G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Sallys Mine Die Mine hatte im Verlauf der Jahre viele Namen. Zuerst, als sie...
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G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Sallys Mine Die Mine hatte im Verlauf der Jahre viele Namen. Zuerst, als sie von den spanischen Dons – diesen Conquistadores mit ihren eisengepanzerten Soldaten – gegründet wurde, da hieß sie »Coronado-Mine«, obwohl sie der Krone Spaniens gehörte. Denn jener Francisco Coronado war ja im Auftrag Spaniens ins Land gekommen, um Schätze zu finden und nach den sieben goldenen Städten von Cibola zu suchen, die es gar nicht gab. Im Verlauf der Jahrhunderte wechselte die alte Mine immer wieder den Besitzer. Immer dann – nachdem sie aufgegeben wurde, weil sie als unrentabel galt oder die Apachen die goldgierigen Weißen verjagt oder getötet hatten – kamen andere, drangen in die Mine ein und fanden abermals Gold. Doch niemand von den ständig wechselnden Besitzern kannte das Geheimnis der Mine. Denn es gab ein Geheimnis seit Francisco Coronados Flucht vor den Apachen. Der letzte Besitzer der Mine – sie heißt nun »Aurora Mine« – ist ein gewisser Lonnegan, dessen Vornamen niemand kennt und den sie alle in der kleinen Stadt deshalb Oldman Lonnegan nennen. Doch bald wird eine gewisse Sally Bullock als einziger Mensch von Red Mesa erfahren, dass Oldman Lonnegans
Vorname »Hannibal« ist. Mit seinem letzten Atem wird er es ihr sagen und sie zu seiner Erbin machen. Doch das ist eine lange Geschichte. Ich will sie erzählen. 2008-by -madraxx-2008-by -madraxx-2008-by-madraxx-2008-by -madraxx-2008-by-madraxx-2008-by -madraxx-2008-by-madraxx-2008-by -madraxx-2008-by-madraxx-2008-by -madraxx-2008-by -madraxx-2008-by -madraxx-2008-by -madraxx-2008-by -madraxx-2008-by -madraxx
Wie immer am Ende einer Woche freut sich Oldman Lonnegan auf Sally Bullock in Red Mesa. Denn sie ist die große Freude seiner letzten Tage. Ja, er rechnet nur noch von Tag zu Tag, nicht nach Wochen oder gar Monaten oder Jahren. Er spürt mit dem untrüglichen Instinkt eines alten Falken immer stärker, dass er sich über jeden neuen Tag freuen sollte wie über ein Geschenk des Himmels. Und so ist er auch an diesem Wochenende unterwegs nach Red Mesa, um den Sonntag bei Sally zu verbringen. Er sitzt auf dem Ledersitz eines zweirädrigen Buggys, dessen Lederdach er zurückgeschoben hat. Die sinkende Sonne bescheint von Westen her sein zerfurchtes und lederhäutiges Gesicht. Sein weißes Haar lässt sein dunkles Gesicht noch dunkler wirken. Neben sich hat er griffbereit eine schwere Buffalo-Sharps in der Halterung, und vorn im Hosenbund steckt ein schwerer Revolver. Er steckt schräg, sodass der Kolben leicht zu greifen ist und der lange Lauf ihn nicht stört. Oh, er wusste und weiß mit dieser schweren Waffe umzugehen. Auf all seinen Wegen hinterließ er eine rauchige Fährte, musste immer wieder kämpfen und auch töten, um selbst davonkommen zu können. Sein ganzes Leben war er ständig unterwegs – entweder auf der Flucht oder auf einer Fährte. Doch dann fand er das Gold in der verlassenen Mine und wurde ihr neuer Besitzer. Und dann fand er jene Sally.
Nun ist er sesshaft und glücklich über jeden Tag und die Wochenenden bei ihr. Er lässt den Rappen traben. Bis nach Red Mesa sind es nur sieben Meilen. »Hoiii, Blacky!« So ruft er dem Rappen zu. »Wenn du nicht ein Wallach wärst, dann würdest du wissen, was mich nach Red Mesa zieht, ohooo! Denn diese Sally macht mich alten Hengst um Jahre jünger, hahahaha!« Der schwarze Wallach vor ihm wiehert heiser und schüttelt dann den Kopf, die Mähne fliegt wie die eines feurigen Hengstes. Wenig später sehen sie Red Mesa im breiten Canyon vor sich liegen, umgeben von roten Felsen, die fast wie Kathedralen wirken. Mitten dazwischen, da liegt die kleine Stadt, eigentlich ein armseliges Nest am Wagenweg nach Nogales, also zur Grenze hinunter. Die kleine Stadt lebt vom Durchgangsverkehr. Alle Wagenzüge rasten hier. Und die Post- und Frachtlinie hat hier eine besonders große Station mit einer Schmiede und Corrals, in denen Gespanne in Bereitschaft gehalten werden. Und für die Wagenzüge gibt es hier Maultiere zum Tauschen. In der Umgebung versuchen einige Rancher Rinder zu züchten. Und auch Wildpferdjäger versorgen sich hier. Aber all das reicht nicht zum Wohlstand. Und so ist Red Mesa ein armseliges Nest. Das schönste Haus am südlichen Stadteingang gehört Sally Bullock. Oldman Lonnegan hat es ihr gekauft und renovieren lassen. Es ist von einem schönen Garten umgeben, der von einem weißen Zaum umsäumt wird. Der Brunnen mit der Pumpe gibt reichlich gutes Wasser. Es ist ein schönes Anwesen für eine Hure. Aber wahrscheinlich ist Sally keine Hure mehr. Vielleicht war sie es nie. Sie ließ sich
nur mit zu vielen Männern ein, aber sie besaß niemals das Herz einer Hure. Und das ist der Unterschied, auf den es ankommt. Als Lonnegan vor der Veranda seinen Buggy anhält, da erwartet sie ihn in einem weißen Kleid und empfängt ihn mit jenem Lächeln, welches er an ihr so gerne sieht. Ihre blauen Augen leuchten. Und ihr weizengelbes Haar wirkt wie pures Gelbgold. »Schön, dass du gekommen bist«, sagt sie mit ihrer etwas kehligen, doch melodisch klingenden Stimme. Es ist eine warme Stimme, die Stimme einer Frau, die das Leben kennt und der nichts mehr fremd ist auf dieser Erde. Er grinst breit unter seinem grauen Sichelbart und zeigt Zahnreihen ohne Lücken, was in diesem Lande selten ist bei Männern seines Alters. Sie sind nur abgenutzt wie die Zähne im Fang eines alten Wolfes, welcher bald nicht mehr jagen kann. Als er vom Buggy steigt, bewegt er sich etwas mühsam. Doch als er steht, da sieht man, dass er immer noch gut proportioniert ist und das richtige Gewicht hat. Sally kommt nun die drei Stufen von der Verandatreppe herunter und in seine Arme. Sie muss sich auf die Zehenspitzen stellen, um seine Wangen küssen zu können. Eigentlich wirken sie wie Vater und Tochter in Wiedersehensfreude. Aus einiger Entfernung und auch aus der Nachbarschaft der angrenzenden Häuser werden sie beobachtet. Und sie denken nicht daran, etwas zu verbergen, was sie alle längst in Red Mesa wissen. Was die Leute denken, ist ihnen gleichgültig. Sein Kommen zu Sally Bullock an jedem Wochenende vollzieht sich stets auf die gleiche Art. Und alle Männer von Red Mesa – auch die verheirateten – neiden dem alten Bock Oldman Lonnegan – wie sie ihn in
ihren Gedanken nennen – das Glück mit der einstigen Hure Sally Bullock. Ja, man kennt ihre Vergangenheit. Ein Mann, der auf der Durchreise war, hat sie erkannt und wollte zu ihr in das schöne Haus, glaubte, sich etwas kaufen zu können, was sie nicht mehr verkaufen wollte. Und weil sie ihn abwies, betrank er sich im Saloon und schimpfte dort auf sie. Nun, Sally und Lonnegan zeigen der kleinen Stadt also, wie sehr sie sich mögen. Doch dann kommt alles ganz anders als sonst bei seinem Besuch. Sie steigen Arm in Arm die drei Stufen zur Veranda hinauf. Den Buggy mit dem Rappen lässt er einfach stehen, denn er weiß, dass der Junge von der Schmiede und dem Mietstall kommen wird, um den Wagen abzuholen. Der Rappe wird gut versorgt werden. Lonnegan und Sally wollen ins Haus treten, doch da hören sie einen scharfen Ruf. Vom Saloon her nähern sich zwei Männer durch den Staub der alten Wagenstraße, die schon von den Spaniern geprägt wurde und hier in Red Mesa die einzige Straße ist, auf beiden Seiten von den Häusern gesäumt. Ihre Füße wirbeln den rötlichgelben Staub auf, und ihre Sporen klirren und klimpern fast melodisch. Diese Art von Sporen tragen zumeist eitle Burschen, Revolverschwinger zum Beispiel, die sich für bedeutend und wichtig halten, weil sich jeder normale Mensch vor ihnen fürchtet oder zumindest vorsichtigen Respekt erkennen lässt, ja nicht einmal wagt, ihre herausfordernden Blicke zu erwidern. Einer von ihnen ließ den scharfen Ruf hören. Und so verharren Sally und Lonnegan, warten, bis die beiden Männer – es sind Fremde in Red Mesa – am Fuße der Veranda verhalten. Sie grinsen blinkend zum verharrenden Paar empor.
Einer sagt: »Nun können wir wohl zum Geschäft kommen. Wir haben auf Sie gewartet, Oldman Lonnegan. So nennt man Sie doch hier, nicht wahr? Oldman Lonnegan. Und mächtig alt sehen Sie wirklich aus.« Seine Stimme bekommt zuletzt einen höhnenden Klang. Oldman Lonnegan schiebt Sally hinter sich, denn sein Instinkt sagt ihm, dass es Verdruss geben wird. Er spricht über die Schulter zu Sally zurück: »Geh ins Haus, mein Augenstern, geh hinein ins Haus!« In seiner Stimme ist ein zwingender Klang. Und so gehorcht sie. Denn sie ist eine erfahrene Frau und weiß, dass er sich jetzt gewiss voll auf die beiden Revolverschwinger konzentrieren muss. Bliebe sie bei ihm, könnte er das nicht. Aber sie lässt die Tür offen und greift drinnen nach der Schrotflinte in der Ecke. Und dann wartet sie im Halbdunkel der Diele, hält die Schrotflinte im Hüftanschlag. Indes sind draußen die Stimmen zu hören. Lonnegan fragt ruhig: »Was für ein Geschäft, Jungs, an was denkt ihr da?« Sie lachen leise, wirken spöttisch und amüsiert. Dann sagt ihr bisheriger Sprecher: »Großvater, sie ist zu jung für dich, viel zu jung. Mit dir kann sie keinen wirklichen Spaß mehr haben als Vollblutfrau. Sie ist unserem Auftraggeber einfach weggelaufen. Aber sie war ihm eine Menge wert. Also möchte er eine Entschädigung. Er hatte einige Ausgaben wegen ihr. Die hat sie noch nicht wieder abgearbeitet in seinem noblen Etablissement der Schönen. Verstehst du, Großvater? Wir sollen sie entweder zurück zu ihm bringen oder fünftausend Dollar kassieren. Ist jetzt alles klar in deinem alten Kopf?« Die Stimme zuletzt klingt verächtlich. Lonnegan aber fragt mit trügerischer Freundlichkeit: »Und wenn aus diesem Geschäft nichts wird, Jungs – was dann?«
Sie lachen wieder verächtlich. »Dann schießen wir dich von den Beinen und nehmen die Schöne mit. Wer will uns in diesem jämmerlichen Drecknest daran hindern?« Die Frage zuletzt klingt hart. Lonnegan versucht es nochmals mit Vernunft und spricht: »Jungs, legt euch nicht mit mir an. Und von dieser Stadt brauche ich keine Hilfe. Haut lieber wieder ab!« Die Stimme klingt zuletzt väterlich. Doch sie sind zu dumm und überheblich, um in seinen alten Falkenaugen die Härte erkennen und richtig einschätzen zu können. Sie können sich nicht vorstellen, dass dieser alte Mann kämpfen wird. »Großvater, gleich wirst du den Löffel abgeben.« Einer von ihnen grinst. Und da weiß Lonnegan, dass er keine andere Wahl hat. Er trägt ja seinen Revolver im Hosenbund. Da seine Jacke offen ist, können die beiden Revolverschwinger den Kolben schräg aus dem Hosenbund herausragen sehen. Doch sie können sich einfach nicht vorstellen, dass er beim Ziehen schneller sein würde als sie, sollte er es wirklich wagen. Doch er wagt es und hat plötzlich den schweren Colt in der Faust, deren Handgelenk fast so breit ist wie der Handrücken. Sie schnappen nach ihren Waffen, versuchen seinen Vorsprung des Ziehens einzuholen. Doch er schießt einen von ihnen von den Beinen. Dann erst trifft ihn der andere. Und als er auf der Veranda rücklings auf die Dielen fällt, da schießt Sally aus dem Haus durch die offene Tür. Sie feuert beide Läufe ab. Es ist grobes Indianerschrot. Der Revolverschwinger hat nicht die geringste Chance. Und dann ist es vorbei.
Als Sally neben Lonnegan kniet, da grinst dieser verzerrt und spricht heiser zu ihr empor: »Hast du ihn erwischt, mein Augenstern?« Sie nickt auf ihn nieder. »Gut gemacht«, knirscht er. »Du bist eine prächtige Frau. Warum musste ich erst so alt werden, um auf dich zu treffen? Hilf mir hoch, Sally. Ich will noch einmal in dein Bett.« Er knirscht es wie ein Mann, der bis zur letzten Sekunde kämpfen will, obwohl er weiß, dass er keine Chance mehr hat. Sie zieht ihn hoch, schiebt dann ihre Schulter unter seine rechte Achselhöhle. So bringt sie ihn hinein. Einige Male stolpern sie. Aber sie schaffen es. Und draußen liegen die beiden Toten. Hinter der Hausecke aber kommt der Junge von der Schmiede zum Vorschein, der den Buggy abholen will. Nun weiß er nicht, ob er das jetzt noch tun soll. Doch dann entschließt er sich. Denn der Rappe muss ja versorgt werden. Der Junge bleibt auch nicht lange allein vor dem Haus. Die Bürger und Besucher der kleinen Stadt kommen herbei. Einer von ihnen – es ist der Storehalter – sagt anerkennend: »Hoiii, ich hätte nicht gedacht, dass Oldman Lonnegan noch so schnell wäre mit seinen alten Colt.« Der Mann, zu dem er spricht, ist der Schreiner und Leichenbestatter von Red Mesa. Und der erwidert etwas besorgt: »Hoffentlich haben die beiden so viel in den Taschen, dass es für ihre Beerdigung reicht.« Einige andere Hinzutretende lachen grimmig, und der Schmied spricht mit seiner Bassstimme: »Aus der Stadtkasse bekommst du nichts.« Indes dies draußen vor Sallys Haus geschieht, liegt Lonnegan stöhnend auf dem Bett, in dem Sally es immer
wieder fertig brachte, ihm die letzten Lebensfreuden zu schenken. Sie schneidet ihm Weste und Hemd auf und sieht dann die Wunde. Es ist eine böse Bauchwunde. Vielleicht könnte ihm ein guter Chirurg das Leben retten. Aber hier in Red Mesa gibt es nicht mal einen Doc, nicht mal einen Sanitäter, der während des Krieges bei der Armee war und sich deshalb besonders auf Schusswunden versteht. Sie wird Lonnegan nicht helfen können, und er weiß es so gut wie sie. Er starrt zu ihr hoch und grinst. Dann spricht er scheinbar ganz ruhig, so als hätte er keine Schmerzen und wüsste nicht, dass es mit ihm zu Ende geht: »Weine nicht um mich, Sally. Versprich es mir. Du warst ein Geschenk des Himmels für mich. Ich danke dir für alles. Du warst ein Licht in dunkler Nacht. Lass mir einen Stein auf mein Grab stellen und meinen vollen Namen einmeißeln.« »Ja, sag mir endlich deinen vollen Namen«, flüstert sie. »Oldman habe ich nie sagen können.« »Ich weiß.« Wieder grinst er verzerrt. »Mein Name ist Hannibal Lonnegan. Und als Junge habe ich jedem anderen Jungen was aufs Maul gehauen, der mich Hanni nannte.« Er schließt einen Moment die Augen und muss wohl noch einmal Kraft sammeln. Gewiss spürt er höllische Schmerzen in seinem Leib. Die Kugel hat ihm die Gedärme aufgerissen. Er verblutet innerlich. Dann aber hat er die Augen wieder offen und spricht: »Sally, mein Augenstern, sie werden versuchen, dir die Mine wegzunehmen. Doch das können sie nicht. Denn sie gehört schon eine Weile dir. Ich habe sie in Nogales auf dich umschreiben lassen. Die Urkunde und alle sonstigen Papiere findest du in der kleinen Ledertasche, die ich dir versiegelt zur
Aufbewahrung gab. Nun darfst du das Siegel aufbrechen. Leb wohl, Sally, mein Augenstern. Es war schön mit dir.« Die letzten Worte flüstert er nur noch. Und dann atmet er nicht mehr. Er wollte, dass sie nicht weint, doch die Tränen rinnen ihr nun über die Wangen. Sie schließt ihm sanft die Augenlider. Dann sitzt sie eine Weile mit gefalteten Händen auf dem Bettrand. Nun ist sie wieder allein. Doch jetzt ist sie einer reiche Frau, Besitzerin einer Mine. Aber das bedeutet noch nichts. Was wird kommen? Ihr fällt jetzt am Bett und neben Lonnegans Leichnam wieder ein, wie sie und Lonnegan sich kennen lernten, wie er sie mit sich nahm und hierher nach Red Mesa brachte. Das war ihr recht, denn sie war ja auf der Flucht und musste ihre Fährte verwischen, ein Versteck finden. Er wurde ihr Beschützer und verlangte nichts von ihr, was sie ihm nicht freiwillig geben wollte, sozusagen aus vollem Herzen heraus. Alles fällt ihr wieder ein in diesen Minuten… Sie sieht sich noch einmal als Mädchen von vierzehn Jahren. Ihr Vater war schon zwei Jahre tot. Ihre Mutter konnte die kleine Farm allein nicht mehr halten. Und so nahm sie den erstbesten Mann. O ja, er war ein harter Arbeiter, verstand sich auf alles, was ein Farmer können muss, um aus einer armseligen Farm etwas zu machen, was sich sehen lassen konnte. In dieser Hinsicht hatte ihre Mutter den richtigen Lebenspartner gefunden. Auch Sally und deren beiden jüngere Brüder mussten hart arbeiten, und so war vorauszusehen, dass sie in etwa zehn Jahren eine prächtige Farm besitzen würden. Doch dann wurde Sally von Monat zu Monat schöner, bekam die Formen eines reiferen Mädchens.
Ihr Stiefvater betrachtete sie auf eine Art, die ihr instinktiv nicht gefiel. Sie spürte immer stärker, dass in ihm etwas vorging, wenn er sie so ansah. Es geschah dann irgendwann in der Scheune. Ihre Mutter und die Brüder arbeiteten auf den Feldern. Und ihr Stiefvater nahm sie in der Scheune. Sie hatte keine Chance, als er ihr sagte: »Sally, du machst mich verrückt. Ich muss dich haben, und wir sind ja auch nicht richtig Vater und Tochter. Für mich bist du ein süßes Gift, welches ich kosten muss.« Seine Stimme klang heiser. Er war von Sinnen wie ein Süchtiger. Sie hatte keine Chance. Noch in der Nacht lief sie weg. Sie wollte nur noch fort, weit fort. Ganze sieben Dollar nahm sie mit. Mehr fand sie nicht in der Dose, die ihre Mutter im Küchenschrank stehen hatte. Doch mit sieben Dollar kam sie nicht weit. Ihr bitterer Weg begann. Sie war nichts anderes als eine Streunerin, zwar eine mehr als hübsche, aber eben doch ein Mädchentramp. Und was ihr Stiefvater ihr angetan hatte, das taten ihr noch andere Männer an. Sie musste auf diese Weise für alles zahlen, was sie bekam – also Unterkunft, Arbeit, Essen. Es hatte sich nicht viel geändert. Sie hätte auch daheim bleiben können. Irgendwann aber begann sie berechnender zu werden. Sie begriff, dass ihre mädchenhafte Schönheit wie ein Zauber wirken konnte, wenn sie schlau und berechnend von ihr eingesetzt wurde. Ja, sie wurde immer schöner, reizvoller und wirkte mit sechzehn älter als achtzehn. Schließlich geriet sie an einen Spieler, den sie sogar mochte. Er war gut zu ihr und war ein gebildeter Mann, ehemaliger
Offizier der Konföderiertenarmee während des Krieges, ein ehemaliger Baumwollplantagenbesitzer und Sklavenhalter aus Alabama. Ja, er war gut zu ihr und machte aus ihr wie aus einem Rohdiamanten einen Brillanten. Sie fuhren auf den Luxusdampfern des Mississippi, gaben sich als Vater und Tochter aus. Ihre Tarnung war perfekt. Doch dann wurde er bei einem Kartentrick erwischt: Es ging um eine große Summe, weil große Einsätze gemacht wurden. Man kannte auf diesen Luxussteamern in solchen Fällen keine Gnade. Mit Falschspielern ging man gnadenlos um. Also warf man ihn über Bord in den Strom. Sicherlich hätte man Sally bei der nächsten Anlegestelle von Bord gewiesen. Doch sie sprang ihrem Gefährten hinterher. Nein, sie wollte ihn nicht im Stich lassen. Denn sie wusste, er konnte nicht schwimmen. Doch sie war eine gute Schwimmerin. Aber sie trug ein wunderschönes Kleid, dessen sie sich erst entledigen musste. Es war eine helle Nacht, und der Strom trug sie mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen in der Stunde abwärts. Fast wäre sie selbst ertrunken, weil sie das Kleid nicht schnell genug vom Körper bekam. Es klebte in der Nässe an ihrem schlanken, geschmeidigen Körper. Und es wurde schwer. Als sie endlich im Strom nach ihrem Gefährten suchen konnte, da fand sie ihn nicht mehr. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als an Land zu schwimmen. Dort gab es einige Lichter. Es musste eine Siedlung sein. Als Sally Bullock in ihren Erinnerungen – immer noch auf dem Bettrand neben dem toten Lonnegan sitzend – so weit gekommen ist, hält sie inne. Denn sie möchte und will sich nicht weiter erinnern.
Was sie in der Siedlung – die zu einem Holzplatz gehörte – erlebte, war die Hölle. Denn sie geriet halb nackt unter die MacLanes. Das waren drei Brüder, die den Holzplatz betrieben und die Steamer mit Brennholz für ihre Kessel versorgten. Denn auf den Strömen wurden die Feuer unter den Dampfkesseln noch mit Holz genährt. Als sie in die Hütte trat, da starrten die Brüder sie an wie ein Wunder. Doch dann johlten sie los. Denn sie waren betrunken wie fast immer. Die Hölle für Sally dauerte einige Tage und Nächte. Einige Male wollte sie sich das Leben nehmen. Doch dann wurde ihr Wunsch nach Rache immer größer. Und so zündete sie in einer Nacht, als die MacLanes wieder einmal betrunken schnarchten, die Hütte an und verrammelte von draußen die Tür. Dann stieg sie an der Landebrücke in das kleine Kielboot und löste die Leine. Als die Strömung sie abwärts trug, sah sie das immer größer werdende Feuer in der Nacht. Und dann rief sie schrill und gellend: »Ihr verdammten Hundesöhne, jetzt büßt ihr schon hier auf Erden für alles, was ihr mir angetan habt!« Sie fühlte sich endlich befreit. Nun war sie kein wehrloses Mädchen mehr. Sie hatte es diesen drei Dreckskerlen gezeigt. Und nun würde sie es auch allen anderen zeigen, die ihr etwas antun würden auf ihren weiteren Wegen. Sally Bullock erhebt sich vom Bettrand und zieht die Decke über Lonnegans Gesicht. Dann wandert sie im Raum umher und versucht ihre Gedanken zu ordnen. Sie tritt ans Fenster und sieht, dass man draußen die beiden Toten fortschafft. Auch die Neugierigen, welche herbeieilten und umherstanden, gehen wieder.
Von Osten her kommt die Dunkelheit herangekrochen. Sally zündet die Lampe an. Dann starrt sie wieder auf den toten Lonnegan auf ihrem Bett. Ich muss ihm die Stiefel ausziehen, denkt sie. Warum hat er mich sterbend nicht darum gebeten? Kein Mann sollte in den Stiefeln sterben, besonders nicht einer wie er. Und so zieht sie ihm die Stiefel aus. Sie wird sich wieder bewusst, dass er ihr die Mine vererbte, richtig in Nogales bei der Behörde auf sie überschreiben ließ. Er machte sie zu einer reichen Frau. Sie setzt sich wieder auf den Bettrand und zieht die Decke von seinem Gesicht, betrachtet ihn ernst im Lampenschein. Sie nimmt seine kalte Hand. Und abermals fällt ihr alles wieder ein, was damals geschah, als sie im Boot abwärts trieb und der brennende Holzplatz die Nacht erhellte. Sie trieb die ganze Nacht stromabwärts und verspürte eine grimmige und hassvolle Genugtuung. Denn sie hatte sich gerächt. Sie schlug zurück. Die MacLanes hatten es nicht anders verdient. Nun war sie keine Gefangene mehr, sondern frei. Aber sie hockte halb nackt im Boot und besaß nichts als ihre Schönheit. Es kam ein Steamer den Strom abwärts, holte sie ein. Es war ja Tag geworden. Man sah sie im Boot. Das mächtige Schaufelrad am Heck drehte rückwärts, bis sie im kleinen Boot längsseits trieb. Man nahm sie an Bord. Und sie hatte sich längst eine Geschichte zurechtgelegt, mit der sie Fragen beantworten würde. Und so erzählte sie später dem Zahlmeister, welcher ja zuständig war an Bord für die Passagiere, dass sie vor dem Feuer geflüchtet wäre, bei den MacLane-Brüdern als Wirtschafterin gelebt hätte. Doch als sie vor dem Feuer ins Boot sprang, da hatte sie die Ruder vergessen. Sie musste sich
also treiben lassen. Einige Passagiere umstanden sie und den Zahlmeister. Und als dieser noch überlegte, was er mit ihr anstellen sollte, sagte eine ältere Frau aus dem Kreis der umherstehenden Passagiere: »Mr Swade, wenn Sie nichts dagegen haben, dann kümmere ich mich um die Kleine. Ich habe genug Platz in meiner Doppelkabine und zahle auch die Passage bis New Orleans.« »Natürlich habe ich nichts dagegen, Lady«, erwiderte der Zahlmeister und war froh, einer Sorge ledig zu sein. Und so folgte Sally der Lady in deren Kabine. Dort betrachteten sie sich beide eine Weile wortlos, und jede von ihnen ließ ihren Instinkt gegen die andere strömen. Die grauhaarige Lady lächelte schließlich und sprach ruhig: »Mein Kind, ich bin eine alte Wölfin, der niemand etwas vormachen kann. Du bist jung und mehr als hübsch. Doch in deinen Augen kann ich eine Menge erkennen. Mach mir also nichts vor. Du bist äußerlich ein junges, schönes Mädchen – doch dir ist nichts mehr fremd auf dieser Erde. Ich habe schon einige junge Dinger wie dich gekannt. Was ist geschehen?« Sally zögerte eine Weile. Sie leckte über ihre trockenen Lippen. Aber die Lady ließ ihr Zeit. Sie goss für sich und Sally erst einmal einen Drink ein. Dann setzten sie sich in die Sessel am kleinen, runden Tisch. Und wieder sahen sie sich eine Weile schweigend an. Sally konnte spüren, wie der Instinkt der Frau in sie eindrang, und glaubte plötzlich, dass diese wie in einem Buch in ihr lesen konnte. Doch sie spürte auch Teilnahme, mütterliches Mitgefühl. Und da begann sie zu erzählen. Ja, sie fasste ganz plötzlich aus einem Gefühl heraus Vertrauen. Und als sie endete, da nickte ihr die Lady zu und sagte: »Jetzt beginnt deine Glückssträhne. Wie ist dein Name, Kleines?«
»Sally, Sally Bullock.« »Gut, ich bin Clementine Harrison.« Die grauhaarige Lady lächelte. »Und du bist bei mir in guten und mütterlichen Händen. Ich führe ein großes und nobles Haus in New Orleans – und nicht nur dort. Ich habe schon mehr als eine von deiner Sorte zu einer Lady gemacht. Du hast einen guten Instinkt, Sally. Denn sonst würdest du dich mir nicht so offenbart haben. Wir werden sehen.« Als Sally nun am Bett des Toten in ihren Erinnerungen so weit ist, da spricht sie zu Lonnegan nieder: »Sie war so gut zu mir wie du, Lonnegan. Ja, ich bekam damals eine Glücksträhne. Doch sie machte mich binnen zweier Jahre zu einer Edelhure für ganz besondere Kunden, die mich wie eine Lady behandelten.« Sie erhebt sich und wandert wieder im Zimmer umher. Als sie dann am Fenster verharrt und auf die staubige Straße blickt, da wird sie sich wieder bewusst, wie ihre scheinbare Glückssträhne endete. Denn Clementine erwies sich letztlich doch als eine Wölfin, welche keine Gnade kannte, als es um ihre Haut ging, die sie retten wollte. Es war in Saint Louis, wo Mrs Harrison ebenfalls ein nobles Etablissement besaß, als sich alles mit einem Schlag änderte. Mrs Harrison kam an einem Vormittag zu ihr in das nobel ausgestattete Zimmer und setzte sich mit einem scheinbar wehmütigen Seufzer. »Sally, wir müssen miteinander reden. Denn ich muss dir etwas klar machen, was du begreifen sollst. Denn nur dann wirst du Verständnis für mich haben. Schenk uns etwas ein. Trinken wir erst den besten Bourbon.« Sie schenkte selbst die Drinks ein, und es ist wirklich allerbester Bourbon, völlig angemessen für ein Nobeletablissement.
Sally spürte instinktiv, dass nun etwas Böses auf sie zukommt. Und so leerte sie das Glas mit einem Ruck, schüttete sich die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Kehle und wartete auf das wohlige Gefühl in der Magengegend. Doch es kam nicht. Im Gegenteil, sie spürte ein ungutes Gefühl. Und so sprach sie spröde: »Nun gut, dann reden wir. Für was soll ich also Verständnis haben?« Als sie das fragte, blickte sie in die grauen Augen der alten Wölfin und erkannte darin deren Härte. »Du kennst dich ja inzwischen mit den Machtverhältnissen auf dem Strom aus«, murmelte Mrs Harrison. »Der Trust beherrscht alles, auch alle Städte und Ortschaften an den Ufern. Dieser Trust besitzt das Monopol auf alles. Und wer in seinem Schatten leben will, muss sich unterwerfen. Aber wir leben ja nicht schlecht dabei. Denn wer das Monopol besitzt, der bestimmt auch die Preise. Wir alle auf dem Strom oder an seinen Ufern zahlen Abgaben an den Trust. Doch es bleibt genug übrig.« Nach dieser etwas umständlichen Einleitung machte Mrs Harrison eine Pause. Sally aber fragte spröde: »Nun gut, was hat das mit mir zu tun – oder mit uns?« Mrs Harrison hob die Schultern und ließ sie wieder sinken, so wie jemand, der ratlos ist. Dann aber fragte sie: »Erinnerst du dich an jenen Chester Lockheart?« »O ja, der ist ein schöner Mann mit einem schönen Namen. Er sagte mir, dass er für mich ein offenes Herz hätte, so offen wie ein großes Scheunentor. Was ist mit ihm?« Wieder hob Mrs Harrison ihre Schultern und ließ sie sinken. Dann erwiderte sie schlicht: »Er will dich haben. Ich soll dich ihm schenken. Und das ist ein Befehl. Denn er ist einer
der Bosse des Trustes. Er beherrscht einen großen Abschnitt des Stroms. Wenn ich nicht gehorche…« Sie brach ab und machte abermals die resignierende Bewegung mit Heben und Senken ihrer Schultern. Und in diesem Moment wirkte sie noch älter als sie wirklich war, also älter als ihre fünfundfünfzig Jahre. Sie musste Sally nichts mehr erklären. Denn natürlich kannte die längst die Machtverhältnisse auf dem Großen Strom. Und so erwiderte Sally nach minutenlangen Schweigen: »Und Sie meinen, Clementine, dass ich Ihnen etwas schuldig bin und diese Schuld nun bezahlen müsste?« Mrs Harrison nickte. Dann sprach sie: »Du warst mir fast wie eine Tochter. Doch ich verliere lieber dich als alles, was ich besitze, einschließlich meines Lebens. Der Trust bestraft jeden Ungehorsam. Also, Sally, bist du bereit? Du müsstest auf die Mississippi Queen gehen. Dort erwartet dich Chester Lockheart. Du wirst es gut haben bei ihm und nur ihm gehören. Er ist verrückt nach dir. Wenn du es geschickt anstellst, wirst du ihn bald um den Finger wickeln können. Also, meine Kleine, was ist? Willst du mich retten?« Abermals schwieg Sally länger als eine Minute. Und ihre Gedanken und Gefühle jagten sich. Chester Lockheart war ein mächtiger Mann. Und er sah gut aus, ein Mann, der fast jede Frau bekommen konnte. Und von Mrs Harrisons Schönen, die sich wie echte Ladys benehmen konnten und die keiner für Huren hielt, hätte er sich jede auswählen können. Doch er wollte sie, Sally Bullock. Sollte sie sich also geehrt fühlen? Sie war ja eine Frau geworden, die sich verkaufte, wenn auch mit Niveau als Künstlerin, so wie jene Hetären im alten Babylon. Sie wurde eine Frau jener Sorte, um die man werben musste und für die man dann auch noch ein hohes Honorar zu zahlen hatte.
Doch nun wollte ein mächtiger Mann sie ganz allein für sich. Und so nickte sie schließlich. »Ich gehe zu ihm auf die Mississippi Queen«, sagte sie. »Brav, mein Kind.« Mrs Harrison lächelt. »Du wirst dort wie eine Königin leben. Und du wärest nicht die erste Hure, die einen gewaltigen Aufstieg schafft. Die ganze Weltgeschichte erzählt von solchen Frauen.« Sie lächelte bei ihren Worten, so als hätte sie Sally Bullock zu einem riesigen Coup verholfen und als müsste ihr Sally nun ewig dankbar sein. Sally Bullock hält inne in ihren Erinnerungen. Sie steht jetzt am Fußende des Bettes, auf dem Lonnegans Leichnam liegt. Ich muss ihn morgen beerdigen, denkt sie. Und dann… Ja, was wird dann sein? Sie fühlt sich so verdammt allein. Und wenn sie hinaus zur Mine fährt mit Lonnegans noblem Wagen und den Arbeitern dort sagt, dass sie ihr neuer Boss ist – wie werden sie das aufnehmen? Es sind harte Burschen, eine zusammengewürfelte Mannschaft, zu der Mexikaner, Chinesen und Neger gehören. Gewiss, sie kann mit Männern umgehen. Das hat sie sozusagen von der Pike auf gelernt. Aber einfach wird es mit der Minenmannschaft nicht sein. Sie wandert nun im Haus umher, verharrt dann und wann am Fenster und starrt in die helle Nacht hinaus. Dabei kommen nochmals all die Erinnerungen in ihr hoch. Es sind böse Erinnerungen, denn jener Chester Lockheart benahm sich bald wie ein Despot, war krankhaft eifersüchtig und verlangte Dinge von ihr, die ihr zuwider waren. Sie hätte diesen Mann vielleicht sogar lieben können, wenn er ihr Respekt erwiesen hätte, ein Gentleman gewesen wäre, der ihr einen neuen Anfang ermöglichte.
Doch für ihn war und blieb sie eine Hure, die ihm immer wieder von ihren Erlebnissen mit all den anderen Männern erzählen musste. Als er dann zu spüren begann, wie sehr sie ihn verachtete und sich als seine Gefangene fühlte, da sperrte er sie in der noblen Doppelkabine ein. Sie kam nicht mehr heraus. Kein anderer Mann durfte sie mehr ansehen. »Du gehörst mir allein«, sprach Chester Lockheart manchmal. Und als sie ihm einmal sagte: »Du bist krank«, da schlug er sie. Sie unternahm dann in den nächsten Wochen, da sie auf der Mississippi Queen zwischen New Orleans und Saint Louis unterwegs waren – das Luxusdampfboot war ja eine schwimmende Amüsier- und Spiel-Stadt – zweimal einen Fluchtversuch. Doch seine Männer fingen sie wieder ein und brachten sie zu ihm zurück. Dann schlug er sie und schwor ihr, dass sie ihm niemals weglaufen könnte. Und wenn, würde er sie selbst noch am Ende der Welt zu finden wissen. Sie lebte also in der Hölle. Als Sally Bullock mit ihren Erinnerungen so weit gekommen ist, verharrt sie wieder einmal am Fußende des Bettes, auf dem Lonnegan liegt. Nun erinnert sie sich an den Rest ihres Weges bis hierher nach Red Mesa. Und diese Erinnerung ist erfreulicher, wenn auch zuletzt mit einem traurigen Ende. In einer dunklen Nacht sprang sie in den Strom so wie damals als junges Ding, als sie dem Spieler folgte, zu dem sie damals gehörte und der gut zu ihr war. Sie war von diesem Moment an wieder ein mittelloser, weiblicher Tramp, halb nackt, weil Lockheart ihr alle Kleider weggenommen hatte.
Und so begann für sie eine Odyssee, also eine Irrfahrt, die nichts mit dem Heldengedicht von Homer gemein hatte. Sie war auf der Flucht vor Lockhearts Häschern. Irgendwann auf ihrem bitteren Fluchtweg – er führte nach Westen – traf sie in einem Saloon, wo sie bediente und animierte, auf Oldman Lonnegan. Sie war krank gewesen und hatte etwas von ihrer Schönheit verloren. Lonnegan kam vom Mississippi, wo er in einem Flusshafen Maschinen für die Mine gekauft hatte, die nun mit einigen Frachtwagen unterwegs nach Red Mesa waren. Er war vorausgereist, doch in der schwarzen Nacht fuhr die Postkutsche nicht weiter. Und so saß er im Saloon. Sie bediente ihn. Und als er ihr sagte, dass dies kein Job für eine Frau wie sie sei, da antwortete sie: »Ach, Mister, was wissen Sie schon von mir?« Da grinste er sie an und sagte: »Ich brauche nichts zu wissen. Ich weiß nur, dass Sie mir mächtig gefallen. Kommen Sie mit mir weiter nach Westen. Ich bin ein alter Mann, der fast Ihr Großvater sein könnte. Ich bin allein und hätte dann und wann gern eine junge Frau um mich. Ich kaufe Ihnen ein Haus, wenn ich Sie darin besuchen darf. Lernen wir uns kennen. Was wollen Sie hier?« Sie stand am Tisch, hatte ihm ein Glas Bier gebracht. Nun sah sie auf ihn nieder und tief in seine Augen. Und da begann sie noch einmal an eine Chance zu glauben, an ein Schicksal, welches immer wieder für Überraschungen sorgt. Und so band sie ihre Schürze ab und setzte sich zu ihm. »Ja, reden wir und lernen wir uns kennen«, sagte sie. Dann kam der Wirt und fragte grob: »Was soll das? Animieren sollst du erst nach Mitternacht, wenn hier der Laden brummt.«
Aber Oldman Lonnegan grinste den Wirt an und sagte: »Sie gehört nun zu mir. Und wenn sie hier etwas schuldig sein sollte, dann werde ich zahlen.« Sally Bullock denkt jetzt am Bett zu Füßen des Toten wieder an jene Szene damals in diesem Saloon, als Lonnegan auf die Weiterfahrt mit der Postkutsche nach Red Mesa wartete. Sie fuhr mit ihm. Und jetzt hat sie ihn verloren. Sie weiß, dass sie ihn glücklich machte, nicht nur aus Dankbarkeit, sondern weil sie ihn wirklich mochte, obwohl er ein alter Mann war. Jetzt ist er tot. Er starb für sie, denn Lockhearts Häscher hatten sie eingeholt, aufgespürt. Er kämpfte für sie. Und er machte sie schon zuvor zu seiner Erbin. Aber jetzt ist sie wieder allein. Was wird kommen? Muss sie bald wieder vor Lockhearts Häschern flüchten oder wird sie kämpfen können als reiche Minenbesitzerin, die in diesem Land und in dieser Stadt Macht und Einfluss besitzt, wenn es ihr gelingt, die Minenmannschaft auf sich einzuschwören? Aber wird sie das können? Sie muss nach der Beerdigung unbedingt hinaus. Aber dann fällt ihr ein, dass sie die Mannschaft sofort benachrichtigen müsste. Denn die muss ja bei der Beerdigung ihres Bosses dabei sein. Also müsste sie jetzt auf der Stelle hinaus zur Mine. Sie entschließt sich schnell und kleidet sich zweckmäßig um, wählt einen ledernen Hosenrock, eine grüne Flanellbluse und eine Lederjacke. In diesem Zeug reitet sie manchmal aus. Auf dem Weg zum Mietstall kommt sie an der Schreinerei vorbei und klopft an das erleuchtete Fenster des Wohnhauses.
Der Schreiner und Leichenbestatter öffnet und kaut noch mit vollen Backen. Denn er nimmt mit seiner Familie das Abendessen ein. Sally sieht die Frau und die fünf Kinder am langen Küchentisch sitzen. Sie spricht ruhig: »Oldman Lonnegan ist tot. Ich reite hinaus zur Mine und informiere die Mannschaft. Bereiten Sie alles zur Beerdigung vor. Er bekommt den besten Sarg aus Ihrem Lager. Die Beerdigung soll um zwölf Uhr Mittags stattfinden.« Als sie geendet hat, staunt der Mann sie an und würgt endlich den Bissen hinunter. Dann aber spricht er: »Wird alles gemacht, Miss Bullock. Sonst noch besondere Wünsche? Bekommt er ein Holzkreuz, ein Brett oder einen Stein? Und wie soll die Inschrift lauten?« »Nicht Oldman Lonnegan, sondern Hannibal Lonnegan.« »Und wie wird Hannibal geschrieben – mit einem oder einem doppelten N?« »Sie haben noch nie etwas vom großen Feldherrn Hannibal gehört?« Sally staunt ihn an bei ihrer Frage. »He, der hat vor Christus gelebt und viele Kriege gewonnen. Drüben im alten Europa hat er mal fast ganz Italien erobert. Und das wissen Sie nicht, Mr Bonegale?« »Man kann nicht alles wissen«, murrt der Schreiner. »Und mir ist auch völlig egal, was vor Christus in Europa geschah! Ich habe genug eigene Probleme in dieser lausigen Stadt. Sehen Sie da drinnen meine Familie sitzen? Die muss ich jeden Tag satt machen.« Er schließt das Fenster. Sally aber geht weiter. Als sie am Saloon vorbeikommt, ist dort drinnen eine Menge Betrieb. Denn draußen vor der Stadt rastet ein großer Frachtwagenzug, der aus Mexiko kam und Waren nach Santa Fe bringt. Die Frachtfahrer betrinken sich im Saloon. Mehr
können sie dort nicht tun, denn es gibt keine Animiermädchen im Red Mesa Saloon, die sich verkaufen für ein paar Dollar. Sally muss am Saloon vorbei. Auf der Veranda halten sich einige Gestalten auf, mit Gläsern in den Händen und dicke Zigarren paffend. Und einer dieser Männer ruft: »Hoiii, seht ihr das, Jungs? Da läuft eine zweibeinige Katze vorbei! Zu wem will die wohl?« »Dann frag sie doch, Charly«, ruft eine andere Stimme dröhnend, so als käme sie aus einem tiefen Keller. Und da springt jener Charly auch schon von der Veranda und Sally in den Weg. Er lacht trunken und hält ihr das halb volle Glas hin. »Hey, Honey, nimm einen Schluck. Und dann sag mir, ob du unterwegs zu einem Freund bist, den ich vertreten kann. Denn ich bin gewiss besser als er auf allen Gebieten.« Er verstummt lachend. Gewiss hält er in seiner Trunkenheit alles für einen Spaß. Die anderen Männer auf der Veranda lachen ebenfalls. Eine Stimme ruft: »He, Charly, ist sie hübsch oder gar schön?« »Wunderschön«, ruft Charly zurück. »Ich bringe sie in den Saloon. Da können wir sie uns beim Lampenschein ansehen. Komm, Süße!« Er will nach Sally greifen mit der noch freien Hand. Doch dann erlebt er eine böse Überraschung. Denn Sally stößt ihm die Doppelmündung eines kleinen Colt-Derringers gegen den Hals und faucht dabei wie eine Wildkatze: »Oh, du verdammter Narr von einem Maultiertreiber! Ich schieße dir mit meiner kleinen Kanone den Hals unter deinem Bumskopf weg. Du bist jetzt an die Falsche geraten! Hau ab und betrink dich weiter. Hau ab!« Der bullige Frachtfahrer wird ganz plötzlich ziemlich nüchtern. Denn diese Sprache versteht er. Er schielt an seiner
Nase entlang auf die Hand nieder, die ihm die kleine Waffe unter den Gurgelknoten drückt. Und dann starrt er in die Katzenaugen der Frau. Es ist hell genug, dass er das Funkeln erkennen kann. »Hehehe, schon gut, Ma’am«, stottert er, »schon gut. Ich entschuldige mich. Die Pumaspucke, die dieser Saloon verkauft, hat wohl mein Hirn zu sehr benebelt.« Er tritt mit erhobenen Händen langsam zurück und verschüttet dabei den letzten Rest des Drinks aus dem Glas auf seinen Hut. Auf der Saloonveranda lachen sie wieder, diesmal schadenfroh und fast johlend. Eine Stimme ruft: »Oh, Charly, du hast kein Glück bei den Schönen!« Sally eilt weiter. In ihr ist grimmige Bitterkeit. Und zugleich ist da auch noch ein anderes Gefühl. Es ist ein grimmiger Stolz. Denn sie erwies sich nicht als wehrlos. Und hätte der Frachtfahrer nicht aufgegeben, dann hätte sie an diesem Tag schon den zweiten Mann getötet. Sie ist kein hilfloses Wesen, welches in der Not wie ein Huhn zu flattern beginnt. In diesen letzten Stunden ist sie noch härter geworden, als sie es auf ihren Wegen ohnehin schon wurde. Als sie in den Vorraum des Mietstalls tritt, sitzt dort der alte Windy auf der Futterkiste. Sie sieht, dass er im Laternenschein an einem Zaumzeug arbeitet. Er flechtet es aus Pferdehaaren. Es soll ein Zaumzeug werden für eine besonders weiche Pferdenase. Für ein paar Dollars wird er es irgendwann verkaufen können. »Mein Pferd, Windy«, verlangt Sally. »Ich muss hinaus zur Mine. Die Mannschaft muss zur Beerdigung kommen. Lonnegan ist tot.« Windy erhebt sich schnell. »Sie können auch Lonnegans Wagen nehmen«, sagt er. »Und es tut mir Leid um Lonnegan. Man erzählt sich in der Stadt, Miss Bullock, dass die
Vergangenheit Sie eingeholt hätte. Lonnegan hat für Sie gekämpft wie ein Vater für seine Tochter, nicht wahr?« Sally nickt nur. Dann drängt sie: »Ich nehme mein Pferd. Da bin ich schneller und kann Abkürzungen nehmen, welche im Wagen nicht zu fahren wären.« Der kleine, krummbeinige Windy blickt zu ihr hoch. »Lonnegan war ein guter Mann«, murmelt er. »Der hatte ein Herz für die Kleinen. Ich hielt ihn stets für einen Glückskerl. Aber jetzt ist er tot.« Er eilt in den Stallgang hinein, um Sallys rote Stute aus der Box zu holen. Sie wartet ungeduldig, aber wenig später ist sie unterwegs. *** Sie reitet durch die Nacht. Es sind ja nur sieben Meilen bis zur Mine. Die Nacht ist zumeist hell. Nur manchmal verdunkeln Wolken das Licht von Mond und Sternen. Dann hält sie an, bis sie wieder bessere Sicht hat. Sie hört das Heulen von Wölfen und Coyoten in der Ferne und wird sich darüber klar, dass es in diesem Land immer noch Apachen gibt und es ein Land von Jägern und Gejagten ist. Und was wird sie selbst in der Zukunft sein – eine Jägerin oder eine Gejagte? Es wird auf verschiedene Dinge ankommen. Und eines dieser Dinge wird die Minenmannschaft sein. Wie sie so reitet, da erinnert sie sich wieder daran, dass sie schon zweimal in den Mississippi sprang und nicht wusste, wie es in ihrem Leben weitergehen würde. Jetzt ist es wohl so ähnlich. Endlich sieht sie die Lichter der Mine vor sich in der Ferne. Sie war schon einige Male dort. Lonnegan hatte ihr alles gezeigt und ihr erklärt. Und so weiß sie, dass die Spanier
damals auf dem Hügel mitten im breiten Canyon auf die Spitze einer Goldader gestoßen waren, welche senkrecht in die Tiefe führte und sich schließlich dort verästelte. Und so folgten die Spanier dieser Goldader senkrecht in die Tiefe, so als wären sie Brunnenbauer. Jetzt stehen einige Gebäude und Hütten, Werkstätten und eine Schmelzanlage rings um einen Förderturm. Das alles sieht fast so aus wie ein Fort. Es gibt sogar einige verfallene Palisaden. Früher mussten sich die wechselnden Besitzer der Mine immer wieder gegen Feinde verteidigen – vor allen Dingen gegen Apachen, aber auch gegen Banditen. Aus der Baracke, in der die Minenmannschaft wohnt, fällt Lichtschein. Sie hört dann all die Geräusche und Stimmen eines Festes, dazu Musik. Ja, es wird hier ein Fest gefeiert, so wie fast immer nach einer harten, arbeitsreichen Woche. Sally weiß Bescheid über diese Feste. In Red Mesa hätten sie nicht stattfinden dürfen. Aber hier auf der Mine ist alles anders. Nach hier kommen jedes Wochenende die mexikanischen Frauen und Mädchen aus dem Dorf Santa Cruz, die sich ein paar Dollars verdienen wollen. Ein knappes Dutzend kommt immer zur Mine, gefahren vom Wirt einer Cantina oder Bodega, der auch genügend Getränke und andere Dinge für ein Fest mitbringt. Sally hält ihr Pferd an. Denn ihr wird bewusst, wie sehr sie dieses Fest stören wird. Die Minenmannschaft schuftet hier jede Woche hart, arbeitet länger als zwölf Stunden, zumeist unter Tage. Aber jetzt will sie die Freuden des Lebens auskosten, soweit es hier möglich ist.
Als Sally nun auf dem Pferd verhält, da zögert sie nicht länger als eine Minute. Dann reitet sie vor die lange Baracke und hält an. Sie schwingt sich vom Pferd und tritt ein. Ein halb nacktes Mädchen tanzt auf dem Tisch. Und die ganze Minenmannschaft mit einem knappen Dutzend anderer Mädchen umgeben den Tisch. Sie klatschen, tanzen, johlen. In der Ecke hocken drei Mexikaner und machen Musik. Sally hält in der offenen Tür inne. Sie sieht eine Weile zu. Dann endlich wird sie bemerkt. Jemand ruft: »Da ist ja Lonnegans Honey!« Nun wird es jäh still. Sie alle starren auf Sally. Dann fasst sich der Vormann Mike Ireland endlich und ruft: »Oh, Miss Bullock, was führt Sie zu uns? Ist der Boss mitgekommen?« »Nein«, erwidert Sally, und ihre Stimme klingt spröde in die Stille. »Mr Lonnegan kann nicht kommen. Er ist tot. Und morgen – nein, es ja nun schon nach Mitternacht –, also heute um zwölf Uhr mittags findet die Beerdigung statt. Vielleicht wollt ihr eurem Boss die letzte Ehre erweisen.« Nach diesen Worten wendet sie sich ab und geht zu ihrem Pferd zurück. Doch bevor sie aufsitzen kann, sind sie alle draußen bei ihr. Sie umringen sie und ihre rote Stute. Der Vormann fragt heiser und sichtlich ernüchtert: »Was ist geschehen, Miss Bullock, warum ist Lonnegan plötzlich tot?« Sie lehnt sich gegen die Seite ihres Pferdes und blickt in den Halbkreis. »Es kamen zwei Revolverschwinger«, spricht sie dann heiser. »Einen erschoss Lonnegan, den anderen ich. Aber auch Lonnegan erwischte es. Er lebte nicht mehr lange. Das ist alles.«
Sie verstummt hart. Eine Weile schweigen sie alle. Dann flüstert eines der Mädchen aus dem Dorf Santa Cruz leise: »Wir sollten jetzt heimkehren in unser Dorf. Seht, diese Hombres müssen jetzt um ihren Patron trauern. Die wollen nichts mehr von uns. Kehren wir heim.« Und so lösen sie sich aus dem Kreis. Der Wirt aus Santa Cruz wendet sich an den Vormann: »Señor, Sie haben schon bezahlt für die Fiesta. Wollen Sie…« »Nein, Pablo«, unterbricht ihn Mike Ireland, »ihr könnt alles behalten. Aber es ist gut, wenn ihr heimkehrt nach Santa Cruz. Denn wir trauern wirklich um Lonnegan.« Er wendet sich an Sally. »Wir werden kommen«, spricht er. »Denn Lonnegan war wie ein Vater zu uns. Er mochte uns, obwohl wir wild und rau sind.« »Ich weiß«, erwidert sie. »Und ich kann euch jetzt schon sagen, dass alles hier so weitergehen wird wie bisher. Ich bin von ihm als Erbin bedacht worden. Also werde ich an seine Stelle treten. Und alles wird so bleiben.« Sie wendet sich ihrer Stute zu und sitzt geschmeidig auf, reitet davon. Sie verharren und sehen ihr nach. Einer murmelt: »Was für eine Frau…« *** Es ist kurz vor Morgengrauen, als sie wieder daheim ist und ihr Pferd vor dem Mietstall an einen der Haltebalken bindet. Windy wird es dort vorfinden, wenn er nach Sonnenaufgang aus seinem Schlafverschlag im Stall herauskommt und wie ein Dachs in die Runde wittert. Sie geht durch den Staub der Straße zu ihrem Haus und muss wieder am Saloon vorbei. Dort ist es jetzt still. Die
Lichter überall in der kleinen Stadt sind gelöscht. Red Mesa schläft. Als sie ihr Haus betritt, da stellt sie sofort fest, dass der Leichenbestatter Bonegale den Toten schon herausgeholt hat. Hannibal Lonnegan liegt nun schon in einem schönen Sarg im Leichenschuppen der Schreinerei. Sie möchte hinübergehen, um noch einmal Abschied von ihm zu nehmen. Nun rinnen Tränen über ihre Wangen. Doch sie geht nicht hinüber, sondern setzt sich in den Ohrensessel am Fenster, von dem sie sitzend die Straße beobachten kann. Sie erinnert sich auch an den Schlüssel. Diesen Schlüssel trug Lonnegan an einem dünnen Lederriemen am Hals, stets verborgen unter dem Hemd. Sie nahm ihn dem Toten ab. Denn dieser Schlüssel öffnet den schweren Geldschrank oder Tresor der Mine. Hier wird die Goldausbeute aufbewahrt, bis genug angesammelt ist. Dann wird das Gold von einem Revolvermann nach Nogales gebracht. Und dieser Revolvermann heißt Dan Kane. Sally kennt ihn. Lonnegan machte sie mal miteinander bekannt, und sie weiß, dass es wieder an der Zeit sein muss, Gold nach Nogales zu bringen und in Dollars einzutauschen. Denn es müssen Löhne gezahlt und Einkäufe gemacht werden. Irgendwann nickt sie im Ohrensessel ein. Die Müdigkeit ist stärker als ihre Gedanken. Es ist dann kurz vor Mittag, als sie in einem schwarzen Kleid aus dem Haus tritt. Draußen warten sieben Männer. Es ist die Minenmannschaft. Sie tragen dunkles Zeug und ziehen nun die Hüte vor ihr. Sally nickt ihnen zu und spricht: »Danke, dass ihr gekommen seid.« Sie setzt sich in Bewegung, und sie folgen ihr.
Irgendwie bieten sie einen beeindruckenden Anblick, denn da geht eine stolze Frau durch den fast knöcheltiefen Staub der Straße, gefolgt von sieben harten Männern, die wie ihre Gefolgsleute und Beschützer wirken. Sie müssen durch die ganze Stadt bis zum anderen Ende. Denn dort am anderen Ende liegt der Friedhof von Red Mesa. Die Bürger von Red Mesa stehen vor den Häusern und Läden. Doch sie strömen nur wachsame Neugierde aus, kein menschliches Mitgefühl oder gar Trauer, eher kalte und feindliche Abneigung. Oder ist es Neid? Gewiss fragen sie sich alle hier in Red Mesa, ob er ihr die Mine vererbt hat. Denn dass die sieben Männer der Minenmannschaft ihr wie getreue Ritter folgen, deutet darauf hin, dass sie nun der Boss ist. Als sie die Schreinerei erreichen, wartet dort der Leichenwagen mit dem Sarg. Es wurde ein heißer Tag. Die Sonne brennt gnadenlos. Sie schließen sich dem Leichenwagen an. Und auch die meisten Bürger folgen ihnen. Es wird eine schlichte und einfache Beerdigung. Es gibt ja keinen Pater oder einen anderen Prediger in Red Mesa. Aber sie alle hören Sally laut und fast trotzig sagen: »Hannibal Lonnegan, du warst gut zu mir. Und ich weiß, dass ich dich glücklich machen konnte auf deine letzten Tage. Ich bete für dich und bin sicher, dass du einen guten Platz im Himmel bekommst.« Dann tritt der Vormann neben sie und spricht ruhig: »Lonnegan, du warst einer, der zum Salz der Erde gehörte. Für uns warst du fast wie ein Vater. Du hattest uns ausgesucht unter vielen, und wir haben dich nie enttäuscht. So wird das auch bleiben.« Als Mike Ireland verstummt, ist die Beerdigung beendet.
Es gibt nichts mehr zu sagen. Die ganze Versammlung am Grab löst sich wenig später auf. Sally geht mit den sieben Männern zum Essen in den Speiseraum des Hotels. Und die Bürger von Red Mesa verschwinden wieder in ihren Häusern und Läden. Der Frachtwagenzug, dessen Fahrer in der vergangenen Nacht den Lärm im Saloon veranstalteten, brach schon bei Sonnenaufgang nach Santa Fe auf. Die Stadt ist still. Und die Mittagshitze flimmert über ihr. Im Speiseraum des Hotels aber sitzen sie mit Sally zusammen wie eine Familie, etwa so wie sieben Brüder mit ihrer Schwester. Als sie beim Nachtisch sind, spricht Sally ruhig: »Lonnegan hatte bei mir ein versiegeltes Päckchen hinterlegt, welches ich nach seinem Tod öffnen sollte. Das habe ich getan. Er wollte es so. Er hat mir schon zu seinen Lebzeiten die Mine überschrieben. Es ist alles richtig beurkundet. Und als Zeuge fungierte dabei Dan Kane, mit dem er in Nogales war. Ich erinnere mich, dass er damals mit Dan Kane Gold nach Nogales brachte.« Sie macht eine Pause und nimmt erst noch einen Schluck Kaffee, bevor sie wieder spricht: »Er hat euch ebenfalls bedacht, jeden von euch mit fünftausend Dollar. Das ist eine Menge Geld. Wenn einer von euch damit etwas anfangen will, dann stelle ich ihm einen Scheck auf die Bank in Nogales aus. Es liegt an jedem von euch allein.« Als sie geendet hat und wieder einen Schluck Kaffee nimmt, da schweigen sie eine Weile, tauschen Blicke aus. Und sie kann erkennen, dass zwischen ihnen ein stillschweigendes Einverständnis ist. Und so denkt sie: Obwohl sie verschiedener Hautfarbe sind, wirken sie wie Brüder. Lonnegan hat sie wirklich mit Bedacht ausgesucht. Er war wohl sicher, dass sie sich vom Gold nicht verrückt machen lassen würden.
Der Vormann Mike Ireland spricht nach einer Weile: »Miss Sally, in dieser Mine ist noch mehr drinnen als alles, was wir bisher herausholen konnten. Und Lonnegan sagte manchmal, dass diese Mine ein Geheimnis bergen würde. Er sagte, er könnte es wittern und hätte davon mehrmals geträumt. Er sprach von irgendwelchen Zeichen, welche die alten Dons hinterlassen hätten. Wir wollen bleiben und sind sicher, dass Sie uns einen fairen Anteil geben werden, sollte sich dieses Geheimnis als Riesengewinn erweisen.« Als er verstummt, sehen sie alle auf Sally Bullock und versuchen etwas in ihr zu erkennen, also ihre Gefühle und Gedanken zu erraten. Sie aber erwidert ihre Blicke, sieht Mann für Mann in die Augen. Sie können nun erkennen, dass sie eine harte und erfahrene Frau vor sich haben, ja, sie verspüren, wie ihr ohnehin vorhandener Respekt noch größer wird. Und dann sehen sie ihr nachsichtiges Lächeln und hören sie mit ihrer etwas kehligen und doch so melodisch klingenden Stimme sagen: »Ihr glaubt also auch an ein Geheimnis in der alten Spaniermine. Hat er diesen Glauben in eure Köpfe gesetzt? Ja, er sprach auch mit mir darüber. Es soll da im Schacht und in den Stollen irgendwelche Zeichen und Hinweise geben, welche bisher niemand zu deuten vermochte. Aber er war ein erfahrener Mann, der sich auf alte, verlassene Spanierminen spezialisiert hatte. Ja, er sagte auch mir, dass er ein Geheimnis wittern könne. Nun gut, ich überlasse euch die Hälfte aller Minenerträge. Ihr könnt dann selbst untereinander teilen. Gut so?« Sie nicken. Mike Ireland murmelt: »Lonnegan wusste schon, was er an Ihnen hatte, Miss Sally. Nun gut, dann fahren wir jetzt wieder zur Mine zurück und machen weiter. Wann werden Sie herauskommen zu uns und Lonnegans Zimmer beziehen?«
»Bald«, erwidert sie, »vielleicht morgen schon.« Sie erheben sich nun alle und verlassen das Hotel. Sie sieht dann dem Wagen nach, auf dem sie zurück zur Mine fahren. Dann geht sie zum Ortsausgang, wo ja ihr Haus steht. Es ist später Mittag oder früher Nachmittag geworden. Und die Hitze flimmert nun noch stärker über Red Mesa. Im Verandaschatten ihres Hauses hocken einige Männer. Als sie nahe genug ist, kann sie den Schmied, den Storehalter, den Hotelbesitzer und den Besitzer des Saloons erkennen. Diese vier Männer haben sich selbst zu Stadträten von Red Mesa gemacht und fühlen sich deshalb als die Bosse der kleinen Stadt. Sie kennt sie einigermaßen und hält sie für hartgesottene, jedoch verbitterte Männer, die damals eine falsche Entscheidung trafen, als sie sich dazu entschlossen, sich hier niederzulassen. Red Mesa bestand nur aus verfallenen Resten einer einst spanischen und später mexikanischen Siedlung. Man hatte hier früher auf Gold- und Silberfunde gehofft. Aber dann fand man nichts mehr in weiter Runde. Allein die Lonnegan Mine erwies sich wieder einmal – wie schon so oft in den letzten zweihundert Jahren – als ein Glücksfall. Doch zuvor hatte sie Lonnegan in Besitz genommen. Das durfte er, denn es gab ein Gesetz, welches verlassene und aufgegebene Minen jedem Glückssucher zusprach, solange er in ihnen schürfte und zumindest die Grundsteuern zahlte und Gewinne versteuerte. Lonnegan hatte den Leuten von Red Mesa gewissermaßen etwas weggeschnappt. So jedenfalls sah es die Stadt. Der Storehalter erhebt sich aus dem Schaukelstuhl und greift an den Hut. »Wir haben mit Ihnen zu reden, Miss Bullock.« In seiner Stimme schwingt ein drohender Klang, aber sie lächelt ihn an, blickt dann auf die drei anderen Männer und
spricht: »Das ist wohl kein Kondolenzbesuch. Nun gut, Gentlemen, kommen Sie herein. Nehmen wir einen Drink auf Hannibal Lonnegan. Und dann sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.« Sie geht ins Haus, wendet sich ihnen im Wohnzimmer zu und fragt: »Tequila oder Whisky?« Doch der Storehalter erwidert: »Miss Bullock, wir werden jetzt ein sehr ernstes Gespräch führen. Wir wollen keine Drinks von Ihnen. Lonnegan ist tot. Die Mine ist wieder herrenlos. Und die Stadt hat beschlossen, sie zu übernehmen. Wir haben auch beschlossen, dass die Stadtgrenze bis zur Mine reicht und diese noch mit einschließt. Sie werden nicht nur die Stadt, sondern auch das Land verlassen. Oder wir sperren Sie wegen unsittlichen Lebenswandels ein. Nach unserem neuen Stadtgesetz gelten Sie als Hure. Überdies haben Sie gestern einen Mann getötet. Das war Stadtfriedensbruch. Das wäre alles, Miss Bullock.« Er verstummt hart und unversöhnlich. Die drei anderen Männer grinsen. Der Saloonbesitzer – er ist ein ehemaliger Spieler, dessen Kartenglück zu Ende ging, weil seine Finger für Zauberkunststücke zu steif wurden, sagt heiser: »Es ist ganz einfach, schöne Sally. Die Stadt macht sich zum Erben von Hannibal Lonnegan. Und wir können das, weil wir die Stadtgesetze beschließen. Basta!« Als er verstummt, fragt Sally: »Und wenn ich bleibe, dann bedeutet das Krieg?« »So ist es«, erwidert der Storehalter Mel Mallone, bei dessen Anblick man an eine fette Katze denken muss und den man anderswo Fat Cat genannt hat, bis er die Flucht ergriff und seine Fährte verwischte. Sie lachen nun selbstgefällig, und sie sind in diesem Moment nichts anderes als eine gierige Bande, die einen Coup landen will nach all den erfolglosen Jahren.
Sally betrachtet die vier Männer fast mitleidig und spricht dann: »Oh, ihr Narren, was habt ihr euch da ausgedacht. Raus hier! Haut ab! Ich drohe euch nicht mal, denn ihr seid zu armselig und dumm, ganz und gar so wie diese Stadt. Ihr wollt mir etwas wegnehmen wie Diebe. Und ihr habt mir soeben den Krieg erklärt. Den könnt ihr haben. Raus hier!« Sie verharren noch und starren sie an. Und ihr Instinkt sagt ihnen, dass sie diese Frau bisher unterschätzt haben. Sie hielten Sally Bullock bisher nur für eine Frau von jener Sorte, die sich verkaufte, um ein sorgloses Leben führen zu können. Doch jetzt spüren sie ihre Härte und Entschlossenheit. Mel Mallone fasst sich zuerst. Er sagt heiser: »Wir geben Ihnen bis morgen Mittag Bedenkzeit. Wenn Sie dann noch hier sind, nehmen wir Sie fest und machen Ihnen wegen Stadtfriedensbruch den Prozess. Ja, wir wählen dann einen Richter und eine Jury.« Als er verstummt, verharren sie noch einige Atemzüge lang. Dann gehen sie hinaus. Und Sally Bullock weiß nun wieder einmal mehr, dass es nichts umsonst gibt auf dieser Erde und man um alles kämpfen muss. Was soll sie tun? In dieser Stadt ist sie nicht mehr sicher. Also muss sie hinaus zu ihrer Mine und ihren sieben Partnern. Ja, sie hat die Männer zu ihren Partnern gemacht, ihnen die Hälfte des Minenertrages zugesichert. Und so beginnt sie sich umzukleiden. Wenig später sehen die Leute von Red Mesa, dass sie sich ihr Pferd und auch Lonnegans Buggy aus dem Mietstall holt. Sie bindet ihr Pferd hinter dem Wagen an, fährt vors Haus und beginnt dort alles herauszuholen, was sie mitnehmen will. Es sind aber nur zwei Reisetaschen und ein Koffer. Sie haben Platz hinter dem Ledersitz auf der kleinen Ladefläche.
Dann fährt sie aus der Stadt. Es wäre leicht für sie, mit ihrem Geld eine Revolvermannschaft anzuwerben und die Stadt das Fürchten zu lehren. Und vielleicht wird sie das noch tun müssen. In diesem Land ohne Gesetz ist für die Starken alles noch möglich. Und mit dem Minengold, welches sich leicht in Dollars umwandeln lässt, ist sie stärker als diese armselige Stadt. *** Indes sie die sieben Meilen bis zur Mine zurücklegt, beginnt sie endlich auch darüber nachzudenken, wie es möglich war, dass Chester Lockhearts Männer sie finden konnten. Sie hatte gehofft, ihre Fährte verwischt zu haben, und glaubte, dass Lockheart aufgegeben hatte, weiter nach ihr suchen zu lassen. Doch das war nicht so. Gewiss, diese beiden Männer, die sie zu ihm zurückbringen sollten, sind tot. Aber Sally macht sich nichts vor und weiß, dass eines Tages andere Männer kommen werden. Es ist Abend, als sie die Mine erreicht. Die Männer haben Feierabend gemacht. Sie umringen ihren Wagen. Der Vormann Mike Ireland spricht ruhig: »Willkommen auf der Aurora-Mine. Oder sollen wir sie nun einfach Sallys Mine nennen?« Er fragt es scherzend. Sie schüttelt lächelnd den Kopf. »Es ist ja nur noch zur Hälfte meine Mine«, entgegnet sie. Dann aber erblickt sie einen achten Mann, der vom Stall herüber kommt. Sie erkennt ihn sofort, obwohl sie ihn nur einmal sah, damals, als Lonnegan ihn ihr vorstellte. Der Mann heißt Dan Kane und ist ein indianerhaft wirkender Revolvermann aus Nogales. Zwischen ihm und
Hannibal Lonnegan gab es irgendwie eine geheimnisvolle und wohl auch tiefere Verbindung. Sallys sieben Männer machen ihm Platz, sodass er vor Sally treten kann. Er nimmt den Hut ab und spricht: »Mein Beileid, Miss Sally. Und weil ich tief in Lonnegans Schuld stehe, übertrage ich meine Treue zu ihm nun auf Sie. Denn ich weiß, er wollte das so. Ich bin hier, weil es an der Zeit ist, die Goldausbeute nach Nogales zu bringen. Wenn Sie nichts dagegen haben, breche ich noch in dieser Nacht auf. Oder wäre Ihnen das nicht recht?« Er verstummt mit einem lässigen Klang in der Stimme, der den Texaner verrät. Sally sieht in seine rauchgrauen Augen und verspürt ein merkwürdiges Gefühl, welches sie nicht recht deuten kann. Aber es ist ein besonderes Gefühl. Und so betrachtet sie den indianerhaften Mann noch einmal von oben bis unten und lässt ihren durch reiche Erfahrung geschärften Instinkt gegen ihn strömen. Er lächelt leicht unter seinem Sichelbart, und dieses Lächeln verändert sein Gesicht, macht es freundlicher, sodass sie spürt, dass dieser Mann zwei Seiten hat – eine harte und gnadenlose – und eine andere sanfte, duldsame, ja vielleicht sogar fröhliche, in der es keine Schatten gibt. Und so sagt ihr der Instinkt einer erfahrenen Frau, dass sie ihm wahrscheinlich vertrauen kann. Sie verspürt plötzlich ein Einverständnis zwischen ihnen. Sie nickt und spricht: »Das trifft sich gut, denn auch ich muss nach Nogales. Die Behörde dort muss wissen, dass Hannibal Lonnegan verstorben ist und ich sein Erbe antrete, welches er mir ja schon zu seinen Lebzeiten überschrieb. Und dann will ich noch zur Bank. Dan Kane, wir reiten zusammen.« Seine rauchgrauen Augen werden schmal. Aber dann nickt er und erwidert: »Wenn Sie zäh genug reiten können, Miss
Sally – und wenn Ihnen klar ist, dass es gefährlich ist, mit hundert Pfund Gold durch dieses Land zu schleichen…« Sie sieht zu ihm hoch, denn er ist einen Kopf größer als sie, obwohl sie mehr als mittelgroß ist für eine Frau. »Mir ist alles klar«, spricht sie und wendet sich dann an die anderen Männer. »Es ist euch doch recht?« So fragt sie ruhig. »Ich werde auch für jeden von euch auf der Bank in Nogales ein Konto einrichten. Lonnegan hat euch ja auch etwas vererbt. Schreibt mir eure Namen und das jeweilige Kennwort für euer Konto auf. Gut so?« Sie fragt es zuletzt knapp. Sie zögern nur kurz. Dann nicken sie. Mike Ireland sagt: »Gut so, Sally.« Dann laden sie ihr weniges Zeug aus dem Wagen und bringen es in Lonnegans Zimmer. Im Minen-Office versammeln sie sich dann wenig später vor dem Tresor, den Sally mit dem Schlüssel öffnet. Es ist ein doppelbärtiger Schlüssel, der insgesamt vierundzwanzig Zuhaltungen öffnen muss, bis man die Riegel bewegen kann. Im Schrank liegt Bargeld. Doch die Hauptsache sind zehn Zehn-Pfund-Barren. Und das sind hundert Pfund fast reines Gold. *** Sie brechen nach dem Abendbrot auf. Es wird eine ziemlich dunkle Nacht werden, denn am Himmel ziehen Wolken von Osten heran und lassen nur kleine Lücken offen. Sie haben ein Packpferd bei sich, welches außer dem Gold auch noch einiges Lagergerät, Zeltplanen und Decken trägt. Zuerst reiten sie einige Meilen schweigend. Dan Kane kennt sich auch in der Dunkelheit in diesem Land aus. Einmal überqueren sie den Wagenweg nach Nogales und folgen dann
wieder Pfaden, welche gewiss auch bei Tag nur schwer zu erkennen sind. Als sie einmal nach einer Steigung anhalten, um die Tiere verschnaufen zu lassen und in die Runde zu lauschen, da fragt sie: »Wie weit ist es abseits des Wagenweges bis nach Nogales?« »Wir werden zweieinhalb Tage brauchen, wenn Sie zäh genug reiten können, Sally«, erwidert er. »Und wir werden nur in den Nächten reiten und uns bei Tag verbergen. Sie haben ein Gewehr und einen Revolver mitgenommen. Können Sie damit umgehen?« »Ich kann eine Menge«, erwidert sie. »Rechnen Sie damit, dass wir um das Gold kämpfen müssen?« Er lacht leise. Es ist ein hartes Lachen. Dann erwidert er: »Dieses Land ist voller Banditen. Die Postkutschen werden immer wieder überfallen. Schon lange nimmt die Post- und Frachtlinie keine Gold- und Geldtransporte mehr an. Denn die Versicherungen zahlen nicht mehr. Deshalb müssen wir das Gold selbst transportieren. Ja, einige gierige Burschen wissen, dass die Aurora-Mine bald wieder Gold nach Nogales bringen muss, will sie es nicht bei der Mine horten, sodass sich dort ein Überfall lohnen würde. In diesem Land gibt es kaum noch Geheimnisse. Ich musste schon einige Male kämpfen und auch töten. Ich bewundere Ihren Mut, Sally.« Nach diesen Worten reitet er weiter, zieht das Packpferd an der Leine hinter sich her. Sie folgt ihm und hätte an diesen Mann einige Fragen. Ja, er beschäftigt sie in ihren Gedanken. Längst ist ihr klar, dass er ein besonderer Mann ist. Nein, er gehört nicht zu jener Sorte von Revolverschwingern und Revolverhelden, denen der Revolver so wichtig ist, weil er ihnen das Gefühl von Macht gibt über Leben oder Tod. Nein, dieser Dan Kane gehört zur anderen Sorte, nämlich zu den ganz Großen, den schon legendären, den wirklichen
Revolverkämpfern, von denen man auch sagt, dass sie Gutes auf böse Weise tun. Aber was verbindet ihn mit Hannibal Lonnegan über dessen Tod hinaus, sodass er auch ihr wie ein Ritter dient? Sie reiten auf immer raueren Wegen, müssen durch Kakteenwälder, folgen trockenen Arroyos und über Hügelrücken. Als sie wieder einmal halten, die Tiere verschnaufen lassen und Dan Kane auf eine Wolkenlücke wartet, um sich im Licht der Gestirne nach irgendwelchen Landmarken zu orientieren, da fragt er: »Geht’s noch, Sally?« »Sicher«, knirscht sie. »Ich bin so zäh wie eine Katze.« Er grinst. Das kann sie in der Nacht erkennen. Seine weißen Zähne blinken unter dem Sichelbart. »Wahrscheinlich werde ich Sie massieren müssen«, spricht er nach einer Weile. »Denn wenn ich es nicht tue, werden Sie morgen so steif sein wie ein Baumstamm.« »Ich bin kein Baumstamm«, murrt sie. »Nein, gewiss nicht«, lacht er leise. »Sie sind eine verdammt schöne und lebendige Frau. Lonnegan hatte zuletzt eine Menge Glück.« »Und Sie verurteilen mich nicht, Dan Kane, dass ich mich mit einem alten Mann einließ, um aus einem Tief herauszukommen?« Nun grinst er nicht mehr in der Nacht. Und in seiner Kehle ist auch kein Lachen, als er erwidert: »Es war Ihre einzige Chance, Sally. Und Sie gaben ihm ja auch was. Wenn man in einen reißenden Fluss fällt, muss man schwimmen, um nicht unterzugehen. So ist das Leben. Reiten wir weiter.« Offenbar hat er nun wieder einige Landmarken im kurzen Mondschein erkannt. ***
Als es Tag wird, erreichen sie eine Wasserstelle zwischen schwarzen Lavafelsen. Sie halten an, und als sie absitzen, da kann sie ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken. Sie muss sich dann auch stehend eine Weile am Pferd festhalten. Er sagt ruhig zu ihr herüber: »Sally, es hilft nichts, ich muss Sie durchkneten. Denn sonst sind Sie bald so steif wie ein Brett. Meine Massage wird Ihnen weh tun, aber es muss sein. Es war ein harter Ritt für eine Frau. Ziehen Sie sich aus und nehmen Sie erst mal im Wasserloch ein Bad. Das Wasser wird noch warm sein. Ich kümmere mich inzwischen um die Pferde und dann um Sie.« Als er verstummt, starrt sie ihm fest in die Augen. Doch sie kann darin nichts erkennen, was ihr Sorgen machen müsste, und so beschließt sie, ihm zu vertrauen. Sie beginnt sich auszukleiden und blickt dabei immer wieder zu ihm hin. Aber er kümmert sich nicht mehr um sie, ist konzentriert mit den Pferden beschäftigt, dreht ihr zumeist dabei seinen Rücken zu. Und so steigt sie bald darauf nackt wie Eva in das Wasserloch, hockt sich bis zum Hals hinein. Das Wasser ist wahrhaftig noch warm. Die kalte Nacht hat es nicht sonderlich abkühlen können. Sie versucht sich zu entspannen und die verkrampften Muskeln und Sehnen zu lockern. Doch es gelingt ihr nicht. Und so beginnt sie sich vor dem Weiterreiten zu fürchten. Sie sieht dann, dass er eine Zeltplane und eine Decke ausbreitet, nachdem er mit den Pferden fertig ist. Aus ihrem Gepäck holt er eine Flasche Brandy und zeigt sie ihr grinsend. »Die werden wir nicht trinken. Ich werde Sie mit dem Schnaps einreiben und durchkneten. Also kommen Sie heraus aus dem Wasser. Legen Sie sich auf die Decke.« Sie zögert, denn er wird sie nun nackt sehen.
Oh, sie weiß, dass sie einen makellosen Körper besitzt und in dieser Hinsicht jeden Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Doch Dan Kane und sie sind sich ja eigentlich noch fremd. Sie verspürt das natürliche Schamgefühl einer normalen Frau. Einer Hure würde es nichts ausmachen, sich so zu zeigen. Sie würde es wahrscheinlich sogar genießen. Doch sie zögert nicht lange. Dann entschließt sie sich und steigt aus dem Wasserloch wie Venus aus dem Bade. Dabei blickt sie Dan Kane fest an, so als wollte sie ihn auf Distanz halten. Er aber spricht ruhig: »Sally, Sie sind so schön wie eine Göttin. Doch ich bin jetzt für Sie eine Art Doc und Sie eine Kranke. Also los!« Sie gehorcht und legt sich auf die Decke. Dann spürt sie auch schon den brennenden Schnaps auf ihrer Haut, seine massierenden und knetenden Hände. Sie stöhnt vor Schmerzen. Dann hört sie ihn sagen: »Bald wird es besser. Bald löst sich der Krampf. Sie haben prächtig durchgehalten und besitzen meinen ganzen Respekt. Doch wir müssen nach Anbruch der Nacht weiter. Ich muss Ihnen das antun.« Und so macht er weiter, kniet über ihr oder an ihren Seiten und massiert ihren ganzen Körper dort, wo die Muskeln und Sehnen sind. Als er endlich von ihr ablässt und eine Decke über sie wirft, sich erhebt und auf sie nieder sieht, da geht es ihr besser. Ein wohliges Gefühl durchströmt ihren Körper. Sie spürt eine Entspannung. »Danke, Dan Kane, danke, mein Freund«, spricht sie heiser. Er grinst nur wortlos und geht dann zur Wasserstelle, um sich den Schweiß abzuwaschen und sich endlich selbst zu erfrischen.
Als er sich das Hemd über den Kopf zieht, kann sie seinen nackten Oberkörper betrachten. Sie sieht lange Muskeln, keine Muskelpakete. Und auch einige Narben kann sie erkennen. Er ist zäh und hager wie ein Wolf. Er hat lange, leicht gekrümmte Beine und bewegt sich mit einer lässigen Leichtigkeit, obwohl er gewiss fast zweihundert Pfund wiegt. Indes er sich noch abtrocknet, richtet er seinen Blick nach Norden. Er kann gut zwischen zwei Lavafelsen hindurch auf ihrer Fährte zurücksehen. Plötzlich sagt er ruhig: »Sally, wir bekommen Besuch. Sie sollten sich anziehen. Gleich sind sie hier. Drei Reiter auf unserer Fährte.« Sie erhebt sich schnell, hält sich dabei die Decke vor den Körper und tritt ein wenig zur Seite, sodass auch sie durch die Lücke zwischen den schwarzen Felsen nach Norden blicken kann. Ja, da kommen drei Reiter auf ihrer Fährte. Denn dies hier ist ja kein Wagenweg, sondern kaum ein Pfad. Die drei Reiter sind also wahrscheinlich Verfolger. Sally kleidet sich schnell an, indes die drei Reiter immer näher kommen. Und als sie fertig ist und wieder durch die Lücke der Felsen sieht, da kann sie erkennen, von welcher Sorte ihre Verfolger sind, nämlich von der bösen Sorte. Da kommen drei Revolverschwinger geritten, wahrscheinlich Banditen, so genannte Arizonawölfe. Dan Kane spricht ruhig: »Sally, Sie bleiben in Deckung. Ich muss ihnen offen entgegentreten, solange sie noch beisammen sind. Sonst würden sie uns hier einkreisen. Ich kann nicht nach drei Seiten kämpfen.« Sie hat inzwischen ihren Revolvergurt mit der Waffe umgelegt und auch ihr Gewehr vom Boden aufgegriffen. »Ja, wir würden nur nach zwei Seiten kämpfen können«, verbessert sie ihn.
Er sieht sie seltsam an und schüttelt den Kopf. »Das ist meine Sache«, spricht er ruhig. »Nur wenn ich sie nicht schaffen kann und es um Sie geht, dann müssen Sie um Ihr Leben kämpfen.« Nach diesen Worten verlässt er sie und tritt aus den schwarzen Felsen hinaus ins Freie. Die drei Reiter sind nur noch an die hundert Yards entfernt. Sie sehen ihn und wissen, dass er sich ihnen stellt. Sie halten an und scheinen sich zu beraten. Er wartet ruhig, und er weiß, dass sie kommen werden. Sie müssen das ganz einfach tun. Denn sonst wird er in Deckung gehen. Doch werden sie die Herausforderung annehmen? Sind sie stolz oder feige? Ihre Beratung dauert nicht lange, dann reiten sie wieder an, kommen im Schritt näher. Einer von ihnen ist mexikanischer Abstammung, und sie sind keine abgerissenen Burschen, keine Tramps. Nein, da kommen drei Raubritter auf guten Pferden und in gutes Reitzeug gekleidet. Der Mexikaner hat ein goldenes Hutband. Unter seinem schwarzen Schnurrbart blinken weiße Zahnreihen. Sie kommen bis auf ein Dutzend Yards herangeritten und halten dann an. Der Mexikaner ruft lachend, so als stünde ihnen ein prächtiger Spaß bevor: »He, Amigo, willst du mit uns um das Gold kämpfen oder es uns freiwillig geben? Wir wissen, dass du wieder einmal aus Nogales gekommen bist, um die Monatsausbeute der alten Mine abzuholen. Und diesmal hast du eine schöne Señora bei dir, die Mujer von Oldman Lonnegan. Du siehst, wir wissen Bescheid. Also, wie willst du es haben, Amigo?« Dan Kane schüttelt den Kopf, so als könnte er etwas nicht begreifen.
Dann fragt er: »Und ihr glaubt nicht, dass ich einen oder gar zwei von euch mitnehmen werde?« Sie grinsen nun alle drei. Dann spricht einer der beiden anderen Männer, welche angloamerikanischer Abstammung sind: »Das haben wir einkalkuliert. Einer von uns wird gewiss übrig bleiben. Diese Chance ist groß genug. Wir sind ziemlich gut. Vielleicht ist sogar jeder von uns besser als du.« Dan Kane erwidert nichts. Er sieht bewegungslos zu, wie sie absitzen und von ihren Pferden wegtreten. Er wartet noch, bis sie ihre Revolver zurechtgerückt haben. Aber dann zieht er, und er hat das ungeschriebene Recht dazu, denn er muss gegen drei Gegner kämpfen, von denen sich jeder ihm überlegen fühlt. Und er ist schneller als sie. Und so trifft seine erste Kugel den Mexikaner, dann den zweiten Mann. Aber den dritten Gegner schafft er nicht mehr. Dessen Kugel trifft ihn und lässt ihn rückwärts schwanken. Doch er schießt dabei weiter und erledigt auch diesen dritten Mann. Er verharrt dann schwankend und stöhnend mit dem rauchenden Colt in der Hand und wartet darauf, dass einer von ihnen weiterkämpfen möchte. Aber sie liegen im rötlichen Staub. Er hört sie nur stöhnen. Dann setzt sich einer mühsam mit letzter Kraft auf und presst seine Hände gegen den Einschuss in der Magengegend. »He«, stöhnt er dann, »du bist verdammt gut. Wir haben uns wohl überschätzt. Aber einer von uns hat dich auch erwischt. Immerhin. Jetzt bist du bis Nogales ein angeschossener Wolf. Pass gut auf das Gold und die Señora auf. Denn es sind noch mehr auf eurer Fährte oder lauern auf euer Kommen. Vielleicht sehen wir uns in der Hölle wieder. Dort kommen alle hin, die von ihren Colts leben.« Er legt sich nach diesen Worten wieder hin und stirbt, den starren Blick zum Himmel gerichtet.
Dan Kane flucht bitter. Er hält sich die Linke gegen die Rippen gepresst. Denn dort hat ihm die Kugel nicht nur eine böse Wunde gerissen wie ein Säbelhieb. Die Rippe, welche die Kugel abgleiten ließ, wurde gebrochen. Vielleicht ist sie sogar gesplittert. Es ist eine böse Wunde. Als er sich umsieht, kommt Sally zwischen den Felsen zum Vorschein. Sie eilt zu ihm und ruft: »Dan, wie schlimm ist deine Wunde?« Als sie bei ihm ist, erkennt er in ihren Augen die Sorge. *** Wenig später wissen sie es. Die Wunde blutet heftig. Und die Rippe, der es zu verdanken ist, dass die Kugel nicht durch seinen Körper ging, sorgt für Schmerzen beim Atmen. Er muss ganz flach atmen, will er die Schmerzen erträglich halten. Sally erweist sich als sehr geschickt. Zum Glück sind sie gut ausgerüstet. In ihrem Gepäck haben sie Verbandszeug und auch Pflaster, für den Fall, dass sich die Pferde an Kakteendornen verletzen sollten. Sally gießt Brandy auf die Wunde, näht diese dann mit Zwirn zu und pappt eines der Pferdepflaster darüber. Als sie fertig ist, schwitzen sie beide. Sie lächelt auf ihn nieder und weiß, wie böse die Schmerzen waren, die sie ihm beim Nähen der Wunde zufügen musste. Sie lässt ihn einen Schluck aus der Brandyflasche trinken, kniet noch neben ihm und blickt auf ihn nieder. »Das hat mir keinen Spaß gemacht«, spricht sie, »obwohl auch ich bei deiner Massage höllische Schmerzen hatte. Nein, ich wollte dir das nicht zurückgeben.« »Ich weiß«, erwidert er. »Aber wir sind ein gutes Team, nicht wahr? Und wir werden das verdammte Gold irgendwie nach Nogales bringen.«
»Du hasst das Gold?« So fragt sie staunend. »Ja, warum hast du dann Lonnegan geholfen, es nach Nogales zu schaffen, und hilfst jetzt mir?« »Das ist eine lange Geschichte«, erwidert er. »Vielleicht werde ich sie dir mal erzählen. Ich glaube, dass wir uns überhaupt eine Menge erzählen sollten, damit wir mehr voneinander wissen. Oder nicht?« Sie betrachtet ihn seltsam, nickt dann und murmelt: »Ja, wir sollten mehr voneinander wissen und uns besser kennen lernen. Aber ich glaube, ich kenne dich schon jetzt sehr gut. Was soll ich noch tun?« »Die Toten wegschaffen«, erwidert er sofort. »Du kannst sie nicht quer über ihre Pferde legen und fortbringen. Also musst du sie mit ihren Pferden wegschleifen. Binde ihre Lassos um ihre Fußgelenke. Sie spüren ja nichts mehr. Schleife sie weit weg, am besten in einen trockenen Arroyo, dessen Ufer du über sie herunterreißen kannst, wenn es steil genug ist oder sogar überhängt. Wir haben sonst bald kreisende Geier über uns. Schaffe sie fort.« Sie erhebt sich aus der knienden Haltung und salutiert wie ein Soldat: »Yes, Sir«, sagt sie. »Bewegung tut mir besser als Liegen nach deiner Massage.« Er grinst etwas verzerrt. Dann aber schließt er für eine Weile die Augen und versucht sich trotz der Schmerzen zu entspannen. In den nächsten zwei Stunden arbeitet sie hart und schafft die drei Toten eine gute halbe Meile weit weg in einen trockenen Arroyo unter das leicht überhängende Ufer. Es stehen einige verdorrte Büsche am Rand, die sie mit Hilfe des Lassos niederreißen kann. Und so stürzt das überhängende Ufer herunter und begräbt die Toten mit vielen Kubikyards sandiger Erde, auch die Sättel und alles andere Zeug, welches die Pferde trugen. Die Tiere aber jagt sie davon.
Als sie wieder zu Dan Kane zurückgekehrt ist, schwitzt sie schon wieder stark und möchte am liebsten noch ein Bad im Wasserloch nehmen. Aber sie verkneift sich diesen Wunsch, denn sie weiß, dass sie nicht an diesem Ort verharren dürfen. Sie bleibt bei Dan Kane stehen und blickt auf ihn nieder. Er schläft nun. Vielleicht ist es eine halbe Bewusstlosigkeit, die ihn die Schmerzen nicht so stark spüren lässt. Aber sie weiß, dass er bald Wundfieber haben wird. Und wenn sich die Wunde entzünden sollte… Die Sonne brennt unbarmherzig auf die Wasserstelle zwischen den Lavafelsen nieder. Sally sucht den Schatten auf. Die Pferde stehen beim Wasser. Sally kann nichts anderes tun als warten. *** Zu dieser Zeit – fast auf die Stunde genau – findet im Red Mesa Saloon zu Red Mesa eine Zusammenkunft der männlichen Bürger des kleinen Ortes statt. Und als sie alle versammelt sind, lässt der Saloonbesitzer Hurt Slade erst einmal Freidrinks ausschenken. Dann aber ergreift Fat Cat Mallone das Wort. Er beginnt mit den Worten: »Männer von Red Mesa, Bürger unserer armseligen Stadt, jetzt macht mal eure Ohren weit auf.« Nach diesen Worten macht er eine Pause und hebt den Zeigefinger, lässt die Pause bedeutungsvoll eine Weile andauern. Dann aber kommen seine Worte trocken und hart: »Wir haben es nun in der Hand, ob wir eine armselige Stadt bleiben oder reich werden, ja, richtig reich. Denn Oldman Lonnegan ist tot. Und wir als Stadt haben unsere Stadtgrenzen um sieben Meilen in der Runde ausgedehnt. Die herrenlos gewordene Mine da draußen liegt nun innerhalb des Stadtbereichs und
unterliegt damit auch den Stadtgesetzen. Somit gehört die Aurora-Mine der Stadt Red Mesa. Wir Stadträte hatten Miss Sally Bullock ein Ultimatum gesetzt. Schon unserer Frauen wegen konnten wir nicht länger eine Hure bei uns dulden. Sie ist fort. Natürlich wollte sie Anspruch auf die Mine erheben, doch dazu hätte sie einen Trauschein als Lonnegans Ehefrau vorzeigen müssen. Wir besitzen also die einzig ertragreiche Mine im ganzen Land.« Nach dieser Rede macht er abermals eine längere Pause und lässt seine Worte auf die insgesamt siebzehn Männer von Red Mesa einwirken. Oh, er kann sehen, wie es in deren Hirnen zu arbeiten beginnt. Sie wittern etwas. Der Sattler – er lebt mit seiner Familie besonders kümmerlich und armselig – spricht dann heiser: »Aber zur Mine gehören auch sieben harte Burschen…« Er spricht nicht weiter, doch seine Worte genügen. Denn die anderen Männer nicken. Der Schreiner lacht dann bitter und spricht: »Die werden sich auch als Erben betrachten – oder?« Fat Cat Mallone hebt die fetten Hände. »Deshalb haben wir ja diese Bürgerschaftsversammlung einberufen«, spricht er grinsend und lässt vom Kautabak braune Zähne zwischen seinen schmalen Lippen erkennen. Dann spricht er weiter: »Die lachen uns natürlich aus, wenn wir hinkommen und dort unseren neuen Stadtgesetzen Geltung verschaffen wollen. Also benötigen wir Hilfe. Wir brauchen einen City Marshal mit einigen harten Deputys, die für uns gegen Erfolgsbeteiligung alles regeln. Ist euch jetzt alles klar?« Er fragt es herausfordernd und selbstsicher. Denn er weiß, dass das Gold der Mine in ihren Köpfen Wünsche und Hoffnungen erweckt. »Es ist alles ganz einfach«, fügt er noch hinzu. »Wir vier Stadträte werden erst mal zur Mine reiten und es gütlich
versuchen. Wenn wir keinen Erfolg haben, holen wir uns Revolvermänner und stecken ihnen Sterne an die Westen. Doch wir brauchen Handgeld bei der Anwerbung. Deshalb muss jeder von uns auf der Stelle hundert Dollar herausrücken. Nur hundert Dollar Einsatz. Ich weiß, einigen von euch fällt das gewiss nicht leicht, aber dieser Einsatz wird sich mehr als verzehnfachen. Also?« Er fragt es zuletzt hart und fordernd. Noch einmal denken sie nach. Dann beginnen sie nacheinander zu nicken. *** Es ist fast schon Abend, als die vier selbst ernannten Stadträte von Red Mesa – also Mel Mallone, Stap Lome, Mac McGill und Hurt Slade – zur Mine geritten kommen. Die Männer waschen sich dort gerade am großen Wassertrog. Es sind sechs, denn einer von ihnen hat Küchendienst als Koch und war nicht in der Mine. Der Vormann Mike Ireland empfängt die vier Männer aus Red Mesa mit den Worten: »Was wollt ihr denn hier?« Fat Cat Mallone versucht freundlich zu wirken und spricht: »Die Mine gehört nun der Stadt, da Lonnegan den Löffel abgegeben hat und im Jenseits ist. Wir behalten euch als Arbeiter zum gleichen Lohn und zahlen dazu noch eine gute Prämie. Die Ausbeute der Mine wird jeden Tag nach Red Mesa geholt. Es soll hier einen großen Geldschrank geben. Wer hat den Schlüssel? Wir könnten ihn auch Aufsprengen oder von unserem Schmied auf andere Art öffnen lassen.« Als er mit einem Klang von Drohung und Härte verstummt, da beginnen die Minenleute schallend zu lachen. Ja, sie wiehern so richtig los wie Hengste, als hätte er einen besonders guten Witz gemacht.
Als sie endlich verstummen, da wenden die vier Stadträte von Red Mesa stumm ihre Pferde und reiten davon. Denn sie wissen, dass jedes weitere Wort sinnlos wäre. Die Minenleute sehen ihnen nach. »Das gibt Ärger«, spricht der Vormann dann. »Diese armseligen Banditen von Red Mesa wollen die Mine. Und weil sie feige sind, werden sie sich Hilfe holen. Ja, das gibt Ärger.« »Gehen wir Hiobs Schlangenfraß essen«, spricht der Mann aus Polen, den sie einfach nur Kowsky nennen und der daheim in Polen schon in Bergwerken gearbeitet hat und in der Mine der erfahrenste Mann ihrer Mannschaft ist. Hiob, der Neger, grinst blinkend. »Morgen hast du Küchendienst, Kowsky«, spricht er. »Und wenn du jeden Tag kochen würdest, wären wir schon tot.« Sie lachen wieder und machen sich wenig Sorgen. Denn sie sind harte Burschen, die im Krieg waren und auch schon gegen Apachen und Banditen kämpften. George Palace – ein bulliger Bursche aus Missouri – lacht noch einmal grimmig und spricht: »Diese Weicheier von Red Mesa sollen nur kommen.« Aber der Vormann Mike Ireland warnt: »Wir werden nicht mehr mit sechs Mann in der Mine arbeiten können. Von nun an bleiben drei Mann über Tage und halten Ausschau. Auch in den Nächten müssen wir jetzt besser Wache halten. Die Leute von Red Mesa wollen die Mine und werden sich was einfallen lassen. Ich wünschte, Dan Kane wäre hier.« *** Am dritten Tag legt sich Dan Kanes Wundfieber. Auch hat sich die Wunde nicht entzündet. Er erwacht am späten Nachmittag dieses dritten Tages und sieht Sally neben sich. Sie wirkt müde, und er begreift sofort, dass sie wenig Schlaf bekam.
Er verspürt Hunger, doch sie sagt: »Ich wagte nicht, ein Feuer zu machen. Ich kann dir nur Wasser und etwas von unserem kalten Proviant geben.« Er betrachtet sie ernst und spricht dann heiser: »Sally, du bist eine prächtige Frau. Ich glaube, ich habe immer wieder von dir geträumt.« »Ich weiß.« Sie lächelt auf ihn nieder. »Du hast im Fieber gewiss von allen Frauen und Mädchen geträumt, die du pflücken konntest wie Blumen rechts und links deines Weges.« Er grinst etwas mühsam und erwidert: »Manche waren Rosen mit Stacheln.« Sie zieht ihm den Sattel als Rückenlehne hin und sieht zu, wie er zu essen beginnt. Und sie denkt dabei dankbar: Er hat es überstanden. Dem Himmel sei Dank. Er sieht ihr in die Augen und erkennt dort die stumme Frage. »Morgen reiten wir weiter«, murmelt er. »Es sind ja nur noch sechzig Meilen bis Nogales. Die schaffen wir in zwei Nächten. Und am Tag kann ich mich ja ausruhen.« Sie lächelt mutig und murmelt schließlich: »Dan, mir fallen die Augen zu. Wenn du eine Weile wach bleiben könntest…« »Ich kann«, unterbricht er sie. Wenig später sieht er zu, wie sie sich hinlegt und von einem Atemzug zum anderen einschläft. Es ist dann sehr viel später gegen Mitternacht – ein voller Mond steht am Himmel und macht die Nacht fast taghell mit den leuchtenden Sternen –, als Sally erwacht. Er hört ihr erschrocken klingendes Seufzen. Dann fragt sie etwas unsicher: »Dan, bist du hier?« »Wo sonst?« Er fragt es mit einem Klang von Lachen in der Stimme. »Wo sonst sollte ich sein?« Sie schweigt einige Atemzüge lang und murmelt dann: »Ja, wo sonst solltest du sein, mein guter Freund.« »Geht es dir jetzt besser, Sally?«
Sie setzt sich auf und lacht leise: »Mir geht es wieder gut. Aber Hunger habe ich. Dan, wenn wir in Nogales sind, lassen wir uns einen ganzen Hammel braten.« »Sicher«, murmelt er, »wenn wir in Nogales sind.« Sie kommt nun auf Händen und Knien zu ihm gekrochen und bringt ihren Proviantbeutel und die Wasserflasche mit. »Aber jetzt«, spricht sie, »gibt es nur Rauchfleisch und trockenes, hartes Brot.« Auch er spürt Hunger, und so sitzen sie nebeneinander, den Rücken gegen einen der schwarzen Felsen gelehnt. Nach längerem Schweigen fragt sie plötzlich: »Was verband dich und Lonnegan? Ja, was verband euch so sehr, so als wäret ihr Vater und Sohn? Es muss was ganz Besonderes gewesen sein – oder?« Er antwortet nicht gleich. Sie kann spüren, dass er in seinen Gedanken auf seinem Lebensweg zurückblickt. »Lonnegan rettete mich vor dem Galgen«, sagt er nach einer Weile. »Ich war angeklagt, stand vor einer Jury. Und die Zeugen sagten gegen mich aus. Die Jury hätte mich schuldig gesprochen. Ich war noch sehr jung, gerade achtzehn Jahre alt. Lonnegan war damals Sheriff in dieser Stadt. Er musste mich festnehmen, weil alle Zeugen mich wiedererkannt zu haben glaubten. Aber er glaubte mir schließlich, als wir uns noch einmal in der Gitterzelle seines Gefängnisses unterhielten. Dann machte er sich auf den Weg, um nach meinem Doppelgänger zu suchen. Er war einige Tage fort und kam mit meinem Doppelgänger erst im letzten Moment, platzte vor dem Schuldspruch in die Verhandlung. Und der Beweis war eindeutig. Er hatte nämlich die Beute in den Händen meines Doppelgängers gefunden. Der war nur wenige Jahre älter als ich und glich mir wie ein Zwillingsbruder. Ohne Lonnegan hätten sie mich aufgehängt. Und als ich ihm später dankte, da sagte er, dass er nur seine Pflicht als Sheriff getan hätte. Dann trennten sich unsere Wege. Denn ich musste mir die Welt
ansehen, war ständig unterwegs. Ich wurde ein Revolvermann. Das geschah ganz zwangsläufig auf meinen Wegen. Denn ich wollte immer den Schwachen beistehen, so wie Lonnegan damals mir. Das aber zwang mich zu vielen Kämpfen. Ja, ich war auch Sheriff, Marshal, Leibwächter, Geldtransportbegleiter, Banditenjäger. Vor zwei Jahren gründete ich zwischen dem San Pedro River und Santa Cruz eine Pferde-Ranch. Ja, ich wurde endlich sesshaft. In Nogales traf ich Lonnegan nach vielen Jahren wieder. Er war alt geworden. Und er bat mich um Hilfe. Obwohl ich nichts verlangte, weil ich ja in seiner Schuld war, zahlte er mir tausend Dollar für jeden Transport. Jetzt ist er tot, denn auch die Guten und Redlichen müssen sterben. Manchmal früher als die Bösen. Doch das gehört zu den Ungerechtigkeiten dieser Welt.« Er verstummt nun. Sally aber sagt: »Ja, er war ein Guter, der das Leben und die Menschen kannte. Er nahm mich mit zu sich, als ich mal wieder ganz unten angelangt war. Und er ließ mir Zeit, bis ich ihn mit meinem Herzen mochte und ich den Wunsch hatte, ihn auf seine letzten Tage noch einmal glücklich zu machen. Es war eine schöne Zeit mit ihm. Er kam jedes Wochenende.« Sie verstummt mit einem Klang in der Stimme, so als wollte sie trotzig etwas verteidigen. Sie wendet sich plötzlich zu ihm. »Dan, könntest du dich in mich verlieben?« So fragt sie ernst. »Und wenn ja?« So fragt er zurück. Sie denkt eine Weile nach. Dann murmelt sie: »Ich würde dann glauben, dass ich immer noch eine Menge wert bin für einen Mann. Für die Leute von Red Mesa bin ich eine Hure, die sich von Lonnegan aushalten ließ. Denn er hatte mich ja nicht geheiratet. Dan, es gab in meinem Leben und auf meinen Wegen einige Männer, mit denen ich nicht verheiratet war, die mich jedoch besaßen und von denen ich Vorteile genießen
konnte. Doch irgendwann stürzte ich immer in ein schwarzes Loch. Als Lonnegan sich meiner annahm, war ich auf der Flucht vor einem Mann. Ich war sogar, um vor ihm flüchten zu können, in den Mississippi gesprungen und wäre fast ertrunken. Unterwegs war ich mittellos und musste mir das Reisegeld verdienen. Dan, was bin ich wert?« »Viel«, erwidert er, »eine Menge. Jede Frau, die das Leben kennt und der nichts mehr fremd ist auf dieser Erde, ist eine Menge wert, wenn ihr Herz gut geblieben ist. Basta!« Sie lehnt sich wieder zurück gegen den Felsen. »Wir werden ja sehen…«, murmelt sie. Und er weiß genau, was sie meint. *** Es ist am dritten Tag nachdem Sally und Kane nach Nogales aufbrachen, als die Minenmannschaft beim Abendessen auf die Idee kommt, sich einmal eine vergnügte Nacht in Red Mesa zu machen. Es ist Kowsky, der gebürtige Pole, welcher kauend sagt: »He, warum verkriechen wir uns eigentlich hier auf der Mine? Warum zeigen wir dieser armseligen Stadt nicht, dass wir auf dieser Erde einen Platz haben und hingehen können, wohin wir wollen? Und vielleicht schmeckt die Pumaspucke im Mesa Saloon besser als unsere hier. Ich würde auch gerne wieder mal andere Gesichter sehen als eure und mit anderen Burschen Poker spielen. Es ist Wochenende. Wollen wir?« Sie starren ihn kauend an. Dann beginnen sie zu grinsen. Fernando, den man fast für einen Apachen halten könnte und der wahrscheinlich zu einem Viertel solches Blut in sich hat, spricht: »Vielleicht gibt es inzwischen ein paar Putas in einem Putahaus in Red Mesa. Caramba, ich hatte lange keine Frau! Mein letztes Weib war die dicke Elvira in Santa Cruz. Sie erdrückte mich fast. Si, fahren wir nach Red Mesa. Zeigen
wir ihnen, was für eine Mannschaft wir sind. Denn wenn wir wollten, dann könnten wir dieses Nest platt machen – oder? Diese vier verdammten Stinker, welche herkamen, um die Mine zu übernehmen, die müssen mal vorgeführt bekommen, was für haarige und urige Burschen wir sind.« Als er endet, sind sie alle begeistert. Sogar der sonst so besonnene Vormann Mike Ireland nickt. Denn auch er glaubt, dass sie der Stadt mal zeigen sollten, mit wem sie sich anlegen würde. Und so sind sie wenig später auf ihrem großen Wagen unterwegs, der gezogen wird von vier Maultieren. Sie tragen auch ihre Revolvergurte mit ihren Waffen oder haben diese zumindest hinter den Hosengürteln stecken. Als sie die Lichter von Red Mesa trübe gegen das Licht der Gestirne anblinzeln sehen, da heulen sie fast wie hungrige Wölfe. Und Hiob, der Neger, treibt die Maultiere zu einem Galopp an, was nicht schwer ist, weil er das Kreischen eines angreifenden Pumaweibchens täuschend ähnlich nachmachen kann. So kommen sie dann brüllend und heulend in die Stadt, halten vor dem Saloon an und springen vom Wagen. Sie drängen sich durch die offene Tür. Barton Mullen brüllt: »Aufgepasst, Leute! Hier kommen die Stiere von der Aurora-Mine! Aufgepasst!« Ihr Gebrüll wird begeistert von einer mehr oder weniger angetrunkenen Frachtmannschaft aufgenommen, deren Wagenzug vor der Stadt auf dem Weg nach Norden angehalten hat und die enttäuscht ist von Red Mesa, weil es hier zu ruhig ist und es keine Mädchen gibt, die man sich für ein Vergnügen kaufen kann. Für die Frachtfahrer ist dies hier ein Ort ohne Vergnügen. Doch jetzt bei Barton Mullens Gebrüll fühlen sie sich herausgefordert.
Einer von ihnen ruft auch schon böse: »Halts Maul, du Brüllaffe! Wenn hier einer brüllt, dann ist das einer von uns!« Nun, seine Worte werden von den Männern der Mine begeistert aufgenommen. Der Chinese – er war mal Pirat im Chinesischen Meer – ruft mit hoher Fistelstimme, die so gar nicht zu seinem riesigen Körper passt: »Ihl Stinkel! Will welfen euch aus diesem Haus!« Und dann geht es auch schon los. Primitive Burschen wollen primitive Freuden. Schnaps und Schlägereien gehören dazu. Das war schon immer so. Und schon der Römer Seneca wusste: »Jede Rohheit hat ihren Ursprung in einer Schwäche.« Doch wer von den sich prügelnden Mannschaften im Red Mesa Saloon kennt schon den römischen Philosophen Lucius Annäus Seneca, Erzieher des Kaisers Nero, den man zum Selbstmord zwang? Die Minenmannschaft will der Stadt zeigen, wie stark und unbesiegbar sie ist. Und die Frachtfahrer wollen beweisen, dass sie jede Herausforderung annehmen. Und so machen sie sich nicht nur gegenseitig klein, sondern zerstören auch den ganzen Saloon, fügen sich gegenseitig Schmerzen zu und brüllen immer wieder begeistert, wenn einer von ihnen einen anderen von den Beinen schlagen kann. Der Wirt Hurt Slade und sein Gehilfe sind längst in Deckung gegangen. Und die Stadt Red Mesa verharrt untätig. Sie hören in den Häusern und Hütten nur den Lärm und wissen, dass ihr Saloon zum Teufel geht. Doch sie unternehmen nichts. Es gibt in Red Mesa keine Bürgerwehr. Und der Revolvermarshal, den ihre vier Stadträte anwerben wollten, ist noch nicht hier mit irgendwelchen Revolverschwingern als Deputys.
Die Stadt Red Mesa wird in dieser Nacht gnadenlos erniedrigt, verliert ihren letzten Rest von Stolz. Irgendwann ist der Kampf im Saloon beendet. Die Frachtfahrer verlassen brüllend und fluchend die Stadt und streben dem Camp ihres Wagenzuges zu. Sie werden Beulen, Risse und andere Wunden behandeln müssen. Und die sieben Minenmänner klettern johlend auf ihren Wagen. Dabei schwingen sie Schnapsflaschen. Kowsky brüllt kreischend, indes sie hinaus nach Süden fahren: »Hoiii, ihr Pfeifen von Red Mesa mit euren Schnepfen von Weibern, jetzt wisst ihr wohl, dass man sich mit uns nicht anlegen darf!« Lärmend verschwinden sie in der hellen Nacht – die einen nach Norden, die anderen nach Süden. Und als es still wird in Red Mesa, da kommen die Bürger aus ihren Häusern, um sich den Schaden im Saloon anzusehen. Der Wirt Hurt Slade empfängt sie mit den Worten: »Wenn unser Sheriff hier ist, dann wird diese verdammte Bande bezahlen!« Und da nicken sie alle heftig. Fat Cat Mallone spricht, wobei er die Hand wie zum Schwur hebt: »Ja, die werden bezahlen. Mit der ganzen Mine werden sie bezahlen.« *** Es wird ein harter Weg für Dan Kane bis Nogales, zumal sie ja den alten Wagenweg meiden und auf kaum erkennbaren Pfaden durch raues und zumeist trockenes Land reiten. Sie verbergen sich bei Tag und halten Ausschau nach Verfolgern oder irgendwelchen Bewegungen in weiter Runde. Bei Anbruch der Dunkelheit reiten sie weiter.
Als es von Osten her heller wird und am Himmel die Gestirne verblassen, also die graue Stunde anbricht, in der die Welt keine Farben hat, da sehen sie vor sich die Lichter von Nogales im ersten Grau blinzeln. Sie müssen wenig später durch die Furt auf die Westseite des Santa Cruz River, und hier tritt ihnen ein Mann entgegen, der sie breitbeinig erwartet. Der Mann spricht hart im trüben Grau: »Da bist du ja, Kane. Ich warte schon eine Ewigkeit auf dich.« Sally hört Dan Kane einen Fluch murmeln, dann aber ruhig sagen: »Ringo, du willst es also versuchen?« »So ist es, Dan Kane. Und ich habe lange genug gezögert und überlegt. Aber es ist zu verlockend. Ich weiß schon lange, dass du jeden Monat Gold nach Nogales bringst und nur in den Nächten reitest. Gegen dich habe ich nichts, Dan Kane. Aber ich will das Gold. Die Grenze ist ja hier so nahe, dass man hinüberspucken könnte. Wen hast du denn da bei dir? Ist das eine schöne Lady?« Als er verstummt und auf eine Antwort wartet, da fragt Sally: »Und wer sind Sie, Mr Ringo? Ist das Ihr richtiger Name?« Der Mann lacht kehlig. Dan Kane aber sagt: »Sally, sein Name ist Ringo Lumate. Als Kind war er ein blonder Lockenkopf, der wie ein Mädchen aussah. Auch jetzt sieht er noch so richtig schön aus. Aber er ist eine Art Fregattvogel. Weißt du, was ein Fregattvogel ist, Sally?« Sie muss nicht lange nachdenken und erwidert: »Ein Fregattvogel ist der beste Flieger unter allen tropischen Meeresvögeln. Und er nimmt anderen Meeresvögeln im Fluge die Beute weg. Er taucht nicht selbst nach Fischen, sondern wartet in der Luft. Dann stößt er zu. Richtig?«
Jener Ringo Lumate, der ja wie Kane jedes Wort hörte, lacht nun anerkennend und spricht dann heiser: »Die Lady ist schlau und gebildet. Wer also ist sie, verdammt?« »Ihr gehört das Gold, Ringo«, erwidert Dan Kane ruhig. »Und wenn du es haben willst, dann musst du mit mir darum kämpfen.« Eine Weile schweigt Ringo Lumate. Dann spricht er: »Ja, so ist es wohl. Das tut mir mächtig Leid, Kane. Ich hoffte, ich könnte dich überreden. Doch du bist nun der getreue Ritter einer Schönen.« »So ist es, Ringo.« Dan Kanes Stimme klingt immer noch ruhig. Ringo lacht leise. Es ist ein verwegenes Lachen. So lacht ein wilder Bursche, der sich wie ein Spieler stets auf sein Glück verlässt und sich deshalb mit Verwegenheit und Kühnheit zu behaupten versucht. Er wendet sich an Sally und spricht lachend: »Hey, schöne Lady, wollen Sie, dass der gute Dan Kane wegen Ihres Goldes stirbt?« »Nein«, erwidert sie und reitet ein Stück vorwärts, um ihm näher zu sein und so, als wollte sie mit ihm reden und nicht so laut die Stimme ertönen zu lassen. Doch als sie fast bei ihm ist, schießt sie mit ihrem kleinen Colt-Derringer beide Läufe auf ihn ab. Sie verbarg die kleine Waffe geschickt. Ein Colt-Derringer hat zwar keine große Durchschlagskraft, aber aus der Nähe wirkt er fast wie ein Colt. Die beiden Kugeln stoßen Ringo Lumate von den Beinen. Und als er am Boden liegt, da stöhnt er zu der Reiterin hinauf: »Oh, du bist nicht nur eine wunderschöne Lady, sondern auch gefährlich wie eine Pumakatze. Ich werde nie wieder einer schönen Frau trauen.« Auch Dan Kane kommt nun herangeritten und sitzt ab. Er untersucht Ringo Lumate im ersten Morgenlicht und stellt fest:
»Du könntest es überleben, Ringo. Wir heben dich auf dein Pferd und bringen dich zum Doc. Das war keine gute Idee von dir, Ringo.« »Nein«, stöhnt dieser und hält sich beide Hände auf die Wunden, um das Bluten zu stoppen. »Verdammt, was habe ich jetzt davon, dass ich euch offen entgegengetreten bin und dich nicht aus dem Hinterhalt abgeschossen habe. Diese Lady ist ja so giftig wie eine Giftschlange!« »Ich lasse mir mein Gold nicht wegnehmen«, spricht Sally hart. Aber sie reitet hinüber zu einer Hütte, wo ein Sattelpferd angebunden ist. Sie bringt es herbei. Dann legen sie Ringo Lumate quer über den Sattel. Er stöhnt erbärmlich und verliert dann die Besinnung. Sie reiten mit ihm durch die Furt des Flusses. In Nogales ist noch alles ruhig und still. Die Schüsse auf der Ostseite des Flusses haben in der zum großen Teil noch schlafenden Stadt keine Aufmerksamkeit erregt. Doch als sie wenig später an die Tür des Doktorhauses klopfen, öffnet sich das Fenster. Und der Doc fragt mürrisch herunter: »Hat das was mit der Knallerei auf der anderen Flussseite zu tun?« »Es ist Ringo Lumate«, spricht Dan Kane hinauf. »Er hat zwei Derringer-Kugeln im Leib. Doch die drangen nicht sehr tief ein. Sie haben Arbeit bekommen, Doc.« Dieser flucht bitter und schließt das Fenster. Und als er unten die Tür öffnet und sie Ringo ins Haus tragen, da knurrt der Doc: »Diesem Ringo habe ich vorausgesagt, dass er nicht immer Glück haben kann. Aber der hörte ja nicht.« Der Doc fragt nicht, warum Ringo Lumate zwei Kugeln abbekam. Wahrscheinlich hat er sich das bei Patienten mit Schusswunden abgewöhnt.
Dan Kane tritt wenig später aus dem Doktorhaus. Sally sitzt noch im Sattel und hält die Leine des Packpferdes in der Hand. »Ja, er wird es überleben, dieser Narr«, sagt Kane zu ihr empor. »Du hast ihn nicht umgebracht.« Er sitzt auf und sie reiten weiter. Als sie vor dem Hotel absitzen, sagt Sally: »Die Männer auf der Mine werden sich jetzt schon eine Menge Sorgen machen wegen meines Ausbleibens. Ich bin für sie gewiss schon überfällig.« »Es wird alles in Ordnung kommen«, beruhigt er sie. Aus dem Hotel tritt ein riesiger Neger, der hier der Mann für alles ist. »Hey, Mr Kane«, spricht er freundlich, »da sind Sie ja wieder. Was haben Sie für besondere Wünsche? Diesmal haben Sie eine Lady bei sich. Zum Glück ist noch ein Zimmer frei.« »Das nehmen wir«, spricht Sally schnell. »Und wenn ich jetzt gleich eine Badewanne ins Zimmer gestellt bekomme, dann zahle ich zehn Dollar extra.« Der Schwarze staunt. Dann fragt er: »Mr Kane, ist das eine reiche Lady?« »Ja, steinreich« Dan Kane grinst müde und rutscht aus dem Sattel. Nun ist er erledigt, ausgebrannt. *** Als Dan Kane erwacht, ist es später Nachmittag. Er erkennt dies, weil die Sonne vom Westen her durchs Fenster scheint. Sein Erwachen ist wie das Auftauchen aus einer Bewusstlosigkeit. Sally sitzt neben ihm auf dem Bettrand und lächelt auf ihn nieder. Sein Blick wandert durchs Zimmer. »Ich habe wohl schlappgemacht«, murmelt er heiser.
Sie schüttelt den Kopf und erwidert: »Du bist zwei lange Nächte mit höllischen Schmerzen geritten. Der Doc war hier – ich ließ ihn holen – und besah sich deine Wunde, versorgte sie auch neu. Er sagte, dass nur ein Indianer mit solch einer Wunde zweimal dreißig Meilen in zwei Nächten reiten könne.« Er grinst etwas mühsam und spricht heiser: »Das ist das Blut meiner Comanchen-Großmutter. Ich bin nämlich ein Viertelcomanche. Der Doc hat mich also behandelt und ich bin nicht mal aufgewacht?« Sie nickt. Dann deutet sie auf den Tisch. »Ich habe Essen heraufkommen lassen. Soll ich dich füttern oder stehst du auf?« »Natürlich stehe ich auf«, murrt er. »Ich bin doch nicht mehr krank. Wo ist das Gold der Mine?« »Schon in der Bank.« Sie lächelt. »Ich habe alles erledigt, was zu erledigen war. Ich hatte viele Stunden Zeit.« Er erhebt sich, steigt aus dem Bett und verharrt leicht schwankend einige Atemzüge lang. Plötzlich wird er sich bewusst, dass er nackt ist. Nur das breite Pflaster über der Wunde und der Rippe ist neu. Sally sagt: »Der Doc und ich haben dich ausgezogen. Auch gewaschen haben wir dich, eigentlich nur mit nassen Tüchern abgerieben. Doch du bist nicht mal aufgewacht. Du warst erledigt. Statt in den Nächten zu reiten, hättest du in einem Bett liegen müssen. Die Rastpausen am Tag waren nicht genug. Was für ein Mann bist du nur?« »Ein Viertelcomanche«, sagt er und grinst. Dann geht er nackt, wie er ist, zum Stuhl am Tisch und lässt sich darauf nieder. Sein Hunger ist gewaltig. Und so setzt sie sich zu ihm und sieht zu, wie er zu essen beginnt. Der Hammelbraten ist noch warm. Wahrscheinlich weckten ihn die Düfte des Essens.
Sie beobachtet ihn aufmerksam und wird sich dabei darüber klar, dass sie ihn mag. Er ist ein Mann nach ihrem Herzen. Gewiss, es ist noch nicht lange her, da verlor sie Hannibal Lonnegan. Doch das war so, als hätte sie einen väterlichen Freund verloren, dem sie dankbar war und dem sie etwas zurückgeben wollte. Aber dieser Mann da am Tisch, der seinen Hunger stillt, um neue Säfte und Kräfte in seinen sehnigen Körper zu bekommen, der ist etwas anderes. Sie spricht: »Morgen geht eine Express Overland Stage über Fort Apache nach Santa Fe hinauf. Sie befördert Regierungspost und wird von der Armee eskortiert. Ich habe den letzten noch freien Platz bekommen. Ich muss zurück zu meiner Mine, darf keinen einzigen Tag mehr warten. Von irgendeiner Station werde ich ein Pferd bekommen, um nach Red Mesa zu reiten. Es sollen von dieser Station nur etwas mehr als zwanzig Meilen westwärts sein. Ich schaffe das schon.« Nach diesen Worten schweigen sie beide. Doch nach einer Weile fragt sie: »Wirst du nach Red Mesa kommen, Dan – zu mir?« Er hält inne mit schon halb erhobener Gabel und sieht sie an. »Soll ich? Und wäre nicht Lonnegan zu sehr in deiner Erinnerung und deinem Herzen? Kannst du ihn so schnell vergessen?« »Nie«, erwidert sie. »Doch…« Sie bricht ab und zuckt mit den Schultern, sucht offensichtlich nach Worten, um ihm etwas erklären zu können. Dann aber spricht sie fast trotzig: »Lonnegan war gut zu mir und ich war gut zu ihm. War ich deshalb eine Hure?« Sie macht eine Pause, und nun klingt ihre Stimme noch eine Nuance trotziger: »Mit uns wäre es anders.«
Er nickt. »Wahrscheinlich. Aber soll ich dir einen Rat geben, Sally?« »Gib ihn mir, Dan.« »Reise nicht mit der Postkutsche, sondern werbe dir hier in Nogales einige Leibwächter an. Ich kenne hier einen Mann, der solche Männer vermittelt. Auch ich wurde von ihm schon empfohlen. Geh zu Mr Adams.« Sie sieht ihn an und nickt dann. »Ja, ich gehe zu Mr Adams und sage ihm, dass du mich geschickt hättest, weil ich eine Mannschaft zum Schutz meiner Mine benötigte. Denn meine Minenarbeiter müssen in der Mine arbeiten. Gut so? Und wann wirst du nachkommen?« »Bald«, erwidert er und vertilgt den Rest des Essens. *** An dem Tag, an dem Sally Bullock Dan Kanes Rat befolgt und einen gewissen Adams aufsucht, um einige Leibwächter oder Beschützer zu verpflichten oder zu ihrem Schutz und dem der Mine anzuwerben, da trifft Jack Kingsley in Red Mesa ein. Er kommt nicht allein, sondern hat noch vier Revolverschwinger bei sich, die ihm wie nachrangige Wölfe ihrem Leitwolf gehorchen. Denn bisher hat es sich für sie stets gelohnt, mit ihm zu reiten und zu kämpfen. Und nun kommt dieses hartgesottene Rudel nach Red Mesa. Indes sich seine vier Hartgesottenen im Saloon aufhalten, Bier trinken und sich hungrig am Freiimbisstisch bedienen, misstrauisch beobachtet von Hurt Slade, dem Wirt, macht sich Jack Kingsley auf den Weg zum Store und findet Fat Cat Mallone hinter dem Ladentisch vor. »Hey, Fat Cat«, sagt er und grinst beim Eintreten. »Ich wollte es nicht glauben, als ich deine Nachricht in El Paso bekam. Wo brennt’s denn hier? He, du bist noch fetter geworden seit damals!«
Fat Cat Mallone grinst böse und betrachtet den alten Kumpan aus früheren Zeiten prüfend. »Und du siehst jetzt noch mehr nach einem zweibeinigen Wolf der Apachenwüste aus«, knurrt er dann. »Hattest du die letzten Jahre eine gute Jagd?« Sie betrachten sich nochmals einige Atemzüge lang prüfend. Dann fordert Kingsley hart: »Also los, spuck’s aus! Warum hast du mich kommen lassen?« »Ich warte schon länger als eine Woche auf dich«, erwidert Mallone. »Und es geht ganz schlicht und einfach um eine Goldmine, die eine Hure von einem alten Bock erbte. Ich bin hier der Erste Stadtrat. Mit den drei anderen Stadträten machen wir die Gesetze. Dazu brauchen wir einen Marshal, der diesen Gesetzen Geltung verschafft. Auf der Mine arbeiten sieben harte Burschen, die unsere Gesetze nicht anerkennen werden. Sie fühlen sich wie sieben Ritter im Dienste einer Königin. Reicht dir das als erste Übersicht?« Jack Kingsley verzieht seinen schmallippigen und sehr breiten Mund zu einem Grinsen. Nun wirkt er so gierig wie ein Wolf beim Anblick einer Beute. »Aha«, sagt er nur. »Ich glaube, wir kommen ins Geschäft. Ich habe vier harte Jungs mitgebracht. Aber wir kosten was.« Mel Mallone grinst zurück. »Na und? Es ist eine ergiebige Mine. Und wir zahlen für den Anfang erst mal tausend Dollar Handgeld. Ich bin bevollmächtigt von den anderen Stadträten und auch den Bürgern dieser Stadt. Wir haben auch ein hübsches Haus für euch, welches ihr als Marshal’s Office einrichten könnt. Und wir werden euch hübsche Blechsterne anstecken. Gut so?« »Du brachtest schon immer alles auf einen einfachen Nenner.« Kingsley grinst wieder gierig. Er wirkt sonst ziemlich farblos, ist aschblond und hager.
Aber wenn man in seine gelben Augen sieht, dann verspürt man ein ungutes Gefühl, so als blickte man in die Augen eines Raubtiers. *** Um fast die gleiche Zeit macht Sally Bullock in Nogales ihren Besuch bei Joel Adams. Dieser ist ein sich würdig wie ein Prediger gebender Mann und betreibt ein Waffengeschäft mit Reparaturwerkstatt. »Wenn Dan Kane Sie schickt, Lady«, spricht er fast salbungsvoll, »dann weiß ich, welche Art von Revolvermännern Sie haben wollen – nämlich redliche, keine Killer. Bitte gedulden Sie sich bis morgen. In welchem Hotel wohnen Sie? Die Männer werden sich bei Ihnen melden. Und Sie können ihnen absolut vertrauen, denn es sind Coltritter.« Sally Bullock bedankt sich und fragt, was sie schuldig wäre. Da werden die Augen des Waffenschmieds und -händlers für einen Moment schmal. Sally fühlt sich nun noch einmal abgeschätzt. Dann spricht er wieder salbungsvoll, so als hätte er ihr eine Wohltat erwiesen: »Ich schicke Ihnen vier Männer. Für jeden bekomme ich hundert Dollar Vermittlungsgebühr. Sie werden herausfinden, dass dieses Geld gut angelegt ist. Den Lohn – es wird ja wohl Kämpferlohn sein – müssen Sie mit den Männern selbst aushandeln. Ich bekomme also jetzt vierhundert Dollar.« Sally zögert kurz und starrt in die Augen des Mannes. Dann nickt sie und zahlt. Es mangelt ihr nicht an Geld. Als sie das Gold zur Bank brachte und den Gegenwert in Dollars auf ihr Konto gutschreiben ließ, hatte sie sich zehntausend Dollar in bar auszahlen lassen. Sie muss nicht knausern und darf das auch nicht, will sie ihre Mine behalten. Denn sie ist sich darüber klar, dass es Krieg geben wird.
Wenig später ist sie wieder bei Dan Kane im Zimmer. Es ist inzwischen sehr später Nachmittag, fast schon Abend geworden. Und es ist heiß. Die Hitze lastet über Nogales. Kane liegt unbekleidet auf dem Bett. Doch griffbereit neben ihm liegt sein Revolver. Als sie eintritt, hat er die Hand am Kolben. Denn er bewacht ja auch das Geld, die fast zehntausend Dollar. Denn natürlich nahm Sally nicht alles mit, sondern nur tausend Dollar. Es ist eine Menge Kleingeld in den beiden Satteltaschen, mit denen sie reiten wird. Sie muss Löhne und Prämien zahlen. Als sie ans Bett tritt und auf das breite Pflaster auf Kanes Wunde sieht, da sagt dieser zu ihr empor: »Riegle zuvor die Tür ab, bevor du dich zu mir legst.« Sie verharrt bewegungslos. In ihren grünblauen Augen funkelt es. Dann fragt sie spröde: »Was erwartest du jetzt? Soll ich dich auf diese Art bezahlen, um sicher sein zu können, dass du nicht zu deiner Pferderanch, sondern zu mir nach Red Mesa reitest, sobald deine Wunde wieder fest genug geschlossen ist?« Sie verstummt fast zornig. Doch er erwidert: »Du sollst mich nicht bezahlen, Sally, sondern mich beschenken. Und wenn wir sanft zueinander sind, wird meine Wunde gewiss nicht wieder aufbrechen. Sally, ich will dich. Du bist eine wunderbare Frau, mutig und stolz. Denn du bist ja, wie du mir erzähltest, sogar in den Mississippi gesprungen, um einem Mann wegzulaufen, der dir eine Menge bieten konnte und dem du dennoch nicht gehören wolltest. Welche Frau an deiner Stelle hätte dazu den Mut gehabt?« Als er verstummt, erwidert sie nichts, sondern schiebt den Riegel zu. Dann beginnt sie sich auszukleiden. Und erst als sie sich neben ihn legt, da murmelt sie: »Ja, verbringen wir diese Nacht miteinander wie ein Paar, welches vom Schicksal
zusammengeführt wurde. Ohne dich wäre ich verdammt einsam gewesen auf dieser Erde. Gib mir das Gefühl, dass ich nicht allein bin. Morgen werde ich mit vier Revolvermännern zu meiner Mine reiten und um sie gegen die Stadt Red Mesa und deren gierige Bürger kämpfen. Ja, ich will geliebt werden in dieser Nacht.« *** Weil die Tage ohne besondere Vorfälle vergehen, werden die Männer auf der Aurora-Mine sorgloser. Drei von ihnen bleiben stets über Tag und halten Ausschau. Sie haben ihre Waffen ständig griffbereit. Mit einem Fernrohr beobachten sie die Umgebung. Und auch in den Nächten halten zwei von ihnen ständig Wache. Es gibt auch einen Hund auf der Mine. Er ist ein wolfsähnlicher Bastard und hat gewiss die Anteile von drei Rassen in seinem Blut. Sie nennen ihn einfach nur Beißer, und er ist ein scharfer Wächter. Dennoch ist er den Männern der Mine dankbar, wenn sie ihn kraulen und streicheln. Er liebt jeden von ihnen mit seiner Hundeliebe, die ja treuer und ehrlicher sein kann als so manche Menschenliebe. Es vergehen also viele Tage. Und Sally Bullock kommt und kommt nicht aus Nogales zurück. Sie machen sich mit jedem Tag, der vergeht, größere Sorgen. Auch meiden sie die Stadt, obwohl ihre Vorräte langsam zur Neige gehen. In der Mine finden sie immer noch Gold. Die Goldader, welche aus der Tiefe nach oben steigt, hat viele Verästelungen. Und so müssen sie vom senkrechten Schacht immer neue Stollen nach allen Seiten vortreiben, also den feinen Aderverästelungen folgen.
Damals, vor unendlich langer Zeit, als es noch keine Menschen auf der Erde gab und hier noch alles von Wasser bedeckt war, da muss aus der glühenden Tiefe der Erde das Gold als kochende Flüssigkeit mit ungeheurer Kraft hochgedrückt worden sein und sich durch all die feinen Risse und Spalten bis ans Tageslicht gepresst haben. Irgendwann war dann alles erkaltet. So ungefähr stellten sich die Spanier das vor, welche damals zuerst das Gold im Boden entdeckten und ihm in die Tiefe folgten. Und so falsch lagen sie ja wohl nicht in ihrer Vorstellung. Sallys Männer leisten harte Arbeit. Sie müssen das losgeschlagene und manchmal mit Sprengstoff gelockerte Gestein fortschaffen, also die schon ausgebeuteten Stollen und Flöze wieder damit füllen. Doch sie holen bei ihrer schweren Arbeit im Durchschnitt für mehr als fünfhundert Dollar Gold aus der Mine in einer Schicht. Es ist eine sehr ertragreiche Mine, die immer wieder als ausgebeutet galt, verlassen und aufgegeben wurde und in der dann neue Glückssucher wieder fündig wurden, wenn sie nur lange genug suchten. Der letzte Lucky Cuss – also glücklicher Kerl – war Hannibal Lonnegan. Und nun gehört die Mine Sally Bullock. Aber kann sie mit der Mine glücklich werden? *** Es ist dann an einem Vormittag, als Hiob, der riesige Schwarze, die Mannschaft alarmiert. Chang, der Chinese, kommt aus der Küche und Fernando tritt aus der halb offenen Schmiede, wo er die Spitzhacken neu auszog an den Spitzen und die anderen Enden als Hacken
wieder brauchbar schmiedete. Das alles musste dann gehärtet werden. Fernando kennt das Geheimnis, wie man den Stahl nach Farben anlaufen lassen muss, um ihn bei der richtigen Farbe abzuschrecken. Denn nur bei der richtigen Farbe ist er nicht zu hart, dass er bricht und nicht zu weich wird und zu schnell stumpf. Auch die Steinmeißel müssen immer wieder neu ausgezogen, geschärft und gehärtet werden. Fernando ist ein guter Schmied. Nun aber tritt er mit einem Gewehr aus der Schmiede. Er blickt zum Förderturm hinauf, wo sich Hiob über das Geländer lehnt und zu ihnen hinunter ruft: »Fünf Reiter! Sie kommen aus Richtung Red Mesa. Hoiii, ich kann durch das Fernrohr erkennen, dass sie Blechsterne an ihren Westen tragen. Hoiii, da kommen fünf Gesetzesmänner!« In seiner Stimme ist ein böser Klang. Und als er »Gesetzesmänner« ruft, da klingt Hohn und Zorn darin mit. Er hat inzwischen vom Turm aus hinunter in den Schacht geläutet mit Hilfe eines dünnen Seils, welches unten eine Glocke tönen lässt. Und nun beginnt er die große Kurbel zu drehen und holt den Förderkorb mit Hilfe einer Übersetzung herauf. Als erster Mann kommt Mike Ireland mit dem Korb herauf aus etwa fünfzig Yards Tiefe. Dann folgen die anderen. »Das musste ja wohl eines Tages so kommen«, knurrt Kowsky. »Diese armselige Stadt hat sich Hilfe geholt. Na gut!« Hiob und George Palace bleiben mit ihren Gewehren oben im Turm. Chang, Fernando, Mike Ireland, Kowsky und Barton Mullen treten den inzwischen schon sehr nah herangekommenen Reitern in breiter Front entgegen. Die Reiter werden von jenem Jack Kingsley angeführt. Sie halten grinsend an. Kingsley fragt: »Seht ihr die Sterne an unseren Westen? Ist euch klar, dass wir das Gesetz von Red Mesa vertreten?«
Mike Ireland und seine Männer grinsen ebenfalls, und Ireland erwidert: »Ihr seht hübsch aus mit den Blechsternen und auf euren Pferden. Seid ihr hergekommen, damit wir euch bewundern?« Die Ankömmlinge lachen nun. Und es klingt eine wilde Freude in diesem Lachen. Jack Kingsley aber spricht dann mit trügerischer Freundlichkeit: »Jungs, ihr habt vor einigen Tagen in Red Mesa Stadtfriedensbruch begangen. Und so muss ich euch nun verhaften, weil eine Anzeige der Bürgerschaft gegen euch vorliegt. Ich denke, ihr habt einen Wagen, mit dem wir euch nach Red Mesa schaffen können. Oder wollt ihr gegen das Gesetz kämpfen, gegen Red Mesa einen Krieg anfangen?« Jetzt lachen die Männer der Aurora-Mine. Ireland deutet mit der Hand über seine Schulter hinweg zum Förderturm hinauf. Dann spricht er ganz ruhig: »Dort oben sind zwei Scharfschützen. Haut lieber ab und versucht nichts. Denn ihr würdet einen hohen Preis zahlen. Haut ab! Hier ist nicht Red Mesa. Hier ist die Aurora-Mine. Also haut ab und kommt nicht wieder.« Jack Kingsley erwidert nichts. Aber er blickt zum Förderturm hinauf und erkennt oben die beiden Gestalten hinter dem Gebälk. Dann blickt er auf den Hund, der neben Mike Ireland verhält, sprungbereit wirkt und immerzu leise knurrt. Beißer wirkt knurrend sehr viel gefährlicher als ein wilder Kläffer. Jack Kingsley nickt, so als hätte er eine Menge gesehen, erkannt und Schlüsse daraus gezogen. Wortlos zieht er sein Pferd herum und reitet davon. Die vier Revolverschwinger folgen ihm sichtlich erleichtert. Denn von den beiden Gewehren oben im Turm fühlten sie sich doch sehr bedroht. Sie sind keine Feiglinge, aber auch keine Narren, welche unnötig etwas riskieren.
Erst als sie weit genug weg sind von der Mine, da fragt einer: »He, Boss, die Maulwürfe fühlen sich jetzt sehr großartig, weil wir gekniffen haben. Wie geht es nun weiter?« Kingsley betrachtet den Mann von der Seite her, und dieser sieht das böse Flackern in Kingsleys Augen. Er begreift in diesem Moment erst richtig, wie sehr sein Boss geradezu leidet. Ja, sie mussten kneifen. Er und die anderen hören Kingsley sagen: »Zuerst der Hund, dann die anderen. Ich habe mir alles angesehen und weiß nun Bescheid. Und auch ihr kennt jetzt die örtlichen Verhältnisse hier. Wir werden sie nach dem Hund Mann für Mann abschießen mit der schweren Buffalo-Sharps. Auf vierhundert Yards schießen wir sie ab. Das ist ganz einfach. Diese Narren wissen nicht, was man mit einer Sharps alles anstellen kann. Wir bekommen die Mine.« Er hat nun alles gesagt. Sie lassen ihre Pferde in einen ruhigen Trab fallen und verschwinden in einem Canyon, der in Richtung Red Mesa verläuft. Die Männer der Mine sehen ihnen nach. Mike Ireland murmelt: »Das wird haarig. Wir befinden uns im Krieg gegen Red Mesa. Sie wollen die Mine. Und Sally Bullock kommt nicht zurück.« *** Sally Bullock erhebt sich vorsichtig aus dem Bett, verharrt dann nackt daneben und blickt auf den schlafenden Dan Kane nieder. Ja, sie haben eine Liebesnacht verbracht, einander beschenkt, und sie hat ihre Einsamkeit für einige Stunden ganz und gar vergessen. Doch jetzt…
Sie hebt die Hand und wischt sich über das Gesicht. Dan Kane schläft tief und fest. Sie denkt: Ob er nachkommen wird, um mir beizustehen? Der Doc wird ihm frühestens morgen die Fäden aus der zusammengenähten Wunde ziehen. Und auch dann wird er noch sehr vorsichtig sein müssen. Dennoch konnte er mich diese Nacht lieben. Verdammt, was wird aus uns werden? Seine Hände waren so sanft. Ich glaube, wir sind füreinander bestimmt. Doch ich muss zu meiner Mine. Dort bin ich schon viele Tage überfällig. Sie beginnt sich anzukleiden nach einer kurzen Morgenwäsche am Waschtisch in der Ecke. Sie versucht sehr leise zu sein. Als sie sich dann ihre Haare kämmt, sieht sie im Spiegel in ihre Augen. Ja, sie kann sich in ihre Augen sehen. Sie bedauert nichts, gar nichts, was in dieser Nacht geschah. Als sie nun fertig angekleidet ist, wirft sie sich die beiden mit Geld gefüllten Satteltaschen über die Schulter. In der Tasche ihres geteilten Reitrocks steckt der kleine Colt-Derringer. All ihr anderes Zeug befindet sich in der Sattelrolle bei ihrem Pferd im Mietstall. Sie kann gehen. Doch sie zögert, wirft noch einen Blick auf Dan Kane. Dieser wird nun jäh wach und sieht sie am Bett stehen. Er wischt sich über die Augen und sieht sie, als er die Hand wegnimmt, am Bett stehen. »He«, murmelt er heiser, »wolltest du dich davonschleichen?« Sie zögert mit der Antwort. Doch dann spricht sie: »Die Männer, die Mr Adams mir besorgen wollte, warten schon in der Hotelhalle auf mich. Es wird ein harter Ritt werden zurück zur Mine. Doch diesmal werde ich diesen Ritt besser durchstehen. Niemand wird mich massieren müssen.« Sie verstummt scherzend. Er setzt sich vorsichtig auf und grinst.
»Ja, diesmal wirst du den Ritt besser überstehen. Doch warte noch ein wenig, bis ich mich angezogen habe. Ich will mir die Männer ansehen, damit ich sicher sein kann, ob ich dich ihnen anvertrauen kann. Joel Adams ist zwar zuverlässig, aber ich will auf Nummer sicher gehen.« Sie zögert und entschließt sich dann. »Ich vertraue Mr Adams«, spricht sie. »Dan, komm nach, sobald du wieder hundert Meilen reiten kannst. Dann wirst du sehen, was aus mir geworden ist. Und wenn du nicht kommen solltest, sondern heim zu deiner Pferde-Ranch reitest, dann leb wohl.« Sie öffnet die Tür und will hinaus. Er sagt hinter ihr her: »Ich muss nicht zu meiner Ranch. Ich habe zwei gute Männer dort. Sobald der Doc mir die Fäden gezogen hat, bin ich unterwegs zu dir.« Sie lächelt ihm noch einmal zu, dann schließt sich die Tür. Er aber springt nun, so schnell er kann, aus dem Bett. Indes geht Sally die Treppe hinunter. In der Hotelhalle erheben sich vier Männer aus den Sesseln und greifen an ihre Hüte. Sie hält inne und betrachtet sie Mann für Mann. Auf den ersten Blick ist sie enttäuscht, denn die vier Männer sehen nicht besonders hart und gefährlich aus, eher seriös und nicht verwegen, ganz und gar nicht herausfordernd wie eitle Revolverschwinger, die sich zumeist großspurig geben, weil sie sich für die Größten halten. Man könnte diese vier Männer für Rancher halten. Doch sie wird auch von ihnen betrachtet und abgeschätzt. Sie sehen eine Frau, deren grünblaue Augen gerade und fest ihre Blicke erwidern. Einer fragt: »Sind Sie Sally Bullock, Lady?« »Bin ich«, erwidert sie. »Ich besitze eine Mine und brauche Schutz. Sie werden wahrscheinlich kämpfen und auch töten müssen, um selbst am Leben zu bleiben. Ich zahle zweihundert Dollar pro Mann im Monat und eine besondere Prämie. In der
Mine arbeiten sieben Mann, die auch kämpfen können. Und ein besonderer Mann kommt wahrscheinlich in einigen Tagen nach.« Als sie endet, da nicken die vier Männer. Ihr Sprecher sagt: »Wir wissen einigermaßen Bescheid, Ma’am. Mr Adams hat uns gesagt, dass es sich um die alte Spanier-Mine handelt, welche Oldman Lonnegan zu neuem Leben erweckte. Und wir wissen auch, dass ein gewisser Dan Kane das Minengold stets nach Nogales bringt, obwohl er eine Pferderanch besitzt. Aber er war Lonnegan verpflichtet und ist das jetzt offenbar auch Ihnen. Wir sind dabei, Ma’am.« Sie nickt. »Es genügt, wenn Sie mich Miss Sally nennen. Und nun nennt mir eure Namen, damit ich euch richtig anreden kann.« Sie wollen es tun, doch da kommt Dan Kane die Treppe herunter. Er hält sich etwas schief, weil die zusammengenähte Wunde unter dem Pflaster spannt. Er hörte Sallys letzte Worte und spricht: »Sally, das sind Dave Winger, Bud Dale, Fess Harper und John Bellow. Ich kenne sie. Sie besitzen wie ich kleine Ranches und wollen sich vergrößern. Dazu brauchen sie Geld. Und weil sie im Krieg waren und dort fünf lange Jahre das Kämpfen und Töten lernten – so wie ich –, wollen sie diese Fähigkeiten nun zu ihrem eigenen Nutzen anwenden. Sie hätten auch Banditen oder Kopfgeldjäger werden können. Sally, sie sind in Ordnung und lassen sich nur zum Schutz von Redlichen anwerben.« Er hat eigentlich alles gesagt und will sich wieder wenden, um mühsam nach oben zu gehen. Er ist barfuß. Doch dann hält er noch einmal inne und spricht zu den vier Männern: »Freunde, gebt gut auf sie Acht. Ihr zieht in einen Krieg. Wenn ihr nicht für alles bereit seid, dann reitet erst gar nicht mit ihr nach Red Mesa.« Nach diesen Worten verschwindet er wieder nach oben. Die vier Männer sehen Sally an.
»Wir reiten mit Ihnen, Miss Sally«, spricht Dave Winger. »Können wir noch frühstücken?« Sie nickt, denn auch sie hat Hunger wie eine Wölfin nach einem Blizzard. Also gehen sie in den Speiseraum hinüber, wo es schon nach Kaffee, Eiern mit Speck und frischen Biskuits duftet. Etwa eine Stunde später verlassen sie Nogales. Bis zur Mine oder nach Red Mesa sind es etwa hundert Meilen. Sally fragt sich immer öfter an diesem Tag, was dort inzwischen alles geschehen sein mag. Ja, sie macht sich Sorgen. Ihr Instinkt erzeugt in ihr ein ungutes Gefühl. *** An dem Tag, da Sally mit ihren Revolvermännern Nogales verlässt und am Santa Cruz entlang auf dem Wagenweg nach Norden reitet, da benimmt sich Beißer – der große Hund der Mine – anders als sonst. Beißer ist ein Hund, der sich sein Fressen selbst erjagt wie ein Wolf. Und so ist er eigentlich sonst unterwegs in der näheren oder weiteren Umgebung. Doch an diesem Tag bleibt er in der Nähe der Mine und wittert ständig in Richtung Canyonmaul, durch welches der Weg von der Mine nach Red Mesa führt. Hiob, der wieder einmal Küchendienst hat, beobachtet den Hund unablässig. Schließlich geht er zu ihm und legt ihm seine große, schwarze Hand auf den Kopf zwischen die Ohren, fragt dabei: »Was ist, Beißer? Kannst du die Stinker von Red Mesa wittern? Sind sie schon im Canyon oder stinken sie sieben Meilen weit her von Red Mesa aus?«
Beißer stößt einen winselnden Ton aus. Er bellt nicht, aber sein Winseln ist gewiss warnend. Hiob kennt den Hund zu gut. Denn er beschäftigt sich besonders viel mit ihm. Beißer duckt sich plötzlich, so als wollte er einer unsichtbaren Gefahr ausweichen. Zugleich hören Hiob und er das Heranrauschen einer schweren Kugel und den gewaltigen Knall. Über ihnen in der westlichen Wand des Canyoneinschnitts blitzt es rot auf. Die Entfernung beträgt eine gute Viertelmeile, aber selbst auf diese Entfernung kann Hiob in der klaren und trockenen Luft auf einer Terrasse die dunkle Rauchwolke der starken Schwarzpulverladung sehen. Er weiß, dass dort eine schwere Buffalo-Sharps gedonnert hat. Und er weiß nach einem einzigen Blick auf Beißer, dass dieser tot ist. Solch eine schwere Kugel kann auf diese Entfernung auch einen Büffelbullen fällen. Da hat ein Hund wie Beißer keine Chance. Dennoch nimmt Hiob den toten Beißer in seine Arme, so schwer Beißer auch sein mag. Hiob nimmt ihn mit in die Deckung der Minenhütten. Er weiß ja, dass eine Buffalo-Sharps einschüssig ist und nachgeladen werden muss. Auch kann man auf die Entfernung keine Schnappschüsse auf bewegliche Ziele abgeben. Man muss aufgelegt schießen und ein ruhendes Ziel haben. Die Entfernung von vierhundert Yards ist einfach zu weit. Und so erreicht Hiob mit dem toten Beißer das Bunkhouse mit dem Küchenanbau. Von Förderturm aber heult die Stimme von George Palace: »O Hölle, ich habe nichts gesehen dort drüben in der Wand! Hiob, was ist mit Beißer?« »Der ist im Hundehimmel!«, brüllt Hiob. »He, du Schlafmütze dort oben im Turm, du hast doch ein Fernrohr! Warum hast du nichts sehen können? Bist du blind?« Ja, es sind bittere Worte, die Hiob nach oben brüllt.
Palace aber schweigt eine Weile. Doch dann brüllt er: »Jetzt sehe ich ihn! Ja, da war einer auf der Terrasse. Jetzt klettert er zur Seite hinunter in den Canyon hinein! Und wir können nichts tun, gar nichts. Wir haben ja keine Kanone, die weit genug ballern kann. Hiob, ist Beißer wirklich im Hundehimmel?« Ein Fluch tönt als Antwort. Dann bleibt es still. Palace fragt nach einer langen Pause: »Soll ich die Jungs heraufholen? « »Wozu, George, wozu? Die greifen bei Tag nicht an. Die können nur aus großer Entfernung auf ruhende Ziele schießen, zum Beispiel auf dich dort oben im Turm. Die werden es in der Nacht versuchen, weil uns Beißer dann nicht warnen kann.« *** Sie warten die ganze Nacht. Es ist ein ermüdendes Warten. Die Nacht vergeht unendlich langsam und zäh. Und als der Morgen graut, da ist immer noch nichts geschehen. Die Leute der Aurora-Mine werden nicht angegriffen. Als dann die Sonne der Welt in weiter Runde Farben und Schatten gibt und sogar die Steinhalden der Mine rings um die Gebäude zu leuchten beginnen, ruft Hiob zum Frühstück. Nur Georg Palace bleibt im Förderturm zwischen dem Gebälk und hält Ausschau. Und als er sich wieder einmal weit über die Brüstung beugt, um etwas hinunterzurufen, weil er gewaltigen Hunger hat und abgelöst werden will, da kracht wieder die Buffalo-Sharps, diesmal aber näher an der Mine aus einer Felsengruppe, welche etwa zweihundert Yards von den Gebäuden entfernt ist. Die Kugel rauscht fast wie eine Granate heran und trifft George Palace voll in den Kopf. George Palace begreift nicht mehr, dass er tot ist. In seinem Kopf findet eine Explosion statt.
Die Männer beim Frühstück hören das Donnern und stürzen hinaus. Sie blicken hinauf zum Förderturm. Kowsky brüllt hinauf: »Hoiii, was war das, George?« Aber dieser gibt keine Antwort. Doch Fernando, der von allen die schärfsten Augen hat, entdeckt die Rauchwolke über der Felsengruppe und knirscht fast tonlos: »Einer hat sich in der Nacht herangeschlichen und lauerte dort in den Felsen. Ich wette, er hat George dort oben den Kopf weggeschossen. Mit einem Zielfernrohr ist die Entfernung für den Schützen kaum weiter als vierzig Yards. He, sie werden uns nacheinander abschießen, wenn wir nicht ständig in Deckung bleiben.« Seine Stimme zittert zuletzt vor hilfloser Wut. Als er verstummt, da schweigen sie einige Atemzüge lang. Dann entschließt sich der Vormann Mike Ireland: »Den holen wir uns! Der kann mit der schweren Sharps nicht sicher auf sich schnell bewegende Ziele ballern. Los, wir laufen um die Wette!« Seine Stimme bellt zuletzt vor Zorn. Und so bewegen sie sich, nehmen ihre Waffen und beginnen zu laufen. Sie bewegen sich schnell, so wie sie es als Soldaten der Konföderiertenarmee bei vielen Angriffen getan hatten. In ihnen ist ein wilder Zorn, der sie böse und gnadenlos macht. Sie zerstreuen sich laufend, springend, geduckt sich im Zickzack bewegend. Und die schwere Sharps kracht wieder donnernd aus der Felsengruppe. Doch die Kugel trifft nicht, wem sie auch gegolten haben mag. Wahrscheinlich galt sie Mike Ireland, der ein Stück voraus ist. Er hört das Geschoss dicht an seinem Ohr vorbeirauschen. Nun brüllen sie alle wild. Es ist der Angriffsschrei der Rebellenarmee der Südstaaten. Der Schrei scheint durch Mark und Knochen zu gehen.
Der Sharps-Schütze braucht etwa fünfzehn Sekunden, um die Patronenhülse auszuwerfen und eine neue Patrone einzulegen. Dann muss er zielen – und das ist schwer, weil sie sich so schnell bewegen. Er schießt zwar nochmals, doch auch diese Kugel verfehlt ihr Ziel. Und so kommen sie an die Felsengruppe bis auf hundert Yards heran, ohne dass einer getroffen wurde, und rennen weiter, so schnell sie können. Sie sehen den Schützen dann flüchten. Er ist zu Fuß und springt wie ein Hase. Das schwere Büffelgewehr behindert ihn gewiss, denn es mag mehr als zwanzig Pfund wiegen mit der Gabel, die man zum aufgelegten Schießen benötigt, und dem Zielfernrohr aus Germany, mit dem diese Sharps zumeist ausgerüstet sind. Die Männer der Aurora-Mine brüllen begeistert, als sie ihn laufen sehen. Und so halten sie an, knien nieder und reißen die Gewehrkolben an die Wangen. Dann schießen sie mit sechs Gewehren. Sie haben zumeist Spencer-Karabiner, und die reichen aus für hundert Yards. Der flüchtige Schütze kann dem Kugelhagel nicht entkommen. Zumindest eine der sechs Kugeln trifft ihn in den Rücken. Und so fällt er nach vorn bäuchlings in die kaum kniehohen Büsche, von denen viele lange Dornen haben und kakteenähnliche Gewächse sind. Die Männer der Mine brüllen wild und diesmal voller Triumph. Sie springen auf und laufen weiter. Denn sie wollen die schwere Buffalo-Sharps. Sie soll nicht noch einen zweiten Mann von ihnen töten können. Als sie den heimtückischen Schützen fast schon erreicht haben, kommt dieser noch einmal auf die Füße. Und er will
nicht die Flucht ergreifen, sondern sich zum Kampf stellen, nun aber mit dem Revolver in der Faust. Und so halten sie noch einmal inne und feuern mit allen Gewehren. Dann ist es vorbei mit ihm. Als sie bei ihm sind und die schwere Sharps erbeutet haben, da krachen von der Wand westlich des Canyoneinschnitts zwei Gewehre – aber die Entfernung ist für Spencer- und Winchester-Gewehre etwas zu weit. Die Kugeln treffen nicht. Aber die Männer der Mine ziehen sich dennoch schnell zurück, denn es könnte ja sein, dass die Bande dort beim Canyonmaul noch eine zweite Sharps hat. Ireland schwingt das erbeutete Gewehr wie eine Trophäe hoch über dem Kopf. Und Fernando, der Mexikaner, hat den mit Patronen gefüllten Gürtel des Sharps-Schützen mitgenommen. Sie erreichen ungeschoren die Mine und verharren dort keuchend. Vorhin brüllten sie noch begeistert und voller Triumph, wie im Krieg nach einem erfolgreichen Angriff. Doch jetzt, da sie anhalten, da bleiben sie stumm. Sie sehen sich an und schlucken würgend. Kowsky sagt heiser: »Vielleicht ist George gar nicht tot, hat ihn die Kugel nur am Kopf gestreift wie eine Keule. Ich sehe oben nach ihm!« Die letzten Worte ruft er aufgeregt und wie beschwörend. Sie sehen zu, wie er die Leiter hinauf zum Turm klettert und oben zwischen dem Gebälk verschwindet. Wenig später ruft er gellend zu ihnen nieder: »George ist tot! Er hat nur noch einen halben Kopf. Wir müssen ihn herunterholen!« Sie erwidern nichts, und sie werden sich in dieser Minute bewusst, wie sehr sie George Palace mochten.
Der Chinese Chang flüstert fast tonlos: »Hoffentlich kommen sie heute Nacht. Dann können wil es ihnen geben.« Sie nicken. *** Indes dies bei der Mine geschieht, sammeln sich Jack Kingsleys Revolverschwinger um ihren Anführer. Sie blicken ihn fragend an. Keiner sagt ein Wort. Sie warten geduldig, und sie können erkennen, wie es in ihm kocht und die Niederlage seinen Stolz und seine Selbstherrlichkeit verletzt hat. Aber er ist kein Narr. Das beweisen ihnen seine Worte, die er fast bedächtig, wenn auch mit einem Knirschen in der Stimme, spricht. Er sagt: »Ich habe diese Maulwürfe unterschätzt. Das sind erfahrene Kriegsveteranen. Die können kämpfen, weil sie einen harten Krieg überlebten. Und sie haben unsere Sharps. Jetzt werden sie in den Nächten auf unseren Angriff warten und würden gewiss welche von uns abschießen. Deshalb greifen wir nicht an. Wir reiten nach Red Mesa zurück. Ich lasse noch ein Rudel harter Burschen aus Tucson kommen. Wir haben Zeit und machen es uns in Red Mesa gemütlich. Vielleicht kommen sie dorthin, weil sie Vorräte brauchen oder aus anderen Gründen. Dann bekommen wir sie vor unsere Colts. Ich wette, keiner ist mit einem Revolver so schnell wie jeder von uns. Reiten wir also nach Red Mesa und lassen wir uns dort verwöhnen. Diese jämmerliche und armselige Stadt wird dafür zahlen, dass es einen von uns erwischt hat. Basta!« Als er verstummt, sind sie zufrieden mit ihrem Anführer. Aber als sie zu ihren Pferden gehen, da fragt einer: »Und was ist mit Buffalo Pierce, der tot dort draußen liegt?« »Da liegt er gut«, erwidert Kingsley. »Was will er mehr? Er war zu dumm und ließ sich wie ein Hammel erledigen. Reiten wir zu den Bürgern von Red Mesa. Die haben uns geholt.«
Sie sitzen auf und reiten an. Es ist später Vormittag, als sie in Red Mesa einreiten. Sie haben des ledige Sattelpferd von Buffalo Pierce bei sich. Ihre Ankunft wird aufmerksam beobachtet. Sie sitzen im Hof des Mietstalls ab, wo der Stallmann Windy ein Corralgatter repariert und sich ihnen zuwendet. »Versorg unsere Pferde gut, Krummbein«, knirscht Kingsley. »Das kostet pro Pferd einen Vierteldollar«, erwidert Windy. Sie lachen böse. Einer spricht: »Wir sind Gäste dieser Stadt, alter Cowpuncher. Verlange nie wieder Geld von uns. Sonst reißen wir dir den alten Sattelarsch auf.« Windy zuckt leicht zusammen. Er weiß plötzlich Bescheid, dass Mel Mallone eine böse Bande nach Red Mesa holte. Und einer von ihnen fehlt. Windy weiß nun auch, warum sie so böse sind. Und weil er klug ist, erwidert er: »Yes, Sir. Ich bin ja nur der Stallmann, ein Wicht. Oh, ich denke mir, dass die Stadt bald vor Freude jubeln wird über so liebe Gäste.« Sie starren ihn an. Einer knurrt: »Ich werde dir gleich was auf dein Maul hauen, Krummbein. Komme uns nie wieder so!« »Nie wieder«, beteuert Windy erschrocken. Er macht sich sofort an die Arbeit, denn er weiß, wenn er ihre Pferde nicht gut versorgt, dann werden sie ihn vielleicht mit den Ohren ans Stalltor nageln. *** Es ist dann gegen Mittag, als Jack Kingsley mit seinen drei Männern aus dem Saloon kommt und hinüber zum Hotel geht, wo sie im Speiseraum Platz nehmen. Sie tragen immer noch ihre Messing-Sterne, die der Schmied anfertigte und in die er mit Schlagbuchstaben das
Wort »Deputy« einschlug. Kingsley aber trägt den Stern, auf dem man »Marshal« lesen kann. Als sie im Speiseraum Platz genommen haben, tritt Stap Lome, der nun einarmige Revolvermann, der sein letztes Geld in dieses Hotel steckte, zu ihnen an den Tisch. »Was ist passiert?«, fragt er ahnungsvoll. Und noch bevor einer seiner Gäste ihm antworten kann, treten Fat Cat Mallone, der Schmied Mac McGill und der Saloonbesitzer Hurt Slade ein. Slade sagt: »Jetzt sind wir alle beisammen. Kingsley, berichten Sie nochmals, was Sie mir vorhin im Saloon sagten. Wir sind die Stadträte, wie Sie wissen. Wir ließen Sie kommen für einen Auftrag. Aber Sie konnten ihn nicht erledigen. Also warum nicht?« »Weil ihr mich und meine Männer getäuscht habt«, erwidert Kingsley. »Ihr habt uns getäuscht, vorgemacht, dort auf der Mine wären nur normale Miner. Aber da sind erfahrene Kriegsveteranen. Das hat mich einen meiner Männer gekostet. Er war ein guter Mann, der mit einer Buffalo-Sharps umgehen konnte. Dieser Mann war mir zehntausend Dollar wert. Ihr hättet mir sagen müssen, dass wir gegen eine gefährliche Mannschaft kämpfen würden. Jetzt lasse ich noch ein Dutzend harter Burschen kommen. Bis sie hier sind, wird mehr als eine Woche vergehen. Und so lange werden wir hier bei euch liebe Gäste sein. Auch einige Frauen oder Mädchen sollten uns verwöhnen. Lasst sie kommen. Es muss doch hier in der Nähe ein Mexikanerdorf geben. Da gibt es fast immer Putas, die sich verkaufen. Nun, jetzt wisst ihr Bescheid. Und wo bleibt das Essen? Wir wollen hier stets gutes Essen.« Als er verstummt, grinsen seine drei Revolverschwinger. Einer sagt: »Ihr solltet wirklich nett zu uns sein.« Die vier selbst ernannten Stadträte von Red Mesa wissen plötzlich Bescheid, und sie müssen hart und würgend schlucken.
Denn sie sind in den Händen einer bösen Bande. Die Mine konnte Jack Kingsley nicht in Hand bekommen. Also muss er sich vorerst mit dieser Stadt begnügen, die ihm und seinen Männern die Blechsterne ansteckte. So ist das vorerst nun mal, und sie können nichts dagegen machen. Sie begreifen es jetzt erst richtig voller Bitterkeit. Wortlos wenden sie sich ab und gehen hinaus. *** Auf der Mine warten sie in den nächsten zwei Tagen und Nächten vergebens auf einen Angriff der Revolverschwinger aus Red Mesa. Und so werden sie sorgloser. Sie haben George Palace beerdigt, wie es sich für Christen gehört. Er war ihnen ein guter Partner und Freund. Und immer dann, wenn sie an die üble Bande denken, der die Bürger von Red Mesa Sterne ansteckten, dann verspüren sie einen unversöhnlichen Zorn. Sie wissen ja nicht, dass in Red Mesa jetzt schlimme Zustände herrschen und die kleine Stadt sich in den Händen der vier Revolverschwinger befindet wie eine wehrlose Beute. Die Männer der Mine arbeiten seit dem Überfall nur noch zu dritt im Stollen. Die anderen drei wachen stets oben. Und mit schwindender Hoffnung warten sie auf Sally Bullock. Ihre Rückkehr wird immer ungewisser für sie. Doch dann geschieht es doch. Es ist an einem Mittag, als Sally Bullock mit vier Reitern angeritten kommt. Hiob, Chang und Mike Ireland sind an diesem Tag oben geblieben. Als Sally mit ihren Begleitern vor dem Haupthaus anhält, da treten sie heran und blicken zu ihr empor. Sie sitzt geschmeidig im Sattel, so als hätte ihr der weite Ritt nicht viel ausgemacht. Ireland sagt fast feierlich: »Sally, wir sind sehr erleichtert, weil Sie nun wieder bei uns sind. Von Red Mesa aus haben sie
eine üble Bande auf uns gehetzt. George Palace wurde erschossen. Haben Sie Hilfe mitgebracht? Und wo ist Dan Kane?« »Auch er wurde angeschossen«, erwidert sie. »Und meine Begleiter werden dieser Bande von Red Mesa Paroli bieten. Dan Kane wird bald nachkommen. Gibt es sonst noch ein Problem?« Mike Ireland nickt. »Wir haben keine Vorräte mehr. Da wir nun noch mehr geworden sind, haben wir bald nichts mehr zu essen.« Sally Bullock denkt nur kurz nach. Sie wendet sich an ihre vier Begleiter. »Ihr habt es gehört, nicht wahr? Der einzige Store weit und breit ist in Red Mesa. Also müssen wir mit dem Wagen hin. Seid ihr bereit?« Die vier Reiter bleiben ernst. Doch in ihren Gesichtern kann man eine ruhige Entschlossenheit erkennen. »Wir werden unseren Job machen«, erwidert Dave Winger. Sally sieht auf Mike Ireland nieder. »Nun, dann zeigen wir dieser jämmerlichen Stadt und deren Revolverschwingern mal, wie wenig wir uns fürchten. Mike, hol die anderen Männer aus der Mine hoch. Wir spannen den Wagen an und holen uns Vorräte für einen ganzen Monat.« Sie verstummt entschlossen. Mike Irelands Augen funkeln. »Sally, Sie gefallen mir mächtig.« Dann sieht er auf die vier Reiter und spricht: »Jungs, wir alle waren im Krieg und können kämpfen. Ihr seid nicht nur zu viert.« ***
Es ist dann später Nachmittag, als Sally Bullock mit ihren Männern nach Red Mesa kommt. Hiob, der Neger, fährt den Wagen. Die anderen Männer reiten hinter Sally in Doppelreihe, so als wären sie noch Kavalleristen. Der Wagen hält vor dem Store – und die Reiter verteilen sich auf der Straße, die ja eigentlich nur der staubige Wagenweg ist, der durch den Ort führt. Die Reiter sitzen ab und postieren sich überall dort, von wo sie Übersicht haben. Und Red Mesa ist alarmiert. Aus dem Saloon kommen Jack Kingsley und dessen Männer zum Vorschein. Doch sie verharren auf der Veranda, versuchen nichts, beobachten nur. Die Bürger von Red Mesa aber bleiben in ihren Häusern und Läden. Sie blicken nur vorsichtig aus den Fenstern und Türen. Ja, sie alle halten sich in Deckung. Denn sie haben schnell begriffen, dass Red Mesa jetzt wie ein Pulverfass ist, in welches nur ein winziger Funke zu fallen braucht, um eine gewaltige Explosion auszulösen. Sally verschwindet mit Hiob im Store. Dort steht Fat Cat Mallone hinter dem Ladentisch. Der Storehalter wirkt wie ein fetter, lauernder Kater, der sich eingekeilt fühlt und voller Sorgen ist. »Was wollen Sie, Miss Bullock?« So fragt er. »Einkaufen, Mr Mallone, einkaufen. Denn dies ist doch ein General Store – oder?« »Und wenn ich Ihnen nichts verkaufen will?« Er fragt es störrisch, so richtig böse. Dann fügt er hinzu: »Wir haben jetzt einen Marshal und einige Deputys in unserer Stadt.« Aber Sally Bullock lacht leise und erwidert mit trügerischer Freundlichkeit in der Stimme: »Und ich habe zehn Männer mitgebracht. Mallone, wenn Sie mir nichts verkaufen, dann nehme ich es mir und bezahle den redlichen Preis. Ich stehle nicht, ich kaufe – aber ich bekomme alles, was ich will. Also?«
Er senkt den Blick. Es ist zum ersten Mal in seinem Leben, dass er vor einer Frau den Blick senkt. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlt er sich doppelt in der Klemme. Sein alter Kumpan aus wilden Zeiten, Jack Kingsley, hat mit seinen Männern die kleine Stadt übernommen und demütigt sie immer wieder. Red Mesas Bürger sind zu feige, um was dagegen zu unternehmen. Mel Mallone würde Sally gern um Hilfe bitten. Doch das wäre für ihn noch demütigender. Also gibt er auf und knurrt nur: »Nun gut, was wollen Sie?« »Fast alles«, lächelt sie. »Ich werde Ihren verdammten Store leer kaufen und bar bezahlen. Und warum hängt vor meinem Haus ein Schild, auf dem City Marshal zu lesen ist?« Sie fragt es hart. Er zögert und weicht ihrem brennenden Blick aus. Und weil er mit der Antwort zögert, spricht Hiob hart in die Stille: »Antworten Sie der Lady, verdammt!« Mel Mallone bekommt einen roten Kopf. Er möchte Hiob einen verdammten Nigger schimpfen. Doch er wagt es nicht. Und so stottert er zu Sally gewandt: »Wir dachten in Red Mesa, dass wir Sie nie wieder hier in unserer Stadt sehen würden. Und so hat die Stadt das Haus in Besitz genommen und zum Marshal’s Office gemacht. Wir mussten ja unseren City Marshal und dessen Deputys unterbringen. Der Schmied hat bereits zwei Gitterzellen eingebaut und…« Er bricht ab, und noch niemals in seinem Leben hat er sich so hilflos gefühlt. Er kann den Blick dieser grünblauen Augen nicht ertragen. Sally Bullock lächelt und spricht abermals mit trügerischer Freundlichkeit: »Ihr glaubtet, mich davonjagen zu können. Und ihr wurdet angetrieben von den Frauen dieser Stadt, für die ich eine Hure war, die sich von einem Mann aushalten ließ, der dem Alter nach ihr Vater hätte sein können. Und dann habt ihr euch eine Bande von Revolverschwingern geholt, um meine
Männer von der Mine zu vertreiben. Diese Banditen haben schon einen meiner Männer getötet. Und auch unseren braven Hund. Was seid ihr doch für eine lausige, gierige Stadt. Auf was könnt ihr mitsamt euren Frauen überhaupt stolz sein?« Sie verstummt mit einem verächtlichen Klang in der Stimme. Doch dann beginnt sie aufzuzählen, was sie alles kaufen wird. Fat Cat Mallone ruft seine Frau aus der oben liegenden Wohnung herunter. Und als sich Charlotte Mallone weigert, diese Kundin zu bedienen, da faucht er sie an: »Verdammt, Lotte, tu was ich dir sage. Miss Bullock kam mit zehn Revolverreitern her. Begreife doch endlich. Red Mesa ist in Miss Bullocks Hand. Dagegen können auch unsere Marshals nichts machen. Also los!« Und so fügt sich Charlotte Mallone, denn sie sah ihren Mann noch niemals so voller Bitterkeit, Sorge und Furcht. Natürlich möchte sie Sally Bullock mit verletzenden Worten beschimpfen. Doch sie würgt alles hinunter und weiß, dass sie Magenschmerzen bekommen wird. Alle Bewohner Red Mesas sehen zu, wie man in den nächsten zwei Stunden Waren jeder Art aus dem Store schleppt und den Wagen belädt. Es dauert lange, bis der Wagen voll geladen ist. Sally Bullock kauft tatsächlich fast den ganzen Store leer. Und so werden in Red Mesa die Vorräte knapp werden. Endlich – die Bürger beobachten es aus den Fenstern und offenen Türen – ist Sally Bullocks Einkauf beendet. Doch sie ist noch nicht fertig mit Red Mesa. Als der Wagen hoch beladen anfährt, sammeln sich auch ihre Männer. Sie sitzen auf. Doch sie ziehen noch nicht endgültig ab. Vor Sally Bullocks Haus halten sie noch einmal an. Einige von ihnen sitzen ab, gehen hinein und werfen alles heraus, was Kingsley und dessen Männern gehört.
Sie reißen auch die beiden Gitterzellen aus ihren Befestigungen und werfen die Eisenstäbe und die Türen auf die Straße. Dies alles ist eine deutliche Warnung. Red Mesa mitsamt Kingsley und dessen Männer werden zurechtgestutzt. Es bleibt dann lange still. Schließlich jedoch sammeln sich die Bürger unterhalb der Saloonveranda. Fat Cat Mallones Stimme faucht: »Verdammt, warum haben wir euch hergeholt und Messingsteme angesteckt? Wie konntet ihr das ertragen, dass sie eure Siebensachen aus dem Haus der Hure warfen?« »Ihr werdet alles wieder hineinbringen«, erwidert Kingsley hart. »Na los, geht hin und tragt alles wieder hinein. Und der Schmied soll auch die Zellen wieder einbauen. Leute, es hat angefangen. Es ist noch längst nicht beendet. Wartet nur noch einige Tage, dann zahlen wir alles mit Zinsen zurück. Oder hättet ihr uns vorhin geholfen, wenn die Hölle losgebrochen wäre? Ihr seid doch eine jämmerliche Stadt voller Feiglinge. Haut ab und räumt alles wieder ins Haus! Vorwärts! Oder wir machen euch Beine!« Er schäumt nun vor Wut. Und die Bürgerversammlung vor der Saloonveranda duckt sich wie unter einem drohenden Unheil. Dann gehen sie. Denn es geht ihnen wie jenem Zauberlehrling aus dem Märchen, der die Geister nicht mehr loswerden konnte, die er rief. *** Als Sally Bullock am nächsten Tag nach langem Schlaf erwacht und sich daran erinnert, was am Vortag in Red Mesa geschah, da verspürt sie einen grimmigen Stolz.
Ja, sie hat es der Stadt gezeigt. Auf ihre Männer kann sie sich verlassen. Sie wurden eine verschworene Gemeinschaft. Sie bleibt noch eine Weile im Bett liegen. Es war Lonnegans Bett. Sie bezog ja sein Zimmer im Haupthaus der Mine. Nun denkt sie wieder an Lonnegan. Und plötzlich erinnert sie sich an etwas, was er ihr einmal wie ein Geheimnis sagte. Und er sprach auch davon, dass er eines Tages schon dahinter kommen würde. Nach ihrem Sieg in Red Mesa verspürt sie nun eine anwachsende Neugierde. Und ihr Wunsch, zu den Männern in die Mine zu gehen, wird immer stärker. Sie geht hungrig in die Küche und lässt sich von Hiob am Küchentisch bewirten. Da sie ja zahlreicher wurden auf der Aurora-Mine, kocht Hiob nun immer für sie. Er ist der beste Koch. Kauend spricht sie zu ihm: »Hiob, ich will in die Mine hinunter. Ich will dort alles sehen – vor allen Dingen die verästelte Goldader, die man immer wieder ausgebeutet zu haben glaubte, von der dann doch ständig neue Fortsetzungen gefunden wurden. Lonnegan sagte mir einmal, dass es in der Mine ein Geheimnis geben würde. Was kann es sein? Ihr seid doch schon so lange in der Mine tätig. Was also ist dort unten?« Der riesige Hiob hebt die breiten Schultern und lässt sie ratlos wirkend wieder sinken. »Es sind irgendwelche Zeichen da und dort an den Wänden, wahrscheinlich Buchstaben einer Sprache, die niemand von uns kennt. Und weil das so ist, kann niemand diese Zeichen oder Buchstaben lesen. Lonnegan aber war sicher, dass sie etwas zu bedeuten haben, nur was, das konnte er nicht herausfinden.« Sally erwidert nichts. Aber sie ist nun noch mehr entschlossen, sich das alles selbst anzusehen. Und überdies will sie ihre Männer bei der Arbeit sehen.
Und so findet sie sich bald im Turm ein, wo Kowsky die Winde bedient, mit deren Hilfe der Korb bewegt wird. Sie trägt ein Paar zu große Hosen, welche Lonnegan gehörten, und einen Hut. Kowsky grinst anerkennend. Er gibt ihr eine Öllampe und lässt sie dann in die Tiefe hinab. Sie sieht im Licht der Lampe, dass an der Schachtwand auch Leitern hängen. Man wäre also nicht auf den Korb angewiesen. Doch dann müsste man klettern. Es geht ziemlich tief. Sie schätzt, dass der Schacht erst in etwa fünfzig Yards Tiefe endet. Doch rechts und links führen Querstollen vom Schacht weg. Sie begreift, dass man verästelten Goldadern folgte. Diese Stollen sind manchmal nur kniehoch. Man muss auf dem Bauch hineinkriechen. Und alles ist in Felsgestein vorgetrieben. Das Hangende muss nicht gestützt oder unterbaut werden. An der Stollenwand hängt auch ein dünnes Seil nieder, mit dem man den so genannten Schachthammer betätigen kann. Dann läutet oben bei Kowsky eine Glocke. Kowsky hat ihr alles genau erklärt. Und so gibt sie mit dem Seil das Signal zum Halten nach oben. Sie ist nun unten. Da und dort spenden Öllampen trüben Schein. Sally hört das Hämmern und die Stimmen der Männer in einem der Querstollen. Hier muss sie gebückt gehen. Über ihr knirscht manchmal das Hangende. Und aus einigen Spalten rinnt Wasser und bildet auf dem felsigen Boden Pfützen. Dann aber erreicht sie die Männer. Mike Ireland empfängt sie grinsend. Die anderen stellen ihre Arbeit ein. Sally sieht nun die feine Goldader. Sie ist da und dort verästelt, doch nirgendwo dicker als ein Zeigefinger. Fernando kommt zu ihr und hält ihr einen Goldbrocken hin.
»Das ist es, Patrona«, spricht er heiser. »Dies ist das Metall, welches seit ewigen Zeiten die Menschheit auf unserer Erde verrückt macht. Es ist fast reines Gold.« Sie nimmt den Brocken. Er ist etwa so groß wie eine Walnuss. Und er ist schwerer als ein gleichgroßer Kiesel. Sie steckt ihn in die Tasche und sagt: »Den behalte ich mir zur Erinnerung. Ich war noch niemals in einer Goldmine.« Sie grinsen sie an im schwachen Lampenschein. Mike Ireland sagt: »Dies ist keine normale Goldmine. Hier ist alles anders. Das Gold hier wurde aus der Tiefe mit mächtiger Kraft wie eine Goldsuppe nach oben gepresst. Goldadern verlaufen sonst waagerecht.« Sie sieht Ireland an und verlangt: »Mike, zeigen Sie mir die Mine. Ich will die Zeichen sehen, von denen mir Lonnegan erzählte und die bisher niemand entziffern konnte.« Mike Ireland nickt langsam. »Dies ist eine sehr alte Mine. Die ersten Spanier, die dieses Land erforschten und nach den goldenen Städten von Cibola suchten, stießen hier an der Oberfläche auf Gold. Und dann holten sie Sklaven herbei und ließen sie arbeiten – immer wieder. Manchmal wurden sie von den Apachen vertrieben, die damals sogar Francisco Coronado nach Mexiko jagten trotz seiner eisengepanzerten Ritter und Soldaten. Die Mine war immer wieder herrenlos. Das Hangende brach da und dort nieder und verschüttete die Gänge. Dann aber kamen andere Männer und fanden abermals die goldene Spur. Ja, ich will Ihnen alles zeigen. Wir werden über die Leitern klettern müssen.« »Das macht nichts. Ich kann gut klettern«, erwidert sie. Und wenig später erkennt sie im Lampenschein die ersten Zeichen. Sie wurden mit Meißeln eingeschlagen. Es scheinen Buchstaben zu sein. Und sie befinden sich ausnahmslos im obersten Querstollen.
Sally betrachtet die Zeichen oder Runen lange, versucht sich etwas vorzustellen. Und als sie später dann wieder über der Erde ist, da wirkt sie sehr nachdenklich. Sie weiß, dass sie jetzt etwas im Kopf hat, was sie nicht mehr loslassen wird. *** Zwei Tage und zwei Nächte vergehen. Die Mine fördert wieder Gold. Die Männer arbeiten wie immer. Und sie werden bewacht von den vier Revolvermännern, welche Sally in Nogales angeworben hat. Sie fragt sich, wann Dan Kane kommen wird. Irgendwie hat sie das instinktive Gefühl, dass Kane wichtig ist für sie alle. Es ist am dritten Tag, als sie in Lonnegans Wohnzimmer die dicke Bibel vom Wandbrett nimmt, wo sie mit einigen anderen Büchern steht. Als sie die Bibel mit einiger Neugier aufschlägt, weil sie vielleicht auf der ersten Seite lesen wird, wem sie gehörte, da sieht sie etwas. Sie staunt und will es nicht glauben. Was sie da sieht, kann sie nicht entziffern, aber eines erkennt sie sofort. Dies da ist lateinisch, also eine Sprache, die sie nicht versteht oder lesen kann. Und wahrscheinlich hat Lonnegan oder haben seine Männer niemals in diese Bibel hineingesehen. Denn wenn sie es getan hätten, wären ihnen gewiss einige Buchstaben bekannt vorgekommen. Solche Buchstaben wurden einst im oberen Stollen in die Felswände gemeißelt. »Heiliger Rauch«, murmelt Sally. Und nun weiß sie, was zu tun ist.
Sie eilt hinaus und ruft nach Fernando. Die Männer sitzen nach dem Abendessen noch vor ihrem Bunkhouse. Fernando klimpert auf seiner Gitarre. Aber er kommt sofort. »Patrona, was kann ich für Sie tun?«, fragt er lächelnd. Sie aber spricht: »Reiten Sie zu diesem mexikanischen Dorf, von wo euch manchmal die Mädchen hier besuchen. Dort soll es einen Padre geben. Bringen Sie ihn her. Sagen Sie ihm, er kann sich hundert Dollar verdienen.« Fernando staunt nicht lange. Er erwidert: »Für hundert Dollar kommt er gewiss. Ich bin schon unterwegs, Patrona. Und Sie wollen mir nicht sagen, was der Padre hier soll?« Er grinst unter seinem Schnurrbart stärker und fragt scherzend: »Wollen Sie einen von uns heiraten, Patrona?« »Hauen Sie ab, Fernando.« Sie lacht. »Schaffen Sie ihn her.« »Si, Señorita, si!« Er ruft es ebenfalls lachend. Und als er wenig später auf seinem Pferd in die helle Nacht reitet, da kommt Mike Ireland zu Sally. Doch er muss nicht erst fragen, denn sie sagt: »Die Buchstaben in den Stollenwänden – es könnten lateinische Buchstaben sein. Und der Padre aus dem Dorf kann vielleicht genug lateinisch. Man muss es probieren – oder?« »Gewiss.« Ireland nickt. »Doch den Jungs sollten wir noch nichts sagen.« »Richtig«, erwidert Sally knapp und verschwindet im Haus. Ireland aber verharrt noch eine Weile, kratzt sich hinter dem Ohr und murmelt: »Oha, die ist schlau. Die steckt uns alle in die Tasche. Die weiß sich Rat, um ein Rätsel lösen zu können.« *** Der alte Padre aus dem Dorf Santa Cruz kommt am nächsten Mittag. Standesgemäß – also bescheiden und demütig vor dem
Herrn – kommt er auf einem Maulesel geritten, die nackten Füße in den Sandalen mit den Fußspitzen nach außen gekehrt. Fernando ist schon in der Nacht zurück zur Mine gekommen. Und so hat der alte Padre einen jungen Burschen bei sich. Zuerst verlangt der Padre die versprochenen hundert Dollar und spricht wie um Verständnis bittend dabei: »Wissen Sie, Señora, in meiner Kirche muss eine Menge repariert werden. Sie geben mir das Geld für unser Gotteshaus.« »Sicher.« Sally Bullock lächelt. »Und wenn Sie mir helfen können, Padre, dann bekommen Sie noch mehr für diesen guten Zweck.« Die Augen des alten Mannes funkeln. Er ist alt, uralt, und sein faltiges und wie vertrocknet wirkendes Gesicht mit der scharfen Nase lässt an einen Falken denken. Sally Bullock zögert nun ein wenig. Doch dann fragt sie: »Padre, ich nehme an, dass Sie die lateinische Sprache beherrschen und es Ihnen möglich ist, Mitteilungen zu entziffern, die von den alten Dons in die Wände der Mine gemeißelt wurden?« Als sie verstummt, da herrscht eine Weile Stille. Sally und der Padre werden von den Männern der Mine umringt. Der Alte aber erwidert nach langem Schweigen: »Señora, ich bin ein echter Jesuitenpadre und habe schon als Kind die lateinische Sprache gelernt. Was wollen Sie, Señora?« »Wir fahren nach dem Mittagessen zur ersten Sohle der Mine«, erwidert sie. »Und dort werden wir herausfinden, was die alten Dons damals vor mehr als zweihundert Jahren in die Felswände schlugen.« ***
Es ist am frühen Nachmittag, als Sally mit dem Padre in den Schacht einfährt. Mike Ireland erwartet sie schon auf der ersten Sohle. Er hat auch für einige Öllampen gesorgt, sodass sich die alten Augen des Padre nicht zu sehr anstrengen müssen. Langsam wandert der Padre an den Felswänden entlang. Der Stollen zieht sich wie ein langer Korridor an die hundert Yards durch das Gestein und macht einige Windungen. Ireland und Sally beobachten den Padre aufmerksam. Dieser ist nun ganz und gar bei der Sache. Manchmal betastet er mit zitternden Fingerspitzen die Zeichen und vergisst alles um sich herum. Unten aus den tieferen Sohlen hört man Hammerschläge. Die Männer schlagen dort das Gold aus dem Felsen und füllen die ausgebeuteten Stollen mit dem Gestein, um so für sich Platz zu schaffen. Der Padre kümmert sich nicht darum. Es dauert fast zwei Stunden, bis er sich Sally und Mike Ireland zuwendet. Sie sehen seine Augen funkeln. Doch sie fragen nichts, drängen ihn nicht, warten. Er lässt ein Kichern hören. Dann spricht er: »Ich habe mir nur einen ersten Überblick verschaffen können. Viele Buchstaben und Worte sind nicht mehr zu entziffern, andere wieder deutlich und klar. Ich muss das alles aufzeichnen und dann die Zusammenhänge finden. Nur eines weiß ich jetzt schon: Die Dons wussten, dass sie hier unten sterben und nie wieder nach oben kommen würden. Das Geheimnis muss am Ende des Stollens verborgen sein. Haben wir Papier und Schreibzeug mitgebracht? Ich muss alles der Reihe nach aufzeichnen.« ***
Es ist schon fast Abend, als sie mit Padre José wieder nach oben ins Abendlicht kommen. Und hier erlebt Sally eine Überraschung. Denn Dan Kane ist gekommen. Er sieht ziemlich mitgenommen aus, so als hätte er mehr als nur einen Hundertmeilenritt hinter sich. Er sitzt in der Küche und hat seinen Teller schon fast geleert. Sally verharrt in der offenen Tür und wartet, bis er sich erhebt und die Arme ausbreitet. Sie wirft sich hinein und ruft so richtig glücklich und froh: »Oh, Dan, warum hast du mich so lange warten lassen? Ich glaubte schon, dass du nicht kommen würdest.« Sie drückt ihr Gesicht gegen seine Schulter und zittert in seinen Armen. »Ich wurde aufgehalten in Tucson«, spricht er leise auf sie nieder. »Ja, ich ritt über Tucson. Setzen wir uns. Dann erzähle ich dir alles der Reihe nach.« Sie löst sich von ihm und spricht mit heiserer Stimme: »O ja, es gibt eine Menge zu erzählen. Auch ich habe Neuigkeiten. Denn dort unten in der Mine haben wir vielleicht schon bald ein Geheimnis gelöst.« »Mit Hilfe eines alten Padre, der Latein kann?« So fragt er grinsend zwischen zwei Bissen. »Ich hörte von Hiob davon.« Sie sitzen sich jetzt gegenüber. Hiob stellt auch für Sally einen gefüllten Teller hin und gießt Kaffee ein. Die Minenmannschaft und auch die vier Revolvermänner essen im Bunkhouse. Den Padre hat Sally bei sich im Haupthaus der Mine einquartiert, wo er in Ruhe arbeiten kann. Denn da so viele Worte fehlen, ist alles ein Rätselspiel. Dan Kane erfährt nun alles, was bisher geschah. Und dann endet Sally mit den Worten: »Jetzt bist du an der Reihe, Dan.
Was hat dich in Tucson aufgehalten? War es eine schöne Señorita?« Sie verstummt scherzend, er aber bleibt ernst und leert erst die Kaffeetasse, bevor er spricht: »Als ich nach Tucson kam, wollte ich eigentlich nur übernachten und zuvor in einem Saloon noch einen Drink nehmen. Doch in diesem Saloon saß ein Mann, welcher Revolverreiter anwarb. Das hatte sich in Tucson herumgesprochen. Ich horchte herum und erfuhr, dass die Revolverschwinger für die Stadt Red Mesa angeworben werden sollten, weil dort Krieg um eine Goldmine wäre.« Dan Kane macht nach diesen Worten eine Pause und blickt in Sallys fragende Augen. Er grinst grimmig und spricht dann weiter: »Auch ich ließ mich anwerben. Wir ritten am nächsten Tag los, waren etwa drei Dutzend Reiter. In Red Mesa sollten wir uns bei einem Jack Kingsley melden. So sagte es uns der Anwerber. Einige von uns – darunter auch ich – kannten Jack Kingsley. Während des Krieges war er ein Guerillaführer und hatte sich selbst zum Colonel ernannt. Colonel Kingsleys Guerillabande kämpfte angeblich für den Süden. Doch sie waren nichts anderes als Banditen. Nun, wir sollten also zu ihm stoßen. Ich ritt mit. Aber in der Nacht – als ich Pferdewache hatte, stahl ich der ganzen Bande die Pferde und trieb sie weit genug weg. Aber das ist nur ein Aufschub. Sie werden in zwei oder drei Tagen ihre Pferde wiedergefunden haben und beritten sein. Dann kommen sie nach Red Mesa. Und sie werden in der Überzahl sein. Red Mesa will die Mine. Aber wahrscheinlich wird Jack Kingsley sie für sich und seine Bande wollen. Und da hat Red Mesa keine Chance. Sally, willst du kämpfen?« Er fragt es zuletzt mit tiefem Ernst. Sally erwidert nichts. Sie sitzt mit gesenktem Kopf vor ihrem erst halb geleerten Teller und schiebt ihn von sich. Dann sieht sie Dan Kane fest an.
»Soll ich mir die Mine wegnehmen lassen, Dan? Soll ich mich von einer verdammten Bande zum Teufel jagen lassen?« Er hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken. Dann murmelt er: »Es wird viele Tote geben, Sally. Du hast jetzt mit mir elf Männer. Die Bande ist uns dreimal überlegen.« Sie hört seine Worte, senkt den Blick und starrt auf ihre auf dem Tisch gefalteten Hände, die sich gegenseitig kneten. Dann spricht sie: »Ich werde meine Männer fragen. Ich habe ihnen den halben Anteil versprochen. Sie können hier reich werden. Und deshalb werden sie kämpfen, selbst wenn ich es nicht will. Sie kämpfen.« Sie schweigt einen Moment und fährt dann mit einem Klang von Trotz in der Stimme fort: »Und überdies will ich erst das Geheimnis dieser Mine herausfinden.« Eine Weile sehen sie sich an. Dann aber macht sie eine Bewegung, so als würde sie eine Last abschütteln, beugt sich vor und spricht mit leiser Zärtlichkeit: »Daniel Kane, ich möchte wieder in deinen Armen liegen – eine ganze Nacht lang bis zum Morgen. Ich habe mich all die Tage und Nächte nach dir gesehnt. Leider können wir nicht hinauf in mein Zimmer. Dort ist der Padre, um das Rätsel zu lösen. Es fehlen viele Buchstaben und Worte. Ich musste ihm einen ruhigen Platz geben. Aber wir können uns im Minen-Office lieben. Willst du? Es ist gewiss immer noch bequemer als in einem Camp unter freiem Himmel, so wie damals.« Er starrt ihr in die Augen. Und es kommt etwas von ihr zu ihm herüber, was auch in ihm Wünsche mächtig werden lässt. *** Am anderen Morgen erwacht sie glücklich in seinen Armen und denkt an die Stunden der vergangenen Nacht zurück. Ja, sie waren glücklich, durstig nach gegenseitiger Liebe. Es ging ihm nicht anders als ihr.
Er schläft noch fest, doch als sie sich von den Decken am Boden neben dem Schreibtisch des Office erhebt, da erwacht er und beobachtet sie, wie sie sich am Waschtisch wäscht und ankleidet. »Na los, komm hoch«, fordert sie. »Ich bin neugierig, was der Padre in der Nacht herausgefunden hat. Er sagte mir, dass er gewiss nicht schlafen würde, bevor er das Rätsel gelöst hätte. Also komm, Dan, gehen wir hinauf zu ihm.« Sie tun es, und als sie eintreten, da sehen sie den Padre am Tisch über einigen Blättern Papier sitzen, die er beschrieben hat. Er hebt den Kopf und murmelt: »Ich kenne nun alles. Es ist eine dramatische Geschichte. Ich fand alles heraus, was damals geschah.« »Dann erzählen Sie es uns bitte, Padre.« Sally hat einen weichen und bittenden Klang in ihrer Stimme und fügt hinzu: »Dieser Señor ist Daniel Kane, der Mann, dem ich vertraue und der mich hoffentlich bald richtig heiraten wird. Erzählen Sie uns also alles, Padre.« Dieser starrt Dan Kane eine Weile an. Dann nickt er und murmelt: »Ja, ich spüre, dass er ein guter Hombre ist, ein Caballero. Bueno, ich werde erzählen, was damals hier geschah.« Noch einmal macht er eine Pause. Dann aber beginnt er zu erzählen. »Im Jahre 1660 wurden die Indianervölker dieses Landes aufsässig. Unter dem indianischen Medizinmann Pope empörten sich mehr als zehntausend Indianer gegen die Tyrannei der Spanier – vor allen Dingen die Pueblos und Apachen. Sie töteten alle Spanier, zerstörten alle Siedlungen und Garnisonen und kamen auch hierher zu dieser Mine. Die wurde von Don Hermandes de Villa gegründet und warf sehr hohen Gewinn ab. Denn hier arbeiteten viele Sklaven. Mehr als hundert müssen es gewesen sein. Sie machten ebenfalls einen
Aufstand und bekamen Hilfe von Popes Horden. Die Spanier hier mussten in die Mine flüchten. Sonst wären sie grausam gefoltert worden. Die Aufständischen aber füllten den Schacht mit dem Gestein der Halden. Ja, sie schütteten den ganzen Schacht zu. Die Hidalgos und deren Soldaten sollten lebendig begraben sein.« Der Padre macht eine Pause. Er wirkt sehr mitgenommen. Seine Hände zittern auf den Papieren, auf welchen er alles niedergeschrieben hat. Dann spricht er weiter: »Sie waren also gefangen in einem Verlies, aus dem es kein Entkommen mehr gab. Sie wussten, dass sie sterben mussten. Auch würden ihre Öllampen bald nicht mehr brennen. Ewige Finsternis würde sie umgeben. Doch sie hatten hier unten einiges Werkzeug. Und so schlugen und hämmerten sie die ganze Geschichte in die Stollenwände.« Als er verstummt, hat er alles gesagt. »Ich bin jetzt fertig hier. Ich habe alles erzählt, was ich lesen oder erraten konnte. Die Toten müssen noch dort unten sein – zumindest ihre Knochen, die Waffen und Rüstungen. Es ist länger als zweihundert Jahre her. Und nach ihnen kamen später neue Besitzer dieser Mine. Sollten die alles herausgeräumt haben?« Er erhebt sich. »Wenn ich nun mein Honorar und ein Frühstück bekommen könnte, werde ich mich von meinem Novizen nach Santa Cruz zurückbringen lassen. Hoffentlich ist Ihnen die Lösung des Rätsels etwas wert, meine Tochter.« Sally nickt. »Ich spende Ihrer Kirche tausend Dollar«, spricht sie. Er erhebt sich und murmelt: »Dann gehe ich jetzt hinunter in die Küche.« Sally und Dan sind allein. Dann klopft es an der Tür, und Mike Ireland kommt herein. Sein Gesichtsausdruck ist eine einzige Frage.
Sally fragt ihn: »He, Mike, habt ihr in der Mine Überreste von Spaniern gefunden, ich meine Knochen, Waffen, Helme und Brustpanzer aus Leder oder Blech?« Ireland staunt, denkt nach und schüttelt dann den Kopf. »Nein«, spricht er. »Die Mine war leer. Bis Oldman Lonnegan einen dünnen verästelten Zweig der Goldader fand und ihm in die Tiefe folgte. Dann holte er uns. Wir fanden nichts an Überresten von Toten, gar nichts. Die muss jemand schon vorher herausgeholt und bestattet haben.« Ireland verstummt etwas ratlos. Dann aber fragt er: »Und was betrifft das alles eigentlich uns?« Sie sehen sich gegenseitig an. Dann murmelt Sally: »Vielleicht finden wir es noch heraus, wenn wir das Stollenende weiter vortreiben, obwohl es dort kein Gold gibt. Vielleicht wurden sie verschüttet, weil das Hangende herunter kam.« *** Die Männer der Mine arbeiten jetzt nur noch auf der ersten Sohle und verlängern sie. Das Ende ist mit losem Gestein gefüllt, so als wäre dort das Hangende niedergebrochen. Kowsky, der Mann polnischer Abstammung und wohl der erfahrenste Bergmann unter ihnen, spricht am Abend des zweiten Tages beim Abendessen: »Ich habe lange darüber nachgedacht und mir eine Meinung gebildet.« »Dann spuck sie aus, Kowsky«, verlangt Mike Ireland. »Ich denke, die Dons suchten nach einem Ausweg und schnitten hinter sich alle anderen Wege oder Möglichkeiten ab«, sagt Kowsky. »Vielleicht befürchteten sie, dass ihre Feinde den Schacht wieder ausräumen würden. Es könnte durchaus so gewesen sein, dass sie einer Felsspalte folgten, oder sie haben einen Luftzug gespürt – versteht ihr, einen Luftzug? Und dem sind sie gefolgt.«
Sie blicken Kowsky fragend an. Und da erklärt er es ihnen mit den Worten: »Es gibt in dieser Mine eine gewisse Wetterführung, also Belüftung. Sie ist natürlich und wird durch viele Risse und Spalten möglich gemacht.« Als er verstummt, kauen sie schweigend ihre Bohnen mit Rauchfleisch. In die Stille knurrt Barton Mullen: »Ich würde es wahrhaftig verdammt gerne herausfinden.« Sie nicken alle, nur Dan Kane nicht. Und er spricht trocken: »Vergesst die Bande nicht, der ich die Pferde wegtrieb. Ein oder zwei Tiere könnten mir in der Nacht entkommen sein. Wenn sie diese Tiere finden, dann bekommen sie anderen verdammt schnell wieder zurück, obwohl ich sie gewiss weiter als zehn Meilen trieb. Wenn sie mit der Bande von Red Mesa kommen, dann…« Er bricht ab und überlässt es Sally und den Männern, sich das, was dann kommen oder stattfinden wird, selbst vorzustellen. Mike Ireland murmelt: »Aber wenn die alten Spanier hinter dem zugeschütteten Stollenteil liegen und auf ihrer Flucht in die Mine ihr Gold mitnehmen konnten…« Auch er beendet seinen Satz nicht. Doch das muss er auch nicht. Hiob, der riesige Schwarze, spricht dann langsam: »Es könnte uns so ergehen wie den alten Dons hier vor zweihundert Jahren. Und die hatten zwei Möglichkeiten. Denn entweder verreckten sie hier oder fanden einen Fluchtweg im Berg, stießen vielleicht auf eine Höhle, die nach oben führte. Warum sonst haben sie hinter sich alles Hangende zusammenbrechen lassen?« Wieder denken sie nach. Dann tauscht Sally im Lampenschein mit Dan Kane einen Blick und spricht: »Wir versuchen es noch einen Tag.«
»Und was dann?«, fragt Kane hart. Sie blickt ihn fest an und erwidert: »Die Bürger von Red Mesa sind feige. Also ist dieser Jack Kingsley der Mann, auf den es ankommt, wie du sagtest, Dan. Also reite nach Red Mesa und mach ihn unschädlich. Eine Bande ohne Anführer taugt nichts mehr. Oder sehe ich das falsch?« Ihre Stimme klingt hart. Er blickt über den Tisch hinweg in ihre funkelnden Augen. Und nun weiß er endlich richtig, wie hart sie ist. Aber sie konnte ihm soviel Zärtlichkeit schenken, war voller Verlangen und forderte alles von ihm zurück, was sie ihm gab. In seinen Armen war sie weich, zärtlich, ganz und gar ein Weib mit Verlangen nach einem Mann. Jetzt aber strömt sie Härte aus. Und in ihren Augen kann er erkennen, dass er sie nicht umstimmen könnte. Und so versucht er es erst gar nicht. Er schiebt den leeren Teller von sich und erhebt sich. »Gut, dann reite ich jetzt nach Red Mesa. Ich habe ohnehin noch eine Rechnung mit Jack Kingsley zu begleichen.« *** Dan Kane reitet etwa drei Meilen und hat fast den halben Weg nach Red Mesa zurückgelegt, als er den Hufschlag hört. Es ist donnernder Hufschlag, und so weiß er sofort, dass da eine hart und rau reitende Mannschaft durch die Nacht reitet und ihre Pferde galoppieren lässt. Sie kommen auf dem schmalen Wagenweg zur Mine. Er biegt nach rechts ab und sucht Deckung zwischen einigen Felsen und alten Cottonwoods. Einen kurzen Moment lang wollte er sein Pferd herumreißen und zur Mine zurück, um Sally und die Männer dort zu warnen. Doch dann ist ihm klar, dass man dort den Hufschlag in der stillen Nacht über Meilen hinweg hören kann. Und überdies kann er – wenn er zu Sally und deren Mannschaft
zurückreitet – nicht an Jack Kingsley herankommen. Er muss darauf vertrauen, dass Sally und deren Männer lange genug Widerstand leisten werden, bis er Kingsley erledigt hat. Und so wartet er im Schatten der Felsen und Cottonwoods. Sie jagen wenig später nur einen Steinwurf weit entfernt an ihm vorbei, ganz und gar eine wilde Horde. Er schätzt, dass es etwa vierzig Reiter sind. Als sie vorbei sind, wartet er noch einige Minuten und folgt ihnen dann. Denn er muss nun nicht nach Red Mesa, um an Jack Kingsley heranzukommen. Natürlich macht er sich Sorgen um Sally und deren Mannschaft. Doch er kann ihnen im Moment nicht helfen. Er bedauert nur, die Pferde der Bande nicht noch weiter weggetrieben zu haben. Doch wahrscheinlich hat die Bande jene ein oder zwei Pferde gefunden, die ihm in der Nacht beim Treiben entkommen waren. Er ist noch keine Meile zurückgeritten, da hört er von der Mine her das Krachen der Gewehre und weiß, dass die Minenmannschaft nicht überrumpelt wurde, sondern dass die Mine verteidigt wird. Er reitet noch eine weitere Meile in Richtung Mine. Der aufgewirbelte Staub der wilden Horde kitzelt in seiner Nase und brennt in seinen Augen. Dieser Staub hält sich lange in der Luft. Als er fast bis auf eine halbe Meile an die Mine herangekommen ist, da kracht es dort gewaltig, und er weiß, dass eine Explosion stattgefunden hat. Wenig später sieht er das Feuer in der Nacht. Der Förderturm steht in Flammen und bricht in sich zusammen. Auch einige andere Gebäude der Mine brennen. Es kracht noch mehrmals. Er kann sich vorstellen, dass die wilde Horde Sprengstoffstangen mit kurzen Lunten wirft. Die
Banditen machen also alles klein, brechen gnadenlos jeden Widerstand. Er fragt sich, was von Sally und deren Männern nun übrig bleibt. Er glaubt nicht, dass sie sich ergeben. Und so können sie eigentlich nur in die Mine flüchten, so wie damals die Spanier, als vor zweihundert Jahren Popes Horden die Mine stürmten. Sie haben gar keine andere Wahl. Und so wiederholt sich alles nach so langer Zeit. Es kann gar nicht anders sein. Er hat angehalten und führt sein Pferd in sichere Deckung. Vorerst kann er nichts tun, aber in ihm ist nun eine Gnadenlosigkeit. Vielleicht kann er am nächsten Tag bei Tageslicht an Jack Kingsley herankommen. *** Da der Förderturm von der Explosion zerstört wurde und viele Teile von ihm in den Schacht stürzten, müssen sie unter erschwerten Umständen in die Tiefe klettern. Sie müssen die Leitern benutzen. Denn der Korb wurde mit der Vernichtung des Turms ebenfalls außer Betrieb gesetzt. Doch bis zur ersten Sohle, die ja vor zweihundert Jahren von den Spaniern vorgetrieben wurde, sind es kaum mehr als zehn Yards. Sie sammeln sich keuchend und fluchend. Einige von ihnen sind verwundet. Aber wenigstens sind sie vollzählig. Sie haben einige Öllampen und auch ihre Waffen dabei. Kowsky fragt heiser: »Was nun? Hier durch den Schacht kommen wir gewiss nicht mehr raus. Die warten nur darauf, dass sie uns die Köpfe einschlagen können, sobald wir auftauchen.« Er hat kaum ausgesprochen, da fliegt eine Sprengstoffstange in die Tiefe. Doch die Lunte war offenbar nicht kurz genug, denn sie explodiert weiter unten.
Sally und ihre Männer setzen sich in Bewegung. Ireland sagt: »Denen macht es nichts aus, den ganzen Schacht einstürzen zu lassen. Denn das alles lässt sich wieder aufbauen. Und wenn sie den Geldschrank im Office aufbekommen, haben sie auch genügend Betriebskapital.« Als er das letzte Wort spricht, da überschlägt sich seine Stimme vor Zorn. Sie erreichen das Ende des Stollens. Kowsky ruft heiser: »Also, versuchen wir es! Räumen wir weg, was die Spanier niedergehen ließen. Vielleicht konnten sie wie Maulwürfe entkommen. Versuchen wir es. Denn es ist unsere einzige Chance!« Sie beginnen sofort zu arbeiten. Denn sie wissen, ewig können die Öllampen nicht brennen. Auch werden sie bald Hunger verspüren. Nur dürsten werden sie nicht. Denn aus einigen Spalten des Hangenden tropft und rinnt es unablässig nieder. *** Oben aber genießt Jack Kingsley seinen Sieg. Triumphierend ruft er: »Zerstört den Schacht nicht zu stark, Jungs! Denn das ist nun unsere Mine. Wir können in aller Ruhe warten, bis die Maulwürfe dort unten verhungert sind oder aufgeben!« Sie johlen begeistert, und als es Tag wird, da finden sie in den Trümmern und verkohlten und immer noch qualmenden Resten des Haupthauses den Geldschrank der Mine. Wenig später haben sie ihn aufgesprengt. Denn Sprengstoff haben sie reichlich. Sie brachten ihn zum Teil aus dem Store von Red Mesa mit, fanden aber auch welchen im Vorratslager der Mine in einem großen Blechkasten, dessen Vorhängeschloss sie zerschlugen.
Doch im Geldschrank ist sehr viel weniger Geld, als sie erhofften. Es ist ja noch nicht lange her, dass Dan Kane und Sally Gold nach Nogales brachten. Für eine große Summe hatten sie dann in Red Mesa eingekauft und fast den ganzen Store leer gemacht. Außerdem hat Sally dem Padre tausend Dollar gegeben. Und so finden sie wenig Geld außer dem Gold, zu wenig für vierzig Mann, denen Kingsley so viel versprach. Jeder von ihnen wird weniger als hundert Dollar bekommen, da Kingsley und dessen Revolvermänner ein Viertel der Beute für sich beanspruchen. Und so weht bald – als der Tag vergeht – ein böser Atem unter ihnen. Aber Kingsley tröstet sie mit den Worten: »Uns gehört nun diese Mine. Wir werden sie ausbeuten. Dazu müssen wir Arbeiter heranschaffen, zum Beispiel aus dem Dorf Santa Cruz, wo es einige Dutzend Männer gibt. Die holen wir uns. Ihr alle werdet reich und könnt euch die schönsten Weiber kaufen.« Als er verstummt, möchten sie daran glauben. Doch dann wird ihnen klar, wie sehr sie hier in der Einsamkeit leben würden. Denn hier gibt es keine Saloons und Spielhallen wie in Tucson. Hier sind nur die alten Steinhalden und die verbrannten Hütten. Hier ist nichts. Sie müssten arbeiten, um wieder alles aufzubauen. Und sie haben noch niemals gerne harte Arbeit verrichtet. Und so weht der Atem von mürrischer Unzufriedenheit weiter auf der Aurora-Mine. ***
Als es Tag wird, besehen sich die Reiter von Kingsleys wilder Horde den Schacht. Und da begreifen sie, dass alles eingestürzt ist. Die Sprengladungen haben gewaltigen Schaden angerichtet. Auch Kingsley und dessen drei Revolverschwinger besehen sich alles. Einer von ihnen murrt: »Das hätten wir nicht tun sollen. Um den Schacht wieder auszuräumen, braucht man Arbeiter für viele Wochen.« Kingsley nickt. »Aber wir haben keinen einzigen Mann verloren. Die Mine gehört uns. Alle, die in die Tiefe geflüchtet sind, werden umkommen. Wir haben genug Zeit, Arbeiter heranzuschaffen. Die ersten holen wir uns aus dem Dorf Santa Cruz.« Als er verstummt, nähern sich einige Männer der wilden Horde aus Tucson. Einer von ihnen spricht dann für alle: »Das wär’s wohl, Kingsley. Wir sind vorerst fertig hier und wollen unseren Revolverlohn. Fast alle von uns wollen nach Tucson zurück. Denn dort lässt es sich besser leben als hier in der Wildnis. Und Minenarbeiter sind wir gewiss nicht.« Kingsley sieht die Kerle an. Nein, mit denen kann man keinen zusammengebrochenen Schacht wieder förderfähig machen. Die da sind Revolverschwinger, die mit ihren Colts schnelles Geld machen, um sich dann in den Saloons, Spielhallen und Bordells amüsieren zu können. Dies ist ihr Leben. Und so nickt er und erwidert: »Ihr bekommt jeder hundert Dollar. Das sind fünf Monatslöhne eines Cowboys. Stellt euch der Reihe nach an. Ich werde euch auszahlen. Und dann könnt ihr reiten, wohin ihr wollt. Habt ihr denn nicht begriffen, dass diese Mine sehr viel mehr wert ist als hundert Dollar für jeden?« »Mit viel Arbeit als Maulwurf!« Der Mann grinst. Und auch die anderen grinsen und machen abfällige Bemerkungen.
Kingsley aber sagt nichts. Er beginnt wenig später auszuzahlen. Dann sehen er und seine drei Revolvermänner zu, wie die Bande lärmend nach Tucson aufbricht. Kingsley wendet sich an seine drei Männer: »Die sind so primitiv und dumm, dass sie einem schon Leid tun sollten. Und die Welt ist voll solcher Burschen. Na gut, reiten wir erst mal nach Red Mesa zurück und machen wir dieser jämmerlichen Stadt klar, dass wir gewonnen haben und die Mine jetzt uns und nicht der Stadt gehört. Sie werden maulen und protestieren. Aber das nützt ihnen nichts. Reiten wir!« Sie sitzen auf und machen sich auf den Weg nach Red Mesa. Dass unten in der Mine Menschen eingeschlossen sind, kümmert sie nicht. Sie werden in aller Ruhe warten, bis es in der Mine kein Leben mehr gibt und erst dann Arbeiter herholen, die alles wieder in Gang bringen. Sie wissen nicht, als sie an einer Felsengruppe vorbeireiten, dass sich dort Dan Kane in Deckung hält und sie an sich vorbeireiten lässt. Er sieht ihnen lange nach und weiß, dass er sie in Red Mesa finden wird. Doch zuerst will er zur Mine und sich dort alles ansehen. Wenig später tut er das und begreift, dass die Eingeschlossenen verloren sind, wenn sie keine Hilfe von außen bekommen. Doch der Schacht ist eingestürzt, voller Steine und den Resten des Förderturms. Er allein müsste wochenlang arbeiten, um an die Verschütteten heranzukommen. Deshalb muss er Hilfe herbeiholen. Doch zuerst muss er Jack Kingsley erledigen. Denn dieser würde jede Bergung der Eingeschlossenen verhindern. Dan Kane macht es sich bequem auf der Mine. Nicht alle Hütten sind zerstört oder abgebrannt. Er findet unter den
Trümmern in der Küche auch noch essbaren Proviant. Und so wartet er voller Ungeduld auf die Nacht. Dann wird er nach Red Mesa reiten und Kingsley töten. Er hat gar keine andere Wahl. Indes dies über Tag alles geschieht, arbeiten sie am Ende des Stollens unentwegt, lösen sich ab und schuften richtig. Denn sie wissen: Bald haben sie kein Öl mehr in den Lampen. Und auch der Hunger wird sie entkräften. Wer schwer arbeitet, benötigt Säfte, die in seinem Körper zu Kräften werden. Doch wie lange werden sie arbeiten müssen? Eine ganze Woche? Oder werden alle Anstrengungen völlig sinnlos sein, werden sie nur irgendwo auf die Überreste jener alten Spanier stoßen, weil die Dons gar keinen Ausweg fanden? Dann werden sie im Stollen sterben. *** Ein schlimmer Tag liegt hinter Red Mesa. Denn als Kingsley mit seinen Männern am Vormittag in die Stadt geritten kommt, vor Sally Bullocks Haus absitzt und darin verschwindet, da machen sich die vier selbst ernannten Stadträte auf den Weg zu ihm. Kingsley und dessen drei Revolvermänner haben es sich im Haus bequem gemacht. Kingsley sitzt halb liegend in dem Sessel, der Oldman Lonnegans Lieblingssessel war, als er noch die Wochenenden bei Sally verbrachte. Er starrt die vier Besucher kalt an. »Was wollt ihr?« Er hat einen groben Klang in der Stimme. »Was ist mit der Mine?« Fat Cat Mallone – sein alter Kumpan in den vergangenen Zeiten – fragt es ebenso grob. Doch Kingsley grinst nur verächtlich und spuckt ihm vor die Füße.
»Haut ab«, spricht er. »Was die Mine betrifft, sie gehört jetzt uns, also mir und meinen Partnern. Und wir haben dafür bezahlt mit einem Toten. Haut ab, ihr Pfeifen. Die Mine und diese Stadt gehören uns. Aber wenn ihr wollt, dann können wir darum kämpfen. Wollt ihr?« Die vier so genannten Stadträte von Red Mesa starren ihn an. Dann wenden sie sich und gehen hinaus. Stap Lome, der einarmige Revolvermann, dem das Hotel gehört, spricht heiser: »Ja, wir sind eine armselige Stadt. Wenn ich noch meinen Revolverarm hätte, würde ich es mit jedem von ihnen aufnehmen, verdammt.« Aber da lacht Hurt Slade, der Exkartenhai, dem der Saloon gehört: »He, Stap, so gut warst du wahrscheinlich auch nicht. Denn immerhin hat dir jemand den Revolverarm abgeschossen. Aber es ist wohl wirklich so, wir sind Pfeifen und wurden gedemütigt von dieser Bande. Wir könnten es mit Schrotflinten versuchen, wenn ich sie am Mittagstisch bewirten muss. Sollen wir?« Sie geben ihm keine Antwort. Jeder von ihnen geht nun in sein Haus zurück. Slade in seinen Saloon, der Schmied McGill zu seiner Schmiede, Lome in sein Hotel und Mallone in den Store. Mallone wird von seiner Frau mit der kurzen Frage empfangen: »Nun?« Und als er ihr berichtet hat, da spricht sie mit Gift und Verachtung: »Ihr seid wahrhaftig eine feige Bande.« *** Es geschieht dann bis zum Abend nichts in der kleinen Stadt zwischen den roten Mesas, die sie wie Kathedralen umgeben. Aber als es Nacht geworden ist, da reitet Dan Kane von der Seite her fast lautlos in die Stadt ein wie ein Geist.
Er taucht wenig später im Mietstall auf, wo Windy, der Stallmann, auf der Futterkiste sitzt und beim Laternenschein in einem alten Katalog für Damenunterwäsche blättert. Als Dan Kane auftaucht, grinst er zu ihm hoch und zeigt ihm den Katalog. »So schöne Weiber wie diese hier, die von einem Künstler gemalt wurden, gibt es gar nicht – oder?« »Doch, aber sie sind selten«, erwidert Kane, setzt sich zu ihm und verlangt: »Erzähl mir, Windy, was heute in Red Mesa alles geschehen ist.« Windy tut es und endet dann mit den Worten: »Nun sitzen sie im Saloon und…« Er kommt nicht weiter, denn es kracht nun einige Häuser weiter. Es müssen mehrere Schrotflinten gewesen sein, die da fast zu gleicher Zeit abgefeuert wurden. Dan Kane erhebt sich von der Futterkiste und eilt hinaus. Vor dem Saloon stehen einige Bürger der Stadt, darunter auch der Schmied. Er sieht Kane an und spricht hart: »Ja, wir haben sie umgebracht. Wir schossen durch die Fenster – nur Slade schoss über den Schanktisch hinweg. Wir haben sie umgebracht, weil wir unsere Feigheit nicht länger ertragen konnten.« Dan Kane geht in den Saloon hinein und sieht sie da liegen. Kingsley liegt halb unter dem umgekippten Tisch. Sie sind alle vier tot. Sie wurden mit Blei gefüllt und hatten keine Chance. Ihr ganzer Revolverruhm nützte ihnen nichts. Sie hatten die maßgebenden Bürger der Stadt zu schlimm gedemütigt. Hinter der Bar steht Hurt Slade, der ehemalige Kartenhai. Er hält noch die doppelläufige Schrotflinte in den Händen. »Es ist vorbei.« Hurt Slade grinst verzerrt. »Die Stadt wurde die bösen Geister wieder los. He, sind Sie nicht dieser Dan Kane, der für Lonnegan das Gold nach Nogales brachte?«
Kane nickt stumm. Dann spricht er: »Die Mine ist eingestürzt und hat alle in einem Stollen eingeschlossen. Wenn diese Stadt eine ehrenwerte Stadt werden will, dann sollten alle arbeitsfähigen Bürger – ja, auch die Frauen – hinaus zur Mine, um die Verschütteten auszugraben. Ich reite schon mal voraus.« *** Sie arbeiten immer noch ohne Pause und lösen sich ständig ab. Denn bald werden ihre Lampen nicht mehr brennen. Und sie wissen nicht, dass die Nacht vergeht und ein neuer Tag anbricht. Sie wissen auch nicht, das im Verlauf dieses Tages fast alle Bürger der Stadt gekommen sind und den Schacht ausräumen, obwohl sie feststellen, dass dies eine Arbeit von mehr als zwei oder drei Wochen sein wird. Sie arbeiten immer verbissener. Und dann – als sie wieder einmal einhalten, da ruft Kowsky plötzlich: »Da ist es! Verdammt, da ist es!« Sie schweigen. Hiob fragt: »He, was ist es? Verdammt, was denn?« »Ein Wetterzug«, erwidert der Pole. »Ein leises Lüftchen.« Sie arbeiten nun weiter. Und der Luftzug wird immer stärker. Dann bricht vor ihnen alles zusammen. Im schwachen Schein ihrer Lampen sehen sie eine Höhle. Und von oben fällt Licht ein. Von den alten Spaniern ist nichts zu sehen – keine Gerippe, keine Waffen, keine Rüstungen oder Lederkoller. Und so begreifen sie, dass auch die Dons damals entkommen konnten. ***
Es ist später Nachmittag, als die Leute von Red Mesa beim Schacht die wankenden Gestalten kommen sehen. Dan Kane erkennt Sally unter ihnen und nimmt sie bald darauf in die Arme. Und so gibt es eigentlich nicht mehr viel zu erzählen. Denn die Bürger der Stadt sind zu Hilfe gekommen. Die Gier nach der Mine hatte ihnen nichts gebracht – nur Ärger. Und so wird sich wohl alles noch in Zufriedenheit auflösen. Denn die notwendigen Lehren werden gezogen. Sally aber fragt zwei Tage später Dan Kane: »Willst du mir nicht mal deine Pferderanch zeigen, damit ich herausfinden kann, ob ich dort leben könnte? Oder willst du mich dort als Frau nicht haben?« »Und deine Mine?« So fragt er ernst. »Ich verpachte meinen Anteil«, erwidert sie ruhig. »Die Stadt wird mir vom Ertrag eine Pacht bezahlen. Willst du mir also deine Ranch zeigen oder nicht?« »Wir können heute noch losreiten«, sagt er und grinst. »Und unterwegs könnten wir uns auf einer Decke lieben.« ENDE