Kölner Schriften zum Medizinrecht Band 4
Reihenherausgeber Christian Katzenmeier
Philipp Brennecke
Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag
1C
Philipp Brennecke Kantstraße 27 40667 Meerbusch
[email protected]
ISSN 1866-9662 e-ISSN 1866-9670 ISBN 978-3-642-10758-0 e-ISBN 978-3-642-10759-7 DOI 10.1007/978-3-642-10759-7 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinrecht der Universität zu Köln in den Jahren 2007/2008 entstanden. Sie lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Wintersemester 2008/2009 vor, die berücksichtigte Literatur befindet sich auf dem Stand von November 2008. Mein herzlicher Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Katzenmeier, der mich an das Institut für Medizinrecht geholt, die Arbeit angeregt und mich in meinem Promotionsvorhaben kontinuierlich bestärkt hat, ohne ihn hätte ich diese Arbeit nicht geschrieben. Herrn Professor Dr. Mansel danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und das Augenmerk für zusätzliche praktische Bezüge des behandelten Themas. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie und meinen Freunden, die mir während der Promotion verständnisvoll Rückhalt gaben. Meerbusch, im Oktober 2009
Philipp Brennecke
Inhaltsverzeichnis
I.
Einleitung ........................................................................................................1
II. Allgemeine Dogmatik der GoA......................................................................3 A. Grundgedanken der GoA ............................................................................3 1. Theorie der Menschenhilfe.....................................................................3 2. Quasivertragstheorie/Quasikontraktstheorie...........................................8 3. Schutz vor dem unerwünschten Eingriff anderer in eigene Angelegenheiten .....................................................................................9 4. Fazit ......................................................................................................10 B. Eigentliche Tatbestandsmodelle................................................................11 1. Überblick ..............................................................................................11 2. (Rein) Objektive Theorie......................................................................13 3. h.M.: Theorie der höherrangigen Zuständigkeit bzw. der relativen Fremdheit, das “Näher-dran-Prinzip“ der objektivierenden Ansichten ..................................................................13 a) Objektiv fremdes Geschäft...............................................................14 (1) Überblick...................................................................................14 (2) Wollschlägers Zuständigkeitstheorie.........................................17 (3) Bewertung .................................................................................20 (4) Eingrenzungsbemühungen ........................................................26 b) Subjektiv fremdes Geschäft .............................................................29 4. Subjektive Lehre...................................................................................31 a) Überblick..........................................................................................31 b) Rechtsgeschichtliche Argumentation der subjektiven Lehre ...........32 c) Gurskys streng subjektives Tatbestandsverständnis: Die Geschäftsführungsabsicht als empirisches, einer real vorhandenen Willensrichtung entsprechendes Tatbestandsmerkmal ........................................................................37 (1) Systematische Argumentation mit § 687 I, II............................39 (2) Nichtanwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB bei Putativ-GoA........40 (3) Bestimmung der Person des Geschäftsherrn .............................40 (4) Objektive Struktur des Gesetzes: § 686 BGB ...........................41 (5) Vermeintliche Unvereinbarkeit der subjektiven Lehre mit § 679 BGB ..........................................................................42 (6) Nachweis des Geschäftsführungswillens im Streitfall ..............43 (7) Bewertung .................................................................................44 d) Subjektiv-normative Lehre...............................................................45 (1) Wittmanns Lehre von der normativ verstandenen Geschäftsführungsabsicht..........................................................45 (2) Bergmanns Idee der realgeschäftlichen Geschäftsbesorgung bzw. Interessenwahrnehmung für einen anderen.......................48
VIII
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(3) Bewertung ................................................................................. 50 e) Fazit ................................................................................................. 51 III. Auch fremdes Geschäft, vertraglich pflichtengebundener Geschäftsführer und Verbot der Versionsklage bei der Ärzte GoA ........ 55 A. Überblick .................................................................................................. 55 B. Arztrechtliche Sachverhaltskonstellationen .............................................. 56 1. Zweipersonenverhältnis oder Mehrpersonenverhältnis ........................ 56 2. Vertragsarztsystem ............................................................................... 57 3. Rückgriff .............................................................................................. 58 a) Kein Behandlungsvertrag mit dem Patienten: Mehrere Geschäftsherrn bei der GoA............................................................. 58 b) Behandlungsvertrag mit dem Patienten: Verbot der Versionsklage?............................................................... 58 C. Meinungsstand zum auch-fremden Geschäft, dem vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer und dem Verbot der Versionsklage bei der Ärzte-GoA....................................................... 59 1. Überblick.............................................................................................. 59 2. Wollschläger......................................................................................... 60 3. Übrige Literatur.................................................................................... 61 4. Faktischer Kontrahierungszwang als maßgebliches Kriterium ............ 62 a) Überblick ......................................................................................... 62 b) Argumentation anhand § 323 c StGB .............................................. 63 c) Nachträglicher Vertragsschluss........................................................ 63 d) Sperrwirkung eines bereits zu Behandlungsbeginn geschlossenen Vertrages .................................................................. 65 D. Allgemeine Dogmatik des Kontrahierungszwangs ................................... 68 E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit........................... 71 1. Standesrecht ......................................................................................... 71 a) Besondere Wertungen der Freiberuflichkeit des Arztes: Allgemeine Behandlungspflicht? ..................................................... 71 b) Fazit ................................................................................................. 76 2. Die Ärztliche Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung............................................................................ 78 a) Einschränkungen des Wettbewerbs und der Vertragspartnerwahl bei der Behandlung von Kassenpatienten....... 78 b) Fazit ................................................................................................. 84 3. Strafrecht .............................................................................................. 85 a) Garantenstellung des Arztes und unterlassene Hilfeleistung gem. § 323 c StGB ........................................................................... 85 b) Fazit ................................................................................................. 88 4. Gesamtschau: Reichweite der Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit.................................................................... 91 5. Fazit...................................................................................................... 92 F. „Umfassende“ vertragliche Entgeltregelung im Sinne der BGH-Rechtsprechung ......................................................................... 93
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient..97 A. GoA als Analogie-Grundlage für die vertragsärztliche Behandlung?.......97 1. Überblick ..............................................................................................97 2. Meinungsstand: Das Verhältnis von Arzt und Kassenpatient bei der ambulanten medizinischen Versorgung....................................99 3. Versorgungskonzeption: Das Verhältnis von Arzt und Kassenpatient als besonderes gesetzliches Schuldverhältnis des Privatrechts...................................................................................102 a) Analogie zu § 328 BGB bzw. §§ 677 ff. BGB...............................104 b) Auf Sekundärpflichten begrenztes gesetzliches Schuldverhältnis .105 4. Vertragskonzeption.............................................................................106 5. Stellungnahme ....................................................................................107 6. Verbleibende Bedeutung des Meinungsstreits: Das gestörte Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis.......................................112 B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden ......113 1. Vertragsschluss mit dem zufällig anwesenden und spontane Hilfe leistenden Arzt....................................................................................113 2. Konflikt zwischen Stellvertretungsrecht und Ärzte-GoA...................118 C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer? .....................121 1. Ärztlicher Bereitschaftsdienst.............................................................121 2. Notarzt im Rettungsdienst ..................................................................122 3. Anwendung des § 680 BGB? .............................................................131 D. Verbleibende Einzelfälle.........................................................................132 1. Ambulanzflug ins Ausland .................................................................132 2. Erbringung ärztlicher Leistungen in staatlichen Einrichtungen..........134 E. Sperrwirkung aufgrund ungeschriebener Risikoverteilung bei Leistungserbringung im vorvertraglichen Stadium: Institutionelle Beschränkung der GoA? ..................................................135 1. Das Erbensucher-Urteil des BGH.......................................................136 2. § 241 a BGB .......................................................................................138 a) Überblick........................................................................................138 b) Nichtanwendbarkeit der Norm aufgrund öffentlichrechtlicher Handlungsverpflichtung? ...............................................................142 c) Abgrenzung anhand der Motive des Unternehmers? .....................142 d) Weitere Lösungsvorschläge zur teleologischen Reduktion............147 e) Fazit ...............................................................................................150 V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis ............................................151 A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht.........151 1. Überblick ............................................................................................151 2. Anspruchsgrundlage: Der privilegierte Unterhaltsrückgriff gem. §§ 679 2. Alt., 683 BGB ............................................................152 3. Fremdgeschäftsführungswille bzw. Tilgungsbestimmung bei der Erfüllung fremder Verbindlichkeiten......................................164
X
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4. Unterhaltsregress des gesetzlich und/oder vertraglich zur Leistung verpflichteten Geschäftsführers: Auch-fremdes Geschäft und pflichtengebundener Geschäftsführer beim ärztlichen Unterhaltsregress ...................................................... 168 5. Erfordernis des Personensorgerechts? ................................................ 173 6. Ärztliche Behandlung als GoA für Ehegatten des Patienten .............. 174 a) Überblick ....................................................................................... 174 b) Frühere Rechtslage ........................................................................ 174 c) § 1357 BGB in seiner heutigen Fassung ........................................ 176 d) Überblick: Verbleibender Anwendungsbereich der ärztlichen Ehegatten-GoA .............................................................................. 177 e) Ärztlicher Behandlungsvertrag als insgesamt nicht der Schlüsselgewalt unterliegendes Rechtsgeschäft?........................... 178 f) Nichtanwendbarkeit des § 1357 BGB auf bestimmte ärztliche Leistungen? ..................................................................... 180 g) Nichtanwendbarkeit des § 1357 BGB im konkreten Einzelfall: Tatbestandliche Deckungsgleichheit von Mithaftung gem. § 1357 BGB und Unterhaltsregress gem. § 679 2. Alt. BGB?....... 182 (1) Überblick................................................................................. 182 (2) Geschäft im Sinne des § 1357 BGB........................................ 183 (3) Konsequenzen für die GoA ..................................................... 186 h) Nichtanwendbarkeit der Schlüsselgewalt gem. § 1357 III BGB.... 190 i) Fazit ............................................................................................... 190 7. GoA für Verwandte des Patienten ..................................................... 192 a) Überblick ....................................................................................... 192 b) Ärztliche Behandlung als GoA durch Erfüllung des Kindesunterhalts ...................................................................... 193 c) Ärztliche Behandlung als GoA durch Erfüllung des Aszendentenunterhalts............................................................. 194 d) Bedürftigkeit .................................................................................. 197 e) Bedarf: Maß des Unterhalts ........................................................... 198 f) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen................................. 199 g) Unterhalt für die Vergangenheit und Sonderbedarf ....................... 200 h) Zwischenfazit................................................................................. 202 i) Exemplarischer Unterhaltsregress: Der Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff......................................................................... 204 (1) Sachverhalt und Entscheidung ................................................ 204 (2) Bewertung ............................................................................... 205 (3) Fazit......................................................................................... 214 j) GoA für Angehörige ohne bestehende Unterhaltspflicht ............... 215 B. Ärztliche Behandlung als GoA für öffentlich-rechtliche Körperschaften und staatliche Einrichtungen ......................................... 215 1. Ärztliche Behandlung als Geschäftsführung ohne Auftrag für die Krankenversicherung .............................................................. 215 2. Ärztliche Behandlung als GoA für Sozialleistungsträger................... 218 a) Überblick ....................................................................................... 218
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b) Der Fall BSG NJW 1991, 2373 ff. .................................................219 (1) Sachverhalt und Entscheidung ................................................219 (2) Bewertung ...............................................................................221 3. Ärztliche Behandlung als GoA für die BRD? .....................................224 VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe.................................................................................225 A. Überblick.................................................................................................225 B. Die mutmaßliche Einwilligung ...............................................................226 C. Diskussion der berechtigten GoA ...........................................................229 D. Das Verhältnis von GoA und mutmaßlicher Einwilligung: Entwicklung des Meinungsstandes zur ärztlichen Eigenmacht...............232 VII. Wesentliche Ergebnisse.............................................................................239 Literaturverzeichnis ..........................................................................................245
I. Einleitung Grundgedanken, Funktion und Systematik der GoA sind umstritten.1 Dieser Befund trifft zwar für so manchen Bereich der Rechtswissenschaft zu. Kaum ein anderes Rechtsinstitut des BGB ist jedoch in seinem Anwendungsbereich in vergleichbarer Weise von dogmatischer Unschärfe geprägt,2 dient aber dessen ungeachtet den Gerichten derart häufig entweder zur primären Begründung eines im Einzelfall für stimmig befundenen Ergebnisses oder wird, eine beliebte Variante, so oft zur alternativen Absicherung des Urteils angeführt wie die GoA.3 Eine allseits akzeptierte und ganzheitliche Theorie der „negotiorum gestio“4 ist trotz oder wegen der Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte andauernden Kontroversen nicht in Sicht. Die Erkenntnis, dass ein wenigstens ansatzweise konturierter, der Subsumtion ausreichend zugänglicher Tatbestand auch nach intensiven wissenschaftlichen Bemühungen nicht verfügbar ist, zieht üblicherweise entweder das Handeln des Gesetzgebers oder aber die von der Wissenschaft getragene Entwicklung einer Typenbildung nach sich. Mangels gesetzgeberischen Tätigwerdens will die vorliegende Arbeit für den arztrechtlichen Anwendungsbereich der GoA einen Beitrag zur dogmatischen Notwendigkeit der typisierenden Betrachtungsweise leisten. Die zu Beginn dieser Arbeit erfolgende allgemeine Erörterung des Meinungsspektrums zu den §§ 677 ff. BGB stellt eine Einführung in die äußerst umstrittenen Grundstrukturen der Geschäftsführung ohne Auftrag dar, ohne die sich die darauf folgende Untersuchung der speziellen „Ärzte-GoA“ dem Leser nicht erschließen kann. Sodann werden die unter dem Gesichtspunkt des auch- fremden Geschäfts bedeutsamen Handlungspflichten des Arztes einer eingehenden Betrachtung unterzogen. In der Folge werden einerseits die Anwendungsfälle und Problempunkte der GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient untersucht, ande1
Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 341: „Die GoA in ihrer heute vor allem durch die Rechtsprechung geprägten Ausgestaltung steht seit Jahren unter Kritik wegen ihrer Ausuferung, Konturlosigkeit, Überdehnung, Denaturierung.“ 2 Vgl. nur die Einschätzung des Tatbestandes durch Schubert AcP 178 (1978), 425: „Einfallstor für Rechtsunsicherheit“. Köndgen spricht vom „Rätsel GoA“ (Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 371). 3 Typisch etwa LG Dortmund NJW-RR 2007, 269: „Vergibt ein behandelnder Arzt eine Laboruntersuchung an einen externen Laborarzt, kommt entweder direkt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Laborarzt und dem Patienten zu Stande oder der Patient haftet dem Laborarzt aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag“ (zu dieser Entscheidung Klöhn VersR 2007, 1054 ff.). Schon prozessrechtlich gesehen ist eine derartige alternative Hilfsbegründung fragwürdig, ganz zu schweigen davon, dass in materiellrechtlicher Hinsicht womöglich Wertungen des Stellvertretungsrechts und des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung umgangen werden. Näher zu dieser Entscheidung unten, IV B 2. 4 Zur Terminologie Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 3, 5: Vor Erlass des BGB waren verschiedene Begrifflichkeiten gängig („Geschäftsbesorgung“, „Freiwillige Besorgung fremder Angelegenheiten“), die dem römischen Recht entstammende Bezeichnung als „negotiorum gestio“ ist dabei bis heute üblich. Der Geschäftsführer wird dementsprechend auch als „Gestor“ bezeichnet, der Geschäftsherr als „Dominus“.
2
I. Einleitung
rerseits die Dogmatik der Ärzte- GoA im Mehrpersonenverhältnis zwischen Arzt, Patient und Drittpersonen. Zum Abschluss wird zu erörtern sein, inwiefern die GoA als Legitimationsgrundlage für das ärztliche Handeln dienen kann.
II. Allgemeine Dogmatik der GoA A. Grundgedanken der GoA In der Diskussion des Anwendungsbereichs der GoA wird nicht immer sauber unterschieden zwischen den der gesetzlichen Regelung (vermeintlich) zugrunde liegenden Kerngedanken einerseits und den auf die konkrete Systematik und die einzelnen Tatbestandsmerkmale bezogenen Theorien und Handhabungsmodellen andererseits. Die Meinungslage gilt insgesamt als recht unübersichtlich,1 was aber nicht davon entbindet, eine Systematisierung derselben zu versuchen. Vorab sollen diejenigen Theorien oder Maximen erörtert werden, die nicht den Anspruch erheben können, den Grad einer ganzheitlichen und systematischen Erfassung der GoA zu erreichen.
1. Theorie der Menschenhilfe Als in der Rechtslehre dominierend wurde und wird bisweilen die „Theorie der Menschenhilfe“ bezeichnet.2 Die Wahrnehmung dieser Theorie durch die Literatur ist allerdings uneinheitlich, sowohl was ihre vermeintlichen Aussagen angeht als auch im Hinblick auf die ihr zugerechneten Vertreter.3 Überwiegend werden ihr aber folgende Wertungen beigemessen: Die GoA sei altruistisch angelegt, ihr Anwendungsbereich sei etwa auf mitleidiges und aufopferndes Handeln, mithin auf 1
Oppermann AcP 193 (1993), 499, 503. So Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 13; vgl. auch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 25 („herrschende Lehre“) m.w.N. Vgl. auch die schon recht betagte aber immer noch nicht zutreffende Feststellung von Frotz JZ 1964, 665, 669: „Die Begrenzung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die Fälle der altruistischen Fürsorge „der allgemeinen „Menschenhilfe“ scheint sich auch endlich durchzusetzen.“ Ganz anders Köndgen (Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 372), wonach man sich heute kaum noch trauen würde, den Gedanken der Menschenhilfe zur Erklärung der GoA zu bemühen. Die Gesetzesmaterialien schweigen zu diesem Punkt weitestgehend, was einige Autoren nicht daran hindert, ihnen eindeutige Aussagen im Hinblick auf die Menschenhilfetheorie zu entnehmen: So sieht etwa Hamacher (GoA als Ausschlussgrund der Rechtswidrigkeit, S. 18) in ihnen die Theorie der Menschenhilfe „eindeutig“ bestätigt. Beuthien (in Soergel § 677 Rdn. 5) meint hingegen, der Gesetzgeber habe sich „eindeutig“ dagegen ausgesprochen. 3 Bezeichnend ist, dass einzelne Autoren nicht einmal für sich selbst entscheiden können, ob sie der „Theorie der Menschenhilfe“ beipflichten wollen oder nicht, vgl. Schubert AcP 178 (1978), 425 ff.: „…Hieraus folgt, dass die Theorie der Menschenhilfe nur die Funktion eines Leitbildes haben kann, nicht aber ein Mittel zur präziseren Erfassung des Tatbestandes darstellt. Freilich sollte man die Leitbildfunktion dieser Theorie nicht zu gering veranschlagen, wenn man den Anwendungsbereich der GoA überhaupt wenigstens in Umrissen festlegen will“. Im Widerspruch dazu seine zusammenfassende Feststellung auf S. 454: „Abzulehnen ist aber das reichlich utopische Ideal von der Uneigennützigkeit und Menschenfreundlichkeit des Geschäftsführers.“ 2
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
Fälle der freiwilligen, uneigennützigen und nicht aufdringlichen Hilfeleistung zu beschränken.4 Bei den meisten Autoren bleibt jedoch unklar, ob die „Menschenhilfe“ nun als eigentlicher Kerngedanke der GoA anzusehen ist, aus dem sich gegebenenfalls auch konkrete tatbestandsrelevante Schlussfolgerungen ziehen lassen, oder ob sie als bloßes Leitbild fungieren soll, das nur einer groben Eingrenzung des Anwendungsbereiches dient, dem Rechtsanwender aber keinerlei verbindliche Vorgaben für den Einzelfall macht. Mehrheitlich schenkte die Literatur dieser Frage lange kaum noch Beachtung.5 Offensichtlich ist jedenfalls, dass ein „altruistisches“ Verständnis der GoA mit der von den Gerichten geübten Rechtspraxis in keiner Weise im Einklang steht.6 Die großzügige Handhabung, welche 4
Vgl. die Übersicht bei Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 13 ff. m.w.N.; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 1: „Doch ist damit nur ein Teilbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag beschrieben, der…in der gerichtlichen Praxis eine sehr geringe Rolle spielt“. 5 Schubert (AcP 178 (1978), 426, 429 ff.) weist zutreffend darauf hin, dass Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S 24 ff.) der vermeintlich h.L. vorhält, diese auf Freiwilligkeit, Uneigennützigkeit und Hilfsbedürftigkeit abstellende Theorie der Menschenhilfe zu vertreten, doch, so Schubert, „sollte man dabei nicht vergessen, dass die meisten Autoren den genannten Begriffen keineswegs immer die Funktion eines Tatbestandsmerkmals zuweisen.“ Ähnlich Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 17: „…in ihrer Unbestimmtheit nicht geeignet, eine exakte tatbestandliche Einschränkung des Fremdgeschäfts zu geben.“ Symptomatisch für das unentschiedene Verständnis vieler Autoren die bereits unreflektiert formelhafte Behandlung bei Laufs NJW 1967, 2294, 2295: „…die Geschäftsführung -regelmäßig eine spontane altruistische Nächstenhilfe-…“ und Rödder JuS 1983, 930: „Häufig handelt es sich dabei um den altruistischen Einsatz für den Mitmenschen“. Ähnlich Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 1 und Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 2. Dezidiert für die Theorie der Menschenhilfe Wolf AcP 166 (1966), 188, 217 ( „…ist es erforderlich, den Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag einzugrenzen. Einen Ansatzpunkt hierfür bietet die Beschränkung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die Fälle altruistischer Fürsorge.“ ) und Canaris JZ 1963, 655, 659 („da der Gesetzgeber damit gerade die…Problematik der freiwilligen Menschenhilfe lösen wollte.“) sowie Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 312 („…die grundsätzlich auf rein altruistisches Handeln zugeschnittene Rechtsfigur der GoA…“) und Schlechtriem NJW 1966, 1795. Bei der Diskussion der Theorie der Menschenhilfe ist noch gar nicht die streitige Frage berücksichtigt, ob es sich bei der GoA um eine per definitionem vergütungsfreie Tätigkeit handelt oder nicht. Zu letzterem Punkt ausführlich Seiler, FS für Hübner, S. 239 ff. 6 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 28, 31) zufolge lassen sich in den von ihm untersuchten über 1100 Entscheidungen an sich nur zwei Fälle finden, die wirklich dem altruistischen GoA-Verständnis der Menschenhilfe entsprechen, selbst bei Annahme eines weniger strengen Maßstabs wären es aber allenfalls 10 % der Fälle. Wollschlägers Vorgehen ist insofern zweifelhaft, als er für die Bewertung als altruistisch oder nichtaltruistisch offenbar auf die Parteien des Rechtsstreits abstellt und nicht auf den Charakter der jeweiligen Handlung: „Dieses erstaunliche Ergebnis rechtstatsächlicher Kontrolle der Dogmatik ist hauptsächlich dadurch bedingt, dass aus Anlass von Not- und Unglücksfällen andere Personen als der Retter, nämlich dessen Versicherungsträger, Arbeitgeber oder Dienstherr klagen oder dass andere als der Gerettete- Eltern und Arbeitgeber- verklagt werden. Dadurch verschiebt sich die Ausgleichsproblematik wesentlich, weil die Schadensabnahme nicht mehr vom Gedanken der Anerkennung des Retters und die Haftung nicht mehr vom Empfang der Hilfe getragen werden“. Diese Bewertung überzeugt nicht: Ob eine Handlung als altruistisch anzusehen ist oder nicht, kann schwerlich davon abhängen, wer
A. Grundgedanken der GoA
5
die GoA durch die Rechtsprechung erfährt, muss vom Standpunkt der „Menschenhilfe“ aus als „Denaturierung“ dieses Rechtsinstituts gelten.7 Die häufige Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf Fälle, in denen der Handelnde aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht tätig wird, wäre nach dieser Theorie womöglich auszuschließen.8 Gegen die Menschenhilfetheorie wird vorgebracht, die Vorstellung von der GoA als einem auf uneigennützige Hilfeleistung zu beschränkenden Rechtsinstitut habe weder den Willen des Gesetzgebers noch die vor und nach Erlass des BGB ergangene Rechtsprechung bestimmt.9 Die eingehende Untersuchung der GoA-Judikatur zeige eine Fülle von Ausgleichsproblemen vermögensrechtlicher Natur, die mit Hilfe der negotiorum gestio entschieden wurden, sich mit dem Bild von der altruistischen Menschenhilfe aber nicht vereinbaren lassen: „Rückgriffsfragen im Schuldrecht, Haftpflichtrecht, Unterhaltsrecht, Privatund Sozialversicherungsrecht sowie im öffentlichen Recht der Gefahrenabwehr und der Leistungsgewährung; Probleme des Eingriffserwerbs, der Prozesskostenerstattung.“10 Die Gesetzesmaterialien würden zudem „zweifelsfrei“ ergeben, dass eine Beschränkung auf uneigennütziges Handeln nicht gewollt gewesen sei.11 Ferletztlich die daraus resultierenden (ggf. regressrechtlichen) Ansprüche im Prozess geltend macht. 7 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 15 m.w.N. zur Kritik: „In der Rechtsprechung dominiert seit jeher die Geschäftsführung ohne Auftrag als Regressformel. Statt um selbstlose Menschenhilfe geht es um die Kostenzurechnung.“ 8 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 16; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 31. 9 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 16 ff., 34 ff. (zu den Gesetzesmaterialien): „Die Theorie der Menschenhilfe hielt indessen historisch-empirischer Überprüfung… nicht stand. …Die Behauptung, der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag sei ursprünglich auf altruistisches Verhalten beschränkt gewesen…erwies sich als falsch. Sie ließe sich vielleicht halten, wenn man die Ausformung der negotiorum gestio in der römischen Republik, wo wechselseitige Solidarität unter Bürgern erwartet und geübt wurde, zu einem noch für unsere Zeit verbindlichen Modell erklären wollte“. Offenbar hatte er selbst die Theorie der Menschenhilfe „bei der ersten Durcharbeitung des Fallmaterials“ durchaus noch als „Arbeitshypothese“ zugrunde gelegt. Dass er der von ihm gesichteten, mit diesem Bild aber nicht übereinstimmenden Rechtsprechung (auch derjenigen vor Geltung des BGB) nun so viel dogmatisches Gewicht beimisst, ist das Überraschende an seiner Arbeit. Er will „dem Richterrecht den Vorrang vor rein dogmatisch-deduktiver Gesetzesinterpretation“ einräumen, und misst, für einen Zivilrechtswissenschaftler beachtlich, der Dogmatik eine nur „dienende Aufgabe“ zu. 10 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 19. Diese Aufzählung darf auch heute noch Geltung beanspruchen, wie ein Blick in die Kommentarliteratur belegt. Wollschläger stellt ferner fest, dass insgesamt der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers aus § 683 BGB die Praxis bestimme, was eine erhebliche Funktionsverschiebung gegenüber der von ihm vermuteten römischen Rechtspraxis bedeute, die sich mindestens gleich häufig mit der gegen den Geschäftsführer gerichteten Herausgabeklage (actio directa, heute § 681 BGB) befasst habe. 11 Beuthien JuS 1987, 841, 843; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 34 ff. mit näherer Erläuterung; zustimmend Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 2, 17. Ähnlich Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 17: „Insgesamt aber war den Vätern des BGB, was eine rechtsethische Absicherung des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag an-
6
II. Allgemeine Dogmatik der GoA
ner wird gegen die Praktikabilität dieser Theorie vorgebracht, dass die altruistische Motivation als Willensinternum nicht dem Beweis zugänglich sei.12 Einigkeit besteht letztlich nur darüber, dass die in der Rechtswirklichkeit vorkommenden Fälle eindeutig altruistischen Verhaltens jedenfalls unbedenklich dem Recht der GoA unterstellt werden können13 und dass der Gedanke der Förderung von Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn zumindest einen Nebenaspekt der gesetzgeberischen Motive darstellt.14 Festzuhalten bleibt: Die Theorie der „Menschenhilfe“ ist für das Verständnis der GoA durchaus brauchbar. Ihre Herleitung ist aber sicherlich unbefriedigend, da oft nicht einmal der historische Gesetzgeber sondern meist Kohlers Schrift „Die Menschenhülfe im Privatrecht“15 in Bezug genommen wird, zumal sich der dort erörterte, bereits sehr weite Anwendungsbereich der GoA mit der um eine Eingrenzung der GoA bemühten „Theorie der Menschenhilfe“, wie sie heute meistens verstanden wird, nicht unbedingt in Einklang bringen lässt.16 Die der Menschenhilfetheorie bisweilen beigemessene (bloße) Leitbildfunktion ist in ihrer rechtsgeschichtlichen Herleitung ebenfalls nicht gesichert, vor allem aber in ihren dogmatischen Auswirkungen recht radikal bei der Lösung des Einzelfalls, da die allermeisten Entscheidungen zur GoA gerade keine altruistischen, rein selbstlosen Handlungen zum Gegenstand haben. Wenn die „Menschenhilfe“ schließlich (in freilich nur schwer nachzuvollziehender Weise) in die Nähe nationalsozialistischen Gedankenguts gerückt wird,17 scheint derjenige Bereich der Diskussion vergeht, eine Fokussierung auf den selbstlosen Menschenfreund fremd“. A.A. Erman NJW 1965, 421. 12 Jansen ZEuP 2007, 958, 985. 13 Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 9; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1259. 14 Berg JuS 1975, 684; Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 9; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1259; Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 1; Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 2; Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 3. Schon die gesetzliche Regelung drückt dies mit der Haftungsprivilegierung des § 680 BGB aus, dazu Dietrich JZ 1974, 535 ff. 15 Kohler JherJb 25 (1887), 1 ff. 16 Im Kern nicht ganz zu Unrecht bemerkt daher Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 16, 17) dass Kohler nur „…der vermeintliche Schöpfer der Lehre von der Menschenhilfe“ sei: „Der Ansatz Kohlers ist vom heutigen Leitbild der Menschenhilfe weit entfernt.“ Der nicht unbedingt glücklich gewählte Titel von Kohlers Abhandlung scheint ebenso zur verkürzenden Wiedergabe verleitet zu haben wie die darin zu findenden, durchweg ambivalenten Aussagen zur Motivationslage des Geschäftsführers. Nichtsdestotrotz spielt das altruistische Element der negotiorum gestio in seiner Abhandlung unbestreitbar eine wichtige Rolle. Zuletzt weist noch Rademacher Jura 2008, 87, 93 darauf hin, dass Kohler auch nach Inkrafttreten des BGB darum bemüht war, die §§ 677 ff. BGB im Sinne der Menschenhilfe zu erklären. 17 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 39, 319: „Zu einem Durchbruch gelangte sie erst im Zeichen der nationalsozialistischen Rechtserneuerung“. Vgl. hierzu die in Bezug genommene, 1938 erschienene Schrift über „Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung“ von Lent, S. 12: „Gerade die nationalsozialistische Auffassung, die ja das Schwergewicht auf die Gesinnung des Menschen und Volksgenossen legt, wird diese
A. Grundgedanken der GoA
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lassen zu sein, auf den der an praktischen Lösungen interessierte Dogmatiker sein Augenmerk zu richten hat. Festzuhalten bleibt aber: Nach dem bislang Gesagten wird man diejenigen Lebenssachverhalte, die sich unschwer auf den Gedanken der Menschenhilfe zurückführen lassen, noch am ehesten dem GoA-Recht unterstellen können.18 Für den Arztberuf wird man auch ohne eine blauäugige Idealisierung und unter voller Berücksichtigung des mitunter sehr nüchtern zu beurteilenden Alltags in ambulanter Praxis und Krankenhaus eine vergleichsweise recht hohe ethische Motivation im Sinne der „Menschenhilfe“ pauschal unterstellen dürfen, woran auch die Normenflut im überregulierten Gesundheitssystem und die Einbindung des Arztes in ein umfangreiches Programm vertraglicher und gesetzlicher Pflichten im Grunde nichts ändern können. Der Arztberuf wird nicht umsonst von den Berufsordnungen der Ärztekammern im Anschluss an §1 I S.2, 3 der Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte als seiner Natur nach freier Beruf postuliert. Die Freiberuflichkeit bedingt aber eine ganz eigene und grundsätzlich altruistische „Kollektivitätsorientierung“, die auch und gerade für den Arzt eine „besonders ausgeprägt statuierte Rollenerwartung“ mit sich bringt.19 Kernthese dieser Arbeit ist daher, dass die ärztliche Tätigkeit zu denjenigen Anwendungsfreiwillige Hilfe als Ausdruck von Kameradschaftlichkeit und Gemeinschaftsgeist nicht missen wollen und von der Rechtsprechung verlangen, dass sie durch ihre Regeln solches Handeln nicht erschwert, sondern fördert. Auch im Recht muss es heissen: Hoch klingt das Lied vom braven Mann“. Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 13) meint, in der Theorie der Menschenhilfe einen mit dem „faden Beigeschmack“ der Rezeption durch die nationalsozialistische Rechtsanschauung versehenen, gleichzeitig aber vom Zivilgesetzbuch der DDR aufgegriffenen und letztendlich sozialistischen Gemeinschaftsgedanken auszumachen, der aber daneben „Anleihen bei der römischen amicitia“ nimmt und dessen „christlich-jüdische Verwurzelung“ unverkennbar sei. Gekrönt wird dieser bei der Einordnung der „Menschenhilfe“ betriebene Synkretismus dadurch, dass Kohler, (JherJb 25 (1887), 1) und andere Autoren nicht vergessen, im Zusammenhang mit der GoA das 5. Buch Mose (Deuteronomium), 22. Kapitel zu zitieren: „Wenn du deines Bruders Rind oder Schaf irregehen siehst, so sollst du dich ihrer annehmen und sie wieder zu deinem Bruder führen. Wenn aber dein Bruder nicht nahe bei dir wohnt und du kennst ihn nicht, so sollst du sie in dein Haus nehmen, dass sie bei dir bleiben, bis sie dein Bruder sucht, und sollst sie ihm dann wiedergeben. So sollst du tun mit seinem Esel, mit seinem Kleid und mit allem Verlorenen, das dein Bruder verliert und du findest; du darfst dich dem nicht entziehen.“ Wer bei dieser Bibelstelle eher an den Fund i.S.d. § 965 BGB als an die GoA denken mag, liegt richtig und falsch zugleich, da der Fund als lediglich spezielle Ausformung der GoA gilt, vgl. Kohler JherJhb 25 (1887), 57. 18 Helm (Geschäftsführung ohne Auftrag S. 346) zählt etwa die Rettungshandlungen zur Gefahrenabwehr für Personen zu den „Kernbereichen der GoA“ und hält fest: „Insgesamt erscheint es daher zutreffend, die Ermutigung zur Leistung von Hilfe für andere nach wie vor als die wichtigste Funktion der GoA zu betrachten.“ (S. 362). 19 So Taupitz (Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 62), der den Kritikern dieses besonderen Berufsethos entgegenhält: „ Die kritische Reaktion auf die Altruismusthese schießt dort über das Ziel hinaus, wo sie etwa bei Ärzten und Anwälten den Willen zu helfen als Triebfeder des täglichen Handelns völlig negieren will“. Auch Sodan (Freie Berufe als Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 70) betont die besondere Erwartung altruistischer Berufseinstellung, die den freien Berufen entgegengebracht werde.
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
fallgruppen der GoA zählt, die ihre Berechtigung auch gegenüber einer um Eingrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 677 ff. BGB bemühten Dogmatik behaupten können. Dieser Gedanke wird für die spätere detaillierte Erörterung der Ärzte-GoA noch relevant sein. Ferner ist zu bemerken, dass der in jüngster Zeit von der Study Group on a European Civil Code vorgelegte Referenzentwurf zur GoA auf eine „überwiegende Fremdbegünstigungsabsicht“ als charakteristisches Merkmal abstellt, so dass man „nach knapp 120 Jahren einem auf „Menschenhülfe“ gegründeten Konzept der auftragslosen Fremdgeschäftsführung so nahe wie nie zuvor“ ist.20 Hierauf wird auch bei der Erörterung der subjektiv-normativen Lehre noch zurückzukommen sein.
2. Quasivertragstheorie/Quasikontraktstheorie Zu nennen ist ferner das Verständnis der GoA als „Quasikontrakt“:21 Dieses Erklärungsmodell betont die Nähe der GoA zum Vertragsrecht.22 Maßgeblicher dogmatischer Anknüpfungspunkt ist insoweit ein fiktiver Konsens zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr, der Geschäftsführungswille des Handelnden wird hier zum wesentlichen Element des Tatbestandes erklärt.23 Die bis heute für die GoA gebräuchliche Terminologie vom „quasivertraglichen Schuldverhältnis“ reicht bis zur dementsprechenden, eine eigenständige Kategorie bildenden Einordnung in den Institutionen Justinians zurück, die aber von der gemeinrechtlichen Literatur als unbefriedigend empfunden wurde, so dass man versuchte, sie durch das Abstellen auf eine fiktive Willensübereinstimmung der Beteiligten aufzulösen und der Vertragsrechtsdogmatik zu unterstellen.24 Die von der Quasikontraktstheorie 20 So Rademacher (Jura 2008, 87, 93), der aber kritisch meint: „Immerhin begibt man sich damit auf einen in Europa einmaligen Sonderweg: Keine europäische Rechtsordnung macht die Anwendbarkeit ihrer Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag von der überwiegend altruistischen Gesinnung des Geschäftsführers abhängig.“ 21 Aus neuerer Zeit Gursky AcP 185 (1985), 13, 27; vgl. ferner die Nachweise bei Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 19. 22 Näher hierzu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 18 ff.; Wollschläger Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 41 ff.; ablehnend Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 2. 23 Vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 19 m.w.N.: Die starke Betonung subjektiver Elemente im deutschen Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (tatsächlicher bzw. mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn maßgeblich, Fremdgeschäftsführungsabsicht des Geschäftsführers erforderlich) könne als Fortwirkung dieser Konzeption der pandektistischen Quasikontraktstheorie verstanden werden. Aus diesem Grunde stelle sie gewissermaßen den individualistischen Gegensatz zur kollektivistischen Theorie der Menschenhilfe dar. Zur Quasikontraktstheorie auch Oppermann AcP 193 (1993), 503: Der von Schubert gegen die objektivierende Lehre erhobene Vorwurf, sie habe seit Inkrafttreten des BGB kaum Fortschritte gemacht (bei der Bewältigung der Frage, wann ein fremdes Geschäft vorliegt), könne gleichermaßen gegen die gegenläufige Quasikontraktslehre vorgebracht werden. 24 Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der vom BGB-Gesetzgeber vorgenommenen Normierung im Anschluss an das Auftragsrecht wider, auf welches die GoA-Regelungen mehrfach verweisen, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 8, 18, 19: „Vor allem während des 19. Jahrhunderts stand eine um Systematik bemühte Rechtslehre einer besonderen zu-
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betonte subjektive Seite der GoA (Erforderlichkeit des Geschäftsführungswillens des Gestors, sein Aufwendungsersatzanspruch ist gemäß § 683 BGB wiederum an eine Übereinstimmung mit dem wirklichen Willens des Geschäftsherrn geknüpft) hat das BGB unbestreitbar deutlich beeinflusst.25 Trotz vielfacher Ablehnung finden ihre Grundaussagen bis heute immer wieder Zuspruch.26 Von den hier erörterten möglichen Grundgedanken der GoA kommt die Quasikontraktstheorie einem Tatbestandsmodell noch am nächsten, worüber bei der Erörterung der „subjektiven Lehre“ noch zu sprechen sein wird.
3. Schutz vor dem unerwünschten Eingriff anderer in eigene Angelegenheiten In der Abwägung der Interessen der an der GoA Beteiligten wird zu Gunsten des Geschäftsherrn noch der Schutz vor Einmischung von Fremden in eigene Angelegenheiten berücksichtigt.27 Dieser stellt also das Gegenprinzip zum für den Geschäftsführer streitenden Gedanken der Förderung allgemeiner Hilfsbereitschaft dar. Damit ist allerdings auch nur ein vages Leitbild für die Handhabung des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 683 BGB vorgegeben, mit welchem der Geschäftsherr eben nur belastet werden soll, wenn die konkrete Geschäftsführung mit seinem Interesse und (vorrangig) seinem Willen in Einklang steht. Konkrete, allgemein gültige dogmatische Konsequenzen lassen sich aus diesem Teilaspekt einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ebenso wenig gesätzlichen Kategorie der Quasikontrakte, die in sich diffus war und der ein gemeinsames Abgrenzungsmerkmal zu den Verträgen und Delikten abging, teilweise ablehnend gegenüber. Man war bestrebt, die einzelnen Quasikontrakte denjenigen (echten) Vertragstypen zuzuordnen, zu denen sie die größte Affinität aufwiesen…“. Umfangreiche Nachweise zu den Vertretern der Quasikontraktstheorie im 19. Jahrhundert bei Bergmann a.a.O. 25 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 21; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 45. 26 Gursky AcP 185 (1985), 13, 27; vgl. ferner die Nachweise bei Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 19 ff.), der die Quasikontraktstheorie allerdings „von einem dogmatischen Standpunkt sicherlich als verfehlt“ ansehen will, da sie versuche, das fehlende rechtsgeschäftliche Element in die GoA hinein zu interpretieren, obwohl die Verfasser der BGB dieses Konzept, trotz gewisser Anleihen daran, letztlich nicht geteilt hätten. Das Verständnis der GoA als ein auf der Rechtsfolgenseite dem Vertrag stark angenähertes oder gar gleichgestelltes Rechtsinstitut spielt jedenfalls auch und gerade für das Beziehungsgeflecht von Arzt, Patient, Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung eine wichtige Rolle, vgl. Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 301 ff. Zum Vergleich von GoA und hypothetischem Vertrag aus rechtsökonomischer Sicht Kötz, FS für Großfeld, S. 583 ff. 27 Dietrich JZ 1974, 535, 536; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1259; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 1; Gursky JuS 1972, 637: „Der Gesetzgeber stand vor der schwierigen Aufgabe, einerseits spontane fürsorgliche Akte der Menschenhilfe zu fördern, andererseits aber einer aufdringlichen und unerwünschten, wenn auch vielleicht wohlgemeinten Einmischung in fremde Angelegenheiten entgegenzuwirken“; Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 362; Henssler JuS 1991, 924, 925; Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 2; Martinek/Theobald JuS 1997, 612, 614; Oppermann AcP 193 (1993), 501; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 3; Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 3.
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
winnen wie aus dem anderen Teilaspekt, der Förderung der Hilfsbereitschaft. Anders wäre dies nur, wenn man einem der Teilaspekte den grundsätzlichen Vorrang vor dem anderen einräumen würde. Dies wurde, wie gesehen, in der Vergangenheit für die Förderung allgemeiner Hilfsbereitschaft (Menschenhilfe) breit diskutiert. Der Schutz vor Einmischung von Fremden in eigene Angelegenheiten mag in anderen Rechts- und Wirtschaftsordnungen im Vordergrund stehen,28 für die deutsche GoA-Dogmatik kann die ausdrückliche Betonung dieses Gedankens jedoch (noch) nicht als herrschend bezeichnet werden.29 Die zahlreichen Vorschläge der Literatur zu einer restriktiven Handhabung der GoA und die neuerdings tendenziell zurückhaltende GoA-Rechtsprechung (dazu später) dürfen aber als Beleg dafür gewertet werden, dass sich das Meinungsspektrum in diese Richtung entwickelt.
4. Fazit Die Suche nach einem Grundgedanken der GoA wird mittlerweile vielfach als gescheitert angesehen.30 Große Teile der Literatur befassen sich hiermit gar nicht 28
Dazu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 74 ff, insbesondere zum angloamerikanischen Recht, dem die GoA als selbständiges Schuldverhältnis dem Grundsatz nach fremd sei: „Die Besorgung fremder Angelegenheiten wird zuvorderst als eine weitgehende Beschneidung fremder Autonomie betrachtet und der auftraglose Geschäftsführer oft abfällig als „officious meddler“ bezeichnet. Hier spiegelt sich der traditionelle angelsächsische Individualismus wider“(richtig muss es heißen „officious intermeddler“); Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 2. Vgl. auch v. Bar/Swann, FS für Lorenz, S. 41; Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 8. Relativierend Rademacher Jura 2008, 87, 91, 92 zu den mittlerweile etablierten Ausnahmen, wie etwa der „agency of necessity“. Köndgen (Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 375) meint denn auch, dass die gängige Behauptung von der GoA-Feindlichkeit des angelsächsischen Rechts so nicht mehr berechtigt sei. 29 Der Gesetzgeber wahrt jedenfalls im Hinblick auf die beiden konträren Leitgedanken der GoA-Dogmatik Neutralität, was sich auch in der Gestaltung des Kollisionsrechts zeigt, worauf Junker (in MüKo EGBGB Art. 39 Rdn. 2) hinweist: Die Regelanknüpfung des Art. 39 I EGBGB stellt auf das Recht des Staates ab, in dessen Hoheitsgebiet das Geschäft vorgenommen wurde und enthält sich damit einer Stellungnahme dazu, ob die GoA eher als Einmischung in fremde Angelegenheiten zu verstehen ist (dann wäre kollisionsrechtlich der Geschäftsherr zu bevorzugen) oder eher als willkommene Hilfeleistung anzusehen ist (dann wäre der Geschäftsführer zu privilegieren). 30 Vgl. die Darstellung von Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 9; Oppermann AcP 193 (1993), 499, 503 mit dem resignativen Fazit: „Wenn es Rechtsprinzipien über ihren propädeutischen Vorzug hinaus offenbar nicht ermöglichen, die Praxis der Fremdgeschäftsführung abzubilden, bleibt als letzter Ausweg die Synopse des Fallmaterials.“ Treffend Seiler JuS 1987, 368: „Dieser geschichtliche Befund ist deshalb bemerkenswert, weil er zeigt, dass das rechtsethische oder auch rechtspolitische Fundament, auf dem die Geschäftsführung ohne Auftrag ruht, bei weitem nicht so gesichert ist wie es etwa bei den Delikten oder Kondiktionen der Fall ist…Damit wird auch erklärlich, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts…Phantasie und Produktivität zahlreicher Juristen ungewöhnlich stark angeregt hat und dass sie dadurch zum Gegenstand einer Flut von Publikationen geworden ist…Vor diesem Hintergrund wird der Wunsch ver-
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mehr.31 Schon die Gestalt, die die GoA im römischen Recht (negotiorum gestio) gehabt haben mag, ist umstritten, da die „weniger abstrakt begrifflich als vom Fallrecht bestimmten Quellen“ keine gesicherte Systematik oder Grundgedanken erkennen lassen.32 Die GoA hat denn auch in der Rechtswirklichkeit den Charakter eines beinah grundsatzlosen „Sammeltatbestandes“33 erlangt, was sicher eine der Ursachen dafür ist, dass die nun zu erörternde eigentliche Dogmatik der GoA so umstritten ist.
B. Eigentliche Tatbestandsmodelle 1. Überblick Die bis hierhin erörterten Deutungsansätze beschränken sich mehr oder weniger darauf, die (vermeintlichen) Grundgedanken der GoA zu beschreiben. Eine nähere dogmatische Erläuterung des Tatbestandes der §§ 677 ff. BGB leisten diese Ansätze jedoch grundsätzlich nicht, wodurch sie sich von den nun zu erörternden Theorien unterscheiden. Ein allgemeiner Konsens besteht lediglich darüber, dass die GoA ein gesetzliches Schuldverhältnis darstellt, wobei der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ nach allen Ansichten denkbar weit zu verstehen ist und grundsätzlich Handlungen aller Art, insbesondere also solche rein tatsächlicher Natur erfassen kann und nicht etwa auf Rechtshandlungen oder Rechtsgeschäfte zu be-
ständlich, einen möglichst aussagekräftigen Grundgedanken für die §§ 677 ff. kennen zu lernen, der als eine Art Leitfaden die Orientierung in diesem offensichtlich nicht unproblematischen Bereich erleichtert. Der Wunsch kann leider nicht erfüllt werden“. Zuletzt in diesem Sinne Rademacher Jura 2008, 87, 90 (mit Darstellung der Arbeit der SGECC). 31 Bemerkenswerterweise verzichtet etwa Helm (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 342) auf eine eigene rechtshistorische Untersuchung mit dem Argument, dass zum einen die entsprechenden Arbeiten von Wittmann und Wollschläger „erhebliche Meinungsunterschiede“ in der Bewertung der historischen GoA hervorgebracht hätten (!), zum anderen aber auch die heutigen Problemstellungen in den Lebenssachverhalten des 19. Jahrhunderts und des römischen Rechts keine Entsprechung finden würden. Ähnlich Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 372: „Auch in rechtshistorischer Sicht bleibt die GoA ein Rätsel.“ 32 Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 3 mit dem Hinweis, dass es schon der Pandektenwissenschaft nicht gelungen war, eine Systematik zu erarbeiten, was sich in der Gesetzgebung zum BGB fortsetzte: „Ein tragfähiger Grundkonsens konnte aber angesichts der Schwankungen im Gesetzgebungsverfahren nicht erreicht werden, mit der Folge, dass bis heute kein den Begriff und die Ausgestaltung der GoA bestimmendes Leitbild den Vorschriften der §§ 677 ff. BGB entnehmbar ist“; ebenso Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 839. 33 Henssler JuS 1991, 924; Seiler JuS 1987, 368; Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 2: „Die GoA ist ein Auffangtatbestand, dessen Regeln für Geschäftsführung und ähnliche Tatbestände gelten, die nicht anderweitig im Gesetz geregelt sind.“; vgl. auch Jansen ZEuP 2007, 958, 969 („chamäleonartiges Rechtsinstitut“); Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 341 („Auffanginstitution“); Schwerdtner Jura 1982, 593 („Superregressnorm“).
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
schränken ist.34 Hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten, da über die weiteren Entstehungsvoraussetzungen keine Einigkeit zu erzielen ist.35 Der Streit über die Systematik teilt sich zunächst in die objektivierenden Ansichten, für die das „fremde Geschäft“ das Kernelement des Tatbestandes darstellt, sowie in die subjektive Lehre, welche die „Geschäftsführungsabsicht“ des Geschäftsführers für maßgeblich hält. Ein weiterer Streit dreht sich um die Frage, ob eine Unterteilung in berechtigte und unberechtigte GoA vorzunehmen ist. Wesentlich erschwert wird das Verständnis der §§ 677 ff. BGB dadurch, dass Rechte und Pflichten sowohl des Geschäftsherrn als auch des Geschäftsführers geregelt werden. Unverkennbar ist insofern die Herkunft aus zwei verschiedenen actionen (actio directa des Geschäftsherrn (vgl. heute § 681 BGB) und actio contraria des Geschäftsführers (vgl. heute § 683 BGB)).36 Die streitige Frage, ob sich überhaupt ein einheitlicher Tatbestand der GoA finden lässt, ist ganz wesentlich durch diese Besonderheit geprägt: Die Beteiligten des gesetzlichen Schuldverhältnisses der GoA sind regelmäßig, anders als im Bereicherungs- oder im Deliktsrecht üblich, jeweils Anspruchsgegner wie auch Anspruchsinhaber. Dies entspricht mehr der typischen Situation eines Vertrages, was sich auch in den gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen der GoA widerspiegelt. Zusätzlich erschwert wird die systematische Erfassung durch die erforderliche Abstimmung mit dem Bereicherungsrecht. Die hier noch zu erörternden Hauptprobleme der GoA bleiben jedenfalls Rechtsprechung und Lehre zur Bewältigung überlassen, da ein Handeln des Gesetzgebers realistisch nicht zu erwarten ist: Im Rahmen der bis 1978 zurückreichenden Vorbereitung zur Reform des Schuldrechts wurde zwar auch die Geschäftsführung ohne Auftrag einer Überprüfung unterzogen, einzelne Änderungsvorschläge des von Helm erstellten Gutachtens wurden in das seit 2002 geltende neue Schuldrecht jedoch nicht übernommen, nachdem sich die von 1984 bis 1992 tätige Kommission mit den §§ 677 ff. BGB auch nicht mehr befasst hatte.37
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Berg JuS 1975, 681; statt vieler Deutsch AcP 165 (1965), 193, 211, wonach schon die gesetzliche Regel des § 680 BGB (Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr) die Erfassung auch rein tatsächlicher Handlungen denknotwenig vorgibt; Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 1, 2; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1271; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 10; Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 2; Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 617; Rödder JuS 1983, 930; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 2: „Ausgeschlossen von den §§ 677 ff. sind allerdings bloße Unterlassungen“; ders. JuS 1987, 368, 370: „In der publizierten Judikatur gibt es, soweit ersichtlich, kein Beispiel, in dem die §§ 677 ff. deshalb ausgeschlossen wurden, weil es an einer „Geschäftsbesorgung“ fehlte.“ 35 Vorausgeschickt sei das insgesamt treffende Urteil von Martinek/Theobald JuS 1997, 612: „Ein…Konsens ist bislang in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung bedauerlicherweise nicht erreicht worden -er zeichnet sich nicht einmal in Form des berühmten Silberstreifens am Horizont ab. Man wird eher von einem zermürbenden dogmatischen Stellungskrieg im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag mit ungewissem Ausgang sprechen müssen.“ 36 Zu den daraus folgenden Besonderheiten v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 4. 37 Vgl. Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 34. Für das Recht der GoA ist allerdings die Einfügung des § 241 a BGB (unbestellte Leistungen) von noch nicht abschließend geklärter
B. Eigentliche Tatbestandsmodelle
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Die folgenden Ausführungen versuchen, das traditionelle Meinungsspektrum systematisch wiederzugeben. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die hier vorgenommene Unterteilung notwendigerweise eine grobe sein muss, zumal die GoADogmatik in letzter Zeit im Wandel begriffen zu sein scheint.
2. (Rein) Objektive Theorie Der im 19. Jahrhundert vielfach vertretenen objektiven Theorie zufolge löst einzig und allein die Führung eines „fremden Geschäfts“ die Rechtsfolgen der GoA aus, auf das zusätzliche Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens soll es hingegen nicht ankommen.38 Der BGB-Gesetzgeber soll dieser Lehre in § 687 I BGB allerdings eine klare Absage erteilt haben: Die Norm bringe vielmehr die Unentbehrlichkeit des Geschäftsführungswillens hinreichend zum Ausdruck und nehme dessen Fehlen im konkreten Einzelfall zum Anlass, die Nichtanwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB klarzustellen und auf eine Abwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu verweisen.39 Die (rein) objektive Lehre vermöge daher zwar nicht die vollständige Interpretation der §§ 677 ff. BGB zu leisten, sie sei jedoch hilfreich bei der Bestimmung des GoA-Tatbestandsmerkmals „fremdes Geschäft“.40 Dies setzt natürlich voraus, dass man mit Rechtsprechung und h.L. dieses Merkmal überhaupt für notwendig erachtet, was nun zu erörtern ist.
3. h.M.: Theorie der höherrangigen Zuständigkeit bzw. der relativen Fremdheit, das “Näher-dran-Prinzip“ der objektivierenden Ansichten Der objektiven Theorie wird bescheinigt, in mehr oder weniger reiner Form eine Fortsetzung in der Rechtsanwendung durch die Gerichte bzw. in den Erklärungsansätzen eines Großteils der Literatur zu finden.41 Was die GoA-Systematik der Bedeutung, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 7, 205 ff. sowie Hau NJW 2001, 2863 ff. Näher dazu unten, IV E 2. 38 Nähere Darstellung bei Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 23 ff. Diese Theorie verallgemeinerte die Digestenstelle 3, 5, 48 des Africanus, die durch ihren Verzicht auf den Geschäftsführungswillen eine Besonderheit unter den die negotiorum gestio behandelnden Quellen darstellt. 39 Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 3.; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 2, § 687 Rdn. 1; Schwark JuS 1984, 321; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 24. Vgl. auch v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 10. 40 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 43. Vgl. auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 3, 26 ff. 41 So die Einschätzung von Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 23 ff.) mit der Feststellung: Eingang in das BGB habe die Theorie zwar nicht gefunden, die tägliche praktische Handhabung der Geschäftsführungsregeln durch die Gerichte sei jedoch faktisch von der objektiven Theorie nicht weit entfernt ,, als bei Vorliegen eines fremden oder „auch fremden“ Geschäfts der Fremdgeschäftsführungswille vermutet werde, der Geschäftsführungsabsicht mithin keine selbständige Rolle zugestanden werde.“
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
Rechtsprechung und der h.L. betrifft, wird traditionell die (nicht unumstrittene) Zweiteilung in das objektiv fremde und das subjektiv fremde Geschäft erörtert:42 a) Objektiv fremdes Geschäft (1) Überblick Die erste Kategorie der GoA soll, wie bei der objektiven Theorie, das aus § 687 BGB entlehnte, in den § 677 BGB hineingelesene „objektiv fremde Geschäft“ bilden, welches einer eher vagen und präzisionsbedürftigen Grundformel zufolge schon „seiner Natur, seinem Inhalt nach“ dem Rechts-/Interessenkreis einer bestimmten Person aufgrund objektiver Kriterien zugeordnet werden könne.43 Als Beispiele werden typischerweise die Reparatur oder Veräußerung fremder Sachen genannt44 und die Tilgung fremder Schulden.45 Rein formal betrachtet verlangt die
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Vgl. die Darstellung bei Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 6 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263. Früh JuS 1995, 418, 420; Martinek/Theobald JuS 1997,805, 806; Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 614; Oppermann AcP 193 (1993), 503 ff.; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 6 ff.: „Als Interpretationshilfe wird auf die alte, vom BGB allerdings bewusst nicht übernommene Unterscheidung zwischen objektiv fremdem und subjektiv fremdem (objektiv neutralem) Geschäft auch heute noch zurückgegriffen.“ 43 BGH NJW 2000, 72; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 10; vgl. statt vieler auch Berg JuS 1975, 681 mit einer oft verwendeten Spielart dieser Definition: „…ein Geschäft, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild nur einen anderen angeht.“ Diese Formulierung ist allerdings irreführend: Tatsächlich verlangt die Rechtsprechung meistens gerade kein bereits nach „außen“ hin eindeutiges Verhalten, sondern beurteilt den „Inhalt“, d.h. die materiellrechtlichen Rechte und Pflichten der Beteiligten, womit die Bewertung reichlich kompliziert und uneindeutig werden kann. Verwiesen sei nur auf die früher äußerst umstrittenen Fälle der „Selbstaufopferung“ im Straßenverkehr (dazu Canaris JZ 1963, 655 ff.; Deutsch AcP 165 (1965), 193 ff.; Frank JZ 1982, 737 ff.; Friedrich VersR 2000, 697 ff.): Die Rechtsprechung (etwa BGHZ 38, 270) ließ dem einer Kollision ausweichendem Verkehrsteilnehmer Aufwendungsersatz aus § 683 BGB für erlittene Schäden dann zukommen, wenn er bei Nichtverhindern des Unfalls dem anderen Verkehrsteilnehmer materiellrechtlich nicht haftbar gewesen wäre, andernfalls führe er mit der Haftungsvermeidung ein eigenes Geschäft (vgl aber nunmehr Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 855: Nach der mittlerweile erfolgten Änderung des § 7 StVG wird GoA in derartigen Fällen kaum noch zu bejahen sein, weil die Haftungsbefreiung wegen unabwendbaren Ereignisses durch die kaum je erfüllte Haftungsbefreiung aufgrund höherer Gewalt ersetzt wurde). Dass der hier zugeschriebene „Geschäftsführungswille“ bei solchen beinahe automatisch ablaufenden Reaktionshandlungen kaum der Lebenserfahrung entspricht, störte die Rechtsprechung nicht, daher war es auch nur ein kurzer Weg dahin, den Geschäftsführungswillen anhand einer materiellrechtlichen Betrachtung dann zu verneinen, wenn der Verkehrsteilnehmer durch sein Ausweichen einer ihn ansonsten treffenden Haftung entgeht. Bezeichnend für diesen fliegenden Perspektivenwechsel auch Sprau in Palandt § 677 Rdn. 4: „ Das objektiv fremde Geschäft fällt schon… seinem Inhalt, seinem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis als den des Handelnden.“; Emmerich JuS 2000, 603; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 13; Rödder JuS 1983, 930; Schwark JuS 1984, 321, 322; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 6. 44 RGZ 138, 45.
B. Eigentliche Tatbestandsmodelle
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h.M. allerdings noch einen subjektiven Tatbestand: Dem § 687 BGB wird, wie bereits erörtert, im Umkehrschluss entnommen, dass neben dem Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts der Handelnde den aus zwei Komponenten bestehenden Fremdgeschäftsführungswillen aufweisen müsse, mithin zum einen das Bewusstsein, im fremden Rechts-/Interessenkreis tätig zu werden (Umkehrschluss aus § 687 I BGB) und zum anderen den Willen, das Geschäft als fremdes, das heisst nicht für sich, sondern für eine andere Person zu führen (Umkehrschluss aus § 687 II BGB).46 Soweit allerdings im konkreten Einzelfall das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts bejaht werden kann, arbeiten Rechtsprechung und große Teile der Lehre mit einer (nur höchst theoretisch widerleglichen) Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens,47 der damit in der praktischen Rechtsanwendung mitunter zur Fiktion gerät.48 Der Schwerpunkt der Prüfung liegt damit in der Pra-
45
BGHZ 47, 370; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 24. Aber bereits die vermeintlich so eindeutig zuzuordnende Zahlung fremder Schulden bereitet als Anwendungsfall der GoA erhebliche Probleme, ausführlich dazu Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 76 ff.) und Wittmann (Begriff und Funktionen der GoA, S. 99 ff.), der als Vertreter der subjektiven Lehre hier gar keine GoA zu erkennen vermag, sondern einen rein bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch. 46 Gehrlein in Bamberger/Roth § 687 Rdn. 1; Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 5; Henssler JuS 1991, 926; Martinek/Theobald JuS 1997, 612, 613; Rödder JuS 1983, 931; Schwark JuS 1984, 321, 322; Seiler in MüKo § 687 Rdn. 1. Bestimmte Vorstellungen über Existenz oder Identität eines Geschäftsherrn sind nach den objektivierenden Ansichten hingegen nicht erforderlich („Geschäftsführung für den, den es angeht“), wie man § 686 BGB entnehmen will, vgl. Seiler JuS 1987, 368, 370. Die Vertreter der subjektiven Lehre beurteilen dies anders, siehe dazu unten, I B 4. 47 BGHZ 38, 270 = NJW 1963, 390, 391; 40, 28, 31 = NJW 1963, 1825; 70, 389 = NJW 1978, 1375; 82, 323 = NJW 1982, 879; 98, 235, 240 = NJW 1987, 187; 143, 9, 14 = NJW 2000, 421; Berg JuS 1975, 681; Beuthien JuS 1987, 841, 843; Emmerich JuS 2000, 603; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1262; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn.13; Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 847; Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 620; Otto JuS 1984, 684; Rödder JuS 1983, 931; Sprau in Palandt § 677 Rdn. 4; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 46. Schwark (JuS 1984, 321, 322) weist darauf hin, dass sich diese Beweisregel kaum als Anscheinsbeweis auffassen lasse, die Rechtsprechung vielmehr dem Geschäftsführer erheblich über die Figur des Anscheinsbeweises hinausgehende Beweiserleichterungen zukommen lässt. 48 Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 806; Schmidt JuS 2004, 862, 865. Falk (JuS 2003, 833, 835) weist zutreffend darauf hin, dass der auf Aufwendungsersatz in Anspruch genommene „Geschäftsherr“ die einmal für den Anspruchsteller streitende Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens kaum je wird widerlegen können. Die als Beleg für eine solche Widerlegung immer wieder zitierte Entscheidung BGHZ 64, 260 ff. (vgl. etwa Schreiber Jura 1991, 155, 156) ist in ihrem Aussagegehalt unsicher: Das Gericht verneint zwar durchweg den Fremdgeschäftsführungswillen, hat aber im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt festgestellt, dass es sich überhaupt um ein objektiv fremdes Geschäft handle. Das darf bei dem streitgegenständlichen Abschluss einer Insassenunfallversicherung durch den Kfz-Halter auch bezweifelt werden, da es sich beim Vertragsschluss nicht unbedingt um ein objektiv dem Rechtskreis der Insassen zugewiesenes Geschäft handelt (anders, aber sicher angreifbar, BGHZ 32, 44, 51).
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
xis beim „fremden Geschäft“,49 so dass der theoretische Unterschied zur (rein) objektiven Theorie faktisch nicht existiert. Der Sache nach handelt es sich bei dieser Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens um den verständlichen Versuch, ein vom Gesetz in keiner Weise für äußerungs-, verkörperungs- oder gar zugangsbedürftig gehaltenes Willensinternum irgendwie der prozessual nun einmal erforderlichen Beweisbarkeit zugänglich zu machen.50 Das „objektiv fremde Geschäft“ ist damit gar kein echtes Tatbestandsmerkmal der GoA51 sondern eine Beweisregel,52 die sich aufgrund ihrer Dominanz in der Praxis zum Kernelement der GoADogmatik entwickelt hat und durchweg wie ein Tatbestandsmerkmal behandelt wird. Ganz überwiegend verwenden Lehre und Rechtsprechung dieses derart offen konstituierte Tatbestandsmerkmal des (objektiv) „fremden Geschäfts“ ohne sich noch mit einer näheren dogmatischen Herleitung desselben zu beschäftigen. § 677 BGB („Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt…“) wird also so gelesen, als stünde dort „Wer das Geschäft eines anderen besorgt…“53 Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses „fremde Geschäft“ gehandhabt wird, geht so weit, dass der h.M. der sicher nicht ganz fern liegende Vorwurf gemacht wird, sie nehme diese „berichtigende“, mit dem Wortlaut ja nicht übereinstimmende Auslegung bereits unbewusst vor.54 Die erwähnte Definition des „objektiv fremden Geschäfts“, die auf die Zuordnung zu einem fremden Rechts-/ Interessenkreis oder gar auf den Eingriff in einen solchen abstellt, ist allerdings problematisch. Sie entbehrt entgegen ihrer vordergründigen Eindeutigkeit klarer Abgrenzungskriterien, so dass oftmals konstatiert wird, dass eine einheitliche Formel nicht verfügbar sei.55 Ge49
Schwark JuS 1984, 321. Anschaulich Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 806: Will der Geschäftsführer „seinen Aufwendungsersatzanspruch gerichtlich einklagen, müsste er nach den üblichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast seinen Fremdgeschäftsführungswillen u.U. beweisen und geriete dann in arge Beweisnot, es wäre ihm schlicht nicht möglich. Lässt man die im Zivilprozess zugelassenen Beweismittel Revue passieren (Augenschein, Zeugen, Sachverständiger, Urkunden, Parteivernehmung), käme wohl nur die Parteivernehmung…sowie der Zeugenbeweis…in Betracht. In der Sache würde dies kaum weiterhelfen. Ein Zeuge könnte im Regelfall nur den äußeren Geschehensablauf schildern. Der Fremdgeschäftsführungswille entzieht sich als rein subjektives Element im Normalfall der Beweisführung.“ 51 Das Gesetz sieht lediglich in § 687 I, II BGB das „fremde Geschäft“ vor, was noch zu erörtern sein wird. 52 Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 6. 53 Oder eben: „Wer das Geschäft eines anderen für diesen besorgt…“, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 117; Falk JuS 2003, 833, 834. 54 Reichard AcP 193 (1993), 567, 568. Diese Annahme liegt nahe, denn das „fremde Geschäft“ hat sich als Tatbestandsmerkmal in Lehre und Rechtsprechung derart fest etabliert, dass es selten hinterfragt wird, vgl. Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 34, 35. Sehr bezeichnend die Verinnerlichung der h.M. bei Schwark JuS 1984, 321, 322: „Geht man vom Wortlaut des § 677 aus, der von einem fremden Geschäft spricht…“. Ehrlich aber das Eingeständnis von Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rdn. 693 Fn. 10 („Der Wortlaut des § 677 erwähnt freilich das „fremde“ Geschäft“ nicht.“), der auf die „gegen die hier zugrunde gelegte Auffassung“ vorgebrachten „beachtlichen“ Gegenargumente der subjektiven Lehre verweist. 55 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263. 50
B. Eigentliche Tatbestandsmodelle
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gen die Rechtsprechung zur GoA wird der Vorwurf erhoben, die von ihr anhand des „fremden Geschäfts“ vorgenommenen Zuordnungen seien „willkürlich“56 bzw. würden „Züge der Beliebigkeit“ aufweisen.57 Vor allem aber werden die erörterten Regeln vielfach auf das „Sorgenkind“ der GoA-Dogmatik, das „auchfremde“ Geschäft übertragen, bei dem der Handelnde nicht ausschließlich im fremden, sondern auch im eigenen (u.U. vertraglich oder gesetzlich geregelten) Rechts-/Interessenkreis oder dem eines weiteren Dritten tätig wird.58 So wird festgestellt, dass die Rechtsprechung das (auch-) fremde Geschäft recht großzügig als handliches Instrument bei der Zurechnung von Kosten, Risiken und Schäden benutzt, wenn sich Vertrags-, Bereicherungs- und Deliktsrecht als „allzu sperrig“ für das vom Rechtsgefühl diktierte Einzelfallergebnis erweisen.59 Das (auch-) fremde Geschäft fungiert mitunter also als Generalklausel, von der die Judikatur, zumindest in der Vergangenheit, „flexiblen Gebrauch“ gemacht hat.60 (2) Wollschlägers Zuständigkeitstheorie61 Nur wenige Autoren bemühen sich um eine theoretische Fundierung des „objektiv fremden Geschäfts“. Erheblicher Einfluss kommt insofern der Habilitationsschrift von Wollschläger zu, der die zur „negotiorum gestio“ seit Mitte des 19. Jahrhunderts ergangene Rechtsprechung einer genaueren Betrachtung unterzogen hat und sie dogmatisch abzusichern versucht. Um eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 677 ff. BGB ist er dabei allerdings kaum bemüht: Die aus seiner Untersuchung gezogenen Schlüsse dürfen vielmehr als paradigmatisch für die relativ
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Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 368. Schulze JZ 2000, 523. 58 BGHZ 16, 12; 30, 162; 40, 28, 31 = NJW 1963, 1825; 65, 354, 357 = NJW 1976, 619; 98, 235, 240 = NJW 1987, 187; 143, 9, 15 = NJW 2000, 422; Berg JuS 1975, 681; Beuthien JuS 1987, 841, 843; Emmerich JuS 2000, 603; Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 5; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263; Henssler JuS 1991, 926; Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 3; Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 807; Rödder JuS 1983, 930. Für einen Unterfall des „auch-fremden Geschäfts“ ist die Bezeichnung als Problematik des „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ üblich, die sich auf diejenigen häufigen Konstellationen des „auch-fremden Geschäfts“ bezieht, in denen der Geschäftsführer nicht nur aufgrund eines wirtschaftlichen oder rechtlichen Eigeninteresses, sondern aufgrund ihn treffender vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten handelt, vgl. Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 15, 16 und Sprau in Palandt § 677 Rdn. 7; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 10. 59 Falk JuS 2003, 833, 835. Ähnlich die Kritik bei Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 10. 60 Falk JuS 2003, 833, 835. Insofern aber wenig skeptisch der historische Gesetzgeber, vgl. Mugdan II., S. 485. 61 Wollschlägers Ansatz wird teilweise als „objektive Theorie“ bezeichnet, vgl. etwa Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 807. Dies ist allerdings missverständlich, die Bezeichnung wird traditionell für die bereits angesprochene rein objektive Theorie verwendet, die auf den Geschäftsführungswillen gänzlich verzichtet, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 23. Wollschlägers Ansatz und derjenige der Rechtsprechung sollen in dieser Arbeit mit dem Begriff „objektivierende Ansichten“ bezeichnet und damit in einen Gegensatz zur subjektiven Lehre gebracht werden. 57
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
großzügige GoA-Rechtsprechung der letzten 100 Jahre gelten.62 Wollschläger nimmt zunächst die bereits sehr alte Kritik an einem vermeintlich inflationären Gerichtsgebrauch der GoA zur Kenntnis, sieht sie jedoch durch die von ihm nicht unterstützte Theorie der Menschenhilfe motiviert und hält sie demzufolge für unberechtigt.63 Zentrale These seiner Arbeit ist die Vermutung, dass umgekehrt das volle Spektrum der Rechtsprechung seine Berechtigung haben werde und es Aufgabe der Dogmatik sei, dies systematisch zu erfassen.64 Aus der Weite des von der Rechtsprechung gefundenen Anwendungsbereichs schließt er, die GoA sei insgesamt von einer „vermögensrechtlich“ konzipierten Grundstruktur geprägt und als „vollmachtloses, treuhänderisch-vertretungsweises Handeln für den höherrangigen Träger einer Güter- und Lastenzuständigkeit“ zu definieren.65 Technisch soll sich dies wie folgt auswirken: Die „Fremdheit“ eines Geschäfts bestimmt sich Wollschläger zufolge nach der sich aus dem materiellen Recht ergebenden höherrangigen Zuständigkeit66 am Gegenstand der Tätigkeit: Das Geschäft sei kein Rechtsobjekt wie das Eigentum, das normalerweise als Ganzes nur einer Person unter Ausschluss anderer zusteht, denn jeder Geschäftsführer sei zunächst notwendig mit seiner Person und seinem Vermögen an der Geschäftsbesorgung beteiligt; es hand62
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wollschläger selbst sah sich zum damaligen Zeitpunkt nicht als Vertreter einer überwiegenden Ansicht. Wenn er sich beständig gegen die „herrschende Lehre“ wendet, bezieht er sich damit auf die von ihm als herrschend empfundene Theorie der Menschenhilfe. Diese wird bisweilen immer noch als herrschende Lehre bezeichnet und als dem Ansatz Wollschlägers entgegengesetzt verstanden, vgl. nur Oppermann AcP 193 (1993), 502. Dabei wird aber übersehen, dass viele Autoren diesen vermeintlichen Antagonismus gar nicht wahrnehmen, vielmehr gleichermaßen mit dem Gedanken der „Förderung der allgemeinen Hilfsbereitschaft“ wie auch dem Merkmal des objektiv fremden Geschäfts arbeiten. Dies liegt auch nahe, denn da die „Theorie der Menschenhilfe“, wie bereits erörtert, gar kein über feste Konturen verfügendes Tatbestandsmodell darstellt, lässt sie sich schwerlich in einen Gegensatz zu solchen Ansichten bringen, die den Versuch unternehmen, die GoA auch systematisch zu erklären. Wollschlägers eigener Ansatz bedeutet jedenfalls „im Ergebnis keine Einschränkung des Tatbestandes der Geschäftsführung sondern umgekehrt eine umfassendere Festlegung“, wie Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 19) feststellt. 63 Siehe bereits oben II A 1 zur Theorie der Menschenhilfe. 64 Dass er der von ihm gesichteten Rechtsprechung (auch derjenigen vor Geltung des BGB!) so viel dogmatisches Gewicht beimisst, ist das Überraschende an seiner Arbeit. Er will „dem Richterrecht den Vorrang vor rein dogmatisch-deduktiver Gesetzesinterpretation“ einräumen, und misst, für einen deutschen Zivilrechtswissenschaftler beachtlich, der Dogmatik eine nur „dienende Aufgabe“ zu. Dies entspricht nicht dem üblichen Selbstverständnis der deutschen Rechtswissenschaft, die für sich nicht nur eine eigenständige Rolle beansprucht, sondern oft, und vielfach sicher nicht zu Unrecht, die Rechtsprechung kritisch kommentiert. 65 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 20, 21. 66 Schubert (AcP 178 (1978), 432) zweifelt an der Tauglichkeit des Begriffs der Zuständigkeit, der aus der Dogmatik zur Stellvertretung entlehnt sei: „Es ist aber fraglich, ob dieser Begriff ohne weiteres auf das Recht der GoA übertragen werden kann. Er vermag mit Hilfe bestimmter Wertungskriterien zwar festzulegen, ob eine ausgleichspflichtige Vermögenslage vorliegt, er erklärt aber nicht, weshalb das gerade über die Bestimmungen der GoA erfolgen muss.“
B. Eigentliche Tatbestandsmodelle
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le sich vielmehr um einen relativen Begriff, der besage, dass eine bestimmte Person in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt „näher dran“ ist, die diesbezüglichen Güter und Lasten zu haben als eine bestimmte andere Person.67 Bei der Entscheidung darüber, ob Fremdgeschäftsbesorgung vorliegt oder nicht, ist nach Wollschläger also darauf abzustellen, ob die im Einzelfall aus einer bestimmten Handlung entstehenden Kosten ebenso wie der daraus resultierende Nutzen einer bestimmten Person (Geschäftsherr) vorrangig gegenüber einer anderen Person (Geschäftsführer) zugeordnet werden können, der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn (§ 681 BGB) und der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers (§ 683 BGB) transferieren diese Nutzen und Kosten dann auf die dafür zuständige Person des Geschäftsherrn.68 Es wird hier schnell deutlich, dass das GoA-Verständnis Wollschlägers auf diejenigen Entscheidungen abzielt, die bei Nichtanwendung der §§ 677 ff. BGB zwangsläufig im Bereicherungsrecht zu treffen wären.69 Seine Theorie der „Zuständigkeit“ wird denn auch als „kondiktionsnah“ eingeordnet: Die Besorgung eines objektiv fremden Geschäfts führt bei dieser Sicht der Dinge zu rechtsgrundlosen Vermögenszuwächsen auf Seiten des Geschäftsherrn oder des Gestors (Schuldbefreiung oder Ersparnis von Aufwendungen auf Seiten des Geschäftsherrn einerseits, Nutzziehung entgegen dem Zuweisungsgehalt auf Seiten des Geschäftsführers andererseits), die durch die Anwendung der GoA-Regeln ausgeglichen werden.70 Dieser Ansatz stellt mehr oder weniger einen Gleichlauf zu den Wertungen des Bereicherungsrechts her, von dem die GoA sich einzig durch ihr zusätzliches Erfordernis der Geschäftsführungsabsicht unterscheiden soll.71 Selbst 67
Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 66. Martiny (Unterhaltsrang und -rückgriff, S. 772) beschreibt dies zutreffend als eine „offene Wertung“. 68 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 65 ff. Eine Ausnahme von der weiten Anwendbarkeit soll, in Abweichung von der Rechtsprechung, nur für diejenigen Fälle gelten, in denen der „Geschäftsführer“ zwar nicht dem „Geschäftsherrn“, wohl aber einem Dritten gegenüber zur Übernahme der Leistung verpflichtet ist oder wenn der „Geschäftsführer“ aufgrund eines unwirksamen Vertrages tätig wird (S. 145 ff.). 69 Eine eingehende Beschäftigung mit dem Bereicherungsrecht ist allerdings auch dann, wenn man Wollschlägers Ansatz nicht teilt, für das richtige Verständnis der GoA unumgänglich, worauf im Laufe dieser Arbeit noch zurückzukommen sein wird. Vgl. zum Verhältnis der §§ 677 ff. zu den §§ 812 ff. BGB u.a. Schulze JZ 2000, 523 ff.; Reeb JuS 1973, 624 ff. 70 So die Beschreibung durch Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 27, 59), der seinen eigenen, von Wollschläger verschiedenen Ansatz als „kondiktionsfern“ einordnet. 71 Wie Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73, 324) offen eingesteht: „Herausgabe- und Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag führen praktisch immer zum gleichen Ergebnis wie die Eingriffs-, Rückgriffs- und Verwendungskondiktion. Theoretisch konstruierbare Differenzen zwischen beiden Anspruchsgrundlagen kommen in der Praxis nicht vor. Die subjektiven Tatbestandselemente der §§ 677, 683, 687 BGB sind darum zuallermeist nur für die rechtstechnisch richtige Subsumtion relevant“. Vgl. auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 27, 58, 59 mit weiteren Nachweisen zu der als „ungeklärt“ anzusehenden Frage, ob sich die GoA nicht sogar auf das Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung zurückführen lässt. Rechtsvergleichende Betrachtungen würden die Verwandtschaft belegen: Das anglo-amerikanische
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dieser geringfügige Unterschied wird aber noch nivelliert: So seien hinsichtlich der Geschäftsführungsabsicht nur geringe Anforderungen zu stellen, es genüge eine Parallelwertung in der Laiensphäre, wonach der Geschäftsführer nur die wesentlichen Umstände zu kennen habe, welche die fremde „Zuständigkeit“ ausmachen.72 (3) Bewertung Inwieweit die ebenfalls mit dem „objektiv fremden Geschäft“ operierende h.M. den beschriebenen „kondiktionsnahen“ Ansatz Wollschlägers tatsächlich aufnimmt und mit ihm deckungsgleich ist, wird nicht immer ganz deutlich. Der Rechtsprechung wird teilweise, jedoch wohl unzutreffenderweise, bescheinigt, in subjektiver Hinsicht ein größeres Gewicht auf das Fremdgeschäftsführungsbewusstsein zu legen, was die oftmals vorgenommene und auch hier der Einfachheit halber verwendete Bezeichnung als „kombiniert objektiv-subjektive Theorie“ erklärt.73 Im Grunde entspricht die lange Zeit in der Anwendung der GoA recht großzügige Rechtsprechung aber zwangsläufig dem ebenfall sehr weiten und stark objektivierenden GoA-Verständnis Wollschlägers,74 der sein GoA-Modell ja gerade aus einer Gesamtschau der Judikatur heraus entwickelt hat. Die Zuständigkeitslehre Wollschlägers ist denn auch vielfach übernommen worden oder gilt wenigs-
Recht etwa, dem die GoA unbekannt ist, löse die im deutschen Recht nach GoA-Regeln behandelten Fallgestaltungen nach dem (im weitesten Sinne als bereicherungsrechtlich einzuordnenden) law of restitution. Man darf gespannt sein, welche Konturen der von der Study Group on a European Civil Code erarbeitete Vorschlag zur europaweiten Zivilrechtsvereinheitlichung diesbezüglich aufweisen wird, vgl. hierzu v.Bar/Swann, FS für Lorenz, S. 43 ff. Die deutsche Rechtsprechung stützt ihre Ergebnisse nicht selten alternativ auf GoA oder Bereicherungsrecht, vgl. etwa BGH NJW 2005, 1366. 72 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73. 73 Emmerich JuS 2000, 603; Laufs NJW 1967, 2294, 2295: „gemischt objektiv-subjektiver Tatbestand“; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 14: „Die von der Lehre kritisierte Rechtsprechung verhält sich allerdings gesetzeskonform, wenn sie mit Fremdgeschäftsführungswillen (-absicht oder –bewusstsein) als einem maßgebenden Kriterium arbeitet. Denn aus § 687 Abs. 1 ergibt sich, dass das fremde Geschäft wissentlich als solches zu führen ist (Fremdgeschäftsführungsbewusstsein), und von einer weiteren Präzisierung des Begriffs der Fremdheit hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen, weil er das Problem für kaum lösbar hielt.“ Ob die Rechtsprechung tatsächlich in diesem Sinne ein größeres Gewicht auf die subjektive Komponente der GoA legt, kann man aber bezweifeln, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 117: „ Die heute herrschende Lehre in Deutschland und zahlreichen anderen europäischen Ländern vertritt ein Kombinationsmodell… Das Tatbestandsverständnis der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Rechtsprechung ist nicht eindeutig…Da aber letztlich der vermutete Fremdgeschäftsführungswille über das Eingreifen des Rechtsinstituts entscheidet, verbleibt als faktisch tragendes Element der Geschäftsführung ohne Auftrag auch für die Rechtsprechung der Begriff des fremden Geschäfts.“ Andere Einschätzung der Rolle des Fremdgeschäftsführungswillens auch bei Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 4: „Rechtspr. stellt nur geringe Anforderungen.“ 74 Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 368.
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tens als nützliches Hilfsmittel zum Verständnis der GoA.75 Ob sie sich auf die Gesetzgebungsgeschichte stützen kann, ist fraglich, da die Bewertung derselben genau so umstritten ist wie der vom BGB-Gesetzgeber vorgefundene Meinungsstand zur GoA im römischen und im gemeinen Recht.76 Das Hauptaugenmerk soll hier aber weniger auf einer rechtsgeschichtlichen Ableitung als vielmehr auf der systematischen Konstruktion und ihren Konsequenzen liegen: Die geringe Bedeutung, die Wollschläger und ein erheblicher Teil der Judikatur der Geschäftsführungsabsicht beimessen, zeigt, dass von dem theoretisch angenommenen, für sich allein schon wenig einleuchtenden technischen Unterschied gegenüber dem Bereicherungsrecht bei der Rechtsanwendung praktisch gar nichts übrig bleibt,77 die Aufgaben beider Regelungsbereiche sollen Wollschläger zufolge ja ohnehin bereits deckungsgleich sein.78 Das allein muss schon stutzig machen: Sollte das Gesetz mit den §§ 677 ff. BGB einerseits und den §§ 812 BGB andererseits tatsächlich zwei Rechtsinstitute enthalten, die mehr oder weniger dieselbe Funktion (Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung) erfüllen?79 Hinzu kommt, dass, entgegen Wollschlägers Prämisse vom Gleichlauf mit dem Bereicherungsrecht, die GoA in der Rechtspraxis oft benutzt wird, um unliebsame Konsequenzen des Bereicherungsrechts (etwa den Vorrang der Leistungskondiktion gegenüber der Eingriffskondiktion) auszuschalten.80 75
So etwa Oppermann AcP 193 (1993), 502, allerdings mit dem Hinweis: „führt darüber hinaus aber ebenfalls nicht zur vollständigen Durchdringung der Materie“. Selbst von Vertretern der entgegengesetzten subjektiven Lehre wird Wollschlägers Zuständigkeitstheorie immerhin als „wertvoll“ angesehen, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 27. 76 Ausführlich dazu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 63 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 77 Schubert AcP 178 (1978), 434, 435, 441: Die h.M. vermute den Fremdgeschäftsführungswillen ja ohnehin bei Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts. 78 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73, 324. 79 Schubert (AcP 178 (1978), 433) stellt unter Verweis auf Prot. I, 1646 ferner fest, dass die BGB-Verfasser bewusst darauf verzichtet hätten, den Begriff des objektiv fremden Geschäfts näher zu bestimmen, da sie sich in Kenntnis der GoA des gemeinen Rechts der Schwierigkeiten bewusst gewesen seien, die es mit sich bringt, eine objektiv vorgegebene Güter- und Lastenzuständigkeit zu konstruieren. Wollschläger erkläre außerdem nicht, warum die Abwicklung derartiger Ausgleichsfragen zum einen gerade über die GoA erfolgen müsse, zum anderen nicht, welchen Sinn es haben soll, dass sich parallele Ergebnisse von GoA und Bereicherungsrecht ergeben. Zuletzt erörtert aber Jansen (ZEuP 2007, 958, 974) die Möglichkeit, dass die GoA neben dem modernen Bereicherungsrecht tatsächlich entbehrlich ist. Auch Köndgen (Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 376) sieht die zwingende Konsequenz von Wollschlägers Verständnis der GoA darin, dass sie neben dem Bereicherungsrecht entbehrlich ist (vgl. auch S. 379: „Zwilling des Bereicherungsrechts“). 80 Falk JuS 2003, 833, 836. Die Einschätzung Wollschlägers vom Gleichlauf von GoA und Bereicherungsrecht wird denn auch oftmals nicht geteilt, vgl. etwa Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 18 zur Anwendung der GoA auf nichtige Verträge; St. Lorenz NJW 1996, 883, 884; Martinek/Theobald JuS 1997, 612, 616 und 992, 993; Wendlandt NJW 2004, 985, 987. Vgl. auch die auf das Problem der aufgedrängten Bereicherung bezogene, für das Verhältnis von GoA und Bereicherungsrecht aber allgemeingültige Feststellung von Reeb JuS 1973, 624, 626: „Ein Blick in die einschlägige Literatur zeigt überdies, dass sich mit der notwendigen Überzeugungskraft jeder dieser Regelungskomplexe (Bereicherungs-
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II. Allgemeine Dogmatik der GoA
Durch die geringen Anforderungen, die Wollschläger und die Rechtsprechung an das Vorliegen des Geschäftsführungswillens stellen, kommt diese Handhabung der GoA zudem einer Wiederbelebung der (rein) objektiven Theorie gleich, was, wie bereits erörtert, im Hinblick auf deren in § 687 I BGB zum Ausdruck kommende Ablehnung durch die BGB-Verfasser nicht zu Unrecht für bedenklich gehalten wird,81 auch wenn die im Hinblick auf die Beweisbarkeit des Geschäftsführungswillens sich zwangsläufig ergebenden Probleme von den Kritikern keiner besseren Lösung zugeführt werden.82 Zwei wesentliche Konsequenzen einer weit verstandenen Zuständigkeitstheorie sind aber sicher problematisch: Wollschläger und die von ihm weitestgehend gutgeheißene Rechtsprechung kommen auf der einen Seite dazu, bei dem in der Gerichtspraxis bereits als „Regelfall“83 anzusehenden Tätigwerden des „Geschäftsführers“ aufgrund eigener (vertraglicher oder gesetzlicher) Pflichten und Interessen bzw. einem Handeln zu Gunsten der Belange Dritter (d.h. in den Fällen des so genannten „auch-fremden“ Geschäfts), GoA dennoch zu bejahen,84 was den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB äußerst weit geraten lässt. In der Folge neigt dieser weite Ansatz zum anderen dazu, im Einzelfall das Vorhandensein gleich mehrerer Geschäftsherrn anzunehmen,85 was den Ausgleich der beteiligten Interessen verkompliziert. Als Beispiel für diese bei der Annahme der GoA großzügigen Tendenzen lässt sich das Löschen eines in Brand gesetzten Hauses durch die Feuerwehr nennen: Dass die Feuerwehr insofern ihre ureigene Aufgabe erfüllt, mithin zumindest ein „auch-fremdes“ Geschäft gegeben ist, soll der Annahme von GoA nach vielfacher Ansicht nicht entgegenstehen, denn die ungeachtet dessen bestehende Vorteilhafrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 987 ff.) als die alle anderen verdrängende „Spezialnorm“ apostrophieren lässt“. Zum Verhältnis der GoA zur Frage der aufgedrängten Bereicherung auch Schindler AcP 165 (1965), 499 ff. sowie Schulze JZ 2000, 523 ff. und Wolf JZ 1966, 467 ff. Der Grundsatz vom Vorrang der Leistungskondiktion ist freilich selbst alles andere als unbestritten, vgl. Lieb in MüKo § 812 Rdn. 5: „…die weitgehend überflüssige und im Ergebnis meist unzutreffende Lehre von der Subsidiarität der Eingriffs- gegenüber der Leistungskondiktion“. 81 Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 26, 27) mit der auf Wollschläger und das GoA-Verständnis der Rechtsprechung gemünzten Einschätzung: „Auch heute wird die objektive Theorie in mehr oder weniger reiner Form in der deutschen Lehre vertreten.“ Zum Aussagegehalt des § 687 BGB siehe noch unten bei der Erörterung der subjektiven Lehre. 82 Siehe dazu sogleich die Erörterung der subjektiven Lehre, II B 4. 83 Oppermann AcP 193 (1993), 505. 84 Vgl. Schubert AcP 178 (1978), 434: Gerade für diese kritischen Fallkonstellationen fehle es aber an brauchbaren Abgrenzungskriterien. Ferner Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 27: „Auch die tägliche praktische Handhabe der Geschäftsführungsregeln durch die Gerichte ist faktisch von der objektiven Theorie nicht weit entfernt, als sie bei Vorliegen eines fremden oder eines sog „auch fremden“ Geschäfts den Fremdgeschäftsführungswillen vermutet…Hinter ihrer Anknüpfung am Begriff des fremden Geschäfts und ihren teilweise als Leerformeln kritisierten Begründungen steht das oft als Billigkeitsjurisprudenz denunzierte Näher-Dran-Prinzip“. 85 Falk JuS 2003, 833, 837; Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 3: „Abgrenzung oft zweifelhaft“; näher dazu Laufs NJW 1967, 2294 ff.
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tigkeit für den „zuständigen“ Hauseigentümer liegt auf der Hand.86 Das schadensmindernde Handeln der Feuerwehr wirkt sich außerdem vorteilhaft auf das Vermögen des bei Verschulden ersatzpflichtigen und insofern für die Geringhaltung des Schadens ebenfalls gegenüber der Feuerwehr materiellrechtlich vorrangig „zuständigen“ Brandverursachers aus, so dass bei einem objektivierenden, „kondiktionsnahen“ Verständnis der GoA gegebenenfalls der Hauseigentümer und der Brandverursacher gleichermaßen als Geschäftsherrn angesehen werden könnten.87 Daneben ließe sich noch der Sachversicherer des Hauseigentümers oder gar der Haftpflichtversicherer des (fahrlässigen) Brandverursachers als Geschäftsherr denken,88 wie auch die etwaigen Mieter oder die durch den Brand gefährdeten Nachbarn.89 86
Hier besteht ferner das Sonderproblem, dass es sich nicht um das Tätigwerden einer Privatperson aufgrund Eigeninteresses, sondern um öffentlich-rechtliche Aufgabenerfüllung handelt, was zusätzlich Anlass zur Skepsis gegenüber einer Abwicklung über GoARecht gibt, vgl. Bamberger JuS 1998, 706 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1264. Freund JZ 1975, 513 ff.; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 24 ff.; Martinek/Theobald JuS 1997, 992, 997; Scherer NJW 1989, 2724 ff.; Schubert AcP 178 (1978), 446. Oppermann (AcP 193 (1993), 515) weist zutreffend darauf hin, dass viele der ehemals unter GoA diskutierten Rechtsfragen des öffentlichen Rechts inzwischen durch Spezialregelungen geklärt seien. Ebenso und mit Darstellung der ggf. verbleibenden Fallgruppen der öffentlich-rechtlichen GoA Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 23: „Neuerdings geht ihre Bedeutung in diesem Bereich aber stark zurück, weil gesetzliche Sonderregelungen und der im öffentlichen Recht entwickelte Erstattungsanspruch ihre früheren Funktionen übernommen haben.“ Der hierfür viel gescholtene BGH hatte im so genannten „Funkenflugfall“ (BGHZ 40, 28 ff.) noch ein geschäftsführungsrechtliches Handeln der Feuerwehr angenommen. 87 Äußerst str., vgl. dazu RGZ 82, 206, 214 (Fuldaer Dombrandfall); s. auch BGHZ 40, 28 (Funkenflug); Früh (JuS 1995, 418, 421) und Martinek/Theobald (JuS 1997, 992, 997) bejahen ein Geschäft des Brandverursachers: „Tatsächlich liegt seine Rechtspflicht zum Feuerlöschen auf der Hand, wenn er den Brand schuldhaft verursacht hat, denn selbstredend ist er dann für die Eindämmung des Schadens und für die Beseitigung einer schuldhaft verursachten Gefahrenquelle verantwortlich.“ Vgl. zur Problematik auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 60, 270 (der als Vertreter der subjektiven Lehre nur ein Handeln für den Hauseigentümer, nicht für den Brandverursachers annehmen kann) sowie Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 107 ff. Siehe dazu auch Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 113 ff.), der die Wirkungslosigkeit der Proteste feststellt: „Die GoA erscheint als Regressgrundlage „wissenschaftlich überwunden“ und wird nicht mehr ernstlich diskutiert. Dennoch haben die Gerichte § 683 BGB kontinuierlich angewandt“. 88 Laufs NJW 1967, 2294, 2297; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rdn. 694. Die Rechtsprechung geht diesen Weg freilich nicht, vgl. nur BGHZ 54, 157; 72, 151. Regelmäßig wird die Geschäftsherreneigenschaft bei der Sachversicherung unter Hinweis darauf verneint, dass diese nur zur Schadensregulierung, nicht aber zur Schadensvorsorge verpflichtet sei, die Vermeidung oder Geringhaltung eines Sachschadens also gar nicht ihren Rechtskreis betreffe, vgl. Martinek/Theobald JuS 1997, 612, 615. Dies berücksichtigt allerdings nicht, dass ein schadensminderndes Verhalten für die Versicherung zumindest wirtschaftlich vorteilhaft ist, weil es den Umfang ihrer Leistungspflicht verringert. Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung liegt die Annahme einer Geschäftsherreneigenschaft des (Sach-/Haftpflicht-) Versicherers immer nahe. 89 Hauss, Festgabe für Weitnauer, S. 343.
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Die GoA wird bei diesem sehr weiten, insbesondere alle Fälle des „auchfremden“ Geschäfts beinhaltenden Verständnis zu einem flexibel einsetzbaren und umfassenden Regressinstrument und entspricht damit in vielen Fallkonstellationen, insbesondere bei (teilweise) vertraglich gestalteten Mehrpersonenverhältnissen, einem früheren Rechtsinstitut: Die dem heutigen Rechtsanwender mitunter weniger geläufige gemeinrechtliche Versionsklage90 geriet bis ins 19. Jahrhundert in Konflikt mit der Vertrags- und Bereicherungsrechtsdogmatik und wurde durch den historischen BGB-Gesetzgeber jedenfalls nicht übernommen.91 Die bis heute übliche weite Handhabung der GoA wird vielfach als Wiedereinführung der Versionsklage „durch die Hintertür“ und als ein nach allgemeinen Billigkeitsgesichtpunkten sich richtender direkter Durchgriff auf den von der jeweiligen Handlung Begünstigten heftig kritisiert.92 90 D.h. der „Klage aus nützlicher Verwendung“ (actio de in rem verso utilis), Zum Verhältnis von Versionsklage und heutiger GoA-Rechtsprechung u.a. Beuthien JuS 1987, 841, 843; Eichenhofer JuS 1991, 553, 557. Nähere Erläuterung der Versionsklage und ihrer Bedeutung für das Verhältnis von Leistungs- und Eingriffskondiktion bei Zeiss AcP 165 (1965), 332, 342 ff. 91 Vgl. Mugdan II., S. 487. Dazu Bergmann in Staudinger Vor § 677 Rdn. 222 ff. m.w.N.: Die Versionsklage diente im römischen Recht, das die direkte Stellvertretung nicht kannte, vor allem dazu, ein Vorgehen gegen den aus dem Geschäft mittelbar Begünstigten, nach heutiger Terminologie als Vertretenen anzusehenden Hintermann zu ermöglichen. Hierfür besteht im heutigen Recht, das die Stellvertretung kennt, an sich kein Bedürfnis mehr. Die Bewertung der Nichtkodifikation der Versionsklage differiert freilich, siehe sogleich. 92 So Schubert AcP 178 (1978), 431 ff.: Insbesondere könnten auf diesem Wege vertragliche Beziehungen ebenso umgangen werden wie bereicherungsrechtliche oder öffentlichrechtliche Bestimmungen. Der allgemeine Grundsatz, dass ein jeder sich für sein vertragliches Entgelt lediglich an seinen Vertragspartner halten könne und nicht an Dritte, wird hier mitunter ausgehebelt, vgl. D.Giesen Jura 1996, 225, 231. Mit der Ablehnung der Versionsklage durch die BGB-Verfasser argumentieren auch Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 9; Falk JuS 2003, 834, 836: „ Dies führt geradewegs zurück „in die ganz überwundene Verschwommenheit“ der berüchtigten actio de in rem verso utilis des 17. und 18. Jahrhunderts. Diese Klage eröffnete aus reinen Billigkeitserwägungen den Durchgriff auf beliebige Dritte, die in den Besitz von Vermögenswerten des Gläubigers gelangt waren, und zwar unabhängig von allen Vertragsbeziehungen zwischen dem Gläubiger, seinem Vertragspartner und dem Dritten. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Durchgriff mit den Grundregeln des Vertrags- und Bereicherungsrechts kollidiert, insbesondere mit den Regeln zum Vorrang der Leistungs- gegenüber der Nichtleistungskondiktion“; auch Gursky (AcP 185 (1985), 13, 37), der allerdings eine differenzierte Lösung anbietet; St. Lorenz NJW 1996, 883, 884 kritisiert u.a. die vom BGH immer wieder vorgenommene Anwendung der GoA auf nichtige Verträge als beliebige „Manipulierbarkeit des Rechtsanwendungsergebnisses durch die Tatbestandsvoraussetzungen der GoA“; Martinek/Theobald JuS 1997, 992, 995; Medicus BR Rdn. 414; ders. JZ 1965, 61, 65 befürchtet für bestimmte Fallkonstellationen „schwer entwirrbare Anspruchshäufungen“; OLG Hamm DNotZ 2000, 307, 308; OLG Oldenburg MDR 2000, 1373; OLG Saarbrücken NJW 1998, 828; OLG Stuttgart OLGR 2002, 26; Van Venrooy NJW 1980, 93, 97; Gegen die Argumentation mit der Versionsklage wiederum Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 147, 148), der insofern nur eine Regelungslücke sieht, die mittels der GoA gerade geschlossen werden könne. Nur tendenziell skeptisch gegenüber einer der Versionsklage entsprechenden Rechtspraxis Zeiss AcP 165 (1965), 332, 346: „Das BGB hat in kluger Beschränkung bewusst auf eine Nor-
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Ferner ist zu bemerken: Wenn „weitgehend darüber Einigkeit besteht, dass der Anwendungsbereich der GoA, wie der jedes Rechtsinstituts, überschaubar sein muss“,93 so lässt sich dieses gerechtfertige Bemühen um eine Eingrenzung der GoA auch nicht mit den Einwand diskreditieren, dass hinter einem solchen Ansinnen unausgesprochen die gesetzgebungsgeschichtlich nicht belegbare Theorie der „Menschenhilfe“ stehen würde,94 wie immer man diese bewerten mag. Es ist umgekehrt bemerkenswert, wie unumwunden Wollschläger der GoA-Rechtsprechung, auch derjenigen des 19. Jahrhunderts, per se eine dahingehende Verlässlichkeit zuspricht, dass der von ihr (ohne Absprache und erkennbares Konzept) gefundene, mehr oder weniger alle denkbaren Lebenssituationen erfassende weite Anwendungsbereich schon seine Richtigkeit haben werde.95 Was die Zulässigkeit mierung einer Klage aus nützlicher Verwendung verzichtet und die Regelung der entstehenden Konfliktsituationen dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag überlassen…Das Bereicherungsrecht bietet eine erfreuliche Begrenzung und ist zusammen mit dem Geschäftsführungsrecht wohl in der Lage, erlittene Nachteile ohne Tangierung der Verkehrssicherheit auszugleichen.“ Auch Köhler (JuS 1987, 220, 222) will die Argumentation mit der Versionsklage nicht gelten lassen und verlangt lediglich, dass der Fremdgeschäftsführungswille in den einschlägigen Fallkonstellationen „gesondert festzustellen“ sei, wobei aber wiederum der Schluss aus den tatsächlichen Umständen genügen müsse. Zur GoA als Regressinstrument der Praxis treffend die Kritik von Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rdn. 689: „Vor allem lässt bereits eine erste Übersicht vermuten, dass die gesetzliche Regelung als ein Instrument zur Erreichung bestimmter, im konkreten Fall oder für bestimmte Situationen rechtspolitisch als wünschenswert empfundener Ergebnisse eingesetzt worden ist. Diese Annahme wird bestätigt durch die Beobachtung, dass GoA-Fälle in der Praxis nicht mehr auffällig werden, wo sachnähere Institute zur Erreichung erwünschter Ergebnisse entwickelt oder normiert werden.“ Differenzierend zur Versionsklage schon v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 56 ff. Neben dem Vergleich mit der (abgelehnten) Versionsklage findet sich in der Literatur auch der Hinweis auf eine durch die weit verstandene GoA bewirkte unzulässige Vertragswirkung zu Lasten Dritter: Helm, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 394; Weishaupt NJW 2000, 1002, 1003. Stamm (Jura 2002, 730 ff.) hält die GoA als Regressinstrument für generell ungeeignet und will die Fälle des auch-fremden Geschäfts nach den Regeln der Gesamtschuld abhandeln. 93 So zutreffend Schubert (AcP 178 (1978), 435, 439), der der Ansicht ist, dass ein Großteil der von der Zuständigkeitstheorie mittels GoA-Recht behandelten Fälle des „auch fremden“ Geschäfts sich zufrieden stellend über Normen des Bereicherungs- und Regressrechts lösen ließe. 94 So aber Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 24 ff. 95 Zu Recht kritisch daher Schubert AcP 178 (1978), 432: „ Die Auswertung der Judikatur durch Wollschläger ist allerdings nicht ganz zweifelsfrei. Eine mehr oder weniger statistische Auswertung der Urteile, wie sie Wollschläger ankündigt und er sie der Arbeit zugrunde legt, besagt für oder gegen die Entscheidung dogmatischer Fragen wenig. Weiter fällt auf, dass die Judikatur für die Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des BGB nicht immer klar getrennt wird, und ferner, dass die Rangfolge der Gerichte wenig beachtet wird. Landgerichtliche Urteile sind sicher ein sehr wertvolles Erkenntnismittel für die Rechtspraxis. Sie sind aber in den seltensten Fällen bestimmend für den Fortgang der Rechtsprechung und Rechtslehre gewesen.“ Schubert weist ferner darauf hin, dass auch die Zuständigkeitstheorie „nicht genau fixierbare“ Ausnahmen vom zunächst weiten Anwendungsbereich der GoA annimmt, damit aber nur noch mehr zur Rechtsunsicherheit beiträgt (S. 425).
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einer derart „flexiblen“ Normverwendung betrifft, darf schließlich auf die treffende Formulierung Seilers verwiesen werden: „Flexibilität ist eine Eigenheit, die dem Richter entgegenkommt, wenn er etwa für eine nach seiner Überzeugung ausgleichspflichtige Geschäftsbesorgung nach einer passenden Anspruchsnorm sucht. Schon weniger vermag sie Parteien und Anwälten zu gefallen, die mehr Berechenbarkeit und Rechtssicherheit erwarten, und auch die Rechtswissenschaft muss kritisch nach den inhaltlichen Kriterien fragen, die letztlich hinter diesen leerformelartigen Regeln stehen“.96 (4) Eingrenzungsbemühungen Die soeben erörterte Kritik an den Konsequenzen der weit verstandenen Zuständigkeitstheorie Wollschlägers und der in der Vergangenheit bei der Anwendung der GoA recht großzügigen Rechtsprechung lässt das eindringliche Bemühen um eine Eingrenzung des Rechtsinstituts erkennen. Um die GoA nicht zu einem umfassenden Regressinstrument ausufern zu lassen, wird daher (mit unterschiedlichen Begründungen) vorgeschlagen, die Anwendung der §§ 677 ff. BGB dem Grundsatz nach zu verneinen, wenn der „Geschäftsführer“ in Erfüllung eigener (vertraglicher, vermeintlich vertraglicher oder gesetzlicher) Pflichten oder zu Gunsten der Belange Dritter tätig wird.97 Technisch lässt sich dies dadurch bewerkstelligen, dass man schon das Vorliegen eines „fremden Geschäfts“ ablehnt, mithin die GoA nur bei Vorliegen eines „ausschließlich“ objektiv fremden Geschäfts greifen lässt,98 oder dass man in Fällen des „auch-fremden“ Geschäfts den Fremdgeschäftsführungswillen verneint oder wenigstens kritisch hinterfragt.99 96
Seiler JuS 1987, 368, 370. Schubert AcP 178 (1978), 435; ders. NJW 1978, 687 ff.; grds. zustimmend Einsele JuS 1998, 401, 403; Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 9; ders. JuS 2000, 603, 604; Falk JuS 2003, 833, 834; Lorenz NJW 1996, 883, 885; ähnlich Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 6620. Vgl. auch Schildt JuS 1995, 953, 957; Wendlandt NJW 2004, 985 ff. 98 So Schubert AcP 178 (1978), 436: „Die Gründe für diese Begrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 677 ff. BGB sind freilich nicht primär diesen Normen zu entnehmen, da insbesondere die inhaltliche Unbestimmtheit des Tatbestandes des § 677 BGB jede Festlegung seines Anwendungsbereichs unmöglich gemacht hat. Es sind vielmehr auch Wertungen mit einzubeziehen, die in anderen Normkomplexen, wie z.B. im Bereicherungsrecht, ihren Niederschlag gefunden haben. Dabei spielt es zweifellos eine Rolle, ob man in der GoA eine allgemeine Ausgleichsregelung sieht oder ob man davon ausgeht, dass mit Hilfe der GoA in erster Linie das freiwillige Handeln zugunsten eines Dritten rechtlich erfasst werden soll. Für das letztere spricht m.E. sehr viel.“; Medicus BR Rdn. 414; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 17. Weishaupt (NJW 2000, 1002, 1003) befürwortet bei Tätigwerden aufgrund vertraglicher Verpflichtung gegenüber einem Dritten eine teleologische Reduktion des Tatbestandes. 99 Einsele JuS 1998, 401, 403 (bei Tätigwerden aufgrund vertraglicher Verpflichtung fehle es am Fremdgeschäftsführungswillen); ähnlich Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 852, 853; Martinek/Theobald JuS 1997, 992, 997; Rödder (JuS 1983, 931) will lediglich die von der h.M. aufgestellte Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim auch-fremden Geschäft nicht gelten lassen. Das zwangsläufige Folgeproblem, wie der Anspruchsteller seinen Fremdgeschäftsführungswillen anderweitig nachweisen könnte, erörtert er nicht. Schwark (JuS 1984, 321, 324) hält es für „eine allzu radikale Lösung“ schon das Vorliegen 97
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Über diese restriktiven Vorschläge zum Ausschluss des „auch fremden-Geschäfts“ bzw. zur Eingrenzung seines Anwendungsbereichs ist jedoch nicht nur keine Einigkeit zu erzielen, es ist vielmehr schon unklar, wie das diesbezügliche Meinungsspektrum zu bewerten ist.100 Der in ihrem GoA-Verständnis nicht immer eindeutigen Rechtsprechung101 wird jedenfalls mittlerweile eine Nichtanwendbarkeit der GoA in den folgenden drei, allerdings lediglich grob umrissenen und teilweise erst jüngst entwickelten Fallgruppen entnommen:102 Wenn besondere zivilrechtliche Bestimmungen das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn bereits abweichend regeln,103wenn das Gesetz den Handelnden zum eines fremden Geschäfts zu verneinen und plädiert hinsichtlich der Untersuchung des Fremdgeschäftsführungswillens für eine Fallgruppenbildung. 100 Bisweilen wurde festgestellt, dass jedenfalls Schuberts Vorschlag zum kategorischen Ausschluss des „auch-fremden Geschäfts“ überwiegend nicht geteilt wird, vgl. noch Oppermann AcP 193 (1993), 505 und Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 807 („vereinzelt geblieben“). Ganz anders Emmerich (Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 8), der mittlerweile das überwiegende Schrifttum auf Seiten dieses Vorschlags sieht, nicht jedoch die Rechtsprechung. Grundsätzlich zustimmend aber zurückhaltender Ehmann (in Erman Vor § 677 Rdn. 10), der Schubert als Anhänger der Theorie der Menschenhilfe identifiziert, dabei allerdings nicht berücksichtigt, dass Schubert auf diesen Ansatz vor allem deswegen zurückgreift, um die vielfach für erforderlich gehaltene Eingrenzung der GoA nicht willkürlich ausfallen zu lassen: „ Der Vorschlag von Schubert, die Anwendung der GoA immer auszuschließen, wenn der Geschäftsführer auch eigene Pflichten erfüllt, geht zu weit, denn die GoA verlangt keine altruistische Gesinnung…Jedenfalls ist in der Tendenz der Bemühung um eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs der GoA zuzustimmen“. Die im Anschluss (§ 677 Rdn. 9 ff.) vorgenommene Aufteilung in „Fallgruppen mit überdehntem Anwendungsbereich“ muss sich freilich den von Schubert bereits vorausgeahnten Vorwurf gefallen lassen, ebenso willkürlich zu verfahren wie die Rechtsprechung. Gegen den Ausschluss des „auch-fremden Geschäfts“ dezidiert Beuthien JuS 1987, 841, 843. Die Kritik an der Rechtsprechung wird jedenfalls vielfach geteilt, vgl. Seiler JuS 1987, 368, 371: „Die in den letzten Jahrzehnten sich verstärkende Opposition im Schrifttum kritisiert mit Recht die nahezu unübersehbare Ausweitung des Tatbestandes der Geschäftsführung ohne Auftrag und die schwer berechenbaren Ergebnisse der Judikatur. Die Verbesserungsvorschläge, die die Kritik vorbringt, haben sich allerdings noch nicht allseits durchsetzen können.“ 101 Statt vieler Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 630: „Die freilich nicht ganz einheitliche Rechtsprechung“. 102 Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 11. 103 BGHZ 98, 235, 242 = NJW 1987, 187; BGH NJW 2000, 73 („Erbensucher“); s. auch Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 7; Sprau in Palandt § 677 Rdn. 7a. Diese Fallgruppe wäre geeignet, der großzügigen Handhabung der GoA entgegenzuwirken, wenn sie bereits als Grundregel beherzigt würde, insbesondere also der Vertragsdogmatik und dem Bereicherungsrecht abstrakt-generell vorrangige und abschließende Wertungen entnommen werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Gerichte auf diesen generellen Gedanken zurückgreifen werden. Als in diesem Sinne geeigneter „elementarer Gerechtigkeitsgrundsatz“ lässt sich etwa das in den „neueren Lehren des Bereicherungsrechts über den Ausgleich in Dreipersonenverhältnissen“ entwickelte Prinzip der Abwicklung vertraglicher Leistungsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern nennen, das durch die Anwendung der GoA tunlichst nicht unterlaufen werden sollte, vgl. Seiler JuS 1987, 368, 373. Zum Konflikt von GoA und Bereicherungsrecht bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen auch Schildt (JuS
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unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet, insbesondere, wenn er die Aufwendungen kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll,104 wenn öffentlichrechtliche Normen eine abschließende, der Heranziehung der GoA entgegenstehende Regelung des Sachverhaltes vorsehen.105 Besonders zu erwähnen sind dabei die neueren und neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung: Der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung wird generell eine Tendenz zu einer restriktiveren Handhabung der §§ 677 ff. BGB bescheinigt,106 was insbesondere für die Fälle des auch-fremden Geschäfts von Bedeutung ist.107 Der BGH sieht zwar „angesichts der Vielgestaltigkeit vorstellbarer Konstellationen“ keinen Anlass, von der Figur des auch-fremden Geschäfts grundsätzlich abzugehen.108 Er scheint aber doch geneigt zu sein, seine bisher recht großzügige Einstellung zur GoA fallweise zu überdenken: Das bekannte „Erbensucher“Urteil,109 mit dem der BGH eine teilweise Abkehr von seiner eigenen Judikatur vollzogen hat, ist womöglich erst der Beginn einer neuen GoA-Rechtsprechung, die den in der Vergangenheit gefundenen weiten Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts Schritt für Schritt eingrenzt und ihm festere Konturen verleiht.110 1995, 953, 957), der darauf hinweist, dass die §§ 814, 817 S.2, 818 III BGB vorrangige Wertungen treffen. Der BGH hält sich aber bislang noch die Anwendung der GoA beim bereits aufgrund Vertrages mit einem Dritten zum Handeln verpflichteten „Geschäftsführer“ offen, vgl. BGH NJW-RR 1989, 970; BGHZ 114, 248, 250 = NJW 1991, 2638, 2639; BGHZ 61, 259, 363 = NJW 1974, 96, 97. 104 BGHZ 40, 28, 32 = NJW1963, 1825. 105 BGHZ 30, 162, 169 ff. = NJW 1959, 1725; BGHZ 140, 109; BGH NJW 2000, 73; NJW-RR 2001, 1283; BSG 85, 110; s. Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 7; Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 630; Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 13. Vgl. zur GoA im Öffentlichen Recht insbesondere Bamberger JuS 1998, 706 ff. 106 Emmerich JuS 2000, 603, 604; Falk JuS 2003, 833, 837: „ In den letzten Jahren ist die Rechtsprechung jedoch in Bewegung geraten. Viele OLG-Senate verweigern dem höchsten deutschen Zivilgericht offen die Gefolgschaft … Eine Reihe von Entscheidungen vermittelt den Eindruck, dass Instanzrichter zu einer kritischen Haltung gegenüber der traditionellen GoA-Judikatur übergehen. Bis gegen Ende der 90-er Jahre war nur vereinzelter Widerstand gegen die BGH-Linie zu beobachten, der sich zudem auf spezielle Fallgestaltungen beschränkte. Seit einigen Jahren beginnen sich die abweichenden Entscheidungen zu häufen.“ 107 Ausdrücklich gegen die h.M. etwa OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368. 108 BGH NJW 1999, 858, 860. 109 BGH NJW 2000, 72 = JZ 2000, 521 m. Anmerkung Schulze. Dazu auch Falk (JuS 2003, 833, 837), der dem Urteil zunächst den Rang einer „kleinen dogmatischen Sensation“ beimisst aber dann vorsichtiger festhält: „Seit dem Erbensucher-Urteil ist auch die eigene Linie des BGH nicht mehr eindeutig“. Vgl. ferner Hau NJW 2001, 2863 ff. 110 Falk JuS 2003,833, 839: „Wenn die künftige Praxis mit diesem Grundsatz wirklich ernst macht, es also nicht bei verbalen Beteuerungen belässt, so ist es um die traditionelle Handhabung der GoA schlecht bestellt. Die Rechtsprechung steht also am Scheideweg.“ Wendlandt (NJW 2004, 985) sieht in der Entscheidung BGH NZBau 2004, 34 einen weiteren Schritt in die Richtung einer eingeschränkten GoA-Anwendung. Der BGH will in dieser Entscheidung dem aufgrund Vertrages mit einem Dritten (pflichtengebunden) tätig gewordenen „Geschäftsführer“ GoA-Aufwendungsersatzansprüche jedenfalls dann verwehren, wenn der Vertrag mit dem Dritten die Entgeltfrage „umfassend regelt“. Damit hält sich der BGH die Möglichkeit der GoA aber weiter offen, je nachdem, wie die Vertragsgestal-
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b) Subjektiv fremdes Geschäft Die zweite Kategorie der GoA soll traditionell das „subjektiv fremde Geschäft“ bilden, bei dem eine objektive Zuordnung eines Geschäfts zu einer bestimmten Person als Geschäftsherrn nicht möglich ist, weil das Handeln sich als „neutral“ darstellt (Bsp.: Kauf einer Sache).111 Das Geschäft soll dann überhaupt erst dadurch „fremd“ werden, dass es der Geschäftsführer subjektiv für eine bestimmte Person führen will. Schulfall hierfür ist der Erwerb in „mittelbarer Stellvertretung“:112 Wenn jemand eine wertvolle Briefmarke kauft, so kann dieses Geschäft nach objektiven Kriterien zunächst keiner anderen Person als dem Käufer zugeordnet werden. Es mag aber sein, dass der ohne Stellvertretungsmacht und auch nicht im fremden Namen handelnde Käufer subjektiv den Willen aufweist, die Marke nicht für sich, sondern für jemand anderen zu erwerben. Fraglich ist, ob allein diese Willensrichtung das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag zur Entstehung bringen kann, was insbesondere für den Dritten als Geschäftsherrn ein Recht auf Herausgabe der Marke nach § 681 BGB und für den Käufer einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gemäß § 683 BGB begründen würde. Überwiegend wird für das subjektiv fremde Geschäft verlangt, dass der Wille des „Geschäftsführers“, für einen Dritten zu handeln zwar nicht notwendigerweise gegenüber dem Vertragspartner aber doch irgendwie nach außen erkennbar sein müsse, denn eine Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens, wie sie beim objektiv fremden Geschäft aufgestellt wird, kommt mangels entsprechender objektiver (materiellrechtlicher) Zuordnungskriterien beim subjektiv fremden Geschäft nicht in Betracht.113 Die Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts ist kritisch zu hinterfragen: Die bei Fällen einer „mittelbaren Stellvertretung“ zu berücksichtigenden Interessen dürften durch das heutige Recht als ausreichend aufeinander abgestimmt angesehen werden. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 164 ff. BGB (insbesondere das tung im Einzelfall zu bewerten ist. Vorsichtiger daher Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 140: „Ob damit die Einleitung einer Abkehr von der großzügigen Heranziehung der Geschäftsführungsregeln im Ganzen verbunden ist, ist kaum vorhersagbar“. Die Erbensucher- Entscheidung wird hier noch später bei der Erörterung der aus ihr teilweise gefolgerten institutionellen Einschränkung der GoA im vorvertraglichen Stadium kritisch hinterfragt. 111 Berg JuS 1975, 681; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 14; Henssler JuS 1991, 926; Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 3. Oppermann AcP 193 (1993), 503, 504; Rödder JuS 1983, 930; Schwark JuS 1984, 321, 322; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 6; Sprau in Palandt § 677 Rdn. 4. 112 Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 845; Schwark JuS 1984, 321, 324; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 249. 113 BGHZ 40, 28, 31 = NJW 1963, 1825; 62, 186, 189 = NJW 1974, 987; 63, 167, 169 = NJW 1975, 207; 65, 354 = NJW 1976, 619; 82, 323 = NJW 1982, 875; 114, 248, 250 = NJW 1991, 2638; 138, 281, 286; BGH NJW 1992, 967, 970; 2000, 72, 73; OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263; Früh JuS 1995, 418, 421; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 14; Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 845; Medicus, Schuldrecht II, Rdn. 619; Rödder JuS 1983, 931; Schwark JuS 1984, 321, 324.
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Offenkundigkeitsprinzip) bzw. die von der Dogmatik entwickelten Regeln über das (nur für die dingliche Einigung geltende) „Geschäft für den, den es angeht“, bieten ein hinreichend ausdifferenziertes Instrumentarium zur Handhabung der sich insofern stellenden Vertretungsfragen, sowohl für das Innenverhältnis zwischen Hintermann und Käufer als auch für das Verhältnis zwischen Verkäufer und Hintermann.114 Die Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts muss angesichts der Verfügbarkeit des Stellvertretungsrechts daher schon auf den ersten Blick verwundern. Ihre nachweisbare Herkunft aus den römischen Quellen wird denn auch damit erklärt, dass im römischen Recht, anders als heute, die unmittelbare Stellvertretung „auf dem Boden des Prinzips der Höchstpersönlichkeit rechtsgeschäftlicher Akte noch nicht anerkannt war.“115 Der Gewaltunterworfene oder Gefolgsmann konnte also selbst bei entsprechender Beauftragung seinen abwesenden Herrn nicht mittels Stellvertretung zum Vertragspartner für dringend erforderliche Geschäfte machen sondern musste selbst und im eigenen Namen kontrahieren.116 Wenn aber beiden Vertragsschließenden von Anfang klar war, dass die Leistung letztlich an den abwesenden Hintermann weitergeleitet werden sollte, schien es gerechtfertigt, dem Leistenden auch einen Entgeltanspruch gegen den (solventen) Hintermann zu geben, was mittels der später zur Versionsklage weiterentwickelten actio de in rem verso (des Verkäufers gegen den Hintermann) erreicht wurde, die mithin ein reines Rückgriffsinstrument darstellte (hierauf wird später bei der Erörterung des ärztlichen Rückgriffs gegen vom Patienten verschiedene Dritte zurückzukommen sein).117 Der Sache nach handelt es sich somit um eine originär zur Bewältigung stellvertretungsrechtlicher Probleme entwickelte Rechtsfigur.118 Vielfach wird der Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts daher für das heutige Recht eine Berechtigung abgesprochen, die Gerichtspraxis lasse auch keine nennenswerte praktische Bedeutung erkennen.119 Für das Außenverhältnis zwischen Leistendem und Hin114 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144, 145; ihm folgend Bergmann in Staudinger Vor § 677 Rdn. 222. Helm (Geschäftsführung ohne Auftrag S. 350) meint denn auch im Hinblick auf das Vertretungsrecht: „Daneben gibt es in der Gerichtspraxis kaum Anwendungen des § 683“. 115 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73; ebenso Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144. 116 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144, 145. 117 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144, 145. 118 Die von Bertzel (AcP 158 (1959/1960)), 107 und F.Baur (JZ 1952, 328 ff.) in dieser Erkenntnis entwickelte Ansicht, wonach die GoA Vertretungsmacht des Geschäftsführers begründe, wird allgemein abgelehnt, vgl. ausführlich Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144 ff; auch Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 6 und Prütting/Gielen NZV 1989, 329, 331. 119 Schwark JuS 1984, 321, 324; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73 („Totes Recht“), 249, 252 mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien: Mit der Übernahme dieser Kategorie hätten sich die Gesetzesverfasser in „offenen Widerspruch mit allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln“ gesetzt: „Nun macht die Anomalie der Herausgabepflicht aus einem subjektiv fremden Geschäft dieses freilich nicht unzulässig, weil es dem Gesetz freisteht, eine Willensbindung ohne Erklärung und Zugang anzuordnen. Dieses Produkt der pandektistischen Quasikontraktstheorie hat sich indessen in der Rechtswirklichkeit nicht
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termann gilt dies erst recht, denn niemand ist gezwungen, mit einem vermeintlich Beauftragten zu kontrahieren, der behauptet, im fremden Namen und für fremde Rechnung zu handeln, aber keine entsprechende Vollmacht nachweisen kann. Wer dann aufgrund eines nicht in Stellvertretung für einen Dritten abgeschlossenes Geschäft ein Leistung erbringt, kann sich für sein Entgelt auch nur an seinen Vertragspartner halten und kann grundsätzlich nicht mittels einer der Versionsklage gleichkommenden Geschäftsführungsklage gegen Dritte vorgehen, die aus der Leistungserbringung Vorteile ziehen, etwa infolge einer entsprechen Weiterleitung.120 Anders kann dies jedoch zu entscheiden sein, wenn der Vertragsschließende in seiner Kontrahierungsfreiheit eingeschränkt ist. Auch darauf wird später bei der Darstellung des ärztlichen Rückgriffs gegen vom Patienten verschiedene Dritte zurückzukommen sein.
4. Subjektive Lehre a) Überblick Den Vertretern des subjektiven Ansatzes ist zunächst gemeinsam, dass sie die in der Gesetzesformulierung des § 677 BGB („für einen anderen“) ihrer Ansicht nach zum Ausdruck kommende fremdnützige „Geschäftsführungsabsicht“ des Handelnden unter Berufung auf einen angeblich dementsprechenden rechtsgeschichtlichen Hintergrund zum zentralen Merkmal des Grundtatbestands der GoA erheben.121 Wenn insofern noch Einigkeit unter den Vertretern der subjektiven Lehre herrscht, ist dann allerdings umstritten, ob diese Geschäftsführungsabsicht als empirisches Tatbestandsmerkmal, das heißt als natürliche, real vorhandene und nachzuweisende Willensrichtung des Geschäftsführers anzusehen ist, die jedoch vermittels der in § 683 BGB geregelten Utilität (Interesse- und Willensgemäßheit der Geschäftsführung) durch ein objektives Kriterium abgesichert wird (streng entfaltet. Zwar ist auftragloser Erwerb in verdeckter Stellvertretung ohne weiteres vorstellbar. Nach dem negativen Befund in der veröffentlichten Judikatur zu schließen, geschieht das offenbar nur in solchen engen sozialen Beziehungen, dass der Geschäftsführer den Entschluss, für einen anderen zu erwerben, stets freiwillig ausführt, so dass daraus kein Streit erwächst. In der Praxis des Herausgabeanspruchs ist für diese theoretische Überspitzung kein Bedarf.“ Lent (Der Begriff der auftraglosen Geschäftsführung, S. 34 ff., 56 ff.) wollte derartige Sachverhalte gar nicht als GoA anerkennen. Zum Verhältnis von GoA und Vertretungsrecht allgemein auch Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 6 sowie Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 5. Wie etwa die Entscheidung BGH NZBau 2004, 34 ff. zeigt, stellt sich die dogmatisch interessante Frage der Abstimmung von Vertretungsrecht und GoA-Recht nur in denjenigen Sachverhalten, in denen objektive Zuordnungskriterien gerade vorhanden sind (objektiv fremdes Geschäft). 120 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 144, 145. 121 Gleichbedeutend ist die Bezeichnung als Geschäftsführungswille. Zu den Vertretern dieser Ansicht gehören Gursky AcP 185 (1985), 13 ff.; Reichard AcP 193 (1993), 567 ff.; Schmidt JuS 2004, 862 ff.; Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 3; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff.; ausführliche historische Herleitung bei Wittmann, (Begriff und Funktionen der GoA, S. 109), der darauf hinweist, dass man diesen Ansatz nicht mit der (engeren) Theorie der Menschenhilfe verwechseln dürfe.
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subjektiver Ansatz)122 oder ob es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, dessen fremdnützige Richtung sich nach dem „sozialen Sinn“ der Tätigkeit des Geschäftsführers richtet, der sich letztlich auch nur aus der objektiven Bewertung des Geschehens ergeben kann (subjektiv-normativer Ansatz).123 Im Folgenden wird vor der getrennten Darstellung der streng-subjektiven und der normativ-subjektiven Ansicht die den beiden Ansätzen gemeinsame rechtsgeschichtliche Argumentation erläutert. Diese ist nicht von bloß historischem Wert sondern für das Verständnis der aktuellen gesetzlichen Regelung der GoA hilfreich. b) Rechtsgeschichtliche Argumentation der subjektiven Lehre Dass die h.M. § 677 BGB („Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt…“) so liest, als stünde dort „Wer ein fremdes Geschäft/das Geschäft eines anderen für den Geschäftsherrn besorgt…“124 stellt aus Sicht der subjektiven Lehre eine unzulässige Übertragung der Terminologie des § 687 BGB und eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 677 BGB dar.125 Richtigerweise ergebe sich aus der tatsächlichen Gesetzesformulierung „für einen anderen“ und im Gegenschluss aus § 687 I BGB, dass für das Vorliegen einer GoA nur der Geschäftsführungswille maßgeblich sei.126 Die h.M. lege zudem ein falsches Verständnis des § 687 BGB an den Tag: Die in dieser Norm anklingende (rein) objektive Lehre (vom objektiv „fremden Geschäft“), die auf die Glossatoren zurückgeht und bis ins jüngere gemeine Recht vorgeherrscht hat, sei angesichts der bereits jahrhundertealten Schwierigkeiten bei der Handhabung des „fremden Geschäfts“ von den Verfassern des BGB unter dem Einfluss Windscheids bewusst verworfen worden: § 687 BGB stelle insofern gerade eine Ausklammerung vom GoA-Recht dar, mit der in § 677 BGB zum Ausdruck kommenden Bedeutung der Geschäftsführungsabsicht als tragendem Tatbestandsmerkmal der GoA sei vielmehr die Rückkehr zur subjektiven Auffassung des frühen römischen Rechts im Gesetz verankert worden.127 Die Vertreter der subjektiven Lehre zeichnen sich durch eine profunde und äußerst komplexe rechtsgeschichtliche Herleitung ihres Ansatzes aus, die hier nicht 122
So Gursky AcP 185 (1985), 13 ff. und Reichard AcP 193 (1993), 567, 568 ff., dazu gleich. 123 Vertreten von Wittmann (Begriff und Funktionen der GoA) und Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 117). 124 Statt vieler Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 53. 125 Reichard (AcP 193 (1993), 567, 568), der der h.M., wie bereits erwähnt, unterstellt, diese „berichtigende“ Auslegung“ „unbewusst“ vorzunehmen; vgl. ferner Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 34, 35. 126 Gursky AcP 185 (1985), 13, 14, 17. 127 Reichard AcP 193 (1993), 567, 568; ausführliche Darstellung bei Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 60, 62, insbesondere: Die in § 233 des Teilentwurfes vorgesehene Formulierung „Besorgung des Geschäfts eines anderen“ sei auf Antrag Windscheids durch die Geschäftsbesorgung „für einen anderen“ ersetzt worden. Dazu Mugdan II., S. 478. Vgl. ferner Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 24, 30. Zu den Schwierigkeiten bei der Bestimmung des objektiv fremden Geschäfts (und damit der früheren Formulierung) schon v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 6 ff.
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in allen Einzelheiten wiedergegeben werden kann.128. In der gebotenen Kürze soll aber die ihnen allen mehr oder weniger gemeinsame rechtsgeschichtliche Bewertung des von der h.M. argumentativ herangezogenen § 687 BGB erläutert werden, bevor auf die sich aus der subjektiven Lehre ergebenden Konsequenzen für die praktische Rechtsanwendung näher eingegangen wird.129 Wie bereits gesehen, leitet die h.M. ihr zentrales Merkmal, das „fremde Geschäft“, aus dem Wortlaut der so genannten „unechten“ GoA des § 687 BGB ab.130 Dieser Norm und ihrer Terminologie wird von den Vertretern der subjektiven Lehre ein irreführender Einfluss auf die Dogmatik der „echten“ GoA bescheinigt:131 Im ersten Entwurf waren die heute in § 687 BGB geregelten Fälle aus dem Geschäftsführungsrecht noch vollständig ausgeklammert: Die irrtümliche Eigengeschäftsführung (heute § 687 I BGB) war (nur) dem Bereicherungsrecht zugewiesen, die böswillige, unerlaubte oder angemaßte Eigengeschäftsführung132 (heu128
Die Diskussion der einschlägigen Digestenstellen und die Darstellung der Rezeption im gemeinen Recht bis hin zur Entstehungsgeschichte des BGB sollen durch die vorliegende Arbeit auch nicht in Form eines kurzen Überblicks nachgezeichnet werden, da die GoADogmatik auch in der Vergangenheit nie eine in sich schlüssige Systematik aufgewiesen hat. Die rechtsgeschichtlich weit zurückgreifenden Arbeiten zeichnen daher eher den Wechsel des jeweiligen Meinungsspektrums nach und können keinen elementaren Beitrag zur Lösung der heutigen GoA-Probleme leisten. Ihre Erörterung ist für die hier angestrebte Behandlung der Ärzte-GoA somit nicht unabdingbar. Es sei daher verwiesen auf die noch relativ jungen Untersuchungen von Reichard und Wittmann. Letzterer (Begriff und Funktionen der GoA, S. 40) weist darauf hin: „Es geht den klassischen Juristen bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (wie auch sonst) nicht darum, ein von vornherein festliegendes Schema der actio directa oder der actio contraria mechanisch an eine Vielzahl von Einzelfällen anzulegen, vielmehr um die Entwicklung der Voraussetzungen beider Klagen an den Besonderheiten des Einzelfalls.“ Eine einheitliche Systematik der GoA wird man also auch bei der rechtsgeschichtlichen Untersuchung früherer Ansichten nicht finden. Die historische Betrachtung ist jedoch von Nutzen für das Verständnis der bis heute zur Beschreibung des Tatbestandes verwendeten Begrifflichkeiten. 129 Die Unabdingbarkeit einer historischen Untersuchung beschreibt Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 64: „Soweit die Verallgemeinerung, auf der einzelne Rechtssätze beruhen, ein historischer Vorgang ist, schließen sich historische und systematische Auslegung daher nicht nur nicht aus, die Rekonstruktion der Entscheidungssituation des Gesetzgebers bildet vielmehr eine notwendige Bedingung für die Erfassung des systematischen Zusammenhangs“. 130 Treffend Helm, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 360: „§ 687 Abs. 1 hat in der Gerichtspraxis keine Bedeutung. Die Vorschrift spielt jedoch in der Rechtsdogmatik eine Rolle, weil aus ihr Argumente für die Erforderlichkeit von Fremdgeschäftsführungsbewusstsein und –willen abgeleitet werden können.“ 131 Reichard AcP 193 (1993), 567, 576 ff. Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass die Vertreter der subjektiven Lehre sich zwar vehement gegen die Extraktion des „fremden Geschäfts“ aus § 687 BGB wenden, gleichzeitig in der Norm aber insofern die Bestätigung ihres Verständnisses der „echten GoA“ des § 677 BGB sehen, als hier ersichtlich die zentrale Bedeutung des Fremdgeschäftsführungswillens zum Ausdruck komme. Insofern befinden sie sich im Einklang mit der h.M. (s.o.). 132 Seiler in MüKo § 687 Rdn. 3: „eine einheitliche Bezeichnung hat sich bisher nicht durchgesetzt.“
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te § 687 II BGB) daneben noch dem Deliktsrecht.133 Mit dieser ursprünglich vorgesehenen expliziten Einordnung lassen sich die von der Vorschrift geregelten Tatbestände auch heute noch treffend charakterisieren (die verschuldensunabhängige Eingriffskondiktion des § 812 I S.1 2. Fall BGB greift regelmäßig sowohl bei irrtümlicher Eigengeschäftsführung als auch bei angemaßter Eigengeschäftsführung, bei letzterer wird zusätzlich § 823 BGB verwirklicht).134 Ob § 687 II BGB seiner Natur nach als an sich bereicherungsrechtliches oder als deliktisches Rechtsinstitut anzusehen ist oder aber als eigenständige Kategorie neben dem Bereicherungs- und Deliktsrecht steht, ist äußerst streitig.135 Die Frage muss hier aber nicht weiter interessieren, denn um „Geschäftsführung“ soll es sich jedenfalls überhaupt nicht handeln, es gehe bei § 687 BGB insgesamt also auch nicht etwa um „unechte Geschäftsführung“ (als etwas der Geschäftsführung ähnliches) sondern um „Nichtgeschäftsführung“.136 Die bis heute dennoch beibehaltene Regelung als Annex zur GoA soll folgenden geschichtlichen Hintergrund haben: Dass die späteren römischen Juristen entgegen der früheren, noch rigoros subjektiven Auffassung, das objektive Kriterium des „fremden Geschäft“ (negotium alienum) entwickelten,137 um die Herausgabe133
Reichard AcP 193 (1993), 567, 597, 598; Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 60. Die im ersten Entwurf vorgesehene Norm E I § 761 lautete: „Die Vorschriften der §§ 749 bis 758 finden keine Anwendung 1. wenn Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt hat, dass dasselbe sein eigenes sei; 2. wenn Jemand ein fremdes Geschäft in rechtswidriger Absicht als eigenes behandelt hat. Im ersten Falle sind Geschäftsführer und Geschäftsherr zur Herausgabe der dem Einen oder anderen aus der Geschäftsbesorgung zugegangenen Bereicherung nach Maßgabe des § 748 Abs. 3 verpflichtet, unbeschadet der Haftung des Geschäftsführers aus unerlaubter Handlung. Im zweiten Falle haftet der Geschäftsführer nach den für die Haftung aus unerlaubten Handlungen geltenden Vorschriften“. Hierzu auch Wenckstern AcP 200 (2000), 240 ff. 134 Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 20; Henssler JuS 1991, 924, 925; Seiler JuS 1987, 368, 369. 135 Wenckstern AcP 200 (2000), 240, 251 m.w.N. 136 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 63: Der in § 687 BGB zum Ausdruck kommende objektive Geschäftsführungsbegriff sollte gerade aus dem Geschäftsführungsrecht ausgeklammert werden, worüber sich die Lehre vom objektiv fremden Geschäft hinwegsetze, wenn sie gerade diese Norm nun für die Interpretation des Grundtatbestandes der GoA heranzieht. 137 Die betreffende Digestenstelle des Africanus (3,5,48) lautet: „Si rem, quam servus venditus subripuisset a me venditore, emptor vendiderit eaque in rerum natura esse desierit, de pretio negotiorum gestorum actio mihi danda sit, ut dari deberet, si negotium, quod tuum esse existimares, cum esset meum, gesisses: sicut ex contrario in me tibi daretur, si, cum hereditatem quae ad me pertinet tuam putares, res tuas proprias legatas solvisses, quandoque de ea solutione liberarer.“ Übersetzung nach Muschler JuS 1988, 627: „Hat eine Sache, die ein verkaufter Sklave mir, dem Verkäufer entwendet hatte, der Käufer verkauft, und existiert diese Sache nicht mehr, so sei mir wegen des Preises die Geschäftsführungsklage zu geben, wie sie mir gegeben werden müßte, wenn du ein Geschäft, das du für das deinige hieltest, während es meines war, geführt hättest. Ebenso wie sie umgekehrt dir gegen mich gegeben würde, wenn du, eine mir zustehende Erbschaft für die deinige haltend, deine eigenen vermachten Sachen geleistet hättest, weil ich von dieser Leistung befreit würde.“ Angesprochen wird hier zum einen der gutgläubige Verkauf einer fremden Sache. Die Haf-
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pflicht des Handelnden in den Fällen der irrtümlichen Eigengeschäftsführung (heute §§ 687 I, 812 I S.1 2.Fall BGB bzw. § 816 I S.1 BGB (Eingriffskondiktion)) und der angemaßten Fremdgeschäftsführung (heute § 687 II S.1, 681 BGB bzw. § 823 BGB) mittels der zur „negotiorum gestio“, d.h. der GoA entwickelten Grundsätze (actio directa (heute § 681 BGB)) lösen zu können, soll seinen Grund in Mängeln des damaligen Bereicherungsrechts gehabt haben, in dem die heutige Eingriffskondiktion, falls überhaupt schon bekannt, noch nicht allseits akzeptiert gewesen sei.138 Um zu dem gewünschten Ergebnis in einigen eng begrenzten Fallgruppen zu gelangen, habe man daher die Anwendung der GoA-Regeln befürwortet, damit derjenige, dessen ersichtlich ohne fremdnützige Absicht vorgenommene Handlung fremde Interessen berührte, ebenso zur Herausgabe des dadurch Erlangten verpflichtet werden konnte, wie der fremdnützig tätige Geschäftsführer aus dem Recht der echten GoA (actio directa (heute § 681 BGB)).139 Aus dieser römischrechtlichen Behandlung eines Sonderfalles soll man jedoch nach Ansicht der subjektiven Lehre nicht auf eine Verobjektivierung des Geschäftsführungsbegriffs überhaupt schließen dürfen.140 Die innere Berechtigung dieser Anwendung der GoA-Regeln auf die Eingriffstatbestände sei jedenfalls später in dem Augenblick entfallen, in dem die bereicherungsrechtliche Eingriffskondiktion entwickelt bzw. allseits akzeptiert wurde. Angesichts des zum Zeitpunkt der BGB-Abfassung erreichten Standes der bereicherungsrechtlichen und deliktsrechtlichen Dogmatik sei tung des ohne Fremdgeschäftsführungswillen handelnden Verkäufers als Geschäftsführer auf Herausgabe des Erlöses sollte sich, so wird vielfach gefolgert, allein daraus ergeben, dass der Verkauf als Geschäft nur dem Eigentümer zusteht (die von Africanus getroffene Aussage ist freilich schon verwirrend, denn er scheint in dem Verkauf ja gerade nicht ein Geschäft des Eigentümers zu sehen, vgl. Muschler JuS 1988, 628. Von Belang war dies, wenn die Sache beim Käufer untergeht, d.h. nicht mehr vindizierbar ist). Diese Digestenstelle spiegelt sich heute in §§ 687 I, 816 I BGB wieder, vgl. dazu Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 43 ff.), der den Anhängern der subjektive Lehre vorwirft: „Diese Digestenstelle ist…als exzeptionelle Besonderheit aus dem Bereich der von einer stimmigen Theorie zu verarbeitenden Fälle verdrängt worden.“ Siehe auch Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 57, 58. 138 Muschler JuS 1988, 629 ff. 139 Reichard AcP 193 (1993), 567, 582, 585 ff. (zur Entwicklung im gemeinen Recht), 598; Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 39, 46. 140 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 39, 46, 48 entgegen der Einschätzung, wonach die Quellen „subjektiv-objektiv“ entschieden hätten: Eine solche Objektivierung finde sich vielmehr nur in den Fällen der Führung erbschaftlicher Geschäfte durch den Scheinerben (Wittmann sieht sogar insofern noch den subjektiven Ansatz verwirklicht, indem er meint, die Klassiker hätten gleichsam die als Sondervermögen anzusehende Erbschaft als Geschäftsherrn angesehen) und bei der schon angesprochenen Verfügung eines gutgläubigen/böswilligen Nichtberechtigten über eine (später beim Käufer durch Zufall untergegangene und daher nicht mehr vindizierbare) gestohlene Sache, die aber eben als Sonderfälle anzusehen seien. Genau entgegengesetzt als Vertreter der objektiven Theorie Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 17), der die Argumentation Wittmanns gewissermaßen einer vorweggenommenen Würdigung unterzieht „Dann müsste man freilich schon die Fortbildung der Rechtssätze in der klassischen römischen Jurisprudenznamentlich ihre Ausdehnung auf die irrtümliche Führung eines fremden Geschäfts als eigenem und die Geschäftsanmaßung… als Verwilderung abtun. Dieser Weg ist nicht gangbar“.
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die Beibehaltung der in der Vergangenheit üblichen Behandlung der von der GoA grundverschiedenen Eingriffstatbestände als Annex zum GoA-Recht daher an sich obsolet gewesen, wie die erste Kommission auch richtig erkannt habe.141 Dass entgegen ihren Überlegungen die „unechte“ GoA dann doch weiterhin als Anhängsel der GoA geregelt wurde und § 687 II BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen sogar auf das Geschäftsführungsrecht verweist, begründete man mit dem beabsichtigten Schutz des von der Geschäftsanmaßung Betroffenen, der nicht schlechter gestellt sein sollte, als er es bei echter Geschäftsführung ohne Auftrag wäre.142 Die angestrebte Besserstellung wird vor allem darin gesehen, dass dem von der Geschäftsanmaßung Betroffenen aufgrund der Verweisung auf das Geschäftsführungsrecht unstreitig der vom Geschäftsanmaßer erzielte Gewinn zusteht.143 Was die Konsequenzen für das Recht der echten GoA betrifft, wird dieses gesetzgeberische Vorgehen sowohl unter inhaltlichen als auch unter formalen Gesichtspunkten kritisiert: Durch die in § 687 II BGB enthaltene Verweisung würden die vertragsähnlichen Pflichten der echten GoA auf einen Deliktsschuldner (den Geschäftsanmaßer) übertragen, womit letztlich zwei unvergleichbare, prinzipiell verschiedene Ansprüche auf eine Ebene gestellt würden.144 Für die eigentliche GoA-Dogmatik braucht uns diese an der gesetzgeberischen Behandlung der Geschäftsanmaßung geäußerte inhaltliche Kritik allerdings nicht weiter zu interessieren. Wichtig ist hierbei aber die von den Vertretern der subjektiven Lehre aufgestellte Behauptung, dass es sich bei der in § 687 II BGB geregelten Geschäftsanmaßung trotz des Verweises auf deren Rechtsfolgen um etwas von der echten GoA des § 677 BGB Grundverschiedenes handle, insbesondere betreffe die Geschäftsanmaßung allein den Schutz des Geschäftsherrn vor Eingriffen in seine Rechtssphäre.145 Die Anbindung an das GoA-Recht wird denn konsequenterweise auch in formeller Hinsicht als verfehlt angesehen: Sie sei vor dem bereits erwähnten rechtsgeschichtlichen Hintergrund ein Relikt aus der überholten Zeit des actionenrechtlichen Denkens (dem von der Geschäftsanmaßung Betroffenen wird durch die Verweisung des § 687 II BGB in gleicher Weise die actio directa des 141
Reichard AcP 193 (1993), 567, 598. Henssler JuS 1991, 925; Seiler JuS 1987, 369; Wenckstern AcP 200 (2000), 241, 242; Wolf AcP 166 (1966), 219. 143 Ob der „Geschäftsherr“ auch ohne diese Verweisung den über den Verkehrswert hinaus erzielten Gewinn vom Geschäftsanmaßer schon nach den §§ 812 ff. BGB verlangen könnte, ist eine sehr umstrittene, die Grundfesten des Bereicherungsrechts berührende Frage, die uns hier nicht weiter beschäftigen darf, obwohl sie mit Fragen der GoA-Dogmatik eng verbunden ist. Vgl. näher hierzu Wenckstern AcP 200 (2000), 253 ff.; allgemein dazu Ehmann in Erman § 687 Rdn. 3 m.w.N. 144 Reichard AcP 193 (1993), 567, 585; Wenckstern AcP 200 (2000), 240, 243, wonach die Geschäftsanmaßung im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag ein „Fremdkörper“ sei. 145 Reichard AcP 193 (1993), 567, 585. Wie bereits gesehen, ist der Schutz vor unerwünschter Einmischung (der an sich deliktsrechtlicher Natur ist) ein Gedanke, welcher der echten GoA der §§ 677 ff. BGB zunehmend beigemessen wird. Die von Reichard u.a. behauptete Grundverschiedenheit von echter GoA und Geschäftsanmaßung ist also nicht ganz zweifelsfrei. Hier zeigt sich wieder, dass die GoA schwerlich völlig isoliert vom Bereicherungs- und Deliktsrecht verstanden werden kann. 142
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§ 681 BGB gewährt wie dem „echten“ Geschäftsherrn), sie widerspreche der übrigen Systematik des BGB, die nach Regelungskomplexen und Anspruchsgrundlagen geordnet ist.146 Keinesfalls gehe es aber an, aus der solcherart systemwidrig an das GoA-Recht angekoppelten Norm des § 687 II BGB nun Schlussfolgerungen für den Tatbestand der „echten“ GoA zu ziehen, wozu sich aber große Teile von Rechtsprechung und Literatur durch die räumliche Nähe der Vorschriften (verständlicherweise) hätten verleiten lassen: Wenn die herrschende Dogmatik das in § 687 II BGB normierte objektiv fremde Geschäft „berichtigend“ auch in § 677 BGB hineinliest (s.o.), mache sie das ursprünglich und auch im geltenden Recht noch „unselbständige Derivat“ der Geschäftsanmaßung zu einem „gleichberechtigten Gegenstück“ der echten GoA und leite damit das Prinzip des Grundtatbestandes aus der Regelung eines Sonderfalls ab.147 Durch die Verwendung des am Bereicherungsrecht und am Deliktsrecht orientierten Tatbestandsmerkmals des „fremden Geschäfts“ stelle die h.M. einen weitgehenden Gleichlauf von GoA und Bereicherungsrecht her, welcher der Eigenständigkeit des Rechtsinstituts nicht gerecht werde.148 c) Gurskys streng subjektives Tatbestandsverständnis: Die Geschäftsführungsabsicht als empirisches, einer real vorhandenen Willensrichtung entsprechendes Tatbestandsmerkmal Nach der soeben geschilderten „Eliminierung“ des „objektiv fremden Geschäfts“ aus der GoA-Dogmatik stand der subjektiven Lehre der Weg offen für eine vorrangig auf den Geschäftsführungswillen des Handelnden abstellende Betrachtungsweise, die in der Literatur in verschiedenen Varianten vertreten wird. Die Möglichkeit einer streng subjektiv verstandenen Konzeption des Grundtatbestands der GoA erörtert Gursky,149 dessen Erklärungsmodell hier etwas ausführlicher dargestellt werden soll, da es exemplarisch die Schwierigkeiten veranschaulicht, denen sich der Versuch einer konsequent subjektiven Deutung der GoA unweigerlich ausgesetzt sieht.150 Dabei wird sich zeigen, dass selbst dieser vorgeblich
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Wenckstern AcP 200 (2000), 240, 243. Reichard AcP 193 (1993), 567, 585: Das Bedürfnis nach Harmonisierung beider Tatbestände wurzele in dem bis weit ins 19. Jahrhundert hinein allgemein vertretenen, auf die Glossatoren zurückgehenden objektiven Gestionsverständnis. Dass die Verfasser des BGB sich von diesem objektiven Ansatz bewusst abgewendet haben sollen, wurde bereits oben angemerkt. 148 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 118. 149 Gursky AcP 185 (1985), 13 ff.; ihm folgend Reichard AcP 193 (1993), 567 ff. In Bezug auf die rechtsgeschichtliche Argumentation stimmen sie mit Wittman und Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 28 ff.) überein, die ihren subjektiven Ansatz aber der Sache nach verobjektivieren, siehe dazu unten II A 4 d). 150 Gursky und Reichard nehmen im Schrifttum eine Extremposition ein und bedürfen schon von daher einer gesonderten Darstellung. Die von ihnen behandelten Einwände der h.M. betreffen aber großteils die subjektive Lehre im Allgemeinen, deren Argumente daher an dieser Stelle mitberücksichtigt werden. Die Schwierigkeiten, welche die streng subjektive Lehre in der praktischen Rechtsanwendung mit sich bringt, werden hier später anhand 147
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streng subjektive Ansatz im Endeffekt auf eine objektivierende Betrachtungsweise hinausläuft. Zunächst konstatiert Gursky in der die subjektive Lehre kennzeichnenden Weise die angebliche Hypertrophie der GoA, der entgegenzuwirken sei.151 Maßgeblich für den Grundtatbestand des § 677 BGB ist auch seiner Ansicht nach die Willensrichtung des Handelnden, das heißt der Geschäftsführungswille bzw. die Geschäftsführungsabsicht. Die „viel geschmähte Quasikontraktstheorie“ der gemeinrechtlichen Literatur sei im Recht gewesen, wenn sie in dem darin zum Ausdruck kommenden „präsumtiven Konsensus, dem „materiellen nicht-vertraglichen Zusammentritt der beiderseitigen voluntas“ den tieferen Grund der Rechtsfolgen der negotiorum gestio gesehen habe152 Das „durch die hypothetische Willensübereinstimmung gewährleistete beiderseitige (zumindest mutmaßliche) Einverständnis auch mit der jeweils nachteiligen Seite der Risiko- und Gewinnchancenübertragung auf den Geschäftsherrn“ sei „die entscheidende rechtspolitische und rechtsethische Legitimation für deren positivrechtliche Anordnung.“153 Das von der h.M.. in § 677 BGB hineingelesene Merkmal des „fremden Geschäfts“ will Gursky als Vertreter der subjektiven Lehre natürlich nicht anerkennen.154 Er teilt die Kritik Helms,155 dass die von Rechtsprechung und Lehre zum objektiv fremden Geschäft vorgenommenen Zuweisungen erkennbarer Abgrenzungskriterien entbehrten und damit willkürlich seien, die von der h.M. praktizierte objektive Umdeutung des Tatbestandes stelle einen „Irrweg“ dar, der mit gefährlicher Rechtsunsicherheit und kaum einzuschätzenden Prozessaussichten verbunden sei.156 Die von der h.M. gegen ein subjektives GoA-Verständnis vorgetragenen Argumente glaubt er entkräften zu können:
der Entscheidung OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. (zum ärztlichen Unterhaltsrückgriff) veranschaulicht. 151 Gursky AcP 185 (1985), 13, 14. 152 Gursky AcP 185 (1985), 13, 14, 27; ebenso Reichard AcP 193 (1993), 567, 583, 584: Nur dies rechtfertige die Ausstattung der GoA mit vertraglichen Rechtsfolgen (Aufwendungsersatz einerseits, Herausgabe des Erlangten nach Vertragsgrundsätzen andererseits). 153 Gursky (AcP 185 (1985), 13, 14, 27) schließt sich damit mehr oder weniger der rechtsgeschichtlichen Untersuchung Wittmanns an, verzichtet selbst jedoch auf eine genauere Herleitung seines Standpunktes aus den Quellen und argumentiert hauptsächlich mit der Systematik des positiv gegebenen Rechts der §§ 677 ff. BGB. Dass die Geschäftsführungsabsicht das zentrale Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Regelung ist, liegt für ihn auf der Hand, vgl. die lapidare Feststellung auf S. 14: „Die Formulierung „für einen anderen“ kann sich bei unbefangener Lektüre nur auf die Willensrichtung des Handelnden beziehen.“ 154 Daher sei insbesondere die Bezeichnung „Geschäftsführungswille“(„animus pro alio gerendi“) dem „Fremdgeschäftsführungswillen“ („animus aliena negotia gerendi“) vorzuziehen, Gursky AcP 185 (1985), 13, 14, 15. 155 Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 369. 156 Gursky AcP 185 (1985), 13, 16, 26.
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(1) Systematische Argumentation mit § 687 I, II Dass vor dem rechtsgeschichtlichen Hintergrund des § 687 BGB eine Heranziehung der Norm zur Interpretation der „echten“ GoA als fragwürdig anzusehen ist, wurde bereits erörtert. Unabhängig davon soll dieser Weg aber auch in systematischer Hinsicht nicht stimmig sein: Gursky weist auf die Widersprüchlichkeit der h.M. hin, die dem von ihr im vermeintlichen Umkehrschluss aus § 687 BGB in den Grundtatbestand des § 677 BGB hineingelesenen „fremden Geschäft“ dort sogleich eine extensivere Bedeutung beimessen muss als in der angeblichen Ursprungsnorm:157 § 677 BGB soll nach h.M., wie bereits gesehen, neben dem „objektiv fremden Geschäft“ auch die Kategorie des von der irrtümlichen Eigengeschäftsführung und der angemaßten Fremdgeschäftsführung (§ 687 I, II BGB) unstreitig nicht erfassten „subjektiv fremden Geschäfts“ zum Gegenstand haben (s.o.).158 Aber selbst wenn man die Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts wegen der vielfach angenommenen praktischen Bedeutungslosigkeit beiseite ließe, wäre der Kreis der von der GoA erfassten Handlungen immer noch weiter, als der des aus § 687 BGB entlehnten „fremden Geschäft“, welches, wie bereits erwähnt, nur den „Eingriff“ in fremden Rechts- und Interessenkreis erfasst.159 Denn mit diesem Begriff könne man nicht die unstreitig der GoA unterfallenden Rettungshandlungen erfassen, die sich schwerlich als Eingriff in einen fremden Rechtskreis charakterisieren lassen (z.B. Rettung eines Ertrinkenden).160 157
Gursky AcP 185 (1985), 13, 17, 18; so bereits Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 36: „Die mit der Umformulierung des § 677 erzielte systematische Einheit löst sich also in dem gleichen Augenblick auf, in dem sie postuliert wird“. Zustimmend Schmidt JuS 2004, 862, 864. Gursky gibt zwar die Angreifbarkeit der Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts und ihre geringe praktische Bedeutung zu, verteidigt sie aber unter Hinweis auf den vermeintlich klaren Willen des BGB-Gesetzgebers. Zum subjektiv fremden Geschäft siehe insbesondere Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 37 („leere Kategorie“) sowie Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73 („totes Recht“). 158 Berg JuS 1975, 682; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1263; Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 881; Rödder JuS 1983, 930, 933. 159 Dies folgt aus dem bereicherungsrechtlichen und deliktsrechtlichen Charakter der von der Norm beschriebenen Fälle, siehe oben. Symptomatisch und statt vieler etwa Martinek/Theobald JuS 1997,612, 613: „…dass der Geschäftsführer ein für ihn fremdes Geschäft führt und somit in den Zuständigkeitsbereich eines Dritten, des Geschäftsherrn, eingreift, so dass sich jede Geschäftsführung ohne Auftrag als eine Einmischung oder neutraler: als eine Einwirkung in fremde Angelegenheiten darstellt.“ 160 Gursky AcP 185 (1985), 13, 18, 19 (im Anschluss an Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 66, 166):„denn daß der Retter in die Angelegenheit des Ertrinkenden eingreift, indem er nicht zulässt, dass er sich selbst rettet, wird niemand behaupten“. Mit der von Wittmann normativ verstandenen Geschäftsführungsabsicht lassen sich gerade diese Rettungsfälle hingegen adäquat unter das GoA-Recht subsumieren, siehe dazu noch unten, A II. d. 4.aa. Dass die subjektive Lehre sich mit derartigen Unterscheidungen beschäftigt, hat ihr den nicht unberechtigten Vorwurf der Begriffsjurisprudenz eingebracht, wie Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 11) zugeben muss. Denn der Sache nach verlangt auch die h.M. nicht, dass sich die zu beurteilende Tätigkeit im Wortsinn als (fremdes) „Geschäft“ eines anderen oder gar als Rechtseingriff verstehen lassen muss, sondern stellt auf
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(2) Nichtanwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB bei Putativ-GoA Dass das „objektiv fremde Geschäft“ der h.M. erforderlich sei, um diejenigen Fälle vom Anwendungsbereich der GoA auszunehmen, in denen der Handelnde eine unproblematisch als objektiv eigenes Geschäft anzusehende Tätigkeit subjektiv für einen Dritten führt (Bsp.: Reparatur einer eigenen, irrtümlich für fremdes Eigentum gehaltenen Sache),161 verneint Gursky unter Hinweis auf die ebenso geeignete Lösung dieser Problematik mittels einer analogen Anwendung des § 686 BGB.162 (3) Bestimmung der Person des Geschäftsherrn Soweit von Vertretern der h.M. das objektive Merkmal des „fremden Geschäfts“ für unentbehrlich gehalten wird, weil in den häufigen Fällen, in denen die Geschäftsführung die Interessen mehrerer Personen berühre, die Person des Geschäftsherrn sich nur nach objektiven Kriterien sinnvoll bestimmen lasse und eine Entscheidung nach der Willensrichtung des Geschäftsführers nur Zufallsergebnisse produzieren könne,163 lässt Gursky dies ebenfalls nicht gelten: Nach der subjektiven Theorie sei zwar in der Tat die Willensrichtung des Gestors maßgeblich für die Bestimmung der Person des Geschäftsherrn, unbillige Ergebnisse seien jedoch nicht zu befürchten: Der Aufwendungsersatzanspruch des Gestors nach § 683 BGB entstehe ja nur dann, wenn die Geschäftsführung dem Interesse und wirklichen oder mutmaßlichen Willen des avisierten Geschäftsherrn entspricht, so dass auf jeden Fall noch ein objektives Kriterium hinzutreten muss.164 eine Betrachtung der vom jeweiligen Handeln (nachteilig oder vorteilig) berührten Rechte und Interessen ab, womit sich z.B. auch die Rettungsfälle unschwer erfassen lassen. Statt vieler etwa Friedrich VersR 2000, 697: „Im Fall der Selbstaufopferung im Straßenverkehr begründen die absoluten Rechte Leben, Körper und Gesundheit die Stellung des (geretteten) Kindes als Geschäftsherr, denn insoweit ist es für seine körperliche Unversehrtheit objektiv „zuständig“. Demgemäß bedeutet das rettende Ausweichmanöver die Führung eines objektiv fremden Geschäfts, nämlich eines Geschäfts des Kindes“ (dass nach der zwischenzeitlichen Änderung des StVG die Selbstaufopferungsfälle nunmehr kaum noch relevant werden dürften, wurde bereits oben angemerkt). 161 So bereits Lent Der Begriff der auftraglosen Geschäftsführung, S. 17, 58. 162 Gursky AcP 185 (1985), 13, 19; ebenso Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 28. Anders Reichard AcP 193 (1993), 567, 571: Ein Aufwendungsersatzanspruch des Handelnden gegen den vermeintlichen Eigentümer scheitere am Fehlen des in § 683 BGB aufgestellten Erfordernisses der Utilität. Auf eine nähere Erörterung wird hier angesichts des Sondercharakters des Problems und der mangelnden Relevanz für die Arztfälle verzichtet. In dem hier angestrebten Überblick zur GoA darf ein solcher Punkt allerdings nicht völlig unterschlagen werden, da die Stimmigkeit der verschiedenen Erklärungsmodelle sich gerade an der Eignung zur Lösung solcher Einzelprobleme erweist. 163 So Laufs NJW 1967, 2294, 2295; Schubert AcP 178 (1978), 434; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 48, 67: Ob und für wen Geschäftsführung vorliegt „muss sich vielmehr aus den objektiven lastenverteilenden Normen ergeben“, siehe dazu bereits oben, A II.c. 1. 164 Gursky AcP 185 (1985), 13, 20, 21: Die Voraussetzungen des § 683 S.1 BGB seien insbesondere nur dann erfüllt, wenn trotz der Betroffenheit auch anderer Personen das Tätigwerden des Gestors gerade für diesen Geschäftsherrn und ausschließlich für seine Rech-
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Man sieht bereits an dieser Stelle, dass die subjektive Lehre den § 683 BGB als Einfallstor für objektive Überlegungen nutzt. Wie nahe man damit in der Sache bei der h.M. ist, zeigt der von der subjektiven Lehre erhobene Vorwurf, die von der h.M. vorgenommene Erweiterung des § 677 BGB um das objektive Merkmal des „fremden Geschäfts“ habe dazu geführt, dass die in § 683 BGB geregelte Utilität kaum noch einen eigenen Inhalt hat.165 (4) Objektive Struktur des Gesetzes: § 686 BGB Ernster nimmt Gursky den gegen die subjektive Lehre gerichteten Einwand,166 dass immerhin das Gesetz selbst in § 686 BGB bei einem Irrtum des Geschäftsführers über die Person des Geschäftsherrn ausdrücklich die Verpflichtung und Berechtigung des „wirklichen“ Geschäftsherrn anordnet, die Vorstellung des Gestors somit gerade für unmaßgeblich erklärt und auf eine objektive Zuständigkeitsordnung zu verweisen scheint. Indes glaubt Gursky, auch diese Norm mit der subjektiven Lehre in Einklang bringen zu können: Der Geschäftsführer nehme regelmäßig eine zweifache Überlegung vor: Er ziehe zunächst ein bestimmtes fremdes Interesse in Betracht, welches er fördern wolle und ordne dieses sodann in einem zweiten Schritt einer bestimmten Person zu. Ein Personenirrtum bei diesem zweiten Schritt müsste an sich die Perplexität des Geschäftsführerwillens zur Folge haben, der als Sondernorm anzusehende § 686 BGB entscheide diesen Konflikt in der Willensbildung daher zu Gunsten der gewichtigeren der beiden Überlegun-
nung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entspricht. Soweit dies nicht der Fall ist, sei der Geschäftsführer eben auf den Bereicherungsausgleich nach § 684 BGB S.1 BGB zu verweisen; ebenso Reichard AcP 193 (1993), 567, 576. 165 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 34: Die h.M. fälle mit der Bejahung der Fremdheit des Geschäfts zugleich die Entscheidung über die Utilität der Geschäftsführung. Reichard (AcP 193 (1993), 567, 572) meint gar, das objektiv fremde Geschäft der h.M. sei identisch mit der Utilität des § 683 BGB. Vgl. auch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 117 zur Judikatur im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch, wenn der Gestor Rechtspflichten des Geschäftsherrn (z.B. Leistung von Schadensersatz) erfüllt hat: „Dem Geschäftsherrn wird also unterstellt, das zu wollen, wozu er verpflichtet ist“. Wollschläger weist zutreffend darauf hin, dass auch dieser Wille (der des Geschäftsherrn gem. § 683 BGB) nicht anders als im Wege der Vermutung anhand der Bewertung der objektiven Umstände festgestellt werden kann, denn die einen solchen Willen leugnende Behauptung des auf Aufwendungsersatz verklagten Geschäftsherrn wird man kaum gelten lassen. Dass es sich auch hier im Grunde um eine objektiv wertende Entscheidung des Rechtsanwenders handelt, verdeutlichte die noch im Ersten Entwurf enthaltene Vermutungsregel, wonach der betreffende Wille des Geschäftsherrn zu unterstellen ist, wenn „der Geschäftsherr gebilligt haben würde, was ein ordentlicher Hausvater hätte für angemessen erachten müssen“ , vgl. E I BGB § 753 II. 166 Laufs NJW 1967, 2294, 2295; auch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73, 104: § 686 BGB zeige ersichtlich, dass das Willenskriterium für die Bestimmung des Geschäftsherrn unbrauchbar sei. Bereits Kohler (JherJb 25 (1887), 67) stellte zu dem ähnlich dem heutigen § 686 BGB formulierten § 1343 Sächs. Gesetzbuch fest: „Hieran scheitern alle Vertragstheorien“.
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gen, so dass es auf den ins Auge gefassten fremden Interessenkreis ankommen soll.167 (5) Vermeintliche Unvereinbarkeit der subjektiven Lehre mit § 679 BGB Sodann setzt Gursky sich mit dem gegen die subjektive Ansicht ins Feld geführten § 679 BGB auseinander. Vom Standpunkt der herrschenden Fremdgeschäftslehre aus ist sicher zu konstatieren, dass die durch diese Vorschrift normierte Unbeachtlichkeit eines der Geschäftsführung entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn in Fällen der Unterhaltszahlung nicht mit dem subjektiven Ansatz zu vereinbaren ist, wonach die fremdnützige Willensrichtung des Geschäftsführers gerade auf ein Tätigwerden „für“ den Geschäftsherrn ausgerichtet sein müsste. Denn bei der in § 679 BGB angesprochenen Unterstützung eines Unterhaltsberechtigten hat der Geschäftsführer typischerweise nur dessen Interessen im Auge und nicht die des die Zahlung verweigernden Unterhaltsschuldners, der gemäß § 679 BGB dennoch als Geschäftsherr anzusehen ist. Man könnte daher im Sinne der objektivierenden GoA-Theorien meinen, dass in diesen Fällen der Geschäftsführer lediglich in dem Bewusstsein handelt, der Pflicht eines anderen nachzukommen, mithin ein objektiv diesem zugewiesenes, also „fremdes Geschäft“ zu tätigen, dabei aber nicht die von der subjektiven Lehre für erforderlich gehaltene fremdnützige Willensrichtung („für einen anderen“) in Bezug auf den Geschäftsherrn (Unterhaltsschuldner) aufweist.168 Gursky sieht auch aus diesem Dilemma der subjektiven Theorie einen Ausweg: Eine denkbare enge Auslegung des § 679 BGB, derzufolge die Norm den Regress gegen den Unterhaltsschuldner eben nur dann eröffnen würde, wenn der Dritte mit seiner Leistung gerade die Interessen des Unterhaltspflichtigen wahrnehmen
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Gursky AcP 185 (1985), 13, 22. Auf den Sondercharakter der Norm stellen alle Vertreter der subjektiven Lehre ab. Es wird zwar deutlich, dass sie bei § 686 BGB nicht um die Maßgeblichkeit eines objektiven Kriteriums („fremder Interessenkreis“) zur Bestimmung des „wirklichen“ Geschäftsherrn herumzukommen scheinen. Prägnant ist jedoch insofern die Bemerkung Wittmanns (Begriff und Funktionen der GoA, S. 27), wonach § 686 BGB einzig und allein als für Sonderfälle (Bsp.: Aufwendungen auf Nachlassgegenstand unter Irrtum über die Person des wahren Erben) geltende Ausnahme von der sonstigen Maßgeblichkeit der Geschäftsführungsabsicht Sinn mache und damit gerade einen Beleg für die Richtigkeit der subjektiven Lehre liefere, da die objektiven Ansätze bereits ohne diese Norm zu demselben Ergebnis kommen würden: „Vom Standpunkt des objektivierten Geschäftsführungsbegriffs aus wäre vielmehr § 686 überflüssig“. Anders Reichard AcP 193 (1993), 567, 570: Die Norm nehme lediglich Bezug auf das in § 683 BGB geregelte Merkmal der Utilität, „wirklicher“ Geschäftsherr sei daher derjenige, dessen Interesse und Willen die Geschäftsführung entspricht. Er muss aber den objektiven Charakter des § 686 BGB offen eingestehen, insbesondere deswegen, weil der vermeintlich in Bezug genommene § 683 BGB Reichards Ansatz nach diejenige Norm ist, welche als zweites Haupterfordernis der GoA die subjektive Geschäftsführungsabsicht objektivierend begleitet. 168 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 72 ff.
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will,169 lehnt er zwar ab.170 Es verbliebe aber noch die Möglichkeit, § 679 BGB als nicht verallgemeinerungsfähigen Sondertatbestand zu verstehen.171 (6) Nachweis des Geschäftsführungswillens im Streitfall Die von der h.M. gegen den subjektiven Ansatz wesentlich vorgebrachten Argumente meint Gursky damit entkräftet zu haben. Umgekehrt müsse sich die h.M. den Vorwurf gefallen lassen, durch die Verlagerung vom Geschäftsführungswillen auf eine objektive Zuordnung (eben Wollschlägers Zuständigkeitstheorie) den wesentlichen Leitgedanken der GoA preisgegeben zu haben.172 Der real vorliegende Geschäftsführungswille sei eine unverzichtbare Voraussetzung der GoA, die weder durch objektiv-normative Kriterien einer angeblich vorgegebenen Güter- und Lastenzuständigkeit ersetzt noch durch der Lebenserfahrung widersprechende „tatsächliche“ Vermutungen erschlichen werden dürfe.173 Gurskys weiteren Ausführungen zum erforderlichen Inhalt des Geschäftsführungswillens soll hier aus Platzgründen nicht weiter nachgegangen werden.174 Die sich aus der Frage nach dem Nachweis eines derartigen Willens ergebenden Probleme hält er jedenfalls für lösbar:175 Er betont, dass das vielfach geforderte Hervortreten nach außen, das heißt die„Erkennbarkeit“ für Dritte (Bsp.: Anzeige der Geschäftsbesorgung an den Geschäftsherrn) unmöglich ein materielles und zwin169
So Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 114. Gursky (AcP 185 (1985), 13, 23) hält diese ausschließlich am Unterhaltsverpflichteten orientierte Willensrichtung für denkbar, wenn es dem Geschäftsführer darum geht, dem Unterhaltsschuldner aus vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten zu helfen. 170 Gursky AcP 185 (1985), 13, 23: Die Rechtsprechung stelle in zahlreichen Entscheidungen nicht derartig strenge Anforderungen an den Geschäftsführungswillen, was ihm auch sachgerecht erscheint. 171 Gursky AcP 185 (1985), 13, 24, 25: Die Norm stelle eine „deutliche Anomalie“ im Geschäftsführungsrecht dar; ebenso Reichard AcP 193 (1993), 567, 576; ähnlich Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 2, § 679 Rdn. 2, 32, der zutreffend darauf hinweist, dass auch die Theorie vom objektiv fremden Geschäft mit der Norm nicht zu vereinbaren sei, da in § 679 BGB nicht nur der Wille des Geschäftsherrn für unbeachtlich erklärt wird, sondern es darüber hinaus auch auf sein objektives Interesse nicht ankommen soll, da der Handelnde vielmehr im Interesse eines Dritten tätig wird und das Gesetz ihn dabei regresstechnisch privilegiert. Es handle sich somit um ein von der echten GoA (§ 677 ff. BGB) und der deliktsrechtlichen Geschäftsanmaßung (§ 687 II BGB) zu unterscheidendes Rechtsinstitut, dessen eigenständige Bedeutung bislang verkannt worden sei. Hierauf wird noch bei der Erörterung des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs zurückzukommen sein. 172 Gursky AcP 185 (1985), 13, 26. Wie bereits erwähnt, verzichtet er darauf, diesen vermeintlichen Leitgedanken historisch zu belegen. Insofern scheint er sich auf die Vorarbeit Wittmanns verlassen zu wollen. 173 Gursky (AcP 185 (1985), 13, 27) bezieht sich damit auf die von der h.M. aufgestellte Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts. 174 Dazu Gursky AcP 185 (1985), 13, 28 ff. 175 Wittmann (Begriff und Funktionen der GoA, S. 64) stellt ebenfalls apodiktisch fest, dass der Gesetzgeber das Problem der praktischen Notwendigkeit der Feststellung des Willens durchaus gesehen habe.
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gendes Erfordernis der GoA darstellen könne, es handle sich insofern vielmehr um einen nur beweisrechtlich relevanten, also lediglich prozessual bedeutsamen Umstand (Indiz).176 Den Schwierigkeiten hinsichtlich des im Streitfall erforderlichen Nachweises des Geschäftsführungswillens will Gursky zum einen mit einer Beweismaßreduzierung, zum anderen aber mit Beweiserleichterungen in Form von „lebensnahen Vermutungen“ begegnen,177 deren genaue Gestalt aber leider nicht weiter erläutert wird. (7) Bewertung Die streng subjektive Lehre ist kritisch zu bewerten: Die soeben erörterte lapidare und eher sporadische Behandlung der eigentlichen Kernfrage des GoA-Rechts, wie der Fremdgeschäftsführungswille sich im Streitfall beweisen lassen soll, überrascht insofern, als Gursky mit seinen „lebensnahen Vermutungen“ in offenkundige, von seiner Seite aber scheinbar nicht zur Kenntnis genommene Nähe zu der zuvor noch vehement von ihm bekämpften Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens gerät, welche die h.M. bei Vorliegen eines „objektiv fremden Geschäfts“ heranzieht.178 Es ist sicher nicht verfehlt, Verwunderung über diese offen geblieben Flanke in Gurskys GoA-Systematik zu äußern.179
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Näher dazu Gursky AcP 185 (1985), 13, 34, 35 insbesondere zu der Frage, ob man den Schluss von einem bestimmten Verhalten auf eine individuelle Willensrichtung des Handelnden überhaupt der Kategorie des Anscheinsbeweises zuordnen kann. 177 Gursky AcP 185 (1985), 13, 35, 36. 178 Zutreffend die Einordnung durch Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 19): „In konsequenter Fortführung des Ansatzes von Wittmann und damit im Sinne der alten Quasikontraktstheorie ist nach Gursky das entscheidende Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens als eine reale, nachweisbare Willensrichtung des Geschäftsführers zu verstehen. Die Beweisführung ist nach dieser Auffassung allerdings mit Hilfe lebensnaher, tatsächlicher Vermutungen und unter Berücksichtigung typischer Geschehensabläufe zu erleichtern, wodurch auch hier eine objektivierende Kontrolle eingeführt wird.“ 179 Zutreffend Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 807: „Die Kritik Gurskys ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil er selbst den Fremdgeschäftsführungswillen bejaht wenn der äußere Anschein einer derartigen subjektiven Zweckrichtung des Handelnden besteht, weil typischerweise in einer derartigen Situation eine solche Handlung mit dieser Zweckrichtung verbunden ist…Damit hat Gursky entgegen seinem Selbstverständnis schwerlich ein empirisches Kriterium eingeführt. Sowohl er als auch Wittmann können zwar empirisches Material sichten, die Beurteilung aber bleibt normativ… So bietet die subjektive Theorie kaum nennenswerte Vorzüge gegenüber der Konzeption der Rechtsprechung, denn die „Fremdnützigkeit“ oder die „subjektive Zweckrichtung“ bleiben letztlich unbestimmte Begriffe und vermögen in den kritischen Fällen den Rekurs auf den typischen Geschehensablauf nicht zu erübrigen.“
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d) Subjektiv-normative Lehre (1) Wittmanns Lehre von der normativ verstandenen Geschäftsführungsabsicht Eine sehr gründliche Darstellung der subjektiv-normativen Lehre findet sich in der Habilitationsschrift Wittmanns.180 Er leitet die für den Grundtatbestand der GoA auch seiner Ansicht nach zentrale Bedeutung der Geschäftsführungsabsicht aus dem klassischen römischen Recht ab, zu dem der BGB-Gesetzgeber in bewusster Abkehr von der zwischenzeitlich herrschenden gemeinrechtlichen Theorie vom objektiv fremden Geschäft zurückgekehrt sei.181 Den einzelnen, mitunter verschlungenen Pfaden seiner historischen Herleitung kann hier aus Platzgründen nicht weiter nachgegangen werden.182 Die für die praktische Rechtsanwendung bedeutsame Kernaussage seines GoA-Modells lautet verkürzt wie folgt: Die Geschäftsführungsabsicht des Gestors sei nicht als real vorhandene, empirische Willensrichtung zu verstehen sondern als normatives Kriterium. Ob der Geschäftsführer durch seine Tätigkeit den Zweck verfolgt, dass sie einem anderen zugute kommen soll (§ 677 BGB: „für einen anderen“), entscheide sich nach dem „sozialen Sinn“ der betreffenden Tätigkeit, in welcher sich die fremdnützige Absicht manifestiere.183
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Dieser wird oftmals als Gegenpol zur Position Wollschlägers bezeichnet. Dies mag zwar insbesondere der Eigenwahrnehmung Wittmanns entsprechen, der sich vielfach explizit gegen Wollschlägers Argumentation wendet. Der unbefangene Leser muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich, soweit es die praktische Handhabung der GoA angeht, um einen Scheingegensatz handelt. Denn auch Wittmann kommt nicht um die Verwendung objektiver Kriterien herum, vgl. paradigmatisch die Darstellung bei Seiler in MüKo § 677 Rdn. 19: „Zur Frage der dogmatischen Begründung der Fremdheit des Geschäfts stehen sich im neueren Schrifttum die Auffassungen Wollschlägers und Wittmanns gegenüber. Nach Wollschläger ist die Fremdheit des Geschäfts hauptsächlich (unter Beachtung der in § 687 Abs. 1 enthaltenen subjektiven Begrenzung) objektiv zu beschreiben. …Nach Wittmann dagegen ist der in § 677 aufgestellte Geschäftsführungsbegriff ein subjektiver;…Damit aber ist die Berücksichtigung objektiver Merkmale im Sinne der Auffassung Wollschlägers nicht ausgeschlossen, so dass zwischen den beiden Theorien in den Ergebnissen keine zwingende grundlegende Differenz bleibt.“ Eine echte Polarität beider Autoren ist nur in Bezug auf die Methodenwahl festzustellen: Wollschläger verzichtet beinahe ganz auf die (für den Leser nachvollziehbare) Untersuchung der älteren Quellen, stattdessen glaubt er aus der Analyse der seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur negotiorum gestio ergangenen Rechtsprechung die dogmatisch wesentlichen Schlussfolgerungen ziehen zu können. 181 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 26, 40, 46 ff. 182 Ohnehin ist in Bezug auf die Beurteilung der römisch-rechtlichen Quellen keine Einigkeit mehr zu erwarten. Es gilt die Einschätzung von Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 23, 70, 116: In die Quellen werde je nach eigenem Standpunkt die objektive bzw. subjektive Lehre hineingelesen, „um die Autorität der römischen Juristen für die eigene Sache zu aktivieren.“ 183 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 26, 40, 46 ff. Die so verstandene normative Geschäftsführungsabsicht sei insbesondere nicht zu verwechseln mit dem real vorhandenen Motiv des Geschäftsführers, das zu erforschen entbehrlich sei.
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Auch Wittmans Verständnis der GoA entpuppt sich damit als eine nur dem Anschein nach subjektiv konzipierte Lehre, denn welcher soziale Sinn einer bestimmten Handlung zukommt, lässt sich eben nur anhand einer durch externe Bewertung festzustellenden objektiven Zweckrichtung des Handelns beurteilen.184 Die so verstandene „Geschäftsführungsabsicht“ stellt damit gerade keinen durch Beweiserhebung über den real vorhandenen Willen des Gestors zu klärenden Umstand dar, sondern eine dem Beweis gar nicht zugängliche, dem Rechtsanwender überlassene Einschätzung. Wittmanns normativ verstandene Geschäftsführungsabsicht ist jedoch keineswegs identisch mit dem objektiv fremden Geschäft der h.M.185 Der grundlegende Unterschied zwischen dem nach Wittmann in § 677 BGB angelegten subjektiven Geschäftsführungsbegriff und dem maßgeblich von Wollschläger postulierten, an der Fremdheit des Geschäfts orientierten objektiven Geschäftsführungsbegriff liegt zunächst in der Blickrichtung: Die subjektive Lehre betrachtet den von dem Geschäftsführer (erkennbar) gesetzten Zweck seines Handelns, wohingegen die objektivierende Rechtsprechung und Wollschläger die Wirkung dieses Handelns auf den (fremden) Rechts- oder Interessenkreis eines anderen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen.186 Wittmanns Ansatz ist damit bei der Anwendung der GoA-Regeln tendenziell restriktiver als die h.M.,187 denn (gegebenenfalls mannigfache) nachteilige oder vorteilige Auswirkungen einer bestimmten Handlung auf die Interessen und Rechte anderer Rechtssubjekte (worauf die Lehre vom objektiv fremden Geschäft abstellt) lassen sich viel leichter ermitteln als der ihr selbst (erkennbar) innewohnende soziale Sinn. Wie beide Ansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bestimmung der Person des Geschäftsherrn kommen können, sei kurz anhand des „Versicherungsfalls“ des BGH188 veranschaulicht: Der BGH ging davon aus, dass das Herbeirufen ärztlicher Hilfe für ein Verbrechensopfer eine Geschäftsführung auch für die gesetzliche Krankenversicherung des Opfers darstelle, gegen die der Helfer daher 184 So zutreffend Gursky (AcP 185 (1985), 13, 17, 28), der Wittmann im Übrigen vorwirft, unnötige Konzessionen an den objektivierten Geschäftsführungsbegriff der h.M. zu machen: Im Grunde fingiere Wittmann eine bestimmte Richtung des Fremdgeschäftsführungswillens, verlasse seinen subjektiven Ansatz und rücke ganz nahe an den objektiven Geschäftsführungsbegriff der h.M. heran. Dass Gurskys eigener Ansatz im Grunde auf dieselbe Weise problematisch ist, wurde bereits erörtert. 185 So Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 136), der allerdings zutreffend feststellt, dass vergleichbare Abgrenzungsprobleme auftreten können. 186 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 32; ähnlich Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 136. Die objektivierende Lehre stellt dabei insbesondere Überlegungen zur Letztzuständigkeit für Kosten und Lasten in den Mittelpunkt der Betrachtung, die an sich dem Bereicherungsrecht zugewiesen sind und bei der auf den sozialen Sinn der jeweiligen Handlung abstellenden subjektiv-normativen Betrachtung Wittmanns schwerlich Berücksichtigung finden können. 187 Das scheint Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 19) zu verkennen, wenn er feststellt: „..so dass zwischen den beiden Theorien in den Ergebnissen keine zwingende grundlegende Differenz bleibt.“ Zutreffend hingegen Martinek/Theobald (JuS 1997, 805, 809), die die restriktive Grundtendenz eines Abstellens auf den „sozialen Kontext“ für diverse klassische GoAFallgruppen diskutieren. 188 BGHZ 33, 251 = NJW 1961, 359; s. ferner BGHZ 54, 157, 161; BSG NJW 1958, 886.
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einen direkten Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 683 BGB) geltend machen könne.189 Zu diesem Ergebnis kann man mit der Lehre vom objektiv fremden Geschäft gelangen, indem man auf die Pflichtenstellung der (gesetzlichen) Krankenversicherung abstellt, die dem Kassenpatienten nach dem so genannten Naturaloder Sachleistungsprinzip des § 2 SGB V die Verschaffung ärztlicher Versorgung schuldet und daher materiellrechtlich „zuständig“ ist.190 Mit Wittmanns Lehre von der normativen Geschäftsführungsabsicht ist das nicht zu vereinbaren: Die von dem Retter geleistete Hilfe sei ihrem „sozialen Sinn“ nach nur darauf angelegt, dem Opfer zugute zu kommen und nicht etwa, der Krankenkasse zur Hilfe zu eilen.191 Eben so wenig sei sie darauf angelegt, dem Täter zugute zu kommen.192 Ein anderes Beispiel stellt die GoA-Haftung des Unfallverursachers für Besuchskosten der Verwandten des Unfallverletzten dar: Der BGH nahm an, dass in solchen Fällen der Angehörige des Patienten ein fremdes Geschäft des für die Heilungskosten haftenden Schädigers mitbesorgt.193 Aus Sicht der subjektiv-normativen Lehre kann dem Besuch der Angehörigen aber nur der soziale Sinn zukommen, dem Patienten Aufmerksamkeit, Gesellschaft und Empathie entgegenzubringen, nicht aber, eine Handlung „für“ den Schädiger vorzunehmen.
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BGHZ 33, 251 = NJW 1961, 359. Martinek/Theobald JuS 199827, 30; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 67, 68; ,Rödder JuS 1983, 930; Bei dem Sachleistungs- oder Naturalleistungsprinzip handelt es sich um eine versicherungsrechtliche Besonderheit, die den „Kernpunkt“ des deutschen Systems der sozialen Krankenversicherung bildet, vgl. Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 291. Hier liegt die Annahme einer Geschäftsherreneigenschaft näher als bei den bereits erörterten, nur für die Schadensregulierung zuständigen Sach- oder Haftpflichtversicherern. An dieser Stelle soll nur bereits der Hinweis erlaubt sein, dass es jahrzehntelangem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, dass die Kassen die medizinische Versorgung gerade nicht selbst erbringen, sie vielmehr durch den Abschluss von Verträgen mit den eigentlichen Leistungserbringern nur gewährleisten. Natter, (a.a.O. S.89 ff.) weist richtig darauf hin, dass die so praktizierte „Vermittlung“ von Leistungen sich mit dem Begriff der Naturalleistung nur unzureichend beschreiben lässt und dass die Vertragsärzte, die den Kassenpatienten behandeln, nach ständiger Rechtsprechung (bereits RGZ 74, 163) insofern auch nicht etwa als Erfüllungsgehilfen der Kassen anzusehen sind. Das tatsächlich praktizierte System der vertragsärztlichen Versorgung und die Behauptung von der „Naturalleistungspflicht“ der Kassen stehen in einem bislang noch nicht zufrieden stellend gelösten Spannungsverhältnis. Die Annahme des BGH, die Krankenkasse schulde selbst dem Patienten die Hilfe, ist also nicht ganz richtig. 191 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 74, 75: Auf die korrespondierende Pflichtenstellung eines Dritten (hier: der Krankenversicherung) könne es für diese Beurteilung nicht ankommen. Im Ergebnis sei der Fall so zu lösen, dass der Helfer einen geschäftsführungsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch nur gegen den Geretteten habe, dieser habe ggf. einen Freistellungsanspruch gegen seine Krankenversicherung; ebenso Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 304. 192 Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 75. Dies könnte man mit der Lehre vom objektiv fremden Geschäft aber durchaus annehmen, denn der Retter wird immerhin schadensmindernd tätig, was sich im Rechts- und Pflichtenkreis des ersatzpflichtigen Schädigers auswirkt, siehe dazu oben das Bsp. zum Handeln der Feuerwehr. 193 BGH NJW 1979, 598 ff. 190
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Wittmanns Ansatz zielt außerdem darauf ab, die von der h.M. (teilweise) unter das GoA-Recht gefassten Fälle der „Auch-Gestion“ und der Leistungen auf (unerkannt) nichtige Rechtsverhältnisse von der Anwendung der §§ 677 ff. BGB auszunehmen.194 Bisweilen wird das Abstellen auf den sozialen Sinn der Tätigkeit des Geschäftsführers von ihm jedoch nicht konsequent durchgehalten oder er gerät doch, ähnlich der h.M., in die Versuchung, den materiellrechtlichen Hintergrund in die Interpretation des Geschehens mit einzubeziehen: So verneint Wittmann in den einschlägigen Rettungsfällen zwar ein Tätigwerden des Geschäftsführers für die Krankenversicherung des Geretteten oder für den Schädiger (s.o.), der Handelnde werde aber immer auch für den Ehepartner des Geretteten oder, sofern es sich um einen Minderjährigen handelt, für dessen Eltern tätig.195 (2) Bergmanns Idee der realgeschäftlichen Geschäftsbesorgung bzw. Interessenwahrnehmung für einen anderen Eine dem Ansatz Wittmanns nahe stehende und gesondert Augenmerk verdienende Deutung der GoA nimmt nunmehr Bergmann in der aktuellen Kommentierung des Staudinger vor. Seine „Idee der realgeschäftlichen Geschäftsbesorgung/Interessenwahrnehmung für einen anderen“196 zielt neben einer auf das Notwendigste beschränkten theoretischen Fundierung vor allem darauf ab, dem Rechtsinstitut der GoA für die Praxis brauchbare Konturen zu geben. Die klassischen Streitpunkte werden hier Lösungen zugeführt, die man, wie diejenigen Wittmanns, als tendenziell restriktiv bezeichnen darf. Bergmann geht folgendermaßen vor: Obwohl er sich den Blick auf die rechtsgeschichtliche Herkunft der einzelnen Tatbestandsprobleme bewahrt hat, verzichtet er auf eine ausführlichere Ableitung seiner GoA-Theorie aus dem römischen 194
Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 163: „Wer seine eigene Verpflichtung erfüllt, dessen Tätigkeit hat grundsätzlich nicht den sozialen Sinn, fremdnützig zu sein.“ 195 So Wittmann (Begriff und Funktionen der GoA, S. 75, 77, 163), der insofern einen Gleichlauf mit den Ergebnissen der h.M. (vgl. RGZ 167, 85; OLG Tübingen MDR 50, 160; zustimmend z.B. Laufs NJW 1967, 2294, 2296) zugibt, die bei einem Handeln für Minderjährige offen auf die Reichweite der Personensorge der Eltern gem. §§ 1626, 1631 BGB abstellt (Friedrich VersR 2000, 697, 698) oder auf deren Unterhaltspflichten (so Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 301). Wer Wittmanns Ergebnis unter Hinweis auf die sozialen Bindungen zwischen Ehegatten bzw. Eltern und gerettetem Kind verteidigen will, sollte bedenken, dass der „soziale Sinn“ der Handlung eine Einbeziehung auch der Freunde des Geretteten rechtfertigen müsste, die aber, völlig zu Recht, nie diskutiert werden. Die fehlende gesetzliche Gestaltung der „Freundschaft“ wird hier bewusst oder unbewusst berücksichtigt, so dass es sich in Wirklichkeit doch wieder um eine das positive Recht und nicht bloß den sozialen Sinn betrachtende Wertung handelt. Kritisch zu der „nicht sonderlich klaren Formel sozialer Sinn“ Gursky (AcP 185 (1985), 13, 28), der zutreffend darauf hinweist, dass es kaum der Lebenserfahrung entspreche, „dass jemand, der eine Frau aus einer Gefahrensituation rettet, mit seinem Eingreifen gerade auch die Interessen ihres etwaigen Ehemannes wahrnehmen will, die Zuschreibung eines dem entsprechenden sozialen Sinns der Handlung sei daher angreifbar. 196 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 9, 28, 116: Er ordnet sich selbst dem Grundsatz nach der subjektiven Lehre zu.
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und dem gemeinen Recht, die bei anderen Autoren so viel Raum einnimmt. Die bisherigen Deutungsversuche hält er für ernüchternd.197 Die für die Rechtsanwendung maßgeblichen Wertungen der GoA will er daher aus einer Analyse der diesem Rechtsinstitut von ihm zugeschriebenen Interessenstruktur gewinnen: In Anlehnung an die im Vertragsrecht geläufigen drei grundlegenden Interessenstrukturtypen198 ordnet Bergmann die GoA dem Typus der Interessenwahrung (Subordination) zu, was bedeuten würde, dass die §§ 677 ff. BGB maßgeblich durch die Unterordnung der Interessen des Geschäftsführers unter die des Geschäftsherrn gekennzeichnet sind.199 Dem Ansatz Wittmanns folgend hält Bergmann sodann die normativ zu verstehende Geschäftsführungsabsicht für das zentrale, die GoA als Rechtsinstitut tragende Tatbestandsmerkmal.200 Das „fremde Geschäft“ der h.M. stellt hingegen auch für ihn lediglich das Ergebnis einer unzulässigen Extraktion aus § 687 I BGB dar.201 Der signifikante Unterschied zu Wittmann besteht darin, dass Bergmann für den Tatbestand der GoA aber außerdem ganz auf ein (Fremd-) Geschäftsführungsbewusstsein (als „Bewusstsein im fremden Rechtskreis tätig zu werden“) verzichten will, die GoA entsteht daher seiner Konzeption zufolge unabhängig von einer irgendwie gearteten Willensrichtung des Geschäftsführers allein dadurch, dass sich dessen Handeln seinem sozialen Sinn nach als fremdnützige Interessenwahrnehmung darstellt.202 197
Seine Einwände lauten verkürzt: Die Theorie der Menschenhilfe könne die ganz anders aussehende GoA der Rechtsprechungspraxis nicht erklären, die Quasikontraktstheorie interpretiere rechtsgeschäftliche Elemente in die GoA hinein, die diese gerade nicht kenne, in der früheren objektiven Theorie und der maßgeblich auf Wollschläger zurückgehenden Zuständigkeitstheorie komme der GoA allein ein rechtstechnisch bedingter Unterschied gegenüber dem Bereicherungsrecht zu, was schwerlich einzusehen sei, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 13 ff. 198 So der in Bezug genommene Martinek in Staudinger Vor § 662 ff. Rdn. 23: Typus des Interessengegensatzes (Koordinationsverträge), Typus der Interessengleichrichtung (Koalitions- oder Konföderationsverträge), Typus der Interessenwahrung (Subordinationsverträge). 199 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 29. 200 Insofern macht er sich dann doch die insbesondere von Wittmann ausführlich dargestellte römisch-rechtliche Ableitung der subjektiven GoA-Lehre zu Eigen. 201 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 3, 116, 119. Die Normativität der Geschäftsführungsabsicht soll, wie bereits anlässlich der Erläuterung der Ansicht Wittmanns erwähnt, zum Ausdruck bringen, dass es sich gerade nicht um ein empirisches, der realen Willensrichtung des Geschäftsführers entsprechendes Tatbestandsmerkmal handelt, vgl. auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 31: „Entgegen verbreiteten Missverständnissen beschreibt die Geschäftsführungsabsicht kein empirisch ermittelbares Internum der Psyche des Geschäftsführers“. Zur Bedeutung des Tatbestandmerkmals „fremdes Geschäft“ in § 687 I BGB siehe bereits oben, II B 4 b). 202 Er selbst bezeichnet diesen Verzicht auf ein subjektives Element als „radikal“ anmutend, weist aber zutreffend darauf hin, dass das Vorgehen der h.M., die den Fremdgeschäftsführungswillen bei Vorliegen eines „objektiv fremden Geschäfts“ vermutet, im Grunde ebenfalls nichts anderes als die eigentliche Entbehrlichkeit dieses Merkmals bedeutet, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 32. Denn dass die von der h.M. gebildete und von der angesprochenen Vermutungswirkung ausgenommene Kategorie des „sub-
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(3) Bewertung Dass sowohl das objektiv fremde Geschäft der h.M. als auch die nicht realempirisch sondern normativ verstandene Geschäftsführungsabsicht Wittmanns an sich nach objektiven Kriterien ermittelt werden, wurde bereits dargelegt.203 So stellt auch Bergmann zur Bestimmung der Person des Geschäftsherrn darauf ab, wessen Interessen das Handeln des Geschäftsführers seinem sozialen Sinn nach zu dienen bestimmt ist.204 Bergmann sieht sich hier dem gleichen Einwand ausgesetzt wie schon Wittmann205: Die von beiden Autoren zunächst geübte Kritik an dem von der h.M. für erforderlich erachteten Tatbestandsmerkmal der „Fremdgeschäftsführung“ muss beim ersten Lesen erstaunen, wenn sie im Anschluss daran zur Lösung der GoA-Probleme selber ein an sich objektiviertes Tatbestandsmerkmal anbieten, diese Vorgehensweise dabei aber als „subjektiven Ansatz“206 titulieren.207 Bergmanns Deutung der GoA knüpft in Bezug auf die proklamierte Maßgeblichkeit des sozialen Sinns der Handlung lediglich an Wittmann an. Neu ist aber der von ihm der GoA zugeschriebene Gedanke der Subordination, von dem abzuwarten bleibt, ob er der Diskussion zur GoA neue Impulse zu geben vermag. Neu ist schließlich vor allem auch die Offenheit, mit der Bergmann den gänzlichen Verzicht auf ein reales Willenselement fordert. Im Übrigen ist sein Vorgehen wie das Wittmanns auch insofern zu begrüßen, als die normativ verstandene Geschäftsführungsabsicht mit der Fokussierung auf den sozialen Sinn der im Einzelfall zu beurteilenden Handlung offensichtlich eine restriktivere Anwendung der GoA bedingen soll als das von der h.M. verwendete Merkmal des objektiv (auch-) jektiv fremden Geschäfts“ totes Recht darstellt und somit für eine empirisch nachzuweisende Willensrichtung des Gestors tatsächlich nur ein theoretischer und kein praktischer Anwendungsbereich übrig bleibt, wurde bereits erwähnt. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Methodenehrlichkeit muss sich die h.M. daher ebenfalls gefallen lassen, da die von ihr geübte Praxis der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens auf eine Willensfiktion hinausläuft, vgl. Gursky AcP 185 (1985), 13, 26 sowie Schubert AcP 178, 434. Allgemein zur Problematik der Methodenehrlichkeit im Zusammenhang mit Willensfiktionen Haferkamp ,FS für Horn, S.1077, 1082 ff. 203 Vgl. die dort bereits angegebene Literatur und insbesondere den Hinweis von Gursky AcP 185 (1985), 13, 28 dass es sich im Grunde um ein Verlassen des subjektiven Ansatzes und eine Annäherung an den objektivierten Geschäftsführungsbegriff der h.M. handle. 204 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 36. 205 Siehe hierzu noch einmal Gursky (AcP 185 (1985), 13, 28) zu dem von Wittmann angeführten Rettungsbeispiel: „Die mit Hilfe des Kriteriums des „sozialen Sinns“ unterstellte „zweckhafte Beziehung“….beruht also nicht auf einer erschließbaren (und damit realen) individuellen Zwecksetzung durch den Retter selbst, sondern ist ein Urteil über diese Rettungshandlung.“ 206 So Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 117. 207 Vgl. hierzu noch einmal die Kritik bei Gursky (AcP 185 (1985), 13, 28) in Bezug auf die Vorgehensweise Wittmanns. Der Kritik ist insofern beizupflichten, als das einzig noch originär subjektive an diesem Ansatz die Terminologie ist, da der dem Geschäftsführerhandeln objektiv zugeschriebene soziale Sinn als „Manifestation“ der „Geschäftsführungsabsicht“ bezeichnet wird. Wie gesehen, kommt aber auch Gursky als vermeintlicher Vertreter einer streng subjektiven Lehre um die Verwendung objektiver Merkmale nicht herum.
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fremden Geschäfts.208 Zwar erachtet Bergmann selbst den der Rechtsprechung gemachten Vorwurf der denaturierenden Anwendung der Geschäftsführungsregeln für überzogen.209 Sein eigener Ansatz ist aber geeignet, der von ihm als neuerdings gegenläufig eingeschätzten, um eine wenigstens partielle Eingrenzung des Anwendungsbereichs der GoA bemühten Entwicklung der neueren Rechtsprechung des BGH210 dogmatischen Rückhalt zu geben. e) Fazit Nicht wenige Autoren konstatieren angesichts der dogmatischen Unwägbarkeiten des dargestellten Meinungsstreits, dass ein einheitlicher Tatbestand der GoA nicht verfügbar ist und sich aus diesem Grund die Entwicklung einer Typologie und die Bildung von GoA-Fallgruppen empfiehlt.211 Der mit nicht unerheblichem argumentativem Aufwand betriebene Streit zwischen den objektivierenden Ansätzen und der subjektiver Lehre mag den an einer praxisgerechten Lösung interessierten Juristen zunächst erstaunen. Insbesondere ist es beachtlich, wie die Vertreter der subjektiven Lehre letztlich doch zu einem an sich ebenfalls objektiven Ansatz finden, so dass dem Beobachter die Einordnung als „Scheinstreitigkeit“ in den Sinn 208
Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 37), der dies anhand der Selbsthilfe gegen Falschparker veranschaulicht: „schleppe ich das Auto eines dreisten Verkehrsteilnehmers ab, der meine Ausfahrt zuparkt, so nehme ich sowohl mein als auch dessen Geschäft wahr. Die Rechtsprechung würde diesen Fall unter Zuhilfenahme der Geschäftsführungsregeln (Auch-Gestion) lösen. Zu Unrecht. Da meine Handlung ihrem sozialen Sinn nach nur meinen eigenen Interessen dienen soll, werde ich nicht- wie es § 677 verlangt-„für “ den Falschparker tätig.“; ebenso schon Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 809. 209 Insbesondere glaubt er hinter großen Teilen der Kritik -ausgesprochen oder unausgesprochen- die von ihm abgelehnte Theorie der Menschenhilfe auszumachen, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn 10, 11, 13, 16. 210 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 11 zur „Umkehr in der Rechtsprechung zum pflichtengebundenen Geschäftsführer“ (unter Verweis auf BGH NJW-RR 2004, 956) sowie zu „sich verstärkenden restriktiven Tendenzen bei der geschäftsführungsrechtlichen Beurteilung des in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig werdenden Hoheitsträgers“ (unter Verweis auf BGH NJW 2004, 513). 211 Diederichsen MDR 1964, 889, 890; Laufs NJW 1967, 2294, 2295: „Es gilt hier ähnliches wie im Bereicherungsrecht, für das v. Caemmerer festgestellt hat, nur mit einer Typologie, nicht mit der Aufstellung allgemeiner Kriterien lasse sich den Ansprüchen Form und Grenze geben.“; Martinek/Theobald JuS 1997, 805, 807: „Die verschiedenen Theorien liefern zwar wertvolle Hilfestellungen oder gar befriedigende Bewältigungsmuster bei der Lösung zahlreicher Fallkonstellationen der Geschäftsführung ohne Auftrag, bestätigen aber vor allem die These, dass es bislang noch nicht überzeugend gelungen ist, sämtliche Fallgruppen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag unter Rückgriff auf ein klar bestimmbares Wesenselement des Fremdgeschäftsführungswillens eindeutig zu identifizieren.“; Oppermann AcP 193 (1993), 509: „Eine verallgemeinernde Erfassung aller unter dem GoARecht relevanten Sachverhaltsgruppen ist nicht durchführbar. Folglich sind unterschiedliche, aus dem jeweiligen Handlungszusammenhang stammende Kriterien heranzuziehen. Es bleibt die Typologisierung“; Schubert AcP 178 (1978), 440 ff; Schwark JuS 1984, 321, 324; Von Hoffmann/Thorn (in MüKo EGBGB Art. 39 Rdn. 17) stellen fest, dass sich bislang „anders als im Bereicherungsrecht kein Typenkanon durchgesetzt“ hat.
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kommen mag. Der bereits erörterte, zwischen beiden Ansätzen noch verbleibende Unterschied im Hinblick auf die praktische Reichweite der GoA steht dieser Bezeichnung freilich entgegen. Dies ist denn auch der eigentliche Hauptanlass für den Meinungsstreit, der auch seine Berechtigung hat, da es mehr als angebracht ist, sich Gedanken um die Eingrenzung eines Rechtsinstituts zu machen, das in der Gerichtspraxis offenbar als Allzweckwaffe eingesetzt wird.212 Dreh- und Angelpunkt eines jeden Tatbestandmodells ist dabei nach den bisherigen Erörterungen der vom Gesetz nicht für äußerungsbedürftig gehaltene Geschäftsführungswille. Keine der erörterten Ansichten kommt um das beweisrechtlich bedingte Problem herum, diesen Willen aus objektiven Umständen des Einzelfalls heraus folgern zu müssen, womit sich für den Rechtsanwender der stets bei der Beurteilung subjektiver Tatbestandsmerkmale bestehende Zwang ergibt, rechtliche oder wirtschaftliche Überlegungen in die Bewertung des Geschehens einfließen zu lassen. Das Problem bei der GoA ist nun, dass das einzige objektive Tatbestandsmerkmal („Geschäftsführung“) nach allen Ansichten grenzenlos weit ist und alle erdenklichen Handlungen erfassen kann.213 Damit ist ein zuverlässiger Schluss vom objektiven Geschehen auf das Vorstellungsbild des Handelnden bereits dem Grundsatz nach nicht möglich, was als Ausgangspunkt einer jeden Fallbeurteilung beherzigt werden sollte. Was die einzelnen Tatbestandsmodelle angeht, stellt der maßgeblich von Wittmann formulierte und von Bergmann aufgegriffene subjektiv-normative Ansatz zwar auf den ersten Blick eine seltsam gewundene Deutung der GoA dar. Er verdient aber aus zwei Gründen Zustimmung: Das Abstellen auf den sozialen Sinn einer jeden Handlung vermag eine Begründung dafür zu liefern, dass der Gestor in den Genuss des Aufwendungsersatzanspruchs gem. §§ 683, 670 BGB kommt, der jedenfalls bei abstrakter Betrachtung gegenüber der bereicherungsrechtlichen Abwicklung vorteilhafter für ihn ist. Zum anderen verdient dieser Ansatz Zustimmung im Hinblick auf die wünschenswerte restriktive Behandlung der „auchGestion“ und ist auch aus diesem Grund den anderen Erklärungsmodellen vorzu212
Insofern sei auf die mustergültige Zusammenfassung von Schubert AcP, 178 (1978), 454 verwiesen: „Rabel wandte sich bereits 1919 gegen eine Auflösung der überkommenen historischen Rechtsinstitute wie der GoA, so dass sie letztlich ineinander übergehen. Dieser Tendenz ist die neuere Lehre für den Bereich der außervertraglichen Haftung, insbesondere im Bereicherungsrecht, mit Entschiedenheit entgegengetreten. Für das Recht der GoA bahnt sich eine entsprechende Entwicklung ebenfalls an. Dies dürfte auch den Intentionen der BGB-Verfasser entsprechen, die gerade für die GoA viele Rechtsfragen ausdrücklich der Entscheidung durch Lehre und Rechtsprechung überlassen haben, aber im übrigen vielfachen Versuchen widerstanden haben, allgemein gefasste Normen über einen Lastenausgleich aufzustellen. Die Rückkehr zur GoA als einem umfassenden Regressinstrument, wenn sie das überhaupt jemals war, wäre ein Rückschritt, der auch aus rechtsstaatlichen Gründen nicht unbedenklich wäre“. 213 Eine vergleichbar uferlose Ausgestaltung des objektiven Tatbestandes hat dem § 266 StGB den, freilich auf die strafrechtliche Besonderheit des Bestimmtheitsgebotes gestützten Vorwurf der Verfassungswidrigkeit eingebracht. Die Probleme, die sich dem Rechtsanwender bei der Handhabung dieser Norm stellen, ähneln aber denen bei der GoA, nur dass die Gerichte hier, von der unangenehmen Aufgabe der Strafzumessung befreit, ihrer Zuschreibungsphantasie in der Vergangenheit freien Lauf gelassen haben.
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ziehen, da er die GoA für die Praxis operabel macht und geeignet ist, dem bereits den Keim ausufernder Anwendung in sich tragenden „Näher-dran“-Prinzip der h.M. Einhalt zu gebieten.214 Dies allerdings nur unter der Prämisse, dass man dies überhaupt für wünschenswert hält. Für die in der Folge zu untersuchende ÄrzteGoA bleibt festzuhalten, dass aus Sicht der subjektiv-normativen Lehre die GoA regelmäßig kein taugliches Regressinstrument darstellen kann, da sich in der ärztlichen Behandlung lediglich eine auf den Patienten bezogene Fremdnützigkeit manifestiert, nicht aber eine auf Dritte (Unterhaltsschuldner des Patienten, Krankenversicherung, Sozialleistungsträger etc.) bezogene Willensrichtung des Arztes. In der Folge soll die Ärzte-GoA hier aber immer aus dem Blickwinkel beider Tatbestandsmodelle untersucht werden. Ob im Hinblick auf den geschilderten Meinungsstreit noch Einigkeit zu erzielen ist, bleibt abzuwarten.215 Im Hinblick auf die fortbestehenden Unsicherheiten bei der Handhabung des Tatbestandes der GoA scheint der Vorschlag einer Typenbildung zunächst viel für sich zu haben,216 da diese den üblichen dogmatischen Ersatz für einen als undefinierbar erkannten Tatbestand darstellt.217 Man darf je214
Auch das GoA-Konzept der Study Group on a European Civil Code scheint in diese Richtung zu gehen, da auf eine überwiegende Fremdbegünstigungsabsicht abgestellt wird, vgl. v.Bar, Benevolent Intervention in Another`s Affairs, S. 107 ff. („Intention predominantly to benefit another“). Die vernichtende Kritik, die Jansen (ZEuP 2007, 958 ff.(„vor einem Gebrauch als Referenztext ist jedenfalls zu warnen“)) an diesem Referenzvorschlag übt, wirkt überzogen und scheint zu ignorieren, dass die Fremdgeschäftsführungsabsicht nach der subjektiv-normativen Lehre kein real nachzuweisendes sondern ein normatives Tatbestandsmerkmal ist. 215 Vgl. Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 16: „Die intensiven Bemühungen des neueren Schrifttums zu diesem Thema stimmen zwar in Kritik und Unbehagen an der bisherigen Rechtstheorie und –praxis überein. Ihnen ist es bisher aber nicht gelungen, den von der h.M. vertretenen weiten Begriff des Fremdgeschäfts mittels genereller Regeln überzeugend und allseits anerkannt einzuschränken, so dass die Skepsis des historischen Gesetzgebers sich zu bestätigen scheint. Die Debatte wird teilweise durch allgemeine Postulate und Beobachtungen bestimmt, die für die praktische Rechtsanwendung weniger nutzbar zu machen sind, teils geht es um unterschiedliche Grundpositionen, deren theoretische Heterogenität aber keineswegs zwingend auch zu gewichtigen praktischen Differenzen führen muss, und schließlich handelt es sich um einige Einzelfragen.“ 216 Die verschiedenen, immer wiederkehrenden Problembereiche und die bereits bestehenden Fallgruppen der GoA (Tilgung fremder Schulden; Selbstaufopferung im Straßenverkehr, gewerbliche Abmahnung; Abschleppfälle etc.) konnten hier aus Platzgründen nicht erörtert werden, obwohl ihre Diskussion noch mehr veranschaulicht hätte, dass ein einheitlicher GoA-Tatbestand nicht existiert und auch gar nicht wünschenswert ist. 217 Als Beispiel sei hier die von den §§ 21, 22 BGB vorgegebene Notwendigkeit der Abgrenzung des nicht wirtschaftlichen vom wirtschaftlichen Verein genannt: Da eine allgemeingültige Definition des wirtschaftlichen Vereins nach langen und intensiven Bemühungen für aussichtslos befunden wurde, hat sich die von K. Schmidt, (Rpfleger 1972, 286 ff., 343 ff) entwickelte Typologie allgemein durchgesetzt, vgl Reichert, Handbuch des Vereinsund Verbandsrechts Rdn. 104; ähnlich dem Theorienstreit bei der GoA fand sich hier ursprünglich eine auf die objektiven Umstände (tatsächlich ausgeübte Tätigkeit) abstellende objektive Theorie und eine subjektiv argumentierende (auf den von den Vereinsmitgliedern beabsichtigten Zweck abstellende) Theorie, welche beide die mannigfaltigen Erscheinungs-
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doch eines nicht vergessen: Diese Typologie ist der Sache nach schon seit jeher versucht worden, denn das „objektiv fremde Geschäft“ stellt, wie bereits erörtert, an sich kein materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal der GoA sondern eine nur prozessual bedeutsame Beweisregel dar und ist damit nichts anderes als eine Typisierung des Geschäftsführungswillens. Diese Typisierung ist jedoch in der Praxis deswegen uferlos weit geraten, weil unter ihren Ausgangspunkt (das „fremde Geschäft“) eben alle erdenklichen Rechtsinteressen subsumiert werden konnten, ohne dass sich Kriterien aufstellen ließen, welche Arten von Rechtsbeziehungen hiervon auszunehmen seien und welche nicht.218 Damit steht der sich an der h.M. orientierende Leser wieder am Anfang: In welchen Fallsituationen soll der Geschäftsführungswille als „typischerweise“ vorliegend angenommen werden, worin sonst als in den sich aus dem materiellen Recht ergebenden Rechtsbeziehungen der Beteiligten soll eine solche Bewertung ihre Rechtfertigung finden und wann ist derjenige Bereich verlassen, in dem die mitunter recht komplexe materiellrechtliche Lage noch zur Beurteilung herangezogen werden darf? Der Rechtsanwender wird sich in die Einsicht zu fügen haben, dass es keinen einheitlichen Tatbestand der GoA gibt.219 Die unvermeidliche Bildung von Fallgruppen muss daher mit größter Vorsicht erfolgen, da der Vorwurf einer vom positiv gegebenen Recht sich lösenden richterlichen Willkür hier besonders nahe liegt. Dies wird bei der Erörterung der Ärzte-GoA stets zu bedenken sein.
formen der Praxis nicht allgemeingültig erklären konnten, vgl. Reuter in MüKo §§ 21, 22 Rdn. 7. 218 Bezeichnend Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 373: „dann ist nach objektiven Kriterien zu suchen, wer die Last am Ende zu tragen hat. Aber kann man einer bald 2000 Jahre währenden Debatte überhaupt noch etwas Neues hinzufügen?“ 219 Zutreffend und statt vieler Oppermann AcP 193 (1993), 499: „Weil die GoA in lückenfüllender Funktion andere und ganz unterschiedliche Rechtsbereiche tangiert, sind für die Korrektur von Nutzen und Kosten die Wertungsmaßstäbe der jeweiligen Rechtsgebiete ebenfalls heranzuziehen. Folglich gibt es keine für alle Handlungszusammenhänge gültige Bestimmung der rechtstechnischen Kategorien der GoA. Damit wird nicht vorgeschlagen, die Ausdehnung des Rechtsinstituts durch die Gerichte überhaupt zurückzunehmen. Vielmehr kann nur für die einzelnen Anwendungsfelder der Fremdgeschäftsführung überprüft werden, ob der Ausgleich der Interessen bzw. von Nutzen und Kosten optimal vollzogen worden ist.“ Helm (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 363) stellt zum faktisch weiten Anwendungsbereich der GoA fest: „Das Unbehagen der Rechtstheorie zeigt die Ratlosigkeit darüber, wie die Eingrenzung vorgenommen werden kann“. Er selbst verwirft aber sowohl den Ansatz Wollschlägers als auch den Wittmanns: „Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine Funktionsbegrenzung der GoA auf der Grundlage der derzeitigen theoretischen Ansätze kaum möglich ist“ (S. 365).
III. Auch fremdes Geschäft, vertraglich pflichtengebundener Geschäftsführer und Verbot der Versionsklage bei der Ärzte GoA A. Überblick Der ärztliche Gestor wird sich oftmals aufgrund außerhalb des GoA-Rechts begründeter Pflichten zur Behandlung gezwungen sehen (etwa gem. § 323 c StGB), was im Zweipersonenverhältnis von Arzt und Patient die Frage nach dem Ausschluss der GoA wegen der so genannten auch-Gestion aufwirft. Der Unterfall des auch-fremden Geschäfts, der vertraglich pflichtengebundene Geschäftsführer,1 ist für Drei- oder Mehrpersonenverhältnisse von Bedeutung: Falls die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles die Annahme eines zumindest konkludenten Vertragsschlusses zwischen dem Patienten und der Behandlungsseite erlauben oder ein solcher gar zweifelsfrei vorliegt, stellt sich die Frage, ob dieser Vertrag dem auf die echte GoA bzw. auf § 679 2. Alt. BGB gestützten Kostenregress gegen Dritte (Krankenversicherer; Sozialleistungsträger oder Unterhaltsschuldner des Patienten) entgegensteht. Umgekehrt kann sich die Frage stellen, ob die gegenüber einem Dritten als Vertragspartner des Arztes bestehende Pflicht zur Behandlung des Patienten es ausschließt, gegen diesen selbst nach den §§ 677 ff. BGB vorzugehen. Die in der Vergangenheit massiv geübte Kritik an der großzügigen GoA-Rechtsprechung zum auch-fremden Geschäft bzw. zum vertraglich gebundenen Geschäftsführer scheint langsam eine Tendenz der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Judikate zu einer restriktiven Verwendung der GoA zu bewirken.2 Das Meinungsbild ist aber noch unsicher, so dass es von besonderer Bedeutung ist, die für das Arztrecht diesbezüglich relevanten Wertungen zu erarbeiten. Die alle GoA-Konstellationen gleichermaßen berührenden Fragen der gesetzlichen, vertraglichen oder standesrechtlichen Pflichtenbindung des Arztes sollen hier abstrakt vorweg behandelt werden. Zunächst ist der bisherige, maßgeblich von der Rechtsprechungsauswertung Wollschlägers bestimmte Meinungsstand zur ärztlichen auch-Gestion wiederzugeben. Anhand der spärlichen Stellungnahmen der Literatur soll zunächst nachgewiesen werden, dass nicht pauschal das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer vertraglichen Bindung des Arztes über die Anwendbarkeit der GoA entscheiden darf, sondern richtigerweise die Einschränkung der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit maßgeblich ist. In der Folge sind diejenigen Pflichten des Arztes zu ermitteln, die eine derartige Einschränkung bewirken. Hypothese dieser Arbeit ist es, dass diese Pflichten der Ärzteschaft im Hinblick 1 Die Terminologie ist nicht einheitlich: Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 309 ff.) benutzt den Begriff „pflichtengebundener Geschäftsführer“ nur für den vertraglich gebundenen Gestor. Andere Autoren benutzen diese Bezeichnung aber ganz allgemein als Synonym für das „auch-fremde Geschäft“, das eben auch gesetzliche oder sonstige Pflichtenbindungen zum Gegenstand haben kann. 2 Vgl. oben, II B 3 ) (4).
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
auf medizinisch erforderliche Leistungen typischerweise relativ stark ausgeprägt sind, so dass insofern der Rechtsfigur des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers tendenziell keine Sperrwirkung gegenüber der GoA zukommen sollte. Anders ist dies jedoch im Hinblick auf solche ärztlichen Leistungen, die nicht medizinisch unabdingbar sind (z.B. Chefarztbehandlung im Krankenhaus, bestimmte zahnmedizinische Leistungen etc.), da insofern praktisch keine Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit bestehen. Zuvor müssen jedoch die arztrechtlich relevanten Sachverhaltskonstellationen und die üblicherweise damit verbundenen GoA-Problemstellungen kurz skizziert und geordnet werden.
B. Arztrechtliche Sachverhaltskonstellationen Von elementarer Bedeutung für die dogmatische Beurteilung von Mehrpersonenverhältnissen wie dem ärztlichen GoA-Rückgriff gegen Dritte sind die hier bereits angesprochenen, im Grunde gleichermaßen zur GoA wie auch zum Bereicherungsrecht entwickelten Grundsätze des Vorrangs der vertraglichen Leistungsbeziehungen und, damit gleichbedeutend, des Verbots der Versionsklage, die argumentativ immer wieder bemüht werden, keinesfalls aber als starres Dogma allgemein anerkannt sind.3 Das Verbot der Versionsklage und die damit teilweise identische Figur des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers stellen grundsätzliche Wertungen der Schuldrechtsdogmatik dar, deren (arztrechtlich relevanter) Anwendungsbereich allerdings nur zum Teil deckungsgleich mit den bereicherungsrechtlichen Anweisungskonstellationen ist. Streng zu unterscheiden sind im Arztrecht folgende Konstellationen und Ordnungsgesichtspunkte:
1. Zweipersonenverhältnis oder Mehrpersonenverhältnis Im Verhältnis zwischen Arzt und Patient besteht dann sicher kein Bedürfnis für die Anwendung der GoA, wenn von Beginn an ein Behandlungsvertrag zwischen ihnen geschlossen wurde. Anders ist dies, wenn der Vertrag erst nachträglich zustande kommt, etwa in Notfallsituationen bei Bewusstlosigkeit oder (vorübergehend) fehlender Geschäftsfähigkeit des Patienten. Das reine Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient spielte allerdings schon früher eine eher geringe Rolle in der Rechtsprechung, interessanter ist bei der Ärzte-GoA der Regress gegenüber Drittpersonen. Für den BGB-Gesetzgeber war insofern die unterhaltsrechtliche Einstandspflicht des Familienverbandes noch der Regelfall, worauf beim Unterhaltsrückgriff zurückzukommen sein wird.4 Im Vordergrund stehen heutzutage jedoch entweder das System der gesetzlichen Krankenversicherung oder der fürsorgende Sozialstaat.
3 Vgl. die Nachweise oben, II B 3 ) (4); aus jüngerer Zeit Wendlandt NJW 2004, 985, 986. 4 Vgl. unten V A.
B. Arztrechtliche Sachverhaltskonstellationen
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2. Vertragsarztsystem Der Grundfall der regulären Behandlung eines Kassenpatienten durch einen Vertragsarzt stellt nicht die dogmatisch einfachste sondern die komplizierteste Konstellation dar, die sich nicht zuletzt aufgrund ihrer öffentlichrechtlichen Komponenten in die hergebrachten schuldrechtlichen Muster nicht fügen will: Der Arzt erhält sein Honorar für die Behandlung eines Kassenpatienten von der Kassenärztlichen Vereinigung, die wiederum von den gesetzlichen Krankenversicherungen ein Gesamtbudget erhält, der Patient selbst hat sich durch seine Beiträge die ärztlichen Leistungen von der Krankenversicherung „erkauft“, die ihm die Behandlung aufgrund des so genannten Sachleistungsprinzips schuldet.5 Man könnte spontan meinen, dass es sich bei dieser vertragsärztlichen Leistungserbringung um einen aus der bereicherungsrechtlichen Dogmatik bekannten Anweisungsfall handelt: In der Behandlung des Patienten würde bei wertungsmäßiger Betrachtung die Vertragserfüllung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, von der der Arzt i.d.R. sein vertraglich geschuldetes Entgelt erhalten wird. Eine auf GoA oder die Nichtleistungskondiktion gestützte Kostenliquidation gegenüber dem Patienten würde sich dann dem Grundsatz nach schon wegen der zum Dritten bestehenden Leistungsbeziehung verbieten. Streitig ist aber ferner, ob zwischen Kassenpatient und Vertragsarzt eine eigene, die GoA sperrende Vertragsbeziehung besteht,6 was gegebenenfalls die Frage der so genannten angenommenen Anweisung aufwerfen würde.7 Bei dieser Betrachtungsweise ist vor allem aber die Krankenversicherung als vierte Partei in ihrer öffentlichrechtlichen Beziehung zur Kassenärztlichen Vereinigung und zum Patienten selbst noch gar nicht berücksichtigt. Infolge dieser Besonderheiten hat praktisch keiner der bisherigen Versuche, die Kostenliquidation für die Behandlung eines Kassenpatienten anhand der herkömmlichen Muster der Anweisungsfälle bzw. eines Vertrages zu Gunsten Dritter zu erklären, einen auch nur mehrheitlichen Beifall gefunden. Inwieweit in diesem komplexen Gefüge noch Platz für die GoA ist, stellt daher eine wichtige Frage dar, von einer nicht unplausiblen Literaturansicht werden die §§ 677 ff. BGB sogar als Analogiegrundlage für das (angebliche) gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Kassenpatient und Vertragsarzt angesehen.8 Diese Fragen sind an dieser Stelle zunächst vollständig auszuklammern, auf sie wird später bei der detaillierten Erörterung der ambulanten Behandlung eines Kassenpatienten beim niedergelassenen Arzt zurückzukommen sein.9
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Vgl. näher dazu IV A. Statt vieler Kern in Heidelberger Kommentar 335 Rdn. 5 m.w.N. Dazu später ausführlich, IV A. 7 Zur angenommenen Anweisung Lieb in MüKo § 812 Rdn. 52. 8 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 312, 313. 9 Vgl. unten, IV A. 6
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3. Rückgriff Eine andere Konstellation liegt dann vor, wenn der Arzt außerhalb dieses vertragsärztlichen Systems für die (vertragliche oder geschäftsführungsrechtliche) Behandlung eines Patienten von einem ihm nicht vertraglich verbundenen Dritten, wie etwa dem Unterhaltsschuldner des Patienten oder einem Sozialleistungsträger, aus GoA-Recht Ersatz verlangen will. Dann handelt es sich um eine klassische schuldrechtliche Rückgriffsfrage, bei der nach zwei Varianten zu differenzieren ist: a) Kein Behandlungsvertrag mit dem Patienten: Mehrere Geschäftsherrn bei der GoA Eine Sperrwirkung für GoA-Ansprüche gegen den Dritten kann sich dann nicht ergeben, wenn die Behandlung des Patienten nicht auf vertraglicher Grundlage sondern nur im Wege der GoA erfolgt ist. Dann stellt sich lediglich die Frage, ob der Arzt eine GoA für zwei Geschäftsherrn, den Patienten und den Dritten, geführt hat. Dies würde sein Risiko, gar kein Entgelt zu erhalten, effektiv vermindern, wenn er wahlweise gegen einen jeden von ihnen vorgehen dürfte. Von Relevanz wird dies klassischerweise dann sein, wenn der gänzlich ohne Vertrag oder nur aufgrund später geschlossen Vertrages behandelte Patient (näher zu dieser Differenzierung unten) sich als zahlungsunfähig, zahlungsunwillig oder unerreichbar10 erweist. Eine in der Behandlung des Patienten zu ersehende GoA für einen Dritten wird allerdings regelmäßig voraussetzen, dass diesen eine besondere Einstandspflicht für den Patienten trifft. Hierauf wird beim Unterhaltsregress und beim Rückgriff gegen Sozialleistungsträger zurückzukommen sein.11 b) Behandlungsvertrag mit dem Patienten: Verbot der Versionsklage? Eine andere Rückgriffskonstellation ergibt sich dann, wenn der Arzt die Behandlung aufgrund Vertrages mit dem Patienten erbracht hat. Hier müsste an sich die bereits angesprochene Wertung des Verbots der Versionsklage Geltung erlangen, die nur einen anderen Ausdruck für die Vorrangigkeit der vertraglichen Leistungsbeziehung darstellt: Es entspricht einem in der Literatur oftmals geäußerten, freilich sehr umstrittenen Gedanken des Schuldrechts, dass ein jeder, der vertragliche Leistungen erbringt, sich für das entsprechende Entgelt grundsätzlich an seinen Vertragspartner zu halten hat und das freiwillig in Kauf genommene Risiko von dessen Insolvenz grundsätzlich nicht dadurch sollte abwälzen können, indem er gegen Dritte, die von der Leistungserbringung profitieren, nach den §§ 677, 683 BGB vorgeht.12 Diese grundsätzliche Wertung versagt aber, wenn der Arzt als 10 So etwa im Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff.: Die nur zu Besuch in der BRD weilende Patientin war nach Abschluss der plötzlich erforderlich gewordenen Behandlung in ihr türkisches Heimatland zurückgekehrt. 11 Vgl. unten V A, B. 12 Vgl. die Nachweise oben II B 3 a) (3). Die Rechtsprechung, insbesondere die des BGH, folgt dem, wie erwähnt, nicht durchweg. Rebe (JA 1979, 36) meinte gar noch, die „nahezu
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Leistungserbringer sich aufgrund ausdrücklicher normativer Anordnung oder aufgrund der bloß faktischen Steuerungswirkung bestimmter Vorschriften zum Vertragsschluss mit dem Patienten gezwungen sah. Ihm den Rückgriff gegen gleichoder sogar vorrangig einstandspflichtige Drittpersonen zu versagen, ist dann gegebenenfalls nicht gerechtfertigt. Dies wird insbesondere für den ärztlichen Unterhaltsrückgriff, aber auch für eine Inanspruchnahme des Sozialleistungsträgers relevant sein.
C. Meinungsstand zum auch-fremden Geschäft, dem vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer und dem Verbot der Versionsklage bei der Ärzte-GoA 1. Überblick Zu erörtern sind damit in der Folge unter dem Gesichtspunkt des auch-fremden Geschäfts diejenigen vertraglichen, gesetzlichen und standesrechtlichen Handlungspflichten, die im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient womöglich eine Inanspruchnahme des Patienten nach GoA-Recht deswegen ausschließen, weil das Begleitinteresse des Arztes an der Erfüllung seiner eigenen Pflichten im Vordergrund steht. Umgekehrt und wesentlich praxisrelevanter ist für die oben skizzierten Mehrpersonenverhältnisse zu untersuchen, inwieweit die eben genannten Pflichten den Arzt ausdrücklich oder faktisch zum Abschluss eines Behandlungsvertrages mit dem Patienten zwingen, so dass nach §§ 677, 683 BGB in Anspruch genommene Dritte sich unter dem Gesichtspunkt des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers bzw. des Verbots der Versionsklage auf das dem GoA-Rückgriff entgegenstehende Interesse des Arztes an der Erfüllung seiner eigenen Vertragspflichten gegebenenfalls nicht berufen könnten. Das auch-fremde Geschäft stellt, wie bereits erwähnt, bislang noch nicht per se einen Ausschlussgrund für die GoA dar. Gleiches gilt für den Unterfall des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers. Der BGH hat noch bis vor kurzem betont, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung eine Geschäftsführung ohne Auftrag selbst dann noch vorliegen kann, wenn der Anspruchsteller zur Besorgung des Geschäfts einem Dritten gegenüber vertraglich verpflichtet war.13 Die wenigen arztrechtlich relevanten Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur sind einhellige Rechtsprechung“ sehe sich durch die vertragliche Bindung des Geschäftsführers gegenüber einem Dritten nicht an der Anwendung der GoA gehindert. Diese Aussage wird man angesichts der Judikatur der letzten Jahrzehnte so nicht mehr treffen dürfen. 13 BGHZ 143, 9 ff.= NJW 2000, 422 (die Argumentation des Gerichts, es wäre „nicht sachgerecht“ allein aufgrund der vertraglichen Bindung „jegliche Rückgriffsmöglichkeiten“ zu versagen (S. 423), stellt den typischen Angriffspunkt für die gegenüber einer derart flexiblen GoA-Rechtsprechung skeptische Literatur dar); BGHZ 40, 28 = NJW 1963, 1825; BGHZ 140, 102 ff. = NJW 1999, 858. Vgl. zuletzt auch BGH NZBau 2004, 34; dazu Wendlandt NJW 2004, 985 ff. Allgemein zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer etwa Helm Geschäftsführung ohne Auftrag S. 356 ff. und Beuthien/Weber, Ungerechtfertigte Bereicherung und GoA, S. 160 ff.
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denkbar unsortiert. Es wird leider oftmals nicht ausreichend unterschieden zwischen der „echten“ GoA des § 677 GBG, den Fällen des § 679 1. Alt. BGB und dem Unterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB, der, wie bereits erwähnt, einen Fremdkörper im GoA-Recht darstellt.14 Auch wird nicht immer hinreichend zwischen einem bereits zu Beginn der Behandlung erfolgenden und einem erst nachträglichen Vertragsschluss mit dem Patienten differenziert. Im Vordergrund der Äußerungen zur ärztlichen auch-Gestion steht eindeutig die gesetzliche Handlungspflicht aus § 323 c StGB, andere Pflichtenbindungen des Arztes werden praktisch nicht erörtert.
2. Wollschläger Wollschläger ist einer der wenigen Autoren, die sich wenigstens ansatzweise zu den hier interessierenden arztrechtlichen Seiten dieser allgemeinen GoA-Probleme äußern. Was den vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer betrifft hat er, wie bereits erörtert, schon allgemein weniger Bedenken, die GoA neben einem Vertrag zur Anwendung zu bringen: Er sieht zwar die offensichtlichen Parallelen zur gemeinrechtlichen Versionsklage (Verschaffung eines weiteren Schuldners), meint aber, die Gesetzesväter hätten die Entgelthaftung eines nicht am Vertrag beteiligten Dritten nicht abgelehnt, sondern lediglich eine gewollte Regelungslücke hinterlassen, die unter Sachgesichtspunkten zu schließen sei.15 Speziell im Falle des Rückgriffs gegen dem Patienten zum Unterhalt verpflichtete Dritte (§ 679 2. Alt. BGB) solle dies aber für Ärzte und Krankenhausträger ohnehin „fester Gerichtspraxis“ entsprechen.16 Ärzte und Krankenhäuser seien regresstechnisch auch deshalb zu bevorzugen, weil sie in Not- und Eilfällen ihre Dienste kreditunwürdigen Empfängern nicht verweigern dürfen, wohingegen andere Berufs- und Gewerbezweige von dieser einfachsten Art der „Kreditsicherung“ Gebrauch machen könnten.17 Zumindest der Unterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB stelle eine ganz bewusste gesetzgeberische Privilegierung auch solcher Einrichtungen dar, 14
Vgl. oben, II B 4 c) (5). Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.147, 148. Damit befindet er sich, wie gesagt, auf der Linie einer Rechtsprechung, deren fortdauernde Geltung der BGH noch in BGHZ 143, 9 ff. = NJW 2000, 422 zum wiederholten Male zum Ausdruck gebracht hat. 16 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143) verweist u.a. auf OLG München OLGRspr 26, 217 Anm. 1 (3.1.1912); OLG Hamburg HansRGZ 1931 B 494 (31.3.1931); LG Aachen JR 1951, 440 (6.7.1950); LG Berlin NJW 1960, 1390 (keine Unterhaltspflicht). Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 148) meint, es handle sich noch immer um eine verbreitete wenn auch sehr umstrittene Auffassung, nennt aber nur die hinlänglich bekannten Urteile: Dafür etwa: LG Bonn FamRZ 1970, 321; LG Bielefeld MDR 1966, 234; LG Stuttgart NJW 1961, 972 ff. Dagegen: OLG Saarbrücken NJW 1998, 828 ff.; OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff.; Strutz NJW 1972, 1110 ff. Auf eine entsprechende Rechtsprechung nimmt aktuell noch Ehmann (in Erman § 677 Rdn. 10) Bezug, der sie allerdings als unhaltbar kritisiert, siehe gleich. Vgl. auch Helm (Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 357), der meint, diese Rechtsprechung werde von der Literatur „nur teilweise kritisch beurteilt“. 17 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 149. 15
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die „ein Versagen des Systems der privaten Unterhaltsgewähr immer auffangen müssen“.18 Die Frage der Sperrwirkung eines mit dem Unterhaltsberechtigten geschlossenen Vertrages werde der historische BGB-Gesetzgeber im Übrigen kaum im Auge gehabt haben, da sie sich ursprünglich nicht nur bei minderjährigen Kindern (wie heute noch) sondern mitunter auch bei Ehefrauen gar nicht stellte.19 Wollschläger spricht mit diesen knappen Sätzen alle hier bereits skizzierten Argumentationslinien an, die in der Folge sauber auseinander zu halten sind: Das allgemeine Argument des auch-fremden Geschäfts bei Verfolgung eigener Interessen und Handlungspflichten sowie das als Unterfall hiervon anzusehende und für Mehrpersonenverhältnisse relevante Argument des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers, das gleichzusetzen ist mit dem Verbot der Versionsklage bzw. mit dem allgemeinen schuldrechtliche Argument von der Freiheit bei der Wahl des Vertragspartners und der damit verbundenen Inkaufnahme von dessen Insolvenz. Diese Wertungen sind abzustimmen mit etwaigen Handlungspflichten des Arztes und daraus folgenden Einschränkungen bei der Vertragspartnerwahl.
3. Übrige Literatur Das Zusammenspiel dieser Aspekte erfährt in der literarischen Diskussion zu § 677 BGB bzw. zu § 679 2. Alt. BGB kaum detaillierte Beachtung, so dass auch eine spezifisch arztrechtliche Betrachtung noch aussteht. Obwohl die Literatur der dargestellten Tendenz Wollschlägers zu einer insgesamt großzügigen Anwendung der GoA insbesondere beim vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer mittlerweile überwiegend mit Skepsis begegnet, wurde wenigstens seine Ansicht zum ärztlichen Unterhaltsregress in der Vergangenheit offenbar geteilt, soweit überhaupt Stellungnahmen zu diesem Punkt erfolgten.20 Leider werden die dogmatischen Einzelheiten heute nur selten diskutiert, neuere obergerichtliche oder höchstrichterliche Urteile und Äußerungen zur Ärzte-GoA sind rar oder nichtexistent, insbesondere hat für den Unterhaltsregress nach § 679 2. Alt. BGB das Problem durch die 1976 vorgenommene Neuregelung der „Schlüsselgewalt“ gem. § 1357 BGB an Relevanz verloren.21 Kritik an Wollschlägers Verständnis des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers ist jedenfalls nicht gänzlich ausgeblieben.22 Wie bereits bei der Erörterung der allgemeinen GoA-Dogmatik er18
Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 140. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143: Im 19. Jahrhundert war die Ehefrau nach den meisten partikularen Güterrechten nur beschränkt geschäftsfähig, ihre Aufnahme in ein Krankenhaus war daher wie die laufende vertragslose Unterhaltsgewähr zu behandeln. 20 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143) kann sich auf die damaligen Auflagen der maßgeblichen Kommentarliteratur berufen: Thomas in Palandt § 677 Rdn. 2e, § 679 Rdn. 2 c; Nipperdey in Staudinger § 677 Rdn. 17; Mühl in Soergel § 677 Rdn. 6 ff.; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 28. Vgl. dazu auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 148; Strutz NJW 1972, 1110 ff. 21 Näher dazu unten D. I. f. 22 Ehmann (in Erman § 677 Rdn. 10) konstatiert, dass die Anwendung der GoA trotz bestehenden Vertrages von der Rechtsprechung vor allem anhand des ärztlichen Unterhalts19
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wähnt, neigt auch der BGH mittlerweile dazu, bei dem bereits einem Dritten gegenüber vertraglich gebundenen „Geschäftsführer“ einen Ausschluss der GoA jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Vertrag die Entgeltfrage „umfassend“ regelt,23 spricht dem Vertrag aber nicht per se eine Sperrwirkung zu24 und verweigert sich damit, in Übereinstimmung mit Wollschläger, völlig zu Recht einer starren schematischen Lösung.
4. Faktischer Kontrahierungszwang als maßgebliches Kriterium a) Überblick Die in Rechtsprechung und Literatur seit längerem zunehmend betonte, gegenüber dem Ansatz Wollschlägers restriktive Grundregel zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer (bzw. zum auch-fremden Geschäft) bedarf bei der ÄrzteGoA der differenzierenden Präzisierung, an der es bislang fehlt. Es ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen Eil- und Notfallsituationen, in denen insbesondere die gesetzliche Handlungspflicht gem. § 323 c StGB zu beachten ist, zwischen Sachverhalten, in denen zwar kein Notfall vorliegt, dafür aber die (vertragliche) Leistung des Arztes medizinisch erforderlich ist, sowie zwischen solchen Sachverhalten, in denen eine medizinisch nicht unabdingbare Leistung erbracht wird (etwa Wahlleistungen im Krankenhaus, nicht erforderliche kosmetische Operationen, bestimmte zahnärztliche Leistungen). Dabei wird sich zeigen, dass es in sämtlichen arztrechtlichen Sachverhalten nicht pauschal das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Behandlungsvertrages mit dem Patienten ist, das über die Anwendbarkeit der GoA entscheidet, sondern vielmehr die Einschränkung der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit und, damit zusammenhängend, die Art der erbrachten Leistung. Ausgangspunkt dieser Hypothese ist die Notfallsituation, an der dies exemplifiziert werden soll. rückgriffs entwickelt worden sei, hält dies jedoch für verfehlt und verweist ohne weitere Spezifikation auf die mittlerweile allgemein eingenommene kritische Haltung zum pflichtengebundenen Geschäftsführer und die drohende Funktionsgleichheit mit der Versionsklage. Die etwaigen Besonderheiten, etwa des § 679 2. Alt. BGB, werden von ihm allerdings nirgends abgeklärt An anderer Stelle (§ 677 Rdn. 7) leitet er aus der dem Arzt obliegenden Handlungspflicht gem. § 323 c StGB ab, dass zumindest § 241 a BGB Folgeansprüche aus GoA nicht hindern dürfe. Eine weitergehende Privilegierung ärztlichen Handelns will er offenbar nicht konzedieren, das Problem des erst nachträglich zustande gekommenen Vertragsschlusses erörtert er nicht; Hauss (Festgabe für Weitnauer, S.334) spricht sich gegen eine Privilegierung der Ärzte innerhalb der GoA-Dogmatik aus; kritisch zum Unterhaltsrückgriff bei bestehendem Behandlungsvertrag auch Schwerdtner Jura 1982, 593, 596 („unhaltbar“) und OLG Saarbrücken NJW 1998, 828 unter Berufung auf das Verbot der Versionsklage. Allgemein zum derzeitigen Diskussionsstand bei vertraglicher Pflichtenbindung des Geschäftsführers Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 309 ff. m.w.N, dort auch mit Darstellung der Versionsklage und ihres rechtsgeschichtlichen Werdegangs. 23 BGH NZBau 2004, 34. 24 BGHZ 143, 9 = BGH NJW 2000, 422.
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b) Argumentation anhand § 323 c StGB Die gesetzliche Handlungspflicht aus § 323 c StGB wird ganz zu Recht als eine der Anwendung der GoA in keinem Fall entgegenstehende Rechtspflicht des (ärztlichen) Geschäftsführers angesehen.25 Soweit es nur um die Kostenliquidation im Verhältnis zwischen Arzt und Patient geht, ist diese Frage wenig relevant, denn entweder kann dann aus GoA gegen den Patienten vorgegangen werden oder es ist, wenn die Situation dies erlaubt, eben von einem (faktisch erzwungenen) Vertragsschluss auszugehen. Wie aber bereits erwähnt, ist das Zweipersonenverhältnis im Arztrecht kaum von Bedeutung. Der Fall, dass ein nicht krankenversicherter Patient trotz Liquidität die ihm geleistete ärztliche Eilhilfe nicht bezahlen will, wird in der veröffentlichten Rechtsprechung kaum auffällig. Wenn ein Vertragsschluss zustande gekommen ist, stellt sich vielmehr die praxisrelevantere Frage nach den Auswirkungen im Mehrpersonenverhältnis, mithin, ob der Vertrag GoA-Ansprüche des Arztes gegen Dritte sperrt (Verbot der Versionsklage). Soweit überhaupt Äußerungen dazu erfolgen, wird eine Ausnahme von der vertraglichen Sperrwirkung für die Fälle erwogen, in denen dem Arzt der Vertragsschluss, etwa durch das Handlungsgebot des § 323 c StGB, geradezu aufgezwungen wurde.26 Bevor auf diesen faktischen Kontrahierungszwang näher eingegangen wird, ist aber noch eine wichtige, nirgends diskutierte Differenzierung herauszustellen: c) Nachträglicher Vertragsschluss In der Praxis kommt es gewiss nicht selten vor, dass ein anfänglicher (konkludenter) Vertragsschluss in Fällen einer Notfallbehandlung aufgrund fehlender Geschäftsfähigkeit des Patienten infolge von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinsstö25
Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 199; Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 15; Beuthien/Weber, Ungerechtfertigte Bereicherung und GoA, S. 136; Ehmann in Erman § 677 Rdn. 7; D.Giesen Jura 1996, 225, 235; Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 398; Mansel in Jauernig § 677 Rdn. 7; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32, 43; Sprau in Palandt § 677 Rdn. 11. A.A. nur Pesch (Jura 1995, 361, 367), der den Nothelfer als ausreichend geschützt ansieht, da ihm bereits Ansprüche nach Unfallversicherungsrecht zustehen (vgl. § 2 I Nr. 13 SGB VII), ihm den GoA-Anspruch zu gewähren, sei daher entbehrlich. 26 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32, 43; Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 318), der zu dieser Ausnahme vom Verbot der Versionsklage auch nur Wollschläger zitiert („Von diesem Grundsatz werden Ausnahmen diskutiert. Sei das tragende Prinzip der Vertragsordnung seinerseits gestört, so werde es schwer, an der dargestellten Beschränkung geschäftsführungsrechtlicher Durchgriffsansprüche festzuhalten. Dies zeigten besonders deutlich die Arzt und Krankenhausfälle. Der Arzt habe selten die Gelegenheit, sich seinen Patienten auszusuchen.“), für die eigentlich interessierenden Fälle dann aber keine eigene Stellungnahme abgibt. Er bemerkt lediglich ganz richtig, dass die vertragliche Pflichtenbindung des angestellten Krankenhausarztes schon deswegen keine Rolle spielt, weil dieser gar nicht als Geschäftsführer anzusehen ist (und regelmäßig ja auch keine Ansprüche geltend macht), sondern vielmehr das Krankenhaus. Die angestellten Ärzte seien lediglich Geschäftsführungsgehilfen (Rdn. 323). Leider erörtert er in der Folge (entgegen der Ankündigung von Rdn. 148) nicht den Rückgriff des vertraglich mit dem Patienten gebundenen Arztes/Krankenhauses gegen Dritte.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
rungen zunächst gar nicht angenommen werden kann, sondern allenfalls nachträglich zustande kommt, vorausgesetzt, dass nicht bereits Begleitpersonen des Hilfebedürftigen (für ihn) kontrahiert haben. Letztere Möglichkeit soll hier zunächst mehr oder weniger ausgeklammert werden.27 Der erst nachträgliche Vertragsschluss ist bislang für die Ärzte-GoA noch nicht ausreichend thematisiert worden. Dem Zeitmoment kommt aber eine besondere dogmatische Relevanz zu, denn aufgrund des Prioritätsgrundsatzes kann sich in solchen Sachverhalten eine vertragliche Sperrwirkung gegenüber der GoA selbst bei vehementer Anwendung der Grundsätze zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer gar nicht ergeben.28 Das mag man für eine dogmatische Selbstverständlichkeit halten, es wird in der Praxis aber mitnichten durchweg beachtet,29 in der Literatur wird dieser Punkt auch dort nicht angesprochen, wo der nachträgliche Vertragsschluss erörtert wird.30 Zu beachten ist zunächst der Grundsatz, dass die GoA auch durch nachträgliche Genehmigung nicht zu einem rückwirkenden Vertragsverhältnis führen soll.31 Ein nachträglicher Vertragsschluss mit dem Patienten wird nicht selten nur schlüssig erklärt sein, als Anknüpfungspunkt werden hier etwa die spätere Duldung der weiteren Behandlung oder die Entgegennahme einer Rechnung genannt.32 Nimmt man jedenfalls ab dem Zeitpunkt einer solchen Genehmigung ei-
27 Sie ist später bei der GoA für den Patienten wieder auf zugreifen. Die Abgrenzung von (faktischem) Behandlungsvertrag, Behandlungsvertrag oder –auftrag zu Gunsten Dritter, Behandlungsvertrag in (ggf. vollmachtloser) Stellvertretung muss an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. 28 Es sei denn, man würde den allgemeinen und ungeschriebenen Grundsatz des Schuldrechts, dass sich im Hinblick auf das für eine erbrachte Tätigkeit geforderte Entgelt ein jeder an seinen Vertragspartner halten muss, dahin weiterentwickeln wollen, dass dieser Grundsatz auch bereits vor Vertragsschluss entstandene (GoA-) Ansprüche gegen Dritte rückwirkend vernichten würde. Das vertritt aus guten Gründen niemand, da damit die Grenzen einer zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung weit überschritten wären. 29 In der Entscheidung OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. ist es unklar, ob die Begleitperson der Patientin stellvertretend für sie einen Vertrag geschlossen haben soll, näher hierzu unten, V A 7 i) beim Unterhaltsrückgriff. 30 Vgl. Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 12, § 45 Rdn. 19 für einen zurückwirkenden Vertragsschluss, der nicht mit der Genehmigung zu verwechseln sei; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 83; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rdn. 30; auch Brox, Bes SchuldR, § 27 Rdn. 5. 31 So Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 54) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte. In anderen europäischen Rechtsordnungen gäbe es diese Möglichkeit, für das deutsche Recht sei aber zumindest eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. 32 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 110; Laufs (Arztrecht Rdn. 126) mit der im Hinblick auf die unangenehme GoA-Dogmatik bezeichnenden Bemerkung: „Die aus den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag sich ergebenden Schwierigkeiten lassen sich durch nachträgliches Bestätigen nichtiger Verträge oder dadurch vermeiden, dass Arzt und Patient den Vertragsschluss nachholen“; Uhlenbruck in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 45 Rdn. 19; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 63; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rdn. 30. OLG Düsseldorf NJW 1975, 596 sieht („allenfalls“) in der nachträglichen Kostenübernahme durch die AOK den Abschluss des Krankenhausvertrages über
C. Meinungsstand
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nen Vertragsschluss an, lassen sich bereits entstandene GoA-Ansprüche gegen Dritte auch mit einer Auslegung dieses (nicht rückwirkenden) Vertrages kaum beseitigen: Sollten bis zu dem für einen Vertragsschluss frühestens in Betracht kommenden Zeitpunkt die tatbestandlichen Voraussetzungen einer GoA bzw. eines Unterhaltsrückgriffs gemäß § 679 2. Alt. BGB in Bezug auf andere Personen als den Patienten schon vorgelegen haben, wird man zwar einen nachträglichen Vertragsschluss mit dem Hilfebedürftigen unter Umständen noch dahingehend auslegen können, dass die Behandlungsseite auf gegen ihn gerichtete GoA-Ansprüche verzichtet und sich mit dem (besseren) vertraglichen Anspruch begnügt. Ohne ausdrückliche Anhaltspunkte wird man aber einen solchen nachträglichen Vertrag kaum dahingehend auslegen können, dass die Behandlungsseite auf bereits entstandene GoA-Ansprüche gegen Dritte selbst für den Fall verzichten will, dass der Patient nicht zahlt und kein Dritter freiwillig einspringt. Eine ausdrückliche Vereinbarung dieser Art wird kaum je vorkommen: Welcher Patient käme auf die Idee, Derartiges zu verlangen? Die Behandlungsseite hätte naheliegenderweise auch keinerlei Anlass, sich auf ein solches Ansinnen einzulassen. Zu den dogmatischen Voraussetzungen eines solchen Verzichts ist zudem zu bemerken: Ein Erlass gem. § 397 BGB erfordert einen Vertragsschluss mit dem Schuldner, hier also dem aus GoA bereits auf Aufwendungsersatz verpflichteten Dritten. Ein dinglich wirksamer Verzicht auf solche Ansprüche kann im Vertrag mit dem Patienten somit gar nicht erfolgen, allenfalls könnte man hier eine rein schuldrechtliche Vereinbarung zu Gunsten eines Dritten annehmen, aus der dieser dann vom Arzt den Abschluss des Erlassvertrages fordern könnte. Es versteht sich wohl von selbst, dass eine derartige Konstruktion nicht ohne weiteres angeht. Einen solchen, nicht ausdrücklich geäußerten Willen der Parteien im Wege der Auslegung in den nachträglichen (stillschweigenden) Vertragsschluss hineinzulesen, wäre eine reine Fiktion, die ersichtlich den berechtigten Regressinteressen der Behandlungsseite zuwiderlaufen würde und vom bloßen richterlichen Willen getragen wäre, den GoARückgriff gegen Dritte zu versperren.33 d) Sperrwirkung eines bereits zu Behandlungsbeginn geschlossenen Vertrages Eine pauschale Anwendung der Grundsätze zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer ist bei der Ärzte-GoA aber auch in den Fällen des bereits zu Behandlungsbeginn erfolgenden (ggf. auch nur konkludenten oder stellvertretend durch Begleitpersonen vorgenommenen) Vertragsschlusses nicht angebracht. Dies eine Notfallbehandlung (ein Vertrag mit dem letztlich seinen Verletzungen erlegenen Patienten konnte gar nicht zustande kommen). 33 Man bewahrt sich lediglich den Blick für die Realitäten einer überlasteten Justiz, wenn man die keineswegs von mangelnder Achtung getragene Vermutung ausspricht, dass es in der Praxis nicht so selten vorkommen mag, dass ein Gericht aus nicht offen eingestandenen Billigkeitserwägungen heraus oder gar, um sich schwierige Folgeerwägungen zu ersparen, einen klägerischen Anspruch nicht (an-)erkennen will. Der Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. stellt hierfür ein Paradebeispiel dar. Die Entscheidung wird später beim Unterhaltsrückgriff ausführlich erörtert, vgl. unten, V A 7 i).
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
ergibt sich aus folgenden Überlegungen, die von den Literaturansichten, die dies wenigstens überhaupt ansprechen,34 nicht genügend herausgestellt werden: Wenn es wirklich allein der Vertrag wäre, der über die Anwendbarkeit des ärztlichen GoA-Rückgriffs entscheidet, würde die Regressmöglichkeit in durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigende Weise von der Ansprechbarkeit des (geschäftsfähigen) Patienten abhängen bzw. vom zufälligen Vorhandensein von Begleitpersonen bei Beginn der Behandlung, denen durch richterliche Auslegungskünste mitunter ein stillschweigender Vertragsabschluss in (ggf. vollmachtsloser) Stellvertretung unterstellt wird. Bei fehlender Ansprechbarkeit des nicht begleiteten Patienten kommt ein Vertrag aber keinesfalls zustande, so dass der GoA-Regress gegen Dritte, wie etwa den Unterhaltsschuldner des Patienten, nicht durch eine vertragliche Sperrwirkung gehindert sein könnte (s.o.). Natürlich muss es keineswegs ein Unding darstellen, wenn minimale Variationen der zu beurteilenden Sachverhalte ganz unterschiedliche rechtliche Ergebnisse zeitigen, vielmehr stellt das Erkennen und Begründen feinster Unterschiede ja geradezu ein Kernelement des juristischen Handwerks dar. Es kommt dann eben darauf an, ob die variierenden Merkmale die durch sie bewirkten Unterschiede tragen. Für die Ansprechbarkeit des geschäftsfähigen Patienten und das Vorhandensein von Begleitpersonen fehlt es aber an einer solchen Rechtfertigung, zumal es in Bezug auf tatsächlich vorhandene Begleitpersonen zusätzlich nicht einmal um Sachverhaltsvariationen geht sondern um eine mehr oder weniger willkürlich handhabbare Frage der rein rechtlichen Auslegung, ob man einen stillschweigenden Vertragsschluss mit dem Arzt annimmt oder nicht. Es sind denn auch nicht diese Merkmale, die über die Sperrwirkung für den GoA-Rückgriff entscheiden können. So wird von Seiler die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Ärzte-GoA nicht pauschal von dem Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Behandlungsvertrages abhängig gemacht, sondern davon, ob die Entscheidungs- und Kontrahierungsfreiheit der Behandlungsseite eingeschränkt war oder nicht, was namentlich dann der Fall sein sollte, wenn die Strafandrohung des § 323 c StGB im Raum stand.35 Dies leuchtet auch ein, denn es ist ja das Argument von der Freiheit der Vertragspartnerwahl, das es sonst allgemein rechtfertigt, den der Versionsklage gleichkommenden GoA-Rückgriff gegen Dritte zu versagen. Diese Freiheit der Vertragspartnerwahl ist in Notsituationen grundsätzlich nicht gegeben, ohne dass es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für den Abschluss eines Rechtsgeschäfts vorliegen oder nicht.36 Wenn der Patient aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht zu Äußerungen in der Lage oder sogar nicht geschäftsfähig ist, ist die Situation zwar oft so ernst, dass 34 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32, 43; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 309 ff., 318. 35 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32. 36 Kilian (AcP 180 (1980), 47, 75, 76) weist zutreffend darauf hin, dass der Abgrenzung von Vertrag und anderen Rechtsinstituten, wie dem Quasi-Kontrakt, ohnehin keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden sollte, da auch die positiv abgegebene Willenserklärung vom Rechtsanwender meist nur unterstellt werde und daher nur Fiktion sei. Entscheidend komme es vielmehr auf die Frage an, ob eine Zwangslage vorgelegen hat oder nicht. Er nennt in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich das von Eberhardt (AcP 171 (1971), 289, 301) erörterte Verhältnis von Kassenarzt und Kassenpatient.
C. Meinungsstand
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die ärztliche Freiheit, den Patienten nicht zu behandeln, regelmäßig aufgrund der Strafandrohung des § 323 c StGB ausgeschlossen ist. Dies erlaubt aber nicht den Umkehrschluss, dass in anderen Fällen, in denen aufgrund der Ansprechbarkeit des (geschäftsfähigen) Patienten ein Vertragsschluss möglich ist, zugleich auch die ärztliche Kontrahierungsfreiheit gewährleistet wäre, so dass der Ausschluss des GoA-Rückgriffs sich auf das Argument stützen könnte, dass die Behandlungsseite aufgrund freier Wahl des Vertragspartners auch dessen etwaige Zahlungsunfähigkeit in Kauf zu nehmen hätte.37 Denn die bestehende Geschäftsfähigkeit des Patienten bedeutet keinesfalls, dass sein gesundheitlicher Zustand weniger ernst als bei fehlender Ansprechbarkeit sein muss und dass eine Behandlungsverweigerung (d.h. eine damit einhergehende Verweigerung des Vertragsschlusses!) nicht die Voraussetzungen des § 323 c StGB erfüllen würde. Die Einschränkung der ärztlichen Handlungsfreiheit gemäß § 323 c StGB stellt nicht etwa das kontradiktorische Gegenteil der Vertragsabschlussfähigkeit des Patienten dar, so dass die beiden Merkmale gar nicht miteinander korrelieren. Erst recht gilt dies für das Vorhandensein von Begleitpersonen. Damit ist aber, inzident und bislang wenig beachtet, die maßgebliche Wertung zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer in arztrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen getroffen: Das Vorliegen eines Behandlungsvertrages mit dem Patienten kann allein die GoA nicht pauschal sperren, denn für die Fälle, in denen § 323 c StGB und die Eilbedürftigkeit der Situation einen Vertragsabschluss faktisch erzwingen, ist die Unbilligkeit dieses Ergebnisses von denjenigen, die sich überhaupt damit beschäftigen, mehr oder weniger anerkannt.38 Wenn aber die gesetzliche Handlungspflicht aus § 323 c StGB der Anwendung der Ärzte-GoA nicht entgegenstehen kann, bedarf es einer besonderen Begründung, wenn man beim GoA-Rückgriff in Mehrpersonenverhältnissen andere vertragliche, gesetzliche und standesrechtliche Pflichten des Arztes, die eine gegebenenfalls vergleichbare Einschränkung der Handlungs- und Kontrahierungsfreiheit bewirken, unter pauschalem Hinweis auf den jedenfalls mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag ignorieren wollte.39 Seiler deutet diesen Punkt
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Dieses Argument verkennt im Übrigen, dass dann immer noch der nicht privilegierte Rückgriff durch Erwirken eines Titels gegen den Patienten und (soweit möglich) Pfändung und Überweisung etwaiger Freistellungsansprüche gegen Dritte möglich wäre. Man sollte daher sorgfältig überlegen, ob nicht besondere Gründe dafür sprechen, sogleich den direkten Rückgriff über die Anwendung der GoA zu gewähren. 38 In diese Richtung aber nicht immer präzise auf die Problematik des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers ausgerichtet: Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 199; Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 15; Beuthien/Weber, Ungerechtfertigte Bereicherung und GoA, S. 136; Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 398; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32, 43. Die Bedeutung des § 323 c StGB wird in diesem Zusammenhang nicht selten gänzlich verkannt, vgl. etwa OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. 39 Ulsenheimer (in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 1) spricht von einer „Vielzahl rechtlicher Bezüge-Standesrecht, Zivilrecht, öffentliches Recht- die die Frage der ärztlichen Hilfeleistungspflicht aufweist.“
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
wenigstens sporadisch an, erörtert ihn aber leider nicht weiter.40 In der zivilrechtlichen Literatur zur GoA wird die Nichtanwendung der Grundsätze zum vertraglich pflichtengebundenen Arzt mehr oder weniger auf die meist auch nur kurz angerissene „Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit durch § 323 c StGB“ verkürzt. Einen weiteren Mangel des Meinungsstandes stellt es dar, dass die materielle Reichweite des für maßgeblich erklärten § 323 c StGB in diesem Zusammenhang gar nicht weiter diskutiert wird und damit die Frage nach der Anwendbarkeit der Ärzte-GoA nur um ein, allerdings lösbares, Problem vermehrt wird. Es ist also unumgänglich, sämtliche Handlungspflichten des Arztes in den Blick zu nehmen. Zuvor sei hier jedoch in aller Kürze eine Zusammenfassung der Dogmatik des Kontrahierungszwangs bzw. der Einschränkung der Vertragsabschlussfreiheit gegeben, da es diese Grundsätze sind, welche ein Abgehen vom Verbot der Versionsklage bzw. von der in Literatur und Rechtsprechung zunehmend betonten Rechtsfigur des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers rechtfertigen sollen.
D. Allgemeine Dogmatik des Kontrahierungszwangs Zu den grundlegenden Ordnungsprinzipien des BGB gehört nicht nur die positive Abschlussfreiheit, das heißt die Möglichkeit, Privatrechtsverhältnisse durch Vertrag regeln zu können, sondern natürlich auch die keiner Rechtfertigung bedürfende negative Abschlussfreiheit, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen zu müssen.41 Diese Freiheiten bestehen aber, wie in unserer auf Interessenausgleich bedachten Gesellschaft üblich, nicht schrankenlos, vielmehr ordnet der Gesetzgeber für bestimmte Sachverhalte einen Kontrahierungszwang an, das heißt „die aufgrund einer Norm der Rechtsordnung einem Rechtssubjekt ohne seine Willensbildung im Interesse eines Begünstigten auferlegte Verpflichtung, mit diesem einen Vertrag bestimmten oder von unparteiischer Seite zu bestimmenden Inhalts abzuschließen“.42 In der Regel wird dabei nicht nur die Vertragsabschlussfreiheit eingeschränkt, sondern auch die inhaltliche Gestaltungsfreiheit, denn mit einer Pflicht zum Abschluss eines Vertrages beliebigen Inhalts wäre dem zu Begünstigenden natürlich nicht gedient.43 Die wenigen in unserer Rechtsordnung zu
40 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32 („mindestens in Eilfällen“). Er bildet damit gewissermaßen den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. 41 Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 12, 14.; Grunewald AcP 182 (1982), 181, 186. Kilian (AcP 180 (1980), 47, 48) verweist darauf, dass es sich hierbei keineswegs um eine Selbstverständlichkeit sondern um eine politische Errungenschaft des Liberalismus des 19. Jahrhunderts handelt, die sich gegen zahlreiche obrigkeitliche, berufsständische und korporative Bindungen durchzusetzen hatte. Das Maß der staatlichen Regulierung habe seit Inkrafttreten des BGB aber wieder stark zugenommen, so dass das Argument der Vertragsfreiheit einer beständigen Abgleichung mit der Realität bedürfe (S. 83). 42 Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 7. 43 Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 15; F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 5.
D. Allgemeine Dogmatik des Kontrahierungszwangs
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findenden ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen eines Kontrahierungszwanges, etwa aus dem Bereich des Berufsrechts, des Energieversorgungsrechts oder des Versicherungsrechts, geben in der Praxis kaum Anlass zu Streitigkeiten.44 Dogmatische Probleme bereiten regelmäßig die gesetzlich nicht direkt angeordneten sondern nur „interpretativ gewonnenen Kontrahierungszwänge“.45 Große Bedeutung wird etwa dem mittelbaren Kontrahierungszwang bescheinigt, der sich aus einem Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungs- und Diskriminierungsverbot (§§ 33, 20 I, II GWB) ergeben kann.46 Diese Regelung ist nicht zuletzt auch für diejenigen Bereiche des Gesundheitswesens relevant, bei denen die Geltung der Wettbewerbsordnung streitig ist bzw. für die eine Öffnung für den Wettbewerb auf der rechtspolitischen Tagesordnung steht.47 Diese wettbewerbsrechtlichen Behinderungs- bzw. Diskriminierungsverbote gelten freilich nur für das Verhältnis von Unternehmern untereinander und lassen sich auf die Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht übertragen. Jedoch können sich auch im Verhältnis von Unternehmern48 zum Endverbraucher ungeschriebene Kontrahierungszwänge ergeben.49 Hier ist allerdings vieles noch streitig, das gilt sowohl für die einschlägige Anspruchsgrundlage als auch für die näheren Voraussetzungen:50 44 Bork (in Staudinger Vor § 145 Rdn. 18) mit Überblick über einschlägige gesetzliche Normen. Dazu auch Kilian AcP 180 (1980), 47, 53 ff. 45 Kilian AcP 180 (1980), 47, 81. Insgesamt hierzu Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 18; F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1 ff.; ders. JZ 1980, 378 ff.; Grunewald AcP 182 (1982), 181 ff.; Wolf JZ 1976, 41 ff.; Raiser JZ 1958, 1 ff; Nicklisch JZ 1976, 105 ff.; Mestmäcker JZ 1964, 441 ff. 46 Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 18. Dazu auch Kilian AcP 180 (1980), 47, 56 ff. 47 Vgl. etwa BGHZ 101, 73 ff. („Krankentransporte“). Der BFH (Beschluss v. 18.9.2007 Az I R 30/06) hat erst kürzlich festgestellt, dass Krankentransporte und Rettungsdienste der Gewerbesteuerpflicht unterliegen. Die auf fehlenden zusätzlichen Bedarf gestützte Versagung der Zulassung zum Rettungsdienst hielt bereits BVerwG NJW 1996, 1608, 1609 für verfassungsrechtlich „zweifelhaft“ (Das von der EU-Kommission gegen die BRD eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen der fehlenden Ausschreibung bei der Vergabe rettungsdienstlicher Aufgaben (vgl. Pressemitteilung der Kommission IP/07/90; siehe auch DÄBl. 5/2007) stellt ebenfalls ein Signal für zunehmenden Wettbewerb im Gesundheitswesen dar). 48 Keineswegs darf man davon ausgehen, dass der Arzt per se kein „Unternehmer“ sei. Der Begriff unterliegt bekanntlich keiner für das Privatrecht einheitlichen Definition. Zur weiten Auslegung des Unternehmensbegriffs beim wettbewerbsrechtlichen Kontrahierungszwang Kilian AcP 180 (1980), 47, 81 („nicht nur Großunternehmen, sondern auch…Tierärzte, Optikermeister, Orthopäden…“). Dem Unternehmerbegriff des § 14 BGB unterliegen die Freien Berufe unproblematisch, vgl. Micklitz in MüKo § 14 Rdn. 31. 49 Dies ist genau genommen sogar der praktische Hauptanwendungsbereich der Dogmatik vom ungeschriebenen Kontrahierungszwang, vgl. F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 29 ff. 50 Die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts stützte sich hierfür noch auf eine sittenwidrige, den Tatbestand des § 826 BGB erfüllende Verweigerung lebensnotwendiger Leistungen durch einen Monopolisten, sowohl von diesen engen Voraussetzungen als auch von dieser Anspruchsgrundlage hat sich die Dogmatik aber mittlerweile entfernt, vgl. den Überblick von Bork (in Staudinger Vor § 145 Rdn. 21 ff.) sowie die Darstellung der dogmatischen Entwicklung bei: Grunewald AcP 182 (1982), 181, 187 ff.; Kilian AcP 180 (1980), 47 ff.; F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 10 ff.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
Teilweise wird Kontrahierungszwang dann angenommen, wenn der Leistungserbringer als Monopolist mit einer öffentlichen Versorgungsaufgabe betraut ist,51 nach anderer Ansicht ist hingegen nicht auf eine Monopolstellung sondern auf eine beherrschende Marktstärke abzustellen,52 nach wieder anderer Ansicht hingegen auf den Umstand, dass lebenswichtige Güter angeboten werden.53 Nach der am weitesten gehenden Ansicht besteht Kontrahierungszwang sogar im Hinblick auf eine jede Bedarfsdeckung im Rahmen einer normalen Lebensführung eines Durchschnittsmenschen.54 Legt man den letztgenannten Maßstab zugrunde, wäre die Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit freilich kaum noch ein geeignetes Argument für die (ausnahmsweise) Eröffnung des GoA-Rückgriffs trotz bestehenden Vertrages, denn bei einer derart großzügigen Handhabung würde Kontrahierungszwang für einen Großteil der gehandelten Wirtschaftsgüter gelten. Sicherlich ließe sich die Eröffnung des GoA-Rückgriffs aber weiterhin mit einer qualitativ schweren, z.B. strafrechtlichen Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit (wie eben durch § 323 c StGB) rechtfertigen. Stark vereinfacht lässt sich zusammenfassend festhalten, dass auch außerhalb des ausdrücklich gesetzlich angeordneten Kontrahierungszwangs eine ungeschriebene Pflicht zum Vertragsabschluss dann in Betracht kommen kann, wenn eine Privatperson zur Verteilung öffentlicher Mittel zwischengeschaltet ist hinsichtlich der Vergabe der öffentlichen Mittel, wenn eine Privatperson subventioniert wird hinsichtlich der mit Hilfe der Subvention erstellten Leistung und, dies stellt die umstrittenste Fallgruppe dar, womöglich ganz einfach auch dann, wenn ein Nachfrager auf eine bestimmte Leistung angewiesen ist.55 Funktionell lassen sich die dabei betroffenen Märkte einerseits in solche einteilen, auf denen Wettbewerbsbeschränkungen oder ein Marktungleichgewicht bestehen, andererseits in solche, die starken volkswirtschaftlichen oder politischen Einflüssen unterliegen.56 Erforderlich ist aber stets eine Gesamtabwägung im Einzelfall.57 51 Kramer in MüKo Vor § 145 Rdn. 13, 14; dazu Grunewald AcP 182 (1982), 181, 190, 191. 52 Raiser JZ 1958, 1, 8; F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 35; Kilian AcP 180 (1980), 47, 60; in diese Richtung auch BGH NJW 1980, 186. Zu diesem Ansatz Grunewald AcP 182 (1982), 181, 190. 53 Heinrichs in Palandt Einf. v. § 145 Rdn. 10.; hiergegen F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 37 („zu eng“). 54 F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 37 ff.; dazu Grunewald AcP 182 (1982), 181, 191. 55 Zusammenfassung von Grunewald AcP 182 (1982), 181, 198 mit ausführlicher Begründung. 56 Kilian AcP 180 (1980), 47, 74. 57 Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 22. Er hält als Grundregel für maßgeblich, dass keine zumutbare Ausweichmöglichkeit besteht, dass der zu Begünstigende auf die Leistung angewiesen ist und dass die Ablehnung sachlich nicht begründet ist. Für die Annahme eines Kontrahierungszwanges müssten in der Regel alle drei Kriterien erfüllt sein, dies sei aber nicht zwingend, wie etwa BGH NJW 1990, 761 ff. zeige. Kilian (AcP 180 (1980), 47, 79) weist zutreffend darauf hin, dass rechtssoziologisch betrachtet „ein vielfältig abgestuftes Band direkter und indirekter Vertragszwänge“ bestehe und schlägt eine Klassifizierung anhand des jeweiligen Grades der staatlichen Regulierung des betreffenden Marktes vor.
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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In der Folge ist nun zum einen zu untersuchen, ob die ärztliche Tätigkeit Charakteristika der genannten Tatbestandsmodelle des ungeschriebenen Kontrahierungszwangs aufweist, zum anderen, inwieweit etwaige positiv bestehende Handlungspflichten des Arztes es wegen ihrer einem direkten Kontrahierungszwang zumindest faktisch gleichkommenden Steuerungswirkung erlauben, die ärztliche Leistungserbringung vom grundsätzlich freien und privatautonomen Marktgeschehen zu unterscheiden.
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit Die Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit können hier nicht detailliert für jedes einzelne Handlungsgebot und für jede Einrichtung (niedergelassener Arzt, Medizinisches Versorgungszentrum, Rettungsdienst, Krankenhaus (-ambulanz)) untersucht werden. Für die hier interessierende GoA- Frage des Verbots der Versionsklage muss es genügen, in einem notwendigerweise verallgemeinerndem Überblick nachzuweisen, dass für die Behandlungsseite die freie unternehmerische Wahl des Vertragspartners die Ausnahme darstellt, da die Entscheidung über das „Ob“ einer Behandlung, im Gegensatz zu ihrem durch die Therapiefreiheit geprägtem Inhalt, zu einem nicht unerheblichen Teil durch ein öffentlich-rechtliches Normenprogramm determiniert ist. Zu fragen ist daher in der Folge, welche Abschlusspflichten ein als ideal rechtskundig gedachter Arzt in Betracht ziehen muss, wenn ein Behandlungswunsch an ihn herangetragen wird.
1. Standesrecht a) Besondere Wertungen der Freiberuflichkeit des Arztes: Allgemeine Behandlungspflicht? Unabhängig von der gleich noch näher zu erörternden Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung, treffen den Arzt standesrechtliche Pflichten, die gleichermaßen für die Behandlung gesetzlich wie auch privat versicherter Patienten zu beachten sind. Bevor ganz konkret eine etwaige standesrechtliche Behandlungspflicht erörtert wird, ist im Hinblick auf die hier interessierende Einschränkung der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit zunächst allgemein zu fragen, ob nicht bereits gewissermaßen berufsimmanente Wertungen eine Gleichsetzung der ärztlichen Tätigkeit mit der sonst unsere Privatrechtsordnung prägenden freien unternehmerischen Betätigung verbieten. Schon das ist, wenig überraschend, vorbehaltlos zu bejahen. § 1 I S.2, 3 der Musterberufsordnung für Ärzte, der die Berufsordnungen der Landesärztekammern weitgehend folgen, bestimmt: „Der Ärztliche Beruf ist kein Gewerbe. Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.“ Der Aussagegehalt dieser Bestimmungen ist allerdings weniger klar, als es den Anschein hat, in der arztrechtlichen Literatur finden sich meist nur Ausführungen zur Freiheit des Berufs, nicht aber zur vermeintlich fehlenden Gewerblichkeit.58 Die postulier58
Kern NJW 2000, 833, 834.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
te Freiberuflichkeit (§ 1 II S.3 MBO-Ä) stellt an sich nur die ins positive gewendete Wiederholung der im vorangegangenen Satz negierten Gewerblichkeit dar.59 Bisweilen wird der Passus über die fehlende Gewerblichkeit und die stattdessen gegebene Freiberuflichkeit als eine der Abgrenzung dienende Fiktion bewertet, denn an sich weise jedenfalls der niedergelassene Arzt alle Merkmale eines Gewerbetreibenden auf.60 Umgekehrt bereitet die Behauptung der Freiberuflichkeit für einen Teil der Ärzteschaft aber erhebliche Probleme: Das Standesrecht soll ja entgegen der üblicherweise als Selbständigkeit zu verstehenden Freiheit des Berufes auch für die im Krankenhaus angestellten und beamteten Ärzte gelten, die eben nicht das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen (vgl. § 23 MBO-Ä).61 So wird denn auch die in § 1 II S.3 MBO-Ä behauptete freiberufliche Natur bisweilen weniger auf die äußere Organisation der Berufsausübung bezogen als vielmehr auf die inhaltliche Weisungsfreiheit bei der Therapie, die eben auch dem angestellten Arzt immer zukomme.62 Dieser „Rettungsversuch“ wird teilweise als nur bedingt überzeugend angesehen, da die Weisungsfreiheit des Arztes zumindest in der MBO-Ä schon an anderer Stelle ausdrücklich geregelt ist (§ 2 IV MBO-Ä).63 Diese ohnehin nur vorsichtig vorgetragene Kritik überzeugt aber nicht. Wenn feststeht, dass § 1 II S.2 und 3 der MBO-Ä sich mit an den üblichen Begrifflichkeiten orientierten Subsumtions- und Systematisierungsversuchen nicht in den Griff bekommen lassen, kann man nur annehmen, dass diese Sätze eben, wie die anderen Bestimmungen der §§ 1 und 2 MBO-Ä auch, als programmatische Aussage zu verstehen seien. Ratzel meint denn auch, dass es sich bei der Freiberuflichkeit weniger um einen Rechts- als vielmehr um einen soziologischen Begriff handle, der durch hohe Professionalisierung, Eigenverantwortlichkeit und, das ist natürlich vor allem für die hier interessierende Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit von Bedeutung, ein hohes Maß an Selbstbindung gekennzeichnet sei.64 Es entspricht somit dem Kernelement des ärztlichen Selbstverständnisses und einer dementsprechenden ständigen Rechtsprechung, dass der Arztberuf durch eine besondere, an der Vertrauensbeziehung zum Patienten und dessen Selbstbestimmungsrecht ausgerichtete Berufs- und Standesethik geprägt ist,65 die unter anderem garantieren soll, „dass der Arzt sich nur von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt und sein Handeln nicht, wie in der gewerblichen Wirtschaft üblich,
59
Kern NJW 2000, 833, 834. Kern NJW 2000, 833, 834: Es handle sich im Grunde nur um eine Wiederholung der Fiktion des § 15 EStG, wonach die Ausübung eines freien Berufes trotz Gewinnerzielungsabsicht nicht als Gewerbe gilt, womit zugleich die nur historisch zu erklärende Klarstellung gewährleistet sei, dass die Gewerbeordnung auf solche Tätigkeiten keine Anwendung finden soll. 61 Kern NJW 2000, 833, 834; Kluth MedR 2005, 65, 69; Quaas MedR 2001, 34, 36. 62 BGH NJW 1978, 589, 591; Schwannecke/Webers NJW 1998, 2697, 2701. 63 Kern NJW 2000, 833, 834. 64 Ratzel MedR 2002, 492, 495, Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 62. 65 Kluth MedR 2005, 65, 69 m.w.N.; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 62 ff. 60
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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von Gewinnstreben bestimmt wird.“66 Zumindest der niedergelassene Arzt nimmt zwar dem Grundsatz nach am freien Wettbewerb teil und hat bei Verstößen gegen das UWG die entsprechenden Konsequenzen zu befürchten.67 Seine Konkurrenz mit den Berufsgenossen einerseits und sein Verhalten gegenüber den Patienten als Marktpartnern andererseits unterliegen dabei aber zusätzlich besonderen standesrechtlichen Schranken, die für einen freien Unternehmer völlig unüblich sind.68 Dies zeigt sich etwa am grundsätzlichen ärztlichen Werbeverbot, das sich ausdrücklich gegen eine „Kommerzialisierung des Arztberufs“ wendet und die Kommunikation nach außen stattdessen auf sachdienliche Informationen beschränken will (vgl. § 27 MBO-Ä), um eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes zu verhindern.69 Die einschlägige Rechtsprechung lässt in den letzten Jahren zwar deutliche Lockerungen erkennen,70 der beibehaltene Grundsatz stellt jedoch immer noch einen fundamentalen Unterschied gegenüber den Schranken des UWG dar, denen der freie Unternehmer unterliegt und für dessen Tätigkeit gerade auch die ihm erlaubte unsachliche Werbung bisweilen elementar ist. Ein anderes Beispiel stellen die Grenzen der erlaubten Kooperation mit Nichtärzten bzw. der Ausübung nicht originär ärztlicher Tätigkeiten wie der Hilfsmittelversorgung dar.71 Bei den entsprechenden Normen der Berufsordnung handelt es sich auch keineswegs um die bloße Äußerung hehrer Ziele, vielmehr können Verstöße gegen das Standesrecht die Nichtigkeit entsprechender vertraglicher Vereinbarungen gemäß § 134 BGB zur Folge haben, so dass schon von daher einer Verfolgung rein merkantiler Ziele effektive Grenzen gesetzt sind.72 Bis hierhin kann festgehalten werden: Ungeachtet der aufgrund zunehmender wirtschaftlicher Zwänge in den letzten Jahren unbestreitbar eingetretenen und viel beklagten Relativierung
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VG Münster MedR 1999, 146, 147 (anlässlich einer zum Werbeverbot ergangenen Feststellung der Ärztekammer) mit der weiteren, bemerkenswerten Aussage: „.Ihm obliegt eine in der gewerblichen Wirtschaft unübliche Verantwortung und Fürsorge gegenüber seinen Patienten, da diese aufgrund mangelnder eigener Fachkunde regelmäßig nicht in der Lage sind, Entscheidungen und Empfehlungen ihres Arztes in Frage zu stellen.“; BGH MedR 2004, 212 m.w.N.; Kazemi/Lingenberg MedR 2005, 196, 198; vgl. auch BayObLG MedR 2001, 206: „Die ärztliche Tätigkeit ist eigenverantwortlich, unbeeinflusst durch berufsfremde Dritte nach ethischen Grundsätzen unter Zurückhaltung des Gewinnstrebens auszuüben.“ 67 Kazemi/Lingenberg MedR 2005, 196, 201. 68 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 63; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 70 ff. 69 BGH MedR 2004, 212, 213; BVerfGE 33, 125. 70 Vgl. etwa BGH MedR 2004, 212 ff. (Werbung im Internet) mit Anm. Balzer, die ein mittlerweile hohes Liberalisierungsniveau konstatiert (S. 214); zum ärztlichen Werbeverbot insbesondere BVerfG NJW 2000, 2734. 71 Dazu Krieger MedR 1998, 57 ff; zur unerlaubten Provision (§ 31 MBO-Ä) Bonvie MedR 1999, 64 ff.; zur Hilfsmittelversorgung Schwannecke/Webers NJW 1998, 2697, 2701. 72 Dazu Ratzel MedR 2002, 492 ff; BayObLG MedR 2001, 206 (standeswidrige Vereinbarung einer möglichst umfangreichen Verordnung der Angebote eines „Hotel-Sanatoriums“); BGH NJW 1986, 2360; BGH MedR 1990, 77; OLG Nürnberg MDR 1988, 861.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
der primären Ausrichtung des Handelns am Patientenwohl73 darf als gesichert gelten, dass die Ärzteschaft an diesem elementaren und unterscheidungskräftigen Bekenntnis ihres Berufs festhalten wird bzw. sich daran festhalten lassen muss, weil es sich um das geradezu unverzichtbare Fundament des ärztlichen Selbstverständnisses handelt, das in zahlreichen gesetzlichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat und einen maßgeblichen Grund für das Selbstverwaltungsprivileg als verkammerter Beruf bildet. Fraglich ist nunmehr, ob dieses allgemeine standesrechtliche Ethos des Arztes nicht auch ganz konkret eine allgemeine Pflicht zur Vornahme erbetener Behandlungen zu erzeugen vermag. Für den niedergelassenen Arzt findet sich die Aussage, dass ihm als echtem Freiberufler jedenfalls dem Grundsatz nach Vertragsfreiheit zuzugestehen sei74 und daher auch die Ablehnung einer Behandlung grundsätzlich möglich sein müsse.75 Allein in der Tatsache der Niederlassung könne sicher kein an die Allgemeinheit gerichtetes und nach § 145 BGB bindendes Angebot zum Vertragsschluss erblickt werden.76 Fraglich ist aber, inwieweit das Standesrecht die Anerkennung von Ausnahmen gebietet. Der diesbezügliche Meinungsstand ist leider durch zweideutige Stellungnahmen gekennzeichnet, die wiederum von verschiedenen Seiten ganz unterschiedlich interpretiert werden. Die nicht verbindliche aber von den Berufsordnungen der einzelnen Ärztekammern doch weitgehend übernommene Musterberufsordnung für Ärzte bestimmt in § 1 I S.2 zwar, dass der ärztliche Beruf „kein Gewerbe“ ist, besagt aber in § 7 II S.2 auch: „Andererseits sind von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen“. Diese Regelung ist ersichtlich offen gehalten und sieht bereits ausdrückliche aber doch eher vage formulierte Ausnahmen von der allgemeinen Behandlungsfreiheit vor. Fraglich ist nunmehr, ob die Offenheit der Regelung nicht sogar eine im Wege der Rechtsfortbildung gewonnene Umkehrung des Grundsatzes von der Behandlungsfreiheit zulässt. Einige Äußerungen von Laufs scheinen in diese Richtung zu gehen: Er nimmt zwar zunächst in Übereinstimmung mit der MBO-Ä an, dass dem Arzt grundsätzlich Vertragsfreiheit zukomme und damit auch die Befugnis, die Behandlung zu verweigern.77 Unmittelbar hierauf meint er jedoch, dass es dem Arzt verwehrt sei, die Behandlung aus unsachlichen Gründen oder gar willkürlich zu verweigern, was er sodann, insofern einzig folgerichtig, zu der Aussage weiterentwickelt, dass den Arzt eine „allgemeine Berufspflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen“ treffe.78 Damit kehrt sich natürlich der anfangs noch 73
Kluth MedR 2005, 65, 68; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 55. Hecker MedR 2001, 224; Krieger MedR 1995, 519; grundsätzlich auch Laufs NJW 1987, 2257, 2262. 75 Narr, Ärztliches Berufsrecht, B 100 (als Ausnahmen hiervon werden in der Folge nur die strafrechtlichen Handlungsgebote erörtert). 76 Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 Rdn. 2; Hecker MedR 2001, 224. 77 Laufs, Arztrecht, Rdn. 102; ders. NJW 1987, 2257, 2262. 78 Laufs, Arztrecht, Rdn. 102; ders. NJW 1987, 2257, 2262 im Anschluss an Luig, Vertragsschuldverhältnisse, S. 230; Hecker MedR 2001, 224, 225 bezeichnet dies als nahezu allgemeine, lediglich von Krieger nicht geteilte Auffassung (Krieger MedR 1999, 519 74
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behauptete Grundsatz von der ärztlichen Vertragsfreiheit geradezu in sein Gegenteil um, denn den Kern der Privatautonomie und der Vertragsabschlussfreiheit stellt es dar, mit Anderen Rechtsbeziehungen nach Belieben und ohne jegliche Begründung oder sogar ausdrücklich aus von der Gegenseite als unsachlich empfundenen Motiven heraus aufzunehmen oder eben nicht. Zur Begründung der „allgemeinen Behandlungspflicht“ wird von Hecker angeführt, dass dies aus der standesrechtlichen, in § 2 II MBO-Ä angesprochenen Pflicht der Ärzte zu folgern sei, dem ihnen „bei ihrer Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen“, wofür sie sich unter anderem auf Uhlenbruck berufen will.79 Krieger widerspricht dem mit dem tautologischen „Argument“, dass „kein Kontrahierungszwang“ besteht, nimmt dabei aber ebenfalls Uhlenbruck in Bezug.80 Laufs und Uhlenbruck äußern sich nun in ihrem Gemeinschaftswerk in einer Weise, die offenbar beiden, an sich ja gegensätzlichen, Ansichten gerecht werden will.81 Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, dass sowohl Hecker als auch Krieger sich auf Uhlenbruck beziehen. Es lässt sich nur mutmaßen, wie dieser „Meinungsstreit“ zu interpretieren sein könnte. Möglicherweise ist er dadurch bedingt, dass bei Annahme eines echten Kontrahierungszwangs dem um Behandlung ersumeint hingegen, es handle sich bloß um eine „teilweise vertretene Ansicht“). Wenn Sie in ihrem Fazit allerdings festhält, dass der Arzt „in gewissem Maß“ einer Behandlungspflicht unterliegt, wird dies der zwangsläufigen Reichweite des von ihr befürworteten Grundsatzes nicht gerecht: Wenn man annimmt, dass der Arzt die Behandlung nur aus triftigen Gründen ablehnen darf, bedeutet dies im denknotwendigen Umkehrschluss, dass ihn eine, von Laufs (a.a.O.) denn auch konsequent befürwortete, grundsätzliche Behandlungspflicht treffen muss. 79 Hecker MedR 2001, 224, 225. Dem von ihr durchaus wiedergegeben Passus der Berufsordnung, wonach dem Arzt Ablehnungsfreiheit zukomme (§ 7 II MBO-Ä), will sie also keine Bedeutung beizumessen, obwohl er ausdrücklich das genaue Gegenteil besagt. 80 Krieger MedR 1999, 519 (unter Verweis auf Uhlenbruck in der Vorauflage von Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts); vgl. auch Narr, Ärztliches Berufsrecht B 108 („Eine Verpflichtung des Arztes, einen erbetenen Besuch in jedem Fall auszuführen, gibt es nicht“). 81 Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 Rdn. 2: „Abschlußfreiheit bedeutet zugleich auch, dass für den Arzt keine Abschlußpflicht (Kontrahierungszwang) besteht. Der Grundsatz der Abschluß- und Behandlungsfreiheit berechtigt den Arzt, frei darüber zu entscheiden, ob er eine Behandlung übernehmen will oder nicht. Trotz der allgemeinen Vertragsautonomie des Arztes wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass er bei der Annahme bzw. Abweisung behandlungsbedürftiger Kranker keineswegs unsachlich oder willkürlich verfahren dürfe. Begründet wird dies aus einer allgemeinen Berufspflicht des Arztes zur Übernahme erbetener Behandlungen. Eine ärztliche Kontrahierungs- und Behandlungspflicht ergibt sich weder aus öffentlichrechtlichen Vorschriften noch aus dem ärztlichen Standesrecht. Die standesrechtliche Verpflichtung, den ärztlichen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben (§ 2 Abs. 1 S.1 MBO-Ä) begründet ebenso wenig eine rechtliche Kontrahierungspflicht wie die Vorschrift des § 2 Abs. 2 MBO-Ä, wonach der Arzt verpflichtet ist, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit seinem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Das Standesrecht verbietet aber dem Arzt, bei der Annahme Kranker unsachlich oder willkürlich zu verfahren. Es gilt vielmehr eine allgemeine Berufspflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen“.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
chenden Patienten ein klagbarer Anspruch auf Vertragsschluss zuzugestehen wäre, Laufs für die Verletzung der von ihm angenommenen allgemeinen Behandlungspflicht aber nur disziplinarische Maßnahmen erörtert, die dem Kassenarzt bei Verweigerung der Behandlung eines Kassenpatienten drohen können.82 b) Fazit Die soeben wiedergegebene „Diskussion“ zur standesrechtlichen Behandlungspflicht kann in dieser Form sicher nicht zufriedenstellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob Laufs hier den Anschluss an frühere Ansichten sucht, wonach sich schon aus der Tätigkeit in einem verkammerten Beruf und der bloßen Niederlassung als Arzt eine besondere öffentlichrechtliche Beziehung zur und ein Angebot an die Allgemeinheit und damit auch eine allgemeine Behandlungspflicht ergebe.83 Wenn man eine solche Pflicht aber annehmen wollte, bedürfte dieser Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arztes natürlich einer verfassungsrechtlich tragfähigen Begründung.84 Dass der Schutz des dem (niedergelassenen) Arzt von der Allgemeinheit entgegengebrachten Vertrauens keine solche Rechtfertigung
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So Laufs, Arztrecht, Rdn. 102. Zum Kontrahierungszwang des Kassen- oder Vertragsarztes sogleich. 83 So Eb.Schmidt, Die Besuchspflicht des Arztes unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, S. 18: „Der öffentlich- rechtlichen Verantwortung des Arztes entspricht es, dass die Ärzte standesgemäß organisiert sind, einer staatlichen Disziplinargerichtsbarkeit unterstehen und in Ärzteordnungen eine Regelung ihrer Berufsausübung erhalten, was alles nicht nötig wäre, wenn sich die rechtlichen Beziehungen, zu denen der ärztliche Beruf führt, in den privatrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen den Ärzten und den Kranken erschöpfen würden. Mit Bestallung und Niederlassung werden die öffentlich-rechtlichen Berufspflichten des Arztes begründet. Aus ihnen und nicht aus dem den Arzt als solchen gar nichts angehenden § 330 c ergibt sich die Pflicht des Arztes, einem gesundheitlich schwer Gefährdeten im Notfall, d.h. wenn nicht bereits für ärztliche Versorgung gesorgt ist, beizustehen, und zwar nicht im Sinne einer unzureichenden „Jedermann-Hilfe“, sondern unter voller ärztlicher Verantwortung nach den Regeln medizinischer Wissenschaft und Erfahrung“. Eb.Schmidt differenziert zwischen verschieden ausgestalteten Hilfeleistungspflichten des Allgemeinmediziners, des Facharztes und des Krankenhausarztes und gelangt dabei faktisch zur partiellen, nunmehr aus dem Berufsrecht abgeleiteten Wiedereinführung des früher in der Gewerbeordnung enthaltenen Kurierzwangs für Ärzte (S. 17, 20 ff.). Er rechtfertigt dies mit der Formel: „Arzt soll nur werden, wer jederzeit entsagen kann“ (S. 21); zustimmend Niethammer DRZ 1950, 238. Die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen der von Eb.Schmidt aus der bloßen Niederlassung des Arztes abgeleiteten Garantenstellung sind allerdings recht drastisch. Kritisch dazu: Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 79 ff.; Gallas (JZ 1952, 398,399) befürchtet insofern eine „Beistandspflicht unübersehbaren Ausmaßes“ und eine „Legalisierung der Nächstenliebe“. Auch Nipperdey (Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 47, 51) hält es für bedenklich, allein aus der staatlichen Konzessionierung eines Berufes (beim Arzt wäre dies die Approbation) einen Kontrahierungszwang abzuleiten. 84 Dementsprechend ist nach der allgemeinen Dogmatik des Kontrahierungszwangs für die Annahme eines solchen ein überwiegendes öffentliches Interesse zu fordern, vgl. Wolf JZ 1976, 41, 44.
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darstellen könnte, soll damit aber mitnichten gesagt sein.85 Damit wäre das weite Feld der Ausgestaltung des Standesrechts freier Berufe betreten. Der maßgeblich von Laufs hochgehaltene Gedanke einer allgemeinen Berufspflicht zur Vornahme einer erbetenen Behandlung verdient in der Sache jedenfalls Zustimmung: Der Arztberuf war, ist und bleibt hoffentlich auch eine Tätigkeit, die sich von anderen Berufen durch ein programmatisches Standesethos unterscheidet, das der Gesetzgeber durch das als Privileg wie auch als besondere Verpflichtung zu verstehende Selbstverwaltungsrecht der Verkammerung meinte hervorheben zu müssen.86 Die von Laufs propagierte allgemeine Behandlungspflicht musste zwar die verfassungsgerichtliche Feuertaufe noch nicht durchlaufen, einer kursorischen Prüfung scheint sie aber standzuhalten: Bekanntlich ist das BVerfG äußerst zurückhaltend mit der Annahme, dass ein vom Gesetzgeber ausdrücklich benannter Gesetzeszweck schon allgemein nicht als legitim anzusehen sei. Die verfassungsrechtlichen Probleme spielen sich meist auf anderen Ebenen des Prüfungsschemas ab, so dass auch das mit der Annahme einer allgemeinen Behandlungspflicht zu schützende Ansehen des Arztberufes einen tragfähigen Grund darzustellen scheint. Im Hinblick darauf, dass Laufs auf die Möglichkeit der Erarbeitung begründeter Ablehnungsfallgrupppen verweist, wäre insbesondere auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt: Auf der Ebene der bloßen Berufsausübungsregelungen nähert sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ohnehin dem lediglichen Willkürverbot.87 Die Stipulierung einer allgemeinen Behandlungspflicht durch standesrechtliches Richterrecht wäre daher durchaus möglich.88 Für die hier interessierende Sperrwirkung des Behandlungsvertrages gegenüber der Rückgriffs-GoA kann jedenfalls abschließend festgestellt werden, dass eine (vermeintlich) aus dem Standesrecht folgende grundsätzliche Behandlungspflicht des Arztes kein von vornherein untaugliches Argument darstellt, um die Zulässigkeit eines gegen Dritte gerichteten Vorgehens nach den §§ 677, 683 BGB zu untermauern. Vielmehr spiegelt sich hierin das besondere Berufsethos ärztlicher Tätigkeit wider, das eine Ablehnung des Vertragsschlusses in einer allein von kaufmännischen Überlegungen getragenen Weise nicht erlaubt. Selbst wenn man eine solche Pflicht nicht als rechtswirksam anerkennen wollte, verbleibt doch die Überlegung, dass ein nicht unerheblicher Teil der Ärzte sich womöglich rein tatsächlich einer solchen Selbstbindung unterwirft. Auch ein solcher faktischer Kontrahierungszwang durch ein selbst auferlegtes, bei Verletzung aber sanktionsloses Standesethos wäre von der GoA-Dogmatik zu beachten.
85 Hecker (MedR 2001, 224, 227) nennt als verfassungsrechtliche Eingriffsrechtfertigung ferner das „Interesse an der Aufrechterhaltung der ärztlichen Versorgung“, was sich allerdings wohl nicht auf die standesrechtliche Diskussion bezieht sondern auf die von ihr ebenfalls erörterten Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit im GKV-System. Dazu gleich. 86 So Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 109, 196 ff.; auch Eb.Schmidt, Die Besuchspflicht des Arztes unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, S. 28. 87 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 870. 88 Zu den Möglichkeiten der Gestaltung des Berufsrechts durch den Richter Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 1099 ff, 1185 ff.
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2. Die Ärztliche Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung a) Einschränkungen des Wettbewerbs und der Vertragspartnerwahl bei der Behandlung von Kassenpatienten Im Rahmen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes besteht wohl unbestritten eine Pflicht zur Vornahme einer erbetenen Behandlung und damit auch Kontrahierungszwang, was sich maßgeblich allerdings aus strafrechtlichen Erwägungen zur Garantenstellung ergibt.89 Aber auch die reguläre und alltägliche Tätigkeit der Ärzteschaft ist im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in hohem Maße in das vom Solidargedanken getragene und von den Gesetzmäßigkeiten eines echten Wettbewerbs nicht unwesentlich freigehaltene System der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden worden, das als „dezidiert öffentliches Wirtschaftsrecht“ einem beständigen „Umgestaltungsdruck“ durch den Gesetzgeber unterliegt,90 und „in zunehmendem Maße einer normativ antizipierenden Gesamtsteuerung unterworfen wurde.“91 Insofern darf den folgenden Betrachtungen die treffende wenn auch stark vereinfachende Formel von Raiser vorangestellt werden, wonach der freien Wettbewerbswirtschaft der Kontrahierungszwang „ebenso fremd wie er dem planwirtschaftlichen System unentbehrlich und selbstverständlich ist.“92 Der einzelne Vertragsarzt (früher Kassenarzt genannt) befindet sich, entsprechend den oben genannten Klassifizierungen zum Kontrahierungszwang, natürlich nicht in einer marktbeherrschenden Stellung und in der Regel bestehen für den einzelnen Patienten auch zumutbare Ausweichmöglichkeiten.93 Zu bedenken ist aber, dass der Kassenärztlichen Vereinigung, die den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag gem. § 75 SGB V wahrnimmt und in der der Vertragsarzt Zwangsmitglied ist, jedenfalls in der Vergangenheit eine eindeutige Monopolstellung zukam.94 Der Ver89
Fehn/Lechtleuthner MedR 2000,114, 115; Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 81 mit nähere Begründung der Garantenschaft. 90 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 1, 52 (die Zuordnung zum öffentlichen Recht ist freilich alles andere als unumstritten, dazu unten). Speziell bei der Tätigkeit der ärztlichen Leistungserbringer handelt es sich somit, wenn überhaupt, um einen stark regulierten „Markt“. Solche Märkte sind, wie bereits erwähnt, für die Annahme eines einseitigen Kontrahierungszwanges prädestiniert, vgl. Kilian AcP 180 (1980), 47, 74. Das Sozialversicherungssystem unterfällt daher auch nicht oder nur beschränkt dem Wettbewerbsrecht, vgl. Kluth MedR 2005, 65, 66; Möschel MedR 2003, 133 ff.; differenzierend Sodan in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 1. Kapitel Rdn. 109 m.w.N insbesondere zur entsprechenden EuGH-Rechtsprechung. 91 Kluth MedR 2005, 65, 68. 92 Raiser JZ 1958, 1, 7, 8. Der Kontrahierungszwang ist natürlich „distributiven Charakters“, vgl. Kilian AcP 180 (1980), 47, 64. 93 Das gilt jedenfalls für den städtisch geprägten Bereich. Der in ländlichen Regionen nicht zuletzt Ostdeutschlands beklagte Ärzteschwund zeigt aber, dass es sich beim Bedürfnis nach ärztlichem Kontrahierungszwang keineswegs um ein theoretisches Problem handelt, sondern um einen praktisch bedeutsamen Lebenssachverhalt. 94 Für das Verhältnis zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kassen ist (bislang) unproblematisch von einem Kontrahierungszwang auszugehen, vgl. Hess MedR
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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tragsarzt nimmt an diesem Monopolsystem teil und weist damit aber auch mit der Berufsausübung auf einem äußerst stark regulierten Markt mehrere Typmerkmale der üblicherweise mit Kontrahierungszwang einhergehenden Tätigkeiten auf (s.o.), richtigerweise aber auch noch das der Einbindung in ein staatliches Verteilungssystem: Der Vertragsarzt ist zwar als Ausübender eines freien Berufes (§ 98 II Nr. 13 SGB V) „keine restlos steuerbare Funktionsgröße“,95 jedoch weist das Krankenversicherungsrecht „an zahlreichen Stellen“ Instrumente auf, die sich „direkt steuernd auf das ärztliche Handeln auswirken“.96 So sieht denn auch § 95 III S.1, 3 SGB V i.V.m. den Regelungen des Bundesmantelvertrages für den Arzt (und ebenso für das MVZ, vgl. § 95 III S.2. SGB V) eine ausdrückliche Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung vor, die nur in begründeten Ausnahmefällen die Ablehnung einer Behandlung erlaubt (§§ 13 VI S.1 BMV-Ä, § 13 IV S.1 EKV). Auch wenn kaum zweifelhaft ist, dass dies bereits als echter, das heißt ausdrücklicher und direkter Kontrahierungszwang zu klassifizieren ist, erzeugt dieses Normenprogramm zumindest einen faktischen, den Großteil der Bevölkerung97 begünstigenden Zwang zur Vornahme einer erbetenen Behandlung.98 Das ist im Hinblick auf die oben zum Kontrahierungszwang angemerkten 2003, 137; siehe auch Kluth MedR 2003, 123, 125 ff zur Einführung neuer Wettbewerbselemente (etwa der Integrierten Versorgung gem. § 140 a SGB V), die dieses Monopol, allerdings „nur einzelne Bereiche“ betreffend, zunehmend aufbrechen. 95 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 68. 96 Kluth MedR 2005, 65, 69. 97 Schon vor Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht waren ca. 90 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, vgl. statt vieler Kluth MedR 2005, 65. 98 Die Äußerungen zu dieser Frage sind teilweise unklar, soweit überhaupt „Kontrahierungszwang“ angesprochen wird, fehlt oft jede weitere Auseinandersetzung mit diesem Punkt. Durchweg findet sich einerseits der Hinweis auf die Pflicht zur Teilnahme an der Kassenärztlichen/Vertragsärztlichen Versorgung nach dem SGB V, dem andererseits aber die (ausnahmsweisen) Ablehnungsmöglichkeiten nach dem BMV-Ä bzw. nach berufsrechtlichen Regeln gegenübergestellt werden. Unabhängig davon, dass auch im Standesrecht die willkürliche Ablehnung der Behandlung bedenklich ist (s.o.), bestätigt diese Verweisung auf ein ganz anderes Normenprogramm gerade die grundsätzliche Behandlungspflicht aufgrund der Einbindung in das GKV-System, anstatt sie zu widerlegen, was einige der Autoren verkennen (vgl. etwa Narr, Ärztliches Berufsrecht, B 115, wonach einerseits kein Kontrahierungszwang bestehe, andererseits aber diejenigen Fälle aufgelistet werden, in denen die Ablehnung einer Behandlung berechtigt sei (!)). Es ist verfehlt, die Möglichkeit von (direktem oder indirektem) Kontrahierungszwang ohne weitere Differenzierungen nur deshalb zu verneinen, weil es Situationen gibt, in denen die Vorschrift keine Behandlungspflicht stipuliert, denn erforderlich ist ohnehin immer eine Einzelfallbetrachtung (selbst § 323 c StGB erzeugt (natürlich!) nicht per se eine Handlungspflicht, dazu später). Die Ausnahmen bestätigen vielmehr die Regel. Die faktische Steuerungswirkung des § 95 III SGB V bliebe bei alledem ohnehin unberücksichtigt. Zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung äußern sich: Kilian (AcP 180 (1980), 47, 53), der die Vorgängernormen (§§ 368 ff. RVO) noch als ausdrücklichen Kontrahierungszwang einordnet; ausdrücklich gegen die Annahme von „Kontrahierungszwang“ Wenzel (in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Kapitel Rdn. 18), der dafür allerdings auf die berufsrechtlichen Ausnahmen verweist;
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Grundsätze auch nur konsequent, denn der staatlicherseits angeordneten Einbindung des Versicherten in das Krankenversicherungssystem99 und der Abführung von Sozialversicherungsabgaben, mithin einer Art der staatlichen Ressourcenverteilung, muss natürlich ein Äquivalent in Form eines Rechts auf Behandlung gegenüberstehen.100 Damit steht aber zugleich fest, dass dem sich an einem solchen System beteiligenden Vertragsarzt bei der Entscheidung über das „Ob“, das heißt ebenso G.Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Rdn. 1154; symptomatisch die ersichtlich um die Verteidigung der ärztlichen Freiberuflichkeit bemühte Behandlung der Frage bei Krieger MedR 1999, 519, 520: „Auch für den Vertragsarzt gilt, dass er im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit zunächst keinem Kontrahierungszwang unterliegt, es sei denn, die Behandlungsfreiheit ist im Einzelfall durch kassenarztrechtliche Vorschriften eingeschränkt…Im Rahmen des gesamten vertragsärztlichen Systems unterliegt der Vertragsarzt insoweit Einschränkungen, als dies dem Versorgungssystem entspricht…§ 95 III SGB V enthält jedoch keinen umfassenden Kontrahierungszwang des Vertragsarztes“; Bork (in Staudinger Vor § 145 Rdn. 17 a) übernimmt zwar weitgehend den Überblick von Kilian, listet jedoch die einschlägigen Regelungen von RVO/SGB V nicht mit auf. Laufs (NJW 1987, 2257, 2262) geht von Kontrahierungszwang des Kassenarztes aus; Jörg (Das neue Kassenarztrecht, Rdn. 289, 290) geht von einer grundsätzlichen Behandlungspflicht aus, die nur in begründeten und vom BMV-Ä geregelten Ausnahmefällen (Überlastung, nicht gerechtfertigte Überschreitung des Fachgebietes, Störung des Vertrauensverhältnisses, verlangter Hausbesuch außerhalb des üblichen Praxisbereiches) eine Ablehnung erlaube, allerdings nicht in Notfällen; für eine Verpflichtung zur Behandlung von Kassenpatienten auch Häußler/Liebold/Narr, Die kassenärztliche Tätigkeit, S. 56; recht eindeutig und zustimmungswürdig auch Wigge (in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 2 Rdn. 52) der zudem darauf hinweist, dass die Verweigerung der Behandlung ohne Vorliegen der anerkannten Gründe des BMV-Ä einen schwerwiegenden Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten darstellt; ebenso Schirmer (Vertragsarztrecht kompakt, S. 358), der auf etwaige Disziplinarmaßnahmen und zulassungsrechtliche Folgen hinweist. Für Kontrahierungszwang der in die Bedarfsplanung aufgenommenen Krankenhäuser Quaas/Zuck, Medizinrecht § 23 Rdn. 82. Schließlich: Nipperdey (Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 16, 17) konnte natürlich nur die Rechtslage zu seiner Zeit beurteilen: Die von den Ärzten (damals noch) mit den Krankenkassen abgeschlossenen Verträge sahen ausdrücklich eine Pflicht zur Behandlung von Kassenpatienten vor, Nipperdey zählt diese Einschränkung lediglich deswegen nicht zu den von ihm untersuchten Kontrahierungszwängen, weil die Einschränkung der Abschlussfreiheit hier auf einer eigenen (früheren) Willensentschließung (des Arztes) beruht, derartige privatautonom gesetzte Abschlussbindungen waren aber nicht Gegenstand der Untersuchung Nipperdeys, da die Bindung an die abgegeben Erklärung hier evident sei und keiner weiteren Untersuchung bedürfe. 99 Dazu Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 145 ff. Die gesetzliche Krankenversicherung erfasste schon in der Vergangenheit durch die Anknüpfung an die Berufstätigkeit bzw. die Familienzugehörigkeit einen Großteil der Bevölkerung, die allgmeine und grundsätzliche Krankenversicherungspflicht wurde allerdings erst vor kurzem eingeführt, dazu Sodan NJW 2007, 1313, 1314. 100 Ausführlich zu den Allokationsmechanismen dieses „Gesundheitsmarktes“ Rixen, 60 ff. Freilich verbietet sich wegen der Besonderheiten des GKV-Systems, an dem nicht alle Bürger (Privatpatienten!) teilnehmen, eine allzu rasche Gleichsetzung mit subventionierten öffentlichen Einrichtungen. Für letztere muss ein Kontrahierungszwang richtigerweise ohne weitere Differenzierung auch dann angenommen werden, wenn das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist, vgl. Kilian AcP 180 (1980), 47, 70.
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die Annahme des Patienten zur Behandlung, jedenfalls grundsätzlich keine unternehmerische Freiheit mehr zukommen darf, denn auch wenn es sich bei der GKV nicht um ein direktes staatliches Gesundheitssystem handelt und der Vertragsarzt keinem staatlich gebundenen Beruf nachgeht,101 so werden doch Private zur staatlich dirigierten Mittelverteilung eingesetzt.102 Da in einem derartigen, durch „Zwangs- und Umverteilungsmomente“103 gekennzeichneten, halb zivil- und halb öffentlichrechtlichen System der Daseinsvorsorge aus Sicht des Vertragsarztes im Hinblick auf die Annahme von Kassenpatienten und die Kostenliquidation vergleichsweise wenig Platz für freien Wettbewerb ist,104 stellt sich oft sogar nicht so sehr die Frage, inwieweit zivilrechtlicher Vertrag und zivilrechtliche GoA nebeneinander bestehen können, sondern vielmehr, ob nicht die Kostenliquidation und 101
Nur insoweit wird man also zugestehen müssen, dass es sich um ein „freiheitlich“ ausgestaltetes, weil der Selbstverwaltung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen überlassenes System handelt, denn die hier zugewiesene Aufgabe (Sicherstellungsauftrag gem. § 75 SGB V) ist eine „übertragene staatliche Aufgabe“, Kluth MedR 2003, 123, 124; ders. MedR 2005, 65, 69. Kritisch zur Frage, ob der Arzt einem „staatlich gebundenem“ Beruf nachgeht Hufen MedR 1996, 394 ff. Quaas (MedR 2001, 34, 36) weist denn auch darauf hin, dass der Vertragsarzt durch die einschlägige sozialrechtliche Judikatur durchaus in die Nähe eines „staatlich gebundenen Berufes“ oder eines „Beliehenen“ gerückt wird. Zur Frage, ob der Vertragsarzt gar als „Sachwalter der Vermögensinteressen“ der gesetzlichen Kassen anzusehen ist Ulsenheimer MedR 2005, 622. 102 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 27. Aufgrund dieser Zwischenschaltung von Privatpersonen bezeichnet er das GKV-System in Anlehnung an Höfling als ein „zwischen Staat und Gesellschaft angesiedeltes Hybridwesen“ (S. 13). Die damit verbundene massive Pflichtenbindung des Vertragsarztes hat ja sogar dazu geführt, dass das sozialrechtliche Schrifttum den Behandlungsvertrag beim Kassenpatienten für entbehrlich weil funktionslos hält, dazu unten, IV A 3. 103 Depenheuer (Solidarität im Verfassungsstaat, S. 93), allerdings allgemein auf die Sozialversicherung gemünzt. 104 Quaas/Zuck (Medizinrecht, § 16 Rdn. 18, § 20 Rdn. 62 m.w.N.)) meinen, „dass man von Markt und Wettbewerb beim Vertragsarzt nicht mehr sprechen kann“ und weisen auf die uneinheitliche Linie in der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG hin. Insofern ist immer eine relative Betrachtung des spezifischen Marktgeschehens vorzunehmen: Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen von gesetzlicher Krankenversicherung, Kassenärztlicher Vereinigung und Vertragsarzt erfolgt überwiegend gleichförmig durch Normenverträge und lässt dem einzelnen Arzt wenig Spielraum. Der Kassenpatient hingegen ist vergleichsweise frei bei der Wahl des Arztes (vgl. § 76 SGB V). Das besagt natürlich wiederum nichts über die Kontrahierungsfreiheit seines ärztlichen Marktpartners. Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit werden ohnehin meist nur zu Lasten einer Seite angeordnet. Selbstverständlich steht der Vertragsarzt mit anderen Ärzten auch im (freilich wieder standesrechtlich regulierten) Wettbewerb um Patienten, der sich, Ironie des Ganzen, nicht zuletzt bedingt durch die starren und bisweilen unökonomischen Vorgaben des GKV-Systems sogar zunehmend verschärft hat, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 38; Kazemi/Lingenberg MedR 2005, 196, 200; Laufs (NJW 1997, 3071, 3072) stellt die berechtigte Frage, wie diese Janusköpfigkeit der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung wohl letztlich ausgehen wird: „Wird dem Niedergelassenen der Gesundheitsmarkt mit seinen unerbittlichen kommerziellen Erfordernissen mehr und mehr die Züge des Unternehmers aufprägen oder wird umgekehrt das Kassensystem die Freiberuflichkeit aushöhlen und den Arzt zum öffentlichen Funktionär machen?“
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
auch entsprechende Regressfragen überhaupt nach (speziellen) öffentlichrechtlichen Vorschriften oder Rechtsinstituten abzuwickeln sind.105 Die aufgrund von Sparzwängen aber auch nicht zuletzt aufgrund des hochbrisanten Spannungsverhältnisses zu den europäischen Grundfreiheiten zunehmend diskutierte Frage, inwieweit in dieses jahrzehntelang gewachsene System Elemente einer echten Wettbewerbswirtschaft integriert werden können oder müssen, ist zwar für viele seiner Bereiche von Bedeutung, veranschaulicht aber auch, dass es sich bislang stets um punktuelle Ausnahmen handelte.106 Das GKV-System verzichtet nicht umsonst auf die für andere Versicherungssparten und nicht zuletzt für die Private Krankenversicherung charakteristische Abdeckung „nur“ des individuellen Risikos des Versicherungsnehmers,107 da dies im diametralen Gegensatz zu dem für das Sozialversicherungsrecht konstitutiven, wesensbestimmenden und unaufgebbaren Solidaritätsgedanken steht,108 der auch das „tragende Element“ des GKV-Systems dar-
105
Näher zum in der BRD vorzufindenden „Mischsystem“ der gesetzlichen einerseits und der privaten Krankenversicherung andererseits Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Kapitel Rdn. 1 ff., dort auch zur Frage der Versicherungspflicht (Rdn. 28 ff.), die ein weiteres Zwangselement der Gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Ob die Tätigkeit der Vertragsärzte als Leistungserbringer im System der GKV öffentlichrechtlicher oder doch privatrechtlicher Natur ist, ist ein alter Dauerstreit, der aber für die Bestimmung der zur Problembewältigung einzusetzenden dogmatischen Instrumente relevant ist, vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 6 ff., 195 ff. 106 Gemäß § 69 SGB V ist zwar das deutsche Wettbewerbsrecht auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern nicht anwendbar, das europäische Wettbewerbsrecht verlangt aber Geltung, vgl. Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 320, 321. Vgl. auch Kluth. MedR 2005, 65, 70; Rixen (Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 40) bemerkt zur neueren, auf die nationalen Sozialversicherungssysteme bezogenen EuGH-Rechtsprechung treffend: „Die Irritationen, zumal bei gestandenen Sozialrechtlern, sind groß und ebenso groß ist der Abwehrreflex im Bereich der nationalen Sozial- und Gesundheitspolitik, die Rechtskonkretisierungen des EuGH wenn nicht zu ignorieren, so doch in ihrer Wirkkraft zu minimieren.“ Vgl. auch Hess (in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Kapitel Rdn. 40 ff.), zu dem erst mit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 eingeführtem Vertragswettbewerb unter den gesetzlichen Kassen. Rixen (Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 75, 88, 103) verweist darauf, dass dies angesichts der Regeln des Risikostrukturausgleichs (RSA) gem. §§ 266 ff. SGB V wohl nur ein „so genannter“ Wettbewerb sei, da der RSA „ im Wettbewerb erfolgreiche (Mitgliederzuwächse) Krankenkassen durch Ausgleichsverpflichtungen gleichsam dafür „bestraft“, erfolgreich gewesen zu sein.“ Ebenso Kluth (a.a.O. S. 70). Zu Funktionsbedingungen des Wettbewerbs im Gesundheitswesen zuletzt Dettling GesR 2008, 169 ff. 107 Dazu Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Kapitel Rdn. 26. 108 Depenheuer (Solidarität im Verfassungsstaat , S. 25, 28, 141) weist darauf hin, dass gerade in diesem Punkt dem sonst in Literatur und Rechtsprechung eher diffus gebrauchten, beinahe wie eine „juristische fata morgana“ anmutenden Solidarprinzip eine wirkliche und elementare Abgrenzungsfunktion gegenüber dem individuellen Versicherungsmodell der „echten“ privaten Versicherungen zukomme. Quaas/Zuck (Medizinrecht, § 17 Rdn. 3) weisen treffend darauf hin, dass die Forderung nach mehr Wettbewerb im Vertragarztsystem unter gleichzeitiger Beibehaltung des Solidargedankens dem Wunsch nach der Quadratur des Kreises gleichkomme.
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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stellt.109 Symptomatisch und für einen überwiegend freien Markt110 völlig untypisch sind auch die beständigen Auseinandersetzungen zwischen der Gesundheitspolitik und der Ärzteschaft, die im GKV-System als Leistungsanbieter und, anstelle von Patient und Krankenkasse, zugleich insofern als „Nachfrager“ agiert, als sie mittels der ihr zustehenden und direkt noch vergleichsweise wenig reglementierten Therapiefreiheit111 ganz wesentlich über die entstehenden Kosten mitentscheidet, andererseits aber mit den von der Politik vorgegebenen Grenzen des Budgets zu kämpfen hat, die auf diese Weise mittelbar doch noch auch über das „Wie“ der Behandlung Einfluss gewinnt.112 Dieses mit Belangen des Gemeinwohls113 gerechtfertigte System geht so weit, dass der Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge in der Rechtsprechung des BSG mitunter der grundsätzliche Vorrang vor dem Anspruch der Vertragsärzte auf eine angemessene Vergütung eingeräumt wird.114 Um die vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlbelange zu verwirklichen und eine etwaige Unterversorgung in diesem System zu vermeiden, ist ihm der Kontrahierungszwang an vielen Stellen geradezu immanent.115 Die Leistungserbringer finden sich insgesamt in einem „feinmaschig gestrickten Netz normativer Inpflichtnahme wieder, von dessen peinlich genauer Beachtung ihre wirtschaftliche Existenz faktisch abhängt“.116 109
Vgl. insofern die auch heute noch gültige Äußerung im Endbericht der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, BT-Drs. 11 /6380, 150. Ein bewusst veranlasster und gesteuerter sozialer Ausgleich zwischen finanziell Leistungsfähigen und weniger Leistungsfähigen wird ferner natürlich durch die prozentual gleichmäßige Beitragsbemessung bewirkt, vgl. Kluth MedR 2005, 65. 110 Völlig deregulierte Märkte gibt es natürlich nicht, wie eine Binsenweisheit der Volkswirtschaftslehre besagt. Es geht vielmehr immer um eine vergleichende Betrachtungsweise. 111 Zur Regulierung der Therapiefreiheit durch „Qualitätssicherung als Vehikel zur Begrenzung des ärztlichen Anbieterverhalten“ etwa G.Schneider (MedR 1998, 151 ff.), der allerdings auch für diesen Punkt der ärztlichen Berufsfreiheit eine bereits „erhebliche Drittkontrolle“ konstatiert. Ähnlich Laufs, FS für Deutsch, S. 625 ff.; Kluth MedR 2005, 65, 69 m.w.N. zur so genannten Evidence Based Medicine und der Bedeutung ärztlicher Leitlinien in diesem Zusammenhang. Wenner (Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 2 Rdn. 9) weist zutreffend darauf hin, dass die Methodenanerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss natürlich auch auf diesem Gebiet zu einer weiter zunehmenden Reglementierung und Bürokratisierung des Arztberufes führt. 112 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 69. Er bemerkt zutreffend, dass die über die Budgetdeckelung erzielte Rationierung in der Diskussion oft stillschweigend übergangen wird (S. 27). Zur politischen Steuerung mittels Festlegung der Beitragssätze auch Kluth MedR 2005, 65. Zum Gemeinsamen Bundesausschuss und der mit der Erarbeitung eines Leistungskataloges verbundenen Reglementierung der ärztlichen Therapiefreiheit Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Kapitel Rdn. 179 ff. 113 BVerfGE 68, 193, 219; 70, 1, 29. 114 Vgl. Wimmer (MedR 2001, 361 ff. m.w.N.), der dies nicht zuletzt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kritisch hinterfragt. 115 Kluth MedR 2003, 128. 116 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 12. Das BSG hat in jüngsten Entscheidungen (MedR 2002, 37 ff.; 42 ff.; 47 ff.) betonen müssen, dass es eine schwere vertragsärztliche Pflichtverletzung darstellt, wenn zugelassene Ärzte das GKV-System zu umgehen versuchen, indem sie gegenüber dem Kassenpatienten Leistungen mit dem Hin-
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
b) Fazit Wie immer man dieses System der GKV einordnen mag, dem liberalistischen Prinzip freier Konkurrenz folgte es in der Vergangenheit gerade nicht.117 Dies belegen auch die beständigen Warnungen der Ärzteschaft vor einem zunehmenden „Ökonomisierungswahn“,118 in denen die Furcht vor echtem Wettbewerb in einen interessanten Gegensatz zu der sonst anzutreffenden Abscheu vor der gesundheitspolitischen Gängelung und Regulierung gerät.119 Völlig unbestreitbar ist allerdings auch, dass der Gesetzgeber seit Jahren bestrebt ist, zunehmend mehr Wettbewerbselemente in dieses System hineinzutragen,120 was ja die besagten Ängste der Ärzteschaft ausgelöst hat. Insgesamt ist zum GKV-System festzustellen: Eine nach freien unternehmerischen Entscheidungen des Vertragsarztes suchende GoA-Dogmatik konnte hier, jedenfalls bislang, kaum fündig werden. Etwas anderes galt allerdings immer schon für vertragsarztrechtlich erlaubte Zusatzleistungen, die von den gesetzlichen Kassen nicht ersetzt und daher, gegen gesonderte Vergütung, außerhalb dieses Systems erbracht werden.121 Soweit diese Leistungen nicht medizinisch unabdingbar sind, können auch nicht ersatzweise die hier bereits erörterten standesrechtlichen Pflichten den Arzt zu ihrer Erbringung anhalten. Da insofern die Kontrahierungsfreiheit nicht eingeschränkt ist, verbietet
weis auf deren mangelnde Rentabilität verweigern bzw. für GKV-Leistungen eine privatärztliche Zuzahlung verlangen. Vgl. auch Wigge in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 2 Rdn. 52; Schirmer, Vertragsarztrecht kompakt, S. 358. 117 Seine Erfassung nach wissenschaftlichen Kriterien fällt noch immer schwer. Rixen (Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 14 m.w.N.) verweist darauf, dass die „interne Logik des Leistungserbringerrechts diffus“ sei und seine dogmatische Aufbereitung nach wie vor in den „Kinderschuhen“ stecke. Die Bezeichnung als „Markt“ sei aber, und hier ist ihm natürlich zuzustimmen, insofern gerechtfertigt, als es um ein Aufeinandertreffen von Anbietern und Nachfragern im ökonomischen Sinne gehe, was die auf den freien Wettbewerb fixierten Literaturansichten, die bisweilen von einem „Nicht-Markt“ oder „QuasiMarkt“ sprechen, verkennen würden (S. 100, 101 m.w.N.). Auch Kluth (MedR 2005, 65) weist im Hinblick auf die Ausrichtung des Sozialversicherungsprinzips darauf hin: „Auch Entscheidungen, die von Marktgesetzen abweichen, sind aber ökonomische Entscheidungen“. 118 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 47 m.w.N. 119 Freilich dürfen die systembedingten Nöte der Vertragsärzte nicht leichtfertig abgetan werden. 120 Rolfs (Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, S. 291, 292) konstatiert, dass das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in jüngerer Zeit dem „Marktmodell“ erheblich angenähert worden sei; vgl. auch Kluth MedR 2003, 123 ff; ders. MedR 2005, 65 ff: Etwa mit den neuen Versorgungsformen wie der Integrierten Versorgung (§ 140 a bis 140 h SGB V) und den Modellvorhaben nach den §§ 63 ff. SGB V, die nach neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten verlangen. Dort auch ausführlich zu den Auswirkungen dieser Reformen auf die frühere Monopolstellung der Kassenärztlichen Vereinigungen, die nunmehr nicht mehr alleiniger Kollektivvertragspartner der Kassen sind. 121 Zur Liquidation wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus etwa Biermann/Ulsenheimer/Weißauer MedR 2000, 107 ff. und Kuhla MedR 2002, 280 ff.
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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sich hier tatsächlich der GoA-Rückgriff gegen Dritte, worauf auch beim ärztlichen Unterhaltsregress zurückzukommen sein wird.
3. Strafrecht a) Garantenstellung des Arztes und unterlassene Hilfeleistung gem. § 323 c StGB Für die strafrechtlichen Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit ist zunächst zu bemerken, dass es sich durchweg nicht um ausdrückliche gesetzliche Vertragsabschlusspflichten handelt, denn die betreffenden Normgebote sollen den Arzt allein zu einer bestimmten Rettungshandlung verpflichten, der Abschluss eines Vertrages mit einem bestimmten Inhalt ist dafür weder erforderlich noch stellt der Nichtabschluss eine Verletzung der strafrechtlichen Hilfepflicht dar, solange nur die geforderte Leistung erbracht wird.122 Die Befolgung der strafrechtlich angeordneten Handlungspflicht wirkt sich aber zumindest faktisch wie ein ausdrücklicher Kontrahierungszwang aus,123 mit dem der Gesetzgeber ja letztlich auch nicht auf den bloßen Vertragsschluss abzielt, mit dem allein dem Begünstigten wenig gedient wäre, sondern auf die Erbringung der benötigten Leistung selbst.124 Der faktische Kontrahierungszwang würde sich hier regelmäßig auch aus der bereits angesprochenen und unstreitigen Fallgruppe ableiten lassen, dass jemand auf lebensnotwendige, auch Dienstleistungen umfassende Güter ohne zumutbare 122
F.Bydlinski (AcP 180 (1980), 1, 15) weist allerdings darauf hin, dass nicht wenige, üblicherweise als echter Kontrahierungszwang eingeordnete gesetzliche Regelungen gar nicht die Pflicht zum Vertragsschluss sondern nur zur Leistungserbringung anordnen, so dass eine hinreichende Abgrenzung zwischen echtem (direktem) und faktischem (indirektem) Kontrahierungszwang nicht einmal mehr als gesichert gelten darf. Sie kann aber ohnehin auch keine Rolle spielen. 123 Köndgen (Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 381) meint denn auch zutreffender, § 323 c StGB enthalte gar eine echte „implizite Kontrahierungspflicht“. 124 Es sei hier noch einmal wiederholt, dass es für die Beurteilung der Sperrwirkung des Vertrages gegenüber der GoA (gegen Dritte) im Grunde völlig irrelevant ist, ob man die für den Vertragsschluss erforderlichen Willenserklärungen für (zumindest konkludent) abgegeben hält oder nicht. Das eindeutige Vorliegen des Vertrages bzw. die Handhabung der richterlichen Auslegungskunst können eine unterschiedliche rechtliche Bewertung von in tatsächlicher Hinsicht gleichen Sachverhalten nicht tragen. In Wirklichkeit kommt es nur darauf an, ob eine Zwangslage gegeben war oder nicht (vgl. auch nochmals Kilian AcP 180 (1980), 47, 75, 76 zum Verhältnis von Vertrag, Quasi-Kontrakt und Kontrahierungszwang); Raiser (JZ 1958, 1, 4) und Mestmäcker (JZ 1964, 441, 444) weisen richtig auf den engen Zusammenhang zwischen der Lehre vom faktischem Vertrag und der vom Kontrahierungszwang hin). Das bestätigt die Situation beim ausdrücklichen, notfalls gerichtlich einzuklagenden Kontrahierungszwang, bei dem die für den Vertragsschluss an sich erforderliche Willenserklärung durch richterliches Urteil ersetzt wird (§ 894 ZPO), mithin auch hier nur Fiktion ist. Zur vor diesem Hintergrund nahe liegenden Diskussion, ob beim Kontrahierungszwang der gerichtlich durchgesetzte Vertragsschluss und damit die vollstreckungsrechtliche Fiktion überhaupt nötig ist, wo es doch im Endeffekt nur um die beabsichtigte Güterbewegung geht, F.Bydlinski AcP 180 (1980), 1, 15 ff. m.w.N.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
Ausweichmöglichkeit ganz einfach angewiesen ist. Der in der GoA-Kommentarliteratur zu findende Hinweis auf § 323 c StGB geht allerdings schon insoweit fehl, als es oftmals nicht erst dieses echte Unterlassungsdelikt ist, aus dem sich die Strafbarkeit eines untätig bleibenden Arztes ergibt. Vielmehr sind in der strafrechtlichen Prüfung diejenigen Pflichten des Arztes zu beachten, die eine echte Garantenstellung gegenüber dem Patienten stipulieren, deren Verletzung mithin eine Vorsatzstrafbarkeit aus unechtem Unterlassungsdelikt begründet. Eine solche Garantenpflicht kann sich aus besonderen öffentlichrechtlichen Normen ergeben, natürlich auch aus einem bereits geschlossenen Behandlungsvertrag aber auch aus der rein faktischen Übernahme der ärztlichen Behandlung.125 Eine derartige Garantenpflicht trifft etwa den Bereitschaftsarzt, der „nicht nur gegenüber der kassenärztlichen Einrichtung, sondern gegenüber der Bevölkerung eine strafrechtlich geschützte Rechtspflicht hat, in dringenden Erkrankungsfällen einzugreifen“.126 Gleiches gilt für den Aufnahmearzt eines Krankenhauses „im Verhältnis zu den mit dem Krankenwagen eingelieferten Patienten“ sowie für „alle im Krankenhaus tätigen Ärzte gegenüber ihren jeweiligen stationären oder ambulanten Patienten,“ zu beachten sind ferner die jeweiligen Pflichtenbindungen aus den Krankenhausgesetzen der Länder, die eine Garantenstellung begründen können127 und sich damit zumindest als faktischer Kontrahierungszwang auswirken, wenn sie nicht ohnehin schon eine ausdrückliche Vertragsabschlusspflicht beinhalten. Die pauschale Garantenpflicht für alle bereits im Krankenhaus befindlichen Patienten muss hier allerdings nicht weiter erörtert werden, denn für die zur GoA interessierende Frage des Kontrahierungszwangs kommt es natürlich auf die Situation beim erstmaligen Ersuchen um Behandlung an. Dass teilweise allein aus der bloßen Niederlassung als Arzt eine standesrechtlich bedingte Garantenstellung gegenüber der Allgemeinheit abgeleitet wird,128 wurde hier bereits bei der Erörterung des Berufsrechts angesprochen. Arztrechtlich relevant ist ferner § 323 c StGB, der allerdings eine vorsätzliche Begehung erfordert.129 Die Norm ist in ihrer Bedeutung für das Arztrecht nicht unproblematisch. Man könnte meinen, dass sie als Straftatbestand eng zu interpretieren wäre, was aber nicht der Linie von Rechtsprechung und Literatur entspricht. 125
Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 2. BGHSt 7, 211 = NJW 1955, 718: „Dem Recht des Bereitschaftsarztes, erbetene Besuche als überflüssig abzulehnen, sind verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt. Sie ergeben sich daraus, daß zuverlässige Ferndiagnosen nur selten möglich sind“; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 2; vgl. auch OLG Hamm NJW 1975, 604, 605. 127 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 2; Überblick über die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen bei Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 23 Rdn. 25. 128 Eb.Schmidt, Die Besuchspflicht des Arztes unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, S. 18 ff. 129 § 323 c StGB erfordert einerseits keine besondere Garantenstellung, stellt andererseits aber ein Vorsatzdelikt dar. Ob die Norm damit als subsidiär gegenüber den unechten Unterlassungsdelikten bezeichnet werden darf, ist umstritten, vgl. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder § 323 c Rdn. 34, 35 m.w.N. 126
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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Da es auf die Ursache des „Unglücksfalls“ nicht ankommt, sind Krankheiten einer Person grundsätzlich erst einmal vom Tatbestand erfasst.130 Nach herrschender Lehre ist für die Tatbestandsmerkmale „Unglücksfall“ und „gemeine Gefahr oder Not“ zwar dem Grundsatz nach eine plötzliche, mit „gewissermaßen sprunghafter Dramatik“ einsetzende bzw. sich dramatisch verschlechternde Krisensituation zu verlangen.131 Diese „Plötzlichkeit“ stellt nun aber im Hinblick auf die arztrechtlich allein interessierenden Erkrankungen nach vielfacher Ansicht ein denkbar ungeeignetes Kriterium dar, um den „Unglücksfall“ in medizinisch und juristisch nachvollziehbarer Weise von normalen, keine Hilfspflicht auslösenden Sachverhalten abzugrenzen,132 wie eine Rechtsprechungsanalyse veranschaulicht: So wurden etwa „sich steigernde und nahezu unerträglich gewordene Schmerzen in der Bauchhöhle“ als Indiz für die akute Verschlechterung des Gesundheitszustands und damit als Unglücksfall i.S.d. § 323 c StGB angesehen,133 nicht aber die „tödlich verlaufene doppelseitige Lungenentzündung ohne plötzliches Ereignis zum Zeitpunkt des Anrufs beim Arzt“.134 Ulsenheimer fragt denn auch: „Soll der Arzt bei erkannter Blutung mit der Vornahme der Bluttransfusion warten dürfen, bis die sich daraus entwickelnde Symptomatik (Volumenmangelschock) als „dramatische Verschlechterung“ nun - bei erheblich verminderten Erfolgsaussichten - die Hilfeleistungspflicht begründet?“135 Anhand anderer Beispiele stellt Eb.Schmidt fest, es erscheine geradezu widersinnig, dass „einer im rapiden Verlauf zum Tode führenden Pneumonie, die „normal“ verläuft und ohne Ereignisse von besonderer Plötzlichkeit das Leben zum Erlöschen bringt, alle Ärzte der Welt mit verschränkten Armen zusehen dürfen, während sie bei einer Ohnmacht, einer apoplektischen Arterienruptur oder starken Blutungen gemäß § 330 c helfend zuspringen müssen“.136 Es leuchtet sicher ein, dass es wenig Sinn macht, auf die bisherige Verlaufsform einer Krankheit zurückzuschauen, anstatt umgekehrt die im Augenblick für den Patienten bestehende Gefahr für maßgeblich zu erachten.137 Man wird daher mit einer beachtlichen Auffassung im Schrifttum den Unglücksfall und damit die 130
Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 15; Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 41 ff. 131 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 14 ff.; Geilen in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Kapitel Rdn. 556; dazu auch Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 43. 132 Geilen Jura 1983, 81, 89; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck , Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 19; Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 45. 133 OLG Hamm NJW 1975, 604, 605 zur Vorgängernorm des § 330 c StGB; dazu Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 17. 134 RGSt 75, 68; zitiert nach Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 18. 135 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 19. 136 Eb.Schmidt, Die Besuchspflicht des Arztes unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, S.10. Er bezieht sich natürlich auf die Vorgängernorm des heutigen § 323 c StGB. Zustimmend Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 45. 137 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 20; Geilen in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Kapitel Rdn. 556.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
ärztliche Hilfeleistungspflicht nach § 323 c StGB nicht von der mehr oder weniger zufälligen „plötzlichen Wendung“ des Geschehens sondern davon abhängig machen müssen, ob eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben besteht, die ein möglichst sofortiges Einschreiten zur Schadensabwehr erfordert.138 Auch der Große Senat hat bereits recht früh zu dem Merkmal der „Plötzlichkeit“ bemerkt, dass eine enge Interpretation nicht angebracht sei.139 Wenn man sodann noch den Umstand hinzunimmt, dass nach herrschender Lehre die Formulierung „bei“ einem Unglücksfall den Täterkreis des § 323 c StGB nicht kategorisch auf den (zufällig) bereits am Ort des Geschehens anwesenden Arzt beschränkt, vielmehr auch telefonisch informierte Personen und Einrichtungen erfasst sein können,140 gerät der arztrechtlich relevante Anwendungsbereich der Norm theoretisch bereits recht weit. Ihre praktische Bedeutung hängt somit wesentlich davon ab, wie die Staatsanwaltschaften und Strafgerichte die Beurteilung des (Eventual-)Vorsatzerfordernisses handhaben, denn eine nur fahrlässige Versäumung der hier aufgestellten Pflichten zieht keine Strafbarkeit nach sich. b) Fazit Das Zusammenspiel der bis hier bereits erörterten strafrechtlichen Pflichten schreibt somit eine nicht unerhebliche Einschränkung der ärztlichen Handlungsfreiheit fest. Vor allem aber werden diese normativen Gebote über ihre eigentliche tatbestandliche Reichweite hinaus im Endeffekt noch verstärkt: Nicht zuletzt in 138
Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 20. Geilen (in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Kapitel Rdn. 556, 557) verlangt eine „Situation eines entweder unmittelbar bevorstehenden oder doch jedenfalls erst teilweise eingetretenen, außerdem als erheblich ins Gewicht fallenden, individuellen Schadens, der bedrohliche Konsequenzen insbesondere für Leib oder Leben des Betroffenen hat“. Damit will er § 323 c StGB offenbar noch zusätzlich nach der Art der Gesundheitsschädigung beschränken. Das ist sicher verständlich, offen ist aber, wann ein Gesundheitsschaden als erheblich in diesem Sinne zu verstehen ist und wann nicht. 139 BGHSt 6, 147, 152; dazu Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 14 ff.; Geilen in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Kapitel Rdn. 556, 557. 140 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 Rdn. 21. Dass der Anwendungsbereich der Norm bei diesem Verständnis nicht uferlos weit wird, ließe sich mit einer entsprechenden Handhabung des Zumutbarkeitskriterium gewährleisten (unter Verweis auf BGHSt 17, 166, 170). Völlig unproblematisch ist natürlich der Fall, dass der Patient selbst zu einer ärztlichen Einrichtung transportiert wird. Eine den Tatbestand eingrenzende Mindermeinung im Schrifttum setzt hingegen eine „räumlich-nachbarliche“ bzw. „genossenschaftliche Beziehung“ zum Betroffenen voraus, so dass nur derjenige von § 323 c StGB erfasst ist, „den das Schicksal in den Bannkreis des Unheils hat geraten lassen“, vgl. Gallas JZ 1952, 398; Welzel NJW 1953, 327, 328. Dagegen Geilen Jura 1983, 138. Zu diesem Problem auch Kreuzer (Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 74 ff.), der sich gegen die Ansätze zur lokalen Begrenzung des Kreises der Verpflichteten ausspricht und das Problem bei der Frage der Zumutbarkeit der Hilfeleistung behandeln will. Ulsenheimer (Arztstrafrecht in der Praxis, Rdn. 254 a) weist auf die künftig sicher zunehmende Bedeutung dieser Frage für die Telemedizin hin, hält aber wiederum das Zumutbarkeitskriterium für das passendere Mittel zur Eingrenzung des Tatbestandes.
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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Verbindung mit der im Einzelfall typischerweise bestehenden Ungewissheit des Arztes im Hinblick auf die für eine sichere Einschätzung der Hilfebedürftigkeit jeweils erforderlichen Tatsachen dürfte sich dieses Pflichtenprogramm regelmäßig dahingehend auswirken, dass die Vornahme einer Untersuchung und Behandlung in der Praxis die Regel darstellt, die Ablehnung hingegen die Ausnahme. Die genannten Pflichten führen womöglich im ärztlichen Alltag dazu, dass die Behandlungsseite zumindest das Eilgesuch um die am Anfang einer jeden Behandlung stehende diagnostische Untersuchung nicht kategorisch in der Gewissheit ablehnen kann, sich damit nicht strafbar zu machen,141 und sei es „nur“ aus den Fahrlässigkeitstatbeständen der §§ 222, 229 StGB.142 Freilich hängt die Steuerungswirkung des Arztstrafrechts auch von der praktischen Handhabung durch die Staatsanwaltschaften ab, was allerdings einer eigenen rechtstatsächlichen Untersuchung bedürfte. Es ist sicher wenig hilfreich, wenn ein untätig bleibender Bereitschaftsarzt deshalb nicht mit Bestrafung rechnen muss, weil die Strafverfolgungsbehörde einerseits bei der Prüfung des § 323 c StGB mit der Annahme von Eventualvorsatz vorsichtig ist, andererseits den aufgrund der bereitschaftsärztlichen Garantenstellung verwirklichten Tatbestand fahrlässiger Körperverletzung für nicht so gewichtig hält, dass nicht eine Einstellung gemäß § 153 StPO erfolgen könnte.143 Mit vereinzelten Entscheidungen dieser Art ist natürlich nicht besagt, dass das Arztstrafrecht nicht dennoch eine generalpräventive Steuerungswirkung entfaltet. Wer sich etwa mit nach eigenen Angaben „heftigen Bauschmerzen“ oder „akuten Kreislaufbeschwerden“ zum niedergelassenen Arzt begibt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. den Rettungsdienst und/ oder die Krankenhausambulanz in 141
Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen, S. 119 zur Untersuchungspflicht des Aufnahmearztes im Krankenhaus; dazu auch Narr, Ärztliches Berufsrecht, B 107, dort auch zu entsprechenden Bestimmungen der Krankenhausgesetze der Länder. 142 Der Grat zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit ist bekanntlich schmal. Die Unterscheidung zwischen den Vorsatzdelikten (zumindest eventualvorsätzliche Verletzung des Körpers und der Gesundheit beim unechten Unterlassungsdelikt bzw. eventualvorsätzliche Verletzung der Hilfepflicht aus § 323 c StGB) und den Fahrlässigkeitsdelikten ist für den hier interessierenden faktischen Kontrahierungszwang insofern irrelevant, als ja auch die theoretische Möglichkeit, sich wegen fahrlässiger Verkennung der maßgeblichen Umstände strafbar zu machen, den Arzt regelmäßig zu einer wenigstens kursorischen Untersuchung bewegen wird und damit zu einem Verhalten, das als (konkludenter) Vertragsschluss anzusehen ist. 143 Vgl zu einem solchen Sachverhalt OLG Köln NJW 1991, 764 ff.: Die alarmierte Bereitschaftsärztin begnügte sich mit einer (falschen) Ferndiagnose und nahm den erforderlichen Hausbesuch erst Stunden später vor. Die Staatsanwaltschaft lehnte, auch im folgenden Klageerzwingungsverfahren, die Anklageerhebung trotz der von ihr angenommenen fahrlässigen Körperverletzung jedoch ab, weil die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 153 StPO vorgelegen hätten. Im Hinblick auf die Bedeutung der ärztlichen Notfalleinrichtungen wie dem Bereitschaftsdienst ist eine solche Praxis der Strafverfolgung sicher nicht unbedenklich. BGHSt 7, 211= NJW 1955, 718 weist nicht umsonst darauf hin, dass „dem überragenden Interesse der Bevölkerung, nicht zuletzt der Ärzteschaft selbst“ an einer geordneten Durchführung des ärztlichen Notdienstes ein hoher Stellenwert zukommt. In dem betreffenden Fall führte das Verhalten des Bereitschaftsarztes, der seine Hilfe auf eine Ferndiagnose beschränkte, zu seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung.
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
Anspruch nehmen will, der wird, auch im Hinblick auf § 323 c StGB, eher nicht abgewiesen oder auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden, wenn hierfür nicht zwingende sachliche Gründe bestehen, die dann gegebenenfalls auch die Strafbarkeit entfallen lassen, was etwa bei fehlender Zumutbarkeit der Fall sein kann. In gerade auf Eilfälle vorbereiteten Einrichtungen wie dem Rettungsdienst, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst und den Krankenhausambulanzen dürfte dies aber den praktisch kaum vorkommenden Ausnahmefall darstellen. Eine andere Wertung gilt für solche, natürlich ebenfalls alltäglichen Sachverhalte, in denen der Patient meint, die womöglich nur leichten Beschwerden auf eine selbst erkannte und als relativ harmlos eingeschätzte Ursache zurückführen zu können, deren Behandlung Aufschub duldet, wie die schwere Erkältung und der lästige aber sicher nicht lebensbedrohliche Hautausschlag. Solche nicht eiligen Fälle werden natürlich überwiegend über die Vereinbarung eines regulären Termins beim niedergelassenen Arzt abgewickelt, bei dem die begründete Ablehnung der Behandlung und Verweisung auf einen anderen Arzt, etwa wegen Überlastung, keine Schwierigkeiten bereitet.144 Auch für solche Fälle sind aber die bereits erörterten standesrechtlichen und vertragsarztrechtlichen Behandlungspflichten zu beachten. Für die vom Patienten oder Begleitpersonen als eilig deklarierten Fälle dürfte aber die der Ärzteschaft gegenüber wohlwollende Vermutung gelten, dass praktisch durchweg eine Eingangsuntersuchung vorgenommen wird, wie es der BGH im Hinblick auf den Bereitschaftsarzt formuliert hat: „Der Arzt, der den betreffenden Patienten und die Natur seiner Erkrankung kennt, wird einen Besuch häufiger ablehnen können als derjenige, der den Patienten noch niemals untersucht hat“.145 Mit der Eingangsuntersuchung ist dann aber regelmäßig der Behandlungsvertrag schon zustande gekommen. Somit kann hier festgehalten werden: Wenn der in der GoA-Literatur stets vorzufindende aber nicht weiter präzisierte Verweis auf § 323 c StGB zum Ausdruck bringen soll, dass bei (strafrechtlichen) Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit ein Abgehen vom Grundsatz der vertraglichen Sperrwirkung gerechtfertigt sei, ist dies wertungsmäßig und in der Sache zwar völlig richtig aber doch insofern irreführend, als es einen Ausnahmecharakter dieser Sachverhalte suggeriert.146 In Wirklichkeit kann der Arzt recht schnell in den theoretischen Anwendungsbereich des Arztstrafrechts geraten.
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Nicht selten hört man aber auch, dass die Notfallambulanzen der Krankenhäuser von Personen mit Bagatellkrankheiten aufgesucht werden. Schon BGHSt 7, 211= NJW 1955, 718 weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass der Neigung von Teilen der Bevölkerung zu „überflüssigen Inanspruchnahmen von Ärzten“ anders als durch eine Absenkung des strafrechtlichen Pflichtenprogramms zu begegnen sei. 145 BGHSt 7, 211 = NJW 1955, 718, 719. 146 Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 32) hält sich allerdings, wie bereits erwähnt, die Geltung dieser Argumentation für andere ärztliche Pflichtenbindungen offen („mindestens in Eilfällen“).
E. Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit
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4. Gesamtschau: Reichweite der Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit Nach den bis hierhin angestellten Überlegungen ist zusammenfassend festzuhalten: Der als ideal rechtskundig gedachte Arzt muss bei einem an ihn herangetragenen Behandlungswunsch ernsthaft in Betracht ziehen, bereits standesrechtlich zum Tätigwerden verpflichtet zu sein, wenn nicht besondere Umstände (Unzumutbarkeit im Einzelfall, zerstörte Vertrauensbeziehung zum Patienten etc.) eine Ausnahme hiervon zulassen. Ferner ist der Kontrahierungszwang im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachten: Zwar wird kaum ein Arzt angesichts etwa eines bewusstlosen Hilfebedürftigen wirklich überlegen, ob dieser wohl krankenversichert ist. In die hier interessierende theoretische Betrachtung der Handlungspflichten ist jedoch auch das GKV-System mit einzustellen. Abschließend aber sicher nicht zuletzt ist die Möglichkeit der Verwirklichung eines Straftatbestandes zu berücksichtigen, wenn auch die Staatsanwaltschaften bei dem relativ schnell eröffneten Bereich des Arztstrafrechts keine harte Hand zeigen. Bei dieser Gesamtschau der möglichen Handlungspflichten stellt sich somit noch die Frage nach der exakten Reichweite der von der GoA-Literatur für maßgeblich gehaltenen Einschränkungen der „Freiwilligkeit der Partnerwahl“.147 Soll es für die Sperrwirkung des Vertrages gegenüber der GoA nur darauf ankommen, ob z.B. Strafrechtsnormen im Einzelfall wirklich eine Behandlung geboten haben, oder ist auch der vom Strafrecht im an sich ununterscheidbaren Zusammenspiel mit den standesrechtlichen, vertragsarztrechtlichen, arbeitsvertraglichen, landesgesetzlichen und etwaigen anderen Hilfeleistungspflichten bewirkte und generalpräventiv wohl auch erwünschte praktische Gesamteffekt zu berücksichtigen, dass die Ablehnung eines erbetenen Vertragsschlusses bei diesem Beruf faktisch den regelmäßig begründungsbedürftigen Ausnahmefall darstellt? Soll ein vorsichtiger, umsichtig und entgegenkommend handelnder Arzt, der, nicht zuletzt im Hinblick auf die bei seiner Tätigkeit regelmäßig bestehende Tatsachenunsicherheit, tendenziell mehr leistet als z.B. vom Strafrecht im jeweiligen Einzelfall wirklich verlangt, hierfür vom Zivilrecht durch die GoA-Sperrwirkung des Behandlungsvertrages bestraft werden, wenn es der Gegenseite im Prozess gelingt, ex post die fehlende Einschlägigkeit des jeweiligen Handlungsgebotes nachzuweisen oder wenn dies sogar unstreitig ist? Es handelt sich hier um eine Kernfrage der Ärzte-GoA, die von der zivilrechtlichen Literatur mit dem schlichten Verweis auf § 323 c StGB vernachlässigt wird, was allerdings nicht automatisch für eine geringe Praxisrelevanz der Frage sprechen muss. Kilian weist zutreffend darauf hin, dass es gerechtfertigt sein kann, rein faktische und in keiner Weise normativ unterstützte Zwangssituationen als Kontrahierungszwang zu behandeln und dem vermeintlich privatautonomen Handeln des Betroffenen hier keine allzu große Bedeutung beizumessen.148 In einem Erst-Recht-Schluss sollte man meinen dürfen, dass die 147
So die Formulierung von Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32. Kilian AcP 180 (1980), 47, 75, 76: Etwa der Arbeitssuchende, der in die Weitergabe seiner persönlichen Daten einwilligt, weil er sonst keinen Arbeitsvertrag erhält. Freilich begibt man sich auf einen zivilrechtsdogmatisch, verfassungsrechtlich und rechtspolitisch
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
Privatautonomie des Individuums auch dort allenfalls ein schwaches Argument darstellen kann, wo positive Handlungspflichten über ihrer exakte tatbestandliche Reichweite hinaus in der Praxis eine überschießende Steuerungswirkung entfalten, wie es bei den bis hier erörterten Hilfeleistungspflichten des Arztes tendenziell der Fall sein dürfte. Damit ist auch die angeblich relativ geringe Praxisbedeutung des Arztstrafrechts149 angesprochen: Untersuchungen zur Verfahrenswirklichkeit des Arztstrafrechts können natürlich nur Aufschluss geben über die tatsächlich geführten Ermittlungs- und Hauptverhandlungsverfahren. Deren Zahl mag zwar relativ gering sein, über die generalpräventive Bedeutung des Strafrechts ist damit aber gerade keine Aussage getroffen, umgekehrt spräche eine niedrige Zahl von Verfahren auch für einen wirksamen Abschreckungseffekt oder besser für einen Druck zu sorgfältiger Leistungs- und Pflichtenerbringung. Die Literatur zum Arztstrafrecht weist sicher zu Recht darauf hin, was für eine ungeheure Belastung ein Strafverfahren für den angeklagten Arzt darstellt.150 Dies darf zwar grundsätzlich ein jeder Angeklagter für sich in Anspruch nehmen, man mag aber überlegen, ob die beruflichen und gesellschaftlichen Konsequenzen für den Arzt nicht derart gravierend sind, dass dem Strafrecht in diesem Bereich ein besonderer Abschreckungseffekt zugesprochen werden darf. Die allgemeine kriminologische Diskussion, ob das Strafrecht überhaupt geeignet ist eine generalpräventive Steuerungswirkung zu entfalten, soll hier allerdings aus Raumgründen nicht aufgegriffen werden.151 Die für die GoA-Dogmatik vorzunehmende Gesamtschau der tatsächlich und rechtlich auf den Arzt einwirkenden Handlungszwänge aus Berufsrecht, Vertragsarztrecht und Strafrecht ergibt, dass dem mit dem Patienten geschlossenen Vertrag tendenziell eine eher geringe Aussagekraft im Hinblick auf den GoARückgriff gegen Dritte zuzusprechen ist.
5. Fazit Der einzelne Arzt bzw. die Träger der entsprechenden ärztlichen Einrichtungen sind in ein denkbar weites System von öffentlichrechtlichen, straf- und zivilrechtlichen sowie standesrechtlichen Handlungspflichten eingebunden, die teilweise auch nur Ausdruck elementarer ethischer und sittlicher Gebote sind. Die Ablehnicht unbedenklichen Weg, wenn man den ausdrücklichen Willenserklärungen des Einzelnen wegen gesellschaftlicher, finanzieller, emotionaler Zwänge etc. ihre Relevanz absprechen wollte. Im Grunde zieht das Gesetz mit den §§ 123, 138, 826 BGB bereits den eher engen Rahmen dafür, in welchem Umfang derartigen Zwängen rechtliche Relevanz zukommt. Kritisch insofern auch Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, S. 12, 13. 149 Dazu Lilie/Orben ZRP 2002, 154 ff. Ulsenheimer (Arztstrafrecht in der Praxis, Rdn. 1 ff.) weist auf einen Anstieg der Ermittlungsverfahren hin aber auch darauf, dass diese schwerpunktmäßig vermeintliche Behandlungsfehler zum Gegenstand haben. 150 Ulsenheimer NStZ 1996, 132, 133. 151 Vgl. etwa Gounalakis (in Verhandlungen des 66. DJT 2006, Bd. II/2 L 106), der vor der Übertragung des Gedankens der General- und der Spezialprävention auf die Zivilrechtsdogmatik warnt: „Unterhalten Sie sich einmal mit einem Strafrechtler! Diesem graut es, wenn er diese Begriffe nur hört“.
F. „Umfassende“ vertragliche Entgeltregelung im Sinne der BGH-Rechtsprechung
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nung einer erbetenen Behandlung stellt bei einer Gesamtschau der genannten Pflichten die Ausnahme dar. In einem gerade nicht durch freien Wettbewerb gekennzeichnetem System wie dem der GKV verbietet sich die pauschale Argumentation mit dem Verbot der Versionsklage. Die Anwendung des allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatzes, wonach ein jeder das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners freiwillig in Kauf genommen hat, spottet bei der Diskussion der Ärzte-GoA den besonderen ethischen und auch gesetzlich wie (kassenarzt-) vertraglich begründeten Pflichten oder wenigstens Geboten zum Abschluss eines Behandlungsvertrages bzw. zur Vornahme einer Behandlung. Die beinahe umfassende Einbindung des Vertragsarztes in das komplexe System der kassenärztlichen Versorgung hat ja sogar dazu geführt, dass das sozialrechtliche Schrifttum den Behandlungsvertrag im Bereich der ambulanten Versorgung für entbehrlich hält, weil er keine sinnvolle Funktion erfülle.152 Selbst wenn man dem, mit dem zivilrechtlichen Schrifttum,153 nicht folgen will, wird man zugeben müssen, dass der Behandlungsvertrag kein Vertrag ist, in dem der Arzt als Unternehmer und der Patient als Kunde sich unter weitgehend privatautonomer Gestaltungsfreiheit auf einem freien Markt begegnen. Das gegenwärtige, die meisten Bundesbürger erfassende System der gesetzlichen Krankenversicherung stellt vielmehr eine öffentlichrechtliche Spezialmaterie dar, die sowohl den Vertragsarzt als auch den Kassenpatienten in ein vielschichtiges Geflecht von Rechtsbeziehungen integriert. In einem solchen System mit einer grundsätzlichen Vertragsabschlussfreiheit des Arztes zu argumentieren, ist völlig verfehlt, was auch für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB zu beachten ist. Ob die Öffnung des Gesundheitssystems für mehr Wettbewerb in Zukunft eine andere Beurteilung erlauben wird, bleibt abzuwarten, ist aber zu bezweifeln, da die berufsimmanenten ethischen Handlungspflichten des Arztes ihn immer von einem reinen Unternehmer unterscheiden werden. Eine andere Beurteilung wäre nur in einem eindeutig wettbewerblich ausgerichteten Gesundheitssystem denkbar, das sich kaum jemand wünscht.154
F. „Umfassende“ vertragliche Entgeltregelung im Sinne der BGH-Rechtsprechung Zur Anwendung der neueren Rechtsprechung zum pflichtengebundenen Geschäftsführer ist ferner zu bemerken: Im Arztrecht ist es, wie bereits erwähnt, geradezu der Normalfall, dass neben oder statt dem kontrahierenden Patienten andere Rechtssubjekte (Krankenversicherung, Unterhaltsschuldner, Sozialleistungsträger) für die Behandlungskosten und/oder etwaige Zusatzleistungen einstehen müssen. Zu Beginn nicht weniger Behandlungen besteht damit, je nach den zur Verfügung stehenden Informationen, eine potentielle, geradezu arztrechtstypische Ungewissheit über die honorarrechtliche Passivlegitimation. Auf die für die GoA re152
Dazu unten IV A 3. Dazu unten, IV A 4. 154 Hess (MedR 2003, 137) verweist auf das Beispiel USA, deren Gesundheitssystem in Deutschland nicht konsensfähig wäre. 153
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III. Auch fremdes Geschäft, Geschäftsführer und Verbot bei der Ärzte GoA
levanten Details dieser systemimmanenten Besonderheit des Gesundheitswesens wird in den Folgekapiteln noch einzugehen sein. Ohne die Vielzahl der möglichen Vertragsgestaltungen (etwa im Krankenhaus) an dieser Stelle näher erörtern zu wollen, wird man schon aus diesem Grund bestehende Behandlungsverträge nur mit Zurückhaltung dahingehend auslegen können, dass sie die Entgeltfrage im Sinne der neueren BGH-Judikatur „abschließend“ und unter Ausschluss einer Einstandspflicht Dritter ausschließlich mit dem Patienten allein regeln. Für die reguläre, medizinisch erforderliche Basisbehandlung eines gesetzlich versicherten Kassenpatienten ist sogar die gegenteilige Wertung charakteristisch, da der Kassenpatient grundsätzlich nicht Honorarschuldner sein soll.155 Für die RückgriffsGoA ist ferner zu bedenken: Sie soll den Geschäftsführer ja gerade für den Ausfall der als Primärschuldner in Aussicht genommenen Person absichern und die Frage ist, ob dieses Interesse nicht in bestimmten Sachverhalten als legitim anzuerkennen ist. Die BGH-Judikatur zur abschließenden Entgeltregelung passt daher nicht für solche Lebensbereiche, in denen, wie im deutschen Gesundheitswesen, eine anfängliche Unsicherheit über den Kostentragungspflichtigen gewissermaßen systemimmanent ist, da zunächst einmal die erforderliche Behandlung im Vordergrund steht und die Klärung der Kostenfrage aufgrund der hier dargestellten Handlungspflichten des Arztes regelmäßig zurückzustellen ist. Für lediglich konkludent geschlossene Verträge, etwa in Notfallsituationen, gilt dieses Argument noch in höherem Maße: Wie bereits gesehen, sollte solchen faktisch erzwungenen Verträgen bereits per se keine Sperrwirkung gegenüber der Rückgriffs-GoA zukommen. Dass man in solche stillschweigend geschlossenen Verträge erst recht keine dann auch noch als „abschließend“ im Sinne der BGHRechtsprechung deklarierte Entgeltregelung hineinlesen darf, stellt sich nur als Wiederholung dieser Wertung dar. Der vertraglich pflichtengebundene Geschäftsführer ist daher eine Rechtsfigur, die zwar in vielen Lebenssachverhalten ein sinnvolles Korrektiv gegenüber einer ausufernden Anwendung der GoA darstellen mag.156 In arztrechtlichen Fallgestaltungen sollte er aber aufgrund des hier bislang herausgestellten hohen Regulierungsgrades ärztlicher Tätigkeit nur äußerst behutsam zur Anwendung gebracht werden. Die Verneinung ärztlicher GoA-Ansprüche 155
Die Schwierigkeiten, welche die Konstruktion der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung der Dogmatik nach wie vor bereitet, werden hier später noch näher behandelt, vgl. unten IV A. 156 Auch in anderen GoA-Fallgruppen müssen aber etwaige Kontrahierungszwänge untersucht werden. Die Vertragsabschlussfreiheit ist, wie bereits erwähnt, in ihrer hochgehaltenen Reinform eine Errungenschaft des wirtschaftsliberalen 19. Jahrhunderts, die keineswegs per se bestands- und aussagekräftig ist. Treffend bemerkt Kilian AcP 180 (1980), 47, 83: „Die Einschätzung des Kontrahierungszwangs muß realitätsbezogen erfolgen. Das impliziert Wandlungsmöglichkeiten. Bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gab es noch kein Stabilitätsgesetz, kein Betriebsverfassungsgesetz, kein Luftverkehrsgesetz, kein Kartellgesetz, keine marktbeherrschenden Unternehmen oder Dachverbände. Die Freiheit der Persönlichkeit, wie sie Kant und Savigny verstanden, wird heute in vielen Fällen besser verwirklicht, wenn der einzelne nicht auf sich selbst gestellt („privatautonom“) handelt, sondern Minimalgarantien erhält.“ Vgl. auch Raiser JZ 1958, 1, 2: „Das BGB hat keine neue Blüte des liberalen Zeitalters eingeleitet, sondern steht an seinem Ende.“
F. „Umfassende“ vertragliche Entgeltregelung im Sinne der BGH-Rechtsprechung
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gegen Dritte unter bloßem Verweis auf den zwischen Behandlungsseite und Patient vermeintlich privatautonom geschlossenen Vertrag stellt nach allem in der Regel ein äußerst schwaches wenn nicht sogar realitätsblindes Argument dar, weil dem Arzt zwar im Hinblick auf das „wie“ der Behandlung regelmäßig ein Spielraum zukommt (Therapiefreiheit), im Hinblick auf das „Ob“ der Behandlung dies jedoch regelmäßig zweifelhaft ist.
IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient A. GoA als Analogie-Grundlage für die vertragsärztliche Behandlung? 1. Überblick Vor der Erörterung von Ausnahmesituationen wie dem zufällig am Ort eines Unglücks anwesenden Arztes, der erste Hilfe leistet, ist zu klären, ob die GoA nicht schon in der regulären ambulanten Behandlung beim niedergelassenen Arzt eine Rolle spielen kann. Für den gesetzlich krankenversicherten Patienten, der schon in der Vergangenheit den Regelfall darstellte, wird das überraschenderweise tatsächlich diskutiert. Die Anwendung der GoA bei einer vom Patienten terminlich vereinbarten Behandlung in der Praxis des niedergelassenen Arztes erscheint auf den ersten Blick zwar geradezu abwegig und eine direkte Anwendung der §§ 677 ff. BGB wird denn auch nirgends ernsthaft erwogen. Fraglich und hier näher zu untersuchen ist aber, ob die GoA, wie teilweise vertreten wird, als maßgebliche Analogiegrundlage für die dogmatische Deutung der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten dienen kann. Die Komplexität der Rechtsbeziehungen bei der vertragsärztlichen Behandlung wurde hier bereits skizziert. Nach allgemeiner GoA-Dogmatik kann zwar im Zweipersonenverhältnis zwischen Handelndem und Begünstigtem kein Platz für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB sein, wenn zwischen ihnen schon ein Vertrag besteht. Dass die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen aufgrund eines zwischen dem Patienten und dem niedergelassenen Arzt geschlossenen zivilrechtlichen Vertrages erfolgt, ist nun aber lediglich für die Behandlung des Privatpatienten unbestritten.1 Das Verhältnis zwischen dem gesetzlich versicherten Patienten und dem ihn behandelnden Arzt ist hingegen durch das hauptsächlich in den Normen des SGB V enthaltene Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und damit durch ein „subtil organisiertes öffentlich-rechtliches System“2 geprägt, für das die Geltung zivilrechtlicher Regeln vielfach in Frage gestellt sein kann.3 Die me1
Vgl. die Darstellungen bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 94 ff; Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 2 Rdn. 1 ff., , 39 ff., 101 ff.; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 120 ff., 145 ff. Ferner ist unbestritten, dass die Krankenhausbehandlung von Privat- wie auch Kassenpatienten regelmäßig aufgrund eines mit diesen geschlossenen Vertrages erfolgt, der Meinungsstreit bezieht sich daher nur auf die ambulante Behandlung des Kassenpatienten beim niedergelassenen Vertragsarzt. Zu den Gründen für diese unterschiedliche Beurteilung der Krankenhausbehandlung gleich. 2 So die mittlerweile klassische Formulierung von BVerfGE 11, 30 = NJW 1960, 715 zur Reichsversicherungsordnung (RVO), deren Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung weitgehend in das SGB V überführt wurden. 3 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 94.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
dizinische Versorgung des Kassenpatienten weist dabei folgende Grundstrukturen auf: Die ambulante medizinische Versorgung erfolgt gem. § 95 SGB V durch die zugelassenen Ärzte/Zahnärzte als so genannte „Vertragsärzte“ (früher „Kassenärzte“ genannt),4 die aber ihre Leistungen nicht gegenüber dem Patienten abrechnen.5 Denn wesentliche Besonderheit der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Umstand, dass die Krankenkasse dem Patienten grundsätzlich nicht, wie in der privaten Krankenversicherung, nur die anlässlich einer Behandlung anfallenden Kosten (Arzthonorar) zu erstatten hat (so genanntes Erstattungsprinzip), vielmehr schuldet sie ihm die Verschaffung der medizinischen Versorgung selbst (so genanntes Sachleistungs- oder Naturalleistungsprinzip, vgl. §§ 2, 27 ff. SGB V).6 Die Behandlung in von den Kassen selbst betriebenen Einrichtungen stellt jedoch (bislang) den Ausnahmefall dar (vgl. § 140 SGB V).7 Die ambulante medizinische Versorgung gewährleisten die Krankenkassen (bzw. ihre Verbände) daher durch den Abschluss hierauf bezogener öffentlichrechtlicher Gesamtverträge (§§ 82 ff. SGB V) mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, zu denen der freiberuflich tätige „zugelassene“ Arzt wiederum in einem öffentlich-rechtlichem Mitgliedschaftsverhältnis steht, das ihn u.a. zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der 4
Die Bezeichnung als Vertragsarzt bezieht sich lediglich auf die Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung und auf die von dieser mit den Krankenkassen (-verbänden) geschlossenen Gesamtverträge über die Behandlung sozialversicherter Patienten, eine Aussage über die dogmatische Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Kassenpatient wird mit dieser Terminologie gerade nicht getroffen. 5 Ob der Vertragsarzt überhaupt einen Honoraranspruch gegen den Kassenpatienten erwirbt, ist fraglich, dazu unten. 6 Zum Sach- bzw. Naturalleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung BSGE 69, 170, 172 ff.; Hess (in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 2 Rdn. 39, 474 ff.) bezweifelt, ob Sachleistungs- und Erstattungsprinzip noch geeignet sind, den eigentlichen Unterschied zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu beschreiben, da § 13 II SGB V nunmehr auch für die gesetzliche Krankenversicherung die Möglichkeit der Kostenerstattung vorsieht, wohingegen auch in der PKV bei Krankenhausbehandlungen häufig eine Direktabrechnung mit der Kasse stattfinde. Das Sachleistungsprinzip wird aber vielfach weiterhin als Wesenmerkmal der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 94 ff.; Schimmelpfeng-Schütte MedR 2000, 512, 513; Steinhilper/Schiller MedR 1997, 385; Theobaldt in Stellpflug/Meier/Tadayon A 1000 Rdn. 73. Ausführliche dogmatische Darstellung und Abgrenzung gegenüber dem Erstattungsprinzip bei Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten), der zudem darauf hinweist, dass sich die treffendere Bezeichnung als „Naturalleistungsprinzip“ durchzusetzen scheint (S. 65). 7 Ob sich dies dadurch ändern wird, dass die Kassen nunmehr gem. § 140 I S. 2 2. Hs. SGB V Gründer eines Medizinischen Versorgungszentrums i.S.d. § 95 SGB V sein können, bleibt abzuwarten. Vgl. dazu Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 2 Rdn. 72, 282 ff. In der Vergangenheit wurde die Zulässigkeit der Eigenleistung durch die Kassen rechtspolitisch äußerst kontrovers diskutiert, da im Hinblick auf ein derartiges System die Befürchtung ausgesprochen wurde, dass „die freiberuflich tätigen Ärzte im Extremfall völlig beiseite gedrängt werden“, vgl. dazu Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 76 ff. m.w.N.), der es als ein maßgebliches Anliegen des historischen Gesetzgebers des Krankenversicherungsgesetzes von 1883 ansieht, „dass die ärztliche Behandlung „frei“ war“ (S. 80).
A. GoA als Analogie-Grundlage für die vertragsärztliche Behandlung?
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gesetzlich Versicherten verpflichtet und ihm eine dementsprechende Vergütung sichert.8 Eine im Ansatz ähnliche öffentlich-rechtliche Ausgestaltung erfährt die stationäre oder teilstationäre, gegebenenfalls auch nur ambulante Krankenhausbehandlung, die in einem „zugelassenen“ Vertragskrankenhaus erfolgt (vgl. §§ 39, 108 ff. SGB V).9 Die zivilrechtliche Deutung der Krankenhausbehandlung unterscheidet sich jedoch von derjenigen der ambulanten Behandlung beim niedergelassenen Arzt, da hier der Abschluss eines Vertrages mit dem Patienten nicht in Abrede gestellt wird.10 Auf die Gründe hierfür wird noch zurückzukommen sein. Die hier vereinfacht beschriebene Zweiteilung in die ambulante Behandlung durch den selbständigen Vertragsarzt einerseits und die Behandlung im Krankenhaus andererseits gibt die traditionellen Formen der medizinischen Versorgung des gesetzlich versicherten Patienten wieder, die freilich von den Reformbemühungen des Gesetzgebers nicht verschont geblieben sind,11 was bei der folgenden Darstellung im Auge zu behalten ist.
2. Meinungsstand: Das Verhältnis von Arzt und Kassenpatient bei der ambulanten medizinischen Versorgung Im Hinblick auf die ambulante Versorgung bestehen somit (unstreitig) jeweils besondere rechtliche Beziehungen zwischen Patient und Krankenkasse, Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung sowie Kassenärztlicher Vereinigung und ih8
Zu den aus der Mitgliedschaft resultierenden Rechten und Pflichten Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 2. Zu berücksichtigen wären ferner die Kassenverbände auf Bundes- und Landesebene, was bisweilen zum Anlass genommen wird, statt von einem Vierecksystem von einem „teilweisen Fünfecksverhältnis“ zu sprechen, vgl. Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 10 m.w.N. Aus Gründen der Vereinfachung sollen die Verbände hier aber nicht weiter erläutert werden. Vgl. dazu Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 13 9 Auch hier kontrahiert der unmittelbare Erbringer der medizinischen Leistung nicht mehr unmittelbar mit der Kasse, denn im Regelfall schließen die Krankenkassenverbände Vereinbarungen mit den Landeskrankenhausgesellschaften, vgl. § 108 SGB V. Ausführlich zu den Rechtsbeziehungen der Beteiligten Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 25. 10 Vgl. nur die Darstellung der Krankenhausvertragstypen bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 105 ff. 11 Die (stationäre) Behandlung im Krankenhaus muss hier dennoch von der ambulanten Versorgung getrennt dargestellt werden, da Rechtsprechung und Literatur insofern eine teils parallele, teils aber abweichende Entwicklung genommen haben. Dazu Hess (in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 2 Rdn. 73, 144 ff., 169, 170, 220 ff.), der die bisherige vertragsärztliche Versorgung und die Krankenhausbehandlung nicht für vergleichbar hält aber darauf hinweist, dass die hergebrachten Strukturen der sektorenbezogenen Versorgungsbereiche durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG, BTDrucks. 353 v. 26.5.2006) „vollends“ aufgelöst werden und diese u.a. aufgrund der hierdurch eingeführten Leistungserbringung durch Medizinische Versorgungszentren künftig immer stärker zusammenwachsen werden.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
rem ärztlichem Mitglied. Fraglich und umstritten ist nun, ob angesichts dieser bereits relativ komplexen, teilweise gesetzlich und teilweise vertraglich geregelten Vierparteienkonstellation noch Raum für die Annahme eines Vertrages zwischen Arzt und Patient verbleibt bzw. ob insofern überhaupt dogmatischer Bedarf besteht.12 Sollte eine Vertragsbeziehung tatsächlich zu verneinen sein, würde sich die Frage stellen, wie die Rechtsbeziehung zwischen Vertragsarzt und Kassenpatient denn sonst dogmatisch zu beschreiben ist und ob hier nicht ein Erklärungsvakuum entsteht, das durch andere zivilrechtliche Institute und insbesondere eine Analogie zu den Vorschriften der GoA ausgefüllt werden könnte. Die im Sozialrecht überwiegende Ansicht verneint tatsächlich eine Vertragsbeziehung zwischen Kassenpatient und Vertragsarzt, da dieser die ärztliche Behandlung bereits kraft öffentlichrechtlicher Verpflichtung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung schulde (so genannte Versorgungskonzeption).13 Überwiegend wird sodann angenommen, dass zwischen Arzt und Kassenpatient durch die tatsächliche Übernahme der Behandlung ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis entstehe.14 Der BGH und das zivilrechtliche Schrifttum wollen hingegen auch bei der Behandlung des Kassenpatienten einen zivilrechtlichen Vertrag annehmen (regelmäßig ein Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB), der gegenüber der Behandlung des Privatpatienten lediglich durch die Besonderheit gekennzeichnet sei, dass die Abrechnungsfragen ins Sozialversicherungsrecht ausgegliedert sind (so genannte Vertragskonzeption).15 Im Hinblick auf die materiellrechtliche Arzthaftung für Behandlungsfehler spielt der Meinungsstreit freilich keine Rolle, da der Arzt 12 Vgl. die Darstellung bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 95 ff. Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 2; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 17 ff. 13 BSGE 33, 158, 160; 59, 172, 177; Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 6 ff.; 536; Clemens in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 § 36 Rdn. 27 und 38 ff.; Höfler in Kasseler Kommentar SozVersR, Bd. 1 § 15 Rdn. 23; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 127 ff.; Waltermann, Sozialrecht, Rdn. 198; Muckel, Sozialrecht, Rdn. 150; Schnapp/Düring NJW 1989, 2913, 2916; Krause SGb 1982, 425, 429 ff.; Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 296 ff; Haueisen NJW 1956, 1746; offenbar auch Jaspersen VersR 1992, 1431 Fn 2. Unklar Rüfner, Einführung in das Sozialrecht, § 24 II. Vgl. auch die ausführliche Darstellung des Meinungsspektrums bei Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 145 ff. m.w.N. 14 Etwa Clemens in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 § 36 Rdn. 27 und 38 ff. („schuldrechtliches Verhältnis vertragsähnlicher Natur“); Waltermann, Sozialrecht, Rdn. 198 (der darauf hinweist, dass es sich auch nach Ansicht des mittlerweile überwiegenden Sozialrechtsschrifttums nicht etwa um ein öffentlichrechtliches sondern um ein dem Privatrecht zugeordnetes Rechtsverhältnis handle (anders aber BSGE 33, 158)). Vgl. die ausführliche Darstellung bei Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 25 m.w.N.). Vgl. insofern auch Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 145, 146. 15 BGHZ 76, 259; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 98, 99 m.w.N.; Eichenhofer, Sozialrecht, Rdn. 373; Schulin in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 § 6 Rdn. 116; Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht Kap. 2 Rdn. 121; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 160, 161.
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aufgrund § 76 IV SGB V (früher § 368 d IV RVO) jedenfalls nach bürgerlichrechtlichem Vertragsrecht haftet.16 Eine Entscheidung dieses nur auf den ersten Blick „rein akademischen Streites“ wird denn auch oftmals nicht für erforderlich gehalten,17 was aber im Hinblick auf sich zwangsläufig stellende materiellrechtliche und prozessuale Fragen schwerlich zu vertreten ist:18 Bisweilen wird z.B. angenommen, dass die sozialrechtliche Literatur konsequenterweise für die aus einer Behandlung resultierenden Haftungsklagen den Zivilrechtsweg verneinen und eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit annehmen müsse,19 was mit der geübten Rechtspraxis nicht im Einklang steht, da Haftungsfragen mit großer Selbstverständlichkeit vor den Zivilgerichten ausgetragen werden.20 Vom Standpunkt des Dogmatikers ist es ohnehin wenig befriedigend, wenn im Hinblick auf einen so bedeutenden Lebenssachverhalt derart „wenig Klarheit“21 herrscht. Auch für die hier interessierende Frage, inwieweit in dem beschriebenen System Raum für die 16 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 46, 47. Ohnehin darf bezweifelt werden, dass Behandlungsfehlern in der Praxis des niedergelassenen Arztes nennenswerte forensische Bedeutung zukommt, im Arzthaftungsrecht dominiert klar die (ggf. auch nur belegärztliche) Behandlung im Krankenhaus. 17 Etwa Plagemann NJW 1984, 1377, 1378 (im Hinblick darauf, dass die Behandlungsfehlerhaftung sich unstreitig nach bürgerlichem Recht richtet). 18 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 96; Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 293: „…wirkt sich der Streit der Auffassungen bei der Arzthaftpflicht nicht so gravierend aus. Manche wollen deshalb die Frage überhaupt dahingestellt sein lassen. Solche Abstinenz ist jedoch nicht gerechtfertigt. Von der Antwort hängt immerhin ab…wie die Kongruenz dieser privatrechtlichen Beziehung zu dem sie umgebenden und determinierenden Gefüge der Sozialversicherung herzustellen ist und schließlich, welche Lösungen sich für Kassenarzt und Kassenpatient bei Störungen aus diesem Bereich ergeben.“ 19 Wenn man der Ansicht des BSG von der öffentlichrechtlichen Natur eines gesetzlichen Schuldverhältnisses folgt. Dafür etwa Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 9: Die Sozialgerichte müssten dann, wie in § 51 II Nr.1 SGG vorgesehen, ggf. auch privatrechtliche Normen anwenden. Schon Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 42) wies aber darauf hin, dass dies eine unzutreffende Wiedergabe der sozialrechtlichen Literatur darstelle, da diese überwiegend von einem dem Privatrecht zugewiesenen aber eben nicht vertraglichen sondern gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Arzt und Kassenpatient ausgehe; ebenso zuletzt Waltermann, Sozialrecht, Rdn. 198. 20 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 96. 21 Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 15, 46, 51 ff.) diskutiert zudem das außerhalb des Haftungsrechts liegende Beispiel, dass der Patient im Glauben an einen in Wirklich jedoch nicht bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungsschutz vertragsärztliche Leistungen in Anspruch nimmt. Vertragskonzeption und Versorgungskonzeption müssen, anders als bei Haftungsfragen, bei der Lösung dieses Falles zu unterschiedlichen Begründungen desselben Ergebnisses (Honorarzahlungspflicht des Patienten) kommen. Die sich bei der Behandlung von Minderjährigen stellenden Fragen hält er hingegen für praktisch nicht relevant: „Die h.M. im Sozialrecht hat stets als Vorzug ihrer Konzeption hervorgehoben, dass der Minderjährige auch ohne Zustimmung der Eltern den Schutz des Vertragsrechts genieße. Doch ist dieser Vorzug wohl eher theoretischer Art. Welche Eltern werden die Zustimmung zu einem Vertrag versagen -der weder sie noch das Kind finanziell belastet- wenn das Kind einen Schaden erlitten hat?“ (S. 46).
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(analoge) Anwendung der GoA bleibt, kann die genaue zivilrechtliche oder öffentlichrechtliche Konstruktion der Arzt-Patient-Beziehung nicht offen bleiben, so dass das Meinungsspektrum näher zu untersuchen ist.22
3. Versorgungskonzeption: Das Verhältnis von Arzt und Kassenpatient als besonderes gesetzliches Schuldverhältnis des Privatrechts Nach vielfachen Äußerungen aus dem sozialrechtlichen Schrifttum bedingt das von Patient, Kasse, Kassenärztlicher Vereinigung und behandelndem Vertragsarzt gebildete „Vierecksystem“ die dogmatische Konsequenz, dass für die Annahme eines zivilrechtlichen Vertrages zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versichertem Patienten kein Platz mehr sei, zumal die insofern gem. §§ 130 ff. BGB erforderlichen Voraussetzungen regelmäßig nicht vorliegen würden.23 Dies belege auch § 76 IV SGB V (früher § 368 d IV RVO), denn wenn die maßgebliche Rechtsgrundlage des Behandlungsverhältnisses, wie von der Gegenmeinung angenommen, ein zwischen Arzt und Kassenpatient geschlossener Behandlungsvertrag wäre, müsste die in dieser Norm ausgesprochene Verweisung auf die Sorgfalt nach bürgerlichem Vertragsrecht schlicht überflüssig sein.24 Der sozialrechtliche Standpunkt wird mit einer dogmengeschichtlichen Beschreibung der Leistungsbeziehungen in der gesetzlichen Krankenversicherung untermauert, die einen genauen Blick lohnt, zumal sie vom zivilrechtlichen Schrifttum oft nicht erwähnt wird.25 Danach war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das heißt vor der Einführung der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Beziehung zwischen Patient, Kasse und Arzt zwangsläufig nur als Dreiparteienkonstellation ausgestaltet, was die Anwendung eines im BGB für solche Fälle ausdrücklich vorgesehenen Erklärungsmusters ermöglichte: Die Kassen schlossen mangels Kassenärztlicher Vereinigung unmittelbar mit den Ärzten Einzeldienstverträge über die Behandlung ihrer Versicherten, was über einen Zeitraum von beinahe dreißig Jahren hinweg
22 Eine sehr ausführliche Untersuchung der Problematik findet sich bei Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten. Eine einzelne Auseinandersetzung mit den dort angesprochenen Fragen kann hier aus Raumgründen nicht erfolgen. 23 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 301, 319; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 65 m.w.N. 24 BSGE 59, 172, 177; Schnapp/Düring NJW 1989, 2913, 2916. Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 45, 46, 56) gibt aber zu, dass eine isolierte Untersuchung der Norm nicht weiterführt: Sie biete vielmehr für jede Auffassung „ausreichende Argumentations- oder besser Spekulationsansätze“, die knappe amtliche Begründung (BTDrs. I /3904, S. 20)) helfe nicht weiter, da ihr nur die unstreitige haftungsrechtliche Gleichstellung von Kassenpatient und Privatpatient zu entnehmen sei, nicht aber eine dogmatische Stellungnahme des Gesetzgebers zu den rechtlichen Grundlagen der Haftung. 25 Vgl. hierzu die auf die zivilrechtliche Ansicht gemünzte Bemerkung von Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 34: „Die gesamte historische Entwicklung scheint gegen sie zu sprechen.“
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von der ganz überwiegenden Literatur,26 der sich in der Sache schließlich auch das RG anschloss,27 als Vertrag zu Gunsten Dritter gem. § 328 BGB interpretiert wurde.28 Für die Annahme eines Dienstvertrages zwischen Arzt und Patient bestand daher nach der lange Zeit absolut herrschenden Ansicht nicht der geringste Anlass, da dem Patienten als Drittem i.S.d. § 328 BGB bereits alle dementsprechenden zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Kassenarzt zustanden.29 Die 1933/1934 erfolgte Zwischenschaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen habe jedoch die direkte Anwendung des § 328 BGB versperrt, da die Norm nicht auf ein „Vierecksystem“ zugeschnitten ist, zumal das kassenärztliche Abrechnungsverhältnis ab jenem Zeitpunkt insgesamt als rein öffentlichrechtlich anzusehen sein sollte.30 Dieser Umstand habe den Gesetzgeber in den 50er Jahren zu der in § 368 d IV RVO (jetzt § 76 IV SGB V) zum Ausdruck kommenden Klarstellung veranlasst, dass mit der Etablierung der Kassenärztlichen Vereinigungen dem Patienten jedenfalls nicht seine zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Kassenarzt genommen werden sollten.31 Eberhardt zufolge hat der Gesetzgeber damit aber lediglich eine Rechtsfolgenverweisung auf das Vertragsrecht des BGB ausgesprochen und keine Aussage über die Natur der zwischen Kassenarzt und Kassenpatient bestehenden Rechtsbeziehung getroffen, dies bleibe vielmehr Rechtsprechung und Literatur überlassen.32 Die Deutung als nunmehr unmittelbar zwischen Arzt 26
Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 295 ff. mit weiteren Nachweisen zur älteren Literatur; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 34. 27 RGZ 165, 91 ff. 28 Zur Entscheidung des RG Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 39 ff.), der darauf hinweist, dass das Gericht damit an sich schon zu spät kam, da die (vom diesem gar nicht ausdrücklich erwähnte!) h.L. durch die Entwicklung des Kassenarztrechts in den 1930er Jahren überholt worden war, siehe dazu gleich. 29 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 295, 296. 30 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 306, 307. Auch Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten S. 9 ff., 40) weist daraufhin hin, dass erst die Zwischenschaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Recht das vorher noch gemischt öffentlichrechtlich/privatrechtliche Abrechnungssystem zum rein öffentlichrechtlichen Abrechnungssystem verändert und damit den „Wandel der Rechtsnatur“ des Honoraranspruchs bewirkt habe. Diese Erkenntnis habe sich endgültig jedoch erst in den 1950er Jahren durchgesetzt (vgl. BGH VersR 1956, 417). Zwischen den Krankenkassen und den Vertragsärzten bestehen im Übrigen seitdem grds. keine Rechtsbeziehungen mehr, was sich aber in Zukunft durch die Integrationsversorgung nach den §§ 140 a ff. SGB V wieder ändern wird, vgl. Krauskopf in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 Rdn. 11, 12. 31 So die Interpretation von Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 306, 307. Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 40) weist darauf hin, dass die aus dem Jahre 1940 stammende, zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits dogmatisch überholte Entscheidung RGZ 165, 91 in der Folgezeit noch für Verwirrung gesorgt habe, da sie für die Interpretation des Verhältnisses von Arzt und Kassenpatient teilweise noch herangezogen wurde. Ob es wirklich derartige dogmatische Zweifel waren, die den Gesetzgeber bei Erlass der Norm bestimmt haben, ist fraglich. Die bereits oben angesprochene amtliche Begründung (BT-Drs. I/3904, S. 20) gibt insofern nichts her. 32 Die in der Literatur zwischenzeitlich unternommenen Versuche zur Rettung des früheren Erklärungsmodells durch nunmehriges Abstellen auf die zwischen den Kassenärztli-
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und Patient geschlossenen (Dienst-)Vertrag will Eberhardt nicht gelten lassen: Sie werde der gegenüber der Privatversicherung bestehenden Besonderheit nicht gerecht, dass dem Patienten auch nach Wegfall des Dreiecksystems ein Anspruch auf Behandlung bereits aufgrund der Sachleistungspflicht der gesetzliche Kasse zusteht, die seine Erfüllung weiterhin durch das nunmehr komplexer gewordene, vertraglich und gesetzlich ausgestaltete Vierecksystem der vertragsärztlichen Versorgung sicherstellt.33 Der gesetzlich versicherte Patient, der einen Arzt aufsucht, tue dies typischerweise in dem Bewusstsein, sich die ärztliche Leistung bereits durch Abführung der Sozialversicherungsbeiträge an die Krankenkasse erkauft zu haben, so dass die Deutung des Geschehens als Vertragsschluss mit dem Arzt schon am fehlenden Erklärungsbewusstsein scheitere.34 Die Annahme eines selbständigen Vertrages zwischen Arzt und Patient sei aber auch aus weiteren dogmatischen Erwägungen heraus schlichtweg unhaltbar, denn sie käme einem unzulässigem Vertrag zu Lasten Dritter gleich.35 Welche Schlussfolgerungen aus dem von der sozialrechtlichen Literatur behaupteten Scheitern der privatvertraglichen Konstruktion zu ziehen sein sollen, wird allerdings nicht einheitlich beurteilt. a) Analogie zu § 328 BGB bzw. §§ 677 ff. BGB Eberhardt schlägt vor, von einem besonderen gesetzlichen Schuldverhältnis auszugehen, das mit der in § 368 d IV RVO (nunmehr § 76 IV SGB V) angesprochenen rein tatsächlichen „Übernahme der Behandlung“ entstehe und dessen materiellrechtlicher Inhalt anhand der früheren Rechtsprechung zu § 328 BGB zu bestimmen sei.36 Dieses besondere, dem Privatrecht zuzuordnende Schuldverhältchen Vereinigungen und den Krankenkassen geschlossenen Gesamtverträge würden u.a. an dem unstreitig öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Vereinbarungen scheitern, vgl. Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 300, 306, 307 m.w.N. 33 Eberhardt AcP 171 (1971), 289. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass dem Kassenpatient auch ein Anspruch auf Behandlung gegen den einzelnen Vertragsarzt zusteht, wie dies bei der Deutung über § 328 BGB unstreitig der Fall war, vgl. dazu Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 56 ff. 34 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 297, 319. Er nimmt an, dass das Laienverständnis der Patienten typischerweise schon immer derjenigen Konstellation entsprochen habe, die § 328 BGB beschreibt und zitiert eine recht alte Quelle aus den 1920er Jahren, die auf Umfrageergebnisse unter Kassenmitgliedern verweist, die diese Auffassung bestätigen würden (S. 297). An dieser „Grundstruktur“ und der „darauf fußenden psychischen Einstellung von Patient und Arzt“ habe sich durch Einführung der Kassenärztlichen Vereinigungen nichts geändert (S. 308). Der Gesetzgeber hätte mit § 368 d IV RVO auch nicht etwa das Bestehen eines Vertrages fingieren können, vielmehr richte sich dessen Entstehung allein nach den entsprechenden Bestimmungen des BGB über den Abschluss von Rechtsgeschäften: „Der Gesetzgeber kann zwar anordnen, dass ein Lebensverhältnis rechtlich wie ein Vertrag behandelt werden soll, aber er kann nicht anordnen, dass es ein Vertrag ist. Der Vertrag gehört zu den sog. „a-priori-„ Begriffen“ (S. 300). 35 Denn mit dem Honoraranspruch des Arztes wird ja nicht der Patient sondern die Kassenärztliche Vereinigung belastet, vgl. Krause SGb 1982, 425, 431. 36 Eberhardt AcP 171 (1971), 289, 308, 312: „Behandlungsübernahme bedeutet…den tatsächlichen Beginn, das Invollzugsetzen der Behandlung, ohne dass die strengen willensmäßigen Kontraktvoraussetzungen vorliegen müssen.“
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nis entstehe auch bei der Behandlung eines willensunfähigen/ bewusstlosen Kassenpatienten und verdränge zwar grundsätzlich auch die GoA, sein Inhalt lasse sich aber gegebenenfalls sogar aus einer (analogen) Kombination mit deren Regeln gewinnen.37 b) Auf Sekundärpflichten begrenztes gesetzliches Schuldverhältnis Die von Eberhardt vorgeschlagene Drittberechtigung wird von Natter als problematisch empfunden, der diesen Ansatz weiter durchdenkt, ohne ihn sich zu eigen zu machen: Es wäre bereits eine seltsame aber unvermeidliche Konsequenz dieses Ansatzes, dass die öffentlichrechtliche Verpflichtung des Vertragsarztes gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und deren öffentlichrechtliche Verpflichtung gegenüber den Kassen einen privatrechtlichen Erfüllungsanspruch des Patienten gegen den Arzt begründen.38 Da zudem diese Berechtigung inhaltlich zwangsläufig von dem geprägt sein müsste, was der Patient im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung von seiner Kasse an Behandlung verlangen darf, wären in einem zwischen Arzt und Patient vor den Zivilgerichten ausgetragenem Rechtsstreit über die geschuldete Behandlung „typisch sozialrechtliche Fragestellungen“ zu klären, wie etwa die der „Wirtschaftlichkeit“ (vgl. § 106 SGB V).39 Es sei aber sinnvoll, diese Auseinandersetzung, wie gesetzlich vorgesehen, nur vor den Sozialgerichten und allein mit derjenigen Institution auszutragen, die letztlich auch die Kosten trage, also mit der Krankenkasse.40 Wenn der Patient stattdessen die Wahl hätte, solche Fragen mittels einer gegen den Arzt gerichteten echten „Erfüllungsklage“ von den Zivilgerichten klären zu lassen, bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen.41 Dieses Problem der Erzeugung von Erfüllungsansprüchen würde sich hingegen nicht stellen, wenn man auf die in ihren Rechtsfolgen vertragsgleiche, mit den Regeln der GoA kombinierte Analogie zu § 328 BGB verzichtet und stattdessen lediglich ein auf Schutzpflichten reduziertes gesetzliches Schuldverhältnis annimmt.42 Insofern könne auf die viel diskutierten Bemü37 Eberhardt (AcP 171 (1971), 289, 312, 313) folgt insofern grds. der Theorie der Menschenhilfe bzw. den hinsichtlich des pflichtengebundenen Geschäftsführers skeptischen Literaturansichten: Die GoA sei auf rein altruistisches Verhalten zugeschnitten und passe nicht auf den vertragsarztrechtlich gebundenen und im Hinblick auf ein Honorar tätig werdenden Arzt. Dennoch sei eine Kombination des gesetzlichen Behandlungsverhältnisses mit den Regeln der GoA denkbar. 38 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 61, 62. 39 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 61, 62. 40 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 62. 41 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 50, 62. 42 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 62, 63. Der technische Unterschied gegenüber der Konzeption Eberhardts ist also klein aber von (vermeintlicher) Bedeutung. Die Gefahr sozial- und zivilgerichtlich divergierender Entscheidungen besteht freilich auch bei dem von Natter hier weitergedachten gesetzlichen Schuldverhältnis: Im Haftungsprozess vor den Zivilgerichten kann sich die nach wie vor nicht überzeugend geklärte Frage stellen, wie sich die vertragsärztliche Befolgung der vom Kostendruck diktierten Sparzwänge in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem haftungsrechtlich zu verlangenden Standard in Übereinstimmung bringen lässt. Die Zivilgerichte müssen also sehr
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hungen von Canaris zum „einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis“ zurückgegriffen werden, letztlich handle es sich aber um eine maßgeblich auf § 242 BGB gestützte Rechtsfortbildung.43
4. Vertragskonzeption Das zivilrechtliche Schrifttum begnügt sich regelmäßig mit der Behauptung, dass auch mit dem Kassenpatienten ein Behandlungsvertrag abgeschlossen werde. Eine zivilrechtsdogmatisch einleuchtende Erklärung für die Abspaltung der Honorarfrage ins öffentliche Recht liefert hingegen, soweit ersichtlich, nur Natter. Er vertritt, unabhängig von den eben diskutierten Korrekturvorschlägen für die Versorgungskonzeption, auch noch einen ganz eigenen Ansatz, der deswegen überzeugt, weil er sich der naheliegenden Instrumente der zivilrechtlichen Erfüllungsdogmatik (§§ 362 ff. BGB) bedient: Natter nimmt als Vertreter der Vertragskonzeption einen Behandlungsvertrag zwischen Kassenpatient und Vertragsarzt an und zeigt für die Erklärung der ins Sozialrecht ausgegliederten Honorarfrage einen stimmigen dogmatischen Weg auf. Er ist zunächst der Ansicht, dass der aus einer Behandlung resultierende Honoraranspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung sich mit Drittleistungs- oder Schuldübernahmekonstruktionen nicht überzeugend aus der Rechtsbeziehung zwischen Arzt und Patient ableiten lässt, die insofern bemühten Erklärungsmodelle müssten allesamt an den Besonderheiten des öffentlichrechtlichen „Vierecksystems“ scheitern.44 In Wirklichkeit erwerbe der Arzt zwei verschiedene und voneinander zu trennende Honoraransprüche, was sich konstruktiv wie folgt beschreiben lässt: Die vom Vertragsarztsystem angestrebte und in der Rechtspraxis ja auch bewirkte Befreiung des Kassenpatienten von der Vergütung der ärztlichen Leistung habe dogmatisch in zwei Teilakten zu erfolgen: Vertragsarzt und Kassenpatient schließen hiernach einen Behandlungsvertrag ab, der grundsätzlich, wie beim Privatpatienten auch, eine zivilrechtliche Vergütungspflicht des Patienten selbst begründet, sie einigen sich aber zugleich auf eine besondere „Entlastungsabrede“, wonach es sich bei der Behandlung um eine gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnende Versicherungsleistung handeln soll, was dogmatisch als Vereinbarung über eine Leistung an Erfüllungs Statt anzusehen wäre.45 Der durch diesen ersten Teilakt nur vorbereitete Anspruch des Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung entstehe wohl Überlegungen dazu anstellen, was der Arzt dem Patienten „schuldet“, die Sekundäransprüche des Schadensersatzrechts enthalten immer auch eine Aussage darüber, was primärrechtlich als „Erfüllung“ zu leisten war. Das der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesene Leistungsrecht des SGB V und das den ordentlichen Gerichten belassene Haftungsrecht stehen somit nicht beziehungslos nebeneinander. 43 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 63. 44 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 149. 45 Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 155, 160), meint, all dies werde zumindest konkludent durch Übergabe des Krankenscheins erklärt. An dessen Stelle ist mittlerweile die Krankenversicherungskarte getreten, deren vor der Behandlung erfolgende Registrierung natürlich ebenfalls in diesem Sinne interpretiert werden könnte.
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also gerade nicht bereits aufgrund der (privatautonomen) Gestaltungsmacht von Arzt und Patient46 sondern erst in einem zweiten Schritt aufgrund des außerhalb dieser Beziehung organisierten öffentlichrechtlichen Vertragsarztsystems. Der Patient gebe mit der Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlung zugleich eine „öffentlichrechtliche Willenserklärung“ ab, die an die Kassenärztliche Vereinigung gerichtet sei und vom Arzt an diese übermittelt werde.47 Der im Gegenzug an den Arzt ergehende Honorarbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung stelle dann einen (von Seiten des Patienten) mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dar, die diesbezügliche Willenserklärung des Patienten sei insofern eine Tatbestandsvoraussetzung neben anderen.48 Um zwei Teilakte handelt es sich bei dieser Deutung des Geschehens deswegen, weil der danach zunächst zivilvertraglich begründete Honoraranspruch des Vertragsarztes gegen den Kassenpatienten nicht identisch ist mit dem später aus der Behandlung resultierenden öffentlichrechtlichen Honoraranspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung. Der öffentlichrechtliche Anspruch löst vielmehr den zivilrechtlichen Anspruch ab, was auf die „Entlastungsabrede“ von Arzt und Patient zurückzuführen ist, die, wie gesagt, auf eine solche Leistung an Erfüllungs Statt hin angelegt ist.49 Sollten die Voraussetzungen für eine Abrechnung im Vertragsarztsystem hingegen nicht vorliegen (fehlender Versicherungsschutz, nicht von den Kassen gedeckte Leistung etc.), komme hingegen die subsidiäre privatrechtliche Honorarpflicht des Patienten (analog §§ 365, 437 (a.F.) BGB) zum Tragen.50
5. Stellungnahme Der mit der Dogmatik des BGB vertraute Leser hat bis hierhin sicher schon den Eindruck gewonnen, dass die von allen Ansichten grundsätzlich für erklärungsbedürftig gehaltene Rechtsbeziehung von Vertragsarzt und Kassenpatient sich mit diversen „Werkzeugen“ der Zivilrechtswissenschaft konstruieren lässt: Ob man einen echten Vertrag annimmt, ihn notfalls fingiert, ob man einen Vertrag zu Gunsten Dritter annimmt oder eine Analogie zu § 328 BGB, einen letztlich auch nur auf § 242 BGB gestützten Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte oder ein eigens erdachtes, der cic. oder eben der GoA angenähertes gesetzliches Schuldverhältnis, spielt letztlich keine große Rolle, es sei denn, man will für die vertragsärztliche Behandlung mit Vehemenz die kaum vertretbare alleinige Einschlägig-
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Denn dies würde einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen. Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 156 ff. Als zumindest konkludente Erklärung wird hier wiederum die Übergabe des mit den Abrechnungsunterlagen bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingereichten Krankenscheins verstanden. An dessen Stelle tritt heute wiederum die Datenübermittlung nach Registrierung der Krankenversicherungskarte. 48 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 156. 49 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 174. 50 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 174. 47
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keit eines dieser teilweise auch nur außergesetzlich entwickelten Rechtsinstitute behaupten. Die Entscheidung über die dogmatische Beschaffenheit der rechtlichen Beziehung von Vertragsarzt und Kassenpatient wird sich allerdings auch kaum losgelöst vom Vertragsarztrecht aus den abstrakten Grundsätzen der genannten Zivilrechtsinstitute ableiten lassen. Die Lösung des Problems wird vielmehr in den (öffentlich-rechtlichen) Besonderheiten des Naturalleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung zu suchen sein. Dessen dogmatische Einzelheiten und die daraus gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen sind aber alles andere als gesichert, vielmehr scheuen Rechtsprechung und Literatur überwiegend eine eindeutige Stellungnahme.51 Aus Raumgründen muss hier auf eine nähere Darstellung dieser Besonderheiten, ihrer historischen Wurzeln und ihrer Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur verzichtet werden.52 Festzuhalten bleibt aber, dass Kassenpatient und Vertragsarzt sich entgegen der verlockend einfachen Prämisse von der „freiberuflichen Stellung des Kassenarztes innerhalb eines subtil organisierten öffentlichrechtlichen Systems“53 zwar sicher nicht wie zwei Geschäftspartner begegnen, die ihre rechtlichen Beziehungen erst privatautonom aushandeln und dann auf eine vertragliche Grundlage stellen müssen. Dass dem nicht so ist, wurde hier schon bei der Erörterung des ärztlichen Kontrahierungszwanges aufgezeigt. Die durch diese Besonderheit ausgelösten dogmatischen Schwierigkeiten lassen sich aber überzeugend auf die Vergütungsfrage beschränken. Die von der Versorgungskonzeption Eberhardts befürwortete Annahme eines besonderen gesetzlichen Schuldverhältnisses hat zwar auf den ersten Blick viel für sich, insbesondere deswegen, weil sie die aufgrund der Teilnahme an diesem System zu akzeptierende Einschränkung der Privatautonomie der Beteiligten verdeutlicht. Den allein durch die Honorarfrage bedingten „janusköpfigen Charakter“54 der Beziehung von Vertragsarzt und Kassenpatient sollte man aber nicht zum Anlass nehmen, ihre gesamte Beziehung zu einem dogmatisch eher mysteriösen gesetzlichen Schuldverhältnis zu verabsolutieren, das unabhängig vom Patientenwillen und, darin der 51 Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 101), weist insofern insbesondere auf die Widersprüchlichkeit der Annahme einer Naturalleistungspflicht der Kassen einerseits und der Prämisse von der haftungsrechtlichen Alleinverantwortung des Vertragsarztes andererseits hin: „Wenn nämlich die Krankenkasse die ärztliche Behandlung als Naturalleistung…schuldete, dann umfasste die Leistungspflicht nicht nur die Bereitstellung eines Arztes, sondern auch die Durchführung der Behandlung…Die…Ungenauigkeiten bei der Definition der Naturalleistung haben im Haftungsrecht ihren Hintergrund: § 278 BGB sollte aus dem Sozialversicherungsverhältnis ferngehalten werden. Daher hatte zwar die Krankenkasse die ärztliche Behandlung als Naturalleistung zu erbringen; die haftungsrechtlichen Konsequenzen wollte man aber nicht ziehen“. 52 Dazu Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 78 ff. Schmitt (Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 161) hält zu dem Meinungsstreit zudem sicher zutreffend fest: „ Letztlich ist es wohl auch kaum möglich, insoweit zu einem wirklich überzeugend begründeten Ergebnis zu gelangen... und die tatsächlichen Gegebenheiten sind, da es nicht zuletzt auf die Willensrichtung der Beteiligten ankommt, nicht eindeutig zu bestimmen, sondern eröffnen einen gewissen „Beurteilungsspielraum““. 53 BVerfGE 11, 30 = NJW 1960, 715. 54 Tiemann NJW 1985, 2169, 2171.
A. GoA als Analogie-Grundlage für die vertragsärztliche Behandlung?
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GoA ähnlich, aufgrund der rein tatsächlichen Übernahme der Behandlung entsteht. Dies hätte, überspitzt formuliert, die bei einer einvernehmlich verabredeten Tätigkeit mehr als seltsam anmutende Konsequenz, dass der Arzt durch Beginn der Behandlung ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis zur Entstehung bringen könnte, das dann auf wundersame Weise in beinahe allen inhaltlichen Fragen dem Behandlungsvertrag beim Privatpatienten gleicht. Der auf die Komplexität des Sozialversicherungssystems fixierten Versorgungskonzeption fehlt hier der Blick für grundlegende Wertungen des Zivilrechts, das der privatautonomen Gestaltung von Rechtsbeziehungen den grundsätzlichen Erklärungsvorrang einräumt. Die insofern verbleibenden Freiräume müssen dogmatisch genutzt werden, bevor auf eine im Wege der Rechtsfortbildung gewonnene Verlegenheitslösung zurückgegriffen wird. Die Gestaltung von Rechtsbeziehungen mittels Vertrag stellt aber eben den bürgerlichrechtlichen Normalfall dar. Dies gilt für die Behandlung des Kassenpatienten umso mehr, als die in der Vergangenheit zugegebenermaßen recht zuverlässige Einbindung in das Vertragsarztsystem durch die hier schon bei der Erörterung des Kontrahierungszwangs angesprochenen, auf mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen abzielenden Reformen und die Öffnung der Berufsordnungen für neue ärztliche Kooperationsformen aufgelockert wird. Der Patient wird sich künftig auf der Behandlungsseite mit ganz verschiedenen und noch komplexeren „Liquidationsstrukturen“ (ärztliche Partnerschaftsgesellschaft, Heilkunde-GmbH, Medizinisches Versorgungszentrum) konfrontiert sehen. Es sei hier die Prognose gewagt, dass, entsprechend der längst anerkannten Wertungen bei der Krankenhausbehandlung, der zivilrechtliche Vertrag als dogmatischer Ausgangspunkt für die Erklärung der Rechtsbeziehungen zwischen Patient und jeweiligem Leistungserbringer in Zukunft geradezu unentbehrlich sein wird, wie eine kurze dogmatische Einordnung der Krankenhausbehandlung belegen mag: Die Kassen schließen auch hier (allerdings ohne Einschaltung einer der Kassenärztlichen Vereinigung entsprechenden Instanz) mit den Krankenhäusern bzw. deren Verbänden Rahmenverträge über die Behandlung der Versicherten (vgl. § 109 SGB V).55 Bei der Krankenhausbehandlung ist die Deutung des Geschehens als zivilrechtlicher Vertragsschluss mit dem Patienten aber heute unbestritten. Lange Zeit wurde zwar auch im Hinblick auf die stationäre Versorgung mit der Figur des Vertrages zu Gunsten Dritter gearbeitet, so dass die Kasse, grundsätzlich aber nicht der Patient selbst Vertragspartei des Krankenhausträgers sein sollte.56 Da es sich um eine auf § 328 BGB gestützte Konstruktion handelte, entsprach es zudem lange herrschender Ansicht, das stationäre Behandlungsverhältnis noch
55
Dies gilt freilich nur für Krankenhäuser i.S.d. § 108 Nr. 3 SGB V, für Hochschulkliniken und die so genannten Plankrankenhäuser gelten andere Regeln. Näher dazu Quaas in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 12 Rdn. 151 ff. 56 Vgl. die Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung bei Pilz NZS 2003, 350, 351; Kleinmann NJW 1985, 1367 ff.; Lenz NJW 1985, 649 ff.; s. auch Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 45; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 163 ff. Schon die bereits erwähnte Entscheidung RGZ 165, 91 ff. hatte zwar die ambulante Versorgung zum Gegenstand, bezog sich für die Begründung jedoch auf die Rechtslage bei der stationären Behandlung im Krankenhaus.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
insgesamt als zivilrechtlich einzuordnen.57 Die Honorarfrage wurde mittlerweile allerdings, wie auch bei der ambulanten Behandlung beim niedergelassenen Arzt, ins öffentliche Recht ausgegliedert: Obwohl „einheitliche Rechtsverhältnisse für die Rechtswegefrage grundsätzlich nicht auseinander gerissen werden“ sollten, will der BGH nunmehr auch bei der stationären Krankenhausbehandlung des Kassenpatienten von einer selbständigen öffentlichrechtlichen Qualifizierung des Abrechnungsverhältnisses zwischen Krankenhaus und Kasse ausgehen, durch die jedoch der zivilrechtliche Charakter der Behandlung im Übrigen nicht in Frage gestellt werde.58 Welche Auswirkungen dies für die jeweiligen Rechtsbeziehungen zwischen Kassenpatient, Kasse und Krankenhausträger hat, ist im Hinblick auf dogmatische Detailfragen noch nicht abschließend geklärt,59 die vom BGH vorgenommene Aufspaltung der stationären Behandlung in einen öffentlichrechtlichen und in einen zivilrechtlichen Teil wird auch nicht durchweg gebilligt. Teilweise wird vielmehr angenommen, dass auch im Hinblick auf die Kostenabrechnung weiterhin eine zivilrechtliche Beziehung vorliege: Dies sei schon deshalb geboten, weil dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegebenenfalls Einwendungen bzw. Einreden wegen Schlechterfüllung, d.h. wegen fehlerhafter Behandlung entgegengehalten werden können, für die aber keine „besondere Sachkunde und Sachnähe“ der Sozialgerichte bestünde.60 Von Bedeutung ist aber, dass der BGH mittlerweile jedenfalls von einem direkten Vertragsschluss zwischen dem Kassenpatienten und dem Krankenhausträger ausgeht61 und soweit ersichtlich stellt auch das sozialrechtliche Schrifttum dies nicht in Frage. Dieser anerkannte und in der Krankenhauspraxis durch AGB erfolgende Vertragsschluss mit dem Patienten selbst ist aus folgendem Grund unentbehrlich geworden: Die im Krankenhaus regelmäßig komplizierte Frage der Passivlegitimation, d.h. die Frage, wer für die jeweils geschuldete ärztliche bzw. pflegerische Leistung überhaupt zuständig sein soll, lässt sich wegen der Mehrzahl der in Betracht kommenden Rechtssubjekte und Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt nur durch vorherigen Abschluss entspre57
Vgl. die Nachweise bei BGHZ 89, 250, 252 ff. = BGH NJW 1984, 1820, 1821. BGHZ 89, 250, 252 ff. = BGH NJW 1984, 1820, 1822. 59 Das Sachleistungsprinzip verbietet an sich die Annahme, dass der Kassenpatient sich die Behandlung (selbst) vertraglich verschafft und von der Kasse lediglich Kostenerstattung verlangt. Denkbar wäre aber eine Konstruktion, wonach der Patient dem Krankenhausträger seinen Behandlungsanspruch gegen die Krankenkasse abtritt, vgl. BGHZ 89, 250, 252 ff. = BGH NJW 1984, 1820, 1822; BSGE 53, 62, 65. Dies würde allerdings im Endeffekt doch auf eine Kostenerstattung hinauslaufen. Natters Vorschlag, das Problem mit einer Abrede über eine Leistung an Erfüllungs Statt zu lösen (s.o.) könnte allerdings auch hier zur Anwendung gebracht werden. Zur hier nicht weiter zu vertiefenden Thematik der Kostenübernahme durch die Krankenkasse etwa A.Schwarz MedR 2001, 55 ff. 60 Kleinmann NJW 1985, 1367, 1369. Diese Problematik wurde hier bereits angesprochen, vgl. zu dieser „Rückwirkung des Leistungsrechts auf das Behandlungsverhältnis“ Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S.61 ff. 61 BGHZ 89, 250, 252 ff. = NJW 1984, 1820 ff.; zustimmend Lenz NJW 1985, 649, 654; kritisch Lüke SGb 1985, 305, 306; Kleinmann NJW 1985, 1367. Dazu auch Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 45; Schmitt (Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht S. 187) sieht das überwiegende Schrifttum auf Seiten dieses selbständigen Behandlungsvertrages. 58
A. GoA als Analogie-Grundlage für die vertragsärztliche Behandlung?
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chender Vertragsvereinbarungen zufriedenstellend regeln. So kommt eine Zuständigkeit des Krankenhausträgers in Betracht, eine (alleinige oder zusätzliche) Zuständigkeit des Chefarztes wie auch eine solche des Belegarztes.62 Die Entbehrlichkeit einer vertraglichen Deutung der Rechtsbeziehungen ließe sich bei der Krankenhausbehandlung mit der auch hier im Hinblick auf kassenrechtlich gedeckte Leistungen jetzt unstreitigen Ausgliederung der Honorarfrage ins öffentliche Recht jedenfalls nicht begründen. Erst einmal muss ja geklärt sein, wer für die jeweilige Maßnahme überhaupt zuständig war und ob der Patient wirklich nur kassenrechtlich geschuldete Leistungen in Anspruch genommen hat oder ob er besondere, von ihm allein zu tragende ärztliche wie pflegerische Dienste geordert hat. Das Mittel zur Klärung dieser Fragen ist aber die von der Privatrechtsordnung als Regelfall vorgesehene Gestaltung durch vertragliche Abreden und nicht ein erst mühsam zu konstruierendes gesetzliches Schuldverhältnis. Das Krankenhaus ist jedoch nicht mehr der einzige Ort, an dem sich das Leistungsspektrum in kassenrechtlich gedeckte und nicht gedeckte Maßnahmen ausdifferenziert hat. Zunehmend werden auch bei der ambulanten Behandlung beim niedergelassenen Arzt besondere, nicht von den Kassen zu tragende Leistungen in Anspruch genommen (wie etwa bei Patienten unter 35 Jahren die erstmalige Untersuchung von Leberflecken auf etwaige Auffälligkeiten etc., der gesamte Bereich zahnärztlicher Leistungen ist hier noch gar nicht angesprochen). Auch solche kassenärztlich nicht ersatzfähigen Leistungen werden in der Praxis unstreitig aufgrund besonderer, vom Patienten selbst zu vergütender Vertragsgrundlage erbracht. Der zivilrechtliche Behandlungsvertrag ist daher der Regelfall bei jedweder Krankenhausbehandlung, bei der ambulanten Behandlung des Privatpatienten und bei zahlreichen besonderen Leistungen in der ambulanten Praxis, die zunehmend ein lukratives Zusatzgeschäft der niedergelassenen Ärzteschaft darstellen. Man sollte den zivilrechtlichen Arztvertrag daher ruhig als Ausgangspunkt der Betrachtung eines jeglichen Behandlungsgeschehens ansehen dürfen. Die Ausgliederung der Honorarfrage bei der regulären ambulanten Behandlung lässt sich mit der von Natter zur Anwendung gebrachten und im BGB ja eigens vorgesehenen Erfüllungsdogmatik zufriedenstellend erklären, ohne dass gleich der gesamte Vertrag als Erklärung für die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patient geopfert wird. Für die Konstruktion eines besonderen gesetzlichen Schuldverhältnisses und eine Analogie unter anderem zu den Regeln der GoA, wie sie von Eberhard erwogen 62 Vgl. hierzu die Darstellung bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106 ff. m.w.N.: Für ärztliche wie auch pflegerische Leistungen ist der Krankenhausträger sowohl beim so genannten totalen einheitlichen Krankenhausaufnahmevertrag zuständig wie auch beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag, nur für die pflegerischen Leistungen ist er zuständig beim gespaltenen Arzt-Krankenhausvertrag, dessen Hauptanwendungsfall die belegärztliche Behandlung darstellt. Der Chefarzt ist allein passivlegitimiert bei der Behandlung in der von ihm geleiteten Krankenhausambulanz, er ist zusätzlich zum Krankenhausträger als selbstliquidierender Krankenhausarzt zuständig, wenn der Patient im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag ergänzend besondere ärztliche Wahlleistungen ordert. Beim gespaltenen Arzt-Krankenhausvertrag ist wiederum für die ärztlichen Leistungen alleine der betreffende Arzt zuständig, nicht aber der Krankenhausträger, der lediglich die pflegerische Grundversorgung garantiert.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
wird, ist daher kein Platz. Dieses Modell verabsolutiert die vertragsärztliche Behandlung in Richtung eines starren, nur einen Erklärungsweg kennenden und duldenden staatlichen Gesundheitsdienstes. Hinzu kommt ein in diesen Überlegungen angelegter, sehr grundsätzlicher Denkfehler: Wenn der Behandlungsvertrag, wie vom sozialrechtlichen Schrifttum behauptet, funktionslos und damit entbehrlich sein soll, wäre nicht zu erklären, wieso an seine Stelle überhaupt eine andere Rechtsfigur treten muss, der Vertrag könnte vielmehr ersatzlos entfallen. Letztlich handelt es sich bei diesem Streit aber auch mehr um einen zwischen Zivilrechtsund Sozialrechtsschrifttum aus prinzipiellen Gründen der Deutungshoheit ausgefochtenen Kampf mit geringer praktischer Bedeutung, dem nicht zuviel Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
6. Verbleibende Bedeutung des Meinungsstreits: Das gestörte Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis Wie bereits erwähnt, ist der Meinungsstreit im Hinblick auf Haftungsfragen wegen ärztlichen Fehlverhaltens kaum relevant. Anders ist dies jedoch, wenn es um Störungen des Abrechnungsverhältnisses geht: Wenn der Patient den Vertragsarzt aufsucht, obwohl er entweder überhaupt nicht versichert ist oder aber die Kasse im konkreten Fall nicht leistungspflichtig ist, stellt sich die Frage nach der Vergütungspflicht des Patienten.63 Die Vertragskonzeption der im Zivilrecht überwiegenden Ansicht könnte insofern auf einen (als praktisch subsidiär geplanten) Vergütungsanspruch aus dem zwischen Patient und Arzt ihrer Ansicht nach geschlossenen Dienstvertrag rekurrieren, der dann greift, wenn die (nach Natters Konzept) an Erfüllungs Statt vereinbarte Bezahlung durch Kasse bzw. Kassenärztliche Vereinigung mangels Versicherungsdeckung nicht greift. Die Versorgungskonzeption wäre hingegen auf eine Lösung nach § 812 BGB angewiesen, es sei denn, man will zu Fiktionen wie einem für solche Fälle stillschweigend vereinbarten Eventualvertrag greifen,64 der freilich von Natters Konzept einer Vereinbarung über eine Leistung an Erfüllungs Statt nicht allzu weit entfernt wäre. Auch hier erweist sich die Vertragskonzeption somit als das letztlich überzeugendere Erklärungsmodell. Der Versorgungskonzeption ist damit eine Absage zu erteilen, so dass sich eine nähere Erörterung einer analogen Anwendung der GoA erübrigt. Dies alles gilt 63
Dazu Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 51 ff. Die Variante des gar nicht versicherten Patienten scheint auch nach der Ablösung des Krankenscheins durch die Krankenversicherungskarte nicht so selten vorzukommen: Die Krankenkassen geben den Schaden wegen missbräuchlicher Verwendung oder Fälschung der Karten mit ca. 1 Milliarde € jährlich an, das Bundesgesundheitsministerium geht vorsichtiger von 300 bis 400 Millionen € aus, vgl. FAZ v. 2.10.2007. Fraglich ist, ob die neue elektronische Gesundheitskarte (§ 291 a SGB V) hieran viel ändern wird. Zu bedenken ist allerdings auch, dass mittlerweile eine allgemeine gesetzliche Krankenversicherungspflicht gilt, vgl. § 5 SGB V. 64 So Natter (Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 52) unter sicher berechtigtem Hinweis auf die Schwierigkeiten einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in einem Vierpersonenverhältnis.
B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden
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freilich nur, wenn man überhaupt eine subsidiäre Einstandspflicht des Patienten für tatsächlich erbrachte, aber nicht vom Spektrum der gesetzlichen Krankenversicherung umfasste Leistungen für wünschenswert hält. Der BGH hat dies in einem Fall verneint, in dem der Kläger versuchte, eine solche Einstandspflicht des Patienten als Leistungsempfänger zu begründen, interessanterweise allerdings nicht mittels der hier erörterten Konzepte (wie Natters Analogie zu §§ 365, 437 (a.F.) BGB), sondern ganz einfach mit der Behauptung, in der Leistungserbringung an den Patienten liege insoweit eine für diesen (den Besteller!) erbrachte Geschäftsführung ohne Auftrag (!), als die erbrachten Leistungen nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt waren.65 Der BGH verweigerte diesem Begehren die Anerkennung unter schlichtem Hinweis auf den abschließenden Charakter des Sachleistungsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung, dem eine eigene Vergütungspflicht des Patienten entgegenstehe, was auch nicht durch die Anwendung der §§ 677 ff. bzw. der §§ 812 ff. BGB umgangen werden dürfe.66 Im Grunde stellt diese kategorische Argumentation aber eine Weigerung dar, sich überhaupt nähere Gedanken über die gerechte Verteilung solcher von den Kassen nicht gedeckter Leistungen zu machen, die der Patient mit veranlasst und entgegengenommen hat.67
B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden 1. Vertragsschluss mit dem zufällig anwesenden und spontane Hilfe leistenden Arzt Der zufällig am Ort eines Notfallgeschehens anwesende und spontane Hilfe leistende Arzt kann einen klassischen Anwendungsfall der GoA zumindest dann darstellen, wenn der Patient nicht ansprechbar und/oder geschäftsunfähig ist. Die GoA ist stets abzugrenzen gegenüber den Mindestanforderungen für die Annahme eines Vertragsschlusses mit dem ansprechbaren und geschäftsfähigen Patienten, zu denken ist auch an einen mit anderen Anwesenden geschlossenen Vertrag zu Gunsten Dritter68 und die Regeln über die (ggf. vollmachtlose) Stellvertretung.
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BGHZ 140, 102 ff. zu Krankentransportleistungen. Der Aussagegehalt der Entscheidung lässt sich aber natürlich auf originär ärztliche Leistungen übertragen. 66 BGHZ 140, 102, 110. 67 Zu Recht kritisch daher Eichenhofer JZ 1999, 363 ff. 68 Zu klären ist also insbesondere, wie sich die Anwesenheit von weiteren Personen auswirkt: Wie steht es um die Verantwortlichkeit desjenigen, der die medizinische Hilfe überhaupt erst herbeiruft? Vgl. hierzu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 115, 182 unter Hinweis auf BGHZ 55, 207: Regelmäßig wird man dies als eigenständige GoA für den Verletzten werten können. Die Annahme eines Vertragsschlusses zwischen einem solchen Ersthelfer und dem von diesem herbeigerufenen Arzt ist zu problematisieren; Lent, Der Begriff der auftraglosen Geschäftsführung, S. 154 ff.; Martinek/Theobald JuS 1997, 992, 993; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 8 Rdn. 7 ff.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
Nicht zu berücksichtigen ist allerdings die Lehre vom faktischen Vertrag69, da diese heute keine Gefolgschaft mehr findet.70 Die mögliche Bedeutung des späteren Verhaltens der Beteiligten wurde hier bereits erörtert (Fortsetzung der Behandlung und Entgegennahme der Rechnung als möglicher Ansatzpunkt für einen nachträglichen (konkludenten) Vertragsschluss)71 und muss nicht noch einmal diskutiert werden. Eine eindeutige Entscheidung, ob das Zustandekommen eines Vertrages mit dem Arzt bejaht werden kann, wird in nicht wenigen Fällen unmöglich sein. Zur Veranschaulichung soll hier ein vor einigen Jahren vom OLG München72 zu beurteilender Sachverhalt dienen: Die ca. zweijährige Klägerin war auf dem Anwesen ihrer Eltern für kurze Zeit unbeaufsichtigt gewesen und wurde wenig später bewusstlos im Wasser des angrenzenden Chiemsees aufgefunden. Der zufällig in der Nähe weilende Beklagte, ein niedergelassener Gynäkologe, reagierte auf die Hilferufe der Mutter und der Großtante der Klägerin, gab sich als Arzt zu erkennen und machte sich an die Untersuchung der Klägerin. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin tot sei, teilte dies den anwesenden Angehörigen mit und unternahm keine weiteren Reanimationsversuche. Der wenig später eintreffenden Wasserwacht gelangen keine Wiederbelebungsversuche, erst der Notarzt vermochte eine Herzreaktion auszulösen. Die Klägerin erlitt aufgrund des Sauerstoffmangels einen hypoxischen Hirnschaden. Im Haftungsprozess gegen den Beklagten stellte sich unter anderem die Frage, ob dieser aufgrund eines mit den Angehörigen der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages tätig geworden war. Das OLG München verneinte dies und kam stattdessen zu dem Ergebnis, dass das Geschehen als Abschluss eines Auftrags gemäß § 662 BGB zu bewerten sei: Dass der Beklagte sich während des Geschehens ausdrücklich als Arzt zu erkennen gab, könne aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht als Angebot zum Abschluss eines Behandlungsvertrages verstanden werden, sondern bloß als Hinweis auf eine gewisse Sachkunde.73 Eine über die erste Hilfe hinausgehende qualifizierte ärztliche Behandlung hätte der Beklagte gar nicht anbieten können und er sei ohnehin gemäß § 323 c StGB zum Handeln verpflichtet gewesen, so dass seine Hilfsbereitschaft gar nicht vom Abschluss eines entsprechenden Vertrages hätte abhängen
69 Teilweise wurde in der Vergangenheit die Anwendung dieses Rechtsinstituts auf die einschlägigen arztrechtlichen Sachverhalte vorgeschlagen, vgl. Luig, Vertragsschuldverhältnisse, S. 228. 70 Vgl. Bork in Staudinger Vor § 145 m.w.N. Zum Verhältnis zwischen faktischem Vertrag und GoA äußerten sich in der Vergangenheit etwa Dorn NJW 1964, 799 ff.; Erman NJW 1965, 421 ff.; Esser AcP 157 (1957), 86 ff. Grundlegend zum faktischen Vertrag Haupt, FS für Siber, S. 3 ff.
Katzenmeier, Arzthaftung, S. 110; Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 12, § 45 Rdn. 19 für einen zurückwirkenden Vertragsschluss, der nicht mit der Genehmigung zu verwechseln sei; Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 83; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rdn. 30; auch Brox, Bes SchuldR, § 27 Rdn. 5.
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OLG München NJW 2006, 1883 ff. OLG München NJW 2006, 1883, 1884.
B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden
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können.74 Auch erscheine es lebensfremd, dass ein Arzt in einer derartigen Notsituation vorsorglich seinen Beruf verschweigen müsste, um einen Vertragsschluss und daraus resultierende „besondere Haftungsrisiken“ zu vermeiden.75 Zur Begründung, warum das Geschehen nun gerade als Abschluss eines Auftrags und nicht als GoA zu deuten sei, trägt das Gericht nichts weiter vor. Es wendet in der Folge aber das Haftungsprivileg des Notgeschäftsführers gemäß § 680 BGB zu Gunsten des Beklagten an, da dies regelmäßig auch bei einer Auftragsvereinbarung zur Abwendung einer dringenden Gefahr stillschweigend vereinbart werde.76 Die Entscheidung verdeutlicht, dass die rechtliche Bewertung derartiger Fälle einer gewissen richterlichen Gestaltungsfreiheit unterliegt: Angebot und Annahme werden in solchen Notfällen natürlich nicht ausdrücklich erklärt, wer hier dennoch einen Vertragsschluss annimmt, übt sich in mehr oder weniger freier Auslegungskunst,77 wie das auf den ersten Blick verblüffende Ergebnis des OLG München beweist: Das Gericht meint nicht nur, das Verhalten der Beteiligten als konkludenten Vertragsschluss verstehen zu können, es differenziert dabei auch noch nach Vertragsarten, verneint einen beim Arzt doch auf den ersten Blick nahe liegenden Behandlungsvertrag und gelangt stattdessen zur nicht weiter für begründungsbedürftig gehaltenen Vereinbarung eines Auftrags.78 Diese Differenzierung überzeugt jedenfalls insofern nicht, als das Gericht sein Ergebnis damit begründet, dass der Beklagte vor Ort nicht über besondere ärztliche Hilfsmittel wie einen Arztkoffer oder medizinische Geräte verfügt habe, wie sie in der Arztpraxis oder beim Notarzt zur Verfügung gestanden hätten.79 Gegen den Abschluss eines Behandlungsvertrages können diese Umstände schwerlich sprechen, denn natürlich kann sich das Maß der vom Arzt geschuldeten Sorgfalt nur nach den Möglichkeiten richten, die in der betreffenden Situation verfügbar sind,80 vorliegend konnte also nur die ohne apparative oder medikamentöse Unterstützung zu leistende erste Hilfe geschuldet sein. Die vom Gericht angestellten Überlegungen stehen auch in einem gewissen Gegensatz dazu, dass bei der Tätigkeit des Notarztes im Rettungsdienst der stillschweigende Abschluss eines Behandlungsvertrages mit dem ansprechbaren Patienten im Hinblick auf die allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln jedenfalls früher kaum kritisch hinterfragt wurde, schon gar nicht vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Mittel.81 74
OLG München NJW 2006, 1883, 1884. OLG München NJW 2006, 1883, 1884. 76 OLG München NJW 2006, 1883, 1885. 77 Zur Problematik der Fiktion bei der richterlichen Entscheidungsfindung etwa Haferkamp, FS für Horn, S. 1077 ff. 78 OLG München NJW 2006, 1883, 1884: „Die Übernahme der Hilfeleistung im Einvernehmen mit den Angehörigen der Kl. durch den Bekl. erfolgte vielmehr aufgrund eines unentgeltlichen Auftrags (§ 662 BGB).“ 79 OLG München NJW 2006, 1883, 1884. 80 BGH NJW 1988, 763, 764; VersR 1994, 482. 81 Vgl. Lippert NJW 1982, 2089, 2092. Die mittlerweile vom BGH vorgenommene Einordnung der Notarzttätigkeit als hoheitliches Handeln gebietet allerdings nunmehr eine andere Betrachtung, wie noch zu zeigen sein wird, vgl. unten, IV c. 75
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
Das Gericht ist möglicherweise mit der Annahme eines bloßen Auftrags bestrebt, der Anwendung der von der Rechtsprechung zum groben Behandlungsoder Diagnosefehler entwickelten Beweisgrundsätze zu entgehen, die es nur beim Behandlungsvertrag, nicht aber beim Auftrag für einschlägig zu halten scheint.82 Im Hinblick darauf, dass das entsprechende Richterrecht ohnehin maßgeblich anhand der deliktischen Arzthaftung entwickelt worden ist, wäre das allerdings eine wenig schlüssige Vorgehensweise. Das genaue Zustandekommen des Vertrages wird vorliegend leider nicht weiter erörtert: Ob der Vertrag mit den anwesenden Angehörigen in Stellvertretung für die Klägerin geschlossen sein sollte oder ob ein Vertrag zu Gunsten Dritter anzunehmen war, ließ das Gericht in der Folge offen, was jedenfalls dann, wenn man einen Auftrag annimmt, auch völlig folgerichtig ist. Eine derartige Unterscheidung könnte nicht nur keine unterschiedlichen Ergebnisse im Hinblick auf die Haftung erzeugen, sie würde auch im gleichen Maße wie die vom Gericht vorgenommene Differenzierung zwischen Behandlungsvertrag und Auftrag dem Reich der Fiktion angehören. Für einen Vertragsschluss in Stellvertretung für den Hilfebedürftigen sprechen gegenüber dem Vertrag zu Gunsten Dritter auf den ersten Blick zumindest dann gute Gründe, wenn, wie vorliegend, bereits ein gesetzlicher Vertreter anwesend ist. Im Hinblick auf das Offenkundigkeitserfordernis gem. § 164 II BGB ist die Einordnung als Stellvertretung aber nicht zweifelsfrei, zumal bei der Behandlung von Minderjährigen, wie vorliegend, dem aufgrund eines konkludent geschlossenen Dienstvertrages tätig werdenden Arzt mit einem minderjährigen Entgeltschuldner mitunter wenig geholfen ist.83 Bei anderen am Ort des Geschehens anwesenden und die Hilfe herbeirufenden Personen spricht mehr für eine gegebenenfalls vollmachtlose Stellvertretung als für einen Vertrag zu Gunsten Dritter, denn wenn das Zustandekommen eines konkludent geschlossenen Behandlungsvertrages zumindest theoretisch konstruierbar ist, wird sich mit einem daraus resultierenden Entgeltanspruch, alle Hilfsbereitschaft in Ehren, regelmäßig niemand belasten wollen.84 Für die Annahme eines konkludent geschlossenen Auftrages spielt die Unterscheidung aufgrund der Unentgeltlichkeit allerdings auch keine Rolle und dies ist denn auch der entscheidende Gesichtspunkt: Wie bereits erörtert, kann ein Auftrag, ob mit dem Hilfebedürftigen selbst oder mit anwesenden Dritten geschlossen, unter dem Gesichtspunkt des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers bzw. des Ver82 Vgl. die entsprechenden Passagen des Urteils OLG München NJW 2006, 1883, 1885, 1886. Freilich nimmt das Gericht insofern eine Alternativbegründung vor (S. 1886), da das eingeholte Sachverständigengutachten die Qualifizierung der vom Beklagten vorgenommenen Fehldiagnose als groben Fehler nicht erlaubte. 83 Roth NJW 2006, 2814. 84 Hierauf wird bei der Besprechung des Falles OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 1337, 1338 zurückzukommen sein: Das Gericht verwehrt der Erbin der mittlerweile verstorbenen Geschäftsherrin den Einwand, dass die einen ärztlich betreuten Auslandsambulanzflug ordernde Angestellte eines Reiseunternehmens einen Vertrag für ihren Arbeitgeber habe schließen wollen, das Geschehen sei vielmehr bloß als nicht rechtsgeschäftlicher „Hilferuf“ zu bewerten, so dass dem gegen die Hilfebedürftige gerichteten GoA-Anspruch nicht ein Tätigwerden aufgrund bereits anderweitiger vertraglicher Verpflichtung entgegengehalten werden könne.
B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden
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bots der Versionsklage dem GoA-Rückgriff nicht entgegenstehen, wie der BGH erst jüngst bestätigt hat,85 denn der Auftrag trifft keine abschließende Aussage über die Entgeltfrage: Wird der Auftrag mit dem Hilfebedürftigen selbst vereinbart, gilt nur in diesem Verhältnis die Unentgeltlichkeit, der GoA-Rückgriff gegen Dritte, etwa den Unterhaltsschuldner des hilfebedürftigen Auftragnehmers, wäre nicht gesperrt, weil die Unentgeltlichkeit des Auftrags nur für das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gilt. Umgekehrt kann das Herbeiholen von ärztlicher Hilfe durch Dritte ruhig als Vereinbarung eines Auftrags mit dem Arzt angesehen werden, denn dem GoA-Rückgriff gegen den Hilfedürftigen oder gegen Dritte kann der Auftrag auch hier wieder nicht unter dem Gesichtspunkt des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers entgegenstehen. Dennoch wird niemand behaupten können, dass sich allgemeingültig für derartige Notsituationen eine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine der beiden dogmatischen Konstruktionen finden ließe, zumal die entsprechenden Erklärungen der Beteiligten, wie vorliegend auch, regelmäßig erst durch richterliche Auslegung oder besser gesagt durch Unterstellung gewonnen werden können.86 Was die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Hilfepflicht aus § 323 c StGB betrifft, so ist das dazu Erforderliche hier bereits an anderer Stelle gesagt worden: Das mit Strafe bewehrte Unterlassungsverbot dieser Norm erzeugt eine Einschränkung der Handlungs- und damit auch der Kontrahierungsfreiheit, was das Gericht vorliegend ganz richtig erkennt. Dass der Anwendungsbereich dieser Norm eröffnet ist, kann aber nichts für die Frage besagen, ob ein Vertrag zustande gekommen ist oder nicht, § 323 c StGB trifft weder für das Zustandekommen eines Vertrages noch für die GoA eine weitere Aussage. Das Gericht meinte vorliegend, einen konkludent geschlossenen Vertrag annehmen zu müssen, was sicher vertretbar ist, sich aber unausweichlich den Vorwurf der Konstruktion fiktiver Willenserklärungen einhandeln muss. Das Gesetz hält für derartige Fälle die GoA bereit, wenn das OLG München stattdessen ein stillschweigend geschlossenes Auftragverhältnis annimmt und in dieses noch die weitere stillschweigende Vereinbarung des vom Gesetzgeber für solche Fälle erdachten § 680 BGB hineinliest, ist bereits ein sehr hoher Grad richterlicher Konstruktionskunst erreicht. Es spricht viel dafür, im Hinblick auf den zufällig bereits anwesenden oder zu einem Unfallgeschehen hinzukommenden Arzt die §§ 677 ff. BGB heranzuziehen, anstatt auf einen eher fern liegenden konkludenten Vertragsschluss zu rekurrieren.87 Wie bereits erörtert, sind gerade diese Situationen von dem Gedanken der Menschenhilfe geprägt, welcher zum unstreitigen Anwendungsbereich der GoA zu zählen ist. Für die Lehre vom objektiv-fremden Geschäft bereitet eine solche Zuordnung sicher keine besonderen Probleme, denn der Hilfebedürftige ist natürlich für seine Gesundheit „zuständig“ im Sinne von Wollschlägers objektivieren85
Vgl. die Nachweise oben, III F. Stoll (Festgabe für Weitnauer, S. 413) weist zutreffend darauf hin, dass tendenziell Vorsicht bei der Annahme rechtsgeschäftlichen Handelns von Mittelspersonen angebracht ist. Wer Hilfe herbeiholt, wolle sich regelmäßig nicht mit einer vertraglichen Haftung belasten, anders könne aber zu entscheiden seien, wenn den betreffenden Personen gegenüber dem zu Rettenden eine Fürsorgepflicht obliegt. 87 Roth NJW 2006, 2814, 2815. 86
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
dem Ansatz. Aber auch die Vertreter des subjektiv-normativen Ansatzes haben keine Schwierigkeiten, derartige Hilfsmaßnahmen als Manifestation einer fremdnützigen Willensrichtung mithin als Geschäftsführung für einen anderen zu verstehen.
2. Konflikt zwischen Stellvertretungsrecht und Ärzte-GoA Die Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber einer vertraglichen Tätigkeit kann sich aber auch in anderen Sachverhalten als denen der ärztlichen Nothilfe stellen, wie eine Entscheidung des LG Dortmund veranschaulichen mag:88 Das klagende Labor verlangte von dem beklagten Privatpatienten Honorar für die Untersuchung einer Blutprobe, die dem Beklagten bei seinem Hausarzt entnommen worden war. Die private Krankenversicherung hatte die Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, dass die Untersuchung nicht im Zusammenhang mit der Erkrankung des Beklagten gestanden habe, das Gericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass der Vertrag über die Laboruntersuchung aufgrund einer dem Hausarzt hierfür konkludent erteilten Vollmacht zustande gekommen sei, eine abschließende Klärung dieser Frage sei aber ohnedies nicht erforderlich, da dem klägerischen Begehren zumindest aufgrund der §§ 677, 683 BGB entsprochen werden müsse.89 Die vom Gericht hier vorgenommene stellvertretungsrechtliche Bewertung des Geschehens ist nicht über jeden Zweifel erhaben: Zwar wird die vom behandelnden Arzt bei einem externen Labor in Auftrag gegebene Untersuchung von Blut und Gewebematerial ganz einhellig als Gegenstand eines eigenen, von ihm in Stellvertretung für den Patienten geschlossenen Vertrages verstanden, wenn der Patient auf die Leistungserbringung durch Externe hingewiesen worden ist.90 Im vorliegenden Fall war dies aber gerade bestritten, das Gericht hielt diese tatsächliche Unsicherheit über den Anknüpfungspunkt für eine konkludente Vollmachtserteilung jedoch deswegen für unbeachtlich, weil es die Regel darstelle, dass ein niedergelassener Arzt über kein eigenes Labor verfügt, die entstehenden Kosten wären zudem auch bei Durchführung der Untersuchung in einem eigenen Labor dieselben.91 Das Gericht umgeht mit dieser sehr lockeren Handhabung des Stellvertretungsrechts das allgemeine schuldrechtliche Prinzip, dass sich ein jeder für sein Entgelt grundsätzlich nur an seinen Vertragspartner halten kann und ein berechtigtes Interesse daran hat, sich nur mit diesem und nicht mit Dritten über die erbrachten Leistungen auseinanderzusetzen. Wie bereits zum subjektiv fremden Geschäft erörtert, wurden die GoA bzw. die condictio de in rem verso in der römischrechtlichen Vergangenheit dazu benutzt, das durch den Grundsatz von der 88
LG Dortmund NJW-RR 2007, 269. LG Dortmund NJW-RR 2007, 269. 90 BGH NJW 1989, 2943, 2944 („zwei getrennte Behandlungsverhältnisse“); LG Köln NJW-RR 1998, 344, 345 (die Annahme einer konkludent erteilten Vollmacht könne in solchen Fällen „nicht ernstlich zweifelhaft sein“);Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 Rdn. 17; Klöhn VersR 2007, 1054. 91 LG Dortmund NJW-RR 2007, 269. 89
B. Abgrenzung der Ärzte-GoA gegenüber vertraglichem Tätigwerden
119
Höchstpersönlichkeit von Rechtsgeschäften bedingte Fehlen des Rechtsinstituts der Stellvertretung zu kompensieren.92 Mit der Ausbildung eines Stellvertretungsrechts und der dazugehörigen Grundsätze ist das Bedürfnis für diesen Anwendungsbereich der GoA jedoch entfallen, seine Beibehaltung zur „Ausbesserung“ von defizitären Vollmachtserteilungen mag zwar nicht grundsätzlich unzulässig sein, würde aber doch zumindest einen höheren Argumentationsaufwand erfordern als den vorliegend vom Gericht für nötig befundenen. Die Vorschriften des BGB über die Erteilung der Vollmacht im Innenverhältnis und die erforderliche Offenkundigkeit im Außenverhältnis (§ 164 BGB) hat der Gesetzgeber nicht ohne Grund ersonnen. Eine Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit, die, wie hier bereits erörtert, in anderen Fällen ein Abgehen vom Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse rechtfertigen kann, liegt bei solchen Laboruntersuchungen nicht vor und kann daher auch nicht die Alternativbegründung des Anspruchs mittels GoA stützen. Die GoA nimmt bei einer solchen flexiblen Handhabung wieder den vielfach kritisierten Charakter eines Instruments an, das zur Herbeiführung eines aus Billigkeitserwägungen gewünschten Ergebnisses eingesetzt wird, um die (vermeintlichen) Unzulänglichkeiten anderer Rechtsinstitute zu korrigieren. Im vorliegenden Fall wäre dies die Regelung des BGB über die Stellvertretung, deren Tatbestandsvoraussetzungen dem Gericht Schwierigkeiten bereiteten und über den bequemen Weg des GoA-Rechts umgangen werden sollten. An sich hätten hier die Mängel der Vollmachtserteilung im Innenverhältnis zu Lasten des Klägers auf das Außenverhältnis durchschlagen müssen. Praktiker mögen einwenden, dass für das Labor die etwaigen Mängel der Vollmacht nicht erkennbar waren. Dieses Argument ließe sich allerdings immer bemühen, wenn eine Vollmacht nicht ausführlich belegt wird. Eine Alternativhandhabung von Vollmacht und GoA berücksichtigt nicht die legitimen Interessen desjenigen, in dessen Wille vermeintlich gehandelt wird. Der „normale“ Lösungsweg sieht so aus, dass der eine Untersuchung wünschende Patient seinem Arzt und nur diesem ein entsprechendes Entgelt schuldet, wenn für eine ausreichende Vollmachtserteilung nicht gesorgt wurde. Andernfalls droht über die §§ 677 ff. BGB die Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten und die Gefahr, sich mit Einwänden „ex iure tertii“ befassen zu müssen, was in unserer Rechtsordnung, insbesondere in den bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen, aus gutem Grund nicht den Normalfall darstellt. Das Stellvertretungsrecht ermöglicht eine Ausnahme von dieser Abwicklung über die einzelnen Vertragspartner und ist aus diesem Grund an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Das Gericht erachtet es vorliegend aber nicht einmal für erforderlich, gerade das Tätigwerden des Klägers für Rechnung des Patienten und nicht bloß für Rechnung des Hausarztes am Maßstab des § 683 BGB zu messen. Entsprach gerade diese Vorgehensweise dem erkennbaren Willen des Patienten oder wenigstens seinem mutmaßlichen Willen bzw. seinem objektiven Interesse? Es würde zu kurz greifen, insofern nur auf die vom Patienten wissentlich in Auftrag gegebene und damit insoweit sicher willensgemäße Laboruntersuchung abzustellen, denn der Patient wird ja über die vom Gericht befürwortete GoA-Anwendung nunmehr gezwungen, mit einer anderen Person als seinem Hausarzt abzurechnen. Die Gerich92
Vgl. oben, II B 3. b).
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
te sind gut beraten, Unklarheiten beim Zustandekommen der vertraglichen Beziehungen nicht mittels der Alternativbegründung anhand der §§ 677 ff. BGB beiseite zu lassen, indem wenigstens auf diese Weise ein gewissermaßen hilfsweiser Direktanspruch des Handelnden konstruiert wird, der ihm auf dem „regulären“ Weg des Stellvertretungsrechts (nur womöglich) nicht zu verschaffen war. Die Handhabung des GoA-Tatbestandes durch das LG Dortmund überzeugt auch im Übrigen nicht, vielmehr zeigt sich hier wieder die uferlos weite Offenheit der Fremdgeschäftslehre, mit der sich beinahe jede Maßnahme dem „relativ zuständigerem“ Beklagten zuweisen lässt:93 Natürlich sind die Entnahme von Blut und Gewebeproben einerseits und ihre weitere Verwendung andererseits in unserer Rechtsordnung grundsätzlich in das Belieben des Spenders gestellt und betreffen damit eine aus Sicht des Laborarztes fremde Rechts- und Interessensphäre, Ausnahmen, wie bei strafprozessualen Maßnahmen, bestätigen lediglich diese Regel.94 Aus Sicht der subjektiv-normativen GoA-Lehre lassen sich hingegen Laboruntersuchungen, im Gegensatz etwa zu am Patienten selbst vorgenommenen Notfallbehandlungen, nicht problemlos als Fremdgeschäftsführung qualifizieren, da sich eine fremdnützige Willensrichtung darin nicht ohne weiteres manifestiert: Die Beurteilung anhand des sozialen Sinns des Geschehens ergibt zunächst einmal, dass der Laborarzt bei der Probenuntersuchung seinem regulären Alltagsgeschäft nachgeht. Auch kann bei der Untersuchung von Gewebematerial nicht ohne weiteres behauptet werden, dass dies dem Spender zugute kommen muss, denn Zweck und Ziel dieser Untersuchungen haften ihnen ja nicht erkennbar an. Zu denken ist etwa an die Untersuchung anonymisierten Materials. Der von der subjektivnormativen Lehre für maßgeblich erachtete soziale Handlungssinn stellt zwar, was den Kritikern zugegeben sei, kein über jeden Zweifel erhabenes Tatbestandsmodell der GoA dar, insbesondere ist er insofern manipulierbar, als sein Aussagegehalt davon abhängt, welche Umstände man im Rahmen dieser Betrachtung für berücksichtigungsfähig hält und welche nicht. Vorliegend könnte man also Ziel und Zweck der Laboruntersuchung ebenso gut mitberücksichtigen und dann auch zur Annahme von Geschäftsführung ohne Auftrag gelangen. Diese Vorgehensweise würde allerdings eine erhebliche Annäherung an das Tatbestandsmodell der Fremdgeschäftslehre bedeuten und den subjektiv-normativen Ansatz der ihm zugedachten Eingrenzungsfunktion berauben. Die subjektiv-normative Lehre ist, wie bereits dargelegt, grundsätzlich gut geeignet, den Anwendungsbereich der GoA in wünschenswerter Weise stark einzuschränken. Ihre betont restriktive Handhabung verdient Zustimmung, um auch in Fällen wie dem vorliegenden den Weg über das Geschäftsführungsrecht zu versperren. Der Gedanke der Menschenhilfe und etwaige Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheit können eben nicht bei allen ärztlichen Tätigkeiten zum Tragen kommen. Vielmehr ist immer dann, wenn eine 93
LG Dortmund NJW-RR 2007, 269 belässt es sogar bei dem Satz: „Die Kl. hat mit der Laboruntersuchung ein zumindest auch-fremdes Geschäft des Bekl. besorgt.“ 94 Die Entnahme stellt sicherlich einen Eingriff in die körperliche Integrität dar, welcher grundsätzlich der Einwilligung des Betroffenen bedarf, für das weitere Schicksal der entnommenen Körpersubstanzen wird man jedoch nicht auf die körperliche Integrität sondern auf das persönlichkeitsrechtlich verwurzelte Selbstbestimmungsrecht abstellen müssen, vgl. Ohly, volenti non fit iniuria, S. 249 ff. m.w.N.
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer?
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ärztliche Tätigkeit über GoA-Recht liquidiert werden soll, eine Kontrollbetrachtung entsprechend der soeben vorgenommenen Bewertung von Laboruntersuchungen vorzunehmen.
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer? Wie bereits gesehen, stellt beim spontane Hilfe leistenden Arzt die Anwendung der §§ 677 ff. BGB eine Alternative gegenüber der Annahme eines konkludent geschlossenen Vertrages dar. Beide Lösungsmöglichkeiten können für sich nicht Anspruch auf alleinige Richtigkeit erheben. Man sollte meinen, dass diese Lösungsmöglichkeiten auch beim institutionalisierten ärztlichen Nothelfer greifen müssten. Der organisatorische Hintergrund ist hier allerdings wesentlich komplexer und zudem durch Besonderheiten geprägt, die vor der Annahme einer privatrechtlichen GoA bedacht werden müssen. Dies gilt sowohl für die Entgeltfrage wie auch für den Bereich der Haftung bei unsachgemäßer Behandlung. Beim professionellen Nothelfer ist zu unterscheiden zwischen dem ärztlichen Bereitschaftsdienst und dem Notarzt im Rettungsdienst.
1. Ärztlicher Bereitschaftsdienst Für gesetzlich Krankenversicherte haben die Kassenärztlichen Vereinigungen gem. § 75 I S.2 SGB V eine ausreichende Versorgung auch außerhalb der sprechstundenfreien Zeiten sicherzustellen, die jedoch ausdrücklich von der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst unterschieden wird, die nicht (mehr) Gegenstand des Sicherstellungsauftrages ist, soweit der Landesgesetzgeber nichts anderes bestimmt (§ 75 I S.2 letzter Hs. SGB V). Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist somit an sich zunächst Teil des Vertragsarztsystems der gesetzlichen Krankenversicherung für solche Fälle, in denen ein Zuwarten bis zur regulären vertragsärztlichen Sprechstunde aus Sicht des Kassenpatienten nicht möglich ist.95 Überwiegend wird angenommen, dass der Bereitschaftsarzt in der Regel aufgrund eines herkömmlichen, mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages tätig wird.96 Die streitige Frage, ob generell bei der vertragsärztlichen Behandlung eines Kassenpatienten überhaupt ein Vertrag zustande kommt, wurde hier bereits erörtert.97 Für den ärztlichen Bereitschaftsdienst ergibt sich jedenfalls das simple Ergebnis, dass die obigen Ausführungen zum spontane Hilfe leistenden Arzt hier an sich gleichermaßen Geltung verlangen müssten. In jedem Einzelfall ist also das Verhalten der Beteiligten darauf hin zu untersuchen, ob ausdrücklich oder stillschweigend rechtsgeschäftliche Willenserklärungen abgegeben werden oder nicht 95
Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 115. Zum Bereitschaftsdienst auch Martens NJW 1970, 494 ff. 96 BGHZ 76, 259, 261; BGHZ 89, 250, 255; BGHZ 108, 230, 233; Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 115. 97 Vgl. oben, IV A.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
und ob nicht gegebenenfalls die Annahme einer GoA vorzugswürdig erscheint. Der richterlichen Auslegungs- und Unterstellungskunst ist hier theoretisch in gleichem Maße wie beim ärztlichen Spontanhelfer Tür und Tor geöffnet. Zu beachten ist jedoch, dass auch Nichtvertragsärzte an diesem Bereitschaftsdienst teilnehmen können, ohne dass für die Begründung ihres Honoraranspruchs auf GoA abzustellen ist, denn auch dies ist ins öffentliche Recht ausgegliedert worden: Für die Notfallversorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten durch Nichtkassenärzte und nicht gem. § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser98 hat das BSG klargestellt, dass die Vergütung dieser Leistungen, die der Kassenpatient in Notfällen gem. § 76 I S.2 SGB V in Anspruch nehmen darf, ebenfalls der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen ist, so dass sich dem Grunde und der Höhe nach der (sozialrechtliche) Anspruch bereits aus den Vorschriften des Vertragsrechts über die Honorierung ärztlicher Leistungen ergibt und somit die Konstruktion eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs oder einer öffentlichrechtlichen GoA entbehrlich ist.99
2. Notarzt im Rettungsdienst Entsprechend der in § 75 I SGB V vorgenommenen Differenzierung ist nun aber noch der vertragsärztliche Bereitschaftsdienst vom Rettungsdienst zu unterscheiden, denn es handelt sich um zwei „völlig getrennt organisierte, gesetzlich geregelte und finanzierte Dienste“.100 Von Bedeutung ist ferner die weitere Unterscheidung zwischen dem Notarzt im Rettungsdienst und dem übrigen Rettungsdienstpersonal: Die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes obliegt als staatliche Aufgabe im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Daseinsvorsorge den einzelnen Bundesländern, sie erfolgt entweder durch die Gebietskörperschaften als Träger selbst oder mittels der Einschaltung von Hilfsorganisationen, die zwar Rettungssanitäter- und Assistenten aber regelmäßig keine eigenen angestellten oder beamteten Ärzte einsetzen, da der Rettungsdienst „nur“ die Durchführung der am Notfallort erforderlichen lebensrettenden Maßnahmen und die Herstellung der Transportfähigkeit des Patienten zum Gegenstand hat, die darüber hinausgehenden, allein einem Arzt vorbehaltenen Handlungen aber nicht.101 Vielmehr werden insofern regelmäßig Krankenhausärz98
Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern steht natürlich aufgrund der entsprechenden (Gesamt-)Verträge bereits ein Honoraranspruch für die Versorgung von Kassenpatienten zu, ohne dass es hierfür der GoA bedürfte. 99 BSGE 92, 223 ff. = MedR 2004, 277 ff.; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 26. 100 Fehn/Lechleuthner (MedR 2000, 114, 116) weisen aber darauf hin, dass der Begriff des Notarztes nicht geschützt sei und bisweilen auch vom KV-Notdienst in Anspruch genommen werde. Dies ist immer zu beachten, wenn vom „Notarzt“ die Rede ist. Der Begriff soll in dieser Arbeit für den ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht verwendet werden. 101 Rieger in Heidelberger Kommentar 4540 Rdn. 9 ff. Vgl. auch BGHZ 120, 184 ff. = NJW 1993, 1526 ff.: Zwar sei der Notarztdienst vom Rettungsdienst begrifflich und rechtlich zu unterscheiden, jedoch sei er diesem funktionell zugeordnet und bilde einen „notwendigen Bestandteil“ hiervon.
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer?
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te aber auch niedergelassene Ärzte tätig, so dass Rettungsdienst und Notarztdienst in aller Regel von verschiedenen, gegebenenfalls miteinander kooperierenden Rechtsträgern wahrgenommen werden.102 Krankenhausärzte können dabei einerseits so zum Einsatz kommen, dass der Krankenhausträger den Notarztdienst als dessen Träger selbst organisiert oder aber seine Ärzte denjenigen Hilfsorganisationen, die den Rettungsdienst organisieren, zur Verfügung stellt.103 Die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes war bis 1997 vom Sicherstellungsauftrag gem. § 75 SGB V umfasst, wurde aber vom Reformgesetzgeber bewusst aus diesem Normengefüge herausgenommen, „da dies keine typischerweise vertragsärztliche Aufgabe ist“.104 Der notärztliche Rettungsdiensteinsatz erfolgt nunmehr grundsätzlich ohne jeden Zusammenhang mit dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, kommt aber ohnehin seit jeher unabhängig davon, ob der Patient privat, gesetzlich oder gar nicht krankenversichert ist, natürlich allen medizinische Nothilfe bedürfenden Bürgern zugute.105 Diese Besonderheit bedingt nun aber eine gegenüber dem ärztlichen Spontanhelfer und gegenüber dem ärztlichen Bereitschaftsdienst signifikant unterschiedliche Beurteilung des bei der Notarztbehandlung entstehenden Haftungsregimes.106 Aus der öffentlichrechtlichen Zwecksetzung wird mittlerweile überwiegend gefolgert, dass es sich bei dem in den Rettungsdienstgesetzen der Länder geregelten Rettungsdienst allgemein um eine hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und der Daseinsvorsorge handelt, so dass die Ausübung eines öffentlichen Amtes im staatshaftungsrechtlichen Sinne vorliegt und die Haftungsüberleitung gem. § 839 I S.1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zur Anwendung kommt, was auch dann gelten soll, wenn der Rettungsdienst, wie es die Regel ist, nicht vom öffentlichrechtlichen Träger selbst, sondern von damit betrauten Hilfsorganisationen durchgeführt wird.107 Vor diesem Hintergrund soll die Annahme eines Vertragsschlusses zwischen dem nothilfebedürftigen Patienten und dem Notarzt im Rettungsdienst ebenso ausscheiden wie dessen auf etwaige Behandlungsfehler zurückzuführende Eigenhaftung aus Deliktsrecht, die vielmehr gem. Art 34 GG auf den Träger übergeleitet wird.108 Dass die Qualifizierung der Notarzttätigkeit als hoheit102
Rieger in Heidelberger Kommentar 4540 Rdn. 10; Lippert NJW 1982, 2089. Rieger in Heideberger Kommentar 4540 Rdn. 10. 104 BT-Drs. 13/7264, 63. Siehe zur früheren Rechtslage das Urteil BGHZ 120, 184 = NJW 1993, 1526; dazu die Anmerkung von Gitter JZ 1993, 906 ff. 105 Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 115. 106 Weit zurück liegenden Äußerungen zu diesem Problemkreis ist angesichts der gesetzlichen Neuregelungen mit größter Vorsicht zu begegnen, dies gilt insbesondere für die Schrift von Lippert/Weißauer, Das Rettungswesen (1984), und den Beitrag von Lippert NJW 1982, 2089 ff. 107 BGHZ 153, 269 ff. = NJW 2003, 1184 ff.; BGHZ 160, 216 = NJW 2005, 429; Rieger in Heidelberger Kommentar 4540 Rdn. 34; Ehmann NJW 2004, 2944 ff.; Petry GesR 2003, 201, 204 ff.; Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 115; Fehn, Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst, S. 197, 198, 200; Reinert (in Bamberger/Roth § 839 Rdn. 21 a) gibt allerdings lediglich die in den früheren Urteilen (BGH NJW 1991, 2954 und BGHZ 120, 184) noch vorgenommene Differenzierung wieder. 108 Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 115; Reinert in Bamberger/Roth § 839 Rdn. 21 a. 103
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
liche Aufgabe nicht ohne Folgen für den Anwendungsbereich der GoA bleiben kann, soll gleich erörtert werden, zuvor ist aber die Systematik der einschlägigen BGH-Judikate und die Entwicklung der Diskussion zu skizzieren: Hintergrund der neueren Rechtsprechung zum Notarzt ist zum einen die hier bereits angesprochene prinzipielle Ausklammerung des Rettungsdienstes aus der vertragsärztlichen Versorgung durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz von 1997 (vgl. § 75 I S.2 SGB V). Der BGH hatte aber unabhängig davon bereits zuvor in zwei älteren Entscheidungen jedenfalls die Tätigkeit eines Fahrers im Rettungsdienst als Ausübung eines öffentlichen Amtes im staatshaftungsrechtlichen Sinne eingeordnet, meinte aber danach differenzieren zu müssen, ob im jeweiligen Land der Rettungsdienst öffentlichrechtlich organisiert ist oder aber vornehmlich von privaten, nichtstaatlichen Organisationen getragen wird.109 Nach früherer Rechtslage stellte sich also die Frage, ob eine von Privaten vorgenommene Durchführung des Rettungsdienstes noch als hoheitliche Tätigkeit angesehen werden konnte, für den Notarzt im Rettungsdienst nicht.110 In zwei neueren Entscheidungen qualifizierte der BGH nunmehr nicht nur die Tätigkeit des übrigen Rettungsdienstpersonals sondern auch den Notarzteinsatz selbst dann als Ausübung eines öffentlichen Amtes, wenn der Rettungsdienst im betreffenden Land öffentlichrechtlich organisiert ist, so dass auch die Behandlungsfehlerhaftung des Notarztes im Rettungsdienst nach Amtshaftungsrecht zu beurteilen sei.111 Dies gelte sogar dann, wenn der Landesgesetzgeber, wie in Bayern der Fall, von der Möglichkeit gem. § 75 I S.2 SGB V Gebrauch gemacht hat, die notärztliche Tätigkeit in die vertragsärztliche Versorgung wieder mit einzubeziehen.112 Dem stehe weiter auch nicht mehr entgegen, wenn, wie in Bayern, die 109
BGH NJW 1991, 2954 (die öffentlich-rechtliche Organisation wird dort für den Rettungsdienst in NRW bejaht, im Übrigen behandelt das Gericht aber den daran teilnehmenden Notarzt, der im Rahmen eines solchen Einsatzes durch Verschulden des Rettungsfahrers verletzt worden war, noch als Freiberufler, der seine Tätigkeit aufgrund „unabhängigen Dienstvertrages“ mit dem jeweiligen Notfallpatienten abrechnet. Damit wurde die Tätigkeit des Rettungsfahrers als Ausübung eines öffentlichen Amtes behandelt, die des Notarztes aber, im Gegensatz zu späteren Entscheidungen, noch nicht, was mit Blick auf die Funktionseinheit der an der Notfallrettung Beteiligten kritisch zu hinterfragen war, vgl. Ehmann NJW 2004, 2944); BGHZ 118, 304 ff. = NJW 1992, 2882 (das Gericht war in dieser Entscheidung noch der Ansicht, dass der Rettungsdienst im Lande Baden-Württemberg nicht als hoheitliche Aufgabe anzusehen sei, da er dort vornehmlich von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen wahrgenommen wird. Das Gericht ordnete daher die Tätigkeit des Zivildienst leistenden Rettungsfahrers über sein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis dem Staatshaftungsrecht zu). 110 Zu unterschiedlichen Ausgestaltungen des Rettungsdienstes im Allgemeinen (durch staatliche Organe (Berufsfeuerwehr), durch Beliehene (bei staatlichem Verwaltungsmonopol) und insbesondere zur „staatsaussparenden“ Tätigkeit der privaten Rettungsdienstorganisationen) Hausner MedR 1994, 435. 111 BGHZ 153, 269 ff. = NJW 2003, 1184 ff. zum Bayerischen Rettungsdienstgesetz i.d.F. vom 8.1.1998. Für die Fassung vom 11.1.1974 hatte bereits BGHZ 120, 184 ff. = NJW 1993, 1526 die Geltung der Amtshaftungsgrundsätze ausgesprochen, für die Fassung vom 10.8.1990 ebenso BGHZ 160, 216 = NJW 2005, 429. 112 BGHZ 153, 269 ff. = NJW 2003, 1184 ff.
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer?
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Durchführung des Rettungsdienstes in der Regel auf private Hilfsorganisationen übertragen sei, solange nur dem Normengefüge des einschlägigen Landesgesetzes insgesamt der Charkater als Aufgabe zur Gefahrenabwehr zu entnehmen sei.113 Angesichts des genuin hoheitlichen Charakters des Rettungsdienstes könne die Frage, ob die privaten Hilfsorganisationen als Verwaltungshelfer oder als Beliehene anzusehen seien, sogar dahinstehen.114 Die Einordnung dieser Aussagen ist nicht ganz einfach, die haftungsrechtlichen Zuständigkeiten beim Behandlungsfehler von Notärzten werden hier aber sicher „grundsätzlich neu geordnet“.115 Ehmann weist zutreffend darauf hin, dass der BGH hier seine frühere Differenzierung aufgibt, wonach allein schon die vornehmliche Durchführung durch private Hilfsorganisationen zur Nichtanwendbarkeit des Amtshaftungsrechts hätte führen müssen, vielmehr habe man das Urteil dahingehend zu verstehen, dass es auf die im jeweiligen Landesrettungsgesetz zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers ankommen solle, die Notfallrettung öffentlich-rechtlich auszugestalten.116 Fraglich ist, auf welches Landesgesetz diese Aussage wohl nicht zutrifft. Das OLG Stuttgart sah sich durch das erste der beiden neuen BGH-Urteile jedenfalls nicht gehindert, für das Land Baden-Württemberg nach wie vor eine privatrechtliche Organisation des Rettungsdienstes anzunehmen und damit die Anwendbarkeit der Amtshaftung für den Notarzt zu verneinen.117 Der BGH hat allerdings in seinen neuen Entscheidungen hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die vornehmliche Durchführung durch private Hilfsorganisationen allein kein Grund mehr für die Nichtanwendung der Amtshaftungsgrundsätze sein kann, was das OLG Stuttgart verkennt, wenn es eine an den neuen Vorgaben des BGH ausgerichtete neuerliche Untersuchung des BadWürttRDG nicht vornehmen zu müssen glaubt.118
113
BGHZ 153, 269 ff. = NJW 2003, 1184 ff. BGHZ 153, 269, 272, 273. = NJW 2003, 1184, 1185. 115 Petry GesR 2003, 201, 204 ff. 116 Ehmann NJW 2004, 2944, 2946 insbesondere gegen die an den früheren Judikaten ausgerichtete Kommentierung von Wurm (in Staudinger § 839 Rdn. 601): Entscheidend sei der „enge Maßstab öffentlichrechtlicher Vorgaben für die organisatorische Ausgestaltung und Durchführung des Rettungsdienstes“, was auch für Länder wie Baden-Württemberg gelten könne, in denen lediglich die Ausführung maßgeblich durch Private übernommen wird. Ehmann ist hier Recht zu geben, die einschlägige Kommentarliteratur begnügt sich hier meist nur mit einer bloßen Wiedergabe der Entscheidungen, ohne eigene Stellung zu beziehen. Vgl. statt vieler etwa Hecker (in Erman § 839 Rdn. 35), wonach den BGH-Judikaten zufolge in NRW und Bayern die Tätigkeit im Rettungsdienst hoheitlich sei, in Baden Württemberg hingegen nicht, so dass die Amtshaftung, etwa des Zivildienstleistenden als Rettungsfahrer, aus dem Anstellungsverhältnis hergeleitet werden müsse. Wie widersprüchlich ein derart unterschiedliches Haftungsregime angesichts einer in allen Ländern einheitlichen Zwecksetzung sein muss, wird meist gar nicht problematisiert. 117 OLG Stuttgart NJW 2004, 2987. 118 Zu Recht kritisch daher Ehmann (NJW 2004, 2944, 2945), der dem Gericht vorwirft, die Entscheidung BGHZ 153, 269 = NJW 2003, 1184 nicht hinreichend zu berücksichtigen; zum Rettungsdienst in Baden-Württemberg und Bayern zuletzt Fehn MedR 2008, 203 ff. 114
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
Papier hält es denn auch für angemessen, den Rettungsdienst generell dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen.119 Fehn/Lechtleuthner, auf deren Untersuchung der BGH sich in seinen neueren Urteilen bezieht, kamen schon vor dieser Rechtsprechungsänderung zu dem Ergebnis, dass der Rettungsdienst in allen von ihnen untersuchten Ländern öffentlichrechtlich im Sinne der früheren Entscheidungen organisiert sei und daher umfassend nach amtshaftungsrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden könne.120 Ehmann weist ganz zutreffend darauf hin, dass die am Rettungsdiensteinsatz beteiligten Personen eine Funktionseinheit bilden und es schon von daher sachgerecht sei, sie einem einheitlichen Haftungsregime zu unterwerfen, ganz sicher aber im Hinblick auf die eindeutige öffentliche Zielsetzung der Gefahrenabwehr und der Rettung von Menschenleben.121 Fest steht jedenfalls: Der BGH gibt seine frühere Rechtsprechung, wonach der Notarzt im Verhältnis zum Notfallpatienten aufgrund privatrechtlichen Vertrages tätig wird, im Hinblick auf die Änderungen durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz (vgl. § 75 I S.2 SGB V) für den öffentlichrechtlich organisierten Rettungsdienst ausdrücklich auf und gelangt insofern zur einheitlichen Geltung der amtshaftungsrechtlichen Grundsätze für die Tätigkeit des gesamten Rettungsdienstpersonals, wenn sich dem jeweiligen Landesrettungsdienstgesetz die Intention der öffentlichen Gefahrenabwehr entnehmen lässt.122 Nach dieser neueren Rechtsprechung kann der Notfallpatient also Behandlungsfehler gegenüber dem passivlegitimierten Rettungsdienstträger (etwa dem Rettungszweckverband) geltend machen, nicht aber eine deliktische Haftung gegenüber dem Notarzt selbst oder gegenüber der vom Rettungsdienstträger verschiedenen Anstellungskörperschaft.123
119
Papier in MüKo § 839 Rdn. 164; zustimmend Ehmann (NJW 2004, 2944, 2945), der auf die elementare Bedeutung dieser Aufgabe zur Gefahrenabwehr hinweist. 120 Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114 ff. mit ausführlicher Erörterung der Regelungen in Baden-Württemberg (S. 117), Bayern (S. 118), Berlin (S. 118), Nordrhein-Westfalen (S. 118), Rheinland-Pfalz (S. 119), Sachsen-Anhalt (S. 119) und Thüringen (S. 120), die Regelungen von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein würden aber eine vergleichbare, öffentlichrechtliche Intention des Gesetzgebers erkennen lassen. Sie meinen zudem, dass dem Notfallpatienten auch an einer Überleitung der Haftung auf den solventeren Träger des Rettungsdienstes gelegen sein dürfte (S. 116). Das ist sicher richtig, die genuin hoheitliche Zwecksetzung der Gefahrenabwehr trägt aber schon allein die Einordnung des Notarztes als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ im staatshaftungsrechtlichen Sinne. 121 Ehmann NJW 2004, 2944, 2945. 122 BGHZ 153, 269, 274 ff. = NJW 2003, 1184, 1185 ff. (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Fehn/Lechleuthner (MedR 2000, 114, 115) und Hausner (MedR 1994, 435). 123 BGHZ 160, 216 = NJW 2005, 429. Das verkennt Kramarz (in Prütting/Wegen/Weinreich § 839 Rdn. 120), wenn er meint, es komme für die Haftung auf die Anstellungskörperschaft des Notarztes an. Das dem aufgrund der Haftungsüberleitung gem. Art 34 GG gerade nicht so ist, hat der BGH (a.a.O.) klargestellt. Dem nach Amtshaftungsrecht einstandspflichtigen Träger des Rettungsdienstes kann aber gegen den unmittelbaren Schädiger (etwa die private Hilfsorganisation, die den Rettungsdienst durchführt) wegen schuldhafter Schädigung des Patienten ein Rückgriffsanspruch aus positiver Vertragsverletzung (des öffentlichrechtlichen Rahmenvertrages) zustehen, vgl. OLG München VersR 2003, 68 ff.
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer?
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Die Auswirkungen für die GoA sind deutlich: Im Hinblick auf die Haftungsfrage bleibt ihr keinerlei selbständiger Anwendungsbereich mehr, da die Eigenhaftung des einen Behandlungsfehler begehenden Notarztes, wie erörtert, bei einer Einordnung als hoheitliche Tätigkeit in jedem Fall auf den Träger des Rettungsdienstes übergeleitet wird (§ 839 BGB i.V.m. Art 34 GG). Gleiches gilt für die Haftung der vom Träger des Rettungsdienstes etwaig verschiedenen Anstellungskörperschaft, in einer weiteren Entscheidung spricht der BGH die GoA ausdrücklich an: Bei Geltung hergebrachten Haftungsrechts müsste die Anstellungskörperschaft für die unsachgemäße Behandlung des als Geschäftsführungsgehilfe anzusehenden Notarztes (§ 278 BGB) haften, dieser Weg ist jedoch bei Anwendung des Amtshaftungsrechts versperrt, da die Haftung allein den Träger des Rettungsdienstes trifft.124 Fraglich ist aber, ob im Hinblick auf die Vergütung der notärztlichen Tätigkeit die GoA von eigenständiger Bedeutung ist, denn die Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG betrifft eben nur die Haftung für eine Schädigung des Notfallpatienten. Bei einer Qualifizierung des Notarzteinsatzes als hoheitliche Tätigkeit müsste konsequenterweise aber auch im Hinblick auf das Entgelt der Anwendungsbereich der (zivilrechtlichen oder öffentlichrechtlichen) GoA für die Fälle versperrt sein, in denen er, etwa wegen Bewusstlosigkeit des Patienten, sonst eröffnet wäre: Dass die zivilrechtliche GoA bei hoheitlichem Tätigwerden für Private überhaupt anwendbar ist, wird vielfach bestritten,125 es entspricht mittlerweile aber einem auch von der Rechtsprechung weitgehend anerkannten Konsens, dass die GoA nicht dazu benutzt werden darf, Aufwendungsersatz- oder gar Entgeltansprüche für die Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Aufgaben durch Amtsträger oder Beliehene zu konstruieren, wenn die einschlägigen Spezialbestimmungen des öffentlichen Rechts, wie etwa die Polizei- und Feuerwehrgesetze der Länder, den Kostenersatz abschließend regeln und für den konkreten Einzelfall eine Ersatzpflicht nicht zu erzeugen vermögen.126 Für die Frage des mittels Verwaltungsakt geltend zu machenden Kostenersatzes sind also die einschlägigen Regelungen der diesbezüglichen Gesamtverträge, der Rettungsdienstgesetze der Länder bzw. die entsprechen-
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BGHZ 160, 216, 227 = NJW 2005, 429, 432. Zur ebenfalls streitigen Frage, wann eine solche Geschäftsführung durch Hoheitsträger oder Beliehene als öffentlichrechtliche GoA anzusehen ist und wann die §§ 677 ff. BGB direkt anzuwenden sind Bamberger JuS 1998, 706 ff. m.w.N. 126 Vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 281 ff. m.w.N. BGHZ 156, 394 = BGH NJW 2004, 513 (Einfangen bzw. Tötung eines entlaufenen Rinds durch die Polizei) lässt die weiterhin umstrittene Grundsatzfrage, ob die GoA bei Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben nicht generell ausgeschlossen sein müsste, offen und sieht jedenfalls die Vorschriften über die Ersatzvornahme im bayrischen Polizeirecht als spezielle und abschließende Kostentragungsregelung an, die durch die GoA nicht unterlaufen werden dürfe. Zuletzt hierzu BGH NVwZ 2008, 349. Vgl. auch BayObLG 1 Z RR 331/99 v. 25.2.2002. Zu diesem Problem auch Bamberger JuS 1998, 706 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1264. Freund JZ 1975, 513 ff.; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 24 ff.; Martinek/Theobald JuS 1997, 992, 997; Scherer NJW 1989, 2724 ff.; Schubert AcP 178 (1978), 446; Oppermann AcP 193 (1993), 515 ff.; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 23. 125
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
den Kostenersatzregelungen der Kommunen zu bemühen,127 die GoA kann hier richtigerweise insoweit keine Geltung erlangen, als hier schon abschließende Kostenregelungen vorhanden sind. Die Möglichkeit der hoheitlichen Qualifizierung des Rettungsdienstes im Allgemeinen wurde in der Vergangenheit allerdings teilweise auch in Abrede gestellt, wenn auch ohne gesonderte Erörterung des Notarztes: Nach Bloch sollte die Heilbehandlung von Kranken (durch Rettungssanitäter bzw. den Rettungsassistenten) regelmäßig keine Ausübung eines öffentlichen Amtes im staatshaftungsrechtlichen Sinne darstellen, da es an dem erforderlichen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis fehle und eine zwangsweise Durchsetzbarkeit, wie sie für einen hoheitliche Maßnahme charakteristisch sei, nicht in Betracht komme, da ein Handeln gegen den Willen des Patienten kategorisch unzulässig sei.128 Da das Staatshaftungsrecht somit nicht einschlägig sei, müsse eine Beurteilung nach den üblichen Regeln der Rechtsgeschäftslehre vorgenommen werden, mithin komme die Annahme eines Behandlungsvertrages ebenso in Betracht wie die Geltung der §§ 677 ff. BGB.129 Bloch gelangte damit zu einer umfassenden Gleichbehandlung von ärztlichem Spontanhelfer, ärztlichem Bereitschaftsdienst und Notarzt. Er unterstrich seine Argumentation mit einer Betrachtung der Vorschriften der StVO über Sonderrechte (wie die Einsatzfahrt mit Blaulicht und Einsatzhorn): Der Gesetzgeber habe mit der Differenzierung in § 35 I StVO einerseits („Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist“) und der Sonderregelung für den Rettungsdienst in § 35 Va StVO andererseits („Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden“) zu erkennen gegeben, dass es sich beim Rettungsdienst im Gegensatz zu den in § 35 I StVO Genannten um keinen Träger von Hoheitsaufgaben handle.130 Blochs straßenverkehrsrechtliches Argument wurde vom BGH zwar ganz offenbar zur Kenntnis genommenen,131 erfuhr aber in der Sache keinerlei ausdrückliche Widerlegung. Fehn/Lechtleuthner weisen denn auch ganz zutreffend darauf 127
Vgl. Fehn, Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst, S. 198, 200. Insbesondere sind die zwischen den Krankenkassen und den Rettungszweckverbänden geschlossenen Vereinbarungen im Hinblick auf gesetzlich versicherte Notfallpatienten zu berücksichtigen, vgl. dazu etwa die Entscheidung BSG v. 5.2.2003 Az B 6 KA 11/02 R. Keine Gültigkeit mehr hat die Entscheidung BVerwG NJW 1996, 1610, wonach die Erhebung satzungsmäßiger Gebühren für Notfalleinsätze unzulässig sei, denn der vertragsärztliche Sicherstellungsauftrag umfasst gem. § 75 I SGB V n.F., wie gesehen, nicht mehr die Notarztversorgung und kann insofern keine Sperrwirkung entfalten. 128 Bloch NJW 1993, 1513, 1514 (am bayerischen Rettungsdienstsystem ausgerichtete Besprechung von BGH NJW 1991, 2954 (zum Rettungsdiensteinsatz in NRW, s.o.)). 129 Bloch NJW 1993, 1513, 1514. 130 Bloch NJW 1993, 1513, 1514 („Daraus den Schluß zu ziehen, daß der Rettungsdienst nicht hoheitlich arbeitet, ist nahe liegend.“). 131 BGHZ 160, 216, 221 = NJW 2005, 429, 430 (das Gericht zitiert Bloch, setzt sich aber mit dem vermeintlichen Argument der StVO nicht weiter auseinander).
C. Professionelle bzw. organisierte Nothilfegeschäftsführer?
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hin, dass Regelungsgegenstand der StVO nicht die Qualifizierung einer bestimmten Tätigkeit als hoheitlich oder nichthoheitlich sein könne, sondern lediglich die Regelung des Straßenverkehrs.132 Die Unterscheidung der StVO sei durchaus konsequent, da ja unbestritten sei, dass der Rettungsdienst auch solche Leistungen erbringt, die nicht unmittelbar auf Lebensrettung abzielen, wie etwa die reguläre und alltägliche Durchführung von Krankentransporten.133 Da diese Leistungen unstreitig nicht der Gefahrenabwehr, sondern nur der Daseinsvorsorge dienen, könnten sie auch nicht ohne weiteres als hoheitlich eingeordnet werden, so dass aufgrund der ganz verschiedenen Einsatzbereiche des Rettungsdienstes eine uneingeschränkte Aufnahme in § 35 I StVO auch nicht geboten wäre.134 Viel bedeutender ist aber wohl, dass der Hinweis Blochs auf das fehlende Überbzw. Unterordnungsverhältnis zwischen Patient und Rettungsdienstpersonal nicht tragfähig ist: Hinter diesem Verständnis verbirgt sich die Subordinationstheorie, deren Eignung für eine sinnvolle Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Hoheitshandeln und Privatrechtshandeln überwiegend zu Gunsten der Subjektsoder Sonderrechtstheorie bestritten wird.135 Auch die noch kürzlich von Lippert gegen die neue Rechtsprechung vorgetragenen Bedenken überzeugen nicht, wenn er im Hinblick auf die vom BGH in den neueren Urteilen vorgenommene Qualifizierung des Handelns von Privaten als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ meint, dass die Erbringung staatlicher Leistungen in den Rechtsformen des Privatrechts sich seit Jahren auf dem Vormarsch befinde, da passe „die Begründung des Gegenteils wohl kaum in die Landschaft.“136 Dem ist nicht zuzustimmen: Das von Lippert angesprochene „Outsourcing“ nicht genuin hoheitlicher Tätigkeiten hat in den letzten Jahren in der Tat dazu geführt, dass so mancher Misswirtschaft, insbesondere in den Kommunalverwaltungen, ein Ende bereitet wurde. Umgekehrt tragen doch gerade derartige Konsolidierungsprozesse dazu bei, dass die Berechtigung dessen, was unabänderlich dem Staatsvorbehalt unterliegt, sich umso deutlicher herauskristallisiert. Für den Rettungsdienst und den darin tätigen Notarzt lässt sich diese Aussage aber ohne übertriebene Staatsgläubigkeit guten Gewissens treffen. Polizei, Landesverteidigung, Feuerwehr und Rettungsdienst sind vielmehr diejenigen Aufgabenbereiche der Gefahrenabwehr, die auch einem „Nachtwächterstaat“ verbleiben müssten. Die jüngsten Bemerkungen von Lippert sind sicher 132
Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 117. Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 117. 134 Fehn/Lechleuthner (MedR 2000, 114, 117) mit dem Hinweis, dass der Rettungsdienst in allen Bundesländern auch den regulären und nicht notfallbedingten Krankentransport erfasse und dieser wiederum in allen Bundesländern auf Private übertragen werden könne. Das leuchtet nicht unbedingt ein: Für den regulären Krankentransport sind ja keine Sonderrechte der StVO nötig. Falls ein regulärer Krankentransport sich aber aufgrund einer Veränderung des Gesundheitszustandes des Patienten in eine Notfallsituation umwandelt, würde doch wieder eine Handlung vorliegen, die nach Auffassung der Autoren als hoheitliche Aufgabe einzuordnen wäre und genau so gut in § 35 I StVO aufgenommen werden könnte. Stichhaltiger ist wohl eher das erste Argument, dass die StVO generell als wenig aussagekräftig für den hier interessierenden Punkt zu gelten hat. 135 Papier in MüKo § 839 Rdn. 146, 147 m.w.N. 136 Lippert VersR 2004, 839, 842. 133
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
auch vor dem Hintergrund zu würdigen, dass die höchstrichterliche Judikatur sein bereits früher vertretenes Haftungskonzept nunmehr verworfen hat.137 Es vermag auch nicht sein Argument zu überzeugen, dass nicht einzusehen sei, wieso die Haftung des außerhalb des Krankenhauses tätig werdenden Notarztes einem anderen Haftungsregime, eben dem amtshaftungsrechtlichen, unterliegen soll als die anschließende Weiterbehandlung im Krankenhaus:138 Es ist eben eine wirklich staatliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass Notfallpatienten überhaupt vom Ort des Geschehens ärztlich begleitet in irgendein geeignetes Krankenhaus transportiert werden. Wohl niemand möchte diesen Bereich ärztlicher Tätigkeit dem freigegebenen Wettbewerb miteinander konkurrierender Notarzt- und Rettungsdienste überlassen, eine vom Staat organisierte Vereinheitlichung innerhalb der Bereiche der einzelnen Gebietskörperschaften spricht für sich selbst und bedarf entgegen Lipperts Annahme keiner weiteren Rechtfertigung. Der Umstand, dass hinter der Krankenhaustür wieder das privatrechtliche Haftungsregime wartet, lässt sich gegebenenfalls gegen dieses selbst einwenden, kann aber nicht gegen die grundsätzlich überzeugende Einordnung der Notarzttätigkeit als Ausübung eines öffentlichen Amtes im haftungsrechtlichen Sinne sprechen. Umgekehrt musste man sich bislang wundern, wieso etwa der Fahrer des Rettungsfahrzeuges in Ausübung eines öffentlichen Amtes handeln sollte, der den Notfallpatienten im Fahrzeug behandelnde Notarzt aber nicht.139 Die durch die neue BGH-Rechtsprechung bewirkte Vereinheitlichung des Haftungsmaßstabs für alle am Einsatz beteiligten Personen verdient vielmehr uneingeschränkten Beifall. Es ist daher nach alledem überzeugender, mit dem BGH auf die hoheitliche Zwecksetzung der Gefahrenabwehr abzustellen, mit der sich der Rettungsdienst (und damit konsequenterweise auch der darin tätige Notarzt) ohne weiteres dem Bereich des hoheitlichen Handelns zuordnen lässt,140 dies auch dann, wenn er nicht unmittelbar durch die öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften sondern durch damit betraute Private übernommen wird.141 137
Insofern ist von Bedeutung der frühere Aufsatz von Lippert (NJW 1982, 2089 ff.) in dem er sein privatrechtliches Konzept darlegt. Vgl. auch noch einmal die jüngste Äußerung Lipperts (VersR 2004, 839, 840), wo er im Hinblick auf ihren beruflichen Hintergrund Fehn/Lechleuthner den „Blickwinkel der Feuerwehrfraktion“ unterstellt. Diese Vehemenz verwundert insofern ein wenig, als sein eigenes privatrechtliches Haftungskonzept über den internen Freistellungsanspruch nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung ja ebenfalls zu einer (mittelbaren) Entlastung (nur) des angestellten Notarztes gelangt (vgl. S. 841) und damit nur im Hinblick auf den nicht angestellten Notarzt zu einem im Endergebnis allerdings gewichtigen und gegen seinen Ansatz sprechenden Unterschied führen kann. Damit haben die Befürworter des Amtshaftungskonzepts aber ein weiteres Argument auf ihrer Seite, denn der privatrechtlich und ohne Anstellungsverhältnis tätig gewordene Notarzt lässt den behandlungsfehlerhaft geschädigten Notfallpatienten haftungsrechtlich im Regen stehen, wenn er selbst nicht solvent ist und über keinen ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz verfügt, wie Lippert selbst zugeben muss. 138 Lippert VersR 2004, 839, 841. 139 Petry GesR 2003, 201, 204, 206. 140 Papier in MüKo § 839 Rdn. 164. 141 BGH NJW 1991, 2954.
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Im Ergebnis bleibt es also dabei: Für die Haftungsfrage verbietet sich ein Vorgehen des Patienten gegen den Notarzt oder seine vom Träger des Rettungsdienstes verschiedene Anstellungskörperschaft wegen behandlungsfehlerhaft ausgeführter GoA in gleicher Weise wie ein Vorgehen aus § 823 BGB, vielmehr ist die Haftungsüberleitung gem. Art. 34 GG zu beachten.
3. Anwendung des § 680 BGB? Für den professionellen Nothelfer stellt sich dann nur noch die streitige Frage, ob wenigstens insoweit GoA-Recht zur Anwendung kommen kann, als die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB zu beachten ist. In der veröffentlichten Rechtsprechung scheint diese Frage keine Rolle zu spielen, so dass die Diskussion sich auf Äußerungen der Literatur beschränkt. Die denkbaren Argumente zu diesem Punkt sind ausgetauscht und keiner vertieften Erörterung zugänglich: Wer den professionellen ärztlichen Nothelfer grundsätzlich der GoA unterfallen lässt und den Gesetzeswortlaut ernst nimmt, wird hier § 680 BGB zur Anwendung bringen.142 In der Gesetzgebungsgeschichte spielten zwei Gesichtspunkte eine Rolle: Zum einen sollte berücksichtigt werden, dass der Gestor in Fällen einer dringenden Gefahr oftmals einer „sittlichen Nothwendigkeit“ zum Handeln nachkomme, was die Anwendung eines milderen Haftungsmaßstabs rechtfertige.143 Zum anderen sollte die Norm einen Anreiz zum Tätigwerden setzen.144 Der erste Gesichtspunkt ist für die praktische Rechtsanwendung denkbar ungeeignet und lässt sich für eine teleologische Auslegung denn auch kaum gebrauchen: Soll es z.B. unsittlich sein, der Zerstörung der Sache eines anderen untätig zuzuschauen, wenn das positive Recht keine ausdrückliche Handlungspflichten vorsieht? Die Notwendigkeit einer Einteilung in sittliches und unsittliches Handeln ist mit größtmöglicher Rechtsunsicherheit verbunden und spielt denn auch nur noch gewissermaßen an der Peripherie der Rechtspraxis eine Rolle (vgl. die Rechtsprechung zu § 138 BGB). Meist werden die fraglichen Gesichtspunkte schon durch die positive Anordnung von Handlungspflichten geregelt sein, für die arztrechtlich relevanten Sachverhalte ist das dazu Erforderliche bereits bei der Erörterung der Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit gesagt worden. Wer also allgemein die positivrechtlichen Handlungspflichten des Gestors, insbesondere die aus § 323 c StGB, berücksichtigen will, kann dies also als Argument für die Anwendung des § 680 BGB auch auf den professionellen Nothelfer anführen. Es wurde hier bereits ausführlich dargelegt, dass diese Handlungspflichten des Arztes immerhin auch eine Nichtanwendung der Grundsätze zum Verbot der Versionsklage rechtfertigen sollten. Wichtiger ist aber der zweite Gesichtspunkt, die dem § 680 BGB beigemessene Anreizfunktion, welche das soeben angesprochene Argument der ärztlichen Handlungspflichten aber geradezu in sein Gegenteil verkehrt: Die Anreizfunktion ist bedeu142 Etwa Seiler in MüKo § 680 Rdn. 6; auch Kollhosser/Kubillus JA 1996, 339, 345 (ohne nähere Diskussion); vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 110 m.w.N. 143 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 15. 144 Mugdan II., S. 479; Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse III, S. 118.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
tungslos, wenn der Gestor ohnehin bereits durch positive, gegebenenfalls sanktionierte Handlungspflichten zum Tätigwerden verpflichtet ist, wie es beim ärztlichen Nothelfer, wie bereits erwähnt, der Fall ist. Eine zusätzliche Anreizfunktion ist insbesondere angesichts der Steuerungswirkung des § 323 c StGB entbehrlich. Angesichts der Bedeutsamkeit der betroffenen Rechtsgüter des Patienten ist die Anwendung eines milderen Haftungsmaßstabes gerade unter Präventionsgesichtspunkten auch äußerst bedenklich: Der Nothelfer sähe sich zwar etwa durch § 323 c StGB zum grundsätzlichen Tätigwerden verpflichtet, dürfte aber bei der Durchführung dann auf einen milderen Haftungsmaßstab als den gewöhnlichen vertrauen. Die Anreizfunktion des § 680 BGB mag daher dann eine taugliche Argumentation darstellen, wenn ansonsten keine positiven Handlungspflichten gegeben sind, wie es bei dem eingangs erwähnten Beispiel der Gefahr für Sachen oder allgemein dem Vermögen der Fall sein kann. Der professionelle ärztliche Nothelfer ist aber bereits aufgrund strafrechtlicher Handlungsgebote und aufgrund der Einbindung in eine auf den Notfall ausgerichtete Organisation bzw. aufgrund staatlicher Aufgabenübertragung hinreichend zum Handeln animiert, eines zusätzlichen Anreizes auf Kosten der Qualität der Durchführung bedarf es daher nicht. Richtigerweise ist die Anwendung des § 680 BGB für den professionellen Nothelfer daher zu verneinen, da die Norm auf den hilfsbereiten Bürger zugeschnitten ist, der zu Nothilfemaßnahmen ermuntert werden soll, für den professionellen und bezahlten Nothelfer stellen derartige Situationen aber den Normalfall dar.145
D. Verbleibende Einzelfälle 1. Ambulanzflug ins Ausland Ein Anwendungsbereich für professionelle ärztliche Nothelfer verbleibt für diejenigen Fälle, in denen es an einem hoheitlichem Tätigwerden bzw. an einer speziellen gesetzlichen Regelung fehlt, wie etwa in einem Fall des OLG Frankfurt a.M.: Die Tochter der Beklagten war während eines Urlaubs auf den Malediven in einen komatösen Zustand gefallen, woraufhin die Reiseleiterin beim Kläger ein Ambulanzflugzeug orderte, bei dessen Eintreffen auf den Malediven die Patientin aber schon nicht mehr zu retten war. Das Gericht bejahte die aus § 683 BGB folgende Aufwendungsersatzverpflichtung der Beklagten als Alleinerbin der Verstorbenen.146 Das Gericht verwirft den Einwand der Beklagten, dass der Anwendung der §§ 677 ff. BGB die als Auftragserteilung anzusehende Bestellung des Ambulanzfluges durch die Reiseleiterin entgegenstünde: Der entsprechende Vortrag der Beklagten sei bereits nicht ausreichend substantiiert, ein Auftrag mit dem Reiseunternehmen könne nicht angenommen werden, da das Verhalten der Reiseleiterin
145
Katzenmeier, Arzthaftung, S. 110; Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 45 Rdn. 19; Bergmann in Staudinger § 680 Rdn. 15; Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 393; .Schoch Jura 1994, 241, 249. 146 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 1337, 1338.
D. Verbleibende Einzelfälle
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sich für den Kläger „lediglich als Hilferuf einer in der konkreten Situation überforderten und hilflosen Angestellten“ habe darstellen müssen.147 Die letztere Annahme überzeugt schon deswegen nicht, weil das Gericht damit zwangsläufig auch den GoA-Anspruch versagen müsste, denn wieso hätte sich das Ambulanzflugzeug bei einem unbeachtlichen Hilferuf überhaupt auf den Weg machen sollen? Beachtet man, dass es sich tatsächlich um einen Ernstfall handelte und die Kosten eines derartigen Ambulanzfluges nicht unerheblich sind, wirkt es äußerst befremdlich, hier von einer offenbar vom Gericht für gänzlich unbeachtlich befundenen Reaktion eines angeblich „überforderten“ Helfers in der Not auszugehen. Ganz offensichtlich ist dieses flexible, auch im vorliegenden Fall geübte Verständnis der Rechtsgeschäftslehre von dem Bemühen getragen, die anfallenden Kosten richtig zu verteilen und den entsprechenden GoA-Anspruch gegen den Hilfebedürftigen nicht durch die Annahme eines Vertrages zu versperren. Dies ist jedoch völlig unnötig, denn das Vorbringen der Beklagten ist vorliegend unter einem ganz anderen Gesichtspunkt nicht relevant, weil nicht schlüssig: Die Figur des hier bereits ausführlich besprochenen vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers könnte der Anwendung der §§ 677 ff. BGB tatsächlich gar nicht entgegenstehen, da ein Auftrag gerade keine im Sinne der neueren GoARechtsprechung abschließende Regelung der Entgeltfrage auch mit Wirkung gegenüber Dritten vorsieht.148 Überträgt man diese Wertungen auf den vorliegenden Fall, dann würde sich lediglich im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Reiseunternehmen gemäß § 662 BGB keine Entgeltpflicht ergeben, der GoA-Anspruch gegen die hilfebedürftige Person, welcher der Rettungsflug zugute kommen sollte, bliebe damit erhalten.149 Damit ist auch das hier bereits eingangs erwähnte „Problem“ von Dritten, welche die ärztliche Hilfe erst herbeiholen, zufriedenstellend gelöst: Diesen Personen geht es regelmäßig nur darum, dem Hilfebedürftigen qualifizierte ärztliche Leistungen zu verschaffen, eine eigene Entgeltpflicht wollen sie regelmäßig nicht übernehmen, was die Annahme eines von ihnen dem Arzt erteilten (und damit in ihrem Verhältnis unentgeltlichen) Auftrags durchaus rechtfertigt aber die Kostenfrage und damit den GoA-Anspruch gegen den Hilfsbedürftigen ausdrücklich offen lässt. Eine andere, ein ähnliches Ergebnis ermöglichende Konstruktion wäre die Annahme einer (ggf. vollmachtlosen) Stellvertretung für den Hilfebedürftigen oder dessen Begleitpersonen zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages über die ärztlichen Leistungen. In beiden Fällen muss jedenfalls die Wertung beachtet sein, dass denjenigen, der die Hilfe ordert, keine Entgeltpflicht trifft. Insgesamt wird man aber annehmen dürfen, dass es sich bei solchen Sachverhalten um Ausnahmefälle handelt, die GoA muss hier wiederum nur dann bemüht wer-
147
OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 1337, 1338. BGHZ 143, 9 ff. = NJW 2000, 422. 149 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 1337 stellt für die weitere Bestimmung der Kostenverteilung bei einem derartigen GoA-Anspruch klar, dass das Interesse des Geschäftsherrn gemäß § 683 BGB überhaupt nur dann verneint werden kann, wenn von vornherein definitiv feststeht, dass für den Geschäftsherrn keinerlei Rettungsmöglichkeit mehr besteht. 148
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
den, wenn die Hilfeleistung im Ausland nicht bereits durch entsprechenden Versicherungsschutz abgedeckt ist.150
2. Erbringung ärztlicher Leistungen in staatlichen Einrichtungen Ein letztes Anwendungsgebiet der Ärzte-GoA könnte sich schließlich noch bei der Erbringung ärztlicher Leistungen in staatlichen Einrichtungen, also außerhalb des üblichen Vertragsarzt- und Krankenhaussystems ergeben. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des BGH, der über die Krankenbehandlung eines Untersuchungshäftlings zu entscheiden hatte: Das klagende Bundesland verlangte von dem beklagten Untersuchungsgefangenen Ersatz der Kosten, die für seine Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus angefallen waren, nachdem er, nach Behauptung des Klägers, einen Selbstmordversuch unternommen hatte.151 Der BGH bejahte zwar die Eröffnung des Zivilrechtsweges, da Maßnahmen einer Justizvollzugsanstalt zur Versorgung eines Untersuchungsgefangenen umfassend den ordentlichen Gerichten zugewiesen seien,152 verneinte aber Ansprüche aus den §§ 677 ff. BGB schon deshalb, weil der Kläger lediglich den ihm gegenüber bestehenden und aus dem besonderen Gewaltverhältnis folgenden öffentlichrechtlichen Anspruch auf Fürsorge erfüllt habe, was zur Unanwendbarkeit der GoA führe.153 Auf die Frage, ob die §§ 464 a ff. StPO i.V.m. den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes nicht bereits eine umfassende Sonderregelung der Kostenfrage enthielten, komme es daher gar nicht mehr an.154 Die Formulierung des Gerichts vom angeblichen Tatbestandsausschluss der GoA lässt sich so deuten, dass das Gericht offenbar das Tatbestandsmerkmal „ohne Auftrag“ (§ 677 BGB) als nicht erfüllt ansehen wollte. Diese Vorgehensweise müsste freilich verwundern, da sie scheinbar im krassen Widerspruch zur sonst großzügigen Rechtsprechung des BGH zum auch-fremden Geschäft steht,155 diese aber völlig unerwähnt lässt. Dass den Geschäftsführer Hilfeleistungspflichten treffen, wird ja wenigstens im Hinblick auf § 323 c StGB allgemein für unschädlich gehalten.156 Der BGH hätte daher auf den ersten Blick die Gelegenheit nutzen 150
Ausführlich hierzu Linden, Rechtliche Aspekte weltweiter Krankenrücktransporte. BGHZ 109, 354 ff. = NJW 1990, 1604 ff. 152 Die Frage, ob eine öffentlichrechtliche (dann §§ 677 ff. BGB analog) oder eine privatrechtliche GoA vorliegt, entscheidet sich im Übrigen, d.h. unabhängig von spezialgesetzlichen Rechtswegzuweisungen, nicht danach, wer tätig geworden ist, sondern danach, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es der Geschäftsherr selbst vorgenommen hätte, ob er also eine bloß private Obliegenheit erfüllt hätte oder eine ihm obliegende öffentlichrechtliche Pflicht, vgl. BVerwG DÖV 1973, 490, 491; Habermehl Jura 1987, 199, 201; Schoch Jura 1994, 241, 247. 153 BGHZ 109, 354, 355, 358, 359 = NJW 1990, 1604, 1605 („In einem solchen Fall ist bereits der Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen“); zustimmend Schoch Jura 1994, 241, 245. 154 BGHZ 109, 354, 359 = NJW 1990, 1604, 1605. 155 Vgl. oben, II B 3. a). 156 Vgl. oben, III C 4. b). 151
E. Institutionelle Beschränkung der GoA?
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müssen, seine Haltung zum auch-fremden Geschäft hier wenigstens zu erörtern. Eine treffende Deutung der Entscheidung liefert aber Schoch, der sie aus der Kategorie „Handeln eines Verwaltungsträgers für ein Privatrechtssubjekt“157 herleitet und damit die Besonderheiten anspricht, die für die GoA zu beachten sind, wenn die öffentliche Verwaltung Tätigkeiten für Private entfaltet: Die Regeln der GoA sollten hier, wie schon erwähnt, regelmäßig auch nicht subsidiär zur Anwendung gelangen dürfen, sowohl, was die üblicherweise spezialgesetzlich geregelte Frage der Legitimierung des Handelns gegenüber dem Privaten angeht als auch im Hinblick auf etwaigen Kostenersatz.158 Freilich hat die Rechtsprechung dies in der Vergangenheit nicht immer eng gehandhabt und den GoA-Rückgriff von Verwaltungsträgern gegen Private durchaus zugelassen.159 Für das jeweilige Handlungsgebiet ist aber stets zu untersuchen, inwieweit nicht schon spezielle und gegebenenfalls abschließende öffentlich-rechtliche Vorschriften bestehen, deren Geltung durch die Anwendung der §§ 677 ff. BGB womöglich unterlaufen wird.160 Vorliegend ist es sicher vertretbar, die öffentlichrechtliche Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen pauschal als einen solchen vorrangigen und abschließenden staatlichen Aufgabenbereich zu erachten.161 Richtigerweise hätte das Gericht sich aber näher mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit der Gesetzgeber in den §§ 464 ff. StPO im Hinblick auf die bei der Vollstreckung von Untersuchungshaftentscheidungen anfallenden Kosten wirklich eine abschließende Regelung treffen wollte. Bei der ärztlichen Behandlung in staatlichen Einrichtungen hat daher stets eine Einzelfallbetrachtung des einschlägigen Normenkomplexes zu erfolgen.
E. Sperrwirkung aufgrund ungeschriebener Risikoverteilung bei Leistungserbringung im vorvertraglichen Stadium: Institutionelle Beschränkung der GoA? Im Anschluss an die bislang schon erarbeiteten Wertungen zum auch-fremden Geschäft und zum pflichtengebundenen Geschäftsführer sind nun noch speziell zum vorvertraglichen Stadium die vom BGH im Erbensucher-Urteil aufgestellten Grundsätze sowie der erst in jüngerer Zeit ins Gesetz eingefügte § 241 a BGB auf 157
Schoch Jura 1994, 241, 244 ff.; vgl. insofern auch die Kategorisierung bei Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 29 („Verwaltungsträger erbringen Leistungen, die sie Privatpersonen öffentlichrechtlich schulden“). 158 Schoch Jura 1994, 241, 245. 159 Vgl. die Darstellung der Problematik bei Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 281 ff. m.w.N. 160 So zuletzt BGH NJW 2004, 513; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 281; vgl. auch Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 30 (dort allerdings nur zum Rückgriff der Verwaltung gegen Schuldner des privaten Leistungsempfängers): „Maßgeblich sind vielmehr Sinn und Zweck der jeweiligen öffentlichrechtlichen Leistungspflicht…eine generelle Entscheidung ist nicht möglich“. 161 So Schoch Jura 1994, 241, 245.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
ihre Relevanz für den ärztlichen Notfallhelfer zu untersuchen. Die folgenden Ausführungen gelten vornehmlich für das auf Arzt und Patient beschränkte, keinen Dritten als Rückgriffsschuldner beinhaltende Zweipersonenverhältnis, da sich für den nun zu untersuchenden Problemkreis nicht so sehr die Frage stellt, ob der Arzt neben dem Patienten noch einen weiteren (GoA-) Schuldner erhält, sondern ob er die erbrachten Leistungen überhaupt nach den §§ 677 ff. BGB liquidieren kann. In der Sache beziehen sich die folgenden Ausführungen maßgeblich auf den aus § 683 BGB resultierenden GoA-Anspruch des zufällig am Ort des Geschehens anwesenden und spontane Hilfe leistenden Arzt, da der professionelle Notarzteinsatz im Rettungsdienst, wie bereits erwähnt, eine öffentlichrechtliche Sondermaterie darstellt, die hinsichtlich der Haftung und der Kostenliquidation speziellen gesetzlichen Regelungen unterliegt. Auch für den später noch detailliert zu erörternden ärztlichen Unterhaltsregress können die folgenden Ausführungen keine Geltung erlangen, da der Unterhaltsschuldner des Patienten nur Rückgriffsschuldner ist, nicht aber Leistungsempfänger i.S.d. Erbensucher-Urteils bzw. des § 241 a BGB. Für bereits recht aufwändige aber nicht dem Rettungsdienstgesetz unterliegende Leistungen, wie sie im hier bereits besprochenen Fall des OLG Frankfurt a.M.162 im Zusammenhang mit einem Auslandsflug angefallen waren, sind die folgenden Ausführungen hingegen noch mehr als beim zufällig anwesenden ärztlichen Spontanhelfer von besonderem Interesse.163
1. Das Erbensucher-Urteil des BGH Der BGH weist im so genannten Erbensucher-Urteil164 die freiwillig getätigten Aufwendungen eines professionellen Erbenermittlers dessen eigenem Risikobereich zu: Wenn der erfolgreich ausgemachte Erbe einen Vertragsschluss verweigert, schulde er auch nicht aus GoA oder Bereicherungsrecht Vergütung oder Aufwendungsersatz, da es sich bei der Tätigkeit des Erbensuchers um das notwendigerweise mit Unsicherheiten über die Liquidationsmöglichkeit verbundene vorvertragliche Stadium handle.165 Die „im Gefüge der Vertragsrechtsordnung an162
OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 1337, 1338, vgl. oben, IV d 1. Wiederum vorausgesetzt, dass die angefallenen Kosten gerade nicht bereits von einer speziellen Versicherung gedeckt sind, denn dann stellt sich die Frage der Liquidation nach GoA-Recht natürlich nicht. 164 Urteil v. 23.9.1999: BGH NJW 2000, 72 ff. = JZ 2000, 521 m. Anm. G Schulze; dazu auch Emmerich JuS 2000, 603; Falk JuS 2003, 833 ff.; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 205; zustimmend Jansen ZEuP 2007, 958, 974 („plausibel“). 165 BGH NJW 2000, 72, 73; in Bezug genommen von BGH NJW 2003, 3046, 3048; bestätigt durch BGH NJW-RR 2006, 656; LG Berlin NJW-RR 2004, 1234, 1235 verweigert einem gewerblichen Erbensucher die Einsicht in die nachlassgerichtlichen Akten, der sich hierfür auf berechtigte Geschäftsführung für den zu ermittelnden Erben berufen hatte. OLG Celle ZEV 1999, 449 sprach dem Erbensucher noch Vergütung aus GoA zu. Anders bereits OLG Frankfurt a.M. 13 W 38/98 v. 11.9.1997 und OLG Hamburg 8 U 154/98 v. 19.10.1998. Die gelegentlich noch in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung BVerfG NJW 2002, 3531 ff. gibt für den verfassungsrechtlichen Berufsschutz der Erbensucher nichts her, da das Gericht die Tätigkeit im betreffenden Fall ausdrücklich nicht als Erben163
E. Institutionelle Beschränkung der GoA?
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gelegte und letztlich auf die Privatautonomie zurückzuführende Risikoverteilung“ dürfe durch die GoA nicht unterlaufen werden, die hier daher von vornherein unanwendbar sei.166 Wer Aufwendungen im Hinblick auf den erst noch angestrebten Vertragsschluss erbringe, müsse das Risiko in Kauf nehmen, dass er sie mangels Zustandekommens des Vertrages vom präsumtiven Geschäftspartner nicht vergütet erhält.167 Welche Auswirkungen diese, dem Problem des auch-fremden Geschäfts mit sehr grundsätzlichen Erwägungen begegnende Entscheidung für die GoA-Dogmatik insgesamt haben wird, lässt sich noch immer nicht ganz absehen,168 ihre vereinfachende Verallgemeinerung wäre geeignet, den Anwendungsbereich der GoA radikal zu verkürzen, denn dass der nach § 683 BGB Kostenersatz suchende „Geschäftsführer“ im vorvertraglichen Stadium tätig geworden ist, ließe sich gegebenenfalls in einer Vielzahl der bisherigen GoA-Fallgruppen pauschal behaupten, mitunter auch bei der ärztlichen Notfallbehandlung: Der Geschäftsführer wird im Grunde immer bestrebt sein, die bisherige Tätigkeit (oder gar ihre Fortsetzung) auf die festere Grundlage einer einvernehmlichen, das heißt vertraglichen Vereinbarung zu stellen. Wenn der „Geschäftsherr“ sich dem verweigert, ließe sich die aus Sicht des „Geschäftsführers“ gewissermaßen als kontradiktorischer Notanker für die gerichtliche Durchsetzung gewählte Kostenliquidation nach den §§ 677, 683 BGB stets mit dem Argument diskreditieren, hier würde Ersatz für solche Aufwendungen gesucht, die im Hinblick auf einen letztlich nicht zustande gekommenen Vertrag getätigt wurden. So wird in der Literatur tatsächlich schon, dem Leitgedanken der Erbensucher-Entscheidung entsprechend, eine „im Prinzip der Privatautonomie angelegte und rechtsökonomischer Einsicht geschuldete“ „echte institutionelle Beschränkung“ des Geschäftsführungsrechts für die Phase der Vertragsanbahnung angenommen.169 Für die bisherigen GoAermittlung einstuft. Zum Konflikt zwischen Erbensuche und Rechtsberatungsgesetz BGH NJW 1989, 2125 ff.; 2003, 3046 ff.; ZEV 2001, 36 ff. m. Anm. Grunewald; Kleine-Cosack NJW 2000, 1593, 1601. 166 BGH NJW 2000, 72, 73. Der BGH begibt sich hier wieder einmal in die bei der GoA hinreichend bekannte Gefahr, sich den Vorwurf der Billigkeitsrechtsprechung einzuhandeln. Emmerich (JuS 2000, 603, 604) weist zutreffend darauf hin, dass sich im Hinblick auf die bislang oft großzügige GoA-Rechtsprechung auch ein Anspruch des Erbensuchers gem. § 683 BGB unschwer „konstruieren“ lasse. Es stellt keine böswillige Lesart dar, zu glauben, dass die Entscheidung ersichtlich von dem nicht näher begründeten Willen getragen ist, die Tätigkeit gewerblicher Erbensucher ganz einfach als nicht ersatzfähig anzusehen, wenn der BGH meint, die Bejahung eines Fremdgeschäftsführungswillens wäre „weder sach- noch interessengerecht“ (a.a.O.S. 73) und sich damit von seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich distanziert. Die vom Gericht bei Tätigwerden gleich mehrerer Erbensucher befürchteten Abwicklungsschwierigkeiten ließen sich dogmatisch gewiss anders als durch kategorische Verneinung jeglicher Ansprüche bewältigen. 167 BGH NJW 2000, 72, 73. 168 Falk (JuS 2003, 833, 839) verweist zutreffend darauf, dass die seit dem ErbensucherUrteil ergangenen GoA-Entscheidungen des BGH die traditionelle Praxis „ungerührt fortführen“ würden, wie etwa in der Entscheidung BGHZ 143, 9 ff. = NJW 2000, 422 ff. BGH NJW-RR 2005, 639 ff. wendet unbekümmert die GoA auf eine eindeutig im vorvertraglichen Stadium liegende Leistungserbringung an. 169 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 205.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
Fallgruppen dürfte es entscheidend darauf ankommen, wie man diese Phase der „Vertragsanbahnung“ eigentlich näher definieren will. Man ist spontan geneigt, eine derart grundsätzliche und weit reichende Einschränkung der GoA vorsichtig dahingehend zu korrigieren, dass der Aufwendungsersatz nach GoA-Recht jedenfalls nicht im Hinblick auf solche Tätigkeiten gesperrt sein dürfte, bei denen der „Geschäftsführer“ aus tatsächlichen Gründen des Einzelfalls zum Zeitpunkt der Handlungsvornahme gar nicht in zumutbarer Weise in Vertragsverhandlungen treten konnte, etwa weil die Person des „Geschäftsherrn“ noch unbekannt (denkbar beim ärztlichen Unterhaltsregress, dazu unten) oder, fürs Arztrecht relevanter, nicht ansprechbar war.170 Genau dies war ja aber beim Erbensucher per definitionem der Fall, so dass eine derart einschränkende Interpretation sich in Widerspruch zum BGH setzen müsste.171 Das Erbensucher-Urteil ist in seiner Stoßrichtung allerdings durch die Einführung des § 241 a BGB gewissermaßen überholt worden.172
2. § 241 a BGB a) Überblick In ganz ähnlicher Weise wie das Erbensucher-Urteil173 bringt nunmehr die aufgrund der Fernabsatz-Richtlinie174 mit Gesetz v. 27.6. 2000 ins BGB aufgenommene Vorschrift des § 241 a BGB den Schutz des Verbrauchers vor aufgedrängten Leistungen zum Ausdruck. Die Regelung ist jedoch mit dem zentralen Tatbe170
So dass ihn, bei Geltung des Geschäftsführungsrechts, auch nicht der Vorwurf der Verletzung der Anzeigepflicht aus § 681 BGB treffen könnte. 171 Treffend Falk JuS 2003, 833, 838: „Es erstaunt, dass der BGH ausgerechnet in diesem Fall den GoA-Anspruch mit höchst grundsätzlichen Argumenten abschneidet. Dem Erbensucher ist immerhin zugute zu halten, dass er eine sozial wertvolle Leistung erbringt, die für ahnungslose Erben von entscheidendem Wert sein kann. Es ist ihm unmöglich, vor Beginn seiner Ermittlungstätigkeit einen Vertrag abzuschließen, weil er den Erben als gewünschten Vertragspartner erst einmal finden muss. Er kommt nicht umhin, seine Leistung vor Vertragsschluss zu erbringen. Das unterscheidet die Erbensuche von normalen Dienstleistungen, bei denen es fast immer möglich und zumutbar ist, zuerst den Vertrag abzuschließen“. 172 Vgl. die Einschätzung der Entscheidung bei Hau NJW 2001, 2863, 2864: „Solche Wortgewalt dürfte im Lichte von § 241 a BGB künftig entbehrlich sein“. 173 Hau NJW 2001, 2863, 2864 hält die gewerblichen Erbensucher für geradezu paradigmatisch für die von der Norm in Aussicht genommene unternehmerische Leistungserbringung ohne Verbraucherauftrag; Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 207) sieht in der Norm eine Kodifikation der vom BGH im Erbensucher-Urteil aufgestellten Grundsätze; ähnlich Stürner in jurisPR-BGHZivilR 14/2006 Anm. 4 zu BGH Beschluss v. 23.2.2006 III ZR 209/05; von Bar (ZEuP 2001, 799, 801 m.w.N.) hält eine europäische Regelung der GoA wegen der unklaren Auswirkungen der Fernabsatz-Richtlinie für nötig und weist darauf hin, dass etwa die gewerblichen Erbensucher nach der österreichischen und der französischen Rechtsprechung Ersatz aus GoA-Recht verlangen können, nicht aber nach der mit dem Erbensucher-Urteil des BGH geänderten deutschen Rechtsprechung. 174 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz.
E. Institutionelle Beschränkung der GoA?
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standsmerkmal der „unbestellten Leistung“ äußerst allgemein gehalten und beschränkt sich, jedenfalls dem Wortlaut nach, keinesfalls auf eindeutig unlautere, gegen das UWG verstoßende Marketingmethoden, die jedoch deutlich im Vordergrund der gesetzgeberischen Überlegungen gestanden haben.175 Inwieweit diese vielfach sehr kritisch aufgenommene176 Norm den Anwendungsbereich der ÄrzteGoA zu verkürzen geeignet ist, hängt zunächst einmal davon ab, ob § 241 a BGB auch die Entstehung gesetzlicher und nicht nur vertraglicher Ansprüche verhindern soll, was aber nach ganz herrschender Ansicht richtigerweise nicht zu bezweifeln ist.177 Wenn man diesen Befund erst einmal hinnimmt und ebenfalls akzeptiert, dass die ärztliche Tätigkeit grundsätzlich eine unternehmerische i.S.d. § 14 BGB sein kann,178 bliebe im Einzelfall nur maßgeblich zu klären, wann eine 175
Wie die so genannte „reißerische Werbung“, als welche die Zusendung unbestellter Waren meistens einzuordnen ist. Der genuin wettbewerbspolitische Zweck der Regelung, insbesondere der mit ihren rigorosen Rechtsfolgen angestrebte Abschreckungseffekt und ihr Bestrafungscharakter sind unverkennbar, vgl. Saenger in Erman § 241 a Rdn. 1; Kramer in MüKo § 241 a Rdn. 3. 176 Vernichtendes Urteil bei W.Flume (ZIP 2000, 1427, 1428), der die Integration einer Wettbewerbsverstöße sanktionierenden Norm ins BGB als „beispielhaft für gesetzgeberische Unfähigkeit“ bezeichnet; Deckers NJW 2001, 1474 ff.; G.Schwarz NJW 2001, 1449 ff. („Störfall für die Zivilrechtsdogmatik“); Chr. Berger (JuS 2001, 649, 651) hält wegen der weit reichenden Folgen eine Verletzung des Übermaßverbots für denkbar; anders Krebs (in Anw.Komm § 241 a Rdn. 3), der angesichts der unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der Fernabsatzrichtlinie Bedarf für eine über das Lauterkeitsrecht des UWG hinausgehende Kodifizierung im BGB sieht. Relativierend auch Dorn (in HKK § 241 a Rdn. 4), wonach aus rechtshistorischer Sicht diese Vorgehensweise „keineswegs so neuartig und exotisch“ sei, wie ihre Kritiker meinen. 177 Diese Ausschlusswirkung ist nicht gänzlich unbestritten, die Diskussionsdetails zu den verschiedenen denkbaren Ansprüchen müssen hier aus Raumgründen ausgespart werden, siehe dazu Saenger in Erman § 241 a Rdn.2 ff. mit differenzierter Darstellung und weiteren Nachweisen. Einzig ausdrücklich zu nennen sind hier Bülow/Artz (NJW 2000, 2049, 2056), die wenigstens die Vindikation unbestellt zugesendeter Waren (ohne Begründung) für weiter möglich halten, GoA-Ansprüche aber als ebenfalls durch § 241 a BGB ausgeschlossen ansehen. Der prinzipielle Ausschluss sämtlicher gesetzlicher Ansprüche (insbesondere solcher aus GoA oder Bereicherungsrecht) wird angesichts der Gesetzesbegründung,(vgl. BT.Drs. 14/2658, 46) ganz überwiegend als zweifelsfrei angesehen. Hierfür spricht allein schon der Umkehrschluss aus § 241 II BGB, noch mehr aber der klare gesetzgeberische Wille. Aufgrund des Gesetzeszwecks von einem (jedenfalls zunächst) umfassenden Ausschluss gesetzlicher Ansprüche ausgehend: Olzen in Staudinger § 241 a Rdn. 11; Saenger in Erman § 241 a Rdn. 2 ff.; Sutschet in Bamberger/Roth § 241 a Rdn. 9; Krebs in Anw.Komm § 241 a Rdn. 24; A.Deutsch JuS 2005, 997, 998; Chr. Berger JuS 2001, 649, 652; Deckers NJW 2001, 1474.; G.Schwarz NJW 2001, 1449; Wrase/Müller-Helle NJW 2002, 2537, 2538; Wagner AcP 206 (2006), 352, 369; Kohler AcP 204 (2004), 606, 608; Tachau Jura 2006, 889; Link NJW 2003, 2811, 2812. A.A. im Hinblick auf die Vindikation noch W.Flume ZIP 2000, 1427, 1428; Casper ZIP 2000, 1602, 1609. 178 Dem Unternehmerbegriff des § 14 BGB unterliegen die Freien Berufe an sich unproblematisch, vgl. Micklitz in MüKo § 14 Rdn. 31. Den Arzt hält etwa Hau (NJW 2001, 2863, 2864) für erfasst; so auch Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 206; Tachau (Jura 2006, 88, 890) meint dies sowohl für den professionellen ärztlichen Nothelfer als auch für den spontane Hilfe leistenden Arzt annehmen zu müssen, denn die nach §§ 683, 1835 III
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
vom Patienten zurechenbar veranlasste „Bestellung“ der ärztlichen Tätigkeit vorliegt und wann nicht.179 Da die Voraussetzungen des § 241 a BGB daher oftmals vorliegen werden, wären womöglich GoA-Ansprüche des zufällig am Ort des Geschehens Hilfe leistenden Arztes gegenüber nicht geschäftsfähigen,180mehr noch gegenüber bewusstlosen Patienten in weitem Umfang ausgeschlossen, wie überhaupt die Auswirkungen auf das GoA-Recht geradezu gravierend zu sein scheinen. So kann nur der Einschätzung von Hau zugestimmt werden, dass § 241 a BGB bei unbefangener Lektüre „genug Sprengstoff“ birgt, „um das hergebrachte Rechtsfolgensystem der GoA schlicht aus den Fugen zu reißen“.181 Die weit reichenden Folgen für das Geschäftsführungsrecht hat der Gesetzgeber des § 241 a BGB, der vornehmlich die wettbewerbswidrige Lieferung unbestellter Waren sanktionieren wollte, ersichtlich nicht bedacht.182 Die dogmatische Diskussion, wie diese Auswirkungen für die GoA-Dogmatik im Allgemeinen zu beurteilen sind, befindet sich allenfalls im Anfangsstadium,183 vielfache Zustimmung findet lediglich die „spontan dem Rechtsgefühl“184 entspringende Beurteilung, dass wenigstens GoA-Ansprüche eines ärztlichen Nothelfers unter teleologischen Gesichtspunkten nicht vom Anspruchsausschluss des § 241 a BGB erfasst sein dürften,185 so dass diese Fallgruppe, aus Sicht des Arztrechtlers erfreulich, den Dreh- und Angelpunkt der entsprechenden Diskussion bildet. Die genauen Kriterien und Methoden, nach denen eine BGB analog gewährte Vergütung erhalte auch der Letztere ja für seine besonderen beruflichen Kenntnisse und nicht für eine Hilfe, die jedermann leisten könnte. 179 Als Bestellung gilt jede zurechenbare Veranlassung der Leistung, vgl. Kramer in MüKo § 241 a Rdn. 8; Hau (NJW 2001, 2863, 2865) hält es für ein bloßes Kurieren der Symptome, wenn man sich den Anwendungsbereich der GoA dadurch zu erhalten versuchte, dass man die Anforderungen an eine Bestellung i.S.d. § 241 a BGB „extrem herabsetzt“. 180 Hier stellt sich allerdings die Frage nach dem, für eine Bestellung ggf. ausreichenden, tatsächlichen Einverständnis mit der Leistungserbringung. 181 Hau NJW 2001, 2863, 2864: „Es drängt sich der Gedanke auf, dass die für Aufwendungsersatz und Vergütungsanspruch des auftraglosen Geschäftsführers entscheidende Weichenstellung fortan nicht mehr anhand der herkömmlichen Kategorien berechtigt/ unberechtigt zu erfolgen hat, sondern in einem neuen, auch am Verbraucherschutzkonzept orientierten GoA-System vor allem anhand der Kategorien bestellt/unbestellt.“ 182 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 206, 207; Tachau (Jura 2006, 889, 893) weist darauf hin, dass der Auffangtatbestand „Erbringung sonstiger Leistungen“ im Gesetzgebungsverfahren nahezu gar nicht erörtert wurde. Die Norm trug bis zur Schuldrechtsreform (zum 31.12.2001) sogar nur die amtliche Überschrift „Lieferung unbestellter Sachen“. Als Beispiele für den Auffangtatbestand werden meist solche Leistungen genannt, deren Charakter als „reißerische Werbung“ bei unbestellter Erbringung auf der Hand liegen würde und die nur aus tatsächlichen Gründen nicht als zugesendete Ware angesehen werden können, so die „Lieferung“ von unkörperlichen Gegenständen wie Strom oder von Rechten wie Softwarelizenzen, vgl. Krebs in Anw.Komm § 241 a Rdn. 17. 183 Lienhard (NJW 2003, 3592, 3596) stellt zutreffend fest, dass die Diskussion sich maßgeblich um unbestellt zugesendete Waren dreht: „Unbestellt erbrachte Dienstleistungen haben dagegen noch kaum Beachtung gefunden.“ 184 Tachau Jura 2006, 889, 890. 185 Ehmann in Erman § 677 Rdn. 7; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 206; Kramer in MüKo § 241 a Rdn. 16.
E. Institutionelle Beschränkung der GoA?
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einschränkende Auslegung sich richten könnte, sind aber noch unsicher, zumal auch einem gegebenenfalls unbedacht handelndem Gesetzgeber Respekt gebührt. Die schlichte Nichtanwendung einer gerade erst geschaffenen Norm sollte gewichtige Gründe vorweisen können, der simple Vorschlag, sie als „pro non scripto“ zu betrachten,186 dürfte nicht jeden Dogmatiker zufrieden stellen. Der Gesetzgeber zwingt die Wissenschaft mit dem in § 241 a BGB angeordneten Normbefehl allerdings geradezu zur Vornahme von Korrekturen, wie die unvermeidlichen, hier aber nicht näher interessierenden eigentumsrechtlichen Folgeprobleme der Vorschrift bewiesen haben.187 Diejenigen Autoren, die überhaupt eine (nähere) methodische Begründung der teleologischen Reduktion versuchen, setzen hierfür an verschiedenen Stellen an, stellen aber im Grunde allesamt darauf ab, dass der Gesetzgeber einerseits vornehmlich wettbewerbswidriges Verhalten sanktionieren wollte und andererseits die GoA schlicht und ergreifend nicht im Blickfeld gehabt habe. Der Sache nach geht es damit immer um „Belästigungsschutz“,188 was aber nur einen anderen Ausdruck für den eben auch bei der GoA und den §§ 812 ff. BGB seit jeher mitschwingenden Gedanken des Aufdrängungsschutzes darstellt.189 Die von § 241 a BGB seinem weiten Wortlaut nach erfassten Sachverhalte wären ohne diese Vorschrift mit der ganzen Bandbreite der altbekannten dogmatischen Instrumente wie dem konkludent geschlossenen Vertrag,190 dem Vorvertrag, der culpa in contrahendo, der protestatio facto contraria und der (ggf. aufgedrängten) auftragslosen Geschäftsführung bzw. ungerechtfertigten Bereicherung zu lösen.191 Es stellt sich somit die Frage, inwieweit diese neue Norm von derartigen Überlegungen nun wirklich entbindet, denn dieser weite zivilrechtliche Zusammenhang ist im Gesetzgebungsverfahren nicht ersichtlich bedacht worden.192
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So W.Flume ZIP 2000, 1427, 1429, allerdings ohne Erörterung der GoA. Hierzu und insbesondere zum deliktsrechtlichen Schutz der unbestellt zugesendeten Ware G.Schwarz NJW 2001, 1449 ff. und Jacobs JR 2004, 490 ff. m.w.N.; zu den entsprechenden strafrechtlichen Folgeproblemen wegen des fortbestehenden Eigentums des Zusenders Matzky NStZ 2002, 458 ff.; Mitsch NStZ 2005, 534 ff. 188 Mansel in Jauernig § 241 a Rdn. 2. 189 Vgl. dazu oben, II A 3 und die englische Bezeichnung als „officious intermeddler“. 190 Wiederum nicht zu verwechseln mit der mittlerweile aufgegebenen Lehre vom so genannten faktischen Vertrag, dazu Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 39. Bisweilen wird für den faktischen Vertrag wie auch für die entgegengesetzte allgemeine Rechtsgeschäftslehre vom konkludent geschlossenen Vertrag die Bezeichnung als „Vertragsschluss aufgrund sozialtypischen Verhalten“ gewählt. Diese Terminologie ist missverständlich und sollte vermieden werden. Zur protestatio facto contraria BGHZ 95, 393, 399; BGH MDR 2000, 956, 957; Bork in Staudinger Vor § 145 Rdn. 39. 191 Sehr anschaulich zum mitunter schwierigen Zusammenspiel bzw. der Abgrenzung von konkludent geschlossenem Vertrag, protestatio facto contraria und GoA aus jüngerer Zeit die Entscheidung BGH NJW-RR 2005, 639 ff. (Vergütungsanspruch des EnergieLetztverbraucherversorgers bei Scheitern des Versorgerwechsels), die allerdings nicht das von § 241 a BGB vorausgesetzte Verhältnis des Unternehmers zum Verbraucher betrifft. 192 Berger (JuS 2001, 649, 650) weist als einer der wenigen Autoren wenigstens beiläufig darauf hin, dass es sich um ein altes (auch) bereicherungsrechtliches Problem handelt. 187
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b) Nichtanwendbarkeit der Norm aufgrund öffentlichrechtlicher Handlungsverpflichtung? Ein breiter zivilrechtlicher Konsens besteht im Grunde nur über das Ziel, wenigstens solche Sachverhalte auszunehmen, in denen § 323 c StGB eine „Leistung“ geboten hat, womit insbesondere der GoA-Anspruch ärztlicher Nothelfer von der Versagungsanordnung des § 241 a BGB weitgehend verschont bliebe.193 Für solche Fälle sollen demnach das Handeln zur Gefahrenabwehr (vgl. § 680 BGB) bzw. die öffentlichrechtliche Handlungspflicht allein schon den Grund für die Nichtanwendbarkeit des § 241 a BGB darstellen,194 nicht wenige Autoren belassen es bei einem derartigen apodiktischen Hinweis,195 mit dem jedenfalls dem ärztlichen Helfer in der Not gedient sein soll. Dies trifft sich mit der hier bereits erörterten Auffassung, wonach ein lediglich aus § 323 c StGB folgendes Interesse des Handelnden an der Vermeidung eigener Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des auch-fremden Geschäfts keinesfalls einen Ausschluss von Ansprüchen nach den §§ 677 ff. BGB rechtfertigt.196 c) Abgrenzung anhand der Motive des Unternehmers? Einige Autoren versuchen, das Problem mit einer subjektiven Eingrenzung in den Griff zu bekommen. Von Casper wird vorgeschlagen, dem aus einer altruistischen Motivation heraus handelnden Unternehmer seine GoA-Ansprüche zu erhalten,197 was denkbar nahe bei der Argumentation mit § 323 c StGB und der GoA-Theorie der „Menschenhilfe“ liegt. Gegen diesen Ansatz werden teilweise die Schwierigkeiten bei der Feststellung der Motivationslage des Handelnden vorgebracht,198 womit sich der Rechtsanwender aber im Grunde nur in den gewohnten subjektiven Untiefen des GoA-Rechts wiederfinden würde. Zu behaupten, eine derartige GoAPrüfung würde eine „zusätzliche Belastung neben den ohnehin schon denkbar komplizierten und umstrittenen Regeln hinsichtlich der Fremdheit des Geschäfts, des Fremdgeschäftsführungswillens und insbesondere der Anerkennung des sog. 193
Hau NJW 2001, 2863, 2865; ihm folgend Ehmann in Erman § 677 Rdn. 7; Saenger in Erman § 241 a Rdn. 8, 25; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 207; Mansel in Jauernig § 241 a Rdn. 2; Toussaint in jurisPK § 241 a Rdn.16. Kurios Krebs (in Anw.Komm § 241 a Rdn. 6), der sich gegen jegliche einschränkende Auslegung der Norm, etwa im Hinblick auf die Vindikation oder das Fehlen eines Wettbewerbsverstoßes ausspricht (Rdn. 6, 24), die berechtigte GoA (insbesondere des Arztes) aber aufgrund der (vermeintlich) „spezielleren Wertungen“ der §§ 677 ff. BGB dem § 241 a BGB im Wege der Konkurrenz vorgehen lassen will (Rdn. 30). In Wirklichkeit stellt auch diese Vorgehensweise eine teleologische Reduktion dar, denn die Ansicht von einer Spezialität der GoA ist nicht haltbar, dazu unten. 194 Hau NJW 2001, 2863, 2865. 195 Ehmann in Erman § 677 Rdn. 7. 196 Vgl. oben, III C 4. b). 197 Casper ZIP 2000, 1602, 1605 Fn 26; in der Begründung unklar Kramer (in MüKo § 241 a Rdn. 16), der die altruistische Intention unter Bezugnahme auf Casper anspricht, den professionellen Nothelfer aber offenbar per se von § 241 a BGB ausnehmen möchte. 198 Tachau Jura 2006, 889, 891.
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auch-fremden Geschäfts“ bedeuten,199 verkennt, dass derartige Überlegungen bei den §§ 677 ff. BGB seit eh und je im Wege einer (objektiv) typisierenden Betrachtung mittels des objektiv fremden Geschäfts der h.M. angestellt werden. Caspers Vorschlag könnte denn auch als bloße dahingehende Klarstellung verstanden werden, dass § 241 a BGB nicht GoA-Ansprüche aus solchen Handlungen sperren darf, in denen sich sogar i.S.d. der subjektiv-normativen Theorie eine fremdnützige Willensrichtung eindeutig manifestiert. Dass Rettungsmaßnahmen ärztlicher Nothelfer zu den wenigen Handlungen gehören, die dieser (den Anwendungsbereich der GoA stark eingrenzenden) Betrachtung anhand des sozialen Handlungssinns überhaupt standhalten, wurde bereits dargelegt. Ganz ähnlich aber deutlich komplizierter muss hingegen die Diskussion einer anderen Variante der (vermeintlich) subjektiven Eingrenzung erfolgen. Einige Autoren schlagen vor, § 241 a BGB nur dann auf GoA-Ansprüche anzuwenden, wenn die vorgenommene Leistungshandlung von einer „Vertragsanbahnungsabsicht“ des Unternehmers getragen wurde: Der ursprünglich für § 241 a BGB vorgesehene, dann aber als missverständlich gestrichene Zusatz „zur Anbahnung eines Vertrages“200 könne für die teleologische Reduktion der Norm fruchtbar gemacht werden.201 Vorab ist aber schon zu fragen, wieso für die eingrenzende Auslegung der Vorschrift gerade ein solches Merkmal verwendet werden sollte, das der Gesetzgeber wegen befürchteter Unpraktikabilität und um dem Unternehmer entsprechende Ausflüchte zu versperren, ausdrücklich nicht ins nunmehr rein objektiv gehaltene Gesetz übernommen sehen wollte?202 Es ist schon unklar, wie dieses Merkmal überhaupt zu verstehen wäre, in Betracht kommen eine objektive wie eine subjektive Deutung: Sollen hiernach im Wege einer rein objektiven Betrachtungsweise und in Anknüpfung an den im Sinne einer Koinzidenz verstandenen Wortlaut der Fernabsatz-Richtlinie203 nur die zeitgleich mit einer ausdrücklichen Zahlungsaufforderung erbrachten Leistungen von § 241 a BGB erfasst sein? Dann ließe sich die Anwendbarkeit der Norm leicht umgehen.204 Wer allerdings unabhängig von einer ausdrücklichen Zahlungsauffor199
Tachau Jura 2006, 889, 891. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/3195, 32: „Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist nur dazu angetan, die Aussage der Vorschrift zu verwässern. Es ist auch zu befürchten, dass dieses Merkmal praktische Anwendungsschwierigkeiten bereitet, wenn sich der betroffene Unternehmer fälschlich darauf beruft, er habe die Ware nicht zur Anbahnung eines Vertrages versandt.“ 201 Hau (NJW 2001, 2863, 2865), der eine etwaige öffentlichrechtliche Handlungsverpflichtung aber für vorrangig hält, siehe oben; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 207; Gehrlein in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 18; Vollkommer in Jauernig (10. Aufl. 2003), § 241 a Rdn. 2; .St.Lorenz JuS 2003, 36, 40. 202 Olzen in Staudinger § 241 a Rdn. 34; Tachau Jura 2006, 889, 891; dagegen auch Kramer in MüKo § 241 a Rdn. 7 Fn. 16; Dorn in HKK § 241 a Rdn. 18. 203 FARL Art. 9: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um zu untersagen, dass einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden, wenn mit der Warensendung oder Dienstleistungserbringung eine Zahlungsaufforderung verbunden ist.“ 204 Saenger in Erman § 241 a Rdn. 8. 200
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derung die wahren Motive des Leistungserbringers erforschen will, begibt sich unweigerlich in Beweisschwierigkeiten und in Wertungswidersprüche. Bei der Vertragsanbahnungsabsicht handelt es sich um ein Merkmal, das, insofern ganz anders als die altruistische Intention, mit einer für die Rechtssicherheit wünschenswerten Prognostizierbarkeit der rechtlichen Beurteilung kaum in den Griff zu bekommen ist. Im Grunde würde auf diese Weise nur die GoA-Diskussion zum Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens und zur umstrittenen Schädlichkeit des auch-fremden Geschäfts spiegelbildlich auf § 241 a BGB übertragen, wie nun zu zeigen ist. Wie bereits zur Systematik der §§ 677 ff. BGB erörtert, lässt sich in vielen Fällen einer nicht vertraglich abgestimmten Leistung die Motivationslage des Handelnden und damit der Fremdgeschäftsführungswille, je nach Standpunkt des Betrachters, im Prozess beliebig behaupten bzw. „manipulieren“. Das gilt gleichermaßen für § 241 a BGB, wenn man hier mit einer streng subjektiv verstandenen „Vertragsanbahnungsabsicht“ würde arbeiten wollen. Dem nun wenigstens nach GoA-Recht Ersatz suchenden „Geschäftsführer“ könnte man oftmals unterstellen, er habe doch ursprünglich und vorrangig im Hinblick auf eine Vergütung, mithin primär in Vertragsanbahnungsabsicht (und nur sozusagen hilfsweise in Fremdgeschäftsführungsabsicht) gehandelt, wohingegen der Anspruchsteller dies kategorisch leugnen müsste und auch würde, um sich den GoA-Anspruch zu erhalten. Eine in dieser Weise verstandene Vertragsanbahnungsabsicht wäre für die auf Beweisbarkeit angewiesene Gerichtspraxis ebenso untauglich wie es der streng subjektiv verstandene Geschäftsführungswille Gurskys bei der GoA ist. Eine wenigstens im Ansatz signifikante (damit aber noch lange nicht sinnhafte!) Unterscheidungskraft würde der Vertragsanbahnungsabsicht nur zukommen, wenn man, ähnlich der subjektiv-normativen GoA-Lehre Wittmanns, nur solche Leistungen unter § 241 a BGB fassen würde, in denen sich die Vertragsanbahnungsabsicht manifestiert. In diese Richtung scheint der Vorschlags Bergmanns zu gehen, der ja auch, wie gesehen, als Vertreter der subjektiv-normativen Lehre für die GoA den endgültigen Abschied von einem als real vorhanden verstandenen Geschäftsführungswillen eingefordert hat: Wenn die unbestellte Leistung sich nach außen als Angebot auf Abschluss eines Vertrages darstelle, mithin als Realofferte im technischen Sinn einzuordnen sei, schließe § 241 a BGB alle Ansprüche des Unternehmers, auch solche aus GoA, aus.205 Mit diesem Kriterium lassen sich gewiss viele Fälle zufriedenstellend lösen. In der Konsequenz müssten von § 241 a BGB aber an sich alle diejenigen Sachverhalte auszunehmen sein, in denen die betreffende Handlung mangels Erreichbarkeit des präsumtiven Vertragspartners zwingend vorgeleistet werden muss und aus Sicht eines objektiven Dritten keinesfalls als Angebot zum Vertragsschluss (Realofferte) im streng technischen Sinn aufgefasst werden kann. Darüber, ob etwa die Tätigkeit des Erbensucher als Realofferte ver-
205
So Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 207), der aber, insofern unklar, auch die von anderen Autoren für maßgeblich gehaltene Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens in Bezug nimmt. Zur Realofferte Kramer in MüKo § 145 Rdn. 13.
E. Institutionelle Beschränkung der GoA?
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standen werden kann, lässt sich streiten,206 ist hier aber nicht weiter von Belang, denn eine Realofferte liegt sicher nicht vor beim ärztlichen Nothelfer, der einen bewusstlosen oder (vorübergehend) nicht geschäftsfähigen Patienten behandelt. Es ist natürlich abwegig, in einer Handlung ein die Anwendbarkeit des § 241 a BGB begründendes Angebot zum Abschluss eines Vertrages zu sehen, wenn der Adressat dieser vermeintlichen Realofferte erkennbar nicht in der Lage ist, sie wirksam anzunehmen oder abzulehnen.207 Auf die vermeintlich aus der ErbensucherEntscheidung bzw. aus § 241 a BGB zu folgernde „institutionelle“ Beschränkung der GoA im vorvertraglichen Stadium muss daher wenigstens für den ärztlichen Nothelfer nicht weiter eingegangen werden, wenn die fehlende Ansprechbarkeit oder Geschäftsfähigkeit des Hilfebedürftigen feststeht.208 Letztendlich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass überhaupt nicht erkennbar ist, worin eigentlich die tiefere sachliche Rechtfertigung für die von mehreren Autoren meist unter bloßem Verweis auf Hau vorgeschlagene und in ihren Voraus206
Falk (JuS 2003, 833, 838) weist zutreffend darauf hin, dass der BGH die fehlende Möglichkeit einer zumutbaren Kontaktaufnahme mit dem präsumtiven Geschäftsherrn in sicher angreifbarer Weise für offenbar unschädlich hält. Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 205, 207) sieht hingegen erst in der ungebetenen Informationsmitteilung an den Erben die Leistungserbringung (zur Vertragsanbahnung) und damit (von diesem Standpunkt aus sicher folgerichtig) auch die Realofferte. Der Erbensucher will aber eben nicht für diese Mitteilung allein sondern für seinen zeitlich davor liegenden, bereits erbrachten Rechercheaufwand eine Vergütung erhalten. Für diesen Zeitraum fehlt es aber unabänderlich an jeglichem Kontakt mit dem Erben, so dass sich die Einordnung als Realofferte insofern verbietet. Der Erbensucher muss vielmehr zwingend von einem mutmaßlichen Einverständnis ausgehen, weil er das tatsächliche Einverständnis nicht einholen kann. Der Erbensucher setzt ja gerade deswegen darauf, später wenigstens aus GoA vorgehen zu dürfen, weil die Nützlichkeit seines Handelns unabweisbar auf der Hand liegt. 207 Angesichts der Kontroverse um die gewerblichen Erbensucher scheint dies allerdings nicht so selbstverständlich zu sein, wie man meinen sollte. 208 Noch einmal: Der BGH hielt die fehlende Möglichkeit des Vertragsschlusses im Erbensucher-Urteil für irrelevant. Die Nichtanwendung dieser Grundsätze auf den ärztlichen Nothelfer wäre daher von diesem Standpunkt aus unlogisch und müsste sich auf reine Billigkeitserwägungen stützen. Dass aber nicht alle BGH-Senate den im Erbensucher-Urteil aufgestellten Grundsätzen durchweg folgen, wurde hier bereits angemerkt. Auch im Hinblick auf die übrigen GoA-Fallgruppen ist daher nicht nachvollziehbar, wieso Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 206, 207) einerseits aus dem Erbensucher-Urteil und aus § 241 a BGB diese pauschale und vehemente Regel von der „institutionellen“ Einschränkung der §§ 677 ff. BGB im vorvertraglichen Stadium folgert, andererseits im Hinblick auf die GoA aber meint, es könne dem Gesetzgeber nicht darum gegangen sein, „ein bewährtes und traditionsreiches Rechtsinstitut weitgehend abzuschaffen. § 241 a BGB Abs.1 ist also dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur für das Stadium der Vertragsanbahnung gilt“. Präzisierende sachliche Kriterien dafür, wie eng oder weit die Phase der „Vertragsanbahnung“ zu verstehen sei, liefert er leider nicht, die Argumentation mit der Realofferte wird, wie gezeigt, nur mit Kunstgriffen durchgehalten. Die in der Vergangenheit massiv geübte Kritik an der uferlos weiten GoA-Rechtsprechung scheint hier in Folge der ErbensucherEntscheidung in eine beinahe ebenso unmäßige Gegenreaktion umzuschlagen, die sicher noch weiter durchdacht werden muss. Diesem Bereich wird künftig ein Hauptaugenmerk der allgemeinen GoA-Dogmatik zu widmen sein.
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
setzungen und ihrer Abgrenzung gegenüber dem Fremdgeschäftsführungswillen denkbar unsichere Unterscheidung anhand der Vertragsanbahnungsabsicht liegen soll: Wieso soll es dem Leistungserbringer im Rahmen von § 241 a BGB denn schaden, wenn er von Anfang an „auch“ im Hinblick auf eine eigene Vergütung tätig wird, sei sie nun aus Vertrag oder aus GoA geschuldet? Die Entstehungsgeschichte des § 241 a BGB kann hierauf keine Antwort geben, denn der Gesetzgeber hatte, wie gesagt, vornehmlich die „reißerische Werbung“ im Auge, nicht aber Sachverhalte, die damit nicht zu vergleichen sind. Nach der ständigen GoARechtsprechung zum auch-fremden Geschäft soll ja ein etwaiges eigennütziges Motiv des Gestors dem auf die übliche (vertragliche!) Vergütung gerichteten Honoraranspruch aus § 683 BGB (ggf. i.V.m. § 1835 III BGB analog) gerade nicht per se entgegenstehen.209 Es kann auch mitnichten pauschal behauptet werden, dass der spontane Hilfe leistende Arzt ohne jegliches finanzielles Eigeninteresse tätig werden würde, angesichts der langjährigen Rechtsprechung zum Honoraranspruch bei berufseinschlägigen Geschäftsführungshandlungen dürfte dies vielmehr ein regelmäßiges Begleitmotiv darstellen. Tachau fragt ganz zu Recht: „Lässt sich denn beim am Unfallort vorbeikommenden Arzt sagen, er habe nicht zur Vertragsanbahnung gehandelt, wenn er weiß, dass er eine Vergütung verlangen kann? Der informierte Arzt wird einfach zur Erlangung von Aufwendungsersatz handeln. Das Ergebnis der die Vertragsanbahnungsabsicht voraussetzenden Meinung ist paradox: Handelt der Unternehmer zur Vertragsanbahnung, erhält er keine Vergütung, wohl aber, wenn er dies nicht tut.“ 210 Beim zufällig am Ort des Geschehens anwesenden Arzt, der spontan erste Hilfe leistet, müsste eine an dem Begleitmotiv des Vergütungsinteresses orientierte Deutung der „Vertragsanbahnungsabsicht“ unter Verweis auf § 241 a BGB sowohl Ansprüche aus einem konkludent geschlossenen Vertrag als auch geschäftsführungsrechtliche Ansprüche sperren. Dem Arzt würde es also zum Nachteil gereichen, wenn er sich in einer solchen Situation nicht um einen, von § 241 a BGB nicht versperrten, ausdrücklichen Vertragsschluss bemüht. Das wäre jedoch eine geradezu aberwitzige rechtliche Vorgabe, denn natürlich hat der Arzt sich in solchen Notsituationen ganz und gar um die unter den Umständen gegebenenfalls schon mögliche Diagnose und um die spezifischen, vor Ort wenigstens als erste Hilfe zu erfüllenden Bedürfnisse des Patienten zu kümmern und um nichts anderes. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass in der bei § 241 a BGB geführten Diskussion zum ärztlichen Nothelfer Hau als Urheber des Vorschlags der Restriktion mittels der Vertragsanbahnungsabsicht genannt wird,211 obwohl er selbst explizit darauf hinweist, dass dieser Ansatz nur in Sachverhalten von Bedeutung sein kann, die nicht schon „öffentlichrechtlich präjudiziert“ sind, wie es 209
Vgl. BGHZ 65, 384, 390 = NJW 1976, 748; BGH NJW 1993, 3196; BGHZ 143, 9, 16 = NJW 2000, 422; BGH NJW-RR 2005, 639, 641 stellt z.B. für die Bemessung des GoAAnspruchs mit größter Selbstverständlichkeit auf den vom klagenden Energieversorgungsunternehmen verwendeten Vertragstarif ab. 210 Tachau Jura 2006, 889, 892. 211 So bei Saenger in Erman § 241 a Rdn. 25.
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beim ärztlichen Nothelfer im Hinblick auf § 323 c StGB der Fall sei.212 Derartige Fehlzitate stellen nur ein weiteres Indiz dafür dar, dass die eher zaghafte Diskussion zum Verhältnis von GoA und § 241 a BGB bislang wenig zufriedenstellend verlaufen ist. d) Weitere Lösungsvorschläge zur teleologischen Reduktion Es finden sich neben den bisher erörtern Ansätzen noch weitere Überlegungen, um den Anwendungsbereich des § 241 a BGB zu beschneiden. Teilweise wird vorgeschlagen, die einschränkende Auslegung des § 241 a BGB an der vom Telos der Norm ins Auge genommenen Wettbewerbswidrigkeit des Handelns auszurichten, an der es jedenfalls fehle, wenn der Handelnde aufgrund § 323 c StGB aber auch aufgrund bloß sittlicher Gebote zum Handeln verpflichtet ist.213 In Fällen einer berechtigten GoA liege stets ein mutmaßliches Einverständnis des Geschäftsherrn vor, welches den Wettbewerbsverstoß beseitige und damit auch die Anwendung des § 241 a BGB verbiete.214 Ein gegen eine solche teleologische Auslegung sprechender Wille des Gesetzgebers sei nicht zu erkennen, da der Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 BGB im Gegensatz zu Herausgabe-, Schadensersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen im Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht diskutiert worden sei.215 Wie man es dreht und wendet: Auch dieser Ansatz ist wiederum auf die ärztlichen Notfallhelfer fixiert. Diesem Vorschlag ganz ähnlich sehen andere Autoren in der berechtigten GoA eine vom Gesetzgeber des § 241 a BGB übersehene „abschließende Lösung des Konflikts zwischen der Förderung altruistischen Handelns und der Abwehr von Einmischung“216 bzw. eine spezielle Regelung, die den § 241 a BGB im Wege der Konkurrenz verdränge.217 Dieses Argument von der vermeintlichen Vorrangigkeit der GoA ist aber schon insofern schwer nachzuvollziehen, als dieses Rechtsinstitut, wie bereits gesehen, in seiner gegenwärtigen, durch jahrzehntelange Rechtsprechung gewonnenen (oder besser: zerronnenen) Kontur einen uferlos weiten Auffangtatbestand darstellt, der eines allseits akzeptierten Grundgedankens ermangelt und angesichts seiner generalklauselartigen Handhabung durch die Gerichte kaum solche klaren Abgrenzungsmerkmale aufweist, wie sie sonst eine als lex specialis anzusehende Norm auszeichnen. Mit Berechtigung könnte man eine 212
Hau NJW 2001, 2863, 2865. Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen im BGB, S. 154 ff.; vgl. die Darstellung bei Tachau Jura 2006, 889, 890 ff. m.w.N. 214 Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen im BGB, S. 154. 215 Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen im BGB, S. 154. 216 Olzen in Staudinger § 241 a Rdn. 34; Müller-Helle, Die Zusendung unbestellter Ware, S. 175, 176; Heinrichs in Palandt § 241 a Rdn. 3. Von Tachau (Jura 2006, 889, 891) wird dies als „GoA-interne Lösung“ bezeichnet. 217 Krebs in AnwKomm § 241 a Rdn. 30; ihm folgend Dorn in HKK § 241 a Rdn.18; Toussaint in jurisPK § 241 a Rdn. 16; offenbar auch Mansel in Jauernig § 241 a Rdn. 2. Anders von Bar (ZEuP 2001, 799, 801), der aufgrund der von ihm angenommenen tiefgreifenden Auswirkungen der Fernabsatz-Richtlinie auf GoA und Bereicherungsrecht eine europäische Regelung der GoA für erforderlich hält. 213
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IV. Die Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis zwischen Arzt und Patient
Spezialität der GoA allenfalls insofern behaupten, als der Gesetzgeber es mit § 241 a BGB tatsächlich geschafft hat, eine vergleichbar allgemein gehaltene Regelung zu schaffen, übertroffen wohl nur noch durch § 242 BGB. Wie Tachau treffend bemerkt hat, liegen die Voraussetzungen einer lex specialis aber auch im Besonderen nicht vor, denn von Spezialität kann nur dann die Rede sein, wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Norm vollständig in dem der allgemeineren Norm aufgeht: Sämtliche Fälle der berechtigten GoA können aber schon deswegen nicht gleichzeitig einen Fall des § 241 a BGB darstellen, weil diese Vorschrift, im Gegensatz zur GoA, auf das Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern beschränkt ist.218 Hinter der Formel von der vermeintlichen Spezialität der GoA verbirgt sich denn auch mehr oder weniger die Tautologie, dass auf die bislang zu § 677 BGB erarbeitete typisierende Kasuistik der berechtigten GoA verwiesen wird.219 Der Rechtsanwender hat also letztlich wieder unter dieser Vorgabe anhand des Einzelfalls differenzierte, von den jeweiligen Umständen abhängende Überlegungen anzustellen, von denen § 241 a BGB mit seinem denkbar schlichten und alle vertraglichen wie gesetzlichen Folgeansprüche erfassenden Tatbestandsmechanismus an sich aber gerade entbinden sollte, sofern nur die fehlende Bestellung der Leistung feststeht. Die in der Sache wohl unvermeidliche Selbstverständlichkeit, mit der hier eine an sich deutlich entgegenstehende Norm wie § 241 a BGB beiseite gelassen wird, sollte dem Gesetzgeber eine Mahnung sein, den zivilrechtlichen Gesamtzusammenhang seines reformerischen Tätigwerdens im Auge zu behalten. Die vielfache Kritik an der detaillierten Regelungswut, mit der der Gesetzgeber in den letzten 20 Jahren gerade im Verbraucherschutzrecht das auf eine abstrakte Sprache angewiesene BGB nicht selten malträtiert hat, scheint hier einmal ein Umschlagen ins andere Extrem bewirkt zu haben. Ein weiterer Ansatz geht in Anlehnung an § 312 b BGB davon aus, dass der Gesetzgeber des § 241 a BGB nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm nur solche unbestellten Leistungen erfassen wollte, bei denen der hypothetische Vertragsschluss unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt wäre: Damit wäre z.B. die unbestellte Zusendung eines Computerprogramms per e-mail von § 241 a BGB erfasst, der zufällig des Weges kommende Taxifahrer, der sich des Betrunkenen annimmt, könnte aber in gleicher Weise wie der zufällig am Unfallort anwesende und spontan helfende Arzt von § 241 a BGB ausgenommen werden.220 Beim von Dritten herbeigerufenen professionellen ärztlichen Helfer versagt diese Argumentation freilich, denn der (hypothetische) Vertragsschluss müsste hier ja zwingend mit Fernkommunikationsmitteln erfolgen. Damit ist an dieser Stelle wieder auf den eingangs erörterten Fall der Order eines Ambulanzflugzeugs 218
Tachau Jura 2006, 889, 892, 893. Mansel in Jauernig § 241 a Rdn. 2: „Die Leistungserbringung im Rahmen einer berechtigten GoA fällt nicht in den Anwendungsbereich, da ihr der belästigende, vertriebsbezogene Charakter fehlt“; ebenso Olzen in Staudinger § 241 a Rdn. 34: „Auf diese Weise erfolgt eine Reduktion der Rechtsfolgen in den Fällen, in denen der Normzweck des Verbraucherschutzes nicht berührt wird“. Man muss sich aber, wie bislang bei der GoA schon immer, fragen: Welche Fälle sollen das denn nun sein? 220 Tachau Jura 2006, 889, 893, 894. 219
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vom Ausland aus zurückzukommen. Soll hier § 241 a BGB die Liquidationsmöglichkeit über GoA-Recht wirklich versperren? Damit ist nun der Problembereich erreicht, den alle bisher erörterten Ansichten nicht zufrieden stellend lösen können und wollen: Der GoA-Anspruch des zufällig am Ort des Geschehens anwesenden und spontane, durch § 323 c StGB auch gebotene Hilfe leistenden Arztes wird sich unter teleologischen Gesichtspunkten sicher von § 241 a BGB ausnehmen lassen. Diese Argumentation steht aber nicht zur Verfügung, wenn es sich um einen Grenzfall der Anwendbarkeit des § 323 c StGB handelt: Wie steht es also beim professionellen Helfer, der ärztlich betreute Ambulanzflüge zwecks Rückholung des Patienten aus dem Ausland erbringt? Die Anwendbarkeit des § 323 c StGB ist hier äußerst fraglich, dies entweder deswegen, weil der tatbestandlich erfasste Personenkreis bereits lokal zu begrenzen ist oder weil eine Zumutbarkeitsprüfung die Annahme einer Strafbarkeit des Untätigbleibenden verbietet.221 Die Situation entspricht hier aber sicher insofern nicht den von § 241 a BGB zum Zwecke des Verbraucherschutzes ins Auge genommenen Sachverhalten, als es in der Natur von solchen Repatriierungsmaßnahmen liegt, dass die Initiative zum Tätigwerden keinesfalls vom Leistungserbringer selbst ausgeht, sondern eben von demjenigen, der den Helfer alarmiert. Um ein wettbewerbswidriges Instrument zur Kundengewinnung auf gut Glück kann es sich dabei natürlich keinesfalls handeln. Die gerechte Kostenverteilung kann hier aber dennoch schwer fallen. Sollte es sich bei der den Rettungsflug ordernden Person um einen vom (vermeintlich) hilfebedürftigen Patienten verschiedenen Dritten handeln, stellt sich die Frage nach dem Ausgleich der beteiligten Interessen: Wen trifft das Risiko, dass der den Ambulanzflug herbeirufende Dritte die Hilfebedürftigkeit des „Leistungsempfängers“ falsch beurteilt? Kann dieser sich darauf berufen, dass es sich für ihn um eine unbestellte Leistung gemäß § 241 a BGB handelt und ab wann liegt eine „Bestellung“ wegen zurechenbaren Verhaltens vor? Gerade hier stellt sich wegen der regelmäßig hohen Kosten die Frage nach der Feinabstimmung der Verantwortlichkeiten aber auch des Aufdrängungsschutzes ja besonders dringlich. Nach dem bislang hier angestellten Überlegungen wird man Folgendes vertreten dürfen: Der die Hilfe ordernde Dritte will regelmäßig nicht selbst Partner eines Behandlungsvertrages (zu Gunsten Dritter) werden, es bietet sich daher an, den Hilferuf als Angebot auf Abschluss eines Auftrags mit dem Nothelfer zu deuten, so dass den Dritten keine eigene Entgeltpflicht trifft, der Nothelfer für seinen Vergütungsanspruch vielmehr auf den auch nicht durch die Grundsätze des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers gesperrten GoA-Rückgriff gegen den Patienten verwiesen wird. Den Auftraggeber trifft allerdings eine Pflicht, sorgfältig zu prüfen, ob wirklich ein Notfall vorliegt. Ist dies nicht der Fall und scheitert aus diesem Grund ein Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers gegen den vermeintlich Hilfebedürftigen, lässt sich eine Aufwendungsersatzpflicht des Auftraggebers auf eine Pflichtverletzung des Auftragsverhältnisses gem. § 280 BGB stützen.
221
Vgl. oben, III E 3. zum ärztlichen Kontrahierungszwang.
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e) Fazit Die im Fokus des § 241 a BGB stehende Zusendung unbestellter Waren hat dem Gesetzgeber ganz offensichtlich den Blick für die GoA-Relevanz des gleichzeitig geschaffenen Auffangtatbestandes der „sonstigen Leistungen“ verstellt. Hier sind gegebenenfalls noch bedeutende Diskussionen für das Geschäftsführungsrecht im Allgemeinen zu erwarten. Dass aber speziell der zufällig anwesende ärztliche Nothelfer dem Regime des § 241 a BGB nicht unterstellt werden darf, stellt das Ergebnis einer wohl einhellig vorgenommenen teleologischen Reduktion dar, die nur in der für andere Sachverhalte bedeutsamen methodischen Begründung umstritten ist. Der nicht wettbewerbs-, sondern arztrechtlich interessierte Leser wird seinen Blick nicht auf eine vertiefte Darstellung dieser Problematik gelenkt sehen wollen. Die hier erörterten Ansätze für eine teleologische Reduktion stellen sich mehr oder weniger als bloße Variationen des einheitlichen Strebens nach einer Beibehaltung der hergebrachten GoA-Regeln dar. Da somit wieder nur eine Fallgruppenbildung anhand objektiver Kriterien weiterhelfen kann,222 wie sie bislang bei der GoA ohnehin schon gang und gäbe war, scheint sich die Einschätzung von Hau zu bewahrheiten, wonach sich § 241 a BGB als „Nullsummenspiel“ erweise: „Was sich mit Hilfe der Neuregelung zu der einen oder anderen traditionellen GoA-Frage an Argumentationsaufwand einsparen lässt, wird man sogleich wieder auf diejenigen Probleme verwenden müssen, die sie überhaupt erst schafft.“223 Für den öffentlichrechtlich zum Handeln verpflichteten und spontane Hilfe leistenden Arzt wird man daher mit der klaren Mehrheit der sich damit befassenden Literatur im Ergebnis sagen müssen, dass die mit der GoA-Liquidation verbundene Nichtanwendung des § 241 a BGB sich ohne schlechtes Gewissen gegenüber dem Gesetzgeber auf das an anderer Stelle angeordnete (ärztliche) Pflichtenprogramm stützen kann.224 Andere Fälle, wie der aus dem Ausland georderte Ambulanzflug, bleiben aber dogmatisch unbewältigt.
222
So meines Erachtens zu Recht Olzen in Staudinger § 241 a Rdn. 34. Hau NJW 2001, 2863, 2865; treffend auch G.Schwarz NJW 2001, 1449, 1454, der wenig verheißungsvoll meint: „Eine systemwidrige Vorschrift und ganze Bibliotheken entstehen“. 224 Hau NJW 2001, 2863, 2865. 223
V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht 1. Überblick Der ärztliche Unterhaltsrückgriff war von den denkbaren Anwendungsfällen der Ärzte-GoA noch am häufigsten Gegenstand der Rechtsprechung und der dogmatischen Diskussion. Ob dem auf die Erfüllung fremder Unterhaltspflicht gestützten Rückgriff der Behandlungsseite gegen den Unterhaltsschuldner wirklich nennenswerte forensische Bedeutung zukommt, lässt sich jedoch schwer sagen.1 Wie hier ausführlich zu zeigen sein wird, realisieren sich die Anspruchsvoraussetzungen des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs nach GoA-Recht (z.B. im Krankenhausalltag) massenhaft, ohne dass dies seinen Niederschlag in einer Vielzahl von veröffentlichten Gerichtsentscheidungen findet. Die dogmatischen Grundlagen des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs sollen hier jedenfalls auch im Hinblick auf solche theoretisch bestehenden Liquidationsmöglichkeiten untersucht werden, die der Praxis gegebenenfalls nicht ausreichend bewusst sind. Dass die ärztliche Behandlung eine Tätigkeit darstellt, die Gegenstand der gesetzlichen Unterhaltsschuld eines dem Patienten verpflichteten Dritten sein kann, ist nicht anzuzweifeln: Eine aus Familien– oder Erbrecht resultierende gesetzliche Unterhaltspflicht (§§ 1360 ff., 1570 ff. BGB (Ehegatten), §§ 1601 ff. BGB (Verwandte), §§ 1615 l bis 1615 o BGB (nichtehelicher Vater gegenüber der Kindesmutter), § 1963 BGB (werdende Mutter eines Erben), § 1969 BGB (so genannter Dreißigster), ggf. § 1371 IV BGB (Stiefkinder) soll regelmäßig auch die Verschaffung ärztlicher Leistungen zum Gegenstand haben.2 Die missverständliche Ver1
Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 279) will hier einen wichtigen Anwendungsbereich der GoA erkennen: „Sehr häufig war und ist die Praxis mit Fällen beschäftigt, in denen Ärzte oder Krankenhäuser Leistungen an einen Unterhaltsberechtigten erbringen, aber nunmehr Ersatz ihrer Leistung vom Unterhaltspflichtigen wollen.“ Offenbar wird hier wieder auf (frühere) Kommentarliteratur und Wollschlägers Untersuchungen Bezug genommen (dazu gleich näher). Eine derartige Aussage müsste aber erkennbar auf empirisches Material gestützt werden. Dass eine dogmatische Frage in der gängigen Kommentarliteratur anhand einiger weniger, immergleicher Entscheidungen aus den letzten hundert Jahren erörtert wird, liefert keinen Beleg für ihre praktische Bedeutung. Die veröffentlichten landgerichtlichen und oberlandesgerichtlichen Urteile sind jedenfalls rar an der Zahl, was auch dogmatische Gründe haben mag, wie hier noch zu zeigen sein wird. Freilich ist mit der geringen Zahl an Veröffentlichungen einschlägiger Urteile aber nicht gesagt, dass dem ärztlichen Unterhaltsregress nicht dennoch erhebliche praktische Bedeutung zukommt. 2 BGHZ 33, 251 = NJW 1961, 359; RGZ 156, 193, 201; LG Stuttgart NJW 1961, 972; LG Aachen JR 1951, 440; LG Köln NJW-RR 1991, 989 und LG Köln VersR 1993, 201 begründen die GoA-Ersatzpflicht für den Rettungshubschraubereinsatz zu Gunsten des Sohnes des Beklagten unumwunden mit der diesem obliegenden Unterhaltsverpflichtung; jüngst auch KG v. 8.8.2005 für die Betreuung der Tochter der Beklagten in der neonatolo-
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
wendung des Erfüllungsbegriffs in der einschlägigen Regressnorm des § 679 2. Alt. BGB darf auch nicht dahingehend verstanden werden, dass der Geschäftsführer genau diejenige Leistung erbringen muss, die der Geschäftsherr schuldete, insbesondere besteht hier eine gegenseitige Austauschbarkeit von Natural- und Geldleistungen.3 Ärztliche Leistungen sind also nicht etwa deswegen von der Ersatzfähigkeit nach § 679 2. Alt. BGB auszuschließen, weil der Unterhaltsschuldner regelmäßig nur ihre Verschaffung zu gewährleisten hat, natürlich aber nicht deren Selbstvornahme schuldet.4
2. Anspruchsgrundlage: Der privilegierte Unterhaltsrückgriff gem. §§ 679 2. Alt., 683 BGB In den arztrechtlich relevanten Entscheidungen zur GoA wird oft nur die „echte“ GoA des § 677 BGB thematisiert, der vom Gesetzgeber in § 679 2. Alt. BGB speziell geregelte Unterhaltsrückgriff wird teilweise selbst in solchen Fällen nicht besonders erörtert, die einen evidenten unterhaltsrechtlichen Bezug aufweisen.5 Es gibt natürlich vielfache Erklärungen dafür, dass eine vom Gesetzgeber ersonnene Norm sowohl in der Theorie als auch in der Praxis keine besondere Bedeutung erlangt. Dies mag seinen Grund etwa darin finden, dass die in Aussicht genommenen Sachverhalte sich gar nicht oder jedenfalls nicht so wie erwartet ereignen. Naheliegend ist auch, dass entsprechende Streitigkeiten einvernehmlich ohne die Gerichte reguliert werden, dass dem Berechtigten sein Anspruch gar nicht bewusst ist, dass schwer überwindbar scheinende Beweisschwierigkeiten vom Prozessieren abschrecken, dass entsprechende Urteile bloß nicht veröffentlicht werden und nicht zuletzt auch, dass der Reformgesetzgeber oder die Dogmatik sachnähere Rechtsinstitute entwickelt haben, ohne dass die früher allein einschlägige Vorschrift aus dem Gesetz gestrichen wurde. Man wird sagen dürfen, dass all dies auf den ärztlichen Unterhaltsrückgriff gem. § 679 2. Alt. BGB zumindest teilweise zugischen Krankenhausabteilung (Az. 20 U 125/04), ArztR 2006, 219 ff. (Kurzwiedergabe) = MedR 2006, 533, 534 (red. Leitsatz); Mansel in Jauernig § 679 Rdn. 3; Seiler in MüKo § 679 Rdn. 10, 11; Gehrlein in Bamberger/Roth § 679 Rdn. 5; Sprau in Palandt § 679 Rdn. 4; Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S.778; Zitelmann AcP 99 (1906), 1, 113; zurückhaltend Ehmann in Erman § 679 Rdn. 3. 3 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 132, 147; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 31. Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 771. 4 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 132, 147; unausgesprochen auch diejenige Literatur, die diese Fälle ohne weitere Überlegungen dem GoA-Rückgriff zuordnet, wie etwa Beuthien in Soergel § 679 Rdn. 11; Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 346; Steffen in RGRK § 679 Rdn. 11. A.A. nur die Vorauflage Gernhuber FamR § 19 I 4 N.3., in der aktuellen Auflage Gernhuber/Coester-Waltjen findet sich diese Unterscheidung nicht mehr, die sich auch den Vorwurf der Begriffsjurisprudenz gefallen lassen muss. 5 Vgl. etwa OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. Die Entscheidung soll hier später noch näher untersucht werden. Bezeichnend auch die Behandlung der unterhaltsrechtlichen Frage bei Medicus BR Rdn. 414, dazu später. Anders aber z.B. LG Stuttgart NJW 1961, 972 wonach etwa die Behandlungskostenhaftung des Ehegatten von Patientinnen nach §§ 679, 683 BGB „allgemein anerkannt“ sei.
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trifft: Mittlerweile stellt es den Regelfall dar, dass ein besonderes Kollektiv (gesetzliche Krankenversicherung, Sozialleistungsträger) für die Kosten einer medizinisch notwendigen Basisbehandlung eintritt und nicht, wie noch den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers entsprechend, der Familienverband.6 Der ärztliche Rückgriff gegenüber Unterhaltsschuldnern des Patienten musste angesichts der Strukturen des Gesundheitswesens schon in der Vergangenheit, sicher aber seit der vor kurzem eingeführten allgemeinen Krankenversicherungspflicht von vornherein als Systemfehler erscheinen. Ein praktisches Bedürfnis für eine solche Regressmöglichkeit gegenüber Angehörigen des nicht zahlungsfähigen Patienten könnte sich aber für diejenigen Sachverhalte ergeben, in denen bereits grundsätzlich kein derartiges Kollektiv eintritt: Dies trifft etwa auf die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckten ärztlichen Wahlleistungen im Krankenhaus zu und gilt auch für einen Großteil derjenigen zahnärztlichen Leistungen, die von den Kassen nicht vollständig ersetzt werden, selbst wenn sie medizinisch notwendig sind. Soweit ersichtlich, wird einem auf solche ärztliche Leistungen bezogenem GoA-Regress im Schrifttum wenig Beachtung geschenkt, in der Rechtsprechung zum funktionsgleichen § 1357 BGB spielt er aber beständig eine Rolle. Insbesondere die dogmatische Berechtigung eines solchen GoA-Rückgriffs soll hier daher einmal näher abgeklärt werden. Von besonderer Relevanz für den ärztlichen Unterhaltsrückgriff ist zunächst die Ermittlung der richtigen Anspruchsgrundlage: Der Unterscheidung zwischen der „echten“ GoA gem. §§ 677, 683 BGB und dem als gesonderte Anspruchsgrundlage zu verstehenden speziellen Unterhaltsrückgriff gem. §§ 679 2. Alt., 683 BGB kommt nicht bloß theoretische Bedeutung zu. Die praktische Anspruchsverfolgung ist im letzteren Fall mit anderen, hier näher zu erläuternden Anforderungen verbunden, da es sich beim Unterhaltsrückgriff um eine vom Gesetzgeber bewusst geschaffene Erleichterung für den Geschäftsführer handeln soll. § 679 2. Alt BGB lässt sich als Spezialfall der Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit verstehen. Um die Norm richtig einzuordnen und ihre Anwendung auf ärztliche Leistungen abschließend beurteilen zu können, ist es unerlässlich, im Vorfeld zum einen die gemäß h.M. nach GoA-Recht zu behandelnde Erfüllung fremder Verbindlichkeiten kurz näher zu betrachten und zum anderen die verschiedenen Rückgriffstechniken im Unterhaltsrecht aufzuzeigen. Die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten wurde schon im Römischen Recht nach den Regeln der negotiorum gestio behandelt, die immer noch vorherrschende (objektive) Fremdgeschäftslehre hat bis heute keinerlei Schwierigkeiten, diesen vermeintlich „typischen Anwendungsfall der §§ 677 ff. BGB“ zu begründen, der alternativ aber auch in der bereicherungsrechtlichen Kommentarliteratur behandelt wird: Die Bezahlung einer Schuld obliegt natürlich letztlich dem Schuldner selbst, 6
Bemerkenswert der bei Klein (in Weinreich/Klein, Familienrecht, Vor § 1360 Rdn. 59) im Hinblick auf diese Entwicklung offenbar zum Ausdruck kommende Skeptizismus: „Allerdings hat die Politik auch- hier dahingestellt, aus welchem Anlass und aus welchen Gründen auch immer- zunehmend ursprüngliche Aufgaben aus dem familiären Bereich auf den Staat abgewälzt (etwa Unterhaltssicherung von der Wiege bis zum Alter sowie bei Krankheit und/oder Invalidität, Sicherung angemessener Berufsausbildung u.v.a.m.).“
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er ist daher im Sinne der (kondiktionsnahen) Zuständigkeitstheorie Wollschlägers durchweg „näher dran“ an der endgültigen Kostentragung als andere Personen, was die Einordnung einer durch Dritte erfolgenden Erfüllung als „fremdes Geschäft“ für die objektiven GoA-Ansichten zur reinen Formsache macht.7 Auch der subjektive Tatbestand bereitet der h.M., wie üblich, wenig Mühe: Der Dritte erklärt oft ohnehin schon bei Leistungserbringung gegenüber dem Gläubiger eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung, diese kann aber auch nachträglich erfolgen oder ist sogar konkludent in der Klageerhebung zu sehen, subsidiär bzw. gar kumulativ greift die bei Vorliegen eines fremden Geschäfts von der h.M. angenommene Vermutung für den Fremdgeschäftsführungswillen.8 Die Aufwendungsersatzvoraussetzungen des § 683 BGB werden von der h.M. gleichfalls schnell bejaht, denn sie geht regelmäßig davon aus, dass die Zahlung dem Interesse des Schuldners entspricht, im Hinblick auf die bei fehlender Willens- und Interessenentsprechung jedenfalls gegebenen Rückgriffsmöglichkeiten nach § 684 S.1 BGB bzw. § 812 I S.1 2. Alt. BGB (Rückgriffskondiktion) spielt die strenge Überprüfung des Geschäftsführungstatbestandes in der Gerichtspraxis offenbar aber ohne-
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BGHZ 47, 370 ff. = NJW 1967, 1959; aus neuerer Zeit auch BGH NJW-RR 2003, 1192, 1195;Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 76 ff.) spricht sich gegen Versuche aus, diesen klassischen Anwendungsbereich der GoA zu beschneiden, da sie eine „Rückgriffsnorm par excellence“ für die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten darstelle: „Den Intentionen des BGB würde dies direkt zuwiderlaufen“; Ehmann in Erman § 677 Rdn. 395. 8 Vgl. die Darstellung der h.M. bei Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 258 ff. Eine den GoA-Regress begründende, erst nachträgliche und konkludente Tilgungsbestimmung hatte das Berufungsgericht, vom BGH unbeanstandet, im Sachverhalt von BGH NJW-RR 2003, 1192, 1195 spätestens in der Erhebung der Widerklage erblickt. Das Gericht begegnet den vom Widerbeklagten vorgetragenen Einwänden gegen das tatsächliche Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens mit der bewährten Formel: „Für die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens i.S. von § 677 BGB sind diese Umstände schon deshalb ausreichend, weil die Erfüllung der Verbindlichkeit des Klägers ein für den Beklagten objektiv fremdes Geschäft darstelle, bei welchem das Bestehen eines Fremdgeschäftsführungswillens vermutet wird.“ Näher zum Problem der nachträglichen Tilgungsbestimmung unten.
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hin keine besondere Rolle,9 zumal noch andere Rückgriffstechniken diskutiert werden können.10 Für die Vertreter der subjektiven GoA-Lehre ist die Behandlung der Fremdtilgung nach GoA-Recht hingegen sehr bedenklich: Aus ihrer Sicht soll es sich, wie bereits erörtert, beim „fremden Geschäft“ der h.M. um ein genuin bereicherungsrechtliches bzw. deliktsrechtliches Tatbestandsmerkmal handeln, die Fremdtilgung könne widerspruchsfrei daher auch nur nach den §§ 812 ff. BGB behandelt werden, der (von der subjektiven Lehre für maßgeblich gehaltene) soziale Sinn einer solchen Tilgung könne jedenfalls nicht per se als Manifestation einer fremdnützigen Willensrichtung verstanden werden, da aus Sicht des Schuldners nur ein für ihn mehr oder weniger neutraler, mit der Abtretung vergleichbarer Wechsel des Gläubigers vorliegt.11 Festzuhalten ist hier für den weiteren Verlauf der Untersuchung: Selbst wenn man im Einzelfall die Nichtanwendbarkeit der GoA wegen (ursprünglichen) Fehlens des Fremdgeschäftsführungswillens annehmen will, steht für den Regress noch (subsidiär) die Rückgriffskondiktion zur Verfügung, die zwar ebenfalls eine Erfüllung der ursprünglichen Forderung voraussetzt, bei der man gegebenenfalls aber auch eine nachträgliche Tilgungsbestimmung des Dritten wird zulassen müssen. Dies wird auch beim ärztlichen Unterhaltrückgriff nicht immer richtig gesehen.12 Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten verkompliziert sich im Unterhaltsrecht noch weiter. Eine nähere Darstellung der verschiedenen Streitpunkte würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, die grundlegenden Wertungen und Argumenta-
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Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 258, 259. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen des § 683 BGB die Gerichte einen (an sich vorrangigen) entgegenstehenden Willen des „Geschäftsherrn“ oft kaum gelten lassen, ihm wird regelmäßig unterstellt, das zu wollen, was auch seine Pflicht ist, notfalls eben in Verbindung mit § 679 1. Alt. BGB und den Grundsätzen von Treu und Glauben. Bei Zahlung fremder Schulden kommt solchen Feinheiten im Hinblick auf den notfalls sicher greifenden bereicherungsrechtlichen Ausgleich aber auch keine besondere Bedeutung zu, über die Schuldhöhe hinausgehende Aufwendungen, die nur nach §§ 683, 670 BGB ersatzfähig wären, wird der Drittleistende oft kaum haben. Einen Musterfall einer explizit für irrelevant erklärten Abgrenzung von Ansprüchen gem. §§ 683, 670 BGB einerseits und gemäß § 684 S.1 BGB bzw. nach Bereicherungsrecht andererseits stellt wiederum BGH NJW-RR 2003, 1192, 1196 dar. GoA und Bereicherungsrecht werden bei der Tilgung fremder Verbindlichkeiten also für beliebig austauschbar erklärt! 10 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 123) geht von acht positivrechtlichen Regresskonstruktionen aus. Vgl. speziell für das Unterhaltsrecht auch Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff, S. 742, 747 zu den „bis auf den heutigen Tag andauernden Abgrenzungsschwierigkeiten und Vermischungen von Geschäftsführungsregreß und Bereicherungsrecht“. 11 Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 260) verweist ferner darauf, dass diese Interessenlage im angloamerikanischen Rechtskreis sogar umgekehrt zu dem dogmatischen Grundsatz geführt hat, dass niemand sich durch Erfüllung einer fremden Schuld zum Gläubiger eines anderen machen dürfe. 12 Vgl. den Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff., näher dazu unten.
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tionsmuster müssen hier aber vorab kurz herausgestellt werden:13 Für den Regress kommen theoretisch mehrere Rückgriffstechniken in Betracht, der Gesetzgeber kann ausdrücklich einen gesetzlichen Forderungsübergang anordnen, so dass die ursprüngliche Unterhaltsforderung auf den Leistenden übergeht, bei Fehlen einer solchen cessio legis gelangt man zu Rückgriffsansprüchen des Leistenden aus dem besonderen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch oder aus GoA bzw. Bereicherungsrecht, deren einzelne Voraussetzungen wiederum, je nach zu beurteilendem Sachverhalt, streitig sind.14 Es ist ferner danach zu differenzieren, aus welchem Grund der Anspruchsteller Unterhalt gewährt hat: Denkbar ist ein Handeln aufgrund eigener, gleichrangiger oder nachrangiger Unterhaltsverpflichtung, aufgrund sonstiger gesetzlicher oder gar vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem Unterhaltsberechtigten bzw. gegenüber Dritten oder aufgrund völliger Freiwilligkeit. Die genannten Rückgriffstechniken sind vor allem aber mit dem Schicksal der ursprünglichen Unterhaltsforderung abzustimmen, bei der zu fragen ist, ob sie aufgrund der Leistung des Dritten durch Erfüllung erlischt, ob hierzu eine besondere Tilgungsbestimmung des Leistenden erforderlich ist und, falls zu bejahen, ob diese nicht gegebenenfalls auch erst nachträglich erfolgen kann.15 Zu fragen ist außerdem, ob nicht selbst dann, wenn eine Erfüllungswirkung im Einzelfall zu verneinen ist, die ursprüngliche Unterhaltsforderung trotzdem deswegen untergeht, weil die Drittleistung die für Unterhaltsansprüche grundsätzlich tatbestandlich vorausgesetzte Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers tatsächlich beseitigt hat (so genannte Tatbestandswirkung).16 Problematisch ist ferner die unterhaltsrechtliche Besonderheit, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur unter besonderen Voraussetzungen verlangt werden kann (vgl. § 1613 BGB), was auch für Regressansprüche Dritter zu beachten sein kann.17 Bei all diesen Punkten ist ferner die Wertung zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsschuldner aufgrund der Drittleistung nicht plötzlich den Ansprüchen zweier Gläubiger in Person des ursprünglichen Unterhaltsschuldners und des Dritten ausgesetzt sein darf. Umgekehrt sollte er aber durch die Drittleistung auch nicht gänzlich von jeglicher unterhaltsrechtlichen Zahlungsverpflichtung befreit werden. Hinzu kommt, dass die Vollstreckung 13 Hierzu ausführlich Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, § 12 (Mittelbare Unterhaltsgewährung), § 15 (Rückgriffstechniken im Unterhaltsrecht). 14 Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 738 ff., 742 zu dieser auch im Ausland bekannten „multiplicity of remedies“: „Die Schwierigkeit liegt regelmäßig nicht im Fehlen solcher Anspruchsgrundlagen sondern darin, daß ... für jede der genannten Regreßvarianten eine Reihe von ihnen bereit steht.“ 15 Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff, S. 740, 750, 775: Von Relevanz ist insbesondere die Frage, ob man einen solchen „rückwirkenden Fremdgeschäftsführungswillen“ im GoA-Recht anerkennen will, ihn aber zumindest zur Eröffnung des bereicherungsrechtlichen Rückgriffs als nachträgliche Tilgungsbestimmung zulässt. Näher dazu unten beim Geschäftsführungswillen. 16 Diese Konsequenz lässt sich nur dann sicher vermeiden, wenn man annimmt, die Bedürftigkeit sei im normativen Sinne zu verstehen (vgl. den normativen Schadensbegriff im Schadensersatzrecht), d.h. die Leistungen Dritter dürften den Unterhaltsschuldner nicht entlasten, vgl. Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff , S. 741. 17 Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 747. Näher dazu unten.
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eines selbständigen Rückgriffsanspruchs durch Dritte möglichst den Unterhaltsschuldner nicht so in Anspruch nehmen sollte, dass die laufenden bzw. künftigen Unterhaltsansprüche des Bedürftigen in ihrer Durchsetzbarkeit effektiv beeinträchtigt werden.18 Auf diese grundlegenden Wertungen wird in den nun folgenden Ausführungen zum ärztlichen Unterhaltsrückgriff noch zurückzukommen sein. Festzuhalten ist an dieser Stelle zunächst, dass der Gesetzgeber in § 679 2. Alt. BGB eine spezielle Regelung für den Unterhaltsrückgriff geschaffen hat, deren genaue Funktionsweise einige Besonderheiten birgt, wie hier bereits bei der Erörterung der allgemeinen GoA-Dogmatik angedeutet wurde. Die Erfüllung fremder Unterhaltspflichten gem. § 679 2. Alt. BGB unterliegt nicht den Regeln der „echten“ GoA, wie Gursky und ihm folgend Bergmann zutreffend herausstellen.19 Die Vorschrift ist vielmehr als Ausnahmeregelung zu qualifizieren, deren eigenständige Bedeutung bislang ganz überwiegend verkannt wurde.20 Die Sonderstellung der Norm folgt schon daraus, dass sie mit den herkömmlichen Deutungsmodellen der GoA nur schwer in Einklang zu bringen ist: Der Geschäftsführer des § 679 2. Alt. BGB handelt typischerweise nicht im Interesse des nichtsdestotrotz vom Gesetz für aufwendungsersatzpflichtig erklärten Geschäftsherrn (des Unterhaltsverpflichteten), sondern ausschließlich im Interesse eines Dritten (des Unterhaltsberechtigten), was nach den objektiv argumentierenden GoA-Lehren an sich nur zur Annahme einer „echten“ GoA für den Unterhaltsberechtigten, nicht aber für den Unterhaltsschuldner führen dürfte.21 Einige Vertreter der Lehre vom „objektiv fremden Geschäft“ meinen zwar, ein „Geschäft“ des Unterhaltsverpflichteten wenigstens deshalb annehmen zu können, weil zumindest eine seiner (Unterhalts-) Pflichten erfüllt, mithin eine fremde Verbindlichkeit getilgt wird.22 Damit liegen sie auf derjenigen Linie, welche die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten als klassischen Anwendungsfall der GoA ansieht. Übersehen wird dabei aber meist, dass der Inhalt der fremden Pflicht durch die alleinige Ausrichtung an den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten geradezu im Widerspruch zu den (typischen) Ei18 Diese Wertung, die aus dem für Abtretung und Legalzession geltenden Grundsatz „nemo subrogat contra se“ abgeleitet ist, wird auch für den auf andere Rechtsinstitute (GoA, Kondiktionsrecht) gestützten Regress gelten müssen, Martiny, 745; Denck JZ 1987, 127, 130.. 19 Gursky AcP 185 (1985), 13, 23 ff. Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 9, 32: Insbesondere handle es sich bei dem hier entstehenden besonderen gesetzlichen Schuldverhältnis nicht um ein Subordinationsverhältnis, wie in Fällen der echten GoA gem. § 677 BGB. 20 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32. 21 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2. Man wird sich für die folgenden Ausführungen merken können: Eine (echte) GoA für den (unterhaltsberechtigten) Patienten kann in den einschlägigen Sachverhalten meistens unproblematisch angenommen werden. Sie hilft der Behandlungsseite aber natürlich wenig, wenn der Patient nicht zahlungsfähig ist. Der Direktanspruch nach § 679 2. Alt. BGB ist dann aber für die Behandlungsseite bei abstrakter Betrachtung vorteilhafter als ein auf echte GoA gestütztes gerichtliches Vorgehen gegen den Patienten mit (soweit überhaupt möglich) anschließender Vollstreckung (Pfändung und Überweisung) in dessen Unterhaltsansprüche und einem weiteren Prozess gegen den Unterhaltsschuldner. 22 Statt vieler Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 771.
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geninteressen des Unterhaltsschuldners steht.23 Würde man den Unterhaltsgestor wie bei der „echten“ GoA auf die Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn, das heißt des Schuldners der fremden Verbindlichkeit, verpflichten wollen, befände er sich in einem unlösbaren Dilemma, welchem Herrn er denn nun bei der Ausführung zu dienen habe.24 Da die Erfüllung einer Unterhaltsschuld, anders als eine 23 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, Vor §§ 677 ff. Rdn. 148; ausdrücklich dahingestellt in BGH LM BGB § 683 Nr. 17 Urt. V. 20.6.1963. Dieses Argument greift immer, wenn bloß Pflichten des „Geschäftsherrn“ erfüllt werden, die entsprechenden Rechtsprechungs-Fallgruppen gehören zu den am heftigsten kritisierten Anwendungsbereichen der §§ 677 ff. BGB, die fehlende „Fremdnützigkeit“ des Handelns ist hier meist evident, wie etwa in den zur Fallgruppe der Selbsthilfeaufwendungen zählenden „Abschleppfällen“ (Der Grundstückseigentümer lässt ein die Zufahrt verstellendes KfZ abschleppen und verlangt die verauslagten Kosten über GoA ersetzt, vgl. Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 287 m.w.N.): Der Handelnde verfolgt hier regelmäßig ein ausschließliches Eigenoder Fremdinteresse, das mit dem (typischen oder tatsächlichen) Interesse des Pflichtigen geradezu im Widerspruch steht. Dass eine „ständige Rechtsprechung“ viele Selbsthilfeaufwendungen (ggf. i.V.m. § 679 1. Alt. BGB) unter das Geschäftsführungsrecht fasst, liegt an den „unvollständigen Regelungen des BGB im negatorischen Bereich“ (vgl. etwa § 1004 BGB, der eine Kostentragungsregelung nicht vorsieht), wie Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 34, 35 m.w.N; vgl. auch BGH JZ 1990, 919) feststellt. Die Rückgriffskondiktion erscheint bei einer solchen „Selbsterfüllung“ passender, vgl. Larenz/Canaris § 69 III 2 d. Für den Unterhaltsregress treffend Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 893: „Gleichwohl wird auch hier wieder eine Anpassungsschwierigkeit der negotiorum gestio deutlich. Nur in einem sehr allgemeinen Sinne kann man davon sprechen, daß die ordnungsgemäße Erfüllung der Unterhaltspflicht dem Schuldner-unabhängig von seiner Willensrichtung- einen Vorteil brächte. Die Schuldtilgung erfolgt nur um den Preis einer neuen Ersatzforderung. Tatsächlich dominiert eine objektive Betrachtung; der eigentliche Vorteil soll dem Unterhaltsberechtigten zugute kommen. Der Primat des Willens wird im Interesse des Bedürftigen und auch im öffentlichen Interesse gebrochen.“ 24 Helm (Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 400) hält es für angebracht, diese von der Rechtsprechung faktisch vorgenommene Modifikation der Geschäftsführungsregeln in § 679 BGB auch ausdrücklich dadurch zu normieren, dass nicht nur der entgegenstehende Wille sondern auch das entgegenstehende Interesse des Geschäftsherrn für unbeachtlich erklärt wird. Diese besondere Interessenstruktur stellt etwa Seiler (in MüKo § 679 Rdn. 14), nicht ausreichend heraus, wenn er unter Bezug auf § 683 S.2 BGB meint, es käme bei § 679 BGB eben (nur) auf das Interesse des Geschäftsherrn an. Er meint damit gerade nicht die (typischen) Eigeninteressen des Unterhaltsschuldners, sondern allein dessen (Unterhalts)Pflichten. Denn wenn das Gesetz für § 679 BGB schon den an sich im Geschäftsführungsrecht vorrangigen Willen des Geschäftsherrn für unbeachtlich erklärt, muss dies zwangsläufig erst recht für das ohnehin nach h.M. nur ersatzweise greifende (objektiv zu bestimmende) Eigeninteresse gelten. Für die Fälle des § 679 1. Alt. BGB besagt das Gesetz immerhin ausdrücklich, dass hier einem anderen (dem öffentlichen) Interesse als dem des Geschäftsherrn der Vorzug gegeben wird. Wer für § 679 2. Alt. BGB eine interessengerechte Geschäftsführung verlangt, wird für deren Bestimmung anhand objektiver Kriterien allenfalls auf die Belange des Unterhaltsgläubigers abstellen können, nicht auf die des Unterhaltsschuldners. Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 134) gibt dies offen zu: „Das Interesse des Unterhaltsschuldners ist nach dem gesetzlichen Verständnis dieses Begriffs allein mit der Erfüllung seiner Pflicht gewahrt“. Vgl. auch Gursky JZ 1990, 921, 923: „muß es in den Fällen des § 679 BGB genügen, dass die Geschäftsführungsübernahme für
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„normale“ Geldforderung, eben auch in natura erfolgen kann, ist hier ein Handlungsspielraum eröffnet, dessen Konkretisierung sich sinnvoll nur an den Interessen des Gläubigers ausrichten lässt, nicht aber an denen des Schuldners. Aber auch die subjektive Lehre, die auf den sozialen Handlungssinn abstellt, kann den § 679 2. Alt. BGB nicht zutreffend erklären, wie ihre Vertreter selbst eingestehen: Im Falle des § 679 2. Alt. BGB wird der Geschäftsführer nicht „für“ den Geschäftsherrn (den Unterhaltsschuldner) tätig, sondern ausschließlich „für“ den Unterhaltsberechtigten.25 In der Unterhaltsgewährung durch den Dritten manifestiert sich wenn überhaupt nur eine einzige fremdnützige Willensrichtung und die ist am Unterhaltsberechtigten und seinen Interessen ausgerichtet.26 Alles andere würde wieder auf die konstruierte Zuschreibung eines sozialen Handlungssinns anhand positivrechtlicher Kriterien (Unterhaltspflicht) hinauslaufen.27 Somit müssten sowohl die subjektiven als auch die objektiven GoA-Ansichten davon ausgehen, dass sich ein gegen den Unterhaltsschuldner gerichteter Aufwendungsersatzanspruch nach dem Recht der „echten“ GoA des § 677 BGB schwer bis gar nicht begründen lässt.28 Diese Besonderheiten werden allerdings durchweg nur von Vertretern der subjektiven Lehre erörtert, die damit, im Gegensatz zum Großteil der objektiven Lehren, zugleich eine Erklärung für die vom Gesetzgeber ersonnene Sonderregelung des Unterhaltsrückgriffs liefern: Der Unterhaltsgestor werde durch den in § 679 2. Alt. BGB normierten Direktanspruch gegen den Unterhaltsschuldner von der Ungewissheit über Ansprüche aus „echter“ GoA befreit den Geschäftsherrn per Saldo wenigstens nicht zum Nachteil auszuschlagen verspricht: Andernfalls würde das Erfordernis der Interessegemäßheit der Geschäftsführungsübernahme nämlich die Privilegierungsabsicht des Gesetzgebers weitestgehend vereiteln.“ Es ist bezeichnend für die Exotik des § 679 2. Alt. BGB, dass selbst Medicus (BR Rdn. 414 zu LG Bonn FamRZ 1970, 321) dessen Anwendbarkeit beim ärztlichen Unterhaltsregress verkennt, obwohl er völlig zutreffend festhält, dass die (echte) GoA hier nicht passt. Er übersieht dabei, dass das Gericht lediglich einer sehr alten und dem Gesetzgeber des BGB ganz selbstverständlichen Judikatur zum Unterhaltsregress folgt, die Wollschläger noch als ständige Rechtsprechung bezeichnen konnte. Näher zu dieser Entscheidung unten, V A 6. i). 25 Gursky AcP 185 (1985), 13, 23 ff.; Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32, Vor §§ 677 ff. Rdn. 266, 278 ff. 26 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, Vor §§ 677 ff. Rdn. 266, 278 ff. 27 Dass es vom Standpunkt der subjektiven Lehre aus gekünstelt erscheinen kann, etwa in der Rettung eines Menschen zugleich eine Geschäftsführung für dessen Ehepartner zu sehen, wurde hier bereits bei der Erörterung der allgemeinen GoA-Dogmatik angesprochen, vgl. II B 4 d) (1). In noch höherem Maße gilt dies in Bezug auf sonstige, dem Geretteten zum Unterhalt verpflichtete Personen. 28 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 132) rechtfertigt diese immerhin auch von ihm offen gebilligte Abweichung von seiner Zuständigkeitstheorie mit der ständigen und allgemein anerkannten Rechtsprechung: „andernfalls könnte man die Judikatur zum Rückgriff im Unterhaltsrecht nur als Anomalie erklären.“ Die Rechtsprechung sieht hier ohnehin wieder einmal keinerlei Schwierigkeiten: Bezeichnend, wie etwa das OLG Celle (NJW-RR 1995, 136) sogar die Abgrenzung von Vertrag und GoA ungelöst lässt: „…wobei dahingestellt bleiben kann, ob zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestanden hat. Denn in jedem Fall haben die Kl. dadurch, daß sie den Unterhalt des Kindes des Bekl. sichergestellt haben, ein fremdes Geschäft besorgt.“
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und somit regresstechnisch bewusst privilegiert, zumal er aufgrund dieser Norm zweifelsfrei nicht mehr darauf angewiesen ist, sich notfalls die Unterhaltsansprüche des Unterhaltsberechtigten abtreten zu lassen29 oder nach Bereicherungsrecht vorzugehen.30 Diese besondere Tatbestandsstruktur und die daraus folgende eigenständige Bedeutung des § 679 2. Alt. BGB gegenüber der echten GoA des § 677 BGB gelten als weithin verkannte Elemente der GoA-Dogmatik,31 was vor allem dadurch bedingt ist, dass im Unterhaltsrecht die cessio legis und der vom BGH entwickelte familienrechtliche Ausgleichsanspruch die Funktion der im 19. Jahrhundert inso29 Bzw. bei mangelnder Kooperation erst den (ggf. zahlungsunfähigen) Patienten zu verklagen, um aus der titulierten Forderung in den Unterhaltsanspruch zu vollstrecken (Pfändung und Überweisung des Unterhaltsanspruchs). Aus dem Bestehen eines Direktanspruchs der Behandlungsseite gegen den Unterhaltsschuldner soll man allerdings nicht folgern dürfen, dass für die aus einem bereits erwirkten Titel betriebene Vollstreckung in den Unterhaltsanspruch des Patienten kein Rechtsschutzbedürfnis bestünde, wie KG NJW 1980, 1342 für den Direktanspruch des Arztes aus § 1357 BGB feststellt. Beim Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB ist allerdings ohnehin fraglich, ob individualisierbare und zudem pfändbare Unterhaltsansprüche gegen den anderen Ehegatten überhaupt angenommen werden können, siehe dazu noch unten. 30 Die Frage, ob eine Schuld durch Leistung eines Dritten eigentlich erlischt führt zu der (hier angesichts der gesetzlichen Regelung des Unterhaltsrückgriffs nicht weiter nachzugehenden) weiteren Frage nach dem richtigen Regressweg und (bei Schadensersatzansprüchen) dem richtigen Schadensbegriff (Vorteilsausgleichung bzw. normativer Schadensbegriff), dazu etwa Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 109 ff. Die spezielle Anspruchsgrundlage des § 679 2. Alt. BGB soll der Gesetzgeber u.a. deswegen geschaffen haben, weil die Annahme eines Rückgriffsanspruchs nach Bereicherungsrecht den Unterhaltsgestor jedenfalls insofern benachteiligen würde, als der Umfang sich nicht nach demjenigen Aufwand bestimmen würde, den der Geschäftsführer für erforderlich halten durfte (vgl. §§ 683, 670 BGB) sondern nach der Bereicherung des Verpflichteten, die sich nur nach dem tatsächlich ersparten Aufwand bemisst, also nach der tatsächlichen Unterhaltsschuld, vgl. Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 3. Die von Bergmann erörterte konsequente Anwendung des § 670 BGB für den speziellen Unterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB hält er aber nicht nur selbst für eher theoretisch als praktisch von Bedeutung, sie wird überwiegend im Unterhaltsrecht auch nicht geteilt: Man kann auch aus der überzeugenden bereicherungsrechtlichen Wertung eine (weitere) Modifikation des GoA-Rechts für den Unterhaltsrückgriff folgern: Ersatzfähig darf dann beim Unterhaltsrückgriff (ob nach § 679 2. Alt. BGB oder nach § 812 I S 1 2. Alt. BGB) einzig und allein das sein, was tatsächlich unterhaltsrechtlich geschuldet war. Der Unterhaltsgestor wäre auch bei einer Abwicklung über GoA-Recht nicht befugt, die Folgen einer diesbezüglichen Fehleinschätzung auf den Unterhaltsschuldner abzuwälzen, wie immer der Regressweg dogmatisch konstruiert wird. Der Fall entspricht insofern der allgemeinen bereicherungsrechtlichen Wertung bei Zuvielzahlung auf eine tatsächlich bestehende fremde Schuld: Die übermäßige Leistung kann nur vom Empfänger selbst zurückgefordert werden. In der Sache ließe sich dies damit rechtfertigen, dass der Dritte, der dem Berechtigten Unterhalt gewährt, sich eben nur auf die Regressmöglichkeit hinsichtlich der grundnotwendigsten Leistungen verlassen kann. Freilich wird hierdurch jeglicher praktischer Unterschied zum Bereicherungsrecht beseitigt. Zur Rückforderung zu Unrecht gezahlten Unterhalts nach Bereicherungsrecht Gerhardt in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 203 ff. 31 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32.
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fern noch beherrschenden GoA für einen Großteil der Regresssachverhalte weitgehend übernommen haben.32 Erfasst werden von den genannten speziellen Rückgriffstechniken jedoch nur diejenigen Personen, die aufgrund eigener, gleich- oder nachrangiger Unterhaltspflicht leisten, wohingegen sich für diejenigen, die, wie Ärzte und Krankenhäuser, ganz ohne eigene familien- oder erbrechtliche Pflicht Unterhalt leisten, die gegebenenfalls über die GoA zu lösende Regressfrage „am elementarsten“ stellt.33 Die besondere Interessenstruktur des § 679 2. Alt. BGB steht jedenfalls einer unüberlegten Übernahme der übrigen Tatbestandsmerkmale der echten GoA entgegen. Die Frage, welche Anforderungen an den Fremdgeschäftsführungswillen in § 679 2. Alt. BGB zu stellen sind, wird leider in Literatur und Rechtsprechung allenfalls beiläufig behandelt, was nicht zuletzt auf die erwähnte unterhaltsrechtliche „Entthronung“34 der GoA zurückzuführen sein dürfte: An den Fremdgeschäftsführungswillen seien bei Leistungen an einen Unterhaltsberechtigten nur „geringe Anforderungen“ zu stellen,35 Ärzten und Krankenhäusern sei ohnehin die Besonderheit zuzugestehen, „für wen es angeht“ behandeln zu dürfen.36
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Martiny (Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 746, 770) sieht hier eine mangelnde gesetzgeberische Abstimmung von Unterhaltsregress gem. § 679 2. Alt. BGB und den im Familienrecht normierten Fällen der cessio legis (die teilweise auch erst nachträglich ins BGB aufgenommen wurden, wie der mittlerweile in § 1607 III S.2 BGB enthaltene Scheinvaterregress des § 1615 b BGB a.F.); vgl. auch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 127, 129: Die „traditionelle Rolle“ der GoA beim Unterhaltsrückgriff gehe verloren. Den besonderen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch hat die Rechtsprechung für den Ausgleich unter den Eltern eines Kindes entwickelt, zum dadurch noch verstärkten Bedeutungsrückgang der GoA im Unterhaltsrecht Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 1019, 1025; Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 277 ff.; Holzhauer in Erman § 1606 Rdn. 10; Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 116 und BGHZ 31, 329; 50, 266; BGH NJW 1968, 1780. Gegen den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch Seiler (in MüKo Vor § 677 Rdn. 21), der keinen einleuchtenden Grund dafür erkennen mag, dass die Rechtsprechung in diesen „klassischen Fällen“ der GoA eine derartige Rechtsschöpfung vorgenommen hat, deren Verhältnis zur GoA auch unklar sei. 33 Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 739, 746: „Gleichwohl spielt die Geschäftsführung ohne Auftrag vor allem für die Ansprüche Außenstehender noch eine bedeutende Rolle“. Der Vorwurf einer „Denaturierung“ der GoA liege hier besonders fern, er sei vielmehr „ Ausdruck eines tiefen Unverständnisses der ursprünglichen gesetzgeberischen Intentionen“(S. 771). 34 Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 891. 35 Vgl. Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 100, 133), der dem subjektiven Tatbestand der GoA allerdings ohnehin nur subsumtionstechnische Bedeutung für die Abgrenzung zu den §§ 812 ff. BGB beimisst, die bei Nichtanwendbarkeit der GoA grds auch den Unterhaltsregress erlauben sollen (Rückgriffskondiktion). Freilich gilt für das Bereicherungsrecht definitiv die Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion bei vertraglichem Tätigwerden (wie auch Wollschläger zugibt (S. 103)). Die hier interessierende Frage, ob dem Unterhaltsregress nach § 679 2. Alt. BGB eine ganz eigene und privilegierte Rolle zukommt, welche die Wertung erlaubt, dass die vertragliche Grundlage der ärztlichen Leistungserbringung dem Regress gegen den Unterhaltsverpflichteten keinesfalls entgegenstehen darf, ist also von ebenso großer Bedeutung wie die Frage nach dem subjektiven Tatbe-
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
Letztere Aussage bezieht sich ohne Zweifel zumindest auf die Vorstellung des Geschäftsführers von einer ganz bestimmten Person als Geschäftsherrn (so genannte contemplatio domini). Dass die diesbezügliche Vorstellung des Gestors schon von Gesetzes wegen wenig beachtlich ist, wurde bereits erörtert (vgl. § 686 BGB, s.o.). Unklar bleibt aber, ob die „Geschäftsführung für wen es angeht“ sich auch auf den Willen des Gestors beziehen soll, überhaupt für jemand anderen tätig werden zu wollen (Bewusstsein der Tätigkeit im fremden Rechtskreis). Diese Voraussetzung wäre jedenfalls bei der ärztlichen Behandlung durchweg erfüllt: Unabhängig davon, dass bereits für den Patienten als vom Geschäftsführer zu unterscheidende Person gehandelt wird, ist sich die Behandlungsseite angesichts der Strukturen des heutigen Gesundheitssystems praktisch immer der Rechtstatsache bewusst, dass regelmäßig ein anderer als der Patient selbst die Kosten (unmittelbar oder mittelbar) übernimmt (Krankenversicherung, Sozialleistungsträger, Rentenversicherungsträger etc.). Hinzu kommen die Besonderheiten der Organisation ärztlicher Tätigkeit. Die Arbeitsteiligkeit in Einrichtungen wie Krankenhäusern oder dem Rettungsdienst führt dazu, dass ohnehin nicht das behandelnde Personal, sondern der betreffende Rechtsträger als Geschäftsführer angesehen wird, das von ihm eingesetzte Personal soll in Anlehnung an § 278 BGB lediglich „Geschäftsführungsgehilfe“ sein.37 Diese hier bislang noch nicht weiter thematisierte, zunächst einleuchtend erscheinende Rechtsfigur verdeutlicht aber wieder nur, dass die Praxis den Fiktionscharakter des Geschäftsführungswillens mitunter offen eingesteht: Juristische Personen oder Körperschaften wie ein Krankenhausträger oder ein Rettungsdienst können keinen realen Willen bilden, vielmehr wird hier allenfalls ein realer Wille bestimmter natürlicher Personen zugerechnet bzw. es wird mit weiteren Rechtsfiktionen gearbeitet, wie sie auch beim Besitz oder bei der Wissenszu(sammen)rechnung im Zusammenhang mit Haftungsfragen relevant werden.38 Es fällt im Hinblick auf das evidente und legitime Rückgriffsinteresse der Behandlungsseite daher auch nicht schwer, ihr das Bewusstsein der Tätigkeit im fremden Rechtskreis im Wege der typisierenden Betrachtung in Bezug auf alle diejenigen Personen zu
stand des § 679 2. Alt., denn nach allgemeinem Bereicherungsrecht würde ein Rückgriff ausscheiden. 36 OLG Köln NJW 1965, 350; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 133; ebenso Strutz NJW 1972, 1110, 1112; ähnlich Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 32), der allerdings für die Fallkonstellation, dass ein Behandlungsvertrag mit dem Patienten besteht, nicht erkennen lässt, um welches der beiden Willenselemente es sich eigentlich handelt und ob er hier die typisierte Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens für Dritte (ausnahmsweise) für gerechtfertigt hält oder ob es sich um eine aus Wertungsgesichtspunkten abgeleitete Ausnahme handeln soll. 37 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 323. 38 Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 323) hat als Vertreter der subjektivnormativen Lehre insofern natürlich keinerlei Begründungsnot, von Vertretern der kombiniert objektiv-subjektiven Lehre wird der „Geschäftsführungsgehilfe“, soweit ersichtlich, gar nicht weiter diskutiert.
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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unterstellen, die dem Patienten unterhaltspflichtig sind.39 Ausdrückliche Erklärungen darf man bei der Unterhaltsgewährung ohnehin keineswegs verlangen.40 Schon unter sachorientierten Wertungsgesichtspunkten wäre also die These von den „geringen „Anforderungen“ an den subjektiven Tatbestand der „echten“ Ärzte-GoA des § 677 BGB angemessen. Die oftmals auch in der Kommentarliteratur fehlende Unterscheidung zwischen § 677 BGB einerseits und § 679 2. Alt. BGB andererseits verstellt aber den Blick auf die für den ärztlichen Unterhaltsregress dogmatisch treffendere Begründung: Bei der Erfüllung fremder Unterhaltspflicht gem. § 679 2. Alt. BGB wird der Geschäftsführer vom Gesetzgeber nicht auf die Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn (des Unterhaltsschuldners) verpflichtet, sondern auf die eines Dritten (des Unterhaltsberechtigten). Aus Gründen der Logik könnte man deshalb annehmen, dass hier nicht einmal geringe Anforderungen an den subjektiven Tatbestand zu stellen sind, sondern dass überhaupt kein auf die Person des Geschäftsherrn bezogener Fremdgeschäftsführungswille des Unterhaltsgestors eingefordert werden darf.41 Nur dieser Verzicht auf ein „besonderes volitives Element“ würde dann der in § 679 2. Alt. BGB selbständig geregelten unterhaltsrechtlichen Interessenkonstellation gerecht, so dass es für den Kostenregress letztlich nur auf die materielle Unterhaltspflicht ankäme.42 Der bisherige Gedankengang beschränkte sich darauf, klarzustellen, dass der Unterhaltsgestor nur einem „Herrn“ dienen muss und zwar dem Unterhaltsberechtigten, dem er regelmäßig aufgrund echter GoA, gegebenenfalls auch aufgrund mit ihm geschlossenen Vertrages die Leistungen erbringt. Eine gleichzeitige und vollständige Ausrichtung an dem Willen und den Interessen des Unterhaltsschuldners wäre perplex, so dass richtigerweise auch kein dementsprechender subjektiver Tatbestand des Unterhaltsgestors verlangt werden darf.
39 Ganz zu schweigen davon, dass natürlich keine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Patienten erfüllt wird, was in sonstigen Fällen des Unterhaltsrückgriffs problematisch ist, vgl. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 133. 40 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 133: „Da sich Unterhaltsgewähr in Natur täglich wiederholt und oft über lange Zeit erstreckt, wird man nach irgendwelchen Erklärungen der Beteiligten nicht fragen dürfen. Auch die Gesetzesverfasser können keine höheren Anforderungen an den Geschäftsführungswillen gestellt haben, weil ihnen diese Praxis gewiss wohlbekannt war…“ 41 So mit beachtlichen Argumenten Bergmann (in Staudinger § 679 Rdn. 3), der darauf verweist, dass andernfalls die Norm praktisch nie greifen würde: „Man befindet sich in einem Dilemma: einmal kann man die systematische Stellung des § 679 ernst nehmen und auch für die Anwendung des Anspruchs aus §§ 683, 679 ein Handeln in Geschäftsführungsabsicht für den Verpflichteten verlangen; die Folge wäre, dass der Anspruch aus §§ 679 Alt. 2 , 683 S.2 faktisch keinen Anwendungsbereich mehr hätte, weil der Geschäftsführer entsprechend der Typik der Fallgestaltung regelmäßig ausschließlich für den Begünstigten und gerade nicht für den Verpflichteten handelt. Im Sinne des Gesetzes ist dies kaum…“; a.A. Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 114 ff. 42 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 3.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
3. Fremdgeschäftsführungswille bzw. Tilgungsbestimmung bei der Erfüllung fremder Verbindlichkeiten Ein teilweise auch auf den Unterhaltsschuldner oder zumindest dessen Verpflichtung bezogenes subjektives Willenselement des Geschäftsführers ist in derartigen Dreiecksverhältnissen aber aus anderen, außerhalb des eigentlichen GoA-Rechts liegenden Gründen von Bedeutung: Wie bereits angemerkt, ist es insbesondere für die mitunter komplexen Rechtsbeziehungen im Unterhaltsrecht, aber auch generell in Mehrpersonenverhältnissen unerlässlich, zu klären, ob eigentlich die ursprüngliche, gegen den Unterhaltsschuldner gerichtete Forderung des Bedürftigen durch die Drittleistung erlischt. Damit ist ein allgemeines schuldrechtliches Problem angesprochen: Nach h.M. ist für eine solche Erfüllungswirkung eine Tilgungsbestimmung des Drittleistenden erforderlich, kraft Gesetzes erlischt die Forderung bei Leistung eines vom Schuldner verschiedenen Dritten jedenfalls nicht.43 In der Folge ist dann wiederum fraglich, ob solch eine Tilgungswirkung auch konkludent erklärt werden kann und ob sie sogar nachträglich erfolgen darf. Weiterhin ist fraglich, ob eine solche nachträgliche Tilgungsbestimmung nur den Rückgriff nach Bereicherungsrecht eröffnet oder ob gar ein „rückwirkender Fremdgeschäftsführungswille“ anzuerkennen sei, der die GoA zur Anwendung bringt. Zu beginnen ist hier in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge mit der nachträglichen Tilgungsbestimmung, denn sie ist in tatsächlicher Hinsicht regelmäßig unproblematisch, da sie ganz einfach in der Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs gesehen werden kann. Hierin liegt ein Vorzug gegenüber dem mitunter schwierigen Nachweis eines bereits bei Leistungserbringung bestehenden Fremdtilgungswillens. Der BGH hat die nachträgliche Erklärung der Fremdtilgung mehrfach für möglich gehalten, so wurde eine spätere, den Kondiktionsregress eröffnende Tilgungsbestimmung gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zugelassen,44 in einem weiteren Urteil hat er die Entscheidung eines Berufungsgerichts, wonach gegebenenfalls auch erst in der klageweisen Geltendmachung der Regressforde43
Vgl. Krüger in MüKo § 267 Rdn. 11 (dort auch zur Kritik an der von der Rechtsprechung bejahten Zulässigkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung); Stamm (Jura 2002, 730, 731) weist zutreffend darauf hin, dass sich Fremdgeschäftsführungswille und Tilgungsbestimmung nicht sinnvoll unterscheiden lassen, wer den Fremdgeschäftsführungswillen bejahe, müsse darin zugleich auch die Tilgungsbestimmung sehen, dies werde in Rechtsprechung und Literatur allerdings kaum problematisiert. 44 BGH NJW 1986, 2700 ff. Der klagende gesetzliche Unfallversicherungsträger übernahm die Kosten für die Heilbehandlung eines verunglückten Kindes, später stellte sich heraus, dass keine Einstandspflicht des Klägers bestand. Der Kläger begehrte nun vom Vater des Kindes Erstattung der in der irrigen Annahme einer Eigenverpflichtung erbrachten Leistungen und bekam Recht, da dieses Begehren als rückwirkende Tilgung der Unterhaltsschuld des Vaters verstanden werden sollte, so dass dem Kläger ein Anspruch aus Rückgriffskondiktion zugesprochen wurde. Kritisch hierzu Denck (JZ 1987, 127 ff.), der dem BGH nicht zu Unrecht vorwirft, jedenfalls auf eine „dogmatische Durchdringung der nachträglichen Tilgungsbestimmung verzichtet“ und sich stattdessen darauf beschränkt zu haben, den konkreten Fall mit dem Grundsatz von Treu und Glauben zu lösen.
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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rung die den Geschäftsführungsregress begründende Tilgungsbestimmung gesehen werden könne, unbeanstandet gelassen.45 Fraglich könnte bei grundsätzlicher Billigung dieser Rechtsprechung dann nur noch sein, wie ärztlicher GoA-Unterhaltsregress und ärztliche Unterhaltsrückgriffskondiktion bei einer derart flexiblen Handhabung des subjektiven Elementes sinnvoll voneinander abzugrenzen wären. Eine solche Abgrenzung ist unter diesem Gesichtspunkt aber tatsächlich entbehrlich: Maßgeblich für den Umfang der Regressforderung soll sowohl beim GoARückgriff als auch beim Bereicherungsrückgriff einzig und allein die tatsächliche Höhe der ursprünglichen Forderung sein, wie es bei der cessio legis aufgrund der bestehenden Forderungsidentität zweifelsfrei der Fall ist.46 Die §§ 683, 670 BGB würden der aus GoA-Recht vorgehenden Behandlungsseite also keine (theoretisch denkbaren) weitergehenden Vorteile gegenüber einem Rückgriff aus § 812 BGB gewähren können.47 Eine Schwäche der Rückgriffskondiktion könnte sich dann nur noch aus dem hier möglichen Wegfall der Bereicherung ergeben. Umstritten ist nun aber schon die vom BGH bejahte Zulässigkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung und zwar unabhängig davon, ob diese den GoARegress oder die Rückgriffskondiktion eröffnen soll. In der Literatur wird eine solche nachträgliche Tilgungsbestimmung vielfach abgelehnt, da sie zu einem Wahlrecht des Leistenden führe, dessen zeitlich in keiner Weise begrenzte Ausübungsmöglichkeit mit einem für Gläubiger und Schuldner gleichermaßen unzumutbaren Schwebezustand verbunden sei.48 Zu bedenken ist aber: Die vom BGH behandelten Fälle der nachträglichen Tilgungsbestimmung bezogen sich ersichtlich auf die irrtümliche Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Eigenverpflichtung,49 so dass die Behauptung eines bereits bei Leistungserbringung bestehenden Fremdtilgungswillens von vornherein versperrt war und aus diesem Grund auch die Vermutungsregel der herrschenden Fremdgeschäftslehre nicht greifen konnte. Die nachträgliche Tilgungsbestimmung ist also selbstverständlich nur ein Notnagel für diejenigen Fälle, in denen ein ursprünglicher Fremdgeschäftsführungswille bzw. Fremdtilgungswille gar nicht in Betracht kam. Für den ärztlichen Unterhaltsregress ist daher eine Bewertung der typischen Ausgangssituation vorzunehmen und zu erörtern, ob hier nicht tendenziell großzügig entweder mit der Annahme einer bereits ursprünglichen (wenigstens konkludenten) Tilgungsbestimmung zu verfahren ist bzw. ob nicht Gründe vorliegen, die 45
BGH NJW-RR 2003, 1192, 1195. Zur Gleichbehandlung der Regressforderung hinsichtlich der Einwendungen gegen die ursprüngliche Schuld Lieb in MüKo § 812 Rdn. 125 m.w.N. 47 Zur für die hier allein interessierende Fremdtilgung nicht relevanten aber streitigen Frage, ob nicht sogar die Aufwendungskondiktion grundsätzlich einen gegenüber §§ 683, 670 BGB weitergehenden Ersatz erlaubt, so dass der unberechtigte Geschäftsführer gemäß §§ 684, 812 BGB mitunter besser gestellt sein kann als der berechtigte Geschäftsführer gem. §§ 683, 670 BGB Larenz/Canaris § 69 III 1. c. 48 Lieb in MüKo § 812 Rdn. 91, 92; ablehnend auch Dieckmann JuS 1969, 101, 104; Küppers (139, 140) verneint die Möglichkeit eines rückwirkenden Fremdgeschäftsführungswillens, da dieser sonst ersichtlich zur Fiktion werde, hinsichtlich der Rückgriffskondiktion hält er die nachträgliche Tilgungsbestimmung grds. für möglich. 49 W.Lorenz in Staudinger § 812 Rdn. 60. 46
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
eine nachträgliche Tilgungsbestimmung als zulässig erscheinen lassen. Die typische Ausgangssituation beim ärztlichen Unterhaltsregress ist jedenfalls ganz anders beschaffen als in den erwähnten Fällen der irrtümlichen Eigenleistung auf eine fremde Schuld: Die Behandlungsseite kann sich auf der einen Seite meist sicher sein, entweder gesetzlich oder vertraglich erst einmal zum Tätigwerden verpflichtet zu sein,50 im Gegenzug muss sie aber in überhaupt keinem Fall damit rechnen, ihre Leistung ohne jegliche Liquidationsbefugnis gegenüber irgendeinem Rechtssubjekt (Patient, Versicherung, Unterhaltsschuldner, Sozialleistungsträger) erbringen zu müssen. Vielmehr beginnt im Arztrecht regelmäßig nach Behandlungsbeginn erst einmal die dogmatische Suche nach dem richtigen Schuldner: Der als Kassenpatient Auftretende soll regelmäßig gar nicht (primär) auf das Honorar haften,51 was die Annahme einer vorrangigen, die Einstandspflicht Dritter ausschließenden Leistungsbeziehung zwischen Patient und Arzt bereits verbietet, eine einzelfallabhängige Wertung ist hier jedenfalls unabdingbar. Den „Kassenpatienten“ trifft aber wieder eine (konstruktiv umstrittene) Ausfallhaftung für den Fall, dass eine gesetzliche Versicherung gar nicht besteht oder jedenfalls die betreffende Leistung nicht abdeckt.52 Alternativ ist sowohl bei bestehender als auch bei nicht bestehender Versicherung an sich immer die, wenn auch nur noch selten relevant werdende, Haftung der Unterhaltsschuldner des Patienten gegeben, der notfalls vorleistende Sozialhilfeträger ist in dieser Rechnung schließlich noch gar nicht berücksichtigt. Die vor die Gerichte gelangten (Krankenhaus-) Fälle des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs sind geradezu durch diese Suche nach dem richtigen Schuldner gekennzeichnet,53 was den Ausgangspunkt der wertungsmäßigen Betrachtung solcher Fälle darstellen sollte. Diese potentielle Vielzahl an Honorarschuldnern und die damit einhergehende Ungewissheit über die endgültig in Anspruch zu nehmende Person dürfen aber der Behandlungsseite nicht derart zum Nachteil gereichen, dass man sie letztlich unter Hinweis auf die Unzulässigkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung doch nur auf Ansprüche gegen den Patienten verweist. Im Grunde genommen liegt ein typisierter Fremdtilgungswille bei der Behandlungsseite bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung regelmäßig vor, er bedarf nur noch der Konkretisierung im Hinblick auf ein bestimmtes Rechtssubjekt. Beim Unterhaltsregress gem. § 679 2. Alt. BGB ist diese Ungewissheit im Hinblick auf den endgültigen Regressschuldner sogar schon in der Struktur der Norm angelegt: Zum einen soll durch die Anspruchsgewährung ein Anreiz für Dritte gesetzt werden, die erforderliche Unterhaltsleistung erst einmal zu erbringen,54 was aus diesem Grund schon eine anfängliche Unsicherheit über den nicht (freiwillig) leistenden Unterhaltsschuldner als Regelfall voraussetzt. Zum anderen sind ja beinahe immer mehrere (potentielle) Unterhalts50
Siehe dazu oben, III zu den Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit. Siehe oben, IV A zur Vertragsarztrechtsdogmatik. 52 Siehe oben, IV A 4 zu Natters Konzept einer Abrede über eine Leistung an Erfüllungs Statt. BGHZ 163, 42 gelangt hingegen über die Störung der Geschäftsgrundlage zum in der Sache gleichen Ergebnis der subsidiären Einstandspflicht des Patienten (bzw. des gesetzlichen Vertreters) für die Kosten der Behandlung. 53 Vgl. den Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff., näher dazu unten, V A 7 i). 54 Helm, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 362. 51
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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schuldner vorhanden. Bei wem von ihnen die Kosten zuallerletzt verbleiben, wird zwar materiellrechtlich vom Familienrecht des BGB durch eine ausdifferenzierte Angabe von Rangverhältnissen vorgegeben (vgl. §§ 1584, 1606 ff. BGB).55 Der Unterhaltsgestor muss die in Betracht kommenden Personen aber erst einmal ermitteln und ihre Unterhaltsverpflichtungen bewerten, was allein schon den Unterhaltsregress zu einem sehr unhandlichen Instrument macht. Diese Umstände sind aber denknotwendig mit einem zeitlichen Verzögerungselement verbunden. Vom ärztlichen Unterhaltsgestor zu verlangen, dass er bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung einen konkreten Tilgungswillen auf den letztlich in Anspruch zu nehmenden Unterhaltsschuldner aufweist, würde eine praktisch unerfüllbare Bedingung darstellen und ist mit der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung des Unterhaltsgestors nicht zu vereinbaren.56 Der gar nicht unterhaltsverpflichtete Drittleistende muss und darf sich daher bei Vorhandensein von mehreren Unterhaltsschuldnern (etwa Eltern eines Kindes) ebenfalls denknotwendig auswählen, wen er wirklich in Anspruch nimmt.57 Daher wiederhole ich meine Auffassung zum subjektiven Tatbestand des ärztlichen Unterhaltsgestors auch im Hinblick auf das für die Erfüllungswirkung der ursprünglichen Unterhaltsschuld wohl unverzichtbare Tilgungselement: Meines Erachtens rechtfertigen die wertungsmäßig zu berücksichtigenden Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit es, der Behandlungsseite einen generellen Eventualwillen in Bezug auf jeglichen Unterhaltsschuldner zu unterstellen, der später nur noch zu konkretisieren ist. Ansonsten würden die in der Praxis bei Behandlungsbeginn oft kaum vermeidbaren und, je nach Zustand des Patienten, zunächst ganz sicher auch zweitrangigen Unsicherheiten über den in Betracht kommenden Personenkreis den Unterhaltsregress gemäß § 679 2. Alt. BGB unnötig erschweren wenn nicht unmöglich machen. Der damit zwangsläufig einhergehende Schwebezustand ist zu akzeptieren, er wird regelmäßig nicht lange andauern und ist in § 679 2. Alt. BGB denknotwendig angelegt.58 Die Tilgungsbestimmung ist im ärztlichen Unterhalts55
Insofern unbedingt zu beachten sind die jüngsten Änderungen durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, die seit 1.1.2008 gelten. Dazu Schürmann FamRZ 2008, 313 ff. m.w.N. 56 Mit wünschenswerter Flexibilität handhabt z.B. die Entscheidung BSG NJW 1991, 2373 eine derartige Unsicherheit über den richtigen Schuldner: Das Gericht hielt es für völlig unschädlich, dass die Behandlungsseite zunächst von einer Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers ausgegangen war und erst später auf die zutreffende Idee kam, den zuständigen Rentenversicherungsträger auf Ersatz der Kosten einer Entgiftungskur für Drogenabhängige in Anspruch zu nehmen. Näher zu dieser Entscheidung unten, V B 2. b). 57 § 679 2. Alt. BGB stellt in der hauptsächlich im Bereicherungsrecht geführten Diskussion über die nachträgliche Tilgungsbestimmung leider keine Rolle. Wenig hilfreich ist es, wenn BGH NJW 1986, 2700 ff. damit abgetan wird, es handle sich bei der Entscheidung „um einen sozialrechtlichen Sonderfall, so dass ihr weitgehende Aussage- und Überzeugungskraft fehlen“, so aber Lieb in MüKo § 812 Rdn. 92. Es darf bezweifelt werden, dass für den in der Literatur zur nachträglichen Tilgungsbestimmung nicht erörterten Fall, dass unmittelbar die Behandlungsseite selbst Regress nehmen will und nicht erst ein Versicherungsträger, dies von den kritischen Stimmen im Schrifttum wirklich verwehrt würde. 58 Martiny (Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 776) hält solch eine nachträgliche Änderung oder gar erstmalige Konkretisierung der Tilgungsbestimmung sowohl für den Geschäfts-
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
regress damit nicht eine vollständig nachträgliche, sondern eine anfänglich unvollkommene, denknotwendig verzögerte und später zu vervollständigende Tilgungsbestimmung. Die Frage nach der Tilgungsbestimmung verlangt, wie immer, letztlich eine wertungsmäßige Betrachtung des jeweils vorliegenden Mehrpersonenverhältnisses und ist daher untrennbar verbunden mit den nun zu erörternden Fragen der „auch-Gestion“ bzw. dem vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer und dem Grundsatz vom Verbot der Versionsklage.
4. Unterhaltsregress des gesetzlich und/oder vertraglich zur Leistung verpflichteten Geschäftsführers: Auch-fremdes Geschäft und pflichtengebundener Geschäftsführer beim ärztlichen Unterhaltsregress Der ärztliche Unterhaltsgestor unterliegt natürlich all den Pflichten, die hier bereits bei der Erörterung des auch-fremden Geschäfts und des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers erörtert wurden. Auf diese Ausführungen kann hier daher vollumfänglich verwiesen werden.59 Zur Wiederholung sei nur in Erinnerung gerufen: Wollschläger hat seine Auffassung von der Unbeachtlichkeit des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers maßgeblich anhand des ärztlichen GoA-Unterhaltsrückgriffs entwickelt, da die der Versionsklage gleichkommende funktionelle Aufgabe der Rückgriffs-GoA namentlich bei Ärzten und Krankenhausträgern, „fester Gerichtspraxis“ entspreche.60 Wie bereits mehrfach erwähnt, neigt aber auch der BGH mittlerweile dazu, bei dem bereits einem Dritten gegenüber vertraglich gebundenen „Geschäftsführer“ einen Ausschluss der GoA jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Vertrag die Entgeltfrage umfassend regelt.61 Die Literatur und zunehmend auch die Rechtsprechung tendieren also allgemein dazu, die Anwendbarkeit der Rückgriffs-GoA dann zu verneinen, wenn der „Geschäftsführer“ aufgrund vertraglicher Verpflichtung mit einem Dritten tätig wird, da er sich seinen Vertragspartner und Entgeltschuldner dann regelmäßig frei ausgewählt hat. Dass dieser Grundsatz beim Behandlungsvertrag aufgrund der führungsregress (rückwirkender Fremdgeschäftsführungswille) als auch für die Rückgriffskondiktion für denkbar, lässt aber offen, ob man sich hierfür entscheiden sollte. 59 Siehe oben, III E. 60 Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143) verweist u.a. auf OLG München OLGRspr 26, 217 Anm 1 (3.1.1912); OLG Hamburg HansRGZ 1931 B 494 (31.3.1931); LG Aachen JR 1951, 440 (6.7.1950); LG Berlin NJW 1960, 1390 (keine Unterhaltspflicht); LG Bonn FamRZ 1970, 321; LG Bielefeld MDR 1966, 234; LG Stuttgart NJW 1961, 972, 973; zustimmend auch Laufs, Arztrecht, Rdn. 127; vgl. dazu auch Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 148, 309 ff.) der sich allerdings mehr oder weniger einer Stellungnahme enthält; A.A.: OLG Saarbrücken NJW 1998, 828; OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. Auf eine dementsprechende Rechtsprechung nimmt aktuell auch noch Ehmann (in Erman § 677 Rdn. 10) Bezug, der sie allerdings als unhaltbar kritisiert, siehe gleich. Gegen LG Bonn FamRZ 1970, 321 (in der Begründung, nicht im Ergebnis) auch Medicus BR Rdn. 414, dazu später. Zur Kritik siehe die Nachweise oben, III C 2. 61 BGH NZBau 2004, 34.
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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vielfältigen Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit schon allgemein keine Zustimmung verdient, wurde hier bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert, zu diskutieren sind somit nur noch die Besonderheiten des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs: Fraglich ist doch, ob der Gesetzgeber nicht in § 679 2. Alt. BGB über die Gewährung des Direktanspruchs hinaus eine so starke Privilegierung des Unterhaltsgestors zum Ausdruck bringen wollte, dass sie auch alleine, das heißt ohne die mannigfachen Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit, eine Durchbrechung dieser neueren und grundsätzlich durchaus zustimmungswürdigen Figur des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers zu rechtfertigen vermöchte.62 Beherzigt man den hier bereits an anderer Stelle behandelten Meinungsstand zum Verbot der Versionsklage,63 muss man zunächst zur Kenntnis nehmen, dass das Gesetz selbst in § 679 2. Alt. BGB bereits klargestellt hat, dass ein direktes Vorgehen gegen eine vom Leistungsempfänger verschiedene Person, den Unterhaltsschuldner, grundsätzlich zulässig sein soll, obwohl ihm gegenüber der Unterhaltsgestor aus den hier bereits dargestellten Gründen typischerweise keinen eigenen Zweck verfolgt. Dieser Punkt wird bei der Diskussion des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs, soweit ersichtlich, völlig vernachlässigt, die pauschale Argumentation mit dem allgemeinen Problem des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers kann auf den Unterhaltsregress nach § 679 2. Alt. BGB gerade nicht übertragen werden, sondern liefert wieder nur einen Beleg für den verkannten Sondercharakter der Norm. Die Frage der Liquidationsbefugnis gegenüber dem Unterhaltsschuldner darf jedenfalls nicht ohne vorhergehende Bewertung der typischerweise beteiligten Interessen verneint werden. Von elementarer Bedeutung ist vor allem, dass der Gesetzgeber die Privilegierung des vertraglich pflichtengebundenen Unterhaltsgestors, wohl eher unbewusst, noch einmal bestätigt hat: Wie gleich noch näher zu erörtern sein wird, hat der Reformgesetzgeber mit § 1357 BGB ein unterhaltsrechtliches Rückgriffsinstrument geschaffen, das exakt dieselbe Funktionsweise wie die Versionsklage bzw. der GoA-Unterhaltsrückgriff des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers aufweist. Auch aus diesem Grund hat der ärztliche Unterhaltsrückgriff gemäß § 679 2. Alt. BGB so sehr an Bedeutung verloren, denn der in der Praxis vielfach streitige ärztliche Regress gegen den Ehepartner des Patienten ist nunmehr über § 1357 BGB abzuwickeln. Der von Eheleuten im Rahmen ihrer Bedarfsgemeinschaft einander geschuldete Familienunterhalt stellt nun aber gerade die einzige Unterhaltspflicht dar, bei der die zwangsweise Durchsetzung und daher auch der darauf bezogene Rückgriff eines Dritten dogmatisch (nicht etwa ethisch) Schwierigkeiten bereitet, 62 Die Gesetzesmaterialien schweigen hierzu, die allgemeine Privilegierung des Unterhaltsgestors stellte aber natürlich ein Motiv des Gesetzgebers des § 679 BGB dar, vgl. Mugdan II., S. 483; s. auch v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 16 (der an anderer Stelle aber allgemein die vertragliche Verpflichtung des Gestors gegenüber einem Dritten für unschädlich hält (S. 26)). 63 Siehe oben, II B 3. a) (3), (4). Mit dem Verbot der Versionsklage versagt etwa LG Köln NJW 1991, 2354 den GoA-Rückgriff gegen den Unterhaltschuldner des Patienten. Freilich finden sich umgekehrt und gerade zum Unterhaltregress auch Gerichtsentscheidungen, die den Behandlungsvertrag mit dem Patienten ganz einfach für unbeachtlich halten, vgl. etwa LG Stuttgart NJW 1961, 972, 973.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
wie später noch detailliert darzulegen sein wird.64 Wenn aber der Gesetzgeber in § 1357 BGB schon für die Erfüllung ehelicher Unterhaltspflichten den Regress durch den vertraglich mit dem Unterhaltsgläubiger verbundenen Dritten zulässt, muss dies erst Recht für diejenigen Unterhaltspflichten gelten, etwa für die von erwachsenen Kindern gegenüber ihren Eltern, bei denen die zwangsweise Durchsetzung jedenfalls generell keine besonderen dogmatischen Fragen aufwirft. Sofern man die hier später noch näher zu erläuternde Kritik an § 1357 BGB nicht teilt, wird man nicht umhinkommen, die Tatsache anzuerkennen, dass der Gesetzgeber es in dieser Norm für grundsätzlich unbedenklich erklärt, dass der Unterhaltsgläubiger sich die unterhaltsrechtlich geschuldete Leistung durch Vertragsschluss mit einem Dritten selbst verschafft und diesem damit überhaupt erst die Möglichkeit des Rückgriffs gegen den Unterhaltsschuldner eröffnet. Diese Wertung lässt sich nahtlos auf den ärztlichen Unterhaltsregress nach § 679 2. Alt. BGB übertragen und als Bestätigung seiner Zulässigkeit verstehen. Soweit das Gesetz für den Unterhaltsgestor (wie bei gleich- oder nachrangig verpflichteten anderen Unterhaltsschuldnern oder beim Sozialhilfeträger) einen gesetzlichen Forderungsübergang anordnet, stellen sich vergleichbare Probleme nicht, die cessio legis ist ja gerade deshalb angeordnet, weil diese Geschäftsführer typischerweise aufgrund eigener (vertraglicher oder gesetzlicher) Verpflichtungen handeln. Man wird sich fragen dürfen, ob die beim ärztlichen Unterhaltsrückgriff gewissermaßen „antiquierte“ Schwäche der rechtstechnischen Abwicklung über GoA-Recht65 nicht unter Wertungsgesichtspunkten zu überwinden ist und eine weitgehende Gleichbehandlung mit den Fällen des gesetzlichen Forderungsübergangs und damit eine Nichtanwendung der im Übrigen billigenswerten Grundsätze zum pflichtengebundenen Geschäftsführer geboten ist.66 Die neuere, gegenüber dem Ansatz Wollschlägers restriktive Grundregel zum (vertraglich) gebundenen Geschäftsführer (und zum auch-fremden Geschäft) bedarf beim ärztlichen Unterhaltsrückgriff zumindest der differenzierenden Präzisierung anhand der oben bereits herausgestellten Pflichtenbindungen des Arztes. Meines Erachtens kann somit selbst ein bereits zu Beginn der Behandlung erfolgender Vertragsschluss zwischen Patient und Arzt dem speziellen Rückgriff aus 64
Siehe unten, V A 7. Martiny (Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 743) bemerkt unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte, dass die ausdrückliche Anordnung der cessio legis etwa beim ersatzweise Unterhaltsverpflichteten, den Rückgriffsgläubiger von der Zumutung befreien sollte, sich auf den „schwankenden Boden“ der Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht zu begeben. Es stellt sich daher die Frage, ob § 679 2. Alt. BGB für bestimmte, selbst nicht unterhaltsverpflichtete Gestoren wie Ärzte nicht unausgesprochen eine über die bloße Klarstellung von Direktansprüchen hinausgehende Begünstigung entnommen werden kann. 66 Entsprechendes vertritt Lieb (in MüKo § 812 Rdn. 125) für die Rückgriffskondiktion nach Fremdtilgung: Der bereicherungsrechtliche Regressanspruch sollte insbesondere im Hinblick auf bestehende Einreden gegen die ursprüngliche Schuld weitestgehend wie ein gesetzlicher Forderungsübergang bzw. wie eine Abtretung behandelt werden, der bloße rechtstechnische Unterschied sei wertungsmäßig irrelevant. Umgekehrt lässt sich sagen, dass für den Rückgriffsanspruch dann nicht nur die Schwächen, sondern auch die Stärken wie beim Regress aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs gelten sollten. 65
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§ 679 2. Alt. BGB jedenfalls bei einer medizinisch erforderlichen Basisbehandlung nicht entgegenstehen. Ansonsten würde aus den erst in jüngster Zeit zum „pflichtengebundenen Geschäftsführer“ und zur Eingrenzung der „echten“ GoA des § 677 BGB entwickelten dogmatischen Erwägungen heraus ohne eine ausreichend auf das Arztrecht bezogene Rechtfertigung die mit § 679 2. Alt. BGB grundsätzlich intendierte Privilegierung des Unterhaltsgestors in dem vom historischen Gesetzgeber schwerlich einkalkulierten Fall verhindert, dass der Unterhaltsberechtigte sich eine geschuldete und auch unbedingt erforderliche Leistung auf vertraglicher Grundlage selbst verschafft. Der historische BGB-Gesetzgeber konnte die Frage der Sperrwirkung eines mit dem Unterhaltsberechtigten geschlossenen Vertrages, wie bereits erwähnt, kaum im Auge haben, da sie sich ursprünglich nicht nur bei minderjährigen Kindern (wie heute noch), sondern auch bei Ehefrauen gar nicht stellte.67 Für eine medizinisch erforderliche Basisbehandlung ist der Ausschluss des Unterhaltsrückgriffs aber nicht geboten, vielmehr ist dem ursprünglichen gesetzgeberischen Anliegen Rechnung zu tragen, dass die Erfüllung dieser besonderen Pflichten notfalls durch Dritte zu erfolgen habe und daher entsprechend begünstigt werden müsse. Den Unterhaltsregress nach § 679 2. Alt. BGB vom mehr oder weniger zufälligen oder der recht freien richterlichen Interpretation des Geschehens überlassenen Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Behandlungsvertrages mit dem Patienten abhängig zu machen, stellt also keine sachgerechte Differenzierung dar. Vielmehr wird man die Zulässigkeit eines Nebeneinanders von Vertrag und Unterhaltsrückgriff gem. § 679 2. Alt. BGB wenn überhaupt nur in den Fällen verneinen können, in denen die Behandlungsseite keinem faktischen Behandlungszwang unterliegt.68 Zur Anwendung der neueren Rechtsprechung zum pflichtengebundenen Geschäftsführer ist abschließend noch zu bemerken: Im Arztrecht ist es, wie bereits erwähnt, geradezu der Normalfall, dass neben oder statt dem kontrahierenden Patienten andere Rechtssubjekte für die Behandlungskosten und/oder etwaige Zusatzleistungen einstehen müssen. Ohne die Vielzahl der möglichen Vertragsgestaltungen (etwa im Krankenhaus) hier näher erörtern zu wollen, wird man schon aus diesem Grund bestehende Behandlungsverträge nur mit Zurückhaltung dahingehend auslegen können, dass sie die Entgeltfrage im Sinne der neueren BGH-Judikatur „abschließend“ und unter Ausschluss einer Einstandspflicht Dritter ausschließlich mit dem Patienten allein regeln.69 Man mag im Übrigen überlegen, ob es nicht ein legitimes Interesse der Behandlungsseite darstellt, zumindest für den Fall, dass der Patient nicht zahlungsfä67 Vgl. noch einmal Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143: Im 19. Jahrhundert war die Ehefrau nach den meisten partikularen Güterrechten nur beschränkt geschäftsfähig, ihre Aufnahme in ein Krankenhaus war daher wie die laufende vertragslose Unterhaltsgewähr zu behandeln. 68 Dies wird auch dem allgemeinen Konsens in der GoA-Dogmatik gerecht, dass die gesetzliche Hilfeleistungspflicht aus § 323 c StGB der Annahme einer GoA-Rechtsbeziehung nicht unter Hinweis auf das Problem des pflichtengebundenen Geschäftsführers entgegengehalten werden kann, vgl. oben III C 4. 69 Dies gilt erst recht im Hinblick auf die hier bereits angesprochenen Schwierigkeiten, welche die Konstruktion der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung der Dogmatik nach wie vor bereitet.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
hig ist, dessen Unterhaltsschuldner über § 679 2. Alt. BGB als Ausfallverpflichtete direkt in Anspruch nehmen zu können, solange die Leistung tatsächlich unterhaltsrechtlich geschuldet war. Denn soweit individualisierbare und pfändbare Unterhaltsansprüche des Patienten bestehen,70 erspart der direkte Rückgriff nach § 679 2. Alt. BGB der Behandlungsseite den Umweg über die gerichtliche Inanspruchnahme des Patienten und die (falls überhaupt mögliche) Pfändung von dessen Unterhaltsansprüchen. Diese Überlegung hat zumindest in den Fällen wohl das durchschnittliche Rechtsempfinden auf ihrer Seite, in denen für eine medizinische Basisbehandlung keine Krankenversicherung besteht und auch kein Sozialhilfeträger einspringt. Bei medizinisch nicht unabdingbaren Leistungen wie Wahlleistungen im Krankenhaus, kosmetischen Operationen und bestimmten zahnärztlichen Maßnahmen müsste es hingegen schon auf den ersten Blick irritieren, wenn die Behandlungsseite sich bei Vertragsschluss darauf verlassen könnte, ersatzweise einen Unterhaltsschuldner des Patienten gemäß § 679 2. Alt. BGB für die Kostenliquidation dieser vertraglich georderten Tätigkeiten direkt in Anspruch nehmen zu können. Das Unterhaltsrecht orientiert sich zwar nicht an medizinischen Indikationen bzw. der Einordnung einer Maßnahme als grundnotwendig oder (tendenziell) luxuriös sondern daran, ob die Erbringung dem Lebenszuschnitt des Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners entspricht oder nicht. Es ist daher theoretisch vom BGB durchaus vorgesehen, dass derartige Leistungen (jedenfalls bei Fehlen einer vertraglichen Grundlage der Leistungserbringung) auch gegenüber einem insofern nicht freiwillig zahlenden Unterhaltsschuldner liquidiert werden können. Hier wird man aber die Grenze für die Privilegierung des Unterhaltsgestors ziehen müssen: Bei derartigen Leistungen ist es dem Arzt bzw. Krankenhaus weitestgehend freigestellt, ob sie erbracht werden sollen oder nicht.71 Wer sich insofern den Vertragspartner freiwillig aussucht und damit auch dessen Insolvenzrisiko in Kauf nimmt, muss sich auch im Arztrecht die allgemeinen Grundsätze zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer entgegenhalten lassen, § 679 2. Alt. BGB gebietet hier keine abweichende Wertung,72 obwohl das Unterhaltsrecht, wie gesehen, keine derartige Unterscheidung zwischen unabdingbarem und entbehrlichem Unterhaltsbedarf trifft. In der Folge werden daher auch derartige ärztliche Leistungen weiter mit erörtert, zumal noch zu zeigen ist, aus welchen weiteren Gründen der ärztliche Unterhaltsrückgriff auszuscheiden sein kann.
70 Beim ehelichen Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360 a BGB ist dies im Gegensatz zu anderen Unterhaltsverpflichtungen problematisch, siehe dazu unten, V A 7. 71 Weitestgehend insofern, als jedenfalls Strafrecht oder Vertragsarztrecht keinen Zwang zur Vornahme gerade einer solchen weitergehenderen Leistung vorsehen können. Dasselbe wird man sicher vom ärztlichen Standesrecht behaupten dürfen, soweit man hier überhaupt von der grundsätzlichen Möglichkeit einer allgemeinen Behandlungspflicht ausgehen will. 72 Insofern ist Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 32) zuzustimmen; vgl. auch Ehmann in Erman § 677 Rdn. 10
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5. Erfordernis des Personensorgerechts? Die Verschaffung ärztlicher Behandlung ist, wie oben dargestellt, grundsätzlich Bestandteil der vom BGB normierten Unterhaltspflichten. Fraglich ist aber, ob die Aufwendungsersatzpflicht aus §§ 679 2. Alt., 683 BGB zusätzlich davon abhängig zu machen ist, dass dem Unterhaltsverpflichteten auch das Personensorgerecht für den Unterhaltsberechtigten zusteht, das heißt die Befugnis, über die reale Verwendung des Unterhalts zu entscheiden. Für Unterhaltsansprüche der Ehegatten73 und den Elternunterhalt passt ein solches Erfordernis generell schon nicht, sofern es sich um (erwachsene) Patienten handelt, die nicht unter Betreuung stehen. Aber auch für den dann noch verbleibenden Anwendungsbereich, also die Fälle der fehlenden Fähigkeit zur Selbstbestimmung eines Erwachsenen, wurde die Fürsorgeberechtigung des auf Aufwendungsersatz in Anspruch genommenen Beklagten, soweit ersichtlich, noch nie zur Regressvoraussetzung erhoben. Für die Behandlung minderjähriger Patienten hingegen wurde bisweilen auf die Personensorgeberechtigung des Unterhaltsschuldners abgestellt.74 Diese Ansicht ist allerdings zutreffend auf Ablehnung gestoßen: Richtigerweise ist es nur „Geschäft“ eines Unterhaltsschuldners, den Lebensbedarf zu bezahlen, nicht aber, über diesen zu bestimmen.75 Dieser Punkt bedarf wiederum der Präzisierung: § 679 2. Alt. BGB weist, wie bereits erwähnt, die besondere Struktur auf, dass der Geschäftsführer hier gerade nicht die Interessen des aufwendungsersatzpflichtigen Geschäftsherrn (des Unterhaltsverpflichteten) wahrnimmt, sondern nur die eines Dritten (des Unterhaltsberechtigten).76 Für den Regress entscheidend kann daher dem Grundsatz nach allein die Kostentragungspflicht des Unterhaltsschuldners sein, was aber nicht bedeutet, dass die davon sorgfältig zu unterscheidende Personensorgepflicht insofern gänzlich ohne Belang wäre:77 Nur wenn Leistungen an den Unterhaltsberechtigten entgegen einer bereits ausdrücklichen Willensentscheidung des (mit dem Unterhaltsschuldner gegebenenfalls identischen) Personensorgeberechtigten erbracht werden, wird man (umgekehrt) eine Ausnahme von der in § 679 2. Alt BGB normierten Unbeachtlichkeit eines entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn machen müssen.78 Da somit bereits die Besonderheiten des Unterhaltsregresses über § 679 2. Alt. BGB es verbieten, die Personensorgeberechtigung des Unterhaltsschuldners zur 73 Bei bestehender Ehe und Zusammenleben ist dies der (so genannte) Familienunterhalt (§§ 1360, 1360 a BGB), sonst der (so genannte) Ehegattenunterhalt (Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) und Nachscheidungsunterhalt (§ 1569 ff. BGB). Zur Terminologie Scholz in Wendl/Staudigl § 4 Rdn. 1. 74 LG Hamburg MDR 1966, 234; LG Krefeld FamRZ 1983, 1269. 75 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 131, 132; Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 26; kritisch zur Entscheidung des LG Hamburg auch Strutz NJW 1972, 1110, 1114. Anderes gilt nur beim Familienunterhalt, dazu unten. 76 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 132. 77 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 131; Bergmann in Staudinger § 679 Rdn.3; Strutz NJW 1972, 1110, 1114. 78 Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 925; Seiler in MüKo § 677 Rdn. 31; vgl. auch OLG Hamm NJW 1983, 2203.
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generellen Voraussetzung der Aufwendungsersatzpflicht zu machen, muss auch nicht näher erörtert werden, dass gar keine Sachgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine derartige generelle Erschwerung des Kindesunterhaltsrückgriffs gegenüber dem Regress beim Ehegatten- und Elternunterhalt bzw. beim Unterhalt für volljährige Kinder rechtfertigen könnten.
6. Ärztliche Behandlung als GoA für Ehegatten des Patienten a) Überblick In Rechtsprechung und Literatur war es eine jahrzehntelang immer wieder gestellte Frage, ob die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen durch den einen Ehegatten eine Honorarhaftung des anderen Ehegatten aus GoA-Recht begründen kann. Die Diskussion war allerdings auch den Besonderheiten der früheren Fassung der ehelichen „Schlüsselgewalt“ des § 1357 BGB geschuldet. Ältere Äußerungen zu diesem Anwendungsbereich der GoA sind somit vornehmlich daraufhin zu untersuchen, inwiefern ihnen nach der ab 1.7.1977 geltenden Neuregelung des § 1357 BGB noch Relevanz für die heutige Dogmatik zukommt. Des Weiteren ist zu fragen, ob § 1357 BGB eine gegenüber dem Unterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB vorrangige und inhaltlich überhaupt abweichende Anspruchsgrundlage für den Arzt darstellt. Von Bedeutung ist eine solche Untersuchung schon deswegen, weil § 1357 BGB erheblich umgestaltet wurde und in seiner geltenden Fassung vom Gesetzgeber des § 679 2. Alt. BGB natürlich nicht berücksichtigt werden konnte. Dass die Neuregelung als Bestätigung des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs verstanden werden kann, wurde hier bereits angedeutet. Um den Anwendungsbereich der ärztlichen „Ehegatten-GoA“ zu bestimmen, ist es jedenfalls unerlässlich, die gegebenenfalls vorrangige Spezialregelung des § 1357 BGB, ihren Normzweck, ihre Funktion und die arztrechtlich relevante Rechtsprechung zur Schlüsselgewalt näher zu untersuchen. b) Frühere Rechtslage § 1357 BGB lautete bis zur ersten Änderung durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957 wie folgt:79 „Die Frau ist berechtigt, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten. Rechtsgeschäfte, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vornimmt, gelten als im Namen des Ehemannes vorgenommen, wenn nicht aus den Umständen sich ein Anderes ergibt.“
Die Norm hatte damit die Konsequenz, dass die Ehefrau aus den von ihr selbst abgeschlossenen und im Rahmen des häuslichen Wirkungskreises sich haltenden Rechtsgeschäften i.d.R. gar nicht selbst verpflichtet wurde sondern, und das in Abweichung vom für Stellvertretungsgeschäfte geltenden Offenkundigkeitsgrund79
Nähere Darstellung bei Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 1 ff.
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satz des § 164 II BGB, nur der Ehemann.80 Maßgebliches Tatbestandsmerkmal der Regelung war „der häusliche Wirkungskreis“. Der Gesetzgeber knüpfte damit unmittelbar an die in § 1356 BGB geregelte Haushaltsführung an, die der als regelmäßig einkommenslos angesehenen Ehefrau mittels der Drittverpflichtungsbefugnis des § 1357 BGB erleichtert werden sollte.81 Das Gleichberechtigungsgesetz fügte eine wenigstens subsidiäre Haftung der Ehefrau bei Zahlungsunfähigkeit des Mannes ein: „Die Frau ist berechtigt, Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Aus Rechtsgeschäften, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vornimmt, wird der Mann berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt; ist der Mann nicht zahlungsfähig, so wird auch die Frau verpflichtet.“82
In Konsequenz dieser patriarchalisch ausgerichteten Regelung ergingen richterliche Entscheidungen wie etwa BGHZ 47, 75 ff., wonach aus dem von einer verheirateten Patientin „mit“ dem Arzt geschlossenen Behandlungsvertrag i.d.R. nicht sie selbst sondern nur ihr Ehemann verpflichtet wurde, weil die ärztliche Behandlung nach bestrittener aber überwiegender Meinung dem Bereich der von der Schlüsselgewalt noch abgedeckten Rechtsgeschäfte zuzurechnen war.83 Nach der Gegenansicht,84 welche die ärztliche Behandlung aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters generell vom Anwendungsbereich des § 1357 BGB ausgenommen sehen wollte, ergab sich die Honorarhaftung der Ehefrau unproblematisch aus dem nur für ihre Person geschlossenen Behandlungsvertrag. Eine parallele, auf GoA gestützte Mithaftung des Ehemannes wurde dabei aber ebenfalls für möglich gehalten.85
80 Welche Rechtsnatur der Schlüsselgewalt beizumessen ist, war schon immer fraglich, der Verzicht auf den Offenkundigkeitsgrundsatz führte schon bei der früheren Fassung zu der Erkenntnis, dass sie schwerlich als gesetzliche Vertretungsmacht verstanden werden kann, vgl. Henrich, Familienrecht, § 7 II 2. 81 Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 8. 82 Da der Normtext nun auch nicht mehr auf „die Geschäfte des Mannes“ abstellte, konnte die Frau zudem im ehelichen Innenverhältnis nicht mehr als „Beauftragte“ des Ehemannes angesehen werden, die bei der Geschäftsbesorgung seinen Weisungen zu folgen und ihm Auskunft zu erteilen hatte, vgl. Henrich Familienrecht § 7 II 2. 83 BGHZ 47, 75 ff = NJW 1967, 673 ff. m.w.N. zu der schon damals bestehenden Gegenmeinung, wonach aufgrund der höchstpersönlichen Natur der Arzt-Patient-Beziehung der Behandlungsvertrag nicht dem häuslichen Wirkungskreis zugerechnet werden könne. Die Entscheidung stellt im Übrigen ein anschauliches Beispiel dafür dar, wie bei fehlender Deckung der Behandlung durch die Krankenversicherung auch im Hinblick auf die Honorarfrage letztlich doch wieder die hergebrachten Rechtsinstitute des Zivilrechts bemüht werden müssen, was vom sozialrechtlichen Schrifttum, wie hier bei der Erörterung der Vertragsarztdogmatik bereits festgestellt, nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wird. 84 Döring FamRZ 1958, 358, 360 (zur früheren Fassung); auch LG Stuttgart NJW 1961, 972. 85 Döring FamRZ 1958, 358, 360. Vgl. auch LG Stuttgart NJW 1961, 972, 973, wonach die GoA-Haftung des Ehemannes nach §§ 679, 683 BGB „allgemein anerkannt“ sei.
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c) § 1357 BGB in seiner heutigen Fassung Die Reform des Eherechts von 1976 beseitigte das bis dato geltende gesetzgeberische Leitbild der Hausfrauenehe,86 § 1356 BGB n.F. besagt seitdem vielmehr, dass die Ehegatten die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln. Die Regelung über die Schlüsselgewalt konnte konsequenterweise nicht unverändert bleiben. Die seit 1.7.1977 geltende Fassung des § 1357 BGB sieht nunmehr für beide Ehepartner die Möglichkeit vor, den Ehegatten mitzuverpflichten. Die Norm stellt jetzt aber auf die Geschäfte „zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ ab und nicht mehr auf den „häuslichen Wirkungskreis“, der bislang die Verknüpfung mit der in § 1356 BGB geregelten Haushaltsführung bewirkte. Durch diese zumindest äußerliche Beseitigung des Funktionszusammenhangs mit § 1356 BGB, stellt sich seitdem die Frage nach dem Normzweck des § 1357 BGB neu: Vielfach wird der Vorschrift nunmehr eine primäre87 oder gar alleinige gläubigerschützende Intention beigemessen, nach wie vor wird aber auch die „Stärkung der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft mit Außenwirkung“ oder, wie früher, die Ermöglichung der Haushaltsführung als Gesetzeszweck angesehen.88 Die Neuregelung musste auch Konsequenzen für die Ehegatten-GoA haben: Im Hinblick auf den von dem (nicht verdienenden) Ehemann zwecks eigener Behandlung abgeschlossenen Vertrag entfällt womöglich das Bedürfnis, die Honorarhaftung der (verdienenden) Ehefrau aus §§ 679 2. Alt, 683 BGB zu begründen,89 da jetzt uneingeschränkt für beide Partner die Mitverpflichtungsmöglichkeit besteht.90 Die vom BGH in der Vergangenheit verwendete Auslegungsregel, wonach die von der Schlüsselgewalt erfassten Geschäfte der Ehefrau grundsätzlich nur den Ehemann verpflichten sollten,91 kann sich zudem nicht mehr auf die vorrangig auf den Ehemann abstellende gesetzliche Regelung des § 1357 BGB a.F. stützen und ist daher unproblematisch gegenstandslos. Die vertragliche Eigenhaftung der selbst kontrahierenden Ehefrau ergibt sich damit (i.d.R.) als Selbstverständlichkeit aus allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. § 164 II BGB) und unabhängig von der nach wie vor streitigen Frage, ob die ärztliche Behandlung überhaupt zum Kreis der von § 1357 BGB erfassten Geschäfte zu rechnen ist.92
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Wacke in MüKo § 1360 Rdn. 1; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 1, 2; Voppel in Staudinger § 1356 Rdn. 4, § 1360 Rdn. 5; Lüke AcP 178 (1978), 2 ff.; Peter NJW 1993, 1949, 1950. 87 Struck AcP 187 (1987), 404, 410. 88 Siehe Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 8 m.w.N.; Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 2, 3, 9: Der Gläubigerschutz sei die praktisch wichtige Konsequenz, Hauptgesetzeszweck sei aber die Erhöhung der Kreditwürdigkeit der Familie. Näher zu dieser Frage unten, V A 7. g) (2). 89 So die Konstellation im Fall LG Bonn FamRZ 1970, 321, dazu noch unten. 90 Seiler (in MüKo § 677 Rdn. 32) hält daher die Entscheidung LG Bonn FamRZ 1970, 321 für obsolet. 91 BGHZ 47, 75 ff = NJW 1967, 673, 675. 92 LG Koblenz NJW 1981, 1324 meint, die Einbeziehung der ärztlichen Behandlung in den Kreis der von § 1357 BGB erfassten Geschäfte sei „nahezu unbestritten“ und bedürfe „keiner weiteren Ausführungen“; dazu zuletzt Sieper MedR 2006, 638 ff.
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d) Überblick: Verbleibender Anwendungsbereich der ärztlichen Ehegatten-GoA Da die vertragliche Eigenhaftung der (Ehe-) Frau sich nunmehr unschwer begründen lässt, verbleiben für die GoA des Arztes gegen den Ehepartner des Patienten noch die folgenden denkbaren Anwendungsbereiche: Wenn gar kein Behandlungsvertrag mit dem Patienten geschlossen wurde (etwa bei fehlender Ansprechbarkeit in Notfallsituationen), konnte von jeher denknotwendig kein Vorrang des § 1357 BGB bestehen, denn die Norm stellt ausschließlich auf rechtsgeschäftliche Vereinbarungen ab. Der Regress gegen den Ehegatten des Patienten kann dann theoretisch nach § 679 2. Alt. BGB abgewickelt werden, insofern gelten die bereits dargestellten Besonderheiten des privilegierten Unterhaltsrückgriffs. Zu beachten sind aber die weiteren Besonderheiten des Familienunterhalts nach den §§ 1360, 1360 a BGB. Wer mit der nach wie vor vertretenen Gegenansicht93 den ärztlichen Behandlungsvertrag aufgrund des höchstpersönlichen Charakters überhaupt nicht zum Bereich der dem § 1357 BGB unterfallenden Geschäfte rechnen will, muss sich die bislang vernachlässigte Frage gefallen lassen, ob die damit auch angestrebte Fernhaltung des Ehegatten vom Behandlungsvertrag es erfordert, dem Arzt oder Krankenhausträger nicht nur die auf § 1357 BGB sondern auch die auf § 679 2. Alt. BGB gestützte Inanspruchnahme des Ehegatten des Patienten zu verweigern. Ferner ist es denkbar, dem § 1357 BGB überhaupt eine Sperrwirkung gegenüber dem GoA-Rückgriff beizumessen, das heisst auch in den Fällen, in denen die Inanspruchnahme des Ehegatten nach § 1357 BGB scheitert.94 Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der „Ehegatten-GoA“ ist zudem dann eröffnet, wenn man die ärztliche Behandlung zwar dem Grundsatz nach zu den Geschäften des § 1357 BGB zählt, für bestimmte Tätigkeiten aber eine generelle Ausnahme hiervon machen will, wie es etwa für (bestimmte) Krankenhausleistungen vereinzelt angenommen wurde.95 Es verbleiben zudem noch diejenigen Fälle, in denen die Mitverpflichtung des Ehegatten nach § 1357 BGB daran scheitert, dass die konkrete Behandlung für die Beteiligten des Einzelfalles kein „Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs“ darstellt. Letzterenfalls stellt sich die Frage nach der Abstimmung der beiden möglichen Anspruchsgrundlagen: Kann eine ärztliche Behandlung, die sich nicht unter § 1357 BGB subsumieren lässt, trotzdem unterhaltsrechtlich geschuldet sein und damit nach § 679 2. Alt. BGB dem privilegierten Unterhaltsrückgriff des Arztes unterliegen? Schließlich kann der Unterhaltsrückgriff dann einschlägig sein, wenn die Ehegatten getrennt leben, da in diesem Fall gem. § 1357 III BGB die beiderseitige Verpflichtungsbefugnis nach § 1357 I BGB nicht mehr gegeben ist.
93 Holzhauer JZ 1985, 684, 685; Peter NJW 1993, 1949, 1952.; differenzierend Büdenbender FamRZ 1976, 662, 671. 94 In diesem Sinne etwa AG München FamRZ 1986, 62. 95 So OLG Köln NJW 1981, 637 ff., dazu noch unten, V A 7. f).
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e) Ärztlicher Behandlungsvertrag als insgesamt nicht der Schlüsselgewalt unterliegendes Rechtsgeschäft? Die Ansicht96 von der Ausklammerung der ärztlichen Behandlung aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB hat gute Argumente auf ihrer Seite: Bei einer derart von persönlichen wie intimen Details geprägten und auf Vertraulichkeit angewiesenen Beziehung wie der zwischen Arzt und Patient muss es, nicht zuletzt aufgrund der positivrechtlich normierten ärztlichen Schweigepflicht, zwangsläufig dogmatisches Unbehagen bereiten, pauschal einen Dritten zum automatischen Teilhaber dieser Vertragsbeziehung zu erklären, sei es auch der Ehegatte. Die h.M. sah sich denn auch genötigt, die aus § 1357 BGB folgende Beteiligung des Ehegatten auf eine reine Mithaftung für das Honorar zu beschränken und ihn ansonsten von den Rechten (und Pflichten) des Behandlungsvertrages auszunehmen, ihm also insbesondere keinen Anspruch auf Kenntnis von Details der Behandlung einzuräumen.97 Dieser Standpunkt ist jedoch äußerst zweifelhaft, schon weil die ärztliche Schweigepflicht es an sich grundsätzlich verbietet, Dritten überhaupt Kenntnis von der Behandlung zu geben.98 Die auf den ersten Blick vielleicht verlockend einfach scheinende Prämisse von der Trennung zwischen der wirtschaftlichen und der medizinischen Seite des Geschehens vermag aber noch weniger zu überzeugen, wenn man die theoretischen Folgeprobleme für das Leistungsstörungsrecht bedenkt, in dem sich die beiden Bereiche zwangsläufig überschneiden: Wie soll der Ehegatte die Voraussetzungen eines etwaigen Leistungsverweigerungsrechts (etwa wegen Schlechterfüllung) beurteilen können, wenn er vom eigentlichen Vertragsgegenstand kategorisch ausgeschlossen bleibt?99 Dass eine solche „exklusive Zweierbeziehung“ mit einem Dritten als „Zahlburschen“ keine Ideallösung dar96 Döring FamRZ 1958, 358, 360 (zur früheren Fassung der Norm); Peter NJW 1993, 1949, 1952; Holzhauer JZ 1985, 684, 685; Ramm, Familienrecht, Bd. I S. 137; differenzierend Büdenbender FamRZ 1976, 662, 672; Vgl. auch LG Stuttgart NJW 1961, 972 zu § 1357 a.F.; AG München FamRZ 1986, 62. 97 Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 30; Schwab, Familienrecht, § 26 Rdn. 161; Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff, S. 928. Die Rechnungszustellung soll insbesondere keinen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht darstellen, Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 24 (ferner: die Erfassung des Behandlungsvertrages durch § 1357 BGB sei „inzwischen ganz h.M.“) . Auch BVerfGE 81, 1 ff. geht ersichtlich hiervon aus. Anders Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 54: Dem Ehegatten stünden wegen § 1357 BGB vertragliche Informationsrechte zu, er sei aber gem. § 1353 I S.2 BGB gehalten, die Intimsphäre des Partners zu beachten, so dass faktisch dann doch wieder eine Trennung der vermögensrechtlichen und der persönlichkeitsrechtlichen Sphäre eintrete. 98 Lenckner in Schönke/Schröder § 203 Rdn. 7; BGH NJW1991, 2955, 2957; OLG Bremen MedR 1984, 112; OLG Oldenburg NJW 1982, 2615; 1992, 758; OLG Karlsruhe NJW 1984, 676 (§ 203 StGB untersage praktisch jegliche nicht konsentierte Weitergabe von den Patienten identifizierenden Angaben). 99 Ihn auf Informationen von Seiten des Ehepartners zu verweisen, hilft nicht unbedingt weiter, wenn ursprünglich zwar die Voraussetzungen des § 1357 BGB erfüllt waren, das Ehepaar aber mittlerweile getrennt oder schon in Scheidung lebt, wie der Sachverhalt von OLG Schleswig NJW 1993, 2996 veranschaulicht.
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stellt, stellen die mannigfaltigen Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung tagtäglich unter Beweis: Die Möglichkeiten der Kassen zur Überprüfung der ärztlichen Leistungen, insbesondere ihrer medizinischen Indikation, sind bekanntlich angesichts eines fehlenden umfassenden Einsichtsrechts äußerst beschränkt.100 Der Vergleich soll hier nicht weiter verfolgt werden, es sei nur der Hinweis erlaubt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Dogmatik nicht ohne Not solche hinkenden Rechtsbeziehungen zur Entstehung bringen sollten.101 Die unvermeidliche Benachteiligung des Drittbeteiligten lässt sich nur schwerlich rechtfertigen.102 Wer die ärztliche Behandlung hingegen bereits generell aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herausnimmt, befindet sich bei der dann gegebenen Anwendbarkeit der GoA-Regeln nicht in der gleichen Begründungsnot: Da auch die eheliche Unterhaltspflicht der §§ 1360 ff. BGB die Verschaffung ärztlicher Leistungen beinhaltet,103 könnte wiederum auf die spezielle Norm des § 679 2. Alt. BGB abgestellt werden. Die bereits erörterte besondere Interessensstruktur der Vorschrift erlaubt es, den unterhaltsverpflichteten Ehepartner als bloßen Honorarschuldner (direkt) in Regress zu nehmen, ohne ihm im Gegenzug alle vertraglichen Rechte zukommen zu lassen (was, nebenbei bemerkt, bei Anwendung der „echten“ GoA angesichts des in §§ 681, 666 BGB geregelten Pflichtenprogramms nur mit Mühe zu begründen wäre)104. Die Unterhaltsschuld des Ehegatten stellt schließlich auch einen tragfähigen und in der Natur dieser besonderen gesetzlichen Verpflichtung liegenden Grund für ein derartiges „hinkendes“ Rechtsverhältnis dar, welches sich dann auch nicht, wenig glaubhaft, als Vertragsbeziehung gerieren muss. Vom Gesetzeszweck des § 1357 BGB hingegen lässt sich diese Eignung schon deshalb nicht behaupten, weil über ihn gar keine Einigkeit zu erzielen ist: Die früher für maßgeblich gehaltene Erleichterung der Haushaltsführung stellt, wie bereits erwähnt, nach der Aufhebung des Funktionszusammenhangs zu § 1356
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Dazu Steinhilper/Plagemann in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 11 D. 101 Die von der h.M. befürwortete Einbeziehung des Behandlungsvertrages und die daraus bewirkte vertragliche Gesamtschuldnerstellung der Ehegatten ist schließlich auch in der weiteren Umsetzung zweifelhaft: Nach einer Ansicht soll der über die Norm automatisch mitverpflichtete Ehegatte für die Entwicklung des Schuldverhältnisses nicht „zuständig“ sein, insbesondere also keine Gestaltungsrechte ausüben dürfen, vgl. Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 34. Nach der vorzugswürdigen Gegenansicht muss diese Vorgehensweise hingegen „eine eigenartige Gesamtschuld mit Gesamtschuldnern unterschiedlichen Rechts“ produzieren, für die jeder Anhaltspunkt im Gesetz fehle, da § 1357 BGB beide Ehegatten gleichsetze, vgl. Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 27. 102 Damit steht es nicht im Widerspruch, wenn man eine (formularmäßige) Mitverpflichtungserklärung des Ehegatten für möglich hält, denn dann entsteht die eingeschränkte Vertragsbeteiligung wenigstens aufgrund eigenständigen rechtsgeschäftlichen Handelns. 103 Seiler in MüKo § 679 Rdn. 10, 11; Gehrlein in Bamberger/Roth § 679 Rdn. 5. 104 Beim privilegierten Rückgriff gem. § 679 2. Alt. BGB besteht nicht zwingend eine (etwa personensorgerechtliche) Zuständigkeit des Geschäftsherrn (Unterhaltsschuldner) für den Gegenstand der Geschäftsführung, man muss daher auch nicht die § 681, 666 ff. BGB streng zur Anwendung bringen.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
BGB keinen allgemein anerkannten Gesetzeszweck mehr dar.105 Mit unterschiedlichen Begründungen werden als möglicher Gesetzeszweck nunmehr der Gläubigerschutz genannt, die Erhöhung der Kreditwürdigkeit der Familie, die wirtschaftliche Chancengleichheit in der Familie bzw. die Stärkung des nicht erwerbstätigen Ehegatten zugunsten einer gleichberechtigten Funktionsteilung.106 Keiner dieser Erklärungsansätze ist über jeden Zweifel erhaben und das für die Anwendung des § 1357 BGB aufgestellte Postulat von der Maßgeblichkeit des Familienunterhalts nach §§ 1360, 1360 a BGB ist nicht nur nicht unumstritten sondern wird auch nicht konsequent durchgehalten, wie noch im Anschluss zu erörtern sein wird. Der oftmals genannte Gläubigerschutz ist jedenfalls eine denkbar ungeeignete Grundlage dafür, dem Ehegatten des Patienten nur die Kostentragungspflicht des Vertrages mit aufzuerlegen, ihm aber keine entsprechenden Vertragsrechte zukommen zu lassen. Mit § 679 2. Alt. BGB ist hingegen eine Anspruchsgrundlage vorhanden, deren Gesetzeszweck diese unvollkommene, auf die Honorarhaftung beschränkte Beteiligung des anderen Ehegatten zu tragen mag: Mit dieser Vorschrift wird, wie bereits erwähnt, eindeutig der Unterhaltsgestor privilegiert, die Norm soll insbesondere Anreize dafür setzen, dass die geschuldeten Unterhaltsleistungen überhaupt erbracht werden, sei es auch von Dritten. Es spricht somit viel dafür, die ärztliche Behandlung insgesamt vom Anwendungsbereich des § 1357 BGB auszunehmen. Freilich ist zu bemerken: Auch für den ärztlichen Unterhaltsrückgriff nach GoARecht gilt die ärztliche Schweigepflicht, dieser Regressweg hat aber gegenüber § 1357 BGB den Vorzug, dass er nicht die dogmatische Behauptung der vollständigen Vertragsbeteiligung eines Dritten aufstellen muss, die in der Sache unhaltbar ist. Auch für den ärztlichen Rückgriff nach § 679 2. Alt. BGB ist die Behandlungsseite auf eine ausdrückliche, stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten zur Weitergabe der betreffenden Informationen angewiesen.107 f) Nichtanwendbarkeit des § 1357 BGB auf bestimmte ärztliche Leistungen? Vereinzelt wurde die ärztliche Behandlung nicht insgesamt, sondern nur in Teilbereichen vom Kreis der nach § 1357 BGB gegenüber dem Ehepartner abrechnungsfähigen Geschäfte ausgenommen: Das OLG Köln wollte etwa den anlässlich einer (lebensnotwendigen!) Krankenhausbehandlung abgeschlossenen Vertrag mit selbstliquidierenden Ärzten nicht mehr als von § 1357 BGB erfasstes Rechtsge105
Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 8; Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 9, dazu noch unten, D I. f. 7. bb. 106 Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 8 m.w.N. 107 Dies bereitet allerdings keine Schwierigkeiten bei solchen Unterhaltsschuldnern des Patienten, die ohnehin vom Behandlungsgeschehen (mehr oder weniger) Kenntnis haben, etwa, weil sie den Patienten ins Krankenhaus begleitet haben. Hier wird man eine stillschweigende oder zumindest eine mutmaßliche Einwilligung in die zum Zwecke einer Kostenabrechnung erfolgende Tatsachenmitteilung annehmen dürfen (auf das Einverständnis des Patienten mit der Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber seinen Angehörigen kommt es natürlich nicht an).
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schäft ansehen.108 Die im Ergebnis richtige Entscheidung ist allerdings in ihrer Begründung auf berechtigte Kritik gestoßen und vom BGH denn auch verworfen worden.109 Dass der Ehepartner des Patienten sich in einer prekären finanziellen Lage befindet, rechtfertigt es nicht, bestimmte ärztliche Leistungen gleich generell vom Anwendungsbereich des § 1357 BGB auszunehmen, vielmehr stellt sich hier die Frage nach der richtigen Tatbestandshandhabung im konkreten Einzelfall: Die fehlende Leistungsfähigkeit des verklagten Ehepartners soll dabei grundsätzlich ebenso zu berücksichtigen sein wie der Umstand, dass das betreffende Geschäft nicht dem Lebensstandard der Familie entspricht.110 Den Einwand, dass der Tatbestand des § 1357 BGB eine derartige Einzelfallbetrachtung nicht erlauben würde, lässt die Rechtsprechung nicht gelten, der BGH verortet diese Kriterien zum einen bei der „Angemessenheit“ des Geschäfts, zum anderen in § 1357 I S.2 2.Hs. BGB („es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt“).111 Dieses nur scheinbare Normdefizit dürfte denn auch der eigentliche Grund gewesen sein, wieso das OLG Köln112 sich veranlasst sah, die mittlerweile auf Sozialhilfe angewiesene Ehefrau des Patienten nicht gem. § 1357 BGB mithaften zu lassen. Für eine solche, bereits generelle Ausgrenzung bestimmter ärztlicher Leistungen fehlen letztlich auch nachvollziehbare und willkürfreie Kriterien, das im Grunde nur um ein billiges Ergebnis bemühte OLG Köln lieferte sie in seiner Urteilsbegründung jedenfalls nicht. Richtigerweise kann sich ein Anwendungsbereich der ärztlichen Ehegatten-GoA also nicht daraus ergeben, dass bestimmte ärztliche Leistungen generell nicht nach § 1357 BGB ersatzfähig wären und insoweit eine durch die GoA zu schließende Lücke im Regelungsbereich der Schlüsselgewalt eröffnen würden.113
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OLG Köln NJW 1981, 637.Unklar ist, ob die Entscheidung auf den ungewöhnlichen Anlass der Behandlung abstellt (kein alltägliches Geschäft) oder auf ihren stationären Charakter. Letzteres wäre angesichts der zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung kaum noch ein sachlich nachzuvollziehendes Abgrenzungskriterium. 109 BGHZ 116, 184 = NJW 1992, 909, 910. Auch andere Entscheidungen lassen mit großer Selbstverständlichkeit die Krankenhausbehandlung dem § 1357 BGB unterfallen, vgl. etwa LG Freiburg NJW 1976, 375; BGHZ 94, 1 ff. = NJW 1985, 1394, 1395 wendet sich ausdrücklich gegen Versuche, § 1357 BGB (im Hinblick auf die ärztliche (Krankenhaus-) Behandlung) restriktiv auszulegen. 110 BGHZ 116, 184 = NJW 1992, 909, 910; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 26. Diese Ansicht folgt natürlich dem unterhaltsrechtlichen Verständnis des § 1357 BGB, das sogleich noch zu erörtern ist. 111 BGHZ 116, 184 = NJW 1992, 909, 910; Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff, S. 928. 112 OLG Köln NJW 1981, 637. 113 Man wird sogar (teilweise) umgekehrt sagen dürfen: Eine medizinisch indizierte, unaufschiebbare ärztliche Behandlung dient unabhängig von der Höhe der Kosten grds. der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, vgl. BGHZ 116, 184 = NJW 1992, 909, 910; OLG Düsseldorf MDR 1989, 914; OLG Schleswig NJW 1993, 2996; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 24.
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g) Nichtanwendbarkeit des § 1357 BGB im konkreten Einzelfall: Tatbestandliche Deckungsgleichheit von Mithaftung gem. § 1357 BGB und Unterhaltsregress gem. § 679 2. Alt. BGB? (1) Überblick Wer der h.M. folgt, die den ärztlichen Behandlungsvertrag grundsätzlich zum Kreis der von § 1357 BGB erfassten Rechtsgeschäfte rechnet, wird sich mit der Frage befassen müssen, ob die ärztliche Ehegatten-GoA jedenfalls dann anwendbar ist, wenn die Subsumtion unter § 1357 BGB an Umständen des konkreten Einzelfalles scheitert. Die Entscheidung hierüber hängt davon ab, ob der in § 1357 BGB normierte Tatbestand („Geschäfte zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs“) mit der für § 679 2. Alt. BGB maßgeblichen Unterhaltspflicht der §§ 1360, 1360 a BGB („der angemessene Unterhalt der Familie“) deckungsgleich ist. Wenn dies der Fall wäre, könnte eine ärztliche Behandlung, für die der Ehepartner schon nicht nach § 1357 BGB mitverpflichtet wird, gegenüber dem Ehepartner des Patienten logischerweise auch nicht über den ärztlichen Unterhaltsrückgriff gemäß § 679 2. Alt. BGB liquidiert werden. Die Möglichkeit einer Deckungsgleichheit der beiden Tatbestände mag zunächst seltsam anmuten, da ein doppeltes Vorhandensein von Anspruchsgrundlagen für ein und denselben Sachverhalt im Zivilrecht die absolute Ausnahme ist (eine völlige Tatbestandsparallelität ergibt sich ja nicht einmal in den häufigen Fällen der in einem Vertragsverhältnis begangenen deliktischen Handlung, die zugleich eine positive Vertragsverletzung darstellt). Abgesehen von dem für § 1357 BGB erforderlichen Vertragsschluss mit dem Unterhaltsberechtigten ist die Deckungsgleichheit der Tatbestände aber tatsächlich zu bejahen, da die h.M., wie gleich zu erörtern ist, für § 1357 BGB die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Eheleute heranzieht, die im Rahmen des § 679 2. Alt. BGB ebenfalls maßgeblich sind. Wie bereits angesprochen, gibt es beim Unterhaltrückgriff ohnehin nicht nur einen allein richtigen rechtstechnischen Weg, vielmehr kommt hier eine Abwicklung über u.a. cessio legis (falls positivrechtlich normiert), GoA und Bereicherungsrecht gleichermaßen in Betracht.114 Dass der privilegierte Unterhaltsrückgriff nach GoA-Recht ohnehin eine weithin verkannte Sonderregelung darstellt, deren Bedeutung in der Rechtsprechung und im familienrechtlichen Schrifttum abgenommen hat, wurde bereits erwähnt. Es drängt sich der Schluss auf, dass die Norm bei der Neuregelung des § 1357 BGB und der seitdem geführten Diskussion nicht ausreichend berücksichtigt wurde, wo doch schon im Hinblick auf den Gesetzeszweck der Neuregelung erhebliche Unsicherheit herrscht.115 Der Versuch einer Abstimmung der beiden Normen erfordert es daher, zu klären, wann genau ein Rechtsgeschäft dem § 1357 BGB unterfällt und wann nicht mehr. Vom arztrechtlichen Standpunkt aus ist dies übrigens schon deswegen interessant, weil der BGH seine maßgeblichen Überle114
Siehe oben, V A 1., 2. Im Übrigen entspricht es sozusagen der Tendenz der GoA, dass sie sich mit anderen ggf. speziellen bzw. erst nach Erlass des BGB normierten Anspruchsgrundlagen überschneidet. Dass Wollschläger sogar eine weitgehende Deckungsgleichheit von GoA und Bereicherungsrecht annimmt, wurde bereits erörtert.
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gungen zur geltenden Fassung des § 1357 BGB anlässlich einer Klage wegen einer Krankenhausbehandlung entwickelt hat.116 (2) Geschäft im Sinne des § 1357 BGB Es ist streitig, wie im Einzelfall die Angemessenheit eines Geschäfts i.S.d. § 1357 BGB zu bestimmen ist. Die Antwort hängt untrennbar mit der ebenfalls streitigen Frage nach dem Gesetzeszweck der zum Jahre 1977 neu ausgestalteten Norm zusammen. Der Reformgesetzgeber sah in der Drittverpflichtungsbefugnis (nach wie vor) den Zweck, denjenigen Partner, der den Haushalt führt, mit den dafür erforderlichen Mitteln auszurüsten.117 Die Reform soll also nach diesem Verständnis lediglich das überholte gesetzliche Leitbild aufheben, wonach typischerweise die Frau den Haushalt führe (§ 1356 a.F.). § 1357 BGB erleichtere nunmehr demjenigen Partner seine Aufgabe, dem nach der entsprechenden Abrede der Ehegatten gem. § 1356 I S.1 BGB n.F. die Haushaltsführung obliegt. In der Regierungsbegründung wird aber zudem noch der Gläubigerschutz als Gesetzeszweck genannt.118 Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Neuregelung die wirtschaftliche Chancengleichheit in der Familie verwirkliche, da sie dem einen Ehegatten die Möglichkeit eröffne, die Bonität des anderen Ehegatten im Rechtsverkehr zu nutzen.119 Nicht wenige Autoren stehen aber auf dem Standpunkt, dass § 1357 BGB sachlich nicht gerechtfertigt sei.120 Nach dem Verzicht auf ein gesetzliches Ehe-Leitbild hätte der Gesetzgeber die schon früher in ihrer praktischen Relevanz fragliche Schlüsselgewalt ersatzlos streichen können, stattdessen habe er das Rechtsinstitut ausgedehnt und damit eine völlig neue und in unserem Recht einzigartige Gläubigerbevorteilung geschaffen.121 Nirgendwo sonst finde sich „die 116
BGHZ 94, 1 ff. = NJW 1985, 1394, 1396. BT-Drucks. 7/650, S.98 ff. 118 BT-Drucks. 7/650, S.98 ff. 119 Lange in Soergel § 1357 Rdn. 2. Gernhuber/Coester-Waltjen § 19 IV 3 Fn.3 halten diesen Erklärungsversuch für lebensfremd. 120 Gernhuber/Coester-Waltjen § 19 IV 3. Büdenbender FamRZ 1976, 662, 664, 665; Käppler AcP 179 (1979, 245, 256: „nicht verfassungswidrig, jedoch rechtspolitisch verfehlt“); Bosch NJW 1987, 2617, 2627; ähnlich Struck AcP 187 (1987), 404, 411 ff. 121 Käppler (AcP 179 (1979), 245, 247, 255) weist im Anschluss an Gernhuber zutreffend darauf hin, dass die Ermöglichung der Haushaltsführung schon immer ein untaugliches Argument gewesen sei, da der allein den Haushalt führende Ehepartner die hierfür erforderlichen Rechtsgeschäfte auch ohne eine besondere gesetzliche Ermächtigung führen kann: Für Bargeschäfte des Alltags wird der Ehepartner in jedem Fall Unterhaltsvorauszahlungen zur Verfügung stellen müssen, § 1357 BGB hilft hier (bis heute) überhaupt nicht (das bei § 1357 BGB stets angesprochene „Anschreibenlassen“ sieht Käppler schon im Jahre 1979 als kaum noch relevant an, heutzutage dürfte ein entsprechender Wunsch, etwa im Lebensmittelgeschäft, wohl nur noch auf ungläubige Verwunderung stoßen). Bei bedeutenderen Geschäften wird sich der vorleistende oder kreditgebende Geschäftspartner hingegen nie mit dem Verweis auf § 1357 BGB begnügen sondern die ausdrückliche Einbeziehung des anderen Ehegatten einfordern. Diese Ausführungen wird man auch im Hinblick auf die Krankenhausbehandlung gelten lassen können: Meistens stehen hier besondere ärztliche Zusatzleistungen im Streit und die Krankenhäuser sind ersichtlich bemüht, sich nicht auf § 1357 117
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Figur des aufgedrängten Zweitschuldners, um den sich der Gläubiger nicht bemühte, ja den er nicht einmal erwartete“.122 Die Neuregelung des § 1357 durch das 1. EheRG sei daher unzureichend durchdacht.123 Das BVerfG124 musste sich bereits mit der Neuregelung beschäftigen, hatte aber natürlich „nur“ die Verfassungsmäßigkeit der Norm, nicht aber ihre rechtspolitische Berechtigung zu überprüfen. Die Entscheidung des Gerichts über die Unbedenklichkeit der neuen Schlüsselgewalt stieß vielfach auf Kritik des sich unverstanden fühlenden Familienrechtsschrifttums: Es sei wenig hilfreich, wenn das BVerfG125 in bloßer Wiederholung der Regierungsbegründung den Sinn der Regelung hauptsächlich darin sieht, den haushaltsführenden Ehegatten für seine Aufgabe auszurüsten.126 Dieser frühere Funktionszusammenhang zwischen § 1356 BGB und § 1357 BGB sei mit der Ersetzung des „häuslichen Wirkungskreises“ durch die „Geschäfte zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs“ in § 1357 BGB n.F. gerade aufgehoben worden.127 Dass der Reformgesetzgeber selbst den von ihm beschlossenen Abschied von der tatbestandlichen Maßgeblichkeit der Haushaltsführung derart verkenne, stelle bereits eine bemerkenswerte handwerkliche Ungereimtheit des 1. EheRG dar.128 Dass das BVerfG die insofern kaum haltbare Regierungsbegründung bloß wiederhole und im Übrigen den dort ebenfalls genannten, nunmehr von vielen Autoren teleologisch für allein maßgeblich erachteten aber in seinen starken Wirkungen problematischen Gläubigerschutz kaum würdige, lasse seine Argumentation nur noch „antiquiert“ wirken.129 Es verbleibe insgesamt nur die Deutung des § 1357 n.F. BGB als „eigenartige Rechtsmacht“.130 Diese unterschiedlichen Meinungen zum Gesetzeszweck des § 1357 BGB finden sich natürlich auch in der Diskussion um die richtige Handhabung des Tatbestandes im Einzelfall wieder: Überwiegend wird angenommen, dass die Norm nunmehr an die §§ 1360, 1360 a BGB anknüpfe oder sich zumindest daran orientiere, was als ein angemessenes Geschäft gem. BGB zu verlassen, sondern die Ehegatten über formularmäßige Gesamtschuldnererklärungen in die entsprechenden Vereinbarungen mit einzubeziehen. 122 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 19 IV 3. 123 Käppler AcP 179 (1979), 245, 251. 124 BVerfGE 81, 1 ff. = NJW 1990. 175. 125 BVerfGE 81, 1 ff. = NJW 1990. 175, 176. 126 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 19 IV 3. 127 Käppler AcP 179 (1979), 245, 252 ff. 128 Käppler AcP 179 (1979), 245, 251. 129 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 19 IV 3; kritisch zur Entscheidung des BVerfG auch Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12 („bedenklich insoweit“). Ganz anders Wacke NJW 1979, 2585, 2587. 130 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 19 IV 4, 5 (die Autoren verwerfen noch andere, denkbare Erklärungsansätze wie die „Organschaft für die „Ehegemeinschaft“ (da ein neben den Ehegatten bestehendes Rechtssubjekt fehle) oder die Parallele zum „objektbezogenen Handeln bestimmter Vermögensverwalter“, die nur für die alte Fassung der Norm zugetroffen habe); ähnlich Schellhammer, Familienrecht, Rdn. 68 („Seltsame Konstruktion“). Die Wertung als „Rechtsmacht eigener Art“ gilt nicht nur für den zweifelhaften Gesetzeszweck sondern auch für die nähere dogmatische Struktur, denn mit stellvertretungsrechtlichen Regeln lässt sich die Norm nicht zufriedenstellend erklären, vgl. statt vieler Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 4.
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§ 1357 BGB anzusehen ist, soll sich also nach dem in diesen Normen geregelten Familienunterhalt richten.131 Dieser wiederum bemisst sich nach den tatsächlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Eheleute.132 Bisweilen wird aber einschränkend angenommen, dass der Kreis der von § 1357 BGB erfassten Rechtsgeschäfte weniger weit sei als der nach §§ 1360, 1360 a BGB geschuldete Familienunterhalt: Wacke zufolge sollen die Tatbestandsmerkmale „angemessen“ und „Bedarf“ in § 1357 BGB restriktiver auszulegen sein als in den §§ 1360, 1360 a BGB, denn die aus der Schlüsselgewalt resultierende Mitverpflichtungsbefugnis verschaffe dem vertragsschließenden Ehegatten ja immerhin ein Selbstbestimmungsrecht, durch das „der Ehepartner vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnte“, sowohl für die Anschaffung von Luxusartikeln wie für (den arztrechtlich relevanten) Sonderbedarf (§§ 1360 a III, 1613 II BGB) sei daher eine einschränkende Auslegung des § 1357 BGB geboten.133 Dieser restriktive Ansatz stellt also darauf ab, dass bei bestehender Ehe und Zusammenleben der Ehegatten der geschuldete Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB gegenüber anderen unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen wie etwa dem nachehelichem Ehegattenunterhalt (§§ 1569 ff. BGB) oder dem Kindesunterhalt (§§ 1601 ff. BGB) durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, dass hier eine Bedarfsgemeinschaft mit wechselseitigen Ansprüchen besteht, die regelmäßig auch die Bedürfnisse des Unterhaltsschuldners selbst zum Gegenstand hat (!) und vom Grundsatz des freien Einvernehmens über die Art und Weise der Unterhaltleistungen geprägt ist.134 § 1357 BGB entfaltet aber, zumindest in den Konturen, welche die Norm durch die Rechtsprechung erfahren hat, auch Rechtsscheinsschutz, wodurch der geschilderte Konnex mit dem Unterhaltsrecht wieder aufgehoben bzw. der Kreis der erfassten Geschäfte wieder erweitert wird: Der Schutz des auf den äußerlich erkennbaren Lebensstil vertrauenden Rechtsverkehrs soll es im Einzelfall rechtfertigen können, auch solche Geschäfte des einen Ehegatten unter § 1357 BGB zu fassen, 131
Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 928 m.w.N. Voppel in Staudinger § 1360 a Rdn. 3; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12: „Dazu können natürlich, je nach Familie, auch „anspruchvollste Bedürfnisse“ gehören. 133 Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 19; vgl. aber auch ders. NJW 1979, 2585, 2588. Keine Einigkeit besteht darüber, ob der Anwendungsbereich der Norm allgemein durch eine dahingehende Formel einzuschränken ist, dass solche Geschäfte ausgeschlossen sind, über die eine „vorherige Verständigung der Eheleute“ notwendig erscheint und i.d.R. auch stattfindet. Dazu Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12. Zur Einordnung medizinischer Leistungen als unterhaltsrechtlichem Sonderbedarf näher unten. Nach allgemeiner Auffassung umfasst der Familienunterhalt jedenfalls eine angemessene Krankheitsvorsorge, etwa durch Aufrechterhaltung einer gesetzlichen Krankenversicherung, bei (gemeinsam) Privatversicherten soll der unterhaltsberechtigte Ehegatte gegen den mit der Versicherung abrechnenden unterhaltspflichtigen Ehegatten im Innenverhältnis einen Freistellungsanspruch haben, der sich nach der Abtretung an den Gläubiger in einen Zahlungsanspruch verwandelt, vgl. Voppel in Staudinger § 1360 a Rdn. 33. Ob im Innenverhältnis der Ehegatten aber wirklich derart individualisierbare Ansprüche bestehen, ist streitig, siehe dazu sogleich. 134 Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 40, § 1360 Rdn. 17 ff.; Die sonst im Unterhaltsrecht geltenden Begriffe wie Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit, Unterhaltsquote und Selbstbehalt sind aufgrund dieser Besonderheit beim Familienunterhalt allenfalls mit Vorsicht heranzuziehen, vgl. Scholz in Wendl/Staudigl § 3 Rdn. 1. 132
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die in ihrem Zuschnitt die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie übersteigen und daher nicht gem. §§ 1360, 1360 a BGB zum Familienunterhalt zu zählen sind.135 Der BGH und Teile der Literatur gehen somit davon aus, dass die „Angemessenheit“ eines Geschäfts sich im Einzelfall auch nach dem äußerlich erkennbaren aber irreführenden Zuschnitt des individuellen Haushalts bestimmen kann, da § 1357 BGB auch den Schutz des sich daran orientierenden Geschäftsverkehrs bezwecke.136 Wer entgegen der wahren wirtschaftlichen Verhältnisse erkennbar auf großem Fuß lebt, soll sich nach dieser Ansicht also auch daran festhalten lassen müssen. Andere Autoren meinen hingegen, dass die Anwendung des § 1357 BGB nicht zur Mitverpflichtung des Ehegatten für solche Geschäfte führen könne, die über den Familienunterhalt hinausgehen.137 Nach anderer Ansicht ist schon das unterhaltsrechtliche Ausgangsverständnis der h.M. gänzlich verfehlt, da § 1357 BGB ersichtlich der hierfür erforderlichen Tatbestandsmerkmale ermangele.138 Vor allem werde dieses Verständnis aber gar nicht konsequent durchgehalten, wenn die Rechtsprechung in der geschilderten Weise beständig Verträge, die mit dem unterhaltsrechtlichen Bedarf der betreffenden Familie gar nicht zu vereinbaren waren, unter § 1357 BGB fasst.139 Die Gerichte würden in derartigen Fällen dazu neigen, § 1357 BGB uneingestanden nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zu behandeln, womit sich die Situation der jeweils betroffenen Gläubiger allerdings auch präziser erfassen lasse.140 Es sei daher methodenehrlicher, die unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für wünschenswert befundenen Ergebnisse aus diesen Rechtsinstituten abzuleiten.141 (3) Konsequenzen für die GoA Die soeben dargestellte Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum greift für die Handhabung des Tatbestandes der Schlüsselgewalt auf „Bestandteile verschiedener Formeln“142 zurück, was die Abstimmung mit der GoA aber nur scheinbar verkompliziert. Die wesentlichen Argumentationslinien gelten auch für den Un135
BGHZ 94, 1, 6 ff. = NJW 1985, 1394, 1395; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12. BGHZ 94, 1, 6 ff. = NJW 1985, 1394, 1395; Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12. 137 Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 18, 41 ausdrücklich gegen BGHZ 94, 1 ff. („ist nicht der Empfängerhorizont des Geschäftspartners des Gatten entscheidend…da § 1357 BGB nicht primär Gläubigerschutzinteressen dient.“); Käppler AcP 179 (1979), 245, 281. 138 Struck AcP 187 (1987), 404, 411: „Man kann nun eine ganze Liste von Merkmalen als Unterhaltsrecht aufmachen, die sich alle in § 1357 BGB nicht wieder finden. Es fehlt an allen zentralen Elementen des Unterhaltsrechts, nämlich an einer adäquaten Berücksichtigung des Bedarfs, der Bedürftigkeit, der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und an der Eignung dieser vorgeblich unterhaltsrechtlichen Norm, in den entscheidenden familiären Konfliktsituationen den ehegemäßen Unterhalt durchsetzbar zu machen.“ 139 Struck AcP 187 (1987), 404, 411 ff. 140 Struck AcP 187 (1987), 404, 415. 141 Struck AcP 187 (1987), 404, 415. Diese Kritik fußt auf der Überzeugung, dass § 1357 BGB eine verfassungswidrige Benachteiligung von Eheleuten darstellt, Struck ist daher auch nicht bemüht, eine dogmatische Erklärung für die Tatbestandsstruktur der Norm zu liefern. 142 Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 12. 136
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terhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB, die Diskussion lässt sich daher spiegelbildlich im Rahmen des GoA-Rechts führen: § 679 2. Alt. BGB stellt an sich, wie bereits erörtert, einen gesetzlich geregelten Spezialfall der Tilgung einer fremden Verbindlichkeit (Unterhaltspflicht) dar. Wer dieses Prinzip streng durchführen will, wird dem Unterhaltsgestor über §§ 679 2. Alt., 683 BGB BGB Ersatz nur derjenigen Aufwendungen zusprechen, die auch unterhaltsrechtlich geschuldet waren. Dies entspricht exakt der „Forderungsidentität“ bei gesetzlichem Übergang des Unterhaltsanspruchs bzw. den Grundsätzen bei der Unterhaltsrückgriffskondiktion: Alles, was über die fremde Verbindlichkeit hinausgehend geleistet wird, muss gegebenenfalls beim Empfänger selbst kondiziert werden, der ursprüngliche Schuldner kann insofern nicht bemüht werden.143 Wer dieses Prinzip hingegen nicht streng durchführt, wird gemäß §§ 683, 670 BGB auf diejenigen Aufwendungen abstellen, die der Unterhaltsgestor den Umständen nach für erforderlich halten durfte, was (sehr) theoretisch auch Irrtümer über den Lebensstandard der Ehegatten und das Maß der daraus folgenden Unterhaltsschuld mit einschließen könnte. Hier stellt sich wie bei § 1357 BGB das Problem des Vertrauens auf einen bestimmten Rechtsschein. Es darf aber mit Berechtigung gefragt werden ob dieses Problem nicht schon bei § 1357 BGB bloß theoretischer Natur ist.144 Da § 670 BGB eine Prüfung der Erforderlichkeit vom „Standpunkt eines verständigen Dritten“ aus verlangt,145 wird man alles, was über einen unabdingbaren Bedarf hinaus geleistet wird, nur unter sehr engen Voraussetzungen für erstattungsfähig erklären dürfen, selbst wenn es dem unterhaltsrechtlich relevanten Lebenszuschnitt entspricht. Für die ärztliche Behandlung lässt sich sagen, dass die „Regressfähigkeit“ ärztlicher Leistungen (sowohl im Rahmen des § 1357 BGB als auch beim Unterhaltsrückgriff nach §§ 679 2. Alt., 683, 670 BGB) bei der medizinischen Basisbehandlung überhaupt nicht zu hinterfragen ist, umgekehrt dürfte sie aber regelmäßig zu verneinen sein für besondere ärztliche Wahlleistungen im Krankenhaus,146
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Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 745 ff., 925: „Dabei ist unvermeidlich, dass in bestimmtem Umfang unterhaltsrechtliche Elemente in die Regreßansprüche implantiert werden müssen; bei der Legalzession geschieht dies ebenfalls über die Forderungsidentität.“ 144 Prägnant zu dieser,dem Wortlaut nach an sich in § 670 BGB vorgesehenen überschießenden Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen Czub in Bamberger/Roth § 670 Rdn. 11: „Der als Erweiterung der Erstattungspflicht über den tatsächlichen Aufwand hinaus gedachte Satzteil wird meist als Grund für die Versagung des Ersatzes angewendet“. 145 Andere als objektiv notwendige, mit der Besorgung des Geschäfts untrennbar verbundenen Aufwendungen sind nur zu ersetzen, wenn der Beauftragte sie auf Grund sorgfältiger, den Umständen nach gebotener Prüfung für erforderlich halten durfte, vgl. BGHZ 95, 375, 388 = NJW 1986, 310, 313 (Leistung auf Bürgschaft trotz Einredemöglichkeit); BGH NJW 1989, 1284, 1285 (Rechtsstreit mit Dritten); Czub in Bamberger/Roth § 670 Rdn. 11. Diese jüngeren Entscheidungen beziehen sich zwar auf eine dem „Beauftragten“ obliegende rechtliche Prüfung, für Tatsachenbeurteilungen darf aber sicher kein geringerer Maßstab gelten, zumal sich bei der Prüfung des geschuldeten Unterhalts beides vermischt. 146 Diese stellen sicher einen geeigneten Anlass zum Rechtsstreit dar, nicht zuletzt waren sie ja auch in BGHZ 94, 1 ff. = NJW 1985, 1394 streitgegenständlich.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
bestimmte zahnärztliche Leistungen und kosmetische Operationen.147 Bei der entsprechenden ärztlichen Tätigkeit findet aber regelmäßig auch gar kein Kontakt mit den sonstigen Lebensverhältnissen des Patienten statt, der es bei anderen Rechtsgeschäften rechtfertigen mag, einen Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs anzunehmen. Es besteht kein Anlass, eine dementsprechende, an sich typischerweise am eigenen Profit orientierte „Erforderlichkeitsentscheidung“ des Arztes noch durch Großzügigkeit bei der Regressdogmatik zu unterstützen. Dass der Patient solche Leistungen ordert, kann allein jedenfalls sicher kein dahingehendes schutzwürdiges Vertrauen des Arztes begründen, dass dies auch dem Lebensstandard und den unterhaltsrechtlichen Verhältnissen des Patienten entspricht. Auch das für eine restriktive Anwendung des § 1357 BGB bemühte Argument der wünschenswerten vorherigen Verständigung zwischen den Eheleuten bzw. der zu vermeidenden Konfrontation des Ehepartners mit vollendeten Tatsachen wird für den Unterhaltsrückgriff nach GoA-Recht relevant: Der Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB stellt, wie bereits erwähnt, auf das Vorhandensein einer Bedarfsgemeinschaft der Ehegatten ab, in der die Verteilung der verfügbaren Mittel grundsätzlich einvernehmlich zu regeln ist, der Unterhaltsschuldner selbst bekommt hier also ein Mitspracherecht.148 Das hieraus für § 1357 BGB abgeleitete „Konfrontationsargument“ verlangt nun aber auch beim ärztlichen Unterhalts147
Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 25. Gegen den auf die Schlüsselgewalt gestützten Ersatz einer aufschiebbaren, besonders kostspieligen Behandlung auch Voppel (in Staudinger § 1357 Rdn. 57), der dies an anderer Stelle aber zum möglichen Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360 a BGB zählt, wenn ein entsprechend gehobener Lebenszuschnitt vorliegt (§ 1360 a Rdn. 11) Auch Scholz (in Wendl/Staudigl § 3 Rdn. 23) zählt Wahlleistungen im Krankenhaus und Zahnersatz richtigerweise ohne weiteres zum Familienunterhalt, wenn ein entsprechender Lebenszuschnitt der Familie vorliegt. Das heißt aber natürlich nicht, dass diese Leistungen beim Regress durch Dritte auch noch begünstigt werden müssen. Bei zahnärztlichen Leistungen und kosmetischen Operationen dürfte allerdings, anders als bei Wahlleistungen im Krankenhaus, gesondert zu untersuchen sein, inwieweit sie (auch/ noch) medizinisch indiziert sind und ob sie nicht ggf. Sonderbedarf gem. § 1613 II BGB darstellen. 148 Voppel in Staudinger § 1360 Rdn. 17. Nach einer weitergehenden Ansicht bestehen beim Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB sogar überhaupt keine individualisierbaren Unterhaltsansprüche der Ehepartner, dies sei bei einem derartigen „Wirtschaften aus einem Topf“ schlicht undenkbar: „Solange und soweit eine solche gemeinsame Wirtschaft geführt wird, ist gerade umgekehrt die Gewährung von Individualunterhalt unmöglich. Bedürfnisbefriedigung ist in einem intakten Familienverband notwendig eine Bedürfnisbefriedigung mit kollektiven Zügen. Demgegenüber setzt Individualunterhalt unausgesprochen voraus, dass jeder für sich allein wirtschaftet“, vgl. Braun AcP 195 (1995), 311, 321. Diese Ansicht ist nicht so unhaltbar, wie es angesichts des scheinbar eindeutigen Anspruchsgrundlagencharakters des § 1360 BGB zunächst wirken mag: Unabhängig von der in jedem Fall nur eingeschränkten Vollstreckbarkeit etwaiger individualisierbarer Unterhaltsansprüche nach § 1360 BGB sind Klagen auf Familienunterhalt in der Praxis selten, da eine solche Geltendmachung wohl nur in einer bereits nachhaltig gestörten Ehe erfolgt, der Regelung kommt eine erhebliche Bedeutung vielmehr deswegen zu, weil die dort normierten ehelichen Pflichten Dritten entgegengehalten werden können, vgl. Scholz in Wendl/Staudigl § 3 Rdn. 4. Für dieses Normverständnis wäre es aber nicht erforderlich, individualisierbare Ansprüche der Ehegatten zu konstruieren.
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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rückgriff über §§ 679 2. Alt., 1360, 1360a BGB Beachtung.149 Dies bedeutet allerdings nicht, dass gleich jeglicher Rückgriff Dritter ausgeschlossen werden muss,150 vielmehr wird man, wie bei § 1357 BGB, nach der Art der erbrachten Familienunterhaltsleistungen differenzieren dürfen: Die Order besonderer ärztlicher Leistungen mag in manchen Familien eine Selbstverständlichkeit darstellen, dem Grundsatz nach handelt es sich aber um eine Angelegenheit, über die eine vorherige Verständigung der Eheleute zu erwarten ist.151 Die unabgesprochene Bestellung solcher Leistungen und die Störung des Familienfriedens sollte man nicht noch dadurch fördern, dass man der Behandlungsseite die direkte Liquidation über den privilegierten Unterhaltsrückgriff deswegen eröffnet, weil die Leistungen tatsächlich dem (gehobenen) Lebenszuschnitt der betreffenden Familie entsprechen.152 149
Wenn man dessen Anwendung nicht ohnehin bereits aufgrund einer anzunehmenden Sperrwirkung des § 1357 BGB oder wegen der Grundsätze zum pflichtengebundenen Geschäftsführer verneinen will 150 Soweit ersichtlich, wird eine derartige generelle Nichtanwendung des § 679 2. Alt. BGB auf den Familienunterhalt nirgends explicit vertreten. In der Konsequenz der von Braun (AcP 195 (1995), 311 ff.) zum Taschengeldanspruch entwickelten Ansicht würde es aber wohl liegen, pauschal den auf die Gewährung von Familienunterhalt gestützten Regress Dritter gänzlich auszuschließen, weil individualisierbare Unterhaltsansprüche der Ehegatten hiernach gar nicht bestehen würden bzw. ihre Pfändung, Vollstreckung oder Geltendmachung durch Dritte im Regress ein unzumutbares Eindringen in die eheliche Bedarfsgemeinschaft und einen unzulässigen Durchgriff auf den Ehegatten des Leistungsempfängers darstellen würde. 151 Für den hier interessierenden Regress wenig hilfreich die unentschiedene Behandlung der Frage bei Voppel in Staudinger § 1360 a Rdn. 11: „Medizinisch nicht notwendige Maßnahmen gehören nur bei Absprache zum Unterhaltsbedarf. Soweit ein den finanziellen Verhältnissen entsprechender, gehobener Lebenszuschnitt vorliegt, dürfte auch eine aufwendigere, den medizinischen Mindeststandard übersteigende Behandlung zum angemessenen Unterhalt zählen (z.B. bei Zahnersatz)“. 152 Das Argument, dass der Familienfrieden ohnehin durch den stets eröffneten nichtprivilegierten Rückgriff des Gläubigers unvermeidlich gestört würde, greift beim Familienunterhalt nur bedingt: Die Möglichkeit, eheliche Unterhaltsansprüche des vertraglich gebundenen Patienten (gemäß §§ 1360, 1360 a BGB) nach Erwirken eines gegen ihn gerichteten Titels zu pfänden und im Überweisungsprozess gegen den anderen Ehegatten durchzusetzen, ist entweder aufgrund der streitigen Frage über die Pfändbarkeit solcher Ansprüche aus vollstreckungsrechtlichen Gründen nur sehr eingeschränkt möglich oder schon aus materiellrechtlichen Gründen kategorisch auszuschließen: Die h.M. nimmt grds. Unpfändbarkeit des Familienunterhalts (auch des darin enthaltenen Anspruchs auf Wirtschaftsgeld) gemäß § 851 ZPO an (str.), macht aber für den von ihr aus dem Familienunterhalt abgeleiteten ehelichen Taschengeldanspruch eine Ausnahme entsprechend § 850 b I Nr.2, II ZPO und eröffnet damit praktisch einen (wenn auch beschränkten) Durchgriff auf den Ehegatten, was aber „kein unzumutbares Eindringen in die Familiengemeinschaft“ darstellen soll, vgl. die Nachweise bei Voppel in Staudinger § 1360 Rdn. 61 ff.; § 1360 a Rdn. 17 ff. (zum Taschengeldanspruch) und Scholz in Wendl/Staudigl § 3 Rdn. 46 ff., 56 ff. Nach anderer Ansicht scheidet ein solcher Durchgriff mangels jeglichen Bestehens eines individualisierbaren Familienunterhaltsanspruchs gänzlich aus, wie Braun (AcP 195 (1995), 311 ff.) anlässlich der Kontroverse um den ehelichen „Taschengeldanspruch“ mit beachtlichen Argumenten darlegt.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
Die gegenseitigen unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen der Ehegatten nach §§ 1360, 1360 a BGB sind auf diese Art der Konfrontation gerade nicht angelegt, was sie von anderen Unterhaltsschulden unterscheidet. h) Nichtanwendbarkeit der Schlüsselgewalt gem. § 1357 III BGB Weiterhin kommt die Kostentragungspflicht des Ehepartners über § 679 2. Alt. BGB dann in Betracht, wenn die Ehegatten getrennt leben, da die gegenseitige Mitverpflichtungsbefugnis nach § 1357 I BGB dann ruht (vgl. § 1357 III BGB).153 Das LG Berlin hat in einem derartigen Fall GoA-Recht für anwendbar gehalten.154 Diesbezügliche Stellungnahmen in der Literatur sind dünn gesät, Seiler sieht hier jedenfalls einen „praktisch bedeutsam“ bleibenden Anwendungsbereich der GoA.155 Damit stellt sich aber wieder die Frage nach der Bedeutung des Umstandes, dass der Arzt (je nach Sachverhalt) gegebenenfalls mit dem einen Ehegatten bereits über einen Vertragsschuldner verfügt. Seiler will jedenfalls dann, wenn die Freiheit der Vertragspartnerwahl uneingeschränkt besteht, das heißt. insbesondere nicht durch § 323 c StGB eingeschränkt ist, eine Sperrwirkung des Behandlungsvertrages gegenüber der GoA annehmen.156 Dass diese einschränkende Argumentationslinie für die medizinisch unabdingbare Basisbehandlung nicht zu überzeugen vermag und den Besonderheiten des § 679 2. Alt. BGB nicht gerecht wird, wurde bereits erörtert, auf die diesbezüglichen Ausführungen kann daher verwiesen werden. Das LG Berlin sah in dem Behandlungsvertrag jedenfalls keinen Hinderungsgrund für den Unterhaltsrückgriff.157 Dass spezielle ehe-rechtliche Wertungen eine andere Beurteilung erfordern würden, ist nicht ersichtlich: Beim Trennungsunterhalt bestehen individuelle Unterhaltsansprüche der Ehegatten, der Grundsatz der einvernehmlichen Verständigung über die Verwendung der familiären Mittel gilt hier aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Praktische Bedeutung wird die ärztliche Ehegatten-GoA hier wiederum nur beim Fehlen jeglichen Krankenversicherungsschutzes erlangen. i) Fazit Für die ärztliche Ehegatten-GoA bleibt aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen kaum ein nicht schon durch § 1357 BGB abgedeckter Anwendungsbereich, solange es sich um vertraglich bestellte ärztliche Tätigkeiten handelt: Schon durch die von der h.M. zutreffend angenommene Maßgeblichkeit des Familienunterhalts ist eine weitgehende tatbestandliche Deckungsgleichheit von § 1357 BGB (i.V.m. 153
Hahn in Bamberger/Roth § 1357 Rdn. 43, 44 m.w.N. zur streitigen Frage, wann ein Getrenntleben in diesem Sinne vorliegt. 154 LG Berlin NJW 1960, 1390, 1391. Das Urteil stellt damit eine der wenigen veröffentlichten Entscheidungen zum ärztlichen Unterhaltsrückgriff dar, bezeichnenderweise wird aber § 679 2. Alt. BGB (wieder einmal) nicht erwähnt. 155 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32. 156 Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32. 157 LG Berlin NJW 1960, 1390, 1391 (der Rückgriff wird stattdessen verneint mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten).
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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§§ 1360, 1360 a BGB) einerseits und §§ 679 2. Alt., 683 BGB (i.V.m. §§ 1360, 1360 a BGB) andererseits erreicht, die richtigerweise auch im Übrigen keine unterschiedlichen Ergebnisse zeitigen darf: Die Frage, ob aus § 1357 BGB nicht schon eine Sperrwirkung gegenüber dem GoA-Unterhaltsregress folgt, ist damit nur sekundär von Belang, denn entweder man bejaht dies oder aber man wird jedenfalls aus zwingenden ehe-rechtlichen Besonderheiten der §§ 1360, 1360 a BGB die Ehegatten-GoA in dem bereits beschriebenen Sinne zu modifizieren haben, wonach die bei § 1357 BGB nicht wünschenswerte Konfrontation des anderen Ehepartners mit vollendeten Tatsachen auch beim GoA-Rückgriff tunlichst vermieden werden sollte. In diesem Fall gelangt man zu einer vollständigen Deckungsgleichheit der beiden Anspruchsgrundlagen. Im Übrigen ist es eine Geschmacksfrage, ob man der Aussage zustimmen möchte, dass auch die in § 1357 BGB vorgesehene, an sich systemwidrige Durchbrechung des Offenheitsgrundsatzes in ihrer Wirkung als Relikt der vom BGB „bewusst überwundenen“ Versionsklage angesehen werden kann, deren Anwendungsbereich durch eine enge Auslegung gering zu halten sei, da sonst das „gesunde Prinzip“ verlassen wird, „dass man sich nur an seinen Vertragspartner halten darf und nicht an sonstige Drittbegünstigte, denen Vorteile aus dem Vertrag zufließen.“158 Die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB stellen einen ausreichenden Grund dafür dar, von dieser ansonsten grundsätzlich zustimmungswürdigen Haltung ausnahmsweise abzugehen. Der ärztliche Unterhaltsregress nach GoA-Recht stellt aber noch mehr als früher eine verkannte Anspruchsgrundlage dar, wie hier zum Abschluss die symptomatische Behandlung einer Entscheidung des LG Bonn bei Medicus zeigen soll: Der einkommens- und vermögenslose Ehemann der für den Lebensunterhalt der Familie sorgenden Beklagten hatte sich in einer Klinik als Privatpatient behandeln lassen, das Gericht gab der auf GoA gestützten Klage auf Begleichung der Behandlungskosten unter Hinweis auf die eheliche Unterhaltspflicht gem. §§ 1360, 1360 a BGB statt.159 Unter Geltung der früheren Regelung der Schlüsselgewalt, welche die „Hausmann-Ehe“ wegen des gesetzlichen Leitbildes der HausfrauenEhe nicht direkt erfassen konnte, war diese Entscheidung nur konsequent und entsprach der von Wollschläger noch als ständige Rechtsprechung bezeichneten Judikatur zum ärztlichen Unterhaltsrückgriff gem. § 679 2. Alt. BGB. Medicus hingegen hält dieses Urteil selbst bei Geltung des früheren Rechts der Schlüsselgewalt für falsch, da die Klinik ihren Vertrag mit dem Patienten zu erfüllen hatte und insbesondere „ging sie die Unterhaltspflicht“ der Ehefrau „nichts an“.160 Über den ersten Punkt, mit dem Medicus die Figur des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers und das auch von ihm im Hinblick auf die GoA ins Spiel gebrachte 158
So Wacke in MüKo § 1357 Rdn. 10; zustimmend Voppel in Staudinger § 1357 Rdn. 13. Dass die Auffassung von der Überwundenheit der Versionsklage nicht durchweg geteilt wird, wurde hier bereits angemerkt. Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 146), meint, dass § 1357 BGB gegenüber der GoA/§ 679 2. Alt. BGB speziell und abschließend sei, wobei sich diese Ausführungen aber auf die vor 1977 geltende Regelung der Schlüsselgewalt beziehen und auch nicht näher begründet werden. 159 LG Bonn FamRZ 1970, 321 ff. 160 Medicus BR Rdn. 414.
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Verbot der Versionsklage anspricht,161 lässt sich sicher trefflich streiten,162 obwohl man sich doch wundern muss, dass Medicus das identische Ergebnis unter der Geltung des neuen § 1357 BGB für unbedenklich hält, wo doch auch diese Norm, vom Familienrechtsschrifttum dafür heftig kritisiert, die Funktionsgleichheit mit der Versionsklage aufweist (s.o.). Bemerkenswert ist aber vor allem seine Ansicht, wonach die Unterhaltspflicht des Patienten die Behandlungsseite nichts angehe: Unabhängig davon, dass die h.M. die vom LG Bonn für einschlägig gehaltenen §§ 1360, 1360 a BGB auch zur Interpretation des neuen § 1357 BGB maßgeblich heranzieht (s.o.), hat der Gesetzgeber für die Dritterfüllung von Unterhaltspflichten in § 679 2. Alt. BGB eine ausdrückliche, den Unterhaltsgestor privilegierende Regelung vorgesehen! Wenn selbst Medicus diese Vorschrift nicht zur Kenntnis nehmen will, besteht wohl wenig Hoffnung, dass sich an dem von Bergmann konstatierten Charakter als „verkannte“ Norm noch etwas ändern wird. Für die ärztliche Ehegatten-GoA bleiben jedenfalls sicher diejenigen Sachverhalte, in denen gar kein Vertragsschluss mit dem Patienten stattgefunden hat, wie es in Notfällen sein kann. Ohne einen solchen Vertragsschluss besteht für die Behandlungsseite aber kein billigenswerter Anlass, über die medizinisch unabdingbare Basisbehandlung hinausgehende Leistungen zu erbringen, ein (über § 1357 BGB oder über §§ 683, 670 BGB) zu schützendes Vertrauen im Hinblick auf die Liquidation der entsprechenden Kosten fällt dann ebenfalls aus.
7. GoA für Verwandte des Patienten a) Überblick Fraglich ist, wie die Anwendung der GoA zu beurteilen ist, wenn es sich bei den als Geschäftsherren in Betracht Kommenden um Personen handelt, die zwar nicht vom Anwendungsbereich des § 1357 BGB und den Bestimmungen des Familienunterhalts gemäß §§ 1360, 1360 a BGB erfasst sind, dem Patienten aber nach anderen familienrechtlichen Normen Unterhalt schulden.163 Das Gesetz sieht in den §§ 1601 ff. BGB vor, dass Verwandte in auf- und absteigender Linie grundsätzlich einander Unterhalt schulden können (vgl. zur Verwandtschaft § 1589 BGB). Damit ist zum einen die in der Praxis äußerst relevante Unterhaltspflicht von Eltern
161
Medicus BR Rdn. 414. Siehe aber hier Kapitel III zu den von Medicus nicht einmal ansatzweise erwähnten Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit. 163 Die Unterhaltshaftung des Ehegatten geht bei bestehender Ehe gem. § 1608 BGB dem Verwandtenunterhalt vor, so dass schon aus diesem Grund § 1357 BGB hier vorab zu untersuchen war (zur Unterhaltshaftung des geschiedenen Ehegatten vgl. § 1584 BGB). Der Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB stellt aber (wie bereits bei § 1357 BGB angesprochen) auch im Übrigen eine eigenständige Materie dar, die aus vielfachen Gründen vom Verwandtenunterhalt getrennt zu erörtern ist, vgl. Engler in Staudinger Vor §§ 1601 ff. Rdn. 38; Lipp NJW 2002, 2201. 162
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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gegenüber ihren minderjährigen Kindern erfasst,164 zum anderen aber auch die bei deren Volljährigkeit gegebenenfalls noch fortbestehende Unterhaltsberechtigung. Außerdem werden hier aber auch Unterhaltspflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern oder Großeltern normiert (so genannter Aszendentenunterhalt). b) Ärztliche Behandlung als GoA durch Erfüllung des Kindesunterhalts Dass die Eltern ihren minderjährigen Kindern über §§ 1601 ff. BGB auch die Verschaffung ärztlicher Behandlung schulden, bedarf wiederum keiner Erörterung. In der GoA-Rechtsprechung spielten diese Fälle schon in der Vergangenheit nur vereinzelt eine Rolle: Aufgrund der gegenwärtigen breiten Entfaltung des Krankenversicherungswesens besteht ohnehin regelmäßig ein ausreichender Versicherungsschutz. Wo dies in der Vergangenheit nicht der Fall war bzw. wo von der Versicherung nicht gedeckte Leistungen erbracht wurden, erfolgte (vermutlich) oft eine freiwillige Zahlung durch die Eltern.165 Für andere Sachverhaltsgestaltungen verblieb jedoch die Haftung aus GoA,166 die Zulässigkeit dieses ärztlichen Unterhaltsrückgriffs wegen Erfüllung des Kindesunterhalts wurde erst jüngst vom KG bestätigt: Das klagende Krankenhaus obsiegte in einer Höhe von immerhin mehr als 25.000 €, da das KG, im Gegensatz zur Vorinstanz, die Betreuung der neugeborenen Tochter der Beklagten als Erfüllung der elterlichen Unterhaltspflicht ansah,167 was ganz auf der Linie der von Wollschläger noch als ständige Rechtsprechung deklarierten Judikate der vergangenen hundert Jahre liegt, wie sie hier bereits vorgestellt wurde.168 164
Das Gesetz sieht hierfür Sonderregelungen vor, vgl. §§ 1602 II, 1603 II, 1606 III S.2, 1609 I, 1611 II, 1612 II und die §§ 1612 a bis 1612 c BGB. Allgemein zum ab 1.1.2008 geltenden neuen Kindesunterhaltsrecht Vossenkämper FamRZ 2008, 201 ff. 165 Für den Regress unter den Eltern hat der BGH den so genannten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch entwickelt, vgl. Engler in Staudinger Vor § 1601 Rdn. 150, § 1606 Rdn. 65 ff. 166 Vgl. etwa KG 32 S 239/61 v. 5.2.1962; OLG Köln NJW 1965, 350. A.A. etwa LG Köln NJW 1991, 2354, allerdings nur unter dem Gesichtspunkt des hier bereits erörterten Verbots der Versionsklage. Anders auch noch KG FamRZ 1975, 423, 424 für den Fall, dass die in Anspruch genommene nicht berufstätige Ehefrau allein durch die Führung des Haushalts zum Unterhalt der Familie beiträgt, ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind beschränke sich dann darauf, dessen Vater zum Abschluss des Arztvertrages zu veranlassen. Diese Begründung ist insofern zweifelhaft, als das etwaige Vorhandensein eigenen Vermögens des haushaltsführenden Gatten nicht berücksichtigt wird. 167 KG v. 8.8.2005 (Az. 20 U 125/04), ArztR 2006, 219 ff. (Kurzwiedergabe) = MedR 2006, 533, 534 (die red. Bearbeitung meint unter Verweis auf Sprau (in Palandt § 679 Rdn. 4), dass das Urteil „in der Linie der ständigen Rechtsprechung“ stehe): Die Beklagte war weder krankenversichert noch war Sozialhilfe beantragt, ein von ihr für ihre Tochter geschlossener Behandlungsvertrag kam offenbar aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht, insbesondere enthält der Tatbestand des Urteils insofern nur die Angabe, dass das Kind zur Adoption freigegeben sei. Der von der Beklagten vorgebrachte Einwand ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit wurde als nicht ausreichend dargelegt zurückgewiesen. 168 Das Urteil veranschaulicht ferner mustergültig, mit welcher Selbstverständlichkeit die Gerichte über GoA volle Vergütung zusprechen, obwohl die GoA aufgrund der Verweisung
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Im Übrigen würde der Regress der Behandlungsseite gem. §§ 679 2. Alt., 1601 ff. BGB nur dort Probleme bereiten, wo es nicht um die Kosten einer medizinischen Basisbehandlung geht, sondern um darüber hinausgehende ärztliche Zusatzleistungen: Bei minderjährigen Kindern leitet sich der Lebensstandard regelmäßig von den Eltern ab. Auf den Zuschnitt ihrer Lebensführung ist daher bei der Beurteilung der Frage abzustellen, ob in der Erbringung besonderer ärztlicher Zusatzleistungen gleichzeitig die Erfüllung der Kindesunterhaltspflicht zu sehen ist. Dass diese Fälle kaum praxisrelevant sein dürften, ergibt sich aus mehreren Umständen: Dass etwa ein Krankenhausträger an einen Minderjährigen, der sich ohne Begleitung von Erwachsenen in die Behandlung begeben hat, auf dessen Wunsch hin ärztliche Zusatzleistungen erbringt (die von der (gegebenenfalls auch noch abzuklärenden) gesetzlichen Versicherung mit Sicherheit nicht gedeckt sind), dürfte den absoluten Ausnahmefall darstellen. Der Krankenhausträger liefe bei dieser Sachlage die für ihn leicht erkennbare Gefahr, für die Erbringung solcher Leistungen jedenfalls keinen Vertragsschuldner zu haben: Der Minderjährige bedarf für die vertragliche Order solcher Leistungen (zumindest) der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§§ 107, 108 BGB). Ohne wenigstens einen Vertragsschuldner sicher zu haben, dürften medizinisch nicht notwendige Zusatzleistungen in der Praxis sicher kaum erbracht werden. c) Ärztliche Behandlung als GoA durch Erfüllung des Aszendentenunterhalts Die in den §§ 1601 ff BGB ebenfalls normierten Unterhaltspflichten von Kindern gegenüber ihren Eltern und Großeltern (Aszendentenunterhalt) sind zwar alles andere als unumstritten, stellen aber ungeachtet der rechtspolitischen Kritik geltendes Recht dar.169 Insbesondere der Elternunterhalt scheint als Unterfall des Aszen-
auf das Auftragsrecht an sich grundsätzlich vergütungsfrei ist und lediglich Aufwendungsersatz geschuldet sein soll. Die auch in der vorliegenden Entscheidung bestätigte langjährige Rechtsprechung zum Ersatz voller Vergütung bei berufseinschlägiger Tätigkeit des Gestors entspricht damit dem Teil der Literatur, der die vermeintliche Vergütungsfreiheit der GoA (überzeugend) als Redaktionsversehen des BGB-Gesetzgebers ansieht, vgl. dazu ausführlich Seiler, FS für Hübner, S. 239 ff. Vgl. auch Mugdan II., S. 482 und schon v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 46. 169 Der Elternunterhalt ist de lege lata nicht zu verneinen, mag er im Einzelfall auch noch so fragwürdig sein, vgl. Müller FPR 2003, 611, 615. Der 59. Deutsche Juristentag (Beschlüsse, abgedruckt in FamRZ 1992, 1275, 1276) hielt die Abschaffung dieser Normen für erstrebenswert, der 64. DJT hat jedoch die Beibehaltung empfohlen, vgl. Brudermüller NJW 2004, 633 und Griesche FPR 2004, 693. Zur rechtspolitischen Erörterung der doppelten Belastung der nachfolgenden Generationen, die neben den Verpflichtungen aufgrund Kindes- und Elternunterhalt schon durch die Sozialversicherungsbeiträge die Älteren mitfinanzieren (Stichwort: „Sandwich-Generation“) auch: Schwenzer, FamRZ 1989, 685 ff.; Lipp NJW 2002, 2201, 2204; Brudermüller FF 2002, 39; Lüscher/Hoch FPR 2003, 648 ff liefern rechtstatsächliche Daten aus einem sozialwissenschaftlichen Projekt zum Elternunterhalt. BVerfG NJW 2005, 1927, 1930 stellt noch einmal ausdrücklich fest, dass der Gesetzgeber trotz der Kritik an den §§ 1601 ff. BGB diese Regelungen keiner Änderung un-
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dentenunterhalts in den letzten Jahren an Bedeutung zu gewinnen.170 Dem BGH wird aber bescheinigt, in den maßgeblichen Entscheidungen u.a. durch die Zubilligung hoher Selbstbehalte der Unterhaltsschuldner „Augenmaß“ bei der Anwendung dieser Normen bewiesen zu haben.171 Ein Rückgriff der Behandlungsseite nach § 679 2. Alt. BGB kommt somit grundsätzlich auch gegenüber dem durch die §§ 1601 ff. BGB erfassten Personenkreis in Betracht. Theoretisch ist damit vom Gesetzgeber ohne weiteres vorgesehen, dass erwachsene Kinder ihren bedürftig gewordenen Eltern oder Großeltern familiäre Solidarität und damit auch die Beschaffung ärztlicher Behandlung schulden. Dass Ärzte oder Krankenhausträger Zahlungsklagen auf derartige Unterhaltsansprüche stützen stellt in der Praxis aber offenbar den Ausnahmefall dar.172 Die möglichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe hierfür können im Folgenden nur im Überblick dargestellt werden.173 Es sei allerdings bereits an dieser Stelle vorweggeschickt, dass es bei den streitigen Problemen des Verwandtenunterhalt wiederum keinesfalls nur um den lebensnotwendigsten Bedarf gehen muss, sondern sich auch die Frage stellen mag, ob der nunmehr Bedürftige von seinen Verwandten verlangen kann, eine seinem früheren, gegebenenfalls hohen Lebensstandard entsprechende Unterstützung zu verlangen.174 Dies wäre etwa für die Frage von Bedeutung, ob auch besondere ärztliche Zusatzleistungen deswegen nach den §§ 679 2. Alt., 1601 ff. BGB liquidiert werden können, weil sie dem früheren Lebensstandard des Unterhaltsgläubigers entsprechen. Eine auch die Kranterzogen hat und daher weiter vom dort normierten Grundsatz der gegenseitigen familiären Verantwortlichkeit auszugehen ist. 170 Engler in Staudinger § 1601 Rdn. 8; Brudermüller NJW 2004, 633, 634. 171 Brudermüller NJW 2004, 633, 634. Zu nennen ist etwa BGH NJW 2003, 128. Zur BGH-Rechtsprechung auch Klinkhammer FPR 2004, 555 ff.; Griesche FPR 2004, 693; Ehinger FPR 2003, 623 ff., 630: „Die Rechtsprechung zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen beim Elternunterhalt entwickelt sich konsequent in die Richtung, die Inanspruchnahme so schonend wie möglich vorzunehmen“. 172 Dass der Aszendentenunterhalt direkt eingeklagt wird, weil Eltern etwa ihre erwachsenen Kinder auf Unterhalt in Anspruch nehmen, kommt erst recht kaum vor, vgl. dazu Müller FPR 2003, 611 ff. 173 Im Unterhaltsrecht nach den §§ 1601 ff. BGB bedingt die Vielzahl der hier verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe („Bedürftigkeit“ „Leistungsfähigkeit“) das Erfordernis der jeweiligen Präzisierung im Einzelfall anhand einer wertenden Betrachtung, vgl. Engler in Staudinger Vor §§ 1601 ff. BGB Rdn. 50 ff. (u.a. mit weiteren Nachweisen zu den Nachteilen einer derart „offen“ konstruierten Rechtsmaterie). Die Möglichkeit, eine ärztliche Behandlung über die §§ 679 2. Alt, 1601 ff. BGB zu liquidieren, hängt damit immer von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Patienten und denen seiner Verwandtschaft ab. Das allein macht den Unterhaltsrückgriff zu einer für die Behandlungsseite unsicheren Angelegenheit. 174 Vgl. dazu die Ansicht von Holzhauer in Erman § 1610 Rdn. 10: Die gegenwärtigen, d.h. kurz nach Eintritt der Bedürftigkeit bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Berechtigten könnten jedenfalls nicht maßgeblich sein, denn dann würde faktisch in vielen Fällen eine Orientierung am Notwendigen und nicht am Angemessenen erfolgen und es könnte Unterhalt immer nur auf dem untersten Anspruchsniveau verlangt werden; dazu Müller FPR 2003, 611, 612.
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kenbehandlung umfassende Unterhaltspflicht von Verwandten des Patienten kann nur dann entstehen, wenn gem. § 1602 BGB eine entsprechende Bedürftigkeit (des Patienten) vorliegt.175 Die Frage des Verwandtenunterhalts tangiert damit regelmäßig den Bereich des Sozialhilferechts und kann bei der Fallbearbeitung kaum isoliert von dessen Regelungen betrachtet werden.176 Die Möglichkeit bzw. die tatsächliche Inanspruchnahme von „Sozialhilfe“177 lässt zwar grundsätzlich die Bedürftigkeit nach den Unterhaltsvorschriften des BGB nicht entfallen, vielmehr gilt der so genannte fürsorgerechtliche Nachranggrundsatz, d.h. „Sozialhilfe“ soll erst nach dem Einsatz eigenen Vermögens beansprucht werden, zu dem auch zivilrechtliche Unterhaltsansprüche zu rechnen sind.178 Die Angehörigen des Patienten können diesen somit zwar nicht auf die Inanspruchnahme der „Sozialhilfe“ verweisen, so dass auch die nach § 679 2. Alt. BGB gegen Verwandte des Patienten vorgehende Behandlungsseite sich diesen Einwand grundsätzlich nicht entgegenhalten lassen müsste. In der Praxis tritt aber für eine medizinisch unabdingbare Basisbehandlung der Sozialhilfeträger regelmäßig in Vorleistung, wenn nicht ohnehin bloß die Beiträge zu einer (noch) bestehenden Krankenversicherung übernommen werden, bei der Klärung der Bedürftigkeit im Regressverfahren steht den (gegebenenfalls) verpflichteten Unterhaltsschuldnern dann regelmäßig der aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs aktivlegitimierte Sozialhilfeträger gegenüber, i.d.R. aber nicht der ursprüngliche Unterhaltsgläubiger,179 ganz sicher aber nicht die Behandlungs175
Zur Bedürftigkeit beim Elternunterhalt Mleczko FPR 2003, 616 ff. Lipp NJW 2002, 2201; Engler in Staudinger Vor § 1601 Rdn. 155: „Dabei kommt es zu Überschneidungen mit dem privaten Unterhaltsrecht, die nicht immer befriedigend gelöst sind“. Dazu auch Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 1222 mit rechtsvergleichender Darstellung des Ausgleichs zwischen öffentlicher und privater Fürsorge. 177 Aus Gründen der Vereinfachung und zwecks Berücksichtigung auch der älteren Literatur wird hier die jahrzehntelang übliche Terminologie gewählt. Natürlich gibt es aber die „Sozialhilfe“ in diesem Sinne nicht mehr, sie wurde bekanntlich im Rahmen der HartzGesetzgebung durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum „Arbeitslosengeld II“ gem. SGB II ersetzt. 178 § 2 SGB XII; § 2 SGB II; § 2 des außer Kraft getretenen BSHG. Dazu Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 500; Luthin in MüKo Vorbem §§ 1601 ff.; Engler in Staudinger Vor § 1601 Rdn. 156, 159. 179 Lipp NJW 2002, 2201, 2204; Griesche FPR 2004, 693. Sämtliche Entscheidungen des BGH zum Elternunterhalt, der erst seit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz mit Wirkung zum 1.7.1998 zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört, haben den Regress von Trägern der Sozialhilfe zum Gegenstand und nicht die unmittelbare Inanspruchnahme durch die Eltern, vgl. etwa BGH NJW 2003, 128 ff. Der nach § 1601 BGB an sich mögliche Großelternunterhalt ist praktisch irrelevant: Direkte Klagen der Großeltern gegen ihre Enkel werden nicht erhoben, der Regress des Sozialhilfeträgers aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs war aber schon nach § 91 I S.3 BSHG ausgeschlossen, vgl. die Darstellung von Pauling in Wendl/Staudigl § 2 Rdn. 602. Vgl. auch die Darstellung bei Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 507: Bis 1993 war im BSHG noch kein gesetzlicher Forderungsübergang normiert, vielmehr bestand für den Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Unterhaltsansprüche durch Verwaltungsakt (so genannte Überleitungsanzeige) auf sich überzuleiten (§ 90 BSHG a.F.). Unter der Geltung dieses Prinzips war es in der Praxis noch üblich, dass 176
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seite. Dies allein erklärt schon, warum der ärztliche Unterhaltsregress in der Gerichtspraxis kaum noch auffällig wird. d) Bedürftigkeit Die praktische Irrelevanz des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs ergibt sich für die medizinische Basisbehandlung aber noch aus anderen Gründen. So gelten für den Verwandtenunterhalt nach §§ 1601 ff. BGB Besonderheiten, die sich aus dem Gesetz zur bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GsiG) bzw. aus den §§ 41-46 SGB XII180 ergeben können: Bei öffentlichrechtlichen Leistungsansprüchen aus der „Grundsicherung“ handelt es sich um einzusetzendes Einkommen, welches bei der Prüfung der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit nach § 1602 BGB ebenso zu berücksichtigen ist wie etwa Leistungen der Pflegeversicherung und daher der Inanspruchnahme der Verwandtschaft i.d.R. vorgeht.181 Der sonst im Unterhaltsrecht zu beachtende Grundsatz vom Nachrang der Fürsorge und der Subsidiarität öffentlichrechtlicher Sozialleistungen gilt insofern nicht.182 Hintergrund dieser „Grundsicherung“ ist der rechtspolitisch für unhaltbar befundene Umstand, dass sich in der Vergangenheit viele ältere und/oder erwerbsunfähige Menschen erfahrungsgemäß von der Inanspruchnahme gesetzlicher Sozialhilfeleistungen abhalten ließen, weil sie einen Rückgriff des Sozialhilfeträgers gegen ihre nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtigen Kinder oder Eltern fürchteten.183 Rechtstechnisch ließ sich dieses Problem entweder durch den Ausschluss der Regressmöglichkeit des Sozialhilfeträgers oder durch die vergleichbar teure Schaffung einer neuen, von der allgemeinen Sozialhilfe verschiedenen Sozialleistung beseitigen. Der Gesetzgeber hat sich für letzteres entschieden, es greift nunmehr die neu geschaffene „Grundsicherung“ ein: Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben bzw. dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (vgl. § 41 SGB XII), steht nunmehr ein Anspruch auf Leistungen der „Grundsicherung“ zu, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen selbst bestreiten können (vgl. §§ 41 II, 82-84, 90 SGB XII). Das Einkommen eines nicht geder Sozialhilfeträger von der Überleitungsanzeige absah und den Hilfeempfänger dazu anhielt, gegen seinen Unterhaltsgläubiger (notfalls gerichtlich) vorzugehen. Zur Rückübertragung auf den Hilfeempfänger Engler in Staudinger § 1613 Rdn. 68. 180 Das zum 1.1.2003 in Kraft getretene Gesetz ist bereits zum 31.12.2004 wieder außer Kraft getreten, die entsprechenden Vorschriften wurden in das SGB XII (§§ 41-46) überführt und damit weitgehend in die Regelung der „Sozialhilfe“ integriert. Die verkürzte Bezeichnung als „Grundsicherung“ darf aber weiter Geltung beanspruchen, streng zu unterscheiden ist sie jedoch immer von der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ nach dem neu geschaffenen SGB II. 181 OLG Hamm NJW 2004, 1604; Brudermüller NJW 2004, 633, 634. Zum Verhältnis von Pflegeversicherung und Grundsicherung gegenüber dem Unterhaltsrecht näher Klinkhammer FPR 2003, 640 ff. 182 Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 503 a; Klinkhammer FPR 2003, 640, 646; Mleczko FPR 2003, 616, 620. 183 BT-Drs. 14/5150, S. 48; Klinkhammer FPR 2003, 640, 644; Münder NJW 2002, 3661, 3662; vgl. auch schon Schwenzer FamRZ 1989, 685, 689.
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trennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft ist zwar grundsätzlich bei der Inanspruchnahme der Grundsicherung mit zu berücksichtigen (§ 43 I SGB XII), zivilrechtliche Unterhaltsansprüche gegen Kinder oder Eltern des Anspruchstellers aber dann nicht, wenn deren jährliches Gesamteinkommen, wie vom Gesetz widerleglich vermutet, unter einem Betrag von 100.000 € liegt (§ 43 II SGB XII).184 Die Möglichkeit der Beanspruchung dieser Leistungen, die auch die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen beinhalten (§ 42 Nr. 4 SGB XII), steht damit regelmäßig der Entstehung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs entgegen und engt den praktisch verbleibenden Anwendungsbereich des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs nach § 679 2. Alt. BGB weiter ein. Kindes- und Elternunterhalt sind damit bereits durch die Regelungen der Grundsicherung sozialrechtlich privilegiert, solange sich die Einkommen der Beteiligten in dem von § 43 II SGB XII gezogenen Rahmen bewegen. Für den nach § 1601 BGB ebenfalls möglichen Unterhaltsanspruch unter Verwandten zweiten und entfernteren Grades ordnete das Sozialrecht überdies schon seit langem den Ausschluss des Rückgriffs der Sozialhilfeträger an.185 e) Bedarf: Maß des Unterhalts Angesichts dieser für die medizinische Basisbehandlung geltenden Besonderheiten ist nun u.a. noch der unterhaltsrechtliche Ersatz solcher Leistungen zu klären, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. von Sozialhilfeträgern nicht getragen werden, wie etwa ärztliche Wahlleistungen im Krankenhaus oder (bestimmte) zahnärztliche Leistungen. Ob sie, ebenso wie die Basisbehandlung, unterhaltsrechtlich ersatzfähig sind, hängt vom Maß des geschuldeten Unterhalts ab, welches sich gemäß § 1610 BGB nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bestimmt, die sich beim Aszendentenunterhalt, anders als i.d.R. beim Kindesunterhalt, nicht vom Unterhaltspflichtigen ableitet, sondern eigenständig nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des bedürftigen (Groß-) Elternteils zu bestimmen ist.186 Man wird daher sagen können, dass schon abstrakt betrachtet ärztliche Zusatzleistungen oder zahnärztliche Sonderleistungen praktisch kaum zum unterhaltsrechtlich geschuldeten Bedarf zählen werden, so dass die Behandlungsseite sie schon unter diesem Gesichtspunkt selten über § 679 2. Alt. BGB wird liquidieren können.
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Es findet natürlich auch kein Anspruchsübergang auf den Träger der Grundsicherung statt, denn Unterhaltsansprüche gegen Kinder bzw. Eltern des Bedürftigen sollen ja gerade privilegiert werden. Näher dazu Klinkhammer FPR 2003, 640, 644 ff.; Münder NJW 2002, 3661, 3663. 185 Engler in Staudinger Vor § 1601 Rdn. 159, § 1601 Rdn. 9 zur 1974 eingeführten Bestimmung des § 91 I BSHG (das BSHG ist mittlerweile außer Kraft getreten); dazu auch Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 500, 520. Damit ist der (theoretisch denkbare) Unterhaltsregress gegen die Groß- und Urgroßeltern des Bedürftigen und umgekehrt der (theoretisch denkbare) Regress gegen die Enkel und Urenkel des Bedürftigen ausgeschlossen. 186 BGH NJW 2003, 1660; Griesche FPR 2004, 693, 694; Ehinger FPR 2003, 623.
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f) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Eine weitere effektive Einschränkung ergibt sich insbesondere für den (Groß-) Elternunterhalt aus den Bestimmungen über die Leistungsfähigkeit des „Unterhaltsschuldners“: Gemäß § 1603 BGB entfällt die Unterhaltspflicht dann, wenn der in Anspruch zu nehmende Verwandte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts die Unterstützung seines Verwandten zu leisten. Zunächst gehen, was den (Groß-) Elternunterhalt betrifft, beinahe alle anderen Unterhaltsgläubiger im Rang vor (vgl. § 1609 Nr. 6, 7 BGB n.F.).187 Im Übrigen reduziert § 1603 BGB in seiner Konkretisierung durch die Judikatur den Anwendungsbereich des Verwandtenunterhalts: Da eine Einschränkung der eigenen Lebensstellung nach der entsprechenden Rechtsprechung des BGH zu § 1603 BGB praktisch nicht hingenommen werden muss, verbleibt für den Verwandtenunterhalt „nur“ dasjenige Einkommen des „Unterhaltsschuldners“, das von ihm nicht in seiner Gänze für den angemessenen eigenen Bedarf verbraucht sondern für echte Vermögensbildung eingesetzt wird, was die Summe des unterhaltsrechtlich zur Verfügung stehenden Vermögens bereits erheblich verringert.188 Die Rechtsprechung billigt bei der Bestimmung des „angemessenen“ Eigenbedarfs den auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen erwachsenen Kindern zudem einen deutlich höheren Selbstbehalt zu als umgekehrt im (praktisch viel bedeutsameren) Fall des Kindesunterhalts: Anders als bei der Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber Kindern sollen Letztere sich in ihrer Lebensplanung nicht von vornherein darauf einstellen müssen, dass die Eltern einmal unterhaltsbedürftig werden.189 Erforderlich ist allerdings immer eine Untersuchung der konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse, abstrakte Aussagen über die unterhaltsrechtliche Ersatzfähigkeit bestimmter (ärztlicher) Leistungen lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit daher nicht treffen.190 187
D.h. vor den Eltern des Unterhaltspflichtigen sind dessen unverheiratete minderjährige und seine unverheirateten privilegierten volljährigen Kinder, sein Ehegatte oder sein geschiedener Ehegatte, seine verheirateten minderjährigen und nicht privilegierten volljährigen Kinder, seine Enkel und weiter entfernten Abkömmlinge sowie die nach § 1615 l BGB Anspruchsberechtigten zu befriedigen, vgl. Brudermüller NJW 2004, 633, 634; Griesche FPR 2004, 693, 694; Ehinger FPR 2003, 623, 625. Dazu auch BVerfG NJW 2005, 1927, 1931. Zur reformierten, ab dem 1.1.2008 geltenden Rangordnung (§ 1609 BGB n.F.) allgemein Schürmann FamRZ 2008, 313 ff., 319: Der Elternunterhalt ist wegen seiner praktischen Bedeutung aus den Ansprüchen der weiteren Verwandten (§ 1609 Nr.7 BGB n.F.) herausgenommen worden und unter einer eigenen Nummer angeführt (§ 1609 Nr. 6 BGB n.F.), inhaltlich ergibt sich hier allerdings nichts Neues. 188 Brudermüller NJW 2004, 633, 635; vgl. BGH NJW 2003, 128 ff.; 1660 ff.; 2306 ff. Dazu auch Ehinger FPR 2003, 623 ff. 189 BGH NJW 1992, 1393; NJW 2003, 128; dazu Brudermüller NJW 2004, 633, 634; Ehinger FPR 2003, 623, 624. Dort (S. 625 m.w.N.) auch zu den Grundsätzen der weit verbreiteten Selbstbeschränkung der Sozialhilfeträger im Regress. Diese Grundsätze entfalten natürlich keinerlei verpflichtende Wirkung für einen ärztlichen Unterhaltsregress. 190 Keinesfalls darf allein aufgrund der Höhe des geforderten Unterhalts darauf geschlossen werden, dass Beträge ab einer bestimmten Größenordnung im Wesentlichen der Finan-
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g) Unterhalt für die Vergangenheit und Sonderbedarf Schließlich ist noch die unterhaltsrechtliche Einordnung „medizinischen“ Bedarfs nicht ganz unproblematisch: Für laufenden Bedarf stellt § 1613 I BGB den Grundsatz auf, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur unter besonderen Voraussetzungen gefordert werden kann.191 Die Norm wird man auf Rückgriffsansprüche aus GoA-Recht ebenfalls anzuwenden haben, weil sie funktional an die Stelle des Unterhaltsanspruchs treten.192 Hieraus würde sich eine bedeutsame Einschränkung des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs ergeben, wenn der Unterhaltsschuldner nicht i.S.d. § 1613 I BGB ausreichend zur Auskunftserteilung bzw. zur Leistung aufgefordert worden ist oder der Anspruch nicht rechtshängig gemacht wurde.193
zierung der eigenen Lebensführung dienen und daher nicht mehr unterhaltsrechtlich geschuldet sein können, vgl. dazu etwa BGH NJW 2004, 769; NJW-RR 2004, 721; Brudermüller NJW 2004, 633,635; Griesche FPR 2004, 693, 704. Zur Leistungsfähigkeit des gegenüber den Eltern unterhaltspflichtigen Kindes näher Ehinger FPR 2003, 623 ff. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt BVerfG NJW 2005, 1927 ff. 191 Ansonsten gilt der gemeinrechtliche Grundsatz: „In praeteritum non vivitur“, so statt aller Born in MüKo § 1613 Rdn. 1, 22. Das Erfordernis der vorangegangenen Mahnung soll nach heute überwiegender Ansicht den Pflichtigen vor einer stark belastenden Inanspruchnahme in Form lange zurückliegender Zeiträume bewahren, wenn er sich hierauf nicht einstellen konnte, die Konsequenz des Nichtvorliegens dieser Voraussetzung ist dann die für das Schuldrecht bemerkenswerte Besonderheit, dass dem Verpflichteten nicht bloß Gegenrechte zustehen, sondern dass er vielmehr gänzlich von seiner Schuld befreit wird. Mit anderen dogmatischen Erwägungen als dem Schuldnerschutz lässt sich diese Besonderheit nicht sinnvoll erklären, insbesondere nicht mit dem früher für maßgeblich gehaltenen Unmöglichkeitsrecht, dazu ausführlich Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 799 ff.; Engler in Staudinger § 1613 Rdn. 3. 192 Das entspricht der ganz h.M.: BGH NJW 1984, 2158; Diederichsen in Palandt § 1613 Rdn. 5; Born in MüKo § 1613 Rdn. 6; Engler in Staudinger § 1613 Rdn. 17; Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 807, 808; Klein in Weinreich/Klein, Familienrecht, Vor § 1360 Rdn. 11. A.A. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 140 unter Betonung der vom Gesetzgeber „ganz bewusst“ in § 679 BGB normierten Privilegierung des Unterhaltsgestors, die ansonsten unterlaufen würde. Wollschlägers Ansicht ist aber wohl schwer haltbar: In den allermeisten Fällen des Unterhaltsrückgriffs besteht mittlerweile ein gesetzlicher Forderungsübergang, bei dem aufgrund der Forderungsidentität die Anwendung des § 1613 BGB völlig unumstritten ist. Die Besserstellung, die der nicht aus cessio legis sondern aus § 679 2. Alt. BGB berechtigte Rückgriffsgläubiger allein aufgrund der fehlenden Forderungsidentität und der rechtstechnischen Unterschiedlichkeit des Regressweges erlangen würde, lässt sich wertungsmäßig nicht rechtfertigen. Martiny (Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 808) bemerkt zutreffend, dass außerdem die von Wollschläger zumindest bei einkommensstarken Unterhaltsschuldnern nicht für nötig befundene Schutzwirkung des § 1613 BGB auch bei diesen Geltung beanspruchen dürfte: „ Im übrigen wird auch in wohlhabenden Kreisen Unterhalt geleistet; vermittelt über Kriterien wie Bedürftigkeit, eheliche Lebensverhältnisse und Leistungsfähigkeit ist das Anspruchsniveau des Berechtigten entsprechend hoch.“ 193 Dies gilt für sämtliche Unterhaltsansprüche bis auf den nachehelichen Unterhalt, für den gem. § 1585 b BGB nur Verzug bzw. Rechtshängigkeit, nicht aber das Auskunftsbe-
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Für unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarf nach § 1613 II BGB gelten diese Einschränkungen aber wiederum nicht. Als Sonderbedarf in diesem Sinne werden u.a. Kosten angesehen, die durch Krankheit oder Behinderung entstehen, wozu dann weiter insbesondere Aufwendungen für ambulante oder stationäre Behandlung zählen sollen, sofern sie nicht bereits von einer Krankenversicherung getragen werden.194 Für den hier allein interessierenden Bereich ärztlicher Leistungen wird man daher sagen können, dass er tendenziell unterhaltsrechtlich privilegiert ist, erforderlich ist aber immer, dass die Leistungen sich im Einzelfall wirklich als Sonderbedarf einordnen lassen:195 Sollten die im konkreten Fall entstehenden Kosten nicht von einer Krankenversicherung ersetzt werden, entweder, weil die bestehende Versicherung derartige Leistungen nicht deckt oder weil der Patient über gar keinen Versicherungsschutz verfügt, ist der Behandlungsseite der Regress jedenfalls nicht deswegen abgeschnitten, weil die Leistungen (natürlich) schon erbracht wurden und der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt nicht i.S.d. § 1613 I BGB mit der Geltendmachung rechnen musste.196 § 1613 II Nr.1 2. gehren rechtswahrend wirken, vgl. dazu Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 100 und Born in MüKo § 1613 Rdn. 2, 13. 194 BGHZ 116, 184, 188 = NJW 1992, 909, 910 ;Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 14; äußerst relevant wird dies für die Frage zahnärztlicher Leistungen, die von den Kassen weitestgehend nicht mehr ersetzt werden, vgl. Born in MüKo § 1613 Rdn. 69, 89. Die abstrakte Einordnung von Zahnbehandlung als Sonderbedarf ist aber streitig, vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1984, 169; KG FamRZ 1993, 561; zu den Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 76 und OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 905; als Bsp. für den hier nicht weiter interessierenden, von der Krankenversicherung nicht gedeckten (medizinischen) Sonderbedarf lässt sich etwa die Beschaffung geeigneter Matratzen und Bettwäsche bei Hausstaubmilbenallergie nennen, vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 850. 195 Da § 1613 II BGB auf „außergewöhnlich hohen“ Bedarf abstellt, ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, die absolute Höhe des Bedarfs kann dabei für die Einordnung nicht maßgeblich sein, vielmehr kommt es auf das Verhältnis zu den bereits für den laufenden Bedarf vom Unterhaltsschuldner zur Verfügung gestellten Mitteln an: Bei gehobenen Lebensverhältnissen sind auch zusätzliche unregelmäßige Aufwendungen eher aus dem laufenden Unterhalt zu bestreiten als bei bescheidenen Verhältnissen, weil dort der Tabellenunterhalt in den unteren Gruppen tendenziell nur den Grundbedarf deckt und schon kleinere Zusatzausgaben nicht durch Rücklagen bestritten werden können, so dass hier eher Sonderbedarf anzunehmen ist, vgl. Born in MüKo § 1613 Rdn. 76 sowie BGH FamRZ 1982, 145; OLG Hamm FamRZ 1993, 995; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 905. Allgemeingültige Aussagen zur Einordnung ärztlicher Leistungen lassen sich unter dem Gesichtspunkt der „außergewöhnlichen“ Höhe der anfallenden Kosten daher schwerlich treffen. Zu dem auf den „unregelmäßigen“ Charakter des Sonderbedarfs abstellenden Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit bzw. der Dauerhaftigkeit des in Frage stehenden Bedarfs hat sich allerdings eine Kasuistik (auch für den Gesundheitsbereich) gebildet, vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rdn. 335. Born (a.a.O.) meint jedoch: „Die umfangreiche Kasuistik lässt kaum hinreichende Ansätze für zur Differenzierung geeignete Kriterien erkennen“. Engler (in Staudinger § 1613 Rdn. 84) fordert eine vorsichtige Anwendung des § 1613 II BGB: „Dem verständlichen Bestreben von Berechtigten, im Wege des Sonderbedarfs zusätzliche Unterhaltsleistungen zu erhalten, sollte mit Zurückhaltung begegnet werden.“ 196 Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 14.
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Hs. BGB verlangt für Sonderbedarf lediglich, dass der Schuldner innerhalb eines Jahres in Verzug kommt oder dass der Anspruch rechtshängig gemacht wird. Für Kosten einer längeren Behandlung ist aber gegebenenfalls die Abgrenzung des Sonderbedarfs zum regelmäßigen Mehraufwand erforderlich.197 h) Zwischenfazit Auf die vielen unterhaltsrechtlichen Detailfragen, die sich in diesem Bereich theoretisch noch stellen könnten,198 soll hier nicht näher eingegangen werden. Es dürfte deutlich geworden sein, dass der ärztliche Unterhaltsrückgriff nach §§ 679 2.Alt, 1601 ff. BGB aus Sicht des historischen BGB-Gesetzgebers zwar eine Rolle gespielt hat, mittlerweile jedoch für die medizinische Basisbehandlung und erst recht für darüber hinausgehende Zusatzleistungen praktisch den absoluten Ausnahmefall darstellt. In der unterhaltsrechtlichen Praxis spielt allgemein der Unterhalt für minderjährige bzw. noch in der Ausbildung befindliche Kinder natürlich eine große Rolle. Abgesehen von den „Ausbildungsfällen“ des Kindesunterhalts werden aber Unterhaltsverfahren unmittelbar zwischen volljährigen Verwandten praktisch nicht geführt: Klagen nach den §§ 1601 ff. BGB werden offenkundig aus Rücksicht auf die Kinder bzw. die Eltern und die Großeltern nicht erhoben, zumal die Unterstützung vielfach freiwillig gewährt wird. Ärztliche Leistungen sind noch seltener Gegenstand von Unterhaltsverfahren: Die Kosten einer medizinischen Basisbehandlung sind regelmäßig durch eine bestehende Krankenversicherung abgedeckt, deren Beschaffung unterhaltsrechtlich geschuldet ist, oder sie werden durch (vorläufige) Leistungen der Sozialhilfeträger sichergestellt, welche dann gegebenenfalls die auf sie kraft Gesetzes übergegangenen zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche im Regress geltend machen. Die nicht von der Krankenversicherung gedeckten und damit an sich dem Unterhaltsregress unterfallenden Leistungen bereiten hingegen in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht Probleme: Besondere ärztliche Wahlleistungen sind zwar ebenso wie ein Großteil der zahnärztlichen Leistungen theoretisch dann über §§ 679 2. Alt., 1601 ff. BGB ersatzfähig, wenn sie zum einen dem Lebenszuschnitt des Bedürftigen entsprechen und zum anderen, wenn dem Unterhaltsschuldner genügend Vermögen zur Befriedigung solcher Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung steht. Anders als viele zahnärztliche Leistungen können ärztliche Krankenhauswahlleistungen oder gar kosmetische Operationen im Einzelfall allerdings den Charakter von Luxusausga-
197 Dazu Scholz in Wendl/Staudigl § 6 Rdn. 3, 4, 14; Born in MüKo § 1613 Rdn. 63 ff.; § 1610 Rdn. 74-76. Die Abgrenzung ist wegen der unterschiedlichen Behandlung entsprechender Rückstände praktisch von großer Bedeutung, ihr kann aus Raumgründen hier aber nicht weiter nachgegangen werden. 198 Zum zusätzlichen Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung rückständigen Unterhalts und der sonst drohenden Verwirkung (trotz Mahnung!) etwa BGH NJW 2003, 128 ff; 824 ff.; Brudermüller NJW 2004, 633, 639; Engler in Staudinger Vor § 1601 Rdn. 74 ff.; Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 795.
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ben haben.199 Dass der Patient solche Leistungen ordert, um sie sodann von seinem nicht freiwillig leistenden Unterhaltsschuldner ersetzt zu verlangen, würde in tatsächlicher Hinsicht einen recht ungewöhnlichen Vorgang darstellen, der zwar nicht unbedingt mit dem in den §§ 1601 ff. BGB normierten Grundsatz der gegenseitigen familiären Solidarität in Konflikt geraten muss.200 Dem Arzt die diesbezügliche Kostenliquidation durch Gewährung eines Direktanspruchs gem. § 679 2. Alt. BGB zu erleichtern, stellt aber im Hinblick auf den dadurch zwangsläufig beeinträchtigten Familienfrieden eine mit dem durchschnittlichen Rechtsempfinden nur schwer zu vereinbarende dogmatische Konsequenz dar. Freilich haben Unterhaltsrückgriffsgläubiger solche Bedenken in der Vergangenheit nur selten geteilt: Die Sozialhilfeträger haben jedenfalls im Regress gegen die unterhaltspflichtigen Angehörigen von Hilfeempfängern bisweilen erstaunlich wenig Skrupel gegenüber einer maximalen Inanspruchnahme der Beklagten an den Tag gelegt, ihr juristischer Erfindungsgeist scheint hier keine Grenzen zu kennen.201 Dass Ärzte und Krankenhäuser hingegen in erhöhtem Maße Rücksicht auf den familiären Frieden der Patienten nehmen, muss nicht der Grund dafür sein, dass die Geltendmachung besonderer ärztlicher Leistungen im Unterhaltsregress zwar bereits vorgekommen ist aber nie eine nennenswerte praktische Bedeutung erlangen konnte: Die vorrangig interessierende Ehegattenmithaftung ist, wie gesehen, im Grunde bereits speziell von der Schlüsselgewalt gem. § 1357 BGB geregelt, die Krankenhausträger begnügen sich i.d.R. offenbar mit einem (auch nur notfalls) auf diese Spezialregelung gestützten Vorgehen gegen Ehegatten des Patienten und/oder gegen Personen, die den Patienten bei der Behandlung begleitet haben und sich dabei gegebenenfalls, wie es vorzugsweise angestrebt wird, sogar über eine Mitverpflichtungserklärung selbst vertraglich gebunden haben. Dass Zahnärzte oder Krankenhausträger die §§ 1601 ff. BGB nicht zum Anlass für den Regress nach § 679 2. Alt. BGB nehmen, ist schließlich auch aus anderen Gründen nachvollziehbar: Anders als bei den Sozialhilfeträgern steht ein auf die Ermittlung, Sachbearbeitung und Geltendmachung von etwaigen Unterhaltsansprüchen ausgerichteter und übrigens auch angewiesener Verwaltungsapparat hier zunächst gar nicht zur Verfügung.202 199
Die Abgrenzung zwischen allgemeiner Krankenhausleistung und Wahlleistung ist rechtsdogmatisch nicht immer einfach und kann nicht stets anhand der Notwendigkeit erfolgen, vgl. hierzu Quaas/Zuck, Medizinrecht § 24 Rdn. 274. 200 Auch Luxusgüter können bei entsprechenden Einkommensverhältnissen etwa zum Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB zählen, vgl. Wacke in MüKo § 1360 a Rdn. 4; Lange in Soergel § 1360 a Rdn. 5. 201 Die Sozialhilfeträger gewinnen aus dem Regress gegen unterhaltspflichtige Verwandte von Leistungsempfängern bedeutende Finanzmittel, statt vieler die treffende Formulierung von Braun (AcP 195 (1995, 311, 333) zum Aszendentenunterhalt: „In einer Zeit leerer Kassen sollte man die Bereitschaft des Staates, sich auf diese Weise zu refinanzieren, nicht unterschätzen“. Der bemerkenswerte Sachverhalt, welcher der Entscheidung von BVerfG NJW 2005, 1927 ff. zugrunde liegt, illustriert auf geradezu groteske Weise, welch bizarre Blüten die vom Drang zum Geld getriebene dogmatische Phantasie der Behörden hier mitunter treibt. Zur rechtspolitischen Kritik am Unterhaltsregress öffentlicher Stellen vgl. die weiteren Nachweise bei Martiny, Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 1228 ff. 202 Für Krankenhäuser dürfte der Patient, der nicht krankenversichert ist und keinerlei staatliche Hilfe erfährt, auch den Ausnahmefall darstellen, zumal mittlerweile eine allge-
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
Seine Einrichtung würde sich zum einen wohl auch kaum lohnen, da die massenhafte, alltägliche Erbringung von Sozialleistungen an Hilfebedürftige vermutlich in keinem Verhältnis zu den Fällen einer unbezahlt gebliebenen Leistung beim einzelnen Arzt oder Krankenhaus steht. Vor allem aber ist die Behandlungsseite aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht ohnehin nicht in einer den Sozialleistungsträgern vergleichbaren Weise frei bei der Ermittlung möglicher Regressschuldner, sofern man nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen die Anspruchsverfolgung von den Restriktionen der Schweigepflicht befreien will. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung dieser für das Vertrauensverhältnis zum Patienten konstitutiven Pflicht ließe sich das aber wohl nur mit einiger Mühe begründen. i) Exemplarischer Unterhaltsregress: Der Fall OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. Ein praktischer Anwendungsbereich des ärztlichen Unterhaltsregresses gem. § 679 2. Alt. BGB könnte für solche Sachverhalte verbleiben, die einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall entsprechen.203 Die Entscheidung mag zu der Spekulation Anlass geben, dass Fälle dieser Art in der Praxis nicht so selten sind und soll hier schon deswegen näher erörtert werden, weil sie alle bis hierhin angesprochenen Problempunkte der „GoA im Krankenhaus“ berührt. (1) Sachverhalt und Entscheidung Die nur zu Besuch in Deutschland weilende Patientin selbst war nach Beendigung des aufgrund eines Herzinfarkts erforderlich gewordenen Krankenhausaufenthaltes wieder in ihr türkisches Heimatland zurückgekehrt, ohne die Behandlung bezahlt zu haben. Da die an die AOK und das Sozialamt gerichteten Kostenübernahmeanträge des Krankenhausträgers erfolglos blieben, kam einzig der dauerhaft in Deutschland lebende Sohn der Patientin als greifbarer Schuldner in Betracht.204 Streitgegenständlich waren hier also schon die Kosten der medizinisch unabdingbaren Basisbehandlung. Das Gericht verneint jedoch GoA-Ansprüche des Krankenhauses und wendet sich hierbei ausdrücklich gegen die (damals jedenfalls noch) h.M., wonach die Anwendung der GoA nicht schematisch dadurch ausgeschlossen sein soll, dass der „Geschäftsführer“ aufgrund Vertrages mit einem Dritten tätig wird: Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der mit dem Patienten geschlossene Vertrag es verbiete, die Behandlung als GoA für Dritte zu verstehen, so dass eine auf § 683 BGB gestützte Liquidation der Behandlung gegenüber Angemeine gesetzliche Versicherungspflicht besteht. Für niedergelassene Ärzte gilt dies in noch höherem Maße, da sie in die Notfallversorgung nur theoretisch eingebunden sind, praktisch wird diese Aufgabe überwiegend durch die Krankenhausambulanzen erfüllt. Statistisches Material zur Frage, wie häufig die Kosten einer Behandlung gänzlich unabgerechnet bleiben, fehlt leider. 203 OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff. 204 Die Möglichkeit, die Patientin selbst vor einem türkischen Gericht zu verklagen, soll hier außer Betracht bleiben.
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hörigen des Patienten bereits aus diesem Grund ausscheide.205 Das Gericht fühlt sich dabei jedoch ersichtlich unwohl und versucht, das Ergebnis hilfsweise „auf der Grundlage der herrschenden Rechtsprechung“ zu rechtfertigen: Selbst wenn man die GoA trotz Vorliegen eines Vertrages für anwendbar halten würde, müsste doch bei einem solchen „auch-fremden“ Geschäft der Fremdgeschäftsführungswille „äußerlich erkennbar“ geworden sein.206 (2) Bewertung Bereits die alternative Absicherung des Urteils anhand der (vermeintlich) h.M. wirkt unsouverän. Wie noch zu zeigen sein wird, ist aber schon der Ansatz, den Fall überhaupt am Tatbestand der „echten“ GoA des § 677 BGB messen zu wollen, grundsätzlich verfehlt, da hier § 679 2. Alt. BGB einschlägig gewesen wäre, dessen Anwendung abweichenden Regeln folgt (s.o.). Bevor dies näher dargelegt wird, soll aber einmal der Versuch des Gerichts, den Fall über die echte GoA zu lösen, näher untersucht werden. Die h.M. ordnet die Tilgung fremder (Unterhalts-) Verbindlichkeiten, wie bereits erörtert, als objektiv fremdes Geschäft ein, das aufgrund der hieraus folgenden Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens den Regress gegen den Schuldner nach GoA-Recht erlaubt, subsidiär greift jedenfalls die Rückgriffskondiktion (s.o.). Das Gericht scheint aber schon nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses typische Anwendungsgebiet der GoA oder wenigstens des Bereicherungsrechts hier vorlag, dementsprechende Überlegungen werden jedenfalls nicht angestellt. Auch im Übrigen ist die Alternativbegründung fragwürdig: Es entsprach jedenfalls in der Vergangenheit nicht dem Stand der GoA-Dogmatik, dass die (angeblich) „herrschende Rechtsprechung“ der vom Senat zitierten Ansicht Seilers folgt, wonach der Anwendungsbereich des „auch-fremden“ Geschäfts dadurch eingegrenzt werden sollte, dass man verschärfte Anforderungen an den subjektiven Tatbestand in Form einer „besonderen Erkennbarkeit“ nach außen stellt.207 Es ist schon unklar, ob das Gericht damit der streng subjektiven Lehre Gurskys folgen will oder dem subjektiv-normativen Ansatz von Wittmann, den mittlerweile Bergmann aufgegriffen hat. Letzterenfalls wäre echte GoA allerdings in der Tat zu verneinen, da sich bei Betrachtung des sozialen Handlungssinns im Handeln der Ärzte nur eine Geschäftsführungsabsicht für die Patientin manifestiert.208 Das Gericht scheint allerdings in der Folge den tatsächlichen Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens zu erörtern, was dem streng subjektiven Ansatz 205
OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368. OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368 unter Verweis auf Seiler in MüKo § 677 Rdn. 21; in diese Richtung auch Schwark JuS 1984, 321, 328. 207 Pesch (Jura 1995, 361, 362) stellt daher ganz richtig fest, dass das Gericht hier die herrschende Rechtsprechung verkennt. Ehmann (in Erman § 677 Rdn. 7) meint, das Urteil hätte Folgewirkungen für die GoA-Dogmatik gehabt, ähnlich würden nunmehr argumentieren: OLG Oldenburg MDR 2000, 1373; LG Kaiserslautern MDR 2000, 1200. 208 Dennoch wäre § 679 2. Alt. BGB einschlägig gewesen, da die Norm (auch nach den Vertretern der subjektiv-normativen Lehre) eine Sonderregelung für derartige Fälle enthält, siehe oben V A 2. 206
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Gurskys entsprechen würde. Dass dessen Tatbestandsmodell die eminent praxisrelevante Frage offen lässt, nach welchen Kriterien sich eine solche Beweisführung eigentlich richten darf, wurde hier bereits dargelegt.209 Dass der strenge Nachweis eines solchen Fremdgeschäftsführungswillens in der Praxis zwangsläufig scheitern muss, soll gleich gezeigt werden. Zunächst ist also festzuhalten, dass der Senat auch in der alternativen Begründung des Urteils mit einer von der großzügigen GoA-Rechtsprechung gerade abweichenden Ansicht des Meinungsspektrums argumentiert. In der Sache verkennt der Senat zudem, dass Seiler die Anwendung der GoA in Fällen eines Tätigwerdens aufgrund gesetzlicher Handlungspflichten dann ausdrücklich anwendbar sehen will, wenn eine sonstige Regressnorm für die Inanspruchnahme des vorrangig kostentragungspflichtigen Dritten nicht zur Verfügung steht.210 Das Krankenhauspersonal war vorliegend im Hinblick auf die einschlägigen Vorschriften des betreffenden Landeskrankenhausgesetzes, zumindest aber im Hinblick auf § 323 c StGB sicherlich zum Handeln verpflichtet, so dass schon insofern das Zitat die Ansicht des Gerichts gar nicht stützt. Vor allem aber will Seiler bei vertraglichem Tätigwerden eine Ausnahme vom Ausschluss der GoA machen, wenn das schuldrechtliche Postulat von der Freiheit der Vertragspartnerwahl eingeschränkt ist, so dass er, wie bereits erwähnt, bei Ärzten und Krankenhäusern in Eilfällen eine GoA für vom Patienten verschiedene Drittpersonen trotz Behandlungsvertrages ausdrücklich für möglich hält.211 Das entspricht dem, was hier bereits zur Einschränkung der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit gesagt wurde und ist uneingeschränkt zu begrüßen. Nur nebenbei sei aber bemerkt: Seilers auf den subjektiven Tatbestand der GoA bezogener Vorschlag zur Begrenzung des auch-fremden Geschäfts überzeugt generell schon nicht, da er das klassische Problem der streng subjektiven Lehre Gurskys, wie sich der Fremdgeschäftsführungswille in der Praxis nachweisen lassen soll, wieder einmal offen lässt. Wer hingegen der h.M. folgt und mit dem ob209
Siehe oben, II B 4. c) (7). Gerade im Hinblick auf ein unterhaltsrechtliches Bsp. Seiler in MüKo § 677 Rdn. 20. Seilers insofern doch wieder sehr flexibles Verständnis der GoA entbehrt leider der dogmatischen Kalkulierbarkeit und entspricht wieder dem Charakter der GoA als handlichem Instrument für Billigkeitsentscheidungen. 211 So Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32, der in der aktuellen Auflage der Bezugnahme durch das OLG Koblenz widersprechen zu wollen scheint: „Daher hat als Regel zu gelten, dass er mit seiner Leistung den Vertrag erfüllt und damit ein eigenes Geschäft geführt hat (zutreffend OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368). Anders kann dann zu entscheiden sein, wenn die Freiwilligkeit der Partnerwahl eingeschränkt ist, wie bei Ärzten und Krankenhäusern, die auch mit erkennbar nicht Kreditwürdigen mindestens in Eilfällen Behandlungsverträge abzuschließen haben…“ Leider bringt Seiler nicht deutlich zum Ausdruck, ob er insofern die typisierende Unterstellung des Fremdgeschäftsführungswillens hier ausnahmsweise doch für gerechtfertigt hält oder ob es sich um eine unter Wertungsgesichtspunkten abgeleitete Ausnahme vom Ausschluss der GoA beim vertraglich gebundenen Geschäftsführer handeln soll. Hier zeigt sich wieder einmal, dass dies in der Sache eigentlich keinen Unterschied macht, solange man bei einer auf objektive Kriterien gestützten Betrachtung bleibt. Von Bedeutung wird diese theoretische Unterscheidung aber, wenn man dazu übergeht, den Fremdgeschäftsführungswillen abweichend von einer typisierenden Betrachtung konkret nachweisen zu wollen, wie sich gleich zeigen wird. 210
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jektiv (auch-) fremden Geschäft arbeitet, kann dann, wenn dessen Vorliegen im konkreten Fall zu bejahen ist, ohnehin nicht anschließend den Fremdgeschäftsführungswillen verneinen oder für dessen Vorliegen noch eine besondere, an sich von Zufällen abhängende „Erkennbarkeit nach außen“ fordern, denn das objektiv fremde Geschäft stellt, wie bereits erörtert, gerade (nur) eine Beweisregel zur Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens und kein echtes Tatbestandsmerkmal dar. Man mag der h.M. vorwerfen, dass diese Vorgehensweise den Fremdgeschäftsführungswillen in der Praxis zur Fiktion geraten ließ. Durch dieses Abstellen auf die objektiven Rechtsbeziehungen der Beteiligten war aber wenigstens ansatzweise eine für die Praxis wünschenswerte Rechtssicherheit in der Beurteilung eines Sachverhaltes gewährleistet. Die Kritik am dadurch verursachten weiten Anwendungsbereich des auch-fremden Geschäfts ist zwar berechtigt,212 entsprechende Eingrenzungsbemühungen sollten aber mit einer für die Rechtspraxis wünschenswerten Prognostizierbarkeit der rechtlichen Bewertung einhergehen und daher nicht bei einer „Verschärfung“ des Beweismaßes im Hinblick auf den Fremdgeschäftsführungswillen ansetzen, dessen genaue Konturen dann wieder vage bleiben. Hierdurch werden (rein) objektive und (streng) subjektive Lehre auf eine Art und Weise vermischt, die in der Praxis Zufallsergebnisse und wertungsmäßig nicht zu rechtfertigende Divergenzen in einander sehr ähnlichen Prozesssachverhalten mit identischer Interessenlage der Kläger produzieren muss. Richtigerweise wird man daher für eine Eingrenzung der GoA entweder der subjektivnormativen Lehre zu folgen haben, wonach nur eindeutig fremdnützige Handlungen dem GoA-Recht unterstellt werden können213 oder man wird, von der h.M. ausgehend, beim objektiven Tatbestand ansetzen müssen, so dass bei bereits bestehendem Vertrag GoA-Recht nicht greift, gegebenenfalls sind Ausnahmen über eine Typen- oder Fallgruppenbildung zu statuieren, die sich dann an den positiv gegebenen Rechtspflichten der Beteiligten orientiert. Die in jedem Fall zu fordernde Rechtssicherheit ist hingegen nicht gewährleistet, wenn man vage umrissen verschärfte Anforderungen an den Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens verlangt, dessen tatsächliches Vorhandensein sich ohnehin noch nie wirklich überprüfen ließ. Wie abenteuerlich solch eine Suche nach einem realen Fremdgeschäftsführungswillen in der Praxis ausfallen muss, zeigt der diesbezügliche Versuch des OLG Koblenz im vorliegenden Fall: Wer für den Geschäftsführungswillen eine besondere „Erkennbarkeit nach außen“ fordert, müsste es zum einen genügen lassen, wenn das Krankenhaus entsprechende Bearbeitungsanweisungen der Verwaltung vorlegt oder gar am Empfang ein Schild aufstellt, das den generellen Willen kundtut, für den derzeit noch unbekannten, letztlich aber Kostentragungspflichtigen (Krankenversicherung, Unterhaltsschuldner, Sozialhilfeträger etc.) tätig werden zu wollen, denn mehr kann man in solchen Fällen zwangsläufig gar
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Siehe oben II B 3. a) (3), (4). Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass nur die Patientin selbst als GoAGeschäftsherr in Betracht kommt, nicht daneben noch weitere Personen (Versicherer, Unterhaltsverpflichtete). 213
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nicht verlangen.214 Von derartigen Maßnahmen kann die Frage der Liquidation über GoA-Recht aber nicht ernsthaft abhängen. Nicht mehr nachvollziehbar ist die Urteilsbegründung schließlich insofern, als das Gericht die mehr als einen Monat nach Beginn der Behandlung an den Beklagten gerichtete „Zwischenabrechnung“ erörtert, welche die Bitte um Mitteilung einer eventuell noch bestehenden Krankenversicherung bzw. die Aufforderung zur Zahlung der Behandlung enthielt. Der Senat vermag diesem Schreiben „einen Fremdgeschäftsführungswillen nicht zu entnehmen“.215 Das ist in mehrfacher Hinsicht nur noch wunderlich. Es ist schon unter logischen Gesichtspunkten fragwürdig, ein solch spätes Handlungsgeschehen wie die Rechnungsstellung noch für Schlussfolgerungen auf das tatsächliche Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens zu einem früheren Zeitpunkt heranzuziehen. Das Gericht grenzt diese Beweisführung im Übrigen nicht von der hier bereits erörterten, zumindest bereicherungsrechtlich relevanten Möglichkeit der nachträglichen Tilgungsbestimmung ab, wie überhaupt die Nichterörterung der Rückgriffskondiktion einen weiteren Mangel der Alternativbegründung des Urteils darstellt.216 Hält man eine solche „rückwirkende“ Beweisführung aber für möglich, kann man den Fremdgeschäftsführungswillen vorliegend doch kaum verneinen: Wie sonst lässt sich die an den Sohn der Patientin gerichtete Zahlungsaufforderung verstehen, wenn nicht als Kundgabe des Willens, dass das Krankenhaus die Behandlung (auch) für ihn vorgenommen haben will? Den Leser muss bei diesen Ausführungen unwillkürlich das typische Unbehagen überkommen, das sich stets dann einstellt, wenn man mit der streng subjektiven Lehre Gurskys versucht, den Nachweis der Fremdgeschäftsführungsabsicht tatsächlich zu erbringen. Der Wille lässt sich als subjektives Element denknotwendig immer nur aus äußeren Umständen ableiten. Die regelmäßig den einzigen äußeren Umstand darstellende Behauptung des Anspruchstellers, Fremdgeschäftsführungswillen in Bezug auf eine bestimmte Person aufgewiesen zu haben, wird nun aber, wie vorliegend offenbar auch, sogleich unter den Pauschalverdacht der beliebigen Manipulierbarkeit gestellt (was im Hinblick auf das in § 683 BGB zu Gunsten des Geschäftsherrn normierte Utilitätserfordernis an sich unnötig ist.). Damit ist wieder das Kernproblem der GoA erreicht: Wie lässt sich der Fremdgeschäftsführungswille im Streitfall über die reine Behauptung des Anspruchstellers hinaus beweisen? Kann überhaupt ein nachträgliches Verhalten des „Geschäftsführers“ als Indiz genügen und wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt soll dies möglich sein? Hätte das 214
Wie wenig Gewicht man vom Standpunkt der herrschenden Lehre aus der Vorstellung des Geschäftsführers von einer ganz bestimmten Person als Geschäftsherrn beimisst, wurde bereits oben zu § 686 BGB erörtert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Handelnde sich überhaupt bewusst ist, im fremden Interessenbereich tätig zu werden. Bei der Krankenhausbehandlung entspricht es aufgrund der Gängigkeit einer gesetzlichen Krankenversicherung aber geradezu einer standardisierten Erwartung, dass es nicht der Patient selbst ist, der die Rechnung für die medizinischen und pflegerischen Basisleistungen bezahlt. 215 OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368. 216 Das Gericht mag die fehlende Anwendbarkeit der Nichtleistungskondiktion mit Blick auf den von ihm bejahten und dann natürlich als vorrangige Leistungsbeziehung anzusehenden Behandlungsvertrag für selbstverständlich gehalten haben. Der Vertrag war aber zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch gar nicht geschlossen, siehe gleich.
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Gericht im vorliegenden Fall ein an den Beklagten gerichtetes Schreiben mit der ausdrücklichen Überschrift „Kundgabe des Fremdgeschäftsführungswillens“ genügen lassen? Die h.M. entledigt sich dieser regelmäßig unlösbaren Feststellungsprobleme gerade durch die Beweisregel des „objektiv (auch-) fremden Geschäfts“, so dass die vom Gericht angeführte Alternativbegründung schon insofern angreifbar ist, als sie der h.M. überhaupt nicht entspricht. Völlig ungeklärt bleibt letztlich auch die Harmonisierung einer (etwaigen) tatbestandlich schon erfüllten GoA zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns mit dem aufgrund ursprünglich fehlender Ansprechbarkeit der Patientin erst nachträglich zustande gekommenen Vertragsschluss. Lagen bis dahin bereits die Voraussetzungen einer GoA für die Patientin und deren Unterhaltsschuldner vor, kann der mit ihr später (auch nur konkludent) geschlossene Vertrag nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Behandlungsseite (konkludent) auf bereits entstandene GoA-Ansprüche gegen Dritte verzichten will.217 Unabhängig davon, dass ein solcher Erlass grundsätzlich nur durch Vertrag mit dem Schuldner selbst erfolgen kann (§ 397 BGB),218 bestätigt der vorliegende Fall, wie sehr eine solche Auslegung den berechtigten Interessen der Behandlungsseite, die kostspielige ärztliche Leistung nicht unentgeltlich erbringen zu müssen, zuwiderlaufen würde. Richtiger abstrakter Ansatzpunkt für die Begrenzung des auch-fremden Geschäfts wäre somit allenfalls der vom Gericht in seiner tragenden Urteilsbegründung angeführte Verweis auf die Unanwendbarkeit der GoA bei bestehendem Vertrag.219 Ein Vertrag lag aber eben zu Beginn der Behandlung aufgrund des Zustands der Patientin gar nicht vor! Das Gericht schießt in dem grundsätzlich zustimmungswürdigen Bestreben um die Eingrenzung einer ausufernden Anwendung der §§ 677 ff. BGB über das Ziel hinaus und „erledigt“ dabei eine Fallgruppe, die gerade einen berechtigten Anwendungsbereich der GoA darstellt. Das Urteil ist aber unabhängig von dieser völlig unzureichenden Handhabung der verschiedenen GoA-Lehren vor allem deshalb grundfalsch, weil hier allgemeine dogmatische Überlegungen zur echten GoA angestellt werden, obwohl eine solche gar nicht im Raum stand. Als Anknüpfungspunkt für die Klage kamen einzig und allein die familienrechtlichen Bande zwischen Mutter und Sohn in Betracht, womit dann der vom Gericht mit keinem Wort erwähnte § 679 2. Alt. BGB hätte einschlägig sein müssen. Diese Norm kann aber nicht anhand der Regeln der echten GoA behandelt werden, da sie, wie bereits erörtert, eine ganz eigene Interessenstruktur zum Gegenstand hat, die weder die objektive Lehre noch die subjektive Lehre zufriedenstellend erklären können.220 Dass die eigenständige Bedeutung der Norm oftmals verkannt wird, bestätigt sich auch in dieser Entscheidung wieder. Es ist, wie bereits erörtert, dogmatisch verfehlt, in den Fällen des § 679 2. 217
Siehe oben III C 4. c). Dass es bedenklich wäre, einen mit dem Patienten stillschweigend geschlossenen Erlassvertrag zu Gunsten Dritter zu konstruieren, wurde hier bereits dargelegt, vgl. oben III C 4. c). 219 Dass man aber auch insofern für Ärzte und Krankenhäuser wegen der Einschränkung der Vertragsfreiheit eine Ausnahme wird machen müssen, wurde bereits dargelegt. 220 Gursky AcP 185 (1985), 13, 23 ff.; Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32. Siehe bereits oben, V A 2. 218
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Alt. BGB überhaupt nach einem an dem Unterhaltsschuldner ausgerichteten Fremdgeschäftsführungswillen zu fragen, schon gar nicht müsste dieser äußerlich besonders erkennbar sein.221 Vielmehr entbindet die gesetzliche Regressprivilegierung des § 679 2. Alt. BGB gerade von dieser Voraussetzung der echten GoA.222 Das Gericht hat somit schon in seiner eigentlichen Urteilsbegründung nur scheinbar gute dogmatische Argumente auf seiner Seite, wenn es die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB bei Bestehen eines Behandlungsvertrages verneint: Wie bereits erörtert wurde, setzt sich zwar allgemein die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer restriktiven Anwendung der echten GoA in Fällen des „auch-fremden“ Geschäfts bzw. des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers durch. Diese Erwägungen dürfen aber aus den oben detailliert dargestellten Gründen nicht auf den Regress nach § 679 2. Alt. BGB übertragen werden, da der historische Gesetzgeber die vertragliche Selbstbeschaffung durch den Unterhaltsgläubiger nicht vor Augen hatte.223 Dass der Vertrag im Übrigen erst nachträglich zustande kam und schon aus diesem rein zeitlichen Grund gar nicht der Entstehung von GoAAnsprüchen entgegenstehen könnte, wurde bereits dargelegt. Das OLG verwehrt dem Kläger damit einen Anspruch, dessen abstrakte Berechtigung Wollschlägers früherer Einschätzung zufolge „fester Gerichtspraxis“ entspricht.224 Dieser Fehler bei der Ermittlung der richtigen Anspruchsgrundlage und die daraus resultierende Fehlqualifizierung des Klägerbegehrens führen, nur nebenbei bemerkt, dazu, dass bereits die vom Gericht zu Beginn vorgenommene kollisionsrechtliche Prüfung fragwürdig ist: Das Gericht verkennt zwar nicht den offenkundigen Bezug zum Recht eines ausländischen Staates, wählt aber auch insofern den bequemen Weg. Obwohl hier einzig die Unterhaltspflicht des Sohnes der Patientin als Fremdgeschäft in Betracht kam, meint das Gericht, dass hier einheitlich das Recht des Staates anzuwenden sei, in dessen Hoheitsgebiet das Geschäft vorgenommen worden ist: Die Anwendung dieser allgemeinen Anknüpfung sei geboten, weil die ärztliche Versorgung in der BRD erfolgt sei, weil die Klägerin ihren Sitz und der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hier habe und eine wesentlich engere Beziehung zu einem anderen Rechtskreis nicht zu erkennen sei.225 Über 221
Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32. Siehe oben, V A 2. Kurioserweise argumentiert das Gericht genau damit, dass der Geschäftsführer nicht zwei Geschäftsherren gleichzeitig dienen könne (S. 2368). Die besondere Interessenstruktur des Falles wird also richtig erkannt, nicht aber, dass das Gesetz sie in § 679 2. Alt. BGB für den Unterhaltsregress gesondert regelt. 223 Wer hier die Grundsätze zur Einschränkung der echten GoA anwenden will, eliminiert die vom BGB-Gesetzgeber der Norm zugedachte Funktion, vgl. Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32. 224 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 143 m.w.N., siehe dazu bereits oben, V A 2. 225 OLG Koblenz NJW 1992, 2367 = VersR 1992, 612 (m. Anm. Wandt ) = IPRax 1992, 383 (m. Anm. Brückner, 366 ff.) Zum Entscheidungszeitpunkt bestand für die GoA noch keine ausdrückliche kollisionsrechtliche Regelung im EGBGB, diese wurde erst mit dem Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen vom 21.5.1999 kodifiziert. Das Gericht bezog sich daher auf die bis dato in der Literatur entwickelten (sehr streitigen) Anknüpfungsgrundsätze, die Anknüpfung an das Recht 222
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diese Anknüpfungsmethode zur Bestimmung des GoA-Statuts lässt sich sicher streiten.226 Aber selbst bei Anwendung deutschen GoA-Rechts wäre es für die im Rahmen des § 679 2. Alt. BGB inzident erforderliche Beurteilung der Unterhaltspflichten des beklagten Sohnes angebracht gewesen, aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltes der Mutter in ihrem türkischen Heimatland türkisches Unterhaltsrecht für maßgeblich zu erachten.227 Die äußerst knappen materiellrechtlichen Ausführungen zur Unterhaltspflicht überzeugen auch im Übrigen nicht: Der Senat zieht einen Vergleich zu der früheren Rechtsprechung zur GoA für Ehegatten, die er angesichts der Neufassung des § 1357 BGB zutreffend als weitgehend überholt erkennt, wohingegen frühere Urteile zur GoA für die Eltern eines im Krankenhaus behandelten Kindes weiter Geltung beanspruchen dürften.228 Der Senat meint aber weiter, bei der Aufnahme eines unverheirateten Erwachsenen in ein Krankenhaus sei die Interessenlage eine wesentlich andere als in den genannten Fällen, da es an der Offenkundigkeit der des Vornahmeortes findet sich heute als Regelanknüpfung in Art. 39 I EGBGB. Vgl. zum früheren Kollisionsrecht Wandt, Die GoA im internationalen Privatrecht (1989). Zur GoA im neuen Kollisionsrecht Fischer IPrax 2002, 1 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 53 III; Spickhoff NJW 1999, 2209 ff. 226 Wandt (VersR 1992, 612) bezeichnet die hier vom Gericht angeführte Begründung als dem deutschen Kollisionsrecht grundsätzlich fremdes und nicht überzeugendes „grouping of contatcs“. Er hält bei der Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit grundsätzlich das dafür geltende Recht für maßgeblich (dies entspricht der nunmehr in Art. 39 II EGBGB normierten Anknüpfung), gelangt vorliegend aber über die Betrachtung der strafrechtlichen Handlungspflicht aus § 323 c StGB zur Geltung deutschen GoA-Rechts (was allerdings nichts daran ändere, dass die Unterhaltspflicht des Sohnes sich dann nach türkischem Recht richte). Die von Wandt geforderte Maßgeblichkeit der strafrechtlichen Pflicht für die zivilrechtliche Anknüpfung ist hier nur schwer nachzuvollziehen: Die Pflicht aus § 323 c StGB ist ja nicht eine solche des Sohnes, die das Krankenhaus nur an seiner Stelle wahrgenommen hätte, ein GoA-Anspruch ließe sich hierauf jedenfalls nicht stützen (auch nicht gem. § 679 1. Alt. BGB). Mansel (AcP 190 (1990), 193, 196) hält eine parallele Anknüpfung der strafbewehrten Handlungspflicht (hier: § 323 c StGB) und der zivilrechtlichen Entschädigungsregelung (hier: GoA-Recht) nicht für zwingend. Unklar Martiny (Unterhaltsrang und –rückgriff, S. 905, 906), der Wandt zunächst ausdrücklich folgt, seine Ausführungen dann aber auf subsidiär und ersatzweise verpflichtete Unterhaltsschuldner beschränkt, bei denen ohnehin meist das gleiche Unterhaltsstatut gelten wird: „Zur Begründung lässt sich anführen, dass die Stellung des Regressgläubigers mehr durch seine eigene Verpflichtung und den aus ihr folgenden Regreßanspruch geprägt wird als durch die Leistung auf die ursprüngliche Verpflichtung des Unterhaltsschuldners“. 227 Wandt VersR 1992, 614, 615. Siehe hierzu Art. 4 I, II des Haager Unterhaltsstatutabkommens vom 2.10.1973 (HUÜ), das auch von der Türkei ratifiziert worden ist, unabhängig davon aber im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten anzuwenden ist. Es deckt sich inhaltlich im Wesentlichen mit dem in der Praxis oft allein zitierten Art. 18 EGBGB, geht diesem aber gem. Art. 3 II EGBGB vor, vgl. Dose in Wendl/Staudigl § 7 Rdn. 1, 6. Soweit eine Abwicklung der Fremdtilgung nicht nach GoA-Recht sondern nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen vorzunehmen ist, wäre auch hierfür auf das Recht der getilgten Schuld abzustellen, vgl. W.Lorenz in Staudinger § 812 Rdn. 120. Vgl. auch Brückner, IPrax 1992, 366, 368. 228 OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368.
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Unterhaltsverpflichtung eines Dritten dann fehlen würde und vielmehr im Vordergrund stehe, dass der Leistende sich den Vertragspartner freiwillig aussucht und damit auch dessen Insolvenzrisiko zu tragen habe.229 Auch dies ist wieder falsch: Die Offenkundigkeit der Unterhaltsberechtigung eines Patienten spielte in der früheren Rechtsprechung keine Rolle, zumal sie auch bei Ehegatten oder minderjährigen Patienten nicht erkennbar ist, sondern nur lebensnah vermutet werden kann.230 Wie bereits erörtert, darf eine derartige Offenkundigkeit im Anwendungsbereich des vom Senat leider nicht erörterten § 679 2.Alt. BGB aber generell auch nicht eingefordert werden, weil dies der Norm die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Funktion nehmen würde.231 Wollte man dies jedenfalls für den Aszendentenunterhalt anders sehen, würde es bedeuten, dass dieser effektiv kaum je Gegenstand eines direkten Rückgriffs über § 679 2. Alt. BGB sein könnte, was eine durch den Gesetzgeber nicht vorgegebene und auch durch Sachgesichtspunkte nicht ersichtlich gerechtfertigte Erschwerung des Rückgriffs gegenüber bestimmten Unterhaltsschuldnern bedeuten würde.232 Es ist im Übrigen auch nicht einzusehen, wieso die Behandlungsseite, die wenigstens eine Begleitperson des Patienten als möglichen Unterhaltsschuldner ausgemacht hat, sich unter dem eher ominösen Hinweis darauf, dass dessen vom Gericht inhaltlich gar nicht weiter abgeklärte Unterhaltsverpflichtung jedenfalls nicht zu erkennen gewesen sei, auf die denkbare Inanspruchnahme unbekannter Dritter (den etwaigen Ehemann z.B.) verweisen lassen soll. Man sieht hier exemplarisch, auf welch dünnes Eis man sich begibt, wenn man mit der „Offenkundigkeit“ der Möglichkeit des Unterhaltsregresses operieren will. Der Gesetzgeber hat mit § 679 2. Alt. BGB den Unterhaltsgestor von derartigen Schwierigkeiten der Anspruchsverfolgung im Regress gerade entbunden. Was 229
OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368. Ob die Patientin im vorliegenden Fall verheiratet gewesen ist, bleibt an sich ebenfalls unklar. Die Behandlungsseite konnte also im vorliegenden Fall über das Vorhandensein einer etwaigen ehelichen Unterhaltsberechtigung ebenfalls keine zuverlässige Aussage machen. Das Gericht würde ein hypothetisches Vorgehen gegen den (hier unbekannten) Ehegatten also aufgrund der insofern angeblich gewährleisteten Offenkundigkeit der ehelichen Unterhaltsverpflichtung anscheinend befürworten, will dies bei anderen (bekannten!) unterhaltsverpflichteten Personen aber nicht gelten lassen. Dass im Übrigen bei der in Notfällen eingeschränkten Kontrahierungsfreiheit des Arztes die Argumentation mit der Vertragsfreiheit ohnehin verfehlt ist, wurde hier bereits dargelegt. 230 Es sei nur nebenbei bemerkt, dass auch ein Ehering keinen zuverlässigen Schluss auf eine Unterhaltsberechtigung des Trägers erlaubt, ebenso wenig wie die Minderjährigkeit des Patienten den Schluss erlaubt, dass nur die Eltern als Unterhaltsverpflichtete in Betracht kommen. 231 Bergmann in Staudinger § 679 Rdn. 2, 32. 232 Dass die Unterhaltspflicht des Beklagten auch bei einem solchen Verständnis der GoA natürlich nicht entfällt, bedarf keiner Erörterung. Sollten die materiellrechtlichen Unterhaltsvoraussetzungen vorgelegen haben, hätte (bei Geltung deutschen Zivilrechts) zumindest die Patientin selbst einen Anspruch auf Freistellung von den Behandlungskosten gehabt, da es sich bei der Krankenbehandlung um Sonderbedarf gem. § 1613 II Nr. 1 BGB handelt, der nicht den üblichen Beschränkungen eines auf vergangene Zeiträume gerichteten Unterhaltsverlangens unterliegt. Somit wäre allein der direkte Rückgriff der Behandlungsseite versperrt gewesen.
A. Die ärztliche Behandlung als Erfüllung fremder Unterhaltspflicht
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im Übrigen das Argument der Freiwilligkeit der Auswahl des Vertragspartners angeht, ist diese in Fällen der vorliegenden Art, wie bereits erwähnt, nun gerade nicht gegeben: Das Krankenhauspersonal kann sich zumindest in Notfällen angesichts der Strafandrohung des § 323 c StGB der Aufnahme und der Behandlung des Patienten nicht verweigern. Die Annahme, dass dem Krankenhausträger dennoch eine Wahlfreiheit zustehe, erscheint vor diesem Hintergrund als gänzlich verfehlt,233 zumal ein bereits zu Beginn der Behandlung erfolgender Vertragsschluss bei der Notaufnahme oftmals auch gar nicht angenommen werden kann. Es ist somit bedauerlich, dass das Gericht zwar die Parallelen zu bisherigen Fällen der Krankenhaus-GoA sieht, den Gedanken der Unterhaltspflicht dann aber wegen vermeintlich fehlender Offenkundigkeit derselben nicht konsequent weiterverfolgt. Bei näherem Hinsehen hätte das Gericht sich mit dem in § 1601 BGB normierten Aszendentenunterhalt (bzw. mit der entsprechenden Regelung im türkischen Recht) und der ausdrücklichen gesetzlichen Regressregelung des § 679 2. Alt. BGB auseinandersetzen müssen. In der Folge wäre aber (jedenfalls bei Geltung deutschen Unterhaltsrechts) ein Tatbestandsmerkmal abzuklären gewesen, welches den eigentlichen Grund für die Untauglichkeit des § 679 2. Alt. BGB als „Notnagel“ für derartige Ausnahmefälle darstellen dürfte: Eine Unterhaltsverpflichtung besteht nach §§ 1601 ff. BGB nur bei Bedürftigkeit des Anspruchstellers. Beim für die Ehegattenhaftung entscheidenden Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB fehlt ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal hingegen ganz, beim Unterhalt für Minderjährige gem. § 1601 BGB ist Bedürftigkeit zwar Tatbestandsvoraussetzung, wird aber naheliegenderweise mangels eigenen Einkommens praktisch immer erfüllt sein. In diesen beiden Fällen wird der Klageanspruch der Behandlungsseite im Hinblick auf die Bedürftigkeit daher keiner bzw. nur einer unwesentlichen Darlegung im Prozess bedürfen.234 Anders beim Aszendentenunterhalt: Die Sozialleistungsträger müssen in den Regressprozessen regelmäßig darlegen, aus welchem Grund die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsempfängers nicht ausreichend für die Bedarfsdeckung sind, wobei ihnen diese Aufgabe dadurch erleichtert wird, dass der Bedürftige bekannt und auskunftspflichtig ist, wenn er nicht ohnehin den Prozess selbst führen muss. Im vorliegenden Fall war die Patientin hingegen „außer Reichweite“ und allein aus der fehlenden Rechnungsbegleichung kann eben nicht auf ihre unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit geschlossen werden sondern allenfalls auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein.235 Zusätzlich erschwert wird die Anspruchsverfolgung durch die hier 233
Seiler in MüKo § 677 Rdn. 32; so auch schon Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 149. 234 Mit seinen Ausführungen zur angeblich erforderlichen Offenkundigkeit der Unterhaltspflicht liegt das Gericht also „gefühlsmäßig“ richtig, es hat aber den dogmatisch einschlägigen Platz für die Verortung des Problems nicht gefunden. 235 Die unterhaltsrechtlich erforderliche Leistungsfähigkeit des Verwandten stellt hingegen kein praktisches Rechtsverfolgungshindernis dar, denn sie wird vom Gesetz in § 1603 BGB vermutet, vgl. Luthin in MüKo § 1603 Rdn. 1, 2; Griesche FPR 2004, 693, 697. Die nicht nachweisbare Bedürftigkeit des Patienten kann im Übrigen auch beim Regress der Behandlungsseite gegen den Sozialhilfeträger ein Hindernis für den Erfolg der Klage sein, wie etwa der Fall BGH NJW 2005, 1363 ff. veranschaulichen mag.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
nicht weiter zu vertiefenden Ungewissheiten über die gegebenenfalls bestehende Vorrangigkeit anderer Unterhaltsschuldner. Schließlich ist zu wiederholen: Der Arzt ist bei der Verfolgung von Regressansprüchen nicht in vergleichbarer Weise frei wie beispielsweise die Sozialhilfeträger bei der Verfolgung der auf sie übergegangenen Ansprüche: Die ärztliche Schweigepflicht erlaubt es ohne ausdrückliches Einverständnis des Patienten überhaupt nicht, Dritten auch nur die Tatsache der Behandlung kundzugeben. Solange es sich nicht, wie im vorliegenden Fall, beim Regressbeklagten um einen den Patienten ohnehin begleitenden Angehörigen handelt, ist die Anspruchsverfolgung gegen noch unbekannte Unterhaltsschuldner des Patienten bereits gescheitert, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat.1 (3) Fazit Inwiefern die unterhaltsrechtlichen Besonderheiten des Falles dazu beigetragen haben mögen, dass das Gericht bereits grundsätzlich die Anwendbarkeit der GoA unter Hinweis auf die nachträglich zustande gekommene Vertragsbeziehung verneinen wollte, bleibt der Mutmaßung überlassen.2 Das Gericht wäre mit einer instinktiven Scheu vor der Anwendung des Aszendentenunterhalts jedenfalls sicher nicht allein, wie die hier bereits angesprochene rechtspolitische Diskussion zu den §§ 1601 ff. BGB und der „Sandwich-Generation“ zeigt.3 Da in Sachverhalten wie dem vorliegenden die Behandlungsseite regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit eines mittlerweile „unerreichbaren“ Patienten zu beweisen, scheidet § 679 2. Alt. BGB auch für diesen theoretisch denkbaren Anwendungsbereich praktisch aus, wenn man hier nicht mit Beweiserleichterungen helfen will. Für Krankenhäuser z.B. stellt es natürlich die bessere Lösung dar, wenn Verwandte, die den Patienten begleiten, ihre eigene Kosteneinstandspflicht vertraglich zusichern, was aber eine entsprechende freiwillige Mitwirkung voraussetzt.4 1
Vergleiche etwa zur Verletzung der Schweigepflicht durch Zession der Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle Laufs NJW 1995, 1590, 1595. 2 Das türkische Unterhaltsrecht stellt jedenfalls nicht zwangsläufig eine für den mitteleuropäischen Richter mit besonderen Schwierigkeiten verbundene Materie dar, denn das türkische Zivilgesetzbuch geht bekanntlich maßgeblich auf das schweizerische ZGB zurück, so dass es sich nicht um islamisches Recht handelt; die Voraussetzungen des Verwandtenunterhalts scheinen im vorliegenden Fall (Herzinfarktbehandlung der Patientin) auch durchaus vorgelegen zu haben, da das türkische Recht in Notfällen einen Unterhaltsanspruch zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie vorsieht, vgl. Dose in Wendl/ Staudigl § 7 Rdn. 190, 209 a, der allerdings angesichts der getrennten Entwicklungen beider Rechtsordnungen davor warnt, „Lückenfüllung“ des aktuellen türkischen Unterhaltsrechts durch Anwendung aktuellen schweizerischen Rechts zu betreiben. Üblicherweise werden in der Praxis ohnehin Rechtsgutachten zum ausländischen Recht eingeholt, was mitunter aber durch das berüchtigte „Heimwärtsstreben“ der Gerichte in der kollisionsrechtlichen Prüfung vermieden wird, wie sich vorliegend wieder bestätigt. 3 Siehe oben, V A 7. c). 4 Zu einer solchen formularmäßigen Gesamtschuldnererklärung OLG Düsseldorf NJW 1991, 2352; OLG Hamm NJW 2001, 1797 wendet auf einen formularmäßigen Schuldbei-
B. Ärztliche Behandlung als GoA für öffentlich-rechtliche Körperschaften
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j) GoA für Angehörige ohne bestehende Unterhaltspflicht Kategorisch zu verneinen ist die Möglichkeit, in der ärztlichen Behandlung eine unabhängig von etwaigen Unterhaltspflichten bestehende GoA für Verwandte des Patienten zu sehen: Dies würde ersichtlich einer über das spezielle, positivrechtliche Unterhaltsrecht hinausgehenden Sippenhaft für unbezahlte (vertragliche oder geschäftsführungsrechtliche) Schulden des Patienten gleichkommen und wird nirgends erörtert. Dass eine solche Annahme ohne Beispiel und verfehlt wäre, mag dem Leser als selbstverständlich erscheinen und bedarf hier keiner weiteren Erörterung.
B. Ärztliche Behandlung als GoA für öffentlich-rechtliche Körperschaften und staatliche Einrichtungen 1. Ärztliche Behandlung als Geschäftsführung ohne Auftrag für die Krankenversicherung Die ärztliche Tätigkeit kann auf Grundlage der GoA-Rechtsprechung zur Geschäftsherreneigenschaft von Versicherern keine GoA für die private Krankenversicherung eines Patienten darstellen, da die Leistung der privaten Krankenversicherung von vornherein nur auf Kostenerstattung gerichtet ist und nicht, wie beim Naturalleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung, auf die Verschaffung und Gewährung ärztlicher Leistungen.5 Die Rechtsprechung verweist im Hinblick auf die Geschäftsherreneigenschaft von Versicherern regelmäßig auf deren nur mittelbares Interesse an der versicherten Person oder Sache, was der Anwendung der §§ 677 ff. BGB entgegenstehe.6 Es fehlt bei der Hilfeleistung zu Gunsten eines privatversicherten Patienten daher auch aus Sicht der herrschenden Fremdgeschäftslehre schon an der Übereinstimmung zwischen der Schuld der pritritt die zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft von Angehörigen entwickelten Grundsätze an und kommt zur Unwirksamkeit einer Mitverpflichtungserklärung, die den Angehörigen des Patienten finanziell überfordert. Mit dem Unterhaltsrückgriff ist eine derartige Rechtsprechung zwar nicht ausdrücklich abgestimmt, man sieht aber, dass auch hier der ansonsten im Schuldrecht grds. unbeachtliche, im Unterhaltsrecht jedoch explizit geregelte Gedanke der Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB) (teilweise) zur Geltung kommt. 5 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 304 m.w.N. 6 Vgl. etwa BGHZ 54, 157; 72, 151; zustimmend etwa Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 13 (zu Verwendungen auf fremde versicherte Sachen). Es wurde hier (III B 3. a) (3)) bereits darauf hingewiesen, dass dies eine mehr oder weniger willkürliche Eingrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 677 ff. BGB darstellt, denn die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Geringhaltung von Schäden an Personen oder Sachen liegt aus Sicht des für die Schadensregulierung zuständigen Versicherers ja auf der Hand, so dass die herrschende Fremdgeschäftslehre hier an sich ebenso gut zur Annahme der Geschäftsherreneigenschaft des Versicherers gelangen könnte. Das Merkmal der nur „mittelbaren“ Beziehung des Versicherers zum Gegenstand der Hilfeleistung sieht sich daher im gleichen Maße wie die gesamte Fremdgeschäftslehre überhaupt dem Vorwurf der beliebigen Handhabbarkeit ausgesetzt.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
vaten Krankenversicherung einerseits und der ärztlichen Tätigkeit andererseits, die natürlich nicht in der Leistung von Geldzahlungen an den Patienten besteht. Eine ärztliche GoA für die gesetzliche Krankenkasse kommt hingegen nur in Betracht, wenn man nicht der subjektiv-normativen GoA-Lehre folgt: In der Behandlung des Patienten manifestiert sich, wie bereits erwähnt, keine fremdnützige Willensrichtung zu Gunsten anderer Personen als dem Patienten, so dass die Vertreter dieses GoA-Modells die §§ 677 ff. BGB hier nicht als Regressmittel einsetzen können.7 Nach der bis hierher schon zur Erfüllung fremder Verbindlichkeiten erläuterten GoA-Dogmatik der herrschenden Fremdgeschäftslehre sollte man aber meinen, dass der GoA des Arztes für die gesetzliche Krankenversicherung des Patienten ein weites Feld eröffnet wäre.8 Geeigneter Ansatzpunkt wäre dabei die Naturalleistungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem gesetzlich Versicherten gemäß § 2 II SGB V, deren Erfüllung der Arzt durch die Behandlung des Kassenpatienten vornehmen würde.9 Anders als bei den übrigen Versicherungsfällen (s.o), ließe sich die Geschäftsherreneigenschaft der Krankenkasse hier jedenfalls nicht mit dem Kriterium des bloß mittelbaren Interesses an der Leistung ausschließen, da die gesetzliche Kasse ja nicht bloß für Schadensregulierung und Kostenerstattung zuständig ist, sondern die Verschaffung der ärztlichen Leistungen schuldet. Die Rechtsprechung hat die Naturalleistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse denn auch tatsächlich schon zum Anknüpfungspunkt einiger Entscheidungen zur GoA gemacht,10 die jedoch nicht durchweg ärztliches Handeln zum Gegenstand hatten.11 Der BGH hat sich mittlerweile allerdings in ausdrücklicher Abkehr von früheren Urteilen12 mit der Feststellung im Beschlussweg begnügt, dass Entscheidungen über eine ärztliche GoA für die Krankenkasse aufgrund der hier bereits angesprochenen Ausgliederung der Honorarfrage ins öffentliche Recht13 jedenfalls der Zu-
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Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 304 für gesetzliche und private Krankenversicherung gleichermaßen. 8 Vgl. hierzu auch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 184 ff. 9 So etwa die Argumentation der Klägerin im Fall BGH VersR 1997, 1552, 1553. 10 BGH Az. II ZR 258/54 v. 16.2.1956; OLG Köln Az. 2 U 32/53 5 O 293/52 v. 20.1.1952; OLG Karlsruhe Az. 4 U 183/54 v. 27.10.1955; BSG Az. 3 RK 69/55 v. 20.12.1957 (Regress unter zwei Krankenkassen nach GoA-Recht) 11 So im Fall BGHZ 33, 251 = NJW 1961, 359 = VersR 1960, 1119 zum Ersatzanspruch eines nichtärztlichen Nothelfers. Freilich genießt derjenige, der bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr Hilfe leistet oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit rettet, bezüglich der der dadurch erlittenen Körper- oder Sachschäden sowie seiner Aufwendungen bereits Unfallversicherungsschutz gemäß §§ 2 I Nr. 13 a, 13 S.1, 26 ff. SGB VII, vgl. dazu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 249, § 683 Rdn. 72; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 27, § 683 Rdn. 20, 21. Kritisch zum GoA-Anspruch eines solchen Nothelfers denn auch Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 15. 12 BGH VersR 1955, 49 ff.; 1956, 235 ff.; BGHZ 23, 227 ff. = VersR 1957, 237 ff. (das Gericht stellt in dieser Entscheidung allerdings klar, dass der GoA-Anspruch sich gegen die Kassenärztliche Vereinigung und nicht, wie in den früheren Entscheidungen noch bejaht, gegen die Krankenversicherung selbst richten soll); dazu Göhmann NJW 1957, 1677 ff. 13 Durch BGHZ 89, 250, 252 ff. = BGH NJW 1984, 1820, 1821, vgl. oben, IV A.
B. Ärztliche Behandlung als GoA für öffentlich-rechtliche Körperschaften
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ständigkeit der Sozialgerichte unterfallen.14 Der tatsächliche Anwendungsbereich der ärztlichen GoA für die Krankenversicherung ist sodann jedoch aufgrund der Rechtsprechung des BSG radikal begrenzt: Für die im Rahmen dieser Arbeit zunächst interessierende ambulante Notfallversorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten durch Nichtkassenärzte und nicht gem. § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser15 hat das Gericht klargestellt, dass die Vergütung dieser Leistungen, die der Kassenpatient in Notfällen gem. § 76 I S.2 SGB V in Anspruch nehmen darf, ebenfalls der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen ist, so dass sich dem Grunde und der Höhe nach der (sozialrechtliche) Anspruch bereits aus den Vorschriften des Vertragsrechts über die Honorierung ärztlicher Leistungen ergibt und somit die Konstruktion eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs oder einer öffentlichrechtlichen GoA entbehrlich ist.16 Ein tatsächlicher Anwendungsbereich für eine ärztliche GoA zu Gunsten der Krankenkasse des Patienten ergibt sich dann nur noch, wenn man es allgemein für möglich halten würde, dass Nichtvertragsärzte und nicht zugelassene Krankenhäuser gänzlich außerhalb des Vertragsarztsystems die reguläre und nicht lediglich notfallbedingte Behandlung von Kassenpatienten übernehmen und über das Instrument der GoA Kostenersatz von den Kassen verlangen mit der Begründung, sie hätten deren gegenüber dem Versicherten bestehende Naturalleistungspflicht erfüllt. Soweit ersichtlich, wird diese Möglichkeit beinahe nirgends diskutiert.17 Auf der Grundlage der hier bereits erörterten Rechtsprechung zur Erfüllung fremder Verbindlichkeiten wäre ein solcher Regress zwar sowohl mittels der GoA wie auch mittels des Kondiktionsrechts denkbar.18 Die Folgen für das Vertragsarztsystem wären allerdings geradezu fundamental: Ein derartiges Regressinstrument würde es erlauben, die von Seiten der Ärztefunktionäre immer wieder ausgesprochene Drohung wahrzumachen, das Vertragsarztsystem des SGB V samt aller damit verbundenen Gängelungen durch die Gesundheitspolitik, der Wirtschaftlichkeitsprüfungen und der Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigungen zu verlassen. Die Konsequenz wäre etwa, dass für die im System verbleibenden Ärzte zwar nach wie vor 14 BGH NJW 1997, 1636 = VersR 1997, 1552 zum Klagebegehren eines nicht gemäß § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. 15 Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern steht natürlich aufgrund der entsprechenden (Gesamt-)Verträge bereits ein Honoraranspruch für die Versorgung von Kassenpatienten zu, ohne dass es hierfür der GoA bedürfte. 16 BSGE 92, 223 ff. = MedR 2004, 277 ff.; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 26. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch ist bekanntlich aus den kondiktionsrechtlichen Vorschriften des BGB entwickelt worden. Dass das Gericht diesen Anspruch zugleich mit einer denkbaren GoA abhandelt, zeigt wieder die hier bereits mehrfach angesprochene Parallelität von Geschäftsführung- und Bereicherungsrecht auf. Das Gericht erörtert nicht weiter, wie der Anspruch der Behandlungsseite näher zu erklären ist. v.Einem (NWVBl. 1992, 384, 386) sieht in § 76 I S.2 SGB V ein die GoA ausschließendes „gesetzliches Auftragsangebot und dessen Annahme durch die Behandlung“. 17 Ausnahme: Behrends, Grenzen des Privatrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 350 ff. 18 Inhaltlich wären sicher nur solche ärztlichen Maßnahmen ersatzfähig, die sich im Rahmen des Leistungsspektrums der Kassen bewegen, worauf Behrends (Grenzen des Privatrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 370) zutreffend hinweist.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
die Gesamtvergütung an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu leisten wäre, für die außerhalb des Systems tätigen Ärzte aber weitere Beträge in unbestimmter Höhe bereitzuhalten wären. Wie deren Auskehrung zu erfolgen hätte, wäre dabei völlig offen. Eine jeweils einzelne, gegebenenfalls klageweise Geltendmachung von GoA-Ansprüchen gegenüber den Krankenversicherungen würde das System sicher überlasten, unabhängig davon, dass überhaupt nicht vorstellbar ist, wie das Gesamtbudget für die im System verbleibenden Ärzte einerseits und die Mittel zur Befriedigung der außerhalb des Systems tätigen Ärzte andererseits aufeinander abgestimmt und kalkuliert werden könnten. Vor allem aber würde diese Liquidationsmöglichkeit dem in der gesetzlichen Krankenversicherung nach wie vor gerade nicht geltenden Erstattungsprinzip gleichkommen und damit eine Umgehung des strukturell dem SGB V zugrundeliegenden Naturalleistungsprinzips darstellen.19 Man wird sich daher richtigerweise auf den Standpunkt stellen müssen, dass die Erbringung von Leistungen durch nicht in das Vertragsarztsystem eingebundene Ärzte grundsätzlich nicht mittels GoA gegen die Krankenkassen geltend gemacht werden darf, da dem der Wille des vermeintlichen Geschäftsherrn entgegensteht.20
2. Ärztliche Behandlung als GoA für Sozialleistungsträger a) Überblick Der rein zivilrechtliche Unterhaltsregress des Arztes stellte, wie gesehen, in der Vergangenheit einen selbstverständlichen Anwendungsbereich der GoA dar, der jedoch in der Praxis mehr und mehr durch die speziellen Kostentragung- und Regressregeln für die gesetzliche Krankenversicherung und für die öffentlichrechtlichen Sozialleistungsträger verdrängt wurde. Letztere wiederum dürfen sich aufgrund der einschlägigen Spezialvorschriften unter Umständen an die Unterhaltsschuldner des Hilfeempfängers halten (vgl. § 94 SGB XII), so dass im Hinblick auf die Forderungszuständigkeit eine Abstimmung mit dem ärztlichen Unterhaltsregress erforderlich ist bzw. dieser entbehrlich wird. Die (öffentlichrechtliche) GoA der Behandlungsseite gegen einen Leistungsträger kann wiederum innerhalb dieses Sozialleistungssystems nur dann noch als Rückgriffsgrundlage dienen, wenn spezielle Regelungen nicht vorhanden sind. Einschlägig ist insofern aber vor allem die sozialhilferechtliche Vorschrift des § 25 SGB XII (§ 121 BSHG a.F.), 19
Zum Konflikt zwischen Gesamtvergütung einerseits und der ausnahmsweisen Kostenerstattung nach § 13 II SGB V andererseits Steinhilper/Schiller MedR 1997, 385, 388. BSG NZS 1995, 462 ff. hat entschieden, dass selbst im Anwendungsbereich dieser Ausnahmenorm eine Kostenerstattung für die Behandlung durch Nichtvertragsärzte nicht in Betracht kommt. A.A. bereits Zuck NZS 1994, 254 ff. Zum Naturalleistungsprinzip und zur Kostenerstattung ausführlich Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 9 Rdn. 1 ff. 20 In diesem Sinne etwa OLG Koblenz NJW-RR 1986, 703 zum GoA-Regress einer nicht zum Rettungsdienst zugelassenen Sanitätsorganisation, die über § 683 BGB von der Krankenkasse Vergütung für eine erbrachte Krankentransportleistung begehrte. Das Gericht befand den entgegenstehenden Willen auch nicht nach § 679 BGB für unbeachtlich, da allein das Tätigwerden der zum Rettungsdienst zugelassenen Organisationen im öffentlichen Interesse liege.
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durch welche die Erstattungsansprüche der Behandlungsseite aufgrund eines Tätigwerdens für Bedürftige umfassend geregelt werden.21 Da die Norm die entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht versperrt,22 ist die Bedeutung der öffentlichrechtlichen GoA in diesem Bereich daher stark zurückgegangen.23 Auch bei der ärztlichen GoA für eine sonstige öffentlichrechtliche Körperschaft gilt wiederum: Wer der subjektiv-normativen Lehre folgt, kann denknotwendig nicht zu einem solchen Geschäftsführungsregress gegen Dritte gelangen, denn in der ärztlichen Behandlung manifestiert sich lediglich eine auf den Patienten ausgerichtete Fremdnützigkeit, nicht aber eine solche für Drittpersonen. Vom Standpunkt der herrschenden Fremdgeschäftslehre aus ist ein solcher GoA-Regress allerdings denkbar. Als früherer Anwendungsfall möge hier eine Entscheidung des BSG24 erläutert sein, die deutlich zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit ein anderes Gericht all die vom OLG Koblenz25 gegen einen ärztlichen GoA-Rückgriff grundsätzlich vorgetragenen Bedenken gerade nicht teilt und sie mit geringem argumentativen Aufwand überwindet. b) Der Fall BSG NJW 1991, 2373 ff. (1) Sachverhalt und Entscheidung In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der klagende Krankenhauszweckverband in einem seiner Krankenhäuser mehreren alkoholoder drogenabhängigen Patienten eine so genannte Entgiftungsbehandlung zukommen lassen.26 Die Suchtpatienten waren nicht krankenversichert und der örtliche Sozialhilfeträger hatte die Übernahme der entstandenen Kosten verweigert. Daraufhin nahm der Kläger die Landesversicherungsanstalt in Anspruch, bei der die Patienten rentenversichert waren. Das Gericht gab dem Kostenerstattungsbegehren aus der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren GoA statt, da das für den Regress zwischen verschiedenen Sozialleistungsträgern vorrangige Rückgriffsinstrument der §§ 102 ff. SGB X nicht zum Zuge kommen konnte, weil der Kläger kein Leistungsträger im Sinne dieser Vorschriften war27 (da der Sozialleis-
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Ausführlich hierzu Schoenfeld in Grube/Warendorf, SGB XII, § 25 Rdn. 1 ff. m.w.N.; zu Rechtsfragen der ärztlichen Behandlung nichtversicherter Sozialhilfeempfänger ferner Jolitz MedR 2001, 631 ff. Vgl. auch die Entscheidung BGH NJW 2005, 1363 ff. 22 OVG Münster DVBl. 2001, 578, 579; Schoch Jura 1994, 241, 243 (zu § 121 BSHG); Schoenfeld in Grube/Warendorf, SGB XII, § 25 Rdn. 18. 23 Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 23 ff. m.w.N. v.Einem (NWVBl. 1992, 384, 389) meint, die GoA sei im Sozialrecht insgesamt „ohne praktische Relevanz“. 24 BSG NJW 1991, 2373 ff. 25 OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff., siehe die ausführliche Darstellung oben, V A 7. i). 26 BSG NJW 1991, 2373. 27 BSG NJW 1991, 2373 unter Bezugnahme auf BVerwGE 80, 170 = NJW 1989, 922 (zur entsprechenden Anwendbarkeit der GoA im öffentlichen Recht). Dazu auch Seiler (in MüKo Vor § 677 Rdn. 24), der für den Rückgriff zwischen zwei Verwaltungsträgern den am Bereicherungsrecht orientierten öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch für das der GoA
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
tungsträger für die Entgiftungsbehandlung materiellrechtlich nicht zuständig war, kam ein gegen diesen gerichteter Rückgriff nach § 121 BSHG a.F. (heute § 25 SGB XII) von Anfang an nicht in Betracht). Da die Rentenversicherung nach Ansicht des Gerichts sowohl die Kosten einer Entgiftungs- als auch die einer nachfolgenden Entwöhnungsbehandlung zu tragen hatte, sollte der Krankenhausträger mit dieser Entgiftungskur, die als „Bezahlung fremder Schulden“ anzusehen sei, eine der beklagten Landesversicherungsanstalt gegenüber den Patienten obliegende Verbindlichkeit erfüllt, mithin ein fremdes Geschäft geführt haben.28 Dass die allgemeinen Voraussetzungen der einschlägigen rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften im vorliegenden Fall erfüllt waren, war nicht streitig, die Beklagte hatte sich lediglich auf den vom Gericht letztlich verworfenen Standpunkt gestellt, dass sie nur für die bereits freiwillig gewährte Entwöhnungsbehandlung aufzukommen habe, nicht aber für die vorausgegangene Entgiftung.29 Den insofern entgegenstehenden Willen der Beklagten hielt das Gericht für unbeachtlich, weil die Erfüllung der betreffenden Pflicht im Sinne des § 679 1.Alt BGB im öffentlichen Interesse gelegen habe.30 Das Gericht spricht sich dabei gegen die unter anderem von Thomas31 vorgeschlagene restriktive Auslegung dieser Norm aus, da eine Beschränkung auf Fälle eines besonders dringenden öffentlichen Interesses weder dem Gesetz entspreche noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung übernommen worden sei.32 Das in dieser Norm angesprochene öffentliche Interesse überlegene Instrument hält. Vgl. auch Schoch Jura 1994, 241 ff. zur öffentlichrechtlichen GoA. 28 BSG NJW 1991, 2373, 2374 m.w.N. zu entsprechenden früheren Entscheidungen. Das Gericht bezieht sich auf die damals geltenden §§ 1236 ff. RVO, die mittlerweile aufgehoben wurden. Vgl. nunmehr zu rentenversicherungsrechtlichen Leistungen der medizinischen Rehabilitation § 15 SGB VI, §§ 26 ff. SGB IX. Dazu BT-Drs. 11/4124 S. 155, 156; Kreikebohm in Kreikebohm, SGB VI, § 15 Rdn. 3 ff. m.w.N. insbesondere zur „Empfehlungsvereinbarung ambulante Rehabilitation Sucht“. Zu den Konsequenzen dieser Reformbemühungen für die im vorliegenden Urteil bejahte Erstattungsfähigkeit der anfallenden Kosten mittels GoA sogleich. 29 BSG NJW 1991, 2373, 2374. 30 BSG NJW 1991, 2373, 2374. 31 Das Gericht verweist auf die damalige Kommentierung von Thomas in Palandt § 679 Rdn. 2b; ihm folgend Sprau in der aktuellen Auflage (§ 679 Rdn. 3). 32 BSG NJW 1991, 2373, 2374 unter Bezugnahme auf BGHZ 7, 346 ff. = NJW 1953, 61 ff. (der BGH sieht in dieser Entscheidung die Erfüllung fremder Steuerschulden als im öffentlichen Interesse liegend an). Vgl. aber auch die Ausführungen bei Seiler (in MüKo Vor § 677 Rdn. 25), der ebenfalls für § 679 1. Alt. BGB eine „besondere Dringlichkeit“ einfordert, wobei nicht klar ist, ob er damit lediglich die ansonsten drohende, in dieser Norm ja zudem ausdrücklich angesprochene nicht rechtzeitige Erfüllung der betreffenden Pflicht meint. Den von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen (BGHZ 1, 57, 61 ff = NJW 1951, 269 ff.; BGH NJW 1978, 1258.) lässt sich nichts über eine nähere Konkretisierung dieses Merkmals entnehmen. Ehmann (in Erman § 679 Rdn. 2) fordert hingegen im Anschluss an Zitelmann (AcP 99(1906), 114 ff.) ausdrücklich ein „besonderes, stärkeres“ und „dringendes“ Interesse; Bergmann (in Staudinger § 679 Rdn. 21) verlangt zwar ein „gesteigertes Interesse der Rechtsgemeinschaft“ an der Erfüllung der betreffenden Pflicht, meint aber unter Verweis auf das vorliegende Urteil des BSG, diese Anforderungen dürften nicht überspannt werden. Eine nähere Konkretisierung dieses öffentlichen Interesses hält er
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dürfe nicht zu eng ausgelegt werden, auch im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben sei es als irrelevant anzusehen, wenn jemand sich darauf beruft, die Erfüllung seiner Pflichten habe nicht seinem Willen entsprochen und könne aus diesem Grund nicht den Regress nach GoA-Recht eröffnen.33 Das Gericht verweist auf eine dementsprechende frühere Entscheidung zum Regress zwischen zwei Krankenkassen und erweitert die dort aufgestellten Grundsätze auf die hier einschlägige Kostenerstattungsverpflichtung eines Rentenversicherungsträgers.34 Die von § 679 1. Alt. BGB angesprochene Gefahr einer nicht rechtzeitigen Erfüllung folge im vorliegenden Fall schon aus der medizinischen Gebotenheit der Entgiftungsbehandlung.35 Das Problem des auch-fremden Geschäfts bzw. des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers wird vom BSG in sehr knappen und höchst bemerkenswerten Erwägungen abgehandelt. Ob die ärztliche Entgiftungsmaßnahme aufgrund eines mit den Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages erfolgt war, sollte offenbar aus bloßen Billligkeitserwägungen nicht weiter interessieren, jedenfalls konnte dieser Punkt nach Ansicht des Gerichts einem Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 677, 683 BGB nicht entgegenstehen: „Ein rein eigenes Geschäft des Kl. könnte z.B. dann hier vorliegen, wenn es dem Kl. (ursprünglich) nur um eine Vereinbarung mit den Beigel. und um sein (entgeltliches) Geschäft (Dienst- oder Werkvertrag) mit den Beigeladenen gegangen wäre. Es liegt jedoch auf der Hand, dass es einem Krankenhausträger nicht darum geht, aus Erwerbsgründen mit Drogenabhängigen oder sonstigen Suchtkranken entgeltliche Verträge abzuschließen. Die Notwendigkeit der Kostentragung durch Dritte ist gerade in diesen Fällen offensichtlich und wird seitens der Bekl. auch nicht bestritten.“36 Auch dass der Kläger seinen Fremdgeschäftsführungswillen nicht von Beginn an auf die Beklagte ausgerichtet hatte, sollte dem Anspruch nicht entgegenstehen, vielmehr sei die zunächst vom Kläger gehegte Vorstellung, dass der Sozialhilfeträger für die Erstattung der Kosten einer Entgiftungskur zuständig sei, im Hinblick auf § 686 BGB unbeachtlich.37 (2) Bewertung Das Urteil zeigt einmal mehr, wie schnell die Gerichte in der Praxis den nach der Gesetzessystematik an sich maßgeblichen Willen des Geschäftsherrn mit knappem Verweis auf § 679 1. Alt. BGB einerseits und ergänzend auf die Grundsätze von für nicht möglich, es sei stets eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Einzelfallabwägung vorzunehmen, die durch Fallgruppenbildung der Gerichte gestützt werden könne. Die anstelle einer an sich berufenen Institution vorgenommenen Maßnahmen der Kranken- und Sozialfürsorge sollen regelmäßig hierzu zählen (Rdn. 23). Darin ist ihm uneingeschränkt beizupflichten. 33 BSG NJW 1991, 2373, 2374. 34 BSG NJW 1991, 2373, 2374 unter Verweis auf BSG NJW 1958, 886 ff (öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag). 35 BSG NJW 1991, 2373, 2374. 36 BSG NJW 1991, 2373. 37 BSG NJW 1991, 2373, 2374.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
Treu und Glauben andererseits für unbeachtlich erklären können: Der Geschäftsherr hat hier dann ganz einfach zu wollen, was seine Pflicht ist.38 Mit der Einordnung der Behandlung als Erfüllung fremder Verbindlichkeit bewegt sich das Gericht auf der Linie des hier bereits ausführlich besprochenen ärztlichen Unterhaltsrückgriffs nach GoA-Recht. Die dortigen Ausführungen zur gegebenenfalls erst nachträglich erfolgenden, dem richtigen Schuldner zugeordneten Tilgungsbestimmung dürfen hier entsprechende Geltung verlangen. Den Umstand, dass ein derartiger Kostenrückgriff aufgrund des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages theoretisch problematisch sein kann, weil er der GoA die Wirkungen der hier bereits mehrfach angesprochenen Versionsklage verleiht, erkennt das BSG zwar ebenso wie das OLG Koblenz (dort beim Rückgriff gegen den Unterhaltsschuldner des Patienten).39 Die Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz des Schuldrechts, wonach sich ein jeder für das Entgelt der von ihm erbrachten Leistungen allein an seinen Vertragspartner zu halten habe und das Risiko von dessen Illiquidität nicht mittels der Rückgriffs-GoA auf Dritte abwälzen dürfe, ist dem BSG aber nur den hier bereits wörtlich zitierten und sicher von einer gewissen Staatsgläubigkeit getragenen Hinweis wert, dass die „Notwendigkeit der Kostentragung durch Dritte“ bei Drogenabhängigen oder Suchtkranken eben auf der Hand liege. Eine dogmatisch tragfähige Begründung stellt dies kaum dar, vielmehr genügt anscheinend die bloße Tatsache der Suchtkrankheit, um der von den Patienten getroffenen Entscheidung, eine derartige Entgiftungsbehandlung in Anspruch zu nehmen, jegliche einen näheren dogmatischen Blick lohnende privatautonome Bedeutung abzusprechen. So wie das OLG Koblenz sich mit wenigen, hier bereits als dogmatisch nicht stichhaltig verworfenen Überlegungen gegen den GoA-Rückgriff entschied, judiziert das BSG mit ebenso knappen Sätzen in die entgegengesetzte, den GoA-Rückgriff eröffnende Richtung. Dabei weisen beide Sachverhalte eine ganz ähnliche, durch die Besonderheiten ärztlicher Tätigkeit bedingte Struktur auf: Zwar kam im Fall des OLG Koblenz der Vertrag mit der Patientin erst nachträglich zustande, in beiden Fällen stand aber richtigerweise für die behandelnden Ärzte erst einmal die medizinisch gebotenen Versorgung der Patienten im Vordergrund, während die Krankenhausverwaltung sich auf die für das Gesundheitswesen charakteristische Suche nach dem richtigen Kostenschuldner machen durfte: Falls eine gesetzliche Krankenversicherung besteht, ist diese zuständig, für versicherungslose Personen kommt die Einstandspflicht eines Sozialhilfeträgers in Betracht, dessen Zuständigkeit aber unter mehreren in Frage kommenden Gebietskörperschaften ggf. auch erst geklärt werden muss. In Betracht kommt schließlich auch die Einstandspflicht einer anderen öffentlichrechtlichen Körperschaft, wie vorliegend die der Landesversicherungsanstalt aufgrund rentenversicherungsrechtlicher Normen.
38
Insgesamt kritisch zu der Entscheidung v.Einem, NWVBl. 1992, 384,386 ff. Kritisch auch Schoch (Jura 1994, 241, 248), der allerdings meint, das Gericht würde hier nur „mit gehörigem Argumentationsaufwand“ zur Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn gelangen. 39 OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff., siehe die ausführliche Darstellung oben, V A 7. i).
B. Ärztliche Behandlung als GoA für öffentlich-rechtliche Körperschaften
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Es wurde hier bereits ausführlich erörtert, dass dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag schon angesichts der etwaigen Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit (durch freiberufliche Wertungen, durch eine bei Untätigkeit drohende Strafverfolgung, durch den kassenrechtlichen Vertragsabschlusszwang) generell keine automatische Sperrwirkung gegenüber einem GoA-Rückgriff gegen Dritte zugesprochen werden sollte, da dies den Besonderheiten ärztlicher Tätigkeit widerspricht, in deren Mittelpunkt immer primär das Wohl des hilfebedürftigen Patienten zu stehen hat und nicht das pekuniäre Interesse an Gewinnerzielung. Der GoA-Rückgriff gegen Dritte sollte unter diesem Gesichtspunkt nicht unnötig erschwert werden. Erst Recht kann die auch im vorliegenden Fall zunächst bestehende Unsicherheit über den richtigen Kostenschuldner die Verwehrung des GoA-Rückgriffs gegen Dritte nicht tragen: Diese anfängliche „Ergänzungsbedürftigkeit“ des ärztlichen Fremdgeschäftsführungswillens ist angesichts der komplexen Strukturen des deutschen Gesundheitswesens als geradezu krankenhaustypisch anzusehen, die vom BSG vorgenommene Anwendung des § 686 BGB hat hier ihre volle Berechtigung. Sowohl die Entscheidung des BSG als auch die des OLG Koblenz spiegeln aber geradezu symptomatisch die Entwicklung des modernen fürsorglichen Sozialstaats wider: Wo das OLG Koblenz mit sichtlichem Unbehagen einem vielleicht als geradezu archaisch empfundenen Aszendentenunterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB die Berechtigung mit sehr grundsätzlichen Erwägungen zur GoA-Dogmatik abspricht, gibt das BSG unter kategorischer Verneinung solcher Erwägungen dem Rückgriffsbegehren gegenüber einer öffentlichrechtlichen Körperschaft gem. § 679 1. Alt. BGB mit der größten Selbstverständlichkeit statt. Für die Bewertung der vorliegenden Entscheidung und ihre Einordnung in die Anwendungsfälle der Ärzte-GoA ist letztlich aber noch anzumerken, dass sie zum einen durch die Reformbemühungen des Gesetzgebers hinfällig geworden ist: Die medizinischen Rehabilitationsleistungen sollen nunmehr entweder in eigenen oder in vertraglich mit dem Rentenversicherungsträger verbundenen Einrichtungen durchgeführt werden (§ 15 II SGB VI), die damit verbundene Geltung des aus der gesetzlichen Krankenversicherung bekannten Sach- oder Naturalleistungsprinzips soll den Rentenversicherungsträger aus der Rolle des bloßen Finanzierers befreien und ihm die Einflussnahme auf Art und Qualität der Rehabilitation ermöglichen, so dass ihn eine Erstattungspflicht für unter Umgehung dieses Regulariums erbrachte Leistungen nicht treffen soll.40 Schon unter diesem Gesichtspunkt spielt es dann gar keine entscheidende Rolle mehr, dass die der Entwöhnung vorausgehende Entgiftungsbehandlung mittlerweile aufgrund der zwischen den Krankenkassen und den Rentenversicherungsträgern geschlossenen Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankung“ vom 4.5.2001 dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen wurde, für den natürlich, wie besprochen, ebenfalls das Naturalleistungsprinzip gilt.41 Die Möglichkeit, eine Entgiftungsbehandlung als GoA für
40 Vgl. § 15 SGB VI, §§ 26 ff. SGB IX. Dazu die Erläuterung in BT-Drs. 11/4124 S. 155, 156; Kreikebohm in Kreikebohm, SGB VI, § 15 Rdn. 3 ff. m.w.N 41 Vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 25 Rdn. 33 m.w.N.
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V. Die Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis
den Rentenversicherungsträger oder die Krankenversicherung anzusehen, scheidet also insgesamt aus.
3. Ärztliche Behandlung als GoA für die BRD? Höchst theoretisch denkbar ist es schließlich noch, in der ärztlichen Behandlung eines Patienten eine Geschäftsführung für die BRD zu sehen. Diese Möglichkeit wurde in einem Fall des OLG Köln erörtert: Die nicht krankenversicherte Patientin war nach einer Notfalleinlieferung im Krankenhaus der Klägerin verstorben. Nachdem ihre Verwandtschaft die Erbschaft ausgeschlagen hatte verweigerte auch das örtlich zuständige Sozialamt die Übernahme der Kosten, da sich die sozialrechtlich erforderliche Hilfebedürftigkeit der Patientin nicht feststellen lasse.42 Das Gericht wies die auf Aufopferungs- und Enteignungsgrundsätze gestützte und maßgeblich mit der ärztlichen Hilfeleistungspflicht aus § 323 c StGB argumentativ untermauerte Klage gegen die BRD ab und erörterte dabei auch die Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen GoA: Die Verpflichtung des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit seiner Bürger sei ein Verfassungsauftrag, der den Gesetzgeber grundsätzlich nur dazu verpflichte, die Voraussetzungen für ein funktionierendes Gesundheitswesen zu schaffen, hingegen liege die von der Klägerin angestellte Erwägung, der Staat sei in sämtlichen unzähligen gesundheitlichen Notfällen seiner Bürger jeweils Geschäftsherr, „neben der Sache“.43 Diese apodiktische Wertung fügt sich in das generell unscharfe und konturenlose Bild der GoA, wie es hier eingangs beschrieben wurde. Die von den Gerichten bei der Ausfüllung des „fremden Geschäfts“ vorgenommenen Einordnungen sind mehr oder weniger willkürlich, natürlich hätte man, mit genauso wenig argumentativem Aufwand, vorliegend auch eine allgemeine Fürsorgepflicht des Staates annehmen können, die es gebieten würde, im Notfall nicht den Krankenhausträger auf den Kosten der Behandlung sitzen zu lassen.44 Es ist aber doch uneingeschränkt zu begrüßen, dass das OLG Köln offenbar bemüht ist, sich auf der neuerdings restriktiven Linie obergerichtlicher Entscheidungen zur GoA zu bewegen. Auch hier erweist sich also wieder: Die GoA als beliebig handhabbares Regressinstrument ist auf dem Rückzug.
42
OLG Köln VersR 2004, 1058 ff. OLG Köln VersR 2004, 1058, 1060. Bestätigt durch BGH NJW 2005, 1363 ff. = JR 2005, 506 ff. m. Anmerkung Strick/Tillmanns. 44 Freilich verlieren die Bedenken gegenüber der vom Gericht geübten Regressverweigerung an Gewicht, wenn man die staatlicherseits ohnehin geübte Subventionierung der Krankenhäuser in den Blick nimmt. 43
VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe A. Überblick Für das Arztrecht ist von besonderem Interesse, ob die GoA als Legitimationsgrundlage für Eingriffe in rechtlich geschützte Güter des Patienten wie die körperliche Integrität und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht in solchen Fällen dienen kann, in denen die erforderliche Einwilligung des Patienten wegen Bewusstseinsstörungen oder gänzlicher Bewusstlosigkeit nicht eingeholt werden kann.1 Hierher gehören insbesondere etwa die Fälle der erforderlichen Operationserweiterung, die, sei sie vorhersehbar oder nicht, mit dem anästhesierten Patienten jedenfalls nicht mehr abgesprochen werden kann, ohne den Eingriff vorläufig zu beenden und ihn aus der Narkose zu holen. Üblicherweise wird diese Thematik auch unter dem Stichwort „ärztliche Eigenmacht“ diskutiert. Das für eine Rechtfertigungswirkung in Betracht kommende Institut der „berechtigten GoA“ ist insofern allerdings mehr oder weniger deckungsgleich mit der maßgeblich von den Strafgerichten erarbeiteten und längst zum gesicherten Bestand der Dogmatik zählenden Figur der mutmaßlichen Einwilligung. Es bedarf daher nicht der GoA als Legitimationsgrundlage, wie eine Bestandsaufnahme der einschlägigen Literatur und eine Gegenüberstellung von mutmaßlicher Einwilligung und berechtigter GoA belegen wird.
1
Bekanntlich geht die Körperverletzungsdoktrin der Rechtsprechung davon aus, dass auch der lege artis vorgenommene ärztliche Eingriff den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt, vgl. RGSt 25, 375; BGHSt 11, 111 = NJW 1958, 267; BGHSt 12, 379 = NJW 1959, 825; BGHSt 35, 246 = NJW 1988, 2310. Nach Auffassung der herrschenden Lehre soll der lege artis vorgenommene Eingriff hingegen schon keine tatbestandsmäßige Körperverletzung darstellen, was allerdings zu unbefriedigenden Strafbarkeitslücken bei der eigenmächtigen Heilbehandlung führt, vgl. Katzenmeier ZRP 1997, 156 ff. m.w.N. Rein von der zivilrechtlichen Warte aus ist allerdings zu bemerken, dass die Literaturauffassung bei der eigenmächtigen Heilbehandlung eine Verletzung des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Selbstbestimmungsrechts des Patienten bejaht. Nach beiden Auffassungen bedarf daher der Arzt einer Rechtfertigung, so dass die Legitimierungsfunktion der GoA nachfolgend für beide Ansichten einheitlich diskutiert werden kann.
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
B. Die mutmaßliche Einwilligung2 Nach ständiger Rechtsprechung bildet nicht nur die tatsächlich erklärte, sondern auch die mutmaßliche Einwilligung des Patienten einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für die Vornahme eines Eingriffs in dessen rechtlich geschützte Güter, was vornehmlich für die (strafrechtliche) Frage der Verletzung der körperlichen Integrität von Bedeutung ist.3 Bereits das RG verwendete die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigung bei fehlender Einwilligung des Patienten,4 der BGH hat hierzu Stellung bezogen anlässlich von Fragen der Operationserweiterung5 und bei der Frage des Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen.6 Die Berechtigung dieser Rechtsfigur ist zwar nicht unumstritten,7 sie hat sich aber doch 2
Vgl. hierzu insbesondere die ausführliche Untersuchung von Knauf, Mutmaßliche Einwilligung und Stellvertretung bei ärztlichen Eingriffen an Einwilligungsunfähigen, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Nicht zu verwechseln ist die mutmaßliche Einwilligung mit der so genannten hypothetischen Einwilligung, die den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft. Zur hier aus Raumgründen nicht weiter auszuführenden arztrechtlichen Kontroverse um diese Rechtsfigur und ihr Verhältnis zur mutmaßlichen Einwilligung insbesondere Katzenmeier, Arzthaftung, S. 347 ff., 367 ff., 498; Koziol, FS für Deutsch, S. 179 ff.; Kuhlen JR 2004, 227 ff.; ders. JZ 2005, 713 ff.; Puppe JR 2004, 470 ff.; Rönnau JZ 2004, 801 ff.; Mitsch JZ 2005, 279 ff.; Böcker JZ 2005, 925 ff. 3 BGHSt 35, 246, 249; BGH NJW 2000, 885, 886. Aus der Zivilrechtsprechung: BGH NJW 1993, 2372, 2374; BGH MedR 1987, 234, 237; BGHZ 29, 46, 52; Cramer/Heine/ Lenckner und Eser in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 56, 57, § 223 Rdn. 38 a. Zur Frage, ob die Entnahme einer Blutprobe zur Durchführung eines HIV-Tests sich auf mutmaßliche Einwilligung stützen lässt StA Mainz NJW 1987, 2946. Taupitz (Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 498) weist darauf hin, dass kaum zivilrechtliche BGH-Entscheidungen bekannt seien, in denen eine Rechtfertigung wegen mutmaßlicher Einwilligung letztlich bejaht worden sei, so etwa BGH NJW 1974, 602 (zum Einverständnis des Patienten zur Übergabe einer Patientenkartei an den Praxisnachfolger, dazu aber später BGHZ 115 ff.; 116, 268 ff.). Allgemein zur mutmaßlichen Einwilligung Ohly, volenti non fit iniuria, S. 214 ff. 4 RGZ 68, 431, 434. 5 BGHSt 11, 111 ff. = NJW 1958, 267 ff. (die Entscheidung wirft freilich die bis heute ungeklärte Frage auf, wieso der betreffende Arzt trotz Vorliegens des Rechtfertigungsgrundes der mutmaßlichen Einwilligung dennoch strafbar sein sollte, eingehend dazu Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 514); BGH NJW 1977, 337 ff. (mutmaßliche Einwilligung verneint); 35, 246 ff. = NJW 1988, 2310 = JZ 1988, 1021 (m. Anm. Geppert (S. 1024) und Giesen (S. 1030)); BGH NJW 2000, 885 ff.; dem folgend etwa OLG München VersR 1980, 172 ff; OLG Frankfurt a.M. NJW 1981, 1322 ff.; OLG Celle VersR 1984, 444 ff. (das Gericht spricht von hypothetischer Einwilligung, aufgrund der vitalen Indikation der OPErweiterung ist in der Sache aber die mutmaßliche Einwilligung gemeint). Zur zivilrechtlichen Haftung bei Erweiterung oder Abänderung des Operationsplanes Uhlenbruck VersR 1968, 1101 ff. 6 BGHSt 37, 376; 40, 257; zuletzt BGH NJW 2003, 1588 ff.; zu diesem möglichen Anwendungsbereich der mutmaßlichen Einwilligung Bernsmann ZRP 1996, 87, 89, Höfling JuS 2000, 111, 116, Deichmann MDR 1995, 983 ff.; Kutzer NStZ 1994, 110 ff. 7 Als kritikwürdig bzw. als „zweifelhafte Rechtsfigur“ bezeichnen sie Bernsmann (ZRP 1996, 87, 89) und Höfling (JuS 2000, 111, 116), die sich allerdings maßgeblich an der spe-
B. Die mutmaßliche Einwilligung
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als fester Bestandteil der judikativen Rechtsschöpfungen etabliert und wird vom Schrifttum ganz überwiegend akzeptiert.8 Insbesondere überzeugt ihre grundsätzlich am Patientenwillen ausgerichtete subjektive Struktur gegenüber solchen Ansätzen, welche die betreffenden Sachverhalte mittels einer rein objektiven Interessenabwägung bewältigen wollen: Wer etwa das Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit einerseits mit seinem Recht auf Gesundung andererseits abwägt,9 verkennt, wie Taupitz in Umkehrung der Ansicht Wollschlägers treffend formuliert, dass die Freiheit zur individuellen Unvernunft eben auch vor Notsituaziellen Frage des Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen abarbeiten und damit vornehmlich die passive Sterbehilfe im Auge haben, deren mannigfaltige Probleme hier aus Raumgründen nicht weiter erörtert werden können. Da beide Autoren somit den Abbruch der Behandlung bei bereits seit langem in Behandlung befindlichen und irreversibel bewusstlosen Patienten erörtern, kommt ihrer insofern gegenüber der mutmaßlichen Einwilligung geäußerten Skepsis im Hinblick auf die aktive Behandlung gerade erst einwilligungsunfähig gewordener Patienten und im Hinblick auf die durchschnittliche Operationserweiterung wohl keine Bedeutung zu.; Roxin (FS für Welzel, S. 447, 448) meinte noch 1974, die mutmaßliche Einwilligung sei „nicht nur in allen wesentlichen Einzelfragen, sondern auch in den Grundlagen umstritten“, wünschte ihr aber allgemeine Anerkennung als eigenständiger Rechtfertigungsgrund; Schachtschneider/Siebold (DÖV 2000, 129, 135) halten den Gedanken eines mutmaßlichen Willens gar für einen Widerspruch in sich selbst, müssen aber eingestehen, dass das BGB den mutmaßlichen Willen in § 683 BGB explizit vorsieht. Da sie zudem den Grenzbereich der Organtransplantation erörtern, dürfte ihrer verallgmeinernden Ablehnung wenig Gewicht beizumessen sein, die Rechtsprechung der Strafgerichte hat hinreichend zum Ausdruck gebracht, welchen Beschränkungen die Rechtsfigur des mutmaßlichen Willens im Arztrecht unterliegt (vitale oder akute Indikation, dazu sogleich). Kritisch auch Laufs (NJW 1998, 3399, 3400) und Seitz (ZRP 1998, 417, 421 (allerdings wiederum zur Sterbehilfe)); van Oosten, FS für Deutsch, S. 680; Tiedemann JuS 1970, 108, 109 (zur Handhabung der mutmaßlichen Einwilligung im übrigen Strafrecht) weist darauf hin, dass es sich bei dieser Rechtsfigur immer um eine Hilfslösung zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse handle. 8 Ohly, volenti non fit iniuria, S. 217; Müller-Dietz (JuS 1989, 280, 281) bezeichnet sie als gewohnheitsrechtlich anerkannt; ebenso Geppert JZ 1988, 1024, 1025; Taupitz (Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 503) weist zutreffend auf die untragbaren Konsequenzen einer denkbaren, die mutmaßliche Einwilligung nicht anerkennenden extrem subjektiv individuellen Lösung hin: Wer davon ausgeht, dass eine Einwilligung entweder nur bejaht oder verneint werden kann, müsste davon ausgehen, dass Schweigen keine Zustimmung ist, was auch nicht durch eine Interessenabwägung korrigiert werden könnte. Damit wäre zwar das Recht eines jeden Bürgers geachtet, sich noch nicht festlegen zu müssen, Konsequenz wäre aber auch, dass der Bürger ohne eigene (endgültige) Willensäußerung trotz Hilfsbedürftigkeit keine medizinische Hilfe von der Gemeinschaft in dem Fall erwarten könnte, dass er, etwa wegen Bewusstlosigkeit, zur Abgabe einer Erklärung nicht in der Lage ist. 9 So etwa der Vorschlag Wollschlägers (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 271 ff.), die einschlägigen Sachverhalte mittels einer Analogie zu § 34 StGB zu lösen; ähnlich Bockelmann (NJW 1961,945, 949), der sich polemisch gegen die Erforschung des mutmaßlichen Willens des Patienten wendet („Das alles ist doch absurd“) und einzig und allein auf die Einwilligung abstellen will, die „ein verständiger Mensch in der Lage des Patienten“ erteilen würde, was ebenfalls auf eine rein objektive Interessenabwägung hinausläuft. Auch Tempel (NJW 1980, 609, 613) stellt auf den rechtfertigenden Notstand ab und hält die Frage, ob nicht die mutmaßliche Einwilligung hier anzubringen sei, für eher theoretisch.
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
tionen nicht haltmacht, die objektive Interessenabwägung darf daher dann nicht zur Rechtfertigung eines medizinisch an sich sinnvollen Eingriffs herangezogen werden, wenn dem erkennbare persönliche Wertvorstellungen des betreffenden Patienten entgegenstehen, mögen sie angesichts der medizinischen Indikation auch unvernünftig erscheinen.10 Die ganz überwiegende Auffassung stellt daher richtigerweise dem Grundsatz nach auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ab,11 der in erster Linie aus seinen persönlichen Umständen, seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln ist.12 Wenn diese Betrachtung allerdings keine klare Aussage erlaubt, soll subsidiär eine Beurteilung anhand einer objektiven Interessenabwägung greifen, so dass darauf abzustellen ist, ob ein „verständiger Patient“ die Maßnahme erlauben würde.13 Im Mittelpunkt der Diskussion steht damit natürlich die Frage, welche Indizien (z.B. Patientenverfügung, frühere Äußerungen gegenüber Verwandten und gegenüber Dritten) für den mutmaßlichen Willen herangezogen werden dürfen und welches Gewicht ihnen jeweils zukommt.14 Auf diese Punkte muss allerdings für die hier allein interessierende Abstimmung mit dem GoA-Recht nicht weiter eingegangen werden. Nur soviel: Bei der Behandlung Bewusstloser, etwa durch den Notarzt im Rettungsdienst, werden regelmäßig gar keine Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich auf einen mutmaßlichen Willen des Patienten schließen ließe. Im Endeffekt bleibt damit für das formal subsidiäre und nach objektiven Kriterien (medizinische Indikation) zu bestimmende Interesse dennoch ein sehr weites Anwendungsgebiet übrig.15 Angesichts dieser sich regelmäßig ergebenden Tatsachenlage wird daher auch vertreten, das Prüfungsschema, den Bedürfnissen der Praxis entsprechend, ganz einfach umzustellen: In einem ersten Schritt ist dann die objektive Interessenabwägung vorzunehmen, für die sich sachverhaltsorientierte Fallgruppen bilden lassen, in einem zweiten Schritt jedoch das so gewonnene Ergebnis unter einen subjektiven Korrekturvorbehalt zu stellen, wenn erkennbare Vorstellungen und Wünsche des Patienten eine andere Vorgehensweise oder ein Unterlassen des Eingriffs nahe legen.16 In der Konsequenz muss daher der Patient, der eine von der 10
Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 504; Müller-Dietz JuS 1989, 280, 282. BGH NJW 2000, 885 ff.; BGHSt 35, 246; 40, 257 ff.; OLG Frankfurt a.M. NJW 1998, 2747, 2749 (zum Behandlungsabbruch); Cramer/Heine/Lenckner und Eser in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 56, 57, § 223 Rdn. 37; Deutsch AcP 192 (1992), 161, 168; Fischer, FS für Deutsch, S. 545 ff. 12 Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 504. 13 BGHSt 40, 256, 263; BGH VersR 1977, 255; Cramer/Heine/Lenckner und Eser in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 56, 57, § 223 Rdn. 38 a; Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 506; Fischer, FS für Deutsch, S. 545, 549. Zur Bedeutung des „verständigen Patienten“ in der arztrechtlichen Rechtsprechung Steffen MedR 1983, 88 ff. 14 Näher hierzu Taupitz (Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 506 ff.), der treffend darauf hinweist, dass bei unzweideutigen, die Situation genau erfassenden und erst vor kurzem getätigten Äußerungen eine bindende Erklärung des Patienten vorliegen würde, die den Rückgriff auf den notwendigerweise mit einem Spekulationsmoment verbundenen mutmaßlichen Willen erübrigen würden. 15 Ohly, volenti non fit iniuria, S. 220. 16 So Taupitz (Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 507, 508, 510 ff.), der ferner darauf hinweist, dass Entscheidungen eines zuständigen Vertreters natürlich immer Vorrang vor die11
C. Diskussion der berechtigten GoA
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objektiven Interessenabwägung abweichende Behandlung oder Nichtbehandlung wünscht, diesen abweichenden Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben.17 Immer zu beachten ist jedoch die Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung: Soweit möglich ist die ausdrückliche Einwilligung des Patienten einzuholen. Die mutmaßliche Einwilligung kann, und das sind die von der Rechtsprechung gegenüber der objektiven Interessengemäßheit geforderten Einschränkungen, nur bei vitaler oder zumindest akuter Indikation des Eingriffs rechtfertigen, soweit diese Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen, ist die OP trotz medizinischer Indikation der Erweiterung abzubrechen und der Patient über die Angezeigtheit einer weiteren Operation aufzuklären.18
C. Diskussion der berechtigten GoA Nicht deckungsgleich mit dem zu Beginn dieser Arbeit bereits ausführlich erörterten Streit zwischen objektiver und subjektiver GoA-Lehre ist die für die Legitimationsfrage interessierende Diskussion, ob bei den §§ 677 ff. BGB zwischen berechtigter und unberechtigter GoA zu unterscheiden ist und wenn ja, welche Konsequenzen an eine derartige Differenzierung zu knüpfen sind:19 Von einem beachtlichen (vielfach als h.M. bezeichneten) Teil der Lehre wird im Anschluss an Nipperdey20 vertreten, dass nur die im Sinne von § 683 BGB interessen- und willensgemäße oder die genehmigte Geschäftsführung als so genannte „berechtigte GoA“ das besondere gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB entstehen lässt, sofern diese Voraussetzungen hingegen nicht gegeben sind, entstehe die GoA als Schuldverhältnis auch nicht, vielmehr habe der Betrefser zweistufigen Prüfung haben. Scheinbar bereits stark verinnerlicht ist diese Prüfung etwa bei Geiß/Greiner (Arzthaftpflichtrecht, Rdn. 102), wonach die mutmaßliche Zustimmung angenommen werden könne, wenn „ein verständiger Patient -bezogen auf die Lage des konkreten Patienten- dem Eingriff oder dem Abbruch der Behandlung zustimmen würde. Freilich ist zu beachten, dass das Orientierungsmodell des „verständigen Patienten“ den personalen Bezug des konkreten Patienten nicht überdecken darf“. 17 Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 508: Das objektive Interesse gebe insbesondere das Referenzmaß dafür ab, wie deutlich der Patient seinen abweichenden Willen zum Ausdruck bringen muss, denn die Indizien für einen abweichenden Willen müssten um so ausgeprägter sein, je größer die Abweichung vom „Normalen“ sein soll. So auch Fischer, FS für Deutsch, S. 545, 549. 18 BGH NJW 2000, 885; BGH NJW 1993, 2372, 2374; Geppert JZ 1988, 1024, 1028; Giesen JZ 1988, 1030, 1031; Hoyer JR 2000, 473, 474. 19 Die Unterteilung in objektive und subjektive Lehre schafft bei der Diskussion um die berechtigte GoA keine Ordnung, da der diesbezügliche Streit mitten durch jene beiden Lager führt: Gegen die Figur der berechtigten GoA sprechen sich beispielsweise als Vertreter der objektiven GoA-Lehre sowohl Wollschläger (Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 270 ff.) und Seiler (in MüKo Vor § 677 Rdn. 17) aus wie auch, als Vertreter eines subjektiven Ansatzes, Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 99). Dafür dann aber Gursky (AcP 185 (1985), 13, 43) als auch Wittmann (Begriff und Funktion der GoA, S. 139 ff.) als Vertreter eines subjektiven Ansatzes. 20 Nipperdey in Staudinger (11. Auflage) Vorbem. 8 vor §§ 677 ff.
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
fende jegliches Handeln zu unterlassen.21 Oftmals wird sodann vertreten, dass diese berechtigte GoA zugleich einen besonderen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in den Rechtskreis des Geschäftsherrn darstelle, dass sie also einerseits im Deliktsrecht legitimierende Wirkung entfalte und andererseits im Bereicherungsrecht als Rechtsgrund für Leistungen oder Eingriffe fungiere.22 Der Lehre von der berechtigten GoA wird teilweise Skepsis entgegengebracht.23 Das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA komme entgegen dieser Lehre vielmehr auch bei einer nicht dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn
21 Vgl. die (kritische) Darstellung bei Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 12; Batsch AcP 171 (1971), 218 ff.; Beuthien/Weber, Ungerechtfertigte Bereicherung und GoA, S. 136; Berg JuS 1975, 682; Bertzel AcP 158 (1959/1960), 107 ff.; Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rdn. 1, 2; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1260 („Heute herrschende Meinung“); Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 7, 8; Gursky JuS 1972, 637, 638; Henssler JuS 1991, 927; Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 4; Martinek/Theobald JuS 1997, 612, 617; Rödder JuS 1983, 930. Zitelmann AcP 99 (1906), 1 ff. Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 21, 96) sieht diese Auffassung „auf dem Rückzug“ und erkennt in der von dieser Lehre proklamierten Maßgeblichkeit des mutmaßlichen oder wirklichen Willens des Geschäftsherrn eine Fortwirkung der auf einen fiktiven Willenskonsens der Beteiligten abstellenden Quasikontraktstheorie. Ganz andere Einschätzung noch bei Gursky AcP 185 (1985), 13, 42 („heute klar dominierende Lehre von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag“). 22 BGH NJW 1993, 3196; Adomeit JZ 1970, 495, 497; Baur JZ 1952, 328 ff. erarbeitet für bestimmte Fallkonstellationen gar eine dinglich wirkende Verfügungsbefugnis; Berg JuS 1975, 682; Bertzel AcP 158 (1959/1960), 112 ff; Coester-Waltjen Jura 1990, 608, 610; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 87 Rdn. 1270; auch Gehrlein (in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 2, 20), der allerdings annimmt, dass das gesetzliche Schuldverhältnis auch bei unberechtigter GoA entstehe; Looschelders, Schuldrecht BT, Rdn. 866, 869; Mansel in Jauernig Vor § 677 Rdn. 4.; Martinek/Theobald JuS 1997, 992; Reeb JuS 1973, 624, 625; Rödder JuS 1983, 932, 933; Ruhwedel JuS 1975, 242, 245; Schildt JuS 1995, 953, 957; Sprau in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 5; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 78, 82; Wolf AcP 166 (1966), 188, 216; Tiedemann JuS 1970, 108, 109; Kern NJW 1994, 753, 756. A.A. Batsch AcP 171 (1971), 223, 224. Die Diskussion leidet allerdings an einem erheblichen terminologischen Mangel: Die Unterteilung in berechtigte und unberechtigte GoA wird häufig verwendet, ohne dass eine Aussage darüber getroffen wird, ob damit der eigentlichen Lehre von der berechtigten GoA als Entstehungsgrund des besonderen gesetzlichen Schuldverhältnisses, als Rechtfertigungsgrund im Deliktsrecht und als bereicherungsrechtlicher Rechtsgrund gefolgt werden soll. Soweit dies nicht der Fall ist, stellt die vielfach vorgenommene Unterteilung in berechtigte oder unberechtigte GoA nur eine Umschreibung des im Einzelfall im Hinblick auf die jeweiligen GoA-Ansprüche gewonnenen Ergebnisses dar, das von zweifelhaftem didaktischen Wert ist, vgl. Seiler JuS 1987, 368, 369 und Helm, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 366 („reine Ordnungsfunktion, dagegen kaum praktische Bedeutung“). Die berechtigte GoA konnte sich auch sonst als solche kaum durchsetzen: Von der überwiegenden Strafrechtswissenschaft wird die Geschäftsführung ohne Auftrag als selbständiger Rechtfertigungsgrund abgelehnt, für die bloß nachträgliche Genehmigung des Handelns darf dies ohnehin als unstreitig gelten, vgl. Schroth JuS 1992, 476, 477 ff. m.w.N; Cramer/Heine/Lenckner in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 55. 23 Bergmann in Staudinger Vor § 677 Rdn. 21, 95 ff; Beuthien JuS 1987, 841, 843: ders., FS für Söllner, S. 125 ff.
C. Diskussion der berechtigten GoA
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entsprechenden Geschäftsführung zustande.24 Es wird zudem festgestellt, dass eine Übernahme dieser Rechtsfigur durch die Rechtsprechung nicht ersichtlich sei.25 Dass die (berechtigte) GoA einen eigenständigen, das Handeln des Geschäftsführers legitimierenden Rechtfertigungsgrund darstellt, wird von den Kritikern bezweifelt, die sicher Zustimmung verdienende Befreiung des Geschäftsführers vom Makel des rechtswidrigen Eingriffs in fremde Güter solle, so eine Ansicht, besser über die sachnäheren Notstandsregelungen, insbesondere über den so genannten übergesetzlichen Notstand oder eine analoge Anwendung des § 34 StGB erreicht werden.26 Nach anderer Ansicht stelle § 683 BGB eben nur eine Positivierung des als Rechtsgrund anerkannten Gedankens der mutmaßlichen Einwilligung dar, so dass für eine etwaige Legitimierung des Geschäftsführerhandelns auf dieses allgemeine Rechtsinstitut zurückzugreifen sei (dazu gleich).27 Gegen die Lehre von der berechtigten GoA wird schließlich noch vorgebracht, dass sie mit dem Aussa24 Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 21, 95 ff. mit ausführlicher Erörterung der Problematik; Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 12 ff.; Gehrlein (in Bamberger/Roth § 677 Rdn. 1), der jedoch im Übrigen, d.h. abgesehen von der Entstehungsfrage, der Lehre von der berechtigten GoA als Rechtfertigungs- und Rechtsgrund folgt und damit eine Mittelstellung einnimmt, wie auch Looschelders (Schuldrecht BT, Rdn. 877) und Sprau (in Palandt Einf. v. § 677 Rdn. 2, 5, 10, 11); ausführliche Darstellung bei Beuthien, FS für Söllner, S.125 ff.; Jansen (ZEuP 2007, 958, 971) weist darauf hin, dass die Lehre von der berechtigten GoA zu unbefriedigenden Rechtsschutzlücken bei unbefugtem Handeln in fremdem Rechtskreis führt, da sie die aus der Herkunft aus zwei actionen zu erklärende asymetrische Struktur der GoA ignoriert und bei einer „unberechtigten GoA“ die dem Geschäftsherrn nach allen Ansichten im Ergebnis zuzugestehende actio directa nur mit einer analogen Anwendung der §§ 681, 677 BGB erklären kann. 25 Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 14, 17: „Nach der veröffentlichten Judikatur hat die geschilderte dogmatische Meinungsbildung und –differenz keine erkennbare Bedeutung. Die höchstrichterliche Rspr. hat insbesondere die Lehre von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag als einen Rechtfertigungsgrund bisher nicht übernommen und anerkannt.“; ebenso Jansen ZEuP 2007, 958, 990. 26 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 275, 276; ihm folgend Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 17: „Die, wie die veröffentlichte Judikatur zeigt, geringe praktische Relevanz der Problematik im Zivilrecht wird damit zu erklären sein, dass die Tatsache der Nützlichkeit der Geschäftsführung vielfach den Geschäftsherrn vom Prozessieren abhält oder aber dass der Geschäftsherr häufig im Ergebnis nicht geschädigt ist, weil er im Wege der Vorteilsausgleichung sich anrechnen lassen muss, wenn der Wert des geretteten Gutes den durch den Eingriff verursachten Schaden übersteigt.“ Kritisch zum Verweis auf die Notstandsregeln Schroth (JuS 1992, 476, 478), der die in den §§ 677 ff. BGB vom Gesetzgeber vorgenommene Bewertung der Interessen der Beteiligten in den Notstandsregeln nicht ausreichend berücksichtigt sieht. 27 So Jansen (ZEuP 2007, 958, 990) und Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 99), der allerdings ergänzend auf den Ansatz Wollschlägers zu den allgemeinen Notstandsprinzipien der Güter- und Pflichtenabwägung zurückgreift; auch Ehmann in Erman Vor § 677 Rdn. 7. Ganz eigen der Ansatz von Beuthien (in Soergel Vor § 677 Rdn. 9), wonach die Rechtswidrigkeit aufgrund schlüssiger Einwilligung entfalle, wenn der Geschäftsherr Ansprüche aus GoA geltend macht. Für die hier interessierende Ärzte-GoA hilft diese Lösung freilich wenig: Die nachträgliche Genehmigung des Rechtsgutinhabers ist bekanntlich für die Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Handlungsvornahme irrelevant.
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
gegehalt des § 678 BGB nicht in Einklang gebracht werden könne, da die Norm ersichtlich die Entstehung einer GoA trotz fehlender Übereinstimmung mit dem Willen des Geschäftsherrn für möglich hält.1
D. Das Verhältnis von GoA und mutmaßlicher Einwilligung: Entwicklung des Meinungsstandes zur ärztlichen Eigenmacht Für Zitelmann stellte es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine Gewissheit dar, dass diejenigen Sachverhalte, in denen der handelnde Arzt eine Einwilligung des Patienten nicht erlangen konnte, über das Rechtsinstitut der GoA legitimiert werden müssten, obgleich auch schon zu dieser Zeit die „mutmaßliche Einwilligung“ in der Diskussion war.2 In seinen Ausführungen wird allerdings auch das Bestreben deutlich, sich von der Strafrechtsdogmatik nicht unnötig das wissenschaftliche Instrumentarium vorschreiben lassen zu müssen.3 Aus heutiger Sicht lässt aber dieser Standpunkt Zitelmanns eine sinnvolle Abgrenzung der berechtigten GoA von der (mittlerweile) von den Strafgerichten erarbeiteten mutmaßlichen Einwilligung vermissen. In Wirklichkeit wird man nunmehr annehmen müssen, dass beide Figuren jedenfalls im Hinblick auf die nicht konsentierte Behandlung eines Patienten, mehr oder weniger deckungsgleich sind.4 Bezeichnend ist, wie lapidar die mutmaßliche Einwilligung, die mit dem „mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn“ ja in § 683 BGB schon angesprochen ist, von der einschlägigen Literatur in Beziehung zur GoA gesetzt wird: Es finden sich da vage Formulierungen, wonach die §§ 677 ff. BGB als „Richtschnur“ für die mutmaßliche Einwilligung dienen könnten,5 wie auch weitergehende, die, nur geringfügig anders formuliert, eine 1
Seiler in MüKo Vor § 677 Rdn. 12. Zitelmann AcP 99(1906), 1, 102 ff.: „Man hört hier und da wohl davon reden, der wirklichen Einwilligung müsste es gleichstehen, wenn die Umstände so lägen, dass der Verletzte, falls er um seine Einwilligung ersucht worden wäre, sie gegeben haben würde, man spricht dann…von mutmaßlicher Einwilligung (S. 102)“, „Wohl aber lässt sich aus dem Grundgedanken der auftraglosen Geschäftsführung heraus eine feste und juristisch befriedigende Grundlage der Entscheidung gewinnen. Man muß den allgemeinen Satz aufstellen: die objektive Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in fremde Rechtsgüter ist ausgeschlossen, soweit der Handelnde als Geschäftsführer in den Grenzen des BGB, § 677 ff. handelt.“ (S. 104). Zustimmend Hamacher (GoA als Ausschlussgrund der Rechtswidrigkeit, S. 2, 17, 48 ff.), der aber, wie auch Zitelmann, vor allem bestrebt ist, der von der Strafrechtslehre aufgebotenen mutmaßlichen Einwilligung ein rein zivilrechtliches Institut entgegensetzen zu können. 3 Zitelmann (AcP 99 (1906), 1) meinte, dass die zivilrechtliche Literatur sich im Hinblick auf die Rechtfertigungsgründe „fast vollständig von den Brocken nährt, die von der –mit Literatur hierüber reich besetzten-Tafel des Strafrechts fallen.“ 4 Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 99) verweist, wie bereits erwähnt, ganz zu Recht darauf, dass § 683 BGB nur eine Positivierung des Gedankens der mutmaßlichen Einwilligung darstellt. 5 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 283. ders. AcP 192 (1992), 161, 168 (wonach die h.M. sich auf die GoA „stützt“); ders. VersR 1982, 305, 307 („nach den Grundsät2
D. Das Verhältnis von GoA und mutmaßlicher Einwilligung
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Identität der beiden Rechtsfiguren entweder suggerieren oder offen behaupten.6 Bisweilen wird der zivilrechtlichen Literatur auch ein offensichtliches Desinteresse an der Klärung dieser Fragen bescheinigt,7 was teilweise gar so zum Ausdruck kommt, dass mancher Autor nur noch abstrakt die Rechtsprechung zur Notfallbehandlung und zur Operationserweiterung erörtert, ohne die betreffenden Kriterien irgendeiner straf- oder zivilrechtsdogmatischen Kategorie zuzuordnen.8 Dass die mutmaßliche Einwilligung aber in der strafgerichtlichen Judikatur mittlerweile einen völlig eigenständigen und anerkannten Rechtfertigungsgrund bildet, ist nicht zu bezweifeln.9 Der Abgrenzung zur GoA kommt allerdings aufgrund der weitgehenden Deckungsgleichheit beider Rechtsfiguren in der Tat wenig Bedeutung zu. Ganz vereinzelt wird zwar der Eindruck erweckt, als würde die zivilrechtliche (berechtigte) GoA höhere Anforderungen an eine Rechtfertigungswirkung stellen als die von den Strafgerichten verwendete mutmaßliche Einwilligung: So geht Knauf aufgrund des Wortlauts von § 683 BGB explizit davon aus, dass für die Annahme einer berechtigten GoA an sich das kumulative Vorliegen einer interessen- und willensgemäßen Geschäftsführung zu verlangen wäre.10 Da er dieses Ergebnis aber für unstimmig hält, plädiert er dann doch, in der Sache zutreffend, für
zen über die Geschäftsführung ohne Auftrag“); ders./Spickhoff , Medizinrecht, Rdn. 200 („angelehnt an die Regelung des § 683 BGB“); Spickhoff in: Soergel § 823 Rdn. 126 (die GoA bilde den „gesetzlichen Anhaltspunkt“ für die mutmaßliche Einwilligung); Fischer, FS für Deutsch, S. 545, 546 (wonach sich die Literatur an der GoA orientiere). Unklar Trockel NJW 1970, 489, 490, (wonach es sich bei der mutmaßlichen Einwilligung um „eine Voraussetzung für die in den §§ 677 ff. BGB geregelte Geschäftsführung ohne Auftrag“ handle). 6 So noch Deutsch NJW 1979, 1905, 1907; Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 64 Rdn. 12 („Hätte der Patient bei objektiver Beurteilung der Gesamtumstände dem Eingriff zugestimmt? §§ 677, 683 BGB“); Kothe (AcP 185 (1985), 105, 123) verweist darauf, dass in Wirklichkeit nicht die mutmaßliche Einwilligung selbst sondern die diese enthaltende GoA der Rechtfertigungsgrund sei; Petersen DRiZ 1962, 233, 237 („Die Notoperation ist damit den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag unterstellt“). Auch Dettmeyer/Madea (MedR 1998, 247, 251), welche aber die GoA, die mutmaßliche Einwilligung und den rechtfertigenden Notstand offenbar allesamt für (parallel ?) anwendbar halten. 7 Ohly, volenti non fit iniuria, S. 219. Bezeichnend etwa, dass selbst Wagner (in MüKo § 823 Rdn. 673) die „dogmatische Verankerung“ der mutmaßlichen Einwilligung offen lässt. 8 So etwa Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 504, 505. 9 BGH NJW 2000, 885; Cramer/Heine/Lenckner in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 54; Ohly, volenti non fit iniuria, S. 219. 10 Knauf (Mutmaßliche Einwilligung und Stellvertretung bei ärztlichen Eingriffen an Einwilligungsunfähigen, S. 95) bezeichnet dies fälschlich als streitig, dazu gleich; auch Brüggemeier (Deliktsrecht, S. 437) nimmt § 683 BGB offenbar in diesem Sinne wörtlich; so auch schon Roxin, FS für Welzel, S. 452; auch Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 283; ders. AcP 192 (1992), 161, 168. Bemerkenswert die zögerliche Auffassung von Fischer (FS für Deutsch, S. 545, 546), wonach die Literatur bei der GoA „Willen und Interesse“ entscheiden lasse, „was aber im Falle des Auseinanderfallens den Vorrang des Willens wohl nicht ausschließt“.
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
eine vorrangige Maßgeblichkeit des mutmaßlichen Willens des Patienten.11 Schroth hingegen meint, dass es nicht genügen könne, wenn der ärztliche Eingriff mit dem mutmaßlichen Willen des Patienten übereinstimme, daneben sei, ohne dass er dies ausdrücklich an § 683 BGB festmachen würde, die Nützlichkeit des Eingriffs und damit das verobjektivierte Interesse erforderlich.12 Beide Autoren gehen jedoch von einem verfehlten Verständnis des § 683 BGB aus, der allerdings in der geltenden Fassung derartige Missverständnisse geradezu provoziert: In dieser Norm wollte der Gesetzgeber das streng subjektive Prinzip zum Ausdruck bringen, wonach allein der wirkliche oder der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn für die Beurteilung des Aufwendungsersatzanspruches maßgeblich ist.13 Dem objektiven Interesse kommt entgegen dem unglücklichen Wortlaut der Vorschrift keine selbständige und kumulative Bedeutung zu, sondern nur eine Hilfsfunktion, so dass insbesondere in den Fällen, in denen der Wille des Geschäftsherrn einerseits und das objektiv bestimmte Interesse andererseits im Widerspruch stehen, ersterem der Vorrang gebührt.14 Schroths unbelegter Verweis auf die für die GoA im Allgemeinen angeblich nötige Nützlichkeit der Geschäftsführung ist allerdings verständlich, da auch die Kommentarliteratur den Wortlaut des § 683 BGB nicht immer zufriedenstellend auflöst. Im Ergebnis sieht man in diesem Punkt jedoch die Parallelität zum Rechtsprechungsrecht der mutmaßlichen Einwilligung (s.o.): Im Konfliktfall unterliegt auch bei der GoA das verobjektivierte Interesse also dem mutmaßlichen Willen, wie es am beinahe schon übermäßig bemühten Beispiel der Bluttransfusion für Zeugen Jehovas immer wieder dargelegt
11
Knauf, Mutmaßliche Einwilligung und Stellvertretung bei ärztlichen Eingriffen an Einwilligungsunfähigen, S. 95. 12 Schroth JuS 1992, 476, 479; so auch Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 283; so scheinbar zunächst auch Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 505, 507. Freilich weist er an anderer Stelle (S. 513, Fn 89) dann doch noch darauf hin, dass die h.M. § 683 BGB so auslegt, dass der wirkliche Wille des Geschäftsherrn auch dann maßgeblich ist, wenn er mit dem objektiv bestimmten Interesse im Widerspruch steht, so dass er letztlich doch nicht vom Erfordernis des kumulativen Vorliegens der Willensgemäßheit und der Interessensgemäßheit ausgeht. 13 Mugdan II., S. 481; Bergmann in Staudinger § 683 Rdn. 1, 30 ff. m.w.N. Vgl. auch v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 13 ff., 36 ff. (dort auch mit Darstellung des Meinungsstandes zum utiliter gestum vor Entstehung des BGB) 14 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren/Teil 2 BT, S. 43. Ausführlich hierzu Bergmann in Staudinger § 683 Rdn. 1, 30 ff.; Beuthien in Soergel § 677 Rdn. 19, § 683 Rdn. 5; ohne weiteres auch Ehmann in Erman § 679 Rdn. 3, § 683 Rdn. 3; Gehrlein in Bamberger/Roth § 683 Rdn. 3; Steffen in RGRK Vor § 677 Rdn. 68; zweifelnd aber Seiler in MüKo § 683 Rdn. 13; Mansel (in Jauernig § 683 Rdn. 5) hält zwar grundsätzlich Kumulation für erforderlich, lässt im Konfliktfall aber ebenfalls den (interessewidrigen) Willen vorgehen. Der Verweis von Knauf (Mutmaßliche Einwilligung und Stellvertretung bei ärztlichen Eingriffen an Einwilligungsunfähigen, S. 95) auf Sprau (in Palandt § 677 Rdn. 13) geht jedenfalls fehl: Dort wird nicht die Übernahme der Geschäftsführung (§ 683 BGB) erörtert, sondern deren Durchführung, für die gemäß § 677 BGB unstreitig ein in der Tat gelockerter Maßstab gilt, da der Geschäftsführer sich insofern vornehmlich am objektiven Interesse orientieren darf.
D. Das Verhältnis von GoA und mutmaßlicher Einwilligung
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wird:15 Hat der Arzt klare Anhaltspunkte dafür, dass der nicht äußerungsfähige Anhänger dieser Glaubensrichtung seinem Bekenntnis entsprechend eine Bluttransfusion ablehnen würde, darf der Arzt sich nicht deswegen darüber hinwegsetzen, weil die Transfusion medizinisch indiziert und daher (vermeintlich) objektiv vernünftig und interessengerecht ist.16 Die Rechtsprechung zum Strafrecht einerseits und die GoA andererseits müssen im Grunde immer zum selben Ergebnis gelangen.17 Derjenige Geschäftsführer, der sich am erkennbaren unvernünftigen Willen orientiert, wird vom Gesetzgeber nicht mit dem Verlust des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 683 BGB bestraft. Eine ganz andere Frage ist es, ob im Einzelfall ausreichende Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Willen bestehen. Falls dies nicht der Fall ist, enthält auch § 683 BGB ausdrücklich noch die Möglichkeit einer am (subsidiären) objektiven Interesse ausgerichteten Beurteilung, wie sie die h.M. zur mutmaßlichen Einwilligung ja ebenfalls heranzieht, wenn die Betrachtung der individuellen Verhältnisse keine klare Aussage zulässt (s.o.). Oftmals wird dem ärztlichen Geschäftsführer nichts anderes übrig bleiben, als sein Handeln an diesem objektiven Interesse auszurichten. Dieses regelmäßige Defizit an Indizien, die auf einen vom verobjektivierten Interesse abweichenden mutmaßlichen Willen hinweisen könnten, führt bisweilen dazu, dass der theoretischen Unterscheidung zwischen mutmaßlichem Willen und Interesse kaum genügende Beachtung geschenkt wird.18 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass in den Fällen, in denen der wirkliche Wille des Patienten nicht eingeholt werden kann, eine völlige Deckungsgleichheit des Tatbestands der mutmaßlichen Einwilligung einerseits mit dem Tatbestand der berechtigten GoA andererseits erreicht ist. Leicht irreführend sind daher hier bereits angesprochene und im Ungefähren bleibende Formulierungen wie die, wonach die h.M. sich bei der mutmaßlichen Einwilligung dafür aussprechen würde, die Grundsätze der berechtigten GoA (nur) „heranzuziehen“19 15
Ausführlich hierzu Bender MedR 1999, 260 ff. Statt vieler Ohly, volenti non fit iniuria, S. 221; Schünemann VersR 1981, 306, 308. 17 Ohly, volenti non fit iniuria, S. 221. 18 Kern (NJW 1994, 753, 756) vermengt beispielsweise die beiden Kategorien: „Wird also der Patient im Zustand der Bewusstlosigkeit eingeliefert und reicht die Zeit zur Betreuerbestellung nicht aus, so hilft und rechtfertigt die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Arzt hat die Behandlung nach dem mutmaßlichen Willen (Interesse) des Betroffenen durchzuführen. Er ist nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln und bestimmt sich danach, was man verständigerweise als den Willen eines vernünftigen Menschen unter den gegebenen Umständen ansehen kann. Der Arzt darf und soll den Eingriff vornehmen, wenn er z.B. nach dem bisherigen Verhalten des Kranken annehmen kann, dass dieser -wenn er gefragt werden könnte- seine Einwilligung nicht versagte. Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen können Patiententestamente oder Gespräche mit Angehörigen oder sonst nahe stehenden Personen, soweit anwesend oder erreichbar, ergeben.“ 19 So die Wiedergabe der (vermeintlich) h.M. bei Ohly, volenti non fit iniuria, S. 217. Er selbst geht grundsätzlich von Deckungsgleichheit der beiden Rechtsfiguren aus, meint aber, dass die GoA als „Regelungsgrundlage“ für die mutmaßliche Einwilligung der Strafrechtsjudikatur dienen sollte, die Unterscheidung wäre aber „nicht mit inhaltlichen Konsequenzen verbunden, da sich die Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung nach §§ 677, 683 BGB beurteilen“ (S. 224). 16
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
Im Ergebnis könnte man daher bei den einschlägigen arztrechtlichen Sachverhalten statt des Rechtfertigungsgrundes der mutmaßlichen Einwilligung an sich auch vom Rechtfertigungsgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen.20 Ob man hierauf aber deswegen verzichten will, weil die GoA „Assoziationen zum rechtsgeschäftlichen (insbesondere vermögensrechtlichen) Bereich weckt und zu wenig das Kernelement des fraglichen Rechtfertigungsgrundes, die möglichst enge (wenn auch unsichere) Anbindung an das personale Selbstbestimmungsrecht und die auf seine Ausübung hindeutenden subjektiv-individuellen Interessen, Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen des Betroffenen zum Ausdruck bringt“,21 ist eher eine Geschmacksfrage. Damit ist die wesentliche Frage der Legitimationswirkung der GoA geklärt. Der Vollständigkeit halber seien hier aber noch einige Differenzierungen nachgetragen: Speziell bei der Operationserweiterung ist an sich immer mit Uhlenbruck die Frage zu stellen, ob die für billig erachteten haftungsrechtlichen Ergebnisse sich nicht schon aus dem ursprünglich geschlossenen Behandlungsvertrag ableiten lassen: Das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag könnte hier fehl am Platz sein, wenn schon der Vertrag selbst i.V.m. den Grundsätzen von Treu und Glauben weitere Schutz- und Fürsorgepflichten begründet und damit auch die Pflicht oder, je nach Blickrichtung, die Berechtigung, eine medizinisch indizierte bzw. mit dem mutmaßlichen Willen des Patienten übereinstimmende OP-Erweiterung vorzunehmen.22 Auch hier handelt es sich eher um eine in die Vertragsauslegung nach Belieben einzubringende Geschmacksfrage. Diejenigen, die das nicht ausdrücklich mit dem Patienten abgesprochene Arzthandeln in möglichst engen Grenzen halten wollen, werden lieber auf die strengen Maßstäbe der Rechtsprechung zur mutmaßlichen Einwilligung abstellen wollen, die ein Handeln nur bei vitaler oder zumindest akuter Indikation erlauben und nicht bei jedweder medizinisch sinnvollen Maßnahme.23 Im Grunde ließen sich aber auch diese Einschränkungen über eine entsprechende Vertragsauslegung gewinnen, der Weg über die GoA bzw. die mutmaßliche Einwilligung ist dafür nicht per se vonnöten. Ein weiterer Punkt betrifft die Figur des Geschäftsführungsgehilfen24: Die erforderliche wertende Betrachtung führt dazu, dass etwa der nicht selbstliquidierende angestellte Krankenhausarzt in keinem Fall als Geschäftsführer anzusehen ist, sondern vielmehr der Krankenhausträger. Ein aus dem Strafrecht resultierendes Bedürfnis nach Rechtfertigung ergibt sich jedoch vor allem für die Person, die 20
Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 520. So Taupitz, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 497, 520. 22 Uhlenbruck VersR 1968, 1101, 1106. 23 Kritisch gegenüber dem Abstellen auf den Vertrag daher Schlund VersR 1977, 496, 499: „Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang die vereinzelt vertretene Auffassung, der Arzt sei aufgrund des Behandlungsvertrages und des ihm von Seiten des Patienten entgegengebrachten Vertrauens grundsätzlich berechtigt, alles zu tun, was er vom medizinischen Standpunkt aus für notwendig erachtet; ein heute leider noch allzu weit verbreiteter Irrtum“. 24 Näher dazu Bergmann in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 181, 231: Die Regelung des § 278 BGB gilt auch für die Geschäftsführung ohne Auftrag. 21
D. Das Verhältnis von GoA und mutmaßlicher Einwilligung
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den Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten selbst vornimmt.25 Dem operierenden Arzt darf es aber natürlich nicht zum Nachteil gereichen, dass er selbst nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag anzusehen ist: Die Legitimation einer von ihm beispielsweise vorgenommenen Operationserweiterung folgt für ihn dann entweder alleine aus dem strafrechtlichen Institut der mutmaßlichen Einwilligung oder man erstreckt die zivilrechtliche Legitimierungswirkung der GoA auch auf den Geschäftsführungsgehilfen, was sicher nahe liegt. Ein anderer klärungsbedürftiger Punkt ist die Frage, auf wessen individuelle Vorstellungen bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens abzustellen ist, wenn es sich um die Behandlung eines Minderjährigen handelt. Die strafgerichtliche Judikatur hat immer wieder betont, dass die rechtfertigende Einwilligung jedenfalls im Hinblick auf höchstpersönliche Rechtsgüter nicht rechtsgeschäftlicher Natur ist, dass die §§ 107 ff. BGB nicht entsprechend anwendbar seien und dass es somit nicht auf die Geschäftsfähigkeit sondern auf die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen ankomme26 Diese Wertungen verlangen grundsätzlich auch Beachtung bei der Bestimmung der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten, Rechtsprechung und Literatur sind sich aber nicht einig, wie die Befugnisse des personensorgeberechtigten gesetzlichen Vertreters mit dem gegebenenfalls widerstreitenden mutmaßlichen Willen des Minderjährigen abzustimmen sind.27 Anders bei der GoA: Soweit überhaupt Äußerungen hierzu erfolgen, wird aufgrund der quasikontraktsgleichen Wirkung der §§ 677 ff. BGB i.d.R. angenommen, dass bei einer Geschäftsführung „für“ einen (geschäftsunfähigen/beschränkt geschäftsfähigen) Minderjährigen auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des gesetzlichen Vertreters abzustellen sei,28 was im Endeffekt gerade auf eine entsprechende Anwendung der §§ 107 ff. BGB im Geschäftsführungsrecht hinausläuft. Wollte man beide Entwicklungslinien nun auch bei der ärztlichen Behandlung eines Minder25 Natürlich aber auch für denjenigen, der den Eingriff anordnet oder die Leitungsfunktion innehat (Chefarzt). 26 BGHZ 29, 33 ff. = NJW 1959, 811; Cramer/Heine/Lenckner in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 39 ff. m.w.N.; Taupitz (NJW1986, 2851, 2857 m.w.N.) weist freilich darauf hin; dass die Abstimmung mit dem elterlichen Sorgerecht bis heute streitig ist; ebenso Kern NJW 1994, 753, 755. Ausführlich hierzu Wölk MedR 2001, 80 ff. Allgemein zur rechtfertigenden Einwilligung und der früher hierzu vertretenen Rechtsgeschäftstheorie die ausführliche Darstellung bei Ohly, volenti non fit iniuria, S. 35 ff. 27 Kern (NJW 1994, 753, 755) verweist darauf, dass die Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen sich nicht generell festlegen lasse sondern stark von den Einzelheiten des Falles (Alter des Minderjährigen, Art und Dringlichkeit der Erkrankung) abhängen dürfte, der 14 Jahresgrenze komme aber besondere Indizwirkung zu. Allgemein sei aber aufgrund von § 1626 BGB sowie aufgrund der Höchstpersönlichkeit der Einwilligung in ärztliche Behandlungsmaßnahmen und der ärztlichen Schweigepflicht davon auszugehen, dass die Einwilligung eines für einwilligungsfähig erkannten Minderjährigen allein ausreichend sei und daneben nicht die Zustimmung des oder der Personensorgeberechtigten erforderlich sei. Ebenso Cramer/Heine/Lenckner in Schönke/Schröder Vor §§ 32 ff. Rdn. 39. 28 So schon Nipperdey in Staudinger (11. Auflage) § 677 Rdn. 26; Ehmann in Erman § 677 Rdn. 17; Schröder/Bär Jura 1996, 449, 450; Schwerdtner Jura 1982, 593, 596; jedenfalls dem Grundsatz nach auch Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 52), der seine Ansicht aber für ärztliche Heileingriffe modifiziert (siehe gleich).
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VI. Geschäftsführung ohne Auftrag als Legitimation für ärztliche Eingriffe
jährigen durchhalten, würden (zivilrechtliche) GoA einerseits und (strafrechtliche) mutmaßliche Einwilligung andererseits im Einzelfall womöglich doch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. An diesem Punkt rächt sich also die vielfach geübte Sorglosigkeit im Umgang mit dem Verhältnis von mutmaßlicher Einwilligung und GoA.29 In den meisten Sachverhalten wird allerdings in der Praxis mangels Anhaltspunkten für den mutmaßlichen Willen des Patienten oder seiner gesetzlichen Vertreter ohnehin das subsidiär heranzuziehende objektive Interesse den einzigen Maßstab für die ärztliche Handlungsweise bilden und wieder zu einem denknotwendigen Gleichlauf der Ergebnisse von mutmaßlicher Einwilligung einerseits und GoA andererseits führen. Für echte Konfliktfälle bleibt letztlich aber nur eine Lösungsmöglichkeit: Um der langjährigen Rechtsprechung zur mutmaßlichen Einwilligung bei Heileingriffen Geltung zu verschaffen, wird man annehmen müssen, dass im arztrechtlichen Konfliktfall sowohl straf- als auch zivilrechtlich allein der mutmaßliche Wille des minderjährigen Patienten beachtlich ist, solange im Übrigen die von der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Erfordernisse erfüllt sind. Sofern also der minderjährige Patient die maßgeblich nach seinem Alter zu bestimmende natürliche Einsichtsfähigkeit aufweist, ist für den Eingriff in die körperliche Integrität allein sein mutmaßlicher Wille zu ermitteln, nicht der des gesetzlichen Vertreters.30 Die Reichweite dieser Missachtung des im GoA-Recht ansonsten für maßgeblich gehaltenen (mutmaßlichen) Willens des gesetzlichen Vertreters lässt sich begrenzen, wenn man für die übrigen Rechtsfolgen wieder auf seine Person abstellt. Damit beschränkt sich die Maßgeblichkeit des mutmaßlichen Willens des minderjährigen Patienten auf die unmittelbare körperliche Sphäre, die übrigen vertragsgleichen Rechtswirkungen der GoA und insbesondere der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers richten sich nach dem mutmaßlichen Willen des gesetzlichen Vertreters.
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Vgl. auch Boehmer MDR 1959, 705, 707: „Wendet man nämlich, der herrsch. M. entsprechend, auf die Operationstätigkeit die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag an, so ergibt sich für die entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtwidrigkeit ein peinlicher Konflikt. Während sonst bei der Geschäftsführung ohne Auftrag Literatur und Judikatur einmütig die Rechtmäßigkeit einer Geschäftsführung für einen Minderjährigen davon abhängig machen, dass die Übernahme dem Willen seines gesetzlichen Vertreters entspricht, würde hier der Wille des Minderjährigen selbst entscheiden.“ 30 So im Ergebnis auch Bergmann (in Staudinger Vor §§ 677 ff. Rdn. 52), der die Maßgeblichkeit des mutmaßlichen Willens des Geschäftsunfähigen dann annehmen will, wenn dessen „höchstpersönliche Angelegenheiten“ betroffen sind, zu denen er jedenfalls den ärztlichen Heileingriff zählt.
VII. Wesentliche Ergebnisse Die Untersuchung begann mit einer Erörterung der allgemeinen GoA-Dogmatik, für die im Hinblick auf die Ärzte-GoA festzuhalten bleibt, dass die ärztliche Hilfe zum Kernbereich der unumstrittenen GoA-Fallgruppen zu zählen ist. Der durch ein besonderes Standesrecht geprägte Arztberuf darf für sich ein als Privileg wie als Pflicht zu verstehendes Altruismuspostulat in Anspruch nehmen. Die insofern bedeutsame GoA-Theorie der Menschenhilfe ist zwar nicht unumstritten, jedoch besteht Uneinigkeit nur insofern, als Fallgruppensachverhalte diskutiert werden, die sich gar nicht oder nur äußerst schwerlich als altruistisches Handeln einorden lassen, was auf ärztliches Handeln gerade nicht zutrifft. Der sodann dargestellte Streit zwischen den verschiedenen GoA-Tatbestandsmodellen ist nach wie vor unentschieden, die neuere Rechtsprechung ist jedoch ersichtlich um eine Eingrenzung der in der Vergangenheit ausgeuferten Anwendung der GoA bemüht. Für die Ärzte-GoA ist der Meinungsstreit insofern von großer Bedeutung, als nur die herrschende Fremdgeschäftslehre zu einem ärztlichen GoA-Rückgriff gegen Drittpersonen gelangen kann, grundsätzlich aber nicht die subjektiv-normative Lehre: Da sich in ärztlichem Handeln seinem sozialen Sinn nach nur eine Fremdbegünstigungsabsicht zu Gunsten des Patienten manifestiert, nicht aber zu Gunsten Dritter, scheidet deren Inanspruchnahme mittels der §§ 677 ff. BGB von vornherein aus. Eine Ausnahme gilt freilich für den ärztlichen Unterhaltsregress gemäß §§ 679 2. Alt., 683 BGB, der als Sonderregelung zu verstehen ist und auch nach Ansicht der subjektiv-normativen Lehre einen solchen Rückgriff erlaubt. Die im Anschluss unter dem Aspekt des auch-fremden Geschäfts, des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers bzw. des Verbots der Versionsklage erfolgte Untersuchung der ärztlichen Handlungspflichten hat zunächst Anlass zu einer bedeutsamen Differenzierung gegeben: Vor der Annahme eines die GoA vermeintlich sperrenden Behandlungsvertrages ist immer sorgfältig zu untersuchen, ob ein solcher Vertrag zum Zeitpunkt der Behandlung wirklich bereits geschlossen war. In nicht wenigen Fällen einer Notfallbehandlung wird das Geschehen sich als erst nachträglicher Vertragsschluss darstellen, da zunächst ganz die ärztliche Versorgung des Hilfebedürftigen im Vordergrund steht und nicht Fragen des Behandlungsvertrages und des ärztlichen Honorars. Ein erst nachträglich zustandegekommener Vertrag kann aber die bis dahin tatbestandlich bereits verwirklichte GoA nicht sperren. Die Auswertung der einschlägigen Literatur hat ferner ergeben, dass es für die Frage der Sperrwirkung weniger auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Behandlungsvertrages ankommt, sondern darauf, ob die ärztliche Handlungs- und Kontrahierungsfreiheit in der jeweiligen Situation eingeschränkt war. Die Betrachtung der insofern in Betracht kommenden Handlungspflichten hat sodann ergeben, dass die Ärzte-GoA auch hier gegenüber anderen Fallgrupen als privilegiert gelten darf. Den Arzt treffen im Hinblick auf die Übernahme einer Behandlung typischerweise Handlungspflichten, die ihm gerade im Interesse des Patienten aufer-
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VII. Wesentliche Ergebnisse
legt sind und daher unter dem Gesichtspunkt des auch-fremden Geschäfts, des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers bzw. des Verbots der Versionsklage kaum als taugliches Argument gegen die Geltendmachung von GoA-Ansprüchen ins Feld geführt werden können. Mit guten Gründen lässt sich vertreten, dass den Arzt bereits eine aus dem Standesrecht folgende allgemeine Pflicht zur Übernahme einer erbetenen Behandlung trifft, die lediglich in begründeten Ausnahmefällen nicht greift. Für den in das Vertragsarztsystem des SGB V eingebundenen Kassen- oder Vertragsarzt besteht ein kaum zu bestreitender Kontrahierungszwang, das heisst eine Plicht zur Behandlung von Kassenpatienten, die wiederum nur in begründeten Ausnahmefällen keine Geltung erlangt. Auch die Steuerungswirkung des Arztstrafrechts darf nicht unterschätzt werden. Verurteilungen wegen unterlassener Hilfeleistung oder wegen Verletzung einer ärztlichen Garantenstellung sind zwar selten, dies spricht jedoch gerade für eine wirksame generalpräventive Wirkung des Strafrechts. Der theoretische Anwendungsbereich des Arztstrafrechts ist jedenfalls schneller eröffnet, als womöglich gedacht: Zunächst ist die Garantenstellung von ärztlichem Bereitschaftsdienst und Ärzten in der Krankenhausambulanz zu berücksichtigen. Da schließlich auch die Geltung des § 323 c StGB nicht lokal auf den bereits am Ort des Geschehens anwesenden Arzt beschränkt ist, sondern auch den erst mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln zur Hilfe aufgeforderten Arzt erfassen kann, kann der freilich stets sorgfältig zu bestimmende Anwendungsbereich der Norm mitunter recht weit geraten. Dass stets eine auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nötige Zumutbarkeitsprüfung im Einzelfall erforderlich ist, steht der Einschätzung nicht entgegen, dass § 323 c StGB für den Arzt eine bedeutsame Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit darstellen kann. Ferner scheint eine Gesamtschau der erörterten Handlungspflichten geboten. Die mit einer Verletzung der genannten Pflichten möglicherweise verbundenen Konsequenzen dürften dazu führen, dass der eine Behandlung kategorisch und ohne wenigstens eine sporadische Untersuchung ablehnende Mediziner in der Praxis die Ausnahme darstellt. Auch die faktische Wirkung einer solchen Gemengelage an Pflichten sollte aber von der GoA-Dogmatik bedacht werden. Für die Sperrwirkung eines vom Arzt im Hinblick auf das Geschehen abgeschlossenen Vertrages ist ferner die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführer bzw. zum Verbot der Versionsklage zu berücksichtigen. Insofern ist zunächst eine sorgfältige Interpretation des jeweiligen Einzelgeschehens vorzunehmen. Im Hinblick auf weitere am Ort des Geschehens anwesende Personen, die womöglich die ärztliche Hilfe erst herbeigerufen haben, bietet sich die Annahme eines Behandlungsauftrages an, da die betreffenden Personen regelmäßig nur die Versorgung des Hilfebedürftigen beabsichtigen, an einer eigenen Honorarhaftung aber in legitimer Weise kein Interesse haben. Ein Auftrag beinhaltet aber nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH gerade keine umfassende und abschließende Entgeltregelung und kann daher auch dem GoA-Anspruch des Arztes gegen den Patienten oder gegen Dritte nicht entgegenstehen. Für einen mit dem Patienten selbst geschlossenen Behandlungsvertrag ist zu berücksichtigen, dass dieser zumindest im geltenden Gesundheitssystem des gesetzlichen Krankenversicherung geradezu auf die Übernahme der Kosten durch Dritte angelegt ist
VII. Wesentliche Ergebnisse
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und schon von daher keine im Sinne der erwähnten Rechtsprechung abschließende und einer Inanspruchnahme von Dritten entgegenstehende Honorarregelung beinhaltet. Bei der Erörterung der GoA im Zweipersonenverhältnis war zunächst zu überprüfen, ob die §§ 677 ff. BGB bei der regulären ambulanten Behandlung von Kassenpatienten zur Anwendung kommen können. Das sozialrechtliche Schrifttum verneint bei der Behandlung von Kassenpatienten überwiegend einen Vertragsschluss mit dem Arzt und gelangt zur Annahme eines besonderen gesetzlichen Schuldverhältnisses, für dessen näheren Inhalt teilweise auf eine Analogie zu den Vorschriften der GoA zurückgegriffen wird. Dieser Ansatz ist jedoch verfehlt, vielmehr ist mit dem zivilrechtlichen Schrifttum anzunehmen, dass der Arzt auch mit dem Kassenpatienten einen Behandlungsvertrag abschließt, der lediglich im Hinblick auf die Honorarfrage eine Ausgliederung ins öffentliche Recht beinhaltet, die sich aber mit der bürgerlichrechtlichen Erfüllungsdogmatik des BGB zufriedenstellend erklären lässt. Die übrige Untersuchung der Ärzte-GoA im Zweipersonenverhältnis hat eine denkbar geringe Zahl von veröffentlichten Gerichtsentscheidungen erbracht. Wie bei der GoA allgemein üblich, steht auch hier der Aufwendungsersatzanspruch des § 683 BGB im Mittelpunkt der betreffenden Entscheidungen. Was die Abgrenzung gegenüber dem Behandlungsvertrag betrifft, dürfte die Annahme eines solchen in den einschlägigen Sachverhalten regelmäßig eine Fiktion darstellen, da die Beteiligten regelmäßig keine ausdrücklichen diesbezüglichen Erklärungen abgeben. Die GoA scheint daher das passendere Instrument zur richtigen Kostenverteilung darzustellen. Freilich kommt die Anwendung der §§ 677 ff. BGB nur in Betracht, wenn nicht bereits vorrangige Spezialregelungen bestehen. Sowohl für den ärztlichen Bereitschaftsdient wie für den Notarzt im Retungsdienst ist dies aber der Fall, so dass für die GoA nur ein verschwindend geringer tatsächlicher Anwendungsbereich verbleibt. Im Hinblick auf die Behandlungsfehlerhaftung des Arztes spielt die GoA in der Judikatur überhaupt keine Rolle, was nicht sonderlich überrascht, da die §§ 677 ff. BGB, abgesehen vom Haftungsmaßstab des § 680 BGB, nicht zu Abweichungen von der bislang überwiegend auf Grundlage des Deliktsrecht erarbeiteten Dogmatik der Arzthaftung zwingen. Die lediglich von der Literatur erörterte Anwendung des § 680 BGB ist aber richtigerweise für den professionellen ärztlichen Nothelfer zu verneinen. Für den verbleibenden Anwendungsbereich der GoA im Zweipersonenverhältnis war schließlich noch zu diskutieren, inwieweit die Erbensucherentscheidung des BGH und der neu ins Gesetz eingefügte § 241 a BGB zur Annahme einer institutionellen Beschränkung der GoA im vorvertraglichen Bereich zwingen. Für die Erbensucherentscheidung war zu konstatieren, dass die genauen Folgewirkungen dieses Urteils nach wie vor völlig offen sind, da eine konsequente Befolgung des betreffenden Gedankens schlicht zu einer radikalen Beschneidung der bisherigen GoA-Fallgruppen führen müsste. Gleiches gilt für den neuen § 241 a BGB, der den Gedanken der Erbensucherentscheidung gewissermaßen überholend aufgreift. Die Konsequenzen, die diese Norm für die Anwendbarkeit der GoA haben könnte, sind vom Gesetzgeber ersichtlich nicht bedacht worden. Die von der Lite-
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ratur vorgeschlagenenen Lösungsmöglichkeiten überzeugen nur bedingt. Von besonderer Bedeutung für die Ärzte-GoA ist hier wieder die von § 323 c StGB bewirkte Einschränkung der ärztlichen Handlungs- und Kontrahierungsfreiheit, da im Anwendungsbereich dieser Norm beinahe einmütig eine Sperrwirkung des § 241 a BGB gegenüber der GoA verneint wird. Die Untersuchung der Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis hat ergeben, dass jedenfalls nach der Zahl der veröffentlichten Gerichtsentscheidungen die bisherige Hauptbedeutung der Ärzte-GoA beim Unterhaltsregress gemäß §§ 679 2. Alt BGB liegt. Insbesondere für diesen gelten daher all die Aussagen, die hier bei der Erörterung der Einschränkungen der ärztlichen Kontrahierungsfreiheit getroffen wurden. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber selbst mit der Norm des § 679 2. Alt BGB eine Privilegierung des (ärztlichen) Unterhaltsgestors geschaffen hat, was bei der Erörterung der vermeintlichen Sperrwirkung des mit dem Patienten gegebenenfalls geschlossenen Behandlungsvertrages zu bedenken ist. Was den praktischen Anwendungsbereich dieses ärztlichen Unterhaltsrückgriffs betrifft, war zunächst eine Abstimmung mit § 1357 BGB vorzunehmen, der bei der Behandlung von verheirateten Patienten eine Mitverpflichtung des Ehegatten bewirken kann. Die Analyse dieser Norm hat eine weitgehende Funktionsgleichheit mit dem Unterhaltsrückgriff nach § 679 2. Alt. BGB erbracht, da in beiden Fällen der von den Eheleuten einander geschuldete Familienunterhalt maßgeblich ist. Ob § 1357 BGB als eine die GoA ausschließende Spezialregelung anzusehen ist, ist angesichts dieser Funktionsgleichheit eine bedeutungslose Frage. Für den ärztlichen Unterhaltsregress aufgrund der Behandlung von Minderjährigen finden sich bis in jüngste Zeit Entscheidungen, deren Berechtigung richtigerweise nicht zu bezweifeln ist. Der Aszendentenunterhalt, das heisst der Unterhalt für Eltern und Großeltern des Unterhaltsschuldners, kann hingegen für den ärztlichen GoA-Rückgriff nicht die Rolle spielen, die man auf den ersten Blick vermuten würde. Der Sozialstaat hat für solche Fälle die besondere Grundsicherung im Alter geschaffen, die regelmäßig eine ausreichende Krankenbehandlung umfasst, so dass hier die Inanspruchnahme der Verwandten des Patienten entbehrlich ist. Für alle Fälle des ärztlichen Unterhaltsrückgriffs gemäß § 679 2. Alt. BGB ist zu bedenken, dass nur die ärztliche Basisversorgung zum unzweifelhaften Regress gegen den Unterhaltsschuldner führen sollte. Für nicht unbedingt notwendige aber dennoch unterhaltsrechtlich geschuldete medizinische Leistungen ist es hingegen nicht angebracht, dem Arzt mittels der GoA ein Instrument zur Störung des Familienfriedens an die Hand zu geben, da die ärztliche Kontrahierungsfreiheit im Hinblick auf solche besonderen Leistungen regelmäßig nicht eingeschränkt ist. Abschließend war zu erörtern, ob der ärztliche Unterhaltsrückgriff für solche Fallgestaltungen ein wirksames Mittel zur Kostenliquidation darstellt, in denen der Patient nicht zahlt und weder Krankenversicherung noch Sozialleistungsträger einspringen. Die Analyse ergab, dass ein solcher Rückgriff sich praktisch nur dann eröffnet, wenn der Unterhaltsschuldner des Patienten bereits bekannt ist, da die Behandlungsseite aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht an einer selbständigen Ermittlung möglicher Unterhaltsschuldner effektiv gehindert sein dürfte. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der ärztliche Unterhaltsrückgriff zwar in der Vergangenheit den praktischen Hauptanwendungsbereich der Ärzte-GoA ausmachte,
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seine Bedeutung aber insbesondere aufgrund der nun geltenden allgemeinen Krankenversicherungspflicht abnehmen dürfte. Der übrige Anwendungsbereich der Ärzte-GoA im Mehrpersonenverhältnis ist denkbar gering, die wenigen veröffentlichten Entscheidungen zeigen wieder das typische Bild der GoA als Auffangtatbestand, der nur dann greift, wenn nicht bereits spezielle Instrumente zur Kostenverteilung vorhanden sind. Der GoA für die gesetzliche Krankenversicherung des Patienten kommt weder in Rechtsprechung noch in Literatur eine Bedeutung zu. Auf der Grundlage der GoA-Rechtsprechung zur Erfüllung fremder Verbindlichkeiten ist es zwar durchaus vorstellbar, dass der nicht in das System des SGB V eingebundene Arzt die Kosten der Behandlung eines Kassenpatienten mit dem Argument von der Krankenversicherung ersetzt verlangt, dass er ihre gegenüber dem Versicherten bestehende Naturalleistungspflicht zur Verschaffung ärztlicher Behandlung erfüllt habe. Die damit eröffnete Möglichkeit, sich den Bindungen des Vertragsarztsystems zu entziehen, wäre aber äußerst kritisch zu bewerten. Zum Abschluß war zu erörtern, ob die GoA als Legitimationsgrundlage für ärztliche Eingriffe in rechtlich geschützte Güter des Patienten dienen kann, wenn die ausdrückliche Einwilligung des Patienten fehlt. Die Auswertung von Rechtsprechung und Literatur hat ergeben, dass die GoA insofern praktisch entbehrlich ist. Die strafrechtliche Judikatur hat in jahrzehntelanger Rechtsprechung zur Bewältigung einschlägiger Sachverhalte auf die mutmaßliche Einwilligung des Patienten abgestellt, die mittlerweile als selbständiges Rechtsinstitut anzusehen ist. Dieses ist aber im Übrigen weitgehend deckungsgleich mit der GoA, da auch § 683 BGB auf dem Gedanken der mutmaßlichen Einwilligung beruht. Es ist zwar verständlich, wenn Teile des Zivilrechtsschrifttums in der Vergangenheit bemüht waren, dem Strafrecht mit der GoA ein eigenständiges zivilrechtliches Institut zur Behandlung ärztlicher Eigenmacht entgegenzuhalten. Von praktischer Bedeutung ist dies jedoch aufgrund der Identität der mit beiden Instrumenten zu gewinnenden Ergebnisse nicht. Als Gesamtergebnis wird man festhalten dürfen, dass die praktische Bedeutung der Ärzte-GoA als denkbar gering anzusehen ist. Nur auf den ersten Blick scheint dies paradox zu sein: Die Untersuchung hat ergeben, dass die Ärzte-GoA einerseits zum Kern der unumstrittenen GoA-Fallgruppen zu zählen ist und dass sie sich andererseits aufgrund der dem Arzt im Interesse des Patienten obliegenden Handlungspflichten auch gegenüber den jüngeren Eingrenzungsbemühungen behaupten kann, mit denen andere GoA-Fallgruppen zunehmend unter dem Gesichtspunkt des auch-fremden Geschäfts, des vertraglich pflichtengebundenen Geschäftsführers bzw. des Verbots der Versionsklage beschnitten werden. Der scheinbare Widerspruch lässt sich jedoch einfach auflösen: Gerade weil das ärztliche Handeln aufgrund der davon berührten und allgemein als eminent wichtig angesehenen Interessen des Patienten so bedeutsam ist, ist es weitestgehend bereits durch spezielle Regelungen etwa des Gesundheitswesens in der gesetzlichen Krankenversicherung, des Rettungsdienstes und des Systems sozialstaatlicher Leistungen erfasst, der generalklauselartigen GoA als Auffangtatbestand bedarf es daher in den allermeisten Sachverhalten nicht mehr.
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