S. Haas (Hrsg.) Prävention von Thrombosen und Embolien in der Inneren Medizin Möglichkeiten und Vorzüge von niedermolekularen Heparinen
S. Haas (Hrsg.)
Prävention von Thrombosen und Embolien in der Inneren Medizin Möglichkeiten und Vorzüge von niedermolekularen Heparinen
Mit 31 Abbildungen und 31 Tabellen
123
Sylvia Haas Professor, Dr. med. Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung Ismaninger Str. 22 81675 München
[email protected]
ISBN 3-540-22563-3 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hanna Hensler-Fritton Projektbetreuung: Thomas Günther Design, Satz und Umschlaggestaltung: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg SPIN 11306450 Druck: abcdruck GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
33/3160/tg – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Venöse Thromboembolien gewinnen für internistische Patienten zunehmend an Bedeutung und die medikamentöse Prophylaxe ist ein fester Bestandteil der konservativen Medizin. Trotzdem sind noch Fragen zur Optimierung dieser präventiven Maßnahme offen. Eine klinische relevante Frage ist beispielsweise wie das individuelle Thromboembolierisiko sich als Summationseffekt aus dem sog. expositionellen, d.h. krankheitsbedingten Risiko und aus den patientenbezogenen, prädisponierenden Risikofaktoren ergibt. Daraus ergeben sich weitere Fragen hinsichtlich Art und Umfang prophylaktischer Modalitäten sowie zu deren Effizienz bei verschiedenen Patientenpopulationen und wie die Nutzen-/Risikoabwägung bei einer routinemäßigen Anwendung von niedermolekularem Heparin vorgenommen werden kann. Ein besonderer Schwerpunkt dieser Monographie ist der Thematik der Indikationsstellung einer adäquaten medikamentösen Prophylaxe gewidmet, sowie der aus klinischen Studien ableitbaren Evidenz zu deren Durchführung bei nicht chirurgischen Patienen. Zur Bearbeitung dieser komplexen Fragestellungen konnten ausgewiesene Experten gewonnen werden, die in jeweils untergliederten Kapiteln den gesamten Themenkreis der Thromboembolieprophylaxe in der Inneren Medizin beleuchten. Hierzu zählen auch einführende Abschnitte zur Epidemiologie und Pathophysiologie der venösen Thrombose, sowie Beiträge zu derzeit noch ungeklärten spezifischen Fragestellungen, zur Thromboseprophylaxe bei längerer Reisedauer (insbesondere bei längeren Flugreisen) und zur Rolle von niedermolekularen Heparinen als Überbrückung einer oralen Antikoagulation mit Vitamin K Antagonisten. Auch die möglichen Auswirkungen der DRGs auf eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe werden besprochen. Dieses Buch ist eine aktuelle Informationsquelle für Internisten und Allgemeinmediziner sowie für Ärzte in Ausbildung und ist als Leitfaden für die medikamentöse Thromboseprophylaxe insbesondere mit niedermolekularen Heparinen gedacht. Ein Fragenkatalog nach jedem Kapitelblock ermöglicht dem Leser eine Selbstkontrolle des erarbeiteten Stoffes. Die Kompetenz zahlreicher namhafter Autoren hat zum Gelingen dieses Buchprojektes beigetragen. Der gesamten Co-Autorenschaft sei an dieser Stelle sehr herzlich für ihre exzellenten Beiträge und die Mühe bei der prompten Verfassung der Manuskripte gedankt. Mein aufrichtiger Dank gilt auch der Firma Sanofi-Aventis, ohne deren großzügige Unterstützung die Herausgabe dieses Buches nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere Herrn Dr. Carsten Kienitz darf ich für die kompetente Mitarbeit bei der Herausgabe dieses Buches vielmals danken. Zu besonderem Dank sind die Autoren der einzelnen Kapitel dem Springer Verlag für die schnelle verlegerische Bearbeitung und Ausstattung dieser Monographie verpflichtet. Die angenehme und kompetente Zusammenarbeit mit Herrn Thomas Günther wurde von uns allen sehr geschätzt und ich erlaube mir, Herrn Günther im Namen aller Co-Autoren hierfür sehr herzlich zu danken. Wir wünschen uns eine rasche Verbreitung dieses Buches und hoffen, dass die vorliegende Monographie allen, die sich mit thromboembolischen Erkrankungen bei internistischen Patienten befassen, bei ihrer täglichen Arbeit von Nutzen sein möge.
München, im Januar 2005
Sylvia Haas
VI
Inhaltsverzeichnis Teil I Epidemiologie von Thrombosen und Embolien 1
Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2
Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen . . . . . . 8
3
Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern . . . . . 12
Teil III Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin 11 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 74 12 Neuere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 13 Aktuelle Studienergebnisse . . . . . . . . . . 84
4
Komplikationen und Spätfolgen . . . . . . 20
5
Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . 23
Teil II Pathophysiologie
14 Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers . . 89
Teil IV Risikoabschätzung in der Inneren Medizin 15 Expositionelle Risikofaktoren . . . . . . . . . 98 16 Dispositionelle Risikofaktoren . . . . . . . 103
6
Gerinnungskaskade . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
7
Virchow-Trias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
8
Hereditäre Thrombophilie . . . . . . . . . . . . 45
9
Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin . . . . . . 57
18 Das Problem der Immobilität . . . . . . . . 114
10 Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
19 Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten . . . . . . . . . . 117
17 Modelle zur Risikoabschätzung . . . . . . 108
Teil V Ungeklärte Fragestellungen
20 Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten . . . . . . . . . . . 119
VII Inhaltsverzeichnis
Teil VI Reiseprophylaxe
Teil VIII Zukünftige Entwicklungen
21 Welche Studiendaten gibt es? . . . . . . . 124
29 Prophylaxe bei Tumorpatienten . . . . . . 162
22 Risikostratifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
30 Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie von Thrombosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
23 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Teil VII Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation – Bridging
Teil IX Anhänge I
Leitlinien (Auszüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
II
Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . 179
III 25 Therapieoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Adressen von Fachgesellschaften/ Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
26 Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es? . . . . . . . . 142
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
24 Die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
27 Therapiealgorithmen . . . . . . . . . . . . . . . 147 28 Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte . . 152
VIII
Mitarbeiterverzeichnis Herausgeber Haas, Sylvia Professor, Dr. med. Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung Ismaninger Str. 22 81675 München
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Beitragsautoren Bauersachs, Rupert
Kienitz, Carsten
Priv.-Doz., Dr. med. Medizinische Klinik IV Max Ratschow Klinik für Angiologie Klinikum Darmstadt Heidelberger Landstraße 379 64297 Darmstadt
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Dr. rer. nat. Medical Marketing Manager Aventis Pharma Deutschland GmbH Ein Unternehmen der sanofi-aventis Gruppe GE Innovation Praxis und Klinik Königsteiner Str. 10 65812 Bad Soden
[email protected]
Haas, Sylvia Professor, Dr. med. Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung Ismaninger Str. 22 81675 München
[email protected]
Kribben, Andreas Priv.-Doz., Dr. med. Universitätsklinikum Essen Klinik für Hochdruck und Nierenkrankheiten Hufelandstr. 55 45122 Essen
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Kemkes-Matthes, Bettina Professor, Dr. med. Justus-Liebig-Universität Medizinische Klinik IV Zentrum für Innere Medizin Abteilung Hämatologie / Onkologie Klinikstr. 36 35385 Gießen Bettina.Kemkes-Matthes@ Innere.Med.Uni-Giessen.de
Kröger, Knut Priv.-Doz. Dr. med. Universitätsklinikum Essen Klinik und Poliklinik für Angiologie Hufelandstr. 55 45122 Essen
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IX Mitarbeiterverzeichnis
Landgraf, Helmut
Linße, Burkhard
Professor, Dr. med. Vivantes Klinikum im Friedrichshain Klinik für Innere Medizin – Angiologie und Hämostaseologie Zentrum für Gefäßmedizin Landsberger Allee 49 10249 Berlin
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Medical Marketing Manager Aventis Pharma Deutschland GmbH Ein Unternehmen der sanofi-aventis Gruppe GE Innovation Praxis und Klinik Königsteiner Str. 10 65812 Bad Soden
[email protected]
Lütkes, Peter Lawall, Holger Dr. med. SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach gGmbH Abteilung für Innere Medizin Guttmannstr. 1 76307 Karlsbad / Langensteinbach
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Dr. med. Universitätsklinik Essen Medizinisches Controlling und Qualitätsmanagement Hufelandstr. 55 45122 Essen peter.luetkes@ medizin.uni-essen.de
Lichtner, Sabine Vennfelder Strasse 10 47805 Krefeld
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Lindhoff-Last, Edelgard Priv. Doz. Dr. med. Gefäßzentrum Schwerpunkt Angiologie / Medizinische Klinik I Joh. Wolfg. Goethe Universitätsklinikum Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt / Main
[email protected]
Linnemann, Birgit Dr. med. Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität Medizinische Klinik I, Angiologie Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt / Main
[email protected]
Müller-Nordhorn, Jacqueline Dr. med. Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Charité – Universitätsmedizin Berlin Luisenstr. 57 10117 Berlin
[email protected]
Willich, Stefan N. Professor, Dr. med. Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Charité – Universitätsmedizin Berlin Luisenstr. 57 10117 Berlin
[email protected]
I
Teil I
Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
Kapitel 1
Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
–2
Kapitel 2
Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
–8
Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern
– 12
Kapitel 4
Komplikationen und Spätfolgen
– 20
Kapitel 5
Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung
– 23
Kapitel 3
1 Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich
Die tiefe Beinvenenthrombose beginnt in der Regel in den distalen Venen der Unterschenkel, von dort kann sie in die proximalen Venen der Oberschenkel aufsteigen und unter Umständen eine Lungenembolie verursachen (Kearon 2003). Jedes dieser möglichen Stadien kann symptomatisch oder asymptomatisch verlaufen, abhängig von dem Ausmaß der Thrombose, der Ausbildung von Kollateralgefäßen und der Stärke des begleitenden Gefäßverschlusses bzw. der Entzündungsreaktion. Die tiefe Beinvenenthrombose tritt häufig als Komplikation bei stationären Aufenthalten auf, kann aber auch bei Patienten außerhalb des Krankenhauses oder bei ansonsten gesunden Menschen vorkommen (Lensing et al. 1999). Die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenembolie werden als venöse thromboembolische Ereignisse (»venous thromboembolism«) zusammengefasst.
Inzidenzraten Die Epidemiologie der venösen Thromboembolien wurde in einer Übersichtsarbeit von White (2003) beschrieben. Die Inzidenz der erstmalig aufgetretenen venösen thromboembolischen Ereignisse, standardisiert für Alter und Geschlecht, liegt in dieser Zusammenfassung zwischen 71 und 117 pro 100.000. In einer Reihe von Studien wurde die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse in unterschiedlichen Populationen untersucht (Anderson et al. 1991; Silverstein et al. 1998; Kniffin et al. 1994; Tsai et al. 2002; Nordstrom et al. 1992; White et al. 1998; Hansson et al. 1997). Der Vergleich der Inzidenzraten in den einzelnen Studien wird durch ein unterschiedliches diagnostisches Prozedere, auch bedingt durch die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren im zeitlichen Trend, erschwert. So wurde in einigen Studien die Diagnose mittels Phlebographie gesichert, während vor allem in neueren Studien zunehmend die (Farb-)Dopplersonographie verwendet wurde. Auch die Einteilung der tiefen Beinvenenthrombose in möglich, wahrscheinlich oder definitiv variiert zwischen Studien. So definierten Silverstein et al. (1998) in ihrer Studie die definitive Beinvenenthrombose als eine durch eine Phlebographie, Computertomographie oder Kernspintomographie gesicherte oder pathologisch bestätigte Diagnose. Tsai et al. (2002) hingegen definierten die definitive Beinvenenthrombose als eine durch Dopplersonographie, Phlebographie oder Computer-
1
3 Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
tomographie gesicherte Diagnose. ⊡ Tabelle 1.1 fasst die einzelnen Studien zu den Inzidenzraten einschließlich der verwendeten diagnostischen Methoden zusammen. Anderson et al. (1991) ermittelten in ihrer bevölkerungsbasierten Untersuchung in Worcester/USA mithilfe von Entlassungsdiagnosen die alters- und geschlechtsadjustierte Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie (107 pro 100.000) und rechneten dann die Fälle für die USA hoch. Dabei ergaben sich für das Jahr 1986 für die USA 257.972 venöse thromboembolische Ereignisse mit Krankenhausaufenthalt, davon waren 171.178 erstmalige Episoden (115.726 tiefe Beinvenenthrombose, 55.452 Lungenembolie). In der Untersuchung von Anderson et al. ergab sich ein exponentieller Anstieg der Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse mit zunehmendem Alter sowohl bei Männern als auch bei Frauen (⊡ Abb. 1.1). Das relative Risiko für ein venöses thromboembolisches Ereignis betrug pro 10-JahresAnstieg des Lebensalters 1,9. Der Anstieg der Inzidenz mit zunehmendem Lebensalter wird konsistent in der Literatur beschrieben (White 2003). In der Untersuchung von Anderson et al. (1991) fand sich ein erhöhtes Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses für Männer im Vergleich zu Frauen, mit einem relativen Risiko von 1,4. In der Übersichtsarbeit von White (2003) konnte kein eindeutiger Unterschied in der Inzidenz zwischen Männern und Frauen in der Literatur gefunden werden.
600 Männer Frauen
Inzidenz pro 100 000
500
400
300
200
100
0
5
15
25
35
45
55
65
75
>80
Alter (Jahre) ⊡ Abb. 1.1. Inzidenzraten von klinisch diagnostizierten venösen thromboembolischen Ereignissen pro 100.000 Einwohner nach Altersgruppen und getrennt für Männer und Frauen. (Mod. nach Anderson et al. 1991)
1
Jahr
1985–1986
1966–2000
1986–1989
Erstautor
Anderson et al. 1991
Silverstein et al. 1998
Kniffin et al. 1994
Patienten mit TVT und/ oder LE (>65 Jahre) USA
Patienten mit TVT und/ oder LE (alle Altersgruppen) Olmsted County, USA
Patienten mit TVT und/ oder LE (alle Altersgruppen) Worcester, USA (16 Kliniken)
Setting/Population
TVT: Definitiv: 38% Wahrscheinlich: 8% Möglich: 54% LE+/- TVT: Definitiv: 48% Wahrscheinlich: 18% Möglich: 34%
ICD-Codes für TVT oder LE Keine weiteren Angaben
Erstmalig
Erstmalig
Krankenhausbasiert Querschnittsstudie
Medicare-Mitglieder 5% Stichprobe Kohortenstudie Krankenhaus- oder Ambulanzdiagnose
TVT: Phlebographie: 67% Plethysmographie: 37% Ultraschall: 5% LE: Angiographie: 13% Perfusionsszintigraphie: 48%
Erstmalig Rezidiv
Krankenhausbasiert Querschnittsstudie
Diagnostik
Fälle
Design
65–69 Jahre: TVT: 180/100.000 LE: 130/100.000 85–89 Jahre: TVT: 310/100.000 LE: 280/100.000 Letalität: LE 21%, TVT 3%
Alter- und geschlechtsadjustiert: Erstmalige Episode: TVT/LE: 117/100.000 TVT: 48/100.000 LE +/- TVT: 69/100.000
Alters- und geschlechtsadjustiert: TVT/LE: 107/100.000 Erstmalige Episode: TVT: 48/100.000 LE: 23/100.000 Letalität LE: 12%
Inzidenz/Jahr Letalität
⊡ Tabelle 1.1. Inzidenzraten in unterschiedlichen Populationen von venösen thromboembolischen Ereignissen (VTE), d. h. Lungenembolie (LE) und tiefe Beinvenenthrombose (TVT) kombiniert
4 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
1963–1993
1987
1991–1994
Hansson et al. 1997
Nordstrom et al. 1992
White et al. 1998
Patienten mit TVT (> 8 Jahre) Kalifornien, USA
Patienten mit TVT (alle Altersgruppen) Malmö, Schweden
Patienten mit TVT und/ oder LE (Männer, 50–80 Jahre) Göteborg, Schweden
Patienten mit TVT und/ oder LE (ARICa: 45-64; CHSb ≥65 Jahre) USA
Setting/Population
Krankenhausbasiert Querschnittsstudie
Krankenhausbasiert Querschnittsstudie
Bevölkerungsbasiert Kohortenstudie
Bevölkerungsbasiert Zwei Kohorten: ARICa/CHSb Studien Krankenhausakten
Design
Erstmalig idiopathische TVTc
Erstmalig Rezidiv
Erstmalig Rezidiv
Erstmalig
Fälle
TVT: Männer: 155/100.000 Frauen: 162/100.000 Alters- und geschlechtsadjustiert: Idiopathische TVTc: Weiß 230/100.000 Afroamerikanisch 293/100.000 Hispanisch 139/100.000 Asiatisch 60/100.000
Entlassungdiagnosen Antikoagulation als Therapie
Erstmalig: TVT: 138/100.000 Nichttödliche LE 67/100.000 Tödliche LE: 105/100.000 Erstmalig + Revidiv: TVT: 182/100.000 Nichttödliche LE: 98/100.000 Tödliche LE: 107/100.000 Alle VTE: 387/100.000 (Personenjahre)
ARICa Studie: TVT/LE: 110/100.000 Personenjahre CHSb Studie: TVT/LE: 280/100.000 Personenjahre
Inzidenz/Jahr Letalität
Phlebographie
Entlassungsdiagnosen Totenscheine TVT: Phlebographie LE: Perfusionsszintigraphie
TVT: definitiv und wahrscheinlich LE: definitiv
Diagnostik
5
cIdiopathische
Atherosclerosis Risk in Communities, bCHS Cardiovascular Health Study, ICD International Classification of Diseases Diagnose: Diagnose einer TVT mit mindestens drei Tagen Krankenhausaufenthalt ohne Tumorerkrankung oder Krankenhausaufenthalt in den letzten sechs Monaten
1987–1993
Tsai et al. 2002
aARIC
Jahr
Erstautor
⊡ Tabelle 1.1. Fortsetzung
Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
1
6
Zeitliche Trends Die Inzidenz der Lungenembolie scheint insgesamt abzunehmen, wie eine Untersuchung von Silverstein et al. (1998) ergab. In einer bevölkerungsbasierten retrospektiven Studie in Olmsted County, Minnesota/USA, wurden die medizinischen Akten aller Patienten untersucht, die in den 25 Jahren zwischen 1966 und 1990 entweder eine tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie hatten. Die Inzidenz der Lungenembolie war in den letzten 15 Jahren etwa 45% niedriger als im Zeitraum davor. Dies galt sowohl für Männer als auch für Frauen und in allen Altersgruppen. Im Gegensatz dazu blieb die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose bei Männern konstant, nahm bei Frauen, die jünger als 55 Jahre waren, ab, und bei Frauen, die älter als 60 Jahre waren, zu. ⊡ Abbildung 1.2 zeigt die alters- und geschlechtsadjustierten Inzidenzraten venöser thromboembolischer Ereignisse in den Jahren zwischen 1966 und 1990. Allerdings nahmen im Zeitraum zwischen 1966 und 2000 auch die Autopsieraten ab, von 50–60% der Todesfälle in den 60er-Jahren auf 30–35% in den letzten Jahren. Hier lässt sich ein Rückgang in der vollständigen Erfassung der durch venöse thromboembolische Ereignisse bedingten Todesfälle nicht ausschließen. Kahn et al. (2004) kamen in ihrer Übersichtsarbeit dagegen zur Schlussfolgerung, dass die jährliche Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse in den letzten Jahren nicht abgenommen hätte.
250
alle VTE LE (mit/ohne TVT) TVT alleine
200
Inz ide nz pro 100 000
1
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
150
100
50
0 1965
1970
1975
1980 Jahr
1985
1990
⊡ Abb. 1.2. Alters- und geschlechtsadjustierte Inzidenz aller venösen thromboembolischen Ereignisse (VTE) sowie der tiefen Beinvenenthrombose (TVT) alleine und der Lungenembolie (LE) (alleine oder mit TVT) bei Einwohnern von Olmsted County, Minnesota, nach Kalenderjahr zwischen 1966 und 1990. (Mod. nach Silverstein et al. 1998)
7 Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
1
Jahreszeitliche Variation In einigen Studien wurde eine jahreszeitliche Variation im Auftreten venöser thromboembolischer Ereignisse mit einer höheren Inzidenz in den Wintermonaten berichtet (Boulay et al. 2001; White 2003). Weitere Studien zeigten dagegen entweder keine jahreszeitliche Variation oder Gipfel im Auftreten sowohl im Frühjahr als auch im Sommer oder Herbst (Stein et al. 2004). So untersuchten Stein et al. die Entlassungsdiagnosen unter Verwendung von Daten des National Hospital Discharge Survey in den USA über einen Zeitraum von 21 Jahren. Dabei ergab sich weder eine jahreszeitliche Variation in Gegenden mit geringen Temperaturschwankungen, z. B. den südlichen Regionen der USA, noch in Gegenden mit hohen Temperaturschwankungen, z. B. dem Nordosten oder dem Mittleren Westen.
2 Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich
Venöse thromboembolische Ereignisse treten in den verschiedenen medizinischen Fachgruppen unterschiedlich häufig auf (Nicolaides et al. 2001). Die ⊡ Tabellen 2.1 bis 2.3 geben, basierend auf einer Zusammenfassung des Cardiovascular Disease Educational and Research Trust und der International Union of Angiology, eine Übersicht über das Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse ohne medikamentöse Prophylaxe.
Chirurgie Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses unterschiedlich hoch (⊡ Tabelle 2.1 und 2.2; Nicolaides et al. 2001). Es liegt bei chirurgischen Patienten ohne medikamentöse Thromboseprophylaxe zwischen 9% bei der transurethralen Prostatektomie und 51% beim elektiven Hüftgelenkersatz für eine tiefe Beinvenenthrombose (⊡ Tabelle 2.1). In den ersten zwei Wochen nach der Operation ist das Risiko am höchsten und bleibt während der folgenden zwei bis drei Monaten weiterhin erhöht (Kearon 2003). Das Auftreten der postoperativen venösen thromboembolischen Ereignisse hängt von der Art der Chirurgie ab, z. B. ist das Risiko nach einer Kniegelenkendoprothese im Vergleich zum Hüftgelenkersatz am Anfang höher, fällt dann aber früher wieder ab. Ungefähr die Hälfte der tiefen Beinvenenthrombosen beginnt intraoperativ, viele davon lösen sich spontan auf. Das Risiko der Progression der tiefen Beinvenenthrombose hängt von der Größe des Thrombus und dem Vorliegen persistierender Risikofaktoren, z. B. einer längerfristigen Immobilisierung, ab. Für eine tödliche Lungenembolie ist das Risiko in den drei bis sieben Tagen nach der Operation am höchsten.
Orthopädie Bei Patienten mit Knie- und Hüftgelenkersatz, Hüftgelenkfrakturen und bei Patienten mit Polytrauma liegt das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe bei etwa 50%. Mit einer adäquaten medikamentösen Prophylaxe sinkt das Risiko auf etwa 5% und 20% (Caprini et al. 2003). Insgesamt ist bei orthopädischen Operationen das Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses etwa doppelt so hoch im Vergleich zu allgemein-chirurgischen Eingriffen (Kearon 2003; Nicolaides et al. 2001).
2
9 Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
⊡ Tabelle 2.1 Häufigkeiten tiefer Beinvenenthrombosen (TVT) in der operativen Medizin ohne medikamentöse Prophylaxe. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001) Patientengruppen
Studien [n]
Patienten [n]
TVT
95%-KI [%]
Allgemeinchirurgie, v. a. Abdominalchirurgie
54
4310
25%
24–26
Retropubische Prostatektomie
8
335
32%
27–37
Transurethrale Prostatektomie
3
150
9%
5–15
Gynäkologische Chirurgie: Malignome Benigne Erkrankungen
4 4
297 460
22 14
17–26 11–17
Elektiver Hüftgelenksersatz
17
851
51
48–54
Multiples Trauma
4
536
50
46–55
Kniegelenkendoprothese
7
541
47
42–51
Hüftgelenkfrakturen
16
836
45
41–48
Neurochirurgie
5
280
22
17–27
Rückenmarkverletzung
9
458
35
31–39
KI Konfidenzintervall, TVT tiefe Beinvenenthrombose.
⊡ Tabelle 2.2. Die Häufigkeit klinischer und tödlicher Lungenembolien ohne medikamentöse Prophylaxe bei einigen Diagnosegruppen. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001) Patientengruppen
Studien [n]
Patienten [n]
Lungenembolie [%]
95%-KI [%]
Allgemeinchirurgie
32
5091
1,6
1,3–2,0
Elektiver Hüftgelenkersatz
25
1436
4,0
3,0–5,1
Traumatische orthopädische Chirurgie
11
494
6,9
4,8–9,5
Allgemeinchirurgie
33
5547
0,9
0,6–1,1
Elektiver Hüftgelenkersatz
12
485
1,7
0,4–2,7
Oberschenkelhalsbruch
23
1195
4,0
3,0–5,3
Klinische Lungenembolie
Tödliche Lungenembolie
KI Konfidenzintervall
10
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
Traumatologie
2
Venöse thromboembolische Ereignisse sind die dritthäufigste Ursache für Todesfälle im Krankenhaus bei Traumapatienten und treten ohne medikamentöse Prophylaxe in etwa 50% der Fälle auf (Nicolaides et al. 2001; Rogers 2001). Auch bei Patienten, die mit subkutanem Heparin und/oder Kompressionsstrümpfen behandelt wurden, treten noch häufig venöse thromboembolische Ereignisse auf (kombiniert 7–12%, nur Lungenembolie 2,3%) (Rogers 2001). Geerts et al. (1994) führten bei 349 Traumapatienten, die keine medikamentöse Prophylaxe erhalten hatten, eine Phlebographie durch. Dabei hatten 58% der Patienten eine distale Beinvenenthrombose und 18% eine proximale Beinvenenthrombose. Drei der Patienten starben an einer massiven Lungenembolie, bevor eine Phlebographie durchgeführt werden konnte. Nur drei der Patienten hatten die klinischen Symptome einer tiefen Beinvenenthrombose. 50% der Patienten mit Verletzungen im Bereich des Gesichtes, des Thorax oder des Abdomens, 62% der Patienten mit Rückenmarkverletzungen und 69% der Patienten mit orthopädischen Verletzungen im Bereich der unteren Extremitäten hatten eine tiefe Beinvenenthrombose. ⊡ Abbildung 2.1 zeigt die Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose in Abhängigkeit von der Lokalisation der Verletzung. In der multivariaten Analyse wurden fünf unabhängige Risikofaktoren für eine tiefe Beinvenenthrombose ermittelt: zunehmendes Alter (Odds Ratio 1,05 pro Lebensjahr; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,03–1,06), Bluttransfusion (Odds Ratio 1,74; 95%-KI 1,03–2,93), chirurgische Intervention (Odds Ratio 2,30; 95%-KI 1,08–4,89), Fraktur des Femurs oder der Tibia (Odds Ratio 4,82; 95%-KI 2,79–8,33) und Verletzung des Rückenmarks (Odds Ratio 8,59; 95% KI 2,92–25,28).
Gynäkologie Das Risiko einer thromboembolischen Komplikation ist nach gynäkologischen Operationen ähnlich dem Risiko nach allgemeinchirurgischen Operationen. Es liegt bei Operationen von benignen Erkrankungen deutlich unter dem Risiko bei malignen Erkrankungen (14% vs. 22%; Nicolaides et al. 2001). Die Lungenembolie ist die häufigste Todesursache für Todesfälle nach gynäkologischer Tumoroperation und ist für etwa 20% der perioperativen Todesfälle bei Hysterektomie verantwortlich.
Innere Medizin Internistische Erkrankungen wie Schlaganfall, Tumor, Herzinsuffizienz, chronisch respiratorische Erkrankung, Lungenerkrankungen und Herzinfarkt sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses verbunden (Nicolaides et al. 2001; ⊡ Tabelle 2.3). Die Inzidenzraten bei internistischen Patienten liegen zwischen 9% bei geriatrischen Patienten und 56% bei Patienten nach Schlaganfall (⊡ Tabelle 2.3). Patienten mit einem Herzinfarkt haben z. B. ein erhöhtes Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose, das mit dem Risiko von chirurgischen Patienten mittleren Risikos vergleichbar ist (ca. 20% gesamt und 2% symptomatisch; Simmons et al. 1973). Die Gesamtmortalität von internistischen Patienten ist etwa 10% und einer von 10 Krankenhaustodesfällen ist durch eine Lungen-
2
11 Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
Gesicht, Thorax oder Abdomen
Kopf
Rückenmark
untere Extremitäten
26/63
11/16
8/21
30/43
41%
69%
38%
70%
20/51
6/12
20/26
39%
50%
77%
17/25
19/26
68%
73%
Gesicht, Thorax oder Abdomen
Kopf
Rückenmark
69/104
untere Extremitäten
66%
⊡ Abb. 2.1. Häufigkeiten der tiefen Beinvenenthrombose (TVT) bei Patienten mit Trauma in Abhängigkeit von der Lokalisation der Verletzung. Die weißen Kästchen zeigen die Häufigkeiten der TVT bei einer Verletzung, die blauen Kästchen die Häufigkeiten bei mehreren Verletzungen. (Mod. nach Geerts et al. 1994)
⊡ Tabelle 2.3. Häufigkeiten tiefer Beinvenenthrombosen in der Inneren Medizin ohne medikamentöse Prophylaxe. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001) Patientengruppen
Studien [n]
Patienten [n]
TVT
95%-KI [%]
Myokardinfarkt
4
180
22
16–28
Schlaganfall
8
380
56
51–61
Allgemein-internistische Patienten
2
110
17
10–24
Geriatrische Patienten (>65 Jahre)
1
131
9
5–15
KI Konfidenzintervall, TVT tiefe Beinvenenthrombose
12
2
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
embolie verursacht. In Studien mit Patienten mit allgemein internistischen Erkrankungen, ohne Schlaganfall oder Myokardinfarkt, lag die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose ohne medikamentöse Prophylaxe bei etwa 16% (95%-KI 13–19%; Geerts et al. 2001). Die meisten der eingeschlossenen Patienten hatten entweder eine chronische Herzinsuffizienz, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder eine Infektion. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz liegt die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose im Bereich zwischen 15% und 40% (Haas 2003). Die Inzidenz der tödlichen Lungenembolie lag in einer Untersuchung mittels Autopsie von 200 internistischen Patienten, die keine medikamentöse Prophylaxe erhalten hatten, bei 2,5% (Baglin et al. 1997). Durch die medikamentöse Prophylaxe wurde die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose bei internistischen Patienten auf Raten zwischen 4% und 9,5% reduziert (Geerts et al. 2001).
Intensivmedizin Attia et al. (2001) führten eine systematische Übersichtsarbeit von Studien zur Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose bei Patienten auf medizinischen und chirurgischen Intensivstationen durch. Etwa 10–30% der Patienten auf den Intensivstationen entwickelten innerhalb der ersten Woche nach Aufnahme auf die Intensivstation eine tiefe Beinvenenthrombose. Je nach Variation in den Patientencharakteristika lag die Inzidenz im Bereich zwischen 22% und 80%.
Intermediäre Betreuungseinrichtungen Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen, die nicht mehr in Akutkliniken versorgt werden müssen, werden zum Teil in andere Einrichtungen wie z. B. Rehabilitationskliniken oder spezielle Pflegeeinrichtungen verlegt. Dies betrifft vor allem ältere Patienten mit Erkrankungen wie z. B. einem Schlaganfall, für die eine erhöhte Betreuung erforderlich ist. In einer multizentrischen Querschnittsstudie in 36 Betreuungseinrichtungen in Frankreich untersuchten Bosson et al. (2003) die Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose bei 852 Patienten, die älter als 64 Jahre waren. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 82 Jahren; 69% waren Frauen. Alle Patienten wurden mithilfe einer Dopplersonographie untersucht. Von den Patienten erhielten 56% eine medikamentöse Prophylaxe: 31% hoch dosiertes niedermolekulares Heparin, 24% niedrig dosiertes niedermolekulares Heparin, 0,7% unfraktioniertes Heparin und 0,5% eine orale Antikoagulation. Bei 138 der Patienten (16%; 95%-KI 13–19%) lag eine tiefe Beinvenenthrombose vor. ⊡ Abbildung 2.2 zeigt die Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose in Abhängigkeit von der Art der Prophylaxe. Die Häufigkeit der medikamentösen Prophylaxe nahm signifikant mit der Anzahl der Risikofaktoren zu. In der multivariaten Analyse waren vorangegangene chirurgische Interventionen, eine vorübergehende oder dauerhafte Immobilisierung und eine chronische Herzinsuffizienz signifikant mit der Gabe einer medikamentösen Prophylaxe assoziiert (⊡ Tabelle 2.4). Patienten mit einer Tumorerkrankung oder einem vorausgegangenen Myokardinfarkt erhielten dagegen signifikant weniger häufig eine medikamentöse Prophylaxe. Einen signifikanten Einfluss hatte auch die jeweilige Betreuungseinrichtung.
2
13 Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
⊡ Tabelle 2.4. Multivariate Analyse der mit einer medikamentösen Prophylaxe assoziierten Faktoren bei Patienten in 36 intermediären Betreuungseinrichtungen in Frankreich. (Mod. nach Bosson 2003) Faktoren
Patienten (n=852)
Adjustierte Odds Ratio (95% KI)
P-Wert
Operation
189
6,81 (4,26-10,88)
<0,01
Immobilisierung: Nein 1–29 Tage t30 Tage
441 127 284
1,00 (Referenz) 4,17 (2,48–7,01) 3,19 (2,22–4,60)
<0,01 <0,01
Chronische Herzinsuffizienz
117
1,65 (1,02–2,67)
0,04
Tumor
83
0,49 (0,29–0,84)
0,01
Myokardinfarkt
26
0,39 (0,14–1,00)
0,05
KI Konfidenzintervall
25
20,8 17,1
TVT %
20
13,8
15
10,4
10 5 0
Keine
Kompressionsstrümpfe
Medikamentös
Kombiniert
Art der Prophylaxe ⊡ Abb. 2.2. Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose (TVT), diagnostiziert mit Dopplersonographie, in Abhängigkeit von der durchgeführten Prophylaxe bei Patienten in 36 intermediären Betreuungseinrichtungen in Frankreich (Chi-Quadrat für Trend = 10,4; p <0,01). (Mod. nach Bosson et al. 2003)
3 Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich
Knie-/Hüftgelenkersatz und Hüftgelenkfraktur Die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose liegt bei der Kniegelenkendoprothese ohne medikamentöse Prophylaxe bei 47% (95%-KI 42–51%), beim Hüftgelenkersatz bei 51% (95%-KI 48–54%) und bei der Hüftgelenkfraktur bei 45% (95%-KI 41–48%; ⊡ s. Tabelle 2.1). Etwa 75% der tiefen Beinvenenthrombosen treten bei orthopädischen Operationen in dem operierten Bein auf. Die Raten für eine proximale tiefe Beinvenenthrombose liegen bei 15–20% bei einer Kniegelenkendoprothese, bei 25% beim Hüftgelenkersatz und bei 30% bei einer Hüftgelenkfraktur. Für den Hüftgelenkersatz liegt die Inzidenz der klinisch manifesten Lungenembolie bei 4% (95%-KI 3,0–5,1%) und der tödlichen Lungenembolie bei 1,7% (95%-KI 0,4–2,7%). Bei der Kniegelenkendoprothese wurde eine Inzidenz zwischen 1,8% und 7% für eine Lungenembolie und zwischen 0,2% und 0,7% für eine tödliche Lungenembolie berichtet (Geerts et al. 2001). Bei der Hüftgelenkfraktur liegt die Inzidenz zwischen 4,3% und 24% für eine Lungenembolie und zwischen 3,6% und 12,9% für eine tödliche Lungenembolie. Unter Therapie mit Antikoagulanzien liegt die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse deutlich niedriger (Geerts et al. 1994; Leclerc et al. 1998; White et al. 1998). In Interventionsstudien, die verschiedene Antikoagulanzien untereinander oder gegen Plazebo verglichen, lag die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose unter Therapie zwischen 14% und 30% (Geerts et al. 1994). Die Diagnose der tiefen Beinvenenthrombose war in den Interventionsstudien mittels Phlebographie gesichert worden. In aktuellen Kohortenstudien lag die Inzidenz unter antikoagulativer Therapie noch deutlich niedriger (Leclerc et al. 1998). So untersuchten Leclerc et al. in einer Kohortenstudie 1984 Patienten nach Knieoder Hüftgelenkersatz. Bei 2,1% der Patienten nach Kniegelenkendoprothese trat während der Prophylaxe ein venöses thromboembolisches Ereignis auf, bei 1,8% nach Abschluss der Prophylaxe. Bei 2,1% der Patienten nach Hüftgelenkersatz trat während der Prophylaxe ein venöses thromboembolisches Ereignis auf, bei 2,2% nach Abschluss der Prophylaxe. Die durchschnittliche Dauer der Prophylaxe (Enoxaparin) betrug 9 Tage, der Krankenhausaufenthalt dauerte im Durchschnitt 12 Tage und der Beobachtungszeitraum 84 Tage. Ähnliche Inzidenzraten fanden sich in der Studie von White et al. (1998), in der Entlassungsdaten von 24.059 Patienten nach Kniegelenkendoprothese und 19.586 Patienten nach Hüftgelenkersatz untersucht wurden. Die Inzidenz für venöse thromboembolische Ereignisse
15 Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien
3
lag hier bei 2,1% nach Kniegelenkendoprothese und bei 2,8% nach Hüftgelenkersatz. Hier ereignete sich allerdings ein hoher Prozentsatz der Ereignisse erst nach Entlassung aus dem Krankenhaus.
Tumorerkrankungen Der Zusammenhang zwischen Tumorerkrankungen und einem erhöhten Risiko für venöse thromboembolische Ereignisse ist häufig beschrieben worden (Sorenson et al. 1998; Geerts et al. 2001; Lee u. Levine 2003; Deitcher 2003). Als pathogene Ursachen sind vor allem die mit dem Tumor verbundene Hyperkoagulabilität und/oder die Therapie des Tumors mit chirurgischen Interventionen, Chemotherapie oder Strahlentherapie verantwortlich. Die Inzidenz der symptomatischen venösen thromboembolischen Ereignisse bei Tumorpatienten beträgt etwa 15%, mit einer Spannbreite der berichteten Inzidenzraten zwischen 4% und 31% (Deitcher 2003). Das Risiko einer postoperativen tiefen Beinvenenthrombose nach chirurgischen Interventionen von Patienten mit einer Tumorerkrankung liegt bei 36% und ist damit zwischen 1,5- und 3,6fach höher als das postoperative Risiko bei Patienten ohne Tumorerkrankung. Allerdings scheint das tatsächliche Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses deutlich höher zu liegen, da sich in Autopsien Raten von bis zu 50% zeigen. Neben einer häufig geringen klinischen Symptomatik oder der fehlenden Spezifität der Symptome kann auch eine Fehlinterpretation der Symptome als Tumor verursacht eine mögliche Erklärung für diese Unterschätzung sein. Die höchsten Inzidenzraten für venöse thromboembolische Ereignisse sind in einer großen bevölkerungsbasierten Studie von Levitan et al. (1999) mit mehr als 7000 MedicarePatienten (>65 Jahre) bei Tumoren des Ovars, des Gehirns und des Pankreas beschrieben worden. Als weitere Tumoren sind vor allem Tumoren des Magens und der Lunge sowie Lymphome mit einer erhöhten Inzidenz von venösen thromboembolischen Ereignissen assoziiert (Lee u. Levine 2003; Deitcher 2003). Allerdings ist auch die absolute Häufigkeit der jeweiligen Tumorarten für das Auftreten eines venösen thromboembolischen Ereignisses von Bedeutung. So waren die häufigen Tumoren der Lunge, des Kolons und der Prostata in der Untersuchung von Levitan et al. (1999) für jeweils 21%, 18% und 17% der Fälle verantwortlich. Das attributable Risiko in einer Population scheint daher für die häufigen Tumorarten am höchsten zu sein, auch wenn einzelne Tumorarten ein relativ höheres Risikoverhältnis aufweisen. Die venösen thromboembolischen Ereignisse können auch vor dem Tumor auftreten und damit möglicherweise als Prädiktor dienen. Sorenson et al. (1998) führten eine nationale dänische Studie durch, die Daten des Danish National Registry of Patients (1977–1992) mit den Entlassungsdiagnosen von 99% der dänischen Krankenhäuser und des Danish Cancer Registry verband. Die Autoren identifizierten 15.348 Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose und 11.305 Patienten mit Lungenembolie. Der Beobachtungszeitraum betrug bei Patienten nach tiefer Beinvenenthrombose 6,1 Jahre und bei Patienten nach Lungenembolie 3,6 Jahre. In der Kohorte nach tiefer Beinvenenthrombose trat bei 1737 Patienten ein Tumor auf (erwartete Fälle nach Schätzung auf Basis nationaler alters-, geschlechts- und lokalisationsadjustierter Inzidenzraten: 1372) und in der Kohorte nach Lungenembolie bei 730 Patienten (erwartete Fälle: 556). Damit ergab sich eine standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) für einen Tumor von 1,3 nach einer tiefen Beinvenenthrombose (95%-KI 1,21–1,33) und von 1,3 nach einer Lungenembolie (95%-KI 1,2–1,4). Das Risiko für einen Tumor war
16
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
3
Standardisierte Inzidenz Ratio
4, 0
Tiefe Beinvenenthrombose Lungenembolie
3, 5 3, 0 2, 5 2, 0 1, 5 1, 0 0, 5 0, 0
0
-<
6
M
. 6-
<
12
M
. 12
-<
24
M
. 2
-<
5
J. 5-
<
10
J. ³
10
J.
Beobachtungszeitraum ⊡ Abb. 3.1. Risiko des Auftretens eines Tumors nach einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Lungenembolie in Abhängigkeit von der Länge des Beobachtungszeitraums. (Mod. nach Sorenson et al. 1998)
vor allem in den ersten sechs Monaten deutlich erhöht und sank dann auf 1,0 nach einem Jahr ab (⊡ Abb. 3.1). Im ersten Jahr nach dem venösen thromboembolischen Ereignis lag die SIR insgesamt bei 2,1 (95%-KI 1,9–2,4) für Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose und bei 2,3 (95%-KI 2,0–2,7) für Patienten mit Lungenembolie (⊡ Tabelle 3.1). Die starke Assoziation im ersten Jahr bestand mit einigen Tumorarten, vor allem bei Tumoren des Pankreas, des Ovars, der Leber (primäres Leberzellkarzinom) und des Gehirns. Von den Patienten, die im Laufe des Jahres nach einem thromboembolischen Ereignis eine Tumorerkrankung diagnostiziert bekamen, hatten 40% bereits Fernmetastasen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und 25% eine regionale Ausbreitung des Tumors. Das Risiko eines Tumors lag bei rezidivierenden Episoden eines venösen thromboembolischen Ereignisses bei 3,2 (95%-KI 2,0–4,8). Im ansteigendem Alter nahm die Bedeutung eines venösen thromboembolischen Ereignisses als Prädiktor für einen Tumor ab. Allerdings kamen andere Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Bedeutung von venösen thromboembolischen Ereignissen als Prädiktor für eine Tumorerkrankung (Sorenson et al. 1998). Bei Patienten mit Tumorerkrankungen zählt neben der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie auch die tiefe Thrombose der oberen Extremitäten in Zusammenhang mit zentralen Venenkathetern zu den venösen thromboembolischen Ereignissen
35 16 6 10 10 5 12 11
58 10 43
14 26 18 12 6 1
Stark assoziiert TVT und LE Pankreas Ovar Leber, primär Gehirn Non-Hodgkin-Lymphom Ösophagus Niere Leukämie
Stark assoziiert TVT oder LE Prostata Uterus Lunge
Schwach assoziiert Magen Kolon Mamma Blase Rektum Malignes Melanom
KI Konfidenzintervall
390
7,0 16,3 14,3 11,9 9,1 3,0
13,7 3,4 24,4
5,8 3,1 1,9 3,3 3,5 1,8 5,0 4,4
181,5
2,0 (0,7–3,3) 1,6 (1,0–2,3) 1,3 (0,7–2,0) 1,0 (0,5–1,8) 0,7 (0,2–1,4) 0,3 (0,0–1,9)
4,2 (3,2–5,5) 2,9 (1,4–5,4) 1,8 (1,3–2,4)
6,0 (4,2–8,4) 5,2 (2,9–8,3) 3,2 (1,2–6,9) 3,0 (1,5–5,6) 2,9 (1,4–5,2) 2,8 (0,9–6,6) 2,4 (1,2–4,1) 2,5 (1,2–4,4)
2,1 (1,9–2,4)
6 13 6 7 6 0
6 1 41
9 11 5 7 4 2 5 3
170
Beobachtete Fälle
SIR (95% KI)
Lungenembolie
Erwartete Fälle
Tiefe Beinvenenthrombose
Beobachtete Fälle
Alle Tumoren
Art des Tumors
2,8 6,5 6,1 4,8 3,7 1,2
5,5 1,5 10,3
2,4 1,4 0,8 1,4 1,4 0,7 2,1 1,8
74,1
Erwartete Fälle
2,1 (0,8–4,6) 2,0 (1,1–3,4) 1,0 (0,4–2,2) 1,5 (0,6–3,0) 1,6 (0,6–3,5) 1,2 (0,0–3,1)
1,1 (0,4–2,4) 0,7 (0,0–3,6) 4,0 (2,9–5,4)
3,8 (1,7–7,2) 7,9 (4,0–14,4) 6,3 (2,1–15,3) 5,0 (2,0–10,5) 2,9 (0,8–7,2) 2,9 (0,3–10,4) 2,4 (0,8–5,6) 1,7 (0,3–4,9)
2,3 (2,0–2,7)
SIR (95% KI)
⊡ Tabelle 3.1. Standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) für bestimmte Tumorarten bei Patienten im Jahr nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) oder Lungenembolie (LE). (Mod. nach Sorenson et al. 1998)
Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien 17
3
18
3
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
(Versio u. Agnelli 2003). Die Inzidenz der tiefen Venenthrombose liegt bei länger verweilenden zentralen Venenkathetern klinisch zwischen 0,3% und 28% und in der Phlebographie zwischen 27% und 66%. Die Inzidenz der klinisch manifesten Lungenembolie liegt bei Patienten mit tiefer Venenthrombose der oberen Extremitäten zwischen 15% und 25%, allerdings ergaben Autopsien auch Raten bis zu 50%. Pathogenetische Faktoren sind die Verletzung des Gefäßes bei Legen des Katheters, der venöse Rückstau durch den liegenden Katheter und die mit dem Tumor verbundene Hyperkoagulabilität. Der Verlauf von venösen thromboembolischen Ereignissen unterscheidet sich bei Patienten mit einem Tumor deutlich von dem Verlauf bei Patienten ohne Tumor (Deitcher 2003). Patienten mit Tumorerkrankung haben häufiger eine proximale tiefe Beinvenenthrombose als Patienten ohne Tumorerkrankung (Prandoni et al. 1996). Ebenso zeigen sie eine größere Ausprägung der Thrombose, eine stärkere klinische Verschlechterung trotz antikoagulativer Therapie und eine geringere Verbesserung in der Phlebographie. Das Risiko eines rezidivierenden venösen thromboembolischen Ereignisses ist bei Patienten mit Tumorerkrankung etwa 2- bis 3fach erhöht (Prandoni et al. 1996; Heit et al. 2000; Hansson et al. 2000; Prandoni et al. 2002; Bona et al. 1995; Hutten et al. 2000). Antineoplastische Therapie erhöht das Risiko eines Rezidivs bei Patienten mit Tumorerkrankung weiter (Deitcher 2003). Ebenso scheint während Phasen, in denen die International Normalized Ratio (INR) trotz Antikoagulation unter 2 sinkt, bei Patienten mit Tumor im Vergleich zu Patienten ohne Tumor eine deutlich höhere Revidizrate vorzuliegen (54 vs. 15, 9 Ereignisse pro 100 Patientenjahre; Hutten et al. 2000).
Schlaganfall Patienten mit einem Schlaganfall und Lähmungen haben ohne medikamentöse Prophylaxe ein hohes Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose in der gelähmten Extremität mit einer Inzidenz von 56% (95%-KI 51–61%; ⊡ s. Tabelle 2.3; Nicolaides et al. 2001; Geerts et al. 2001). Die Inzidenz der Lungenembolie liegt bei Patienten mit Schlaganfall zwischen 8% und 37% (Gregory u. Kuhlemeier 2003). Das Risiko von Patienten mit einem Schlaganfall für eine tiefe Beinvenenthrombose ist vor allem durch den veränderten Blutfluss in der gelähmten Extremität erhöht. Auch kann es aufgrund der Lähmung schwierig sein, die Symptome der tiefen Beinvenenthrombose richtig zu interpretieren. Das führt zu einer fehlenden oder verspäteten Therapie mit einem erhöhten Risiko für eine Lungenembolie. Bei Patienten unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse deutlich geringer (Geerts et al. 2001; Langhorne et al. 2000; Roth et al. 2001). In Interventionsstudien, die Patienten unter antikoagulativer Therapie mit Patienten unter Plazebo verglichen, lag die Inzidenz in der Interventionsgruppe zwischen 10% und 24%. In aktuellen Kohortenstudien liegen die Inzidenzraten mit 2–4% für eine tiefe Beinvenenthrombose und mit 1% für eine Lungenembolie noch geringer (Langhorne et al. 2000; Roth et al. 2001). So wurden in einer prospektiven Studie von Langhorne et al. (2000) 311 konsekutive Patienten mit Schlaganfall über einen Zeitraum von 30 Monaten nachbeobachtet. Bei 2% (95%-KI 0–3%) der Patienten trat während des stationären Aufenthaltes eine tiefe Beinvenenthrombose auf und bei 1% (95%-KI 0–2%) eine Lungenembolie. Allerdings scheinen die tatsächlichen Inzidenzraten für venöse thromboembolische Ereignisse unter medikamentöser Prophylaxe höher zu liegen als klinisch diagnostiziert. In einer Studie wurde bei 421 Patienten nach einem Schlaganfall bei Aufnahme in die stationäre Rehabili-
19 Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien
3
tation routinemäßig eine Dopplersonographie der Beinvenen durchgeführt (Pambianco et al. 1995). Dabei fanden sich bei 14% der Patienten eine tiefe Beinvenenthrombose. In einem retrospektiven Vergleich zwischen Patienten mit Schlaganfall thromboembolischer und hämorrhagischer Ätiologie ergab sich eine höhere Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse bei Patienten mit hämorrhagischen Schlaganfällen (Gregory u. Kuhlemeier 2003). Bei den 1926 Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall ereigneten sich in 37 Fällen (1,9%) eine tiefe Beinvenenthrombose und in acht Fällen (0,4%) eine Lungenembolie. Bei den 15.599 Patienten mit thromboembolischen Schlaganfall ereigneten sich in 74 Fällen (0,5%) eine tiefe Beinvenenthrombose und in 18 Fällen (0,1%) eine Lungenembolie. Bei Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall wird häufig aufgrund des Risikos der Vergrößerung des hämorrhagischen Areals keine medikamentöse Prophylaxe durchgeführt. Trotz der Effektivität der Antikoagulanzien in der Reduktion von Morbidität und Mortalität durch venöse thromboembolische Ereignisse sind weiterhin ungefähr 5–25% der frühen Todesfälle nach einem Schlaganfall durch eine Lungenembolie verursacht (Geerts et al. 2001; Kelly et al. 2002). Da sich etwa die Hälfte der fatalen Lungenembolien als plötzlicher Todesfall präsentiert und die meisten dieser Patienten keine klinischen Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose aufweisen, sind die symptomatischen Lungenembolien vermutlich nur die Spitze des Eisberges (Kelly et al. 2002).
Myokardinfarkt Die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose beträgt bei Patienten mit einem Myokardinfarkt ohne medikamentöse Prophylaxe 22% (95%-KI 16–28%) (⊡ s. Tabelle 2.3; Nicolaides et al. 2001; Geerts et al. 2001). In älteren Studien vor dem weit verbreiteten Einsatz der Thrombolyse und/oder weiterer antithrombotischer Therapien bei Patienten mit Myokardinfarkt bewirkte die antikoagulative Therapie mit niedrig- oder hochdosiertem unfraktionierten Heparin bereits eine deutliche Reduktion der Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose auf 4–7%. Die relative Risikoreduktion betrug bei niedrig dosiertem unfraktionierten Heparin 71% und bei hoch dosiertem unfraktionierten Heparin 86%. Ältere randomisierte Studien, die eine kombinierte Therapie aus Heparin und oraler Antikoagulation mit entweder keiner medikamentösen Prophylaxe oder einer niedrig dosierten Antikoagulation verglichen hatten, zeigten analog eine deutliche Reduktion im Auftreten venöser thromboembolischer Ereignisse bei Patienten mit intensivierter Therapie. Der derzeitige Therapiestandard beim Myokardinfarkt mit einer Verbindung von Heparin, Thrombozytenaggregationshemmern, Thrombolyse und/oder weiteren antithrombotischen Substanzen führt dazu, dass die Prävention venöser thromboembolischer Ereignisse als sekundäre Wirkung parallel erfolgt. Eine Reihe an Risikofaktoren für eine tiefe Beinvenenthrombose sind häufig mit einem Myokardinfarkt assoziiert, z. B. zunehmendes Alter, Bettruhe, venöser Rückstau aufgrund chronischer Herzinsuffizienz, sodass der Myokardinfarkt noch nicht als unabhängiger Risikofaktor für ein venöses thromboembolisches Ereignis etabliert ist.
4 Komplikationen und Spätfolgen Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich
Venöse thromboembolische Ereignisse sind einer hohen Rate an Rezidiven und einer insgesamt erhöhten Mortalität verbunden (Kearon 2003; White 2003; Geerts et al. 2001). Spätfolgen sind das postthrombotische Syndrom und die chronisch-venöse Insuffizienz, die mit einer eingeschränkten gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten verbunden sind.
Rezividierende Episoden Das Risiko eines rezidivierenden thromboembolischen Ereignisses nach dem Absetzen der Antikoagulation ist entscheidend davon abhängig, ob das initiale Ereignis mit einem vorübergehenden oder persistierenden Risikofaktor assoziiert war (Kearon 2003). So liegt das Risiko eines Rezidivs bei einem vorübergehenden Risikofaktor wie z. B. einer vorausgegangenen Operation nach dem Absetzen der Antikoagulation bei ca. 3%. Bei Patienten mit einem persistierenden Risikofaktor wie z. B. einer Tumorerkrankung oder bei einer »idiopathischen« Thrombose ist das Risiko eines Rezidivs ca. 10%. Bestimmte biochemische Anomalien sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines Rezidivs verbunden. Vor allem das Antiphospholipidsyndrom zeigt ein etwa 2fach erhöhtes Risiko eines Rezidivs. Das Risiko ist direkt nach dem Absetzen der Antikoagulation am höchsten, bleibt aber auch im weiteren Verlauf kontinuierlich erhöht. Ohne Therapie haben etwa 50% der Patienten mit symptomatischer proximaler tiefer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie eine rezidivierende Episode innerhalb von drei Monaten. Das Risiko eines Rezidivs ist nach proximaler tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie ähnlich hoch. Rezidivierende Episoden treten nach einer Lungenembolie meist in Form ebenfalls einer Lungenembolie (ca. 60% der Episoden) und nach einer tiefen Beinvenenthrombose in Form einer tiefen Beinvenenthrombose (ca. 80% der Episoden). Daher ist die Mortalität durch ein rezidivierendes venöses thromboembolisches Ereignis nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch im Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose. Im Vergleich zur proximalen tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie haben distale tiefe Beinvenenthrombosen ein deutlich geringeres Risiko eines Rezidivs. Innerhalb der ersten sechs Monate treten Rezidive bei Patienten, die über einen kürzeren Zeitraum eine antikoagulative Therapie erhalten hatten, meist im selben Bein auf, vermutlich aufgrund der Reaktivierung des initialen Thrombus. Nach sechs Monaten können Rezidive auch die andere Seite betreffen, hier scheinen systemische Faktoren eine größere Rolle als lokale Faktoren zu spielen.
21 Kapitel 4 · Komplikationen und Spätfolgen
4
Postthrombotisches Syndrom Das postthrombotische Syndrom entsteht durch eine Schädigung der Venenklappen mit venöser Insuffizienz und Ausbildung von Ödemen, Hypoxie und unter Umständen zu Hautulzerationen. Das postthrombotische Syndrom ist eine häufige Komplikation nach tiefer Beinvenenthrombose und entwickelt sich in 20–50% der Patienten innerhalb von ein bis zwei Jahren nach symptomatischer tiefer Beinvenenthrombose (Kahn u. Ginsberg 2004). So zeigte sich in einer Kohortenstudie von Prandoni et al. (1996), dass bei Patienten nach erster Episode einer symptomatischen tiefen Beinvenenthrombose die kumulative Inzidenz des postthrombotischen Syndroms 17% nach 1 Jahr, 23% nach 2 Jahren, 28% nach 5 Jahren und 29% nach 8 Jahren betrug. Die Patienten waren dazu ermutigt worden, Kompressionsstrümpfe zu tragen. Eine schwere Form mit Entstehung von venösen Ulzera tritt bei etwa einem Viertel bis einem Drittel der Patienten mit postthrombotischem Syndrom auf (Kahn u. Ginsberg 2004). Als Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms gilt die rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose, die das Risiko etwa 6fach erhöht (Kahn u. Ginsberg 2004). Rezidivierende tiefe Beinvenenthrombosen führen vermutlich über eine Schädigung bereits angegriffener Venenklappen und eine zusätzliche Obstruktion der Venen zum postthrombotischen Syndrom. Es gibt nur eine geringe Assoziation zwischen dem Schweregrad der initialen Thrombose in der Phlebographie und der Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms. In einigen Studien war das Risiko bei proximalen tiefen Beinvenenthrombosen höher als bei distalen, während die Lokalisation der Thrombose in anderen Studien keine Rolle spielte. Unter Umständen können auch asymptomatische tiefe Beinvenenthrombosen, die z. B. durch Screening entdeckt werden, zu einem postthrombotischen Syndrom führen, allerdings sind die Ergebnisse verschiedener Studien dazu kontrovers. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist bei Patienten mit postthrombotischem Syndrom deutlich reduziert (Beyth et al. 1995; Kahn et al. 2002). In einer Studie, die Patienten sechs bis acht Jahre nach einer tiefen Beinvenenthrombose mit einem krankheitsübergreifenden Instrument zur Lebensqualität – dem SF-36 – untersuchte, hatten die Patienten mit postthrombotischem Syndrom ein schlechteres Gesundheitsempfinden, eine stärker reduzierte körperliche Funktionsfähigkeit und eine höhergradige Einschränkung der Rollenfunktionen als Patienten ohne postthrombotisches Syndrom (Beyth et al. 1995). Eine andere Studie, die einen krankheitsspezifischen Fragebogen einsetzte, zeigte ebenfalls eine deutlich reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit postthrombotischen Syndrom zwei Jahre nach einer tiefen Beinvenenthrombose (Kahn et al. 2002). Mit zunehmendem Schweregrad des postthrombotischen Syndroms verschlechterten sich die Werte für die Lebensqualität.
Prognose Die Mortalität ist nach einem venösen thromboembolischen Ereignis deutlich erhöht (Kearon 2003; Kniffin et al. 1994). So zeigten Kniffin et al. (1994) in ihrer Studie bei Medicare-Mitgliedern im Alter über 65 Jahren eine intrahospitale Mortalität von 21% nach einer Lungenembolie und von 3% nach einer tiefen Beinvenenthrombose. Die Mortalität nach einem Jahr lag bei einer Lungenembolie bei 39% und bei einer tiefen Beinvenen-
22
4
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
thrombose bei 21%. Kearon (2003) fasste in seiner Übersichtsarbeit die Mortalitätsraten zusammen und berichtete, dass ungefähr ein Viertel der Patienten nach einer Lungenembolie innerhalb eines Jahres versterben. Während allerdings die Mehrheit der Todesfälle innerhalb eines Monats durch eine tödliche Lungenembolie verursacht sind, sind nur 20% der Todesfälle innerhalb eines Jahres auf ein Rezidiv einer Lungenembolie zurück zu führen. Hier sind die meisten Todesfälle durch die Grunderkrankung, z. B. eine Tumorerkrankung oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingt. Insgesamt haben zwar Patienten mit Lungenembolie eine erheblich höhere intrahospitale Mortalität als Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose, aber nach dem ersten Monat gleicht sich die Mortalität zu einem großen Teil an.
5 Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich
Die Kosten der venösen thromboembolischen Ereignisse und ihrer Komplikationen sind beträchtlich (Caprini et al. 2003; Bergqvist et al. 1997). In einer schwedischen retrospektiven Studie wurden 257 Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose und 241 alters- und geschlechtsgematchte Kontrollen ohne tiefe Beinvenenthrombose verglichen. Nach 15 Jahre waren 35% der Patienten mit und 57% der Kontrollen ohne tiefe Beinvenenthrombose am Leben. Bei den Patienten ereigneten sich 242 Komplikationen und bei den Kontrollen 25 ähnliche Ereignisse. Die geschätzten Kosten der Behandlung sowohl der primären tiefen Beinvenenthrombose als auch der postthrombotischen Komplikationen betrugen $ 10.368,–. Davon entfielen etwa 60% auf das primäre Ereignis ($ 6083,–) und 40% auf die postthrombotischen Komplikationen ($ 4285,–). Caprini et al. (2003) berechneten mithilfe eines gesundheitsökonomischem MarkovModells die geschätzten Kosten der Versorgung für Komplikationen der tiefen Beinvenenthrombose nach Patienten nach Hüftgelenkersatz für die USA. Unter Verwendung veröffentlichter Daten zu Inzidenz und Prognose nach tiefer Beinvenenthrombose wurde der natürliche Verlauf simuliert und die Inanspruchnahme medizinischer Ressourcen berechnet. Auf Basis der Literatur wurden erfolgte medizinische Leistungen (Einheiten) für ein postthrombotisches Syndrom geringen/mittleren und höheren Schweregrades angenommen. Die Anzahl der beanspruchten Einheiten wurde dann mit den Kosten pro Einheit multipliziert. Dabei ergaben sich folgende Kosten pro Jahr und Patient für jede der gezeigten Komplikationen: postthrombotisches Syndrom geringen und mittleren Schweregrades $ 839,– im ersten Jahr und $ 341,– in den folgenden Jahren, postthrombotisches Syndrom höheren Schweregrades $ 3817,– im ersten Jahr und $ 1677,– in den folgenden Jahren, tiefe Beinvenenthrombose $ 3798,– und Lungenembolie $ 6604,–. Die mittleren diskontierten Lebenszeitkosten der Komplikationen der tiefen Beinvenenthrombose beliefen sich damit auf geschätzte $ 3069,– (95%-KI $ 2091–4279,–). Im Hinblick auf die hohen Kosten der venösen thromboembolischen Ereignisse und ihrer Komplikationen gewinnt die Frage der Kosteneffektivität der zur Verfügung stehenden antikoagulativen Therapie zunehmend an Bedeutung. Gould et al. (1999) evaluierten die Kosteneffektivität der niedermolekularen Heparine im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin in der Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose. Unter Verwendung eines entscheidungsanalytischen Modells wurde eine Kosten-Effektivitäts-Analyse durchgeführt. Die Daten zur klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die
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Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
⊡ Tabelle 5.1. Ergebnisse der Kosten-Effektivitäts-Analyse zum Vergleich der Therapie der tiefen Beinvenenthrombose zwischen niedermolekularem und unfraktioniertem Heparin. (Mod. nach Gould et al. 1999)
5
Variable
Niedermolekulares Heparin
Unfraktioniertes Heparin
Differenz
Initiale Therapiekosten
$ 3638,–
$ 3402,–
236
Kosten früher Komplikationen
$ 520,–
$ 664,–
–144
Kosten später Komplikationen
$ 2368,–
$ 2346,–
22
Zukünftige Versorgungskosten für Langzeit-Komplikationen
$ 19.990,–
$ 19.949,–
41
Gesamtkosten
$ 26.516,–
$ 26.361,–
155
Lebenserwartung
9,429 Jahre
9,406 Jahre
0,022
Qualitätsadjustierte Lebensjahre
7,998 Jahre
7,978 Jahre
0,020
Inkrementelle KostenEffektivität, $/Lebensjahr
6910
Inkrementelle Kosten-Effektivität, $/Qualitätsadjustiertes Lebensjahr
7820
11 randomisierte Interventionsstudien zum Vergleich niedermolekulares vs. unfraktioniertes Heparin eingeschlossen hatten (Gould et al. 1999). Die Kosten während der stationären Behandlung beliefen sich auf $ 26.516,– für niedermolekulares Heparin und auf $ 26.361,– für unfraktioniertes Heparin. ⊡ Tabelle 5.1 zeigt die Kosten für die initiale Therapie und die Therapie der Komplikationen im Vergleich sowie die inkrementellen (zusätzlichen) Kosten durch niedermolekulare Heparine pro gewonnenem Lebensjahr und qualitätsadjustiertem Lebensjahr. Die inkrementelle Kosteneffektivität für niedermolekulare Heparine betrug $ 6910,– pro gewonnenem Lebensjahr und $ 7820,– pro gewonnenem qualitätsadjustiertem Lebensjahr. Damit liegen die inkrementellen Kosten niedermolekularer Heparine deutlich unter den inkrementellen Kosten, die für andere medizinische Therapien und Interventionen bezahlt werden. In einer Sekundäranalyse wurde die Annahme untersucht, dass 30% der Patienten niedermolekulares Heparin ambulant erhalten würden und 25% bereits nach dem 3. Tag entlassen werden könnten. Damit lagen die Kosten für niedermolekulare Heparine mit $ 25.599,– bereits unter den Kosten für unfraktioniertes Heparin mit $ 26.361,–, sodass keine inkrementellen Kosten durch niedermolekulare Heparine entstehen würden. Diese wären damit sowohl in ihrer klinischen Effektivität überlegen als auch kostensparend. Eine Untersuchung aus Deutschland zur Kosteneffektivität der niedermolekularen Heparine in der Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse kam zu einem ähnlichen Ergebnis (Szucs u. Schramm 1999) Die aus der gesellschaftlichen Perspektive berech-
25 Kapitel 1–5 · Fragen
1–5
neten Kosten zeigten einen deutlichen Vorteil für niedermolekulare Heparine. In einer hypothetischen Kohorte von 10.000 Patienten ergab sich über die Reduktion venöser thromboembolischer Ereignisse durch niedermolekulare Heparine eine Einsparung von 967 Arbeitstagen bzw. € 103.700,– und 130,9 Lebensjahren in der Allgemeinchirurgie und von 5308 Arbeitstagen bzw. € 569.250,– und 784,4 Lebensjahren in der orthopädischen Chirurgie. Aus Sicht der Krankenhäuser würde die Einsparung durch niedermolekulare Heparine € 398.050,– pro 10.000 Patienten in der Allgemeinchirurgie und € 1.005.150,– in der Orthopädie betragen. Eine aktuelle deutsche Studie ergab, dass Patienten nach Kniegelenkendoprothese oder Hüftgelenkersatz im Durchschnitt für eine Dauer von 38 Tagen (±16) eine parenterale Antikoagulation erhielten (McBride et al. 2004). Von den 309 Patienten erhielten 9% nach Beendigung der parenteralen Antikoagulation eine orale Antikoagulation, für eine mittlere Dauer von 38 Tagen (±21). Dabei betrugen die mittleren Kosten für die parenterale Antikoagulation € 61,– (±20) und waren damit weniger als 1% der Krankenhauskosten. Die Kosten für die orale Antikoagulation nach Entlassung beliefen sich auf € 91,– (±84). Aufgrund der hohen Krankheitsbelastung durch venöse thromboembolische Ereignisse sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft erscheint eine adäquate Prophylaxe von Thrombosen und Embolien entscheidend. Für die medikamentöse Prophylaxe ist neben der Frage der Effektivität in der Vermeidung des Auftretens venöser thromboembolischer Ereignisse für die Zukunft auch die Frage der Kosteneffektivität entscheidend.
Fragen zu Kapitel 1–5: Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
Kapitel 1: Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien 1. Eine Reihe von Studien hat die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in verschiedenen Populationen untersucht. In welchem Bereich liegen die ermittelten, für Alter und Geschlecht standardisierten, Inzidenzraten pro 100.000? A. zwischen 27 und 45 pro 100.000 B. zwischen 71 und 117 pro 100.000 C. zwischen 130 und 175 pro 100.000 D. zwischen 191 und 236 pro 100.000 E. zwischen 250 und 298 pro 100.000 2. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in der Bevölkerung deutlich an. Wie viel beträgt das relative Risiko pro 10-Jahres-Anstieg des Lebensalters? A. 1,1 B. 1,3 C. 1,5 D. 1,7 E. 1,9 ▼
26
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
Kapitel 2: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen 3. Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses unterschiedlich hoch. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe am höchsten? A. Bei Patienten nach elektivem Hüftgelenksersatz B. Bei Patienten nach gynäkologischen Operationen C. Bei Patienten nach allgemeinchirurgischen Operationen D. Bei Patienten nach retropubischer Prostatektomie E. Bei Patienten nach neurochirurgischen Operationen 4. Internistische Erkrankungen sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses verbunden. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe am höchsten? A. Bei Patienten nach Myokardinfarkt B. Bei allgemeinmedizinischen Patienten C. Bei geriatrischen Patienten D. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz E. Bei Patienten nach Schlaganfall
Kapitel 3: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern 5. Venöse thromboembolische Ereignisse können auch vor einem Tumor auftreten und damit als Prädiktor dienen. Welche Tumorart ist besonders stark mit dem Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose assoziiert? A. Magen B. Malignes Melanom C. Blase D. Pankreas E. Mamma 6. Unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse deutlich geringer als ohne medikamentöse Prophylaxe. In welchem Bereich liegt die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse nach Knie- oder Hüftgelenksersatz bei medikamentöser Prophylaxe in Kohortenstudien? A. 0% bis unter 5% B. 5% bis unter 10% C. 10% bis unter 15% D. 15% bis unter 20% E. 20% bis unter 25%
▼
27 Kapitel 1–5 · Fragen
1–5
Kapitel 4: Komplikationen und Spätfolgen 7. Venöse thromboembolische Ereignisse sind mit einer hohen Rate an Rezidiven und einer insgesamt höheren Mortalität verbunden. Welche Aussage zu Rezidiven venöser thromboembolischer Ereignisse ist richtig? A. Rezidive treten nach einer tiefen Beinvenenthrombose meist in Form einer Lungenembolie auf. B. Das Risiko eines Rezidivs ist nach einer Lungenembolie höher als nach einer tiefen Beinvenenthrombose. C. In den ersten sechs Monaten treten Rezidive einer tiefen Beinvenenthrombose meist im anderen Bein auf. D. Die Mortalität durch ein Rezidiv ist nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch im Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose. E. Distale tiefe Beinvenenthrombosen haben im Vergleich zu proximalen Beinvenenthrombosen ein deutlich höheres Risiko eines Rezidivs. 8. Eine mögliche Spätfolge einer tiefen Beinvenenthrombose ist das postthrombotische Syndrom. Welcher gilt als der Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms? A. Proximale tiefe Beinvenenthrombose B. Hoher Schweregrad der initialen tiefen Beinvenenthrombose C. Rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose D. Asymptomatische tiefe Beinvenenthrombose E. Rezidivierende Lungenembolien
Kapitel 5: Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung 9. Die Kosten der tiefen Beinvenenthrombose und ihrer Komplikationen sind beträchtlich. Dabei verursacht sowohl das primäre Ereignis Kosten als auch die postthrombotischen Komplikationen. Welcher prozentuale Anteil an den Gesamtkosten (primäres Ereignis plus Komplikationen) entsteht in etwa durch die postthrombotischen Komplikationen? A. 10% der Kosten B. 20% der Kosten C. 40% der Kosten D. 50% der Kosten E. 70% der Kosten 10. In einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wurde der Einsatz von niedermolekularem und unfraktioniertem Heparin in der Therapie der tiefen Beinvenenthrombose verglichen. Die Daten zur klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die 11 randomisierte Interventionsstudien eingeschlossen hatte. Welche inkrementellen (zusätzlichen) Kosten ergaben sich aufgerundet (in US-Dollar) durch den Einsatz von niedermolekularem im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin pro gewonnenem Lebensjahr? A. ca. $ 1000,– B. ca. $ 3000,– C. ca. $ 5000,– D. ca. $ 7000,– E. ca. $ 9000,–
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Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
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II
Teil II
Pathophysiologie
Kapitel 6
Gerinnungskaskade
– 32
Kapitel 7
Virchow-Trias
– 40
Kapitel 8
Hereditäre Thrombophilie
– 45
Kapitel 9
Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin
– 57
Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
– 59
Kapitel 10
6 Gerinnungskaskade B. Linnemann, E. Lindhoff-Last
Dem Gerinnungssystem kommen physiologischerweise zwei gegensätzliche Aufgaben zu. Durch ständige Antikoagulation wird einerseits die kontinuierliche Blutströmung aufrechterhalten, andererseits muss bei einer Gefäßverletzung die Gerinnung möglichst rasch einsetzen und sich auf den Ort der Gefäßverletzung beschränken, um einen Blutverlust möglichst gering zu halten und den Kreislauf unbehindert aufrechtzuerhalten. Sowohl exzessive Blutungen als auch intravaskuläre Thrombosen und Embolien sind in der Regel Ausdruck einer Störung des hämostaseologischen Gleichgewichts. Die Diagnostik und Therapie von Patienten mit Blutungen oder Thrombosen erfordert daher eine gewisse Kenntnis der Physiologie und Pathophysiologie der Hämostase. Die Blutgerinnung (Hämostase) wird ausgelöst, sobald das Endothel eines Gefäßes durch ein Trauma, eine Operation oder eine Erkrankung geschädigt wird und subendotheliale Strukturen mit Bestandteilen des Blutes in Kontakt treten. Der Vorgang kann unterteilt werden in eine primäre und eine sekundäre Komponente. Die primäre Hämostase umfasst eine reflektorische nervös und humoral vermittelte Vasokonstriktion, durch die die Blutzufuhr im Verletzungsbereich gedrosselt wird. Gleichzeitig kommt es zur Bildung eines primären Thrombus, der zunächst überwiegend aus Thrombozyten besteht. Diese adhärieren am freigelegten Kollagen des Subendothels, aggregieren miteinander und verschließen primär die Wunde. Diese Vorgänge laufen innerhalb von Sekunden ab und sind von großer Bedeutung bei der Begrenzung eines Blutverlustes aus Kapillaren, kleinen Arteriolen und Venolen. Die Phase der sekundären Hämostase umfasst die Verfestigung des primären Thrombus durch ein Netzwerk aus Fibrin und erfordert die Bildung von Thrombin durch das plasmatische Gerinnungssystem. Diese Abläufe benötigen einige Minuten und sind wichtig zur Verhinderung von Blutungsrezidiven nach einer Verletzung. Die Vorgänge der primären und sekundären Hämostase sind eng miteinander verwoben. Beispielsweise beschleunigen aktivierte Thrombozyten die plasmatische Gerinnung, während Thrombin wiederum die Thrombozytenaggregation stimulieren kann. Mit der Bildung eines Thrombus werden reaktiv auch Gerinnungsinhibitoren und das fibrinolytische System aktiv. Während Erstere das Ausmaß der Fibrinbildung begrenzen, wird die Auflösung des Thrombus durch Fibrinolyse eingeleitet. Bleibt ein Thrombus über mehrere Tage bestehen, so wird er zunehmend refraktär gegen einen fibrinolytischen Abbau. Es kommt zu strukturellen Veränderungen: Glatte Muskelzellen und Fibroblasten proliferieren und wandern aus dem Subendothel in den Thrombus ein, seine Oberfläche wird von Endothelzellen überwachsen. Im Thrombus können neue kapillare Blutgefäße
33 Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
6
⊡ Abb. 6.1. Phasen der Gefäßwandverletzungsreaktion (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von AstraZeneca GmbH, Wedel)
⊡ Tabelle 6.1. Grundreaktionen der Hämostase Primäre Hämostase
Sekundäre Hämostase
Fibrinolyse und Gefäßregenerierung
Vasokonstriktion
Plasmatische Gerinnung Bildung von Thrombin/Fibrin
Fibrinolyse
Thrombozytenaktivierung Adhäsion, Aggregation
Modifizierung des Thrombus Fibrinvernetzung Thrombusstabilisierung
Re-Endothelialisierung Thrombusorganisation Entzündung, Fibrose, Rekanalisierung
▼
▼
▼
Thrombozytenaggregat instabil, reversibel
Thrombozytenaggregat stabil, fibrinvernetzt
Regenerierung
aussprießen, wodurch schließlich der Blutfluss durch den Thrombus zumindest teilweise wieder hergestellt wird (⊡ Abb. 6.1, ⊡ Tabelle 6.1). Im Folgenden sollen die einzelnen Komponenten des Hämostasesystems genauer betrachtet werden.
Gefäßwand Dem Endothel kommen wichtige regulierende Aufgaben innerhalb des Hämostasesystems zu. Unter physiologischen Bedingungen gewährleistet es eine kontinuierliche Blutströmung durch Freisetzung von Prostazyklin zur Hemmung der Thrombozytenaggregation sowie durch Bildung des endogenen Heparinoids Heparansulfat, das die plasmatische
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Teil II · Pathophysiologie
⊡ Tabelle 6.2. Synthese pro- und antithrombotischer Faktoren im Gefäßendothel
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Prothrombotische Endothelfaktoren
Antithrombotische Endothelfaktoren
von-Willebrand-Faktor vWF
Tissue Factor Pathway Inhibitor TFPI
Tissue Factor TF (Thromboplastin, Faktor III)
Heparansulfatproteoglykan HSPG
Faktor V
Tissue Type Plasminogen Activator tPA
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 PAI-1
Stickstoffmonoxid NO
Platelet Activating Factor PAF
Prostaglandin PGI2
High-molecular-weight-Kininogen (HMWK)
ADPase
Rezeptoren für HMWK, Tenase, Prothrombinase, Faktor IX, vWF, Fibrinogen
Thrombomodulin TM
Protein S Rezeptoren für uPA, tPA, Fibrinogen, Protein C
Gerinnung hemmt. Daneben wird Tissue Plasminogen Activator (tPA) freigesetzt, der die Fibrinolyse aktiviert. Die Endothelzellen stellen zudem eine Barriere zwischen dem Subendothel und dem Blut dar. Im Verletzungsfall ist diese aufgehoben, und durch den Kontakt von Substanzen aus dem subendothelialen Bereich mit Blutbestandteilen kommt es zur Gerinnungsaktivierung. Subendotheliales Kollagen induziert vermittelt über den von-Willebrand-Faktor die Plättchenadhäsion und anschließend die Plättchenaggregation. Daneben wird Tissue Factor aus verletzten Gewebszellen wie Makrophagen, Fibroblasten und Muskelzellen freigesetzt, der parallel die plasmatische Gerinnung startet (⊡ Tabelle 6.2).
Thrombozyten Die Adhäsion von Thrombozyten an subendotheliale Matrixproteine wie Kollagen, Fibronektin oder Laminin wird durch spezifische Glykolproteine auf der Thrombozytenmembran vermittelt, von denen der Rezeptor des von-Willebrand-Faktors der wichtigste ist. Dieser ist ein Komplex aus drei Glykoproteinen, dem GPIb, GPIX und GP V. Durch Interaktion mit subendothelial gebundenem von-Willebrand-Faktor adhärieren Thrombozyten an die verletzte Gefäßwand. Es resultiert eine Aktivierung der Thrombozyten, wodurch gerinnungsaktive Membranphospholipide von innen nach außen gekehrt werden und damit die Matrix für die plasmatischen Gerinnungsprozesse bilden. Der Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor erfährt im Rahmen der Aktivierung eine Konformationsänderung, die eine Bindung von Fibrinogen ermöglicht. Fibrinogen vermittelt die Thrombozytenaggregation, indem es nebeneinanderliegende Thrombozyten über GPIIb/IIIa-Rezeptoren miteinander verbindet. Sekundär kommt es zur Freisetzung von Thromboxan A2, Adenosindiphosphat (ADP), Serotonin und plättchenaktivierendem Faktor (PAF), die die Thrombozytenaggregation fördern. Mit Einsatz
35 Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
6
⊡ Abb. 6.2. Thrombozytenadhäsion und -aggregation
der sekundären Hämostase und Aktivierung der plasmatischen Gerinnung wird schließlich Thrombus-assoziiertes Fibrinogen durch Thrombin in Fibrin überführt (⊡ Abb. 6.2).
Plasmatische Gerinnung Am Ende der plasmatischen Blutgerinnung steht die Bildung eines festen Fibrinthrombus, der die Wundfläche bzw. Endothelläsion abdeckt. Die plasmatische Gerinnung ist charakterisiert durch eine sequenziell ablaufende enzymatische Reaktionsfolge, bei der jeder Gerinnungsfaktor zunächst als inaktives Proenzym vorliegt und nach seiner Aktivierung den nächsten Faktor aktiviert, indem er bestimmte Fragmente proteolytisch abspaltet. Die Gerinnungsfaktoren sind in der Regel Serinproteasen. Der plasmatische Gerinnungsablauf kann auf zwei Wegen gestartet werden: Bei der extrinsischen Aktivierung kommen Blutbestandteile in Kontakt mit subendothelial gebildetem Tissue Factor (TF). Die intakte Endothelschicht als funktionelle Barriere zwischen Blut und extravaskulärem Gewebe verhindert physiologischerweise den Kontakt von Tissue Factor mit den im Plasma vorliegenden Gerinnungsfaktoren. Erst bei einer Endothelläsion kommt es zur Bindung von Tissue Factor an aktivierten Faktor VII, und der resultierende Komplex (sog. »extrinsischer Faktor-X-AktivatorKomplex«) aktiviert im weiteren die Gerinnungsfaktoren IX und X. Faktor IX selbst kann ebenfalls Faktor X aktivieren, eine Reaktion, die durch Faktor VIII als Kofaktor noch beschleunigt wird (⊡ Abb. 6.3; Mann 2003). Die intrinsische Aktivierung erfolgt unter Beteiligung der Faktoren des sog. Kontaktsystems, zu denen der Faktor XII (Hageman-Faktor), das Präkallikrein (PK) und das High-Molecular-Weight-Kininogen (HMWK) gezählt werden. Faktor XII wird dabei an negativ geladene Oberflächen – in der Regel makromolekulare Strukturen wie z. B. Endotoxin – gebunden, was zu seiner Aktivierung führt (sog. Kontaktaktivierung). Faktor XIIa spaltet als Komplex mit Präkallikrein und HMWK den Faktor XI und leitet so die intrinsische Gerinnung ein. Zusätzlich werden dem Faktor XIIa auch profibrinolytische Eigenschaften zugeschrieben. Es konnte gezeigt werden, dass Faktor XIIa ein direkter Plasminogenaktivator ist (Braat et al. 1999). Während man früher davon ausging, dass die Aktivierung von Faktor XII am Anfang der intrinsischen Gerinnung
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Teil II · Pathophysiologie
steht, konnte kürzlich gezeigt werden, dass eine Gerinnungsaktivierung auf intrinsischem Weg auch ohne Faktor XII möglich ist. Diese kommt auch zustande, wenn an Endothelzellen gebundenes Präkallikrein in Gegenwart von HMWK aktiviert wird. Der aktivierte Faktor XI aktiviert Faktor IX zu Faktor IXa, der zusammen mit Faktor VIIIa den sog. »intrinsischen Tenasekomplex« bildet (Kitchens 2002).
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Sowohl der extrinsische als auch der intrinsische Weg münden in einer Aktivierung des Faktors X. Faktor Xa allein ist lediglich in der Lage, geringe Mengen von Prothrombin in Thrombin umzuwandeln. Erst durch die beiden durch Thrombin aktivierten Kofaktoren Faktor V und Faktor VIII kommt es zu einer starken Beschleunigung der Gerinnungsvorgänge. Einerseits bildet aktivierter Faktor VIII zusammen mit aktiviertem Faktor IX den sog. »intrinsischen Tenasekomplex«, der wesentlich mehr Faktor X umsetzt als Faktor IXa allein oder der »extrinsische Tenasekomplex« (TF-Faktor VIIa). Über 90% der Faktor-XAktivierung sind auf diesen Weg zurückzuführen. Bei Abwesenheit von Faktor VIII oder IX fällt daher die Gerinnungsantwort auf eine Endothelläsion wesentlich schwächer aus. Es resultiert das Krankheitsbild der Hämophilie A bzw. Hämophilie B. In der Endstrecke der Gerinnung bildet Faktor Xa mit Faktor Va auf aktivierten Thrombozytenoberflächen den Prothrombinasekomplex, der Prothrombin in Thrombin umwandelt. Der Prothrombinasekomplex ist hinsichtlich der Thrombinaktivierung etwa 300.000fach stärker wirksam als Faktor Xa allein. Thrombin spaltet dann lösliches Fibrinogen in Fibrin. Die Fibrinmonomere lagern sich spontan zu unlöslichen Polymeren zusammen und werden schließlich durch thrombinaktivierten Faktor XIII kovalent verknüpft. Das Resultat ist ein irreversibler Gerinnungsthrombus.
⊡ Abb. 6.3. Plasmatische Gerinnung
37 Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
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Physiologische Inhibitoren der Gerinnung Den Gerinnungsaktivatoren stehen die physiologischen Gerinnungsinhibitoren gegenüber. Im Wesentlichen sind es drei Systeme, die regulierend bzw. inhibierend in die Gerinnungskaskade und Fibrinbildung eingreifen. Dazu gehören der Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI), das Protein-C-System und das Antithrombin. Physiologischerweise stehen Aktivatoren und Inhibitoren im Gleichgewicht. Der Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) ist ein Lipoprotein-assoziiertes Plasmaprotein und wichtigster Inhibitor der extrinsischen Gerinnung. Er wird von Endothelzellen freigesetzt und bei der Bildung von Faktor Xa wirksam. TFPI blockiert die TF-FVIIa-abhängige Bildung der Faktoren IXa und Xa. Dem extrinsischen Tenasekomplex aus Tissue Factor und Factor VIIa kommt somit die Funktion eines primären und temporären Auslösers der Gerinnungsreaktion zu, der durch TFPI wieder abgeschaltet wird (Mann 2003; Nesheim 2003). Ein weiterer wichtiger Gerinnungsinhibitor ist das Antithrombin (AT). Beim Antithrombin handelt es sich um ein Glykoprotein, das überwiegend in der Leber synthetisiert wird. Es inhibiert die meisten prokoagulatorischen Serinproteasen der Gerinnungskaskade, hauptsächlich jedoch Thrombin und Faktor Xa. In geringerem Ausmaß werden auch die Faktoren IXa, XIa, XIIa, Kallikrein und Plasmin in ihrer Aktivität gehemmt. Die Bindung von Antithrombin an Thrombin erfolgt kovalent, die entstehenden Thrombin-AT-Komplexe (TAT-Komplexe) werden schließlich über die Leber eliminiert. Die Bildung von TAT-Komplexen wird durch die Gegenwart kleiner Mengen von Heparin oder Heparansulfat mehr als 1000fach beschleunigt. Antithrombin bindet an Heparin über eine spezifische Pentasaccharidsequenz. Für die Hemmung von Faktor Xa ist diese Pentasaccharidkette ausreichend, hingegen erfordert die Thrombinhemmung die Bildung eines trimolekularen Komplexes unter Brückenbildung von Antithrombin, Thrombin und Heparin. Hierfür muss das Heparinmolekül eine Kettenlänge von minimal 18 Saccharid-Einheiten aufweisen, die die spezifische Pentasaccharidsequenz enthält. Nach Bildung des TAT-Komplexes verliert Antithrombin seine Affinität für Heparin, sodass dieses aus dem Komplex dissoziiert und weitere Antithrombinmoleküle binden kann. Auf diesem Mechanismus beruht die Wirkung von Heparin als indirekt wirkendes Antikoagulans in der antithrombotischen Therapie. Eine analoge physiologische Bedeutung und Wirkung hat das auf Endothelzellen exprimierte Heparansulfat (Kottke-Marchant 2002a). Im Weiteren wird der Gerinnungsablauf durch Thrombomodulin, Protein C und Protein S verzögert bzw. lokal begrenzt. Thrombomodulin (TM) ist ein membranständiger Thrombinrezeptor. Durch Bindung an diesen Rezeptor verliert Thrombin seinen prokoagulierenden Effekt und erhält die Fähigkeit, Gerinnungsinhibitoren zu aktivieren. Darüber hinaus kann es jetzt rascher durch Antithrombin gebunden und inaktiviert werden. Der Komplex aus Thrombomodulin und Thrombin aktiviert im Plasma zirkulierendes Protein C. Aktiviertes Protein C wiederum bewirkt die Proteolyse und damit Inaktivierung der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa an der Oberfläche von Phospholipiden bzw. an der Oberfläche aktivierter Thrombozyten und blockiert somit die Bildung des Prothrombinasekomplexes und letztlich die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin. Dieser Vorgang wird beschleunigt durch Kofaktoren wie Protein S. Die Thrombomodulin-vermittelte Aktivierung von Protein C durch Thrombin stellt somit einen negativen Rückkopplungsmechanismus dar, durch den die Thrombinbildung inhibiert wird. Dieser Mechanismus ist abhängig von der Gegenwart von Thrombomodulin auf dem intakten Gefäßendothel und bewirkt so eine Begrenzung des Gerinnungsprozesses auf den Ort einer Endothelläsion. Die physiologische Bedeutung dieser Prozesse wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt,
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Teil II · Pathophysiologie
6 ⊡ Abb. 6.4. Physiologische Inhibitoren der Gerinnung
dass ein Mangel an Protein C oder Protein S bzw. eine verminderte Empfindlichkeit gegen aktiviertes Protein C (APC-Resistenz) mit einer erhöhten Rate thromboembolischer Ereignisse einhergeht (Esmon 2003; Kottke-Marchant 2002b). Die Regulation des Thrombomodulin-Protein-C-/-S-Mechanismus durch Zytokine und Komplementfaktoren weist auf eine enge Verknüpfung zwischen Gerinnungssystem und Immunsystem hin. So bewirken z. B. Interleukin-1E und Tumor-Nekrose-Faktor D eine Down-Regulation der Thrombomodulinexpression, woraus eine verminderte Protein-CAktivität resultiert. Dies könnte einen Mechanismus darstellen, über den das erhöhte Risiko für Thromboembolien bei akuten und chronischen entzündlichen Erkrankungen erklärt werden kann. Andererseits scheint aktiviertes Protein C auch antiinflammatorische Eigenschaften zu haben. In Tiermodellen wurde durch Infusion von APC die Ausschüttung von TNF-D durch aktivierte Monozyten vermindert, ein Effekt, der möglicherweise durch direkte Bindung von APC an einen spezifischen Monozytenrezeptor vermittelt wird. Es gibt erste Hinweise darauf, dass sich durch therapeutischen Einsatz von aktiviertem Protein C bei schweren septischen Krankheitsbildern die Letalität senken lässt (Bernard 2001; ⊡ Abb. 6.4).
Fibrinolytisches System Das fibrinolytische System kontrolliert das Ausmaß der Fibrinbildung und bewirkt die Auflösung des fibrinvernetzten Thrombus. Ähnlich wie die Gerinnungskaskade wird auch die fibrinolytische Aktivität durch das Verhältnis pro- und antifibrinolytischer Faktoren bestimmt. Die wichtigsten Faktoren des fibrinolytischen Systems sind das Plasminogen und der TissueType-Plasminogen-Aktivator (tPA). Nach Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin bewirkt dieses die proteolytische Spaltung von Fibrin in Fibrinspaltprodukte. Die Umwandlung des im Plasma in inaktiver Form vorkommenden Plasminogens zu Plasmin erfolgt durch den Tissue-Type Plasminogen-Aktivator (tPA) bzw. den Urokinase-Type-Plasminogen-Aktivator (uPA). tPA wird in aktiver Form von Endothelzellen sezerniert und ist hauptsächlich für die Plasminaktivierung verantwortlich. uPA wird im Gegensatz zu tPA als inaktive Vorstufe
39 Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
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überwiegend in nichtendothelialen Zellen produziert. Eine proteolytische Aktivierung von uPA erfolgt durch Plasmin selbst oder in Abhängigkeit von Faktor XII via Kallikrein. Aus dem Endothel stammt auch der wichtigste Inhibitor des tPA, der Plaminogenaktivatorinhibitor PAI-1. Ein weiterer Plasmininhibitor ist der thrombinaktivierbare Fibrinolyseinhibitor (TAFI), der eine wichtige Stellung zwischen Gerinnung und Fibrinolyse einnimmt. Er wird durch steigende Thrombinkonzentrationen aktiviert und bewirkt durch Hemmung der Fibrinolyse eine Stabilisierung des Fibringerinnsels (Nesheim 2003; ⊡ Abb. 6.5). Gerinnung und Fibrinolyse laufen auch im gesunden Organismus ständig ab. Dabei stehen prokoagulatorische und antikoagulatorische Faktoren im Gleichgewicht. Erst bei Überwiegen eines Systems kommt es zum Auftreten von Krankheitsbildern, die mit Blutungen oder Thrombosen einhergehen (⊡ Abb. 6.6).
⊡ Abb. 6.5. Fibrinolyse (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von AstraZeneca GmbH, Wedel)
Faktoren
Prothrombin
Gerinnungsfaktoren Phospholipide Kalziumionen
Inhibitoren Antithrombin Protein C + S Tissue Factor Pathway Inhibitor
Thrombin
Gerinnung
⊡ Abb. 6.6. Physiologisches Gleichgewicht der Gerinnung
Antikoagulation
7 Virchow-Trias B. Linnemann, E. Lindhoff-Last
Virchow beschrieb bereits 1856 drei Faktoren, die er als wesentlich für die Thromboseentstehung ansah und die unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefasst werden. Dabei handelt es sich um Veränderungen der Gefäßwand, der Blutströmung und der Zusammensetzung des Blutes. Mit der Identifizierung thrombophiler Hämostasestörungen, die entweder mit einer erhöhten Plasmaaktivität von prokoagulatorischen Faktoren oder einer Funktionseinschränkung von Gerinnungsinhibitoren verbunden sind, wird insbesondere der Hyperkoagulabilität heutzutage bei der venösen Thromboseentstehung eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Man muss aber davon ausgehen, dass nicht ein einzelner Faktor, sondern mehrere Faktoren zusammenkommen müssen, um die Genese einer venösen Thrombose zu erklären (⊡ Abb. 7.1).
Veränderungen der Gefäßwand Alle Gefäße, sowohl die arteriellen als auch die venösen, haben einen ähnlichen dreischichtigen Wandaufbau aus Intima, Media und Adventitia. Die wichtigsten zellulären Bestandteile der Gefäßwand sind die Endothelzellen und die glatten Muskelzellen. Die glatten Muskelzellen der Media und die bindegewebigen Bestandteile mit ihrem längs-, quer- und zirkulärgespannten Fasernetz sind von entscheidender Bedeutung für den Gefäßtonus. Durch sie wird im arteriellen Gefäßsystem der periphere Widerstand reguliert und im venösen Gefäßsystem die Anpassung an wechselnde Blutvolumina ermöglicht. Die Endothelzellen stellen die Barriere dar zwischen Intravasal- und Extravasalraum. Sie verhindern normalerweise den Kontakt gerinnungsaktiver Substanzen des Blutes mit denen des Subendothels, aus dem eine Gerinnungsaktivierung resultieren würde. Daher sind sie ideal positioniert, um regulierend in lokale Gerinnungsvorgänge einzugreifen. Zur Aufrechterhaltung der Blutströmung synthetisiert das Endothel unter anderem eine Reihe antithrombogener Substanzen. Zu diesen gehören das Prostazyklin, das Heparansulfat und der Tissue Plasminogen Activator. Während Prostazyklin, ein Stoffwechselprodukt des Arachidonsäurestoffwechsels, hemmend auf die Thrombozytenaggregation wirkt, besteht die Wirkung von Heparansulfat in einer Hemmung der plasmatischen Gerinnung. Wie Heparin bindet auch Heparansulfat an Antithrombin und verstärkt dessen gerinnungsinhibierende Wirkung. Der Tissue Plasminogen Activator hingegen ist einer der wichtigsten Fibrinolyseaktivatoren. Ein weiterer Mechanismus, über den das Endothel antikoagulato-
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41 Kapitel 7 · Virchow-Trias
Veränderungen der Blutzusammensetzung
VirchowTrias Veränderungen der Blutströmung
Veränderungen der Gefäßwand
Rudolf Virchow 18211902 ⊡ Abb. 7.1. Pathogenese der Thrombose – Virchow-Trias
rische Wirkung entfaltet, ist die Interaktion von Thrombomodulin mit Thrombin. Thrombomodulin als membranständiger Thrombinrezeptor der Endothelzellen bindet Thrombin und verändert so dessen Substratspezifität. An Thrombomodulin gebundenes Thrombin ist nicht länger in der Lage, Fibrinogen zu spalten, sondern aktiviert jetzt Protein C. Zusammen mit seinem Kofaktor Protein S bildet aktiviertes Protein C an der Endotheloberfläche einen katalytisch aktiven Komplex, der die Faktoren Va und VIIIa inaktiviert. Außer den genannten Faktoren ist noch ein Schutzfilm aus Glykoproteinen, die sog. Glykokalyx, für die Thrombinresistenz des intakten Endothels verantwortlich. Dies bedeutet, dass im normalen Zustand auf der Endothelzelloberfläche die antikoagulatorischen Reaktionen überwiegen, sodass der freie Blutfluss gewährleistet ist, im stimulierten Zustand als Reaktion auf eine Endothelläsion überwiegen jedoch prokoagulatorische Eigenschaften. Eine Endothelläsion führt zur Freilegung von kollagenhaltigem subendothelialen Gewebe. Vermittelt über von-Willebrand-Faktor und spezifische Glykoproteine auf der Thrombozytenoberfläche kommt es zur Thrombozytenaggregation. Hingegen aktiviert die Bindung von Tissue Factor (Gewebsthromboplastin) an zirkulierenden Faktor VII a die plasmatische Gerinnung. Infolge der Gerinnungsaktivierung kommt es zur Ausbildung eines Thrombus. Verschiedene Faktoren bzw. Mechanismen können zu einer Ablösung oder Schädigung von Endothelzellen führen. An erster Stelle sind hier mechanische Alterationen infolge von Traumata und chirurgischen Eingriffen zu nennen, wobei nicht nur das direkte zerstörende Gewebstrauma eine Rolle spielt. Insbesondere bei Eingriffen an den unteren Extremitäten erhöht eine Tourniquet-Dauer von mehr als 60 min das Thromboserisiko deutlich. Es wurde daher postuliert, das auch eine hypoxische und metabolische Schädigung des Gefäßendothels thrombogen wirkt. Chemische und immunologische Schädigungen des Endothels werden angenommen bei Entzündungen (Phlebitis, Infektion, Sepsis), Hyperlipidämie, Nikotinabusus und Transplantatabstoßungen. Im arteriellen Gefäßsystem gelten außerdem Strömungsturbulenzen an stenosierenden Plaques oder Bifurkationen und erhöhter Scherstress als Ursachen für Mikroläsionen des Endothels, auf die sich konsekutiv ein Thrombus auflagern kann.
42
Teil II · Pathophysiologie
Veränderungen der Blutströmung
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Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes begünstigen ebenfalls die Thromboseentstehung. Neben der Strömungsverlangsamung bis hin zur Stase gelten auch Strömungsturbulenzen, wie sie an Gefäßaufzweigungen, an Passagehindernissen, an defekten Venenklappen oder bei lokalen Gefäßerweiterungen (Aneurysma, Varizen) auftreten, als thrombogen. Es wird angenommen, dass der turbulente Blutfluss lokal das Endothel schädigt, was eine Gerinnungsaktivierung auslöst. Verwirbelungen haben außerdem eine Zerstörung des plasmatischen Randflusses in den Gefäßen zur Folge. Auf diese Weise kommen vermehrt zelluläre Blutbestandteile mit dem Gefäßendothel in Kontakt, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit ihrer Anlagerung an Endothelläsionen erhöht. Dieser Mechanismus wird vor allem für die Entstehung arterieller Thrombosen über atherosklerotischen Plaques verantwortlich gemacht. Häufigste Ursachen für eine Strömungsverlangsamung im venösen Gefäßsystem sind der Ausfall der Muskelpumpe infolge Bettlägerigkeit, Extremitätenparesen oder Immobilisierung von Extremitäten nach Trauma durch gelenküberschreitende Verbände sowie der generelle Blutstau infolge einer Herzinsuffizienz. Eine Verlangsamung des Blutstroms tritt auch auf bei lokalen Gefäßerweiterungen (Aneurysma, Varikosis) oder Kompression von Gefäßen (»Reisethrombose« durch Abknicken der V. poplitea bei beengter Sitzhaltung). Ebenso nimmt bei einer Erhöhung der Blutviskosität (z. B. im Rahmen von Exsikkose, Polyglobulie, Paraproteinämie) die Strömungsgeschwindigkeit im Gefäßsystem ab. Die pathogenetische Bedeutung einer Strömungsverlangsamung oder Stase wird auch daran deutlich, dass über 90% der Thrombosen im Einzugsgebiet der V. cava inferior lokalisiert sind. Becken- und Beinvenenthrombosen treten zudem in 60–70% der Fälle auf der linken Seite auf, was durch die Kompression und Abflussbehinderung der V. iliaca communis sinistra durch die überkreuzende A. iliaca communis dextra erklärt wird. Von besonderer Bedeutung scheint dabei eine fibröse Intimaproliferation des Gefäßes (»Beckensporn«) zu sein, die bei etwa 20% der Erwachsenen zu finden ist. Bei der chronisch venösen Insuffizienz auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms oder einer primären Varikosis tritt ebenfalls eine lokale Strömungsverlangsamung auf. Eine lokale Strömungsverlangsamung bzw. Stase hat eine Agglutination von Erythrozyten, eine Aggregation von Thrombozyten, eine Hypoxämie von Endothelzellen und auch der subendothelialen Strukturen zur Folge. Hypoxisch bedingt kommt es zu einer Auflockerung des Endothelzellverbands und Steigerung der Gefäßwandpermeabilität. Es werden endotheliale Strukturen exponiert, an die sich Thrombozyten anlagern, und außerdem prokoagulatorische Faktoren freigesetzt. Folge ist die Entstehung eines Gerinnungsthrombus.
Veränderungen der Zusammensetzung des Blutes An der Thrombogenese sind sowohl die zelluläre als auch die plasmatische Gerinnung beteiligt. Veränderungen der Thrombozytenfunktion sowie eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen plasmatischen Gerinnungsaktivatoren und -inhibitoren können die Thrombogenität des Blutes erhöhen. Einen großen Stellenwert nehmen hier die angeborenen Thrombophilien ein wie z. B. die APC-Resistenz oder die Prothrombinmutation. Auf sie wird in Kap. 8 näher eingegangen. Das Vorhandensein von Kälteagglutininen oder Kryoglobulinen kann Thrombosen auslösen, diese betreffen hauptsächlich die Mikrostrombahn. Auslöser ist
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43 Kapitel 7 · Virchow-Trias
in diesem Fall eine Kälteexposition, die antikörperbedingt zu einer Agglutination von Erythrozyten oder Präzipitation von Immunglobulinen führt. Eine erhöhte Blutviskosität erhöht ebenfalls die Thrombogenität des Blutes. Dies ist der Fall bei einem Anstieg des Hämatokrit im Rahmen einer Hypovolämie (Exsikkose) oder einer Paraproteinämie beim Plasmozytom. Bei Polyglobulie, Thrombozytose und myeloproliferativen Erkrankungen ist die Viskosität aufgrund einer Vermehrung der zellulären Blutbestandteile erhöht.
Pathomorphologie der Thrombose Unter einer Thrombose versteht man eine intravitale, intravasale, lokalisierte Gerinnung von Blutbestandteilen. An der Entstehung von Thrombosen sind sowohl die zelluläre als auch die plasmatische Gerinnung beteiligt. Beide Systeme sind eng miteinander verzahnt. So kann z. B. die Adhäsion von Thrombozyten am Ort einer Endothelläsion die plasmatische Gerinnung einleiten. Andererseits werden Thrombozyten schon durch geringe Mengen Thrombin aktiviert. Je nachdem, ob die zelluläre oder plasmatische Gerinnung bei der Thrombogenese überwiegen, unterscheidet man pathomorphologisch im Wesentlichen zwei Thrombusarten: Abscheidungsthrombus (thrombozytenreich, arterielle Thrombose), Gerinnungsthrombus (fibrinreich, venöse Thrombose; ⊡ Abb. 7.2). Der Abscheidungsthrombus ist in der Regel thrombozytenreich. Er entsteht im strömenden Blut durch Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten an einem primären Endotheldefekt (z. B. arteriosk lerotische Läsion). Die aktivierten Thrombozyten setzen Faktoren frei, die die plasmatische Gerinnung aktivieren, sodass sich über dem primären Plättchenthrombus Fibrin abscheidet. In den Maschen des Fibrinnetzes verfangen sich auch Erythrozyten und Leukozyten. Durch den in den Blutstrom hineinragenden Thrombus entstehen Strömungsturbulenzen mit der Folge weiterer Episoden von Plättchen-, Fibrinund Blutzellabscheidung.
Arterieller Thrombus
Venöser Thrombus
Thrombozytenthrombus
Fibrinreicher Thrombus
Veränderung der Gefäßwand
Veränderung von Blutströmung und -zusammensetzung
Therapie: Thrombozytenaggregationshemmung
Therapie: Hemmung der plasmatischen Fibrinbildung
Thrombozyt Fibrin
⊡ Abb. 7.2. Pathogenese der Thrombose
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7
Teil II · Pathophysiologie
Abscheidungsthromben haben also eine primäre Gefäßwandschädigung zur Voraussetzung und können sich nur aus dem strömenden Blut entwickeln. Sie haften in der Regel fest an der Gefäßwand und füllen oft nicht das gesamte Lumen aus. Diese Form der Thrombose entwickelt sich überwiegend im arteriellen Gefäßsystem auf dem Boden einer vorbestehenden Gefäßerkrankung und findet sich am häufigsten bei der Atherosklerose. Arterielle Thrombosen entstehen bevorzugt an rupturierten atherosklerotischen Plaques. Die Plaqueruptur legt das thrombogene Subendothel frei, das mit Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren reagiert. Die lokale Thrombusbildung kann zur einer partiellen oder kompletten Okklusion des Gefäßes führen. Auch periphere Embolien sind möglich. Als Folge tritt eine Gewebsischämie auf. Da es sich bei arteriellen Thrombosen um Thrombozytenthromben handelt, sind Thrombozytenfunktionshemmer besonders effektiv in der Prävention. Der Gerinnungsthrombus ist fibrin- und erythrozytenreich. Wesentlicher pathogenetischer Faktor ist hier die Strömungsverlangsamung (Stase). Im nichtzirkulierenden Blut entwickelt sich eine Hypoxie mit konsekutiver Freisetzung von gerinnungsaktivierenden Substanzen aus den Thrombozyten. Die Aktivierung der plasmatischen Gerinnung führt zur Bildung eines homogenen Thrombus, der zunächst von einem eher lockeren und ungeordneten Fibrinnetz zusammengehalten wird, in das korpuskuläre Blutbestandteile (überwiegend Erythrozyten) eingeschlossen sind. Durch Fibrinretraktion nimmt das Volumen des Thrombus ab, er kann frei im Gefäßlumen flottieren. Dabei können sich Teile loslösen und als Embolus verschleppt werden (»ein Gerinnungsthrombus entsteht in der Windstille, ein Windhauch trägt ihn davon«). Im Gegensatz zum Abscheidungsthrombus entsteht der Gerinnungsthrombus vereinfacht ausgedrückt aus einer stagnierenden Blutsäule. Er füllt häufig das Gefäßlumen komplett aus, haftet jedoch nicht fest an der Gefäßwand, was mit einer erhöhten Emboliegefahr einhergeht. Die Mehrzahl der venösen Thrombosen sind Gerinnungsthromben. Sie entstehen zu über 90% in den unteren Extremitäten, oftmals nach vorangegangener Immobilisation. Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen oder aber zu Gefäßentzündung, schmerzhafter Extremitätenschwellung und Lungenembolie führen. Da die Aktivierung der plasmatischen Gerinnung der wichtigste Pathomechanismus ist, sind Heparine und Cumarinderivate besonders effektiv in der Prävention und Behandlung venöser Thrombosen. Neben Abscheidungs- und Gerinnungsthrombus unterscheidet man noch gemischte Thromben, die aus Anteilen von Abscheidungs- und Gerinnungsthromben bestehen. Die parietalen Thromben in Aneurysmata und großen Gefäßen weisen häufig eine Schichtung aus Abscheidungs- und Gerinnungsthromben auf. Hyaline Thromben sind hingegen das morphologische Äquivalent einer Verbrauchskoagulopathie, bei der Mikrothromben in kleinen Gefäßen vorliegen, bestehend aus zerfallenen Thrombozyten und Fibrin. Sie haben ein homogen-gläsernes (hyalines) Aussehen.
8 Hereditäre Thrombophilie B. Linnemann, E. Lindhoff-Last
Den angeborenen thrombophilen Gerinnungsstörungen kommt heute eine große klinische Bedeutung zu. An das Vorliegen einer hereditären Thrombophilie sollte insbesondere gedacht werden, wenn sich eine venöse thromboembolische Komplikation vor dem 60. Lebensjahr manifestiert, wenn es sich um spontane, besonders schwerwiegende oder rezidivierende Ereignisse handelt, eine atypische Lokalisation vorliegt oder in der Familienanamnese Thromboembolien beschrieben werden. Bei Frauen mit habituellen Spontanaborten sollte ebenfalls eine hereditäre Thrombophilie in Betracht gezogen werden. Wird unter diesen Gesichtspunkten nach thrombophilen Gerinnungsstörungen gefahndet, so lässt sich in bis zu 50% der untersuchten Patienten ein hereditärer Defekt nachweisen. Die venösen Thrombosen können bei Vorliegen einer thrombophilen Störung spontan auftreten, häufig sind sie jedoch getriggert durch zusätzliche Risikofaktoren wie Schwangerschaft, Traumata, operative Eingriffe, entzündliche Erkrankungen oder Immobilisation. In der Regel ist eine thrombophile Gerinnungsstörung nicht die alleinige Ursache einer Thrombose, vielmehr handelt es sich bei der Thrombogenese um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem verschiedene Risikofaktoren zusammenwirken. Auch bei risikoinduzierten Thrombosen kann daher eine Thrombophilie mitursächlich beteiligt sein (⊡ Abb. 8.1).
⊡ Abb. 8.1. Venöse Thrombose – multifaktorielles Geschehen
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Teil II · Pathophysiologie
⊡ Tabelle 8.1. Häufigkeiten thrombophiler Störungen in der Normalbevölkerung sowie bei Patienten mit venöser Thrombose
8
Gerinnungsstörung
Prävalenz Normalbevölkerung [%]
Relatives Risiko
Thrombosen Anteil [%]
Faktor-V-Leiden (heterozygot) G1691A
5
7
19–40
Prothrombinmutante (heterozygot) G20210A
3
3
7–16
Persistierend erhöhter Faktor VIII
11
5
25
Faktor-V-Leiden (homozygot)
0,02
50–100
3
Protein-C-Mangel
0,3
4
4–5
Protein-S-Mangel
0,03–0,13
2–10
2–4
Antithrombinmangel
0,1
4–8
1,5–3
Antiphospholipidsyndrom
?
?
? 2–10
Im Folgenden wird ein Überblick über die etablierten thrombophilen Risikofaktoren gegeben. Am häufigsten finden sich bei Patienten mit venösen Thromboembolien eine Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz), eine Prothrombinmutation oder eine persistierende Faktor-VIII-Erhöhung. Bei Letzterer konnte bislang keine Veränderung im Genotyp nachgewiesen werden, jedoch wird ein Erbgang zumindest bei einem Teil der Patienten vermutet. Mangelzustände physiologischer Gerinnungsinhibitoren wie Antithrombin, Protein C und Protein S erhöhen ebenfalls das Thromboserisiko. Für andere Veränderungen wie die Hyperhomozysteinämie ist die Bedeutung für das venöse Thromboembolierisiko noch nicht abschließend geklärt. Antiphospholipidantikörper treten nur selten hereditär auf, sie sind in der Regel erworben (⊡ Tabelle 8.1).
APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation) Die häufigste Ursache einer hereditären venösen Thrombose ist die Resistenz von Faktor Va gegen aktiviertes Protein C (APC-Resistenz). Protein C ist eine Serinprotease, die physiologisch den Faktor Va spaltet und so als Gerinnungsinhibitor der Blutgerinnung entgegen wirkt. Der APC-Resistenz liegt in etwa 95% der Fälle eine Punktmutation im Gen des Gerinnungsfaktors V (Austausch von Arginin durch Glutamin in Position 506 des FaktorV-Gens) zugrunde, wodurch der Faktor Va unempfindlich wird für die Wechselwirkung mit aktiviertem Protein C (APC). Diese Mutation wird nach dem Entdeckungsort in den Niederlanden als Faktor-V-Leiden-Mutation bezeichnet. Aber auch andere Mutationen des Faktor-V-Gens, eine Schwangerschaft, die Einnahme oraler Kontrazeptiva, das Vorhandensein von Antiphospholipidantikörpern und eine erhöhte Aktivität von Faktor VIIIa haben Einfluss auf die APC-Sensitivität und gehen mit einem erhöhten Thromboserisiko einher (Dahlbäck 2004).
47 Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
8
Bei thrombotischen Komplikationen ohne erkennbaren Risikofaktor wird in 20–40% der Fälle eine pathologische Resistenz gegen aktiviertes Protein C gefunden. Im Vergleich dazu liegt die Prävalenz der heterozygoten APC-Resistenz in der europäischen Gesamtbevölkerung bei etwa 3–7%. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant. Etwa 10% der Personen mit einer Faktor-V-Mutation sind homozygot. Diese Form bedingt ein etwa 50bis 100fach erhöhtes Thromboserisiko, bei der heterozygoten Form ist das relative Risiko etwa 7fach erhöht. Bei der heterozygoten Form haben etwa 30% der Patienten eine venöse Thrombose vor dem 50. Lebensjahr erlitten, bei der homozygoten Form manifestieren sich die thromboembolischen Ereignisse früher. Der homozygote Defekt ist allerdings mit einem deutlich niedrigeren Thromboserisiko assoziiert als die homozygoten Defekte von Antithrombin, Protein C oder Protein S, bei denen oft bereits im Neugeborenenalter das Krankheitsbild der Purpura fulminans auftritt. Bei Frauen mit APC-Resistenz steigt das Thromboserisiko deutlich an durch eine hormonelle Kontrazeption. Während die alleinige Einnahme von Kontrazeptiva das Thromboserisiko 4- bis 8fach je nach Präparat erhöht, bedeutet das zusätzliche Vorliegen einer APC-Resistenz eine 35fache Erhöhung des relativen Risikos. Man nimmt an, dass orale Kontrazeptiva die Wirkung von APC zusätzlich herabsetzen können. Heterozygote Merkmalsträgerinnen einer APC-Resistenz haben bei Einnahme oraler Kontrazeptiva eine APC-Ratio im Bereich von Frauen mit homozygotem Defekt (Press et al. 2002). Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Faktor-V-LeidenMutation auch mit einem erhöhten Risiko für rezidivierende Aborte und Schwangerschaftskomplikationen einhergehen kann (Lindhoff-Last 2004). Des Weiteren wurden bei nierentransplantierten Patienten mit APC-Resistenz häufiger akute Abstoßungsreaktionen und kürzere Transplantatüberlebenszeiten beobachtet. Histologisch fand man bei diesen Patienten Zeichen einer Vaskulitis und fibrinoide vaskuläre Nekrosen. Zum funktionellen Nachweis einer APC-Resistenz wird die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) einmal ohne Zusatz von APC und einmal mit Zusatz von APC gemessen. Im Falle einer APC-Resistenz ist die durch APC bewirkte Verlängerung der Gerinnungszeit weniger stark ausgeprägt als in einer normalen Plasmaprobe bei Gesunden. Die Berechnung der APC-Ratio erfolgt als Verhältnis aus beiden Gerinnungszeiten. Bei Gesunden liegt die APC-Ratio in den meisten Testsystemen >2, bei heterozygoten Merkmalsträgern zwischen 1,3 und 2,0 und bei Homozygoten <1,3. Bei Vorliegen einer APC-Resistenz entstehen vorwiegend venöse Thrombosen. Sie treten in ca. 60% spontan auf, während sie sich in etwa 40% im Zusammenhang mit exogenen Risikofaktoren wie Schwangerschaft, Geburt, Einnahme oraler Kontrazeptiva, Operation oder Immobilisation entwickeln. Insbesondere atypische Thrombosen wie Sinusvenenthrombosen treten gehäuft bei APC-Resistenz sowie bei der Prothrombinmutation unter zusätzlicher hormoneller Kontrazeption auf (Press et al. 2002). Die Frage, ob das Rezidivrisiko für venöse Thromboembolien bei Vorliegen einer heterozygoten Faktor-V-LeidenMutation erhöht ist, ist bislang nicht geklärt. Die Datenlage in der Literatur ist diesbezüglich nicht eindeutig. Nicht selten findet man bei Patienten mit einer APC-Resistenz eine Kombination mit anderen hereditären Defekten wie der Prothrombinmutation (etwa 10% der Fälle) oder Mangelzuständen an Antithrombin, Protein C oder Protein S. Personen mit mindestens zwei genetischen Defekten haben nicht nur ein besonders hohes Thromboembolierisiko. Sie werden in der Regel auch in jüngerem Alter symptomatisch. Die Kombination der beiden häufigsten Defekte, der APC-Resistenz und der Prothrombinmutation, bedingt ein etwa 20fach erhöhtes Thromboserisiko.
48
Teil II · Pathophysiologie
Prothrombinmutation G20210A
8
Hierbei handelt es sich um eine Punktmutation in einer nichttranslatierten Region des Prothrombingenes (Position 20210 GoA). Diese Region des Gens ist an der Regulation der Genexpression beteiligt und wird nicht in eine Aminosäuresequenz umgesetzt. Die Mutation ist verbunden mit einer Akkumulation von Messenger-RNA und gesteigerter Prothrombinsynthese. Es resultiert ein um etwa 30% höherer Prothrombinspiegel im Plasma, der wahrscheinlich für das erhöhte venöse Thromboserisiko verantwortlich gemacht werden kann. Die Prävalenz der Mutation in heterozygoter Form in der normalen Population wird auf etwa 2–3% geschätzt. In selektierten Kollektiven mit Thrombosepatienten findet man die Mutation in 7–16% der Fälle. Das Thromboserisiko von Defektträgern ist ca. 3fach höher als von Personen ohne Mutation. Es gibt inzwischen auch Einzelfallbeschreibungen, bei denen die Mutation in homozygoter Form nachgewiesen wurde und die schwere thromboembolische Komplikationen erlitten haben. Auch tritt die Prothrombinmutation nicht selten in Kombination mit anderen hereditären Thrombophilien auf, insbesondere mit der häufigen Faktor-V-Leiden-Mutation. Während der alleinige Nachweis einer heterozygoten Prothrombinmutation nur gering das Thromboserisiko erhöht, so ist das Risiko für Rezidivthromben bei Vorliegen von Kombinationsdefekten deutlich erhöht. Der Nachweis der Prothrombinmutation erfolgt in der Regel direkt mittels Genanalyse (PCR). Zwar liegt die Prothrombinaktivität im Plasma von Merkmalsträgern der Prothrombinmutation höher als in einem Kontrollkollektiv, es ist aber nicht möglich, aus der Bestimmung der Prothrombinaktivität im Plasma Rückschlüsse auf das Vorliegen der Mutation zu ziehen (McGlennen u. Key 2002).
Antithrombinmangel Der hereditäre Antithrombinmangel wird in der Regel autosomal-dominant vererbt. In der Literatur sind verschiedene Genmutationen bis hin zur Deletion beschrieben. Grundsätzlich zu unterscheiden sind der Typ-I-Mangel mit einer Verminderung von Antithrombin um etwa 50%, der mit einer entsprechenden Aktivitätsminderung einhergeht (quantitativer Defekt), und der Typ-II-Mangel, bei dem die Menge des gebildeten Antithrombins zwar normal, die Aktivität jedoch wegen einer abnormen Molekülstruktur vermindert ist (qualitativer Defekt). Die Antithrombinaktivität im Plasma liegt in diesem Fall meist zwischen 35 und 70%. Bei nur gering erniedrigter Aktivität (70–80%) sollte hingegen die Diagnose eines hereditären Antithrombinmangels in Frage gestellt werden, solange erworbene Ursachen nicht ausgeschlossen sind. In diesen Fällen scheint das Thromboserisiko nicht erhöht zu sein. Dem Antithrombinmangel vom Typ II liegt in der Regel eine Mutation am reaktiven Zentrum oder an der Heparinbindungsstelle zugrunde. Der Typ I kommt häufiger vor als der Typ II. Der hereditäre Antithrombinmangel ist selten und kommt in der Normalbevölkerung mit einer Häufigkeit von etwa 0,1–0,2% vor. Bei Patienten mit venösen Thrombosen werden Prävalenzen von 1–2% berichtet. Bei heterozygoten Merkmalsträgern treten venöse Thrombosen in 70% der Fälle vor dem 35. Lebensjahr auf. Ein homozygoter Defekt ist extrem selten und in der Regel bereits in der Neonatalperiode letal aufgrund schwerer Thromboembolien. Vom angeborenen Antithrombinmangel sind erworbene Mangelzustände abzugrenzen. Eine verminderte Synthese findet sich bei Lebererkrankungen, ein erhöhter Verbrauch bei
49 Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
8
Verbrauchskoagulopathien. In diesen Fällen sind auch die prokoagulatorischen Faktoren reduziert. Auch eine längerfristige Heparinbehandlung in höherer Dosis kann, ebenso wie ein frisches thromboembolisches Ereignis, zu einem Verbrauch von Antithrombin führen. Allerdings fallen die Antithrombinspiegel unter Heparintherapie selten unter 50–60%. Ein renaler bzw. enteraler Verlust von Antithrombin ist pathogenetisch bedeutsam bei Thrombosen, die im Rahmen eines nephrotischen Syndroms bzw. bei exsudativer Enteropathie entstehen (Willeke et al. 2002; Kottke-Marchant u. Duncan 2002).
Protein-C-Mangel Protein C ist ein Vitamin-K-abhängiges Gerinnungsprotein, das in der Leber synthetisiert wird, ebenso wie sein Kofaktor-Protein S. Protein C ist neben Antithrombin einer der wichtigsten Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung. Um als Serinprotease antikoagulatorisch wirksam zu werden, bedarf es der Aktivierung durch an Thrombomodulin gebundenes Thrombin. Aktiviertes Protein C spaltet und inaktiviert damit die als Kofaktoren wirksamen Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa. Protein S beschleunigt die Wirkung von aktiviertem Protein C und hat in dessen Abwesenheit keine antikoagulatorische Wirksamkeit. Ein Mangel an Protein C geht mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien einher. Die häufigsten Manifestationen sind die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenembolie. Thrombosen mit atypischer Lokalisation sind ebenfalls beschrieben und können Mesenterialvenen, Pfortader, Nierenvenen, Sinusvenen oder retinale Venen betreffen. Der hereditäre Protein-C-Mangel wird in der Regel autosomal-dominant vererbt. Für das Protein-C-Gen sind etwa 200 (!) Polymorphismen und Mutationen beschrieben, sodass der diagnostische Nachweis nicht über einen einzelnen Gendefekt möglich ist. Der Nachweis eines Protein-C-Mangels erfolgt daher in der Regel über die Messung der Protein-C-Aktivität. Es werden analog zum Antithrombinmangel zwei Formen unterschieden: Typ I mit einer Verminderung des Antigens und der Aktivität (quantitativer Defekt) und Typ II mit einer Aktivitätsminderung bei normaler Antigenkonzentration. Im letzteren Fall wird ein dysfunktionelles Protein gebildet (qualitativer Defekt). Der Typ I ist häufiger als der Typ II; es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass sich die beiden Typen bezüglich der Manifestation von Thrombosen unterscheiden. Die homozygote Form des Protein-C-Mangels verursacht eine schwere Thromboseneigung. Die Protein-C-Aktivität liegt in diesen Fällen <1%. Homozygote Merkmalsträger werden bereits im Neugeborenenalter klinisch auffällig durch schwere Thromboembolien bis hin zur Purpura fulminans. Ein heterozygoter Protein-C-Mangel, der mit einer etwa 50%igen Aktivitätsminderung einhergeht, lässt sich bei 3–5% der Patienten mit venösen Thrombosen nachweisen. Bis zum 40. Lebensjahr haben durchschnittlich 50% der heterozygoten Merkmalsträger ein thrombotisches Ereignis erlitten (Kottke-Marchant u. Comp 2002). Die Thromboseneigung beim heterozygoten Protein-C-Mangel ist abhängig vom Vererbungsmodus. Sie ist bei autosomal-dominantem Erbgang hoch. Die Prävalenz dieser Form in der Bevölkerung wird auf 1:16.000 geschätzt. Das thromboembolische Ereignis tritt oft nicht spontan auf, sondern muss getriggert werden. Risikofaktoren sind operative Eingriffe, Immobilisation, Schwangerschaft oder die Einnahme oraler Kontrazeptiva. Beim autosomal-rezessiven Vererbungsmodus hingegen ist die Häufigkeit venöser Thrombosen
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Teil II · Pathophysiologie
im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht erhöht. Die Prävalenz dieser Form in der Bevölkerung wird mit 0,2–0,4% angegeben. Vom hereditären Protein-C-Mangel sind erworbene Mangelzustände abzugrenzen, wie sie bei Lebererkrankungen mit Synthesestörung (z. B. Leberzirrhose), bei frischen Thrombosen, erhöhtem Verbrauch im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie oder Sepsis und bei Vitamin-K-Mangel bzw. unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (Cumarinen) auftreten können. Die Synthese von Protein C ist Vitamin-K-abhängig. In der Einleitungsphase einer Cumarinbehandlung fallen Protein C und Faktor VII aufgrund der kürzeren Halbwertszeit schneller ab als die anderen Faktoren des Prothrombinkomplexes, sodass vorübergehend ein Zustand der Hyperkoagulabilität besteht. Insbesondere bei präexistentem Protein-C-Mangel kann es daher in der Initialphase einer Cumarintherapie zu thromboembolischen Komplikationen oder gar einer Cumarinnekrose kommen. Bei einer Cumarinbehandlung sinkt die Protein-C-Konzentration auf Werte von 40–50% ab, die Aktivität liegt jedoch noch um ein Drittel bis ein Viertel tiefer, da bei der immunchemischen Bestimmung auch inaktive PIVKA-Proteine (»proteins induced by vitamin-K absence«) mitbestimmt werden (Willeke et al. 200; Kottke-Marchant u. Comp 2002).
8
Protein-S-Mangel Protein S, ein Kofaktor des Protein C, wird von der Leber und dem Gefäßendothel gebildet. Ein Mangel ist ebenfalls mit thromboembolischen Ereignissen assoziiert. Etwa 40% des Proteins liegen in freier Form, 60% an das Komplementbindungsprotein C4BP gebunden vor. Nur freies Protein S ist als Kofaktor im Protein-C-Mechanismus antikoagulatorisch wirksam und liegt bereits primär in seiner aktiven Form vor. Durch Komplexbildung mit Protein C wird die Proteolyse und Inaktivierung der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa beschleunigt. Bei einem heterozygoten Protein-S-Mangel treten gehäuft thromboembolische Ereignisse auf. Lungenembolien, tiefe Venenthrombosen und oberflächliche Thrombophlebitiden sind die häufigsten Manifestationen. Thrombophlebitiden werden bei etwa 50% der Betroffenen beobachtet. Ein homozygoter Protein-S-Mangel führt in der Regel schon in der Neonatalperiode zu schweren thromboembolischen Ereignissen oder zur letal verlaufenden Purpura fulminans. Zur Häufigkeit des Protein-S-Mangels in der Normalbevölkerung liegen keine konkreten Zahlen vor. In einem Kollektiv schottischer Blutspender lag die Prävalenz <0,2%. Bei Personen mit heterozygotem Protein-S-Mangel ist das Risiko für venöse Thromboembolien 2- bis 10fach erhöht. Bestimmt werden können das Gesamtprotein S, das freie Protein S und die ProteinS-Aktivität. Der Nachweis erfolgt wie beim Antithrombin- und Protein-C-Mangel primär über eine Aktivitätsmessung. Beim hereditären Mangel werden drei Typen unterschieden: Typ I: Verminderung der Gesamtprotein-S-Konzentration und der Aktivität aufgrund einer Synthesestörung, Typ II: Verminderung der Protein-S-Aktivität bei normalem Gesamt- und freiem Protein S aufgrund eines dysfunktionellen Proteins, Typ III: Verminderung von freiem Protein S und der Aktivität. Unterschiede bezüglich der venösen Thromboseneigung bestehen nicht zwischen diesen drei Typen. Erworbene Mangelzustände resultieren aus einer Behandlung mit VitaminK-Antagonisten (Cumarinderivaten), sind aber auch während einer Schwangerschaft
51 Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
8
und unter Hormontherapie (orale Kontrazeption, postmenopausale Hormonsubstitution) nachweisbar. Die Bildung von Autoantikörpern gegen Protein S ist beschrieben für Infektionen (HIV, Varizellen) und das Antiphospholipidsyndrom. Lebererkrankungen bewirken nur einen mäßigen Abfall von Protein S, die disseminierte intravasale Gerinnung geht in der Regel mit normalen Werten einher (Willeke et al. 2002; Rezende et al. 2004).
Persistierende Faktor-VIII-Erhöhung Erhöhte Faktor-VIII-Werte werden bei Patienten mit venösen Thrombosen in einer Häufigkeit von 20–40% gefunden im Vergleich zu etwa 10% in der gesunden Normalbevölkerung. Familienuntersuchungen deuten darauf hin, dass die Höhe des Faktor-VIII-Spiegels genetisch determiniert ist, allerdings war die Suche nach Faktor-VIII-Genvarianten, die mit erhöhten Faktor-VIII-Spiegeln einhergehen, bislang erfolglos. Es ist auch noch nicht geklärt, auf welche Weise ein erhöhter Faktor VIII ein erhöhtes Thromboserisiko vermittelt. Der Faktor VIII wird überwiegend in der Leber synthetisiert und in der Zirkulation durch von-Willebrand-Faktor (vWF) stabilisiert. Nach Aktivierung durch Thrombin dissoziieren Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor. Der aktivierte Faktor VIII bildet einen Komplex mit Faktor IXa, der im weiteren die Aktivierung des Faktors X beschleunigt. Dieser geht in den Prothrombinasekomplex mit ein. Der aktivierte Faktor VIII ist somit insbesondere für den intrinsischen Weg der Gerinnungsaktivierung von Bedeutung. Möglicherweise erklärt sich das mit erhöhten Faktor-VIII-Spiegeln einhergehende Thromboserisiko aber auch durch eine verminderte APC-Sensitivität. Es konnte gezeigt werden, dass bei höheren Faktor-VIII-Spiegeln die Antwort auf aktiviertes Protein C geringer ausfällt, ohne dass eine Faktor-V-Leiden-Mutation nachweisbar ist. Von-Willebrand-Faktor und die Blutgruppe sind wichtige Determinanten des FaktorVIII-Spiegels. Es findet sich eine positive Korrelation von vWF- und Faktor-VIII-Spiegeln. Die Blutgruppeneigenschaften A und B gehen zusätzlich mit höheren vWF- und FVIII-Spiegeln einher als die Blutgruppe 0. Die höchsten Spiegel haben Personen mit der Blutgruppe AB (⊡ Tabelle 8.2). Die Faktor-VIII-Spiegel steigen mit zunehmendem Alter an. Auch Body-Mass-Index, Blutzuckerspiegel, Insulin, Fibrinogen und Triglyzeride scheinen positiv mit den Faktor-VIII-Spiegeln zu korrelieren (Kamphuisen et al. 2001). Bei Frauen mit hormoneller Kontrazeption sind die Faktor-VIII-Spiegel signifikant höher als bei Frauen,
⊡ Tabelle 8.2. Faktor-VIII-Konzentration und Blutgruppe als VTE-Risikofaktoren. (Nach Press et al. 2002) Faktor-VIII-Aktivität (IU/dl)
Relatives Risiko
<100
1
100–124
2,3
125–149
3,0
>150
4,8
Blutgruppe A, B, vs. 0
1,5
52
Teil II · Pathophysiologie
die keine Hormonpräparate einnehmen (Schmitt et al. 2004). Nur eine persistierende Faktor-VIII-Erhöhung geht mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen einher. Eine vorübergehende Faktor-VIII-Erhöhung ist möglich im Rahmen jeder Akut-Phase-Reaktion und lässt sich vor allem bei akutem Stress, akuten Thrombosen, Infektionen, entzündlichen Erkrankungen, Malignomen, Leber- und Nierenerkrankungen, Hyperthyreose und in der Schwangerschaft sowie nach Operationen nachweisen. Fällt im Rahmen eines Thrombophilie-Screenings ein erhöhter Faktor-VIII-Spiegel auf, so sollte dieser Befund etwa 2 Monate später nochmals kontrolliert werden. Eine persistierende Erhöhung von Faktor VIII bedeutet ein etwa 5fach erhöhtes Thromboembolierisiko. Das Rezidivrisiko nach thrombembolischem Erstereignis bei persistierender Faktor-VIII-Erhöhung wird mit 25–50% angegeben (Kamphuisen et al. 2001; Chandler et al. 2002).
Seltene Thrombophilien
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Die Dysfibrinogenämie ist eine seltene thrombophile Störung. Es sind weltweit nur einige Hundert Familien mit hereditärer Dysfibrinogenämie bekannt. Bei der Dysfibrinogenämie wird ein strukturell defektes Fibrinogenmolekül synthetisiert. Nur 20% der betroffenen Personen weisen eine Thromboseneigung auf, 25% hingegen zeigen eine Blutungsneigung und 55% sind asymptomatisch. (Hayes 2002). Auch für Erhöhungen der Faktoren I (Fibrinogen), IX und XI ist ein Ansteigen des venösen Thromboembolierisikos beschrieben (CHandler et al. 2002). So führt eine Hyperfibrinogenämie mit Spiegeln >5 g/l zu einer Verfünffachung des Thromboserisikos. Für die Faktoren IX und XI wird ein nur geringer Einfluss auf das Thromboserisiko angenommen. Erst kürzlich wurde ein Zusammenhang zwischen erniedrigten Faktor-XII-Spiegeln mit einem gehäuftem Auftreten venöser Thrombosen beschrieben. Bei ausgeprägtem Faktor-XII-Mangel ist in In-vitro-Systemen die Gerinnbarkeit des Blutes gehemmt, was zu einer Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) führt. In vivo führt der Faktor-XII-Mangel aber nicht zu einer erhöhten Blutungsneigung. Ein Polymorphismus (46CoT) im Faktor-XII-Gen hat Einfluss auf die Faktor-XII-Serumspiegel. Bei homozygoter Ausprägung (T/T-Genotyp) sind die Faktor-XII-Serumspiegel signifikant niedriger als beim C/C- oder C/T-Genotyp. Das venöse Thromboserisiko scheint bei diesen Patienten signifikant erhöht zu sein (Kitchens 2002; Tirado et al. 2004). Eine abschließende Bewertung lässt die derzeitige Datenlage nicht zu. Zu den selteneren hereditären Gerinnungsdefekten, die mit einem erhöhten Thromboserisiko in Verbindung gebracht werden, zählen Störungen der Fibrinolyse wie der Plasminogenmangel, die verminderte Freisetzung von Tissue Plasminogen Activator (t-PA) und erhöhte Aktivitäten von Plasminogenaktivatorinhibitor (PAI) (Brandt 2002). Ihre Bestimmung hat bis jetzt keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. Zum einen fehlt eine Standardisierung der Testverfahren, zum anderen liegen noch zu wenige oder widersprüchliche Daten für eine abschließende Bewertung vor.
MTHFR-Mutation/Hyperhomozysteinämie Homozystein wird via Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) Vitamin-B12-abhängig in Methionin bzw. via Cystation-E-Synthetase (CBS) Vitamin-B6-abhängig in Zystein überführt. Erhöhte Homozysteinspiegel finden sich somit hereditär bei einem Defekt der MTHFR oder der CBS. Die Bestimmung des Plasmaspiegels erfolgt nüchtern aus EDTA-
53 Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
8
Blut, das unmittelbar nach der Blutentnahme gekühlt und möglichst innerhalb einer Stunde verarbeitet werden sollte. Bei Unterbrechung der Kühlkette und längeren Transportzeiten sind die Ergebnisse nicht zu verwerten, da Homozystein in vitro aus Erythrozyten freigesetzt wird und dadurch falsch zu hohe Homozysteinspiegel gemessen werden. Frauen weisen in der Regel niedrigere Homozysteinspiegel auf als Männer. Eine leichte Hyperhomozysteinämie findet man bei 5–15% der Bevölkerung. Eine Variante des MTHFR-Gens führt in diesen Fällen bereits zur Hyperhomozysteinämie, wenn die Folsäurespiegel in den niedrig normalen Bereich abfallen. Die Homozysteinspiegel normalisieren sich in der Regel unter Folsäuresubstitution. Selten sind Gendefekte im MTHFR-Gen, die zu schwerem MTHFRMangel und zum Krankheitsbild der Homozystinurie führen. Häufige erworbene Ursachen einer Hyperhomozysteinämie sind neben Vitaminmangel (Vitamin B12, Vitamin B6, Folsäure) eine eingeschränkte Nierenfunktion und eine hypothyreote Stoffwechsellage. Während die Hyperhomozysteinämie mit einer erhöhten Rate an ischämischen kardio- und zerebrovaskulären Komplikationen einhergeht (Press et al. 2002), wird die Assoziation mit venösen Thrombosen kontrovers diskutiert. Die Datenlage ist für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichend (Key u. McGlennen 2002; The Homocystein Studies Colloboration 2002).
Antiphospholipidsyndrom (APS) Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch das Vorliegen von Antiphospholipidantikörpern (APLA). Dabei handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Antikörpern (meist IgG und IgM, selten auch IgA), die mit Epitopen negativ geladener gerinnungsaktiver Phospholipide und Proteine reagieren. Bei den anionischen Phospholipiden handelt es sich vor allem um die gerinnungswirksamen Phospholipide Phosphatidylserin, Phosphatidylethanolamin sowie um das weniger gerinnungswirksame Cardiolipin (Barthels u. von Depka 2003). Am besten untersucht sind Lupusantikoagulans (LA) und Anticardiolipin-Antikörper (ACLA). Die Antikörper sind in der Regel erworben, nur in etwa 10% der Fälle treten sie hereditär auf. Für Anticardiolipin-Antikörper hat das E2-Glykoprotein I (E2-GPI) als Kofaktor eine wichtige pathophysiologische Bedeutung, da einige ACLA nur unter Vermittlung dieses Kofaktors an Cardiolipin binden. Unter dem Begriff des Lupusantikoagulans wird eine Vielzahl verschiedener Antikörper subsummiert, die gegen anionische Phospholipide gerichtet sind. Kofaktor bei einigen dieser Antikörper ist Prothrombin. Charakteristisch für die Lupusantikoagulanzien ist die Komplexbildung mit Prothrombin und damit die Verbindung zum Prothrombinasekomplex der Gerinnungskaskade (Barthels u. von Depka 2003). Der Terminus Lupusantikoagulans wurde gewählt, da dieses Phänomen in bis zu einem Drittel aller Patienten mit systemischen Lupus erythematodes auftritt. In In-vitroTestsystemen führen diese Antikörper zu einer Verlängerung der plasmatischen Gerinnung, indem sie die für den Ablauf der Gerinnungskaskade notwendigen Phospholipide abfangen, die im Reagenzglas aber nur in begrenzter Zahl vorhanden sind. In vivo kommt diesem Effekt keine Bedeutung zu, da hier immer genügend Phospholipide auf Zellmembranen zur Verfügung stehen. Es besteht daher trotz (in vitro) messbarer aPTT-Verlängerung eine Hyperkoagulabilität und keine Blutungsneigung. Der Nachweis von Lupusantikoagulanzien erfolgt mittels phospholipidabhängigen Gerinnungstests, die eine Verlängerung der Gerinnungszeit erfassen. Hingegen werden für den Nachweis von Antikörpern gegen Cardiolipin bzw. E2-Glykoprotein I immunologische Testverfahren eingesetzt (RIA, ELISA), die die Reaktivität mit Phospholipiden oder phos-
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Teil II · Pathophysiologie
pholipidbindenden Proteinen erfassen. Da das Antigen im VDRL-Test zur Luesdiagnostik Cardiolipin ist, kann bei Patienten mit Antiphospholipidantikörpern eine falsch-positive Luesreaktion auftreten. Bei Verdacht auf APS müssen sowohl ACLA als auch LA bestimmt werden, da diese jeweils einzeln, aber auch kombiniert vorkommen können. Der genaue Pathomechanismus der Gerinnungsstörung ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Es gibt mehrere Hypothesen für die zellulären und molekularen Mechanismen der Thromboseentstehung bei Vorhandensein von APLA. Zum einen binden Antiphospholipidantikörper an Endothelzellen, was die vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen, Zytokinen und Prostaglandinen zur Folge hat. APLA können auch die Funktion phospholipidbindender Proteine beeinflussen, die an der Regulation der Gerinnung beteiligt sind. Obwohl bislang wenig über die Funktion von E2-Glykoprotein I bekannt ist, wird vermutet, dass die physiologische Funktion in der Maskierung von zytoplasmatischen Phospholipiden liegt, woraus ein antikoagulatorischer Effekt resultiert. Gegen E2-Glykoprotein I lassen sich beim APS Antikörper nachweisen, die einen wichtigen diagnostischen Marker darstellen. Ob den Anti-E2-Glykoprotein-I-Antikörpern auch selbst eine pathophysiologische Bedeutung zukommt, ist noch unklar. Es sind außerdem mehrere Mechanismen beschrieben, in denen APLA mit regulatorischen Funktionen von Prothrombin, Protein C und Tissue Factor interferieren (Levine et al. 2002). Unklar bleibt weiterhin, welche zellulären Phospholipide und phospholipidbindenden Proteine die wesentlichen Zielantigene beim Antiphospholipidsyndrom darstellen. Während das primäre APS ohne weitere Systemerkrankungen familiär gehäuft auftritt und mit den HLA-Typen DR4 und DR7 assoziiert ist, manifestiert sich das sekundäre APS im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, wie dem systemischen Lupus erythematodes (SLE), dem Sjögren-Syndrom oder der rheumatoiden Arthritis sowie bei Infektionen (z. B. HIV, HCV, Lues, Malaria) oder unter Medikamenteneinnahme (z. B. Thiazide, Phenothiazine, Hydralazin, Captopril). Das APS tritt gelegentlich auch als Erstmanifestation eines SLE auf. Antiphospholipidantikörper können auch bei Neoplasien sowie in Zusammenhang mit großen Operationen auftreten. Die Entwicklung von klinischen Symptomen, vereinbar mit einem APS, ist bei diesen Patienten jedoch selten. Das Antiphospholipidsyndrom tritt typischerweise mit folgenden klinischen Manifestationen auf: venöse und/oder arterielle Thrombosen, Thrombozytopenie (meist 50.000–100.000/µl), wiederholte (t3) Spontanaborte oder Frühgeburten. Um die Diagnose eines APS stellen zu können, muss mindestens ein klinisches Kriterium (vaskuläre Thrombose oder Schwangerschaftskomplikation) vorliegen bei gleichzeitigem Nachweis von Antikardiolipinantikörpern und/oder Lupusantikoagulans (⊡ Tabelle 8.3). Die Antikörper müssen dabei eine Persistenz von mehr als 6 Wochen aufweisen (Wilson et al. 1999). In etwa 80% der Fälle sind Frauen betroffen. An ein Antiphospholipidsyndrom sollte differentialdiagnostisch gedacht werden bei Patienten mit rezidivierenden spontanen Thrombosen, bei einem Schlaganfall im Alter unter 50 Jahren sowie bei rezidivierenden Aborten oder früher schwerer Präeklampsie. Bei nachgewiesenen APL-Antikörpern sollte die Suche nach antinukleären (ANA) und anti-DNA-Antikörpern folgen, um einen systemischen Lupus erythematodes auszuschließen. Häufig werden erhöhte APL-Antikörperspiegel im Blut spontan ohne erkennbare Grunderkrankung gefunden. Es scheint eine familiäre Disposition für Antiphospholipidan-
55 Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
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⊡ Tabelle 8.3. Diagnosekriterien des Antiphospholipidsyndroms. (Nach Wilson et al. 1999) Klinische Kriterien
Laborchemische Kriterien
Venöse und/oder arterielle Thrombosen
Antikardiolipinantikörper (mittlere oder hohe Titer von IgG- oder IgMAntikörpern)
Schwangerschaftskomplikationen: Spontanabort (t3) vor der 10. SSW Tod (t1) eines normal entwickelten Fötus nach der 10. SSW Frühgeburt (t1) eines normal entwickelten Kindes vor der 34. SSW
Lupusantikoagulans positiv
Für die Diagnose eines APS sollten ein klinisches und ein laborchemisches Kriterium vorliegen. Der Antiphospholipidantikörpertest muss in mindestens 2 Untersuchungen im Abstand von 6 Wochen positiv sein.
tikörpersyndrome zu geben. Die Prävalenz leicht erhöhter APLA-Titer wird mit 2–5% in der gesunden Normalbevölkerung angegeben. Die Prävalenz steigt mit höherem Lebensalter. Bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes lassen sich in 12–34% der Fälle Antiphospholipidantikörper nachweisen. Die Inzidenz von thrombotischen Ereignissen bei Patienten mit APLA beträgt etwa 2 Ereignisse pro 100 Patientenjahre. Grundsätzlich können Thrombosen in allen Gefäßen und in jedem Organsystem auftreten. Die meisten thrombotischen Ereignisse bei APS betreffen das venöse System. Am häufigsten kommen tiefe Beinvenenthrombosen mit und ohne Lungenembolien vor. Venöse Thrombosen mit atypischer Lokalisation wie z. B. der zerebralen Sinusvenen oder viszeraler Venen (z. B. Budd-Chiari-Syndrom) sollten differentialdiagnostisch an das Vorliegen eines APS denken lassen und eine entsprechende Diagnostik nach sich ziehen. Bei spontanen venösen Thrombosen ohne erkennbaren Risikofaktor werden APLA in 2–10% der Fälle gefunden. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist bei Nachweis von Antikardiolipinantikörpern etwa 2fach, bei Lupusantikoagulans etwa 5- bis 10fach erhöht. Arterielle Thrombosen betreffen häufig das ZNS, wobei Ischämien im Stromgebiet der A. cerebri media und Sehstörungen im Sinne einer Amaurosis fugax am häufigsten sind. Insbesondere bei jungen Patienten mit apoplektischen Insulten sollte immer auch an ein APS gedacht werden. Hier finden sich in 20–50% APLA, bei älteren Patienten in 10–20% der Fälle. Patienten mit zerebralen Ischämien aufgrund eines APS sind meist jünger als 50 Jahre. Bei jungen Schlaganfallpatienten mit APLA ist das Risiko eines erneuten Schlaganfalls ca. 8mal höher als bei Patienten ohne APLA. Durch wiederkehrende zerebrale Ischämien kann es früh im Verlauf der Erkrankung zu einer vaskulären Demenz kommen. Mesenteriale Ischämien und Myokardinfarkte können auf ein APS zurückzuführen sein. Auch Fälle steriler Endokarditiden sind für das APS in bis zu 38% beschrieben (Hojnik et al. 1996). Verschlüsse peripherer Arterien mit nachfolgender Gangrän sind eher selten. Rezidivierende Spontanaborte (in drei oder mehr aufeinander folgenden Schwangerschaften) sind ein häufiges Phänomen bei APS. Antiphospholipidantikörper können bei diesen Frauen in einer Häufigkeit von etwa 5–15% nachgewiesen werden. Die Aborte entstehen teilweise in der Folge einer Plazentainsuffizienz auf dem Boden thrombotischer Gefäßverschlüsse. Aber auch eine Störung der Invasion des Trophoblasten und der Hormonproduktion sind möglich. Obwohl die Thrombozytopenie häufig bei einem APS zu finden ist, sind Blutungskomplikationen selten. Als Ursache für die Thrombozytopenie werden einerseits eine Induktion
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Teil II · Pathophysiologie
⊡ Tabelle 8.4. Klinische Assoziationen mit APL-Antikörpern (British Society for Haematology 2000)
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Primäres APS
Manifestation als
Ohne Hinweis auf Grunderkrankung
Venöse Thromboembolie Arterielle Thrombosen (v. a. Hirninfarkte) Sterile Endokarditis mit Embolien Rezidivierende Aborte (t3)
Sekundäres APS
Manifestation bei
Bei rheumatischen Erkrankungen und Kollagenosen
Systemischer Lupus erythematodes Rheumatoide Arthritis Sklerodermie Morbus Behcet Arteriitis temporalis Sjögren-Syndrom Psoriasisarthropathie Andere
Bei akuten und chronischen Infektionen
Virale Erkrankungen, z. B. HIV, Varizellen, Hepatitis C Bakterielle Erkrankungen, z. B. Syphilis Parasitäre Erkrankungen, z. B. Malaria
Bei lymphoproliferativen Erkankungen
Malignes Lymphom Paraproteinämie
Bei Einnahme von Medikamenten
Phenothiazine Procainamid Phenytoin Chinidin Hydralazin
Bei anderen Erkrankungen
Autoimmunthrombozytopenie Autoimmunhämolytische Anämie Sichelzellanämie i.v.-Drogenabusus Livedo reticularis Guillain-Barré-Syndrom
der Thrombozytopenie durch Antikörper gegen thrombozytäre Antigene mit konsekutiver Gerinnungsaktivierung und peripherem Plättchenverbrauch und andererseits eine Antikörperbindung an Endothelzellen mit konsekutivem Verlust der antikoagulatorischen Eigenschaften vermutet. Sehr selten ist ein katastrophales Antiphospholipidsyndrom (CAPS). Definiert ist das CAPS als Manifestation des APS an drei oder mehr Organsystemen. Infolge einer disseminierten Thrombenbildung kommt es zum Multiorganversagen. Die Letalität dieses Krankheitsbildes ist hoch. Histologisch wird bei Patienten mit klinischer Manifestation eines CAPS eine Thrombosierung der kleineren Gefäße (Mikrothrombosen) anstatt des typischen Befalls der größeren Gefäße gefunden. Die Ursache dieses fulminanten Krankheitsbildes ist bisher unklar.
9 Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin B. Linnemann, E. Lindhoff-Last
Die Kenntnisse über den relativen Stellenwert der einzelnen pathogenetischen Faktoren der Virchow-Trias (s. Kap. 7) in der Thrombogenese verschiedener Krankheitsbilder sind auch heute noch unzureichend. Grundsätzlich gilt, dass die Entstehung venöser Thrombosen in der Regel nicht einem Faktor zugeordnet werden kann, sondern dass es sich in der Regel um ein komplexes, multifaktorielles Geschehen handelt. Das Thromboserisiko hospitalisierter Patienten wird größtenteils durch die akute Erkrankung bestimmt. In den chirurgischen Disziplinen ist dies in der Regel der operative Eingriff selbst. Pathophysiologisch steht die operationsbedingte Aktivierung der Blutgerinnung im Vordergrund, deren Ausmaß mit der Schwere des Gewebetraumas korreliert. Die Angaben über die Häufigkeit venöser Thrombosen bei Patienten ohne Thromboembolieprophylaxe liegen je nach Eingriff zwischen 20 und 80% (Nicolaides et al. 2001; Geerts et al. 2001). Mit einem besonders hohen perioperativen Thromboserisiko sind große abdominelle Operationen, orthopädische Eingriffe an den unteren Extremitäten, Polytraumata und neurochirurgische Operationen behaftet (⊡ Tabelle 9.1). Hauptverantwortlich für die Gerinnungsaktivierung ist die mechanische Gefäßwandschädigung durch das Gewebstrauma. Thrombogene Substanzen des Subendothels kommen in Kontakt mit Bestandteilen des zirkulierenden Blutes und aktivieren die Gerinnung. Einerseits vermittelt vor allem der von-Willebrand-Faktor eine Adhäsion und Aktivierung von Thrombozyten. Andererseits initiiert der Kontakt von subendothelial vorhandenem Tissue Factor mit im Blut zirkulierenden Faktor VIIa die plasmatische Gerinnung. Aufgrund des unterschiedlichen Gehalts an Tissue Factor in den verschiedenen Geweben ist das Thromboserisiko abhängig von dem Organsystem, an dem der operative Eingriff vorgenommen wurde. In der postoperativen Phase kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion vermittelt über Zytokine wie Interleukin-1 und Tumor-Nekrose-Faktor D zu einem Anstieg prokoagulatorischer Faktoren und Hemmung der Fibrinolyse. Regelmäßig kann man nach größeren chirurgischen Eingriffen einen Anstieg von Fibrinogen, Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor und Plaminogen-Aktivator-Inhibitor nachweisen. Zytokine sind auch für eine verminderte Thrombomodulinexpression und konsekutiv für eine verminderte Protein-C-Aktivierung verantwortlich. Das Überwiegen prokoagulatorischer Faktoren erklärt zum Teil das in den ersten Wochen nach einer Operation gesteigerte Thromboserisiko. Daneben hat die postoperative Immobilisierung nach größeren Operationen und vor allem Eingriffen an den unteren Extremitäten Einfluss auf das Thromboserisiko. Die Immobilisierung mit Ausfall der Wadenmuskelpumpe hat eine Verlangsamung der Blut-
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Teil II · Pathophysiologie
⊡ Tabelle 9.1. Risikokategorien für chirurgische Patienten. (Aus Encke et al. 2003) Risikokategorie
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Distale TVT
Proximale TVT
Tödliche LAE
Hohes Risiko
Allgemeinchirurgische und urologische Operationen bei Patienten >40 Jahre und früherer TVT oder LE; ausgedehnte Becken- oder Bauchchirurgie bei Karzinom; größere orthopädische Eingriffe an den unteren Extremitäten
40–80%
10–30%
1–5%
Mittleres Risiko
Allgemeinchirurgische Operationen bei Patienten >40 Jahre mit OP-Dauer >30 min oder <40 Jahre mit oraler Kontrazeption
10–40%
2–10%
0,1–0,7%
Niedriges Risiko
Unkomplizierte Operationen bei Patienten <40 Jahre ohne zusätzliche Risikofaktoren; kleinere Eingriffe (<30 min) bei Patienten >40 Jahre ohne zusätzliche Risikofaktoren
<10%
<1%
<0,1%
strömung vor allem in den unteren Extremitäten zur Folge. Auch die Wahl des Anästhesieverfahrens ist von Bedeutung für die Entstehung postoperativer Venenthrombosen. Eingriffe mit rückenmarksnahen Anästhesieverfahren (Periduralkatheter, Spinalanästhesie) oder Lokalanästhesie gehen mit einem signifikant niedrigeren Risiko für venöse Thrombosen einher als Operationen unter Intubationsnarkose. Hinzu kommen prädisponierende Begleitumstände wie höheres Lebensalter, in der Vergangenheit abgelaufene Thromboembolien, thrombophile Gerinnungsstörungen, maligne Grunderkrankung, eine Hormonbehandlung, Adipositas oder Varikosis. Je mehr Risikofaktoren ein Patient auf sich vereint, desto höher ist das individuelle Thromboserisiko. Die Häufigkeit venöser Thrombosen bei hospitalisierten internistischen Patienten ohne Thromboembolieprophylaxe wird mit durchschnittlich 30% angegeben. Es bestehen jedoch starke Unterschiede in Abhängigkeit vom akuten Krankheitsbild. Wie bei den chirurgischen Patienten wird das individuelle Thromboserisiko ebenfalls durch prädisponierende Begleitumstände mitbestimmt. Für die Pathogenese venöser Thrombosen in der Inneren Medizin spielen Gewebsverletzungen bzw. Endothelläsionen keine große Rolle. Hier sind vielmehr Veränderungen der Blutströmung und der Blutzusammensetzung für die Thrombogenese von Bedeutung. Ein verlangsamter Blutfluss findet sich generalisiert bei Immobilisierung oder fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Auch eine lokale Strömungsverlangsamung, wie sie beispielsweise in varikös erweiterten Gefäßen vorkommt, kann die Entstehung von Thrombosen begünstigen. In den letzten Jahren wird einer gesteigerten Gerinnbarkeit des Blutes ein zunehmender Stellenwert in der Pathogenese von Thrombosen eingeräumt. Eine Hyperkoagulabilität kann durch eine erhöhte Aktivität von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren oder eine verminderte Fibrinolyse bedingt sein. Die entsprechenden Störungen sind entweder angeboren oder erworben. Die angeborenen Thrombophilien wurden bereits ausführlich in Kap. 8 dargestellt. Nachfolgend wird auf die Thrombogenität einiger internistischer Krankheitsbilder eingegangen, bei denen erworbene Gerinnungsstörungen hauptverantwortlich für die pathophysiologischen Abläufe der Thromboseentstehung gemacht werden.
10 Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder B. Linnemann, E. Lindhoff-Last
Venöse Thrombosen treten bei hospitalisierten internistischen Patienten mit einer Häufigkeit von etwa 16–54% auf. Das Risiko ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und ist insbesondere erhöht bei malignen Tumorerkrankungen, bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien III-IV), bei akuten systemischen Infektionen und Sepsis und bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der Colitis ulcerosa oder dem Morbus Crohn. Auch eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit und ein nephrotisches Syndrom gehen mit einem gesteigerten Thromboserisiko einher. Eine vorbestehende Adipositas und Varikosis prädisponieren ebenfalls zu venösen Thrombosen (Geerts et al. 2001). Ein bedeutsamer Risikofaktor ist auch das Lebensalter. Während Thrombosen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 30 pro 100.000 Personen auftreten, beträgt die jährliche Inzidenz bei über 70-jährigen Personen 300–500 pro 100.000 Personen. Folglich kommt es im Laufe des Lebens zu einer mehr als Verzehnfachung des venösen Thromboembolierisikos (White 2003). Im Folgenden wird auf spezielle Pathomechanismen einzelner Krankheitsbilder eingegangen, bei denen gehäuft venöse Thrombosen auftreten.
Maligne Erkrankungen Venöse Thromboembolien sind eine häufige Komplikation maligner Erkrankungen. Bereits 1865 wies Trousseau auf die Assoziation von Tumorkrankheiten und venösen Thrombosen hin. Bei Vorliegen eines Malignoms ist das Thromboserisiko 2- bis 10fach erhöht. Das Risiko des einzelnen Patienten ist abhängig von Tumorart, Tumorstadium und Therapieform. Ausgedehnte Tumorprozesse können durch Kompression der umgebenden Strukturen zu einer venösen Abflussbehinderung führen. Tumoroperationen sind grundsätzlich von einem höheren Thromboserisiko begleitet als andere Operationen, insbesondere wenn es sich um ausgedehnte abdominal-chirurgische Operationen handelt. Eine verlängert (über 4 Wochen) durchgeführte postoperative medikamentöse Prophylaxe senkt das Thromboserisiko bei Tumorpatienten signifikant (Rasmussen 2002). Auch eine parenterale Ernährung, Transfusionen oder die Applikation von Chemotherapeutika über ZVK oder Port-System erhöhen das Thromboserisiko von Tumorpatienten. Symptomatische thrombotische Komplikationen kommen dabei in 0,3–28,3% der Fälle vor. Häufiger noch findet man bei Entfernung des Katheters eine Manschette aus Fibrin und Kollagen
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10
Teil II · Pathophysiologie
um den Katheter herum, die nicht nur die Entstehung von Thrombosen, sondern auch von Infektionen und septischen Komplikationen begünstigt (Verso u. Agnelli 2003). Die Entstehung der Katheterthrombosen ist in der Regel multifaktoriell. Der Endothelschaden durch die Gefäßpunktion, die Beeinflussung der Blutströmung durch den im Gefäßlumen platzierten Katheter und die tumorassoziierte Hyperkoagulabilität sind hier von Bedeutung (Verso u. Agnelli 2003). Die Applikation von Chemotherapeutika oder eine lokale Strahlenbehandlung schädigen das Endothel zusätzlich. Auch eine Hormonbehandlung (z. B. Tamoxifen bei Mammakarzinom) steigert das Risiko venöser Thrombosen. Alter, Immobilisation und andere Komborbiditäten sind zusätzliche Risikofaktoren wie bei auch bei Patienten ohne Tumoren. Die Prävalenz venöser Thrombosen bei Karzinompatienten liegt zwischen 5 und 60% in Abhängigkeit von der Tumorart (Sutherland et al. 2003). Die stärkste Assoziation mit venösen Thrombosen zeigen das Pankreaskarzinom, das Ovarialkarzinom und maligne Hirntumoren. Berücksichtigt man zusätzlich die Prävalenz der verschiedenen Malignome, so findet man in Zusammenhang mit venösen Thrombosen am häufigsten Mamma-, Kolon- und Bronchialkarzinome (Lee u. Levine 2003). Aufgrund des erhöhten Thromboserisikos werden heutzutage eine individuelle Risikoeinschätzung und ggf. eine medikamentöse Thromboseprophylaxe in Risikosituationen als indiziert angesehen. Bei maligner Grunderkrankung sind proximale und Mehretagenthrombosen häufiger als bei Patienten ohne Malignom. Auch Komplikationen wie eine Progression der Thrombose trotz adäquater Behandlung oder tödliche Lungenembolien sind bei Karzinompatienten häufiger. Zudem liegt das Rezidivrisiko nach thromboembolischem Erstereignis bei Tumorpatienten etwa 3fach höher im Vergleich zu Patienten ohne Malignom (Lee u. Levine 2003). Das Auftreten thrombotischer Komplikationen deutet insgesamt auf eine ungünstige Prognose des weiteren Krankheitsverlaufs hin. Oft liegt in diesen Fällen ein fortgeschrittenes oder metastasiertes Tumorstadium vor (Sorensen et al. 2000; Bura et al. 2004; Lee 2003). Ein thromboembolisches Ereignis tritt jedoch nicht nur als sekundäre Komplikation bei Tumorerkrankungen auf, sondern kann auch Erstmanifestation einer malignen Erkrankung sein. Insbesondere bei idiopathischen Thrombosen, rezidivierenden oder beidseitigen Thrombosen, einer Thromboselokalisation im Oberschenkel- oder Beckenbereich und bei einem Patientenalter über 50 Jahre sollte auch an die Möglichkeit einer malignen Grunderkrankung gedacht werden (Bura et al. 2004). Bei idiopathischer Thrombose besteht eine etwa 10%ige Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre an einem Malignom zu erkranken, wobei das Risiko innerhalb der nächsten 6–12 Monate am größten ist. Aus diesem Grund sollten anlässlich einer idiopathischen Venenthrombose auch ein Tumor-Screening durchgeführt bzw. die empfohlenen Krebsvorsorgeuntersuchungen aktualisiert werden. Ob ein solches Screening und eine frühzeitige Therapie die Prognose der Patienten zu verbessern vermag, ist jedoch umstritten (Sutherland et al. 2003). Tumorassoziierte Hämostasestörungen sind in über 90% der Tumorpatienten nachweisbar. Diese können eine Blutungsneigung bei Tumorpatienten, aber auch ein erhöhtes Thromboserisiko mit sich bringen. Eine vermehrte Thromboseneigung wird erklärt durch eine von Tumorzellen vermittelte Gerinnungsaktivierung. Verschiedene Pathomechanismen sind hier von Bedeutung: Thrombozytenaktivierung: Tumorpatienten weisen oft eine mäßige Thrombozytose auf. Auch lassen sich erhöhte Marker der Thrombozytenaktivierung nachweisen wie PF4, CD62 und CD63 (Lee 2002). Es ist bekannt, dass Tumorzellen regelmäßig Mem-
61 Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
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branglykolipide in das Gefäßsystem abgeben, die eine Thrombozytenaktivierung und -aggregation auslösen. Diese Vorgängen sind auch von Bedeutung bei Metastasierungsvorgängen: Eine Aggregation von Thrombozyten um Tumorzellen herum behindert normale Abwehrmechanismen des Körpers gegen Tumorzellen und erleichtert zusätzlich durch von den aktivierten Thrombozyten ausgeschiedene Wachstumsfaktoren Vorgänge wie Migration in andere Gewebe sowie die Angiogenese in Tumor und Metastasen. Expression inflammatorischer Zytokine: Im Rahmen von Tumorerkrankungen werden vermehrt inflammatorische Zytokine (z. B. IL-1, TNF-D, VEGF) durch aktivierte Makrophagen und T-Zellen freigesetzt als Reaktion auf tumorspezifische Antigene, Immunkomplexe und Endotoxine. Neben der Vermittlung von Inflammation haben diese auch Einfluss auf das Hämostasesystem. Sie induzieren beispielsweise die Expression von Tissue Factor, aktivieren Thrombozyten und setzen die Protein-C-Aktivität herab, Letzteres durch verminderte Expression von Thrombomodulin und Protein-C-Rezeptoren auf der Endothelzelloberfläche. Im Rahmen der induzierten Akute-Phase-Antwort sind auch Fibrinogen und Faktor VIII erhöht. Es resultiert eine erhöhte Thrombogenität des Blutes. Zusätzlich haben die Zytokine Einfluss auf Endothelfunktion, Tumorzellwachstum und Metastasierung (Lee 2002). Produktion von sog. Tumorprokoagulanzien: Tissue Factor (TF), der primäre Initiator der extrinsischen Gerinnungskaskade, wird physiologischerweise von Fibroblasten der vaskulären Adventitia gebildet. Bei verschiedenen Malignomen hingegen wird Tissue Factor auch von Makrophagen und Endothelzellen exprimiert. Tissue Factor weist Homologien zu Mitgliedern der Zytokin-Rezeptor-Superfamilie auf. Es wird daher vermutet, dass vermehrt ausgeschüttete Zytokine wie Interleukin-1 und Tumor-Nekrose-Faktor-D diese »aberrante« Expression von Tissue Factor induzieren. Mit der vermehrten Expression von Tissue Factor steigt das Thromboserisiko von Tumorpatienten. Als weiteres Tumorprokoagulans gilt der sog. Faktor-X-Aktivator (Cancer Procoagulant CP), eine Zysteinprotease, die ausschließlich in malignen oder embryonalen Geweben exprimiert wird und physiologischerweise beim Erwachsenen nicht nachweisbar ist. Cancer Procoagulant vermag Faktor X in Abwesenheit von Faktor VII direkt zu aktivieren. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Cancer Procoagulant zusätzlich auch eine Thrombozytenaktivierung auslöst (Sutherland et al. 2003; Lee 2002). Ausdruck der beschriebenen tumorassoziierten Hyperkoagulabilität sind laborchemische Veränderungen wie Thrombozytose, erhöhte Spiegel von Gerinnungsfaktoren (Fibrinogen, Tissue Factor, Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor) und erhöhte Aktivitätsmarker der plasmatischen Gerinnung wie Prothrombinfragmente 1+2 sowie Thrombin-AntithrombinKomplexe (TAT) (Lee 2002). Auch Fibrinabbauprodukte wie D-Dimere als Hinweis für eine reaktiv gesteigerte Fibrinolyse sind nahezu regelmäßig nachweisbar. Die Konzentration dieser Marker korreliert zudem häufig mit dem Ausbreitungsstadium des jeweiligen Tumors (Sutherland et al. 2003). Nach heutigem Kenntnisstand spielt die Aktivierung der Blutgerinnung durch den Tumor nicht nur bezüglich des Thromboserisikos, sondern auch bei Tumorwachstum und Metastasierung eine wesentliche Rolle. Die einzelnen Pathomechanismen sind noch nicht im Detail bekannt. Eine Schlüsselrolle spielen dabei das Thrombin und der Tissue Factor. Beide sind nicht nur Bestandteil der plasmatischen Gerinnungskaskade, sondern fördern
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Teil II · Pathophysiologie
Inflammatorische Faktoren
Angiogenese
Extrinsische Faktoren
Patient
Gerinnung
Tumor
Metastasierung
Prokoagulatorische Faktoren ⊡ Abb. 10.1. Mechanismen der Thrombogenese bei Tumorpatienten. (Nach Lee 2002)
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zusätzlich die Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung. So spielt Tissue Factor eine Rolle in der zellulären Signalübertragung und ist durch Stimulation der Expression von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) für die Angiogenese von Bedeutung (Sutherland et al. 2003; Lee 2002). Thrombin bindet an seinen Rezeptor PAR-1 (proteaseaktivierbarer Rezeptor), induziert einerseits die vermehrte Expression von Tissue Factor und ermöglicht andererseits über Adhäsionsfaktoren wie Selektine und Integrine die Migration von Zellen durch die endotheliale Barriere von Gefäßen – eine unabdingbare Voraussetzung für eine Metastasierung (⊡ Abb. 10.1).
Sepsis und Infektion Eine Aktivierung der Blutgerinnung ist ein häufiges Phänomen bei schweren systemischen Infektionen. In Folge treten gehäuft thrombotische Komplikationen auf. Diese können sich als venöse Thrombosen oder im Extremfall auch als disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) manifestieren. Nahezu regelhaft sind bei septischen Patienten Marker einer erhöhten Gerinnungsaktivität nachweisbar. Über die Häufigkeit venöser Thromboembolien bei Infektionen und Sepsis finden sich kaum Angaben in der Literatur. Bei internistischen intensivmedizinischen Patienten ohne Thromboembolieprophylaxe werden venöse Thrombosen durchschnittlich in etwa 30% der Fälle gefunden. Ein erhöhtes Thromboserisiko ist unter anderem für Patienten mit HIV-Infektion (Fultz et al. 2004), Malaria (Hemmer et al. 1991) und schwere Fälle von Mykoplasmenpneumonie (Mulder u. Spierings 1987) beschrieben. Bei Patienten mit HIV-Infektion kann es bei 10–50% der Fälle zu einem erworbenen Mangel an Protein C und/oder Protein S kommen, der ursächlich sehr wahrscheinlich an der erhöhten Thromboseinzidenz dieser Patienten beteiligt ist (Erbe et al. 2003). In einer Fallkontrollstudie ließ sich bei Patienten mit venöser Thromboembolie häufiger eine Sero-
63 Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
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positivität für Chlamydia pneumoniae nachweisen (Emmerich 2002). Auch gibt es Berichte über das Auftreten von Thromboembolien in Zusammenhang mit akuten Zytomegalievirus-(CMV-)Infektionen. Nur in einem Teil dieser Fälle lag zusätzlich eine Immundefizienz vor infolge einer HIV-Infektion oder einer Behandlung mit Immunsuppressiva nach Transplantation (Bauduer et al. 2003; Kazory et al. 2004). Neben systemischen Infektionen können auch lokale Infektionen zu thrombotischen Komplikationen prädisponieren. Hier sind vor allem die tiefen, oft septischen Venenthrombosen bei i.v.-Drogenabusus anzuführen. Am häufigsten ist die V. femoralis communis betroffen, oftmals findet sich in diesem Bereich zusätzlich eine Weichteilinfektion bzw. Abszedierung. Häufigster Erreger in diesen Fällen ist Staphylococcus aureus. Schwerwiegende Komplikationen sind septische Embolien und Endokarditis (Fäh et al. 2002). Neben einer allgemeinen Gerinnungsaktivierung im Rahmen lokaler oder systemischer Infektionen sind eine Immobilisierung der Patienten, eine generelle Verlangsamung des Blutflusses infolge peripherer Vasodilatation und Hypotension sowie eine eventuelle parenterale Ernährung und Medikamentenapplikation über zentralvenöse Katheter für die Thrombogenese von Bedeutung. Das Ausmaß der Gerinnungsaktivierung ist von der Intensität der Entzündung direkt abhängig. Das C-reaktive Protein (CRP) als Marker der Akut-Phase-Reaktion zeigt eine positive Korrelation mit Markern der Gerinnungsaktivierung, zu denen die Thrombin-Antithrombin-Komplexe (TAT) und die Prothrombinfragmente 1+2 gehören. Als Ausdruck einer Akut-Phase-Antwort finden sich in der Regel erhöhte Spiegel von Fibrinogen, Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor. Außerdem wird vermehrt Tissue Factor exprimiert. Einerseits vermag CRP in Monozyten rezeptorabhängig die Synthese von Tissue Factor zu induzieren. Andererseits können Endothelzellen und aktivierte Monozyten auf ihrer Oberfläche Tissue Factor exprimieren, wenn sie durch Endotoxin, bakterielle Peptidoglykane oder inflammatorische Zytokine wie TNF-D, IL-1 oder IL-6 aktiviert werden (Bernard et al. 2001). Tissue Factor ist der Initiator der extrinsischen plasmatischen Gerinnung. Ausgelöst durch Endotoxin, kommt es außerdem zu einer Kontaktaktivierung des intrinsischen Gerinnungssystems, an der Faktor XII und High-molecular-weight-Kininogen beteiligt sind. Auf der anderen Seite sind physiologische Gerinnungsinhibitoren wie Antithrombin und Protein C bei Sepsis vermindert nachweisbar. Die Ursache hierfür ist in einer verminderten Lebersyntheseleistung, einem Verlust in den Extravasalraum infolge gesteigerter Gefäßpermeabilität sowie einem erhöhten Verbrauch zu sehen. Außerdem inhibieren Zytokine wie TNF-D und IL-1 die Expression von Thrombomodulin in Endothelzellen, was einen Abfall von aktiviertem Protein C zur Folge hat. Ein Abfall von Antithrombin oder von aktiviertem Protein C ist mit einer ungünstigeren Prognose assoziiert. Inzwischen konnte gezeigt werden, dass die Substitution von aktiviertem Protein C bei einer Sepsis die Letalität senken kann und dies unabhängig vom auslösenden Erreger (PROWESS-Studie; Bernard et al. 2001). Während sich in der Frühphase der Sepsis eine gesteigerte Fibrinolyse durch vermehrte Freisetzung von Tissue-type Plaminogen-Aktivator (tPA) nachweisen lässt, kommt es im weiteren, vermittelt über Zytokine und Thrombin, zu einer vermehrten Freisetzung von Plasminogenaktivatorinhibitor 1 (PAI-1) und thrombinaktivierbarem Fibrinolyseinhibitor (TAFI). Folge ist eine Hemmung der Fibrinolyse. Zusammenfassend führen vor allem die Endotoxinämie und die Freisetzung inflammatorischer Zytokine zu einer Aktivierung des Hämostasesystems. Es resultiert eine erhöhte Thrombogenität mit vermehrtem Auftreten thrombotischer Komplikationen bei systemischen Infektionen und Sepsis.
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Teil II · Pathophysiologie
Chronisch-entzündliche Erkrankungen
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Nicht nur akute Infektionen, wie oben ausgeführt, sondern auch chronisch-entzündliche Krankheitsbilder sind mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen behaftet. Eine vermehrtes Auftreten von Thrombosen wurde für die Colitis ulcerosa bereits 1936 beschrieben (Bargen u. Baker 1936; Hüppe et al. 1988). Die Prävalenz thromboembolischer Ereignisse bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung wird mit 6,2% angegeben. Das Risiko ist damit etwa 3,6fach höher als bei gesunden Kontrollpersonen (Miehsler et al. 2004). Die erhöhte Thrombogenität wird vor allem auf den Einfluss inflammatorischer Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor-D und Interleukin-1 auf das Hämostasesystem zurückgeführt. Diese induzieren unter anderem eine vermehrte Expression von Tissue Factor auf Endothelzellen und aktivierten Monozyten. Außerdem wird die Expression von Thrombomodulin auf der Oberfläche von Endothelzellen inhibiert mit der Folge eines Abfalls von aktiviertem Protein C. Daneben kann eine Hyperhomozysteinämie zu einem erhöhten Thromboserisiko beitragen. Eine Hyperhomozysteinämie findet sich gehäuft bei Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und ist vermutlich durch einen Mangel an Folsäure und anderen Vitaminen bedingt. Es konnte gezeigt werden, dass sich die erhöhte Homozysteinspiegel durch Gabe von Folsäure, Pyridoxin (Vitamin B6) und Cobalamin (Vitamin B12) senken lassen (Cattaneo et al. 1998). Ob eine solche Substitution Einfluss auf das Thromboserisiko hat, ist jedoch unklar. Für die rheumatoide Arthritis (RA) ist ebenfalls ein erhöhtes Thromboserisiko beschrieben, insbesondere in Assoziation mit dem Vorhandensein von Antikardiolipinantikörpern, die bei der RA in etwa 15% der Fälle auftreten (Seriolo et al. 1999; Merkel et al. 1996). Zusätzlich finden sich häufig erniedrigte Protein-S-Spiegel. Die Prävalenz venöser Thromboembolien bei RA wird in der Literatur mit 3,8% angegeben (MIehsler et al. 2004). Eine Assoziation von Antiphospholipidantikörpern mit einem erhöhten Thromboserisiko findet sich auch bei Kollagenosen wie dem systemischen Lupus erythematodes. Hier sind sowohl der Nachweis von Lupusantikoagulans als auch der Nachweis von Antikardiolipinantikörpern mit einem deutlich erhöhten Thromboserisiko assoziiert (Somers et al. 2002).
Herzinsuffizienz Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist das Risiko sowohl für arterielle als auch für venöse Thromboembolien erhöht. Bislang lag das Hauptaugenmerk hauptsächlich auf den arteriellen Thromboembolien. Es wird aber geschätzt, dass etwa 16% aller Patienten mit einer Herzinsuffizienz in den Stadien NYHA III-IV auch venöse thromboembolische Komplikationen erleiden (Geerts et al. 2001). In einer Autopsiestudie wurden bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie in nahezu 40% der Fälle abgelaufene Lungenembolien gefunden (Roberts et al. 1987). In einer retrospektiven Fallkontrollstudie zeigte sich, dass ambulante herzinsuffiziente Patienten ein etwa 2,6fach erhöhtes Thromboembolierisiko im Vergleich zu Patienten mit normaler linksventrikulärer Funktion aufweisen. Je schwerer die Herzinsuffizienz und je niedriger die Ejektionsfraktion, desto höher ist das venöse Thromboembolierisiko (Howell et al. 2001). Pathophysiologisch von Bedeutung sind einerseits eine Verlangsamung der Blutflussgeschwindigkeit, andererseits Verwirbelungen an sog. Rezirkulationszonen wie Venenklappen, Gefäßgabelungen oder Kalibersprüngen. Die Herzinsuffizienz geht außerdem
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mit einer Hyperkoagulabilität einher, die sich im Wesentlichen durch eine endotheliale Dysfunktion erklären lässt. Das im Endothel synthetisierte NO wirkt ebenso wie Prostazyklin antiaggregatorisch auf Thrombozyten und hat zusätzliche vasodilatierende Eigenschaften. Eine Endotheldysfunktion geht zum einen mit verminderter NO-Synthese und erhöhter Thrombogenität des Endothels einher, zusätzlich lassen sich erhöhte Endothelinund Angiotensin-II-Spiegel nachweisen. Beide sind starke Vasokonstriktoren, erhöhen den peripheren Widerstand und drosseln die Perfusion der Peripherie. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind außerdem erhöhte Spiegel für von-Willebrand-Faktor (vWF) und Fibrinogen nachweisbar. Der vWF ist ein im Subendothel lokalisierter Mediator der Thrombozytenaktivierung. Durch Bindung an den thrombozytenständigen Rezeptor (GPIb/V/IX) erfolgt die Thrombozytenadhäsion und -aktivierung. Darüber hinaus führen auch proinflammatorische Zytokine, wie der häufig im Plasma chronisch herzinsuffizienter Patienten nachgewiesene Tumor-Nekrose-Faktor-D, zu einer Aktivierung der plasmatischen Gerinnung. Die Thrombogenität erhöht sich zusätzlich bei Vorliegen einer hereditären Thrombophilie. Neuere Studien (MEDENOX, PRINCE) konnten zeigen, dass bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien III und IV) eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin das erhöhte Thromboembolierisiko signifikant senken kann. Inzwischen wird eine Thromboembolieprophylaxe sowohl in einem europäischen Consensus Statement (Nicolaides et al. 2001) als auch von der 6. Consensus Conference der ACCP (Geerts et al. 2001) zumindest für stationär behandlungsbedürftige Patienten mit einer Herzinsuffizienz empfohlen.
Nephrotisches Syndrom Das nephrotische Syndrom ist definiert durch das Auftreten einer Proteinurie >3,5 g pro 1,73 m² Körperoberfläche in 24 h, einer Hypoalbuminämie, von Ödemen und einer Hyperlipidämie. Es tritt im Rahmen von primären Glomerulonephritiden auf, aber auch sekundär bei anderen Glomerulopathien, wie sie im Rahmen von Kollagenosen, Vaskulitiden, Malignomen, einer Amyloidose oder einem Diabetes mellitus vorkommen. Das nephrotische Syndrom geht mit einer besonders hohen Thromboseinzidenz einher. Bei Erwachsenen wird eine Häufigkeit thromboembolischer Komplikationen von bis zu 40% angegeben (Orth u. Ritz 1998). Am häufigsten finden sich Nierenvenenthrombosen (bei der membranösen GN in 20–30% der Fälle) sowie Thrombosen in den Becken- und Beinvenen. Nur ein Teil dieser Patienten ist symptomatisch. Wesentlich seltener hingegen sind arterielle Thrombosen (Lee et al. 2000). Sie sind aber wegen ihrer möglichen schweren klinischen Folgen wie Myokardinfarkt und Hirninfarkt von besonderer Bedeutung. Die erhöhte Thromboseneigung wird auf einen Zustand der Hyperkoagulabilität zurückgeführt. Diese ist bedingt durch erhöhte Spiegel von Fibrinogen, Faktor V und Faktor VIII, einen Mangel an Antithrombin (aufgrund eines renalen Verlustes), eine erhöhte Thrombozytenzahl und -aggregation, eine erhöhte Blutviskosität infolge Hypovolämie und eine Hypoalbuminämie (Orth u. Ritz 1998; Lee et al. 2000). Zusätzlich haben immunologische Vorgänge im Glomerulum selbst einen Einfluss auf die Gerinnung. Aus diesem Grund treten Nierenvenenthrombosen besonders häufig bei Patienten mit einer membranösen oder fokal-segmental sklerosierenden Glomerulophritis auf (Sester et al. 1998). Neben der Hyperkoagulabilität erhöhen der Einsatz von Diuretika und Glukokortikoiden, eine krankheitsbedingte Immo-
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Teil II · Pathophysiologie
bilisierung und die Verwendung von Venenkathetern das Thromboserisiko (Lee et al. 2000). Die genauen Pathomechanismen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Bei der Behandlung thrombotischer Komplikationen sind bevorzugt Cumarinderivate einzusetzen. Beim Einsatz von Heparinen ist zu beachten, dass bei einem Antithrombinmangel die Heparinwirkung abgeschwächt sein kann.
Terminale Niereninsuffizienz
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Blutungskomplikationen bei chronischer Niereninsuffizienz sind seit längerem bekannt. Eine gestörte Thrombozytenfunktion, die nur teilweise durch Hämodialyse korrigiert werden kann, wird in erster Linie für Blutungskomplikationen verantwortlich gemacht. Aber auch eine Hyperkoagulabilität kann bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz bestehen und zu thromboembolischen Komplikationen prädisponieren. Die Prävalenz von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien wird für chronisch niereninsuffiziente Patienten mit 12–22% angegeben. Etwa 6% aller Todesfälle im stationären Bereich bei niereninsuffizienten Patienten sind auf eine Lungenembolie zurückzuführen. Häufig sind auch Thrombosen im Bereich des Hämodialyseshunts, wobei das Risiko bei synthetischen Grafts höher ist als bei nativen Shunts. Endothelschäden bei Shuntanlage, durch turbulenten Blutfluss und infolge häufiger Gefäßpunktionen sowie eine mit der Hämodialyse assoziierte Thrombozytenaktivierung sind Trigger für neointimale Proliferation und Thromboseentstehung. In einer Untersuchung an Patienten mit Shuntthrombosen konnten Lungenembolien szintigraphisch in 35–59% der Fälle verifiziert werden, wovon ein Großteil asymptomatisch blieb. Das normale Endothel sezerniert eine Reihe von Faktoren, die antikoagulatorisch wirken, wie Prostazyklin, Stickstoffmonoxid, Tissue Plasminogen Aktivator (TPA), und exprimiert Heparansulfat und Thrombomodulin auf seiner Oberfläche. Eine Endothelschädigung geht mit einer vermehrten Freisetzung von von-Willebrand-Faktor (vWF) und konsekutiver Thrombozytenaktivierung einher. Außerdem werden vermehrt Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1) und Tissue Factor freigesetzt, was eine Aktivierung der plasmatischen Gerinnung zur Folge hat. In neueren Arbeiten ließ sich für Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz eine endotheliale Dysfunktion nachweisen. Der endothelialen Dysfunktion wird vor allem eine Rolle bei der Pathogenese der Atherosklerose und arterieller thrombotischer Komplikationen zugeschrieben. Bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz lassen sich Marker einer aktivierten Gerinnung nachweisen wie Fibrinogen, D-Dimere, Prothrombinfragmente 1 und 2, Thrombin-Antithrombin-Komplexe (TAT). Da diese Marker im Vergleich von Dialysezu Nichtdialysepatienten erhöht sind, wird vermutet, dass die Dialyseprozedur zu einer Gerinnungsaktivierung führt. Neben erhöhten thrombotischen Markern sind auch Marker einer gesteigerten Fibrinolyse wie TPA und Plasmin-Antiplasmin-Komplexe (PAP) erhöht. Häufig ist die Aktivität von Protein C bei Patienten mit Niereninsuffizienz herabgesetzt. Eine Erhöhung inflammatorischer Parameter wie Tumor-Nekrose-Faktor-D (TNF-D) oder Interleukin-6 (IL-6) kann ebenfalls nachgewiesen werden und zum erhöhten Thromboembolierisiko beitragen (Casserly u. Dember 2003).
67 Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
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Hämatologische Erkrankungen Blutungen und Thrombosen sind häufige Komplikationen myeloproliferativer Erkrankungen. Sie kommen bei etwa zwei Dritteln der betroffenen Patienten vor (Bermejo et al. 2004). Die Polycythaemia vera und die essentielle Thrombozytose gehen mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose, Viszeralvenenthrombose) und arterielle Thrombosen (Schlaganfall, Myokardinfarkt, peripherer arterieller Verschluss) einher (Bachleitner-Hofmann et al. 2003), während das Thromboserisiko für die chronisch myeloische Leukämie als gering eingeschätzt wird (Bermejo et al. 2004). Für die Entstehung von Thrombosen werden einerseits eine erhöhte Blutviskosität infolge der vermehrten zellulären Blutbestandteile verantwortlich gemacht, was Veränderungen der Blutströmung zur Folge hat. Zusätzlich lassen sich auch eine Thrombozytenaktivierung und -funktionsstörung nachweisen. Eine Studie zur Thrombozytenfunktion bei myeloproliferativen Erkrankungen fand am häufigsten eine verminderte Aggregation in In-vitro-Tests auf Agonisten wie ADP und Epinephrin. Außerdem konnten eine erhöhte Sekretion von alpha- und lysosomalen Granula sowie eine vermehrte Expression von Fibrinbindungsstellen auf dem GPIIb/IIIa-Komplex nachgewiesen werden als Zeichen einer gesteigerten Thrombozytenaktivität (Bermejo et al. 2004). Bei der Polycythaemia vera konnte unlängst eine gesteigerte Thromboxansynthese nachgewiesen werden. Die thromboxanabhängige Thrombozytenaktivierung ist in Folge gesteigert. Eine Behandlung mit Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) kann das arterielle und venöse Thromboembolierisiko von Patienten mit Polycythaemia vera signifikant senken (Landolfi et al. 2004). Zum Einsatz von oralen Antikoagulanzien in der Sekundärprävention thrombotischer Ereignisse bei Polycythaemia vera existieren kaum Daten in der Literatur. In einer retrospektiven Analyse eines kleinen Patientenkollektivs konnte gezeigt werden, dass das Rezidivrisiko für thrombotische Komplikationen trotz OAK hoch zu sein scheint (Bermejo et al. 2004). Bei der essentiellen Thrombozytose kommen neben einem erhöhten Thromboserisiko auch vermehrt Blutungskomplikationen vor infolge einer gestörten Thrombozytenfunktion. Die Prävalenz thrombotischer Ereignisse bei Patienten mit essentieller Thrombozytose wird mit etwa 50% angegeben (Schafer 2004). Ob auch eine sekundäre oder reaktive Thrombozytose das Thromboserisiko erhöht, ist umstritten. Patienten mit essentieller Thrombozytose weisen häufig einen gestörten Arachidonsäuremetabolismus bzw. eine abnorme Antwort auf Agonisten auf. Bei Patienten mit Thrombose und Thrombozytose konnte neben einer Thrombozytenaktivierung in szintigraphischen Untersuchungen auch ein erhöhter Thrombozytenumsatz mit verkürzter Lebensdauer nachgewiesen werden (Rinder et al. 1998). Ähnlich wie Erythrozyten weisen junge Thrombozyten einen erhöhten RNA-Gehalt auf (retikuläre Thrombozyten). Der Anteil retikulärer Thrombozyten kann mittels Durchflusszytometrie bestimmt werden. Aus tierexperimentellen Untersuchungen weiß man, das retikuläre Thrombozyten funktionell am aktivsten sind. Ein erhöhter Anteil weist auf einen gesteigerten Thrombozytenumsatz hin. Bei Patienten mit Thrombozytose und Thrombose ist der Anteil retikulärer Thrombozyten höher als bei Patienten mit Thrombozytose ohne Thrombose oder bei Gesunden. Der erhöhte Thrombozyten-Turnover scheint ein Prädiktor für das Auftreten von Thrombosen zu sein. Durch niedrigdosierte Acetylsalicylsäure lassen sich bei Patienten mit Thrombozytose der Thrombozytenumsatz und das Thromboserisiko wirkungsvoll senken (Schafer 2004; Rinder et al. 1998).
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Teil II · Pathophysiologie
Fragen zu Kapitel 6–10: Pathophysiologie Kapitel 6: Gerinnungskaskade 1. Welche der folgenden Reaktionen wird der sekundären Hämostase zugerechnet? A. Vasokonstriktion B. Thrombozytenaggregation C. plasmatische Gerinnung D. Fibrinolyse E. Thrombusorganisation 2. Welcher der folgenden Faktoren gehört nicht zu den physiologischen Gerinnungsinhibitoren? A. Antithrombin B. Protein C C. Protein S D. Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) E. Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1)
Kapitel 7: Virchow-Trias 3. Welcher der unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefassten Faktoren ist für die Entstehung venöser Thrombosen am wichtigsten? A. Veränderung der Blutströmung B. Veränderung der Blutzusammensetzung C. Veränderung der Gefäßwand D. Bei der Thrombogenese handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, sodass nicht ein einzelner Faktor, sondern mehrere zusammenkommen müssen, um die Entstehung einer venösen Thrombose zu erklären. E. Keine der Antworten trifft zu. 4. Welche Aussage trifft für die venöse Thrombose nicht zu? A. Der venöse Thrombus ist ein sog. Gerinnungsthrombus. B. Der venöse Thrombus ist in der Regel thrombozytenreich. C. Eine Strömungsverlangsamung ist ein wesentlicher pathogenetischer Faktor. D. Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen. E. Venöse Thrombosen gehen mit einem hohen Embolierisiko einher.
Kapitel 8: Hereditäre Thrombophilie 5. Welche der folgenden Aussagen trifft zu? A. Die Einnahme oraler Kontrazeptiva bedeutet für Frauen mit APC-Resistenz eine etwa 35fache Risikoerhöhung für venöse Thrombose. B. Die Prothrombinmutation hat einen etwa um 30% erniedrigten Prothrombinspiegel zu Folge. ▼
69 Kapitel 6–10 · Fragen
6–10
C. Der Antithrombinmangel ist die häufigste hereditäre thrombophile Gerinnungsstörung. D. Beim Protein-C-Mangel besteht die Therapie in einer Vitamin-C-Substitution. E. Die Protein-S-Spiegel sind während einer Schwangerschaft erhöht. 6. Welcher Befund gehört nicht zu den Kriterien, die ein Antiphospholipidsyndrom definieren? A. arterielle Thrombose B. venöse Thrombose C. Thrombozytopenie D. wiederholte Spontanaborte E. Nachweis von Lupusantikoagulans
Kapitel 9: Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin 7. Welche Aussagen zum postoperativen Thromboserisiko trifft nicht zu? A. Postoperativ kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion zytokinvermittelt zu einer Gerinnungsaktivierung. B. Das Thromboserisiko ist besonders hoch bei orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten. C. Das Thromboserisiko ohne Thromboembolieprophylaxe liegt in Abhängigkeit vom chirurgischen Eingriff zwischen 20 und 80%. D. Zu den wirksamen Maßnahmen der Thromboembolieprophylaxe gehören Krankengymnastik und Frühmobilisation. E. Eingriffe in Rückenmarksanästhesie gehen mit einem höheren Thromboserisiko einher als Operationen unter Intubationsnarkose. 8. Welches ist kein prädisponierender Risikofaktor für venösen Thrombosen? A. In der Vergangenheit abgelaufene Thromboembolie B. Thrombozytopenie C. Thrombophilie D. Thrombozythämie E. Herzinsuffizienz
Kapitel 10: Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder 9. Bei idiopathischer Venenthrombose beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre an einem Malignom zu erkranken ... A. 0,1% B. 1,0% C. 10% D. 50% E. 100% ▼
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Teil II · Pathophysiologie
10. Welche der folgenden Aussagen zur Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III und IV trifft nicht zu? A. Das Risiko für arterielle Thromboembolien ist erhöht. B. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist erhöht. C. Eine endotheliale Dysfunktion bedingt eine Hyperkoagulabilität. D. Eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe senkt das Thromboserisiko nachweislich. E. Je höher die Ejektionsfraktion, desto höher das Thromboserisiko.
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Teil II · Pathophysiologie
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III
Teil III Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin Kapitel 11
Historische Entwicklung
– 74
Kapitel 12
Neuere Ansätze
– 79
Kapitel 13
Aktuelle Studienergebnisse
– 84
Kapitel 14
Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers
– 89
11 Historische Entwicklung K. Kröger
Die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe wurde über lange Jahre vorwiegend in den operativen Fächern diskutiert. So gibt es eine Vielzahl von Studien, die schließlich zu anerkannten Konzepten der Thromboseprophylaxe geführt haben. In den nichtoperativen Fächern gewann das Thema Thromboseprophylaxe scheinbar erst in den letzten 10 Jahren an Bedeutung. Dies ist um so mehr unverständlich, da die ersten Studien zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin ebenfalls bereits Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts publiziert wurden. Mit der 1958 beschriebenen Möglichkeit, menschliche Eiweiße mit radioaktivem 125Jod zu markieren, wurde wenig später der Radiofibrinogentest eingeführt (McFarlane 1958). Durch die Verwendung des markierten Fibrinogens war es erstmals möglich, die Thrombusentstehung im Körper bereits im Frühstadium zu detektieren. 1971 erschienen relativ zeitgleich mehrere Studien an Patienten mit Herzinfarkt ohne antikoagulative Therapie, die bei 30–40% aller Patienten mit einem akuten Infarkt eine Fibrinogenanreicherung in den Unterschenkel beschrieben (Maurer et al. 1971; Negus et al. 1968; Murray et al. 1970). Diese Fibrinogenanreicherung wurde als Hinweis auf eine Thrombusbildung gewertet. Mehr als 50% dieser Thrombosen traten bereits in den ersten 72 h nach Infarktmanifestation auf und weniger als 25% nach mehr als 6 Tagen (Maurer et al. 1971). Proximale Thrombusbildungen wurden nur in Einzelfällen und fulminante Lungenembolien im Zusammenhang mit den Fibrinogenanreicherungen im Unterschenkel überhaupt nicht beobachtet. Als Risiko für eine Thrombusbildung wurden eine vorbestehende Varikosis und ein komplizierter Krankheitsverlauf beschrieben. Der bereits frühe Beginn der Thrombusentwicklung in den ersten Stunden wurde schon damals kritisch diskutiert, stand er doch im Widerspruch zur Beobachtung, dass die Thromboseinzidenz mit der Liegedauer ansteigt. Dies führte zu der Vermutung, dass die Immobilisation nur den Verlauf der durch das Infarktereignis induzierten Thrombusbildung durch Apposition nach proximal modifiziert (Maurer et al. 1971). Bis dahin hatte man angenommen, dass der Hauptursprungsort der Thrombosen die Ileofemoralvenen waren. Untersuchungen mit dem Radiofibrinogentest zeigten schon damals, dass das Thromboserisiko bei Infarktpatienten mit dem Alter ansteigt. Dieses Ergebnis stand in Übereinstimmung mit Studien an operierten Patienten, die bereits 1969 ein Patientenalter über 70 Jahre als Risikofaktor für eine Thrombose einstuften (Flanc et al. 1969). Als Ursache für die Altersabhängigkeit der Thrombusbildung wurden Veränderungen der arteriellen Perfusion aufgrund der hohen Komorbidität mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und altersassoziierten Veränderungen des Gerinnungssystems vermutet (Cooperberg u. Teitelbaum 1960). Auch die Varikosis wurde als Risikofaktor herausgestellt.
75 Kapitel 11 · Historische Entwicklung
11
Obwohl die Ergebnisse der Radiofibrinogenuntersuchungen z. T. phlebographisch und autoptisch betätigt wurden, betrachtete man die hohe Thrombosefrequenz, die sich daraus ergab, bereits früh mit Skepsis (Jung et al. 1975). Spätere Untersuchungen zeigten, dass der Radiofibrinogentest zwar eine hohe Sensitivität insbesondere für Unterschenkelvenenthrombosen hat, aber nur eine geringe Spezifität (Bergqvist u. Bergentz 1990). Blutungen, Entzündungen, Muskeltraumen, Ödeme, Arthritiden und Ulzerationen führen ebenfalls zu einer Mehranreicherung. Die absoluten Thrombosezahlen der Studien, bei denen der Radiofibrinogentest benutzt wurde, sind daher als zu hoch anzusehen. Die grundsätzlichen aus diesen Studien abgeleiteten Aussagen zum Thromboserisiko haben aber bis heute ihre Gültigkeit behalten. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt die Phlebographie als sensitivste und spezifischste Methode zum Nachweis einer Beckenbeinvenenthrombose. Allerdings wurde bei dieser Methode darauf hingewiesen, das eine Unterscheidung frischer und älterer Thrombosen und postthrombotischer Residuen nur eingeschränkt möglich ist. Die hohe Anzahl positiver Befunde der Radiofibrinogentests und eine zu hohe emboliebedingte Mortalität erhöhten das Interesse an Prophylaxemaßnahmen. Erste Versuche zur Förderung des venösen Rückstroms aus den Unterschenkelmuskeln mittels elektrischer Stimulation (Nicolaides et al. 1972) und intermittierender pneumatischer Kompression (Hills et al. 1972) waren bekannt. Wegen der Aufwendigkeit der Methoden blieben sie bis heute in Deutschland von geringer praktischen Bedeutung. Die Frühmobilisation zur Thromboseprophylaxe wurde in den nichtoperativen Fächern bereits 1976 für Patienten mit Myokardinfarkt herausgestellt. Eine Mobilisation innerhalb der ersten drei Tage nach Infarkt reduzierte im Vergleich zu einer fünftägigen Bettruhe die Wahrscheinlichkeit eines positiven Radiofibrinogentests signifikant (Miller et al. 1976). Von 29 frühmobilisierten Patienten hatten nur 2 und von 8 spätmobilisierten Patienten 5 einen Mehranreicherung (p <0,01). Inwieweit das Ziel, das Thromboserisiko zu reduzieren, Anlass für die Veränderungen im Therapiekonzept des Herzinfarktes waren bleibt unklar. Bereits gegen Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts war zur Thromboseprophylaxe nach größeren operativen Eingriffen in den chirurgischen Fächern die dreimal tägliche Applikation von 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins etabliert. Zuvor waren in einer der ersten großen internationalen Studien zur Thromboseprophylaxe an 4121 Patienten im Alter über 40 Jahre die Vorteile der Heparinprophylaxe nachgewiesen worden (Kakkar 1975). Im Vergleich zu Plazebo konnten in der Heparingruppe die durch Autopsie bestätigten Lungenembolietoten von 16 auf 2 und die durch den Radiofibrinogentest nachgewiesenen Thrombosen von 24,6% auf 7,7% gesenkt werden. Aber auch in den nichtoperativen Fächern gab es erste Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe. F.G. Riedler, der Leitende Arzt für Hämatologie im schweizerischen Luzern, publizierte 1977 eine Übersicht über die aktuelle Literatur. Er beklagte schon damals, dass zur Thrombosehäufigkeit bei internistischen Patienten keine gleichgroßen Statistiken vorlagen, wie für chirurgische Patienten (Riedler 1977). Ein Problem, das die Umsetzung der Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin bis heute erschwert. Seine Ausführungen bezogen sich auf 13 Studien an Herzinfarktpatienten mit zusammen 397 Patienten, einer Studie mit verschiedenen Patienten (n=40; Gallus et al. 1973) und einer Studie an Highrisk-Patienten (n=10; Flury u. Rohner 1977). Er schloss, dass die Thrombosehäufigkeit bei internistischen Patienten mit 30% vergleichbar mit der Thrombosehäufigkeit chirurgischer Patienten sei, die Häufigkeit der Lungenembolie mit 26% bzw. 36% in medizinischen bzw. chirurgischen Patientengruppen als gleich hoch angenommen werden kann,
76
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
eine orale Antikoagulation der Infarktpatienten zur Thromboseprophylaxe bei systematisch durchgeführtem Radiofibrinogentests die Thrombosehäufigkeit von 53% auf 11% reduziert, eine Zusammenfassung von fünf kleinen Studien an internistischen Patienten mit 223 Patienten ohne und 65 Patienten mit Heparinprophylaxe zeigte, dass das Thromboserisiko von 29,6% auf 3,1% gesenkt werden kann. Seine Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe sind in ⊡ Tabelle 11.1 wiedergegeben. Darüber hinaus stellte er schon 1977 fest, dass die subkutane Heparingabe nicht an ein Spital gebunden sei, sondern sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hinweg auch zu Hause durchgeführt werden kann (Riedler 1977). Eine weitere Analyse der Literatur zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin erschien 1981 von R. Stiegler und U.F. Gruber, paradoxerweise aus dem Department für Chirurgie der Universität Basel. Sie analysierten 14 randomisierte Studien an Patienten aus nichtoperativen Fächern. In der Diskussion schreiben die Autoren: »Zuverlässige Kriterien, die das Thromboserisiko eines Patienten bestimmen ließen, gibt es nicht. Deshalb scheint eine generelle Prophylaxe bei gefährdeten Patienten auch in der inneren Medizin sinnvoll. Eine solche Prophylaxe soll einfach durchführbar sein, wenige Kontraindikationen haben und wenige Komplikationen verursachen«. Zum damaligen Zeitpunkt war die orale Antikoagulation, die noch am ersten Tag der Aufnahme ins Krankenhaus unter gleichzeitiger intravenösen Gabe von 40.000 I.E. Heparin mit 20 mg Warfarin begonnen wurde, die gebräuchlichste Form der Prophylaxe in der
11
⊡ Tabelle 11.1. Indikationen für die medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. (Nach Riedler 1977) Krankheitsbild
Thromboseprophylaxe
Vorbestehende Thrombosen (Embolieprophylaxe)
Heparin in voller Dosierung gefolgt von oraler Antikoagulation
Langzeitprophylaxe nach Lungenembolie
Orale Antikoagulation
Frühphase nach Herzinfarkt
Orale Antikoagulation Low-dose-Heparin
Dekompensierte Herzinsuffizienz
Orale Antikoagulation Low-dose-Heparin
Mitralvitien mit Vorhofflimmern
Orale Antikoagulation
Künstliche Herzklappen
Orale Antikoagulation plus Aggregationshemmer
Allgemeine Bettlägerigkeit
Orale Antikoagulation Low-dose-Heparin
Thromboseprophylaxe während der Schwangerschaft
1. Trimenon: Heparin bis 3 Wochen vor Termin: orale Antikoagulation letzte 3 Wochen: Heparin
77 Kapitel 11 · Historische Entwicklung
11
Schweiz. Diese Form der Prophylaxe hatte sich insbesondere beim akuten Infarkt bewährt. Bezogen auf die Low-dose-Prophylaxe bei internistischen Patienten kommt die Analyse nicht zu schlüssigen Ergebnissen, wobei die Autoren wiederum die unzureichende Datenlage beklagen. Die erste systematische Untersuchung zum Nutzen einer generellen Heparinprophylaxe am allgemein-internistischen Patientengut erschien 1982 (Halkin et al. 1982). An 1358 konsekutiven Patienten der medizinischen Abteilung eines Akutkrankenhauses in Israel wurde die Wirkung von zweimal täglich 5000 I.E Heparin untersucht. Nach Ausschluss zuvor definierter Kontraindikationen erhielten alle aufgenommen Patienten mit gerader Patientennummer die Prophylaxe und alle Patienten mit ungerader Patientennummer dienten als Kontrolle. Um einen unerwünschten Einfluss durch die Patientenselektion abhängig von den Kontraindikationen auszuschließen, wurden bei der Analyse alle Patienten mit gerader (669, davon 411 mit Heparin), und alle Patienten mit ungerader Nummer berücksichtigt. Die Mortalität lag in der Patientengruppe unter Heparinprophylaxe mit 7,8% signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe mit 10,9%. Der Unterschied nahm mit der Länge des Krankenhausaufenthaltes kontinuierlich zu (p=0,025). Insgesamt konnte die Mortalität durch Heparin um 31,1% reduziert werden. Die Autoren folgerten, dass eine Low-dose-Heparinprophylaxe bei allen immobilisierten internistischen Patienten, die kein Blutungsrisiko haben, indiziert sei. 1992 erschien eine Arbeit zur Thromboseprophylaxe von J.H. Beer, Leiter des Thromboselabors der Medizinischen Klinik der Universität Bern. Sektionsdaten der in der eigenen Klinik Verstorbenen, hatten ergeben, dass der Anteil an Lungenembolien bei den Verstorbenen ohne Thromboseprophylaxe in den chirurgischen Fächern bei 50% und in den medizinischen Fächern bei 45,6% lag (Havig 1977). Seine sich daraus ableitenden Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe bei internistischen Erkrankungen sind in der folgenden Übersicht aufgeführt. Auf eine Differenzierung der Grunderkrankung oder der Risikofaktoren nach Schweregraden wurde nicht gesondert eingegangen. So heißt es in der Diskussion: »Die Dauer der Prophylaxe sollte der Phase der verminderten Mobilität angepasst und unter Umständen zu Hause weitergeführt (und überwacht!) werden, zumal nur die Spitalaufenthalte, kaum aber die Phasen der Thrombosegefährdung laufend kürzer werden.«
Indikationen für die medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. (Nach Beer 1992)
Internistische Erkrankung Malignome (besonders Adenokarzinome) Manifeste Herzinsuffizienz Schwere obstruktive Pneumopathie Nephrotisches Syndrom Entzündliche Darmerkrankungen, Chronische Infekte Diabetes mellitus I Selten: – Polycythaemia vera – Paroxysmale nächtliche Hämoglobulinurie – Homozysturie – Lupus erythematodes mit Lupusantikoagulans
78
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
In Hinblick auf die Einführung der DRGs und der heutigen Diskussion um die optimale Dauer der Thromboseprophylaxe hat diese vor mehr als zehn Jahren formulierte Forderung nichts an Aktualität und Weitsicht verloren. Trotz dieser bereits seit langen Jahren bestehenden und begründeten Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin wurde ihre Handhabung kontrovers diskutiert. Daten der Universität Nimwegen zeigten, dass im klinischen Alltag das Thromboserisiko internistischer Patienten gering war (Schuurman et al. 2000). So wurden von 1992 bis 1996 6332 Patienten internistisch betreut und nur 39 (0,6%) erlitten eine Thrombose. Von diesen 39 Patienten hatten 24 eine maligne Grunderkrankung. Daraus errechneten die Autoren für Patienten mit maligner Grunderkrankung ein Thromboserisiko von 2,7%. Die Sinnhaftigkeit einer generellen Thromboseprophylaxe bei allen internistischen Patienten wurde von den Autoren damit in Frage gestellt. Andererseits kann ein solches retrospektiv analysiertes Register die Ergebnisse zur Reduktion der Mortalität durch eine flächendeckende Prophylaxe, die 1982 von Halkin publiziert wurden, nicht widerlegen.
11
12 Neuere Ansätze K. Kröger
Die Einführung neuer Heparinderivate und der wachsende Qualitätsanspruch, Thrombosen mit potentiell tödlicher Lungenembolie auch bei internistischen Patienten zu verhindern, machten weitere Studien notwendig. Dabei handelt es sich zum Teil um Zulassungsstudien und zum Teil um Studien, die sich auf besondere Risikogruppen konzentrierten.
HESIM: Heparin Study in Internal Medicine In einer doppelblinden randomisierten multizentrischen Studie an 1968 Patienten wurde die Gabe des niedermolekularen Heparins Nadroparin in einer Dosierung von 36 mg einmal täglich mit der 3-mal täglichen Injektion von 5000 I.E. des unfraktionierten Heparins Calciparin verglichen. Die Studie wurde initiiert und strukturiert, um die Gleichwertigkeit des niedermolekularen Heparins Nadroparin für eine 10-tägige Prophylaxe zu belegen. Um die Verblindung zu wahren, wurden bei den Patienten, die das niedermolekulare Heparin erhielten, zusätzlich zwei Plazebospritzen verabreicht. Primärer Endpunkt war die Inzidenz einer proximalen Thrombose, dokumentiert durch wiederholte Kompressionssonographien (Harenberg et al. 1996). Einschlusskriterien waren ein Alter zwischen 50 und 80 Jahren und eine erwartete Immobilisation von 10 Tagen und mehr. Als zusätzliche Risikofaktoren waren gefordert: Tumor, Adipositas, Varikosis, Hormonsubstitution, Thrombozytose über 450.000/Pl, Fibrinogen über 500 mg/dl, Z. n. Thrombose, Z. n. Herzinfarkt oder Schlaganfall oder eine peripherer arterielle Verschlusskrankheit. Ausschlusskriterien waren insbesondere Risiken für Blutungen und die Gerinnung beeinflussende Medikamente. Alle Patienten wurden bei Einschluss und zwischen dem 8. und 11. Tag sonographisch untersucht. Bei klinisch symptomatischen Patienten wurden zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Bei positiven Sonographiebefunden wurde die Thrombose phlebographisch bestätigt. Insgesamt wurde nur bei 4 Patienten mit Calciparin und bei 6 Patienten mit Nadroparin eine Thrombose nachgewiesen. Dieser Unterschied galt als nicht signifikant verschieden. Lungenembolien wurde in 3 Fällen in jeder Gruppe beobachtet. Schwere Blutungen traten in der Calciparingruppe bei 4 und in der Nadroparingruppe bei 5 Patienten auf. Die niedrige Rate an Thrombosen dieser Studie ist auffallend und wurde damit begründet, dass nur
80
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
proximale Thrombosen berücksichtigt wurden. Nur für proximale Thrombosen war die Sensitivität der Kompressionssonographie ausreichend, um als Untersuchungsverfahren für die Studie zugelassen zu werden.
PRIME: Thromboembolism Prophylaxis in Internal Medicine with Enoxaparin
12
Die PRIME Studie wurde von 1991 bis 1993 durchgeführt. In der Einleitung der Publikation wird angeführt, dass plazebokontrollierte Studien zur Thromboseprohylaxe bei internistischen Patienten aus ethischen Gründen nicht mehr vertretbar seien. Ziel dieser doppelblinden randomisierten multizentrischen Studie war es, die Gleichwertigkeit einer Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin einmal täglich und einer Prophylaxe mit 3-mal täglicher Gabe von 5000 I.E Calcium-Heparin bei immobilisierten internistischen Patienten zu belegen. Um die Blindung zu wahren, wurden auch in der Enoxaparingruppe täglich 3 Subkutanspritzen verabreicht, von denen jedoch 2 nur isotone Mannitollösung enthielten (Lechler et al. 1996). Einschlusskriterien waren eine Immobilisation für mindestens 7 Tage und ein zusätzlicher Risikofaktor: Alter >60 Jahre, Tumor, Adipositas, Z. n. Thrombose, Herzinsuffizienz NYHA III–IV, Extremitätenparese, Hemi- oder Paraplegie oder schwerer Infekt. Neben anderen Ausschlusskriterien führten Antiaggreganzien bzw. nichtsteriodale Antiphlogistika innerhalb der letzten sieben Tage zum Ausschluss. Eine solche Komedikation wurde bei späteren Studien nicht mehr berücksichtig. Alle Patienten wurden bei Einschluss und nach Ablauf der 7 Tage sonographisch gescreent. Bei klinisch symptomatischen Patienten wurden zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Bei positiven Sonographiebefunden wurde die Thrombose phlebographisch bestätigt. Während der 7 Tage traten in der Enoxaparingruppe nur eine Thrombose (0,2%) und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 6 thrombembolische Ereignisse (2 Thrombosen, 2 Thrombosen mit Lungenembolie, 2 Lungenembolien, 1,4%) auf. Somit konnte die Gleichheit der Studienarme sicher belegt werden. Das Signifikanzniveau für Überlegenheit der Enoxaparingaben wurde nicht erreicht. Dafür war die Studie auch nicht konzipiert. Schwere Blutungen wurden in der Calcium-Heparingruppe bei 9 und in der Enoxaparingruppe bei 2 Patienten beobachtet. Obwohl in dieser Studie der Anteil von Tumorpatienten mit etwa 14% deutlich höher als in der HESIM-Studie war, fiel auch hier die niedrige Rate an Thrombosen auf. In der Diskussion der Arbeit wird die mangelnde Sensitivität der Sonographie für Thrombosen bei asymptomatischen Patienten als eine Ursache für die niedrige Thromboserate angegeben.
EMSG: Enoxaparin in Medicine Study Group Diese doppelblinde randomisierte multizentrische Studie an 442 älteren bettlägerigen Patienten untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von 20 mg Enoxaparin einmal täglich im Vergleich zu 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins 2-mal täglich. Primäre Endpunkte der Studie waren das Auftreten einer Thrombose im Radiofibrinogentest, der täglich durchgeführt wurde, und eine klinisch symptomatische Lungenembolie (Bergmann u. Neuhart 1996).
81 Kapitel 12 · Neuere Ansätze
12
Die Inzidenz der Thrombose betrug 4,8% in der Enoxaparingruppe und 4,6% in der Heparingruppe. Relevante Blutungen wurden in der Enoxaparingruppe 1-mal und in der Heparingruppe 2-mal beobachtet. Durch die Verwendung des Radiofibrinogentests war die Thromboserate in dieser Studie im Vergleich zu den anderen Studien höher.
HPSG: Heparin Prophylaxis Study Group Diese offene randomisierte multizentrische Studie untersuchte an 19.751 konsekutiven Patienten im Alter über 55 Jahre, die auf sechs Infektionsstationen in Schweden eingewiesen wurden waren, den Nutzen einer Heparinprophylaxe. 5776 Patienten erhielten zweimal täglich 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins subkutan und wurden mit 5917 Patienten verglichen, die keine Prophylaxe erhielten. Die Prophylaxe wurde bis zur Entlassung, aber maximal für 3 Wochen appliziert. Primärer Endpunkt war die autoptisch verifizierte Lungenembolie (Gardlund 1996). Die Anzahl von Lungenembolien mit 15 in der Heparingruppe und 16 in der Kontrollgruppe unterschied sich nicht, wohl aber der Zeitpunkt ihres Auftretens. Berechnet man den Zeitpunkt in Tagen nach stationärer Aufnahme und gibt ihn als Median wieder, so traten die tödlichen Lungenembolien in der Kontrollgruppe nach 12,5 (10–20) Tagen und in der Heparingruppe nach 28 (24–36)Tagen auf (p=0,007). Diese Verschiebung des Ereigniszeitpunktes entspricht relativ genau den 3 Wochen Heparinprophylaxe. Auch die Anzahl der nichttödlichen thrombembolischen Ereignisse unterschied sich signifikant mit 70 in der Heparingruppe zu 116 in der Kontrollgruppe (p=0,0012). Obwohl die Studie signifikante Ergebnisse hinsichtlich der Vermeidung tödlicher Lungenembolien und nichttödlicher thrombembolischer Ereignisse zeigte, schlossen die Autoren in ihrer Diskussion, dass eine generelle Heparinprophylaxe in größeren Gruppen von nicht chirurgischen Patienten nicht indiziert sei.
Nadroparin Prevention Study In dieser Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Nadroparin im Vergleich zu Plazebo bei 221 beatmeten Patienten mit akut dekompensierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung untersucht. Die Studie wurde von 1992 bis 1995 in Frankreich durchgeführt. Warum die Studie jedoch erst im Jahre 2000 publiziert wurde, bleibt unklar. Ausschlusskriterien waren alle blutungsgefährdenden Organveränderungen wie z. B. Ulcera ventriculi oder zerebrale Veränderungen (Fraisse et al. 2000). Im Gegensatz zu anderen Studien zur Thromboseprophylaxe wurde Nadroparin in dieser Studie in körpergewichtsadaptierter Dosis appliziert (45–70 kg: 3800 anti-Xa-Einheiten; 71–110 kg: 5700 anti-Xa-Einheiten). Die Prophylaxedauer betrug maximal 21 Tage. Primärer Endpunkt war die Inzidenz tiefer Venenthrombosen, die durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen während der Studie und durch eine Phlebographie am Ende des Studienzeitraums verifiziert wurden. Die Thromboseinzidenz war in der Nadroparingruppe mit 15,5% deutlich niedriger als mit 28,2% in der Plazebogruppe (p=0,045). Schwere Blutungen traten bei 6 Patienten der Nadroparingruppe bzw. 3 Patienten der Plazebogruppe auf, was sich statistisch als nicht verschieden errechnete. Fulminante Lungenembolien wurden nicht beobachtet, auch nicht
82
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
in der Plazebogruppe. Die Autoren weisen daraufhin, dass danach auch nicht systematisch gesucht wurde.
Metaanalyse zur Prävention venöser Thromboembolien bei internistischen Patienten unter Berücksichtigung der obigen Studien
12
Im Jahr 2000 erschien eine Metaanalyse zum Thema Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten mit unfraktioniertem bzw. niedermolekularem Heparin. Publiziert wurde sie von P. Mismetti aus dem Institut für Klinische Pharmakologie der Universität Lyon, Frankreich. Neben den zuvor beschriebenen Studien wurden einige weitere Studien, die als primären Endpunkt die Thromboseinzidenz hatten und die Thrombosen mittels Radiofibrinogentest, Sonographie oder Phlebographie dokumentierten, berücksichtigt. Studien, die überwiegend Patienten mit akuten Infarkt oder Apoplex eingeschlossen hatten, blieben unberücksichtigt (Mismetti et al. 2000). Zusammen wurden in der Metaanalyse Daten von 15.095 Patienten analysiert. Bei internistischen Patienten konnte eine Heparinprophylaxe im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie um 56% bzw. 58% reduzieren (p>0,01), ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen (⊡ Tabelle 12.1). Weitere neun Studien verglichen die Wirksamkeit von unfraktioniertem Heparin gegenüber niedermolekularem Heparin an insgesamt 4669 Patienten. Signifikante Unterschiede, bezogen auf die Rate an Thrombosen bzw. Lungenembolien und die Mortalität, ergaben sich nicht (⊡ Tabelle 12.2). Das Risiko für größerer Blutungen war jedoch unter niedermolekularen Heparinen um 52% niedriger (p=0,0049). Die Studien zeigten, dass das Risiko für eine Thrombose bei internistischen Patienten ohne Heparinprophylaxe bei 19% lag. Damit war nach Einschätzung der Autoren das Thromboserisiko für internistische Patienten vergleichbar mit dem chirurgischer Patienten (Collins et al. 1988; Leizorovicz et al. 1992), aber niedriger als das Risiko bei orthopädischen Operationen (Nurmohamed et al. 1992). Andererseits wurde auch herausgestellt, dass das Thromboserisiko nur durch die systematische Suche nach Thrombosen so hoch war. Die meisten Thrombosen waren klinisch asymptomatisch und auf distale Venen beschränkt. Auch wenn dies die klinische Wertigkeit der Thrombosezahlen etwas schmälert, so konnte doch gleichzeitig das Risiko klinisch relevanter Lungenembolien um 50% gesenkt werden. Außerdem wiesen die Autoren darauf hin, dass man die Ergebnisse nicht auf alle internistischen Patienten verallgemeinern dürfte und für spezifische Subgruppen die Risiko-NutzenBeziehung detailliert erarbeitet werden muss.
35/453
7,7%
Fraisse et al. 2000
Total
Anteil
19,4%
76/392
24/85
–
–
12/46
12/131
15/80
0,6%
44/7338
0/108
34/5917
10/1230
0/39
0/135
–
0/50
0,13%
99/7505
0/113
74/5917
17/1244
3/46
3/135
–
2/50
LE Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
0,6%
447/7249
18/108
304/5776
124/1230
–
1/135
–
–
0,65%
484/7409
17/113
333/5917
128/1244
–
6/135
–
–
Tod Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
0,4%
25/6262
6/108
14/5776
–
4/39
1/135
0/154
0/50
0,2%
12/6341
3/113
6/5917
–
0/46
3/135
0/80
0/50
Blutungen Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
–
1/49
3/84
4/146
6/726
0/129
1/477
9/207
19/239
48/2057
Poniewierski et al. 1981
Aquino et al. 1982
Harenberg et al. 1986
Forette et al. 1988
HESIM 1996
APTE 1996
PRIME 2000
EMSG 1996
PRINCE 1996
Total
49/2028
7/2037
1/239
1/216
0/477
–
5/810
0/146
–
0/49
0/100
12/1996
1/212
0/223
4/482
–
6/780
1/149
–
0/50
0/100
LE Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
84/2343
28/332
7/216
7/477
8/129
23/810
6/146
3/84
1/49
1/100
76/2326
30/333
8/223
11/482
8/127
9/780
7/149
1/82
2/50
0/100
Tod Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
10/2243
1/332
1/216
2/477
1/129
5/810
0/146
0/84
0/49
–
27/2226
1/333
2/223
9/482
4/127
4/780
4/149
1/82
2/50
–
Blutungen Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
83
22/212
10/216
4/482
1/127
4/710
3/149
4/82
1/50
–
TVT Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
Studie
⊡ Tabelle 12.2. Übersicht über die randomisierten und kontrollierten Studien zum Vergleich einer Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin und niedermolekularem Heparin bei internistischen Patienten. (Nach Mismetti et al. 2000)
–
13/84
Gardlund et al. 1996
1/33
–
4/132
Dahan et al. 1986
Bergmann et al. 1996
15/154
Cade et al. 1982
Ibara-Perez et al. 1988
2/50
Belch et al. 1981
13/50
TVT Ereigniszahl/Patientenzahl Heparin Kontrolle
Studie
⊡ Tabelle 12.1. Übersicht über die randomisierten und kontrollierten Studien zum Nutzen einer Heparinprophylaxe bei internistischen Patienten. (Nach Mismetti et al. 2000)
Kapitel 12 · Neuere Ansätze
12
13 Aktuelle Studienergebnisse K. Kröger
Der Gedanke, die Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin nicht auf alle internistischen Patienten zu übertragen, sondern den Effekt für spezifische Risikogruppen zu überprüfen, wurde für weitere Studien aufgegriffen. Hierbei galt das Interesse den Hochrisikopatienten.
MEDENOX: Medical Patients with Enoxaparin Die MEDENOX-Study wurde 1996 begonnen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde beklagt, dass die Häufigkeit venöser Thrombosen bei internistischen Patienten noch weitgehend unbekannt und der Nutzen eines routinemäßigen Einsatzes einer medikamentösen Thromboseprophylaxe im internistischen Patientengut nur unzureichend belegt war. Ziel der MEDENOX-Studie war es daher, die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse im internistischen Patientengut zu untersuchen und gleichzeitig den Nutzen und die Sicherheit zweier Prophylaxeregime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien zu sichern (Samama 1999). In diese doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte Studie wurden insgesamt 1102 Patienten eingeschlossen. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Krankenhausaufenthalt aufgrund einer akuten internistischen Erkrankung wie Herzinsuffizienz NYHA III und IV oder einer akuten nichtbeatmungspflichtigen Atemwegserkrankung. Patienten mit einer akuten Infektion, rheumatischen Erkrankung, (einschließlich akuter Lumboischialgie, Arthritis, Wirbelsäulenkompression), oder Dickdarmerkrankung wurden eingeschlossen, wenn ein weiterer Risikofaktor vorlag. Als Risikofaktoren definiert waren: Alter >75 Jahre, Tumor, vorausgehende Thrombose, BMI >30 für Männer und >28,5 für Frauen, Varikosis, Hormonersatztherapie sowie chronische Herz- oder Atemwegserkrankungen. Verglichen wurde die Wirkung von 20 mg und 40 mg Enoxaparin einmal täglich mit Plazebo. Die prophylaktische Enoxaparingabe begann spätestens 24 h nach Randomisierung und wurde während des Krankenhausaufenthaltens für 6–14 Tage fortgesetzt. Die Nachbeobachtung dauerte zwischen 83–110 Tage und erfolgte zum Teil telefonisch (⊡ Abb. 13.1). Das Studiendesign unterschied zwischen einem thromboembolischen Ereignis innerhalb der ersten 14 Tage (primärer Endpunkt) und der ersten 110 Tage (sekundärer Endpunkt). Eine Bildgebung zur Dokumentation der Thrombosen (Phlebographie; falls diese nicht möglich: Sonographie) wurde systematisch zu den jeweiligen Zeitpunkten bei 866 Patienten durchgeführt. Bei klinischem Lungenembolieverdacht wurde ebenfalls eine entsprechende
85 Kapitel 13 · Aktuelle Studienergebnisse
13
Randomisierung
Plazebo n= 371
Enoxaparin
Enoxaparin
1-mal 20 mg n= 364
1-mal 40 mg n=367
614 Tage stationäre Behandlung Beidseitige Phlebographie
83110 Tage Follow-up klinische oder telefonische Nachfrage ⊡ Abb. 13.1. Aufbau der Studienarme in der MEDENOX-Studie
Diagnostik (Szintigraphie, CT, Angiographie, Autopsie) eingeleitet. Blutungen wurden als bedeutsam eingestuft, wenn sie intrakranial oder retroperitoneal auftraten, sie tödlich oder transfusionspflichtig waren oder einen HB-Abfall von mehr als 2 g/dl verursachten. Überraschenderweise zeigte nur die Dosierung von 40 mg Enoxaparin einen signifikanten Effekt. Bis zum 14. Tag wurden in dieser Gruppe 16 (5,5%) und in der Plazebogruppe 43 (14,9%) thromboembolische Ereignisse gesichert. Bis zum 110. Tag. traten weitere 8 thrombembolische Ereignisse auf. Dabei handelte es sich bei 4 Patienten um tödliche Lungenembolien, die im Zeitraum von 3–8 Wochen nach Ende der Heparinprophylaxe eintraten. Die 40-mg-Enoxaparindosis gilt im chirurgischen Bereich als die Hochrisikodosis für Patienten mit sehr hohem Thromboserisiko. Also interpretierte man die Ergebnisse der MEDENOX-Studie dahingehend, dass internistische Risikopatienten mit chirurgischen Hochrisikogruppen vergleichbar sind. Dass bei internistisch schwer kranken Patienten die niedrigste Prophylaxedosis nicht ausreichend sein könnte, wurde auch schon in der Nadroparin Prevention Study angenommen. Daher wurde bei den beatmeten Patienten mit akut dekompensierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung ebenfalls eine körpergewichtsadaptierte Dosierung zur Prophylaxe gewählt (⊡ Abb. 13.2).
PRINCE I/II: Thromboembolism Prevention in Cardiac or Respiratory Disease with Enoxaparin In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurden der Effekt und die Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz untersucht (Kleber et al. 2003). In der Begründung zu dieser Studie heißt es, dass trotz der Empfehlung einer Internationalen Konsensus-Konferenz aus dem Jahre 1997, den Nutzen der nieder-
86
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
p=0,0002 16
Placebo Enoxaparin 20 mg Enoxaparin 40 mg
Patienten (%)
12
RRR = 63 %
p=0,037
8
RRR = 65 %
4
0 Alle Thrombosen
Proximale Thrombosen
⊡ Abb. 13.2. Ergebnisse der MEDENOX-Studie
13
molekularen Heparine für definierte medizinische Krankheitsbilder zu untersuchen, solche Studien immer noch fehlten. Es wurde daher gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin mit einer Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen. Primärer Endpunkt war die Rate thrombembolischer Ereignisse bis Tag 1 nach Erhalt der Prophylaxe. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrinomonomer- und D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige Phlebographie durchgeführt. Bei symptomatischen Patienten wurde die phlebographische Diagnostik entsprechend früher eingeleitet. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse in der Enoxaparingruppe war bei den auswertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 10,4%. Diese Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der Prophylaxeregime. Die Rate der sekundären Endpunkte (Tod, Blutungen und Nebenwirkungen) lag für Enoxaparin mit 45,8% signifikant niedriger als bei der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin mit 53,8% (p=0,44; ⊡ Abb. 13.3).
PREVENT: Prevention of Recurrent Venous Thromboembolism Der Nutzen der niedermolekularen Heparine wurde überwiegend in Studien untersucht, die phlebographisch nachgewiesene Thrombosen als Endpunkte hatten. Der größte Teil der Thrombosen waren aber asymptomatische Unterschenkelvenenthrombosen, deren klinische Relevanz umstritten ist, heißt es in der Begründung für diese Studie. Daher wurde
87 Kapitel 13 · Aktuelle Studienergebnisse
13
Randomisierung
Heparin
3-mal 5000 I.E. n=333
Enoxaparin 1-mal 40 mg n=332
612 Tage stationäre Behandlung Beidseitige Phlebographie bei routinemäßig durchgeführtem positivem Fibrinmonomer- oder D-Dimer-Test
⊡ Abb. 13.3. Aufbau der Studienarme in der PRINCE-Studie
die Prevent-Studie so angelegt, dass als primärer Endpunkt nur Ereignisse wie klinisch relevante proximale Thrombosen, fatale oder nichtfatale Lungenembolien und der plötzliche Tod stehen (Leizorovicz et al. 2003). Die Prevent-Studie ist eine randomisierte doppelblinde multizentrische Studie an 3706 hospitalisierten internistischen Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko bei der der Nutzen von 5000 I.E. Dalteparin über 14 Tage gegen Plazebo getestet wurde. In Kenntnis der Ergebnisse der MEDENOX-Studie wurde mit 5000 I.E. Dalteparin bewusst eine hohe Prophylaxedosis gewählt und auf den Vergleich mit niedrigeren Dosen verzichtet. Die häufigsten Gründe für die Hospitalisierung waren eine dekompensierte Herzinsuffizienz, eine akute Atemwegserkrankung oder eine Infektion. Zwei Drittel der Patienten waren älter als 75 Jahre. Die Thrombosen werden am 21. Tag durch eine Kompressionssonographie aller Patienten, die nicht vorher symptomatisch wurden, ausgeschlossen bzw. nachgewiesen. Die Inzidenz primärer Endpunkte war 2,77% (42/1518) in der Dalteparingruppe und 4,96% (73/1473) in der Plazebogruppe (p=0,0015). Die Anzahl proximaler Thrombosen war in der Dalteparingruppe ebenfalls niedriger mit 29 versus 60. Große Blutungen wurden bei 9 (0,49%) Patienten mit Dalteparin und 3 (0,16%) Patienten in der Plazebogruppe dokumentiert (p=0,15).
ARTEMIS: Fondaparinux vs. Placebo for VTE Prophylaxis in Medical Ill Patients Das Pentasaccharid Fondaparinux, als neue Substanzklasse, wurde ebenfalls hinsichtlich seiner prophylaktischen Wirkung bei internistisch erkrankten Patienten untersucht. Ziel dieser randomisierten, plazebokontrollierten und doppelblinden Studie an 849 Patienten im Alter t60 Jahre war es, Daten zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei internistischen Patienten zu gewinnen. Eine endgültige Publikation der Ergebnisse liegt noch nicht vor. Aus ersten publizierten Abstracts ist zu entnehmen, dass als ein Einschlusskriterium eine erwartete Bettruhe von wenigstens 4 Tagen notwendig war. Die Randomisierung erfolgte innerhalb der ersten 48 h nach stationärer Aufnahme. Die Patienten erhielten für 6–14 Tage entweder 2,5 mg Fondaparinux subkutan oder ein Plazebo und wurde über 32 Tage nachbeobachtet. Primärer Endpunkt war ein venöses thrombembolisches Ereignis bis zum 15. Tag, das entweder durch entsprechende klinische Symptome oder durch die routinemäßig durchgeführte Phlebographie auffiel.
88
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
In der Plazebogruppe betrug die Rate an thrombembolischen Ereignissen 10,5% und in der Fondaparinuxgruppe 5,6% (p=0,029). Die Inzidenz größerer Blutungen war in beiden Gruppen mit 0,2% gleich. Die Mortalität am 32.Tag betrug für Fondaparinux 3,3% und für das Plazebo 6%, ohne dass dieser Unterschied signifikant war.
Zusammenfassung
13
Die Gesamtsicht der Literatur zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin führt zu folgenden Ergebnissen: Patienten mit internistischen Erkrankung haben ein erhöhtes Thromboserisiko. Dieses bezieht sich aber überwiegend auf akut erkrankte immobilisierte Patienten und Tumorpatienten. Die Bedeutung dieses Risikos wird durch die hohe Anzahl von internistischen Patienten mit chronischen Erkrankungen oder diagnostischen Routineeingriffen im klinischen Alltag bisher weitgehend verdrängt. Lässt man ältere Studien auf der Basis des Radiofibrinogentests außer Acht, variiert das Risiko abhängig von der untersuchten Patientengruppe für alle Thrombosen zwischen – 14,9% (MEDENOX) und 28% (Nadroparin Prevention Study), 10,5% (ARTEMIS) und für eine klinisch relevante Thrombose zwischen – 2% (HPSG) und 4,9% (PREVENT). Eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bzw. Pentasaccharid reduziert das Thromboserisiko für alle Thrombosen unabhängig von ihrer Symptomatik auf – 5,5% (MEDENOX), 10,4% (PRINCE), 15,5% (Nadroparin Prevention Study), 5,6% (ARTEMIS) und für eine klinisch symptomatische Thrombose auf – 0,2% (PRIME), 0,5% (HESIM), 1,2% (HPSG), 0,3% (MEDENOX), 2,77% (PREVENT). Obwohl es einzelne Studien zu anderen Präparaten gibt, ist von den niedermolekularen Heparinen bisher nur Enoxaparin zur Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten zugelassen. Grundlage für diese Zulassung bildeten insbesondere die MEDENOXund die PRINCE-Studie.
14 Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers C. Kienitz und B. Linße
Schon seit den siebziger Jahren gibt es Hinweise, dass nicht nur chirurgische, sondern auch nicht chirurgische Patienten in gewissen Risikosituationen durch venöse Thromboembolien gefährdet sind, jedoch mangelte es lange Zeit an aussagekräftigen Studien. Nicht zuletzt wurde die Durchführung klinischer Studien dadurch erschwert, dass es bei nicht chirurgischen Patienten keinen exakt definierbaren Startpunkt für den Beginn eines thrombotischen Geschehens gibt und die thromboseauslösenden Faktoren wesentlich vielfältiger sind als in der Chirurgie, was eine genaue Beschreibung der gefährdeten Patienten zusätzlich erschwert. So blieben viele Fragen unbeantwortet, bis neuere Studien an klar definierten Patientenpopulationen mit prospektiv erfasstem Risikoprofil eine bessere Kategorisierung von nicht chirurgischen Patienten ermöglichten. Einen wesentlichen Beitrag zur Bestimmung der Inzidenz venöser Thromboembolien bei nicht chirurgischen Patienten hat die MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999) geleistet, die darüber hinaus noch folgende Fragen beantworten kann: 1. Kann das Thromboserisiko durch eine medikamentöse Prophylaxe gesenkt werden? 2. Mit welcher Substanz kann die Thromboserate verringert werden? 3. Welche Dosierung ist zu verabreichen? Die MEDENOX-Studie war vom Pharmakonzern Rhone-Poulenc-Rorer, der heutigen Sanofi-Aventis, initiiert worden. Rhone-Poulenc-Rorer verfügte als Hersteller des niedermolekularen Heparins Enoxaparin bereits über einschlägige Erfahrungen im Bereich der peri- und postoperativen Thromboembolieprophylaxe, sodass es nahe lag, diese Substanz mit dem Vorteil der compliancefreundlichen täglichen Einmalgabe auch bei nicht chirurgischen Patienten zu untersuchen. Die Vorteile von niedermolekularem Heparin gegenüber unfraktioniertem Heparin sind nachfolgend nochmals aufgelistet: hohe Bioverfügbarkeit von >90%, u. a. aufgrund einer wesentlich geringeren unspezifischen Plasmaeiweißbindung, gut vorhersagbare antikoagulatorische Wirksamkeit ohne nennenswerte intraindividuelle Schwankungen, Wegfall eines Gerinnungsmonitorings wie bei unfraktionierten Heparinen üblich (lediglich eine Thrombozytenkontrolle sollte durchgeführt werden), längere Halbwertszeit, geringere Nebenwirkungsrate (u. a. allergische Reaktionen, HIT II, Osteoporose bei Langzeitanwendung).
90
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
In der MEDENOX-Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Enoxaparindosierungen in einem doppelblinden, prospektiven, randomisierten und plazebokontrollierten Design untersucht. Diese Studie hatte auch wegweisenden Charakter in Bezug auf das Design neuerer Studien zu dieser Thematik wie der PREVENT- (Leizorovicz 2003) und der ARTEMIS-Studie (Cohen 2003). Parallel zu MEDENOX wurde die PRINCE-Studie (Kleber et al. 2003) initiiert, die ebenfalls bei einem definierten internistischen Patientengut die Wirksamkeit einer prophylaktischen Hochrisikodosierung Enoxaparin (40 mg), diesmal aber im Vergleich zu einem anderen aktiven Regime, nämlich unfraktioniertem Heparin, untersuchte. Die Studien wurden in Kap. 13 eingehend besprochen und sollen hier nicht im Detail wiederholt werden. Als Fazit aus den Studienergebnissen konnten die oben gestellten Fragestellungen wie folgt beantwortet werden: 1. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe kann die Thromboseinzidenz bei akut erkrankten nicht chirurgischen Patienten signifikant senken. Ohne medikamentöse Prophylaxe haben diese Patienten ein Thromboserisiko von ca. 15%. 2. Enoxaparin erwies sich für die medikamentöse Prophylaxe als gut geeignet. 3. Um bei nicht chirurgischen Patienten eine ausreichende Wirkung zu erzielen, muss eine prophylaktische Hochrisikodosierung (entsprechend Enoxaparin 40 mg) eingesetzt werden. Eine niedrigere Dosierung (Enoxaparin 20 mg), wie sie sich z. B. in der Allgemeinchirurgie als wirksam erwiesen hat, ist bei diesen Patienten unzureichend.
14
Die günstigen Ergebnisse der MEDENOX- (Samama et al. 1999) und PRINCE-Studien (Kleber et al. 2003) sowie einer weiteren supportiven Studie an Schlaganfallpatienten (Hillbom et al. 2002) führten im Frühjahr 2000 zur Zulassung der Hochrisikoprophylaxedosierung von Enoxaparin 40 mg zur Thromboembolieprophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten. Wörtlich heißt es zu diesem Anwendungsgebiet in der Zulassung: »Primärprophylaxe tiefer Venenthrombosen bei nicht chirurgischen Patienten mit mittlerem oder hohem thromboembolischen Risiko bei akuten schweren internistischen Erkrankungen (Herzinsuffizienz NYHA III bzw. IV, Infektionen, respiratorischen Erkrankungen), die eine weitgehende Immobilisation zur Folge haben.« Bisher ist Enoxaparin das erste und einzige niedermolekulare Heparin, das für diese Indikation in Deutschland zugelassen ist. Obwohl inzwischen weitere Studien zum Einsatz verschiedener Antithrombotika bei nicht chirurgischen Patienten durchgeführt wurden und die Datenlage sich somit in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viele Fragen zu dieser Thematik unbeantwortet sind. Als Vorreiter seitens der pharmazeutischen Industrie in diesem Indikationsfeld sieht sich die Firma Sanofi-Aventis auch weiterhin in der Verantwortung, durch Forschungsprojekte und Studien zur Beantwortung ungeklärter Fragen beizutragen. Im Folgenden werden einige der aktuellen Projekte kurz vorgestellt, die dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dienen und ggf. die Ableitung zukünftiger therapeutischer Behandlungsstrategien erlauben.
AT-HOME-Studie Bei der so genannten AT-HOME-Studie handelte es sich um eine Querschnittuntersuchung des Thromboserisikoprofils akut erkrankter nicht chirurgischer Patienten unter
91 Kapitel 14 · Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten
14
Beteiligung von mehreren Hundert Hausarztpraxen in Deutschland. Unter den Bedingungen der ambulanten Versorgung im Praxisalltag wurde das Thromboserisikoprofil von ca. 1000 internistischen Hausbesuchspatienten erfasst und der Risikokonstellation der stationär behandelten Patienten aus der MEDENOX-Studie gegenüber gestellt. Darüber hinaus wurde dokumentiert, in welcher Situation der behandelnde Hausarzt eine Thromboembolieprophylaxe für erforderlich hielt. Damit wird diese Studie nach ihrer Auswertung einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsforschung in Deutschland liefern, da zum ersten Mal systematisch der Risikostatus und die aktuelle Versorgungssituation von Hausbesuchspatienten hinsichtlich Thromboserisiko und Thromboembolieprophylaxe erhoben worden sind. Die Datensammlung der AT-HOME-Studie ist erst kürzlich abgeschlossen worden, sodass die Publikation der endgültigen Ergebnisse für das erste Halbjahr 2005 erwartet wird.
EXCLAIM EXCLAIM steht für Extended Clinical prophylaxis in Acutely Ill Medical patients und soll die Frage nach der optimalen Dauer einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten beantworten. Nachdem MEDENOX gezeigt hatte, dass eine Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin über im Mittel 10 Tage bei dem definierten Patientengut zu einer relativen Reduktion des Thromboserisikos um 63% führt, stellte sich in Analogie zu chirurgischen Hochrisikopatienten die Frage, ob eine über den stationären Aufenthalt hinaus verlängerte Prophylaxe die Thromboseinzidenz noch weiter senken kann. Bei EXCLAIM handelt es sich um eine doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie, in die 5800 Patienten weltweit eingeschlossen werden. Dabei werden Patienten, die die Einschlusskriterien erfüllen, zunächst über ca. 10 Tage mit 40 mg Enoxaparin behandelt und danach randomisiert einer 28-tägigen Weiterbehandlung mit Enoxaparin 40 mg oder mit Plazebo zugewiesen. Zum Ende des Beobachtungszeitraumes bzw. bei Thromboseverdacht auch eher, erfolgt eine Kontrolle mittels Ultraschalluntersuchung. Mit den Ergebnissen dieser Studie wird 2005 gerechnet.
PREVAIL PREVAIL ist eine offene, randomisierte Studie, die das Ziel hat, die Wirksamkeit und Sicherheit von Enoxaparin im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin bei Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall zu untersuchen. Diese Patienten haben ein besonders hohes Thromboserisiko, waren aber aus den Prophylaxestudien der Inneren Medizin ausgeschlossen, sodass hier noch dringender Untersuchungsbedarf besteht. Das Problem der medikamentösen Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten wird in Kap. 20 noch eingehender behandelt werden. Über diese Projekte hinaus engagiert sich Sanofi-Aventis im Bereich der ärztlichen Fortbildung und der Öffentlichkeitsarbeit, um insgesamt die Sensibilität für das häufig unterschätzte Krankheitsbild der venösen Thromboembolie bei nicht chirurgischen Patienten zu schärfen und so zu einer optimierten Versorgung zum Wohl der Betroffenen beizutragen.
92
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
Fragen zu Kapitel 11–14: Evidenzen für eine Thromboseprophylase in der Inneren Medizin Kapitel 11: Historische Entwicklung 1. Erste Studien zur Häufigkeit von Thrombosen bei nicht chirurgischen Patienten erfolgten auf der Basis welcher Methode? A. Sonographie B. Phlebographie C. Szintigraphie D. Computertomographie E. Kernspintomographie 2. Die Häufigkeit von Thrombosen bei Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, ermittelt mit dem Radiofibrinogentest, lag bei: A. 10% B. 20% C. 40% D. 70% E. 100% 3. Was stimmt zu folgender Feststellung? »Die subkutane Heparingabe ist nicht an ein Spital gebunden, sondern kann sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hinweg auch zu Hause durchgeführt werden.« A. Die Aussage ist falsch. B. Die Aussage ist überholt. C. Die Aussage wurde erstmals im Jahre 2000 gemacht. D. Die Aussage vor mehr als 25 Jahren macht. E. Die Aussage gilt nur für niedermolekulare Heparine
Kapitel 12: Neuere Ansätze 4. Welche Aussagen zu der Häufigkeit von Thrombosen in Studien stimmen? A. Die Thromboserate wird nur von dem getesteten Präparat bestimmt. B. Die Thromboserate ist unabhängig von den Risikofaktoren der Patienten. C. Die Thromboserate ist abhängig von der eingesetzten Methode zum Nachweis der Thrombosen. D. Die Thromboserate bei stationär behandelten Patienten hängt nur von der Aufnahmediagnose ab. E. Bei der Bewertung der Thromboseraten muss man berücksichtigen, ob es sich um symptomatische Thrombosen handelt oder um asymptomatische. Richtig sind: A. nur A B. nur C C. nur D und E D. nur C und E E. alle Aussagen ▼
93 Kapitel 11–14 · Fragen
11–14
5. Eine Metaanalyse von sieben Studien an mehr als 15.000 Patienten zur Wirkung eine Heparinprophylaxe bei internistischen Patienten, die zwischen 1981 und 2000 publiziert wurden, ergab folgendes Ergebnis! A. Eine Heparinprophylaxe macht keinen Sinn. B. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie um mehr als 50% reduziert. C. Eine Heparinprophylaxe erhöht das Blutungsrisiko deutlich. D. Ein Heparinprophylaxe soll wegen des hohen Risikos einer »heparininduzierten Thrombozytopenie« nicht durchgeführt werden. E. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie nur mehr 10% reduziert. 6. Welche Kontrollen sind bei einer Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bei internistischen Patienten notwendig? A. Thrombozytenkontrolle B. aPTT-Kontrolle C. antiXA-Kontrolle D. Kontrolle der Blutungszeit E. Rumple-Leede-Test
Kapitel 13: Aktuelle Studienergebnisse 7. Welche Aussage zur MEDENOX-Studie ist falsch? A. Die MEDENOX-Studie untersuchte den Nutzen und die Sicherheit zweier Prophylaxeregime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. B. Die MEDENOX-Studie ist eine doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte Studie an insgesamt 1102 Patienten. C. Einschlusskriterien für die MEDENOX-Studie waren akute internistische Erkrankungen und weitere Risikofaktoren. D. Die MEDENOX-Studie zeigte, dass 40 mg Enoxaparin das Risiko für eine thromboembolisches Ereignis signifikant senken konnten. E. Die MEDENOX-Studie führte dazu, dass bei stationärer Behandlung heute alle internistischen Patienten grundsätzlich eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin erhalten. 8. Welche Aussage zur PRINCE-Studie ist falsch? A. In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurde der Effekt und die Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz untersucht. B. Es wurde gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin mit einer Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen. C. Die PRINCE-Studie wurde wegen der Vielzahl der Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen. ▼
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Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
D. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrinomonomer- und D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige Phlebographie durchgeführt. E. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse in der Enoxaparingruppe war bei den auswertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 10,4%. Diese Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der Prophylaxeregime. 9. Welche Aussage zu Fondaparinux ist falsch? A. Fondaparinux ist ein Pentasaccharid. B. Pentasaccharide sind bei der Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse im internistischen Patientengut den niedermolekularen Heparinen deutlich überlegen. C. Die ARTEMIS-Studie ist eine randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde Studie zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei internistischen Patienten. D. In der ARTEMIS-Studie erhielten die Patienten entweder 2,5 mg Fondaparinux subkutan oder ein Plazebo. E. Pentasaccharide binden über Antithrombin an Faktor Xa.
Kapitel 14: Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers 10. Welches war die erste große, doppelblinde, prospektive, randomisierte, plazebokontrollierte Studie zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe an einem exakt definierten, nicht chirurgischen Patientengut? A. MEDENOX B. PRINCE C. PREVENT D. ARTEMIS 11. Wie hoch ist die phlebographisch gesicherte Gesamtthromboserate bei nicht chirurgischen Patienten ohne eine adäquate medikamentöse Thromboembolieprophylaxe? A. ca. 5% B. ca. 10% C. ca. 15% D. ca. 20% 12. Welches Studienprojekt soll klären, inwieweit auch nicht chirurgische Patienten von einer verlängerten medikamentösen Thromboembolieprophylaxe profitieren? A. AT-HOME B. EXCLAIM C. PREVAIL
95 Kapitel 11–14 · Literatur
11–14
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96
Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
Kleber FX, Witt C, Vogel G, Koppenhagen K, Schomaker U, Flosbach CW, THE-PRINCE Study Group (2003) Randomized comparison of enoxaparin with unfractionated heparin for the prevention of venous thromboembolism in medical patients with heart failure or severe respiratory disease. Am Heart J 145: 614–621 Lechler E, Schramm W, Flosbach CW (1996) The venous thrombotic risk in non-surgical patients: epidemiological data and efficacy/safety profile of a low-molecular-weight heaprin (enoxaparin). The Prime Study Group. Haemostasis 26 [Suppl 2]: 49–56 Leizorovicz A (2003) PREVENT: Prospective evaluation of Dalteparin efficacy for prevention of VTE in immobilized patients trial; Presented at the 32nd Annual Congress of the Society of Critical Care Medicine, San Antonio, Texas, USA, Jan 31 Leizorovicz A, Cohen AT, Turpie AGG, Olsson CG, Vaitkus PT, Goldhaber SZ (2003) A randomized placebo controlled trial of dalteparin for the prevention of venous thromboembolism in 3706 acutely Ill medical patients: the PREVENT medical thromboprophylaxis study. J Thromb Haemostasis 1 [Suppl 1] OC 396 Leizorovicz A, Haugh MC, Chapuis FR, Samama MM, Boissel JP (1992) Low molecular weight heparin in prevention of perioperative thrombosis. BMJ 305: 913–920 Manciet G, Vergnes C, Vaissie JJ, Boisseau MR (1990) Etude de l`efficacite et de la tolerance de Fraxiparine administree au long cours chez le sujet age. In: Bounameaux H, Samana MM, Ten Cate JW (eds) Fraxiparine, 2nd international symposium. Recent pharmacoloigcal and clinical data. Schattauer, Stuttgart, New York, pp 55–59 Maurer BJ, Wray R, Shillingford JP (1971) Frequency of venous thrombosis after myocardial infarction. Lancet 2: 1385–1387 McFarlane AS (1958) Efficient trace-labelling of proteins with iodine. Nature 182: 53 Miller RR, Lies JE, Carretta RF, Wampold DB, DeNardo GL, Kraus JF, Amsterdam EA, Mason DT (1976) Prevention of lower extremity venous thrombosis by early mobilization. Confirmation in patients with acute myocardial infarction by 125I-fibrinogen uptake and venography. Ann Intern Med 84: 700–703 Mismetti P, Laporte-Simitsidis S, Tardy B, Cucherat M, Buchmuller A, Juillard-Delsart D, Decousus H (2000) Prevention of venous thromboembolism in internal medicine with unfractionated or low-molecular-weight heparins: a meta-analysis of randomised clinical trials. Thromb Haemost 83: 14–19 Murray TS, Lorimer AR, Cox FC, Lawrie TDV (1970) Leg-vein thrombosis following myocardial infarction. Lancet 2: 792–793ii Negus D, Pinto DJ, Le Quesne LP, Brown N, Chapman M (1968) 125-I-labelled fibrinogen in the diagnosis of deepvein thrombosis and its correlation with phlebography. Br J Surg 55: 835–839 Nicolaides AN, Kakkar VV, Field ES, Fish P (1972) Optimal electrical stimulus for prevention of deep vein thrombosis. Br Med J 3: 756–758 Nurmohamed MT, Rosendaal FR, Buller HR, Dekker E, Hommes DW, Vandenbroucke JP, Briet E (1992) Low-molecular-weight heparin versus standard heparin in general and orthopaedic surgery: a meta-analysis. Lancet 340: 152–156 Poniewierski M, Barthels M, Kuhn M, Poliwoda F (1988) Effectiveness of low molecular weight heparin in the prevention of thromboembolims in internal medicine patients. Med Klin 83: 241–245 Riedler GF (1977) Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. Therapeutische Umschau 34: 363–367 Samama MM, Cohen AT, Darmon JY, Desjardins L, Eldor A, Janbon C, Leizorovicz Nguyen H, Olsson CG, Turpie AG, Weislinger N for the Study Group (1999) A comparison od enoxaparin with placebo for the prevention of venous thrombembolism in acutely ill medical patients. N Engl J Med 341: 793–800 Schuurman B, den Heijer M, Nijs AM (2000) Thrombosis prophylaxis in hospitalised medical patients: does prophylaxis in all patients make sense? Neth J Med M 56: 171–176 Stieger R, Gruber UF (1981) Prophylaxe tiefen Venenthrombosen in der inneren Medizin Schweiz Med Wochenschr 111: 716–722
IV
Teil IV
Risikoabschätzung in der Inneren Medizin
Kapitel 15
Expositionelle Risikofaktoren
– 98
Kapitel 16
Dispositionelle Risikofaktoren
– 103
Kapitel 17
Modelle zur Risikoabschätzung
– 108
15 Expositionelle Risikofaktoren S. Haas
Venöse Thromboembolien stehen fachübergreifend im Fokus der klinischen Praxis und eine routinemäßige Thromboembolieprophylaxe ist seit mehreren Jahrzehnten fester Bestandteil der chirurgischen Patientenversorgung. Die Indikationsstellung und Wahl der Prophylaxeform erfolgt in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil des Patienten, das durch Kombination von expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren bestimmt wird. Ob und inwieweit eine derartige Risikoabschätzung auch auf internistische Patienten übertragen werden kann, soll nachfolgend näher erörtert werden. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der aus klinischen Studien ableitbaren Evidenz des Thromboserisikos bei verschiedenen Krankheitsbildern (expositionelles Risiko). Eine Untersuchung des Risikoprofils von Patienten mit objektiv nachgewiesenen Thrombosen wurde von Samama et al. im Rahmen der so genannten Sirius-Studie durchgeführt. Diese französische multizentrische Fallkontrollstudie umfasste 1272 ambulante internistische Patienten, die wegen einer Thrombose behandelt wurden (⊡ Tabelle 15.1). Die Autoren unterscheiden »intrinsische« von »triggernden« Risikofaktoren und haben die jeweilige Odds Ratio (OR) für das Entstehen einer venösen Thromboembolie berechnet. Als triggernde Faktoren haben Schwangerschaft (OR 11,4), übermäßig starke körperliche Anstrengung oder Weichteilverletzung (OR 7,59), Verschlechterung des Allgemeinzustan⊡ Tabelle 15.1. Sirius-Studie: Triggernde (expositionelle) Risikofaktoren für venöse Thrombosen (Samama 2000) Risiko-/Triggernde Faktoren
OR (95%-KI)
Schwangerschaft
11,41 (1,40–93,29)
Übermäßige körperliche Anstrengung oder Weichteiltrauma
7,59 (2,95–19,53)
Verschlechterung des Allgemeinzustandes
5,75 (2,20–15,01)
Bettlägerigkeit oder Immobilisierung im Rollstuhl
5,61 (2,30–13,67)
Langstreckenreise (ohne nähere Angaben)
2,35 (1,45–3,80)
Infektionserkrankungen
1,95 (1,31–2,92)
KI Konfidenzintervall.
99 Kapitel 15 · Expositionelle Risikofaktoren
15
des (OR 5,75), Bettlägerigkeit oder Immobilisation im Rollstuhl (OR 5,61), Langstreckenreise (OR 2,35) und Infektionskrankheiten (OR 1,95) zur Thromboseentstehung beigetragen. Die genannten Odds Ratios sind jedoch mit Vorbehalt zu beurteilen, da eine ambulante Thrombosebehandlung zur Zeit der Durchführung der Sirius-Studie wesentlich seltener als heutzutage erfolgte und die Studie deshalb möglicherweise andere Patientenpopulationen widerspiegelt (Samama 2000). Hinsichtlich der Bewertung des Stellenwerts verschiedener Erkrankungen als Thromboserisikofaktor (expositionelles Risiko) sind plazebokontrollierte Studien am aufschlussreichsten. Die aus einigen prospektiven Studien ableitbare Evidenz wird nachfolgend diskutiert.
Expositionelles Risiko Thromboserisiko bei Herzerkrankungen Myokardinfarkt. In einigen früheren Studien wurden tiefe Beinvenenthrombosen bei Patienten mit Herzinfarkt mit einer Inzidenz von 17–34% festgestellt (Emerson u. Marks 1977; Handley 1972; Warlow et al. 1973), jedoch ist wegen des mittlerweile routinemäßigen Einsatzes von hochpotenten Thrombozytenfunktionshemmern, Antikoagulanzien und Thrombolytika fraglich, inwieweit diese Zahlen derzeit noch Gültigkeit haben. Herzinsuffizienz. Die Arbeitsgruppen von Kierkegaard et al. (1987) und Belch et al. (1981) ermittelten Thrombosehäufigkeiten von 20 bzw. 26% bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Die aufschlussreichsten Daten können jedoch jüngeren Studien entnommen werden, insbesondere der MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999), die auch nach verschiedenen Schweregraden der Herzinsuffizienz unterscheidet. Detaillierte Darstellungen der Häufigkeiten für Herzinsuffizienz NYHA III und IV sind in ⊡ Tabelle 15.2 aufgelistet. ⊡ Tabelle 15.2. Häufigkeit venöser Thromboembolien bei verschiedenen Schweregraden der Herzinsuffizienz in der MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999) Akute medizinische Erkrankung
Plazebo Patienten mit VTE [n/N]
Häufigkeit von VTE [%]
Herzinsuffizienz
14/96
14,6
NYHA-Grad III
9/73
12,3
NYHA-Grad IV
5/23
21,7
Akute respiratorische Erkrankung
20/153
13,1
Akute Infektiona
24/155
15,5
13/79
16,5
6/29
20,7
0/1
0
Infektion oder respiratorische
Erkrankunga
Rheumatische Erkrankunga Entzündliche aplus
Darmerkrankunga
weitere disponierende Risikofaktoren. VTE venöse Thromboembolie
100
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
Thromboserisiko bei akuten respiratorischen Erkrankungen Auch für diese Patientenpopulation sind aus der MEDENOX-Studie wertvolle Erkenntnisse zum Thromboserisiko ableitbar. Bei Patienten, die wegen einer akuten respiratorischen Insuffizienz ins Krankenhaus aufgenommen und unter strikter Bettlägerigkeit behandelt werden, muss ohne prophylaktische Maßnahmen mit einer Thrombosehäufigkeit von 13% gerechnet werden (Samama et al. 1999). Unter Intensivbehandlung mit Beatmung steigt das Risiko auf 18% (Fraisse et al. 2000). Im Vergleich zur schweren Herzinsuffizienz ist der Stellenwert akuter respiratorischer Erkrankungen als Risikofaktor für das Entstehen venöser Thromboembolien jedoch geringer einzustufen, was nicht nur aus den Daten der MEDENOX-Studie abgeleitet werden kann, sondern auch aus der PRINCE-Studie hervorgeht, in der diese beiden Patientenpopulationen mit zuvor festgelegter Stratifizierung und Randomisierung eingeschlossen wurden (Kleber et al. 2003).
Thromboserisiko bei aktiven malignen Erkrankungen Bei Patienten mit malignen Erkrankungen werden Thromboseraten bis zu 60% beschrieben, wobei die Zahlen bei verschiedenen Karzinomtypen und Behandlungsregimen sehr unterschiedlich sein können (Sutherland et al. 2003; Otten et al. 2000; Clarke-Pearson et al. 1984; Marras et al. 2000). Insbesondere chemotherapeutische Maßnahmen können das Thromboserisiko signifikant erhöhen (Levine et al. 1988; Saphner et al. 1991).
Neurologische Erkrankungen Das Thromboserisiko ist bei Patienten mit Schlaganfall, insbesondere bei Vorliegen von Paresen, besonders hoch. Aus gepoolten Daten verschiedener Studien lässt sich eine Häufigkeit venographisch nachgewiesener Thrombosen von 55% ableiten, was zur generellen Empfehlung prophylaktischer Maßnahmen und deren weit verbreitetem Einsatz geführt hat (Geerts et al. 2001; Nicolaides et al. 2001).
Andere internistische Erkrankungen
15
Unter dem Begriff »andere internistische Erkrankungen« (»other medical conditions«) werden in der Literatur verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die als Einschlusskriterien in klinische Studien definiert waren. Wegen vergleichbarer Definitionskriterien sind in diesem Zusammenhang die Daten aus drei plazebokontrollierten Studien am aufschlussreichsten. Als mustergültiges Protokoll galt hierbei die MEDENOX-Studie, in die Patienten mit folgenden Erkrankungen eingeschlossen wurden (Samama et al. 1999): Herzinsuffizienz (NYHA Grad III–IV) oder akute respiratorische Insuffizienz oder eine der nachfolgenden Diagnosen in Kombination mit einem oder mehreren prädefinierten dispositionellen Risikofaktoren: – akute Infektion, – entzündliche Darmerkrankung, – akute rheumatische Erkrankung, – akute Lumbalgie, Ischialgie oder Wirbelsäulenkompression, – akuter Myokardinfarkt.
101
% Venöse Thromboembolien
Kapitel 15 · Expositionelle Risikofaktoren
14.9%
16
43/288
14 12
10.5%
10
34/323
8 6 4
15
4.96% 73/1473
2 0
PREVENT
ARTEMIS
MEDENOX
⊡ Abb. 15.1. Venöse Thromboembolien unter Placebo in PREVENT, ARTEMIS und MEDENOX (Cohen et al. 2003; Leizorovicz et al. 2004; Samama et al. 1999)
In die PREVENT- und ARTEMIS-Studie wurden Patienten mit gleichen Einschlusskriterien eingeschlossen (Leizorovicz et al. 2004); die jeweils für die Plazebogruppe ermittelten Thrombosehäufigkeiten sind in ⊡ Abb. 15.1 graphisch dargestellt. Zum Verständnis der unterschiedlichen Thrombosezahlen zwischen PREVENT und den beiden anderen Studien ist die Kenntnis des unterschiedlichen Thrombosenachweises von Bedeutung. In der ARTEMIS- und MEDENOX-Studie wurden alle Patienten mittels beidseitiger Phlebographie untersucht, wogegen zum Thrombosenachweis bzw. -ausschluss in der PREVENT-Studie die Kompressionssonographie eingesetzt wurde. Mit der in der PREVENT-Studie angewandten Technik der Kompressionssonographie werden ausschließlich proximale Thrombosen diagnostiziert, die mittels Phlebographie in der MEDENOX-Studie in einer Häufigkeit von 6,6% und damit in ähnlicher Häufigkeit wie in PREVENT nachgewiesen wurden.
Risikokategorien gemäß expositionellem Risiko In der nordamerikanischen Konsensuserklärung des American College of Chest Physicians wurden verschiedene internistische Krankheitsbilder drei abgestuften Risikokategorien zugeordnet, die nachfolgend in ⊡ Tabelle 15.3 zusammengefasst sind (Geerts et al. 2001). Nicht in allen Fällen kann die Eingruppierung der verschiedenen Krankheitsbilder in die entsprechenden Risikokategorien aus der in ⊡ Tabelle 15.4 angegebenen Thromboseinzidenzen nachvollzogen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zahlen teilweise aus kleineren Studien resultieren, die den heutigen Anforderungen eines biometrischen Designs nicht mehr genügen würden. Unter diesem Aspekt ist verständlich, dass die Eingruppierung der schweren Erkrankungen mit intensivmedizinischer Behandlung in die Gruppe des hohen Risikos primär nach medizinischem Konsens und nicht nach wissenschaftlicher Evidenz erfolgte.
102
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
⊡ Tabelle 15.3. Risikokategorien gemäß expositionellem Risiko (Geerts et al. 2001) Hohes Risiko
Mittleres Risiko
Niedriges Risiko
Schlaganfall mit Parese
Myokardinfarkt
Infektion/akut entzündliche Erkrankung ohne strikte Bettlägerigkeit
Akut dekompensierte chronisch obstruktive Lungenerkrankungmit Beatmung
Herzinsuffizienz NYHA III + IV
Zentralvenöse Katheter oder PortSysteme (in gewissen Situationen auch mittleres oder sogar hohes Risiko)
Sepsis
Akut dekompensierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung ohne Beatmung
Schwer erkrankte Patienten mit intensivmedizinischer Behandlung
Infektion/akut entzündliche Erkrankungen mit strikter Bettruhe
⊡ Tabelle 15.4. Thromboseinzidenzen bei verschiedenen Krankheitsbildern ohne prophylaktische Maßnahmen (Geerts et al. 2001)
15
Internistische Erkrankungen
Thromboseinzidenz [%]
Allgemein-internistische Erkrankungen
10–26
Schlaganfall
11–75
Myokardinfarkt
16–34
Herzinsuffizienz
15–40
Schwere internistische Erkrankungen mit intensivmedizinischer Behandlung
29–32
Fazit In Analogie zu chirurgischen Patienten, deren expositionelles Thromboserisiko durch Art und Umfang des chirurgischen Eingriffs bzw. erlittenen Trauma definiert wird, kann auch bei nicht chirurgischen Patienten ein expositionelles Risiko definiert werden. Das expositionelle Risiko von nicht chirurgischen Patienten ist durch Art und Ausmaß einer akuten Erkrankung geprägt, wogegen Übergänge von Exposition zu Disposition durchaus möglich sind. Im Vergleich zu chirurgischen Patienten ist jedoch bei nicht chirurgischen Patienten die Trennschärfe zwischen expositionellem und dispositionellem Risiko geringer, was für die Abschätzung des Thromboserisikos nach klinischen Gesichtspunkten im klinischen Alltag jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt.
16 Dispositionelle Risikofaktoren S. Haas
In Analogie zu chirurgischen Patienten werden in der neueren Literatur auch für internistische Patienten zwei verschiedene Determinanten des individuellen Thromboserisikos beschrieben; dabei werden expositionelle bzw. auslösende von dispositionellen bzw. prädisponierenden Risikofaktoren unterschieden. Erstere werden durch den Verlauf einer akuten Erkrankung bestimmt und Letztere beinhalten das Basisrisiko des Patienten, das angeboren oder erworben sein kann. Die Evidenz verschiedener Risikokonstellationen kann prinzipiell aus unterschiedlichen Studienarten abgeleitet werden: aus Kohortenstudien, aus Untersuchungen an Patienten mit manifesten Thromboembolien und nachfolgenden Erhebungen verschiedener Risikofaktoren sowie aus plazebokontrollierten Studien zur primären Thromboembolieprophylaxe mit post hoc durchgeführten Risikoanalysen.
Dispositionelle Risikofaktoren In der bereits in Kap. 15 erwähnten SIRIUS-Studie wurden als intrinsische (dispositionelle) Risikofaktoren anamnestisch bekannte Thromboembolien, venöse Insuffizienz, chronische Herzinsuffizienz, Adipositas mit einem BMI >30, aufrechter Stand >6 h/Tag und eine Anamnese mit mehr als drei Schwangerschaften (bei insgesamt 325 untersuchten Frauen) beschrieben, wobei sich eine anamnestisch bekannte Thromboembolie mit einer OR von 15,6 als gewichtigster Risikofaktor herausstellte (⊡ Tabelle 16.1). Dies reflektiert auch die klinische Erfahrung, dass eine früher erlittene Thrombose bei geringfügigem Auslösemechanismus zum Rezidiv einer Thromboembolie führen kann. Aus heutiger Sicht erscheint diese Liste dispositioneller Risikofaktoren unvollständig, da sie keine Angaben zum Stellenwert des Alters und zu verschiedenen Faktoren der Thrombophilie enthält. Außerdem sind weitere konsensusbasierte Risikofaktoren unberücksichtigt, wobei die Trennschärfe zwischen expositionellem und dispositionellem Risiko bei Vorliegen chronischer Krankheitsbilder manchmal unklar ist. Dies betrifft beispielsweise maligne Erkrankungen, die im aktiven Stadium als akuter Triggermechanismus für eine venöse Thromboembolie angesehen werden können, bei chronischem Verlauf oder nach abgeschlossener Behandlung jedoch mehr den Kriterien eines prädisponierenden
104
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
⊡ Tabelle 16.1. Sirius-Studie: Intrinsische (dispositionelle) Risikofaktoren für venöse Thrombosen (Samama 2000) Risikofaktoren (intrinsische Faktoren)
OR (95%-KI)
Anamnestisch bekannte VTE
15,6 (6,77–35,89)
Venöse Insuffizienz
4,45 (3,10–6,38)
Chronische Herzinsuffizienz
2,93 (1,55–5,56)
Adipositas
2,39 (1,48–3,87)
Aufrechter Stand (>6 Stunden/Tag)
1,85 (1,12–3,06)
Anamnese >3 Schwangerschaften
1,74 (1,06–2,87)
KI Konfidenzintervall, VTE venöse Thromboembolie
Risikofaktors entsprechen. Gedanklich kann man davon ausgehen, dass der Stellenwert einer malignen Erkrankung als expositionelles Risiko durch das Ausmaß einer tumorassoziierten Hämostasestörung geprägt ist, wie z. B. Thrombozytenaktivierung, Expression inflammatorischer Zytokine und Produktion von so genannten Tumorprokoagulanzien. Näheres hierzu ist ausführlich in Kap. 10 beschrieben. Auch bei der chronischen Herzinsuffizienz und dem nephrotischen Syndrom handelt es sich um Krankheitsbilder, die generell das Basisrisiko des Patienten erhöhen, denen bei Änderung des Krankheitsverlaufs jedoch ebenso der Stellenwert eines expositionellen Risikofaktors zugeschrieben werden kann.
Stellenwert des Alters als Thromboserisikofaktor Die Bedeutung des Alters als Risikofaktor steigt mit zunehmendem Lebensalter durch Verschiebungen der Balance im Hämostasepotential und eventuell bedingt durch eine stetige Zunahme von erworbenen Risikofaktoren.
16
Pathogenese der Thrombose im Alter Gefäßwandveränderungen Faktor I n, Faktor V n, Faktor VIII n Antithrombin (AT) p Plasminogenaktivator Inhibitor (PAI) n Viskosität von Blut und Plasma n Mobilität p Multimorbidität n
Bereits im Jahr 1991 wurde von Anderson et al. im Rahmen einer epidemiologischen Untersuchung (The Worcester DVT Study) eine exponentielle Zunahme des Thromboserisikos mit einem Alter ab ca. 60 Jahren beschrieben. Die Inzidenzen venöser Thromboembolien sind für jede Lebensdekade in ⊡ Abb. 16.1 graphisch dargestellt.
105 Kapitel 16 · Dispositionelle Risikofaktoren
16
Inzidenzen pro 100.000 in der Bevölkerung 300 TVT
250
LE
200 150 100 50 0 0-9
10-19
20-29
30-39 40-49
50-59 60-69
70-79
>80
Alter (Jahre)
⊡ Abb. 16.1. Zunahme von venöser Thromboembolien mit dem Alter (Anderson et al. 1999)
2,5
TVT LE
RelativesRrisko
2 1,5 1 0,5 0
65-69
70-74
75-79 Alter (Jahre)
80-84
85-89
⊡ Abb. 16.2. Relative Risikoerhöhung mit zunehmendem Alter
Auch Kniffin et al. (1994) haben eine relative Risikoerhöhung für venöse Thromboembolien mit Zunahme des Alters beschrieben (⊡ Abb. 16.2). Insbesondere die Gefahr der Lungenembolie ist bei älteren Patienten stark erhöht.
Stellenwert verschiedener Formen der Thrombophilie als Thromboserisikofaktor Auf die besondere Rolle verschiedener Formen der Thrombophilie wurde in Kap. 8 bereits ausführlich eingegangen. In ⊡ Tabelle 16.2 sind die an Thrombosepatienten ermittelten Häufigkeiten denjenigen der Allgemeinbevölkerung ohne Thrombosenachweis tabellarisch gegenüber gestellt. Obwohl es keine aus prospektiv kontrollierten Studien ableitbaren Daten zum exakten Stellenwert des jeweiligen Thrombophiliefaktors als unabhängiger Thromboserisikofaktor bei verschiedenen Erkrankungen gibt, ist es medizinischer Konsens, dass diese Faktoren das Thromboserisiko in gewissen Risikosituationen zusätzlich erhöhen. Man also davon ausgehen, dass bei Vorliegen eines oder mehrerer Thrombophi-
106
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
⊡ Tabelle 16.2. Häufigkeiten verschiedener Thrombophiliefaktoren in der Allgemeinbevölkerung und bei Patienten mit Thrombosen. (Mod. nach Laffen u. Tuddenham 1998) Thrombophiliefaktor
Häufigkeit bei Patienten mit Thrombosen [%]
Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung [%]
Protein-C-Mangel
2,1
0,3
Antithrombinmangel
1,1
0,2
Protein-S-Mangel
2,2
0,2
Hyperhomozysteinämie
10
4,8
Erhöhte Prothrombinspiegel
6,2
2,3
Faktor-V-Leiden-Mutation
20
4
Erhöhte Faktor-VIII-Spiegel
25
11
Hyperfibrinogenämie
15
8
liefaktoren die Schwelle zur Manifestation einer Thrombose gesenkt wird. Dies gilt insbesondere für jüngere Patienten ohne zuvor erlittene Thrombose, da bei älteren Patienten angenommen werden kann, dass eine Thrombose bei Vorliegen dieser Faktoren schon früher in Erscheinung getreten wäre.
Dispositionelles (prädisponierendes) Thromboserisiko bei Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen
16
Wie bereits erwähnt, wird das Basisrisiko für venöse Thromboembolien durch verschiedene beim Patienten vorhandene, prädisponierende Umstände definiert. Eine Post-hoc-Analyse der Medenox-Studie lieferte auch für die Bedeutung und Bewertung der Basisrisiken wichtige Erkenntnisse, insbesondere hinsichtlich Wirksamkeit einer medikamentösen Prophylaxe mit einmal täglich 40 mg Enoxaparin (Alikhan et al. 2003). Bei der Auswertung der Wirksamkeit nach vorhandenen, prädisponierenden Risikofaktoren zeigte sich für Patienten, die älter als 75 Jahre waren und 40 mg Enoxaparin erhielten, eine signifikante Risikominderung der VTE um 78% im Vergleich zu Plazebo (p=0,0001). Für den Risikofaktor Immobilität, definiert als selbständige Gehstrecke von <10 m am Tag 10 r 4 Tage, konnte ebenfalls die VTE-Rate in der 40-mg-Enoxaparingruppe signifikant um 56% gesenkt werden (p=0,02). Für den Risikofaktor venöse Thromboembolie in der Anamnese betrug die Senkung 51% verglichen mit Plazebo, was allerdings statistisch nicht signifikant war, und für Patienten mit Varikosis konnte eine Risikoreduktion von 76% erreicht werden (p=0,05). Ein besonders hohes relatives Thromboserisiko haben Patienten mit einer chronisch respiratorischen bzw. chronischen Herzinsuffizienz. Bei diesen Patienten betrug die Risikosenkung unter 40 mg Enoxaparin jeweils signifikant 74% verglichen mit Plazebo (p=0,005, p=0,04; ⊡ Abb. 16.3). Bei Patienten mit aktivem Krebs in der Vorgeschichte zeigte die Auswertung eine Senkung der VTE-Rate um 50% in der Hochdosisgruppe verglichen mit Plazebo (p=0,4). Bei Patienten mit Adipositas (BMI t30 kg/m2 für Männer; BMI t28,6 kg/m2 für Frauen) ergab sich eine Risikosenkung von 51% für die 40-mg-Enoxaparingruppe im Vergleich zu Plazebo (p=0,3).
16
107
Risikoreduktion durch Enoxaparin 40 mg (%)
Kapitel 16 · Dispositionelle Risikofaktoren
0,0
-25,0
Immobilität
VTEAnamnese
Chronisch respiratorische Insuffizienz*
Chronische Herzinsuffizienz
RRR - 78 %
RRR - 56 %
RRR -51 %
RRR -74 %
RRR -74 %
p = 0,0001
p = 0,02
p = n.s.
p = 0,005
p = 0,04
Alter > 75 Jahre
-50,0
-75,0 * pO2 < 65 % -100,0
⊡ Abb. 16.3. Subgruppenanalyse der MEDENOX-Studie hinsichtlich Wirksamkeit von einmal täglich Enoxaparin 40 mg aufgetrennt nach verschiedenen dispostionellen Risikofaktoren. (Mod. nach Alikhan et al. 2003)
In einer univariaten Analyse des prädisponierenden Risikoprofils der MEDENOXPatienten wurden die nachfolgend aufgelisteten Faktoren als unabhängige Risikofaktoren identifiziert: höheres Lebensalter (>75 Jahre), Malignom, venöse Thromboembolie in der Anamnese. Die Ergebnisse sind in ⊡ Tabelle 16.3 zusammengefasst.
Fazit Prädisponierende Risikofaktoren können das individuelle Thromboserisiko internistischer Patienten erhöhen. Ob sich das Risiko bei Vorliegen mehrerer Faktoren additiv oder multiplikativ erhöht, kann aufgrund der verfügbaren Datenlage jedoch nicht entschieden werden.
⊡ Tabelle 16.3. Risikofaktoren und VTE-Risiko in MEDENOX: univariate Analyse (Alikhan et al. 2004) Risikofaktor
RR
95%-KI
p
Weibliches Geschlecht
1,20
0,83–1,73
0,38
Alter >75
1,51
1,03–2,20
0,04
Malignom
1,74
1,13–2,68
0,02
Anamnestische VTE
1,84
1,15–2,94
0,02
Adipositas
1,04
0,68–1,60
0,97
Varizen
1,34
0,91–1,97
0,18
KI Konfidenzintervall, VTE venöse Thromboembolie
17 Modelle zur Risikoabschätzung S. Haas
Im klinischen Alltag ist wünschenswert, das individuelle Risiko des Patienten einfach, aber trotzdem möglichst präzise abschätzen zu können. Diesem Wunsch entsprechend wurden zahlreiche Modelle und Schemata entwickelt, die eine Indikationsstellung zur Thromboembolieprophylaxe erleichtern sollten, wegen entweder zu komplexer oder zu vereinfachter Darstellung bisher jedoch kaum Anwendung in der Praxis gefunden haben. Unter der Annahme, dass nur schwer erkrankte Patienten stationär behandelt werden und die überwiegende Mehrzahl dieser Patienten vermutlich von einer Prophylaxe profitieren würde, wird von einem Expertengremium in USA eine stark vereinfachte Risikoabschätzung propagiert. Demnach wird empfohlen, prinzipiell alle Patienten unter dem Aspekt der Indikation für eine Prophylaxe zu screenen und diese bei Vorliegen von Risikofaktoren und nicht bestehender Kontraindikation auch durchzuführen (DVT FREE Consensus Panel 2003; http://www.thrombosis-consult.com/VTED%20Pathway%20rev%204.pdf). In Deutschland wurde im Rahmen einer interdisziplinären Fachplattform ein einfaches, visuell schnell erfassbares Risikoschema entwickelt, das eine rasche Risikoerfassung nach klinischen Gesichtspunkten ermöglicht (s. ⊡ Abb. 17.1, Risikoschema zur Erfassung des individuellen Risikolevels). Das Risikoschema zeigt nach Studienlage und klinischer Expertise gewichtete Risikoklassen von Akutrisiken (expositionelles Risiko), denen gewichtete Risikoklassen von Basisrisiken (prädisponierende Risikofaktoren) gegenübergestellt wurden (Lutz et al. 2002). Bei den Akutrisiken handelt es sich um Risikofaktoren, die durch die akute Erkrankung oder deren Behandlung entstehen, wohingegen bei den Basisrisiken Risikofaktoren erfasst werden, die der Patient ohne den Eintritt der akuten Krankheit bereits aufweist. Im Gegensatz zu den operativen Fächern, in denen die Risikoklasseneinteilung in »hoch«, »mittel« und »niedrig« auch unterschiedliche Heparindosierungen erfordert, ist diese Einteilung bei internistischen Patienten nicht sinnvoll, weil hier allein die Hochrisikodosierung von Heparin und niedermolekularem Heparin als wirksame Prophylaxe angesehen werden kann. Aus diesem Grund wurde für das Risikoschema die zweidimensionale Betrachtung gewählt, da die therapeutische Konsequenz stets gleich bleibt: Es handelt sich also um eine Ja- oder Nein-Entscheidung. Die Akutrisiken der Klassen 2 und 3 erfordern nach Studienlage eine medikamentöse Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Die Klasse 1 führt erst dann zu einer Indikation, wenn weitere Risikofaktoren aus den Basisrisiken additiv hinzukommen. Unabhängig von dieser Empfehlung ist es dem Arzt überlassen, auf Grund besonderer Umstände die Indi-
17
109 Kapitel 17 · Modelle zur Risikoabschätzung
AKUTRISIKO
Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos 5 Ischämischer Apoplex mit Parese 5 Akut dekompens. COPD mit Beatmung
3
5 5 5 5 5
2
Myokardinfarkt Herzinsuffizienz NYHA III + IV Akut dekompens. COPD ohne Beatmung Sepsis Infektion/akut entzündliche Erkrankung mit nahezu vollständiger Immobilisierung
5 Infektion/akut entzündliche Erkrankung mit nicht vollständiger Immobilisierung 5 Infusion venenschädigender Lösungen bei ZVK oder Port
1
5 Kein Akut-Risiko
0
Hohes . . .
GESAMTRISIKO
Niedriges. . . 0 5 Kein BasisRisiko
1 5 Exsikkose 5 Polyglobulie oder Thrombozytose 5 Stammvarikosis 5 VTE in Familie 5 Hormonersatztherapie 5 Adipositas
2 5 5 5 5 5
Alter > 65 Jahre Schwangerschaft Orale Kontrazeption Nephrot. Syndrom Myeloprol. Syndrom ODER:
5 2 Risiken aus 1
3 5 Thrombophilie 5 VTE in Eigenanamn 5 Florides Malignom ODER: 5 3 Risiken aus 1 5 2 Risiken aus 2
BASISRISIKO ⊡ Abb. 17.1. Abschätzung der Indikation zu einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe in Abhängigkeit von Akutrisiken und Basisrisiken bei internistischen Patienten
kationsstellung abweichend vorzunehmen. Der Vorteil dieses Schemas ist, dass es auch zur Abschätzung des Thromboserisikos bei der Beratung von Patienten hinsichtlich der Gefahr einer so genannten Reisethrombose verwendet werden kann. Die Akutrisikoklasse 0 entspräche dem temporär durch die Reiseumstände bedingten Risiko (langes Sitzen in beengter Sitzhaltung) und im Falle einer Basisrisikoklasse 3 (Vorhandensein besonders gewichtiger prädisponierender Risikofaktoren) wäre eine medikamentöse Prophylaxe ratsam. Die Arbeitsgruppe von Cohen et al. (2003) hat ein ähnliches Risikoschema zur Erfassung des individuellen Thromboserisikos vorgestellt, das sich lediglich von dem oben genannten durch eine Differenzierung von evidenz- und konsensbasierten Risikofaktoren unterscheidet. Als evidenzbasierte Risikofaktoren wurden aus der Kategorie des expositionellen Risikos folgende Faktoren identifiziert: ischämischer Apoplex mit Parese, akut dekompensierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit und ohne Beatmung, Herzinsuffizienz NYHA III und IV, Sepsis, aktive maligne Erkrankung, nahezu vollständige Immobilisierung bei akuter Infektion oder akut entzündlicher Erkrankung (z. B. Darm oder Gelenke).
110
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
Evidenzbasierte prädisponierende Risikofaktoren waren: Alter >75 Jahre, bekannte Thrombophilie, venöse Thromboembolie in der Eigenanamnese, maligne Erkrankung in der Anamnese, venöse Thromboembolie in der Familienanamnese. Dieses Risikoschema basiert auf einer 3u3-Feldertafel und führt prinzipiell zu einer ähnlichen Aussage wie die in Abb. 1 gezeigte 4u4-Feldertafel (⊡ Abb. 17.2). Der Vorteil dieses Schemas liegt in der einfacheren Erfassung der Akutrisiken und der daraus ableitbaren Konsequenz einer Indikation zur medikamentösen Prophylaxe. Patienten mit einem evidenzbasierten Akutrisiko fallen automatisch in die Kategorie des hohen Risikos, was eine Indikation zur medikamentösen Prophylaxe bedeutet.
Fazit Das individuelle Thromboserisiko nicht chirurgischer Patienten ist definiert als Summe aus expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren. Die aus mehreren randomisierten Studien ableitbare Evidenz eines erhöhten Thromboserisikos ist für zahlreiche internistische Erkrankungen gesichert. Mit Zunahme des Basisrisikos sinkt die Schwelle der Manifestation einer venösen Thromboembolie bei entsprechender Exposition.
Akut-Risiken
Akut-Risiken
Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos
17
Ischämischer Apoplex mit Parese Akut dekompens. COPD (mit/ohne Beatmung) Akuter Myokardinfarkt Herzinsuffizienz NYHA III + IV Sepsis Aktive Krebserkrankung unter Therapie Nahezu vollständige Immobilisierung bei akuter Infektion , bei akuter Entzündung (z.B. Darm, Gelenke)
Hohes Gesamtrisiko
Nicht vollständige Immobilisierung bei fieberhaften Infekten bei fieberhafter Entzündung
Liegender ZVK Infusion venenaggressiver Lösungen bei Port Bei jeder Mobilitätseinschränkung des internistischen Patienten sollte routinemäßig anhand der Basisrisiken das VTE-Risiko bestimmt werden: je höher das Basisrisiko, desto großzügiger die Indikationsstellung!
COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung ZVK: zentraler V enenkatheter VTE: venöse Thromboembolie
: Evidenz-basiert
Niedriges Gesamtrisiko Exsikkose Polyglobulie Thrombozytose Stammvarikose Hormonersatztherapie Adipositas Alter > 60 Jahre
Alter > 75 Jahre Schwangerschaft / p.p. Orale Kontrazeption Nephrot. Syndrom Myeloprol. Syndrom
Bekannte Thrombophilie VTE in Eigenanamnese Tumor i.d. Anamnese VTE in Familienanamnese
Addition der Einzelrisiken
Basisrisiken
⊡ Abb. 17.2. Abschätzung der Indikation zu einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe in Abhängigkeit von Akutrisiken und Basisrisiken bei internistischen Patienten. (Mod. nach Cohen et al. 2003)
111 Kapitel 15–17 · Fragen
15–17
Fragen zu Kapitel 15–17: Risikoabschätzung Kapitel 15: Expositionelle Risikofaktoren 1.
Was sind expositionelle Risikofaktoren? A. Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens erworben werden B. Angeborene Risikofaktoren C. Risikofaktoren, die durch Art und Umfang einer Erkrankung charakterisiert sind. D. Risikofaktoren, die nach Abklingen einer akuten Erkrankung nicht mehr vorhanden sind.
2.
Welche der nachfolgenden Erkrankungen sind aus Studien ableitbar mit einem erhöhten Thromboembolierisiko assoziiert? A. Sepsis B. Akute respiratorische Erkrankungen mit Beatmung C. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV D. Schlafapnoe Syndrom E. Pericholecystitis
Kapitel 16: Dispositionelle Risikofaktoren 3.
Was sind prädisponierende (dispositionelle) Risikofaktoren? A. Patientenbezogene Risikofaktoren, die dauerhaft das Risiko für thromboembolische Komplikationen erhöhen. B. Angeborene oder erworbene Defekte im Gerinnungssystem (Thrombophilie) C. Hohes Lebensalter D. Anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien
4.
Welche der nachfolgenden Faktoren sind prädisponierende Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie? A. Faktor V Leiden Mutation B. Metabolisches Syndrom C. Protein C Mangel D. Arterielle Verschlusskrankheit E. Anamnestisch bekannte Thrombose
Kapitel 17: Modelle zur Risikoabschätzung 5.
Welche der nachfolgenden Situationen erhöhen insgesamt das Risiko für venöse Thromboembolien? A. Diabetes mellitus B. Erhöhtes Lebensalter C. Rauchen D. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV E. Akute respiratorische Erkrankung mit strikter Bettlägerigkeit
6.
Wie kann man das individuelle Thromboserisiko abschätzen? A. Durch komplexe Berechnungen der Summe aller Risikofaktoren B. Durch Kombination von expositionellen und prädisponierenden Risikofaktoren nach klinischen Gesichtspunkten C. Durch entsprechende Labordiagnostik D. Durch Addition verschiedener Risikofaktoren und Multiplikation mit verschiedenen Risikoindices
112
Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren
Literatur zu Teil IV (Kapitel 15–17) Alikhan R, Cohen AT, Combe S et al. (2003) Prevention of venous thromboembolism in medical patients with enoxaparin: a subgroup analysis of the MEDENOX study. Blood Coagul Fibrinolysis 14: 341–346 Alikhan R, Cohen AT, Combe S et al. (2004) Risk factors for venous thromboembolism in hospitalized patients with acute medical illness: analysis of the MEDENOX Study. Arch Intern Med 164: 963–968 Anderson FA Jr, Wheeler HB, Goldberg RJ et al. (1991) A population-based perspective of the hospital incidence and case-fatality rates of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. The Worcester DVT Study. Arch Intern Med 151: 933–938 Belch JJ, Lowe GDO, Ward AG, Forbes CD, Prentice CRM (1981) Prevention of deep vein thrombosis in medical patients by low-dose heparin. Scott Med J 26: 115–117 Clarke-Pearson DL, Synan IS, Colemen RE, Hinshaw W, Creasman WT (1984) The natural history of postoperative venous thromboemboli in gynaecologic oncology: a prospective study of 382 patients. Am J Obstet Gynecol 148: 1051–1054 Cohen AT et al. (2003) J Thromb Haemost 1 [Suppl 1]: P2046 Emerson PA, Marks P (1977) Preventing thromboembolism after myocardial infarction: effect of low-dose heparin or smoking. BMJ 1: 18–20 Fraisse F, Holzapfel L, Coulaud J-M et al. (2000) Nadroparin in the prevention of deep vein thrombosis in acute decompensated COPD. Am J Respir Crit Care Med 161: 1109–1114 Geerts WH, Heit JA, Clagett GP et al. (2001) Prevention of venous thromboembolism. Chest 119: 132S–175S Handley AJ (1972) Low-dose heparin after myocardial infarction. Lancet 2: 623–624 Kierkegaard A, Norgren L, Olsson C-G, Castenfors J, Persson G, Persson S (1987) Incidence of deep vein thrombosis in bedridden non-surgical patients. Acta Med Scand 222: 409–414 Kleber F-X, Witt C, Vogel G, Koppenhagen K, Schomaker U, Flosbach CW, for THE-PRINCE Study Group (2003) A randomized comparison of enoxaparin with unfractionated heparin for the prevention of venous thromboembolism in medical patients with heart failure or severe respiratory disease. Am Heart J 145: 614–621 Kniffin WD Jr, Baron JA, Barrett J et al. (1994) The epidemiology of diagnosed pulmonary embolism and deep venous thrombosis in the elderly. Arch Intern Med 154: 861–866 Laffen M, Tuddenham E (1998) Science, medicine, and the future: Assessing thrombotic risk. Br Med J 317: 520–523 Leizorovicz A, Cohen AT, Turpie AG, Olsson CG, Vaitkus PT, Goldhaber SZ; PREVENT Medical Thromboprophylaxis Study Group (2004) Randomized, placebo-controlled trial of dalteparin for the prevention of venous thromboembolism in acutely ill medical patients. Circulation 17: 874–879 Levine MN, Gent M, Hirsh J et al. (1988) The thrombogenic effect of anticancer drug therapy in women with stage II breast cancer. N Engl J Med 318: 404–407 Lutz L, Haas S et al. (2002)Venöse Thromboembolie in der Inneren Medizin: Risikoeinschätzung und medikamentöse Prophylaxe. Med Welt 53: 231–234 Marras LC, Geerts WH, Perry JR (2000) The risk of venous thromboembolism is increased throughout the course of malignant glioma. An evidence-based review. Cancer 89: 640–646 Nicolaides AN, Breddin HK, Fareed J et al. (2001) Prevention of venous thromboembolism. International Consensus Statement Guidelines compiled in accordance with the scientific evidence. Int Angiol 20: 137 Otten HMMB, Prins MH, Smorenburg SM, Hutten BA (2000) Risk assessment and prophylaxis of venous thromboembolism in non-surgical patients: cancer as a risk factor. Haemostasis 30 [Suppl 2]: 72–76 Samama M-M (2000) An epidemiologic study of risk factors for deep vein thrombosis in medical outpatients. Arch Intern Med 160: 3415–3420 Samama MM, Cohen AT, Darmon J-Y et al. (1999) A comparison of enoxaparin with placebo for the prevention of venous thromboembolism in acutely ill medical patients. N Engl J Med 341: 793–800 Saphner T, Tormey DC, Gray R (1991) Venous and arterial thrombosis in patients who received adjuvant therapy for breast cancer. J Clin Oncol 9: 286–294 Sutherland DE, Weitz IC, Liebman HA (2003) Thromboembolic complications of cancer: epidemiology, pathogenesis, diagnosis, and treatment. Am J Hematol 72: 43–52 Warlow C, Beattie AG, Terry G, Ogston D, Kenmure ACF, Douglas AS (1973) A double-blind trial of low doses of subcutaneous heparin in the prevention of deep-vein thrombosis after myocardial infarction. Lancet 2: 934–936
V
Teil V
Ungeklärte Fragestellungen
Kapitel 18
Das Problem der Immobilität
– 114
Kapitel 19
Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten
– 117
Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten
– 119
Kapitel 20
18 Das Problem der Immobilität H. Lawall
Die Grundlage für die Beurteilung des Thromboserisikos ist unverändert die Pathophysiologie im Sinne der Virchow-Trias. Das Zusammenspiel von Blutfluss, Gefäßwand und Zusammensetzung des Blutes ermöglicht die Betrachtung einer konkreten klinischen Situation und erlaubt die Erkennung bestehender Einzelrisiken. Für die Beurteilung des gesamten thrombembolischen Risikos eines Patienten ist es erforderlich, neben den expositionellen krankheitsbezogenen Risiken auch die patientenbezogenen prädisponierenden Risiken zu bestimmen. Im Gegensatz zu den operativen Gebieten ist die Datenlage für nicht chirurgische Patienten weniger gesichert und die Thrombembolieprophylaxe oft nicht durch ausreichend große Studien belegt. In der postoperativen Phase fällt die Entscheidung zur Thromboseprophylaxe im Allgemeinen leicht, bei internistischen Patienten ist die Indikation oft schwer und nur pragmatisch zu treffen. Pathophysiologisch kommt es auch bei Immobilisation internistischer Patienten zur venösen Stase und damit zur Beeinträchtigung des venösen Blutflusses. Gemäß der bereits zitierten Virchow- Trias liegt damit ein Hauptrisiko zur Entstehung einer venösen Thrombembolie vor. Potenziert wird dieses krankheitsbedingte Risiko Immobilisation noch durch das Vorliegen weiterer individueller prädisponierender und krankheitsbezogener Risiken. Allerdings ist der Grad der Immobilisation und damit das Risiko bei konservativen Patienten nicht eindeutig definiert. So ist unklar, welchen Zeitraum die Immobilisation umfassen muss und wie ausgeprägt die fehlende Bewegung der unteren Extremitäten zu bewerten ist. Uneinigkeit herrscht darüber, ob nur die vollständige Bettruhe oder auch bereits die Teilmobilisation mit dem kurzen Gang ins Bad oder auf die Toilette beziehungsweise die Teilmobilisation im Rollstuhl als Hauptrisiko einzustufen ist. Sicherlich führt die fehlende Betätigung der Muskelvenenpumpe der unteren Extremitäten zur venösen Stase. Der Faktor Bettlägrigkeit alleine begründet aber noch keine medikamentöse Thromboseprophylaxe (Lutz 2001). Der Zustand der Immobilisation ist ein möglicher Faktor für eine Thrombose, konnte aber bislang für konservative Patienten nicht durch überzeugende Studien als alleiniger Risikofaktor festgemacht werden. Kommt zur Immobilisation allerdings noch eine akute Erkrankung hinzu oder bedingt eine akute Erkrankung eine mehrtägige Bettruhe, steigt das Risiko einer venösen Thromboembolie deutlich an. Klinisch ist es vielmehr bedeutsam, wie aktuell die Bettlägrigkeit auftritt.
115 Kapitel 18 · Das Problem der Immobilität
18
Bei einer bleibenden Parese nach 4 Wochen oder bei einem dauerhaft bettlägerigen Pflegepatienten wird die Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe nur dann zu stellen sein, wenn eine weitere akute Erkrankung auftritt, die den venösen Rückfluss verlangsamt oder die Gerinnungsbereitschaft des Blutes erhöht. Deshalb findet sich in diesen Fällen in nahezu allen Modellen zur Risikostratifizierung bei nicht chirurgischen Patienten die Immobilisation als Risikofaktor für eine venöse Thromboembolie. Lutz und Haas (2002) haben in einem Risikoschema zur Erfassung des individuellen Thromboserisikos die Immobilisation zu den Akutrisiken gezählt und dabei zwischen nahezu vollständiger und nicht vollständiger Immobilisation unterschieden. Allerdings wurde der Begriff der Immobilisation nicht präzise definiert und besonders die Bezeichnung »nicht vollständige Immobilisation« erlaubt einen weiten Spielraum. So bleibt die Ausprägung der Bettlägerigkeit unklar. Die Autoren betonen aber den Zusammenhang der Immobilisation mit akuten Krankheitsbildern, die zu einer entsprechenden Risikoeinstufung führen. Die vollständige Immobilisation bei einer akuten internistischen Erkrankung (z. B. Infektion, dekompensierte Herzinsuffizienz) fällt in dem vorgestellten Schema in die Risikoklasse 2 und bedarf einer medikamentösen Thromboseprophylaxe. Im Rahmen der Akutrisiken führt die nicht vollständige Immobilisation zu einem niedrigen Gesamtrisiko und bedarf zunächst keiner medikamentösen Thromboseprophylaxe. In der Stellungnahme der Sixth ACCP Consensus Conference on Antithrombotic Therapy wird die Immobilisation bei internistischen Patienten nur im Zusammenhang mit akuten Erkrankungen aufgeführt (Geerts et al. 2001). Sie führt hier ebenfalls zu einer deutlichen Risikoerhöhung. In einer Übersichtsarbeit unterstreicht Vaitkus (2004) diese Zusammenhänge und stellt klar heraus, dass aufgrund der vorliegenden schmalen Datenbasis die Immobilisation alleine zunächst nicht eine sichere Indikation zur medikamentösen Prophylaxe darstellt. Kommen bei bettlägerigen Patienten jedoch akute internistische Erkrankungen hinzu, sollte eine adäquate medikamentöse Prophylaxe durchgeführt werden. Hier liegen für die niedermolekularen Heparine die meisten Erfahrungen und die besten Daten vor. Zwei klinische randomisierte Studien untersuchten bei akut erkrankten internistischen Patienten die Wirksamkeit von niedermolekularen Heparinen gegenüber Plazebo bzw. unfraktioniertem Heparin. Die Indikation zur Thromboseprophylaxe wurde in beiden Studien durch die Bettlägerigkeit festgelegt. Dabei zeigte sich in der plazebokontrollierten Studie von Dahan et al. (1986) eine eindrucksvolle Reduktion der Inzidenz tiefer Beinvenenthrombosen unter Enoxaparin (3% vs. 9,1% unter Plazebo) bei vergleichbarer Blutungsrate. Harenberg et al. (1990) verglichen bei bettlägerigen internistischen Patienten die Wirkung von Certoparin und unfraktioniertem Heparin. Bei vergleichbarer Thrombosereduktion waren die Blutungskomplikationen unter dem unfraktionierten Heparin signifikant häufiger. Ob die verlängerte Bettlägerigkeit ein erhöhtes venöses Thromboembolierisiko birgt, wurde jüngst in einer Kohortenstudie analysiert (Gatt et al. 2004). Bei über 3 Monate dauerhaft bettlägerigen, alten Patienten in Alters- und Pflegeheimen wurde die klinisch nachweisbare Rate an tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien ermittelt und mit der Anzahl thromboembolischer Ereignisse bei mobilen älteren Bewohnern der Altenheime verglichen.
116
Teil V · Ungeklärte Fragestellungen
Dabei zeigte sich in beiden Gruppen eine vergleichbar niedrige Inzidenz klinisch relevanter venöser Thromboembolien (13,9 bzw. 15,8 pro 1000 Patientenjahre) und für die immobilisierten Patienten ergab sich kein erhöhtes Thromboserisiko. Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit bei chronisch bettlägerigen alten Patienten in Alten- und Pflegeheimen im Vergleich zu mobilen Bewohnern der Altenheime kein erhöhtes Risiko festgestellt werden. Eine dauerhafte oder längerfristige medikamentöse Thromboseprophylaxe kann aufgrund der vorliegenden Studien bei alten und immobilen bzw. pflegebedürftigen Patienten nicht generell abgeleitet werden. Bettruhe länger als 3 Tage wird in einer Übersicht auch als weniger relevanter Risikofaktor mit einer Odds Ratio kleiner 2 für das Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien bewertet (Anderson u. Spencer 2003). Unter Berücksichtigung der Begleitrisiken oder Akuterkrankung handelt es sich bei der Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe stets um eine Individualentscheidung (Diehm u. Lawall 2002). Darüber sollten allerdings die allgemeinen Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe nicht aus dem Auge verloren werden. Die frühzeitige Mobilisierung und die Kompressionsbehandlung fördern den venösen Rückstrom, führen zur Beschleunigung des Blutflusses in den tiefen Venen und tragen so zur Risikoreduktion bei.
18
19 Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten H. Lawall
Mit höherem Lebensalter wird die venöse Thromboembolieprophylaxe zu einem zentralen Punkt in der Behandlung internistischer Patienten. Das Thromboserisiko steigt ab der 2. Lebenshälfte sprunghaft an und verdoppelt sich ab dem 60. Lebensjahr für jede Dekade (Anderson et al. 1991). Aufgrund der Erhöhung einiger Gerinnungsfaktoren sowie des Rückgangs von Antithrombin besteht bei alten Menschen eine Neigung zur Hyperkoagulabilität, die durch akute Krankheitsbilder und Immobilität noch verstärkt wird. Gerade die Multimorbidität alter Patienten wirkt sich in diesem Zusammenhang oft fatal aus, da die kardiopulmonale Reservekapazität im Alter eingeschränkt ist. In einer Studie wurde bei Aufnahme in eine Akutgeriatrie aufgrund eines routinemäßig durchgeführten Lungenszintigramms bei 12% der Patienten eine asymptomatische Lungenembolie nachgewiesen. In einer weiteren Untersuchung konnten Bressolette et al. (2001) bei 18% aller internistischen Patienten, die älter als 80 Jahre waren, zum Aufnahmezeitpunkt im Krankenhaus eine tiefe Beinvenenthrombose diagnostizieren. Zahlreiche Studien belegen den Einfluss des Lebensalters auf die Inzidenz thromboembolischer Ereignisse (Anderson et al. 1991; Hansson et al. 1997; Silverstein et al. 1998). Während bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Menschen die Thromboseinzidenz sehr niedrig ist, steigt sie mit dem zunehmenden Lebensalter deutlich an. In einer schwedischen Studie wurde die Wahrscheinlichkeit, eine venöse Thromboembolie zu erleiden, für Männer zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr mit 10,7% berechnet (Nordström et al. 1992). Bei geriatrischen Patienten mit internistischen akuten Erkrankungen fanden Dahan et al. (1986) eine tiefe Beinvenenthrombose in 9%. Die wichtigsten epidemiologischen Studien zu dieser Fragestellung sind in ⊡ Tabelle 19.1 aufgelistet. Anderson zählt das Alter zu den wesentlichen zusätzlichen Risikofaktoren, die das Thromboembolierisiko erhöhen. In einer großen epidemiologischen Studie an 1231 Patienten fand er bei 88,5% der Patienten ein höheres Lebensalter (Anderson u. Spencer 2003). Auf dem Boden einer akuten Erkrankung oder Verletzung steigt bei höherem Lebensalter über 40 Jahre das Thromboserisiko. Auch die Frühmortalität venöser Thromboembolien ist eng mit dem Lebensalter assoziiert, da multimorbide alte Patienten eine deutlich reduzierte Kompensationsfähigkeit der kardialen und pulmonalen Funktionen aufweisen (Wehling et al. 2002).
118
Teil V · Ungeklärte Fragestellungen
⊡ Tabelle 19.1. Lebensalter und Inzidenz venöser Thromboembolien VTE-Inzidenz 50–59. Lj.
VTE-Inzidenz 70–79. Lj.
Anderson 1991
62/100.000 Menschen
316/100.000 Menschen
Hansson 1997
132/100.000 Menschen
522/100.000 Menschen
Silverstein 1998
135/100.000 Menschen
440/100.000 Menschen
Ab wann das Alter einen Risikofaktor für eine Blutung darstellt, wird in der Literatur uneinheitlich beurteilt. Unstrittig steigt die Blutungswahrscheinlichkeit bei älteren Patienten unter oraler Antikoagulation. Mit einem Alter über 70 Jahre fand sich auch eine Zunahme der Blutungskomplikationen unter Heparin. Deshalb muss bei alten Menschen die Entscheidung zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe individuell unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden und auslösenden Thromboserisiken und Blutungsrisiken getroffen werden. In einer größeren Studie bei älteren bettlägerigen internistischen Patienten konnte unter unfraktioniertem und niedermolekulare Heparin eine zu vernachlässigende Rate an schweren Blutungskomplikationen beobachtet werden (Bergmann et al. 1996). Zusammengefasst muss bei älteren mobilen Patienten ohne auslösende Risikofaktoren keine medikamentöse Prophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin durchgeführt werden. Dies gilt auch für alte Menschen in Pflege- und Altersheimen. Das kalendarische Lebensalter an sich ist noch keine Indikation zur Thromboseprophylaxe. Tritt jedoch bei alten Menschen eine akute behandlungsbedürftige internistische Erkrankung auf, die mit einer erhöhten Thrombosewahrscheinlichkeit einhergeht, muss diesem Risiko Rechnung getragen werden. Hier besteht die Indikation zur venösen Thromboembolieprophylaxe, insbesondere bei zusätzlicher Immobilität. Aufgrund der Metaanalyse von Mismetti et al. (2000) zur venösen Thromboembolie Prophylaxe bei internistischen Patienten liegen die besten Daten für niedermolekulare Heparine vor.
19
20 Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten H. Lawall
Der Schlaganfall ist in Deutschland immer noch die dritthäufigste Todesursache nach Herzinfarkt und malignen Erkrankungen und tritt typischerweise bei älteren Patienten auf. Die bei Schlaganfallpatienten häufig auftretende Hemiplegie oder Parese der unteren Extremitäten führt infolge der Immobilität bzw. Stase zu häufigem Auftreten venöser Thromboembolien. Bereits 1972 konnten Warlow et al. eine asymptomatische tiefe Venenthrombose in der gelähmten Extremität in 60% bei Schlaganfallpatienten finden, wogegen sich im nicht gelähmten Bein nur zu 7% eine tiefe Venenthrombose nachweisen ließ. Diese Häufung der tiefen Beinvenenthrombose ohne Thromboembolieprophylaxe konnte in den folgenden Jahren wiederholt bestätigt werden, sodass von einem Gesamtrisiko von 40–60% in der betroffenen Extremität ausgegangen werden muss. Deshalb weisen Lutz und Haas (2002) zurecht darauf hin, dass ein ischämischer Insult mit Parese/Plegie der unteren Extremitäten bereits ohne Vorliegen von weiteren Basisrisiken eine Thromboseinzidenz von über 10% aufweist und deshalb eine medikamentöse Thromboseprophylaxe indiziert ist. Internistische Patienten mit akutem ischämischen Insult und Hemiplegie/Parese zählen zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen Thromboembolie und in allen internationalen und nationalen Empfehlungen wird zusätzlich zu den nichtmedikamentösen Basismaßnahmen eine medikamentöse Prophylaxe mit Heparin empfohlen (Geerts et al. 2001; Nicolaides et al. 2000). Für eine Thrombembolieprophylaxe bei Patienten mit akutem ischämischen zerebralen Insult ist die Überlegenheit von niedermolekularem Heparinen gegenüber unfraktioniertem Heparin in 2 Studien belegt (Hillbom et al. 2002). Dies gilt allerdings nicht für einen längeren Zeitraum bei hemiplegischen Patienten. Über die Auswirkung auf das neurologische Defizit sind allerdings noch keine Aussagen möglich. In einer großen Studie (International Stroke Trial, IST, 1997) wurde der Einsatz von ASS, in Kombination mit Heparin, Heparin allein oder Plazebo überprüft. Die primären Endpunkte (Mortalität innerhalb von 14 Tagen, Mortalität und schwere Behinderung nach 6 Monaten) waren weder unter ASS noch unter Heparin verändert. Bei Betrachtung der sekundären Endpunkte zeigte sich unter anderem jedoch, dass die Lungenembolierate unter Heparin signifikant niedriger war. Erkauft wurde diese Risikominderung durch eine etwas größere Anzahl hämorrhagischer Infarzierungen. Diese Beobachtung konnte von Hillbom et al. (2002) in der bereits oben angeführten Studie bestätigt werden. Allerdings
120
Teil V · Ungeklärte Fragestellungen
waren diese hämorrhagischen Transformationen nicht von klinischer Bedeutung und unter Enoxaparin signifikant geringer als unter unfraktioniertem Heparin. Trotzdem sollte bei Patienten mit akutem ischämischen Insult in der Frühphase der Behandlung wiederholt die Klinik und der morphologische CT-Befund zur Therapiefindung mit herangezogen werden. Zusammenfassend gilt für Patienten mit akutem ischämischen Insult und Hemiplegie, dass neben den Basismaßnahmen (Kompressionsstrümpfe, Frühmobilisation und Rehabilitation) niedermolekulare Heparine zur venösen Thromboembolieprophylaxe indiziert sind. Die Dauer der Anwendung ist noch unklar, für den Zeitraum der akuten stationären Behandlung sollte sie unter Berücksichtigung der aktuellen Blutungsrisiken jedoch durchgeführt werden.
Fragen zu Kapitel 18–20: Ungeklärte Fragestellungen Kapitel 18: Das Problem der Immobilität 1. Was ist richtig? A. Die Immobilität ist alleine ein Grund zur medikamentösen Thromboseprophylaxe B. Bei Vorliegen einer akuten systemischen Entzündung bei bettlägerigen Patienten besteht die Indikation zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe. C. Der Grad und die Ausprägung der Immobilität ist für internistische Patienten genau definiert. 2. Welche Aussagen treffen zu? A. Bei bettlägerigen Patienten im Altersheim und länger zurückliegendem Schlaganfall mit Immobilität liegt im Vergleich zu anderen Altersheimbewohnern ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko vor. B. Bei alten immobilen Patienten besteht generell die Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe. C. Bei bettlägerigen älteren Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen konnte durch den Einsatz von niedermolekularen Heparinen eine signifikante Reduktion der Inzidenz tiefer Beinvenenthrombosen festgestellt werden. D. Die Immobilisation gilt nach den geltenden Empfehlungen als weniger relevanter Risikofaktor für das Auftreten venöser Thromboembolien.
Kapitel 19: Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten 3. Welche Aussage trifft zu? A. Das Lebensalter hat keinen Einfluss auf das Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen. B. Es besteht nur eine geringe Assoziation von Lebensalter und der Inzidenz venöser Thromboembolien. C. Ab dem 60. Lebensjahr ist das Thromboserisiko signifikant erhöht. D. Das Lebensalter zählt nicht zu den Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose.
20
▼
121 Kapitel 18–20 · Literatur
18–20
4. Welche Aussagen sind falsch? A. Das Lebensalter hat auf die Frühmortalität venöser Thromboembolien keinen Einfluss. B. Das Thromboserisiko und das Blutungsrisiko unter Antikoagulation ist bei alten Menschen deutlich erhöht. C. Aufgrund des höheren Lebensalters und des damit verbundenen Thromboserisikos bedürfen ältere Patienten im Krankenhaus immer einer medikamentösen Thromboseprophylaxe. D. Ohne auslösende Risikofaktoren muss bei älteren Patienten keine medikamentöse Thromboseprophylaxe durchgeführt werden.
Kapitel 20: Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten 5. Welche Angaben sind richtig? A. Schlaganfallpatienten haben immer ein erhöhtes Thromboserisiko. B. Die nichtmedikamentöse Thromboembolieprophylaxe ist bei Schlaganfall ausreichend. C. Schlaganfallpatienten mit einer Hemiplegie/-parese der Beine profitieren von der zusätzlichen Gabe eines NMH zur venösen Thromboembolieprophylaxe. D. Schlaganfallpatienten zählen zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen Thromboembolie. 6. Was ist falsch? A. ASS ist ausreichend zur Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen. B. Aussagen über die neurologische Beeinträchtigung sind auch durch die Gabe von NMH nicht möglich. C. Die Antikoagulation mit Heparin führt zu einer gering erhöhten Anzahl hämorrhagischer Infarzierungen. D. Unter Behandlung mit Enoxaparin konnten in Studien weniger hämorrhagische Einblutungen beobachtet werden als unter Therapie mit unfraktioniertem Heparin.
Literatur zu Teil V (Kapitel 18–20) Anderson FA et al. (1991) A population-based perspective of the hospital incidence and case-fatality rates of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. The Worcester DVT Study. Arch Intern Med 151: 933–938 Anderson FA, Spencer FA (2003) Risk factors for venous hromboembolism. Circulation 107: I9–I16 Bergmann JF et al. from the EMSG (1996) A multicenter randomised double-blind study of enoxaparin compared with unfractionated heparin in the prevention of venous thrombembolic disease in elderly in-patients bedridden for an acute medical illness. Thromb Haemost 76: 529–534 Bressolette L et al. (2001) Prevalence of asymptomatic DVT in hospitalized medical patients at admission. Ann Haemat ISTH, Abstract 2254 Dahan R et al. (1986) Prevention of deep vein thrombosis in elderly medical in-patients by a low molecular weight heparin. Haemostasis 16: 159–164 Dahan R et al. (1986) Prevention of deep vein thrombosis in elderly medical in-patients by a low molecular weight heparin Haemostasis 16: 159–164 Diehm C, Lawall H (2002) Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. Internist 43: 47–52 Gatt ME et al. (2004) Is prolonged immobilization a risk factor for symptomatic venous thromboembolism in elderly bedridden patients? Results of a historical-cohort study. Thromb Haemost 91: 538–543
122
Teil V · Ungeklärte Fragestellungen
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VI
Teil VI
Reiseprophylaxe
Kapitel 21
Welche Studiendaten gibt es?
– 124
Kapitel 22
Risikostratifizierung
– 129
Kapitel 23
Maßnahmen
– 131
21 Welche Studiendaten gibt es? H. Landgraf
Einführung Obwohl sie kein kein eigenständiges Krankheitsbild ist, hat sich der Begriff der »Reisethrombose« im allgemeinen, auch medizinischen Sprachgebrauch, durchgesetzt. Bezeichnet wird damit eine Thrombose, die im Zusammenhang mit einer längeren Reise und einer gewissen Immobilität auftritt (Nissen 1997; Partsch et al. 2001; Riedel u. Bohanes 2002; Schobersberger et al. 2002). Die Zeitspanne des Auftretens einer derartigen Thrombose nach einer Reise wird unterschiedlich angegeben. Nachvollziehbar sind Zeiträume von 2–4 Wochen, darüber hinausgehende Angaben erscheinen weniger realistisch. Während zu der im Zusammenhang mit einer Flugreise entstandenen Thrombose relativ viel Literatur existiert, gibt es weniger Literatur zu Thrombosen, die bei Reisen mit bodengebundenen Transportmitteln auftreten. Die Ursachen für diese Diskrepanz sind unklar.
Datenlage Bis etwa Ende des vorigen Jahrhunderts waren Publikationen über das Auftreten von Reisethrombosen bzw. speziell Flugreisethrombosen überwiegend Fallbeschreibungen bzw. pathophysiologisch orientierte Untersuchungen (Cruickshank et al. 1988; Eklof et al. 1996; Homans 1954; Landgraf et al. 2001; Ledermann u. Keshavarzian 1983; May u. Mignon 1981; Sarvesvaran 1986; Symington u. Stack 1977). Epidemiologische Untersuchungen, die aufgrund der relativ geringen Inzidenz dieser Erkrankung eigentlich nur Fallkontrollstudien sein können (Kohortenstudien würden zu hohe Probandenzahlen erfordern), sind erstmals in den Jahren 1999 und 2000 publiziert worden. Im Folgenden werden die wichtigsten in den letzten Jahren publizierten Studien zu diesem Thema kurz beschrieben. Ferrari et al. (1999) untersuchten Patienten eines Krankenhauses in der Nähe eines Pariser Flughafens. 160 Patienten mit einer Thrombose wurden 160 Kontrollpatienten, die im gleichen Zeitraum wegen Brustschmerz, Hochdruck oder Synkope aufgenommen worden waren, gegenübergestellt. In der Gruppe der Fälle hatten 39 (24,4%) eine längere Reise unternommen (durchschnittliche Dauer 5,7 Stunden), während es in der Kontrollgruppe
125 Kapitel 21 · Welche Studiendaten gibt es?
21
nur 12 (7,5%) waren. Insgesamt 9 (5,6%) Patienten aus der Thrombosegruppe hatten eine Flugreise hinter sich gebracht, für die Kontrollgruppe gibt es hierzu keine Angaben. Für alle Reisen ergab sich damit eine Odds Ratio von 3,9 (CI 1,9–8,4). Samama (2000) fand in einer Untersuchung zu Risikofaktoren für tiefe Venenthrombosen bei ambulanten Patienten bei 494 Fällen und 494 Kontrollen einen Prozentsatz von Langstreckenreisen von 12,6% in der Fall- und 6,3% in der Kontrollgruppe. Daraus errechnete sich eine Odds Ratio von 2,35 (CI 1,45–3,8). In dieser Studie, die als MulticenterFallkontrollstudie mit 624 Allgemeinärzten angelegt war, wurden die Thrombosepatienten mit den Kontrollen alters- und geschlechtsentsprechend gematcht, wobei jedem Thrombosepatienten der erste Patient, der sich mit einer Virusgrippe oder einem nasopharyngealen Syndrom nach dem Einschluss eines Thrombosepatienten vorstellte, als Kontrolle zugeordnet wurde. Das Design einer Fallkontrollstudie von Krajenhagen und Mitarbeitern (2000) erscheint am ehesten geeignet, einen Bias bei der Rekrutierung zu vermeiden. In diese Studie wurden alle Patienten aufgenommen, die unter dem Verdacht auf ein thromboembolisches Ereignis untersucht wurden. Von den insgesamt 788 in die Studie aufgenommenen Personen, hatten 186 eine Thrombose und wurden als Fälle den 602 untersuchten Personen, die keine Thrombose hatten, gegenübergestellt. Der Anteil der Thrombosepatienten, die eine Langstreckenreise absolviert hatten, betrug 4,8%, bei den Kontrollen waren es 7,1%. Der Anteil der Flugreisenden in beiden Gruppen war mit jeweils 2,2% gleich, allerdings waren die absoluten Anzahlen mit 4 bzw. 13 Langstreckenflugreisenden sehr niedrig. Die aus diesen Daten errechnete Odds Ratio betrug für alle Reisen 0,7 (CI 0,3–1,4) für Flugreisen 1,0 (CI 0,3–3,0). In einer prospektiven Studie untersuchten Scurr et al. (2001) 231 Flugpassagiere vor Antritt und nach einer Flugreise, die innerhalb von 6 Wochen Flugreiseabschnitte von mind. 2-mal 8 Stunden umfasste. Von diesen trugen 115 Kompressionsstrümpfe Klasse 1 bis zum Knie, während 116 keine Strümpfe trugen. Die Untersuchungen umfassten einen D-Dimer-Test sowie eine Duplexsonographie der tiefen Beinvenen. Zwölf der 116 Passagiere ohne Strümpfe entwickelten eine symptomfreie tiefe Venenthrombose der Wadenvenen, während in der Gruppe der mit Kompressionsstrümpfen reisenden Passagiere keine tiefe Venenthrombose festgestellt wurde, jedoch vier oberflächliche Thrombophlebitiden. Aus den erhobenen Daten ergibt sich eine Thrombosehäufigkeit von 10%, allerdings für asymptomatische – in der Arbeit auch nicht näher beschriebene – Wadenvenenthrombosen. In einer ebenfalls prospektiven Arbeit mit einem ähnlichen Design untersuchten Schwarz und Mitarbeiter (2003) das Auftreten von Venenthrombosen bei insgesamt 964 Passagieren nach längeren Flügen (t8 Stunden) und 1213 nicht reisenden Probanden. Ausgeschlossen waren Patienten, die mit Antikoagulanzien behandelt worden waren oder die Kompressionsstrümpfe trugen. Prüfparameter waren das Auftreten ultrasonographisch feststellbarer Wadenmuskelthrombosen und tiefe Venenthrombosen, symptomatische Lungenembolien und Tod. In der Gruppe der Flugpassagiere traten 27 Thrombosefälle auf (2,8%), während dies bei den Kontrollen nur 12-mal der Fall war (1%). 20 Passagiere (2,1%) und 10 Kontrollen (0,8%) hatten eine isolierte Wadenmuskelvenenthrombose, wohingegen 7 Passagiere (0,7%) und 2 Kontrollen (0,2%) eine tiefe Venenthrombose hatten. Eine symptomatische Lungenembolie wurde bei einem Passagier mit tiefer Venenthrombose gefunden. Alle Passagiere, die ein thromboembolisches Ereignis entwickelten, hatten zumindest einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Venenthrombose (Alter >45 Jahre, erhöhter
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21
Teil VI · Reiseprophylaxe
Body-Mass-Index). Das Follow-up über 4 Wochen erbrachte keine weiteren thromboembolischen Ereignisse. Aus den genannten Zahlen errechnet sich für alle thrombembolischen Ereignisse eine Odds Ratio von 2,83 (CI 1,46–5,49). Für die isolierte Wadenmuskelvenenthrombose beträgt die Odds Ratio 2,52 (CI 1,2–5,26), und für tiefe Venenthrombosen 4,4 (CI 1,04–18,62) (26). Unter dem Titel »Venous thrombolism from air travel: The Lonflit-Study« wurde von der Gruppe um Belcaro eine mehrteilige Studie publiziert. Im ersten Teil wurden 355 Personen mit einem niedrigen Risiko für die Entwicklung eines thrombembolischen Ereignisses 389 Personen mit einem hohen derartigen Risiko gegenübergestellt (Belcaro et al. 2001). Beide Gruppen hatten eine im Durchschnitt 12,4 Stunden dauernde Flugreise absolviert. Eine innerhalb von 24 Stunden nach der Landung durchgeführte Ultraschalluntersuchung der unteren Extremitäten ergab bei den Patienten mit niedrigem Risiko keine tiefe Venenthrombose, bei den Hochrisikopatienten jedoch in 11 Fällen (2,8%). Im zweiten Teil der Studie wurden 833 Passagiere mit einem hohen Risiko für thromboembolische Ereignisse in 2 Gruppen geteilt. Eine Gruppe erhielt Kompressionsstrümpfe und wurde aufgefordert, sich aktiv zu bewegen und ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, während die andere als Kontrollgruppe diente. Bei den Ultraschalluntersuchungen der unteren Extremität fand sich bei 0,24% der Passagiere aus der Interventionsgruppe eine tiefe Venenthrombose, während dies bei 4,5% der Kontrollpersonen der Fall war (Belcaro et al. 2001). Im dritten Teil der Studie (Lonflit 3) wurden Hochrisikopatienten untersucht, die entweder Aspirin 400 mg täglich in den Tagen vor sowie am Tag des Fluges oder Enoxaparin 1000 Einheiten/kg Körpergewicht subkutan kurz vor dem Flug oder keine Prophylaxe erhalten hatten. Keine der Gruppen trug Kompressionsstrümpfe. Während in der Enoxaparin-Gruppe keine Thrombosen auftraten, war dies in 3,6% in der Aspirin-Gruppe und in 4,8% in der Plazebogruppe der Fall. Ein großer Anteil der Thrombosen war asymptomatisch (Cesarone et al. 2002). Eine retrospektive Analyse behandlungsbedürftiger Lungenembolien bei der Ankunft auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle zeigte eine Korrelation mit der im Flugzeug zurückgelegten Entfernung. Während bei Distanzen von unter 2500 km (entsprechend ca. 3 Stunden Flugzeit) praktisch keine Embolien auftraten, waren bei den Passagieren, die mehr als 10.000 km geflogen waren, Lungenembolien mit einer Inzidenz von 4,77/1 Mio. festzustellen. Asymptomische bzw. gering symptomatische Lungenembolien, die nicht zur Vorstellung kamen, wurden dabei nicht berücksichtigt. Die Gesamtrate der (ausgeprägt symptomatischen) Lungenembolien betrug 0,4/Mio. Passagiere (Lapostolle et al. 2001). In einer prospektiven Studie aus Neuseeland wurden 878 Flugpassagiere mit einem niedrigen bis mittleren Risiko für ein thromboembolisches Ereignis untersucht. Alle Teilnehmer dieser Studie reisten zumindest 10 Stunden mit einer mittleren Gesamtdauer der Flugreise von 39 Stunden. Untersuchungen nach dem Flug erfolgten innerhalb von 72 Stunden, 2 Wochen nach der Rückkehr sowie als Telefonkontakt 3 Monate nach der Reise. Insgesamt 112 Passagiere entwickelten positive D-Dimere nach der Rückkehr oder eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit für ein thromboembolisches Ereignis oder beides. Bei diesen 112 Passagieren erfolgte eine Ultraschalluntersuchung der unteren Extremitäten bzw. eine CT-Pulmonalis-Angiographie. Insgesamt 9 der 112 untersuchten Passagiere hatten ein venöses thromboembolisches Ereignis, davon 4 eine Lungenembolie und 5 eine tiefe Venenthrombose. Die Frequenz der venösen Thromboembolien
127 Kapitel 21 · Welche Studiendaten gibt es?
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betrug dabei 1% (9 von 878, CI 0,5–1,9). Eine Kontrollgruppe wurde nicht untersucht (Hughes et al. 2003). Kelman und Mitarbeiter untersuchten die zeitlichen Beziehungen zwischen Langstreckenflugreisen und venöser Thromboembolie. Sie prüften dazu die Unterlagen von 5408 Patienten, die in den Jahren 1981–1999 in West-Australien mit einer venösen Thromboembolie ins Krankenhaus eingewiesen worden waren und korrelierten diese Daten mit den Ankunftsdaten internationaler Flüge (Kelman et al. 2003). Sie stellten dabei fest, dass das Risiko einer venösen Thromboembolie nur 2 Wochen nach einer Langstreckenflugreise erhöht war. Das relative Risiko für australische Bürger betrug 4,17 (CI 2,94–5,40), außerdem wurde ein »Healthy-traveller-Effekt« (»Reisende sind überwiegend gesund«) beobachtet, vor allem für australische Bürger. Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass das jährliche Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden, um über 12% steigt, wenn ein Langstreckenflug jährlich unternommen wird. Das durchschnittliche Risiko, an einer venösen Thromboembolie, die im Zusammenhang mit einem Flug steht, zu versterben, ist aber doch sehr gering, verglichen mit dem Risiko, durch einen Autounfall zu Tode zu kommen. Das individuelle Todesrisiko durch eine flugbedingte venöse Thromboembolie für Patienten mit vorbestehenden gesundheitlichen Einschränken ist jedoch wahrscheinlich größer als das durchschnittliche Risiko von einem Todesfall auf 2 Mio. ankommende Flugpassagiere (Kelman et al. 2003).
Wertung der verfügbaren Daten Mit Ausnahme der von Scurr und Mitarbeiter vorgelegten Studie, die eine sehr hohe Inzidenz von Wadenvenenthrombosen zum Ergebnis hatte und die z. T. sehr kritisch beurteilt wurde (Bauersachs u. Landgraf 2001; Hirsh u. O´Donnell 2001; Riedel u. Bohanes 2002), weisen alle kontrollierten Studien entweder auf ein Fehlen oder auf einen zahlenmäßig nur geringen Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer Venenthrombose und einer langen (Flug-)Reise hin. Außerdem gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass vor allem Patienten mit vorbestehenden Risikofaktoren während einer solchen Reise eine Thrombose entwickeln bzw. gefährdet sind, dies zu tun (Belcaro et al. 2001; Kelman et al. 2003; Kesteven u. Robinson 2001; Schwarz et al. 2003). An den meisten beschriebenen Studien kann Kritik geäußert werden. Bei den Studien von Ferrari und Samama ist die Auswahl der Kontrollkollektive möglicherweise problematisch. Die Studie von Krajenhagen, die ein konsequentes Design hat, bei dem ausschließlich Patienten mit einer Symptomatik für eine Thrombose aufgenommen wurden, ist in Bezug auf Reisen nicht prospektiv angelegt. Eine überzeugend angelegte Studie ist die von Schwarz und Mitarbeitern, in der 984 Passagiere prospektiv vor und nach einer langen Flugreise untersucht wurden. Allerdings ist auch hier bei der Rekrutierung der Probanden bzw. auch des Kontrollkollektivs ein Bias möglich, da es sich um Teilnehmer handelt, die über eine Medienaktion rekrutiert wurden, was immer die Gefahr in sich trägt, dass besonders gesundheitsbewusste Probanden an einer derartigen Studie teilnehmen. Nichtkontrollierte Studien, wie die neuseeländische Studie, ergeben lediglich einen Hinweis darauf, dass bei einem bestimmten Prozentsatz der Reisenden, hier etwa 1%, mit einer Thrombose zu rechnen ist. Da aber auch hier das Kollektiv ähnlich wie in der Arbeit von Schwarz rekrutiert wurde, kann damit keine allgemein gültige Aussage getroffen werden.
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Teil VI · Reiseprophylaxe
Fazit Fasst man die genannten Daten mit aller Vorsicht zusammen, so ergibt sich momentan folgendes Bild: Langstreckenflugreisen im Flugzeug sind per se nicht sonderlich gefährlich, zu einer Thrombose zu führen, ebenso wenig Langstreckenreisen mit anderen Verkehrsmitteln. Andererseits treten während dieser Reisen Thrombosen auf, z. T. auch mit der Folge einer tödlichen Lungenembolie. Betroffen scheinen in erster Linie Patienten zu sein, die schon ein Risiko für die Entwicklung einer Venenthrombose bzw. einer Lungenembolie in sich tragen. Dementsprechend kann neben der Empfehlung eines – ganz allgemein gesprochen – vernünftigen Verhaltens auf einer Reise, es nur sinnvoll sein, die Passagiere zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben, während der zusätzlichen »Risikosituation Langstreckenreise«, eine Thrombose zu entwickeln, und diese auch gezielt einer Prophylaxe zuzuführen (Bauersachs u. Landgraf 2001).
22 Risikostratifizierung H. Landgraf
Unter der Vorstellung, dass das Gesamtrisiko für die Entwicklung einer Thrombose bei Flugpassagieren unterschiedlich ausgeprägt und eine generelle medikamentöse Prophylaxe weder medizinisch noch ökonomisch zu vertreten ist, ist eine Risikostratifizierung notwendig. Diese Risikostratifizierung muss die verschiedenen, bereits bestehenden Risikofaktoren des Flugpassagiers erfassen und diese in einem Zusammenhang mit dem begrenzt einwirkenden Risikofaktor »Langstreckenreise« bringen. Hier sind in der Literatur mehrere Vorschläge gemacht worden, die vom Prinzip her diese Voraussetzungen berücksichtigen. Während auf einem Expertentreffen in Berlin 2001 (Landgraf et al. 2002) die Empfehlung lautete, individuell Häufung und Bedeutung der einzelnen Risikofaktoren zu beurteilen, was Erfahrung im Umgang mit diesen Fragestellungen erfordert, kam im Juni 2001 ein Expertenmeeting, initiiert von den angiologischen und phlebologischen Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, zu einer mehr schematischen und damit auch einfacher anzuwendenden Einteilung in verschiedene Risikogruppen. Diese sind nach verschiedenen Risikofaktoren definiert, eine Prophylaxe ist damit relativ einfach durchzuführen (Partsch et al. 2001). Es werden drei Gruppen unterschieden: Gruppe 1 – niedriges Risiko: Jede vielstündige Reise in vorwiegend sitzender Position bedingt bei Reisenden, die ansonsten keine in den weiteren Risikogruppen angeführten persönlichen Risikofaktoren haben ein niedriges Risiko. Gruppe 2 – mittleres Risiko: Zusätzlich zu einer längeren Reisedauer sind gegeben – Schwangerschaft oder postportale Phase oder mindestens zwei der nachfolgend aufgeführten Faktoren: – Alter über 60 Jahre, – klinisch relevante Herzerkrankung, – nachgewiesene Thrombophilie/familiäre Thromboseneigung, – große Varizen, chronisch venöse Insuffizienz, – Ovulationshemmer/postmenopausale Hormonersatztherapie, – Adipositas mit einem BMI von >30, – Exsikkose.
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22
Teil VI · Reiseprophylaxe
Gruppe 3 – hohes Risiko: Zusätzlich zur längeren Reisedauer sind gegeben: – anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend), – manifeste maligne oder sonstige schwere Erkrankungen, – gelenkübergreifende Ruhigstellung der unteren Extremitäten, – kurz zurückliegender operativer Eingriff mit hohem Thromboserisiko. Diese Zusammenstellung erfolgte aufgrund der in der Literatur zu diesem Zeitpunkt (Juni 2001) verfügbaren Daten zu thromboembolischen Risikofaktoren. Eine Evaluation dieser Risikofaktoren im Hinblick auf ihre Bedeutung bei langen Reisen ist bisher nicht erfolgt.
23 Maßnahmen H. Landgraf
Die auf der in Kap. 22 erwähnten Konsensuskonferenz empfohlenen Maßnahmen stellen ebenfalls, wie die Risikostratifizierung, den aktuellen Kenntnisstand zum Zeitpunkt dieser Konferenz dar. Änderungen im Hinblick auf verbesserte Therapiemöglichkeiten oder andere Erkenntnisse müssen natürlich berücksichtigt werden (Partsch et al. 2001). Die empfohlenen Maßnahmen richten sich nach der in dem jeweiligen Einzellfall bestehenden Risikokonstellation. Selbstverständlich kann oder muss sogar im Einzelfall von den hier aufgeführten Empfehlungen abgewichen werden, die ärztliche Entscheidung bzw. Empfehlung hat immer individuell zu erfolgen. Auch kann nicht genug betont werden, dass die hier vorgestellten Daten auf sog. Expertenmeinung beruhen und nicht durch wissenschaftliche Studien abgesichert sind. Dies gilt insbesondere auch für den Einsatz von Medikamenten, die in dieser Indikation unzureichend untersucht sind, hier vor allem für den Einsatz von Acetylsalicylsäure, die immer wieder als Mittel zur Verhinderung von Thrombosen – auch auf Flugreisen – empfohlen wird, was aufgrund der Datenlage nicht nachzuvollziehen ist. Auch der Einsatz von Heparinen beruht auf Analogieschlüssen zu der Thromboseprophylaxe bei internistischen Risikopatienten, allerdings sind für diese Medikamente die Effektivität und Sicherheit in der Prophylaxe der tiefen Venenthrombose bei internistischen Patienten gut belegt. Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen empfohlen: Gruppe 1 – niedriges Risiko: Allgemeine Maßnahmen: – Bewegungsübungen, z. B. Fußwippen; isometrische Übungen; im Auto: wiederholte Pausen einlegen und einige Schritte gehen; – ausreichende Flüssigkeitszufuhr (jedoch Zurückhaltung bei Alkohol); – Zurückhaltung beim Gebrauch von Sedativa und Hypnotika (Cave »regungsloses« Sitzen). Allgemeine Bemerkung: Die Reisethrombose ist eine Sitzthrombose und Aufstehen daher eine logische Prophylaxemaßnahme. Gruppe 2 – mittleres Risiko: Allgemeine Maßnahmen: – (s. Gruppe 1); – Wadenstrümpfe im Druckbereich der Kompressionsklasse 1; – bei Patienten mit venöser Insuffizienz medizinische Kompressionsstrümpfe je nach Indikation;
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23
Teil VI · Reiseprophylaxe
– Im Einzelfall, z. B. bei Schwangerschaft oder Thrombophilie, kann niedermolekulares Heparin gegeben werden (s. Gruppe 3). Gruppe 3 – hohes Risiko: Allgemeine Maßnahmen: – (s. Gruppe 1); – Kompression (s. Gruppe 2); – niedermolekulares Heparin: subkutane Applikation knapp vor Reiseantritt; – vor jeder Reise mit erhöhtem Thromboserisiko (Definition s. oben), bei Rundreisen daher evtl. 1-mal täglich; – Hochrisikodosierung (in Analogie zur Prophylaxe bei internistischen Risikopatienten). In jedem Fall sollte, wie bereits ausgeführt, eine individuelle Beratung des Patienten erfolgen, auch sollten Notwendigkeit und Dringlichkeit der Reise beurteilt werden. So kann das Verschieben einer Reise bzw. der Verzicht auf eine mit einer Gefährdung einhergehenden Reise ein sinnvolles Vorgehen im Falle eines Risikopatienten sein. Die Anforderungen an das ideale Antithrombotikum bzw. optimale Antikoagulans in diesem Zusammenhang sind hoch: Neben einer hohen Effektivität und Sicherheit sollten eine einfache Applizierbarkeit und eine gute Steuerbarkeit vorliegen. Die heute verfügbaren und auch z. T. in der Thromboseprophylaxe von internistischen Erkrankungen zugelassenen niedermolekularen Heparine erfüllen diese Anforderungen in großem Umfang, weswegen sie zum jetzigen Zeitpunkt als die Prophylaxemedikation der Wahl angesehen werden müssen (Bauersachs et al. 1998; Samama et al. 1999). Medikamente in oraler Darreichungsform, die genauso effektiv und nebenwirkungsarm sind, sind derzeit nicht zugelassen. Möglicherweise wird sich hier in den nächsten Jahren eine Änderung ergeben.
Fragen zu Kapitel 21–23: Reiseprophylaxe Kapitel 21: Welche Studiendaten gibt es? 1. Nach der derzeitigen Datenlage führt bei einem gesunden Reisenden eine vielstündige (Flug)-Reise zu einer A. geringen B. mittelgroßen C. sehr großen D. keinen Zunahme des Risikos ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden. 2. Vorbestehende Thromboserisikofaktoren spielen für die Entwicklung einer (Flug)-Reisethrombose A. eine wichtige B. keine Rolle. ▼
133 Kapitel 21–23 · Literatur
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Kapitel 22: Risikostratifizierung 3. Eine normale Schwangerschaft wird im Hinblick auf das Thromboserisiko bei langen Reisen betrachtet als A. geringes Risiko B. mittleres Risiko C. hohes Risiko 4. Zu den Risikofaktoren, die ein hohes Thromboserisiko mit sich bringen, zählen A. eine nachgewiesene Thrombophilie B. familiäre Thromboseneigung C. Alter über 60 D. anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend)
Kapitel 23: Maßnahmen 5. Der Effekt einer medikamentösen Prophylaxemaßnahme zur Verhinderung von Reisethrombosen ist A. eindeutig nachgewiesen B. nicht belegt, sondern beruht auf Analogschlüssen bzw. Expertenmeinungen 6. Prophylaxemaßnahme der Wahl bei hohem Thromboserisiko bei einer vielstündigen Reise ist die Gabe von A. Thrombozytenfunktionshemmern B. niedermolekularem Heparin C. unfraktioniertem Heparin D. Rosskastanienextrakt
Literatur zu Teil VI (Kapitel 21–23) Bauersachs RM, Landgraf H (2001) Economy Class Syndrome. Dtsch Ärztebl 98: A682 Bauersachs RM, Lindhoff-Last E, Wolff U, Ehrly AM (1998) Aktuelles Management der tiefen Venenthrombose. Med Welt 49: 194–215 Belcaro G, Geroulakos G, Nicolaides AN, Myers KA, Winford M (2001) Venous thromboembolism from air travel: the LONFLIT study. Angiology 52: 369–374 Cesarone MR, Belcaro G, Nicolaides A, Incandela L et al. (2002) Venous thrombosis from air travel: The LONFLIT 3 study. Prevention with aspirin vs. low-molecular-weight heparin (LMWH) in high-risk subjects: a randomized trial. Angiology 53: 1–6 Cruickshank JM, Gorlin R, Jennett B (1988) Air travel and thrombotic episodes: the economy class syndrome. Lancet 2: 497–498 Eklof B, Kistner RL, Masuda EM, Sonntag BV, Wong HP (1996) Venous thromboembolism in association with prolonged air travel. Dermatol Surg 22: 637–641 Ferrari E, Chevallier T, Chapelier A, Baudouy M (1999) Travel as a risk factor for venous thromboembolic disease. A case-control-study. Chest 115: 440–444 Hirsh J, O´Donnell J (2001) Venous thromboembolism after long flights: are airlines to blame ? The Lancet 357: 1461–1462 Homans J (1954) Thrombosis of the deep leg veins due to prolonged sitting. N Engl J Med 250: 148–149
134
Teil VI · Reiseprophylaxe
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VII
Teil VII
Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation – Bridging
Kapitel 24
Die Problematik
– 136
Kapitel 25
Therapieoptionen
– 138
Kapitel 26
Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?
– 142
Kapitel 27
Therapiealgorithmen
– 147
Kapitel 28
Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte
– 152
24 Die Problematik R.M. Bauersachs
Allein in den Vereinigten Staaten werden über 1 Million Patienten mit Vorhofflimmern langfristig mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) behandelt (Dunn et al. 2003) und eine vergleichbare Zahl mit künstlichen Herzklappen. Wegen einer venösen Thromboembolie (VTE) steht etwa ein weiteres Drittel unter einer Langzeitantikoagulation. Gleichzeitig sind aber, gerade bei dem älteren Patientenkollektiv, immer wieder interkurrente Eingriffe erforderlich. Über die Jahre ist damit mit Tausenden von Eingriffen zu rechnen, bei denen sich die Problematik einer Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) stellt. Es handelt sich dabei vor allem um zahnärztliche Eingriffe, Punktionen und Operationen an Gelenken, Kataraktoperationen oder Endoskopien mit oder ohne Biopsie. Obwohl es sich also um ein sehr häufiges klinisches Problem handelt, das mit einem erheblichen Risiko vergesellschaftet sein kann, auch im Hinblick auf neu auftretende Thromboembolien oder Blutungen, liegen überraschenderweise bislang keine randomisierten Studien mit klinischen Endpunkten zu dieser Fragestellung vor. Der betreuende Arzt wird daher oft von der wissenschaftlichen Datenlage alleine gelassen. Die Sekundärprophylaxe mit VKA ist eine höchst effiziente Therapie (⊡ Tabelle 24.1): Die Risikoreduktion durch diese Maßnahme beträgt bei der akuten VTE oder bei der Rezidivthrombose 80%, beim nichtvalvulärem Vorhofflimmern 66%, beim mechanischen Herzklappenersatz etwa 75% und bei der akuten arteriellen Embolie 66% (Kearon u. Hirsh 1997; Schulman 2003). Eine Unterbrechung dieser hoch effizienten Therapie setzt die Patienten einem erhöhten thromboembolischen Risiko aus, wobei zu berücksichtigen ist, dass durch den operativen Eingriff selbst ein zusätzliches thromboembolisches Risiko entsteht. Andererseits besteht während der Eingriffe ein Risiko für Blutungen, das bei einer postoperativen Antikoagulation mit intravenös angewendetem unfraktionierten Heparin (UFH) auf etwa 3% geschätzt wird (Kearon u. Hirsh 1997). Die wichtigsten Patientengruppen, die von dieser Problematik betroffen sind, sind Patienten mit Herzklappenersatz, Vorhofflimmern und Patienten nach abgelaufener venöser Thromboembolie. Aufgrund der Datenlage, die sich bislang vor allem aus Fallzusammenstellungen ergibt, besteht für manche klinische Situationen noch kein klarer Konsensus über das präoperative Management von Patienten unter Langzeitantikoagulation. In den aktuellen Konsensusempfehlungen des American College of Chest Physicians (Hirsh et al. 2001) wird die periprozederale Überbrückung der Antikoagulation (»Bridging«) mit einem Evidenzgrad 2B-C eingestuft (»Risiko/Nutzen-Abwägung unklar, zumeist basierend auf Beobachtungsstudien, schwache Empfehlung«). Eine zusätzliche Herausforderung ergibt
24
137 Kapitel 24 · Die Problematik
⊡ Tabelle 24.1. Thromboembolierisiko bei verschiedenen Erkrankungen und die Risikoreduktion durch orale Antikoagulation (OAK). (Mod. nach Kearon u. Hirsh 1997; Schulman 2003). Erkrankung
Thromboembolien ohne OAK [%/Jahr]
Risiko mit OAK [%/Jahr]
Relative Risikoreduktion durch OAK [%]
Mitralklappenersatz
22
2–4
85
Mechanische Herzklappen
9
0,5–4
50–95
Bioprothese
5–6 (erste 3 Monate)
ca. 0,5 (erste 3 Monate)
ca. 90
Akute venöse Thromboembolie (1. Monat)
40
8
80
Akute arterielle Embolie (1. Monat)
15
5
66
Rezidiv-VTE
15
3
80
VTE (2.–3.Mon)
10
2
80
Nichtvalvuläres Vorhofflimmern und Z.n. Schlaganfall
12
4
66
Nichtvalvuläres Vorhofflimmern
4-8
1,5–2
66
Mitralvitium im Sinusrhythmus
8
2
75
sich durch die Tatsache, dass unter den Veränderungen des Deutschen Gesundheitssystems die stationäre Verweildauer weiter deutlich verkürzt wird, sodass die präoperative stationäre Überwachung und Einstellung einer Antikoagulation mit intravenös appliziertem Heparin zunehmend vermieden wird und ein wirtschaftlicher Druck für eine ambulant und subkutan anwendbare Antikoagulation während der Bridging-Phase entsteht. Die folgende Zusammenstellung ist ein Versuch, die gegenwärtig verfügbaren Daten zusammenzutragen, die für ein periprozedurales Bridging vorliegen. Damit sollen im beschriebenen Spannungsfeld von häufiger klinischer Fragestellung, begrenzter wissenschaftlicher Datenlage und Arzneimittelzulassung sowie wirtschaftlichen Zwängen möglichst konkrete Empfehlungen für ein möglichst sicheres und effektives Management dieser Patienten abgeleitet werden.
25 Therapieoptionen R.M. Bauersachs
Morbidität und Mortalität bei unterbrochener oraler Antikoagulation Für die Beurteilung des Risikos einer OAK-Unterbrechung und der Frage ob und, wenn ja, welche Ersatzantikoagulation eingesetzt werden soll, muss einmal der fehlende Schutz durch die OAK (s. Kap. 24, ⊡ Tabelle 24.1, Spalte »Risikoreduktion durch OAK«) mit potenzieller Fallmortalität und -morbidität bei eintretendem Ereignis berücksichtigt werden, wie auch das ggf. durch die alternative Antikoagulation entstehende Blutungsrisiko. Für die VTE ist von einer Fallmortalität von 6% auszugehen (Kearon u. Hirsh 1997) und weitere 2% hätten während der OAK-Unterbrechung mit schweren Langzeitfolgen zu rechnen. Darüber kann es in 3–13% nach erneuter Lungenarterienembolie zu einer chronischen pulmonalen Hypertonie kommen (Pengo et al. 2004). Die Konsequenzen einer arteriellen Thromboembolie sind vergleichsweise noch schwerer, da etwa 20% dieser Episoden tödlich verlaufen und 40% in eine schwere permanente Schädigung münden (Anonymous 1993, 1994; Caplan et al. 1983; Anderson et al. 1994).
Blutungsrisiko bei periinterventioneller alternativer Antikoagulation Die alternative Antikoagulation, die beim Bridging eingesetzt wird, dürfte vor dem Eingriff kein erhöhtes Blutungsrisiko darstellen, sofern sie nicht zusätzlich zu einer noch therapeutischen OAK verabreicht wird. Dagegen kann eine noch vorhandene Restaktivität des Antithrombotikums während des Eingriffs das Blutungsrisiko erhöhen, wie auch eine zu frühe Wiederaufnahme der Antikoagulation nach dem Eingriff, wenngleich das Ausmaß dieses Blutungsrisikos bis dato nicht genau quantifiziert ist: Ein hohes Blutungsrisiko von 11% wurde für die ersten fünf Tage einer i.v.-Heparintherapie beschrieben (Hull et al. 1999), das Risiko für schwere Blutungen dürfte in einer Größenordnung von 1–6% liegen (Dunn et al. 2003). Ungefähr 3% der Episoden von schweren postoperativen Blutungen sind tödlich, aber die meisten Patienten kommen zu einer Restitutio ad integrum, obwohl in bis zu 50% dieser Fälle eine Reoperation erforderlich wird (Kakkar et al. 1993). Selten – ungefähr in 1–2% – können permanente Schäden resultieren.
139 Kapitel 25 · Therapieoptionen
25
Aus den oben dargestellten Annahmen für Blutungs- und Thromboemboliemorbidität und -mortalität soll das integrale Risiko für das Auftreten eines schweren oder tödlichen Schadens bei der Anwendung von intravenösem UFH als alternatives Antikoagulans 2 Tage vor und 2 Tage nach der Operation abgeschätzt werden (nach Kearon u. Hirsh 1997): Bei Patienten mit akuter oder Rezidiv-VTE wird zusätzlich ein 100fach erhöhtes VTE-Risiko durch den operativen Eingriff selbst veranschlagt. Bei der Abschätzung des absoluten Risikos wird ein lineares Thromboembolierisiko für die ersten 30 Tage unterstellt, sodass sich ein Risiko von einem Absolutprozent für jeden Tag ohne Antikoagulation kalkulieren lässt. Ein möglicher Rebound-Effekt oder eine Gerinnungsaktivierung, die das Risiko noch deutlich erhöhen könnten, werden dabei nicht berücksichtigt (s. unten). Das Risiko wird umso geringer, je länger die VTE zurückliegt, sodass zwei bis drei Monate nach VTE bei einer kurzen Unterbrechung der OAK mit einem deutlich niedrigeren Thromboembolierisiko gerechnet werden kann. Bei der Abschätzung der Risiken für Patienten mit Vorhofflimmern oder mechanischen Herzklappen wird in der zitierten Arbeit (Kearon u. Hirsh 1997) lediglich die jährliche Inzidenzrate ohne Antikoagulation auf ein Tagesrisiko zurückgerechnet. Zusätzliche Risikoindikatoren, wie z. B. Spontanechos, Vorhofgröße, kardiovaskuläre Risikofaktoren oder die Dynamik einer Gerinnungsaktivierung, bleiben dabei völlig unberücksichtigt. Die Berechnung bezieht sich auf eine viertägige Pause, wie sie bei Absetzen von Warfarin für eine Operation unter günstigen Bedingungen erreicht wird; bei der Anwendung von Phenprocoumon (Marcumar oder Falithrom) sind auf Grund der längeren Halbwertszeit wesentliche längere Zeitspannen zu überbrücken, sodass sich das gesamte Risiko (dritte Spalte in ⊡ Tabelle 25.1) auch für die Indikationen Vorhofflimmern und mechanische Herzklappen durchaus zu Gunsten das Bridgings verschieben können.
⊡ Tabelle 25.1. Thromboembolische Ereignisse sowie geschätzte Gesamtmorbidität bei Überbrückung einer insgesamt 4-tägigen präoperativen und postoperativen Unterbrechung der oralen Antikoagulation. (Nach Kearon u. Hirsh 1997) Indikation
Verhinderte Thromboembolische Ereignisseb (absolut %)
Durch Bridging verhinderter Tod oder schwerer Schaden (absolut %)
Akute venöse Thromboembolie – Monat 1
72
5,6
Venöse Thromboembolie – Monat 2 + 3
13
0,9
Rezidiv-VTE
3
0,1
Vorhofflimmern
0,02
a
Vorhofflimmern mit vorausgegangener Thromboembolie
0,04
a
Mechanische Herzklappen
0,04
a
Arterielle Thromboembolie im Monat 1
0,60
0,3
aRechnerisch
Erhöhung der Mortalität und Morbidität durch Bridging; bunter Annahme einer zusätzlichen 100fachen Erhöhung des VTE-Risikos durch den Eingriff (Kearon u. Hirsh 1997); VTE venöse Thromboembolie
140
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
Optionen beim Bridging der oralen Antikoagulation Grundsätzlich bestehen folgende Möglichkeiten zum Management der Antikoagulation bei interkurrenten Eingriffen: die ununterbrochene Fortsetzung der OAK während des Eingriffes; die ersatzlose Unterbrechung der OAK für den Zeitraum des Eingriffes; eine Unterbrechung der OAK und Ersatz durch unfraktionierten Heparin (UFH) oder durch niedermolekulares Heparin (NMH).
25
Ununterbrochene Fortsetzung der OAK Bei einer Fortsetzung der OAK oder geringfügigem Absenken der INR innerhalb des therapeutischen Bereichs ist nicht von einer Erhöhung des Thromboembolierisikos auszugehen. Dieser Variante muss das situationsbezogene Blutungsrisiko gegenübergestellt werden und sie eignet sich daher nur für Eingriffe, die ein niedriges Blutungsrisiko aufweisen (s. Kap. 27).
Ersatzlose Unterbrechung der OAK Ein Verzicht auf die OAK kommt für diejenigen Indikationen in Betracht, die ein niedriges Thromboembolierisiko aufweisen. Ein Versuch, dieses Thromboembolierisiko gegen das Blutungsrisiko einer alternativen Antikoagulation abzuwägen, wird in ⊡ Tabelle 25.1 unternommen.
Unfraktioniertes Heparin (UFH) Aufgrund der variablen Wirksamkeit muss UFH engmaschig durch ein Gerinnungsmonitoring (APTT) überwacht und entsprechend dosiert werden. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass dies nur bei einem Bruchteil der Patienten suffizient und sicher gelingt (Topol et al. 1994). Da die intravenöse Gabe von UFH einen stationären Aufenthalt erfordert, wurde untersucht, ob eine APTT-adjustierte s.c.-Applikation von UFH möglich ist (Hirsch et al 1996). Die Studie zeigte eine inakzeptable Einstellungsqualität, sodass die Autoren zu dem Schluss kommen, dass die s.c.UFH-Therapie nicht für einen breiteren Einsatz geeignet sei. Der Einsatz von UFH erfordert daher i.d.R. einen stationären Aufenthalt. Dennoch ist auch unter i.v.-UFH die Einstellungsqualität im Vergleich zu NMH häufig unbefriedigend (Omran et al. 2003). Eine Nutzen-Risiko-Abwägung für den Einsatz von UFH beim Bridging einer oralen Antikoagulation wird in ⊡ Tabelle 25.1 vorgenommen.
Unterbrechung der OAK und Ersatz durch NMH NMH hat sich im Verlauf der letzten Dekade in der Prophylaxe und Therapie der Thromboembolie gegenüber dem UFH durchgesetzt, da es eine Reihe von Vorteilen bietet: Die Wirkzeit ist länger, die Eiweißbindung geringer, und die Bioverfügbarkeit insbesondere auch bei
141 Kapitel 25 · Therapieoptionen
25
s.c.-Gabe höher sowie die therapeutische Wirksamkeit reproduzierbarer, sodass eine fixe Dosierung ohne Laborkontrolle möglich ist. Die Häufigkeit der heparininduzierten Thrombozytopenie ist unter NMH seltener als unter UFH (Warkentin et al. 1995), sodass wegen des sehr niedrigen HIT-Risikos eine Thrombozytenkontrolle bei internistischen Patienten nicht nötig zu sein scheint (Greinacher 2003) Durch die 1- bis 2-mal tägliche Anwendung ohne Notwendigkeit zum Gerinnungsmonitoring ergeben sich hier wesentliche Vorteile, die das NMH gegenwärtig als optimale Möglichkeit zum Bridging unter ambulanten Bedingungen erscheinen lassen. Nicht unterschätzt werden darf jedoch bei den NMH die Gefahr einer Kumulation bei bestehender Niereninsuffizienz, weswegen die diesbezüglichen Warnhinweise, insbesondere bei längerfristiger Anwendung in therapeutischer oder halbtherapeutischer Dosierung beachtet werden müssen (Bauersachs 1998).
26 Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es? R.M. Bauersachs
Einsatz bei der akuten Therapie und der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie Bei der akuten Therapie der VTE ist die Effektivität und Sicherheit von NMH im Vergleich zu UFH mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt. In Metaanalysen zeigt sich eine Überlegenheit bezüglich des Blutungsrisikos und der Gesamtmortalität (van Den Belt et al. 2000). Daher stellt NMH in zunehmendem Maße die Standardtherapie der VTE dar. In der Sekundärprophylaxe von Rezidivthromboembolien haben sich NMH in mehreren Studien bewährt; ein aktueller Cochrane- Review belegt, dass NMH (meist in halbtherapeutischer Dosis) eine den VKA vergleichbare Effektivität zeigt, bei gleichzeitig signifikant überlegener Sicherheit (van der Heijden et al. 2002). Auf Grund dieser Vorteile wird heute bereits in einem erheblichen Prozentsatz eine Sekundärprophylaxe mit NMH durchgeführt, nach spanischen Registerdaten bei Thrombosen der oberen Extremität in fast 50% (Arcelus et al. 2003). In der Sekundärprophylaxe nach VTE wurden NMH in unterschiedlichen Dosierungen eingesetzt. Enoxaparin (Clexane) wurde 1-mal tgl. 40 mg eingesetzt (Pini et al. 1994), während Nadroparin (Fraxiparin) in einer halbtherapeutischen Dosis mit VKA verglichen wurde (Lopaciuk 1997). In der Sekundärprophylaxe von VTE bei Tumorpatienten wurde sowohl Enoxaparin (Meyer et al. 2002) wie auch Dalteparin (Fragmin) (Lee et al. 2003) in einer dreivierteltherapeutischen Dosis NMH verwendet, und es zeigte sich eine Überlegenheit im Vergleich zu VKA (Lee et al. 2003). Tinzaparin (Innohep) wurde in therapeutischer Dosis zur längerfristigen Sekundärprophylaxe eingesetzt (Pineo u. Hull 2003).
Niedermolekulares Heparin bei Vorhofflimmern: Akute Phase vor und nach Kardioversion In der ACE-Studie (Stellbrink et al. 2004) wurde Enoxaparin bei Patienten mit Vorhofflimmern vor und nach einer Kardioversion verglichen mit i.v.-UFH, gefolgt von VKA. Sowohl für diejenigen Patienten, bei denen die Kardioversion nach einer 3-wöchigen Antikoagulationsphase ohne vorherige TEE durchgeführt wurde wie auch bei denjenigen Patienten, die vorab eine TEE-Untersuchung erhielten und bei fehlendem Thrombusnachweis sofort kardiovertiert wurden, sowie bei denjenigen, die bei Thrombusnachweis eine 3-wöchige Antikoagulation erhielten, war das NMH der Standardtherapie mit UFH und Phenprocoumon
143 Kapitel 26 · Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?
26
mindestens ebenbürtig. Eingesetzt wurde dabei eine therapeutische Dosis von 2-mal täglich 1 mg/kg Enoxaparin für 3–8 Tage, gefolgt von einer fixen Dosis von 2-mal 40 mg bei Patienten <65 kg und 2-mal 60 mg täglich bei Patienten >65 kg. Bei 496 Patienten traten in der Enoxaparin-Gruppe insgesamt 2 schwere Blutungen auf, dagegen 6 schwere Blutungen in der UFH/VKA Gruppe (n.s.). Die Zahl der leichten Blutungen waren gleich, die Zahl der gesamten embolischen Ereignisse betrug 2 unter Enoxaparin und 4 unter UFH/VKA (n.s.). die Gesamtzahl an Endpunkten war unter Enoxaparin 7 im Vergleich zu 15 unter UFH/VKA (n.s.). Diese Studie belegt, dass in der Akutphase vor Kardioversion die alternative Antikoagulation mit s.c.-NMH mindestens so sicher und effektiv ist wie die bisherige Standardtherapie.
Evidenz für das Bridging bei Patienten mit Vorhofflimmern oder mechanischen Herzklappen In einer Bridging-Studie (EASE-Studie, Omran et al. 2003) wurde als Ersatzendpunkt der Zeitraum bis zum Eintreten einer effektiven Gerinnungshemmung analysiert: Konsekutive Patienten mit Vorhofflimmern und/oder Klappenprothesen, die eine Langzeit-OAK erhielten und bei denen eine Herzkatheteruntersuchung geplant war, erhielten randomisiert entweder eine therapeutische Dosis von Enoxaparin subkutan oder UFH i.v. Nach Absetzen der OAK wurde ab einer INR <1,5 die Intervention durchgeführt. Für das UFH wurde als Gerinnungsparameter die APTT, für Enoxaparin der Anti-Faktor-Xa-Spiegel täglich gemessen. Der Zeitraum bis zum Eintreten einer suffizienten Gerinnungshemmung war mit Enoxaparin signifikant kürzer als mit UFH (1,1 vs. 3,7 Tage, p <0,01). Der Prozentsatz von Tagen mit einer effektiven Gerinnungshemmung während des gesamten perioperativen Zeitraums war in der Enoxaparin-Gruppe signifikant höher als in der UFH-Gruppe (93% vs. 53,7%, p <0,0001). Dies Studie lässt die Schlussfolgerung zu, dass mittels Enoxaparin bei chronisch antikoagulierten Patienten mit Herzklappenprothesen und/oder Vorhofflimmern rascher und dauerhafter eine effektive Gerinnungshemmung erreicht wird als mit UFH. Montalescot et al. (2000) untersuchten in einer vergleichenden, nichtrandomisierten Studie 208 konsekutive operierte Patienten mit Einfach- oder Doppelklappenersatz. Sie erhielten postoperativ entweder eine subkutane Antikoagulation mit UFH oder NMH. Am 2. Tag der Heparinbehandlung waren lediglich 9% der Patienten mit UFH im therapeutischen Bereich, während 87% der Patienten mit NMH im Zielbereich von 0,5–1,0 IU/ml lagen. Johnson und Turpie (1999) evaluierten den ambulanten Einsatz von NMH bei 515 langzeitantikoagulierten Patienten, davon 209 mit mechanischem Herzklappenersatz. Die Patienten erhielten im Mittel 5-mal vor dem Eingriff eine therapeutische Dosis von 2-mal 1 mg/kg Enoxaparin oder Dalteparin 2-mal 100 Anti-Xa-Einheiten/kg täglich. Die letzte Dosis wurde 12 h vor dem Eingriff appliziert, und erneut 8–24 h nach dem Eingriff angesetzt, bis eine therapeutische INR erreicht wurde. Bei 515 Patienten gab es keine thromboembolischen Komplikationen, zwei schwere Blutungen und 17 kleinere Blutungen. Berdague (⊡ Tabelle 26.1) evaluierte Enoxaparin, Nadroparin und Dalteparin unmittelbar postoperativ nach Ersatz von Mitralklappen oder kombinierten Aorten- und Mitralklappen. Bei 110 Patienten kam es in einem Fall (0,9%) zu einem Schlaganfall und zu 5,4% Blutungskomplikationen und einer Todesrate von 5,3%, von denen nach Angaben der Autoren keine in Bezug zu NMH stand. Ferreira et al. (2003) evaluierten Enoxaparin und Nadroparin bei 20 Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz über 10 + 7 Tage: Im mittleren Verlauf von 3,6 Monaten traten keine thromboembolischen Ereignisse oder Todesfälle auf.
144
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
Der Einsatz von Heparin bei Patienten mit mechanischen Herzklappen stellt sicher unter den genannten Indikationen die schwierigste dar: Dies zum einen, da hier die Zahl der dokumentierten Fälle am geringsten ist (s. ⊡ Tabelle 26.1), zum anderen, weil die mechanischen Herzklappen eine hohe Thrombogenität aufweisen, die auch bei relativ kurzer Unterbrechung der Antikoagulation zur Thrombenbildung führen (Kearon u. Hirsh 1997) könnte, was in der oben ausgeführten Abschätzung (s. Kap. 25, ⊡ Tabelle 25.1, Omran et al. 2003) vielleicht nicht adäquat repräsentiert wird. Daher könnte hier das Erreichen
⊡ Tabelle 26.1. Klinische Studien, die die Wirksamkeit von niedermolekularem Heparin als Bridging-Therapie untersucht hatten. (Nach Jafri 2004)
26
Indikation
NMH
Dosis
n
Literatur
Mechanische Herzklappen
Nadroparin
3075 IU, 1-mal tgl.
21
Kodayifci 1997
Mechanische Herzklappen-OP
Dalteparin Enoxaparin Nadroparin
100 IU/kg, 2-mal tgl. 100 IU/kg, 2-mal tgl. 100 lU/kg, 2-mal tgl.
110
Berdague 1999
Mechanische Herzklappen, AA
Enoxaparin
1 mg/kg, 2-mal tgl.
20
Spandorfer 1999
Mechanische Herzklappen
Enoxaparin
30 mg, 2-mal tgl.
60
Galla 2000
Mechanische Herzklappen-OP
Enoxaparin Nadroparin
1 mg/kg, 2-mal tgl. 87 IU/kg, 2-mal tgl.
208
Montalescot 2000
Kardioversion AA
Dalteparin
200 IU/kg, 1-mal tgl.
242
Roijer 2000
Mechanische Herzklappen, AA, VTE
Dalteparin
200 IU/kg, 1-mal tgl.
24
Tinmouth 2000
Mechanische Herzklappen, AA, VTE
Dalteparin
5000 IU, 1-mal tgl. 200 IU/kg, 1-mal tgl. 120 IU/kg, 2-mal tgl.
47
Wilson 2001
Mechanische Herzklappen, AA, VTE
Dalteparin Enoxaparin
100 lU/kg, 2x tgl. 1 mg/kg, 2x tgl.
515
Johnson 2001
Schlaganfall
Dalteparin Enoxaparin
100 IU/kg, 2-mal tgl.
21
Nutescu 2001
Mechanische Herzklappen, AA
Enoxoparin
1 mg/kg, 2-mal tgl.
32
Omran 2004
Mechanische Herzklappen
Enoxoparin
1 mg/kg, 2-mal tgl.
82
Ferreira 2003
AA, Kardioversion
Enoxoparin
1 mg/kg, 2-mal tgl. (3–8 Tage), dann: 2-mal 40 mg (<65 kg) 2-mal 60 mg (>65 kg)
216
Stellbrink 2004
AA Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern; VTE venöse Thromboembolie
145 Kapitel 26 · Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?
26
einer kontinuierlichen Gerinnungshemmung eine wesentlichere Rolle spielen, als bei Patienten mit Vorhofflimmern oder nach VTE, sodass möglicherweise eine 1-mal tägliche Gabe von NMH bei mechanischem Herzklappenersatz nicht ausreichen könnte. ⊡ Tabelle 26.1 zeigt, dass mittlerweile eine Vielzahl von veröffentlichten, Peer-reviewedStudien oder Kohortendaten über den Einsatz von NMH zum Bridging bei Herzklappenpatienten vorliegen (Dunn et al. 2003; APPCR Panel and Scientific Round Table 2002; Jafri 2004), die dokumentieren, dass NMH sowohl eine effektive wie auch eine sichere Antikoagulation gewährleistet.
Antikoagulation in der Schwangerschaft Vitamin-K-Antagonisten in der Schwangerschaft Der Einsatz von VKA ist während der gesamten Schwangerschaft mit erheblichen fetalen Risiken vergesellschaftet. VKA gehen mit charakteristischen Embryopathien einher und können in bis zu zwei Drittel der Fälle teratogene Wirkungen aufweisen. Darüber hinaus sind ZNS-Abnormalitäten und Ophthalmopathien in jedem Trimester in einer Häufigkeit von ca. 3–5% beschrieben worden (Stevenson et al. 1980). Die Zeit zwischen der 6. und 10. Gestationswoche scheint dabei die gefährlichste Phase darzustellen, während die ersten 6 Wochen der Gestation ein relativ sicheres Intervall für VKA sein sollen. Wenn man jedoch die Halbwertzeit von 7 Tagen des in Deutschland überwiegend verwendeten Phenprocoumon berücksichtigt, bedeutet dies, dass auch nach Absetzen die Substanz noch über sechs Wochen hinaus im Körper verbleiben kann. Obwohl einige Empfehlungen vorliegen, dass im zweiten Trimester VKA wieder angewendet werden könnten, sollten wegen der oben genannten Nebenwirkungen VKA, soweit möglich, während der gesamten Schwangerschaft vermieden werden (Toglia u. Weg 1996; Lindhoff-Last et al. 2000; Greer 2004).
Heparinanwendung in der Schwangerschaft Da die Heparinmoleküle nicht plazentagängig sind, werden sie als sicher für den Feten eingestuft. Bezüglich der maternalen Nebenwirkungen ist insbesondere die Osteoporose zu nennen. In einer prospektiven randomisierten Studien konnte gezeigt werden dass nach Heparinbehandlung in der Schwangerschaft die Knochendichte unter UFH signifikant niedriger war als unter NMH (Pettila et al. 2002). In der Schwangerschaft werden NMH seit über 15 Jahren angewendet, und in der Literatur sind über 1000 Fälle dokumentiert (Lindhoff-Last et al. 2000; Lepercq et al. 2001).
Effektivität Es gibt zahlreiche Hinweise, dass NMH für die Prophylaxe und Therapie von VTE in der Schwangerschaft mindestens so sicher und effektiv wie UFH ist. Bei über 1000 schwangeren Frauen mit erhöhtem Thromboembolierisiko, die mit NMH behandelt wurden, traten 0,6–1,3 VTE und etwa 3% schwere Blutungen auf (Lepercq et al. 2001; Sanson et al. 1999); diese Blutungsraten liegen im Bereich von normalen Schwangerschaften.
146
26
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
Der Einsatz von NMH bei schwangeren Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz wird noch kontrovers diskutiert (Groce et al. 2002). Es wurden Fälle von Therapieversagen mit – sogar tödlichen – Klappenthrombosen beschrieben, wobei jedoch in einigen Fällen subtherapeutische Anti-Xa-Spiegel dokumentiert wurden. In einer eigenen Serie wurden acht schwangere Frauen in einer therapeutischen Dosis von NMH behandelt, mit vierwöchentlichem Monitoring der Anti-Xa-Aktivität (Bauersachs u. Lindhoff-Last 2003). Die Antikoagulation war bezüglich thromboembolischer Ereignissen komplikationslos; bemerkenswert war allerdings, dass es in über einem Drittel ab der 32. Woche zu einer schweren Herzinsuffizienz im Rahmen einer Schwangerschaftskardiomyopathie kam (Bauersachs u. Lindhoff-Last 2003). Neben der suffizienten Antikoagulation ist also eine enge kardiologische Betreuung dieser Patienten unverzichtbar. Bei begrenzter Datenlage sind daher unter sorgfältiger Nutzen/Risikoabwägung und ausführlicher Aufklärung der Patientinnen folgende Alternativen möglich: 1. Absetzen von VKA, sobald die Schwangerschaft bekannt ist (regelmäßige Schwangerschaftstests!) und Ersatz mit einer therapeutischen Dosis von NMH bis zur Entbindung. Präkonzeptionell wäre ein Umsetzen von Phenprocoumon auf Warfarin wegen der kürzeren Halbwertszeit empfehlenswert. 2. Absetzen von VKA, sobald die Schwangerschaft bekannt ist, und Überbrückung mit NMH, wie unter 1. beschrieben; erneutes Umsetzen auf Warfarin ab dem zweiten Trimenon bis zum Ende der Schwangerschaft, wo erneut auf NMH für die Entbindungsperiode umgesetzt wird. Bei der Alternative einer kontinuierlichen Antikoagulation mit Warfarin, die möglicherweise für die Mutter bezüglich der Verhinderung von Thromboembolien am sichersten wäre, muss auf das hohe fetale Risiko hingewiesen werden; damit wird diese Alternative allgemein nicht empfohlen (Lindhoff-Last et al. 2000). Die langfristige subkutane Anwendung von UFH kann wegen der schlechten Einstellbarkeit und dem variablen Heparinbedarf in der Schwangerschaft und hohem Osteoporoserisiko ebenfalls nicht empfohlen werden.
27 Therapiealgorithmen R.M. Bauersachs
Spezifische Eingriffe Zahneingriffe Zahneingriffe sind ein sehr häufiges Problem für Patienten, die eine Langzeit-OAK erhalten. Häufig wird aus Furcht vor Blutungen die OAK für den Eingriff unterbrochen, obwohl nur wenige Fälle von schweren Blutungsereignissen nach Zahneingriffen unter therapeutischer OAK dokumentiert sind (Wahl 2000). Andererseits sind thromboembolische Komplikationen – zum Teil sogar tödlich – mehr als dreimal häufiger zu beobachten, wenn die OAK unterbrochen wird (Wahl 2000). Nach 2014 Eingriffen bei 774 Patienten unter fortlaufender OAK im therapeutischen INR-Bereich kam es in 1,6% zu Blutungsereignissen, die nicht mit lokalen Maßnahmen gestillt werden konnten. Schwere Blutungen traten unmittelbar nach 12 h (0,6% bei 2014 Eingriffen) auf: 8 der 12 Episoden waren assoziiert mit subtherapeutischen INR-Werten während des Eingriffes. Dagegen hatten 493 Patienten, bei denen die OAK für insgesamt 542 Prozeduren unterbrochen wurde, 1% thromboembolische Komplikationen, davon 80% tödlich (Wahl 2000). Unter einer Nutzen-Risiko-Abwägung erscheint es sinnvoll, Zahneingriffe unter therapeutischer Antikoagulation durchzuführen, wobei durch kurzzeitiges Absenken der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches, z. B. durch 2-tägige Pause von Phenprocoumon, das Blutungsrisiko minimiert sein sollte. Lediglich für größere Eingriffe und mehrere Zahnextraktionen mit erhöhtem Blutungsrisiko soll ein Absenken der INR auf 1,5 erfolgen. Im Falle von lokalen Blutungen können Tranexamsäure- oder EpsilonaminocapronsäureSpülungen eingesetzt werden. Unabdingbar ist eine vorherige Verständigung über den Ablauf mit dem Zahnarzt oder Kieferchirurgen. Bei Herzklappenpatienten darf die Endokarditisprophylaxe in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden.
Ophthalmologische Eingriffe Eingriffe am Auge gehen nur mit minimalem Blutverlust einher, möglicherweise mit der Ausnahme von Lid- und Orbitaoperationen. Der häufigste Eingriff dürfte die Kataraktoperation sein, die unter therapeutischer Antikoagulation ohne signifikante Blutungskomplikationen durchgeführt werden konnte (McCormick et al. 1999). Beschrieben waren dabei
148
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
auch Glaskörperoperationen, Trabekulektomien, Linsenimplantate und Biopsien. Allerdings ist über Blutungen in die Vorderkammer und subkonjunktivale Blutungen berichtet worden (Hall et al. 1988; Carter u. Miller 1998; Robinson u. Nylander 1989). Für Patienten mit Netzhauteingriffen wird in der Regel eine Unterbrechung der OAK empfohlen, damit es nicht zu Einblutungen kommt, wie auch bei Patienten, die eine retrobulbäre Anästhesie benötigen.
Gastrointestinale Endoskopie
27
Das Blutungsrisiko nach einer Schleimhautbiopsie erscheint niedrig, solange keine zusätzlichen hämorrhagischen Diathesen vorliegen. Allerdings kann es nach einer endoskopischen Sphinkterotomie in 2,5–5% zu Blutungen kommen (Van Os et al. 1999). Zu berücksichtigen ist vor allem die verzögert auftretende Blutung nach endoskopischer Sphinkterotomie, Koloskopie oder Polypenentfernung, sodass die Antikoagulation nach diesen Prozeduren nicht unmittelbar wieder aufgenommen werden sollte (Van Os et al. 1999). In einer retrospektiven Auswertung waren bei 171 Endoskopien mit niedrigem Blutungsrisiko (z. B. Gastroskopie) unter fortlaufender OAK keine thromboembolischen oder Blutungsereignisse aufgetreten, genauso wenig wie bei unterbrochener OAK bei Prozeduren mit hohem Blutungsrisiko, z. B. Polypektomie (Jafri 2004).
Prostataeingriffe Für die transurethrale Laseroperation der Prostata unter laufender Antikoagulationstherapie liegen nur kleine Fallstudien vor, in denen diese als sicherer Eingriff beurteilt wird (Parr et al. 1989). Ein Bridging einer OAK bei konventioneller transurethraler Prostatasektion mit periprozeduraler Heparingabe wurde in kleineren Serien beschrieben (Chakravarti u. MacDermott 1998).
Abdominalchirurgie Trotz der häufigen Problematik eines abdominellen Eingriffes unter OAK gibt es hierfür keine größere Datenbasis (Jafri 2004). Man muss davon ausgehen, dass bei größeren abdominal-chirurgischen Eingriffen ein erhöhtes Blutungsrisiko unter OAK besteht, sodass in der Regel hier eine Unterbrechung empfohlen wird (Rustad u. Myrhe 1963).
Neurochirurgische Eingriffe und rückenmarksnahe Anästhesie Neurochirurgische Eingriffe unter OAK sind besonders problematisch, weswegen eine Normalisierung der INR nach Absetzen der OAK vor solchen Eingriffen empfohlen und die OAK erst später nach der Operation wieder angesetzt wird. Daher werden wegen des Risikos von intrakraniellen oder spinalen Blutungen physikalische Prophylaxemethoden oder Vena-cava-Filter empfohlen (Jafri 2004).
149 Kapitel 27 · Therapiealgorithmen
27
Herzkatheteruntersuchungen und -Interventionen In einer prospektiven und randomisierten Untersuchung von UFH und NMH beim Bridging einer Dauerantikoagulation für elektive Herzkatherisierung kam es bei keinem der 68 Patienten zu einer schwerwiegenden Blutung oder einem thromboembolischen Ereignis (Omran et al. 2003); es kam in 19% zu größeren Hämatomen. Unter UFH entwickelte ein Patient ein Aneurysma spurium. In einer schwedischen Studie wurde bei 3 von 50 antikoagulierten Patienten ein operationpflichtiges Hämatom beobachtet (Radegran u. Jyrala 1979). Es traten keine thromboembolischen Ereignisse auf.
Schrittmacherimplantationen und Defibrillatoreingriffe Bei 150 ambulanten Schrittmacheroperationen waren 37 Patienten unter einer laufenden OAK: Etwa 5% der Patienten unter Warfarin und ca. 2% ohne OAK hatten wundbezogene Blutungskomplikationen, die aber keine weitere Behandlungskonsequenz erforderten. Bei 49 Patienten, die ein Bridging mit i.v.-UFH erhielten (Beginn 6–12 h post-OP) entwickelte sich in 20% ein Schrittmachertaschenhämatom, im Vergleich zu 4% der Patienten, die postoperativ lediglich Warfarin erhielten.
Dermatologische Eingriffe Eine retrospektive Analyse von 653 Patienten nach Hautoperationen (Jafri 2004) beinhaltet auch 127 Patienten unter Warfarin. Patienten mit Resektionsoperation unter laufender Warfarinbehandlung hatten in 33% mäßige bis schwere Wundkomplikationen (4 von 12), dagegen nur 2% (1 von 40) Patienten, bei denen die Warfarintherapie unterbrochen worden war; bei 102 Kontrollen kam es zu keiner einzigen Wundkomplikation.
Nutzen und Risikoabwägung für Operationen und interventionelle Eingriffe (nach Dunn et al. 2003) Trägt man die veröffentlichten Berichte über ein periprozedurales Bridging zusammen, so kam es bei etwa 2000 Eingriffen in 1,6% zu thromboembolischen Ereignissen, einschließlich sieben Schlaganfällen. Diese Rate ist etwa zehnmal höher (Dunn et al. 2003) als die rein rechnerische Rate (s. Kap. 25, ⊡ Tabelle 25.1, Warkentin et al. 1995) bei nichtantikoagulierten Patienten und hohem thromboembolischen Risiko. Legt man die beobachtete Rate an Schlaganfällen (0,4%) zugrunde und die bekannte Risikoreduktion durch suffiziente Antikoagulation, so ließe sich durch das Bridging ein Schlaganfall pro 333 Patienten verhindern (Dunn et al. 2003). Die Blutungsrate für die postoperative Periode wird für größere Operationen mit 2–4% und für Interventionen mit 0–2% eingeschätzt; in dieser Analyse wird allerdings eine lediglich zweitägige postoperative Überbrückung angenommen, was auf die deutsche Verhältnisse mit Phenprocoumon nicht direkt übertragbar ist.
150
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
Therapiealgorithmen
27
Im Falle eines hohen thromboembolischen Risikos bei Langzeitantikoagulation und geplantem Eingriff mit erhöhtem Blutungsrisiko werden in der amerikanischen Literatur Algorithmen zum Bridging von Vitamin-K-Antagonisten beschrieben (Dunn et al. 2003; Schulman 2003; Jafri 2004). Die englischsprachige Literatur bezieht sich dabei ausschließlich auf den Einsatz von Warfarin. In der Regel wird Warfarin 4–6 Tage vor dem geplanten Eingriff abgesetzt, und etwa 2–4 Tage später wird die Therapie mit NMH eingeleitet, das i. d. R. 12–24 h vor dem Eingriff wieder abgesetzt wird. Etwa 12–24 h nach dem Eingriff (»wenn die Hämostase eingesetzt hat«) wird die Therapie mit NMH wieder begonnen. Alternativ wird auch die stationäre Aufnahme des Patienten 2–4 Tage präoperativ für eine therapeutische i.v.-Gabe von UFH oder die ambulante Anwendung von s.c.-UFH angegeben (Jafri 2004). Die therapeutische Gabe von i.v.-UFH wird postoperativ solange fortgesetzt, bis wieder eine therapeutische INR erreicht wird. UFH wird dabei etwa frühestens 12 h postoperativ wieder eingesetzt. Bei der Anpassung dieser Algorithmen an deutsche Verhältnisse (⊡ Abb. 27.1) muss bedacht werden, dass Phenprocoumon im Vergleich zu Warfarin eine wesentlich längere Halbwertszeit aufweist (105–144 h im Vergleich zu 36–42 h bei Warfarin). Dies macht ein deutlich früheres Absetzen von Phenprocoumon erforderlich. Berücksichtigt werden muss auch der erhebliche Einfluss, den eine Antibiotikaeinnahme im Zusammenhang mit einer Endokarditisprophylaxe bei Herzklappenpatienten auf die INR haben kann: So kann eine bereits subtherapeutische INR von 1,5 unter Antibiotikagabe durchaus innerhalb kurzer Zeit wieder in den therapeutischen Bereich ansteigen. Die in der Überbrückungsphase verwendete Dosis des NMH richtet sich dabei im Wesentlichen nach der Höhe des Thromboembolierisikos: Bei hohem Risiko, z. B. mechanische Herzklappen, kürzliche VTE oder zusätzlichen Risikofaktoren, wird eine volle
Einstellung einer überlappenden Antikoagulation vor OP Tag Marcumar INR
1
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Pause
Pause
Pause
Pause
Pause
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2
2
2
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1,5
1,9
2,4
gewicht.
gewicht.
gewicht.
NMH (ca. 7 30 / ca. 1800 )
gewicht.
()
gewicht. gewicht.
Blutungskontrolle
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Auskultation
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⊡ Abb. 27.1. Unterbrechung einer oralen Antikoagulation mit Phenprocoumon für einen geplanten Eingriff: Schematische Darstellung des Algorithmus für ein Bridging mit niedermolekularem Heparin (nach Omran et al. 2003). Die NMH-Gabe am Vorabend der Operation erscheint nur bei sehr hohem Thromboembolierisiko unverzichtbar; sie könnte zu signifikanten NMH-Spiegeln während der OP mit erhöhtem Blutungsrisiko führen
151 Kapitel 27 · Therapiealgorithmen
Hohes Risiko
Niedriges Risiko
Vorhofflimmern mit Herzinsuffizienz und / oder anderen Risikofaktoren
Vorhofflimmern ohne andere Risikofaktoren
Mechanischer Klappenersatz
Z.n. Thrombose / Embolie > 3 Monate
Biologischer Klappenersatz Frische Thrombose / Embolie
Therapeutische überlappende Antikoagulation
27
Thrombophilie
halbtherapeutische überlappende Antikoagulation
Gewichtsadaptiert therapeutische Dosierung ⊡ Abb. 27.2. Risikostratifzierung für die alternative Antikoagulation: therapeutische Dosierung von NMH bei hohem Risiko, halbtherapeutische Dosis bei mittlerem Thromboembolierisiko. (Nach Omran et al. 2003)
therapeutische Dosis von NMH eingesetzt, bei niedrigeren Risiko, z. B. chronischen Vorhofflimmern, Sekundärprophylaxe der VTE, wird eine halbtherapeutische Dosis verwendet (⊡ Abb. 27.2). Bislang wurden weder bei internationalen noch deutschen Übersichten logistische Probleme ausreichend gewürdigt, z. B. bei der präoperativen ambulanten INR-Diagnostik: Es ist zu berücksichtigen, dass bei einem geplanten Bridging die INR auch während des Wochenendes subtherapeutisch werden kann, sodass zu diesem Zeitpunkt die alternative Antikoagulation unverzüglich angesetzt werden muss. Hierfür muss eine tägliche INRKontrolle mit kurzfristiger Ergebnismitteilung gewährleistet sein. Daher empfiehlt sich bei ambulantem Bridging, Eingriffe nicht für montags zu planen, und – wegen des Managements möglicher Nachblutungen – ist auch der Freitag kein idealer Termin für elektive Eingriffe. Sollte zum geplanten Eingriffstermin die INR nicht weit genug abgefallen sein, ergeben sich unter Umständen zusätzliche organisatorische Probleme, wie z. B. Absetzen vom OP-Plan oder Wiederholung der Endokarditisprophylaxe, was durchaus auch für ein früheres Absetzen der OAK mit längerem Bridging sprechen kann.
28 Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte* R. Bauersachs
Bei der Unterbrechung einer Langzeitantikoagulation für einen geplanten Eingriff befinden sich die betreuenden Ärzte in einem medikolegalen Dilemma: Einerseits besteht bei ersatzloser Unterbrechung der OAK ein erhöhtes Thromboembolierisiko, andererseits ist der einzige Ersatz der OAK, der auch in der ambulanten Versorgung praktikabel ist, nämlich der durch NMH, nicht offiziell zugelassen. Im Gegensatz dazu hat UFH eine arzneimittelrechtliche Zulassung, die formal auch das Bridging mit umfasst. Das liegt daran, dass das Arzneimittelrecht und sein Zulassungsbegriff rein formal zu betrachten sind. Entscheidend ist der Wortlaut der Zulassung, nicht, wie es zu dieser Zulassung gekommen ist und welche Daten dahinter stehen. In diesem Sinne hat UFH eine umfassende »Altzulassung« für die Prophylaxe und Therapie von Thromboembolien und damit auch für Indikationen, die formal nicht in Studien überprüft wurden, wie, z. B. Einsatz bei Bridging; selbst für die Standardindikationen wurde UFH meist nicht nach heutigen »Good-Clinical-Practice«- und »Evidence-Based-Medicine«Standards untersucht. Die subkutane Anwendung von UFH kann aufgrund der Literaturdaten nicht als Standard bezeichnet werden. Damit wäre aufgrund der Altzulassung das unfraktionierte Heparin intravenös gegeben die einzig »zugelassene« und dem medizinischen Standard entsprechende Bridging-Option, die aber wegen der intravenösen Gabe die stationäre Aufnahme des Patienten über mehrere Tage erforderlich macht. Zudem zeigen zahlreiche Studien, dass die Einstellungsqualität der Antikoagulation unter i.v.-Regime deutlich schlechter ist als mit NMH. NMH hat pharmakologische Vorteile im Vergleich zu UFH und wurde in zahlreichen Fällen erfolgreich als Antikoagulans bei Bridging-Situationen eingesetzt. Trotzdem muss wegen der oben dargestellten Betrachtungsweise des Arzneimittelrechts die Anwendung von NMH in einer therapeutischen Dosis zur Behandlung und Sekundärprophylaxe von Thromboembolien rein formal als »Off-label-Use« beurteilt werden. Eine andere Frage ist die, ob es sich dabei »nur« um einen solchen »Off-Label-Use« handelt oder ob dieser Einsatz darüber hinaus als nicht ausreichend durch Daten oder langjährige Erfahrung
* Herrn Dr. med. Dr. jur. Rainer Erlinger sei für wertvolle Hinweise und Ergänzungen bei der Erstellung dieses Kapitels gedankt.
153 Kapitel 28 · Zulassungsstatus und damit verbunden Aspekte
28
gesichert angesehen werden muss. In letzterem Fall stellt dieser Einsatz dann, auch wenn die Bezeichnung verwundern mag, einen Heilversuch im juristischen Sinne dar, mit gründlicher Abwägung von Für und Wider jenseits des Standards. Für den Einsatz von NMH ist das derzeit nicht abschließend zu beurteilen. Er befindet sich gegenwärtig auf dem Weg zum »Standard«, da er in den zahlreichen internationalen Konsensusdokumenten als Standardprozedur beschrieben und auch in deutschsprachigen »Standardlehrbüchern« der internistischen Therapie das Bridging mit NMH dargestellt wird (z.B. Schinzel 2004). Dies gilt vor allem für den Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie und dem chronischen Vorhofflimmern. Unterschiedliche Ansichten bestehen vor allem noch immer über den Einsatz von NMH zur Antikoagulation bei mechanischen Herzklappen (Dunn et al. 2003; Leyh et al. 2003), insbesondere in der Schwangerschaft. Vor zwei Jahren wurde in den USA die Packungsbeilage von Lovenox® (Enoxaparin) mit dem Warnhinweis versehen, dass der Einsatz zur Prophylaxe bei Herzklappenpatienten nicht empfohlen wird (Groce et al. 2002). Anlass war ein Therapieversagen bei zwei schwangeren Patientinnen mit Herzklappenersatz; bei beiden Patienten war die Dosis in der Schwangerschaft nicht angepasst worden, und in beiden Fällen wurden subtherapeutische Spiegel von Anti-Xa gemessen. Die meisten NMH sind in der Schwangerschaft zwar nicht mehr streng kontraindiziert, aber auch nicht offiziell zugelassen; andererseits besteht eine explizite Kontraindikation für Phenprocoumon während der gesamten Schwangerschaft. Für die Praxis bedeutet das: Entscheidend in dieser unklaren Situation ist die offene und ausführliche Information des Patienten über die Problematik der Bridging-Situation sowie über den Einsatz eines in dieser Indikation nicht explizit zugelassenen Medikamentes, die über die sonst übliche Patientenaufklärung bei Heilverfahren und dem Einsatz von Medikamenten hinausgehen muss. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass der Einsatz außerhalb der offiziellen Zulassung erfolgt. Ohnehin muss der Patient sehr genau über das reale Thromboembolie- und Blutungsrisiko während eines interkurrenten Eingriffes aufgeklärt werden; die Indikation zu einem solchen Eingriff muss hinterfragt sowie erneut überprüft und die verschiedenen Therapieoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen müssen mit dem Patienten ausführlich erörtert werden (s. Checkliste ⊡ Tabelle 28.1). Hilfreich sind hier Aufklärungsbögen, die aber das ausführliche Aufklärungsgespräch nicht ersetzen können, was besonders für diese Situation gilt. Darüber hinaus ist im nichtstationären Bereich zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 36/00) sich die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung im Regelfall nur auf die Anwendung im zugelassenen Anwendungsgebiet erstreckt. Eine Ausnahme gilt nur für schwerwiegende Erkrankungen, für die keine andere Therapie verfügbar ist und bei denen aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen ist. Der Off-Label Use von Medikamenten im Bereich der GKV ist daher mit Risiken in Hinsicht auf Regresse der Krankenkassen behaftet. Da andererseits damit ein kostenintensiverer stationärer Aufenthalt vermieden wird, ist dem Autor bislang kein Regressanspruch in dieser speziellen Situation bekannt geworden.
154
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
⊡ Tabelle 28.1. Check-Liste zum Bridging ;Hinterfragung der Indikation zur oralen Antikoagulation (nach sorgfältiger Beurteilung der Krankengeschichte) ;Abschätzung des Thromboembolierisikos ;Indikationsüberprüfung des Eingriffs (ggf. Verschieben auf späteren Zeitpunkt?) ;Abschätzung des Blutungsrisikos des Eingriffs (ggf. Rücksprache mit dem Operateur) ;Endokarditisprophylaxe? Wahl der Bridging-Option: ;Fortsetzen der OAK ohne Unterbrechung ;Absenken der INR ;Ersatzlose Unterbrechung der OAK ;Ersatz durch halbtherapeutische NMH-Gabe ;Ersatz durch volltherapeutische NMH-Gabe ;intravenöse UFH-Gabe unter stationären Bedingungen
28
;Zeitliche Planung des Eingriffs (INR-Monitoring am Wochenende?) ;Ausgangsblutbild einschließlich Hb und Thrombozytenzahl, Kreatinin (Abschätzung der Kreatinin-Clearance) ;Festlegung und Einhaltung des Injektionsintervalls präoperativ Postoperativ: Hämostase erzielt? ;Lokale blutstillende Maßnahmen? ;Wiederbeginn der alternativen Antikoagulation ;Bei sichergestelltem postoperativen Verlauf Wiederbeginn der oralen Antikoagulation ;Zeitnahes Absetzen der alternativen Antikoagulation bei Erreichen des vorgegebenen INR-Bereichs ;Untersuchung des Patienten auf Blutungszeichen oder thromboembolische Komplikationen ;Aufklärung des Patienten ;Dokumentation der geplanten und durchgeführten Maßnahmen
Fragen zu Kapitel 24–28: Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation Kapitel 24: Die Problematik 1. Wo besteht das höchste Thromboembolierisiko ohne wirksame orale Antikoagulation (5 Auswahlmöglichkeiten)? A. nichtvalvuläres Vorhofflimmern und Z. n. Schlaganfall B. nichtvalvuläres Vorhofflimmern C. Mitralvitium im Sinusrhythmus D. Bio-Herzklappe E. Kunstklappe in Aortenposition F. Kunstklappe in Mitralposition G. VTE 1. Monat H. VTE 2. bis 3. Monat I. VTE nach 3. Monat J. Rezidiv-VTE K. Z. n. arterieller Embolie (1. Monat) ▼
155 Kapitel 24–28 · Fragen
24–28
2. Wie hoch ist die Risikoreduktion durch Antikoagulation bei thromboembolischen Erkrankungen (z. B. bei der akuten VTE, bei der Rezidivthrombose, beim nichtvalvulärem Vorhofflimmern, beim mechanischen Herzklappenersatz und bei der akuten arteriellen Embolie)? (1 Antwort) A. praktisch 100% B. >90% C. 66–80% D. auf etwa die Hälfte E. auf etwa ein Drittel
Kapitel 25: Therapieoptionen 3. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei hohem Thromboembolierisiko empfohlen? A. ununterbrochene OAK B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches C. ersatzloses Absetzen D. i.v.-UFH (stationär) E. s.c.-UFH (ambulant) F. s.c.-NMH (stationär/ambulant) 4. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei mittlerem Thromboembolierisiko empfohlen? A. ununterbrochene OAK B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5 D. ersatzloses Absetzen E. i.v.-UFH (stationär) F. s.c.-UFH (ambulant) G. s.c.-NMH (stationär/ambulant) 5. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei niedrigem Thromboembolierisiko empfohlen? A. ununterbrochene OAK B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5 D. ersatzloses Absetzen E. i.v.-UFH (stationär) F. s.c.-UFH (ambulant) G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)
Kapitel 26: Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es? 6. Einsatz bei der akuten Therapie der venösen Thromboembolie A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen. D. Beobachtungsstudien E. Konsensusempfehlungen F. Expertenmeinungen ▼
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Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
7. Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen. D. Beobachtungsstudien. E. Konsensusempfehlungen F. Expertenmeinungen 8. Niedermolekulares Heparin in der Schwangerschaft A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen. D. Beobachtungsstudien. E. Konsensusempfehlungen F. Expertenmeinungen
Kapitel 27: Therapiealgorithmen 9. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen: A. gar kein niedermolekulares Heparin. B. prophylaktische Dose C. halbtherapeutische Dosis D. ¾-therapeutische Dosis E. Volle therapeutische Dosis 10. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit mittlerem Thromboembolie-risiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen: A. gar kein niedermolekulares Heparin. B. prophylaktische Dose C. halbtherapeutische Dosis D. ¾-therapeutische Dosis E. Volle therapeutische Dosis 11. Bei welchen Eingriffen ist eine fortgesetzte OAK (oder kurzfristige Absenkung innerhalb des therapeutischen Bereich) möglich? A. Zahneingriffe B. kleinere ophthalmologische Eingriffe C. gastrointestinale diagn. Endoskopie D. Prostataeingriffe E. Abdominalchirurgie F. neurochirurgische Eingriffe und rückenmarksnahe Anästhesie 1. in der Regel möglich 2. im Einzelfall möglich 3. in der Regel nicht möglich ▼
157 Kapitel 24–28 · Literatur
24–28
Kapitel 28: Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte 12. Was soll mit dem Patienten vor einer Überbrückung der OAK mit NMH besprochen werden? A. Thromboembolierisiko B. Blutungsrisiko C. Nutzen-Risiko-Abwägung D. Zulassungsstatus NMH E. Alternativen F. Schriftliche Einverständniserklärung 13. Wann soll NMH nicht angewendet werden? A. heparininduzierte Thrombozytopenie B. Lupus-Antikoagulans C. Niereninsuffizienz D. Schwangerschaft E. Gleichzeitige Gabe von ASS
Literatur zu Teil VII (Kapitel 24–28) Anderson CS, Jamrozik KD, Broadhurst RJ, Stewart-Wynne EG (1994) Predicting survival for 1 year among different subtypes of stroke. Results from the Perth Community Stroke Study. Stroke 25: 1935–1944 Anonymous (1994) Risk factors for stroke and efficacy of antithrombotic therapy in atrial fibrillation. Analysis of pooled data from five randomized controlled trials. Arch Intern Med 154: 1449–1457 Anonymous (1993) Secondary prevention in non-rheumatic atrial fibrillation after transient ischaemic attack or minor stroke. EAFT (European Atrial Fibrillation Trial) Study Group. Lancet 342: 1255–1262 Arcelus JI, Caprini JA, Monreal M, Suarez C, Gonzalez-Fajardo J (2003) The management and outcome of acute venous thromboembolism: a prospective registry including 4011 patients. J Vasc Surg 38: 916–922 Bauersachs R, Lindhoff-Last E (2003) Anticoagulation of pregnant women with mechanical heart valves using lowmolecular-weight heparin. Arch Intern Med 163: 2788–2789 Bauersachs RM, Lindhoff-Last E, Wolff U, Ehrly AM (1998) Aktuelles Management der tiefen Venenthrombose. Med Welt 49: 194–215 Caplan LR, Hier DB, D’Cruz I (1983) Cerebral embolism in the Michael Reese Stroke Registry. Stroke 14: 530–536 Carter K, Miller KM (1998) Phacoemulsification and lens implantation in patients treated with aspirin or warfarin. J Cataract Refract Surg 24: 1361–1364 Chakravarti A, MacDermott S (1998) Transurethral resection of the prostate in the anticoagulated patient. Br J Urol 81: 520–522 Dunn AS, Turpie AG, Ansell JE (2003) Perioperative management of patients receiving oral anticoagulants: a systematic review. Arch Intern Med 163: 901–908 Ferreira I, Dos L, Tornos P, Nicolau I, Permanyer-Miralda G, Soler-Soler J (2003) Experience with enoxaparin in patients with mechanical heart valves who must withhold acenocumarol. Heart 89: 527–530 Greer IA (2004) Prevention of venous thromboembolism in pregnancy. Eur J Med Res 9: 135–145 Greinacher A (2003) Heparininduzierte Thrombozytopenie. Deutsches Ärzteblatt 100: A-2220–2229 Groce JB, Vanscoy GJ, Gainor C (2002) Anticoagulant bridging: Prosthetic heart valves, labeling changes, and limiting issues of liability. Formulary 37: 473–475 Hall DL, Steen Jr. WH, Drummond JW, Byrd WA (1988) Anticoagulants and cataract surgery. Ophthalmic Surg 19: 221–222 Hirsch D, Lee T, Morrison R, Carlson, Goldhaber S (1996) Shortened hospitalization by means of adjusted-dose subcutaneous heparin for deep venous thrombosis. Am Heart J 131: 276–278 Hirsh J, Dalen J, Anderson DR, Poller L, Bussey H, Ansell J, Deykin D (2001) Oral anticoagulants: mechanism of action, clinical effectiveness, and optimal therapeutic range. Chest 119: 8S–21S
158
Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
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159 Kapitel 24–28 · Literatur
24–28
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VIII
Teil VIII Zukünftige Entwicklungen Kapitel 29
Prophylaxe bei Tumorpatienten
– 162
Kapitel 30
Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie von Thrombosen
– 166
29 Prophylaxe bei Tumorpatienten B. Kemkes-Matthes
Einleitung Seit Trousseaus Zeiten ist bekannt, dass maligne Erkrankungen ein schwerwiegender Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen sind. Bei ca. 10% der Tumorpatienten werden thromboembolische Komplikationen klinisch diagnostiziert, bei Autopsiestudien von Karzinompatienten wurden in bis zu 50% der Fälle Thrombosen und/oder Embolien beschrieben. Die Differenz der beiden Zahlen belegt, wie häufig thromboembolische Ereignisse bei Tumorpatienten nicht oder falsch diagnostiziert werden. Die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen bei Tumorpatienten ist sowohl von Tumortyp und -stadium als auch von therapeutischen Maßnahmen abhängig. Während thromboembolische Komplikationen bei Patienten mit Pankreas-, Bronchial- oder Ovarialkarzinom sehr häufig beobachtet werden, sind Thrombosen bei Patienten mit Ösophaguskarzinom, Leukämien oder Lymphomen eher selten (Svendson u. Karwinski 1989; Baron et al. 1998; Rickles u. Edwards 1983). Die Ursachen thromboembolischer Komplikationen beim Tumorpatienten sind vielfältig (Kemkes-Matthes 1997): Bei einzelnen Patienten können z. B. große Lymphome im Abdominalraum direkt zur Kompression großer Gefäße und in der Folge zum thrombotischen Verschluss führen. Bei nahezu allen Tumorpatienten kommt es zur Aktivierung des Gerinnungssystems mit konsekutiver Generierung von Thrombin. Thrombin fungiert nicht nur als Schlüsselenzym der plasmatischen Gerinnungskaskade, sondern gilt darüber hinaus als potentester Thrombozytenaktivator und hat wesentlichen Einfluss auf die Expression von Adhäsionsmolekülen: Thrombozyten translozieren unter Stimulation durch Thrombin insbesondere Selektin auf die Thrombozytenoberfläche. Bei Endothelzellen – und in ähnlicher Form auch bei Tumorzellen – kommt es auf der Zelloberfläche zur Expression der Adhäsionsmoleküle P- und E-Selektin, ICAM-1 und VCAM-1. Die Expression dieser Adhäsionsmoleküle wiederum bewirkt, dass »Rolling« und »Adhäsion« von Tumorzellen an der Endothelzelloberfläche ermöglicht wird, und es schließlich zur Migration durch die Endothelzellbarriere kommen kann (⊡ Abb. 29.1). Somit kann durch Aktivierung des Gerinnungssystems bei Tumorpatienten nicht nur die hohe Inzidenz thromboembolischer Komplikationen erklärt werden, sondern es wird auch klar, dass ein enger Zusammenhang zwischen Gerinnungsaktivierung und Metastasierungspotential besteht.
163 Kapitel 29 · Prophylaxe bei Tumorpatienten
Cancer Procoagulant Tissue Factor
29
Gerinnungsaktivierung
Endotoxin, TNF a, IL 1ß
Thrombogene Endotheloberfläche, Adhäsionsmoleküle
Tumorzelle
a
Endothel
Tumorzelle
Adhäsionsmoleküle
b
Endothel
⊡ Abb. 29.1a,b. Gerinnungsaktivierung bei Tumorpatienten. Tumorzellen generieren gerinnungsaktive Substanzen und Zytokine, die am Endothel zu Ausbildung einer thrombogenen Oberfläche führen. Die Expression von Adhäsionsmolekülen an der Zelloberfläche ermöglicht Migration durch die Endothelzellbarriere und damit die Metastasierung
Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten Patienten mit malignen Erkrankungen haben ein im Vergleich zum Nichttumorpatienten deutlich erhöhtes Risiko, thromboembolische Komplikationen zu erleiden. So kommt es nach großen operativen Eingriffen bei Tumorpatienten signifikant häufiger zu tödlichen Lungenembolien als bei Nichttumorpatienen. Darüber hinaus erleiden Tumorpatienten häufiger Thromboserezidive (Hutten et al. 2000). Der alleinige Nachweis einer malignen Erkrankung im einzelnen Patienten ist nach den bisher verfügbaren Daten jedoch noch keine ausreichende Begründung für eine »automatische« und evtl. dauerhafte gerinnungshemmende Behandlung. Wenn jedoch zusätzliche Risikofaktoren wie z. B. chirurgische Eingriffe oder Chemotherapie bei Patienten mit hoher Tumorlast (s. folgende Übersicht) hinzukommen, bietet sich eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) an. Vorteil der Prophylaxe mit NMH im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin (UFH) ist, dass durch hohe Bioverfügbarkeit sichere Wirkspiegel erreicht werden, nur eine 1-mal tägliche Gabe notwendig ist und das Nebenwirkungsprofil deutlich günstiger ausfällt als das von UFH: Blutungskomplikationen sind seltener, die Osteoporosegefährdung bei Langzeitanwendung deutlich geringer und das Auftreten von HIT Typ II (heparininduzierter Thrombozytopenie) extrem selten. NHM beim Tumorpatienten sollte
164
Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen
– entsprechend dessen hoher Thrombosegefährdung – in Hochrisikodosierung gegeben werden (The ENOXACAN Study group 1997).
Indikationen zur Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten (nach Lutz et al. 2001) Sichere Indikationen
29
– Chirurgische Eingriffe – Zentralvenöser Zugang stationär – Venöser Port bei laufender Chemotherapie – Beginn Chemotherapie mit hoher Tumorlast – Immobilisation und hohe Tumorlast – Strahlentherapie im Beckenbereich – Z. n. Thromboembolie Wahrscheinliche Indikationen – Kleinere Eingriffe (ZVK-Anlage, Portimplantation – Stationäre Aufnahme, unabhängig vom Aufnahmegrund – Liegender Port nach vorangegangenem Verschluss Zu hinterfragende Indikationen – Immobilisation als alleiniger Risikofaktor – Terminales Stadium – Langfristige Prophylaxe bei venösem Port – Chemotherapie – Antihormonelle Therapie
Neben der Dosierung hat auch die Dauer der NMH-Prophylaxe beim Tumorpatienten – ähnlich wie bei Patienten nach Eingriffen an den großen Gelenken – erheblichen Einfluss auf die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen: Es konnte gezeigt werden, dass prolongierte, 4-wöchige postoperative Gabe sowohl von 40 mg Enoxaparin (Bergqvist et al. 2002) als auch von 5000 IU Dalteparin (Rasmussen et al. 2003) die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen bei Tumorpatienten von 12 auf 4% bzw. von 10 auf 2% im Vergleich zu 1-wöchiger NMH- und anschließender Plazebogabe senken konnte. Insbesondere bei Langzeitbehandlung von Tumorpatienten mit gerinnungshemmenden Substanzen muss das u. U. individuell erhöhte Blutungsrisiko bedacht werden – induziert z. B. durch Faktorenmangel bei ausgedehnter Lebermetastasierung, Thrombozytopenie durch Knochenmarkinfiltration oder Chemotherapie oder auch durch exulzerierend wachsende Tumoren. Bergqvist u. Burmark (1995) zeigten jedoch bereits 1995, dass beim Tumorpatienten eine Verdoppelung der postoperativen Prophylaxedosis von 2500 auf 5000 IE Dalteparin täglich nicht zu einer Erhöhung des Blutungsrisikos führt. Darüber hinaus konnte im Rahmen der so genannten »CLOT-Studie« (Bergqvist u. Burmark 1995) gezeigt werden, dass NMH beim Tumorpatienten in der Sekundärprophylaxe nach thromboembolischen Komplikationen günstiger ist als eine orale Antikoagulation mit Warfarin: Nach 1-monatiger Behandlung mit 200 IU Dalteparin/kg KG 1-mal tgl. s.c. und anschließend 150 IU Dalteparin/kg KG über 5 Monate traten weniger Thromboserezidive auf als in der mit Warfarin (Ziel INR 2,5) behandelten Vergleichsgruppe (9% gegenüber 17%). Bezüglich schwerwiegender Blutungskomplikationen ergaben sich keine Unterschiede.
165 Kapitel 29 · Prophylaxe bei Tumorpatienten
29
»Tumortherapie« durch Gerinnungshemmung? Erste Versuche, Tumorausbreitung durch Gerinnungshemmung zu beeinflussen, wurden bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts unternommen: Görner konnte bereits 1930 zeigen, dass mit Heparin inkubiertes Tumorgewebe erheblich im Wachstum gehemmt wird. Seitdem sind diverse Studien mit verschiedenen gerinnungshemmenden Medikamenten bei Tumorpatienten durchgeführt worden, die aber bzgl. Beeinflussung der Überlebenszeit kontroverse Ergebnisse erbrachten. Mit Einführung der niedermolekularen Heparine (NMH) ergaben sich erste Hinweise auf einen möglichen Überlebensvorteil von mit NMH behandelten Tumorpatienten: Nachträgliche Auswertungen von Vergleichsstudien zwischen unfraktioniertem (UFH) und NMH zur Thrombosetherapie zeigten einen Überlebensvorteil von mit NMH behandelten Tumorpatienten, die wegen tiefer Beinvenenthrombose in die betreffenden Studien eingeschlossen worden waren. Hettiarachchi et al. (1999) werteten daraufhin 9 Thrombosetherapiestudien nachträglich aus und konnte zeigen, dass – mehr oder weniger zufällig eingeschlossene – Tumorpatienten, die mit NMH behandelt worden waren, einen Überlebensvorteil gegenüber den mit UFH behandelten Tumorpatienten hatten. Die erste prospektive Studie zu dieser Fragestellung stammt von der Arbeitsgruppe von Tempelhoff aus dem Jahr 2000 und belegt, dass Frauen mit Mamma- oder Ovarialkarzinom, die postoperativ über 7 Tage eine Thromboseprophylaxe mit dem niedermolekularen Heparin Certoparin erhielten, ein verbessertes Langzeitüberleben (Tag 650) zeigten im Vergleich zu Patientinnen, die UFH erhalten hatten. Bei Auswertung nach 1050 Tagen war allerdings nur noch ein Benefit für Ovarialkarzinompatientinnen nachweisbar. Die Begründung dafür, dass Heparin nicht nur die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen verringern, sondern darüber hinaus auch Tumorwachstum und Progression beeinflussen kann, liegt in dessen, über die reine Gerinnungshemmung hinausgehenden Eigenschaften: So kann Heparin Zelladhäsion, Zellwachstum und -migration wie auch die Angiogenese hemmen. Die P-Selektin-vermittelte Interaktion von Plättchen mit Tumorzellen sowie Heparanase, ein für die Membranpenetration und damit für die Metastasierung wichtiges Enzym, wird durch Heparin ebenfalls inhibiert. Die stärkere Hemmwirkung von niedermolekularem Heparin (NMH) auf das Tumorwachstum erklärt sich aus unterschiedlichen Eigenschaften von NMH und unfraktioniertem Heparin (UFH): Die Substanzen unterscheiden sich u. a. durch unterschiedliche Affinität zu Oberflächenrezeptoren und Selektinen, vermehrtes Potential zur Angiogenesehemmung von NMH sowie unterschiedlich starke Hemmwirkung auf Heparanase. Die vielfältigen dargestellten Heparinwirkungen geben Hoffnung, dass in Zukunft durch die Gabe von NMH nicht nur die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen beim Tumorpatienten gesenkt, sondern darüber hinaus auch das Überleben verlängert werden kann.
30 Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie von Thrombosen P. Lütkes, S. Lichtner, A. Kribben
Thrombosen als medizinischer und gesundheitsökonomischer Risikofaktor Thrombosen sind aufgrund ihrer Häufigkeit und ihres Gefährdungspotentials ein wesentlicher medizinischer Risikofaktor. Aufgrund der nicht seltenen Koinzidenz von Thrombosen mit internistischen Erkrankungen (z. B. im Rahmen maligner Erkrankungen) sowie als Komplikationsgefahr bei chirurgischen Erkrankungen stellen sie einen komplizierenden Faktor bei der Behandlung von Patienten mit einer breiten Palette von Grunderkrankungen dar. Prävention, Diagnostik und Therapie von Thrombosen erfolgen unter großem personellen und apparativen Aufwand. Die wichtigsten Komplikationen stellen sowohl akut (z. B. Lungenembolie) als auch chronisch (z. B. postthrombotisches Syndrom) eine medizinische Herausforderung mit der Notwendigkeit der Nutzung erheblicher Ressourcen (z. B. Intensivmedizin) dar. Auch die Prophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularen Heparin stellt als Standardmaßnahme im Krankenhaus einen wesentlichen Kostenfaktor dar. Die Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der angestrebten leistungsgerechten Vergütung durch das DRG-Fallpauschalensystem lassen sich anhand der Thrombose besonders gut aufzeigen. Die Umstellung des Krankenhausfinanzierungssystems von Tagessätzen auf DRG-Fallpauschalen führt zu einem Paradigmenwechsel im deutschen Gesundheitswesen (⊡ Abb. 30.1). Die Vergütung nach Fallpauschalen fördert ein prozessorientiertes Denken unter Berücksichtigung der Gesamtkosten eines Falles. Dabei spielt eine differenzierte Bewertung nicht nur der Sach-, sondern vor allem der Personalkosten eine Rolle, da diese den mit Abstand größten Kostenanteil im Krankenhaus ausmachen. Bei Eintreten einer Komplikation während eines stationären Aufenthaltes (z. B. Auftreten einer Thrombose) führt die Verlängerung des Aufenthaltes zwar zu einer Steigerung der Kosten bei der bisherigen Vergütung nach Tagessätzen aber auch zu einer Steigerung der Erlöse. Bei der fallbezogenen Vergütung nach DRG ist die Aufenthaltsdauer des individuellen Falles innerhalb weiter Grenzen nicht mehr erlöswirksam. Damit ist eine Verlängerung des Aufenthaltes durch Auftreten einer Komplikation nur noch kosten-, aber nicht mehr erlössteigernd (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2004). Die Annahme, dass durch ein fallbezogenes Vergütungssystem auch prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen verstärkt durchgeführt werden, liegt zwar nahe, konnte aber bisher wissenschaftlich nicht belegt werden.
30
167 Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
Erlöse (E)
Kosten (E)
8000
8000 Tagessatz
7000 6000
Kosten
5000
7000 6000 5000
4000
4000 DRG
3000
3000
2000
2000
1000
1000
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
0 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Verweildauer (Tage)
⊡ Abb. 30.1. Krankenhausvergütung nach Tagessätzen und DRG-Fallpauschalen. Die bisherige Krankenhausvergütung nach Tagessätzen beinhaltet eine lineare Beziehung von Verweildauer und Erlösen. Bei einem angenommen Kostenverlauf mit starkem Anstieg in der ersten Phase eines Aufenthaltes und dann kumulativ weiter steigenden Kosten wird die Gewinnzone (definiert als Erlöse oberhalb der Kosten) bei einer Vergütung nach Tagessätzen im Bereich der langen Verweildauer erreicht. Dieses Prinzip wird bei der Fallpauschalenvergütung umgekehrt.
DRG-gerechte Kodierung der Thrombose und der Thromboseprophylaxe Im DRG-System wird auf Grundlage der in der Patientenakte und den Arztbriefen vorhandenen Informationen die medizinische Nomenklatur (z. B. Phlebothrombose linker Unterschenkel) in die Diagnose- und Prozeduren-Klassifikationen übersetzt (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK 2003). Die DRG-Bewertung eines Behandlungsfalles beruht dabei ausschließlich auf den kodierten Informationen. Deshalb wird eine stattgehabte, aber nicht dokumentierte Thrombose bei der Bewertung berücksichtigt. Die vom DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) herausgegebene deutsche Version des ICD-10 für das Jahr 2004 heißt ICD-10 GM Version 2004, wobei GM für »German Modifikation« steht (DIMDI 2003a). Mit dieser Klassifikation wird beispielsweise die tiefe Beinvenenthrombose mit I80.2 »Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten« kodiert. Die individuelle Ausprägung, Seitenlokalisation und weitere differenzierte Informationen gehen bei der Kodierung mit dieser Klassifikation bewusst verloren (⊡ Tabelle 30.1). Bei jedem Diagnosekode gibt der führende Buchstabe das Kapitel der ICD-10 GM Version 2004 (z. B. »I« für Krankheiten des Kreislaufsystems) an. Nach dem Buchstaben für das Kapitel folgt eine zweistellige Zahl, die die Krankheitsgruppe repräsentiert (z. B. »80«
168
Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen
⊡ Tabelle 30.1. Kodierung venöser Thrombosen
30
Kode
Lokalisation der Thrombose, Phlebitis oder Thrombophlebitis
CC-Relevanz
I80.0
Oberflächliche Gefäße der unteren Extremitäten
Ja
I80.1
V. femoralis
Ja
I80.2
Sonstige tiefe Gefäße der unteren Extremitäten
Ja
I80.3
Untere Extremitäten, nicht näher bezeichnet, einschließlich Embolie und Thrombose von Gefäßen der unteren Extremität o. n. A.
Ja
I80.8
Sonstige Lokalisationen
Nein
I80.9
Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Nein
für sonstige venöse Embolien oder Thrombosen). Nach einem Punkt wird der Kode durch eine weitere Ziffer spezifiziert (z. B. »2« für die Lokalisation der Thrombose in sonstigen tiefen Gefäßen der unteren Extremität). Findet sich in der Auflistung die zu kodierende Diagnose bzw. die Lokalisation der Thrombose nicht wieder, wird mit einer ».8« (»Sonstige Lokalisationen«) als letzter Stelle kodiert. Liegen keine genauen Informationen zu der Erkrankung vor (ist also z. B. nur bekannt, dass der Patient eine Thrombose hatte, aber nicht die Lokalisation), wird ».9« (für »nicht näher bezeichnet«) kodiert. Die Häufigkeit der Angabe des Kodes 9 gibt einen Hinweis auf die Dokumentationsqualität, da klinische Informationen wie die Lokalisation einer Thrombose entsprechend verschlüsselt werden sollten. Der Anteil von ».9«-Diagnosen sollte daher möglichst gering sein, kann allerdings aus klassifikationstechnischen Gründen niemals Null betragen. Die Kodes für Thrombosen mit bekannter Lokalisation (I80.0 bis I80.3) sind schweregradbewertet, d. h. sie können bei der Kodierung als Nebendiagnose über ihre CC-Werte (Comorbidity and Complication-Wert) die medizinische Fallschwere (Patient Clinical Complexity Level – PCCL) erhöhen. Diese höhere Fallschwere kann zu einer Erhöhung des Erlöses führen. Im Gegensatz dazu beeinflussen die unspezifischen Kodes I80.8 und I80.9 die medizinische Fallschwere und damit die Erlöse nicht. Beim ICD-10 GM Version 2005 werden sich die Kodes für die Thrombosen nicht verändern (DIMDI 2004). Diagnostische und therapeutische Maßnahmen werden mit dem Prozedurenkatalog OPS-301 kodiert (DIMDI 2003b). Die vom DIMDI herausgegebene deutsche Version des OPS-301 heißt OPS-301-GM-Version 2004. Auch hier entsteht durch die Klassifikation ein gewollter Informationsverlust. Beispielsweise wird eine diagnostische Koronarangiographie unabhängig von der Zeitdauer und Anzahl der untersuchten Gefäße mit 1–275.0 (offizieller Kodetext »Koronarangiographie ohne weitere Maßnahmen«) kodiert. Weil der OPS-301 keine Kodes für die Verschlüsselung von präventiven Maßnahmen enthält, kann die Thromboseprophylaxe nicht explizit kodiert werden. Die einzige Möglichkeit ist die Nutzung einer »Analogziffer«, d. h. des Diagnosekodes Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete prophylaktische Maßnahmen«. Anhand der Kodes kann bei der Bewertung des Behandlungsfalls daher nicht unterschieden werden, ob es sich um eine Prophylaxe der Thrombose, Pneumonie oder einer anderen Komplikation handelt.
169 Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
30
Diagnostik der Thrombose Im offiziellen OPS-301 Version 2004 gibt es keine Kodes für laborchemische Maßnahmen einschließlich der Bestimmung von D-Dimeren, INR und aPTT. Auch die Durchführung von sonographischen Maßnahmen kann nicht kodiert werden. Für die Erweiterung der Kodierungsmöglichkeiten wurde ein nichtamtlicher Erweiterungskatalog des OPS-301 eingeführt. In diesem Katalog finden sich Kodes für die native Sonographie (»3–00q.1« Sonographie der Blutgefäße der Extremitäten – Vene) und die Duplexsonographie der Extremitätenvenen (»3–02c.1« Duplexsonographie der Blutgefäße der Extremitäten – Vene) enthält. Für Fälle, die mit einer farbkodierten Duplexsonographie nicht geklärt werden können, kann die Phlebographie mit dem Kode 3–613 »Phlebographie der Gefäße einer Extremität«, bei zusätzlicher Darstellung des Abflussbereiches mit 3–614 kodiert werden.
Auswirkungen von Thrombosen auf die DRG-Erlöse Thrombosen können je nach Zeitpunkt des Auftretens und der Grunderkrankung des Patienten die Erlöse unterschiedlich beeinflussen. Dabei wird unterschieden zwischen dem Auftreten einer Thrombose vor oder während eines stationären Aufenthaltes einerseits und dem Auftreten im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung andererseits. Die vor oder während eines stationären Aufenthaltes entstandene Thrombose führt bei richtiger Kodierung mit Angabe der Lokalisation in der Regel zu einer Erhöhung des PCCLWertes. Ausnahmen sind Behandlungsfälle multimorbider Patienten mit Nebendiagnosen, die zu einer maximalen Fallschwere von 4 PCCL-Punkten führen. Die Erhöhung des PCCL kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung des Patienten und den durchgeführten Maßnahmen zu einer Veränderung des Erlöses führen, wenn die entsprechende Basis-DRG zu den DRG-Fallpauschalen gehört, die über PCCL-Werte beeinflusst werden. Patienten mit instabiler Angina pectoris werden, falls keine invasiven Maßnahmen durchgeführt werden, in die Basis-DRG F72 »Instabile Angina pectoris« klassifiziert. Falls keine weiteren Nebendiagnosen dokumentiert wurden, berechnet sich eine Fallschwere von 0 PCCL-Punkten und es erfolgt eine Eingruppierung in die DRG F72B »Instabile Angina pectoris ohne äußerst schwere oder schwere CC«. Diese DRG weist die niedrigste Bewertungsrelation innerhalb der Basis-DRG F72 auf. Bei einem Basisfallwert von € 3000,– ergibt sich für eine Verweildauer zwischen 3 und 12 Tagen ein Erlös von € 1734,– für den gesamten Aufenthalt. Tritt während des Aufenthaltes eine Thrombose auf und wird diese nicht nur behandelt, sondern auch dokumentiert, erhöht sich die Fallschwere auf 3 PCCL-Punkte. Dies führt zu einer Eingruppierung in die F72A »Instabile Angina pectoris mit äußerst schweren oder schweren CC« mit einem höheren Erlös von € 2613,–. Bei multimorbiden Patienten verliert die Thrombose allerdings ihren Einfluss auf den Erlös. Dies wird deutlich an dem Patienten mit instabiler Angina und diabetischem Fußsyndrom, bei dem durch diese Begleiterkrankung bereits die höchstmögliche Fallschwere innerhalb der Basis-DRG erreicht wird (F72A). Da Thrombosen gerade bei solchen Patienten häufig und deren Behandlung besonders aufwändig ist, ist ein Anreiz zur Vermeidung solcher Komplikationen, aber auch zu einer Selektion dieser Patienten gegeben. Für bestimmte Maßnahmen wie die PTCA bei akutem Myokardinfarkt oder Durchführung einer Knie-TEP sieht das DRG-System keine Erlösdifferenzierung nach Begleiterkran-
170
Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen
⊡ Tabelle 30.2. Einfluss der Thrombose auf den DRG-Erlös Klinisches Beispiel
30
Ohne Thrombose
Mit Thombose
DRG
Erlös [€]
DRG
Erlös [€]
Instabile Angina pectoris
F72B
1734,–
F72A
2613,–
Instabile Angina pectoris bei einem Patienten mit diabetischem Fußsyndrom
F72A
2613,–
F72A
2613,–
Myokardinfarkt mit PTCA
F10Z
5277,–
F10Z
5277,–
Offen chirurgische Cholezystektomie
H07B
4356,–
H07B
4356,–
Offen chirurgische Cholezystektomie mit postoperativer Wundheilungsstörung
H07B
4356,–
H07A
7338,–
Knie-TEP
I04Z
8661,–
I04Z
8661,–
kungen oder Komplikationen vor. Deshalb erhöht eine Komplikation wie die Thrombose bei diesen Fällen den Erlös nicht (⊡ Tabelle 30.2). Am Beispiel der offen chirurgischen Cholezystektomie lässt sich zeigen, dass die Thrombose allein bei einem Teil der DRGs den Erlös nicht beeinflussen. Erst die Kombination mit weiteren Begleiterkrankungen oder Komplikationen führt zu einer Eingruppierung in die höher bewertete DRG H07A. Der Unterschied in der Gewichtung der Thrombose bei der Angina pectoris und der Cholezystektomie erklärt sich durch einen unterschiedlichen Schwellenwert. Bei der F72 führt bereits ein PCCL-Wert von 3 in die höchst bewertete DRG F72A, während dies bei der H07 erst bei einem PCCL-Wert von 4 der Fall ist. Die Abrechnungsregeln des G-DRG-Systems sehen vor, dass Wiederaufnahmen wegen Komplikationen nicht gesondert abgerechnet werden dürfen, sondern mit dem ursprünglichen Aufenthalt zusammenzufassen sind (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2004). Wird beispielsweise ein Patient nach Knie-TEP am 19. postoperativen Tag entlassen und wegen einer tiefen Beinvenenthrombose 6 Tage später in dem gleichen Krankenhaus wieder aufgenommen, greift die sogenannte Wiederaufnahmeregel und der zweite Aufenthalte kann nicht gesondert abgerechnet werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll so ein ökonomisch motiviertes Fallsplitting oder eine zu frühe Entlassung noch vor Ausbehandlung der Erkrankung vermieden werden. In der Praxis kann dies allerdings dazu führen, dass Qualitätsmängel im ambulanten Bereich oder eine mangelnde Compliance zu einer »Gewährleistungspflicht« des Krankenhauses unabhängig von der dort erbrachten Behandlungsqualität führen. Da im Einzelfall der Einfluss der Thrombose auf den Erlös nicht vorhersehbar ist, ist eine Erlössicherung nur durch eine vollständige und korrekte Dokumentation möglich. Aus Gründen der medizinischen Dokumentationsqualität wird sowieso generell empfohlen, die Kodierung nicht von einer möglichen Beeinflussung der Erlöse abhängig zu machen [6]. Die Dokumentationsqualität der Kodierung der Thrombosen ist allerdings in der derzeitigen Praxis unzureichend. So zeigt sich in den vom DRG-Institut InEK veröffentlichten Daten für das DRG-System 2004, dass Thrombosen nur äußerst selten verschlüsselt wurden (InEK 2003). Beispielsweise gehört die Thrombose bei der Knie-TEP (DRG I04Z mit 8584 kalkulierten Fällen; ⊡ Abb. 30.2) nicht zu den 20 am häufigsten angegebenen Nebendiag-
171 Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
30
⊡ Abb. 30.2. Klinisches Profil der DRG I04Z Knie-TEP (Ersatz des Kniegelenkes und Replantation am Kniegelenk). Das im G-DRG-Browser veröffentlichte klinische Profil stellt die medizinischen und administrativen Eckdaten für jede DRG des Fallpauschalensystems 2004 dar. Für die DRG I04Z können die Gesamtzahl der kalkulierten Fälle sowie die Verteilung von Alter, Geschlecht, Aufenthaltsdauer und medizinischer Fallschwere entnommen werden. Ausgewählt wurde die Auflistung der Nebendiagnosen mit der deren absoluter und relativer Häufigkeit
nosen. Da die E14.90 als zwanzigste Nebendiagnose mit 318 Fällen in einer Häufigkeit von 0,77% vorkommt, wurden Thrombosen nur in maximal 0,77% der Fälle kodiert. In der klinischen Realität sind Thrombosen wesentlich häufiger (s. Kap. 1 – Epidemiologie), daher kann dies nur mit einer mangelhaften Dokumentationsqualität in den kalkulierenden Krankenhäusern erklärt werden. Auswirkungen dieser mangelnden Datengrundlage ist, dass die teurere Subgruppe der Patienten mit Thrombose vom DRG-Institut nicht identifiziert werden konnte. Eine Erlösdifferenzierung wurde damit verhindert. Dies widerspricht dem Prinzip von DRG-Systemen, den Erlös nach Fallschwere zu differenzieren.
Fazit Krankenhäuser wollen in einem fallpauschalierenden DRG-Systems medizinische Leistungen zu möglichst geringen Kosten erbringen. Dies setzt Anreize zur Vermeidung von Komplikationen, da Investitionen in prophylaktische Maßnahmen in aller Regel kostengünstiger sind als die Therapie der entsprechenden Komplikationen. Theoretisch kann ein DRG-System so einen qualitätssteigernden Effekt entfalten. Allerdings besteht die Gefahr, neben der Vermeidung von Komplikationen auch Patientenselektion zu betreiben. Dies betrifft vor allem multimorbide Patienten mit unvermeidlich erhöhtem Thromboserisiko, da insbesondere bei diesen Patienten das Auftreten einer Thrombose häufig nicht zu einer Erlössteigerung führt.
172
Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen
Fragen zu Kapitel 29–30: Zukünftige Entwicklungen Kapitel 29: Prophylaxe bei Tumorpatienten 1. Die Aktivierung des Gerinnungssystems bei Patienten mit malignen Erkrankungen beeinflußt A Das Thrombose Risiko B Tumorwachstum und Metastasierung C Die Expression von Adhäsionsmolekülen 2. Thrombose-Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin A Muss bei allen Tumorpatienten gegeben werden B Ist beim Tumorpatienten in niedrig-Risiko Dosierung ausreichend C Beeinflußt die Angiogenese
Kapitel 30: Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie von Thrombosen 3. Wie können Thrombosen, Thromboseprophylaxe sowie diagnostische und therapeutische Maßnahmen kodiert werden? 1 Thrombosen können wahlweise mit der ICD-9 oder ICD-10 verschlüsselt werden, je nachdem, ob sie ambulant oder stationär aufgetreten sind 2 Für die Überarbeitung der Klassifikationen ist das DIMDI zuständig 3 Jede mögliche Lokalisation einer Thrombose kann auch kodiert werden. 4 Eine spezifische Kodierung der Thromboseprophylaxe ist mit der Prozedurenklassifikation OPS-301 problemlos möglich 5 Der ICD-Kode Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete prophylaktische Maßnahmen« ist eine »Analogziffer« für die Kodierung prophylaktischer Maßnahmen. A B C D E
Alle Antworten sind richtig Alle Antworten sind falsch Nur 2,3 und 5 sind richtig Nur 2 und 5 sind richtig Nur 1 und 5 sind richtig
4. Bei welchen Patientengruppen führen Thrombosen typischer weise nicht zu einer Veränderung der Erlöse für stationäre Behandlungen? 1 Thrombosen sind immer erlöswirksam, wenn sie korrekt verschlüsselt werden. 2 Die DRG-Logik berücksichtigt automatisch das Ausmaß der Therapie 3 Ein Großteil der DRGs wird nicht weiter differenziert und es findet keine Bewertung der Nebendiagnosen statt (Z-DRGs), deshalb können Thrombosen auch nicht immer erlöswirksam werden 4 Der Erlös für multimorbide Patienten mit vielen Begleiterkrankungen kann durch Thrombose-Kodes nicht beeinflusst werden, falls bereits der höchstmögliche PCCLSchweregrad von 4 erreicht wurde. A B C D E ▼
Alle Antworten sind richtig Nur 1 und 3 sind richtig Nur 3 und 4 sind richtig Nur 2 und 4 sind richtig Alle Antworten sind falsch
173 Kapitel 29–30 · Literatur
29–30
5. Welche Auswirkungen auf Patienten mit Thrombose können aufgrund der spezifischen Anreize eines DRG-Fallpauschalensystems erwartet werden? 1 Erhofft werden qualitätssteigernde Effekte, wie sie z.B. durch konsequente Prophylaxe oder andere Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen eintreten könnten. 2 Es liegen zahlreiche positive Erfahrungen zur Förderung qualitätssichernder Maßnahmen durch DRG-Einführung in anderen Ländern vor. 3 Neben den gewünschten Effekten können auch wesentlich nachteiligere Auswirkungen wie Patientenselektion zu befürchten sein. 4 Da Vergütungssysteme kaum Einfluss auf medizinische Strukturen haben, ist auch keine Veränderung in der Therapie von Thrombosen oder Durchführung von Thromoboseprophylaxe zu erwarten A B C D E
Nur 1 ist richtig Nur 2 und 3 sind richtig Nur 4 ist richtig Nur 2 und 3 sind richtig Nur 1 und 3 sind richtig
Literatur zu Teil VIII (Kapitel 29–30) Baron JA, Gridley G, Weiderpass E, Nyren O, Linet M (1998) Venous thromboembolism and cancer. Lancet 351: 1077–1080 Bergqvist D, Agnelli G, Cohen AT, Eldor A, Nilsson PE, Le Moigne-Amrani A, Dietrich-Neto F, for the ENOXACAN II Investigators (2002) Duration of prophylaxis against venous thromboembolism with enoxaparin after surgery for cancer. NEJM 346: 975–980 Bergqvist D, Burmark US (1995) Low molecular heparin started before surgery as prophylaxis against deep vein thrombosis: 2500 against 5000 Xa units in 2070 patients. Br J Surg 82: 496–501 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004) Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung 2004 – KFPV 2004), darin enthalten der G-DRG Fallpauschalenkatalog 2004 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2003a): Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2004 – ICD-10 GM Version 2004 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2004): Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2005 – ICD-10 GM Version 2005 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2003b): Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB-V. Version 2004 einschl. Erweiterungskatalog – OPS-301 Version 2004 Görner A (1930) The influence of anticlotting agents on transplantation and growth of tumor tissue. J Lab Clin Med 16: 369–372 Hettiarrachchi RJ, Smorenburg SM, Ginsberg J, Levine M, Prins MH, Buller HR (1999) Do heparins do more than just treat thrombosis? The influence of heparins on cancer spread. Thromb Haemost 82: 947–952 Hutten BA, Prins MH, Gent M, Ginsberg J, Tijssen JG, Buller HR (2000) Incidence of recurrent thromboembolic and bleeding complications among patients with venous thromboembolism in relation to both malignancy and achieved international normalized ratio: a retrospective analysis. J Clin Oncol 18: 3078–3083 Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) (2003a): Deutsche Kodierrichtlinien – Allgemeine und spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren, Version 2004 Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) (2003b) G-DRG Browser 2004 (Datenbank der Kostenkalkulation für das G-DRG System 2004, www.g-drg.de, letzter Zugriff Dezember 2003) Kemkes- Matthes B (1997) Thrombophilie bei malignen Erkrankungen. Hämostaseologie 17: 23–29 Kribben A, Lütkes P, Schmidt A et al. (2004) Kodierleitfaden Nephrologie 2004. Schüling, Münster
174
Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen
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IX
Teil IX Anhänge Anhang I
Leitlinien (Auszüge)
– 176
Anhang II
Lösungen zu den Aufgaben
– 179
Anhang III Adressen von Fachgesellschaften/ Organisationen
– 195
AI Anhang I: Leitlinien (Auszüge)
Empfehlungen auch bei internistischen Patienten in bestimmten Risikosituationen eine Thromboembolieprophylaxe durchzuführen haben bereits in einigen Leitlinien Ihren Niederschlag gefunden. Im Folgenden sind diese Leitlinien aufgelistet und die Zitate der entsprechenden Passagen wiedergegeben.
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) 2000 H. Partsch, W. Blättler (2000) Leitlinien zur Thromboembolie-Prophylaxe. Phlebologie 29: 106–113 Zitat (s. Seite 113, Abschnitt »Andere internistische Erkrankungen«): »Erhöhtes Thromboserisiko besteht auch bei bettlägerigen Patienten mit kardialer Dekompensation, Infektionen, kritisch kranken Patienten auf Intensivstationen, bei akuter Beinmlähmung, Koma, Malignom, Nephrose, entzündlichen Darmerkrankungen, früherer Thromboembolie, bei Thrombophilie, Polyzytämie, Cor pulmonale, myeloproliferativen Erkrankungen, Hyperhomozysteinämie und Morbus Behcet. Besonders gefährdet sind adipöse, über siebzigjährige Patienten, die schon einen Herzinfarkt, oder eine Thromboembolie gehabt haben. Niedrig dosiertes Heparin und niedermolekulares Heparin scheinen gleich wirksam. Eine orale Antikoagulation (INR 2,0–2,5) ist zu überlegen. Es wurde gezeigt, dass bei schwerkranken, internistischen Patienten, die tägliche Injektion von einer für den Hochrisikobereich zugelassenen NMH-Dosierung das Thromboserisiko signifikant reduziert, wogegen kein Unterschied zwischen der niedrigeren Dosierung dieses Präparates und Placebo besteht. Thromboseprophylaxestrümpfe und intermittierende pneumatische Kompression sind effektive Zusatzmaßnahmen. Obwohl das Thromboembolierisiko mit zunehmendem Alter ansteigt, ist eine routinemäßige Prophylaxe ausschließlich aufgrund des Alters bei geriatrischen Patienten ohne zusätzliche Risiken nicht generell zu rechtfertigen.«
177 Anhang I · Leitlinien (Auszüge)
AI
International Consensus Statement 2001 A.N. Nicolaides et al. (2001) Prevention of venous thromboembolism. International Consensus Statement: Guidelines compiled in accordance with the scientific evidence. International Angiology 20: 1–37 Zitat (s. Seite 18 f, Abschnitt »Recommendations for other generel medical patients«): »These include patients with acute medical illnesses such as heart failure, chronic respiratory disease, or severe chest infection as well as critically ill patients. Prophylactic low dose subcutaneous unfractionated heparin or high-dose LMWH prophylaxis are grade A recommendations in these general medical patients with diseaserelated risk factors and/or additional patient-related risk factors (grade A recommendation). Two large randomized and double-blind controlled studies have provided strong evidence that chronic respiratory disease and congestive heart failure significantly increase predisposition to DVT. Single daily doses of high-dose LMWH have proven to be most effective for prophylaxis in these patients and is a Grade A recommendation. There are no reported trials of mechanical methods of prophylaxis such as GEC or IPC in medical patients. Although there is no reason to believe that such methods would be less effective than in surgical patients, further studies are needed before evidence based recommendations can be made. While the risk of VTE increases with age, age of more than 65 years does not in itself constitute sufficient risk to merit routine prophylaxis in medical geriatric patients in the absence of other risk factors.«
Leitlinie des American College of Chest Physicians (ACCP) 2004 W.H. Geerts et al. (2004) Prevention of venous thromboembolism. The Seventh ACCP Conference on Antithrombotic and Thrombolytic Therapy. Chest 126: 338S–400S Zitat (s. Seite 378S, Punkt 6.0 »Medical Conditions«, Unterpunkt 6.0.1): »In acutely ill medical patients who have been admitted to the hospital with congestive heart failure or severe respiratory disease, or who are confined to bed and have one or more additional risk factors, including active cancer, previous VTE, sepsis, acute neurologic disease, or inflammatory bowel disease, we recommend prophylaxis with LDUH (Grade 1A) or LMWH (Grade 1A).«
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)/Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) 2003 DGIM/BDI (2003) Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin – Leitlinien. Urban & Fischer, München Zitat s. Seite 1 f., Kap. 11: Thromboseprophylaxe, Abschnitt E: Erkrankungen der Gefäße: »Der Nutzen einer primäre Thromboseprophylaxe in bestimmten Risikosituationen ist unbestritten. ... Im internistischen Krankengut sind Patienten mit Myokardinfarkt und schwerer Herzinsuffizienz, zerebralem Insult mit Hemiplegie, bestimmten Malignomen, myelo-
178
Teil IX · Anhänge
proliferativen Krankheiten sowie schweren Infektionen besonders gefährdet (Empfehlungsgrad A). Als dispositionelle Risikofaktoren gelten darüber hinaus vorausgegangene venöse Thromboembolien, hereditäre oder erworbene thrombophile Hämostasedefekte, Schwangerschaft und Postpartalperiode, Alter (>50 Jahre), Adipositas, Therapie mit oder Blockade von Sexualhormonen, chronische Herz- oder Lungenerkrankungen, venöse Insuffizienz. Das individuelle Thromboserisiko erhöht sich, wenn Risikofaktoren in Kombination vorliegen. ... Zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe stehen unfraktionierte (UF-) und niedermolekulare (NM-) Heparine, Fondaparinux, Danaparoid, Hirudin sowie Vitamin-KAntagonisten zur Verfügung. ... Zur Thromboembolieprophylaxe außerhalb der operativen Fächer insbesondere in der Inneren Medizin sind gegenwärtig nur UFH und ein NMH (Enoxaparin) zugelassen. Die jeweils eingesetzte Dosis und die Applikationszeitpunkte der Medikamente zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe richten sich dabei nach dem jeweils zugelassenen Dosierungschema; die Dauer der medikamentösen Thromboembolieprophylaxe richtet sich nach den individuellen Risikofaktoren.«
AI
A II Anhang II: Lösungen zu den Aufgaben
Fragen zu Kapitel 1–5: Epidemiologie von Thrombosen und Embolien
Kapitel 1: Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien 1. Eine Reihe von Studien hat die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in verschiedenen Populationen untersucht. In welchem Bereich liegen die ermittelten, für Alter und Geschlecht standardisierten, Inzidenzraten pro 100.000?
A. zwischen 27 und 45 pro 100.000 ; B. zwischen 71 und 117 pro 100.000
C. zwischen 130 und 175 pro 100.000
D. zwischen 191 und 236 pro 100.000
E. zwischen 250 und 298 pro 100.000 2. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in der Bevölkerung deutlich an. Wie viel beträgt das relative Risiko pro 10-Jahres-Anstieg des Lebensalters?
A. 1,1
B. 1,3
C. 1,5
D. 1,7 ; E. 1,9
Kapitel 2: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen 3. Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses unterschiedlich hoch. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe am höchsten? ; A. Bei Patienten nach elektivem Hüftgelenksersatz
B. Bei Patienten nach gynäkologischen Operationen
C. Bei Patienten nach allgemeinchirurgischen Operationen
D. Bei Patienten nach retropubischer Prostatektomie
E. Bei Patienten nach neurochirurgischen Operationen
180
Teil IX · Anhänge
4. Internistische Erkrankungen sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses verbunden. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe am höchsten?
A. Bei Patienten nach Myokardinfarkt
B. Bei allgemeinmedizinischen Patienten
C. Bei geriatrischen Patienten
D. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ; E. Bei Patienten nach Schlaganfall
Kapitel 3: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern 5. Venöse thromboembolische Ereignisse können auch vor einem Tumor auftreten und damit als Prädiktor dienen. Welche Tumorart ist besonders stark mit dem Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose assoziiert?
A. Magen
B. Malignes Melanom
C. Blase ; D. Pankreas
E. Mamma
A II
6. Unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse deutlich geringer als ohne medikamentöse Prophylaxe. In welchem Bereich liegt die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse nach Knie- oder Hüftgelenksersatz bei medikamentöser Prophylaxe in Kohortenstudien? ; A. 0% bis unter 5%
B. 5% bis unter 10%
C. 10% bis unter 15%
D. 15% bis unter 20%
E. 20% bis unter 25%
Kapitel 4: Komplikationen und Spätfolgen 7. Venöse thromboembolische Ereignisse sind mit einer hohen Rate an Rezidiven und einer insgesamt höheren Mortalität verbunden. Welche Aussage zu Rezidiven venöser thromboembolischer Ereignisse ist richtig?
A. Rezidive treten nach einer tiefen Beinvenenthrombose meist in Form einer Lungenembolie auf.
B. Das Risiko eines Rezidivs ist nach einer Lungenembolie höher als nach einer tiefen Beinvenenthrombose.
C. In den ersten sechs Monaten treten Rezidive einer tiefen Beinvenenthrombose meist im anderen Bein auf. ; D. Die Mortalität durch ein Rezidiv ist nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch im Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose.
E. Distale tiefe Beinvenenthrombosen haben im Vergleich zu proximalen Beinvenenthrombosen ein deutlich höheres Risiko eines Rezidivs.
181 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
8. Eine mögliche Spätfolge einer tiefen Beinvenenthrombose ist das postthrombotische Syndrom. Welcher gilt als der Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms?
A. Proximale tiefe Beinvenenthrombose
B. Hoher Schweregrad der initialen tiefen Beinvenenthrombose ; C. Rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose
D. Asymptomatische tiefe Beinvenenthrombose
E. Rezidivierende Lungenembolien
Kapitel 5: Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung 9. Die Kosten der tiefen Beinvenenthrombose und ihrer Komplikationen sind beträchtlich. Dabei verursacht sowohl das primäre Ereignis Kosten als auch die postthrombotischen Komplikationen. Welcher prozentuale Anteil an den Gesamtkosten (primäres Ereignis plus Komplikationen) entsteht in etwa durch die postthrombotischen Komplikationen?
A. 10% der Kosten
B. 20% der Kosten ; C. 40% der Kosten
D. 50% der Kosten
E. 70% der Kosten 10. In einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wurde der Einsatz von niedermolekularem und unfraktioniertem Heparin in der Therapie der tiefen Beinvenenthrombose verglichen. Die Daten zur klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die 11 randomisierte Interventionsstudien eingeschlossen hatte. Welche inkrementellen (zusätzlichen) Kosten ergaben sich aufgerundet (in US-Dollar) durch den Einsatz von niedermolekularem im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin pro gewonnenem Lebensjahr?
A. ca. $ 1000,–
B. ca. $ 3000,–
C. ca. $ 5000,– ; D. ca. $ 7000,–
E. ca. $ 9000,–
Fragen zu Kapitel 6–10: Pathophysiologie
Kapitel 6: Gerinnungskaskade 1. Welche der folgenden Reaktionen wird der sekundären Hämostase zugerechnet?
A. Vasokonstriktion
B. Thrombozytenaggregation ; C. plasmatische Gerinnung
D. Fibrinolyse
E. Thrombusorganisation
182
Teil IX · Anhänge
2. Welcher der folgenden Faktoren gehört nicht zu den physiologischen Gerinnungsinhibitoren?
A. Antithrombin
B. Protein C
C. Protein S
D. Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) ; E. Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1)
Kapitel 7: Virchow-Trias 3. Welcher der unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefassten Faktoren ist für die Entstehung venöser Thrombosen am wichtigsten?
A. Veränderung der Blutströmung
B. Veränderung der Blutzusammensetzung
C. Veränderung der Gefäßwand ; D. Bei der Thrombogenese handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, sodass nicht ein einzelner Faktor, sondern mehrere zusammenkommen müssen, um die Entstehung einer venösen Thrombose zu erklären.
E. Keine der Antworten trifft zu. 4. Welche Aussage trifft für die venöse Thrombose nicht zu?
A. Der venöse Thrombus ist ein sog. Gerinnungsthrombus. ; B. Der venöse Thrombus ist in der Regel thrombozytenreich.
C. Eine Strömungsverlangsamung ist ein wesentlicher pathogenetischer Faktor.
D. Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen.
E. Venöse Thrombosen gehen mit einem hohen Embolierisiko einher.
A II
Kapitel 8: Hereditäre Thrombophilie 5. Welche der folgenden Aussagen trifft zu? ; A. Die Einnahme oraler Kontrazeptiva bedeutet für Frauen mit APC-Resistenz eine etwa 35fache Risikoerhöhung für venöse Thrombose.
B. Die Prothrombinmutation hat einen etwa um 30% erniedrigten Prothrombinspiegel zu Folge.
C. Der Antithrombinmangel ist die häufigste hereditäre thrombophile Gerinnungsstörung.
D. Beim Protein-C-Mangel besteht die Therapie in einer Vitamin-C-Substitution.
E. Die Protein-S-Spiegel sind während einer Schwangerschaft erhöht. 6. Welcher Befund gehört nicht zu den Kriterien, die ein Antiphospholipidsyndrom definieren?
A. arterielle Thrombose
B. venöse Thrombose ; C. Thrombozytopenie
D. wiederholte Spontanaborte
E. Nachweis von Lupusantikoagulans
183 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
Kapitel 9: Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin 7. Welche Aussagen zum postoperativen Thromboserisiko trifft nicht zu?
A. Postoperativ kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion zytokinvermittelt zu einer Gerinnungsaktivierung.
B. Das Thromboserisiko ist besonders hoch bei orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten.
C. Das Thromboserisiko ohne Thromboembolieprophylaxe liegt in Abhängigkeit vom chirurgischen Eingriff zwischen 20 und 80%.
D. Zu den wirksamen Maßnahmen der Thromboembolieprophylaxe gehören Krankengymnastik und Frühmobilisation. ; E. Eingriffe in Rückenmarksanästhesie gehen mit einem höheren Thromboserisiko einher als Operationen unter Intubationsnarkose. 8. Welches ist kein prädisponierender Risikofaktor für venösen Thrombosen?
A. In der Vergangenheit abgelaufene Thromboembolie ; B. Thrombozytopenie
C. Thrombophilie
D. Thrombozythämie
E. Herzinsuffizienz
Kapitel 10: Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder 9. Bei idiopathischer Venenthrombose beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre an einem Malignom zu erkranken ...
A. 0,1%
B. 1,0% ; C. 10%
D. 50%
E. 100% 10. Welche der folgenden Aussagen zur Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III und IV trifft nicht zu?
A. Das Risiko für arterielle Thromboembolien ist erhöht.
B. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist erhöht.
C. Eine endotheliale Dysfunktion bedingt eine Hyperkoagulabilität.
D. Eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe senkt das Thromboserisiko nachweislich. ; E. Je höher die Ejektionsfraktion, desto höher das Thromboserisiko.
184
Teil IX · Anhänge
Fragen zu Kapitel 11–14: Evidenzen für eine Thromboseprophylase in der Inneren Medizin Kapitel 11: Historische Entwicklung 1. Erste Studien zur Häufigkeit von Thrombosen bei nicht chirurgischen Patienten erfolgten auf der Basis welcher Methode?
A. Sonographie
B. Phlebographie ; C. Szintigraphie
D. Computertomographie
E. Kernspintomographie 2. Die Häufigkeit von Thrombosen bei Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, ermittelt mit dem Radiofibrinogentest, lag bei:
A. 10%
B. 20% ; C. 40%
D. 70%
E. 100%
A II
3. Was stimmt zu folgender Feststellung? »Die subkutane Heparingabe ist nicht an ein Spital gebunden, sondern kann sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hinweg auch zu Hause durchgeführt werden.«
A. Die Aussage ist falsch.
B. Die Aussage ist überholt.
C. Die Aussage wurde erstmals im Jahre 2000 gemacht. ; D. Die Aussage vor mehr als 25 Jahren macht.
E. Die Aussage gilt nur für niedermolekulare Heparine
Kapitel 12: Neuere Ansätze 4. Welche Aussagen zu der Häufigkeit von Thrombosen in Studien stimmen?
A. Die Thromboserate wird nur von dem getesteten Präparat bestimmt.
B. Die Thromboserate ist unabhängig von den Risikofaktoren der Patienten.
C. Die Thromboserate ist abhängig von der eingesetzten Methode zum Nachweis der Thrombosen.
D. Die Thromboserate bei stationär behandelten Patienten hängt nur von der Aufnahmediagnose ab.
E. Bei der Bewertung der Thromboseraten muss man berücksichtigen, ob es sich um symptomatische Thrombosen handelt oder um asymptomatische. Richtig sind:
A. nur A
B. nur C
C. nur D und E ; D. nur C und E
E. alle Aussagen
185 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
5. Eine Metaanalyse von sieben Studien an mehr als 15.000 Patienten zur Wirkung eine Heparinprophylaxe bei internistischen Patienten, die zwischen 1981 und 2000 publiziert wurden, ergab folgendes Ergebnis!
A. Eine Heparinprophylaxe macht keinen Sinn. ; B. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie um mehr als 50% reduziert.
C. Eine Heparinprophylaxe erhöht das Blutungsrisiko deutlich.
D. Ein Heparinprophylaxe soll wegen des hohen Risikos einer »heparininduzierten Thrombozytopenie« nicht durchgeführt werden.
E. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie nur mehr 10% reduziert. 6. Welche Kontrollen sind bei einer Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bei internistischen Patienten notwendig? ; A. Thrombozytenkontrolle
B. aPTT-Kontrolle
C. antiXA-Kontrolle
D. Kontrolle der Blutungszeit
E. Rumple-Leede-Test
Kapitel 13: Aktuelle Studienergebnisse 7. Welche Aussage zur MEDENOX-Studie ist falsch?
A. Die MEDENOX-Studie untersuchte den Nutzen und die Sicherheit zweier Prophylaxeregime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien.
B. Die MEDENOX-Studie ist eine doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte Studie an insgesamt 1102 Patienten.
C. Einschlusskriterien für die MEDENOX-Studie waren akute internistische Erkrankungen und weitere Risikofaktoren.
D. Die MEDENOX-Studie zeigte, dass 40 mg Enoxaparin das Risiko für eine thromboembolisches Ereignis signifikant senken konnten. ; E. Die MEDENOX-Studie führte dazu, dass bei stationärer Behandlung heute alle internistischen Patienten grundsätzlich eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin erhalten. 8. Welche Aussage zur PRINCE-Studie ist falsch?
A. In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurde der Effekt und die Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz untersucht.
B. Es wurde gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin mit einer Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen. ; C. Die PRINCE-Studie wurde wegen der Vielzahl der Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen.
D. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrinomonomer- und D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige Phlebographie durchgeführt.
E. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse in der Enoxaparingruppe war bei den auswertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 10,4%. Diese Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der Prophylaxeregime.
186
Teil IX · Anhänge
9. Welche Aussage zu Fondaparinux ist falsch?
A. Fondaparinux ist ein Pentasaccharid. ; B. Pentasaccharide sind bei der Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse im internistischen Patientengut den niedermolekularen Heparinen deutlich überlegen.
C. Die ARTEMIS-Studie ist eine randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde Studie zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei internistischen Patienten.
D. In der ARTEMIS-Studie erhielten die Patienten entweder 2,5 mg Fondaparinux subkutan oder ein Plazebo.
E. Pentasaccharide binden über Antithrombin an Faktor Xa.
Kapitel 14: Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers 10. Welches war die erste große, doppelblinde, prospektive, randomisierte, plazebokontrollierte Studie zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe an einem exakt definierten, nichtchirurgischen Patientengut? ; A. MEDENOX
B. PRINCE
C. PREVENT
D. ARTEMIS
A II
11. Wie hoch ist die phlebographisch gesicherte Gesamtthromboserate bei nicht chirurgischen Patienten ohne eine adäquate medikamentöse Thromboembolieprophylaxe?
A. ca. 5%
B. ca. 10% ; C. ca. 15%
D. ca. 20% 12. Welches Studienprojekt soll klären, inwieweit auch nicht chirurgische Patienten von einer verlängerten medikamentösen Thromboembolieprophylaxe profitieren?
A. AT-HOME ; B. EXCLAIM
C. PREVAIL
Fragen zu Kapitel 15–17: Ungeklärte Fragestellungen
Kapitel 15: Expositionelle Risikofaktoren 1.
Was sind expositionelle Risikofaktoren?
A. Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens erworben werden
B. Angeborene Risikofaktoren ; C. Risikofaktoren, die durch Art und Umfang einer Erkrankung charakterisiert sind. ; D. Risikofaktoren, die nach Abklingen einer akuten Erkrankung nicht mehr vorhanden sind.
187 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
2.
A II
Welche der nachfolgenden Erkrankungen sind aus Studien ableitbar mit einem erhöhten Thromboembolierisiko assoziiert? ; A. Sepsis ; B. Akute respiratorische Erkrankungen mit Beatmung ; C. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV
D. Schlafapnoe Syndrom
E. Pericholecystitis
Kapitel 16: Dispositionelle Risikofaktoren 3.
Was sind prädisponierende (dispositionelle) Risikofaktoren? ; A. Patientenbezogene Risikofaktoren, die dauerhaft das Risiko für thromboembolische Komplikationen erhöhen. ; B. Angeborene oder erworbene Defekte im Gerinnungssystem (Thrombophilie) ; C. Hohes Lebensalter ; D. Anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien
4.
Welche der nachfolgenden Faktoren sind prädisponierende Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie? ; A. Faktor V Leiden Mutation
B. Metabolisches Syndrom ; C. Protein C Mangel
D. Arterielle Verschlusskrankheit ; E. Anamnestisch bekannte Thrombose
Kapitel 17: Modelle zur Risikoabschätzung 5.
Welche der nachfolgenden Situationen erhöhen insgesamt das Risiko für venöse Thromboembolien?
A. Diabetes mellitus ; B. Erhöhtes Lebensalter
C. Rauchen ; D. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV ; E. Akute respiratorische Erkrankung mit strikter Bettlägerigkeit
6.
Wie kann man das individuelle Thromboserisiko abschätzen?
A. Durch komplexe Berechnungen der Summe aller Risikofaktoren ; B. Durch Kombination von expositionellen und prädisponierenden Risikofaktoren nach klinischen Gesichtspunkten
C. Durch entsprechende Labordiagnostik
D. Durch Addition verschiedener Risikofaktoren und Multiplikation mit verschiedenen Risikoindices
188
Teil IX · Anhänge
Fragen zu Kapitel 18–20: Ungeklärte Fragestellungen Kapitel 18: Das Problem der Immobilität 1. Was ist richtig?
A. Die Immobilität ist alleine ein Grund zur medikamentösen Thromboseprophylaxe ; B. Bei Vorliegen einer akuten systemischen Entzündung bei bettlägerigen Patienten besteht die Indikation zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe.
C. Der Grad und die Ausprägung der Immobilität ist für internistische Patienten genau definiert. 2. Welche Aussagen treffen zu?
A. Bei bettlägerigen Patienten im Altersheim und länger zurückliegendem Schlaganfall mit Immobilität liegt im Vergleich zu anderen Altersheimbewohnern ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko vor.
B. Bei alten immobilen Patienten besteht generell die Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe. ; C. Bei bettlägerigen älteren Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen konnte durch den Einsatz von niedermolekularen Heparinen eine signifikante Reduktion der Inzidenz tiefer Beinvenenthrombosen festgestellt werden. ; D. Die Immobilisation gilt nach den geltenden Empfehlungen als weniger relevanter Risikofaktor für das Auftreten venöser Thromboembolien.
Kapitel 19: Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten
A II
3. Welche Aussage trifft zu?
A. Das Lebensalter hat keinen Einfluss auf das Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen.
B. Es besteht nur eine geringe Assoziation von Lebensalter und der Inzidenz venöser Thromboembolien. ; C. Ab dem 60. Lebensjahr ist das Thromboserisiko signifikant erhöht.
D. Das Lebensalter zählt nicht zu den Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose. 4. Welche Aussagen sind falsch? ; A. Das Lebensalter hat auf die Frühmortalität venöser Thromboembolien keinen Einfluss.
B. Das Thromboserisiko und das Blutungsrisiko unter Antikoagulation ist bei alten Menschen deutlich erhöht. ; C. Aufgrund des höheren Lebensalters und des damit verbundenen Thromboserisikos bedürfen ältere Patienten im Krankenhaus immer einer medikamentösen Thromboseprophylaxe.
D. Ohne auslösende Risikofaktoren muss bei älteren Patienten keine medikamentöse Thromboseprophylaxe durchgeführt werden.
Kapitel 20: Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten 5. Welche Angaben sind richtig?
A. Schlaganfallpatienten haben immer ein erhöhtes Thromboserisiko.
B. Die nichtmedikamentöse Thromboembolieprophylaxe ist bei Schlaganfall ausreichend. ; C. Schlaganfallpatienten mit einer Hemiplegie/-parese der Beine profitieren von der zusätzlichen Gabe eines NMH zur venösen Thromboembolieprophylaxe. ; D. Schlaganfallpatienten zählen zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen Thromboembolie.
189 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
6. Was ist falsch? ; A. ASS ist ausreichend zur Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen.
B. Aussagen über die neurologische Beeinträchtigung sind auch durch die Gabe von NMH nicht möglich.
C. Die Antikoagulation mit Heparin führt zu einer gering erhöhten Anzahl hämorrhagischer Infarzierungen.
D. Unter Behandlung mit Enoxaparin konnten in Studien weniger hämorrhagische Einblutungen beobachtet werden als unter Therapie mit unfraktioniertem Heparin.
Fragen zu Kapitel 21–23: Reiseprophylaxe Kapitel 21: Welche Studiendaten gibt es? 1. Nach der derzeitigen Datenlage führt bei einem gesunden Reisenden eine vielstündige (Flug)-Reise zu einer ; A. geringen
B. mittelgroßen
C. sehr großen
D. keinen Zunahme des Risikos ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden. 2. Vorbestehende Thromboserisikofaktoren spielen für die Entwicklung einer (Flug)-Reisethrombose ; A. eine wichtige
B. keine Rolle.
Kapitel 22: Risikostratifizierung 3. Eine normale Schwangerschaft wird im Hinblick auf das Thromboserisiko bei langen Reisen betrachtet als
A. geringes Risiko ; B. mittleres Risiko
C. hohes Risiko 4. Zu den Risikofaktoren, die ein hohes Thromboserisiko mit sich bringen, zählen
A. eine nachgewiesene Thrombophilie
B. familiäre Thromboseneigung
C. Alter über 60 ; D. anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend)
190
Teil IX · Anhänge
Kapitel 23: Maßnahmen 5. Der Effekt einer medikamentösen Prophylaxemaßnahme zur Verhinderung von Reisethrombosen ist
A. eindeutig nachgewiesen ; B. nicht belegt, sondern beruht auf Analogschlüssen bzw. Expertenmeinungen 6. Prophylaxemaßnahme der Wahl bei hohem Thromboserisiko bei einer vielstündigen Reise ist die Gabe von
A. Thrombozytenfunktionshemmern ; B. niedermolekularem Heparin
C. unfraktioniertem Heparin
D. Rosskastanienextrakt
Fragen zu Kapitel 24–28: Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation
Kapitel 24: Die Problematik
A II
1. Wo besteht das höchste Thromboembolierisiko ohne wirksame orale Antikoagulation (5 Auswahlmöglichkeiten)? ; A. nichtvalvuläres Vorhofflimmern und Z. n. Schlaganfall
B. nichtvalvuläres Vorhofflimmern
C. Mitralvitium im Sinusrhythmus
D. Bio-Herzklappe
E. Kunstklappe in Aortenposition ; F. Kunstklappe in Mitralposition ; G. VTE 1. Monat
H. VTE 2. bis 3. Monat
I. VTE nach 3. Monat ; J. Rezidiv-VTE ; K. Z. n. arterieller Embolie (1. Monat) 2. Wie hoch ist die Risikoreduktion durch Antikoagulation bei thromboembolischen Erkrankungen (z. B. bei der akuten VTE, bei der Rezidivthrombose, beim nichtvalvulärem Vorhofflimmern, beim mechanischen Herzklappenersatz und bei der akuten arteriellen Embolie)? (1 Antwort)
A. praktisch 100%
B. >90% ; C. 66–80%
D. auf etwa die Hälfte
E. auf etwa ein Drittel
191 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
Kapitel 25: Therapieoptionen 3. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei hohem Thromboembolierisiko empfohlen? ; A. ununterbrochene OAK ; B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
C. ersatzloses Absetzen ; D. i.v.-UFH (stationär)
E. s.c.-UFH (ambulant) ; F. s.c.-NMH (stationär/ambulant) 4. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei mittlerem Thromboembolierisiko empfohlen?
A. ununterbrochene OAK ; B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches ; C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5
D. ersatzloses Absetzen ; E. i.v.-UFH (stationär)
F. s.c.-UFH (ambulant) ; G. s.c.-NMH (stationär/ambulant) 5. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei niedrigem Thromboembolierisiko empfohlen?
A. ununterbrochene OAK
B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches ; C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5 ; D. ersatzloses Absetzen
E. i.v.-UFH (stationär)
F. s.c.-UFH (ambulant) ; G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)
Kapitel 26: Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es? 6. Einsatz bei der akuten Therapie der venösen Thromboembolie ; A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen ; B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen.
D. Beobachtungsstudien
E. Konsensusempfehlungen
F. Expertenmeinungen 7. Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie ; A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen (bei Tumorpatienten) ; B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse ; C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen.
D. Beobachtungsstudien.
E. Konsensusempfehlungen
F. Expertenmeinungen
192
Teil IX · Anhänge
8. Niedermolekulares Heparin in der Schwangerschaft
A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse ; C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen. ; D. Beobachtungsstudien. ; E. Konsensusempfehlungen ; F. Expertenmeinungen
Kapitel 27: Therapiealgorithmen 9. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen:
A. gar kein niedermolekulares Heparin.
B. prophylaktische Dose
C. halbtherapeutische Dosis
D. ¾-therapeutische Dosis ; E. Volle therapeutische Dosis 10. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit mittlerem Thromboembolierisiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen:
A. gar kein niedermolekulares Heparin.
B. prophylaktische Dose ; C. halbtherapeutische Dosis
D. ¾-therapeutische Dosis
E. Volle therapeutische Dosis
A II
11. Bei welchen Eingriffen ist eine fortgesetzte OAK (oder kurzfristige Absenkung innerhalb des therapeutischen Bereich) möglich? 1. in der Regel 2. im Einzel3. in der Regel möglich fall möglich nicht möglich A. Zahneingriffe ;
;
B. kleinere ophthalmologische Eingriffe C. gastrointestinale diagn. Endoskopie ;
D. Prostataeingriffe
; E. Abdominalchirurgie
; F. neurochirurgische Eingriffe und
; rückenmarksnahe Anästhesie
Kapitel 28: Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte 12. Was soll mit dem Patienten vor einer Überbrückung der OAK mit NMH besprochen werden? ; A. Thromboembolierisiko ; B. Blutungsrisiko ; C. Nutzen-Risiko-Abwägung ; D. Zulassungsstatus NMH ; E. Alternativen
F. Schriftliche Einverständniserklärung (wünschenswert)
193 Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
A II
13. Wann soll NMH nicht angewendet werden? ; A. heparininduzierte Thrombozytopenie
B. Lupus-Antikoagulans ; C. Niereninsuffizienz
D. Schwangerschaft
E. Gleichzeitige Gabe von ASS
Fragen zu Kapitel 29–30: Zukünftige Entwicklungen Kapitel 29: Prophylaxe bei Tumorpatienten 1. Die Aktivierung des Gerinnungssystems bei Patienten mit malignen Erkrankungen beeinflußt ; A Das Thrombose Risiko ; B Tumorwachstum und Metastasierung ; C Die Expression von Adhäsionsmolekülen 2. Thrombose-Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin
A Muss bei allen Tumorpatienten gegeben werden
B Ist beim Tumorpatienten in niedrig-Risiko Dosierung ausreichend ; C Beeinflußt die Angiogenese
Kapitel 30: Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie von Thrombosen 3. Wie können Thrombosen, Thromboseprophylaxe sowie diagnostische und therapeutische Maßnahmen kodiert werden? 1 Thrombosen können wahlweise mit der ICD-9 oder ICD-10 verschlüsselt werden, je nachdem, ob sie ambulant oder stationär aufgetreten sind 2 Für die Überarbeitung der Klassifikationen ist das DIMDI zuständig 3 Jede mögliche Lokalisation einer Thrombose kann auch kodiert werden. 4 Eine spezifische Kodierung der Thromboseprophylaxe ist mit der Prozedurenklassifikation OPS-301 problemlos möglich 5 Der ICD-Kode Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete prophylaktische Maßnahmen« ist eine »Analogziffer« für die Kodierung prophylaktischer Maßnahmen.
;
A B C D E
Alle Antworten sind richtig Alle Antworten sind falsch Nur 2,3 und 5 sind richtig Nur 2 und 5 sind richtig Nur 1 und 5 sind richtig
194
Teil IX · Anhänge
4. Bei welchen Patientengruppen führen Thrombosen typischer weise nicht zu einer Veränderung der Erlöse für stationäre Behandlungen? 1 Thrombosen sind immer erlöswirksam, wenn sie korrekt verschlüsselt werden. 2 Die DRG-Logik berücksichtigt automatisch das Ausmaß der Therapie 3 Ein Großteil der DRGs wird nicht weiter differenziert, es findet keine Bewertung der Nebendiagnosen statt (Z-DRGs), damit können Thrombosen auch nicht immer erlöswirksam werden 4 Multimorbide Patienten mit vielen Begleiterkrankungen können, falls sie bereits den höchstmöglichen PCCL-Schweregrad von 4 erreicht haben, durch Thrombose-Kodes nicht weiter beeinflusst werden
;
A B C D E
Alle Antworten sind richtig Nur 1 und 3 sind richtig Nur 3 und 4 sind richtig Nur 2 und 4 sind richtig Alle Antworten sind falsch
5. Welche Auswirkungen auf Patienten mit Thrombose können aufgrund der spezifischen Anreize eines DRG-Fallpauschalensystems erwartet werden? 1 Erhofft werden qualitätssteigernde Effekte, wie sie z.B. durch konsequente Prophylaxe oder andere Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen eintreten könnten. 2 Es liegen zahlreiche positive Erfahrungen zur Förderung qualitätssichernder Maßnahmen durch DRG-Einführung in anderen Ländern vor. 3 Neben den gewünschten Effekten können auch wesentlich nachteiligere Auswirkungen wie Patientenselektion zu befürchten sein. 4 Da Vergütungssysteme kaum Einfluss auf medizinische Strukturen haben, ist auch keine Veränderung in der Therapie von Thrombosen oder Durchführung von Thromoboseprophylaxe zu erwarten
A II
;
A B C D E
Nur 1 ist richtig Nur 2 und 3 sind richtig Nur 4 ist richtig Nur 2 und 3 sind richtig Nur 1 und 3 sind richtig
A III Anhang III: Adressen von Fachgesellschaften/ Organisationen
Arbeitgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Internet: http://www.awmf.org Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI) Geschäftsstelle Schöne Aussicht 5 65193 Wiesbaden oder Postfach 15 66 65005 Wiesbaden Tel.: 06 11/1 81 33-0 Fax: 06 11/1 81 33-50 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.bdi.de/bdi/content/ index.jsp Sektion Angiologie: Internet: http://www.bdi.de/bdi/content/ 010/030/015/index.jsp Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA) Sekretariat Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstr. 74 01307 Dresden Tel.: 03 51/4 58-36 59 Fax: 03 51/4 58-43 59 Internet: http://www.dgangiol.de/
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) Geschäftsstelle Langenbeck-Virchow-Haus Luisenstr. 58/59 10117 Berlin Tel.: 0 30/28 00 43 90 Fax: 0 30/28 00 43 99 Internet: http://www.gefaesschirurgie.de Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) Geschäftsstelle Haus der Internisten Schöne Aussicht 1 65193 Wiesbaden Tel.: 06 11/2 05 80 40 - 42/ - 43 Fax: 0611/2 05 80 40 - 46 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.dgim.de Deutsche Gesellschaft für Phlebologie (DGP) Sekretariat Lippestr. 9-11 26548 Norderney Tel.: 0 49 32/8 05-4 20 Fax: 0 49 32/8 05-3 77 Internet: http://members.aol.com/ dgphome/dgpd1.htm
196
Teil IX · Anhänge
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) Geschäftsstelle Ellerstr. 9 53119 Bonn Tel.: 02 28/9 76 61 31 Fax: 02 28/9 76 61 32 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.degum.de/degum/ Home/ Deutsche Liga zur Bekämpfung von Gefäßkrankheiten e.V. Postfach 4038 69254 Malsch b. Heidelberg Tel.: 07253 / 26228 Fax: 07253 / 278160 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.deutsche-gefaessliga.de
A III
Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung (GTH) Geschäftsstelle Paul-Gerhardt-Allee 42 81245 München Tel.: 089 / 82088658 Fax: 089 / 82088659 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.gth-online.org
Sachverzeichnis
A Abdominalchirurgie, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148 ACCP (American College of Chest Physicians) 2001, Leitlinien (Auszüge) 177 ACLA, Anticardiolipin-Antikörper, APS 53 Adipositas, dispositionelle Risikofaktoren 104 Alter – geriatrische Pateinten, Thromboseprophylaxe 117–118 – Stellenwert als dispositioneller Thromboserisikofaktor 104, 110 Adressen von Fachgesellschaften / Organisationen (Anhang III) 195–196 American College of Chest Physicians (ACCP) 2001, Leitlinien (Auszüge) 177 Anästhesie, rückenmarknahe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148 Anhänge 176–196 – Anhang I (Leitlinien / Auszüge; s. dort) 176–178 – Anhang II (Lösungen zu den Aufgaben) 179–194 – Anhang III (Adressen von Fachgesellschaften / Organisationen) 195–196 Anticardiolipin-Antikörper (ACLA) 53 Antikoagulation – alternative 138
– orale (s. OAK) 136–154 Antiphospholipidantikörper / -syndrom (s. APS) 53–56 Antithrombin 37 Antithrombinmangel, Thrombophilie 48–49 Antworten zu den Aufgaben / Fragen (Anhang II; s. auch Fragen) 179–194 APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation), Thrombophilie 46–47 Apoplex, ischämischer mit Parese, expositionelle Risikofaktoren 109 APS (Antiphospholipidantikörper / -syndrom), Thrombophilie 53–56 – Anticardiolipin-Antikörper (ACLA) 53 – Antiphospholipidantikörper 53 – Diagnosekriterien 55 – katastrophales (CAPS) 56 – klinische Assoziationen (Übersicht) 56 – Lupusantikoagulans (LA) 53 – primäre APS 54 – Schwangerschaftskomplikation 54 – sekundäres APS 54 – Thrombose – – arterielle 55 – – venöse 54–55 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) 195 ARTEMIS, Prophylaxe mit Pentasaccharid 87–88, 90 Abscheidungsthrombus 43
198
Sachverzeichnis
B BDI (Berufsverband Deutscher Internisten) e.V. – Adresse / Koordinaten 195 – Leitlinien (Auszüge) 177–178 Beinvenenthrombose, tiefe 2–3, 9–15 – Häufigkeit 9, 11 Betreuungseinrichtungen, intermediäre, venöse Thromboembolie 12 Blutströmungsveränderungen, VirchowTrias 42 Blutzusammensetzung, Veränderungen, Virchow-Trias 42–43 »bridging« (s. OAK / orale Antikoakulation) 136–154
DGG (Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie), Adresse / Koordinaten 195 DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V., Leitlinien (Auszüge) 177–178 – Adresse / Koordinaten 195 DGP (Deutsche Gesellschaft für Phlebologie) – Adresse / Koordinaten 195 – Leitlinien (Auszüge) 176 DRG-Fallpauschalensystem 166–171 – Auswirkungen des G-DRG-System 2004 (Übersicht) 171 – DRG-Erlöse 169–170 – DRG-gerechte Kodierung der Thrombose und Thromboseprophylaxe 167–168
E C CAPS (katastrophales APS) 56 Certoparin 115, 165, 174 Checkliste zum »bridging« 154 Chirurgie / chirurgische Patienten – Thrombogenese 58 – venöse Thromboembolie 8 Cumarinnekrose 50
58
D Dalteparin 87, 96, 112, 142–155, 158, 164, 174 Defibrillatoreingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 149 DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V.), Adresse / Koordinaten 196 dermatologische Eingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 149 Deutsche Liga zur Bekämpfung von Gefäßkrankheiten e.V., Adresse / Koordinaten 196 DGA (Deutsche Gesellschaft für Angiologie / Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V.), Leitlinien (Auszüge) 195
EMSG, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 80–81 Enoxaparin 14, 29, 80–96, 106–107, 112, 115, 120–121, 126, 134, 142–159, 164, 173–174, 178, 185, 189 Entzündung, Thrombogenese 64 – chronisch entzündliche Erkrankungen 64 EXCLAIM, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 91
F Fachgesellschaften / Organisationen, Adressen (Anhang III) 195–196 Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz), Thrombophilie 46–47 Faktor-VIII-Erhöhung, persistierende, Thrombophilie 51–52 fibrinolytisches System 38–39 Fragen zu den Themen: – Lösungen zu den Aufgaben (Anhang II) 179–194 – Teil I (Epidemiologie von Thrombosen und Embolien) 25–27 – – Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien 25
199 Sachverzeichnis
– – Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen 26 – – Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern 26 – – Komplikationen und Spätfolgen 27 – – Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung 27 – Teil II (Pathophysiologie) 68–70 – – Gerinnungskaskade 68 – – Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder 69–70 – – Thrombophilie, hereditäre 68–69 – – Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin 69 – – Virchow-Trias 68 – Teil III (Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin) 92–94 – – aktuelle Studienergebnisse 93–94 – – historische Entwicklung 92 – – neuere Ansätze 92–93 – – Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht eines Herstellers 94 – Teil IV (Risikoabschätzung) 111–112 – – dispositionelle Risikofaktoren 111 – – expositionelle Risikofaktoren 111 – – Modelle zur Risikoabschätzung 111 – Teil V (ungeklärte Fragestellungen) 120–121 – – geriatrische Patienten 120–121 – – Immobilität 120 – – Schlaganfallpatienten 121 – Teil VI (Reiseprophylaxe) 132–133 – – Maßnahmen 133 – – Risikostratifizierung 133 – – Studiendaten 132 – Teil VII (NMH bei Unterbrechung einer oralen Antikoagulation / OAK) 154–157 – – Evidenzen für NMH 155–156 – – Problematik 154–155 – – Therapiealgorithmen 156 – – Therapieoptionen 155 – – Zulassungstatus und medikolegale Aspekte von NMH 157 – Teil VIII (zukünftige Entwicklungen) 172–173
B–H
– – DRG-Fallpauschalensystem 172–173 – – Prophylaxe bei Tumorpatienten 172 Fondaparinux 87–88, 94–95, 178, 186
G gastroenterologische Eingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148 Gefäßendothel 34 Gefäßwand / -veränderungen – Hämostase 33 – Virchow-Trias 40 geriatrische Patienten, Thromboseprophylaxe 117–118 Gerinnung 35–38 – Inhibitoren 37–38 – – Antithrombin 37 – – Protein-C-System 37 – – Thrombomodulin 37 – – »tissue factor pathway inhibitor« 37 – Prothrombinasekomplex 36 Gerinnungsaktivierung – extrinsische Aktivierung 35 – intrinsische Aktivierung 35 – Tumorpatienten 163 Gerinnungskaskade 32–39 Gerinnungsthrombus 44 GTH (Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung), Adresse / Koordinaten 196 Gynäkologie, venöse Thromboembolie 10
H hämatologische Erkrankungen, Thrombogenese 67 Hämostase 32–34 – Gefäßwand 33 – Grundreaktionen 33 – Phasen (Übersicht) 33 – primäre 32 – sekundäre 32
200
Sachverzeichnis
– Thrombozyten 34 – tumorassoziierte Hämostasestörungen (s. dort) 60 Heparin – niedermolekulares (s. NMH) 23, 79–87, 89–91, 152 – unfraktioniertes (s. UFH) 24, 81–83, 152 Herzerkrankungen, expositionelle Risikofaktoren 99 Herzinsuffizienz – chronische, dispositionelle Risikofaktoren 104 – Thrombogenese 64–65 Herzkatheteruntersuchungen und -Interventionen, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 149 Herzklappenersatz, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 136, 143–145 Herzschrittmacherimplantationen, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 149 HESIM, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 79 HPSG, Heparinprophylaxe 81 Hüftgelenkfraktur / -ersatz, venöse Thromboembolie 14–15 Hyperhomozysteinämie / MTHFR-Mutation, Thrombophilie 52–53
I Immobilisation 114–116 Infektion und Sepsis, Thrombogenese (s. auch Sepsis) 62–64 – chronisch entzündliche Erkrankungen 64 – systemische Infektion 63 Innere Medizin / internistische Patienten – Thromboembolie, venöse 10 – Thrombogenese 58 – Thrombose- / Thromboembolie-Prophylaxe (s. Prophylaxe) 76–77, 83, 117–118 Intensivmedizin, venöse Thromboembolie 12
International Consensus Statement 2001, Leitlinien (Auszüge) 177 ischämischer Apoplex mit Parese, expositionelle Risikofaktoren 109
K Kardioversion, Unterbrechung der oralen Antikoagulationen (OAK) 142, 144 katastrophales APS (CAPS) 56 Knie- und Hüftgelenkersatz, venöse Thromboembolie 14–15 Komplikationen und Spätfolgen, venöse Thromboembolie 20–22 Kosteneffektivität – niedermolekulares Heparin (NMH) 23–24 – unfraktioniertes Heparin (UFH) 24
L LA (Lupusantikoagulans), APS 53 Langstreckenreisen 125, 128 – expositionelle Risikofaktoren 98 – Wadenmuskelthrombosen 125 Leitlinien / Auszüge (Anhang I) 176–178 – ACCP (American College of Chest Physicians) 2001 177 – BDI (Berufsverband Deutscher Internisten) 177–178 – DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin) 177–178 – DGP (Deutsche Gesellschaft für Phlebologie) 176 – International Consensus Statement 2001 177 Literatur zu den Themen: – Teil I (Epidemiologie von Thrombosen und Embolien) 25–27 – Teil II (Pathophysiologie) 70–72 – Teil III (Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin) 95–96 – Teil IV (Risikoabschätzung) 112
201 Sachverzeichnis
– – – – – –
Teil V (ungeklärte Fragestellungen) 121 – geriatrische Patienten 121 – Immobilität 121 – Schlaganfallpatienten 121 Teil VI (Reiseprophylaxe) 133–134 Teil VII (NMH bei Unterbrechung einer oralen Antikoagulation / OAK) 157–159 – Teil VIII (zukünftige Entwicklungen) 173–174 – – DRG-Fallpauschalensystem 173–174 – – Prophylaxe bei Tumorpatienten 173–174 Lösungen zu den Aufgaben / Fragen (Anhang II; s. auch Fragen) 179–194 Lungenembolie 3, 14 – Häufigkeit 9 – Inzidenz 5 Lupusantikoagulans (LA), APS 53
M maligne Erkrankungen, aktive – dispositionelle Risikofaktoren 107, 110 – expositionelle Risikofaktoren 100 – Thrombogenese 59–62 MEDENOX, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 84–85, 89–90 medikolegale Aspekte, Unterbrechung der OAK 152–154 Mortalität, venöse Thromboembolie 21–22 MTHFR-Mutation / Hyperhomozysteinämie, Thrombophilie 52–53 Myokardinfarkt – akuter, expositionelle Risikofaktoren 109 – venöse Thromboembolie 19
N Nadroparin 79, 81–82, 85, 88, 95, 112, 142–144 Nadroparin Prevention Study, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 81–82
I–O
nephrotisches Syndrom, Thrombogenese 65–66 neurochirurgische Eingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148 neurologische Erkrankungen, expositionelle Risikofaktoren 100 Niereninsuffizienz, terminale, Thrombogenese 66 NMH (niedermolekulare Heparine) 23 – als Alternative bei Pausierung einer oralen Antikoagulation »bridging« (s. auch OAK) 136–154 – Kosteneffektivität 23–24 – Prophylaxe (s. dort) 79–83, 89–91 – Tumorpatienten, Überlebensvorteil mit NMH 165 – Unterbrechung der oralen Antikoagulanzien (s. OAK) 142–146, 152
O OAK (orale Antikoakulation) 136–154 – NMH (niedermolekulare Heparine) als Alternative bei Pausierung einer OAK »bridging« 136–154 – Unterbrechung der OAK 136–145 – – Checkliste zum »bridging« 154 – – ersatzlose 140 – – medikolegale Aspekte 152–154 – – Morbidität und Mortalität 138 – – NMH (niedermolekulares Heparin) 140–146, 152 – – – Ersatz durch NMH 140 – – – Evidenzen für NMH 142–146 – – Risiko – – – hohes 151 – – – niedriges 151 – – – Nutzen und Risikoabwägung für Operationen und interventionelle Eingriffe 149 – – Therapiealgorithmen 147–151 – – – Abdominalchirurgie 148 – – – Defibrillatoreingriffe 149 – – – dermatologische Eingriffe 149
202
Sachverzeichnis
– – – gastroenterologische Eingriffe 148 – – – Herzkatheteruntersuchungen und -Interventionen 149 – – – Herzklappenersatz 136, 143–145 – – – Herzschrittmacherimplantationen 149 – – – Kardioversion 142, 144 – – – neurochirurgische Eingriffe 148 – – – ophthalmologische Eingriffe 147–148 – – – Prostataeingriffe 148 – – – rückenmarknahe Anästhesie 148 – – – Schwangerschaft 145–146 – – – venöse Thromboembolie 136 – – – Vorhofflimmern 136, 142–145 – – – Zahneingriffe 147 – – UFH (unfraktioniertes Heparin) 140, 152 – ununterbrochene Fortsetzung der OAK 140 Operationen und interventionelle Eingriffe – Abdominalchirurgie 148 – Einstellung einer überlappenden Antikoagulation vor OP (Übersicht) 150 – Herzklappenersatz 136, 143–145 – neurochirurgische Eingriffe 148 – Nutzen und Risikoabwägung 149 – Prostataeingriffe 148 – rückenmarknahe Anästhesie 148 ophthalmologische Eingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 147–148 Organisationen / Fachgesellschaften, Adressen (Anhang III) 195–196 Orthopädie, venöse Thromboembolie 8, 14–15 – Knie- und Hüftgelenkersatz 14–15
P Pentasaccharidprophylaxe (s. Prophylaxe) 87–88 Pflege- und Altersheime, Thromboembolieprophylaxe 118 Phenprocoumon 139, 142–150, 153 postthrombotisches Syndrom 21–22 PREVAIL, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 91
PREVENT, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 86–87, 90 PRIME, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 80 PRINCE I/II, Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) 85–85 Prophylaxe / Thromboembolieprophylaxe 74–91, 117–118, 124–130, 162–165 – DRG-gerechte Kodierung 167–168 – Empfehlungen 76 – geriatrische Patienten 117–118 – mit Heparin – – NMH (niedermolekulares Heparin) 79–87, 89–91 – – – AT-HOME-Studie 90–91 – – – EMSG 80–81 – – – EXCLAIM 91 – – – HESIM 79 – – – internistische Patienten (Übersicht) 83 – – – MEDENOX 84–85, 89–90 – – – Nadroparin Prevention Study 81–82 – – – nicht chirurgische Patienten, Herstellersicht 89–91 – – – PREVAIL 91 – – – PREVENT 86–87 – – – PRIME 80 – – – PRINCE I/II 85–86 – – UFH (unfraktioniertes Heparin) 81–83 – – – HPSG 81 – – – internistische Patienten (Übersicht) 83 – – – Metaanalyse 82 – historische Entwicklung 74–78 – Indikationen in der Inneren Medizin (Übersicht) 76–77 – mit Pentasaccharid 87 – – ARTEMIS 87–88, 90 – Reisethrombose (s. dort) 124–132 – Schlaganfallpatienten 119–120 – Tumorpatienten (s. dort) 162–165 Prostataeingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148 Protein-C – Mangel, Thrombophilie 49–50 – System 37
203 Sachverzeichnis
Protein-S – Mangel, Thrombophilie 50–51 – System 37 Prothrombinasekomplex 36 Prothrombinmutation G20210A, Thrombophilie 48
R Reisethrombose 124–132 – Datenlage 124–128 – Langstreckenreisen (s. dort) 125, 128 – Maßnahmen 131–132 – Risikostratifizierung 129–130 – Thromboseprophylaxe 131–132 respiratorische Erkrankungen – akute (expositionelle Risikofaktoren) 100 – chronische (dispositionelle Risikofaktoren) 107 rezidivierende Episoden, venöse Thromboembolie 20 Risikoabschätzung 90–91, 98–107 – AT-HOME-Studie 90–91 – Modelle zur 108–110 Risikofaktoren – dispositionelle 103–107 – – Adipositas 104 – – akute internistische Erkrankungen 106 – – Alter, Stellenwert als Thromboserisikofaktor 104 – – Herzinsuffizienz, chronische 104 – – Malignom 107 – – respiratorische Erkrankungen, chronische 107 – – SIRIUS-Studie 103 – – Thrombophilie 105 – – Varizen 107 – – VTE, anamnestisch bekannte 104 – expositionelle 98–102, 109 – – andere internistische Erkrankungen 100 – – Apoplex, ischämischer mit Parese 109 – – Herzerkrankungen 99 – – Langstreckenreise 98 – – maligne Erkrankungen, aktive 100
P–T
– – Myokardinfarkt, akuter 109 – – neurologische Erkrankungen 100 – – respiratorische Erkrankungen, akute 100 – – Schwangerschaft 98 – – Sepsis 109 – – SIRIUS-Studie 98 Risikokategorien gemäß expositionellem Risiko 101–102 – Übersicht 102 Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos 109, 115 Risikostratifizierung, Reisethrombose 129–130 rückenmarknahe Anästhesie, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 148
S Schlaganfall, venöse Thromboembolie 18–19, 119–120 – Prophylaxe 119–120 Schwangerschaft – expositionelle Risikofaktoren 98 – Komplikation 54 – Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 145–146 Sepsis und Infektion – expositionelle Risikofaktoren 109–110 – Thrombogenese (s. auch Infektion) 62–64 SIRIUS-Studie – dispositionelle Risikofaktoren 103 – expositionelle Risikofaktoren 98 sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung 23–25 Spätfolgen, venöse Thromboembolie 20–22
T Thromboembolie – Beinvenenthrombose, tiefe (s. dort) 2–3, 9–11 – Prophylaxe (s. dort) 74–91, 117–118, 124–130, 162–165 – venöse (s. dort) 2–25, 89, 104, 118, 136
204
Sachverzeichnis
Thrombogenese 57–67 – chirurgische Patienten 58 – hämatologische Erkrankungen 67 – Herzinsuffizienz 64–65 – internistische Patienten 58 – maligne Erkrankungen 59–62 – Mechanismen (Übersicht) 62 – Niereninsuffizienz, terminale 66 – nephrotisches Syndrom 65–66 – Sepsis und Infektion (s. dort) 62–64 Thrombomodulin 37 Thrombophilie 45–56 – Antithrombinmangel 48–49 – APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation) 46–47 – dispositionelle Risikofaktoren 105, 110 – Häufigkeiten 46 – persistierende Faktor-VIII-Erhöhung 51–52 – Protein-C-Mangel 49–50 – Protein-S-Mangel 50–51 – Prothrombinmutation G20210A 48 – seltene 52–56 – – Antiphospholipidsyndrom (s. APS) 53–56 – – MTHFR-Mutation / Hyperhomozysteinämie 52–53 Thrombose 43–44 – APS (Antiphospholipidsyndrom) 54–55 – – arterielle Thrombosen 55 – – venöse Thrombosen 55 – Abscheidungsthrombus 43 – DRG-Fallpauschalensystem 166–171 – Gerinnungsthrombus 44 – Inzidenz 102 – Lebensalter und Inzidenz 118 – multifaktorielles Geschehen (Übersicht) 45 Thrombozyten, Hämostase 34, 60–61 Tinzaparin 142, 158 »tissue factor pathway inhibitor« 37 Traumatologie, venöse Thromboembolie 10 – Hüftgelenkfraktur 14–15 tumorassoziierte Hämostasestörungen / Thrombozytenaktivierung 60–61 – Expression inflammatorischer Zytokine 61 – Produktion von sog. Tumorkoagulanzien 61 – Thrombozytenaktivierung 60
Tumorerkrankungen / Tumorpatienten 15–18, 162–165 – Gerinnungsaktivierung 163 – Inzidenz thromboembolischer Komplikationen 162 – Therapie durch Gerinnungshemmung 165 – Thromboseprophylaxe 163–165 – Überlebensvorteil mit NMH 165 – Ursachen thromboembolischer Komplikationen 162 – venöse Thromboembolie 15–18 Tumorkoagulanzien 61
U UFH (unfraktioniertes Heparin) 24, 81–83, 152 – Kosteneffektivität 24 – Prophylaxe (s. dort) 81–83 – Unterbrechung der oralen Antikoagulanzien (s. OAK) 136–146, 152
V Varizen, dispositionelle Risikofaktoren 107 venöse Thromboembolie 2–22, 89, 104 – Beinvenenthrombose, tiefe (s. dort) 2–3, 9–11 – Betreuungseinrichtungen, intermediäre 12 – Chirurgie 8 – Gynäkologie 10 – Hüftgelenkfraktur 14–15 – Innere Medizin 10 – Intensivmedizin 12 – Inzidenz 2, 4–5 – jahreszeitliche Variation 7 – Knie- und Hüftgelenkersatz 14–15 – Kosten 23 – Mortalität 21–22 – Myokardinfarkt 19 – Orthopädie 8 – Pflege- und Altersheime, Thromboembolieprophylaxe 118 – postthrombotisches Syndrom 21–22
205 Sachverzeichnis
– – – –
Prophylaxe (s. dort) 76–77, 83, 117–118 rezidivierende Episoden 20 Risiko – anamnestisch bekannte dispositionelle Risikofaktoren 104 – – relatives 3 – Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos 109, 115 – Schlaganfall 18–19, 119–120 – sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung 23–25 – Traumatologie 10 – Tumorerkrankungen 15–18 – Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 136 Virchow-Trias 40–44, 68, 114 – Veränderungen der Blutströmung 42 – Veränderungen der Gefäßwand 40
U–Z
– Veränderungen der Zusammensetzung des Blutes 42–43 Vorhofflimmern, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 136, 142–145
W Wadenmuskelthrombosen 125 Warfarin 76, 139, 146, 149–150, 157–158, 164
Z Zahneingriffe, Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) 147 Zytokine, inflammatorischer, Expression 61