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Was die Behandlung des Gegenstandes anbetrifft, so muss man sich zufrieden geben, wenn die Genauigkeit jedesmal nur soweit getrieben wird, wie der vorliegende Gegenstand es zulässt. Man darf nicht in allen Disziplinen ein gleiches Maß von Strenge anstreben, so wenig wie man es bei den gewerblichen Arbeiten dürfte. […] Denn es ist ein Kennzeichen eines gebildeten Geistes, auf jedem einzelnen Gebiet nur dasjenige Maß an Strenge einzufordern, das die eigentümliche Natur des Gegenstandes zulässt. Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 1, Kapitel 2, ca.350 a.C.n. *
Representation is the grand secret in the formation of republican Government “Americanus” VI (John Stevens, Jr.), 1788 *
The stabilization of representative regimes has indeed, at one of its main points, passed through the rise and the predominance of the executive. This phenomenon still needs to be reflected on. To elaborate a theory of democracy today means to explain in what respect the body which decides and acts is intrinsically as ‘representative’ as, if not even more ‘representative’ than the body which expresses the general will by means of the ‘production’ of laws. André-Paul Frognier 2000
Danksagung Bücher zu schreiben ist in der heutigen Akademia, die ihr Augenmerk vor allem auf so genannte ‘peer reviewed journal article’ und der Verwaltung des Wissens legt, ein Privileg und ein Luxus geworden. Die schillernden Konnotationen der beiden Termini verblassen zwar vor dem Hintergrund nächtlicher Arbeit und „verdachten“ Wochenenden. Aber ohne eine geeignete Struktur, die für Kritik und Anregung sorgt, würde das Schreiben nicht nur zu einer einsamen und potentiell langweiligen, sondern zu einer nahezu unmöglichen Tätigkeit. Mein besonderer Dank gilt Sonja Puntscher Riekmann nicht nur für die bereits seit Jahren andauernde Diskussionsbereitschaft, sondern auch für die emotionale und intellektuelle Unterstützung in den zahlreichen Phasen des Zweifels. Darüber hinaus ermöglichte ihre umsichtige Leitung des Instituts für Europäische Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften immer wieder Freiräume für das Fertigstellen meines Projektes. Ein wichtiger Teil der vorliegenden Arbeit konnte so am Robert Schuman Centre for Advanced Studies am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz geleistet werden, wo mein Dank neben dem allzeit hilfreichen Bibliothekspersonal vor allem meinen Kollegen Richard Carney, Jeffrey Chwieroth, Maarten Vink und Frank Duvell gilt, die mir die Kunst des „aperitivo“ näher brachten und für Diskussionen immer bereit waren. Meinen Kollegen in Wien, Rainer Bauböck, Monika Mokre und Peter Slominski danke ich für wertvolle Hinweise und viel Geduld. Verschiedene Teile des Buches sind auf internationalen Konferenzen vorgestellt worden – auch hier gilt mein Dank der Diskussionsbereitschaft der politologischen Zunft. Ganz sicher aufzufindende Fehler, Unterlassungen und Kurzschlüsse sind notwendige Nebenprodukte kreativer Tätigkeit, als solche aber meiner Person anzulasten. Schließlich verdankt dieses Buch seine Existenz auch Birgit Klausser, die mit beeindruckender Geduld, großem Vertrauen und milder Strenge den Entstehungsprozess begleitet hat. Ihr sei dieses Buch gewidmet.
Inhaltsverzeichnis Danksagung .......................................................................................................... VI Einleitung.................................................................................................................1 I.
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration...............................10 I.1. Die Transformation der Politik.....................................................12 I.2. Die Ratlosigkeit der Theorie..........................................................26 I.2.1. Konjunkturen der Debatte über Repräsentation ..........28 I.2.2. Essentialismus ...................................................................30 I.2.3. Stagnierende Theorie der Repräsentation......................31 I.2.4. Die Wende zur angewandten politischen Philosophie........................................................................33 I.2.5. Accountability und elektorales Mandat.........................34 I.2.6. Differenz und Geschlecht................................................39 I.2.7. Zurück zur politischen Philosophie? .............................42 I.2.8. Eine Krise der repräsentativen Institutionen?...............43 II. Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation .......................47 II.1. Methodische Grundlagen – die Cambridge School of Historians und Reinhart Koselleck...............................................49 III. Elemente einer Theorie der Repräsentation.............................................61 III.1. Funktionen der Repräsentation.....................................................61 III.1.1. Der Ursprung der Herrschaftsorganisation ..................62 III.1.2. Reflexion und Identitätsbildung .....................................72 III.1.3. Ein Katalog von Funktionen...........................................75 III.2. Substanz der Repräsentation oder Was wird repräsentiert? ......76 III.3. Modi der Repräsentation................................................................91 III.4. Selektion und Autorisierung..........................................................99 III.5. Freies versus imperatives Mandat ...............................................109 III.6. Wie wird repräsentiert? ................................................................118 IV. Zusammenfassung .....................................................................................130 V. Das Repräsentativsystem der Europäischen Union ..............................133 V.1. Demokratie in der Europäischen Union ....................................137 VI. Von Strassburg nach Brüssel: von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation? .........................................................................................148 VI.1. Konsolidierung der parlamentarischen Repräsentation ...........148 VI.2. Inklusive Repräsentation im Konvent? ......................................171 VII. Politische Repräsentation in der Europäischen Union.........................195 VII.1. Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen .....197
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VII.1.1. Das Europäische Parlament ..........................................198 VII.1.2. Der Europäische Rat ......................................................204 VII.1.3. Rat der Europäischen Union.........................................206 VII.1.4. Die Europäische Kommission ......................................211 VII.1.5. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss .........................213 VII.1.6. Der Ausschuss der Regionen ........................................216 VII.1.7. Interessenrepräsentation durch Lobbies......................217 VII.1.8. Diffuse Interessen...........................................................224 VII.1.9. Parteien als Vertreter des Gesamtinteresses ................229 VIII. Repräsentative Politik in Europa?...........................................................238 IX. Bibliographie .............................................................................................245
Einleitung Die Legitimität demokratischen Regierens ist eine Funktion seiner Repräsentativität. Politische Entscheidungen werden durch den Verweis auf den repräsentativen Charakter der am Entscheidungsprozess beteiligten Institutionen und Personen gerechtfertigt. Die elementaren Anforderungen an eine Theorie der Repräsentation können in drei Gruppen gefasst werden: (1) Wer wird repräsentiert (Individuen, Klassen, Gruppen) und wer repräsentiert (gewählte Politiker, Bürokraten, nominierte Sprecher)?, (2) Was wird repräsentiert (Interessen, die Nation, eine ideelle Einheit oder eine ideé directrice)?, (3) Wie wird repräsentiert (imperatives versus freies Mandat, delegate oder trustee)? Jede dieser Frage wirft eine schier unüberschaubare Fülle von neuen Fragen und Problemen auf, die zu den zentralen Themen der politischen Philosophie gehören. Jean-Jacques Rousseau verneinte in seiner radikaldemokratischen Theorie die Möglichkeit der Repräsentation souveräner Individuen. Die amerikanischen Verfassungsväter wiederum sahen Repräsentation v.a. unter dem Aspekt der Veredelung gewöhnlicher Meinungen auch wenn dies zulasten der Egalität ging und der Einhegung der Exekutive; sie standen also in der englischen Whig-Tradition. Das freie Mandat, wie es zuvor schon von Edmund Burke so eloquent gefordert wurde, verlangt ein hohes Ausmaß an Vertrauen in die Repräsentanten. Ein Vertrauen, um das es, wie uns unzählige Umfragen signalisieren, nicht zum Besten steht. Nichtsdestoweniger ist in der Neuzeit das Konzept der Repräsentation tragender Teil der Staatsorganisation geworden. Um welchen Preis? Mit welchen Vorund Nachteilen sind repräsentative Systeme behaftet? Welche Unterschiede bestehen zwischen repräsentativen Systemen? Welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen? Was heißt ‚repräsentieren‘ eigentlich? Und was beinhaltet ‚Repräsentation‘? Verwenden wir unter der kognitiven Ausblendung ihres Inhalts lediglich Begriffe, die zwar einen beruhigenden Effekt, aber keine Erklärungskraft jenseits der Theorie besitzen? Bezüglich des Konzepts der Repräsentation besteht in der Literatur Übereinkunft hinsichtlich seiner zentralen Bedeutung in der Theorie der modernen Demokratie. Seine Verwendungs- und Interpretationsmöglichkeiten aber zeigen eine erstaunliche Vielfalt und Flexibilität. So wurden spezifische Verwendungen zur Rechtfertigung bestehender Herrschaftsverhältnisse ebenso instrumentalisiert wie zu ihrer Kritik. Repräsentation ist kein neuer Begriff der Politikwissenschaft, der eingeführt wurde, um soziopolitische Entwicklungen moderner Gesellschaften zu beschreiben. Seine politische und theoretische Geschichte reicht vielmehr bis in das Spätmittel-
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alter zurück. Das Konzept der Repräsentation begann seine Karriere als ein Instrument der politischen Zentralgewalt und wird heute als Substanz demokratischer Politik verstanden. Umso erstaunlicher ist, dass die Unschärfen des Konzeptes bei weitem die Konturen überwiegen. Vielleicht lässt, um mit Aristoteles zu sprechen, „die eigentümliche Natur des Gegenstandes“ nur eine Annäherung zu? Warum sich aber überhaupt mit einem Konzept auseinandersetzen, dessen hervorragendes Kennzeichen sein arbiträrer Charakter zu sein scheint? Mit Dietrich Herzogs (1989) an Friedrich Schiller erinnernde Worte: Was heißt und zu welchem Ende studiert man politische Repräsentation? Das heißt, es ist zu rechtfertigen, warum Zeit und Ressourcen für ein Thema aufgewendet werden, dessen Unfassbarkeit schon festzustehen scheint. Eine solche Rechtfertigung wird unvermeidlich auf normative Fragen stoßen und hängt stark von der Idee und dem Verständnis von Politik ab. Versteht man die Aufgabe von Politik, insbesondere ihrer repräsentativen Körperschaften, als die Vermittlung von Interessen, so werden Konflikte zwischen den verschiedenen Repräsentanten oftmals nur unter Verweis auf ‚höhere Werte‘ (Demokratie, Wettbewerbsfähigkeit, Standortqualität, Globalisierung etc.) ‚gelöst‘ werden können. Politik ist aber mehr als nur die Vermittlung unterschiedlicher, bereits existierender Standpunkte, sie hat auch agenda-setting Aufgaben. Die Wahl der Ziele einer politischen Gemeinschaft sind wiederum nicht lediglich durch Sachzwänge vorgegeben, sondern auch durch Vorstellungen vom ‚guten Leben‘ (Aristoteles’ eudaimonia) bestimmt. Und diese Vorstellungen differieren bekanntlich weidlich. Die Möglichkeiten des Einzelnen seine Ideen/Vorstellungen in den politischen Prozess einzubringen, sind abhängig vom Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten – ein Verhältnis, das historisch enormen Wandlungen unterlag. Moderne Grundlage dieser Möglichkeiten ist die politische Egalität und Autonomie der Bürgerinnen und Bürger. Eine Untersuchung des Konzepts der Repräsentation muss im Gegensatz zu älteren Ansätzen beginnen davon auszugehen, dass sich hinter dem Begriff keine Substanz, keine objektiv beschreibbare Realität verbirgt. Sobald wir bejahen, dass die Suche nach der „wahren, einen“ Bedeutung des Konzepts sinnlos ist, tritt sein politischer Charakter in den Vordergrund. Politische und damit repräsentative Systeme sind immer Antworten auf spezifische sozioökonomische Probleme. Der Feudalismus war die Antwort auf den Niedergang des Karolingischen Reiches. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Absolutismus die Antwort auf die Religionskriege. Der Prozess der europäischen Integration ist die Antwort auf zwei verheerende Weltkriege. Der konstante Umbau der Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union, der seit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 an Geschwindigkeit zuzunehmen scheint, erfordert die Frage, welche Probleme repräsentatives Regieren in Europa heute meistern soll? Soll es lediglich zur Organisation
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der Herrschaft beitragen und damit seines normativen Gehalts verlustig gehen? Oder beinhaltet es immer ein Streben der Egalität und Autonomie des Einzelnen gerecht zu werden? Eine solche Fragestellung basiert auf der Annahme, dass eine Strauss’sche (oder hegelianische) Perspektive der Geschichte als Katalog ewiger Fragen ohne Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen, die diese Fragen verändern, nicht ziel führend ist. Und weiters, dass die einfache Übertragung von Antworten und Lösungen auf substantiell veränderte Umstände nicht zur Lösung gegenwärtiger politischer Fragestellungen beiträgt. Dies gilt für die Übertragung der in den liberalen Verfassungskämpfen des 19. Jahrhunderts geprägten Repräsentationsvorstellungen auf das 21. Jahrhundert ebenso, wie für die Übertragung der für den Nationalstaat geprägten Theorien auf die europäische Ebene. Hier soll aber nicht einem Historizismus das Wort geredet, sondern der Versuch unternommen werden, Elemente einer Theorie der Repräsentation ausfindig zu machen, Repräsentation zu rekonstruieren. Trotz seiner historischen Wandlungsfähigkeit beinhaltet das Konzept der Repräsentation Kontinuitäten. Kontinuitäten sowohl in der Bedeutungsverwendung als auch in der Struktur oder theoretisch-institutionellen Ausbildung. Während es erstere zu erkennen und zu skizzieren gilt, muss letztere zwar auch erkannt, aber vermieden werden. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: Edmund Burkes Diskussion des Verhältnisses zwischen Regierenden und Regierten mag seine Begründung in der spezifischen Situation Englands im 18. Jahrhundert und der Problematik der Besteuerung der amerikanischen Kolonien haben, dennoch hat seine Idee von der Funktion des Abgeordneten als Repräsentant einer Nation sowie dessen Unabhängigkeit Auswirkungen auf gegenwärtiges Denken und institutionelle Strukturen. Edmund Burkes Lösung der Elitendeliberation aber wird keine befriedigende Antwort auf moderne Probleme geben können. Es soll hier keine neue Theorie der Repräsentation vorgelegt, sondern vielmehr ein Beitrag zur Konzeptualisierung der Elemente einer Theorie der Repräsentation geleistet werden. Welche Elemente muss eine solche Theorie beinhalten? Welchen Herausforderungen muss eine solche Theorie genügen? Welche Hindernisse hat sie zu überwinden? Dabei ist zu bedenken, dass Forschung kein rein theorieprüfendes Unternehmen ist. Der Ausgangspunkt theoretischer Bemühungen sind gesellschaftliche Problemstellungen und nicht Theorien der Politik oder Gesellschaft. Herausragendes Problem demokratischer Politik ist die zunehmende Unzufriedenheit, ja sogar Apathie der Bürger und Bürgerinnen gegenüber der Politik. Es mag stimmen, dass wir in den letzten Jahrzehnten, unter anderem durch den Zusammenbruch der realexistierenden kommunistischen Staaten, eine neue Welle der Demokratisierung erlebt haben. Zur selben Zeit sind wir aber auch mit sinkenden Zustimmungs- und Beteiligungsraten konfrontiert, die in der Geschichte der Demokratie ebenfalls einen Höhepunkt erreicht haben. Erschafft repräsentative Demokratie also das Problem, das sie zu lösen vorgibt?
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Um diese Frage zu beantworten, ist ein Blick in die Geschichte des Konzepts erforderlich, da er zu verstehen hilft, dass Repräsentation weder Ergebnis eines notwendigen Entwicklungsprozesses ist, noch eine ingeniöse Erfindung war, mit dem Zweck Demokratie in großen Flächenstaaten möglich zu machen. Repräsentation muss im Horizont des Wirkens sozialer Kräfte gesehen und analysiert werden. Ein historischer Rückblick zeigt auch, dass unser heutiges eindimensionales Denken von der repräsentativen Demokratie als parlamentarischer Demokratie keineswegs selbstverständlich ist, sondern im Gegensatz zu wichtigen Teilen der politischen Philosophie steht. Dass die Gegenüberstellung von direkter und repräsentativer Demokratie kaum Sinn macht und jenseits theoretischer (idealtypischer) Modelle irrelevant ist. Dass repräsentative Systeme immer Kristallisationen bestehender politischer Machtverhältnisse sind. Dass eine Suche nach dem ‚wahren‘ Inhalt der Repräsentation, nach der ‚einen‘ Bedeutung, die uns die gesamte politische Welt erschließen würde, dem Trugschluss von den ewigen Fragen der politischen Philosophie erliegt. Dass Theorien der Repräsentation Mittel der Herrschaft sein können. Dass der gewaltige gesellschaftliche Umbruch eine Neubewertung des Konzepts der Repräsentation, dessen Ort bisher der Nationalstaat war, erfordert. Dass wir zur Demokratisierung des europäischen Einigungsprojektes auch unsere theoretischen und normativen Grundlagen überprüfen müssen. Robert Dahl spricht von den zwei Transformationen der Demokratie: die erste fand in der zweiten Hälfte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts in Athen statt und markiert den Übergang von der Herrschaft der Wenigen zu der Herrschaft der Vielen. Die zweite Transformation ist mit dem Aufstieg des Nationalstaates eng verbunden. Nicht mehr der Stadtstaat ist der natürliche Ort der Politik, sondern der an Fläche und Bürgern weit größere Nationalstaat. Bestimmende Orte dieser zweiten Transformation waren Amerika, England und Frankreich. Mit diesen Transformationen ging auch eine Bedeutungsverschiebung des Konzepts der Demokratie einher. Von der zumindest teilweise direkten Demokratie basierend auf dem Losverfahren zur repräsentativen Demokratie mit ihren zentralen Elementen der freien, gleichen, periodischen und geheimen Wahl zur Selektion der Repräsentanten. Einen ähnlichen Wandel hat auch das Konzept der Repräsentation durchgemacht, wenn ihr Ursprung auch nicht in der griechischen Antike sondern im Spätmittelalter zu suchen ist: Von der päpstlichen und monarchischen Repräsentation zur Repräsentation der Einheit der Nation in legislativen Versammlungen. Und von der Einheit der Nation zur Pluralität der Interessen. Initiiert durch den radikalen sozio-politischen Wandel westeuropäischer Gesellschaften und dem Prozess der europäischen Integration ist zu fragen, ob wir nicht vor einer neuerlichen, dritten Transformation stehen1: Von der re-
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Wie auch von Dahl (1994) angedeutet.
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präsentativen Demokratie parlamentarischen Zuschnitts zu einer neuen Form der Demokratie, die sich durch die Multiplikation und Kollision repräsentativer Foren, einer Diffusion der politischen Macht und einer Konzentration auf die Bewertung des politischen Ertrags auszeichnet. Können wir allerdings in diesem Fall noch von Demokratie sprechen? Moderne Demokratietheorien von Jürgen Habermas, John Rawls, David Held, Fritz Scharpf, Norberto Bobbio, Cass Sunstein, Rainer Schmalz-Bruns, Benjamin Barber, Michael Saward etc. verstehen Demokratie als ein Instrument der politischen Rationalität und greifen damit eine Idee wieder auf, die sich zumindest bis James Madison und Edmund Burke zurückverfolgen lässt: Politik als Veredelung der öffentlichen Meinungen. Die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger wird nur unter dem Aspekt der Veredelung und Rationalisierung als Wert verstanden, Repräsentation bestenfalls als allgemeine Orientierungshilfe begriffen. Die Professionalisierung der Politik, die Technisierung des Inhaltes lassen nur mehr Experten zu, lautet ein Argument. Der Bürger wird zum Schiedsrichter des Outputs oder Ertrags degradiert. Eine Rolle, die scheinbar durch die Zahlen zur Politikverdrossenheit dem Bürger durchaus konveniert und Schumpeters Vorstellungen von der Elitendemokratie bestätigt. Pluralisierung, Individualisierung und die schwindende Gemeinwohlorientierung werden als Ursachen für das mangelnde Interesse an der Politik genannt. Abgesehen von der Tatsache, dass eine Betonung der ethischen Voraussetzungen demokratischer Politik im Sinne der aktiven Teil- und Rücksichtnahme auf eine reflexhafte Abwehr stößt, die einerseits durch die enttäuschende Leistung der Politik, anderseits durch die Angst vor Tugendterror und der Beschneidung individueller Entfaltungsrechte sowie individuellen Konzeptionen vom „guten Leben“ gespeist wird, ist zu fragen, ob unsere politischen Institutionen einen größeren Input überhaupt zulassen? Dieser Frage liegt eine aristotelische Sichtweise der Politik als notwendiges Element des „guten Lebens“ und eine Überzeugung, dass mangelndes Interesse an der Politik institutionelle Ursachen hat, zugrunde. Zentrales Movens der politischen Strukturveränderung europäischer Gesellschaften und Nationalstaaten ist die europäische Integration. Eine im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Gallup Studie, die eine Woche nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2004 durchgeführt wurde, zeigt, dass es weniger die Ignoranz oder das Unwissen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Elitenprojekt Europa ist, die die Wahlurnen alarmierend leer stehen lässt, sondern eine generelles Misstrauen gegenüber der Politik. Besonders die Gruppe der 18–24 Jährigen zeichnet sich durch eine hohe Wahlabstinenz aus. Katastrophale Beteiligungsraten an den Wahlen zum Europäischen Parlament, Politik hinter verschlossenen Türen und der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Brüsseler Bürokratie als Sündenbock für die Politik nationaler Exekutiven führen zur Delegitimation des Projekts Europa. Der bisher letzte Versuch, dem Projekt Legitimität und der exekutiven Macht Grenzen zu verleihen, erfolgte durch den Konvent zur
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Zukunft Europas. Der Verfassungsvertrag scheiterte allerdings an nationalen Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Selbst erweiterte Rechte des Europäischen Parlaments, die Umwandlung des Kodezisionsverfahrens zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, mehr Mitwirkungsrechte für nationale Parlamente etc. konnten Franzosen und Niederländer nicht überzeugen. Dem Scheitern des Verfassungsvertrags folgte das Scheitern der Verhandlungen über die finanzielle Vorausschau 2007–2013 im Juni 2005. Die gegenwärtige heftige Debatte eröffnet Einblicke in die tiefe Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit einem Europa der Exekutiven. Leitspruch der Kritik ist die mangelnde Mitsprachemöglichkeit an und die „Bürgerferne“ des Elitenprojekts Europa – mit anderen Worten: das Repräsentativsystem der Europäischen Union befindet sich in einer Krise. Es scheint als könnte das über Dekaden gewachsene politische System der Union keine befriedigenden Antworten mehr auf die Fragen der Zeit geben, die so gerne mit der nichtsagenden Chiffre Globalisierung umschrieben werden. Ohne Zweifel entpuppt sich aber die europäische Integration bei näherem Studium als Erfolgsprojekt. Ist dieser Erfolg auf Kosten der repräsentativen Demokratie eingetreten? Ist das gegenwärtige europäische Repräsentativsystem überhaupt geeignet, repräsentativ-demokratische Politik zu ermöglichen? Und wenn es diese nicht zulässt, wo liegen die Alternativen? Die Besonderheiten des europäischen Regierungssystems (Stichwort multilevel governance) legen die Vermutung nahe, dass auch ein besonderes System der Repräsentation etabliert wurde. Die Union ist keine creatio ex nihilo, sondern baut auf existierenden demokratischen Mitgliedstaaten auf. Das daraus resultierende, äußerst komplexe Mehrebenensystem ermöglichte die Verstärkung eines Trends, wie er schon aus den Nationalstaaten bekannt ist: eine Verschiebung der Politik von der legislativen zur exekutiven Seite und damit eine zunehmende Autonomisierung der Politik. Alternativen dazu liegen auf der Hand: Neben der Stärkung des Europäischen Parlaments muss eine Stärkung des parlamentarischen Verbundes auf europäischer Ebene, wie er in der Konferenz der Europaausschüsse schon vorhanden ist, erfolgen. Um die parlamentarische Autorität gegenüber der weiter drohenden exekutiven Verselbstständigung zu etablieren, muss zudem ein Ausbau der Kontrollerechte des EP und der nationalen Parlamente erfolgen. Aber scheitert dies nicht auch an der Schwäche des nationalstaatlichen Parlamentarismus? Etwaigen Verbesserungsvorschlägen muss eine Deskription und Analyse des Systems vorausgehen. Und der Analyse muss die Bildung theoretischer Kategorien vorangestellt werden. Solche Kategorien sind nicht der Phantasie des Wissenschafters anheim gestellt, sondern müssen sich im Falle des Konzepts der Repräsentation aus der historischen Rückschau ergeben. Es ist verhältnismäßig einfach, Repräsentation als Schlüsselbegriff demokratischer Politik zu apostrophieren. Eine Antwort auf die weiter oben genannten Fragen (Wer? Was? Wie?) erfolgt damit jedoch noch nicht. Da diese Antworten his-
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torisch kontingent sind, soll analysiert werden, wie sie zustande gekommen sind. Vereinfacht gesagt: In welcher spezifischen historischen Situation wurde z.B. der Monarch vom Parlament als Repräsentativkörper abgelöst? Welche Argumente und Gegenargumente wurden in der politischen Philosophie vorgetragen? Und welche dieser Argumente dienen noch heute zur Rechtfertigung bestimmter repräsentativer Systeme? Das komplexe Konzept der Repräsentation erschließt sich nur in seiner historischen Genese. Erst nach der Bildung eines Analyserasters kann versucht werden, das Repräsentativsystem der Europäischen Union zu untersuchen. Grundannahme ist, dass sich das europäische politische System, welches nur als Verbund von nationaler und supranationaler Ebene verstanden werden kann, durch eine Pluralität der Repräsentationsforen und -modi auszeichnet. Ein Umstand, der auch von föderalistischen Systemen bekannt ist, deren Orientierung auf ein Zentrum, deren klare Kompetenzverteilung und sowie die Existenz intermediärer Strukturen jedoch die Kompromissfindung erleichtern. Differentia specifica des europäischen politischen Systems ist die kollidierende Natur dieser Foren und Modi. Territoriale, bürokratische, parlamentarische und Interessenrepräsentation kollidieren in einem komplexen, intransparenten System pluraler Repräsentationsforen, deren Wirkungskreise sich nur teilweise überschneiden. Resultat ist neben der Aushöhlung mitgliedstaatlicher Demokratie eine exekutive Verselbstständigung und institutionelle Lähmung. Während im ersten Teil des Buches die theoretischen und historischen Aspekte des Konzepts der Repräsentation im Mittelpunkt stehen, wird im zweiten Teil auf das Repräsentativsystem der Europäischen Union fokussiert. Es geht in diesem Zusammenhang um die Entstehungsgeschichte des Parlamentarismus in der Union als Übernahme des nationalstaatlichen Ideals vom Repräsentationsmonopol des Parlaments und um die seit Mitte der 1980er Jahre einsetzenden Fragmentierung der Repräsentationsforen und modi. Waren die Anfangsjahre der Europäischen Gemeinschaften noch von der Überzeugung der zentralen Bedeutung eines Europäischen Parlaments für die Repräsentation der Bürgerinnen und Bürger geprägt, so hat das eigenartige System europäischen Regierens eine Vielfalt an Repräsentationsansprüchen und -anmaßungen entstehen lassen, die vor dem Hintergrund eines Demokratieverständnisses vom Bürger als Autor des Rechts defizitär erscheinen müssen. Das System europäischen Regierens, der Verlust des Ortes des Politischen wird unter der Überschrift „Die Transformation der Politik“ behandelt: der Prozess der europäischen Integration ist, wie bereits erwähnt, das zentrale Movens der Strukturveränderung europäischer Gesellschaftsordnungen. Im Folgenden wird auf die Ratlosigkeit der politischen Theorie wie mit dem neuen Phänomen des Regierens auf mehreren Ebenen und dem daraus resultierenden Demokratiedefizit umzugehen ist, eingegangen. Rahmenbedingungen dieser Ratlosigkeit sind eine in größeren sozio-politischen Zusammenhängen zu verortende generelle Konjunktur der Beschäftigung mit dem Thema der Repräsentation, der Essentialismus älterer Ansätze und
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der Aufstieg der Begriffe der Delegation und Accountability. Wichtige Analysen, wie sie von der feministischen Theorie zu Fragen der Repräsentation geliefert wurden, haben nur beschränkt Eingang in den Mainstream der Politologie gefunden. Resultat der genannten Umstände war/ist ein Rückzug der politischen Philosophie auf die angewandte Philosophie. Eine Situation, die solange man(n) lediglich von einer Krise der Theorie der Repräsentation sprach, tolerierbar gewesen sein mag. Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind wir aber auch mit einer veritablen Krise der repräsentativen Institutionen konfrontiert, wie unzählige Umfragen zum Vertrauen in die Politik belegen. In Kapitel II. wird die Methode der Untersuchung präsentiert. Da es sich bei der von der Cambridge School of Historians entwickelten Methode um einen im deutschen Sprachraum eher unbekannten Ansatz handelt, werden die Vor- und Nachteile ausführlich besprochen. Die Funktionen der Repräsentation und ihre historische Entwicklung stehen im Mittelpunkt des dritten Kapitels. Im Anschluss daran wird analysiert, wie wir unsere Repräsentanten autorisieren und in welchem Verhältnis Repräsentant und Repräsentierte stehen können. Die Frage des freien Mandats, ein Eckpfeiler jeder demokratischen Theorie der Repräsentation und die Responsivität als Grundlage der Repräsentation bilden den Abschluss des theoretischen Teils. Die in diesem Teil gewonnenen theoretischen Einsichten und Kategorien werden in der Folge auf das System europäischen Regierens angewandt. Ausgehend von der Frage, welchen Stellenwert Demokratie in der Union hat (Kap. V.), wird in Kapitel VI. die Entstehung des Parlamentarismus auf supranationaler Ebene untersucht. Gemäß der Methode der Cambridge School ist die Verortung in den sozio-politischen Umständen der Zeit die Matrix für ein Verständnis der Entwicklung. Diesem parlamentarischen Repräsentationsverständnis wird der Konvent zur Zukunft Europas als Versammlung verschiedener Repräsentationsformen gegenübergestellt und gefragt, in welchem Ausmaß er sich von den bisherigen Verfassungsentwürfen hinsichtlich seines Zustandekommens und seiner Zusammensetzung unterschied. Schlussfolgerung ist, dass die Pluralität der Repräsentationsforen es nicht zuließ, dem Europäischen Parlament in der Verfassungs- und Reformfrage ein Repräsentationsmonopol zuzugestehen. Eine Position, die das Europäische Parlament in den 1980er Jahren sehr wohl und zu Recht für sich in Anspruch nahm. Kapitel VII. versucht, die verschiedenen Repräsentationsformen auf europäischer Ebene zu beschreiben: parlamentarische, bürokratische, exekutive, territoriale und funktionale Repräsentation haben jeweils eigenen institutionellen Ausdruck gefunden. Wesentlicher Unterschied zwischen föderal organisierten Nationalstaaten und dem europäischen Mehrebenensystem ist aber das völlig ungenügende Vorhandensein transnationaler politischer Parteien und intermediärer Strukturen, die eine Vermittlungsleistung zwischen politischem System und Bürgern erbringen könnten. Welche Funktion kann ein repräsentatives System unter diesen Umständen überhaupt noch haben? Der aus dem theoretischen Teil gewonnene Funktionska-
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talog wird in den Schlussfolgerungen auf das repräsentative System der Union angewandt. Ergebnis ist, dass wir im europäischen System mit kollidierenden Repräsentationsmodi und -foren konfrontiert sind, die zwar einer horizontalen Verschränkung unterliegen, ein Einbringen der Bürgerinteressen aber nur sehr selektiv zulassen. Der große Vorteil repräsentativer gegenüber direktdemokratischen Systemen, die Erhöhung des individuellen Freiheitsgrades durch die Möglichkeit zur Abstinenz von der Politik jenseits von Wahlentscheidungen, wird durch die mangelnde Responsivität des europäischen Systems unterlaufen. Eine Möglichkeit dieser Abkoppelung des europäischen politischen Systems entgegenzuwirken, besteht in der verstärkten Kontrolle der Exekutive. Würde dies durch die Bürger erfolgen, so hätte dies utopische Partizipationsraten zur Voraussetzung. Politik müsste dann wieder, wie zu Zeiten des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, die Perfektion des Menschlichen bedeuten. Alternative ist, diese Kontrolle durch neue Kontrollorgane, von der Betrugsbekämpfung bis zum Rechnungshof, von „weisen Männern“ bis zu Agenturen durchführen zu lassen. Eine Alternative, die sich wie ein letztes Aufbäumen eines Europas der Exekutiven gegen ein starkes Parlament mit dazugehörigen transnationalen Parteien liest. So scheint es, als müssten am Beginn des 21. Jahrhunderts die politischen Kämpfe des 19. Jahrhunderts wiederholt werden. Bis zu einem erfolgreichen Ende kann von der Europäischen Union nicht als einer repräsentativen Demokratie gesprochen werden, haben doch die allen demokratischen Systemen inhärenten oligarchischen Züge heute die Oberhand.
I.
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration Quod ommnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet Justinian, Corpus Juris, 534
Today, in politics, democracy is a name of what we cannot have – yet cannot cease to want John Dunn, 1993
Für die Demokratietheorie stellt der Prozess der europäischen Integration eine erhebliche Herausforderung dar. Die bisher an den Nationalstaat gebundene parlamentarisch-repräsentative Form der Demokratie ist durch die Integration beträchtlichem Veränderungsdruck ausgesetzt. Nicht länger wird Politik im Verbund von nationaler Regierung und Parlamentsmehrheit entschieden, legitimiert durch den repräsentativen Charakter der politischen Institutionen und den Verweis auf elektoralen Erfolg. Die Fusion (Wessels 1992) von nationalen und supranationalen Handlungsinstrumenten und Verfahren macht den Ort des Politischen heute zunehmend unbestimmbar. Er lässt sich nicht mehr länger in territoriale Grenzen zwängen, vielmehr ist er einer „neuen Unübersichtlichkeit“ gewichen, ausgelöst durch Übertragung nationaler Kompetenzen auf die europäische Ebene. Federico Mancini, Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH), schrieb im Jahr 1990: “by creating a Community of unlimited duration, having its own institutions, its own personality […] and, more particularly, real powers stemming from a limitation of sovereignty or a transfer of powers from the States to the Community, the member states have limited their sovereign rights” (Mancini 1990: 180). Diese Limitierung nationaler Souveränität lässt sich an der Zahl der verabschiedeten Rechtsakte deutlich machen. In den Jahren 2001 und 2002 wurden von Rat und EP gemeinsam 39 (8) Verordnungen, 59 (6) Richtlinien, 9 (4) Entscheidungen und 3 Empfehlungen (4) erlassen.2 Im selben Zeitraum erließ der Rat 277 (288) Verordnungen, 135 (96) Richtlinien, 78 (32) Entscheidungen und 19 (1) Empfehlungen. Am aktivsten erwies sich, auch aufgrund der ihr übertragenen Durchführungsbestimmungen, die Europäische Kommission: 1202 (953) Verordnungen, 62 (42) Richtlinien, 1261 (321) Entscheidungen und 34 (5) Empfehlungen wurden erlassen. Andreas Maurer 2
In Klammer die Zahl der annullierten Rechtsakte.
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(2001: 28) gibt für den Zeitraum von 1952 bis Dezember 1998 insgesamt 52.799 erlassene Rechtsakte an. Im Dezember 1998 waren hiervon insgesamt 9776 allgemein verbindliche Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen und Abkommen gültig.3 In einigen Politikbereichen, z.B. Umwelt und Landwirtschaft, werden 80% der Entscheidungen auf der supranationalen Ebene getroffen. Doch nicht alle Politikbereiche sind in gleichem Ausmaß betroffen. Der Transfer von Entscheidungskompetenz ging in der Wirtschaftspolitik am rasantesten vonstatten: 1986 lag die ausschließliche Kompetenz zu ca. zwei Dritteln bei den Mitgliedstaaten, 1992 nur mehr zu 50% und 2001 bei nicht mehr als 7%. In anderen Politikbereichen, wie z.B. der Sozial- oder Verteidigungspolitik, ging der Kompetenztransfer viel langsamer vor sich (vgl. Wessels 1999; Schmitter 1996). Dieser kontinuierliche Prozess der Schaffung „einer immer engeren Union der Völker Europas“ (EUV Präambel) löst eine Transformation der nationalstaatlichen politischen Systeme aus: nationale politische Akteure sehen sich mit einer Neuverteilung der politischen Macht, mit neuen Instrumenten dieser Macht und neuen Entscheidungsstrukturen konfrontiert.4 Die Aufsicht und Kontrollfähigkeit der europäischen Bürger, sei es direkt oder mithilfe intermediärer Institutionen und Strukturen, verliert sich im komplexen Politikprozess des europäischen Systems. Obwohl das Europäische Parlament (EP) im Rahmen der Vertragsveränderungen seit Maastricht aufgewertet wurde, besteht weiterhin Unbehagen über die demokratische Qualität der Union. Dieses Unbehagen, so stellt der Ausschuss für konstitutionelle Fragen des EP im Arbeitsdokument über die Beziehungen zwischen dem EP und den einzelstaatlichen Parlamenten im Hinblick auf den Aufbau Europas (PE 294.776) vom 7. Juni 2001 fest „hängt auch mit dem Gefühl der Entfremdung zusammen, mit ernsthaften Verständnisproblemen und Mitwirkungsdefiziten sowie der empfundenen Ohnmacht angesichts von Entscheidungen, die von oben herab erlassen werden und weder beeinflusst noch kontrolliert werden können.“ Verbesserungsvorschläge zur Behebung des europäischen Demokratiedefizits werden im Allgemeinen aus der Logik des Nationalstaates übernommen5 und in der simplen Gleichung Parlamentarisierung ist gleich Demokratisierung ausgedrückt. Die Voraussetzungen dieser Gleichung – transparente Entscheidungsstrukturen, Öffentlichkeit, intermediäre Akteure, demokratische Wahlen und die Möglichkeit, die politischen Entscheidungsträger zur Rechenschaft zu ziehen – sind auf europäischer Ebene aber nur rudimentär ausgebildet. Die politische Theorie sieht sich somit fundamentalen Herausforderungen gegenüber: die Transformation der Politik durch die europäi3 4 5
Vgl. dazu Christine Arnold et al. 2004. Siehe zum Begriff der Europäisierung Claudio Radaelli (2000). Dies resultiert in einer Situation, die von Joseph Weiler (1998: 7) treffend umschrieben wurde: “The result is a description of oranges with a botanical vocabulary developed for apples.”
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sche Integration erfordert eine Neubewertung und Rekonstruktion unserer theoretischen Konzepte zur Beantwortung der Frage, ob und wie demokratische Politik jenseits des Nationalstaates möglich ist. “Reconstruction in this context connotes reflection upon the basic concepts and circumstances of modern politics with the aim of elucidating the conditions and possibility of democratic political community in the contemporary world.” (Held 1995: 143). Von der Transformation der Politik, die diese Rekonstruktion notwendig macht, und der Ratlosigkeit der Theorie soll in den folgenden beiden Abschnitten die Rede sein.
I.1.
Die Transformation der Politik By the event of the revolution we were put in a condition of thinking originally. Thomas Paine, Schriften, 1805
Seit mehr als einem halben Jahrhundert können wir einen in der Geschichte souveräner politischer Gemeinwesen einzigartigen Vorgang beobachten: die freiwillige Übertragung nationaler Souveränität auf ein durch völkerrechtliche Verträge geschaffenes politisches System, das sich dem wissenschaftlichen Wunsch nach Klassifizierung immer noch erfolgreich entzieht. Ob Staatenverbund, so die befremdliche Bezeichnung des Deutschen Bundesverfassungsgerichts (BverGE 89), condominio, consortio (Schmitter 1996), multi-level polity (Marks et al. 1996), mixed commonwealth (Bellamy/ Castiglione 1997), post-national entity (Curtin 1997; Habermas 1998, 2000), objet politique nonidentifié (Schmitter 2000), cooperative confederation (Bulmer 1996), quasi-federal entity (Sbragia 1992), Regime (Keohane/Nye 1977; Efinger/Rittberger/Wolf/ Zürn 1990), international organisation (Waltz 1979; Bellers/Häckel 1990), supranational institution (Haas 1958; Keohane/Hoffmann 1992; Lindberg/Scheingold 1970), a federal system in the making (Pinder 1991; Sbragia 1992), multi-level system (Puchala 1972; Kohler-Koch 1992; Eising/Kohler-Koch 1994), network (Héritier 1993; Pitschas 1994; Kassim 1994; Grande 1996; Jachtenfuchs 1996; Kohler-Koch 1996), a would-be-state (Caporaso 1996; Lepsius 1991; Wessels 1992; Majone 1996; Puntscher Riekmann 1998), proto-state, nation-state-in-the-making, state-inthe-waiting (Siedentop 2001), suis generis System (Sbragia 1992) etc.6 die 6
Auch Samuel Pufendorfs Kennzeichnung des Heiligen Römischen Reiches als „monstro simile“ ließe sich auf die Union anwenden. Da keine der aristotelischen Staatsformen auf das Reich anwendbar waren, schrieb er unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano (1667): „Nihil ergo aliud restat, quam ut dicamus Germaniam esse irregulare aliquod corpus et monstro simile“. Zitiert nach Notker Hammerstein (1995: 830).
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Vielfalt der Namen ist Ausdruck einer fundamentalen Herausforderung sowohl für die Theorie aber auch die Praxis der europäischen Integration. Die politische Praxis versuchte den – auch durch die Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten ausgelösten – Herausforderungen durch eine beschleunigte Konstitutionalisierung zu begegnen. Im Juli 2003 übergab der Präsident des Konventes zur Zukunft Europas in Thessaloniki dem Europäischen Rat einen „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“ (CONV 850/03), welcher gravierende Änderungen des institutionellen Arrangements der Union beinhaltete. Der Konvent reagierte damit auf die Fülle von Fragen wie sie in der Erklärung von Laeken am 15. Dezember 2001 von den Staatsund Regierungschefs der Mitgliedsländer formuliert wurden und ging gleichzeitig darüber hinaus. Die neue Methode der Kompromissfindung, erstmals erprobt für die Charta der Grundrechte im Jahr 2000, markiert auch einen Wendepunkt für eine Theorie der Demokratie im supranationalen Raum. Vertreter von nationalen Parlamenten, dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission, der mitgliedstaatlichen Regierungen und den Kandidatenländern kamen für mehr als 16 Monate zusammen, um über die Zukunft der EU zu beraten. Sie führten mit ihrem Erfolg letztlich die limitierte Problemlösungsfähigkeit intergouvernementaler Konferenzen für die Fortentwicklung der Union vor Augen und demonstrierten den Anspruch und die Notwendigkeit einer repräsentativeren Politik. Die Theorien der europäischen Integration (Rosamond 2000; Loth/Wessels 2001; Wiener/Diez 2004; Holzinger et al. 2005), die den 50jährigen Prozess der Verfassungsevolution mehr begleitet als prognostiziert haben, sind Legion. Vom Funktionalismus (Mitrany 1943) über den Neo-Funktionalismus (Haas 1958, 1971; Schmitter 1969; Lindberg 1963; Lindberg/Scheingold 1971) zum Intergouvernementalismus (Hoffmann 1966, 1982) und Liberalen Intergouvernementalismus (Moravcsik 1993, 1998; Milward 1992), um nur die wichtigsten zu nennen, reichen die Erklärungsansätze um Triebkräfte, Motivationen und Strukturen des Integrationsprozesses zur erkennen, zu definieren und zu verstehen. Die normative Demokratietheorie hat sich dem Phänomen der Integration bisher eher zurückhaltend genähert (Curtin 1997), wurde doch Demokratie im supranationalen Raum aufgrund des Fehlens eines europäischen Demos (Grimm 1995; Scharpf 1995; Greven 1998; Böckenförde 1999; Kirchhof 2001) als unmöglich oder auch als gefährlich, da nationale Demokratietraditionen und -systeme aushöhlend, betrachtet (z.B.: Andersen/Burns 1996; Chryssochoou 1998; Jachtenfuchs 1998; Wincott 1998; Eriksen/Fossum 2000). Die Demokratietheorie hat sich in den letzten Jahren7 auf Fragen kollektiver, rationaler Entscheidungsfindung (Sen 1999; 7
Die Entwicklung der genannten Schwerpunkte basiert natürlich auf den Klassikern wie Anthony Downs (1957), Milton Friedman (1962), Gabriel Almond und Sidney Verba (1963), Arrow (1963), Mancur Olson (1965), Robert Dahl (1971), Michael Walzer (1971), Giovanni Sartori (1987), Friedrich Hayek (1988) etc.
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Barry 1970), den Zusammenhang zwischen Markt und Demokratie (Beetham 1993; Wainwright 1994), Demokratie und Differenz, d.h. Fragen der Mitgliedschaft in einer politischen Gemeinschaft (Young 1992; Kymlicka 1995; Phillips 1994, 1995; Mills 1997, Taylor 1998), der Partizipation (Barber 1984; Hirst 1994; Parry/Moyser 1994) und Deliberation (Manin 1987; Cohen 1989; Dryzek 1990, 2000; Fishkin 1992; Blaug 1996; Bohman/Rehg 1997; Elster 1998) sowie der Zukunft der Demokratie unter den Bedingungen radikalen technischen und sozialen Wandels (Bobbio 1987; Mouffe 1988, 1993; Trend 1996; Hague/Loader 1999) konzentriert. Systematische Arbeiten zur Demokratie im supranationalen Raum sind die Ausnahme (Weiler 1995; Curtin 1997; Abromeit 1998; Jachtenfuchs 1998; Lord 1998; Greven/Pauly 2000; Warleigh 2003) in der Fülle der Literatur zur EU. Demokratietheorie und europäische Integration scheinen sich relativ unabhängig voneinander zu entwickeln, auch wenn sich ein gewisser “normative turn” (Bellamy/Castiglione 2000, 2000a) in der Integrationstheorie feststellen lässt.8 Fragen der Demokratie und der ihr zugrunde liegenden Konzepte wie z.B. das der Repräsentation waren also bisher kaum im Mainstream der Integrationsforschung zu erkennen.9 Vielmehr wurden die Mechanik der Systembildung (im Neofunktionalismus) oder die ‘bargaining’-Prozesse zwischen den nationalen Regierungen (Intergouvernementalismus) studiert. Für erstere ist europäische Demokratie ein Beiprodukt politisch-technischer Koordination. Für letztere ist supranationale Demokratie kaum ein Thema, da die Integration nicht ein Vorgang der Gemeinschaftsbildung, sondern Teil staatlicher Außenpolitik ist. Standard ist hingegen das Anlegen nationaler demokratischer Maßstäbe an das europäische politische System. Maßstäbe deren Validität einzig für den nationalen Raum erprobt, aber nicht unumstritten sind (siehe dazu Majone 1998). Maßstäbe, die notwendigerweise in ihrer Sprache und Begrifflichkeit dem Aufstieg des Nationalstaates seit der Französischen Revolution verpflichtet sind. Die mittlerweile inflationäre Rede vom Demokratiedefizit der EU, das Bonmot von der Unmöglichkeit eines Beitritts der Union zur Union, begann ihre Karriere spätestens mit den Verhandlungen zur Einheitlichen Europäischen Akte (1987) und erfuhr einen rasanten Anstieg durch die schwierige Ratifizierung des Vertrags von Maastricht (1993), die größtenteils als enttäuschend empfundenen Regierungskonferenzen von Amsterdam (1996/97) und den „Bazar“ von Nizza im Dezember 2000 (Pollak/Puntscher Riekmann 2002). Aber auch vor 1987 war die Union kein Musterbeispiel eines demokratisch organisierten Gemeinwesens. Allerdings wurde sie von den treibenden Akteuren und den Bürgern als eine Form der intergouvernementalen 8
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Eine Ausnahme sind z.B. die Arbeiten der norwegischen ARENA Forschungsgruppe um Erik Eriksen, John Fossum und Andreas Føllesdal. Eine Ausnahme bildet das Sonderheft des European Journal of Political Research 32(2) 1997, ‘Representation in the European Parliament’.
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Zusammenarbeit zur Optimierung ökonomischer Koordination der teilnehmenden Länder gesehen und nicht als Konkurrenz für nationale demokratische Systeme verstanden. Souveränität lag weitgehend unwidersprochen bei den Nationalstaaten und deren Parlamenten. Europäische Integration war ein Elitenprojekt, welches auf dem so genannten „permissiven Konsens“ (Lindberg/Scheingold 1970; Inglehart 1973; Reif 1994) der Bürger beruhte.10 Die Verabschiedung des Direktwahlaktes im Jahr 1976 und die im Jahr 1979 erstmals erfolgende Direktwahl des Europäischen Parlaments sowie die darum geführten Debatten11 zeigen aber auch, dass es bereits vor mehr als 30 Jahren Stimmen gab, die das Fehlen adäquater demokratischer Repräsentation und damit Legitimation als mögliches Hindernis einer weiteren Integration sahen (Spinelli 1983).12 Der Charakter der Union hat sich seit Mitte der 80er Jahre von einem „Zweckverband“ (Ipsen 1972: 66) ökonomischer Prägung zu einer politischen Gemeinschaft verändert. War zuvor der direkte Einfluss auf die Bürger noch relativ beschränkt, da es sich zumeist um die Regulierung extrem technischer Materien handelte13, deren Leitung sinnigerweise Experten überlassen werden sollte, ist seit spätestens 1987, der Einheitlichen Europäischen Akte mit dem erklärten Ziel der beschleunigten Vollendung des Binnenmarktes, der Schritt in das Feld der “high politics” gelungen.14 Die Einführung des Euro als gemeinsamer Währung, überwacht von der Europäischen Zentralbank, die ersten Schritte in Richtung einer Gemeinsamen Außen- und 10
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Wie zweifelhaft die Existenz dieses „permissiven Konsenses“ schon immer war, zeigt ein Blick in die Geschichte des Europäischen Direktwahlaktes und seiner Rechtfertigung. Waren die Europäischen Föderalisten zu Beginn des Integrationsprozesses noch der Meinung, ein Parlament sei notwendig, um dem überwältigenden positiven Willen der europäischen Bürger zum Integrationsprojekt Ausdruck zu verleihen, so kamen sie in den 60er Jahren zu der Überzeugung, dass es eines direkt gewählten Parlamentes bedürfe, um eben diesen Willen zu formen. Siehe Julie Smith (1999); Martin Westlake (1994). Siehe z.B. der Janssens-Report des EP aus dem Jahr 1963, Document de travail sur l’évolution des institutions communautaires et leur coopération en rapport avec les responsibilités croissantes de la Communauté, Doc 101/1962-1963. Bereits einige Reaktionen auf den Schuman Plan vom 9. Mai 1950 wiesen auf die Notwendigkeit von Kontrolle der Hohen Behörde hin. Siehe dazu Richard Griffiths (1990), Hanns Küsters (1988), Hermann Mosler (1966), Volker Rittberger (2003). Dennoch darf die Bedeutung der Integration der kriegswichtigen Kohle und Stahl Sektoren nicht unterschätzt werden. Die Hoffnungen, die auf die Nutzung der Kernenergie gelegt wurden, sind zwar aus heutiger Sicht ebenfalls schwer nachzuvollziehen aber nichtsdestoweniger bedeutend. Die ersten Schritte scheiterten bekanntlich an der Entscheidung der Französischen Nationalversammlung die Abstimmung über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft sine die zu vertagen. Damit scheiterte auch die Europäische Politische Gemeinschaft im Jahr 1954.
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Sicherheitspolitik sowie einer Verteidigungsdimension der Union flankieren nun die bisher erreichte funktionale Integration.15 Das institutionelle System aber verblieb in seinen Grundzügen seit der Gründung gleich: “peacemeal changes have chipped away at the outer layers of the system without affecting its most basic characteristics” (Newman 2001). Oder wie Jachtenfuchs et al. (1998) in Bezug auf die nationale Ebene schreiben “the enormous development of the Europolity both in terms of its institutional structure and its impact has left domestic actors rather unimpressed at least in their ways of conceptualizing legitimate European governance”. Die Entwicklung vom Zweckverband zur politischen Union spiegelt sich auch in den Rechten des Europäischen Parlaments. Hugh Dykes (2003), langjähriges britisches konservatives Mitglied des EP, beschrieb die Stimmung im Parlament für die 1970er Jahre plakativ: “The atmosphere was that of a creaking institution full of old lags from Germany, France and the Benelux countries who have carved out a cosy niche for their sybaritic lifestyles, and had zero influence at home.” Eine Einschätzung, die sich für das Europäische Parlament nach der Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen, der Einführung des Kooperationsverfahrens (Art. 252 EGV) durch die Einheitliche Europäische Akte, des Subsidiaritätsprinzips (siehe Art. 5 EGV und Protokoll Nr. 30 des Vertrags von Nizza zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit), der stetigen Ausweitung des Kodezisionsverfahrens (Art. 251 EGV)16, den Investiturrechten des EP (Art. 214 EGV) im Maastrichter (1993) und folgendem Amsterdamer Vertrag (1999) nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Torbjörn Bergmann und Tapio Raunio (2001: 123) schließen aus diesem kontinuierlichen Machtzuwachs, dass “MEPs probably have a more direct impact on policy output at the EU level than many national MPs have on national-level policy.” Im Jahr 1999 führte dieses neue Selbstbewusstsein des EP sogar zum Rücktritt der Santer-Kommission.17 Resultiert aus dieser
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Siehe z.B. die neuen Bestimmungen im Bereich des Raums der Sicherheit, des Rechts und der Freiheit (Art. I-41), in der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (Art. I-40 und Art. III-210-214), die Aufnahme der Grundrechtecharta (Teil II) im Verfassungsvertrag. Die ehemalige Premierministerin Großbritanniens, Margaret Thatcher, äußerte in ihren Memoiren 1993 eine etwas andere Einschätzung. Die Vorschläge zur Einführung des Kodezisionsverfahrens beschreibt sie als: “something which would have effectively paralysed the Community by subjecting heads of government to perpetual interference by this inchoate, inexperienced and frequently irresponsible body” (1993: 552). Damit steht sie in bester britischer Tradition. Als Winston Churchill Clemens Attlee die Vorschläger der Haager Konferenz von 1948 präsentierte, schrieb dieser am 30. Juli 1948: „dass, wenn eine Versammlung zusammengerufen werden soll, dies im Hinblick auf die vitale Bedeutung dieser Angelegenheit durch die Regierungen geschehen muß und nicht durch unabhängige Organisationen oder Parlamente.” (Cornides 1949: 2014). Siehe dazu Waldemar Hummer und Walter Obwexer (1999).
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institutionellen Stärkung auch eine repräsentative Politik? Auch wenn das Europäische Parlament mit Recht als Gewinner aller bisherigen Vertragsreformen bezeichnet wird18, so ist ihm im Modell des Konvents ein Rivale erwachsen. Verfassungsentwürfe waren bisher (nicht ausschließlich aber in ihrem Ursprung und ihrer Wirkung) mehrheitlich Sache des Parlaments (Lipgens 1986; Schäfer 2001; Loth 1996, 2002; Jachtenfuchs 2002). Diese Veränderung in der Methode der Polity-Gestaltung deutet auch auf einen Wandel des Verständnisses des Prinzips der Repräsentation. Bestimmten in den Anfangsjahren der Integration Forderungen nach einem parlamentarischen Modell die Diskussion, so lässt sich heute eine Differenzierung feststellen, deren bester sichtbarer institutioneller Ausdruck bisher der Konvent zur Zukunft Europas war. Dieser Beobachtung liegt die Hypothese zugrunde, dass es eine Veränderung im Repräsentationsverständnis der Akteure gegeben hat. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, diese Veränderung zu verfolgen, ihre Modalitäten, Modi und Substanz festzustellen und zu erklären. Es ist wichtig festzuhalten, dass der von den politischen Eliten viele Jahre bemühte „permissive Konsens“ keinen Ausdruck im Sinne repräsentativer Politik fand. Der elitengesteuerte (Anderson 1995) Prozess der Integration beruhte nicht auf einer Aggregation vorhandener Präferenzen oder einer öffentlichen Diskussion um die Ziele der Integration zur Präferenzbildung. Vielmehr lief er an den europäischen Öffentlichkeiten vorbei, bzw. entlang ihres elitenperzipierten Interesses. Der Erfolg der Integration schien die Unnotwendigkeit demokratischer, partizipativer und repräsentativer Politik geradezu zu bestätigen. Das negative dänische Referendum zum Vertrag von Maastricht (2. Juni 1992) änderte dies nachhaltig. Die traditionell europaskeptische Haltung der dänischen Bevölkerung resultierte in der Ablehnung des Vertrages durch 52,07% der Bürger.19 In Frankreich kam es zu einem äußerst knappen Ja (51,05%) der Bevölkerung im September 2002. Eine Situation, die sich durch die Ablehnung des Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden im Mai und Juni 2005 zu wiederholen scheint. Die Referenden waren aber keineswegs alleiniger Auslöser einer Debatte, sondern müssen in einen größeren sozio-politischen Zusammenhang eingebettet werden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren Gesellschaften wesentlich bipolar, im Sinne einer eindeutigen Mehrheit von Rechtlosen, Armen und Arbei18
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Polemisch ließe sich hier fragen, ob sich der eigentlich gewonnen geglaubte Kampf der Parlamente zur Emanzipation von der Krone seit dem 13. Jahrhundert wiederholt. Vgl. dazu Shirley Williams (1990: 315f.): Mehr Demokratie auf europäischer Ebene “requires from the EP the political will to be tough, to fight for its constitutional position as the Parliaments of Holland or Britain did centuries ago.” Erst nachdem Dänemark auf dem Europäischen Rat in Edinburgh (12. Dezember 1992) vier Vorbehalte zum Maastricht-Vertrag durchsetzen konnte, erfolgte am 18. Mai ein zweites Referendum. Dieses endete mit einem Sieg der MaastrichtBefürworter (56,8 zu 43,2%).
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tern und einer Minderheit von Reichen, Besitzenden, Aristokraten, stratifiziert. Moderne Gesellschaften sind funktional ausdifferenziert (Bourdieu 1993), komplex und heterogen, sowie durch ein erheblich größeres Maß an sozialer Mobilität gekennzeichnet. Die Mitgliedschaft in vielen unterschiedlichen sozialen Gruppen, die wechselnde Koalitionen eingehen, ist heute die Regel. Damit wechselt auch der Status des Individuums: die Zugehörigkeit zu einer permanenten Mehrheit oder Minderheit ist die Ausnahme. Das Anwachsen des tertiären Sektors, verbesserte Ausbildungschancen, die stetig steigende Mobilität des Kapital- und Warenverkehrs etc. haben die Struktur der Gesellschaft, die Ressourcen und Präferenzen des Individuums nachhaltig verändert. Die Ausbreitung und Intensität der Märkte steht dem demokratischen Prinzip der Egalität diametral gegenüber. Die sich daraus ergebenden Spannung werden durch die Implementation von marktkorrigierenden Maßnahmen zu mildern versucht (dazu schon Polanyi 1944). Hinzu kommt, dass das Leistungs- und Aufgabenspektrum des Staates und die Entwicklung des modernen Wohlfahrtsstaates, enorm gestiegen sind. Selbst der Trend zur Deregulierung, der Reduktion staatlicher Vorsorgeleistungen, ausgelöst durch ökonomische und demographische Zwänge, resultiert in einer erhöhten Koordinationstätigkeit durch den Staat (Evans et al. 1985) und einer Situation der “permanent austerity” (Pierson 2001). Damit einher geht die Tatsache, dass Minister und Parteichefs nur eine geringe Anzahl von Entscheidungen erstens selber treffen und zweitens ihre Implementation auch kontrollieren können. Der technologische Wandel, die „Media-tisierung“ der Gesellschaft, die Auslagerung politischer Entscheidungen in non-majoritäre Institutionen, die Verfügbarkeit und der Zugang zu Informationen zwingen politische Akteure unter erhöhten Rechtfertigungsdruck, verändern das Verhältnis zwischen Repräsentant und Repräsentierten erheblich. Ein Verhältnis, welches seit geraumer Zeit kein direktes mehr ist, sondern auf die Vermittlung durch politische Parteien und anderen intermediären Organisationen angewiesen ist. Dienten Parteien früher zur Vertretung des Volkswillens gegenüber dem Souverän, entwickelten sie sich später zu einem Mittler zwischen Souverän und Volk. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts, welches mit Recht als Jahrhundert der Parteien bezeichnet wurde (Mair 1995: 41), ist eine Entwicklung Richtung “party government” (Blondel/Cotta 2000) und “cartel party” (Katz/Mair 1995) festzustellen: Parteien werden immer mehr als Teil der exekutiven Elite und nicht mehr als Vertretung des Volkes wahrgenommen. Paul Hirst konstatiert einen gewissen Trend der repräsentativen Demokratie in einen elektoralen Despotismus der Parteien auszuarten (Hirst 1990). Veränderungen von Repräsentativsystemen, Veränderungen im Konzept und der Bedeutung von Repräsentation müssen vor dem Hintergrund dieses allgemeinen Trends gelesen werden. Die Identifikation von Defiziten und die konstante Anpassung sind integrale Bestandteile der Demokratie. Erfolgt diese Anpassung im theoretischen wie praktischen Bereich ausreichend? Klassische Theorien der Reprä-
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sentation wurden in der Zeit des Liberalismus formuliert und basieren damit auf einem bipolaren Gesellschaftsmodell, das ein fundamental anderes war als unsere heutigen Gesellschaften. Die Fragestellungen, die diese Theorien lösen wollten, müssen heute neu formuliert werden. Die institutionellen Antworten können nicht dem Staatsdenken des 19. Jahrhunderts überlassen werden. Denn wird das anwachsende Protestpotential aufgrund der Enttäuschung über die Leistungsfähigkeit des Staates nicht in einem Umbau der politischen Systeme reflektiert, werden alternative und auch radikale Formen der politischen Artikulation weiter zunehmen. Der Wunsch nach mehr direkter Demokratie, aber auch der Aufstieg extremer Parteien, die unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung einem autoritären Modell der Politik huldigen, sind Ausdruck der mangelnden Anpassung der Politik an neue gesellschaftliche Verhältnisse. Interessen- und Wertkonflikte werden weiterhin Teil (Ursache und Triebkraft) von Politik sein, aber sie “must be treated as issues to be resolved collectiveley rather than problems to be eradicated by reference to doctrinaire views of either national sovereignty or federalism” (Joerges 1997). Ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit ist, aufzuzeigen, dass ein repräsentatives politisches System gegenüber einem System mit starken direktdemokratischen Elementen erhebliche Vorteile bietet, ja sogar notwendige Voraussetzung demokratischer Politik ist. Obwohl von den Gründungsvätern in erster Linie als ein Instrument zur Aufrechterhaltung des Friedens nach den horriblen Erfahrungen des Kontinents mit zwei Weltkriegen gedacht, wurde die Union in der Folgezeit auch als Heilmittel gegen die Überforderung des Nationalstaates durch zunehmend transnationale Problemstellungen gesehen. Nach dem Wunsch und der Methode Jean Monnets (Wessels 2001) sollte eine Integration funktionaler, technischer Teilbereiche graduell zu einem interdependenten Europa führen (Featherstone 1994; Smith 1999: 59). Die List der Vernunft würde im Endeffekt für ein föderales Europa sorgen. Eine Rolle für die Bürger oder deren parlamentarische Vertretung war darin nicht vorgesehen, wurde aber von den Föderalisten um Henrik Brugmans und Altiero Spinelli heftig gefordert. Das Modell der parlamentarischen Repräsentation schien der logische Schluss aus der Forderung nach mehr Demokratie.20 Mit der immer weitergehenden Übertragung aber auch der Aneignung (z.B. nach Art. 308 EGV oder Art. 95 EGV) von Aufgaben, stieg nicht nur der Anspruch an die demokratische Qualität der Union, sondern auch die Erwartungen an die Leistungen des europäischen Systems.21 Es ist der Erfolg der Europäischen Ge20
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Dieser Forderung wurde auch durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofes Nachdruck verliehen, siehe z.B. die Entscheidung im Isoglukose Fall, EuGH, Rs. 138/79, Roquette Frères-Isoglucose. Siehe dazu Bradley (1987, 1991). Die Annahme der neofunktionalistischen Schule, dass Erfolg im Sinne eines zufrieden stellenden Outputs auch einen Loyalitätstransfer bewirken würde, hat sich nicht bestätigt (Duchesne/Frognier 1995).
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meinschaft, der die EU zu mehr Erfolg zwingt. Die Einsicht, dass sich dieser Erfolg und damit letztendlich das Friedensprojekt Europa nicht mit den institutionellen Strukturen des Nationalstaates erzielen lässt, dass institutionelle Phantasie aber auch eine Neu-Bewertung der zugrunde liegenden Theorien erforderlich ist, hat bisher in der akademischen Literatur nur wenig Niederschlag gefunden. Neben den dänischen, niederländischen und französischen Referenden, deren Ergebnis nur der Kulminationspunkt einer länger währenden steigenden Skepsis ist – siehe die in den Eurobarometerstudien ausgewiesenen konstant sinkenden Zustimmungsraten zum europäischen Einigungsprojekt – gibt es auch andere Gründe für ein verstärktes Interesse an der normativen Dimension der Integration. Phillipe Schmitter (1996), Fligstein und McNichol (1998) und Donahue/Pollack (2001) haben gezeigt, dass die Zentralisierung des europäischen politischen Systems seit den Jahren der Gründung der Gemeinschaften erheblich zugenommen hat. Gleichzeitig hat der Einfluss supranational orientierter Akteure, z.B. der Europäischen Kommission und des EuGH, abgenommen. Bernhard Weßels (1992: 2) hat daraufhin festgestellt, dass dies “naturally raises the democratic question of how the system of institutions exercising this power is to be controlled and held accountable.” Zudem hat das perzipierte Versagen der orthodoxen Integrationstheorien (Warleigh 1998) zu einem erhöhten Interesse an Fragen der Demokratie und ihrer Verwirklichung in der Union geführt. Die Unzulänglichkeiten dieser Theorien den Integrationsprozess schlüssig zu erklären, bzw. Voraussagen zur weiteren Entwicklung zu machen, führten zum Verzicht auf ‘grand narratives’ und zu einer verstärkten Konzentration auf empirische Untersuchungen zu den verschiedensten Detail-Aspekten der Integration. Die Hoffnung war, dass so über die Zeit ein Korpus an fundiertem Wissen entstehen würde, der sich wieder zu einem großen Bild zusammenfügen ließe. Michael O’Neill (2000) nannte diesen theoretischen Pluralismus “post-foundational discourse”. Man kann sich des Eindrucks schlecht erwehren, dass dieser Pluralismus zwar zu vielen Detailstudien geführt hat, uns der ganze „Elefant“ (Puchala 1972) aber immer noch rätselhaft bleibt. Das mag auch daran liegen, dass wir uns zwar der Schwierigkeiten der Übertragung nationalstaatlicher Ordnungsmodelle auf die supranationale Ebene bewusst sind, eine Neubewertung der grundlegenden Konzepte aber noch aussteht. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der bereits erwähnten, am Nationalstaat orientierten Begrifflichkeit. Grundlegende Konzepte wie das der Repräsentation, welches in den Verfassungskämpfen des 19. Jahrhunderts ideologisch aufgeladen wurde, müssen aus ihrer „doktrinären Erstarrung“ (Rausch 1968: xiv) gelöst werden. Denn “to a surprising extent, the Burkean conceptualization of the representative function is still in use, and Eulau’s call for a concept adequate to modern concerns about the relationship between legislators and their constituencies has not been answered.” (Löwenberg 1972: 12).
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Die akademische und politische Debatte um die demokratische Qualität der Europäischen Union identifizierte mehrere Ursachen für das Demokratiedefizit. Die Kommission in Brüssel wurde und wird als bürokratischer Moloch wahrgenommen, dem jegliche demokratische Legitimation fehlt22, die Staats- und Regierungschefs der Union bilden ein arkanes Kartell (Wallace 1996: 33) keine politische Gemeinschaft (Dinan 1994: 4) und entziehen sich der Kontrolle nationaler Öffentlichkeiten. Die Entscheidungsregeln und -verfahren sind so komplex, dass selbst Experten Schwierigkeiten haben, den Paragraphendschungel zu durchblicken und werden darüber hinaus durch ein opakes Ausschusswesen umgangen. Die Europäische Kommission ist ein nicht-gewählter Agenda-setter, der seine Macht wie der EuGH auch, beständig ausweitete. Verglichen mit der politischen Macht des Europäischen Rates, des Rates der Union und der Kommission nehmen sich die Rechte des Europäischen Parlaments äußerst bescheiden aus (Nugent 1991: 309), vor allem da es die Exekutive nicht gezielt zur Verantwortung ziehen kann. Das „doppelte Defizit“ (Lodge 1996: 190) bestehe folglich in der Übertragung staatlicher Hoheitsrecht auf die supranationale Ebene ohne entsprechende parlamentarische Kontrolle (Williams 1991: 162; Norris 1997; Coultrap 1999; Neunreither 1994; Thomassen/Schmitt 1999: 4; Maurer 2001: 16). So stellte das EP in einem Bericht 1988 fest, dass demokratische Defizit “is the combination of two phenomena: (a) the transfer of powers from the Member States to the European Community; and (b) the exercise of these powers at the Community level by institutions other than the EP, even though, before the transfer, the national parliaments held power to pass laws in the areas concerned.”23 So wird die EU als “a classical case of a gradual process of dedemocratisation through integration” (Seidelmann 1995: 79) interpretiert.24 Der Hinweis auf die Direktwahl des Europäischen Parlaments sowie auf die Defizite nationalstaatlicher parlamentarischer Systeme kann nicht befriedigen (Moravcsik 2002; Zweifel 2002). Die Wahlen zum Europäischen Parla-
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Vgl. z.B. Manfred Schmidt (1994: 438), Die Kommission erscheint als „Beamtenherrschaft ohne massendemokratische Grundlage. Das erweitert ihren nominellen Handlungsspielraum, mindert aber ihre Anerkennungswürdigkeit. Das Fehlen der massendemokratischen Basis ist für die klassische Beamtenherrschaft eines autoritären Staates unproblematisch; sie herrscht über Untertanen. Die Beamtenherrschaft in der EG jedoch erfasst demokratische Staatsbürger der Mitgliedstaaten; doch diesen Bürgern tritt sie nicht als legitimierte Herrschaftsinstanz gegenüber, sondern als Obrigkeit, die Politik für Untertanen betreibt.“ EP report drawn up on behalf of the Committee on Institutional Affairs on the democratic deficit in the European Community (Toussaint Report): PE 111.236/fin.1, Feber 1988, 10-11. Interessanterweise ist für Elmar Brok (2004: 329), Mitglied des Konvents und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EP mit dem Verfassungsvertrag dieses Defizit beseitigt: „Das viel beklagte Demokratiedefizit der Europäischen Union wird durch den Vertrag beseitigt.“
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ment sind nicht nur “second-order elections” (Reif/Schmitt 1980; Reif 1984; Curtice 1989; Eijk/Franklin 1996), sie weisen zudem eine Differenz zwischen wahlwerbenden Parteien und im Parlament vertretenen Parteien auf (Andeweg 1995). Und die Defizite nationaler Demokratien stellen nur eine äußerst schwache Rechtfertigung für die Defizite auf europäischer Ebene dar. Zudem muss zwischen zwei Ebenen unterschieden werden: erstens die politiksystemimanente Ebene der Kontrolle der Exekutive und zweitens die Ebene der Relation Bürger und gewählte Repräsentanten. Selbst wenn ein ideales politisch-institutionelles System, welches der Effizienz und Transparenz genüge tut, auf europäischer Ebene installiert würde, heißt dies noch lange nicht, dass dies bereits automatisch eine repräsentative Politik zur Folge hat. Entscheidend ist vielmehr das Verhältnis von Repräsentierten und Repräsentanten. Auch wenn die Einschätzung, dass die EU demokratische Defizite aufweist von den meisten Beobachtern aber auch Akteuren geteilt wird, so herrscht weder Übereinstimmung worin dieses genau besteht (Lord 2001: 642)25 noch kaum Übereinstimmung welche Maßnahmen zur Behebung dieses Defizits angebracht wären. Die politische Debatte bewegte sich bisher zumeist auf der Ebene der prozessualen oder institutionellen Reformen. Zwei Extrempunkte möglicher Reformen können ausgemacht werden: (1) eine Renationalisierung, d.h. ein weiterer Ausbau der intergouvernementalen Aspekte des europäischen Systems (offene Methode der Koordinierung, Stärkung des Europäischen Rates etc.), (2) eine Föderalisierung und Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments, Ausbau der Europäischen Kommission zur Regierung der Union, erhebliche Ausweitung der redistributiven Politiken etc. Dazwischen liegt die Reform des bestehenden Systems im Sinne einer Ergänzung mit starken direktdemokratischen Elementen (Abromeit 1998). Ein Paradoxon der europäischen Einigung ist, dass trotz der bisherigen Reformen im Sinne des liberal-nationalen Demokratiemodells die Kritik an der demokratischen Qualität der Union wächst. Die Gründe dafür sind einerseits die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, den Kompetenzen, die die Union besitzt und den Forderungen der Bürger (Blondel et al. 1998), andererseits die Marginalisierung der Bürger im europäischen Entscheidungsprozess (Wiener 1998). Die verschiedenen Ansichten über das Demokratiedefizit gründen auch in unterschiedlichen Auffassungen (beliefs) darüber, was denn eigentlich legitimes Regieren ausmacht. Sie basieren auf “convictions about the rightfulness of governance shared by actors in the political system. These convictions are not uniform or consensual but may differ widely among different groups or corporate actors, for […] there are always contending structures of meaning,
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Simon Hix veranlasst dieser Umstand zu der Aussage, dass der Terminus Demokratiedefizit “meaningless” ist (Hix 1998: 19).
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and hence contending polity-ideas.” (Jachtenfuchs et al. 1998: 413). Diese Auffassungen erfüllen für die jeweiligen Akteure die Aufgaben einer Karte (roadmap), sie geben Orientierung, da sie “express a world view that influences behaviour not only directly, by setting standards of appropriateness for behaviour, but also indirectly through selective prefabricated links between values that individuals or collectivities habitually rely upon to address specific problems.” (Katzenstein 1993: 267; siehe dazu auch DiMaggio/ Powell 1991). Diese roadmaps scheinen für die Akteure der Integration bezüglich der Demokratisierung der Union lediglich eine Übereinstimmung zu enthalten: den weiteren Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments. Die Kritik an der demokratischen Qualität der Union richtet sich denn auch zumeist auf die perzipierte Schwäche des Europäischen Parlaments als einzig direkt gewählte Körperschaft im Institutionengefüge der Union. Ein Grund dafür ist die Betonung der zentralen Stellung der Parlamente in den nationalstaatlichen Demokratien als „herausgehobenste Einrichtung der gewaltenteiligen Demokratie“ (Beyme 1992: 33). Parlamente als zentrale repräsentative Organe verkörpern den Volkswillen – so zumindest die Theorie – und kontrollieren die Exekutive. Aber lässt sich diese Vorstellung von Repräsentation auf die supranationale Ebene übertragen, wo sie doch schon für die nationalstaatliche Ebene fragwürdig geworden ist? Die Legitimation dieses parlamentarisch-repräsentativen Modells gründet sich auf die gleiche und direkte Wahl des Parlamentes sowie auf seine Vorherrschaft gegenüber den anderen Staatsgewalten (Exekutive, Judikative), die ihm auf Grund seiner Rechtssetzungskompetenz zukommt. Es sind die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Repräsentanten, die in dieser Eigenschaft politische Wertungen vornehmen und auf deren Basis konkrete Entscheidungen fällen, für die sie dem Wahlvolk periodisch verantwortlich sind. Das parlamentarisch-repräsentative Verständnis von Demokratie ist tief in der westeuropäischen politischen Tradition verankert. Wie am Beispiel der richtungweisenden Maastricht-Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89: 155) zu sehen ist, wird dieses Modell auch zur Beurteilung der demokratischen Qualität der europäischen Integration herangezogen. Gemäß dieser Entscheidung legitimiert sich die EU, genauer das Handeln der europäischen Organe, in erster Linie durch die Rückkoppelung an die von den Staatsvölkern der Mitgliedstaaten gewählten nationalen Parlamente. Erst in zweiter Linie vermittelt sich die demokratische Legitimation der Union durch das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament. Das parlamentarisch-repräsentative Modell impliziert eine Vorherrschaft der Legislative gegenüber der Exekutive, insbesondere die Annahme, dass das Parlament den Willen und die Fähigkeit aufbringt, die Regierung zu kontrollieren, sowie dass die Regierung sich auf die Umsetzung der vom Parlament beschlossenen Gesetze beschränkt. Diesem Modell liegt eine spezifische Sichtweise politischer Repräsentation zugrunde, die im Mittelpunkt moderner Demokratietheorien steht, deren Ursprünge aber auf
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Die Transformation der Politik
mittelalterlicher Repräsentationsvorstellungen zurückgeführt werden können (Clarke 1936; Hintze 1931; Hofmann 1974; Ullmann 1975; Mantl 1975). Eine Analyse des Wandels von Repräsentationsvorstellungen und -traditionen ist notwendig, um mögliche Pfadabhängigkeiten und „doktrinäre Erstarrungen“ zu erkennen. Wir registrieren heute aber nicht nur eine diffuse Unzufriedenheit mit der Politik und ihren Exponenten, sondern sehr wohl auch mit dem Prozess der politischen Autorisierung und Entscheidungsfindung. Gerade die geringe Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament ist alarmierender Ausdruck dieser Verdrossenheit.26 Dies ist keineswegs ein neues Phänomen ausgelöst durch die europäische Integration, sondern Ausdruck der mangelnden Adaption auf die beiden Herausforderungen gesellschaftlicher Wandel und europäische Integration auf nationalstaatlicher Ebene. Bestehende Tendenzen werden durch diesen Prozess der Einigung verstärkt (Bergmann et al. 2000; Bergmann/Damgaard 2000). Der Umbau der historischen Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates, steigende Arbeitslosigkeit und die Sorge um eine intakte Umwelt münden in eine Kritik an der Politik, die nicht länger in der Lage ist, die grundlegenden Ansprüche der Bürger zu befriedigen oder zumindest einen größeren Grad an individueller Autonomie zuzulassen, denn “Voters are more difficult to please than ever.” (Strøm et al. 2003: 745). Nur zu gerne wird der Ruf nach effizienterer und effektiverer Politik von den europäischen exekutiven Eliten aufgenommen. Die beständige Bedeutungszunahme des Europäischen Rates seit seiner Gründung im Jahr 1974 ist nur ein Beispiel dafür.27 Repräsentation ist ein ontologisches Phänomen28, das speziell in der Politik eine gewichtige Rolle spielt, da artikuliertes politisches Handeln einer po26
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Die These, dass die europäischen Bürger die entscheidende Bedeutung des Rates der Europäischen Union im Entscheidungsgefüge der EU erkannt hätten und gerade deswegen nationalen Wahlgängen wesentlich größere Bedeutung zuweisen, hat einen gewissen beruhigenden Charme wird aber durch die Daten über das durchschnittliche Wissen betreffend den Entscheidungsprozess nicht gestützt. Siehe beispielsweise Christopher Anderson (1998), Russell Dalton und Richard Eichenberg (1992), Jürgen Janssen 1991. Eurobarometer-Daten aus den letzten Jahren weisen aus, dass sich zwischen 65% und 70% der Bürger uninformiert über die EU fühlen (siehe z.B. Eurobarometer 60: 17ff.) So konstatiert Paul Kirchhof (1994: 19): „Die europäische Integration ersetzt die parlamentarische Gesetzgebung durch eine exekutive Gesetzgebung.“ Vgl. Dan Lloyd (zit. nach Slezak 2002): “Humans are representing animals, and we have built a world crammed with representations of many kinds. Consider, for example, the number and variety of pictorial representation: paintings, photographs, moving pictures, line drawings, caricatures, diagrams, icons, charts, graphs, and maps. Add the variety of linguistic representations in signs, titles, texts of all kinds, and especially spoken words and sentences … Human life, in short, is largely a cycle of making and interpreting representations.”
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litischen Gemeinschaft, die notwendigerweise eine große Zahl heterogener Interessen umfasst, nicht anders möglich ist als durch das Handeln Einzelner. Demokratie ist nicht gleichbedeutend mit der Herrschaft und Machtausübung aller, eine Form die nach Aristoteles’ Typologie der Regierungsformen zwangsläufig in die Anarchie der Begierden mündet, sondern sie ist in ihrer praktischen Verwirklichung der repräsentativen Demokratie eine Mischform aus demokratischen und oligarchischen/aristokratischen Elementen.29 Und sie bedarf der Herrschaftsorganisation. „Jede Organisation bedarf aber einer Autorität, und alle Machtausübung unterliegt dem Gesetz der kleinen Zahl; immer müssen diejenigen, welche die organisatorisch vereinigten Machtleistungen aktualisieren, über ein gewisses Maß and Entscheidungsfreiheit und damit demokratisch nicht gebundener Macht verfügen.“ (Heller 1986: 247). Es scheint so, als konnte man den negativen Konnotationen des Begriffs der Demokratie bis in das 19. Jahrhundert, speziell nach den Auswüchsen totalitärer Demokratie nach und während der Französischen Revolution nur durch die Fiktion einer herrschaftsfreien Demokratie, begründet im souveränen Volk, begegnen. Ein Schein der die deliberative Demokratietheorie vergessen lässt, dass Dezision ein entscheidendes Element funktionierender politischer Gemeinschaften ist. In modernen komplexen und differenzierten Gesellschaften aber bedeutet Dezision, die Entscheidung „Wer?, Was?, Wann?“ (Laswell 1936) bekommt, auch die Nichtberücksichtigung von souveränen Interessen und Präferenzen. Zudem ist die „grundsätzliche Unvereinbarkeit von Repräsentation und Souveränität […] bis heute in seiner Unaufgelöstheit schon gar nicht mehr registrierter Bestandteil parlamentarisch-demokratischer Verfassungen“ (Landshut 1968: 468). Eine moderne Theorie der Repräsentation hat sich also unter zwei Bedingungen zu bewähren: (1) Die Heterogenität und Mobilität moderner Gesellschaften, der Instabilität individueller Präferenzen und Flexibilität politischer Positionen sowie (2) dem laufenden Prozess der politischen System(um)bildung auf europäischer Ebene, der bisherige nationaler Politikmuster aufbricht und neue Anforderungen an das Verhältnis zwischen Repräsentierten und Repräsentanten stellt.
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Siehe dazu auch Sieyès (1789: 236): Eine repräsentative Regierung ist ein Melange “ce qu’il y a de bon dans la démocratie, dans l’aristocratie, et dans la monarchie.”
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I.2.
Die Ratlosigkeit der Theorie
Die Ratlosigkeit der Theorie All men can understand what representation is. Thomas Paine, The Rights of Man, 1791
[T]he whole question of representation, one of the crucial and most troublesome issues of modern politics ever since the revolutions […] constitutes one of those dilemmas which permit of no solution. Hannah Arendt, 1965
Eric Voegelin hat das Konzept der Repräsentation als ein fundamentales politisches Formprinzip bezeichnet, das für ein „Zentralproblem einer Theorie der Politik“ (1991: 17) steht. In eine ganz ähnliche Kerbe schlägt Heinz Rausch in der Einleitung zu der im deutschen Sprachraum immer noch wichtigen Aufsatzsammlung Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung aus dem Jahr 1968: „Das Wort Repräsentation ist einer der fundamentalen Ausdrücke jeglicher Demokratietheorie, ist es doch der Terminus, mit dem alle indirekte Herrschaftsausübung durch das Volk umschrieben wird“. Und doch gilt: “The unfortunate fact is that we do not have an adequate modern theory of political representation” (Hogan 1970: 289). So stellt Pitkin (1967: 4) auch fest, dass die Literatur voll von entgegen gesetzten Begriffsbestimmungen ist. Durchaus ironisch schließt Heinz Eulau (1978: 31) daraus, dass “we can finally say with some confidence what representation is not. But in spite of many centuries of theoretical effort, we cannot say what representation is.” Ganz ähnliche Einschätzungen finden sich bei Gerhard Leibholz (1966: 25), Carl Friedrich (1968: 212), Gerhard Löwenberg (1972: 12) u.a. Obwohl diese Diagnosen mehr als 30 Jahre alt sind, haben sie nichts von ihrer Richtigkeit eingebüßt. Weiterhin gilt: “Despite the proliferation of representative governments over the past century, theory about representation has not moved much beyond the eighteenth-century formulation of Edmund Burke.” (Prewitt/Eulau 1969: 427). Im Jahr 1978 (31f.) stellte Eulau fest, dass wir es zwar mit keiner Krise der Institution Repräsentation zu tun haben, sehr wohl aber mit einer Krise der Theorie der Repräsentation. Diese Diagnose muss heute nur insofern ergänzt werden, als wir am Beginn des dritten Jahrtausends mit Krisen beiderlei Art konfrontiert scheinen, sowohl jener der Theorie der Repräsentation als auch jener ihrer Institutionen. Eine Durchsicht der eher spärlichen expliziten Literatur zum Konzept der Repräsentation ergibt eine verwirrende Vielfalt von Adjektiven, die in der Absicht der Präzisierung und Definition dem Begriff vorangestellt werden. Es ist die Rede von konstitutioneller (Sieyès 1789/1981), faktischer, vir-
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tueller und traditioneller (Burke 1774, 1887), substantieller, deskriptiver30 und symbolischer (Pitkin 1967), appropriierter, ständischer, gebundener und freier (Weber 1956), autoritativer, konsultativer und gemischter (Kincaid 1999), askriptiver (Griffiths/Wollheim 1960), souveräner und nicht-souveräner (Leibholz 1966), magistratischer (Heller 1934), realer und fiktiver (Sterne 1869), delegierter, mikrokosmischer und elektoraler (Birch 1971), soziologischer (Sartori 1968), sozialer (Holmberg 1999a), monolithischer (Rogowski 1981), dynamischer (Stimson et al. 1995), “promissory, anticipatory, gyroscopic, surrogate” (Mansbridge 2003), kollektiver und dyadischer (Weissberg 1978), institutioneller (Jackson/King 1989), exekutiver und parlamentarischer, funktionaler, territorialer (Marsh/Weßels 1997), regionaler und lokaler Repräsentation. Diese Vielfalt spiegelt allerdings nicht nur eine gewisse Verwirrung wider, sondern deutet vielmehr auch auf die zahllosen Aspekte und Dimensionen eines Konzepts, das im Mittelpunkt moderner Demokratietheorie steht oder stehen sollte. Zudem werden in der Aufzählung offensichtlich verschiedene Ebenen vermischt. Wir müssen zwischen Adjektiven unterscheiden, die auf das Objekt der Repräsentation verweisen, beispielsweise, mikroskosmische, deskriptive und virtuelle, kollektive und institutionelle Repräsentation, Adjektive, die auf die Tätigkeit der Repräsentanten Bezug nehmen wie dynamischer und konstitutioneller Repräsentation sowie Adjektive, die auf den Prozess der Autorisierung und Selektion der Repräsentanten abzielen: elektorale und delegierte, antizipatorische und gyroskopische Repräsentation. Dazu quer liegen Begriffe, die sich auf geographisch und politisch eingrenzbare Räume beziehen: territoriale und, als deren Unterbegriffe, regionale und lokale Repräsentation. Auch ein weitere Frage wird durch diese Adjektive deutlich: Was wird repräsentiert? Eine virtuelle Gemeinschaft, Bedürfnisse, Meinungen, Interessen und Präferenzen, Territorien, Funktionen, Klassen, Gruppen, etc.? Exekutive und institutionelle Repräsentation zielen auf das institutionelle Arrangement eines Repräsentativsystems ab und geben Auskunft über die Balance zwischen den verschiedenen Modi der Repräsentation. Diese Unordnung ist umso erstaunlicher handelt es sich bei dem Konzept der Repräsentation doch um das Fundament moderner Demokratietheorien. Moderne Demokratie ist nur als repräsentative Demokratie möglich. Welche Gründe sind dafür ausschlaggebend, dass dieses Konzept theoretisch so unspezifiziert ist? Zumindest vier Ursachen können angegeben werden: (I.2.1) Repräsentation gehört zu den “essentially contested concepts” (Gallie 1956). Allerdings muss hinzugefügt werden, dass Konzepte, die zu einer Zeit heftig umstritten waren, in einer anderen Zeit Gegenstand völligen Konsenses gewesen sein können. Die Charakterisierung als “essentially contested” muss als potentielle Möglichkeit und nicht als gängige Praxis verstanden werden 30
Der Begriff ‘deskriptive Repräsentation’ wurde 1960 von Phillip Griffiths und Richard Wollheim geprägt und von Hannah Pitkin übernommen.
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Die Ratlosigkeit der Theorie
(Ball 1988: 4).31 Zum Verständnis der Aktualisierung dieser Möglichkeit ist die historische, politische und soziale Kontextualisierung der zu untersuchenden Konzepte notwendig. Eine solche Kontextualiserung kann die Kluft und Wechselwirkung zwischen politischer Realität und den theoretischen Konzepten zur Erklärung eben dieser Realität aufzeigen. Die Feststellung einer “essentially contestability” entbindet in dieser Interpretation nicht von einer Analyse. (I.2.2) Waren die im 18. und 19. Jahrhundert entworfenen Vorstellungen zur politischen Repräsentation noch hauptsächlich Interventionen von Politikern in die politische Praxis (z.B. Sieyès, Madison, Burke) so sind die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert auffindbaren Erklärungsmuster wesentlich Gegenstand der akademischen Debatte. Diese Debatte konzentrierte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem auf die Auffindung der einen „wahren“ Bedeutung des Konzeptes und ignorierte dabei dessen schillernde Vielfältigkeit. (I.2.3) Der Mainstream der Politikwissenschaft hat sich in den letzten Dekaden einer tiefer gehenden Analyse der Genese und des Inhalts des Konzeptes der Repräsentation verschlossen und stattdessen auf die vergleichende Wahlforschung konzentriert. (I.2.4) Die politische Philosophie erfuhr nach ihrer Todeserklärung Mitte der 50er Jahre und Jahren der Vorherrschaft der analytischen Philosophie auf den Spuren von Ludwig Wittgenstein Ende der 60er Jahre eine Renaissance. Höhepunkt der letzten Dekade war die so genannte Kommunitarismus-Debatte deren ‘open end’ eine Wende zur angewandten politischen Philosophie auslöste. Der Preis dieser Wende war der Verzicht auf eine Diskussion der Grundprinzipien der Demokratie. Zudem kam es in den letzten Jahren zu einer verstärkten Beschäftigung mit dem Thema der Accountability (I.2.5). Wenn der Input durch die Bürger so schwierig zu gewährleisten ist, sei es aufgrund politischer Apathie, Desinteresse, mangelnden Informationen etc., so muss zumindest eine ex-post Kontrolle der politischen Akteure gewährleistet werden. Zu einer ernsthaften Auseinandersetzung ist es lediglich in der feministischen Theorie gekommen (I.2.6).
I.2.1.
Konjunkturen der Debatte über Repräsentation
Jede Kontroverse um Worte ist auch eine Kontroverse über Bedeutung und Ziel individueller oder kollektiver Präferenzen. Eine Entscheidung im Bereich der Sprache, z.B. die Schaffung von Neologismen oder die „UmDeutung“ der denotierten Inhalte, ist nicht selten auch eine politische Entscheidung, ermöglicht ihre Verwendung doch ganz neue Rechtfertigungsmuster.32 Debatten über die Bedeutung von Worten und/oder Konzepten 31 32
So auch William Conolly (1974) und Stephen Likes (1947). Man denke nur an die Karriere erstaunlich inhaltsleerer Begriffe wie Globalisierung, Governance etc.
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sind integraler Bestandteil von Politik. Dennoch scheint es einen gewissen Bestand an Konzepten zu geben, so z.B. parlamentarische Repräsentation, Verfassung, repräsentative Demokratie etc., die in der täglichen politischen Diskussion nicht oder kaum hinterfragt werden können, würde eine solche Praxis doch jegliche kollektive Entscheidungsfindung verhindern. Nur in Zeiten rascher sozioökonomischer Wandlungsprozesse und/oder Krisen werden auch diese Termini einer radikalen Kritik unterworfen.33 In gesellschaftlichen „Normalzeiten“ (Kuhn 1962) bilden diese Konzepte die Grundlage der politischen Auseinandersetzung, indem sie sich einer endgültigen Definition entziehen und Interpretationsspielraum für die Instrumente und Ziele der politischen Gemeinschaft zulassen. Sie werden selbst nicht thematisiert, sondern sind Teil des politischen, aber auch des wissenschaftlichen Kanons. Was sich mit gesellschaftlichem und politischem Wandel ändert, ist die Intensität der Auseinandersetzung und die Radikalität der Fragestellung. Ein Rückblick in die Geschichte Europas zeigt die Zyklen in der wissenschaftlichen und politischen Anwendung solcher Schlüsselkonzepte. So florierte in Folge der beiden Weltkriege die Debatte zur repräsentativen Demokratie. Ebenso in den späten 1960er Jahren, als die Forderungen nach einer umfassenden Gesellschaftsreform nicht mehr unter Verweis auf die beispiellose Wohlstandsteigerung neutralisiert werden konnten. Auch in den Jahren nach 1989, dem Jahr des Falls des Eisernen Vorhanges, ist ein verstärktes Interesse an Fragen der Demokratie zu beobachten, vor allem an der Transformation von autoritärer zu demokratischer Regierungsform. Im Falle der EU hat die Einrichtung des Konvents zur Zukunft Europas zu einer, auch außerhalb der Akademia angesiedelten, Auseinandersetzung um die demokratische Verfassung der EU geführt. Zu den erstaunlichen Ergebnissen des Konvents gehört auch die „Normalisierung“ des Gebrauchs des Wortes Verfassung. Mit Rücksicht auf die Sensibilitäten einzelner Mitgliedstaaten, deren Verfassungstraditionen und -verständnisse unterschiedliche Entwicklungslinien zeigen, aber auch wegen der krampfhaften Aufrechterhaltung nationaler Souveränitätsfiktionen, wurde bislang außerhalb des Europäischen Parlamentes, dass sich immer dem Verdacht des Eigennutzes ausgesetzt sah, von der Rede einer „Verfassung für Europa“ Abstand genommen. Zwar zeigt der Titel „Vertrag für eine Verfassung“ weiter den hybriden Charakter der Union auf, dennoch hat sich dies im allgemeinen Sprachgebrauch schnell zugunsten von ‚Verfassung‘ aufgelöst. Eine Bewusstseins- und Sprachänderung, die dem EuGH, der die Verträge der Europäischen Gemeinschaften in einem Urteil schon 1986 als Verfassung bezeichnet hat34, aber auch dem EP durch diverse Verfassungsentwürfe nicht gelungen ist. 33
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Vgl. hierzu die Arbeiten der Cambridge School of Historians um Quentin Skinner und John G.A. Pocock. Siehe hierzu z.B. James Tully (1998). Siehe Urteil vom 23. April 1986 im Fall 294/83, Les Verts, ECR 1986, S. 1365 para. 23; Opinion 1/76 vom 28. April 1977, ECR 1977-I, S. 758 Punkt 12; Urteil vom
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Die Ratlosigkeit der Theorie
I.2.2.
Essentialismus
Autoren wie Ernst Fraenkel (1964: 153), Gerhard Leibholz (1966: 27) und Carl Schmitt (1957: 209) haben sophistizierte Definitionen von Repräsentation präsentiert. Was ihnen bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam ist, ist die Konzentration auf die ‚wahre‘ Bedeutung des Konzepts, d.h. eine phänomenologische Behandlung des Gegenstandes. Allerdings hat Hermann Reuss bereits 1936 (1968: 24) darauf hingewiesen, dass es „(i)n Wahrheit [...] keinen objektiv feststehenden Allgemeinbegriff der Repräsentation [gibt], vielmehr hat man zu verschiedenen Zeiten, ja selbst zur gleichen Zeit in verschiedenen menschlichen Sphären unter Repräsentation etwas ganz Verschiedenes verstanden.“ Auch Hanna Pitkin hat in ihrer exzellenten Arbeit zum Konzept der Repräsentation (1967: 11) versucht, die verschiedenen Verwendungen des Konzepts zu notieren, um allerdings dann zur wahren Bedeutung vorzustoßen: “We may think of the concept as a rather complicated convoluted, three-dimensional structure in the middle of a dark enclosure. Political theorists give us, as it were, flash-bulb photographs of the structure taken from different angles. But each proceeds to treat his partial view as the complete structure. It is no wonder, then, that various photographs do not coincide, that the theorists’ extrapolations from these pictures are in conflict. Yet there is something there, in the middle of the dark, which all of them are photographing; and the different photographs together can be used to reconstruct it in complete detail. We must determine from which angle each was taken to reconcile the differences among them, and sort out a theorist’s extrapolations from his original photograph.” Eine solche konzeptionelle Analyse kann als wichtiger Beitrag in der theoretisch orientierten Politikwissenschaft gelten, hat allerdings auch Kritik erfahren, z.B. dass Konzepte Bedeutungen in sich tragen, deren Entdeckung nur des Forschers Bemühen harrt. Eine solche essentialistische Fokussierung des Konzepts Repräsentation übersieht seine historische Wandelbarkeit und Flexibilität und fordert zudem die Frage heraus, warum es dann bisher noch nicht gelungen ist, die „wahre“ Bedeutung z.B. der Repräsentation zu finden? Es ist der verständliche aber fruchtlose Versuch die „Wahrheit“ hinter den Begriffen zu finden. Damit einher geht eine Auffassung von Sprache als Abbildung der Welt als Summe aller objektiv feststellbaren Tatsachen. Der manipulative Charakter von Sprache, das Element der Macht in der Sprache und schließlich ihr konstruierendes Potential werden dabei ausgeblendet. Sprache, vor allem politische Sprache verfolgt ein Ziel und dieses Ziel ist immer mit einer Neuordnung bestehender Machtverhältnisse verbunden. Mag sein, dass der Appell an die „Wahrheit“ zusätzliche Hilfestellung im Kampf um die politische Macht generiert, seine wissenschaftliche Haltbarkeit erscheint jedoch zweifelhaft. 23. März 1993 im Fall C-134/91, Beate Weber/European Parliament, ECR 1993-I, S. 1093.
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration
I.2.3.
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Stagnierende Theorie der Repräsentation
Zwischen dem Erscheinen von Hanna Pitkins Buch im Jahre 1967 und dem Werk von Bernard Manin (1997) liegen 30 Jahre, die weitgehend von einer technischen Vorstellung des Konzepts der Repräsentation bestimmt waren. Repräsentation wurde im Wesentlichen als ein Problem der möglichst exakten Umsetzung von Wahlstimmen in Parlamentssitze verstanden (siehe dazu auch Laycock 2004: xii). Verschiedene Forschungsstränge in der v.a. komparativen Politikwissenschaft setzen sich mit der Verbindung zwischen Bürgerin bzw. Bürger und gewählten Repräsentanten auseinander. Bingham Powell (2001) unterscheidet zwischen drei Forschungsansätzen: (1) Prozedurale Repräsentation: demokratische Repräsentation meint hier, dass die in einer Wahl abgegebenen Stimmen für eine Partei ihren Sitzen in der Legislativversammlung entsprechen müssen. Das Augenmerk liegt dabei auf der Frage, wie unterschiedliche Wahlsysteme und -gesetze dieses Verhältnis beeinflussen (Rae 1967; Gudgin/Taylor 1979; Groffman 1983; Lijphart 1985; Groffman/Lijphart 1986; Lijphart 1986; Taagepera 1986; Cox 1991; Gallagher 1991, 1992). (2) Das Präferenzmodell: Repräsentation bedeutet, dass die im Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck gebrachten Präferenzen, die Präferenzen und das Handeln der Repräsentanten in der Legislative bestimmen sollen. Auch Fragen der sozialen oder symbolischen Repräsentation fallen unter diesen Forschungsstrang. Es wird versucht, demographische Einflussfaktoren wie z.B. Geschlecht, Klasse, Beruf etc. in Bezug auf das Verhältnis Demos und Abgeordnete zu analysieren (Norris/Lovenduski 1995; Vowles et al. 1998). (3) ‚Accountability’ und retrospektives Wahlverhalten: Repräsentation erschöpft sich hier im Wesentlichen in der Möglichkeit des Wählers, schlechte Leistungen der Repräsentanten bei der nächsten Wahl zu sanktionieren (Powell/Whitten 1993; Cheibub/Przeworski 1999; Przeworski et al. 1999).35 Demokratie wird in diesen Ansätzen als eine Methode zur Präferenzaggregation verstanden (Downs 1957; Riker 1982; Elster 1983). Eine Auseinandersetzung mit den normativen Konnotationen und Implikationen des Konzeptes gab es nicht.36 35
36
Zur Rolle der Antizipation des Wählerwunsches durch den Repräsentanten siehe z.B. Benjamin Page (1978), Douglas Arnold (1993), Jane Mansbridge (2003). So schreibt Philippe Schmitter (2003: 4): “I have to confess that much of what I read recently about accountability is hardly an improvement on the past. Most of it is devoted exclusively to justifying what political scientists have already been doing, namely, analyzing electoral behavior – except that elections are now presented as mechanisms for ensuring accountability, rather than for revealing individual preferences, expressing party loyalty or acting out civic duties. Rational choice theorists quickly caught on to the analogy with “the principle agent problem”, conveniently forgetting that citizens acting out their rights as principles subsequently become agents when fulfilling their obligations. The poor representatives intermediating between citizens and rulers are so frequently switching back and
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Die Ratlosigkeit der Theorie
In der jüngsten Zeit sind diese Forschungsstränge durch “PrincipleAgent” Ansätze ergänzt worden (Pratt/Zeckhauser 1984; Moe 1987, 1994; Furubotn/Richter 1997; wegweisend für die komparative Politikwissenschaft: Strøm et al. 2003a). Demokratie, das Verhältnis zwischen Regierten und Regierenden wird als eine Kette von Delegationsakten verstanden, als “a process of delegation, in which those authorized to make political decisions conditionally designate others to make such decisions in their name and place.” (Strøm et al. 2003: 19). Erstes Mittel dieser Delegation sind Wahlen. In der Folge kommt es dann zur Delegation von der Legislative an die Exekutive, von der Spitze der Exekutive an die Spitze der Administration und schließlich zu den einzelnen Beamten. Ergänzt wird diese Kette durch das Prinzip der Accountability, der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Parlamentsmehrheit. Für ältere theoretische Ansätze war die Abgrenzung zwischen Delegation und Repräsentation noch entscheidend. Erstere wurde im Zusammenhang mit dem imperativen Mandat gesehen: Der Delegierte (agent) bekommt einen detailliert umrissenen Auftrag und hat diesen anstelle des Auftraggebers (principal) auszuführen. Der Gestaltungsspielraum für den Delegierten ist dabei praktisch nicht vorhanden, während Repräsentation immer die relative Freiheit des Akteurs beinhaltet. Es ist gerade diese Freiheit, die im Prozess der Repräsentation eine entscheidende, wenn auch problematische Rolle bekommt. Natürlich delegiert der Wähler Aufgaben an die Politik, aber diese Aufgaben sind zumeist völlig unspezifisch. Zudem kommen Fragen wie z.B. „Wer wird repräsentiert?“ im Principal-Agent Ansatz kaum vor.37 Nicht alle Politik gründet im Willen des Elektorats. „Darum müssten Politiker aller Parteien eine Weile zusammenhalten – gegen die Bürger im Interesse der Bürger, ein Paradox, natürlich, aber ein vorübergehendes.“ (Die Zeit, No.46, April 2003: 1). Vielmehr muss auch die agenda-setting Funktion der Politik berücksichtigt werden (Klassiker dazu: Schattschneider 1960; Lukes 1974; in Bezug auf die EU siehe: Peters 1994, 1996; Peterson 1997). Ohne Zweifel hat dieser Ansatz jedoch dazu beigetragen, die Probleme im Verhältnis zwischen Repräsentant und Repräsentierten analytisch besser zu fassen, wurde dieses doch nach dem Verständnis der Vertreter dieses Ansatzes bisher “in needlessly complex and diverse sets of terms” (Strøm et al. 2003: 5) gefasst. Paradoxerweise sind es gerade die Probleme, die sich durch das freie Mandat er-
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forth in their roles as agents and principals that it is virtually impossible to distinguish between the two at any moment in time.” Siehe z.B. Geoffrey Brennan und Alan Hamlin (2000: 156): “Ideas of representation are notoriously diffuse and recalcitrant. We shall not here be concerned with the full array of these ideas. Our attention […] will be focused on the issue of political agency – on the simple fact of representation, rather than its detailed form.”
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration
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geben, zu deren analytischer Kategorisierung der Principal-Agent Ansatz beigetragen hat.38
I.2.4.
Die Wende zur angewandten politischen Philosophie
Als eine weitere mögliche Ursache für das Schweigen der politischen Theorie zum Thema der Repräsentation, die mit der eben genannten Stagnation in Zusammenhang gesehen werden muss, kann die Veränderung der politischen Philosophie und der Themen, denen sie sich widmet, gelten. “For the moment anyway, political philosophy is dead.” schrieb der Cambridge Historiker Peter Laslett 1956 in der Einleitung zu einer Aufsatzsammlung (Laslett 1956: vii). Die angelsächsische analytische Philosophie übernahm in den 50er und 60er Jahren die Führung, linguistische Analyse (z.B. Hare 1952; Weldon 195339) war die Untersuchungsmethode der Zeit (Skinner 2002). Politik wurde als Code verstanden, den es mit geeigneten ‚technischen‘ Mitteln zu entziffern galt und es scheint als wären Soziologen besser in den Methoden der Statistik geschult denn politische Philosophen und Theoretiker. Die Empirie, und als dessen Ausprägung der Behavioralismus, setzten neue Standards an Pragmatik. Dies verleitete Laslett zu der Aussage, dass “it may still be the case that we have no political philosophy because politics have become too serious to be left to the philosophers” (1956: x). Im Jahr 1968, in dem dritten Buch der Serie Philosophy, Politics and Society, stellten Laslett und Walter Runciman (1968: 1) ein “revival of political philosophy” fest. Das Erscheinen von John Rawls A Theory of Justice 1971 markiert den erneuten Durchbruch der politischen Philosophie. Zu dieser Zeit hatte sich in westeuropäisch geprägten Ländern mehrheitlich das Modell der repräsentativen Demokratie bereits etabliert. Seit dem Auslaufen der Kommunitarismus-Debatte40 beobachten wir eine Wende zur angewandten politischen Philosophie (z.B.
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Siehe dazu Kapitel III.5 zum Thema freies vs. Imperatives Mandat. Zur selben Zeit erscheinen allerdings auch die Arbeiten von z.B. Eric Voegelin (1956) oder Leo Strauss (1952). Dies trug allerdings eher zu einer weiteren Ablehnung durch die analytische Philosophie bei, welche diese Werke als klassizistisch und anti-demokratisch (Laslett 1956: xiv) brandmarkte. Die Debatte war im Wesentlichen eine Reaktion auf John Rawls (1971). Eröffnet wurde sie zu Beginn der 80er Jahre. Michael Sandel (1982) und Charles Taylor (1985) kritisierten die individualistischen und atomistischen Grundlagen der liberalen Gerechtigkeitstheorie. Wichtige Beiträge kamen u.a. von Alistair MacIntyre (1981), Michael Walzer (1983), Ronald Dworkin (1977, 1986), Bruce Ackerman (1980). Dabei ist zu bedenken, dass es sich weder bei den sog. „Kommunitaristen“ noch bei den „Liberalisten“ um gefestigte Schulen handelt, sondern die jeweiligen Ansätze durchaus erhebliche Unterschiede zeigen (siehe dazu Honneth 1993).
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Die Ratlosigkeit der Theorie
Kymlicka 1992, 1995; Bauböck 1994; Chambers/Kymlicka 2002). Da die Kommunitarismus – Liberalismus Diskussion zu keinem Ergebnis geführt hatte, versuchte man nun, die Theorien zu operationalisieren und einer institutionalistischen Analyse zu unterziehen. Eine Diskussion um das Kernprinzip der Repräsentation erfolgte kaum und wurde in späteren Jahren von der Demokratietheorie und vergleichenden Politikwissenschaft absorbiert. Die „neuen“41 Namen lauten assoziative und deliberative Demokratie42/43, bzw. Delegation44 und Accountability.45
I.2.5.
Accountability und elektorales Mandat
Der steigenden Komplexität moderner Gesellschaften kann auf verschiedenen Wegen begegnet werden. Friedrich Hayeks Lösungsansatz vertraute auf den Markt und dessen dezentralisierte Struktur. Unerfreulicherweise kreiert der Markt aber neue kollektive Handlungsprobleme, die wiederum vom Staat zu lösen versucht werden. Resultat ist u.a. das Wachstum staatlicher Bürokratie, von Aufgaben und Leistungsanforderungen und damit die Abschwächung der Verbindung zwischen Wählern und Repräsentanten. “Peo41
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Neu unter Anführungszeichen, da bereits im Jahr 1960 Henry Mayo gegen eine normative Überfrachtung des Konzepts argumentiert hat: “democratic theory has little to gain from talking the language of representation since everything necessary to the theory may be put in terms of (a) legislators (or decision-makers) who are (b) legitimated or authorized to enact public policies, and who are (c) subject or responsible to public control at free elections. The difficulties of policy-makers are practical and there is no need to confuse democratic politics by a theory that makes the difficulties appear to be metaphysical or logical within the concept of representation.” Der Einfluss von Normen und Ideen auf die praktische Gestaltung der Ideen wird hierbei völlig negiert. Der Anspruch der deliberativen Theorie, d.h. die Erhöhung der Effizienz politischer Entscheidungen durch Partizipation, wird von einigen empirischen Studien, die Zweifel an der Fähigkeit des Ansatzes Trittbrettfahrer-Probleme zu vermeiden und gemeinwohlorientierte Entscheidungen zu treffen, äußern, problematisiert. Siehe Judith Petts (1997), Maarten Hajer und Sven Kesselring (1999), Wyn Grant et al. (1999). Das führte auch zur “Democracy of Adjectives” wie der durchaus sarkastische Titel eines Artikels von David Collier und Steven Levitsky (1997) zum Ausdruck bringt. Es scheint angebracht, heute von einer Renaissance des Delegationsbegriffs zu sprechen, bemerken doch Donald McCrone und James Kuklinski bereits im Jahr 1979 (229): “Given its long tradition, the study of delegated representation is important. But it falls far short of leading to a total understanding of the phenomenon we call representation.”. Carol Harlow (2002: 14f.) hat auf die Schwierigkeit der Übersetzung von Accountability ins Deutsche hingewiesen. Siehe dazu auch Richard Mulgan (2000).
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration
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ple feel, correctly, that they have less control over the important decisions that affect their lives.” (Mansbridge 2005: 234). Die Forderung nach stärkerer Kontrolle der Repräsentanten und der Exekutive mündet in die Betonung der Accountability. Die Ursache für die Hinwendung zu Delegation und Accountability (siehe dazu Mulgan 2000) liegt auch in der nur eingeschränkten Erklärungskraft des responsible party model oder elektoralen Mandats (Kirkpatrick 1971; Luttbeg 1974; Thomassen 1991; Schmitt/Thomassen 1999; Miller et al. 1999).46 In diesem Modell orientiert sich das Handeln der Repräsentanten an den Präferenzen der Wähler. Neuere Ansätze (Esaiasson/ Holmberg 1996; Holmberg 1997) konzentrieren sich dabei auf die Funktion der Willensbildung: Parteien schaffen die Präferenzen des Elektorats anstelle bloßer Aggregierung und Vermittlung bereits vorhandener Positionen und Forderungen. Im Wesentlichen besagt das Modell, dass politische Parteien über z.B. ihre Wahlprogramme den Wählern Alternativen zwischen zukünftigen Politiken anbieten. Die Rolle der Wähler ist es, aus diesen Alternativen auszuwählen und diejenige Partei zu unterstützen, die ihren Präferenzen am nächsten kommt. Es handelt sich um ein prospektives Mandat im Gegensatz zur Sanktionierung bereits geleisteter Politiken. Nach erfolgter Wahl bemühen sich die Parteien, die zuvor versprochene Politik umzusetzen, gesetzt den Fall, dass sie kohärent genug, über genügend Parlamentssitze verfügen, und interessiert an einer Wiederwahl sind, sowie autokratische Tendenzen der Parteiführer durch parteiinterne demokratische Prozesse balanciert werden. Es scheint allerdings als würde dieses Modell sowohl von den Wählern als auch von den politischen Parteien zu viel verlangen. Parteien müssen zuallererst in der Lage sein, ein eigenständiges Profil und Politiken anzubieten. Eine Fähigkeit, die durch die “permanent austerity” (Pierson 2001) westlicher Wohlfahrtsstaaten unterminiert wird. Die ideologische Polarisierung zwischen den politischen Parteien in Europa nimmt ab, was bedeutet, dass die Wähler kaum in die Lage versetzt werden, zwischen Alternativen wählen zu können.47 Die Verpflichtungen aus dem Gemeinsamen Markt, sowie die
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Anthony Birch (1971) bezeichnete dieses Modell als ist die einzige neue Theorie der Repräsentation im 20. Jahrhundert. Dies veranlaßt Frank Ankersmit (2002: 11) von “politics of style” zu sprechen: “A politically polarized civil society needs a politics of ideological content; our depolarized societies are in need of a politics of style. Characteristic is the shift from material legislation to procedural legislation that can be observed in most Western democracies over the last two or three decades: legislation in modern democracies focuses more and more on how, and by means of which procedures, an outcome is to be reached, rather than on the outcome of public decision making itself.” Scharpf (1999) betont hingegen die Konzentration auf den Output als Mittel der Legitimationsherstellung. Es bleibt abzuwarten, ob die durch die Reform des Wohlfahrtsstaates Benachteiligten nicht eine stärkere Re-ideolgisierung der Politik auslösen. Denn keineswegs trifft Ankersmits Aussage zu, daß “our problems have become curiously
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Die Ratlosigkeit der Theorie
sich durch den internationalen Wettbewerb ergebenden Zwänge engen den Spielraum politischer Parteien ein. Was die Umsetzung von Politiken betrifft, so zeigen politische Parteien eine relative gute Übereinstimmung zwischen Wahlversprechen und Implementation (Klingemann et al. 1994). Betreffend die Kongruenz von Präferenzen zwischen Wählern einer Partei und deren Abgeordnete weisen Studien jedoch ein erstaunliches Maß an Inkongruenz auf, v.a. wenn es sich um europäische Themen handelt (Holmberg 1999). Zudem geht das Modell vom gut informierten, mit stabilen und kohärenten Präferenzen versehenen Wähler aus. Empirische Untersuchungen lassen diese Voraussetzungen jedoch als kaum gegeben erscheinen: die meisten Wähler haben keine klaren Präferenzen (Sunstein 1993: 197; Goodin 1993: 234f.) oder stabile Positionen zu Politikfragen und nur eine Minderheit scheint an einem lösungsorientierten Austausch mit ihren Repräsentanten interessiert zu sein (z.B. Wahlke 1971; Thomassen 1994). Selbst in ‘first order elections’ nationaler Provenienz ist das durchschnittliche Wissensniveau über politische Probleme und den Angeboten zu ihrer Lösung nicht beeindruckend (z.B. Converse 1964; Neumann 1986; Luskin 1987; Zaller 1992; Delle Carpini/Keeter 1996). Erklärungsmodelle, die sich dem Aspekt der Accountability, also der expost Sanktionierung widmen, scheinen der politischen Realität näher zu kommen (z.B. Kumlin 2004). Die Basisannahme – der entweder informierte oder ignorante Wähler – ist jedoch prekär. Die Auswahl zwischen Alternativen zur Lösung sozio-politischer Probleme obliegt hier den politischen Akteuren und Eliten. Inhaltliche Einschränkungen durch den zuvor festgestellten Wählerwillen gibt es nicht. Die Proponenten dieses Modells, u.a. Edmund Burke und Joseph Schumpeter, zeigen eine gewisse Skepsis gegenüber dem Wissen des Elektorats. Schumpeter (1942: 262) beschrieb dies mit den bekannt drastischen Worten: “the typical citizen drops down to a lower level of mental performance as soon as he enters the political field. He argues and analyzes in a way which he would readily recognize as infantile within the sphere of his real interests. He becomes a primitive again.” Dagegen wurde gehalten, daß die Bürger “typically have one comparatively hard bit of data: they know what life has been like during the incumbent’s administration. They need not know the precise economic or foreign policies of the incumbent administration in order to see or feel the results of those policies […] In order to ascertain whether the incumbents have performed poorly or well, citizens need only calculate the changes in their own welfare. If jobs have been lost in a recession, something is wrong. If sons have died in foreign rice paddies, something is wrong. If thugs make neighbourhoods unsafe, something is wrong. If polluters foul food, water, or air, something is wrong.”
‘democratic’, in the sense that we are all confronted with them in a more or less similar way” (2002: 106).
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(Fiorina 1981: 5).48 Vom Wähler ist lediglich gefordert, ein allgemeines Wissen über die Resultate der Politik, also den Output zu haben und retrospektiv abzustimmen. Die Fokussierung auf diese Sanktionierung degradiert den Wähler zum Publikum, welches zwar kaum inhaltlichen Einfluss auf den Input hat, aber hofft, der Output liegt nahe an den eigenen Präferenzen, wie sie vom an der Wiederwahl interessierten Politiker wahrgenommen werden. Zudem scheint die Annahme, dass die Bürger in diesem Modell mit weniger politischem Wissen auskommen, nur teilweise korrekt. Vielmehr verschiebt sich das Wissen in Richtung „Wer ist wofür verantwortlich?“ “To throw the scoundrels out” (Bagehot) erfordert Informationen und Wissen über Verantwortlichkeiten und über die Zusammenhänge von Politik und Output. Dreht sich die politische Debatte um den Erfolg, bzw. den Misserfolg von Politik sind “blame avoidance” und “credit claiming” die üblichen Strategien politischer Akteure (Weaver 1986). Oppositionsparteien versuchen die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Politik der Regierung völlig verfehlt ist, während die Regierung auf externe Zwänge und Umstände verweist unter deren Bedingungen ihre Politik eigentlich exzellent ist. Die Schwierigkeiten, Informationen über die “real scoundrels” zu bekommen, nehmen für den Wähler dadurch erheblich zu. Es verwundert nicht, wenn empirische Studien auf den manchmal irrationalen Charakter der Sanktionierung verweisen. Morris Fiorina (1981) und Christopher Achen und Larry Bartels (2002) untersuchten den Einfluss von Naturkatastrophen in den Vereinigten Staaten auf das Wahlverhalten. Ein besonders plakatives Beispiel untersuchte die hohe Anzahl von Haiattacken an der Küste New Jerseys im Sommer 1916. Attacken, die so weit nördlich vorher noch nie vorgekommen waren und von Wissenschaftlern ausgeschlossen worden waren. Die Analyse aggregierter Wahldaten ergab, dass Präsident Woodrow Wilson erhebliche Stimmverluste in New Jersey aufgrund der Attacken hinnehmen musste, speziell in Küstenbezirken. Achen und Bartels (2002: 35) schließen, dass ihre Untersuchung zu Flutkatastrophen, Grippeepidemien und Dürre: “strikes a blow at the customary fallback position for contemporary defenders of democracy, namely the view that the voters may know very little, but they can recognize good and bad government performance when they see them. In most recent scholarly accounts, retrospection is a natural and rational feature of democratic politics. In our view it is natural, but not so obviously rational. Voters operating on the basis of a valid, detailed understanding of cause and effect in the realm of public policy could reward good performance while ridding themselves of leaders who are malevolent or incompetent. But real 48
Für die Annahme, dass Bürger auch unter der Bedingung mangelhaften Wissens vernünftige, rationale Entscheidungen treffen können, wird deren Fähigkeit zur Substitution durch z.B. ‘opinion leaders’ oder Parteien (Berelson et al. 1954, Downs 1957) ins Feld geführt. Siehe dazu auch John Ferejohn und James Kuklinski (1990), Samuel Popkin (1991), Milton Lodge und Kathleen McGraw (1995).
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voters often have only a vague, more or less primitive understanding of the connections (if any) between incumbent politicians’ actions and their own pain or pleasure. As a result, rational retrospective voting is harder than it seems, and blind retrospection sometimes produces consistently misguided patterns of electoral rewards and punishments.”49 Während die vorangehend zitierten Untersuchungen ein Bild vom nicht übermäßig informierten und rationalen Wähler zeichnen, vermitteln Studien zum ökonomischen Wählen (‘economic voting’) ein etwas anderes Bild (z.B. Kinder/Sears 1981; Lewis-Beck 1988; Norpoth 1996). Hier zeigt sich, dass Wähler Regierungen in Zeiten mageren wirtschaftlichen Wachstums, hoher Arbeitslosigkeit und Inflation an der Wahlurne zur Verantwortung ziehen. Wirtschaftspolitik ist daher eine Priorität aller Regierungen (Brug et al. 2001). Michael Lewis-Beck und Martin Paldam (2000) haben allerdings darauf hingewiesen, dass Sanktionierung aufgrund ökonomischer Politik hochgradig instabil ist.50 Was bleibt, ist die empirisch nicht zu leugnende Tatsache, dass Regierungen aus dem Amt gewählt werden. Faktum bleibt jedoch auch, dass es bisher nur eingeschränkt gelungen ist, Licht in das Verhältnis zwischen dem Informationsgrad des Elektorats und seinem Abstimmungsverhalten zu bringen. Ein weiterer Schluss ist, dass das Ausmaß an klarer politischer Verantwortlichkeit, an der Möglichkeit der Zuordnung dieser Verantwortung ein wesentlicher Faktor des Verhältnisses zwischen Repräsentierten und Repräsentant ist (Powell/Whitten 1993; Taylor 2000). Selbst Information “even at the level of Kinsley or Will, let alone God” (Luskin 2002: 294) bleiben von beschränktem Wert, wenn Verantwortung nicht zugeordnet werden kann. 1864 schrieb John Stuart Mill (1991: 262) zu diesem Thema: “It should be apparent to all the world who did everything and through whose default anything was left undone. Responsibility is null when nobody knows who is responsible.” Es ist jedoch die Frage zu stellen, ob das institutionelle Arrangement des zu analysierenden politischen Systems die Identifikation sowie die Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit zulässt. Weder das Modell des prospektiven noch des retrospektiven Wählens liefern eine befriedigende Erklärung für die Frage nach den Möglichkeiten des Wählers Politik zu beeinflussen. So nimmt es nicht Wunder, dass Accountability und damit ex-post Kontrolle zu bestimmenden Themen der Forschung geworden sind. 49 50
Ich verdanke den Hinweis auf diese Studien Staffan Kumlin. Die wesentlich interessantere Frage scheint zu sein, ob Wähler, die über mehr korrekte Informationen verfügen, ihre Stimme anderen politischen Parteien oder Kandidaten gegeben hätten. Siehe hierzu Staffan Kumlin (2004), der diese Fragen unter dem Titel der “informed accountability” behandelt. James Fishkin (1991, 1995) entwickelte das Modell der “deliberative poll”, ein Versuch, Wähler mit den notwendigen Information zu versorgen, Diskussionen zwischen ihnen zu moderieren und zu beobachten, ob und wie sich Präferenzen ändern.
Theorie der Demokratie und Praxis der Integration
I.2.6.
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Differenz und Geschlecht
Schließlich ist auch der nicht zu unterschätzenden Beitrag der feministischen politischen Theorie zum Thema Repräsentation und praktische Philosophie zu nennen. Ausgangspunkt war und ist die Tatsache der signifikanten UnterRepräsentation von Frauen auf allen Ebenen des politischen Systems. Dies lässt gravierende Zweifel an der Legitimität patriarchal, Männer-dominierter Politik aufkommen. Erstes Ziel und politisch wohl auch am erfolgreichsten, war die feministische Forderung nach einer Erhöhung des Frauenanteils in der Politik. Sie basiert auf einem weitgehend deskriptiven Verständnis der Repräsentation als möglichst getreue Abbildung der sozialen und geschlechtlichen Zusammensetzung der Gesellschaft. Rian Voet (1998: 100) hat fünf Argumentationsstränge im feministischen Diskurs zur Begründung einer höheren Quote zusammengefasst: (1) Frauen würden bessere und sozial gerechtere Politik machen; (2) ein höherer Anteil von Frauen würde eine bessere Ausnutzung der ansonsten brachliegenden weiblichen Ressourcen und damit einen Verlust an episteme garantieren; (3) Quantitative Gleichheit ist die Voraussetzung für Geschlechtergleichheit; (4) die mangelnde Repräsentation muss als gravierendes demokratisches Defizit erkannt werden und (5) nur Frauen sind in der Lage, Frauen zu repräsentieren und deren Anliegen Anerkennung zu verschaffen. Einige dieser Argumente wurden von feministischen post-strukturalistischen Theoretikern als biologistisch und normativ überladen kritisiert. Ihre primäre Kritik richtet sich nicht gegen die behauptete moralisch-ethische Überlegenheit weiblicher Politik, sondern gegen den falschen Universalismus moderner Demokratie, der zu einem stillschweigenden Ausschluss von Frauen führt. Wie kann soziale Ungleichheit und Differenz, z.B. geschlechtliche Differenz repräsentiert werden? Die Betonung der Differenz in der politischen Sphäre darf nicht als ein Argument gegen die demokratische Norm der Egalität verstanden werden, sondern muss als Beschreibung der Wirklichkeit gelten. Die Repräsentation von Geschlechterdifferenz ist im Gegenteil ein Mechanismus marginalisierten Gruppen Zugang zum politischen System zu garantieren. Politische Differenz ist aber auch ein heuristisches Instrument zur Kritik des männlichen Partikularismus und Universalismus. Das abstrakte politische Subjekt wird dadurch “sexualised” (Benhabib 1996: 5). Ein wichtiges Anliegen der Debatte um Differenz ist die Neudefinition des Politischen. Die Geschlechterdifferenz wird als essentielles Strukturprinzip des modernen politischen Raums verstanden, trotz des universalistischen Anspruchs von repräsentativen Demokratien. Die Geschlechterneutralität universalistischer Nomen erweist sich unter dem historischen Blick als maskulin (Phillips 1991: 5): „Modes of representation are not relations of mirroring or of references: Representation does not refer to a pre-given subject. Modes of representation subjectify social relations and at the same time produce political subjects” (Niekant 1999: 41). Die entscheidende Bedeutung feministischer
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Die Ratlosigkeit der Theorie
Studien liegt gerade im Aufzeigen dieser Konstruktionsfunktion der Repräsentation. Kein wie immer gearteter demos, keine ‚natürlich‘ vorhandenen Interessen, keine mythische Einheit der Nation wird repräsentiert, sondern ein Machtverhältnis. Demokratie wird so zu einem antagonistischen und agonistischen Prozess in dem Interessen und Identitäten konstruiert und verhandelt, nicht lediglich repräsentiert werden. Der Begriff der Differenz verbindet politische mit sozialer Egalität. Feministischer Anspruch ist, dass soziale Differenz (z.B. die geschlechterspezifische Arbeitsteilung) politisch erkannt und institutionalisiert werden muss wie die Differenz zwischen Kapital und Arbeit im Wohlfahrtsstaat oder korporatistischen Staat. Solche geschlechtersensiblen institutionellen Arrangements sind die Vorbedingung einer politischen Egalität zwischen Männern und Frauen (Rowbotham 1986: 80f.). Die Frage ist sodann, wie soziale Differenzen, Bedürfnisse und Interessen politisch repräsentiert werden können, ohne dass es zu politischer Ungleichheit kommt. Hier wird auf die notwendige Voraussetzung eines gemeinsamen Verständnisses von politischer Gemeinschaft gesetzt. Ruth Lister (1997: 80) schlägt eine Kombination von Gruppenrepräsentation, Quotensystemen und einem “broad commitment to solidarity, which recognises a commonality of interests with the potential to unite fragments” vor. Andere Strömungen im feministischen Denken, allen voran aus der französischen Schule des Dekonstruktivismus, hinterfragen die Sinnhaftigkeit von Geschlecht als politischer Kategorie. “The subject of women is no longer understood in stable or abiding terms. There is great deal of material that not only questions the viability of ‘the subject’ as the ultimate candidate for representation, or indeed, liberation, but there is very little agreement after all on what it is that constitutes, or ought to constitute, the category of women. […] Within feminist political practice, a radical rethinking of the ontological constructions of identity appears to be necessary in order to formulate a representational politics that might revive feminism on other grounds.” (Butler 1999: 4 u. 8). Ein Geschlechterverständnis anhand dieser Vorgaben wirft neue Fragen über nicht-biologistische und nicht-essentialistische Geschlechterepräsentation auf. Weder so genannte „Standpunkt-Theorien“ noch „republikanischer Feminismus“ haben bisher überzeugende Antworten zur Spannung zwischen Differenz und Egalität präsentiert. Feministische Standpunkt-Theorien zielen auf die Integration weiblichen „Anders-Seins“, d.h. die unterschiedlichen Bedürfnisse und Werte von Frauen resultierend aus deren unterschiedlicher sozialen Erfahrung, in das politische System. Dadurch kommt es zu einer „Feminisierung“ des Systems und einer Befreiung von seinen überwiegend maskulinen Strukturen (Dinnerstein 1977; Elshtain 1981; Hagemann-White 1987; Hartsock 1983; Mansbridge 1996; Meyer 1992). Hier scheint aber die Gefahr gegeben zu sein, dass von einer virtuellen Identität von Frauen ausgegangen wird, zu deren Gunsten Differenzen zwischen den sozialen Erfahrungen von Frauen verwischt werden. Der republi-
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kanische Feminismus hingegen beruft sich auf Hannah Arendts Argument, dass das Politische eine separate Sphäre mit eigenen Gesetzen, Spielregeln und Dignität sei. Elemente, die nicht von anderen Sphären abgeleitet werden können, speziell nicht von der privaten oder anderen nicht-öffentlichen Sphären. Mary Dietz (2002) hat auf die Gefahren der Kolonialisierung des Öffentlichen durch die Integration privater Tugenden in die Politik verwiesen. Diese hierarchisierende und polarisierende Perspektive ignoriert weitgehend die politischen Konsequenzen sozialer Ungleichheit und trägt eventuell sogar zu einer Vergrößerung der Kluft zwischen öffentlich und privat bei. Die feministische Agenda der Differenz hat im Wesentlichen eine heuristische Wirkung: die politische Implementation von Geschlechterdifferenz muss sich der Spannung zum Anspruch der Egalität und des Risikos des Essentialismus bewusst sein. Diese konzeptuellen Probleme feministischer Repräsentationstheorie wurden auch in der politischen Praxis schlagend. “(T)he ‘first women’ in Parliament, as beneficiaries of the women’s suffrage movement, were expected to be representatives of women at large, in the sense both of standing for and acting for women. These expectations were additional to their responsibilities to their electorate and parties.” (Sawer 2000: 374). Sehr bald zeichnete sich jedoch ab, dass die weiblichen Repräsentanten weder fähig noch willens waren, für alle Frauen zu agieren. Zudem gab es massive Kritik von z.B. Frauen ethnischer Minderheiten an der Repräsentationseignung weißer, der Mittelklasse angehörenden Frauen (Hooks 1990). Die nach Meinung einiger Feministinnen allzu simple Forderung nach mehr Frauen in politischen Funktionen wurde denn auch um die Forderung nach mehr Feministinnen in diesen Institutionen ergänzt. Nicht weibliche Erfahrungen, sondern weibliche Perspektiven müssen repräsentiert werden. Alleine die Erhöhung des Frauenanteils ist nicht “the best strategy for meeting the needs, demands, and interests of women.” (Tremblay/Pelletier 2000: 397). Auf der praktischen Ebene führte dies zu Kontrollmechanismen bezüglich der Umsetzung von Gleichstellungspolitik (Sawer 2000: 372). Feministische Konzeptionen der Repräsentation zeigen also einen Trend von der deskriptiven Repräsentation zu einer stärkeren Betonung des Verhältnisses zwischen Repräsentierten und Repräsentant und der Offenheit des politischen Systems für feministische Anliegen. Es wurde betont, dass es eine Verbindung zwischen aktiver und passiver Repräsentation, zwischen Zugang zu politischen Führungspositionen und geschlechtersensiblen Politiken geben müsse. Das Theorem der ‚kritischen Masse‘ von 33% wurde zum Mantra (Kanther 1977). Diese Verbindung wurde allerdings von John Hindera (1993) und Sally Selden (1997) in Zweifel gezogen. Am Beispiel des kanadischen Parlamentes argumentierten Manon Trembley und Réjean Pelletier (2000: 384), dass man “careful in establishing a causal relationship between the descriptive and the substantive representation of women” sein müsse. Unter welchen Bedingungen agieren Frauen in politischen Entschei-
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dungspositionen für Frauen? (Keiser et al. 2002). Institutionen, z.B. Bürokratien prägen die Entscheidungsfreiheit der handelnden Akteure (Immergut 1998) durch “hierarchy, control of information, standard operating procedures.” (Keiser et al. 2002: 555). Die Strukturen des politischen Systems zwingen die Akteure “to de-emphasize their multiple identities and to identify as members of the organization.” (Ferguson 1984: 18). Die Übersetzung von passiver in aktive Repräsentation wird dadurch erheblich erschwert (siehe dazu auch Mazur 2001; Stetson 2001).
I.2.7.
Zurück zur politischen Philosophie?
Fragen der Repräsentation sind Fragen über den Sinn und Zweck einer politischen Gemeinschaft. Sie sind eng verbunden mit der Idee vom „guten Leben“, der aristotelischen eudaimonia (Aristoteles 1986: 1176b2151) des Einzelnen. Da in komplexen Gemeinschaften nicht alle Präferenzen in gleichem Ausmaß verwirklicht werden können, ist eine Auswahl notwendig. Diese Auswahl spiegelt nicht lediglich eine objektive Rationalität wider, sondern auch eine bestimmte Vorstellung vom Inhalt der eudaimonia. Die Rede vom tugendhaften Bürger und der Politik als Verwirklichung des menschlichen ergon (Aristoteles 1986: 1098a7) aber ist in der Neuzeit zunehmender Konkurrenz alternativer Lebensentwürfe ausgesetzt. Die Vulgarisierung der Kommunitarismusdebatte, die Gleichsetzung von kommunitaristischer Orientierung mit reaktionär-konservativ, von individualistischrationalistisch mit modern-aufgeklärt, die Gegenüberstellung von Gemeinschaft und Gesellschaft lässt die Auffassung vom Wesen der Politik als Wertentscheidung eigentümlich antiquiert aussehen. Die Easton’sche Definition von Politik als “authoritative allocation of values” (Easton 1953) trifft gerade in einem Umfeld zu, wo es keine normativ verpflichtenden traditionellen Weltbilder gibt. Einer Situation, wo Menschen im Normalfall konfligierende Vorstellungen vom Guten vertreten und anstreben (siehe dazu Gutmann 1985). Das Konzept der Repräsentation ist auch deswegen amorph, weil es in seiner jeweiligen Ausprägung auf unterschiedliche, teilweise sogar sich widersprechende Ideen des Guten reflektiert. Repräsentation wird überhaupt erst zum Thema, wenn sich die Interessen der Herrschenden und Herrschaftsunterworfenen nicht decken. Repräsentativsysteme müssen dafür Sorge tragen, dass jeder Einzelne in die Lage versetzt wird, seine individuellen Lebensziele zu verwirklichen. Da der Mensch bekanntlich zoon politikon und zoon logon echon ist, ist er für diese Verwirklichung auch auf das politi51
R. Bodéüs (1993) verwies auf den engen Zusammenhang zwischen der aristotelischen Nikomachischen Ethik und der Politik. V.a. Kapitel 10 der Ethik muss als Brücke zwischen den beiden Werken verstanden werden. Siehe auch Arthur Adkins (1984).
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sche System angewiesen. Entweder negativ, indem das politische System dem Einzelnen ein größtmögliches Maß an Freiheit und damit Privatsphäre ermöglicht oder positiv, indem es die Teilnahme am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess gestattet. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, dass die Politik diese Objektivität des politischen Repräsentativsystems verwirklichen könnte. Repräsentativsysteme, d.h. alle Institutionen und Prozesse, die das Verhältnis Regierte und Regierende regeln, sind Ausdruck bestimmter politischer Ordnungs- und Lebensentwürfe. Politische Akteure adaptieren Repräsentativsysteme, um ihrer Idee vom Guten die besten Verwirklichungschancen zu ermöglichen. Zur Verwirklichung aber benötigt man Macht und in der Demokratie wird Macht durch Wahlen verliehen. Was also läge näher, als z.B. Wahlsysteme auch als Ergebnis und Instrument bestehender Machtverhältnisse zu begreifen? Diese Politik der Repräsentation hat zwei Aspekte: (1) der Versuch bestehende Repräsentativsysteme in ihrer Form aufrechtzuerhalten und (2) der Versuch diese zu verändern. Die von Bernard Manin (1997) perzipierte Stabilität der repräsentativen Prinzipien (Strukturen) ist auch Ausweis für den Erfolg des ersten Aspekts und damit dem Beharrungsvermögen politischer Macht. Jedes politische System ist Antwort auf ein politisches Problem. Der Feudalismus war die Antwort auf den Niedergang des karolingischen Reiches. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Absolutismus auf dem europäischen Kontinent die Antwort auf die religiösen Bürgerkriege. Die Entwicklung des parlamentarischen Repräsentativsystems in den letzten 200 Jahren gab die Antwort auf die steigende soziale Mobilität. Die europäische Integration kann als Antwort auf die zunehmende Überlastung des Nationalstaates interpretiert werden.52 Wenn sich aber die politischen Probleme, die zur Lösung anstehen, geändert haben, so ist zweifelhaft, ob die „alten Antworten“ genügen oder ob sie nicht vielmehr zum „Prokrustesbett des liberalen Repräsentativsystems“ (Rausch 1968: xiv) werden. Analysen zur Repräsentation müssen daher in den jeweiligen sozio-historischen Kontext eingebettet werden. Nur dann ist eine schlüssige Aussage zu Veränderungen und Entwicklungstrends möglich. Und nur dann, kann die politische Philosophie sich von der Dominanz des nationalstaatlichen Diskurses lösen.
I.2.8.
Eine Krise der repräsentativen Institutionen?
Heinz Eulau diagnostizierte nur eine Krise der Theorie der Repräsentation, die erstaunlicherweise einer funktionierenden Praxis der repräsentativen In-
52
Dies lässt zunächst offen, ob das Integrationsprojekt als ein Rettungsversuch für den Nationalstaat (Milward 1992; Moravcsik 1998) oder als dessen Überwindung verstanden wird.
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Die Ratlosigkeit der Theorie
stitutionen gegenübersteht. Bernard Manin (1997: 3f.) griff diese institutionelle Stabilität und Kontinuität 1997 auf: “At this point we need to remind ourselves that certain institutional choices made by the founders of representative government have virtually never been questioned. […] several arrangements have remained the same, such as those governing the way representatives are selected and public decisions are made. They are still in force in the systems referred to as representative democracies today.” In dem gemeinsam mit Adam Przeworski und Susan Stokes herausgegebenen Band werden diese Principles of Representative Government präzisiert und operationalisiert.53 Folgende Grundzüge werden genannt: “(1) Rulers, those who govern, are selected through elections. (2) While citizens are free to discuss, criticize, and demand at all times, they are not able to give legally binding instructions to the government. (3) Rulers are subject to periodic elections.”54 (1999: 3). Die seit mindestens 200 Jahren andauernde Stabilität dieser Prinzipien ist “one of the most striking facts in the history of representation, that while there has been a broad and stable consensus over representative institutions, people have constantly argued over what was supposed to go on during representation.” (ibid.). Die Diskrepanz zwischen der Stabilität der Strukturen und der Substanz der Repräsentation kann aber auch als Ursache und Wirkung interpretiert werden. Zu große Stabilität inkludiert mangelnde Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an veränderte sozio-politische Verhältnisse. Der extrem personalisierte Charakter von Wahlen, die Tatsache, dass Wähler eher reagieren als Präferenzen ausdrücken, dass Parlamente nicht Foren der Deliberation, sondern Bühne für bereits vorher festgelegte Parteilinien sind, ist Ausdruck der Krise zumindest eines Prinzips der repräsentativen Demokratie. Manin (1997: 41) versteht den Selektionsmechanismus der Wahl als entscheidendes Unterscheidungskriterium zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. Wenn also die Wahl die differentia specifica repräsentativer Systeme ist, wir aber unzählige Studien zur schwindenden Wahlbeteiligung kennen, so kann mit Recht auch von einer Krise der Institutionen der Repräsentation gesprochen werden. Diesem Befund steht die Zunahme der Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements und anderer Formen der politischen Beteiligung nicht entgegen, vielmehr wird er bestätigt: Ist das repräsentative System nicht geeignet oder nicht mehr länger in der Lage, dem Bürger eine adäquate Beteiligung zu ermöglichen, so werden andere Formen der Beeinflussung des politischen Entscheidungsprozesses gesucht oder es wird von einer Beteiligung Abstand genommen. Die Aushöhlung des parlamentarischen Repräsentativsystems ist die Folge. Die monopolisierende Konzentration auf Wahlen als Kriterium demokratischer Politik scheint zudem Ausdruck einer “politics of presence” Haltung (Phillips 1995) 53 54
Damit einher ging auch ein Namenswechsel von principles zu basic structure. 1997 (6) nennt Manin noch zusätzlich als viertes Prinzip: “Public decisions undergo the trial of debate.”
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zu sein. Nicht der Inhalt der Repräsentation, sondern die möglichst detailgetreue Abbildung aller in der politischen Gemeinschaft existierenden Interessen, Klassen, sozialen Gruppen etc. ist wichtig. Mit Pitkin’s Worten: “[W]hat seems important is less what the legislature does than how it is composed.” (1967: 61). Andere Aspekte der Repräsentation, wie z.B. Responsivität, treten in den Hintergrund. Der Prozess der europäischen Integration, der eine „Fusion“ (Wessels 1997) der beteiligten nationalstaatlichen und supranationalen Ressourcen inkludiert, übt einen enormen Druck auf nationale politische Systeme aus. Die einstmals relativ geschlossenen Grenzen des Nationalstaates – im Sinne der Artikulation und Organisation von Interessen und damit der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Politik – erodieren durch die Integration (Bartolini 1998, 1999). Die Aufgaben der nationale Parlamente, Gerichte und Regierungen sowie deren Balance müssen neu definiert werden. Die Teilnahme am europäischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess erfordert von den nationalen institutionellen Arrangements und politischen Akteuren eine Adaptionsfähigkeit, die diese bisher allerdings nur in einem eingeschränkten Masse gezeigt haben. Wesentlich erfolgreicher konnten ökonomische Akteure ihre spezifischen Interessen in das politische System der Europäischen Union einbringen. Dies resultiert in einem Ungleichgewicht zwischen der Repräsentation diffuser und spezifischer Interessen. Es ist zu fragen, ob die Komplexität des politischen Systems der Union und seine institutionelle Ausgestaltung auch auf der Umsetzung eines Repräsentationskonzeptes basieren, welches für supranationale Politik nicht geeignet ist. Wenn diese Annahme zutrifft, so ist die Frage „Cui bono?“ zu stellen. Der erhebliche Machtgewinn der politischen Exekutiven durch den Integrationsprozess (Puntscher Riekmann 1998) hat diese auch in eine komfortable Position gerückt, abseits parlamentarischer Deliberationsmuster, Politik hinter verschlossen Türen zu betreiben. Die Forschung zur Europäischen Integration hat sich in den letzten Dekaden hauptsächlich auf Fragen des “institution-building” (Börzel/Risse 2000) und Detailstudien zu verschiedenen Politiken der Union konzentriert. Das Resultat dieses Fusionsprozesses bildete die abhängige Variable, die es zu erklären galt (Puchala 1972; Wallace/Wallace 1996; Stone Sweet/Sandholtz 1998; Moravcsik 1999; Héritier 1999). Wenig Aufmerksamkeit wurde dagegen dem Einfluss der Integration auf die Veränderung nationaler politischer Systeme gewidmet. Erst in jüngster Zeit ist eine Zunahme an Studien zu diesem Thema zu beobachten. Die Definitionen und Konzepte, um diesen Vorgang zu beschreiben, sind umstritten (z.B. Lehmkul 1999; Börzel/Risse 2000; Falkner 2000; Green Cowles et al. 2001; Harmsen 1999; Kohler-Koch 1998; Knill 1998; Knill/Lehmkuhl 1999; Knill/Lenschow 2000; Ladrech 1994; Radälli 2000). Analysen, die sich mit den Veränderungen der normativen Grundlagen der nationalstaatlichen Systeme auseinandersetzen, sind innerhalb dieses Literaturstranges nicht auszumachen.
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Die Ratlosigkeit der Theorie
•
Eine Theorie der Repräsentation hat sich also, zusammengefasst, unter folgenden Bedingungen zu bewähren:
•
Fundamentaler gesellschaftlicher Wandel: die Pluralität individueller Lebensentwürfe und Vorstellungen vom ‚guten Leben‘.
•
“Essential contestability” des Konzepts der Repräsentation: Repräsentativsysteme sind Antworten auf spezifische politische Probleme, eine Übertragung einer Antwort auf völlig veränderte Umstände ist unzulässig.
•
Repräsentativsysteme als Ausdruck bestimmter Machtverhältnisse.
•
Transnationalisierung der Politik: der Aufbruch nationalstaatlicher Grenzen, um auf den sozio-politischen Wandel zu reagieren.
Im Folgenden sollen diese Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation näher beleuchtet werden. Unablässig dazu ist auch eine Darstellung der Methode, wie sie in Teil I.3 erfolgt. Erst dann wird versucht, durch Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des Konzepts der Repräsentation verschiedene Elemente einer Theorie zu verorten. Diese Elemente werden in ihrem Entstehungskontext analysiert.
II. Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation Our common conceptions of representation are obsolete. Heinz Eulau, 1966
Eine Möglichkeit mit dieser neuerlichen Transformation der Politik umzugehen, ist der Rückzug auf scheinbar sicheres Terrain, d.h. den Nationalstaat. Andere Möglichkeiten, Demokratie im supranationalen Raum zu denken, werden im besten Falle als utopisch, im schlechtesten Falle als gefährlich gebrandmarkt. Der eiserne Griff des etatistischen Denkens lässt einen Ausbruch nur selten zu (Schmitter 1992; MacCormick 1997). Der Schritt “from democracy in the national state to democracy in the transnational state” (Dahl 1994: 32, siehe auch 1989) erfordert eine Neubewertung zentraler Konzepte der Demokratie. Eine solche Neubewertung und Rekonstruktion macht auch eine historische Kontextualisierung des Konzepts der Repräsentation notwendig, da nur so mögliche politische Instrumentalisierungen, Pfadabhängigkeiten und zukünftige Entwicklungslinien sichtbar werden. Begriffsbedeutungen wechseln mit sich veränderndem Kontext und damit verändert sich auch das Ziel einer Definition, die in politischer Absicht erfolgt. In der Absicht, Ansprüche auf z.B. Teilnahme am politischen Prozess abzuwehren oder zu bekräftigen. Dies gilt für die mittelalterlicher Korporationslehre der Repräsentation ebenso, wie für die Begründung der parlamentarischen Repräsentation im 20. Jahrhundert. Der politische Theoretiker ist aber in seinem/ihren Bemühen um Intersubjektivität, Verständlichkeit, Aufmerksamkeit und Anerkennung nicht gänzlich frei, Konzepte beliebig zu verändern. Eine radikale Umdeutung bestehender Schlüsselkonzepte ist nur beschränkt möglich, selbst Revolutionen müssen bewahren (siehe dazu Schmitt 1969). So ist allen Schlüsselkonzepten immer auch ein Element der Kontinuität eigen, welches die Grenzen eines Intepretationskorridors setzt. Es soll hier keine chronologische Darstellung der konzeptionellen Entwicklung von Repräsentationsverständnissen erfolgen. Dies ist an anderer Stelle bereits geschehen: Hasso Hofmanns (1974) Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte der Repräsentation geben einen detaillierten Einblick in die Entwicklung des Konzepts von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Diese Arbeit kann mit Recht als die im deutschen Sprachraum umfassendste Analyse aus verfassungsgeschichtlicher Perspektive bezeichnet werden, die angesichts der „Differenziertheit der Interpretation und Einordnung der Quellen
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Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation
bis heute unübertroffen ist“ (Hollerbach 1992). Wolfgang Mantl kritisierte in seiner 1957 vorgelegten Habilitationsschrift die auf der deutschen Staatsrechtslehre und -philosophie, vor allem auf Carl Schmitt und Gerhard Leibholz basierende Antithese von Repräsentation und Identität. Mantl ergänzte diese Arbeit mit einer historischen Analyse der Genese des modernen Repräsentativsystems. Das von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck herausgegebene Lexikon „Geschichtliche Grundbegriffe“ verzeichnet auch einen Aufsatz zum Thema Repräsentation, verfasst von Adalbert Podlech (1984), in dem der Bedeutungswandel des Konzepts nachgezeichnet wird. Schließlich ist auch die Detailstudie von Hermann Schmitt (1969) zu nennen: „Repräsentation und Revolution“. Schmitt begegnet mit dieser Studie vor allem der Auffassung von der Französischen Revolution als abrupten Neubeginn hinsichtlich der Repräsentationsvorstellungen. Im angelsächsischen Raum sind die Arbeiten von Hanna Pitkin (1967) und Anthony Birch (1971) hervorzuheben. In ihrem Bemühen, die Komplexität des Konzepts Repräsentation aufzuzeigen, setzt Pitkin auf die Klassiker: Thomas Hobbes und Edmund Burke, die als Antipoden gelten können. Bereichert wird ihre wegweisende Studie durch eine Fülle von historischem Material aus der politischen Ideengeschichte. Birchs Analyse zeichnet sich durch ein typisch britisches Verständnis repräsentativen Regierens als Prärogative des Parlaments aus. Frank Ankersmit (2002) verweist auf die unterschiedlichen Wurzeln von Demokratie und Repräsentation: während erstere ihren Ursprung im antiken Athen hat, ist letztere eine politische Praxis aus dem Mittelalter. “Hence, democracy has no intrinsic link with representation, representation, has no intrinsic link with democracy.” (Ankersmit 2002: 108). Ankersmit konzentriert sich im Folgenden auf die ästhetische Konnotation des Begriffs. Schließlich ist Bernard Manin’s Buch “Principles of Representative Government” zu nennen (1997). Manin konzentriert sich auf die Entwicklung des primären Instruments der Repräsentation und beschreibt die Durchsetzung der Wahl gegenüber dem Losverfahren. Eine simple Wiederholung der in diesen Studien geleisteten Arbeit, sowohl in begriffsgeschichtlicher als auch konzeptueller Hinsicht, erscheint von begrenztem Wert. Vielmehr soll eine Kategorisierung der Elemente einer Theorie der Repräsentation sowie deren historische Rekonstruktion und Kontextualisierung erfolgen. Der Hintergrund dieses Unternehmens liegt in einem spezifischen Verständnis von politischer Theorie begründet, dessen Grundstein vor mehr als 35 Jahren von Quentin Skinner (1969) gelegt wurde. Im folgenden soll das unter dem Namen “Cambridge School of Historians” bekannte, im deutschen Sprachraum aber weitgehend unrezipierte Programm55 skizziert werden, da es die methodische Grundlage für die Diskussion der Elemente des Konzepts Repräsentation bildet. Auch das von Rein-
55
Siehe Hellmuth Eckhart und Christoph v. Ehrenstein (2001).
Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation
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hart Koselleck entworfene Programm der Begriffsgeschichte wird kurz dargestellt, da es eine notwendige diachronische Ergänzung der Cambridge School bildet.
II.1.
Methodische Grundlagen – die Cambridge School of Historians und Reinhart Koselleck
Ausgangspunkt für die Cambridge School of Historians um Quentin Skinner und John Pocock ist die Konzentration auf Sprache als verbindendes Element zwischen Theorie und Praxis. Sprache als “the tool which human beings use in their struggle to make sense of their experiences.” (Dunn 1980: 17).56 Die Bezeichnung „Schule“ darf allerdings nicht wörtlich verstanden werden, da wir ihr kein einheitliches Theoriegebäude verdanken, sondern verschiedene Ansätze, die einen neuen Zugang zu politischer Ideengeschichte und Theorie eröffnen. Neben Skinner und Pocock sind vor allem Peter Laslett, John Dunn, Duncan Forbes, Robert Tuck, James Tully, Anthony Pagden, Donald Winch und Terrence Ball zu nennen. Ziel ihrer Untersuchungen ist die Analyse des reflexiven Wechselspiels von gesellschaftlicher Entwicklung, politischer Praxis und theoretischer Reflexion unter sich verändernden Diksurs- und Sprachtraditionen. Politische Texte, seien dies Texte aus dem Kanon der Ideengeschichte oder zeitgenössische Beiträge, werden nicht als abstrakte, lediglich aufeinander bezogene Beiträge zu einer kontinuierlichen philosophischen Debatte über zeitlose menschliche Probleme interpretiert, sondern als politische und linguistische Interventionen in einem jeweils historisch und kulturell, politisch und linguistisch genau zu bestimmenden Kontext verstanden. Es erfolgt eine Einbettung des politischen Denkens in den Zusammenhang des politischen Lebens und Handelns einer sozialen Gemeinschaft. Dieser Zusammenhang bildet den Hintergrund aller politischen Theorie. Sprache ist dabei das verbindende Element, welches politische Praxis und politische Theorie in einen wechselseitigen konstitutiven Zusammenhang setzt. Traditionen, soziale und linguistische Konventionen bilden ein paradigmatisches Grundgerüst in und an welchem sich politisches Denken vollzieht und vor dessen Zusammenhang die jeweilige Leistung beurteilt werden muss (Rosa 1994). Der politische Theoretiker wird nicht mehr länger als einsames Genie, das die Geschicke der Menschheit reflektiert, betrachtet, sondern als soziales Wesen (vgl. Boucher 1985: 155) erkannt. Seine Gedanken werden als soziale Handlungen oder Ereignisse verstanden, die zu einem diskursiven Paradigma gehören, welches den Kontext (und manchmal Käfig) seines Denkens bildet. 56
Eine Einsicht, die sich auch schon bei Herder und v.a. Locke findet: “Language is the great bond and common tie of society.” (Locke 1977, Buch III, Kap. 11).
50 Methodische Grundlagen – die Cambridge School of Historians und Reinhart Koselleck
Diese diskursiven Systeme sind aber nicht als rein theoretische Paradigmen zu verstehen, sondern sie sind operativ, d.h. sie definieren Institutionen und Praktiken. Sie weisen Zeichen und Bedeutung zu und sind damit ein Leitfaden zu sozialen und politischen Handlungen.57 Skinner spricht statt von paradigmatischen Sprachsystemen von Ideologien, die notwendigerweise intersubjektiv sind und Situationen als wichtig oder unwichtig beschreiben. Er betont die Konstruktion und Legitimation sozialer Praktiken durch das politische Vokabularium einer Gemeinschaft (Skinner 1980: 132). Demzufolge bedeutet eine Veränderung des Diskurses auch eine Veränderung unserer sozialen und politischen Realität. “To the extent that our social world is constituted by our concepts, any successful alteration in the use of a concept will at the same time constitute a change in our social world.” (Skinner 1988: 276). Dies trifft für eine Ausweitung der durch Begriffe umrissenen Tatsachen und Umstände genauso zu, wie für etwaige Neologismen. Die entscheidenden Impulse zur Entwicklung dieses Ansatzes gingen von Quentin Skinner aus (Palonen 2002, 2003). Das Fundament bildet Skinners Opposition zu Textualismus und Kontextualismus.58 Weder die orthodoxe Analyse des Textes aus sich selbst heraus, wie von Leo Strauss propagiert, noch das „Verlieren“ eines Textes oder einer Äußerung in seinen ökonomischen, politischen, sozialen Konditionen ermöglichen sein/ihr Verständnis. Die richtige Strategie ist vielmehr die Beschreibung der komplexen Matrix vor deren Hintergrund aber auch zu deren Bestätigung oder Veränderung ein Text oder ein Argument verfasst wurden. Nicht die Erklärung ist das vorrangige Ziel, sondern die Beschreibung (Skinner 1966: 214). Die so genannten orthodoxen Methoden haben laut Skinner nur Mythologien produziert: Z.B. die Obsession einen intellektuell kohärenten Autor zu präsentieren, obwohl Widersprüchlichkeiten in einem Opus die Regel und nicht die Ausnahme sind. Oder die Obsession einen Katalog von Problemen zu erstellen, zu denen der Autor sich geäußert haben muss, um ihn zum Kanon zählen zu können. Das Schreiben einer Ideengeschichte wird nur zeigen, dass ein bestimmter Ausdruck, eine bestimmte Phrase zu verschiedenen Zeiten benutzt wurde, um verschiedene Antworten auf verschiedene Fragen zu formulieren: “there is no history of the idea to be written, but only a history necessarily focused on the various agents who used the idea, and on their varing situations and intentions in using it.” (Skinner 1969: 38). Wir können allerdings nicht wissen, wozu eine bestimmte Wendung gedacht war, welche Frage sie zu beantworten beabsichtigte, welche Intentionen damit verbunden waren und welche Implikationen sie für die diversen Akteure hatte. Nur die Rekonstruktion des intellektuellen und historischen Kontextes ermöglicht die Identifikation der potentiellen Intentionen des Autors und macht so die 57 58
Vgl. dazu Terence Ball’s “deadly hermeneutics” (Ball 1995: 6). Der entsprechende Artikel Skinner’s (1969) gilt heute als Klassiker der ideengeschichtlichen Methodologie.
Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation
51
Bedeutung eines Textes, einer Handlung einsichtig. Laut Skinner gibt es eine logische Verbindung zwischen der Bedeutung einer sozialen Handlung und dem Motiv des Handelnden. Deshalb ist das Erforschen der Motive eines Akteurs für eine Handlung eine Frage der Verortung dieser Handlung in einem sozialen Kontext.59 Im Einleitungstext von Skinners Hauptwerk, den The Foundations of Modern Political Thought (1978, Vol.I: xiii), ist zu lesen, dass diese neue Methode uns befähigt, zu verstehen, was die Autoren “were doing in writing”. Linguistische Interventionen, und hier zeigt sich die Nähe der Cambridge School zur Sprechakttheorie von John L. Austin, werden als Handlungen interpretiert. Diese Handlungen müssen mittels eines genuin historischen Zugangs entdeckt werden, um die intendierten Implikationen eines Textes zu verstehen. Nur so wird es möglich, politische Theorien als Beitrag zur Rechtfertigung oder zur Kritik bestehender Herrschaftssysteme zu erfassen. Methodisch wird eine Situation, d.h. eine Handlung und die sie umgebenden sozio-politische Matrix hierbei in vier Elemente unterteilt: (1) ein Akteur, (2) ein zu kommentierendes politisches Ereignis, (3) eine existierende Sprachstruktur, die einen Interpretations- und Lösungskorridor vorgibt, und (4) ein Sprechakt, ein Text, welcher Auswirkungen sowohl auf das Ereignis wie auch die Sprachstruktur haben kann. Die zu schreibende Geschichte besteht aus Ereignis und Kontext: aus den intellektuellen und verbalen Handlungen von Akteuren und aus dauerhaften Sprachstrukturen innerhalb derer und mit Hilfe derer sie ausgeführt werden. Skinner bedient sich der Sprachakttheorie von John Austin (1961, 1962, 1975).60 Die zentrale Aussage dieser Theorie besagt, dass jeder Akteur, der eine seriöse Äußerung tätigt, nicht nur etwas sagt, sondern auch eine Handlung setzt, indem er etwas sagt. Zwischen der Aussage als Handlung und einer Handlung als Folge der Aussage ist zu unterscheiden. Austin differenziert zwischen illokutionären, lokutionären und perlokutionären Elementen einer Äußerung. Zur Veranschaulichung dieser Elemente benutzt Skinner folgendes Beispiel: Die Aussage: „Das Eis dort drüben ist recht dünn!“ enthält eine konkrete sinnvolle Information über die Welt (Lokution). Zum Zweiten wird eine solche Aussage aber immer auch mit einer bestimmten Absicht, einer Intention geäußert (Illokution). Wird die Aussage z.B. von einem Polizisten gegenüber einem Eisläufer auf einem See gemacht, so ist die 59
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Skinner ist bemüht eine Trennlinie zwischen der Arbeit des Philosophen, der klassische Texte als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen heranzieht und dem Historiker, der sich keine Aussagen leisten kann, die nicht mittels historischer Werkzeuge zu historischen Zwecken vom Historiker entdeckt worden sind. Die Methoden der beiden Disziplinen, und dies ist Skinners Hauptanliegen, müssen im Sinne analytischer Klarheit streng getrennt bleiben. Skinner verweist auch auf Peter Strawson (1969), der betont, dass das illokutionäre Element verstanden werden will.
52 Methodische Grundlagen – die Cambridge School of Historians und Reinhart Koselleck
Handlung, die der Polizist im Sprechen vollzieht (höchstwahrscheinlich) eine Warnung. Die Schlussfolgerung, die der Eisläufer daraus zieht, bildet das perlokutionäre Element. Eine Aussage kann aber nur als Warnung verstanden werden, wenn die jeweilige Sprachtradition, das Sprachparadigma eine solche Interpretation zulässt. Neben dem lokutionären Element haben wir nach der primären Intention des Urhebers zu fragen und genau dies wird durch die illokutionäre Beschreibung gewonnen. Skinner nennt das den point einer Äußerung in einem spezifischen Diskurs und ideologischen Kontext: “what an illocutionary redescription will characteristically explain about a social action will be its point.” (Skinner 1972: 142f.). Dieser point soll durch die Analyse der umgebenden linguistischen Konventionen gewonnen werden. Politische Theorien sind nicht nur eine Intervention in linguistische Konventionen, sie sind auch ein aktives Eingreifen in den ideologischen, politischen, sozialen Kontext einer Zeit durch die Beschreibung und Interpretation von politischen Institutionen. Texte sind also Manipulationen ideologischer Konventionen. Sie zielen auf die Legitimierung und Delegitimierung problematischer Elemente der politischen Welt. Skinner identifiziert drei Möglichkeiten für solche Manipulationen: (1) die Kriterien für den Gebrauch eines Terminus wechseln – damit wechseln auch die sozialen Einstellungen61; (2) die Ausweitung der Anwendungsgebiete für die ein Terminus gebraucht wird – dies resultiert in einem Wechsel der sozialen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit; (3) der Wechsel des evaluativen Potentials eines Terminus, was in einen Wechsel der sozialen Werte und Einstellungen mündet (Skinner 1980: 123ff.). Jeder politische Theoretiker verändert damit, bewusst oder unbewusst, die Bedeutung eines herrschenden Paradigmas. Mit der Konzentration auf die Aussagen eines Akteurs sind aber auch Gefahren verbunden. Die Bedeutung, die man den Worten eines Autors zuschreibt, muss nicht diejenige sein, die er intendierte, bzw. können sie nicht in das herrschende Sprachparadigma eingeordnet werden. So können Platons ironische Äußerungen (z.B. im Symposium) nicht als solche verstanden werden, wenn der Kontext nicht in Betracht gezogen wird. Die Kenntnis des Sprachparadigmas oder der Sprachmatrix ist Voraussetzung für die Entzifferung der Bedeutung. John Dunn hat darauf hingewiesen, das Denken eine alles andere als perfekte Aktivität ist. Vielmehr produziert es ständig Konflikte. Das Medium des Denkens ist die Sprache, es ist “the tool which human beings use in their struggle to make sense of their experiences.” (Dunn 1980: 17). Denken und Reden sind soziale Aktivitäten und intellektuelle Diskussionen sind komplexe und komplizierte Beispiele dieser Aktivitäten. Dies erschwert die Auffindung von Skinners point und ermöglicht gleichzeitig eine Fülle verschiedener Interpretationen und Instrumentalisierungen. 61
Man denke hier nur an die negativen Konnotationen des Wortes „Demokratie“ bis zum 18./19. Jahrhundert.
Herausforderungen an eine Theorie der Repräsentation
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Die von Skinner vorgeschlagene Methode hat eine heftige Debatte ausgelöst. Traditionelle Historiker haben sie als Historizismus, welcher klassische Texte für die Gegenwart nutzlos macht, abgetan. So etwa John Gunnel (1979), der von einem “unreflective antiquarianism” gesprochen hat, wie auch Howard Warrender für den das Studium politischer Texte “unencumbered by any historical considerations whatever” sein sollte, denn “to consign them to their contemporary milieu, with whatever honours, is to bury them” (Warrender 1979: 939). Oder Joseph Femia, der die Auflösung politischer Theorie in den jeweiligen Kontext befürchtet: für die Cambridge School “past thought must be completely dissolved into its precise context (culture, situation and so forth), and that it possesses no capacity for independent life” (Femia 1981: 115). Der Vorwurf wurde laut, dass Skinner seine Behauptungen auf mangelhaft definierten philosophischen und linguistischen Termini aufbaut, welche sich nur begrenzt für eine historische Analyse eignen (Tarlton 1973: 311; Parekh/Berki 1973: 167).62 Auch wurde die Frage aufgeworfen, ob Skinner nicht eine etwas zu eigenwillige Interpretation der Sprechakttheorie Austins verfolgt.63 Ian Shapiro fragt, ob Intention und Illokution denn wirklich dasselbe seien, denn “it is an absurd and extreme form of linguistic chauvinism to presume that the linguistic act of intentional communication is the only, even the primary, action performed in writing a text.” (Shapiro 1982: 546). Dabei wurde insbesondere auf die unabhängige Existenz des Textes verwiesen.64 Skinner hat allerdings betont, dass eine Äußerung, ein Text viele Bedeutungen haben kann. Das Auffinden des illokutionären Elements ist nur eine Aufgabe unter vielen (Skinner 1972b: 76). Wenn die Bedeutung der Aussage vom illokutionären Element abhängt und dieses durch den Kontext bestimmt ist, dann ist dieses Element nicht ein Teil von Aussagen, sondern von Situationen. Danach kann die illokutionäre Bedeutung eines Satzes nicht immer dieselbe bleiben – das Wissen um den Kontext, also eine Sozialgeschichte wird notwendig. Hayden White (1973, 1978, 1987) aber erinnert daran, das auch der Kontext eine Erfindung oder Rekonstruktion ist. So schreibt auch Reinhart Koselleck (1973: 567), dass „jedes historisch eruierte und dargebotene Ereignis lebt von der Fiktion des Faktischen, die Wirklichkeit selber ist vergangen.“ Historische Fakten sind “dynamic entities that emerge in time” (Ball 1995: 21; siehe auch Walsh 1967: 20), denn 62
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Ken Minogue (1988: 188) merkte an, dass für Skinner der Text oftmals als ein fremdes, nicht zu freundliches Wesen erscheint, dessen Bedeutung erst nach erheblichen Anstrengungen zu entziffern ist. Legt man den paradigmatischen Wandel der Sprache in Reinhart Kosellecks Sattelzeit zu Grunde, wird Skinners Haltung verständlich. Es wurden auch Zweifel an der Austin’schen Kategorie des illokutionären Aktes geäußert. Siehe z.B. Keith Graham (1988: 147). So z.B. auf Reader-Response Theorien. Darauf hat auch Ian Shapiro verwiesen: Politische Ideen “seldom if ever play the roles that their authors intend them to play.” (1982: 573).
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die “annexation of the past always assumes the form of a productive achievement (an inventio) that draws on present meanings” (Keane 1988: 211). Zudem ist die Beziehung zwischen Schrift/Wort und Realität keine eindeutige wie Marc Bloch (1992: 28) schon feststellte: “For, to the great dispair of historians, men fail to change their vocabulary every time they change their customs.” Es scheint angebracht, Charles Taylor zu folgen, der schreibt: “we can speak of mutual dependence if we like, but what this really points up is the artificiality of the distinction between social reality and the language of description of that social reality” (Taylor 1971: 24). Sprache reflektiert Realität und eine politische Ideen- oder Begriffsgeschichte offeriert Interpretationen von Texten die Reaktion auf kommunikative Konfusion sind. Universeller Pragmatismus wird dadurch nahezu ausgeschlossen. Trotz der teilweise berechtigten Kritik fällt es schwer, die Vorteile der Methode zu verneinen: das Wissen um die Intentionen eines Autors trägt zum Verstehen des Textes bei, unabhängig davon ob wir die Korrespondenz von Motiv, Intention und Illokution akzeptieren. Es trägt weiters dazu bei, den ideologischen Charakter im Sinne der temporären Herrschaftsrechtfertigung zu verstehen (Richter 1990: 60). Wahr ist, dass die „Transplantation“ eine Textes, Argumentes oder Begründungszusammenhangs damit problematisch wird. Neben Quentin Skinner hat sich v.a. John G.A. Pocock um eine methodologische Grundlegung ideengeschichtlichen Studiums bemüht. Seine Methode ist charakterisiert durch die rigorose Trennung von zwei möglichen Herangehensweisen an einen Text. Der Philosoph sucht nach dem Wahrheits- oder Rationalitätsgehalt in einem Text, der Historiker analysiert politische Denker als Individuen in einer Gesellschaft, deren Verhalten studiert werden kann “in order to show what manner of world they lived in and why they behaved in it as they did.” (Pocock 1962: 190). Er ist mit dem Verhältnis von Erfahrung und Denken beschäftigt, mit dem Verhältnis von “tradition of behaviour in a society and the abstraction from it of concepts which are used in attempts to understand and influence it.” (ibid.). Wie Skinner will auch Pocock den Philosophen von der Ideengeschichte fernhalten. Dennoch sollte Geschichte nicht als ancilla philosophiae betrachtet werden.65 Politische Philosophie für Pocock “is what happens when people reflect upon their political languages and that political languages are what social beings assemble from a multitude of sources to articulate and coordinate a multitude of activities.” (Pocock 1980: 140). Um einen Text zu verstehen, müssen wir die verschiedenen Diskurssysteme oder Paradigmen66 untersuchen. Ein Para65
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Leider, so Pocock (1962: 187), existiert aber eine gewisse Tendenz der politischen Ideengeschichte zu (schlechter) Philosophie zu werden. Die Bedeutung des Konzeptes „Paradigma“ bei Pocock ist umstritten. Für David Boucher (1985) ist „Paradigma“ ein zentraler Terminus in Pococks Arbeit der 1972 (276) schrieb: “A great deal of theory in the present volume is borrowed from a
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digma ist ein Weg ein Untersuchungsfeld zu strukturieren, um damit einige Interpretationsmöglichkeiten auszuschließen. Es determiniert Handlungsweisen und die Akteure, die sie ausüben. Ferner ist ein Paradigma konstitutiv für die soziale Realität, es formt die möglichen Rollen der politischen Spieler. Allerdings entwerfen die verschiedenen Teile der Gesellschaft verschiedene Vokabularien – eines davon übt zu einer bestimmten Zeit die Definitionsmacht aus, aber niemand hat alleinige Verfügungsgewalt darüber (Pocock 1980: 147), denn es gilt: “A complex plural society will speak […] a plurality of specialized languages.” (Pocock 1972: 22). In The Ancient Constitution and the Feudal Law identifiziert Pocock (1987) drei dominante Sprachtraditionen: die apokalyptische Prophezeiung, die Sprache der antiken Verfassung und des Gewohnheitsrechts sowie die Sprache des klassischen Republikanismus. Für Pocock (1962: 195; 1972: 15) werden die zentralen Termini einer politischen Gemeinschaft zuerst aus der Sprachtradition abstrahiert, um dann benutzt zu werden, um diese zu kritisieren. Letztendlich werden sie wieder in diese Tradition aufgenommen. Eine Veränderung oder ein Wechsel des herrschenden Paradigmas findet nur statt, wenn sozialer Wandel mit den zur Verfügung stehenden linguistischen Mitteln nicht mehr ausgedrückt werden kann. Sprache kann dann die zur Beschreibung der Realität notwendigen Termini nicht zur Verfügung stellen, weil diese an konventionelle Bedeutung gebunden sind.67 Die Zahl und die Bedeutung der verfügbaren Termini sind niemals geschlossen. Vielmehr sind politische Diskurse auch immer Debatten um Schlüsselbegriffe und deren mögliche Bedeutung. Grundlagen der Pocock’schen Position sind bereits in den 60er Jahren von Peter Berger und Thomas Luckmann (1966) formuliert worden.68 Sprache ist vorwiegend sozial und kreiert operative Definitionen der Realität. Nach Pocock kann jede Aussage in diversen Kontexten gemacht und verstanden werden. Sie hat ein Eigenleben und für jeden Diskursteilnehmer entsteht eine eigene hypothetische Welt. Demzufolge gibt es keine einzig richtige Bedeutung einer Aussage, vielmehr existiert eine “embarassing richness of meanings which the statement may have and/or has borne to the author himself and to any other historical actor involved in its operations” (Pocock 1980). Die Rolle, die der politischen Theorie bei der Konstituierung und Legitimierung gesellschaftlicher Verhältnisse zukommt, hängt dabei
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book entitled The Structure of Scientific Revolutions”. In seinen Schriften changiert Pocock zwischen der Verwendung von Paradigma und Diskurssystem mit paradigmatischer Funktion. So ist z.B. das Vokabularium der ‚antiken Sprache und des Gewohnheitsrechts‘ durch die Sprache des ‚Republikanismus‘ abgelöst worden. Dies ist später durch den sog. Konstruktivismus aufgenommen worden. Siehe dazu z.B. Kenneth Gergen (1986), Kenneth Gergen/Keith Davis (1985), Sigfried Schmidt (1992).
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vom jeweiligen Zustand eines politischen Gemeinwesens ab: In gesellschaftlichen Normalphasen (Kuhn 1962), in denen sich politische Grundlagendiskussionen nur störend auf das politische Leben auswirken würden, beschränkt sie sich weitgehend auf Explizierung und damit implizite Legitimierung des gesellschaftlich-operativen Paradigmas, während „große politische Theorie“ auf hohem Abstraktionsniveau Reaktionen auf Legitimationskrisen des operativen Paradigmas darstellen. Sie zielen auf Rechtfertigung eines bestehenden oder – weit häufiger – eines alternativen Paradigmas, wobei letzteres durch Begriffsumdeutungen und -neueinführungen auf eine, wie Hartmut Rosa (1994) das nennt „grundlegende Umwälzung der gesellschaftlichen Lexikonstruktur abhebt“. Während Pocock sich der Erforschung der historischen Paradigmen oder Sprachtraditionen widmet, geht Skinner der Frage nach, wie Autoren mit den gegebenen Paradigmen umgehen, bzw. sie kritisieren. Erster ist mit der Untersuchung gesellschaftlicher Normalphasen befasst, letzterer mit Krisenzeiten oder gesellschaftlichen Umbrüchen. Die synchrone Analyse der Cambridge School im Sinne der Konzentration auf bestimmte Perioden und ihrer linguistischen Paradigma sowie deren Veränderung wird durch die diachrone Analyse der Begriffgeschichte Reinhart Kosellecks ergänzt. Hier steht die Entwicklung der Begriffe über einen längeren Zeitpunkt hinweg im Mittelpunkt. Der Doyen der deutschen Geschichtswissenschaft, Reinhart Koselleck, gemeinsam mit Otto Brunner und Werner Conze Initiator des lexikalischen Projekts der Begriffsgeschichte (1974–1997), erklärte im Jahr 1967 als Aufgabe der Geschichtswissenschaft die Untersuchung der „Auflösung der alten und die Entstehung der modernen Welt in der Geschichte ihrer begrifflichen Erfassung“ (Koselleck 1967: 81; siehe auch 1972: xiv). Der Entstehung der Moderne oder Neuzeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts geht eine Periode voraus, in der “concepts are no longer intelligible to us without interpretation and exegesis, and followed by a modernity in which the conceptual structure does not generally require such elaboration.” (Tribe 1985: x). Die massiven Veränderungen in dieser „Sattelzeit“ (Koselleck 1987) können durch die Analyse zentraler Grundbegriffe oder Konzepte verstanden werden, da die soziale und politische Terminologie Faktor und Indikator historischer Veränderungen ist. Was gilt als geschichtlicher Grundbegriff? Koselleck versieht die Autoren des Lexikons geschichtlicher Grundbegriffe mit einem Leitfaden von Fragen: War das Konzept im allgemeinem Gebrauch? In welchem Kontext scheint es auf? Welche Akteure verwenden das Konzept, für welche Zwecke und an wen adressiert? Wie lange war der Grundbegriff in Gebrauch? Mit welchen Termini überschneidet er sich? Gibt es einen Gegenbegriff?69 (Koselleck 1979: xii; 1967: 87ff.).70 Für die Aufnahme eines Beg-
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Koselleck (1979: 211ff.) gibt als Beispiele für asymmetrische Gegenbegriffe die Paare Hellene/Barbar, Christ/Heide, Mensch/Untermensch an. Der asymmetri-
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riffs in das Lexikon muss dieser sich durch eine mögliche Ideologisierung und Verwendbarkeit sowie durch seine politische Funktion auszeichnen. So sind „zentrale Verfassungsbegriffe, Schlüsselworte der politischen, der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Organisation, Selbstbenennungen entsprechender Wissenschaften, Leitbegriffe politischer Bewegungen und deren Schlagworte, Bezeichnungen dominierender Berufsgruppen und sozialer Schichtungen und theoretisch anspruchsvolle Kernbegriffe, auch deren Ideologien, die den Handlungsraum und die Arbeitswelt gliedern und auslegen“ (Koselleck 1972: xiv) Teil des Lexikons. Koselleck macht selbst auf die Schwierigkeiten bei der Auswahl der Begriffe aufmerksam: Die Probleme der analytischen Abgrenzungsfähigkeit zwischen Worten und Begriffen und die sich daraus ergebende Unmöglichkeit einer strikten methodischen Vorgabe71 machen die Begriffsgeschichte zu einem Prozess: “It is intended not as an end in itself but rather as a means of emphasizing the importance of linguistic and semantic analysis for the practice of social and economic history.” (Tribe 1985: xiii). Nur die kritische Exegese von Texten erlaubt die Entdeckung von Begriffen, die als zentrale Elemente politischer Sprache dienen. Worte können eindeutige Denotationen haben, während Begriffe notwendigerweise im Sinne der “essential contestability”, vieldeutig bleiben müssen. Ein Wort wird zu einem Begriff „wenn die Fülle eines politisch-sozialen Bedeutungszusammenhanges, in dem – und für den – ein Wort gebraucht wird, insgesamt in das eine Wort eingeht.“ (Koselleck 1972: xxii). Wichtig für Kosellecks Ansatz ist die Unterscheidung von Sozial- und Begriffsgeschichte. Letztere konzentriert sich auf die Analyse von Texten und Begriffen während erstere sich „nur der Texte bedient, um daraus Sachverhalte abzuleiten und Bewegungen, die in den Texten selber nicht enthalten sind.“ (Koselleck 1979: 107). Aber ohne Begriffe gibt es keine Gesellschaft und keine Politik.72 Die politischen und sozialen System in denen unsere Begriffe verwurzelt sind, können nicht als lediglich linguistische Ge-
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sche Gegenbegriff zu Repräsentation ist Identität. Siehe dazu Wolfgang Mantl (1975). Ein Blick in das Lexikon der Begriffsgeschichte zeigt jedoch, dass nicht alle Autoren diese Fragen beantworten oder gar denselben formalen Kriterien entsprechen. Querverweise zwischen den Beiträgen fehlen leider, wodurch die Rekonstruktion eines semantischen Feldes zumindest teilweise verfehlt wird. Siehe hierzu auch Rolf-Peter Horstmann (1979: 37ff.). Auch hier zeigt sich die Nähe zu John Locke, der im III. Buch des Essay Concerning Human Understanding schrieb: “Political language is a medium of shared understanding and an arena of action because the concepts embedded in it inform the beliefs and practices of political agents. The social and political world is conceptually and communicatively constituted or [...] preconstituted. According to this constitutive view of language, who and what we are [...] are deeply delimited by the argumentative and rhetorical resources of our language. The limits of one’s language mark the limits of one’s world.
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meinschaften, die um Schlüsselbegriffe organisiert sind, verstanden werden, denn es gilt: „Eine Gesellschaft und ihre Begriffe stehen in einem Spannungsverhältnis“ (Koselleck 1979: 108). Deshalb müssen die spezifische politische Situation sowie die sozialen Bedingungen, der Gebrauch der Sprache durch Autoren und Akteure (und ihrer Vorgänger) untersucht werden. Sozialgeschichte und Begriffsgeschichte bedingen sich also gegenseitig. Die Begriffsgeschichte übt einen beträchtlichen Einfluss auf die Sozialgeschichte aus. Die gedankenlose Anwendung von kontextdeterminierten Ausdrücken sowie Bedeutungskomplexen aus der Gegenwart auf die Vergangenheit, welche z.B. politische Ideen als stabile Einheiten betrachtet, wird kritisiert. Vielmehr muss durch die Begriffsgeschichte eine Übersetzung stattfinden: Die Bedeutung von Worten aus der Vergangenheit muss in unsere gegenwärtige Sprache übersetzt werden. Die synchrone Analyse der Vergangenheit à la Skinner wird durch eine diachrone ergänzt. Diese wechselseitige Ergänzung macht es möglich, Bedeutungskontinuitäten und -diskontinuitäten zu erkennen. Koselleck bietet auch eine Typologie sozio-politischer Begriffe: (1) traditionelle Begriffe, deren Bedeutung sich nicht essentiell gewandelt hat und die weiterhin, auch unter den Bedingungen der Moderne, Gültigkeit besitzen; (2) Begriffe deren Bedeutung sich radikal gewandelt hat und (3) Neologismen, d.h. die Schaffung von neuen Begriffen als Reaktion auf spezifische soziale oder politische Umstände. Die Ursache für den Bedeutungswandel oder die Begriffsneuschaffung liegen im Auseinanderklaffen von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont, für Koselleck epistemologische und formale Kategorien: „Demnach induzieren unsere beiden Kategorien allgemein menschliche Befunde; wenn man so will, verweisen sie auf eine anthropologische Vorgegebenheit, ohne die Geschichte nicht möglich oder auch nur denkbar ist.“ (Koselleck 1979: 352). In Perioden außergewöhnlichen gesellschaftlichen und politischen Wandels, wie z.B. der Französischen Revolution, dienen „Begriffe nicht mehr nur, Vorgegebenheiten so oder so zu erfassen, sie greifen auch in die Zukunft“ (Koselleck 1979: 113). Charakteristisch für die Neuzeit ist die immer größere Distanz zwischen Erfahrung und Erwartung. Der gesellschaftliche, politische und technische Wandel erlaubt Erwartungen an die Zukunft, die kaum noch auf den Erfahrungen der Vergangenheit beruhen.73 Und dies wird in der Sprache reflektiert. Koselleck geht es allerdings nicht um eine rein linguistische Analyse, sondern um die Klärung des Gebrauchs und der Bedeutung von Konzepten in einem spezifisch politisch-sozialen Kontext. Dies ist umso erstaunlicher, hat sich doch die deutsche Sprachwissenschaft in ihren historischen Analysen vor allem auf Phonetik, Syntax und Morphologie konzentriert. „Parole“ und Diachronie wurden zugunsten von „langue“ und Synchronie vergessen (Cherubim 1983: 173). 73
Damit wechselt auch das Verständnis von Vergangenheit von der Rolle als „Magistra vitae“ zur Geschichte. Siehe hierzu Kosellecks exzellenten Beitrag zum Begriff der „Fortschritts“ im Lexikon der Begriffsgeschichte.
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Skinner, Pocock und auch Koselleck sind „Enkel“ Ludwig Wittgensteins (z.B. 1971, §43)74, denn die Bedeutung eines Wortes liegt auch für sie in seinem Gebrauch. Vergangene Sprachparadigmen sind nur über Texte zugänglich, und Texte repräsentieren immer nur einen Ausschnitt aus einer Wirklichkeit. Die alleinige Rekonstruktion der Vergangenheit über Texte ist demzufolge immer eine unvollständige.75 Leider haben wir aber nur die Aufzeichnungen der Texte/Sprecher und nicht auch die der Zuhörer. Skinner (1988: 119) will Bedeutung mittels dem Studium von zentralen Autoren und Begriffen ermitteln, während Kosellecks den Wandel von Grundbegriffen untersucht. Während Koselleck eine Übersetzung dieser Termini und ihrer Bedeutung versucht, will Skinner wissen, wie Autoren mit einem gegebenen Paradigma umgehen, bzw. es kritisieren. In der Ideengeschichte nimmt das Studium von Texten eine hervorragende Rolle ein. Sie bieten einen Zugang zur Vergangenheit über ein Medium, welches noch immer in Gebrauch ist: Sprache. Der Gebrauch der Begriffe jedoch verändert sich. Die Neuzeit betrachtet Texte als Ausdruck des Denkens. Moderne, funktional differenzierte Gesellschaften drängen die rituelle Kohärenz zugunsten textueller zurück, d.h. die exakte Wiederholung von Riten sichert nicht mehr die fragile Balance zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont. Seit der Renaissance wird die Liturgie immer mehr als Last empfunden76 – eine Entwicklung, die in Kosellecks Sattelzeit kulminiert. Wiederholung wird durch Reflexion, Liturgie durch Hermeneutik ersetzt. Texte lassen Interpretationen zu, ja erfordern sie nachgeradezu, und damit entsteht ein Kanon. Ein Kanon, der wie die Sprache selbst, Interpretationskorridore vorgibt. Charles Taylors (1974: 17) Wunsch “to sweep away the past and have an understanding of things which is entirely contemporary” muss unerfüllt bleiben. In den folgenden Teilen dieser Arbeit sollen diese methodischen Überlegungen nicht nur Handlungsanleitung sein, sondern auch als Verständnismatrix dienen. Der Grundbegriff der Repräsentation weist enorme Verkrustungen auf, die im Laufe seiner ideologischen Geschichte eine Form ausgebildet haben, die eine Substanz vermuten lässt. Die theoretische Beschäftigung mit dem Konzept wird aber vielmehr zeigen, dass es nur verschiedene Interpretationen (synchrone Analyse) gibt, aber keine ‚wahre‘ Bedeutung (diachrone Analyse). Eine historische Kontextualisierung dient auch dem Erkennen der Wurzeln und der Grenzen – im Sinne eines Interpretationskorridors – unsere gegenwärtigen Ideen von repräsentativen Systemen. Denn 74
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Hier muss auch Fritz Mauthner (1901) erwähnt werden, bei dessen Werk Beiträge zu einer Kritik der Sprache Wittgenstein durchaus erhebliche Anleihen genommen hat. Noch dazu wo Autoren wie Aristoteles, Machiavelli oder Kant nicht als repräsentativer Durchschnitt gelten können. Siehe hierzu Jan Assmann (1992).
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der Bedeutungsgehalt des Begriffes wird weitgehend von den liberalen Anschauungen des 19. Jahrhunderts bestimmt, einer Zeit der politischen Kämpfe um ein bestimmtes Repräsentativsystem. Die gesteigerte soziale und ökonomische Bedeutung des Bürgertums resultierte in der Forderung nach einer Beteiligung an der politischen Macht. Ihm war, wie Robert von Mohl (1860: 24 zit. nach Reuss 1968: 4) es ausdrückte „das ausschließliche Gehorchen lästig und die Bevorzugung höherer Stände widrig“ geworden. Verlangt wurde die Anerkennung der politischen Mündigkeit des Bürgertums. Ausdruck dieser Mündigkeit war die explizite staatliche Erlaubnis in öffentlichen Angelegenheiten mitreden zu dürfen. Dabei kam es zunächst weniger auf die Verwirklichung inhaltlicher politischer Forderungen an, die Forderung war Selbstzweck: „das Recht der freien Rede wird schlechthin als ein Attribut der Freiheit betrachtet und verlangt.“ Parlamente waren historisch gesehen kein Instrument der Emanzipation des Volkes. Sie dienten vielmehr der Emanzipation des privilegierten Bildungsbürgertums gegenüber der Herrschaft der Krone. Die Bedeutung von Repräsentation im 19. Jahrhundert beschreibt also eine politische Forderung und liefert nicht eine differenzierte Erklärung der Elemente der Repräsentation. Welche gesellschaftlichen Kräfte drängen heute zu einer Beteiligung an der politischen Macht, die durch den Prozess der europäischen Integration neu geordnet wird? Es scheint als würde der Ausschluss von der res publica, wie er sich durch die Europäische Integration etabliert, außerhalb akademischer Debatten nicht in eine breite Forderung nach mehr Beteiligung sondern lediglich in Unbehagen mit der Politik und im Rückzug von der Politik manifestieren. Und mit welchen Argumenten wird diese Beteiligung verwehrt oder zumindest verzögert? Die Forderungen nach Demokratisierung der Union sind ständiger Teil der Integrationsgeschichte. Aber erst seit dem Vertrag von Maastricht wird auf diese substantiellen Forderungen reagiert. Wie auf diese Forderungen reagiert wird, mit der Etablierung eines direkt gewählten Europäischen Parlaments oder der Erstellung eines Verfassungsvertrages durch einen Konvent ist Ausdruck eines gewandelten Verständnisses politischer Repräsentation. Zum Verständnis dieses Wandels sollen im Folgenden Elemente des Konzepts der Repräsentation und ihre historische Genese rekonstruiert werden.
III. Elemente einer Theorie der Repräsentation Alle wahre Republik aber ist und kann nichts anderes sein, als ein repräsentatives System des Volks, um im Namen desselben, durch alle Staatsbürger vereinigt, vermittelst ihrer Abgeordneten (Deputierten) ihre Rechte zu besorgen. Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, 1797, § 52
Normative theories of representation have nearly all been formulated to serve practical purposes, such as the justification of existing institutions or the promotion of political reform. Birch, 1971
Nun sollen die Elemente einer Theorie der Repräsentation rekonstruiert und auf ihre Tragfähigkeit hin analysiert werden. Es soll zwischen (1) den Funktionen der Repräsentation, (2) der Substanz von Repräsentation, (3) den Modi der Repräsentation und ihrer institutionellen Ausgestaltung unterschieden werden. Funktionen der Repräsentation bezeichnen ihre Wirkungsweise im und für ein politisches System. Unter Substanz der Repräsentation soll der Gegenstand, dass zu Repräsentierende verstanden werden. Modi schließlich bezeichnen die jeweilige Form und den Stil der Repräsentation. Diese drei Dimensionen werden mittels einer historischen Kontextualisierung in ihrer Genese analysiert, da sich die Modi, Funktionen und Substanz wandeln, wenn neue gesellschaftliche Kräfte in den Prozess der Repräsentation eingreifen, wenn sie „also selbst dazu drängen, repräsentativ zu werden oder auch nur als neue Kräfte in der Repräsentation besser als bisher oder überhaupt erst zu Geltung kommen (mitrepräsentiert zu werden), wenn sich also die Substanz der Repräsentation ändert.“ (Drath 1968: 284).
III.1. Funktionen der Repräsentation Welche Aufgaben erfüllt Repräsentation in politischen Systemen? In dem Bemühen, eine möglichst allgemein gültige Typologie von Funktionen zu erstellen, die sowohl für demokratische als nicht-demokratische Systeme gilt, hat David Apter im Jahr 1968 (311ff.) folgende drei Funktionen vorgeschla-
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Funktionen der Repräsentation
gen. Politische Repräsentation dient: (1) der zentralen Kontrolle und damit der Aufrechterhaltung von Ordnung in einem politischen System; (2) der Spezifikation von Zielen, d.h. der Identifikation und der präferentiellen Reihung von zu verwirklichenden Vorhaben und längerfristigen Strategien; (3) der Sicherung der institutionelle Kohärenz, d.h. der kontinuierlichen Überprüfung, Reformulierung und Adaption des institutionellen Arrangements. Wie bereits Birch (1971: 107) feststellte, sind Apters Funktionen äußerst breit und lassen kaum eine Unterscheidung zwischen Funktionen der Repräsentation und generellen Funktionen eines politischen Systems zu. So ist zentrale Kontrolle auch eine Aufgabe der Regierung und der administrativen Exekutive und nicht ausschließliche Folge der Repräsentation. Die Auswahl politischer Ziele kann nicht nur auf Repräsentanten begrenzt werden, da sie für gewöhnlich auf einem breiteren gesellschaftlichen Diskurs beruhen und nicht lediglich Ergebnis einer Präferenzaggregation sind. Gerade in modernen Gesellschaften können politische Ziele auch durch nichtpolitische Akteure definiert werden. Eine Anpassung institutioneller Arrangements zur Sicherung der institutionellen Kohärenz ist Ergebnis einer Diskussion zwischen politischen Akteuren, dem Elektorat und den zu verwirklichenden Zielen. Die Forderung nach trennscharfen analytischen Kategorien mag sich bei dem Thema der Repräsentation aber als überholt zeigen, da sich Funktionen wie institutionelle Kohärenz, Ordnung etc. einer Quantifizierung weitgehend entziehen. In der Folge soll vorerst zwischen zwei Funktionen der Repräsentation unterschieden werden: der Herrschaftsorganisation sowie der Reflexion und Identitätsbildung.
III.1.1. Der Ursprung der Herrschaftsorganisation Eine Funktion der Repräsentation ist die der Herrschaftsorganisation. Zwei Aspekte müssen dabei unterschieden werden: (1) Repräsentation als Technik der praktischen Herrschaftsgestaltung und (2) Repräsentation als Instrument der Machtsicherung. Ersteres verweist auf die politische Organisation von Gemeinwesen, auf Repräsentation als “an institutional technique by which power is structured in a political society [providing] a multilevel system capable of making public action possible” (Schwartz 1988: 23). In der klassischen Demokratietheorie ist damit allgemein die Herrschaft des Volkes durch seine Repräsentanten gemeint. Das Paradoxon liegt in der, bereits von Jean-Jacques Rousseau aufgegriffenen Tatsache, dass mit der Autorisierung der Repräsentanten auch ein Verlust an Freiheit einhergeht. Hermann Heller schrieb in der Staatslehre im Jahr 1933: „Auch in der Demokratie mit gleichen sozialen Chancen kann das Volk nur herrschen mittels einer Herrschaftsorganisation. Jede Organisation bedarf aber einer Autorität, und alle Machtausübung unterliegt dem Gesetz der kleinen Zahl; immer müssen die-
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jenigen, welche die organisatorisch vereinigten Machtleistungen aktualisieren, über ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit und damit demokratisch nicht gebundener Macht verfügen.“ (Heller 1986: 247). Seine Zuspitzung erfährt dieser Herrschaftsaspekt der Demokratie in der Theorie der konkurrierenden Eliten von Joseph Schumpeter. Repräsentation ist ihm lediglich ein technisches Instrument, eine Notlösung für Flächendemokratie ohne jeglichen intrinsischen Wert (vgl. Scheuermann 2002: 415). Dies verweist bereits auf den zweiten Aspekt: Repräsentation als Instrument der Herrschaft. Durch die Einführung eines Qualifikationskriteriums für das Ausüben einer Tätigkeit als Repräsentant, sei es eine bestimmte Steuerleistung, ein Geschlecht, eine Klassenzugehörigkeit, ein Bildungsstand etc., dient ein Repräsentativsystem auch der Machtsicherung. Selbst in der Demokratie entscheiden Gewählte über die Rechte der Wählenden. Es darf nicht vergessen werden: Demokratie und Repräsentation sind vor dem Hintergrund der direkten Demokratie und der Entstehungsgeschichte Gegensätze. Wir tendieren dazu Demokratie ausschließlich als repräsentative Regierungsform zu betrachten und vernachlässigen dabei, dass Repräsentation “was conceived in explixit opposition to democracy.” (Manin 1997: 236). Eine auch noch für die heutige Zeit gültige und in ihrer intellektuellen Tiefe beeindruckende Behandlung dieses Faktums findet sich in der Diskussion um die amerikanische Verfassung in den Federalist Papers. Die Lösung bestand für die amerikanischen Verfassungsväter in der Gründung einer Republik77 mit sich gegenseitig balancierenden Institutionen in dem Bewusstsein, dass Demokratie (nach dem Vorbild der griechischen Stadtstaaten) nur in kleinen Staaten praktikabel sei.78 Nichtsdestoweniger gilt, dass “(t)he purpose of representative government was to prevent, rather than to implement, democracy which was largely identified with popular mobilization and mob rule, and was singularly unappealing to 18th-century constituents.” (Urbinati 2004: 54; siehe auch Roberts 1994: 170ff.). Zwischen Repräsentation und Demokratie besteht immer eine Spannung, die sich zwar nicht lösen aber institutionell entschärfen lässt. Nochmals James Madison, der Thomas Jefferson zitiert: “The concentrating of [all] power in the same hands is precisely the definition of despotic government. It will be no alleviation that these powers will be exercised by a plurality of hands, and not by single one, 173 despots would surely be as oppressive as one […]. As little will it avail us that they are cho-
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Vgl. Federalist No. 63 und No. 10, wo James Madison den Unterschied zwischen Demokratie und Republik in der Repräsentation begründet. In No. 10 schreibt er: “A Republic, by which I mean a Government in which the scheme of representation takes place[...]”. Nichtsdestoweniger wäre es falsch den Eindruck einer Harmonie bezüglich der Form der Repräsentation unter den Verfassungsvätern zu erwecken. Großer Streitpunkt war die Frage, welcher Einfluss den Landbesitzern, bzw. den Besitzenden zukommen sollte.
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sen by ourselves. An elective despotism was not the government we fought for” (Bayilin 1993: 139). Die Antwort der amerikanischen Verfassungsväter, insbesondere sichtbar in den Beiträgen des Publius/Madison (Federalist No. 63), bestand in einer Multiplikation der Repräsentationsformen: Kongress, Präsident und Gerichte. Bestand eine Notwendigkeit für eine neue politische Organisationsform? Und wenn ja, wie wurde sie begründet? Thomas Hare verwies im 19. Jahrhundert auf die praktischen Folgen, welche ein politisches System zeitigen müsste, wenn es nicht auf dem Prinzip der Repräsentation aufbaut: “Representation is a matter of daily occurrence and common necessity. It is the vicarious performance of duties which cannot be personally executed. It intervenes in commerce, in jurisprudence, in education, and in a thousand other forms. In a multitude of circumstances people are compelled to place themselves and their interests in the hand of others.” (zit. nach Fairlie 1968: 47). Hare wiederholt damit bereits von James Mill Gesagtes (1976: 7), der in dem Essay on Government 1820 konstatierte, dass direkte Demokratie im Sinne eines oftmaligen Versammelns den Stillstand der Arbeitslebens bedeuten und in die Armut und damit das Ende der politischen Gemeinschaft führen würde. Gegen die Demokratie, deren Ausprägung nur als eine direkte konzipiert wurde, wurde also ein ökonomisches Argument ins Treffen geführt. Wie sollte zudem in den großen, modernen Flächenstaaten eine Versammlung aller Bürger praktisch organisiert werden? Diese Frage basierte auf der antiken Vorstellung, dass Demokratie nur in kleinen politischen Gemeinwesen möglich ist (Sternberger 1971: 10). Die Folge ist, so lautet ein bekannter Topos in der Repräsentationstheorie, dass Repräsentation eine Technik ist, die explizit erfunden wurde, um Demokratie in großen Flächenstaaten möglich zu machen: „Im Rückblick wird es deutlich, dass die Erfindung oder Entdeckung der Technik der Repräsentation für die politische Entwicklung des Westens und damit der Welt ebenso entscheidend war wie die technischen Erfindungen des Dampfes, der Elektrizität, des Verbrennungsmotors oder der Atomkraft für die technische Entwicklung der Menschheit.“ (Loewenstein 1959: 37). Karl Loewenstein kondensiert hier Mitte des 20. Jahrhunderts ein Verständnis, dessen Geschichte eine lange ist. In der Diskussion um die zentralen Prinzipien der amerikanischen Verfassung schrieb Noah Webster bereits im Oktober 1787: “in a perfect government, all the members of a society should be present, and each give his suffrage in acts of legislation, by which he is to be bound. This is impracticable in all large states, and even were it not, it is very questionable whether it would be the best mode of legislation. It was however practised in the free states of antiquity; and was the cause of innumerable evils. To avoid these evils, the moderns have invented the doctrine of representation, which seems to be the perfection of human government.” (Bailyn 1993: 130). So auch “Americanus I” (John Stevens): “It was the English who first discov-
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ered the secret, of which the ancients were totally ignorant, of Legislation by Representation.” (Baylin 1993: 229). Das Verständnis von Repräsentation als Technik, die der Antike und dem Mittelalter völlig fremd waren, findet sich auch bei Thomas Paine (1915: 176f.): “It is representation ingrafted upon Democracy. […] What Athens was in miniature, America will be in magnitude. […] It is impossible to conceive a system of Government capable of acting over such an extent of territory, and such a circle of interests, as is immediately produced by the operation of representation. France, great and popolous as it is, is but a spot in the capaciousness of the system. It is preferable to simple Democracy even in small territories. Athens, by representation, would have outrivalled her own Democracy.” und Jean-Jacques Rousseau bemerkte: „Der Gedanke der Volksvertretung ist modern; er ist uns vom Feudalsystem her überkommen. […] In den alten Republiken und selbst in den Monarchien hatte das Volk nie Repräsentanten, das Wort selbst war unbekannt.“ (Gesellschaftsvertrag, Buch III, Kap. 15).79 Montesquieu meinte, dass in einem freien Staat die gesetzgebende Gewalt eigentlich vom Volk selbst ausgeübt werden müsse: „Da dies aber in den großen Staaten unmöglich und selbst in den kleinen mit viel Schwierigkeiten verbunden ist, so muss das Volk durch seine Repräsentanten tun, was es selbst nicht tun kann.“ (Esprit de Lois, XI, 6). Auch Abbé Sieyès kann genannt werden: „la nécessité de se faire représenter ne vient pas de la diversité des professions, mais des distances et du trop grand nombre de Citoyens.“ (zit. nach Schmitt 1969: 191). William Patterson, einer der Gründungsväter der amerikanischen Republik, antwortet auf die Frage, worin das Prinzip der Repräsentation besteht, ebenfalls mit einem Verweis auf die Impraktikabilität direkter Demokratie: “It is an expedient by which an assembly of certain individuals chosen by the people is substituted in place of the ‘inconvenient meeting of the people themselves.’” Auch in den Federalist Papers (No. 52, verfasst von Madison) lesen wir: “The scheme of representation, as a substitute for a meeting of the citizens in person, being at most but very imperfectly known to ancient polity, it is in more modern times only that we are to expect instructive examples.”80 Gerade bei den amerikanischen Autoren bestand ein “widespread belief that 79
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Vgl. Albert Pollard in seiner Schrift über die Entstehung des englischen Parlaments (1925: 109): “Representation was not the offspring of democratic theory, but an incident of the feudal system.” Madison führt diesen Gedanken im Federalist No. 63 weiter: “In the most pure democracies of Greece, many of the executive functions were performed not by the people themselves, but by officers elected by the people, and representing the people in their executive capacity […]. From these facts […] it is clear that the principle of representation was neither unknown to the ancients, nor wholly overlooked in their political constitutions. The true distinction between these and the American Governments lies in the total exclusion of the people in their collective capacity from any share in the latter, and not in the total exclusion of representatives of the people, from the administration of the former.” (Baylin 1993: 320f.)
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the concept of representation was the only great discovery in theoretical politics made since antiquity” (Pocock 1975: 521). So betont auch Gordon Wood (1972: 164), dass “no political conception was more important to Americans in the entire Revolutionary era than representation.” So finden wir einerseits den Verweis auf Repräsentation als eine Technik der Herrschaftsorganisation deren Erfindung unumgänglich war, sobald sich größere politische Gemeinwesen bildeten, sowie, damit intrinsisch verbunden, den Verweis auf die jungen Wurzeln des Begriffs der Repräsentation (so auch z.B. bei Schwartz 1988 und Hayward 1995). Die Notwendigkeit von Repräsentation als Instrument der Herrschaftsorganisation wurde zumeist mit der Gegenüberstellung von antiker direkter Demokratie81 als unerreichbares Ideal und repräsentativer Demokratie gerechtfertigt. Moderne Gesellschaften sind zu groß oder unsere agorae zu klein, um eine sinnvolle Volksversammlung einzuberufen. Diese mangelnde Praktikabilität hat jedoch dem Verdacht nicht entgegenwirken können, dass die repräsentative Demokratie immer nur die zweitbeste Lösung sei, eine Art „defizitäre Form der Demokratie“ (Kielmansegg 1985: 9). Dies beruht allerdings auf einem allzu idealisierten Bild der griechischen Antike. Ein Grundprinzip der athenischen direkten Demokratie war die isƝgoria, das individuelle Recht auf Rede in der ekklƝsia, der Volksversammlung. Die Aktivität der überwiegenden Zahl von Teilnehmern beschränkte sich jedoch auf die bloße Präsenz. So zielten denn auch die Reformen des Perikles 450 a.C. in erster Linie auf die Erhöhung der Präsenz (z.B. durch die Zahlung von Diäten82, Zugang der Zeugiten zum Archontat), nicht aber auf die Erhöhung der Anzahl der Redner. “There was no law requiring anybody to appear in the role of ho boulemenos, and the orators found no fault with the fact that many Athenians never addressed their fellow citizens” (Hansen 1993: 276). Zudem genoss nur eine geringe Anzahl der in Athen Lebenden Bürgerstatus und Frauen waren gänzlich ausgeschlossen. Die Pnyx fasste lediglich ca. 6000 Menschen und im 5. und 4. vorchristlichen Jahrhundert hatte Athen wesentlich mehr Bürger (Hansen 1993: 130ff.). Mogens Hansen (1993: 268) teilt die verbleibende Bürgerschaft in drei Klassen: (1) die Passiven, die niemals an der ekklƝsia teilnahmen; (2) die Anwesenden (standing partici81
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Wie Nadia Urbinati (1999: 8f.) ausführt, müssen zwei antike Modelle der direkten Demokratie unterschieden werden: Sparta und Athen. Jean-Jacques Rousseau favorisierte die spartanische Republik, wo Abstimmungen ohne vorhergehende Diskussion stattfanden. Der Bürger solle unbeeinflusst von externen Leidenschaften und Meinungen seine Vernunft sprechen lassen. James Madison und John Stuart Mill hingegen sahen im athenischen Modell ein Vorbild: erst die öffentliche Diskussion von Gesetzesentwürfen ermöglicht vernünftige Politik. Gerade die Diäten im Verbund mit dem Losverfahren führten in scharfer Abgrenzung zum aristokratischen System zur Isonomia, zur politischen Gleichheit der Bürger.
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pants), die sich auf das Zuhören und Abstimmen verlegten und von ihrem Recht zur Rede keinen Gebrauch machten und schließlich (3) die Aktiven (acting participants), eine kleine Gruppe von Bürgern, die Initiativen setzten, Reden hielten und Gesetzesvorschläge einbrachten. Hansen kritisiert den Mythos vom politisch aktiven, diskutierenden athenischen Bürger. Nur eine “minority came to dominate the field of politics and the majority of citizens never trod the speakers’ platform.” (Hansen 1993: 267). Entgegen der weit verbreiteten Ansicht fanden in Athen durchaus Wahlen statt, wenn auch für administrative Angelegenheiten und nicht für legislative (Manin 1997: 8ff.; siehe auch Jellinek 1900: 519f.).83 Politische Entscheidungen wurden nicht nur von der Volksversammlung getroffen, sondern auch vom 500 Mitglieder umfassenden Rat (boulƝ) und von den Gerichten84 (dikastƝria). Darüber hinaus wurden Strategen wie Perikles oder Phokion mehrmals wiedergewählt. So ist Ernest Barker (1964: 33) Recht zu geben, der schreibt “the city was not devoid of representative institutions, nor unacquainted with the political machinery which is connected with those institutions.”85 Allerdings muss gleichzeitig festgehalten werden, dass der Rat keine repräsentative Autorität im Sinne der freien Entscheidungsgewalt als Exponent des allgemeinen Willens hatte. Auch wenn die Gegenüberstellung von direkter Demokratie und repräsentativer Demokratie nur begrenzten Sinn macht86, so bleibt der Topos von der relativen Modernität des Begriffs. Wie ein deus ex machina tauchte zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als der Feudalismus seinem Ende zuging, das Prinzip der Repräsentation auf. Es wurde zum Surrogat der so genannten 83
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Wiewohl der Bestellungsmodus, d.h. die Autorisation das entscheidende Kennzeichen politischer Repräsentation ist, ist Manin (1997: 41) nicht zuzustimmen, wenn er als Schlussfolgerung seiner historischen Betrachtungen zur Entwicklung vom Los- zum Wahlverfahren schreibt: “What makes a system representative is not the fact that a few govern in the place of the people, but that they are selected by election only.” Als primäre Selektionsmethode hat sich zwar in westlichen demokratischen Systemen die Wahl herausgebildet, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch z.B. monarchische oder ständische Systeme repräsentativ sind. “No body, even if directly elected, is really representative unless it has representative authority, or, in other words, is entitled to deliberate and to decide as the exponent of the general will within its sphere.” (Barker 1960: 39f.). In dieser Hinsicht fehlte der athenische Rat. Diese sind nicht mit unseren neuzeitlichen Gerichten zu vergleichen. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit politischen Themen, so z.B. mit Klagen gegen in der Volksversammlung eingebrachte Gesetzesvorschläge (graphŋ paranomŮn). Siehe Hansen (1993: 178ff.). Siehe dazu auch Jakob Larsen (1955). Vgl. Michael Saward (1998: 110): “[T]he age-old contrast […] between direct and representative democracy is unnecessary and distracting. Democracy ought to combine elements of each in such a way that the seams can barely be seen”. Siehe dazu auch Ian Budge (1996: 38ff.).
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unmittelbaren Demokratie, zum Ersatz der ekklƝsia. Lässt sich diese Behauptung halten? Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass die Wurzeln der politischen Repräsentation im römischen Recht und dem ausgehenden Mittelalter liegen (vgl. z.B. Larsen 1955; Hofmann 1982; Podlech 1984). Das demokratische Element im römischen Regierungssystem beschränkte sich auf die Volksversammlung (comitia) während Konsuln und Magistrate das monarchische, der Senat das aristokratische Gegengewicht darstellten. Die frühen Techniken der Repräsentation hatten jedoch keinen politischen Charakter, sondern rein privatrechtlichen im Sinne der Bevollmächtigung. So wird damit im Wesentlichen die Tatsache bezeichnet, dass sich eine Person vor Gericht durch eine andere vertreten lassen könne. Von enormer Wichtigkeit sind hingegen die spätmittelalterlichen Ständeversammlungen87, die Sternberger (1971) gemeinsam mit der Entwicklung einer Bürgerrechte beanspruchenden emanzipierten Gesellschaft als Vorläufer der modernen Parlamente sieht. Auch Eberhard Schmitt (1969: v) stellt fest, „dass der Entwicklung konstitutioneller parlamentarischer Repräsentation im revolutionären Frankreich eine starke Komponente einer echten, sich über Jahrhunderte erstreckende Kontinuität innewohnte.“ So kann das moderne Repräsentativsystem seinen historischen Ursprung im Ständewesen nicht verleugnen (vgl. Fraenkel 1964: 113). Niemand geringerer als Otto Hintze wies auf diesen Ursprung hin: „Die Repräsentativverfassung, die heute dem politischen Leben der ganzen zivilisierten Welt ihr eigenartiges Gepräge gibt, geht in ihrer historischen Entstehung auf die ständische Verfassung des Mittelalters zurück, und diese wurzelt, wenn auch nicht überall und ausschließlich, so doch in den wichtigsten Ländern und zu einem nicht geringen Teil in den politischen und sozialen Verhältnissen des Feudalsystems.“ (Hintze 1931: 1). Ausgangspunkt der ‚politischen Wendung‘ des Begriffs der Repräsentation war wohl die Debatte um die christliche Eucharistie (Hofmann 1974: 65ff.; Pitkin 1989: 133ff.) auf der römischen Synode von 1059. Zentraler Streitpunkt war die Frage um die Qualität der Anwesenheit Christi in der Kommunion, welche entweder als bildnis- und gleichnishafter Vorgang oder als Realpräsenz verstanden wurde. Dieses „mittelalterliche Bildproblem aller Bildprobleme“ (Hofmann 1974: 82) der Polarisierung der Abendmahlsanschauungen wurde zur entscheidenden Differenz zwischen den christlichen Kirchen. Konnte ein in der Vergangenheit stattgefundener Akt der Selbstopferung Ausdruck in etwas finden, das weder in einer temporalen noch materiellen Verbindung stand? Lediglich die Konvention erlaubt die Bedeutungsübertragung des Vergangenen und Unsichtbaren auf die Hostie (Hofmann 1974: 80). Symbolische Repräsentation bedarf also der Konventi-
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Walter Ullmann hat auf die unauflösliche Einheit von römischem Recht und Politik im Mittelalter verwiesen (1975: 15).
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on. Verliert die zugrunde liegende Konvention an gesellschaftlicher Unterstützung, so wird das Symbol inhaltsleer. Christliche Liturgie und repraesentare standen so in einem symbolhaften Zusammenhang. Bartolus a Saxoferrato und andere Postglossatoren wendeten die Formel personam alicuius repraesentare sodann im juristischen Kontext an.88 Das Symbolhafte und das Aktuale spiegeln sich auch in der Zwei-Körperlehre dieser Zeit (Kantorowicz 1957): Der Körper des Königs wurde als realer und öffentlicher Köper wahrgenommen. Im Gegensatz zum sterblichen Körper stand die persona publica für die Einheit, Identität und rechtliche Kontinuität des Reichs. Die Analogie wurde mit der Charakterisierung der Botschafter des Königs als Repräsentanten des natürlichen Körpers des Königs weitergeführt. Starb der König89, war ihre Mission beendet, die im Wesentlichen in der Darstellung monarchischer Größe und nicht in der Vertretung von Interessen bestand. Moderne Erwartungen an das Verhalten unserer Repräsentanten – so z.B. die Würde des Amtes – stehen damit in Verbindung. Hintergrund der spätmittelalterlichen Korporationslehre90 war der Streit zwischen Papsttum und König-, bzw. Kaisertum. Die entscheidende Frage war, welcher Autorität, geistlicher oder weltlicher, der Führungsanspruch zukam und wie dieser legitimiert werden könne. Die Fronten der Auseinandersetzung waren klar: auf der einen Seite fanden sich die Vertreter der Deszendenztheorie (oder theokratischen Theorie): jede Herrschaft in der Welt wird durch den Papst vermittelt, der seinen Anspruch als Vertreter Petri auf Christus zurückführte. Augustinus führte im 5. Jahrhundert aus, dass Gott den Menschen die Gesetze durch das Medium der Könige, vermittelt. Der Papst als Stellvertreter Gottes war für spirituelle Angelegenheiten zuständig, während der König durch das göttliche Naturrecht gebunden war. Eine Hal-
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Hasso Hofmann (1974) zeichnet diesen Prozess der ‚Verrechtlichung‘ des Begriffs der Repräsentation in eindrucksvoller Präzision und Detailliertheit. Die Hinrichtung von Louis XVI. 1793 wurde von Claude Lefort (1981: 172) für das Ende der Idee des politischen Körper gehalten: “La révolution démocratique, longtemps souterraine, explose, quand se trouve détruit le corps du roi, quand tombe la tête du corps politique, quand, du même coup, la corporéité du social se dissout.” Philip Manow (2006) zeigt eindrucksvoll wie zumindest Reste der Idee des politischen Körpers Eingang in demokratische Systeme gefunden haben. Die zugrunde liegende Metapher des corpus basiert auf der römischen Idee des corpus rei publicae als Ausdruck der Einheit der Römischen Republik und später als corpus imperii als Ausdruck für das Reich. Die Vorstellung der Welt als Körper erlaubt die Einheit in der Differenz so wie z.B. Hände und Füße zwar unterschiedlich aber doch Teile eines Ganzen sind. Die christliche Kirche adaptierte diese Metapher und sprach von der unitas corporis Christi. Vom 12. Jh. an wurde die Eucharistie als corpus verum Christi oder corpus naturale bezeichnet. Die Kirche war der organisatorische Teil benannt als corpus mysticum. Aufgrund des kirchlichen Einflusses im Mittelalter sollte Korporation Synonym für politische und soziale Organisationsformen werden. Vgl. dazu Gerhard Dohrn-van Rossum (1978: 526ff.).
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tung die 750 Jahre später durch Thomas von Aquin wiederholt wurde. Macht, auch weltliche Macht, findet sich an der Spitze einer Pyramide. Alle Macht der unteren Ebenen ist durch diese Spitze legitimiert. Und die Spitze ist durch Gottes Stellvertreter auf Erden klar definiert. Die entgegengesetzte Theorie, die Aszendenztheorie, besagte, dass die Macht beim Volk und seiner Versammlung liegt. Der gewählte König oder Führer hat keine andere Macht als die ihm durch das Volk verliehene. Er repräsentiert die Gemeinschaft und war dieser auch verantwortlich. Dies begründet ein Widerstandsrecht: sobald der König den allgemeinen Willen nicht mehr repräsentiert, konnte und musste ein neuer gewählt werden. Zwar hat sich in späterer Zeit die Praxis durchgesetzt, nur mehr Angehörige bestimmter Familien in das höchste Amt zu wählen, das Prinzip aber blieb das Selbe. Politische Macht ging von der Basis der Pyramide aus. Dabei war klar, dass es nicht auf die ausdrückliche Zustimmung aller einzelnen ankam. Grundlage der Repräsentation war die Fiktion vom Konsens aller in der Korporation – wie später von Thomas Smith (1572)91 in Bezug auf das Parlament betont wurde. Die dominante Stellung der katholischen Kirche im mittelalterlichen Europa sorgte dafür, dass die Deszendenztheorie für lange Zeit die Beherrschende wurde. Erst im 13. Jahrhundert, als eine Welle neuer Aristotelesinterpretation einsetzte, wurde die theokratische Theorie in den Hintergrund gedrängt (Ullmann 1975; Zimmermann 1971). Bis dahin bildeten Kirche und Reich eine Einheit, lediglich unterschieden in sacerdotium und regnum. Mit der Ausbildung des neuzeitlichen Staates und der Idee der Souveränität kam es zur Trennung. Jean Bodin formulierter ausdrücklich gegen die Korporationslehre gewandt, dass der Herrscher nicht an den Konsens der Bürger gebunden sei. Die Entwicklung der parlamentarischen Repräsentation wurde ja nach dem Niedergang des Feudalismus durch eine Phase des Absolutismus unterbrochen. Nichtsdestoweniger waren die Monarchen aber auf den Konsens zumindest der vermögenden Klassen angewiesen. Die ersten Parlamente in Spanien und England, denen keine deliberative Macht zustand, wurden im 13. und 14. Jahrhundert zum Zweck der Steuererhöhung vom Monarchen einberufen, waren also ein Instrument der Zentralgewalt.92 “Representatives […] were the deputies anciently chosen in England by the counties and bor91
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Das Parlament “representeth and hath the power of the whole realm both head and body. For every Englishman is intended to be there present, either in person or by procuration and attorneys, of what pre-eminence, state, dignity, or quality so ever he be, from the prince (be he King or Queen) to the lowest person of England.” (1906: 46). In diesem Zitat widerspiegelt sich die mittelalterliche Terminologie der Korporationslehre. Die Gemeinschaft wird durch die Repräsentation geformt und die Krone verkörpert England. James I. fügte der Bekanntmachung von Wahlen zum Parlament zur Sicherheit auch Anweisungen bei, wie diese durchzuführen und wer zu wählen sei: diejenigen, deren monarchische Gesinnung tadellos ist. Siehe dazu Porritt und Porrit (1903: 379).
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oughs to treat with the King concerning the amount of money required for the service of the state and the wants of the crown, which the several bodies, of whom they were the several organs, would agree to grant the King.” (Lewis 1898: 105f.). Im Modus Tenendi Parliamentum des 14. Jahrhunderts werden die Abgeordneten des englischen Parlaments als Delegierte der territorialen Einheiten oder Korporationen bezeichnet, die diese vis-à-vis dem König als Einheit zu (re-)präsentieren hatten (vgl. dazu Clarke 1936). Sie repräsentierten nicht die Basis der Pyramide, soweit blieb das Wissen um den fiktiven Charakter vom Konsens aller aufrecht, sondern die Stände des Reiches. Allerdings gelang es z.B. der englischen gentry zwischen 1199 und 1327 der Krone substantielle Rechte abzuringen, gefasst in die wunderbaren Worte “Redress of grievances before supply”.93 Die Magna Carta von 1215 regelte, dass keine neuen Steuern ohne Zustimmung der gentry-Versammlung94 erhoben werden durften. Aber auch in England blieb das Parlament bis zur zweiten Wahlreform 1867 weit davon entfernt, ein Abbild des Volkes zu sein. Es war vielmehr ein Instrument der für den staatlichen Aufbau Englands jeweils bestimmenden gesellschaftlichen Schichten. Im Jahr 1430 limitierte der “40-shilling Freeholder Act” das Wahlrecht auf Personen mit einem jährlichen Einkommen von mindestens 40 Schilling. Im beginnenden 16. Jahrhundert änderte sich das Bild vom Parlamentsmitglied, dessen Bedeutung zwar zunahm, die Zahlung von Diäten jedoch ging zurück. Parlamentsmitglied zu sein war nun ein Privileg, welches sich nicht viele leisten konnten. Ein schwunghafter Handel mit Parlamentssitzen setzte ein (siehe Tawney 1941). Der englische Abgeordnete wurde vom Delegierten zum Repräsentanten, d.h. seine Unabhängigkeit wurde in einem Masse erhöht, dass sie schließlich nichts mehr mit den Repräsentierten verband. Die Idee der virtuellen Repräsentation (siehe dazu weiter unten) wurde zur notwendigen Rechtfertigung für den Ämterkauf.95 Jeremy Bentham veranlasste dies zu drastischen Worten: “There are three descriptions of influential persons, by
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Vgl. dazu die “cahiers des doléance” in Frankreich, die den Abgesandten der Wahlbezirke (zusammengesetzt aus allen drei Ständen) als imperatives Mandat zur Versammlung der Generalstände mitgegeben wurden. Auch in Frankreich fand ein Austausch von „Gütern“ statt: Geld für den König, Machtbeteiligung für die Stände. Diese Parlamente wurden nur unregelmäßig einberufen und der Enthusiasmus der Teilnehmer hielt sich in Grenzen beinhaltete doch einerseits die Reise nach Westminster beträchtliche Gefahren und Kosten für den zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalt und bedeutete andererseits zumeist Steuererhöhungen. Um die Delegierten sicher zum Parlament zu geleiten, wurde das Amt des Manucaptor geschaffen. Die Radikalität der politischen Forderungen der Levellers, die Repräsentanten als Delegierte verstanden wissen wollten, da sie der Vernunft die höchste Autorität einräumten, muss als Gegenbewegung zu dieser Entwicklung verstanden werden. Nur die Betonung des Delegationscharakters der Parlamentarier schützt vor der oligarchischen Usurpation.
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whom freedom of suffrage is destroyed, and its opposite spuriousness produced […] the proprietor […] the terrorist […] the corruptionist.” (Bentham 1818). Das idealisierte Bild der athenischen Demokratie und die weitgehende Ignoranz gegenüber den politischen Organisationsformen des Mittelalters ließen den Autoren des 18. und 19., teilweise aber auch des 20. Jahrhunderts Repräsentation als ingeniöse Erfindung erscheinen. Vielmehr muss aber die inkrementelle Entstehung des Konzepts aus seinen Wurzeln im Mittelalter betont werden (Hofmann 1974; Mantl 1975; Sternberger 1971). So sind im Mittelalter nicht nur die beiden wesentlichen Theorien der Repräsentation, Aszendenz- und Deszendenztheorie, formuliert worden, sondern es sind in der Folge der Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der beiden Theorien drei für die Entwicklung des neuzeitliche Staates unschätzbare Leistungen vollbracht worden: (1) menschliche Verbände wurden als rechtlich handelnden Körperschaften (universitas) konzipiert; (2) die Sicherung der Handlungsfähigkeit einer universitas, indem ihr das Handeln einer Person als rechtliche Folge zugeordnet werden konnte und (3) die Wahrnehmung eines über die Zeit bestehenden, aus vielen Individuen zusammengesetzten Gemeinwesens (Podlech 1984: 511f.). Es ist sichtbar geworden, dass Repräsentation nicht eine Technik ist, die erfunden wurde, um Regieren in großen politischen Gemeinwesen zu ermöglichen, sondern in ihren Ursprüngen wesentlich älter ist. Sie ist nicht lediglich ein organisatorischer Kunstgriff, um die an sich wünschenswerte, aber unmögliche Anwesenheit aller Bürger zu ersetzen, sondern ein Mittel, die Wirksamkeit des politischen Systems durch Arbeitsteilung und Kondensierung politischer Willensbildung zu steigern. D.h. politische Repräsentation verdankt ihr Entstehen nicht einer genialen Erfindung oder dem plötzlich auftauchenden kollektiven Bewusstsein eines Volkes, welches selbstbewusst und entschlossen seine Teilhabe an der politischen Macht fordert, sondern ist ein Organisationsinstrument, das bestimmten Interessen dient. Sei es der Krone, sei es dem Bürgertum oder dem Klerus. Der Unterschied zur Neuzeit liegt in der Tatsache, dass Repräsentation im Mittelalter nichts mit Demokratie zu tun hatte. Repräsentiert wurde die Unversitas, das Reich, die Stände etc. Was bleibt ist die Funktion der Repräsentation, Herrschaft zu organisieren. Bevor diese Funktion weiter differenziert wird, soll auf Reflexion und Identitätsbildung durch Repräsentation eingegangen werden.
III.1.2. Reflexion und Identitätsbildung Eine wichtige, von der Herrschaftsorganisation zu unterscheidende Funktion der Repräsentation ist die der Identitätsbildung. Der Begriff der politischen Identität zeichnet sich vor allem durch seinen schwer fassbaren Gehalt
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und sein manipulatives Potential aus (Pollak 1998; Mokre/Pollak 1999). Während für die einen kollektive Identität ein notwendige Voraussetzung für demokratische (staatliche) Gemeinwesen ist, da sie u.a. die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen ermöglicht, sehen anderen darin eine unglückliche, aber gleichsam unvermeidliche Vermischung von ethnos und demos.96 Eine Vermischung, die atavistische Charakterzüge aufweist und im 20. Jahrhundert zu schrecklichen Katastrophen im Namen des Nationalismus geführt hat. Im Zuge der Reform- und Verfassungsdiskussion in der Europäischen Union, auch in der Folge des Niedergangs des real existierenden Sozialismus im Jahr 1989, wurde der Begriff der Identität v.a. von der deutschen Staatsrechtslehre (Grimm 1995: 199; Hobe 2003; Kirchhof 1995, 2001) aber auch Philosophie (Habermas/Derrida 2003) wieder in Diskussion gebracht. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei nochmals erwähnt, dass hier ausschließlich von der kollektiven politischen Identität die Rede ist. Diese Identität ergibt sich durch die Teilnahme an gemeinsamen politischen Verfahren, die Ausdruck der Akzeptanz von geteilten politischen Spielregeln sind und durch (auch) symbolhaftes Handeln der politischen Akteure dargestellt wird. Weder ist sie Ausdruck ethnischer Bande noch alleiniges Produkt einer gemeinsamen Vergangenheit oder Sprache. Sie aktualisiert sich vielmehr durch das Handeln der politischen Repräsentanten. Denn erst durch Repräsentation wird das politische Gemeinwesen zum Akteur. Repräsentation ermöglicht die „stellvertretende Vergegenwärtigung und Verwirklichung der identitätsstiftenden und identitätssichernden Gehalte und Ansprüche durch konkrete Personen“ (Schneider 1995: 505) und ist daher „existentiell für eine politische Gemeinschaft, weil diese nur durch ihre Repräsentanten artikuliert in Erscheinung treten und handeln kann.“ (Rausch 1968: ix).97 Zur Verdeutlichung soll nochmals auf die idealisierte Unterscheidung von direkter und indirekter Demokratie zurückgegriffen werden. In der direkten Demokratie findet sich die Gleichzeitigkeit von Deliberation und Dezision. Die stimmberechtigte Bürgerschaft versammelt sich, hört Anträge, diskutiert und entscheidet. Standing und active participants (Hansen 1993: 268) teilen denselben Raum und dieselbe Zeit. Repräsentative Demokratie hingegen nimmt eine andere Rollenverteilung vor: nicht mehr alle Bürger sind anwesend, sondern durch ihre Repräsentanten vertreten. Die von der unmittelbaren Dezision entkoppelte Deliberation erlaubt Reflexion. Nicht länger ist der Einzelne dem unmittelbaren Druck unterworfen, eben Gehörtes in eine Entscheidung umzusetzen.98 Das Elektorat wird zum standing 96 97
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Dazu noch immer unerlässlich Emmerich Francis (1965). Heinz Rausch geht soweit, sie als „ontologisches Phänomen“ zu bezeichnen (1968: ix). Akzeptiert man dies, so relativiert sich auch die Frage nach dem Ursprung der Repräsentation, da sie notwendigerweise allen menschlichen Gemeinschaften eigen ist. Auch aus diesem Grund kommt den antiken athenischen Gerichten solche Bedeutung zu: jedes bereits verabschiedete Gesetz konnte angefochten werden. Eine
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participant und beschränkt sich weitgehend auf das Zuhören und das Abstimmen. Das Parlament wird zur agora. Aus diesem Grund bezeichnete Iris Marion Young repräsentative Demokratie auch als “deferred democracy” (Young 1997: 355ff.). Notwendige Voraussetzung dafür ist die Öffentlichkeit der Deliberation, da eben nicht mehr alle an der Versammlung teilnehmen. Die temporale Differenz zwischen Deliberation und Dezision “allows citizens to shield themselves from speech. It gives them the chance to reflect by themselves, to step back from factual immediacy and to defer their judgement.” (Urbinati 1999: 14). Institutionalisierter Ausdruck dieses Prinzip ist z.B. das Verbot der Wahlwerbung unmittelbar vor dem Wahltermin. Repräsentation führt eine Distanz zwischen Repräsentierten und Repräsentanten ein, die nicht nur Reflexion und damit Deliberation erlaubt, sondern auch kollektive politische Identität ermöglicht. Im Handeln der Repräsentanten aktualisiert sich politische Identität, da Politik nicht nur Dezision bedeutet, sondern auch das Setzen symbolischer Handlungen beinhaltet (Edelmann 1990; Hunt 1989; Münkler 1994; Rivière 1988; Voigt 1989).99 Ohne politische Repräsentation besitzen wir kein Bild von der politischen Realität und von der politischen Einheit einer Polity (Pollak 1998). Daraus folgt, das selbst wenn wir in der Lage wären, die gesamte stimmberechtigte Bevölkerung eines modernen politischen Gemeinwesen zu versammeln oder mittels z.B. elektronischer Stimmabgabe zu Entscheidungen zu kommen und uns somit dem angeblichen Ideal der direkten Demokratie annähern, repräsentative Politik vorzuziehen ist. “Political reality only comes into being after the nation has unfolded itself in a represented and in a representation representing the represented. Without representation no democratic politics.” (Ankersmit 2002: 115).100/101 Ergänzungen der repräsentativen Demokratie mit plebiszitären Elementen sind durchaus wünschenswert, v.a. wenn es um lokale Entscheidungen von geringer nationaler Reichweite geht. Entscheidungen über redistributive Politiken durch Referenda zu lösen, scheint nicht angebracht. Ein Ersatz oder Heilmittel für die Defizite der repräsentativen Politik können sie allerdings nicht sein, da sie den prinzipiell von egoistischen Motiven geleiteten Wähler in den Mittelpunkt stellen.
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notwendige Vorkehrung, da die Unmittelbarkeit von Deliberation und Dezision wohl nicht immer zu optimalen Entscheidungen geführt hat. Im politischen Diskurs sind Symbole Leitbilder des Handelns. Zum Begriff des Leitbildes vgl. Heinrich Schneider (1977: 13ff.). Frank Ankersmit und Iris Young (2000) verweisen auf die gegenseitige Konstruktion von Repräsentierten und Repräsentanten. Wenn das Prinzip der Repräsentation nicht im Namen direkter Demokratie kritisiert wird, so wird es doch von Theoretikern partizipativer Demokratie ignoriert. Fast schon Rousseauistisch wird behauptet “representation is incompatible with freedom because it delegates and thus alienates political will at the cost of selfgovernment and autonomy” (Barber 1984: 145).
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III.1.3. Ein Katalog von Funktionen Herrschaftsorganisation, Reflexion und Identitätsbildung sind primäre Funktionen der Repräsentation. In der Folge soll nun in Anlehnung an Anthony Birch (1971: 106ff.) ein Katalog von Funktionen erstellt werden, den repräsentative politische Systeme in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Betonung erfüllen. Die Funktion der (1) Herrschaftsorganisation lässt sich in folgende Subdimensionen unterteilen: (a) Kontrolle der Regierung durch das Volk. Ein Kennzeichen der liberalen Demokratie ist die Kontrolle der Exekutive durch das Elektorat. Zu berücksichtigen ist dabei die Frage, ob diese Kontrolle ex ante, z.B. durch ein gebundenes Mandat oder ex post durch ein System der Rechenschaftspflicht gewährleistet ist. (b) Responsivität, d.h. die Versicherung, dass politische Entscheidungen im Interesse der Öffentlichkeit getroffen werden. (c) Accountability: Repräsentation ermöglicht, politische Akteure für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen. (d) Leadership: Repräsentation ermöglicht Handeln und die Selektion von Akteuren und Zielen einer Polity. Diese Funktion kann aber nur ausgefüllt werden wenn (b) zutrifft, d.h. genügend Unterstützung102 für die Politik der jeweiligen Eliten vorhanden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen. Leadership in diesem Sinne bedeutet einen politischen Kurs zu finden, der zwischen den kurzfristigen Erwartungen des Elektorats (wer würde gegen Steuerkürzungen auftreten?) und den langfristigen Interessen des politischen Gemeinwesens liegt. (e) Werden die vorhergehenden Funktionen erfüllt, so trägt Repräsentation zur Aufrechterhaltung und Stabilität des politischen Systems bei. In diesem Sinne erfüllt Repräsentation auch die Funktion eines Sicherheitsventils: in Krisensituationen muss nicht der totale Umbau des gesamten politischen Systems angestrebt werden, sondern der Austausch der politischen Eliten ermöglicht Wandel. Die Existenz von z.B. Ombudsmännern, Volksanwälten etc. sichert, dass Politik nicht auf der Strasse ausgetragen wird, sondern sich im Verfassungsrahmen bewegt. (2) Durch die Herstellung einer Distanz zwischen Regierenden und Regierten erlaubt Repräsentation die Reflexion politischer Ziele und Entscheidungen sowie die Aktualisierung kollektiver politischer Identität. Es ist diese notwendige Distanz, die die Ausgestaltung des Verhältnisses von Regierenden und Regierten prekär werden lässt. So finden wir auf der einen Seite die manchmal bizarr anmutenden Versuche politischer Eliten sich mit Hilfe von (inflationären) Meinungsumfragen möglichst „volksnah“ zu geben und auf der anderen Seite die Betonung der (wünschenswerten) überdurch-
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Die Mobilisierung dieser Unterstützung war ursprünglich die Rolle der nationalen Parlamente. Dies ist im 20. Jahrhundert weitgehend von extensiven Parteiapparaten übernommen worden.
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schnittlichen moralischen und ethischen Integrität im Sinne der Vorbildwirkung von Politikern. Und schließlich (3): Repräsentation berücksichtigt die duale Natur des Menschen als Citoyen und Person. Im Gegensatz zur Antike besteht das Recht, unpolitisch ohne unmenschlich oder göttlich zu sein. Sie erlaubt damit die Verfolgung individueller Ziele und Lebensvorstellungen.103 Zwar wird von politischen Systemen erwartet, dass sie alle genannten Funktionen erfüllen, sie tun dies aber in unterschiedlichem Ausmaß. Das politische System der Volksrepublik China mag sehr effizient sein, wenn es um die Funktionen von Leadership, Identität und weitgehender Systemerhaltung geht, zeigt aber deutliche Schwächen in Bezug auf Zustimmung, Kontrolle, Accountability und Responsivität. Deutschland wiederum weist z.B. Stärken in den Bereichen Kontrolle, Accountability und Responsivität auf. Schwächen hingegen liegen in Leadership und Identität.104 Das vorgestellte Schema lässt sich auf alle politischen Systeme anwenden, ist aber gleichzeitig immer mit dem Mangel der äußerst schwierigen Quantifizierbarkeit behaftet.
III.2. Substanz der Repräsentation oder Was wird repräsentiert? Eine entscheidende und zugleich eine der schwierigsten Fragen der Repräsentationstheorie ist die Frage nach dem Objekt oder der Substanz der Repräsentation. Nachdem sich die mittelalterliche Auseinandersetzung um die Person des Repräsentanten zugunsten des Königtums entschieden hatte, rückte die Frage nach dem Was? in den Mittelpunkt. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war klar, dass die Funktion der Repräsentanten in der Verteidigung der materiellen Interessen ihrer Klientel, d.h. Landbesitzer, Kaufleute, Klerus, lag. Im historischen Rückblick zeigt sich, dass Gottes Wille, die Einheit des Reiches, Volk, Klassen, Nation, ideelle Werte, Präferenzen und Interessen als Objekte der Repräsentation gehandelt wurden. Vorausset103
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George Kateb schreibt, dass die Institution der Repräsentation die Quelle der moralischen Besonderheit moderner Demokratie ist und ein Zeichen ihrer Überlegenheit (1994: 36ff). Expliziter noch David Plotke (1997: 18): das Gegenteil von Repräsentation ist nicht Partizipation, sondern Exklusion. Und Iris Marion Young (1997: 352) argumentiert: “the elvation of direct democracy to the apex, as the only ‘real’ democracy, is mistaken […] political representation is both necessary and desirable”. Es soll hier keineswegs behauptet werden, dass diese Schwächen monokausal auf die Nichterfüllung bestimmter Repräsentationsfunktionen zurückzuführen sind. Vielmehr müssen genauso die geschichtliche Entwicklung, strukturspezifische Variablen (z.B. Föderalismus) und politische „Großwetterlagen“ berücksichtigt werden.
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zung der Möglichkeit die Frage nach dem Was? der Repräsentation überhaupt zu stellen, ist die Annahme der Willens- und Interessendifferenz zwischen Herrschern und Beherrschten, zwischen Kollektiv und Individuum. Eine Annahme, die uns heute als Selbstverständlichkeit erscheint, deren Durchsetzung jedoch geraume Zeit in Anspruch nahm. Für Thomas Hobbes kam die spätmittelalterliche Vorstellung der Legitimation des Herrschers durch Gott nicht in Frage. Er griff auf die frühere Korporationslehre zurück, die besagt, dass die Einheit einer Körperschaft, also auch des Staates, durch Repräsentation gestiftet wird. “A Multitude of men, are made One Person, when they are by one man, or one Person, Represented; so that it be done with the consent of every one of that Multitude in particular. For it is the Unity of the Representer, not the Unity of the Represented, that maketh the Person One. And it is the representer that beareth the person, and but one person” (1968: 220). Nicht Gott, sondern der Herrschaftsvertrag legitimiert. Hobbes modifiziert allerdings die Korporationslehre, indem er dem Volk nach erfolgter Herrschaftsübertragung den Charakter einer Handlungseinheit abspricht. Dies wurde als Absorptionstheorie bezeichnet (Fraenkel 1964), dessen idealtypische Verkörperung Hobbes’ Leviathan ist.105/106 Die Ausnahmesituation des Bürgerkriegs, beschrieben in der theoretischen Figur des Naturzustandes als bellum omnium contra omnes erfordert die Unterwerfung aller unter die Autorität des absoluten Herrschers: “The only way to erect such a Common Power […] is to conferre all their power and strength upon one Man, or upon one Assembly of men, that may reduce all their Wills, by plurality of voices, unto one Will: which is as much as to say, to appoint one Man, or Assembly of men, to beare their Person.” (ibid.: 230). Nicht länger ein gottgegebener organischer Verbund, sondern ein von Menschenhand und -wille geschaffener künstlicher corpus regiert. Die absolutistische Staatstheorie weist die Repräsentation durch Korporationen zurück. Vielmehr ist es die Einheit, die im Herrscher verkörpert wird – ohne diese Einheit existiert nur die Vielzahl der Individuen. Hobbes muss demzufolge in seiner Schrift De Cive auch jegliche Beteiligung durch Städte, Parlament, Stände etc. zurückweisen: “The People is somewhat that is one, having one will, and to whom one action may be attributed; none of these can properly be said of a Multitude. The People rules in all Governments, for even in Monarchies the People Commands; for the People wills by the will of one man; but the Multitude are Citizens, that is to say, Subjects […] And in a 105
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Vgl. dazu das von Abraham Bosse erstellte Frontispiz der Erstausgabe von Hobbes’ Leviathan (siehe dazu Bredekamp 2002). In einem gewissen Sinne erinnert die bürokratische oder administrative Repräsentation an die mittelalterliche Absorptionstheorie. Während in legislativen Versammlungen politische Gruppen spezifische Werte und Interessen repräsentieren so rechtfertigt die Administration ihre Handlungen unter Verweis auf das allgemeine Interesse und damit auf abstrakte Werte. Siehe dazu Alfred de Grazia (1951: 7f.).
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Monarchy, the Subjects are the Multitude, and (however it seeme a Paradox) the King is the People.” (Hobbes 1983: XII.8). Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts, als die Lücke zwischen absolutistischer Theorie und Praxis immer weiter auseinanderzuklaffen begann, wurde die Absorptionstheorie kritisiert. Radikal gewendet wurde sie von JeanJacques Rousseau in seinem Werk „Du contrat social“ aus dem Jahr 1762. Der durch den Gesellschaftsvertrag entstehende Souverän ist mit dem Staat identisch und kann nur durch sich selbst repräsentiert werden: „le souverain, qui n’est qu’un être collectif, ne peut être représenté que par lui-même.“ (zit. nach Podlech 1984: 521). Souveränität kann laut Rousseau nicht übertragen werden: „Souveränität kann aus dem gleichen Grunde nicht vertreten werden, aus dem sie nicht veräußert werden kann; sie beruht wesensmäßig auf dem allgemeinen Willen, und der Wille kann nicht vertreten werden: entweder er ist der gleiche, oder er ist ein anderer; ein Mittleres existiert nicht. Die Abgeordneten des Volkes sind daher nicht seine Repräsentanten und können es nicht sein; sie sind lediglich seine Beauftragten und können nicht endgültig beschließen.“ (1994, Buch iii, Kap. 15).107 Rousseau bildete mit dieser radikalen Theorie allerdings eine Ausnahme. Einflussreicher waren Montesquieu, Denis Diderot und die englischen Theoretiker wie z.B. John Locke, Thomas Paine und später Edmund Burke. Das Parlament wandelte sich in dieser Zeit von einem unabhängigen Mittler zwischen König und Volk zum Repräsentant des Volkes. Vor allem in der Phase der Französischen Revolution schlägt die absorptive Repräsentation durch den Monarchen in die absorptive Repräsentation durch die Nationalversammlung um (Podlech 1984: 526). Ein Ergebnis der aufstrebenden Souveränitätstheorie war der Anspruch, das Volk zu repräsentieren, verbunden mit der Forderung nach dem allgemeinen, zensusunabhängigen, männlichen Wahlrecht. Zur theoretischen Untermauerung dieses Anspruchs modifizierte z.B. Joseph Priestley die Vertragstheorie. Im Sozialvertrag tauschen Individuen ihre natürliche Freiheit und ihre Rechte gegen den Einfluss auf politische Entscheidungen. Alle Bürger haben demzufolge einen Anspruch auf politische Repräsentation. Populär wurde diese Idee durch Thomas Paine, dessen Buch The Rights of Man aus dem Jahr 1792 als Bestseller bezeichnet werden muss.108 Volkssouveräni107
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In seinen späteren, detaillierten Vorschlägen für die Verfassungen von Korsika, Genf und Polen sah Rousseau allerdings die Wahl repräsentativer Vertretungen vor. Thomas Paine emigrierte bekanntlich 1774 nach Philadelphia, wo er eine erfolgreiche Karriere als Pamphletist begann und 1776 das Werk Common Sense veröffentlichte (500.000 Stück verkauft), in dem er für eine Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien von der britischen Krone eintrat. Nach seiner Rückkehr publizierte er sein heute wohl bekanntestes Werk, The Rights of Man, von dem in den ersten beiden Jahren 200.000 Stück verkauft wurden. Ob der anti-monarchischen Töne in diesem Werk, das als Verteidigung der Französischen Revolution gedacht war, musste er nach Frankreich fliehen und wurde Mitglied des Konvents.
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tät, eine repräsentative Regierung auf der Basis von allgemeinen Wahlen und das Recht auf Revolte gegen jede andere Form der Regierung sollten die Grundlage für die spezifisch amerikanische Prägung des Repräsentativsystems sein.109 Besonders einflussreich erwiesen sich Repräsentationstheorien, die in der Nation das Objekt der Repräsentation sahen. Als früheste Erklärung des Prinzips, dass Mitglieder des Unterhauses nicht lediglich nur ihre Klientel zu vertreten haben, sondern dem gesamten Königreich dienen, wird eine Gesetzesvorlage von 1571 an das britische Unterhaus gesehen.110 Die Vorlage hätte die Praxis legalisiert, dass Wahlbezirke auch Nichtansässige als Repräsentanten wählen dürfen. Sie scheiterte jedoch am Argument der Gegner, dass eine genaue Kenntnis des Wahlkreises notwendige Voraussetzung für Repräsentation sei. Erst in den 1698 erscheinenden Discourses Concerning Government vertrat Algernon Sidney111 entgegen dem radikalen Ansatz der Levellers die Ansicht, dass Mitglieder des Parlaments keine Delegierten sind, die einzelne Wahlkreise oder Städte repräsentieren, sondern für das gesamte Königreich befugt sind, zu handeln: “It is not therefore for Kent or Sussex, Lewis or Maidstone, but for the whole nation, that the members chosen in those places are sent to serve in parliament: and tho it be fit for them as friends and neighbours (so far as may be) to hearken to the opinions of the electors for the information of their judgments, and to the end that what they shall say may be of more weight, when everyone is known not to speak his own thoughts only, but those of a great number of men; yet they are not strictly and properly obliged to give account of their actions to any, unless the whole body of the nation for which they serve, and who are equally concerned in their resolutions, could be assembled. This being impracticable, the only punishment to which they are subject if they betray their trust, is scorn, infamy, hatred, and an assurance of being rejected, when they shall again seek the same honor.” Sidney schliesst, dass nichts gegen Instruktionen für die Delegierten spricht “but the less we fetter them the more we manifest our own rights.” (Section 44). In der Zeit der industriellen Revolution wurde dies von William Blackstone, Edmund Burke und William Paley aufgegriffen: die Nation als Ganzes sei zu repräsentieren. Die bekannteste Formulierung dieses Prinzips stammt von Edmund Burke, obwohl darauf hingewiesen werden muss, das 109
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Am Vorabend der amerikanischen Revolution was das Verständnis von Repräsentation allerdings eher eine Mischung von traditionellen Ideen und modernen Praktiken. Siehe Rakove (1997: 213) Fairlie (1968: 32) gibt Hallam (1865) als Beleg an. Algernon Sidney, einer der führenden Whig Ideologen dieser Zeit, wurde wegen seiner angeblichen Beteiligung am Rye House Plot 1683 hingerichtet. Der zunehmende Druck des Königshauses unter Charles II. liess die Whigs von einer Revolution und der Übernahme der Kontrolle über das Reich fantasieren.
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Burke keineswegs eine geschlossene Theorie der Repräsentation entworfen hat, sondern seine Anmerkungen vielmehr erratischen Charakter haben.112 In seiner berühmten Bristoler Rede formulierte er in der Absicht das freie Mandat (siehe dazu weiter unten) zu rechtfertigen: “Parliament is not a congress of ambassadors from different and hostile interests, which interests each must maintain, as an agent and advocate, against other agents and advocates; but parliament is a deliberative assembly of one nation, with one interest, that of a whole – where not local purposes, not local prejudices, ought to guide, but the general good, resulting from the general reason of the whole. You choose a member, indeed; but when you have chosen him he is not a member of Bristol, but he is a member of Parliament.” (Burke 1866: 95). Bereits 1774 schrieb er: “The virtue, spirit, and essence of a House of Commons consists in its being the express image of the feelings of the nation.” (zit. nach Fairlie 1968: 36). Burke argumentierte in der Tradition von John Willis und Noel Somerset (Birch 1971: 38f.) aber auch Algernon Sidney. Begründet wurde die Theorie der virtuellen Repräsentation 1798 von den französischen Generalständen. Da die Interessen der Nation im Vordergrund allen repräsentativen Handelns stehen müssen, ist die geographische Herkunft der Abgeordneten unerheblich. Wurde die Auffassung vertreten, dass das Parlament die Interessen der ganzen Nation vertrete, so war nur entscheidend, dass man sich dort der besonderen Anliegen und Schwierigkeiten aller bewusst war – die physische Präsenz war nicht erforderlich.113 Zur selben Zeit als Edmund Burke im England des 18. Jahrhunderts seine Ideen zur Repräsentation der Nation formulierte, schrieb James Madison im Federalist No. 10114 von den Vor- und Nachteilen der Interessenrepräsentation: “A landed interest, a manufacturing interest, a mercantile interest, a moneyed interest, with many lesser interests, grow up of necessity in civilised nations, and divide them into different classes, activated by different sentiments and views.” Da in einer Gesellschaft notwendigerweise eine Fülle von ganz unterschiedlichen Interessen existieren, ist es primäre Aufgabe der Legislative, diese Interessen zu regulieren und dies “involves the spirit of party and faction in the necessary and ordinary operations of the government.” Madison nahm weiters an, dass Repräsentanten unvermeidlich zu einem großen Teil als Delegierte dieser Interessen agieren würden und wies Burkes idealistische Sicht von der alles transzendierenden Nation zurück: “It 112 113
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Darauf weist bereits John Fairlie hin (1968: 31). Max Weber nannte diese Nationalrepräsentation, die auf dem freien Mandat fußt, eine opportunistische „phrasenhafte Fiktion“, da sie die Abhängigkeit der Repräsentanten von den lokalen und Partei-Interessen unterschlägt. (Weber 1956: 173). Zur Bedeutung des Federalist Papers No. 10 siehe Douglass Adair (1998). Adair führt aus, dass Madison Anleihen bei Hume’s “Idea of a Perfect Commonwealth” (1752) nahm. Zum Einfluss der schottischen Moralphilosophie auf James Madison siehe Ian McLean (2003).
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is in vain to say that enlightened statesmen will be able to adjust these clashing interests and render them all subservient to the public good. Enlightened statesmen will not always be at the helm.115 Nor, in many cases, can such an adjustment be made at all without taking into view indirect and remote considerations, which will rarely prevail over the immediate interest, which one party may find in disregarding the rights of another or the good of the whole.” Repräsentanten würden entweder ihre eigenen Interessen oder die ihrer Wähler vertreten. Es müsse also sichergestellt werden, dass der unzweifelhaft auch vorkommende erste Fall in gewissen Schranken gehalten wird. Instrument dieser Beschränkung sind Wahlen in kurzen Abständen. “It is particularly essential that [the House] should have immediate dependence on, and an intimate sympathy with, the people. Frequent elections are unquestionably the only policy by which the dependence and sympathy can be secured.” (Federalist No. 52). Das amerikanische Repräsentantenhaus ist der einzige legislative Körper, der alle zwei Jahre gewählt wird – eine Frist deren Länge ein Kompromiss zwischen den Föderalisten, die ursprünglich drei Jahre vorschlugen und den Anti-Föderalisten, die für lediglich ein Jahr plädierten, war. Neben Wahlen wollte Madison als Versicherung gegen die Dominanz eines Gruppeninteresses zusätzlich eine relative große Regierung, die selbst die verschiedenen Interessen abbilden sollte116, sowie eine rigorose Gewaltenteilung. “Extend the sphere, and you take in a greater variety of parties and interests; you make it less probable that a majority of the whole will have a common motive to invade the rights of other citizens; or if such a common motive exists, it will be more difficult for all who feel it to discover their own strength, and to act in unison with each other.” (Federalist No. 10; siehe auch No. 51).117 115
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Friedrich August von Hayek (1991: 486) drückte diese Skepsis ganz ähnlich aus, indem er seine Vorliebe für ein System bekannte „dessen Wirkungsweise nicht davon abhängt, daß wir gute Menschen finden, die es handhaben, oder davon, daß alle Menschen besser werden als sie jetzt sind, […] ein System, das aus allen Menschen in all ihrer Verschiedenheit und Kompliziertheit Nutzen zieht, (Menschen), die manchmal gut und manchmal schlecht, oft gescheit, aber noch öfter dumm sind.“ Im Übrigen eine Frage, die auch Karl Popper (1992) beschäftigte: „Wie können wir politische Institutionen so organisieren, daß es schlechten und inkompetenten Herrschern unmöglich ist, allzu großen Schaden anzurichten.“ Madison folgte dem Prinzip des divide et impera: einzelne Interessen versuchen das Gemeinwesen ausschließlich nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Eine Vielzahl von Interessen, die sich in ihren Ansprüchen gegenseitig balancieren, erlaubt der Regierung nicht, lediglich ein Interesse zu verfolgen. Und die Existenz multipler Interessen ermöglicht dem Abgeordneten Freiraum. Siehe dazu die Federalist Papers No. 52–82. So auch schon seine Rede im Verfassungskonvent: “The only remedy is to enlarge the sphere and thereby divide the community into so great a number of interest and parties, that in the first place a majority will not be likely at the same moment to have a common interest separate from that of the whole of of the minority; and
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Eine extreme Version der Interessenrepräsentation findet sich im 20. Jahrhundert bei den Vertretern der Ständerepräsentation. Aus ihrer Sicht ist “the present system (is) nonrepresentative and misrepresentative of the interests and views of the people. A territorial region, they hold, is never identified with a particular interest or opinion; each district is the habitation of groups of such various conflicting economic and social needs and views that no clear mandate for the supposed representative can be fused out of them, so that what is really represented is simply one or few of the stronger among the numerous minority groups.” (Coker 1915: 200). Unterstützt wird dies durch George Cole: “True representation, like true association, is always specific and partial, and never general and inclusive. What is represented is never man, the individual, but always certain purposes common to groups of individuals. The theory of representation which is based upon the idea that individuals can be represented as a whole is a false theory and destructive of personal rights and social well being.” (Cole 1920: 98). In der amerikanischen Diskussion war die Idee der berufsständischen Repräsentation weitestgehend unpopulär. William MacDonald (1921), Maurice Reckitt (1918), Mary Follet (1918), Arthur Holcombe (1935) und Ernest Griffith (1939) präsentierten zwar Vorschläge, die allgemeine Skepsis bezog sich aber auf den zusätzlichen Druck dem sich Vertreter der Legislative – bereits das Ziel starker Lobbygruppen – ausgesetzt sehen würden. Weiteres Argument war, dass durch die hohe Mobilität der Arbeit in den Vereinigten Staaten, eine Einteilung in Berufsgruppen zum Zwecke ständischer Repräsentation äußerst schwierig sein würde. Normative Theorien der Substanz der Repräsentation sind mit diversen Schwierigkeiten behaftet (siehe dazu Birch 1971: 72ff.). Geht man wie z.B. Jeremy Bentham davon aus, dass individuelle Interessen repräsentiert werden sollen, so berücksichtig man zwar die komplexe Organisation moderner Gesellschaften, muss aber erklären wie fundamentale Interessendivergenzen gelöst werden können. Eine solche Erklärung beinhaltet wie im Falle der Utilitaristen ein zweifelhaftes Vertrauen in die prinzipielle Kompatibilität aller Interessen und in ein Parlament, das wie ein Mikrokosmos die Gesellschaft abbildet. Zu vernünftigen Lösungen kommt es, da, in Analogie zu Adam Smith’s Theorie der Ökonomie und der “invisible hand”, persönliches Gewinn- und Glücksstreben automatisch zum größten Gemeinwohl der Gesellschaft führt. Als Absicherung sollen ein allgemeines Wahlrecht und sehr kurze Amtsperioden dienen: “the smaller the period of time during which any man retains his capacity of representative, as compared with the time in which he is simply a member of the community, the more difficult it will be to compensate the sacrifice of interests of the longer period by the profits of misgovernment during the shorter.” (Mill 1976: 70). Theorien der Gruppenin the second place, that in the case they should have such an interest, they may not be apt to unite in the pursuit of it.” (Ferrand 1937: 431).
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repräsentation, vorgebracht von John C. Calhoun, James Madison und Edmund Burke118, die in ihren Schlussfolgerungen allerdings erheblich differieren, laufen Gefahr, permanente Mehrheiten oder Minderheiten zu kreieren. Vor allem Calhouns (1849) Theorie der “concurrent majorities” scheint eine Garantie für politischen Stillstand aufgrund ständiger Vetovorbehalte zu sein. War für Calhoun noch klar, dass die potentiellen Vetogruppen v.a. territorial definiert sind, so lässt die zunehmende Komplexität und Ausdifferenzierung moderner politischer Systeme eine solche Unterscheidung nicht mehr zu. Sollen individuelle oder kollektive Meinungen repräsentiert werden, so stellt sich das Problem der Volatilität und Egalität derselben. 119 Mit John Stuart Mills Worten: “no one but a fool, and only a fool of a peculiar description, feels offended by the acknowledgement that there are others whose opinion, and even whose whish, is entitled to a greater amount of consideration than his.” (Mill 1991: 216). Die Tatsache, dass jede/r etwas beitragen kann, bedeutet nicht, dass allen Beiträgen in allen Fällen der gleiche Wert zukommt. Wir sind wahrscheinlich glücklich darüber, dass in Diskussionen um die Sicherheit von Verkehrsflugzeugen Techniker eher gehört werden als Politologen, denn wie Michael Walzer schreibt “special knowledge is not itself tyrannical” (1983: 290).120 Zur Volatilität von Meinungen (und der Unabhängigkeit der Verfassungskonvents von Philadelphia) merkte James Madison an, dass “if the opinions of the people were to be our guide, 118
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Im 20. Jahrhundert z.B. von Frederic W. Maitland, Ernest Barker und Alexander D. Lindsay. Es wurde v.a. Der korporatistische Charakter der Gesellschaft betont. In der Folge forderte Harold Laski Repräsentation nach Berufsständen gegliedert und die englischen Guild Socialists (Hillaire Belloc, John Ruskin, William Morris, Sidney und Beatrice Webb etc. schlossen sich dem an. Gordon Graham (1992: 92) erinnert daran, dass Ablehnung gegenüber etwaigen Vorrechten spezieller Gesellschaftsgruppen noch nicht inkludiert, dass wir gegen die ‚Herrschaft der Besten‘ sind. Wie Shirley Letwin (1989: 223) ausführt: “Would we want democracy if we had access to indisputable knowledge of what ought to be done? The answer is, of course , no. Whether such knowledge were derived from God, history, science or nature, it would be folly if not sacrilege to let the ignorant decide. Any reasonable person would want to hand over public decisions to the sages or technicians who knew the truth. […] In short, if individuals had access to indisputable knowledge about how to organize their communal life, democracy had better be consigned to the dustbin of history because it would merely be an obstacle to getting things right.” Letwin zieht allerdings nicht in Betracht, dass “even if democracy is epistemologically inferior, it may still be the appropriate decision procedure.” (Harrison 1993: 158). In technischen Belangen ist die Anerkennung besseren Wissens und die Übertragung der Entscheidungsmacht auch kein Problem. Mit Michael Saward (1998: 25ff.) kann zwischen “contingent und non-contingent superior knowledge” unterschieden werden. Umfasst ersteres Wissen um die richtigen Mittel zur Erreichung eines Ziels, so ist letzteres das Wissen um die richtigen Ziele. Das demokratische Egalitätsprinzip ist von überragender Bedeutung für die Anerkennung der Gleichrangigkeit von ‚‘non-contingent knowledge’.
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it would be difficult to say what course we ought to take. No member of the convention could say what the opinions of his constituents were at this time; much less could he say what they would think if possessed of the information and lights possessed by the members here; and still less what would be their way of thinking six or twelve months hence.” (zit. nach Fairlie 1968: 42). Vertreter des Idealismus, z.B. Thomas H. Green (1986) oder Francis H. Bradley (1969), sehen den gemeinsamen Willen, Rousseaus volonté générale, als das Objekt oder die Substanz der Repräsentation an. Ein politisches Gemeinwesen ist nicht lediglich die Summe der Individuen, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die Interessen, Werte und Ziele teilen. Schwierigkeiten diesen gemeinsamen Willen zu erkennen, gibt es nicht, da wir alle Mitglieder derselben politischen Gemeinschaft sind. Eine Argumentation, die nur allzu leicht in die vagen Höhen des Nationalismus und/oder die Abgründe der Tyrannei führen kann. Einzelne, die diesen Willen nicht erkennen, sind nicht Teil der Gemeinschaft, nicht genügend gebildet oder einfach ignorant. Bis die geeignete Bildungstiefe und –breite erreicht ist, müssen die Staatsgeschäfte von einer erleuchteten Elite geführt werden. Autoren des „frühen“ 20. Jahrhunderts stehen in der Tradition des Idealismus wenn es um das Objekt der Repräsentation geht. Für Gerhard Leibholz (1966: 27) dient Repräsentation dazu „ein außerhalb ihrer selbst liegendes Sein anwesend zu machen“ und Carl Schmitt (1957: 209) will das „Unsichtbare […] anwesend“ machen. Leibholz verknüpfte Repräsentation mit dem Gemeinwohl: „Steht hiernach fest, dass in der politischen Sphäre das Volk stets nur als ideelle Ganzheit repräsentiert werden kann, so wird auch verständlich, warum durch die Repräsentanten immer nur die Interessen des gesamten Volkes, des ‚Allgemeinwohls‘ wahrgenommen, nicht aber bestimmte Privilegien und Rechte einzelner Bevölkerungsgruppen und deren partikulare Interessen einer Bevölkerungsschicht, wie z.B. im altständischen System geltend gemacht werden können.“ (Leibholz 1966: 52f.). Eric Voegelin (1991: 57ff.) geht in seiner Unterscheidung zwischen deskriptivem und existentiellem Typus der Repräsentation etwas weiter. Während erster einfache demografische Daten wie Geschlecht, Alter etc. umfasst, bedeutet existentielle Repräsentation die Verwirklichung der Idee der Institution. Voegelin stützt sich hier auf die Repräsentationstheorie von Maurice Hauriou (Hauriou 1929). Nach Hauriou ist die Gewalt einer Herrschaft legitim kraft ihres Fungierens als Repräsentant einer idée directrice, insbesondere des Staates. Der Staat ist eine nationale Gemeinschaft, in der die herrscherliche Gewalt die Geschäfte der res publica führt. Die erste Aufgabe einer Herrschergewalt ist die Schaffung einer politisch geeinten Nation durch die Umformung der vorgegebenen, unorganisierten Vielheit zu einem organisierten, zum Handeln befähigten Körper. Ihren Ursprung hat eine solche Institution in der Leitidee, in der idée directrice, die Institution zu verwirklichen und sie auszuweiten. Die besondere Funktion des Herrschers ist die Schöpfung und Verwirklichung dieser Idee. Die Institution erreicht ihre vollkommene
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Durchbildung, wenn der Herrscher sich selbst der Idee unterstellt und wenn zugleich das consentement coutumier der Glieder der Gesellschaft erreicht wird. Repräsentant sein heißt, in herrschender Stellung das Werk der Realisierung der Idee durch institutionelle Verkörperung zu lenken. Voegelin zieht daraus den Schluss, dass eine Regierung im Sinne beider Typen, deskriptiv und existentiell, repräsentativ sein muss (1991: 77). So wird bei zwei so unterschiedlichen Autoren wie Schmitt und Voegelin suggeriert, dass es bei Repräsentation um die Reproduktion eines „höheren Seins“121 oder wie bei Siegfried Landshut (1968) um eine ideelle Einheit geht. Hanna Pitkin nähert sich dem Thema auch mit dem Verweis auf die der Repräsentation eigene Dualität: „Repräsentation bedeutet ganz allgemein das Gegenwärtigmachen in einer bestimmten Weise von etwas, das nichtsdestoweniger im wörtlichen Sinn oder tatsächlich nicht gegenwärtig ist.“ (1967: 8f.). Damit wird nicht mehr als das banale Faktum ausgedrückt, dass Repräsentation die räumliche Abwesenheit des Repräsentierten implizieren kann. Ihr Versuch die Frage nach dem Was? durch den Verweis auf den Handlungscharakter der Repräsentation zu umgehen, bleibt scheinbar unbefriedigend.122 Denn auch die Definition von Repräsentation als “acting in the best interest of” (Eulau et al. 1959: 743; Pitkin 1967: 209; Przeworski et al. 1999: 2) stößt auf die bereits genannten Probleme des Erkennens und der Selektion von Interessen. Pitkin vollzieht allerdings einen wichtigen Schwenk weg von der Frage nach den Repräsentanten hin zu deren Handlungen.123 Heinz Eulau zog aus den Schwierigkeiten der normativen Dimension von Repräsentationstheorien einen radikalen Schluss: “as propositions derived from normative doctrines of representation have been exposed to empirical scrutiny, their obsolence has become evident.” (Eulau 1978: 31). Wie bereits in Kapitel I.2 ausgeführt, stößt die Operationalisierung normativer Repräsentationstheorien an Grenzen. Weder lässt sich aus empirischen Studien schließen, dass Wähler besonders gut informiert sind, noch dass Repräsentanten dieselben Ansichten wie die Repräsentierten teilen. Ein Schluss daraus 121
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Die entsprechende Stelle bei Carl Schmitt lautet: „repräsentieren heisst, ein unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar zu machen und vergegenwärtigen“, so dass „in der Repräsentation […] eine höhere Art des Seins zur konkreten Erscheinung kommt.“ (1957: 209). Vgl. dazu auch Hättich (1968: 500): Repräsentation bedeutet, dass „etwas realisiert (wird), dessen Wirklichkeit seiner Natur nach eben geistige Wirklichkeit ist: nämlich eine menschliche Gemeinschaft als seelisch-geistige Integration“ Pitkin (1967: 112) definiert Repräsentation hier als “a certain characteristic activity, defined by certain behavioral norms or certain things a representative is expected to do.” Vgl. dazu auch Dennis Thompson (1988: 136): “[W]e must understand representation not as a relationship between constituents and representatives at particular moments, but as a process in which the relationship between citizens and representatives continues over time”.
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wäre, dass unsere normativen Theorien fehlerhaft oder obsolet sind. Ein Schluss, der unzulässig ist, da er zwei wesentliche Charakteristika normativer Theorie unberücksichtigt lässt. Erstens sind normative Theorien immer parteiisch. Einwände gegen alle genannten Theorien sind daher kein Beleg für ihre Unrichtigkeit, sondern lediglich Indikator für die politischen Motive die damit verbunden werden. So ist Mills Haltung124 klar von der Bewunderung der Französischen Revolution von 1830, der Angst vor eine Tyrannei der Mehrheitsmeinung und dem Wunsch nach politischer, liberaler Veränderung in England getragen. John Calhouns Theorie der konkurrierenden Mehrheiten ist im Zusammenhang mit dessen Opposition zu Präsident Andrew Jacksons Steuerpolitik von 1828 zu sehen, die den industriellen Norden gegenüber den Sklavenstaaten des Südens bevorteilte.125 Diese Politik bezeichnete Calhoun als “numerical majority” Politik, die notwendigerweise in der Unterdrückung der Minderheit resultiert. Einer Minderheit, der er als vormaliger Senator des Staates South Carolina angehörte. Edmund Burkes Insistenz auf der Repräsentation der Interessen der Nation durch die individuellen Abgeordneten ist auch als Reaktion auf den Versuch Georg III. zurückzuführen, die monarchischen Prärogative auszuweiten, sowie auf Burkes Wunsch England zu “one family, one body, one heart and soul” zu formen (Burke 1887, Vol. vi: 21). Und sie ist Ausdruck des Versuchs der Whig-Partei die schmale Wahlbasis des House of Commons zu rechtfertigen. Die “rotten boroughs” entsandten weiterhin Abgeordnete während die aufstrebenden Industriestädte wie beispielsweise Manchester, Birmingham und Sheffield, keine Parlamentsmitglieder stellten. Für die Theorie der virtuellen Repräsentation spielte dies keine Rolle, da diese Städte ja durch die anderen industriellen Zentren (so z.B. Liverpool, Leicester) vertreten waren. Wichtig war die Anwesenheit einiger Vertreter dieser Zentren, so dass deren Interessen Eingang in den politischen Prozess fanden. Dieses Prinzip der virtuellen oder faktischen Repräsentation wurde in der französischen Verfassung von 1791 ausdrücklich genannt126 und findet sich z.B. auch im österreichischen Wahlgesetz von 1867, der deutschen Reichsverfassung von 1871 und in vielen neueren Verfassungen nach 1945. Es ist jedoch in keiner amerikanischen Verfassung proklamiert (Fairlie 1968: 44). Zweitens ist festzuhalten, dass selbst wenn das Objekt der Repräsentation eindeutig wäre, die Person des Repräsentanten diesem Objekt immer etwas hinzufügt127, obwohl wir nicht wie David Hume (1985: 42) annehmen, 124 125 126
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Nachdem er sich vom Einfluss Benthams und dem seines Vaters befreit hatte. Ultimativer Ausdruck dieser Opposition war sein Rücktritt als Vize-Präsident 1832. In Sektion III Art. 7 der Verfassung von 1791 heißt es: “les répresentans [...] ne serons pas représentans d´un département particulier, mais de la nation entière.“ Bei Alfred Schütz (1962) wird dies Mitvergegenwärtigung oder Appräsentation genannt – ein Konzept, welches er von Edmund Husserl übernahm. Siehe dazu Gilbert Weiss (2005).
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dass Politiker, Bürokraten, Experten etc. “to be knaves, and to have no other purpose in all their action but self-interest”.128 Frank Ankersmit (2002) und Michael Saward (2003) erkannten darin ein ästhetisches Moment der Repräsentation. Repräsentanten müssen das Repräsentierte formen und gestalten. Würden die Interessen, Meinungen, Ideen etc. einer politischen Gemeinschaft völlig klar sein, so könnte der Repräsentant diese lediglich „lesen“ und auf einer anderen politischen Ebene reproduzieren. Aber das was repräsentiert wird, ist niemals dasselbe wie das Repräsentierte. Es ist ein Bild, ein Ausschnitt, ein Portrait aber nicht die Sache an sich, so wie ein SelbstPortrait von Rembrandt nicht Rembrandt an sich ist (Saward 2003: 3). Die Grenzen des ästhetischen Moments werden durch kulturelle Codes gesetzt. Eine Willens- oder Interessenabbildung kann von der Repräsentation gar nicht gefordert werden, da wir ansonsten von Delegation sprechen müssten. Der Unterschied zwischen Delegation und Repräsentation liegt wesentlich in der Freiheit des Repräsentanten. Diese notwendige Freiheit ermöglicht einen Handlungsspielraum, vorgegeben durch die Autorisierung, d.h. die Handlungsermächtigung. Autorisieren wir unsere politischen Repräsentanten auf der Basis z.B. ihrer Wahlprogramme, so geben diese Programme einen Handlungskorridor vor. “Representation is an issue because politicians have goals, interests, and values of their own” (Manin et al. 1999: 29). Es ist genau dieser Handlungskorridor, der eine exakte Entsprechung von Interessen, Meinungen, Ideen etc. nicht erwarten lässt. Zusätzlich wird er durch den Politikstil und das Politikprofil (Feick/Jann 1988; Schumann 1996) einer politischen Gemeinschaft definiert. So ergibt sich je nach analysiertem politischem System eine Kombination von Interessen (territorial und funktional definiert), Meinungen, Gruppen (z.B. Parteien, Minderheiten, Single-IssueGruppen,), Ideen etc., die repräsentiert werden. Die bestehenden Institutionen eines Systems beeinflussen die Gewichtung zwischen diesen Elementen. So erlaubt das österreichische politische System den Parteien einen herausragenden Einfluss auf die Gestaltung der Politik, während die USamerikanische Politikgestaltung wesentlich durch die Schwäche der Parteien und die Stärke der Lobby-Gruppen gekennzeichnet werden kann. Zusätzlich ist zu bedenken, dass eine eindimensionale Repräsentation, d.h. durch lediglich einen Repräsentanten auch der Vielfalt persönlicher Interessen zuwiderlaufen würde. Stellen wir uns einen Universitätslehrer vor, der eine sozialdemokratische Partei unterstützt, Interessen am Naturschutz und Zweifel an der segensreichen Wirkung der Globalisierung und des Neoliberalismus hat, sowie das europäische Integrationsprojekt unterstützt. Als Wähler wird er durch die Abgeordneten der sozialdemokratischen Parlamentsfraktionen auf nationaler und supranationaler Ebene repräsentiert, als Naturschützer durch Umweltgruppen, als Universitätsangehöriger durch die Gewerkschaft und 128
In der Literatur wird dies mit den ‘attitudes’ der Abgeordneten umschrieben (Searing 1994: 18).
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schließlich als Globalisierungsskeptiker durch die Arbeit alternativer Wirtschaftsforen, Attac etc. In dieser Vielfalt ein Element zu isolieren und als Objekt der Repräsentation zu bestimmen, erscheint naiv. Vielmehr finden alle diese Interessen, Meinungen, Ideen etc. auf verschiedenen Wegen unterschiedlichen Eingang in das politische System. Es folgt die berechtige Frage, ob unsere politischen Systeme genügend Wege für diese Vielfalt an Repräsentationssubstanz offerieren. Hinzu kommt, dass drittens die stillschweigende aber falsche Annahme ist, dass erfolgreiche Repräsentation im Sinne hoher Responsivität in komplexen politischen Gemeinwesen auf Konsens zwischen den beteiligten Akteuren, Gruppen, Interessen etc. abzielt. Wenn aber, wie aufgrund der Interessenvielfalt in einer Gesellschaft anzunehmen, radikale und dauerhafte Meinungsverschiedenheiten oder so genannte Rawlsian Dilemmeta (Rawls 1993) existieren, so liegt die Lösung nicht im Finden eines Konsens’ sondern im Finden eines Kompromisses oder in “incompletely theorized agreements” (Sunstein 1995, 1996). Konsens erfordert die Aufgabe oder die Übereinstimmung ideologischer Positionen. Im Deliberationsprozess werden Lösungen sichtbar, die für alle teilnehmenden Parteien akzeptabel sind. Diese Lösung mag im Schnittpunkt der Ideologien liegen und basiert auf der relativen Nähe der Standpunkte. Vor Beginn der Deliberation bestehende Konflikte werden aufgelöst, indem Berührungspunkte der politischen Ideologien gefunden werden. Lösungen, die also prinzipiell nicht schon vor der Deliberation innerhalb des politischen Weltbilds einer Gruppierung möglich waren, sind ausgeschlossen. Ein Kompromiss hingegen bedeutet die Einigung auf ein Ergebnis, welches die Beibehaltung der eigenen normativen Präferenzen erlaubt. Kompromisse sind nicht Resultat der Einsicht in eine gemeinsame Rationalität, sondern unvermeidlicher Teil politischer Entscheidungsfindung in Demokratien. Ziel ist die Vermeidung der Handlungsunfähigkeit des Kollektives oder gar des Zusammenbruchs des politischen Systems. Frank Ankersmit, der diese Unterscheidung zwischen Konsens und Kompromiss formuliert und betont hat, hat auch den paradoxen Charakter des Kompromisses hervorgehoben: “[O]n the one hand, as in the case of consensus, one stand’s by one’s ideological conviction, but, on the other hand, one is prepared to follow a line of political action more or less inimical to that conviction.” (Ankersmit 2002: 143). Der politische Kompromiss erhöht zudem die Flexibilität eines politischen Systems und garantiert im prinzipiell offenen demokratischen Entscheidungsprozess, wechselnde Mehrheiten. Schlussfolgerung dieses Abschnittes ist, dass es immer eine Mischung von Interessen, Ideen, Meinungen und politischen Programmen ist, die durch das Handeln der Repräsentanten aktualisiert, aber auch durch deren eigenen Ziele und Werte verändert werden. Eine Fokussierung auf lediglich einen Aspekt würde nicht nur der komplexen gesellschaftlichen Realität widersprechen, sondern auch einem Grunderfordernis der Repräsentation diametral
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gegenüberstehen: dem freien Mandat. Es ist das freie Mandat, das Hanna Pitkins Fokus auf den Handlungscharakter der Repräsentation und ihre Betonung der Responsivität wichtig macht. Ohne freies Mandat würden unsere politischen Vertreter lediglich als Delegierte agieren. Und damit würde letztendlich ein imperatives Mandat dem Wesen eines repräsentativen Systems zuwiderlaufen, da eine beständige und kontinuierliche Einholung von „Weisungen“ nicht nur praktisch unmöglich ist, sondern auf ein Modell direkter Demokratie hinauslaufen würde. Das Parlament wäre kein Ort deliberativer Politikgestaltung, sondern nur eine Vollzugsstelle des volonté de la majorité. Der bereits erwähnte Handlungskorridor wird durch die institutionellen Bedingungen sowie durch das Responsivitätserfordernis geprägt. “What the representative does must be in the principal’s interest, but the way he does it, must be responsive to the principal’s wihes. He need not actually and literally act in response to the principal’s wishes, but the principal’s wishes must be potentially there and potentially relevant.” (Pitkin 1972: 155). Responsivität kann als die Rückkoppelung des politischen Handelns der Regierenden an die Interessen, Meinungen, Ideen etc. der von ihnen repräsentierten Menschen definiert werden. Heinz Eulau und Paul Karps (1977: 242) unterscheiden vier Komponenten der Responsivität (siehe dazu weiter unten): (1) Policy Responsivität bedeutet die themenspezifische Übereinstimmung zwischen Repräsentierten und Repräsentanten. (2) Service Responsivität involviert nicht die Lösung konkreter Politikprobleme, sondern fokussiert primär auf diffuse Partikularinteressen aus dem jeweiligen Wahlbezirk. (3) AllokationsResponsivität ist die Fähigkeit des Abgeordneten, speziell für seinen Wahlbezirk öffentliche Gelder, Aufträge etc. zu akquirieren. (4) Symbolische Responsivität rekurriert explizit nicht auf konkrete Politikergebnisse, sondern bezieht sich auf die Ausbildung von Vertrauen zwischen Repräsentierten und Repräsentanten durch z.B. sein/ihr Verhalten in öffentlichen Kontroversen. Damit Responsivität nicht im Klientelismus erstarrt, muss sie durch die Dimension der Accountability ergänzt werden (siehe dazu Harlow 2002; Mulgan 2000; Dwivedi/Jabbra 1988; Kernaghan/Langford 1990; Pennock 1979; Uhr 1993). Gemäß dem Diktum von James Madison, dass “enlightended statesmen will not always be on the helm” (Federalist No. 52) muss dafür gesorgt werden “to take the most effectual precautions for keeping them virtuous whilst they continue to hold their public trust” (Federalist No. 57). Periodische Wahlen sind das stärkste Instrument die Verantwortlichkeit der Repräsentanten einzufordern. Neben der elektoralen Accountability ist die parlamentarische Accountability zu nennen. In einem viel zitierten Artikel hat Anthony King im Jahre 1976 auf die Defizite des binären Modells der Beziehung zwischen Legislative und Exekutive im traditionellen Staatsrecht hingewiesen (King 1976). Nach diesem auf den Überlegungen Montesquieus basierenden Modell ist die direkt legitimierte Legislative für die grundsätzliche politische und rechtliche Willensbildung zuständig. Die
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Substanz der Repräsentation oder Was wird repräsentiert?
Exekutive, d.h. die Regierung und der ihr zur Verfügung stehende administrative Apparat, sind ausschließlich für die Konkretisierung der generellabstrakten Vorschriften sowie für die Implementation derselben verantwortlich. Für King ist dieses im 18. Jahrhundert geprägte Modell ungeeignet, die moderne politische Realität widerzuspiegeln, da es einen zentralen Akteur gegenwärtiger Politik vollständig negiert: die politischen Parteien. Durch deren Existenz ist es unmöglich, die dem binären Modell innewohnende feinsäuberliche Trennung zwischen Exekutive und Legislative weiterhin aufrechtzuerhalten. Es ist realpolitisch naiv anzunehmen, dass die vom Elektorat gewählten Abgeordneten die Regierung kontrollieren. Vielmehr verläuft die Trennung entlang von Parteigrenzen zwischen den die Regierung stützenden129 und den oppositionellen Abgeordneten. Auch die zweite Annahme, dass die Regierung sich ausschließlich auf die Umsetzung der vom Parlament beschlossenen Gesetze beschränkt, ist empirisch nicht haltbar. Bereits Max Weber hat im Jahre 1918 darauf hingewiesen, dass die Kontrolle der administrativen Bürokratie durch das parlamentarische Regierungssystem kaum möglich ist. Auch jüngere Forschungsarbeiten bestätigen die Dominanz der Exekutive im Gesetzgebungsverfahren (z.B. Puntscher Riekmann 1998; Bach 1999, Slominski 2002). Angesichts der raschen technologischen Veränderungen in vielen Politikbereichen würden eine de-facto Regulierung die Parlamente nicht zuletzt auf Grund auch ihrer mangelnden Expertise völlig überfordern (Andersen/Burns 1996). Zudem werden nicht alle politischen Entscheidungen durch unsere gewählten Repräsentanten getroffen. Es ist auch der regulatorische Aspekt der Demokratie zu bedenken. Vielfach erfordern die Komplexität und der technische Charakter der Problemstellungen die Einrichtung von unabhängigen Regulierungsbehörden oder Expertengremien. Öffentliche Aufgaben werden mittlerweile längst nicht mehr ausschließlich von traditionellen staatlichen Organen erbracht. Zum einen operieren selbständige „ausgegliederte Rechtsträger“, deren Aktivitäten jedoch weiterhin dem Staat zuzurechnen sind und zum anderen übernehmen „echte“ private Akteure Aufgaben, die früher vom Staat besorgt wurden. Robert Dahl warnte bereits im Jahr 1967 (21) vor der Gefahr einer Tyrannei der Experten: “there are decisions that require me to delegate authority to others […] but if I delegate, may I not, in practice, end up with a kind of aristocracy of experts, or even false experts?” Angesichts der Ausweitung regulatorischer Aktivität auf private Akteure erscheint es sinnvoll, dass nicht nur traditionelle staatliche, sondern auch private Akteure in einen Verantwortungszusammenhang integriert werden (vgl. Freeman 1997; Scott 2000). Um sicherzustellen, dass auch in diesen Fällen Entscheidungen im Interesse der Mitglieder des politischen Systems getroffen werden, muss neben der elektoralen Accountability auch eine administrative 129
Die in diesem Zusammenhang geprägten Begriffe reichen von Handlungsverbund (v. Beyme 1997: 54) bis zu party government (Blondel/Cotta 2000).
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Verantwortlichkeit garantiert sein. Diese Verantwortlichkeit löst sich aber nicht direkt gegenüber dem Wähler ein, sondern gegenüber den gewählten Repräsentanten. Letzte Möglichkeit ist die gerichtliche Accountability, die den Bürgen die Gelegenheit gibt, Entscheidungen und Entscheidungsträger zur Verantwortung zu ziehen (vgl. Lord 1998: 80ff.). Wem gegenüber ein Akteur verantwortlich ist, kann auf zweifache Weise behandelt werden. Ein Akteur kann sowohl gegenüber einer „höheren“ Institution (z.B. Minister) als auch einer „niedrigeren“ Institution oder Gruppe (z.B. Konsumenten) verantwortlich zeichnen. Wofür ein regulierender Akteur verantwortlich ist, kann in dreifacher Weise unterschieden werden: Zum einen betrifft das die finanzielle Verantwortlichkeit des Regulators, insbesondere die Kosten der Regulierung. Zum anderen ist die Einhaltung entsprechender rechtsstaatlicher Verfahren im Rahmen des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses sicherzustellen. Drittens muss der Regulator die vom materiellen Gesetzgeber vorgegebenen Zielsetzungen zu erreichen imstande sein. In der Praxis treffen diese Formen der Accountability auf nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten: die Fragmentierung der Entscheidungszentren, die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben an private Unternehmen, die zunehmende Personalisierung der Politik etc. erschweren die Kontrolle der Responsivität. Die Auslagerung vormals hoheitlicher Aufgaben erschwert nicht nur die Kontrolle der Verantwortlichkeit sondern hat auch direkte Implikationen für die Qualität der Responsivität. Aufgrund des Ansteigens depolitisierter regulatorischer Bereiche werden die Service-Responsibilität und auch die allokative Responsibilität, d.h. die direkte politische Intervention zugunsten von Partikularinteressen zunehmend erschwert. Wie später zu zeigen sein wird, ist die Einbindung des Nationalstaates in das System europäischen Regierens ein weiteres Erschwernis traditionelle Accountability und Responsivitätsmuster aufrechtzuerhalten. Es ist sichtbar geworden, dass das freie Mandat zentraler Bestandteil jeder Theorie der Repräsentation sein muss. Im folgenden Abschnitt sollen nun die wichtigsten Entwicklungsstationen dieses Konzepts skizziert werden. Die Handlungsermächtigung oder Autorisierung der Repräsentanten, sowie das Verhältnis zwischen Repräsentierten und Repräsentanten stehen dabei im Mittelpunkt.
III.3. Modi der Repräsentation Modi der Repräsentation sollen die Fragen der Autorisierung der Repräsentanten, des Verhältnisses zwischen Repräsentierten und Repräsentanten und des Repräsentationstils umfassen. Politische Repräsentation kann von anderen Formen der Vertretung speziell durch den Modus der Autorisierung und
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den Handlungsspielraum des Repräsentanten unterschieden werden.130 So ist die z.B. anwaltliche Vertretung gekennzeichnet durch ein striktes Mandat basierend auf einem für spezifische Zwecke wie der Vertretung vor Gericht geschlossenem Vertrag. Kaum ein Klient wird sich in der Auswahl des Anwaltes primär vom territorialen oder identitären Prinzip leiten lassen. Nicht die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder einem Territorium ist für die Auswahl das bestimmende Kriterium, sondern die Expertise. Politische Repräsentation hingegen ist wesentlich durch das freie Mandat charakterisiert, sowie durch den Bestellungsmodus der demokratischen Wahl. Wahlen sind territorial organisiert und für die Auswahl spielen Überlegungen der Gruppenzugehörigkeit des Repräsentanten sehr wohl eine Rolle. Welche Freiheiten der Repräsentant genießt, welche Verpflichtungen sein Handeln für die Repräsentierten beinhaltet, ist Gegenstand hunderter – theoretischer wie praktischer – Kontroversen und lässt sich abseits konkreter Umstände kaum generell fassen. Durchgesetzt hat sich in der politischen Repräsentation das temporär begrenzte freie Mandat. Schließlich ist auch der Repräsentationsstil zu betrachten: agieren Repräsentanten als “trustee, delegate or politico”? Bevor diese drei Fragen eingehender behandelt werden, soll auf die Entwicklung der parlamentarischen Repräsentationsform eingegangen werden, hat sich doch diese Form als das bestimmende Strukturmerkmal demokratischer Systeme etabliert (Lehmbruch 1997; Westle 1989).131 Die entscheidenden Impulse zur Veränderung hatten in England, Frankreich und Amerika ihren Ursprung. Die mittelalterliche Vorstellung der Repräsentation schrieb dem Papst und dem Kaiser Repräsentativcharakter zu. So konnte John of Salisbury 1159 schreiben: “[T]he prince is first of all to make a thorough survey of himself, and diligently study the condition of the whole body of the commonwealth of which he is the representative, and in whose place he stands” (Nederman 1990, vgl. dazu auch Gierke 1987)132. Der Monarch ist der Repräsentant des 130
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Vgl. Theodore Woolsey (1886: 294f.): “A representative carries with him the political rights, powers, and duties of those who have constituted him as such. He differs from a deputy who is assigned to certain specific duties for his principals, and cannot rightfully deviate from his instructions. He is thus untrammeled in theory by any orders from his constituents, and can act at his discretion according to the light which he gathers in an assembly composed of similar persons [...] each representative is to consider the whole state first [...] He can, therefore, lawfully place himself under no pledges or instructions which are binding upon him.” Vgl. hierzu auch den Kommentar von Paul Kirchhof zum Maastricht-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts (1994: 18), der im „Parlament […] das zentrale Legitimations- und Entscheidungsorgan einer repräsentativen Demokratie“ sieht. John von Salisbury, der Bischof von Chartres betont allerdings in seinem Werk Policraticus auch die Notwendigkeit der Bildung eines Monarchen denn „Rex illiteratus quasi asinus coronatus“.
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gesamten politischen Gemeinwesens, seine Handlungen werden der Gemeinschaft zugerechnet, allerdings ist er dieser nicht verantwortlich, sondern lediglich Gott gegenüber rechenschaftspflichtig, ist er doch Rex imago Dei.133 Im Sinne der Repräsentationspyramide galten auch die Kardinäle der Kirche, die z.B. sieben Kurfürsten des Deutschen Reichs und die Räte und Versammlungen, die von wahlberechtigten Bürgern der Gemeinden gewählt wurden, als Repräsentanten. Der König wurde als Repräsentant des gesamten Volkes verstanden, hatte er doch im Gesellschaftsvertrag die Macht des Volkes absorbiert. Mit dem Niedergang des Feudalismus nahm diese Absorption im Absolutismus seine deutlichste Form an. Ludwig XIV. „L’État c’est moi“ ist der krasseste Ausdruck dieses Verständnisses. Es ist der Absolutismus, der die kontinuierliche Entwicklung des mittelalterlichen Repräsentationsverständnisses im Sinne eines konstanten Machtrückgangs der Krone und eines Machtgewinns des Parlaments unterbricht. Im Absolutismus ist die Krone von den Verpflichtungen des Mittelalters gelöst, unterstützt durch den Machtverlust der Nobilität und der katholischen Kirche. Beinahe 175 Jahre lang waren die französischen Generalstände nicht einberufen worden, erst die dringenden finanziellen Probleme der französischen Krone zwangen zu einer Versammlung 1789 – mit bekanntem Ausgang.134 Einzig in England konnte sich das Parlament dauerhaft (mit Ausnahme der Diktatur Oliver Cromwells 1653–1660) behaupten. Die Entwicklung des Repräsentativsystems nahm daher in England trotz vielfältiger gegenseitiger Beeinflussung andere Züge als in Kontinentaleuropa an. Adalbert Podlech (1984: 518) gibt als Gründe für diese unterschiedliche Entwicklung die zentrale Verwaltung Englands durch Wilhelm den Eroberer und die unterschiedliche soziale Entwicklung, die in Kontinentaleuropa zu der Dreigliederung der Stände führte, an. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren die politischen Auseinandersetzungen in England durch die Debatte um die Balance zwischen den Institutionen Krone, House of Lords und House of Commons geprägt. Die Aufstände der Schotten und Iren zwangen König Charles I. zur Erhöhung der Steuern – eine Maßnahme, die er ohne Zustimmung des Parlaments durchsetzen wollte. Das schließlich einberufene Parlament verweigerte die Zustimmung zur Steuererhöhung und zwang den König zur Annahme des
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Zugleich wurde diese Theorie aber auch durch die Lehre von den Verpflichtungen des Monarchen gegenüber der Gemeinschaft ergänzt. Die radikalen Theorien des Marsilius von Padua, William von Ockham und Nicolaus Cusanus brachten auch ein „demokratisches“ Element ins Spiel, indem sie die Frage aufwarfen, welche Bedeutung den Repräsentierten bei der Auswahl der Repräsentanten zuzukommen habe. Gerade Marsilius – in seiner Schrift Defensor pacis aus dem Jahr 1324 – wollte den pars valencior als Repräsentanten der Gemeinschaft sehen. Die letzte vor der Revolution statt findenden Versammlung der Generalstände fand 1614/15 in Paris statt.
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Triennial Act im Jahre 1641. Dieses Gesetz unterhöhlte das königliche Prärogativ auf Einberufung des Parlaments erheblich, sah es doch längstens alle drei Jahre ein Parlament vor. Mit Hilfe der Unterstützung des aufstrebenden Kaufmanns- und Handeltums sowie der Puritaner brach eine Ära des House of Commons an. Ein Höhepunkt war wohl das Jahr 1642, in dem die Flotte und die Armee unter direkte parlamentarische Kontrolle gestellt, sowie das Episkopat abgeschafft wurden. In dieser Zeit “the two Houses arrive at their revolutionary conclusion that, at least in conditions of emergency, the highest legislative authority lies not with the king-in-Parliament but with Parliament alone.” (Skinner 2002a: 19). Bekanntlich unterlagen die Royalisten im folgenden Bürgerkrieg. Nach dem Cromwell’schen Zwischenspiel wurde 1660 die Stuart Monarchie wiederhergestellt. Die Glorious Revolution 1688– 1689 und die Verabschiedung der Bill of Rights festigten die Autorität des Parlaments. Gemeinsam mit der Idee des allgemeinen (männlichen) Wahlrechts – propagiert durch die Levellers – und Algernon Sidneys (1698) Argument für die Unabhängigkeit der Repräsentanten, die nicht mehr lediglich Sprecher lokaler Interessen sein sollten, sondern die ganze Nation repräsentierten, verschob sich die Diskussion von der Frage Wer repräsentiert? zu den Fragen der Autorisierung und Un-/Abhängigkeit der Repräsentanten. Birch (1971) verweist darauf, dass sich in den Parteien der Tories und der Wighs durchaus unterschiedliche Ansichten zu diesen Fragen finden lassen. Plädierten die Tories, im Zuge der Debatte um den Septenniel Act 1716, der die Parlamentsdauer von drei auf sieben Jahre ausdehnte, für kürzere Parlamentsperioden, da sich nur so sicherstellen lasse, dass die Abgeordneten nicht den Kontakt zu den Wählern und deren Interessen verlieren, betonten die Whigs im Gegenzug die Unabhängigkeit der Repräsentanten, müssen sie doch das allgemeine Wohl der Nation, unabhängig von lokalen Interessen, in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen. Hintergrund der so genannten “Tory principles” waren der Glaube an die von Gott verliehene Autorität des Monarchen, welche etwaigen Widerstand zu Sünde macht. Ihr Interesse galt einer religiösen, uniformen, hierarchischen Gesellschaft.135 Die Whig Ideologie stand dem diametral gegenüber136: eine Präferenz für republikanische Werte, Toleranz und Religionsfreiheit. Grundlage der Autorität ist nicht Gottes Wille, sondern die Zustimmung des Volkes.137 Die Whig-Sichtweise der Rep-
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Vorbild war zweifellos der Absolutismus französischer Prägung. Vorbild der Whigs war die holländische Republik. Siehe hierzu Jonathan Israel (199), Karel Davids und Jan Lucassen (1995), Wyger Velema (2002), Martin Dzelzainis (2002), Jonathan Scott (2002). Gerade diese fehlende Zustimmung des Volkes zur Ausdehnung der Legislaturperiode ließ Thomas Paine im Streit der amerikanischen Kolonien mit dem englischen Mutterland die Existenz einer englischen Verfassung bestreiten.
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räsentation setzte sich im Zuge des 19. Jahrhunderts durch und festigte die Souveränität des britischen Parlaments.138 Auch die Entstehung des amerikanischen Repräsentativsystems muss erwähnt werden, waren die ehemaligen Kolonien doch ein Laboratorium für neue Ideen oder zumindest ein Versuchsfeld für bestehende Theorien. Bedeutenden theoretischen Einfluss auf die Formulierung dieser Prinzipien hatte Montesquieu, der in seiner Schrift Vom Geist der Gesetze (6. Buch, 11. Kapitel) von der Selbstbestimmung freier Menschen schrieb.139 Zwar erlaubt es die Größe moderner Staatswesen nicht, dass diese Selbstbestimmung unmittelbar wirksam wird, aber die politische Repräsentation gestattet größtmögliche Freiheit. Montesquieu vertritt hierbei eine ständische Form der Repräsentation, unterteilt in die Interessen der Nobilität und die Interessen der gewählten Volksvertreter. Vor allem Denis Diderot führte diesen Gedanken in der Encyclopédie weiter: „Les représentants d’une nation sont des citoyens choisis, qui dans un governement tempéré sont chargés par la société de parler en son nom, de stipuler ses intérêts, d’empêcher qu’on ne l’opprime, de concourir à l’administrations.“ (zit. nach Podlech 1984: 522). König und gewählte Vertreter bildeten die Legislative als Repräsentanten der gesamten Nation. Neben dem Einfluss des englischen und französischen theoretischen Denkens, hier ist auch auf die Entstehung der Souveränitätslehre zu verweisen, basierten die im Zuge des amerikanischen Unabhängigkeitsstrebens formulierten Ideen doch auf „Prinzipen, die einzeln alle bereits in Europa zuvor gedacht und teilweise auch politisch wirksam waren.“ (Podlech 1984: 523). Die in den Vereinigten Staaten entwickelten Ideen zum Repräsentativsystem bildeten sich am praktischen Vorgang der einzelstaatlichen Verfassungsgebung. Die Verfassung von Pennsylvania vom 28. September 1776 nahm Montesquieus Idee von der Selbstbestimmung von Menschen freien Willens auf. Herrschaft gründet einzig und allein in der Autorität des Volkes: “government […] derived from and founded on the authority of the people only.” (Poore 1877: 1540).140 Die Präambel der Verfassung gibt beredt Auskunft über die Gründe dieser Forderung nach Selbstbestimmung. Die Unfähigkeit und der Unwille George III. die Sicherheit des Gemeinwesens zu gewährleisten, ja darüber hinaus es auch noch mit Krieg zu überziehen, lösen die Treuepflicht der Untertanen und verpflichten “to establish such original principles of government, as will best promote the general happiness of the 138
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Zur Frage wie sich die politische Ikonologie in der Zeit des Übergangs von der monarchisch-absolutistischen zur demokratischen Regierungsform veränderte siehe z.B. Peter Burke (2001), Philip Manow (2004). Colin Bonwick (1999) hebt zudem den antiken und römischen Einfluss auf die Formulierung der amerikanischen Verfassungsprinzipien hervor. Vgl. dazu auch Gordon Wood (1972: 49f.), sowie John Pocock (1975). Siehe hierzu auch James Madison, Federalist No. 39.
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people”. Auslöser der Auseinandersetzungen mit der britischen Krone war die Praxis der Regierung unter George III., den Kolonien Steuern ohne deren Zustimmung aufzuerlegen.141 Dies resultierte in der bekannten Forderung “no taxation without representation”142 und der heftigen Opposition gegen die virtuelle Repräsentation. Bereits der so genannte Sugar Act im Jahr 1764 und v.a. der Stamp Act, der eine direkte Steuer darstellte, im darauf folgenden Jahr, führten zu ersten Aufständen. Der Stamp Act Congress im Oktober 1765 in New York (beruhend auf einer Initiative von James Otis) beschloss auf Antrag von South Carolina eine Resolution, die besagte, dass die Bürger der Kolonien nicht im englischen Unterhaus repräsentiert wurden und auch nicht repräsentiert werden konnten. Das primäre Prinzip, dass Herrschaft in der Autorität des Volkes gründet, wurde durch die Forderung nach einer geschriebenen Verfassung ergänzt: “Government without a constitution, is power without a right.” (Paine 1912). Dass Herrschaft zeitlich begrenzt werden muss, bildet schließlich das dritte Prinzip. Wahlen garantieren den friedlichen Wandel und bilden gleichzeitig ein Selektionskriterium für die Auswahl der fähigsten Bürger. Die Angst der amerikanischen Gründungsväter vor der Herrschaft der (ungebildeten) Majorität ist spürbar in James Madisons Definition des Wahlzwecks, dient die Wahl doch “to refine and enlarge the public views, by passing them through a medium of a chosen body of citizens, whose wisdom may best discern the true interest of their country, and whose patriotism and love of justice, will be least likely to sacrifice it to temporary or partial considerations.” (Federalist No. 10). Thomas Paine wies zusätzlich darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten durch Vertrauen charakterisiert sein muss: “All delegated power is trust” (Paine 1912). Vorbild war die von Montesquieu geforderte Gewaltentrennung, wie sie sich auch in der Virginia Bill of Rights aus dem Jahr 1776 findet. Alexander Hamilton bekräftigte 1802 die Forderung nach Gewaltentrennung mit den Worten: “It is a fundamental maxim of free government, that the three great departments of power, legislative, executive, and judiciary, shall be essentially distinct and independent, the one of the other” (Syrett 1977: 549). Gemeinsam bildeten diese Prinzipien ein Repräsentativsystem, das Hamilton 1777 “the representative democracy” und Thomas Paine “the representative system of government” nannten (Podlech 1984: 524). Der große Unterschied des amerikanischen Repräsentativsystems
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Pläne, die Kolonien adäquat im englischen System zu repräsentieren gab es mehrere, so auch von Edmund Burke und George Grenville. Erwähnenswert sind die Überlegungen von Adam Smith in seiner Schrift Essay on Colonies, da er dem Zusammenhang von Steuerleistung und politischer Repräsentation breiten Raum widmet. Diese Forderung wurde erstmals von John Otis im Jahr 1764 erhoben, also einige Jahre vor der berühmten Boston Tea Party 1773. Siehe dazu Randolph Adams (1922, Kapitel IV) und Fred Hinkhouse (1926).
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zum britischen lag in der Stellung der Abgeordneten. In der englischen Sichtweise mussten Abgeordnete vom Einfluss sektionaler und lokaler Interessen geschützt werden, während der amerikanische Kongress gerade eine Versammlung der Delegierten dieser Interessen sein sollte. Kurze Amtsperioden des Parlaments sollten vor zu großer Unabhängigkeit oder der Entstehung einer aristokratischen Politikerkaste dienen. Die Repräsentanten wurden also nicht als gänzlich unabhängig von den Wünschen und Interessen der Wählerschaft konzipiert, sondern ganz im Gegenteil als Delegierte lokaler Interessen verstanden. In der Diskussion der notwendigen Anzahl der Repräsentanten führt James Madison die Bedeutung des Wissens um die lokalen Sorgen und Interessen an (Federalist No. 56). Im Federalist No. 10 argumentierte Madison schließlich für die Delegiertenrolle der Abgeordneten, indem er die Existenz verschiedener Interessen as Notwendigkeit zivilisierter Nationen beschreibt. Die enge Verbindung zwischen Repräsentant und Repräsentierten ist von eminenter Bedeutung: “As it is essential to liberty that the government in general, should have a common interest with the people; so it is particularly essential that the branch of it under consideration [the House of Representatives], should have an immediate dependence on, and an intimate sympathy with the people. Frequent elections are unquestionably the only policy by which this dependence and sympathy can be effectually secured.” (Federalist No. 52). Periodisch stattfindende Wahlen und der föderative Charakter der Vereinigten Staaten verhindern die Dominanz eines Interesses. Allerdings “experience has taught mankind the necessity of auxiliary precautions.” (No. 51): die Gewaltenteilung. Das amerikanische Repräsentativsystem zeichnet sich durch eine duale Repräsentationsstruktur aus: Auf der einen Seite finden wir im Kongress die Repräsentanten der lokalen Interessen, auf der anderen Seite steht der indirekt gewählte Präsident, der durch seine indirekte Wahl gerade vor diesen lokalen Interessen geschützt werden soll. Ein System, das sich in Kontinentaleuropa niemals durchsetzen konnte, war das Misstrauen gegen die Nobilität doch aufgrund der jahrhundertealten Erfahrungen zu groß. Ihren dramaturgischen Höhepunkt und ihre inhaltliche Zuspitzung fanden die verschiedenen Ideen zur Ausgestaltung eines Repräsentativsystems in der französischen Revolution. In ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden kann dabei die Rolle von Abbé Sieyès, dessen Pamphlet Qu’est-ce que le Tiers Etat? das neue Selbstbewusstsein des Dritten Standes verkörperte. Da dieser Dritte Stand für das Funktionieren der Gesellschaft die hervorragendste Bedeutung hat, müsse ihm auch die politische Macht zukommen: der Dritte Stand ist ident mit der Nation. Und diese Nation ist nicht mehr durch Stände oder Korporationen gebildet, sondern durch die Gemeinschaft der Bürger. Die metaphorische Kraft des corpus war zu Ende gegangen. Die Verfassung von 1791 legte die Souveränität in die Hände der Nation (nicht des Parlaments!) und deklarierte, dass der Wille der Nation durch die Nationalversammlung verkörpert wird. Zudem wurde festgelegt, dass die gewählten
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Deputierten der Departements nicht als Vertreter ihres Wahlkreises agieren durften, sondern die gesamte Nation repräsentierten. Birch (1971: 46) bezeichnet dies als einen Wendepunkt in der Geschichte des europäischen politischen Denkens.143 Zuvor wurden Delegierte immer als Abgesandte regionaler Interessen verstanden, ausgestattet mit einem rigorosen Mandat und wenig Verhandlungsspielraum. Nicht länger sollten sie zwischen Volk und Königtum vermitteln, gleichsam lokale Interessen dem Gehör der Krone zuführen. Vielmehr sollten sie von nun an die Stimme der Nation sein und sowohl die Regierung als auch die Regierten repräsentieren. Nicht länger sollte Frankreich in ständische Interessen zerfallen. Gegenstand der Repräsentation ist die „république une et indivisible“.144 So konnte das staatliche Verbot von Korporationen145 nicht als Repression von partieller Repräsentation, sondern als Ausdruck bürgerlicher Freiheit vor ständischen Zwängen interpretiert werden. Hintergrund war der bereits erwähnte Wunsch, Frankreich auch zu einer politisch-rechtlichen Einheit zu formen. Die Assemblée Nationale sollte eine Vertretung der ganzen Nation sein im Gegensatz zu den früheren Provinzialständen. Und um dies durchzusetzen, musste ein Verbot des imperativen Mandats, welches man von der früheren ständischen Verfassung gewohnt war, ausgesprochen werden (Drath 1968: 272). Voraussetzung für diese Repräsentation war die rechtliche Gleichheit der Bürger und damit der Ausschluss ständischer Privilegien. Erst als diese Gleichheit für den männlichen Teil der Bevölkerung gesichert schien, wurden Vereinigungen und Verbände nicht mehr als Bedrohung für die Einheit der Nation gesehen. Wie Alexis de Tocqueville146, der im Übrigen der Überzeugung war, dass Assozi143 144
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Burke hatte dies im wesentlich allerdings schon 1774 vertreten! Diese Einheitsrhetorik als Projekt radikaler Jakobiner lässt sich auf den Beginn der Französischen Revolution zurückführen und stand im Wettstreit mit Mirabeaus „agrégat inconstitué de peuples désunis“ und dem Regionalismus der Girondisten. Das Konzept des Föderalismus löst heute noch in Frankreich Unbehagen aus, wurde doch der unitarische Nationalstaat als Rettung verstanden. Vgl. dazu auch den ersten Satz der Verfassung der Helvetischen Republik vom 12. April 1898: La République helvétique est une et indivisible. Im März 1791 wurden durch das sog. d’Allarde Gesetz die Zünfte abgeschafft. Das daraus folgende Le Chapelier Gesetz untersagte die Bildung jeglicher Vereinigungen insbesondere berufsständischer Natur. Die negativen Folgen dieser Verbote sind von Wirtschaftshistorikern betont worden, da mit der Zerschlagung auch existierende Solidaritätsformen zerstört wurden. Erst im Jahr 1868 wurden Gewerkschaften gesetzlich anerkannt und erst 1971 wurde durch den französischen Verfassungsgerichtshof die Vereinsfreiheit als Verfassungsprinzip anerkannt. Das Verbot von Arbeitervereinigungen war allerdings nicht auf Frankreich beschränkt, sondern ist Phänomen der industriellen Revolution. Siehe z.B. den General Combination Act des britischen Parlaments im Jahr 1799. In seiner Schrift L’ancien régime et la Révolution zeigt Tocqueville welchen Grad an Zentralisation durch die Revolution geschaffen wurde. Ein Projekt an dem das alte Regime gescheitert war. Siehe dazu Sonja Puntscher Riekmann (1998).
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ationen147 das Fundament der amerikanischen Demokratie waren, so war auch Edmund Burke gegenüber den durch revolutionäre Prozesse hervorgerufenen Änderungen skeptisch. Burke sah vor allem die Kontinuität der englischen Verfassungstraditionen bedroht und erkannte genug Veränderungspotential in einem inkrementellen Prozess, der mit etwaiger sozialer Veränderung einhergeht. Mit der Durchsetzung der parlamentarischen Versammlungen als Vertretung des Volkes (in Frankreich) oder der Nation (in England) in den liberalen Verfassungskämpfen des 19. Jahrhunderts trat die Frage des Verhältnisses zwischen Repräsentierten und Repräsentanten in den Mittelpunkt. Nicht mehr das Verhältnis zwischen Monarch und den anderen Institutionen der Regierung war Gegenstand der Debatten, sondern die Zusammensetzung und der Charakter der Versammlung selbst. Aufgrund welcher Kriterien selektieren wir unsere Repräsentanten? Vor allem die Frage des dem Repräsentanten zu gewährenden Handlungsspielraums beschäftigte die politischen Theoretiker. Und schließlich: Welche Prozesse autorisieren den Repräsentanten zum Handeln im Namen der Repräsentierten?
III.4. Selektion und Autorisierung Repräsentant ist, wer durch den Prozess der Autorisierung zum Handeln ermächtigt wurde. Die Repräsentierten übertragen durch die Autorisierung dem Repräsentanten ihr Recht zur unmittelbaren Teilnahme am Entscheidungsprozess und gehen gleichzeitig eine Verpflichtung ein, das Handeln des Repräsentanten als für die politische Gemeinschaft verpflichtend zu akzeptieren. Die Autorisierung bildet “a kind of ‚black box‘ shaped by the initial giving of authority, within which the representative can do whatever he pleases.” (Pitkin 1967: 39). In Ergänzung zu Hanna Pitkin soll hier festgehalten werden, dass innerhalb des Rahmens der Autorisierung die Qualität der Repräsentation sehr wohl differieren kann. Pitkin schreibt im Anschluss an Thomas Hobbes hierzu: “There can be no such thing as representing well or badly; either he represents or he does not” (ebenda). Richtig ist, dass die Form der Autorisierung keine Auskunft oder gar Garantie für die Qualität der Repräsentation gibt. Pitkin unterscheidet in diesem Fall allerdings lediglich zwei Sichtweisen von Repräsentation, “authorization vs. accountability view” und benutzt diese, um ideengeschichtliche Traditionen (z.B. Thomas Hobbes, Max Weber, Georg Jellinek, Eric Voegelin) zu beschreiben. Den
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Dabei ist freilich zu beachten, dass Sieyès mittelalterliche Korporationen im Blick hatte, während Tocqueville und auch Madison von freien Assoziationen, die auf Freiheit und Egalität der die Gesellschaft konstituierenden Individuen abzielten, sprachen.
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Unterschied zwischen beiden Sichtweisen fasst Pitkin folgendermaßen: “Where the one group defines a representative as someone who has been elected (authorized), the other defines him as someone who will be subject to election (held to account). Where the one is initiated in a certain way, the other sees it as terminated in a certain way.” (Pitkin 1967: 58). Beide Sichtweisen werden von Pitkin als unzureichend abgelehnt, da sie keinerlei Aussage zulassen, wie repräsentiert wird. Nun ist Pitkin durchaus Recht zu geben, dass diese beiden formalistischen Konzeptionen der Repräsentation keine unmittelbare Aussage zur Qualität der Repräsentation zulassen. Nichtsdestoweniger bilden sie jedoch zwei wesentliche Elemente: um Repräsentant zu werden, muss man autorisiert werden, um Repräsentant zu bleiben, muss man sich der Bewertung durch die Repräsentierten stellen und Rechenschaft ablegen. Pitkin (1967) bezeichnete dies als “formal aspects of representation.” Theorien der Repräsentation fokussieren üblicherweise auf das Kriterium der Präsenz als Maßstab für die Qualität der Repräsentation. Anwesenheit wird als Indikator für das Vorhandensein von Repräsentation gewertet. Politische Forderungen nach Repräsentation beschränken sich oftmals auf diese Forderung nach Anwesenheit, da diese bereits als Garantie für erfolgreiche Repräsentation verstanden wird. Dieser Ansatz ist Theoretikern wie Carl Schmitt (1957), Ernst Fraenkel (1968), Gerhard Leibholz (1966), Hanna Pitkin (1967) und Eric Voegelin (1991) verpflichtet. Ausgangspunkt für diese Autoren ist die so genannte Duplikation der Repräsentation. Wie bereits erwähnt, verbirgt sich dahinter die Annahme, dass die Aufgabe und Leistung der Repräsentation ist, etwas anwesend zu machen was eigentlich abwesend ist. Aufgrund welcher Selektionskriterien wird diese Präsenz hergestellt? Welche Gründe sind ausschlaggebend für die Auswahl unserer Repräsentanten? Drei Gründe können unterschieden werden: Identität148, Interesse und Expertise (vgl. O’Neill 2001). “For every representation it is the represented which must be reproduced in the reality. Applied to persons one can say that the term representation always includes the duplication of the personal existence.” (Leibholz 1966: 27). Diese Duplikation kann laut den Vertretern der Identitätsthese nur sinnvoll stattfinden, wenn Repräsentant und Repräsentierter dieselbe soziale Identität aufweisen. Es können dies Formen der territorialen Identität (lokal, regional, national), der institutionellen Identität (z.B. Regierung, Opposition, Parlament), ethnischen, geschlechtlichen, religiösen etc. Identität sein. Die Repräsentativität einer Körperschaft hängt somit von einer möglichst präzi148
Identität als Selektionsgrund hat ihren Ursprung in der mittelalterlichen Korporationslehre. Die repraesentatio identitatis, entwickelt durch Marsilius von Padua diente vor allem dem Zweck lokale politische Gemeinschaften vom praktischen Einfluss Papstes und vom theoretischen Einfluss des Kaisers zu befreien. Siehe dazu Quentin Skinner (1978).
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sen Gruppenabbildung ab. Diese Form der Repräsentation wird auch “mirror”, “descriptive” oder “statistical representation” genannt.149 John Adams beschrieb die Spiegel-Repräsentation mit den Worten: “a representative legislature should be an exact portrait, in miniature, of the people at large, as it should think, feel, reason and act like them.” (Peek 1954: 68).150 So auch Comte de Mirabeau: „Les Etats sont pour la Nation ce qu’est une carte réduite pour son étendue physique; & soit en petit, soit en grand, la copie doit toujours avoir les mêmes proportions que l’original“ (zit. nach Schmitt 1969: 189).151 In der Auseinandersetzung um die Freiheit der Abgeordneten schrieb „Brutus“ in den Anti-Federalist-Papers: “The very term, representative, implies that the person or body chosen for this purpose, should resemble those who appoint them – a representation of the people of America, if it be a true one, must be like the people. […] They are the sign – the people are the thing signified. […] It must then have been intended that those who are placed instead of the people, should possess their sentiments and feelings, and be governed by their interests, or, in other words, should bear the strongest resemblance of those in whose room they are substituted.” (Bailyn 1993: 320). Diese Sichtweise beruht auf der Annahme, dass nur die Sozialisierung in einer sozialen Gruppe auch erlaubt, deren Anliegen zu verstehen und zu repräsen149
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Nirmala Rao (1998: 23) präsentiert Daten zur soziologische Repräsentation in lokalen Körperschaften in Großbritannien 1965 und folgert: “First, […] the preference for an older councillor increased with age, while men had a stronger preference for a male councillor. Secondly, that for a local born councillor rose with length of residence. Thirdly, that for a highly educated councillor rose with educational level”. Dieser Wunsch nach sozialer Identität von Repräsentanten und Repräsentierten sowie die Wahrnehmung derselben – von Rao als “representative imagination” bezeichnet – hat sich allerdings gewandelt. Daten aus dem Jahr 1994 belegen: “Today people no longer seek a resemblance between themselves and those they elect.” Rao’s Analyse wird von Bernhard Weßels (1997) Studie zu den Wahlen zum Deutschen Bundestag konterkariert: für 1/5 der Wähler ist es wichtig, dass die Kandidaten aus derselben Region, Klasse und Generation wie sie selbst kommen. 40% der Arbeiter wollen ihre Stimmen nur Kandidaten mit einem „ArbeiterHintergrund” geben. Theophilus Parsons, Mitglied der sog. „Essex Junto” und Autor der Essex County Resolution, nahm Adam’s Worte zwei Jahre später 1778 auf: “The rights of representation should be so equally and impartially distributed, that the representatives should have the same views, and interests with the people at large. They should think, feel, and act like them, and in fine, should be an exact miniature of their constituents. They should be […] the whole body politic, with all it’s property, rights, and priviledges, reduced to a smaller scale, with every part being diminished in just proportion.” (zit. in Handlin/Handlin (1966: 341). Jane Mansbridge (2000) erörtert die Vorteile der Spiegelrepräsentation, die sie in Anlehnung an Anthony Birch (1993) mikrokosmische Repräsentation nennt, unter den Bedingungen von “historical mistrust” zwischen Bevölkerungsgruppen und “uncrystallized interests”, i.e. Themen und Problemstellungen, die bei der Wahl des Repräsentanten noch nicht absehbar waren.
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tieren. Eine praktische Forderung die daraus resultiert, ist beispielsweise die Einführung von Quotensystemen zugunsten von Minderheiten. Prekär wird diese Frage v.a. im theoretischen Bereich mit der Forderung, dass z.B. nur Frauen, Frauen repräsentieren können oder nur Angehörige bestimmter Minderheiten ebendiese Minderheit repräsentieren dürfen. Verneint man diese Forderung, so führt dies leicht zur Akzeptanz der virtuellen Repräsentation, eine Form der Rechtfertigung für den Ausschluss von politischer Beteiligung, die sich in der Geschichte der politischen Ideen zu Recht nicht durchgesetzt hat. Die meisten normativen Theoretiker haben aber auch die deskriptive Repräsentation zurückgewiesen (Griffiths/Wollheim 1960; Pitkin 1967; Pennock 1979; Grofman 1982). Pennock hat sie mit der drastischen Metapher beschrieben, dass “no one would argue that morons should be represented by morons.” (Pennock 1979a: 314). Tim Crane (1995: 769) fasste dies in etwas nüchterne Worte: “Even the near perfect resemblance between two things doesn’t guarantee representation […] and the idea that representation is based on resemblance is untenable.” Kernpunkt der Ablehnung dieses Auswahlkriteriums ist, dass alleine die gemeinsame Identität noch kein Ausweis für erfolgreiche Repräsentation im Sinne des “acting in the best interest” ist. Nur allzu leicht ist vorstellbar, dass z.B. die mit der Repräsentationsfunktion verbundenen persönlichen Vorteile zu einer Entfremdung mit der Wählerschaft führen, dass Amts- und Politikzwänge, das Erfordernis des Kompromisses und des Abwägens, der Informationsvorsprung etc. zu einer Politik führen, die ganz und gar nicht den Interessen einer sozialen Gruppe alleine geschuldet ist. Der Ansatz, dass partikulare Gruppen in der Gesellschaft Repräsentation durch Gruppenangehörige fordern, ist zentral für eine Politik, die Anne Phillips die “politics of presence” (Phillips 1995, 1997; Kymlicka 1996; Gould 1996) nannte. Zweites mögliches Kriterium für die Auswahl der Repräsentanten ist das gemeinsame Interesse. Wenn wir Interessen teilen, so ist es wahrscheinlich, dass wir auch Ziele miteinander teilen. Die Auswahl aufgrund gemeinsamer Identität beruht letzten Endes auf der Annahme, dass eine gemeinsame Lebenswelt auch gemeinsame Notwendigkeiten und Interessen entstehen lässt. Als plakatives Beispiel mag die Forderung von Frauen nach einem Platz in den Generalständen 1789 dienen: “Just as a nobleman cannot represent a plebeian and the latter cannot represent a nobleman, so a man, no matter how honest he may be, cannot represent a women. Between the representatives and the represented there must be an absolute identity of interests.” (zit. nach Phillips 1997: 175). Vor allem in der feministischen Theorie wurde dieser Ansatz vertreten: “only women are able to represent and to advocate women’s interests” (Voet 1998: 100). Dies ist allerdings auch innerhalb dieses Theoriestrangs auf starke Kritik gestoßen. “The subject of women is no longer understood in stable or abiding terms. […] Within feminist political practice, a radical rethinking of the ontological constructions of identity appears to be necessary in order to formulate a representational politics” (But-
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ler 1999: 4 u. 8). Gerade in komplexen Gesellschaften sind soziale Identitäten zunehmend fragil und volatil. Umso unwahrscheinlicher ist die Korrespondenz von sozialer Identität und Interesse. Drittens kann die Expertise der potentiellen Repräsentanten den Ausschlag für ihre Selektion geben. Ein Rechtsexperte, ein Physiker oder Techniker etc. können als Repräsentanten in bestimmten Expertenausschüssen oder Gremien agieren und ihre spezifische Expertise in den Entscheidungsprozess einfließen lassen. Mangelndes Wissen und Interesse auf der einen Seite, sowie die oftmals hochgradig technische Materie auf der anderen, erfordern in bestimmten Politikfeldern Experten unabhängig davon aus welcher Region sie kommen, welcher sozialen Gruppe sie angehören oder welche politischen Richtung sie vertreten.152 Expertise kann durchaus im Widerspruch zum Erfordernis der Identität stehen. So kann der Fall eintreten, dass Individuen aufgrund ihres Fachwissens eine bessere Vorstellung von den Bedürfnissen einer Gruppe haben als die Gruppenvertreter selbst. Eine Version dieses Ansatzes findet sich z.B. bei Edmund Burke aber auch bei den Autoren der Federalist Papers. Es ist das herausragende inhaltliche Wissen, eine behauptete moralische Überlegenheit, Integrität etc., welche Repräsentanten legitimiert. Diskreditiert wurde dieser Ansatz v.a. durch die behauptete Überschneidung dieser Expertise mit sozialen Klassen oder Interessen: Besseres Wissen, welches sich nur in der gebildeten Klasse findet, welche materiell bevorzugt ist, als Rechtfertigung der virtuellen Repräsentation. Exemplarisch dazu die einführenden Worte von Boissy d’Anglas zur französischen Verfassung 1795: “Absolute equality is a chimera. If it existed one would have to assume complete equality in intelligence, virtue, physical strength, education and fortune in all men […] We must be ruled by the best citizens. And the best are the most learned and the most concerned in the maintenance of law and order. Now, with very few exceptions, you will find such men only among those who own some property, and are thus attached to the land in which it lies, to the laws which protect it and to the public order which maintains it […] You must, therefore, guarantee the political rights of the well-to-do […] and [deny] unreserved political rights to men without property, for if such men ever find themselves seated among the legislators, then they will provoke agitations […] without fearing their consequences […] and
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Dies bedeutet nicht, dass ‚technische‘ Entscheidungen keine politischen Implikation in sich tragen. Ganz im Gegenteil weist ein immer größer werdende Zahl von Veröffentlichungen zur Rolle der Agenturen oder Ausschüsse in der Europäischen Union darauf hin, dass deren Entscheidungen nicht alleine Sachinhalten verpflichtet sind, sondern sehr wohl Ergebnis politischer Determination sind. Siehe dazu: Xénophon Yataganas (2001), Adrienne Héritier und Mark Thatcher (2002), Mark Thatcher und Alec Stone Sweet (2002), Eduardo Chiti (2004), Damien Geradin und Nicolas Petit (2004).
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in the end precipitate us into those violent convulsions from which we have scarcely yet emerged.” (zit. nach Hibbert 1980: 282). Der Unterschied zwischen Präsenz basierend auf geteilter Identität und Präsenz basierend auf Interesse liegt in den unterschiedlichen Grundlagen. Vertreter der ersten Richtung erwarten, dass eine Person, die gewisse askriptive Merkmale mit einer sozialen Gruppe teilt, höchstwahrscheinlich aufgrund gemeinsamer Erfahrungen und Bedürfnisse im besten Interesse der Repräsentierten agieren wird. Vertreter der Interessenrepräsentation hingegen halten fest, dass das zufällige Teilen von askriptiven Merkmalen noch lange keine Garantie für gemeinsame Interessen ist. Folgerichtig zielen sie auf die Interessengemeinsamkeit, die nicht so sehr in einer sozialen Identität, sondern auch in gemeinsamen Zielen und Mitteln zur Erreichung dieser Ziele begründet liegt, ab. Die Auswahlgründe, Identität, Interesse, Expertise sollen hier als analytische Kategorien verstanden werden, deren Gewichtung aber auch in der politischen Realität durchaus feststellbar ist. Es wäre allerdings unzulässig, den analytischen Charakter zu einer empirischen Typologie der Selektionskriterien auszubauen, da in der komplexen politischen Realität diese Kriterien stark vermischt sind. So werden unsere Repräsentanten zumeist Experten sein, deren regionale Zugehörigkeit auch eine Rolle spielt. Sehr wohl lässt sich aber feststellen, dass im politischen Alltag für die Auswahl der Repräsentanten dem Kriterium der (politischen, territorialen, institutionellen) Identität ein Vorzug eingeräumt wird. Neben den Gründen der Selektion müssen auch die Mechanismen der Selektion erwähnt werden. Wie wird autorisiert? Losverfahren, Wahl oder Benennung sind die gängigen Verfahren. Beim Wahlverfahren sind die Wahl durch das Volk – direkt gewählt, wie die meisten nationalen Parlamente oder indirekt wie z.B. der US-amerikanische Präsident – und die Nominierung durch gewählte Körperschaften wie z.B. im Falle von Höchstrichtern zu unterscheiden. Wahlen sind ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen (moderner) repräsentativer Demokratie und identitären Demokratieformen (Mantl 1975). Bernard Manin (1997) hat die Geschichte der repräsentativen Demokratie als einen Prozess der Durchsetzung des Wahlverfahrens gegenüber dem Losverfahren beschrieben. Ohne Zweifel kann auch das Losverfahren als ein effektiver Prozess der Bestellung von Repräsentanten gelten. John Burnheim (1985), Ernest Callenbach/Michael Phillips (1985) und Barbara Goodwin (1992) bezeichneten die Auslosung politischer Ämter als eine seriöse Alternative zur Wahl. In Europa hat sich allerdings nach erbitterten Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert das allgemeine, gleiche, persönliche und geheime Wahlverfahren durchgesetzt. Im Zuge der Französischen Revolution, mit der Abschaffung der Generalstände hatte sich die Interpretation vom gewählten Abgeordneten als Repräsentant des gesamten Volkes durchgesetzt. Es sollte allerdings noch einige Zeit vergehen, bis die Widerstände gegen das allgemeine Wahlrecht gebro-
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chen wurden. Die aufstrebende Mittelschicht, die sich eben erst das Recht der politischen Beteiligung von der Krone ertrotzt hatte, zeigte sich gegenüber den Ansprüchen der Mittellosen äußerst zurückhaltend. Vielmehr wurde sie zur Verteidigerin der Koppelung zwischen Wahlrecht und Besitz. Folge davon war ein Zensuswahlrecht, da “(t)he constitution-makers of the Revolution considered that the nation had the right to confer the task of voting on persons who could perform it properly” und “the property qualifications were presented as the means of securing an élite competent to act as trustees of the nation.” (Campbell zit. nach Birch 1971: 62f). Allerdings konnte dieses System in Frankreich nur bis 1848, als das allgemeine Wahlrecht bedingungslos eingeführt wurde, verteidigt werden. Auch in Großbritannien, beginnend mit dem Reform Act 1832, dauerte es bis 1918 bis sich das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts etabliert hatte. Zu groß war der Widerstand, die Angst vor den Massen ignoranter und ungebildeter Wähler, deren Besitzlosigkeit gleichgesetzt wurde mit Desinteresse am Wohlergehen der Nation. So sprach sich auch James Mill für eine graduelle, langsame Ausweitung des Wahlrechts aus, sah er doch im Mittelstand das Rückgrat Großbritanniens: “There can be no doubt that the middle rank, which gives to science, art, and to legislation itself their most distinguished ornaments, and is the chief source of all that has exalted and refined human nature, is that portion of the community of which, if the basis of representation were ever so far extended, the opinion would ultimately decide.” (Mill 1976). Hinzu kommt das spezifische Politikverständnis des 19. Jahrhunderts: Repräsentanten sollten rational zwischen politischen Alternativen und politischen Führern entscheiden. Mindestvoraussetzung dafür ist ein gewisses Maß an Bildung. Was sollte die große Zahl von Analphabeten, deren dringendste Sorge in der beginnenden Industrialisierung das nackte Überleben war, zur rationalen Entscheidungsfindung beitragen? Mit dem Wandel des Repräsentationsverständnisses, von der Repräsentation der Nation zur Repräsentation von Interessen, war diese Argumentation nicht mehr haltbar, war doch der Ausschluss von der Selektion der Repräsentanten nicht Folge der Unbildung, sondern Folge der Armut. Wenn Demokratie auch die Erziehung zur Selbstverantwortung ist, so Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill153, dann gibt es keinen Grund bestimmte Schichten der Bevölkerung von der Partizipation auszuschließen.154 Wahlen ermöglichen eine intelligible Selektion der Repräsentanten und geben Antwort auf die Frage warum gerade diejenigen Personen und nicht andere, die möglicherweise ebenso qualifiziert wären, repräsentieren. Solange Menschen an die natürliche Überlegenheit des Monarchen oder einer regierenden Kaste glaubten, konnte Herrschaft mit Verweis auf eben die Überna153 154
Das moderne Pendant ist Carol Pateman (1970). Bekanntlich hat dies James Stuart Mill nicht daran gehindert, mehr Stimmen für Vorarbeiter, Beamte, Universitätsabgänger und -lehrer zu fordern.
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türlichkeit gerechtfertigt werden. Sobald sich allerdings die Idee der natürlichen Gleichheit aller Personen durchgesetzt hatte, war diese Form der Rechtfertigung nicht mehr möglich. Der Gewinn einer Wahl konfligiert nicht mit der natürlichen Gleichheit, wie Brian Barry (1989: 57) anführt: “For if quality is equal […] the only differentiating factor left is quantity.” Die eingeführten Wahlsysteme differieren erheblich, sowohl in ihren Funktionen (siehe Nohlen 2000: 155ff.; Poier 2001: 214ff.) als auch in ihrer Auswirkung auf die Qualität der Repräsentation. Dabei sind folgende Merkmale von Wahlsystemen in Betracht zu ziehen: (1) die Wahlkreiseinteilung, (2) die Form der Kandidatur, (3) die Möglichkeiten der Stimmabgabe, (4) das Stimmverrechnungsverfahren sowie (5) die Dauer des Mandates. Ad (1): Hier ist einerseits die Wahlkreisgröße und andererseits die territoriale Wahlkreiseinteilung sowie der sog. Repräsentationsschlüssel zu beachten. Je kleiner Wahlkreise sind, desto schwerer haben es politische Repräsentanten ein Mandat zu erhalten, auch wenn die Mandate proportional vergeben werden. Da die Interessen und damit die Wähler in aller Regel nicht völlig homogen über ein Wahlgebiet verteilt sind, ist es von entscheidender Bedeutung, wie die Wahlkreiseinteilung geographisch vorgenommen wird. Wird die Wahlkreiseinteilung von parteitaktischen Zielen geprägt, spricht man von “Gerrymandering” (Sartori 1997: 21f.). Eine besondere Rolle spielt die Wahlkreiseinteilung auch bei der Repräsentation ethnischer Minderheiten. Gerrymandering kann hier sowohl zum Nachteil, wie auch zum Vorteil der Minderheiten eingesetzt werden.155 Der Repräsentationsschlüssel gibt an, auf wie viele Wähler bzw. Bürger156 verschiedener Wahlkreise jeweils ein Mandat entfällt. Grundsätzlich sollte der (annähernd) gleiche Stimmwert jeder einzelnen Wählerstimme vorliegen. Ad (2): Die Form der Kandidatur, Einzelkandidatur oder Liste sind hier zu unterscheiden, da sie ebenso wesentlich für die Einfluss ist, den die Wählerschaft auf die Selektion der Repräsentanten hat. „Im Gegensatz zur Einzelkandidatur, bei der für einen Kandidaten bei der Mandatsverteilung nur die von ihm selbst errungenen, allein auf ihn abgegebenen Stimmen zählen, ist bei jedweder Form der Liste für die Umsetzung von Wählerstimmen in Mandate eine Summierung der Stimmen verschiedener Bewerber und eine Übertragung der Stimme eines oder mehrerer Kandidaten auf einen anderen Bewerber, wenn nicht sogar die Stimmenabgabe für die Bewerber insgesamt, kennzeichnend.“ (Nohlen 1978: 68). Die Durchwachsung der Demokratie 155
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Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer positiven Diskriminierung wurde vom US-amerikanischen Supreme Court im Fall Shaw vs. Reno eindeutig verneint. Der österreichische Verfassungsgerichtshof äußerte sich ebenfalls ablehnend zu der Frage, ob Minderheitenschutz eine solche positive Diskriminierung bezüglich der Wahlkreiseinteilung verlangt. Siehe dazu Joseph Marko (1995: 468ff.). Es ist in der Literatur umstritten, ob sich der Repräsentationsschlüssel auf Wähler oder Bürger bezieht.
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westeuropäischer Prägung mit politischen Parteien, deren Zugriff auf die Ressourcen des politischen Wettbewerbs fast hundertprozentig ist, lässt die Einzelkandidatur nur als Ausnahme bei Wahlen zur legislativen Versammlung zu. Ad (3): Bei der Einzelkandidatur hat der Wähler zumeist nur eine Stimme, die er an den Kandidaten seiner Wahl vergeben kann. Es existiert jedoch auch die Möglichkeit, dass der Wähler über mehrere Stimmen verfügt. Als Instrumente des Minderheitenschutzes bei Mehrheitswahl können dabei beschränkte Stimmgebung (der Wähler hat weniger Stimmen als Mandate vergeben werden) oder die Möglichkeit des Kumulierens (der Wähler kann zwei oder mehr Stimmen auf eine Person vereinigen) vorgesehen werden. Bei der Listenwahl wird zumeist eine Stimme an eine Parteiliste vergeben. Wesentlich ist die Frage, wie weit der Wähler die Kandidatenreihung auf der Liste beeinflussen kann. Umreihungen, Streichungen, Panaschieren und Vorzugsstimmen tragen zu einer Flexibilisierung der Listen bei. Allerdings wirkt sich nicht jede Präferenzbekundung des Wählers bereits aus, da im Normalfall eine hohe quantitative Schwelle an Präferenzbekundungen erreicht sein muss, dass diese überhaupt erst wirksam werden. Ad (4): Ein weiteres Element, welches auf die Selektion der Repräsentanten Einfluss nimmt, ist das Stimmverrechnungsverfahren. Grundmodelle sind Mehrheitswahl und Proporzwahl.157 Die Modelle158 dürfen als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden, eine ausführliche Beschreibung erübrigt sich (siehe dazu Nohlen 1978; Blackman 1999; Poier 2001). Ziel der Verhältniswahl ist es, die politischen Strömungen und Meinungen „in verkleinertem Maßstab“ in der legislativen Versammlung widerzuspiegeln. Oft propagierter Vorteil der Mehrheitswahl ist die Tatsache, dass sie zu klaren Regierungsmehrheiten beitragen kann. Ad (5): Die Dauer des Mandates war und ist Gegenstand kontroversieller Diskussionen. Einer der amerikanischen Verfassungsväter, der Repräsentant von Massachusetts, Fisher Ames, faßte die Eckpunkte 1788 folgendermaßen: “The term of election must be so long, that the representative may understand the interests of the people, and yet so limited, that his fidelity may be 157
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Die Vielfalt innerhalb dieser beiden Hauptgruppen ist enorm. So existiert die relative Mehrheitswahl in Einwahlkreisen (z.B. in Großbritannien, Vereinigte Staaten), absolute Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen (z.B. in Frankreich), Grabenwahlsystem (z.B. in Japan), reine Verhältniswahl mit Sperrklausel (z.B. in Österreich), personalisierte Verhältniswahl mit Sperrklausel (z.B. in Deutschland), kompensatorische Verhältniswahl mit Sperrklausel (z.B. in Italien), übertragbare Einzelstimmgebung (z.B. in Irland). Es sind dies die D’Hondt-Formel in Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Niederlande, Portugal und Spanien; die Hare-Niemeyer Formel in Deutschland und Italien; die Hagenbach-Bischoff Methode in Luxemburg; Enishimeni Analogiki in Griechenland und “Single Transferable Vote” in Irland.
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secured by a dependence upon their approbation.” (Bailyn 1993: 892).159 Ergebnis der amerikanischen Diskussion war ein zweijähriges Mandat für Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein sechsjähriges Mandat für Senatoren. Generell variieren die Mandatsperioden in Legislativen zwischen vier und fünf Jahren (siehe dazu Carey 1998).160 Argumente für die Beschränkung von Mandatsperioden reichen von normativen Positionen über die Vorteile der “office rotation” (Petracca 1992) zu Argumenten, die die Sicherheitsfunktion im Sinne des “throwing the rascals out” (Rothenberg 1992) betonen. Proponenten der Beschränkung sind der Ansicht, dass sie “promote democracy by ensuring more competitive elections because there will be more open seats” und “discourage cosy relationships between legislators, lobbyists, and bureaucrats” (Chi/Leatherby, 1998: 4). John Fund argumentiert, dass eine Beschränkung der Mandatsdauer die Qualität der Repräsentanten durch die Abwertung des Senioritätsprinzips erhöht denn “a legislator must remain in office for fifteen or twenty years to become influential” und “may worthy individuals, of the kind who would compose a truly representative citizen-legislature, find the concept of spending that much time in the legislature off-putting.” (Fund 1992: 235f.)161 Genauso wurde aber auch für das gegenteilige Argument Partei ergriffen: “the loss of expertise and institutional memory” würde durch eine Beschränkung steigen (Moncrief/Thompson 2001). Alle fünf Elemente haben klarerweise einen Einfluss auf die Möglichkeiten der Repräsentantenselektion.162 Zu bedenken ist, dass die Veränderung von Wahlsystemen immer politischen Überlegungen folgt. Ist ein Repräsentant einmal selektiert, d.h. gewählt und autorisiert, ist sein zur Verfügung stehender Handlungsspielraum für die Qualität und Art der Repräsentation wichtig. Es kann erwartet werden, dass Verhältniswahlsysteme die Interessen divergenter Bevölkerungsgruppen adäquater repräsentieren als Mehrheitswahlsysteme, in denen unterlegene Wahlgruppen nicht einmal oppositionell vertreten sind. Erstere befördern zudem den Zwang zum Kompromiss, während der Vorteil letzterer wohl in ihrem Beitrag zu eindeutigen Regierungsverhältnissen, abseits von Koalitionen, liegen kann. Verantwortung kann
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Fast dieselben Worte benutzte “Centinel” I (Samuel Bryan) im Oktober 1787 (Siehe Bailyn 1993: 60). Dies schließt natürlich eine Wiederwahl nicht aus. So lag zum Stichtag 16. Juli 1997 die durchschnittliche Dauer eines österreichischen Parlamentsabgeordneten bei 6.6 Jahren (siehe Müller et al. 2001). Vor allem in den USA wurde die Diskussion um eine Beschränkung der Dauer des Mandats zu Beginn der 1990er Jahre heftig geführt (siehe z.B. Vile 1991; Fund 1992; Kurtz 1992). In Kalifornien, Colorado und Oklahoma wurde eine solche Beschränkung mittels Volksentscheid zuerst eingeführt. Zum Zusammenhang Wahlsystem und weibliche Abgeordnete siehe Joseph Rule und Wilma Zimmerman (1992), Robert Darcy et al (1994), Pippa Norris (1996),
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damit leichter zugeordnet werden, allerdings ist es möglich, dass sich die politische Debatte vom primären Ort der Deliberation im Parlament zu einer Debatte zwischen Parlament und Gesellschaft als antagonistische Proponenten verlagert. Die Funktion der Reflexion und Identitätsbildung kann dadurch beeinträchtigt werden. Bezüglich des Handlungsspielraumes des Repräsentanten sind seine formalen Rechte ausschlaggebend. Welchen Sinn würde ein nach allen Regeln der politischen Kunst verlaufender demokratischer Wahlvorgang haben, wenn die dabei selektierten Repräsentanten keine Rechte hätten, die ‚autoritative Allokation von Werten‘ vorzunehmen, d.h. politische Entscheidungen zu treffen? Entscheidungen werden durch Abstimmungen getroffen.163 Allerdings kommt nicht allen Repräsentanten gleiches politisches Gewicht zu. Einige mögen nur über ein suspensives Veto verfügen, Informationsrechte besitzen oder gar kein Stimmrecht haben. Mit John Kincaid (1999: 35) kann zwischen autoritativer und konsultativer Repräsentation unterschieden werden. Autoritatives Repräsentieren bedeutet, dass für das politische Kollektiv bindende Entscheidungen getroffen werden. Konsultative Repräsentation beinhaltet lediglich das Recht, gehört zu werden. Obwohl letztere nicht das Recht bindende Entscheidungen zu treffen umfasst, kann aufgrund von Expertise oder Reputation der Einfluss auf den Entscheidungsprozess beträchtlich sein. Autoritative Repräsentanten verfügen über größere Verhandlungsmacht und sind darüber hinaus auch besser in der Lage, die Interessen der von ihnen Repräsentierten effektiv zu verfolgen. Das grundsätzliche Erfordernis der Demokratie, die Egalität der Bürger, muss sich also auch in egalitären Stimmrechten der Repräsentanten widerspiegeln.
III.5. Freies versus imperatives Mandat Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Delegierten und Repräsentanten ist die Handlungsfreiheit des letzteren. Welches Ausmaß diese Handlungsfreiheit beträgt, wo ihre Grenzen und Probleme liegen, ist Gegenstand unzähliger Schriften. Sahen die frühe radikal-demokratische Theorie der französischen und nordamerikanischen bürgerlichen Revolutionen und die später entwickelte sozialistische Demokratietheorie den Abgeordneten als Delegierten des Wählerwillens, der die lokalen Interessen der Wähler zu vertreten habe, so erwies sich das imperative Mandat in der politischen Praxis als hinderlich (Beyme 1965). Die in den Versammlungen vertretenen Stände sahen ihre Hauptaufgabe darin, zu verhindern, dass Reichsgeschäfte gegen die Standesinteressen geführt wurden. Die Ständeversammlungen
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“No matter how much deliberation takes place, heads have to be counted – aggregated – at some point if a democratic decision is to be reached.” (Dahl 1991: 230).
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Kontinentaleuropas waren damit Gesandtenkongresse, die zwar dauernden Einfluss auf die Politik ihrer Regierungen gewinnen wollten, die sich aber in Folge ihres Selbstverständnisses entmachteten, indem sie sich als Standesvertreter immer wieder Instruktionen bei den von ihnen Vertretenen zu holen hatten (vgl. Jekewitz 1976). Zudem stellten die Entfernungen von London oder Paris und die mangelhaften Informationsmöglichkeiten ein zusätzliches Hindernis für die Überprüfung der Tätigkeit der Vertreter dar. Der Kontrollaufwand ist im Falle des gebundenen Mandats ungleich höher als beim freien Mandat. Selbst im Zeitalter der digitalen Information ist es unmöglich, Abgeordnete ständig zu kontrollieren. Der Zeit- und Ressourcenaufwand würden in keinerlei Relation zum Gewinn durch das Mandatssystem stehen. Im historischen Rückblick erweist sich zudem, dass die Gegenüberstellung von freiem und gebundenem Mandat niemals als zwei sich ausschließende Möglichkeiten in der politischen Praxis existierte. So sind sie denn auch als Extrempunkte einer Skala zu verstehen, auf der real existierende und differierende Repräsentationsformen zu lokalisieren sind. Die klassische Rechtfertigung für die Notwendigkeit der Freiheit des Repräsentanten von lokalen und partikularen Interessen findet sich bei Edmund Burke, der ältere Ansätze aufgreift. Bereits John Toland in seiner Schrift Art of Governing by Parties (1701) und Humphrey Mackworth in Vindication of the Rights of the Commons in England (1701) sprachen sich gegen imperative Mandate aus. Am 3. November 1774 hielt Burke in seinem Bristoler Wahlkreis – übrigens dem drittgrößten in England – eine Dankesrede nachdem er den amtierenden Tory-Politiker geschlagen hatte. Sein Elektorat setzte sich zum größten Teil aus Kaufleuten, die mit den amerikanischen Kolonien Handel trieben, zusammen. Burke kontrastiert in dieser Rede die zwei grundsätzlichen Auffassungen, wie Abgeordnete ihr Mandat ausüben und wen sie repräsentieren sollen (vgl. dazu Steffani 1981): “Certainly, Gentlemen, it ought to be the happiness and the glory of a representative to live in the strictest union, the closest correspondence, and most unreserved communion with his constituents. Their wishes ought to have great weight with him; their opinions high respect; their business his unremitted attention. It is his duty to sacrifice his repose, his pleasure, his satisfactions, to theirs, – and above all, ever, and in all cases, to prefer their interests to his own.” Bis zu diesem Teil der Ausführungen gibt sich Burke ganz als Delegierter der Interessen Bristols. Im Folgenden macht er jedoch unmissverständlich klar, dass ein “acting in the best interest” nur möglich ist, wenn der Abgeordnete freie Hand in den parlamentarischen Verhandlungen hat. Gerechtfertigt wird diese Notwendigkeit zuvor noch mit dem Hinweis auf die Vorsehung: “But his unbiased opinion, his mature judgement, his enlightened conscience, he ought not to sacrifice to you, to any man, or to any set of living men. These he does not derive from your pleasure, – nor from the law and the Constitution. They are a trust from Providence, for the abuse of which he is deeply answerable.” So wertvoll die Meinungen der lo-
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kalen Honoratioren auch sein mögen, einer effektiven Repräsentation stehen sie, sobald sie imperativen Charakter annehmen, im Weg. “Your representative owes you, not his industry only, but his judgement; and he betrays, instead of serving you, if he sacrifices it to your opinion. […] To deliver an opinion is the right of all men; that of constituents is a weighty and respectable opinion, which a representative always ought to rejoice to hear and which he always ought most seriously to consider. But authoritative instructions, mandates issued, which the member is bound blindly and implicitly to obey, to vote, and to argue for though contrary to the clearest conviction of his judgement and conscience, – these are things utterly unknown to the laws of this land, and which arise from a fundamental mistake of the whole order and tenor of our constitution. Parliament is not a congress of ambassadors from different and hostile interests, which interests each must maintain, as an agent and advocate, against other agents and advocates; but Parliament is a deliberative assembly of one nation, with one interest, that of the whole – where not local purposes, not local prejudices, ought to guide, but the general good, resulting from the general reason of the whole. You choose a member, indeed; but when you have chosen him, he is not a member of Bristol, but he is a member of Parliament.” (Burke 1866, Vol.2, 95f.). Selektion und Autorisierung entheben den Abgeordneten von der Subjektivität lokaler Interessen und verpflichten ihn, das Wohl der Nation, auch wenn es den lokalen Interessen nicht zuträglich sein mag, zu verfolgen.164 Das freie Mandat wird nicht nur technisch-pragmatisch als ein „Grundbedürfnis der parlamentarischen Tätigkeit“ (Krbek 1966: 77) verstanden, sondern zusätzlich polemisch von der ständischen Vergangenheit abgegrenzt und zu einem besonderen Wert gesteigert. Fluchtpunkt dieser Steigerung ist das höhere Interesse der Nation, welches eine freie und rationale Diskussion im Parlament erfordert. Eine Bindung des Abgeordneten würde diesem Ziel im Wege stehen, könnte er doch vom Auftrag der Repräsentierten nicht einmal dann abweichen, wenn die Kraft der rationalen Deliberation seinen Standpunkt ad absurdum geführt hätte. Ein ständiges Rückfragen zur Klärung neuer Gesichtspunkte würde den Charakter der Repräsentation pervertieren und v.a. die Einheit der Nation in Frage stellen. Das Vertrauen in die rationale Diskussion leitet sich aus Burkes Menschenbild ab, welches das unbegrenzte Vertrauen der Aufklärung in die Vernunft des Einzelnen ablehnt. Vernunft und Begabung sind nicht gleich verteilt, nur im Zusammenwirken der Vernünftigen kann der wohlgeordnete Staat gelingen. Die Dreiteilung von Krone, Ober- und Unterhaus ist der beste Schutz vor Despotismus oder der Herrschaft des Pöbels. Das freie Mandat des Abgeordneten dient als Siche164
Burke stand damit im Gegensatz zu seinem Mitbewerber Henry Cruger, der es als Verpflichtung des Abgeordneten ansah, den Weisungen der Repräsentierten Folge zu leisten. „Ich für meinen Teil werde es im Parlament stets als meine Pflicht ansehen, Eurem Rat und Euren Instruktionen zu Folgen.“ (zit. nach Steffani 1981: 112).
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rung vor weitergehender Demokratisierung und politische Parteien helfen, die Ansprüche der Monarchie einzudämmen.165 In der revolutionären französischen Verfassung von 1791 ist zu lesen, dass die Souveränität der Nation zukommt, dass die Nationalversammlung den Willen der Nation verkörpert und dass „Les représentants nommés dans les départements, ne seront pas représentants d’un département particulier, mais de la Nation entière, et il ne pourra leur être donné aucun mandat.“ (Section III., Art. 7). Schon zuvor war dies in der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte vom 26. August 1789 zu lesen. Während man in Amerika von den individualistischen Wurzeln der politischen Gemeinschaft und des Staates überzeugt war, tendierten die französischen Theoretiker zu kollektiven Sichtweise Rousseaus. Die bestimmende Doktrin der Revolutionäre war nicht die Souveränität des Volkes, welches in der parlamentarischen Versammlung repräsentiert ist. Vielmehr galt die französische Nation als Souverän und nur diese kann im Parlament repräsentiert werden. Der Repräsentant wird so zum Schöpfer der Gesetze im Interesse der Nation und ist nicht länger Delegierter partikularer Interessen. Das Verbot des imperativen Mandats fand Eingang in die meisten europäischen Verfassungen, so z.B. in die italienische Verfassung von 1848, die österreichische von 1867, die deutsche von 1871 sowie auch in das Bonner Grundgesetz von 1949 etc. Im Gegensatz zu Europa war in Amerika die prinzipielle Unabhängigkeit des Repräsentanten nicht vollkommen etabliert. Belege aus dem Jahr 1661 zeigen, dass die Stadt Boston seine Delegierten zur Legislativversammlung Massachusetts mit genauen Instruktionen versah. Die Verfassung von 1780 bestätigte in Artikel XIX. das Recht, die Abgeordneten mit einem imperativen Mandat zu versehen: “The people have a right, in an orderly and peaceable manner, to assemble to consult upon the common good; give instructions to their representatives, and to request of the legislative body, by the way of addresses, petitions, or remonstrances, redress of the wrongs done them, and of the grievances they suffer.” Unter den ersten Verfassungen in den amerikanischen Staaten erkannten Pennsylvania, North Carolina, Massachusetts, New Hampshire und Vermont das imperative Mandat explizit an. Im Jahr 1812 verabschiedete die Legislativversammlung von Virginia eine Resolution, die die Praxis des imperativen Mandats ausführlich rechtfertigte (de Grazia 1951: 75). War in England der Landbesitz das entscheidende Kriterium für aktives wie passives Wahlrecht, so spielte dieser Faktor in den amerikanischen Kolonien aufgrund der natürlichen Gegebenheiten keine Rolle. “Residence requirements, constituency payments, frequent elections, elections of many officers, the doctrine of instructions, the banning of place-
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Zwar gehört Burkes Rede heute zu den Klassikern, im Jahr 1774 verfehlte sie jedoch ihren Zweck, die Wahlmänner Bristols zu beeindrucken. Siehe dazu Alfred Cobban (1978).
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holding by representatives, and the decline in the prestige of the realproperty qualification for the vote […] all tended to reduce the representatives to the delegate status, forcing the public servant to voice accurately and under pain of imminent defeat at the polls the sentiment of the majority of the constituency.” (de Grazia 1951: 34). James Madison formulierte im Federalist No. 52, wie bereits erwähnt, dass es äußerst wichtig sei, dass der Repräsentant “should have an immediate dependence on, and an intimate sympathy with, the people.” Thomas Jefferson schloss sich dieser Ansicht an (vgl. Padover 1939). Die Autoren der Federalist Papers wollten die legislative Versammlung eher im Sinne von Burkes “congress of ambassadors”, die sektionale und lokale Interessen vertreten, verstanden wissen, sahen aber gleichzeitig die Notwendigkeit der Handlungsfreiheit des Abgeordneten. Die Vielfalt der lokalen Forderungen, die nicht einem übertriebenen Interesse der Nation geschuldet ist, wurde gleichzeitig als Sicherheit gegen die Dominanz eines einzigen Interesses, z.B. der Landbesitzer, interpretiert. Die mangelnde amerikanische Erfahrung mit Ständeversammlungen ließ das (teilweise) gebundene Mandat als Kontrolle des Abgeordneten als zumindest nicht nachteilig erscheinen. Repräsentation wird gleichgesetzt mit der Teilnahme an Verhandlungsprozessen mit dem Ziel des Interessenausgleichs. Garantiert muss lediglich die prinzipielle Offenheit des politischen Systems für alle Interessen sein. In der Diskussion um die Anzahl der Repräsentanten betonte James Madison im Federalist No. 10, dass ein Mittel zwischen einer zu geringen Zahl, die Abgeordneten wären dann zu sehr dem Druck lokaler und partikularer Interessen ausgesetzt und einer zu großen Zahl, die Abgeordneten würden den Kontakt zu den Repräsentierten verlieren, zu finden sei: “By enlarging too much the number of electors, you render the representative too little acquainted with all their local circumstances and lesser interests; as by reducing it too much, you render him unduly attached to these, and too little fit to comprehend and pursue great and national objects.” Zwar haben die lokalen Interessen und deren Umsetzung durchaus einen Platz auf der föderalen Ebene, Repräsentanten „veredeln“ diese aber, wie es an einer berühmten, bereits zitierten, Stelle heißt: “to refine and enlarge the public views, by passing them through the medium of a chosen body of citizens, whose wisdom may best discern the true interest of their country, and whose patriotism and love of justice, will be least likely to sacrifice it to temporary and partial considerations. Under such a regulation, it may well happen that the public voice pronounced by the representatives of the people, will be more consonant to the public good, than if pronounced by the people themselves convened for this purpose.” (Federalist No. 10). Der Unterschied zum freien Mandat Burke’scher Prägung liegt in der Tatsache, dass es nicht dem Repräsentanten überlassen ist, die Interessen der von ihm Repräsentierten zu perzipieren. Erster Schritt und wichtigste Aufgabe ist, die noch „rohen“ Interessen unmittelbar aufzunehmen und dann zu ‚verfeinern‘. Genau dies erfordert die ‘immediate dependence’. Resultat ist das von Noah Webster vor-
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geschlagene ‚Mischsystem‘ für den Kongress: “A delegate is bound to represent the true local interest of his constituents […] but when each provincial interest is thus stated, every member should act for the aggregate interest of the whole confederacy.” (Baylin 1993: 139). Wenn nur das “one and unified interest” der Nation besteht, so lässt sich bei Burke fragen, warum müssen die Abgeordneten durch die ‚unvoreingenommene Meinung, das reife Urteil und das erleuchtete Gewissen‘ in ihrer Entscheidungsfindung geleitet werden? Burke war der Ansicht, dass dieses Interesse erkannt, verstanden und interpretiert werden muss. Einige Abgeordnete sind dazu besser in der Lage als andere, bzw. können Auffassungsunterschiede hinsichtlich der Wege und Mittel dieses Gesamtinteresse zu verwirklichen, bestehen. Durch die Abkoppelung von lokalen, sektionalen Interessen für eine bestimmte, genau definierte Periode, wird der Abgeordnete in die Lage versetzt, die bestmöglichen Ergebnisse für die Nation zu erzielen. Aber welche Rolle spielt hierbei die Abhängigkeit von der politischen Partei? Interessanterweise schließen sich freies Mandat und Fraktionsdisziplin bei Burke nicht aus, lediglich die Freiheit vor unliebsamen Einmischungen der von ihm Repräsentierten ist ihm ein Anliegen. Burke geht so weit, das freie Mandat als Grundvoraussetzung einer wirkungsvollen Fraktionsdisziplin zu verstehen. Das politische Gewicht einer Partei ist abhängig von der Fähigkeit und dem Willen der Mitglieder, Gruppendisziplin zu wahren. Dies wiederum setzt voraus, dass die Abgeordneten an keinen Wählerwillen gebunden sind. Mögliche Repräsentationsschwerpunkte oder Foci der Repräsentation sind die lokalen Interessen auf der einen Seite und die Repräsentation nationaler, gesamtstaatlicher Interessen auf der anderen Seite, wobei er letzteren als den anzustrebenden Fokus identifiziert (vgl. Steffani 1981). Neben dem Fokus der Repräsentation erwähnt Burke aber auch den Stil der Repräsentation, also die Frage nach dem Wie? Er stellt dem instruktionsgebundenen Delegierten den unabhängigen Trustee166 gegenüber und verknüpfte sie mit der Frage nach dem Was? der Repräsentation.167 Burke stellt hier zwei sich ausschließende Alternativen vor. Steffani (1981: 120) erweiterte diese Möglichkeiten um den Abgeordneten, dessen Fokus die lokale Ebene ist, der aber in der legislativen Versammlung als Trustee agiert. Ebenso denkbar ist der lokal unabhängige Parlamentarier, der sich an eine nationale Interessengruppe gebunden fühlt. Zudem kann der Repräsentant zwischen lokalen und nationalen Foci changieren. Eine rigorose Trennlinie zwischen dem freien und dem gebunden Mandat zu ziehen, erscheint in der politischen 166
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Patzelt (1991) überträgt Focus mit Repräsentationsschwerpunkt, Style mit Repräsentationsstil, Delegate mit Delegierter und Trustee mit Treuhänder. Eine Übersetzung der Begriffe erscheint nicht unbedingt notwendig, da sich die englischen Termini auch in der deutschsprachigen Literatur finden. Vor allem John Wahlke et al. (1962) entwickelten Burkes Unterscheidung zwischen Stil und Fokus weiter.
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Praxis allerdings unmöglich. In einer legislativen Versammlung werden sich immer Vertreter lokaler und/oder funktionaler Interessen, sowie Repräsentanten des allgemeinen Interesses finden. Ein Parlament wird also immer “a deliberative assembly from one nation, with one interest, that of the whole, as well as a congress of ambassadors from different hostile interests“ (Friedrich 1937) sein. Das freie Mandat des Abgeordneten mag uns heute als eine lediglich formale Feststellung dienen, hat doch die Entwicklung der Parteiendemokratie eben diese Freiheit massiv unterhöhlt. Die praktischen politischen Konsequenzen können jedoch enorm sein. So stellte z.B. der deutsche Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zur atomaren Rüstung 1958 fest, dass es verfassungswidrig sei, in dieser Frage ein Referendum zu organisieren, da ein solches unbotmäßigen Druck auf die Abgeordneten ausüben würde. 1960 verweigerte der französische Staatspräsident de Gaulle die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des französischen Parlaments mit dem Argument, dass die Abgeordneten unter nicht verfassungskonformen Druck professioneller Organisationen, in diesem Fall der Gewerkschaft der Bauern, stünden (vgl. Sobolewski 1968). Von diesem „außerparlamentarischen“ Druck ist die Fraktionsdisziplin jedoch zu unterscheiden. Hier scheint der Abgeordnete eher die Partei gegenüber dem Wähler zu repräsentieren, denn die Wähler gegenüber der Exekutive. Diese Interpretation setzt eine Sichtweise des Parlamentarismus voraus, deren Haltbarkeit mehr denn zweifelhaft ist. Lediglich zwischen Legislative und Exekutive zu unterscheiden wird dem modernen Parlamentarismus nicht mehr gerecht. Anthony King (1976; vgl. dazu auch Müller 1993) kritisierte diese klassische Unterscheidung als irreführend, da sie weder dem komplexen Verhältnis dieser beiden Staatsgewalten noch der Entwicklung zu “party-government” oder “cartel party” (Blondel/Cotta 2000; Katz/Mair 1995) gerecht wird. Legislative und Exekutive stehen sich nicht mit Argusaugen als stabile Blöcke gegenüber. Vielmehr herrschen ein Handlungsverbund (Beyme 1997: 54) zwischen der Regierung und den sie unterstützenden Parteien, sowie ein mehr konfliktbeladenes Verhältnis zwischen diesem Handlungsverbund und der Opposition. Was bleibt ist, dass die Freiheit des Abgeordneten, die in der politischen Geschichte immer mehr Theorie als Praxis war, einer mehr oder weniger großen Abhängigkeit von den Parteiorganisation gewichen ist. In gewissem Sinne ist der Aufstieg der politischen Parteien mit dem Niedergang des freien Mandats verbunden. Wie sollte auch der Zwang eine bestimmte Parteilinie zu vertreten, die möglicherweise nicht im besten Interesse der vom Abgeordneten Repräsentierten ist, gerechtfertigt werden? Einzige theoretische Antwort auf diese Frage ist das bereits erwähnte “responsible party model” oder Modell des elektoralen Mandats. Kompetitive Wahlen ermöglichen dem Wähler eine Auswahl zwischen verschiedenen Programmen. Der Wahlsieger versucht sein Bestes, das Wahlprogramm in die politi-
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sche Realität zu übersetzen, denn dafür ist er ja vom Wähler legitimiert. Die parteiinterne Demokratie wiederum legitimiert die hierarchische Struktur der Partei. Da die Fraktionsmitglieder aufgrund des Programms der Partei ihre Sitze erlangt haben, sind sie verpflichtet, diese zu unterstützen. Der Antagonismus zwischen freier Entscheidung und Fraktionszwang kann dadurch aber nicht aufgelöst werden. Die Überlegungen zu den Modi der Repräsentation wären unvollständig, würden nicht auch die administrative Repräsentation und die nichtmajoritäre Repräsentation in Betracht gezogen. Ein Blickwinkel ausschließlich von der Warte der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie mag sich dabei jedoch als unvorteilhaft erweisen. Sieyès hatte noch allen Trägern öffentlicher Ämter Repräsentativcharakter zugesprochen, die Verfassung vom 3. September 1791 sprach der Administration jedoch jeglichen Repräsentativcharakter ab (Podlech 1984: 526). Nun ist unbestritten, dass seit Sieyès Zeiten der Umfang, die Funktion und die Macht staatlicher Bürokratien erheblich zugenommen haben (siehe dazu Crenson/Rourke 1987; Wilson 1978). Der Funktions- und Machtzuwachs der Exekutive stellt die Demokratietheorie vor beträchtliche Probleme (siehe dazu Bach 1999; Puntscher Riekmann 1998, 2001, 2002). Nicht-gewählte Beamte haben entscheidenden Einfluss auf die Auswahl politischer Alternativen, bzw. treffen diese Entscheidungen oftmals selbst auch ohne öffentliche Präferenzen zu berücksichtigen. Delmer Dunn und John Uhr halten dazu fest: “it is by no means clear what place executive officials are meant to play as representatives of the people. Are they agents of the government or of the people? If of the former, are they primarily responsible to the executive which employs them, or the legislature which funds them?” (Dunn/Uhr 1993: 2). Es handelt sich hier allerdings um ein Problem, dessen Lösung weniger einer Adaption der Repräsentation geschuldet ist, sondern vielmehr die zugrunde liegende Folie der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie hinterfragt. Wenn ein entscheidendes Kriterium für politische Repräsentation der Selektionsmechanismus ist, dann ist klar, dass die Bürokratie nicht repräsentiert. Wird als differentia specifica die Entscheidungsmacht herangezogen, so mag sich die Balance zugunsten der Exekutive und des Beamtenapparats verschieben. Repräsentanten, die lediglich deliberieren aber nicht entscheiden können, würden die gesamte Idee der Repräsentation ad absurdum führen. Dennoch gibt es Bereiche, in denen sich gewählte Repräsentanten auf ihre Kontrollfunktion zu beschränken haben. Zentralbanken und Regulierungsbehörden treffen Entscheidungen, die weit reichenden Einfluss auf die politische Gemeinschaft haben. Begründet wird diese Entscheidungsmacht mit der Notwendigkeit, Experten frei von politischem Einfluss „technische“ Entscheidungen treffen zu lassen, sie gegen eine solche Einflussnahme zu immunisieren (Joerges 2002: 27). Ist in der staatlichen Verwaltung der übliche ministerielle Leitungszusammenhang, der neben dem Weisungsrecht auch die Personalhoheit, die Organisations- und Finanzgewalt umfasst, Garantie für die Kontrol-
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le der Administration168, so trifft dies auf unabhängige Behörden naturgemäß nicht mehr zu (Pollak/Slominski 2003). Allerdings können die gewählten politischen Repräsentanten durch gesetzliche Vorgaben grundsätzliche Regulierungsziele vorgeben und in begrenztem Ausmaß auf die finanziellen Grundlagen von Zentralbanken und Regulierungsbehörden einwirken. Problematisch ist, dass dieser formelle Kompetenzverlust der repräsentativen Versammlung durch einen möglichen Verlust der sachlichen Kompetenz verschärft wird. Sowohl die Ministerialbürokratie als auch die Parlamente sind aufgrund ihres Mangels an Expertise immer weniger in der Lage ihren Beitrag im Rahmen der Aufgabenteilung, d.h. sachgerechte politische Vorgaben an die regulierenden Organe zu erteilen, zu leisten. Angesichts dieser Ohnmacht kommen Verfahrensregelungen und Transparenzbestimmungen eine immer stärkere Bedeutung bei der Sicherstellung des “acting in the best interest” zu. Es muss garantiert werden, dass “no one controls the agency, yet the agency is under control” (Moe zit. in Majone 1996a: 18). Notwendigerweise verschiebt sich das Augenmerk in der regulativen Demokratie auf den Faktor Accountability. Mit Colin Scott (2000) kann das Konzept der Accountability in drei Elemente differenziert werden: Wer ist wem gegenüber wofür verantwortlich? Ein Akteur kann sowohl gegenüber einer „höheren“ Instanz (z.B. Minister) als auch einer „niedrigeren“ Institution oder Gruppe verantwortlich zeichnen. Wofür ein regulativer Akteur verantwortlich ist, kann ebenfalls in dreifacher Weise unterschieden werden: Zum einen ist die finanzielle Verantwortlichkeit des Regulators, insbesondere die Kosten der Regulierung bezeichnet. Zum anderen ist die Einhaltung entsprechender rechtsstaatlicher Verfahren im Rahmen des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses sicherzustellen. Drittens muss der Regulator die vom materiellen Gesetzgeber vorgegebenen Zielsetzungen zu erreichen imstande sein. Mit der zunehmenden Zahl der Aufgabenbereiche und der Komplexität der Regelungsmaterie kommt es zu einer Ausweitung aller drei Bereiche der Verantwortlichkeit. Repräsentative und regulative Demokratie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich, um dem Erfordernis der Responsivität genüge zu tun. Responsivität spezifiziert das “acting in the best interest” und dies umfasst neben der Berücksichtigung von Interessen, Meinungen, Ideen etc. auch die effiziente und effektive Umsetzung von Politiken. Wir können uns einen Repräsentanten vorstellen, der meint, im besten Interesse der Repräsentanten zu agieren, aber nichtsdestoweniger dieses Ziel verfehlt. Oder einen Repräsentanten, dem es gelingt, im Austausch mit den Repräsentierten optimale Ergebnisse in der Politikzielformulierung zu erreichen, dessen Umsetzungsfähigkeit und -potential aber unzulänglich sind. Solange das Handeln des Repräsentanten nicht responsiv ist, bleibt die Qualität der Repräsentation
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Stichwort “chain of delegation”; siehe dazu Strøm 2003a.
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beliebig. Es stellt sich somit die Frage nach dem Wie? oder, in Burkes Worten dem Stil der Repräsentation.
III.6. Wie wird repräsentiert? Repräsentatives Regieren erfordert “a constant activity of responding” (Pitkin 1967: 232). Die Auswahl der Repräsentanten aufgrund von Identität, Expertise, Interessengemeinsamheit sowie der Auswahlmodus alleine sind noch keine Garantie für die Qualität der Repräsentation und geben auch keinen Aufschluss über den Stil der Repräsentation. Theoretisches Maß dieser Qualität ist die Responsivität. Hier sei nochmals Hanna Pitkin (1967: 232) zitiert: “a representative government requires that there be machinery for the expression of the wishes of the represented, and that the government respond to these wishes unless there are good reasons to the contrary. There need not be a constant activity of responding, but there must be a constant condition of responsiveness, of potential readiness to respond.” 169 Nicht ein ständiges Erfüllen elektoraler Wünsche ist damit gemeint, sondern der Willen und die Fähigkeit Politik zu erklären und transparent zu machen. Würden Repräsentanten lediglich Klientelpolitik im Stile von Lobbyisten betreiben, so wäre die Kontinuität und Kohärenz von Politik gefährdet. Pitkin fügt deswegen den relativierenden Halbsatz “unless there are some good reasons to the contrary” ein. Die Distanz zu den unmittelbaren Wünschen der Wähler wird durch das Ausmaß der Handlungsfreiheit der Repräsentanten definiert, welche ihn unterschiedlich nützen. Bevor auf den Stil der Repräsentation eingegangen wird, soll zuerst der Begriff der Responsivität, der bei Pitkin nicht näher spezifiziert ist, beleuchtet werden. Es kann, wie bereits weiter oben ausgeführt, zwischen verschiedenen Formen der Responsivität unterschieden werden (Eulau/Karps 1978: 62ff.). (1) Policy Responsivität bezeichnet die themenspezifische Übereinstimmung zwischen Repräsentierten und Repräsentanten. Diese Übereinstimmung wurde lange als Ausweis für „gute“ Repräsentation verstanden. Neben der fragwürdigen Annahme einer solchen Übereinstimmung, ist es auch durchaus vorstellbar, dass selbst bei Konsens über Politik Dissens über die Mittel herrscht. (2 Service Responsivität involviert nicht die Lösung konkreter, allgemeiner Politikprobleme sondern fokussiert primär auf diffuse Partikularinteressen aus dem jeweiligen Wahlbezirk. Der Abgeordnete fungiert hier in erster Linie als Bote seines Wahlbezirks gegenüber der Legislative und der Administration. (3) Allokations-Responsivität benennt die Fähigkeit des Repräsentanten, speziell für seinen Wahlbezirk öffentliche Gelder, Aufträge 169
So auch Robert Dahl (1971: 1): “a key characteristic of a democracy is the continued responsiveness of the government to the preferences of its citizens”.
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etc. zu akquirieren. (4) Symbolische Responsivität rekurriert explizit nicht auf konkrete Politikergebnisse, sondern bezieht sich auf die Ausbildung von Vertrauen zwischen Repräsentierten und Repräsentanten durch z.B. sein Verhalten in öffentlichen Kontroversen oder bei Naturkatastrophen. Für den Erfolg eines Repräsentanten ist diese Dimension oftmals entscheidend, sowohl für seine Wiederwahl als auch für seine Reputation und Stellung innerhalb einer politischen Partei. Eine Dominanz der symbolischen Responsivität wird von einigen Autoren (z.B. Riker 1982) als Populismus bezeichnet, der entweder normativ nicht wünschenswert oder inkohärent ist, und sich damit nicht für die Evaluierung der demokratischen Qualität eines politischen Gemeinwesens eignet. Die Grenze zwischen Populismus und symbolischer Responsivität ist in der Tat eine dünne. So kann ein Kanzler in Gummistiefeln ebenso der Lächerlichkeit anheim fallen, wie eine ernst gemeinte solidarische Geste mit Betroffenen sein. Für den Repräsentationsstil eines Abgeordneten ist die Mischung dieser Responsivitätsformen ausschlaggebend. Allerdings muss erwähnt werden, dass die Service-Responsivität wie auch die allokative Responsivität, d.h. die direkte politische Intervention zugunsten von Partikularinteressen, aufgrund des Ansteigens depolitisiserter regulatorischer Bereiche zunehmend erschwert wird. Traditionell im Nationalstaat etablierte politische und persönliche Netzwerke können sowohl wegen des mangelnden direkten Zugriffs auf unabhängige Regulierungsakteure als auch aufgrund einer ausgeweiteten Rechtfertigungspflicht gegenüber „höheren“ Institutionen, z.B. supranationaler oder internationaler Natur, nicht mehr im üblichen Maß aktiviert werden. Die angebliche Effizienzsteigerung demokratischer Politik durch die Einrichtung von Agenturen und außerparlamentarischer Expertengruppen geht also nicht nur auf Kosten der Transparenz von Politik, sondern auch zu Lasten der Repräsentationsqualität. Wie soll adäquat, ist gleich responsiv, repräsentiert werden, wenn die Handlungsfelder demokratischem Agieren entzogen sind? Man könnte soweit gehen, die allerorts festgestellte Tendenz von substanzieller Politik zu symbolischer Politik170 auch als Resultat der Effizienzsteigerung zu betrachten. Die Auslagerung von ehemals staatlichen Aufgaben und damit die eingeschränkte Verfügungsgewalt oder Gestaltungsmöglichkeit zwingen den Repräsentanten zu symbolischer Politik. Mögliche Gegenstrategie ist, die Transparenz der Entscheidungsfindung – sowohl in Regulierungsbehörden, Agenturen, Expertenkomitees als auch im parlamentarischen Bereich – zu erhöhen und v.a. ein institutionelles Arrangement zu finden, das responsive Politik zulässt. Politisches Handeln muss trotz der operativen Unabhängigkeit von Agenturen, Regulierungsbehörden, Expertenkommissionen etc. Policy-responsiv sein, in dem es die Anbindung an die Interessen der Repräsentierten erlaubt. Dies kann durch mehr oder
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Grundlegend zur Politik der Symbole immer noch Murray Edelman (1964).
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weniger detaillierte Programmvorgaben sowie durch staatliche Einflüsse in Form von Ernennungen, inklusive öffentlicher Hearings, Finanzierungen und Kontrollen erfolgen. Die symbolische Responsivität legislativexterner Institutionen steht in Konkurrenz zu den staatlichen Institutionen. Können erstere durch kohärente regulatorische Tätigkeit Vertrauen erwerben, welche idealerweise auch mit einer hohen Reputation einhergeht, so unterliegen letztere zumeist kurzfristigen politischen Konjunkturschwankungen. Die Transparenz der Entscheidungsfindung, sowohl in der Legislative als auch in den regulativen Agenturen, ermöglicht die Ausbildung einer politischen Öffentlichkeit. Nur wenn die Chance gegeben ist, den Stand der öffentlichen Angelegenheiten auch zu verfolgen, nur dann wird ein Austausch rationaler Argumente im Entscheidungsprozeß stattfinden können, nur dann kann die ‚potentielle Bereitschaft zu antworten‘ auch eingefordert werden. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass Politik jemals völlig transparent sein wird. Zu groß ist die Notwendigkeit vertraulicher Verhandlungen, zu hoch der Anreiz Paketlösungen zu erzielen, zu verlockend sind die elektoralen Resultate von Klientel- und Machtpolitik. Aber die konkrete Repräsentationsleistung des Repräsentanten wird durch Transparenz sichtbar, kann prinzipiell kommentiert, kontrolliert und diskutiert werden. So wie Vertraulichkeit gehört auch Transparenz zu den ureigenen Interessen der Politik. Denn wie bereits weiter oben festgestellt wurde, greift die Vorstellung vom Parlament als alleiniger Kontrolleur der Regierung zu kurz. Ebenso gehört die Fiktion einer deliberativen Versammlung in der sich der Wille der Nation, die Interessen der einzelnen Gesellschaftsgruppen etc. manifestieren, und einer Öffentlichkeit, die kontrolliert, akklamiert oder revoltiert, in die frühe Geschichte der Demokratietheorie (Benhabib 1996a: 74; Peters 1994: 56). Die Pluralität der Assoziationsformen, von Parteien zu Bürgerinitiativen, von Gewerkschaften zu NGOs bildet die Realität komplexer Gesellschaften. Dieses Netzwerk von Öffentlichkeiten dient der Information als auch dem Bereitstellen von “problem solving capacity” (Bohman 1996: 240). Es ermöglicht begründete, kritisch geprüfte, in diesem Sinne vernünftige gemeinsame Einsichten, Problemlösungen und Zielsetzungen, die den egozentrischen individuellen Interessenhorizont transzendieren (vgl. Peters 1994: 47). Es scheint Sinn zu machen, die von Eulau und Karps entlang funktionaler Kriterien vorgenommene Differenzierung durch eine Charakterisierung des Responsivitätsverhältnisses zu ergänzen. So kann unterschieden werden zwischen (1) einfacher Responsivität, d.h. ein weitgehend unmittelbares Umsetzen der (Wähler-)Präferenzen durch den Repräsentanten; (2) komplexer Responsivität: in der überwiegenden Zahl der Fälle werden Wählerpräferenzen (auch aufgrund der bereits erwähnten Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Stabilität) nicht unmittelbar in Politiken umgesetzt. Vielmehr ist der Repräsentant gezwungen zwischen Wünschen und Erfordernisse zu balancieren; (3) erweiterte Responsivität: während die ersten beiden Typen vom Vorhandensein feststellbarer Präferenzen ausgehen, geht der letzte Typus von der
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Präferenzschaffung durch die Politik aus. Nicht lediglich die Konzentration und/oder Destillation von vorhandenen Präferenzen bestimmen die Qualität der Repräsentation, sondern auch die Innovations- und Initiativkraft der Politik müssen berücksichtigt werden (Kjär 2000: 29). Responsivität beinhaltet nicht nur ein Reagieren auf die Wünsche und Forderungen der Repräsentierten. Auf den ersten Blick erscheint das Verhältnis zwischen den beiden als eine Einbahn: Die Abgeordneten reagieren auf die Wünsche der Wähler oder ignorieren diese; die Wähler ihrerseits reagieren darauf mit Unterstützung oder Entzug derselben. Wäre das Verhältnis lediglich durch Reaktion bestimmt, so müssten wir von Delegation sprechen, da es den Vertretern nicht gestattet wäre, von ihrem Mandat abzuweichen. Responsivität umfasst aber auch das Gespräch, die Begründung von Standpunkten und das Ausarbeiten von Alternativen. Für einen solchen Dialog sind vor allem die institutionalisierten Bedingungen wichtig. Wenn der soziologische Befund der pluralistischen Gesellschaft zutrifft, so ist die Frage zu stellen, ob und wenn ja wie sich die Repräsentation durch Interessenvertreter von politischer Repräsentation unterscheidet. Zuerst soll als analytisches Hilfsinstrument zwischen ‚ziviler‘ und politischer Repräsentation unterschieden werden171, um in der Folge nach Selektionsmechanismus, Objekt der Repräsentation und Stil der Repräsentation zu fragen. Politische Repräsentanten sind ausschließlich gewählte oder durch gewählte Körperschaften bestellte Repräsentanten. Aber auch z.B. Bürgervertreter in ‘single issue groups’ oder Gewerkschaftsfunktionäre etc. können gewählt werden. Die Wahl als differentia specifica zwischen ‚ziviler‘ und politischer Repräsentation eignet sich nur bedingt, denn selbst der Hinweis auf die unterschiedlichen Wahlforen bietet kein geeignetes Unterscheidungskriterium, werden doch auch politische Repräsentanten lokal, regional und nicht ausschließlich national, d.h. vom gesamten Demos bestellt. Das Objekt der Repräsentation ist in beiden Fällen eine Mischung aus Interessen, Meinungen, Ideen etc., lediglich die institutionelle Verankerung der Repräsentanten ist unterschiedlich. Während ‚zivile‘ Repräsentanten auf Ressourcen der Mitglieder angewiesen sind, so sind politische Repräsentanten zur Gänze staatlich finanziert.172 Man kann zusätzlich die unterschiedliche Gemeinwohlorientierung (Fokus) hervorheben: auch wenn Bürgergruppen und NGOs zumeist auf die positiven Effekte für das Gemeinwohl bei der Umsetzung ihrer Anliegen verweisen, so sind sie doch partikularen Interessen, bzw. “single issues” verpflichtet. Während sich ein ‚ziviler‘ Repräsentant auf z.B. Umweltschutzanliegen konzentrieren kann, ist ein solcher ausschließlicher Fokus
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Diese Unterscheidung hilf einer „etatistischen Verkürzung“ (Lepisus 1991: 25) des Repräsentationskonzepts zu entgehen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch politische Repräsentanten sich privater Mittel bedienen. Ihre Tätigkeit ist aber nicht von diesen Mitteln abhängig.
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dem politischen Repräsentanten nicht gestattet (oder zumindest nicht anzuraten). Hier muss vielmehr das gesamte Spektrum sozialer Anliegen repräsentiert werden. Die politische Praxis hält diesem theoretischen Erfordernis allerdings nicht immer stand. Der politische Wettbewerb erfordert geradezu die Ausbildung einer Kernkompetenz und damit die Konzentration auf bestimmte Interessen. Ist die Wahlschlacht allerdings geschlagen, so ist eine einseitige Konzentration dem Erfolg wohl nicht zuträglich. Ebenso wenig wie sozialdemokratische Parteien nicht ausschließlich Interessen der Arbeitnehmer repräsentieren und grüne Parteien nicht ausschließlich Umweltschutzthemen repräsentieren, so können auch konservative Parteien nicht ausschließlich Wirtschaftsinteressen vertreten. Zu den Paradoxa der Repräsentation gehört die Spannung zwischen dem Anspruch das Gemeinwohl zu verfolgen und der Berücksichtigung der Interessen des Wahlkreises ebenso, wie das Erfordernis potentiell die Gesamtheit der Ansprüche zu repräsentieren und gleichzeitig der Zwang zur Spezialisierung zur Profilierung im politischen Wettbewerb. In welcher Form füllen Repräsentanten die ihnen übertragene Aufgabe aus? Welche Repräsentationsstile lassen sich unterscheiden?173 Obwohl die repräsentativ-demokratische Theorie verlangt, dass Repräsentanten das Gemeinwohlinteresse als Fluchtpunkt ihres Handels vor Augen haben sollten “there is no single definitive view on such questions as how representatives should behave, what constitutes responsive behaviour on their part, or how far representatives can stray away from following public preferences and still be responsive.” (Gross 1978: 359f.). Vor allem in US-amerikanischen empirischen Studien zum Rollenverständnis von Abgeordneten erlangten diese Fragen Prominenz. So existieren in der Literatur verschiedene Typisierungen zur Rolle der lokalen Abgeordneten. In den 1960er und 1970er Jahren wurde von einigen dieser Studien die zentrale Bedeutung der Responsivität betont. John Gyford (1970) unterschied in seiner Studie lokaler Politik in Großbritannien 13 Typen. Kenneth Newton (1976) schlug eine fünfteilige Skala – “parochial, peoples’ agent, policy advocates, policy broker, policy spokesman” – vor. Eng an diese Skala angelehnt präsentierte Andreas Offerdal (1991) seine Typen: “standard bearers, policy brokers, policy specialists, policy generalists”. In den Vereinigten Staaten konzentrierte man sich auch auf die Rolle der Bürgermeister, deren Rollenverständnis von Douglas Yates (1977: 146f.) in “crusader, entrepreneur, boss, broker” differenziert wurde. Robert Lineberry und Ira Sharkansky (1978: 194) unterscheiden zwischen “ribbon cutters, frustrated activists, conservatives, policy brokers” während Clarence Stone, Robert Whelan und William Murin (1986: 218ff.) “broker, caretaker, social reformer, managerialist” typologisieren. Eine wichtige Pub173
In der Literatur findet sich zumeist der Begriff der ‚Rolle‘, der allerdings sehr unterschiedlich verstanden wird (Müller 2001a: 12; Biddle 1986).
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likation, die Pionierstatus in der Forschung zum Repräsentationsstil von Abgeordneten auf nationaler Ebene beanspruchen kann, ist Richard Fenno’s Studie aus dem Jahr 1978, die nach dem Verhältnis von Repräsentanten und Repräsentierten, der Perzeption der Repräsentierten durch die Repräsentanten, sowie nach den Kommunikationskanälen zwischen ihnen fragt. In Westeuropa blieben solche Studien eher die Ausnahme (z.B. Cain et al. 1979, Jewell 1982; Leonard/Herman 1972; Richards 1972; Stolarek et al. 1981;). Untersuchungen zur legislativen Rolle von Abgeordneten wurden wesentlich von John Wahlkes (1962174; Eulau et al. 1959) Arbeit beeinflusst, der drei Stile definiert hat: Trustee, Politico und Delegate. Die Trustee-Rolle beinhaltet zwei Konzeptionen: die moralistische und die rationale. Im ersten Fall folgt der freie, weisungsungebundene Repräsentant in seiner Entscheidungsfindung lediglich seiner Vorstellung von richtig oder falsch, gerecht oder ungerecht. In der rationalen Fassung urteilt und entscheidet der Repräsentant gestützt auf seine Einschätzung der Fakten und sein Verständnis der Probleme. In der Delegate-Rolle trifft der Abgeordnete seine Entscheidungen nicht aufgrund seiner Faktenbeurteilung oder aufgrund seiner Überzeugungen, sondern folgt dem Auftrag der Repräsentierten. Donald McCrone und James Kuklinski (1979) zeigten in einer separaten Studie, dass diese Form der ‚Repräsentation‘ nur unter zwei Bedingungen, die beide erfüllt sein müssen, passieren kann: (1) der Delegierte muss sich verpflichtet fühlen, die Präferenzen der Repräsentierten zu berücksichtigen; (2) die Repräsentierten müssen den Abgeordneten mit einem klaren Mandat und eindeutigen Instruktionen ausstatten. Die Politico-Rolle schließlich vereint Merkmale aus den beiden vorhergehenden: der Repräsentant agiert je nach Situationserfordernis einmal als Delegate und einmal als Trustee. Im Anschluss an Wahlkes Typologie kam es zu etlichen Studien (Friedman/Stokes 1965; Sorauf 1963; Kornberg 1967; Davidson 1969175), die von Michael Mezey 1979 zusammengefasst wurden. Laut Mezey finden sich Trustees auf den Philippinen, Japan, Belgien, Schweiz und Kenya während der Delegiertentypus in Japan, Kanada und Korea dominiert. Auch in Westeuropa wurden einige Untersuchungen zum Repräsentationsstil durchgeführt. William Mishler und Anthony Mughan (1978: 338) finden in Schottland und Wales vorwiegend den Typus des Trustee. Auch französische Abgeordnete sind häufig in dieser Kategorie einzuordnen (Cayrol et al. 1976: 77). Hans Daalder und Jerold Rusk (1972) konstatieren ein ähnliches Ergebnis für die Niederlande. Allerdings lässt sich
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Wahlke et al. (1962) beschäftigen sich auch mit formalen Führungsrollen, dem Wahlkreisbezug und den Rollen, die Abgeordnete in Interessengruppen und Parteien übernehmen. Interessantes Ergebnis von Roger Davidsons Studie ist, dass die überwiegende Mehrheit der Kongressabgeordneten als Politicos zu verstehen ist. Zudem führt Davidson (Kap. 5) auch eine Typologie des Verhältnisses zwischen Abgeordnetem und politischer Partei ein: loyalist, super-loyalist, neutral und maverick.
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feststellen, dass mit dem Grad der Analysetiefe der Nutzen der Klassifikation Politico – Trustee -Delegate abnimmt (Jewell 1983). Die vorgestellte dreifache Typologisierung eignet sich als analytisches Hilfsinstrument im Sinne eines Kontinuums mit den Extrempunkten Trustee und Delegate. Im Mittelpunkt findet sich der Typus des Politico. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Typologisierung in der praktischen Politik durch den Aufstieg der politischen Parteien eine Relativierung erfährt. Weder ist der Repräsentant gänzlich frei seine Rolle zu wählen, da sie ihm in den meisten Fällen durch die Parteitaktik oder -räson schon aufgegeben ist, noch dient der jeweilige Typus dem Elektorat als primäre Entscheidungshilfe. Diese wird durch das politische Angebot der Parteien in ihrer Kontingenz reduziert, d.h. die Zugehörigkeit zu einer Partei bietet das wichtigere Selektionskriterium als der Repräsentationsstil. Die rigide Konzeption von Rollen, wie sie von Wahlke et al. 1962 im Rahmen des struktur-funktionalistischen Ansatzes vorgenommen worden war, wurde später überwiegend als unfruchtbar angesehen (Müller 2001a: 12; Searing 1991, 1994). Neben der Frage der wissenschaftlichen Klassifikation oder Typologisierung der Repräsentationsstile muss auch nach der eigenen Wahrnehmung der Repräsentanten von ihren Aufgaben gefragt werden. Zuvor wurde dies schon mit der Aussage angesprochen, dass der Repräsentant dem Repräsentierten immer eine subjektive Komponente hinzufügt (‘attitudes’). Das Repräsentationsverständnis der Abgeordneten bezeichneten Wahlke et al. (1962) als “purposive role”. Die von ihnen vorgeschlagene Typologisierung basiert auf der Frage “How would you describe the job of being a legislator – what are the most important things you should do here?” (Wahlke et al. 1962: 465). Fünf Rollen wurden unterschieden – “ritualist, tribune, inventor, broker, opportunist” – und in leicht abgewandelter Form (“lawmakers, reluctants, spectators, advertisers”) auch von James Barber (1965) verwendet. Wolfgang Müller (2001a: 13) weist darauf hin, dass Studien zur Tätigkeit der Abgeordneten oftmals auf der „mehr oder weniger systematischen Auswertung von anektdotischem Material, z.B. round table Gesprächen mit Abgeordneten […] und anderem Informationsstückwerk“ basieren. Einen methodisch und systematisch elaborierten Beitrag zu dieser Forschung lieferte Donald Searing (1994, 1995), der in einer Untersuchung von 521 britischen Abgeordneten zwischen “backbench” und “leadership” Rolle unterschied. Jüngeren Datums ist die Kategorisierung von Michael Jogerst (1991, 1993), der fünf Typen von Abgeordneten unterscheidet: “Policy Influencer, Constituency Representative, Supporter of Party Policy, Debater und Generalist”. In einer beeindruckenden Studie zu den österreichischen Abgeordneten entwickeln Wolfgang Müller et. al. (2001) Donald Searings Rollenkonzept kritisch weiter. Die Präferenzen der Akteure, Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit und tatsächliches Handeln werden analytisch differenziert (Müller 2001: 14). In einer äußerst breit angelegten Untersuchung werden das Verhalten der
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Abgeordneten, ihr Amtsverständnis und ihre Präferenzen mithilfe von Interviews und objektiven Daten rekonstruiert.176 Welche Faktoren beeinflussen den Repräsentationsstil der Abgeordneten und die Repräsentationsqualität? Hier sind an erster Stelle institutionelle Faktoren zu nennen. Die Zugehörigkeit zu Opposition oder Regierung determiniert in hohem Ausmaß auch die zur Verfügung stehenden Responsivitätsformen. Auch bei idealer Policy-Responsivität ist die Allokations- und Service-Responsivität für Oppositionsabgeordneten schwer zu erreichen. Umso stärker wird die symbolische Responsivität bemüht und die Kontrollfunktion der Opposition betont werden. Die Politikgestaltung durch Gesetzgebung liegt in den Händen des Handlungsverbunds Regierung/Regierungsfraktion177 und Abgeordnete von Regierungsparteien haben üblicherweise einen besseren Zugang zur Verwaltung. Es kann daher erwartet werden, dass sie bei der Umsetzung von Interventionswünschen aus der Bevölkerung erfolgreicher sind (Samuels 1999).178 Die Größe der parlamentarischen Fraktion erlaubt den Abgeordneten entweder die Konzentration auf z.B. einen Ausschuss oder zwingt zur Beschäftigung mit mehreren Ausschüssen. Ist der Abgeordnete gezwungen in mehreren Ausschüssen präsent zu sein, so kann die symbolische Responsivität sehr hoch sein, die möglicherweise mangelnde Sachkenntnis jedoch negativ auf die Policy-Responsivität Einfluss nehmen. Auch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei wirkt sich auf den Repräsentationsstil aus. Der Grad an Parteiorganisation spielt eine Rolle sowohl hinsichtlich der Freiheit des Repräsentanten von einer etwaigen Parteilinie abzuweichen, als auch bezüglich der Möglichkeiten, die eine dichte Organisationsstruktur unterhalb der Ebene parlamentarischer Politik zulässt. Zwar wird auch eine strikt hierarchisch geführte Partei nach Außen die Trustee-Rolle der Abgeordneten betonen, parteiintern kann sie jedoch zu erheblichen Konflikten führen, da die Kohärenz der Parteipolitik durch allzu frei agierende Abgeordnete gefährdet werden kann. 1959 (182ff.) differenzierte Maurice Duverger unterschiedliche Erwartungen für das Verhalten von Abgeordneten in intern und extern kreierten Parteien.179 Erstere zeichnet 176 177
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Zu den Ergebnissen siehe Marcelo Jenny und Wolfgang Müller (2001). Es wäre allerdings verfehlt diesen Handlungsverbund oder die Opposition als monolithischen Block zu betrachten. Siehe dazu (Koole/Heidar 2000; Müller 2001a: 24). Für den österreichischen Kontext ist zudem wichtig, ob die Abgeordneten der Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung angehören. Grundlegend dazu Müller et al. (2001). Intern kreierte Parteien sind Parteien, die im Parlament durch Zusammenschluss von in ihren Wahlkreisen als Honoratioren gewählten Repräsentanten entstanden sind. Externe Parteien sind außerhalb des Parlaments entstanden und mussten sich ihren Einzug in die Legislative erst erkämpfen.
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eine eigenständige Parlamentsfraktion aus, während in letzteren diese der Parteiorganisation untergeordnet ist. Für Arbeiterparteien wird ein höheres Maß an Fraktionskohärenz erwartet als für Mittelschichtparteien (Duverger 1959: 170). Wolfgang Müller weist darauf hin, dass Duverger’s Hypothesen für zeitgenössische Parteien nur mehr begrenzte Aussagekraft haben (Müller 2001a: 19f.) und Donald Searing (1994: 376f.) gesteht der Parteizugehörigkeit nur minimalen Einfluss auf die Übernahme bestimmter Rollen zu. Schließlich beeinflusst die Dichte der Parteiorganisation die Wahlkreisarbeit der Repräsentanten. Eine „flächendeckende“, gute Organisation verlangt von den Repräsentanten einen hohen Aufwand, um in den Wahlkreisen auch präsent zu sein. Verfügt eine politische Partei nicht über eine solche Organisation kann sie entweder versuchen, dies durch medienorientierte Wahlkämpfe auszugleichen oder sie muss eine solche Organisation erst aufbauen. In der Aufbauphase dient die Tätigkeit des Abgeordneten in erster Linie der Rekrutierung von Mitgliedern und Funktionären und weniger der Diskussion von Anliegen lokaler oder regionaler Provenienz. Neben der institutionellen Zugehörigkeit der Repräsentanten spielt der institutionelle Aufbau des politischen Gemeinwesens eine wichtige Rolle. Ein föderalistischer oder unitarischer Aufbau des Gemeinwesens hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Repräsentation. Christian Tuschhoff (1999: 18ff.) identifizierte für föderalistische Systeme folgende Auswirkungen auf die Repräsentation180: (1) Eine Multiplikation des Principle-Agent Verhältnisses: eine föderalistische Staatsorganisation konstruiert mehrere soziale Gruppen, die eine Vielzahl von individuellen oder korporatistischen Repräsentanten autorisieren. (2) Die vertikale Separation der politischen Macht limitiert die Möglichkeiten der Repräsentierten ihren Repräsentanten mit Autorität auszustatten, da dies durch die Verfassung geregelt wird: “Constitutions delineate areas of jurisdiction and/or functions agents to whom principals transfer constitutionally defined portions of authority to act” (19). (3) Durch die Vielfalt der Repräsentation in föderalistischen Systemen haben Repräsentanten “a choice what agent or what combination of agents would best serve their interest” (ebda.) und es kommt es zum Wettbewerb zwischen Repräsentanten. Dieser Wettbewerb beschränkt auch die Autonomie der Repräsentanten und möglicherweise ihre Effektivität. (4) Fö180
Nicht nur der Föderalismus beeinflusst Repräsentation sondern auch die Repräsentation den Föderalismus. So hat Gerhard Lehmbruch (1976) gezeigt, dass die Partei-Abstimmungsdisziplin im deutschen Bundesrat die föderalen Prinzipien der Machttrennung und regionalen Diversifizität unterläuft und zur Zentralisierung beiträgt. Charlie Jeffrie (1999) brachte gegen Lehmbruch vor, dass die deutschen Länderregierungen nicht nach Partei abstimmen, sondern föderalistischen Prinzipien gehorchen indem sie im Landesinteresse über Parteigrenzen hinweg abstimmen. Anton Pelinka (1999) und Omar Encanación (1999) argumentieren, dass korporatistische Arrangements, z.B. die österreichische Sozialpartnerschaft, die föderale Staatsorganisation ebenfalls unterminieren können (Tuschhoff 1999: 16).
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derale Systeme, die in ihrem Aufbau komplexer als unitarische sind, erhöhen die Anzahl der Interventionsmöglichkeiten und damit auch die Anzahl der veto loci. (5) Repräsentanten “can shift the blame for unintended outcomes and sub-optimal policies to others”(20), wenn Verantwortungsstrukturen unklar sind.181 Der Kontrollaufwand für die Repräsentierten steigt exponentiell mit der Zahl der Repräsentanten an. Die Möglichkeiten des “shirking” (Brehm/Gates 1997182) nehmen zu.183 Dies wiederum kann den Wähler dazu führen, weniger auf die Qualität der Repräsentation zu achten, sondern als Mechanismus der Kontingenzreduzierung die Parteizugehörigkeit zum primären Movens der Wahlentscheidung zu machen. Im Jahr 1787 schrieb „Brutus” in den Anti-Federalist Papers hierzu: „The people of this state will have very little acquaintance with those who may be chosen to represent them; a great part of them will, probably, not know the characters of their own members, much less that of a majority of those who will compose the federal assembly; they will consist of men, whose names they have never heard, and of whose talents and regard for the public good, they are total strangers to; and they will have no persons so immediately of their choice so near them, of their neighbours and of their own rank in life, that they can feel themselves secure in trusting their interests in their hands. The representatives of the people cannot, as they now do, after they have passed laws, mix with the people, and explain to them the motives which induced the adoption of any measure, point out its utility, and remove objections or silence unreasonable clamours against it. The number will be so small that but a very few of the most sensible and respectable yeomanry of the country can ever have any knowledge of them: being so far removed from the people, their station will be elevated and important, and they will be considered as ambitious and designing. The will not be viewed by the people as part of themselves, but as a body distinct from them, and having separate interests to pursue; the consequence will be, that a perpetual jealousy will exist in the minds of the people against them; their conduct will be narrowly watched; their measures scrutinized; and their laws opposed, evaded, or reluctantly obeyed. This is natural and corresponds with the conduct of individuals towards those in whose hands they intrust important concerns.” (Baylin 1993: 426f.).
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Hier wurden nur diejenigen Auswirkungen übernommen, die direkten Einfluss auf den Repräsentationsstil haben. Brehm und Gates (1997) unterscheiden zwischen “dissent-shirking”, d.h. es wird aufgrund von differenten Politikpräferenzen nicht adäquat repräsentiert, “leisureshirking”, d.h. keine adequate Repräsentation aufgrund mangelnden Einsatzes des Repräsentanten und “sabotage”, d.h. einer aktiven Widerstandshaltung des Repräsentanten gegenüber den Politikpräferenzen der Repräsentierten. Zum Problem der Verantwortungsdiffusion siehe z.B. Arthur Lupia und Matthew McCubbins (1998).
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Drittens hat die Dauer des Mandats Einfluss auf das Rollenverständnis. Sind Beschränkungen für die Wiederwahl gesetzlich verankert, so ist anzunehmen, dass sich Repräsentationsstil und -fokus gegen Ende des Mandats184 ändern werden (Webber 1986). Geht man von der Annahme aus, dass Repräsentanten wiedergewählt werden wollen, so wird die Service-Responsivität zu Beginn, nach Abschluss einer Lernphase (vgl. Fenno 1991; Hibbing 1991), hoch sein und dann sukzessive abnehmen, da die Sorgen um das Leben „nach der Politik“ auftreten.185 Die Allokations-Responsivität wird vor der Wiederwahl hoch sein und gegen Ende des Mandats sinken, da sich der Repräsentant von “pork barrel politics” befreit sieht. Nicht zu unterschätzen ist viertens die Bedeutung der den Repräsentanten zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. Zum einen sind diese Ressourcen wichtig, um die Resultate der Politik breit zu vermarkten, d.h. die symbolische Dimension der Responsivität zu betonen. Dies gilt für Regierung und Opposition ebenso wie für Repräsentanten von Bürgerinitiativen, NGOs etc. Zum anderen ermöglicht ein gewisser finanzieller Spielraum auch, Klientelinteressen (Allokations-Responsivität) besser zu berücksichtigen, sei dies mit Hilfe staatlicher Ordnungspolitik (z.B. Steuern) oder sei dies durch ein dichtes Netz von Parteiorganisationen, welches Unterstützung bei sozialen und politischen Anliegen leistet. Zusammenfassend sollen die Modi der Repräsentation zur besseren Übersicht tabellarisch aufgelistet werden: Autorisierung Identität
Mandat
Repräsenta- Responsivi- Responsivitionsstil tätart tätsverhältnis
Losverfahren
Trustee
Policy
Einfach
Gemeinsame Imperativ Interessen
Benennung
Delegate
Service/ Allocation
Komplex
Expertise
Wahl
Politico
Symbolisch Erweitert
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Frei
Selektion
,Partei‘
John Carey (1998) hebt die die Bedeutung der Karrierepläne der Abgeordneten in dieser Situation des “last term problem” hervor. Alan Rosenthal faßt dies mit den Worten: “once legislators are elected under a term-limit system, they start thinking about where to go next-higher office or another job.” (1988: 77). Eine der wenigen empirischen Studien zum Thema Mandatsdauer wurde von John Carey et al. 1998 und 2000 publiziert. Richard Fenno unterschied in seiner klassischen, bereits genannten Studie (1978) eine expansionistische und eine protektive Phase in der politischen Karriere von Repräsentanten. In der expansionistischen Phase bemühen sich Abgeordnete um ihre Verankerung in der Partei und beim Elektorat. Wenn die Wiederwahl als sicher angesehen wird, wird die Aufmerksamkeit auf die Arbeit innerhalb des Parlaments verschoben. Es scheint angebracht diese Phasen auch um eine Reorientierungsphase zu ergänzen.
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Die Basis der Autorisierung der Repräsentanten kann analytisch unterschieden werden in Identität, gemeinsame Interessen und Expertise. In repräsentativ-parlamentarischen Demokratien hat sich Wahl als das wichtigste Selektionskriterium herauskristallisiert. Faktoren, die die Repräsentantenselektion durch Wahl beeinflussen können sind Wahlkreiseinteilung, Form der Kandidatur, Möglichkeit der Stimmabgabe, Stimmverrechnungsverfahren und Dauer des Mandats. Ebenfalls analytisch kann zwischen freiem und imperativem Mandat differenziert werden. In der politischen Praxis nehmen politischen Parteien die Mittelposition zwischen den Extremen freies vs. imperatives Mandat ein indem sie “formulate general ideological claims as well as fairly specific policies that guide agents and constituents alike” (Klingemann et al. 1994). Individuelle Repräsentanten sind demnach nicht gänzlich frei, sondern gegenüber der Partei verantwortlich. Faktoren, die den Repräsentationsstil beeinflussen sind institutionelle Zugehörigkeit sowie Aufbau des politischen Systems, Parteizugehörigkeit, Dauer des Mandats und finanzielle Ressourcen. Welche Faktoren sind dafür verantwortlich welches System der Repräsentation sich durchsetzt? Unter System der Repräsentation soll die jeweilige spezifische Kombination der Modi verstanden werde. Martin Drath (1968: 284) bemerkte hierzu: „Was im einzelnen wirklich Repräsentation fördert oder hindert, ist zu verschiedenen Zeiten und bei den verschiedenen Völkern verschieden gewesen. Diese Modalitäten der Repräsentation wandeln sich aber vor allem dann, wenn neuartige gesellschaftliche Kräfte in den Prozess der Repräsentation eingreifen, also selbst dazu drängen, repräsentativ zu werden oder auch nur als neue Kräfte der Repräsentation besser als bisher oder überhaupt erst zur Geltung zu kommen (mitrepräsentiert zu werden), wenn sich also die Substanz der Repräsentation ändert.“ Unter welchen Bedingungen ein System der Repräsentation entsteht, lässt sich also sinnvoll nur auf der praktischen, nicht aber auf der abstrakten Ebene, untersuchen. Es handelt sich um einen „kaum erschöpfbaren Komplex sozialer Verhältnisse, Konventionalregeln des menschlichen Verhaltens, Übereinstimmung in grundsätzlichen Wertungen, Bereitschaft zum Kompromiss auch bei schwerwiegenden geistigen und materiellen Interessengegensätzen, schließlich auch die Wirksamkeit bestimmter Rechtsnormen“ (ebenda.). Eine allgemeine Typologie der Modalitäten der Repräsentation bleibt notwendigerweise immer unvollständig. Erst der Einzelfall kann uns Aufschluss über Vorteile und Defizite eines repräsentativen Systems geben.
IV. Zusammenfassung Die Rekonstruktion des Konzepts der Repräsentation zeigt die Entwicklung von der Repräsentation durch den Herrscher basierend auf der Zustimmung der Herrschaftsunterworfenen (Aszendenztheorie), über die absorptive Repräsentation im Monarchen, legitimiert durch Gottesgnadentum (Deszendenztheorie) zur Repräsentation durch die legislative Versammlung fußend auf der souveränen Willensentscheidung des Volkes. Objekte der Repräsentation waren dementsprechend die Einheit des Reiches, die Interessen der Oberschicht, die Nation und das Gemeinwohl als Ausdruck jener Interessen, die den Horizont der privaten überschreiten und Personen als Mitgliedern eines politischen Gemeinwesens zugerechnet werden. Weder kann aus dieser Entwicklung eine Notwendigkeit herausgelesen werden, d.h. von der Monarchie zur Demokratie, noch ist diese Entwicklung kontinuierlich verlaufen. Zwar können die Wurzeln des neuzeitlichen Repräsentationsverständnisses bis in das Spätmittelalter zurückverfolgt werden, Feudalismus, Absolutismus und die Ideologien des 20. Jahrhunderts zeigen jedoch wie fragil diese Entstehung ist. Auch war sie von Land zu Land verschieden. Entscheidende Prägungen der modernen Repräsentativsysteme erfolgten in der Amerikanischen und Französischen Revolution, sowie in England. War man in Amerika vom erfolgreichen Zusammenspiel zwischen Delegierten und Repräsentanten überzeugt, so setzte sich in Frankreich und England die Lehre vom freien Mandat durch. England bildet einen Sonderfall, da es auf einen (fast) ununterbrochenen Parlamentarismus verweisen kann, der sich im Grundsatz der parlamentarischen Souveränität manifestiert. Eine allgemeine Genese des Konzepts der Repräsentation zu verfassen, erscheint nur begrenzt möglich und sinnvoll. Allerdings können durch die (historische) Rekonstruktion Elemente und Akteure (z.B. politische Parteien) der Repräsentation erkannt werden. Ihre praktische Kristallisation im institutionellen Arrangement eines politischen Systems ist spezifischen historischen Umständen und Interessenlagen geschuldet. Repräsentation dient immer politischen Zwecken, da die Vorstellungen vom ‚guten Leben‘ und vom Recht auf gutes Leben differieren. Theorien der Repräsentation und Repräsentativsysteme sind somit allzeit interessengeleitet. Die entscheidende Frage bei der Untersuchung spezifischer Repräsentativsysteme muss also lauten Cui bono? Diese Frage soll nicht lediglich auf das Potential von Repräsentation als Herrschaftsinstrument verweisen, sondern auch auf den eingangs erwähnten Charakter von Politik als “authoritative allocation of values”. Repräsentativsysteme sind Ausdruck bestimmter
Zusammenfassung
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Wertvorstellungen: welchen Personen oder Gruppen wird welches Ausmaß an Gestaltungsmöglichkeit des politischen Lebens eingeräumt? Die Antwort der demokratischen Theorie ist eindeutig: allen Personen kommt im Sinne des egalitären Prinzips dieselbe Macht zu. Eine etwaige theoretische Rechtfertigung der repräsentativen Demokratie muss von der Egalität als “equal consideration of interests” (Dahl 1989: 85ff.; Benn 1967) aller ihren Ausgang nehmen. Die demokratische Praxis zeigt sich gegenüber dieser Einsicht zurückhaltend, stellen wir doch ohne Zweifel fest, dass z.B. diffuse Interessen ungleich schwierigere Zugangsbedingungen zu gewärtigen haben als organisierte spezifische Interessen. Neben der Frage Cui bono? ist also auch die Frage Cur et quomodo? zu stellen. Und dies ist nur in der Analyse spezifischer Repräsentativsysteme möglich. Die Elemente einer Theorie der Repräsentation helfen, ein Analyseraster zu erstellen und sie damit einer Operationalisierung zuzuführen. Die Rekonstruktion des Konzepts der Repräsentation beinhaltet folgende Dimensionen: (1) Objekt der Repräsentation: •
Gegenstand der Repräsentation sind Bedürfnisse, Meinungen, Interessen und Präferenzen, die von territorial oder funktional definierten Repräsentanten in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht werden. Hier soll in der Folge zwischen diffusen (Konsumenteninteressen, Umweltschutzinteressen) und spezifischen Interessen unterschieden werden (z.B.: van Schendelen 1993; Mazey/Richardson 1992; Kohler-Koch 1992a, 1994; Eising/Kohler-Koch 1994; Eichener/Voelzkow 1994; Coen 1997; Middlemas 1995; Kohler-Koch 1996; Greenwood 2003).
(2) Funktionen der Repräsentation: •
Primäre Funktion der Repräsentation ist die Herrschaftsorganisation. Politische Gemeinwesen können nur durch das Handeln ihrer Repräsentanten tätig werden. Subfunktionen der Herrschaftsorganisation sind Kontrolle der Politik, das Ermöglichen responsiver Politik, Selektion der politischen Eliten und die Aufrechterhaltung des politischen Systems.
•
Repräsentation ermöglicht die Zuordnung von Verantwortung für politische Entscheidungen. Voraussetzung dafür ist ein ausreichendes Maß an Transparenz, welche als notwendige Bedingung von Politik den Repräsentierten ein Urteil über die Qualität der Repräsentation erlaubt. Informationsasysmmetrien erschweren ebenso wie eine föderale Staatsorganisation das Einlösen dieser Verantwortung. Mit der Zahl der Repräsentanten steigt die Schwierigkeit der Kontrolle, da die Möglichkeiten des “shirking” und potentielle ‘veto points’ zunehmen. Gleichzeitig optimiert eine hohe Anzahl an Repräsentanten aber auch die Chance den Politikprozess zu beeinflussen.
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•
Zusammenfassung
Repräsentation führt eine Distanz zwischen Deliberation und Dezision ein, die die persönliche Freiheit des Einzelnen erhöht und die Ausbildung einer kollektiven politischen Identität befördert.
(3) Modi der Repräsentation •
Die Autorisierung der politischen Repräsentanten erfolgt aufgrund von gemeinsamer Identität, Interessen und Expertise. Mechanismen der Selektion sind Wahl, Ernennung oder Losverfahren.
•
Repräsentanten sind im Gegensatz zu Delegierten mit einem freien Mandat versehen. In der politischen Praxis wird dieses freie Mandat durch die Mitgliedschaft in politischen Parteien unterlaufen.
•
Repräsentation kann autoritativ oder konsultativ sein.
•
Die Repräsentationsqualität ist eine Mischung aus Policy-, Service-, Allokations- und Symbolischer Responsivität.
•
Repräsentanten erfüllen die ihnen übertragenen Aufgaben in unterschiedlicher Weise: als Trustee, Delegate oder Politico mit unterschiedlichem Fokus (z.B. regionale vs. nationale Ebene, nationale vs. supranationale Ebene).
•
Das Rollenverständnis, Repräsentationsstil, Repräsentationsqualität und Fokus werden beeinflusst durch institutionelle und strukturelle Faktoren, Parteimitgliedschaft, Grad der Parteiorganisation, institutionelles Arrangement des politischen Systems, der Dauer des Mandats und der Größe der verfügbaren Ressourcen.
Zur Operationalisierung dieser Dimensionen dient folgende zusammenfassende Aufzählung: Dimensionen der Repräsentation Präsenz Autorisierung Unabhängigkeit (Stimmen-) Egalität Responsivität Im folgenden zweiten Teil der Arbeit soll nun untersucht werden, welches spezifische Repräsentationssystem sich auf europäischer Ebene ausgebildet hat. Dabei ist nochmals zu betonen, dass mit europäischer Ebene der Verbund von nationaler und supranationaler Ebene gemeint sein muss. Die enge Verschränkung nationaler Exekutiven, Bürokratien aber auch politischer Parteien mit ihren supranationalen Gegenstücken, der spezifische Modus der Politikgestaltung und Implementation macht eine Analyse nur unter dem Blickwinkel beider Ebenen sinnvoll.
V. Das Repräsentativsystem der Europäischen Union In general, the EU is not a political system in which rulers are held accountable for their policies and actions in the public realm by citizens, and where competing elites offer alternative programmes and vie for popular support at the European level. Svein Andersen und Tom Burns 1996
Primäres Ziel der europäischen Integration ist die Schaffung einer Union von Staaten und Völkern sowie eines Binnenmarktes. Zentrale Motive dieser Ziele waren und sind die Friedenssicherung auf dem europäischen Kontinent, der Export von Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung. Der Verlauf seit der Unterzeichnung des Pariser Vertrages im Jahr 1951 verlief nicht kontinuierlich, sondern war gekennzeichnet durch Phasen des sprunghaften Fortschritts, unterbrochen von Zeiten der Stasis, des politischen Patts und der Stagnation. Schon in den frühen Jahren der Integration war Theoretikern wie Praktikern klar, dass die ökonomische Integration ein Vehikel auch für eine politische Union sein sollte, benötigt doch die Integration von Märkten auch eine Koordination der Politiken.186 Gleichberechtigte Ziele waren politische und ökonomische Integration aber nicht.187 Vielmehr vertraute man auf die Kraft der Sachlogik, von der Theorie des (Neo-)Funktionalismus188 in die Worte “spill over” gefasst (Rosamond 2000).189 Die Integration sektoraler Teilbereiche würde die Notwendigkeit weitere Integration vor Augen führen, die normative Kraft des Faktischen geradezu einen Automatismus der Integration weiterer Politikbereiche ergeben. “Economic integration carried 186
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Bereits der Schuman Plan vom 9. Mai 1950 verwies mehrmals auf das Ziel einer Föderation. Den „Verfassungsvätern“ der EGKS und der EWG war durchaus bewusst, dass die Integration nationaler Ökonomien früher oder später eine politische Integration nach sich ziehen musste. Vgl. dazu Hans von der Groeben (1984), Walter Hallstein (1979), Frances Lynch (1988). Vgl. dazu Brigid Laffan (1997: 15): “The relationship between market integration and political union is fluid, complex and multilayered.” Vgl. dazu die Schriften von David Mitrany (1933, 1943, 1975), Ernest Haas (1958, 1971), und Philippe Schmitter (1969). Vgl. dazu Pascal Lamy (in Klein 2002), ehemaliger Kommissar für Handel 19992004: “Cooperation on coal and steel was the first thing the founding fathers of the European project agreed upon. It was a trick they played: they wanted a political union and the easiest place to begin was a common market in these two basic products.”
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the burden of building a polity.” (Laffan 1997: 15). Vor allem Fritz Scharpf (1997, 1999) hat in seinen Analysen der EU auf die fundamentale Spannung zwischen Demokratie und Kapitalismus hingewiesen. Neoliberale Politik schafft Ungleichheit, während eine essentielle Grundbedingung der Demokratie Gleichheit ist. Die Politik kann versuchen diese Spannung durch marktkorrigierende Politiken, z.B. wohlfahrtsstaatliche Politik, Arbeitnehmerechte, Grundrechte, Regulation und Deregulation etc., zu mildern. Findet sich in einem politischen System aber eine inhärente neoliberale Neigung, die Marktliberalisierung (negative Integration) vor wohlfahrtsstaatlicher Sozialpolitik (positive Integration) bevorzugt, so ist die Steigerung des Outputs der vorherrschende Weg der Legitimation – demokratische Repräsentation tritt in den Hintergrund. So hat die Union zwar Gemeinschaftsgüter zur Erhöhung der individuellen Lebensstandards produziert, vollbrachte dies aber um den Preis des In-Puts. Dem Verlangen nach Demokratie kann in dieser Logik nur durch einen höheren Out-Put begegnet werden. Höherer Out-put erfordert effizientere Entscheidungen – effizientere Entscheidung können in nicht-majoritären Institutionen getroffen werden, die mit dem Argument der Versachlichung legitimiert werden. Diese Versachlichung führt wiederum zu einem Bild des Europas der Bürokraten und der Forderung nach mehr Demokratie usw. Eine breite Massenbewegung, die eine politische Integration Europas forderte, war allerdings niemals zu beobachten. Zwar gingen wichtige Impulse von der Konferenz in Den Haag, von den Verfassungsentwürfen François Menthons (1948) und Michel Debrés (1953) aus, wäre Europa ohne die Initiative von Jean Monnet kaum zustande gekommen, wäre die Einheitliche Europäische Akte ohne die Vorarbeiten von Altiero Spinelli anders verlaufen – letztlich mussten aber auch diese „Verfassungsväter“ einsehen, dass ein Demos erst zu schaffen sei (vgl. Fußnote 10). Der Kampf des EP um die Ausweitung seiner Rechte muss auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Die Frage nach der Struktur und Charakter des europäischen Repräsentativsystems wird erschwert durch die Tatsache, dass es sich um ein politisches System handelt, das in den letzten Jahren in schneller Folge erhebliche Veränderungen erfahren hat. Ein Ergebnis dieser Veränderungen seit der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahr 1987 sind unterschiedliche Interpretationen der politischen Realität der Europäischen Union (Kincaid 1999: 36; Murray/Rich 1996): von state-in-the-making zu confederal federation, von Staatenverbund zu post-national order. Einer Analyse des Repräsentativsystems kommt also immer nur vorläufiger Status zu, da ein ständig sich wandelndes politisches System als Analyseobjekt vorliegt (und auch erhebliche Forschungsdefizite bestehen). Die von der Warte der parlamentarischen Repräsentation aus mit Abstand wichtigsten Schritte der Integration waren Schaffung der Gemeinsamen Versammlung durch den Pariser Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951; die Einführung des Konsultationsverfahrens (Art. 22 EWG-V und Art.
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11 EURATOM) und der Möglichkeit der Kommission mit 2/3 das Misstrauen auszusprechen (Art. 144 EWG-V); die Einführung des Eigenmittelsystems und der Haushaltsbefugnisse des EP (Art. 203 und Art. 206 EWG-V) durch den Vertrag von Luxemburg 1970 – diese Rechte wurden durch den Vertrag von Brüssel 1975 ausgebaut; der Europäische Direktwahlakt 1976190; die Einheitliche Europäische Akte, die die bereits in den Gründungsverträgen vorgesehenen Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Rahmen des Kooperationsverfahrens zwischen Rat und Europäischem Parlament sowie das Kooperationsverfahren nach Artikel 189C EGV einführte; der Vertrag von Maastricht 1991 mit der Etablierung des Mitentscheidungsverfahrens191 (Art. Art. 189B EGV) und des Subsidiaritärsprinzips (Art. 5 EGV), sowie der Untwerfung der Kommission als Kollegialorgan unter ein Votum des EP (Art. 158 EGV); der Vertrag von Amsterdam 1997 (Ausweitung der Kodezisionsverfahren nach Art. 251 EGV, Einführung des Artikel 7 EUV) und der Vertrag von Nizza, der eine weitere Ausweitung des Kodezisionsverfahrens sah (Art. 251 EGV), sowie der Konvent zur Zukunft Europas (2003/04). Der Vertrag über eine Verfassung für Europa sieht u.a. vor, das Mitentscheidungsverfahren zum „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ (Art. I-34, Art. III-396) zu erheben, ermöglicht die Wahl des Kommissionspräsidenten auf Vorschlag (mit qualifizierter Mehrheit) des Europäischen Rates (Art. I-27) unter der Berücksichtigung der EP-Wahlergebnisse, macht das EP gemeinsam mit dem Rat verantwortlich für die Haushaltsbefugnisse und beseitigt damit die Trennung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben (Art. I-20). Primäres Forum der eben skizzierten konstitutionellen Entwicklung der Union sind nach Art. 48 EUV intergouvernementale Konferenzen. Die kontinuierliche institutionelle und prozedurale Veränderung fand aber nicht nur mittels intergouvernementalen Konferenzen, d.h. “big bargain decisions” (Moravcsik 1993; Hurrell/Menon 1996; Moravcsik/Nicolaidis 1999) statt, sondern auch durch inkrementelle Prozesse der Verwaltungspraxis, z.B. durch interinstitutionelle Vereinbarungen zwischen Rat, Parlament und Kommission192, Urteilen des Europäischen Gerichtshofes193 und der zuneh-
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Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 8.10.1976 (ABl 1976 L 278). Bereits in der am 27.6.1963 verabschiedeten Entschließung der Versammlung über die Zuständigkeiten und Befugnisse des Europäischen Parlaments (ABl 1963, S. 1916) forderte das Parlament ein Mitentscheidungsrecht. Vgl. Interinstitutionelle Erklärung des EP, des Rates und der Kommission über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, Bulletin der EG Nr. 10, 1993, S. 124ff.; Interinstitutionelles Abkommen zwischen dem EP, dem Rat und der Kommission über demokratische Konsultation vom 15.11.2001; Zum EUGH vgl. Anne-Marie Burley/Walter Mattli (1993), Joseph Weiler (1993), Karen Alter (1996), Sonja Puntscher Riekmann (1998).
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menden Einrichtung von Regulierungsbehörden in der zweiten und dritten Säule.194 Thomas Christiansen und Knud Jørgensen (1999: 1) sehen die Staaten auch nicht mehr als entscheidende Akteure des Reformprozesses: “In so far as IGCs actually perform a function for national governments, this is rather ceremonial (states celebrating their status as states) and disciplinary (states exerting a slightly greater than usual degree of control over the agenda and time-scale of reform) than actually decisional. In the absence of a complete and final Kompetenz-Kompetenz in the EU, IGCs constitute the attempt by governments to assert their control of the expanding portfolio of EU competences. But the wave of IGCs during the 1990s, we believe, demonstrates conclusively the opposite: governments have lost command and control not just over everyday business, but even over something as ‘intergouvernmental’ as treaty reform.” Eine etwas übertriebene Einschätzung, haben doch Staaten via COREPER und Ratssekretariat die Vorbereitung von IGCs und die Vorbereitung „alltäglicher“ Entscheidung sehr wohl in der Hand. Wahr ist auch, dass die intergouvernementalen Konferenzen seit Maastricht wenig durchschlagende Erfolge brachten. Macht bedeutet aber auch Macht etwas zu verhindern – man kann sich schwerlich des Eindrucks erwehren, dass die Integrationsfortschritte auch deshalb so zögerlich gesetzt wurden, weil einzelne Mitgliedstaaten bzw. deren Exekutiven sich weitergehenden Reformen verschlossen haben. Jedenfalls darf der Reform- oder Veränderungsprozess der Union nicht als eine Serie von ‘big bang’ Ereignissen oder ‘history-making decisions’ (Peterson 1995; Pogge 1998) verstanden werden, sondern ist ein dynamischer Verbund von politischer Praxis, Verwaltungshandeln, ‘Bargaining’ und Deliberations-Prozessen.195 Institutioneller Ausdruck diesen permanenten Veränderungsprozesses sind nicht nur ein komplexes System überlappender Politikarenen, intransparente Konsultations- und Verhandlungssysteme, in denen Mitglieder der Kommission, nationale Regierungsvertreter, Ministerialbürokratien, Lobbyisten und Experten in diversen Gremien verbindliche Entscheidungen treffen (Höreth 1999: 190), sondern auch eine Differenzierung der politischen Repräsentation. Parlamentarische Repräsentation nimmt im europäischen System 193
194
195
Z.B.: EUGH, RS 41/69, Chemiefarma vs. Europäische Kommission Slg. 661; RS 1253/79, Battaglia vs. Europäische Kommission Slg. 297; RS 208/80, Lord Bruce of Donnington vs. Aspden (1981) Slg. 2205; RS 230/81, Luxembourg vs. Europäisches Parlament Slg. 225; RS 13/83, Europäisches Parlament vs. Rat, Slg. 1513; RS 34/86, Rat vs. Europäisches Parlament, Slg. 2189; RS 300/89, Europäische Kommission vs. Rat Slg. 2895. Z.B. die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) oder das Europäische Organ zur Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit (EUROJUST) und das Europäische Polizeiamt (Europol). John Peterson (1995: 71) unterscheidet in diesem Verbund zwischen 1) history making decisions or the grand bargains; 2) systemic level or policy-setting decision-making; 3) meso-level policy-making of policy-shaping decision-making.
Das Repräsentativsystem der Europäischen Union
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keine dominante Stellung mehr ein. Ein Trend der durch die Unterhöhlung des freien Mandats in der Parteiendemokratie, die fortschreitende Segmentierung der Gesellschaft und die zunehmende Auslagerung staatlicher Aufgaben an private Akteure auch im Nationalstaat feststellbar ist. Prozesse der Segmentierung der Repräsentation auf nationaler Ebene werden durch den Prozess der Integration verstärkt. Daraus ist per se nicht schon eine Verschlechterung der Repräsentationsqualität oder gar die vollkommene Absenz abzuleiten. Vielmehr ist zu fragen, welche Repräsentationsformen, welche Modi und Funktionen der Repräsentation sich warum auf europäischer Ebene ausgebildet haben und welche Akteure oder Interessengruppen benachteiligt oder bevorzugt werden.
V.1.
Demokratie in der Europäischen Union
Die Frage nach den europäischen Repräsentationsformen macht nur Sinn, wenn die Europäische Union sich den Grundsätzen der Demokratie verpflichtet und sich darauf, z.B. bei der Aufnahme neuer Mitglieder (Art. 49, Art. 6 EUV, Kopenhagener Kriterien196), beruft. Nun geistert der Begriff der Demokratie seit Beginn des Integrationsprozesses schon durch diverse Absichterklärungen, Präambeln und Entschließungen. Die bloße Erwähnung bedarf allerdings einer institutionellen und prozeduralen Ausgestaltung.197 Kulminationspunkt der Gestaltungs- und Reformbemühungen im Sinne einer demokratischen Weiterentwicklung waren gemäß Artel 48 EUV immer “big head meetings”, d.h. intergouvernementale Konferenzen. Die Gründungsväter Jean Monnet und Robert Schuman maßen der demokratischen Gestaltung der Union keine besondere Bedeutung zu. In den Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaft 1951 und 1957 findet der Grundsatz der Demokratie keine Erwähnung, anstelle eines Parlamentes war lediglich eine beratende Versammlung vorgesehen. Hervorgehoben werden hingegen die Bedeutung der Friedenssicherung und der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Erklärung des Europäischen Rates in Kopenhagen vom 7./8. April 1978 zur Demokratie198, in der auch der Termin der ersten Direktwahlen zum EP festgelegt wurde, wurde vom Rat als „Demonstration des allen Mitgliedstaaten gemeinsamen demokratischen Ideals“ interpretiert. „(D)ie Achtung und die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Demokratie [sind] in allen Mit196
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Siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat Kopenhagen 21.-22. Juni 1993, SN 180/1/93. Christopher Hillion (2002: 402) nannte die politischen Kriterien der Erklärung „quasi-legal“. David Collier und Steven Levitsky (1997) führen 500 Begriffe an, die zur Unterscheidung verschiedener Versionen der Demokratie benutzt werden. Bulletin der EG Nr. 3/1978.
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Demokratie in der Europäischen Union
gliedstaaten wesentliche Elemente ihrer Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften“.199 In richtungweisenden Urteilen äußerte sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Demokratiefrage. Im Fall Van Gend en Loos vs. Niederlande200 bestätigte der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechtes; das Urteil im Fall Costa v. ENEL201 entwickelte das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts. In beiden Fällen entschied der EuGH explizit gegen die Argumentation der mitgliedstaatlichen Regierungen. Richter Pierre Pescatore interpretierte diese Urteile als “the consequence of a democratic ideal” (Pescatore 1983: 158). Im so genannten Isoglukose Fall urteilte der EuGH am 29. Oktober 1980202 unter anderem: „Die […] in entsprechenden Vertragsbestimmungen vorgesehene Anhörung ermöglicht dem Parlament eine wirksame Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft. […] Sie spiegelt auf Gemeinschaftsebene, wenn auch in beschränktem Umfang, ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider, nach dem die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt beteiligt sind.“ (Hummer 1994: 213f.). Im Jahr 1984 unterstütze der Gerichtshof das EP in seiner Forderung nach adäquater Teilnahme am politischen Prozess: “the bringing of an action by Member States […] for the annulment of the act are mere contingencies, and the Parliament cannot be sure that they will materialize.”203 Vielmehr sah der EuGH die Notwendigkeit für “a legal remedy which is suited to the purpose which the Parliament seeks to achieve.” Institutionelles Element der Verwirklichung der Demokratie ist für den EuGH also das Parlament. Eine Interpretation, die sich in der Gleichung Parlamentarisierung ist gleich Demokratisierung ausdrückt. Die „Feierliche Deklaration zur Europäischen Union“204 des Europäischen Rats in Stuttgart vom 19. Juni 1983 hatte eine Vertiefung und Wiederbelebung der Integration durch das Projekt der Schaffung einer Europäischen Union zum Ziel. In der Präambel und in den Zielen (Kap. 1) wird die Demokratie angesprochen. In Punkt I.2. bekräftigen die Staats- und Regierungschefs die bereits in Kopenhagen zum Ausdruck gebrachte Bedeutung der parlamentarischen Demokratie. Zwar wurde in der Erklärung die Umwandlung der EG in eine EU anvisiert, ein Ausbau der demokratischen Elemente, sprich eine Stärkung des EP, aber abgelehnt, was sich in der wortglei199
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Die Erklärung war auch als Signal an die südeuropäischen Beitrittsaspiranten – Griechenland, Portugal, Spanien – gemeint. EuGH, Rs. 26/62, N.V. Algemene Transport en Expedite Onderneming Van Gend en Loos v. Nederlandse administratie der belastingen. EuGH, Rs. 6/64 Costa v. ENEL. Bestätigt in EuGH, Rs. 106/77, Amministrazione delle Finanze dello Stato v. Simmenthal. EuGH, Rs. 138/79 Roquette Frères-Isoglucose. EuGH, Rs. 302/87, European Parliament v. Council. ABl 1984 Nr. 84/C 77/33. Wiederabgedruckt u.a. bei Wilfried Loth (2002: 129ff.).
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chen Übernahme des Textes von Kopenhagen zeigt. Ein wichtiger Impuls zur Frage der Demokratisierung der Gemeinschaften kam von dem unter der Leitung des italienischen EP Abgeordneten Altiero Spinelli entstandenen Entwurfs über einen Vertrag zur Gründung der Europäischen Union vom 14. Feber 1984.205 Der Entwurf beinhaltete eine erhebliche Neugestaltung des institutionellen Gleichgewichts, da das Parlament gegenüber dem Rat zu einem gleichwertigen Partner aufgewertet werden sollte. In der Präambel wird die Notwendigkeit wirksamerer und demokratischerer Institutionen zur Erreichung der Einigung Europas hervorgehoben. In Erwägungsgrund drei wird zudem auf den Grundsatz der „pluralistischen Demokratie“ abgestellt. Diese soll zum einen als Leitsatz der Gestaltung der Union dienen und wird zum anderen als Bedingung einer Beitrittsmöglichkeit in den Raum gestellt (Art. 2). Artikel 4 Absatz 4 des Entwurfs sieht für den Fall der anhaltenden Verletzung des demokratischen Grundsatzes Sanktionsmöglichkeiten (spezifiziert in Art. 44) vor. Eine Bestimmung, die erst durch den Amsterdamer Vertrag Verankerung im Primärrecht fand. Die Einheitliche Europäische Akte vom 17./18. Feber 1986 – die erste substantielle Vertragsrevision seit der Gründung der Gemeinschaften – versuchte zwischen dem Minimalansatz der Kopenhager Erklärung und dem Spinelli-Entwurf zu vermitteln.206 Einmal mehr wird in der Präambel auf die Stütze der mitgliedstaatlichen Demokratie und auf das EP als „unerlässliches Ausdrucksmittel“ der „demokratischen Völker Europas“ verwiesen. Ein qualitativer Unterschied liegt in der rechtlichen Verankerung, die erlaubt, die Aussagen zur Demokratie zur Interpretation des Vertragswerkes heranzuziehen (vgl. dazu Januschokowetz 2003). Der Vertrag über die Europäische Union vom 7. Feber 1992 verankert Demokratie als Grundsatz des Gemeinschaftsrechts in der Präambel und durch Art. F Abs. 1. Aus der Sicht des EP brachte der Vertrag keine wesentliche Stärkung des Demokratieprinzips.207 Die pejorativ so genannten “leftovers” von Maastricht – die Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen, die Stimmgewichtung im Ministerrat und die Größe der Kommission – konnten allerdings auch nicht durch den Vertrag von Amsterdam gelöst werden. Rahmenbedingungen der Verhandlungen waren Mitte der 1990er Jahre die großen Herausforderungen an die Union: die letzte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion sowie die anstehenden Verhandlungen mit den Beitrittswerbern und deren Aufnahme in die Union. Die anvisierte 205 206
207
ABl 1984 C 77. Der zur Vorbereitung eingesetzte, nach seinem Vorsitzenden benannte DoogeAusschuss nahm wesentliche Anregungen aus dem Spinelli-Draft auf. Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Ergebnissen der Regierungskonferenz vom 7.7.1992, DOK A3 – 123/92, ABl. 1992 C 125, S. 81. Das EP merkte v.a. Schwächen im Bereich des Mitentscheidungsverfahrens und die fehlenden Kontrollbefugnisse in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres an.
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Demokratie in der Europäischen Union
Erweiterung der Union machte spätestens seit dem Vertrag von Maastricht deutlich, dass eine Union aus 25 oder mehr Mitgliedern kaum mit den Institutionen einer Gemeinschaft der Sechs effizient und demokratisch funktionieren würde. Zu nennen ist auch die interinstitutionelle Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität vom 25. Oktober 1993208 (Eiselt/Slominski 2005) zwischen Rat, EP und Kommission. In Punkt eins wird die uneingeschränkte Wahrung der demokratischen Grundsätze „auf die sich die Regierungssysteme der Mitgliedstaaten stützen“ im Gesetzgebungsverfahren bekräftigt. Im folgenden Text wird v.a. auf Transparenzmaßnahmen Bezug genommen. Hintergrund der im November 1992 begonnen Verhandlungen zum Abschluss der Übereinkunft war der Vertrag von Maastricht. Artikel 195 EGV verlangte nach einer Regelung der Stellung des Ombudsmannes und Artikel 251 EGV erforderte Detailregelungen betreffend dem Vermittlungsverfahren. Zugleich wollte das EP mittels interinstitutioneller Abkommen Unzulänglichkeiten des Maastrichter Vertrags wettmachen. Das Interesse des Rates zielte wesentlich auf eine Beruhigung nationaler Öffentlichkeiten während des Ratifikationsprozesses zum Vertrag durch eine Regelung zum Subsidiaritätsprinzip (Monar 1994: 704). Im Feber des Jahres 1994 legte das Europäische Parlament eine Entschließung zur Verfassung der Europäischen Union vor.209 Der Entschließung war eine intensive Debatte im Institutionellen Ausschuss des EP vorangegangen. Im so genannten ‚Herman-Bericht‘210 setzt das EP in Artikel 1 einen starken Akzent, der weder in früheren Texten noch in darauf folgenden eine Entsprechung findet: „alle Macht der Union geht von den Bürgern aus.“ Seine Präzisierung erfährt dieser Programmsatz – der sich im übrigen in ähnlicher Fassung auch z.B. in der österreichischen Verfassung, dem Deutschen Grundgesetz, der spanischen Verfassung findet – in Artikel 14 des Verfassungsentwurfes, der das Wahlrecht zum EP definiert. In der Präambel des Entwurfs wird einmal mehr auf die Demokratie der Mitgliedstaaten eingegangen, sowie der Auftrag erteilt, die „demokratische Ausrichtung ihrer Organe zu verbessern“. Eine Forderung, die sich auch in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von Cannes (26./27. Juni 1995) findet.211 Es 208 209
210
211
ABl. Nr. C 329 vom 6.12.1993, S. 133. ABl 1994 C 61/155 [Dok A3-0064/94]. Wiederabgedruckt in Wilfried Loth (2002: 205ff.). Basierend auf dem Colombo-Bericht. Als Emilio Colombo italienischer Außenminister wurde übernahm Manuel Oreja den Report. Nach dessen Umstieg in die Kommission führte Fernand Herman die Arbeit weiter. Bulletin der EG Nr. 6/1995. Für die mantra-artige Wiederholung des Demokratieausbaus lassen sich viele Beispiele zitieren: siehe z.B. die Berichte der Reflexionsgruppe zur IGC 1996, SN 509/1/95 REV 1, SN 520/1/95 REV 1. Der Bericht der Reflexionsgruppe übernimmt auch die Möglichkeit der Sanktion bei schwerwie-
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soll eine „Verstärkung des Rückhalts für den Aufbau Europas in der Öffentlichkeit dadurch, dass dem Bedürfnis der europäischen Bürger, denen die Probleme der Beschäftigung und des Umweltschutzes Sorge bereiten, nach einer ihnen näher stehenden Demokratie entsprochen wird“, gewährleistet werden. Am 2. Oktober 1997 wurde in Amsterdam anlässlich der Tagung des Europäischen Rates der Vertrag vom Amsterdam unterzeichnet. Der Grundsatz der Demokratie wird in der Präambel bestätigt und in Artikel 6 EUV ausgeführt. Artikel 7 EUV sieht für den Fall der Verletzung Sanktionen vor. Gleichzeitig wird in der Präambel dem Wunsch Ausdruck verliehen, die Demokratie und Effizienz der Organe zu stärken. Das Europäische Parlament empfahl in einer Entschließung vom darauf folgenden November212 den Mitgliedern der Union die Ratifizierung, bedauert allerdings, dass die vorgesehenen institutionellen Reformen nicht weit genug gehen, „damit die erweiterte Union effizient und demokratisch funktionieren kann“. Diese Sichtweise setzte sich auch unter den Staats- und Regierungschefs durch. Angesichts der bevorstehenden Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder wurde vom Europäischen Rat in Köln am 3./4. Juni 1999 entschieden, zu Beginn des Jahres 2000 eine Regierungskonferenz unter portugiesischer Präsidentschaft einzuberufen. Ziel der IGC sollte es sein, die so genannten “leftovers” von Amsterdam zu klären und die Union erweiterungsfähig zu machen. Am 10. und 11. Dezember 1999 wurde am Treffen des Europäischen Rates in Helsinki die folgende Agenda für die IGC festgelegt: die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen, die Stimmgewichtung im Rat und die Größe und Zusammensetzung der Kommission.213 Die „Regierungskonferenz zu institutionellen Angelegenheiten“ wurde offiziell am 14. Februar 2000 in Brüssel inauguriert. Anlässlich des informellen Treffens in Biarritiz am 13./14. Oktober 2000 wurde die IGC beauftragt, die Reformvorschläge betreffend Artikel 7 EUV zu überprüfen. Im Zuge der gegen die österreichische Regierung ergriffenen bilateralen Maßnahmen erwies sich eine solche Reform als dringend geboten, da die damalige Fassung des Artikels keine geeignete rechtliche Basis für diese Maßnahmen geboten hatte.214 Der am
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214
genden Verstößen gegen die Demokratie in einem Mitgliedsland wie sie sich im Spinelli-Entwurf aus dem Jahr 1984 findet; Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Korfu (24./25.6.1994), SN 150/94; Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Madrid (15./16.12.1995), SN 400/95; die Vorlage eines „Allgemeinen Rahmen für einen Entwurf zur Revision der Verträge“ der irischen Präsidentschaft vom 5.12.1996, CONF/2500/96. DOK A4-0347/97, Bulletin EU Nr.11 1997. Das Ratstreffen in Feira (19./20. Juni 2000) brachte eine Erweiterung der Agenda um das Thema der flexiblen Integration. Zur rechtswissenschaftlichen Analyse siehe Peter Pernthaler und Peter Hilpold (2000).
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Demokratie in der Europäischen Union
26. Feber 2001 unterzeichnet Vertrag von Nizza enthält einmal mehr in der Präambel ein Bekenntnis zum Grundsatz der Demokratie und den Wunsch nach Stärkung derselben. Artikel 6 und 7 werden vom Amsterdam Vertrag wortgleich übernommen. Die Verhandlungen von Nizza haben vor allem klar gemacht, dass Regierungskonferenzen nicht mehr das geeignete Instrument sind, Reformen der Europäischen Union voranzutreiben. Die Regierungskonferenz 2000 wurde in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem mit dem Treffen des Europäischen Rates im Dezember 2000 in Verbindung gebracht und als Ausdruck des völlig übersteigerten Repräsentationsanspruchs der Staats- und Regierungschefs, der jeglichem demokratischen Verständnis spottete, interpretiert. Nizza war der längste Europäische Rat in der Geschichte der Integration: von 9.45 Uhr des 7. Dezember bis 4.40 Uhr des 11. Dezember. Die Politik hinter verschlossenen Türen, weitgehend abseits von einer Beteiligung des einzig direkt gewählten und legitimierten Organs, stieß selbst bei den Teilnehmern der Regierungskonferenz auf Kritik. Der britische Premier Tony Blair gab zu, dass “we cannot continue to take decisions as important as this in this way” und setzte fort: “Reform is essential so a more rational way of decision-making is achieved” (European Voice 6/46, 2000: 1). Der damalige Vorsitzende der EU, Jacques Chirac, dessen Vorsitzführung heftiger Kritik von allen Seiten ausgesetzt war, berichtete dem EP, das IGCs nicht länger eine adäquate Methode der Weiterentwicklung der Union sein mögen (European Voice 6/46, 2000: 1). Und Hans-Gert Pöttering, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei, meinte: “This IGC did not produce any kind of result. This should never be allowed to happen again. Let’s try another model” (European Voice, 6/46, 2000: 1; Agence Europe, 13 December 2000; ibid., 10 January 2001). Eine neue Methode war schnell gefunden: der Erfolg des Konvents zur Erstellung der Grundrechte-Charta – als durchaus hinterfragenswerter „Meilenstein in der Verfassungsentwicklung Europas“ (Hobe 2003: 10; siehe dazu auch Deloche-Gaudez 2001; Pernice 2001) bezeichnet – veranlasste den Europäischen Rat von Laeken (14./15. Dezember 2001) einen neuen Konvent zur Zukunft der Union einzurichten. Aufgabe des Konvents war v.a. die Vorbereitung der folgenden IGC. Aber nicht alleine das perzipierte Versagen des herkömmlichen Vertragsveränderungsverfahrens nach Artikel 48 EUV, welcher den Regierungen der Mitgliedstaaten das alleinige Recht zur Einleitung und Durchführung einer Vertragsrevision einräumt, war Ursache für die Einrichtung des Konvents. Vor dem Hintergrund der Neubelebung der konstitutionellen Debatte durch die Rede des deutschen Außenministers Joschka Fischer an der Humboldt Universität zu Berlin im Mai 2000 bot der Konvent eine Möglichkeit für die Staats- und Regierungschefs, ihre Bereitschaft zu einer ernsthaften Demokratisierung der Union zu zeigen. So wurde der Konvent auch als ein “alternative way for steering system change and fundamental reforms of the European Union” (Maurer 2003: 167) bezeichnet. Unter dem Vorsitz von Valéry Giscard d’Estaing nahm der
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Konvent am 29. Feber 2002 die Arbeit auf und legte nach knapp 17monatiger Beratung im Juni 2003 dem Rat ein Abschlussdokument vor. Das neuartige am Konvent war seine Zusammensetzung: Vertreter der Staats- und Regierungschefs, der nationalen Parlamente und des EP sowie der Kommission nahmen an den intensiven Beratungen teil. Neben der Vorlage eines Entwurfs über eine Verfassung von Europa215, in dem es zu einer weiteren Aufwertung des EP aber auch der nationalen Parlamente kommt, scheint v.a. die neue Methode der IGC Vorbereitung relevant zu sein. Nach Annahme des Verfassungsvertrags durch die Staats- und Regierungschefs scheint es kaum möglich, wieder zur alten IGC Methode zurückzukehren. Ist dies institutioneller Ausdruck auch eines gewandelten Repräsentationsverständnisses? Weg von der ausschließlichen Konzentration auf eine weitergehende Parlamentarisierung der Union hin zu einer inklusiveren Form zumindest der konstitutionellen Weiterentwicklung? Zu nennen ist schließlich auch das am 25. August 2001 von der Kommission veröffentlichte Weißbuch „Europäisches Regieren“.216 Ziel der Kommission war es, mit dem Weißbuch einen zukunftsorientierten Weg zur Beteiligung der Zivilgesellschaft vorzustellen. Die Krise der Kommission im Jahr 1999 machte eine solche Reform dringend notwendig. Der Reform legt die Kommission fünf Grundsätze „Guten Regierens“ zugrunde: Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz. Zentrale Frage ist, wie Europa besser mit den Bürgern (S. 9) zu verbinden sei. Die Vorschläge der Kommission dies zu erreichen, sind allerdings wenig originell. Organisierte Interessenvertreter, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Nichtregierungs-organisationen und Arbeitgeberverbände217, mit einem Wort Institutionen, die bereits über starke finanzielle und konzeptuelle Ressourcen verfügen, sollen konsultiert werden; die Erfahrungen und Kenntnisse regionaler und lokaler Akteure müssen besser genutzt werden; das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Beratungen der politischen Entscheidungsträger durch Experten müsse gestärkt werden; eine klarere Definition der politischen Ziele und wirksamere Gestaltung der EU-Politik muss angestrebt werden; die Errichtung von Regulierungsagenturen müsse gewissen Bedingungen Genüge tun sowie eine Klarstellung der Rolle und Verantwortlichkeit jeder Institution erfolgen. Dadurch soll die zunehmende Entfremdung zwischen der Europapolitik und ihren Bürgerinnen und Bürgern und das enorme Informationsdefizit über die komplexen Politikprozesse abgebaut werden. „Das alte lineare Modell, bei dem Politik von oben herab verkündet wird, muss durch einen circulus virtuosus ersetzt werden, einen Spiralprozess, der – von der Gestaltung bis zur Durchführung der Politik – auf Rückkoppelung, Netz215 216 217
CONV 850/03. KOM (2001) 428 endg. Philipp Steinberg (2001: 3) weist zu recht darauf hin, dass in dieser Aufzählung der Kommission das Fehlen der politischen Parteien erstaunen muss.
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Demokratie in der Europäischen Union
werken und Partizipation auf allen Ebenen beruht.“ (S. 14). Die Auswahl der partizipierenden Institutionen oder Personen obliegt allerdings alleine der Kommission. Das Weißbuch erweckt den Anschein, als ginge es der Kommission eher um die Stärkung der eigenen Macht (Scharpf 2001: 7) denn um eine Erhöhung der bürgergesellschaftlichen Beteiligung. Die Effizienz des Regierens wird gleichgesetzt mit der Legitimität. Mit anderen Worten: Repräsentation wird zu technokratischem Regieren (vgl. Eriksen 2001; Armstrong 2001). Was lässt sich aus diesem groben, holzschnittartigen Überblick gewinnen? Zum einen, die banale Einsicht, dass die Demokratie in den offiziellen Dokumenten ein völlig unterspezifiziertes Konzept ist. Ein Umstand, der nicht verwunderlich ist, klären doch auch z.B. nationale Verfassungen ihren Demokratiebegriff erst durch die Realisierung der Grundfreiheiten, des Wahlrechts, der institutionellen Balance und Gewaltenteilung etc. und nicht in den Präambeln.218 Zum anderen ist ein durchgehendes Verständnis festzustellen, Demokratie auf europäischer Ebene von den demokratischen Mitgliedstaaten abzuleiten. Es wird der Eindruck erweckt als würde repräsentativ-demokratische Mitgliedstaaten automatisch eine demokratische Union bedeuten. Logische Folge ist, dass Demokratie eine Beitrittsbedingung für neue Mitgliedsländer ist.219 Eine etwas wohlwollendere Interpretation würde die demokratischen Mitgliedstaaten als Pfeiler einer demokratischen Union betrachten, deren wirkliche Ausgestaltung auf europäischer Ebene aber noch erheblicher Anstrengungen bedarf. Daher auch die oftmalige Forderung nach „demokratischeren“ Organen und Verfahren. Ein weiteres Faktum ist, dass als institutioneller Ausdruck der repräsentativen Demokratie in der Geschichte der Integration vor allem das Europäische Parlament firmierte. Erst Ende der 1990 Jahre, mit der Einrichtung des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta scheint sich ein inklusiveres und damit breiteres Verständnis der Repräsentation abzuzeichnen. Aber ist dies wirklich auf ein verändertes Repräsentationsverständnis zurückzuführen oder ist es nicht vielmehr die normative Kraft des Faktischen, die zur „Erfindung“ des Konvents zwang? Die immer stärkere Ausbildung verschiedener Repräsentationsforen und -modi, territorial, institutionell, bürokratisch, exekutiv etc. mit ihren konfligierenden Interessen erforderte ein neues Gremium zum Entwurf von Reformen. Das Parlament hatte sein Repräsentativmonopol wenn es ihm denn jenseits politischer Rhetorik jemals zukam, bereits verloren. Neben die218
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Siehe dazu den von Dietrich Schindler (1967) geprägten Begriff der “ambiance”. Vgl. dazu auch Dieter Grimm (2004) und James Tully (1995: 183f.): “Constitutions are not fixed and unchangeable agreements reached at some foundational moment, but chains of continual intercultural negotiations and agreements in accord with, and violations of the conventions of mutual recognition, continuity and consent.” Vgl. die Schlussfolgerungen der Europäischen Räte von Birmingham (16.10.1992), Edinburgh (11./12.12.1992) und Kopenhagen (21./22.6.1993).
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sem institutionellen Fokus müssen aber auch veränderte Instrumente in Betracht gezogen werden. Vor allem die Methode der offenen Koordinierung, wie sie im März 2000 anlässlich eines Europäischen Rates propagiert wurde, sollte die Partizipation der „regionalen und lokalen Ebenen sowie der Sozialpartner und der Bürgergesellschaft im Rahmen unterschiedlicher Formen von Partnerschaften“220 garantieren. Eine Vorstellung, die auch von der Kommission im „Weißbuch Europäisches Regieren“ übernommen wurde. Hierbei ist v.a. zu fragen, ob die neuen Instrumente und Verfahren wirklich einen Trend zur Demokratisierung darstellen oder ob nicht vielmehr eine Gegenbewegung im Sinne der Stärkung der europäischen Exekutiven zu konstatieren ist. Sowohl das Konventsverfahren als auch die offene Methode der Koordinierung können als eine Antwort auf die Krise in den 1990er Jahren interpretiert werden. Die Ablehnung des Vertrags von Maastricht durch die dänische Bevölkerung am 2. Juni 1992, die nicht gerade begeisterte Zustimmung im französischen Referendum im darauf folgenden September, der Rücktritt der Kommission unter Jacques Santer im März 1999, die Verhängung bilateraler diplomatischer Maßnahmen gegen die österreichische Regierung nach Beteiligung der extrem rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (vgl. Kitschelt 1997), das irische Nein zum Vertrag von Nizza im Juni 2002 erzeugten in Europa einen starken Kontrast zur Aufbruchstimmung in den Jahren 1989/90. Die oftmaligen Lippenbekenntnisse zur Stärkung der Demokratie können jedoch nicht verhehlen, dass die europäischen Exekutiven darunter in erster Linie eine Steigerung der Leistung und Effizienz der Union verstehen. Die Union müsse “address the issues that really matter to people’s everyday lives.” (Prodi 1999: 3). Denn “at the end of the day, what interests them is not who solves these problems, but the fact that they are being tackled.” Eine Analyse der Treffen des Europäischen Rates seit Amsterdam von Beate Kohler-Koch (2000) unterstützt die These von der Nachrangigkeit der Demokratie. „Im Vordergrund steht das Handeln »im Interesse« der Bürger und nicht die Einführung geeigneter Mechanismen, die es dem Bürger ermöglichen, seine Interessen, wie er sie definiert, in den politischen Willensbildungsprozess der Union einzubringen.“ (Kohler-Koch 2000:16). Welcher Stellenwert kommt einer solchen institutionellen Betrachtung der europäischen Demokratiefrage zu? Theorien institutionellen Designs gehen von der Annahme aus, dass politische Eliten in der Auswahl und Ausgestaltung institutioneller Arrangements funktionalen Überlegungen folgen. Die Auswirkungen und Funktionsfähigkeit von Institutionen hinsichtlich ihrer Effizienz werden versucht zu antizipieren, die Entscheidung für oder gegen bestimmte Arrangements
220
Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat Lissabon 23./24.3. 2000, Punkt 38.
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werden auf der Basis von Interessen getroffen (Keohane 1984; Moravcsik 1991, 1998; North 1990; Pollack 1997, 2002; Tallberg 2000; kritisch dazu Jachtenfuchs et al. 1998, 2002; Rittberger 2001, Wagner 1999). Eine solche “logic of consequentialism” (March/Olson 1989, 1998) unterstellt den politischen Akteuren eine simple Kosten-Nutzen Rationalität. Wie Rittberger (2002, 2003, 2005) überzeugend darstellen konnte, greift ein solcher Ansatz zur Erklärung der Entwicklung der europäischen Institutionen aber zu kurz, da nicht dargelegt werden kann, warum die Staats- und Regierungschefs der EU Mitgliedstaaten sukzessive Rechte an das EP übertragen haben. Zwar werden von den Vertretern der funktionalen Theorie auch andere Faktoren für diese Übertragung ins Treffen geführt – Bedenken hinsichtlich des europäischen Demokratiedefizits spielen ebenso eine Rolle wie nationalstaatliche Traditionen des Policy-making221 – “yet, explanations of this kind have remained largely unsatisfactory: they invoke ‘ideas’ to mop up unexplained variance of institutional choices, offer propositions which are not subjected to empirical tests, and/or rely on single case studies to support their claims.” (Rittberger 2003: 205). Ein Grund für die mangelnde Erklärungskraft des funktionalen Ansatzes ist die Ausblendung der Rolle von Werten oder Normen bei politischen Entscheidungen. Normen beeinflussen die Haltung der Akteure, sie helfen in potentiell unsicheren oder neuen Situationen Präferenzentscheidungen zu treffen “by stipulating causal patterns or by providing compelling ethical or moral motivations for action” (Goldstein/Keohane 1993: 16; vgl. dazu auch Jupille/Caporaso/Checkel 2003). Annahme des folgenden Abschnitts ist, dass sich der institutionelle Wandel, vom Delegiertenparlament zur gewählten Versammlung, von intergouvernementalen Konferenzen zum Konvent, nicht ausschließlich durch die Präferenzen der durch Art. 48 EUV ermächtigten Staats- und Regierungschefs erklären lässt, sondern dass hinter diesem Wandel auch eine Veränderung der Repräsentationsformen und des Repräsentationsverständnisses steht. Eine Veränderung, die sich im Selbstverständnis des EP ebenso niederschlägt wie in der Etablierung neuer Vertragsveränderungsverfahren. Um die Veränderung des Repräsentationsverständnisses zu belegen soll im Folgenden – im Sinne Quentin Skinners sozio-politischer Matrix – zuerst auf die Geschichte der Integration eingegangen werden, wo die Einrichtung eines Parlaments (durch die Staats- und Regierungschefs als Akteure), sowie der Ausbau seiner Rechte (politisches Ereignis und Sprechakt), v.a. die Direktwahl, und die Konstitutionalisierung der Union im Mittelpunkt stehen. Die Sprachstruktur ergibt sich aus den traditionellen Rechten nationalstaatlicher Parlamente, die immer den Fluchtpunkt föderaler Veränderungsbemühungen bildeten. In der Frage um die Einrichtung der Direktwahl der Abgeordneten zur Gemeinsamen Versammlung/zum Europäischen Parlament,
221
Siehe dazu Markus Jachtenfuchs (1999, 2002) und Richard Katz (2001).
Das Repräsentativsystem der Europäischen Union
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bzw. dessen langjähriger Verzögerung, prallen auch unterschiedliche Repräsentationsverständnisse aufeinander. Während für die einen direkt gewählte Mandatare die Verpflichtung haben, nicht nur die Bevölkerung ihres Landes sondern aller Mitgliedsländer zu repräsentieren, waren die anderen nur dazu bereit, den mitgliedstaatlichen Parlamenten ein Entsenderecht zuzugestehen. Nationale Parlamentsabgeordnete repräsentieren das Volk des Mitgliedslandes – was könnte also logischer sein – bei Abwesenheit eines europäischen demos – auf supranationaler Ebene eine Versammlung dieser Volksrepräsentanten einzurichten? Darüber hinaus war in den Anfangsjahren nur wenigen Visionären bewusst, dass dieses Projekt der Integration weit über herkömmliche internationale Organisationen hinausgehen würde.222 Vor dem Hintergrund internationaler Organisationen aber war eine parlamentarische Versammlung ein Novum, lief doch die Arbeit in „klassischen“ internationalen Organisationen über das Vertretungsmonopol der Außenministerien. Die Einbeziehung von Parlamentariern in den Prozess der internationalen Meinungsbildung bot die Möglichkeit, die öffentliche Aufmerksamkeit in bestimmte Richtungen zu lenken und damit Einfluss auf die verhandelnden Minister zu gewinnen (Schneider 1977: 201). Zudem besteht in der wissenschaftlichen Literatur der Verdacht, dass “fundamental problems of democracy and accountability in the EU originate from the early years.” (Newman 2001: 360; vgl. auch Featherstone 1994). Sind in diesen ersten Jahren Weichenstellungen getroffen worden, die die weitere Entwicklung eines demokratischen europäischen Repräsentativsystems behinderten oder förderten? Die Einberufung des Konvents zur Zukunft der Union bildet den Kontrast, mit Hilfe dessen eine eventuelle Veränderung dargestellt werden soll. Anschließend wird versucht, unter Anwendung des im ersten Teil erstellten Rasters, die Fragen zu beantworten Was?, Wer?, Wie? in der Europäischen Union repräsentiert.
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Jean Monnet schrieb bereits am 4. August 1943 von der „europäischen Wesenseinheit“, die er als Gegenbegriff zur Föderation formuliert (Lipgens 1986: 134).
VI. Von Strassburg nach Brüssel: von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation? Le plus fort n'est jamais assez fort pour être toujours le maître, s'il ne transforme sa force en droit, et l'obéissance en devoir. […] Convenons donc que force ne fait pas droit, et qu'on n'est obligé d'obéir qu'aux puissances légitimes. Jean-Jacques Rousseau 1762
VI.1. Konsolidierung der parlamentarischen Repräsentation Nach Ende des II. Weltkrieges wurden Ideen der Vor- und Zwischenkriegszeit zur politischen Integration Europas von den Eliten wieder aufgenommen (vgl. dazu Europäisches Parlament 1968; Bieber 1974; Schneider 1977; Valentine/Lodge 1978; Westlake 1994; Loth 1996; Smith 1999). Zwei Visionen standen sich in den Verhandlungen zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegenüber: Jean Monnet’s technokratische Vision einer engen Verschränkung volkswirtschaftlicher Systeme, in der wenig Notwendigkeit für die Einrichtung einer parlamentarischen Versammlung gesehen wurde und die Idee eines föderalistisch organisierten Europas, propagiert von Altiero Spinelli und Henri Brugmans, die in einem europäischen Parlament die Keimzelle für eine europäische Föderation sahen: “it is indispensable to […] call a constituent federal assembly made up of representations of the people and not the governments:” (zit. nach Corbett 1998: 6). Externe Zwänge für die Verfolgung des Einigungsprojekts gingen von der Angst vor einem wieder erstarkenden Deutschland als auch vom sowjetischen Expansionismus aus.223 Nicht zu unterschätzen ist auch der Druck der 223
Der amerikanische Außenminister John F. Dulles (1950: 163) betonte zudem, dass die Integration ein probates Mittel sein könne, die Deutschen daran zu hindern, ihre potentielle Macht zwischen Ost und West auszuspielen: „Es muss eingeräumt werden, dass die Deutschen Herz- und Kernpunkt des europäischen Problems sind. Trotz aller Hindernisse kommen sie wieder zu Kräften. Was werden sie mit diesen Kräften anfangen? Werden sie sie gebrauchen, um die künstliche Teilung Deutschlands durch den Eisernen Vorhang zu beenden? Und wenn so, wird der
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Vereinigten Staaten, die sich von einer europäischen Föderation eine Stärkung des westlichen Bündnisses erwarteten (vgl. Lundestad 1998). Der Kampf um eine parlamentarische Versammlung begann allerdings früher. Mehr als 800 Teilnehmer versammelten sich von 7.–11. Mai 1948 zu einer Konferenz in Den Haag, vorbereitet durch das „Internationales Koordinationskomitee der Verbände für die Einigung Europas“.224 Duncan Sandys, britischer Konservativer und Schwiegersohn von Winston Churchill, beschrieb den Kongress als “the most representative assembly of independent citizens that has ever met to deliberate upon the fate of Europe.” (Camps 1964: 6). Das Auswahlverfahren der Teilnehmer, unter denen sich auch 200 Abgeordnete nationaler Parlamente befanden – Selbstnominierung – war der propagierten repräsentativen Qualität sicherlich abträglich. Umso erstaunlicher ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die Teilnehmer für sich in Anspruch nahmen, den Willen und Wunsch der Europäer nach einer Einigung zu kennen und zu repräsentieren. Französische, italienische, belgische, niederländische und luxemburgische Föderalisten betrachteten diesen Wunsch als unleugbares Faktum. So meinte der spätere holländische Außenminister Paul van Zeeland: “This Congress has a mission: it is to answer the prayers of the masses of Europe; to give more precise and more concrete expression to their aspirations; to show the governments that even if they are daring in conception, public opinion will follow them, if indeed it is not already ahead of them.” (Patijn 1970: 22). Drei Ausschüsse sollten sich der Umsetzung dieses Wunsches in die politische Realität widmen. Vom politischen Ausschuss wurde die Einrichtung einer „freiwilligen Föderation“ gefordert. Grenze der notwendigen Souveränitätsübertragung sollten lediglich die gemeinsamen Interessen sein. Die Wahl einer parlamentarischen Körperschaft wurde als Möglichkeit für die Zukunft gesehen225, Vorentwürfe sprachen von einer “European Deliberative Assembly” in der Meinungen ausgetauscht und Stel-
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Eiserne Vorhang auf Polen zurück- oder bis an Frankreich vorgeschoben werden? Werden die Deutschen versuchen, ihre Stellung zwischen Ost und West zu ihren Gunsten auszuwerten? Noch nie zuvor hatte ein so zahlreiches und potentiell machtvolles Volk eine so einzigartige Chance, seine Stellung zwischen zwei gegnerischen Gruppen nutzbar zu machen.“ Daran beteiligt waren die Union Europäischer Föderalisten (UEF), deren Ziel eine bundesstaatliche Einigung Europas war, die Nouvelles Equipes Internationales der christdemokratischen Parteien, das United European Movement unter Winston Churchill, das Conseil Français pour l’Europe Unie, und die Ligue Européenne de Coopération Economique unter Paul van Zeeland mit wenigen, politisch und wirtschaftlich aber einflussreichen Mitgliedern, deren Hauptziel der Abbau von Handelsschranken war. Die Gründe für die Zurückhaltung gegenüber der Direktwahl lagen in den Bedenken bezüglich etwaiger starker zentralisierender Tendenzen. Zugleich wurde betont, dass nur nationale Parlamente die Autorität und das Recht besässen, nationale Souveränität zu delegieren.
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lungnahmen zu dringenden politischen Problemen formuliert werden können. In der Schlussresolution (Lipgens 1986: 240ff.) – erarbeitet unter der Leitung des französischen Sozialisten Paul Ramadier – findet sich bereits die Aufforderung, die zukünftigen Delegierten durch die nationalen Parlamente auswählen zu lassen – mit der bemerkenswerten Klausel, dass diese aber nicht notwendigerweise auch Angehörige der Parlamente sein mussten. Zuvor waren auch die Stimmen der Funktionalisten laut geworden, die eine Selektion der Abgeordneten durch soziale, kulturelle und berufliche Gruppen in den Mitgliedsländern forderten. Die Idee der ständischen Repräsentation konnte sich aber gegen die Dominanz der (allgemeinen) parlamentarischen Repräsentation nicht behaupten. Es ist klar, dass diese Versammlung nicht als legislativer Arm der europäischen Institutionen gedacht war. Vielmehr sollte sie ein Forum für Meinungsaustausch und Diskussion sein, sowie die „rechtlichen und verfassungsmäßigen Folgerungen, die sich aus der Schaffung einer derartigen Union oder Föderation ergeben, und deren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen“ (Punkt 4.c der Resolution des Politischen Ausschusses, Lippgens 1986: 241) untersuchen. Mehr als eine Rolle als konsultativer Repräsentant wurde ihr nicht zugestanden. Dass mit einer baldigen Übertragung von Souveränitätsrechten auf die supranationale Ebene nicht zu rechnen war, dessen waren sich auch die Verfasser des „Memorandum[s] des Internationalen Komitees zur Koordinierung der Bewegungen für die Einheit Europas“ (vom 17. August 1948)226 bewusst. Die Hauptaufgabe der zu schaffenden Delegiertenversammlung sah man denn auch im gemeinsamen Studium von Problemen, im Formulieren von Lösungen und in der Artikulation des politischen Willens. Das Memorandum betrachtete die Versammlung als Repräsentationsforum für die europäische öffentliche Meinung, als Gegenpol zu den Regierungen und nicht als legislative Körperschaft. Im Jahr 1949 wurde schließlich der Europarat gegründet, dessen Organe ein intergouvernementaler Rat der Minister und eine Beratende Versammlung waren. Die Hoffnungen der Föderalisten wurden mit dem Europarat nur sehr beschränkt wahr, denn die Beratende Versammlung hatte weder die Befugnis zu rechtsverbindlichen Beschlüssen, noch konnte sie (zunächst) selbst über die Tagesordnung bestimmen, noch waren ihre Mitglieder direkt gewählt. Henri Brugmans (1970: 11) gab der Enttäuschung Ausdruck: “In the Council of Europe, those who spoke for the federalist movement dreamed of a parliamentary revolution, a ‘Saint Bartholomew’s Night’ of national sovereignties, a sort of ‘Tennis Court Oath’. The lesson has painfully to be learned that an assembly can do nothing effective unless it has a gov-
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Abgedruckt in Europa – Dokumente zur Frage der Europäischen Einigung, hrsg. vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., Band I, München 1962: 159ff..
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ernment answerable to it. And the cold fact was that the ‘Consultative Assembly’ at Strasbourg was hardly ever ‘consulted’ at all.” In die selbe Kerbe schlägt François Duchêne, langjähriger Assistent von Jean Monnet: “A romantic even as pragmatic as Spaak believed for a short while, when the Council of Europe’s Consultative Assembly was set up in 1949, that it was a ‘constituant’, meaning […] an echo of the Third Estate, which in 1789 seized power from the limp hand of Louis XVI. In fact the British insistence on the national veto in the Council of Ministers left the limp hand to the Consultative Assembly, not the governments. Though the assembly attracted glittering names, it soon became a byword as talking-shop.” (Duchêne 1994: 187). Aber auch wenn die Erwartungen der Föderalisten nicht erfüllt wurden, so nahm die Einrichtung der Beratenden Versammlung schon die Entwicklungsrichtung vorweg: “Once the Council of Europe included a parliamentary assembly, it was inconceivable that the first European Community should not have one.” (Gerbet 1992: 12). Der auf Initiative Jean Monnets beruhende Plan des französischen Außenministers Robert Schumann führte zur Einrichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion unter der Aufsicht einer Hohen Behörde wurde als wichtiger Schritt zur gegenseitigen Kontrolle der Rüstungsproduktion gesehen. Die Einrichtung des EGKS beinhaltete einen wesentlichen Fortschritt: nicht mehr die intergouvernementale Kooperation sondern die Übertragung von staatlichen Hoheitsrechten an eine supranationale Organisation sollten die Integration vorantreiben. Am 27. Juni 1950 wurde den Delegierten von Deutschland, Italien und den Beneluxländern ein Entwurf einer französischen Expertengruppe präsentiert, der die Einrichtung einer Hohen Behörde, eines supranationalen Gerichtshofes, eines Ministerrates und einer Gemeinsamen Versammlung227 vorschlug. Diese Gemeinsame Versammlung sollte die Kontrolle der Hohen Behörde gewährleisten. Denn wie Jean Monnet betonte „in einer Welt, in der alle Regierungsautorität auf repräsentativen Versammlungen beruhe, [könne] man Europa nicht ohne eine solche Versammlung bauen“ (zit. nach Rittberger 2001a: 25). Artikel 21 des Vertrages von Paris erlaubte den Mitgliedstaaten die Entscheidung zwischen Direktwahl der Abgeordneten und Selektion durch die nationalen Parlamente. Keiner der Mitgliedstaaten optierte für die Direktwahl. So wurden die europäischen Abgeordneten nach den nationalen Wahlen von den Parlamenten selektiert. Unterschiedliche Wahlzyklen und damit häufig wechselnde Abgeordnete beeinflussten die Kohärenz und Kontinuität der Arbeit erheblich (Hovehne 1999: 6).228 Das daraus resultierende „obligatorische“ duale Man227
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Der Name Assemblée Commune wurde erstmals in einem französischen Arbeitsdokument vom 21. Juni 1950 benutzt. Siehe dazu Kirsten Gerçek (1998: 105). Bikamerale Parlamente hatten zudem die Möglichkeit auch Mitglieder der zweiten Kammer zu entsenden.
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dat ermöglichte zwar den Abgeordneten ihre nationale Erfahrung auf der europäischen Ebene einzubringen, beinhaltete aber gleichzeitig den Nachteil, dass mit steigendem Arbeitsaufwand die Belastung, v.a. durch die Notwendigkeit die nationale Macht- und Einflussposition aufrechtzuerhalten, zunahm, lag die Chance zur Wiederwahl doch einzig auf der nationalen Ebene. Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass es nicht immer die profiliertesten Abgeordneten waren, die für die Versammlung selektiert wurden.229 Die Befugnisse der Gemeinsamen Versammlung waren keineswegs mit mitgliedstaatlichen Parlamenten vergleichbar, da ihr keinerlei legislative Kompetenz zukam. Zwar billigte ihr Artikel 24 des EGKS-Vertrags ein Erörterungsrecht des von der Hohen Behörde vorzulegenden Gesamtberichts zu, politische Initiativen konnten jedoch nicht lanciert werden. Eine Ablehnung des Berichts erforderte eine 2/3 Mehrheit und hätte den Rücktritt der Mitglieder der Hohen Behörde zur Folge gehabt. Zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen Organisationen wurde aber damit eine parlamentarische Versammlung ermächtigt, die Exekutive zu kontrollieren (vgl. Lindsay 1960: 23). Der Ministerrat sollte mit der Hohen Behörde vor zu treffenden Entscheidungen verhandeln, während die Versammlung lediglich nach der Entscheidung zum Zug kam. In den Anfangsjahren der Integration ging es um äußerst technische Regelungsbereiche und die Entscheidung von Experten sollte durch die Versammlung nur begleitet, aber nicht vorbereitet und beschlossen werden. So verdankte die Gemeinsame Versammlung ihr Entstehen auch der Einsicht, dass die mitgliedstaatlichen Parlamente nicht das Mandat und kaum die Kompetenz haben, eine solche post-faktum Deliberation und Kontrolle zu leisten. Der Grundstein zu einem funktionierenden repräsentativen System war mit dieser “technocratic minimalist”230 Haltung und diesem institutionellen Arrangement sicherlich nicht gelegt. Eher glich der Charakter der Gemeinsamen Versammlung dem eines Rechnungshofes denn einem Parlament. Diese beschränkten Kompetenzen der Versammlung veranlassten Walter Hallstein, den ersten Präsident der EWG-Kommission, die Europäischen Gemeinschaften als „unterentwickelte Demokratie“ zu bezeichnen (Hallstein 1973: 101). Klar war jedoch, dass Jean Monnet und andere der funktionalistischen Logik des “spill-over” folgen wollten, hatte sich doch die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich „Europa nicht mit einem Schlage“231 herstellen lassen könne. Der Stikker-Plan, benannt nach dem holländischen Außenminister, zur Wirtschaftsintegration vom 14. Juni 1950 beinhaltete eine Liberalisierung in229
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So war ein durchaus öfter zu hörender „Schlachtruf“ damals: Hast du einen Opa, schick’ ihn nach Europa. So Françoise Duchêne (1994: 240) zur Haltung Jean Monnets gegenüber der Gemeinsamen Versammlung. So Jean Monnet in der „Erklärung zur Montanunion“, 9. Mai 1950 (Lipgens 1986: 293).
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nerhalb festgelegter prozentueller Grenzen für alle Waren (mit Ausnahme des staatlichen Handels) und die Bildung eines europäischen Investitionsfonds. Als Reaktion auf den Stikker-Plan legte der italienische Außenminister Guiseppe Pella namens seiner Regierung einen Plan zur Verwirklichung einer Präferenzzollzone vor. Darauf folgte am 7. Juli 1950 der französische Petsche-Plan zur wirtschaftlichen Integration Europas sowie zur Errichtung einer europäischen Investitionsbank. Und im September desselben Jahres folgte der vom französischen Transportminister vorgeschlagene BonnefousPlan mit dem Ziel der Errichtung einer europäischen Transportgemeinschaft. Der französische Ministerpräsident René Pleven schließlich machte im September 1950 den weit reichenden Vorschlag zur Schaffung einer EuropaArmee. Und 1951 brachte der französische Landwirtschaftsminister Pierre Pfimlin die Idee eines “Green Pool” auf, welcher exakt dem Modell der EGKS folgen sollte. Zwar war keinem dieser Vorschläge auch Erfolg beschieden, aber man kann mit Fug und Recht von einer richtiggehenden Begeisterung für die sektorale Integration sprechen. Diese Begeisterung war der Einsicht in das Mögliche und nicht in das Notwendige geschuldet. Einen herben Rückschlag erlitt der Integrationsprozess durch die Ablehnung des Vertrags zu einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in der französischen Assemblé National am 30. August 1954. Im Zuge des Koreakrieges, der den Druck auf eine politische Einigung erhöhte, und der Frage der deutschen Wiederbewaffnung war man zur Ansicht gekommen, dass die Einbindung Deutschlands in einen europäischen Verbund die Sicherheit der anderen kontinentalen Staaten am besten gewährleisten würde. Eigentliches Ziel des am 23. Mai 1952 unterzeichneten Vertrags für eine EVG war eine weitergehende politische Integration. Es war klar, dass eine militärische Integration der Aufsicht demokratisch bestimmter Kräfte bedurfte. Die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) und die EVG waren also untrennbar verbunden. Die Gemeinsame Versammlung der Montanunion, erweitert unter der Bezeichnung Ad-hoc Versammlung232, wurde mit der Aufgabe betraut, einen Vorschlag für die EPG auszuarbeiten. Diese Versammlung umfasste die Parlamentarier der Gemeinsamen Versammlung der EGKS sowie neun kooptierte Mitglieder – jeweils drei französische, deutsche und italienische Parlamentarier. Grund für diese Erweiterung war das Ziel, die im Vertrag zur Verteidigungsgemeinschaft genannte Zahl von Parlamentariern zu erreichen. Zusätzlich wurden Delegierte des Europarates als Beobachter eingeladen, denen auch das Recht zur Meinungsäußerung zugestanden
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Zu Beginn der Beratungen fragte François de Menthon den Präsidenten der Adhoc Versammlung, Paul Henri Spaak: “Comment s’appelons-nous, Monsieur le Président?”. Um allfälligen Kontroversen vorzubeugen, einigte man sich auf “Adhoc Versammlung.
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wurde. Rechtliche Basis für diesen Auftrag war Artikel 38 der EVG233, der den Aufbau einer Versammlung nach dem Muster der EGKS in Aussicht stellte: die Ad-hoc Versammlung sollte „die Bildung einer Versammlung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft durch Wahl auf demokratischer Grundlage” untersuchen. Entscheidend waren die folgenden beide Absätze: „Die endgültige Organisation, die an die Stelle der vorläufigen Organisation treten wird, soll so beschaffen sein, dass sie den Bestandteil eines späteren bundesstaatlichen oder staatenbündischen Gemeinwesens bilden kann, das auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung beruhen und insbesondere über ein Zweikammernsystem verfügen soll. Die Versammlung hat ferner die Fragen zu prüfen, die sich aus dem Nebeneinander verschiedener, bereits vorhandener oder zu schaffender Organisationen für europäische Zusammenarbeit ergeben, um deren Zusammenfassung im Rahmen des bundesstaatlichen oder staatenbündischen Aufbaus sicherzustellen.” Die Ad-hoc Versammlung rief einen konstitutionellen Ausschuss mit 26 Mitgliedern ins Leben. In diesem Ausschuss wurde vor allem die Form der zukünftigen parlamentarischen Versammlung heftig diskutiert. Der Unterausschuss zu politischen Institutionen präsentierte schließlich einen Vorschlag, der eine erste Kammer bestehend aus den Vertretern der Völker und eine zweite Kammer bestehend aus den Vertretern der Staaten umfasste. Einstimmig wurde beschlossen, dass die erste Kammer durch Direktwahl beschickt werden sollte. Bereits im Vorentwurf zu den „Bestimmungen über die Organe der Gemeinschaft“, vorgelegt vom Berichterstatter Dehousse am 29. Jänner 1953, ist in Artikel 13 zu lesen: „Jeder Abgeordnete der Völkerkammer vertritt die Gesamtheit der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völker.“234 Der von der Ad-hoc Versammlung am 10. März angenommene „Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft“235 ergänzte dies um das Gebot der Weisungsfreiheit der Abgeordneten (Art. 12). Die Direktwahl war aber nicht unbedingt als ein Baustein auf dem Weg zu einem föderalen Europa interpretiert worden, sondern eher als Mittel zum Zweck, um die französischen Sozialisten, die eine demokratische EVG mit einer direkt gewählten parlamentarischen Versammlung wünschten, zu gewinnen. So wie Abgeordnete zu nationalen Parlamenten Vertreter der ganzen Nation waren, so sollten die Mitglieder der ersten Kammer Vertreter aller Europäer sein. Darin manifestierte sich ein spezifisch französisches Verständnis der Repräsentation: der Abgeordnete als Repräsentant der Nation.
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Zusätzlich entwarfen die Außenminister der sechs EGKS Mitgliedstaaten einen Fragenkatalog für die Versammlung. Siehe: Fondation Jean Monnet pour l’Europe, AMJ 3/3/3: Questions relatives à la création d’une Communauté politique européenne, 23 October 1952. http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/eudoc/gruendung/docs/122018.pdf http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/eudoc/gruendung/docs/122031.pdf
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Das Scheitern der beiden Projekte EVG und EPG führte bei Jean Monnet und Paul-Henri Spaak, bis 1953 Präsident der Gemeinsamen Versammlung der EGKS, zur Forderung ein relance européenne. Im Juni 1955 wurde die Konferenz von Messina einberufen, in der Spaak die Leitung eines Expertenausschusses übernahm. Monnet und Spaak wollten die sektorale Integration vorantreiben – ständig balancierend zwischen den französischen und deutschen Interessen (Duchêne 1994: 262f.). Frankreichs Regierungschef Edgar Faure wollte sich nach der Blamage mit der EPG nicht wieder den Widerstand der Assemblé National und der Wirtschaftsverbände einhandeln. Dem niederländischen Außenminister Johan Willem Beyen ging diese sektorale Integration nicht weit genug, da er in ihr eine verbraucherfeindliche Integration auf Kosten der nichtintegrierten Wirtschaftsbereiche sah. Deutschlands Wirtschaftsminister Ludwig Erhard wiederum interpretierte eine Zollunion als dirigistisches Hindernis für den weltweiten Freihandel (Loth 1996: 166). Der Bericht des Spaak-Ausschusses in Messina blieb deswegen bescheiden, er trug in allen Teilen „Zeichen des Kompromisses zwischen unterschiedlichen wirtschafts- und integrationspolitischen Vorstellungen. Man sah ihm an, wie schwierig es gewesen war, ihn überhaupt zustande zu bringen.“ (Loth 1996: 121). Der Bericht befürwortete die Ausweitung der Kompetenzen der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion, um auch die neu zu schaffende Atomgemeinschaft und die Wirtschaftgemeinschaft zu kontrollieren. Die Direktwahl der Abgeordneten wurde aber nicht erwähnt236, vielmehr sollten die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten die Mitglieder der Versammlung auswählen. Das Abschlussdokument der Konferenz von Messina hingegen beinhaltete den Vorschlag, dass Vorkehrungen für eine Direktwahl getroffen werden sollten – der Enthusiasmus für diesen Vorschlag hielt sich in Grenzen. Neben der rein kontrollierenden Funktion sollte die Versammlung das Recht zur Beratung (Art. 7 EWG-V) erhalten. Der einzige, der die Frage der Legitimität und des Mandates der Versammlung in den Mittelpunkt stellte, war der Gaullist Michel Debré.237 Von Debré stammte auch ein konföderaler Gegenentwurf zu dem Vorschlag des konstitutionellen Ausschusses.238
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Spaak Ausschuss, Document du travail No.6 du Comité Intergouvernemental crée par la conférence de Messine, 8. November 1955, PU153/5(a) 1955. Michel Debré stimmte als einziger gegen den „Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft“ des Verfassungsausschusses der Ad-hoc Versammlung am 26. Feber 1953. Für Debré war die Nation das tragende Element des liberalen Staatensystems. Die Einrichtung einer EPG würde lediglich zur „Anarchie oder zur Bildung eines Staatswesens, das nichts mehr Demokratisches an sich hat“ (zit. nach Grabitz/Läufer 1980) führen. Entwurf eines Paktes für eine Union europäischer Staaten, wiederabgedruckt in Lipgens (1986: 329ff.).
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Am 25. März 1957 wurden die „Römer Verträge“ zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Europäischen Atomgemeinschaft durch die sechs EGKS Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Luxemburg und die Niederlande unterzeichnet. Im März 1958 konstituierte sich die Gemeinsame Versammlung als gemeinsames Organ der drei Europäischen Gemeinschaften. Artikel 138(3) des EWG-V und Artikel (108(3) des Euratom-Vertrages stipulierten die Direktwahl der Versammlung unter einem einheitlichen Wahlsystem.239 Vorschläge wie ein solches Wahlsystem aussehen sollte, wurden der Versammlung überlassen. Grund dafür war die Befürchtung, dass in die Verträge aufgenommene detaillierte Bestimmungen für ein solches Wahlsystem zur Ablehnung der Verträge durch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten führen könnten (Gerbet 1992: 15). Der noch vom Präsidialausschuss der Gemeinsamen Versammlung in Auftrag gegebene Wigny-Bericht (vorgelegt im Jänner 1958) gab Befürchtungen Ausdruck, eine allzu früh durchgeführte Direktwahl würde zu irreversiblen Verschiebungen und Lücken in der Kompetenzverlagerung von den nationalen zum Europäischen Parlament führen. Es sollten noch 22 Jahre zwischen der Unterzeichnung des Vertrags von Rom und den ersten Direktwahlen im Jahr 1979 vergehen. Die Schaffung eines einheitlichen Wahlsystems ist bis heute nicht gelungen. Bereits im Oktober 1958 wurde unter dem Vorsitz von Fernand Dehousse eine Arbeitsgruppe der Gemeinsamen Versammlung eingesetzt, die Vorschläge für ein einheitliches Wahlrecht erarbeiten sollte. Daraus entstanden mehrere Berichte: der Dehousse-Bericht, der Faure-Bericht zur Frage der Zusammensetzung des gewählten Parlaments sowie der Schuijt-Bericht zu Fragen des Wahlrechts. Der Dehousse Bericht, 1960 von der Versammlung angenommen, betonte, dass Wahlen notwendig seien da “under various forms, we know and practice but a single method of expressing the will of the people and of associating them with the management of public affairs – free elections.” (Dehousse Bericht 1960, para. 25). Im Faure-Bericht wurde vorgeschlagen 2/3 der Abgeordneten direkt zu wählen und ein Drittel von den nationalen Parlamenten nominieren zu lassen. In Bezug auf das Wahlrecht wurde festgestellt, dass “uniformity was not synonymous with identity”. Gemeinsame Prinzipien sollten den Mitgliedstaaten, die alle Präferenzen für das eigene Wahlrecht betonten, ermöglichen, Flexibilität zu wahren. Die Arbeitsgruppe überließ die endgültige Ausgestaltung des einheitlichen Wahlrechts dem in Zukunft direkt gewählten Parlament “at the end of a transitional period”. Der Ministerrat war insgesamt weniger enthusiastisch was die Direktwahlen betraf. De Gaulles Präsidentschaft in Frankreich stellte ein Hindernis für klare föderale Züge dar. Kooperation zwischen souveränen Staaten war das Zauberwort. So reagierte der Ministerrat auf den Bericht der 239
Jetzt Art. 190 Abs. 4 EGV, welcher die einzige Norm im EG-Vertrag darstellt, die eine Initiative des EP bei einem Gesetzgebungsverfahren zulässt.
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Ad-hoc Versammlung ebenso wenig wie auf die parlamentarischen Aufforderungen seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.240 Am 12. März 1969 stellte das Parlament dem Ministerrat ein Ultimatum: Falls der Entwurf der Ad-hoc Versammlung nicht angenommen würde, werde das Parlament den EuGH wegen Untätigkeit anrufen. Der Rücktritt De Gaulles nur einige Monate später löste den Gordischen Knoten. Der neue französische Präsident Georges Pompidou zeigte sich wesentlich gesprächsbereiter. Die anstehenden Verhandlungen zur ersten Erweiterungsrunde erforderten auch eine Neubewertung der institutionellen Strukturen der Gemeinschaften. Das Haager Gipfeltreffen im Dezember 1969 hielt in den Schlussfolgerungen fest: “The problem of direct elections will continue to be studied by the Council of Ministers.”241 Diese lakonische Feststellung lässt nur ein mäßiges Engagement des Rates in dieser Frage erkennen. Für die Ausführung der Beschlüsse des Haager Gipfels zeichnete der luxemburgische Premier Pierre Werner verantwortlich. Der am 8. Oktober 1970 vorgelegte Werner-Plan forderte allerdings nur indirekt eine Direktwahl des Parlaments. Basierend auf dem Dehousse-Bericht beauftragte das Parlament 1970 Schelto Patjin mit der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs für Direktwahlen. Hintergrund für diesen neuerlichen Vorstoß waren die eben mit dem Vertrag von Luxemburg gewonnenen Haushaltsrechte des EP. Der Vedel-Bericht242 aus dem Jahr 1972 sprach explizit die Verknüpfung von Direktwahlen und Ausweitung der parlamentarischen Rechte an und kam zu dem Schluss, dass 240
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So forderte das Parlament den Rat im Juni und Dezember 1961, im Mai 1962 und im April 1963 auf, zu reagieren. Der Rat entschuldigte seine Untätigkeit mit dem Verweis auf die notwendige aber zurzeit nicht erzielbare Einstimmigkeit. Damit war eindeutig die Obstruktionspolitik der französischen Gaullisten gemeint. So verlagerten sich auch die Vorschläge zur institutionellen Weiterentwicklung des Parlaments, insbesondere der Direktwahl, auf die nationale Ebene. Vgl. dazu Eberhard Grabitz und Thomas Läufer (1980). Heads of State or Government Communiqué , in Bull EC 1/1970, para. 5. Bericht der Ad-hoc Gruppe für die Prüfung der Frage einer Erweiterung der Befugnisse des EP, in Bull., EC Supplement 4/1972. Der Vedel-Bericht enthielt die umfangreichsten Vorschläge zur Kompetenzerweiterung des Parlaments. Vedel ging von einem gewissen Automatismus der parlamentarischen Entwicklung aus. Mehr Mitentscheidungsrechte würden auch zu mehr Haushalts- und Kontrollrechten führen: „Die Geschichte des Parlamentarismus zeigt, dass eine Volksversammlung von dem Augenblick an, in dem sie bei der Gesetzgebung echt beteiligt wird, Autorität und Einfluss gewinnt, die sie in die Lage versetzen, die Tätigkeit der Regierung zu verfolgen und von ihr die notwendigen Auskünfte zu verlangen.“ Die Forderung des Vedel-Berichts war nur durch eine umfassende Vertragsveränderung erzielbar – eine solche lag Anfang der 1970er Jahre aber außerhalb der Reichweite. Man verwies daher im Sinne pragmatischer Reformen auf die Möglichkeit interinstitutioneller Vereinbarungen. Das Echo im Rat auf den Vedel-Bericht war äußerst gering. Vgl. Eberhard Grabitz und Thomas Läufer (1980).
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eine Ausweitung der EP-Rechte auch ohne Direktwahlen nötig sei.243 Der Bericht bildete einen Teil des Gesamtberichts der Kommission, der vom Rat im Rahmen des Vertrags zur Veränderung der Haushaltsvorschriften vom April 1970 in Auftrag gegeben wurde. Er befürwortete die Direktwahl in der Erwartung, die Demokratisierung und Legitimation der Gemeinschaften verstärken zu können, das „Zusammenwachsen der europäischen Völker“ zu fördern und den politischen Parteien einen Anreiz zu geben, sich intensiver mit europapolitischen Themen zu befassen. Aber erst im Jahr 1974 als Valéry Giscard d’Estaing zum französischen Präsidenten gewählt wurde, war ein Fortschritt möglich und ein erster Termin für Direktwahlen wurde genannt. Giscard d’Estaing erhoffte sich von diesem Schritt eine Dynamisierung der Integration, da die Energiekrise 1973 eine Wirtschaftsflaute auslöste, die ehrgeizige Integrationsprojekte nicht zuließ. Im Jahr 1974, auf dem Gipfeltreffen im Dezember in Paris, forderten die Staats- und Regierungschefs den belgischen Premier Leo Tindemans auf, einen Bericht zu verfassen, wie öffentliche Unterstützung für das Integrationsprojekt gewonnen werden könne. Tindemans sprach sich in dem 1975 vorgelegten Bericht vehement gegen eine technokratisches Europa aus: “No one wants to see a technocratic Europe. European Union must be experienced by the citizen in his daily life […]. It must protect the rights of the individual and strengthen democracy through a set of institutions which have legitimacy conferred upon them by the will of our peoples.”244 Tindemans sah im Reformstau die Gefahr des Rückfalls in die intergouvernementale Methode der Zusammenarbeit. Wichtig ist, dass der Bericht erstmals ernsthaft die Forderung nach Bürgernähe245 erhebt (vgl. Schneider/Wessels 1977). Nach zweimaliger Behandlung ohne Beschlussfassung legte der Rat den Tindemans-Bericht als nicht entscheidungsreif zu den Akten. Am 14. Jänner 1975 lag auch der Patijn-Bericht vor. Der wesentliche Unterschied zum Dehousse-Bericht lag in der Tatsache, dass von mitgliedstaatlichen Parlamenten nominierte Abgeordnete nicht mehr vorgesehen waren. Die präzise Ausgestaltung eines einheitlichen Wahlrechtes wurde wieder dem ersten direkt gewählten Parlament überlassen. Im Sommer 1975 legte der Abgeordnete Bertand im Namen des politischen Ausschusses einen Bericht vor, in dem eine von den nationalen Regierungen unabhängige europäische Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist, 243
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Budgetrechte wurden dem EP im Jahr 1970 mit der Einführung des ‚Eigenmittelssystems‘ eingeräumt. Tindemans Bericht, European Union: Report to the European Council, in Bull EC Supplement 1/76, 1976, Section VI. Auf dem Haager Gipfeltreffen 1969 nahm Willy Brandt diese Forderung auf und verlangte eine “integration wit a human face”. Michael Shanks (1977: 14), Generaldirektor der DG Social Affairs sagte in bezug auf das erste “Social Action Programme” 1973, es wurde entwickelt “when the Community was groping for a human face, for a programme which would render it more meaningful to the ordinary men in the street, the field and the factory”.
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gefordert wird. Dem Parlament müssen alle Haushalts- und Kontrollbefugnisse zukommen, sowie zu einem gleichberechtigten Partner im Legislativprozess entwickelt werden. Grundlage dieser selbstbewussten Forderung war die Überzeugung vom repräsentativen Primat des EP. Die Aufnahme von Großbritannien und Dänemark, beides Länder mit starker parlamentarischer Tradition, brachte neues Leben in die Versuche die Direktwahlen der Abgeordneten des ‚Europäischen Parlaments‘246 zu institutionalisieren. Zusätzlicher Druck wurde durch die Ausweitung der parlamentarischen Budgetrechte ausgeübt (Westlake 1994: 77). Der unter dem Vorsitz von Schelto Patijn ausgearbeite Bericht wich in einigen Punkten vom Dehousse-Bericht ab – so fehlte z.B. im Dehousse-Bericht vorgesehene Übergangszeit für die etappenweise Einführung der Direktwahl. Die parlamentarische Debatte fokussierte auf die Anzahl und die Sitze sowie auf das duale Mandat. Patijn schlug einheitliche Wahlperioden (Art. 3), die Unabhängigkeit der Abgeordneten (Art. 4) und ein fakultatives duales Mandat247 (Art. 5) vor. Da die nationalen Traditionen ein einheitliches Wahlrecht nicht zuließen, wollte Patijn lediglich rudimentäre Rahmenbestimmungen vorgeben. So waren weder Bestimmungen zum aktiven noch passiven Wahlrecht, noch die Rückerstattung von Wahlkampfkosten oder ein Auslandswahlrecht enthalten. Als Reaktion auf diesen Bericht legte der Rat einen Zwischenbericht248 an das Parlament vor. 1976 wurde schließlich der „Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung“249 verabschiedet. Der Direktwahlakt unterschied sich nicht unwesentlich vom Patijn-Bericht. So achtete der Rat peinlich genau darauf, aus dem nationalen parlamentarischen Sprachgebrauch geläufige Begriffe, wie z.B. 246
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Zwar nannte sich die Versammlung seit 1958 selbst Parlament, bestätigt wurde diese Begriffswahl aber erst durch die Einheitliche Europäische Akte im Jahr 1987. Die übrigen Organe und Mitgliedstaaten nahmen die Terminologie nur zögernd auf. Das Parlament wollte mit dieser Begriffswahl ein Zeichen setzen: nicht nur die Erfüllung der ihm in den Verträgen zugewiesenen Kontrollaufgaben und Beratungsbefugnisse, sondern umfassenden Beteiligungsrechte und Legislativkompetenz – am nationalen Vorbild orientiert – wurden gefordert. Vgl. Roland Bieber et al. (1986). Patijn selbst plädierte für die Abschaffung des dualen Mandats, da er eine Arbeitsentlastung der Parlamentarier für unumgänglich hielt. Im Schlusskommuniqué der Gipfelkonferenz vom 17. Juli 1975 beauftragte der Europäische Rat den Rat der Gemeinschaften unter Berücksichtigung des Patjin Entwurfs bis zum Ende dieses Jahres einen Bericht zur Direktwahl vorzulegen. Ein Arbeitskreis wurde eingesetzt und auf der Basis seiner Arbeit erstatte der Rat dem am 1./2. Dez. 1975 in Rom tagenden Europäischen Rat einen Zwischenbericht. Dieser beschloss daraufhin, die Direktwahl zu einem einheitlichen Zeitpunkt von Mai bis Juni 1978 stattfinden zu lassen. Länder, die bis zum genannten Zeitpunkt keine Direktwahl durchführen konnten, wurde weiterhin die Entsendung der Abgeordneten aus den nationalen Parlamenten erlaubt (Grabitz/Läufer 1980). OJ 1976, L 278, S. 5.
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Parlament, Abgeordnete, Parteien etc. zu vermeiden. Zur selben Zeit wurde eine Entscheidung des Rates betreffend des Zeitpunkts der ersten Direktwahl verabschiedet. Anvisiert wurde Mai/Juni 1978 – ein Datum welches sich letztlich als unhaltbar erwies, da große Teile des britischen Kabinetts weiterhin gegen die Direktwahl auftraten und die britische Regierung im Unterhaus sehr vorsichtig agieren musste (Butler/Marquand 1981: 30ff.; Westlake 1994: 78). Zudem ergaben sich Probleme bei der Verabschiedung der nationalen Wahlgesetze. So fanden die ersten Direktwahlen schließlich in der Zeit von 7.–10. Juni 1979 statt – ein Datum auf das man sich anlässlich des Kopenhagener Gipfels im April 1978 einigte.250 In Artikel 2 des Direktwahlaktes wird die Zahl der Abgeordneten jedes Mitgliedslandes festgelegt. Die Verteilung der insgesamt 410 Sitze auf die Mitgliedstaaten entsprach weitgehend dem allgemeinen Vertretungsprinzip in den Gemeinschaftsorganen. Dieses beruht nicht auf dem Gedanken der Proportionalität unter Berücksichtigung von Einwohnerzahl, flächenmäßiger Größe und Wirtschaftskraft der Länder, sondern auf dem Gleichheitsprinzip, welches durch eine starke Ponderierung korrigiert wird. Da diese ponderierte Sitzverteilung den Bürgern der einzelnen Mitgliedstaaten ein unterschiedlich starkes Stimmgewicht gibt, ist der Grundsatz der gleichen Wahl auf europäischer Ebene nicht gewährleistet. Zwar bewirkt die Ponderierung der Sitzverteilung eine annähernd adäquate Vertretung der Völker – somit kann man ihr eine integrationsfördernde Wirkung zugestehen – auf längere Sicht kann diese Ungleichheit aber negative Auswirkungen auf das politische Meinungsbild in den Mitgliedsländern haben (Grabitz/Läufer 1980: 235). Die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament brachten einigermaßen Klarheit in die Frage, wen denn dieses Organ eigentlich repräsentieren sollte – zumindest laut Vertragsrecht: Gemäß Art. 137 Abs. 1 EGV251 besteht das EP aus den Vertretern der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völker. Es sind die europäischen Völker, die durch die Abgeordneten auf europäischer Ebene repräsentiert werden und nicht ein europäischer Demos. Ohne Zweifel sind in diesen ersten Jahren der Integration wichtige Weichenstellungen für die zukünftige Entwicklung der Union gestellt worden, beginnend mit Artikel 38 der EVG, der die Direktwahl einer parlamentarischen Versammlung vorsah, sowie dieser Versammlung das Mandat erteilte, Pläne für ein bikamerales „bundesstaatliches oder staatenbündisches Gemeinwesen“ zu entwerfen. Eine Aufgabe, die von der erweiterten Versammlung der Montanunion bereits am Tag nach ihrem ersten Zusammentreten, am 11. September 1952, in Angriff genommen wurde. Die Schwierigkeiten der Ratifikation der EVG lenkte die Aufmerksamkeit von der EPG ab. Zwar scheiterten beide Projekte durch die französische Ablehnung der EVG, die
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Erklärung in Europaarchiv 1978, D 284f. Jetzt Art. 189 Abs. 1 EGV.
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Idee und Forderung nach einem direkt gewählten Parlament war jedoch fest verankert worden. Zudem trat die Ad-hoc Versammlung mit dem „Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft“ zum erstenmal als konstitutionelle Versammlung auf: “This experience has become inculcated in the European Parliament’s collective memory.” (Westlake 1994: 13). Die mit dem Direktwahlakt von 1976 etablierten Wahlen zum Europäischen Parlament erhöhten auch das Selbstbewusstsein dieser Institution, welche die Staats- und Regierungschefs in der Folge drängte, sie auch als verfassungsgebende Körperschaft anzuerkennen. In den Jahren 1984 (Spinelli-Entwurf) und 1994 (Herman-Bericht) folgten Verfassungsentwürfe, da sich das Parlament als die repräsentative Institution des europäischen institutionellen Arrangements verstand. Martin Westlake schreibt im Jahr 1994 (S. 13): “Should the call ever come [to draw up a constitution], no institution could be better prepared than the European Parliament.” Die Jahre zwischen 1979 und 2003 waren gezeichnet vom mühsamen Ausbau der Rechte des EP (z.B. in der Einheitlichen Europäischen Akte), von den Versuchen des Rates, einen allzu weitgehenden Ausbau zu verhindern, bzw. zu unterlaufen (z.B. durch die Einrichtung des Ausschusses der Ständigen Vertreter), von immer weiter absinkenden Zustimmungsraten zum Einigungsprojekt, aber auch von einer konstanten Erweiterung der Union. Dem Parlament ist es gelungen, sich sukzessive seinem Idealbild einer echten parlamentarischen Versammlung anzunähern. Eine Mischung der Politik der petits pas und großer Verfassungsentwürfe erwies sich dabei als erfolgreich. Die Zuerkennung von Budget- und Haushaltsrechten in den Jahren 1970 und 1975, die Entwicklung vom Kooperationsverfahren zum Kodezisionsverfahren, die Investiturrechte252 und die Ausweitung der parlamentarischen Kontrollrechte waren entscheidende Schritte. Dem gegenüber stehen Mitwirkungs- und Kontrolldefizite im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen, in der Agrar-, Sozial- und Beschäftigungspolitik und nicht zuletzt erschwert der Mangel an politischem Profil der europäischen Parteien die Repräsentationsarbeit. Nichtsdestoweniger nahm das Europäische Parlament die Jahrzehnte alte Forderung der Europäischen Föderalisten auf und verstand sich als konstitutionelle, weil repräsentative Versammlung. Der Verfassungsentwurf des EP vom 14. Feber 1984 basierte weitgehend auf der Initiative von Altiero Spinelli. Spinelli beschrieb die Stimmung im EP in einem Vortrag am Europäischen Hochschulinstitut folgendermaßen: “Initially, Parliament had not been driven by any great incentive for reform. It was scarcely a hot-bed of revolutionaries and dogmatists. Most of its members were […] on European questions moderates […] prepared to fulfil their
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Inklusive der politisch enorm wichtigen, nur in der Geschäftsordnung des Parlaments vorgesehenen Befragung der Kommissionskandidaten (Art. 99).
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mandates with caution, abiding by the responsibilities conferred upon them by the Treaties.” (Spinelli 1983). Vier Jahre nach der ersten Direktwahl, drei Jahre nachdem das EP zum ersten Mal ein Budget zurückgewiesen hatte, machte sich im Parlament eine gewisse Frustration breit, da sich die ursprüngliche Hoffnung mit der Direktwahl auch zügig zum Ausbau der parlamentarischen Rechte voranschreiten zu können, nicht erfüllt hatte. Spinelli propagierte einen radikaleren Ansatz, um den seiner Meinung existierenden Gegensatz zwischen den Herausforderungen europäischer Politik und dem Willen des Rates auf diese Herausforderungen adäquat zu reagieren, zu überwinden. Nicht zu Unrecht wurden die 1970er und beginnenden 80er Jahre als eine Phase der „Eurosklerose“ bezeichnet, hatten doch ergebnislosen Europäische Räte und das Vetorecht im Ministerrat zu einer veritablen Selbstlähmung geführt.253 Die Genscher-Colombo Initiative im Jahr 1981 rief zu größerer europäischer Einheit auf, denn die einsetzende wirtschaftliche Rezession erforderte eine gemeinsame Anstrengung. Die “institutional malaise” (Moravcsik 1991: 33) erwies sich dabei als nicht besonders hilfreich und in einer Reihe von Mitgliedstaaten stand man einer Vertiefung der Integration äußerst skeptisch gegenüber. Die „Feierliche Erklärung zur Europäischen Union“ (Stuttgarter Erklärung)254 1983 schlug eine ganze Reihe neu zu vergemeinschaftender Politikbereiche vor, blieb aber in ihrer Unverbindlichkeit letztlich wirkungslos, sowohl was die Anregung institutioneller Reformen betraf als auch die Ausweitung der Gemeinschaftspolitik “in areas hitherto insufficiently explored” (Präambel). Der dänische Außenminister Kjeld Olesen bezeichnete die Deklaration in der Folge auch als substanzlos, als ein Papier dass nur unterschrieben wurde, weil kein konkreter Fortschritt erreicht werden konnte. Die vom französischen Europaminister André Chandernagor verwendete Metapher bediente sich etwas drastischerer Worte: die Erklärung sei der Versuch Europa vom Dach abwärts zu bauen (Gaddum 1994: 237). Bereits im Juni 1980 versammelte Spinelli eine kleine Gruppe von Mitgliedern des EP in Strassburg. Der daraus entstehende “Club Crocodile”255 machte es sich zur Aufgabe, die Unterstützung einer möglichst grossen Zahl von Abgeordneten für eine neue konstitutionelle Initiative des Parlaments zu 253
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Die Treffen des Europäischen Rates waren zu dieser Zeit vor allem mit den Verhandlungen zum britischen Finanzbeitrag blockiert. Der Premier Belgiens, Wilfried Martens, brachte diese Blockade zum Ausdruck: “all the time I have been taking part in European Councils, and that is for five years now, Europe has been poisoned by the problem of the British budget contribution. We have better things to do than waste our time with that. Let us rather tackle the Community’s economic and social situation.” (Agence Europe 22. März 1984, zit. nach Rittberger 2005: 200). Bull. EG, No. 6, 1983. Benannt nach dem Namen des Restaurants in dem das erste Treffen stattgefunden hatte.
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gewinnen. Denn laut Spinelli (1984: 242) verstand sich das erste direkt gewählte EP als verfassungsgebende Versammlung. Ein Jahr später wurde die „Entschließung zur Einsetzung eines institutionellen Ausschusses“256 im Parlament mit 161 zu 24 Stimmen angenommen. Der Ausschuss nahm seine Arbeit im Jänner 1982 auf und publizierte eine Textsammlung, die alle Reformvorschläge seit 1950 versammelte.257 Diese diente vor allem dem Nachweis, dass, obwohl eine große Zahl an Reformvorschlägen auf dem Tisch lag, die einhellig eine Stärkung der supranationalen Institutionen befürworteten, die Regierungen untätig waren. Zudem wurden Hearings organisiert, um die Meinung anderer Institutionen, der Sozialpartner und Wissenschafter zu hören (Kommission, Rat, WSA, European Employers’ Organization, European Trade Union Confederation). Spinelli war klar, dass nur eine möglichst breite Front den Rat dazu bewegen konnte, einen etwaigen Entwurf nicht sofort wieder zu den Akten zu legen. Während der folgenden zwei Jahre versuchte Spinelli einen Kompromiss zwischen den beteiligten Fraktionen des EP zu zimmern. Diese Arbeit wurde mit der Annahme des „Entwurf(s) eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union“ am 14. Feber 1984 vom EP mit überwältigender Mehrheit belohnt.258 Der Entwurf führte das Prinzip der Subsidiarität (Präambel und Artikel 12.2) und die Unionsbürgerschaft (Artikel 3) ein, integrierte den Europäischen Rat in das Primärrecht (Artikel 8), unterwarf den Kommissionspräsidenten einer Vertrauensabstimmung durch das Parlament, brachte eine Vereinfachung der Rechtsinstrumente (Artikel 34), garantierte dem Rat und dem Parlament gemeinsame Legislativbefugnis (Artikel 34) und installierte im Rat einen Minister „der in besonderer Weise und ständig mit den Angelegenheiten der Union beauftragt ist.“ (Artikel 20). Mit dem letzten Vorschlag wollte das Parlament das Koordinationsdefizit zwischen den verschiedenen Fachministerräten verringern. Von Anfang an versuchte das Parlament, auch die europäische Öffentlichkeit in das Projekt der Unionsbildung zu involvieren. Die im Sommer 1984 anstehende Wahl zum Europäischen Parlament sollte den nationalen Parteien die Gelegenheit geben, ihre Wahlprogramme bezüglich des Projekts abzustimmen. Die nationalen Parlamente ebenso wie Interessengruppen und NGOs wurden eingeladen, den Entwurf zu unterstützen. Es war vorgesehen, den Entwurf nicht nur den nationalen Regierungen, sondern auch den nationalen Parlamenten zu übermitteln.259 Ein höchst ungewöhnlicher Schritt waren letztere doch
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Wiederabgedruckt in Walter Lipgens (1986: 657f.). Selection of texts concerning institutional matters of the Community 1950-82, Luxembourg: EP 1982. ABl. EC, Nr. 84/C 77/33; wiederabgedruckt in Wilfried Loth (2002: 129-161). Bereits in der begleitenden Resolution des Entwurfs ist zu lesen, dass alle notwendigen Kontakte und Treffen mit den nationalen Parlamenten arrangiert werden sollen (OJ C 77/1984, S. 33-54). Bestätigt wurde diese Absicht in der „Entschließung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Dublin im Anschluss an den
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nur an eine ex post Beteiligung im Ratifikationsprozess gewöhnt. Das EP erwartete sich durch diesen Zug eine Unterstützung, hatten doch gerade die nationalen Parlamente an den Rat legislative Funktionen verloren. Spinelli wollte durch diese parlamentarische Achse soviel Druck auf die Regierungen der Mitgliedstaaten ausüben, dass diese zur Annahme des Vertrags gleichsam politisch gezwungen worden wären. Beide Kammern des belgischen, französischen, irischen, italienischen, niederländischen Parlaments sowie der deutsche Bundestag260 forderten ihre Regierungen zur baldigen Aufnahme von Verhandlungen über den Entwurf auf. Ein eigens eingerichteter Ausschuss des britischen Parlaments “although negative in its global reaction to the DTEU, the Lords’ Report gave backing to many of the key reforms sought by the EP” (Corbett 1998: 193). Einzig das dänische Folketing lehnte am 24. Mai 1984 in einer Resolution den Entwurf ab. Die nationalen Parlamente erklärten sich also mit den beiden Hauptzielen des Spinelli-Entwurfs einverstanden: der Effizienzsteigerung durch Mehrheitsabstimmungen im Rat, sowie der Demokratiesteigerung durch die Kodezisionsrechte des EP. Bereits im Dezember 1984 hatte sich auch die European Trade Union Confederation (ETUC) in einer Erklärung für den Spinelli-Entwurf ausgesprochen.261 Obwohl sich eine Reihe europäischer Regierungschefs – von Mitterrand bis Lubbers, von Craxi bis Kohl (vgl. dazu Corbett 1998: 176ff.) – für das Projekt ausgesprochen hatten und ihre Unterstützung signalisierten, konnte man sich auf dem Gipfel von Mailand 1985 zuerst nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Zu groß schien der Widerstand der britischen Premierministerin, zu unklar war die Position des deutschen Bundeskanzlers. Erst als der Präsident des Europäischen Rates, Bettino Craxi, eine Abstimmung forderte – ein bis dahin noch nie dagewesener Schritt262 – wurde sein Vorschlag der Einberufung einer Intergouvernementalen Konferenz mit sieben zu drei Stimmen angenommen. Die Regierungskonferenz führte letztlich zur Einheitlichen Europäischen Akte, die am 1. Juli 1987 in Kraft trat. Dem EP gelang es, mit dem Spinelli-Entwurf als bestimmender Agenda-Setter in Erscheinung zu treten (siehe dazu Corbett 1987; Tsebelis 1994). Die Strategie, möglichst großen Schwung durch die Einbeziehung der nationalen Parlamente und anderer gesellschaftlicher Akteure zu erzielen, erwies sich als erfolgreich auch wenn das EP nicht alle seine Forderungen und Wünsche erfüllt sah. Der Europäische Rat von Fontainebleau im Juni 1984 setzte zwei Ad-hoc Ausschüsse ein: der Adonnino-Ausschuss diskutierte Fragen der eu-
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Zwischenbericht des Ad-hoc-Komitees für die institutionellen Fragen“, ABl. Nr. C 012 vom 14.1.1985, S. 47. Der deutsche Bundestag kritisierte den Entwurf jedoch hinsichtlich der „Tendenzen zur Auszehrung nationalstaatlicher Finanzautonomie“ (Wessels 1986: 50). ETUC Statement on European Union (1984). Von Margaret Thatcher, Poul Schlüter und Andreas Papandreou als „coup d’état“ bezeichnet. Siehe Jean de Ruyt (1989: 62).
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ropäischen Identität und Bürgerschaft, der Dooge-Ausschuss263 widmete sich institutionellen Fragen. Letzterer nahm eine Reihe von Vorschlägen aus dem Spinelli-Entwurf auf. Spinelli fasste die Stimmung im EP folgendermaßen zusammen: “When we voted on the draft treaty of union, I mentioned to you the short story by Hemingway about the old fisherman who catches the biggest fish in his life, which then gets eaten up by sharks so that he arrives home with only the bones of the fish. Well, we have arrived home too, and all we have left are the bones of the fish. This is no reason for Parliament to give up the struggle. We have to get ready to venture out again, with better tackle to catch our fish and to save it from the sharks.” (zit. nach Corbett 1998: 276). Den Versuch, Europa vor den „Haien“ zu retten, begann das EP mit einer Reihe von Berichten, von denen der Toussaint-Bericht264 zum demokratischen Defizit der Gemeinschaft hervorzuheben ist. Der Bericht zielte v.a. auf die den nationalen Parlamenten durch die Politikverlagerung auf die europäische Ebene entzogenen Rechte. Harsche Kritik an hinter verschlossenen Türen stattfindender Ratspolitik und der mangelnden demokratischen Kontrolle schloss daran an. Leidtragende dieses Systems „sind nach außen die Parlamente der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament. In Wirklichkeit sind es aber die Völker selbst, die bereits seit langem – und in immer stärkerem Maße – der Möglichkeit beraubt werden, über ein gewähltes Parlament Entscheidungen in europäischen Angelegenheiten, von denen sie unmittelbar betroffen sind, zu treffen.“ (Teil B, Abs. 2). Einmal mehr wollte das EP eine strategische Kooperation mit den nationalen Parlamenten eingehen.265 Während die Föderalisten im Parlament266 möglichst viele Mitgliedsländer um ein konstitutionelles Mandat ersuchen wollten, argumentierten andere mit Verweis auf den Charakter des EP als direkt gewählte Institution, die bereits mit ausreichendem Mandat versehen war. Die Regierungen entschieden die erste Phase der Europäischen Währungsunion am 1. Juli 1990 beginnen zu lassen und visierten eine intergouvernementale Konferenz an, die die folgenden Schritte verhandeln sollte. Das Parlament war sicher, diese IGC auch für seine „Unionspläne“ nützen zu können.267 Eine Ausweitung der geplanten IGC 263
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Der abschließende Bericht des Dooge-Ausshusses präsentierte die Mehrheitsmeinung im Ausschuss. Abweichende Meinungen wurden in den Fußnoten präsentiert. So argumentierte der Bericht für eine Einschränkung der Vetovorbehalte und eine stärkere Stellung des EP, eine Reihe von Mitgliedstaaten, zwar eine Minderheit, sprach sich aber dagegen aus. Siehe dazu Berthold Rittberger (2005: 201f.). PE DOC A2-276/87 (PE 111.236/endg.) vom 1. Feber 1988. Siehe dazu auch den Seeler-Bericht PE DOC B2-593/87. Diese trafen sich nun unter dem Namen “Federalist Intergroup”, dem Nachfolger zum “Crocodile Club”. Siehe dazu die Resolution des EP vom 27. Juli 1989, in der für eine thematische Ausweitung der IGC plädiert wurde. Konkreter wurde das EP bezüglich seiner institutionellen Ideen in der Resolution vom 23. November 1989.
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auch auf Themen der politischen Union wurde von den Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat in Dublin im Juni 1990 akzeptiert.268 Die in Rom abgehaltene erste Konferenz der Parlamente der EU (Assises) im Jahr 1990 konstatierte in der abschliessenden Erklärung, dass “the time is right to transform the entire complex of relations between the Member States into a European Union on the basis of a proposal for a constitution drawn up with the aid of procedures in which the European Parliament and national parliaments will take part.” (Bull. EP 4/S-90). Mit der Konferenz in Rom traten erstmals Mitglieder aller Parlamente, die etwaige zukünftige Vertragsveränderungen zu ratifizieren hatten, zusammen.269 “In terms of shaping the agenda for the forthcoming negotiations, the European Parliament […] was strikingly successful.” (Corbett 1998: 307). Dem EP war es also im Vorfeld der IGC die zum Maastricht-Vertrag führte, gelungen, das mit dem Spinelli-Bericht eingeleitete konstitutionelle Moment beizubehalten. Der „Verfassungsentwurf des Institutionellen Ausschusses“ des EP vom 10. Feber 1994 (Herman-Bericht)270 versuchte im Vorfeld der bereits im MaastrichterVertrag angelegten Regierungskonferenz (Artikel N der Schlussbestimmungen) wiederum zum Agenda-Setter zu werden. Die Rahmenbedingungen hatten sich jedoch seit 1984 entscheidend verändert. Der Entwurf kam weder „dem neuen Erwartungshorizont an die Wertentscheidungs- und Regelungskraft einer europäischen Verfassung“ entgegen, noch reflektierte er „inhaltlich den Stand der politischen und institutionellen Diskussion […] vor allem was die Ziele, Strukturen und Kompetenzen der Europäischen Union angeht.“ (Läufer 1998: 565). Es fehlte dem Projekt an einer „schlüssigen Vision, die über die bestehenden Vertragsgrundlagen der Europäischen Union hinausreicht“ (ebd.). Nach einer sehr emotionalen Verfahrensdebatte hatte das Plenum des EP mit Entschließung vom 10. Feber 1994 den Entwurf an den institutionellen Ausschuss zurückverwiesen, damit das neu gewählte Parlament271 die Arbeiten unter Berücksichtigung der Beiträge der nationalen Parlamente und der Öffentlichkeit vertiefen könne272 – eine inhaltliche Debatte fand nicht statt (Hilf 1998: 523). Von allen politischen Gruppierungen im EP 268
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Die dramatischen Veränderungen, die das Jahr 1989 brachte, trugen sicherlich zur Bereitschaft der Regierungen bei, einer grundlegenden Reform nicht von vornherein abgeneigt gegenüber zu stehen. Bereits zu Beginn wurde entschieden, nicht nach nationalen Blöcken, sondern politischen Familien die Sitze in der italienischen Camere dei Deputati einzunehmen. Eine Entscheidung, die sich für die weitere Arbeit an den folgenden drei Tagen als sehr hilfreich erwies. Das italienische Parlament hatte sich als Tagungsort angeboten. Damit wurde natürlich auch ein Symbol gesetzt, waren es doch die italienischen Abgeordneten, die sich mehrmals im Anschluss und auf der Grundlage von EP-Berichten für eine institutionelle Reform stark gemacht hatten. PE 203.601/endg.2 – A3-0064/94, 9. Feber 1994. Wahlen zum EP fanden im Juni 1994 statt. Protokoll der Sitzung vom 10. Feber 1994 (PE 179.622) PV 59 II, S. 2.
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wurden Zweifel angemeldet, ob ein kurz vor der Auflösung stehendes EP die notwendige Zeit finden würde, zu einer mehrheitsfähigen Fassung273 des Entwurfs zu kommen. Zwar erklärte sich das Parlament in der Entschließung bereit, den Entwurf der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und den Präsidenten zu beauftragen, für die weittestmögliche Verbreitung zu sorgen, eine wesentliche Rolle spielte er in den Wahlkämpfen zu den folgenden Europawahlen jedoch nicht. Anders als im Jahr 1984 verfügte das EP 1994 über keine eindeutige Strategie zur Durchsetzung des Entwurfs. Als Reaktion auf den Vertrag von Maastricht war der Entwurf zudem ungenügend, hatte doch in der Zwischenzeit auch eine schwungvolle Debatte im Zuge der PostMaastricht-Krise und im Hinblick auf die Regierungskonferenz 1996 in Politik und Fachkreisen begonnen. Die Wirkung auf die vorbereitenden Arbeiten der intergouvernementalen Konferenz 1996–97 blieb dementsprechend marginal. Die Ergebnisse des Vertrages von Amsterdam blieben hinter den Erwartungen der Teilnehmer und der Öffentlichkeit zurück (Jopp 1996). Konnte das EP in der Folge des Spinelli-Drafts 1984 die zur Einheitlichen Europäischen Akte führende Regierungskonferenz noch beeinflussen, so war die Wirkung des Herman-Entwurfs wesentlich geringer (siehe dazu Cromme 1995). Gründe dafür sind in der nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhanges veränderten Lage Europas, aber auch dem ungünstigen Zeitpunkt des Verfassungsentwurfs zu suchen. Kurz vor der anstehenden EP Wahl im Jahr 1994 konnte und wollte das EP keinen Verfassungsentwurf der ein nachfolgendes Parlament vor ‚vollendete‘ Tatsachen gestellt hätte, verabschieden. Im Zuge der allgemeinen Skepsis gegenüber den Errungenschaften des Maastricht-Vertrages (Hrbek 1993) und seiner problematischen Ratifikation hatte zudem eine Intensivierung der Verfassungsdebatte stattgefunden. Das „Lamers-Schäuble-Glos-Papier“, welches eine neue vertragliche Basis für ein Kerneuropa aus Frankreich, Deutschland und den Benelux-Ländern vorschlug, machte im September 1994 den Anfang. Dem folgte am 3. Mai 1999 das „Schäuble-Lamers-Papier“ zum europäischen Verfassungsvertrag.274 Einen Höhenflug erlebte die Verfassungs-Konjunktur275 durch die Rede des deutschen Außenminister Joschka Fischer am 12. Mai 2000 an der Humboldt Universität in Berlin276/277, die Auftakt für eine Reihe weiterer hochrangiger
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Vor allem die bundesstaatlichen Anklänge wurden als utopisch abgetan. http://www.wolfgang-schaeuble.de/positionspapiere/schaeublelamers99.pdf (26. Okt. 2004). Siehe dazu die sehr detaillierte Arbeit von Sonja Volker-Schluckmann (2001). Vom Staatenbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der Europäischen Integration, http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/ reden/2000/r000512a.pdf (26. Okt. 2004). Bereits zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft der EU im Jänner 1999 regte Fischer vor dem EP an, dass eine Diskussion über eine „europäische Verfassung“ zustande kommen möge. Diese sollte „Klarheit und Orientierung“ über „wichtige
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Politiker war, sich zur Zukunft der Union zu äußern.278 Das EP legte mehrere Stellungnahmen zur Verfassungsdebatte vor 279 blieb aber ansonsten ein eher unauffälliger Partner dieser Diskussion. In dieser Phase der Verfassungsdebatte wurde die Grundrechtecharta durch einen Konvent fertig gestellt, von der Kommission und dem EP gebilligt und weiter über ihre Verbindlichkeit als Teil einer zukünftigen europäischen Verfassung diskutiert. Es gelang im Amsterdamer Vertrag nicht, die sog. “Left-overs” von Maastricht überzeugend einer Lösung zuzuführen. So wurde bereits im Feber 2000 eine weitere intergouvernementale Konferenz unter portugiesischer Präsidentschaft einberufen.280 Zuvor wurde vom Europäischen Rat in Korfu im Juni 1999 eine Reflexionsgruppe unter der Leitung von Carlos Westendorp eingesetzt: sie umfasste Vertreter aller Außenminister der Mitgliedstaaten sowie zwei Mitglieder des Europäischen Parlaments. Mit Elisabeth Guigou (PES) und Elmar Brok (EPP-ED) hatte das EP die Gelegenheit, direkt an den Vorbereitungen einer IGC zu partizipieren. Der EP-Ausschuss für Institutionelle Angelegenheiten unterstützte die beiden Vertreter mit einer Reihe von Berichten.281 Inhaltlich drängte das EP auf die Integration des Sozialprotokolls in die Verträge, eine partielle Übernahme des „dritten Pfeilers“ und der Schengen Übereinkunft in die erste Säule und auf eine Aufnahme eines Beschäftigungs-Kapitels. Nach der schwierigen Ratifikation des Vertrages von Maastricht war vor allem die viel zitierte Bürgernähe einmal mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit des EP: Vereinfachung, Transparenz, Effizienz und Grundrechte waren die bestimmenden Vokabel. Die Reflexionsgruppe bot den beiden Mitgliedern des Europäischen Parlaments eine günstige Gelegenheit, die Ideen des EPs zu forcieren, waren sie doch v.a. zu
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Zukunftsfragen“ schaffen und so neue Impulse für die politische Integration bringen“. Rede vom 12. Jänner 1999 vor dem EP in Straßburg, http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/reden/1999/ r990112a.pdf (26. Okt. 2004). Vgl. z.B. die Reden von Jacques Chirac, Notre Europe vor dem deutschen Bundestag am 27. Juni 2000; Guy Verhofstadt, A Vision for Europe am 21. September am European Policy Center in Brüssel; Tony Blair, Europe’s Political Future in Warschau am 6. Oktober 2000; Romano Prodi, An Enlarged and More United Europe: A Global Player am 12. November 2001. Vgl. dazu Sonja Volkmann-Schluck (2001). Vgl. dazu den Bericht über die Vorschläge des Europäischen Parlaments für die Regierungskonferenz, Berichterstatter Giorgos Dimitrakopoulos und Jo Leinen, PE 232.758, A5-0086/2000 endg. vom 27. März 2000; Bericht über die Konstitutionalisierung der Verträge, Berichterstatter Olivier Duhamel, PE 286.949, A50289/2000 endg. vom 12. Okt. 2000; Bericht über die verstärkte Zusammenarbeit, Berichterstatter José María Gil-Robles Gil-Delgado, PE 286.950, A5-0288/2000 endg. vom 12. Okt. 2000; Siehe dazu Protokoll Nr. 7 des EGV, Amsterdamer Fassung. Bourlanges und Martin Bericht (OJ C151, 19 Juni 1995).
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Beginn die Einzigen, die über einen klaren Plan verfügten. Kein Wunder also, dass der Endbericht der Reflexionsgruppe über weite Strecken die Vorschläge des EP aufnimmt. Der Bericht zeigte allerdings auch die enormen Spannungen zwischen den Regierungsvertretern. Der britische Delegierte David Davies lehnte nahezu jeden Reformvorschlag ab und drängte im Gegenzug auf einen radikalen Ausbau der intergouvernementalen Methode, u.a. schlug er vor, dem Rat das Recht zu geben, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes außer Kraft zu setzen. Innerhalb der folgenden Regierungskonferenz löste vor allem das Thema der Stimmgewichtung im Rat ernste Verstimmungen zwischen den Mitgliedstaaten aus (vgl. Smith 2002: 184ff.; Pollak/Puntscher Riekmann 2003).282 Zusätzliche Dynamik brachte die Ablöse der konservativen britischen Regierung im Mai 1997, sowie der Regierungswechsel in Frankreich von Alain Juppé zu Lionel Jospin. Nach zähen nächtlichen Verhandlungen erschienen die Staats- und Regierungschefs mit einem neuen Vertrag. Ein Vertrag, der die in ihn gesetzten Hoffnungen jedoch nicht erfüllte. Der u.a. vorsichtigen Ausweitung des Kodezisionsverfahrens, der Verpflichtung zur Publikation der Abstimmungsergebnisse im Rat, einer Neufassung des Art. 7 EUV, einer Flexiblitätsklausel, eines Beschäftungs- und Sozialkapitels stand abermals das Versäumnis der EU eine einheitliche Rechtspersönlichkeit zu verleihen, die verfehlte Abschaffung der Trennung des Unionsbudgets in obligatorische und nichtobligatorische Ausgaben, eine logische und nachvollziehbare Gewichtung der Stimmen im Rat und die Anzahl der Mitglieder der Kommission gegenüber. Statt Maastricht “Left-overs” nannte man sie nun Amsterdam “Leftovers”, eine weitere Regierungskonferenz war notwendig. Der Vertrag von Nizza stärkte das EP in mehrfacher Hinsicht (siehe dazu Maurer 2002: 386ff.): stärkere Beteiligung des EP bei Entscheidungen im Zusammenhang mit der verstärkten Zusammenarbeit, Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens, Initiativrecht und Zustimmungspflicht im Rahmen des Artikel 7 EUV, Reform des Artikels 214 EGV zum Ernennungsverfahren des Kommissionspräsidenten. Dem steht das vom EP lange eingeklagte Fehlen von Mitwirkungsrechten in den Bereichen Agrar-, Fischerei-, Handelsund Haushaltspolitik gegenüber. Das EP forcierte von Beginn an eine Einbindung in alle Treffen der Regierungskonferenz 2000. Vor jeder Tagung der 282
Vgl. dazu Kommissionspräsident Romano Prodi in der EP Plenardebatte vom 12. Dezember 2000: „Letztlich war es die Stimmgewichtung im Rat, über die am heftigsten diskutiert wurde und wo es am schwierigsten war, zu einer Entscheidung zu kommen. Angesichts des verfolgten Konzepts schien dies zwar unvermeidlich, doch ist das Ergebnis aus zwei Gründen umso mehr enttäuschend: Erstens, weil es noch schwieriger wird, eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen, und demzufolge eine Sperrminorität erleichtert wird, obwohl in einer erweiterten Union das Gegenteil erforderlich wäre und zweitens, weil der gesamte Entscheidungsprozess damit noch komplizierter wird und dies der von den Bürgern geforderten Verständlichkeit und Transparenz entgegensteht.“
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Konsolidierung der parlamentarischen Repräsentation
Konferenz auf Ministerebene fand zudem ein Gedankenaustausch mit der Präsidentin des EP, Nicole Fontaine, und den beiden Vertretern des Europäischen Parlaments statt. Dimitri Tsatsos (SPE) und Elmar Brok (EVP) nahmen als Vertreter des Europäischen Parlaments an den vorbereitenden Ministertagungen in der Eigenschaft von Beobachtern teil. Die wissenschaftliche Literatur bewertete die Ergebnisse des Europäischen Rates von Nizza im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit der EU nach ihrer bevorstehenden Erweiterung als unzureichend (Jopp et al. 2001; Weidenfeld 2001). Angesichts der fast visionär zu nennenden Verfassungsdebatte zuvor, waren die Ergebnisse tatsächlich ernüchternd. Das EP insistierte auf einer proportionalen Verteilung der Sitze, ein Unterfangen, das nicht gelang. Parlamentssitze wurden vielmehr zur Verhandlungsmasse: so „tauschte“ z.B. Spanien Parlamentssitze gegen ein größeres Stimmgewicht im Rat, Ungarn und die Tschechische Republik mit annähernd gleich großen Bevölkerungen wie Belgien, Portugal und Griechenland bekamen weniger EP-Sitze, die in Amsterdam festgeschriebene Zahl von 700 EP-Sitzen wurde ignoriert. Vor allem die Methode der Regierungskonferenz sah sich, diesmal nicht nur vom EP, sondern auch von den Teilnehmern an der IGC, scharfer Kritik ausgesetzt. Wie bereits weiter oben erwähnt, waren sich die Verantwortlichen des Fiaskos auch bewusst. Positiv zu bewerten ist die „Erklärung über die Zukunft der Europäischen Union“283 des Vertrages von Nizza, die „die Aufnahme einer eingehenderen und breiter angelegten Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union“ wünschte. Diese Diskussion sollte unter der Teilnahme des Europäischen Parlaments, Vertretern der nationalen Parlamente, der Öffentlichkeit und der Sozialpartner geführt werden (Erklärung Nr. 23, Abs. 3). Auch die Themen der Diskussion wurden in der Erklärung vorgegeben: eine dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen EU und Mitgliedstaaten; der Status der Grundrechte Charta; die Vereinfachung der Verträge „mit dem Ziel, diese klarer und verständlicher zu machen, ohne sie inhaltlich zu ändern“; die Rolle der nationalen Parlamente in der Architektur Europas (Abs. 5). Dem EP, welches sich seit den 1950er Jahren als verfassungsgebende Konstituante verstand und diese Eigenschaft als Resultat seiner repräsentativen Stellung als einzig direkt gewähltes Organ im institutionellen Arrangement Europas interpretierte, wurde nach der Regierungskonferenz von Nizza dieser Status von den Staats- und Regierungschefs nicht mehr zugestanden. Vor allem in der seit 1999 stattfindenden Verfassungsdebatte, wo das EP zwar Gegenstand aber kaum Akteur war, machte klar, dass die Legitimation der Union nicht alleine aus dem EP entspringen könne. Denn „ein Faktum der europäischen Realität sind […] die unterschiedlichen politischen Nationalkulturen und deren demokratische Öffentlichkeiten“, so Joschka Fischer
283
Vertrag von Nizza, ABl.EG, Nr. C 80, 10. März 2001, S. 85–86.
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in seiner Berliner Rede.284 Ganz ähnlich argumentierte auch Jacques Chirac: Aufgrund ihrer „politischen, kulturellen und sprachlichen Traditionen“ würden „auch in Zukunft die Nationen die wichtigsten Bezugspunkte unserer Völker darstellen“. Ein repräsentatives Europa könne also nur entstehen, wenn nationale und europäische Ebene zusammenwirken. Fischer folgerte daraus: „Ein europäisches Parlament muss deswegen immer ein Doppeltes repräsentieren: Ein Europa der Nationalstaaten und ein Europa der Bürger“. Institutioneller Ausdruck ist ein zu schaffendes bikamerales Parlament, eine Kammer repräsentiert die Bürger und die andere die Staaten. Die Idee des bikameralen Parlaments wurde von mehreren Politikern aufgegriffen (Volkmann-Schluck 2001: 33) vom EP aber vehement abgelehnt, das auf dem “constitutional principle that the Union of Peoples is represented by European Parliament and the Union of States is represented by the Council”285 beharrte. Was lag für Staats- und Regierungschefs näher als das EP nicht als alleinigen Repräsentativkörper zu verstehen?
VI.2. Inklusive Repräsentation im Konvent? It can debate about everything, propose anything but decide nothing. George Washington, 1787
Die Einrichtung des Konvents zur Zukunft Europas durch die Erklärung von Laeken (14./15. Dezember 2001)286 basierte auf mehreren Voraussetzungen und Rahmenbedingungen: (1) Die Einsicht in die Notwendigkeit intergouvernementale Konferenzen auf breiterer Basis vorzubereiten. Vor allem die Einbeziehung nationaler Parlamentarier sollte die Möglichkeit nationaler Veto-Vorbehalte minimieren helfen und Lösungen abseits vom Tauschhandel diplomatischer Konferenzen aufzeigen. (2) Aufbauend auf dem Erfolg des so genannten Grundrechtekonvents bot die Konventsmethode die Möglichkeit, der politischen Öffentlichkeit eine transparentere Diskussion der europäischen Zukunft vorzuführen – die Regierungskonferenz von Nizza hinterließ in der Öffentlichkeit vor allem den Eindruck eines Bazars nationaler Eitelkeiten.287 Denn die Intransparenz des Vertragsveränderungsverfah284 285
286
287
Siehe dazu Christian Joerges et al. (2000); Carlos Closa (2002). Bericht über die Vorschläge des Europäischen Parlaments für die Regierungskonferenz, Berichterstatter Giorgos Dimitrakopoulos und Jo Leinen, PE 232.758, A5-0086/2000 endg. vom 27. März 2000. Siehe die zu den Schlussfolgerungen des Vorsitzes (SN 300/1/01 REV 1) angefügte „Erklärung zur Zukunft der Union“: SN 273/01. Vgl. dazu z.B. die Berichterstattung des britischen Economist vom 14. und 20.12.2001. Der publizierte Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll kann als Musterbeispiel für den Stil von Regierungsverhandlungen gesehen werden.
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rens trägt wesentlich zur Skepsis gegenüber dem Einigungsprojekt bei. (3) Von Anfang an waren die Staats- und Regierungschefs aber bestrebt, ihren Status als „Herren der Verträge“ entsprechend geltendem Recht aufrecht zu erhalten. Der bereits in der Schlusserklärung des Vorsitzenden des Europäischen Rates in Laeken genannte Präsident des Konvents Valéry Giscard d’Estaing, war ein Garant für den informellen Einfluss der mitgliedstaatlichen Regierungen288, waren ihre Vertreter im Konvent doch klar in der Minderheit. (4) Der Druck zur Reform der Entscheidungsprozesse und Institutionen der Union war seit dem Fall des Eisernen Vorhanges kontinuierlich gewachsen. Die Finalisierung des Binnenmarktes zu Beginn der 1990er Jahre, die Einführung des Euro als gemeinsamer Währung in 12 Mitgliedsländern sowie die Beitrittswünsche der Mittel- und Osteuropäischen Länder erhöhten den Druck zur stärkeren Koordination der Wirtschaftspolitik und institutionellen Reform. Im selben Zeitraum nahm die Zustimmung zum Projekt der europäischen Integration ebenso kontinuierlich ab wie die Erfolge der Regierungskonferenzen seit dem Vertrag von Maastricht, welche “fed the democratic deficit in the broadest sense of the term” (Dinan 2002: 31). Die Spannung zwischen diesen Polen wurde spätestens seit Mai 2000 in der Rede des deutschen Außenministers Fischer mit dem programmatischen Titel „Vom Staatenverbund zur Föderation: Gedanken über die Finalität der europäischen Integration“ gespiegelt. Am 28. Feber 2002 nahm der Konvent zur Zukunft Europas in Brüssel seine Arbeit auf. Seit diesem Zeitpunkt ist eine Flut von Arbeiten zum Konvent erschienen (z.B. Beach 2003; Becker/Leiße 2005; Closa 2003; Closa/Fossum 2004; Crum 2004; De Witte 2003; Eriksen/Fossum/Menéndez 2004; Føllesdal 2002; Fossum/Menéndez 2003; Göler 2003, 2003a; Göler/Marhold 2003; Goulard 2003; Hoffmann 2002; Jopp/Regelsberger 2003; Läufer 2003; Lenaerts/Desomer 2002; Magnette 2004; Maduro 2003; Maurer 2003, 2003a, 2003b, 2003c, 2003d; Maurer/Matl 2003; Monar 2003; MüllerGraff 2004; Nickel 2003; Norman 2003; Oberhuber 2003; Pollak/Slominski 2004; Puntscher Riekmann 2003; Reh/Wessels 2002; Risse 2003; Schild 2003; Scholl 2003; Shaw 2003, 2003a; Schoutheete 2003; Tömmel 2004; Weiler/Wind 2003; Wessels 2003, 2004; Wiener 2004). Anhänger der deliberativen Demokratie finden ihre Theorie über die Bedeutung und den Wert des rationalen Austausches von Argumenten bestätigt und verweisen auf die Institutionalisierung der Konventsmethode in Art. IV. 7.2. des Verfassungsvertrags (VVE). Parteigänger der repräsentativen Demokratie betonen die Tatsache, dass erstmals in der Geschichte der Vertragsveränderungen Parlamentarier die Mehrheit im beratenden Gremium gestellt haben und Intergouvernementalisten atmen auf, da es viel „schlimmer“ hätte kommen können, wenn sich der Konvent zur „Freiheit“ (vgl. Elster 1998: 105) entschieden hät288
Siehe dazu Paul Magnette (2003), Renaud Dehousse/Florence Delauche-Gaudez (2003).
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te und beispielsweise zwei Verfassungsentwürfe, einen konföderalen und einen föderalen, vorgelegt hätte, über die bei der nächsten Wahl zum EP abgestimmt worden wäre. Die allgemeine Begeisterung für die Konventsmethode basiert auf der Annahme, dass sie dazu beiträgt das Demokratiedefizit auf europäischer Ebene zu verringern. Besteht das Defizit in den mangelnden Rechten des Europäischen Parlaments, so muss eine Aufwertung desselben gleichsam automatisch eine Verringerung des Defizits bedeuten. MEPs und MPs bildeten die Mehrheit im Konvent ergo sind Konventsmethode und deren Ergebnisse demokratischer. Ist dies der Fall? Und weiters: Kann die Konventsmethode als transparenter bezeichnet werden als herkömmliche Vertragsveränderungs-verfahren mittels IGC? Ist die Konventsmethode tatsächlich inklusiver und damit repräsentativer in dem Sinne, dass sie mehr gesellschaftspolitische Akteure in den Deliberationsprozess einbezieht und dadurch einen “turning point in the history of integration” (Shaw 2003a) darstellt? Und schließlich: Kaum eine der vorliegenden Arbeiten beschäftigt sich mit der Frage der repräsentativen Qualität des Konvents, welche laut Jo Shawn (2003a: 57) die normative „raison d’être“ darstellt. Im Folgenden wird nur am Rande auf die Ergebnisse des Konvents eingegangen. Vielmehr interessiert hier die Frage, ob der Konvent repräsentativer war als traditionelle Vertragsveränderungverfahren nach Art. 48 EGV. Kaum ein Artikel verabsäumt es, auf die Neuartigkeit des Konvents hinzuweisen. Zwei Dimensionen müssen dabei unterschieden werden: der Deliberationsprozess und die Form des Konvents. Unterschied sich der Stil der Verhandlungen im Konvent vom Stil in Regierungskonferenzen? Die Legitimität und der Anspruch des Konvents verfassungsgebendes Gremium zu sein, basierte im Wesentlichen auf der Zusammensetzung der Konventsteilnehmer. Ist diese Zusammensetzung des Konvents wirklich neu? Obwohl es nicht das erste Mal in der Integrationsgeschichte ist, dass sich eine Gruppe unterschiedlicher Provenienz zur Diskussion konstitutioneller und institutioneller Fragen traf, entbehrten diese Treffen jedoch eines expliziten Mandates wie es in der Erklärung von Laeken gewährt wurde. Aber abgesehen von der Tatsache, dass die erwähnte Erklärung eine große Anzahl von disparaten Fragen289 enthält und einer Gruppe von Akteuren, die unter dem positiven Verdacht stand, Repräsentanten nationaler Parlamente, Regierungen, des EP, der Kommission und der damaligen Beitrittsaspiranten zu beinhalten, gestattete, sich über einen bestimmten Zeitraum an einem bestimmten Ort290 zu treffen, blieben die Schlusserklärung von Nizza als auch das Mandat von Laeken sehr unspezifisch. Die Erklärung Nummer 23 in der Schlussakte des 289
290
Paul Magnette bezeichnet die Frageliste als “a perfect illustration of the mechanism of resolution of conflicts through ‘ambivalent agreement’ und verweist auf Jon Elsters (1998: 1010) Definition von “agreement based on preference differences that cancel each other”. Zum locus constitutionis siehe Paul Magnette (2002: 3ff.).
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Vertrages von Nizza wünschte „die Aufnahme einer eingehenderen und breiter angelegten Diskussion über die Zukunft“, „eine „umfassende Debatte […] an der alle interessierten Seiten beteiligt sind: Vertreter der nationalen Parlamente und der Öffentlichkeit insgesamt, das heißt Vertreter aus Politik, Wirtschaft und dem Hochschulbereich, Vertreter der Zivilgesellschaft usw.“ der Union.291 Folgende Fragen wurden als Aufgabenbereiche für den Konvent spezifiziert: (1) Wie kann eine dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten hergestellt werden? (2) Welcher Status kommt der in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der EU zu? (3) Wie können die Verträge mit dem Ziel, sie klarer und verständlicher zu machen, ohne sie inhaltlich zu ändern, vereinfacht werden? (4) Welchen Platz sollen die mitgliedstaatlichen Parlamente in der Architektur Europas einnehmen? Einmal mehr wird in Absatz Sechs festgestellt, dass die Legitimation und die Transparenz der Union und ihrer Organe verbessert werden müssen, um diese den Bürgern der Mitgliedstaaten näher zu bringen. Am 15. Dezember 2001 folgte sodann die Erklärung von Laeken zur Zukunft der EU. Einleitend wird der Friedenscharakter der Union hervorgehoben und die Vorteile der Integration betont. Doch „(F)ünfzig Jahre nach ihrer Gründung befindet sich die Union allerdings an einem Scheideweg, einem entscheidenden Moment ihrer Geschichte. Die Einigung Europas ist nahe.“ Mit der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedstaaten könne das Erbe des II. WK beseitigt werden und Europa zu „einer großen Familie“ werden. Voraussetzung dafür ist eine „grundlegende Neuordnung“. In dem Absatz „Die Erwartungen des europäischen Bürgers“ werden verschiedene Politikbereiche, von Armut bis Umweltverschmutzung, aufgeführt, in der der Bürger „instinktiv spürt, dass es nur durch allseitige Zusammenarbeit zu einer Wende kommen kann.“ Pathetisch wird Europa im Schlusssatz des Subkapitels beschwört: „der Bürger verlangt ein klares, transparentes, wirksames, demokratisch bestimmtes gemeinschaftliches Konzept, – ein Konzept, das Europa zu einem Leuchtfeuer werden lässt, das für die Zukunft der Welt richtungweisend sein kann, ein Konzept, das konkrete Ergebnisse zeitigt“. Abgesehen vom zweifelhaften ästhetischen Stil der Formulierung wird Demokratie hier gleichgesetzt mit transparenten Prozessen der Out-Put Generierung. Bürger als zu Repräsentierende werden nur sehr allgemein angesprochen: „Oftmals hat er zu erkennen gegeben, dass er für die Union eine gewichtige Rolle auf den Gebieten der Justiz und Sicherheit, der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität […] wünscht.“ Hier wünschen die BügerInnen zwar Ergebnisse, ihre Beteiligung an der Lösung dieser Probleme wird allerdings nicht diskutiert. Im Kapitel „Mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz in der Europäischen Union“ wird diese Sichtweise bestätigt: „Die Europäische Union bezieht ihre Legitimität aus den demokratischen Werten, für die sie eintritt, 291
ABl. Nr. C-80, 10. März 2001.
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den Zielen, die sie verfolgt, und den Befugnissen und Instrumenten, über die sie verfügt.“ In der Folge erwähnt die Erklärung eine Fülle von teilweise inkohärenten Fragen und spezifiziert die Zusammensetzung des Konvents, der diese Fragen prüfen soll. Valéry Giscard d’Estaing wird zum Präsidenten des Konvents ernannt, Giuliano Amato und Jean-Luc Dehaene zu Vizepräsidenten bestimmt. Fünf Vertreter der Staats- und Regierungschefs, 30 Mitglieder der nationalen Parlamente, 16 Mitglieder des EP und zwei Vertreter der Kommission bildeten den Konvent. Auch die Bewerberländer sollten im Konvent vertreten sein und an den Beratungen teilnehmen. Zusätzlich zu den 105 Mitgliedern war dieselbe Anzahl von Stellvertreter vorgesehen sowie drei Beobachter des Wirtschafts- und Sozialausschusses, drei Vertreter der europäischen Sozialpartner, sechs Vertreter im Namen des Ausschusses der Regionen und der Europäische Bürgerbeauftragte. Die Präsidenten des EuGH und des Rechnungshofes konnten sich auf Einladung des Präsidiums äußern. Wie sich in den Monaten der Konventsarbeit herausstellen sollte, kam dem Präsidium besondere Bedeutung zu: Präsident, Vizepräsident, Vertreter der Regierungen, zwei Vertreter der nationalen Parlamente, zwei Vertreter des EP und zwei Vertreter der Kommission stellten dieses Präsidium. Wurde die Dauer der Konventsarbeit von den Staats- und Regierungschefs strikt mit einem Jahr limitiert, so oblag die Ausgestaltung der Regeln für die Arbeitsweise dem Präsidium. Dem Wunsch der Staats- und Regierungschefs zufolge, sollte der Konvent ein Abschlussdokument erstellen, das „entweder verschiedene Optionen mit der Angabe, inwieweit diese Optionen im Konvent Unterstützung gefunden haben, oder – im Falle eines Konsenses – Empfehlungen enthalten kann.“ Trotz des Pathos’ konstitutioneller Rhetorik, welcher sich sehr früh im Konvent mit der Entscheidung für einen kohärenten Text manifestierte292, war von Beginn an klar, dass die Arbeiten des Konvents lediglich „als Ausgangspunkt für die Arbeiten der künftigen Regierungskonferenz, die die endgültigen Beschlüsse fasst“ (Erklärung von Laeken) dienen sollten. Um sicherzustellen, dass sich das konstitutionelle Moment in Grenzen hielt, wurden von den „Herren der Verträge“ verschiedene Schutzmaßnahmen ergriffen: die direkte Ernennung des Präsidenten des 292
In seiner programmatischen Eröffnungsrede führte Giscard d`Estaing aus: „Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass unsere Empfehlungen in den Augen der Öffentlichkeit erhebliches Gewicht und Ansehen zukäme, wenn es uns gelänge, einen breiten Konsens über einen einzigen Vorschlag zu erzielen, hinter dem wir alle stehen können. Sollten wir in diesem Punkt einen Konsens erreichen, so würden wir damit den Weg für eine europäische Verfassung ebnen. Um jeglichen semantischen Streit auszuschließen, schlage ich vor, dass wir uns bereits heute auf die Bezeichnung Verfassungsvertrag für Europa einigen.“ (SN 1565/02) Siehe dazu auch die Plenarbeiträge von Andrew Duff (CONV 22/02), Erwin Teufel (CONV 23/02), Klaus Hänsch und Pervenche Berès (CONV 63/02), sowie den „Antrag betreffend einen Beschluss über die Ausarbeitung eines Verfassungsvertrages“ (CONV 181/02).
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Konvents, der regelmäßig dem Europäischen Rat über den Fortgang der Konventsarbeit berichten musste; die heterogene Zusammensetzung des Konvents, die nicht nur dem Wunsch nach einer „breiten“ Diskussion entsprang, sondern durchaus auch als Versuch gewertet werden kann “to undermine the self-organizing capability” (Ludlow 2002; Magnette 2002; Closa 2003) des Konvents; das Bestehen auf einer Reflexionsperiode nach Abschluss der Konventsberatungen (Magnette 2004: 211); die Entsendung eine Reihe von Außenministern ab Juli 2002 in den Konvent; und schließlich der enge Zeitrahmen für die Beratungen der “Conventionnels”. Konnte das neue Forum tatsächlich auch zu einem neuen Umgang der Akteure, zu einem Austausch rationaler Argumente anstelle von Kuhhandeln führen? Bargaining wird in der Politikwissenschaft als ein Prozess definiert, der zwischen Akteuren mit stabilen Präferenzen, die eine Maximierung ihres Nutzens anstreben, stattfindet. Dieses Ziel wird versucht, durch Drohungen und/oder Versprechungen und den Austausch von Konzessionen zu erreichen. Für Vertreter der deliberativen Theorie ist der Politikprozess, sind die teilnehmenden Akteure durch den Willen zur Präferenzänderung gekennzeichnet. Ein gemeinsames Interesse steht über dem Festhalten an ideologischen oder Interessengeleiteten Positionen. Der Austausch rationaler Argumente und der Wille, diese Argumente nicht lediglich als strategische Optionen zu verstehen, charakterisieren deliberative Prozesse (Perelman/Olbrechts-Tyteca 1969; Cohen 1989; Habermas 1996; Elster 1998; Dryzek 2000). Die analytische Differenz zwischen bargaining und Deliberation bezieht sich auf die empirische Beobachtung, dass Teilnehmer an Verhandlungsprozessen ihre Präferenzen verändern und dass diese Änderung durch Argumente bewirkt wird. Allerdings muss nicht unbedingt das altruistische Motiv des Gemeinwohls hinter eine solchen Präferenzänderung stehen, sondern dies kann mehrere Gründe haben: Sind Akteure nicht in der Lage ihren Standpunkt durchzusetzen so werden andere Formen der Zielerreichung angestrebt oder die soziale Praxis untersagt Formen des Zwangs oder der Drohung. Deliberation kann auch effizienter als bargaining sein, da erstere integrative Resultate erlaubt, die über dem kleinsten gemeinsamen Nenner liegen. Normative Differenzen beziehen sich auf die höhere Legitimität deliberativer Verhandlungsformen. Nach dem Austausch von Argumenten besteht nicht nur Übereinstimmung hinsichtlich einer Norm sondern auch ihrer Rechtfertigung (Habermas 1996). Findet die Deliberation noch dazu öffentlich statt, so kann erwartet werden, dass die BürgerInnen die Gründe für die Existenz einer Norm nachvollziehen können und sie deswegen ‚leichter‘ akzeptieren. Empirisch fällt es jedoch äußerst schwer, diese normativen Vorteile der deliberativen Methode zu belegen. Argumente können durchaus lediglich strategische Täuschung sein, um einen utilitaristischen Zugang zu verbergen (Mackie 1998; Przeworski 1998). Selbst wenn bewiesen werden könnte, dass die Akteure ein Ziel durch den Austausch rationaler Argumente erreicht haben, kann nicht belegt werden, dass ein anderes Verfahren ein diffe-
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rentes Ergebnis gebracht hätte (Checkel 2001). Die Differenz zwischen bargaining und arguing ist analytisch durchaus sinnvoll. Vergleichende historische Studien haben jedoch gezeigt, dass Akteure zu beiden Formen des Verhandelns greifen (Elster 1994). Welches Verhalten war im Konvent zu beobachten? Valéry Giscard d’Estaing führte seit seiner Eröffnungsrede (CONV 04/02) bei mehreren Gelegenheiten aus, dass die Struktur und die Prozeduren des Konvents dazu geeignet seien, intergouvernementale Formen des bargaining und der Allianzbildung zu verhindern: die Öffentlichkeit der Beratungen, alphabetische Sitzordnung, und schließlich ein System von blauen und roten Interventionskarten, um im Plenum eine lebendige Debatte zu stimulieren, waren die Mittel dazu. Giscard d’Estaings explizite Forderung an die Konventsteilnehmer war, ihre jeweilige nationale und institutionelle Anbindung hinter sich zu lassen und eine Diskussion „ohne vorgefasste Meinung“293 zu beginnen. Dies schien sich v.a. in der ersten Phase des Zuhörens294 und in manchen Arbeitsgruppen zu bewähren, doch spätestens seit der Präsentation des „Verfassungsskeletts“ durch das Präsidium kamen die geradezu klassisch zu nennenden Cleavages wieder zum Vorschein: große Mitgliedstaaten vs. kleine, föderal vs. intergouvernemental orientierte Mitglieder, sozialdemokratische vs. christdemokratisch/konservative Ausrichtungen, neo-liberale vs. soziale marktwirtschaftliche Modelle etc. Eine zentrale Forderung der deliberativen Demokratietheorie, ‚learning from each other via the exchange of rational arguments‘ (siehe Cohen 1997) wurde durch bargaining-Prozesse abgelöst. Das oftmals gehörte, von Giuliano Amato in seinem finalen Beitrag zum Plenum hervorgehobene, spezifische Charakteristikum des Konvents im Unterschied zu Regierungsverhandlungen, d.h. die Notwendigkeit den eigenen Standpunkt zu rechtfertigen, traf nur teilweise zu.295 Vielmehr begannen die Konventsteilnehmer ‘red lines’ zu ziehen, die sie oder die von ihnen Vertretenen nicht bereit waren, zu überschreiten.296 Dies führte zu einer Marginalisierung der Plenardebatten und einer verstärkten Tendenz zu ‘backroom deals’ zwischen einflussreichen Konventsgruppen (Shaw 2005). Zwei Gründe können dafür genannt werden: Die „Conventionnels“ waren sich trotz aller konstitutionellen Rhetorik (man denke hier
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Eröffnungsrede des Vorsitzenden V. Giscard d’Estaing vor dem Konvent zur Zukunft Europas, SN 1565/02. Siehe dazu Justus Schönlau (2003, 2004), der korrekt argumentiert, dass verschiedene Phasen der Konventsarbeit unterschieden werden müssen. Siehe Abschlusssitzung des Konvents: http://www.europarl.eu.int/europe2004/ textes/verbatim_030710.htm (23.12.2004). Der Repräsentant des britischen Premierministers, Peter Hain, auch “shadow president” des Konvents genannt, brillierte im Ziehen der roten Linien – speziell im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Siehe dazu Paul Magnette und Kalypso Nicolaïdis (2004).
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nur an den oftmals gehörten, jegliche historische Rahmenbedingungen außer Acht lassenden Vergleich mit dem Verfassungskonvent von Philadelphia im Jahr 1787) bewusst, dass sie lediglich vorbereitende Arbeit leisten konnten. Die Umgestaltung der existierenden Verträge zu einer föderalen Verfassung wäre durch die notwendigerweise folgende IGC – und vermutlich auch von einer Mehrheit der europäischen BürgerInnen – abgelehnt worden. Ein radikaler Bruch mit der v.a. vom EP vertretenen Logik der inkrementellen Schritte der Verfassungsentwicklung wäre der Integration Europas aller Wahrscheinlichkeit kaum dienlich gewesen, sondern hätte den Konvent als Instrument diskreditiert. Wenn sich die Deliberationsprozesse innerhalb des Konvents über weite Strecken nicht von den diplomatischen Verhandlungen einer IGC unterschieden, war wenigstens die Form – im Sinne der Zusammensetzung – des Konvents neu? Ein Blick in die Integrationsgeschichte fördert erstaunliche Parallelen zu Tage. Der erste „Verfassungskonvent“ war die Ad-Hoc Versammlung in den frühen 1950er Jahren, die für die Erstellung eines Vertrages zur Sicherstellung des politischen Primats über die geplante Europäische Verteidigungsgemeinschaft verantwortlich zeichnete. Die Ad-hoc Versammlung setzte sich aus den Mitgliedern der Gemeinsamen Versammlung der Kohle- und Stahlgemeinschaft zusammen, sowie zusätzlichen neun Parlamentariern (jeweils drei französische, deutsche und italienische Abgeordnete) aus den Mitgliedstaaten. Delegierte aus dem Europarat wurden als Beobachter eingeladen und erhielten auch das Recht, das Wort zu ergreifen. Eine Arbeitsgruppe, der konstitutionelle Ausschuss, sowie Unterausschüsse zu institutionellen Fragen, Kompetenzfragen und Außenbeziehungen wurden eingerichtet. Die Regierungen der Mitgliedstaaten beauftragten die Ad-hoc Versammlung allerdings nicht mit dem Entwurf einer Verfassung. Dies wurde von der Versammlung weitgehend ignoriert und trug schlussendlich auch zu ihrem Scheitern bei (siehe Lipgens 1986: 28). Die Grundlage der Arbeit der Ad-hoc Versammlung bildete die Luxemburger Resolution297 und ein Fragenkatalog, der von den Außenministern der Mitgliedstaaten zusammengestellt wurde.298 Zusätzlich dienten Gutachten von juristischen Experten, in Auftrag gegeben vom Europarat, wie auch ein Bericht der Föderalisten um Altiero Spinelli als vorbereitende Dokumente (Lipgens 1986: 319). Zwar initiierten die Regierungen die Beratungen zu einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, die Ausarbeitung blieb jedoch den Parlamentariern vorbehalten. Am 10. März 1953 übergab der Vorsitzende der Ad-hoc Versammlung Paul-Henri Spaak den “Draft Treaty Embodying the Statute of the European Community” an Georges Bidault. Mit der Ablehnung der EVG durch die 297
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10. September 1952, siehe http://aei.pitt.edu/archive/00000991/01/political_ union_draft_treaty.pdf Fondation Jean Monnet pour l’Europe, AMJ 3/3/3: Questions relatives à la création d’une Communauté politique européenne, 23. Oktober 1952.
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französische Nationalversammlung im Jahr 1954 war auch das Schicksal der EPG besiegelt. Es sollte bis in die frühen 1980er Jahre dauern, bis Parlamentarier wieder eine prominente Rolle im konstitutionellen Prozess spielen konnten. Denn auf dem Treffen der Außenminister in Messina im Juni 1955 wurde etabliert, was heute als IGC-Methode bekannt ist: die Ernennung eines Ausschusses bestehend aus Delegierten der Regierungen unter der Leitung von Spaak sollte die Römer Verträge vorbereiten. Der Spaak-Ausschuss, der Dooge-Ausschuss zur Vorbereitung der Einheitlichen Europäischen Akte, der Delors-Ausschuss zur Vorbereitung der Währungsunion, die Reflexionsgruppe zur Vorbereitung des Amsterdamer Vertrags, die sog. „Weisen Männer“ zur Vorbereitung der IGC von Nizza bestimmten in den nächsten Jahrzehnten die konstitutionelle Entwicklung der EG/EU. Mit Verfassungsinitiativen wie dem Spinelli-Entwurf und dem Herman-Entwurf versuchte das EP das konstitutionelle Moment aufrechtzuerhalten und seine eigene Position als einzig direkt legitimiertes Repräsentationsorgan im supranationalen Raum zu stärken. Obwohl es bis zum Jahr 1995 dauern sollte, bis das EP auch das Recht bekam an Regierungsverhandlungen teilzunehmen – die Reflexionsgruppe unter dem Vorsitz des Spaniers Carlos Westendorp eröffnete zwar dem EP die Möglichkeit am Rande teilzunehmen, die volle Partizipation scheiterte jedoch am Veto Frankreichs und Großbritanniens (siehe Gray 2000: 266) – ist auch die Form des Konvents nicht neu. Sowohl die Arbeiten der Ad-hoc Versammlung als auch der Verfassungsentwurf unter Spinelli basierten auf den Arbeiten von nationalen und europäischen Abgeordneten unter Hinzuziehung externer Experten. In beiden Fällen waren die Motive des Parlaments eine Mischung aus „repräsentativem Selbstbewusstsein“ und politischer Strategie zur Überwindung der Unbeweglichkeit des Rates. Von der historischen Warte gesehen, gehört die „Konventsidee“ zum institutionellen Gedächtnis der EU.299 299
In der Folge des Konvents zur Zukunft der EU stand auch die Frage des konstitutionellen Moments zur Debatte. Vor allem zwei Aspekte wurden unterschieden: (1) Die Frage des Zeitpunkts: ist die EU reif für eine Verfassung? Und (2) brachte der Konvent einen solchen konstitutionellen Moment durch die freie, selbstbewußte, aufgeklärte Diskussion über die notwendigen Reformen der EU? Ohne Zweifel erweckte Beethovens Ode an die Freude am 13. Juni 2003 zum Abschluss des Konvents ein erhebendes Gefühl bei den Konventsteilnehmern. Kein Wunder, wollte Beethoven sie doch als revolutionäre oder zumindest republikanische Hymne verstanden wissen. Der geschichtliche Rückblick hält allerdings dazu an, den Konvent nicht als einzelnen herausragenden konstitutionellen Moment zu begreifen (siehe dazu Schneider 2003). Bereits im Jahr 1951 gab es Diskussionen den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ‚Traité portant Constitution de la Communauté Européenne pour le charbon at l’acier‘ (Mosler 1966: 382; siehe auch Bieber 1991) zu benennen. Hans Peter Ipsen (1983: 50) und Walter Hallstein beschrieben den Prozess als „Verfassungsverwirklichung“, dessen Ergebnis als „Wandelverfassung“. Eberhard Grabitz sprach von der “constitutio emergens” und Joachim Hesse von “a constitution in the making”
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Inklusive Repräsentation im Konvent?
Im Folgenden sollen nun die Kriterien Präsenz, Autorisierung, Unabhängigkeit, Stimmenegalität und Responsivität auf einen Vergleich zwischen Konvent und Regierungskonferenz angewandt werden. Zentrale Frage ist, ob die Konventsmethode dazu geeignet ist, die repräsentative Qualität der Vertragsveränderungsverfahren zu erhöhen. Präsenz Wie bereits im ersten Teil ausgeführt, kann die Selektion der Repräsentanten aufgrund von gemeinsamer Identität (territorial, ethnisch, religiös etc.), geteilten Interessen oder herausragender Expertise erfolgen. David Galloway (2001) unterscheidet zwischen drei in Regierungsverhandlungen beteiligten Ebenen: (1) Treffen der Staats- und Regierungschefs, (2) monatliche Treffen der Außenminister und (3) wöchentliche Zusammenkünfte der persönlichen Repräsentanten der mitgliedstaatlichen Regierungen.300 Bezüglich des Kriteriums Präsenz ist unschwer zu erkennen, dass Repräsentanten aufgrund ihrer staatlichen Identität selektiert werden. Ohne zu verneinen, dass diese Repräsentanten auch Experten europäischer Politikprozesse sind, lässt sich doch nur schwerlich behaupten, dass ihre Expertise primärer Grund für die Auswahl ist. Vertreter des Europäischen Parlaments oder anderer supranationaler Organe spielen in intergouvernementalen Verhandlungen nur eine untergeordnete Rolle (Hoffmann 2000: 5; Closa 2003: 1). Allerdings muss der Schluss des Liberalen Intergouvernementalismus, dass lediglich die Nationalstaaten für die Verhandlungen verantwortlich zeichnen, in seiner radikalen Fassung zurückgewiesen werden. Die Europäische Kommission, sowie seit 1995 auch das EP, nehmen an IGCs teil und können Vorschläge zur Vertragsveränderung einbringen (Gray 2000: 266ff.; Gray/Stubb 2001: 7). Unbestritten ist jedoch, dass das größte politische Gewicht den Vertretern der Mitgliedstaaten zukommt. Das EP musste bisher auf informelle Einflussmöglichkeiten vertrauen. So kam es im Zuge der 1996/97 IGC zu einem monatlichen Austausch zwischen den persönlichen Repräsentanten der Staatsund Regierungschefs und den Repräsentanten des EP, Elmar Brok und Elisabeth Guigou. Wie ein finnischer Teilnehmer an der IGC bemerkte, gönnten die Protokollanten ihren Schreibutensilien großzügige Pausen sobald die EP Vertreter den Raum betraten, um ihre Position darzulegen (Vanhoonacker 1992: 219). Der jeweiligen Ratspräsidentschaft obliegt es, das EP über den Stand der Verhandlungen zu informieren. Während die irische Ratspräsidentschaft dies während der Amsterdam IGC extensiv auslegte, zeigte sich andere wesentlich restriktiver. Indirekten Einfluss schließlich hatte das EP durch die Haltung einiger mitgliedstaatlicher Regierungen (Belgien,
300
(Bruha et al. 2001). Rudolf Smends Konzept der permanenten Erneuerung durch und im Verfassungsprozess scheint die konstitutionelle Entwicklung der Union besser zu fassen (Smend 1928). Diese sind oftmals ident mit den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten.
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
181
Deutschland, Italien), die klar machten, dass sie z.B. den Vertrag von Maastricht nur ratifizieren wollten, wenn das EP die Ergebnisse unterstütze. Positive Gestaltungsmacht kam dem EP dabei allerdings kaum zu. Die Erstellung einer Verfassung ist ein entscheidendes Moment in der Entwicklung einer politischen Gemeinschaft. Gemäß Montesquieus Diktum „Le pouvoir arrête le pouvoir“ legt eine Verfassung die Grenzen exekutiver Macht fest und definiert die politischen Spielregeln. Die Anwesenheit aller gesellschaftlichen Gruppen ist von eminenter Bedeutung, um dem dominierenden Einfluss lediglich einer politischen Gruppe zu begegnen. Theorien konstitutioneller Politik betonen die Notwendigkeit, verfassungsgebende Körperschaften von ‚normalen‘ politischen Institutionen zu unterscheiden (Ackerman 1992: 51f.). Eine solche Trennung vermeidet die „Verschmutzung“ konstitutioneller Entscheidungen durch die Tagespolitik, erhöht die epistemische Qualität der Körperschaft und kreiert Mechanismen, die den Erfolg einer Verfassungsgebung zum persönlichen Interesse der Teilnehmer macht. Der Zusammensetzung eines Konvents kommt demzufolge entscheidende Bedeutung zu. Eines der wichtigsten Charakteristika des Konvents zur Zukunft Europas war eine stark veränderte Präsenzstruktur. Während IGCs Versammlungen von Regierungsvertretern sind, können im Konvent drei Gruppen gemäß ihrer Möglichkeiten den Deliberationsprozess zu beeinflussen, unterschieden werden: 1. Vollmitglieder: Diese Gruppe inkludierte 15 Vertreter der Staats- und Regierungschefs, 30 Vertreter der mitgliedstaatlichen Parlamente301, 16 Vertreter des EP302 und zwei der Europäischen Kommission. Die damaligen 13 Kandidatenländer entsandten jeweils einen Vertreter der Staats- und Regierungschefs, zwei Vertreter der nationalen Parlamente. Sie konnten gleichberechtigt an den Verhandlungen im Konvent teilnehmen, „ohne freilich einen Konsens, wie er sich zwischen den Mitgliedstaaten abzeichnet, verhindern zu können“, wie in der Erklärung von Laeken festgelegt wurde. 2. Beobachter: Der Wirtschafts- und Sozialausschuss und die europäischen Sozialpartner entsandten jeweils drei Vertreter, der Ausschuss der Regio301
302
Die Auswahl der Mitglieder dieser Gruppe erfolgte auf unterschiedlichen Wegen, sei es durch Nominierung im Europaausschuss des jeweiligen Parlaments (Niederlande), durch die politischen Parteien (Grossbritannien) oder durch das Präsdium des Parlaments (Slovenien). Justus Schönlau (2004a) ist definitv Recht zugeben, wenn er schreibt: “nowhere there seems to have been broader consultations within the Parliaments or even beyond on the specific tasks of the Convention prior to the selection of a parliamentary envoy.” Die 16 Mitglieder des EP wurden nach der d’Hondt Methode und der relativen Größe der politischen Fraktionen ausgewählt: sechs PPE-DE Mitglieder, fünf der PSE und jeweils ein Mitglied der ELDR, GUE/NGL, V/ALE, UEN und EDD. Einzig die Gruppe der Fraktionslosen war nicht vertreten.
182
Inklusive Repräsentation im Konvent?
nen sechs Vertreter. Zusätzlich wurde auch der Europäische Bürgerbeauftragte eingeladen. Gemeinsam war dieser Gruppe, dass sie keinerlei Stimmrechte besaß. 3. Forum: Um die Diskussion auf eine breitere Basis zu stellen, wurde ein so genanntes Forum eingerichtet. Dieses sollte der europäischen Zivilgesellschaft in der Form von Think-Tanks, akademischen Institutionen, NichtRegierungsorganisationen etc. erlauben, Beiträge für den Konvent zu liefern. Weder kam ihnen ein Präsenz- noch Stimmrecht zu.303
303
Die Organisation des Forums oblag dem Konventssekretariat. Vgl. CONV 9/2 und Otto Schmuck (2003: 164).
Nationale MPs
MEPs
Gesamt
Beobachter
1
1 (1)
2 (2)
1 (0)
5 (3)
3
Dänemark
1 (1)
2 (2)
1 (2)
4 (5)
Deutschland
1 (1)
2 (2)
3 (1)
6 (4)
Europäische Kommission
Regierungsvertreter
183
Vorsitzende
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
Member States Belgien
Finnland
2
1 (1)
2 (2)
0 (2)
1 (1)
2 (2)
2 (2)
Griechenland
1 (1)
2 (2)
0 (0)
Großbritannien
1 (1)
2 (2)
3 (2)
Irland
1 (1)
2 (2)
0 (1)
(1)
3 (5)
1 (1)
2 (2)
2 (1)
(1)
6 (5)
Luxemburg
1 (1)
2 (2)
0 (0)
3 (3)
Niederlande
1 (1)
2 (2)
1 (0)
4 (3)
Österreich
1 (1)
2 (2)
1 (0)
5 (3)
3
Portugal
1 (1)
2 (2)
1 (2)
5 (5)
1
Schweden
1 (1)
2 (2)
0 (0)
Frankreich
Italien
1
1
Spanien
1 (1)
2 (2)
1 (1)
15 (15)
30 (30)
16 (16)
Kandidatenländer
1 (1)
2 (2)
Zwischensumme
13 (13)
26 (26)
28 (28)
56 (56)
Zwischensumme
3
1
3 (5)
1
7 (5)
2
3 (3) 6 (5)
1
2
3 (3) 2 (2)
4 (4)
1
66 (63)
13
3 (3) 39 (39)
Gesamt
3
16 (16)
2 (2)
Quelle: Ben Crum (Centre for European Policy Studies)
105 (102)
13
184
Inklusive Repräsentation im Konvent?
In Betracht gezogen werden müssen auch die Stellvertreter der Vollmitglieder, 102 an der Zahl. Die ursprünglich von Giscard d’Estaing vorgesehene limitierte Rolle – durchaus der Erklärung von Laeken folgend – stieß im Plenum des Konvents auf erheblichen Widerstand. Giscard d’Estaing wollte die Anwesenheit der Stellvertreter im Konvent nur zulassen, wenn die Abwesenheit des Vollmitglieds zwei Tage zuvor dem Sekretariat gemeldet wurde. Der immer wieder beschworene esprit de corps konnte sich seiner Meinung nur durch eine sanfte Anwesenheitspflicht für Vollmitglieder entwickeln: Seine “antipathy to the alternates partly reflected concern that the full Convention members would be less than diligent in attending plenary sessions and so fail to develop the necessary esprit de corps, if the alternates were practically their equals” (Normann 2003: 44). Man einigte sich schließlich auf eine flexiblere Regelung304, die den Stellvertretern va.. in der Endphase erlaubte, eine wichtige Rolle zu spielen. Die Rechte der Stellvertreter sind aus dem Blickwinkel der Präsenz zu beachten: Die von manchen nationalen Parlamenten entsandten Vollmitglieder waren Teil der Regierungsparteien, während die Stellvertreter der Opposition angehörten (z.B. Österreich, Belgien, Finnland). Bikamerale Parlamente entsandten ein Vollmitglied pro Kammer (Deutschland, Frankreich, Italien) oder, wie im Falle des britischen Parlaments, zwei Vollmitglieder aus dem Unterhaus, während das Oberhaus die zwei Stellvertreter aus seinen Reihen bestimmte. Die Stellvertreter sind demzufolge für die Verbreiterung der Präsenzstruktur des Konvents von Bedeutung.305
Wird diese Gruppierung um die verschiedenen Präsenzgründe (Identität, Interesse, Expertise) ergänzt, werden auch die Selektionsgründe der Vertreter sichtbar: 1. Vollmitglieder wurden primär auf der Basis ihrer spezifischen Identität ausgewählt, d.h. territoriale (Mitgliedstaaten) und institutionelle Identität (Regierungen, Parlamente und Europäische Kommission). 2. Beobachter wurden nicht aufgrund von mitgliedstaatlicher Identität selektiert, sondern aufgrund ihrer Fähigkeit spezifische sektorielle Interessen zu artikulieren. Auch die Vertreter des Ausschusses der Regionen hatten die Interessen aller europäischen Regionen zu vertreten. 3. Die Aufgabe der meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen ist die Verfolgung eines spezifischen Gruppeninteresses (z.B. ökonomische oder ökologische Interessen) oder spezifischer Identitäten (so z.B. die European Women’s Lobby). Verglichen mit der Präsenzstruktur von Regierungskonferenzen hat die Anzahl der verschiedenen Vertreter ohne Zweifel die repräsentative Qualität
304 305
Vgl. Note mit den Arbeitsmethoden des Europäischen Konvents (CONV 9/02). Vgl. Justus Schönlau (2004a).
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
185
im Sinne der Präsenz erhöht. Gravierende Mängel bestanden jedoch in der völlig unzureichenden Repräsentation von Frauen: zehn Vertreterinnen aus den Mitgliedstaaten und sechs aus den Kandidatenländern – das sind 15.4% der 104 Vollmitglieder. Zwei der 13 Beobachter waren weiblich und in dem außerordentlich wichtigen Leitungsgremium Präsidium gab es nur eine Frau. Eine gewisse Unterrepräsentanz lässt sich auch für die Regionen Europas nicht leugnen. Giscard d’Estaings (2002) Bemerkung “(t)hey compensate for this situation of numerical inferiority with strong personality of many among them” kann nur als zynisch verstanden werden. Abgesehen von den sechs Beobachtern, die vom Ausschuss der Regionen in den Konvent entsandt wurden, gab es keine Vollmitglieder mit dem expliziten Mandat, die Regionen zu repräsentieren. Ursache dafür ist die eklatant unterschiedliche Stellung der Regionen innerhalb der Mitgliedstaaten.306 Ebenso waren keine Vertreter nationaler Höchstgerichte, des Europäischen Gerichtshofs307 oder des Gerichtshofs Erster Instanz in die Konventsdebatten involviert. Um Missverständnisse zu vermeiden: das bloße Fehlen weiblicher Präsenz oder juristischer Expertise bedeutet nicht, dass deren Anliegen kein Gehör fanden. Weder garantiert noch exkludiert formale Präsenz Repräsentation. Präsenz ist eine notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung für Repräsentation. Aus dieser Perspektive reflektiert die Unausgewogenheit der Präsenz (als Resultat der Selektionskriterien Identität, Interessen, Expertise) die Präferenz für ein bestimmtes Auswahlkriterium. Der Europäische Rat in Laeken als autorisierendes Gremium, bevorzugte Präsenz basierend auf territorialen und institutionellen Kriterien, indem er autorisierende Organe (nationale Parlamente und Regierungen, EP, Kommission) nannte.308 Nur Vertreter, die diese Bedingungen erfüllten, konnten als Vollmitglieder am Konvent teilnehmen. Andere Selektionskriterien spielten eine untergeordnete Rolle und waren damit strukturell anfällig für Unterrepräsentation – nicht nur hinsichtlich der Präsenz, Autorisierung und der Stimmengleichheit, sondern v.a. auch hinsichtlich der Responsivität. Politische Parteien spielten bezüglich der Selektion der Konventsteilnehmer keine explizite Rolle. Zwar kann angenommen werden, dass v.a. die nationalen MPs entlang von Parteifamilien ausgewählt wurden, als offizielles Kriterium wurden sie jedoch nicht genannt. Nichtsdestotrotz wurden im Zuge des Konvents die europäischen Parteifamilien sehr aktiv. Die Europäische Volkspartei (Christdemokraten) und europäische Demokraten, die Sozialdemokratische Partei Europas und die Liberale und Demokratische Par306
307
308
Der Baden-Württemberg’sche Ministerpräsident, Mitglied des deutschen Bundesrates, war formell Repräsentant des deutschen Bundestages. Der Präsident des EuGH und der Präsident des Rechnungshofs konnten nur auf Einladung des Präsidiums gehört werden. Diese wiederum wählten ihre eigenen, in der Transparenz unterschiedlichen, Selektionsmechanismen.
186
Inklusive Repräsentation im Konvent?
tei Europas organisierten Treffen ihrer Mitglieder und reichten Anträge an das Konventspräsidium ein.309 Es fällt nicht leicht, die von Koen Lenaerts und Marlies Desomer (2002: 1238) aufgestellte These von der “parliamentarisation of the Union’s constitution-making procedure” uneingeschränkt zu akzeptieren. Weiter oben wurden die Versuche des EP, von der Europäischen Politischen Gemeinschaft über den Spinelli-Entwurf zum Herman-Entwurf, die Konstitutionalisierung Europas voranzutreiben, geschildert. Es ist zweifelhaft, ob ohne den konstanten Druck und den Bemühungen des EP, jemals ein Verfassungsvertrag zustande gekommen wäre. Auch hat der Rückblick in die Konstitutionalisierungsgeschichte gezeigt, dass das EP mehrmals federführend bei der Ausarbeitung von Verfassungsentwürfen war. Richtig ist, dass die parlamentarischen Vertreter im Konvent die Mehrheit besaßen und dieser Tatsache durch das Mandat von Laeken eine besondere Bedeutung zukommt. Richtig ist aber auch, dass der Konvent als vorbereitendes Gremium verstanden werden muss. Autorisierung Die Legitimität einer Regierungskonferenz basiert auf Art. 48 EUV: „Die Regierung jedes Mitgliedstaats oder die Kommission kann dem Rat Entwürfe zur Änderung der Verträge, auf denen die Union beruht, vorlegen.“ Abgesehen von der Initiierung einer Regierungskonferenz sind die formalen Teilnahmerechte der supranationalen Organe aber bescheiden. Alle Versuche das EP zu einem gleichberechtigten Partner zu machen, scheiterten bisher. Bereits der Bericht des Dooge-Ausschusses310 und der Entwurf der luxemburgischen Ratspräsidentschaft zur Europäischen Union vom 18. Juni 1991311 beinhaltete die Forderung, EP und Kommission formell in Regierungsverhandlungen einzubeziehen. Erst für die IGC 1996/97 erhielt das EP das Recht, als Beobachter der Arbeiten der Reflexionsgruppe teilzunehmen. In der Folge des Europäischen Gipfeltreffens in Helsinki (10./11. Dez. 1999) wurde dem EP gestattet, mit zwei Vertretern an den Sitzungen der Vorbereitungsgruppe teilzunehmen. Zusätzlich wurde vor jedem Treffen auf Ministerebene als auch der Ebene der Staats- und Regierungschefs ein Meinungsaustausch mit
309
310 311
Die Sozialdemokraten reichten zwei Anträge ein: The European Project of the Socialist: The New Federalism (CONV 63/02) und Proposals of the European Socialist (CONV 182/02). Im Sommer 2002 kamen die Sozialdemokraten in Birmingham zusammen und einigten sich auf ein Manifest namens Priorities for Europe (3. Oktober 2002). Die Konservativen präsentierten ihren Vorschlag A Constitution for Europe (CONV 325/02) und Andrew Duffs A Model Constitution for a Federal Union of Europe (CONV 234/02) kann als Beitrag der Liberalen gelten. http://aei.pitt.edu/archive/00000997/01/Dooge_final_report.pdf (14.12.2004). Draft Treaty on the European Union from the Luxembourg Presidency, Luxembourg, 18. Juni 1991, in: European Documents, No. 1722/1723, 5. Juli 1991.
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
187
der damaligen Präsidentin des EP angeregt.312Klar ist, dass Art. 48 EUV zwar die Kommission und das EP nennt, eine Spezifikation ihrer Rolle findet sich im Primärrecht jedoch nicht. Ihre Autorisierung basiert somit auf informellen politischen Übereinkünften oder Ratsschlussfolgerungen. Ein Recht auf Repräsentation lässt sich daraus nicht ableiten. Vielmehr hat die politische Praxis der Regierungsverhandlungen das exekutive Primat im Vertragsveränderungsverfahren bestätigt. Im europäischen Primärrecht findet sich keine Basis für die Einrichtung eines Konvents, noch waren die Konventsteilnehmer direkt gewählt. Die Einrichtung basierte einzig auf dem Willen des Europäischen Rates. Da dieser frei ist, Vorbereitungsgremien für IGCs in der Form von Reflexionsgruppen, Weisenräten oder Konventen zu etablieren, kann die Autorisierung des Konvents als formell gegeben angesehen werden. Die Verankerung des Konvents im Verfassungsvertrag (Art. IV-443, Abs. 2 VVE) ist jedenfalls zu begrüßen, da sie die Legitimität der Körperschaft erhöht. Unabhängigkeit Zwei Aspekte müssen hierbei unterschieden werden: (1) die Unabhängigkeit der IGC an sich und (2) die Unabhängigkeit der individuellen IGC Teilnehmer. Von einer rechtlichen Warte aus, unterliegt die IGC keinerlei Beschränkungen in ihrer Entscheidungsgewalt außerhalb der jeweiligen nationalstaatlichen Ratifikationsverfahren. Die primären Akteure einer IGC, die Vertreter der Staats- und Regierungschefs, hingegen unterliegen sehr wohl einem imperativen Mandat, welches einen engen Handlungsspielraum definiert. Dieser muss gegeben sein und wird oftmals durch die persönlichen Kontakte innerhalb des Verhandlerkreises erleichtert. “More often than not these relationships are based on personal affection and preference, rather than a Member State’s integration policy.” (Gray/Stubbs 2001: 7). Von den Repräsentanten der Mitgliedstaaten über die Treffen der Außenminister zu den Treffen der Staats- und Regierungschefs nimmt der Handlungsspielraum sukzessive zu. Ausweis der exekutiven Dominanz im europäischen Regieren ist die Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs zwar politischen Zwängen unterliegen mögen, grundsätzlich in ihren IGC-Beratungen aber frei sind, Themen zu wählen und Entscheidungen zu treffen. Die Erklärung von Laeken gibt Auskunft über die Aufgaben des Konvents: „die wesentlichen Fragen zu prüfen, welche die künftige Entwicklung der Union aufwirft.“ Die Vielzahl von Fragen, die in der Erklärung aufgezählt werden, kann nicht als striktes Mandat interpretiert werden, sondern muss vielmehr als Leitfaden für die Beratungen des Konvents verstanden werden. Die überwiegende Zahl der Konventsteilnehmer war demnach auch
312
Siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat Helsinki, 10./11. Dezember 1999, Punkt 18.
188
Inklusive Repräsentation im Konvent?
mit einem freien Mandat ausgestattet. Für die EP-Mitglieder im Konvent stellten die Resolutionen und Berichte, die seit dem Vertrag von Nizza verabschiedet worden waren, einen Leitfaden aber kein imperatives Mandat dar. Die gleichzeitige Mitgliedschaft der EP-Konventsteilnehmer im konstitutionellen Ausschuss des EP bedeutete auch ein konstantes Monitoring der Arbeit dieser Gruppe. Zahlreiche Berichte313 des Ausschusses wurden von den EP-Konventsmitgliedern zur Unterstützung erstellt, Plenardebatten im EP abgehalten, und die beiden EP Mitglieder im Präsidium des Konvents erstatteten regelmäßig Bericht. Einen ungeahnten Grad an Unabhängigkeit sowohl von ihren nationalen Parlamenten als auch politischen Parteien genossen die nationalen Parlamentarier im Konvent: sie “had the least clear-cut link to their ‘patron’ institutions for the sheer diversity of parliamentary cultures, political forces involved and procedures employed” (Schönlau 2004a). Die beiden Kommissare waren technisch gesehen der Kommission verantwortlich. Praktisch waren die Divergenzen innerhalb der Kommission (z.B. das Penelope-Projekt von Kommissionspresident Romano Prodi314) nicht zu übersehen. Diese Divergenzen erhöhten zwar die Unabhängigkeit von Michel Barnier und António Vittorino, verringerten gleichzeitig aber auch ihren Einfluss auf die Konventsdebatten. Einzig die Vertreter der Staats- und Regierungschefs waren mit einem limitierten Mandat versehen. Vor allem die Anwesenheit der Außenminister seit Juli 2002315 kann einerseits als Kennzeichen für die zunehmende Bedeutung des Konvents verstanden werden und andererseits war zu erwarten, dass sie in Absprache und Auftrag der Regierungschefs handelten. Deutlich wurde dies u.a. in den gemeinsamen Beiträgen des deutschen und französischen Außenministers316, und dem sog. Schröder-Chirac Papier317, welches trotz Bedenken von Außenminister Fischer im Konvent präsentiert wurde (siehe Norman 2003: 187).
313
314
315
316
317
Z.B. der Lamassoure Bericht zur Kompetenzfrage, der Bourlanges Bericht zur Normenhierarchie, der Napolitano Bericht zur Stellung der Regionen und der Duff Bericht zur Aufnahme der Grundrechtecharta. European Commission, Feasibility Study: Contribution to a Preliminary Draft Constitution in the European Union, 4. Dezember 2002. Siehe http://europa.eu.int/futurum/documents/offtext/const051202_de.pdf (29.12.2004). Deutschland, Frankreich, Griechenland, Slowenien, Lettland entsandten ihre Außenminister in den Konvent. Die spanische Repräsentantin wurde während des Konvents aufgrund einer Regierungsumbildung zur Außenministerin ernannt. Irland entsandte den Minister für Europäische Angelegenheiten. Bei den anderen Konventsteilnehmern stieß v.a. deren “absenteeism and perfunctory appearences” (Norman 2003: 159) auf Kritik. CONV 422/02 zur Verteidigung; CONV 435/02 zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts; CONV 470/02 zu Koordination der Wirtschaftpolitiken. CONV 489/03 zum institutionellen Aufbau der Union.
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
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Stimmenegalität Der Entscheidungsprozess einer IGC funktioniert nach dem Prinzip “one state one vote”, d.h. die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten besitzen dasselbe Stimmgewicht und können damit jede unliebsame Entscheidung mit einem Veto blockieren. Von einem praktisch-politischen, nicht aber rechtlichen Standpunkt318 treten EU-Verträge erst nach Ratifikation durch die nationalen Parlamente in Kraft. Bezogen auf die Unterscheidung von autoritativer und konsultativer Repräsentation heißt dies, dass nur nationale Regierungen und ihre Parlamente autoritative Repräsentanten sind. Zudem haben nationale Regierungen das Recht, die konsultativen Repräsentanten zu bestimmen. So sind beispielsweise die Europäische Kommission und das EP in Regierungsverhandlungen zwar präsent und aufgrund ihrer Nennung in Art. 48 EUV auch bis zu einem gewissen Grad autorisiert, ihre Stellung aber ist eindeutig die konsultativer Repräsentanten. Die Kombination von Präsenz und Autorisierung ohne Stimmrecht zeigt, dass autoritative Repräsentanten zwar geneigt sein mögen, die Rolle der supranationalen Organe (ist gleich konsultative Repräsentanten) zu erhöhen. Gleichzeitig wird ihnen eine wirkliche Mitgestaltung durch das Nichtvorhandensein des Stimmrechts aber genommen. Entscheidungen wurden im Konvent mittels Konsensprinzip erreicht.319 Bereits in seiner Eröffnungsrede vermittelte Valéry Giscard d’Estaing, dass der Konvent keine repräsentative Körperschaft sei, dies wäre vielmehr das Charakteristikum von Parlamenten. Da den Vollmitgliedern per definitionem aber das Recht zukam, einen Konsens zu verhindern, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedliche Stimmgewalt. In Bezug auf Präsenz und Autorisierung kamen den Konventsvertretern aus den damaligen Beitrittsländer dieselben Rechte zu. Einen möglichen Konsens konnten sie jedoch nicht verhindern. Ihre formale Position lässt sich daher eindeutig als konsultative Repräsentanten beschreiben. Dies trifft ebenso auf die Beiträge aus der Zivilgesellschaft zu. Formal waren die Vollmitglieder des Konvents gleichberechtigt, de facto war aber von Beginn an klar, dass es durchaus Differenzierungen gab. Im Gegensatz zum Konvent zur Charta der Grundrechte wurden die Vorsitzenden nicht vom Konvent selbst bestimmt, sondern in der Erklärung von Laeken durch die Staats und Regierungschefs eingesetzt. Valéry Giscard d’Estaing, Guliano Amato und Jean-Luc Deheane spielten im Konvent eine entscheidende Rolle, legitimiert nur durch die Erklärung von Laeken. Die Vertreter der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten befanden sich 318
319
Nationale Verfassungen können die Ratifikation von EU Verträgen auch ohne parlamentarische Zustimmung erlauben. Koen Lenaerts und Marlies Desomer (2002: 1229) konnten aufzeigen, dass das britische konstitutionelle Recht der Regierung gestatten, EU-Verträge ohne der Zustimmung des Unterhauses zu ratifizieren. Im Präsidium des Konvents wurde allerdings abgestimmt, so z.B. am 23. April 2003.
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Inklusive Repräsentation im Konvent?
ebenfalls in einer privilegierten Position, da sie durchaus, wie bereits erwähnt, Vetopositionen artikulieren konnten. Und drittens ist schließlich auf die unterschiedliche Erfahrung auf der europäischen Bühne hinzuweisen. Beispielsweise waren sieben der 16 EP-Mitglieder im Konvent bereits im Grundrechtekonvent vertreten und 10 waren zur selben Zeit Mitglieder des EP-Ausschusses für konstitutionelle Fragen. Dieser Erfahrungsvorsprung sowie die ungleichen Möglichkeiten auf Ressourcen vor Ort zugreifen zu können, trugen zum unterschiedlichen Einfluss auf die Deliberation bei. (Schönlau 2004a). Responsivität Intergouvernementale Regierungskonferenzen sind eine “arena for diplomatic negotiations between member states in which each party sought legitimately to maximise its gains without regard for the overall picture” (Giscard d’Estaing 2002: 14). Wie bereits erwähnt, werden IGCs durch die Mitgliedstaaten dominiert und erlauben supranationalen Institutionen nur eine marginale Rolle, ganz zu schweigen von der Involvierung der Zivilgesellschaft. Es ist wenig überraschend, dass in der Mehrzahl der Fälle “bargaining trumps arguing” (Reh/Wessels2002: 26).320 Die responsive Qualität der Verhandlungen wird zudem durch die Nicht-Öffentlichkeit der Verhandlungen reduziert. Weder sind Beobachter zugelassen noch sind die relevanten Verhandlungsdokumente einsehbar. Differenziert man den Begriff der Responsivität, wie weiter oben erfolgt, so bleibt alleine die symbolische Responsivität von Regierungsverhandlungen über. Staats- und Regierungschefs, die sich in der nationalen Politikarena mit den Ergebnissen von IGCs brüsten, gehören zum gewohnten Bild. Allerdings wird nicht der (möglicherweise) gemeinsame Erfolg transportiert, sondern lediglich die Vorteile für das eigene Land betont. Der Konvent ermöglichte ein neues Ausmaß an Responsivität durch die Inklusion einer breiten Palette von Vertretern. Möglichkeiten zum öffentlichen Meinungsaustausch zwischen den Konventsteilnehmern waren vorhanden. So zeigt eine Studie (Matl 2003) der Konventsanträge, dass sich die unterschiedlichen Positionen annäherten. Ein Grund dafür ist darin zu suchen, dass die Mitglieder des Konvents ihre Beiträge nicht als Proklamationen, sondern als Arbeitsgrundlage für weitere Beratungen verstanden wissen wollten (Göler 2003: 27). Entscheidender ist allerdings die Responsivität gegenüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Drei Ebenen können
320
Zur Differenz von “bargaining and arguing” siehe Thomas Risse (2000). Auch Erik Eriksen (2000: 60) stellt fest: “The problem of bargaining and voting procedures is that they encourage a process of give and take, pork barrelling, log-rolling etc. that does not change opinions, necessitates learning or enlargement or refinement of perspectives […]. Arguing, in comparison then is marked by a change of views, by the way the discussion helps to mould preferences and to move standpoints.”
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
191
dabei unterschieden werden: (1) Die Ebene der Massenmedien als der übliche Weg politische Botschaften (in beiden Richtungen) zu vermitteln. Eine Untersuchung der schriftlichen Beiträge zum Konstitutionalisierungsprozess in Qualitätszeitungen zeigte eine gewisse Europäisierung der Printmedien und ihrer Berichterstattung an (Maurer 2003e). (2) Das vom Konvent eingerichtete Forum eröffnete der Zivilgesellschaft zumindest eine Möglichkeit der Beteiligung. Ohne die Errungenschaften des Forums abzuwerten, bleibt aber der Eindruck bestehen, dass der Einfluss auf die Deliberation im Konvent sehr gering war. (3) Die direkte Kommunikation der Konventsteilnehmer mit den Bürgern und Bürgerinnen. Manche Konventsteilnehmer richteten eigene Websites zur Information und zum Gedankenaustausch mit den europäischen Bürgern ein. Erstaunlich ist aber die Anzahl der öffentlichen Diskussions- und Informationsveranstaltungen: Einer Studie von Andreas Maurer (2003a) zufolge nahm jedes Konventsmitglied durchschnittlich an vier Online-Chats teil und erreichte damit 270 Bürgerinnen und Bürger bis März 2003. Zusätzlich absolvierte jedes Konventsmitglied monatlich durchschnittlich 16 öffentliche Veranstaltungen zum Konvent. Gemeinsam mit der prinzipiellen Öffentlichkeit der Plenartagungen, der Dokumentenzugänglichkeit via Internet ist der Fortschritt an Responsivität und Öffentlichkeit gegenüber Regierungskonferenzen beachtlich. Wermutstropfen ist die Arbeit des Präsidiums, die hinter verschlossenen Türen stattfand. Vor allem in der hektischen Endphase des Konvents erinnerte die Arbeit des Präsidiums frappant an Regierungskonferenzen. Es muss aber daran erinnert werden, dass die grundsätzlich erhöhte Möglichkeit zur Responsivität nicht schon ein Mehr an Responsivität bedeutet. Zwei Flash-Eurobarometerumfragen321 brachten ernüchternde Ergebnisse: 55 Prozent der Befragten war der Konvent gänzlich unbekannt und nur 30 Prozent waren mit der Arbeit des Konvents zufrieden. Die zweite Umfrage, durchgeführt ein halbes Jahr später im Jänner 2004, brachte kaum eine Verbesserung: nur 25% der EU-25 Bürger fühlten sich gut informiert über die Arbeit des Konvents.322 Mit anderen Worten: der Konvent mag zwar die Chance auf Responsivität und die Transparenz erhöht haben, ein wirklicher Durchbruch zu einer Verbindung seiner Beratungen mit öffentlicher Aufmerksamkeit, Präferenzen und Legitimität scheint nicht gelungen zu sein: “The Convention has so far not resolved the essential issue of the connection between its outcome and the will of the people” (Closa 2004: 204). Der Hiatus zwischen deliberierender und entscheidender Körperschaft bleibt ein demokratischer Anachronismus. Ver-
321
322
Eurobarometer, Flash EB 142 “Convention on the Future of Europe” (23.06.2003– 1.07.2003), http://europa.eu.int/futurum/documents/other/oth250703_en.pdf (30.12.2004). Eurobarometer, Flash EB 159 “The Future European Constitution” (Jänner 2004– Feber 2004), http://europa.eu.int/comm/public_opinion/flash/fl159_fut_const.pdf (30.12.2004).
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Inklusive Repräsentation im Konvent?
deutlicht wurde dies durch die auf den Konvent folgende Regierungskonferenz. Obwohl die Vertreter der Mitgliedstaaten am 13. Juni 2003 ihre Unterschrift unter die letzte Version der Verfassungsvertrags gesetzt hatten, wollte die IGC etliche sensible Materien erneut verhandeln. Die Frage des Gottesbezugs in der Präambel, die Intensivierung der makroökonomischen Koordination, verteidigungspolitische Agenden, die Modalitäten für die Einbeziehung der Grundrechtecharta und etliche Themen aus dem Bereich Justiz und Inneres bildeten die inhaltlichen Schwerpunkte. Die Liste der institutionellen Fragen blieb seit den so genannten „Maastricht Left-overs“ unverändert: die Zusammensetzung der Kommission, die Stimmgewichtung im Rat, die Präsidentschaft des Europäischen Rates sowie des Rates der EU, die Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen sowie schließlich die Rolle des europäischen Außenministers und die Entscheidungsprozeduren in der GASP und ESVP. Die Entscheidung Valéry Giscard d’Estaings keine Arbeitsgruppe zu institutionellen Fragen einzurichten, war nicht nur einer gewissen Furcht vor dem Aufbrechen von unüberbrückbaren Gegensätzen geschuldet, sondern auch Ausdruck einer Selbstlimitierung des Konvents. Die dem Konvent folgende IGC betrachtete es von Anfang an als ihr Recht, das Dokument des Konvents als Entwurf zu behandeln und Veränderungen anzustellen. Große Teile des Konventsentwurfs blieben davon allerdings unberührt, nur ca. 10–15% wurden verändert. Der Erfolg des Konvents lässt sich auch an der Form der ihm folgenden IGC ablesen: Treffen fanden lediglich auf der Ebene der Außenminister und des Europäischen Rates statt, Arbeitsgruppen wurden nicht eingerichtet. Nach der eher erfolglosen italienischen Ratspräsidentschaft blieb es dem irischen Premier Bertie Ahearn überlassen, einen für alle Seiten annehmbaren Kompromissvorschlag zu verhandeln. Dies gelang nach drei Treffen der Außenminister (17./18. und 24. Mai, 14. Juni) auf dem europäischen Gipfel vom 18. Juni 2004. Gegenüber Regierungskonferenzen umfasste der Konvent ein wesentlich breiteres Spektrum an Identitäten und Interessen.323 Zwar war der Konvent nicht wie IGCs durch das Primärrecht autorisiert aber die Tatsache, dass es sich dabei um ein vorbereitendes Gremium handelte, lässt die Form der Autorisation durch die Erklärung des Europäischen Rates als genügend erscheinen. Der Konvent als auch seine Teilnehmer unterlag keinem imperativen Mandat und konnte seine Agenda weitestgehend selbst bestimmen. Hinsichtlich der Stimmenegalität sind jedoch gravierende Unterschiede zwischen Vollmitgliedern, Beobachtern und der Zivilgesellschaft festzustellen. Angesichts der Ausweitung des Teilnehmerkreises, der Transparenz der Diskussion (mit Ausnahme des Präsidiums) und des Dokumentzuganges kann der Konvent eine erheblich höhere Repräsentationsqualität ausweisen als Regierungskonferenzen. Die folgende Tabelle veranschaulicht dies: 323
Zur Rolle organisierter Interessen im Konvent siehe Nieves Pérez-Solórzano Borragán (2004).
Von parlamentarischer zu inklusiver Repräsentation?
Dimension der Repräsentation Präsenz Autorisation Unabängigkeit Stimmenegalität Responsivität
193
IGC
Konvent
– +
+ +
– +
+ +
–
+
Ein Blick in den noch zu ratifizierenden Verfassungsvertrag zeigt die Etablierung des Prinzips der repräsentativen Demokratie (I-46 VVE) und der partizipativen Demokratie (I-47 VVE) in Titel VI Das Demokratische Leben der Union. Eröffnet wird der Titel durch den Grundsatz der demokratischen Gleichheit, der ein Novum in den Gemeinschaftsverträgen darstellt: „Die Union achtet in ihrem gesamten Handeln den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit der seitens der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zuteil wird.“ In Artikel I-46 VVE Absatz eins wird festgelegt: „Die Arbeitsweise der Union beruht auf der repräsentativen Demokratie.“ In Absatz zwei wird erläutert und die beiden grundsätzlichen Repräsentationsebenen definiert: „Die Bürgerinnen und Bürger sind auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten.“324 Und weiters: „Die Mitgliedstaaten werden im Europäischen Rat von ihrem jeweiligen Staats- oder Regierungschef und im Rat von ihrer jeweiligen Regierung vertreten, die ihrerseits in demokratischer Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament oder gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen müssen.“ Explizit werden in Absatz vier die politischen Parteien als wichtiger Faktor bei der Ausbildung eines europäischen Bewusstseins genannt – ein Absatz, der weitgehend auf Art. 191 EGV beruht.325 Interessant ist, dass offensichtlich von den Konventsteilnehmern die Notwendigkeit empfunden wurde, dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie den der partizipativen beizustellen. Artikel I-47 VVE regelt das Verhältnis zwischen den Organen der Union und „den repräsentativen Verbänden“. Absatz zwei fügt diesen Verbänden auch noch die Zivilgesellschaft hinzu. Es ist Aufgabe der Kommission „umfangreiche Anhörungen der Betroffenen“ durchzuführen, um die „Kohärenz und Transparenz des Handels der Union zu gewährleisten und einen öffentlichen Austausch der Ansichten zu gewährleisten. Die Gemeinsamkeiten mit dem Weißbuch Europäisches Regieren der Kommission sind nicht zu übersehen. Völlig neu eingeführt wird durch den VVE die Möglichkeit einer Bürgerinitiative: „Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens 324
325
Sowohl im englischen, französischen, spanischen und italienischen findet sich anstelle des deutschen ‚vertreten‘ das Verb represent, representer, representado und rappresentare. Sehr anschaulich spricht die niederländische Version von ‚vertegenwoordigd‘. Siehe dazu auch Art. 12 Abs. 2 der Grundrechtecharta.
194
Inklusive Repräsentation im Konvent?
eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen.“ Die spezifischen Bedingungen werden durch ein Europäisches Gesetz festgelegt werden müssen. Der Absatz zur Bürgerinitiative war einer der letzten angenommenen Abänderungsanträge vor dem 13. Juni. Art. I-48 anerkennt die Bedeutung der Sozialpartner – ein Artikel der im ursprünglichen Präsidiumsentwurf nicht vorgesehen war und deswegen heftige Reaktionen von Emilio Gabaglio, Generalsekretär von ETUC hervorrief (Norman 2003: 214).326 Art. I-49 benennt den Europäischen Bürgerbeauftragten und dessen Kompetenzen wobei Teile des Art. 195 Abs.1 EGV übernommen wurden. Art. I-50 regelt den Zugang zu Dokumenten (beruhend auf Art. 255 EGV) und die Transparenz der Arbeit der Organe und basiert auf Art. 1 EUV. Die abschließenden beiden Artikel normieren den Schutz personenbezogener Daten (Art. I-51 VVE) und den Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften (Art. I-52 VVE327). Zwar lassen Art. I-46 und I-47 das klare Bekenntnis zur Involvierung der BürerInnen erkennen, “but they are not unambiguously reflective of the notion of citizens as selflegislative” (Fossum 2004: 238). Die beiden vorangehenden Kapitel hatten zum Ziel einerseits die parlamentarische Entwicklung in der Union aufzuzeigen und andererseits in der Gegenüberstellung bisheriger Verfassungsentwürfe durch das EP und des Konvents eine Veränderung des Repräsentationsverständnisses aufzuzeigen. Über weite Strecken liest sich der Kampf des EP um mehr Anerkennung und Rechte wie eine Wiederholung der Geschichte des Parlamentarismus. Beanspruchte das EP bis mindestes 1994 (Herman Entwurf) konstitutionelle Versammlung zu sein, da es alleine auf einem direkten Mandat basierend das Recht der Repräsentation der europäischen Bürgerinnen und Bürger besitze, so zeigt der Konstitutionalisierungsprozess der letzten Dekade eine stärkere Inklusion anderer Akteure. Welche Akteure mit welchem Repräsentationsverständnis auf supranationaler Ebene tätig sind, ist die Frage für das folgende Kapitel.
326
327
Insgesamt gab es zu Titel VI 235 Abänderungsanträge. Siehe CONV 670/03. 19 Mitglieder des Konvents plädierten für die gänzliche Streichung des Titel VI, da “Title VI is an inadequate advertisment of the Union’s true democratic underpinnings. It reads like an apology. It is principally a compilation of loosely connected declarations withou operative effect. Consequently, it diminishes the visibility and impact of the true democratic principles and legal bases of the Union’s decisionmaking institutions.” Siehe http://european-convention.eu.int/Docs/Treaty/pdf/ 600/global600.pdf (1.1.2005). Siehe dazu die dem Vertrag von Amsterdam beigefügte Erklärung Nr. 11 über den Status der Kirchen.
VII. Politische Repräsentation in der Europäischen Union [D]espite the conceptual inventiveness of scholars and practitioners alike, the transnational entity remains in limbo between a system of democratic governments and a democratic system of government. Dimitris Chryssochoou 1996
[I]n practice delegation might be so extensive as to move a political system beyond the democratic threshold. I believe this is very likely to be true with international organisations, including the European Union. Robert Dahl 1999
Aus der Sicht Renaud Dehousse’s (2003: 139) ist das Modell der repräsentativen Demokratie “analytically weak and ill-adapted to the specificity of the European Union.” Die Besonderheit Europas wird negativ definiert, d.h. wir postulieren den Nationalstaat als funktionierende Polity – als Norm – und markieren die Abweichungen der transnationalen Ebene. Das Ergebnis ist ein eindrucksvoller Katalog von potentiellen Defiziten europäischen Regierens: (1) Die EU ist ein variables System hybrider Netzwerke, das auf verschiedenen Ebenen mit verschiedenen Akteuren mit divergierenden Interessen operiert. Politische Kontrolle wird durch diesen Zustand erschwert. (2) Es gibt keine kollektive europäische Identität, die Loyalität der Bürger ist primär auf den Nationalstaat gerichtet. (3) Die Entstehung einer paneuropäischen politischen Diskussion wird durch die Absenz einer lingua franca verhindert. (4) Anstelle eines Demos ist Europa durch die Pluralität von Demoi charakterisiert, daher ist ein majoritäres System der politischen Dezision äußerst schwierig zu entwickeln. (5) Die Legitimität der supranationalen Institutionen basiert nicht auf Wahlen, da Wahlen zum EP mit nationalen Plattformen und Themen geführt werden. Das Ergebnis der Wahlen hat keinen Einfluss auf die Zusammensetzung einer Exekutive. (6) Der Entscheidungsprozess ist obskur, intransparent und abgehoben (Dehousse 2003: 137ff.; siehe dazu auch Majone 2000). Angesichts dieser Besonderheiten des europäischen politischen Systems plädieren einige Autoren für “substitute democratic legitimation” (Héritier 1999; Gerstenberg/Sabel 2002; Joerges/Neyer 2001). Demokratie auf supranationaler Ebene ist dann eine Folge der demokratischen Systeme der Mitgliedstaaten. Ohne Zweifel ist in einem semi-föderalen System wie der EU die demokratische Qualität der konstitu-
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Politische Repräsentation in der Europäischen Union
ierenden Einheiten, d.h. der Mitgliedstaaten, notwendige Voraussetzung für supranationale Demokratie. Aber dies kann nicht bedeuten, dass supranationale Demokratie sich im Umsetzen der auf europäischer Ebene oligarchisch/aristokratisch beschlossenen Entscheidungen beschränkt. Eine solche Betrachtungsweise würde eine Besonderheit europäischen Regierens negieren: die Verschränkung von nationaler und supranationaler Ebene. Und sie würde eine Trennung von deliberierenden und entscheidenden Körperschaften nach sich ziehen. Die Exekutiven entscheiden fernab ihrer nationalen Parlamentsmehrheiten, während das EP in seiner entscheidenden Rolle obsolet würde. Zwar mag dies eine unrichtige aber weit verbreitete Beschreibung des derzeitigen Zustands sein, ein Argument gegen die repräsentative Demokratie auf europäischer Ebene ist es jedoch nicht. Wo politische Macht ausgeübt wird, ist repräsentative Demokratie normativ wünschenswert, da sie als einzige Herrschaftsform die Egalität und Individualität der Bürger berücksichtigt und sie vom Zwang zur Politik befreit. Demokratische Repräsentation und Kontrolle bedeuten, dass die von einer Entscheidung Betroffenen durch ihre Repräsentanten am Entscheidungsprozess teilnehmen. Sie sind also nicht lediglich ex post Instrumente, welche sich auf die Beurteilung der Leistung eines exekutiven Systems beschränken328, sondern sie stehen für das ständige Einbringen von Wünschen, Ideen, Meinungen, Interessen etc. in den politischen Willensbildungsprozess. Repräsentative Demokratie organisiert diesen Prozess der Herrschaftsausübung und verhindert die Verselbstständigung exekutiver Macht. Die direkte Demokratie bleibt demgegenüber immer auf punktuelle Eingaben beschränkt und rechnet geradezu mit der Abkoppelung des politisch-exekutiven Systems. Es ist der dauerhafte Druck der repräsentativen Demokratie, der einen wirksamen Schutz gegen diese Abkoppelung bietet. Nun liegt es allerdings in der Natur exekutiver Systeme, Mechanismen gegen diesen dauerhaften Druck zu installieren. Im Zeitalter der Parteiendemokratien bietet die Parlamentsmehrheit einen Cordon für die Regierung, bzw. werden nur mehr Eingaben aus dem eigenen ideologisch-politischen Spektrum zugelassen. Institutionelle Möglichkeiten zur direkten Eingabe (Referenden, Bürgerbauftrage, Ombudsmann, Volksanwalt etc.) sind zu begrüßen, können dafür aber kein Korrektiv bieten. Auf europäischer Ebene haben die eigenartige Schwäche der politischen Parteien und das Fehlen einer zentralen Exekutive zu einer seltsamen Form des Regierens geführt. Wir sind mit einem Parlament konfrontiert, dessen formale Schwäche mit seiner deliberativen Qualität negativ korreliert. Debatten im EP sowie in seinen Ausschüssen sowie Berichte und Dokumente geben Zeugnis von einem weitgehend funktionierenden Parlamentarismus im Sinne des öffentlichen Austausches von Argumenten. In Anlehnung an Anthony King (1976) ist allerdings von einem “three body image” zu sprechen. Nicht Par328
Wie problematisch die Kontrolle aufgrund von Informations- und Ressourcendefiziten ist, wurde bereits im ersten Teil angesprochen.
Politische Repräsentation in der Europäischen Union
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lament und Regierung stehen sich auf supranationaler Ebene gegenüber, sondern Parlament, Rat der EU/Europäischer Rat und Kommission. Insbesondere Parlament und Kommission sehen sich einem konstanten Druck von nationaler Seite und vielfältigen Lobbyinteressen ausgesetzt. Und alle drei Organe betrachten einander mit Argusaugen und praktizieren damit ein System der ‘checks and balances’. Damit einher geht eine “multiplication of control mechanisms” (Costa et al. 2003): Rechnungshof, EUGH, Gerichtshof Erster Instanz, Ombudsmann, Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung und ad-hoc Ausschüsse unabhängiger Experten (Lequesne/Rivaud 2003). Mit dieser Ausweitung der ex-post Kontrolle wird erfüllt, was Jane Mansbridge (2005) “tightening the reigns” nennt, eine Repräsentation im Sinne eine In-puts ist damit noch nicht gegeben. Im Folgenden sollen nun die Rolle der einzelnen Organe im Repräsentativsystem und die Modi der Repräsentation der Union untersucht werden, indem die Fragen Was, Wer und Wie wird repräsentiert?, analysiert werden. Schlussendlich ist auch die Frage zu stellen, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Modi stehen und welche Funktionen sie erfüllen. Grundannahme ist, dass wir auf europäischer Ebene mit einem System kollidierender Repräsentationsmodi konfrontiert sind: parlamentarische versus bürokratisch-exekutive Repräsentation versus Repräsentation durch Interessengruppen und Lobbies basierend auf territorialer und funktionaler Selektion.
VII.1. Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen Die herkömmliche Interpretation sieht die Interessen der Unionsbürger durch das EP und die Interessen der Mitgliedstaaten durch den Ministerrat repräsentiert. Im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten durch ihre Regierungen im Rat der Union (Art. 203), die Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossen Staaten (Art. 189) durch ihre Vertreter im Europäischen Parlament, das allgemeine Wohl der Gemeinschaft (Art. 213) durch die Kommission, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften (Art. 263) durch den Ausschuss der Regionen und schließlich die verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Bereiche der organisierten Zivilgesellschaft (Art. 257) durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss repräsentiert werden. Das allgemeine europäische Interesse – das Allgemeinwohl – zu repräsentieren, obliegt der Europäischen Kommission aber auch dem in den letzten Jahren immer wichtiger gewordenen Europäischen Rat. Diese institutionelle Repräsentationstrias entbehrt nicht einer gewissen Attraktivität, gründet allerdings kaum in der praktischen Politik. Zum einen ist auf die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen den Objekten der Repräsentation hinzuweisen. Bereits im ersten Teil wurde ausgeführt, dass das
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Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen
Konzept von den „Interessen der Bürger“ an gewisse Grenzen stößt. Sind die Interessen der Mehrheit gemeint? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang? Wenn Repräsentation mehr als Delegation ist, dann können die Interessen zudem lediglich einen Leitfaden oder ein Korsett für die Handlungen der Repräsentanten sein. Gänzlich unbestimmt erscheint das Interesse der Staaten wird es als von den Interessen der Bürger substantiell unterschiedlich verstanden.329 Die Verdinglichung und Subjektivierung einer Organisationsform mag dem Völkerrecht entstammen, hilft allerdings kaum in der Bestimmung der Interessen. Die z.B. Beschränkung des Transits durch das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates kann von den politischen Parteien zwar als Staatsinteresse interpretiert werden, dieses Staatsinteresse ist aber nichts anderes als die Kondensierung des mehrheitlichen Bürgerwillens. Zudem ist anzumerken, dass Staatsinteressen oftmals nichts anderes sind als die Verbrämung handfester Machtinteressen politischer Eliten. Aufgrund des mangelnden Organisationsgrades und damit auch der Ressourcen ist es berechtigt, im Falle von individuellen Interessen von diffusen Interessen zu sprechen. Diesen stehen spezifische Interessen von Firmen, Organisationen und Institutionen gegenüber. Welche Organe übernehmen nun die Repräsentation von diffusen und spezifischen Interessen und wie erfolgt sie?
VII.1.1. Das Europäische Parlament Als einzig direkt gewähltes Organ der Union repräsentiert das EP die Völker der Mitgliedstaaten (Art. 189 EGV). Mit der seit 1979 erfolgenden Direktwahl der Parlamentarier ist ein wichtiger Schritt der Europäisierung nationaler Politik gelungen: nicht Diplomaten sondern gewählte Repräsentanten sollen die Anliegen ihrer Wähler vertreten. Europäische Politik wurde damit parlamentarisiert, Europa war keine ausschließliche Angelegenheit der Außenpolitik, sondern Teil der Innenpolitik geworden. Diese Repräsentation hat freilich wenig mit Gleichheit zwischen den Bürgern zu tun. 1974 auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates wurde festgelegt, dass eine „angemessene Vertretung der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten gewährleistet sein“ muss (Art. 190 Abs. 2 EGV). Es ist weidlich bekannt, dass ein deutscher Europaabgeordneter ca. 820.000 Bürger repräsentiert, während sein maltesischer Kollege nur ca. 80.000 Bürger, ein lu329
Zudem würde es einer Grundbedingung der Aufnahme in die EU widersprechen: „Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie“ (Art. 6 Abs. 1 EUV). Staatsinteressen und Bürgerinteressen dürfen sich in einer Demokratie nicht widersprechen. Zwar kann das langfristige Interesse (z.B. Pensionssicherung via Generationenvertrag, Umweltschutz versus kostengünstige Produktion etc.) durchaus den Wünschen der Bürgerschaft gegenüberstehen, dies ist aber dauerhaft in einer Demokratie unmöglich.
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xemburgischer Abgeordneter zum EP ca. 71.500 repräsentiert.330 Folgerichtig wurde das Kriterium der Gleichheit vielfach kritisiert.331 Wurde ursprünglich unter dem Grundsatz der Gleichheit verstanden, dass das Stimmgewicht unabhängig von Besitz, Einkommen, Steuerleistung, Bildung, Religion, politischer Affiliation oder Geschlecht ausgeübt werden kann, – d.h. jeder Stimme der gleiche Zählwert zukommt – so wird heute der gleiche Erfolgswert ins Zentrum gestellt. Gleicher Erfolgswert bedeutet, dass jede abgegebene Stimme in demselben Maß bei der Umwandlung von Stimmen in Sitze Berücksichtigung findet. Gleicher Zählwert bedeutet, dass jeder Wähler die gleiche Stimmenanzahl hat. Gemäß dem Grundsatz des gleichen Erfolgswerts muss ein etwa gleiches Verhältnis von Wählern zur Zahl der zu wählenden Abgeordneten in Relation zum nationalen Größenverhältnis garantiert sein (vgl. Nohlen 1995: 845ff.). Wahlen zum EP erfüllen diese Anforderung nicht, da der gleiche Erfolgswert nicht gewährleistet wird. Die jedem Mitgliedstaat zur Verfügung stehenden Kontingente an Abgeordnetensitzen stehen nicht in ausschließlicher Relation zu den jeweiligen Bevölkerungszahlen, sondern sind Ausdruck politischer Kompromisse. Eine Rechtfertigungsstrategie für das bestehende Missverhältnis, die dem EP lediglich eine ergänzende Legitimationsfunktion zugesteht, liegt im Verweis auf Artikel 189 E-GV: „Das Europäische Parlament besteht aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten;“ und nicht aus den Vertretern der Einwohner der Mitgliedstaaten. In diesem Fall kann ein national geprägtes Verständnis des Gleichheitssatzes nicht als Maßstab dienen. Weiters enthält der EGV nicht den Gleichheitsgrundsatz als Wahlrechtsgrundsatz, sondern bleibt notorisch unpräzise. Kleinere Staaten müssen auch in die Lage versetzt werden, in ihrer politischen Vielfalt vertreten zu sein. Sie werden daher in der Vergabe der Abgeordnetensitze bevorzugt behandelt. Eine andere Argumentationsschiene betont, dass die ungleiche Sitzverteilung akzeptabel sei, da es sich nicht um ein gezielt ungleiches Wahlrecht handelt, um einer Klasse, einem Stand etc. ihre Position zu garantieren (Bieber 1995: 326). Auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments wird zur Rechtfertigung der Degression des Erfolgswertes herangezogen (Grabitz et al. 1988: 394; Misch 1996). Die Anzahl der Abgeordneten würde bei einer proportionalen Vertretung eine Größe erreichen, die ein funktionierendes Parlament schon arbeits- und organisationstechnisch verunmöglichen würde. Die geradezu klassisch zu nennende Verteidigung der disproportionalen Vertretung findet sich bei den Anhängern der bikephalen Natur der Union: das Spannungsverhältnis zwischen föderalem und demokratischem Prinzip erfordert eine nationalstaatlichen Prinzipien nicht vergleichbare „Gleichheit unter Ungleichen“ (Kielmannsegg 1996: 68; vgl. dazu auch: Gusy 1998: 269; Höreth 1999: 45). Das föderale Prinzip der Staatenrepräsentation ist dem 330 331
Siehe zu den Zahlen auch Andreas Føllesdal (1998: 234). Siehe zum Folgenden Anne Peters (2001: 666).
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Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen
demokratischen Prinzip der individuellen Repräsentation übergeordnet. „Auf europäischer Ebene müssen das Kernprinzip der Demokratie von der Gleichheit zwischen den Unionsbürgern (Wahlrechtsgleichheit) und das völkerrechtliche Prinzip der Staatengleichheit und ihren jeweiligen Staatsvölkern zu praktischer Konkordanz gebracht werden.“ (Höreth 1999: 189). Da im EP nicht ein europäischer Demos, sondern die Völker der Mitgliedstaaten vertreten sind, ist die Überrepräsentation der kleinen Mitgliedstaaten konsequent. Direkte Folge dieses Verständnisses ist eine Überbetonung des territorialen Selektionsmechanismus, denn auch die direkte Wahl der EP Mitglieder hat nicht die Repräsentation der civitas Europae als Grund und Ursache, sondern ist ebenso mitgliedstaatlich bestimmt wie der Ministerrat. Eine annähernde Machtbalance zwischen den Staaten scheint wichtiger denn die angemessene proportionale Repräsentation der Unionsbürger. Es ist Anne Peters (2001: 669) zuzustimmen, dass „im jetzigen Parlament […] der territoriale Aspekt nichts zu suchen hat“ denn dieser findet sich im Rat der EU. Will man dem föderalistischen und dem demokratischen Prinzip allerdings Genüge tun, so wäre eine Weiterentwicklung zu einem bikameralen System letztlich die einzige Lösung – so auch schon die Schlussfolgerung des Spinelli-Entwurfs 1984. Eine Vergrößerung der Anzahl der Parlamentssitze muss dann aber in Kauf genommen werden.332 Ein Grund für das Potential des EP, europäische Bürgerinteressen und nicht nationale Interessen zu vertreten, liegt an der Stellung der Fraktionen im EP. Die Geschäftsordnung des EP (16. Auflage vom Juli 2004) legt fest, dass es zur Bildung einer Fraktion mindestens 19 Mitglieder bedarf, die mindestens in einem Fünftel der Mitgliedstaaten gewählt wurden. Fraktionen wählen die Amtsträger des Parlaments und bestimmen die Mitglieder der Präsidialkonferenz und der Ausschüsse sowie die Berichterstatter. Generelle Richtlinie der Arbeit des EP ist die Balance der politischen Gruppen in allen Gremien. Ist uns auf nationaler Ebene die Kohärenz politischer Parteien schon beinahe selbstverständlich, so gilt dies für das EP keineswegs. Weder verfügen die Fraktionen über geeignete Druckmittel gegenüber ihren Mitgliedern (z.B. bei Zuwiderhandeln gegen die Parteilinie erfolgt ein Ausschluss von der künftigen Wahlliste) noch kann konformes Verhalten durch die Aussicht auf exekutive Posten belohnt werden. Mit der durch die letzten Vertragsrevisionen erfolgten Aufwertung des Parlaments ist aber auch eine Aufwertung der Position als Berichterstatter in den Ausschüssen einhergegangen. So kann diese Bühne mittlerweile durchaus als Profilierungschance dienen (Benedetto 2005: 67). Wie Simon Hix (1998: 224) anmerkt, ist die steigende Heterogenität der Fraktionen nicht dazu angetan, die Kohärenz zu
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Die Einführung eines strikt proportionalen Systems in dem Luxemburg und Malta jeweils ein Sitz zukäme, Bulgarien und Rumänien Mitglied wären, würde zu einer Zahl von 1.122 EP-Abgeordneten führen.
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stärken. In der Europäischen Volkspartei sind traditionelle Befürworter des Integrationsprojekts ebenso zu finden wie britische EU-Skeptiker. Die Auseinandersetzungen zwischen Binnenmarktgegnern und Befürwortern innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Europas war in den 1980er Jahren äußerst heftig (Corbett et al. 2000: 90). In der Geschäftsordnung des EP rangiert die Forderung nach einer fairen Repräsentation der Fraktion weit über der Repräsentation der Mitgliedstaaten. Nationale Delegationen innerhalb der Fraktionen spielen allerdings bezüglich z.B. der Bestellung der Amtsträger eine Rolle (vgl. Corbett et al. 2000: 87). Artikel 2 der Geschäftsordnung des EP legt fest: „Die Mitglieder des Europäischen Parlaments üben ihr Mandat frei aus. Sie sind weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden.“ Ein nicht unumstrittener Ausweis für dieses freie Mandat ist beispielsweise das Vorhandensein von sog. ‘Intergroups’, fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppen, deren Mitglieder durch das Interesse an einem gemeinsamen Ziel verbunden sind. In der Legislativperiode 2004–2009 bestehen 26 dieser Arbeitsgruppen deren Themen von ‘Ageing’ bis ‘Welfare and Conservation of Animals’ reichen.333 Allerdings umfasst diese Zahl nur die beim Generalsekretariat des EP registrierten Gruppen. Richard Corbett et al. (2000: 165) schätzen die Zahl der informellen Arbeitsgruppen im Zeiraum 1999–2004 auf über 80. Sowohl in Arbeitsweise als auch Organisation unterscheiden sich die Intergroups beträchtlich. Einige erhalten von der Kommission oder spezifischen Interessengruppen Ressourcen (Corbett et al. 2000: 157), andere werden ausschließlich durch die beteiligten Abgeordneten getragen. Intergroups beschränken sich nicht nur auf EPAbgeordnete, es finden sich auch Sozialpartner und Interessenvertreter in ihren Reihen. Ihre Rolle besteht weniger in Beiträgen zur Tagespolitik, sondern im Austausch von politischen Sichtweisen, dem Schmieden von gemeinsamen Standpunkten und der Sichtbarmachung spezifischer Anliegen, die möglicherweise nicht die Aufmerksamkeitsschwelle der politischen Öffentlichkeit überschreiten. Es bestehen durchaus auch kritische Stimmen zu diesen Intergroups, deren Existenz als Konkurrenz für die Arbeit des EP gesehen wird: “The very success of intergroups, however, has meant that they can constitute a rival centre of attention to official parliamentary activities, and in certain circumstances may undercut the latter” (Corbett et al. 2000: 158). Die unkontrollierte Ausbreitung eines solchen ,Schattenparlamentarismus‘ wurde durch eine Aufnahme der Intergroups in die Geschäftsordnung des EP entgegenzuwirken gesucht. „Die Vorsitzenden von Gruppierungen von Mitgliedern, und zwar sowohl von interfraktionellen Arbeitsgruppen als auch anderen inoffiziellen Gruppierungen von Mitgliedern, sind gehalten,
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Die Bekanntesten Intergroups sind wohl der bereits erwähnte ‚Crocodile Club‘ und die ‚Kangaroo’ Intergruppe, die sich dem Binnenmarktprojekt verpflichtet sieht. Siehe dazu http://www.kangaroogroup.org (5.2.2005).
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Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen
jegliche finanzielle oder materielle Unterstützung (z.B. Unterstützung im Sekretariatsbereich) anzugeben“ (Artikel 2, Annex I). Zudem hat die Konferenz der Präsidenten des EP Regeln für die Etablierung von Intergroups ausgegeben und ausdrücklich festgehalten, dass diese nicht im Namen des EP handeln dürfen. Im Jahr 1999 wurden diese Regeln verschärft und ihre Zahl auf 26 beschränkt (Europäisches Parlament 1999) – infomell sind es aber, wie erwähnt, deutlich mehr. Damit die Abgeordneten des EP ihrer Aufgabe der Repräsentation von diffusen Interessen nachkommen können, muss eine Responsivität gegenüber ihren Wählern vorhanden sein. Aufgrund der Anzahl der zu Repräsentierenden können persönliche Kontakte nur eine marginale Rolle spielen, noch dazu wo das EP in Anspruch nimmt oder zumindest als ideale Zielvorstellung vorsieht, das Gemeinwohl der europäischen Bürger zu repräsentieren. Weiterer Grund für die relative Distanz zum Wähler ist das dichte Arbeitsprogramm des Parlaments: eine Woche des Monats ist reserviert für Plenartagungen in Strassburg und die meiste Zeit des restlichen Monats wird in Ausschüssen oder Fraktionstreffen in Brüssel zugebracht. Eine von der ‘European Parliament Research Group’ und der Leitung von Simon Hix im Jahr 2000 durchgeführte Erhebung334 der Einstellungen der Abgeordneten ergibt, dass die Abgeordneten versuchen, zumindest jede Woche einige Zeit mit politischer Arbeit in ihren Mitgliedstaaten zu verbringen: 56% gaben wöchentlich an, 34% meinten, dass ihre Zeit nur eingeschränkte ‚Heimarbeit‘, meist an den Wochenenden erlaubt.335 Der Kontakt mit den Wählern beschränkt sich überwiegend auf “Access via a permanently staffed office of my own” (82.7%). An zweiter Stelle rangiert mit 50.3% “Access via partyran regional or national office”. Regelmäßige Kontakte mit den Wahlbezirken hatten lediglich 31.9% der Befragten.336 Mehr als 86% (N=190) geben an, zumindest einmal in der Woche Kontakt mit Bürgern zu haben. Die übersteigt bei weitem die Anzahl der wöchentlichen Kontakte mit Interessengruppen (57%) und Lobbyisten (44.3%).337 Die praktischen Umstände zwingen den Abgeordneten in eine Rolle als Trustee, die politische Symbolik jedoch verlangt eine Betonung des Delegate-Charakters. Eine Rolle, die auszufüllen aufgrund der mangelnden Sankti334
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Die geringe Antwortrate dieses schriftlichen Surveys hält aber zu einer vorsichtigen Nutzung an. 335 Siehe http://www.lse.ac.uk/collections/EPRG/data.htm#Data_from_EPRG_ Research_Projects (6.2.2005). Sektion VII. Repräsentation, Frage 31: “How much time do you spend on political work in your home country rather than at work at the EP?”. Sektion VII. Repräsentation, Frage 32: “Which of the following forms of contact with individuals voters do you have?”. Sektion VIII. Kontakte, Frage 34: “How frequently are you in contact with the following groups, people or institutions?”.
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onsmöglichkeiten der EP Fraktionen im Vergleich zu nationalstaatlichen Klubzwängen leichter fällt. Von den Befragten gaben über 70% an, dass die Artikulation wichtiger gesellschaftlicher Bedürfnisse und Interessen wichtig bis sehr wichtig in ihrer Arbeit seien.338 Die Repräsentation individueller Interessen und der Bürger wurden nur von 36.1% als wichtig und sehr wichtig angegeben. Als hervorragendste Aufgabe wurden die parlamentarische Kontrolle und die Teilnahme an legislativen Prozessen gewertet. Auf die Frage, welcher Gruppe339 sich die Abgeordneten am meisten verpflichtet fühlen, antworteten 58.7% (N=191) ‘All people in Europe’, 64.4% (N=189) mit ‘All people in my member state’, 61.9% (N=189) mit ‘All the people who voted for my party’, 70.5% (N=180) mit ‘All the people in my constituency’, 59.7% (N=186) mit ‘My national party’, 53.2% (N=186) mit ‘My EP party group’. Die Repräsentation spezifischer gesellschaftlicher Gruppen wurde nur von 33.3% (N=129) mit wichtig bis sehr wichtig beantwortet. Das freie Mandat wird auch durch die Ergebnisse zur Frage des Fraktionszwangs relativiert: auf einer fünfteiligen Skale geben 67.5% (N=188) niemals oder kaum Abstimmungsvorgaben von ihrer nationalen Partei zu bekommen. Allerdings geben mehr als 80% (N=195) an, Empfehlungen von der jeweiligen Fraktionsführung im EP zu bekommen.340 Ob sich diese Empfehlungen allerdings im tatsächlichen Wahlverhalten niederschlagen, darf hinterfragt werden, geben doch mehr als 80% (N=183) der Befragen an, ihrem eigenen Urteil zu folgen.341 Trotz der Dominanz des territorialen Selektionsprinzips ist die Bedeutung des EP in den letzten Jahren konstant gestiegen, ja es kann als Gewinner aller bisherigen Vertragsrevisionen bezeichnet werden. Das bloße Vorhandensein einer auf dem repräsentativen Prinzip beruhenden Körperschaft ist ohne entsprechende politische Macht nichts anderes als ein Feigenblatt undemokratischer Systeme. Unbestritten ist, dass das EP in den ersten Jahren der Integration nicht viel mehr war als ein folgenloser Debatierklub. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Einführung des Kodezisionsverfahrens einen entscheidenden Schritt darstellte. Dieser Schritt basierte jedoch nicht auf einem plötzlich selbstbewusst politische Rechte for-
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Sektion VII. Repräsentation, Frage 29: “When thinking about your work as an MEP, how important are the following aspects of your work?” Zur Beantwortung stand eine fünfteilige Skala mit den Extrempunkten ‘Of little importance’ und ‘Of great importance’ zur Verfügung. N = 198 und 196. Sektion VII. Frage 30: “How important is it to you to represent the following groups of people in the EP?” Sektion IX. Abstimmungsverhalten, Frage 36: “How often do you receive recommendations on which way to vote from the following parties or groups?”. Sektion IX, Frage 38: “In many cases people have different views concerning matters before the EP. On which of the following would you be most inclined to base your decision in such cases?”.
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Die Repräsentation von Interessen, Ideen und Meinungen
dernden EP oder gar einer Revolution, sondern auf dem Willen der Staatsund Regierungschefs: „Das Parlament und die Kommission haben die Macht, die sie besitzen, weil die Staats- und Regierungschefs bestimmten, dass sie sie haben sollten.“ (Ludlow 2005: 10). Die Repräsentation diffuser Interessen auf supranationaler Ebene ist folglich dem Willen der europäischen Exekutiven unterworfen. Ein Zustand der frappant an die Entstehungsgeschichte des Parlamentarismus im 16./17. Jahrhundert erinnert.
VII.1.2. Der Europäische Rat Die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaften sahen ein Lenkungsgremium in der Form des Rates, in dem die Staats- und Regierungschefs Seite an Seite mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission sitzen, nicht vor (siehe zum folgenden Ludlow 1994, 2002, 2005; Wessels 1980; Westlake 1999). Im Jahr 1971 (424) beschrieben Émile Nole und Henri Étienne das System der Gemeinschaft als akephale Struktur: „Da es auf der Grundlage des Dialogs funktioniert, hat das System der Gemeinschaft wenig mit dem Konzept einer Regierung im traditionellen Sinn des Wortes zu tun. Die Gemeinschaft hat keinen einzigen Kopf oder führende Persönlichkeit. Entscheidungen werden kollektiv und erst nach kontroverser Diskussion von Meinungen getroffen.“ Die politische Realität des Zusammenbruchs des Systems von Bretton Woods, die Ölkrisen der 1970er, die Niederlage der Vereinigten Staaten in Vietnam gepaart mit den höheren Ambitionen der Gemeinschaft selbst, machten jedoch deutlich, dass ein solches Leitungsgremium notwendig ist.342 Die Leistungsfähigkeit des Ausschusses der Ständigen Vertreter war mit dem Übergang zu “high politics” an deutliche Grenzen gestoßen. Zum ersten Mal trat der Europäische Rat 1975 in Dublin zusammen, in der Einheitlichen Europäischen Akte fand er erstmals Erwähnung in den Verträgen. Artikel 4 EUV definiert den Europäischen Rat als Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs gemeinsam mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission tagt. Mehrere Reformen trugen zur Effizienzsteigerung der Arbeit des Rates bei, so z.B. die Reformen basierend auf dem ‘Report on European Institutions’ von Barend Bisheuvel, Edmund
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Auf große Zustimmung traf die Entwicklung der intergovernementalen Züge der Gemeinschaft bei den Anhängern des supranationalen Charakters nicht. So begründete der Präsident der Hohen Behörde René Mayer seinen Rücktritt wenige Wochen nach der Unterzeichnung der Römer Verträge mit den Worten: „Ich werde freier sein zu handeln und größeren Einfluss ausüben können als wenn ich in einer Institution verbliebe, die nicht länger supranational organisiert ist.“ (Spierenburg/Poidevin 1993: 493).
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Dell und Robert Marjolin343, die vom Generalsekretär des Ministerrates Niels Ersbøll umgesetzt wurden. Zu nennen sind auch die Reformen von Jürgen Trumpf und Jean-Claude Piris344 sowie der Solana-Bericht.345 Vor allem die Form der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates wurde geändert. Das Versagen der Sherpas anlässlich des Treffens des Europäischen Rates in London im Herbst 1981, die bis dahin der jeweiligen Präsidentschaft bei der Vorbereitung des Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Seite gestanden hatten, machte den Weg für Reformen frei. Von nun an wurden sie von einem kleinen Komitee aus Präsidentschaft, Sekretariat und Kommission vorformuliert. Einer der profundesten Kenner des Europäischen Rates, Peter Ludlow, urteilt: „Die Vorstellung eines Europäischen Rates ohne Schlussfolgerungen war so unmöglich geworden wie eine Papstwahl ohne weißen Rauch.“ (2005: 5). Die Reformen durch Niels Ersbøll sind deshalb so wichtig, da der Europäische Rat von einem Treffen in herrenclubartiger Atmosphäre zu einem Exekutivorgan umgeformt wurde. Instrument dieser exekutiven Gewalt waren und sind die Schlussfolgerungen. Im Zeitraum von 1995 bis 2002 wurden vom Rat Entscheidungen getroffen, die in ihrer Tragweite kaum überschätzt werden können: Währungsunion, Finanzielle Vorausschau 2000–2006 und 2007–2013, Erweiterung, Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, Europäische Verteidigungs-, Innen- und Justizpolitik sowie die Koordination der Wirtschaftspolitik durch den Lissabon-Prozess. Zuvor wurden im Rat die Weichen für die Einführung des Europäischen Währungssystems, der Direktwahlen zum EP und diverser Erweiterungsrunden gestellt. Die Reformen der frühen 1980er Jahre stärkten die potentielle Rolle der beiden führenden Kräfte im Europäischen Rat, der Kommission und der Präsidentschaft, entscheidend. Vor allem Jacques Delors erkannte, dass der Europäische Rat die wichtigste Machtbasis für die Kommission darstellte. Der Europäische Rat kann mit guten Gründen als das „Zentrum der Exekutive“ (Ludlow 2005: 9) der Union bezeichnet werden.346 Und Martin Westlake (1999: 23) stellt fest, dass “it is no exaggeration to say that, since 1975, most of the major political decisions of the European Community have 343
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Der Bericht wurde 1979 vom Ministerrat veröffentlicht. Siehe http://aei.pitt.edu/archive/00000999 (24.1.2005). Vgl. die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Helsinki, 10./11. Dezember 1999, Annex III ‘An effective Council’. Vgl. die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona, 15./16. März 2002, Annex II ‘Preparing the Council for Enlargement’. Valéry Giscard d’Estaing wollte in seinem Entwurf einer Verfassung für die EU den Europäischen Rat als „höchste Autorität der Union“ bezeichnet wissen und eine Umkehrung der Reihenfolge, in der die Institutionen der EU aufgelistet werden, vornehmen. Das Parlament sollte nach seinen Vorstellungen erst hinter dem Rat genannt werden. Vgl. dazu Peter Norman (2003, Kap. 14).
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been taken in the European Council.” Von der Nominierung für fast alle Schlüsselpositionen in der Union bis zu den Aufforderungen an die Kommission in einem bestimmten Bereich tätig zu werden, ist der Rat das letztlich entscheidende Verhandlungsgremium in der Union. Nun mag dies von einigen dem föderalistischen Lager zuzurechnenden Akteuren als Perversion des supranationalen Ideals angesehen werden, wesentlich gravierender sind jedoch die demokratiepolitischen Folgen dieser Entwicklung. Die Intransparenz der Entscheidungsfindung, die v.a. nach den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden zum Europäischen Verfassungsvertrag offensichtlich mangelnde Responsivität des Rates disqualifizieren ihn als repräsentatives Organ. In den Worten des österreichischen EP-Abgeordneten und Berichterstatters des EP zur europäischen Verfassungsdebatte Johannes Voggenhuber ähnelt er eher dem Reichsfürstenrat des Heiligen Römischen Reiches. Die seit mehr als einer Dekade mitgeschleppten “left-overs” sind nicht als Ausweis einer besonderen Souveränitätsträgheit der Mitgliedstaaten, sondern als durchaus rationale Machtstrategie der Exekutive zu werten. Von der Warte der repräsentativen Demokratie ist das zähe Ringen des EP um mehr Rechte, ist der Kampf um die Offenlegung der Diskussionsprozesse und Abstimmungsergebnisse im Rat ein skandalöser Zustand. Jegliche Funktion der Repräsentation wird durch die Stärke des Rates, die Schwäche der nationalen Parlamente und die Resignation der Öffentlichkeit unterbunden.
VII.1.3. Rat der Europäischen Union Die Mitglieder des Rates der EU werden nicht gewählt, sondern aufgrund ihrer territorialen und institutionellen Zugehörigkeit entsandt. Nach Artikel 203 Abs.1 EGV besteht der Rat der EU aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene.347 Jeweiliges nationales Verfassungsrecht bestimmt die Befugnis als Vertreter der Regierung aufzutreten. In dieser Eigenschaft sind die Mitglieder den nationalen Parlamenten gegenüber verantwortlich. Zugleich sind die Mitglieder aber der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet, die Gemeinschaftsinteressen zu wahren (vgl. Neisser/Verschraegen 2001: 136). In der Praxis tagen neben dem Allgemeinen Rat, der in der Regel aus den Ministern für Auswärtige Angelegenheiten zusammengesetzt ist, Fachräte. In der historischen Perspektive erweist sich der Ministerrat als Er-
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In der Praxis werden mittlerweile auch Staatssekretäre akzeptiert. Relevant für föderale Staaten ist weiters, dass nicht nur Bundesorgane der Mitgliedstaaten in den Rat entsandt werden können, sondern auch Vertreter der Länder, was etwa für Belgien, Deutschland und Österreich von Relevanz ist. Des Weiteren nimmt an den Beratungen des Rates auch die Kommission teil (Art. 5 Abs. 2 GOR).
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gebnis der Bestrebungen der Mitgliedstaaten, der Hohen Behörde nicht die gesamte Entscheidungsgewalt zu übertragen. Die Benelux-Länder sahen eine gewisse Gefahr durch Deutschland und Frankreich dominiert zu werden, die Schaffung einer Institutionen, in der die Regel ‘one state, one vote’ galt, wurde von ihnen favorisiert. Die Aufgabe des Ministerrates ist „zur Verwirklichung der Ziele […] nach Maßgabe dieses Vertrags“ beizutragen. Die legislativen Rechte sind kurz und bündig in Artikel 202 EGV beschrieben: die Abstimmung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Gemeinsam mit dem EP kommen ihm Budgetrechte zu. Seine exekutiven Rechte überträgt der Ministerrat zumeist gemäß Artikel 202 EGV auf die Kommission. Er behält sich lediglich ein Kontrollrecht durch die so genannten Komitologie-Ausschüsse vor. Tagte der Rat bis zu Beginn der 1990er Jahre noch in mehr als 20 verschiedenen Fachministerräten, so wurde 2002 durch eine Reform der Geschäftsordnung348 eine Limitierung auf neun Räte eingeführt. Eine gewisse horizontale Lenkungsfunktion kommt dabei dem Allgemeinen Rat zu. Aber auch der Europäische Rat und die respektive Ratspräsidentschaft haben für die notwendige Kohärenz der diversen Fachministerräte Sorge zu tragen. Eine wesentliche Rolle für die Arbeit des Rates der EU kommt dem Ausschuss der Ständigen Vertreter zu (Art. 207 EGV). Der unter seinem französischen Akronym bekannte COREPER besteht aus Botschaftern (COREPER II) und ihren Stellvertretern (COREPER I). Seine Mitglieder werden von den Mitgliedstaaten delegiert, d.h. ihr Aufgabenbereich, ihre Kompetenzen und ihr Pouvoir werden von den Mitgliedstaaten vorgegeben. Im theoretischen Sinne kommt ihnen daher keine Repräsentationsfunktion zu. In der praktischen Arbeit der Union ist der COREPER jedoch zu einem fast unverzichtbaren Vorbereitungs- und Entscheidungsgremium avanciert. „COREPER is one of the most powerful organs within the European Union’s institutional structure. It is also one of the most obscure. A prime reason for this obscurity is that COREPER is composed of career diplomats whose theoretical task is merely to prepare the work of their political masters. In reality, these diplomats wield considerable de facto executive and legislative power.” (Westlake 1999: 276). Nur eine geringe Zahl von Entscheidungen wird an den Rat in Form der sogenannten B-Punkte herangetragen. Fiona Hayes-Renshaw und Helen Wallace (1997: 40) schätzen, dass 85–90% der Entscheidungen auf A-Punkten basieren, d.h. der Ministerrat die bereits in den Ausschüssen, Arbeitsgruppen (70%) und dem COREPER (15–20%) getroffenen Entscheidungen ohne Diskussion bestätigt. Nur ca. 10–15% der Sachfragen werden vom Rat ausführlich behandelt und entschieden. Der Deliberationsstil im COREPER kann als “shared commitment to finding solutions” (Lewis 1998: 479), gemeinsame Sozialisation, einer Kultur des politi348
Geschäftsordnung des Rates, OJ L 230, 28.2.2002.
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schen Kompromisses und einem genuinen Interesse am europäischen Einigungsprojekt charakterisiert werden.349 Das Problem des COREPER ist nicht seine mangelnde Responsivität, aufgrund der Intransparenz gelingt es kaum, diese zu beurteilen, sondern eben seine Intransparenz und die daraus sich ergebende vollkommen ungenügende Accountability. Die neu etablierten Transparenzregeln reichen nicht über die ministerielle Ebene hinaus. Der COREPER verbleibt in seinem Charakter mehr internationalen Regimen denn demokratischen Systemen verhaftet. Angesichts der zentralen Rolle des COREPER ist es erstaunlich, dass umfassende Studien zu seiner Rolle bisher Mangelware sind.350 Die Mitglieder des Rates der EU sind demokratisch gewählte Minister, im Rahmen der mitgliedstaatlichen Verfassungsvorschriften kommt ihnen ein „freies“ Mandat zu. Sie sind den nationalen Parlamenten gegenüber politisch verantwortlich und werden im Idealfall von der Wählerschaft nach ihrer Responsivität beurteilt. Die steigenden Aufgabenmaterie und auch Komplexität des staatlichen und supranationalen Handelns hat jedoch auch die administrative Ebene zu einer im wahrsten Sinne des Wortes entscheidenden werden lassen. Zwar sind Beamte delegiert und damit weisungsgebunden, das bedeutet aber nicht, dass die politische Realität ihnen nicht beachtlichen Freiraum für ihre Entscheidungen lässt. Seit dem ersten Treffen des Rates im Jahr 1952 ist die Vertraulichkeit der Beratungen ein wichtiges Prinzip (vgl. zum Folgenden Westlake 1995: 144ff.). In der politischen Praxis wird dieses Prinzip mehrfach durchbrochen: Pressekonferenzen nach Ratstagungen geben Ministern die Gelegenheit, das jeweils nationale Publikum mit Erfolgen zu beeindrucken, für Lobbygruppen ist der Erhalt der Arbeitsgruppenberichte und COREPER-Berichte von anonymen und informellen Quellen überlebenswichtig.351 Es war v.a. das EP, welches erheblichen Druck auf den Rat ausübte, die Transparenz bei legislativen Entscheidungen zu erhöhen. Vorbild des EP waren das amerikanische und deutsche System der klaren Gewaltenteilung und damit sein Wunsch, gleichberechtigter legislativer Partner zu werden. Mit der bereits in den Römer Verträgen vorgesehenen qualifizierten Mehrheitsentscheidung, zum Leben erweckt durch die Einheitliche Europäische Akte 1987, wurde diese
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Die Einrichtung mehrerer Spezialausschüsse, z.B. der politische Ausschuss, der ehemalige „K4“-Ausschuß, der Budget-Ausschuß hat die zentrale Rolle des COREPER in den letzten Jahren aber begonnen auszuhöhlen. Im Gegenzug ist die Bedeutung des Ratssekretariats gestiegen. Siehe dazu Derek Beach (2004) und Jeffrey Lewis (2000). Ausnahmen sind rar: Jaap W. de Zwaan (1995), Michael Mentler (1994), Jeffrey Lewis (2000); Marinus van Schendelen (1996). Die von Emmanuele Gazzo 1952 gegründete Agence Europe stellt eine wichtige Ressource der Information für die interessierte Öffentlichkeit dar.
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Forderung nach Transparenz lauter. Die Möglichkeit, dass Staaten nunmehr überstimmt werden konnten, verlangte nach einer Bekanntgabe ihrer Position in der Abstimmung. Der Rat hielt jedoch das Mantra der Vertraulichkeit mit dem Argument aufrecht, dass lediglich diese Vertraulichkeit den Fortschritt des Einigungsprojektes garantierte. Eine Rechtfertigung der jeweiligen Positionen vor den Augen einer eventuell kritischen Öffentlichkeit könnte leicht zu einer Hürde für die Finalisierung des Binnenmarktprojektes werden. Zwar mag der Erfolg des Einigungsprojektes dieser Strategie einer wohlwollenden Oligarchie Recht geben, die Entmündigung des Bürgers wird aber selten sichtbarer als in den Vertraulichkeitsbestimmungen des Rates. Erst das negative Votum der dänischen Bevölkerung zum Maastrichtvertrag im Juni 1992 veranlasste den Rat zum Überdenken seiner Position: “This event had a hugely cathartic effect on all of the Community institutions.” (Westlake 1995: 146). Der Europäische Rat von Edinburgh nahm am 12. Dezember 1992 ein Paket von Änderungen zur Erhöhung der Transparenz an. Vereinbart wurden die Öffentlichkeit der Beratungen über das Arbeitsprogramm der Präsidentschaft und der Kommission sowie über “major issues of Community interest352 […] and major new legislative proposals”.353 Nicht durchringen konnte sich der Rat zur Öffentlichkeit seiner legislativen Beratungen. Man darf gegenüber diesen Reformen durchaus skeptisch sein, will der Rat die Öffentlichkeit doch durch die Fernsehübertragung seiner Debatten erreichen. Allerdings werden diese lediglich in den Presseraum übertragen, d.h. der Zugang ist praktisch auf das Brüsseler Publikum beschränkt. Resultat dieser beschränkten Reformen ist, dass die Anzahl der Debatten zu den im Ratsbeschluss genannten Themen beeindruckend schnell gesunken ist und vor allem für die mediale Inszenierung des jeweiligen Präsidenschaftsprogramms genutzt wird. Eine echte Kontroverse im Sinne des Aufzeigens und Deliberierens mehrerer Alternativen findet nicht statt. Martin Westlake macht dafür den COREPER verantwortlich, da es diesem nach der Geschäftsordnung oblag: “to prepare any debates which might be the subject of public retransmission” (1995: 147). Da der COREPER durch die Suche nach Kompromisslösungen charakterisiert werden kann, ist es nicht verwunderlich, dass sich die übertragenen Debatten bisher eher durch ihre Banalität denn Spannung ausgezeichnet haben. Eine weitere Neuerung, die durch die Schlussfolgerungen von Edinburgh eingeführt wurde, war die Veröffentlichung der Abstimmungen im Rat. Formelle Abstimmungen finden zwar selten statt, dennoch darf diese Reform nicht unterschätzt werden, gehen mit der Veröffentlichung doch ausführliche
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Um diese öffentlich zu machen, bedarf es allerdings eines einstimmigen Votums des Rates. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburgh, EC Bulletin, No. 12, 1992, S. 18-20.
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Memoranda und Presseerklärungen einher. Der Zugang zu Dokumenten des Rates und der Kommission wird durch den gemeinsamen Verhaltenskodex vom 6. Dezember 1993 geregelt. Der Rat verabschiedete am 20. Dezember desselben Jahres einen Beschluss, der den Zugang zu Ratsdokumenten präzisierte.354 Auf der Grundlage dieser Kodexe haben die beiden Organe Sonderbestimmungen über den Zugang zu ihren Dokumenten in ihre Geschäftsordnung aufgenommen. In der Praxis werden Anfragen an den Rat durch das Ratssekretariat erledigt. Die Herausgabe von Dokumenten kann unter dem Hinweis auf deren Vertraulichkeit jedoch untersagt werden. Eine weitere Hürde betrifft das Erfordernis etwaige Anfragen in “a sufficiently precise manner” (Artikel 2355) durchzuführen. Der Beitritt der skandinavischen Länder im Jahr 1995 führte zu einem weiteren Ausbau der Transparenzregeln. Basierend auf einer dänischen Initiative nahm der Rat für Allgemeine Angelegenheiten im Oktober 1995 einen Verhaltenskodex an, der die Abfassung der Sitzungsprotokolle regelt. Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde der Artikel 255 über die Transparenz in das Primärrecht der Union aufgenommen. Darin ist das Recht jedes Unionsbürgers sowie jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission festgeschrieben. Die Umsetzung dieses Artikels durch die Verordnung vom 30. Mai 2001356 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des EP, des Rates und der Kommission beinhaltet allerdings auch zwei Ausnahmeregeln: Im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung und der internationalen Beziehungen sowie im Interesse des Schutzes der Handelsinteressen einer Privatperson ist der Dokumentenzugang zu verweigern. Vorteil der neuen Regelung ist die Ausdehnung des Zuganges auf Dokumente Dritter, z.B. Mitgliedstaaten, Drittstaaten, andere Organe sowie der Möglichkeit bei eminenten öffentlichem Interesse die Ausnahmeregelung außer Kraft zu setzen. Zwei Probleme ergeben sich durch die Forderung nach mehr Öffentlichkeit der Beratungen im Rat: (1) “By its nature a negotiation cannot be open to public view. The negotiator needs to be able to take positions and change them in a way which would upset particular interest groups and weaken his bargaining stance. Open sessions are for the delivery of set-piece speeches. The negotiations goes on out of view, and if pushed out of the conference room by the cameras, in the back rooms.” (Nicoll 1994: 192). (2) Wie bereits weiter oben ausgeführt, fallen die meisten Entscheidung im Rat nicht auf-
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Beschluss 93/731/EG des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten vom 20.12.1993, ABl 1993, Nr. L 340, S.43. http://ue.eu.int/uedocs/cmsUpload/register5.pdf (26.2.2005). Siehe Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vo, 30.5.2001, ABl 2001, Nr. L 145, S. 43.
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grund einer ausführlichen Debatte, sondern aufgrund der Vorbereitungsarbeit in den Arbeitsgruppen und im COREPER. Jedwede Reform muss eine delikate Balance zwischen der notwendigen Vertraulichkeit der Beratungen und der Notwendigkeit von Öffentlichkeit zur demokratischen Kontrolle gewährleisten. Im derzeitigen System ist dies ein frommer Wunsch geblieben.
VII.1.4. Die Europäische Kommission Die Rolle der Europäischen Kommission oszilliert zwischen extremen Einschätzungen, reichend von „Motor der Integration“ bis zu „Monsterbürokratie“. Aufgrund der Vertragsänderungen in Maastricht, Amsterdam und Nizza wird der Kommissionspräsident mittels qualifizierter Mehrheit vom Europäischen Rat vorgeschlagen. Dem EP kommt in der Folge das Recht zu, diese Nominierung abzulehnen oder zu bestätigen. Die einzelnen Kommissare werden von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen und durch den Europäischen Rat sowie den designierten Kommissionspräsidenten nominiert. Das EP kann die Kommission nur in ihrer Gesamtheit ablehnen oder bestätigen.357 Im letzten Schritt wird die Kommission durch den Europäischen Rat mittels qualifizierter Mehrheit ernannt. In den Verträgen findet sich die Rolle der Kommission nur sehr vage definiert – ihre Aufgbae ist “to ensure the proper functioning and development of the common market” (Art. 211 EGV). Das wohl wichtigste der Kommission zukommende Recht ist das Initiativrecht358. Es wäre aber falsch anzunehmen, dass die Kommission dieses Recht völlig unabhängig ausüben kann. Vielmehr muss dieses Initiativrecht als reaktiv bezeichnet werden. Der überwiegende Teil der Kommissionsvorschläge beruht auf Vetragsverpflichtungen oder auf externen Handlungsaufforderungen durch den Rat und Europäischen Rat (Art. 208 EGV) und durch das EP (Art. 192 EGV). Kommen Politikinitiativen tatsächlich aus der Feder der Kommission, so ist zu erwarten, dass im Vorfeld des Vorschlags, heftiges Lobbying durch Interessengruppen stattgefunden hat. Eine Vielzahl von konsultativen Ausschüssen berät die Kommission in der Formulierung ihrer Vorschläge. Ein immer wieder gern gemachter Vorwurf an die Kommission lautet denn auch, dass sie der Spielball organisierter Interessengruppen und Lobbyisten ist. Der Einfluss organisierter Interessen ist nicht grund357
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In der Zwischenzeit hat sich auch die informelle Praxis durchgesetzt, einzelne Kommissare vor dieser Zustimmung des EP zum Kollegium vor den Fachausschüssen zu einem Hearing zu laden. Im Falle des designierten italienischen Kandidaten Rocco Buttiglione führte diese Praxis im Oktober 2004 zu dem durchaus interessantem Ergebnis, dass Italien einen neuen Kandidaten nominierte. Welches sie in den Bereichen GASP (Art. 22 Abs. 1 EUV) und Justiz und Inneres (Art. 34 Abs. 2 EUV) mit den Mitgliedsländern teilt.
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sätzlich negativ zu bewerten, kann er doch der Kommission z.B. in technischen Belangen notwendige Expertise zur Verfügung stellen. Darüber hinaus bietet der Konsultativprozess der Kommission eine gewisse Legitimation, da auf das Interesse der Öffentlichkeit an der Durchsetzung einer bestimmten Maßnahme verwiesen werden kann. Wenn die Kommission das europäische Interesse vertreten soll, so muss gefragt werden, wie groß ihr Anteil an der europäischen Gesetzgebung tatsächlich ist. Die Einschätzungen divergieren nicht unerheblich, von “the final act usually contains 80 per cent of [the] proposal” (Hull 1993: 83) bis zu “it usually bears little resemblance to the proposal” (Cini 1996: 172). Die Kommission repräsentiert das gesamteuropäische Interesse – aber was ist das? Am leichtesten lässt sich dieses noch negativ bestimmen: die Kommission versucht zwischen den Interessen, wie sie durch mitgliedstaatliche Vertreter und Interessenorganisationen an das europäische Regierungssystem herangetragen werden, balancierend zu vermitteln. Die Möglichkeiten dieser Balance werden durch den acquis communautaire der Union definiert. Eine andere Interpretation sieht die Kommission ein vorbestimmtes europäisches Allgemeinwohl identifizieren. Die Handlungen der Kommission richten sich danach, dieses Allgemeinwohl zu fördern und den Mitgliedstaaten zu verdeutlichen. Jean Monnets Vorstellung von der Hohen Behörde entsprach dieser Interpretation. Eine über den „Niederungen“ der Tagespolitik stehende Institution, die neutral und unvoreingenommen an der Förderung des Allgemeinwohls arbeitet, würde sich wohltuend von Monnets persönlichen Erfahrungen in der Planungsbehörde und in der IV. Republik abheben. Eine andere Interpretationsmöglichkeit definiert das allgemeine Interesse der Gemeinschaft als das Ergebnis von komplexen Aushandlungsprozessen zwischen den teilnehmenden Akteuren. Der politische Alltag der Kommission wird von beiden Möglichkeiten bestimmt. Sehr wohl gibt es Politikbereiche, wo die Kommission als Agenda-Setter ein von ihr definiertes europäisches Gesamtinteresse vertritt. Ebenso existieren auch Bereiche, in denen die Kommission nur ein Akteur unter vielen ist und das europäische Interesse nicht viel mehr als der kleinste gemeinsame Nenner ist. Einen interessanten Einblick in die Auffassung der Kommission zu Fragen der Repräsentation gibt das Weißbuch „Europäisches Regieren“.359 Federführend in der Ausarbeitung des Weißbuches war der interne Think Tank der Kommission, die Forward Studies Unit. Die Termini „demokratische Repräsentation“ werden innerhalb des 2001 publizierten Textes auf sehr unterschiedliche Weise gebraucht. Die Gemeinschaftsmethode wird als Ausgleich verschiedenster Interessen verstanden, die zwei Filter passieren mussten: den des Allgemeininteresses repräsentiert durch die Kommission und den der demokratischen – nationalen und europäischen – Vertretung durch das EP und den Rat (2001a:
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http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/cnc/2001/com2001_0428de01.pdf (24.6.2005).
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11). Was dieses Allgemeininteresse ausmacht, wird leider nicht spezifiziert. Ist die Kommission Repräsentantin eines vorgegebenen europäischen Allgemeininteresses, während EP und Rat lediglich demokratische Ergänzungen darstellen? Oder ist das Allgemeininteresse das Resultat institutioneller und Interessenrepräsentation zu dem die Kommission das Allgemeininteresse beiträgt? Der Charakter als Kollegium oder Korpus spiegelt sich sowohl in der Ernennungs- und Abberufungsprozedur als auch in der Tatsache, dass Entscheidungen der Kommission immer Kollegialentscheidungen sind. Dieser Logik folgend, werden Abstimmungen innerhalb der Kommission auch nicht öffentlich gemacht. Die Unabhängigkeit der Kommissare ist in Artikel 213 Abs.1 EGV niedergelegt. Ohne diese Unabhängigkeit könnte die Kommission schwerlich die gesamteuropäischen Interessen vertreten. Walter Hallstein und Jacques Delors waren die Kommissionspräsidenten, welche diese Unabhängigkeit am besten verkörperten. Die Repräsentation des gesamteuropäischen Interesses steht seit Jahren in einem paradoxen Verhältnis zur Frage der Anzahl der Kommissare. Jean Monnet wollte ursprünglich nur fünf Mitglieder der Hohen Behörde, unabhängig von der Zahl der Mitgliedstaaten, installiert sehen. Die Benelux-Länder und hier vor allem Belgien (Nugent 2001: 21) schlugen vor, dass “there should be equal representation of member states ‘delegates’ on a ‘board’, presided over by the President of the High Authority. […] Since the governments would not be represented on the board, they would have ‘Commissioners’ […] on the High Authority whose job it would be to watch over their states’ interests, if needs be, to defend those interests in law.” (Westlake 1999: 2). Der Kompromiss sah schließlich neun Mitglieder der Hohen Behörde vor, zwei aus Frankreich und Deutschland, sowie jeweils einer aus den Benelux-Ländern und Italien. Das neunte Mitglied wurde durch die Hohe Behörde kooptiert. Im Jahr 1970 bekam Italien einen zweiten Kommissar hinzu. Heute (2006) umfasst die Kommission 25 Mitglieder, für jeden Mitgliedstaat ein Kommissar, wiewohl im Verfassungsvertrag eine Option für eine Beschränkung der Anzahl durch ein Rotationssystem vorgesehen ist. Die Charakterisierung der Kommission jedenfalls als Vertreterin des europäischen Allgemeininteresses verträgt sich schlecht mit den ermüdenden Auseinandersetzungen um die Anzahl der Kommissare. Es steht zu befürchten, dass die durch den Beitritt Rumäniens und Bulgariens laut Vertragsrecht notwendige Reform der Kommission eher von nationalem Prestigedenken denn Effizienzüberlegungen geleitet wird.
VII.1.5. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss Das konsultative Gremium Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) wurde 1958 ins Leben gerufen. Ursächlicher Grund für die Schaffung des WSA war
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die Absicht, den Sozialpartnern eine geeignete Plattform für ihre supranationalen Aktivitäten zur Verfügung und dem Ministerrat damit ein beratendes Gremium zur Seite zu stellen. Ein solches Gremium war zudem in fünf der sechs damaligen Mitgliedstaaten Teil des institutionellen nationalstaatlichen Designs – die Ausnahme war Deutschland. In den Verhandlungen zu den Römer Verträgen zeigte sich die deutsche Delegation äußerst zurückhaltend was die Schaffung eines solchen Gremiums auf europäischer Ebene betraf. Der in Deutschland zu dieser Zeit vorherrschende pragmatische Neoliberalismus konnte mit der Beteiligung von Interessengruppen an der Politik nur wenig anfangen. Die Erinnerung an den Reichswirtschaftsrat der Weimarer Republik war ein weiterer Grund für die negative Einstellung (vgl. Zellentin 1962: 21). Der Druck auf die deutsche Delegation wuchs, da man den Abschluss der Römer Verträge keinesfalls gefährden wollte. Allerdings bestanden sie auf dem Namen Ausschuss anstelle von Rat und verhinderte, dass dem WSA das Recht zu eigenen Initiativen zuerkannt wurde.360 Der WSA ist ein rein beratendes Gremium, welches von der Kommission oder dem Rat konsultiert werden muss oder kann. Artikel 257 EGV legt fest, dass der WSA aus „Vertretern der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, insbesondere der Erzeuger, der Landwirte, der Verkehrsunternehmer, der Arbeitnehmer, der Kaufleute und Handwerker, der freien Berufe und der Allgemeinheit“ besteht. Ein Musterbeispiel für die ständische Repräsentationsform. Die 317 Sitze werden annähernd proportional zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund eines fünfteiligen Quotensystems vergeben. Die Mitglieder des WSA werden von den Mitgliedstaaten nominiert und vom Europäischen Rat für vier Jahre ernannt. Der Nominierungsvorgang innerhalb der Mitgliedstaaten differiert, von einer einheitlichen oder transparenten Prozedur kann nicht gesprochen werden (vgl. dazu van der Voort 1997; Morgan 1991; Vierlich-Jürcke 1998). Weiters besteht keine Einigkeit zwischen den Mitgliedstaaten über die korporatistische Anbindung der WSA-Mitglieder. Artikel 257 EGV stipuliert zudem eine Kategorie der „Allgemeinheit“. Sollen diese Vertreter der Allgemeinheit ein europäisches Gesamtinteresse repräsentieren, im Gegensatz zu den WSA-Mitgliedern, die gesellschaftliche Interessengruppen vertreten? Das Ergebnis eines etwaigen Deliberationsprozesses innerhalb des WSA könnte bei der derzeitigen Zusammensetzung also nur schwerlich mit dem Allgemeininteresse korrespondieren (vgl. van der Voort 1997: 159). Die Mitgliedstaaten haben von der Option einen solchen „Musterrepräsentanten“ zu entsenden bisher nur sehr beschränkt Gebrauch gemacht. Insgesamt überwiegen im WSA Vertreter bestimmter ökonomischer Interessen, insbesondere Bauern, Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Rat beschränkt sich im Allgemeinen darauf, die nationalen Nominierungen zu bestätigen, eine Prüfung findet zwar im COREPER statt, 360
Erst 1972 wurde ihm dieses Recht zuerkannt. Artikel 262 EGV erlaubt dem WSA auch das EP zu beraten.
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kann aber wohl kursorisch genannt werden. Europäische Interessenvertretungen haben auf die Auswahl der WSA-Mitglieder keinen Einfluss.361 Im Oktober 1999 organisierte der WSA eine Konferenz zur Rolle der Zivilgesellschaft in der Union. Intention war die Diskussion einer Stellungnahme (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss 1999) zu eben diesem Thema. In den Schlussfolgerungen ist zu lesen: “The citizens of Europe are in search of a new social contract which is based on the Rousseau concept of self-determination and does not look on the sovereignty of the people as transfer of power from top to bottom. It is obvious that civil society organisations have a key role in this ‘Europe project’. The representatives of civil society organisations, and the Economic and Social Committee as their legitimate representative, have the opportunity but also the duty to influence this development” (WSA 2000a). Weiter ausgearbeitet wurde dies in der Stellungnahme zum Diskussionspapier der Kommission „Ausbau der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Kommission und Nichtregierungsorganisationen“ (EWSA 2000). Die von der Österreicherin Anne-Marie Sigmund ausgearbeitete Stellungnahme stellte fest, dass zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle in der europäischen Demokratie spielen. Sie repräsentieren die individuellen Bürger, stehen für Partizipation, Offenheit und Demokratie und agieren als Vermittler. Es ist nur zu verständlich, dass sich der WSA als Repräsentant der Zivilgesellschaft positionieren will, die Praxis spiegelt dies jedoch nicht wider. Warum gerade Rousseau, der die Abgabe von Souveränität in seiner radikaldemokratischen Theorie vehement abgelehnt hat, als Zeuge für einen neuen Sozialvertrag genannt wird, bleibt rätselhaft. WSA-Mitglieder sollen ihr Mandat gemäß Artikel 258 EGV unabhängig im Interesse der Gemeinschaft ausüben. Aufgrund dieser Bestimmung ist klar, dass der WSA mehr als ein Spiegel nationaler oder funktionaler sozioökonomischer Interessen sein soll. Konnte er diese Rolle erfüllen? Wolfgang Streeck und Philippe Schmitter (1994: 188) sind in ihrer Einschätzung pessimistisch: “the ESC has failed completely in providing focus and structure to the growing pluralist system of European Interest Associations.” Geht man davon aus, dass der WSA mehr ist als ein simples Forum für Interessenvertreter, so könnte man zu einer etwas weniger pessimistischen Einschätzung gelangen. Einerseits ist, wo es die Verträge verlangen, die Meinung des WSA integraler Bestandteil des Entscheidungsablaufs der Union. Um innerhalb des WSA zu einem gemeinsamen Standpunkt zu kommen, ist ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit der Mitglieder notwendig. Die Heterogenität des WSA garantiert zudem, dass kaum jemals ein Interesse – sei es der Bauern oder Arbeitgeber, der Produzenten oder der Arbeiter – den gemeinsamen 361
Zwar sollte der Rat vor der Ernennung die europäischen Interessenvertretungen hören (Art. 259 EGV), in der Praxis passiert dies jedoch nicht.
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Standpunkt dominiert. Es kann aber angenommen werden, dass die daraus resultierende Allgemeinheit eines Standpunktes negativ mit dem Einfluss des WSA korreliert. Was bleibt ist, dass der WSA als Ausdruck funktionaler und nicht territorialer Repräsentation gelten muss. Nicht die Interessen einzelner Unionsbürger werden repräsentiert, sondern Interessen von Gruppen: Arbeitgeber, Arbeitnehmer und diverse Interessengruppen machen die Hauptpfeiler des WSA aus.362
VII.1.6. Der Ausschuss der Regionen Die Notwendigkeit der Interessenakkumulation und die föderale Struktur einiger Mitgliedstaaten führten 1994 zur Einrichtung des Ausschusses der Regionen (AdR) durch den Vertrag von Maastricht. Da die überwiegende Zahl der europäischen Rechtsvorschriften auf regionaler und lokaler Ebene umgesetzt wird, schien die Schaffung eines Konsultativkörpers logisch. Die Neugestaltung der Strukturfonds im Jahr 1988 erforderte eine Zusammenfassung der Regionen und die Kommission reagierte darauf mit der Einrichtung des „Beirats der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Kommission“. Angesichts der begrenzten Rechte dieses konsultativen Gremiums drängten v.a. Deutschland und Belgien auf die Einrichtung des AdR. Diese war aber nicht unumstritten, da sowohl eine Zentralisierung als auch eine Regionalisierung befürchtet wurden.363 Seine Rechte beschränken sich auf Abgabe von Stellungnahmen, die in einigen Politikbereichen (z.B. Verkehrspolitik, Beschäftigungspolitik, Sozial- und Umweltpolitik, Bildung, Kultur) obligatorisch sind. Rat oder Kommission können den AdR auch zur Stellungnahme auffordern, ebenso kann der Ausschuss auch aus eigener Initiative eine Stellungnahme abgeben (Art. 265 Abs. 5 EGV). In seiner Sitzverteilung gleicht der AdR dem WSA. Seine Mitglieder werden auf Vorschlag der Mitgliedstaaten vom Rat mit qualifizierter Mehrheit für vier Jahre ernannt und erfüllen ihr Mandat weisungsfrei und unabhängig (Art. 263 EGV).364 Ein einheitliches Verfahren zur Selektion der Mitglieder existiert nicht und ist aufgrund der differenten innerstaatlichen Stellung der Regionen auch schwer vorstellbar. Artikel 263 EGV macht klar, dass den subnationalen Körperschaften kein Recht auf die Auswahl ihrer Vertreter obliegt. Die362
363
364
Erst 1974 erkannte der Rat diesen funktionalen Gruppen in der Geschäftsordnung offiziellen Status zu. So bestand beispielsweise die spanische Regierung auf der einstimmigen Annahme der AdR Geschäftsordnung, da befürchtet wurde, Katalanisch oder Baskisch könnten im AdR zu Arbeitssprachen werden. Das freie Mandat war nicht unumstritten, da die deutschen Länder mittels eines gebundenen Mandats der AdR-Mitglieder ihren Einfluss auf die supranationale Ebene stärken wollten.
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ses kommt einzig und allein den jeweiligen Mitgliedstaaten zu. Konsequenterweise sind grenzübergreifende Regionen auch nicht im AdR vertreten (vgl. Theissen 1996). Die Geschäftsordnung des AdR365 überträgt den nationalen Delegationen und Fraktionen die Organisation der Arbeitsweise des Ausschusses (Art. 7). AdR Mitglieder müssen einer nationalen Delegation angehören und können politische Fraktionen bilden (Art. 8). Den politischen Fraktionen kommt also keinesfalls die Bedeutung der Fraktionen im EP zu. Dies spiegelt sich auch in der Sitzordnung nach Alphabet und nicht nach politischer Affiliation. Die Auswahl der Mitglieder der AdR-Fachausschüsse folgt dem Prinzip der territorialen Repräsentation ebenso wie die Auswahl der Präsidiumsmitglieder. Die Hoffnungen auf die Etablierung einer „dritten Kammer“ der Rechtssetzung konnten nicht erfüllt werden. Wesentlicher Grund dafür ist auch die Heterogenität der Regionen. So sind im AdR neben wirtschaftlich enorm starken Ländern wie z.B. Nordrhein-Westfalen, die Region Großraum Paris auch lokale Gebietskörperschaften vertreten. Deutsche Ministerpräsidenten und Staatssekretäre gehören dem AdR ebenso an wie griechische Bürgermeister oder Vertreter des österreichischen Gemeindebundes.366 Wie auf der Website des AdR zu lesen ist367, richtet der Ausschuss seine Arbeit an drei Grundsätzen aus: Subsidiarität, Bürgernähe und Partnerschaft. Gefordert wird die gleichberechtigte Einbeziehung der gemeinschaftlichen, nationalen, regionalen und kommunalen Ebene am europäischen Entscheidungsfindungsprozess. Vor allem die Bürgernähe, der Versuch ein Bindeglied zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen zu sein, wird in das Zentrum der Bemühungen gerückt. Ein Anspruch dem der AdR bisher angesichts seiner minimalen öffentlichen Wahrnehmung nicht nachkommen konnte. Deutlicher Ausweis für die nur begrenzte Effektivität des AdR ist die Tatsache, dass immer mehr Bundesländer am AdR vorbei ihre Präsenz und ihr Gewicht auf der europäischen Ebene zu stärken versuchen.
VII.1.7. Interessenrepräsentation durch Lobbies Bevor auf die Rolle der organisierten Interessen im Entscheidungsgefüge der Union eingegangen wird, zuvor ein Wort zur besonderen Stellung innerhalb einer Analyse zur politischen Repräsentation. Die Unterschiede zwischen 365 366
367
http://www.cor.eu.int/document/de/int_reg_de.pdf (26.2.2005). Siehe dazu die Studie I-1/2004 des AdR „Die Auswahl der AdR Mitglieder. Verfahren in den Mitgliedstaaten“. http://www.cor.eu.int/document/presentation/ selection_de.pdf (26.2.2005). http://www.cor.eu.int/ (26.2.2005).
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politischen Repräsentanten und Repräsentanten, die Politik zu beeinflussen suchen, sind augenfällig. Vertreter organisierter Interessen können, müssen aber nicht, ihre Position einer Wahl verdanken. Ihr Handlungsspielraum ist entgegen politischen Repräsentanten immer einer bestimmten Sache geschuldet, deren Verwirklichung oder Verhinderung sie zu trachten suchen. Mit anderen Worten, ihr Handeln ist nicht darauf ausgerichtet eine balancierte „autoritative Allokation von Werten“ zu erreichen, sondern ist sektorspezifischen, gruppenegoistischen Motiven geschuldet. Warum müssen sie dennoch in einer Untersuchung des europäischen repräsentativen Systems ihren Platz finden? Einerseits, weil ihre Wirkmächtigkeit im politischen Mehrebenensystem der Union nicht geleugnet werden kann und andererseits, weil ihre Zahl seit geraumer Zeit derartig angewachsen ist, dass es sich lohnt die Frage zu stellen, ob wir auf europäischer Ebene nicht ein System verwirklicht sehen, dass nordamerikanische und europäische Züge des Repräsentativsystem in sich trägt. Da ist zuerst die klassische, wenn auch fragmentierte Organisation von Regierung (in Rat und Kommission) und Legislative (im EP und Rat) mit einer Fülle an Beratungsorganen, von WSA und AdR bis zu unzähligen Konsultativ- und Beratungsausschüssen. Auf der anderen Seite finden wir die europäische Kommission, die aufgrund ihres Initiativmonopols nicht nur im Zentrum aller Lobbybemühungen steht, sondern selbst die Expertise von Interessengruppen benötigt, ja diese als politische Strategie gegen die Mitgliedstaaten sogar explizit nutzt. Die sektorspezifische, funktionale Repräsentation trifft auf die parlamentarische Repräsentation gestützt durch eine ständische Form und eine territoriale Repräsentation in ESA und AdR. Die wissenschaftliche Literatur zur Interessenrepräsentation nimmt seit den späten 1990er Jahren kontinuierlich zu (siehe z.B. Marks/McAdam 1996; Wallace/Young 1997; Coen 1997; Greenwood 1997; Peterson 1997; Claeys et al. 1998; Beyers 2002). Von einem formalen Standpunkt ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verantwortlich für die Konsultation, Repräsentation, Information der organisierten Zivilgesellschaft und der Formulierung von Vorschlägen und Stellungnahmen (ECSC 1999, 2000, 2000a). Neben dem EP und den beiden Beratungsorganen AdR, WSR stellen Interessengruppen die dritte Säule der Beziehungen zwischen EU-Institutionen und europäischen Bürgern dar. Organisierte Interessen haben im Integrationsprozess immer eine wichtige Rolle gespielt, wenn auch eher im informellen Rahmen.368 Ernst Haas hat bereits 1958 die europäische Integration als ein Ergebnis der Beziehung zwischen organisierten Interessen und den europäischen Institutionen beschrieben. Im Handlungsverbund mit der Kommission haben diese Interessen, den Integrationsprozess, auch zum Teil gegen die Vorstellungen der Mitgliedstaaten, vorangetrieben (Haas 1958).
368
Siehe dazu Beate Kohler-Koch (1997), Jane Sargenet (1985).
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Zwischen Interessenorganisationen ist jedoch zu unterscheiden. Unternehmen gehören zu den “best mobilised of all ‘outside interests’” (Greenwood 2002a: 22) während diffuse Interessen, wie z.B. der Umweltschutz, Frauenrechte etc. sich keiner finanzkräftigen Lobby erfreuen.369 Gehören organisierte Interessen zwar zu den Wesensmerkmalen der Demokratie, siehe z.B. die bereits erwähnte Argumentation von James Madison im Federalist No. 10 und Tocquevilles Analyse der Interessenverbände als Grundlage der amerikanischen Demokratie, so hat ihre Existenz doch die Frage aufgeworfen, wie sie sich auf die Demokratie auswirken. Die Beurteilung reicht von der Herrschaft der Verbände, von Eschenburg 1955 noch als Frage formuliert, bis zu Ernst Fraenkels (1964) Theorie des (Neo-)Pluralismus. Im NeoKorporatismus werden Verbände zu Partnern des Staates und tragen so zum effizienten Regieren bei (v.a. Lehmbruch 19976, 1977, 1991). Alle erwähnten ‘Labels’ wurden bereits auf die EU angewandt, sind jedoch mit einiger Vorsicht zu genießen. Weder ist die EU ein pluralistisches System, welches das freie Spiel der Interessen erlaubt, da es Politikbereiche gibt, in denen bestimmte Interessen dauerhaft dominieren, noch folgt sie einem neokorporatistischen Design. Vielmehr zeigt die Union eine enorme Vielfalt an Formen unterschiedlicher Interessenrepräsentation, die unterschiedliche Wirkung in unterschiedlichen Politikbereichen haben. Dies ist auch das Resultat des spezifischen institutionellen Arrangements des europäischen politischen Systems. Fragmentierte Strukturen erleichtern den Zugang zum System durch die Multiplikation der “access points”, limitieren aber die effiziente Partizipation der so genannten organisierten Zivilgesellschaft (RisseKappen 1995). Unbestritten ist, dass die Zahl der Interessengruppen in Brüssel seit den 1970er Jahren eindrucksvoll gestiegen ist: von 300 (Butt 1985: 10) auf ca. 2000 in den 1990er Jahren und 2600 im Jahr 2004. Aber diese Zahl ist umstritten: Justin Greenwood (2002: 28; 2003: 13) identifiziert 1450 Assoziationen und gibt folgenden Verteilungsschlüssel an (2003: 19): 66% Unternehmen, 11% Freie Berufe, 3% Gewerkschaften, 20% NGOs und Neue Soziale Bewegungen und 1% öffentlicher Sektor.370Rinus van Schendelens (2002: 46) Analyse der Verteilung differiert nicht unerheblich davon: Wirtschaftsverbände 32%, kommerzielle Berater 20%, Einzelfirmen 13%, europäische NGOs in Bereichen wie Umwelt, Soziales, Menschenrechten 11%, nationale Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände 10%, regionale Vertretungen 6%, internationale Organisationen 5% und Think Tanks 1%. Im Jahr 1993 veröffentlichte die Kommission den Bericht “An Open and Structured Dialogue between the Commission and Special Interest Groups”371 in dem von 3000 369
370 371
Zur Unterscheidung von diffusen und spezifischen Interessen siehe Patrick Dunleavy (1988). Vgl. auch Rainer Eising (2001). SEC (92) 2272 final, Brussels 1992, (93/C63/02) OJEC 5-3-93, S. 4.
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Interessengruppen, die den Entscheidungsprozess zu beeinflussen suchen, die Rede ist.372 Zur besseren Übersicht der zivilgesellschaftlichen Gruppen entwickelte die Kommission CONNECS (Consultation, the European Commission and Civil Society), eine Datenbasis, die bessere Informationen zum Konsultationsprozess der Kommission etablieren soll. Das im Jänner 1997 erstmals publizierte Verzeichnis der Interessengruppen listete mehr als 600 Non-profit Organisationen auf der europäischen Ebene. Zurzeit sind 734 Organisationen der Zivilgesellschaft angeführt.373 Was sind die Gründe für diese eindrucksvollen Zahlen? Sonia Mazey und Jeremy Richardson (1993) identifizieren vier generelle Faktoren für den exponentiellen Anstieg der Interessengruppen: (1) die Mobilisierungsstrategie der Kommission374, (2) Risikovermeidung durch die Interessengruppen, (3) deren Präferenz für europäische Lösungsmodelle, (4) die Entwicklung von Opportunitätsstrukturen. Dass die Kommission die Entstehung von Interessengruppen gefördert hat, ist kein spezifisches Kennzeichen der EU, sondern Teil aller Demokratien. Die Bürokratie sucht die Unterstützung und die Expertise von bestimmten Interessengruppen und ist an einem stabilen Beratungsumfeld interessiert, auch aus Gründen der Vermeidung unnötiger Transaktionskosten. Zweitens argumentieren Mazey und Richardson “lobbying creates more lobbying”: Interessengruppen werden neue Arenen besetzen, um zu vermeiden, dass Konkurrenten eine Monopolstellung aufbauen können. Die Teilnahme an einem Dachverband minimiert das Risiko, Betroffener aber nicht Partizipierender/Mitentscheidender zu sein. Organisierte Interessengruppen favorisieren europäische Lösungen “as it facilitates efficient (and increased) transnational exchange.” (Mazey/Richardson 2001: 224). Die Europäisierung von immer mehr Policy-Feldern rückt die supranationalen Institutionen ins Blickfeld der Interessenorganisationen. Dies erfordert von Lobbygruppen eine Mehrebenenstrategie, da die “target-strucure” fragmentiert ist. Größtes Problem “is not the shortage but the over-supply of potential routes to power” (Van Schendelen 1994: 11). Die Proliferation von Arenen und Akteuren kreiert Opportunitätsstrukturen für die Beteiligten, trägt jedoch auch zur Unübersichtlichkeit der Einfluss- und Entscheidungsstrukturen bei. Was immer auch die genaue Anzahl der Interessengruppen in Brüssel ist, Fakt bleibt, dass es die Kommission immer schwieriger fand, ihre Beziehung zu den diversen Interessenvertretern zu organisieren. Die Offenheit des Zugangs konfligierte zusehends mit dem Prinzip der Chancengleichheit. Aber
372 373
374
Für Justin Greenwood (2003: 13) ist diese Zahl allerdings Teil der Folklore. Siehe http://europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs/liste_index.cfm?CL=de (21.7.2005). So fördert die Kommission einige hunderte Projekte von NGOs mit einer Gesamtsumme von ca. einer Milliarde Euro jährlich!
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weder gelang es im Vertrag von Maastricht, noch im Vertrag von Amsterdam, diese Beziehungen zu institutionalisieren und zu kodifizieren. Der Sutherland Bericht aus dem Jahr 1992 (Sutherland 1992) stellte fest “intermittent flows of useful information, inadequate prior consultation and the absence of information at each stage of the Community’s legislative process […] such shortcomings make the whole process unpredictable leaving the public confused, feeling excluded as to the need for and usefulness of community legislation.” Das Weißbuch „Europäisches Regieren“375 der Kommission – welches konstatierte, das sich die Suche nach adäquaten Beteiligungsregeln erst am Anfang befindet – definiert die Teilnahme von Interessengruppen am Politikprozess als partizipative Demokratie.376 Es ist klar, dass der Kommission in der Auswahl der beratenden Interessengruppen in der Entwurfsphase ein großer Einfluss zukommt, steht sie doch mit ca. 1500 Organisationen Kontakt. Zwei Drittel davon vertreten Unternehmen, ein Fünftel die Interessen der Bürger und der Rest setzt sich aus Vertretern von Gewerkschaften, Berufsständen und öffentlichen Sektoren zusammen. Zusätzlich schätzt Justin Greenwood, dass 350 große Firmen, 200 Regionen und 300 Organisationen “supplying commercial public affairs services” in Brüssel tätig sind (2003a: 52). Die Zahl der die Kommission unterstützenden Experten- und Konsultativausschüsse beträgt ca. 1000. Neben diese beiden Typen werden von van Schendelen (1996a) regulatory, management und advisory committees ausgemacht. Ohne Zweifel bietet diese verwirrend große Anzahl potentieller “access points” große Möglichkeiten den Entscheidungsprozess zu beeinflussen. Doch nicht alle Wege führen zum Ziel. Das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ zum Amsterdamer Vertrag legt fest, dass die Kommission „vor der Unterbreitung von Vorschlägen für Rechtsvorschriften […] umfassende Anhörungen durchführen und in jedem geeigneten Fall Konsultationsunterlagen veröffentlichen“ soll. Die Interessenorganisationen versorgen die Kommission mit Daten, Statistiken und Expertise, die unabkömmlich für die Formulierung von Policy-Initiativen sind. Zwar hat die Kommission bereits sehr früh die Aufstellung von Regeln für die Konsultation befürwortet377 aber verweigert, selbst Zugangsbedingungen zu formulieren.378 Erst nach Abschluss des Vertrags von Maastricht begann die Kommission eine Strukturierung und Formalisierung des Konsultationsprozesses zu fordern. Grund dafür war auch die enorme Anzahl von Lobbyruppen in Brüssel. Offene Zugangsbedingungen sind nicht zu verwechseln mit gleichen Zugangschancen. Die Kommission selektiert sehr wohl aus der Fülle der Inte375 376
377 378
KOM (2001) 428 endg. Eine äußerst kritische Interpretation des Weißbuches liefern Joseph Weiler et al. (2001). Siehe Europäische Kommission (1993); Europäisches Parlament (1996). Siehe Europäische Kommission (1992),
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ressenorganisationen “on the basis of their ability to solicit substantial policiy input” (Obradovic 2005: 5). Im Jahr 2002 legte die Kommission Mindeststandards für die Beteiligung fest: Konsultation auf breitest möglicher Basis, Transparenz, Effizienz, Kohärenz, adäquate Zeitpläne etc.379 Ziel war es, allen betroffenen Parteien die Chance zur Meinungsäußerung zu geben. Diese Standards werden in allen Politikbereichen, von Landwirtschaft und Fischerei bis zu Konsumentschutz380, angewandt. Aber können Interessenorganisationen als Brücke zwischen den supranationalen Institutionen und den europäischen Bürgern dienen? Eine besondere Bedeutung kommt dieser Beteiligung von Interessengruppen im Rahmen der Sozialpolitik zu. Bereits in der Einheitlichen Europäischen Akte (Art. 118b) wird der Dialog zwischen den Sozialpartnern angeregt, es bleibt aber unklar, welche Sozialpartner in welchem Ausmaß beteiligt werden sollten. Die im Jahr 1992 geschlossene Übereinkunft zur Sozialpolitik381 kreierte das System des Sozialen Dialogs und der Konsultation mit den Sozialpartnern, welches schließlich in den Vertrag von Amsterdam aufgenommen wurde. Artikel 138 und 139 des EGV schreiben die Anhörung und Stellungnahme der Sozialpartner vor, allerdings bleibt notorisch unklar, welche Sozialpartner aufgrund von welchen Merkmalen an diesem Dialog teilnehmen sollen (Betten 1998; Reale 2003). Umso wichtiger ist die Frage, da, wenn die Sozialpartner nach Artikel 138 Abs 4 EGV das Verfahren übernehmen, das EP ausgeschaltet ist und nicht einmal Anhörungs- oder Informationsrechte hat. Rat und Kommission können keine Abänderungen vornehmen, sondern den Vorschlag der Sozialpartner lediglich annehmen oder zurückweisen. Die Kommission definierte in einem Dokument382 folgende Teilnahmebedingungen: (1) die Interessenvertretung muss mehrere Industriezweige oder spezifische Sektoren repräsentieren und auf europäischer Ebene organisiert sein; (2) die Interessenvertretung muss aus Organisationen bestehen, die integraler und anerkannter Teil der mitgliedstaatlichen Sozialpartnerstrukturen sind. Darüber hinaus müssen sie das Pouvoir haben, Vereinbarungen abzuschließen; (3) Sie müssen über adäquate organisatorische Strukturen verfügen, um eine effektive und effiziente Teilnahme am Konsultationsprozess zu gewährleisten. Aufgrund dieser Kriterien erstellte die Kommission eine offene Liste der Interessenvertretungen.383 Die Liste wurde von allen Seiten heftig kritisiert, da die Kommission fast exklusiv auf die organisatorischen Strukturen und nicht auf die Repräsentativität der Gruppen geachtet hat. Aber selbst eine Empfehlung des EP diese Liste zu überarbei-
379 380 381 382 383
Siehe Europäische Kommission (2002). Siehe Europäische Kommission (2004). Annex zum Vertrag von Maastricht. Europäische Kommission (1993a). Europäische Kommission (1999).
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ten, brachte keine Änderungen. Zweifel an der Repräsentativität der eingebundenen Interessengruppen sind durchaus angebracht. Der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC), der Europäische Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), die Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände in Europa (UNICE), der Ausschuss der berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen der Europäischen Union (COPA), der European Round Table of Industrialists (ERT) und der Zusammenschluss der Industrie- und Handelskammern (EUROCHAMBRES) haben sich in der Praxis als primäre Ansprechpartner erwiesen. Es wäre allerdings vorschnell, allen Organisationen eine gleich große Schlagkraft zuzugestehen, da unterschiedliche strukturelle Merkmale und Handlungslogiken auch zu Reibungsverlusten innerhalb der europäischen Dachverbände führen können. So werden z.B. das Bureau Européen des Union de Consommateurs und (BEUC) und European Environmental Bureau (EEB) von Beate Kohler-Koch et al. (2004: 233) als Leichtgewichte bezeichnet. Die wachsende Spezialisierung der verbandlichen Interessenvermittlung erschwert die Formulierung verbandsübergreifender Interessen und sinkende Mitgliederzahlen unterminieren den umfassenden Repräsentationsanspruch sowie die Verpflichtungsfähigkeit. Ein Problem ist, dass ETUC, CEEP und UNICE über keinerlei Mandat ihrer nationalen Mitglieder verfügen, auf europäischer Ebene zu verhandeln. So sehen die Statuten der ETUC keinen Mechanismus für die Repräsentation der Interessen der nationalen Mitglieder in einem europäischen Verhandlungsprozess vor. Verhandlungsergebnisse müssen auch nicht zwingend von den Mitgliedern auf der nationalen Ebene umgesetzt werden. Da ETUC und UNICE keine individuelle Mitgliedschaft zulassen, ist die Verbindung zu den von ihnen Repräsentierten eine sehr schwache. Die sinkenden Mitgliederraten in nationalen Gewerkschaften und die heterogene Mitgliedschaft nationaler Organisationen machen klar, dass eine Sozialgesetzgebung, die für alle europäischen Bürger bindend ist, eventuell von Organisationen verhandelt wurde, die nur einen kleinen Teil dieser Bürger repräsentieren (vgl. Reale 2003). Die Selektionspraxis der Kommission führte zu einer Klage der ausgeschlossenen Interessenvertreter wie EuroCommerce und dem Europäischen Verband für Handwerk und kleine und mittlere Unternehmen (UAPME). Das Urteil des Gerichtshofs Erster Instanz im Fall UAPME v. Council (T135/96, 1998, I.R.L.R. 602) spricht der Europäischen Kommission und dem Rat die Aufgabe zu, über die angemessene Repräsentativität der involvierten Organisationen zu wachen. Der Gerichtshof vertritt in dem Urteil weiterhin die zweifelhafte Auffassung, dass der Ausschluss des EP gerechtfertigt ist, da “the participation of the people is otherwise assured […] through the parties representatives of management and labour who concluded the agreement” (Abs. 89). Andere Interessenvertretungen haben nur dann das Recht zur Partizipation, wenn “there is a lack of sufficient representativity” der teilnehmenden Sozialpartner. Benannt wird dieses Prinzip “sufficient cumulative representativeness” (Abs. 90).
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Im Bereich der Sozialpolitik agieren Interessengruppen damit als Legislative. Es muss also durchaus der Frage nach der Repräsentativität dieser Interessengruppen nachgegangen werden, v.a. da die Kommission im Weißbuch Europäisches Regieren (2001) die Partizipation der Zivilgesellschaft als “a means to connecting society to structures of governance” bezeichnet hat. Einige Autoren bezeichneten die Praxis der Partizipation als korporatistisch (Obradovic 1998) oder neo-korporatistisch (Schmitter 2000), auch um sie damit von Lobbying abzuheben. Dieses aus einigen Mitgliedsländern bekannte System erfährt auf europäischer Ebene jedoch eine signifikante Veränderung: die rechtliche und faktische Exklusion des EP. Daraus resultiert: “The elites acting in the EU social policy field consist in an extremely limited number of organizations, per se representatives of fragments of the society, and moreover with a truly low representativity” (Reale 2003: 15). Wie auf diese Weise eine Partizipation der europäischen Bürger erreicht werden soll, bleibt rätselhaft. Darüber hinaus ist die Argumentation des Gerichtshofes, dass die Repräsentation der Bürger auch durch andere Akteure als das Parlament vor sich gehen kann, bemerkenswert, werden sie doch als äquivalent betrachtet. Private Akteure werden nicht als Ergänzung eines Repräsentativsystems, das auf gewählten Mandataren beruht, verstanden, sondern als gleichwertig apostrophiert. Hier wird eine Form der funktionalen und berufsständischen Repräsentation verteidigt, deren exklusiver Charakter einer komplexen und demokratischen Gesellschaftsordnung nicht gerecht werden kann, v.a. da es fraglich ist, wie diese Akteure zur Verantwortung gezogen werden können.
VII.1.8. Diffuse Interessen NGOs nahmen ihre Arbeit in Brüssel in den beginnenden 1970er Jahren auf. In der ersten Dekade galt dies v.a. für den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, während der 1980er Jahre für die Umwelt- und Gleichstellungspolitik der EG, seit den 1990er Jahren insbesondere im Falle der Bemühungen um eine gemeinsame Sozial-, Beschäftigungs, Außen- und Menschenrechtspolitik der EU (Balme et al. 2002). Gegenüber der geballten Macht der spezifischen Interessenvertretungen erweist es sich für diffuse Interessen äußerst schwierig, Einfluss auf das politische System zu erlangen. Mancur Olson (1965) und David Vogel (1993) haben dargelegt, dass die Repräsentation diffuser Interessen auch in nationalen politischen Systemen schwierig ist, da es erstens den Bürgern schwer fällt, sich für solche Interessen zu engagieren (“Trittbrettfahrer-Problem”) und die Organisationskosten verhältnismäßig hoch sind. Claus Offe (1973) gibt als Bedingung für die verbandsförmige Repräsentation die Faktoren Organisationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit an. Die Organisationsfähigkeit betrifft
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Fähigkeit zur Mobilisierung von Ressourcen, Konfliktfähigkeit bedeutet die Fähigkeit eine für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft wichtige Leistung kollektiv verweigern zu können. Während Gewerkschaften, Wirtschaftsund Berufsverbände politischen Einfluss auf ihr Leistungsverweigerungspotential gründen, müssen sich NGOs und Neue Soziale Bewegungen auf die Organisation von Protesten und die Inszenierung von medienwirksamen Ereignissen spezialisieren. Auf der supranationalen Ebene erhöhen sich sowohl die finanziellen Kosten als auch die Organisationskosten. Aufgrund des neoliberalen Bias der europäischen Konstruktion und der Bevorzugung negativer Integration, werden Kapitalinteressen systematisch gegenüber z.B. Arbeitnehmerinteressen privilegiert. Das im Prinzip intergouvernementale System des Regierens, so Streeck, favorisiert die deregulative, neoliberale Agenda gegenüber anderen Interessen, die im allgemeinen Re-regulierung und Protektion suchen (Streeck 1996: 75). Der Druck zur kompetitiven Deregulation in den Mitgliedstaaten belohnt konzentrierte Interessen mit einem besseren Lobbyzugang (Pollack 1997). In der Literatur wird argumentiert, dass z.B. die Industrie ein leicht zu konzentrierendes Interesse habe und nur eine relativ kleine Anzahl von Akteuren das Feld bestimme. Sie ist damit besser in der Lage, sich grenzüberschreitend zu organisieren und ihre ungleich höheren Ressourcen gezielt einzusetzen (Streeck/Schmitter 1991). Mazey und Richardson (1993a) als auch Vogel (1995) zeigen auf, dass das EU-System sehr wohl auch die Vertretung und Verteidigung diffuser Interessen zulässt und der Zugang keineswegs geschlossen ist. Vogel, der in seiner komparativen Studie die USA, Japan und das Vereinigte Königreich analysiert, sieht v.a. im Vorhandensein multipler access points Chancen für diffuse Interessen. Ein fragmentiertes politisches System bietet dafür die besten Voraussetzungen. Die Neigung zum deregulativen Wettbewerb wird nicht geleugnet, ebenso wenig wie die Möglichkeit in die Politikverflechtungsfalle und damit in eine sich selbst blockierende Politik zu tappen. Gleichzeitig eröffnet dieses System aber auch Chancen. Mark Pollack hat die Ergebnisse von Vogel auf die EU angewandt und erkennt vier Zugangsmöglichkeiten: (1) Die nationale Route, die Lobbying bei den nationalen Regierungen verfolgt und diese veranlassen will, im Rat europaweite Regelungen zu unterstützen. Als Beispiel gibt Pollack die Umweltpolitik an: Artikel 100a der EEA erlaubte die Annahme von Binnenmarktverordnungen mit qualifizierter Mehrheit unter Kooperation mit dem EP. Diese Bestimmung wurde später für die Harmonisierung nationaler Bestimmungen in der Umweltpolitik und im Umweltschutz angewandt. Zudem erlaubte Artikel 130R-T der EEA explizit die Annahme von Umweltrichtlinien durch einstimmigen Beschluss im Rat und im Maastrichter Vertrag finden sich mehrere Bestimmungen wie z.B. die Einführung qualifizierter Mehrheit und des Kodezisionsverfahrens für Umweltrichtlinien im Artikel 130S EGV sowie für Konsumentenschutz im Artikel 129A. Mitgliedstaaten mit relativen hohen Umweltschutzstandards und einer Tradition des Konsumentenschutzes waren also erfolgreich,
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ihre Standards auf die europäische Ebene zu exportieren.384 (2) Die Brüssel Route: Lobbying bei der Kommission – eine Möglichkeit die gerade in den letzten Jahren von allen Interessengruppen verstärkt in Anspruch genommen wurde. Die Kommission ist mittlerweile das bevorzugte Ziel von Einflussnahmeversuchen. Pollack führt den seit den frühen 1970er Jahren von der Kommission organisierten und finanzierten Verbraucherrat und die “Equal Opportunity Unit” in der GD V, die verantwortlich zeichnet für das Entwerfen von Richtlinien und die Initiierung verschiedener Programme zur Gleichstellung an. (3) Lobbying beim EP, bzw. den relevanten Ausschüssen, die sich gegenüber diffusen Interessen bisher aufgeschlossen gezeigt haben. Als Beispiel für den Erfolg kann die Clean Cars Richtlinie aus dem Jahr 1989 angeführt werden. Allerdings war das EP nicht immer erfolgreich wie die Packaging Waste Richtlinie 1994 gezeigt hat. (4) Die Suche nach Unterstützung sowohl bei nationalen Gerichten als auch beim EuGH. Der bekannte Defrenne Fall 1971385, der zur Annahme von fünf Richtlinien zu “equal opportunity” führte, kann als Beispiel dienen (Pollack 1997). Trotz dieser positiven Beispiele, die eine erfolgreiche Einflussnahme diffuser Interessen auf den Politikprozess der Union zeigen, kommt Pollack (1997: 587) zu dem Schluss, dass “[t]he EC is not the ideal institutional structure for protecting diffuse interests such as the environment, consumers, and women’s rights.”. Eine nicht-ideal Umgebung für die Vertretung diffuser Interessen, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Kommission Spielball organisierter Interessen ist. Sonia Mazey und Jeremy Richardson (2001: 229) argumentieren, dass Unternehmen den Konsultationsprozess nicht monopolisiert haben, da aus der Sicht des EP und der Kommission eine ausschließliche Konzentration auf “business interests” die Robustheit, Kohärenz und Durchsetzungsmöglichkeiten von Initiativen beschränken würde: “the Commission recognises that relying on producer groups for advice, however technical and accurate it might be, is a risky business in terms of legitimacy.” Interessengruppen, die spezifische oder diffuse Anliegen vertreten, sind Teil aller politischen Systeme, so auch der Europäischen Union. Weder kann erwartet werden, dass alle Interessen, Meinungen, Wünsche etc. der Bürger durch solche Interessengruppen repräsentiert werden können, noch ist die Existenz solcher Gruppen per se negativ zu qualifizieren. Die Vielzahl solcher Lobbygruppen kann einerseits als Garantie für sich balancierende Interessen dienen und andererseits als Chance diese Interessen überhaupt in den politischen Prozess einzubringen. Lobbying darf nicht nur negativ gesehen werden, kann es doch zu einer Europäisierung der Debatte und der Entstehung einer Öffentlichkeit beitragen. In der politischen Praxis zeigt sich je384
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Siehe auch die Ausnahmebestimmungen, dass EG-Recht nicht zu einer Verschlechterung gewisser Standards führen darf, Art. 176 EGV. Defrenne Case, ECR 455 (1976) und 1365 (1978).
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doch, dass v.a. Ressourcenasymmetrien386 spezifischen Partikularinteressen einen gewissen Vorteil verschaffen.387 Politische Akteure auf europäischer Ebene suchen verlässliche Informationen, gerade weil sie vom Wähler relativ weit entfernt sind. Interessengruppen, die spezifische Interessen vertreten, sind gut informiert über die Wünsche ihrer Klientel und die Erfordernisse ihres Politiksektors. Die Informationen, die sie z.B. für die Kommission bereithalten sind aber wohl nicht primär dem Gemeinwohl geschuldet, sondern sektorspezifisch. Ihre Preisgabe erfolgt nach strategischen Kriterien und nicht nach neutraler Expertise. Dies ist den politischen Akteuren sehr wohl bewusst (Crombez 2002).388 Die Diversifizierung der Informationsquellen ist eine rationale Strategie, um die Abhängigkeit von spezifischen Interessen so weit als möglich zu vermeiden. Vertreter diffuser Interessen können diese Strategie als Chance nutzen, ihre eigenen Vorstellungen, quasi als Gegengewicht zu spezifischen Interessen in den Politikprozess einzubringen. Allerdings müssen die vergleichsweise geringen Ressourcen, die NGOs etc. zur Verfügung haben, auch für Basisarbeit aufgewendet werden (Beyers 2004). Justin Greenwood (2003: 4f.) bezeichnet organisierte Interessen als “natural constituencies of the Commission and the Parliament”. Sie verringern die Abhängigkeit dieser Institutionen von den nationalen Administrationen und formen eine “demand constituency”. Zum zweiten erfolgt die versuchte Einflussnahme zumeist abseits der Öffentlichkeit. Zwar haben die Society of European Affairs Practitioners (SEAP) und die Public Affairs Practitioner Group (PAPG), wo die Mehrheit der Lobbyisten Mitglied ist, selbst einen 12 Punkte umfassenden Verhaltenskodex verfasst389, eine bestimmte Entscheidung nachzuvollziehen, die Akteure accountable zu machen, ist – wenn überhaupt – nur durch großen Kontrollaufwand möglich. Nimmt der Einfluss dieser Gruppen ein Ausmaß an, welches die zentralen politischen Institutionen marginalisiert, so kann von einer Deparlamentarisierung und Entdemokratisierung eines politischen Systems ausgegangen werden. Wenn die Bürger sich zuerst organisieren müssen, um ihre Interessen repräsentiert zu sehen, läuft dies einem wesentlichen Vorteil der repräsentativen Demokratie zuwider: dass sie nämlich von der eigenen, unmittelbaren 386
387
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389
Vgl. Beate Kohler-Koch et al. (2004: 241): „Entsprechend zeigt sich in der empirischen Analyse ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Budget eines Verbandes und der Häufigkeit seiner Kontakte zu den Gemeinschaftsinstitutionen.“ Siehe dazu Mark Aspinwall (1998), der darlegt, dass eine bemerkenswerte Zahl von EU Politiken durch wenige einflussreiche Interessengruppen auf Kosten von finanzschwächeren Gruppen determiniert wird. Beate Kohler-Koch (1998) weist darauf hin, dass der Begriff des Lobbyismus beim EP kein allzu gutes Image hat. Siehe www.europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgc/lobbies/code_consultant/ codecon_en.htm
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Involvierung in die Politik abseits der Beurteilung des politischen Ertrags befreit. Wenn z.B. die Gleichstellungs- oder Umweltschutzpolitik solange nicht auf der europäischen politischen Agenda erscheinen, bis sich Interessengruppen gefunden haben, die unter großen Kosten und Mühen, dieses Thema in den Politikprozess einbringen, verliert Politik ihre Agenda-Setting Funktion und ihren repräsentativen Anspruch. Haben sich diese Anliegen noch dazu in einem System, das der Marktintegration den Vorrang gibt, gegen ressourcenstarke sektorspezifische Interessen durchzusetzen, so ist ihre Chance Einfluss auf die Politikgestaltung zu finden, relativ gering. Ist dies spezifisch für das politische Mehrebenensystem Europas? Keineswegs. Der Unterschied zu nationalen politischen Systemen scheint in der Tatsache begründet zu sein, dass der Anteil politisch apathischer Bürger wesentlich größer ist als der Anteil aktiver Bürger. Mit deprimierender Regelmäßigkeit informieren Eurobarometerstudien über die Klagen der Bürger, sich nicht ausreichend informiert zu fühlen, keinen Sinn in der Beteiligung zu sehen etc. Ein Grundbestandteil jeder Demokratie ist die Förderung des Verständnisses für politische Prozesse. Es kann kaum erwartet werden, Bürger zu mobilisieren, wenn der Grad des Wissens über politische Entscheidungsprozesse gegen Null tendiert. “A system which pretends to be democratic but does not contribute to the cognitive mobilisation of its citizens is a contradiction in terms” (Magnette 2003a: 152). Die Strategie der Kommission dieser Apathie mit der noch stärkeren Einbindung von Interessenorganisationen in die Politikformulierung zu begegnen, betrifft nur den bereits aktiven Teil der Bürgerschaft. Die Rhetorik von der Involvierung der Zivilgesellschaft, der Bürgernähe etc. gibt vor, alle Bürger und Bürgerinnen in den Politikprozess involvieren zu wollen. Konkrete Vorschläge betreffen aber immer sektorale Interessenvertretungen: “Interested parties, stakeholders, actors most concerned” (European Commission 2001). Von politischen Parteien als sektorübergeifende, das generelle Interesse kondensierende und formulierende Repräsentanten ist nicht die Rede. Kein Zweifel, dass das komplexe Mehrebenesystem europäischen Regierens nicht leicht zu vermitteln ist. Kein Zweifel auch, dass kollidierende Systeme der Repräsentation, multiple Foren der Repräsentation dem Bürger die Chance nehmen, politische Arbeit zu beurteilen, eigene Ideen, Interessen, Wünsche etc. einzubringen. Die ständische Repräsentation im Wirtschafts- und Sozialrat, die territoriale Repräsentation im Ausschuss der Regionen, die funktionale, sektorspezifische Repräsentation durch Interessengruppen nimmt den Bürger jeweils nur in einer bestimmten Eigenschaft, als Konsument oder als Produzent, umschrieben mit dem Euphemismus Marktbürger, wahr. Ein Phänomen, welches uns auch von nationalen politischen Systemen durchaus bekannt ist. Auf dieser Ebene agieren jedoch Parteien, die Alternativen zwischen Entscheidungen öffentlich diskutieren. Politische Themen werden zwischen kollidierenden Systemen der Repräsentation zermahlen, da sie im Labyrinth der Beratungsgruppen entpolitisiert werden – öffentliche politische Diskussion als Reduktion der Kontingenz
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wird verunmöglicht. Das Initiativmonopol der Kommission produziert zwangsläufig konsensuale Politik. Die Kommission bezieht in der Vorbereitungsphase Dutzende von Interessengruppen ein, der schlussendlich resultierende Vorschlag ist Ergebnis einer delikaten Balance zwischen diesen Interessen. Eine Balance, die gleichgesetzt wird mit dem Gemeinwohl, die große Mehrheit der apathischen Bürger jedoch ignoriert. Selbst die große Zahl von NGOs, siehe die kaum enden wollende CONNECS-Liste der Kommission, nimmt immer nur eine spezifischen Ausschnitt der Interessen des Bürgers wahr, sei es seine/ihre Interessen als Bienenzüchter, Zahnersatzhändler oder Tattoo-Künstler. Natürlich bereichern die verschiedenen Repräsentationsforen, bereichern Interessengruppen den demokratischen Entscheidungsfindungsprozess. Ihr unterschiedlicher Status, schwankend zwischen konsultativer und autoritativer Repräsentation, macht diese Vielfalt jedoch zu einem Feigenblatt für politischen Aktionismus. “These factors [consumer protection, equality legislation, Commission initiatives to sell Europe to the people] make the EU one of the most citizen-friendly polities to be found anywhere” (Greenwood 2003: 176). Aber wie Alex Warleigh (2001: 651) ausführt “NGOs will be unable to act as agents of civil society Europeanisation unless they are internally democratic and willing and able to act as agents of political socialisation, with particular reference to EU decision making and policy […] NGOs are as yet simply not ready to play this role, and it cannot be assumed that their capacity to act in this way will be improved […] their internal governance is far too elitist to allow supporters a role in shaping policies, campaigns and strategies […] Moreover, most NGO supporters do not actually want to undertake such a role […] NGOs are no ‘magic bullet’ which will automatically hit the target of political socialisation.” Ohne kohärente europäische politische Parteien, die die generelle Repräsentation diffuser Interessen zu ihrer Aufgabe haben und politische Alternativen auf der Bühne der Politik präsentieren, wird der europäische Entscheidungsprozess weder vermittelbar sein, noch demokratischen Standards der Responsivität genügen können.
VII.1.9. Parteien als Vertreter des Gesamtinteresses Nach der anfänglich geäußerten Kritik an Parteien und am “responsible party model” mag es sonderbar anmuten, dass Parteien nun als Vertreter des Gesamtinteresses bezeichnet werden. Der Klubzwang als Pervertierung des freien Mandats, das Parlament als Handlungsverbund von Exekutive und Parlamentsmehrheit lassen es durchaus zweifelhaft erscheinen, in Parteien etwas anderes zu sehen als eine Form der Vertretung von Partikularinteressen. An die Stelle des sektorspezifischen Interesses tritt das Interesse der Partei als Organisation, welche ihren Mitgliedern Vorteile verschafft. All dies
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deutet darauf hin, dass gegenüber einer Sichtweise von Parteien als objektive Mittler des individuellen Willens oder des Willens großer Teile der Bevölkerung Skepsis angebracht ist. Die besondere Situation moderner komplexer Gesellschaften bringt es jedoch mit sich, dass sich politische Parteien die Ausklammerung eines bestimmten Partikularinteresses auf Dauer nicht leisten können. Die vielfältigen Wünsche, Bedürfnisse, Interessen, die an die Parteien aus den verschiedenen Wahlkreisen herangetragen werden, müssen adäquate Berücksichtigung finden. Das Allgemeininteresse kann sich idealtypisch aus der Balance dieser Interessen ergeben. Eine Balance ist aber nicht gleich arithmetisches Mittel, d.h. das Allgemeininteresse ist nicht lediglich die Summe seiner Teile, denn alle Parteien werden gemäß ihren Präferenzen und strategischen Optionen bestimmte Projekte bevorzugt behandeln. Entscheidend ist, dass ein dauerhafter Ausschluss bestimmter Interessen mit dem Verlust des politischen Mandats verbunden ist. Dazu tritt die Entwicklung der politischen Parteien hin zu “catch all parties” (Kirchheimer 1966: 190), die eine drastische Reduktion des ideologischen Gepäcks, eine Stärkung der innerparteilichen Eliten und eine Ausweitung der Zielgruppen bringt. Wollen Parteien an die Macht, bzw. diese behalten, so muss jenseits rhetorischer Pflichtübungen wie z.B. in Wahlprogrammen, die prinzipielle Offenheit für alle Anliegen vorhanden sein. Die Volatilität des Wählerwillens in komplexen Gesellschaften zwingt dazu. Elmer Schattschneider stellte bereits 1942 fest, dass “[m]odern democracy is unthinkable save in terms of parties” (1942: I) und folgte damit James Bryce (1921: 119), der Parteien im Jahr 1898 als unvermeidlich bezeichnete: “None has shown how representative government could be worked without them.” Demokratie benötigt Organisation (Michels 1910/1952) und Repräsentation basiert auf politischen Parteien als Mittel der Reduktion von Kontingenz in einer komplexen Welt. Die Interdependenz zwischen moderner Demokratie und Parteien wurde erst kürzlich durch Wolfgang Müller und Kaare Strøm (1999: 1) bestätigt, die Parteien als die wichtigsten Institutionen moderner Politik bezeichneten. Diese Auffassung ist wesentlich beeinflusst durch die Annahme, dass moderne Demokratie ein Wettbewerb zwischen Parteien ist. “[T]he competitive electoral context, with several political parties organizing the alternatives that face the voters, is the identifying property of the contemporary political process.” (Powell 1982: 3). Parteien sind kein Relikt der demokratischen Konsolidierungsphase, sondern essentieller Bestandteil moderner Systeme. So lässt sich sagen “[t]he party goes on” (Kayden/Mahe 1985) oder “the party’s just begun” (Müller/Strøm 1999: 3; Sabato 1988). Parteien erfahren durch den Prozess der europäischen Integration einen substantiellen Wandel. Ihre Kernfunktionen, Zieldefinition, Aggregation und Artikulation von Interessen, die Mobilisierung und Sozialisierung von Gruppen, die Anwerbung von Eliten und die Regierungsbildungsfunktion
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(Beyme 1985: 25) unterliegen einem beachtlichen Veränderungsdruck (Andeweg 1999). Der traditionelle Politik-Zyklus, (1) Definition der Probleme, (2) Agenda-Setting, (3) Politikformulierung, (4) Implementation und (5) Reformulierung findet nun auf mehreren Ebenen statt. Während die Definition der sozioökonomischen Problemstellungen und die Implementation von Politiken zur Lösung weitgehend auf der nationalen Ebene verbleiben, finden Agenda-Setting und die Formulierung von Politik in immer mehr Bereichen auf der supranationalen Ebene statt. Artikel 191 EUV trägt diesem Umstand Rechnung: „Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“ Die politikwissenschaftliche Forschung zum Einfluss der europäischen Integration auf politische Parteien, ihre sich verändernde Rolle, Funktion und Strategien steckt noch in den Kinderschuhen (Mair et al. 1999; Gaffney 1996). Dies ist umso verwunderlicher, hat die Forschung zu politischen Parteien in den letzten Dekaden doch enorme Ausmaße angenommen. Aber: “[t]he political party is essentially a national and local phenomenon” (Gaffney 1996: 2), der Untersuchungsrahmen war weitgehend ident mit den Grenzen des Nationalstaates. Diese führt zu einer paradoxen Situation: “[…] very little of the literature on integration is on political parties, and very little of the literature on political parties is on integration” (Gaffney 1996: 1). Untersucht man Parteien und ihre Rolle auf europäischer Ebene, so sind mehrere Fragen von Interesse: (1) Haben sie bisher überhaupt eine Rolle im Fortgang der Integration gespielt? (2) Welche Ähnlichkeiten in Positionen, Struktur, Organisation, Aufbau etc. gibt es innerhalb der großen Parteifamilien? (3) Welche Anpassungsstrategien verfolgen Parteien, um mit dem europäischen Mehrebenensystem zu Rande zu kommen? etc. Die weit verbreitete Meinung ist, dass die Rolle, die politische Parteien im nationalstaatlichen System spielen, auf europäischer Ebene durch Interessengruppen, bürokratische Eliten und Experten übernommen wurde. Parteien sind dann nur von “very secondary importance” (Gaffney 1996: 2f.). Dies mag zwar partiell richtig sein, doch hat das zunehmende Gewicht des Europäischen Parlaments auch zu einer Relance der Parteien geführt. Man ist nur versucht zu fragen, ob nationale Parteien diesen Wandel auch begriffen haben und wenn ja, wie sie darauf reagieren? Denn es ist müßig über die Repräsentation des Allgemeininteresses durch Parteien zu sprechen, wenn diese ihre Funktionen auf eine Ebene, den Nationalstaat konzentrieren, und die supranationale Ebene negieren, bzw. lediglich als willkommene Ausrede für unpopuläre Maßnahmen missbrauchen. Parteien kann nicht jeglicher Einfluss auf die europäische Politik abgesprochen werden: nationale politische Parteien stehen im Wettbewerb um nationale politische Ämter, deren Gewinner sind im Europäischen Rat und
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im Rat der EU vertreten; Mitglieder der Europäischen Kommission haben in der Regel eine Karriere in nationalen politischen Parteien hinter sich; Mitglieder des EP werden durch ihre nationalen Parteien aufgestellt und bilden im EP politische Fraktionen. Doch die europäischen Parteienkooperationen sind schwach ausgebildet. Ein Grund dafür ist neben der unterschiedlichen ideologischen Ausrichtung selbst innerhalb der Parteifamilien die bereits erwähnte Tatsache, dass dem EP keine Regierung, sondern eine Kommission und ein Rat, deren Mitglieder aufgrund von territorialer Repräsentation selektiert wurden, gegenüberstehen, so dass ein politischer Wettbewerb um Ämter und damit ein Bemühen um Unterstützung für Programme nicht statt findet (Andersen/Burns 1996; Van der Eijk/Franklin 1996; Schmitt/Thomassen 1999). Was fehlt ist nicht die politische Bühne, sondern der Theaterdonner. Die Wahlen zum EP haben bis heute keine Debatte über genuin europäische Themen produziert. Öffentliche Aufmerksamkeit scheint Brüssel nur gewiss zu sein, wenn es um verrückte Kühe, nepotistische Kommissare, Butterberge und Milchseen geht. Der nationalistische Reflex, diese Übel als Resultat der Integration darzustellen, scheint für die politischen Akteure verlockender als das Einbringen konstruktiver Veränderungsvorschläge. Willkommene Ausrede dieses Teufelskreises ist das mangelnde Interesse und Wissen der Bürger. Mit einem Wort: politische Parteien erfüllen auf europäischer Ebene nicht die Funktion eines Relais’ zwischen Bürger und Institutionen. “[T]hey do not act as channels between citizen’s interests and governmental or supragovernmental institutions” (Gaffney 1996: 17). Hinzu kommt, dass Parteien nicht länger als Verteilungsagenturen sozialer Vorteile dienen können, da ihr Handlungsspielraum durch nationale Budgetkonsolidierungen und europäische Stabilitätsanforderungen reduziert ist. Was bleibt ist ein vom Standpunkt der repräsentativen Demokratie vollkommen defizitäres Mehrebenensystem suis generis. Die Transnationalisierung der Politik reduziert den Bewegungsspielraum politischer Parteien auf verschiedene Weise. Während nationale Exekutiven und ihre bürokratischen Apparate zu den „Gewinnern“ des Integrationsprozesses gehören, sind politische Parteien eher zu den Verlieren zu rechnen, speziell im Hinblick auf die Funktion der Interessenaggregation390, des Agenda-Setting und der Politikformulierung. Dies ist jedoch kein notwendiger Prozess, keine notwendige Entwicklung sondern vielmehr auf die mangelnde Adaption auf das neue politische Arrangement zurückzuführen. Obwohl Parteien traditionellerweise konservative Organisationen mit einem hohen Trägheitsmoment sind und ein möglichst konsistentes und dauerhaftes Poli390
Was sollte es auch für einen Sinn machen Interessen zu aggregieren, wenn die Europäische Kommission die Ausübung ihres Initiativmonopols auf die Einflüsterung mächtiger Interessengruppen stützt? So, oder so ähnlich, das oft gehörte Argument zur Rechtfertigung der Untätigkeit nationaler Parteien, die Bürger und das europäische Projekt zu vermitteln.
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tikprofil die Voraussetzung für die potentielle Erfüllung der Erwartungen der Wählerschaft ist, sind Parteien immer einem Wandel unterlegen: von der Kader-Partei zur Massenpartei, von lose organisierten Notablenvereinen zu strikt hierarchisierten, staatsfinanzierten Massenorganisationen. Und von Massenparteien zu Kartell-Parteien (Katz/Mair 1995). Es erscheint also plausibel, dass Parteien sich auch weiterhin an die politischen Rahmenbedingungen und institutionellen Arrangements anpassen werden müssen. Grundsätzlich bestehen für Parteien drei Optionen auf ein verändertes politisches Umfeld zu reagieren: (1) Sie können bei symbolischer Politik Zuflucht suchen, d.h. auf nationaler Ebene für eine Re-nationalisierung oder zumindest einen Stopp weiterer Souveränitätsverlagerung plädieren, während sie auf europäischer Ebene agieren. Dies führt zu dem wohlbekannten Ergebnis, dass unpopuläre Politiken Brüssel angelastet werden und Erfolge als Ergebnis des eigenen Handelns verkauft werden. (2) Parteien können gewisse Politikbereiche aufgeben und sich auf die im nationalen Einflussbereich verbleibenden konzentrieren. Folge davon ist die Opposition gegen eine weitere Vertiefung der Integration. (3) Parteien können aber auch eine offensive Strategie anwenden und entweder eine Stärkung der nationalen Ebene z.B. durch eine Stärkung der nationalen Parlamente oder eine strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips verlangen. Oder sie können sich für eine weitere Kräftigung des EP einsetzen und die Rolle und Position der transnationalen Parteienverbände ausbauen. Die gewählte Strategie hängt von der Position der Partei im nationalen System, vom primären Fokus ihrer Politik, vom Politikfeld und von der spezifischen politischen Kultur und Parteigeschichte ab. Eine Untersuchung einer solchen möglichen Anpassung muss zwischen dem Wandel von Parteien und dem Wandel des Parteiensystems differenzieren. Letzteres wird als “the system of interaction resulting from inter-party competition (Sartori 1976: 44) verstanden. In diesem Wettbewerb sind Parteien die zentralen Akteure, der Wettbewerb selbst wird durch das institutionelle Arrangement und die Wähler strukturiert. Des Weiteren muss zwischen Format und Mechanik des Parteiensystems unterschieden werden. Das Format bezeichnet die Anzahl der im Wettbewerb stehenden Parteien, die Mechanik beschreibt die Art der Interaktion zwischen den Parteien “either by modifying the idelogical distance separating the relevant parties, or by encouraging the emergence of wholly new European-centred dimensions of competition” (Mair 1999: 6). Für die Untersuchung der Transformation von Parteisystemen hat Gordon Smith sechs Dimensionen vorgeschlagen: (1) Anzahl und relative Größe von Parteien, (2) die ideologische Distanz oder Polarität zwischen den Parteien, (3) die Volatilität der Unterstützung von Parteien, (4) die sozialen Cleavages wie sie von Parteien reflektiert werden, (5) die Achse Regierung – Opposition und (6) die Anzahl und Bedeutung der
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verschiedenen Politikarenen. Wolfgang Müller (1997: 223) fügt dem eine zusätzliche Dimension hinzu: die Parteiorganisation. Als plakative (und im statistischen Sinne nicht repräsentative) Fallstudie für eine Untersuchung der Adaption nationaler Parteien an das europäische Mehrebenensystem dient das österreichische Parteiensystem. Es sollen hier lediglich einige Ergebnisse einer vom Autor mitverfassten Studie aus dem Jahr 2001 präsentiert werden.391 Die Studie basierte wesentlich auf semistrukturierten Interviews mit Mitgliedern aller im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien sowie österreichischen Abgeordneten zum EP. Denn bevor über die Repräsentation des Allgemeininteresses durch politische Parteien gesprochen werden kann, muss untersucht werden, ob diese überhaupt willens und in der Lage sind, diese Funktion auf europäischer Ebene auszuüben. 83% der Befragten äußerten die Meinung, dass seit dem österreichischen Beitritt zur EU die Arbeit der politischen Parteien erschwert wurde, während 63% auch angaben, dass gewisse Dinge seit 1995 leichter fallen. Vor allem die Mitglieder der traditionell europafreundlichen konservativen Volkspartei (ÖVP) schlossen sich dieser zweiten Meinung unisono an. Schon Jahre vor dem Beitritt bemühte sich die ÖVP um eine Aktivierung der österreichischen Europapolitik, da in der Europäischen Freihandelszone keine geeignete Alternative zu einem Vollbeitritt gesehen wurde. Eine Teilnahme am gemeinsamen Markt wurde als Möglichkeit der Sanierung der Folgen austrokeynesianischer Politik seit der Ära Bruno Kreisky betrachtet.392 So waren die Befragten der ÖVP auch überwiegend der Meinung, dass die Integration keine oder wenn, nur Anfangsschwierigkeiten für die Parteiarbeit bringen würde. Ob eine Europäisierung393 der Parteien bereits stattgefunden hat, beantworteten 25% aller Befragten mit Ja, 25% mit Nein und 33% mit teilweise. 17% gaben an, dies nicht zu wissen. Eine etwaige Anpassung an das europäische System lässt erwarten, dass sich die Strukturen und die Organisation der Parteien geändert haben. So gaben 42% an, dass neue Parteigremien geschaffen wurden, bzw. alte Gremien umstrukturiert wurden (17%). Im Falle der ÖVP erscheint interessant, dass innerhalb der Gruppe der Befragten eine gewisse Divergenz festzustellen war. So wurde von einem Interviewpartner die Einrichtung neuer Gremien bejaht, während zwei Befragte dies verneinten. Die Resultate sagen offen391
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Projekt “Institutional Change and Problems of Democracy. State of the Art and Future Perspectives” (GZ 28.101/1-III/A/3/99) finanziert durch das Österreichische Bundesministerium für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Es gab allerdings auch in der ÖVP Gegenstimmen zu einer Beitrittsoption. Siehe dazu Heinrich Schneider (1990: 240). Im Sinne Ladrechs (1994: 70) wird Europäisierung als “incremental process reorienting the direction and shape of politics to the degree that EC political and economic dynamics become part of the organizational logic of national politics and policy-making” verstanden.
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sichtlich mehr über den Grad der internen Parteikommunikation denn über reale Veränderungen aus. Angesprochen auf das Thema der Kommunikation innerhalb der Partei in Europafragen wurden v.a. die Informationsflut aus Brüssel beklagt (vgl. dazu Pollak/Slominski 2003a), die die interne Parteikommunikation erschwert. Vor allem der “top down appoach” der Kommunikation in den Parteien wurde beklagt. Europapolitik scheint eine Angelegenheit der Parteispitze zu sein. Wie ein Interviewpartner feststellte: „Es ist dieses Europathema noch immer ein so genanntes Ghettothema [...], wo man immer noch glaubt, man braucht es nicht in der eigenen Arbeit hier im Nationalrat, sondern kann dann willkürlich einfach auf das Know How im Europareferat zugreifen und braucht es in die eigene Arbeit nicht integrieren.“ (I 10). Als generelles Resultat lässt sich feststellen, dass die Befragten der Meinung waren, dass ihre jeweiligen Parteien zu einem hohen Grad europäisiert sind. Lässt sich diese Meinung durch Fakten untermauern? Sowohl ÖVP als auch SPÖ sind Mitglieder verschiedener Netzwerke, die auf europäischer Ebene, die Parteiarbeit zu koordinieren suchen. So war die ÖVP treibende Kraft in der Gründung der Europäischen Demokratischen Union. Regelmäßig finden Treffen konservativer Parteimitglieder auf verschiedenen Ebenen statt, so z.B. Treffen von Wahlkampfstrategen und Öffentlichkeitsarbeitern. Ganz ähnliche Kooperationen finden sich auch in der Sozialdemokratischen Partei: die Vorsitzenden der parlamentarischen Fraktionen treffen zweimal im Jahr zusammen, ebenso wie Wahlkampfstrategen. Darüber hinaus sind Vorfeldorganisationen dieser Parteien (Jugend-, Frauen- und Pensionistengruppen) aktiv. Allerdings sind diese Treffen wohl mehr der Herstellung eines positiven Klimas denn strategischen Imperativen geschuldet. Wie es ein Interviewpartner ausdrückte: „Das, was bei uns sozialdemokratisch heißt, und das, was in den anderen Ländern sozialdemokratisch heißt, ist bei weitem nicht dasselbe.“ Diese Differenzen werden durch nationale Interessen zusätzlich beeinflusst: „Ich habe vielfach in Ministerräten der EU mit mir den Test gemacht, wenn ich neu rein gekommen bin, zu raten, welcher Fraktion die Minister der anderen Staaten in den Räten angehören. Das ist fast nicht möglich. Deshalb nicht, weil die Minister im Ministerrat nicht an ihrer Fraktion, sondern nur an ihrer Nationalität erkennbar sind. Im Verkehrsbereich wird ein Minister nur für seine Frächterlobby kämpfen und nicht für abstrakte Prinzipien der nachhaltigen Verkehrspolitik.“ (I 8) Mangelndes Verständnis für den Einfluss der europäischen Politik auf die nationale Ebene wurde auch beklagt: „Weite Teile der österreichischen Bevölkerung, aber auch des ganzen Systems inklusive Steuerverwaltung, haben noch nicht realisiert, was es bedeutet, dass 70% der Gesetzesinitiativen von Brüssel ausgehen und in Österreich nur angeglichen werden können.“ (I 3). Eine Einschätzung, die auch in Bezug auf die eigene Partei von einem Interviewpartner geteilt wurde: „Es ist schwer, die nationale Fraktion zu einer europapolitischen Kompetenz und einem bewussten europapolitischen Handeln zu bringen. [...] die Schwierigkeiten sind ganz enorm geworden und die
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bestehen in Übersetzungsfragen, also eine einheitliche Wahrnehmung der Wirklichkeit herzustellen, einen Anschluss an europäische Diskurse zu finden.“ (I 12) Die Schwierigkeiten scheinen v.a. in der Verbindung von politischer Sacharbeit und europäischen Entscheidungsprozessen zu liegen. Die Folgen dieses Auseinanderdriftens wurden angesprochen: „[…] ihnen [den Abgeordneten] den Verlust tatsächlicher Souveränität wirklich präsent zu machen. Es bleibt mehr ein abstraktes Wissen. Das heißt, die nationalstaatliche Ebene wird sehr stark eine virtuelle Öffentlichkeit, die deshalb auch anfällig ist für Verdrängung [...] tatsächlicher Interessen- und Machtzusammenhänge und eine sehr starke Dynamik der symbolischen und psychologischen Politik hat.“ (I 8) Strategien dieser Entwicklung zu begegnen, beinhalten eine verbesserte Kommunikation nicht nur zwischen Parteispitze und Abgeordneten, sondern auch einen regelmäßigen Austausch von Information zwischen Abgeordneten zum EP und zum österreichischen Nationalrat. Während die befragten EP-Abgeordneten angaben, nicht besonders aktiv im Schreiben von Berichten an ihre nationalen Kollegen zu sein, erklärte ein Befragter: „Auch in die Parteiabläufe sind die EU-Abgeordneten nicht integriert. Der EUAusschuss etwa findet immer am Mittwoch statt, wenn die Europaabgeordneten in Brüssel sind.“ (I 6). Dies deutet entweder auf mangelndes Interesse oder Problembewusstsein der nationalen Parteien hin. Allerdings ist Europapolitik, wie es ein Abgeordneter ausdrückte, in Österreich Kabinettspolitik, d.h. die Exekutive ist an einem effizienten Meinungsaustausch, bzw. eine wirklichen Kooperation mit den Abgeordneten beider Ebenen nicht interessiert. Es scheint einzig den Grünen in Österreich gelungen zu sein, eine funktionierende Kommunikation zwischen den Ebenen herzustellen. Diese fast willkürlich ausgewählten Beispiele führen eines drastisch vor Augen: weder erfolgte eine ausreichende Anpassung der österreichischen Parteistrukturen an die neuen politischen Entscheidungsprozesse seit dem Beitritt, noch ist es gelungen, das im Artikel 191 EUV geforderte europäische Bewusstsein bei den Abgeordneten selbst auszubilden. Eine rationale Erklärung ist, dass Abgeordnete ihre Position primär auf der Ebene des elektoralen Wettkampfes sichern wollen. So findet sich der einzelne Abgeordnete in einer schwierigen Position: (eventuell) wissend um seine mangelnden Einflussmöglichkeiten auf die europäische Politik, die er dem Wähler aber nicht vermitteln kann, bleibt Europa nur als negatives Thema. Politische Parteien sind für die repräsentative Demokratie von enormer Bedeutung, da sie helfen, den Selektionsprozess der Repräsentanten zu organisieren und zu strukturieren. Der Wettstreit zwischen Parteien ermöglicht die Distanz des einzelnen und trägt zur Reflexion über Alternativen bei. Die Abwesenheit von Parteien auf der politischen Bühne lässt darauf schließen, dass die Politik sich nicht mehr auf das bessere, öffentlich vorgetragene Argument, sondern auf den größeren Einfluss stützt. Sinkende Wahlbeteili-
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gung, erhöhter Zulauf zu extremistischen Parteien und die frustrierte Abstinenz vom politischen Prozess sind das Ergebnis. Solange Parteien nicht wirklich bereit sind, organisatorisch und mental, eine europäische Dimension in ihre Arbeit einfließen zu lassen, Politik als die Wahl zwischen Alternativen darzustellen, bleibt auch ein immer wieder geforderter Ausbau der Rechte des EP weitgehend folgenlos. Zwar existiert dann auf europäischer Ebene eine möglicherweise potente Kontrollinstitution exekutiver Politik, ein Beitrag zur Repräsentation der Interessen, Wünsche, Vorstellungen der Bürger wird aber weiterhin fehlen. Repräsentative Politik bedeutet nicht nur eine horizontale Verschränkung der Akteure – im Sinne eines “checks and balances” Systems – sondern v.a. eine Anbindung an die Bürger. Eine solche Anbindung wiederum erfordert Organisation – wer, wenn nicht Parteien sollen in komplexen Gesellschaften diese Organisation leisten? Zur Kollision der unterschiedlichen Repräsentationsmodi tritt der Unwille und die Ohnmacht der Parteien diese zu transzendieren. Vielmehr kommt es unter der unseligen Rhetorik des nationalstaatlichen Interesses zu einer Unterordnung unter den territorialen Repräsentationsmodus.
VIII. Repräsentative Politik in Europa? [T]here is no reason at all to think that the political and constitutional arrangements of the future will mirror the institutional architecture of the nation-state. Overlapping jusrisdictions, legal pluralism, extensive delegation of powers to transnational organisations – in short, a new ‘medievalism’ – is a more likely scenario. Giandomenico Majone 1998
How long will Euro-proletarians, Euro-professionals, Euro-consumers, Euro-environmentalists, Euro-feminists, Euro-regionalists, Euro-youths or just plain Euro-citizens tolerate such ‘benevolent’ hegemony before demanding a greater voice and vote in the governance of their common affairs? Philippe C. Schmitter 1992
Zu Ende des ersten Teiles wurde darauf hingewiesen, dass Repräsentativsysteme Ausdruck bestimmter Wertvorstellungen und Gesellschaftsmodelle sind. Diese bestimmen, welchen Personen oder Gruppen welches Ausmaß an Gestaltungsmöglichkeit des politischen Systems eingeräumt wird. Das heißt Wertsysteme sind operativ, da sie Institutionen und Praktiken definieren und im Sinne Terence Balls “deadly hermeneutics” konstituieren. Paradigmatisches politisches Wertsystem westlicher Gesellschaften ist die Demokratie. Allen verschiedenen Ausprägungen der Demokratie ist eines gemeinsam: das Prinzip der Egalität. Gemäß dem egalitären Prinzip sollen jeder Person dieselben Chancen eingeräumt werden, am politischen Leben teilzuhaben und eigene Ideen, Wünsche, Interessen etc. diskutiert und verwirklicht zu sehen. Haben sich repräsentative Systeme schon zu Ende des Spätmittelalters ausgebildet, so ist die Bedingung der politischen und rechtlichen Egalität eine Erfindung der Moderne basierend auf der Überzeugung persönlicher Autonomie. Zwischen beiden Prinzipien, der Egalität und der Repräsentation besteht eine fundamentale Spannung, die zu entschärfen Aufgabe moderner demokratischer Systeme ist. Denn wie bereits ausgeführt sind Demokratie und Repräsentation nicht notwendig deckungsgleich und aufeinander verwiesen. Ganz im Gegenteil, zeigt doch die Genese des Konzepts der Repräsentation in allen drei westlichen Hauptausprägungen, der englischen, amerikanischen und französischen Tradition, dass es geraume Zeit in Anspruch nahm, bis es gelang, das Recht auf und zur Repräsentation unabhängig von
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Bildung, Reichtum, Klasse etc. zu etablieren. Aber kann es gelingen, Demokratie/Egalität und Repräsentation in einem System zu vereinen? Die amerikanischen Verfassungsväter waren davon überzeugt, dass die differentia specifica zwischen Demokratie und Republik das Konzept der Repräsentation sei. Eine demokratische Republik wäre in ihren Augen, v.a. in den Augen von James Madison ein Oxymoron, war ihm wahre Demokratie doch nur direkte Demokratie. In der Neuzeit hat sich allerdings die (Kant’sche) Auffassung durchgesetzt, dass Demokratie und Republik austauschbare Begriffe sind. Demokratische politische Systeme können, müssen aber nicht repräsentativ sein und repräsentative Systeme können, müssen aber nicht demokratisch sein. Repräsentation ist ein Instrument zur Organisation und Gestaltung politischer Herrschaft und kein automatischer Ausweis für Demokratie. Je nach Gewichtung ihrer unterschiedlichen Funktionen, werden wir bestimmte politische Systeme als demokratischer bezeichnen als andere. Die Art der Gewichtung ist abhängig von den Interessen der gestaltenden Akteure, d.h. repräsentative Systeme sind veränderbar und als solche Ausdruck bestehender Machtverhältnisse. Die Strategien zur Absicherung solcher Machtverhältnisse sind vielfältig, der Verweis auf die Komplexität eines politischen Systems und die Schwierigkeit einer Veränderung desselben steht an erster Stelle der Verhinderungsgründe. Wie die Geschichte der Durchsetzung des parlamentarischen Repräsentativmodells und der Kampf um das unabhängige Mandat zeigen, ist sie jedoch nicht unmöglich. In Europa hat die zunehmende Verselbstständigung der politischen Eliten, insbesondere der exekutiven Eliten, zu einer paradoxen Situation geführt. Der Integrationsprozess ist trotz aller Rückschläge ein Erfolgsprojekt. Ein Erfolg dessen demokratische Basis und repräsentative Qualität jedoch mehr als zweifelhaft sind. Ersteres, da die institutionalisierten Repräsentationsforen unterschiedliche Rechte im Sinne der Stimmenegalität, Proportionalität und unterschiedliche Prozesse der Selektion und Autorisierung kennen. Und letzteres, da v.a. durch die Schwäche der transnationalen Parteienbünde, kaum eine Verbindung zwischen Bürgern und Repräsentanten besteht. Bemühungen einzelner EP-Abgeordnete diese Verbindung zur Erhöhung der Responsivität zu leisten, sind zwar beachtlich, gleichen aber einer Don Quichotterie. In diesem abschließenden Kapitel sollen die einzelnen Funktionen der Repräsentation im europäischen Mehrebenensystem überprüft werden. Herrschaftsorganisation Ohne Zweifel trägt die Wahl und Selektion der Repräsentanten in den verschiedenen Repräsentationsforen, EP, Rat, Europäische Kommission, AdR, WSA, nationale Parlamente und Regierungen dazu bei “to make public action possible”. Repräsentation ist hier nichts anderes als ein Instrument zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des politischen Systems. Die Wahl des EP, bei all ihren Defiziten, etabliert eine mit beschränkten Befugnissen ausgestattete Legislative, die durch ihr Handeln das politische System mit
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aufrechterhält. Die Frage, welche Befugnisse das EP hat und wie das EP handelt, ist vorderhand für die Frage der Herrschaftsorganisation irrelevant. Die Tätigkeiten des Rates und der Kommission, man mag sie als regulativ oder distributiv, als intransparent oder zufrieden stellend transparent analysieren, basieren auf der demokratischen Selektion der handelnden Eliten. Repräsentation ist hier lediglich die Chiffre für einen bestimmten Anspruch, mit dem die handelnden Eliten ihre Tätigkeit zu legitimieren suchen, Demokratie eine Chiffre für einen bestimmten Prozess der Selektion. Aber ist diese Form der Herrschaftsorganisation auch vereinbar mit unseren normativen Vorstellungen von Demokratie? Oder haben wir im Verbund europäischen Regierens ein System geschaffen, dass einer repräsentativen Republik ähnelt, mit Demokratie aber wenig gemein hat? Um diese Frage beantworten zu können, ob die Bürger Europas auch die Autoren ihres Rechts sind, soll kurz auf die Subdimensionen der Herrschaftsorganisation eingegangen werden. Dimensionen der Herrschaftsorganisationen sind die Kontrolle der Regierung durch das Volk, Responsivität, Accountability, Leadership und die Aufrechterhaltung und Stabilität des politischen Systems. Für die Frage der Kontrolle der Regierung durch das Volk ist es nicht entscheidend, dass die derzeitige Konstruktion Europas keine eindeutige Regierung und kein Volk im Singular kennt. Entscheidend ist vielmehr, dass Kommission und Rat die Funktion einer Regierung durch das Erlassen verbindlicher Rechtsakte übernommen haben. Zwar trägt diese Situation zur Unübersichtlichkeit des Regierens in Europa bei, eine Kontrolle wird dadurch aber prinzipiell nicht verunmöglicht. Existiert diese Kontrolle? Die Rede von der Inexistenz eines europäischen Volkes verschleiert lediglich die Notwendigkeit eines Ausbaus der Rechte seiner Repräsentanten im EP. In Europa ist an die Stelle einer Kontrolle durch das Volk, respektive seiner Repräsentanten, die Kontrolle durch multiple Institutionen getreten. Extraparlamentarische Kommissionen, der EuGH, der Rechnungshof, die Komitologie, ein Labyrinth von Ausschüssen – alle diese Institutionen kontrollieren die Regierungstätigkeit von Kommission und Rat. Es ist ein System der horizontalen Kontrolle entstanden, dessen Unübersichtlichkeit, Komplexität und Intransparenz einer Verselbstständigung des politischen Systems Vorschub leistet. Der Verweis auf die gegenseitige Kontrolle der Institutionen und, wie Andrew Moravcsik immer wieder betont hat, durch die in Brüssel ansässigen Medien, mag ein im Sinne der Herrschaftsorganisation funktionierendes System gewährleisten, repräsentativ ist es deswegen noch nicht. Wesentlich für die repräsentative Qualität eines Systems ist die Responsivität, d.h. das Entscheidungen im Interesse der Betroffenen gefällt werden. Dazu muss dieses Interesse nicht lediglich benevolent perzipiert werden, sondern es muss bekannt sein, d.h. es müssen ausreichende Möglichkeiten vorhanden sein, dass sich die Rechtsunterworfenen Gehör verschaffen können. Dem Einzelnen kann dies in jedem politischen System jenseits der Gerichte nur schwer gelingen. Demokratie benötigt Organisation und zwar nicht nur auf der Ebene der politischen In-
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stitutionen, sondern auch auf der Ebene der Bürger. Spezifischen Interessen ist es auf europäischer Ebene gelungen, sich das Gehör der mit Initiativmonopol ausgestatteten Kommission zu verschaffen. Demgegenüber sind diffuse Interessen v.a. auf Grund ihrer prekären Ressourcenausstattung benachteiligt. Die Vielfalt der an die Kommission, aber auch an den Rat und das EP herangetragenen Interessen, Wünsche etc. ermöglicht einen gewissen Ausgleich, da die Kommission bevor es zu einem Rechtssetzungsantrag kommt, Absprachen mit diesen Institutionen hält. Die Verwirklichung diffuser Interessen ist auch wesentlich abhängig von ihrer Perzeption durch die parlamentarischen Repräsentanten, denen auf europäischer Ebene aber aufgrund der Schwäche transnationaler Parteien eine geeignete Struktur fehlt, mit den Bürgern und Bürgerinnen in Kontakt zu treten. Die Responsivität des europäischen Systems hat sich bisher wohl v.a. aus der Sachlogik der Integration ergeben. Mit dem Aufbruch in das Feld der “High Politics”, von der Außenzur Sicherheitspolitik, von der immer drängender werdenden Frage der makropolitischen Koordinierung bis zur Sozialpolitik, ist jedoch ein öffentlicher Wettstreit um Gestaltungskonzepte unabdingbar geworden. Wer hier auf das mangelnde Interesse und Wissen der Bürger verweist, hat wohl Schumpeters Elitendemokratie im Sinn – mit responsiver Politik hat dies wenig zu tun. Wie kann die Responsivität europäischer Politik erreicht werden? Der Europäische Verfassungsvertrag hat erste zaghafte Antworten darauf gegeben: ein Ausbau des EP zu einer wahren Legislative, eine Ende der Trennung in obligatorische und nicht-obligatorische Ausgaben, das Kodezisionsverfahren als „ordentliches Rechtssetzungsverfahren“ und die Möglichkeiten europäischer Bürgerinitiativen. Darüber hinaus muss das EP mit einem Initiativmonopol ausgestattet werden, muss die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das EP erfolgen, eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Parlamente auf der Ebene der COSAC beginnen, eine Umgestaltung der Kommission in ein Organ, das sich auf die Überwachung der Einhaltung der Verträge und in die Umsetzung der vom EP vorgeschlagenen und beschlossenen Rechtsakte beschränkt, erfolgen. Die Umwandlung des Rates in ein Oberhaus des Parlaments, in dem allen Mitgliedsländern dieselbe Zahl an Stimmen zukommt, ist unabdingbar. Zustimmungsrechte des EP für alle Ernennungen im EuGH, des Gerichtshofs Erster Instanz und des Rechnungshofes sind weitere notwendige Schritte. Der Ausbau des EP zu einer wahren Legislative würde die Entstehung von politischen Parteien auf europäischer Ebene beschleunigen, da die Wahl desselben nun nicht mehr folgenlos und die Accountability der Akteure gesichert wäre. Denn es gilt: “The very important function of the European Parliament to establish links with the citizens will only develop substantially when it gets more powers and when it becomes […] a major decision-maker of the European Union” (Neunreither 1994: 302). Leadership und die Aufrechterhaltung und Stabilität des Systems durch die Möglichkeit mit Wahlen einen Eliten- und Politikwechsel herbeizuführen, würden ebenfalls zur Responsivität beitragen. Argumente gegen eine solche utopische
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Ausgestaltung des institutionellen Arrangements zu finden, ist leicht, würde sie doch nationale Regierungssysteme weitgehend zu Vollzugsbehörden europäischen Rechts degradieren. Die Alternative ist ein System, in dem es weiterhin unklar ist, wie Entscheidungen zustande kommen, wer wofür Verantwortung trägt und die Beteiligung der Bürger sich auf die Bewertung des politischen Outputs beschränkt. Da dies keinerlei politische Stabilität gewährleisten kann, ist Integrationsverflachung wohl die schlüssigste Prognose für die absehbare Zukunft. Würde die Funktion der Repräsentation, d.h. die Bereitstellung eines Sicherheitsventils für gesellschaftlichen Veränderungsdruck auf europäischer Ebene funktionieren, so wären die Bürger Europas auch nicht darauf verwiesen, ihre Stimme lediglich in (teils fakultativen) Referenden zu den großen Konstitutionalisierungsschritten zu äußern. 54,7% der abgegebenen Stimmen (69,4% Beteiligung) äußerten sich im französischen Referendum negativ zum Verfassungsvertrag. Noch im Herbst 2004 (Eurobarometer 62) vertraten 54% der Franzosen die Meinung, dass ihr Land Vorteile aus der EU-Mitgliedschaft habe. Innenpolitische Gründe haben laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IPSOS für 52% derjenigen, die mit Nein gestimmt haben, eine Rolle gespielt.394 Wie Joachim Schild (2005: 191) ausführt, war das abstimmungsrelevante Thema jedoch der Gegensatz zwischen einem Europa, das als Sinnbild eines ungezügelten Neoliberalismus galt und einem sozialstaatlich geprägten europäischen Gesellschaftsmodell. Der VVE wurde als Dokument porträtiert, das einem Ultraliberalismus Verfassungsrang verleihe. Der Ausbau der parlamentarischen Rechte und die Begrenzung exekutiver Macht durch den VVE spielten demgegenüber keine Rolle. Mit einem Wort, Europa wird zu einer Projektionsfläche für nationalstaatliches Versagen, weil der notwendige Link zwischen Repräsentanten und Repräsentierten nicht funktioniert. Allerdings wäre es zu simpel, der mangelnden Responsivität alleine das Versagen der Politik anzulasten. Denn verantwortliche Politik bedeutet auch unpopuläre Entscheidungen, Entscheidungen gegen die kurzfristigen Interessen der Repräsentierten zu treffen. Ein geeignetes Repräsentativsystem würde jedoch dazu beitragen, solche Entscheidungen in geeigneter Form zu kommunizieren. Ermöglicht das gegenwärtige Repräsentativsystem der Union eine solche Kommunikation? Waren zu Beginn des Integrationsprozesses erhebliche Anstrengungen darauf verwendet worden, die Gemeinsame Versammlung qua Direktwahl zu einer repräsentativen parlamentarischen Versammlung zu entwickeln, so muss heute ein ernüchterndes Bild gezeichnet werden. Auch nach vier Vertragsrevisionen, die zum Teil mit hauchdünner Mehrheit durch nationale Referenden gebilligt wurden, bleibt das EP ein Torso. Auch die Hoffnungen, die in den WSA als beratendes Gremium gesetzt wurden und der seine Auf-
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http://www.ipsos.fr/CanalIpsos/cnl_Content_lst.asp?rubId=19 (1.8.2004)
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gabe der Vermittlung europäischer Politik zu den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden in den Anfangsjahren noch erfüllen konnte, müssen revidiert werden. Die Selbstdefinition als „Vertretungsorgan und Gesprächsforum par excellence der organisierten Bürgergesellschaft“ und als „Sprachrohr zur Verbreitung des Europagedankens in der Europäischen Union“395 entspricht kaum der politischen Realität. Europäische und nationale Interessenvertretung findet inzwischen weit häufiger direkt in den zahlreichen Ausschüssen der Kommission und auch des EP statt. Auch der AdR, dessen erster Präsident den Anspruch vertrat, dass der AdR die Rolle eines „vereinigenden Bindeglieds“ zwischen den Bürgern und den Institutionen der EU bilde, ist durch interne Heterogenität und begrenzte Mitwirkungsmöglichkeiten in seiner Repräsentativfunktion gehemmt. Bester Ausdruck des Verlusts des im nationalstaatlichen Rahmen entwickelten parlamentarischen Repräsentationsmonopolanspruchs ist der Konvent zur Zukunft Europas, in dem die verschiedenen Repräsentationsforen zusammengeführt wurden. Im politischen Alltagsgeschäft ist der Modus ihres Verhältnisses die Konfrontation und Kollision, im Konvent war es die Kooperation. Dass der Rat den Entwurf des Konvents in entscheidenden Punkten abgeändert hat, ist zwar nicht contra legem aber sehr wohl Ausdruck der Missachtung vor den Repräsentanten der europäischen Bürger. Das Verständnis vom Parlament als Repräsentation der Bürger, wie es in den Diskussionen rund um die Einführung der Direktwahl des EP einen Ausdruck fand, hat sich verändert. Die Europäische Union ähnelt einer exekutive Republik und keiner repräsentative Demokratie. Reflexion und Identitätsbildung Repräsentative Systeme ermöglichen eine Distanz des Repräsentierten zu der Politik. Diese Distanz ist nur dann problematisch, wenn sie zu einer Verselbständigung des politischen Systems führt. Distanz befreit die Bürger von dem Zwang unmittelbar Gehörtes einer Entscheidung zuzuführen und erlaubt eine Phase der Reflexion über politische Alternativen. Eine politische Gemeinschaft kann nur durch ihre Repräsentanten in Erscheinung treten und handeln. Ein Repräsentativsystem ist somit ein Spiegelbild dieser Gemeinschaft, welches dem Einzelnen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe vor Augen führt. Der Demos wird durch die Teilnahme am politischen Prozess geschaffen. Daher kann es keinen europäischen Demos ohne eine europäische Demokratie geben. Nicht der Demos ist die Voraussetzung der repräsentativen Demokratie, sondern Demokratie die Voraussetzung für die Formung eines Demos. Teilnahme bedeutet zumeist die Beteiligung an einem Wahlvorgang. Im Idealfall geht dieser Beteiligung auch der Versuch der Information über politische Alternativen voraus. Die Schwierigkeiten, sich diese Informationen zu beschaffen, sind direkt proportional zur Beteiligung. 395
http://www.esc.eu.int (2.8.2005)
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Dutzende Hochglanzbroschüren, Websites, Veranstaltungen der EP- und Kommissionsvertretungen in den Mitgliedstaaten etc. erleichtern die Information über die europäische Politik. Einmal mehr ist jedoch das Fehlen transnationaler Parteien, die jenseits sektorspezifischer Interessenlagen informieren, eine Ursache dafür, dass die große Mehrheit der europäischen Bürger (siehe Eurobarometer 63) ihr Wissen über die Union als gering einstuft. Ganze 19% geben an, fast nichts zu wissen! Darüber hinaus scheint das Bild von der relativen Folgenlosigkeit der Wahlen zum EP eine Beteiligung unattraktiv zu machen. Unter diesen Umständen kann nicht erwartet werden, dass sich eine europäische politische Identität ausbildet. Ohne eine solche Identität aber wird z.B. der Wunsch der Verfassungsgegner nach einem „sozialen Europa“, wird eine effektive Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die von einer Mehrheit als dringendstes Problem betrachtet wird, erfolglos bleiben. Hat sich im Verbund europäischen Regierens eine neue Form der Demokratie ausgebildet? Eine Demokratie, die repräsentative Elemente einer Madison’schen Republik zugunsten demokratisch-egalitärer Elemente bevorzugt? Entscheidender Unterschied ist, dass eine solche Demokratie sich nicht all der Tugenden, die die amerikanischen Verfassungsväter zur Absicherung der Republik vorschlugen, erfreut: mangelnde Transparenz, ein byzantinisches Ausschusswesen, unklare Verantwortlichkeiten und beinahe folgenlose Wahlen führen bei wohlwollender Interpretation zu Charakterisierung als defizitäre Demokratie. Realistischer ist es wohl, von einer exekutiven Oligarchie zu sprechen. Es ist ein beunruhigender Befund: die Demokratie auf mitgliedstaatlicher Ebene ist weit davon entfernt unseren normativen Ansprüchen gerecht zu werden: willfährige Parlamentsmehrheiten, die Pervertierung des freien Mandats, das zweifelhafte Funktionieren prospektiven oder retrospektiven Wählens tragen zu einer respektablen Frustration mit der Politik bei. Die Notwendigkeit transnationalen Handelns, sei es aus heute meist vernachlässigten Gründen der Friedenssicherung auf dem Kontinent, sei es aus Gründen einer bestechenden Sachlogik oder aus der Erkenntnis der Grenzen des Nationalstaates in der Moderne, scheitert am exekutiven Primat und erzeugt Frustration auf Seiten der Bürger, die nur undifferenziert ausgedrückt werden kann. Eine Frustration, die auch davon abhält, die Konstruktion Europas als Chance für die Neugestaltung der Demokratie zu sehen. Der erste Schritt der dazu notwendigen Entmachtung der exekutiven Eliten ist eben mit dem Verfassungsvertrag gescheitert.
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