Ich war mindestens hundert Meter weit unter der Oberfläche des Kraterbodens, als der erste Dampfausbruch erfolgte. Er kam so plötzlich, daß ich davon völlig überrascht wurde. Aus unzähligen Ritzen und Löchern schossen Dampfsäulen. Das gelbliche Wirbeln umgab den Metall steg, auf dem ich in die Tiefe vordrang, wälzte sich dann träge über die Bodenfläche und stieg in mächtigen Schwaden aus dem Bohrloch nach oben. Ich begann zu husten. Da ich den Steuer knüppel festhielt, übertrug sich mein Keu-
chen auf den Antrieb. Ich wurde jedesmal hochgeschleudert. Meine Augen tränten. Das gelbe Zeug setzte sich in meinen Bron chien fest. Es schmeckte schweflig. Plötzlich verschwamm mir alles vor den Augen. Ich sah die Schachtwände auf mich zukommen und nahm geistesgegenwärtig den Fuß vom Pedal. Das Fahrzeug blieb ruckhaft stehen, rutschte dann aber ganz langsam weiter in die Tiefe. Die Dämpfe betäuben dich, warnte mich mein Extrasinn. Ich sah die merkwürdigsten Gestalten vor mir auftauchen und wieder verschwinden. Es war ein teuflischer Reigen, der mich ge fangennahm. Ich vergaß, wer ich war und was ich hier suchte. Benommen tastete ich über mehrere klei ne Drucktasten, die dicht unter dem Steuer knüppel aus dem Schaltpult ragten. Plötzlich machte das Kettenfahrzeug einen Riesen satz. Der Antrieb heulte auf, und die Ketten bänder rasselten. Ich wurde tief in den Scha lensitz gepreßt und bekam kaum noch Luft. Die Schachtwand kam rasend schnell auf mich zu. Ich riß den Arm hoch, um mein Gesicht vor dem unweigerlich folgenden Aufprall zu schützen. Doch es geschah nichts dergleichen. Das Kettenfahrzeug ruckte auf der Stelle herum und schoß mit Höchstgeschwindigkeit über das Band in die Tiefe. Das ging so schnell, daß ich den Ein druck erhielt, in einem Karussell zu sitzen. Ich hatte anscheinend gegen einen Schal ter getippt, der die Selbststeuerung des Fahr zeugs auslöste. Das war im Grunde das Be ste, was mir in meiner Lage passieren konn te. Ich war von den schwefligen Dämpfen so betäubt worden, daß ich zu keiner logischen Handlung mehr fähig war. Ich hatte über haupt kein Gefühl mehr in Armen und Bei nen. Das Blut stieg mir in den Kopf. Ich zit terte unkontrolliert. Immer wieder schossen Dampfschwaden in das Innere meines Fahrzeugs. Die Sicht kuppel ließ sich nicht völlig abdichten. Selbst wenn das möglich gewesen wäre, hät te ich es in meinem Zustand nicht mehr aus
Planet der Zombies führen können. Die stinkenden Schwaden setzten sich in meinen Lungen fest. Jedes mal, wenn ein neuer Dampfstoß erfolgte, dröhnte es dumpf durch die Felsen. Ich weiß nicht, wie lange die Höllenfahrt dauerte. Es können ein paar Minuten gewe sen sein. Genau so gut aber auch eine Stun de. Plötzlich senkte sich das Metallband schräg abwärts und endete in einem ovalen Raum. Die Decke bestand aus einem waben förmigen Metall. Lauter kleine Öffnungen ließen den betäubenden Dampf durch. Ich war in einer höllischen Waschküche gelan det. Es war ziemlich heiß hier unten. Ich be saß kaum noch einen trockenen Fetzen am Leib. Jetzt ging die Fahrt durch eine Querröhre tief in den Preisen hinein. Das Hämmern hatte eine ohrenbetäubende Stärke erreicht. Bei jedem Schlag zitterte der Untergrund. Man konnte das Gefühl haben, diese Schlä ge hoben einen mächtigen Deckel an, unter dem das betäubende Zeug kochte. Und mit jedem Schlag entwichen die gefährlichen Dämpfe nach oben. Eine Metallkonstruktion stoppte das Fahr zeug abrupt ab. Ich wurde nach vorn geris sen und stieß schmerzhaft mit dem Kopf ge gen die Scheibe. Blut lief mir in die Augen winkel. Aber seltsamerweise verspürte ich überhaupt keine Schmerzen. Mein Extrasinn meldete sich nicht mehr. Als ich wieder einigermaßen klar sehen konnte, hatten sich die schwefligen Dämpfe verzogen. Es war zwar immer noch stickig heiß, aber ich fing an, meine Umgebung wieder wahrzunehmen. Ein Bohrgerüst hatte sich mit den Gang wänden verkeilt. Die Leitungen waren vor sehr langer Zeit in einem Kurzschluß zusam mengeschmolzen. An eine Beseitigung des Hindernisses war nicht zu denken. Dazu fehlten mir die nötigen Geräte. Und um das stählerne Gestänge zu durchbrechen, reich ten die Kräfte des Kettenfahrzeuges nicht aus. Ich schaltete den summenden Antrieb aus
47 und verließ die Steuerkapsel. Der Boden knirschte. Unzählige glasähn liche Splitter bedeckten den Gang. Zäher Nebel kroch über den Boden. Vorsichtig kroch ich durch das Gestänge. Der mächtige Bohrer schimmerte in seinen Windungen. Er war unversehrt. Aber er wür de sich niemals wieder bewegen. Sämtliche Energiezuleitungen waren unterbrochen. Weiter hinten war es schon schwieriger, sich den Weg durch den Gang zu bahnen. Zahlreiche Einbrüche bewiesen mir, daß der Untergrund arbeitete. Immer wieder rieselte Sand von der Decke. Plötzlich zuckte ich zusammen. Vor mir tauchte plötzlich der Schatten eines auf rechtgehenden Wesens auf. Ich preßte mich eng an die Gangwand und kauerte mich nie der. Nachdem ich in die Hocke gegangen war, konnte ich den Fremden deutlich erken nen. Er war hochgewachsen und schlank. Seine blaue Haut war mit wertvollem Zierrat bedeckt. Das Eindrucksvollste war eine gol dene Krone, die aus dem Schädel eines Blauhäutigen angefertigt worden war. Glit zernde Bergkristalle bildeten einen Gürtel. In der Hand hielt der Fremde einen Fetisch. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich langsam um. Seine leuchtenden Augen wa ren genau auf die Stelle gerichtet, an der ich in Deckung gegangen war.
* Ich fühlte, wie mir das Herz bis zum Hals schlug. Ich wußte ja nicht, daß der Blauhäu tige allein war. Er konnte eine ganze Krie gerschar in den Krater geführt haben. Wenn er mich entdeckte, würden sie alle über mich herfallen. Aber es passierte überhaupt nichts. Der Blauhäutige machte eine schroffe Be wegung mit dem Fetisch, dessen Spitze glühte. Anscheinend Wollte er damit böse Geister verscheuchen, die seinem Glauben nach den Untergrund bevölkerten. Er ging langsam tiefer in den Schacht hin ein. Dabei vermied er es, in die kleinen Ni
48 schen und Ritzen zu sehen. Er ging zielstre big weiter. So, als würde er sich hier unten bestens auskennen. Ich folgte dem Mann. Dabei blieb ich im mer in sicherem Abstand hinter ihm. Selbst, wenn er sich umdrehte, konnte er mich nicht sehen. Ich hielt mich immer in den Schatten der Felsen. Als der Gang einen scharfen Knick nach rechts machte, wußte ich, daß der Blauhäuti ge am Ziel war. Das! Hämmern war jetzt so laut geworden, daß ich keine Rücksicht mehr; auf irgendwelche Geräusche zu neh men brauchte. Das Pochen übertönte sogar das Poltern eines Steinbrockens, der sich ne ben mir aus der Wand löste und durch den Gang rollte. Ein goldener Lichtschein erfüllte die Höh lung. Es war so hell wie draußen im Mit tagssonnenschein. Die Wände schimmerten wie glutflüssiges Erz. Jede Spalte wurde ausgeleuchtet. Je länger ich in das Leuchten und Gleißen starrte, desto mehr schmerzten mir die Augen. Fasziniert verfolgte ich das Treiben des Fremden. Am Ende des Ganges strahlte eine völlig ebenmäßige Substanz aus den Felslöchern. Rechts hinten führte der Gang weiter. Auch dort strahlte die Substanz aus den Wandöff nungen. Das Zeug schien eine unglaublich große Fläche auszufüllen. Plötzlich wußte ich, daß alle Bemühungen der fremden Raumfahrer dieser Substanz gegolten hatten. Die Bohrlö cher endeten an den schimmernden Flächen. Es war nicht gelungen, sie an irgendeiner Stelle abzuspalten. Sie bestand aus einem Guß. Ich kannte kein Material, das diese Ei genschaften besaß. Die verrücktesten Überlegungen schossen mir durch den Kopf. Ich dachte an ein abgestürztes Superraum schiff, das infolge der reagierenden Stütz massenvorräte eine Materieumwandlung mitgemacht hatte. Das Resultat war nach vielen Jahren diese leuchtende Substanz ge wesen.
Dirk Hess Ich verwarf diese Möglichkeit wieder. Es gingen anscheinend keine negativen Strah lungswerte davon aus. Sonst hätte es Muta tionen unter den Blauhäutigen gegeben. Ich hätte beinahe den Fremden vergessen, der sich vor der leuchtenden Wand zu schaf fen machte. Er war niedergekniet und erhob andächtig beide Arme. Der Fetisch lag ne ben ihm auf dem Boden. Jetzt verneigte er sich. Gesang wurde laut. Er stammte aus der Kehle des Blauhäutigen. Die leuchtende Substanz vervielfachte die Töne und warf sie als einen vielstimmigen Chor durch den Gang zurück. Das Hämmern und Pochen war leiser ge worden. Es war jetzt nur noch ganz schwach hörbar. Auch die Dampfentwicklung hielt sich in Grenzen. Dafür hatte ich das Gefühl, die Hitze würde ständig ansteigen. Wie bei einem Dampfkessel, der unter Druck stand. Einmal würde sich die Kraft entladen. Ich hoffte, daß ich dann weit von hier entfernt sein würde. Plötzlich lösten sich winzige Brocken aus der schimmernden Substanz. Sie rollten wie Glasperlen über den Boden. Im gleichen Au genblick war das Hämmern und Pochen wie der da. Der Blauhäutige beendete seinen Ge sang und stand auf. Ich sah genau, wie er nach seinem Fetisch griff. Er löste den schimmernden Stein und stieß die Haltevorrichtung gegen einen von den gerade herausgebrochenen Brocken. Er verband sich nahtlos mit dem Fetisch. Zu frieden grinsend richtete sich der Blauhäuti ge auf. Er blickte ein letztes Mal auf die schimmernde Substanz, darin drehte er sich um. Er beschleunigte seine Schritte. Er kam rasch näher, so daß ich nicht mehr in die ge genüberliegende Wandnische springen konnte. Ich duckte mich tief hinter den Fels brocken, der mir am nächsten stand. Der Blauhäutige ging an mir vorüber, ohne mich gesehen zu haben. Er schien viel zu sehr mit seinem leuchtenden Fetisch beschäftigt zu sein, den er mehrmals von sich streckte. Knallende Entladungen lösten sich von dem
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Material. Ich hatte keine Ahnung, was er damit vor hatte.
* Unter mir hatte es neue Dampfausbrüche gegeben. Anscheinend wußte der Blauhäutige ganz genau, wie man den betäubenden Schwaden entkommen konnte. Er kletterte durch schmale Schächte, überquerte Felsbrücken und schwang sich über mächtige Felseinbrü che. Schließlich war kaum noch etwas von den gefährlichen Dämpfen zu spüren. Dafür wurde es immer finsterer. Ich konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen. Plötzlich flammte unweit von mir ein Licht auf. Er hat sich eine Fackel angesteckt, mel dete sich mein Extrasinn nach längerem Schweigen zum ersten Mal wieder. Ich stolperte weiter durch den finsteren, schräg nach oben führenden Gang. Das flackernde Licht entfernte sich langsam. Der Blauhäutige war schneller als ich. Er kannte sich hier aus. Das war sein Vorteil. Von oben her kamen laute Stimmen. Er hat sich mit anderen getroffen, dachte ich bestürzt. Das bedeutete, daß ich jetzt noch vorsichtiger sein mußte. Nicht nur, daß ich auf den Boden achten mußte. Nein, ich mußte damit rechnen, jederzeit in die Falle der blauhäutigen Krieger zu laufen. Er hat keine Freunde getroffen, signali sierte mir mein Extrasinn. Er kämpft. Ich lief gebückt weiter. Plötzlich stieß ich gegen einen Körper. Vor Schreck wich ich ein paar Schritte zurück. Ich versuchte, mit den Augen die Finsternis zu durchdringen. Aber ich sah nichts. Ein ekelhafter Gestank erfüllte den Gang. Es roch nach Verwesung. Womöglich lag der Tote schon lange hier unten. Ich drückte mich ganz eng an die Wand heran. Schließlich war ich an dem Toten vorbei. Ich stieg weiter hoch. Wenig später
spürte ich, daß der Untergrund bearbeitet worden war. Man hatte den Felsen geglättet und schmale Stufen eingearbeitet. Die Luft war feucht und abgestanden. Ir gendwo tropfte Wasser von der Decke. Der Boden war glitschig, und ich mußte aufpas sen, daß ich nicht ausrutschte. Unmittelbar vor mir schrie der Blauhäuti ge laut auf. Irgend etwas polterte schwer auf den Boden. Dann erklang ein unheimliches Zischen. Ich mußte unwillkürlich an riesige Schlangen denken, die in den feuchten Gän gen ihr Unwesen trieben. Das Zischen gei sterte erneut durch die Dunkelheit. Ich glaubte, das Blut müsse mir in den Adern gefrieren. Ich ging trotzdem weiter. Der Gang stieg jetzt nicht weiter an. Er verlief in der Waa gerechten und verbreiterte sich auf etwa zwanzig Meter. An den Decken tauchten mehrere Durch brüche auf, aus denen schwacher Licht schein drang. Ich konnte jetzt wenigstens se hen, wohin ich lief. Das beruhigte mich ein wenig, konnte jedoch meine Unruhe nicht legen. Wieder ließ mich ein Schrei des Fremden zusammenzucken. Ich blickte hoch. Zwei Meter über mir gähnte eine Öffnung in der Gangwand. Flackernder Lichtschein leuchtete die Decke reliefartig aus. Der Blauhäutige befindet sich auf der an deren Seite der Gangwand, ging es mir durch den Kopf. Er hat einen anderen Weg genommen. Und dort muß er irgend jeman den in die Quere gekommen sein. Ich über legte nicht lange, sondern kletterte an der Wand hoch und schob mich mit dem Ellen bogen in die Öffnung. Ich atmete überrascht aus, als ich der Sze ne gewahr wurde, die sich dicht unter mir abspielte. Der Blauhäutige wurde von etwa zehn furchterregenden Kreaturen umringt. Es handelte sich um die mißgestalteten Ge schöpfe, die letzte Nacht das Dorf der Berg bewohner heimgesucht hatten. Sie umring
50 ten den Mann und kamen immer näher. Ihre Klauen waren gierig vorgestreckt. Das Zi schen drang aus ihren Mündern. Der Blauhäutige ließ seine Stimme noch einmal ertönen. Es klang wie eine Warnung. Aber die Unheimlichen kümmerten sich überhaupt nicht darum. Sie schlossen ihren Ring enger um den einsamen Kämpfer, der in der Linken eine Fackel und in der Rech ten den leuchtenden Fetisch hielt. Sie mußten ihn gleich zu Boden gerissen haben, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes eintraf. Ich war einen Moment lang fest ent schlossen, dem Mann zu helfen. Wenig später war ich froh, daß ich meine Deckung nicht verlassen hatte. Das wäre mir auch schlecht bekommen. Der Blauhäutige stieß schrille Schreie aus. Seine Linke ruckte blitzschnell vor und stieß einem Mißgestalteten die Fackel vor die Brust. In das Zischen der anderen mischte sich das Gurgeln des Zusammenbrechenden. Die Lücke wurde von einem nachrückenden Gegner sofort wieder geschlossen. Atemlos verfolgte ich von meinem Guck loch aus das weitere Geschehen. Plötzlich wurde der Höhlenraum von ei nem grellen Leuchten erhellt. Schreie des Entsetzens schrillten durch das Gewölbe. Es roch auf einmal nach ver branntem Fleisch. Ich rieb mir die Augen. Der Anblick war so schrecklich, daß ich unbewußt tiefer in Deckung ging. Der Blauhäutige besaß eine furchtbare Waffe. Ich war froh, daß ich ihm nicht zu Hilfe geeilt war. Er war nämlich durchaus in der Lage, sich allein gegen die Mißgestalteten zur Wehr zu setzen. Er berührte mit der Spitze seines aufblit zenden Fetischs den ersten Mißgestalteten. Im gleichen Augenblick zuckte es grell auf. Die unheimliche Glut fraß sich durch die Körper der Angreifer. Nach wenigen Augen blicken lagen die ersten am Boden und wan den sich in verzweifelten Zuckungen. Kurze Zeit später erstarben ihre Bewegungen. Sie sahen jetzt wie ausgelaugte Mumien aus.
Dirk Hess Ich erschauerte, als der Blauhäutige die letzten Mißgestalteten niederstreckte. Diese armen Kreaturen waren mir zwar höchst zu wider, aber ein solches Ende hätte ich selbst meinem ärgsten Feind Orbanaschol nicht ge wünscht. Der gefährliche Fetisch war eine Waffe. Und was für eine, ging es mir durch den Kopf. Der Blauhäutige war nur aus diesem Grund in die Tiefe des Kraters hinabgestie gen. Er hatte sich einen neuen Brocken von der schimmernden Substanz geholt. Ich wußte jetzt auch, daß ich es mit einer hoch gestellten Persönlichkeit aus dem Stamm der Bergbewohner zu tun hatte. Seine Macht be zog der Mann aus der Wirkung des Fetischs. Ich sah, wie er die Toten keines Blickes mehr würdigte. Er stieg zahlreiche Stufen hinab. Der Fackelschein geisterte über die feuchten Wände. Ich konnte von hier oben alles weitere bestens mitverfolgen. Noch ein paarmal attackierten die Mißgestalteten den hochgewachsenen Mann. Sie erlitten alle samt das gleiche Ende wie ihre Artgenossen weiter oben. Ganz unten knarrte ein schweres Eisentor in den Angeln. Es krachte dumpf, als es in die Fassung glitt. Dann schlug ein Riegel in seine Halterung. Sekundenlang war es toten still. Dann gellte das Lachen des Blauhäuti gen durch das Gewölbe. Er kam langsam wieder zurück. Er lachte noch, als er dicht unter mir vorbeiging. Wenig später ver schwand der Lichtschein seiner Fackel in der Ferne. Ich ließ mich auf der anderen Seite auf den Boden gleiten. Ich brauchte ihm nur zu folgen, wenn ich an die Oberfläche zurück kehren wollte. Er würde mir den Weg wei sen. Ich wußte jetzt, daß die Mißgestalteten tatsächlich zu einer Gruppe von Planetariern gehörten, die tief unter der Erde ein küm merliches Dasein fristeten. Ob es Seuchen opfer, Mutanten oder Ausgestoßene waren, konnte ich nicht feststellen. Vermutlich wür de ich den Schleier des Geheimnisses nie mals lüften, der über ihrem Schicksal lag.
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Nach einer knappen Stunde hatte ich den Ausgang erreicht. Vor mir versperrte ein Tor den Weg ins Freie. Ich atmete frische Luft ein. Eine Wohltat nach dem langen Umher irren in der Tiefe. Das machte mich unvor sichtig. Als ich das Tor aufstieß, blendete mich grelles Sonnelicht. Nach wenigen Sekunden ließ das Flim mern auf meinen Netzhäuten nach. Das er ste, was ich sehen konnte, war die hochge wachsene Gestalt des Blauhäutigen. Seine unheimliche Krone leuchtete. Er sah mich verächtlich grinsend an und hob seinen ge fährlichen Fetisch. Das Ding deutete genau auf mein Gesicht.
* Ich wollte nicht sterben. Aber was sollte ich gegen den Fremden unternehmen? Plötzlich ging ein Zischen durch die Luft. Heiseres Fauchen folgte. Ein Schwall heißer Luft kam hinterher. Das Lachen des Blauhäutigen verlor sich, denn der Mann hatte aufgehört zu existieren. Er verschwand von einer Sekunde zur ande ren von der Bildfläche. Das einzige, was von ihm übrigblieb, war der geheimnisvolle Fe tisch. Das Ding lag in einem verwehenden Aschehäufchen. »Atlan!« Ich blickte überrascht auf. Vor mir er streckte sich der weite Platz. Ganz hinten ragten die Sarkophage auf, in denen die Blu topfer ruhten. Und da stand noch etwas. Ein hellrotes, stromlinienförmiges Objekt. Es stand auf vier mächtigen Heckflossen. Plötzlich raste mein Herz vor Freude. »Ein Raumschiff«, hörte ich mich schrei en. »Ein Raumschiff!« Crysalgira lief mir entgegen. Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Es sind Tejonther, Atlan! Sie sind vorhin überraschend hier gelandet. Das Ende von Vruumys' Raumschiff hat sie alarmiert. Ein automatischer Notruf, verstehst du?« Ich verstand überhaupt nichts mehr. Crysalgira lachte laut auf, als sie mein
verdutztes Gesicht erblickte. Die blauhäutigen Bergbewohner hielten sich in sicherem Abstand zu uns. Sie beob achteten uns jedoch aufmerksam, machten aber keine Anstalten, näherzukommen. Auch Papan und Ilistrik standen am Rand des großen Platzes. Das Mädchen hatte den Kopf gesenkt und stand leblos wie eine aus Stein gemeißelte Statue da. Aus dem quadratischen Schott des Raum schiffes stiegen zwei bepelzte Raumfahrer. Sie trugen blaue Kombinationen. Aus dem selben Material waren die Kombinationen hergestellt worden, die Crysalgira und ich in Vruumys' Nachlaß gefunden hatten. Ich wußte sofort, daß ich es mit Vruumys' Rassegenossen zu tun hatte. Das waren Te jonther. Ich hätte es gleich an der Form des Raumschiffes erkennen müssen. Es war ge nau dasselbe Modell, mit dem wir nach Vru umys' Welt gekommen waren. Ich begrüßte die beiden Raumfahrer, die mich aus ihren gelben Augen freundlich an sahen. Crysalgira schien ihnen bereits er zählt zu haben, wie wir an Vruumys' Schiff gekommen waren. »Ich danke Ihnen«, begann ich. »Sie sind im richtigen Augenblick aufgetaucht. Der Blauhäutige hätte mich mit seinem Fetisch getötet.« »Für Vruumys' Freunde tun wir alles«, er tönte es in der melodischen Sprache der Te jonther. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und mehr über den geheimnisvollen Krater er fahren. Die Tejonther wußten garantiert mehr darüber als ich. Sie waren in diesem Raumsektor zu Hause. Sie mußten wissen, welche Bewandtnis es mit der schimmernden Substanz dort unten hatte. »Ihr habt gute Maschinen an Bord«, sagte ich und deutete zu den Türmen hinüber, hin ter denen sich der Kraterwall aufwölbte. »Zusammen könnten wir das leuchtende Ding freilegen. Wollt ihr mir helfen?« Der Tejonther schüttelte den Kopf. Crysalgira lächelte. »Das habe ich erwartet. Ich habe mit ih
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nen über deinen Abstieg in den Krater ge sprochen, Atlan. Sie waren entsetzt, als ich es ihnen sagte. Sie rechneten nicht mehr da mit, dich jemals wiederzusehen.« Der Tejonther war durch nichts dazu zu bewegen, einen Ausflug in den Krater zu machen. Im Gegenteil. Er bestand darauf, sofort zu starten. »Bei der leuchtenden Substanz handelt es sich um eine Gefühlsbasis der Leerraumkon trolleure. Das ist nichts für uns. Jeder Ver such, daran zu rühren, hat schreckliche Fol gen. Entscheidet euch jetzt. Wollt ihr hier bleiben, oder sollen wir euch mitnehmen?« Ich zögerte noch. Das war eine einmalige Gelegenheit, mehr über die Leerraumkon trolleure zu erfahren. Ich erinnerte mich ge nau an Vruumys' Bericht. Darin war eben falls die Rede von den Leerraumkontrolleu ren gewesen. Er hatte sie Tropoythers ge nannt. Ich wurde von einer brennenden Neu gier erfaßt. Aber ich wußte, daß es wenig Sinn hatte, weiter auf diesem Planeten zu bleiben. Anscheinend landeten die Tropoy thers selbst nicht auf dem Planeten. Das
würde bedeuten, daß die schimmernde Sub stanz im Krater eine Art Grenzmarkierung oder kosmisches Leuchtfeuer darstellte. Ihre Ausstrahlung war mit den geeigneten Instru menten sicherlich weit anzumessen. Ich entschied mich nicht zuletzt Crysalgi ras wegen dazu, mit den Tejonthern Vruu mys' Welt zu verlassen. »Ich komme mit euch«, sagte ich. »Das wußten wir«, entgegnete der Tejon ther und ging mit uns auf die Schleuse des Raumschiffes zu. Als sich die Schleuse geschlossen hatte und das Vibrieren des Antriebs den Start an kündigte, wußte ich, daß ich dem Geheimnis der Leerraumkontrolleure weiter nachspüren würde. Vielleicht stellte es den Schlüssel zur Rückkehr in den Makrokosmos dar. Crysalgira schloß die Augen, als ich sie in die Arme nahm.
E N D E
ENDE