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Zunächst glauben die Freunde in Roswell an einen Scherz. Kyle taucht im Crashdown Café auf und ist völlig grün im Gesicht. Die Witze darüber bleiben den anderen jedoch schnell im Hals stecken, als sich auch noch Marias und Alex’ Haut verfärbt – nur Michael und Max bleiben verschont. Eilig machen sich die fünf Freunde auf den Weg ins Krankenhaus, wo sich schon eine wahre Menschenansammlung eingefunden hat. Halb Roswell scheint die Farbe gewechselt zu haben und dringend ärztliche Hilfe zu benötigen. Doch die Mediziner sind ratlos und wollen die Grünen samt ihrer Begleiter erst einmal unter Quarantäne stellen. Glücklicherweise gelingt der Clique die Flucht! Doch was nun? Liz, die im Biologieunterricht gut aufgepasst hat, verblüfft die Freunde mit ihrem Wissen über die Färbungen der menschlichen Haut. Und dann führt sie einige Experimente durch, die die Clique auf eine Spur führt.
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Dean Wesley Smith Kristine Kathryn Rusch
Unter Quarantäne Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© des ProSieben-Titel-Logos mit freundlicher Genehmigung der ProSieben Television GmbH Erstveröffentlichung bei Pocket Books, New York 2002. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Roswell High. Little Green Men © 2002 Twentieth Century Fox Film Corporation, Regency Entertainment (USA) Inc, and Monarchy Enterprises B.V.
1. Auflage 2003 © der deutschsprachigen Ausgabe: Egmont vgs Verlagsgesellschaft mbH Alle Rechte vorbehalten. Lektorat: Sonja Erdmann Produktion: Wolfgang Arntz Umschlaggestaltung: Alex Ziegler, Köln Titelfoto: © 2002 Twentieth Century Fox Film Corporation, Regency Entertainment (USA) Inc, and Monarchy Enterprises B.V. Satz: Kalle Giese, Overath Druck: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3-8025-2943-X
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In Erinnerung an D.C., der immer stark, liebevoll und auf liebenswerte Weise brummig war.
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Dr. Jonathan Bridge streifte den Latexhandschuh ab, warf ihn in den Mülleimer unter der Anrichte und wandte sich dann zum Notaufnahmeschalter, während Denise, seine Schwester, den Rest seiner Sachen wegräumte. »Sind Sie sicher, Doc?«, fragte Mr. Archer mit sorgenvoller Stimme. Bridge blieb stehen und lächelte den älteren, auf dem Bett sitzenden Mann an. Die Vorhänge, die ihn abgeschirmt hatten, waren jetzt aufgezogen. Archers Bauch hing etwas über seinem Gürtel und ließ ihn schwerer erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Sein Unterhemd war weiß und sauber und betonte die verhärtete, lederige Haut eines Mannes, der zu viele Jahre in der Sonne verbracht hatte. Bridge hoffte, dass er mit zweiundsechzig in ähnlich guter Verfassung sein würde wie Archer in diesem Moment. »Ihr Herz ist so gesund, wie es nur sein kann«, sagte Bridge überzeugt, als der ältere Mann sein kariertes Hemd anzog. »Vertrauen Sie mir, die Schmerzen, die Sie gehabt haben, sind nur eine Folge von Blähungen, und ich habe etwas, das Ihnen helfen wird.« Der erleichterte Ausdruck, der sich langsam auf Mr. Archers Gesicht abzeichnete, ließ Bridge lächeln. »Ziehen Sie sich an und kommen Sie dann zu mir nach vorne.« Archer nickte und rutschte vom Bett. »Danke, Doc.« Bridge wandte sich ab und hatte nach drei Schritten den Medikamentenschrank neben dem Empfangsbereich erreicht, wo die Arzneien aufbewahrt wurden. Die Behandlung von Sodbrennen gehörte zu seinen Lieblingstätigkeiten. Nicht gefährlich und sehr leicht in kurzer Zeit zu heilen. Schade, dass nicht alle Patienten, die durch die Tür kamen, so leicht zu kurieren waren wie Mr. Archer.
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Bis jetzt war Mr. Archers schwerer Anfall von Sodbrennen das größte Problem, das Bridge an diesem Tag zu behandeln hatte. Es hatte nur ein paar Bluttests und fünfzehn Minuten am Elektrokardiografen gekostet, um zu bestätigen, dass kein Herzfehler vorlag. Wenn der Tag nur noch zwei weitere Stunden so angenehm verlaufen würde, konnte Bridge sein Flugzeug erreichen. Und dann konnte er sechs wundervolle Tage beim Angeln in Alaska verbringen, weit weg von der Wüste von New Mexico und dem Geruch der Notaufnahme und den nächtlichen Telefonanrufen. Er konnte fast schon diese wundervolle frische Bergluft riechen. »Doktor?«, sagte Anne nachdrücklich. Anne Haines war die Empfangschefin der Notaufnahme, und in den letzten drei Jahren, die Bridge hier verbracht hatte, hatte er noch nie erlebt, dass sie ihre Ruhe verloren hatte. Sie besänftigte die Leute, erledigte fehlerfrei den Papierkram und lächelte mehr als sie die Stirn runzelte. Aber jetzt benutzte sie den Ton, den sie nur verwendete, wenn sie an der Front umgehend Hilfe brauchte. Bridge trat eilig in den Empfangsbereich. In den drei Jahren, die er hier verbracht hatte, seit er seine Assistenzzeit im Krankenhaus von Phoenix beendet hatte, hatte er alle nur erdenklichen medizinischen Notfälle durch diese gläsernen Schiebetüren kommen sehen. Schuss- und Stichwunden, gebrochene Knochen, Gehirnerschütterungen und Herzanfälle. Neue und unbekannte Probleme hielten sein Interesse wach und waren auch der Grund gewesen, warum er sich überhaupt für die Notaufnahmemedizin entschieden hatte. Aber nicht einmal in seinem wildesten Albtraum hätte er sich den Anblick vorstellen können, der ihn jetzt erwartete. Ein Mann stand vor dem Empfangspult, an seiner Seite eine aufgeregte Frau. Und er war grün.
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Hände, Gesicht, Ohren, Arme, die ganze frei liegende Haut war grün. Er sah wie die Miniaturausgabe des Jolly Green Giant aus den alten Fernsehwerbespots aus. Bridge wusste nicht, ob er lachen oder besorgt sein sollte. Offensichtlich war der Mann mehr aufgebracht, als dass er an Schmerzen litt. Und der Ärger galt seiner Frau, die höchstwahrscheinlich darauf bestanden hatte, dass er hierher kam. Beide schienen Anfang sechzig und gesund zu sein, sah man von der Farbe des Mannes ab. Hellgrüne Haut hatte nun einmal nichts Gesundes an sich. Er trug ein kurzärmeliges Hemd und eine Hose, sie eine Golfhose und einen dünnen Pullover über einer pinkfarbenen Bluse. Sie waren angezogen, als wären sie direkt vom Golfplatz gekommen. Vielleicht war dort etwas passiert. Bridge konnte sich nicht einmal daran erinnern, über einen ähnlichen Fall gelesen zu haben. Der Mann sah aus – zumindest über den Schalter hinweg, der Annes Schreibtisch vom Wartebereich trennte –, als hätten all seine Hautpigmente die Farbe gewechselt. Es gab keinen Hinweis auf ein Färbemittel, und so wie die beiden aussahen und wie aufgebracht die Frau wirkte, war dies kein Scherz. Bridge trat hinter dem Schalter hervor in den vorderen Bereich und hielt dem grünen Mann seine Hand hin. »Ich bin Dr. Bridge«, sagte er. »Was ist passiert?« Der grüne Mann schüttelte Bridges Hand. Sein Griff war fest und trocken. »Greg Henry«, sagte er. »Das ist meine Frau Betty.« Er wies mit einer grünen Hand auf die Frau an seiner Seite. »Nichts ist passiert. Mir geht’s gut. Das Golfspiel lief auch ganz gut.« »Er ist einfach grün geworden«, erklärte Mrs. Henry. »Von Kopf bis Fuß. Direkt vor meinen Augen.« »Nun«, sagte Bridge, während er in Gedanken eine Liste der möglichen Ursachen aufstellte, »warum kommen Sie nicht mit nach hinten, Mr. Henry, damit wir ein paar Tests machen 8
können? Ihre Frau kann sicher die Formulare ausfüllen, die Anne braucht.« »Danke, Doktor«, sagte Mrs. Henry. Die Besorgnis in ihren Augen war dicht unter der Oberfläche. »Ahh, mir geht’s gut«, wiederholte Mr. Harris. »Mach einfach das, was der Doktor sagt«, drängte die ältere Frau mit fester, energischer Stimme. »Ich will nicht, dass du im Dunkeln leuchtest und mich wach hältst.« Mr. Henry wehrte den Scherz mit einer Handbewegung ab, während Anne und Bridge lachten. Dr. Bridge führte Greg Henry zu einem Bett neben Mr. Archer, der gerade seine Schuhe angezogen hatte. Plötzlich drang erneut Annes nachdrückliche Stimme vom Empfangspult. »Doktor!« Eine kurze Pause, dann: »Doktor!« Bridge hatte noch nie erlebt, dass ihre Stimme so unkontrolliert klang. »Setzen Sie sich«, sagte er zu Henry und klopfte auf das Notaufnahmebett. »Ich bin gleich wieder da.« Er eilte zum Empfangspult. Dort starrten Anne und Mrs. Henry zwei weitere grüne Leute an, die durch die Tür kamen. Und vor dem Glaseingang hielt ein Auto an und eine weitere grüne Person stieg aus. Der erste Gedanke, der Bridge in den Sinn kam, war, dass sein Angeltrip verschoben werden musste. Dann, als draußen ein weiterer Wagen mit quietschenden Bremsen zum Halt kam, mit einem weiteren Opfer auf dem Beifahrersitz, dämmerte Bridge, dass weit mehr auf dem Spiel stand als sein geplatzter Angelausflug. Er legte eine Hand auf Annes Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: »Gehen Sie in eins der hinteren Büros und holen Sie mir General Drake ans Telefon. Ich fürchte, wir haben hier ein
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ernstes Problem. Dann trommeln Sie die anderen Ärzte zusammen.« Als sie ging, um seine Anweisungen auszuführen, bog Bridge um das Pult und tat sein Bestes, um die seltsam gefärbten Leute und ihre besorgten Verwandten zu beruhigen, die bald den Wartebereich füllten. Und während er dies tat, lief Mrs. Henry langsam hellgrün an. Max wusste, dass heute etwas schief gehen würde. Er wusste es einfach. Der Tag war bis jetzt zu perfekt gewesen, und aus irgendeinem Grund hatte es in der letzten Zeit nicht zu viele perfekte Tage gegeben. Der Himmel war klar, die Temperatur etwas zu kühl und seine Mom war guter Laune gewesen. Perfekt. Was also würde schief gehen? Er versuchte, den Gedanken abzuschütteln, als er die Tür des Crashdown Cafés aufzog und eintrat. Er fühlte sich hier immer wohl, als würde er in sein eigenes Zimmer zu Hause gehen. Der Geruch von Schinken, den Michael auf dem Herd briet, hing wie schweres Parfüm in der Luft und würzte den Raum. Liz war dabei, nach dem Mittagsandrang die letzten paar Tische zu wischen, und Maria saß am Tresen und sortierte ihr Trinkgeld zu ordentlichen Stapeln aus Fünf- und Zehncentstücken, Vierteldollars und Scheinen. Zwei Touristen saßen in der Frontnische und leerten gerade ihre SaturnShakes, während Alex in der zweiten Nische las und an einer Cherry Coke nuckelte, als wäre dies das letzte Getränk, das er jemals sehen würde. Alles war wie immer. Max entspannte sich ein wenig. Er hatte diese unheilvolle Vorahnung, was den Tag anging, seit seine Familie am Morgen aus der Kirche gekommen war, aber bis jetzt war nichts passiert. Er wusste nicht, was der Auslöser für sein Unbehagen 10
gewesen war, und jetzt war er entschlossen, sich nicht den perfekten, wunderschönen Sonntagnachmittag Anfang März verderben zu lassen. Liz blickte zu ihm hinüber, als die Tür zufiel. Ihre Augen leuchteten und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, was sie für Max nur noch schöner machte, sofern dies überhaupt möglich war. Er liebte es, wie sie ihn ansah. Eigentlich liebte er alles an ihr. Die langen dunklen Haare, die braunen Augen, das Lächeln, das stets ihre Lippen umspielte, wenn er in der Nähe war. Sie tauchte alles in seinem Leben in ein strahlendes Licht und machte jeden Tag zu etwas Besonderem. Er konnte sich nicht vorstellen, sie zu verlieren. Und dennoch schien genau das letztes Jahr passiert zu sein. In Momenten wie diesem fragte er sich, warum sie so viele Probleme hatten, warum sie ihn immer wieder zurückstieß. Er hoffte, dass er es eines Tages verstehen würde. Er winkte, ohne seinen Arm zu heben, und näherte sich lächelnd der Nische, in der Alex saß. »Cherry Coke?«, fragte Liz und strich über seinen Arm, als er vorbeikam. Die Berührung ließ ihn noch breiter grinsen. Und sich nach mehr sehnen, obwohl er wusste, dass es nicht möglich war. »Danke«, sagte er und versuchte ihre Hand fest zu halten, als sie sich abwandte. Er wollte sie nicht gehen lassen. Alex stieß einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. »Ihr beide seid manchmal einfach süß, wisst ihr das?« Max setzte sich Alex gegenüber in die Nische, ohne den Blick von Liz zu wenden. »Wenigstens war das früher so«, meinte Max. Alex schüttelte erneut den Kopf. »Weißt du, ich habe nie verstanden, was passiert ist.« »Dann sind wir ja schon zu zweit.« Max lehnte sich auf dem bequemen Polster der Nische zurück und beobachtete, wie Liz 11
ein Glas mit Eis und etwas Kirschsirup füllte. Nach den Ereignissen der letzten Monate, den blauen Kristallen in der Höhle und dem weihnachtlichen Zwischenfall in Phoenix, war es schön, dass alles so friedlich war. Er musste wirklich das unheilvolle Gefühl abschütteln, dass etwas passieren würde. Mit diesem Tag war alles in Ordnung. Wenn er weiter so friedlich blieb, würden er und Liz vielleicht etwas Zeit miteinander verbringen können, um die Missverständnisse zwischen ihnen auszuräumen. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie das zum letzten Mal hatten tun können. Alex hatte sich wieder in sein Buch vertieft. Max sah genauer hin, konnte den Titel aber nicht erkennen. Alex schien offenbar davon fasziniert zu sein und wirkte ebenfalls völlig entspannt. Ihn schien nichts jemals zu stören. »Bist du abergläubisch, Alex?«, fragte Max. »Nein«, erwiderte Alex ohne aufzublicken. »Aber ich gehe nicht unter einer Leiter hindurch, wenn es das ist, was du meinst. Bei meinem Glück würde sie mir garantiert auf den Kopf fallen.« Max lachte. Alex war nicht so vom Pech verfolgt, wie er es darstellte. »Warum?«, fragte Alex stirnrunzelnd. »Gibt es einen Grund dafür, abergläubisch zu sein?« »Nein, ich dachte nur, es ist heute zu friedlich«, sagte Max. »Und ich fürchte, das bedeutet, dass irgendetwas passieren wird.« »Liegt bestimmt an der Frühjahrsmüdigkeit«, sagte Alex leise lachend. »Wir leiden alle darunter.« »Vielleicht hast du Recht«, sagte Max. Er hoffte es wirklich. Er holte tief Luft und machte es sich in der Nische bequem. Er war wahrscheinlich nur nervös, weil er hoffte, heute Abend Liz näher zu kommen. Er wollte sie einladen, etwas Zeit mit
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ihm allein zu verbringen. Vielleicht konnte er dann reparieren, was schief gelaufen war. Hinter ihm klingelte die Glocke über dem Eingang des Restaurants und kündigte einen neuen Gast an. Alex blickte auf und vertiefte sich einen Moment später wieder in sein Buch, bevor er ruckartig den Kopf hob und über Max’ Schulter starrte. Max wollte sich nicht umdrehen. Er wusste, wer auch immer gerade hereingekommen war, bedrohte seine Nacht mit Liz, bedrohte den Frieden, den er heute gehofft hatte zu finden, und wenn er diese Person ignorierte, würde sie vielleicht einfach wieder gehen. Dann brach Alex in schallendes Gelächter aus, und Max fühlte sich doch gezwungen, den Kopf zu drehen. »Was?«, sagte Kyle, während er von der Tür zum Tresen ging. Alle im Restaurant schwiegen, nur Alex lachte noch immer. Alle, die beiden Touristen eingeschlossen, starrten Kyle an. Max konnte nicht glauben, was er sah. Kyles Haut, zumindest die seiner Hände und seines Gesichts, war grünlich verfärbt. Die Art Grün, wie sie eine reife Avocado aufwies. »Was?«, fragte Kyle. »Bis Halloween dauert es noch eine Weile«, meinte Maria kopfschüttelnd, um dann wieder ihr Trinkgeld zu zählen. »Wasch die Farbe ab, Kyle. Es ist nicht unheimlich.« »Habt ihr alle den Verstand verloren?«, fragte Kyle. »Vielleicht spielt Kyle in einem Stück mit«, spekulierte Liz, um ihn zu besänftigen. Max hasste es, wenn sie Kyle auf diese Weise behandelte, als wäre er ihr wichtig. Max konnte noch immer nicht das Bild aus seinem Kopf bekommen, wie die beiden in Liz’ Bett lagen. »Ich schätze, du bist zu klein, um Frankenstein zu spielen«, sagte Alex. Kyle blickte verwirrt drein. »Ist das irgendein Scherz?« »Sag du es uns«, forderte Max ihn ruhig auf. 13
»Ich bin hier nicht derjenige, der komisch ist«, fauchte Kyle. »Mich hättest du täuschen können«, meinte Maria. »Würde mir vielleicht jemand erklären, was vor sich geht?« Kyle hob frustriert die Stimme. »Deine Haut«, sagte Liz und trug eine große Cherry Coke an Kyle vorbei zu Max. »Sie beißt sich irgendwie mit deinem blauen Hemd, wenn du weißt, was ich meine.« Kyle hob seine Hände und starrte sie an. Max war klar, dass Kyle bis zu diesem Moment nicht bemerkt hatte, dass seine Haut grün angelaufen war, was bedeutete, dass es recht schnell passiert sein musste. Zugegeben, Kyle war nicht gerade der aufmerksamste Mensch, den Max je getroffen hatte, aber nicht zu merken, dass sich die eigene Haut grün verfärbt hatte, überstieg sogar Kyles Ignoranz. »Mann, was hast du gemacht?«, fragte Michael. Er kam aus der Küche und wischte seine Hände an einem Handtuch ab, bevor er es über seine Schulter legte. »Du siehst wie ein schlechter St. Patrick’s Day-Milchshake aus.« »Ich weiß es nicht«, sagte Kyle. Er trat näher zu Maria an den Tresen, um sein Gesicht in dem Spiegel hinter der Bar zu betrachten. Es war ebenfalls grün und schien mit jedem Moment dunkler zu werden. »So was kommt davon, wenn man Erbsensuppe isst«, meinte Maria und blickte zu ihm auf, bevor sie ihr Geld zu Ende zählte. Dann sammelte sie die Münzen ein. »Ich rühr dieses Zeug nicht an.« »Hast du gestern Nacht zu viel getrunken, Kyle?«, fragte Alex. »Du siehst ein wenig grün aus.« Alle außer Kyle lachten. »Das ist nicht komisch«, sagte er, ohne den Blick vom Spiegel zu wenden. »Vielleicht nicht für dich«, murmelte Maria. Wieder kicherten alle. 14
Zum ersten Mal musste Max Kyle zustimmen. Er fand auch nicht, dass dies komisch war. Kyle knöpfte sein Hemd auf und musterte seinen Bauch. »Ich bin überall grün!« Er drehte sich, damit alle seine grüne Brust und seinen Bauch sehen konnten. »Überall?«, fragte Michael lächelnd und zwinkerte Max, Alex und Liz zu. »Wag es ja nicht«, warnte Maria mit strenger Stimme, während sie mit dem Finger auf Michael zeigte. Michael lachte und trat näher zu Kyle am Tresen. Maria stand auf, legte Kyle eine Hand auf die Schulter und zog ihn hinter den Tresen zum Spülbecken. »Versuch es abzuwaschen.« »Es könnte schlimmer sein«, sagte Alex, als Kyle seine Hände unter das Wasser hielt. »Wenigstens hast du eine Frühlingsfarbe.« Wieder lachten alle außer Max und Kyle, die beiden Touristen eingeschlossen. Aber als Kyle seine nassen Hände hob und es klar war, dass sich die Farbe nicht abwaschen ließ, wusste Max, dass dies eine ernste Sache war. »Ich würde sagen, wir bringen dich am besten ins Krankenhaus«, erklärte Max, während er zum Rand der Nischenbank rutschte, um aufzustehen. »Du musst herausfinden, was dafür verantwortlich ist.« »Das sehe ich auch so«, nickte Liz, die ebenfalls nachdenklich geworden war, als sich die Farbe nicht hatte abwaschen lassen. Kyle starrte in den Spiegel und betrachtete wie betäubt das grüne Gesicht, das zurückstarrte. »Wenigstens sind deine Haare nicht grün geworden«, sagte Alex. Maria schüttelte bei der Bemerkung nur den Kopf, und Liz warf Alex einen finsteren Blick zu. »Was?«, fragte Alex.
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»Weißt du«, meinte Max, während er Alex von der Nische aus betrachtete und zusammenzuckte, »du siehst im Moment auch nicht gerade gesund aus.« »Guter Witz«, sagte Alex lächelnd. Max machte keinen Scherz, aber er sagte es nicht. Stattdessen griff er über den Tisch und berührte die Haut an Alex’ Arm. Sie fühlte sich normal an, doch sie hatte ihre rosa Farbe verloren und eine matte grüne Schattierung angenommen. »Fühlt sich grün für mich an«, sagte Max. Michael schnaubte. »Sieht von hier aus grün aus.« Alex musterte seinen Arm. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht, während er seine Handrücken betrachtete. Während alle zusahen, schien das Grün an Alex’ Armen und Gesicht dunkler zu werden und ersetzte binnen Sekunden den normalen Teint. »Oh, Mann, ich werde grün«, sagte Alex mit leiser und schockierter Stimme. »Was geschieht mit mir?« In der Nische hinter Alex sprangen die beiden Touristen auf, stürzten zur Tür, rissen sie auf und rannten aus dem Restaurant. »Besuchen Sie uns bald wieder«, rief Maria ihnen nach. »Es ist nicht gut fürs Geschäft, wenn die Gäste grün anlaufen«, stellte Michael fest. Diesmal lachte niemand. »Es war nicht unsere Schuld«, sagte Liz. »Kyle war schon grün, als er hier reinkam.« »Niemand hat es erwähnt, bis ich durch diese Tür getreten bin«, warf Kyle ein. Alle sahen sich an – bis auf Alex, der weiter die Haut an seinem Arm betastete. »Was sollen wir tun?«, fragte Kyle. »Ich kann so nicht bleiben.«
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»Wir bringen euch beide ins Krankenhaus«, entschied Max. Er stand auf und bedeutete Alex, ihm zu folgen. »Und ich denke, wir sollten keine Zeit verschwenden.« »Was passiert, wenn es etwas mit der Höhle zu tun hat?«, fragte Michael. Er starrte Max an. »Sie waren beide dort, und das ist erst ein paar Wochen her. Bist du sicher, dass es klug ist, ins Krankenhaus zu gehen?« Alex nickte. Er hielt noch immer seine grünen Arme ausgestreckt, als wollte er irgendetwas auffangen. »Diese blauen Kristalle sind um uns herum geschmolzen.« Max wollte nicht daran denken, dass sie Kyle und Alex in dieser Höhle fast verloren hätten. Aber Michael hatte Recht. Es konnte einen Zusammenhang geben. »Verdammt!«, sagte Kyle. »Ich wusste, ich hätte euch nicht helfen sollen. Ich wusste es, ich wusste es! Ich habe mich wahrscheinlich mit irgendeiner außerirdischen Lebensform oder so infiziert!« »Wir wissen nicht, ob das Schmelzen der blauen Kristalle dafür verantwortlich ist«, wehrte Max ab. »Oder, Michael?« Michael zuckte die Schultern und sagte nichts. »Was könnte es denn sonst gewesen sein?«, fragte Kyle und starrte Max an, als wüsste der alle Antworten. »Alles Mögliche«, sagte Liz. Sie kam hinter dem Tresen hervor, um Kyle zu trösten, der neben der Spüle stand. »Alles Mögliche könnte dafür verantwortlich sein. Etwas in der Luft, ein Test der Regierung, verseuchtes Wasser, einfach alles.« »Das stimmt«, bestätigte Michael. »Nach allem, was wir wissen, könnte die ganze Stadt grün werden.« »Ja, genau«, nickte Alex voller Abscheu. »Ein ganzer Haufen kleiner grüner Männchen in Roswell, New Mexico.« Wieder lachte niemand. »Michael könnte Recht haben«, sagte Liz. Sie zeigte aus dem Fenster. Max folgte ihrem Finger. Auf dem Bürgersteig gegenüber dem Café ging mit sehr schnellen Schritten eine 17
Frau vorbei Richtung Krankenhaus. Unter ihren blonden Haaren war sie hellgrün. Die Sonne ließ die Farbe an ihren Armen noch heller leuchten. Max wusste nicht, ob er froh sein sollte, dass nicht nur Alex und Kyle betroffen waren, oder nicht. »Uh, oh«, machte Alex. »Es tut mir Leid, Maria.« »Was?«, fragte Maria. Max wandte sich vom Fenster ab und konnte genau sehen, was Alex meinte. Maria lief ebenfalls grün an. Ihr heller Teint veränderte sich und wurde mit jedem Moment dunkler und grünstichiger. Alle starrten sie an. Die Stille in dem Restaurant wurde immer drückender. »Was?«, fragte Maria und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Hand. »Nein!« Der Schrei hallte durch das Restaurant, während Maria zur Spüle stürzte, um die Farbe abzuwaschen. Liz trat zu ihr, um sie zu trösten, aber Maria wehrte sie ab. »Ich muss das abwaschen. So was kann mir nicht passieren. Es kann nicht sein! Es kann einfach nicht sein!« »Es lässt sich nicht abwaschen«, sagte Kyle. »Ich habe es versucht, schon vergessen?« »Gehen wir ins Krankenhaus«, drängte Max. »Vielleicht wissen sie, was los ist. Michael, hilf Maria.« Michael trat zu Maria, reichte ihr ein Handtuch und zog sie dann von der Spüle zur Tür. »Ich kann nicht grün sein«, sagte Maria und starrte ihre Arme und Hände an. »Ich kann es einfach nicht sein!« »Ich liebe dich noch genauso wie vorher«, sagte Michael schulterzuckend. Sie stieß ihn weg. »Nein, du verstehst nicht, ich hasse Grün. Ich trage niemals Grün.« »Tust du doch«, widersprach Liz.
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»Nicht diesen Grünton«, bekräftigte Maria. »Dieses Kleegrün. Ich trage nichts, das dunkler als Limonengrün ist. Es lässt meine Haare stumpf und glanzlos wirken.« »Ich schätze, das ist jetzt die geringste deiner Sorgen«, sagte Michael. Maria funkelte ihn an. »Ich dürfte nicht grün sein. Grün ist was für Comicfiguren, Typen, die gegen Spiderman kämpfen. Ich kann nicht grün sein.« Michael verdrehte die Augen und Liz lächelte Max nervös an. »Gehen wir, Leute«, sagte Max. Er wollte hier raus und feststellen, wie viele andere Menschen in der Stadt die Farbe wechselten – und ob sie noch andere Farben außer Grün annahmen. »Es kann einfach nicht sein«, sagte Maria. »Keine Sorge«, meinte Michael, während er sie zur Tür führte, »im Handumdrehen bist du wieder blass und kränklich.« »Ich muss bleiben und auf das Restaurant aufpassen«, erklärte Liz. Max nickte. »Wir kommen so schnell wie möglich zurück.« Er drückte sanft Liz’ Hand und trat dann hinter Kyle. Mit einem sachten Stoß schob er den erschütterten ExFootballspieler Richtung Tür. Alex folgte, dann kamen Michael und Maria. Die Glocke über der Tür bimmelte, als sie hinaus in die warme Nachmittagssonne traten. Es war ein wunderschöner Tag Anfang März, die Bäume trugen ihre ersten Blätter. Michael und Maria gingen voran, gefolgt von Kyle und Alex. Max bildete das Schlusslicht und warf Liz, die allein und geschockt am Frontfenster des Restaurants stand, einen letzten Blick zu. Auf der Straße starrten die Leute sie im Vorbeigehen an.
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Zwei Außerirdische, die drei grüne Menschen durch die Straße begleiteten. Wäre es nicht so ernst, wäre es vielleicht sogar komisch gewesen.
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Einen Block vom Krankenhaus entfernt wusste Max, dass die Lage sogar noch schlimmer war, als er es sich vorgestellt hatte. Autos verstopften die von Bäumen gesäumte zweispurige Straße, die zum Parkplatz des Krankenhauses führte. Einige Leute hatten ihre Wagen einfach im Gras abgestellt und zurückgelassen, um den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Andere saßen im Stau fest, wie Pendler auf einem LosAngeles-Freeway, und warteten. Entweder der Fahrer oder einer der Beifahrer hatte grüne Haut. Mit knapp 50.000 Einwohnern war Roswell nicht klein, aber die Stadt war definitiv nicht daran gewöhnt, diese Art von Verkehrschaos in der Nähe des Hospitals zu haben. Kyle und Alex hatten die Führung übernommen, während Michael, Maria und Max folgten. Sie passierten die stehenden Autos und gingen so schnell wie möglich, als kämen sie zu spät zum Unterricht. Auf dem Bürgersteig vor ihnen eilten zwei grünhäutige Frauen in dieselbe Richtung und unterhielten sich, als machten sie einen Spaziergang durch den Park. Was auch immer die Haut der Menschen grün färbte, es war offenbar in der ganzen Stadt verbreitet. Jetzt wünschte Max, er hätte daran gedacht, den Fernseher einzuschalten, um zu sehen, ob es ein nationales oder sogar ein weltweites Problem war. Vielleicht hatte irgendeine Art seltsame Sonnenstrahlung dieses Phänomen ausgelöst. Es war einfach alles möglich. Niemand schien körperlich krank zu sein. Kyle, Alex und Maria sagten, sie würden sich nicht anders als sonst fühlen. Keine Kopf- oder Magenschmerzen, keine Erschöpfung. Hätte man ihnen nicht verraten, dass ihre Haut die Farbe geändert hatte, hätten sie es nicht einmal bemerkt.
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Bis jetzt hielt Max dies für ein hoffnungerweckendes Zeichen. Er war tief besorgt, dass sich später noch andere Symptome zeigen würden – dass die grüne Haut nur eine Art unheimliches Warnzeichen für etwas Ernsteres war. »Das sieht nicht viel versprechend aus«, stellte Alex fest. Immer mehr Autos verstopften die Straße, während sich die Gruppe dem kleinen Krankenhaus näherte. Drei Stockwerke hoch, mit weißem Stuck verziert, von parkähnlichen Anlagen und Schatten spendenden Bäumen umgeben, war das Roswell Mercy Hospital eins der schönsten Gebäude in der Stadt. Und das modernste. Im Moment drängte sich eine Menschenmenge vor dem Eingang der Notaufnahme, teils mit grüner, teils mit normaler Haut. Zwei Krankenwagen standen dort mit flackerndem Blaulicht, die Hecktüren geöffnet. »Ja«, sagte Michael, »vielleicht sollten wir umkehren und warten, bis sie herausfinden, was dahinter steckt.« »Ich werde diese Farbe keine Sekunde länger tragen als ich muss«, wehrte Maria ab. »Besorg mir einen Arzt, Mann.« Michael sah Max über Marias Kopf hinweg an und zuckte nur die Schultern. Michaels Gesichtsausdruck verriet Max, dass er glaubte, dass Maria überreagierte, aber Max war anderer Meinung. Sie mochte auf die Farbe konzentriert sein, aber Max hatte Angst, dass seine Freunde plötzlich noch ganz andere Symptome entwickelten. »Wir müssen wenigstens reingehen und feststellen, was los ist«, entschied Max. Er fügte nicht hinzu, dass er im Moment keine anderen Ideen hatte. »Gut«, sagte Maria. »Ich möchte wirklich nicht grün bleiben. Die Leute werden noch denken, dass ich die Außerirdische bin.« Michael legte seinen Arm um Maria. »Glücklicherweise sind Außerirdische nicht grün.«
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»Wenigstens die, die wir bis jetzt getroffen haben«, murmelte sie. »Seid vorsichtig, Leute«, mahnte Alex, kurz bevor Max es tun konnte. Kyle war ein paar Schritte vorgegangen. Er blieb stehen, die Hände an den Hüften, und starrte die Leute an, die sich vor der Tür der Notaufnahme versammelt hatten. »Da kommen wir nicht rein«, sagte er. »Die Notaufnahme lässt einen selbst an einem ruhigen Tag manchmal stundenlang warten, wenn man nicht stirbt. Und es sieht nicht so aus, als würde eine dieser grünen Personen sterben.« »Wenigstens jetzt noch nicht«, bemerkte Alex düster. »Nicht komisch«, sagte Maria und funkelte ihn an. »Das war auch nicht so gemeint«, erwiderte Alex. Max konnte Kyle nur zustimmen. Er bezweifelte, dass sie sich durch die Menge zur Tür der Notaufnahme drängen konnten. Es war unwahrscheinlich, dass in der nahen Zukunft ein Arzt Maria, Kyle und Alex untersuchen würde. Zwei Streifenwagen versuchten jetzt zum Krankenhaus zu gelangen und ließen ihre Sirenen heulen, um sich durch den Verkehrsstau zu kämpfen. Das verkomplizierte die Dinge nur noch mehr. »Gehen wir zum Eingang an der Westseite«, schlug Michael vor und zeigte auf einen anderen Parkplatz zu seiner Rechten. »Personaleingang«, sagte Michael. »Gute Idee.« Max nickte nur. Es würde sie vielleicht ins Gebäude bringen, aber angesichts des Durcheinanders vor der Notaufnahmetür bezweifelte er, dass sich heute ein Arzt um sie kümmern würde. Aber im Moment war es viel besser, irgendetwas zu tun, als tatenlos herumzustehen. Das Crashdown war noch nie so einsam, leer und still gewesen. Draußen signalisierte der wundervolle Frühlingstag, dass das Leben einfach schön sein sollte; ein Tag, an dem die Leute 23
nach draußen gehen, die Sonne genießen, die Sehenswürdigkeiten Roswells besuchen, lachen und spielen sollten. Normalerweise würden an einem Wochenendnachmittag wie diesem ständig Gäste das Restaurant betreten und verlassen, Sodas oder Milchshakes kaufen oder nur um ein Glas Wasser bitten. Sie würden scherzen oder ernste Gespräche führen, schwitzen oder cool und entspannt aussehen. Das Lokal würde voller Leben sein. Aber so war es nicht. Liz war allein. Sie sollte wahrscheinlich dankbar sein, dass niemand hereingekommen war, seit Alex, Kyle, Maria, Michael und Max gegangen waren. Wenn jemand eintrat, würde sie allein die Tische bedienen und sich um den Grill kümmern müssen. Aber im Moment hätte sie gegen eine Ablenkung nichts einzuwenden. Dass sie mit niemand reden konnte, machte sie verrückt. Liz konnte ein paar Leute auf dem Bürgersteig und etwas Verkehr sehen, doch nichts davon wirkte normal. Und niemand schien zu lächeln oder den sonnigen Frühlingstag zu genießen. Sie hatte versucht, sich zu beschäftigen, indem sie den Tresen und alle Tische abwischte, die Salzstreuer und die Ketchupflaschen auffüllte. Aber jetzt hatte sie jede denkbare Aufgabe erledigt und ihr blieb nur noch, am Tresen zu sitzen und sich Sorgen zu machen. Sie nahm sich eine Cherry Cola, setzte sich dann auf den Hocker am Ende des Tresens und versuchte, nicht alle paar Sekunden zur Tür zu sehen. Der Besuch in der Notaufnahme würde einige Zeit dauern. Und wenn die nächste Stunde verging und keine Gäste hereinkamen, würde sie schließen und ihnen folgen. Im Moment musste sie so tun, als ob das Leben einfach friedlich weiterging und dies nur ein normales Wochenende war. Aber die Stille und die leeren Stühle und Nischen machten es ihr schwer, so zu tun, als wäre nichts passiert. Draußen ging ein 24
Mann in einem Anzug vorbei. Die Haut an seinem Gesicht und Hals war hellgrün, fast wie die Farbe seiner Krawatte. Er eilte ebenfalls Richtung Krankenhaus. Nichts war normal. Sie hob ihre Hand und starrte ihre eigene Haut an. Bis jetzt war sie verschont geblieben. Sie wusste nicht einmal, ob es eine Krankheit und ob sie ansteckend war. Vielleicht würde sie in einer Stunde grün anlaufen. Möglich war alles. Plötzlich dämmerte ihr, dass vielleicht nicht nur Roswell davon betroffen war. Sie ging hinter den Tresen und schaltete das Radio ein. Vielleicht brachten die Nachrichten eine entsprechende Meldung. Die Musik des Oldie-Senders, den ihre Mom am Radio eingestellt hatte, erfüllte das Restaurant und gab ihm den Anschein von Leben. Sie wählte einen Sender nach dem anderen und verharrte kurz bei jedem, um zu hören, ob sie eine Sondermeldung brachten. Aber sie hörte nur das normale Wochenendprogramm. Das Problem schien noch nicht dieses Maß an Interesse ausgelöst zu haben. Doch wie konnten die lokalen Radiosender ignorieren, dass die Menschen grün anliefen? Vielleicht bedeutete dies, dass das Problem nicht so groß war, wie es zunächst gewirkt hatte. Vielleicht passierte es nur in diesem Teil der Stadt? Sie wählte wieder den Oldie-Sender und kehrte zu ihrem Hocker zurück. Selbst unter normalen Umständen hasste sie die ruhigen Zeiten im Restaurant. Ihr gefiel es besser, wenn das Lokal voll und sie jede Sekunde beschäftigt war. Die Zeit flog dann vorbei. Jetzt schleppte sie sich dahin, und jede Sekunde schien an der Trink-Coke-Uhr an der Wand langsamer und langsamer zu verticken. Hinter ihr meldete das Klingeln der Glocke über der Tür, dass jemand hereingekommen war. Sie fuhr herum und hoffte, die ganze Gruppe zu sehen. Stattdessen trat Tess ein und 25
blickte zu den leeren Nischen hinüber. Wie die anderen Alienteenager hatte sie noch immer ihre normale Hautfarbe. Was auch immer es war, es schien keine Wirkung auf sie zu haben – noch nicht. »Wow«, machte Tess. »Es passiert nicht oft, dass es hier so still ist.« »Ja«, sagte Liz und wandte sich wieder ab, um an ihrer Cola zu nippen. »Willst du was?« Im Lauf der letzten Monate hatten sie und Tess eine Art brüchigen Waffenstillstand geschlossen, aber Liz fühlte sich noch immer nicht wohl, wenn sie mit Tess allein war. Dieses Unbehagen störte sie, zumal wenn sie bedachte, wie nahe sich Max und Tess standen. Wenn Max Tess vertraute, warum konnte sie es nicht auch? »Im Moment nichts.« Tess kam herüber und stellte sich neben Liz ans Ende des Tresens. »Ich bin an zwei Leuten vorbeigekommen, die ganz grün waren. Was geht hier vor?« Liz berichtete ihr eilig, was geschehen war. Sie schloss: »Max hat mir gesagt, ich soll hier bleiben und auf ihre Rückkehr warten.« »Hast du Isabel gesehen?«, fragte Tess. »Ich glaube, sie ist mit irgendeinem Collegetypen ins Kino gegangen«, sagte Liz. »Max meinte, sie würden anschließend hierher kommen.« Tess setzte sich an Liz’ Seite. »Hat Maria ihr Handy nicht dabei? Du könntest sie anrufen und dich über die neueste Entwicklung informieren lassen.« »Gute Idee«, nickte Liz, rutschte vom Hocker und bog um den Tresen, um ihr Handy aus der Handtasche zu holen. Sie war erstaunt, dass sie nicht selbst vor einer halben Stunde daran gedacht hatte. Sie machte drei Versuche, bis sie es schließlich aufgab. Das Netz war überlastet. Zweifellos war dies ein größerer Notfall,
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als das Radio mit seinen fröhlichen Oldie-Songs zugeben wollte. Sie legte das Handy zwischen sich und Tess auf den Tresen und setzte sich wieder auf ihren Hocker. »Was jetzt?«, fragte Tess. »Wir warten«, erwiderte Liz. »Ich hasse es zu warten«, murrte Tess. »Wem sagst du das.« Die Korridore des Krankenhauses waren größtenteils leer, nur eine einzelne Schwester, die für die gesamte Station verantwortlich zu sein schien, war unterwegs. Es war niemand mit grüner Haut in Sichtweite, und in diesem Teil des Gebäudes gab es keinen Menschenauflauf. Max wusste nicht, ob dies eine gute oder eine schlechte Sache war. Die Schwester, eine energisch wirkende Frau, die etwa im Alter von Max’ Mutter war, saß hinter einem großen Pult. Sie blickte ohne Überraschung zu ihnen auf und zeigte ihnen dann den Weg. »Zur Notaufnahme geht’s den Gang hinunter. Halten Sie sich einfach links.« Dann beugte sie sich wieder über die vor ihr liegenden Papiere. »Danke«, sagte Max. Als sie um die Ecke des Korridors bogen, nahm der Lärm zu, als hätte jemand einen Lautsprecher aufgedreht. Ein Mann überschrie das Gemurmel der anderen, während zwei besänftigende Stimmen den wütenden Mann zu beruhigen versuchten. »Das klingt nicht gut«, stellte Max fest. Die meisten Türen in diesem Teil des Korridors waren geschlossen worden, offenbar um die Patienten in ihren Zimmern vor dem Krach zu schützen. Max musste zugeben, dass der Lärm vor ihnen nichts Gutes verhieß. In einem Krankenhaus war Wut nie ein positives
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Zeichen. Es bedeutete, dass die Situation außer Kontrolle geriet, sofern sie je unter Kontrolle gewesen war. Sie bogen um eine weitere Ecke und der Lärm nahm zu, als wären sie plötzlich mitten in einer großen Menge bei einem Basketballspiel. Am Ende des Ganges konnte Max den Mann sehen, der einen Arzt und eine Schwester anschrie. Hinter ihnen war der Wartebereich der Notaufnahme voller grünhäutiger Menschen, von denen einige die Hände ihrer Gatten hielten, deren Haut noch immer eine normale Farbe hatte. Mindestens hundert Leute drängten sich in diesem kleinen Raum und den umgebenden Korridoren, während noch mehr vor der Tür und im Durchgang warteten. Und keiner von ihnen sah glücklich aus. Max blieb stehen, und seine Freunde folgten prompt seinem Beispiel. Der Mann fuchtelte vor dem Arzt mit einer grünen Hand herum und schrie: »Sie wollen mir erzählen, dass Sie keine Ahnung haben, was mit mir nicht stimmt? Warum nicht?« Der Arzt, der des Streites sichtlich überdrüssig war, drehte sich zu der Menge um. »Hören Sie mir alle zu!« Aber niemand tat es. Alle redeten einfach weiter und versuchten den Lärm zu übertönen, bis fast alle schrien. »Hören Sie!«, rief der Arzt mit lauter und durchdringender Stimme. Einen Moment glaubte Max, die Leute würden ihn ignorieren, doch dann ließ der Lärm langsam nach, bis sich der Arzt schließlich Gehör verschaffen konnte. »Wir arbeiten so hart wir können, um die Ursache für diese Änderung der Hautfarbe herauszufinden«, sagte der Arzt mit lauter, kräftiger Stimme. »Im Moment beschäftigt sich jeder Arzt im Krankenhaus mit dem Problem, ebenso die Ärzte im Stützpunkt. Wir lassen einige Hautspezialisten aus Albuquerque einfliegen. Sie werden in einer Stunde auf dem Stützpunkt eintreffen.« Max sah Michael an, der nur den Kopf schüttelte, offenbar nicht glücklich über das, was er gerade gehört hatte. Aber es 28
ergab für Max Sinn. Natürlich würde bei einem Fall wie diesem das Militär hinzugezogen werden. Doch er und Michael durften nicht in einem medizinischen Testgebiet ertappt werden. Das Risiko war einfach zu groß, dass die Ärzte die falschen Dinge entdeckten. »Ich möchte«, sagte der Arzt und hob seine Stimme über den leicht zunehmenden Lärm, »dass alle sich entspannen und mit uns zusammenarbeiten. Soweit wir wissen, ist dies nur ein lokales Problem, sodass es eine Lösung gibt. Sie müssen uns nur genug Zeit lassen, sie zu finden und Ihnen allen Ihre normale Hautfarbe zurückzugeben.« »Wie lange wird das dauern?«, schrie jemand von der Notaufnahmetür. »Das wissen wir nicht«, gestand der Arzt und bemühte sich, trotz des zunehmenden Lärms gehört zu werden. »Wenn es etwas Einfaches ist, ein oder zwei Stunden, wenn nicht, wird es länger dauern. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.« Das passte der Menge nicht, aber zumindest hatte der Mann, der vor dem Arzt stand, aufgehört zu brüllen. »Mir gefällt das nicht«, murmelte Michael. »Nun, ich werde nirgendwohin gehen«, erklärte Maria, »bis sie mir meine kalkweiße Haut zurückgeben. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie je vermissen werde.« »Nur die Haut scheint betroffen zu sein«, stellte Max fest. »Niemand sieht richtig krank aus.« »Bis jetzt«, sagte Alex. »Ich denke, die Ärzte würden es erwähnen. Ihr wisst schon, die richtig kranken Leute in eine Station stecken, die mild erkrankten in eine andere und diejenigen, die lediglich Farbprobleme haben, in eine dritte«, sagte Max. »Farbprobleme?«, wiederholte Maria. »Ist das ein Versuch, witzig zu sein?« »Ich denke, der alte Maxwell versucht nur, politisch korrekt zu sein«, erklärte Michael. 29
»Jemand sollte ihm wahrscheinlich sagen, dass es nicht funktioniert«, brummte Alex. »Warum nehmt ihr diese Sache nicht ernst?«, fragte Max. »Was sollen wir tun?«, sagte Maria. »Herumbrüllen wie dieser Kerl gerade?« Kyle schüttelte den Kopf. »Ich für meinen Teil habe keine Lust, nur hier herumzusitzen und die Motten zu kriegen.« »Und was genau hast du stattdessen vor?«, fragte Alex. »Zu Hause auf meiner Couch zu sitzen, vor dem Fernseher«, erklärte Kyle. »Sie können mich anrufen, wenn sie ein Heilmittel finden und diese Menge abgefertigt haben.« Nach diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und ging den Korridor hinunter in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Max konnte es ihm nicht übel nehmen. In gewisser Weise ergab es Sinn, wenn er das Durcheinander am anderen Ende des Korridors bedachte. »Wollt ihr ihn einfach gehen lassen?«, fragte Maria und starrte zuerst Michael, dann Max an. Michael zuckte die Schultern. »Es ist nicht meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen.« »Wir können nichts tun«, sagte Max. »Es hat keinen Sinn, ihn zu zwingen hier zu bleiben, wenn er es nicht will.« »Uhh, Max«, sagte Alex und deutete auf ein nahe gelegenes Zimmer, »du solltest dir das ansehen.« Max blickte in die Richtung, in die Alex zeigte. Durch das Fenster des leeren Raumes konnte Max die Straße sehen, die am Personalparkplatz vorbeiführte. Drei offene Mannschaftstransporter der Army fuhren vorbei. Jeder Mann schien ein Gewehr zu tragen. »Sie wollen wahrscheinlich das Krankenhaus in ein Gefängnis für grüne Menschen verwandeln«, spekulierte Maria. »Quarantäne«, stimmte Alex zu.
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Max wusste, dass das, was die Army vorhatte, logisch schien. Wenn das, was die Leute grün färbte, eine Krankheit war, dann war Eindämmung die einzige Antwort. Aber er und Michael konnten es nicht riskieren, im Krankenhaus festgesetzt und medizinischen Tests unterzogen zu werden. »Wir müssen von hier verschwinden«, erklärte Michael. »Und zwar schnell.« »Wir gehen den Weg zurück, den wir gekommen sind«, sagte Max. »Haltet euch an meiner Seite.« Er machte kehrt und rannte den Korridor hinunter zu der Stelle, wo die Schwester ihnen die Richtung gezeigt hatte. Er hatte keinen Zweifel, dass diese Soldaten auf dem Personalparkplatz auf der anderen Seite des Gebäudes absteigen würden. Wenn die Leute in der Notaufnahme begriffen, was passierte, würde es zu spät sein. Sie waren dann umzingelt. Aber dieser Personaleingang war auch derjenige, durch den sie hereingekommen waren. Kurz bevor sie die Station der Schwester erreichten, blieb Max stehen und spähte in einen Seitenkorridor. Er schien zu einem geschlossenen Café zu führen. Und das bedeutete, dass es an der Außenseite einen Kücheneingang geben musste. »Hier entlang«, sagte er mit leiser Stimme, damit ihn die Schwester nicht hörte. Am Ende des Ganges konnte er sechs uniformierte Männer mit Gewehren durch den Personaleingang kommen sehen. Der Gruppe lief die Zeit davon. Die Tür des Cafés war abgeschlossen. Michael schob Alex beiseite und legte seine Hand an das Schloss. Max sah sich um, während Michael es schnell öffnete. Sie eilten hinein. Max wartete bis zuletzt und sorgte dafür, dass seine grünen Freunde zuerst eintraten. Die Soldaten kamen näher, aber sie hatten sie noch nicht gesehen. Schließlich schlüpfte er durch die Tür und schloss sie 31
leise hinter sich, während die Soldaten vorbeigingen und ihre Stiefel auf den glatten Fliesen des Korridors dröhnten. »Schließt sie ab«, sagte Max und wies auf die Tür. »Und blockiert sie mit einem Tisch.« »Wir haben doch nicht vor, hier zu bleiben, oder?«, fragte Maria. Sie und Alex schoben einen Tisch vor die Tür, während Michael die Tür wieder verriegelte. »Nein«, sagte Max. »Ich verschaffe uns nur etwas Zeit.« »Gut«, nickte Maria. »Ich hasse den Cafeteriafraß.« Max führte sie hinter dem Tresen in die dunkle Küche. Sie roch nach Reinigungsmitteln und altem Öl. Diese Küche war offenbar seit einiger Zeit nicht mehr benutzt worden. Höchstwahrscheinlich diente sie nur als Reserve für den Fall, dass das Krankenhaus voll wurde. Zweifellos würde man sie bei all den Menschen, die vom Militär im Krankenhaus festgehalten wurden, in Kürze öffnen. Hier zu bleiben war keine Option. Die Hintertür war mit einem Riegel und einem Schloss gesichert, die Max so leise wie möglich öffnete. Es hatte keinen Sinn, eine eventuell draußen stehende Wache vorzuwarnen, dass sie kamen. Er bedeutete allen hinter ihm, still zu sein, und drückte dann die Tür einen Spalt weit auf. Die Türschwelle draußen lag ein Stück über der Straße, damit die Lastwagen heranfahren und problemlos entladen werden konnten. Eine Treppe führte rechts hinunter zu einem Müllcontainer. Auf der anderen Straßenseite konnte Max ein paar mächtige Bäume und Buschwerk sehen. Er wusste, dass dahinter der Country Club lag. Er hatte ihn vor Jahren zusammen mit seinem Vater besucht und erinnerte sich, dass dort ebenfalls viele Bäume und Büsche Deckung boten. Sie mussten es nur auf die andere Straßenseite schaffen und sich ins Gebüsch schlagen, ohne gesehen zu werden.
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Er öffnete die Tür ein Stück weiter und steckte den Kopf nach draußen. Rechts konnte er die Militärtransporter sehen, die die Straße blockierten, damit keine Autos das Gelände verlassen konnten. Aber es war kein Wagen zu sehen. Die linke Seite war bis zum Ende des Flügels menschenleer. Das Militär war so damit beschäftigt, alle Patienten im Bereich der Notaufnahme festzuhalten, dass noch keine Wachen an den anderen Eingängen postiert waren. »Wir müssen schnell sein«, sagte Max. »Folgt mir, und wenn wir getrennt werden, treffen wir uns im Crashdown.« »Und sorgt dafür, dass das Militär und die Cops eure grüne Haut nicht sehen«, fügte Michael hinzu. »Ich schätze, dass sie alle zusammentreiben werden.« »Wenn sie es nicht schon jetzt tun, dann bald«, nickte Max. »Gehen wir.« Er vergewisserte sich, dass beide Richtungen noch immer frei waren, öffnete die Tür, überquerte mit zwei Schritten die kleine Laderampe und sprang auf die Straße. Alex war an seiner Seite und Michael passte auf, dass Maria beim Absprung nicht stolperte. Bis jetzt hatte die Freunde noch niemand gesehen. Plötzlich bekam Max das Gefühl, dass sie nichts tun sollten, was Aufmerksamkeit erregen würde. »Geht natürlich«, mahnte er. »Bleibt zusammen.« Sie schlenderten über die Straße, als machten sie einen Spaziergang, sprangen über einen schmalen Entwässerungsgraben und verschwanden im Gebüsch. Alex steckte seine Hände in die Taschen. Maria folgte seinem Beispiel. Sie senkte außerdem den Kopf, damit ihre Haare ihr grünes Gesicht verbargen. Michael und Max flankierten Alex und Maria, sodass sie von der Straße aus nicht erkennbar waren. Zu seiner Linken konnte Max einige Soldaten sehen, die mit schussbereiten Waffen vor der Notaufnahme Wache hielten. Sie versuchten, nicht 33
bedrohlich zu wirken, aber ihre Absicht war mehr als klar. Niemand würde an ihnen vorbeikommen. Die Soldaten schienen die Teenager nicht zu bemerken, als sie geduckt in dichteres Buschwerk schlichen. Fünfzig Schritte weiter erreichten sie den Zaun, der den Country Club umgab. Michael setzte seine Alienfähigkeit der Materienmanipulation ein und schnitt eine Öffnung heraus, die groß genug war, dass sie hindurchkriechen konnten. Hinter dem Zaun fanden sie sich zwischen den Bäumen einer parkähnlichen Anlage wieder. Mitten durch die Bäume führte das breite, üppige Grün eines Golfplatzes. »Ich denke, wir haben es geschafft«, sagte Michael. »Jetzt müssen wir nur noch das Crashdown erreichen, ohne dass uns jemand sieht«, erklärte Maria. »Es spielt keine Rolle«, sagte Max, »wenn uns normale Leute sehen. Nur der Polizei und dem Militär sollten wir nicht auffallen.« »Er hat Recht«, stimmte Alex zu. »Das passiert alles so schnell, dass ich bezweifle, dass der Durchschnittsbürger auf der Straße weiß, dass es ein Problem gibt. Und nach der Anzahl der Menschen hier zu urteilen, ist kein großer Prozentteil der Stadtbevölkerung betroffen.« »Noch nicht«, sagte Maria. Max gefiel dieser Gedanke nicht, aber er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit groß war, dass sich noch viel mehr Menschen grün verfärbten, bevor das Problem gelöst war. Und wenn Grün nur der erste Schritt einer Krankheit war, dann war diese Stadt und vielleicht das ganze Land in Gefahr. »Vielleicht sollten wir zurückgehen«, sagte Alex. Er sah Maria an und wandte sich dann an Max. »Wir wissen nicht, ob es ansteckend ist oder nicht.« »In diesem Stadium dort zu bleiben, wird nichts nutzen«, erklärte Max. »Wir werden euch im Crashdown isolieren, nur für den Fall.« 34
»Außerdem«, warf Michael ein, »ist das Essen im Restaurant besser.« Alex nickte. Er war merklich unsicher, aber er wollte ebenso wenig wie Max in dieses Durcheinander zurückkehren. »Du prahlst schon wieder mit deinen fettigen Fritten?«, fragte Maria, als sie und Michael durch die Bäume Richtung Golfplatz eilten. »Es ist kein Problem, ein Essen zu machen, das besser ist als der Krankenhausfraß«, sagte Alex, froh an etwas anderes zu denken. Bevor Michael etwas sagen konnte, tätschelte Maria seinen Arm und lächelte ihn an. »Ich denke, du kochst besser als das Krankenhaus. Meinst du nicht auch, Max?« »Kein Kommentar«, erwiderte Max und lächelte, als Alex und Maria über Michaels Stirnrunzeln lachten. »Ihr findet das jetzt komisch«, sagte Michael, »aber wenn die Army bleibt, stecken wir in großen Schwierigkeiten.« »Ich weiß«, sagte Max und sein Lächeln erstarb. »Glaub mir, ich weiß.«
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Nachdem Liz zehn Minuten neben Tess gesessen und nichts gesagt hatte, entschied sie, dass die Situation sie verrückt machte, und so ging sie hinter den Tresen und putzte die Eismaschine. Diese Aufgabe erledigte sie normalerweise später am Abend, doch es schien keinen großen Sinn zu haben, noch länger damit zu warten. Außer Tess hatte seit über einer Stunde niemand mehr das Crashdown betreten. Tess saß an der Ecke, nippte an einem Glas Wasser und sagte kein einziges Wort. Ihre Aufmerksamkeit wanderte von Liz zu den vorbeifahrenden Autos. Selbst an guten Tagen hatten die beiden sich wenig zu sagen. Und bis jetzt hatte sich der heutige Tag noch nicht als guter entpuppt. Der Radiosender berichtete noch immer nicht über grün angelaufene Menschen. Liz war nicht sicher, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Beim Klingeln der Glocke über der Tür ließ Liz fast den Rühraufsatz des Mixers in die Eismaschine fallen. Sie legte ihn in die Spüle, drehte sich um und sah Sheriff Valenti hereinkommen. Er trug wie gewöhnlich Jeans und Jeanshemd und hatte sich den Hut tief ins Gesicht gezogen. Liz brauchte einen Moment, bis sie sicher war, dass seine Haut noch nicht grün angelaufen war. »Hat einer von euch Kyle gesehen?«, fragte er. Tess blickte zu Liz hinüber, die sich die Hände an einem Handtuch trocknete und nickte. »Er ist mit Alex, Michael, Maria und Max vor etwa einer Stunde ins Krankenhaus gegangen.« Liz konnte erkennen, dass Valenti diese Neuigkeit nicht gefiel. Überhaupt nicht.
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»Wer von ihnen hatte...« – er zögerte und fuhr dann fort – »... ein Problem?« »Kyle, Alex und Maria hatten grün verfärbte Haut«, sagte Liz. Valenti seufzte und schüttelte dann den Kopf. »Das hatte ich befürchtet.« »Wissen Sie, was dafür verantwortlich ist?«, fragte Tess. »Nein«, erwiderte er, kam herüber und stellte sich ans Ende des Tresens. Er senkte seine Stimme, als wollte er ihnen Informationen anvertrauen, die nicht für andere bestimmt waren, obwohl sich sonst niemand im Restaurant befand. »Aber das Militär hat das Krankenhaus unter Quarantäne gestellt. Wenn sie dort sind, kommen sie nicht mehr heraus, bis die Sache aufgeklärt ist.« »Oh, nein«, stöhnte Liz. Die Vorstellung, dass Max und Michael in einer medizinischen Quarantäne festsaßen, war nicht gut. Das war für sie ein viel, viel zu riskanter Ort. Valenti wusste, was auf dem Spiel stand. Zuerst hatte er die Alienteenager verfolgt, schließlich aber erkannt, dass sie nichts Böses im Schilde führten, und war ihr Freund und Beschützer geworden. »Die Ärzte sagen, dass es nur eine Veränderung der Hauptpigmentierung ist, die sie nicht erklären können«, fuhr Valenti fort, »und es soll in keiner Weise gefährlich sein.« »Aber?«, fragte Tess. Valenti runzelte die Stirn. »Aber das Militär besteht darauf, dies wie eine ansteckende Seuche zu behandeln.« »Typisches Regierungsdenken«, meinte Tess mit deutlich hörbarem Abscheu in der Stimme. »Seit wann ist es Regierungspolitik, Leute wegen ihrer Hautfarbe einzusperren?« Liz und Valenti sahen sie überrascht an. Diese Bemerkung ließ sie wahrhaft außerirdisch erscheinen, obwohl sie genau wie die beiden anderen in den Vereinigten Staaten aufgewachsen war. 37
Liz wollte sie nicht an die Geschichte ihres Landes erinnern und an all die Zeiten, in denen die Regierung Menschen wegen ihrer Hautfarbe eingesperrt hatte. Es war besser, Tess ihren Zorn einfach abreagieren zu lassen. »Weiß sie etwas, das wir nicht wissen?«, fragte Liz Valenti. »Wer?« »Die Regierung. Wird es noch schlimmer werden? Ist nur die Haut davon betroffen?« Er zuckte die Schultern. »Ich habe versucht es herauszufinden, aber ich bin hier nicht mehr zuständig. Sie müssen mir nichts sagen. Doch sie scheinen von all dem genauso überrascht zu sein wie ich, und nach einigen Bemerkungen, die ich mitgehört habe, scheint es so zu sein, dass Roswell die einzige betroffene Stadt ist.« In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, sodass die Glocke erneut bimmelte. Maria, die Haut hellgrün, kam zuerst herein, gefolgt von Alex, dann Michael, dann Max. Sie waren auffallend vorsichtig; Max behielt die Straße im Auge und Alex und Maria eilten sofort zum Tresen. Sie duckten sich dahinter, so weit wie möglich vom Fenster entfernt. Liz konnte nicht fassen, wie groß ihre Erleichterung war, obwohl Maria und Alex noch immer grüne Haut hatten. »Wie seid ihr rausgekommen?«, fragte Tess. »Wo ist Kyle?«, fragte Valenti gleichzeitig. Michael antwortete. »Wir haben uns aus dem Kücheneingang geschlichen, als sie das Krankenhaus abriegelten.« »Unterwegs mussten wir außerdem ein paar Militärtransportern ausweichen«, fügte Max hinzu. »Aber ich glaube nicht, dass uns jemand gesehen hat. Kyle ist nach Hause gegangen.« Valenti nickte. Er sah erleichtert aus. »Gut. Mein Vorschlag ist, dass ihr hier in Deckung bleibt.« »Und was sollen wir tun?«, fragte Maria. »Ich sehe wie ein Limoneneis am Stiel aus.« 38
»Ich halte euch auf dem Laufenden«, versprach Valenti. »Aber zunächst muss ich mich vergewissern, dass Kyle zu Hause ist, und ihm denselben Rat geben.« »Danke, Sheriff«, sagte Max, als sich Valenti zur Tür wandte. »Unternehmt bloß nichts Dummes«, mahnte Valenti. »Haltet euch bedeckt und im Haus.« »Als würde ich nach draußen gehen, solange ich wie ein grüner Apfel aussehe«, sagte Maria. »Wie Eis am Stiel«, warf Alex ein. »Was auch immer.« Isabel sah sich gern den Filmnachspann bis zum Ende an. Es war eine Gewohnheit, die sonst keiner hatte, und oft saß sie am Ende, wenn die Lichter angingen, allein im Kino. Diesmal war Rob bei ihr geblieben; zuerst hatte er im Dunkeln gestanden und seinen Mantel angezogen, um sich dann wieder hinzusetzen und zu warten, während er so tat, als würde ihn die endlose Namensliste interessieren, die über die Leinwand flimmerte. Es war für sie ihre erste Verabredung, also welche Wahl hatte er? Rob war Student im ersten Jahr an der New Mexico State in Albuquerque und hatte letztes Jahr seinen Abschluss an ihrer Highschool gemacht. Sie hatte ihn oft gesehen, aber bis er in den Osterferien zurückgekehrt war, war sie nie auf den Gedanken gekommen, mit ihm auszugehen. Dieses halbe Jahr, das er im College verbracht hatte, machte ihn attraktiver. Er war kräftiger geworden und nicht länger der dünne Junge mit der Brille. Jetzt trug er Kontaktlinsen und war gut gekleidet. Er hatte ein Lächeln, das einen Raum erleuchten und ihr Herz zum Flattern bringen konnte. Sie hatten vor dem Film auf die Schnelle etwas gegessen, und er hatte sich als großartiger Begleiter erwiesen. Witzig und in keiner Weise aufdringlich. 39
Als die Copyrightvermerke vorbeiflimmerten und die Kinolichter angingen, sagte er: »Witziger Film.« Isabel stand auf und drehte sich zu ihm um. Sie wollte schon zustimmen, dass er tatsächlich witzig gewesen war, als sein Anblick sie verstummen ließ. Sein Gesicht hatte eine hellgrüne Farbe, genau wie sein Hals, seine Arme und seine Hände. Er hatte es offenbar noch nicht bemerkt. Dann keimte in ihr ein seltsamer Verdacht auf. War dies ein Scherz von ihm? Er hätte die Gesichtsbemalung auf der Herrentoilette auftragen können, als er mitten im Film verschwunden war. Aber warum hätte er so etwas tun sollen? Es ergab keinen Sinn. »Was ist mit dir passiert?«, stieß sie hervor. Er runzelte die grüne Stirn. Es sah nicht so aus, als würde er dicke Schminke tragen. »Was meinst du damit?« In diesem Moment fiel sein Blick auf seine Hand, und der Schock schien ihn fast zurück in den Sitz zu werfen. »Ist das eine Art Scherz?«, fragte er mit mühsam gebändigtem Zorn und Panik in der Stimme, als er seine Arme anstarrte, dann den Ärmel hochzog und feststellte, dass die Haut dort ebenfalls grün war. Da dies ihre erste Reaktion gewesen war und er von der Veränderung überrascht zu sein schien, fühlte sich Isabel auf sonderbare Weise erleichtert. Erleichtert, dass er kein Spielchen mit ihr trieb. »Ich denke nicht.« Isabel hob ihre Arme, um sich zu überzeugen, dass sie noch immer ihre normale Farbe hatten. Dann sagte sie: »Dein Gesicht ist auch grün.« Er strich sich sofort übers Gesicht, als würde ihm die Berührung die Farbe verraten, die er nicht sehen konnte. Dann öffnete er die beiden Knöpfe an seinem Hemd und zog es auseinander. Die Haut an seiner Brust war grün. Er wollte sein Hemd wieder zuknöpfen, aber seine Hände zitterten zu sehr. 40
»Komm«, sagte sie, »gehen wir nach draußen, wo das Licht besser ist.« »Damit deine Freunde über ihren Scherz lachen können?«, fragte er. »Ich denke nicht.« »Ich kenne niemand, der einen solchen Scherz machen würde«, erklärte Isabel. Sie sah ihm unbeirrt in die zornigen Augen. Sie konnte erkennen, wie wütend er war, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Nicht im Mindesten. »Was ist es dann?« Er hielt seine grünen Hände vor ihr Gesicht. »Ich weiß es nicht«, sagte sie und versuchte in dem leeren Kino ihre Stimme ruhig zu halten. »Vielleicht eine Reaktion auf etwas, das du gegessen hast. Wir sollten dich untersuchen lassen.« Er starrte sie einen Moment an und sein Zorn verrauchte langsam. »Kein Scherz?« »Kein Scherz«, bestätigte sie. »Fühlst du dich gut?« »Was meinst du mit gut?«, fragte er. »Ich bin gerade grün angelaufen.« »Ich meine, gibt es noch andere Symptome?« Er schwieg, atmete mehrmals prüfend tief durch und schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich normal.« »Nun, das ist wenigstens etwas«, meinte sie. »Komm. Bringen wir dich in die Notaufnahme.« »Was können die schon tun?«, fragte er. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Vielleicht wissen sie etwas über eine spezielle Popcornbutter, die die Leute grün anlaufen lässt. Oder etwas in der Art. Ich denke nur, dass du dich untersuchen lassen solltest.« Er nickte. Der Ausdruck auf seinem seltsam fremdartigen Gesicht verriet Isabel, dass ihm plötzlich der Ernst der Lage dämmerte.
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Sie nahm seinen Arm und drehte ihn zum Ausgang. Er schien einen Moment zu stolpern und fing sich dann wieder, als die beiden Seite an Seite in die Lobby des Kinos gingen. Das Kino war leer, was Isabel mehr beunruhigte, als es unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Niemand war hinter dem Süßigkeitenstand, keine Kids hielten sich an dem halben Dutzend Videospiele auf. Die Tür stand offen und eine leichte Brise wehte herein. Draußen auf dem Parkplatz standen nur noch ein paar Autos, von denen eins Robs neuer Volkswagen Beetle war. Inzwischen hätten längst die Besucher der nächsten Vorstellung eintreffen müssen. Aber das war offenbar nicht der Fall. »Sie sollten besser ins Krankenhaus gehen«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Beide fuhren herum und sahen die Frau, die ihre Karten abgerissen hatte, an einer Seite des Süßigkeitenstands stehen, halb von einer Wand verborgen, als hätte sie Angst herauszukommen. »Warum?«, fragte Isabel. »Dort sind auch die anderen grünen Leute hingegangen«, erklärte die Frau. »Gehen Sie ins Krankenhaus.« »Es haben sich noch andere grün verfärbt?«, fragte Rob. »Ja, drei oder vier allein in Ihrer Vorstellung«, sagte die versteckte Frau. Was auch immer mit Rob passiert war, es betraf auch andere. Sie sah Rob an. Zum ersten Mal war Furcht in seinen Augen. »Komm«, sagte Isabel und drängte ihn zur Tür. »Es ist nur ein paar Blocks entfernt. Wir können unseren Wagen stehen lassen und zu Fuß gehen.« Das Letzte, das sie im Moment wollte, war, dass er Auto fuhr, während seine Gedanken mit einem anderen Problem beschäftigt waren. Er nickte. »Gute Idee.« Seine Stimme klang wie ein kontrolliertes Flüstern, aber sie konnte erkennen, dass er
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schnell wieder zu Sinnen kam. »Ich kann nicht für den Rest meines Lebens wie eine riesige Gurke herumlaufen.« Sie zwang sich, über seinen lahmen Scherz zu lachen. »Make-up wirkt Wunder.« Er sah sie an. Die Furcht war noch immer in seinen Augen, doch der Mut kehrte offenbar zurück, überdeckte die Angst, unterdrückte sie. Er zwinkerte ihr zu und lächelte dann. Seine weißen Zähne bildeten einen schroffen Kontrast zu seinen grünen Lippen. »Ja, grünes Gesicht und blauer Eyeliner. Ein neuer Trend.« Diesmal klang ihr Lachen etwas kräftiger. Während sie die zwei Blocks zum Krankenhaus gingen, lachten beide und benahmen sich albern. An der Mündung der Krankenhauseinfahrt wurde klar, dass eine große Zahl von Menschen von dem Phänomen betroffen war. Autos blockierten die Straße und waren im Gras abgestellt. Drei Soldaten standen in der Nähe des Eingangs, während andere Polizisten und Soldaten auf dem Krankenhausgelände postiert waren, wie Isabel bemerkte. Alle trugen Waffen. »Oh, nein«, sagte Isabel. »Was macht die Army hier?«, fragte Rob. »Hör zu«, sagte Isabel. »Vielleicht war es am Ende doch keine so gute Idee.« »Dass die Army hier ist«, erwiderte er, »erinnert mich an diesen Film Outbreak. Ist es vielleicht etwas Tödliches?« Isabel schüttelte den Kopf und wich zurück. »Ich kann nicht hier bleiben.« Rob ergriff ihren Arm. »Isabel. Ich kann das nicht allein durchstehen. Außerdem hast du die ganze Zeit neben mir gesessen. Vielleicht hast du dir diese Sache auch eingefangen.« »Ich werde nicht krank«, sagte sie automatisch. »Ich auch nicht«, fauchte er.
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Ihr Streit erregte Aufmerksamkeit. Einer der Soldaten kam herüber. Isabel versuchte sich aus Robs Griff zu befreien, aber er hielt sie fest, und sie wollte keine Szene machen. »Folgen Sie der Einfahrt zum Haupteingang«, sagte der Soldat. »Und was passiert dort?«, fragte Isabel. »Folgen Sie einfach der Einfahrt«, sagte der Mann. Seine Stimme verriet keine Spur von Mitgefühl. Er gab ihnen einfach einen Befehl, den sie befolgen mussten. Rob zog sie sanft mit sich und ging über den Bürgersteig zum Krankenhaus. »Sieht aus, als wäre ich bei weitem nicht der Einzige, der dieses Problem hat. Irgendwie fühle ich mich dadurch besser.« Isabel nickte nur. Sie fühlte sich dadurch überhaupt nicht besser. Sie hatte früher schon mit der Regierung zu tun gehabt. Dass die Army in diese Sache verwickelt war, bedeutete ihrer Meinung nach nur Ärger. Um genau zu sein, es machte ihr Angst. Dies war nicht der richtige Ort für sie, aber das konnte sie Rob jetzt unmöglich sagen. Sie wurden wie Vieh durch ein Spalier von bewaffneten Soldaten getrieben, bis sie den Eingang erreichten. Im Innern stand ein Mann mit einem Gewehr neben einer Schwester, die gestresst aussah. Im Lobbybereich hielten sich noch mindestens zehn weitere Soldaten auf. Offenbar hatte die Army Angst vor grünen Leuten. Die Frage war, warum. Die Schwester fragte beide nach ihrem Namen und schrieb Robs Namen auf ein Blatt, Isabels auf ein anderes. Auf beiden Blättern standen viele andere Namen vor ihren. »Sie gehen links den Gang hinunter und in den Mittelhof«, sagte sie zu Isabel. Dann sah sie Rob an. »Dieser Herr wird Sie in die Station auf der Linken bringen.« Der Soldat neben der Schwester nickte und bedeutete Rob, ihm zu folgen.
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»Erst wenn ich ein paar Antworten bekomme«, sagte Rob. »Was ist mit meiner Haut passiert?« »Das versuchen wir herauszufinden«, erwiderte die Schwester. »Und das können wir schneller, wenn Sie uns helfen.« Isabel erkannte eine wiederholte Ansprache, wenn sie sie hörte. Zweifellos war dies in den letzten Stunden immer wieder passiert, wahrscheinlich sogar in der ganzen Zeit, die sie im Kino verbracht hatten. Rob schnaufte, sagte aber nichts. »Gibt es einen Grund dafür, dass wir nicht zusammenbleiben können?«, fragte Isabel. »Bis wir ein paar Antworten bekommen«, sagte die Schwester, »halten es die Ärzte für das Beste, die betroffenen Leute von denen ohne sichtbare Veränderungen zu trennen.« »Quarantäne«, murmelte Rob. »Ja, in gewisser Hinsicht«, nickte die Schwester. »Gehen Sie jetzt bitte mit dem Soldaten mit.« Hinter ihnen öffnete sich die Tür und zwei weitere Leute mit hellgrüner Haut kamen herein. Isabel konnte deutlich erkennen, dass sie ein Paar waren, beide Mitte Vierzig, beide sehr besorgt und verängstigt aussehend. Rob musterte das Paar und wandte sich wieder an die Schwester. »Gibt es eine Möglichkeit für mich, meine Eltern anzurufen?« »Auf der Station gibt es Telefone«, erklärte die Schwester. »Sie können gerne Ihre Familie anrufen.« Er nickte und sah Isabel an. Offenbar wusste er nicht, was er sagen sollte. Sie konnte erkennen, dass er jetzt nicht allein sein wollte. »Sind eine Menge Leute hier?«, fragte er die Schwester. »Ja«, bestätigte diese. Isabel sah Rob an, dann wieder die Schwester. »Sind Sie sicher, dass ich nicht mit ihm gehen kann?« 45
»Ja, ich bin sicher«, sagte die Schwester. »Glauben Sie mir, Schätzchen, Sie wollen nicht dorthin. Grün ist nicht Ihre Farbe.« Grün war ihre Farbe. Sie trug sie oft. Und sie war ziemlich sicher, dass ihr nichts passieren würde. Aber sie sagte nichts. »Es ist okay, Isabel«, erklärte Rob mit kräftigerer Stimme als zuvor. Vielleicht fühlte er sich besser, weil er jetzt wusste, dass er nicht der Einzige war. »Ich sehe dich, wenn alles vorbei ist«, sagte Isabel. »Gut«, nickte er. »Es tut mir Leid wegen all dem.« »Warum?«, fragte sie. »So sollte unsere erste Verabredung eigentlich nicht enden.« »Finde ich auch«, sagte sie leise. Sie sahen sich einen Moment an. Zumindest seine Augen wirkten vertraut, dunkelbraun und sanft. Dann wandte er sich ab, um dem Soldaten durch den Korridor zu folgen. Isabel blickte ihm hinterher. Robs Haut schien noch grüner geworden zu sein. Er bewegte sich selbstsicher, aber sie wusste nicht, wie viel davon gespielt war. Wie schrecklich musste es für ihn sein. Wie schrecklich war es für sie. Dies war der schlimmste Ort, an dem sie sein konnte. Aber im Moment blieb ihr nichts anderes übrig als die Anweisungen zu befolgen. Sie eilte zu dem offenen Hof, den ihr die Schwester beschrieben hatte. Der Platz war völlig von dem Gebäude umgeben. Es gab Gras, Bäume, Felsen und eine Menge Blumenbeete mit ersten Frühlingsknospen. An den Türen um den großen Platz waren außerdem Soldaten postiert, offenbar um zu verhindern, dass ihn jemand verließ. Die Soldaten, die neben der Tür, durch die sie ging, postiert waren, beachteten sie nicht einmal, aber sie hatte es auch nicht erwartet. Nach Isabels Schätzung hielten sich etwa hundert Leute in dem großen Innenhof auf. Die meisten saßen in kleinen 46
Gruppen zusammen und unterhielten sich. Ein paar hatten sich in die Sonne gelegt und schliefen. Kaffee und alkoholfreie Getränke standen auf einem Tisch nahe einer Tür auf der anderen Seite bereit. Sie konnte ein paar Vögel zwitschern und Leute leise miteinander sprechen hören, als würde gleich eine Konferenz beginnen. Isabel schlenderte zur Mitte des Hofes und sah sich um. Es war niemand da, den sie gut genug kannte, um mit ihm zu reden, und niemand suchte lange Blickkontakt mit ihr, sodass sie in den Schatten eines Baumes trat. Dort zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Crashdowns. Wer auch immer dort war, konnte ihre Familie darüber informieren, was mit ihr geschehen war. Sie bezweifelte, dass sie in absehbarer Zeit hier herauskommen würde. Max und Michael würden sich Sorgen machen, aber sie war sicher, sie überzeugen zu können, im Moment nichts zu unternehmen. Sie war noch nicht in Gefahr, getestet zu werden. Die Leitung war besetzt. Sie versuchte es erneut. Kein Glück. Sie wählte die Nummer ihres Hausanschlusses, dann Marias Handynummer. Wieder hörte sie das entnervende Besetztzeichen, gefolgt von der hilfreichen digitalisierten Frauenstimme, die sie informierte, dass alle Leitungen besetzt waren und sie es später noch einmal versuchen sollte. Was auch immer passierte, es war groß genug, um die Telefonleitungen zu blockieren. Oder vielleicht hatte das Militär sie blockiert. Sie konnte es nicht einschätzen. Sie wusste nur, dass sie es hasste, von den anderen abgeschnitten zu sein. Niemand wusste, wo sie war. Aber sie würde nicht in Panik geraten. Wenn es eine Menge grüner Menschen gab, würde es einige Zeit dauern, bis die Regierung diejenigen testete, die nicht die Farbe gewechselt hatten. Sie 47
setzte sich ins Gras, lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und verfolgte, wie zwei weitere Leute hereinkamen. Leute mit völlig normaler Haut, die offenbar mit jemand hier waren, dessen Haut sich grün gefärbt hatte. Warum hatten nur manche Leute dieses Problem? Oder würden mit der Zeit alle davon betroffen sein? Irgendwo gab es einen Zusammenhang, eine logische Verbindung, aber sie zu finden, würde sehr schwer sein und Zeit kosten. Davon war sie überzeugt. Etwa fünfzig Meter weiter sagte eine Frau sehr laut: »Oh, nein!« Die Frau stand da und hielt die Arme weg von ihrem Körper, als hätte sie sich mit etwas bekleckert, das nicht an ihre Kleidung kommen sollte. Ihre Haut färbte sich grün. Die Menschen in ihrer Nähe wichen ein Stück zurück, als sie ihre Arme anstarrte. »Ich denke, Sie sollten besser zurück ins Krankenhaus gehen«, sagte eine Frau in der Nähe und trat zu ihr, um ihr zu helfen. Die grün gefärbte Frau nickte, sichtlich geschockt von dem, was mit ihr passierte. Isabel und der Rest der Leute, die in diesem Hof gefangen waren, beobachteten, wie die beiden Frauen zur Tür gingen, wo ein Posten der grünhäutigen Frau mit einem Wink bedeutete, ihm zu folgen, während die andere zurück blieb. Stille senkte sich für einen Moment über den Hof, dann redeten die Menschen wieder leise miteinander. Isabel wählte erneut die Nummer des Crashdowns. Alle Leitungen waren besetzt. Trotz der hundert Menschen um sie herum hatte sie sich seit langer, langer Zeit nicht mehr so allein gefühlt. Max hatte wirklich keine Ahnung, was er als Nächstes tun sollte. 48
Liz hatte ihnen erzählt, dass ihre Eltern übers Wochenende die Stadt verlassen hatten, sodass die obere Etage frei war, um Maria und Alex zu verstecken. Sie waren nach oben gegangen, während er unten geblieben war, um kurz mit Michael zu reden. Michael hatte auch keine Ahnung. »Wir können nur abwarten«, hatte Michael gesagt. »Und wir sind im Moment nicht betroffen; also lass uns dafür sorgen, dass es auch so bleibt. Okay, Maxwell?« Max hatte zugestimmt. Je weiter sie sich von diesem ganzen Schlamassel fern hielten, desto besser würde es für sie sein. Aber das beantwortete trotzdem ihre Fragen nicht. Warum hatte Liz sich nicht grün verfärbt? Warum waren er und Michael und Tess nicht davon betroffen? Hatten sie einfach nur Glück? Oder würde ihre außerirdische Physiologie dafür sorgen, dass sie in ein paar Tagen die einzigen weißhäutigen Leute in der Stadt waren? Und wo war Isabel? Sie hatte sich bei niemand gemeldet, und das war nicht ihre Art. Sie hatte eine Verabredung mit irgendeinem Collegejungen gehabt. Max hoffte nur, dass sie nicht betroffen war und jetzt nicht von der Army im Krankenhaus gefangen gehalten wurde. Die Army würde die Leute testen. Wenn Isabel unter Quarantäne gestellt wurde, steckte sie in großen Schwierigkeiten. Fragen und Antworten. Er hasste es. Während Michael unten im Restaurant blieb für den Fall, dass jemand hereinkam, ging Max zu den anderen nach oben. Er fand sie alle in Liz’ Schlafzimmer. Maria saß an Liz’ Frisierkommode und betrachtete sich im Spiegel. Liz und Alex saßen auf dem Bett; Tess stand am Fenster. »Ein echtes Halloweenkostüm«, sagte Maria, während sie ihre grüne Wange berührte und die Hand dann senkte. »Ich brauche nur noch schwarzen Lippenstift und eine Pappnase. Wenn ich dann noch einen dunklen Umhang und einen spitzen Hut finde, wäre ich die perfekte Hexe.« 49
»Besen«, sagte Alex. »Du hast den Besen vergessen.« »Wenn ich im Herbst noch immer so aussehe, brauche ich viel mehr als einen Besen«, erwiderte Maria. Sie sah zu Max hinüber, der an der Tür stand. »Warum heilst du uns nicht einfach?« Er hatte an diese Möglichkeit bereits gedacht. Und nach dem, was in Phoenix passiert war, gefiel ihm die Vorstellung nicht besonders. Es war erschöpfend und verschaffte ihm Einsichten über jeden, den er heilte. Er wollte wirklich nicht so viel über Maria oder Alex erfahren. Und außerdem hatte er seine Zweifel, ob ein Versuch Erfolg haben würde. Er sah Tess an, die nur die Schultern zuckte. Sie hatte offenbar auch keine bessere Idee. Liz lächelte ihn an. »Auch wenn ich Grün sehr mag, ich halte es für die beste Idee.« »Du magst Grün?«, fragte Alex und lächelte sie an. Seine weißen Zähne bildeten einen schroffen Kontrast zu seinen grünen Lippen. »Vielleicht sollte ich dann so bleiben?« »Du kannst tun, was du willst, aber ich will meine alte Haut zurück«, erklärte Maria. Sie sah Max an. »Bitte. Versuch es wenigstens.« Er nickte. »Ich werde es probieren, sofern mir niemand einen Grund nennt, es nicht zu tun.« Niemand sagte ein Wort. Liz lächelte ihn an. Sie war ein wenig besorgt. Es war nicht gefährlich, aber sie wusste, wie sehr ihn das Heilen erschöpfte. Er hatte lange Zeit gebraucht, um sich von dem Besuch im Krankenhaus in Phoenix zu erholen. Er trat zu Maria und legte seine Hand unter ihrem Kinn an ihre Brust. Sie lehnte sich an die Frisierkommode und schloss die Augen. »Bloß nicht kitzeln«, bat Maria. »Es geht los«, erklärte Max. Niemand sagte etwas. 50
Liz lächelte ihn an und nickte. Er schloss die Augen, konzentrierte sich nach innen und griff nach den heilenden Energien, die tief in ihm verborgen waren. Jedes Mal, wenn er dies tat, fühlte es sich wie eine Hitzewelle an, als würde sich die Energie tief in seine Seele graben und von dort ihre Kraft beziehen. Er schickte die Energie durch seine Hand und in Maria, ließ das Licht und das Gefühl mit ihnen beiden verschmelzen, sodass sie einander näher kamen. Näher und näher. Blitzartige Eindrücke ihres Lebens zuckten durch seinen Kopf. Ihre Mutter, durch ihre Augen gesehen, lächelte auf sie hinunter, als sie noch ein Kind war. Michael bei ihrer ersten Begegnung. Liz in ihrem ersten Highschooljahr. Das Restaurant. Die Schule. Alles kurze Bilder, kurze Emotionen, kurze Gefühle, die ihm mehr über Maria verrieten, als er wollte. Dann war er fertig. Das Licht und die Energie schienen plötzlich verschwunden zu sein, und er trat zurück und riss sich zusammen, bevor er stolpern konnte. Die Kraft, die er vor einem Moment gespürt hatte, verließ ihn jetzt, und er war fast zu schwach zum Stehen. Maria sah erst ihre Arme an, dann Max. »Es hat nicht funktioniert!« »Das hatte ich befürchtet«, sagte Max mit leiser Stimme. »Warum hat es nicht funktioniert?«, fragte Liz. Sie trat an seine Seite und stützte ihn, während seine Kräfte langsam zurückkehrten. »Weil sie nicht krank ist«, erklärte Tess. »Natürlich.« Genau das hatte Max befürchtet. Er lehnte sich an Liz, während er langsam wieder zu Kräften kam. Sie hatten dieses Problem für eine Krankheit gehalten, nur weil sich die 51
Hautfarbe verändert hatte. Aber niemand hatte über Beschwerden oder Schmerzen geklagt. »Wie meinst du das, ich bin nicht krank?« Maria hob die Stimme. »Ich bin grün. Viel kranker kann man nicht sein.« »Deine Haut war vorher blass«, sagte Tess. Sie starrte sie an. »Und?«, fragte Maria mit einem Blick zu Tess, dann zu Max. Er hatte im Moment nicht die Kraft, ihr zu antworten. »Blasser als meine«, sagte Alex seufzend. »Ich verstehe. Grüne Haut bedeutet nicht, dass du jetzt kranker bist als zu der Zeit, als deine Haut weiß und sommersprossig war. Oder kranker als ein Schwarzer oder sonst jemand mit farbiger Haut.« »Ich bin grün!«, schrie Maria. »Ich war nicht grün und jetzt bin ich es. Das muss doch bedeuten, dass irgendetwas nicht stimmt, oder?« »Es bedeutet aber nicht, dass du krank bist«, bekräftigte Alex. »Komm schon, Alex«, sagte Maria und drehte sich zu ihm um. »Macht dir das denn keine Angst?« »Dass du grün bist?« »Du weißt, was ich meine!« Sie streckte ihre Arme aus. »Sieh mich an. Sieh uns an. Das ist garantiert eine Krankheit.« »Wenn du krank wärest«, warf Max ein, »hätte ich dich heilen können.« »Vielleicht«, sagte Tess, »ist Grün jetzt deine natürliche Farbe.« »Das ist nicht witzig!«, protestierte Maria. »Das sollte es auch nicht sein«, sagte Tess.
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»Au«, machte Alex und schüttelte seinen Arm. »Oh, du großes Baby«, sagte Liz lachend. Sie hatte ihm gerade eine winzige Hautprobe entnommen, um sie unter einem Mikroskop mit einer Probe ihrer Haut zu vergleichen. Sie fand, dass es im Moment keinen Sinn hatte, tatenlos herumzusitzen. Niemand kam ins Restaurant, Maria saß noch immer an der Frisierkommode und starrte ihr grünes Gesicht an. Max und Tess waren nach unten gegangen, um mit Michael zu reden und zu versuchen, Isabel zu erreichen. Sie hatte das Gefühl gehabt, etwas tun zu müssen. Sie hatte ihre Zweifel, dass sie mehr herausfinden würde als die Ärzte, aber sie wollte zumindest sehen, was mit Alex’ und Marias Haut passierte. Sie hatten vor einem Jahr im Biologieunterricht die Hautfarbe durchgenommen und sie hatte es faszinierend gefunden. Damals hatte sie nicht ahnen können, dass ihr altes Schulbuch und ihr Interesse an Hautfarben eines Tages so nützlich sein würden. »Nun, es hat wehgetan«, sagte Alex. »Nur weil sie grün ist, bedeutet es nicht, dass sie keine Nervenenden hat.« »Darauf wäre ich nie gekommen«, spottete sie und tätschelte sein Knie, bevor sie den Objektträger präparierte. »Ich habe meinem Arm dieselbe Menge entnommen, also sind wir quitt.« »Frauen ertragen Schmerzen besser«, sagte Alex. »Wir jammern nicht so viel herum, das steht fest«, meinte Maria. »Liz, was für ein Make-up hast du?« »Keins, das dein Grün abdecken wird«, erwiderte Liz, ohne von ihrer Arbeit aufzuschauen. Sie wollte jetzt nicht abgelenkt werden. »Meine Grundierung ist richtig hell«, sagte Maria. »Deine ist dunkler. Es könnte funktionieren.« »Ich trage keine Grundierung«, erklärte Liz. 53
»Hmm.« Maria beugte sich zum Spiegel. »Vielleicht solltest du etwas von diesem weißen Zeug probieren«, schlug Alex vor. »Du weißt schon, wie die KabukiSchauspieler.« »Kabuki-Schauspieler?«, fragte Maria. »Oder Grufti-Tussis«, sagte Liz. Sie hatte den Objektträger jetzt vorbereitet. Sie musste vorsichtig sein, denn die beiden Proben waren klein und sehr dünn. Und sie hatte sie dicht nebeneinander auf dem Objektträger platziert. »Hast du was davon?«, fragte Maria. »Nei-ein«, sagte Liz, das Wort in zwei Silben zerlegend. »Jetzt lass mich in Ruhe. Ich arbeite hier.« »Ja«, nickte Maria. »Als würdest du etwas herausfinden, das den Experten verborgen bleibt.« »Komm schon, Maria«, mahnte Alex. »Liz hat Informationen, die die Experten nicht haben.« »Wie die Tatsache, dass es Außerirdische in Roswell gibt?« »Ja«, bestätigte Alex. »Machen wir also Außerirdische dafür verantwortlich?«, fragte Maria. »Glaubt ihr, ein Freund der Skins hat die Wasserleitungen vergiftet?« »Alles ist möglich«, sagte Alex ruhig. »Schließlich ist es die Haut, die sich verändert.« Liz schauderte. »Könnt ihr euch erinnern, dass ich um Ruhe gebeten habe?« »Du hast uns nur gebeten, dich in Ruhe zu lassen«, sagte Maria. »Stört es dich, wenn ich mal in deiner Make-upSchublade herumstöbere?« Liz störte es nicht, aber sie sagte nichts. Im Moment wollte sie sich konzentrieren, und wenn ihr Make-up Maria zum Schweigen brachte, würde es helfen. Vorsichtig legte sie den Objektträger auf ihr Mikroskop. Max neckte sie immer mit dem Mikroskop und behauptete, es wäre
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keine normale Ausrüstung für die meisten Highschoolkids. Aber schließlich war sie nicht wie die meisten Highschoolkids. Aus dem Unterricht wusste sie, dass die Pigment produzierenden Zellen beim Menschen in den oberen Hautschichten lagen. Diese Zellen steckten zwischen den Hautzellen der untersten Schicht der Epidermis. Mit anderen Worten, nicht sehr tief, zum Glück für Alex. Er hätte sich richtig beschweren können, wenn sie Proben von allen sieben Hautschichten hätte nehmen müssen. Die Hautzellen, die für die Farbe verantwortlich waren, wurden Melanozyten genannt. Sie synthetisierten ein Pigment namens Melanin, das das Licht reflektierte. Irgendetwas hatte die Funktion dieser Zellen in Alex’ Haut gestört und die Pigmente dazu gebracht, das Licht auf eine Weise zu reflektieren, dass seine Haut grün aussah. Vorsichtig brachte sie den Objektträger in Position und justierte die Schärfe. Die Zellen in Alex’ Haut wirkten völlig normal. Die beiden Proben waren grundsätzlich identisch, nur dass seine grünes Melanin in den Zellen zeigte und ihre das sonst übliche. Die Wissenschaftler würden weit größere Mühe haben, dieses Rätsel zu lösen, als sie sich zuerst vorgestellt hatte. »Nun?«, fragte Alex. »Ich kann nichts Ungewöhnliches erkennen«, erwiderte sie. »Und dieses Mikroskop ist nicht stark genug, um die zellulare Ebene zu zeigen.« »Aber alles ist normal?« »Diese Farbe hat nichts Normales an sich«, warf Maria ein. »Es ist normal«, sagte Liz so beruhigend, wie es die Umstände erlaubten. »Nur reflektieren die Melaninpigmente in deiner Haut irgendwie das Licht auf eine Weise, dass sie grün aussehen.« »Was könnte die Hautzellen derart verändern?« »Ja, gute Frage«, nickte Maria. 55
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Liz. Sie sah zu Alex auf und dann zu Maria hinüber. »Vielleicht liegt es nicht an der Zelle. Vielleicht liegt es nur am Melanin. Grün ist eine Mischung aus blauem und gelbem Licht. Gelb und verschiedene Brauntöne sind reflektierte Melaninfarben, aber Blau ist es nicht. Und Grün auch nicht.« »Okay«, sagte Alex und brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. »Ich habe schon vor lauter Farben den Durchblick verloren. Was genau ist dieses Melaninzeug?« »Oh, oh, Biounterricht«, sagte Maria. Liz lachte und erklärte: »Melanin ist das Pigment, das von den Melanozytenzellen deiner Haut produziert wird.« »Melanozytenzellen?«, wiederholte Alex. »Sie sind wie kleine Pigmentfabriken«, sagte Liz, »die überall in deinen Hautzellen verteilt sind.« »Verstanden«, nickte Alex. »Selbst ich habe das kapiert«, fügte Maria hinzu. Liz fuhr fort: »Das Pigment ist an ein Protein gebunden und bildet dadurch so genannte Malanosomen. Sie sind überall in deiner Hautschicht verteilt und geben ihr die Farbe. Dieses gesamte System dient hauptsächlich dazu, den menschlichen Organismus vor der ultravioletten Strahlung zu schützen.« »Wow, jetzt habe ich den Faden verloren«, gestand Alex. »Was ist dafür verantwortlich, dass die Haut eines Menschen richtig blass wie Marias ist, die eines anderen aber dunkel? Liegt es an der Zahl dieser Meladinger?« »Eigentlich nicht«, antwortete Liz. »Wir alle haben, unabhängig von unserer Hautfarbe, dieselbe Anzahl Pigment produzierende Melanozytenzellen.« »Soll das ein Witz sein?«, sagte Maria. »Bist du sicher, dass ich nicht weniger habe, weil meine Haut normalerweise so hell ist?« »Nein«, erklärte Liz. »Der Unterschied liegt im genetischen Programm der Zellen. Nach der Geburt produzieren unsere 56
Körper eine gewisse Pigmentmenge. Das Programm legt außerdem fest, wie viel von diesem Pigment in der Haut verteilt ist. Je mehr Pigment, desto dunkler die Farbe, desto größer der Schutz vor der ultravioletten Strahlung.« »Und was ist für die Sonnenbräune verantwortlich?«, fragte Alex. »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte Liz voller Stolz auf die Tatsache, dass sie diese Information behalten hatte, »oxidiert das Melanin und wird dunkler, wenn es zu viel ultraviolette Strahlung abbekommt. Und gleichzeitig werden die Melanozytenzellen dazu gebracht, mehr Melanin zu produzieren und die Haut zu verdicken. Es ist ein natürliches Hautschutzsystem. Je dunkler die Haut, desto widerstandsfähiger ist sie gegen Verbrennungen.« »Ich bekomme also schnell einen Sonnenbrand, weil ich wenig von diesem Pigmentzeug in meiner Haut habe?«, fragte Maria. »Ja«, bestätigte Liz. »Jesses«, sagte Maria. »Jemand sollte eine Möglichkeit finden, dieses Zeug in Flaschen abzufüllen. Es wäre besser als Sonnencreme.« »Vielleicht hat es jemand geschafft«, warf Alex ein. Liz blickte entsetzt zu ihm auf. »Du meinst, jemand hat das absichtlich getan?« »Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte er. »Ich bin sicher, ich würde ein Zeichen dafür finden«, sagte Liz, obwohl sie nicht wirklich davon überzeugt war. »Also, was könnte eine derartige Farbveränderung erzeugen?«, fragte Alex. Er streckte seinen Arm aus und betrachtete die grüne Haut. »Ich habe wirklich keine Ahnung«, räumte Liz ein. »Fest steht, dass sich die Art verändert hat, mit der das Licht vom Melanin reflektiert wird. Wenn ich mich recht erinnere, schüttet die Hirnanhangdrüse Hormone aus, die zur 57
Pigmentbildung in den Melanozytenzellen führen. Es muss irgendwie damit zusammenhängen.« »Hirnanhangdrüse?«, fragte Alex. Er sah entmutigt aus. »Das wird jetzt kompliziert, nicht wahr?« »Ich fürchte ja«, nickte Liz. »Ich habe keine Ahnung, was für die Veränderung verantwortlich ist, aber ich bin sicher, dass im Moment richtige Wissenschaftler mit besserer Ausrüstung daran arbeiten.« »Das hoffe ich«, murmelte Alex. »Ich auch«, sagte Maria, »ohne dich beleidigen zu wollen.« »Mir geht’s genauso«, versicherte Liz. Sie beugte sich wieder über das Mikroskop, studierte die Zellen und suchte nach irgendeinem Hinweis. Aber da war nichts. Die beiden Proben sahen bis auf die Farbe völlig identisch aus. Dann, plötzlich, tauchten an der Seite, wo vorher keine gewesen waren, blaue Zellen auf. Jede blaue Zelle umgab eine Pigment produzierende Melanozytenzelle. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Zellen konnten nicht einfach auf diese Weise in einer Hautprobe auftauchen. Es war unmöglich. »Irgendwas herausgefunden?«, fragte Max, der in diesem Moment im Türrahmen erschien. »Ich weiß mehr über Hautfarben, als ich je wissen wollte«, antwortete Maria. Liz blickte zu Max auf und versuchte sich zu konzentrieren. Die einzige Sache, die sich verändert hatte, war der Umstand, dass er ins Zimmer gekommen war. Irgendwie war sein Erscheinen mit dem Auftauchen der bis dahin unsichtbaren Zellen zusammengefallen. Aber das schien nicht möglich zu sein. »Wenn sie dich um eine Hautprobe bittet«, sagte Alex, »lass dir keine abnehmen. Sie ist eine Gefahr!« »Oh, armes Baby«, spottete Maria.
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Liz ignorierte ihre Stichelei und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was sie soeben gesehen hatte. Sie blickte wieder ins Mikroskop. Die blauen Zellen waren noch immer da. Sie musste herausfinden, ob ihre vage Theorie richtig war. Sie sah Max an. »Geh wieder die Treppe hinunter und bleib da, bis ich dich rufe.« Max runzelte verwirrt die Stirn. »Was?« »Tu es einfach«, drängte Liz. Sie wollte keine Erklärung abgeben, bis sie sicher war. »Ich will etwas testen.« Max sah Alex an und zuckte die Schultern, wandte sich dann ab und ging. »Du bist verrückt geworden, nicht wahr?«, fragte Maria. »Vielleicht, aber ich habe einen Verdacht«, entgegnete Liz. Einen Moment später rief Max: »Ich bin auf der Treppe.« Sie studierte wieder durch das Mikroskop die beiden Proben. Die blauen Zellen, die die Pigment produzierenden Zellen in Alex’ grüner Haut umschlossen, waren verschwunden, als hätten sie nie existiert. Oder wahrscheinlich waren sie noch immer da, doch sie konnte sie mit der ihr zur Verfügung stehenden Ausrüstung nicht mehr erkennen. Den Blick weiter auf den Objektträger gerichtet, rief sie: »In Ordnung. Komm zurück.« »Ich hoffe nur, du machst dich nicht über mich lustig«, sagte er, als er wieder ins Zimmer trat. Dabei tauchten die blauen Zellen, die Alex’ Pigment produzierende Zellen in der Haut umgaben, wieder auf. Irgendwie machte Max’ Gegenwart sie sichtbar. Sie blickte zu Max auf. Der Schock raubte ihr den Atem. »Was?«, fragte Max. »Ja, was?«, fügte Alex hinzu. »Hat sich was verändert?« »Max ist wieder im Zimmer«, sagte Maria. »Das ist eine Veränderung.« »Diese Hautgeschichte hängt mit euch Außerirdischen zusammen«, sprudelte Liz hervor. 59
»Unmöglich«, wehrte Max ab. »Wie kommst du darauf?« »Sieh selbst«, sagte Liz. Sie stand vorsichtig auf, um das Mikroskop nicht zu verrücken. »Alex’ Hautprobe ist links, meine rechts.« Max beugte sich hinunter und betrachtete die beiden Hautproben durch das Mikroskop. »Da ist eine blaue Zelle auf den Zellen in Alex’ Hautprobe.« »Sie bedecken die Pigment produzierenden Melanozytenzellen und verändern offenbar das Pigment«, erklärte Liz. »Was?«, fragte Alex. »Ich dachte, die beiden Proben würden sich nur in der Farbe unterscheiden.« Sie sah ihn an. »Das stimmt auch.« Max blickte vom Mikroskop auf. Langsam schien er zu begreifen, was hier los war. »Bis ich ins Zimmer kam.« »Genau«, bestätigte Liz. »Deine Gegenwart hat sie irgendwie zum Leuchten gebracht, sodass ich sie sehen konnte.« »Verdammt«, fluchte Max. Er trat zurück und ließ Liz wieder ihren Platz einnehmen. Im Raum war es still, als sie die blauen Zellen beobachtete. Sie hatten etwas Vertrautes an sich. Etwas sehr Vertrautes. Sie konnte nur nicht benennen, was es war. »Warum sollten blaue Zellen meine Haut grün färben?«, fragte Alex. »Ich habe keine Ahnung, warum diese blauen Zellen da sind«, sagte Liz, ohne aufzublicken. »Irgendwie verändern sie das Pigment, das produziert und in der Haut verteilt wird. Der Farbunterschied zwischen Gelb und Grün ist nicht groß.« »Man muss nur Blau hinzufügen«, nickte Alex. »Scheint so«, sagte Liz. »Aber woher ist diese blaue Zelle gekommen?«, fragte Max.
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Plötzlich lieferte Max’ Frage die Antwort auf das Rätsel der vertraut wirkenden Zellen. Diese Zellen ähnelten dem blauen Zeug, das in der Höhle gewesen war. »Aus einer Höhle«, sagte sie. Sie musterte die verblüfften Mienen ihrer Freunde. Ihr ging es nicht anders. Sie hatten geglaubt, dass sie mit diesen blauen Kristallen fertig waren, als diese vor ein paar Wochen bei der Befreiung von Alex und Kyle aus der Höhle geschmolzen waren. Aber jetzt schien es so, als gehöre das Abenteuer bei weitem noch nicht der Vergangenheit an. »Ich habe mich schon gefragt, was aus diesem Zeug geworden ist, als es schmolz«, sagte Alex. »Es ist also nicht einfach verschwunden. Das wäre auch zu viel Glück gewesen.« »Viel zu viel Glück«, stimmte Liz zu. »Mann«, seufzte Maria. Sie verdrehte die Augen und lehnte sich an Liz’ Frisierkommode. »Es hat an jenem Tag geregnet, nicht wahr?«, fragte Max. »Ziemlich stark«, bestätigte Alex. »Also sind die geschmolzenen blauen Kristalle ins Grundwasser gespült worden«, sagte Max. »Und direkt in mein Trinkwasser«, nickte Alex. »In meins auch«, fügte Maria hinzu. »Wir wohnen ganz in deiner Nähe.« »Nicht nur in eures«, sagte Liz. »Ein ganzer Teil der Stadt bezieht sein Wasser aus Brunnen in diesem Gebiet.« Die vier saßen wie betäubt da. Liz konnte nur daran denken, wie viele Menschen das kontaminierte Wasser getrunken hatten. Und wie viele von ihnen sich noch grün färben würden, bis das alles vorbei war.
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Zum Glück für Isabel – und alle anderen im Hof des Krankenhauses – war der Nachmittag recht warm. Sie war im Schatten geblieben, hatte mit niemand geredet und zugesehen, wie neue Leute eintrafen und andere verschwanden, wenn sie sich grün färbten und hineingeführt wurden. Isabel hatte keine Ahnung, wie das Krankenhaus mit so vielen Menschen fertig werden sollte, obwohl die Opfer, von ihrer Hautfarbe abgesehen, nicht krank wirkten. Höchstwahrscheinlich wurden sie nur in größere Räume gebracht, wo sie ebenfalls nur herumsitzen konnten. Im Moment trafen halbstündlich ein paar Neuankömmlinge im Hof ein, während immer mehr grün anliefen. Einige Leute regten sich auf, wenn die Veränderung ihrer Hautfarbe begann, andere gesellten sich einfach resignierend zu ihren Freunden und Liebsten im Haus. Immer wieder überprüfte sie ihre eigene Haut und erwartete fast, dass sie jeden Moment grün werden würde. Bis jetzt hatte sie ihre normale Farbe behalten. Im Lauf der letzten Stunde hatte sie ein halbes Dutzend Mal versucht, mit ihrem Handy jemand zu erreichen, aber ohne Erfolg. Sie befürchtete, dass der Akku ihres Handys bald erschöpft sein würde, und so hatte sie sich gezwungen, nicht so oft anzurufen, wie sie es gern getan hätte. Als zwei Soldaten eine ältere Frau, die sich waldgrün verfärbt hatte, ins Krankenhaus begleiteten, entschied Isabel, dass sie es wieder versuchen musste. Sie musste mit jemand reden. Und obwohl Hunderte um sie herum waren, wagte sie nicht, irgendetwas zu ihnen zu sagen. Diesmal hörte sie nicht die »Alle Leitungen sind besetzt«Aufnahme, sondern das Klingeln des Telefons am anderen Ende. Einen Moment lang konnte sie sich nicht einmal 62
erinnern, welche Nummer sie gewählt hatte, und war überrascht. Dann meldete sich Michael mit seiner barschen Stimme. »Crashdown.« »Michael, hier ist Isabel«, sagte sie und versuchte leise zu sprechen, damit die anderen in ihrer Nähe nicht mithören konnten. Nur ein Paar sah zu ihr hinüber und wandte den Blick dann wieder ab. »Geht es dir gut?«, fragte er sichtlich erleichtert, von ihr zu hören. »Wir haben uns schon gefragt, was mit dir passiert ist.« »Ich sitze in der Quarantäne im Krankenhaus fest.« »Oh, nein«, stöhnte Michael. »Du bist doch nicht grün, oder?« »Noch nicht«, sagte Isabel. »Allerdings denke ich, dass es vielleicht nur eine Frage der Zeit ist.« »Warum?«, wollte Michael wissen. »Weil die Leute wie die Fliegen fallen«, erklärte sie. »Obwohl das nicht die richtige Analogie ist, denn sie scheinen nicht wirklich krank zu sein.« »Die Leute verändern dort noch immer die Farbe?«, fragte er. »Ja«, bestätigte sie. »Warum? Ist es bei euch nicht der Fall?« »Im Crashdown befindet sich nur die Gruppe, und nach der ersten Welle hat sich von uns keiner verändert. Wenn du nicht grün bist, wie bist du dann im Krankenhaus gelandet?« »Mein Bekannter ist im Kino grün angelaufen«, sagte Isabel. »Da ich die Kerle kenne, mit denen du ausgehst«, erwiderte Michael, »könnte das eine Verbesserung sein. Da kommt Max.« Sie hörte, wie Michael ihm erzählte, wo sie war und welche Wirkung sie auf ihren Bekannten gehabt hatte. Dann drang die kräftige Stimme ihres Bruders an ihr Ohr. »Geht es dir gut? Irgendwelche Probleme?« »Ich bin okay«, versicherte sie. »Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, um Rob zu beruhigen, und bin deshalb mit ihm 63
hierher gegangen. Sie haben ihn irgendwohin geschafft und jene von uns, die sich noch nicht grün verfärbt haben, in einem Hof in der Mitte des Gebäudes untergebracht.« »Und du darfst nicht gehen?« »Scheint so zu sein«, meinte sie mit einem Blick zu dem bewaffneten Posten an der nächsten Tür. »Wir werden von Soldaten bewacht. Sie passen ziemlich gut auf uns auf. Sie lassen uns auf die Toilette gehen, aber das ist auch schon alles. Hast du eine Ahnung, was los ist?« »Ehrlich gesagt«, erwiderte Max, »Liz hat gerade entdeckt, dass die Farbe, die die Leute annehmen, mit dem Inhalt der Höhle zusammenhängt.« »Welcher Höhle?«, fragte sie etwas zu laut. Eine Menge Leute drehten sich um und sahen sie an. Dann fiel es ihr wieder ein. »Oh. Bist du sicher?« »Ja«, bestätigte Max. Isabel schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass diese Leute wegen der blauen Kristalle grün wurden, die vor Wochen in der Höhle geschmolzen waren. »Ich will nicht zu viel am Telefon darüber reden«, fuhr Max fort. »Sagen wir einfach, dass der Inhalt der Höhle nach dem Schmelzen in die Wasserversorgung der Stadt gelangt ist.« »Oh, nein«, sagte sie leise. »Ein anderes Problem ist«, erklärte Max, »dass die blauen Zellen, die das Problem verursachen, nur sichtbar werden, wenn einer von uns in der Nähe ist, um sie zum Leuchten zu bringen.« »Das soll wohl ein Witz sein«, sagte sie. »Ich wünschte, es wäre so«, seufzte Max. »Also wage dich ja nicht in die Nähe der Krankenhauslabors.« »Ich wollte da auch nicht reingehen«, entgegnete sie. »Von ›reingehen‹ war nicht die Rede«, konterte Max. »Ich sagte, ›in die Nähe‹.«
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Sie erstarrte und sah sich dann im Hof um. Sie konnte nicht erkennen, ob eins der umliegenden Fenster zu einem Labor gehörte. »Wie nahe müsste ich sein?«, fragte sie. »Ziemlich nahe. Ich war im Zimmer, als Liz die Veränderung sah, aber sie verschwand wieder, als ich auf den Flur ging.« »Gott sei Dank«, sagte Isabel. Demnach war sie im Hof sicher. Aber wenn die Army sie in ein Labor brachte und bemerkte, dass ihre Gegenwart die Zellen in den Körpern anderer Leute anregte, würde man sie sofort gründlichen Tests unterziehen. »Verschwinde von dort, sobald du kannst.« »Glaube mir, Max, ich würde es tun, wenn ich könnte«, flüsterte sie und starrte das ältere Paar an, das ihr am Nächsten war. Sie schienen nichts von dem Gespräch mitgehört zu haben. Sie warf einen Blick nach hinten, um sich zu vergewissern, dass auch dort niemand war. Es war alles in Ordnung, sofern das Handygespräch nicht abgehört wurde, und sie konnte sich nicht vorstellen, warum jemand das in dieser Situation tun sollte. Die Soldaten waren zu beschäftigt, die grünen Leute einzusammeln, um die Funkfrequenzen zu überwachen. Isabel fiel plötzlich ein, dass Max gesagt hatte, dass seine Gegenwart die blauen Zellen zum Leuchten brachte. »Wie sollen die Ärzte ein Heilmittel dafür finden, wenn sie das Problem nicht sehen können, das es verursacht?« Max schwieg einen langen Moment und sagte dann: »Ich weiß es nicht.« Wieder Stille. »Was soll ich tun?«, fragte sie, während sie sich erneut umsah, um sich zu überzeugen, dass niemand sie beobachtete. Aber alle hatten ihre Aufmerksamkeit auf eine Frau auf der anderen Seite des Hofes gerichtet, die grün anlief und hysterisch wurde, um dann auf einen Mann, der sie zu 65
beruhigen und zur Tür zu führen versuchte, einzuschlagen und ihn anzubrüllen. Zwei Wachen eilten zu ihr und hatten sie binnen Sekunden durch die Tür gezerrt, wobei sie bei jedem Schritt protestierte. Einige Leute kamen mit dieser Situation offenbar nicht gut zurecht. Isabel war schon in gefährlicheren Situationen gewesen, aber sie war trotzdem erstaunt, wie ruhig sie war. »Geh den Leuten einfach aus dem Weg«, riet Max. »Das ist kein Problem«, versicherte sie. »Wenigstens im Moment.« »Ich weiß nicht, wie wir dich da rausholen sollen, aber wenn uns eine Möglichkeit einfällt, werden wir es versuchen. Hoffen wir, dass es nicht nötig sein wird.« »Danke«, sagte sie. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragte Max. »Im Moment bin ich okay. Sag nur Mom und Dad, wo ich bin.« »Das werde ich«, versprach Max. »Ruf mich an, wenn irgendetwas passiert.« »Falls ich durchkomme«, murmelte Isabel. »Ja«, sagte Max nach einem Moment. »Pass auf dich auf.« »Du auch«, sagte sie. Die Verbindung war tot, und wieder fühlte sie sich allein in der Menge, die sich im Innenhof des Krankenhauses mitten in der Stadt drängte. Max brauchte ein paar Minuten, um dem Rest der Gruppe zu berichten, wo Isabel war. Dann ging er hinunter ins Hinterzimmer des Restaurants, um zu Hause anzurufen und seine Mom zu informieren, dass es ihnen beiden gut ging. Zum Glück traf dies auch auf seine Eltern zu. Keine Farbveränderung. Aber nach dem Telefonat verriet ihm ein flaues Gefühl im Magen, dass die Lüge, die er seiner Mutter aufgetischt hatte, 66
ihn selbst nicht beruhigte. Isabel befand sich unter Militäraufsicht in Quarantäne, der denkbar schlimmste Ort für eine Außerirdische, die sich versteckte. Und der Grund für die Grünverfärbung der Menschen waren außerirdische Zellen. Irgendwie musste er Isabel aus diesem Krankenhaus holen, aber er hatte keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Ebenso wenig wusste er, wie er die Verbreitung der außerirdischen Zellen stoppen und den Leuten ihre normale Farbe zurückgeben sollte. Er kam aus dem Hinterzimmer des Crashdowns, als Michael mit einem Glas Wasser aus der Tresenspüle zur Treppe ging. »Was machst du?«, fragte Max und folgte ihm. »Wir testen das Wasser aus den verschiedenen Hähnen«, erklärte Michael. »Nur um sicher zu gehen, dass das Crashdown-Wasser sauber ist.« »Gute Idee«, lobte Max. »Wie sieht’s bis jetzt aus?« »Hundertprozentig reines Stadtwasser«, sagte Michael. »Keine außerirdischen Zellen.« Oben verfolgte Max, wie Liz einen Tropfen auf das Glas eines Objektträgers gab und ihn studierte. Nach einem Moment sagte sie: »Sauber.« »Im Moment«, sagte Tess von ihrem Platz am Fenster aus. »Wir wissen nicht, ob sich diese Zellen in der Wasserversorgung ausbreiten werden.« »Sie hat Recht, das wissen wir nicht«, nickte Max. »Das Wasser ist mir im Moment egal«, warf Maria ein. »Und wo es tropft und fließt. Wie wäre es, nach einem Weg zu suchen, diese Zellen aus meinem Körper zu bekommen?« Niemand sagte ein Wort. Max wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Das Schweigen ist überaus ermutigend«, spottete Alex. »Da ich die Zellen sehen kann«, sagte Liz, »werde ich es versuchen. Aber wir müssen die Wissenschaftler irgendwie
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informieren, wie man die Problemzellen erkennen kann.« Sie sah Max an. Er wusste, dass sie Recht hatte, aber wie bei den anderen Problemen hatte er keine Ahnung, wie sie das tun sollten, ohne ihre Deckung auffliegen zu lassen. »Gute Idee«, sagte Maria zu Liz. »Man sollte meinen, ich hätte mich inzwischen an diese Farbe gewöhnt, aber so ist es nicht. Sie beißt sich mit allem.« »Nur du kannst in einer derartigen Lage an Mode denken«, bemerkte Alex. Maria sah ihn stirnrunzelnd an. »Wenn die Möglichkeit besteht, dass ich diese Farbe in der nächsten Zeit behalte, an was sollte ich sonst denken?« »Und deshalb mag ich dich so«, sagte Michael neben Maria. »Du weißt, was die wirklichen Probleme sind.« »In der Zwischenzeit«, warf Max ein, um den entstehenden Streit beizulegen, »brauchen wir eine Karte der Wasserleitungen.« »Bibliothek«, sagte Liz. »Gibt es denn keine im Internet?«, fragte Alex. »Nein«, erwiderte Liz. »Es gibt bestimmte Dinge, die die Regierungen nicht ins Internet stellen, ob du es nun glaubst oder nicht.« »Weil sie Angst haben, dass jemand an der Wasserversorgung herumpfuscht«, vermutete Michael. »Wahrscheinlich.« Liz seufzte. Max sah die Gruppe an. Alex und Maria mussten sich noch immer verstecken, da sie grün waren. Und er wollte, dass Liz weiterarbeitete und versuchte, eine Lösung für das Problem der blauen Zellen zu finden. Damit blieben nur noch Michael, Tess und er für all die Lauferei übrig. »Sieht aus, als würden wir in die Bibliothek gehen«, sagte Max zu Michael.
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»Warum müsst ihr beide in die Bibliothek gehen?«, fragte Alex. Max lächelte Liz an. »Wenn man bedenkt, was alles passiert ist, könnte sie geschlossen sein.« »Oh, schon kapiert«, nickte Alex. Max wandte sich an Tess. »Könntest du mit Sheriff Valenti sprechen? Erzähl ihm, was wir bis jetzt herausgefunden haben, und bitte ihn, hierher zu kommen. Ich denke, wir werden auch seine Hilfe brauchen, um den Ärzten im Krankenhaus die Information zuzuspielen. Und sag ihm, er soll kein Wasser trinken.« Tess nickte. »Ich werde es zuerst bei ihm zu Hause versuchen. Vielleicht weiß Kyle, wo er ist.« »Geh nicht in die Nähe des Krankenhauses«, warnte Michael. »Wir wollen nicht, dass zwei von uns dort festsitzen.« »Keine Sorge«, sagte Tess. Mit diesen Worten verschwand sie durch die Tür. Max sah ihr nach und wandte sich dann an Liz. »Brauchst du Hilfe?« »Im Moment nicht«, erwiderte sie. »Nur noch etwas Haut von Alex.« »Nicht in diesem Leben«, wehrte er ab. »Besorg sie dir von Maria.« »Du großes Baby«, spottete Maria. Sie stritten sich noch immer, als er und Michael die Treppe hinunter zum Crashdown eilten und bei jedem Schritt zwei Stufen auf einmal nahmen. Während Michael und Max in der Bibliothek waren, verbrachte Liz eine halbe Stunde am Mikroskop. Zuerst verglich sie Proben ihrer Haut mit Marias, überredete Alex dann, sich eine frische Probe entnehmen zu lassen und platzierte seine Hautzellen neben Marias.
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Dann entdeckte sie genau das, was sie befürchtet hatte. Sie hatte im Unterricht gelernt, dass die oberste Schicht der menschlichen Haut, die Epidermis, eine dünne Schutzschicht aus zumeist abgestorbenen Zellen enthielt, die abblätterten, wenn man sie rieb oder kratzte. Die nächste Schicht der aktiveren Zellen und die untere Schicht der Epidermis lagen dort, wo sich die wenigen Melanozyten produzierenden Zellen befanden und die Farbe in die zweite Schicht schickten. Die menschliche Haut wurde ständig durch neue Zellformationen ersetzt, während die älteren Zellen abstarben und zur obersten Schicht wanderten, um dort abzufallen. Und dazu gehörten auch die Melanozytenzellen, und zwar jene, die die Hautfarbe bestimmten und jene am Ende der Haarwurzeln, die für die Haarfarbe zuständig waren. Als Liz die Proben von ihren beiden Freunden verglich, bemerkte sie, dass sich Alex’ Melanozytenzellen mehr verändert hatten als Marias. Bei Alex gingen die neuen Zellen eine engere und dauerhaftere Verbindung mit den außerirdischen blauen Zellen ein. »Irgendwas Neues entdeckt?«, fragte Max, als er und Michael zurückkamen. Michael hatte eine zusammengerollte Karte dabei, von der Liz wusste, dass man sie nicht aus der Bibliothek mitnehmen durfte. Sie würde dafür sorgen müssen, dass sie nach dieser Krise wieder zurückgebracht wurde. »Sie hat kein Wort mehr gesagt, seit sie mich vor fünfzehn Minuten gefoltert hat«, erklärte Alex. Max trat zu Liz. »Du siehst nicht so aus, als hättest du gute Neuigkeiten.« »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte Liz. »Worum geht’s?«, fragte Michael. »Nun«, erklärte Liz, »bei Marias letzter Hautprobe habe ich auch ein paar Haarfollikel entnommen. Die Farbe produzierenden Zellen dort sind auch mit den blauen Zellen 70
bedeckt, oder zumindest waren sie grün verfärbt. Ich kann es jetzt, da du hier bist, mit Sicherheit feststellen.« »Du meinst, meine Haare färben sich auch grün?«, fragte Maria. »Es sieht so aus, als würde es sich auch in deine Haare ausbreiten«, bestätigte Liz. Sie schenkte ihrer Freundin ein mattes Lächeln und zuckte die Schultern. »Tut mir Leid.« Michael schnaubte. »Das ist nicht witzig, Alienboy«, sagte Maria und funkelte ihn an. »Aber das ist nicht das einzige Problem, das ich sehe«, fuhr Liz fort. »Da wir Max jetzt hier haben, will ich es noch mal überprüfen.« Max nickte. Liz studierte wieder die beiden Hautproben unter dem Mikroskop. Alex war früher als Maria grün angelaufen, und jetzt, da die blauen Zellen in Max’ und Michaels Nähe sichtbar waren, war es klar. Während sich die Zellen in der Haut reproduzierten, wurde die Verbindung zwischen den außerirdischen Zellen und den Pigment produzierenden menschlichen Zellen permanent. Sie blickte zuerst zu Max, dann zu Maria und Alex auf. »Spuck’s aus, Mädchen«, sagte Maria. »Meine Haut ist grün, meine Haare werden grün. Ich kann es ertragen.« »Der menschliche Körper ersetzt alle fünfzehn oder dreißig Tage die oberste Hautschicht«, erklärte Liz. »Wir müssen also so lange warten, bis wir wieder die normale Farbe haben?«, fragte Alex. »Ich schätze, es könnte schlimmer sein.« Liz schüttelte den Kopf. »Schlimmer?«, fragte Maria. Liz nickte. »Die außerirdischen Zellen scheinen sich permanent mit den neu erzeugten Pigment produzierenden Zellen zu verbinden und sie zu verändern.« 71
Die Stille im Raum war drückend und schwer. Liz konnte spüren, dass die Erkenntnis ihre Freunde wie ein Hammer traf. »Ich könnte mich irren«, sagte sie leise. Aber sie wusste, dass dies nicht der Fall war. »Und wenn nicht«, warf Max ein, »wie lange dauert es, bis diese Veränderung permanent wird?« »Es fängt jetzt schon an«, antwortete sie. »Die Hautzellen werden in jedem Moment jedes Tages ersetzt.« »Also wird es mit jeder Stunde, jedem Tag, der vergeht, schwieriger, die Veränderung rückgängig zu machen«, stellte Max fest. Er sah sie nicht an, sondern blickte zu Boden. Sie wusste, unter welchen Druck ihn dies setzte. Er würde in Kürze Entscheidungen treffen müssen, und es gefiel ihr ebenso wenig wie ihm. »Willst du etwa behaupten, wenn wir nicht bald eine Antwort finden«, sagte Maria, wobei sie aufstand und Liz direkt ansah, »werde ich den Rest meines Lebens grüne Haut und grüne Haare haben?« »Das ist nicht witzig«, sagte Alex. »Ganz und gar nicht.« »Es war kein Witz«, fauchte Maria verärgert. Max sah zuerst sie, dann Alex an. »Wir werden eine Antwort finden, bevor das passiert.« »Ja, genau«, nickte Alex, »mit einer HighschoolBiologieschülerin und einem Heimmikroskop.« »Wenn wir den Wissenschaftlern im Krankenhaus und im Stützpunkt Informationen geben müssen, werden wir einen Weg finden«, sagte Max. »Und uns der Entdeckung preisgeben?«, fragte Michael. Max musterte Michael und sah dann Liz an. »Wir werden tun, was wir tun müssen, um diese Sache rückgängig zu machen.« Nach dieser Erklärung trat wieder tiefes, drückendes Schweigen ein. Liz wusste, dass Max die Wahrheit sagte. Wenn er ihre Tarnung riskieren musste, um dieser Sache ein 72
Ende zu machen, würde er es tun. Sie wusste das. Aber zuerst mussten sie versuchen, das Problem selbst zu lösen. »Gebt mir zuerst eine Chance«, bat Liz. »Ich brauche eine Hautprobe von dir, Max. Und etwas Blut.« Er nickte, setzte sich zu Alex aufs Bett und rollte seinen Ärmel hoch. »Oh, das wird dir mehr wehtun als mir«, sagte Alex und lächelte Max an. »Ich bin mit dir noch nicht fertig, Mister«, verkündete Liz und lächelte ihren hoch gewachsenen grünen Freund an. »Und wenn du nicht lieb zu Max bist, werde ich mir beim nächsten Mal eine richtig empfindliche Stelle aussuchen.« »Das ist nicht witzig«, sagte Alex. »Es ist auch nichts Witziges an dieser Sache«, meinte Maria, die wieder an Liz’ Frisierkommode saß und in den Spiegel starrte. »Grüne Haare sind seit zehn Jahren out.«
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Draußen vor Liz’ Zimmerfenster dämmerte es langsam, und ein wunderschöner Frühlingssonnenuntergang war zu sehen. Liz hatte den Tag damit angefangen, sich Sorgen um ihren Job zu machen und wie sie Max ausweichen konnte. Sie hatte gewusst, dass er mit ihr über ihre Beziehung reden wollte, und sie wollte das vermeiden. Seit Max aus der Zukunft aufgetaucht war und sie vor der Apokalypse gewarnt hatte, hatte sie versucht, Distanz zu wahren, aber es war ihr sehr schwer gefallen. Der Großteil von ihr wünschte sich, dass alles wieder normal wurde und sie eine besondere Beziehung zu Max hatte. Aber jedes Mal, wenn es dazu zu kommen schien, fielen ihr wieder die Worte des zukünftigen Max ein und verfolgten sie. Und nach allem, was in der letzten Zeit passiert war und seit der Ankunft von Tess hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht. Nicht so viel wie sie wollte, was auch der Grund dafür war, dass sie sich, als er sie gefragt hatte, einverstanden erklärt hatte, heute die Nacht mit ihm zu verbringen. Aber das war geschehen, bevor alles verrückt geworden war und die Leute angefangen hatten, hellgrün anzulaufen. Jetzt sah es so aus, als würden ihre beiden besten Freunde für den Rest ihres Lebens grünhäutig bleiben, wenn sie nicht bald eine Lösung für dieses Problem fand. Und sie würden in Roswell eine Menge Gesellschaft haben. Wenn sie keine Antwort finden konnte, dann würde Max vielleicht den Weg gehen müssen, die medizinischen Spezialisten im Krankenhaus über die Existenz der außerirdischen Zellen zu informieren. Und das würde sowohl seine Sicherheit als auch die von Tess, Michael und Isabel gefährden. Alles an diesem Tag hatte sich als schlecht entpuppt. 74
Jetzt war Michael wieder nach unten gegangen und Tess war noch nicht mit Sheriff Valenti zurückgekehrt. Max hatte die Karte der örtlichen Wasserversorgung auf dem Boden ausgebreitet und studierte sie. Maria hatte die Augen geschlossen und ihren Kopf auf die Frisierkommode gelegt. »Ich werde meine Augen öffnen und all das ist nur ein Albtraum gewesen«, sagte sie. Liz verfolgte, wie Maria langsam die Augen aufschlug und direkt auf ihren grünhäutigen Arm starrte. »Ich schlafe noch immer.« Sie kniff die Augen zu. »Ich wünschte, es wäre so«, seufzte Alex. Er wippte mit dem Bein, eine nervöse Angewohnheit, die er in der letzten Zeit entwickelt hatte. Er legte sich zurück aufs Bett, doch sein Bein wippte weiter. Liz studierte wieder die Hautproben unter dem Mikroskop. Sie hatte Max’ links und Marias rechts platziert. Da Max im Zimmer war, leuchteten die blauen Zellen in Marias grüner Haut. Es war klar, dass die außerirdischen Zellen sich mehr und mehr mit den menschlichen Zellen verbanden, und allein in dieser Probe waren ein paar neue Pigment produzierende Zellen, die wie eine permanente Kombination aus einer Melanozytenzelle und einer außerirdischen blauen Zelle aussahen. Das war ganz und gar kein gutes Zeichen. »Max, könntest du ein paar Minuten nach unten gehen?«, fragte Liz. »Ich will überprüfen, ob dein Blut die Zellen zum Leuchten bringt.« Max nickte, rollte die Karte der Wasserversorgung zusammen und wandte sich zur Tür. Liz wartete, bis er unten war, nahm dann den Objektträger aus dem Mikroskop und berührte mit der Nadelspitze, die sie in Max’ Blutprobe getaucht hatte, Marias Hautprobe. Sie hinterließ nur einen winzigen roten Fleck. Hastig brachte sie den Objektträger wieder an und studierte ihn. Ihr erster Gedanke erwies sich als richtig. Sie konnte die 75
blauen außerirdischen Zellen und ein wenig von Max’ Blut auf dem Träger erkennen. Dann dämmerte ihr, was sie sonst noch sah. In all den Tagen, die sie im Biologieunterricht verbracht und Zellen durch ein Mikroskop studiert hatte, hatte sie sich nie vorstellen können, das zu beobachten, was sie in diesem Moment sah. Ein paar Zellen in Max’ Blut wurden, fast wie Magneten, von den blauen Zellen in Marias Haut angezogen. Sie schoben andere Hautzellen beiseite, um zu ihrem Ziel zu gelangen, und als Max’ Zellen schließlich die blaue außerirdische Zelle erreichten, brachen sie die blaue Zelle beim Kontakt auseinander und hinterließen die normale menschliche Melanozytenzelle. Und dann schien dieselbe Zelle von der nächsten außerirdischen blauen Zelle angezogen zu werden, die ebenfalls zerbrach. »Erstaunlich«, sagte sie leise. Als sie Max’ Blut mit der Hautprobe gemischt hatte, hatte sie nur erwartet, dass es die blauen außerirdischen Zellen zum Leuchten bringen würde. Sie hatte gehofft, den Ärzten im Krankenhaus anonym die Blutproben zuspielen zu können, um ihnen bei der Suche nach einem Heilmittel zu helfen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. Binnen fünfzehn Minuten waren die blauen Zellen in der gesamten Hautprobe völlig verschwunden, darunter auch jene, die sie für permanent gehalten hatte. Sie blickte zu Maria, deren Kopf noch immer auf der Frisierkommode lag, dann zu Alex auf dem Bett hinüber. Konnte es möglich sein, dass Max’ Blut das Heilmittel war? Sie studierte wieder die Hautprobe. Es gab nirgendwo mehr eine Spur der blauen außerirdischen Zellen. Sie stand auf und ging zur Treppe. »Max, komm einen Moment rauf.« »Okay!«, rief Max von unten. 76
»Mann«, drang Michaels Stimme herauf. »Du lässt dich von dieser Frau wirklich herumkommandieren.« »Im Moment ist sie die Einzige, die eine Ahnung davon hat, was vor sich geht.« Max’ Stimme kam näher. »Ja«, sagte Michael so leise wie zuvor. »Und es wird uns alle in Schwierigkeiten bringen. Vielleicht werden wir sogar getötet. Die Leute könnten grün bleiben, Maxwell.« »Was ist, wenn es noch andere Wirkungen hat, Michael?« »Du willst wieder den Helden spielen, nicht wahr?«, fragte Michael. »Max!«, rief Liz erneut. Sie wollte, dass diese Diskussion endete. »Nur wenn es nötig ist, Michael«, erwiderte Max. »Ja«, brummte Michael, »aber deine Definition der Notwendigkeit ist viel umfassender als meine.« Liz seufzte. Sie hoffte, dass Michael diese Option überdenken würde. Schließlich gehörte Maria zu den Leuten, die sich grün verfärbt hatten. Und ganz gleich, was er sagte, er sorgte sich wirklich um Maria. Liz ging zurück ins Zimmer, setzte sich und studierte wieder die Hautprobe. Sie war so, wie sie sie verlassen hatte, und sah normal menschlich aus. Keine Spur von außerirdischen Zellen. »Was hast du entdeckt?«, fragte Max, als er den Raum betrat. Einen Moment behielt sie die Augen am Mikroskop, um zu sehen, ob irgendwelche blauen Zellen auftauchten, wenn er in der Nähe war. Nichts. »Großartig.« Sie blickte vom Mikroskop auf. »Ich möchte, dass du dir etwas ansiehst.« »Was?«, fragte Alex. Er richtete sich auf und rutschte interessiert ans Bettende. »Hast du etwas gefunden?« »Vielleicht«, sagte Liz.
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»Nun, sag mir Bescheid, wenn du mich purpurn machen kannst«, bat Maria und stand auf. »Ich bin derweil im Bad und weine.« Sie ging nach draußen und durch den Flur, aber Liz war zu beschäftigt, um sie aufzuhalten. Sie nahm den Objektträger heraus, den sie studiert hatte, und legte den Träger mit Alex’ Hautprobe unter das Mikroskop. Sie justierte es eilig, sorgte dafür, dass die blauen außerirdischen Zellen deutlich sichtbar waren, rutschte dann zurück und bedeutete Max, es sich anzusehen. Er beugte sich nach vorn und starrte den Objektträger an, nickte dann und trat mit einem verwirrten Stirnrunzeln zurück. »Ich kann keinen Unterschied erkennen.« »Ich weiß«, sagte sie. »Aber warte einen Moment.« Sie nahm den Objektträger mit Alex’ Hautprobe, berührte eine Ecke mit der Nadelspitze, die mit Max’ Blut präpariert war, und legte ihn wieder an seinen Platz. Sie vergewisserte sich, dass das Mikroskop scharf eingestellt war, und rutschte dann zurück, um den Platz für Max frei zu machen. »Jetzt sieh es dir an.« Er beugte sich wieder nach vorn und drückte seine Augen an das Mikroskop. Nach einem Moment verspannte sich sein Körper, als er sah, was passierte. »Würde mir bitte jemand sagen, was vor sich geht?«, fragte Alex. »Das treibt mich in den Wahnsinn.« Max trat mit einem erregten Ausdruck in den Augen zurück. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Sieh selbst.« Alex stand vom Bett auf und beugte sich über das Mikroskop, wobei er darauf achtete, nichts anzufassen oder umzustoßen. Max lächelte Liz nur an und sagte nichts. Liz musste unwillkürlich zurücklächeln. Vielleicht, nur vielleicht hatten sie eine Art Lösung für das Problem gefunden. Aber die Lösung war Max’ Blut, und das warf eine ganz neue Palette von Fragen und Problemen auf. 78
»Wow!«, machte Alex. Er drehte sich um und sah Liz an. »Willst du etwa behaupten, ich hätte gerade gesehen, wie Max’ Blutzellen die blauen außerirdischen Zellen beim Kontakt zerstören?« »So sieht es für mich aus«, bestätigte Liz und lächelte bei der Aufregung auf dem grünen Gesicht ihres Freundes. »Wie?«, fragte Alex. »Irgendetwas in Max’ Blut macht ihn immun gegen das Material in der Höhle. Diese Immunität greift die eindringenden Zellen an und zerstört sie.« »Und was jetzt?«, fragte Max. »Ich schätze, wir müssen es testen«, sagte Liz. Max nickte und drehte sich zu Alex um. »Ihr braucht einen Freiwilligen?«, fragte Alex. Seine grüne Hand und sein grüner Arm schossen in die Luft, als würde er sich im Schulunterricht auf eine Frage melden. »Lasst mich der Erste sein, der vortritt oder seine Hand hebt oder was auch immer.« Liz nickte. »Bist du damit einverstanden, Max?« »Ich denke schon«, sagte Max. »Alles ist recht, um dieses Problem zu lösen.« Liz nickte. Sie mussten herausfinden, ob dies funktionierte, und konnten sich später mit dem Problem befassen, dass das Heilmittel aus dem Blut von Außerirdischen bestand. »Hol mir von unten ein großes Glas Wasser«, wies sie Max an. »Und auch einen Krug mit Wasser.« Max nickte und lief zur Treppe. Sie nahm das kleine Röhrchen mit dem Blut, das sie Max vorhin abgenommen hatte, und sah es an. »Ich denke, wir müssen zuerst die Hautmethode testen.« Alex streckte seinen Arm aus. »Tropf hier was drauf.« Liz schüttelte den Kopf. »Nein, ich will zuerst das Blut in Wasser verdünnen. Ich möchte herausfinden, wie viel von Max’ Blut dafür nötig ist. Wir werden später die Haut mit einem ganzen Tropfen Blut behandeln, wenn es nötig ist.« 79
»Ergibt für mich Sinn«, meinte er. »Nach dem, wie diese Zellen auf dem Mikroskopträger angegriffen haben, werden wir vielleicht nicht viele brauchen.« »Das ist meine Hoffnung.« Max kam zurück, gefolgt von Michael. Max hatte das Glas, Michael den Krug Wasser. »So«, sagte Michael. »Ist es wahr? Max’ Blut ist allmächtig?« »Hoffen wir’s«, sagte Liz. Max reichte ihr das Glas und sie gab vorsichtig einen winzigen Tropfen Blut hinein. Genauso viel, wie sie auf den Objektträger gegeben hatte. »Denkst du, das genügt?«, fragte Max. »Ich kauf euch noch immer nicht ab, dass dein Blut das Heilmittel ist«, sagte Michael. »Wir wissen es noch nicht mit Sicherheit«, erklärte Liz. »Deshalb testen wir es auch.« Michael zuckte nur die Schultern. »Ich glaube es erst, wenn ich es sehe.« Sie rührte das Glas Wasser mit einem Kugelschreiber um. Sie hatte so wenig von dem Blut hineingetan, dass das Wasser nicht einmal rosa war. Sollte sie vielleicht noch mehr hinzufügen? Sie starrte das vollkommen klar aussehende Wasser an. Nein. Sie musste mit einer so geringen Menge wie möglich anfangen und feststellen, wie stark die Anziehungskraft von Max’ Blutzellen auf die außerirdischen Zellen war. Sie wusste, dass sich in diesem winzigen Tropfen Tausende und Abertausende von Zellen befanden. Jetzt musste sie testen, ob ein paar tausend Zellen in ein paar Tropfen Wasser bei einem Körper voller blauer Zellen wirkten, die sich ständig vermehrten. »Bereit, Alex?«, fragte sie. Er nickte. »Das kann nicht schlimmer sein als die Hautprobe.« 80
»Das wissen wir nicht«, warf Max mit gespieltem Ernst ein. »Nicht witzig«, sagte Alex und streckte seinen Arm aus. Liz nahm das Ende des Kugelschreibers, mit dem sie das Glas umgerührt hatte, tunkte ihn in das präparierte Wasser, zog ihn heraus und ließ ein paar Tropfen auf Alex’ Arm fallen. »Das war’s?«, fragte er und starrte die drei oder vier Tropfen auf seiner grünen Haut an. »Höchstwahrscheinlich werden wir mehr brauchen«, sagte Liz, »aber lasst uns abwarten und sehen, was passiert, in Ordnung?« »Es ist besser, wir testen von schwach bis stark, als umgekehrt«, bemerkte Max. »Vor allem, wenn es dein Blut ist, um das es geht«, sagte Michael. Liz konnte nicht erkennen, ob er dies ernst meinte oder nicht. »Wenn das also funktioniert«, sagte Alex und starrte die Wassertropfen auf seinem Arm an, »mit was muss ich rechnen?« Liz zuckte die Schultern. »Ehrlich, ich weiß es nicht. Die außerirdischen Zellen haben die Pigment produzierenden Zellen in deiner Haut verändert. Wenn diese außerirdischen Zellen zerstört werden, wird es eine Weile dauern, bis neues Pigment produziert wird und das grüne ersetzt.« »Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich grün verfärbt habe«, sagte Alex. »Schon vergessen?« »Nicht, nachdem der Prozess begann«, räumte Liz ein. »Das stimmt. Aber wann hast du heute Morgen Wasser getrunken?« »Kurz bevor ich ins Restaurant kam«, erwiderte Alex. »Vielleicht höchstens eine Stunde, bevor sich meine Farbe veränderte.« »Dies könnte genauso lange dauern«, spekulierte Liz. »Oder vielleicht viel länger.« »Oder vielleicht auch nicht«, sagte Michael. Liz nickte. »Vielleicht.« 81
Sie bezweifelte bereits, dass es richtig war, zuerst nur ein paar Tropfen einzusetzen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, direkt eine große Dosis auszuprobieren. Jetzt würde es nur die Zeit zeigen.
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Nach ein paar Stunden entschied Isabel, dass es langweilig wurde, unter einem Baum zu sitzen und zuzusehen, wie die Leute grün anliefen. Sie war erschüttert, wie viele normalfarbige Menschen sich verändert hatten, während sie mit ihnen im Hof eingesperrt war. Die Zahl der Anwesenden hatte sich seit ihrer Ankunft halbiert, und noch immer deutete nichts darauf hin, dass man die anderen gehen lassen würde. Überall auf dem Gelände rückten die Leute voneinander ab. Sie machte dasselbe, aber nicht, weil sie Angst hatte, sich grün zu verfärben. Sie trat zu einer Fensterfront, durch die man in einen Korridor blicken konnte, der zwei Gebäude miteinander verband und einen Teil der Seite des umschlossenen Innenhofes bildete. Der Korridor war groß genug für einige Bänke und Topfpflanzen, und die Fenster auf der anderen Seite lagen zu einem Parkplatz hin. Autos verstopften den Parkplatz, und während Isabel zusah, fuhren drei Army-Laster vor. Ein paar Momente später, unter strenger Bewachung, wurde eine Reihe von Leuten mit grüner Haut aus dem Krankenhaus eskortiert und auf die Laster verladen. Isabel war von dem Anblick wie betäubt. Mindestens hundert Menschen mussten auf die Laster steigen und wurden fortgebracht. Offenbar war das Krankenhaus zu klein, um alle mit diesem Problem aufzunehmen. Aber wohin wurden diese Leute transportiert? Sie nahm ihr Handy aus der Handtasche und entfernte sich so weit wie möglich von einer Tür. Ein Mann in Golfhemd, Hose und Golfschuhen saß auf einer Bank und unterhielt sich mit zwei anderen Männern. Nach ihren Worten hatte jeder von ihnen eine andere Person hierher begleitet, und sie tauschten ihre Erfahrungen aus. Sie fragte 83
sich, was sie tun würden, wenn sie wüssten, dass ihre Liebsten gerade aus dem Krankenhaus geschafft wurden. Isabel fand eine Stelle an der Wand des Gebäudes und blickte über den Innenhof. Hier konnte sie sprechen, ohne befürchten zu müssen, dass jemand mithörte. Sie brauchte drei Versuche, aber schließlich kam sie zum Crashdown durch. Wieder ging Michael ans Telefon. »Geht es dir noch immer gut?«, fragte er in dem Moment, als sie Hallo sagte. »Ich bin bis jetzt okay«, versicherte sie. »Ist Max da?« »Ja«, sagte Michael. »Warte, er hat ein paar Neuigkeiten für dich.« »Und ich habe ein paar für ihn«, erwiderte sie. Einen Moment später kam ihr Bruder ans Telefon und erneut erklärte sie, dass es ihr gut ging. »Sie belästigen dich nicht?«, fragte er. »Man nimmt mich nicht mal wahr«, flüsterte sie. »Aber die Leute hier laufen weiter grün an.« Max seufzte. »Ich schätze, das ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, wo das Krankenhaus liegt.« »Was?« »Unwichtig. Ich werde dich später auf den neuesten Stand bringen.« Sie nickte und ging mit dem Telefon spazieren, damit niemand mithörte. »Michael sagte, du hast Neuigkeiten.« »Ja, und zwar ziemlich wichtige.« Max klang zum ersten Mal an diesem Tag aufgeregt. »Nun?«, fragte Isabel. Er konnte manchmal richtig nervig sein. »Liz hat herausgefunden, dass meine Blutzellen die blauen außerirdischen Zellen angreifen«, berichtete er. »Wir testen es im Moment an Alex.« »Testen es?«, wiederholte Isabel. »Mein Blut, mit Wasser verdünnt«, erklärte Max. 84
»Du gibst Alex eine Transfusion mit deinem Blut? Das macht ihr? Das kann nicht sicher sein. Man kann nicht das Blut verschiedener Menschen mischen, und deins schon gar nicht.« Ein Paar blickte zu ihr hinüber. Isabel schenkte ihnen ein falsches Lächeln. »Nein, nein«, wehrte Max ab. »Wir sind nicht so leichtsinnig. Wir versuchen etwas anderes.« »Was?« Sie musste plötzlich alles wissen. Sie wollte nicht, dass sie Alex in Gefahr brachten. Sie sorgte sich mehr um ihn, als sie sich oft selbst eingestehen wollte. »Vor ein paar Minuten haben wir ein paar Tropfen auf seine Haut gegeben«, sagte Max. »Das klingt auch nicht gesund«, kritisierte sie. »Seid vorsichtig.« »Wir sind so vorsichtig, wie man nur sein kann«, versicherte Max. Isabel wusste immer, was es bedeutete, wenn ihr Bruder das sagte. Er war in der Wir-müssen-Risiken-eingehen-um-dasProblem-zu-lösen-Stimmung. Und nichts konnte ihn aufhalten, wenn er so war. »Grün zu bleiben wäre für ihn im Moment viel schlimmer«, fuhr Max fort. »Warum? Wird er krank?« »Nein«, sagte Max. »Aber ich mache mir wirklich Sorgen wegen der Army-Präsenz.« »Das solltest du auch.« Isabel entfernte sich so weit wie möglich von den anderen Leuten. »Es wird hier schlimmer.« »In welcher Hinsicht?« »Sie bringen die Leute weg, Max. Ich habe gerade gesehen, wie drei Lastwagen voller grünhäutiger Menschen von hier weggefahren sind.« »Oh, nein«, stöhnte Max leise. »Army-Laster.« »Ja«, bestätigte Isabel. »Großartig«, sagte Max trocken. »Wir lösen wahrscheinlich ein Problem, und schon taucht ein anderes auf.« 85
Ein Mann ging vorbei. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet. Sie hätte sich deswegen Sorgen gemacht, hätte sie nicht gesehen, wie er mit einem grünen Jungen eingetroffen war. Der Mann flirtete nur mit ihr. Sie drehte ihm den Rücken zu. »Denkst du, wir können herausfinden, wohin sie fahren?«, fragte Max. »Ich bin im Innenhof gefangen, Max«, flüsterte sie. »Warum?« »Wenn dieses Heilmittel funktioniert, müssen wir einen Weg finden, es schnell zu allen Betroffenen zu bringen. Und das wird schwer sein, wenn die Army sie irgendwo einsperrt.« »Wenn die Leute hier geheilt werden, wird man die anderen doch zurückbringen, oder? Können wir nicht einfach abwarten? Wenn sie zurückkehren, geben wir ihnen das Heilmittel und – du weißt schon.« Sie verstummte, weil ein Paar vorbeischlenderte und bemüht gefasst dreinschaute. »So funktioniert es nicht, Isabel«, sagte Max. »Warum nicht?«, fragte Isabel, obwohl sie nicht ganz sicher war, ob sie die Antwort hören wollte. »Weil Liz ziemlich sicher ist, dass die grüne Hautfarbe in kürzester Zeit zu einem Dauerzustand wird. Vielleicht schon binnen eines Tages.« »Oh, nein«, war alles, was Isabel sagen konnte. Auf der anderen Seite des Hofes sah ein Mann in einem karierten Hemd seine Arme an und schüttelte den Kopf. Dann, als würde er sein Schicksal akzeptieren, stand er auf und ging zur Tür. Im Abendlicht sah er für sie nicht grün aus, aber höchstwahrscheinlich verwandelte er sich und wusste es. »Ist dort sonst noch was passiert?«, fragte Max. »Nichts«, antwortete sie. »Man hat uns Essen versprochen, aber bis jetzt haben wir nur Wasser, Kaffee und ein paar Snacks bekommen. Sie werden uns recht bald hereinholen müssen, weil es allmählich kühl wird.« 86
»Sag mir Bescheid, wohin sie dich bringen«, bat Max. »Und wenn sich etwas verändert.« »Das werde ich«, versprach sie. »Was hast du vor?« »Wir haben die Karten der Wasserrohre in der Umgebung der Höhle«, erklärte er. »Und welcher Teil der Wasserversorgung der Stadt von dort stammt. Was wir mit dieser Information anstellen, hängt davon ab, ob das Heilmittel wirkt oder nicht.« »Okay, ich rufe dich wieder an«, sagte sie, »sobald sich hier etwas verändert.« »Gut«, murmelte Max. »Sei vorsichtig und tu alles in deiner Macht stehende, um dich von den Labors fern zu halten.« »Ich verstehe«, nickte sie. »Mach dir keine Sorgen.« Als sie dies sagte, stieß sie sich von der Wand ab und kehrte in die Mitte des Hofes zurück. Bis Max sie erinnert hatte, hatte sie nicht daran gedacht, dass die Laborbereiche vielleicht direkt hinter der Wand waren, an der sie gelehnt hatte. »Sei vorsichtig«, mahnte er. »Du auch«, sagte sie und klappte ihr Handy zu. Sie ging zu der Bank hinüber, auf der der Mann, der gerade grün angelaufen war, gesessen hatte. Sie lag noch immer in der Sonne und war recht warm. Zum Glück hatte sie einen Pullover mit ins Kino genommen, aber ein Pullover würde sie in einer Hochwüstenfrühlingsnacht Anfang März nicht warm halten. Nicht einmal annähernd. Aber gleichzeitig wollte sie auch nicht zu irgendeinem unbekannten Ort gebracht werden. Wenigstens jetzt noch nicht. In diesem Moment öffnete sich auf der anderen Seite des Innenhofs, nahe dem Eingang, durch den sie gekommen war, eine Metalltür, hinter der eine Küche lag. Ein Mann mit einer Schürze stand im Rahmen. »Zum Abendessen hier entlang!«, rief er laut genug, dass alle im Hof ihn hören konnten.
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Das Stimmengewirr um sie herum wurde lauter, als die Leute sich langsam in Bewegung setzten, aufstanden, sich streckten, etwas zu ihren Nachbarn sagten. Isabel stand ebenfalls auf, ging langsam zur Tür und stellte sich hinter einen Mann und ein junges Mädchen in die Schlange. Endlich gab es etwas zu tun, auch wenn es nur das Abendessen war. Es war viel besser, als herumzusitzen und darauf zu warten, dass sie sich grün verfärbte. »He!«, schrie Alex. »Seht euch das an!« »Max!«, rief Liz ein paar Momente später. Max hatte gerade im Hinterzimmer des Crashdowns den Hörer aufgelegt und ging durch die Tür, um mit Michael zu reden, der am Tresen saß, ein Mineralwasser trank und die Zeitung las, als wäre nichts passiert. Obwohl sich niemand die Mühe gemacht hatte, das Geschlossen-Schild an die Tür des Restaurants zu hängen, waren keine Gäste hereingekommen, seit die letzten beiden geflohen waren. Alex’ und Liz’ Rufe ließen Max die Treppe zu Liz’ Zimmer hinaufrennen, dicht gefolgt von Michael. »Geht es dir gut?«, fragte er, als er in den Raum stürmte. »Gut?«, wiederholte Alex mit strahlendem grünen Gesicht. »Und ob es mir gut geht.« Er streckte den Arm aus, auf den Liz die Wassertropfen gegeben hatte. Ein großes Stück normalfarbiger Haut breitete sich von den Wassertropfen aus; eine Linie erstreckte sich zu seinen Fingern, die andere zu seiner Schulter. »Kannst du es spüren?«, fragte Liz. »Nein«, erwiderte Alex, während alle verfolgten, wie die Linie zwischen der grünen und der normalen Haut weiterwanderte. »Wieso geht es so schnell?«, fragte Max völlig verwirrt von dem, was er sah.
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»Ich weiß es nicht genau«, sagte Liz. »Vielleicht habe ich mich geirrt, was die Farbveränderung der von den Zellen produzierten Pigmente betrifft.« »Wie funktioniert es dann?«, fragte Alex, als die Farblinie sein Handgelenk erreichte und seine teils normal, teils grün gefleckte Hand sehr seltsam, aussehen ließ. »Ich weiß es wirklich nicht«, gestand Liz. »Ich nehme an, das Grün wird allein dadurch erzeugt, dass die blauen Zellen das Licht verändern, das von dem natürlichen Pigment reflektiert wird, sodass es grün aussieht.« Max starrte Alex’ Arm an, als der menschliche Teenager sein Hemd auszog, um den Transformationsprozess zu verfolgen. Die Linie aus grüner Haut zog sich zu seiner Schulter zurück und schien langsamer zu werden, als sie über seine Brust und um seinen Hals wanderte. Max vermutete, dass die Verlangsamung damit zu tun hatte, dass wenige seiner Zellen einen größeren Teil von Alex’ Hautoberfläche angriffen. »Du siehst wie ein böses Filmungeheuer aus«, meinte Max. »Der Mann mit der zweifarbigen Haut«, brummte Alex und spannte seine Muskeln. Liz lachte. »Versuch bloß noch nicht, auf hohe Gebäude zu springen.« Max musste zugeben, dass dies die seltsamste Sache war, die er seit langer Zeit gesehen hatte. Die Hälfte von Alex’ Brust, ein Arm und der Großteil seines Gesichtes waren noch immer hellgrün. Der Rest von ihm sah normal aus, blass, ohne Sonnenbräune. »Das ist nicht meine Superkraft«, sagte Alex, den Gekränkten spielend. »Auf der Straße nennt man mich Zweifarbenkid.« »Ich würde diesen Namen nicht verraten«, bemerkte Michael. »Jemand zu Hause?« Sheriff Valentis Ruf drang aus dem Restaurant herauf. 89
»Hier oben!«, schrie Max. »Beeilen Sie sich!« »Sie sollten diese Show nicht verpassen«, sagte Michael kopfschüttelnd, als die Linie zwischen grüner und normaler Haut über Alex’ Nase und seine Brust zu seinem linken Arm wanderte. »Ich könnte noch meine Hose ausziehen«, schlug Alex vor. »Nicht in meinem Zimmer«, wehrte Liz lachend ab. »Vor allem, wenn du noch immer grün bist«, fügte Michael hinzu. »Sie mag ihre Männer etwas reifer.« Liz funkelte Michael an, als Tess und Sheriff Valenti hereinkamen. Beide blieben stehen und starrten Alex an, vom Anblick des Zweifarbenkids sichtlich schockiert. »Ich komme mir wie das Mitglied einer Freakshow im Zirkus vor«, sagte Alex lachend, als eine Farbenlinie seine Schulter erreichte, sich an seinem grünen Arm hinunterbewegte und schneller wurde, während die andere Linie unter dem Haaransatz an seiner Stirn verschwand. »Im Moment sieht du auch wie ein Freak aus«, meinte Max. »Was passiert da?«, fragte Valenti. »Wie habt ihr das gemacht?« »Liz hat entdeckt, dass die infizierten Leute blaue Zellen haben, die mit den Pigmentzellen in ihrer Haut verbunden sind. Blaue Zellen aus der Höhle.« »Oh«, sagte Valenti und nickte plötzlich verstehend. »Als das Zeug schmolz, ist es in die Wasserversorgung gelangt.« »Genau«, bestätigte Max. »Und als die Leute das Wasser tranken oder damit duschten, verbanden sie sich mit den Pigment produzierenden Zellen in ihrem Körper, was zu der Grünfärbung führte. Und als Liz entdeckte, dass mein Blut die blauen Zellen zerstört, entschlossen wir uns, es an Alex zu testen.« »Dein Blut?«, fragte Valenti. »Du machst Witze, stimmt’s?«, fügte Tess hinzu.
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Max schüttelte den Kopf. Er wünschte, er würde Witze machen, aber in diesem Moment war er einfach glücklich, eine Lösung gefunden zu haben. »Ich habe es zufällig entdeckt«, berichtete Liz. Sie hielt ein Glas Wasser hoch. »Wir haben einen winzigen Tropfen von Max’ Blut hineingetan und dann vor zehn Minuten zwei Tropfen von diesem Wasser auf Alex’ Arm gegeben.« »Und dann ist das passiert?«, fragte Valenti und deutete auf Alex. »Die Grüne Faust lebt!«, sagte Alex und hielt seine geballte Hand hoch, als die Farblinie sein Handgelenk erreichte. »Noch etwa zehn Sekunden lang«, sagte Michael. »Dann ist es der grüne Finger.« »Hoffen wir, dass es da nicht aufhört«, erwiderte Alex lächelnd. »Es wird nicht aufhören«, versicherte Liz. »Wenn doch, schneiden wir den Finger ab.« Max und alle anderen lachten. »Oh, kommt schon, kleine Maxzellen«, sagte Alex und hielt seine Hand hoch, während die grüne Hautfläche kleiner und kleiner wurde. »Kämpft weiter den guten Kampf.« Max war verblüfft. Zwei Sekunden später schien Alex wieder völlig normal auszusehen. »Okay, Bleichgesicht«, sagte Liz zu Alex. »Ich brauche eine Hautprobe.« »Nein, warte«, protestierte Alex, »das tut weh.« »Hör auf zu jammern und sei einfach froh, dass du nicht mehr grün bist«, sagte Liz und lächelte ihn an. »Wenn Max sein Blut hergibt, kannst du noch etwas mehr Haut spenden.« »In Ordnung«, nickte er und hielt ihr den Arm hin, damit sie eine weitere kleine Probe entnehmen konnte. »Aber nicht zu tief.«
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»Das Problem wird also beseitigt, wenn das mit Max’ Blut gemischte Wasser jemand berührt, der grün ist«, sinnierte Valenti. »Kann man das Wasser auch trinken?« »Wir haben noch immer Maria, an der wir es testen können«, antwortete Michael. »Präpariert ein Glas und ich gebe es ihr, ohne ihr zu sagen, was es bewirken könnte.« Max schüttete den Inhalt des Wasserglases mit seinem kleinen Tropfen Blut in den Wasserkrug und füllte dann das Glas etwa zur Hälfte mit der Mischung. »Ist das genug?«, fragte er Liz. »Man kann nicht mal erkennen, dass etwas darin ist«, stellte Tess fest. »Das reicht«, versicherte Liz, »wenn es Max’ Zellen durch das Verdauungssystem des Körpers schaffen. Die blauen außerirdischen Zellen haben es offenbar geschafft, also werden seine es auch können.« Sie hatte Alex und Max die Hautproben entnommen, und ihre Freunde verfolgten, wie sie sie auf einen Objektträger gab und unter dem Mikroskop überprüfte. Nach einem Moment drehte sie sich lächelnd um. »Deine Haut ist so normal, wie sie nur sein kann«, sagte sie lächelnd zu Alex. »In Ordnung«, nickte Michael und griff nach dem Glas Wasser. »Testen wir diese Methode an dem mürrischen grünen Mädchen im Bad.« Er ging den Flur hinunter, und einen Moment später drang das Klopfen an der Badezimmertür durch den Korridor. Wenn jemand Maria dazu bringen konnte, Wasser zu trinken, dann Michael, davon war Max überzeugt. »Gehen wir mal davon aus, dass beide Methoden funktionieren«, sagte Valenti. »Wie können wir das Mittel den Ärzten im Krankenhaus zukommen lassen, damit sie es den Infizierten geben?« Max starrte ihn an. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
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»Wir tun es nicht«, erklärte Tess. »Wir lösen das Problem selbst.« Max nickte. Wie er es sah, hatten sie keine andere Wahl, als es selbst zu lösen, und zwar noch heute Nacht. »Tess hat Recht«, warf Liz ein. »Wir können nicht Proben von Max’ Blut ins Krankenhaus bringen, weil sie erkennen würden, dass es außerirdisch ist. Und wenn wir nicht schnell handeln, wird die Farbveränderung permanent.« »Permanent?«, wiederholten Valenti und Tess gleichzeitig. Liz erklärte ihnen rasch, was sie herausgefunden hatte, und dass sie, um sicherzugehen, dieses Problem in den nächsten vierundzwanzig Stunden lösen mussten. Je früher desto besser. »Wir haben noch ein anderes Problem«, sagte Max. »Ich habe gerade mit Isabel im Quarantänebereich des Krankenhauses gesprochen. Sie hat gesehen, wie die Army etwa hundert grünhäutige Leute mit Lastwagen weggeschafft hat.« »Das dachte ich mir schon«, murmelte Valenti. »Und dann gibt es da noch die Leute wie Kyle, die zu Hause geblieben sind, obwohl ihre Haut grün ist«, sagte Tess. »Wie sollen wir ihnen allen Tropfen von Max’ Blut verabreichen?« Die Stille im Raum war so drückend, dass Max etwas sagen wollte, nur um sie zu beenden. Aber ihm fiel einfach keine Antwort auf Tess’ Frage ein. Doch um der vielen Menschen willen musste ihm bald eine einfallen.
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Die Sonne war vor Liz’ Zimmerfenster fast untergegangen, das warme Frühlingswochenende nur noch eine Erinnerung. Der Tag hatte sich zweifellos nicht so entwickelt, wie Liz gehofft hatte, aber das war in diesem Jahr selten geschehen. Und morgen musste sie wieder zur Schule. Das würde im besten Fall schwer werden. Vielleicht sogar unmöglich. Nach allem, was sie wusste, konnte die Gesundheitsbehörde die Schule morgen schließen, wenn dieses grünhäutige Problem nicht gelöst wurde. Wenn nicht, dann würde Roswell, New Mexico, in kürzester Zeit für viel mehr als nur für den Jahrzehnte zurückliegenden Absturz einer Fliegenden Untertasse berühmt sein. Aber im Moment machte sich Liz Sorgen wegen etwas sehr Wichtigem, doch sie wusste noch nicht genau, wie sie das Thema zur Sprache bringen sollte. Vielleicht sollte sie einfach damit herausrücken. »Okay«, sagte Liz und sah Sheriff Valenti, Tess, Max und den frisch genesenen Alex an. »Ich habe ein paar ethische Probleme damit, dass wir Max’ Blut benutzen, ohne es richtig zu testen.« Sie holte tief Luft und fuhr fort: »Ich denke nicht, dass Alex oder Maria etwas gegen Max’ Blut einzuwenden haben. Aber ich denke auch nicht, dass wir viele Menschen einer weiteren außerirdischen Substanz aussetzen sollten, ohne ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Ganz gleich, wie gut unsere Absichten und Gründe auch sind.« Sie seufzte und sah Max in die Augen. Er stimmte ihr offenbar zu. »Willst du damit sagen, dass Max vielleicht irgendeine außerirdische Krankheit hat?«, fragte Tess.
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»Ich denke nur, dass wir auf Nummer sicher gehen sollten«, erklärte Liz, »statt es hinterher zu bereuen.« »Von welchen Vorsichtsmaßnahmen sprichst du?«, fragte Valenti. »Dieselben, die auch das Rote Kreuz bei der Abnahme und Weitergabe von Blut trifft«, erwiderte Liz. »Ich will mindestens ein paar grundlegende Tests durchführen.« »Wenn mein Blut zu Plasma reduziert wird, hat es dann noch dieselbe Wirkung auf die außerirdischen Zellen?«, fragte Max. »Vielleicht«, sagte Liz und lächelte ihn an. Er dachte bereits in denselben Bahnen wie sie. »Aber wir müssen sichergehen, indem wir ein Testobjekt finden.« »Die Highschool hat eine Maschine im Labor, die Blut zu Plasma reduzieren kann«, warf Max ein. »Und im Labor gibt es genug Ausrüstung, um ein paar grundlegende Tests durchzuführen.« »Genau«, sagte Liz. »Wenn wir dieses Heilmittel bei einer großen Zahl von Menschen anwenden, werde ich mich viel besser fühlen, wenn wir vorher ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen. Heutzutage ist es einfach zu gefährlich, Blut zu verteilen, auch wenn wir wissen, woher das Blut kommt.« Tess nickte. »Einverstanden.« »Ich auch«, fügte Valenti hinzu. »Gut überlegt.« Liz war heilfroh, dass alle zustimmten. Sie war nicht sicher, warum sie gedacht hatte, dass sie widersprechen würden. Aber in diesem Fall würden sie sich vielleicht später ein ernstes Problem ersparen, eins, an das sie nicht einmal zu denken wagten, wenn sie sich vergewisserten, dass Max’ Blut so sicher wie möglich war. Am Ende des Flures öffnete sich die Badezimmertür und Michael kam zurück in Liz’ Raum. »Nun?«, fragte Max. Michael hielt das leere Glas hoch. »Ich habe sie vor ein paar Minuten dazu gebracht, es zu trinken, aber sie ist nicht sehr 95
glücklich, kann ich euch sagen. Und es gab kein Zeichen einer Hautveränderung, als ich ging.« »Warum hast du ihr nicht gesagt, was du versuchst?«, fragte Valenti. »Keine gute Idee«, antwortete Michael. »Wenn es nicht klappt, heilen wir sie auf dieselbe Weise wie Liz Alex kuriert hat. Es hat keinen Sinn, sie noch unglücklicher zu machen.« »Wärest du glücklich, wenn deine Haut grün wäre?«, fragte Liz. »Ich wäre es nicht«, sagte Alex, »vor allem, wenn ich wüsste, dass es vielleicht permanent sein wird.« »Ich bin ein Außerirdischer unter Menschen«, erinnerte Michael und sah Liz in die Augen. »Wenn mein einziges Problem eine grüne Haut wäre, wäre es eine Erleichterung.« Tess lachte. »Wem sagst du das!« Liz sah, dass Max ebenfalls nickte. In Zeiten wie dieser fragte sie sich, wie schwer es wirklich für ihn war, einer der vier zu sein. Es war schon hart genug, nur ihre Freundin zu sein. »Außerdem«, sagte Valenti, »führen Leute mit andersfarbiger Haut ein vollkommen normales Leben in diesem Land.« Liz wollte sich auf keine Rassendiskussion mit dem Sheriff einlassen, und so sagte sie nichts. Auch von den anderen ging keiner darauf ein. »Ja, aber wie viele Leute kennen Sie, die zufällig grün sind?«, fragte Michael. »Und wenn die Leute denken, dass das Grün von einer Krankheit hervorgerufen wird, könnte es richtig schlimm werden«, sagte Tess. »Mir gefällt das nicht.« Michael schüttelte den Kopf. »Roswell hat genug Schwierigkeiten, auch ohne der Ort zu sein, wo die kleinen grünen Männchen herkommen.«
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»Ich schätze, die meisten Leute denken das jetzt schon«, bemerkte Liz. »Oh, klar«, nickte Michael. »Deshalb ist mein Leben auch so hart.« »Nun«, sagte Max laut, um wieder zum Thema zurückzukehren, »wenn es funktioniert und wir mein Blutplasma verwenden können, wie verabreichen wir es den Leuten, die es brauchen?« »Wir setzen einen Teil des Heilmittels in der Höhle ein«, schlug Michael vor. »Ich nehme an, deine Zellen greifen die blauen Zellen im Wasser genauso an wie die in der menschlichen Haut.« »Das können wir testen«, sagte Liz und dachte daran, dass sie jetzt etwas kontaminiertes Wasser finden mussten. Höchstwahrscheinlich kam das Wasser in Valentis Haus aus der kontaminierten Zone, da Kyle grün angelaufen war. Sie hatte keine Ahnung, warum der Sheriff verschont geblieben war. Vielleicht hatte er kein Wasser getrunken – oder heute Morgen nicht geduscht. »Wenn Michael Recht hat«, sagte Tess, »und Max’ Plasmazellen genauso funktionieren wie seine normalen Blutzellen, sollte das Heilmittel auch in der Wasserversorgung wirken.« »Was es den Leuten ermöglicht, es zu Hause zu trinken«, schloss Max. »Perfekt.« »Eine Menge Wenns liegen zwischen jetzt und dann«, meinte Valenti. »Ganz zu schweigen von dem Problem, genug davon in der Höhle freizusetzen, damit es in die Wasserversorgung gelangt.« »Das stimmt«, sagte Alex. »Es regnet heute nicht.« Stille legte sich über den Raum. Liz sah sogar noch mehr Probleme, als sie zunächst befürchtet hatte. Sich zu vergewissern, dass Max’ Blut sicher war, war nur das geringste von ihnen. 97
»Wow! Wow! Wow!« Das Geschrei aus dem Badezimmer hallte durch das ganze Haus. Einen Moment später riss Maria die Tür auf und stürmte auf den Flur. Liz sah, wie Maria die Arme ausbreitete. »Seht, es ist weg!«, schrie sie, während sie sich dem Zimmer näherte. »Meine normale Farbe ist zurückgekehrt! Ich bin wieder rosa!« »Blass ist zutreffender«, sagte Michael gerade laut genug, dass ihn die Umstehenden hören konnten. Maria stürzte ins Zimmer, und das Lächeln auf ihrem Gesicht war so breit, dass Liz sich fragte, ob ihre Haut platzen würde. Maria verbrachte jeden Tag viel mehr Zeit mit der Pflege ihres Äußeren als Liz, und es war für Maria enorm wichtig, wie sie aussah. Liz konnte nur ahnen, wie schrecklich es für Maria gewesen sein musste, als sie dachte, vielleicht für den Rest ihres Lebens grünhäutig zu bleiben. Aber es war klar, wie erleichtert sie jetzt war. »Ist das nicht großartig?«, sagte Maria, während sie mit ausgebreiteten Armen dastand. Sie berührte ihr Gesicht, die Haut an ihren Armen. »Seht! Kein Grün.« »Sieht aus, als hätte es funktioniert«, sagte Michael. »Alex!«, rief Maria, ging zu ihm und nahm ihn in die Arme. »Du bist auch geheilt? Was ist passiert?« »Liz hat es gelöst«, entgegnete Alex. »Was?«, fragte Maria. Sie sah Alex an, während seine Worte langsam zu ihr durchdrangen und sie sich etwas beruhigte. Dann drehte sie sich zu Liz und den anderen um. »Was habt ihr gefunden? War es in dem Glas Wasser? Warum habt ihr es mir nicht gesagt?« »Es war in dem Wasser«, bestätigte Liz und lächelte ihre Freundin an. Sie mochte es, wenn Maria glücklich war, und im Moment war sie so glücklich, wie ein Mensch nur sein konnte.
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»Und wir wollten es dir nicht sagen für den Fall, dass es nicht funktioniert«, erklärte Michael. »Wir wollten dir keine Hoffnungen machen, die sich dann doch zerschlagen.« Maria studierte ihn einen Moment. Liz hielt den Atem an. Alle im Raum schienen es zu tun. Jeder wusste, dass alles Mögliche im nächsten Moment passieren konnte. Maria konnte wütend werden, weil sie ihr Informationen vorenthalten hatten, oder sie konnte dankbar dafür sein, dass sie ihr keine falschen Hoffnungen machen wollten. Dann lächelte sie wieder. »Danke«, sagte sie, ging zu Michael hinüber und küsste ihn intensiv auf die Lippen. Er ließ es geschehen und schloss die Augen. Dann schien ihm einzufallen, dass die anderen im Zimmer waren. Er löste sich von ihr. »Gern geschehen«, sagte er. Maria drehte sich um und grinste Liz an. »Was hast du gefunden, das gegen das Grün wirkt?« Liz fühlte sich unbehaglich, aber jemand musste Maria sagen, was sie getan hatten, und so sprudelte sie hervor: »Max’ Blut.« »Max’ Blut? Wie meinst du das?«, fragte Maria. »Max’ Blut hat dich geheilt«, erklärte Liz. »Ein winziger Tropfen in diesem Wasserkrug lässt seine Zellen gegen die blauen außerirdischen Zellen, die deine Haut grün gefärbt haben, kämpfen und sie zerstören.« »Ich habe Max’ Blut getrunken?«, fragte Maria. Ihr Lächeln verblasste ein wenig, als ihr dämmerte, was Liz ihr gesagt hatte. Liz nickte. »Nur eine ganz winzige Menge. Nicht einmal genug, um das Wasser zu färben.« »Jetzt bin ich wirklich grün«, sagte Maria und bemühte sich, ernst dreinzuschauen. Dann rief sie: »Gewesen!« Und alle lachten. Liz fand es großartig, dass ihre Freundin wieder normal war. 99
Dann verschwand Marias Lächeln. »Es wird doch nicht zurückkommen, oder?« »Was?«, fragte Liz. »Das Grün«, sagte Maria. »Ich werde nicht den Rest meines Lebens Max’ Blut trinken müssen, oder?« »Nein, das denke ich nicht«, beruhigte Liz sie. »Oh, dem Himmel sei Dank«, sagte Maria. »Ja«, nickte Michael. »Das Letzte, was ich möchte, ist eine Verabredung mit Vampirella.« Maria drehte sich mit funkelnden Augen zu ihm um. »Wir haben jetzt eine Verabredung?« »Das habe ich nicht gesagt«, wehrte Michael ab. »Wenn das eine Verabredung ist«, sagte Alex trocken, »dann ist es eine ziemlich seltsame.« Liz lächelte. Sie liebte die fröhliche Stimmung im Zimmer. Aber sie wusste, dass sie noch nicht fertig waren. »Wir haben noch immer ein paar Dinge zu erledigen«, erinnerte sie. »Ja«, sagte Max. »Und ich habe das komische Gefühl, dass die Zeit knapp wird.« Isabels Abendessen schmeckte mäßig und bestand aus Huhn, Dosenmais, Kartoffeln und einer dünnen Soße, die alles bedeckte. Mit anderen Worten, Krankenhausessen, das fast an das Essen in der Schulcafeteria heranreichte. Fast. Aber sie brauchte eine Weile, bis sie die Tabascosoße fand. Offenbar gehörte Tabasco nicht zum Standardmenü der Krankenhauscafeteria. Die freundliche Frau, die mit Isabel am Tisch saß, hatte gefragt, ob Tabasco den Geschmack des Essens verbesserte. Isabel log und sagte, dass dies nicht der Fall war. Nachdem sie und die anderen Gefangenen mit dem Essen im kleinen Speisebereich nahe der Küche und dem Innenhof fertig waren, führten die Wachen sie in einen großen Aulabereich.
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Der Saal war groß genug für ein paar hundert Leute und diente offenbar Vorlesungszwecken. Isabel hatte nicht einmal gewusst, dass es einen derartigen Raum im Krankenhaus gab, aber sie hatte sich nie besonders für Medizin interessiert und nicht viel Zeit im Krankenhaus verbracht, oder nur mit ihren Freunden. Isabel stieß einen leisen Seufzer aus. Sie fragte sich, wie es Rob ging. Sie wusste nicht einmal, ob er noch immer im Krankenhaus war. Sie hoffte, dass er nicht zu den Leuten gehörte, die von der Army abtransportiert worden waren. Sie strich ihren Pullover glatt. Zumindest war es in dem großen Hörsaal warm, im Gegensatz zum Innenhof. Kissen und Decken waren auf der kleinen Bühne gestapelt und Kaffee und Tee standen auf einem Tisch bereit. Wie es schien, erwartete man von ihnen, dass sie auf den Stühlen schliefen. »Wo ist die Toilette?«, fragte eine Dame direkt vor Isabel einen Posten, als sie in den Hörsaal getrieben wurden. Er wies auf eine Seitentür, die von zwei anderen Soldaten bewacht wurde, und sagte kein Wort. »Sieht aus, als müssten wir hier eine Weile bleiben«, brummte ein anderer Mann. »Sie behalten uns hier, bis wir alle grün werden«, meinte ein zweiter Mann. Isabel vermutete, dass dies stimmte. Jeder in diesem Raum war in der Nähe einer Person gewesen, die grün angelaufen war. Wenn man davon ausging, dass die grüne Haut eine Art Epidemie war, war es kein Wunder, dass man sie unter Quarantäne gestellt hatte. Es ergab Sinn, selbst für die Army. Sie ging durch den Saal zur gegenüberliegenden Seite, weit weg von der Tür, durch die sie hereingekommen waren, und nahm dann ihr Telefon aus der Handtasche. Sie musste Max informieren, wohin man sie gebracht hatte. Und herausfinden, was dort vor sich ging. Dieses Abgeschnittensein vom Rest der Gruppe trieb sie allmählich in den Wahnsinn. 101
Sie gab die Nummer des Crashdown ein und drückte den Wählknopf. In diesem Moment piepte das Telefon und meldete, dass der Akku erschöpft war. »Oh, nein, tu das nicht«, sagte sie laut. »Meins hat vor zwei Stunden den Geist aufgegeben«, sagte eine Frau in der Nähe. »Haben Sie ein Ladegerät?« »Nein«, sagte Isabel, noch immer das jetzt nutzlose Handy anstarrend. Ihr Ladegerät stand auf ihrem Schreibtisch in ihrem Zimmer, was ihr überhaupt nicht weiterhalf. Sie starrte das tote Telefon noch einen Moment länger an, widerstand der Versuchung, es gegen die Betonwand zu werfen, und steckte es zurück in ihre Handtasche. Wie sollte Max sie jetzt finden? Es würde ihm nicht gelingen, so viel stand fest. Sie musterte die Leute, die sich langsam hinsetzten, wie eine Klasse, die sich auf die Ankunft des Lehrers vorbereitete. Nur hatte diese Klasse bewaffnete Posten, die dafür sorgten, dass niemand den Unterricht schwänzte. Selbst wenn Max sie fand, gab es keine Möglichkeit für ihn, sie und die anderen hier herauszuholen. Sie ging zur Frontseite des Hörsaals, nahm eine Decke und ein Kissen und kehrte zu einem Stuhl in der zweiten Reihe zurück, wo sie es sich einigermaßen bequem machte. Hinter ihr hatte sich die Frau ausgestreckt, deren Handy vor Stunden den Geist aufgegeben hatte, und die Augen geschlossen. Wenn Isabel sich nicht täuschte, hatte ihre Haut einen kränklichen Grünstich. Valenti, Max, Michael und Liz waren auf dem Weg zur Highschool und folgten derselben Route, die Max jeden Tag nahm. Nur war es diesmal ein seltsames Gefühl, mit Valentis Truck durch fast ausgestorbene Straßen zu fahren.
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Es war Sonntagnacht. Max redete sich ein, dass es Sonntagnacht nie viel Verkehr gab, aber heute Nacht fühlte er sich isoliert und sehr, sehr leer. Max hielt es für Einbildung, aber die Spannung im Truck steigerte sich mit jedem stillen Häuserblock, den sie passierten. »Wie viele Leute haben sich eurer Meinung nach grün verfärbt?«, fragte Valenti, um das Schweigen zu beenden. »Es kann keine große Zahl sein«, meinte Michael. »Vielleicht ein paar hundert.« »In den Nachmittagsnachrichten wurde nichts gemeldet«, sagte Liz, »also muss die Zahl klein sein.« »Nein«, schüttelte Valenti den Kopf. »Sie werden das nicht melden. Die Behörden werden so lange wie möglich Stillschweigen bewahren.« Max runzelte die Stirn. Daran hatte er nicht gedacht. »Werden sie nicht versuchen, die Leute von der Stadt fern zu halten?« »Sicher«, meinte Valenti. »Aber sie können eine Falschmeldung lancieren, um die Wahrheit zu verbergen, etwa einen Chemieunfall vortäuschen. Sie werden keine allgemeine Panik auslösen.« »Nun, früher oder später wird es dazu kommen«, erklärte Michael. »Ganz gleich, wie viele Leute davon betroffen sind. Sie müssen es irgendwann jemand sagen.« »Nicht, wenn es auf ein kleines Gebiet beschränkt ist. Und so, wie sich diese Sache ausbreitet, habe ich den Eindruck, dass das betroffene Gebiet nicht sehr groß ist«, sagte Valenti. »Ganz meine Meinung«, stimmte Max zu. »Das Gebiet der städtischen Wasserversorgung, die von dem Wald um die Höhle gespeist wird, ist recht klein. Ihr Haus liegt in diesem Bereich.« Valenti grinste, als er um eine Ecke bog. »Ein Glück für mich, dass ich heute Morgen kein Wasser getrunken und nicht geduscht habe.« 103
»Das erklärt den Geruch«, scherzte Michael. Valenti schüttelte nur den Kopf und sagte nichts. Max dachte, wie viel Glück sie bis jetzt gehabt hatten. Roswell war ein ziemlich großer Ort, und wenn die ganze Stadt das Wasser aus dem Höhlengebiet benutzt hätte, wären jetzt fast alle grün. Stattdessen behandelten die Army und die Ärzte das Phänomen wie eine Art kleine Seuche. Die Stille um sie herum war wohl unter diesen Umständen normal. Aber sofern sie das Problem nicht lösten, würde es nicht mehr lange still bleiben. Valenti bog auf einen Parkplatz. »Fahren Sie nach hinten«, sagte Michael. Valenti nickte und konzentrierte sich aufs Fahren. Max hatte nicht gewollt, dass der Sheriff mitkam, aber Valenti hatte darauf bestanden. »Es ist besser, dass ich jetzt dabei bin, statt euch drei später gegen Kaution aus dem Gefängnis zu holen.« Max hatte der Argumentation zugestimmt. Nach allem, was Liz sagte, hatten sie keine Zeit, verhaftet zu werden. Je länger sie damit warteten, einige seiner Blutzellen den Leuten zu verabreichen, damit sie die außerirdischen blauen Zellen bekämpften, desto größer war das Risiko, dass einige der Menschen für den Rest ihres Lebens grün blieben. Und desto größer war das Risiko, dass sich das infizierte Wasser ausbreitete. Max war noch immer unbehaglich bei dem Gedanken, dass seine Blutzellen das Heilmittel waren, aber er zwang sich, diese Tatsache zu akzeptieren. Und dass der Rest der Gruppe genauso großes Unbehagen spürte wie er, half ihm dabei. Valenti fuhr den Truck hinter die Schule und stellte ihn in einer Parkbucht ab, wo man ihn nur finden konnte, wenn man intensiv suchte. Der Schulparkplatz sah im Licht der Straßenlaternen fremdartig aus. Max war daran gewöhnt, dass er voller Autos war. Aber Valenti schien alle abgeschiedenen Stellen zu kennen. Und das war gut so, da er in der letzten Zeit 104
eine Menge Ärger bekommen und seinen Job vernachlässigt hatte, hauptsächlich weil er ihnen geholfen hatte. Max hatte nicht viel mit ihm darüber geredet, aber er wusste, dass Valenti es im Moment überhaupt nicht brauchen konnte, bei etwas Fragwürdigem ertappt zu werden, wie die Begleitung dreier Jugendlicher an einem Sonntagabend in die Highschool. Das würde sehr schwer zu erklären sein. Sie stiegen aus dem Truck und eilten zu einem der wenig benutzten Eingänge der Schule. Normalerweise war dieser versperrt. Die Tür war dick und aus Metall, ohne Fenster. Max blieb auf der Treppe stehen und drückte die Klinke. Die Tür war abgeschlossen. Liz beobachtete währenddessen den Parkplatz, um Alarm zu schlagen, wenn jemand auftauchte. Valenti und Michael drückten sich an das Gebäude. »Sie gehört dir«, sagte Max zu Michael. Michael nickte. Er öffnete die Tür mühelos mit seinen Kräften und schlüpfte hinein. Max nickte Valenti zu, der Michael folgte. Dann ging Liz hinein und schließlich trat Max durch die Tür. Er musterte ein letztes Mal den Parkplatz, bevor er leise die Tür schloss. Der vertraute Kalk-und-alte-Tennisschuhe-Geruch der Highschool hatte sofort eine beruhigende Wirkung auf ihn. Dann drehte sich Max um, und das Gefühl verschwand. In den leeren Korridoren schienen die Echos all der Stimmen der Schüler während des Tages nachzuhallen. Die Schule wirkte nachts kleiner und irgendwie gefährlich. Michael entriegelte die Tür zum Biologieraum so mühelos wie die Haustür. Dann öffnete er die Vitrine und den Vorratsschrank mit den Geräten, die Liz brauchte. Als Erstes ließ sie Max sich auf einen Labortisch legen, um ihm Blut abzunehmen. Während Michael vor der Tür Wache hielt und Valenti am Ende des Korridors mit Blick auf den Haupteingang wartete, schien es ewig zu dauern, Max das Blut abzunehmen. Weder 105
Max noch Liz sprachen ein Wort. Es gab auch nicht viel zu sagen, soweit es ihn betraf. Und Liz schien zu wissen, was sie tat, oder zumindest erweckte sie den Eindruck. Als sie ihm das Blut abgenommen hatte, nahm sie ein paar Tropfen und führte einige Tests durch, während er auf dem Labortisch lag und ein Stück Mull gegen seinen Arm drückte. »Was für Tests machst du?«, fragte er. »Ein paar, die wir im Unterricht gelernt haben«, antwortete Liz. Er erinnerte sich an diese Tests. Er hatte sich von Liz etwas Blut geben lassen, um seine durchzuführen. »Glaubst du, ich habe Hepatitis?« »Keine Sorge«, sagte sie. »Ich wäre schockiert, wenn du es hättest. Schließlich scheinst du nicht krank zu werden. Ich will nur vorsichtig sein.« »Wir haben nicht viel Zeit, Liz.« »Ich weiß.« Sie seufzte. »Es spielt ohnehin keine Rolle. Dein Blut unterscheidet sich von unserem dermaßen, dass ich es nicht einmal klassifizieren kann.« »Glaubst du, das Plasma lässt sich trennen?« Liz nickte. »Dein Blut sieht dem menschlichen ähnlich. Es unterscheidet sich nur im Detail.« »Seid ihr bald fertig?«, fragte Michael und steckte den Kopf durch die Tür. »Bald«, versicherte Liz und schob Michael mit der Hand beiseite. Er schnaubte und kehrte auf den Korridor zurück. »Gute Neuigkeiten«, sagte sie nach etwa fünf Minuten sehr intensiven, sehr langen Schweigens, »du bist gesund, soweit ich es feststellen kann.« Sie stellte den Behälter mit seinem Blut in eine Maschine und schaltete sie ein. Das Surren klang unglaublich laut. »Wir trennen jetzt deine roten Blutkörperchen von dem Blutplasma«, erklärte Liz. »Die Zellen im Plasma werden die 106
blauen Zellen bekämpfen, die für das Problem verantwortlich sind.« »Bist du sicher?«, fragte Max. Er setzte sich auf und steckte den Mull, den er gegen seinen Arm gedrückt hatte, in die Tasche. »Ziemlich sicher«, erwiderte Liz. »Wir werden es an jemand testen müssen, um sicher zu sein.« »Kyle«, schlug Max vor. »Klingt logisch für mich«, stimmte Liz zu. »Fertig«, sagte sie nach ein paar weiteren Minuten, in denen sie schweigend dagestanden und die Maschine beobachtet hatten. Max half ihr, die Geräte einzuräumen und den Schrank und die Vitrine abzuschließen, und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick in die Runde, dass alles wieder so war, wie sie es bei ihrer Ankunft vorgefunden hatten. Dann machten sie sich auf den Weg zum Truck des Sheriffs. Max konnte spüren, wie die Spannung nachließ, als Valenti die Straße hinunterfuhr und die Highschool hinter ihnen zurückfiel. Es war, als könnten sie alle wieder frei atmen. »Fahren wir zu Ihrem Haus«, sagte Max zu Valenti. »Wir testen das Plasma an Kyle, damit er uns bei der nächsten Phase helfen kann.« »Kyle ist im Moment nicht besonders glücklich«, erklärte Valenti. »Er wird nicht erfreut sein, euch zu sehen.« »Oh«, machte Liz lächelnd. »Kyle wird glücklich genug sein, wenn er erfährt, dass wir die Heilung für seine Krankheit haben.« »Hoffen wir’s«, murmelte Michael. Max war noch immer nicht sicher, ob es richtig gewesen war, sein Blut in Plasma zu verwandeln, aber wenn es bei Kyle so gut funktionierte wie bei Alex und Maria, standen sie vor dem nächsten großen Problem: Wie sollten sie das Blutplasma den
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Menschen verabreichen, die mit den blauen außerirdischen Zellen infiziert waren? Niemand sagte ein Wort, und die Fahrt zu Valentis Haus war kurz und still, während sich Max einer scheinbar unmöglichen Aufgabe gegenübersah.
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Liz füllte in der Küche von Kyles und Sheriff Valentis Haus einen Krug mit Wasser. Seit Tess eingezogen war, war es hier merklich sauberer. Liz erinnerte sich an einen Besuch bei den Valentis, bevor Tess zu ihnen gestoßen war, damals, als Liz und Kyle miteinander gegangen waren, und das Haus war ihr wie das typische Junggesellenheim vorgekommen. Die Spüle war voller schmutzigem Geschirr und die Couch voller Krümel gewesen. Jetzt war auf mysteriöse Weise ein Esstisch aus dem Nichts erschienen, zusammen mit drei Stühlen, und die Küche sah makellos aus. Der schwache Geruch von Müll hing auch nicht mehr in den Räumen. Liz konnte nicht glauben, dass Tess all die Arbeit machte. Wenn sie wetten müsste, würde sie sagen, dass Tess Kyle und Sheriff Valenti dazu gebracht hatte, das Haus blitzsauber zu halten. Im Esszimmer versuchten Michael und Valenti Kyle aufzuheitern, der darauf beharrte, dass er mit ihnen nichts mehr zu tun haben wollte. Liz wusste, dass nach dem, was im Herbst passiert war oder was Max dachte, dass im Herbst zwischen ihr und Kyle passiert war, Max sich in Kyles Nähe unbehaglich fühlte. Max hatte nach seinen ersten Fragen nie wieder etwas gesagt, aber seine Gefühle waren klar und an der Oberfläche. »Ich habe es satt, in eure außerirdischen Probleme reingezogen zu werden«, sagte Kyle mit vor Verärgerung erhobener Stimme. »Führt eure Labortests an jemand anders durch.« »Ich kann dir keinen Vorwurf machen«, erwiderte Michael, »aber im Moment ist deine Haut dein Problem. Und Liz denkt, dass sie es beheben kann. Gefällt es dir, so grün wie eine Avocado zu sein?« 109
Liz trug den Krug in den Essbereich. »Ich kann es beheben, Kyle. Wir haben Alex und Maria wieder normal gemacht. Es sollte nur ein paar Minuten dauern.« Dann dämmerte ihr, dass Valenti, Michael und Max das anstarrten, was sie in der Hand hielt. »Was?«, fragte sie und sah dann den Krug an. Er war voll tiefblauem Wasser. Es war klar gewesen, dessen war sie sicher, als es aus dem Hahn gekommen war. »Das ist dein Heilmittel?«, fragte Kyle. »Eigentlich«, sagte Liz und stellte den Krug auf den Tisch, »kam das aus deinem Hahn. Es sah normal aus, bis ich es hierher brachte.« »Meine Gegenwart bringt die blauen Zellen zum Leuchten«, stellte Max fest. »Ich helfe dabei«, sagte Michael. »Sieht so aus«, meinte Liz. »Genau wie bei den Hautproben. Die außerirdischen Zellen im Wasser leuchten.« »Ich trinke das nicht«, verkündete Kyle. »Nun, das hast du bereits getan«, erinnerte Liz, obwohl sie es ihm nicht verdenken konnte. Blaues Wasser sah nicht appetitlich aus. Es erinnerte sogar an eine seltsame Form von Kool-Aid. »Das habe ich nicht«, widersprach Kyle. »Was du auch. immer hineingetan hast, es hat das Wasser blau gefärbt.« »Ich sag dir was«, entgegnete Liz, die all das männliche Gejammer, das sie den ganzen Tag gehört hatte, inzwischen satt hatte. »Bring es zurück in die Küche und stell fest, ob es blau bleibt.« Kyle sah sie stirnrunzelnd an. »Du meinst das offenbar ernst.« »Ja«, bestätigte sie. »So ist es.« »Ich muss dieses Zeug wirklich trinken?« »Und damit duschen«, sagte Valenti. »Ja.« Michael verschränkte die Arme und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Und es hat dich grün wie ein Blatt 110
werden lassen. Wir sind hier, um dein Wasser und dich in Ordnung zu bringen.« Kyle sah ihn an und schüttelte dann voller Abscheu den Kopf. Liz tauchte eine Pipette in den Beutel mit Max’ Plasma und gab einen Tropfen in den Wasserkrug. Sie erwartete eine langsame Reaktion, aber die bekam sie nicht. Sofort wurde das Wasser klar. Der Tropfen mit Max’ Plasmazellen zerstörte die blauen außerirdischen Zellen im Wasser im Bruchteil einer Sekunde. Alle starrten es überrascht an. »Nun«, sagte Max nach einem Moment, »so viel zum Test, um festzustellen, ob das Zeug auch in klarem Wasser wirkt.« »Wirkt ist eine Untertreibung«, warf Michael ein. Liz füllte ein Glas mit dem Wasser aus dem Krug und reichte es Kyle. »Es sollte deiner Haut ihre normale Farbe zurückgeben.« »Und mich in der Zwischenzeit vergiften, richtig?« »Pickeljunge ist kein schöner Spitzname«, sagte Michael. »Versuch’s einfach.« »Vertrau mir«, bat Liz. Sie sah Kyle offen in die Augen und drückte ihm das Glas in die Hand. »Mir wäre es lieber, wenn du wieder normal wärst.« »Ja, das Grün ist ziemlich aufdringlich«, fügte Michael hinzu. »Außerdem brauchen wir deine Hilfe, um den Rest der Stadt zu retten«, sagte Max mit ernster Stimme, »und dafür musst du wieder normal sein.« Kyle schüttelte den Kopf, sah zuerst Max, dann seinen Dad, dann Liz an. »In Ordnung.« Er stürzte das Glas in einem Zug hinunter. Dabei benetzten ein paar Tropfen seine Hände und sein Gesicht. »Seht euch das an!«, rief Michael. 111
Liz verfolgte, wie die Tropfen auf Kyles Gesicht seine Hautfarbe wieder normalisierten. Dann breitete sich der Effekt aus, viel schneller als bei Alex und Maria. »Was?«, fragte Kyle sichtlich panisch. »Schau dir deine Hand an«, forderte Liz ihn lächelnd auf. »Ein Tropfen aus dem Glas ist auf deiner Hand gelandet.« Kyle hob seine Hand und sah zu, wie die Linie aus Grün rasch über sein Handgelenk und unter sein Hemd wanderte, während seine Hand wieder ihre normale Farbe hatte. Seine andere Hand war noch immer grün und er hob sie gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das Grün verblasste. »Willkommen zurück, Avocado Boy«, sagte Michael. Langsam schlich sich ein Lächeln auf Kyles Gesicht, das den Raum zu erleuchten schien, und binnen Sekunden lächelten alle mit ihm. »Danke«, sagte Kyle, begutachtete seine Hände erneut, stand dann von der Couch auf und umarmte Liz. »Danke, danke, danke.« Max verfolgte alles von seinem Platz im Esszimmer aus. Liz konnte seinen Blick spüren. Sie wollte ihm sagen, dass die Umarmung nichts bedeutete, aber natürlich konnte sie es nicht. Sie zwang sich, Kyle anzulächeln. »Keine Ursache.« Er löste sich aus der Umarmung und sah die ganze Gruppe an. »Also, wie kann ich euch helfen?« Seine Stimmung änderte sich so plötzlich, dass sogar Liz überrascht war. Aber schließlich hatte sich auch Marias Stimmung sofort verändert. Wäre Liz genauso deprimiert gewesen wie sie, wenn sie sich ebenfalls grün gefärbt hätte? Wahrscheinlich. Sie war nur froh, dass sie keine Chance bekommen hatte, es herauszufinden. Valenti klopfte Kyle auf den Rücken und grinste ihn an. Selbst der Sheriff schien erleichtert zu sein. Vielleicht hatte er sich mehr Sorgen gemacht, als er gezeigt hatte. 112
»Fahren wir zurück zum Crashdown und planen wir unsere nächsten Schritte«, sagte Max und wandte sich zur Tür. Liz erhaschte einen Blick auf sein Gesicht, bevor er sich umdrehte. Es war voller Schmerz, weil Kyle sie umarmt hatte. Es war grausam von ihr zuzulassen, dass er glaubte, zwischen ihr und Kyle würde etwas laufen. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Im Moment hatten sie ein viel größeres Problem, das das Leben vieler Menschen bedrohte, zu denen auch Max, Michael, Isabel und Tess gehörten. Maria hing gerade das Geschlossen-Schild an die Tür, als sie vor dem Crashdown anhielten. »Hat Isabel angerufen?«, fragte Max beim Eintreten. »Nein«, sagte Maria. »Ich habe versucht, sie zu erreichen, konnte aber nicht zu ihr durchkommen. Ich weiß nicht, ob die Leitungen blockiert sind oder ihr Handy tot ist.« »Nun, sie ist schon einmal durchgekommen«, erklärte Max. »Hoffen wir, dass es ihr erneut gelingt.« »Sie hätte sich inzwischen längst melden müssen.« Alex trat hinter Maria. Jetzt, da er nicht mehr grün war, schien er sich noch mehr Sorgen um Isabel zu machen. Er war so ein netter Kerl. Max hatte keine Ahnung, warum Isabel ihm aus dem Weg ging. Max hatte außerdem bemerkt, dass niemand Alex erzählt hatte, dass Isabel eine Verabredung gehabt hatte, als sie in dieses Kino gegangen war. »Vielleicht ist sie nicht ungestört, um anrufen zu können«, spekulierte Liz. »Ich hoffe, das ist das Problem«, seufzte Max. Aber ihm gefiel das Gefühl der Besorgnis nicht, das immer stärker in ihm wurde. Sie mussten etwas unternehmen, und zwar schnell. Das Crashdown wirkte wesentlich gemütlicher als die Highschool. Max wollte nicht daran denken, wie oft sie von hier aus eine wichtige Operation geplant hatten. 113
Liz dämpfte das Licht, sodass das Restaurant aussah, als wäre es geschlossen, und half dann Kyle, mehrere Stühle in die Mitte des Raumes zu tragen. Max wollte keinen Stuhl haben, vor allem keinen, den Kyle angefasst hatte. Liz hatte versucht, ihm zu versichern, dass die Geschichte zwischen ihr und Kyle vorbei war, aber das hatte sie ihm früher schon gesagt. Und sie hatte schrecklich erfreut ausgesehen, als Kyle sie umarmt hatte. Max mied ihren Blick, als er die Karte der Wasserversorgung auf dem Tisch in der Mitte ausbreitete. Die Gruppe saß um sie herum, abgesehen von Max, Kyle und Valenti, die sie stehend studierten. Auf der Rückfahrt von Valentis Haus war Max gezwungen gewesen, über das aktuelle Problem nachzudenken, und nicht über das Zerwürfnis zwischen ihm und Liz. Und jetzt, da sie dieses Heilmittel getestet hatten, hatte er einige Ideen, wie sie vorgehen sollten. Nicht viele, aber ein paar. Die ganze Gruppe war um den Tisch versammelt. Maria lehnte sich an Michael, während Valenti und Kyle mit dem Rücken am Tresen standen. Tess, Liz und Alex saßen auf Stühlen. Nur die hoch gewachsene und energische Isabel fehlte. »Okay«, sagte Max, »ich bin für einen Dreifrontenangriff. Und nach dem, was Liz über die Verfärbung der Haut der Leute herausgefunden hat, müssen wir an allen drei Fronten gleichzeitig angreifen, um sicher zu sein, dass wir alles rechtzeitig schaffen.« Alle nickten, sogar Michael, was für Max am wichtigsten war. Er vertraute Michaels Urteilsvermögen in derartigen Dingen sehr. »Erstens«, sagte Max, »müssen wir eine Menge Wasser mit dem Heilmittel in diese Höhle und das darunter liegende Wasserreservoir geben.«
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»Nach dem, was aus unserem Hahn gekommen ist«, warf Kyle ein, »kann ich dem nur zustimmen.« »Was kam heraus?«, fragte Maria. »Blaues Wasser«, antwortete Kyle. »Voll von den geschmolzenen außerirdischen Zellen aus der Höhle.« »Schluck«, sagte Maria. »Wir haben das Zeug getrunken.« Kyle zog eine Grimasse. »Ich weiß.« »Hat irgendjemand eine Idee«, fragte Max, »wie wir das Heilmittel in die Wasserversorgung geben können?« »Die Stadt hat einen großen Wasserwagen«, erklärte Valenti, »der bei der Straßenreinigung eingesetzt wird. Ihr müsst nur eine ganze Ladung davon in diese Höhle kippen, damit es in die Wasserversorgung gelangt.« Max nickte. Das war eine großartige Idee. Er wandte sich an Liz. »Haben wir genug, um einen ganzen Wasserwagen zu präparieren?« »Mehr als genug«, versicherte Liz. »Ich schätze, ein Viertel von dem, das wir haben, dürfte für einen vollen Truck reichen.« »Warum gehen wir nicht auf Nummer sicher und nehmen zwei Truckladungen?«, fragte Michael. »Wir haben genug, richtig?« Liz nickte. »So ist es.« »Es wäre sicherer«, sagte Valenti. »Einverstanden«, nickte Max. »Gut. Unsere zweite Angriffsfront sind die Leute im Krankenhaus, denen wir das Heilmittel geben müssen. Und während wir dabei sind, holen wir Isabel da raus.« »Das wird schwierig, wenn nicht sogar unmöglich«, warnte Valenti. »Die Army hat das Krankenhaus weiträumig umstellt und überall bewaffnete Männer postiert. Die Stadtpolizei und das Büro des Sheriffs helfen bei der Bewachung.« Max nickte. »Irgendwelche Ideen?«
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»Die Leute müssen dorthin, um zu arbeiten«, sagte Maria. »Ich wette, sie lassen das medizinische Personal hinein.« Max lächelte sie an. Wenn Maria ruhig war, war sie ein wertvoller Gewinn für die Gruppe. »Du hast Recht. Wir müssen das überprüfen, um sicherzugehen, aber ich denke, es könnte funktionieren.« »Und was machen wir mit der Gruppe, die von der Army weggebracht wurde?«, fragte Valenti. »Wir wissen nicht mal, wo sie ist.« »Das stimmt«, nickte Max, »und ihren Aufenthaltsort herauszufinden, muss unsere oberste Priorität sein. Ziehen wir zu zweit los und stellen wir fest, welche Informationen wir gewinnen können. Es gibt außerhalb des Stützpunkts nur ein paar Dutzend Orte, die groß genug sind, um sie alle unterzubringen, und die Highschool haben wir bereits überprüft.« In den nächsten fünf Minuten entschieden sie, wer welchen Teil der Stadt überprüfen, wonach sie Ausschau halten und was sie tun sollten, wenn sie sie fanden. Dann einigten sie sich darauf, sich nach einer Stunde wieder im Crashdown zu treffen. Kyle und sein Vater gingen als Erste los, um den Stützpunkt zu überprüfen, Maria und Michael suchten die Umgebung des Krankenhauses ab, um festzustellen, ob die Angestellten ins Hospital hineingelassen wurden. Liz und Alex kümmerten sich um einige Lagerhäuser und ein Theater. Damit blieben nur noch Tess und Max übrig. Ein Teil von Max fragte sich, ob er die Gruppen absichtlich so zusammengestellt hatte, damit sich Liz den Kopf über ihn und Tess zerbrach. Vielleicht versuchte er einfach, sie eifersüchtig zu machen. Er verdrängte den Gedanken. Er und Tess hatten weitere Lagerhäuser und das Einkaufszentrum zu überprüfen. Darauf musste er sich konzentrieren.
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»In einer Stunde, Leute«, sagte Max, als sich die Teams zur Tür wandten. »Wir treffen uns wieder hier. Und seid vorsichtig.« Max und Tess gingen als Letzte durch die Tür. Er hoffte nur, dass alle sicher von ihrer ersten Expedition zurückkehrten. Es wurden alle gebraucht, um dieses Problem zu lösen. Alle von ihnen und eine Menge Glück.
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Max wartete, bis Kyle und der Sheriff als Letzte zurückkehrten. Währenddessen saß er auf einem Hocker und beugte sich über einen Teller mit Pommes frites, die Michael allen als Imbiss serviert hatte. Alex hatte sich einen Schokoladenmilchshake gemacht und Tess sich eine Coke geholt, als klar wurde, dass es zu viel Mühe bedeutete, die Kaffeemaschine anzuwerfen. Die Fritten waren gut und salzig. Max hatte für sich und Tess einen Teller beiseite gestellt, damit sie auf ihre Pommes Tabasco geben konnten. Ganz gleich, wie oft die anderen das schon gesehen hatten, es stieß sie noch immer ab. Aber er war hungrig. Keiner von ihnen hatte zu Abend gegessen. Er fragte sich, ob er Michael dazu bringen konnte, ein paar Burger zu braten. Es war vielleicht zu viel verlangt. Michael war im Moment nicht gerade glücklich. Offenbar war die Suche mit Maria nicht so gut verlaufen, wie Max gehofft hatte. Max’ Suche war auch nicht erfolgreich gewesen. Die Lagerhäuser und das Einkaufszentrum waren so tot, wie sie es in einer Sonntagnacht sein sollten, und er hätte an ihnen nur vorbeifahren müssen, um das festzustellen. Dennoch waren sie ausgestiegen und hatten sich umgesehen. Tess hatte ein paar andere Ideen, wo sie suchen sollten, und Max befolgte ihre Vorschläge. Obwohl er die Augen nach der neuen Basis der Army offen gehalten hatte, waren seine Gedanken immer wieder abgeschweift. Er wünschte sich ständig, mit Liz zusammen zu sein. Er fragte sich, ob Tess dies spüren konnte. Sie wirkte ebenfalls mürrisch, als sie zurückkehrten.
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Kyle und Valenti kamen durch die Tür. Valenti grinste dabei. Dies war die einzige positive Reaktion in dieser Nacht und sie machte Max Hoffnung. »Von uns hat keiner was gefunden«, sagte Max. »Wie ist es mit Ihnen?« »Ja«, sagte Valenti. »Wir haben sie gefunden.« Kyle nickte. »Sie sind in einem der Lagerhäuser. Wir haben einen Army-Laster beobachtet, wie er eine neue Gruppe brachte.« »Sie bringen die Leute in einem Lagerhaus unter?«, fragte Tess und schauderte. »Vielleicht ist im Krankenhaus zu wenig Platz«, sagte Liz. »Welches Lagerhaus?«, fragte Max. »Direkt am Rand des Army-Stützpunkts«, erwiderte Valenti. »Wir haben uns so nahe wie möglich herangewagt«, sagte Kyle. Valenti nickte. »Wie es aussah, müssen etwa hundert von ihnen in dem Lagerhaus sein. Alle anderen sind noch immer im Krankenhaus.« Max fragte nicht, wie er diese Information bekommen hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er seinen Job gefährdet, indem er Fragen stellte. »Du hast mich nicht nach dem Krankenhaus gefragt«, stellte Maria fest. Max sah sie an. Sie zog bei seinem überraschten Gesichtsausdruck die Brauen hoch. Er musste zugeben, dass sie mit ihrer normalen Hautfarbe besser aussah. Wie sie gesagt hatte, Grün stand ihr nicht besonders. »Du warst so mit der Frage beschäftigt, wohin die Army alle gebracht hat«, sagte Maria, »dass du vergessen hast, dass ich die Personalsituation überprüfen sollte.« Er hatte es tatsächlich vergessen. Nachdem er sich den Kopf über Liz und Kyle und Tess und die in der Falle sitzende Isabel 119
und das blaue Wasser und all diese grünen Leute zerbrochen hatte, hatte sein Verstand Mühe, an irgendetwas anderes zu denken. »Nun?«, fragte er. Maria ließ sich auf ihren Stuhl sinken und grinste. »Die reguläre Nachtschicht soll um elf im Krankenhaus eintreffen. Man wird sie hineinlassen, aber ich denke nicht, dass sie die vorherige Schicht nach Hause gehen lassen.« »Ich wette, die erschöpften Krankenhausmitarbeiter werden sich freuen«, warf Alex ein. »Ich wette, sie werden total sauer sein«, fügte Michael hinzu. Max nickte. Er konnte dem nur zustimmen. »Das bedeutet«, sagte Maria laut genug, dass alle sie hören konnten, »dass es uns vielleicht gelingen wird hineinzukommen, aber ich bin nicht sicher, ob wir wieder herauskommen.« »Das ist ein Risiko, das wir eingehen müssen«, erklärte Max. »Nun, je länger wir warten, desto geringer ist die Chance, dass wir alle rechtzeitig erreichen.« Liz rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie konnte es kaum erwarten, endlich aufzubrechen. Max ging es genauso. Er wandte sich an Michael. »Ich möchte, dass du Alex und Kyle nimmst und ihr diesen Wasserwagen holt, ihn füllt, das Wasser präpariert und es in die Höhle kippt. Organisiert noch eine zweite Ladung, wenn es keine Probleme gibt, aber eine Ladung ist unbedingt erforderlich.« Michael nickte und sah dann zu Alex und Kyle hinüber, die nicht gerade begeistert wirkten, dass Michael die Führung übernahm. Max sah sie ebenfalls an. »Seid ihr beide bereit zu helfen?« »Erinnerst du dich an dieses blaue Wasser, das aus deinem Hahn kam?«, fragte Michael.
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»Ich sagte, ich bin dabei.« Kyle runzelte die Stirn, als wäre er beleidigt worden. »Ich habe meine Meinung nicht geändert.« »Und ich werde auf das Abenteuer nicht verzichten«, fügte Alex hinzu. »Aber wenn Isabel Hilfe braucht...« Er beendete den Satz nicht. Max verstand sein Dilemma, aber es war wahrscheinlich besser, Alex von Isabel fern zu halten. Schließlich brauchte Alex keinen weiteren Schlag gegen sein Ego, indem er Isabels Collegefreund traf. Sheriff Valenti warf Kyle zwei Schlüssel zu. »Der eine ist für den Wartungsschuppen. Es hat keinen Sinn einzubrechen, wenn es nicht nötig ist. Die Schlüssel für den Wasserwagen sind in einem kleinen Safe. Der zweite Schlüssel öffnet ihn.« »Danke«, sagte Max zu Valenti. Valenti zuckte nur die Schultern. »Indem ich ihnen die Erlaubnis gebe, den Laster zu benutzen, verhindere ich nur, dass sie zu viele Gesetze brechen.« »Ja, genau«, sagte Michael und lächelte den Sheriff an. Max wandte sich an Michael, Alex und Kyle. »Ihr müsst diesen Laster so schnell wie möglich wieder zurückbringen und den Schuppen abschließen.« »Kein Witz«, sagte Michael und stand auf. »Wir sorgen schon dafür, versprochen. Zwei Ladungen, wenn wir können, eine auf jeden Fall.« »Versucht, nicht gesehen zu werden«, fügte Valenti hinzu. »Ich glaube nicht, dass heute irgendjemand auf den Straßen unterwegs sein wird, aber man weiß nie.« Seine unausgesprochenen Worte schickten einen Schauder über Max’ Rücken. Wenn die falsche Person sie sah, würden sie das Heilmittel nie in die Wasserversorgung einbringen können. Max wandte sich an Liz. Sie sah so ernst aus, wie sie da saß und ihn mit großen Augen anstarrte. Sein Herz machte noch immer einen Sprung, wenn sich ihre Blicke trafen. Er fragte sich, ob es ihr genauso erging. 121
»Hast du das Zeug, mit dem sie das Wasser präparieren müssen?«, fragte er mit barscherer Stimme als gewöhnlich. Sie schenkte ihm ein flüchtiges, gekränktes Lächeln, als würde sie den Grund für seine Verdrossenheit kennen. »Direkt hier.« Sie nahm eins der Gefäße vom Tresen und reichte es Michael. »Gebt ein Glas in jede Lasterladung Wasser.« »Verstanden«, nickte er, während er Alex ein Gefäß reichte und das andere in seine Jackentasche steckte. »Gehen wir.« »Nicht ohne einen Kuss, um euch Glück zu wünschen«, sagte Maria, legte ihre Arme um Michaels Hals und küsste ihn leidenschaftlich. »Das sollte für uns drei reichen«, meinte Alex nach ein paar Sekunden. Michael löste sich schließlich, tippte Maria an die Stirn und wandte sich mit einem: »Bis später!« ab. »Wir treffen uns hier, wenn wir fertig sind«, sagte Michael, als die drei Freunde zur Tür des Cafés gingen. »Seid vorsichtig«, mahnte Maria. Max wusste, dass er sich nie daran gewöhnen würde, seine Freunde auf eine gefährliche und schwierige Mission zu schicken. Er verfolgte, wie die drei das Restaurant verließen, und wünschte sich, dass es einen anderen Weg gäbe. Aber es gab keinen. Nicht, wenn er eine Menge Menschen retten und die Aufmerksamkeit der nationalen Presse und anderer Organisationen von Roswell fern halten wollte. Und von den vier außerirdischen Teenagern. Max wandte sich an Liz. »Ich möchte, dass du zusammen mit Maria versuchst, in das Krankenhaus einzudringen.« »Ich bin dir einen Schritt voraus, großer Führer«, erklärte Maria. »Ich habe bereits die Uniformen oben zurechtgelegt. Vor ein paar Jahren habe ich freiwillig im Krankenhaus gearbeitet. Es wird kein Problem sein.«
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Liz lächelte Max an und er spürte ihre Wärme. »Ich habe genug Plasma, um alles Wasser im Krankenhaus zu präparieren«, erklärte sie und berührte die Tasche ihrer Jacke. »Wir schaffen das schon.« Liz reichte ihm drei Gefäße von Senfglasgröße. »Die sind für euch drei. Ich habe für den Notfall noch zwei weitere gefüllte Gläser oben in meinem Zimmer.« »Gut«, nickte Max und nahm die Gefäße mit seinem Blutplasma. »Danke.« Dann drehte er sich zu Tess und dem Sheriff um. »Wie’s aussieht, liegt es an uns, in den Army-Stützpunkt einzudringen und festzustellen, was wir für die Leute dort tun können.« Er gab jedem ein Glas und steckte seins dann in die Manteltasche. »Wir werden es schaffen«, versicherte Tess. »Wir sind schon mal dort eingedrungen und wieder rausgekommen.« »Das habe ich einkalkuliert«, sagte Max. »Ziehen wir uns um«, schlug Maria vor und führte Liz zur Treppe. »Wir müssen pünktlich da sein. Es wird heute Nacht einige Wunderheilungen im Roswell Hospital geben.« »Sieht aus, als wären wir darauf spezialisiert.« Liz schenkte Max ein breites Grinsen. Er lächelte nicht zurück. Sie schickte ihm weiter widersprüchliche Signale, und er hatte in dieser Nacht nicht die Kraft dafür. »Max ist darauf spezialisiert«, fügte Tess hinzu. Max spürte einen Anflug von Gereiztheit. »Ohne Liz hätten wir dieses Problem nicht gelöst«, erinnerte er sie. »Ich weiß«, sagte sie und schenkte Liz ein freundliches Lächeln. Er fragte sich, ob er sich die Schärfe ihrer vorherigen Bemerkung nur eingebildet hatte. Maria zog Liz weiter zur Küchentür. »Passt auf euch auf«, sagte Max, »und seht zu, dass ihr Isabel findet, während ihr dort seid.« 123
Am liebsten hätte er all diese Aufgaben selbst übernommen, vor allem die Suche nach seiner Schwester. »Keine Sorge«, erklärte Liz. »Sie kann gut auf sich selbst aufpassen. Zerbrich dir lieber den Kopf darüber, wie ihr in diesen Army-Stützpunkt eindringt und die Leute wieder normal macht.« Max nickte, wandte sich mit Tess an seiner Seite ab und ging zur Tür. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Dies auch zu schaffen, war eine völlig andere Sache. Isabel gelang es nicht, sitzend in einem Hörsaal zu schlafen, mit Dutzenden von Leuten, die um sie herum schnarchten und bei voller Beleuchtung. Jeden Moment erwartete sie, dass der Dozent auf die Bühne trat und mit seiner Vorlesung begann. Stattdessen blieben die Wachen auf ihren Posten, und die Leute unterhielten sich entweder leise und versuchten zu schlafen oder schliefen und schnarchten. Die Frau, die zehn Plätze zu ihrer Linken und eine Reihe weiter saß, schnarchte, als würde sie gleichzeitig husten und würgen. Sie trug keinen Ehering und Isabel konnte verstehen warum. Niemand würde mit ihr zusammen in einem Zimmer Schlaf finden können. Wenn sie entlassen wurden, würde Isabel der Frau vielleicht raten, sich untersuchen zu lassen. Sie litt womöglich an einer Art Schlafstörung. Ihr Schnarchen klang ganz und gar nicht gesund. Hinter der Frau, sechs Stühle weiter, schnarchte ein anderer Mann, der offenbar keine Schwierigkeiten hatte, im Sitzen zu schlafen, auf traditionellere Weise und ziemlich laut; er brachte sogar das Metall an den Sitzen um ihn herum zum Vibrieren. Wenn man seine Geräusche und das Husten und Würgen der Frau bedachte, war es erstaunlich, dass überhaupt jemand im Saal eingenickt war. Sie stand von ihrem Stuhl auf und streckte sich langsam, um ihren schmerzenden Muskeln und ihrem erschöpften Geist 124
etwas zu tun zu geben. Selbst ein Buch zu lesen, wäre besser, als nur Stunde um Stunde hier herumzusitzen. Sie trat aus der Reihe und ging hinunter zur Bühne, wo ein Tisch mit Getränken und Brötchen stand. Zumindest sorgte die Army bis jetzt gut für ihre Ernährung. Ein paar Männer waren vorhin wütend geworden und hatten verlangt, mit einem Verantwortlichen zu sprechen. Man hatte sie auf den Korridor gebracht, und sie waren etwa zehn Minuten später mit resignierten Mienen zurückgekommen. Isabel hörte, wie einer von ihnen sagte, dass die Ärzte dieses Hautproblem wie eine Seuche behandelten und niemand in absehbarer Zeit das Krankenhaus verlassen würde. Isabel hätte ihm das auch sagen können. In den ersten paar Stunden nach dem Abendessen waren weitere zwanzig Leute grün angelaufen und weggebracht worden. Nach dem, was Max ihr erzählt hatte, erzeugten die außerirdischen Zellen im Wasser das Problem. Jene, die sich zuletzt verfärbt hatten, mussten später mit dem kontaminierten Wasser in Kontakt gekommen sein als die, die sie hierher begleitet hatten. Oder die Zellen in ihrem Organismus brauchten länger, um sich durch ihr Hautsystem zu arbeiten. Vielleicht hatten sie auch nicht wie die anderen geduscht und volle Gläser Wasser getrunken, sondern waren stattdessen nur leicht damit in Berührung gekommen. Inzwischen zählte Isabel weniger als sechzig Leute im Saal, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich grün verfärbten, hatte sich verringert. Es sah aus, als hätte jeder in diesem Raum, der mit dem kontaminierten Wasser in Kontakt gekommen war, die Veränderung schon durchlaufen. Jetzt war es so still, dass sie immer wieder an Rob denken musste, und genau das machte ihr noch mehr Sorgen. Wenn die Soldaten einschlafen oder aufhören würden, so wachsam zu sein, würde es ihr vielleicht gelingen zu entkommen. Aber bis jetzt hatte sie nicht eine Gelegenheit dazu gehabt. 125
Vor einer Stunde war ein Ärzteteam hereingekommen und von Person zu Person gegangen, hatte Fragen gestellt und auch die Schnarchenden geweckt. Sie hatten Isabel gefragt, mit wem sie gekommen war und in welcher Beziehung sie zu Rob stand. Sie schienen zufrieden zu sein, dass es nur eine erste Verabredung gewesen war und waren weitergegangen, was Isabel ungeheuer erleichterte. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war, dass man sie wegschaffte und irgendwelchen Tests unterzog. Die Frau hinter ihr hustete und würgte und schlief dann weiter. Isabel schüttelte den Kopf, nahm ein Brötchen mit Blauschimmelkäse und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Es würde eine sehr lange Nacht werden. Aber wenn das Schlimmste, was passierte, mangelnder Schlaf war, würde sie glücklich darüber sein.
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Michael konnte erkennen, dass er seine Kräfte einsetzen musste, um das Zauntor zu öffnen. Er bedeutete Alex und Kyle, im Gebüsch hinter ihm zu warten, trat dann ans Tor und studierte das Vorhängeschloss. Er wollte das Tor wieder abschließen können, ohne dass bemerkt wurde, dass jemand hier gewesen war, also musste er es vorsichtig öffnen. Er durfte es dabei nicht zerstören. Das Fuhrparkgelände des Countys war ein umzäunter Hof, der von drei hellen, hohen Laternen beleuchtet wurde. Er lag am Ende einer Straße am Stadtrand, unweit vom Haupthighway. Ein paar Häuser entlang der Straße waren dem Highway näher, aber der Hof selbst war nur von Gebüsch, einigen Bäumen und Wüste umgeben. Die Nacht war inzwischen kalt genug, dass Michael seinen Atem sehen konnte, und seine Hände spürten den Frost der Frühlingsnacht. Er musterte das Gelände und entdeckte am Zaun in der Nähe des Tores ein Dutzend verschiedene Traktoren und Müllwagen. Ein großes Gebäude mit drei Garagentoren und einer kleineren Tür nahm den Großteil des Geländes ein; alle Eingänge lagen zum Tor hin. Valenti hatte ihm die Schlüssel für den Wasserwagen und das Gebäude gegeben, aber nicht für dieses Tor. Vielleicht hatte Valenti vergessen, dass es hier war, oder er hatte den Schlüssel einfach nicht gehabt. Nur um sicherzugehen probierte Michael an dem Schloss beide Schlüssel aus, die ihm der Sheriff gegeben hatte. Sie passten nicht einmal hinein. Im Licht zu stehen gab Michael das Gefühl, auf einer Bühne zu sein und von hundert Leuten beobachtet zu werden. Aber die Sonntagnacht um ihn herum war völlig still; nicht einmal ein Hund bellte. Und die paar Häuser, die vom Hof aus zu 127
sehen waren, hatten die Rollläden heruntergelassen, vermutlich um das Licht vom Gelände auszusperren. Michael sah kurz am Zaun entlang, um sich zu vergewissern, dass keine Überwachungskameras oder Alarmanlagen installiert waren und sich keine Hunde auf dem Hof befanden. Nichts. Oder zumindest nichts, das er sehen konnte. Sie würden noch früh genug erfahren, ob es Sicherungsmaßnahmen gab. Er legte seine Hand an das Schloss und konzentrierte sich darauf, es zu öffnen. Nach einem Moment klickte es und schnappte auf. Das Geräusch war schrecklich laut in der stillen Nachtluft. Er entfernte das Schloss und hing es an den Zaun, öffnete dann das Tor gerade weit genug, um hindurchzuschlüpfen, und bedeutete Alex und Kyle, ihm zu folgen. Dann eilte er mit großen Schritten zum Gebäude, Valentis Schlüssel in der Hand. Alex und Kyle, die einen Lärm wie Elefanten machten, holten ihn ein, als er die Tür öffnete und eintrat. »Ich hasse das«, flüsterte Kyle schwer atmend, als sie sich in der trüb beleuchteten Garage umschauten. »Ich liebe es auch nicht«, flüsterte Alex zurück. »Ihr habt euch freiwillig gemeldet«, erinnerte Michael. »Wisst ihr, ich habe solche Sachen nie getan, bevor ich euch kennen gelernt habe«, wisperte Kyle. Michael verbiss sich eine scharfe Erwiderung. Er mochte Kyle nicht besonders, aber Valenti hatte sich mehr als einmal als Freund erwiesen. Erstaunlich, dass ein Junge mit einem großartigen Dad so sonderbar sein konnte. »Denkt an die grüne Haut«, sagte Michael. »Er hat Recht«, nickte Alex. »Es sind noch Hunderte andere davon betroffen. Bringen wir es hinter uns.« »Oh, gut, kein weiteres Gejammer mehr«, sagte Michael. »Das habe ich nicht versprochen«, wehrte Alex ab.
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Der Wasserwagen stand an der gegenüberliegenden Wand der Garage neben zwei Müllwagen. An der Wand befand sich ein großer Wasserhahn mit einem kurzen Schlauch, der in den Tank des Wasserwagens führte. Eine logische Vorrichtung. So konnte man den Wasserwagen füllen, bevor man ihn aus der Garage fuhr. Es sparte Geld, Zeit und Treibstoff. Es schien für die Regierung fast zu logisch zu sein. Michael stieg die schmale Leiter an der Seite des Tankwagens hinauf und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe, die er mitgebracht hatte, in den offenen Tank. »Leer.« »Natürlich lassen sie ihn nicht voll herumstehen«, sagte Kyle. »Der Tank würde sonst zu schnell rosten und die Reifen zu stark belastet werden.« Ja, Michael verstand dies, aber er wünschte sich, nur einmal problemlos ans Ziel zu kommen. Je länger sie in der Garage blieben, desto wahrscheinlicher war es, dass sie erwischt wurden. Selbst Valenti hatte sich deswegen Sorgen gemacht. Er hatte sie gemahnt, sich nicht sehen zu lassen. Zum Teufel, gesehen zu werden war nicht das Problem. Gehört zu werden war das größere Risiko. Den Tankwagen zu füllen würde nicht ohne Lärm abgehen. »Schwingt diesen Schlauch herüber, damit wir anfangen können«, sagte Michael. Der Schlauch war größer und schwerer als ein Feuerwehrschlauch, und Alex und Kyle mussten ihn gemeinsam hochwuchten, damit Michael ihn in den Tankstutzen des offenen Wasserwagens stecken konnte. »Ich glaube, es wird anders gemacht«, sagte Alex, als sie fertig waren. »Ich habe vergessen, die Gebrauchsanweisung zu lesen«, brummte Michael. »Dreht das Wasser auf. Langsam. Ich will sicher gehen, dass alle Ventile geschlossen sind.« 129
Alex drehte den großen Hahn auf. Das Rauschen des Wassers schien das Gebäude zu erfüllen und hallte in dem Laster wider, als es auf den Boden des Tanks traf. Michael war überzeugt, dass der Lärm noch an der Highschool zu hören war. »So viel zur Heimlichkeit«, bemerkte Kyle. Michael kletterte vom Tank und ging nach hinten zu den Ventilen, mit denen das Wasser abgelassen werden konnte. Sie waren geschlossen und der Wagen füllte sich langsam. »Dreht den Hahn ganz auf«, befahl Michael. »Sonst dauert es noch die ganze Nacht.« Alex drehte den Wasserhahn voll auf, und der Lärm steigerte sich zu einem Brüllen, das das gesamte Gebäude zu erschüttern schien. »Ist das eigentlich normal?« Kyle schrie fast. Michael bedeutete ihm, leise zu sein. Der Lärm des Wassers war schon laut genug. Jetzt auch noch zu brüllen, würde ihnen nicht helfen. Er ging zu Kyle hinüber und brachte seinen Mund dicht an sein Ohr. »Halte an der Tür Wache, aber öffne sie nur einen Spalt weit.« Kyle nickte und wandte sich zur Tür, während Michael wieder auf den Laster kletterte, um zu sehen, wie hoch das Wasser stand. Überrascht stellte er fest, dass der riesige Tank halb voll war. Und der Pegel stieg rasch weiter. Der Truck stöhnte und ächzte unter dem zunehmenden Gewicht. Er bedeutete Alex, ihn im Auge zu behalten, und als das Wasser die Drei-Viertel-voll-Marke erreichte, signalisierte er Alex, die Zufuhr langsam zu verringern. Alex gehorchte, aber der Wasserpegel erhöhte sich dennoch schnell.
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Michael gab ihm das Zudrehen-Zeichen, und Alex kam der Aufforderung sofort nach. Abrupt herrschte wieder Stille in der Garage. Die Stoßdämpfer des Lasters knarrten ein paar Mal, als das Wasser im Tank hin und her schwappte und sich allmählich beruhigte. Michael leuchtete erneut mit der Taschenlampe in die Öffnung. Der Pegel stand dicht unter der Dachluke. Perfekt. Michael zog den Schlauch heraus und ließ ihn an der Seite des Tankers nach unten gleiten und gegen die Wand prallen. Es klang wie ein Gewehrschuss und ließ Kyle und Alex zusammenzucken. »Tut mir Leid!«, flüsterte Michael laut, sodass seine Worte widerhallten. »Wir sind tot«, hörte er Kyle mehr zu sich als zu jemand anders sagen. »Keine Lecks?«, wisperte Michael Alex zu. »Ich kann keine sehen oder hören«, flüsterte Alex zurück. »Und glaube mir, an diesem Ort würde ich es hören.« Michael nickte und zog eins der Gefäße mit Max’ Plasma aus der Tasche, das Liz ihm gegeben hatte. Er kippte es ins Wasser, schloss dann vorsichtig den Deckel des Tanks und verriegelte ihn, bevor er nach unten kletterte. »In Ordnung, öffnen wir jetzt das Garagentor«, sagte Michael. »Kyle, schließ die Tür und sperr sie ab.« Kyle tat, wie ihm befohlen, und gesellte sich dann zu ihnen. Michael wartete mit den Lasterschlüsseln in der Hand, bis sie alle zusammen waren und er leise sprechen konnte. »Ich werde den Motor des Trucks anlassen. Alex, du öffnest das Garagentor. Und währenddessen, Kyle, öffnest du das Zauntor.« »Wir schließen sie hinter dir, richtig?«, fragte Alex. »Absolut«, bestätigte Michael. »Und verriegelt auch das Zauntor.« 131
Kyle nickte. »Und rennt nicht«, mahnte Michael. »Wir müssen für jeden, der in den Häusern am Ende der Straße wohnt, wie drei Arbeiter aussehen, die in einer Sonntagnacht aus irgendeinem seltsamen Grund den Truck herausholen.« Alex und Kyle nickten. »In Ordnung, tun wir’s«, sagte Michael, stieg ins Fahrerhaus des Lasters und setzte sich. Alex und Kyle gingen zu den Kontrollen des Garagentors und warteten. Michael brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, die Schlüssel zu finden und sich zu vergewissern, wie viele Gänge der Wagen hatte. Mit dieser schweren Wasserlast musste er eine Menge Leistung erbringen und er wollte das Getriebe nicht beschädigen. Der Truck an sich würde schon genug Lärm machen, auch ohne dass er den falschen Gang einlegte. Schließlich war er bereit. Mit einem tiefen Atemzug drehte er den Schlüssel um. Der Motor des Lasters stotterte und sprang dann an. Er war offenbar perfekt eingestellt und gewartet. Das Dröhnen klang, als würde er in der Nähe eines Flughafens stehen, von dem Flieger starteten. Michael hatte noch nie etwas Ähnliches gehört. Kyle hielt sich die Ohren zu, als Alex das große Garagentor für den Wasserwagen öffnete. Es knarrte und quietschte so laut, dass Michael es sogar über den Lärm des Lastermotors hören konnte. Sie konnten diesen Truck unmöglich heute Nacht hierher zurückbringen. Sie würden ihn auf der Straße stehen lassen müssen, damit ihn am Morgen jemand fand, sofern die Polizei die Straße nicht schon gesperrt hatte. Kyle duckte sich durch das teilweise geöffnete Garagentor und eilte zum äußeren Tor. Sobald das Tor über Michaels Augenhöhe war, legte er den ersten Gang ein, ließ die Kupplung los und gab langsam Gas,
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damit der Truck und die extrem schwere Wasserladung nicht ruckartig nach vorn schossen. Der Laster rollte zum Tor, als Alex nach draußen trat und wartete, bis er das Tor hinter ihm schließen konnte. Kein Blaulicht drang vom Highway, und die Rollläden der Nachbarn blieben weiter geschlossen. Offenbar waren die Nachbarn daran gewöhnt, dass mitten in der Nacht im Fuhrpark gearbeitet wurde. Michael steuerte den Laster langsam aus der Garage in Richtung Zauntor. Als er die Schwelle passierte, sah er, wie Alex den Knopf drückte, mit dem sich das Tor senken ließ, und dann auf das Trittbrett der Beifahrerseite sprang und die Tür öffnete. »So weit, so gut«, sagte er. Kyle hatte die Hand auf das offene Zauntor gelegt und blickte drein, als hätte er ein Gespenst gesehen. Sie konnten von Glück reden, wenn er keinen Herzanfall bekam. Michael steuerte den Truck im niedrigen Gang durch das Tor, hielt dann an und wartete, bis Kyle zu ihnen stieß. Als er sie erreicht hatte, sah Michael ihn an. »Tor abgeschlossen?« »Tor abgeschlossen«, bestätigte Kyle mit schriller Stimme, die den Lärm des Lasters übertönte. »Garagentor geschlossen?«, fragte Michael. »Geschlossen und verriegelt«, nickte Alex. »Dann liefern wir unsere Ladung ab«, sagte Michael, während er den Laster wieder in Bewegung setzte und Richtung Highway fuhr. Liz stand vor den Posten am Personaleingang des Krankenhauses. Die gestreifte Uniform fühlte sich seltsam auf ihrer Haut an. Sie und Maria hatten nur leichte Jacken getragen und die frostige Nachtluft stach an ihren Beinen und Händen.
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Sie hatte nicht erwartet, draußen in einer Schlange warten zu müssen. Vor ihnen war gerade eine Schwester durchgewunken worden und fünf weitere standen hinter ihnen. Die Nachtschicht traf ein. Sie hatten entschieden, dass Maria das Reden für sie übernehmen sollte. Liz spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie wusste nicht, warum. Das Schlimmste, das passieren konnte, war, dass man sie abwies und sie eine andere Methode finden mussten, den Leuten im Krankenhaus das Heilmittel zu bringen. Aber bis jetzt hatten sie noch nicht gesehen, dass eine Schwester zu ihrem Wagen zurückgeschickt wurde. »Name, Stockwerk und Beruf«, sagte der Posten. Er hielt ein Klemmbrett in der Hand. Maria lächelte den Mann an, nannte ihre Namen und sagte dann: »Wir sollen im Säuglingssaal und auf der Kinderstation babysitten. Man hat uns angerufen, weil die dort arbeitenden Ärzte und Schwestern bei irgendeinem Notfall gebraucht werden. Ich schätze, dieser Notfall hat irgendetwas damit zu tun, dass Sie hier sind, hm?« Der Posten nickte und überflog seine Liste. »Ich sehe Ihre Namen hier nicht.« »Natürlich nicht«, sagte Maria. »Man hat uns gerade erst angerufen.« »Alle zusätzlichen Mitarbeiter stehen auf meiner Liste«, erklärte der Posten. Maria verdrehte die Augen. »Sie brauchen dort drinnen Hilfe. Ich bin sicher, dass sie sehr beschäftigt sind. Glauben Sie, die Ärzte haben Zeit, Sie in jeder Minute auf den neuesten Stand zu bringen?« Er hatte von seiner Liste nicht aufgeblickt. Liz trat von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. »Wozu der Aufstand?«, fragte Maria mit ihrer überzeugendsten Was-kümmert-es-mich-Stimme. »Wir 134
kommen nur zur Arbeit. Ist der Notfall so schlimm, dass Sie keine zwei zusätzlichen Helfer brauchen können, die für die Kinder sorgen?« »Im Gegenteil«, erwiderte der Posten. »Das Problem ist, dass Sie vielleicht nicht zu Ihrer normalen Zeit gehen können, wenn diese Sache nicht geklärt wird. Um genau zu sein, es besteht die Möglichkeit, dass sie auch noch morgen hier bleiben müssen.« Liz zuckte die Schultern und tat so, als wäre es ihr egal. »Lange aufbleiben und morgen die Schule versäumen?«, fragte Maria. Sie streckte ihren Arm aus. »Hier, verdrehen Sie ihn, damit ich länger als gewöhnlich bleiben muss. Bitte.« Der Soldat lächelte sogar und sah dann Liz an. »Haben Sie etwas dagegen, länger als erwartet hier zu bleiben?« Liz schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Ich würde lieber hier aushelfen, als morgen den Mathetest zu schreiben. Solange ich meine Mom anrufen kann, wenn es zu spät wird.« Der Posten nickte. »Kein Problem. In Ordnung, geben Sie mir Ihre Namen, und dann können Sie zur Arbeit gehen.« Erneut wiederholte Maria ihre Namen, und er schrieb sie auf sein Blatt, um sie dann hineinzuwinken, während er seine Aufmerksamkeit den nächsten Krankenhausangestellten in der Schlange zuwandte. »Das war zu einfach«, flüsterte Liz, als sie durch den Korridor eilten. »Hineinzukommen ist kein Problem«, sagte Maria. »Aber du hast niemand hinausgehen sehen, oder?« Liz wusste, dass dies ein sehr guter Einwand war. Wie der Posten sie schon gewarnt hatte, es würde einige Zeit dauern, bis sie wieder hinauskamen. Aber sie konnten es beschleunigen, indem sie alle heilten. Maria führte Liz durch den Korridor und in den Personalraum. Niemand war im Moment dort, und so hingen sie ihre Jacken an einen Kleiderständer. Dann führte Maria sie 135
durch einen Seitengang zu einer Art kleiner Küche mit Servicebereich. »Was tun wir hier?«, flüsterte Liz, als Maria einen Wasserkarren herauszog. Er stand in einer langen Reihe von Karren, die aussahen, als würden sie in dieser Etage für Patienten benutzt, die Pillen nahmen. Sie hatten Regale unter dem Wasserbehälter, auf denen wahrscheinlich das Essen transportiert wurde. Maria öffnete einen der großen, silbernen Wasserbehälter. »Fast voll. Gib in jeden ein paar Tropfen des Heilmittels hinein für den Fall, dass sie später benutzt werden.« Liz tat, wie Maria ihr geheißen, und gab einen einzigen Tropfen in jeden Behälter, während Maria den ersten Karren mit einer Menge Pappbecher ausrüstete und dann einen zweiten vorbereitete. »Warum zwei?«, fragte Liz, als sie fertig war, jeden Wasserbehälter mit dem Heilmittel zu präparieren. »Die infizierten Leute sind bestimmt nicht in Einzelzimmern untergebracht«, sagte Maria. »Es sind einfach zu viele. Wenn wir entdecken, wo die Hauptgruppe fest gehalten wird, können wir uns trennen und das Heilmittel schneller verteilen.« Liz nickte. Das ergab Sinn. Offenbar hatte Maria gründlich darüber nachgedacht, was sie tun mussten, sobald sie im Krankenhaus waren. Liz hatte erwartet, dass sie improvisieren würden. »Wo fangen wir an?«, fragte Liz. »Mit den Zimmern, vor denen Posten stehen«, erklärte Maria. »Sobald wir ein paar von den Grünhäutigen geheilt haben, wird sich alle Aufmerksamkeit auf sie richten.« »Sodass niemand auf uns achten wird, wenn wir der größeren Gruppe helfen?«, fragte Liz. Es klang wie ein ziemlich lahmer Plan, aber zumindest war es ein Plan. »Das ist das Konzept«, sagte Maria und lächelte Liz an. »Natürlich nur, wenn wir die Hauptgruppe nicht zuerst finden.« 136
»Okay«, nickte Liz. Ihr Magen zog sich noch mehr zusammen. »Gib noch ein paar zusätzliche Tropfen in unsere Behälter«, fügte Maria hinzu. »Ich will sichergehen, dass Max’ Streitkräfte genug Energie haben, um den Job zu erledigen.« Liz lachte, tat aber, was Maria vorgeschlagen hatte. »Fertig?«, fragte Maria. »So fertig wie ich nur sein kann«, sagte Liz. »Setz ein Lächeln auf und blick unschuldig drein«, sagte Maria. »Wir sind bloß Wassermädchen und wissen nichts, verstanden?« Liz versuchte zu lächeln, aber sie konnte spüren, dass ihr nur eine schiefe, besorgte Grimasse gelang. »Du brauchst Schauspielunterricht«, stellte Maria kopfschüttelnd fest. »Überlass mir das Reden. Du spielst einfach das dumme Helferlein.« »Spielen?«, fragte Liz und kam sich genau wie das dumme Helferlein vor. Sie hatte ihr Bestes getan. Jetzt war es Zeit, Marias einnehmende Persönlichkeit einzusetzen. Maria lachte den ganzen Weg durch den Korridor, während sie den ersten Karren schob. Liz folgte ihr mit dem zweiten Karren und tat ihr Bestes, um nicht gegen die Wand zu stoßen.
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Max saß neben Tess in Valentis Truck und blickte nach vorn, als der Posten durchs Fahrerfenster sah. Max spürte, wie sich sein Magen zusammenzog, als Tess an seiner Seite ihre Kräfte einsetzte, um dem Posten weiszumachen, dass Valenti zwei Generäle in den Stützpunkt brachte, nicht zwei Highschoolkids. Es war ein erstaunliches Talent. Max wünschte, er wüsste, wie es funktionierte. Er wollte außerdem nicht zugeben, wie nervös es ihn machte. Manchmal schien es einfach zu leicht zu sein. Und sie tat so, als wäre es nichts. Er zumindest wusste, dass seine Kräfte seltsam waren. »Sheriff«, sagte der Posten und nickte. »Generäle. Fahren Sie weiter.« Dann trat der Posten zu Max’ Überraschung zurück und salutierte. »Danke«, sagte Valenti sichtlich erleichtert, als der Posten den Gruß beendete und das Tor öffnete. An Max’ Seite stieß Tess die Luft aus und sank ein wenig in sich zusammen, während Valenti den Truck durch das Tor steuerte. Der Stützpunkt wirkte betriebsamer als sonst. Max hatte auf dem Gelände noch nie so viele Trucks herumfahren gesehen. Allein hier zu sein machte ihn nervös. »Das war schwerer, als es hätte sein sollen«, sagte Tess. Sie klang erschöpft. Max fühlte sich ein wenig schuldig. Er hatte ihr gerade in Gedanken vorgeworfen, keinen richtigen Respekt vor ihren Kräften zu haben. Der Sheriff warf Tess einen besorgten Blick zu. Er war für sie fast ein Vater geworden, und Max wusste, dass Valenti das Gefühl hatte, sie beschützen zu müssen. 138
»Warum war es schwer?«, fragte Max. »Weil es drei waren«, erklärte Tess. »Der Posten und die beiden an den Monitoren im Wachhäuschen. Ich musste alle von der Scharade überzeugen.« »Gute Arbeit«, lobte Max und tätschelte ihr Bein. Sie legte ihre Hand auf seine. Er wollte sie zurückziehen, überlegte es sich dann aber anders. Er brauchte heute Nacht die volle Kooperation aller. Der Sheriff steuerte den Truck in eine Seitenstraße, die in die ungefähre Richtung führte, wo sie die infizierte Gruppe vermuteten. Niemand schien sie zu beachten, und warum sollte es auch jemand tun? Sie waren in einem Truck in einem ArmyStützpunkt, einer Basis voller Fahrzeuge, die ankamen und wegfuhren. »Trotzdem«, sagte Tess. »Es war schwerer, als es hätte sein sollen.« Max bedachte sie mit einem besorgten Blick. Sie hatte Schatten unter den Augen, die vorher nicht da gewesen waren. »Nun, wir sind drin«, sagte Valenti. Er parkte den Truck vor der Wand eines Lagerhauses, stellte den Motor ab und löschte die Scheinwerfer. Die Nacht umfing sie mit Stille und fast pechschwarzer Finsternis. Dieser Teil des Stützpunkts schien leer zu sein. »Was jetzt?« Max sah sich um und wartete, bis sich seine Augen an die Lichtveränderung gewöhnt hatten. Das Gebäude vor ihnen war nicht mehr als ein vager schwarzer Schatten ohne Licht. Die Laternen am Haupttor ließen ein anderes Gebäude zu ihrer Rechten wie eine Silhouette erscheinen. »Wo werden sie von hier aus gesehen fest gehalten?«, fragte Max. »Drei Gebäude weiter nach links«, antwortete Valenti. »Aber es wird sehr streng bewacht.« Max berührte Tess erneut. »Glaubst du, du kannst die Illusion noch eine Minute aufrechterhalten?« 139
»Wenn dort nicht mehr als zwei oder drei Posten sind«, sagte Tess. »Und wir beide müssen außerdem die entsprechende Rolle spielen.« »Verstanden«, nickte Max. »Gehen wir näher und sehen uns an, mit wem wir es zu tun haben.« Das Licht im Fahrerhaus blendete sie einen Moment, als sie die Türen öffneten und ausstiegen. Das Zuschlagen der Tür klang in der stillen Nachtluft so laut, dass Max sicher war, dass es die bewaffneten Posten alarmieren würde. Aber niemand tauchte auf. Sie wandten sich nach links und folgten der schmalen Straße, als würden sie hierher gehören. Max hatte gelernt, dass es auf einer Militärbasis das Beste war, so zu tun, als gehörte man dazu. Nur Posten, deren Job es war, jeden zu befragen, hielten einen auf. Alle anderen waren so darauf gedrillt, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, dass sie niemand beachteten, die aussahen, als wüssten sie, was sie taten, selbst wenn es ein Sheriff und zwei Highschoolkids waren. Am Rand des dritten Gebäudes blieb Valenti stehen, und sie spähten vorsichtig um die Ecke, wobei sie darauf achteten, im Schatten zu bleiben. »Zwei Posten am Haupteingang«, stellte Valenti fest. »Wahrscheinlich noch mehr im Innern.« »Ergibt Sinn«, nickte Max. Er musterte das offene Gelände zwischen ihrer Position und dem Ziel. Das Lagerhaus sah wie ein typisches Army-Gebäude aus. Zwei Krankenwagen parkten mit erloschenen Scheinwerfern an einer Seite. Ansonsten hätten die Posten, wie es aussah, auch ein leeres Gebäude bewachen können. »Sie haben nicht den Auftrag, die Leute am Betreten zu hindern«, erinnerte Tess, »sie sind da, um die Infizierten am Verlassen zu hindern.« »Also gehen wir als Generäle rein«, sagte Valenti.
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»Zu schwierig«, entgegnete Max und warf erneut einen Blick zum Haupteingang, hinter dem die Infizierten fest gehalten wurden. Er hatte einen vagen Plan, wie sie hineinkommen konnten. »Wäre es leichter, uns als Ärzte auszugeben?« »Ja«, bestätigte sie. »Ich muss dann nicht so viele Erwartungen erfüllen. Sie werden es wahrscheinlich nicht bemerken.« »Für uns wäre es auch leichter, die Rollen zu spielen«, sagte Max. »Es dürfte dann auch nicht auffallen, wenn du ein paar kleine Fehler machst.« Sie lächelte ihn an, als glaubte sie, dass er diesen Vorschlag gemacht hatte, um ihr zu helfen. Er musste zugeben, dass dies nicht sein erster Gedanke gewesen war. Er machte sich hauptsächlich Sorgen um ihre Fähigkeit, sie in das Lagerhaus zu bringen. »Diese Gebäude haben gewöhnlich einen ersten Stock, nicht wahr?«, fragte Max Valenti. »Jene, in denen ich gewesen bin, haben eine Art Laufsteg, einen Galeriebereich«, erwiderte Valenti. »Normalerweise werden dort die Wachen postiert und die Experimente überwacht.« »Daran kann ich mich auch erinnern«, sagte Max. »Normalerweise liegt hinter einer Tür rechts vom Haupteingang die Treppe.« Valenti nickte. »Ja.« »Wir gehen als Ärzte rein«, erklärte Max, »die Sie, Sheriff, vom Krankenhaus hergebracht haben. Wir sind nur da, um von oben zu beobachten.« Valenti nickte erneut. »Klingt gut.« Max war froh, dass Valenti bei ihm war. Der Mann hatte einen guten Riecher für das Mögliche. Max wandte sich an Tess. »Schaffst du das?« »Ich schaffe es«, bestätigte sie. Max holte tief Luft. »In Ordnung, tun wir’s.« 141
Sie marschierten los, als gehörten sie hierher, bogen um die Ecke und näherten sich dem Eingang. »Ich hab’ sie«, sagte Tess leise neben Max. Das bedeutete, dass sie den Posten die Illusion eingab, dass sich Ärzte näherten. »Lassen Sie sich Namen für uns einfallen«, flüsterte Max Valenti zu, ohne den Kopf zu drehen, als sie die halbe Strecke zum Eingang hinter sich hatten. »Wir sind aus Albuquerque.« Valenti nickte, ohne seine Schritte zu verlangsamen. Am Eingang schienen die Posten vom Anblick der drei Leute, die sich ihnen näherten, nicht beunruhigt zu sein. Offenbar ging es ihnen nur darum, die Infizierten im Gebäude fest zu halten, und nicht, andere Leute am Eintreten zu hindern. »Ich bin Sheriff Valenti«, sagte er, als sie die Posten erreichten. »Das sind die Doktoren Benning und Stevens vom Albuquerque General. Sie sind zum Beobachten hier.« Einer der Posten nickte und öffnete sogar für sie die Tür. »Durch die rechte Tür und die Treppe hinauf«, erklärte die Wache und nickte ihnen zu, als sie die Tür passierten. »Danke, Soldat«, sagte Valenti, ohne langsamer zu werden. Tess und Max nickten dem Soldaten zu, der ihnen die Tür aufhielt, sagten aber nichts. Der Raum im Innern roch wie ein altes Lagerhaus. Direkt gegenüber lag eine unbewachte Tür. Max nahm an, dass es auf der anderen Seite dieser Tür mindestens einen Posten gab, um zu verhindern, dass die Erkrankten das Gebäude verließen. Rechts war eine weitere Tür. Valenti öffnete sie und sah ein nach oben führendes Treppenhaus. Als sie die Hälfte der Treppe erstiegen hatten und die Tür hinter ihnen geschlossen war, gab Tess einen tiefen Seufzer von sich. »Viel einfacher als Generäle«, sagte sie flüsternd. »Gute Arbeit«, lobte Max, während er dicht hinter Valenti die Treppe hinaufstieg.
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Am Ende bedeutete Valenti ihnen, ihn zuerst gehen zu lassen, da es keine Tür gab. Max und Tess warteten. Der muffige Geruch des Lagerhauses war jetzt stark ausgeprägt. »Alles klar«, wisperte Valenti. Max stieg hinauf und trat an Valentis Seite. Sie standen im Schatten, und angesichts des grellen Lichtes bezweifelte Max, dass man sie von unten sehen konnte. Der Anblick war erstaunlich und überwältigend. Mindestens hundert Pritschen waren in Reihen auf dem Betonboden des Lagerhauses aufgestellt worden. Auf jeder Pritsche lag ein grünhäutiger Mensch. Zwischen ihnen bewegten sich drei oder vier Leute in weißen Laborkitteln. Fast alle schliefen, obwohl ein paar auf den Pritschen saßen und einige andere lasen. Es roch wie in einem Krankenhaus oder als hätte jemand vor kurzem zu viel Reinigungsmittel benutzt. Etwa alle sieben Meter waren bewaffnete Wachen im Raum postiert. Alle Türen in dem großen Saal wurden auf beiden Seiten bewacht. »Wie sollen wir allen das Heilmittel geben?«, flüsterte Tess. »Keine Ahnung«, gestand Max, während er das Bild in sich aufnahm. Es sah nicht so aus, als gäbe es einen Weg, all diese Leute zu erreichen. »Wir werden nicht nach unten gehen, das steht fest«, sagte Valenti. Max musste dem zustimmen. Doch irgendwie mussten sie nach unten gelangen, um den Leuten das Heilmittel zu geben. Nach unten gelangen und wieder verschwinden, ohne erwischt zu werden. Unmöglich war das einzige Wort, das ihm dazu einfiel. Liz war erstaunt, wie viele Militärwachen überall im Krankenhaus postiert waren. In jedem Korridor schienen 143
mindestens zwei zu stehen, und jeder von ihnen trug ein Gewehr. Andere standen vor den Türen. Der Anblick der bewaffneten Wachen in den sauberen Krankenhauskorridoren ließ ihren Magen sich noch mehr zusammenziehen. Wenn sie und Maria damit durchkamen, würde sie noch tagelang ein Nervenbündel sein. Maria, pfeifend und lächelnd, als gäbe es keine Sorgen oder Probleme auf der Welt, passierte den ersten Posten mit einem: »Hi, Soldat!« Der Mann reagierte nur mit einem Kopfschütteln. Liz ging ohne ein Wort an ihm vorbei, den Blick auf ihren Karren gerichtet. Alle Türen im Korridor standen offen, und die ersten Zimmer hinter dem Posten enthielten grünhäutige Patienten. Liz nahm an, dass die grünhäutigen Leute in den Einzelzimmern entweder zuerst gekommen waren oder von den Ärzten intensiven Tests unterzogen wurden. Maria hielt ihren Karren an, füllte einen Becher mit Wasser und betrat das Zimmer, als wüsste sie genau, was sie machte. Liz schob ihren Karren an Marias vorbei, stoppte an der Tür auf der anderen Seite des Korridors, füllte ebenfalls einen Becher mit Wasser und ging in diesen Raum. Die ganze Zeit schien der Blick des Postens sie zu durchbohren. Sie konzentrierte sich auf ihre Aufgabe und sah ihn nicht an. Die Patientin in dem Zimmer schlief. Sie musste etwa siebzig sein und war sehr dünn. Die grüne Haut verbesserte ihr Aussehen auch nicht gerade. Sie atmete schwer und war an einen Herzmonitor angeschlossen, der leise piepte. Liz wollte sie nicht wecken, trat ans Bett und tat so, als würde sie etwas verschütten. Ein paar Tropfen landeten auf dem grünen Arm der Frau. Das sollte reichen. Die Frau rührte sich nicht. Liz stellte den Becher auf das Tablett der Frau und ging. 144
Maria hatte ihren ersten Raum bereits wieder verlassen und schob ihren Karren durch den Korridor zum nächsten Zimmer. Liz ignorierte erneut den Soldaten, der mit dem Gewehr an der Wand stand, füllte einen weiteren Becher und betrat den nächsten Raum. Die Person in diesem Zimmer war ein Mann etwa im Alter ihres Dads; er war wach und las. Seine Haut war dunkelgrün und sein Haar braun und silbern meliert. »Wasser, Sir«, sagte Liz. »Ich bin nicht durstig«, antwortete der Mann ohne aufzublicken. »Oh, der Arzt sagte, Sie müssen das hier trinken«, erklärte Liz. »Wenigstens einen Schluck, damit ich ins nächste Zimmer gehen kann.« Der Mann nahm mit sichtlichem Missvergnügen den kleinen Wasserbecher, leerte ihn, zerdrückte den Becher und warf ihn in einen Abfalleimer. »Vielen Dank, Sir«, sagte Liz. Er sprach kein Wort, sondern las einfach weiter. Als sich Liz mit einem Lächeln abwandte, hatte sie keinen Zweifel, dass er in ein paar Minuten viel glücklicher sein würde. Sie klapperten jedes Zimmer im Korridor ab und fragten sich gerade, wohin sie als Nächstes gehen sollten, als eine Schwester mit einer Haube um die Ecke kam. »Wasser?«, sagte sie. »Gut, sie brauchen welches im Hörsaal. Sie haben fast nichts mehr.« Sie wies den Korridor hinunter und ging an ihnen vorbei. Offenbar war sie sehr beschäftigt. Hinter ihnen, aus dem Zimmer mit dem lesenden Mann, drang ein Schrei. »Schwester! Doktor!« Maria grinste Liz an. »Ich schätze, ein Glas Wasser am Tag leistet mehr, als die Werbung behauptet.«
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»Gehen wir zu diesem Hörsaal«, schlug Liz vor und schob ihren Karren in die Richtung, in die die Schwester gezeigt hatte. In diesem Korridor lagen hauptsächlich Büros, deren Türen geschlossen und Lichter gelöscht waren. Zwei Posten standen vor einer Doppeltür. »Man hat uns gesagt, wir sollen Wasser in den Hörsaal bringen«, erklärte Maria einem jungen Soldaten mit blonden Haaren und hellblauen Augen. »Hier herein«, sagte der Posten, trat zur Seite und öffnete ihnen die Tür. »Vorsicht, der Boden ist abschüssig.« »Danke, Süßer«, erwiderte Maria und lächelte den jungen Mann an. Dieser Soldat erwiderte ihr Lächeln und grinste auch Liz an, als sie ihre Karren durch die Tür schoben, bevor er sie hinter ihnen schloss. Im Innern sah Liz verblüfft etwa fünfzig Leute, alle mit normaler Hautfarbe, von denen die meisten auf den Stühlen des großen Hörsaals schliefen. Wasser und Essen standen auf einer Bühne an der Stirnseite bereit. Einige Leute schnarchten so laut, dass es in dem Saal widerhallte. »Hier muss auch Isabel sein«, flüsterte Maria, damit der Posten, der an der Wand stand, sie nicht hören konnte. Liz musterte die Leute, während sie ihre Karren an den Stühlen vorbei und eine Rampe hinunter zur Bühne schoben. Sie sah Isabel nicht, bis sie und Maria fast vorn waren. Isabel entdeckte sie nahezu gleichzeitig. Ihr Gesicht leuchtete überrascht auf und sie erhob sich und tat so, als würde sie sich strecken. Dann trat sie gelassen aus der Reihe und ging nach vorn, wo Wasser und Essen bereit standen. Liz sah sich um, als Maria ihren Karren so abstellte, dass alle von ihm trinken konnten. Keiner der Posten schien ihnen irgendwelche Beachtung zu schenken. Die meisten sahen aus, als würden sie im Stehen schlafen. 146
»Es ist wirklich toll, euch zu sehen«, flüsterte Isabel, als sie sich ein Brötchen nahm. »Was macht ihr hier?« »Wir verteilen ein Heilmittel«, flüsterte Maria zurück und tätschelte den Wasserbehälter auf ihrem Karren. »Funktioniert es?«, fragte Isabel sichtlich verblüfft. »Wie ein Zauber«, wisperte Maria. »Von grün zu normal in weniger als fünf Minuten. Wir benutzen Max’ Plasma.« »Erstaunlich«, sagte Isabel leise und schüttelte den Kopf, während sie so tat, als könnte sie sich nicht zwischen den Käsebrötchen entscheiden. »Wie seid ihr hier reingekommen?« »Reinzukommen ist leicht«, sagte Liz. »Ja, rauszukommen ist eine andere Sache«, fügte Maria hinzu. »Aber wenn wir dieses Zeug an alle verteilen, haben sie keinen Grund mehr, uns festzuhalten.« Isabel nickte. »Ich wünschte, ich könnte helfen.« »Das kannst du«, flüsterte Liz. »Sorg dafür, dass alle in diesem Raum entweder dieses Wasser trinken oder ein paar Tropfen auf ihre nackte Haut geben, nur für den Fall, dass sie infiziert sind, sich aber noch nicht verfärbt haben. Beide Methoden funktionieren.« Isabel blickte zu den größtenteils schlafenden Leuten hinüber und nickte. »Das wird schwierig werden, aber ich schätze, ich kann ein wenig Zeit opfern und mich darum kümmern.« »Ich denke nicht, dass Zeit ein Problem ist«, wisperte Liz. »Wenigstens nicht für diese Leute. Jene, die sich bereits grün verfärbt haben, sind eine andere Sache.« Isabel drehte sich um und sah sie direkt an. »Willst du damit sagen, dass das Grün permanent werden kann?« »Wenn wir sie nicht rechtzeitig mit diesem Wasser behandeln«, bestätigte Maria. Liz nickte nur. »Und wenn jemand vorher grün wird«, fügte Maria hinzu, »benetze ihn mit dem Wasser, bevor er nach draußen gebracht wird. Es ist nur ein Tropfen oder so nötig.« 147
»Das werde ich tun«, versprach Isabel. »Viel Glück.« Mit diesen Worten nahm sie ein Käsebrötchen vom Tisch, ein Glas Wasser von Marias Karren und kehrte zu ihrem Platz zurück. Liz folgte Maria und schob ihren Karren wieder die Rampe hinauf zu der Tür, durch die sie hereingekommen waren. Sie mussten noch eine Menge Leute finden. Es würde eine lange Nacht werden, wenn sie nicht erwischt wurden. Und noch länger, wenn sie erwischt wurden.
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Michael schlich vorsichtig am Waldrand entlang zurück zu der Stelle, wo er den Wasserwagen geparkt hatte, und versuchte dabei im Gebüsch so wenig Lärm wie möglich zu machen. Glücklicherweise war die Nacht recht dunkel und gab ihm gute Deckung. Nach dem, was er in der Nähe der Höhle gesehen hatte, würden sie alle Hilfe brauchen, die sie bekommen konnten. Die Luft roch nach Kiefern und frischem Harz, als hätte jemand Bäume gefällt. Da war außerdem ein lehmiger Geruch, der ihn an den Herbst erinnerte. Das ergab Sinn, nahm er an. Auf dem Boden lagen wahrscheinlich Blätter, die in den letzten Monaten verrottet waren. Niemand beseitigte sie hier wie in der Stadt. Oben auf dem Highway hatte Kyle geglaubt, Lichter zwischen den Bäumen bei der Höhle zu sehen, und Michael hatte entschieden, dass es besser war, dies zuerst zu überprüfen. Er war auf dem Highway geblieben und an der Ausfahrt vorbei zu einer Stelle gefahren, die ein paar hundert Meter weiter auf einer kleinen Anhöhe lag. Dort hatte er den Laster in eine kurze Seitenstraße gesteuert, den Motor abgestellt und Kyle und Alex angewiesen, auf ihn zu warten. Während der Fahrt hatte bedrückende Stille geherrscht. Sie hatten aufgehört zu jammern, aber er konnte noch immer ihre Nervosität spüren. Beim nächsten Mal, wenn Maxwell Kyle und Alex auf eine derartige Mission schickte, konnte er sie babysitten. Michael dachte allmählich, dass sie eher eine Belastung als eine Hilfe waren. Und er war nicht sicher, ob er ihnen erzählen sollte, was er im Wald gefunden hatte. Seine Entdeckung hatte ihn überrascht. Die Umgebung der Höhle wurde von mindestens fünfzig Soldaten abgesucht, viele 149
mit Gewehren, die meisten mit Taschenlampen ausgerüstet. Offenbar hatte jemand irgendwie eine Verbindung zwischen den Leuten, die sich in einem kleinen Teil der Stadt grün verfärbten, und dem Grundwasser hergestellt, das diese Leute in ihren Häusern benutzten. Sie suchten jetzt das Gebiet ab, und nach den drei Zelten zu urteilen, die bereits etwa zweihundert Meter von der versteckten Höhle entfernt aufgestellt worden waren, würden sie eine Weile bleiben. Höchstwahrscheinlich suchten sie nach einer sichtbaren Ursache für die Verseuchung des Grundwassers, etwa nach irgendwelchen Chemieabfällen. Sie würden kaum zulassen, dass drei Highschoolkids in einem gestohlenen Wasserwagen eine Ladung Wasser in diese Höhle kippten. Michael hatte die suchenden Männer umgangen, das gesamte Gebiet durchstreift und sich dabei Zeit gelassen, während er über einen funktionierenden Plan nachgedacht hatte. Das Beste wäre, er ginge zurück zu Max, damit sie über einen Ausweg beraten konnten. Aber Max befand sich jetzt irgendwo in der Army-Basis, wenn sie Glück hatten. Damit blieb die Planung an Michael hängen. Nachdem er sich alles angesehen hatte, glaubte er, eine Idee zu haben, die vielleicht funktionieren würde. Der Laster ragte vor ihm in der Dunkelheit auf und er öffnete die Tür und stieg ein. »Mann!«, keuchte Alex und griff sich an die Brust. »Du hast mich zu Tode erschreckt.« Kyle war blass. »Warne uns das nächste Mal. Warum hat es so lange gedauert?« Genau, beim nächsten Mal kann eindeutig Max das Babysitten übernehmen, dachte Michael. »Wir haben größere Probleme als eure Angst«, sagte Michael und sah die beiden in der dunklen Kabine an. »Die Army hat rund fünfzig Männer losgeschickt, die den Wald durchsuchen.«
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»Oh, toll«, stöhnte Kyle. »Sie werden denken, dass wir dahinter stecken.« Michael ignorierte ihn. »Sie haben herausgefunden, dass das Wasser kontaminiert ist«, sagte Alex leise. »So sieht’s aus«, nickte Michael. »So viel zu dieser Idee«, sagte Kyle. Er klang fast erleichtert. »Nein«, widersprach Michael. »Ich denke, wir können es noch immer tun.« »Du machst Witze, stimmt’s?«, fragte Alex. »Wir können nicht mit einem gestohlenen Truck vorfahren und vor ihren Augen das Wasser auskippen. Sie werden nicht glauben, dass es ein wissenschaftliches Highschoolexperiment ist.« »Nein«, sagte Kyle. »Sie werden denken, dass wir dafür verantwortlich sind.« Dies war das zweite Mal, dass er das sagte. Michael konnte seinen Ärger nicht unterdrücken. »Damit würden sie uns einiges zutrauen, nicht wahr? Die klügsten Highschoolkids der Welt.« »Mit Sicherheit die seltsamsten«, murmelte Kyle. Alex legte eine Hand auf Michaels Arm, wahrscheinlich um ihn zu beruhigen. Erstaunlicherweise funktionierte es. »Hört zu«, sagte Michael. »Wir werden diese Sache zu Ende bringen, oder die Leute bleiben für immer grün. Kyle, denkst du, dass du dieses Ding fahren kannst?« »Ich habe schon größere Trucks gefahren«, erklärte Kyle. »Aber mir gefällt der Gedanke nicht, mitten in ein Army-Lager zu brausen. Diese Kiste ist gestohlen, schon vergessen?« »Eigentlich hat dein Dad sie uns geliehen«, widersprach Alex. »Ja, genau«, schnaufte Kyle. »Ich möchte, dass du den Truck vor die Höhle fährst«, sagte Michael und gab ihm die Schlüssel, »und ich möchte, dass Alex den Tank leert.« 151
»Was wirst du tun?«, fragte Alex. »Ich werde auf der anderen Seite ihres Lagers ein Ablenkungsmanöver starten, um sie von der Höhle wegzulocken, bevor ihr reingeht«, erklärte Michael. »Bist du sicher, dass alle darauf reinfallen werden?«, fragte Kyle. »Oh, vertrau mir, sie werden nicht ignorieren, was ich mache.« Michael verriet ihnen nicht, dass er noch nicht genau wusste, was er tun würde, aber er glaubte, genug Lärm machen zu können, um dafür zu sorgen, dass niemand den Laster sah oder hörte. »Mach es groß und laut«, bat Alex. »Das werde ich«, versprach Michael. »Wie lange braucht ihr, um den Truck dorthin zu fahren und die Ladung auszukippen?« »Eine Minute, um den Höhleneingang zu erreichen«, sagte Kyle. »Weniger als eine Minute, um die Ladung auszukippen«, fügte Alex hinzu. »Falls Kyle aufs Dach steigt und die Luke öffnet, sobald er den Truck gestoppt hat.« »Das kann ich machen«, nickte Kyle. »Gut, dann fließt es schneller raus«, sagte Alex. »Eine weitere halbe Minute, um zum Highway zurückzukehren und von der Bildfläche zu verschwinden, sobald wir das Wasser ausgekippt haben.« Michael nickte. Die Dunkelheit und die Stille um ihn herum wirkten tief und schwer. Es war die einzige Chance für sie, ihren Plan durchzuführen, soweit er dies beurteilen konnte. Irgendwo musste das Heilmittel in die Wasserversorgung gelangen, und es würde nicht funktionieren, wenn sie es einfach hier neben der Straße auskippten. Das Wasser musste in dieser Höhle ausströmen, an der Stelle, wo auch die blauen Zellen versickert waren. »Okay«, sagte Michael, »ich werde auf der anderen Seite des Hügels für ein Ablenkungsmanöver sorgen, um alle von der 152
Höhle wegzulocken. Eine Minute nach der ersten Explosion startet ihr den Truck und fahrt los.« »Nach der ersten Explosion?«, wiederholte Kyle. »Was zum Teufel hast du vor?« »Keine Sorge«, beruhigte Michael ihn. »Niemand wird verletzt werden.« Von mir vielleicht abgesehen, dachte er, aber das fügte er nicht hinzu. »Wo treffen wir dich?«, fragte Alex. »Ich werde mich zurück zur Höhle schleichen«, sagte Michael. »Bevor ihr verschwinden müsst, bin ich wieder bei euch. Wenn noch jemand in der Nähe ist, werde ich mir irgendetwas einfallen lassen, um sie aufzuhalten. Ihr beide müsst so schnell handeln, wie ihr könnt. Verstanden?« »Und was passiert, wenn du nicht dort bist?«, fragte Alex. »Dann lasst ihr mich zurück, stellt den Truck vor dem Zaun ab und geht ins Crashdown.« »Bist du sicher?«, fragte Kyle. »Das bin ich«, bestätigte Michael und ließ seine Stimme zuversichtlicher klingen, als er in Wirklichkeit war. Er wollte nicht an die Möglichkeit denken, dass er in diesem Wald zurückblieb, während die Army nach ihm suchte. »Eine Minute nach der ersten Explosion«, sagte Alex. »Alles klar.« »Wir sehen uns in der Höhle«, nickte Michael. Er öffnete die Tür, blinzelte in das plötzliche grelle Licht der Innenbeleuchtung, sprang dann zu Boden und schloss hinter sich die Tür. Diesmal schlug er sich nicht ins Gebüsch, sondern lief den Highway hinunter. Er musste auf die andere Seite der Suchenden gelangen, und der Asphalt war der einfachste und schnellste Weg. Er schien lange Zeit zu brauchen, um eine Position hinter den Soldaten zu erreichen. Sie arbeiteten sich langsam den sanft 153
ansteigenden Hügel hinauf und hatten den Kamm fast erreicht. Die Höhle lag jetzt gut dreihundert Meter hinter ihnen in der entgegengesetzten Richtung. Höchstwahrscheinlich hatten sie sie bereits überprüft, nichts gefunden und die Suche an anderer Stelle fortgesetzt. Michael achtete darauf, keinen Lärm zu machen, und schlich im matten Licht der Taschenlampen der Soldaten den Hügel hinunter, während er sich nach etwas umsah, das als Ablenkungsmanöver dienen konnte. Dann entdeckte er vor sich ein kleines, halb von Büschen und Unkraut verdecktes Gebäude. Es war klar, dass es seit vielen Jahren nicht mehr benutzt worden war. Er kroch darauf zu, umkreiste es und vergewisserte sich, das niemand im Innern war. Die Fenster in den beiden Wänden, die er sehen konnte, waren zerbrochen und das Dach war eingestürzt. Als er seinen Rundgang beendete, war klar, dass das Haus kein Versteck bot. Es bestand hauptsächlich aus den zwei Wänden eines alten, kleinen Schuppens, zusammengehalten von Büschen und Bäumen, die es überwuchert hatten. Vor ihm wuchsen vier recht große Bäume, die über ihn in der Dunkelheit verschwanden. Es war perfekt. Und weit genug auf der anderen Seite des Hügels, dass niemand den Laster sehen würde, wenn alle Aufmerksamkeit auf diesen Ort konzentriert war. Er wich zurück, kämpfte sich durch das Unterholz und versuchte, nicht jedes Mal zu fluchen, wenn ein scharfer Ast oder Stock seine Haut zerkratzte. Er war einfach nicht für diese Waldspaziergänge geschaffen, vor allem nicht in der Nacht. Nach etwa fünfzig Schritten fand er ein Versteck hinter drei großen Bäumen. Von hier aus, sagte er sich, konnte er die Explosionen auslösen und zur Straße laufen. Wenn ihn jemand sah, würde man annehmen, dass er auf dem Weg zum Highway war. Dann konnte er einen Bogen zur Höhle schlagen. Er rechnete allerdings nicht damit, dass ihn jemand sah. 154
Die Linie der suchenden Soldaten mit ihren Taschenlampen hatte gerade den Kamm des Hügels erreicht. Sie hatten sich in einem Abstand von fünf Schritten postiert, bewegten sich langsam und suchten jeden Quadratzentimeter des Bodens ab. Mann, was würden sie überrascht sein. Michael holte tief Luft und griff nach der Energie in seinem Innern. Er legte seine Hand an die Überreste des alten Schuppens und konzentrierte sich auf das Gebäude und die Bäume in der Umgebung, wobei er die Energie aufbaute, bis sie stark genug war, um eine große Explosion auszulösen. Dann entfesselte er sie. Die letzten beiden Wände des alten Schuppens explodierten mit einem Donnerschlag, der durch die stille Nacht hallte. Funken und Feuerbälle flogen durch die Bäume und erhellten den gesamten Ort stärker als das Tageslicht. Oben auf dem Hügel konnte Michael sehen, wie sich die Soldaten zu Boden fallen ließen, die Waffen im Anschlag. Sie waren darauf trainiert, zu reagieren, und sie reagierten. Er konzentrierte sich auf den großen Baumstumpf rechts neben dem jetzt lichterloh brennenden Schuppen. Der Baum explodierte mit einem zweiten Donnerschlag, stürzte dann zu Boden, ließ weitere Funken fliegen und erschütterte die Umgebung. Michael wich zurück und kroch auf Händen und Füßen in den jetzt hell erleuchteten Wald, bis er zehn Meter von den Explosionen, die er ausgelöst hatte, entfernt einen weiteren Baum erreichte. Auf dem Hügel kamen einige der Soldaten wieder auf die Beine und eilten mit schussbereiten Waffen den Hang hinunter. Michael legte sich auf den Bauch, sammelte neue Energie und spürte die Erschöpfung seines Organismus, als er auf den Baum hinter der Hütte zielte. Der mächtige Stamm dieses Baumes explodierte, sodass Holz und Borke und brennende Teile in alle Richtungen flogen. 155
Wieder warfen sich die Soldaten zu Boden. Hinter ihnen kamen ein Dutzend andere über den Hügelkamm gerannt. Gut, das waren diejenigen, die unten im Lager gewesen waren, näher bei der Höhle. Michael kroch weiter und bewegte sich so schnell er konnte Richtung Highway. Aber er musste noch etwas anderes tun, um sie zu beschäftigen. Eine weitere Explosion. Er kroch hinter einen Baum, stand auf und benutzte den Baum als Sichtdeckung vor den Männern auf dem Hügel. Er konzentrierte sich durch den Rauch und das Feuer um den alten Schuppen auf einen anderen großen Baum, der gut hundert Schritte von der Stelle entfernt war, zu der er gehen musste. Dann schloss er die Augen, sammelte so viel Energie, wie er konnte, konzentrierte die Energie durch seine Hand und zielte auf den Baum. Der Baum explodierte mit einem Krachen, das durchdringender und lauter war als alles, was Michael am Unabhängigkeitstag gehört hatte. Er duckte sich und rannte in die entgegengesetzte Richtung zur Straße, als brennende Holzstücke von der letzten Explosion durch die Luft flogen. Wäre es Sommer, würde die Gefahr bestehen, dass er den ganzen Wald abfackelte. Aber glücklicherweise war alles so feucht und grün vom Winter, dass sich das Feuer nicht schnell ausbreiten würde. Allerdings hoffte er, dass es lange genug brennen würde. Der Monsterbaum, dessen Stamm er gesprengt hatte, krachte zu Boden und ließ alles erbeben. Michael kämpfte sich geduckt durch ein Gebüsch und verschwand aus der Sichtweite der Soldaten. Mit zwanzig weiteren Schritten war er auf dem Highway und rannte die Straße hinunter zu der Stelle, wo Kyle mit dem Wasserwagen in den Wald zur Höhle gefahren sein musste. Eine lange Zeit schien vergangen zu sein, aber er wusste, dass es nicht mehr als zwei Minuten gewesen sein konnten. 156
Das bedeutete, wenn ihr Zeitplan funktionierte, blieb ihm immer noch eine Minute, um die Höhle zu erreichen. Neben dem Highway war der Wald wie eine Gartenparty erleuchtet. Die orangefarbenen Flammen flackerten und erhellten die Gegend. Michael grinste. Wenn er schon für Ablenkung sorgte, dann richtig.
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Max starrte all die Leute mit grüner Haut an, die den großen Lagerhausraum füllten. Als der Tag begonnen hatte, hatte keiner dieser Leute gedacht, dass er die Nacht auf einer ArmyPritsche verbringen würde, in einem kalten Lagerhaus, praktisch unter Arrest, nur weil seine Haut eine andere Farbe hatte. Derartige Dinge gab es eigentlich nicht mehr in diesem Land. Aber hier passierte es Hunderten, nur weil niemand verstand, was die Veränderung der Hautfarbe verursachte. Oder ob es ansteckend war. Max zog seine Jacke enger um die Brust. Es würde hier sehr kalt werden, bevor die Nacht vorüber war. Die Army würde bald Heizgeräte heranschaffen müssen, oder die Leute unten auf dem Betonboden würden noch unter ganz anderen Dingen als Hautproblemen leiden. »Ich denke, unsere einzige Hoffnung ist, aus dir einen Arzt zu machen«, sagte Tess. »Ich kann versuchen, die Illusion aufrechtzuerhalten, wenn du mit dem Heilmittel nach unten gehst.« Max schüttelte den Kopf, ohne sie oder den Sheriff anzusehen. »Das wird nicht funktionieren. Es sind einfach zu viele Menschen.« »Wenn sie bereit ist, es zu versuchen, sollten wir es wagen«, warf Valenti ein. Max schüttelte erneut den Kopf. Ihm gefiel die Tatsache nicht, dass Valenti keine andere Möglichkeit sah. Der Sheriff hatte normalerweise eigene Ideen. Tess würde helfen, aber sie steuerte nie einen richtigen Plan bei. Wie gewöhnlich blieb alles an Max hängen. Und er musste sich etwas einfallen lassen.
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Auf der Galerie war es still. Er spürte die Spannung, die durch seine Reaktion bei den anderen ausgelöst worden war. »Tut mir Leid«, sagte er, »es muss einfach einen anderen Weg geben. Wir haben ihn nur noch nicht gefunden. Wenn wir diese erste Idee probieren müssen, werden wir es später tun, wenn mehr Leute schlafen.« Tess und Valenti nickten. Max zwang sich, den Blick von dem Boden voller Menschen abzuwenden und die Wände und Decke zu mustern. Das Lagerhaus bestand aus Holz und brauchte einen neuen Anstrich, da die letzte Schicht Armeegrün längst verblasst war. Hohe Fenster um den Galeriebereich erhellten das Lagerhaus während des Tages, doch sie waren so schmutzig, dass es erstaunlich war, dass überhaupt etwas Licht durchdrang. Große Lampen hingen wie schwebende Schiffe über dem offenen Raum. Schade, dass diese großen Lampen nicht genug Hitze spendeten, um das Gebäude zu erwärmen. Wie eine Kamera richtete Max seine Aufmerksamkeit plötzlich auf die Rohre, die an der Holzdecke entlangführten. Eine Feuersprinkleranlage. Er betrachtete sie und folgte den Rohren mit den Augen. Nach dem, was er erkennen konnte, deckten sie das gesamte Gebäude und die Galerie und höchstwahrscheinlich auch den Eingangsbereich ab. Alle zwei bis drei Meter war ein Sprinkler installiert. Wie kleine rote Sternregen standen sie etwa fünfzehn Zentimeter von der Decke ab. Er deutete nach oben und stieß den Sheriff an. »Wie werden Sprinkler an einem Ort wie diesem mit Wasser versorgt?« Valenti folgte seinem Finger mit dem Blick. »Das hängt davon ab. Ich habe ältere gesehen, die von Wassertanks auf den Dächern gespeist werden. Andere nutzen die städtische Wasserversorgung und verwenden Tanks nur als Notreserve. Ich schätze, es hängt von der Wasserversorgung dieser Lagerhäuser ab.« 159
»Perfekt«, sagte Tess und starrte die Sprinkler über ihnen an. »Einfach und perfekt.« »Vielleicht«, meinte Max. »Wir müssen zuerst zwei Probleme lösen. Eins ist die Wasserversorgung. Kommen wir an sie heran?« Valenti runzelte die Stirn. Tess spähte in die Dunkelheit, als könnte sie die Antworten finden, ohne sich zu bewegen. Max wandte sich ab und ging zu der zur Treppe führenden Tür zurück. Er konnte sich nicht erinnern, dass die Stufen im Treppenhaus weiter nach oben führten, aber er wettete, dass es eine Möglichkeit gab, von dort aufs Dach zu kommen. Valenti folgte ihm. Tess blieb am Geländer zurück. Max war verärgert, dass sie keinen Versuch zu machen schien, ihm zu helfen, bis ihm wieder einfiel, wie viel Kraft es sie kostete, die Posten davon zu überzeugen, dass sie beide Ärzte waren. Er fragte sich, ob seine Gefühle für Tess immer gemischt sein würden. Als er die Tür erreichte, blieb er stehen. Mit seiner Theorie hatte er fast Recht. An der Wand neben der Treppenhaustür befand sich eine Leiter. Die Leiter führte zu einer geschlossenen Falltür in der Decke, die etwa sieben Meter über der Galerie lag. »Ich weiß nicht, ob wir da raufklettern können, ohne gesehen zu werden«, sagte Valenti und sprach damit die Furcht aus, die auch Max hatte. »Sheriff, Sie und ich müssen es versuchen.« Max drehte sich um. Tess sah sie über ihre Schulter an. Er trat an ihre Seite. »Tess, du musst unten jeden im Auge behalten, der zufällig nach oben sieht. Versuch zu blockieren, was sie sehen, wenn du kannst.« »Das kann ich«, versicherte sie. Dann ging sie zu einer Stelle, von der aus sie den Boden beobachten konnte, und nickte Max auffordernd zu.
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Max kehrte zu der Tür zurück. Er fragte sich, ob die Leute unten hören konnten, wie er sich umherbewegte. Er hoffte nicht. Der Sheriff wollte zuerst nach oben, aber Max hielt ihn auf. »Wenn die Tür dort oben verschlossen ist, muss ich sie erst öffnen.« Valenti nickte. »Ich warte, bis du auf dem Dach bist.« »Gut«, sagte Max und stieg dann so leise und schnell wie möglich die Holzleiter hinauf. Er hatte Recht mit seinem Einwand gehabt. Am Ende der Leiter befand sich ein Vorhängeschloss und er brauchte einen Moment, um es zu öffnen, wobei er sich mit einer Hand an der Leiter fest hielt und das Schloss mit der anderen ergriff. Er war sehr hoch über dem Boden. Nicht, dass er Höhenangst hatte, aber mit einer Hand an einer alten Holzleiter zu hängen, entsprach nicht seiner Vorstellung von einem vergnüglichen Sonntagabend. Er löste das Schloss, stieß die Falltür auf und kletterte auf das Dach. Unten blickte Tess auf und nickte, um sich dann wieder darauf zu konzentrieren, dass jeder, der nach oben sah, nicht wahrnahm, wie der Sheriff die Leiter hinaufstieg. Max hielt die Falltür nur einen Spalt weit offen, bis Valenti ganz nah war, klappte sie dann vollständig auf, sodass der Sheriff hindurchschlüpfen konnte, und schloss sie hinter ihm. Auf dem Dach war es noch kälter und dunkler als im Innern. Leichter Wind wehte von Westen her und die Lichter Roswells erhellten im Süden den Himmel. Es war eine schöne Nacht, aber Max hatte keine Zeit, sie zu genießen. Das Dach bestand aus schwarzem Teer und die Umrisse der Ventilatoren, Rohre und anderen Installationen gaben Max das Gefühl, eine Geisterbahn betreten zu haben. Die Schatten waren überall und schienen sich im Wind zu bewegen, auch wenn Max wusste, dass dies seine Einbildung war. »Wo könnte der Wassertank sein?« 161
»Wenn es einen gibt«, antwortete Valenti, »dann ist er wahrscheinlich abgedeckt und irgendwie geschützt. Sei leise, damit unsere Schritte nicht unten im Lagerhaus gehört werden.« Max nickte und hatte das Gefühl, nicht nur auf Zehenspitzen gehen, sondern auch noch flüstern zu müssen. Valenti deutete auf einen Umriss, der auf der anderen Seite des Daches aufragte, eine fahle Silhouette vor den Lichtern Roswells. Sie gingen in diese Richtung und bewegten sich vorsichtig. Je näher sie kamen, desto mehr sah der Umriss wie ein kleines Gebäude aus, das nachträglich auf das Flachdach gesetzt worden war. »Ich wette, das ist der Wartungsbereich«, sagte Valenti. »Der Wassertank müsste da drinnen untergebracht sein, ebenso die elektrischen Anlagen und die Installationen für das Stadtwasser.« Die Tür des Häuschens war ebenfalls mit einem Vorhängeschloss gesichert, aber Max öffnete es schnell. Ein schwarzer Raum begrüßte sie. Die Tür schien ein Eingang ins Nichts zu sein. Es gab einfach nicht genug Streulicht, um das Innere zu erhellen. Valenti trat in die Dunkelheit, während Max an einer Seite der Tür wartete. »Neben der Tür hier ist ein Schalter«, erklärte Valenti. »Komm rein und schließe die Tür, damit ich Licht machen kann.« Max trat ins Innere, schloss die Tür und tauchte sie in pechschwarze Finsternis. Es fiel nicht einmal Licht unter der Tür durch. Gut, so konnte das Licht im Innern auch nicht nach draußen dringen und verraten, dass sie hier oben waren, falls jemand zufällig in diese Richtung sah. Einen Moment später machte Valenti Licht. Die Grelle der nackten Glühbirne blendete Max.
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»Dort«, sagte Valenti und deutete auf einen großen Tank, der den Großteil der linken Seite des Raumes einnahm. Beide gingen hinüber und betrachteten den rostigen Metalltank. Er war etwa drei Meter hoch und so breit wie ein Haus. Ein Ventil an einer Seite mit einem großen Hahn verriet, dass die Wasserzufuhr geschlossen war. »Dieser Tank versorgt die automatische Sprinkleranlage«, sagte Valenti und deutete auf den riesigen Speicher, »und er wird über dieses Rohr von der Wasserversorgung des Stützpunkts gespeist.« »Aber ist in diesem Tank genug Wasser, um unten alle zu durchnässen?«, fragte Max. Valenti lachte. »Mehr als genug. Wenn die Anlage anspringt, werden sie denken, in ein Frühjahrsgewitter geraten zu sein.« »Nur von diesem Tank?«, fragte Max. »Nur von dem Wasser in diesem Tank, falls er voll ist«, bekräftigte Valenti. »Dann müssen wir ihn von der Wasserversorgung trennen«, sagte Max. »Es hat keinen Sinn, das Heilmittel zu sehr zu verdünnen, wenn wir es den Leuten verabreichen.« »Gute Idee«, nickte Valenti. Max musterte die elektrischen Schalttafeln und die anderen Rohre. »Glauben Sie, wir können die Sprinkler von hier auslösen?« »Nein«, sagte Valenti, »ich fürchte, wir müssen die Sensoren unten Hitze aussetzen.« Max hatte sich schon gedacht, dass es so war. Er konnte die Sensoren aktivieren, sie genug erhitzen, um das Wasser auszulösen, aber es würde riskant sein, da überall ArmyWachen postiert waren. »Okay«, sagte Max und trat zur Mitte des großen Tanks, »stemmen Sie mich hoch, damit ich das Plasma ins Wasser geben kann.«
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Max konnte es nicht über sich bringen, es als sein Blut zu bezeichnen. Für ihn war es ein Heilmittel, keine Blutzellen, in denen die Leute baden mussten. Valenti verschränkte die Finger und wuchtete Max auf den Tank. Max stieß dabei mit der Schuhspitze gegen die Seite des Behälters, sodass ein glockenähnlicher Ton durch den Raum hallte. Max erstarrte und hielt den Atem an, bis der Lärm verklang. »Ich frage mich, wie es sich wohl unten angehört hat«, flüsterte Valenti. Max wollte nicht daran denken. Vorsichtig bewegte er sich zur Mitte des Tanks, wo eine Luke war, durch die Arbeiter hineinsteigen konnten, um ihn zu reinigen. Er öffnete die Luke und sah auf die schwarze Oberfläche des Wassers hinunter. »Er ist voll«, wisperte er. »Gut«, antwortete Valenti. »Ich drehe jetzt die Basiswasserzufuhr ab.« Max öffnete eins der kleinen Gefäße, die Liz ihm gegeben hatte, und kippte es hinein. Es schien im Vergleich zu dieser riesigen Wassermenge nicht viel zu sein. Er zögerte einen Moment, nahm dann ein weiteres Gefäß und leerte es ebenfalls. Er musste sichergehen, dass in dem Wasser genug von seinem Plasma war, damit das Heilmittel wirkte. Jetzt hatte er noch ein Gefäß in seiner Tasche für den Notfall. Dies war die einzige Chance, die sie hatten, um diesen Leuten zu helfen. Er schloss und verriegelte die Luke und kletterte dann mit Valentis Hilfe hinunter, ohne noch mehr Lärm zu machen. Drei Minuten später waren sie wieder neben Tess auf der Galerie. »Irgendwelche Probleme?«, fragte Max, als er an ihrer Seite niederkniete und die grünen Leute unten betrachtete. »Ein paar Posten haben nach oben gesehen und nur Schatten erblickt«, erklärte Tess. »Und euer kleines Glockenspiel hat ein 164
paar veranlasst, die Decke anzustarren, aber sonst nichts. Wie ist es gelaufen?« »Das Heilmittel befindet sich in der Wasserversorgung der Sprinkleranlage«, erwiderte Max. »Wir können loslegen«, fügte Valenti hinzu. »Ziehen wir uns zur Treppenhaustür zurück«, sagte Max. »Tess, halt dich bereit, um uns zu tarnen, falls wir jemand begegnen.« »Ich bin immer bereit«, versicherte sie. »Ich will hier lebend rauskommen, schon vergessen?« Max nickte und konzentrierte dann seine Energie auf die Sprinklerdüse über der Mitte des Lagerhauses. Er stellte sich vor, wie sie heißer und heißer und von Flammen umzüngelt wurde. Plötzlich erklang ein Zischen, und aus der Düse spritzte Wasser auf die Leute am Boden. Bevor irgendjemand reagieren konnte, sprangen weitere Sprinklerdüsen an und der Alarm ging los. Aber noch war nicht der gesamte Boden dem Wasser ausgesetzt. »Sie sind in Sektionen unterteilt«, sagte Valenti. »Du musst jede Sektion auslösen.« Max konzentrierte sich auf einen anderen Bereich und erwärmte den Hitzesensor, bis die Sprinkler in diesem Bereich ebenfalls ansprangen. Dann wandte er sich dem nächsten zu. Und schließlich dem letzten. Als er fertig war, durchnässten sämtliche Sprinkler im Lagerhaus alles unter ihnen mit ganz besonderem Wasser. Alarm schrillte, Leute schrien. Und jeder Posten an jeder Tür blickte sehr wachsam drein, mit schussbereiten Waffen, während das Wasser auf die grünhäutigen Menschen niederrauschte, die keinen Schutz finden konnten.
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»Diese armen Leute haben eine kalte und feuchte Nacht vor sich«, stellte Valenti fest. »Die Wachen werden sie nicht rauslassen.« »Aber sie werden trotzdem glücklich sein«, entgegnete Max. Er bemerkte, dass bei einigen der durchnässtesten Leute das Grün fast verschwunden war, als wäre es einfach abgewaschen worden. Unten bemerkten einige die Veränderung, stellten sich unter das rieselnde Wasser und hießen es willkommen. Ärzte stürzten aus einer Seitentür und ins Wasser, als es bereits versiegte. Selbst über das Schrillen des Feueralarms konnte Max das Lachen und glückliche Geschrei hören, als das Grün von jedermanns Haut einfach zu verschwinden schien. »Das ist ziemlich starkes Zeug, das du ins Wasser gegeben hast«, sagte Tess und lächelte Max an. »Ich habe mich für die doppelte Dosis entschieden, um auch garantiert Erfolg zu haben«, erklärte Max. »Es hat keinen Sinn, irgendwelche Risiken einzugehen.« »Während der Spaß anhält«, sagte Valenti, »habt ihr irgendwelche Ideen, wie wir hier rauskommen sollen?« Max schüttelte den Kopf, während er das Durcheinander auf dem Boden des Lagerhauses beobachtete. »Zu viele Leute bewegen sich zu schnell, als dass Tess ihre Gedanken kontrollieren könnte. Suchen wir uns einfach ein ruhiges Plätzchen auf der Galerie, weit weg von der Tür, und warten wir, bis sich die Lage wieder beruhigt hat.« Valenti nickte lächelnd. »Klingt für mich wie ein guter Plan. Nach all dem Herumklettern auf dem Dach könnte ich ein wenig Ruhe gebrauchen.« Max ging voran und blickte zu den sehr glücklichen und sehr nassen Menschen hinunter. Er hoffte, dass sie sich schnell wieder beruhigten und vielleicht in trockene Quartiere verlegt wurden. Er machte sich Sorgen um Liz und Maria und Isabel und all die Leute mit grüner Haut im Krankenhaus. Er hatte das Gefühl, dass er, Tess und Sheriff Valenti dort gebraucht 166
wurden, aber im Moment war es einfach zu gefährlich, auch nur den Versuch zu wagen. Wenn es etwas gab, das er gelernt hatte, dann die Tatsache, dass es manchmal das Beste war, einfach dazusitzen und abzuwarten. Und dies war eine dieser Gelegenheiten.
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Michael rannte die unbefestigte Straße zur Höhle hinauf. Die Nacht wurde von den Feuern erhellt, die er auf der anderen Seite des niedrigen Hanges gelegt hatte, und er konnte den Wasserwagen vor der Höhle und die Army-Zelte und ein Dutzend Army-Trucks und -Jeeps auf dem Hügel erkennen. Eine Reihe von Soldaten standen auf dem Hügelkamm und beobachteten die Feuer auf der anderen Seite, ohne den Wasserwagen hinter ihnen zu beachten. Immerhin funktionierte seine Ablenkung bis jetzt. Die Luft roch nach Rauch und Asche und verbranntem Baumharz. Er konnte die Flammen prasseln hören, selbst aus dieser Entfernung. Seine Lunge brannte. Er war weniger als hundert Schritte von dem Laster entfernt, als Alex damit fertig wurde, das Wasser in die Höhle zu pumpen, und nach der Beifahrertür griff. Wie es aussah, hatten sie ihre Mission erfüllt. Das präparierte Wasser versickerte im Grundwasser. Jetzt mussten sie nur noch lebend von hier verschwinden. Kyle fuhr mit dem Truck bereits auf Michael zu, bevor Alex auf dem Beifahrersitz war. In diesem Moment drehte sich ein Soldat auf dem Hügelkamm um und zeigte auf sie. Vielleicht schrie er etwas, aber in dem Lärm der Explosionen und des Lastermotors konnte Michael ihn nicht hören. Michael hoffte, dass es allen anderen genauso erging. Zwei der Soldaten hoben ihre Waffen und zielten auf den Wasserwagen. »Anhalten!« Der Schrei hallte durch die Bäume. Und Michael hörte ihn. Ihm gefiel ganz und gar nicht, dass die Soldaten ihre Gewehre auf den Truck oder ihn richteten. Wenn eine Kugel 168
den Benzintank der alten Karre traf, würden sie alle verbrennen. Er sammelte all seine Energie, die ihm geblieben war, und zielte mit seiner explosiven Kraft auf einen Baumstamm, der zwischen den Männern mit den Waffen und dem Wasserwagen stand. Der Baum ging wie eine Bombe hoch und ließ die Soldaten auf dem Hügel blitzschnell hinter allem, das sie fanden, in Deckung gehen. Es wäre komisch gewesen, wenn es nicht so ernst gewesen wäre. Die Explosion hatte sich in gefährlicher Nähe ereignet. Michael hoffte, dass die Soldaten nicht verletzt waren. Michael bedeutete Kyle mit einem Wink, weiterzufahren und den großen Laster nicht anzuhalten. Er fuhr noch immer langsam genug, sodass er aufspringen konnte. Als Kyle vorbeirollte, packte Michael den Spiegel an der Beifahrerseite und hüpfte auf das schmale Trittbrett, wobei er den großen Wassertank als Deckung vor den Soldaten benutzte. Kugeln pflügten den Boden neben dem Truck auf. »Sie schießen auf uns!«, schrie Alex. »Sie tun was?«, brüllte Kyle mit Augen groß wie Untertassen, während er den alten Truck über die unbefestigte Straße steuerte. Michael hielt sich mit einer Hand fest und richtete seine Kraft auf einen der größten Army-Laster. Er war ihnen am Nächsten. Er sagte sich, wenn diese Kerle dumm genug waren, auf Leute zu schießen, die nur helfen wollten, dann mussten sie eben mit einem oder zwei Trucks dafür bezahlen. Er entfesselte die Energie und sprengte den großen Truck in die Luft. Die Explosion erschütterte die Nacht, als der Army-Laster hochgeschleudert wurde, sich überschlug und mit dem Dach auf dem Boden landete. Einen Moment später explodierte sein Benzintank und ließ ihn sich überschlagend den Hang hinunterpoltern. 169
Das sollte sie eine Weile beschäftigen. Aber nur um sicherzugehen nahm Michael seine restliche Energie zusammen und brachte hinter ihnen einen großen Baum zu Fall, sodass er die Straße versperrte. »Das wird sie nicht lange aufhalten«, sagte er, während er die Tür öffnete und sich neben Kyle ins Fahrerhaus schwang. Kyle steuerte den Truck zum asphaltierten Highway. »In welche Richtung?«, schrie Kyle mit hörbarer Panik in der Stimme. »Weg von der Stadt«, befahl Michael. »Ich weiß, wo wir dieses Monster abstellen können, bevor jemand die Verfolgung aufnimmt.« »Und dann zu Fuß zurück in die Stadt?«, fragte Alex und schrie dabei fast, um den lauten Motor zu übertönen. »Machst du Witze?« »Ich gehe nicht zurück«, erklärte Michael. »Aber wir müssen etwas Distanz zwischen uns und diesen Truck bringen.« Er sah nach hinten. Der ganze Nachthimmel war von den Feuern erhellt, die er gelegt hatte. Er fragte sich, wie die Army diesen Zwischenfall erklären würde. Aber da er sie kannte, wusste er, dass sie es wahrscheinlich nicht einmal versuchen würde. Er nahm sein Handy aus der Tasche und zeigte es Kyle und Alex. »Wir werden anrufen, damit man uns abholt, wenn die Luft rein ist.« »Falls jemand schon zurück ist«, unkte Kyle, während er den Truck auf den Highway steuerte und sich von dem orangefarbenen Schein der Feuer im Wald entfernte. Das Getriebe knirschte, als er beschleunigte. »Oh, wir werden erst am Morgen anrufen«, sagte Michael. »Hoffen wir, das jemand bis dahin zurück ist.« »Großartig«, sagte Alex. »Eine Nacht in der Kälte. Ich hätte mich wärmer anziehen sollen.«
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»Besser als eine Nacht im Gefängnis«, erwiderte Michael. Er behielt den Rückspiegel im Auge, um sicherzugehen, dass ihnen niemand folgte. Bis jetzt war die Straße leer. Aber er wusste, dass es nicht mehr lange so bleiben würde. »Weiter vorn«, sagte Michael, »biegst du vom Highway ab und nimmst den Feldweg, der am Fluss entlangführt. Die Bäume und Büsche werden dieses Ding vor der Entdeckung vom Highway und aus der Luft schützen.« »Wir sind nicht mehr als einen halben Kilometer von dem Army-Stützpunkt entfernt«, sagte Kyle. »Du willst jetzt nicht wirklich anhalten.« »Warum sollten sie hier nach uns suchen?«, fragte Michael. »Außerdem«, fügte Alex hinzu, »können wir mit diesem Ding sowieso niemand entkommen.« Michael nickte. Er war erleichtert, dass Alex bei ihnen war. Kyles Gejammer wäre allein kaum zu ertragen gewesen. Die Stoßdämpfer des Lasters waren defekt. Er holperte die ganze Zeit. Michael hatte das Gefühl, als würden ihm die Zähne aus dem Mund geschüttelt. Hinter sich hörte er weitere Schreie und eine neue Explosion. Wahrscheinlich hatte sich Harz entzündet. Er war jetzt noch erleichterter, dass das Wetter kühl und feucht gewesen war. Trotzdem würde die Army lange Zeit brauchen, um diese Feuer zu löschen. Und sie würde eine Menge Wasser einsetzen müssen. Alles, was das Heilmittel tiefer in das Grundwasser spülte, war willkommen. »Dort!« Michael zeigte auf den Feldweg und Kyle trat auf die Bremse. Geschickt steuerte er den alten Wassertankwagen vom Highway und über den Feldweg. Er rumpelte viel zu schnell über Steine und Schlaglöcher. »Langsamer!«, rief Alex. »Ich will dieses Fahrzeug lebend verlassen.«
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»Und dann mach die Scheinwerfer aus«, fügte Michael hinzu. Kyle bremste so weit ab, dass sie die Straße auch ohne Licht erkennen konnten, und steuerte den Truck über weitere Spurrillen und zu einer Stelle unter einigen Bäumen, die vom Highway aus nicht eingesehen werden konnte. Als Kyle den Motor abstellte, wirkte die Stille fast lauter als der Lärm. Michael spürte, wie sein Herz hämmerte. Der Einsatz seiner Kräfte hatte ihn zutiefst erschöpft. Was er jetzt am dringendsten brauchte, war ein Nickerchen, aber dazu würde er in der nächsten Zeit nicht kommen. Der Motor knackte und der Tank hinter ihnen beruhigte sich. Die Geräusche wirkten in der Stille, die sie umfing, besonders laut. Michaels Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Er konnte vor ihnen den Fluss und die dahinter liegende Wiese erkennen. »Nun, das will ich nicht noch mal tun«, sagte Alex seufzend. »Ich kann nicht glauben, dass ich das mitgemacht habe«, warf Kyle ein. »Mir ist übel. Sie haben auf uns geschossen.« »Muss ich deine Finger mit Gewalt vom Lenkrad lösen?«, fragte Alex. »Vielleicht«, sagte Kyle, »wenn mein Herz jemals aufhört, in meiner Brust zu hämmern.« »Woher kennst du diese Stelle?«, fragte Alex. »Sie sieht nett aus.« »Maria hat sie gefunden«, antwortete Michael. »Frag sie wie.« Die Erinnerung an den wundervollen Nachmittag, den sie letzten Sommer hier verbracht hatten, blitzte in seinem Kopf auf. Jetzt würde diese Erinnerung durch diese neue ersetzt werden. Schade. »Das werde ich vielleicht auch tun«, sagte Alex mit einem Grinsen.
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»Okay«, brummte Michael. Seine Stimme klang in der Stille fast zu laut. »Wir müssen weiter. Kyle, gib mir die Schlüssel. Wir müssen dafür sorgen, dass dein Dad sie zurückbekommt.« Kyle zog sie aus dem Zündschloss. »Soll ich sie für ihn aufbewahren?« »Nein«, sagte Michael. Er konnte Kyles Gesicht in der Dunkelheit kaum erkennen. »Für den Fall, dass wir erwischt werden, will ich nicht, dass du sie bei dir hast. Das ist eine zu direkte Verbindung zu deinem Vater.« Michael sah, wie Kyle in dem matten Licht nickte und ihm dann die Schlüssel gab. »Jetzt müssen wir alles abwischen, was wir an diesem Truck angefasst haben«, fuhr Michael fort. »Und einige Dinge, die wir nicht angefasst haben.« »Warum?«, fragte Kyle. »Unsere Fingerabdrücke sind nicht gespeichert, oder? Meine sind es nicht.« »Nein, wir müssen es wie die Arbeit von Profis aussehen lassen«, erklärte Alex. »Richtig?« »Genau«, bestätigte Michael. »Sie sollen denken, dass jemand, dessen Fingerabdrücke in der Kartei sind, den Laster gestohlen hat, nicht irgendwelche Highschoolkids.« »Oh«, machte Kyle. »Während ihr alles abwischt, werde ich die Zündung kurzschließen«, sagte Michael, »damit sie denken, dass der Täter keine Schlüssel hatte. Vergesst nicht die Ventile am Heck und die Leiter, die zum Dach führt.« Kyle wollte aussteigen. »Noch nicht«, sagte Michael. Er umwickelte seine Faust mit seiner Jacke, holte aus und schlug die Innenbeleuchtung ein. »Gute Idee«, nickte Alex. »Aber du hättest mich warnen können.« »Tut mir Leid«, sagte Michael. »Wann bist du zu so einem Meisterverbrecher geworden?«, fragte Kyle. »Du scheinst alle Tricks zu kennen.« 173
»Wenn du wie ich aufgewachsen wärst, hättest du auch gelernt, dich anzupassen«, sagte Michael. »Machen wir uns an die Arbeit. Ich will so schnell wie möglich diesen Truck hinter mir lassen.« »Ja, ich auch«, meinte Alex. »Wenn ich diese Kiste nie wieder sehe, werde ich glücklich sein«, fügte Kyle hinzu. »Wenigstens haben wir uns um die Wasserversorgung gekümmert«, sagte Alex. »Keine grünen Menschen mehr.« »Hoffen wir’s«, murmelte Michael. Über ihnen auf dem Highway raste ein Streifenwagen mit flackerndem Blaulicht vorbei und bewegte sich in die Richtung, in die auch sie gefahren waren. Bei seiner Geschwindigkeit hätte er nicht lange gebraucht, um diesen alten Laster einzuholen. Bei Sonnenaufgang mussten sie weit weg von hier sein, das stand fest. Und selbst dann waren sie vielleicht noch nicht in Sicherheit. Liz war von der Veränderung im Krankenhaus verblüfft, die sich in der Zeit abgespielt hatte, als sie und Maria den einen Karren aus dem Hörsaal geholt hatten, in dem Isabel gefangen gehalten wurde. Vorher hatte es sehr still und bedrückt gewirkt, aber jetzt herrschte helle Aufregung. Ärzte rannten durch den Korridor und über Lautsprecher wurden die Namen von Schwestern ausgerufen, die in die Notaufnahme kommen sollten. »Ich schätze, wir haben einige Unruhe ausgelöst«, flüsterte Maria kichernd. »Wo entlang?« »In die entgegengesetzte Richtung, aus der wir gekommen sind«, sagte Liz. »Ich glaube nicht, dass wir uns noch mal auf dem Korridor sehen lassen sollten.« »Gutes Argument«, nickte Maria. Sie wandte sich nach rechts, schob den Wasserkarren vor sich her und spähte dabei durch jede Tür. 174
»Brauchen wir noch immer beide Karren?«, fragte Liz, während sie weitergingen und die Zimmer mit normal gefärbten Leuten ignorierten. Ein Glas Wasser mit Max’ Plasma würde einem Krebspatienten nicht helfen. »Nein, hier drinnen ist genug, um das Problem zu lösen.« Maria tätschelte den Wasserbehälter auf dem Karren. »Wir müssen nur herausfinden, wo alle fest gehalten werden.« »Ich wette, die meisten von ihnen befinden sich an einem Ort«, sagte Liz. »So wie Isabel und der Rest in diesem Hörsaal gefangen gehalten werden. Kennst du irgendeinen Raum im Krankenhaus, der groß genug ist?« Maria dachte einen Moment nach, während sie zur Seite trat, um eine Schwester passieren zu lassen. »Im zweiten Stock liegen der Kreißsaal und die Kinderstationen. Der einzige Ort, der mir einfällt, ist die Lobby im dritten Stock. Sie ist eine Art großer Atriumbereich mit einer Cafeteria an einer Seite.« »Passen dort ein paar hundert Leute rein?«, fragte Liz. »Sicher«, bestätigte Maria. »Dann nehmen wir den dritten Stock«, erklärte Liz. »Es muss dort oben eine Menge durstiger Leute geben«, sagte Maria. »Davon bin ich überzeugt«, lächelte Liz. Liz war froh, dass Maria gut gelaunt und optimistisch war. Es half ihr, mit der Furcht zurechtzukommen, erwischt zu werden. Sie wusste nicht, warum dies sie so sehr bedrückte, aber es war so, obwohl sie nichts Verbotenes machten. Es war mehr die Furcht, dass jemand entdeckte, was sie verteilten, und es zu Max und den anderen zurückverfolgte. Der Aufzug war leer und sie gelangten problemlos in den dritten Stock. Als sie ausstiegen, sahen sie zwei mit Gewehren bewaffnete Männer in Army-Umformen. »Was wollen Sie hier?«, fragte einer der Soldaten. Er runzelte bei ihrem Anblick die Stirn.
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Liz’ Magen zog sich wieder zu einem Knoten zusammen, wie es schon passiert war, bevor sie Isabel gefunden hatten. »Wonach sieht’s denn aus?«, fragte Maria und lächelte den Mann an. »Wir haben die wundervolle Aufgabe, auf Anweisung der Ärzte dafür zu sorgen, dass jeder genau ein Glas Wasser bekommt. Wollen Sie uns helfen?« »Nein«, sagte der Soldat. »Sie können passieren.« »Danke, Süßer«, flötete Maria. Diesmal antwortete der Soldat nicht, sondern sah starr geradeaus an ihnen vorbei. Liz bemerkte, dass der andere Soldat ein Lachen unterdrückte, aber sie war nicht sicher warum. Möglicherweise fand er es komisch, dass der eine Kerl den wachsamen Posten spielte. Der zweite Soldat zwinkerte Liz zu, als er sah, dass sie lächelte. Sie spürte, wie sie errötete. Sie lächelte zurück und ging mit Maria weiter, während sich der Knoten in ihrem Magen langsam auflöste. »In einer derartigen Situation flirtest du?«, fragte Maria und lächelte Liz mit einem Funkeln in den Augen an. »Ich nutze jede Chance«, erklärte Liz lachend. Hinter der nächsten Ecke mündete der Korridor in einen großen offenen Bereich mit dunklen Oberlichtern. Ein paar Bäume wuchsen in einigen Töpfen in der Mitte des Raumes. Er wäre schön gewesen, hätten nicht so viele grüngesichtige Menschen dort gelegen und gesessen, alle von Soldaten mit strengen Mienen bewacht. Maria lächelte noch immer Liz an, als sie um die Ecke bogen. Aber als sie sich umsah, wurde sie abrupt todernst. Nach einem Moment wandte sie sich an Liz, während sie den Karren weiterschob. »Oh, wir haben ein Problem«, wisperte Maria. Sie stellte den Karren an eine Wand und hantierte an ihm herum. »Welches?«, fragte Liz. 176
»Dieses Zeug wirkt zu schnell«, flüsterte Maria. »Wenn der Aufruhr losbricht, werden wir erst die Hälfte dieser Leute behandelt haben. Und dann werden wir nie mehr dazu kommen, den anderen das Heilmittel zu geben.« Liz musterte all die Leute, die auf Pritschen schliefen, auf Bänken saßen oder auf Decken auf dem Boden lagen. Es mussten mindestens hundert sein. Und die Hälfte von ihnen schlief. Sie würden sie wecken müssen, um sie zum Trinken zu bewegen, oder ihre Haut irgendwie mit ein paar Tropfen Wasser benetzen, ohne dass es auffiel. Maria hatte völlig Recht. Jedem Anwesenden ein Glas zu geben, würde nicht funktionieren. Nicht einmal ansatzweise. »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte Maria, während sie dastand und die Menge beobachtete. »Nicht einen«, seufzte Liz. »Ich hatte schon befürchtet, dass du das sagst.« Beide standen da und starrten ein scheinbar endloses Meer aus grüner Haut an.
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Michael bog im Dunkeln langsam um den alten Wasserwagen, flüsterte mit Alex und Kyle und wischte alle Stellen ab, die er erreichen konnte. Er und Alex hatten das Innere des Trucks komplett gesäubert, angefangen vom Armaturenbrett bis hin zum Dach und den Sitzen. Jetzt vergewisserte er sich bei einem letzten Rundgang, dass sie nichts übersehen hatten, den Spiegel eingeschlossen, an dem er sich bei der Flucht hochgezogen hatte. Es wurde Zeit, dass sie von hier verschwanden. Um sie herum war die Nacht still und über den Bäumen standen die Sterne am klaren Himmel. Mindestens ein Dutzend Polizei- und Militärfahrzeuge waren in den letzten fünfzehn Minuten an ihnen vorbeigerast. In der Ferne war der orangefarbene Schein der Feuer, die Michael gelegt hatte, schwächer geworden und erloschen. Das war gut, denn er wollte unter keinen Umständen einen Waldbrand auslösen. »Seht euch das an«, sagte Alex und zeigte auf eine Stelle am Heck des Wagens, direkt über dem Ventil, mit dem sich das Wasser ablassen ließ. »Ein Einschussloch.« »Nicht witzig«, sagte Kyle. »Ein paar Zentimeter tiefer, und die Kugel hätte den Benzintank getroffen«, stellte Alex fest. »Auch das ist nicht witzig«, meinte Kyle. Michael musterte die Stelle, auf die Alex deutete, und nickte. »Es ist auch nicht witzig gemeint. Das ist ein Einschussloch. Gehen wir.« »Ich kann nicht glauben, dass Army-Soldaten auf mich geschossen haben«, sagte Kyle. Er starrte das Loch an und wandte sich dann ab, um Michael zu folgen. »Glaub es«, riet Alex. »Aber erzähl bloß niemand davon«, sagte Michael, während er vorsichtig dem Pfad zu dem kleinen Fluss folgte und darauf 178
wartete, dass sich seine Augen noch mehr an die Dunkelheit gewöhnten. »Hältst du mich etwa für so dumm?«, fragte Kyle. »Das habe ich nicht gesagt«, wehrte Michael ab. »Nur kein Bettgeflüster, in Ordnung? Wenigstens nicht, solange ich in der Stadt bin. Wir könnten für das, was wir heute Nacht getan haben, ein paar Jahre bekommen, ganz gleich, wie gut unsere Gründe waren.« »Ganz zu schweigen davon, was du mit diesen Bäumen und dem Army-Truck gemacht hast«, fügte Alex lachend hinzu. »Ich habe im Moment keine Freundin, und wenn ich eine hätte, würde ich garantiert nicht zugeben, dass ich mit euch beiden Rabauken herumhänge«, sagte Kyle gekränkt. »Gut«, nickte Michael, während er sie hinunter zum Fluss und weg von der Straße führte. »Pass auf, wo du im Dunkeln hintrittst«, warnte Alex. »Wenn du dir jetzt einen Knöchel verstauchst, sind wir erledigt.« »Großartig«, knurrte Kyle. »Wo gehen wir überhaupt hin?« »Ich schätze, es sind noch sieben Stunden bis Sonnenaufgang«, sagte Michael. »Wir müssen bis dahin auf der Launder Road sein.« »Launder?«, wiederholte Alex. »Das bedeutet, dass wir mindestens sechs Kilometer durch die offene Wüste marschieren müssen.« »Auf keinen Fall«, protestierte Kyle. »Ich bin schon bei Tageslicht in dieser Wüste gewesen. In der Nacht dürfte es fast unmöglich sein.« »Hast du eine andere Idee?«, fragte Michael. Er blieb neben dem kleinen Fluss stehen und drehte sich zu den beiden anderen um. Hinter ihnen war der Laster ein großer, dunkler Schatten, der in die Nacht ragte. Die Luft war kalt, biss in seine Nase, und er konnte seinen Atem im Sternenlicht erkennen.
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Auf dem Highway brauste ein Streifenwagen vorbei. Sein blitzendes Blaulicht erhellte die Bäume um sie herum. »Sie werden in beiden Richtungen Straßensperren errichten«, sagte Michael. »Und sehr bald schon werden sie die Seitenstraßen absuchen. Bis Mittag finden sie den Truck, das garantiere ich euch.« »Zu diesem Zeitpunkt müssen wir im Crashdown sitzen und frühstücken«, erklärte Alex. »Genau«, nickte Michael. »Und das schaffen wir nur, wenn wir uns bis zur Launder Road durchschlagen und jemand anrufen, um uns abzuholen.« »Die Launder Road führt aus einer anderen Richtung in die Stadt als die hier«, sagte Alex. »Dort gibt es bestimmt keine Straßensperren. Jetzt, wo du es erwähnst, ergibt es Sinn.« »Nichts an dieser Wüste da draußen ergibt Sinn«, widersprach Kyle. »Vertraut mir.« »Pass einfach genau auf, wo du hintrittst«, sagte Michael, »dann wird schon nichts passieren.« Er wandte sich ab, sprang über den kleinen Fluss und folgte dann dem Pfad auf der anderen Seite zu der Wiese, wo er und Maria im letzten Sommer gepicknickt hatten. Aber diesmal würde er die Wiese umgehen und durch die Bäume zu den Felsen und dem Gestrüpp der dahinter liegenden Wüste marschieren. Im besten Fall würde es eine lange Nacht werden. Er wollte nicht an die schlimmste Möglichkeit denken. Der Lärm und der Aufruhr im Lagerhaus hatten sich endlich gelegt, als Sanitäter trockene Kleidung, frisches Bettzeug und Decken hereinbrachten und die Ärzte jeden untersuchten, der grüne Haut gehabt hatte. Eine gute halbe Stunde lang war der Ort wie ein Zirkus gewesen. Max hatte Tess und Valenti zurück in die Schatten der Galerie gezogen, als ein halbes Dutzend Soldaten 180
heraufgekommen und über die Leiter aufs Dach gestiegen waren. Zum Glück hatte Max sowohl die Tür zum Wassertank als auch zum Dach abgeschlossen, sodass es schien, als wäre niemand dort oben gewesen. Nach kurzer Zeit kamen die Männer wieder zurück, verriegelten die Falltür und gingen die Treppe hinunter. »Sie haben keine Ahnung, wonach sie suchen, nicht wahr?«, fragte Valenti. »Nein«, sagte Max lächelnd. Das hatte besser funktioniert, als er gehofft hatte. Zweifellos würde die Army diese Leute den Rest der Nacht festhalten, aber wenn der Morgen kam und niemand sich grün verfärbte und es auch keine Symptome einer Krankheit gab, würden sie alle gehen können. Die Army hatte in dieser Sache keine andere Wahl. Sie weiter festzuhalten, würde einen Skandal auslösen, den sich nicht einmal die Army leisten konnte. Max hoffte nur, dass Maria und Liz genauso viel Glück im Krankenhaus hatten. Wenn nicht, würde diese Heilung hier für nur noch mehr Verwirrung sorgen. Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass er ihnen helfen musste, auch wenn er keine Ahnung hatte, was vor sich ging. Schließlich, nachdem gut fünfzig Sanitäter und Ärzte hereingekommen und gegangen und wieder hereingekommen waren, konnte Max das Warten nicht länger ertragen. Er wandte sich an Tess. »Bist du in der Lage, uns erneut als Ärzte erscheinen zu lassen?« »Ich schätze, ich kann es«, meinte Tess, »wenn wir die Zahl der Leute im Auge behalten, mit denen wir es zu tun bekommen.« »Also gehen wir«, nickte Max. »Wir müssen ins Krankenhaus und herausfinden, wie es dort aussieht.« »Du machst dir Sorgen, hm?«, fragte Valenti. »Ich auch.« »Das wollte ich eigentlich nicht hören«, seufzte Max.
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Während Tess einen Schritt vorausging, stiegen sie die Treppe zu der Tür im Erdgeschoss hinunter. Tess trat zur Seite und Max öffnete die Tür einen Spalt weit, um zu sehen, wer sich in der Hauptlobby befand. Im Moment waren es nur zwei Soldaten. »Bist du bereit?«, flüsterte er Tess zu. Sie nickte, bewegte sich zu einer Stelle, wo sie die beiden Soldaten durch den Spalt sehen konnte, öffnete dann die Tür weit und hielt sie für den Sheriff offen. »Gentlemen«, sagte Valenti und ging an den beiden Posten vorbei, als wüsste er, was er tat. Tess und Max hielten sich dicht hinter ihm. Valenti blieb stehen, als er die Außentür öffnete. »Doktor«, sagte er. »Danke, Sheriff«, murmelte Max, als er Tess durch die Tür folgte. Draußen waren zwei weitere Wachen postiert und in einiger Entfernung standen ein paar Leute bei einigen Autos. Nur die beiden Wachen blickten in ihre Richtung, nickten und starrten dann wieder in die Ferne. Tess musste ihnen in der kurzen Zeit ebenfalls die Illusion eingegeben haben. Das war bestimmt sehr schwer für sie gewesen. Valenti ging zwischen Tess und Max. Die drei schritten gelassen über die freie Fläche vor dem Lagerhaus zur Ecke des nächsten Gebäudes und verschwanden aus der Sichtweite der Wachen. Tess stolperte und Valenti fing sie auf und stützte sie den Rest des Weges zu seinem Truck. »Gute Arbeit«, sagte Max, während er sich auf Tess’ andere Seite begab und sie ebenfalls stützte. »Bist du in Ordnung?« »Ja«, bestätigte Tess mit matter, heiserer Stimme. »Ich muss mich nur einen Moment hinsetzen.«
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Sie schafften sie in den Truck und kurz darauf steuerte Valenti ihn zum Tor. Es war Max klar, dass Tess nicht in der Lage sein würde, die Posten am Tor zu beeinflussen, wenn sie es passierten. Sie mussten etwas anderes versuchen, und zwar schnell. »Runter auf den Boden«, sagte er, während er vom Sitz rutschte und Tess mit sich zog. »Ich schaffe das schon«, protestierte Tess, aber sie wehrte sich nicht weiter, als Max sie zu Boden drückte. Valenti steuerte den Truck zum Hauptausgang der Basis. Max wusste, dass die Posten am Tor nur selten Fahrzeuge stoppten, die den Stützpunkt verließen, zumal sie den Sheriff vorhin schon überprüft hatten. Jetzt würde es aussehen, als fuhr er ohne die Passagiere weg, die er hereingebracht hatte. Oder zumindest hoffte Max, dass es so aussehen würde. Max kauerte nieder und beugte sich über Tess. »Du musst dafür sorgen«, flüsterte er ihr ins Ohr, »dass sie nichts entdecken, wenn sie in den Wagen sehen.« »Das werde ich«, nickte Tess. »Warnen Sie mich, Sheriff, indem Sie sich räuspern.« »Okay«, sagte Valenti. »Bleibt unten, wir sind fast da.« Max zog den Kopf ein und duckte sich hinter Tess, sodass sie ein klares Sichtfeld hatte, falls jemand auf der Fahrerseite in den Truck spähte. Ihm gefiel es nicht, praktisch blind dort zu liegen, aber es war im Moment die beste Möglichkeit. Valenti fuhr langsamer, winkte dann und trat aufs Gas. »Sie haben uns durchgewinkt«, sagte er nach einem Moment. »Bleibt noch zehn Sekunden unten, bis wir weit genug weg sind.« »Es fühlt sich gut an, wieder aus der Basis raus zu sein«, erklärte Max, während er Tess beim Aufstehen half. »Geschafft«, sagte Valenti. »Ihr beide habt gute Arbeit geleistet.«
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»Danke«, erwiderte Max. »Aber ich habe so eine Ahnung, dass die Nacht noch nicht vorbei ist.« »Ich fahre jetzt zum Krankenhaus«, erklärte Valenti. »Die Luft ist rein. Ihr könnt hochkommen.« »Leichter gesagt als getan«, brummte Max, als er und Tess sich mühten, ihre Glieder zu entwirren, um sich wieder auf ihre Plätze zu setzen. Es war ein seltsames Gefühl, ihr erneut so nahe zu sein. Fast normal und richtig. Sie schien es zweifellos nicht zu stören, ihn zu berühren, so viel stand fest. Und als sie endlich wieder auf dem Sitz waren, schmiegte sie sich an ihn, legte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Während der ganzen Fahrt zum Krankenhaus genoss er das Gefühl, ihren warmen Körper an seinem zu spüren. Ein Gefühl, das er bisher nur mit Liz gehabt hatte.
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Liz wusste nach zehn Minuten, in denen sie dort stand und so tat, als würde sie den Wasserkarren vorbereiten, dass sie keine Möglichkeit finden würden, alle schnell genug zu behandeln, ganz gleich, wie sehr sie sich auch den Kopf zerbrachen. Es gab einfach keine Lösung. Sie waren nur zu zweit, und es gab viel zu viele grüne Leute und zu wenig Zeit. Um sie herum erfüllte das Schnarchen der Patienten den großen Raum. Ein paar andere gingen an der Wand auf und ab, sichtlich nicht glücklich darüber, grünhäutig oder hier gefangen zu sein. Viele saßen einfach da und lasen oder starrten in die Ferne. »Ich sage, wir versuchen es einfach«, flüsterte Maria. »Wir benetzen jeden von ihnen so schnell wie möglich mit dem Wasser. Die Hälfte von ihnen schläft, sodass wir sie nicht einmal wecken, sondern nur vorbeigehen und sie volltropfen müssen.« Liz starrte die Soldaten in dem großen Krankenhausatrium an. »Und wir tun das, ohne gesehen zu werden?« »Natürlich nicht«, sagte Maria. »Wir versuchen, nicht gesehen zu werden, aber wenn wir uns beeilen, sind wir schon unten und verstecken uns, bevor jemand begreift, dass es das Wasser ist.« Liz musterte erneut all die grünen Leute. Ein paar Ärzte waren heraufgekommen und hatten einige Patienten untersucht und waren dann mit dem Aufzug wieder nach unten gefahren. Zweifellos hatte die plötzliche Heilung der grünhäutigen Leute in diesem einen Flügel für Aufregung gesorgt und die Aufmerksamkeit von hier oben abgelenkt. »Okay«, sagte Liz. »Tun wir’s. Denk daran, ein Tropfen auf jeden ist alles, was wir brauchen. Also durchweiche niemand.« Maria lächelte. »Nur, wenn ich es muss.« 185
»Großartig«, sagte Liz kopfschüttelnd. Ihr Magen zog sich jetzt dermaßen zusammen, dass sie kaum noch atmen konnte. Doch irgendwie musste sie lächeln, höflich sein und schnell handeln. »Du fängst unten auf der anderen Seite an, ich übernehme diesen Teil«, erklärte Maria und reichte Liz ein Tablett mit Wasserbechern. Obwohl die kleinen Pappbecher nur halb voll waren, war das Tablett überraschend schwer. Liz holte tief Luft. »Ich schätze, wir haben zehn Minuten, bevor die ersten Anzeichen sichtbar werden, vielleicht weniger. Mach dann einfach weiter.« »Ich weiß«, erwiderte Maria. Sie lächelte Liz an. »Auf dein Zeichen...« »Achtung, fertig...«, begann Liz. »Los!«, sagten beide gleichzeitig. Liz wandte sich ab, ging zur anderen Seite des Raumes und tauchte ihre Hand in einen der Becher, um sicherzugehen, dass Tropfen an ihren Fingern waren. Als sie den ersten schlafenden Mann passierte, der hustend und schnaufend schnarchte, gab sie ein paar Tropfen auf seinen Arm, trat dann zu dem nächsten Mann und machte mit ihm dasselbe, während sie so tat, als würde sie nachsehen, ob er wach war. Die dritte Person entlang der Wand war eine Frau, die einen Roman las. »Wasser«, sagte Liz und hielt der Frau den Becher hin. »Sie müssen es schnell trinken.« »Warum?«, fragte sie ohne zu Liz aufzublicken, als sie nach dem Becher griff. Liz zögerte gerade lange genug, dass ein paar Tropfen auf die grüne Hand der Frau spritzten, als sie den Becher losließ. »Anweisung des Arztes«, sagte Liz und ging weiter. Sie schaffte es, etwas Wasser auf drei weitere schlafende Leute zu tropfen, ohne von einer der Wachen dabei gesehen zu werden. Zwei weiteren Leuten, die merklich kein Interesse 186
hatten, etwas zu trinken, drängte sie je einen Becher auf, um sich dann der zweiten Reihe zuzuwenden. Auf der anderen Seite des Raumes machte Maria ebenfalls Fortschritte. Aber es schien recht langsam zu gehen. Viel zu langsam. Sie würden nicht alle mit dem Wasser versorgen können. Vielleicht nicht einmal die beiden mittleren Reihen, je nachdem, was für einen Aufruhr die ersten Leute machten, wenn sie sahen, wie sie die Farbe wechselten. Liz spürte, wie ihr Herz so schnell hämmerte, als würde es aus ihrer Brust explodieren. Und der Knoten in ihrem Magen war so hart geworden, dass sie bezweifelte, je wieder essen zu können. Sie ging durch die zweite Reihe der grünen Patienten, reichte jenen, die wach waren, die Pappbecher und tropfte Wasser auf jene, die schliefen. Wenn sie nach ihrer Leistung als professionelle Krankenschwester beurteilt werden würde, würde sie sicher durchfallen. Aber bis jetzt hatte sie dafür gesorgt, dass jeder, den sie passierte, entweder etwas von dem Wasser trank oder ein paar Tropfen auf die Haut bekam. Sie hatte das Ende der zweiten Reihe erreicht, als die Frau, die den Roman gelesen hatte, aufstand und zu ihr eilte. Sie war gut dreißig Zentimeter größer als Liz, etwa zehn Jahre älter und offenbar sehr klug. Sie lächelte Liz an, und ihre blauen Augen lachten fast, als sie ihr den Weg versperrte. »Ja?«, fragte Liz, nicht sicher, was sie tun oder zu der Frau sagen sollte, die sich vor ihr aufgebaut hatte. »Ich habe Sie und Ihre Freundin beobachtet, seit sie mich mit dem Wasser bespritzt haben«, sagte sie so leise, dass der Posten, der drei Meter weiter stand, sie nicht hören konnte. Sie streckte ihre Hand aus, die sie bis jetzt versteckt hatte. Sie hatte wieder ihre normale Fleischfarbe.
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»Ich weiß nicht, was Sie machen«, fuhr die Frau fort, »und mir ist es, um ehrlich zu sein, egal, warum Sie den Ärzten nichts davon sagen. Solange es funktioniert und mich hier rausbringt.« »Es funktioniert«, flüsterte Liz. »Sie haben in etwa fünf Minuten wieder Ihre normale Hautfarbe. Es gibt keine Nebenwirkungen und die grüne Haut kehrt garantiert nicht zurück.« »Also gut«, nickte die Frau. »Sie werden Hilfe brauchen, um das durchzuziehen. Ist das Wasser in diesem Behälter dasselbe Zeug, das Sie verwenden?« Die Frau deutete auf den Karren. »So ist es«, bestätigte Liz. Sie war völlig verblüfft, dass die Frau ihr anbot, ihnen bei der Heilung zu helfen. »Dann machen Sie weiter«, sagte die Frau. Sie eilte zum Karren. Liz beobachtete sie eine Sekunde und sah dann Maria an, die einen entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht hatte. Liz zeigte ihr den nach oben gerichteten Daumen und fuhr dann fort, die schlafenden grünen Leute mit Wasser zu benetzen. Die Frau nahm ein Tablett, füllte rund zehn Pappbecher und bog in den Mittelgang zwischen Liz und Maria, die Reihe, von der Liz überzeugt gewesen war, dass sie sie nie erreichen würden. Für Liz und jeden, der hinsah, war klar, dass der Arm der Frau und ihr halbes Gesicht wieder ihre normale Farbe hatten. Aber keiner der Posten schien es zu bemerken. Einigen der wachen Patienten fiel es auf, aber sie flüsterte ihnen etwas zu, und sie nahmen einen Becher und tranken ohne ein weiteres Wort. Einer von ihnen, ein Mann Mitte Dreißig, stand sogar auf, ging zu dem Karren, nahm weitere Pappbecher, füllte sie und half ebenfalls. Es war alles so erstaunlich, dass Liz es kaum glauben konnte. Diese beiden verstanden offenbar, dass sie durch etwas geheilt 188
worden waren, das die Ärzte nicht gebilligt hatten, und sie halfen trotzdem. Sie mussten es wirklich satt haben, von den Ärzten und der Army gefangen gehalten zu werden. Ein Mann in der ersten Reihe, dem Liz einen Pappbecher gegeben hatte, machte plötzlich ein lautes Geräusch. Der Kerl, der ihm gegenüber saß, brachte ihn mit dem Wink einer völlig normalen Hand zum Schweigen. Liz wusste nicht, was sie anderes tun sollte als einfach weiterzumachen, Wasser auf die Schlafenden zu tropfen und den anderen so schnell wie möglich Becher zu reichen. Eine Menge Leute in dem Raum schienen mitzumachen und dafür zu sorgen, dass jeder das Heilmittel bekam. Liz war mit der einen Reihe fertig, kümmerte sich um die nächste und traf dann die Frau wieder. Im Saal wurde es immer lauter, als mehr und mehr Leuten dämmerte, dass sie geheilt waren. Ein paar der Wachen wurden ebenfalls unruhig. Ihnen gefiel offenbar die Tatsache nicht, dass sich die Lage vor ihnen veränderte. »Sie beide verschwinden besser von hier«, sagte die Frau. »Ich werde dafür sorgen, dass alle das Mittel bekommen.« »Danke«, erwiderte Liz. »Für die Hilfe.« Die Frau lachte hell und klar und sehr glücklich. »Nein, ich danke Ihnen.« Liz lächelte, wandte sich ab und ging zum Wasserkarren. »Lass den Karren stehen«, sagte Maria, die plötzlich vor ihr auftauchte und zur Treppe eilte. »Wir müssen ein gutes Versteck finden, in das wir uns verkriechen können, bis das Krankenhaus wieder geöffnet wird. Ich habe das Gefühl, dass man nach uns suchen wird.« Liz konnte dem nur zustimmen, aber im Moment kümmerte es sie nicht. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, wurde der Lärm immer lauter. Mehr und mehr Leuten dämmerte, dass ihre Haut das Grün verlor und wieder ihre normale Farbe annahm. 189
Es war ein großartiger Lärm, ein Ausdruck der Freude. Und er brachte Liz zum Lächeln. Tess war fast wieder normal, als sie das Krankenhaus erreichten, und Sheriff Valenti parkte seinen Truck auf dem Platz gegenüber dem Haupteingang. Wie es schien, hatte Tess nur ein wenig Ruhe gebraucht. Jetzt behauptete sie, dass es für sie kein Problem war, ihnen den Weg ins Innere zu bahnen. Aber Max hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie jetzt, da sie das Krankenhaus erreicht hatten, tun sollten. Plötzlich, bei all den Leuten, die kamen und gingen, und den Army-Posten vor den Türen, erschien es nicht logisch, einfach hineinzugehen und das Gebäude nach Liz, Maria und Isabel abzusuchen. Trotzdem musste er irgendetwas tun. Er musste wissen, ob sie erwischt oder ob alle Patienten geheilt worden waren, bevor er seinen nächsten Schritt wagte. »Hast du dein Handy dabei?«, wandte sich Max an Tess. Sie nickte und zog es aus ihrer Handtasche, wobei sie ihren Körper an Max’ Seite drückte, als würde sie dadurch Kraft gewinnen. Er nahm es an sich. Liz anzurufen war nicht die beste Idee der Welt, weil das Klingeln sie in Schwierigkeiten bringen konnte, aber es war die einzige Idee, die er im Moment hatte. Er musste wissen, was dort drinnen passiert war. Hastig wählte er Liz’ Handynummer, bevor er seine Meinung änderte. Es klingelte einmal, dann meldete sich Liz mit einem gepressten Flüstern: »Hallo.« »Liz?«, fragte Max. Der Klang ihrer Stimme machte ihm Sorgen. Tess löste sich von ihm. »Max«, wisperte Liz. »Maria und ich verstecken uns, deshalb kann ich nicht lauter sprechen.« »Wo?«, fragte Max. »Warum?«
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»In einem Wäscheschacht zwischen dem Erdgeschoss und der Wäscherei im Keller«, erklärte sie. »Wir denken, dass wir alle geheilt haben, aber ein Haufen Leute hat uns dabei beobachtet, deshalb wollen wir warten, bis sich die Dinge wieder beruhigen, bevor wir versuchen von hier zu verschwinden.« »Gute Idee«, lobte Max. »Wir haben im Stützpunkt auch alle geheilt.« »Großartig«, flüsterte Liz. »Maria will wissen, ob du etwas von Michael gehört hast.« »Nein«, sagte Max. »Aber wir sind noch nicht wieder im Crashdown gewesen. Habt ihr Isabel gefunden?« »Ihr geht’s gut«, wisperte Liz. »Sie sitzt mit einem Haufen Leute in einem Hörsaal fest, aber ihr geht’s gut.« Plötzlich wusste Max, was er als Nächstes tun musste. Wenn alle mit grüner Haut im Krankenhaus und im Army-Stützpunkt geheilt worden waren, brauchten die Ärzte eine glaubwürdige Erklärung für die Presse und für sich selbst. Und Max hatte, mit Tess’ Hilfe, genau die richtige für sie gefunden. »Haltet euch bedeckt«, sagte er zu Liz. »Wir werden euch in etwa einer Stunde was Neues zum Anziehen bringen.« »Großartig«, flüsterte Liz. »Sei vorsichtig.« »Du auch«, sagte Max und legte auf. Es war eine große Erleichterung, dass Liz, Maria und Isabel wohlauf waren. Er gab Tess das Handy zurück, wandte sich dann an den Sheriff und wiederholte all die Neuigkeiten, die er gerade von Liz erfahren hatte. »Demnach war die Nacht bis jetzt erfolgreich«, stellte der Sheriff fest. »Was nun?« »Wir besorgen Liz und Maria neue Kleidung, damit sie nicht auffallen, wenn sie versuchen, das Krankenhaus zu verlassen«, erwiderte Max. »Sie wurden dabei beobachtet, wie sie die Leute mit Wasser geheilt haben.« »Oh«, machte Valenti. 191
Max wandte sich an Tess und legte seine Hand auf ihre. »Bist du sicher, dass du okay bist?« Sie nickte und lächelte ihn an. »Mir geht’s gut.« »Kannst du versuchen, die Ärzte zu beeinflussen, sodass sie uns ebenfalls für Ärzte halten?« Tess nickte. »Ich denke schon. Ich könnte eine Art ausgedehnte Halluzination erzeugen. Sie sollte ein paar Stunden, vielleicht sogar Tage anhalten. Das hängt davon ab, wie sehr die Ärzte glauben wollen, was sie glauben sollen, und wie dicht es an der Wahrheit ist.« »Etwas Einfaches«, sagte Max und lächelte, während er Tess’ Hand hielt, »das sehr dicht an der Wahrheit ist. Wie wäre es, wenn wir ihnen weismachen, dass die grüne Haut von einem harmlosen Mikroorganismus im Wasser hervorgerufen wurde? Einer Art grüne Flut, die kam und dann wieder ging.« »Mir gefällt es«, erklärte Valenti. »Mir auch«, sagte Tess und drückte Max’ Hand. »Also«, wandte sich Max an den Sheriff, »während Tess und ich die Ärzte beeinflussen, können Sie unseren gefangenen Freundinnen frische Kleidung bringen?« »Sehr gern«, nickte Valenti. »Wir treffen uns in etwa einer Stunde in der Kellerwäscherei«, sagte Max. »Mit etwas Glück sollten die Army-Soldaten dann abgezogen sein.« »Wir können es nur hoffen«, meinte Valenti. »Das können wir«, sagte Max. Er öffnete die Tür und half Tess beim Aussteigen. »Nun, Doktor«, sagte er zu Tess, »wie wäre es mit einem kleinen Besuch in einem freundlichen Krankenhaus?« »Ich bin so bereit, wie ich nur sein kann, Doktor«, antwortete sie lachend. Zusammen wandten sie sich ab und näherten sich der Tür des Krankenhauses, um die letzten Schwierigkeiten einer sehr langen Nacht aus dem Weg zu räumen. 192
Der Geruch von gebratenem Schinken im Crashdown war die beste Begrüßung, die Max sich vorstellen konnte. Das Geöffnet-Schild hing an der Tür, die Sonne stand am Himmel und ein halbes Dutzend Gäste saßen im Café, lasen Zeitung und tranken Orangensaft. Michael war in der Küche, um mit dem Koch der Tagesschicht zu sprechen, und Alex und Kyle saßen in einer Nische und schlürften Kaffee. Beide sahen erschöpft, schmutzig und sehr zerschlagen aus. »Erfolg gehabt?«, fragte Max Alex. Liz, Tess, Maria, Isabel und der Sheriff folgten Max durch die Tür. »Erfolg gehabt«, bestätigte Alex lächelnd, »aber es hat einiges gekostet.« Max gefiel die Antwort nicht, aber angesichts der normalen Gäste im Restaurant und der Kellnerin, die zwei Nischen weiter ein nettes Paar bediente, wollte er ihn nicht bedrängen. Michael kam aus der Küche und sah ebenfalls zerschlagen und erschöpft aus. Er griff in seine Tasche und warf dem Sheriff einen Schlüsselbund zu. »Danke.« »Nicht der Rede wert«, sagte der Sheriff lächelnd. »Oh, glauben Sie mir, ich werde nicht darüber reden, wenn Sie es nicht tun«, erwiderte Michael. Er sah Max an, schüttelte den Kopf und kehrte in die Küche zurück. Jetzt war Max wirklich besorgt. Aber zumindest waren alle hier und das präparierte Wasser war in den Boden gelangt. »Bereit, nach Hause zu gehen, Sohn?«, fragte Valenti Kyle. »Ich bin bereit, nach Hause zu gehen und zu Hause zu bleiben«, antwortete Kyle, während er sich langsam aus der Nische zwängte und zur Tür humpelte. Der Sheriff hielt mit einem verwirrten Gesichtsausdruck seinem Sohn die Tür auf. Max zuckte nur die Schultern, und der Sheriff öffnete eilig die Trucktür für Kyle. 193
»Was ist mit euch passiert?«, fragte Maria. »Das willst du nicht wissen«, sagte Alex, »und wir wollen es dir im Moment auch nicht erzählen.« »Oh«, machte Liz, »so schlimm, hm?« Sie setzte sich zu Alex. »Ja«, bestätigte Alex, während er mit zitternden Händen versuchte, seinen Kaffee zu trinken. Maria setzte sich ihm gegenüber in die Nische. Tess stellte sich an den Tresen, während sich Isabel in die Nische zwängte und neben Maria Platz nahm. Max entschloss sich, stehen zu bleiben, damit er alle sehen konnte. Im Moment wollte er jedermanns Geschichte hören, aber er wusste, dass er warten musste, solange die normalen Gäste zuhörten. »Eure lächelnden Gesichter verraten mir, dass die Nacht ein Erfolg war«, sagte Alex und sah sich um. »Auf ganzer Linie«, bestätigte Max. »Die Ärzte haben entdeckt, dass die grüne Haut von einem harmlosen Mikroorganismus hervorgerufen wurde. Die Zeitung nennt es die Grüne Flut und macht sich lustig darüber.« Tess zwinkerte ihm zu und er zwinkerte zurück. Es fühlte sich gut an, so eng mit Tess zusammenzuarbeiten. Er war nicht sicher warum und er war nicht sicher, ob er mehr daraus machen sollte. Die Zukunft würde es zeigen. »Es war allerdings nicht besonders lustig, die ganze Nacht in einem Hörsaal eingesperrt zu sein«, sagte Isabel. »Es war unglaublich langweilig. Und ich glaube nicht, dass sich Rob noch einmal mit mir verabreden wird.« »Warum sollte er auch, wenn er beim ersten Date grün angelaufen ist?«, fragte Alex. »So schlimm kann die Nacht nicht gewesen sein«, warf Maria ein. »Dein Sinn für Humor kehrt zurück.« »Ich bin gerade zwanzig Kilometer im Laderaum eines Pferdetransporters gefahren«, erklärte Alex. »Ich habe keinen Sinn für Humor.« 194
»Aber dafür riechst du«, sagte Maria. Isabel und Tess lachten. Max musste ebenfalls grinsen. Es war ein sehr gutes Gefühl, dass sie dieses Problem ohne große Blessuren gelöst hatten. Es hätte alles viel schlimmer sein können. Aber Alex musste nach den Ereignissen der letzten Tage seinen Humor erst noch zurückgewinnen. Unter dem Schmutz lief sein Gesicht langsam rot an. »Gestern Nachmittag war ich am ganzen Körper grün.« Seine Stimme war überall im Restaurant zu hören. »Jeder Quadratzentimeter meiner Haut hatte diese Farbe. Das finde ich überhaupt nicht komisch.« »Tut mir Leid«, sagte Maria, um Alex zu beruhigen und dazu zu bringen, dass er seine Stimme senkte. »Es muss dir nicht Leid tun«, wehrte Alex ab. »Du weißt, wie es sich angefühlt hat. Aber sag mir, was hättest du getan, wenn die Farbe geblieben wäre?« Maria und Isabel zuckten die Schultern. »Kommt schon«, drängte Alex. »Ihr kennt die Antworten. Wie hätte ich weiterleben können, wenn die grüne Haut zu einem Dauerzustand geworden wäre?« Max sah sich im Café um. In der hinteren Nische saß ein schwarzes Paar, das zuhörte und Kaffee trank. Zwei Hocker von Tess entfernt stand ein Indianer, der ebenfalls lauschte. Und an der Kasse wartete eine Frau mit leuchtend roten Haaren darauf, dass jemand ihr Geld nahm. Keiner von ihnen beantwortete Alex’ Frage, aber Max war sicher, dass jeder von ihnen eine Antwort hatte.
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