Poker Flat Western von U. H. Wilken Mit hartem Flügelschlag streichen die Raben über den Fluß und landen mit aufgeregte...
15 downloads
871 Views
320KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Poker Flat Western von U. H. Wilken Mit hartem Flügelschlag streichen die Raben über den Fluß und landen mit aufgeregtem Krächzen in den Kronen der nebelverhangenen Bäume am Ufer. Buckoo weiß, was das bedeutet. Er wirft die Heugabel zur Seite und setzt geschmeidig über den Futtertrog. Mit wenigen Sprüngen ist er an den Boxen der Pferde und Maultiere vorbei. Am Stalltor lehnt sein Gewehr. Er packt es und starrt durch den Spalt in die Dämmerung. Draußen hasten Comanchen über den Hof, krummbeinige Muskelpakete in schwarzer Kriegsbemalung. Ihr Geheul gellt überall auf der Pony-Ranch und löst Panik aus. Schüsse peitschen. Buckoo hört die Schreie seiner Schwester. Da kann er nicht länger an die eigene Sicherheit denken. Er feuert blindlings in die Horde. Krieger sinken in den Staub. Doch dann trifft es auch Buckoo. Er taumelt unter dem Einschlag der Kugel durch den dunklen Stall. Die aufgeschreckten Tiere in den Boxen keilen aus und wiehern. Buckoo kann sich nicht länger auf den Beinen halten. Er spürt den Widerstand in den Kniekehlen. Dann stürzt er schon rücklings in den Trog mit der Kleie. Er spürt jetzt den bösen Schmerz in der Hüfte. Dort hat die Kugel den Waffengurt durchschlagen und sich in das Fleisch gebohrt. Draußen geht indessen das Gemetzel weiter.
Wie von weit her hört Buckoo erneut die Schreie von Roberta. Er weiß, er darf jetzt nicht bewußtlos werden. Buckoo keucht. Er ruckt halb hoch, quält sich, will sich über den Rand des Troges schieben. Wenn er das schafft, kommt er auch an das Gewehr heran. Es liegt irgendwo im Stallgang. In der Enge des Trogs kann er nicht einmal den Colt aus der Halfter ziehen. Staubwolken wallen durch das halbgeöffnete Tor. Draußen wird es merklich heller. Der Mond steht über dem Land am Brazos River, taucht die Pony-Ranch in fahles Licht. Einige Krieger nähern sich dem Stall. Gleichzeitig entfernt sich dumpfes Hufgetrappel. Einige Krieger treiben die in den Korrals erbeuteten Pferde ab. Buckoo hört noch einmal seine Schwester. Dann verliert sich Robertas Schrei irgendwo in der hellen Nacht. Er weiß, was geschehen wird, besser als jeder andere. Denn Buckoo ist ein halber Comanche – ein Nokoni. Schwer sinkt er zurück, liegt reglos im Trog. Comanchen huschen in den Stall. Zwei, drei Krieger kommen dicht am Trog vorbei. Sie bemerken Buckoo nicht. Sie beachten die Maultiere nicht. Comanchen sind Pferdekenner. Davon können sie nie genug haben. Viele Pferde bedeuten Ansehen. Darum haben sie wohl auch die PonyRanch überfallen. Dann geschieht etwas merkwürdiges. Obwohl die Pferde die fremde Witterung aufnehmen, geraten sie nicht in Panik. Im Gegenteil – sie werden ruhig. Sie lassen sich sogar aus dem Stall führen. Folgen den Comanchen, als seien diese längst ihre Herren. Pferde spüren, wer mit ihnen umgehen kann. Ein Comanche bleibt dicht vor dem Trog stehen. Zwei andere durchstöbern den Stall. Was sie suchen, sind nicht Sättel, sondern Decken. Doch nachdem sie keine finden,
packen sie die Sättel und werfen sie auf den Hof. Buckoo liegt regungslos. Der Comanche steht noch immer am Trog, kehrt ihm den Rücken. Vor sich hat er den gebeugten Rücken des Indianers. Die braune Haut glänzt, ist mit Fett eingerieben. Schwarzes Haar fällt auf die muskulösen Schultern. Wenn Buckoo entdeckt wird, ist er erledigt. Die Comanchen werden ihn töten. So, wie sie es mit anderen getan haben. Feuerschein dringt in den Stall. Es knistert und knackt. Das Ranchhaus brennt. Rauch treibt über den Hof. Der letzte Krieger verläßt nun auch den Stall. Buckoo verflucht im stillen den hohen Rand des Futtertroges. Der Schmerz in der Hüfte treibt ihm Wasser in die Augen. Er beißt die Zähne zusammen, will den Oberkörper aufrichten, hat die Finger in die Kante des Troges gekrallt – da sieht er, daß der Comanche zurückkommt. Der Krieger wirft eine brennende Latte, wahrscheinlich von der Veranda des Hauses, in den Stall. Sofort findet das Feuer im Stroh reichlich Nahrung. Der Indianer verschwindet wieder. Die beiden Maultiere stampfen erregt. Die Flammen lodern, schlagen an der einen Wand empor. Draußen traben Pferde davon. Die Comanchen verlassen die brennende Ranch, ziehen zum Brazos hinunter. Dort werden sie vielleicht ein Lager aufschlagen. Zur Sommerzeit schlafen sie unter freiem Himmel, nur in Decken oder Felle gerollt. Buckoo kommt halb hoch. Das Feuer breitet sich schnell weiter aus. Rauch beißt in den Augen, macht das Atmen schwer. Buckoo versucht, den Trog umzukippen. Das sonnengebeizte Gesicht wird zur Fratze, die Narben beginnen zu glühen. Die Flammen schlagen höher. Die Maultiere bäumen sich auf, keilen aus. Die Leiber prallen gegen die Bretterwand. Die
Tiere versuchen auszubrechen. Das hintere schmale Tor ist verriegelt. Es hält stand. Der Mann und die Tiere kämpfen gemeinsam um die Rettung. Das Feuer wird sie gleich einkreisen. Noch hält der Trog den sehnigen Buckoo gefangen. Er merkt schon, daß er es nicht schaffen wird. Der Trog kippt nicht! Jetzt versucht er, sich über den Rand zu ziehen. Die Hüfte ist taub. Dabei ist die Verwundung gar nicht einmal so schlimm. Er wird wohl keinen bleibenden Schaden zurückbehalten. Doch jetzt in den entscheidenden Minuten ist diese verdammte Hüfte gegen ihn, als gehöre sie nicht zu seinem Körper. Das Ranchhaus steht in Flammen. Eine Feuersäule wallt empor. Rauch treibt in dicken Schwaden zum Brazos. Buckoo blickt sich um. In seiner Nähe ist einer der Pfosten, die das Stalldach tragen. Daran baumelt ein Lasso. Er will danach greifen, doch so lange Arme hat er nicht. Vielleicht kann er sich am Pfosten hochziehen? Wenn er aus dem Trog ist, kann er aus dem brennenden Stall kriechen. Das Lasso kann er um den Torbalken werfen. Dann ist es ihm möglich, sich ins Freie zu ziehen. In diesem Moment spielen die Maultiere verrückt, jagen auf die Feuerwand zu. Eins prallt dabei gegen den Trog, reißt ihn um. Buckoo stürzt aus dem Trog und rollt auf den Stallgang. Die Maultiere sind schon draußen. Mühsam kommt er dem Stalltor näher. Dabei findet er sein Gewehr. Er nimmt es mit, quält sich ins Freie, erreicht den Wassertrog und legt sich dahinter flach hin. Der Stall bricht zusammen. Funken wirbeln, Asche regnet hernieder. Buckoo liegt still, hört das Feuer fauchen und brennendes Holz im Wasser des Troges gibt ihm Deckung, schützt ihn vor
der sengenden Hitze – doch nicht vor dem Qualm, der über den Hof zieht. Stöhnend schiebt er sich über den Hof. Leblose Körper liegen überall im Staub. Buckoo kennt sie alle. Männer, die für seinen Vater geritten sind, niedergemacht in wenigen Minuten, von den Comanchen skalpiert und verstümmelt. Den Leichnam des Vaters sieht Buckoo nicht. Er muß unter den brennenden Trümmern des Hauses liegen. Was seine Schwester durchmachen wird, ist die Hölle, das weiß Buckoo. Er kann es nicht verhindern. Robertas Mutter war eine Weiße. Sie ist schon lange tot wie Buckoos Mutter, die Nokoni-Squaw. Wenn Roberta vernünftig ist, klug und zäh, wird sie die Gefangennahme überstehen. Sie hat die Chance zum Überleben, ein Mann hätte die nicht. Buckoo kriecht weiter. Abseits der brennenden Ranch verlassen ihn die Kräfte. Der Blutverlust ist zu groß. Hell steht der Stern über dem Brazos. Als Buckoo wieder zu sich kommt, ziehen die Comanchen weiter. Auf gescheckten Pferden verschwinden sie in der Nebelbank am Brazos zusammen mit dem Rudel der geraubten Pferde. *** Der alte Laine ist zornig. Nicht auf seine Cowboys. Seine Wut richtete sich wieder einmal gegen seinen Sohn Abel. Denn aus Abel ist nicht das geworden, was Laine sich erhofft hat. Er wollte einen wilden und starken Sohn. »Verdammt, nimm dein Pferd und reite! Die Büffeljäger ziehen über die Prärie. Wieder ein Trupp solcher Schlächter
und Enthäuter. Ich muß wissen, wo sie jetzt sind.« Abel erwidert nichts. Der junge Ranchersohn wendet sich ab, geht über den nächtlichen Hof. Im Mondschein schimmert sein strohblondes Haar. Er kommt an zwei Cowboys vorbei. Sie nicken ihm zu. Keiner grinst. Irgendwie tut er ihnen leid. Denn was er auch tut, nichts ist dem Alten recht. Und darum hat Abel auch keine Lust mehr, aus eigenem Antrieb irgendwas zu unternehmen. Im Stall sattelt er sein Pferd, steigt auf und reitet auf den Ranchhof. Die Mutter steht auf der Veranda. Sie versteht ihn. »Paß auf dich auf, mein Junge«, sagt sie. »Die Büffeljäger sind gewalttätig. Und denk an die Comanchen.« Laine hört die Worte seiner Frau. »Ja, paß gut auf dich auf.« ruft er hämisch. »Am besten, du reitest nur bis zur nächsten Ecke, sitzt ab und wartest auf den Morgen. Dann wissen wir genau, wo die Büffeljäger sind.« Wieder schweigt Abel, treibt das Pferd an und sprengt im Galopp von der Ranch. Erst in Richtung Westen, dann nordwärts. Denn zwischen Clear Fork und Brazos sind die Büffeljäger gesichtet worden. Die Nacht ist mondhell. Einsam reitet Abel um die Hügel. Hohes Gesträuch nimmt ihn auf. Er muß langsam reiten. Der Hufschlag ist kaum zu hören. Das Buschland zwischen den Hügeln dehnt sich weit aus. Abel wird seinem Vater gehorchen und nach den Büffeljägern suchen – aber die Mühe, über die Hügel zu reiten und dadurch den Weg abzukürzen, macht er sich nicht. Außerdem hat er vor, die Pony-Ranch im Norden zu besuchen. Er verehrt Roberta. Sie ist älter als er, wenn auch nur um ein Jahr. Zudem ist Abel schüchtern. Niemals würde er Roberta seine Zuneigung offenbaren. Um so freier und gelöster ist er, wenn er mit Buckoo spricht. Den mag er. Bei ihm findet er Verständnis. Buckoo ist ein guter Zuhörer.
Die Nacht ist ruhig. Abel entdeckt die Comanchen nicht. Sie ziehen aneinander vorbei. Die Krieger hören nicht Abels Pferd, sehen nicht das blonde Haar im staubigen Grün der Sträucher. Die Kriegergruppe nähert sich der Ranch des Vaters. Die geraubten Pferde der Pony-Ranch sind nicht dabei. Auch Roberta nicht. Das Mädchen befindet sich als Gefangene bei den am Clear Fork verborgenen Comanchen. Abel entfernt sich nach Norden und entgeht dem Tod. *** Das Murren der Rinder dringt herüber. In der lauen Sommernacht zirpt es am Ufer zwischen den dichten Sträuchern. Abels Mutter findet keine Ruhe. Als sie über den Hof geht, begegnet sie ihrem Mann. »Geh ins Haus«, rät er. »Ich spür's in den Knochen. Irgend etwas liegt in der Luft. Wir bekommen Ärger.« »Du denkst an die Büffeljäger?« »Sie sind der Grund, weshalb die Comanchen wieder durch ihr riesiges Gebiet streifen. Sie versuchen, ihre Büffel zu retten. Die Jäger sind Weiße.« »Sie haben uns aber jahrelang in Ruhe gelassen«, meint Abels Mutter. »Warum sollten sie plötzlich zornig auf uns sein? Du züchtest Rinder, mehr nicht. Du jagst keine Comanchen.« »Stimmt, und keine Büffel. Danach fragen sie aber nicht. Ich reite zur Herde.« Er stapfte zum Stall und Korral. Sie wartet bis er davongeritten ist. Langsam nähert sie sich dem Fluß. Zwei Cowboys bleiben zurück. Die Ranch ist nicht viel größer als die Pony-Ranch. Hier gibt's nicht viel zu bewachen. Niemand bemerkt die halbnackten, sehnigen Körper am
Ufer. Mittelgroße, krummbeinige Burschen. Comanchenspäher. Als die Frau näher kommt, scheinen die Comanchen im Boden zu versinken. Sie ducken sich hinter dem staubbeladenen Grün der Sträucher, beobachten durch die Lücke im Geäst. Zwei Augenpaare belauern die Frau. Im langen grauen Kleid kommt sie immer näher. Der Saum berührt fast den Boden. Jetzt steht die Frau reglos, hat noch nicht das Wasser erreicht. Sie horcht und blickt in den Nebel. Aus der hellen Nacht tönen Pfiffe herüber. Cowboys machen ihre Runden um die Herde. Die Mutter denkt an den Sohn. Sie geht weiter. Bis zum Wasser sind es nur ein paar Schritte. Sie tritt unter einen der Bäume. Der Wind raschelt in den Kronen. Vor einem Haselnußstrauch bleibt die Frau stehen. Sie kann das Wasser sehen – und das Ufer drüben. Im Dunst liegt es im Mondlicht. Weiter flußabwärts ist die Herdentränke. Vier sehnige Hände machen sich zum Zupacken bereit. Die Comanchen warten nicht länger. Jäh greifen sie zu. Sie reißen die Frau um. Bevor sie aufschreien kann, liegt schon ein Comanche auf ihrem Leib, hat die Hände um ihren Hals gelegt, drückt zu. Die Frau wehrt sich, bekommt aber keine Luft mehr. Ihr Widerstand erlahmt. Weder auf der nahe gelegenen Ranch noch bei der Herde ahnt jemand was von der Tragödie am Fluß. Und die beiden Cowboys auf der Ranch vermissen die Frau noch nicht. Die beiden Späher ziehen sich zurück. Schon nach hundert Yards stoßen sie auf Krieger. Das ist die Vorhut der Angreifer. Danach vollzieht sich alles etwa so wie zuvor auf der Pony-
Ranch im Norden. Auf der Prärie rotten sich berittene Comanchen zusammen. Ihr Angriffsziel ist die Herdenmannschaft. Die besteht aus nur vier Mann, Rancher Laine verstärkt sie. Da dröhnt es heran! Comanchen kommen! Auf gescheckten Pferden sprengen sie heran. Im ersten Moment sind die Cowboys nicht imstande, irgend etwas zu tun. Der Schreck lähmt sie. Dann schießen sie. Viel zu hastig. Die meisten Schüsse gehen vorbei. Plötzlich sind die indianischen Sättel leer. Die Pferde rasen trotzdem weiter, kommen von der Seite heran. »Zurück!« brüllt Laine. »Zur Ranch!« Der Befehl kommt zu spät. Die Comanchen tauchen wieder auf, sind in den Sätteln. Es ist immer wieder der gleiche Trick. Jetzt zielen die Cowboys auf die Comanchen. Die Indianer jagen hin und her. Schüsse krachen. Im Nu sind die Comanchen abermals verschwunden. Die Pferde weichen nach den Seiten aus. Vor ihnen stürmt die Rinderherde los. Laine und seine Männer glauben, daß die Comanchen auch diesmal an den Flanken ihrer Pferde hängen. Das ist ein tödlicher Irrtum. Zu Fuß schnellen die Comanchen tief geduckt heran und schießen. Laine spürt, wie sein Pferd unter ihm heftig zuckt. Er will sich aus dem Sattel werfen – da erwischt es ihn. Das Pferd schlägt um. Laine gerät halb unters Pferd. Die Beine brechen. Sein Mund öffnet sich zu einem Schrei, doch er bekommt keinen Ton heraus. Bewußtlos erschlafft er. Das Pferd zuckt und verendet. Ein Comanche springt über das Pferd, übersieht den eingeklemmten Rancher, fällt über einen sterbenden Cowboys
her, skalpiert ihn bei lebendigem Leibe. Comanchen zu Pferde folgen der Herde. Das Dröhnen vieler Hufe verliert sich auf der Prärie. Staub legt sich auf tote Cowboys und Pferde. Auf der Ranch fällt kein Schuß. Lautlos sind die Cowboys niedergemacht worden. Die Körper werden über die Latten des Stangenkorrals geworfen. Im Haus wüten Comanchen. Nichts bleibt heil. Krieger tanzen in den Kleidern der Frau heraus. Im Stall wird das Vieh geschlachtet. Die Laine-Ranch ist erledigt. Die wilde Meute jagt davon. Nur ein Comanche reitet lang samüber den Hof. Er ist größer als seine Stammesbrüder – und doch nicht so groß wie ein Weißer. Vielleicht mißt er einen Meter und fünfundsechzig Zentimeter. Sein indianischer Name ist mit Blut in den Staub von Texas geschrieben. »Die Kehle.« Die Texaner nennen ihn »Diablo«. Langsam folgt »Die Kehle« der Horde. Er spricht Texasslang. Darum glaubte man lange Zeit, daß er Texaner sei... *** Zwei Reiter im Frühlicht. Sie haben sich getroffen, weitab von hier. Jetzt kommen sie vorsichtig näher mit angeschlagenen Gewehren. Wachsam reiten sie durch die Dunstfelder zwischen Fluß und Ranch, sehen die dunkle Baumkette am Wasser, die Konturen der Ranch. Bodennebel hüllen den Kadaver eines Pferdes ein. Irgendwo krächzen Krähen. Buckoo hört den Jungen Abel aufstöhnen, schneller atmen. Er kann den jungen Mann nicht zurückhalten. Abel wird
nicht auf ihn hören. Ruhig trottet das Maultier unter Buckoo um den Kadaver herum. Schief sitzt er im Sattel. Hüftschmerzen martern ihn. Abel jagt plötzlich los, hält auf Ranchhaus und Stallungen zu. Der junge Mann springt vor dem Haus vom Pferd, stürzt hin. Buckoo hört ihn nach der Mutter rufen. Aber die Mutter ist nicht im Haus. Auch der Vater ist verschwunden – Rancher Laine. Für Buckoo ist alles klar. Auch hier waren Comanchen, machten alles nieder, raubten Pferde und diesmal auch Rinder. Als er auf dem Hof ist, entdeckt er die verstümmelten Toten am Stangenkorral. Abel hat sie übersehen. Es ist ein scheußlicher Anblick. Buckoo bekommt eine Gänsehaut. Abel tritt aus dem Haus. Sein Gesicht wird Buckoo nicht vergessen. Steif nähert Abel sich seinem Pferd, hält sich am Sattel fest, starrt ins Leere. Plötzlich hören sie im schwachen Morgenwind den Ruf. Kalt rinnt es ihnen über den Rücken. Da ruft ein Mann. Schaurig dringt es von der Prärie herüber. Buckoo sieht, wie Abel sich in den Sattel zieht. Er will losreiten. Da ruft Buckoo ihn scharf an. »Du bleibst hier, verdammter Narr! Das kann ein Comanche sein. Willst du diesen Bluthunden deinen Skalp abliefern?« Abel blickt ihn entsetzt an. Weit aufgerissen sind die Augen. Darin scheinen Irrlichter zu tanzen. »Da ruft jemand«, stöhnt er. »Da braucht jemand unsere Hilfe.« »Die brauchst du vielleicht gleich selbst, Dummkopf. Wir bleiben zusammen, verdammt noch mal. Reite jetzt langsam. Ich folge dir. Wenn dich jemand aus dem Gras anspringt, schieße ich sofort. Aber ich muß dich immer sehen können, kapiert?« »Ja«, sagte Abel klanglos.
»Dann los.« Sie verlassen den Hof. Im Osten glüht das Morgenrot. Rot sind auch die Gesichter der erschlagenen, erschossenen und skalpierten Cowboys. Blut überall. Und wieder verstümmelte Körper. Kein toter Comanche ist zu entdecken. Dabei haben die Cowboys bestimmt eine Reihe Indianer erschossen. Wieder hören sie diese Stimme. Sie ist nicht zu verstehen. Darum kann es auch ein Comanche sein. Buckoo kennt sich mit Comanchentricks aus. Sie nähern sich einem großen dunklen Fleck im zerstampften Gras. Das wird ein Pferdekadaver sein. Jetzt ist es dort still. Abel hält an, sitzt steif und krumm im Sattel. Schwaches Stöhnen ist zu hören. Obwohl Abel und Buckoo das tote Pferd fast schon erreicht haben, können sie nicht feststellen, woher dieses Stöhnen jetzt kommt. Es dringt dumpf zu ihnen herüber – scheinbar aus der Erde, Dann aber versteht Abel einen Namen. Das ist der Vorname seiner Mutter. Den können die Comanchen nicht kennen. »Vater!« schreit er, reitet an, jagt in den Dunst, springt ab. Buckoo sieht, wie Abel das tote Pferd umrundet, sich hinwirft. Mit feuerbereitem Gewehr reitet Buckoo langsam näher. Er will im Sattel bleiben, weil jede Bewegung den Schmerz in der Hüfte ablöst. Das Absitzen und Aufsteigen kostet Kraft, die Wunde kann wieder aufbrechen und bluten. Neben dem Pferdekadaver zügelt Buckoo das Maultier. Er hört Abel schluchzen: »Verzeih, Vater, bitte, verzeih mir. Ich wollte doch hart sein, immer, jeden Tag – aber ich konnte nicht.« Rancher Laine liegt im Sterben. An diesem frühen Morgen hat er noch einmal einen lichten Moment.
»Abel«, stöhnt er, »wo ist – Mutter?« Unter Tränen schüttelt Abel heftig den Kopf. Nebelfeucht fliegt das glatte blonde Haar hin und her. »Ich weiß es nicht Vater!« Rancher Laine blickt in den flammenden Morgenhimmel. Aschgrau ist sein Gesicht. Nur der Oberkörper ragt unter dem toten Pferd hervor. Abel kann ihn nicht befreien, auch nicht mit der Kraft seines Pferdes. Und Buckoo kann gar nichts tun. Buckoo ist vorübergehend so hilflos wie ein kleiner Junge. Viel Kraft hat er nicht – gerade so viel, um das Gewehr zu halten und auf dem Maultier zu bleiben. »Abel.« Wieder spricht Laine zu seinem Sohn, als könnten sie noch gemeinsam eine neue Zukunft suchen. »Du mußt – hart – werden! Such diesen Comanchen Diablo! Er war's – ›Die Kehle‹!« »Ja, Dad.« Das klingt kläglich. Doch mit Buckoo kann er's schaffen. Laine sieht Buckoo gar nicht. »Und denk an die – Büffeljäger, Abel.« Laine quält sich jedes Wort über die Lippen. »Trau ihnen nicht! Diablo tut ihnen nichts, hörst du? Warum wohl? Er ist – ein Ausgestoßener seines Stammes. Sei vorsichtig, Junge! Und jetzt – such Mutter.« »Dad!« Abel schreit auf. »Ich zieh' das Pferd weg! Gib nicht auf, Dad!« »Such erst Mutter.« Laine schließt die Augen. »Dann komm zurück.« Abel richtet sich schwankend auf, steht benommen im Morgenrot. »Komm«. sagt Buckoo rauh. Er weiß, was geschehen wird. Laine hat ein Recht darauf. Buckoo wird es nicht verhindern. Doch Abel soll nicht Zeuge sein. Der blonde junge Mann zieht sich steif in den Sattel. Als er anreitet, blickt er noch einmal auf seinen Vater.
Laine liegt ruhig im Gras. Die Morgenröte liegt auf dem Gesicht, macht es weich. Der Rancher scheint zu lächeln. Es wirkt entspannt, das sonst so rauhe, faltige Gesicht. An dieses friedliche Gesicht wird Abel sich stets erinnern, wenn er an den Vater denkt. Als Buckoo und Abel beim Ranchhaus sind, fällt auf der Prärie ein Schuß. »Abel!« Buckoos Stimme ist wie ein Peitschehieb. »Bleib!« »Aber der Schuß...« »Den hat er selbst abgegeben. Dein Vater ist tot, Abel. Du wirst später Erde um ihn und das Pferd anhäufen. Das ist alles, was du tun kannst. Los, komm!« Abel folgt zögernd, blickt immer wieder zurück. Darum erreicht Buckoo auch als erster den Fluß. Für ihn, den Sohn einer Comanche, ist es nicht schwer, der Fährte zu folgen. Er entdeckt Abels Mutter, blickt nur sekundenlang auf die Frau – dann wendet er, reitet in das seichte Wasser und verhält. Abel kommt heran, sieht ihn im Fluß und lenkt das Pferd an seine Seite. Fragend starrt er ihn an. »Nichts«, murmelt Buckoo. »Keine Spur. Deine Mutter ist nicht zu finden. Wie meine Schwester.« Abel atmet schwer, stöhnt. Diese Morgenstunde ist grausam für ihn. Vielleicht ändert sich sein Gemüt. Womöglich wird er hart, grausam und zynisch. Er darf nicht zu sehr hoffen. Darum sagt Buckoo jetzt noch: »Ich glaube nicht, daß meine Schwester durchkommt. Für Roberta mag der Tod eine Erlösung sein.« »Meine Mutter ist nicht wie Roberta, Buckoo!« begehrt Abel auf. »Schon gut, Abel!« Buckoo spricht ruhig aber scharf. »Ich weiß, daß Roberta manchmal ein kleines Biest ist.« Abels Augen weiten sich. »Ich liebe meine Mutter, Buckoo. Das verstehst du nicht. Klar, deine Mutter war ja eine Comanche. Und du hast sie nur
ein paar Jahre um dich gehabt.« Buckoo lächelt kühl. »Stimmt. Dann kam Robertas Mutter. Na und? Sie stammte aus einem Haus in Saint Louis. Ich glaube, Roberta hat manches geerbt. Ich bin so was wie der Sohn einer Wölfin. Eine Wölfin wirft Junge, zieht sie auf – und die jungen Wölfe hauen ab. Jeder beißt und kämpft sich durch.« Abel will antworten, als in der Ferne dumpfes Krachen ertönt. »Was ist das?« flüstert er. »Schüsse«, sagt Buckoo gelassen, »aus Büffelflinten. Sharps-Gewehre. Die Büffeljäger sind an der Arbeit.« »Diese verdammten Jäger interessieren mich nicht. Ich muß Mutter finden. Du kommst doch mit, oder?« Buckoo verengt die Augen, nickt, verzieht das Gesicht unter dem Schmerz der Hüftwunde. »Ich finde die Comanchen auch nach drei Wochen noch. So viel Zeit brauch' ich damit, die Wunde auszuheilen. Dann beginnt die Jagd, und wenn Roberta die ersten drei Tage durchhält, hat sie's geschafft. Jetzt kann ich nichts für meine Schwester tun.« Er will gesund und stark sein für den Kampf. Das versteht Abel nicht so recht. Der junge Mann hat nicht die eiskalte Beherrschung eines Buckoo. Höchstwahrscheinlich würde Abel ohne seinen Rat blindlings in den Tod reiten. Doch Abel hat sich beruhigt. Als Buckoo ihm zunickt, folgt er ihm. Sie reiten aus dem seichten Wasser unter die Bäume. Die Sonne scheint schon durch die Baumwipfel. Abel will zu seinem Vater zurück. Als sie den Baumgürtel verlassen, entdecken sie Kavallerie. Eine Patrouille kommt vorbei auf dem Weg nach Fort Griffin. »Du brauchst nichts mehr zu tun, Abel. Das erledigen die Soldaten. Komm, reiten wir zum Fort. Ich hab' gehört, daß sie dort einen guten Doc haben.«
Sie reiten im Fluß weiter. *** Roberta geht durch die Hölle. Sie will es durchstehen – wie andere weibliche Gefangene vor ihr. Sie wird gedemütigt, geschändet, gefoltert. Geschlagen, getreten und ausgepeitscht. Und wenn sie halb bewußtlos niedersinkt, wird sie hinter dem Pferd hergeschleift. Für die Comanchen ist Roberta eine Sklavin. Wenn sie lagern, wird das Mädchen gefesselt zu Boden geworfen. Wieder, jetzt zum drittenmal, lagern die Comanchen abseits der Wagenrouten im unwegsam erscheinenden Gelände zwischen dornigen hohen Sträuchern. Draußen dehnt sich die Prärie aus. Dort rollen gerade drei Planwagen entlang. Schwer beladen mit Munition. Bestimmt für die Büffeljäger, die tonnenweise Munition verschießen. Die Wagen werden stark bewacht. Roberta, Buckoos Schwester, sieht und hört kaum was. In der Abenddämmerung schwefeln die Lagerfeuer und lodern im Kreis tanzender Comanchen, die blutverkrustete Skalpe schwingen. Vor Stunden kamen Krieger zurück, stießen zu dieser Gruppe. Schlimm für sie ist, daß sie die einzige Gefangene ist. So richtet sich alle Gehässigkeit gegen sie. Wo Roberta sich augenblicklich befindet, weiß sie nicht. Sie hat aber mitbekommen, daß die Comanchen in der Gegend des Clear Fork geblieben sind, daß sie westwärts ziehen in Richtung Fort Griffin oder Fort Phantom Hill. In eine Gegend also, wo die Armee ist und die Büffeljäger umherziehen. Die junge, gerade neunzehn Jahre alte Roberta wird in der Gefangenschaft ein anderer Mensch. Das brünette blauäugige Mädchen ändert sich, ohne es selbst zu bemerken.
In ihrer Nähe stampft es. Die Comanchen tanzen noch immer. Doch dann ist der Tanz plötzlich beendet. Büffelhauben fallen in den Staub. Schilde und Lanzen werden abseits zwischen hohen Mesquitesträuchern und Felsen abgelegt. Gewehre werden aufgeladen, Munition wird verteilt. Um Beute wird gestritten. Das Mädchen riecht die Erde, nicht die strenge Ausdünstung der Comanchen. Plötzlich spürt sie eine Hand im Genick. Der Comanche steht breitbeinig über ihrem Rücken, zerrt ihren Kopf an den Haaren hoch, rollt den Körper herum. Roberta glaubt schon, daß es wieder einmal geschehen soll – da kommt ein Comanche heran, der größer ist als die anderen. Vor ihr bleibt er stehen. Schwarze Augen funkeln im Widerschein der Feuer. Er gibt dem Krieger einen herrischen knappen Wink. Daraufhin packt der Roberta wieder an den Haaren und schleift sie hinter sich her. Erst abseits des Lagers läßt er sie los und verschwindet hinter den Strauchgruppen. Roberta hat das Gefühl, als habe sich die Kopfhaut gelöst. Sie stöhnt, preßt die aufgeplatzten Lippen zusammen. Der größere Comanche kommt heran, verharrt wieder vor ihr. Sie sieht, daß er erregt ist. Als er sie nimmt, wehrt Roberta sich nicht. Das enttäuscht den Comanchen. Plötzlich hört sie ihn sprechen. Sie versteht jedes Wort. Zuerst glaubt sie tatsächlich, daß sie sich geirrt hat und er ein Weißer ist. »Du bist keine gute Squaw«, knurrt er verächtlich. »Du bist kalt wie die Schnauze eines Hundes.« Er richtet sich auf, spuckt aus, tritt Roberta. Sie krümmt sich vor Bauchschmerzen, aber sie stöhnt nicht. Jeder Laut kann diesen Comanchen reizen. »Ich werde dich verkaufen«, beschließt der Comanche mit kehliger Stimme. »Für ein paar Gewehre. ›Die Kehle‹ braucht richtige Weiber, nicht einen Haufen Knochen. Du hast kein
Feuer, bist Asche.« Vielleicht hat der Comanche gar nicht einmal unrecht. In Roberta steckt wirklich ein Wesen, das kalt und unberechenbar ist. Und ›Die Kehle‹ hat das gespürt. So wird Roberta ihm als Gefangene wertlos. Die Comanchen können sie nur noch als Arbeitstier einsetzen. Gewehre aber sind wichtiger. »Die Kehle« starrt Roberta durch den Dunst der Dämmerung kalt an. Er wendet sich ab und geht. Zwei Comanchen kommen, packen Roberta und schleifen sie zurück in den Flammenschein. Vielleicht wird sie überleben. *** Das Tor von Fort Griffin ist Tag und Nacht geöffnet. Buckoo und Abel können ohne Schwierigkeiten passieren. Wenig später liegt Buckoo bereits auf dem Tisch in der Sanitätsbaracke. Die Hüfte ist entblößt, die Wunde freigelegt. De Armeearzt besieht sich die Wunde. Der Doc ist gut, sonst aber ist alles in der Baracke miserabel. Die Luft wabert vor Hitze. Überall liegt Verbandszeug herum. Abel steht am staubblinden Fenster, blickt hinaus, beobachtet die Menschen auf dem sonnendurchglühten großen Hof innerhalb der Palisaden. Soldaten schlendern umher. Posten bewegen sich auf den Wehrgängen. Rauch steigt aus dem kurzen Schornstein der Bäckerei. Essensgeruch strömt aus der Küche, vermischt sich mit dem Gestank blutiger Häute, die auf den Frachtwagen liegen und nach Dodge City im Norden gebracht werden sollen. Es sind Hunderte von Büffelhäuten, über die Schwärme von Fliegen umherschwirren. Ein paar Büffeljäger kommen aus der Kantine, lärmend,
angetrunken, verschmutzt. Soldaten, unter Führung eines Lieutenant, holen einen Mann aus einer der dunklen Arrestzellen. Sie fesseln den Mann, der einen städtischen Anzug trägt, schnüren die Hände auf dem Rücken zusammen, treiben ihn über den Paradeplatz. Vor der Palisadenwand werden ihm die Beine zusammengeschnürt. Abel atmet tiefer. Er ahnt, was mit dem Mann geschehen wird. Buckoo hat einen breiten Verband angelegt bekommen. Darunter ist Salbe. Er spürt bereits Linderung. »Aber schonen mußt du dich noch«, meint der Arzt väterlich und zieht wieder den Uniformrock über. »Danke, Doc«, sagt Buckoo und blickt auf die Rangabzeichen. Der Arzt ist Captain. »Wir beide wollen zum Kommandeur. Wie schaffen wir das am besten?« »Indem ihr hingeht!« Der Arzt lächelt, doch das wirkt gequält. »Es hat aber nur dann Sinn, wenn Lieutenant Colonel Geyer ansprechbar ist.« Buckoo nickt Abel zu. Beide verlassen die Sanitätsbaracke. Sie riechen den Gestank der blutigen Büffelhäute, von denen manche bereits verwesen, hören eine Gewehrsalve krachen, sehen den Mann vor der Palisadenwand zusammenbrechen. Die Soldaten setzen die Gewehre ab, machen kehrt. Buckoo geht langsam. Die Hüfte schmerzt, der dicke Verband stört. Einmal stolpert er, stützt sich auf Abel. Sie nähern sich der Kommandantenbaracke. Durch das breite Tor rollt in diesem Augenblick ein Zweispänner. Ein aufgespannter Sonnenschirm wirft einen weiten Schattenkreis auf eine rothaarige Frau. Neben dem Buggy reiten zwei Männer. Jeder hat ein Gewehr im Scabbard neben dem Sattel. Das Trio ist auffallend gut gekleidet. An der Tür der Kommandantenbaracke steht ein Posten. Abel beachtet er nicht, doch Buckoo stellt er sich in den Weg. »Halt, Mann. Auch wenn du nur ein halber Indianer bist,
hast du hier nichts zu suchen. Der Colonel empfängt keine Bastarde.« Buckoo bleibt ruhig. »Wenn mir das der Colonel sagte, würde ich ihn umlegen, mein Junge. Doch da du das dahersprichst, du Scheißer, ist mir das völlig egal. Abel gib ihm eins über den Schädel.« Der Posten läßt sich bluffen, schnellt herum, wendet sich Abel zu – und Buckoo geht hinter ihm vorbei in die Baracke. Fluchend macht der Posten kehrt – und da gelingt es auch Abel sich vorbeizumogeln. »Kommt zurück!« brüllt der Posten wütend. »Halt's Maul«, brummt Buckoo. Der Posten wird abgelenkt. Der Buggy hält vor der Baracke. Vom Wagen ruft die rothaarige junge Frau den Posten an. »Soldat, ich muß den Commander sprechen. Sag dem Colonel, daß Lottie Deno im Fort ist. Es ist dringend!« Was weiter gesagt wird, verstehen Buckoo und Abel nicht mehr. Sie folgen einem Gang. Unter ihnen geben zundertrockene Bretter nach. Überall riecht es nach Holz. Ganz Fort Griffin ist aus Holz erbaut. Die Bretter dafür müssen über hundertfünfzig Meilen aus dem Osten herantransportiert werden. Kalter Rauch hängt in einem Vorzimmer. Niemand ist im Raum. Die Tür nach nebenan ist angelehnt. Der übliche Soldatenmief hat sich auch in der Kommandantenbaracke eingenistet. Nebenan tobt jemand. »Sergeant, das ist' ne bodenlose Sauerei!« »Jawohl, Sir.« »Eine riesengroße Schweinerei, Sergeant! Wer hat befohlen, diese Gardinen anzubringen? Diese Bordellfetzen kommen runter. Los, Sergeant!« Unter wilden Flüchen zerrt jemand die Gardinen herunter. Stoff zerreißt, Polternd schlägt ein Stuhl um. Dann kommt
wieder die Stimme. »Kaum bin ich in Urlaub, hängen sie mir die Fummel vor die Fenster. Mein Dienstzimmer ist keine Absteige, Sergeant!« Schritte dröhnen, dann wird die Tür aufgestoßen. Buckoo und Abel sehen, wie ein Bündel zusammengeballter Gardinen hervorfliegt. Dann ist der Sergeant sekundenlang zu sehen, kehrt ihnen den Rücken. »Sir, ich glaub', die Gardinen wurden aus dem Depot geliefert.« »Aus Fort Worth? Das ist ungeheuerlich!« »Ich glaub', General Hooker persönlich hat es befohlen, Sir...« »General Hooker?« Sekundenlang herrscht Stille. Dann sagt der Lieutenant Colonel Geyer sanft: »Ach – wirklich? ›Fighting Joe‹ Hooker, unser hochverehrter Unionsgeneral? Well, dann muß er wohl vorher bei 'ner Dirne gewesen sein. Trotzdem, Sergeant. Fordern Sie neue Gardinen an. Schlichte graue.« »Graue, Sir? Wie die Uniform der Rebellen? Das könnte mißverstanden werden.« »Erstens gibt es keine Südstaatenarmee mehr, zweitens ist mir das auch scheißegal!« brüllt Geyer los. »Ich will graue Gardinen!« »Ja, Sir«, sagt der Sergeant kleinlaut und verdrückt sich, kommt in das Vorzimmer zurück, hebt den Ballen auf und wirft ihn zum Fenster hinaus. Dann blickt er Buckoo und Abel grimmig an. »Was wollt ihr denn hier? Der Commander hat zu tun.« Buckoo lächelt hinterhältig. »Ein vielbeschäftigter Mann, nicht wahr? Aber die Comanchen fragen nicht danach. Die töten munter weiter.« »Was ist, Sergeant?« brüllt Colonel Geyer hinter der Tür. »Hab' ich richtig gehört? Comanchen?« Der Sergeant braucht nicht zu antworten. Colonel Geyer
erscheint in der Tür. Ein hagerer Mann, dürr wie ein Geier. Der Name paßt wie die Faust aufs Auge. Auch Kopf und Gesicht haben etwas Raubvogelhaftes. Die Nase ist stark gebogen – wie der Schnabel eines Nachtfalken. Und die Augen sind ungewöhnlich groß und schimmern grüngelb wie die einer Eule. Aus diesen Eulenaugen blickt er Abel und Buckoo an. Dann verzieht sich das Raubvogelgesicht. »Ein Halbblut ist kein Gesprächspartner für mich. Sergeant, sorgen Sie hier bloß für bessere Luft.« Buckoo wirkt mit seinem langen strähnigen Haar und dem braunen Gesicht fast wie ein Vollblutcomanche. Der Körper aber ist sehnig, groß und schlank. »Wir haben nicht vor, Colonel Geyer, in diesem Dreckstall von Fort Wurzeln zu schlagen«, entgegnet Buckoo respektlos. »Wir wollen Ihnen nur melden, daß die Comanchen zwei Ranches überfallen haben. Die Laine-Ranch und die PonyRanch am Brazos. Meine Schwester Roberta ist verschleppt worden. Sie ist eine Weiße.« »Meine Mutter ist auch verschwunden«, sagt Abel leise. »Missis Laine.« Bei Abels Anblick wird Colonel Geyer zugänglich. Der blonde Abel ist eben ein Weißer. Außerdem ist Geyers Zorn verraucht. »Vergiß, was ich gesagt habe, Halbblut«, knurrt er in Richtung Buckoo. »Auch ich bin nicht gefragt worden, ob ich geboren sein will... Was also gibt's am Brazos?« Buckoo erklärt es mit wenigen Worten. Geyer kommt nicht mehr zu einer Antwort. Die rothaarige junge Frau kommt hereingerauscht. Der Saum des langen Kleides schlägt gegen Geyers Kavalleriestiefel, so dicht vor ihm bleibt sie stehen. Ihr Auftreten ist wild und doch beherrscht. Buckoo sieht dieser Frau an, daß sie gewohnt ist, Befehle zu
geben. Jetzt wippt sie auf den Fußspitzen, knetet mit den behandschuhten Händen die kleine lederne Tasche. »Colonel«, beginnt sie, den Kopf in den Nacken gelegt, »ich will eine Kaution für den Mann hinterlegen. Er hat Ihren Soldaten nicht erschossen!« »Das ist mir neu, Miß Lottie«, meint Geyer, sich abwendend. »Wer hat dann den jungen Soldaten auf dem Hinterhof eines Ihrer Spielsalons getötet?« »Das hat ein anderer getan, Colonel. Wer, weiß ich nicht. Aber ich bekomm' das schon raus. Und dann bring' ich Ihnen den wahren Mörder.« Geyer ist hinter dem Schreibtisch seines Sergeant stehengeblieben. Er lächelt herausfordernd. »Ein anderer also, wie schön. Nur ist es dann zu spät.« Die rothaarige Lottie Deno schluckt, beherrscht sich. Die Hände legen sich um die kleine Tasche. »Wie soll ich das verstehen, Colonel?« faucht sie. »Wie ich's gesagt habe, Miß Lottie.« Geyer scheint sich zu amüsieren. »Einfach zu spät – für den Mann und für die Kaution.« Gedehnt fügt er hinzu: »Für mich war der Fall eindeutig. Es war Mord an einem meiner Soldaten. In Ihrem Flat, Miß Lottie. Und dafür hab' ich den Mörder soeben erschießen lassen.« »Das ist auch Mord«, klagt sie ihn an. »Es gab keine Beweise! Nichts! Nur Vermutungen!« Der Colonel winkt lässig ab.« »Machen Sie's halblang, Lottie. Was soll der Auftritt? Wir beide wissen doch am besten, um was es geht. Was mich betrifft – ich kann meine Jungs nicht von Ihren Killern umlegen lassen. Da hört der Spaß auf. Der Killer, der den Soldaten auf dem Gewissen hat, ist jetzt auch tot. Seien Sie doch froh, Lottie, daß ich die Siedlung nicht niederbrennen lasse. Poker Flat ist ein Sündenbabel – und Sie gelten nicht umsonst als Pokerkönigin von Texas. Dagegen bin ich nur der
Colonel von Fort Griffin.« »Colonel, Sie sind ein Zyniker.« »So? Ich hielt mich bislang für einen hilfreichen Zeitgenossen. Nun ja, Lottie, wo Sie schon mal da sind, nehmen Sie den Leichnam Ihres Killers mit. Sie erwarten bestimmt nicht, daß wir ihn mit militärischen Ehren beisetzen.« Buckoo beobachtet den Colonel und die rothaarige Frau. Der Colonel hat bestimmt seine Macken, doch er sagt geradeheraus seine Meinung, wenn's auch manchmal schmerzt. Diese Lottie dagegen ist durchtrieben. Sie strebt nach Reichtum und Macht. Und sie ist fähig, diese Ziele mit List und Tücke zu erreichen. »Meine Mitarbeiter, Colonel«, sagt diese Lottie jetzt, »werden ziemlich aufgebracht sein. Wie ich höre, soll Ihr Soldat die Mitspieler kräftig betrogen haben. Glauben Sie im Ernst, daß jeder, der eine Uniform trägt, deshalb auch ein anständiger Kerl ist? Pah! So weltfremd kann nicht mal ein Colonel unserer vielgepriesenen Blauröcke sein.« Abrupt wendet sie sich ab und verläßt das Dienstzimmer. Vor der Baracke steigt sie auf den Wagen und sagt etwas zu ihrem Begleiter. Die beiden Männer ziehen die Pferde herum und lenken sie über den Paradeplatz – dorthin, wo die verhüllte Leiche liegt. Geyer tritt ans Fenster, blickt dem davonrollenden Buggy nach. »Das Biest gehört an den Galgenbaum! Aber General Hooker hat ja was übrig für Flittergirls. Und das weiß diese Lottie Deno, das nutzt sie aus. Hol der Teufel das Weib!« Sein Geiergesicht glättet sich. Er muß etwas entdeckt haben, das zur Abwechslung mal erfreulich ist. Der Sergeant atmet hörbar auf. Mit seiner Leibesfülle erinnert er nun an einen Blasebalg. Er wirft Buckoo und Abel einen Blick zu und zuckt die Achseln. »Es war ein schöner Urlaub«, sagt Geyer unvermittelt. »Weit weg vom Gestank der Büffelhäute. Ich kann nicht
begreifen, wie meine Tochter diese verpestete Luft erträgt. Sergeant, mir ist aufgefallen, daß Miriam verdammt oft draußen am Korral ist. Was tut sie da eigentlich?« »Sir, wenn Sie es wünschen, laß ich Ihre Tochter beobachten – ich meine: beschützen!« »Unsinn!« Geyer lächelte wie ein Nußknacker. »Vielleicht trifft sie sich mit einem meiner Offiziere!« Wie auf ein Stichwort wirbelt Miriam herein. Buckoo hat ein hochnäsiges Mädchen zu sehen erwartet. Das ist Miriam nicht. Sie ist offensichtlich störrisch. Sie blickt Buckoo und Abel kurz an, setzt sich auf die Tischkante und murrt: »Ein gottverdammter Gestank ist das wieder!« Dann schüttelte sie sich wie ein nasser Hund. »Ich geh' zum Korral. Da ist Prärieluft.« Buckoo nickt Abel zu und humpelt zur Tür. Abel ist bereit, ihn notfalls zu stützen. Vorn am Tor des Forts rufen Posten. In klirrendem Trab kehrt die Brazos-Patrouille zurück. Lottie Deno verläßt eben mit den beiden Leibwächtern und der Leiche Fort Griffin. Bis zur Siedlung hat sie's nicht weit. Die Hütten und Häuser sind vom Fort aus zu sehen. Außerhalb der Palisaden grasen Pferde in einem riesigen Korral. Dort findet Buckoo ein gutes Pferd, kauft es und trennt sich von dem Maultier. Das fällt ihm nicht leicht, doch das Maultier hat schon ein paar Jahre zuviel auf dem Buckel, um Strapazen durchzuhalten. Abseits des Korrals schlagen Buckoo und Abel ihr kleines Lager auf. Abel holt vom nahen Fluß Wasser. Über dem kleinen Feuer kochen sie starken Kaffee. Buckoo muß die Hüfte noch schonen. Der Lagerplatz ist gut gewählt. Vor dem Fort trifft sich viel Volk. Soldaten, Händler, Büffeljäger. Und die »Flat«, die Siedlung, ist ein texanisches Sodom und Gomorrha. Eine Ansiedlung, vollgestopft mit Freudenmädchen, Tanzgirls und Animierdamen.
Anziehungspunkt für Büffeljäger, Kartenhaie und Soldaten, Hotels und Dancing Halls, Bars und Bordellen. Noch weiß Buckoo nicht, was eigentlich so alles los ist in Lottie Denos Flat. Nach den Worten des Colonels beherrschten Killer das Camp. Was Fort Griffin für Buckoo interessant macht, ist die Tatsache, daß sich die Comanchen in der Umgebung herumtreiben. Niemand sieht sie, niemand spricht davon – doch alle wissen es. Abel seufzt. Das reißt Buckoo aus den Gedanken. »Was hast du Abel?« »Hier finde ich Ma nie«, sagte Abel bedrückt, blickt ins Feuer, atmet wieder schwer aus. »Die Zeit geht dahin, die Spuren der Comanchen verwehen – und Ma wartet auf Rettung, aber ihr Sohn hockt hier herum, wartet auf ein Wunder. Ich fühl' mich schäbig, Buckoo.« »Comanchen haben viel Zeit, Abel. Nichts und niemand treibt sie.« Buckoos Augen werden noch dunkler. »Ich wollte es dir nicht sagen, Abel, aber ich hab' meine Schwester aufgegeben. Ich hoffe fast, daß sie tot ist. Denn ein Leben unter Comanchen ist für eine Weiße die Hölle.« Abel starrt ihn beinahe feindselig an. Er schluckt heftig, während es im Gesicht zuckt. »Sag ruhig, daß du auch meine Mutter für tot hältst.« »Ja!« sagt Buckoo unmißverständlich. Die Antwort läßt Abel erbleichen. Dann schüttelt er schwach den Kopf. »Nein, Ma lebt. Sie braucht mich.« »Und du willst zu deiner Mutter, wie?« Buckoo will die Wahrheit nicht länger verschweigen. »Tut mir leid, Abel. Auf dem Weg kann ich dir nicht folgen. Der führt in den Tod.« »Was willst du damit sagen?« fährt Abel nur mehr schwach auf. »Daß sie tot ist, Abel. Nimm dein Pferd und reite ins Fort.
Frag die Soldaten der Brazos-Patrouille. Sie haben deine Mutter beerdigt.« Abel springt auf und steigt in den Sattel. »Dann hast du mich belogen, wenn das stimmt!« »Ja, ich wollt's dir schonend beibringen.« *** Weidenruten peitschen die Haut. Alte Weiber schlagen auf Roberta ein. Taumelnd durchquert die Gefangene das Lager. Kläffende Hunde springen um sie herum. »Die Kehle« blickt Roberta verächtlich nach. Der Comanche hat kein Interesse mehr an Roberta. Was hier aber geschieht, soll Roberta täuschen. Sie soll glauben, daß sie nichts wert ist. Doch so ohne weiteres lassen die Comanchen sie nicht laufen. Roberta hat das Lager verlassen. Sie torkelt durch die hohen Dornensträucher. Barfuß, mit zerfetztem Kleid. Halb besinnungslos erreicht sie eine Sandmulde, stolpert, stürzt. Mit ausgebreiteten Armen bleibt sie liegen, das Gesicht im Sand. Über ihr leuchtet kalt der Mond. Was hinter Robertas Rücken ausgehandelt wird, bleibt ihr verborgen. Sie sieht und hört nichts. Dann, um sie noch einmal in Angst und Schrecken zu versetzen, kommt der Comanche in die Sandmulde. Er wirft sich auf sie, zerrt sie herum und liegt dann schwer auf ihrem Leib. Das breite, wilde Gesicht ist dicht vor ihren Augen. Sein fettiges Haar berührt ihre Stirn. Er grinst, stößt ihr den Atem ins Gesicht. Sie soll später sagen, daß sie den Comanchen entkommen konnte. »Die Kehle« hofft, daß Roberta seine Worte vergessen hat – daß er sie gegen Gewehre eintauschen würde. Denn sie soll nicht dahinterkommen, daß der vom Stamm ausgestoßene Comanche »Die Kehle« mit den Büffeljägern gegen die Army
arbeitet. Jedenfalls besteht jetzt noch das Abkommen. Darum muß Robertas Auslieferung an einen der Büffeljäger wie eine Flucht aussehen, Dazu gehört, daß sie wieder einmal geschändet wird. Doch Roberta hat die Grenze der Angst überschritten. Sie ist auch nicht mehr willenlos. Sie handelt! Als der Comanche noch weiter auf ihren Leib gleitet, greift sie nach dem Messer in seinem Gurt. Er merkt nicht, wie sie es aus dem Gurt zieht. Dann holt sie aus – mit ganzer Kraft. Und sie stößt ihm das Messer zwischen die Rippen. So wild und tief, daß die Klinge das Herz erreicht. Er wird starr, zuckt dann, stöhnt, bäumt sich auf – und Roberta stößt ihn von sich, läßt das Messer stecken, richtet sich schwankend auf, schleppt sich aus der Mulde. Sie flüchtet quer durch den Dornbusch. Dabei merkt sie nicht, daß sie im Kreis läuft. Plötzlich steht vor ihr ein bärtiger Mann. Es ist ein Weißer in speckiger Lederkleidung mit einer schweren SharpBüffelflinte. Roberta sieht nur, daß es ein Weißer ist – und glaubt sich gerettet. Vor den derben Stiefeln des Büffeljägers fällt sie auf die Knie. Blutend kauert sie vor dem Mann. Der packt sie an den Haaren, reißt sie hoch und stößt sie hinter die Sträucher. »Bleib da!« herrscht er sie an. Kehlige Laute tönen durch die Nacht. Comanchen nähern sich. Der Büffeljäger bleibt stehen, mit leicht angehobener Flinte. Als die Comanchen ihn entdecken, verharren sie auch. Er gibt ihnen Zeichen – und sie verschwinden. Mit schweren Schritten stapft er um die Sträucher, zieht Roberta hoch und zerrt sie hinter sich her. »Du hast noch einmal Glück gehabt«, raunzte er. »Die
Rothäute sind fort. Du gehörst jetzt mir, verstanden?« Büffeljäger sind gewalttätig. Ihr Handwerk ist das Töten. Sie sind die Schlächter der Prärie. Was sie besitzen, geben sie nicht mehr her. Es sei denn, sie haben daran kein Interesse mehr. Roberta ist einer Hölle entronnen, um eine neue zu erleben. Das aber weiß sie noch nicht. Der Mann hat sie für ein paar Gewehre eingekauft. Sie ist sein Eigentum. Er kann mit ihr machen, was er will. Und das wird er auch. Er erreicht mit Roberta sein Pferd, hebt sie in den Sattel und sitzt auf. »Ich bin Russian Joe!« Er lacht. »Du bist meine Frau, klar? Los, sag was!« »Ja!« Mit Roberta vor sich im Sattel reitet Russian Joe durch die helle Nacht. Um diese Zeit entdecken die Comanchen den getöteten Krieger. *** Die Wunde heilt. Buckoo ist wie ein narbiger Wolf. Er kann schon aufstehen, ja, sogar in den Sattel klettern. In dieser Nacht reitet er. Abel ist nicht aus Fort Griffin zurückgekehrt. Das macht Buckoo unruhig. Er will ergründen, was geschehen ist. Wenn Abel eigene Wege gehen will, mag er es tun – nur Bescheid wissen will Buckoo. Er nähert sich den Lichtern von Fort Griffin. Auf der Prärie davor und am Fluß sind die Zelte aufgeschlagen. Viel Gesindel treibt sich zwischen der Siedlung und dem Fort herum. Nachts ist es besonders schlimm. Das schreckt Buckoo nicht. Er hat den Instinkt eines Wolfes und er wird ihn rechtzeitig warnen.
Er sieht auch die Lichter der Siedlung. Diese Bezeichnung ist eigentlich ein Hohn. Was dort drüben steht, ist eine wilde Ansammlung von Holzhäusern und Hütten, die Rattenlöchern ähneln. Ein Riesencamp, das von Lottie Deno regiert wird. Rund um das Camp wachen ihre Reiter – Männer, die nichts anderes als Killer sind. Lottie Deno hat sie mit Blechsternen versehen und nennt sie Angehörige der Schutztruppe. Lottie ist eben nicht kleinlich beim Vergeben von Titeln. Für sie sind diese Männer Hilfssheriffs. Und sie ist der Boß. Buckoo nähert sich dem Tor des Forts. Das ist wie immer geöffnet. Zwei Posten lehnen an der Palisadenwand, rauchen und halten das Gewehr in der Armbeuge. »He, wo willst du denn hin?« wird Buckoo angerufen. »Laß dich mal ansehen, Mann! Siehst ja wie eine Rothaut aus.« »Stimmt«, knurrt Buckoo, »ich bin der Kriegerhäuptling aller Comanchengruppen. Wie möchtest du geröstet werden? Am Marterpfahl oder in der Sonne?« »Verarschen können wir uns selber!« »Gut. In der Zwischenzeit besuch' ich die Kantine. Wenn ich richtig abgefüllt hab', könnt ihr mich rausschmeißen.« Die Posten grinsen. So redet kein Comanche. Bevor sie fragen können, sagt Buckoo auch schon: »Ja, stimmt, ich bin einer der Scouts. Ist der Commander im Fort?« »Im Kasino. Spar dir den Weg. Er hat die Hucke voll.« »Kein Wunder bei soviel Narren. Die kann ein Mann nur im Suff ertragen.« Buckoo hat genau den richtigen Ton getroffen, um von den Wachen anerkannt zu werden. Grinsend sehen sie ihm nach. Er hält wirklich vor der Kantine. Die Essenausgabe ist vorbei. Die Soldaten, die dienstfrei haben, befinden sich drinnen. Tabakrauch quillt heraus. Stimmengemurmel verrät, daß eine friedliche Stimmung herrscht – obwohl die Männer
keinen Ausgang haben, also nicht in Lottie Denos Poker Flat dürfen. Wahrscheinlich sind hier auch Männer der Brazos-Patrouille zu finden. Buckoo tritt ein, sieht im Tabakdunst überall Uniformierte sitzen, hört sie lachen und flucht. Am Tresen befragt er den jungen Soldaten, der mit anderen hier bedient. »Abel Laine?« Der Soldat überlegt, zuckt die Achseln. »Frag mal da drüben. Der Dicke ist Sergeant Barny.« »Den kenn ich.« Buckoo grinst, wendet sich ab, nähert sich dem Tisch des Sergeants. Man sieht ihm an, daß er was mit der Hüfte hat. Dennoch sind seine Bewegungen nicht unbeholfen. Irgendwie ähnelt er wirklich einem Wolf, der zwar angeschossen wurde, aber schon wieder kampfbereit ist. Lärmend kommen mehrere Büffeljäger herein, lenken die Soldaten am Tisch des Sergeants ab. Barny blickt auf, als Buckoo vor ihm stehenbleibt. Er erkennt ihn sofort wieder. Als Buckoo nach Abel fragt, erinnert er sich auch sofort. »Ja, der blonde Bursche war hier. Hat die Jungs von der Patrouille ausgefragt. Danach hat er das Fort verlassen.« »Wohin, Sergeant?« Erst will Barny eine dumme Bemerkung machen. Dann sieht er, wie ernst Buckoo ist. »Der Junge dreht durch. Fragte nach seiner Mutter. Die Patrouille hat alle Toten begraben – auch die Frau. Dieser Abel wird 'ne Dummheit machen. Der verkraftet die Wahrheit nicht.« Der Sergeant neigt den Kopf, langt nach der Flasche. »Wohin, willst du wissen? Well, ich vermute, er ist in die
Flat geritten. Dort wird er beim Schnaps Vergessen suchen.« Buckoo nickt, blickt über die Soldaten zur Tür. »Er ist dieser Lottie Deno beim Commander begegnet, Sergeant. Die Flat ist groß. In welchem Saloon steckt sie?« Barny überlegt. Die Soldaten am Tisch mustern Buckoo. Der scheint es nicht zu bemerken. Im Lichtschein schimmert das sonnengebeizte Gesicht kupferfarben. »Wahrscheinlich im ›Game‹. Sie soll sich in letzter Zeit oft dort aufgehalten haben. Fast alle Pokertiere in der Flat gehören ihr. Doch im ›Game‹ hat sie ihr Hauptquartier. *** »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Smittie...« Kalt lächelte der Killer. Die Hand ruht auf dem Colt. Breitbeinig steht er über dem schmächtigen Mann am Boden. Drei Männer stehen abseits. Schläger, die auf ein Zeichen des Killers warten. Mondschein erhellt den Hinterhof. Abfall häuft sich hinter dem großen Gebäude. Vorn auf der Straße lacht und lärmt es. Im riesigen Spielsalon »The Game« herrscht Hochbetrieb. Smittie gehört zu Lottie Denos »Organisation«. Komplizen haben ihn auf dem Hinterhof gestellt. Sein gesatteltes Pferd steht noch im Stall. Die Nerven sind mit ihm durchgegangen. Er will der Pokerhölle entrinnen, aber das darf er nicht zugeben. »Nein!« stöhnt er, hebt das von Fäusten zerschlagene Gesicht. »Ich wollte nur spazierenreiten, Jason. Ehrenwort!« »Für dich, Mister Jason, Smittie...« Der Killer verzieht verächtlich die Mundwinkel. Im Mondschein wirkt seine schwarze Kleidung grau. Das macht der Staub. Langsam tritt er an Smittie heran, wuchtet ihm den Stiefel in die Seite. »Ich bring' dir schon Manieren bei. Damit stirbt sich's
leichter.« Smittie stöhnt verhalten. »Ich – ich möchte – die Queen sprechen«, flüstert er abgehackt. Der Killer lächelt kalt. »Unsinn, Smittie. Miß Lottie weiß Bescheid. Sie hat was dagegen, wenn einer aussteigt. Du hast 'nen Vertrag unterschrieben. Der verpflichtet dich zur Arbeit an den Tischen. Wenn du dort was gesehen hast, das dir nicht gefällt, vergiß es. Oder muß ich nachhelfen. Mit 'ner Kugel, Smittie?« Smittie ist einer von vielen, die für Lottie Deno arbeiten. Er hat mitgekriegt, daß an Lottie Denos Tischen betrogen wird. Die meisten Spieler sind Kartenhaie. Smittie kann aber nicht aus seiner immer noch ehrlichen Haut heraus. Dadurch hat er jetzt Schwierigkeiten. »Du kannst mich doch nicht abschießen wie 'nen Hund«, ächzt er. »Was hab' ich denn getan? Nichts, außer das Pferd gesattelt.« »Wohin wolltest du denn reiten, Smittie?« Jasons Stimme klingt auf einmal sanft, als habe er Verständnis. »Nur mal eben nach Fort Griffin? Zum Colonel? Oder weiter weg, Smittie?« Die Schläger kommen näher. Mit aufgerissenen Augen starrt Smittie ihnen entgegen. »Ich will zur Queen!« kreischt er. Seine Stimme erstickt mit einem gurgelnden Laut. Die Schläger sind über ihn hergefallen. Sie lassen erst von ihm ab, als er längst bewußtlos ist. Der schwarzgekleidete schlanke Killer blickt mitleidslos auf Smittie. Aus Mund und Nase des schmächtigen Burschen fließt Blut. »Werft ihn ins Loch!« befiehlt er. Langsam überquert er den Hinterhof, geht durch die Gasse und erreicht die Straße. Er wendet sich dem Spielsalon zu. Darüber hängt ein Schild mit der Aufschrift THE GAME. Im Schein der vielen Lampen wird nicht nur gepokert. Dort
wird auch getrunken, auf einer kleinen Bühne tanzen Mädchen, die Lottie Deno aus der Tanzhalle angefordert hat. Der Killer Jason schlendert an der langen Theke entlang. Männer belagern sie – eine lange Reihe von Rücken. Jason lächelt, durchquert die riesige Halle und verschwindet durch eine Tapetentür. In einem luxuriös eingerichteten Nebenzimmer trifft er auf die rothaarige Lottie Deno. »Wir haben Smittie. Ich laß' ihn ins Loch werfen, Lottie.« »Halt mich nicht mit Kleinigkeiten auf, Jason«, entgegnet sie rauh. »Wenn Smittie nicht weiter mitmachen will, verschwindet er. Wohin, weißt du. Wozu gibt's Comanchen?« Jason füllt sich ein Glas mit bestem Whisky, trinkt und will dann gehen. »Ich will die Jungs neu einteilen. Jeder bekommt 'ne Schrotflinte mit abgesägtem Lauf. Das erhöht die Wirkung.« Lottie Deno ordnet ihr rotes Haar vor dem großen Spiegel. »Was ist mit den kugelsicheren Westen, Jason? Sind die Dinger eingetroffen?« »Ja, mit 'ner Ladung Büffelfellen als Tarnung. Soll ich sie verteilen?« »Ja, heute nacht noch. Ich will, daß meine Hilfsheriffs nicht gleich tot umfallen, wenn auf sie geschossen wird.« Jason ist an der Tür stehengeblieben. Er nickt. Die Hilfsheriffs sind seine Mannschaft – als Killer. In diesem Moment tritt einer der Männer ein, die im Spielsalon die Tische kontrollieren. Auch Smittie hat zu diesen Männern gehört. »Da ist ein junger Bursche, Lottie«, meldete er. »Cowboy oder was in der Richtung.« Lottie Deno scheint gelangweilt. »Wenn er so weiter macht, ja. Er strolcht von einem Tisch zum anderen. Starrt jedem in die Karten. Das gibt Ärger.« »Ist das alles?«
»Ich weiß nicht recht. Irgendwas stimmt nicht mit dem Burschen. Er hat so traurige Augen, Lottie. Weißt du, als wenn er nicht weiß, was er tun soll.« »Gut beobachtet.« Lottie zieht die langen schwarzen Samthandschuhe über. Im funkelnden Flitterkleid sieht sie wie eine Königin aus. »Zeig ihn mir. Aber so, daß er's nicht merkt.« Sie folgt dem Mann. Jason geht hinterher. Sie erreichen einen Vorhang. Der Mann zieht ihn etwas auf und weist durch die Lücke auf den blonden Abel Laine. »Da ist er. Hängt am Tresen 'rum. Ich glaub' der Bursche will sich besaufen. Sag nicht, daß ich was übertreibe, Boß. Solche Burschen kenn' ich. Sehen harmlos aus – aber dann drehen sie plötzlich durch.« Lottie Deno betrachtete Abel und erkennt ihn wieder. »Er war mit 'nem Halbblut beim Colonel«, sagt sie. »Merkwürdig, vielleicht schnüffelt der Boy im Auftrag des Colonels hier 'rum. Well, Jason, ich wünsche, daß ihr den Blonden beobachtet. Wenn er länger im ›Game‹ bleibt, dann sprecht ihn an, fragt ihn, was er will.« »Und wenn er das Maul nicht aufmacht?« dehnt Jason. »Dann verfrachtet ihn zu Smittie. Wenn beide im dunklen Loch zusammenhocken, werden sie reden. Laßt sie dann belauschen.« Sie will sich zurückziehen. Da entfernt sich einer der »Kontrolleure« von einem Tisch, an dem gepokert wird. Der Mann kommt heran. »Warte Boß, scheint Ärger zu geben!« Lottie hört auf ihren Salonchef, bleibt abwartend am Vorhang stehen. Jason winkt den Kontrolleur heran. Der Vorhang verbirgt alle vor den Blicken der vielen Gäste. Im Raum jubelt die Menge. Die Tanzmädchen kommen von der Bühne. »Was ist denn nun schon wieder?«
Lottie Deno ist gereizt. »Bis jetzt ist noch alles in Ordnung, Boß«, antwortet der Kontrolleur. »Das Spiel läuft ruhig. Aber dieser Büffeljäger, dieser Russian Joe, verliert ständig. Das beunruhigt ihn aber gar nicht. Geld sagt er, hat er nicht. Dafür aber was viel Besseres. Und das will er einsetzen. Wenn die anderen damit aber nicht einverstanden sind, gibt's eine Schießerei.« »Verdammt!« Lottie Deno flucht wie ein Frachtfahrer. »Ne' Schießerei im ›Game‹ kann ich derzeit nicht gebrauchen. Dieser Russian Joe ist wohl verrückt geworden, wie? Ich rede mit ihm.« Sie teilt den Vorhang, betritt den Salon und wird umjubelt, muß viele Hände schütteln. Wieder einmal zeigt sich, daß Lottie Deno die ungekrönte Pokerkönigin von Texas ist. Sie benötigt Zeit, an den Pokertisch zu gelangen. Lächelnd bleibt sie hinter Russian Joe stehen. Sanft legt sie die Hand auf seine Schulter. »Wie geht's dir, Joe?« fragt sie ihn wie einen alten guten Bekannten. »Noch genug Büffel auf der Prärie?« »Aah, mein süßes Täubchen!« Russian Joe strahlt, blickt hoch. »Es lebe Lottie, die Queen von Texas.« In dieser Sekunde verliert er wieder. Sein letzter Einsatz wandert über den Tisch. Russian Joe ist blank. Die Kartenhaie blicken ihn ausdruckslos an. Keiner zeigt Schadenfreude. Keiner offenbart seine Gefühle. Russian Joe ächzt. Ihm wird bewußt, daß er am Ende ist. Seine Felle sind schon weg. »Ich mach weiter!« verkündet er nach kurzem Überlegen. »Ich setz' meine Frau!« Lottie schüttelt den Kopf, geht um ihn herum, bleibt an seiner Seite stehen und sagt: »Joe, laß die Scherze. Du bist betrunken. Geh, verlaß den Salon. Jeder von uns weiß, daß du keine Frau hast.«
»Hab' ich!« behauptet er stur. »Das Luder ist sogar hübsch. Ich schwör's euch! Sie ist auch jung. Nur ein bißchen zerrupft ist das Hühnchen. Ich sag euch, sie ist bestimmt tausend Dollar wert. Tausend, einverstanden?« Die Pokerhaie zögern. Einer hebt langsam den Blick an, sieht zu Lottie Deno. Da sagt der Pokerhai: »In Ordnung. Der Einsatz ist die Frau. Tausend Dollar.« Lottie klopft Joe auf die Schulter. Lächelnd sagt sie: »Viel Glück Joe. Vergieß keine Tränen, wenn du verlieren solltest. Ich werde mich dann um deine Frau kümmern.« Als sie sich abwendet, trifft ihr Blick den jungen Abel. Sie will ihn sich später vornehmen. Lächelnd verläßt sie den Salon. Abel folgt ihr. Der Killer Jason gibt einigen Männern im Salon ein Wink. *** Buckoo ist auf dem Weg zur Poker Flat. Abel ist allein in der Siedlung. Der junge Abel will nichts von Lottie Deno. Er folgt ihr, weil er sowieso das ›Game‹ verlassen wollte. Und er hängt sich an Lottie dran, weil ihre Erscheinung ihn stark beeindruckt. Solange er Lottie Deno sieht, denkt er nicht an die ermordete Mutter. Er ahnt nicht, wie gefährlich es ist, dieser Lottie zu folgen. Denn die Deno ist sich schon so gut wie sicher, daß Abel von Commander Geyer in die Flat geschickt worden ist, um herumzuspionieren. Abel muß den Schritt beschleunigen. Viele Männer sind auf der Straße, pendeln zwischen Saloon, Bars und anderen Vergnügenshäusern hin und her, geraten immer wieder zwischen Abel und Lottie Deno. Hinter Abel bewegen sich Jason und mehrere andere Männer durch die Lichtbahnen.
Killer. Doch Abel ahnt nichts davon. Lottie Deno überquert die Straße, nähert sich der Tanzhalle. Harte Stiefel stampfen drinnen über die Bretter. Es rumst und dröhnt. Unter den Papiergirlanden über dem Eingang bleibt Lottie Deno kurz stehen. Sie will den Verfolgern ermöglichen aufzurücken, damit sie Abel unauffällig in die Zange nehmen können. Er scheint auch in die Tanzhalle zu wollen. Um herauszubekommen, ob er ihr folgt, wendet Lottie sich jäh ab, geht am Eingang vorbei und biegt um die Ecke des Gebäudes. Abel zögert, bleibt stehen. Männer gehen an ihm vorbei. Manche stoßen ihn unsanft an. Er hört die Musik, das Lachen und Gebrüll – und folgt Lottie Deno. Der Mond taucht den Hinterhof in bleiches Licht. Weitab der Siedlung reitet Kavallerie westwärts in Richtung Fort Phantom Hill. Feuer flackert auf der Prärie. Auf dem Hof steht ein alter Planwagen. Die Achsen sind gebrochen. Träge bewegen sich Planenfetzen im Nachtwind. Abel sieht Lottie Deno nicht, als er den Hof betritt. Die rothaarige Frau beobachtet ihn. Ihr Blick ist abwägend, ernst. Lottie denkt an den Treff beim Colonel. Sie kann den Kommandeur nicht ausstehen. Das beruht freilich auf Gegenseitigkeit. Geyer will ihr und dem Flat Schwierigkeiten machen. Vielleicht ist dieser junge Blonde ein Spitzel – gerade weil er so harmlos aussieht, so jung ist und so traurige Augen hat. Lottie braucht nur mit Daumen und Zeigefinger zu schnippen – und Abel ist Sekunden später eine Leiche. Lautlos wie ein Schatten bewegen sich Jason und die anderen an dem Gebäude entlang. Abel geht auf den Hof hinaus, langsam, unschlüssig. Er hat keine Deckung. Der Killer Jason schickt einen Pokerhai los. Jimmy Granger ist genau der richtige Mann dafür. Jung, schlaksig, sieht er
ganz und gar nicht aus wie Kartenhaie und Killer aus. Aber er ist es. Smittie, den sie ins Loch geworfen haben, hat ihn einmal den »lächelnden Tod« genannt. Jimmy kommt um die Ecke der Tanzhalle. Er gibt sich keine Mühe, leise aufzutreten. Abel hört die Schritte, dreht sich um, sieht den fast hageren jungen Mann näher kommen. Für Abel ist es ein Fremder. Doch Jimmys Aussehen läßt Abel an keine Gefahr denken. Jetzt erreicht Jimmy Granger den verdächtigen Abel. »Was suchst du denn hier?« lächelt Jimmy. »Die Mädchen sind drinnen. Bist du schon in der Dancing Hall gewesen?« »Nein«, sagte Abel ehrlich. Jimmy stutzt, grinst dann. »Dann hast du nichts versäumt. Wo findet einer hier schon mal ein sauberes, schönes Mädchen? Nirgendwo! Nur diese Lottie, die ist eine Klasse für sich. Kennst du sie?« »Ich hab' sie gesehen, drüben im ›Game‹.« Abel blickt sich um. »Sie muß hier irgendwo sein.« »Wo? Hier?« Jimmy stellt sich dumm. »Hier doch nicht. Ich glaub', du träumst.« Er lacht leise. »Na gut, jedenfalls folgst du ihr. Warum?« Abel lächelt schüchtern. »Das weiß ich selbst nicht recht«, gesteht er. »Ich sah sie, und dann ging ich einfach hinterher. Wirklich, das ist alles.« »Jedenfalls kann ich sie nirgends sehen.« Jimmy wendet sich halb ab. »Kommst du mit? Ich hab' Durst. Ich kenn 'ne Bar in der Nähe.« Abel nickt. Jason und die anderen lassen sich nicht sehen. Lottie Deno kommt hinter dem Wagenwrack hervor, als Abel und Jimmy Granger verschwunden sind. »Er war dem Tod näher als dem Leben«, sagt sie zu Jason. »Entweder ist er wirklich so naiv, oder er ist der größte Bluffer,
der jemals in die Siedlung gekommen ist. Jimmy soll ihn weiter aushorchen.« »Warum machst du so viele Umstände mit dem Burschen, Lottie? Wir können ihn abknallen, und die Sache ist erledigt.« »Irgendwie gefällt er mir, Jason. Nicht, weil er jung ist. Er hat seltsam traurige Augen, das ist es.« Sie raucht ein Zigarillo an, bläst ihm den Rauch ins Gesicht. Sie verläßt den Hof. Jason bleibt an ihrer Seite. Beide betreten die Tanzhalle. Lottie kontrolliert die Kasse, dann geht sie wieder, kehrt mit Jason in den ›Game‹ zurück. Russian Joe hat die Pokerpartie verloren. Seine Frau gehört einem der pokernden Killerhaie – und damit Lottie Deno. Zwei »Hilfssheriffs« begleiten Russian Joe aus der Siedlung, um die Frau des Büffeljägers in Empfang zu nehmen. Sie sollen sie heimlich zu Lottie Deno bringen. Lottie ist neugierig. *** Der Fusel haut Abel Laine um. Halb bewußtlos liegt er auf dem dreckigen Boden der Bar. Nur Jimmy Granger steht noch an der langen Theke. Der schlaksige Mann hält sich daran fest. Die letzten Gäste sind hinausgetorkelt. Abel und Jimmy haben Freundschaft geschlossen. Für Jimmy Granger bedeutet dies gar nichts. Abel glaubt daran. Jetzt aber ist er eine Whiskyleiche. Er merkt nicht, wie Jimmy Granger über ihn hinwegsteigt und hinaustorkelt. Der Morgen graut. »So, und jetzt raus mit dir, Junge«, sagt der Keeper, packt Abel und wirft ihn wie ein Bündel zur Tür hinaus. Abel schläft am Straßenrand weiter, dicht neben einem anderen Betrunkenen. Von der Straßenmitte aus ist Abel nicht
zu erkennen. Langsam reitet Buckoo die Straße hinauf. Schon einmal ist er hier gewesen, vor Stunden, als überall noch Betrieb war. Jetzt haben alle Fassaden ihre Anziehungskraft verloren. Alles sieht schäbig aus, verkommen, schmutzig. Felle von Büffeln faulen am Straßenrand. Eine einsame Stallaterne flackert vor dem Eingang eines Saloons. Girlanden rascheln. Staub haftet an Fensterscheiben. Die Haltestangen sind leer, kein Sattelplatz ist zu sehen, auch Abels Tier nicht. Es steht sicher in einem der vielen Ställe zwischen den Häusern und Hütten. Hunde laufen umher, herrenlos und struppig, scharren im Abfall. Buckoo kommt an der Bar vorbei. Er sieht kaum hin. Auch beachtet er die Betrunkenen nicht, die am Straßenrand liegen. Er reitet an Abel vorbei. Vor dem Livery Stable hockt ein alter Mann, wahrscheinlich der Stallhelfer. Buckoo hält auf ihn zu, zügelt das Pferd vor dem Mietstall. »Sag mal, hat's in dieser Nacht einen Toten hier gegeben?« fragt er, denkt dabei an Abel, den es erwischt haben könnte. »In dieser Nacht nicht«, krächzt der Alte. »Werd bloß nicht ungeduldig.« Buckoo verläßt die Siedlung. Die Morgenröte zieht herauf. *** Roberta weiß nicht, wie ihr geschieht. Zwei Männer, die Blechsterne tragen, kommen mit Russian Joe in das kleine Camp der Büffeljäger. Russian Joe flucht, stößt wilde Verwünschungen aus, packt Roberta und stößt sie den Männern in die Arme. »Da habt ihr die tausend Dollar! Und jetzt haut ab, sonst überleg' ich's mir noch anders.«
Allein bleibt Russian Joe zurück. Lange starrt er Roberta nach. Dann wendet er sich ab, zieht sich auf sein Pferd und reitet zu seinen Enthäutern. Heimlich wird Buckoos Schwester in die Poker-Siedlung gebracht. Sonnennebel ziehen über die Prärie. Von Fort Griffin tönt ein Hornsignal herüber. Ein paar Feuer fackeln am Fluß. Irgendwo dort lagert auch Buckoo. Das kann Roberta nicht wissen. Sie hält den Halbbruder wie alle anderen für tot. Roberta hat sich verändert. Das Mädchen hat bei den Comanchen gelitten. Und Russian Joe hätte ihr kein besseres Dasein beschert. Auf Umwegen erreichen die Männer mit Roberta die Rückseite von ›The Game‹. Roberta ist argwöhnisch. An diesem Morgen scheint alles gutzugehen. Die »Hilfssheriffs« sind zurückhaltend freundlich, sprechen kaum ein Wort zu Roberta, nicken ihr zu, als der Hinterhof erreicht ist. Zerschlagen rutscht Roberta vom Pferd, das die Männer zum Büffeljägercamp mitbrachten. Durch die Hintertür wird Roberta in das dunkle Innere des Hauses geführt. Nach all den Strapazen befindet sie sich nun in einem richtigen Haus. Sie riecht kalten Tabakrauch – und Parfüm! In Roberta weckt es fast schon verkümmerte Wünsche nach einem Leben in Tüll und Seide. Schweigend führen die beiden Männer Roberta in ein feudal eingerichtet großes Zimmer. Wortlos ziehen sie sich zurück. Roberta hat das Gefühl, beobachtet zu werden. Das Zimmer hat schwere Vorhänge. Es ist eingerichtet, daß man glauben könnte, in St. Louis zu sein – nicht im Staub von Texas. »Möchtest du was trinken?« Hinter einer Spanischen Wand tritt lächelnd die rothaarige Lottie Deno hervor. Sie raucht ein
Zigarillo, das in einer langen silbernen Spitze steckt. Der Morgenmantel klafft bei jedem Schritt auf. Zarte Unterwäsche ist zu erkennen, wie Roberta sie noch nie gesehen hat. Die Mädchen der Flat – selbst diejenigen, die hier nur tanzen – tragen viel Plunder und wirken dadurch noch dicker. »Whisky?« fragt Lottie. »Oder Champagner? Vielleicht Kaffee?« Da nickt Roberta. »Gut«, sagt Lottie Deno, »Kaffee wird dich munter machen.« Roberta steht zerlumpt, zerschlagen und blutverkrustet vor ihr. Ein Anblick, der ins Herz schneiden muß. Lottie betrachtet Roberta neugierig. »Du siehst mitgenommen aus, Kind. Erst mal wirst du ein warmes Bad nehmen. Dann bekommst du Kleider. Und dann reden wir über deine Zukunft.« »Warum tun Sie das alles?« flüsterte Roberta. »Wer sind Sie?« »Lottie Deno, die Pokerkönigin von Texas, mein Kind. Warum ich das tue? Nun, ich hab' dich für tausend Dollar eingehandelt. Die wirst du abarbeiten. Denn dadurch wirst du frei.« »Frei?« Robertas blaue Augen leuchten auf. »Ja, ich will arbeiten. Gleich, was es ist. Aber tausend Dollar? Das dauert Jahre.« »Wie heißt du eigentlich?« »Roberta. Ich hab' niemanden mehr. Comanchen haben die Ranch niedergemacht. Mein Vater, mein Bruder und andere sind tot. Ich wurde verschleppt.« »Du Ärmste. Hör zu, Roberta, du kannst die tausend Dollar schnell abarbeiten. Ich hab' mit dir was Besonderes vor! Warum? Nun, ein Mädchen wie du kennt die Schattenseiten des Lebens. Du bist hart geworden. Das brauch ich – eine harte Frau, hübsch und klug. Du wirst einen meiner großen
Spielsalons leiten. Zunächst aber laß ich dich von Mary einarbeiten. Ihr seht euch ähnlich. Mary führt den ›Soldier's Star‹. Den übernimmst du später.« Lottie Deno lächelt gewinnend. »Natürlich nur, wenn du einverstanden bist.« »O ja, das bin ich!« »Dann laß uns Kaffee trinken. Danach steigst du in die Wanne.« *** Abel kommt zu sich. Ein Mann ist über ihn hinweggetrampelt. Benommen hebt er den Kopf aus dem Schmutz, blickt dem Büffeljäger nach. Der stapft ungerührt weiter, hält das schwere Gewehr, verschwindet in einem Store. Abel kriecht an den Gehsteig, zieht sich am Pfosten des Vordaches hoch, steht schwankend vor dem Eingang der Bar. Langsam erinnert er sich daran, daß er mit einem schlaksigen Mann namens Jimmy Granger in der Bar getrunken hat. Jimmy ist verschwunden. Die Straße belebt sich. Mit Büffelfellen schwer beladen, rollen zwei Frachtwagen die Straße hinauf. Reiter in langen Büffelmänteln folgen. Im Sonnenschein sitzen drüben mehrere grellgeschminkte Mädchen, lehnen sich weit in den Schaukelstühlen zurück, kichern und reden. Ein Trupp Soldaten nähert sich. Abel setzt sich auf die Kante des Gehsteiges und sieht, wie die Soldaten auf den ›Game‹ zuhalten. Seufzend erhebt er sich. Ihm ist schlecht. Er möchte sich übergeben, kann es aber nicht. Als er auf die Straße tritt, knickt er ein, stürzt. Vier Animiermädchen gehen vorbei, kichern, reißen Witze über ihn. Er findet das gar nicht komisch. Fluchend überquert er die Straße.
Auch Abel ist anders geworden. Er ist in der Siedlung, um Vergessen zu finden. Aber er kann nicht vergessen. Seine Mutter ist von den Soldaten der Brazos-Patrouille beerdigt worden. Es hat keine Überlebenden auf der Laine-Ranch gegeben. Abel nähert sich dem Spielsalon ›Game‹, bleibt aber auf der gegenüberliegenden Seite. Noch immer unsicher auf den Beinen, hält er sich am Pfosten fest. Dadurch steht er halb in Deckung. Ein Lieutenant betritt eben den Salon. Die anderen Soldaten bleiben in den Sätteln. Dann erscheint die rothaarige Lottie Deno mit dem Lieutenant im Sonnenschein dieses frühen Vormittags. »Nein, nein, Lieutenant«, hört Abel die Queen sagen, »ich brauche die Unterstützung der Army nicht. Ich möchte auch nicht, daß sie sich in meine Geschäfte einmischen. Hier halte ich Ordnung – mit meiner Schutztruppe: Die Jungs sorgen für Ruhe. – Bestellen Sie Colonel Geyer, er soll mich in Ruhe lassen. Es war ein Unfall – ein Mißverständnis gewissermaßen, daß der Soldat erschossen wurde. Nun, der vermutliche Täter ist tot. Damit ist die Sache erledigt.« »Seien Sie nicht so störrisch, Lottie«, entgegnet der Lieutenant. »Und bedenken Sie, daß sich Ihre sogenannten Hilfssheriffs hart an der Grenze des Erlaubten bewegen. Ein Schritt darüber – und Ihre sogenannten Deputies sind simple Killer!« Lottie wird wütend. »Nun red' kein Büffelmist, Lieutenant«, fährt sie ihn an. »Die Army besitzt keine richterliche Gewalt. Jahrelang hat sie sich nicht eingemischt. Erst dieser Geier von Colonel glaubt, in meine Unternehmen hineinreden zu dürfen! Ausgeschlossen. Colonel Geyer hat keinerlei Befugnisse!« »Lottie...« Die Stimme des älteren Lieutenant klingt besänftigend. »Regen Sie sich nicht auf. Der Kommandeur ist
eben neu hier.« »Dann wird es Zeit, daß er sich anpaßt – und weißt du, was du solange in der Flat bist, Lieutenant? Überflüssig! Guten Morgen!« Lottie macht kehrt, verschwindet im Salon. Der Lieutenant grinst, sitzt auf und reitet mit den Soldaten aus der Siedlung. Er hat den Auftrag ausgeführt. Abel überquert die Straße, erreicht den Hinterhof vom ›Game‹. Er will zu seinem Pferd. Das steht im Stall zwei Höfe weiter. Aus dem Anbau dringt ein Geräusch. Wasser plätschert. Abel bleibt stehen, blickt auf das Badehaus, das zum Salon gehört. Jemand summt gedankenverloren ein Lied. Abel kennt die Melodie. Der Text handelt von wilden Pferden. Eine Frau summt das Lied. Andächtig lauscht Abel, steht reglos in der Sonne. An Buckoos Schwester Roberta denkt er nicht. Er hält auch sie für tot. Die Stimme erinnert ihn an die Mutter. Er ist so tief versunken in Gedanken, daß er den schlaksigen Jimmy Granger nicht bemerkt. Der jungenhafte Killer verharrt hart an der Hausecke. Aus engen Augen beobachtete er Abel, doch der Mund lächelt. Von Jason, dem Anführer der Killergarde, weiß Granger, daß Lottie Deno eine gewisse Roberta eingestellt hat – angeblich die Frau von Russian Joe. Auch Granger hört das Summen im Badehaus, das Plätschern und dann ein unterdrücktes Stöhnen. Roberta schmerzen die Wunden, die von Hieben, Tritten und Dornen herrühren. Sie ist aus der Wanne gestiegen, trocknet den zerschundenen Körper vorsichtig ab. Abel nähert sich dem Anbau. Jimmy Granger streichelt über den Colt, läßt die Waffe aber in dem Halfter stecken. Er ist schnell genug. Und mit diesem blonden Abel wird er allemal
fertig. Roberta ist allein im Badehaus. Umständlich streift sie nun die Unterwäsche über, legt das Kleid an. Einen Moment ist sie traurig. Sie denkt an die Pony-Ranch. Dann beißt sie sich auf die Lippen. Sie wird sich nicht unterkriegen lassen. Sie will Geld machen, dieser Lottie Deno nacheifern. Sie schlüpft in die Schuhe und nähert sich der Brettertür. Abel steht davor. Roberta stößt die Tür auf, und er bekommt sie an den Kopf. Unwillkürlich weicht er zurück, stolpert und setzt sich auf den Hosenboden. Roberta blickt auf ihn – und er starrt sie an, ist so entgeistert, daß er zunächst keinen Ton hervorbringt. Buckoos Schwester hat sich auch äußerlich verändert. Das brünette Haar hängt naß und zerzaust auf die Schultern. Die Sonne im Comanchenland hat ihr Gesicht verbrannt. Die Lippen sind aufgesprungen, die Haut ist trocken und rissig. Doch das irritiert Abel nicht. Was ihn in heftige Zweifel stürzt, ist der Ausdruck von Robertas Augen. Darin ist Wildnis. Das ist der Blick einer Tigerin. Blau, doch dunkel und wild. Roberta erkennt Abel. Von einer Sekunde zur anderen steht ihr Entschluß fest: Sie will nie wieder Roberta sein! Sie geht an ihm vorbei, als wäre er ein Fremder. Abel kommt hoch, steht im Staub, atmet heftig, hebt die Rechte, streckt sie aus. »Roberta!« ruft er. »Ich bin's doch. Abel Laine!« Sie reagiert nicht, nähert sich der Hintertür. Nein, sie ist nicht mehr Roberta, Buckoos Schwester. Die Pony-Ranch ist Asche. Eine Erbschaft gibt's nicht. Zu Geld kommt sie nur hier. Sie reißt die Tür auf und verschwindet im Haus. Abel rennt hinterher, will Roberta folgen – da packt Jimmy Granger zu, reißt ihn am Arm zurück. »He, wohin so eilig?«
Abel will sich losreißen, will Jimmy Granger zurückstoßen. Dazu kommt er nicht. Granger zieht den Colt und schlägt ihm den Lauf über den Schädel. Bewußtlos liegt Abel vor der Tür. Granger zerrt ihn hoch, schleppt ihn fort. Der Kartenhai und Killer weiß, wohin er Abel bringen muß, um ihn loszuwerden. Abel kommt ins Loch. Das ist ein tiefer, ausgetrockneter Brunnenschacht. An einem Strick läßt er Abel hinuntergleiten. Dann kappt er den Strick. Leblos liegt Abel in der Tiefe. Neben ihm bewegt sich jemand. Smittie. *** Ein kreisrundes Stück blauer Himmel – das ist alles, was Abel von der Außenwelt sieht. Zuerst weiß er nicht, wo er ist. Er kriecht los, rammt mit dem Kopf prompt gegen die Brunnenwand. Der Stoß ist so hart, daß sich zwischen den Steinen der Mörtel löst und ihm ins Genick fällt. Dann ertastet er einen Körper. Seine Hände zucken zurück, erstarren zu Klauen. Nein, der ist nicht kalt – der lebt. Das ist Abels erster Gedanke. Dann hört er Atemgeräusche. Seine Augen gewöhnen sich an das Halbdunkel. Er erkennt die Umrisses eines Mannes. Zerschunden, zerschlagen und mißhandelt kauert Smittie vor Abel. Mit dem Rücken lehnt er an der Schachtwand. Smittie ist mißtrauisch. Vielleicht soll dieser blonde Bursche ihn aushorchen. Dem Kartenhai und Killer Jason traut er jede Gemeinheit zu. Jason will seinen Kopf. Darüber ist Smittie sich klar. Aber Jason wird von Lottie Deno zurückgehalten. Vor ihr kuscht er.
»Was ist das hier?« raunt Abel. »Sieht wie ein Brunnenschacht aus.« »Ist es auch«, murmelt Smittie. »Herzlich willkommen. Den Strauß Blumen steck bitte dort in die Vase.« »He, was haben sie mit dir gemacht?« Abel kann die blutunterlaufenen Beulen in Smitties Gesicht erkennen. »Da fragst du noch?« entgegnet Smittie grimmig. »Ich bin nicht gegen die Wand gelaufen. Das waren Fäuste und Stiefel. Und nun hock ich im Loch – doch ich will raus. Bloß wie?« Abel lehnt sich mit dem Rücken an und blickt nach oben. Der Himmel ist seidig blau. Natürlich glüht die Sonne an diesem Tag, aber hier unten ist davon nichts zu spüren. Etwas Staub weht über den Brunnenrand. Über dem Brunnen ragt ein Gerüst empor. Früher trug es mal ein Dach. Jetzt ist nur noch die Winde mit dem Strick zu sehen. »Dieses Schwein!« flüstert Abel. »Ich hab' geglaubt, Jimmy Granger wär in Ordnung. Er hat mir eins über den Kopf gezogen!« »Wenn das alles ist, sei zufrieden. Sie hätten dir auch alle Knochen brechen können. Wer bist du, Blonder? Warum bist du ins Loch geworfen worden? Erzähl doch mal deine Geschichte.« »Mann, da ist nicht viel zu erzählen. Ich kam in die Flat, sah Lottie Deno und folgte ihr. Später ging ich hinter den ›Game‹ und hörte Gesang im Badehaus. Und da kam ein Mädchen raus. Sie hatte große Ähnlichkeit mit einer Bekannten, die Comanchen verschleppten. Ich rief sie an. Sie sah mich nur an, ging ins Haus. Ich wollte ihr folgen. Da schlug dieser verfluchte Jimmy zu. Und jetzt sitze ich hier.« »Was mir auch schon aufgefallen ist.« Smittie hat noch kein rechtes Vertrauen zu Abel. Seine Worte beweisen es. »Sie vermuten, ich will abhauen. Stimmt aber nicht. Trotzdem sitz ich noch hier.« Abel richtet sich auf, betastet den Kopf, spürt die
Platzwunde. Dann ertastet er den Rest Mörtel im Nacken und schließlich das Ende des gekappten Strickes. »Wenn wir hier rauswollen, müssen wir uns beeilen«, raunt er. »Hast du auch 'nen Strick um den Bauch?« »Ja.« »Der Brunnen ist verdammt tief. Versuchen wir's trotzdem. Ich hab' ein Messer im Stiefelschaft. Damit kratz' ich die Fugen zwischen den Steinen auf. Das sollte zum Klettern ausreichen. Nach obenhin verjüngt sich der Schacht. Beide Stricke zusammengebunden, well, das reicht vielleicht. Damit kann ich dann den Balken vom Gerüst erreichen.« »Kannst du ein Lasso werfen?« Smitties Stimme klingt gepreßt. Er fiebert der Flucht entgegen, weil er weiß, daß sie ihn irgendwann doch umbringen werden. »Ja. Wir hatten 'ne kleine Ranch. Comanchen – du verstehst?« Abel hat eine Wandlung durchgemacht. Er ist kein Träumer mehr. Und er ist fest davon überzeugt, Roberta begegnet zu sein. Er muß Buckoo davon verständigen. Erst jetzt nennen sie sich gegenseitig beim Namen, reichen sich die Hände, schließen einen Pakt. »Ich hab' mein Pferd nicht weit von hier in einem Stall«, verrät Smittie. »Ja, ich wollte abhauen. Ich erzähl's dir später.« Abel sagt, daß auch er sein Pferd gesattelt bereitstehen hat. Dann macht er sich an die Arbeit, rammt das starke Messer in die Steinfugen, bricht den Mörtel heraus. Der Brunnen ist alt, wahrscheinlich ein Überbleibsel aus der Spanierzeit. Die Arbeit geht gut voran. Abel muß auf Smitties Schultern steigen. Immer wieder zieht er einen, manchmal auch zwei Steine heraus. Smittie fängt sie auf, läßt sie dann fallen. Das dumpfe Geräusch kann sie nicht verraten. In fieberhafter Eile bereiten sie die Flucht vor. Abel arbeitet jetzt mit ausgestreckten Armen. Schließlich steigt er von
Smitties Schultern in die Löcher, muß die Beine spreizen. Lange hält er das nicht durch. Stöhnend steigt er abwärts, auf Smitties Schultern und dann nach unten. Schwach dringen die Geräusche von der Straße herüber. In der Flat ist es still. Mittagszeit. Plötzlich hören sie Schritte. Oben erscheint der Killerhai Jason. Dunkel zeichnet sich sein Oberkörper vor dem blaßblauen Mittagshimmel ab. Neben ihm erscheinen zwei Männer, die Abel noch nicht kennt. Beide tragen einen Blechstern... Von solchen »Hilfssheriffs« gibt's viele. Vier davon sind übel. Zwei sind jetzt da oben. Jason kann die Vorbereitungsarbeiten zur Flucht von oben aus nicht erkennen. »Smittie«, ruft er, »ich gratuliere. Lottie will dir noch 'ne Chance geben. Sie hat aber nicht gesagt, wann wir dich rausholen sollen. Laßt euch die Zeit nicht langweilig werden. Hier habt ihr Karten zum Pokern.« Kalt auflachend wirft er die Karten in den Schacht und wendet sich ab. Die Deputies folgen. »Los, weiter, Abel.« zischt Smittie. »Sie wollen uns killen!« *** Es ist Mittag. Die Hitze brütet über der Flat. Der Glutwind weht aus dem Comanchenland. Buckoo will sich ein letztes Mal umsehen. Dann wird er ins Comanchenland reiten und nach Spuren suchen. Er ist wieder in Ordnung. Wenn's drauf ankommt, kann er reiten wie der Teufel. Eigentlich sollte er Roberta vergessen. Ihre unterdrückte Habgier war ihm ein Greuel. Sie hat dem Vater oft was vorgespielt. Doch immerhin ist sie seine Schwester.
Buckoo reitet langsam. Jederzeit kann er blitzschnell die Winchester aus dem Gewehrschuh reißen. Für ihn ist klar: »Die Kehle« ist ein Abtrünniger. Buckoos Vater hat stets ein gutes Verhältnis zu den Comanchengruppen gehabt. Nur Diablo schert sich einen Dreck darum. Buckoo will ihn vor den Lauf bekommen. Hier in der Siedlung wird er freilich kaum auf Diablo stoßen. Er schließt die Möglichkeit aus, weil er nicht weiß, das seine Schwester einen Krieger erstochen hat. Sein Pferd trottet durch die Sonne. In den schmalen Schattenfeldern der Häuser will es immer wieder stehenbleiben. Auch das Tier meidet die Hitze, wann und wo es kann. Wieder will es stehenbleiben – und diesmal läßt Buckoo es gewähren. In der Siedlung stinkt es nach Häuten. Nur wenig Herdrauch steigt über den Dächern empor. Ein paar Sattelpferde stehen vor einem Saloon. Zwei Negerburschen wechseln die Straßenseite, schleppen Wassereimer. Kein Pflug ist zu sehen. Nirgendwo abseits der Flat geht Saat auf. Kein Korn wächst, kein Mais glänzt in der Sonne. Dies ist eine Siedlung ohne Siedler. Buckoo will arbeiten. Da hört er ein Geräusch. Das ist leise, hört sich wie Stöhnen an. Jemand scheint sich abzuplagen. Dann quietschen rostige Eisen. Eine Winde mag das sein. Die Geräusche trägt der Glutwind von einem der etwas entlegenen Hinterhöfe heran. Es ist Neugierde, die Buckoo von der Straße reiten läßt. Er passiert die Einfahrt zum Hof. Staub treibt in tanzenden Wirbeln über den Hof. Weit hinten stehen Ställe. Dort ist ein alter Brunnen. Hände schieben sich über den Brunnenrand, krallen sich fest. Jemand zieht sich herauf, rollt sich über den Rand und verschwindet hinter dem Brunnen.
Ein blonder Mann, sehr schlank, der Abel stark ähnelt. Hinter dem Blonden kommt ein schwarzhaariger Mann zum Vorschein. Auch er zieht sich aus der Tiefe des Brunnenschachtes. Da hört Buckoo schnelle Schritte, Metall klirrt. Dann ruft eine scharfe Stimme: »Darauf hab' ich gewartet Smittie. Du Hundesohn willst verschwinden. Zur Hölle mit dir.« Schüsse peitschen auf, zerreißen die Mittagsstille. Blei trifft den Schwarzhaarigen. Dahinter taucht der Blonde auf, hetzt im Zickzack davon, um kein deutliches Ziel abzugeben. Wieder krachen Schüsse. Jemand brüllt: »Laß ihn nicht entkommen. Smittie hat bestimmt geredet. Legt ihn um.« Buckoos Augen weiten sich einen Herzschlag lang. Er hat den Blonden erkannt. Das ist wirklich Abel. Hart treibt er das Pferd an, jagt über den Hof, duckt sich im Sattel. Schüsse fallen – doch die Kugeln gelten noch nicht ihm. Abel hetzt weiter, erreicht die Deckung des Stalles, ist vorübergehend in Sicherheit. Doch ohne Pferd ist er verloren. In rasendem Galopp fegt Buckoo hinter den schießenden Männern entlang. Einer dreht sich um, hebt die Hand mit dem Colt, schießt. Blei sirrt heiß über Buckoo hinweg. Plötzlich ist der Sattel leer. Buckoo hängt an der abgewandten Seite des Pferdes. Der Schütze glaubt, ihn vom Pferd geschossen zu haben. Doch dann kommt er unter dem Hals des dahinjagenden Pferdes eine Faust hervor. Sie hält den Colt. Die Waffe kracht. Der Mann bricht tot zusammen. Buckoo erreicht den Stall. Abel läuft vor ihm. Er reitet hinterher, ruft seinen Namen. Abel dreht sich um, erkennt ihn, duckt sich zum Sprung –
und dann sitzt er hinter Buckoo auf dem Pferd, klammert sich fest. Buckoo hält auf den Fluß zu. Unter den Bäumen pariert er das keuchende Pferd, blickt umher, lenkt das Tier in das seichte Wasser, reitet mit der Strömung. Der aufwirbelnde Schlamm treibt hinterher. Wild lacht Buckoo auf. »Abel, du Narr, jetzt bist du wieder am Fluß. Warum das alles, he?« »Ich hab' Roberta gesehen, Buckoo! Im Badehaus hinter dem ›Game‹.« »Du bist verrückt!« »Nein, das bin ich nicht«, widerspricht er. »Sie ist dort, oder ich will auf der Stelle tot aus dem Sattel fallen.« Da hält Buckoo an. Durch eine Baumlücke kann er auf die Siedlung sehen. Kein Reiter folgt ihnen. »Was hast du gesagt?« Er dreht sich steif um. Die Hüfte schmerzt wieder. »Roberta ist in der Flat?« »Buckoo, sie ist es. Doch sie hat sich verändert.« Grimmig reitet Buckoo an. »Schön, ich werd sie mir ansehen. Heute abend. Und du kommst mit.« »Der arme Smittie.« *** Seufzend läßt Lottie Deno sich auf die bequeme Couch sinken. Smitties Tod scheint ihr an die Nieren zu gehen. Zweifelnd blickt sie auf, fragt den schwarzgekleideten Killer: »Mußte das unbedingt sein?« Jason grinst. »Ja. Der gute Smittie wollte sich verdrücken.« Lottie Deno greift gelangweilt nach einem Zigarillo. Jason gibt ihr Feuer. Sie blickt dem kräuselnden Rauch nach. »Wir haben noch genügend Platz auf dem Hügel«, sagte sie.
»Es gibt noch kein Gedränge. Du sorgst dafür, daß Smittie ein ordentliches Grab bekommt.« »Mach ich.« Jason füllt sich ein Glas mit Whisky. »Ich hab' ihm gesagt, daß du ihm noch eine Chance geben willst. Trotzdem versuchte er wegzukommen. Das beweist, daß er ein Verräter war. Wahrscheinlich wollte er zu Colonel Geyer und dem was ins Ohr flüstern. Zum Beispiel, wer den Soldaten erschossen hat.« »Dann hättest du keine ruhige Minute mehr gehabt, Jason.« Lottie räkelte sich. »Und wo ist der Blonde mit den traurigen Augen?« »Entkommen. Jemand hat ihm geholfen. Ein paar Jungs sind schon auf der Suche nach den beiden.« »Ihr müßt wachsam sein, Jason. Du wirst während meiner Abwesenheit dafür sorgen, daß im Poker Flat alles unter Kontrolle bleibt.« »Du willst verreisen?« fragt er erstaunt. »Nach Fort Worth. Keine Sorge – ich nehm die Leibgarde mit. Das ist auch nötig. Ich will Geld deponieren. Außerdem will ich für die Flat einige Bestellungen aufgeben. Es dauert ja Monate, bis das Zeug hier eintrifft. Du wirst mich hier solange vertreten, Jason. Von mir aus, auf deine Art.« »Gut. Mach ich.« Er schlürft den Whisky aus dem Glas. »Was ist mit dieser Roberta? Der Blonde rief sie an, als sie aus dem Badehaus kam. Er heißt Abel Laine. Er kennt sie von irgendwoher.« »Roberta soll sich im ›Soldier's Star‹ einarbeiten. Mary wird sie beobachten. Vielleicht versucht der Blonde, an sie ranzukommen. Dann schaltet ihn aus.« »Du sprichst mir aus der Seele, Lottie.« Jason setzt das Glas ab, wendet sich der Tür zu. »Der Kerl, der den traurigen Blonden aus der Siedlung geschafft hat, sieht wie eine Rothaut aus. Um den werde ich mich selbst kümmern.« »Treib's nicht zu wild, Jason.« Lottie wirft die Kippe in den
Aschenbecher und erhebt sich. »Denk an meinen Ruf! Der ist mir was wert.« Sie tritt zum Fenster, blickt auf die Straße, sieht Jason dann wieder an. »Merkwürdig. Vielleicht ist der Bursche ein Comanche? Diese Roberta war Gefangene der Indianer. Beim besten Willen – ich blick da nicht durch. Das ist mir zu verworren. Du sorgst für Klarheit, Jason.« »Willst du irgendwas während deiner Abwesenheit geändert haben? Soll die Sperrstunde vorverlegt werden?« Lottie wedelt mit der rechten Hand, als sei ihr das Thema lästig. »Mann, Jason, du bist alt genug, das alles selbst festzulegen. Es kann sein, daß ich ein paar Tage länger wegbleibe. In Fort Worth soll ein großer Ball stattfinden. Eigentlich möchte ich daran gern teilnehmen.« »Tu's Lottie! Du wirst auch dort die Königin sein.« *** Buckoo sitzt mit untergeschlagenen Beinen vor einem Strauch nahe am Ufer. Aus Abels Hand nimmt er einen kleinen Handspiegel entgegen. Den klemmt er in eine Astgabel. Dann zieht er sein scharfes Messer hervor. Mit den gespreizten Fingern der linken Hand streicht er sich durch das lange Haar. Er trennt sich nur ungern von der langen wilden Mähne. Doch es muß sein. Bedächtig setzt er das Messer an, stutzt die ersten Haare links im Nacken. Abel sieht ihm dabei zu. »Warum tust du das Buckoo? Willst du dir 'ne Glatze schneiden?« Buckoo grinst in den Spiegel, zieht eine Grimasse, fletscht die kräftigen Zähne. »Sie suchen bestimmt nach einem Burschen mit langen
Haaren, Abel. Ich will nicht unbedingt zur Zielscheibe werden. Beruhige dich. Die Haare wachsen nach. Wie das Gras über unsere Feinde.« Abel schüttelt den Kopf, streckt sich lang im Schatten der Bäume aus. Das Pferd grast abseits. In den Baumkronen wispert der Wind. Von Fort Griffin dringt ein Signal kaum hörbar herüber. Der Nachmittagsdienst ist beendet. Immer wieder blickt Buckoo in den Spiegel, dreht dabei den Kopf, kniet schließlich vor dem Strauch. Neben ihm liegt die Winchester. Prüfend betastet er das Kinn. »Rasieren kann ich mich auch gleich. Hast du ein Stück Seife?« »Ja, in der Satteltasche – und die befindet sich am Pferd. Das ist noch im Mietstall. Heute abend versuch ich, mein Pferd aus der Siedlung zu holen. Hoffentlich bewachen sie es nicht.« Buckoo starrt wieder das kurzgeschorene Haar im Spiegel an. Sein Gebaren wirkt auf Abel befremdend. »Was glotzt du ständig? Wenn das so weitergeht, dann schenk' ich dir den Spiegel.« Abel merkt nicht, daß Buckoo nur so tut, als wollte er sich die Haare weiter stutzen. In Wahrheit beobachtet er die Sträucher hinter sich. Da bewegt sich wieder ein Zweig. Dann schimmert es matt hinter dem staubigen Grün. Metall. Darüber erscheint für wenige Sekunden ein grauer Stetson. Das Metall ist ein Blechstern. Der steckt an der Jacke eines Mannes. Der Kerl unter dem Stetson beobachtet Buckoo schon eine Weile. Abel besitzt bis auf ein Messer keine Waffen. Er liegt ungünstig. Fast im Schußfeld. »Ich will das Haar befeuchten, Abel. Dann kann ich's besser kürzen. Holst du mir mal bitte Wasser? Nimm die Flasche. Sie hängt am Sattel.«
Langsam kommt Abel auf die Beine. »Hast du sonst noch Wünsche?« mault er, wendet sich aber gehorsam ab und nähert sich dem Pferd. »Ja«, ruft Buckoo halblaut. »Laß das Pferd beim Wasser!« Abel winkt wie mürrisch ab, erreicht das Tier, nimmt es am Zügel und geht mit ihm hinunter an den Fluß. Wieder blickt Buckoo in den Spiegel. Jetzt ist ein zweiter Mann aufgetaucht. Der kauert gleich neben jenem mit dem grauen Stetson. Beide haben sich angeschlichen. Sie kommen nicht in friedlicher Absicht. Das verrät Buckoo auch der Colt, der sekundenlang zu sehen ist. Die beiden haben es auf ihn und Abel abgesehen. Gleich werden sie schießen. Er kehrt ihnen den Rücken. Er muß dem Angriff zuvorkommen. Abel drückt gerade die Blechflasche unter Wasser, als er Buckoo wild wie ein Comanche aufschreien hört. Heftig zuckt Abel zusammen, läßt sich in das seichte Wasser fallen. Er sieht, wie Buckoo die Winchester hochreißt, wie er sich zur Seite wirft. Er hört den peitschenden Knall von Schüssen. Mündungsfeuer versengen das Blattwerk des Strauches. Zwei Männer kommen hoch. Sie schießen noch immer. Buckoos Kugeln stoßen sie zurück. Sie stürzen, doch sie sind nicht tot. Abel kann das deutlich sehen. Sie rucken hoch, und der eine preßt die Hand kurz auf die Brust, verzerrt dabei das Gesicht. Zwei Blechsterne schimmern im Schatten der Bäume. Gewehre krachen. Buckoo duckt sich, schnellt nach hinten. Die Gegner rücken nach. Er läßt sich fallen, kriecht zur Seite. Jäh kommt er hoch, zielt, drückt ab. Diesmal bricht der Getroffene zusammen. Der andere brüllt auf, schießt, weicht zurück, stolpert über eine Luftwurzel.
Während des Falls erwischt ihn Buckoos Kugel. Schlaff rollt er den Hang hinunter und bleibt im seichten Wasser liegen. Das Echo der Schüsse zerflattert auf der Prärie. Weit hinten wiehert ein Pferd. »Hol die Pferde, Abel.« ruft Buckoo. »Los, beeil dich!« Abel reitet davon. Buckoo kniet neben dem Toten unter den Bäumen, reißt das Hemd unter dem Blechstern auf. Der Mann trägt eine kugelsichere Weste. Das Blei aus Buckoos Winchester hätte normalerweise durchschlagen müssen, wurde aber aufgefangen und abgeleitet. Der Schuß von der Seite her ging durch die Rippe, fand genau die ungeschützte Lücke zwischen Brust und Rücken. Entschlossen reißt Buckoo dem Toten das Hemd herunter und löst die beiden Teile der kugelsicheren Weste. Auch der Tote im Uferwasser trägt eine Weste. Buckoo hat solche Westen nie zuvor gesehen. Er staunt, daß es so was gibt. Und auch Abel erblickt zum erstenmal so eine Weste. Verblüfft betrachtet er sie, als er abgesessen ist und die Pferde am langen Zügel hält. »Wir müssen verschwinden, Abel. In der Abenddämmerung lassen wir ein Pferd mit den beiden Toten vor Fort Griffin frei. Soll sich Commander Geyer Gedanken darüber machen.« Abel hat sich gefaßt. Nachdenklich blickt er auf die Westen. »Vielleicht tragen sie alle solche Dinger, Buckoo.« »Wir werden es den Halunken ansehen. Sie können sich nicht so bewegen, wie sie das gern möchten.« Langsam zieht Buckoo sich in den Sattel. Die Hüftwunde ist aufgeplatzt, blutet unter dem Verband. Er beißt die Zähne so hart zusammen, daß es knirscht. Wortlos reitet er an. Oben auf dem Uferrücken blickt er sich um. Abel muß die Toten allein auf das Pferd hieven. Dann
reitet er auf dem anderen Pferd im Fluß entlang und zieht das Pferd mit den Leichen hinter sich her. Buckoo kommt hinuntergeritten, folgt ihm. Immer wieder greift er sich an die Hüfte. Einmal flucht er. Trotz der Schmerzen reitet er weiter. Er muß die Schwester aufsuchen. *** Lächelnd steht der schlaksige Jimmy Granger in der Tür. »Ich soll mal fragen, ob alles in Ordnung ist«, sagt er zu Roberta. »Ja«, antworte sie, blickt sich im Zimmer um. »Sag Miß Lottie, daß ich mit der Arbeit beginne. Mary wartet schon auf mich im ›Soldier's Star‹. Ich glaub', die Soldaten haben Ausgang. Der Saloon ist gerammelt voll.« »Die Spielhallen, Bars und anderen Saloons auch«, nickt er. »Viele Büffeljäger sind mit ihren Mannschaften in die Flat gekommen. Das wird eine heiße Nacht.« Roberta zuckt die Achseln. Sie trägt ein hochgeschlossenes, langärmliges Kleid, das die Wunden bedeckt.« »Miß Lottie wird zufrieden sein.« »Sie ist weggefahren, nach Fort Worth zum Offiziersball. Ja, ihr Mädchen seid jetzt ohne Queen.« Jimmy Granger grinst anzüglich. »Das kann noch recht lustig werden.« »Nicht so, wie du dir das vorstellst«, entgegnete Roberta kühl. »Du gewinnst nicht immer. Bei diesem jungen Blonden war das ein Kinderspiel. Übrigens: Was ist aus ihm geworden?« Jimmy Granger macht ausnahmsweise einmal ein düsteres Gesicht. Sein Argwohn gegenüber Roberta verblaßt immer mehr, doch ein Hauch Mißtrauen bleibt. »Jason läßt nach ihm suchen. Ein paar Jungens sind unterwegs. Ich bin gerade zurückgekommen. Im Süden ist
nichts. Ich glaube, der Junge steckt mit dem anderen irgendwo am Fluß oder in Fort Griffin. Und dort können wir nicht suchen. Der Kommandeur würde uns einsperren.« Roberta lächelt frostig. »Der Junge kommt aus meiner Nachbarschaft. Laßt ihn am Leben. Der tut euch nichts. Doch was ist mit dem anderen?« »Den legen wir garantiert um, wenn wir ihn kriegen.« Mit diesen Worten verläßt Jimmy Granger das Zimmer. Er verrät nicht, daß es sich um einen langhaarigen Burschen handelt, der wie ein Comanche aussieht. Dann würde Roberta sofort wissen, daß ihr Halbbruder lebt. Draußen dämmert es. Dunstschwaden ziehen in die Siedlung. Vorn im Saloon lärmen viele Soldaten. Plötzlich kommt Mary herein. »Kommst du?« Ihre Stimme klingt ebenso rauchig und herb wie jene von Roberta. In der Frage steckt Ungeduld. »Sofort, Mary. Ich muß mich schnell nur noch schminken. Mein Gesicht ist rauh von der Sonne, verstehst du?« Mary mustert ihren Körper unter dem, enganliegendem Kleid. Der Blick ihrer blauen Augen ist boshaft. Sie stellt sich wohl vor, wie es ihr bei den Comanchen ergangen sein mag. »Ja, ich versteh dich Roberta. Versteck dich hinter der Schminke.« »Was meinst du damit, Mary?« Roberta weiß sich zu beherrschen. Sie kann sogar lächeln. »Die Jungs vorn im Saloon möchten kein von den Comanchen benutztes Mädchen in den Armen halten.« Mary lenkt sofort ein. »Oh, so war das nicht gemeint, Roberta! Bloß, sag den Soldaten nie, daß du bei den Comanchen warst.« »Liebste Mary«, erwidert Roberta sanft, »kümmer dich um deine Probleme, ja? Und damit du's weißt, meine Liebe: Mir hat's Spaß mit den Comanchen gemacht.« Da verläßt Mary das Zimmer. Roberta starrt auf die geschlossene Tür, Zorn ist in den Augen. Über die rissigen
Lippen kommt eine Verwünschung. »Gut, Mary«, flüstert sie, »jetzt weiß ich, was du für ein Biest bist.« Sie tritt ans Fenster. Das zeigt zum Hof. Sie beugt sich hinaus, blickt in die Dunstwand, die heranzieht, und atmet tief ein. Jäh zuckt sie zusammen, hält den Atem an. Dort im Nebel bewegen sich schemenhaft drei, vier Gestalten. Nur mittelgroß, gedrungen und trotzdem geschmeidig wie Panther. Comanchen! Roberta weicht zurück, löscht das Licht. Vorsichtig nähert sie sich dem Fenster. Niemals will sie wieder eine Gefangene der Comanchen sein! Sie lugt wieder hinaus. Die Comanchen sind schon deutlich zu sehen. Roberta ist sich fast sicher, in dem einen »Die Kehle« zu erkennen. Die Indianer müssen noch vor Einbruch der Dämmerung in die Siedlung eingedrungen sein. Vielleicht haben sie Mary zum ›Soldier's Star‹ gehen sehen und sie mit ihr verwechselt. Jedenfalls wird sich Roberta darüber klar, daß die Comanchen nach ihr suchen. Sie hat einen Krieger getötet. Die Comanchen wollen sich rächen. Jetzt ducken sich die Krieger. Lautlos ziehen sie in den Nebel zurück. Roberta atmet schwer. Fieberhaft denkt sie nach. Mary wartet vorn im Saloon. Die Soldaten lärmen. Im Zimmer ist es fast dunkel. Draußen wird es merklich heller. Der Mond geht auf. Jenseits des Hofes ballt sich der Nebel zusammen, sieht wie der Dunst einer Waschküche aus. Verdammt, Mary! Roberta verflucht sie. Was weiß Mary schon von all den entsetzlichen Erniedrigungen, die sie erfahren hat. Von den Nöten, Ängsten und Schmerzen im heißen Staub des Comanchenlandes. Ja, Lottie Deno weiß das. Lottie kennt die Comanchen. Und
die Büffeljäger. Aber diese Mary weiß nichts! Es wäre doch auch eine Art von Gerechtigkeit, wenn Mary alles kennenlernen müßte... Der Gedanke ist gar nicht so abwegig. Roberta bleibt kalt. Sie überlegt. Dabei blickt sie hinaus. Die Comanchen sind nicht zu sehen. Vielleicht schleichen sie erst einmal durch die ganze Siedlung. Bestimmt wird Mary ungeduldig. Roberta hat einen Plan. Die letzten moralischen Bedenken fallen. Sie wird es tun. Eine Gefangenschaft reicht ihr. Abwartend verharrt sie am Fenster, halb in der Deckung der Zimmerwand. Plötzlich sieht sie die Comanchen wieder. Diesmal sind es acht Indianer. Das sieht schon nach einem Überfall aus. Doch Roberta erkennt »Die Kehle«. Sie ahnt, daß er mit verschiedenen Büffeljägern zusammenarbeitet. Und er raubt Rinder und Frauen, um sie gegen Waffen und Munition einzutauschen. Auf der anderen Seite unterstützt mancher Armeeoffizier die Büffeljäger. Denn durch die Ausrottung der Büffel kann sich das Indianerproblem von allein erledigen. Eine schmutzige Angelegenheit. Roberta nimmt den Aschenbecher vom Tisch und stellt ihn vorsichtig auf die Fensterbank. Plötzlich spürt sie einen schwachen Luftzug. Gleichzeitig ist der Lärm der Soldaten im Saloon deutlicher zu hören. Roberta weiß, daß Mary eingetreten ist. Da stößt sie den Aschenbecher um. Dumpf schlägt er draußen auf. Im Nu liegen die Comanchen flach. Die Bodennebel hüllen sie ein. »Was stehst du da am Fenster rum, Roberta? Verdammt, was ist mit dir? Warum kommst du denn nicht?« Mary ist wütend. »Leise« raunt Roberta. »Du mußt mir helfen, Mary Ich glaube da draußen lauert der junge Abel. Dieser blonde Bursche, der mich erkannt hat. Wenn er dich auf dem Hof
sieht, wird er glauben, daß er sich geirrt hat. Ja, du kannst ihn ablenken. Dann schleich' ich mich von hinten an, und schlag ihn nieder. Mary, bitte! Tu mir den Gefallen, ja? Er muß drüben am Stall sein. Geh einfach hin.« »Ist das der Bursche, den Jason suchen läßt?« »Ja!« »Gut. Das erledige ich. Dazu brauch ich Jason nicht.« »O Mary!« seufzt Roberta. »Woher nimmst du die Gelassenheit? Du bist großartig.« »Sonst wär ich nicht Geschäftsführerin im ›Soldier's Star‹, meine Liebe. Lottie Deno hat noch größeres mit mir vor.« Mary zieht die kleine Tasche vom Arm, öffnet sie, holt einen Smith & Wesson hervor, macht die Waffe feuerbereit. »Keine Angst – ich erschieß' ihn nicht, wenn er vernünftig ist. Gehen wir!« Sie verlassen das dunkle Zimmer, schleichen über den kurzen Gang. Mary schiebt die Hoftür geräuschlos auf. Nebel weht ihnen warm und feucht entgegen. Roberta kann von den Comanchen nichts sehen. Sie hat längst keine Hemmungen mehr, Mary in die Falle zu schicken. Sie weiß, daß Mary ein durchtriebenes Luder ist. »Am Stall«, raunt sie Mary ins Ohr. »Ich schlag 'nen Bogen.« Mary hält die Waffe schußbereit. Langsam geht sie über den Hof. Einmal blickt sie über die Schultern zurück, sieht Roberta wegschleichen. Was sie dann nicht mehr mitbekommt, ist Robertas Rückzug. Sie duckt sich im Hinterausgang. Mary nähert sich dem Stall. Plötzlich zuckt sie heftig zusammen, sieht schemenhafte Gestallten um sich herum hochwachsen. Da krümmt sich ihr Finger am Abzug der Smith & Wesson. Der Schuß trifft einen heranschleichenden Comanchen in die nackte Brust. Der Krieger schwankt, taumelt zurück – und die kleine
Horde fällt über Mary her. Sie zerren Mary über den Hof. Ihr aufgestecktes Haar löst sich. Sie bäumt sich auf, wehrt sich, stöhnt, weil sie nicht schreien kann. Die Krieger schleifen sie davon. Der Smith & Wesson bleibt im kalten Staub zurück. Auch die kleine Tasche. Das Wimmern und Stöhnen verliert sich in der Dunstwand. Als letzter verschwindet der schwer angeschossene Comanche. Niemand hat den Schuß auf dem Hinterhof gehört. Im ›Soldier's Star‹ heizen die Tanzmädchen die Stimmung an. Auf der Straße trampeln verwahrlost aussehende Büffeljäger vorüber. Reiter des Killer-Chiefs Jason machen ihre Runde um die Siedlung. Poker Flat ist hell erleuchtet. *** Buckoo reitet langsam. Hinter sich hört er den dumpfen Hufschlag des Pferdes, auf dem Abel sitzt. Vor ihm sind die Lichter von Poker Flat. Trübe schimmern sie durch den Nebel. Bleich steht der Mond über Fort Griffin. Abel reitet fast zu Buckoo auf, zu plötzlich hat er das Pferd pariert. Horchend beugt er sich in den schwachen Wind. Dann zischt er: »Los, runter! Bring die Pferde zu Boden, Abel.« Abel fragt nicht, handelt – und mit dem Geschick des Cowboys bringt er die Tiere dazu, sich auf die Seite zu legen. Dann knien die Gefährten neben den Pferden. Buckoo hält die Winchester bereit. Jetzt hört auch Abel das Hufgetrappel. Es nähert sich rasch. Das sind zwei Reiter, Jasons Posten. Sie folgen dem Weg, den vor ihnen die Pferde so mancher Nachtreiter gestampft
haben. Langsam schlängeln sich die beiden aus dem Nebel. Gespenstisch verschwommen nähern sie sich Buckoo und Abel. Buckoo wird nur dann schießen, wenn es nicht anders geht. Denn er will nicht auf sich aufmerksam machen. In der Siedlung gibt es genug Kartenhaie, Revolverhelden und andere schießwütige Gesellen. Alle zusammen sind unbesiegbar. Dazu müßte er Colonel Geyer um militärische Unterstützung bitten. Ihm geht es um die Schwester. Er zweifelt noch immer daran, was Abel gesehen haben will. Auch Abel ist jetzt im Besitz von Schußwaffen. Sie brauchen die beiden Nachtreiter nicht zu fürchten. Plötzlich hören sie einen Menschen stöhnen und wimmern. Auch Jasons Reiter hören das. Sie rucken an den Zügeln, verhalten. Zu sehen ist noch nichts. Buckoo bekommt aber einen Geruch in die Nase, den er kennt. Das ist die Körperausdünstung von Comanchen. »Indianer, Abel!« zischt er. Sie ducken sich hinter den liegenden Pferden. Im Nebel sehen beide Pferde wie kleine dunkle Erdaufwürfe aus. Das fällt nicht auf. Die Jason-Reiter sehen herüber, werden nicht mißtrauisch. Das Wimmern lenkt sie ab. Dann sind die Comanchen schon zu erkennen. Sie kommen aus den milchiggrauen Nebeln hervor. Zwei Krieger zerren einen Körper hinter sich her. Das Gewimmer erstirbt. »Das ist 'ne Frau«, flüstert Abel. »Eine Weiße!« Den sieben Comanchen folgt ein achter, taumelnd. Die Jason-Nachtreiter verkennen die Gefahr. Sie schießen. Zwei Comanchen fallen. Die anderen trennen sich. Ihr Opfer sinkt ins Gras. Mündungsfeuer zucken durch den Nebel. Brüllend stürzt ein Nachtreiter vom Pferd. Der andere reißt ihn aus dem Gras,
springt ihn an, reißt ihn aus dem Sattel, wirft sich über ihn, drückt ihm mit dem Knie die Kehle zusammen. Der Weiße röchelt und zappelt. Ein Messer blitzt. Der Comanche skalpiert ihn bei lebendigem Leib – dann erst versetzt er ihm den Todesstoß. Die anderen Krieger schleifen die Frau mit und werfen die Ohnmächtige auf ein Pferd. Abel will aufspringen. Buckoo hält ihn zurück. Nur ein paar Yards entfernt läuft der Comanche mit dem blutigen Skalp vorbei. Eiskalt harrt Buckoo aus. Die Comanchen sitzen auf. Ein Comanche, größer als die anderen, fällt Buckoo auf. »Die Kehle« führt diese Horde an. Jetzt will Buckoo eingreifen. Im Nu hat er die Winchester auf diesen Comanchenhäuptling gerichtet, will sie abfeuern – da gerät der Indianer mit der Frau in den Armen vor Diablo. Ausgerechnet jetzt kann Buckoo nichts tun. Noch niemals zuvor hat er Diablo, »Die Kehle«, so günstig vor dem Lauf gehabt. Doch nun darf er die weiße Gefangene nicht gefährden. Das Rudel entfernt sich. Noch einmal ist die Gefangene zu sehen. Mondschein fällt auf das Gesicht. Langes brünettes Haar flattert im Reitwind. »Buckoo«, krächzt Abel wie ein alter Mann, »die sieht wie Roberta aus.« »Hinterher!« befiehlt Buckoo kalt. »Wir müssen Sie überholen.« »Und was dann?« Abel zweifelt an dem Erfolg des Unternehmens. »Da fragst du noch?« Buckoo läßt sein Pferd hochkommen. »Wir stellen Sie.« »Das schaffen wir nicht.« »Du mußt noch 'ne Menge lernen, Abel. Jenseits des Flusses werden sie anhalten. Danach holen zwei von ihnen die Toten.« »Hoffentlich tun sie Roberta inzwischen nichts an.«
»Roberta ist zäh und widerstandsfähig. Unterschätze meine Schwester nicht, Abel. Ich glaub', ›Die Kehle‹ will Roberta zur Squaw.« In einem Bogen reiten Buckoo und Abel an den Fluß. Mondschein liegt auf dem Wasser. Dunkel liegt das andere Ufer im Schatten der Bäume. Langsam reitet Buckoo aus der Deckung hervor, durchfurtet den Fluß. Sicher kommt er drüben an. Dann folgt Abel. Kein Schuß fällt. Sie bleiben in Flußnähe. *** Der Comanche »Die Kehle« steht vor Mary. Im Mondschein wirkt sein Gesicht noch diabolischer. Schwarze Todesfarbe bröckelt von der dunkelbraunen Haut ab. Der Nachtwind bewegt das lange strähnige Haar. Die Krieger haben längst ihren Irrtum erkannt. Das ist nicht die Weiße, die bei ihnen als Gefangene gelebt hat. Mary liegt auf dem Rücken. Um die Handgelenke sind Stricke gebunden, die zu zwei Pferden führen. Während zwei Comanchen die Toten bergen, will »Die Kehle« die fremde Gefangene demütigen und gefügig machen. Und Mary soll reden. Der Comanche will erfahren, was geschehen ist – und wo Roberta steckt, die Weiße, die einen der Krieger erstochen hat. »Wo ist die andere?« fragt er. »Sag's und du wirst leben.« Mary kann vor Angst nicht sprechen. Sie war immer geschäftstüchtig und geldgierig. Doch jetzt steht sie selbst vor dem Tod – und zerbricht. »Du willst nicht antworten?« Diablo beugt sich über Mary und zerreißt ihr Kleid. Er tritt zurück, gibt einem Krieger einen herrischen Wink und deutet dann auf Mary. Grinsend kommt der Mann näher. Er hat sie noch nicht
berührt, da beginnt Mary zu schreien. Hohe Sträucher umgeben den Platz. Der Fluß ist ganz nahe. Unter den Bäumen zügeln Buckoo und Abel eben ihre Pferde. Sie hören die Schreie. Buckoo langt vom Sattel zu Abel hinüber und packt ihn am Arm. Denn Abel zittert. »Mein Gott«, stöhnt Abel, »sie bringen sie um.« »Wir werden es verhindern, Abel. Wir nehmen sie in die Zange. Verlier jetzt bloß nicht die Nerven. Derzeit sind sie nur zu viert. Zwei sind zurückgeritten. Junge, mit den vieren werden wir allemal fertig. Aber feuere erst, wenn du die Burschen vor dem Lauf hast. Und schieß nicht daneben.« Langsam nähern sie sich den Comanchen. Noch immer verbergen Sträucher die gellend um Hilfe schreiende Mary. Abel gleitet aus dem Sattel. Er schleicht näher. Das ist auch richtig so, nur kann er jetzt noch weniger von dem sehen, was in der Senke geschieht. Kaltblütig bleibt Buckoo auf dem Pferd. Die verbundene Hüfte würde ihn beim Heranschleichen stark behindern. Vom Pferd aus kann er nun »Die Kehle« und zwei Krieger sehen. Eben noch stand »Die Kehle« reglos. Plötzlich dreht er sich halb um, blickt genau in die Richtung, aus der Buckoo kommt. Er muß die Gefahr wittern. Schon stößt »Die Kehle« einen scharfen Kriegsschrei aus. Gleichzeitig reißt er das Gewehr hoch, schießt sofort, ohne zu zielen. Der Knall läßt die beiden Pferde mit Mary losrasen. Sträucher knicken. Mary rutscht über die Sträucher. Gleich hinter ihr schlagen die Zweige zusammen. Wieder will »Die Kehle« auf Buckoo schießen. Doch der ist nicht mehr zu halten. Im Galopp durchbricht er die Sträucher und feuert auf den Comanchen. Er schießt noch, als »Die Kehle« niederstürzt. Abel kommt zu Fuß von der anderen Seite. Die drei Krieger geraten zwischen zwei Feuer.
Dann ist es schon vorbei. Buckoo reitet an den Toten vorüber, folgt den beiden reiterlosen Pferden. Längst sind die Schreie verstummt. Ein Pferd kommt nicht so schnell vorwärts. Es zerrt einen Körper hinter sich her. Abel steht in der Senke. Vor ihm liegt Diablo, genannt »Die Kehle«, jener blutrünstige Comanche, der mit seiner Horde den Tod über die Laine Ranch brachte. Abel zittert. Über seine Lippen kommt ein Fluch. Er zieht das Messer, beugt sich über den Comanchenführer und skalpiert ihn. »Du verdammter Hund kommst nicht in die ewigen Jagdgründe!« Damit wirft er den blutigen Skalp weg, wendet sich ab und geht zu seinem Pferd. Er folgt Buckoo. Der ist bereits eine halbe Meile entfernt und taucht hinter hohen Sträuchern weg. Als Abel ihn erreicht, kniet er vor dem leblosen Körper der jungen Mary. Buckoo blickt nicht auf, als er Abels Schritte hört. Nachdenklich betrachtete er die Weiße. Auch sie wurde ein Opfer der Comanchen. Das Pferd schleifte sie zu Tode. Abel läßt sich auf die Knie fallen und betrachtet die Töte. Seine Augen flackern. Er ist verstört, schüttelt immer wieder den Kopf und flüstert endlich: »Das ist eins der Mädchen aus einem der Saloons, Buckoo. Was bin ich für ein Narr! Ich hab' es mit Roberta verwechselt. Wie konnte ich mich nur so irren? Das gibt es doch gar nicht...« Jetzt erst hebt Buckoo den Blick. »Wenn du dich irrst, Abel, kann ich das verstehen. Doch die Comanchen? Ja, es war neblig, als sie in die Siedlung kamen. Nun ja, seltsam ist es schon. So etwas widerfährt den Burschen nicht alle Tage.« Abel erhebt sich.
»Willst du trotzdem zur Siedlung?« »Warum fragst du, wenn du's doch weißt, Abel?« »Aber doch nicht mit der Leiche, Buckoo.« »Wir beerdigen sie hier.« *** Erschöpft lehnt Roberta an der Zimmerwand. Sie hat die Augen geschlossen und gelauscht. Vorn im »›Soldier's Star‹« grölen die Soldaten. Vom Hinterhof dringt Nebel durch das geöffnete Fenster. Draußen im Mondschein rührt sich nichts. Die Comanchen kehren nicht zurück. Sie haben ein Opfer gefunden. Roberta fröstelt, doch sie hat keine Gewissensbisse. Sie stößt sich von der Wand ab und hastet aus dem Zimmer. Wo Marys Zimmer ist, weiß sie. Niemand sieht sie auf dem kurzen Weg dorthin. Lautlos betritt sie den Raum. Er ist halbdunkel. Mondlicht sickert durch die Gardinen. Das Zimmer ist gut eingerichtet. Da steht auch ein Sekretär. Roberta will die Schublade öffnen. Sie ist verschlossen. Roberta muß sich beeilen. Sie sucht und findet eine Schere. Kurz darauf ist das Schloß erbrochen. Roberta findet Geld. Es sind die Einahmen vom Vortag, vermutet sie. Oder Marys Privatvermögen. Es handelt sich um eine beträchtliche Summe. Rasch rafft Roberta das Geld an sich. Sie läuft zur Tür, horcht, hastet dann zur Couch und reißt eine Kissenhülle auf, entfernt die Füllung und stopft das Geld hinein. Vorsichtig öffnet sie die Tür einen Spalt, blickt auf den Gang. Der Weg ist frei. Sie erreicht unbemerkt ihr Zimmer. Ihr bleibt keine Zeit, nach einem sicheren Versteck für das Geld zu suchen. Sie schiebt die vollgestopfte Kissenhülle einfach unter das Bettzeug. Dann verläßt sie beherrscht ihr
Zimmer. Jetzt verharrt sie auf dem Gang zum Saloon. Tief atmet sie ein, entspannt sich, lächelt probeweise und streicht über das enganliegende Kleid. »Ich schaffe es«, flüstert sie, »Mein erster Auftritt. Eine Art Feuerprobe. Mein Gott, ich war unter Comanchen – das hier ist dagegen ein Kinderspiel!« Roberta betritt den Saloon. Zunächst wird sie nicht beachtet – und das ist ihr recht. Sie bewegt sich hüftenwiegend durch das Gewühl. Drei Soldaten bemerken sie jetzt. Sofort springen die Jungs auf und umringen sie. Andere in der Nähe werden aufmerksam. Alle wollen plötzlich zu ihr. Zwei Soldaten heben sie hoch, stellen sie auf einen Tisch. Roberta breitet die Arme aus und lacht. Sie nennt ihren Namen und springt dann in die vielen Arme hinein, die sie auffangen und sanft zu Boden gleiten lassen. Sie wird umjubelt und gefeiert. Irgendwann ist auch das vorbei. Sie kommt zu Atem, kann sich den anderen Gästen zuwenden. Das Gefühl, von diesen Männern angehimmelt zu werden, ist berauschend. »He, Roberta!« Sie hat sich in der Gewalt, zuckt nicht einmal zusammen. Jemand steht hinter ihr. Die Stimme kommt ihr bekannt vor. Sie spürt eine Hand auf dem Rücken, macht zwei Schritte, um aus dem Lichtkreis der Petroleumlampe zu kommen, und dreht sich lächelnd um. Der dicke Tabakqualm im vollbesetzten Saloon verschleiert ihre Gesichtszüge. Nichts von der schweren Zeit bei den Comanchen ist ihr anzusehen. Das Gesicht wirkt weich. Der schlaksige Kartenhai und Killer Jimmy Granger steht vor ihr. Er lächelt wie immer und blickt sie überrascht an.
»Gut siehst du aus, Roberta.« Sie lächelt geschmeichelt. »Ein ehrliches Kompliment, was?« meint sie. »So kenn' ich dich ja gar nicht.« Er reibt den Nasenrücken, betrachtet sie wieder, bestaunt sie. »Wirklich, du siehst großartig aus. Gar nicht so wie eine...« Er schluckt, zuckt die Achseln und lächelt. »Wie eine – was?« Roberta hebt die rechte Augenbraue. »Wie eine, die unter Comanchen war?« »Quatsch. So war's nicht gemeint. Sag mal, wo steckt eigentlich Mary? Wie ich sehe, schmeißt du hier den Laden allein. Was ist mit ihr?« »Wie soll ich das wissen? Sie kam auf mein Zimmer und trieb mich zur Eile an. Dann ging sie wieder. Ich weiß nicht, wohin. Ich hab' sie auch schon vermißt.« Roberta muß sehr nett, aber auch bestimmt und sicher auftreten. Sie ahnt, daß Granger und Mary eine Beziehung gehabt haben. Granger, der »lächelnde Tod«, kann ihr gefährlich werden. Sie blickt sich suchend um. »Sie wird auf ihrem Zimmer sein«, sagt er. »Ich werd' mal nachsehen.« Er drängelt sich an den vielen Soldaten vorbei, schiebt sich durch den lärmerfüllten und rauchigen Saloon und verschwindet nach hinten. Roberta bleibt im Saloon. Sie weiß, daß Jimmy Granger vergeblich nach Mary suchen wird. Er wird von ihr nichts mehr finden. Jedenfalls nicht im Haus. Wenn er aber den Hinterhof betritt, mag er womöglich die Spuren der Comanchen entdecken. Und dann wird er sich denken, daß Indianer Mary überwältigt und verschleppt haben. Verdammt, die Tasche von Mary liegt noch auf dem Hof! Roberta preßt einen Atmenzug lang die Lippen zusammen,
dann ist sie wieder gelassen. Soll er Tasche und Waffe ruhig finden. Dann gibt es kein Rätselraten mehr. Dann wird bald jeder in Poker Flat wissen, daß Mary verschleppt worden ist. Dann wird sie, Roberta, den »›Soldier's Star‹« leiten. Und vielleicht gelingt es ihr sogar, den gefährlichsten Mann und heimlichen König von Poker Flat für sich zu interessieren. Wer Jason hat, hat alles. *** »Laß die dreckigen Pfoten von den Karten. Du spielst mit gezinkten Karten!« Ein bulliger Mann fährt an einem der Pokertische im ›Game‹ in die Höhe. Schon hält er einen Colt auf einen der Mitspieler gerichtet. Schlagartig ist es still im riesigen Salon. Alle blicken auf den Mann, der zu einem Büffeljägertrupp gehört. Er wird einer der Enthäuter sein. Das sind rohe, gewalttätige Burschen. Der Mitspieler, den er des Falschspiels bezichtigt hat, bleibt äußerlich gelassen sitzen. Die gepflegten schlanken Hände ruhen auf dem mit Samt überzogenen Spieltisch. Zweifellos ist er ein Berufspieler – und damit einer von Lottie Denos Pokerhaien. Das beweisen auch seine Worte. Mit sanfter Stimme sagt er: »Gezinkte Karten, mein Lieber? Die hab' ich nicht nötig. Nimm den Vorwurf zurück. Dann kannst du gehen. Sonst wirst du rausgetragen...« Im Salon ist die Luft plötzlich aufgeladen. Nur ein paar Mann bleiben unbeeindruckt. Jason und seine Killer. Der schwarzgekleidete Jason lehnt an der Theke. Seine Männer sind im großen Spielsalon verteilt. Zwei von ihnen tragen den Blechstern.
Diese »Hilfssheriffs« und die anderen sehen zu Jason hinüber. Der zieht ein Zigarillo hervor, steckt den Tabakstengel in den Mundwinkel und läßt sich von einem der Mädchen Feuer geben. Er macht ein paar Züge, dreht dann das Zigarillo zwischen den Fingern und nickt scheinbar zufrieden vor sich hin. Das ist das Zeichen. Einer der Blechsternträger geht mit gesenktem Gewehr durch den Salon. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Gewehr als eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf. Viele Gäste entfernen sich vom Pokertisch. Die anderen Tische in der Nähe sind plötzlich verlassen. »Wir spielen nachher weiter«, sagt jetzt einer der anderen Pokerspieler. »Erst muß das geklärt werden.« Er erhebt sich, geht zur Seite – und die beiden restlichen Mitspieler folgen ihm. Jetzt sitzt nur noch der des Falschspielens beschuldigte Spieler am Tisch. Ihm gegenüber steht der nach Büffelblut stinkende Enthäuter. Es ist so still in der großen Halle, daß jeder Jasons Worte versteht. Der Killer-Chief spricht gar nicht laut. »In der Flat wird nicht falschgespielt. Wenn du das nicht einsehen willst, beleidigst du die Pokerkönigin von Texas. Das lasse ich nicht zu. Lottie Deno ist eine Lady.« »Das ist richtig!« brüllt der Enthäuter wütend. »Aber sie sitzt ja nicht hier am Tisch. Da sitzt dieser verdammte Zinker! Der soll endlich nach seinem Eisen greifen, dieser dreckige Feigling!« Langsam richtet der Spieler sich auf. »Ich bin ohne Waffe«, sagt er und schlägt die Jacke auseinander. »Siehst du was von einem Eisen, du Narr?« Dabei weicht er zurück, hält die Jacke noch geöffnet. Der Enthäuter steht allein am Tisch. Er will nach den Karten greifen, da warnt einer der »Hilfssheriffs«: »Rühr die Karten nicht an!«
Das ist zuviel für den Enthäuter. Aufbrüllend bringt er die Hand mit dem Colt hoch. Da trifft ihn die Ladung Rehposten aus dem verkürzten Lauf einer Schrotflinte. Mit zerfetztem Gesicht wirbelt er zurück, schießt wild um sich, kann nichts mehr sehen, ist blind. Jasons Killer schießen nun. Der Enthäuter stirbt zwischen den umgestoßenen Tischen. Jason schnippt mit Daumen und Finger. Zwei Leute packen den Toten und zerren ihn aus dem Spielsalon. Fast ein Dutzend Büffeljäger verläßt betont langsam den Salon. Enthäuter folgen den Jägern. Alle sind äußerst gereizt. Jeden Moment kann es zu einer Schießerei zwischen Büffeljägern und Jasons Killern kommen. Die Jäger haben aber eine schlechte Ausgangsposition. Denn die »Wachmannschaft« von Poker Flat steht schon bereit. Die Schießer haben die Waffen gezogen. Jason siegt. Genüßlich raucht er am Zigarillo, während zwei Burschen die dunklen Flecken vom Boden entfernen. Stimmungsgemurmel setzt ein. In diesem Moment kommt jemand mit schweren Schritten herein, tappt umher wie ein Grisly, schwankt angetrunken näher. »Wo ist sie?« brüllt er. »Ich will sie wiederhaben.« Jason lächelt undurchsichtig. Er zeigt nicht seine Verachtung und verbirgt auch Arroganz und Hohn. »Du findest sie im ›Soldier's Star‹«, sagt er mit einem zynischen Unterton. »Viel Spaß! Aber vergiß dabei eines nicht: Sie gehört dir nicht mehr. Mach also keinen Ärger.« Da schwankt Russian Joe hinaus. Er merkt nicht, daß sie ihm folgen. *** Im »›Soldier's Star‹« läßt sich Roberta umjubeln. Sie spürt
die Sympathie der liebeshungrigen Soldaten. Jimmy Granger ist noch nicht zurück. Roberta wird allmählich unruhig. Doch sie harrt im Saloon aus. Längst hat Granger den Smith & Wesson und die Tasche gefunden. Jetzt befindet er sich auf Robertas Zimmer, steht am Fenster und blickt auf den Hof hinaus. »Das muß Roberta doch gesehen haben«, flüstert er. Er geht rückwärts, stolpert und fällt auf das Bett. Dabei rutscht das Bettzeug weg. Granger entdeckt eine Kissenhülle. Sie kommt ihm sofort bekannt vor. Schließlich ist er mehr als einmal bei Mary auf dem Zimmer gewesen. Er zerrt die Kissenhülle auf, greift hinein und starrt auf das Geld in seiner Hand. Das Lächeln verliert sich... »So ist das also«, murmelt er, grinst und stopft das Geld zurück. Dann nimmt er die Hülle und verläßt das Zimmer. Unbemerkt von Roberta betritt er durch die Hintertür den Saloon und setzt sich zu zwei »Ordnungshütern« an den Tisch. Die Kissenhülle mit dem Geld legt er auf den Schoß. Lächelnd blickt er zur Schwingtür hinüber. Dort erscheint Russian Joe. Roberta bemerkt den Büffeljäger nicht. Sie steht an einem Tisch mit Soldaten und animiert die Jungs zum Trinken. In Poker Flat herrscht zu dieser Stunde ein so wilder Betrieb, daß niemand die beiden Reiter beachtet, die in die Siedlung einreiten: Buckoo und Abel. Im »›Soldier's Star‹« schiebt sich Russian Joe durch die Menge und blickt suchend umher. Er hat eine Ladung Büffelhäute verkauft. Mit den Dollars in der Tasche will er Roberta zurückkaufen. Jetzt entdeckt er Roberta, stürzt vorwärts. Roberta zuckt zusammen. Da ist Russian Joe schon heran, schlingt die Arme um sie und küßt sie wild. Sie kann sich nicht wehren, kann ihn nicht zurückstoßen. Er
hält sie fest umschlungen, hebt sie an – und ihre Füße schweben über dem Bretterboden. »Laß los«, faucht sie. »Merkst du nicht, daß du mir sämtliche Rippen brichst?« Er lacht, hält sie auch weiterhin und dreht sich mit ihr im Kreis. Sie zappelt mit den Beinen und versucht dann, ihm in die Nase zu beißen. Da setzt er sie unsanft ab und stößt sie zu Boden. »Du Wildkatze!« brüllt er. »Ich hol' dich zurück. Du bist meine Squaw, du gehörst mir, Täubchen!« Hinten am Tisch erhebt sich Jimmy Granger. Mit seiner Linken greift er nach der Kissenhülle mit dem Geld. »Kommt«, sagt er kalt zu den beiden »Hilfssheriffs«, »wir schnappen sie uns. Sie darf nicht entwischen! Ich muß wissen, wie sie an Marys Geld gekommen ist.« Auch Jason und seine Killer sind bereits im Saloon. In diesen Sekunden fällt Robertas Blick auf Jimmy Granger – und sie sieht die Kissenhülle in seiner Hand. Da weiß sie, daß sie fliehen muß. Granger hat diese Mary auf seine Art zu sehr geliebt, um über diese Angelegenheit kaltlächelnd hinweggehen zu können! Roberta braucht ganz plötzlich Russian Joes Hilfe. Er soll die Verfolger aufhalten. »Joe«, ruft sie durch den tumultartigen Lärm, der im Saloon ausgebrochen ist, »ich komm' mit dir. Wo steht dein Pferd?« Nur Russian Joe versteht ihre Worte. Um beide herum tobt und brüllt es. Die angetrunkenden Soldaten wollen Roberta beistehen. Von allen Seiten drängen sie heran. »Vor dem ›Game‹!« schreit Russian Joe. »Los Täubchen! Hauen wir ab!« Er will sie mit sich reißen, doch die Soldaten werfen sich auf ihn. Roberta duckt sich und windet sich förmlich durch die Lücken, ist im Gewühl nicht zu sehen. Im Saloon bricht eine Massenschlägerei aus.
Jimmy Granger und die beiden »Hilfssheriffs« kommen nicht an Roberta heran. Sie werden eingekeilt, stecken fest. Auch Jason und seine Killer haben es schwer, die Vordertür zu erreichen. Im Saloon krachen die ersten Schüsse. Granger winkt Jason heftig zu, gibt ihm Zeichen. Rücksichtslos bahnen sich die Killer einen Weg. Immer wieder schreit Granger durch den Lärm und Qualm. Jason hat jetzt verstanden. Die Killer nähern sich der Schwingtür. Roberta ist schneller. Sie erreicht vor Jasons Killern den Vorderausgang, stürzt hinaus, rennt über den Gehsteig. Unterwegs verliert sie die leichten Schuhe. Nur in Fort Griffin wird sie sicher sein. Den Weg zum Fort kann sie auf Russian Joes Pferd schaffen. Sie sieht sein Tier vor dem Spielsalon ›The Game‹ stehen. Im Salon wird wieder gepokert. Büffeljäger haben den Toten vom Straßenrand weggetragen. Neben Russian Joes Pferd stehen noch zwei Sattelpferde. Roberta kann unter den Pferden wählen, wenn sie will, doch so viel Zeit bleibt ihr kaum. Russian Joes Pferd ist nur locker angebunden. Aus dem ›Soldier's Star‹ stürzen Jason, Jimmy Granger und die anderen. Ihnen folgt Russian Joe. Dann kommen auch noch etliche Soldaten ins Freie und brüllen durcheinander. Roberta erreicht das Pferd vor dem ›Game‹. Reiten hat sie gelernt. Sie springt geschickt in den Sattel, wirft sich nach vorn, löst den Zügel. Dann lenkt sie das Pferd herum und treibt es mit Fausthieben an. Das Pferd jagt los, galoppiert am Straßenrand entlang. In der Lichtbahn des ›Soldier's Star‹ sind Jason und die Killer schwarze Gestalten. Jason gibt den Feuerbefehl. Tief duckt Roberta sich auf dem Pferd. Da sieht sie auch
schon eine dunkle Hofeinfahrt. Sie erreicht die Schmiede. Der Hufschmied steht vor dem Feuer und hält ein glühendes Eisen mit der langen Zange. Schüsse krachen. Jason läßt auf die junge Frau schießen. Roberta blickt nicht zurück. Sie sieht vor sich auf der Straße zwei Reiter. Beide sind ein Stück entfernt. Sie kann die beiden nicht erkennen. Heftig reißt sie das Pferd herum, will in die Hofeinfahrt hineinjagen. Da zuckt das Pferd unter ihr zusammen, stolpert und geht vorn in die Knie. Roberta will sich aus dem Sattel werfen. Zu spät. Das Tier überschlägt sich. Roberta fliegt über das zusammenbrechende Pferd hinweg, stürzt hart zu Boden, rollt in die dunkle Einfahrt. Zu Fuß kommen die Verfolger näher. Trommelnder Hufschlag wird laut. Zwei Reiter jagen heran. Beide treiben die Pferde in die staubgefüllte Hofeinfahrt. In der Deckung der Schmiede reißen sie die Pferde zurück. Der eine ist Buckoo, der andere Abel. »Halt sie auf, Abel!« ruft Buckoo wild. Er reitet weiter, nähert sich Roberta. Schlaff liegt sie im Staub. Abel heult auf. Er treibt das Pferd an die Ecke der Schmiede und sieht die Killer kommen. Jetzt kann er deutlich Jimmy Granger erkennen. Der Schlaksige ist im Mondlicht nicht zu verwechseln. Ihm verdankt Abel so einiges. Er legt an. Der Lauf ist nicht auf Jimmy Grangers Brust gerichtet. Vielleicht trägt auch Granger eine kugelsichere Weste. Mehrere Kugeln verlassen den Lauf. Eine trifft tödlich. Jimmy Granger bricht mit einem Kopfschuß zusammen. Jason und die anderen werfen sich hin, rollen durch den Straßendreck, schießen die Eisen heiß. Abel erreicht Buckoo. Mühsam und unter Schmerzen hat Buckoo seine
Halbschwester hochgehoben und in den Sattel gesetzt. Jetzt zieht er sich auf sein Pferd, hält Roberta fest und reitet an. Sie verschwinden hinter Hütten und Ställen. Buckoo verläßt die Siedlung nicht. Das erwarten die Feinde. Sie nehmen an, daß die beiden Reiter mit Roberta nach Fort Griffin flüchten. In einem leerstehenden Stall am Rande der Siedlung verbergen sie sich. Die Pferde zerrt Abel in den Stall. Buckoo kniet neben seiner Schwester, gibt ihr aus der Blechflasche zu trinken. Sie erkennt ihn. Die schweren inneren Verletzungen geben ihr nur wenig Zeit. Daß sie noch lebt, ist ein Wunder. »Buckoo«, haucht sie unter Schmerzen, »du – lebst?« Er nickt. Worte sind überflüssig. Er sieht, wie Roberta sich quält. Und er kann nichts für sie tun. Zitternd legt sich ihre Hand um seinen Arm. Durch das schadhafte Dach sickert Mondschein. In Robertas Augen schillern Tränen. »Jason«, flüstert sie, »er ist – ein Killer. Alle sind – wie Haie. Mörderhaie. Du mußt – dich – in acht – nehmen, Buckoo, sonst. ..« Abel kommt vom Stalltor heran. »Reiter verlassen die Siedlung«, sagt er und kniet neben Roberta nieder. Traurig blickt er auf sie. Dann umfaßt er mit beiden Händen ihre Linke. Sie sieht ihn aus trüben Augen an. »Du bist – ein lieber Kerl, Abel. Ich – bin...« Ihre Stimme verweht. Die blauen Augen sind ohne Licht. Abel schluchzt. Am Rand von Poker Flat trommeln viele Hufe davon. Dumpf schnauben die Pferde im Stall. Weich streicht Buckoo über die Augenlieder der Schwester. ***
Sie haben in Buckoo den Wolf geweckt. Er ist ein grauer Schatten in heller Mondnacht; lauernd und wachsam. Das Winchestergewehr glänzt nicht. Mit Staub ist das Metall mattiert. Er trägt keine Radsporen. Die Stiefel sind weich, die Sohlen dämpfen den Schritt. Gegenüber dem Spielsalon ›The Game‹ duckt er sich. Die Hauspassage ist schmal. Kein Mondschein kann über die Dachkanten fallen. In der engen Tiefe der Passage ist es dunkel. Abel ist zurückgeblieben bei den Pferden. Dort im Stall liegt in eine Pferdedecke gewickelt Buckoos Schwester. Abel hält Totenwache. Buckoo läßt sich zu Boden gleiten. Er will seine Feinde kennenlernen. Darum wartet er. Sie werden bald zurückkommen. Zwei Häuser weiter steht die Schmiede. Dort in der Hofeinfahrt liegt das tote Pferd des Büffeljägers. Von Russian Joe ist nichts zu sehen. Er wird noch im Poker Flat sein. Vielleicht im ›Game‹ oder im ›Soldier's Star‹, wo der Betrieb so weitergeht, als sei nichts geschehen. Buckoo horcht. Anschwellendes Hufgetrappel verrät, daß die Meute zurückkehrt. Auf der Straße bleiben viele Männer stehen. Gäste kommen aus Bars und Saloons, aus Speiselokalen und Spielsalons. Lang ausgestreckt liegt Buckoo in der dunklen Passage dicht am Straßenrand. Jetzt ähnelt er wirklich einem lauernden Wolf. Langsam kommen die Reiter durch die Lichtbahnen. Eine Killermeute, wie sie Buckoo zuvor nie gesehen hat. Jason führt sie an. Immer wieder geraten andere Reiter vor Jason. Aber Buckoo will auch gar nicht aus dem Hinterhalt schießen. Das ist nicht seine Art. Er will sie in die Enge treiben.
Vor dem Spielsalon zügeln sie die Pferde. Jason und die meisten sitzen ab. Die im Sattel bleiben, übernehmen die Zügel der ledigen Pferde und verschwinden damit von der Straße. Jason und seine Killer gehen in den ›Game‹. Einer nach dem anderen. Im Lichtschein, der aus dem Spielsalon fällt, kann Buckoo jeden gut sehen. Er merkt sich die Gesichter. Dann zieht er sich zurück, erreicht den Stall, sieht Abel draußen an der Wand lehnen. »Wann geht's los, Buckoo?« fragt er gepreßt. »Heute nacht. Wir beerdigen Roberta am Fluß. Komm, hilf mir.« An Robertas Grab zerbricht Buckoo einen Comanchenpfeil. *** Russian Joe sitzt ganz hinten in der Ecke. Er besäuft sich. Und nach und nach baut er vor sich eine Batterie von leeren Whiskyflaschen auf. Dahinter ist er kaum noch zu erkennen. Immer wieder kneift er die glasigen Augen zusammen, beobachtet die Soldaten im ›Soldier's‹, die sich ebenfalls vollaufen lassen. Auf einmal entdeckt ihn eins der Animiermädchen, kommt heran, beugt sich von hinten über seine Schultern und krault seinen Bart. »Du solltest sie vergessen, Joe«, sagt das Mädchen schrill, um im Lärm verstanden zu werden. »Halt's Maul«, grollt er. »Laß meinem Bart los, sonst skalpier' ich dich!« Das Mädchen kichert, zerrt sich das rotblonde Haar vom Kopf, wirft ihm die Perücke vor die Nase. »Da hast du meinen Skalp.« Mit einer Handbewegung fegt er das Haarteil vom Tisch, knurrt und langt nach der Flasche. Schmatzend trinkt er sie
leer. »Hol 'ne neue. Da hast du das Geld. Aber komm bloß wieder.« Sie nimmt das Geld. Er blickt ihr nach, runzelt die Stirn. Als das Mädchen mit der Flasche kommt, ist er verschwunden. Gebeugt steht er draußen neben der Lichtbahn. Drüben schallt Lärm aus dem Spielsalon. Im ›Game‹ ist Jason mit seinen Killerleuten. Russian Joe wendet sich ab, stapft über den Gehsteig, bleibt unter den Vordächern. Den Soldaten kann er kein Pferd stehlen. Dann darf er sich nicht mehr in Fort Griffin sehen lassen. Er geht über die Straße, nähert sich dann hinter den Häusern dem großen Pferdestall. Das Holzgebäude steht hinter dem ›Game‹. Der Stall gehört aber nicht dazu. Im Stall stehen Sattelpferde. Darauf sind die Killer zurückgekommen. Niemand bewacht sie. Jedenfalls sieht Russian Joe keinen Stallmann. Langsam stapft er durch den Stall. Mondschein fällt herein. Gebißketten klirren. Die Tiere sind unruhig. Der fremde Geruch stört sie. Das ist der Atem der Wildnis. Russian Joe riecht sich selber – und den Alkoholdunst, der ihm aus dem Hals strömt. Er bemerkt die sehnige große Gestalt, die hinter einem Stallpfosten steht. Wenn er schon ein Pferd stiehlt, dann soll es auch gleich das beste sein. Darauf will er nach Roberta suchen – und zu den anderen Büffeljägern reiten, die draußen auf der Prärie ihr Lager haben. Sein Pech ist, daß er für Buckoo ein Unbekannter ist. Jäh trifft ihn der Hieb. Buckoo zieht ihm den Lauf der Winchester über den Kopf. Der Schlag läßt ihn zusammenbrechen. Dabei ähnelt er einem Büffel. Das zottelige
Fell der Kleidung verstärkt diesen Eindruck. Schwer liegt er auf dem Stallgang. »Nimm die Pferde, Abel. Bring sie aus Poker Flat. Doch laß sie nicht zu früh frei.« Abel tritt aus dem Hintergrund. Das blonde Haar schimmert. »Ich bring sie auf die andere Flußseite, Buckoo.« »Das ist nicht ungefährlich, Junge. Paß auf!« Abel schweigt, verknüpft jetzt die Zügel der Pferde miteinander und zieht sie aus dem Stall. Dann holt er noch sein eigenes Pferd. Buckoo zerrt den schweren Russian Joe vom Gang. Er erkennt erst jetzt, daß er einen Büffeljäger erwischt hat – und nicht den Stallmann. Abel ist aufgesessen. Er wird sich mit den Sattelpferden der Killerhaie davonmachen. Dann sitzt die Meute in Poker Flat fest. So will es Buckoo. Er will sie hetzen, in die Enge treiben. Jason steht auf Platz eins der Liste. Aber auch alle anderen sind Buckoos Feinde. Seine Halbschwester Roberta mag ein Luder gewesen sein. Doch die Schüsse, die auf das Pferd abgegeben wurden, sollten sie töten. Und beim Sturz brach Roberta sich die Wirbelsäule, erlitt die tödliche innere Blutung. Jetzt reitet Abel an. Er führt die Pferde mit sich. Langsam entfernt er sich mit den Tieren. Gefährlich wird es für ihn, wenn er auf die Nachtreiter stößt, die um Poker Flat ihre Runden machen. Die Nacht ist hell. Buckoo schleicht durch die Siedlung, nähert sich dem ›Game‹. Inzwischen löst sich der große Rat, den Jason einberief, auf. Zu zweit, zu dritt, aber auch allein tut jeder Killerhai das, was er für wichtig hält. Oberstes Gebot für alle ist jedoch, Poker Flat unter Kontrolle zu halten.
Jason verschwindet von der Bildfläche. Wo er sich aufhält, wissen nur einige seiner engsten Vertrauten. Natürlich bei einem Mädchen. Um zu diesem Mädchen zu gelangen, hat Jason sich eines von Lottie Denos Reitpferden bereitstellen lassen. Ausgerechnet in dieser Nacht hat Jason ein Rendezvous außerhalb der Siedlung. Als er mit seinem Leuten draußen war und nach Roberta, Buckoo und Abel sucht, sah er eine brennende Petroleumlampe am Gatter des großen Korrals bei Fort Griffin. Das Zeichen! Miriam Geyer, Tochter des Kommandeurs, hat sich ausgerechnet in den schlimmsten Hai von Poker Flat vergafft. *** Buckoo braucht sich nicht vorzustellen. Als er an der Tür des Spielsalons erscheint, weiß jeder der Killer und Kartenhaie im ›Game‹, daß er der Fremde ist, nach dem sie gesucht haben. Der Fremde, der wie ein Comanche aussieht, nur viel, viel größer ist, schlanker und sicherlich auch gefährlicher. Buckoo läßt keinen der Anwesenden außer Augen – obwohl er keinen direkt ansieht. Im ›Game‹ sind viel Gäste. Dazwischen schwirren Animiermädchen herum. Pokerspieler legen langsam die Karten ab. Der Lärm verklingt. Viele Blicke haften auf Buckoo. Er kennt seine Gegner nur flüchtig. Wer nun zur Waffe greift, verrät sich. Drei von Jasons »Ordnungshütern« sind im Salon geblieben. Sie haben sich getrennt. Einer steht an einem der Spieltische. Der andere lehnt an der langen Theke. Der dritte unterhält sich mit einem Animiermädchen in der Nähe der verlassenen Tanzbühne.
Diese drei Killerhaie wissen, daß sie den langhaarigen Fremden erledigen müssen. Sie bewegen sich, schaffen sich Platz. Dadurch verraten sie sich. Keiner wird Rücksicht auf die Gäste nehmen. Sie wollen Buckoo töten. Wenn dabei Unbeteiligte gefährdet werden, so ist das eben deren Pech. Büffeljäger, Soldaten, Kaufleute, Cowboys und Spieler machen, daß sie aus dem Schußfeld kommen. Jetzt hat er Rückendeckung durch die Wand. Im Spielsalon scharren Stühle, reiben Stiefelsohlen. Dann ist es still. Buckoo braucht sich beim Sprechen nicht anzustrengen, um verstanden zu werden. »Roberta ist tot«, beginnt er. »Ich rede von dem Mädchen, das bei den Comanchen war.« Die drei Killer wissen sofort, daß Buckoo abrechnen will. Sie zögern keine Sekunde. Fast gleichzeitig langen der Mann an der Theke und der am Spieltisch nach den Colts. Der dritte reißt das Animiermädchen zu sich, mißbraucht es als Deckung, zieht dabei den Colt. Buckoo will diesen Kampf überleben. Die Winchester peitscht Blei durch den Salon. Der Mann an der Theke wird zurückgestoßen. Der andere Schießer will den Spieltisch umstoßen und dahinter in Deckung gehen. Zu spät. Er wird getroffen. Der dritte Killer hält das Mädchen gepackt und feuert. Buckoo spürt den Gluthauch der vorbeisirrenden Kugeln, wirft sich hin, hat den Colt in der Faust, sieht die gespreizten Beine hinter jenen des Mädchen, drückt ab, trifft das rechte Bein des Killers. Der taumelt zur Seite – und noch während des Sturzes erwischt ihn die Kugel aus Buckoos Colt. Schreiend springt das Animiermädchen über den Toten. Pulverrauch wallt. Die Türflügel schlagen hinter Buckoo zusammen. Er läuft über die Straße. Denn dort im Mondschein und in
den Strahlenbündeln der Lichtbahnen wird er deutlich zu sehen sein. Geduckt rennt er um den Spielsalon. Dann ist er in der Hofeinfahrt. Aus dem ›Soldier's Star‹ und aus der Dancing Hall stürmen ein paar Männer. Jasons Leute. Sie suchen nach Buckoo. Er läßt sich nicht jagen. Er dreht den Spieß um, hetzt die Killerhaie. Noch sind sie auf der Straße. Die Meute will ausschwärmen. Fünf gefährliche Schießer trachten Buckoo nach dem Leben. Sie glauben, daß er über die Hinterhöfe flüchtet. Das ist ein fataler Irrtum! Denn Buckoo kommt wieder. Für zwei, drei Sekunden. Länger steht er nicht in der dunklen Hofeinfahrt. Die Winchester peitscht. Mündungsfeuer flammen. Drei Killer brechen auf der Straße zusammen. Die beiden anderen werfen sich hin. Ihre Schüsse dröhnen. Blei füllt die Hofeinfahrt. Doch Buckoo ist schon nicht mehr da. Die Killermeute ist verunsichert. Einige brüllen nach Jason, aber der hat das Rendezvous. Die Haie suchen eine sichere Fluchtburg. Das ist das einzige Haus aus Stein. Im Backsteingebäude lagert Proviant. Dorthin ziehen sie sich zurück. Sie rechnen aber nicht mit der Entschlossenheit ihres Gegenübers. Buckoo verkriecht sich nicht. Er beschleicht wie ein Comanchenkrieger das Backsteingebäude. Sofort macht er sich an die Arbeit, gräbt die starke Messerklinge in die Mörtelfugen, lockert die Steine. Buckoo schafft sich ein Loch in der Wand. Das braucht nicht groß zu sein. Er muß nur hindurchgleiten können. Haßerfüllte Stimmen dringen aus dem Inneren des Depots. Die Killerhaie beratschlagen, finden noch keinen gemeinsamen Plan. Klar ist lediglich, daß sie Buckoo ausschalten müssen. Vorn steht das Tor weit offen. Buckoo arbeitet wie bessen.
*** Heftig zerren die Stattelpferde an den Zügeln, die mit dem Lasso verknotet sind. Abel hat Mühe, mit den Tieren zum Fluß zu gelangen. Doch schon ragt vor ihm aus dem Dunst die Baumkette dunkel empor. Hinter ihm in der Siedlung sind die Schüsse verstummt. Er hört das Trappen der Hufe, Prusten und Schnauben. In Fort Griffin löst ein Signal den Alarm aus. Auch dort sind die Schüsse gehört worden. Es wird jedoch eine Zeit lang dauern, bis Kavallerie das Fort verläßt. Abel will so schnell wie möglich zu Buckoo in die Siedlung zurück. Denn Buckoos Kampf ist auch seiner. Er hat Roberta verehrt. In Poker Flat stecken Robertas Mörder. Jetzt streifen ihn die tiefhängenden Zweige der ersten Bäume. Er duckt sich – und das ist sein Glück. Grell flammt es auf. Blei verfehlt seinen Kopf. Er wirft sich vom Pferd. Wieder kracht es. Schon hat er den Colt herausgerissen, schnellt hoch, hetzt unter die Bäume. Die Pferde toben durch das Unterholz, verfangen sich mit dem Zügel, verheddern sich im Geäst. Abel ist voller Zorn, daß er auf sich keine Rücksicht nimmt. Er durchbricht die Sträucher, sieht plötzlich einen Reiter dunkel unter den Bäumen. Dahinter ist der Fluß, glänzt das Wasser. Schon jagt Abel das Blei aus dem Lauf. Der Reiter stürzt, wird vom Pferd mitgerissen, bleibt dann unten zwischen den Ufersteinen liegen. Gewehrfeuer schlägt von links herüber. Abel hechtet weg, überschlägt sich, entgeht den Kugeln. Dann rollt er sich herum, robbt vorwärts. Der Nachtreiter kommt auf ihn zu, die Waffe schußbereit.
Das Pferd wiehert schrill, von Sporenstößen gepeinigt. Metall schimmert an der Brust des Reiters. Ein Stern! Wieder so ein falscher Hilfssheriff. Der trägt vielleicht auch eine kugelsichere Weste. Abel zwingt sich eisern zur Ruhe, zielt, schießt. Kopfschuß. Hufe poltern. Pferde wiehern schrill. Überall knackt es. Abel kriecht weg, erreicht eine kleine Mulde unter den Bäumen, rollt hinein, liegt still. Er zwingt sich, tief und ruhig einzuatmen. Wieder tönt ein Hornsignal herüber. Abel will weiter, will die Sattelpferde so weit wegbringen, daß Jasons Killermeute in der Poker-Siedlung festgenagelt ist. Nach Minuten richtet er sich auf, steht reglos, horcht. Dann sucht er zunächst sein Pferd. *** »Miriam, Liebling – ich muß zur Siedlung. Weiß der Teufel, was dort wieder los ist.« Die Tochter des Kommandeurs lehnt an Jason. Beide stehen draußen am Korral. Die Nebel dieser Nacht hüllen beide ein. »Was willst du in der Flat?« begehrt sie auf. »Es hat 'ne Schießerei gegeben, das ist alles. Jetzt ist nichts mehr zu hören.« Jason blickt auf die Lichter von Poker Flat. Er spürt Miriams Hände. Sie streichelt seinen Nacken, will ihn zurückhalten. »Das ist es ja gerade, Miriam«, raunt er. »Diese plötzliche Stille! Ich bin nun mal verantwortlich für Ruhe und Ordnung in der Flat. Das ist mein Job!« Das sieht sie ein, wenn auch nur widerwillig. Er steigt auf das Pferd, winkt ihr zu und reitet am Korral entlang, entfernt sich noch mehr vom Fort, nähert sich den Bäumen am Fluß.
Das Mädchen sieht ihn im Nebel verschwinden. Jason erreicht den Fluß. Da hört er Pferdegewieher. Sofort hält er an. Lauernd blickt er in die wallenden Dunstschwaden, die sich über dem Wasser verdichten. Zweige knacken. Blätter rascheln. Hufe tappen näher. Jason läßt das Gewehr im Scabbard. Zwischen den Bäumen und Sträuchern ist ein Gewehr unhandlich. Er zieht den rechten Colt. Abel befreit eben die Pferde, die sich im Unterholz verheddert haben. Er beeilt sich. Noch decken Bäume den jungen blonden Cowboy. Im Schatten ist er auch nur schemenhaft zu erkennen. Jason reitet langsam näher, orientiert sich an den Geräuschen. Einige Pferde keilen aus, zerren an den Zügeln. Abel zieht ein Messer, kappt die Zügel. In diesem Augenblick hört er ein Pferd wiehern. Abel duckt sich. Jason feuert, trifft. Abel stürzt. Das Blei steckt in der Schulter. Noch spürt er keinen Schmerz. Er rollt abwärts, durchbricht Sträucher, bleibt unter einem Salbeistrauch liegen. Der Schmerz setzt ein. Abel wird schlecht. Jason reitet suchend umher. Langsam und entschlossen, dem Gegner den Rest zu geben. Da wird er plötzlich abgelenkt. *** Im Poker Flat holt Buckoo zum letzten Schlag aus. Die Killerhaie verlassen das Backsteinhaus – und Buckoo gleitet durch das Loch ins Innere. Er braucht nicht zu suchen. Neben Brandy und Whisky lagern kleine Fässer mit Pulver. Munition stapelt sich in Kisten.
Eine Zündschnur ist schnell in Brand gesetzt. Die Schießer sind draußen deutlich zu sehen im Mondenschein. Noch sind sie alle zusammen. Buckoo läuft nach vorn, verharrt im Tor und ruft scharf: »Hier bin ich!« Sie hören ihn, wirbeln herum, reißen die Waffen hoch. Buckoo schießt. Zwei Gegner brechen zusammen. Die anderen stürmen heran. Geduckt läuft Buckoo nach hinten, erreicht das Loch in der Wand, schlängelt sich ins Freie. Die wilde Meute stürzt in das Vorratshaus. Buckoo hetzt geduckt davon, erreicht einen Stall, wirft sich dahinter in Deckung. Im Backsteingebäude detoniert das Pulver. Es kracht und knattert. Das Dach hebt sich, wirbelt weg. Dazwischen fliegen Körper. Eine Wand bricht ein. Feuer faucht auf die Straße. Einer der Schießer kommt als lodernde Fackel hervor, wälzt sich im Staub. Langsam kommt Buckoo hoch. Die Meute ist erledigt. In Poker Flat brüllt und brennt alles durcheinader. Niemand sieht Buckoo davonlaufen. Weit hinten überquert er die Straße. Ein Kettenhund kläfft ihn an. Er überquert Hinterhöfe. Das Depot brennt nieder. Das Feuer greift nicht um sich. Die Siedlung der Pokerkönigin Lottie Deno bleibt unversehrt. Buckoo erreicht den Hof hinter dem großen Spielsalon. Im ›Game‹ ist kaum jemand. Alle sind hinausgelaufen, um den Brand zu löschen. Langsam nähert Buckoo sich der Hintertür. Neben dem Badehaus verharrt er, denkt an Abels Schilderung, an Roberta, die aus dem Badehaus kam. Er wird nicht aufgeben und versuchen, mit den Comanchen in Frieden zu leben. Kein anderer als Buckoo wird das eher und besser erreichen. Denn er ist ein halber Comanche und weiß, wie er mit den Indianern umgehen darf. »Bleib stehen, Bastard!«
Jason steht hinter Buckoo. Zehn Schritte entfernt – mit gezogenem Colt! Das ist das Ende. Buckoo weiß es. Abel ist nicht in Poker Flat. Die Kavallerie rückt gerade erst aus Fort Griffin aus. Alle Hilfe wird zu spät kommen. Aber Buckoo wird trotzdem kämpfen. »Warum bist du hinter uns her?« hört er Jason haßerfüllt fragen. »Ihr habt meine Schwester auf dem Gewissen, Jason. Roberta, das Mädchen, das von den Comanchen entführt wurde.« »Dreh dich um!« Langsam gehorcht Buckoo. Er sieht Jason vor sich – und weiter rechts den Büffeljäger Russian Joe. »Stirb, Hund!« brüllt Russian Joe und schießt auf Jason. Die Kugel durchdringt nicht die Weste, die Jason trägt. Jason feuert, trifft Russian Joe, tötet ihn. Als er sich zu Boden wirft und auf Buckoo schießen will, hat er plötzlich ein Loch im Kopf. Als Kavallerie in Poker Flat einrückt, reitet Buckoo müde zum Fluß.
- ENDE -