CHRISTOPH COLUMBUS
Schiffstagebuch
Original Autor: Christoph Columbus (Cristóbal Colón) Titel: Diario de Navegación J...
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CHRISTOPH COLUMBUS
Schiffstagebuch
Original Autor: Christoph Columbus (Cristóbal Colón) Titel: Diario de Navegación Jahr: 1492/93 Sprache: spanisch
Übersetzung Übersetzer: Roland Erb , 1980 nach der Publicación de la Comisón Nacional Cubana de la UNESCO 1961, Nachwort von Jürgen Heil Vorlage Verlag: Lizenzausgabe Pahl-Rugenstein Köln, 1989; Phillip Reclam jun. Leipzig, 1980 ISBN: 3-87682-471-0
Version 1.00
Christoph Columbus – Schiffstagebuch
Dies ist die Erste Reise* und die Fahrtrichtungen und der Weg, den der Admiral Christoph Columbus zurücklegte, als er Indien entdeckte, zusammenfassend wiedergegeben,1 ohne die Vorrede, die er den Königen widmete und die hier nach dem Wortlaut zitiert wird. Sie beginnt wie folgt:
»In nomine D. N. Jesu Christi. Allerchristlichste, höchste, erlauchteste und großmächtige Fürsten, König und Königin der spanischen Lande und der Inseln des Meeres, unsere Herren! Nachdem Eure Hoheiten im laufenden Jahr 1492 den Krieg wider die Mauren, die in Europa herrschten, beendet und die Kampfhandlungen in der großen Stadt Granada zum Abschluß gebracht hatten, wo ich am 2. Januar dieses Jahres mit eigenen Augen sehen konnte, wie auf den Türmen der Alhambra, der Festung besagter Stadt, durch die Kraft der Waffen Eurer Hoheiten Königliche Banner gehißt wurden und wie der Maurenkönig durch das Tor der Stadt herauskam, um die königlichen Hände Eurer Hoheiten und meines Herrn Fürsten zu küssen, entsannen sich Eure Hoheiten im gleichen Monat des Berichts, den ich ihnen von den Ländern Indiens gegeben hatte und von einem Fürsten, den man den Großen Khan nennt, was in der spanischen Sprache König der Könige bedeutet, und davon, wie oft seine Vorgänger und er selbst nach Rom geschickt hatten, um in unserem heiligen Glauben unterrichtete Männer zu erbitten, auf daß sie auch darin unterwiesen würden,2 und daß der Heilige Vater niemals welche zu ihnen gesandt hatte, weshalb so viele Völker verlorengingen, weil sie dem Götzendienst huldigten und verderbten Sekten Eingang bei sich verschafften; und Eure Hoheiten beschlossen als katholische Christen und Fürsten, die den heiligen christlichen Glauben lieben und ihn verbreiten und folglich der Sekte Mahomets und jedem Götzendienst und jeder Ketzerei feindlich gesonnen sind, mich, Christoph Columbus, nach den erwähnten Gebieten Indiens zu entsenden, um besagte Fürsten und Völkerschaften und Länder, ihre Beschaffenheit und alles übrige in Augenschein zu nehmen nebst der Art und Weise, wie man sie zu unserem heiligen christlichen Glauben bekehren könne; und sie verfügten, daß ich nicht auf dem Landweg gen Osten reiste, der üblicherweise benutzt wird, sondern auf dem westlichen Wege, den, wie wir ganz sicher wissen, bis auf den heutigen Tag niemand eingeschlagen hat. Und so sandten mich Eure Hoheiten, nachdem sie alle Juden aus ihren Reichen und Herrschaftsgebieten vertrieben hatten, im gleichen Monat Januar mit hinlänglich großer Flotte aus, daß ich nach den erwähnten Gegenden Indiens segelte;3 und sie erwiesen mir dafür große Gnade, sie erhoben mich in den Adelsstand, so daß ich von nun an den Titel Don vor meinen Namen setzte, und ich sollte Großadmiral des Ozeans und Vizekönig und ständiger Gouverneur des festen Landes sein und aller Inseln, die ich entdeckte und gewönne und die fürderhin im Ozean entdeckt und gewonnen würden, und mein ältester Sohn sollte mir in diesem Amte folgen, und so sollte es von Generation zu Generation auf ewig fortdauern; und so fuhr ich am Samstag, dem zwölften Mai desselben Jahres 1492 von der Stadt Granada ab: ich erreichte die kleine Stadt Palos, einen Seehafen, allwo ich drei für eine solche Aufgabe bestens geeignete Schiffe ausrüstete; und am dritten August des gleichen Jahres, an einem Freitag, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, fuhr ich wohlversehen mit vielfältigen Vorräten und zahlreichen Seeleuten von besagtem Hafen ab; ich nahm Kurs auf die Kanarischen Inseln, die Euren Hoheiten unterstehen und die in dem erwähnten Ozean liegen, um von dort aus meine eigentliche Fahrtroute einzuschlagen und so lange zu segeln, bis ich Indien erreicht haben würde, um jenen Fürsten die Botschaft Eurer Hoheiten zu überbringen und so zu erfüllen, was sie mir anbefohlen hatten; und daher faßte ich den Vorsatz, während der ganzen Reise mit größter Sorgfalt und Tag für Tag alles aufzuschreiben, was ich täte, was ich sähe und was sich zutrüge, wie man es im folgenden sehen wird. Und außer daß ich in jeder Nacht beschreiben werde, was sich am Tag zugetragen hat, und an jedem Tag, wie weit ich des Nachts gesegelt bin, habe ich, meine fürstlichen Herren, die Absicht, eine neue Seekarte anzufertigen, in die ich das ganze Meer und alle Landgebiete, die im Ozean liegen, einzeichnen will, und zwar mit ihrer genauen Lage nach der Windrose; außerdem will ich ein Buch zusammenstellen, in dem ich alles getreulich nach seinem Umriß und unter Angabe der äquinoktialen Breite und der westlichen Länge darstellen will; dabei ist es vordringlich, daß ich den Schlaf vergesse und mich fortwährend der Navigation widme, auf daß ich meinen Vorsatz erfülle; und das wird großer Mühen bedürfen.«
* Zur Textgrundlage s. das Kapitel »Das Schiffstagebuch« (Seite 88) aus dem Nachwort.
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Freitag, 3. August Wir fuhren am Freitag, dem 3. August 1492, um acht Uhr morgens von der Saitesbank4 ab; wir segelten bei starkem Seewind bis zum Sonnenuntergang sechzig Seemeilen, das heißt fünfzehn geographische Meilen5 nach Süden; dann weiter in Richtung Südwest und Süd-zu-West, also auf die Kanarischen Inseln zu.
Samstag, 4. August Sie fuhren in Richtung Südwest-zu-Süd.
Sonntag, 5. August Sie fuhren den ganzen Tag und die Nacht über in der gleichen Richtung mehr als vierzig Meilen.
Montag, 6. August Das Steuerruder der Karavelle Pinta, die unter dem Kommando von Martín Alonso Pinzón stand, brach oder sprang heraus, und die Leute glaubten und argwöhnten, dies sei durch Arglist eines gewissen Gomes Rascón und des Cristóbal Quintero, dem die Karavelle gehörte, geschehen, weil es diesem lästig war, die Reise anzutreten; der Admiral sagt, daß man bei den Genannten vor der Abfahrt gewisse Widersetzlichkeiten und Quertreibereien festgestellt habe. Der Admiral befand sich in einer schwierigen Lage, weil er der Karavelle nicht helfen konnte, ohne selbst Gefahr zu laufen, und er sagt, er habe sich etwas erleichtert gefühlt, als er sich vergegenwärtigte, daß Martín Alonso Pinzón ein tatkräftiger und einfallsreicher Mann war: Den Tag und die Nacht zusammengenommen, fuhren sie neunundzwanzig Meilen.
Dienstag, 7. August Von neuem sprang das Steuerruder der Pinta heraus, es wurde wiederhergestellt, und sie begaben sich auf die Suche nach der Insel Lanzarote, die zu den Kanarischen Inseln gehört; in vierundzwanzig Stunden fuhren sie im ganzen fünfundzwanzig Meilen.
Mittwoch, 8. August Zwischen den Steuermännern der drei Karavellen gab es Meinungsverschiedenheiten über die Position, auf der sie sich befanden, und es stellte sich heraus, daß der Admiral der Wahrheit am nächsten kam; er wollte nach der Insel Gran Canaria fahren, um dort die Karavelle Pinta zurückzulassen, weil sie ein schadhaftes Steuer hatte und leck war, und er wollte dort eine andere mieten, wenn er eine fände; aber sie vermochten die Insel an diesem Tag noch nicht zu erreichen.
Donnerstag, 9. August Bis Sonntag nacht konnte der Admiral die Gomera nicht erreichen, und Martín Alonso blieb auf Befehl des Admirals nahe der Küste der Gran Canaria zurück, weil sein Schiff nicht seetüchtig war. Später lief der Admiral die Canaria (oder Teneriffa) an, und der Admiral, Martín Alonso und die andern wandten große Mühe und Sorgfalt auf, um die Pinta auszubessern; schließlich liefen sie die Gomera an. Aus den Bergen der Insel Teneriffa, die größtenteils sehr hoch sind, sahen sie ein mächtiges Feuer aufsteigen. Sie versahen die Pinta mit einem runden Segel, denn sie hatte ein lateinisches gehabt; am Sonntag, dem 2. September, kehrte er mit der instand gesetzten Pinta nach der Gomera zurück. Der Admiral berichtet, viele ehrenwerte Spanier, die von der Insel Hierro stammten und jetzt auf der Gomera bei Doña Inés Peraza waren, der Mutter des Guillén Peraza, der später erster Graf dieser Insel wurde, hätten beteuert, man könne jedes Jahr im Westen der Kanarischen Inseln Land erkennen. Und auch andere Leute von der Gomera beschworen dies. Der Admiral sagt an dieser Stelle, er erinnere sich, im Jahr 1484, als er in Portugal gewesen, sei ein Mann von der Insel Madeira zum König gekommen, um ihn um eine Karavelle zu bitten, mit der er nach jenem Land fahren könne, das er gesehen hätte und, wie er versicherte, jedes Jahr wieder sähe und stets an der gleichen Stelle; er sagt auch, er erinnere sich, daß die Bewohner der Azoren dasselbe behauptet hätten, und alle ihre Angaben hätten sich auf ein und dieselbe
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Richtung, Gestalt der Küste und Größe bezogen.6 Nachdem der Admiral nun Wasser, Holz und Fleisch an Bord genommen hatte und alle sonstigen Dinge der Männer eingeladen, die er auf der Gomera zurückgelassen hatte, als er zur Canaria fuhr, um die Karavelle auszubessern, lichtete er endlich die Anker und fuhr am Donnerstag, dem 6. September, mit seinen drei Karavellen von der erwähnten Insel Gomera ab.
Donnerstag, 6. September An diesem Tag verließ der Admiral morgens den Hafen der Gomera und trat wieder seine Reise an, und er erfuhr von einer Karavelle, die von der Insel Hierro kam, daß dort drei portugiesische Karavellen kreuzten, um ihn gefangenzunehmen: Offenbar verargte es ihm jener König, daß er nach Kastilien gegangen war; und er fuhr den ganzen Tag lang und die Nacht bei Windstille, und am andern Morgen befand er sich zwischen den Inseln Gomera und Teneriffa.
Freitag, 7. September Den ganzen Freitag und Samstag bis drei Uhr in der Nacht herrschte Windstille.
Samstag, 8. September Am Samstag um drei Uhr nachts begann von Nordosten ein Wind zu wehen, und er nahm seinen Weg gen Westen: Starker Seegang vor dem Bug behinderte die Fahrt, so daß er an diesem Tag, die Nacht hinzugerechnet, nur etwa neun Meilen zurücklegen konnte.
Sonntag, 9. September An diesem Tag fuhr er neunzehn Meilen, und er beschloß, weniger zu zählen, als sie tatsächlich zurücklegten, damit sich die Leute, wenn die Reise lang würde, nicht entsetzten und den Mut sinken ließen. In der Nacht fuhr er einhundertzwanzig Seemeilen, zehn Seemeilen die Stunde, also dreißig Meilen. Die Seeleute hielten den Kurs nicht genau ein, so daß sie um mehr als anderthalb Strich nach Nordost abwichen; der Admiral tadelte sie deswegen wiederholt mit harten Worten.
Montag, 10. September An diesem Tag fuhr er, die Nacht mitgerechnet, sechzig Meilen, zehn Seemeilen pro Stunde, was zweieinhalb Meilen entspricht; aber er zählte im ganzen nur achtundvierzig Meilen, damit die Leute nicht Angst bekämen, falls die Reise lange dauerte.
Dienstag, 11. September An diesem Tag segelten sie weiter auf ihrem Kurs nach Westen, sie fuhren zwanzig Meilen und mehr, und sie sahen ein großes Stück von dem Mast eines gesunkenen Hundertzwanzigtonnenschiffs im Wasser treiben, doch konnten sie es nicht bergen. In der Nacht fuhren sie an die zwanzig Meilen, aber er zählte aus dem erwähnten Grund nur sechzehn.
Mittwoch, 12. September An diesem Tag fuhren sie immer weiter in der gleichen Richtung und legten in vierundzwanzig Stunden dreiunddreißig Meilen zurück, wobei er aus dem erwähnten Grund weniger zählte.
Donnerstag, 13. September An diesem Tag, die Nacht hinzugerechnet, legten sie, immer mit dem Kurs nach Westen, dreiunddreißig Meilen zurück, er zählte aber drei oder vier weniger. Die Gegenströmung behinderte die Fahrt. An diesem Tag, bei Anbruch der Dunkelheit, zeigten die Nadeln nach Nordwest, und auch am Morgen wichen sie noch immer etwas nach Nordwesten ab.7
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Freitag, 14. September Sie segelten an diesem Tag weiter auf ihrem Weg nach Westen, und sie legten, die Nacht mitgerechnet, zwanzig Meilen zurück, er zählte ein paar weniger: Die Seeleute von der Karavelle Niña sagten, sie hätten einen Tölpel und einen Tropikvogel gesehen, und diese Vögel entfernen sich niemals weiter als fünfundzwanzig Meilen vom Land.
Samstag, 15. September Er segelte an diesem Tag mit der Nacht siebenundzwanzig Meilen und noch ein paar mehr in westlicher Richtung, und zu Beginn der Nacht sahen sie einen herrlichen Feuerzweig vom Himmel ins Meer fallen, vier oder fünf Meilen von ihnen entfernt.
Sonntag, 16. September Er segelte an diesem Tag und in der Nacht weiter nach Westen, sie brachten etwa neununddreißig Meilen hinter sich, aber er zählte nur sechsunddreißig; an dem Tag zogen einige Wetterwolken auf, und es fiel leichter Regen: An dieser Stelle sagt der Admiral, heute und von hier an seien sie stets von sehr linden Lüften umgeben gewesen; und es habe ihnen großes Vergnügen bereitet, die Frühe des Tags zu genießen, so daß eigentlich nichts als das Schlagen der Nachtigallen gefehlt. So sagt er, und es war so mild wie das Aprilwetter in Andalusien. Von da an sahen sie viele Büschel sehr grünen Grases, das anscheinend erst vor kurzer Zeit vom Land losgerissen worden war, weshalb alle der Meinung waren, daß in der Nähe eine Insel sein müsse;8 nicht aber Festland, wie der Admiral sagt: »Denn das feste Land vermute ich noch weiter vorn.«
Montag, 17. September Er segelte weiter auf seinem Kurs nach Westen, und sie legten an dem Tag und in der Nacht wohl über fünfzig Meilen zurück; er gab nur siebenundvierzig an; die Strömung half ihnen; sie sahen viele Grasbüschel, und dies sehr oft, es war Gras, wie es auf Klippen wächst, und es kam von Sonnenuntergang her; sie glaubten, daß Land in der Nähe sei;9 die Steuermänner bestimmten die Position und fanden bei der Berechnung, daß die Kompaßnadeln mehr als einen Strich nach Nordwesten abwichen, und die Seeleute bekamen Furcht, und sie wurden mißmutig, aber sie sagten nicht, warum. Da es der Admiral bemerkte, befahl er, daß sie am nächsten Morgen aufs neue die Position bestimmten, und man fand, daß die Nadeln tadellos funktionierten; es lag offensichtlich daran, daß der Stern sich bewegte, nicht aber die Nadeln.10 An diesem Montagmorgen sahen sie viel mehr Gras, und es schien Flußgras zu sein, sie entdeckten darin einen lebenden Krebs, den der Admiral aufbewahrte, und er sagt, dies sei ein sicheres Anzeichen für die Nähe von Land, denn Krebse fände man nicht weiter, als achtzig Meilen vom Land entfernt. Das Meerwasser schien ihnen, seit sie die Kanarischen Inseln verlassen hatten, weniger salzig, die Lüfte wurden immer sanfter; sie waren alle sehr guter Stimmung, und die Schiffe wetteiferten, wer als erster Land zu sehen bekäme; sie sahen viele Thunfische, und die Matrosen von der Niña erlegten einen. An dieser Stelle sagt der Admiral, jene Zeichen sind von Sonnenuntergang gekommen, und ich hoffe, daß der allmächtige Gott, in dessen Hände alle Siege gelegt sind, uns dort binnen kurzem Land schenken wird. Er sagt, er habe an diesem Morgen einen weißen Vogel gesehen, der Tropikvogel heißt und der nicht auf dem Meer zu schlafen pflegt.
Dienstag, 18. September Er segelte an diesem Tag, die Nacht inbegriffen, mehr als fünfundfünfzig Meilen, aber er trug nur achtundvierzig ein; das Meer war die ganzen Tage über sehr ruhig, wie der Fluß bei Sevilla. An diesem Tag wartete Martín Alonso nicht mit der Pinta, die sehr segeltüchtig war, und er verständigte den Admiral von seiner Karavelle aus, er habe eine große Menge Vögel in westlicher Richtung fliegen sehen und hoffe, noch in dieser Nacht Land zu sichten,11 deshalb fuhr er so schnell voraus, Auf der Nordseite bezog sich der Himmel mit einer dichten Wolkenschicht, und das ist ein Anzeichen dafür, daß Land in der Nähe ist.
Mittwoch, 19. September Er segelte auf dem gleichen Kurs weiter und legte in vierundzwanzig Stunden fünfundzwanzig Meilen zurück, denn es war windstill; er schrieb zweiundzwanzig auf. An diesem Tag, um zehn Uhr, sah er beim
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Schiff einen Pelikan, am Nachmittag sahen sie noch einen, und diese Vögel pflegen sich nicht weiter als zwanzig Meilen vom Land zu entfernen;12 es regnete mehrmals etwas, ohne daß Wind wehte, und das ist ein sicheres Anzeichen nahen Landes; der Admiral wollte sich nicht mit Kreuzen aufhalten, um zu ermitteln, ob tatsächlich Land in der Nähe war; im übrigen hielt er es für sicher, daß in nördlicher und südlicher Richtung Inseln sein mußten, wie es in Wirklichkeit auch der Fall war, und er fuhr zwischen ihnen hindurch; denn seine Absicht war es, weiter bis nach Indien vorwärts zu kommen, und das Wetter ist günstig, und wenn es Gott gefiele, würden sie bei der Rückfahrt alles sehen können: das sind seine Worte . . . Hier verglichen die Steuermänner ihre Eintragungen: Nach eigener Berechnung befand sich der von der Niña vierhundertvierzig Meilen von den Kanarischen Inseln, der von der Pinta vierhundertzwanzig Meilen und der Steuermann des Schiffes, auf dem der Admiral fuhr, genau vierhundert Meilen.13
Donnerstag, 20. September Er segelte an diesem Tag in Richtung West-zu-Nord und einen halben Strich darüber, denn bei der vorherrschenden Windstille schlugen die kurzzeitigen Brisen häufig um; sie kamen an die sieben, acht Meilen voran. Zum Schiff kamen zwei Pelikane und dann noch einer, das war ein Zeichen dafür, daß Land in der Nähe war, auch sahen sie viel Gras, obwohl sie am Tag zuvor keines entdeckt hatten. Sie fingen mit den Händen einen Vogel, der wie ein Tölpel aussah; es war ein Flußvogel, nicht einer, der auf dem Meer zu Hause ist, seine Füße glichen denen einer Möwe. Am frühen Morgen kamen zwei oder drei kleine Landvögel zum Schiff und sangen; später verschwanden sie wieder, noch vor Sonnenaufgang; danach kam ein Pelikan herbei, er kam von Westnordwest und flog weiter nach Süden, was ein Zeichen dafür war, daß sich in westnordwestlicher Richtung Land befand, denn diese Vögel schlafen an Land und fliegen morgens aufs Meer hinaus, um Nahrung zu suchen, sie entfernen sich keine zwanzig Meilen von der Küste.
Freitag, 21. September An diesem Tag herrschte völlige Windstille, dann kam leichter Wind auf: Sie kamen den ganzen Tag und die Nacht auf ihrem Weg keine dreizehn Meilen voran; morgens sahen sie so viel Gras, daß das ganze Meer davon bedeckt schien, es trieb von Westen heran: Sie sahen einen Pelikan, das Meer war sehr glatt wie ein Fluß und die Lüfte so sanft, wie man es sich nur denken kann. Sie sahen einen Wal, und das ist ein Anzeichen dafür, daß in der Nähe Land sein mußte, denn sie halten sich stets in Küstennähe auf.14
Samstag, 22. September Er segelte mehr oder weniger stetig nach Westnordwest, wobei er gelegentlich nach der einen oder anderen Seite vom Kurs abwich; sie fuhren etwa dreißig Meilen; Gras sahen sie fast überhaupt nicht; sie erblickten ein paar Sturmschwalben und noch einen anderen Vogel. An dieser Stelle sagt der Admiral: »Dieser Gegenwind war sehr wichtig für mich, denn meine Leute fühlte sich sehr beschwingt,15 bisher hatten sie nämlich gedacht, auf diesen Meeren gäbe es keine Winde, die sie nach Spanien zurückbringen könnten.« Längere Zeit sah man gar kein Gras, doch später trieb es sehr reichlich heran.
Sonntag, 23. September Er segelte in Richtung Nordwest und manchmal Nordwest-zu-Nord, ab und zu auch auf dem eigentlichen Kurs, also nach Westen, er brachte etwa zweiundzwanzig Meilen hinter sich. Sie sahen eine Turteltaube und einen Pelikan, einen anderen kleinen Flußvogel und noch ein paar weiße Vögel. Das Gras trieb in kurzen Abständen vorbei, sie fanden Flußkrebse darin, und weil das Meer still und glatt war, murrten die Leute und sagten, da es in diesem Meer keinen hohen Seegang gäbe, würden sie niemals ausreichend Wind haben, um nach Spanien zurückzukehren; dann aber erhob sich ein ziemlich starker Wellengang, obwohl es windstill blieb, darüber wunderten sie sich. Der Admiral sagt an dieser Stelle: »Der hohe Seegang war mir unendlich wichtig, keiner brauchte ihn vielleicht so sehr seit der Zeit der Juden, als jene Ägypten verließen, mit Moses an der Spitze, der sie aus der Knechtschaft führte.«
Montag, 24, September Er segelte Tag und Nacht auf seinem Weg nach Westen weiter, und sie legten etwa vierzehneinhalb Meilen zurück, er zählte zwölf; zu seinem Schiff kam ein Pelikan, und sie sahen viele Sturmschwalben.
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Dienstag, 25. September An diesem Tag war das Meer sehr ruhig, doch später kam Wind auf; sie fuhren bis zur Nacht auf ihrem Weg nach Westen. Der Admiral hatte eine Unterredung mit Martín Alonso Pinzón, dem Kapitän der Karavelle Pinta, sie sprachen über eine Karte, die er ihm vor drei Tagen auf die Karavelle geschickt hatte und in die der Admiral anscheinend mehrere Inseln eingezeichnet hatte;16 Martín Alonso behauptete, sie befänden sich in dieser Gegend, und der Admiral antwortete, ihm schiene es auch so; daß sie dennoch nicht auf sie gestoßen seien, hätten, sicher die Strömungen verursacht, welche die Schiffe immer nach Nordosten abgetrieben hätten, und der Umstand, daß sie nicht so weit gefahren seien, wie es die Steuermänner angegeben hätten; dann befahl der Admiral, Pinzón solle ihm die besagte Karte zurücksenden, und als jener sie an einem Tau herübergeschickt hatte, begann sie der Admiral mit seinem Steuermann und den Matrosen zu studieren; nach Sonnenuntergang stieg Martín Alonso auf den Bug seines Schiffes, rief mit großer Freude17 nach dem Admiral und bat ihn um Belohnung, denn er habe Land gesichtet, und als der Admiral hörte, wie Martín Alonso dies mehrmals bekräftigte, begann er, wie er sagt, unserem Herrn auf den Knien zu danken, und Martín Alonso sprach mit seinen Leuten das Gloria in excelsis Deo, das gleiche taten die Leute des Admirals, und die von der Niña kletterten samt und sonders auf den Mast und in das Takelwerk, und alle versicherten, es sei Land, und dem Admiral schien es auch so, und man habe noch fünfundzwanzig Meilen Wegs bis dorthin; der Admiral befahl, den Kurs nach Westen zu verlassen, und alle sollten jetzt nach Südwesten fahren, wo sie das Land zu sehen glaubten. Sie hatten an diesem Tag viereinhalb Meilen in westlicher Richtung zurückgelegt, und in der Nacht kamen sie siebzehn Meilen in südwestlicher Richtung voran, das sind insgesamt einundzwanzig, obwohl er den Leuten nur dreizehn angab, denn stets erweckte er bei den Leuten den Eindruck, daß man weniger Meilen zurücklege, damit ihnen der Weg nicht So weit vorkam; er registrierte die Fahrt demnach auf zweierlei Weise, die kleinere Rechnung war die fingierte, die größere entsprach der wirklich zurückgelegten Strecke. Das Meer war sehr still, und viele Matrosen sprangen ins Wasser, um zu schwimmen: Sie sahen zahlreiche Goldmakrelen und andere Fische.
Mittwoch, 26. September Er segelte bis nach Mittag auf seinem Westkurs. Von da an fuhren sie nach Südwesten, bis sie erkannten, daß das, was sie für Land gehalten hatten, nichts weiter als Himmel war: Sie fuhren am Tag und in der Nacht einunddreißig Meilen, und er gab den Leuten gegenüber vierundzwanzig an. Das Meer war glatt wie ein Fluß, die Lüfte sehr mild und lieblich.
Donnerstag, 27. September Er segelte auf seinem Weg nach Westen, er fuhr an dem Tag einschließlich der Nacht vierundzwanzig Meilen, aber er sagte den Leuten zwanzig Meilen; viele Goldmakrelen zogen vorüber, sie fingen eine davon, und sie sahen einen Tropikvogel.
Freitag, 28. September Er segelte auf seinem Weg nach Westen, sie brachten in vierundzwanzig Stunden bei häufiger Windstille vierzehn Meilen hinter sich, er rechnete nur dreizehn. Sie sichteten wenig Gras, zwei Goldmakrelen fingen sie und auf den anderen Schiffen noch mehr.
Samstag, 29. September Er segelte auf seinem Weg nach, Westen, sie legten vierundzwanzig Meilen zurück, er sagte den Leuten einundzwanzig; wegen häufiger Windstille kamen sie an dem Tag und in der Nacht wenig voran. Sie sahen einen Vogel, den man Fregattvogel nennt, dieser läßt die Pelikane das, was sie fressen, wieder herausbrechen, um es selbst zu verschlingen, und er ernährt sich ausschließlich davon: Er ist ein Meeresvogel, aber er ruht sich nicht auf dem Wasser aus und entfernt sich daher keine zwanzig Meilen vom Land. Auf den Kapverdischen Inseln gibt es viele von ihnen. Danach sahen sie zwei Pelikane. Die Lüfte waren sehr sanft und lieblich, und er sagt, eigentlich habe nur der Nachtigallensang gefehlt, das Meer war glatt wie ein Fluß. Danach tauchten dreimal drei Pelikane und ein Fregattvogel auf; außerdem sahen sie viel Gras.
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Sonntag, 30. September Er segelte weiter auf seinem Weg nach Westen, in vierundzwanzig Stunden kam er wegen der Windstille nur vierzehn Meilen voran, er zählte aber elf; zum Schiff kamen vier Tropikvögel, was ein deutliches Anzeichen für Landnähe ist, denn wenn man so viele Vögel einer Art beisammen sieht, ist das ein Zeichen, daß sie sich nicht verirrt oder verflogen haben. Sie sahen zweimal vier Pelikane und eine Menge Gras. Anmerkung: An dieser Stelle erwähnt der Admiral, die Sterne, welche man die Wächter nennt, stünden bei Anbruch der , Nacht nahe dem Arm in Westrichtung, während sie bei Tagesanbruch auf der Linie unterhalb des Armes nach Nordosten zu stünden, so daß sie in der ganzen Nacht offenbar nur um drei Linien vorrückten, was neun Stünden entspricht, und dies geschehe Nacht für Nacht. Und wenn es Nacht wird, beobachtet man auch, daß die Nadeln einen Strich nach Nordwest abweichen, während sie bei Tagesanbruch genau in einer Richtung mit dem Stern stehen; so scheint es, als bewege sich der Stern wie die anderen Sterne, und die Nadeln zeigten immer die Wahrheit an.
Montag, 1. Oktober Er segelte weiter auf seinem Weg nach Westen, sie legten fünfundzwanzig Meilen zurück, er sagte den Leuten zwanzig Meilen, ein starker Regen ging nieder. Der Steuermann des Schiffes, auf dem der Admiral fuhr, äußerte heute früh die Befürchtung, sie seien von der Insel Hierro bis hierher fünfhundertachtundsiebzig Meilen nach Westen gefahren; nach der kleineren Rechnung, die der Admiral den Leuten zeigte, waren es fünfhundertvierundachtzig Meilen; aber nach jener, die der Admiral für richtig anerkannte und die er wohlverwahrt hielt, waren es siebenhundertundsieben.
Dienstag, 2. Oktober Er brachte auf seinem Weg nach Westen in der Nacht und am Tag neununddreißig Meilen hinter sich, er gab den Leuten gegenüber etwa dreißig Meilen an. Das Meer war immer glatt und ruhig: »Gott sei darum gepriesen«, sagt der Admiral an dieser Stelle; das Gras trieb von Osten nach Westen, in umgekehrter Richtung als sonst üblich. Sie sahen viele Fische, einen davon fingen sie; sie sahen auch einen weißen Vogel, der wie eine Möwe aussah.
Mittwoch, 3. Oktober Er segelte auf dem üblichen Kurs, sie kamen siebenundvierzig Meilen voran, er sagte den Leuten aber vierzig Meilen. Man sah Sturmschwalben und eine Menge Gras, einiges davon war älter, anderes dagegen sehr frisch; und es hing etwas darin, was an Früchte erinnerte; aber sie sahen überhaupt keine Vögel; der Admiral glaubte, sie hätten die Inseln, die er auf seiner Karte eingetragen hatte, schon hinter sich gelassen. An dieser Stelle sagt der Admiral, er habe sich in der vergangenen Woche nicht mit Herumkreuzen aufhalten wollen und auch in den letzten Tagen nicht, wo es so viele Anzeichen der Nähe von Land gegeben, obwohl er Kunde von mehreren Inseln in dieser Gegend hätte; denn er wolle sich nicht aufhalten, da es sein Ziel sei, nach Indien zu kommen; und wenn er sich aufhielte, sagt er, wäre dies nicht Vernünftig.
Donnerstag, 4. Oktober Er fuhr weiter auf seinem Weg nach Westen, und sie legten am Tag und in der Nacht dreiundsechzig Meilen zurück, er gab den Leuten gegenüber sechsundvierzig Meilen an; ans Schiff kamen in dichtem Schwärm mehr als vierzig Sturmschwalben und zwei Pelikane; ein Schiffsjunge von der Karavelle warf mit Steinen nach einem von ihnen; zum Schiff kam auch ein Fregattvogel und ein Vogel, der weiß war wie eine Möwe.
Freitag, 5. Oktober Er segelte weiter auf seinem Kurs, sie brachten es auf etwa elf Seemeilen pro Stunde; in vierundzwanzig Stunden fuhren sie wohl siebenundfünfzig Meilen, denn der Wind flaute in der Nacht etwas ab; er sagte seinen Leuten fünfundvierzig. Das Meer war schön und glatt: Gott sei darum gepriesen, sagt er; die Luft war äußerst sanft und mild, kein Gras, aber viele Sturmschwalben gab es, und viele Schwalbenfische fielen auf das Schiffsdeck.
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Samstag, 6. Oktober Er setzte seinen Weg nach Westen fort, sie fuhren, Tag und Nacht zusammengenommen, vierzig Meilen weit, er sagte den Leuten aber dreiunddreißig Meilen. Martín Alonso sagte, in dieser Nacht sei es günstig, in Richtung West-zu-Süd weiterzusegeln; und dem Admiral schien es, als sage Martín Alonso das wegen der Insel Cipango, aber er war der Meinung, daß sie, falls sie diese verfehlten, nicht so schnell Land erreichen könnten und daß es folglich besser sei, zuerst nach dem Festland weiterzufahren und danach zu den Inseln.
Sonntag, 7. Oktober Er segelte weiter auf seinem Weg nach Westen, sie fuhren zwei Stunden lang zwölf Seemeilen die Stunde, und danach acht Seemeilen die Stunde, und sie hatten bis ein Uhr nachmittags etwa dreiundzwanzig Meilen hinter sich gebracht, er sagte den Leuten achtzehn. An, diesem Tag, bei Sonnenaufgang, hißte die Karavelle Niña – sie fuhr voraus, da sie sehr segeltüchtig war, die Schiffe fuhren jetzt um die Wette, denn jeder wollte zuerst Land sichten, um der Gnade teilhaftig zu werden, welche die Könige jenem verheißen hatten, der es als erster sähe – eine Fahne auf dem Topp ihres Großmastes, und sie schössen eine Lombarde ab zum Zeichen, daß Land in Sicht war; denn so hatte der Admiral es befohlen. Er hatte auch angeordnet, alle Schiffe sollten sich bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bei ihm einfinden, da diese Zeiten die günstigsten sind, wenn man weit in die Ferne sehen will, weil sich die Dunstschleier über dem Meer dann am ehesten auflösen. Da sie am Abend nicht das Land erblickten, das die Männer von der Karavelle Niña zu sehen vermeint hatten, und weil eine große Menge Vögel von Norden nach Südwesten vorüberflog und anzunehmen war, daß sie zum Schlafen an Land flögen oder daß sie vielleicht auf der Flucht vor dem Winter waren, der in den Gebieten, aus denen sie kamen, herannahen mußte, und weil der Admiral wußte, daß die Portugiesen die meisten der Inseln, die sie besitzen, durch Beobachtung des Vogelflugs entdeckt hatten, erklärte sich der Admiral einverstanden, daß man den Westkurs verließe und den Bug nach Westsüdwest richtete, mit der Absicht, zwei Tage lang auf diesem Kurs weiterzusegeln. Reichlich eine Stunde vor Sonnenuntergang schlugen sie die neue Richtung ein. Sie fuhren in der ganzen Nacht etwa fünf Meilen, und dreiundzwanzig am Tage, insgesamt achtundzwanzig Meilen in vierundzwanzig Stunden.
Montag, 8. Oktober Er segelte nach Westsüdwest, und sie legten am Tag und in der Nacht elfeinhalb oder zwölf Meilen zurück, und manchmal brachten sie es in der Nacht offenbar auf fünfzehn Seemeilen die Stunde, falls es kein Schreibfehler im Original ist; das Meer war ruhig wie der Fluß bei Sevilla. Gott sei gelobt, sagt der Admiral hier: Die Lüfte sind sehr sanft wie im April in Sevilla, so daß es ein Vergnügen ist, sie um sich zu spüren, so wohlriechend sind sie. Das Gras schien sehr frisch zu sein; man sah viele Landvögel, und sie fingen einen von denen, die nach Südwesten flohen, es waren Tölpel, Enten und ein Pelikan.
Dienstag, 9. Oktober Er segelte nach Südwesten und fuhr fünf Meilen: Der Wind schlug um, und die Schiffe wendeten sich nach West-zu-Nord und legten Vier Meilen zurück: insgesamt elf Meilen am Tag, und in der Nacht zwanzigeinhalb Meilen: Den Leuten sagte er siebzehn. Die ganze Nacht hörten sie Vögel vorüberziehen.
Mittwoch, 10. Oktober Er segelte nach Westsüdwest, sie legten etwa zehn Seemeilen pro Stunde zurück, manchmal auch zwölf und eine Weile sieben; in den ganzen vierundzwanzig Stunden brachten sie neunundfünfzig Meilen hinter sich: Er sagte den Leuten allerdings nur vierundvierzig. An diesem Punkt konnten es die Leute nicht länger aushalten. Sie beklagten sich über die lange Reise; aber der Admiral ermutigte sie, sosehr er konnte, und weckte bei ihnen Hoffnung auf die Vorteile, die ihnen zufallen könnten. Und er fügte hinzu, es sei zwecklos, sich zu beklagen, denn er habe den Weg nach Indien einmal eingeschlagen und müsse ihn nun fortsetzen, bis er das Land mit Hilfe unseres Herrn gefunden habe.
Donnerstag, 11. Oktober Er segelte in Richtung Westsüdwest, und sie hatten hohen Seegang, der stärker war, als sie ihn auf der
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ganzen Reise erlebt hatten. Sie sahen Sturmschwalben und eine frische grüne Binse, die nahe am Schiff vorübertrieb. Die Leute von der Pinta sahen ein Schilfrohr und einen Stock, und sie fischten aus dem Wasser einen anderen kleinen Stock auf, der anscheinend mit einem Eisenwerkzeug bearbeitet worden war, und noch ein Stück Rohr und anderes Grünzeug, das auf der Erde wächst, und ein kleines Brett. Die Männer von der Karavelle Niña entdeckten noch andere Anzeichen nahen Landes und dazu einen Zweig, an dem Hagebutten hingen oder etwas Ähnliches. Bei diesen Anzeichen atmeten sie auf, und alle waren voll Freude. Sie fuhren an diesem Tag bis zum Sonnenuntergang siebenundzwanzig Meilen. Nach Sonnenuntergang segelte er weiter auf seinem ursprünglichen Kurs nach Westen: Sie fuhren etwa zwölf Seemeilen die Stunde, und bis zwei Uhr morgens legten sie neunzig Seemeilen zurück, was zweiundzwanzigeinhalb Meilen entspricht. Und da die Karavelle Pinta am schnellsten von allen segelte und vor dem Admiral fuhr, bekam sie Land in Sicht und gab die Signale ab, die der Admiral angeordnet hatte. Als erster sah dieses Land ein Matrose namens Rodrigo de Triana; denn auch der Admiral hatte, als er um zehn Uhr nachts auf dem Hinterkastell stand, Licht gesehen, wiewohl es so undeutlich war, daß er sich nicht dafür verbürgen wollte, es handele sich um Land; doch er rief Pedro Gutiérrez, den königlichen Truchseß, und sagte ihm, er glaube Licht zu erkennen, er solle doch auch einmal nachsehen, und dieser tat es und gewahrte das Licht. Er sagte es auch Rodrigo Sánchez de Segovia, den der König und die Königin der Flotte als Beobachter beigegeben hatten, doch der sah nichts, weil er nicht an der Stelle stand, wo etwas zu sehen war. Nachdem der Admiral auf das Licht hingewiesen hatte, sah man es noch ein- oder zweimal, es war wie eine Wachskerze, die sich senkte und hob, und das schien wenigen von ihnen auf Land hinzudeuten. Aber der Admiral hielt es für sicher, daß man dem Land nahe sei. Als sie dann das Salve gebetet hatten, das alle Seeleute auf ihre Weise zu sprechen oder zu singen pflegen und zu dem sich alle an Deck versammeln, bat sie der Admiral und vermahnte sie, am Vorderkastell sorgsam Wache zu halten und genau nach dem Land Ausschau zu halten, und dem, der ihm als erster melde, daß er Land sähe, würde er sogleich ein seidenes Wams zum Geschenk machen, unbeschadet der Sonstigen Gnaden, die die Könige verheißen hatten, nämlich zehntausend Maravedi Jahresrente für jenen, der zuerst Land erblickte. Um zwei Uhr früh tauchte das Land vor ihnen auf, sie waren etwa zwei Meilen davon entfernt. Sie holten alle Segel ein und behielten nur die Brefock18 am Mast, das ist ein Großsegel ohne Nebensegel, und drehten bei; so ließen sie die Zeit bis zum Freitag verstreichen, an dem sie eine kleine Insel der Bahamas erreichten, die in der Sprache der Indios Guanahani19 genannt wurde. Bald sähen sie dort nackte Leute am Strand, und der Admiral fuhr in einem mit Waffen ausgerüsteten Boot an Land; Martín Alonso Pinzón und Vicente Anes20, sein Bruder, der Kapitän auf der Niña war, begleiteten ihn. Der Admiral entfaltete das königliche Banner und die beiden Kapitäne zwei Fahnen mit dem grünen Kreuz; dieses führte der Admiral zur Kennzeichnung auf allen seinen Schiffen mit den Lettern F und Y: Jeder Buchstabe trug eine Krone, der eine stand links, der andere rechts vom waagerechten Kreuzesbalken. Als sie an Land stiegen, sahen sie sehr grüne Bäume und viele Gewässer und zahlreiche Früchte verschiedener Art. Der Admiral rief die beiden Kapitäne und die anderen, die an Land gesprungen waren, zu sich, und auch Rodrigo Descovedo, den Schreiber der Flotte, und Rodrigo Sánchez de Segovia, und sagte, sie sollten getreulich bezeugen, daß er vor aller Augen für den König und die Königin, ihre Herren, von der Insel Besitz ergriff, und so tat er es auch und gab die erforderlichen Erklärungen ab, wie es ausführlicher in den Zeugnissen enthalten ist, die dort schriftlich angefertigt wurden. Alsbald versammelten sich dortselbst zahlreiche Inselbewohner. Das Folgende sind wortwörtlich die Äußerungen des Admirals in seinem Buch über die erste Seereise und die Entdeckung dieser Indien. »Da sie uns große Freundschaft erwiesen und ich erkannte, daß es Leute waren, die sich besser mit Liebe zu unserem heiligen Glauben befreien und bekehren würden als mit Gewalt, gab ich einigen von ihnen ein paar bunte Mützen und etliche Glaskugeln, die sie sich um den Hals hängten, und allerhand andere Dinge von geringem Wert, an denen sie großes Vergnügen fänden, und sie waren uns derart zugetan, daß es ein Wunder war. Hernach kamen sie zu den Booten geschwommen, in denen wir saßen, und brachten uns Papageien und Knäuel mit Baumwollfäden, Wurfspieße und Viele andere Dinge und tauschten sie gegen Dinge ein, die wir ihnen gaben, zum Beispiel Glaskügelchen und Glöckchen. Kurz gesagt, sie nahmen alles und gaben sehr bereitwillig von dem, was sie hatten. Aber mir schien, als seien die Leute sehr arm an allem. Sie gehen allesamt nackt herum, wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, auch die Frauen, obwohl ich nur eine sah, die noch sehr jung war; und alle Männer, die ich sah, waren Jünglinge, denn ich bemerkte keinen, der älter als dreißig Jahre gewesen wäre: sehr gut gebaut, von sehr schöner Gestalt und sehr angenehmen Gesichtszügen; ihr Haar war fast so dick wie das von Pferdeschwänzen und kurz geschnitten: Sie lassen es vorn nur bis zu den Augenbrauen wachsen, aber hinten lassen sie einige Strähnen länger wachsen und schneiden sie niemals ab. Manche von ihnen malen sich dunkelgrau an, sie sehen aus wie die Kanarier, weder schwarz noch weiß, und andere von ihnen malen sich weiß an, andere rot und wieder andere mit dem, was sie gerade finden, einige bemalen sich die Gesichter, andere den ganzen Körper, andere nur die Gegend um die Augen und wieder andere nur die Nase. Sie tragen keine Waffen und kennen sie auch nicht, denn
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ich zeigte ihnen Schwerter, und sie faßten sie an der Schneide und schnitten sich aus Unwissenheit. Sie haben überhaupt kein Eisen: Ihre Wurfspieße sind Stöcke ohne Eisenspitze, und an manchen von ihnen ist vorne ein Fischzahn befestigt oder etwas anderes. Sie sind durchweg von großer Statur und gut gebaut, ihre Bewegungen sind anmutig; ich sah einige, deren Körper Spuren von Verletzungen aufwiesen; durch Gebärden fragte ich, was es damit auf sich habe, und sie bedeuteten mir, von anderen nahe gelegenen Inseln kämen Leute, die sie mitnehmen wollten, und sie leisteten Widerstand; aber ich glaubte und glaube auch jetzt noch, daß jene vom Festland dorthin kommen, um sie gefangenzunehmen. Sie müssen treffliche Diener sein und von gutem Verstand, denn ich sah, daß sie sehr schnell alles nachsagen konnten, was ich ihnen vorsprach, und ich glaube, man könnte sie leicht zum Christentum bekehren, denn mir schien, daß sie keiner Sekte angehören. Wenn . es unserem Herrn gefällt, werde ich bei meiner Abfahrt von hier sechs Leute für Eure Hoheit mitnehmen, auf daß sie die spanische Sprache erlernen. Ich sah auf dieser Insel gar keine Tiere, von keiner Spezies, außer Papageien.« All das sind Worte des Admirals.
Samstag, 13. Oktober »Gleich nach Tagesanbruch kamen viele von diesen Männern an den Strand, alles Jünglinge, wie ich schon sagte, und alle von vortrefflicher Statur, sehr schöne Menschen: Ihr Haar war nicht kraus, sondern glatt und dick wie Pferdehaar, und bei allen waren Stirn und Kopf viel breiter, als ich es bis jetzt bei anderen Völkern gesehen habe, und sie hatten sehr schöne, gar nicht kleine Augen, und keiner von ihnen war schwärz, sondern alle von der Farbe der Kanarier, und man kann auch nichts anderes erwarten, denn die Insel liegt auf derselben Ostwestlinie wie die Insel Hierro21, die zu den Kanaren gehört. Die Beine waren sehr gerade gewachsen bei allen von ihnen, und sie hatten keinen Bauch, sondern einen sehr wohlgeformten Leib. Zum Schiff kamen sie mit Kähnen, die aus einem Baumstamm gefertigt werden, sie gleichen einem langen Boot, aber alles ist aus einem Stück gemacht und wunderbar gearbeitet für die Verhältnisse dieses Landes und so groß, daß in manchen vierzig oder fünfundvierzig Männer Platz hatten, andere waren kleiner, und es gab sogar welche, in denen ein Mann allein fuhr. Sie ruderten mit einer Art Schaufel, die der eines Bäckers gleicht, und es geht damit ausgezeichnet; und wenn ein Boot umkippt, fangen alle an zu schwimmen, richten es wieder auf, und mit hohlen Kürbissen, die sie bei sich haben, schöpfen sie es aus. Sie brachten Knäuel gesponnener Baumwolle und Papageien und Wurfspieße und anderen Krimskrams, den zu beschreiben langweilig wäre, sie gaben alles hin und waren mit dem zufrieden, was man ihnen dafür bot. Ich war aufmerksam und bemühte mich, in Erfahrung zu bringen, ob es Gold gäbe, und ich sah, daß ein paar von ihnen ein Stückchen in einer Öffnung trugen, die sie in die Nasenwand gebohrt hatten, und durch Zeichensprache konnte ich folgendes herausfinden: Wenn man nach Süden gehe oder die Insel nach Süden zu umfahre, so sei dort ein König, der große Gefäße aus Gold habe und der sehr, sehr viel davon habe. Ich versuchte ihnen begreiflich zu machen, daß sie dorthin gehen sollten, aber dann sah ich, daß sie meinen Gedanken nicht begriffen. Ich beschloß, bis morgen abend zu warten und dann nach Südwesten aufzubrechen, denn viele von ihnen zeigten mir und sagten mir auf diese Weise, daß im Süden, im Südwesten und im Nordwesten Land sei und daß die Leute aus dem Nordwesten häufig herkämen, um sie anzugreifen – und also im Südwesten nach dem Gold und den Edelsteinen zu suchen. Diese Insel ist sehr groß und flach und hat sehr grüne Bäume und viele Gewässer und in der Mitte eine breite Lagune, keine Erhebung ist zu erkennen, und sie ist ganz grün, so daß es ein Vergnügen ist, sie zu betrachten; die Menschen sind sehr sanft, und weil sie darauf brennen, etwas von unseren Sachen zu haben, und ihnen nichts gegeben werden darf, ohne daß auch sie etwas dafür geben, sie aber nichts haben, nehmen sie, was sie eben bekommen können, und schwimmen dann fort; aber alles, was sie haben, geben sie her, damit man ihnen irgend etwas gibt, selbst die Scherben der Suppennäpfe und die zerbrochenen Glastassen haben sie eingetauscht, ja ich sah sie sogar sechzehn Baumwollknäuel für drei portugiesische Ceutis22 geben, das entspricht einer kastilischen Bianca, und es war sicher mehr als eine Arroba gesponnener Baumwolle darauf. Das verbot ich und ließ es niemand nehmen, nur daß ich alles für Eure Hoheit zu nehmen befahl, falls es große Mengen davon gäbe. Die Baumwolle wächst hier auf dieser Insel, aber weil die Zeit drängte, konnte ich mich nicht genau davon überzeugen, und auch das Gold, das sie an der Nase befestigt haben, stammt hier von der Insel; um keine Zeit zu verlieren, will ich jedoch sehen, ob ich die Insel Cipango23 finden kann. Jetzt fuhren alle, wie gestern abend mit ihren Einbäumen an Land zurück.«
Sonntag, 14. Oktober »Beim Morgengrauen befahl ich, das Boot meines Schiffes und die kleinen Boote der Karavellen herzurichten, und fuhr in nordnordöstlicher Richtung an der Insel entlang, um jenen Teil zu sehen, der die
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andere Seite der Ostküste der Insel bildet, und auch, um die Ortschaften in Augenschein zunehmen, und ich sah bald darauf zwei oder drei, und die Menschen kamen alle an den Strand gelaufen und riefen uns zu und dankten Gott; die einen brachten uns Wasser, andere etwas zu essen; als sie sahen, daß ich keine Anstalten machte, an Land zu gehen, begannen einige, zu uns hinauszuschwimmen, sie erreichten uns, und wir begriffen, daß sie uns fragten, ob wir vom Himmel gekommen seien; und ein Alter stieg zu uns ins Boot, und andere riefen mit lauter Stimme alle Männer und Frauen herbei: Kommt und seht die Männer, die vom Himmel herabgestiegen sind! Bringt ihnen zu essen und zu trinken! Es kamen viele Männer und viele Frauen, jeder brachte etwas mit, und sie dankten Gott, sie warfen sich zu Boden und erhoben die Hände zum Himmel, und danach riefen sie laut, wir sollten an Land kommen; doch ich fürchtete, weiter heranzufahren, weil ich sah, daß die ganze Insel von einem großen Ring aus Riffen eingeschlossen war, aber zwischen ihm und dem Land ist ein tiefes Becken und ein Hafen, in dem alle Schiffe der ganzen Christenheit Platz finden könnten, die Einfahrt ist allerdings sehr eng. Es gibt innerhalb dieses Gürtels zwar einige seichte Stellen, aber das Meer bewegt sich nicht stärker als in einem Brunnen. Um all das zu sehen, fuhr ich an diesem Vormittag herum, auf daß ich Euren Hoheiten von allem berichten könnte und auch um zu sehen, wo ich ein Fort errichten könnte, und ich sah ein Stück Land, das wie eine Insel anmutet, obwohl es keine ist, sechs Häuser standen darauf, man könnte es in zwei Tagen in eine Insel verwandeln; indessen glaube ich nicht, daß es nötig ist, denn diese Leute sind ganz unerfahren im Gebrauch von Waffen, wie es Eure Hoheiten an den sieben Männern sehen werden, die ich an Bord holen ließ, um sie mitzunehmen und sie unsere Sprache zu lehren und sie danach zurückzubringen, unbeschadet dessen, daß Eure Hoheiten, wenn sie es nur befehlen, sie alle nach Kastilien bringen lassen oder sie auf der Insel selbst gefangenhalten können, denn mit fünfzig Mann kann man sie alle in Botmäßigkeit halten und alles mit ihnen machen, was man will; an die besagte kleine Insel schließt sich eine Gartenlandschaft an mit den schönsten Bäumen, die ich jemals gesehen habe, sie sind so grün, und ihre Blätter gleichen denen der Bäume Kastiliens in den Monaten April und Mai, und viel Wasser gibt es dort. Ich nahm den natürlichen Hafen gründlich in Augenschein, kehrte danach zum Schiff zurück und setzte die Segel, und ich sah so viele Inseln, daß ich unschlüssig war, wohin ich zuerst fahren sollte, und die Männer, die ich mitgenommen hatte, gaben mir durch Zeichen zu verstehen, es seien so viele und immer noch mehr, so daß man sie gar nicht zählen könne, und sie nannten über hundert beim Namen.24 Deshalb versuchte ich zu ergründen, welche die größte sei,25 und nach jener beschloß ich zu fahren, und so tue ich es jetzt, sie mag von San Salvador fünf Meilen entfernt sein, und die anderen sind mehr oder weniger ebenso weit entfernt: Alle Inseln sind sehr flach, ganz ohne Berge und äußerst fruchtbar, alle sind bewohnt, und ihre Einwohner liegen miteinander in Fehde, wenn es auch sehr einfache, harmlose Leute sind, die einen sehr schönen Körperbau haben.«
Montag, 15. Oktober »Die ganze Nacht war ich auf einer Stelle umhergefahren, aus Angst, daß noch vor Tagesanbruch Land auftauchen könnte, denn ich wußte nicht, ob die Küste von Untiefen frei war, und beim Morgengrauen zog ich die Segel ein. Doch da die Insel mehr als fünf Meilen entfernt war, es mochten eher sieben sein, und mich die Ebbe aufhielt, war es gegen Mittag, als ich die erwähnte Insel erreichte, und ich fand heraus, daß die der Insel San Salvador gegenüberliegende Seite in Nordsüdrichtung verläuft und fünf Meilen lang ist, doch die andere, der ich folgte, verlief in ostwestlicher Richtung und war mehr als zehn Meilen lang. Und da ich von dieser Insel aus im Westen eine weitere, noch größere sah, hißte ich die Segel, um den ganzen Tag bis in die Nacht hinein zu fahren, weil ich das Westkap dieser Insel, der ich den Namen Santa Maria de la Concepción26 gab, noch nicht erreicht hatte, und kurz vor Sonnenuntergang ging ich bei dem Kap vor Anker, um herauszufinden, ob es dort Gold gäbe, denn die Männer, die ich von der Insel San Salvador hätte mitnehmen lassen, sagten mir, die Leute dort trügen sehr große Goldreife an den Beinen und Armen. Ich glaubte aber, daß alles, was sie erzählten, Betrügereien seien, die ihnen die Flucht ermöglichen sollten. Es war indessen mein Vorsatz, an keiner Insel vorüberzufahren, ohne von ihr Besitz zu ergreifen, obwohl man hier sagen kann, man hat alle in Besitz genommen, wenn man eine hat; und ich ging vor Anker und blieb dort bis heute, Dienstag. Morgens fuhr ich mit den bewaffneten Booten zum Strand und ging an Land; die Leute, die zahlreich waren und nackt und von der gleichen Beschaffenheit wie die auf San Salvador, ließen uns auf der Insel umhergehen und gaben uns, was ich von ihnen verlangte. Doch da der Wind in südöstlicher Richtung zunahm, wollte ich mich nicht länger aufhalten und kehrte zum Schiff zurück; ein großer Einbaum hatte sich längsseits neben die Karavelle Niña gelegt, und einer der Männer von der Insel San Salvador, der sich darauf befand, sprang ins Meer und fuhr mit dem Einbaum davon, die Nacht zuvor um Mitternacht war schon ein anderer ins Meer gesprungen, und der Einbaum fuhr zurück, und er entfloh so schnell, daß ihn kein Boot eingeholt hätte, denn sie hätten großen Vorsprung. Trotz unserer Bemühungen erreichten sie das Land, sie sprangen aus dem Boot, und ein paar von meinen Leuten sprangen hinter ihnen an Land, während sie
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fortrannten wie aufgescheuchte Hühner. Den Einbaum, den sie zurückgelassen hatten, brachten wir an Bord der Karavelle Niña, bei der im gleichen Augenblick von einer anderen Seite herein kleines Boot mit einem Mann eintraf, der ein Baumwollknäuel eintauschen kam, und weil er nicht auf die Karavelle kommen wollte, sprangen ein paar Matrosen ins Meer und ergriffen ihn; und ich, der ich am Bug des Schiffes stand, sah alles, ich ließ ihn zu mir bringen und gab ihm eine bunte Mütze und ein paar kleine grüne Glaskugeln, die ich ihm um den Arm legte, und zwei Glöckchen, die ich ihm an die Ohren hängte; ich befahl, ihm seinen Kahn, den unsere Leute in das große Boot gehoben hatten, zurückzugeben, und schickte ihn wieder an Land; dann setzte ich die Segel, um nach der anderen großen Insel zu fahren, die ich im Westen gesehen hatte, und ich befahl, auch den anderen Einbaum loszumachen, den die Karavelle Niña am Heck mitschleppte, und als ich zum Land zurücksah, wo eben der andere eintraf, dem ich die erwähnten Dinge geschenkt hatte und dem ich das Baumwollknäuel nicht abnehmen wollte, obwohl er es mir anbot, kamen alle anderen zu ihm gelaufen, und er war über die Maßen erstaunt, er hatte wohl den Eindruck, daß wir gute Leute seien und daß der andere, der geflohen war, uns Schaden zugefügt hätte und wir ihn deshalb mitnahmen, und aus ebendiesem Grund hatte ich mich ja entschlossen, ihn freizulassen, und ihm besagte Dinge gegeben, auf daß sie uns zu schätzen wüßten, damit sie beim nächsten Mal, wenn Eure Hoheiten wieder Leute hierherschickten, nichts Böses anrichteten; alles, was ich ihm gab, war nicht mehr wert als vier Maravedis. Und so brach ich gegen zehn Uhr auf, bei Südostwind, der mitunter bis nach Süd drehte, um nach der anderen Insel zu gelangen, die sehr groß ist und wo es, wie mir all jene Männer, die ich von San Salvador mitführe, durch Zeichen bedeuten, sehr viel Gold gibt, so daß man es als Spangen um die Arme, die Beine, in den Ohren und der Nase und um den Hals trägt. Von der Insel Santa Maria bis zu dieser anderen waren es neun Meilen in Ostwestrichtung, und die ganze diesseitige Küste der Insel verläuft von Nordwest nach Südost, und es scheint, als sei sie hier gut und gern achtundzwanzig Meilen27 lang, und sie ist sehr flach, ohne Berge, genauso wie die Inseln San Salvador und Santa Maria, und der Strand ist überall ohne Klippen, abgesehen davon, daß es nahe am Land auf allen Seiten ein paar Felsenriffe unter dem Wasser gibt, so daß man die Augen offenhalten muß, wenn man vor Anker gehen will, und nicht so nah an der Küste ankern darf, obwohl das Wasser stets ganz klar ist und man den Grund sehen kann: Aber zwei Kanonenschuß vom Land ist das Wasser vor allen diesen Inseln so tief, daß man nicht auf Grund stößt. Die Inseln sind sehr grün und fruchtbar, und das Klima ist sanft, und es kann dort viele Dinge geben, von denen ich nichts weiß, denn ich will mich nicht aufhalten, weil ich viele Inseln besuchen und erforschen will, um Gold ausfindig zu machen. Und sie geben mir immer wieder zu verstehen, daß es die Leute an den Armen und Beinen tragen, und es ist Gold, denn ich zeigte ihnen ein paar Stücke von dem, das ich selbst bei mir habe; mit der Hilfe unseres Herrn kann ich nicht fehlgehen, und ich werde es finden, wo es anzutreffen ist. Und mitten in dem Golf zwischen diesen beiden Inseln, nämlich der Santa Maria und der großen, der ich den Namen Fernandina gab, traf ich einen einzelnen Mann in einem Einbaum, der von der Insel Santa Maria zur Fernandina fuhr; bei sich hatte er ein bißchen von seinem Brot, etwa eine Handvoll, eine Kürbisflasche mit Wasser und ein wenig rote Erde, die er zu Pulver zerrieben und danach zu einem Teig geknetet hatte, und ein paar trockene Blätter – das muß eine große Delikatesse bei ihnen sein, denn sie brachten mir schon auf San Salvador ein paar davon als Geschenk, er hatte auch ein Körbchen nach ihrer Art bei sich, in dem ein Kettchen mit Glasperlen und zwei Biancas waren, woran ich erkannte, daß er von der Insel San Salvador kam und nach der Santa Maria gefahren war und von dort aus nach der Fernandina wollte. Als er am Schiff anlangte, ließ ich ihn heraufkommen, wie er es begehrte, und hieß ihn sein Boot an Deck holen, und alles, was er bei sich hatte, gab ich in Verwahrung; und ich befahl, ihm Brot und Honig zu essen und etwas zu trinken zu geben; und so werde ich ihn zur Fernandina bringen und ihm alles, was ihm gehört, wieder aushändigen, damit er gute Kunde von uns gebe, auf daß, wenn Eure Hoheiten, wie es unserem Herrn gefallen möge, wieder Leute hierher schicken werden, jene, die kommen, in Ehren empfangen werden und die Einwohner uns von allem geben, was sie haben.«
Dienstag, 16. Oktober »Kurz vor Mittag brach ich von der Insel Santa Maria de la Concepción nach der Insel Fernandina auf, die von Westen her sehr groß zu sein scheint, und ich fuhr den ganzen Tag bei Windstille; ich konnte sie aber nicht rechtzeitig erreichen, um zu sehen, ob der Grund zum Ankern geeignet war, denn es ist unabdingbar, daß man dabei große Sorgfalt an den Tag legt, damit man nicht seine Anker verliert; und so kreuzte ich fast die ganze Nacht auf einer Stelle, und als es Tag geworden war, kam ich zu einer Ansiedlung, wo ich vor Anker ging und wo ich auch den Mann wiedersah, den ich gestern mit seinem Einbaum mitten auf dem Golf angetroffen hatte; er hatte so viele gute Nachrichten von uns gebracht, daß es den ganzen Abend über nicht an Booten gefehlt hatte, die dicht an unser Schiff herankamen und uns Wasser und von allem übrigen brachten, was sie hatten. Ich befahl, jedem der Leute etwas zu geben, nämlich ein paar Glasperlen, je zehn
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oder zwölf davon auf einen Faden gereiht, und ein paar Messingschellen von jener Sorte, die in Kastilien einen Maravedi kostet, und auch ein paar Schnürbänder, was sie samt und sonders für ganz vortrefflich hielten, und ich befahl, sie auch Melasse kosten zu lassen, wenn sie an Bord kamen. Um neun Uhr vormittags schickte ich das große Boot meines Schiffes zum Wasserholen an Land, und sie zeigten meinen Leuten mit großer Bereitwilligkeit, wo das Wasser zu finden war, ja, sie schleppten selbst die vollen Fässer zum Boot, und sie hatten großes Vergnügen daran, uns gefällig zu sein. Die Insel ist sehr groß, und ich habe die Absicht, sie zu umsegeln, weil sich, wie ich zu verstehen glaube, auf ihr oder in ihrer Nähe eine Goldmine befindet. Diese Insel ist, annähernd in Ostwestrichtung verlaufend, acht Meilen von der Insel Santa Maria entfernt, und das Kap, an dem ich gelandet bin, und die ganze Küste hier verläuft von Nordnordwest nach Südsüdost. Und ich habe gut und gern zwanzig Meilen von ihr gesehen, aber sie war noch länger. Eben da ich dies schrieb, stach ich mit Südwind in See, um zu versuchen, die ganze Insel zu umsegeln und keine Mühe zu scheuen, bis ich Samaot28 entdeckt habe, die Insel oder die Stadt, wo man das Gold findet, denn das behaupten alle, die hier aufs Schiff kommen, und das haben uns auch die Leute von San Salvador und Santa Maria gesagt. Die Menschen hier ähneln denen von den beiden genannten Inseln, und sie haben eine und dieselbe Sprache und die gleichen Sitten, abgesehen davon, daß mir diese hier schon etwas sanfter vorkommen, umgänglicher und gewitzter, denn ich sehe, daß sie Baumwolle aufs Schiff gebracht haben und andere Dinge und daß sie besser zu handeln verstehen als die anderen; und dann habe ich auf dieser Insel Baumwolltücher gesehen, die Umhängen ähneln, und die stattlicheren Männer und Frauen tragen vorn am Körper einen Baumwollfetzen, der ihnen notdürftig die Scham verhüllt. Es ist eine sehr grüne, flache und äußerst fruchtbare Insel, und ich hege keinen Zweifel, daß sie das ganze Jahr über Hirse und alles mögliche andere säen und ernten; und ich sah viele Bäume, die sich in ihrer Gestalt sehr von den unseren unterscheiden, und viele davon, die ganz verschiedenartige Äste hatten, und all das an ein und demselben Stamm, ein Zweig ist von dieser Art, der andere von jener und völlig anders, so daß es das größte Wunder von der Welt ist, wie sehr sich die eine Art von der andern unterscheidet; ein Ast hatte zum Beispiel Blätter in der Art des Zuckerrohrs und ein anderer Blätter in der Art des Mastixbaums; und so findet man auf einem einzigen Baum an die fünf, sechs solcher Arten; und sie sind völlig verschieden voneinander: Sie sind auch nicht gepfropft worden, denn man könnte einwenden, daß sie durch Aufpfropfen entstanden sind; im Gegenteil, man findet sie in den Wäldern, und niemand kümmert sich darum. Ich habe nicht bemerkt, daß die Leute einer Sekte angehören, und ich glaube, daß sie sich sehr schnell zum Christentum bekehren lassen würden, denn sie sind äußerst verständig. Die Fische hier sind in ihrer Form so abweichend von den unseren, daß man staunen muß. Es gibt einige, die wie Hähne in den schönsten Farben der Welt erstrahlen, in Blau, Gelb, Rot und in allen Farben, und andere sind auf tausenderlei Art gesprenkelt; die Farben sind so schön, daß sich jeder darüber verwundert und höchst entzückt ist, wenn er sie erblickt. Es gibt auch Wale, Landtiere habe ich dagegen so gut wie gar nicht gesehen, nur Papageien und Eidechsen; ein Schiffsjunge sagte mir, er habe eine große Schlange gesehen. Weder Schafe noch Ziegen, noch irgendeinen anderen Vierfüßer sah ich; allerdings war ich nur sehr kurze Zeit auf der Insel, einen halben Tag, aber wenn es sie gegeben hätte, hätte ich unfehlbar den einen oder anderen erblickt. Die Gestalt der Insel werde ich beschreiben, wenn ich sie umsegelt habe.«
Mittwoch, 17. Oktober »Um Mittag fuhr ich ab von der Ansiedlung, wo ich vor Anker gegangen war und wo ich Wasser geholt hatte, um die Insel Fernandina zu umfahren; der Wind kam aus Südwest und Süd; und meine Absicht war es, der Küste dieser Insel zu folgen, an deren Südostende ich mich befand, denn sie verläuft direkt von Nordnordwest nach Südsüdost, und ich wollte den erwähnten Süd- und Südostkurs einschlagen, in dieser südlichen Richtung nämlich gelangt man, wie ich aus den Zeichen aller mitgeführten Indios und denen eines anderen, den ich hier auf diesem Südteil der Insel traf, entnehme, nach jener Insel, die sie Samoet nennen und auf der das Gold zu finden ist; Martín Alonso Pinzón, der Kapitän der Karavelle Pinta,. auf die ich drei von den Indios geschickt hatte, kam zu mir und berichtete mir, einer von ihnen habe ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben, daß man die Insel am nordnordwestlichen Teil weitaus schneller umsegeln könne. Ich sah, daß mir der Wind bei dem Kurs, den ich einschlagen wollte, nicht behilflich war, daß er aber für den anderen günstig stand. Deshalb segelte ich nach Nordnordwest, und als ich mich bis auf zwei Meilen dem Ende der Insel genähert hatte, fand ich einen wunderbaren Hafen mit einer Einfahrt, obwohl man eigentlich von zwei Einfahrten sprechen muß, denn sie wird in der Mitte von einer kleinen Insel geteilt, beide sind sehr schmal, aber drinnen ist Platz genug für hundert Schiffe, wenn es tief genug wäre und frei von Riffen und auch die Einfahrt tiefer wäre: Es schien mir notwendig, den Hafen gründlich in Augenschein zu nehmen und die Tiefe zu messen, daher ankerte ich draußen vor dem Hafen und fuhr mit allen Booten von den drei Schiffen hinein, und wir sahen, daß es nicht tief genug war. Und weil ich, als ich das Wasserbecken erblickte,
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den Eindruck hatte, daß es die Mündung eines Flusses sein könne, hatte ich Fässer mitnehmen lassen, um Wasser zu .holen, und an Land traf ich acht bis zehn Männer, die sogleich auf uns zukamen und uns ganz in der Nähe ihre Ansiedlung zeigten, wohin ich meine Leute nach Wasser schickte, einen Teil von ihnen bewaffnet, die anderen schleppten die Fässer, und so holten sie es; weil es ein ziemlich weiter Weg war, mußte ich etwa zwei Stunden auf ihre Rückkehr warten. In dieser Zeit ging ich unter den Bäumen umher, denn das war der allerschönste Anblick von der Welt; das Grün war so reich und üppig, wie es im Monat Mai in Andalusien ist, und die Bäume unterschieden sich in der Form so sehr von den unseren Wie der Tag von der Nacht; und ebenso die Früchte, auch die Gräser und die Steine und alles übrige. Wenn manche Bäume auch von der gleichen Art waren wie einige, die es in Kastilien gibt, so bestand dennoch ein sehr großer Unterschied zu unseren, und die anderen fremdartigen Bäume waren so zahlreich, daß sie keiner mit Namen zu nennen noch sie mit irgendwelchen aus Kastilien in Verbindung zu bringen vermöchte. Die Leute waren alle wie die zuvor erwähnten von der gleichen Beschaffenheit, ebenso nackt und von der gleichen Größe, und sie gaben das, was sie hatten, für alle Dinge hin, die man ihnen bot; ich bemerkte, daß ein paar Schiffsjungen von unseren Karavellen Wurfspieße für ein paar Stücke von zerbrochenen Suppennäpfen und Glasscherben eintauschten, und die anderen, die Wasser geholt hatten, sagten mir, daß sie in ihren Häusern gewesen seien, und drinnen sei es sehr reinlich und gut gefegt, ihre Betten und Decken sähen aus wie Netze von Baumwolle;29 die Häuser sehen Zelten ähnlich, und sie haben sehr hohe, gute Schornsteine;30 aber ich habe unter den vielen Ansiedlungen, die ich sah, keine entdeckt, die mehr als zwölf bis fünfzehn Häuser gehabt hätte. Sie sahen hier, daß die verheirateten Frauen Baumwollhosen trugen, die Mädchen aber nicht, außer einigen, die schon das achtzehnte Jahr erreicht hatten. Es gab Schäferhunde und kleine weiße Spürhunde, und sie sahen einen Mann, der ein Goldstück an der Nase trug, das die Größe eines halben Castellano haben mochte und auf dem man Buchstaben erkennen konnte: Ich schalt sie, weil sie es nicht eingetauscht und so viel gegeben hatten, wie er forderte, so daß man sehen könnte, was es war und woher die Münze stammte; sie antworteten aber, daß sie sie niemals einzutauschen gewagt hätten. Als das Wasser geholt war, kehrte ich aufs Schiff zurück und segelte auf Nordwestkurs, so lange, bis ich den ganzen Teil der Insel bis zu der gegenüberliegenden Küste entdeckte, die in Ostwestrichtung verläuft, und dann behaupteten alle Indios wieder, diese Insel sei kleiner als die Insel Samoet, und es sei besser, umzukehren, wenn man schneller zu ihr gelangen wolle. Der Wind flaute bald ab und begann von Westnordwest her zu wehen, also unserer Fahrtrichtung entgegengesetzt, und deshalb drehte ich und bin die ganze vorige Nacht nach Ostsüdost und manchmal direkt nach Osten und hin und wieder nach Südosten gesegelt; dies tat ich, um mich vom Land zu entfernen, weil der Himmel dicht von Wolken verhängt und das Wetter sehr schwül war:. Der Wind ließ bald nach, erlaubte mir aber nicht, das Land zu erreichen und vor Anker zu gehen. Es regnete in dieser Nacht sehr stark, kurz nach Mitternacht begann es und dauerte fast bis Tagesanbruch, und es ist noch immer bewölkt, als ob es wieder regnen will; wir befinden uns an der Südostspitze der Insel, wo ich vor Anker zu gehen hoffe, bis es aufklart und ich die anderen Inseln sehen kann, nach denen ich fahren muß; jeden Tag, seit ich in diesem Indien bin, hat es mehr oder weniger stark geregnet. Eure Hoheiten können mir glauben, daß dieses Land das beste und fruchtbarste und mildeste und flachste und schönste ist, das es auf der Welt gibt.«
Donnerstag, 18. Oktober »Nachdem es aufgeklart hatte, fuhr ich mit dem Wind, und ich segelte, solange ich konnte, um die Insel herum, und als ich nicht mehr weitersegeln konnte, ankerte ich; aber ich ging nicht an Land, und beim Morgengrauen hißte ich wieder die Segel.«
Freitag, 19. Oktober »Beim Morgengrauen lichtete ich die Anker und schickte die Karavelle Pinta nach Osten und Südosten, die Karavelle Niña nach Südsüdosten, und ich mit meinem Schiff fuhr nach Südosten; ich hätte angeordnet, daß sie bis Mittag in dieser Richtung fahren sollten, und danach sollten beide die Fahrtrichtung ändern und sich wieder bei mir einfinden; wir waren keine drei Stunden gefahren, als wir im Osten eine Insel auftauchen sahen, auf die wir schnell zusteuerten, und wir erreichten sie mit allen drei Schiffen vor Mittag an der Nordspitze, der eine kleine Felseninsel und nördlich davon ein Felsenriff vorgelagert sind, eine weitere kleine Felseninsel liegt zwischen der Felseninsel und der großen Insel; letztere nannten die Männer von San Salvador, die ich mitführe, die Insel Saomete, ich gab ihr den Namen Isabela31. Wir hatten Nordwind, und die erwähnte Felseninsel lag in Richtung der Insel Fernandina, von wo ich in Ostwestrichtung aufgebrochen war; von der Felseninsel aus verlief die Küste in westlicher Richtung und endete nach zwölf Meilen bei einem Kap, das ich das Cabo hermoso [Schönes Kap] nannte, es liegt nach Westen zu; es ist wirklich schön, rund
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und das Wasser davor sehr tief, ohne Sandbänke und Felsklippen in seiner Umgebung; am Anfang ist das Ufer flach und felsig, aber weiter oben ist Sandstrand, wie fast überall an der Küste dieser Insel; dort ging ich in der Nacht vom Freitag auf den Samstag bis zum Morgen vor Anker. Die ganze Küste hier und auch das, was ich von der Inselküste sonst gesehen habe, besteht fast überall aus Sandstrand, und es ist überhaupt die schönste Insel, die ich gesehen habe; denn wenn die anderen sehr schön sind, übertrifft diese sie hoch: Sie ist reich an Bäumen, die sehr grün und sehr hoch sind; und das Land ist hier höher als auf den anderen bisher besuchten Inseln, sie hat eine Anhöhe, die man zwar nicht als Berg bezeichnen kann, die aber alles übrige noch schöner macht; weiter jenseits, in der Mitte der Insel, scheint es auch viele Quellen und Wasserläufe zu geben; nordöstlich von hier bildet sie ein großes Vorgebirge, und es gibt dort viele Baumgruppen, Bäume, die dicht beieinander stehen und sehr hoch sind. Ich wollte in seiner Nähe Anker werfen, um an Land zu gehen und den schönen Anblick zu genießen; aber das Wasser war flach, und ich konnte nur weit vor der Küste vor Anker gehen, zudem war der Wind sehr günstig, um nach dem Kap zu fahren, wo ich jetzt geankert habe und das ich Cabo hermoso getauft hatte, weil es wirklich sehr schön ist; deshalb landete ich nicht an jenem Vorgebirge und außerdem, weil das Kap dort drüben so grün und schön aussah wie alle anderen Dinge und alles Land auf diesen Inseln, so daß ich nicht weiß, wohin ich mich zuerst wenden soll, und meine Augen nicht müde werden, so schöne grüne Landschaften zu sehen, die völlig anders sind als unsere; ich glaube auch, daß es hier viele Pflanzen und Bäume gibt, die in Spanien sehr geschätzt sind, weil man Farbstoffe und heilkräftige Spezereien daraus gewinnen kann, aber ich kenne sie nicht, was ich sehr bedaure. Als ich an diesem Kap anlangte, drang der sanfte und liebliche Duft der Blumen und Bäume vom Land herüber, und er war unsagbar schön und mild. Morgen früh, bevor ich von hier abfahre, will ich an Land gehen, um zu sehen, was hier auf dem Kap zu finden ist; eine Ansiedlung gibt es hier nicht, nur weiter im Innern der Insel, wo – so versichern einige der Männer, die ich mit mir führe,– der König wohnt, der viel Gold besitzen soll; morgen werde ich so lange weiterfahren, bis ich die besagte Ortschaft finde und diesen König sehe und mit ihm sprechen kann, der, wie mir die Leute durch Zeichen bedeuten, alle benachbarten Inseln beherrscht, und er trägt Kleider und hat viel Gold bei sich; allerdings schenke ich ihren Reden nicht viel Glauben, denn einerseits kann ich sie nicht richtig verstehen, und andererseits weiß ich, sie sind so arm an Gold, daß ihnen dieser König, so wenig Gold er auch haben mag, jedenfalls reich erscheinen muß. Dieses Kap, das ich Cabo hermoso nenne, ist offenbar eine von Saomete getrennte Insel, und es gibt noch eine weitere kleine, die dazwischen liegt: Aber ich habe nicht die Absicht, diese vielen Einzelheiten genau zu untersuchen, das könnte ich in fünfzig Jahren nicht bewerkstelligen; denn ich will so viel sehen und entdecken, wie es mir möglich ist, um, wenn es unserem Herrgott gefällt, im April zu Euren Hoheiten zurückzukehren. Allerdings will ich mich dort, wo es tatsächlich große Mengen an Gold oder Spezereien gibt, so lange aufhalten, bis ich so viel davon habe, wie ich bekommen kann; deshalb bemühe ich mich vor allem, immer weiterzufahren und zuzusehen, daß ich es finde.«
Samstag, 20. Oktober »Heute bei Sonnenaufgang fuhr ich von der Stelle ab, wo ich mit dem Schiff vor Anker gegangen war, also vom Südwestkap der Insel Saomete, das ich Cabo de la Laguna [Lagunenkap] getauft hatte, während ich der Insel den neuen Namen Isabela gegeben hatte, um von der Südost- und Südseite nach Nordosten und Osten zu segeln, wo sich, wie ich von den mitgeführten Leuten gehört habe, der Ort und dortselbst auch der König befinden sollte; aber ich fand den Grund überall so flach, daß ich nicht weiterfahren und dorthin segeln konnte, und ich sah, daß es ein sehr großer Umweg wäre, wenn ich den Weg nach Südwesten verfolgte, deshalb entschloß ich mich, wieder in nordnordöstlicher Richtung zurückzukehren und die Insel von der Westseite aus zu umsegeln und in Augenschein zu nehmen; aber der Wind war so schwach, daß ich nicht an der Küste entlangfahren konnte, erst in der Nacht war es möglich; es ist gefährlich, an diesen Inseln zu landen, nur bei Tag ist es leichter, wenn man deutlich sieht, wo man den Anker auswirft, weil der Grund ganz unterschiedlich ist, an der einen Stelle ist er tief und klar, an der anderen voller Untiefen, und so kreuzte ich die ganze Nacht an der gleichen Stelle. Die Karavellen gingen vor Anker, weil sie rechtzeitig auf Grund stießen, und die Männer von den Karavellen dachten, daß ich auf die Signale hin, die sie mir gewöhnlich gaben, gleichfalls ankern würde, aber ich wollte dies nicht.«
Sonntag, 21. Oktober »Um zehn Uhr kam ich bei dem Kap der kleinen Felseninsel an, ich ankerte und ebenso die Karavellen; nach dem Essen ging ich an Land, wo es keine Ansiedlung gab außer einem Haus, in dem ich niemand antraf, so daß ich annehmen muß, daß sie vor Angst die Flucht ergriffen haben, denn es war aller Hausrat darin. Ich verbot meinen Leuten, irgend etwas davon anzurühren, und ging mit den Kapitänen und etlichen
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Matrosen die Insel ansehen; wenn auch die anderen, die wir schon gesehen haben, sehr schön und grün und fruchtbar sind, so ist es diese in noch höherem Maße, und sie hat große, sehr grüne Waldungen. Hier gibt es mehrere weite Lagunen, deren Ufer und ganze Umgebung von herrlichen Bäumen bestanden sind, hier und auf der ganzen Insel sind alle Pflanzen, Bäume und das Gras leuchtend grün wie im April in Andalusien; der Gesang der kleinen Vögel ist so lieblich, daß man nie mehr von hier fortfahren möchte, und die Scharen der Papageien verdunkeln die Sonne, die großen und kleinen Vögel sind so vielfältig und verschieden von den unseren, daß es ein Wunder ist, und dann gibt es auch Bäume von tausenderlei Art, und ein jeder trägt andere Frucht, und alle duften so wunderbar, daß ich tief betrübt bin, sie nicht zu kennen, denn ich bin fest davon überzeugt, daß sie alle von großem Wert sind, und ich bringe einiges davon als Muster mit und ebenfalls etwas von den Gräsern. Als wir so um eine dieser Lagunen herumgingen, sah ich eine Schlange32, wir erlegten sie, und ich bringe ihre Haut Euren Hoheiten mit. Als sie uns bemerkte, stürzte sie sich in die Lagune, aber wir folgten ihr ins Wasser, denn es war nicht sehr tief, bis wir sie mit Lanzen zur Strecke brachten; sie ist sieben Spannen lang; ich glaube, daß es in diesem See viele ähnliche Schlangen gibt. Ich sah hier Aloe, und ich habe beschlossen, morgen zehn Zentner davon aufs Schiff bringen zu lassen, denn man hat mir versichert, daß sie sehr wertvoll ist. Als wir auf die Suche nach gutem Wasser gingen, fanden wir hier ganz in der Nähe ein Dorf, eine halbe Meile von meinem Ankerplatz entfernt; und die Leute von dort flohen alle, als sie uns hörten, sie verließen die Häuser und versteckten ihre Kleidung und alles, was sie hatten, im Wald; ich verbot meinen Leuten, etwas mitzunehmen, und wenn es den Wert einer Nadel hätte. Dann kamen ein paar von ihren Männern auf uns zu, und einer kam ganz nahe heran: Ich gab ihm ein paar Glöckchen und einige Glasperlen, und er war höchst zufrieden und froh darüber; damit die Freundschaft noch größer würde und um sie zu erproben, ließ ich ihn um Wasser bitten, und nachdem ich aufs Schiff gestiegen war, kamen sie sofort mit ihren vollen Kalebassen an den Strand, und sie ergötzten sich sehr daran, daß sie uns Wasser bringen durften, und ich ließ ihnen noch eine kleine Schnur mit Glasperlen geben, und sie sagten, daß sie am nächsten Morgen wieder herkommen würden. Ich wollte hier alle Gefäße, die wir auf den Schiffen haben, mit Wasser füllen lassen, da ich, wenn es die Zeit mir erlaubt, losfahren und diese Insel umsegeln möchte, bis ich mit diesem König sprechen kann, um herauszufinden, ob ich von ihm das Gold bekommen kann, das er, wie man mir sagt, bei sich hat, und dann möchte ich nach einer anderen sehr großen Insel aufbrechen, von der ich glaube, daß es Cipango ist, denn so besagen es die Zeichen, die mir die mitgeführten Indios geben; die Insel wird von ihnen selbst Colba33 genannt, und auf ihr soll es, wie sie sagen, viele sehr große Schiffe und Seeleute geben; und von dieser Insel nach einer anderen, die sie Bosio34 nennen und die auch sehr groß sein soll; und die anderen, die auf dem Weg dorthin liegen, werde ich im Vorüberfahren sehen, und je nachdem, ob ich einen Ertrag an Gold oder Spezereien verbuchen kann, werde ich entscheiden, was ich weiterhin tun soll. Im übrigen habe ich aber den Plan, bis zum Festland, nach der Stadt Guisay, zu fahren und dem Großen Khan die Briefe Eurer Hoheiten zu übergeben und Antwort von ihm zu erbitten und mit ihr zurückzukehren.«
Montag, 22. Oktober »Die ganze Nacht und den heutigen Tag habe ich hier gewartet, ob der König von hier oder andere Personen uns Gold oder sonstige Dinge bringen würden, und es kamen viele von diesen Leuten her, die den anderen von den vorher besuchten Inseln ähnlich sind, ebenso nackt und einige von ihnen ebenso weiß bemalt, einige rot bemalt, einige schwarz und so auf mannigfache Weise. Sie brachten Wurfspieße und ein paar Knäuel Baumwolle zum Tausch mit, die sie hier an Matrosen gegen Glasstücke, zerbrochene Tassen und Stücke von tönernen Suppennäpfen abgaben. Einige von ihnen hatten Goldstücke an der Nase befestigt, die sie bereitwillig für eine winzige Schelle, wie sie Sperbern am Fuß befestigt wird, und für Glasperlen hingaben, aber es war so wenig, daß es kaum der Rede wert ist; in der Tat, sowenig wir ihnen auch gaben, sie hielten unser Kommen nichtsdestoweniger für ein großes Wunder, und sie glaubten, wir seien vom Himmel gekommen. Für die Schiffe entnahmen wir Wasser aus einer Lagune, die hier in der Nähe des Cabo del Isleo [Kap der kleinen Insel] liegt, denn so hatte ich es genannt; in dieser Lagune erlegte Martín Alonso Pinzón, der Kapitän der Pinta, eine weitere Schlange, die genauso wie die andere von gestern sieben Spannen lang war; außerdem ließ ich von hier so viel Aloe an Deck holen, wie wir nur finden konnten.«
Dienstag, 23. Oktober »Heute wollte ich nach der Insel Cuba aufbrechen, die nach den Zeichen, die uns diese Leute von ihrer Größe und ihrem Reichtum geben, Cipango sein muß, und ich werde mich nicht länger hier aufhalten und die Insel auch nicht umsegeln und mich nach dem Ort begeben, um mit diesem König oder Herrn zu sprechen, wie ich es beschlossen hatte, denn ich will hier nicht unnötig verweilen, da ich sehe, daß es hier
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keine Goldmine gibt; zum Umsegeln dieser Insel benötigt man viele verschiedene Winde, und der Wind ist nicht so günstig, wie wir es uns wünschten. Und dann muß man auch dahin fahren, wo lebhafter Handelsverkehr herrscht, deshalb meine ich, daß es nicht richtig ist, sich länger aufzuhalten, sondern vielmehr, den Weg fortzusetzen und viele Landstriche zu erkunden, bis wir auf ein sehr vorteilhaftes Landgebiet stoßen, obschon ich der Ansicht bin, daß diese Insel hier sehr reich an Gewürzen ist; doch ich kenne sie nicht, was mir unendlich leid tut, und ich sehe tausenderlei Arten von Bäumen, die alle ihre besonderen Früchte haben und jetzt grün sind wie die Bäume in Spanien in den Monaten Mai und Juni, und tausenderlei Gräser und ebenso Blumen, aber nichts davon kannten wir außer der Aloe, von der ich auch heute wieder eine Menge aufs Schiff bringen ließ, um sie Euren Hoheiten zu bringen. Aber ich habe mich nicht nach Cuba eingeschifft und tue es auch nicht, weil kein Wind geht, ja.sogar völlige Windstille herrscht und starker Regen niedergeht; und es hat auch gestern viel geregnet, ohne daß es kalt gewesen wäre, ganz im Gegenteil, am Tag ist es warm, und die Nächte sind lau, wie man es im Mai in Andalusien erlebt.«
Mittwoch, 24. Oktober »In dieser Nacht lichtete ich um Mitternacht die Anker und fuhr ab vom Cabo del Isleo, das im nördlichen Teil der Insel Isabela liegt, wo ich haltgemacht hatte; ich wollte nach der Insel Cuba segeln, von der mir die Leute gesagt hatten, daß sie sehr groß sei und viel Handelsverkehr hätte, und es gäbe dort Gold und Spezereien und große Schiffe und Kaufleute; und sie zeigten mir, daß ich dahin in westsüdwestlicher Richtung fahren müsse, und so tue ich es; denn wenn es so ist, wie mir die Indios aller dieser Inseln und jene, die ich auf den Schiffen mit mir führe, durch Zeichen zu verstehen geben, weil ich ihre Sprache nicht verstehe, dann muß es wohl die Insel Cipango sein, von der man sich wunderbare Dinge erzählt; auf den Erdgloben, die ich gesehen habe, und auf den Weltkarten liegt sie in dieser Gegend. So segelte ich bis zum Tagesanbruch in westsüdwestlicher Richtung, und als es hell wurde, wurde der Wind schwächer, und es regnete, und so war es auch die ganze Nacht über gewesen; ich fuhr also mit sehr wenig Wind, bis Mittag vorüber war, dann kam wieder leichter Wind auf, und ich fuhr mit allen Segeln, die mein Schiff hatte, dem Großsegel, den beiden Leesegeln, dem Focksegel, dem Bugsprietsegel, dem Besansegel, dem Marssegel, und das Boot führte ich am Heck mit; so setzte ich den Weg fort, bis die Nacht hereinbrach, und da lag das Cabo Verde [Grünes Kap] der Fernandina, das zur Südküste des Westteils der Insel gehört, von mir aus im Nordwesten, und es war sieben Meilen von uns entfernt. Der Wind war viel stärker geworden, und ich wußte nicht, wie weit es noch bis zu dieser Insel Cuba war, ich wollte sie nicht bei Nacht anlaufen, denn das Wasser vor allen diesen Inseln ist sehr tief, so daß man ringsherum erst auf Grund stößt, wenn man zwei Kanonenschuß weit an die Küste herangekommen ist; es ist auch sehr unterschiedlich, einmal trifft man auf Felsgrund, ein andermal auf Sandboden, so daß man niemals sicher ankern kann, wenn man den Grund nicht mit eigenen Augen sieht; deshalb entschloß ich mich, alle Segel zu streichen und nur mit dem Focksegel zu fahren; nach einer Weile schwoll der Wind stark an, und wir kamen rasch vorwärts, was mir gar nicht behagte; der Himmel bezog sich mit dichten Wolken, und es regnete: Ich befahl, das Focksegel einzuholen, und so fuhren wir in dieser Nacht keine zwei Meilen etc.«
Donnerstag, 25. Oktober Er segelte vom Sonnenaufgang an nach Westsüdwest, und um die neunte Stunde mochten sie fünf Meilen zurückgelegt haben. Danach ging er auf Westkurs: Sie fuhren acht Seemeilen die Stunde bis ein Uhr nachmittags, und von da an weiter bis drei Uhr. Als sie vierundvierzig Seemeilen zurückgelegt haben mochten, sahen sie Land, und es waren sieben oder acht Inseln,35 die alle in Nordsüdrichtung ausgestreckt lagen. Sie waren noch fünf Meilen davon entfernt etc.
Freitag, 26. Oktober Er befand sich südlich von den erwähnten Inseln, sie waren alle fünf oder sechs Meilen entfernt, und er ging dort vor Anker. Die Indios, die er mitführte, sagten, von ihnen bis nach Cuba seien es anderthalb Tagereisen mit ihren Booten; diese Schiffchen bestehen aus einem einzigen Baumstamm, an dem kein Segel angebracht wird. Es sind die Canoas [Kanus]. Von dort brach er nach Cuba auf, weil er aufgrund der Zeichen, die ihm die Indios von der Größe der Insel und dem dort vorhandenen Gold und den Perlen machten, glaubte, daß es sich dabei um die Insel Cipango handeln müsse.
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Samstag, 27. Oktober Er lichtete die Anker, als die Sonne über jenen Inseln aufgestiegen war, die er die Sandinseln nannte wegen der geringen Wassertiefe auf ihrer Südseite, die sich bis sechs Meilen weit ins Meer nicht veränderte. Er fuhr acht Seemeilen die Stunde bis ein Uhr nachmittags nach Südsüdwest, da mochten sie vierzig Seemeilen zurückgelegt haben, und bis zur Nacht fuhren sie auf gleichem Kurs etwa achtundzwanzig Seemeilen, und noch vor Anbruch der Nacht sahen sie Land. Für die Nacht suchten sie Schutz in einem Nothafen, denn es regnete stark. Am Sonnabend fuhren sie bis zum Sonnenuntergang siebzehn Meilen nach Südsüdwest.
Sonntag, 28. Oktober Von dort aus fuhr er auf der Suche nach der Insel Cuba in südsüdwestlicher Richtung, bis er die nächstgelegene Stelle des Landes erreicht hatte; und er fuhr einen sehr schönen Fluß hinauf, der keinerlei Gefahr von Untiefen und anderen Hindernissen bot, und an dem ganzen Küstenstück, das er dort sah, war das Wasser sehr tief und klar bis dicht an das Land heran: Die Mündung des Flusses war zwölf Faden tief und sehr breit, also gut geeignet zum Kreuzen; er ging im Innern vor Anker, einen Kanonenschuß weit von der Einfahrt, sagt er. Der Admiral bemerkt, niemals habe er so etwas Schönes gesehen; das ganze Flußufer war überall mit Bäumen bestanden, die schön und grün sind und anders als unsere, jeder hat Blüten und Früchte nach seiner besonderen Art. Viele große und kleine Vögel ließen ihren lieblichen Gesang ertönen. Es gab eine große Menge Palmen, die anders aussehen als die von Guinea oder die unseren: Sie sind von mittlerer Größe und die Stämme unten ohne jene Faserhülle, die Blätter sind sehr groß, sie decken dort die Hausdächer, damit; das Gelände ist sehr flach. Der Admiral stieg ins Boot und fuhr an Land, er entdeckte zwei Häuser, und er vermutete, daß sie Fischern gehörten, die Angst bekommen und die Flucht ergriffen hatten; in einem der Häuser sah er einen Hund, der niemals bellte, in beiden Häusern fand er Netze aus Palmfasern und Stricke, Angelhaken aus Horn, knöcherne Harpunen und andere Fischereigeräte und viele Feuerstellen, so daß er annahm, in jedem der Häuser müßten viele Leute wohnen: Er verbot, irgend etwas von allen diesen Dingen anzurühren, und so wurde es gehalten. Das Gras war hoch wie im April und Mai in Andalusien. Er fand eine Menge Portulak und Beermelde. Dann kehrte er zurück ins Boot und fuhr den Fluß ein gutes Stück aufwärts, und er sagt, daß es ein großes Vergnügen gewesen sei, das Grün und die vielen Bäume zu sehen, und auch an den Vögeln habe er sich nicht satt sehen können. Er versichert, jene Insel sei die schönste, die Menschenaugen jemals erblickt hätten, voller ausgezeichneter Häfen und tiefer Flüsse, und das Meer schien sich hier niemals im Zorn zu erheben, denn das Ufergras reichte fast bis ans Wasser, was nicht der Fall zu sein pflegt, wenn das Meer häufig von Stürmen heimgesucht wird: Bis jetzt hatte er bei allen besuchten Inseln nichts davon gemerkt, daß das Meer stürmisch sei. Die Insel, sagt er, hat viele sehr schöne Gebirgszüge, wenn sie auch nicht sehr ausgedehnt sind, dafür aber sind sie hoch, und auch das ganze übrige Terrain der Insel ist hochgelegen in der Art Siziliens: Es ist überreich an Gewässern, wie er von den mitgeführten Indios erfahren konnte, die er auf der Insel Guanahani aufs Schiff genommen hatte; sie gaben ihm durch Zeichen zu verstehen, daß es dort zehn große Flüsse gibt und daß sie mit ihren Kanus länger als zwanzig Tage brauchen, um die Insel zu umfahren. Als er mit den Schiffen ans Land heranfuhr, tauchten zwei Einbäume oder Kanus auf, und als die Männer sahen, daß die Seeleute ins Boot stiegen und ruderten, um zu sehen, wie tief der Fluß war, und um zu erfahren, wo sie vor Anker gehen konnten, flohen sie in ihren Kanus. Die Indios sagten, auf dieser Insel gäbe es Goldgruben und Perlen, und der Admiral sah eine Stelle, die zur Bildung von Perlen geeignet war, und auch Muscheln, die ein Anzeichen dafür sind, und der Admiral glaubte zu verstehen, daß dorthin Schiffe des Großen Khans kämen, und zwar sehr große Schiffe, und daß von dort bis zum Festland zehn Tagereisen seien. Der Admiral nannte jenen Fluß und Hafen San Salvador36.
Montag, 29. Oktober Er lichtete die Anker, verließ diesen Hafen und segelte nach Westen, um, wie er sagt, nach der Stadt zu fahren, wo, wie ihm die Indios zu bedeuten schienen, der König sich aufhalten sollte. Ein Vorgebirge der Insel37 sprang sechs Meilen weiter nordwestlich ins Meer vor, und ein weiteres Vorgebirge38 stellte sich ihm nach weiteren zehn Meilen, nach Osten zu verlaufend, in den Weg: Er fuhr eine weitere Meile und erblickte einen Fluß, dessen Mündung weniger breit war und dem er den Namen Río de la Luna [Mondfluß]39 gab; er fuhr bis zur Vesperstunde. Er sah einen weiteren Fluß, der sehr viel größer war als die vorigen, und so gaben
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es ihm auch die Indios durch Zeichen zu verstehen; ganz in der Nähe sah er mehrere größere Häusergruppen: Er nannte den Fluß Río de Mares [Meeresfluß]40. Er schickte zwei Boote nach einer der Ansiedlungen, um Nachricht einzuholen, und in einem Boot ließ er auch einen der aufgenommenen Indios mitfahren, weil man sie schon ein wenig verstand und den Eindruck hatte, daß sie mit den Christen zufrieden waren; alle Männer und Frauen und Kinder flohen und ließen die Häuser mit allem, was sie besaßen, im Stich; der Admiral verbot, etwas davon anzurühren. Er sagt, die Häuser seien schöner gewesen als jene, die man bisher gesehen habe, und er glaube, sie würden um so besser werden, je näher man dem Festland käme. Sie waren ziemlich groß, und sie ähnelten den Zelten eines Feldlagers, es gab keine Einteilung in Gassen, sondern das eine stand hier, das andere dort; innen waren sie sehr gut gefegt und reinlich und der Hausrat sehr zierlich. Alle Häuser sind aus Palmzweigen gemacht und sehr schön. Sie sahen eine ganze Menge Frauenfiguren und viele Köpfe, die Masken ähnelten, alles gut gearbeitet. Ich weiß nicht, ob sie dies aus Schönheitssinn haben oder ob es der Anbetung dient. Es gab Hunde, die niemals bellten; sie sahen kleine wilde Vögel, die man gezähmt hatte und in den Häusern hielt: Es gab wunderschöne Netze, und Angeln und Geräte zum Fischen; sie rührten nichts davon an. Er meinte, alle diese Leute von der Küste müßten Fischer sein, die den gefangenen Fisch ins Innere der Insel brachten, denn die Insel sei sehr groß, und so schön sei sie, daß er nicht müde werde, ihr Lob zu singen. Er sagt, daß er Bäume mit Früchten von ganz wunderbarem Geschmack gefunden habe; und es müsse dort Rinder geben und anderes Vieh, denn er sah Tierschädel, die von Rindern zu stammen schienen. Große und kleine Vögel und die ganze Nacht Grillengesang, woran sich alle ergötzten: In den Nächten war die Luft wohlriechend und sanft, weder kalt noch warm. Aber auf der Fahrt von den anderen Inseln zu dieser, sagt er, sei es sehr heiß gewesen, hier aber nicht, denn hier sei es lau wie im Monat Mai; er führt die Wärme der anderen Inseln auf den Umstand zurück, daß sie sehr flach sind, und auch auf den Wind, den sie bis hierher gehabt hatten: Er kam von Osten und war folglich warm. Das Wasser der Flüsse hier schmeckte salzig: Sie wußten nicht, woher die Indios das Wasser holten, denn in ihren Häusern hatten sie Süßwasser. In dem Fluß konnten die Schiffe beim Ein- und Ausfahren wenden,41 und er bietet sehr verläßliche Kennzeichen und Merkmale; er weist an der Mündung sieben oder acht Faden Tiefe auf und innen fünf. Er sagt, dieses ganze Meer müsse, wie ihm scheine, immer sanft sein wie der Fluß bei Sevilla und das Wasser förmlich wie geschaffen, um Perlen hervorzubringen. Er fand große Schnecken, die aber geschmacklos waren und ganz anders waren als die spanischen. Er bezeichnet die Lage des Flusses und des Hafens42, von dem er weiter oben sprach und den er San Salvador getauft hatte, von dem man die schönen hohen Berge sah, wie die Peña de los Enamorados [Felsen der Verliebten]; einer von ihnen trägt auf seiner Spitze noch einen weiteren kleinen Berg wie eine schöne Moschee. Der andere Fluß und der Hafen43, in dem er sich jetzt befand, hat auf seiner Südostseite zwei einander gleichende runde Berge und auf der Westnordwestseite ein schönes flaches Kap, das ins Meer vorspringt.
Dienstag, 30. Oktober Er verließ den Río de Mares und fuhr in nordwestlicher Richtung; nachdem er fünfzehn Meilen gefahren war, sah er ein Kap, das ganz mit Palmen bestanden war, und taufte es Cabo de Palmas [Palmenkap]44. Die Indios, die auf der Karavelle Pinta mitfuhren, bedeuteten, hinter dem Kap sei ein Fluß45, und von dem Fluß seien es vier Tagereisen46 bis nach Cuba, und der Kapitän der Pinta sagte, er habe den Eindruck, daß es sich bei diesem Cuba um eine Stadt handeln müsse und daß dieses Land hinter der Küste ein großer Kontinent sei, der sich sehr weit nach Norden hinzieht, und daß der König dieses Landes Krieg mit dem Großen Khan führe, welchen sie Cami nannten, aber sein Land oder seine Stadt Fava, und sie hätten noch viele andere Namen gesagt. Der Admiral beschloß, bis zu dem Fluß zu fahren, und dem König des Landes47 ein Geschenk zu senden und ihm den Brief der Könige zu schicken; für diese Aufgabe hatte er einen Seemann, der schon in Guinea das gleiche getan hatte, und ein paar Indios aus Guanahani, die mit ihm gehen wollten, auf daß man sie danach in ihre Heimat zurückkehren ließe. Nach Meinung des Admirals befand er sich zweiundvierzig Grad nördlich des Äquators48, wenn die Handschrift, aus der ich übertragen habe, nicht an dieser Stelle entstellt ist; und er sagt, er müsse sich bemühen, zu dem Großen Khan zu fahren, und er vermute, daß sich dort auch die Stadt Cathay49 befinde, die dem Großen Khan gehört und die, wie er meint, sehr groß ist, denn so hatte man es ihm vor seiner Abfahrt von Spanien versichert. Die ganze Küste, an der er jetzt entlangfahre, sei flach und schön und das Meer tief.
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Mittwoch, 31. Oktober Die ganze Nacht vom Dienstag zum Mittwoch kreuzte er umher, und dann sah er einen Fluß, in den er nicht hineinfahren konnte, weil seine Mündung zu flach war, aber die Indios dachten, die Schiffe könnten hineinfahren wie ihre Kanus; als er seinen Weg fortsetzte, stieß er auf ein Kap, das sehr weit ins Meer vorsprang und das von Untiefen umgeben war,50 und er sah ein Hafenbecken oder eine Bucht, in der kleinere Schiffe Platz finden konnten; er konnte das Kap nicht passieren, weil der Wind ganz nach Norden umgeschlagen war51 und die Küste ständig in nordnordwestlicher und südöstlicher Richtung verlief, und ein weiteres Kap, das er später sah, schob sich noch weiter ins Meer vor. Deshalb und weil sich am Himmel starker Wind ankündigte, mußte er zum Río de Mares zurückkehren.
Donnerstag, 1. November Als die Sonne aufging, schickte der Admiral die Boote an Land zu den Häusern, die sich dort befanden, und man gewahrte, daß alle Leute geflohen waren; nach einer ganzen Weile erschien ein einzelner Mann; der Admiral befahl, ihn ungeschoren zu lassen, und die Boote kehrten zum Schiff zurück; nach dem Mittagessen schickte er wieder einen der mitgeführten Indios an Land, der ihnen von weitem zurief, sie brauchten keine Angst zu haben, denn es seien gute Leute und sie täten niemand etwas Böses und wären auch nicht vom Großen Khan, vielmehr hätten sie auf vielen Inseln, die sie besucht hätten, etwas von dem Ihrigen gegeben; der Indio sprang ins Wasser und schwamm an Land, zwei von jenen faßten ihn an den Armen und führten ihn in ein Haus, wo sie von ihm Erkundigungen einholten. Und da sie sich überzeugten, daß ihnen nichts Schlimmes geschehen würde, verloren sie ihre Furcht, und dann kamen zu den Schiffen bald mehr als sechzehn Einbäume oder Kanus mit gesponnener Baumwolle und anderen Dingen, die sie besaßen, und der Admiral befahl, nichts davon zu nehmen, damit sie begriffen, daß der Admiral lediglich Gold suchte, welches sie nucay nennen; und so kamen sie den ganzen Tag in ihren Booten vom Land zu den Schiffen und fuhren von den Christen ohne jede Gefahr an Land zurück. Der Admiral sah bei keinem von ihnen Gold, aber er sagt, er habe an einem von ihnen ein Stück geschmiedeten Silbers gesehen, das an der Nase befestigt war; dies schien ihm darauf hinzuweisen, daß es in diesem Lande Silber gab. Durch Gesten bedeuteten sie ihm, daß in weniger als drei Tagen zahlreiche Händler aus dem Landesinnern kommen würden, um jene Dinge zu kaufen, die die Christen mitgebracht hätten, und sie würden Nachricht von dem König dieses Landes bringen, der ihren Zeichen nach vier Tagereisen von hier entfernt wohnen mußte; denn sie hatten eine Menge Leute nach allen Seiten ausgeschickt, um sie von der Ankunft des Admirals zu unterrichten. Diese Leute, sagt der Admiral, sind von gleicher Beschaffenheit und Sitte wie die anderen, die wir bisher getroffen haben, und auch bei ihnen ist nicht zu erkennen, daß sie irgendeiner Sekte anhingen, denn bis heute habe ich jene, die ich mit mir führe, kein einziges Gebet sprechen sehen, ja, sie sagen sogar das Salve und das Ave-Maria auf, dabei erheben sie die Hände zum Himmel, wie man es ihnen zeigt, und sie schlagen das Kreuz. Alle haben dieselbe Sprache, und alle sind einander freundlich gesinnt; ich glaube, all dies sind Inseln, die sich im Kriegszustand mit dem Großen Khan befinden, den sie Cavila nennen und sein Land Bafan; und auch hier gehen sie nackt wie auf den anderen Inseln. Das sind die Worte des Admirals. Der Fluß, sagt er, ist sehr tief, und in der Mündung können die Schiffe direkt bis ans Land heranfahren. Das Süßwasser reicht nur bis eine Meile an die Mündung heran, und es schmeckt sehr gut. Es ist sicher, sagt der Admiral, daß dies hier Festland ist und daß ich mich vor Zayto und Guinsay befinde, etwa hundert Meilen52 von dem einen und dem andern entfernt; ein überzeugender Beweis dafür ist, daß das Meer hier andere Strömungen aufweist als bisher, und gestern, als ich nach Nordwesten fuhr, habe ich bemerkt, daß es kalt war.
Freitag, 2. November Der Admiral beschloß, zwei Spanier auszusenden: Der eine hieß Rodrigo de Jerez und stammte aus Ayamonte, der andere war ein Luis de Torres, der beim Statthalter von Murcia gedient hatte, es war ein Jude, der sich zum Christentum bekehrt hatte, und er sagt, jener verstünde Hebräisch und Chaldäisch und sogar ein wenig Arabisch, und diesen beiden gab er zwei Indios mit, den einen von denen, die er von Guanahani mit sich führte, und den anderen von den Ansiedlungen, die am Ufer dieses Flusses lagen. Er gab ihnen Schnüre mit Glasperlen, damit sie etwas zu essen kaufen könnten, wenn es ihnen daran mangelte, und sie sollten in sechs Tagen zurück sein. Er gab ihnen Muster verschiedener Gewürze mit, denn sie sollten sehen, ob sie eines davon fänden. Er unterwies sie, wie sie nach dem König dieses Landes fragen und was sie ihm
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von Seiten der kastilischen Könige sagen sollten: Daß diese den Admiral ausgesandt hätten, damit er ihm ihre Briefe und ein Geschenk übergäbe und auch, damit er etwas über seinen Staat in Erfahrung brächte, Freundschaft mit ihm schlösse und ihn begünstigte in allen Dingen, die er von ihnen benötigte, etc. Und sie sollten auch zusehen, etwas über bestimmte Länder und Häfen und Flüsse in Erfahrung zu bringen, von denen der Admiral gehört hatte, und wie weit man von dort entfernt sei etc. In dieser Nacht berechnete der Admiral mit einem Quadranten die Höhe des Polarsterns, und er fand, daß sie sich zweiundvierzig Grad53 nördlich vom Äquator befanden, und er sagt, daß er nach seiner Rechnung von der Insel Hierro aus tausendeinhundertzweiundvierzig Meilen zurückgelegt habe,54 und noch einmal bekräftigte er, daß dies hier, wo sie sich aufhielten, Festland sei.
Samstag, 3. November Am Morgen stieg der Admiral ins Boot, und weil der Fluß an seiner Mündung einen großen See bildet, der einen einzigartigen, sehr tiefen und von Steinen freien Hafen darstellt – mit einem sehr guten Strand, wo man die Schiffe aufs Land ziehen kann, um sie auszubessern, und sehr viel Holz zur Verfügung hat –, fuhr ,er diesen Fluß hinauf, bis er das Süßwasser erreichte, das heißt etwa zwei Meilen weit, und stieg auf einen kleinen Berg, um einen Teil des Landes zu überblicken, aber er konnte nichts sehen wegen der weit ausgedehnten Waldungen, die sehr frisch und wohlriechend waren; deshalb sagt er, es müsse hier zweifellos Riechkräuter geben. Außerdem sagt er, alles, was er gesehen, sei so schön gewesen, daß er nicht müde geworden, diese Herrlichkeit anzustaunen und den Gesängen der großen und kleinen Vögel zu lauschen. An diesem Tag kamen zahlreiche Einbäume oder Kanus zu den Schiffen, um Dinge aus gesponnener Baumwolle zu tauschen und Netze, in denen sie schlafen, die man Hamacas [Hängematten] nennt.
Sonntag, 4. November Gleich bei Sonnenaufgang stieg der Admiral ins Boot und fuhr ah Land, um Jagd auf die Vögel zu machen, die er tags zuvor gesehen hatte. Nach seiner Rückkehr kam Martín Alonso Pinzón mit zwei Zimtstangen zu ihm und sagte, ein Portugiese, der auf seinem Schiff mitfahre, habe einen Indio gesehen, der zwei sehr große Bündel davon bei sich gehabt hätte; aber er hätte sie nicht einzutauschen gewagt, weil der Admiral den Leuten bei Strafe verboten habe, etwas einzutauschen. Er sagte weiterhin, jener Indio hätte auch ein paar Dinge gehabt, die rotbraun gewesen seien wie Nüsse. Der Bootsmann der Pinta behauptete, er habe Zimtbäume gesehen. Da begab sich der Admiral zu der angegebenen Stelle und sah, daß es keine waren. Der Admiral zeigte einigen Indios von dort Zimt und Pfeffer – offenbar von den Mustern, die er aus Kastilien mitgebracht hatte –, und er sagt, sie hätten es erkannt, und sie gaben durch Zeichen zu verstehen, daß hier in der Nähe auf dem Weg nach Südosten viel davon zu finden sei. Da zeigte er ihnen Gold und Perlen, und ein paar alte Männer antworteten, an einem Ort, den sie Bohio55 nannten, gäbe es unendlich viel davon, und die Leute dort trügen es am Hals und an den Ohren, an den Armen und Beinen, und ebenfalls Perlen. Weiterhin verstand er aus ihren Zeichen, daß es dort große Schiffe und Handelswaren gäbe, und dies alles sei im Südosten zu finden. Er verstand auch, daß es weit von hier Leute mit einem Auge gäbe und andere mit Hundeschnauzen, welche Menschen fräßen und alle, die sie fingen, köpften und ihr Blut söffen und ihnen das Geschlecht abschnitten. Der Admiral beschloß, aufs Schiff zurückzukehren, um die beiden Männer zu erwarten, die er ausgesandt hatte, weil er aufbrechen und nach diesen Ländern suchen wollte, falls sie ihm nicht gute Kunde von dem brächten, was man ersehnte. Des weiteren sagt der Admiral: Diese Leute sind sehr sanft und schüchtern, sie laufen nackt herum, wie ich schon sagte, sind ohne Waffen und ohne Gesetz. Der Boden ist hier überall äußerst fruchtbar: Sie bauen überall Mames56 an, die Mohrrüben ähneln und im Geschmack den Kastanien ähneln, und sie haben auch verschiedene Bohnenarten, die ganz anders als die unseren sind, und viel Baumwolle, die sie nicht zu säen brauchen; sie finden diese zu jeder Jahreszeit zum Pflücken reif vor, denn ich habe offene Kapseln gesehen und daneben andere, die sich eben öffnen wollten, und dazu Blüten, alles das zu gleicher Zeit an ein und demselben Strauch, und weitere tausenderlei Sorten von Früchten, die ich hier nicht beschreiben kann, und es müssen alles höchst schätzbare Dinge sein. All das sind Worte des Admirals.
Montag, 5. November Als es tagte, befahl er, sein Schiff an Land zu ziehen und auch die anderen Schiffe, aber nicht alle
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gleichzeitig, sondern so, daß immer zwei Seite an Seite im Wasser blieben, wo sie in Sicherheit waren, wiewohl er der Meinung ist, daß diese Leute sehr vertrauenerweckend waren und daß man ohne Furcht auch alle Schiffe gleichzeitig hätte an Land ziehen können. Unterdessen kam der Bootsmann der Niña, den Admiral um Botenlohn zu bitten, denn er habe Mastix gefunden, aber er brachte kein Muster mit, weil er es verloren hatte. Der Admiral versprach ihm den Botenlohn und schickte Rodrigo Sánchez und den Proviantmeister Diego nach den Bäumen, und sie brachten ein wenig Mastixharz mit, das er behielt, um es den Königen zu übergeben, und auch etwas von dem Holz des Baumes; und er sagt, er habe erkannt, daß es sich um Mastix handele, wenn es auch nicht die richtige Zeit zum Sammeln des Harzes sei, und es gebe in dieser Gegend genügend Mastixbäume, um jährlich tausend Zentner zu gewinnen. Er sagt, er habe dort auch viel von jenem Holz gefunden, das er für Aloe halte. Er sagt weiterhin, jener Puerto de Mares57 sei einer der besten Häfen der Welt, hier sei die beste Luft, und die friedlichsten Leute wohnten hier, und da hier ein ziemlich hohes Felsenkap58 sei, könne man leicht eine Festung gründen, und wenn sich die Gegend als reich und gewinnbringend erwiese, wären die Händler sicher vor jeglichen andern Nationen; und er sagt: Unser Herr und Heiland, in dessen Hände alle Siege gegeben sind, möge alles so bereiten, wie es ihm gefällig sei. Er sagt, ein Indio habe ihm durch Zeichen zu verstehen gegeben, daß Mastix gut sei, wenn man unter Bauchweh zu leiden habe.
Dienstag, 6. November Gestern nacht, sagt der Admiral, kamen die beiden Männer zurück, die er ausgesandt hatte, um das Landesinnere in Augenschein zu nehmen, und sie sagten ihm, sie seien zwölf Meilen weit gegangen, wo es sogar einen Ort mit fünfzig Häusern58 gäbe, in denen, wie er sagt, wohl tausend Einwohner lebten, weil immer sehr viele in einem Haus zusammen wohnen. Diese Häuser sehen riesigen Zelten ähnlich. Sie berichteten, sie seien nach der Sitte jener mit großer Feierlichkeit empfangen worden: Sowohl die Männer als auch die Frauen, alle kamen, sie anzustaunen, und luden sie in die besten Häuser; sie berührten sie und küßten ihnen Hände und Füße, verwunderten sich und glaubten, daß sie vom Himmel kämen, und solches gaben sie ihnen auch zu verstehen. Sie boten ihnen zu essen an, von allem, was sie hatten. Sie sagten, daß sie bei ihrer Ankunft von den Würdigsten des Ortes am Arm zu dem vornehmsten der Häuser geleitet worden seien, und man habe sie auf Stühlen Platz nehmen lassen, und alle anderen hätten sich um sie herum auf den Erdboden gesetzt. Der Indio, der mit ihnen gegangen war, berichtete ihnen von der Lebensweise der Christen und sagte, daß sie gute Leute seien. Danach gingen die Männer hinaus, und die Frauen traten ein, sie setzten sich ebenfalls im Kreis um sie nieder, küßten ihnen die Hände und Füße und berührten sie, um zu sehen, ob sie von Fleisch und Blut waren wie sie selbst. Sie wurden von den Indios gebeten, mindestens fünf Tage bei ihnen zu verweilen. Sie wiesen den Zimt und den Pfeffer und andere Gewürze vor, die ihnen der Admiral mitgegeben hatte, und die Indios bedeuteten ihnen durch Zeichen, daß es in der Umgebung, nach Südosten zu, viel davon gäbe; sie wüßten aber nicht, ob es gleich hier bei ihnen etwas davon gäbe. Da sie sich überzeugt hatten, daß die Indios keine sichere Kenntnis von Städten in dieser Gegend hatten, waren sie wieder aufgebrochen, und wenn sie allen Leuten willfahrt hätten, die mit ihnen kommen wollten, dann wären mehr als fünfhundert Männer und Frauen mitgegangen, denn sie dachten, daß sie in den Himmel zurückkehrten. Mit ihnen kam aber ein Anführer jenes Ortes und ein Sohn von ihm und einer seiner Bediensteten: Der Admiral sprach mit ihnen, er erwies ihnen große Ehre, er nannte ihm viele Länder und Inseln, die es in diesen Breiten gab, er gedachte, sie auch zu den Königen mitzunehmen; und er sagt, er habe nicht begriffen, was jenen angefochten: Er wollte, offenbar aus Furcht und da die Nacht so dunkel war, vom Schiff gehen. Und der Admiral sagt, er habe ihn, weil das Schiff auf den Strand gezogen war und er ihn nicht verärgern wollte, gehen lassen und ihm gesagt, er solle am andern Morgen wiederkommen, doch jener sei nicht zurückgekehrt. Die beiden Christen trafen auf ihrem Weg viele Leute, die durch ihre Dörfer zogen, Frauen und Männer, die glühende Scheite und Kräuter trugen, mit denen sie die bei ihnen üblichen Räucherungen vornahmen.59 Sie fanden auf dem Weg keine Ansiedlung mit mehr als fünf Häusern, und überall erwies man ihnen die gleiche Ehrfurcht. Sie sahen viele Arten von Bäumen und Gräsern und duftenden Blumen. Sie sahen Vögel verschiedenster Art, die ganz anders aussahen als die spanischen, abgesehen von Rebhühnern und schlagenden Nachtigallen und Wildgänsen, und von letzteren gibt es mehr als genug; doch Vierfüßer sahen sie überhaupt nicht, außer Hunden, die nicht bellen können. Der Boden war ungewöhnlich fruchtbar und reich bebaut mit besagten Mames und Bohnen, die ganz anders sind als unsere, ebenso fanden sie Hirse und eine große Menge gepflückter, gesponnener und verarbeiteter Baumwolle, und in einem Haus hätten sie schon mehr als fünfhundert Arrobas davon gesehen, und man könne dort jährlich viertausend Zentner ernten. Der Admiral sagt, er hätte den Eindruck, daß sie die Baumwolle gar nicht zu säen brauchten und daß sie das ganze Jahr
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über Frucht trüge: Sie ist sehr fein und hat eine sehr große Kapsel. Alles, was diese Leute hatten, sagt er, ließen sie uns zu einem äußerst niedrigen Preis ab, und sie gaben einen großen Korb Baumwolle für ein Endchen Schnürband oder etwas anderes, was man ihnen bot. Es sind völlig arglose und wenig kriegerische Leute, sagt der Admiral: Alle Männer und Frauen gehen nackt einher, wie ihre Mütter sie zur Welt gebracht haben. Allerdings tragen die Frauen ein Stück Baumwolle, das aber allenfalls so groß ist, daß es die Scham verdeckt. Sie sind von großer Ehrerbietigkeit, und sie sind auch nicht sehr dunkel, nicht einmal so dunkel wie die Kanarier. »Ich verbürge mich, erlauchteste Fürsten« (sagt der Admiral), »wenn fromme Kirchenmänner hierherkämen, die zu ihnen in ihrer Sprache reden könnten, dann würden sie alle auf der Stelle Christen werden; und so hoffe ich auf unsern Herrn, daß Eure Hoheiten sich mit großer Eile dazu entschließen werden, um diese großen Völker in den Schoß der Kirche heimzuholen, und sie werden sie bekehren, ebenso wie sie jene niedergeworfen haben, die den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist nicht bekennen wollten; und nach ihren Erdentagen – wie wir denn alle sterblich sind – werden Eure Hoheiten ihre Reiche im friedlichsten Zustand hinterlassen, frei von Ketzerei und Missetat, und wohl empfangen werden vor dem Ewigen Schöpfer, dem es gefallen möge, Euren Hoheiten ein langes Leben und weitere große Reiche und Herrschaften zu schenken und den Willen und die Entschlossenheit, die heilige christliche Religion zu stärken, so, wie sie es bis jetzt getan haben, amen. Heute habe ich das Schiff wieder zu Wasser gelassen, und ich beeile mich, um nach Gottes Willen am Donnerstag aufzubrechen und nach Südosten zu fahren, denn ich will mich auf die Suche nach dem Gold und den Gewürzen begeben und neues Land entdecken.« Dies alles sind die Worte des Admirals, der am Donnerstag aufzubrechen gedachte; aber da Gegenwind wehte, konnte er nicht vor dem 12. November abfahren.
Montag, 12. November Er fuhr in den ersten Morgenstunden vom Hafen am Río de Mares ab, um nach einer Insel zu segeln, die, wie die mitgeführten Indios immer wieder beteuerten, Babeque60 heißt, wo die Leute das Gold angeblich unter Fackelbeleuchtung vom nächtlichen Strand auflesen und dann, wie er sagt, durch langes Hämmern Ruten daraus machen; um zu ihr zu kommen, mußten sie den Bug nach Ost-zu-Süd richten. Nachdem er acht Meilen an der Küste entlanggefahren war, fand er einen Fluß, und als er von da aus weitere vier zurückgelegt hatte, sah er einen weiteren Fluß, der ihm sehr wasserreich schien und größer als alle anderen, die er bisher gefunden hatte. Er wollte sich aber nicht aufhalten oder in einen der Flüsse hineinfahren, aus zweierlei Erwägungen: Erstens und vor allem waren Wind und Wetter günstig, um sich auf die Suche nach der erwähnten Insel Babeque zu machen, und zweitens, wenn es an dem Fluß in Meeresnähe eine volkreiche, bedeutende Stadt gegeben hätte, dann würde man sie gesehen haben, und um den Fluß hinaufzufahren, benötigte man kleine Schiffe, die seinigen waren aber zu groß; und er würde auch viel Zeit verlieren, denn solche Flüsse zu erkunden ist ein Unternehmen für sich. Diese ganze Küste war am dichtesten besiedelt in der Nähe des Flusses, den er Río del Sol [Sonnenfluß] taufte. Er sagte, daß er es am Sonntag vorher, am 11. November, für richtig gehalten habe, ein paar Leute von jenem Fluß; mitzunehmen und sie den Königen zu bringen, damit sie unsere Sprache lernten und erführen, was es auf der Erde zu sehen gibt, und damit sie bei ihrer Rückkehr Dolmetscher der Christen würden und unsere Glaubenssätze und Sitten übernähmen, »denn ich habe bemerkt und weiß genau« (sagt der Admiral), »daß diese Leute keiner Sekte angehören und keine Götzen verehren, vielmehr sind sie sehr sanft und wissen nicht, was böse ist, noch töten sie andere oder nehmen sie gefangen, sie tragen keinerlei Waffe und sind so furchtsam, daß hundert von ihnen vor einem der unseren Reißaus nehmen, selbst wenn man nur seinen Spaß mit ihnen treibt; sie neigen zur Gläubigkeit und wissen, daß Gott im Himmel ist; sie sind davon überzeugt, daß auch wir vom Himmel gekommen sind, und sehr schnell bereit zu jedem Gebet, das wir ihnen vorsprechen, sie sagen es nach und schlagen dabei das Kreuz. Und so sollten sich Eure Hoheiten entschließen, sie zu Christen zu machen, denn ich glaube, wenn man damit beginnt, wird man nach kurzer Zeit eine Vielzahl von Völkern vollends zu unserem heiligen Glauben bekehrt haben und so große Herrschaften und Reichtümer und alle diese Völker für Spanien gewinnen, denn zweifellos gibt es in diesen Gebieten riesige Mengen Goldes, und nicht ohne Grund sagen die Indios, die ich mitführe, daß es auf diesen Inseln Orte gibt, wo man das Gold aus der Erde gräbt und die Leute es am Hals, an den Ohren, den Armen und Beinen tragen, und es sind sehr dicke Ringe; es gibt auch Edelsteine und kostbare Perlen und unendlich viele Gewürze; und am Río de Mares, von dem ich heute nacht abgefahren bin, gibt es zweifellos große Mengen Mastix, und es gäbe noch mehr, wenn man die Sache besser anfinge, denn diese Bäume wachsen sehr schnell, wenn man sie anpflanzt, und es gibt viele und sehr große, und ihre Blätter ähneln denen des Terpentinbaums und auch die Frucht, abgesehen davon,
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daß sowohl die Bäume als auch die Blätter größer sind, als sie Plinius beschreibt; ich habe die gleichen schon auf der Insel Chios in der Ägäis61 gesehen, und ich habe eine ganze Reihe dieser Bäume anzapfen lassen, um zu sehen, ob sie Harz abscheiden, und um es mitzubringen; aber da es in der Zeit, als ich mich an besagtem Fluß aufhielt, dauernd geregnet hat, konnte ich keines bekommen oder doch nur sehr wenig, das ich Euren Hoheiten mitbringe; und es kann auch sein, daß es nicht die rechte Zeit zum Anzapfen ist, denn ich glaube, am günstigsten ist es in der Zeit, wenn die Bäume den Winter überstanden haben und Blüten treiben; aber hier sind die Früchte schon fast reif. Man könnte auf dieser Insel auch eine große Menge Baumwolle ernten, und ich glaube, daß sie sich sehr gut in der Gegend verkaufen lassen würde, so daß man sie gar nicht nach Spanien zu bringen brauchte, vor allem auch in den großen Städten des Großen Khans, die man zweifellos bald entdecken wird, und zahlreichen weiteren Städten anderer Fürsten, die es als ein Glück ansehen werden, Euren Hoheiten dienen zu dürfen, und man wird ihnen auch andere Dinge aus Spanien und den Ländern des Ostens liefern können, denn jene Länder liegen, von uns aus gesehen, im Westen. Desgleichen gibt es hier unendlich viel Aloe, wiewohl man daraus keinen großen Nutzen ziehen kann, aber der Mastix ist nicht hoch genug zu schätzen, denn es gibt ihn sonst nirgends außer auf der erwähnten Insel Chios, und ich glaube, man kann hier eine Ernte erzielen, die gut fünfzigtausend Dukaten wert ist, wenn ich mich recht entsinne; und hier in der Mündung des erwähnten Flusses liegt der beste Hafen, den ich überhaupt bis zum heutigen Tag gesehen habe, er ist klar, breit und tief und ohne flache Stellen, und es ist ein sehr günstig gelegener Platz62 für die Gründung einer Stadt und eines Forts, und Schiffe beliebiger Größe könnten direkt bis zu den Mauern der Stadt gelangen; das Land ist hochgelegen, hat ein sehr mildes Klima und ausgezeichnetes Wasser. Gestern kam zu meinem Schiff ein Einbaum mit sechs Jünglingen, und fünf von ihnen stiegen an Bord; ich befahl, sie festzuhalten, und bringe sie mit. Und danach schickte ich nach einem Haus, das an der Westseite des Flusses liegt, und meine Leute holten sieben teils Jüngere, teils ältere Frauen und drei Kinder aufs Schiff. Das tat ich, damit sich die Männer in Spanien besser aufführen, wenn sie Frauen aus ihrem Land haben, als wenn sie allein sind, denn es ist schon häufig vorgekommen, daß man Männer aus Guinea mitgebracht hat, um sie die portugiesische Sprache zu lehren, und hernach, wenn man wieder nach Guinea fuhr und dachte, daß man sie in ihrem Land verwenden könne, wegen der guten Gesellschaft, die man ihnen gehalten, und der Geschenke, die man ihnen gemacht hatte, verschwanden sie bei der Ankunft im Land für immer. Es gab aber auch glücklichere Fälle. Und so werden unsere Indios, da sie ihre Frauen bei sich haben, bereitwillig alles tun, was man ihnen, aufträgt, und auch diese Frauen werden die unsern viel von ihrer Sprache lehren, welche auf allen diesen Inseln Indiens dieselbe ist, und alle verstehen einander, und alle suchen einander mit Hilfe ihrer Einbäume auf; in Guinea gibt es das nicht, denn dort hat man tausenderlei verschiedene Sprachen, so daß einer den andern nicht verstehen kann. In dieser Nacht kam der Ehemann einer dieser Frauen, ein Vater von drei Kindern, einem Knaben und zwei Mädchen, mit einem Kahn zum Schiff; er sagte, ich solle ihn mit jenen fahren lassen, und er gefiel mir sehr, und jetzt sind sie seinetwegen alle getröstet, denn sie scheinen samt und sonders verwandt zu sein; er ist schon etwa fünfundvierzig Jahre alt.« Alle diese Worte stammen von dem Admiral selbst. Weiter oben sagt er auch, es sei etwas kälter geworden, weshalb es nicht angezeigt sei, jetzt im Winter nach Norden zu segeln, um Land zu entdecken.63 Er segelte an diesem Montag bis zum Sonnenuntergang achtzehn Meilen nach Ost-zu-Süd, bis zu einem Kap, das er Cabo de Cuba [Kap von Cuba] nannte.64
Dienstag, 13. November Die ganze Nacht lang hingen sie »an den Tauen«, wie die Seeleute sagen, was bedeuten soll, daß man kreuzt und überhaupt nicht vorwärts kommt, denn er bemerkte einen Einschnitt ähnlich einer Öffnung zwischen einem Berg und dem andern, er sah sie bei Sonnenuntergang, zwei gewaltige Berge65 tauchten vor ihnen auf, und es schien, als lägen hier die Inseln Cuba und Bohio einander unmittelbar gegenüber, und die Indios, die sie mitführten, bestätigten dies in ihrer Zeichensprache. Als es heller Tag geworden war, richtete er den Bug auf das Land und segelte an einer Landzunge vorüber, die ihm gestern abend etwa zwei Meilen entfernt schien, er gelangte in einen großen Golf, der sich fünf Meilen in südsüdwestlicher Richtung ausdehnte, und es waren weitere fünf, bis er das Kap erreichte, wo sich inmitten der beiden hohen Berge ein Riß auftat, von dem er nicht genau sagen konnte, ob es eine Meerenge war oder etwas anderes; und da er nach der Insel fahren wollte, die sie Babeque nannten, wo es, wie er ihren Zeichen entnahm, viel Gold geben sollte, und diese Insel von ihm aus gesehen im Osten lag, und da er keine größere Ansiedlung gewahrte, in der er sich vor dem starken Wind hätte schützen können, der so heftig wurde wie noch nie in diesen Gegenden, entschloß er sich, aufs Meer hinauszusegeln und mit dem Wind, der von Norden kam, in östlicher Richtung zu fahren; er legte pro Stunde acht Seemeilen zurück, und von zehn Uhr morgens, als er
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auf diesen Kurs ging, bis Sonnenuntergang fuhr er vom Cabo de Cuba aus sechsundfünfzig Seemeilen nach Osten, was vierzehn Meilen entspricht. Und von Bohio, der anderen Insel aus, die auf der Leeseite zurückblieb, war er, vom Kap des erwähnten Golfs aus gerechnet, nach seiner Schätzung achtzig Seemeilen entfernt, was zwanzig Meilen entspricht; die ganze Küste verlief in ostsüdöstlicher und westnordwestlicher Richtung.
Mittwoch, 14. November Die ganze gestrige Nacht lag er bei oder kreuzte (denn er sagte, es sei sinnlos, nachts zwischen jenen Inseln hindurchzufahren, bevor er sie näher erkundet habe; und die Indios, die er mitführte, hatten ihm gestern, am Dienstag, gesagt, daß man drei Tagereisen vom Río de Mares bis zur Insel Babeque hätte, worunter Tagereisen in ihren Kähnen zu verstehen sind, mit denen sie sieben Meilen schaffen können; auch war der Wind zu schwach, und da er nach Osten fahren mußte, konnte er es nur in Richtung Ost-zu-Süd tun; und auch wegen anderer Widrigkeiten, die er hier berichtet, mußte er bis zum Morgen an Ort und Stelle bleiben. Bei Sonnenaufgang beschloß er, einen Hafen zu suchen, weil der Wind von Nord auf Nordost gedreht hatte, und wenn er keinen Hafen fände, wäre er gezwungen, wieder die Häfen anzusteuern, die er auf der Insel Cuba hinter sich gelassen hatte. Nachdem er in dieser Nacht vierundzwanzig Seemeilen in Richtung Ost-zu-Süd gefahren war, sah er Land, er fuhr Seemeilen66 nach Süden, bis er die Küste erreichte, wo er viele Einfahrten und kleine Inseln und Häfen erkannte, und da der Wind stark war und das Meer ziemlich bewegt, wagte er nicht, einen Hafen anzulaufen; er zog es vor, die Küste in Richtung Nordwest-zu-West entlangzusegeln, und spähte, ob sich ein Hafen fände; er bemerkte, daß es viele gab, doch waren sie nicht besonders günstig. Nachdem er so vierundsechzig Seemeilen gefahren war, fand er eine sehr tiefe Einfahrt, eine Viertelseemeile breit, es war ein guter Hafen67 und ein Fluß; er fuhr hinein und wendete sich nach Südsüdwest und dann nach Süd, bis er nach Südosten kam, die Einfahrt war immer sehr breit und tief, er sah so viele Inseln, daß er sie nicht zu zählen vermochte, sie waren von beachtlicher Größe und sehr hoch, mit unzähligen Bäumen von tausenderlei Art und unendlich vielen Palmen. Er wunderte sich sehr, daß er so viele und so hohe Inseln sah, und er versichert den Königen, daß ihm die Berge, die er seit vorgestern auf diesen Küsten und Inseln gesehen habe, den Eindruck erweckt hätten, als gäbe es keine höheren auf der Welt und auch keine schöneren und klareren, ohne Nebel und Schnee, und an ihrem Fuße sei das Wasser wunderbar tief; er sagt, er glaube, dies seien jene unzähligen Inseln, die man auf den Weltkarten im äußersten Osten verzeichnet;68 und er sagt, er sei überzeugt, daß es auf ihnen unermeßliche Reichtümer und Edelsteine und Gewürze gebe und daß sie sich noch sehr weit nach Süden hinunterziehen und nach allen Seiten ausbreiten. Er gab diesem Gewässer den Namen La mar de Nuestra Señora [Das Meer unserer Lieben Frau], und den Hafen, der sich kurz hinter der Einfahrt zu den erwähnten Inseln befindet, nannte er Puerto del Principe [Hafen des Fürsten]; er fuhr heute nicht sehr weit in ihn hinein, sondern verschob es auf ein andermal, nämlich den Samstag der folgenden Woche, und dann wird davon berichtet werden. Er sagt so viele und so gute Dinge von der Fruchtbarkeit und der Schönheit und der Höhe dieser Inseln, die er in der Bucht vorfand, daß er die Könige bittet, sich nicht zu wundern, daß er sie so überschwenglich rühmt; denn er könne ihnen versichern, daß er nicht den hundertsten Teil ihrer Schönheit geschildert habe: Einige von ihnen schienen an den Himmel zu stoßen und sahen aus wie Spitzen aus Diamant; andere hätten in großer Höhe eine Art Plateau, und an ihrem Fuße sei das Wasser wunderbar tief, so daß eine sehr große Karacke69 ganz nahe an sie herankommen kann, alle seien dicht mit Wäldern überzogen und hätten keine Klippen.
Donnerstag, 15. November Er beschloß, diese Inseln mit den Booten seiner Schiffe zu erkünden, und er berichtet Wunderdinge von ihnen und sagt, daß er Mastix und unermeßliche Mengen Aloe gefunden habe, und einige von den Inseln seien mit den Wurzeln bestellt gewesen, aus denen die Indios ihr Brot backen, und an einigen Stellen gewahrte er Spuren von Feuerstellen. Süßwasser fand er nicht. Die wenigen Leute, die sie trafen, ergriffen die Flucht. Überall, wo er fuhr, war das Wasser fünfzehn bis sechzehn Faden tief und der Grund ganz ausgezeichnet, das heißt, er war durchweg sandig und bestand nicht aus Felsen, was den Seeleuten höchst willkommen ist, denn die Felsen zerreißen die Ankertaue der Schiffe.
Freitag, 16. November Überall, auf allen Inseln und allem Land, das er betrat, pflegte er ein Kreuz aufzurichten: Er stieg deshalb
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in sein Boot und fuhr zu der Mündung dieser Bucht, und an einer Landzunge fand er zwei ziemlich große Holzbalken, der eine war länger als der andere, und sie lagen übereinander, so daß sie ein Kreuz bildeten, er sagt, ein Zimmermann hätte sie nicht besser zusammenfügen können; nachdem er an diesem Kreuz gebetet hatte, befahl er, aus ebendiesen Balken ein sehr großes und hohes Kreuz zu errichten. Er fand Schilfrohr an diesem Strand, aber er wußte nicht, wo es herstammte, so daß er glaubte, ein Fluß habe es herangeschwemmt und danach sei es auf den Strand gespült worden, er hatte recht damit. Er fuhr in eine kleine Bucht, die an der Südostseite der Einfahrt zu der großen Bucht lag: Dort bildete eine aus Steinen und Klippen bestehende Anhöhe eine Art Kap, und an seinem Fuß war das Wasser sehr tief, so daß die größte Karacke der Welt hätte dicht ans Land heranfahren können, und es gab eine Stelle, wo sechs Schiffe, ohne Anker zu werfen, wie in einem riesigen Saal Platz finden konnten. Es schien ihm, daß man dort mit geringem Aufwand eine Festung errichten könnte, wenn sich irgendwann einmal in diesem Inselmeer ein namhafter Handelsaustausch entwickeln sollte. Als er zum Schiff zurückkehrte, sah er, wie die Indios, die er mitführte, nach großen Schnecken fischten, die man in jenen Meeren findet, und er hieß seine Leute an dieser Stelle ins Wasser springen, um zu untersuchen, ob es Perlmutt gäbe, denn darin wachsen die Perlen, und man fand eine ganze Menge, doch enthielten sie keine Perlen, und das schrieb er dem Umstand zu, daß es nicht die Zeit dafür war, denn das waren, wie er glaubte, die Monate Mai und Juni. Die Seeleute fanden ein Tier, das einem Dachs glich. Sie fischten auch mit Netzen und fanden unter vielen anderen Fischen einen, der ganz wie ein Schwein aussah; aber auch ein Thunfisch konnte es nicht sein, denn er war außen ganz hart und starr wie eine Muschel, er hatte nichts Weiches an sich außer dem Schwanz und den Augen und einer kleinen Öffnung unter dem Schwanz, um das Überflüssige auszuscheiden; er befahl, das Tier einzusalzen, um es mitzunehmen und den Königen vorzuweisen.
Samstag, 17. November Morgens stieg er ins Boot und besuchte die Inseln auf der Südwestseite, die er noch nicht gesehen hatte: Wieder sah er sehr viele fruchtbare und anmutige Inseln, und zwischen ihnen war das Wasser sehr tief. Einige waren von Süßwasserbächen durchschnitten, und er glaubte, daß dieses Wasser und die Bäche von Quellen herrührten, die auf den Bergeshöhen entsprangen. Von hier aus weiterfahrend, fand er einen Bach mit sehr schönem, süßem Wasser, das sehr kalt war, weil es so schnell dahinströmte: Dort sah er eine wunderschöne Wiese und viele Palmen, die höher waren, als er sie jemals gesehen hatte. Ich glaube, er sagt, daß er auch große Nüsse gefunden habe, die den indischen glichen, und große Mäuse,70 ebenfalls wie die indischen, und außerdem riesige Krebse. Er sah viele Vögel, und er nahm starken Moschusgeruch wahr, daher glaubte er, daß es hier Moschustiere geben müsse. An diesem Tag flohen die beiden ältesten der sechs Jünglinge, die er am Río de Mares aufs Schiff genommen hatte und dann zur Weiterfahrt auf die Karavelle Niña geschickt hatte.
Sonntag, 18. November Wieder fuhr er mit vielen Männern von seinen Schiffen in den Booten los und machte sich daran, das große Kreuz, das er unmittelbar an der Einfahrt in den erwähnten Hafen Puerto del Principe aus den beiden Balken hatte anfertigen lassen, an einem gut sichtbaren und von Bäumen freien Platz aufzurichten: Es war sehr hoch und sehr schön anzusehen. Er sagt, Ebbe und Flut seien dort viel stärker als in irgendeiner anderen Bucht, die er hier zu Gesicht bekommen habe, was kein Wunder sei wegen der vielen Inseln, und die Gezeiten verhielten sich umgekehrt als bei uns, denn in jener Bucht sei Ebbe, wenn der Mond in Richtung Südwest-zu-Süd stehe. Er brach noch nicht von dort auf, weil Sonntag war.
Montag, 19. November Trotz Windstille fuhr er vor Sonnenaufgang los, bis gegen Mittag etwas Ostwind aufkam, und er segelte in Richtung Nordnordost; bei Sonnenuntergang lag der Puerto del Principe von ihm aus in Südsüdwest, und es mochten sieben Meilen bis dorthin sein. Genau im Osten sah er die Insel Babeque, von der er etwa sechzig Seemeilen entfernt war. Er segelte die ganze Nacht über langsam in nordöstlicher Richtung, er legte etwa sechzig Seemeilen zurück und bis Dienstag, zehn Uhr morgens, weitere zwölf, also im ganzen achtzehn Meilen, in Richtung Nordost-zu-Nord.
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Dienstag, 20. November Babeque oder die Inseln von Babeque lagen in ostsüdöstlicher Richtung hinter ihm, und auch der Wind wehte von dort und hinderte seine Fahrt. Und da er sah, daß der Wind nicht umschlug und das Meer bewegter wurde, entschloß er sich, zum Puerto del Principe zurückzukehren, von wo er losgefahren war und der fünfundzwanzig Meilen entfernt war. Er wollte nicht zu dem von ihm Isabela getauften Eiland fähren, das lediglich zwölf Meilen entfernt war, was ihm die Möglichkeit geboten hätte, noch an diesem Tag Anker zu werfen, und dies aus zweierlei Gründen: erstens, weil er im Süden zwei Inseln sah, die er in Augenschein nehmen wollte; zweitens, damit die Indios, die er mitführte und die er auf dem nur acht Meilen von der Isabela entfernten Guanahani an Bord genommen hatte, nicht davonliefen, denn er benötigte sie, wie er sagt, und er wollte sie auch nach Kastilien mitbringen etc. Er sagt, sie hätten gemeint, der Admiral würde sie in ihre Heimat zurückkehren lassen, sobald man Gold fände. Er gelangte in die unmittelbare Nähe des Puerto del Principe, aber er konnte ihn nicht erreichen, weil es Nacht war und ihn die Strömungen in nordwestlicher Richtung abtrieben. Er drehte wieder um und richtete den Bug bei starkem Wind nach Nordosten, im dritten Viertel der Nacht ließ der Wind nach und schlug um, er fuhr jetzt in Richtung Ost-zu-Nordost: Der Wind wehte aus Südsüdost und drehte beim Morgengrauen vollends nach Süd, er berührte auch Südost. Nach Sonnenaufgang sichtete er den Puerto del Principe, er lag in Südwest und beinahe Südwest-zu-West, er war ungefähr achtundvierzig Seemeilen von ihm entfernt, was zwölf Meilen entspricht.
Mittwoch, 21. November Nach Sonnenaufgang segelte er mit Südwind nach Osten. Wegen der Gegenströmung kam er wenig voran; bis zum Spätnachmittag war er vierundzwanzig Seemeilen gefahren. Dann drehte der Wind nach Osten, und er fuhr nach Süd-zu-Südost, und bei Sonnenuntergang war er zwölf Seemeilen vorwärts gekommen. Hier befand sich der Admiral auf dem zweiundvierzigsten Breitengrad nördlich des Äquators,71 auf der gleichen Breite wie im Puerto de Mares; aber er bemerkt an dieser Stelle, daß er den Angaben des Quadranten mißtraut, bis er an Land kommt und ihn überprüfen kann. Denn ihm schien, er könne nicht so weit nach Norden abgekommen sein, und er hatte recht, denn es war ganz unmöglich, da diese Inseln sich nur bis zu dem Breitengrad72 erstrecken. Den Angaben des Quadranten Glauben zu schenken, dazu ließ ihn der Umstand hinneigen, daß diese nördliche Breite der Kastiliens entsprach, und wenn das wahr ist, befand er sich sehr nahe bei Florida, und auf derselben Höhe. Aber wo sind dann die Inseln, die er vor sich sah? Seine Zweifel vermehrte der Umstand, daß große Hitze herrschte, Wie er sagt, doch es ist einleuchtend, daß nicht Hitze geherrscht hätte, sondern Kälte, wenn er an der Küste Floridas gewesen wäre; und es liegt ebenfalls klar auf der Hand, daß man am zweiundvierzigsten Breitengrad nirgendwo auf der Erde den Eindruck haben kann, daß es heiß sei, allenfalls durch irgendeine zufällige Ursache, wovon man aber, wie ich glaube, bis zum heutigen Tag nichts erfahren hat. Wegen der Hitze, unter welcher der Admiral litt, vermutete er, wie er an dieser Stelle bemerkt, daß es in diesem Indien und auch dort, wo er sich gerade befand, viel Gold geben müßte. An diesem Tag entfernte sich Martín Alonso Pinzón ohne Geheiß und Erlaubnis des Admirals mit der Karavelle Pinta von den anderen Schiffen, aus Gewinnsucht, wie er meint, weil jener dachte, daß ihm ein Indio, den der Admiral auf seine Karavelle geschickt hatte, viel Gold verschaffen könnte: Und so fuhr er davon, ohne zu warten und ohne daß ihn das widrige Wetter dazu genötigt hätte, einzig und allein; weil er es so wollte. Und hier sagt der Admiral: »Er hat mir auch vieles andere gesagt und angetan.«
Donnerstag, 22. November Mittwoch nacht segelte er mit Ostwind in Richtung Süd-zu-Südost, und es war beinahe Windstille; im dritten Viertel der Nacht begann es aus Nordnordost zu wehen: Er fuhr weiter nach Süden, um das Land zu sehen, das er dort ausgemacht hatte, und als die Sonne aufging, war er genauso weit davon entfernt wie am Tag zuvor, wegen der gegenläufigen Strömungen, und das Land lag vierzig Seemeilen von ihm entfernt. In dieser Nacht setzte Martín Alonso Pinzón den Weg nach Osten fort, um nach der Insel Babeque zu fahren, wo es, wie die Indios sagen, viel Gold geben soll; er befand sich noch in Sichtweite des Admirals und war etwa sechzehn Seemeilen entfernt. Der Admiral fuhr die ganze Nacht über auf das Land zu, er ließ einige Segel streichen; die ganze Nacht ließ er die Schiffslaterne brennen, weil er den Eindruck hatte, Pinzón käme auf ihn zu; die Nacht war sehr klar und der leichte Wind günstig, so daß er zu ihm kommen konnte, wenn er gewollt hätte.
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Freitag, 23. November Der Admiral segelte den ganzen Tag auf das Land zu, immer in südlicher Richtung, bei schwachem Wind, aber die Strömung ließ ihn niemals herankommen, ja er war heute bei Sonnenuntergang ebenso weit entfernt von der Küste wie am Morgen. Der Wind kam aus Ostnordost und war für die Fahrt nach Süden geeignet, aber er blies nicht stark genug; und über das zuerst wahrgenommene Kap springt ein anderes vor, das ebenfalls in östlicher Richtung verläuft. Die Indios, die er mitführte, nannten das Land Bohio und sagten, es sei sehr groß und auf ihm lebten Leute, die nur ein Auge mitten in der Stirn hätten und andere, die Canibales [Kannibalen] hießen, und sie gestanden, daß sie große Angst vor diesen hätten. Als sie sahen, daß er den Weg dorthin einschlug, konnten sie, wie er sagt, vor Angst kein Wort mehr über die Lippen bringen, denn sie fürchteten, daß sie aufgefressen würden, und jene seien sehr gut bewaffnete Leute. Der Admiral bemerkt, er glaube wohl, daß einiges davon wahr sei, aber daß sie, da sie bewaffnet seien, verständige Leute sein müßten, und er glaube, daß sie womöglich ein paar von ihnen gefangengenommen hätten, und weil sie nicht in ihre Heimat zurückgekehrt seien, habe man gesagt, sie seien gefressen worden. Das gleiche hätten einige Indios zu Anfang, als sie die Christen zum erstenmal gesehen hätten, von ihnen und von ihm selbst geglaubt.
Samstag, 24. November Er segelte die ganze Nacht, und um neun Uhr vormittags erreichte er das Land bei der flachen Insel,73 an derselben Stelle, wo er vergangene Woche angekommen war, als er nach der Insel Babeque fuhr. Zuerst wagte er nicht, dichter an Land heranzufahren, weil er den Eindruck hatte, daß die Brandung in jener Bucht zwischen den Bergen sehr stark war. Schließlich kam er in das Mar de Nuestra Señora [Meer unserer Lieben Frau], wo es viele Inseln gab, und fuhr in den Hafen ein, der sich nahe bei der Mündung der Einfahrt zu den Inseln befindet, und er sagt, wenn er diesen Hafen schon früher gekannt und sich nicht damit befaßt hätte, die Inseln des Mar de Nuestra Señora in Augenschein zu nehmen, wäre er nicht zur Umkehr gezwungen gewesen, obwohl er versichert, daß ihm die Zeit keineswegs verloren scheint, weil er die genannten Inseln gesehen hat. So schickte er, als er das Land erreichte, das Boot aus und erkundete das Hafenbecken, er fand eine sehr gute Barre mit sechs Faden Tiefe und dann bis zu zwanzig Faden und überall ganz reinen Grund: Er fuhr mit Südwestkurs hinein und wandte sich dann nach Westen, im Norden blieb dabei die flache Insel zurück, die mit einer Nachbarinsel eine Lagune umschließt, in der alle Schiffe Spaniens Platz fänden74 und, ohne vertäut zu sein, vor allen Winden geschützt wären. Diese Einfahrt auf der Südostseite, die man mit Südsüdwestkurs passiert, hat im Westen eine sehr tiefe und breite Ausfahrt, so daß man zwischen den Inseln hindurchfahren kann und daß von diesen jeder beobachtet werden kann, der aus nördlicher Richtung vom Meer kommt und an der Küste entlangfährt. Die Inseln liegen zu Füßen eines großen Gebirges75, das von Osten nach Westen verläuft und sehr lang ist, höher und länger als alle andern, die an dieser Küste sind, wo es unendlich viele gibt, und längs des Gebirges schiebt sich wie eine Sandbank ein Riff ins Meer vor, das bis an die Einfahrt heranreicht. All das liegt auf der Südostseite, und auch längs der flachen Insel erstreckt sich ein, wenn auch kleines Riff, und zwischen beiden ist, wie schon gesagt, ein breiter, sehr tiefer Kanal. Dann sahen sie an der Südostseite der Einfahrt in das Hafenbecken einen großen, sehr schönen Fluß76, der wasserreicher war als alle, die sie bisher gesehen hatten, und der bis ins Meer hinein Süßwasser hatte. An der Mündung ist eine Sandbank, aber drinnen ist er sehr tief, acht oder neun Faden. Die Ufer sind ganz mit Palmen bestanden und überall bewaldet wie die der anderen Flüsse.
Sonntag, 25. November Vor Sonnenaufgang stieg er ins Boot und fuhr, ein Kap oder eine Landspitze77 im Südosten des flachen Inselchens anzusehen, ungefähr anderthalb Meilen davon entfernt, denn es schien ihm, daß dort ein guter Fluß sein müsse. Gleich am Anfang des Kaps auf der Südostseite, zwei Armbrustschuß weit, sah er einen breiten Bach mit sehr schönem Wasser, der mit großem Getöse von einem Berg78 herabkam. Er fuhr zu dem Fluß und sah im Wasser ein paar Steine glänzen, die goldfarbene Flecken hatten,79 und er erinnerte sich, daß man im Tejo, kurz vor seiner Mündung ins Meer, Gold gefunden hatte; so schien ihm, daß es auch hier Gold geben müsse,80 und er befahl, ein paar von den Steinen zu nehmen, um sie den Königen zu bringen. In diesem Augenblick riefen die Schiffsjungen, sie sähen Pinienwälder81. Er sah nach dem Gebirge und erblickte so große und wunderschöne Pinien, daß er nicht müde wurde, ihre Höhe und ihren geraden Wuchs zu loben, sie sahen aus wie dicke oder dünne Spindeln, woran er erkannte, daß man dort Schiffe bauen und unendlich viele Planken und Masten für die größten Schiffe Spaniens gewinnen konnte. Er sah Eichen und Meerkirschen und einen schönen Fluß und alles, was man brauchte, um eine Sägemühle einzurichten. Das
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Land und die Lüfte so sanft wie nie zuvor, und dies, weil das Gebirge so hoch und schön war. Am Strand sah er viele Steine von der Farbe des Eisens und andere, von denen einige Männer sagten, daß sie aus Silbergruben stammen müßten, alle werden vom Fluß herangeführt. Dort versorgte er sich mit Stämmen für eine lateinische Rahe und den Besanmast der Karavelle Niña. Er kam zur Mündung des Flusses und fuhr in eine kleine Bucht82 an der Südostseite des Kaps, die sehr geräumig und tief war und in der hundert Schiffe Platz finden könnten, ohne vertäut oder verankert zu sein; einen besseren Hafen haben Menschenaugen noch nicht gesehen. Die Berge waren sehr hoch, und es kamen viele sehr schöne Wasserläufe herab; alle Berge waren voller Pinien, und überall sah man die vielfältigsten und schönsten Wälder. Sie fuhren noch an zwei oder drei weiteren Flüssen vorbei. Er rühmt den Königen diese Dinge über die Maßen und bekennt, als er all dies, vor allem aber die Pinien gesehen, habe er unendliche Freude empfunden; denn man könne dort so viel Schiffe bauen, wie man wolle, wenn man nur die Werkzeuge mitbrächte, da es Holz und Pech im Überfluß gäbe; und er versichert, man könne es gar nicht genug loben, und es habe unserem Herrn gefallen, ihm ständig Dinge zu zeigen, die noch besser seien als die früheren, denn was er bis jetzt entdeckt habe, sei immer besser geworden, ob es den Boden oder die Wälder, die Gräser, Früchte und Blumen oder die Menschen anginge, und stets sei es völlig anders, wohin man auch gelange. Ebenso sei es mit den Häfen und den Gewässern. Und schließlich sagt er, schon für ihn selbst, der es sehen könne, sei es ein großes Wunder, aber um wieviel größer müsse es erst für den sein, der davon höre; und keiner könne es glauben, der es nicht mit eigenen Augen gesehen habe.
Montag, 26. November Bei Sonnenaufgang lichtete er die Anker im Hafen von Santa Catalina – er hatte hinter der flachen Insel gelegen – und segelte mit leichtem Südwestwind die Küste entlang dem Cabo del Pico [Spitzenkap]83 entgegen, das im Südosten lag. Er erreichte das Kap erst spät, weil der Wind abflaute, und bei seiner Ankunft sah er in Richtung Südost-zu-Ost ein weiteres Kap, das von diesem sechzig Seemeilen entfernt sein mochte, und dahinter noch ein anderes Kap, das vom Schiff aus in Richtung Südost-zu-Süd lag, und es schien zwanzig Seemeilen von dem ersten entfernt zu sein, er gab ihm den Namen Cabo de Campana [Glockenkap]84, aber er konnte es nicht bei Tage erreichen, weil der Wind wieder völlig abflaute. Er war an dem ganzen Tag etwa zweiunddreißig Seemeilen, das heißt, acht Meilen gesegelt. Auf dieser Wegstrecke bemerkte und bezeichnete er neun ganz hervorragende Buchten,85 die von allen seinen Seeleuten gerühmt wurden, und fünf große Flüsse, denn er fuhr stets in Küstennähe, damit er alles gut sehen konnte. Das ganze Land dort besteht aus sehr hohen und schönen Bergen, die aber keineswegs unbewachsen oder felsig sind, sondern stets gut zugänglich, und dazwischen sind sehr schöne Täler. Sowohl die Täler als auch die Berge waren überall mit hohen und frischen Bäumen bestanden, daß es eine Wonne war, sie anzuschauen, und es schien, daß viele Pinien darunter waren. Auch hinter dem Cabo del Pico im Südosten liegen zwei kleine Inseln, die jeweils etwa zwei Meilen im Umkreis messen, es sind drei wunderbare Häfen und zwei große Flüsse dort. An dieser ganzen Küste konnte er vom Meer aus keine einzige Ortschaft erkennen; vielleicht gab es aber dennoch welche, und manche Anzeichen sprechen dafür, denn überall, wo sie an Land gingen, fanden sie Spuren, die auf die Anwesenheit von Menschen schließen lassen, und auch viele Feuerstellen. Er meinte, das Land, das er heute südöstlich vom Cabo de Campana gesehen hatte, sei die Insel, die von den Indios Bohio genannt wurde: Es schien ihm so, weil das Kap von jenem Land abgetrennt war. Alle Leute, die er bis jetzt getroffen hat, sagt er, hätten sehr große Angst vor den Leuten aus Caniba oder Canima, und sie sagten, jene lebten auf der Insel Bohio, die, wie ihm scheint, sehr groß sein muß, und er glaubt, daß sie kommen, um den Leuten von hier das Land und die Häuser wegzunehmen, da diese sehr feige sind und nichts vom Waffenhandwerk verstehen. Und das schien ihm der Grund zu sein, warum die Indios, die er auf dem Schiff mitführte, sich nicht an der Meeresküste anzusiedeln pflegen, denn dieses Land ist in unmittelbarer Nähe, und er sagt, als sie gesehen hätten, daß er Kurs auf dieses Land nahm, hätten sie kein Wort mehr hervorgebracht, aus Angst, daß sie gefressen würden, und er hätte es nicht vermocht, sie von der Angst zu befreien: Sie sagten, jene hätten nur ein Auge in ihrem Hundegesicht, und der Admiral hatte den Eindruck, daß sie die Unwahrheit sprachen, und er meinte, daß jene, die sie angriffen und zu Gefangenen, machten, dem Großen Khan Untertan sein müßten.
Dienstag, 27. November Gestern bei Sonnenuntergang kam er in die Nähe eines Kaps, das er Campana [Glocke] nannte, und weil der Himmel wolkenlos war und nur ein ganz leichter Wind ging, wollte er nicht ans Land heranfahren und vor Anker gehen, obwohl er auf der Leeseite fünf oder sechs wunderbare Häfen gesehen hatte, denn er hatte sich länger aufgehalten als beabsichtigt, so groß waren seine Lust und seine Wonne, als er überall, wo er
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vorüberfuhr, die Frische und Schönheit des Landes sah; und nun wollte er das, was er vorhatte, unverzüglich fortsetzen. Aus diesen Gründen lag er in jener Nacht bei und kreuzte bis zum Tagesanbruch an derselben Stelle. Und weil ihn der Seegang und die Strömungen in jener Nacht mehr als fünf oder sechs Meilen südöstlich von der Stelle abgetrieben hatten, an der er sich bei Anbruch der Nacht befunden, und weil vor ihm die Campana aufgetaucht war – und hinter diesem Kap zeigte sich eine große Einfahrt, die ein Land von dem andern zu scheiden schien, und etwas wie eine Insel lag in der Mitte –, entschloß er sich, mit dem Südostwind zurückzufahren; so gelangte er dorthin, wo, wie ihm schien, der Einschnitt war; und er fand, daß es sich nur um eine große Bai86 handelte, und an ihrem Südostende war ein Kap, auf dem sich ein hohes, viereckiges Gebirge87 erhob, das wie eine Insel aussah. Der Wind sprang um auf Nord, und so ging er wieder auf Südostkurs, um die Küste entlangzufahren und alles zu entdecken, was es dort gab. Und dann sah er zu Füßen des Cabo de Campana einen wunderbaren Hafen88 und einen großen Fluß und eine Viertelmeile weiter einen anderen Fluß und eine halbe Meile weiter noch einen und eine Meile darauf noch einen und eine ganze Meile weiter noch einen und abermals eine ganze Meile weiter noch einen und eine Viertelmeile weiter noch einen Fluß und endlich eine Meile weiter noch einen anderen großen Fluß, von dem das Cabo de Campana etwa zwanzig Seemeilen entfernt war, und alle lagen südöstlich davon; die meisten von diesen Flüssen hatten große, breite, klippenfreie Einfahrten mit wundervollen Häfen für riesige Schiffe, ohne Sandbänke, Klippen oder Riffe. Als er so die Küste entlangfuhr, fand er südöstlich von dem letzten der erwähnten Flüsse eine große Ortschaft89, die größte, die er bis jetzt entdeckt hatte, und er sah unzählige Menschen ans Ufer des Meeres kommen, sie schrieen laut und waren alle nackt, in den Händen trugen sie Wurfspieße. Er wünschte, mit ihnen zu sprechen, deshalb strich er die Segel, ging vor Anker und schickte die Boote des Stoßen Schiffes und der Karavelle aus und befahl den Männern, keinem der Indios etwas zuleide zu tun, sie auch nicht ins Boot zu nehmen, und ordnete an, ihnen ein paar geringe Tauschgegenstände zu schenken. Die Indios machten Anstalten, als wollten sie unsere Männer nicht an Land gehen lassen und ihnen Widerstand leisten. Aber als sie sahen, daß die Männer in den Booten sich immer weiter dem Land näherten und keine Angst vor ihnen hatten, zogen sie sich ein Stück vom Ufer zurück. Und da die Unseren glaubten, daß sie keine Angst haben würden, wenn nur zwei oder drei Männer aus den Booten stiegen, gingen drei von den Christen an Land und sagten ihnen in ihrer Sprache, sie brauchten keine Angst zu haben, denn sie wußten durch das Gespräch mit denen, die sie bei sich hatten, etwas von ihrer Sprache. Schließlich liefen sie davon, und es blieb kein einziger am Strand. Unsere drei Männer gingen zu den Häusern, die aus Stroh gebaut sind und denen gleichen, die sie schon gesehen hatten, aber sie trafen niemanden an, noch fanden sie irgendwelche Gegenstände darin. So kehrten sie zu den Schiffen zurück, und sie setzten gegen Mittag die Segel, um zu einem schönen Kap90 zu segeln, das in östlicher Richtung lag und etwa acht Meilen entfernt war. Als der Admiral eine halbe Meile durch die erwähnte Bai gesegelt war, erblickte er im Süden einen ganz einzigartigen Hafen und im Südosten wunderbar schöne Landgebiete sowie eine leichtgewellte Aue inmitten der Berge, und dort sah man auch große Rauchwolken und große Ortschaften, die Ländereien waren überall bestellt; deshalb beschloß er, in dieser Bucht vor Anker zu gehen und zu sehen, ob er mit ihnen des Gesprächs pflegen und Umgang mit ihnen haben könne; und die Bucht war so ausgezeichnet, daß er – obschon er die anderen gelobt hatte – diese, wie er sich ausdrückt, am meisten loben müßte, wegen ihrer Ländereien und ihres milden Klimas, der reizvollen Umgebung und ihrer Bevölkerung: Er sagt wahre Wunderdinge von der Anmut des Landes und der Bäume – es gab Pinien und Palmen91 – und von der nach Südsüdost zu verlaufenden Ebene, die zuvor nicht völlig flach ist, sondern ab und zu von niedrigen Hügeln unterbrochen, die schönste Sache von der Welt; und durch diese Ebene ziehen sich zahlreiche Wasserläufe, die von den Bergen herabkommen. Als das große Schiff vor Anker gegangen war, stieg der Admiral ins Boot, um die Bucht auszuloten, die an einen Suppennapf erinnert, und als er der Mündung gegenüber nach Süden fuhr, entdeckte er eine Flußeinfahrt, die so breit war, daß eine Galeere hineinfahren konnte; und sie war so beschaffen, daß man sie erst sah, wenn man sie erreicht hatte, und als er auf Bootslänge hineinfuhr, maß er fünf Faden und acht Faden Tiefe. Dann fuhr er weiter hinein, und es war wunderbar, die schattigen Baumgruppen und das spiegelklare Wasser zu sehen und die Vögel und die ganze Anmut des Ortes; er sagt davon, sie sei ihm so wunderbar vorgekommen, daß er gar nicht mehr von dort fort wollte. Zu den Leuten, die ihn begleiteten, sagte er, selbst wenn man mit tausend Zungen spräche, vermöchte man den Königen nicht von all den Dingen zu berichten, die sie hier sähen, und seine Hand sei zu schwach, um es niederzuschreiben, und er meinte, verzaubert zu sein. Er wünschte sich, daß viele andere kluge und vertrauenswürdige Menschen dies sehen könnten, und er versichert, daß jene dies alles gewiß nicht weniger loben würden als er. Weiter sagt der Admiral an dieser Stelle: »Ich will hier nicht beschreiben, wie unendlich groß der Nutzen sein kann, den man aus all diesem ziehen wird. Das ist gewiß, Königliche Hoheiten, wo solche Ländereien sind, muß es unzählige nützliche Dinge geben; aber ich halte mich in keiner dieser Buchten auf, denn ich möchte auch alle anderen Länder sehen, soweit es mir möglich ist, um Euren Hoheiten davon Bericht zu geben, und ich kenne auch ihre Sprache nicht, und die Menschen aus diesen Ländern verstehen mich nicht, noch verstehe ich sie oder ein
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anderer, den ich zu ihnen schicke; die Indios, die ich auf den Schiffen mitführe, verstehe ich oft völlig falsch,92 und ich habe auch kein großes Vertrauen zu ihnen, weil sie mehrmals zu fliehen versucht haben. Doch wenn es unserem Herrgott gefällt, werde ich noch so viel sehen, wie es mir möglich ist, und nach und nach werde ich sie kennen- und verstehenlernen, und ich werde dafür sorgen, daß Leute aus meinem Hause diese Sprache erlernen, denn ich sehe, daß bis hierher auf allen Inseln ein und dieselbe Sprache gesprochen wird, dann wird man von den Reichtümern des Landes erfahren und es sich angelegen sein lassen, alle diese Völker zum Christentum zu bekehren, und das wird nicht schwer sein, da sie keiner Sekte und keinem Götzendienst anhängen, und Eure Königlichen Hoheiten werden in diesen Gegenden eine Stadt und Festung errichten lassen und werden diese Länder bekehren. Ich versichere Euren Hoheiten, daß es unter der Sonne wohl kaum Länder gibt, die fruchtbarer sind, die ein milderes Klima haben und reicher sind an guten und gesunden Gewässern, ganz anders als die Flüsse Guineas, die alle verpestet sind; denn, dem Herrn sei es gelobt, bis zum heutigen Tag habe ich nicht gesehen, daß einer meiner Männer an Kopfschmerzen gelitten hätte oder genötigt gewesen wäre, das Bett zu hüten, außer einem Alten, der einen Nierenstein hat, woran er schon sein ganzes Leben laboriert, und auch dieser ist nach zwei Tagen wieder gesund geworden. Was ich hier sage, bezieht sich auf die Mannschaften aller drei Schiffe. Und wenn es Gott gefällt, daß Eure Hoheiten gelehrte Männer hierherschicken oder diese von selbst kommen, dann werden sie bald sehen, daß alles wahr ist. Und weil ich vorher davon gesprochen habe, daß am Río de Mares wegen des guten Hafens93 und der Umgebung ein geeigneter Platz für eine Stadt und Festung sei: Ganz gewiß ist alles, was ich gesagt habe, wahr, aber man kann jene Gegend nicht mit dieser hier vergleichen, und ebensowenig das Mar de Nuestra Señora mit dieser Gegend hier; denn hier muß es im Innern des Landes große Ansiedlungen geben und unzählige Leute und Dinge von großem Nutzen, hier und in allen anderen entdeckten Gebieten – und ich hoffe, noch mehr zu entdecken, bevor ich nach Kastilien zurückkehre –, hier, meine ich, wird die Christenheit Handel mit ihnen treiben und vor allem Spanien selbst, dem all das untertan sein soll. Und ich meine, Eure Hoheiten dürfen nicht zulassen, daß irgendein Ausländer hier Handel treibe oder festen Fuß fasse,94 sondern nur katholische Christen, denn das war die Absicht und das Ziel dieses Vorhabens, daß es zur Festigung und zum Ruhm der christlichen Religion geschähe und keiner in diese Gegend kommen sollte, der nicht ein guter Christ wäre.« All das sind seine eigenen Worte. Er fuhr dort weiter flußaufwärts und entdeckte mehrere Flußarme; als er rund um die Bucht fuhr, sah er an der Mündung des Flusses ein paar anmutige Baumgruppen, es glich einem überaus köstlichen Garten, und dort fand er ein Boot oder Kanu, das aus einem einzigen Baumstamm gefertigt war, so groß wie eine Fuste mit zwölf Ruderbänken und sehr schön, es lag auf dem Trockenen in einem Bootshaus oder einer Art Laubhütte, die aus Pfählen bestand und mit großen Palmblättern bedeckt war, so daß ihm weder Sonne noch Wasser Schaden zufügen konnten; und er sagt, die Gegend sei wie dazu geschaffen, um dort einen Marktflecken oder eine Stadt und eine Festung zu gründen, und dies wegen des guten Hafens, des wohlschmeckenden Wassers, der guten Ländereien, der schönen Umgebung und des Reichtums an Holz.
Mittwoch, 28. November Er blieb an jenem Tag im Hafen, weil es regnete und der Himmel ganz bedeckt war; er hätte zwar mit dem Wind, der aus Südwesten wehte und von achtern kam, die ganze Küste entlangfahren können, aber da er das Land nur mit Mühe erkennen konnte und es für die Schiffe gefährlich ist, wenn man nicht weiß, wo man ist, verließ er den Hafen nicht. Die Männer von den Schiffen gingen an Land, um ihre Wäsche zu waschen; einige von ihnen liefen ,ein Stück landeinwärts, sie entdeckten große Ortschaften, aber alle Häuser waren leer, denn die Einwohner waren geflohen. Auf dem Rückweg gingen die Seeleute an einem anderen Fluß zum Meer hinunter, er war breiter als der, in dem sie vor Anker lagen.
Donnerstag, 29. November Da es regnete und der Himmel ganz mit Wolken bedeckt war, fuhr er nicht ab. Ein paar von den Seeleuten entdeckten etwa in nordwestlicher Richtung eine andere Ortschaft, in den Häusern fanden sie weder Menschen noch irgendwelchen Hausrat; aber auf dem Weg begegneten sie einem Alten, der vor ihnen nicht fliehen konnte: Sie nahmen ihn mit und sagten ihm, sie würden ihm kein Leid zufügen, dann gaben sie ihm ein paar kleine Geschenke und ließen ihn frei. Der Admiral hätte ihn zu sehen gewünscht, um ihm Kleider zu schenken und um mit ihm zu reden, weil er sich sehr über die Glückseligkeit dieses Landes und seine gute Eignung zum Besiedeln freute, und er war der Meinung, daß es hier große Ansiedlungen geben müßte. In einem Haus fanden sie ein Wachsbrot95, das er den Königen mitnahm, und er sagt, wo es Wachs gebe, da müsse es auch unzählige andere gute Dinge geben. Die Seeleute fanden in einem der Häuser auch einen Menschenkopf, er lag in einem kleinen Korb, der mit einem zweiten Körbchen bedeckt war, er
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war an einem Pfosten des Hauses aufgehängt; ebenso fanden sie einen anderen Menschenkopf in einem anderen Dorf. Der Admiral glaubte, es müsse sich um Vornehme der jeweiligen Sippe handeln, denn die Häuser waren dergestalt, daß viele Leute gleichzeitig darin Platz finden konnten, und es müssen wohl die Verwandten sein, die von jenem Urahnen abstammen.
Freitag, 30. November Sie konnten nicht abfahren, weil der Wind von Osten her wehte, aus der ihrem Weg völlig entgegengesetzten Richtung. Er S9hickte acht gutbewaffnete Männer und mit ihnen zwei von den Indios aus, die er bei sich hatte; sie sollten sich die Orte im Landesinnern ansehen und mit den Leuten reden. Sie fanden zahlreiche Häuser, sahen aber weder Leute noch irgendwelche Gegenstände, denn alle Bewohner waren geflohen. Sie entdeckten vier junge Männer, die auf ihren Landstücken gruben, doch diese rannten, als sie die Christen sahen, sogleich fort und waren nicht einzuholen. Er sagte, seine Seeleute hätten eine große Wegstrecke zurückgelegt. Sie sahen viele Dörfer, sehr fruchtbares, bestelltes Land und große Wasserläufe, und in der Nähe eines Ufers entdeckten sie ein Boot oder Kanu, das fünfundneunzig Spannen lang war und aus einem einzigen Stamm bestand; es war sehr schön, und etwa einhundertfünfzig Menschen hätten Platz darin finden und zur See fahren können.
Samstag, 1. Dezember Man fuhr aus dem gleichen Grund nicht ab, immer noch war Gegenwind, und es regnete stark. Er richtete an der Einfahrt der Bucht, die er, glaube ich, Puerto Santo [Heiliger Hafen]96 nannte, auf einem Felsen ein großes Kreuz auf. Es ist die Landspitze auf der Südostseite, an der Einfahrt zur Bucht, aber wer in die Bucht einlaufen will, muß mehr an der Nordwestspitze ankommen und nicht an der anderen, der Südostspitze. Dort ist eine bis zur Wasseroberfläche reichende Untiefe97, die steil abfällt, und dann ist das Wasser zwölf Faden tief und sehr klar: Aber an der Südostspitze der Einfahrt zur Bucht ist eine bis zur Wasseroberfläche reichende Untiefe, die von der Spitze gerade so weit entfernt ist, daß man im Notfall in der Mitte hindurchfahren könnte, denn zwischen dieser Untiefe und der Landspitze ist es überall zwölf bis fünfzehn Faden tief; und in der Einfahrt muß man in südwestlicher Richtung fahren.
Sonntag, 2. Dezember Es war immer noch Gegenwind, so daß er nicht abfahren konnte; er sagt, in der Nacht wäre hier immer und ewig Landwind, aber die Schiffe, die sich hier aufhielten, brauchten vor keinem Sturm der Welt Angst zu haben, denn er könnte wegen einer Untiefe, die sich an der Einfahrt der Bucht befindet, nicht hineinstoßen usw. Er sagt, an der Mündung des Flusses habe ein Schiffsjunge mehrere Steine gefunden, die offenbar Gold enthielten; er nahm sie mit, um sie den Königen zu zeigen. Er sagt, hier im Umkreis, nicht weiter als einen Kanonenschuß weit, gäbe es große Flüsse.
Montag, 3. Dezember Da immer noch Gegenwind war, fuhr er nicht aus dem Hafen ab; er entschloß sich, ein sehr schönes Kap in Augenschein zu nehmen, das eine Viertelmeile südöstlich von der Bucht, entfernt lag. Er fuhr mit den Booten und nahm mehrere bewaffnete Männer mit. Unterhalb des Kaps war die Mündung eines schönen Flusses98; man mußte Kurs auf Südosten nehmen, um hineinzufahren, und sie war einhundert Schritt breit: In der Einfahrt oder Mündung war nur ein Faden Tiefe, aber im Innern waren es zwölf Faden oder fünf oder vier oder zwei, und alle Schiffe Spaniens hätten Platz darin gefunden. Erfuhr durch einen Arm des Flusses hinaus, wandte sich nach Südosten und fand einen Schlupfhafen, in dem er fünf sehr große Einbäume liegen sah, die von den Indios Kanus genannt werden, sie sahen aus wie sehr schöne Fusten und waren, wie er sagt, so reich verziert, daß es eine Freude war, sie anzuschauen; und am Fuß des Berges sah er das Land überall bestellt. Als sie einen Weg einschlugen, der zu sehr dichtbelaubten Bäumen emporführte, stießen sie auf ein Bootshaus, das sehr gut angelegt und gedeckt war, so daß weder Sonne noch Regen den Booten Schaden zufügen konnten, und darin lag ein weiteres Kanu, das wie die anderen aus einem Baumstamm gefertigt war, ähnlich wie eine Fuste mit siebzehn Ruderbänken: Es war eine Freude, seine reiche Schnitzarbeit und seine große Schönheit zu sehen. Er stieg einen Berg hinan, der oben ganz flach war und bestellt mit vielerlei Früchten des Feldes, auch mit Kürbissen; es war herrlich anzusehen, und mitten in dieser Hochebene lag eine große Ortschaft: Plötzlich traf er auf die Leute des Dorfes, und als diese sie sahen, wollten die Männer
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und Frauen die Flucht ergreifen. Der Indio, den er bei sich hatte und der zu denen gehörte, die er auf dem Schiff mitführte, versicherte ihnen, sie brauchten keine Furcht zu haben, die Seeleute seien gute Menschen. Der Admiral ließ ihnen Glöckchen und Messingringe und grüne und gelbe Glasperlen geben, und sie freuten sich sehr darüber. Er sah, daß sie kein Gold oder andere wertvolle Dinge besaßen und daß man sie in Frieden lassen konnte; die ganze Umgebung war besiedelt, aber die anderen waren vor Angst geflohen; hier versichert der Admiral den Königen, daß zehn Männer von den unsrigen zehntausend Indios in die Flucht schlagen könnten: Sie seien so feige und furchtsam, daß sie keinerlei Waffen bei sich trügen, abgesehen von ein paar Stöcken, an deren Ende ein zugespitztes feuergehärtetes Stäbchen befestigt sei; er beschloß, den Rückweg anzutreten. Er sagt, er habe ihnen mit List alle ihre Stöcke abgenommen, er habe ihnen dafür so viel zum Tausch angeboten, daß sie sie alle hergegeben hätten. Als sie an die Stelle zurückgekehrt waren, wo sie ihre Boote gelassen hatten, schickte er ein paar von seinen Leuten noch einmal an die Stelle, wo sie hinaufgestiegen waren, denn es war ihm so vorgekommen, als habe er einen großen Bienenkorb gesehen; bevor die Männer, die er ausgeschickt hatte, zurückkamen, lief am Ufer eine ganze Anzahl Indios zusammen, und sie kamen zu den Booten, wo sich der Admiral mit seinen Leuten schon versammelt hatte: Einer von ihnen stieg in den Fluß und kam bis ans Heck des Bootes und hielt eine große Rede, die der Admiral nicht verstand, nur die anderen Indios hoben ab und zu die Hände zum Himmel und stießen einen lauten Schrei aus. Der Admiral meinte, sie versicherten ihn ihrer guten Absichten, und seine Ankunft gefiele ihnen wohl; aber dann sah er, wie sich der Indio, den er bei sich hatte, im Gesicht verfärbte, er wurde wachsbleich, zitterte am ganzen Körper und gab dem Admiral durch Zeichen zu verstehen, daß er aus dem Fluß fortfahren solle, denn man wolle sie töten; er ging zu einem Christen, der eine goldene Armbrust bei sich hatte, und zeigte sie den Indios, und der Admiral verstand, daß er ihnen sagte, man werde sie alle töten, denn diese Armbrust könne sehr weit schießen und töten. Desgleichen nahm er ein Schwert, zog es aus der Scheide, zeigte es ihnen und sagte das gleiche; als sie das gehört hatten, ergriffen alle die Flucht, aber der Indio, den sie mitführten, hatte immer noch furchtbare Angst, und dabei war er ein Mann von guter, kräftiger Statur. Der Admiral wollte den Fluß noch nicht verlassen, er befahl vielmehr, an Land zu rudern, dorthin, wo die Indios standen – es waren sehr viele, alle rot gefärbt und nackt, wie ihre Mutter sie geboren hatte, und ein paar von ihnen trugen Federbüsche auf dem Kopf und andere einzelne Federn, alle hatten Bündel mit Wurfspießen bei sich. »Ich kam zu ihnen und gab ihnen ein paar Bissen Brot und bat sie um ihre Wurfspieße; den einen gab ich dafür ein Glöckchen, anderen einen Messingring, wieder anderen ein paar Glasperlen; so wurden sie alle friedlich und kamen zu unseren Booten und gaben alles, was sie hatten, gleichgültig, was man ihnen dafür anbot. Die Matrosen hatten eine Schildkröte getötet, der Panzer lag in Stücke zerschlagen im Boot, und die Schiffsjungen gaben ihnen fingernagelgroße Stückchen davon, doch die Indios gaben ihnen dafür ein Bündel Wurfspieße. Sie sind nicht anders als die Indios, die ich vorher getroffen habe« (sagt der Admiral), »und ebenso abergläubisch; sie glaubten, wir kämen vom Himmel, und alles, was sie haben, geben sie auf der Stelle für jedes Ding, das man ihnen anbietet, ohne sich zu beklagen, daß es zuwenig sei, und ich glaube, ebenso würden sie es auch mit den Gewürzen tun und mit dem Gold, wenn sie es hätten. Ich sah ein schönes, nicht sehr großes Haus, das zwei Türen hatte, denn so sind sie alle gebaut, ich trat ein und sah im Innern ganz wunderbare Zimmermannsarbeit, es waren kleine Räume, die auf so besondere Weise gefertigt waren, daß ich es gar nicht zu beschreiben vermöchte, und an der Decke waren Schnecken und andere Dinge aufgehängt. Ich glaubte, es sei ein Tempel, deshalb rief ich sie und fragte durch Zeichen, ob sie darin beteten, aber sie sagten nein, und einer von ihnen stieg hinauf und gab mir alles, was dort hing, und ich nahm einiges davon mit.«
Dienstag, 4. Dezember Mit wenig Wind stach er in See und verließ jene Bucht, die er Puerto Santo [Heiliger Hafen] genannt hatte. Zwei Meilen weiter sah er den schönen Fluß99, von dem er gestern gesprochen hatte. Er fuhr an der Küste entlang, und als er das erwähnte Kap passiert hatte, verlief sie immer von Ostsüdost nach Westnordwest bis zum Cabo Lindo [Schönes Kap]100, das vom Cabo del Monte [Bergkap] aus in Richtung Ost-zu-Südost liegt, und von einem zum andern sind es fünf Meilen. Anderthalb Meilen vom Cabo del Monte mündet ein großer, etwas schmaler Fluß, es schien, als ob er eine gute Einfahrt hätte und sehr tief sei, und dreiviertel Meilen weiter sah er noch einen sehr großen Fluß, und der mußte von sehr weit her kommen; an seiner Mündung war er gut hundert Schritt breit, es war keine Sandbank darin, und in der Mündung war er acht Faden tief; die Einfahrt war gut, er schickte nämlich Männer mit dem Boot aus, die sie in Augenschein nehmen und ausloten sollten; sein Wasser ist bis ins Meer hinein süß, und er gehört zu den wasserreichsten, die er entdeckt hat; es muß hier große Siedlungen geben. Nach dem Cabo Lindo kommt eine große Bai, die eine gute Durchfahrt nach Ostnordost und Südost und Südsüdwest sein könnte.
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Mittwoch, 5. Dezember Die ganze Nacht lag er am Cabo Lindo bei, wo er bei Einbruch der Dunkelheit eingetroffen war, um das Land zu erkunden, das nach Osten zu verlief; und als die Sonne aufging, sah er ein weiteres Kap101 zweieinhalb Meilen weiter östlich: Als er dieses Kap passiert hatte, sah er, daß die Küste nach Süden abbog,102 und so ging er auf Südwestkurs, und dann sah er gleich ein sehr schönes und hohes Kap103 in dieser Richtung, das von dem anderen sieben Meilen entfernt war. Er wollte hinfahren, doch verzichtete er darauf, weil er nach der Insel Babeque zu fahren wünschte, die, wie ihm die Indios sagten, im Nordosten lag. Aber er konnte auch nicht nach der Insel Babeque fahren, weil der Wind aus Nordost wehte. Als er so fuhr, blickte er nach Südosten und sah Land104, und es war eine sehr große bewohnte Insel, von der er, wie er sagt, schon Kunde durch die Indios hatte, die sie Bohio nannten. Vor diesen Leuten, sagt er, hätten die Einwohner von Cuba oder Juana105 und von allen anderen Inseln hier große Furcht, weil sie Menschen fräßen. Und auch von anderen, höchst verwunderlichen Dingen erzählten ihm die Indios durch Zeichen. Aber der Admiral sagt, er habe ihnen nicht geglaubt, nur müßten die von der Insel Bohio wohl listiger und scharfsinniger sein als sie, wenn sie sie zu fangen verstünden, denn diese waren sehr wenig tapfer. Da Nordostwind war, der auf Nord drehte, beschloß er, die Insel Cuba oder Juana zu verlassen, die er bis dahin ihrer Größe wegen für Festland gehalten hatte, denn er hatte sie mindestens einhundertzwanzig Meilen weit umsegelt, und er brach auf in Richtung Südost-zu-Ost; da das Land, das er gesehen hatte, im Südosten lag; diese Vorkehrung traf er der Sicherheit halber, weil der Wind immer von Nord auf Nordost umschlug und von dort nach Ost und Südost, Der Wind wurde sehr stark, so daß er alle Segel strich; das Meer war glatt, und die Strömung half ihm, so daß er vom Morgen bis ein Uhr mittags acht Seemeilen die Stunde zurücklegte, und das waren nicht ganz sechs Stunden, denn man sagt, daß die Nächte dort fast fünfzehn Stunden dauern. Danach fuhr er zehn Seemeilen pro Stunde, und so hatte er bis Sonnenuntergang etwa achtundachtzig Seemeilen zurückgelegt, das sind zweiundzwanzig Meilen, immer in südöstlicher Richtung. Und weil die Nacht anbrach, befahl er, die Karavelle Niña solle vorausfahren, um die Bucht noch bei Tageslicht zu sehen, denn die Niña war sehr segeltüchtig, und als er an die Einfahrt der Bucht106 gelangte, die der Bai von Cádiz ähnelte, schickte er, da es schon Nacht war, sein Boot aus, damit es den Hafen auslotete; sie hatten Kerzenlicht mit, aber bevor der Admiral dort ankam, wo die Karavelle kreuzte und darauf wartete, daß ihr das Boot Zeichen gäbe, wie sie in den Hafen einfahren sollte, erlosch das Licht auf dem Boot. Da die Karavelle kein Licht sah, fuhr sie ins offene Meer hinaus und gab dem Admiral Leuchtsignale, und als er zur Karavelle kam, erzählten sie ihm, was vorgefallen war. In diesem Augenblick machten die Männer in dem Boot wieder Licht: Die Karavelle fuhr in die Bucht, aber der Admiral konnte es nicht und kreuzte die ganze Nacht über.
Donnerstag, 6. Dezember Als es Tag wurde, befand er sich vier Meilen von der Bucht entfernt; er gab ihr den Namen Puerto Maria [Marienhafen]107, und er sah ein schönes Kap in Richtung Süd-zu-Südwest, dem er den Namen Cabo del Estrella [Sternenkap]108 gab; es schien ihm, als müsse es die äußerste Landspitze jener Insel nach Süden sein, und der Admiral war etwa achtundzwanzig Seemeilen davon entfernt. Dann tauchte neues Land im Osten auf, es sah aus wie eine kleinere Insel109, die etwa vierzig Seemeilen entfernt war. Ein weiteres sehr schönes und wohlgeformtes Kap, dem er den Namen Cabo del Elefante [Elefantenkap]110 gab, lag hinter ihm in Richtung Ost-zu-Südost, und es war schon vierundfünfzig Seemeilen von ihm entfernt. Ein weiteres Kap lag in ostsüdöstlicher Richtung, er gab ihm den Namen Cabo de Cinquin [Kap der Cinquin-Münze], es war etwa achtundzwanzig Seemeilen entfernt. Dann ließ er einen breiten Spalt oder eine Öffnung oder Bucht hinter sich, die wie ein Fluß aussah,111 sie lag im Südosten, und er nahm Kurs auf Südost-zu-Ost, die Öffnung war etwa zwanzig Seemeilen entfernt. Es schien ihm, als sei zwischen dem Cabo del Elefante und dem Cabo de Cinquin eine sehr große Einfahrt112, und einige Seeleute sagten, hier sei eine abgetrennte Insel; er gab ihr den Namen Isla de la Tortuga [Schildkröteninsel]. Diese große Insel schien ein sehr hochgelegenes Land zu sein, aber nicht aus einzelnen Erhebungen gebildet, sondern eben wie eine schöne fruchtbare Flur, und es sah aus, als sei es ganz bebaut oder wenigstens ein großer Teil davon, und die Äcker erinnerten an die Weizenfelder in der Umgebung von Córdoba im Monat Mai. In dieser Nacht sahen sie viele Feuer und am Tag zahlreiche Rauchsäulen wie von Wachposten, die offenbar nach Leuten Ausschau hielten, mit denen sie sich im Krieg befanden. Die ganze Küste des Landes verläuft in östlicher Richtung. Um die Vesperstunde fuhr er in die erwähnte Bucht ein und gab ihr den Namen Puerto de San Nicolás [Sankt-Nikolaus-Bucht], denn es war gerade Sankt-Nikolaus-Tag,113 und bei der Einfahrt staunte er darüber, wie schön und vortrefflich alles war. Und obwohl er die Buchten von Cuba mit hohem Lob bedacht hatte, sei diese, wie er sagt, zweifellos ebenso gut, ja, sie übertreffe sogar alle, und keine komme ihr gleich. An ihrer Mündung und Einfahrt ist sie anderthalb Meilen breit, und man fährt auf Südsüdostkurs, obwohl man wegen ihrer großen Breite jede beliebige Richtung wählen kann. So fährt man zwei Meilen nach Südsüdost; an der Südseite ihrer Einfahrt
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ist eine Art Vorgebirge, und von dort geht es ebenso weiter bis zum Kap, wo sich ein sehr schöner Strand befindet und ein Gelände mit Bäumen der verschiedensten Art, die alle voll von Früchten hängen, der Admiral glaubte, es handele sich um Gewürzbäume und Muskatnußbäume, aber die Früchte waren noch nicht reif, so daß es nicht zu erkennen war; und mitten durch den Strand ergoß sich ein Fluß. Die Tiefe der Bucht ist so wunderbar, daß die Lotleine114 oder das Senkblei, bis er auf eine Entfernung von einer115 ans Land herangekommen war, selbst bei vierzig Faden noch nicht auf Grund stieß, und danach beträgt die Tiefe fünfzehn Faden, und alles ist völlig klippenrein; so ist der ganze Hafen, und auch an jedem Kap ist er bis auf eine Schiffslänge vom Land fünfzehn Faden tief und rein; auch die ganze Küste hat sehr tiefes Wasser und ist ganz klar, und man findet keine einzige Untiefe; bis auf eine Ruderlänge vom Ufer mißt man noch fünf Faden; wenn man den Hafen der Länge nach in südsüdöstlicher Richtung durchmißt – und in dem Becken könnten wohl tausend Karacken kreuzen –, schiebt sich vom Hafen aus ein Wasserarm eine gute halbe Meile nach Nordosten ins Land vor, der immer die gleiche Breite hat, als hätte man ihn mit der Schnur gezogen; und der Arm, der eine Breite von fünfundzwanzig Schritt haben mag, verläuft so, daß man, wenn man darin ist, den Beginn der großen Einfahrt nicht sehen kann, so daß der Hafen geschlossen ist,116 und der Grund dieses Armes ist vom Anfang bis zum Ende stets elf Faden tief, und alles ist reiner Schlammgrund oder Sand, und bis ans Land heran mißt man nicht weniger als acht Faden, so daß man den Bug fast aufs Gras setzen kann. Die ganze Bucht ist sehr freundlich und luftig, das Ufer nicht von Häusern bestanden. Diese Insel schien ihm reicher an Felsen zu sein als alle vorher entdeckten: Die Bäume waren kleiner und viele von ähnlichem Aussehen wie die spanischen, etwa die Steineichen, die Meerkirschen und andere; ebenso verhielt es sich mit den Gräsern. Das Land ist sehr hoch gelegen, und es besteht ganz aus Feldern oder Brachflächen, das Klima ist vortrefflich, und nirgends war es bis jetzt so kühl wie hier, wenn man es auch nicht eben kalt nennen konnte, doch es fiel ihm im Vergleich zu den anderen entdeckten Ländern auf. Der Bucht gegenüber lag eine schöne Aue, und mitten darin war der erwähnte Fluß: In dieser Gegend (sagt er) muß es große Siedlungen geben, denn man sah viele von den Einbäumen, mit denen sie zur See fahren, so groß wie eine Fuste mit fünfzehn Ruderbänken. Alle Indios waren geflohen; sie flohen in dem Augenblick, als sie die Schiffe sahen. Jene, die er von den kleinen Inseln mitbrachte, verspürten solches Verlangen, in ihre Heimat zurückzukehren, daß er meinte (sagt der Admiral), er müsse sie, wenn er von hier abführe, nach Hause bringen, und sie seien schon argwöhnisch, weil er sich nicht auf den Weg in ihre Heimat begab, deshalb glaube er ihnen nicht, was sie sagten, und er verstehe sie auch nicht richtig und sie ihn ebensowenig, und sie hätten ganz furchtbare Angst vor den Leuten auf dieser Insel. Um sich mit den Bewohnern der Insel zu unterhalten, wäre es nötig gewesen, sich ein paar Tage in der Bucht aufzuhalten, aber er tat es nicht, weil er viel Land sehen wollte und daran zweifelte, daß sich das gute Wetter halten würde. Er hoffte auf unseren Herrn, daß die Indios, die er auf dem Schiff mitführte, seine Sprache erlernen würden und er die ihre, und dann wollte er zurückkehren und mit all diesen Leuten sprechen; und Seine Majestät werde sich sicher freuen (sagt er), wenn er vor seiner Rückkehr noch eine große Menge Goldes im Tauschhandel erwürbe.
Freitag, 7. Dezember Nach der ersten morgendlichen Wachablösung hißte er die Segel und verließ den Puerto de San Nicolás und segelte mit Südwestwind zwei Meilen nach Nordost bis zu einem Kap, das von dem Carenero gebildet wird; im Südosten blieb ein Vorgebirge zurück und im Südwesten das Cabo del Estrella; der Admiral war vierundzwanzig Seemeilen davon entfernt. Von dort segelte er die Küste entlang nach Osten zum Cabo Cinquin, das achtundvierzig Seemeilen entfernt sein mochte; allerdings fuhren sie zwanzig Seemeilen in Richtung Ost-zu-Nordost; die Küste ist sehr hoch gelegen, und das Wasser hat sehr große Tiefe. Bis man an Land kommt, sind es zwanzig bis dreißig Faden, und einen Kanonenschuß weiter draußen stößt man gar nicht mehr auf Grund; all das erkundete der Admiral an diesem Tag, als er zu seiner großen Freude mit Südwestwind die Küste entlangsegelte. Das obenerwähnte Vorgebirge reicht, sagt er, bis auf einen Kanonenschuß an den Puerto de San Nicolás heran, so daß eine Insel zustande käme, könnte man jenen Raum abschneiden und unterbrechen; das übrigbleibende Landstück würde drei bis vier Seemeilen im Umkreis messen. Das ganze Küstenland lag sehr hoch, und es gab keine großen Bäume, sondern nur jene, die Steineichen und Meerkirschen ähnelten, ganz wie in Kastilien, sagt er. Bevor er zwei Meilen weiter das erwähnte Cabo Cinquin erreichte, fand er eine kleine Öffnung, so etwas wie den Einschnitt eines Gebirges117, in dem er ein sehr großes Tal entdeckte; er sah, daß es ganz mit Gerste bebaut war, und er hatte den Eindruck, daß es in diesem Tal große Siedlungen geben müsse; im Hintergrund konnte man große und sehr hohe Berge erkennen; als er das Cabo Cinquin erreichte, lag das Cabo de la Tortuga [Schildkrötenkap] im Nordosten, es war etwa zweiunddreißig Seemeilen entfernt;118 und vor dem Cabo, einen Kanonenschuß entfernt, ragt aus dem Meer eine Felsklippe auf, so hoch, daß sie deutlich erkennbar ist; als sich der Admiral an diesem Kap befand, lag das Cabo del Elefante in Richtung Ost-zu-Südost, und es war etwa siebzig
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Seemeilen entfernt;119 das ganze Land war hier sehr hoch gelegen. Nach sechs Meilen gelangte er an ein großes Vorgebirge120, und im Innern des Landes sah er weite Täler, flaches Ackerland und sehr hohe Berge, alles ganz ähnlich wie in Kastilien. Von dort aus acht Seemeilen weiter entdeckte er einen sehr tiefen Fluß, der jedoch schmal war, obwohl eine Karacke ohne weiteres hineinfahren könnte, und dazu war die Mündung ohne Sandbänke oder irgendwelche Untiefen. Sechzehn Seemeilen von dort fand er eine sehr große und tiefe Bucht121, in der man in der Einfahrt und bis auf drei Schritt ans Ufer erst bei fünfzehn Faden auf Grund stieß, sie springt eine Viertelmeile ins Landesinnere vor. Da es noch ziemlich früh war, gegen ein Uhr mittags, und scharfer Rückenwind wehte, der Himmel aber starken Regen verhieß und die Wolkendecke ganz geschlossen war – was selbst dann nicht ungefährlich ist, wenn man das Land kennt, um so mehr aber in unbekanntem Gebiet –, beschloß er, in die Bucht einzufahren, die er Puerto de la Concepción [Hafen Maria Empfängnis] nannte; er ankerte in einem kleineren Fluß, der am Ende der Bucht einmündet und der durch Felder und Auen fließt, wundervoll war es, seine Schönheit zu sehen: Der Admiral hatte Fischnetze mit, und bevor er das Land erreichte, sprang eine Meeräsche, die genau den spanischen glich, direkt in sein Boot; aber bis dahin hatte er dort noch keinen Fisch gesehen, der denen Kastiliens ähnelte. Er ging ein wenig auf dem Lande umher, das überall bestellt ist, und hörte den Gesang der Nachtigall und anderer kleiner Vögel, die denen Kastiliens glichen. Sie sahen fünf Männer, doch jene wollten nicht auf sie warten, sondern ergriffen die Flucht. Er fand Myrten und andere Bäume und Pflanzen, die den kastilischen glichen, und auch das Land und die Berge sind ebenso.
Samstag, 8. Dezember Dort in der Bucht regnete es stark, und es blies ein sehr heftiger Nordwind. Die Bucht ist vor allen Winden geschützt, nur eben nicht vor Nordwind, doch auch dieser kann ihr nicht schaden, denn die Brandung ist sehr stark und verhindert so, daß das Schiff an den Ankertauen zerrt oder daß das Wasser des Flusses in starke Bewegung gerät. Nach Mitternacht drehte der Wind nach Nordost und dann nach Ost, aber vor diesen Winden ist der Hafen gut geschützt durch die Isla de la Tortuga, die in einer Entfernung von sechsunddreißig Seemeilen davor liegt.122
Sonntag, 9. Dezember An diesem Tag regnete es, es war winterliches Wetter wie im Oktober in Kastilien. Am Puerto de San Nicolás hatte er keine Ortschaft gesehen, sondern nur ein sehr schönes Haus, besser gebaut als alle, die er vorher gesehen hatte. Die Insel ist sehr groß, und der Admiral sagt, es sei sicher nicht übertrieben, wenn er ihren Umfang auf zweihundert Meilen schätze: Er habe gesehen, daß es überall gutbestellte Felder gäbe; er glaube, die großen Orte seien weiter vom Meer entfernt; von dort könnten sie ihn kommen sehen, und dann flöhen sie und schleppten alle ihre Habe mit, und sie gaben Rauchzeichen an der Küste wie Soldaten im Krieg. Die Bucht hat an ihrer Mündung eine Breite von tausend Schritt, also einer Viertelmeile: Es sind weder Sandbänke noch Untiefen darin, ja, man stößt, bis man ans Ufer kommt, kaum auf Grund; die Bucht dehnt sich dreitausend Schritt weit nach innen, hat überall Schlammgrund und keine Klippen, so daß jedes Schiff ohne Furcht und völlig gefahrlos darin vor Anker gehen kann: Am äußersten Ende münden zwei Flüsse ein, die aber wenig Wasser führen: Hinter der Bucht sieht man ganz herrliche Auen, die beinahe den Ländereien Kastiliens vergleichbar sind und sie sogar übertreffen; deshalb gab er dieser Insel den Namen Isla Española [Spanische Insel].
Montag, 10. Dezember Der Nordostwind war stark und ließ das verankerte Schiff eine halbe Kabellänge treiben, was den Admiral verwunderte; er führte es auf den Umstand zurück, daß die Anker sehr nähe am Ufer ausgeworfen waren und sie der Wind erreichte. Da der Wind der Fahrtrichtung, die er einschlagen wollte, entgegenblies, schickte er sechs gutbewaffnete Männer an Land, sie sollten zwei oder drei Meilen ins Landesinnere vordringen und sehen, ob sie mit Indios sprechen könnten. Sie gingen fort, kehrten aber bald zurück, denn sie hatten weder Menschen noch Häuser vorgefunden: Dagegen entdeckten sie ein paar Feldhütten und ziemlich breite Wege und auch Stellen, an denen viele Menschen Feuer gemacht hatten; sie sahen die besten Ländereien, die man sich vorstellen kann, und fanden viele Mastixbäume, etwas von dem Mastix brachten sie mit und sagten, es gäbe sehr viel, nur sei jetzt nicht die Zeit, ihn abzuzapfen, da er noch nicht gerinne.
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Dienstag, 11. Dezember Er fuhr nicht ab, weil der Wind noch auf Ost und Nordost stand. Der Bucht gegenüber liegt, wie gesagt, die Isla de la Tortuga, die ziemlich groß sein muß, ihre Küste verläuft fast wie die der Española, und eine wird von der andern höchstens zehn Meilen entfernt sein,123 das heißt vom Cabo de Cinquin bis zum Kopf der Tortuga, da deren Küste weiter in südlicher Richtung verläuft. Er sagt, er wolle den Zwischenraum zwischen diesen beiden Inseln sehen, um die Isla Española zu betrachten, die etwas ganz Wunderbares ist und weil man, wie ihm die mitgeführten Indios sagten, hier entlang zur Insel Babeque fahren müsse, und das sei, sagten sie, eine sehr große Insel mit sehr großen Bergen und Flüssen und Tälern, und sie versicherten, die Isla de Bohio sei größer als die Juana, die sie Cuba nennen, und sie sei nicht von Wasser umgeben; und das scheint darauf hinzudeuten, daß hinter dieser Isla Española Festland liegt, und sie nennen es Caritaba124, und es ist unendlich groß, und es ist wohl in der Tat so, daß sie von arglistigen Menschen heimgesucht werden, denn alle diese Inseln leben in großer Furcht vor den Männern aus Caniba, und so wiederhole ich, was ich schon mehrmals gesagt habe, sagt er, Caniba ist nichts anderes als das Volk des Großen Khan, das nicht sehr weit von hier leben muß; sie werden Schiffe haben und kommen, um die Leute von hier gefangenzunehmen, und da sie nicht zurückkehren, glaubt man, daß sie gefressen worden sind. Von Tag zu Tag verstehen wir diese Indios besser und sie uns, wenn sie auch häufig das eine mit dem andern verwechselt haben (sagt der Admiral). Er schickte Männer an Land, sie fanden viel Mastix, der aber nicht gerann; er sagt, es müsse erst darauf regnen; auf Chios werde er im März geerntet, aber in diesen Gegenden werde man ihn wohl im Januar ernten, da das Klima so mild sei. Sie fingen viele Fische, die denen Kastiliens glichen, Weißlinge, Lachse, Kabeljau, Seehähne, Goldstriemen, Meeräschen, Garnelen, und sie sahen auch Sardinen, Sie fanden viel Aloe.
Mittwoch, 12. Dezember Er fuhr an diesem Tag noch nicht ab, weil immer noch Gegenwind war. Er stellte ein großes Kreuz an der Einfahrt des Hafens auf, es war auf der Westseite, an einer sehr gut sichtbaren Anhöhe, »zum Zeichen« (sagt er), »daß Eure Hoheiten dieses Land in Besitz genommen haben, und vor allem, um von Jesus Christus unserem Herrn zu zeugen, und zum Ruhme der Christenheit«; als das Kreuz aufgerichtet war, stiegen drei Seeleute in den Wald hinauf, um die Bäume und Pflanzen in Augenschein zu nehmen; auf einmal hörten sie eine große Menschenmenge, alle waren nackt wie die zuvor Gesehenen; die Seeleute riefen nach ihnen und liefen hinterher, aber die Indios rannten davon. Schließlich ergriffen sie eine Frau, denn andere konnten sie nicht einholen; ich hatte ihnen nämlich befohlen (sagt er), ein paar von ihnen mitzunehmen, um ihnen Ehre zu erweisen und ihnen die Furcht vor uns zu nehmen; sie sollten auch sehen, ob es etwas Brauchbares gäbe, wie es nach der Schönheit des Landes zu urteilen sicher der Fall sein muß, und so brachten sie diese sehr Junge und schöne Frau aufs Schiff, sie sprach mit den mitgeführten Indios, denn alle haben einerlei Sprache. Der Admiral ließ sie ankleiden und gab ihr Glasperlen und Glöckchen und Messingringe, und dann schickte er sie wieder an Land, dies mit allen Ehrenbezeigungen, wie es seine Gewohnheit war: Er gab ihr ein paar Männer vom Schiff als Begleitung mit, dazu auch drei von den mitgebrachten Indios, die mit jenen Leuten sprechen sollten. Die Matrosen, die sie mit dem Boot an Land brachten, erzählten dem Admiral, sie hätte das Schiff nicht mehr verlassen wollen, sondern den Wunsch gehabt, bei den anderen Indiofrauen zu bleiben, die er im Puerto de Mares der Insel Juana de Cuba an Bord genommen hatte. Alle Indios, die mit jener Indiofrau gekommen seien, sagt er, hätten ein Kanu benutzt, das ihre Karavelle sei; mit ihm seien sie von irgendwoher gekommen, und als sie an der Einfahrt der Bucht aufgetaucht waren und die Schiffe erblickt hätten, seien sie umgekehrt und hätten das Kanu dort irgendwo liegenlassen, und dann seien sie zu ihrem Dorf zurückgerannt. Die Frau zeigte den Männern die Gegend, wo das Dorf lag. Sie trug ein Goldstückchen an der Nase, das ist ein Zeichen, daß es Gold auf der Insel gab.
Donnerstag, 13. Dezember Die drei Männer, die der Admiral mit der Frau fortgeschickt hatte, kämen um drei Uhr nachts zurück, sie waren nicht mit ihr bis zum Dorf gegangen, weil es ihnen zu weit vorkam oder weil sie Angst hatten. Sie sagten, am nächsten Tag würden viele Indios zu den Schiffen kommen, da sie schon von den Nachrichten, die sie von der Frau bekämen, beruhigt sein müßten. Den Admiral verlangte es danach zu erfahren, ob es in diesem Land etwas Nützliches gab; und um sich mit den Indios zu unterhalten – denn das Land war sehr schön und fruchtbar – und um sie zu bewegen, den Königen mit Freuden zu dienen, beschloß er, noch einmal ein paar Männer nach der Siedlung zu schicken; er vertraute dabei auf die Nachrichten, die die Indiofrau zweifellos von den Christen gebracht hatte, nämlich, daß die Christen gute Menschen seien. Daher
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wählte er neun wohlbewaffnete Männer aus, die zu einer solchen Unternehmung befähigt schienen, und mit ihnen ging einer von seinen Indios. Sie begaben sich zu der Ortschaft125, die viereinhalb Meilen im Südosten lag, und fanden sie in einem sehr großen, verlassenen Tal, denn als die Indios die Christen kommen hörten, ergriffen sie sämtlich die Flucht und schleppten alles, was sie hatten, mit ins Landesinnere. Der Ort bestand aus tausend Häusern, es wohnten mehr als dreitausend Menschen darin. Der Indio, den die Christen mitgebracht hatten, rannte hinter den Dorfbewohnern her und rief, sie sollten keine Angst haben, die Christen kämen nicht aus Cariba, sie kämen vielmehr vom Himmel und schenkten allen, die sie träfen, viele schöne Dinge. Was er rief, beeindruckte sie dergestalt, daß sie sich sicherer fühlten und zweitausend von ihnen zusammenströmten, und alle kamen zu den Christen Tand legten ihnen die Hände auf den Kopf – denn das war ein Zeichen großer Ehrerbietung und Freundschaft –, aber sie zitterten vor Furcht, bis man sie vollends beruhigt hatte. Die Christen sagten, nachdem sie die Furcht völlig verloren hätten, seien sie alle in ihre Häuser gelaufen, und jeder habe etwas von dem gebracht, was er zu essen hatte, zum Beispiel Brot aus Yamswurzeln126, die wie große Rettiche aussehen und die sie auf allen ihren Feldern säen und pflanzen und gedeihen lassen; es ist ihr Grundnahrungsmittel; und sie machen daraus Brot und kochen und rösten die Wurzeln; ihr Geschmack erinnert an Kastanien, und jeder, der sie ißt, meint, es seien Kastanien. Sie gaben ihnen Brot und Fisch und von allem, was sie hatten. Die Indios, die er auf dem Schiff mitführte, hatten begriffen, daß der Admiral einen Papagei zu haben wünschte, und es scheint, daß der Indio, der mit den Christen in das Dorf kam, den Bewohnern etwas davon gesagt hatte, und so brachten sie den Seeleuten Papageien und gaben ihnen, soviel sie wollten, ohne etwas als Gegengabe zu fordern. Sie baten die Seeleute, am Abend nicht fortzugehen, sie wollten ihnen noch viele andere Dinge geben, die sie im Gebirge hätten. Während alle diese Indios mit den Christen zusammen waren, sahen sie eine Menschenansammlung oder eine große Menschenmenge daherkommen, darunter den Mann jener Indiofrau, die der Admiral geehrt und danach zurückgeschickt hatte; sie trugen sie rittlings auf den Schultern herbei und wollten den Christen Dank sagen für die Ehre, die der Admiral ihr erwiesen hatte, und für die Geschenke, die er ihr gemacht hatte. Die Christen sagten dem Admiral, diese Menschen seien schöner und besser veranlagt als alle anderen, die sie bis jetzt gesehen hätten; doch der Admiral sagt, er könne sich nicht vorstellen, wie sie noch besser veranlagt sein könnten als jene andern, und er gibt zu verstehen, daß alle, die sie auf den anderen Inseln getroffen hätten, von sehr guter Veranlagung gewesen seien. Was die Schönheit anginge, sagten die Christen, so sei sie sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen unvergleichlich, und sie sähen heller aus als die anderen Indios, und sie hätten zwei junge Frauen gesehen, die so hell waren, daß man sie für Spanierinnen halten könnte. Auch von der Schönheit der Landschaften, die sie gesehen hatten, sagten sie, daß sich selbst die schönsten und besten Kastiliens keineswegs damit messen könnten, und auch der Admiral war dieser Meinung angesichts dessen, was er bisher gesehen hatte und was er nun zu Gesicht bekam; und die Seeleute versicherten, die Gegenden, die er gesehen habe, stünden in keinem Vergleich zu jener in dem Tal dort, und nicht einmal die Gefilde von Córdoba kämen ihr gleich, es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht. Sie sagten, alle diese Ländereien seien bestellt, und mitten durch das Tal ergieße sich ein sehr breiter, großer Fluß127, der ausreiche, um alle Felder zu bewässern. Die Bäume seien sämtlich grün und von Früchten prangend, und alle Gräser und Blumen stünden in voller Blüte und wüchsen sehr üppig; die Wege seien recht gut und breit, die Lüfte lau wie im April in Kastilien, die Nachtigall sänge und auch andere kleine Vögel, wie in diesem Monat in Spanien, und sie sängen so schön, daß man sich nichts Lieblicheres auf Erden vorstellen könne. In den Nächten hörte man den zarten Gesang mehrerer kleiner Vögel, auch viele Grillen und Frösche; die Fische waren wie die in Spanien. Sie sahen viele Mastixbäume und Aloe und auch Baumwollstauden. Gold fanden sie nicht, und das ist kein Wunder, denn in so kurzer Zeit kann man es nicht finden. Jetzt prüfte der Admiral nach, wie lange Tag und Nacht dauerten und wie lange es dauerte vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne; er fand, daß zwanzig Sanduhrzeiten verstrichen waren, wobei eine Sanduhrzeit einer halben Stunde entspricht; allerdings, so räumt er ein, könne hierbei ein Fehler unterlaufen sein, denn entweder drehen sie die Uhr nicht schnell genug um, oder sie lassen sie nicht ganz auslaufen. Er sagt des weiteren, mit dem Quadranten habe er errechnet, daß er sich vierunddreißig Grad vom Äquator befinde.128
Freitag, 14. Dezember Er verließ den Puerto de la Concepción mit Landwind, der jedoch bald darauf abflaute, und solange er hier war, machte er jeden Tag die gleiche Erfahrung. Dann kam Ostwind auf; er segelte damit nach Nordnordost, erreichte die Isla de la Tortuga und sah eine Landspitze, die er Punta Pierna [Beinspitze] nannte, sie lag ostnordöstlich vom Kopf der Insel und etwa zwölf Seemeilen von ihm entfernt, und von dort aus entdeckte er in der gleichen Nordostrichtung eine andere Spitze, die er Punta Lanzada [Lanzenspitze] nannte, sie war etwa sechzehn Seemeilen entfernt. Und so waren es vom Kopf der Tortuga bis zur Punta Aguda [Scharfe
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Spitze] etwa vierundvierzig Seemeilen, also elf Landmeilen in ostnordöstlicher Richtung. Auf diesem Weg kam man an einigen großen Strandgebieten vorüber. Die Isla de la Tortuga ist sehr hoch gelegen, aber nicht gebirgig, und sie ist sehr schön und dicht mit Menschen besiedelt, ebenso wie die Isla Española, und auch das Land ist überall bestellt, so daß man glauben konnte, man habe die Gefilde von Córdoba vor Augen. Da Gegenwind war und er nicht zu der Insel Baneque129 fahren konnte, beschloß er, zum Puerto de la Concepción zurückzukehren, von wo er losgefahren war; es gelang ihm nicht, in einen Fluß einzufahren, der zwei Meilen östlich von dem erwähnten Hafen ins Meer einmündet.
Samstag, 15. Dezember Er verließ den Puerto de la Concepción und begab sich wieder auf seinen Kurs, aber als er aus der Bucht kam, hatte er auf einmal starken Gegenwind von Osten her, und so nahm er Kurs auf die Tortuga, und von dort fuhr er zurück, um den Fluß in Augenschein zu nehmen, den er gestern ansehen wollte, was ihm aber nicht gelungen war; und auch diesmal konnte er nicht einfahren; immerhin ging er eine halbe Meile gegen Lee an einem Strand vor Anker, es war ein guter, klippenreiner Ankerplatz. Als die Schiffe vertäut waren, fuhr er mit den Booten aus, um sich den Fluß anzusehen, er drang durch einen Meeresarm ein, den man eine halbe Meile vorher erreicht, aber es war nicht die Mündung. Er kehrte um und fand die Mündung, die nicht einmal einen Faden tief war und sehr starke Strömung aufwies: Er fuhr mit den Booten hinein, um jene Siedlungen zu erreichen, die seine vorgestern ausgeschickten Männer gesehen hatten, er ließ das Schlepptau aufs Land werfen, und die Matrosen zogen die Boote zwei Kanonenschuß weit flußaufwärts, doch kam er nicht weiter, da die Strömung zu stark war. Er sah ein paar Häuser und das große Tal, in dem die Dörfer liegen, und er sagt, etwas Schöneres habe er noch nicht gesehen, und mitten durch das Tal kommt der Fluß. Er sah auch Indios an der Einfahrt des Flusses, aber alle ergriffen die Flucht. Dazu äußert er, diese Menschen lebten offensichtlich in ständiger Verfolgung, da sie solche Furcht hätten, denn wenn die Christen irgendwo ankämen, gäben sie an vielen Stellen zugleich Rauchzeichen mit ihren Wachfeuern, und dies geschähe häufiger auf der Isla Española und auf der Tortuga, die auch eine große Insel ist, als auf den anderen, die er hinter sich gelassen habe. Er gab dem Tal den Namen Valle del Paraiso [Tal des Paradieses], und den Fluß nannte er Guadalquivir, denn er versichert, er sei ebenso groß wie der Guadalquivir bei Córdoba und seine Ufer mit wunderschönen Steinen übersät, und überall sei er schiffbar.
Sonntag, 16. Dezember Um Mitternacht, als ein leichter Landwind wehte, setzte er die Segel, um den Golf zu verlassen, und als er – mit dem Wind fahrend – von der Küste der Isla Española abkam, da es um neun Uhr morgens von Osten her zu wehen begann, traf er mitten auf dem Golf ein Kanu mit einem einzigen Indio, und der Admiral wunderte sich, daß es sich bei dem starken Wind über Wasser halten konnte. Er ließ ihn zu sich aufs Schiff kommen, das Kanu wurde heraufgehoben, und nachdem er ihn freundlich begrüßt hatte, schenkte er ihm Glasperlen, Glöckchen und Messingringe und brachte ihn mit dem Schiff an Land, bei einer Ortschaft130, die sechzehn Seemeilen entfernt am Meer lag; der Admiral ging dort vor Anker, er fand guten Ankergrund an dem Strand unweit des Dorfes, das erst kürzlich errichtet schien, denn alle Häuser waren neu. Der Indio fuhr sofort mit seinem Kanu an Land und gab Nachricht von dem Admiral und den Christen, daß sie gute Leute seien; man wußte von ihnen auch schon von den anderen Dörfern, wohin die sechs Seeleute gegangen waren; und dann kamen mehr als fünfhundert Männer und bald danach auch ihr König, alle standen am Strand nahe bei den Schiffen, denn sie waren sehr dicht am Land vor Anker gegangen. Dann kamen die Indios einer nach dem andern und schließlich sogar in Scharen aufs Schiff, ohne etwas mitzubringen, allerdings trugen manche von ihnen Körner feinsten Goldes an den Ohren und der Nase, die sie dann bereitwillig hergaben. Der Admiral ließ allen Ehre erweisen, und er sagt, »sie sind die besten Menschen von der Welt und überaus sanft; und vor allem setze ich große Hoffnung auf unseren Herrn und Heiland, daß Eure Hoheiten sie alle zu Christen machen werden, und alle werden Eure Untertanen sein, denn für die Euren halte ich sie«. Er sah auch, daß der König am Strand war und daß alle ihm Hochachtung erwiesen. Der Admiral sandte ihm ein Geschenk, und er sagt, jener habe es mit großer Würde entgegengenommen; er sei ein junger Mann von höchstens einundzwanzig Jahren gewesen, der einen alten Hofmeister und andere Ratgeber bei sich hatte, die ihn berieten und ihm antworteten; er selbst habe sehr wenig gesprochen. Einer der Indios, die der Admiral auf dem Schiff mitführte, sprach mit dem König; er sagte, die Christen kämen vom Himmel, und der Admiral sei auf der Suche nach Gold, und er wolle nach der Insel Baneque fahren; und der König antwortete, das sei gut, denn auf jener Insel gäbe es viel Gold; er zeigte dem Aufseher des Admirals, der ihm das Geschenk überbracht hatte, welchen Weg er einschlagen mußte, man gelange in zwei Tagen dorthin, und wenn sie aus seinem Lande etwas brauchten, würde er es ihnen mit Freuden geben.
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Der König und alle andern gingen nackt, wie ihre Mütter sie geboren hatten, auch die Frauen, und sie waren nicht im geringsten verlegen deshalb, es waren die schönsten Männer und Frauen, die sie bis dahin gesehen hatten: von ziemlich heller Hautfarbe, so daß sie, wenn sie Kleider trügen und sich vor Luft und Sonne schützten, fast so weiß wären wie die Spanier, denn das Land ist ziemlich kalt und so gut, daß man es kaum beschreiben kann: Es liegt sehr hoch, aber selbst auf dem höchsten Berg könnte man mit Ochsen pflügen, und es besteht ganz aus Ebenen und aus Tälern. In ganz Kastilien gibt es keine Landschaft, die ihm an Schönheit und Fruchtbarkeit gleichkäme. Diese ganze Insel und ebenso die Tortuga sind überall bestellt wie die Gefilde von Córdoba. Sie haben darauf Ajes [Bataten] gesät, das sind kleine Stengel, die sie einpflanzen, und an ihrem Fuß bilden sich Wurzeln, die Mohrrüben ähneln und die sie als Brot verwenden; sie reiben und kneten sie und machen Brot daraus; dann pflanzen sie den gleichen Zweig wieder an anderer Stelle ein, und wieder bringt er vier oder fünf von jenen Wurzeln hervor, die sehr schmackhaft sind und so ähnlich schmecken wie Kastanien. Hier gab es die dicksten und besten, die er jemals gesehen hatte, denn er sagt, man fände sie auch auf Guinea. Auf dieser Insel waren sie dick wie ein Bein; und er sagt, alle Leute dort seien groß und kräftig gewesen, nicht so schwach wie die anderen, die er vorher getroffen hatte; der Umgang mit ihnen sei sehr angenehm, auch hingen sie keinem Götzendienst an. Und die Bäume, sagt er, seien so üppig, daß die Blätter nicht mehr grün aussähen, sondern schwärzlich von der Fülle des Pflanzensaftes. Wunderbar war es, die Täler und die Flüsse und das schöne Wasser zu sehen und das Land, wo Brotgetreide wachsen konnte und wo man Vieh von beliebiger Sorte züchten konnte, das sie aber gar nicht kennen; wo man Gärten anlegen und alles anpflanzen konnte, was sich der Mensch zu wünschen vermag. Danach, gegen Abend, kam der König aufs Schiff; der Admiral erwies ihm die gebührende Ehre und ließ ihm sagen, daß er von den Königen Kastiliens, den mächtigsten Fürsten der Welt, käme. Aber weder die Indios, die der Admiral auf dem Schiff mitführte und die als Dolmetscher dienten, noch der König schenkten ihm Glauben, denn sie meinten, die Seeleute kämen vom Himmel, und die Reiche der Könige von Kastilien lägen im Himmel und nicht auf dieser Erde. Man setzte dem König ein paar kastilische Gerichte vor, er aß einen Bissen davon, aber dann gab er alles seinen Ratgebern und dem Hofmeister und den anderen, die er mitgebracht hatte. »Eure Hoheiten können mir glauben, daß die Ländereien so zahlreich und so gut und fruchtbar sind, besonders die auf der Isla Española, daß man es nicht hoch genug rühmen kann, und keiner kann es glauben, wenn er es nicht mit eigenen Augen sieht. Und Eure Hoheiten mögen mir glauben, daß diese Insel und alle anderen Euch ebenso Untertan sind wie Kastilien, denn hier fehlt nichts als eine feste Niederlassung und daß Ihr ihnen befehlt, was immer Ihr mögt, denn mit den Männern, die ich bei mir habe – und das sind nicht sehr viele –, würde ich alle diese Inseln ohne die geringste Gefahr durchqueren, ja, ich habe gesehen, wie drei meiner Seeleute an Land gegangen sind und wie ein ganzer Haufen Indios vor ihnen die Flucht ergriffen hat, ohne daß man ihnen etwas zuleide tun wollte. Sie tragen keine Waffen, gehen alle nackt herum und wissen gar nichts vom Waffengebrauch, ja, sie sind sogar ziemlich feige; wohl tausend von ihnen könnten drei Männern von uns nicht standhalten, und deshalb sind sie dazu geeignet, daß ihnen befohlen wird und daß man sie arbeiten, das Feld bestellen und alles andere tun läßt, was notwendig ist, daß sie Siedlungen anlegen, daß sie lernen, in Kleidern zu gehen, und daß sie unsere Sitten übernehmen.«
Montag, 17. Dezember In der Nacht blies ein starker Wind aus Ostnordost, aber das Meer hatte keinen starken Seegang, weil es die Isla de la Tortuga verhindert, die der Küste vorgelagert ist und ihr Schutz bietet: So blieb er an diesem Tag dort. Er schickte die Matrosen mit Netzen zum Fischen aus. Die Indios ergötzten sich sehr an dem, was die Christen taten, und brachten ihnen Pfeile, die von den Leuten aus Caniba oder den Kannibalen stammten; sie sind aus Schilfrohr gemacht, und sie zeigten ihnen auch ein paar sehr lange, im Feuer gehärtete und zugespitzte Wurfspieße. Zwei Männer zeigten ihnen, daß sie tiefe Narben am Körper hatten, und gaben ihnen zu verstehen, die Kannibalen hätten ihnen Stücke vom Körper geschnitten und sie verzehrt: Aber der Admiral glaubte es nicht. Er schickte wieder mehrere Christen zur Siedlung, und diese handelten im Austausch gegen Glasperlchen ein paar Goldstücke ein, die zu feinen Plättchen verarbeitet waren. Bei einem, den der Admiral für den Gouverneur der Provinz hielt und den die Indios Kazike nannten, sahen sie ein solches Goldplättchen von der Größe einer Handfläche, und es schien, als wolle er es eintauschen; er ging in sein Haus, während die anderen auf dem Platz zurück blieben; dort ließ er das Plättchen in kleine Stücke zerschlagen, dann brachte er immer ein Stückchen und tauschte es ein. Als er nichts mehr hatte, gab er durch Zeichen zu verstehen, daß er nach weiterem Gold geschickt habe, und man werde es anderntags herbringen. Alle diese Vorgänge, ihre Art und Weise, ihre Sitten, ihr sanftes Gemüt und ihr Einfallsreichtum bewiesen, daß sie aufgeweckter und verständiger sind als andere, denen er bis hierher begegnet ist, sagt der Admiral. Am Nachmittag kam von der Isla de la Tortuga ein Kanu mit gut vierzig Indios, und als sie den
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Strand erreichten, setzten sich alle anwesenden Dorfbewohner zum Zeichen des Friedens in den Sand, auch einige aus dem Kanu taten dies, und fast alle kamen an Land. Nur der Kazike erhob sich und ließ sie mit Worten, die wie Drohungen klangen, ins Kanu zurückkehren, er bespritzte sie mit Wasser und hob Steine vom Strand auf und warf sie ins Wasser, und als alle schon ganz gehorsam in ihr Kanu gestiegen und losgefahren waren, hob er einen Stein auf und legte ihn meinem Aufseher in die Hand, damit auch er nach ihnen würfe – der Admiral hatte ihn mit dem Schreiber und anderen an Land geschickt, weil sie sehen sollten, ob man etwas Nützliches bekommen könnte –, aber der Aufseher wollte nicht nach ihnen werfen. Der Kazike bewies bei diesem Vorfall sehr deutlich, daß er sich von der Anwesenheit des Admirals geschmeichelt fühlte. Das Kanu fuhr sogleich davon, und als es fort war, sagten sie zu dem Admiral, auf der Tortuga gäbe es mehr Gold als auf der Española, da sie in größerer Nähe von Baneque liege. Der Admiral sagte, seiner Meinung nach gäbe es weder auf der Isla Española noch auf der Tortuga Goldgruben, sicher werde es von Baneque hergebracht, doch bringe man nur wenig her, weil die Indios hier nicht wüßten, was sie dafür geben sollten, und das Land sei so groß„ daß sie nicht viel zu arbeiten brauchten, um ihr Leben zu fristen, und schon gar nicht, um sich zu kleiden, denn sie gingen nackt herum. Der Admiral glaubte, er sei dem Ursprung des Goldes sehr nahe und unser Herr werde ihm zeigen, wo das Gold herkommt. Er hatte Nachrichten, daß es von hier bis nach Baneque131 vier Tagereisen seien, was vielleicht dreißig bis vierzig Meilen entsprach, die man bei gutem Wind an einem Tag hinter sich bringen konnte.
Dienstag, 18. Dezember An diesem Tag blieb er am Strand vor Anker liegen, weil es windstill war und .auch, weil der Kazike gesagt hatte, er lasse Gold herbeischaffen; nicht etwa (sagt der Admiral), daß ihm so viel an dem Gold gelegen hätte, das jener herbeischaffen konnte, denn es gab dort keine Gruben, doch gedachte er genauer herauszufinden, woher sie es holten. Als es Tag wurde, befahl er, das Schiff und die Karavelle festlich mit Waffen und Fahnen zu schmücken, denn es war der Tag der Heiligen Maria vom O, also das Fest zum Gedächtnis von Maria Verkündigung: Es wurden viele Lombardenschüsse abgefeuert, und der König der Isla Española (so sagt der Admiral) war früh von seinem Haus aufgebrochen, das seiner Schätzung nach fünf Meilen entfernt sein mußte;132 um neun Uhr vormittags kam er im Dorf an, wo sich schon mehrere Männer vom Schiff aufhielten, die der Admiral hingeschickt hatte, damit sie sähen, ob Gold gebracht würde; die Seeleute erzählten, mit dem König seien mehr als zweihundert Indios gekommen, vier Männer hätten ihn in einer Sänfte getragen, und er war, wie schon oben erwähnt wurde, ein junger Mann; jetzt, als der Admiral beim Essen im Hinterkastell saß, kam er mit allen seinen Leuten aufs Schiff. Und der Admiral sagt zu den Königen: »Zweifellos hätten Eure Hoheiten an seinem würdigen Auftreten und an der Ehrfurcht, die ihm alle erwiesen, Wohlgefallen gefunden, wenn sie auch alle nackt sind. Als er also aufs Schiff kam, erfuhr er, daß ich im Hinterkastell am Tisch saß und speiste; mit würdevollem Gang ging er auf mich zu, setzte sich neben mich und wollte nicht zulassen, daß ich mich vor ihm verbeugte und mich während des Essens erhöbe. Ich meinte, daß es ihm Spaß machen würde, von unseren Speisen zu kosten: Deshalb befahl ich, ihm einiges zu essen zu bringen. Als er das Kastell betrat, gab er seinen Leuten durch Zeichen zu verstehen, daß sie draußen bleiben sollten, und sie befolgten diesen Befehl mit der größten Eile und dem größten Gehorsam, den man sich vorstellen kann; sie setzten sich alle aufs Deck, außer zwei Männern reiferen Alters, die ich für seine Ratgeber und den Hofmeister hielt, diese kamen herbei und setzten sich zu seinen Füßen nieder; von den Speisen, die ich ihm vorlegte, nahm er jeweils nur so viel, wie man es tut, wenn man das Essen verkostet, und dann schickte er das übrige sofort seinen Männern, und sie aßen alle davon; ebenso machte er es mit den Getränken, die er nur mit den Lippen berührte und dann an die andern weitergab, und alles tat er mit einer wunderbaren Würde und ohne viel zu sprechen, und was er sagte, war, soweit ich es verstehen konnte, höchst vernünftig und wohlgesetzt; die anderen beiden sahen auf seinen Mund, sie sprachen für ihn und mit ihm, und das immer mit großer Ehrfurcht. Nach dem Essen brachte ein Bedienter des Königs einen Gürtel, der genauso gefertigt ist wie die kastilischen, nur daß er andere Verzierungen hat; der König nahm ihn und schenkte ihn mir, außerdem noch zwei bearbeitete Goldstücke, die sehr dünn waren; deshalb glaube ich, daß sie hier wenig Gold bekommen, wenn ich auch der Ansicht bin, daß die Gegend, wo man es findet und wo es viel davon gibt, in unmittelbarer Nähe ist. Ich sah, daß eine Tapetenleinwand, die über meinem Bett hing, sein Wohlgefallen erregte; ich schenkte sie ihm und gab ihm ferner eine Kette mit sehr schönen Bernsteinkugeln, die ich am Hals trug, rote Schuhe und ein Sprengfläschchen mit Orangenblütenwasser; er freute sich über diese Dinge so sehr, daß es ein Wunder war; er und sein Hofmeister und die Ratgeber waren tief betrübt, weil sie mich nicht verstanden und ich sie auch nicht. Trotzdem begriff ich, daß er mir sagte, wenn ich von hier irgend etwas brauchte, so stünde die ganze Insel zu meiner Verfügung. Ich ließ eine Kette von mir holen, ich habe daran als Erkennungszeichen einen Goldexzellenten133, auf dem das Bildnis Eurer Hoheiten eingraviert ist; das zeigte ich ihm und sagte ihm
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wiederum, wie ich schon gestern getan hatte, daß Eure Hoheiten den größten und besten Teil von der Welt regierten und beherrschten und daß es keine mächtigeren Fürsten gäbe; ich zeigte ihm die königliche Flagge und die andere mit dem Kreuz, die ihm sehr gefielen; welch mächtige Herrscher müßten Eure Hoheiten sein, sagte er zu seinen Ratgebern, daß sie mich von so weit her und vom Himmel ohne Furcht zu ihnen geschickt hätten; und er sagte noch vieles andere, was ich nicht verstand, abgesehen davon, daß er sich, wie ich wohl merkte, über alles das höchlichst verwunderte.« Als es Abend wurde und er gehen wollte, verabschiedete ihn der Admiral unter allen Ehrenbezeigungen und ließ ihn mit dem Boot zurückbringen; er ließ zahlreiche Lombardenschüsse abfeuern, und als er das Land erreichte, stieg er in seine Sänfte und entfernte sich mit seinen mehr als zweihundert Begleitern; seinen Sohn trug ein Indio, ein sehr ehrenhafter Mann, auf den Schultern hinterdrein. Allen Seeleuten und der ganzen Schiffsbesatzung ließ er; wo immer er sie antraf, stets zu essen geben und ihnen große Ehre erweisen. Ein Matrose sagte, er sei ihm auf dem Weg begegnet und habe bei ihm alle Dinge gesehen, die ihm der Admiral geschenkt hatte; jeder Gegenstand wurde von je einem Mann vor dem König einhergetragen, offensichtlich taten dies die vornehmsten Männer des Königs. Erst ein ganzes Stück hinter ihm kam sein Sohn, der ebensoviel Leute zur Begleitung hatte wie er selbst, und dann ein Bruder des Königs, nur daß der Bruder zu Fuß ging und von zwei vornehmen Männern am Arm geführt wurde. Dieser war nach dem König aufs Schiff gekommen, und der Admiral gab ihm ein paar von den erwähnten Tauschgegenständen; bei dieser Gelegenheit erfuhr er, daß sie den König in ihrer Sprache Kazike nennen. Der Admiral sagt, er habe an diesem Tag nur wenig Gold eingetauscht; aber von einem alten Mann hörte er, daß es in der Nachbarschaft viele Inseln gäbe, soweit er verstehen konnte, hundert Meilen und weiter entfernt, auf denen sehr viel Gold gefunden werde und auch auf anderen; ja, er sprach sogar davon, daß eine der Inseln ganz aus Gold sei, und auf den anderen gäbe es Gold in solchen Mengen, daß es geradezu mit Sieben eingesammelt werde, worauf es geschmolzen und zu Stangen und unzähligen Schmuckgegenständen verarbeitet werde. Die Indios erläutern die Fertigungsweise durch Zeichensprache. Der gleiche Alte erklärte dem Admiral durch Zeichen den einzuschlagenden Kurs und die Meeresgegend, wo es sich befand: Der Admiral entschloß sich, dorthin zu fahren, und er sagte, wenn der Alte nicht so ein bedeutender Würdenträger des Königs gewesen sei, hätte er ihn zurückgehalten und mitgenommen, oder er hätte ihn, wenn er seine Sprache gekannt hätte, darum gebeten; und er glaubte, der Alte wäre sehr gern mit ihm gefahren, da er sich gut mit ihm und den Seeleuten verstand; aber weil er diese Menschen schon als Untertanen der Könige von Kastilien betrachtete und es nicht recht schien, ihnen einen Schimpf anzutun, beschloß ,er, ihn gehen zu lassen. Er ließ ein gewaltiges Kreuz mitten auf dem Platz des Dorfes aufstellen, und die Indios halfen ihm eifrig; wie er berichtet, sie sprachen Gebete dabei und verehrten das Kreuz, und dies nahm er zum Zeichen, daß alle diese Inseln mit Gottes Hilfe zum Christentum bekehrt werden sollen.
Mittwoch, 19. Dezember In dieser Nacht setzte er die Segel, um den Golf zu verlassen, den die Isla de la Tortuga dort mit der Española bildet; und als es Tag war, drehte der Wind auf Ost, so daß er die Gewässer zwischen den beiden Inseln den ganzen Tag nicht verlassen konnte; nachts gelang es ihm nicht, in eine Bucht einzufahren, die vor ihm auftauchte.134 Er konnte dort vier Kaps, eine große Bai und einen Fluß erkennen, und er. sah von da aus ein sehr großes Vorgebirge135; es befand sich dort eine Ortschaft und dahinter ein Tal, das von vielen, sehr hohen Bergen umgeben war; sie waren dicht mit Bäumen bestanden, die er für Pinien hielt, und über den Dos Hermanos [Zwei Brüdern]136 erhebt sich ein sehr hohes, großes Gebirge, das von Nordost nach Südwest verläuft, und ostsüdöstlich vom Cabo de Tones [Türmekap] liegt eine kleine Insel, der er den Namen Santo Tomás verlieh, weil am nächsten Tag die Vigilie des Heiligen war. Der ganze Umkreis dieser Insel weist Kaps und wundervolle Buchten auf, wie es ihm vom Meer her schien. Auf der Westseite vor der Insel sieht man ein Kap, das weit ins Meer vorspringt und das teils hoch, teils niedrig ist, er gab ihm daher den Namen Cabo alto y bajo [Hohes und niedriges Kap]137. Vom Cabo de Tones in Richtung Ost-zu-Südost sind es sechzig Seemeilen bis zu einem Gebirge, das höher ist als die anderen und das ins Meer vorstößt,138 es sieht von weitem aus wie eine Insel für sich, weil es auf der Landseite einen Einschnitt hat; er gab ihm den Namen Monte Caribata [Caribataberg], denn jene Provinz hieß Caribata. Es ist sehr schön und voller grüner und heller Bäume, ohne Nebel und frei von Schnee, und dabei war es dort eben die Jahreszeit, in der Schnee fallen müßte; was die Lüfte und das milde Klima angingt so war es hier wie im März in Kastilien, und die Bäume und Kräuter waren wie dort im Monat Mai; die Nächte dauerten vierzehn Stunden, sagt er.
Donnerstag, 20. Dezember Heute bei Sonnenuntergang fuhr er in eine Bucht ein, die zwischen der Insel Santo Tomás und dem Cabo de Caribata [Kap von Caribata]139 lag, und ging vor Anker. Die Bucht ist überaus schön, und es hätten alle
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Schiffe der Christenheit Platz darin gehabt: Vom Meer aus muß es jedem unmöglich scheinen, hier einzufahren, wenn er es noch nicht getan hat, denn ein paar Felsenriffe ziehen sich von dem Berg aus bis fast zur Insel, aber sie sind nicht in einer Linie angeordnet, sondern ein paar sind hier, andere dort, einige weiter draußen im Meer und andere schließlich an der Küste; deshalb muß man wachsam sein und durch Kanäle einfahren, die sehr gut und breit sind und die man ohne Furcht benutzen kann, und dann ist es überall sehr tief, etwa sieben Faden, und wenn man die Riffe hinter sich gelassen hat, ist es im Innern zwölf Faden tief. Hier kann man das Schiff in beliebiger Weise gegen alle erdenklichen Winde vertäuen. Am Eingang zu dieser Bucht, sagt er, befinde sich ein Kanal140, der an der Westseite einer kleinen Sandinsel verlaufe, es stünden viele Bäume darauf, und man messe bis an ihr Ufer sieben Faden Tiefe; aber es gebe zahlreiche Untiefen in dieser Gegend, und daher sei es nötig, stets die Augen offenzuhalten, bis man in die Bucht eingefahren ist: Danach brauche man keinen Sturm der Welt mehr zu fürchten. Von der Bucht sah man ein sehr großes Tal, das überall bestellt war und das nach Südosten hin abfällt, es ist ganz umgeben von sehr hohen Bergen, die an den Himmel zu stoßen scheinen und sehr schön sind, voller grüner Bäume; zweifellos sind die Berge hier höher als auf der kanarischen Insel Teneriffa,141 die zu den Inseln mit den höchsten Erhebungen gerechnet wird. Auf dieser Seite der Insel Santo Tomás liegt eine Meile weit entfernt noch eine andere kleine Insel142 und davor noch eine, und an allen gibt es wundervolle Buchten, aber man muß auf Untiefen achten. Er sah auch Siedlungen und Rauchzeichen, die sich die Indios gaben.
Freitag, 21. Dezember Heute fuhr er mit den Booten beider Schiffe aus, um die Bucht in Augenschein zu nehmen; und er sah, daß sie so schön war, wie er in seinem ganzen Leben keine andere gesehen hatte,143 und er entschuldigt sich, weil er die früheren so in den Himmel gehoben habe, denn jetzt wisse er nicht, wie er diese rühmen solle, und fürchte, daß man ihn maßloser Übertreibung verdächtigen könne; er sagt dazu folgendes: Er habe auf seinen Schiffen alte Seeleute, die das gleiche sagten und auch in Zukunft sagen würden, und überhaupt alle, die zur See führen, würden derart sprechen: Man müsse wissen, daß alles Lob, das er von den früheren Häfen gesagt habe, der Wahrheit entspräche; daß aber dieser hier noch viel besser ist, sei ebenso wahr. Er sagt dazu weiterhin: »Ich bin ohne nennenswerte Unterbrechung dreiundzwanzig Jahre lang zur See gefahren und habe den ganzen Osten gesehen und auch den Westen, dies, als er sich nach Norden wandte, um England zu erreichen, und bin nach Guinea gefahren, aber nirgendwo in diesen Gegenden wird man so vollkommene Häfen finden, wobei ich immer das144 besser gefunden habe als das andere, denn ich habe meine Niederschrift mit großer Umsicht betrieben, und ich wiederhole und versichere, daß ich recht geschrieben habe und daß dieser hier alle übertrifft; alle Schiffe der Welt könnten Platz darin finden, und er ist so gut abgeschlossen, daß selbst das älteste Tau ausgereicht hätte, um das Schiff zu vertäuen.« Von der Einfahrt bis zum Ende der Bucht sind es etwa fünf Meilen145. Er sah sehr gut bestellte Felder, aber es ist hier überall so; und er befahl zwei Männern, aus den Booten zu steigen und eine Anhöhe zu erklimmen, um zu sehen, ob eine Ortschaft in der Nähe sei, da man vom Meer aus keine sehen konnte; denn in der vergangenen Nacht, gegen zehn Uhr, waren ein paar Indios mit einem Boot gekommen, die sich über den Admiral und die Christen sehr verwunderten; er hatte ihnen ein paar Tauschgeschenke gegeben, was sie sehr erfreut hatte. Die beiden Männer kehrten zum Boot zurück und meldeten, sie hätten ein großes Dorf146 gesehen, das etwas abseits vom Meer liege. Der Admiral befahl, die Küste entlang in Richtung auf das Dorf zu rudern; als sie nahe am Land waren, sah er ein paar Indios, die ans Ufer des Meeres kamen, und da es schien, als ob sie Angst hätten, befahl er, die Boote anzuhalten; die Indios, die er auf dem Schiff mitführte, sollten ihnen sagen, daß er keinem ein Leid zufügen wolle. Da kamen sie noch näher ans Ufer, und auch der Admiral näherte sich dem Land, und als sie ihre Furcht ganz verloren hatten, kamen so viele, daß der ganze Strand davon erfüllt war, und alle, Männer, Frauen und Kinder, bedankten sich vielmals: Die einen kamen von hier und die anderen von dort, und sie brachten uns Brot, das sie aus Niames [Yamswurzeln] herstellen, die sie Ajes [Bataten] nennen; es ist sehr hell und gut; sie brachten uns Wasser in Kürbisflaschen und in Lehmkrügen, die gemacht sind wie die kastilischen; sie brachten uns alles, was sie hatten und wovon sie wußten, daß es der Admiral begehrte, und alles so großzügigen und freudigen Sinnes, daß es ein Wunder war; »und man sage nicht, daß sie es so gern gegeben hätten, weil es wenig wert sei,« fügt der Admiral hinzu, »denn jene, die Goldstücke gaben, taten es nicht weniger großzügig als jene, die uns eine Kalebasse mit Wasser gaben; und man kann sehr leicht erkennen« (sagt der Admiral), »ob etwas freudigen Herzens gegeben wird«. Das sind seine eigenen Worte: »Diese Leute haben weder Lanzen noch Wurfspieße, noch irgendwelche sonstigen Waffen, und ebensowenig die übrigen Indios auf dieser Insel, die ich für sehr groß halte: Sie sind so nackt, wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, die Frauen ebenso wie die Männer, denn in den anderen Gegenden der Juana und auf den anderen Inseln hatten sich die Frauen Baumwollfetzen umgebunden, mit denen sie ihr Geschlecht verhüllten, ungefähr so groß wie der Latz einer Männerhose
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(und dies besonders, wenn sie das zwölfte Lebensjahr überschritten hatten), aber hier bedeckten sich weder die jungen noch die alten Frauen, und in den anderen Gegenden trugen die Männer aus Eifersucht Sorge, daß sich ihre Frauen vor den Christen versteckten, aber hier war es anders, so daß man sehr schöne Frauenkörper sieht; die Frauen waren die ersten, die kamen, um dem Himmel zu danken und alles zu bringen, was sie hatten, vor allem etwas zu essen, Brot aus Bataten, Erdmandeln und fünf, sechs Sorten Obst«, von denen der Admiral etwas dörren ließ, um es den Königen mitzunehmen. Ebenso, sagt er, hätten es auch die Frauen in den anderen Gegenden getan, bevor sie sich versteckt hätten; und der Admiral befahl seinen Leuten überall, wo sie landeten, sich vorzusehen, damit keinem in irgendeiner Weise Schaden zugefügt und nichts von ihnen gegen ihren Willen genommen wurde; deshalb bezahlten sie den Indios alles, was sie von ihnen bekamen. Endlich (sagt der Admiral) könne er nicht glauben, daß man irgendwo so freigebige und gutherzige Menschen gesehen habe; sie seien so furchtsam, daß sie sich wahrhaft abäscherten, um den Christen alles zu geben, was sie hatten, und wenn diese kamen, rannten sie sofort los, um alles heranzuschleppen. – Später schickte der Admiral sechs seiner Männer aus, die das Dorf näher in Augenschein nehmen sollten; man erwies ihnen dort soviel Ehre, wie es nur irgend erdenklich war, und die Indios gaben ihnen alles, was sie hatten, weil sie der festen Überzeugung waren und nicht den geringsten Zweifel hegten, daß der Admiral und alle seine Leute vom Himmel gekommen seien. Dasselbe glaubten auch die Indios, die der Admiral von den anderen Inseln mitbrachte, obschon er ihnen gesagt hatte, was sie glauben sollten. Nachdem die sechs Christen fortgegangen waren, kamen Indios in mehreren Kanus an und baten den Admiral im Namen eines Herrn, zu seinem Dorf zu kommen, sobald er von hier abfahre. Canoa ist ein Boot, mit dem sie zur See fahren, es gibt große und kleine davon. Und da sich das Dorf des besagten Herrn an seinem Weg auf einer Landzunge befand und jener den Admiral mit vielem Volk erwartete, fuhr er dorthin; bevor er aber abfuhr, kamen so viele Indios an den Strand, daß man Angst bekommen konnte, Männer und Frauen und Kinder, und alle schrieen, daß er nicht wegfahren, sondern bei ihnen bleiben sollte. Die Sendboten des anderen Herrn, der ihn eingeladen hatte, warteten mit ihren Kanus, damit er nicht abfuhr, ohne ihren Herrn aufzusuchen, und so tat er es; als der Admiral den Ort erreichte, wo ihn der Herr erwartete und wo viele Lebensmittel für sie bereitgehalten wurden, hieß der Herr alle seine Leute niedersitzen und befahl, alles, was sie zu essen hatten, zu den Booten zu bringen, wo sich der Admiral befand, in kurzer Entfernung vom Ufer. Und als er sah, daß der Admiral alles in Empfang genommen, was man ihm gebracht hatte, rannten alle oder doch die meisten der Indios wieder zum Dorf, das ganz in der Nähe sein mußte, um noch weitere Lebensmittel und Papageien und andere Dinge, die sie hatten, heranzuschaffen; sie taten das mit solcher Großzügigkeit, daß es ein Wunder war. Der Admiral gab ihnen Glasperlen, Messingringe und Glöckchen, nicht weil sie etwas verlangten, sondern weil er es für richtig hielt und vor allem (sagt der Admiral), weil er sie schon als Christen betrachtet, die den kastilischen Königen ergebener sind als die Kastilier selbst; und er sagt, es fehle nichts weiter, als daß man ihre Sprache kenne und ihnen befehle, denn alles, was man ihnen befehle, würden sie widerspruchslos tun. Dann fuhr der Admiral zu den Schiffen zurück, und die Indios – Männer, Frauen und Kinder – riefen, die Christen sollten nicht abfahren, sondern bei ihnen bleiben. Als die dann aufbrachen, folgten sie ihnen mit überfüllten Kanus bis zum Schiff, und er ließ ihnen große Ehre erweisen, gab ihnen zu essen und andere Dinge, die sie mitnehmen konnten. Schon vorher war ein anderer Herr vom Westteil der Insel eingetroffen, und viele Indios kamen sogar schwimmend zum Schiff, obwohl es eine reichliche halbe Seemeile vom Land entfernt lag. Der erwähnte Herr war inzwischen schon wieder fort; der Admiral schickte mehrere Männer zu ihm, die ihn sehen und ihn nach den Inseln fragen sollten; er empfing sie sehr freundlich und nahm sie mit in sein Dorf, um ihnen mehrere große Goldstücke zu geben; unterwegs gelangten sie an einen großen Fluß, den die Indios schwimmend überquerten. Da die Christen es nicht konnten, kehrten sie um. Überall in der Umgebung gibt es sehr hohe Berge, man meint, sie müßten an das Himmelsgewölbe stoßen, das Gebirge von Teneriffa erscheint im Vergleich dazu an Höhe und Schönheit gering, und alle sind grün und dicht bewaldet, so daß es wunderbar anzusehen ist. Mitten darin findet man höchst reizvolle Auen, und unterhalb der Bucht, im Süden, dehnt sich eine Aue, die so groß ist, daß man kein Ende erkennen kann; sie wird von keinem Höhenzug unterbrochen und scheint sich über fünfzehn bis zwanzig Meilen zu erstrecken; mitten hindurch verläuft ein Fluß, und überall ist sie besiedelt und bestellt, und jetzt ist sie so grün, wie man es im Mai oder Juni in Kastilien erlebt, obwohl die Nächte hier vierzehn Stunden dauern und das Land so weit im Norden liegt. Die Bucht147 ist sehr günstig bei allen erdenklichen Winden, tief und abgeschlossen und überall im Umkreis besiedelt von sehr guten, sanften Menschen, die keinerlei Verteidigungs- oder Angriffswaffen tragen; und jedes Schiff kann dort vor Anker gehen, ohne daß man befürchten muß, bei Nacht von anderen Schiffen angegriffen zu werden, denn obwohl die Mündung sehr breit ist, mehr als zwei Meilen, ist sie sehr gut abgeschlossen von zwei Felsenriffen, die man kaum übers Wasser ragen sieht; es gibt in diesem Riff nur eine sehr enge Durchfahrt, die aussteht, als ob sie von Menschenhand geschaffen sei, es ist ein Tor, eben so breit, daß die Schiffe einfahren können. In der Mündung ist die Bucht sieben Faden tief, fast bis an eine kleine flache Insel mit einem Strand und Bäumen am Rande; die Einfahrt liegt auf der Westseite, und ein
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Schiff kann ohne Gefahr bis dicht an den Felsen heranfahren. Auf der Nordwestseite sind drei Inseln und eine Meile vom Ende der Bucht ein breiter Fluß. Man kann sich keinen besseren Hafen vorstellen; er gab ihm den Namen Puerto de la mar de Santo Tomás [Hafen des Meeres von Sankt Thomas], weil es der Tag dieses Heiligen war, und »Meer« nannte er ihn seiner Größe wegen.
Samstag, 22. Dezember Bei Tagesanbruch setzte er die Segel, um seinen Weg fortzusetzen und die Inseln zu suchen, von denen die Indios gesagt hatten, es gäbe viel Gold dort, und auf manchen von ihnen könne man sogar mehr Gold als Erde sehen: Der Wind war nicht günstig, so daß er wieder vor Anker gehen mußte; er schickte das Boot aus mit Männern, die das Fischnetz auswerfen sollten. Der Herr dieses Gebietes148, der in der Nähe eine Ansiedlung besaß, schickte ein großes Kanu voller Indios zu ihm; unter ihnen befand sich auch einer seiner vornehmsten Diener, der den Admiral bat, mit den Schiffen nach seinem Land zu kommen, und er wolle ihm alles geben, was er habe. Er schickte ihm einen Gürtel mit, der anstelle eines Geldbeutels mit einer Maske versehen war, sie hatte zwei große Ohren und dazu Zunge und Nase aus getriebenem Gold. Da diese Leute sehr freigebig sind und alles, worum sie gebeten werden, mit größter Bereitwilligkeit hergeben, erwecken sie den Eindruck, als erweise man ihnen eine große Gnade, wenn man etwas von ihnen erheischt: So spricht der Admiral. Die Indios begegneten dem Boot und übergaben den Gürtel einem Schiffsjungen, dann kamen sie mit ihrem Kanu an Bord des Schiffes und richteten ihre Botschaft aus. Doch bis er sie verstand, verstrich ein Teil des Tages, denn auch die Indios, die er bei sich hatte, verstanden sie nicht richtig, da sie für zahlreiche Dinge ganz andere Wörter haben. Schließlich verstand er durch Zeichensprache, daß jener ihn einlud. Er beschloß, am Sonntag dorthin zu fahren, obwohl es nicht seine Gewohnheit war, sonntags den Hafen zu verlassen; er tat dies aus Frömmigkeit, nicht aber aus irgendeinem Aberglauben; doch in der Hoffnung, sagt er, daß jene Völker Christen werden, entsprechend dem Willen, den sie bekunden, und gleichzeitig Untertanen der Könige Kastiliens, und weil er sie schon für die ihren halte und damit sie ihm in Zuneigung dienten, liebe er sie und bemühe sich, alles im besten Einvernehmen zu lösen. Bevor er heute abfuhr, sandte er sechs Männer nach einem sehr großen Dorf149, das drei Meilen westwärts von hier lag, weil der Herr des Ortes am Vortag zum Admiral gekommen war, um ihm zu sagen, daß er mehrere Goldstücke habe. Als die Christen dort ankamen, faßte der Herr den Schreiber des Admirals am Arm, dieser war unter den Männern und er war vom Admiral mitgeschickt worden, damit er darauf achte, daß die übrigen den Indios nichts Ungebührliches antaten, denn die Indios waren so freigebig die Spanier aber so maßlos und habgierig, daß es ihnen nicht genügte, wenn die Indios ihnen für ein Endchen Schnurband, ja selbst für ein Stück Glas oder eine Tonscherbe oder anderes wertloses Zeug alles gaben, was sie begehrten; auch ohne ihnen nur das Geringste zu geben, wollten sie alles von ihnen haben und wegnehmen, was der Admiral stets verboten hatte, wenn auch, das Gold ausgenommen, vieles gering an Wert war, was sie den Christen gaben, aber der Admiral, der die Freigebigkeit der Indios sah, die für sechs kleine Glasperlen ein Goldstuck hergeben würden und dies auch taten, befahl, daß man nichts von ihnen nehmen dürfe, für das man keinen Gegenwert erstatte. So faßte der Herr also seinen Schreiber an der Hand und führte ihn mit der ganzen Volksmenge, die sehr groß war und ihn begleitete, in sein Haus und ließ ihnen zu essen geben, und alle Indios brachten ihnen viele, aus Baumwolle gefertigte Dinge und zu Knäueln aufgewickeltes Garn. Als es spat geworden war, gab ihnen der Herr drei sehr große Gänse und ein paar kleine Goldstücke, und mit ihnen kam eine große Menschenmenge; die Indios trugen ihnen alles, was sie eingetauscht hatten, und baten sie immer wieder, sich auf dem Rücken tragen zu lassen; und sie trugen sie tatsächlich, sobald Flüsse oder schlammige Stellen zu überschreiten waren. Der Admiral ließ dem Herrn ein paar Dinge schicken, und dieser und alle seine Leute waren voller Freude und meinten nicht anders, als daß die Christen vom Himmel gekommen seien, und sie schätzten sich glücklich, sie sehen zu dürfen. An diesem Tag kamen über einhundertzwanzig ganz mit Menschen überladene Kanus zu den Schiffen, und alle brachten etwa, mit hauptsächlich von ihrem Brot und Fisch und dazu Wasser in kleinen Tonkrügen und mancherlei Samen von guten Pflanzensorten: Sie warfen ein Korn in eine Schale mit Wasser und tranken es, und die Indios, die der Admiral bei sich hatte, sagten, das sei sehr gut für die Gesundheit.
Sonntag, 23. Dezember Er konnte mit seinen Schiffen nicht nach dem Gebiet jenes Herrn abfahren, der ihn zu sich gebeten und eingeladen hatte, weil Windstille war; er schickte aber mit den drei Sendboten, die bei ihm warteten, die Boote mit einer Gruppe seiner Männer und dazu seinen Schreiber. Während jene dorthin fuhren, sandte er zwei von den Indios, die auf dem Schiff mitfuhren, nach den Orten, die in der Nähe des Ankerplatzes der Schiffe lagen; sie kehrten mit einem Herrn aufs Schiff zurück und brachten die Nachricht, auf der Española
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gebe es große Mengen Goldes, und man komme aus anderen Gegenden hierher, um welches zu kaufen; und sie sagten ihm, er werde hier so viel finden, wie er brauche. Es kamen auch andere, die ihm versicherten, daß es auf der Insel viel Gold gäbe, und ihm die Art und Weise der Goldgewinnung zeigten. Alles das konnte der Admiral nur mühsam verstehen; aber er hielt es dennoch für sicher, daß es in diesen Gegenden riesige Mengen davon gab, und sobald man die Stelle fand, wo es gewonnen wurde, hätte man Gold im Überfluß und, wie er glaubte, fast umsonst. Und er sagt noch einmal, er sei überzeugt, daß es viel Gold geben müsse, denn er habe an den drei Tagen, die er in dieser Bucht vor Anker gelegen, gute Goldstücke erhalten und könne nicht glauben, daß man es aus einem anderen Land hierherbringe. »Unser Herr, der alles in seinen Händen hält, möge mir helfen und zuteilen nach Seinem Gutdünken.« Das sind die Worte des Admirals. Er sagt, in jener Stunde seien wohl über tausend Personen ans Schiff gekommen, und alle hätten etwas von dem mitgebracht, was sie hatten; und bevor sie das Schiff erreichten, einen halben Armbrustschuß vorher, würden sie sich in ihren Kanus erheben, das Mitgebrachte in die Hände nehmen und rufen: Nehmt, nehmt. Und er schätze, daß mehr als fünfhundert Indios schwimmend zum Schiff gekommen seien, weil sie keine Kanus hatten, und dabei war er fast eine Meile vom Ufer vor Anker gegangen. Er glaube sich zu erinnern, daß auch fünf Herren gekommen seien und dazu ihre Söhne, alle Hausgenossen, Frauen und Kinder, um die Christen zu sehen. Jedem der Indios ließ der Admiral etwas geben, denn alle Geschenke, so sagt er, seien gut angewandt, und er sagt weiterhin: »Unser Herr helfe mir in seiner Barmherzigkeit, daß ich dieses Gold finden möge, ich meine die Mine, wo es gewonnen wird, denn hier sind sehr viele Indios, die es zu wissen vorgeben.« Das sind seine Worte. In der Nacht kamen die Boote zurück, und die Männer sagten, sie seien sehr weit gefahren, und am Berg Caribatán hätten sie viele Kanus mit zahlreichen Leuten getroffen, die von dem Ort, zu dem sie wollten, gekommen seien, um den Admiral und die anderen Christen zu sehen. Und folgendes hielt er für sicher: Wenn er das Weihnachtsfest in dieser Bucht150 verbringen könnte, würden alle Einwohner der Insel – er hielt sie bereits für größer als England – zu ihnen kommen, um sie zu sehen; die Indios kehrten mit den Christen zu der Ortschaft151 zurück, von der, wie er sagt, behauptet wurde, sie sei die größte und am besten durch Straßen aufgeteilte von all denen, die er bisher gefunden und besucht habe, sie gehöre zur Punta Santa [Heiligen Spitze]152, fast drei Meilen von hier nach Südosten. Und da die Kanus mit ihren Ruderern sehr schnell vorankamen, fuhren sie voraus, um den Kaziken, wie man ihn dort nannte, zu benachrichtigen. Der Admiral hatte bisher noch nicht herausgefunden, ob sie so den König nannten oder den Gouverneur. Sie haben noch ein anderes Wort für einen großen Herrn, und zwar Nitayno153, aber er wußte nicht, ob sie diesen Ausdruck für einen Hidalgo oder Gouverneur oder Richter gebrauchten. Schließlich kam der Kazike zu ihnen, und auf der Plaza, die sehr gut gefegt war, versammelte sich die ganze Einwohnerschaft, die aus über zweitausend Leuten bestand. Der König ließ den Männern von den Schiffen große Ehre erweisen, und alle einfachen Einwohner brachten ihnen zu essen und zu trinken. Danach gab der König jedem der Christen ein paar Baumwolltücher, wie sie die Frauen tragen, und Papageien für den Admiral und mehrere Goldstücke: Auch die einfachen Einwohner gaben den Seeleuten solche Tücher und andere Dinge aus ihren Häusern, so wenig ihnen diese auch dafür zurückgaben, und die Art, wie sie die Tauschgegenstände empfingen, erweckte den Eindruck, als hätten sie sie für Reliquien gehalten. Als es Abend war und die Seeleute Abschied nehmen wollten, bat sie der König, bis zum nächsten Tag zu bleiben; und ebenso bat sie das ganze Volk. Als sie sich dennoch zum Abschied entschlossen, kamen die Indios ein großes Stück Wegs mit ihnen, und sie trugen ihnen alles, was ihnen der Kazike und die anderen geschenkt hatten, auf dem Rücken nach bis zu den Booten, die an der Mündung des Flusses lagen.
Montag, 24. Dezember Noch vor Sonnenaufgang lichtete er die Anker und nutzte zur Abfahrt den Landwind aus. Unter den vielen Indios, die gestern aufs Schiff gekommen waren und ihnen bedeutet hatten, daß es Gold auf der Insel gab, und die Orte genannt hatten, wo es gewonnen wurde, bemerkte er einen, der ihm besonders dienstwillig und zugetan schien oder der mit größerer Freude zu ihnen sprach; daher schmeichelte der Admiral ihm und bat ihn, mit ihm zu fahren und ihm, die Goldgruben zu zeigen. Jener brachte noch einen Gefährten oder Verwandten mit, und neben anderen Stellen, wo Gold gefunden werde, erwähnten sie auch Cipango, das sie Civao nennen, und sie versichern, dort gebe es eine große Menge Gold, und der Kazike dort habe Banner aus getriebenem Gold, allerdings wohne er sehr weit entfernt im Osten. Der Admiral sagt hier folgende Worte zu den Königen: »Eure Hoheiten können glauben, daß es auf der ganzen Welt keine besseren und sanfteren Menschen gibt: Es muß Euren Hoheiten große Freude bringen, denn Ihr werdet sie bald zum Christentum bekehren und sie in den guten Gebräuchen Eurer Königreiche unterwiesen haben, denn bessere Menschen und besseres Land kann man nicht finden, und die Menschen sind so zahlreich, und das Land ist so groß, daß ich nicht mehr weiß, wie ich es schildern soll; denn ich habe in den höchsten Tönen des Lobes von den Menschen und dem Land der Insel Juana gesprochen, die sie Cuba nennen; doch im
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Vergleich zu den Menschen und dem Land auf dieser Insel können sie nicht bestehen, es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht; ich glaube auch nicht, daß ein anderer, der all dies gesehen hätte, weniger gesagt und getan hätte als ich; und ich sage, es ist wahrlich ein Wunder, all diese Dinge hier und die großen Ortschaften der Isla Española, denn so habe ich sie genannt, und die Indios nennen sie Bohío, und alle sind sie von einer ganz eigentümlichen, liebenswürdigen Art des Umgangs und einer sanften Sprache, nicht wie die anderen, die den Eindruck erwecken, als stießen sie beim Sprechen Drohungen aus; Männer und Frauen sind von guter Statur und nicht dunkel. Allerdings malen sich alle an, einige mit schwarzer, andere mit einer anderen Farbe, die meisten aber mit Rot. Ich habe gehört, daß sie es der Sonne halber tun, damit sie ihnen nicht solchen Schaden zufügt; die Häuser und Siedlungen sind sehr schön, und überall sind Herren über sie gesetzt, Richter oder Gebieter, und alle Indios gehorchen ihnen aufs Wort; alle diese Herren machen wenig Worte und sind von sehr guten Sitten; ihre Art zu befehlen besteht vorwiegend darin, daß sie Handzeichen geben, und dann werden sie ganz ausgezeichnet verstanden.« Alles das sind Worte des Admirals. Wer in das Mar de Santo Tomé154 einfahren will, muß eine gute Meile vor dem Beginn der Einfahrt Kurs auf eine flache, kleine Insel155 nehmen, die in ihrer Mitte liegt und die er La Amiga [Die Freundin] nannte, als er auf sie zusteuerte. Und wenn man einen Steinwurf weit156 an sie herangekommen ist, muß man nach Westen fahren und sie im Osten zurücklassen; man muß bei ihr einfahren und nicht auf der anderen Seite, weil auf der Westseite ein sehr großes Riff liegt, und auch im Meer vor ihr gibt es ein paar Untiefen, etwa drei, und dieses Riff reicht bis auf einen Kanonenschuß an die Amiga heran; man muß dazwischen hindurchfahren, dann wird man mindestens sieben Faden Tiefe und Kiesgrund vorfinden, und im Innern findet man einen Hafen für alle Schiffe der Welt, man braucht sie nicht einmal zu vertäuen. Ein weiteres Riff und weitere Untiefen ziehen sich an der Ostseite der erwähnten Insel Amiga hin, sie sind sehr groß und springen weit ins Meer vor, und das Riff reicht fast bis auf zwei Meilen an das Kap heran, aber dazwischen schien es zwei Kanonenschuß weit von der Amiga eine Einfahrt zu geben; und am Fuße des Monte Caribatán, auf der Westseite, ist eine sehr gute und sehr große Bucht157.
Dienstag, 25. Dezember, Weihnachtstag Nachdem er am gestrigen Tag mit wenig Wind vom Mar de Santo Tomé bis zur Punta Santa gesegelt war, von der er eine Meile entfernt war, als die erste Nachtwache vorüber war, also gegen elf Uhr nachts, beschloß er, sich schlafen zu legen, denn er hatte seit zwei Tagen und einer Nacht kein Auge zugetan. Da Windstille war, beschloß der Mann, der das Schiff steuerte, sich ebenfalls schlafen zu legen, und überließ das Steuer einem Schiffsjungen, und dies hatte der Admiral im Laufe der Reise immer wieder verboten, gleichgültig, ob ein Wind blies oder Windstille herrschte; kurz und gut, die Schiffsjungen durften nicht ans Steuer. Der Admiral fühlte sich sicher vor Sandbänken und Klippen, denn am Sonntag, als er seine Boote zu dem König geschickt hatte, waren die Seeleute östlich von der Punta Santa gut dreieinhalb Meilen vorgedrungen und hatten die ganze Küste erkundet, auch die Untiefen, die sich von der Punta Santa aus gut drei Meilen nach Ostsüdosten hinziehen, und sie hatten gesehen, wo man hindurchfahren konnte; dies hatte er auf der ganzen Reise noch nicht getan. Nun wollte es unser Herrgott, daß sich um Mitternacht alle schlafen legten, denn sie hatten bemerkt, daß der Admiral sich zur Ruhe begab, und sahen, daß es völlig windstill war und das Meer glatt wie ein Teller; das Steuer verblieb in der Hand jenes Schiffsjungen, und die Strömungen trieben das Schiff auf eine der Sandbänke. Da es Nacht war, knirschte es so laut, daß man es eine gute Meile weit gehört hätte; und dabei fuhr das Schiff so sanft auf, daß man es kaum spürte. Der Junge, der das Ausschlagen des Steuerruders spürte und das Geräusch des Auflaufens hörte, begann zu schreien, worauf der Admiral herauskam, er war in Sekundenschnelle dort, so daß noch niemand gemerkt hatte, daß sie aufgelaufen waren. Dann kam der Mastmeister, der Wache hatte; und der Admiral befahl ihm und den anderen, das Boot, das sie im Schlepptau mit sich führten, heranzuholen, dann sollten sie einen Anker nehmen und ihn vom Heck aus ins Wasser werfen; der Mastmeister und viele andere sprangen in das Boot, und der Admiral dachte, sie täten, was er ihnen befohlen hatte; sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern flohen zu der Karavelle, die eine halbe Meile entfernt von ihnen kreuzte. Die von der Karavelle wollten sie nicht aufnehmen, und sie taten recht daran; deshalb kehrten sie zu dem großen Schiff zurück, aber das Boot der Karavelle kam noch vorher bei ihm an. Als der Admiral sah, daß sie flohen und wie sich seine Leute verhielten, während der Wasserstand abnahm und das Schiff sich schon nach einer Seite neigte, befahl er, da er keine andere Rettung sah, den Mast zu kappen und das Schiff soweit als möglich zu erleichtern, um es vielleicht auf diese Weise flottzubekommen; und da das Wasser immer weiter sank, war nichts mehr zu retten, das Schiff hatte auch schon starke Schlagseite, denn das Meer bewegte sich kaum oder überhaupt nicht, und dann klafften die Räume zwischen den Lehrspanten [die conventos]158 auf. Der Admiral fuhr mit dem Boot zu der Karavelle, um seine Schiffsbesatzung auf ihr in Sicherheit zu bringen, und da sich ein leichter Landwind erhoben hatte, aber noch ein Gutteil der Nacht übrig war und sie nicht wußten, wie
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weit die Sandbänke reichten, lag er bis zum Tagesanbruch bei, und dann fuhr er auf der Küstenseite des Riffs zu dem großen Schiff. Schon vorher hatte er ein Boot mit Diego de Arana aus Córdoba, dem Aufseher der Flotte, und Pedro Gutiérrez, dem Truchseß des Königlichen Hofes, an Land geschickt, um jenen König zu benachrichtigen, der ihn für Samstag eingeladen und ihn gebeten hatte, mit den Schiffen in seine Bucht zu kommen; sein Flecken lag etwa anderthalb Meilen von der Sandbank entfernt, und als er von dem Vorfall hörte, weinte er, wie sie sagten, und schickte alle Einwohner seines Ortes mit vielen und sehr großen Kanus aus, damit alles aus dem Schiff ausgeladen werden konnte; so wurde es auch getan, und alles wurde in kürzester Zeit von den Decks geschafft, so groß war die von dem König veranlaßte Hilfe und Schnelligkeit. Er selbst und seine Brüder und Anverwandten trieben die Indios auf dem Schiff und auch bei der Verwahrung dessen, was an Land gebracht wurde, zur Sorgfalt an, damit alles in größte Sicherheit gebracht würde. Von Zeit zu Zeit schickte er einen seiner Verwandten zum Admiral, und der Indio tröstete ihn mit tränenüberströmtem Gesicht und richtete ihm aus, er solle sich nicht grämen und verdrießlich sein, denn der Gebieter werde ihm alles geben, was er habe. Der Admiral versichert den Königen, nirgends in Kastilien könne man etwas so wohl verwahren, wie es hier geschehen sei, wo kein Schnürsenkel abhanden gekommen sei. Er befahl, alles Abgeladene vor den Häusern aufzustapeln; in der Zwischenzeit wurden von ihnen einige Häuser, die er zur Verfügung stellen wollte, ausgeräumt, und dann wurde alles dort hineingetragen und verwahrt. Die ganze Nacht über ließ er bewaffnete Männer im Umkreis der Häuser Wache halten. »Der König und sein ganzes Volk waren sehr betrübt« (sagt der Admiral): »Es sind Menschen von großer Freundlichkeit, ganz ohne Habsucht, allen Dingen gegenüber höchst aufgeschlossen, und ich versichere Euren Hoheiten, daß es keine besseren Leute und kein besseres Land auf der Welt gibt: Sie lieben ihre Nächsten wie sich selbst, und ihre Sprache ist die sanfteste von der Welt, dazu sind sie freundlich und haben stets lachende Gesichter. Sie gehen nackt herum, alle Männer und Frauen, wie ihre Mütter sie geboren haben. Aber Eure Hoheiten können mir glauben, daß sie untereinander sehr gute Sitten haben, und der König ist von solcher Würde, in so zurückhaltender Art, daß es eine Freude ist, all das zu beobachten; und was für ein gutes Gedächtnis sie haben; sie wollen alles sehen und fragen, was es ist und wozu es dient.« Alles das sind die Worte des Admirals.159
Mittwoch, 26. Dezember Heute bei Sonnenaufgang kam der König jenes Landes zu der Karavelle Niña, wo sich der Admiral aufhielt, und sagte ihm fast unter Tränen, er möge nicht traurig sein, denn er wolle ihm alles geben, was er besitze, und er habe den Christen, die an Land waren, zwei sehr geräumige Häuser zur Verfügung gestellt und werde ihnen auch noch mehr geben, sofern es nötig sei, und so viele Kanus, wie sie brauchten, um das Schiff zu be- und entladen, und er werde so viele Leute an Land bringen, wie er wolle, und so hatte er es schon gestern getan, ohne selbst auch nur eine einzige Brotkrume oder irgend etwas anderes an sich zu nehmen. »Sie sind so redlich und frei von jeglicher Habgier nach fremdem Gut, und vor allem war jener tugendhafte König so« (sagt der Admiral). Während der Admiral mit ihm sprach, kam ein anderes Kanu von einer anderen Siedlung mit mehreren Goldstücken, die man für ein Glöckchen eintauschen wollte, denn sie ersehnten nichts so sehr wie diese Glöckchen. Das Kanu hatte das Schiff noch nicht erreicht, als sie schon riefen und ihre Goldstücke zeigten; die Glöckchen nannten sie »tschuk tschuk«, und sie sind ganz verrückt danach. Als die Indios aus den anderen Orten dies von ihren Kanus aus beobachteten, riefen sie vor ihrer Abfahrt nach dem Admiral und baten ihn, er möchte ihnen eines der Glöckchen bis zum nächsten Tag aufheben lassen, man werde ihm vier faustgroße Goldstücke dafür bringen. Der Admiral freute sich, solches zu hören, und später sagte ihm ein vom Land zurückkehrender Matrose, es sei ganz wunderbar, was für Goldstücke die Christen, die sich an Land befänden, gegen höchst geringfügige Dinge eintauschten; für einen Schnürsenkel gäben sie Stücke hin, die mehr wert seien als zwei Castellanos, und das sei noch gar nichts im Vergleich zu dem, was man in einem Monat sehen werde. Der König freute sich sehr, den Admiral in guter Stimmung vorzufinden, und er begriff, daß er viel Gold haben wollte, und so bedeutete er ihm durch Zeichen, er wisse eine Stelle nicht weit von hier, wo es sehr viel Gold gebe, und er werde ihm frohen Herzens so viel davon verschaffen, wie er nur wünsche, und darin, sagt er, gab er ihm recht, besonders darin, daß man Gold in Cipango finde, das sie Civao nannten, und dort finde man so viel davon, daß sie es für gering ansähen; er werde es von dort holen lassen, obwohl es auf dieser Isla Española, die sie Bohío nennen, und besonders in der Provinz Caribata, sehr viel mehr davon gäbe. Der König speiste mit dem Admiral auf der Karavelle, und dann ging er mit ihm an Land, wo er dem Admiral große Ehre erwies und ihm verschiedene Sorten Bataten zu kosten gab, dazu Granatkrebse und Wildbret und andere Speisen, die sie hatten, auch ihr Brot, das sie Cazavi nennen; und dann zeigte er ihm einige Anpflanzungen in der Nähe des Dorfes, und mit ihm gingen an die tausend Indios, die alle nackt waren. Doch der Herr trug bereits das Hemd und die Handschuhe, die ihm der Admiral gegeben hatte; über die Handschuhe frohlockte er mehr als über alles
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andere, was er ihm geschenkt hatte. An seiner Art zu essen – dies ging sehr sittsam, schön und reinlich vonstatten – sah man, daß er von edler Herkunft war. Nachdem er gegessen hatte, er saß ziemlich lange zu Tisch, brachte man mehrere Kräuter, mit denen er sich lange die Hände abrieb: Der Admiral glaubte, er tue dies, damit sie weicher würden, und dann reichte man ihm Wasser zum Händewaschen. Nachdem sie also mit dem Essen fertig waren, begleitete er den Admiral zum Strand, und der Admiral befahl, einen türkischen Bogen und ein Bündel Pfeile zu bringen, und ließ einen seiner Männer, der sich darauf verstand, damit schießen; und dem Herrn, der nicht wußte, was Waffen waren, weil sie selbst so gut wie gar keine besitzen und verwenden, erschien es als etwas ganz Außerordentliches; übrigens kamen sie darauf, sagt er, weil sie von den Einwohnern Canibas sprachen, die sie Caribes [Kariben] nennen; diese kommen hierher, um sie gefangenzunehmen, und sie bringen Bogen und Pfeile ohne Eisenspitzen mit, denn in allen diesen Ländern wußte man nichts von diesem Metall, geschweige denn von Stahl oder anderen Metallen, sie kannten nur Gold und Kupfer, obwohl der Admiral bisher nur wenig Kupfer gesehen hatte. Der Admiral bedeutete dem König durch Zeichen, die Könige von Kastilien würden das Gebiet der Kariben verheeren lassen und sie alle mit gefesselten Händen zu sich bringen lassen. Der Admiral befahl, einen Lombarden- und einen Doppelhakenschuß abzufeuern, und als der König sah, was für eine Wirkung und Durchschlagskraft jene Geschütze hatten, war er über die Maßen erstaunt. Und als seine Leute die Schüsse hörten, fielen sie alle vor Schreck auf die Erde. Sie brachten dem Admiral eine große Maske, die in den Ohren und den Augen und an anderen Stellen große Goldstücke hatte, der König schenkte sie ihm zusammen mit anderem Goldschmuck, den er dem Admiral am Kopf und am Hals befestigte; auch den anderen Christen, die dort waren, schenkte er zahlreiche Schmuckgegenstände. Der Admiral empfand große Freude und Trost angesichts dieser Dinge, und seine Angst und sein Kummer über den Verlust des großen Schiffes ließen nach; und er erkannte, daß unser Herrgott das Schiff hatte auflaufen lassen, damit er sich an dieser Stelle niederließe. »Und hierzu« (so sagt er) »gesellten sich so viele andere Dinge, daß jenes Unglück uns in Wahrheit zum größten Glück ausschlug. Denn eines ist sicher« (sagt er), »wenn ich nicht aufgelaufen wäre, dann wäre ich in See gestochen, ohne an dieser Stelle vor Anker zu gehen, da sie ganz im Innern einer großen Bai160 liegt, durch welche sich ein paar große Riffe ziehen. Und dann hätte ich auf dieser Reise auch keine Leute hier zurückgelassen und hätte ihnen beim besten Willen keine so gute Ausrüstung noch so gute Vorräte und so viel Proviant und Gerät zum Bau einer Festung geben können. Und es ist tatsächlich wahr, daß mich viele meiner Leute gebeten hatten oder durch andere bitten ließen, hierbleiben zu dürfen. Jetzt habe ich befohlen, einen Turm und eine Festung zu errichten, alles sehr solide, und einen großen Graben auszuheben, dies nicht etwa, weil ich dächte, es sei dieser Leute wegen notwendig, denn ich halte es für völlig sicher, daß ich mit den Leuten, die ich bei mir habe, die ganze Insel unterwerfen könnte, welche wahrscheinlich größer ist als Portugal und auf der sicher mehr als doppelt so viel Menschen wohnen; aber sie sind nackt und unbewaffnet und unglaublich feigherzig. Trotzdem ist es richtig, diesen Turm zu bauen und alles so zu tun, wie es zur Verteidigung nötig ist, wenn man so weit von Euren Hoheiten entfernt ist; auch, damit die Indios die Kunstfertigkeit der Untertanen Eurer Hoheiten kennenlernen und sehen, was sie vermögen, damit sie unseren Leuten in Liebe und Furcht gehorsam sind; so werden sie Bretter haben, um die ganze Festung daraus zu bauen, und Brot- und Weinvorräte für über ein Jahr und Saatgut, um die Felder zu bestellen, und das Boot des großen Schiffes, einen Schiffszimmermann, einen Tischler, einen Geschützmeister und einen Böttcher; und viele von ihnen sind Männer, die darauf brennen, im Dienste Eurer Hoheiten und mir zur Freude nach der Mine zu forschen, in der das Gold gewonnen wird. So ist uns alles bestens zustatten gekommen, um hier den Anfang einer Besiedlung zu machen, und vor allem ist das Schiff so sanft aufgelaufen, daß es kaum zu hören war, und dabei war weder Wind noch bewegte See.« Alles das sind die Worte des Admirals. Und er fügt weitere Ergänzungen hinzu, um zu beweisen, daß es ein großes Glück war und der feste Wille Gottes, das Schiff an jener Stelle stranden zu lassen, damit er dort Leute ansiedelte; und wenn der Mastmeister und die Matrosen, die alle oder fast alle aus seiner Heimat stammten, ihn nicht verraten hätten, indem sie abgelehnt hätten, den Anker über das Heck zu werfen, um das Schiff flottzubekommen, wie es ihnen der Admiral befohlen hatte, dann wäre das Schiff gerettet worden, und man hätte das Land nicht kennengelernt (sagt er), wie man es in den Tagen kennengelernt habe, als er dort war, und auch durch jene, die er dort zurückgelassen, denn er sei ständig von dem Wunsche beseelt, Land zu entdecken und sich nicht länger als einen Tag aufzuhalten, es sei denn, er werde durch eine Flaute aufgehalten, denn, das große Schiff, sagt er, sei sehr schwer gewesen und nicht dazu eingerichtet, auf Entdeckungsfahrt zu gehen, und daß er mit einem solchen Schiff habe fahren müssen, das hätten die Leute von Palos verschuldet, die das Versprechen, das sie dem König und der Königin gegeben hatten, nicht erfüllten, nämlich für die Reise geeignete Schiffe zur Verfügung zu stellen. Der Admiral schließt mit den Worten, daß von allem, was sich auf dem Schiff befunden habe, nicht ein Schnürband verlorengegangen sei, auch keine Planke noch ein Nagel, denn er habe es im gleichen Zustand verlassen, wie er es bei seiner Abfahrt vorgefunden, nur daß man einige Planken abgesägt und abgerissen habe, um die Fässer und anderen mitgeführten Güter auszuladen; und sie wurden alle an Land gebracht und wohl verwahrt, wie
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schon erwähnt worden ist; und er sagt, er hoffe auf Gott, daß er bei seiner Wiederkehr aus Kastilien – denn er hoffe sehr, hierher zurückkehren zu können – ein ganzes Faß voll Gold vorfinden werde, das die Zurückgebliebenen eingetauscht hätten, und daß sie inzwischen die Goldgruben gefunden hätten und auch die Spezereien, und dies alles in solchen Mengen, daß die Könige, bevor drei Jahre verflossen seien, den Feldzug zur Eroberung des Heiligen Grabes vorbereiten und ins Werk setzen könnten, »denn« (sagt er) »ich habe vor Euren Hoheiten öffentlich bekannt, daß aller Gewinn aus dieser meiner Unternehmung zur Eroberung der Heiligen Stadt Jerusalem verwendet werden soll, und Eure Hoheiten freuten sich Und sagten, das gefalle ihnen wohl, und sie hätten diesen Wunsch auch ohne solchen Gewinn«. Das sind die Worte des Admirals.
Donnerstag, 27. Dezember Als die Sonne aufging, kam der König des Landes auf die Karavelle und sagte dem Admiral, er habe nach Gold geschickt, und er werde ihn, bevor er abfahre, ganz mit Gold überhäufen, und er möge ja nicht vorher abreisen; der König speiste mit dem Admiral, desgleichen ein Bruder von ihm und ein weiterer sehr naher Verwandter des Königs, und die beiden sagten, sie wollten mit ihm nach Kastilien fahren. In diesem 161 Augenblick kamen , in einem Fluß am Ende der Insel sei die Karavelle Pinta gesehen worden: Der Kazike entsandte sogleich ein Kanu dorthin, und der Admiral schickte einen Seemann mit, der ihm in unwandelbarer Treue ergeben war. Und der Admiral war nun der Meinung, daß er mit größter Eile seine Rückkehr nach Kastilien betreiben müsse.
Freitag, 28. Dezember Um auf Ordnung und Eile in der Vollendung der Festungsarbeiten zu drangen und die Leute, die dort zurückbleiben sollten, anzufeuern, fuhr der Admiral an Land, und es schien ihm, als habe der König ihn mit dem Boot kommen sehen, denn er lief eilends in sein Haus und tat, als ob er ihn nicht gesehen habe; er schickte einen seiner Brüder, der den Admiral empfing und ihn zu einem von den Häusern führte, die er den Leuten des Admirals zur Verfügung gestellt hatte; es war das beste und größte des ganzen Fleckens. Sie hatten ihm darin einen erhöhten Platz aus Palmblättern hergerichtet, auf den er sich niedersetzen sollte. Dann schickte der Bruder einen seiner Bedienten, um den König zu benachrichtigen, daß der Admiral da sei, so als wüßte der König nicht, daß er gekommen war, und der Admiral glaubte, daß er dies nur vorgab, um ihm desto größere Ehre zu erweisen. Als der Bediente den Kaziken benachrichtigte, kam jener, so sagt er, eilends zu dem Admiral gelaufen und legte ihm eine große Goldplatte, die er mitgebracht hatte, um den Hals. Er blieb bis zum Abend bei ihm und beriet mit ihm, was zu tun war.
Samstag, 29. Dezember Als die Sonne aufging, kam zu der Karavelle ein Neffe des Königs, der sehr jung und sehr verständig war und ein unerschrockenes Herz hatte (wie der Admiral versichert); und weil er sich stets bemühte, herauszufinden, woher das Gold geholt wurde, fragte er jeden danach, denn er verstand sie schon etwas durch die Zeichensprache, und so sagte ihm der Jüngling, vier Tagereisen von hier, im Osten, liege eine Insel, die Guarionex genannt werde, und andere Inseln, die Macorix und Mayonic und Fuma und Cibao und Coroay hießen;162 auf ihnen finde man unendlich viel Gold; der Admiral schrieb sich die Namen auf, aber ein Bruder des Königs erfuhr, daß es der junge Mann gesagt hatte, und schalt ihn deshalb, wie dem Admiral hinterbracht wurde. Schon zu anderen Malen hatte der Admiral festgestellt, daß der König alles tat, damit er nicht herausfand, wo das Gold geschürft, wurde, auf daß er nicht woandershin fuhr, um es einzutauschen oder zu kaufen. Aber es gibt viel davon und an so vielen Stellen dieser Isla Española (sagt der Admiral), daß es ein wahres Wunder ist. Nach Einbruch der Dunkelheit schickte der König ihm eine große goldene Maske und ließ ihn um ein Becken zum Händewaschen und einen Krug bitten: Der Admiral glaubte, er bitte darum, weil er ein ebensolches herstellen lassen wollte, und daher ließ er es ihm bringen.
Sonntag, 30. Dezember Der Admiral fuhr an Land, um dort zu speisen, und als er in dem Flecken anlangte, waren fünf Könige gekommen, die jenem, der Guacanagari hieß, Untertan waren; alle trugen ihre Kronen auf dem Kopf und zeigten ein höchst würdiges Benehmen, und der Admiral sagt zu den Hoheiten, sie hätten gewiß große Freude daran gehabt, ihr Gebaren und ihre Manieren zu sehen. Als der Admiral an Land gestiegen war, kam
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der König, um ihn zu empfangen, er führte ihn am Arm in dasselbe Haus wie gestern, und darin waren ein erhöhter Platz und Stühle, und er ließ den Admiral niedersitzen, dann nahm er seine Krone vom Kopf und setzte sie dem Admiral auf, und der Admiral nahm von seinem Hals eine Kette aus schönen Glasperlen und herrlichen Glaskugeln in den prächtigsten Farben, die wirklich wunderschön aussah, und hängte sie ihm um; und er nahm eine Mütze aus feinem Scharlachtuch, die er an diesem Tage trug, vom Kopf und setzte sie dem König auf; und er ließ ein paar rote Halbstiefel bringen, die er ihn anziehen ließ, und steckte ihm einen breiten Silberreif an den Finger, denn die Indios hatten gesagt, sie hätten bei einem Matrosen einen Silberring gesehen, wofür jener sehr viel gefordert habe. Er war sehr zufrieden und freute sich sehr, und zwei von den Königen, die bei ihm zu Besuch waren, kamen zum Admiral und brachten ihm zwei große Goldplatten, und es waren jene, die sie gerade umgelegt hatten. Bald darauf kam ein Indio und erzählte, daß er vor zwei Tagen die Karavelle Pinta in einer weiter östlich gelegenen Bucht gesehen hätte. Der Admiral kehrte zur Karavelle zurück, und Vicente Anos163, der Kapitän des Schiffes, versicherte, er hätte Rhabarber gefunden, und zwar auf der Isla Amiga, die an der Einfahrt zum Mar de Santo Tomé liegt, sechs Meilen von hier,164 er hätte ihn an den Zweigen und der Wurzel erkannt. Sie sagen, der Rhabarber treibe kleine Zweige aus der Erde, es hingen Früchte daran, die wie grüne, fast trockene Maulbeeren aussehen, und das Stämmchen, das unmittelbar an der Wurzel sitze, sei so gelb und fein, daß man sich zum Malen keine schönere Farbe vorstellen könne, und unter der Erde habe er eine Wurzel, die einer großen Birne gleiche.
Montag, 31. Dezember An diesem Tag befaßte er sich damit, Wasser und Holz für die Rückfahrt nach Spanien an Bord zu nehmen, damit er den Königen bald Nachricht geben könnte, auf daß sie Schiffe entsandten, die all das entdeckten, was noch zu entdecken blieb; denn die ganze Sache schien so groß und umfangreich, daß es ein Wunder war (versichert der Admiral), und er sagt, es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen abzufahren, bevor er jene ganze Landmasse gesehen hätte, die nach Osten zu verlief, und er wäre die ganze Küste entlanggefahren, um (wie er sagt) auch die beste Fahrtroute von Kastilien her ausfindig zu machen, auf der man Vieh und andere Dinge herbeischaffen könne. Da er jetzt aber nur ein einziges Schiff habe, schiene es ihm nicht vernünftig, sich den Gefahren auszusetzen, die ihm bei einer längeren Entdeckungsfahrt zustoßen könnten. Und er beklagte sich, zu diesem Übel und zu diesen Unannehmlichkeiten sei es gekommen, weil sich die Karavelle Pinta entfernt habe.
Dienstag, 1. Januar 1493 Um Mitternacht verabschiedete er das Boot, das nach der kleinen Insel Amiga fahren sollte, um Rhabarber zu holen. Zur Vesperstunde kehrten sie zurück mit einem großen Korb, der ganz voll davon war; mehr konnten sie nicht mitbringen, weil sie keine Hacke zum Graben mitgenommen hatten: Er nahm den Rhabarber den kastilischen Königen als Muster mit. Er sagt, der König des Landes habe zahlreiche Kanus ausgesandt, um Gold holen zu lassen. Das Kanu, das losgefahren war, um Näheres über die Pinta ausfindig zu machen, kam zurück, ebenso der Matrose, aber sie hatten das Schiff nicht gefunden. Der Matrose sagte, sie hätten zwanzig Meilen von hier einen König gesehen, der auf dem Kopf zwei große Goldplatten getragen habe, und als die Indios von dem Kanu mit ihm gesprochen hätten, habe er sie abgenommen, und er habe auch bei anderen Leuten viel Gold gesehen. Der Admiral war der Ansicht, daß König Guacanagari allen verboten habe, den Christen Gold zu verkaufen, damit der ganze Tauschhandel durch seine Hände ging. Aber er hatte, wie er vorgestern sagte, die Orte in Erfahrung gebracht, wo es so viel davon gab, daß es den Indios dort gering erschien. Auch die Spezereien (sagt der Admiral), sind zahlreich und wertvoller als Pfeffer und Manegueta [Paradieskörner]. Denen, die er dort lassen wollte, gab er den Auftrag, sich soviel wie möglich davon zu verschaffen.
Mittwoch, 2. Januar Morgens fuhr er an Land, um sich von König Guacanagari zu verabschieden und im Namen unseres Herrn und Heilands abzufahren; er schenkte ihm eines seiner Hemden und zeigte ihm die Kraft und Wirkungsweise der Lombarden; zu diesem Zweck ließ er ein Geschütz laden und auf die Breitseite des großen Schiffes abfeuern, das auf der Sandbank lag; dies tat er, weil sie sich eben über die Kariben unterhielten, mit denen die Indios Krieg führen; und er sah, wie weit die Lombarde reichte, wie die Steinkugel die Schiffsseite durchschlug und noch ein gutes Stück übers Meer flog. Außerdem ließ er die bewaffnete Mannschaft seiner Schiffe ein Scharmützel ausführen und sagte dem Kaziken, er brauche keine
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Angst vor den Kariben zu haben, selbst für den Fall, daß diese hier landeten. All das, sagt der Admiral, habe er getan, damit jener die Christen, die hier zurückblieben, für Freunde halte und um ihm gleichzeitig solche Angst einzuflößen, daß er sie fürchte. Der Admiral nahm ihn mit zum Essen in das Haus, wo er einquartiert war, und ebenso die anderen, die ihn begleiteten. Er empfahl dem König vor allem Diego de Arana, Pedro Gutiérrez und Rodrigo Escovedo, die er zusammen als seine Stellvertreter bei diesen Leuten zurückließ, damit alles gut geführt und verwaltet werde im Dienste Gottes und Ihrer Hoheiten. Der Kazike erwies dem Admiral herzliche Zuneigung und zeigte sich über seine Abreise sehr bekümmert, besonders als er sah, wie dieser fortging und mit dem Boot abfuhr. Ein Vertrauter des Königs sagte dem Admiral, jener habe ein Standbild aus reinem Gold in Auftrag gegeben, so groß wie der Admiral selbst, und in zehn Tagen werde man es herbringen. Der Admiral fuhr zum Schiff, er war entschlossen, sofort in See zu stechen, aber der Wind ließ es nicht zu. Und so ließ er auf der Isla Española, die die Indios Bohio nennen, in seiner Festung neununddreißig Männer zurück, die ein besonders freundschaftliches Verhältnis mit dem König Guacanagari verband; er unterstellte die Männer seinen Stellvertretern Diego de Arana, gebürtig aus Córdoba, Pedro Gutiérrez, Truchseß am Hof des Königs und Diener des Ersten Haushofmeisters, und Rodrigo de Escovedo, gebürtig aus Segovia, dem Neffen des Fr. Rodrigo Pérez; diese stattete er mit allen Vollmachten aus, die er selbst von den Königen bekommen hatte. Er hinterließ alle Waren, die die Könige für den Tauschhandel hatten ankaufen lassen, und es waren sehr viele, damit sie sie gegen Gold eintauschten und verhandelten, und stellte ihnen alles übrige zur Verfügung, was er in dem großen Schiff mitgebracht hatte. Er hinterließ ihnen auch Schiffszwieback für die Dauer eines Jahres und Wein und Geschütze nebst großen Mengen Munition, schließlich auch das Boot des großen Schiffes, damit sie – da die meisten von ihnen Seeleute waren –, wenn sie meinten, daß es an der Zeit sei, die Goldgrube ausfindig zu machen, dorthin fahren könnten, so daß der Admiral bei seiner Rückkehr viel Gold vorfände; und auch, damit sie nach einem Ort suchten, wo man einen Flecken gründen könne, denn die Bucht sagte ihm nicht zu: Dies vor allem deshalb, so sagt er, weil das Gold, das sie hierherbrächten, vom Osten käme, und je weiter sie nach Osten gelangten, desto näher wären sie Spanien. Er hinterließ ihnen auch Samen für die Aussaat, ferner seine Handwerker, den Schreiber und den Aufseher und besonders einen Schiffszimmermann und Kalfaterer, einen guten Geschützmeister, der vielerlei Kunstgriffe beherrschte, einen Böttcher, einen Heilkundigen und einen Schneider, und alle waren, wie er sagt, auf dem Meer erfahrene Männer.
Donnerstag, 3. Januar Heute fuhr er nicht ab, denn in der Nacht kamen, wie er sagt, drei jener Indios, die er von den anderen Inseln mitgebracht hatte und die hier zurückgeblieben waren, und sagten ihm, die anderen würden bei Sonnenaufgang mit ihren Frauen aufs Schiff kommen. Auch war das Meer etwas bewegt, und so konnte das Boot nicht landen; er beschloß, mit Gottes Hilfe am nächsten Morgen abzusegeln. Er sagte, wenn die Karavelle Pinta dagewesen wäre, hätte er gewiß ein ganzes Faß voll Gold mitnehmen können, weil er es dann gewagt hätte, an den Küsten dieser Inseln entlangzufahren, worauf er sich nun nicht einlassen wollte, weil er allein war, damit ihm nicht ein Mißgeschick zustieße, das ihn an der Rückkehr nach Kastilien hinderte und daran, den Königen gebührende Mitteilung von allem zu machen, was er entdeckt hatte. Und wenn es wenigstens sicher gewesen wäre, daß die Karavelle Pinta mit Martín Alonso Pinzón wohlbehalten nach Spanien zurückkäme, so sagte er, würde er keinesfalls unterlassen haben, wonach es ihn verlangte, doch da er nichts von jenem wußte und da man den Königen womöglich Lügen auftischen könnte, damit sie jenem nicht die Strafe zumaßen, die er verdiente als einer, der soviel Böses getan hatte und immer noch tat, indem er sich ohne Erlaubnis entfernt hatte, und da jener den Segen, der aus all diesem hier erwachsen konnte, vielleicht behindern würde, aus allen diesen Gründen, sagte der Admiral, vertraute er auf unseren Herrn, daß er ihm gutes Wetter schickte, damit er alles zum guten Ende bringen könnte.
Freitag, 4. Januar Als die Sonne aufging, lichtete er die Anker und ging bei schwachem Wind, das Boot vor dem Bug mitführend, auf Nordwestkurs, um das Riff hinter sich zu lassen; er fuhr durch einen anderen, breiteren Kanal als jenen, den er bei der Einfahrt benutzt hatte; dieser und andere Kanäle sind sehr günstig, wenn man direkt bis zur Villa de la Navidad165 fahren will; die geringste Tiefe, die er dort vorfand, lag zwischen drei und neun Faden, und die beiden Kanäle verlaufen von Nordwest nach Südost, denn die Riffe sind so groß, daß sie vom Cabo Santo [Heiligenkap] bis zum Cabo de Sierpe [Schlangenkap] hinüberreichen, das sind mehr als sechs Meilen, und drei Meilen seewärts und gut drei Meilen vor dem Cabo Santo und ebenso eine Meile vor ihm mißt man nicht mehr als acht Faden Tiefe, und im Innern, an der Ostseite dieses Kaps, gibt es viele Untiefen, aber auch Kanäle, durch die man einfahren kann;166 die ganze Küste verläuft von Nordwesten nach
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Südosten, und überall ist Strand, und das Land ist bis gut vier Meilen landeinwärts sehr flach. Dann kommen hohe Berge, und das Land ist voller großer Ortschaften. Die Menschen dort sind gut, wie man an ihrem Verhalten gegenüber den Christen ablesen konnte. So segelte er nach Osten und hielt auf einen sehr hohen Berg zu, von dem man den Eindruck hat, als handele es sich um eine Insel, doch ist dies nicht der Fall, denn er steht in Verbindung mit sehr flachem Land; er gab diesem Berg, der die Form eines sehr schönen Zeltes hat, den Namen Monte Cristi [Christusberg]; er befindet sich direkt im Osten des Cabo Santo und ist etwa achtzehn Meilen entfernt.167 Weil der Wind an diesem Tag sehr schwach war, konnte er den Monte Cristi nicht erreichen, es fehlten sechs Meilen. Er entdeckte vier ganz flache Sandinselchen168 mit einem Riff, das weit nach Nordwesten vorsprang und sich auch weit bis nach Südosten hinzog169. Dahinter liegt ein großer Golf170, der sich von dem erwähnten Berg aus gut zwanzig Meilen nach Südosten171 hinzieht, er muß insgesamt von geringer Tiefe sein und viele Sandbänke haben und in seinem Innern überall an der Küste die Mündungen vieler nicht schiffbarer Flüsse, obwohl der Seemann, den der Admiral mit dem Kanu ausgeschickt hatte, um Nachricht von der Pinta einzuholen, sagte, er habe einen Fluß gesehen,172 in den Schiffe einfahren könnten. Der Admiral ging sechs173 Meilen vom Monte Cristi entfernt bei neunzehn Faden Tiefe vor Anker, nachdem er im Meer hin und her gefahren war, um sich von vielen Untiefen und Riffen, die es dort gab, zu entfernen; er blieb die Nacht über dort. Der Admiral gibt den Hinweis, wer nach der Villa de la Navidad fahren wolle und den Monte Cristi sehe, der müsse zwei Meilen ins Meer hinausfahren usw.; aber da diese Gegend inzwischen bekannt ist und noch vieles andere, wird es hier weggelassen. Er schließt mit der Bemerkung, daß auf jener Insel Cipango liege und daß es viel Gold und Spezereien und Mastix und Rhabarber gebe.
Samstag, 5. Januar Als die Sonne aufgehen wollte, benutzte er den Landwind, um in See zu stechen; dann blies es aus Ost, und er sah, daß auf der Südsüdostseite174 des Monte Cristi, zwischen dem Berg und einer kleinen Insel, allem Anschein nach eine schöne Bucht lag, in der er heute nacht vor Anker gehen konnte; und so nahm er Kurs auf Ostsüdost und dann auf Südsüdost, bis er sich dem Berg bis auf etwa sechs Meilen genähert hatte; und nachdem er die sechs Meilen zurückgelegt hatte, fand er siebzehn Faden Tiefe und klippenreinen Grund, und er fuhr bei gleicher Wassertiefe drei Meilen weiter. Danach wurde es in Richtung auf den Vorsprung des Berges flacher, er maß zwölf Faden Tiefe, und eine Meile vor dem Vorsprung des Berges fand er neun Faden, und alles war klippenrein und feiner Sandgrund. So segelte er weiter auf seinem Kurs, bis er zwischen dem Berg und der kleinen Insel175 einfuhr, wo er dreieinhalb Faden Tiefe bei Ebbe fand; es war ein vorzüglicher Hafen, in dem er vor Anker ging.176 Er fuhr mit dem Boot zu der kleinen Insel, wo er eine Feuerstelle fand und Spuren, die darauf hindeuteten, daß sich Fischer dort aufgehalten hatten. Er sah viele buntgefärbte Steine, eine Art Steinbruch von solchen Steinen mit sehr schönen natürlichen Verzierungen; sie seien, sagt er, geeignet für Kirchenbauten oder andere prächtige Bauwerke, ähnlich denen, die er auf der Insel San Salvador entdeckt hatte. Er fand auf dieser kleinen Insel auch viele Mastixbäume. Dieser Monte Cristi, sagt er, ist sehr schön und hoch und gut besteigbar, sehr schön geformt;177 und alles Land um ihn herum ist niedrig, wunderbares Auenland, und er ist so hoch, daß er, wenn man ihn von weitem erblickt, aussieht wie eine Insel, die keine Verbindung mit dem übrigen Land hat. Hinter diesem Berg weiter östlich gewahrte er, etwa vierundzwanzig Seemeilen entfernt, ein Kap, das er Cabo del Becerro [Kalbskap]178 nannte; auf dem Weg von ihm bis zu dem Berg muß man im Meer gut zwei Meilen weit Untiefen passieren, wenn es ihm auch schien, als gäbe es dazwischen Kanäle, durch die man einfahren konnte; doch dazu muß es Tag sein, und man muß das Boot vorausfahren und die Tiefe loten lassen. Von dem Berg aus nach Osten, in Richtung auf das Cabo del Becerro, sieht man vier Meilen weit nur Strand und sehr flaches, schönes Land und danach sehr hochgelegenes Land und große, schöne, bewaldete Berge, und im Landesinnern zieht sich eine Bergkette von Nordosten nach Südosten dahin, die schönste, die er jemals erblickt hatte; sie sieht gerade so aus wie das Gebirge von Córdoba. Sehr weit im Landesinnern, nach Süden und Südosten zu, zeigten sich auch noch andere, sehr hohe Gebirge und ausgedehnte Täler und sehr grüne und schöne und zahlreiche Wasserläufe; all das in so anmutiger Vielfalt, daß er daran verzweifelte, auch nur den winzigsten Teil davon nach Gebühr zu rühmen. Dann sah er im Osten des erwähnten Berges wieder ein Stück Land, es schien ein weiterer Berg zu sein, ebenso groß und schön wie der Monte Cristi. Und von dort aus in Richtung Nordost-zu-Ost liegt weniger hochgelegenes Land, es mochte gut hundert oder doch beinahe hundert Seemeilen entfernt sein.
Sonntag, 6. Januar Diese Bucht ist vor allen Winden, außer dem Nord- und dem Nordwestwind, geschützt, aber er sagt, diese Winde kämen hier nur selten vor; und selbst vor ihnen kann man hinter der kleinen Insel Schutz
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suchen: Dort ist es drei bis vier Faden tief. Als die Sonne aufgegangen war, setzte er die Segel, um weiter die Küste entlangzufahren, die immer nach Osten verlief; vorsehen muß man sich nur wegen der zahlreichen Felsen- und Sandriffe, die es an dieser Küste gibt. Allerdings liegen hinter den Riffen gute Buchten, und es gibt gute Einfahrten durch die Kanäle. Nach Mittag kam starker Ostwind auf; er ließ einen Matrosen auf den Mast klettern, damit er auf die Untiefen achtete, und dieser sah östlich vom Bug die Karavelle Pinta herankommen, und er lief zum Admiral; weil es zu flach war und man nicht vor Anker gehen konnte, drehte der Admiral um nach dem Monte Cristi und fuhr die Strecke von zehn Meilen, die er schon gesegelt war, zurück und die Karavelle Pinta mit ihm. Martín Alonso Pinzón kam auf die Karavelle Niña, an deren Bord sich der Admiral befand, er entschuldigte sich und sagte, er habe sich wider Willen von ihm entfernt, und gab Gründe dafür an; doch der Admiral sagt, alles sei erlogen gewesen, und er sei in jener Nacht, als er sich entfernte, mit großem Hochmut und großer Habsucht davongefahren, und er wisse nicht (sagt der Admiral), woher jener Eigendünkel und jene Unehrenhaftigkeit gekommen seien, die er ihm gegenüber auf jener Reise an den Tag gelegt hätte; aber der Admiral wolle sie einstweilen übersehen, um nicht dem Satan Anlaß zu bösen Werken zu geben, der diese Reise behindern wollte, wie er es bis jetzt schon getan hatte; sicher sei dieses Verhalten durch die Äußerung eines Indios veranlaßt worden – er gehörte zu denen, die ihm der Admiral mit anderen, die er auf seiner Karavelle mitführte, anvertraut hatte –; jener hatte ihm gesagt, daß es auf einer Insel namens Baneque viel Gold gäbe, und da er ein wendiges und leichtes Schiff hatte, wollte er sich entfernen, den Admiral im Stich lassen und auf eigene Rechnung fahren. Aber der Admiral wollte sich dort länger aufhalten und an den Küsten der Inseln Juana und Española entlangfahren, da alles auf dem gleichen Weg nach Osten lag. Als Martín Alonso auf der Insel Baneque war, sagte er, habe er überhaupt kein Gold gefunden, und dann sei er an die Küste der Española gekommen, weil ihm ändere Indios gesagt hätten, daß es auf der Isla Española, die die Indios Bohio nannten, große Mengen Goldes und viele Gruben gäbe, und aus diesem Grund gelangte er in die Nähe der Villa de la Navidad, er war etwa fünfzehn Meilen davon entfernt; das war ungefähr drei Wochen her, und demnach schienen die Nachrichten wahr zu sein, die die Indios dem Admiral gegeben hatten und derentwegen König Guacanagari das Kanu ausgeschickt hatte und der Admiral den Seemann, und Pinzón mußte eben abgesegelt sein, als das Kanu dort ankam. Der Admiral sagt an dieser Stelle, die Karavelle habe viel Gold eingetauscht, denn für ein Stückchen Schnürband hätte man ihm schöne Goldstücke von der Größe zweier Finger gegeben, und manchmal waren sie auch handgroß, und Martín Alonso habe die Hälfte davongetragen, die andere Hälfte sei unter seinen Leuten aufgeteilt worden. Hier fügt der Admiral, an die Könige gewandt, hinzu: »Und ich erkenne nun, meine Herren Fürsten, daß unser Herr und Heiland das große Schiff auf wunderbare Weise dort hat untergehen lassen, denn es ist wohl die am bestgeeignete Stelle auf der ganzen Insel, um einen Stützpunkt zu gründen, und sie ist auch den Goldgruben am nächsten.« Er sagt weiterhin, er habe erfahren, daß in südlicher Richtung hinter der Insel Juana eine andere große Insel liege,179 auf der es sehr viel mehr Gold geben sollte als auf dieser, so viel, daß man Stücke fände, die größer seien als Bohnen, und auf der Isla Española hole man aus den Minen Goldstücke so groß wie Weizenkörner.180 Diese Insel, sagte er, hieße Yamaye181. Er wisse außerdem, sagt der Admiral, daß es von dort aus in östlicher Richtung eine Insel gäbe, auf der nur Frauen lebten, und das, sagte er, habe er von vielen Leuten gehört. Und die Isla Española wie auch die Isla Yamaye liege nahe dem Festland, das zehn Tagereisen mit dem Kanu entfernt sei, was etwa sechzig oder siebzig Meilen entspricht, und dort gingen die Menschen in Kleidern.
Montag, 7. Januar An diesem Tag ließ er ein Leck in der Karavelle stopfen und das Schiff kalfatern, und die Matrosen gingen an Land, um Holz zu holen; er sagt, sie hätten viel Mastix und Aloe gefunden.
Dienstag, 8. Januar Wegen des starken Ost- und Südostwinds, der an diesem Tag blies, fuhr er nicht ab, sondern befahl, die Karavelle mit Wasser und allem für die Reise Nötigen auszurüsten, denn er hegte zwar den Wunsch, noch die ganze Küste der Española entlangzufahren, was er auch tun konnte, ohne von seinem Kurs abzuweichen; aber weil die Männer, die er als Kapitäne auf den Karavellen eingesetzt hatte, nämlich Martín Alonso Pinzón und Vicente Anes, Brüder waren und andere, die ihnen aus Hochmut und Habsucht gefolgt waren, meinten, daß alles schon ihnen gehöre, wobei sie nicht an die Ehre dachten, die der Admiral ihnen erwiesen und zuerkannt hatte, und weil sie seinen Anordnungen nicht gefolgt waren und weiterhin nicht folgten, ja sogar viele ungebührliche Dinge wider ihn sagten und taten, und weil Martín Alonso ihn vom 21. November bis zum 6. Januar ohne Sinn und Vernunft, allein aus Ungehorsam verlassen hatte; und all das hatte der Admiral schweigend erduldet, um seine Reise zum guten Ende zu führen; deshalb, um aus so schlechter Gesellschaft
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herauszukommen, in der er sich gezwungen sah, gute Miene zum Spiel, zu machen, obwohl sie ungehorsam waren, wenn er auch, wie er sagt, viele rechtschaffene Leute um sich hatte; es war jetzt aber keine Zeit, an Bestrafung zu denken – deshalb also beschloß er, mit größtmöglicher Eile die Rückfahrt anzutreten und nicht mehr anzuhalten. Er stieg ins Boot und fuhr zu dem Fluß182, der eine gute Meile südsüdwestlich vom Monte Cristi entfernt mündet – dorthin fuhren auch die Matrosen, um Wasser für das Schiff zu holen –, und er fand, daß der Sandgrund der Flußmündung, die ungemein breit und tief ist, sehr goldhaltig war, wie er sagt, und zwar in solchem Maße, daß es ein wirkliches Wunder schien, obwohl die Stücke sehr klein waren. Der Admiral glaubte, das Gold sei, da es flußabwärts geschwemmt werde, unterwegs zerrieben worden, obwohl er andererseits versichert, daß er in kurzer Zeit eine Menge Goldkörner gefunden habe, die groß wie Linsen waren; aber die ganz kleinen habe es, wie er sagt, in großer Menge gegeben. Und da Flut war und das Salzwasser in den Fluß einströmte und sich mit dem Süßwasser vermischte, ließ er das Boot einen Steinwurf weit den Fluß hinauffahren: Sie füllten die Fässer vom Boot aus, und als sie zur Karavelle zurückkamen, fanden sie an den Faßreifen hängengebliebene Goldstückchen und dasselbe an den Reifen der Pipe. Der Admiral gab dem Fluß den Namen Río del Oro [Goldfluß]183, er wird, wenn man die Einfahrt hinter sich gebracht hat, sehr tief, obwohl die Einfahrt flach und die Mündung sehr breit ist; die Villa de la Navidad ist von dem Fluß siebzehn Meilen entfernt.184 Auf dem Weg dorthin gibt es noch viele andere breite Flüsse. Vor allem drei mußten seiner Ansicht nach viel mehr Gold führen als dieser, da sie größer waren,185 und dabei ist dieser schon fast so breit wie der Guadalquivir bei Córdoba; und von diesen Flußmündungen bis zu den Goldgruben sind es keine zwanzig Meilen.186 Der Admiral sagt weiterhin, er habe von diesem Sand, der so viel Gold enthielt, nichts mitnehmen wollen, da ihn seine Hoheiten ganz bequem, gleich vor dem Tor ihrer Villa de la Navidad fänden; er wolle lieber mit größter Eile zurückkehren, um ihnen die Nachrichten zu bringen und die schlechte Gesellschaft loszuwerden, in der er sich befand; und er habe schon immer gesagt, daß es unbotmäßige Menschen seien.
Mittwoch, 9. Januar Um Mitternacht stach er bei Südostwind in See und segelte nach Ostnordost: Er erreichte eine Landspitze, die er Punta Roja [Rote Spitze]187 nannte, sie liegt genau sechzig Seemeilen188 östlich vom Monte Cristi; in ihrem Schutz ging er nachmittags vor Anker, etwa drei Stunden vor Anbruch der Nacht. Er wagte nicht, bei Nacht von dort abzufahren, da es zahlreiche Riffe gab, die so lange gefährlich sind, bis man sie kennt, denn dann werden sie nützlich sein, da sie, wie es nicht anders sein kann, Kanäle haben, die die Durchfahrt erlauben; es ist dort sehr tief und ein guter, vor allen Winden geschützter Ankerplatz. Vom Monte Cristi bis hierher, wo er vor Anker gegangen war, ist das Land hinter der Küste sehr hoch gelegen und flach, mit sehr gutem Ackerland, und dahinter erblickt man sehr schöne Berge, die sich von Osten nach Westen hinziehen und alle grün und bewachsen sind, so daß es ganz wunderbar aussieht; sie sind reich an Wasserlaufen. Überall auf dem Land findet man viele Schildkröten, von denen die Matrosen auf dem Monte Cristi einige mitnahmen, sie hatten eben auf dem Land ihre Eier gelegt, die Tiere waren so groß wie ein großer hölzerner Schild. Am Tag vorher, als der Admiral zum Río del Oro gefahren war, hatte er, wie er sagt, drei Sirenen gesehen, die sehr weit aus dem Meer emportauchten, aber sie waren nicht so schön, wie sie beschrieben werden,189 denn sie hatten eher männliche Gesichtszüge. In Guinea an der Küste von Manegueta, sagt er, habe er andere gesehen. Er sagt, in dieser Nacht werde er im Namen unseres Herrn seine Reise antreten, ohne sich an irgendeinem Ort weiter aufzuhalten, da er gefunden habe, was er gesucht hätte; er wolle sich auch nicht länger über jenen Martín Alonso empören, bevor Ihre Hoheiten die Nachrichten von seiner Reise erhielten, und auch davon, was jener getan hatte: »Und dann werde ich« (sagt er) »nicht länger Handlungen schlechter Menschen dulden, denen es an Rechtschaffenheit mangelt und die sich anmaßen, wider denjenigen, der ihnen diese Gunst zuteil werden ließ, mit mangelnder Ehrerbietung ihren Willen durchzusetzen.«
Donnerstag, 10. Januar Er fuhr von dem Ort ab, wo er vor Anker lag, und bei Sonnenuntergang erreichte er einen Fluß190, dem er den Namen Río de Gracia [Fluß der Gnade] gab; er ist drei Meilen südöstlich davon; in seiner Mündung, die ein guter Ankerplatz ist, ging er auf der Ostseite vor Anker. Vor der Einfahrt liegt eine Sandbank, wo es nur zwei Faden tief und sehr schmal ist: im Innern findet man einen schönen geschlossenen Hafen, der aber sehr neblig ist; deshalb war die Karavelle Pinta, auf der Martín Alonso fuhr, stark beschädigt worden, denn er hatte sich, wie der Admiral sagt, sechzehn Tage dort aufgehalten und hatte viel Gold eingetauscht, und nichts andres wünschte sich Martín Alonso. Als er von den Indios erfahren hatte, daß sich der Admiral an der Küste derselben Isla Española befand und er ihn nicht täuschen konnte, kam er zu ihm zurück. Und er
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sagt, Martín Alonso habe alle Männer auf seinem Schiff schwören lassen, daß sie versichern würden, sie seien nicht länger als sechs Tage dort gewesen. Aber er sagt, seine Schändlichkeit sei so offenbar gewesen, daß er sie nicht habe bemänteln können. Und ferner habe er vorgeschrieben, sagt der Admiral, daß er von allem Gold, das sie eintauschten oder erhielten, die Hälfte bekäme. Und als er dort abfahren mußte, schleppte er zwei Indios und zwei Indiomädchen mit Gewalt auf sein Schiff; der Admiral ließ ihnen Kleidung geben und sie an Land bringen, damit sie nach Hause zurückkehren konnten: »und damit« (sagt er) »diene ich Euren Hoheiten, denn die Männer und Frauen sind sämtlich Euren Hoheiten untertan, besonders die Bewohner dieser Insel, aber auch alle übrigen. Doch hier, wo Eure Hoheiten schon eine Niederlassung haben, muß man den Völkern Gunst und Ehre erweisen, da es auf dieser Insel so viel Gold und gute Ländereien und Gewürze gibt.«
Freitag, 11. Januar Um Mitternacht fuhr er mit Landwind vom Río de Gracia ab, er segelte vier Meilen auf Ostkurs bis zu einem Kap, das er Belprado [Schönwiese] nannte; südöstlich davon liegt der Berg, den er Monte de Plata [Silberberg]191 nannte, und er sagt, daß er acht Meilen entfernt sei. Vom Cabo Belprado in Richtung Ost-zuSüdost liegt das Kap, das er Cabo del Angel [Engelskap] nannte, es ist achtzehn Meilen entfernt; und zwischen diesem Kap und dem Monte de Plata sind ein Golf192 und die besten und schönsten Ländereien der Welt, alles hochgelegene, schöne Auen, die weit ins Land hineinreichen, und dann kommt ein Gebirge, das von Osten nach Westen verläuft, sehr groß und sehr schön; unterhalb des Berges ist eine wunderschöne Bucht193, wo man in der Einfahrt vierzehn Faden Tiefe mißt, und der Berg ist sehr hoch und schön, und alles ist sehr dicht besiedelt; der Admiral glaubte, es müsse dort gut schiffbare Flüsse und viel Gold geben. Vom Cabo del Angel nach Ost-zu-Südost fährt man vier Meilen bis zu einer Landspitze, die er Punta del Hierro [Eisenspitze]194 nannte, und auf dem gleichen Kurs, vier Meilen weiter, gelangt man zu einer Landspitze, die er Punta Seca [Trockene Spitze]195 taufte, und sechs Meilen weiter auf dem gleichen Kurs ist das Kap, das er Cabo Redondo [Rundes Kap]196 nannte; und von dort aus weiter östlich kommt das Cabo Frances [Französisches Kap], und an der Ostseite dieses Kaps zieht sich eine große Bai hin,197 aber es schien ihm kein günstiger Ankergrund zu sein. Eine Meile von dort liegt das Cabo del Buen tiempo [Schönwetterkap]; von diesem in Richtung Südzu-Südost ist ein weiteres Kap, das er Cabo Tajado [Abgeschnittenes Kap] nannte, es ist eine gute Meile entfernt; von diesem aus sah er in südlicher. Richtung ein weiteres Kap, das etwa fünfzehn Meilen entfernt sein mußte. Er legte an diesem Tag eine große Wegstrecke zurück, weil der Wind und die Strömungen günstig waren. Er wagte nicht, vor Anker zu gehen, da er die Untiefen fürchtete, und so lag er die ganze Nacht über bei.
Samstag, 12. Januar Um die vierte Morgenstunde segelte er mit frischem Wind nach Osten, und so fuhr er bis zum Tagesanbruch und legte in dieser Zeit zwanzig Seemeilen zurück, in den folgenden zwei Stunden fuhr er etwa vierundzwanzig Seemeilen. Von dort aus sichtete er im Süden Land198 und fuhr darauf zu, er war etwa achtundvierzig Seemeilen davon entfernt, und er sagt, er sei – obwohl er das Schiff geschont habe – in dieser Nacht etwa achtundzwanzig Seemeilen nach Nordnordost gefahren. Als er das Land sah, nannte er ein Kap, das vor ihm lag, Cabo de Padre e Hijo [Kap des Vaters und des Sohnes], weil es an der Spitze, auf der Ostseite, zwei steile Felsen hatte, von denen einer größer war als der andere.199 Zwei Meilen weiter östlich sah er dann eine große, sehr schöne Bai zwischen zwei hohen Bergrücken, und er sah, daß es ein sehr großer, schöner Hafen war, der eine sehr gute Einfahrt hatte; aber da es sehr früh am Morgen war und da er so weit wie möglich vorankommen wollte, denn dort wehen fast immer Ostwinde, und er gerade von einem Nordnordwestwind vorangetrieben wurde, wollte er sich nicht länger aufhalten. Er setzte seinen Weg nach Osten fort, bis er ein sehr hohes und sehr schönes Kap erreichte, das ganz aus abgeschliffenem Gestein bestand und das er Cabo del Enamorado [Kap des Verliebten]200 nannte, es lag zweiunddreißig Seemeilen östlich von jener Bucht, die er Puerto Sacro [Heiliger Hafen]201 genannt hatte; und als er bis zu diesem Kap gelangt war, entdeckte er noch ein anderes, viel schöneres und höheres, ein rundes, ganz aus Felsen gebildetes Kap202, das dem Cabo de São Vicente in Portugal sehr ähnlich war, und es war zwölf Seemeilen östlich vom Enamorado gelegen. Danach, als es sich mit dem Enamorado auf einer Linie befand, sah er, wie sich zwischen ihm und dem anderen eine sehr große Bai auftat,203 sie war drei Meilen breit, und in ihrer Mitte befand sich ein winziges Eiland204; die Tiefe ist von der Einfahrt bis dicht ans Land beträchtlich. Hier ging er bei zwölf Faden Tiefe vor Anker und schickte das Boot an Land; die Männer sollten Wasser holen und sehen, ob sie mit den Indios ins Gespräch kämen, aber die Leute waren alle geflohen. Er ging auch vor Anker, um zu sehen, ob all dies eine einzige Landmasse mit der Española bildete; denn was er als einen Golf bezeichnet
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hatte, konnte seiner Vermutung nach auch ein Meeresarm sein, der eine selbständige Insel von der Española trennte. Er war erstaunt, daß die Isla Española so groß war.
Sonntag, 13. Januar Er verließ die Bucht nicht, weil er keinen Landwind hatte: Er wollte abfahren, um einen besseren Hafen zu suchen, denn dieser war ziemlich offen, und weil er sehen wollte, wie die Konjunktion des Mondes mit der Sonne, die er für den 17. des Monats erwartete, abliefe, desgleichen die Opposition des Mondes mit Jupiter und seine Konjunktion mit Merkur und schließlich die Opposition der Sonne mit Jupiter,205 denn diese Himmelserscheinungen rufen starke Winde hervor. Er schickte das Boot an Land, nach einem schönen Strand, die Männer sollten Bataten zum Essen sammeln; sie trafen mehrere Indios mit Pfeilen und Bogen; sie unterhielten sich mit ihnen und kauften ihnen zwei Bogen und eine ganze Anzahl Pfeile ab und baten einen von ihnen, mit auf die Karavelle zu kommen, um mit dem Admiral zu sprechen; der Indio kam tatsächlich mit an Bord; er war, wie er sagt, sehr häßlich von Angesicht, häßlicher als andere, die sie gesehen hatten: Sein Gesicht war mit Kohle ganz schwarz gefärbt, während sie sich sonst überall mit mehreren Farben bemalen. Er trug das ganze Haar206 sehr lang, es lag am Kopf an, war hinten zum Knoten gebunden und schließlich unter eine Haube aus Papageienfedern geschoben, und er war nackt wie alle anderen. Der Admiral war der Meinung, er müsse zu den Kariben207 gehören, die Menschen fressen, und jener Golf, den er gestern gesehen hatte, trenne ein Land von dem anderen ab, und dies hier sei eine Insel für sich. Er fragte den Indio nach den Kariben, und jener zeigte ihm ihr Land im Osten, ganz in der Nähe; der Admiral hatte es, wie er sagte, gestern gesehen, bevor er in die Bai einfuhr; und der Indio sagte ihm, es gäbe dort sehr viel Gold, und er wies dabei auf das Heck des Schiffes, das sehr groß war, er meinte, man könne so große Stücke finden. Er nannte das Gold Tuob, aber verstand nicht das Wort Caona208, wie man das Gold auf dem ersten Teil der Insel nannte, und auch nicht Nozay, wie sie es auf San Salvador und auf den anderen Inseln nennen; das Kupfer oder ein geringwertiges Gold nennt man auf der Española Tuob. Von der Insel Matinino sagte der Indio, sie sei ausschließlich von Frauen bewohnt und ganz ohne Männer, und es gäbe auf ihr viel Tuob, wobei es sich um Gold oder Kupfer handelt, und sie liege von Carib aus weiter östlich. Er erzählte auch von der Insel Goanin209, wo es auch viel Tuob geben sollte. Von diesen Inseln, sagt der Admiral, habe er auch schon früher von zahlreichen Leuten gehört. Der Admiral sagt weiterhin, die Indios auf den Inseln, die sie bisher besucht hätten, lebten in großer Furcht vor Carib, und auf einigen Inseln nenne man es Caniba, aber auf der Española Carib; und jene müßten verwegene Menschen sein, da sie nach allen diesen Inseln führen und alle auffräßen, die sie fangen könnten. Er sagt, er könne ein paar Wörter verstehen, und aus diesen könne er wieder andere Dinge erschließen, und die Indios, die er bei sich habe, verstünden noch mehr, obwohl wegen der großen Entfernung der Länder voneinander ein Unterschied zwischen den Sprachen festzustellen sei. Er ließ dem Indio zu essen geben und schenkte ihm Stücke von grünem und rotem Tuch und Glasperlen, die ihnen sehr gefallen, dann schickte er ihn wieder an Land; vorher hatte er ihm gesagt, er solle ihm Gold bringen, wenn er welches hätte, und er war davon überzeugt, da der Indio ein paar kleine Goldstückchen bei sich hatte. Als das Boot das Land erreichte, standen hinter den Bäumen gut fünfundfünfzig nackte Männer mit sehr langem Haar,210 wie es in Kastilien die Frauen tragen. Am Hinterkopf trugen sie Federbüsche aus den Federn von Papageien und anderen Vögeln, und jeder hatte seinen Bogen bei sich. Der Indio ging im Land und veranlaßte die anderen, Pfeil und Bogen niederzulegen; sie hatten auch eine Art Stock, einem sehr schweren211 gleich, sie tragen ihn212 anstelle eines Schwertes; dann kamen sie zu dem Boot, und die Seeleute stiegen aus dem Boot an Land und begannen, ihnen ihre Bogen und Pfeile und sonstigen Waffen abzuhandeln, denn der Admiral hatte es so befohlen. Als die Indios zwei Bogen verkauft hatten, wollten sie nichts mehr hergeben, ja, sie schickten sich an, die Christen anzugreifen und gefangenzunehmen. Sie rannten zu den Stellen, wo sie ihre Bogen und Pfeile zurückgelassen hatten, und kamen mit Stricken zurück, um die Christen zu fesseln, wie er sagt. Als die Christen sahen, wie die Indios auf sie losstürmten, griffen sie, da sie auf alles gefaßt waren – denn der Admiral warnte sie ständig –, die Indios an und versetzten einem von ihnen einen tiefen Messerstich ins Gesäß, einen anderen aber verwundeten sie mit einem Pfeil an der Brust, so daß jene, als sie sahen, daß sie schwerlich gewinnen konnten, obwohl die Christen nur zu sieben waren, sie aber mehr als fünfzig, die Flucht ergriffen und keiner zurückblieb, dabei ließen die einen ihre Pfeile, die andern ihre Bogen zurück. Er sagt, die Christen würden viele von ihnen getötet haben, wenn es der Steuermann, der als Kapitän auf dem Boot eingesetzt war, nicht verhindert hätte. Dann ruderten die Christen mit ihrem Boot zur Karavelle zurück; der Admiral sagt, als er von dem Zusammenstoß erfahren hätte, habe es ihm einerseits leid getan; andererseits aber auch nicht, denn es wäre gut, wenn sie Angst vor den Christen hätten; die Leute von dort führten, wie er sagt, zweifellos Böses im Schilde, und er glaube, es seien die aus Carib, welche Menschen fräßen; und wenn das Boot, das er seinen neununddreißig Männern von der Festung Villa de la Navidad zurückgelassen habe, hierherkäme,
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würden sich die Indios fürchten und es nicht wagen, ihnen etwas anzutun. Und wenn sie nicht zu den Kariben gehörten, so müßten sie ihnen zumindest benachbart sein und die gleichen Sitten haben, unerschrockene Leute, nicht wie die Indios von den anderen Inseln, die feige seien und unsinnigerweise gar keine Waffen besäßen. All das sagt der Admiral und auch, daß er gern ein paar von ihnen mitnehmen würde. Er sagt, sie gäben sich häufig Rauchzeichen, wie es auf der Isla Española üblich war.
Montag, 14. Januar In dieser Nacht wollte er Leute aussenden, die die Häuser jener Indios suchen und ein paar von den Leuten mitnehmen sollten, denn er glaubte, daß es sich um Kariben handelte; aber weil starker Ost- und Nordostwind blies und das Meer schon am Tag stark bewegt war und sie viele Indios am Ufer sahen, befahl der Admiral, daß das Boot mit gutbewaffneten Männern zu ihnen fahren sollte; die Indios kamen bald darauf alle zum Heck des Bootes, vor allem auch der Indio, der schon am Tag zuvor auf der Karavelle gewesen war und dem der Admiral die Tauschartikel gegeben hatte. Mit ihm, sagt er, sei ein König gekommen, und der habe dem Indio ein paar Glasperlen gegeben, die er zum Zeichen der Sicherheit und des Friedens den Männern auf dem Boot überreichen sollte. Dieser König stieg mit dreien seiner Indios ins Boot und kam an Bord der Karavelle. Der Admiral ließ ihnen Zwieback mit Honig geben, und er schenkte dem König eine rote Mütze, Glasperlen und einen Fetzen roten Tuches, auch den andern gab er Tuchfetzen; und der König sagte, er wolle morgen eine goldene Maske bringen, und er versicherte, hier gäbe es viel Gold, und auch auf Carib und auf Matinino. Danach schickte der Admiral die Indios, die sich sehr freuten, an Land zurück. Der Admiral sagt weiterhin, die Karavellen seien am Kiel ziemlich wasserdurchlässig, und beklagt sich sehr Über die Kalfaterer, die seine Schiffe in Palos so schlecht kalfatert hätten, und als der Admiral damals bemerkt hätte, wie schlecht sie gearbeitet hatten und sie zwingen wollte, die Unzulänglichkeiten abzustellen, seien sie geflohen. Doch obwohl die Karavellen undicht seien, vertraue er auf unseren Herrn, der ihn hergeführt habe, daß er ihn in seiner Milde und Barmherzigkeit auch zurückkehren lasse, denn der himmlische Herrscher wisse sehr wohl, wieviel Widerstände er habe besiegen müssen, bevor er sich in Kastilien einschiffen konnte, wo niemand auf seiner Seite gestanden habe als allein der Herr, weil er in seinem Herzen lese, und nächst Gott Ihre Hoheiten; doch alle anderen hätten sich ohne den geringsten Grund wider ihn gestellt. Und weiterhin sagt er folgendes: »Und diese Leute sind schuld daran, daß Eurer Hoheiten Königliche Schatzkammer nicht schon hundertmal größere Einkünfte hat, als es gegenwärtig der Fall ist, seitdem ich in Eure Dienste getreten bin – das ist am 20. Jänner, in diesem Monat also, genau sieben Jahre her –,213 gar nicht zu reden von dem Zuwachs, den solches fürderhin erbringen könnte. Aber der allmächtige Gott wird alles zum besten führen.« Das sind seine Worte.
Dienstag, 15. Januar Der Admiral sagt, er wolle nun abfahren, da es keinen Zweck habe, sich länger aufzuhalten, nachdem er jene Mißhelligkeiten, das heißt das Ärgernis mit den Indios, hinter sich gebracht habe. Er sagt weiterhin, er habe heute erfahren, daß sich das größte Goldvorkommen in der Nähe der Villa de la Navidad, dem Besitz der Hoheiten, befinde und daß es auf der Insel Carib214 viel Kupfer gebe und auch auf Matinino, obwohl es auf Carib schwierig werden könne, weil die Leute dort, wie er sagt, Menschenfleisch essen. Ihre Insel sei von hier aus zu erkennen, und er habe beschlossen, dorthin zu fahren, da sie auf seinem Weg liege,215 und auch nach der Insel Matinino, die, wie er sagt, ganz von Frauen, ohne einen einzigen Mann, bewohnt sei; er beabsichtige, sowohl die eine als auch die andere in Augenschein zu nehmen und ein paar von den Menschen dort mitzunehmen. Der Admiral schickte das Boot an Land, aber der König jener Gegend war nicht gekommen, weil sein Dorf weit entfernt lag, doch schickte er, wie versprochen, seine Goldkrone, und es kamen viele andere Männer mit Baumwolle und Brot und Bataten, sie alle trugen Pfeil und Bogen. Nachdem sie alles eingetauscht hätten, sagt er, seien vier junge Männer auf die Karavelle gekommen, und dem Admiral schien es, daß sie so gut über alle jene Inseln Bescheid wußten, die auf dem Weg nach Osten lagen, den der Admiral einschlagen mußte, daß er beschloß, sie mit nach Kastilien zu nehmen. Er sagt, sie hätten, wie man gesehen habe, weder Eisen noch anderes Metall gehabt, wenn man auch in sowenig Tagen nicht viel von einem Land erfahren kann, vor allem angesichts der Schwierigkeit dieser Sprache, die der Admiral nur dank seinem Scharfsinn verstand, und weil auch die Indios nicht in wenigen Tagen begreifen konnten, was er von ihnen erwartete. Die Bogen dieser Leute, sagt er„ seien so groß gewesen wie die der Franzosen und Engländer: Die Pfeile ähneln den Wurfspießen der anderen Völker, die er bisher gesehen hatte, man stellt sie aus den Trieben des Schilfrohrs her, wenn diese Samen tragen, denn sie sind sehr gerade und anderthalb bis zwei Ellen lang. Und dann schieben sie in das Ende einen spitzen, anderthalb Spannen langen Stock, und auf diesem befestigen manche noch einen Fischzahn, andere, und zwar die meisten von
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ihnen, stecken einen Grashalm darauf; und sie werfen sie nicht wie anderswo, sondern so, daß sie keinen großen Schaden anrichten können. Es gab dort sehr viel Baumwolle, die sehr fein und lang war, und auch viel Mastix; und es schien ihm, als seien die Bogen aus Eibenholz und als gebe es hier Gold und Kupfer: Es gibt auch sehr viel Aji, das ist ihr Pfeffer, und er würzt besser als unserer, niemand pflegt ohne dieses Gewürz zu essen, das sie für sehr gesund halten: Auf der Española kann man jedes Jahr fünfzig Karavellen damit beladen. Er sagt, er habe in dieser Bai viel von jener Grasart entdeckt, die sie auch, als sie hierherkamen; in, dem Golf gesehen hätten, weshalb er glaube, daß es auch weiter östlich bis zu der Stelle, wo sie das Gras zuerst gefunden hatten, Inseln geben müsse, denn er hält es für sicher, daß dieses Gras in Küstennähe an flachen Stellen im Wasser wächst; und er sagt, wenn dem so sei, dann müßten diese Indien gar nicht weit von den Kanarischen Inseln liegen, und er glaube aus diesem Grund, daß sie weniger als vierhundert Meilen davon entfernt seien.
Mittwoch, 16. Januar Drei Stunden vor Tagesanbruch verließ er den Golf, den er den Golfo de las Flechas [Golf der Pfeile]216 genannt hatte, zuerst mit Landwind, dann mit Westwind, und er fuhr auf Kurs Ost-zu-Nordost, um, wie er sagt, nach der Insel Carib zu fahren, wo die Leute lebten, vor denen alle diese Inseln und Länder solche Furcht hatten, denn jene, so sagt er, führen mit ihren zahllosen Kanus über alle diese Meere, und sie fräßen alle Menschen, deren sie habhaft werden könnten. Die Fahrtrichtung, sagt er, hätten ihm ein paar von den Indios gezeigt, die er gestern im Puerto de las Flechas [Hafen der Pfeile] aufgenommen hatte. Nachdem er seiner Berechnung nach vierundsechzig Seemeilen gefahren war, bedeuteten ihm die Indios, daß die erwähnte Insel im Südosten liege: Er wollte auf diesen Kurs gehen und befahl, die Segel neu nach dem Winde zu richten; nachdem er zwei Meilen gesegelt war, wurde der Wind stärker, und er war sehr günstig, um nach Spanien zu fahren: Er merkte den Leuten an, daß sie mißmutig wurden, weil sie vom direkten Weg abgewichen waren und weil die Karavellen so viel Wasser machten und keine Hilfe dagegen war außer jener, die Gott gewährt; so mußte er den Weg, von dem er glaubte, daß er ihn nach jener Insel führte, verlassen, und er nahm wieder Kurs Nordost-zu-Ost, um nach Spanien zurückzukehren, und fuhr so bis Sonnenuntergang achtundvierzig Seemeilen, was zwölf Meilen entspricht. Die Indios sagten ihm, auf diesem Weg erreiche er die Insel Matinino, die, wie er sagt, von Frauen bewohnt sei, die. ohne Männer lebten; und dies war dem Admiral höchst willkommen, weil er den Königen fünf oder sechs von ihnen mitbringen wollte; aber er zweifelte, daß die Indios die Fahrtrichtung genau angeben könnten, und er durfte Sich auch nicht aufhalten, weil die Karavellen so viel Wasser machten, daß es gefährlich war; aber er sagt, er sei der festen Überzeugung, daß es diese Frauen gebe, und zu einer bestimmten Zeit des Jahres kämen zu ihnen die Männer von der Insel Carib, die, wie er sagt, zehn oder zwölf Meilen von ihnen entfernt sei, und wenn sie einen Knaben zur Welt brächten, so schickten sie ihn auf die Insel der Männer, und wenn es ein Mädchen sei, behielten sie es bei sich. Der Admiral sagt, diese beiden Inseln könnten von der Stelle, wo er abgefahren sei, nicht mehr als fünfzehn bis zwanzig Meilen entfernt sein, und er glaube, daß sie im Südosten lägen, daß ihm die Indios aber nicht den rechten Weg zeigen könnten. Als jenes Kap der Isla Española, das er Cabo de San Theramo217 genannt hatte, außer Sichtweite war, nachdem er sich sechzehn Meilen westlich davon befand, segelte er zwölf Meilen nach Ost-zu-Nordost: Er hatte sehr günstigen Wind.
Donnerstag, 17. Januar Gestern bei Sonnenuntergang flaute der Wind etwas ab, er segelte etwa vierzehn Sanduhrzeiten lang, wobei jeweils eine etwa dreißig Minuten oder etwas weniger betrug, bis zur ersten Wachablösung; er fuhr etwa vier Seemeilen die Stunde, das sind insgesamt achtundzwanzig Seemeilen. Dann wurde der Wind stärker, und so fuhr er die ganze Wache über, das heißt zehn Sanduhrzeiten und dann weitere sechs Sanduhrzeiten bis zum Sonnenaufgang, je acht Seemeilen die Stunde; so segelte er nach Nordost-zu-Ost im ganzen etwa vierundachtzig Seemeilen, was einundzwanzig Meilen entspricht, und bis zum Sonnenuntergang legte er noch etwa vierundvierzig Seemeilen, also elf Meilen, in östlicher Richtung zurück. Ein Pelikan kam zu der Karavelle und dann noch einer, und er sah viel Gras von der Art, die im Meer wächst.218
Freitag, 18. Januar Diese Nacht segelte er auf Kurs Ost-zu-Südost bei schwachem Wind vierzig Seemeilen, was zehn Meilen entspricht; und dann auf Kurs Südost-zu-Ost dreißig Seemeilen, was siebeneinhalb Meilen entspricht, bis
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zum Sonnenaufgang. Nach Sonnenaufgang segelte er den ganzen Tag bei schwachem Ostnordost- und Nordostwind und mehr oder weniger direktem Ostwind teils auf Nordkurs, teils auf Kurs Nord-zu-Nordost und Nordnordost, und legte so, wie er glaubte, insgesamt sechzig Seemeilen zurück, was fünfzehn Meilen entspricht. Er sah wenig Gras im Meer; er sagt aber, daß es im Meer gestern und, heute von Thunfischen buchstäblich gewimmelt habe, und der Admiral glaubte, daß sie von dort nach den Thunfischgründen des Herzogs von Conil und Cadiz schwömmen. Wegen eines fischfangenden Vogels, der Fregattvogel heißt und der um die Karavelle kreiste, bis er sich nach Südsüdosten entfernte, glaubte der Admiral, es müsse hier in der Nähe Inseln geben. Denn ostsüdöstlich von der Isla Española, sagte er, lägen die Insel Carib und die Matinino und noch viele andere.
Samstag, 19. Januar Er fuhr diese Nacht sechsundfünfzig Seemeilen nach Nord-zu-Nordost und vierundsechzig nach Nordost-zu-Nord. Nach Sonnenaufgang segelte er mit einem frischen Ostsüdostwind in nordöstlicher Richtung und danach in Richtung Nordost-zu-Nord, und er fuhr etwa vierundachtzig Seemeilen, was einundzwanzig Meilen entspricht. Er sah, daß es im Meer von kleinen Thunfischen wimmelte. Es gab Pelikane, Tropikvögel und Fregattvögel.
Sonntag, 20. Januar In dieser Nacht ließ der Wind nach, nur manchmal gab es ein paar Windböen, und er fuhr im ganzen etwa zwanzig Seemeilen nach Nordosten. Nach Sonnenaufgang fuhr er etwa elf Seemeilen nach Südosten, dann sechsunddreißig Seemeilen, was neun Meilen entspricht, nach Nordnordosten. Er sah unzählige kleine Thunfische: Die Lüfte, sagt er, waren sehr sanft und mild, wie in Sevilla im April oder Mai, und das Meer, sagt er, sei gottlob immer sehr glatt geblieben. Fregattvögel, Sturmschwalben und viele andere Vögel flogen vorüber.
Montag, 21. Januar Gestern nach Sonnenuntergang segelte er mit Ost- und Nordostwind in Richtung Nord-zu-Nordost: Er fuhr bis Mitternacht etwa acht Seemeilen die Stunde, insgesamt etwa sechs-undfünfzig Seemeilen. Dann fuhr er acht Seemeilen die Stunde in Richtung Nordnordost, und das waren in der ganzen Nacht etwa einhundertvier Seemeilen, was sechsundzwanzig Meilen entspricht, in Richtung Nordost-zu-Nord. Nach Sonnenaufgang segelte er mit dem gleichen Ostwind in Richtung Nordnordost und manchmal Nordost-zuNord, und er legte in den elf Stunden des eigentlichen Tages etwa achtundachtzig Seemeilen zurück, was einundzwanzig Meilen entspricht, wenn man eine abzieht, die er verlor, als er nahe an die Karavelle Pinta heranfuhr, um mit deren Besatzung zu sprechen. Er fand die Luft kühler, und er glaubte, wie er sagt, er werde sie jetzt jeden Tag kälter finden, je weiter er nach Norden gelange, und auch die Nächte würden länger sein wegen der Verengung der Erdkugel. Man sah viele Tropikvögel und Sturmschwalben und andere Arten, aber nicht so viel Fische, sagt er, da das Wasser schon kälter war. Er sah auch viel Gras.
Dienstag, 22. Januar Gestern nach Sonnenuntergang segelte er mit Ostwind, der manchmal nach Südost drehte, in Richtung Nordnordost: Er fuhr acht Seemeilen die Stunde, bis fünf Sanduhrzeiten verstrichen waren, und weitere drei bis zum Beginn der Wache, das waren im ganzen acht Sanduhrzeiten. Und so war er etwa zweiundsiebzig Seemeilen gefahren, was achtzehn Meilen entspricht. Danach fuhr er sechs Sanduhrzeiten in Richtung Nord-zu-Nordost und legte noch etwa achtzehn Seemeilen zurück. Danach fuhr er vom Beginn der zweiten Wache an vier Sanduhrzeiten in nordöstlicher Richtung, er legte sechs Seemeilen pro Stunde zurück, was drei Meilen entspricht. Dann, fuhr, er auf Ostnordostkurs bis zum Sonnenaufgang elf Sanduhrzeiten lang sechs Seemeilen219 pro Stunde, was insgesamt sieben Meilen entspricht. Dann segelte er weiter bis elf Uhr vormittags zweiunddreißig Seemeilen nach Ostnordost. Und weil der Wind abflaute, kam er an diesem Tag nicht weiter. Die Indios schwammen im Meer. Sie sahen Tropikvogel und viel Gras.
Mittwoch, 23. Januar In dieser Nacht schlug der Wind sehr oft um; alles zusammengerechnet legte er unter Wahrung der
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Vorsichtsmaßregeln, die gute Seeleute treffen und stets treffen müssen, in dieser Nacht, wie er sagt, etwa vierundachtzig Seemeilen, das sind einundzwanzig Meilen, in Richtung Nordost-zu-Nord zurück. Er wartete sehr oft auf die Karavelle Pinta, die sehr schlecht beim Winde fuhr, denn sie konnte sich kaum des Besansegels bedienen, weil der Mast unzulänglich war; er sagt, wenn ihr Kapitän, nämlich Martín Alonso Pinzón, ebensoviel Sorgfalt aufgewendet hätte, sich in den Indien einen guten Mast zu besorgen, wo es übergenug davon gegeben habe, als er Begierde gezeigt habe, sich von ihm zu entfernen, um sein Schiff mit Gold zu füllen, dann wäre der Schaden bald behoben gewesen. Man sah viele Tropikvögel und viel Gras: Der Himmel war an diesen Tagen sehr trübe; aber es hatte nicht geregnet, und das Meer war gottlob immer glatt wie ein Fluß. Nach Sonnenaufgang fuhr er einen Teil des Tages dreißig Seemeilen direkt nach Nordosten, das entspricht siebeneinhalb Meilen, und den übrigen Teil des Tages fuhr er nochmals dreißig Seemeilen, also siebeneinhalb Meilen, nach Ostnordost.
Donnerstag, 24. Januar Wegen des häufig umschlagenden Windes fuhr er in der ganzen Nacht nur vierundvierzig Seemeilen, also elf Meilen, nach Nordosten. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fuhr er etwa vierzehn Meilen nach Ostnordost.
Freitag, 25. Januar Er segelte in dieser Nacht mehrere Stunden, nämlich dreizehn Sanduhrzeiten, nach Ostnordost und legte neuneinhalb Meilen zurück; dann fuhr er noch sechs Seemeilen nach Nordnordost. Nach Sonnenaufgang fuhr er, weil der Wind abflaute, den ganzen Tag über nur etwa achtundzwanzig Seemeilen, das entspricht sieben Meilen, nach Ostnordost. Die Matrosen töteten einen jungen Thunfisch und einen sehr großen Hai; und er sagt, dies sei sehr dringlich gewesen, weil sie nichts mehr zu essen hatten als Brot und Wein und Bataten von den Indien.
Samstag, 26. Januar In dieser Nacht fuhr er sechsundfünfzig Seemeilen, was vierzehn Meilen entspricht, in Richtung Ost-zuSüdost. Nach Sonnenaufgang segelte er bald nach Ostsüdost, bald nach Südost; bis elf Uhr vormittags fuhr er etwa vierzig Seemeilen. Danach ließ er auf einen anderen Bug wenden, und dann fuhr er mit dem Leik220; und bis zur Nacht segelte er vierundzwanzig Seemeilen, das sind sechs Meilen, nach Norden.
Sonntag, 27. Januar Gestern nach Sonnenuntergang fuhr er nach Nordost und nach Nord und nach Nord-zu-Nordost, und er segelte etwa fünf Seemeilen die Stunde, und in dreizehn Stunden waren das etwa fünfundsechzig Seemeilen, also sechzehneinhalb Meilen. Nach Sonnenaufgang fuhr er bis zum Mittag vierundzwanzig Seemeilen, also sechs Meilen, nach Nordosten, und von da bis zum Sonnenuntergang fuhr er etwa drei Meilen in Richtung Ostnordost.
Montag, 28. Januar Diese ganze Nacht segelte er in Richtung Ostnordost, und er fuhr etwa sechsunddreißig Seemeilen, was neun Meilen entspricht. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fuhr er zwanzig Seemeilen, das sind fünf Meilen, in Richtung Ostnordost. Die Lüfte fand er lau und lieblich. Er sah Tropikvögel und Sturmschwalben und auch viel Gras.
Dienstag, 29. Januar Er segelte nach Ostnordost und legte bei Süd- und Südwestwind in der Nacht etwa neununddreißig Seemeilen zurück, das sind neuneinhalb Meilen. Den ganzen Tag über fuhr er etwa acht Meilen. Die Lüfte waren sehr lau wie im April in Kastilien. Das Meer war spiegelglatt: Fische, die man Dorados [Goldmakrelen] nennt, kamen zum Schiff.
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Mittwoch, 30. Januar In der ganzen Nacht fuhr er etwa sieben Meilen in Richtung Ostnordost. Am Tag segelte er vor dem Wind dreizehneinhalb Meilen nach Süd-zu-Südost. Er sah Tropikvögel und viel Gras und viele Thunfische.
Donnerstag, 31. Januar Er segelte in dieser Nacht dreißig Seemeilen in Richtung Nord-zu-Nordost und dann fünfunddreißig Seemeilen, das sind sechzehn Meilen, in Richtung Nordost. Vom Sonnenaufgang bis zur Nacht fuhr er dreizehneinhalb Meilen nach Ostnordost. Sie sahen Tropikvögel und Sturmschwalben.
Freitag, 1. Februar In dieser Nacht fuhr er sechzehneinhalb Meilen nach Ostnordost. Am Tag segelte er vor dem Wind neunundzwanzigeinviertel Meilen auf dem gleichen Kurs: Das Meer war gottlob sehr glatt.
Samstag, 2. Februar Er segelte diese Nacht vierzig Seemeilen, das sind zehn Meilen, nach Ostnordost. Tagsüber legte er mit dem gleichen Rückenwind sieben Seemeilen pro Stunde zurück, so daß er in elf Stunden siebenundsiebzig Seemeilen fuhr, das sind neunzehneinviertel Meilen: Das Meer war Gott sei Dank sehr glatt, die Lüfte sehr sanft. Das Wasser war so mit Gras übersät, daß sie gefürchtet hätten, es handele sich um Untiefen, wenn sie es nicht schon früher gesehen hätten. Sturmschwalben flogen vorüber.
Sonntag, 3. Februar In dieser Nacht legten sie, da sie den Wind achtern hatten, bei gottlob sehr glattem Meer etwa neunundzwanzig Meilen zurück. Es schien ihm, als ob der Polarstern sehr hoch stünde, wie am Kap São Vicente: Aber er konnte seine Höhe weder mit dem Astrolab noch mit dem Quadranten messen, weil es der starke Seegang nicht erlaubte. Am Tag segelte er auf seinem Weg nach Nordnordosten, er legte etwa zehn Seemeilen pro Stunde zurück und so in elf Stunden insgesamt siebenundzwanzig Meilen.
Montag, 4. Februar Diese Nacht segelte er in Richtung Ost-zu-Nordost, teilweise fuhr er zwölf Seemeilen die Stunde und zum andern Teil zehn Seemeilen, und so legte er einhundertdreißig Seemeilen zurück, das sind zweiunddreißigeinhalb Meilen. Der Himmel war sehr trübe und regnerisch, und es war ziemlich kühl, woran er, wie er sagt, erkannte, daß er die Azoren noch nicht erreicht hatte. Nachdem die Sonne aufgegangen war, änderte er seinen Kurs und fuhr nach Osten. Er legte an dem ganzen Tag siebenundsiebzig Seemeilen zurück, das sind neunzehneinviertel Meilen.
Dienstag, 5. Februar Diese Nacht segelte er nach Osten, er brachte im ganzen vierundfünfzig Seemeilen hinter sich, das sind vierzehn Meilen weniger eine halbe. Am Tag segelte er vor dem Wind zehn Seemeilen die Stunde, und so waren es in elf Stunden einhundertzehn Seemeilen, also siebenundzwanzigeinhalb Meilen. Sie sichteten Sturmschwalben und ein paar kleine Zweige; dies war ein Zeichen, daß sie sich in Landnähe befanden.
Mittwoch, 6. Februar Er segelte in dieser Nacht weiter auf seinem Ostkurs, er legte etwa elf Seemeilen die Stunde zurück, in den dreizehn Stunden der Nacht fuhr er etwa einhundertunddreiundvierzig Seemeilen, das sind fünfunddreißigeinviertel Meilen. Sie sahen viele Vögel und vor allem Sturmschwalben. Am Tag segelte er vor dem Wind vierzehn Seemeilen die Stunde, und so fuhr er an jenem Tag einhundertvierundfünfzig Seemeilen, das sind achtunddreißigeinhalb Meilen, so daß es, Tag und Nacht zusammengenommen, annähernd vierundsiebzig Meilen waren. Vicente Yañes sagte, nach seiner Berechnung habe er heute
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morgen die Insel Flores im Norden und die Insel Madeira im Osten gehabt. Roldán sagte, nach seiner Berechnung habe er im Nordnordosten die Insel Faial oder die Insel São Gregório gehabt und Porto Santo im Osten. Im Meer war viel Gras zu sehen.
Donnerstag, 7. Februar Diese Nacht segelte er nach Osten: Er fuhr etwa zehn Seemeilen die Stunde, und so legte er in dreizehn Stunden einhundertdreißig Seemeilen zurück, was zweiunddreißigeinhalb Meilen entspricht. Am Tag fuhr er acht Seemeilen die Stunde und legte in elf Stunden achtundachtzig Seemeilen zurück, das sind zweiundzwanzig Meilen. An diesem Morgen befand sich der Admiral nach seiner Berechnung fünfundsiebzig Meilen südlich von der Insel Flores, aber der Steuermann Pedro Alonso fuhr nach seiner Berechnung, wenn, er nach Norden segelte, zwischen der Terceira und der Santa Maria hindurch, und wenn er nach Osten segelte, passierte er auf der Luvseite die Insel Madeira, zwölf Meilen von ihrer Nordküste entfernt. Die Matrosen sahen anderes Gras, als sie es früher gefunden hatten, und es gibt von dieser Art sehr viel auf den Azoren. Danach sahen sie auch etwas von dem früheren Gras.
Freitag, 8. Februar In dieser Nacht fuhr er eine Zeitlang drei Seemeilen die Stunde nach Osten, und dann segelte er nach Ost-zu-Südost; in der ganzen Nacht waren es zwölf Meilen. Vom Sonnenaufgang bis zum Mittag segelte er vor dem Wind siebenundzwanzig Seemeilen, danach bis zum Sonnenuntergang noch einmal soviel, das sind zusammen dreizehn Meilen, in südsüdöstlicher Richtung.
Samstag, 9. Februar Einen Teil der Nacht fuhr er drei Meilen in Richtung Südsüdost und dann in Richtung Süd-zu-Südost; bis zehn Uhr vormittags segelte er weitere fünf Meilen nach Nordost, und dann fuhr er bis zum Eintritt der Dunkelheit neun Meilen nach Osten.
Montag, 11. Februar In dieser Nacht fuhr er zwölf Seemeilen die Stunde auf seinem Kurs, und er zählte insgesamt neununddreißig Meilen, und den ganzen Tag segelte er vor dem Wind sechzehneinhalb Meilen. Er sichtete viele Vögel, weshalb er glaubte, daß das Land nahe sein müßte.
Sonntag, 10. Februar Nach Sonnenuntergang segelte er die ganze Nacht über in östlicher Richtung, und legte einhundertdreißig Seemeilen zurück, das sind zweiunddreißigeinhalb Meilen. Von Sonnenaufgang bis zum Eintritt der Dunkelheit fuhr er neun Seemeilen die Stunde und legte so in elf Stunden neunundneunzig Seemeilen zurück, das sind vierundzwanzigdreiviertel Meilen. Auf der Karavelle des Admirals prickten Vicente Yañes, die beiden Steuermänner Sancho Ruiz und Pedro Alonso Niño und Roldán die Karte oder machten ein Besteck, und sie alle fuhren nach ihrer Berechnung sehr weit östlich der Azoren, und wenn sie nach Norden segelten, erreichte keiner von ihnen die Insel Santa Maria, die die letzte der Azoreninseln ist; ja, sie waren ihrer Meinung nach schon fünf Meilen darüber hinaus und fuhren jetzt in der Nähe der Insel Madeira oder von Porto Santo. Aber der Admiral war nach seiner Berechnung sehr weit von seinem Weg abgewichen, da er weiter zurück war als sie, denn diese Nacht hatte er nach seiner Karte die Insel Flores im Norden gelassen, und im Osten mußte das afrikanische Nafe vor ihm liegen, und auf der Luvseite passierte er die Nordküste der Insel Madeira221 Meilen entfernt. So daß sie nach ihrer Berechnung Kastilien um einhundertfünfzig Meilen näher waren als der Admiral. Er sagt, mit Gottes Gnade werde man, sobald Land in Sicht komme, wissen, wer der Wahrheit am nächsten sei. Er sagt an dieser Stelle auch, daß er auf der Hinfahrt von der Insel Hierro aus zweihundertdreiundsechzig Meilen gefahren sei, bevor er das erste Gras gesehen habe etc.
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Dienstag, 12. Februar Er segelte in dieser Nacht sechs Seemeilen die Stunde nach Osten, und er legte bis zum Tagesanbruch etwa dreiundsiebzig Seemeilen zurück, das sind achtzehneinviertel Meilen. Von hier an hatte er starken Seegang und Sturm, und wäre die Karavelle nicht, wie er sagt, sehr gut und bestens instand gesetzt gewesen, hätte er fürchten müssen zugrunde zu gehen. Am Tag segelte er etwa elf oder zwölf Meilen, jedoch mit großer Mühe und Gefahr.
Mittwoch, 13. Februar Vom Sonnenuntergang bis zum Tagesanbruch hatte er große Mühe wegen des Windes und des sehr hohen Seegangs und des Sturmes: Von Nordnordost her blitzte es dreimal, und er sagte, dies wäre ein Anzeichen, daß ein großes Unwetter von dort oder von der entgegengesetzten Seite her käme. Den größten Teil der Nacht fuhr er ohne Segel. Danach setzte er nur wenige Segel und fuhr etwa zweiundfünfzig Seemeilen, das sind dreizehn Meilen. An diesem Tag ließ der Wind etwas nach; doch bald darauf wurde er wieder stärker, das Meer wurde furchtbar, und die Wogen, die die Schiffe bestürmten, überkreuzten sich. Er fuhr etwa fünfundfünfzig Seemeilen, das heißt dreizehneinhalb Meilen.
Donnerstag, 14. Februar In dieser Nacht wurde der Wind stärker, und die Wogen waren entsetzlich, eine der andern entgegen, sie kreuzten einander und bedrängten das Schiff, daß es weder vorwärts noch zwischen ihnen hindurchkommen konnte, und überspülten das Deck. Er führte das Bramsegel222 sehr tief, damit er das Schiff wenigstens ein Stückchen aus den Wellen emporheben konnte: So fuhr er ungefähr drei Stunden lang und legte etwa zwanzig Seemeilen zurück. Der Seegang und der Wind wurden immer stärker; und als er die große Gefahr sah, begann er vor dem Wind zu fahren, gleichgültig, wohin es ihn trieb, weil es keinen anderen Ausweg gab. Dann begann auch die Karavelle Pinta, die von Martín Alonso befehligt wurde, vor dem Wind zu fahren, und verschwand schließlich, obwohl ihm der Admiral die ganze Nacht über Lichtsignale gab und der andere ihm antwortete; so lange, bis jener offenbar wegen der Kraft des Sturmes keine Signale mehr geben konnte und weil er sehr weit vom Kurs des Admirals abgekommen war. Dieser fuhr in der Nacht vierundfünfzig Seemeilen, das sind dreizehn Meilen nach Nordost-zu-Ost. Nach Sonnenaufgang wurde der Wind noch stärker, und die See wogte immer schrecklicher durcheinander. Er hatte nur das Bramsegel gesetzt, und zwar ganz niedrig, damit das Schiff zwischen den sich türmenden Wogen herauskam und nicht vollends überflutet würde. Er fuhr auf Kurs Ostnordost und dann Nordost-zuOst: So fuhr er etwa sechs Stunden und legte siebeneinhalb Meilen zurück. Er befahl, einen Pilger auszulosen, der zur Heiligen Maria von Guadalupe wallfahren und eine fünf Pfund schwere Wachskerze darbringen sollte, und alle sollten geloben, daß jener, den das Los träfe, die Pilgerschaft antreten würde; zum Zweck der Auslosung ließ er so viel Kichererbsen holen, als Menschen auf dem Schiff waren, dann ließ er in eine der Erbsen mit einem Messer ein Kreuz ritzen und alle gut vermischt in eine Mütze schütten. Als erster griff der Admiral in die Mütze, und er zog die Erbse mit dem Kreuz; so fiel das Los auf ihn, und von da an betrachtete er sich als Pilger und in der Pflicht, das Gelübde zu erfüllen. Dann wurde noch einmal gelost, denn man wollte auch einen Pilger zur Heiligen Maria von Loreto schicken, das in der Mark Ancona im Kirchenstaat gelegen ist, zu dem Gotteshaus, wo Unsere Liebe Frau viele große Wunder getan hat und immer noch tut, und das Los fiel auf einen Matrosen aus El Puerto de Santa Maria, er hieß Pedro de Villa, und der Admiral versprach, ihm die Reisekosten zu erstatten. Er beschloß, einen weiteren Pilger zu entsenden, der eine Nacht im Kloster Santa Clara de Moguer wachen und eine Messe lesen lassen sollte, weshalb die Erbsen samt der mit dem Kreuz bezeichneten abermals ausgelost wurden, und wieder fiel das Los auf den Admiral. Dann taten der Admiral und alle seine Leute das Gelübde, daß sie, sobald sie Land erreichten, alle bloß mit dem Hemd bekleidet in einer Prozession zu einer der Muttergottes geweihten Kirche ziehen würden, um dortselbst zu beten. Außer den allgemeinen oder gemeinsamen Gelübden legte jeder von ihnen persönlich sein Gelübde ab, weil niemand von ihnen hoffen konnte, mit dem Leben davonzukommen: Alle hielten sich angesichts des schrecklichen Sturmes für verloren. Die Gefahr wurde noch dadurch vergrößert, daß das Schiff zu wenig Ballast mitführte, denn die Ladung war leichter geworden, da der Proviant schon aufgezehrt war und das Wasser und der Wein getrunken; und der Admiral, verleitet von dem günstigen Wetter, das sie an den Inseln gehabt, hatte diesen Mangel noch nicht ausgeglichen, weil er die Absicht hatte, das Schiff auf der Insel der Frauen, nach der er fahren wollte, mit Ballast versehen zu lassen. Das Hilfsmittel, das er für diesen Notfall fand, bestand darin, daß sie, sobald sie dies tun konnten, die von Wasser und Wein leeren Fässer mit
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Meerwasser füllten; damit erzielten sie eine gewisse Verbesserung. Jetzt zählt der Admiral die Gründe auf, die ihn befürchten ließen, unser Herr könnte wünschen, daß er unterginge, und andere, die in ihm die Hoffnung erweckten, Gott werde ihn retten, damit solche Nachrichten, wie er sie den Königen brachte, nicht verlorengingen. Es schien ihm, daß er gerade wegen des heißen Verlangens, diese großen Nachrichten den Königen zu überbringen und zu beweisen, daß er es recht getroffen hatte mit dem, was er gesagt und was er sich zu entdecken erbötig gemacht hatte, so unendliche Angst hatte, es nicht zu erreichen, und daß ihn, wie er sagt, jede Mücke verwirren und abhalten konnte. Dies schreibt er seiner Kleingläubigkeit und der Abnahme des Vertrauens in die göttliche Vorsehung zu. Andererseits bestärkte ihn die Gnade, die ihm Gott erwiesen, indem er ihm einen solchen Triumph schenkte und ihn das entdecken ließ, was er entdeckt hatte; denn Gott hatte alle seine Wünsche erfüllt, nachdem er in Kastilien bei seinen Vorbereitungen zahlreiche Mißlichkeiten und widrige Umstände hatte besiegen müssen. Und da er zuvor sein Ziel und seine Sache ganz auf Gott gerichtet und gestellt hatte und Gott ihn erhört und alles gewährt hatte, was er von ihm erbeten, mußte er glauben, daß der Herr das Begonnene auch zur Vollendung führen und ihn retten werde. Besonders, da er ihn bei der Hinfahrt bewahrt hatte, als er allen Grund hatte, sich vor den Schwierigkeiten zu fürchten, die er mit den Seeleuten und den anderen mitgenommenen Leuten überwinden mußte, als sie einhellig entschlossen waren, umzukehren und sich wider ihn zu erheben und zu meutern; doch der ewige Gott hatte ihm Mut und Tapferkeit wider alle verliehen; dazu kämen noch andere höchst wunderbare Dinge, die Gott auf dieser Reise an ihm und durch ihn offenbar werden lasse, abgesehen von denen, die Ihre Hoheiten schon von den Personen Ihres Hauses kannten. So brauchte er denn (wie er sagt), den Sturm nicht zu fürchten. »Kleinmut und Betrübnis« (sagt er), »ließen meine Seele indessen nicht zur, Ruhe kommen.« Weiterhin sagt er, es sei ihm auch unendlich leid um seine beiden Söhne, die er als Studenten in Córdoba gelassen habe,223 da sie als Vollwaisen in einem fremden Land zurückblieben; und auch, daß die Könige nicht erfahren würden, welche Dienste er ihnen auf dieser Reise erwiesen hatte und daß er ihnen so nützliche Nachrichten brachte, damit sie sich bewegen ließen, jene zu unterstützen. Deshalb und damit Ihre Hoheiten wüßten, daß unser Herr und Heiland ihm zum Triumph verhelfen hatte in allen Dingen, die er von den Indien ersehnte, und damit sie wüßten, daß es in jenen Gegenden keine Stürme gäbe, was man, wie er sagt, daran erkennen kann, daß selbst im Meere Gräser und Bäume wachsen, und damit die Könige, falls er bei diesem Sturm hier zugrunde ginge, eine Nachricht von seiner Reise hätten, nahm er ein Pergament und schrieb alles darauf nieder, was er vermochte, über alles, was er entdeckt hatte, und bat den, der dies fände, inständig, es den Königen zu überbringen. Dieses Pergament wickelte er in ein Stück Wachstuch, verschnürte es sehr sorgfältig, dann ließ er ein großes Holzfaß bringen und steckte es hinein – ohne einem von den anderen zu sagen, worum es sich handelte, so daß alle glaubten, es sei irgendeine Andachtshandlung oder ein Gelübde – und ließ es ins Meer werfen. Bald darauf, als die Regengüsse und die Sturmböen einsetzten, sprang der Wind nach Westen um, er fuhr bei sehr unruhiger See nur mit dem Focksegel fünf Stunden lang vor dem Wind und legte etwa zweieinhalb Meilen in nordöstlicher Richtung zurück. Er hatte das Bramsegel eingeholt, weil er fürchtete, daß es ihm eine Woge gänzlich fortreißen könnte.
Freitag, 15. Februar Gestern nach Sonnenuntergang wurde der Himmel auf der Westseite klar, und es sah so aus, als ob der Wind von dort her blasen wollte. Er gab zu dem Großsegel das Beisegel hinzu. Der Seegang war immer noch beträchtlich, obwohl er etwas ruhiger wurde. Er fuhr vier Seemeilen die Stunde nach Ostnordost und legte in dreizehn Nachtstunden dreizehn Meilen zurück. Nach Sonnenaufgang sahen sie Land: Es tauchte vor ihnen auf, als sie mit Ostnordostkurs segelten; einige sagten, es sei die Insel Madeira, andere, es sei die Roca de Cintra an der portugiesischen Küste, in der Nähe von Lissabon. Dann sprang der Wind auf Ostnordost um, ihrer Fahrtrichtung also genau entgegen, und die See kam mit sehr hohen Wogen von Westen her, die Karavelle war etwa fünf Meilen vom Land entfernt. Der Admiral mußte sich nach seinen Berechnungen bei den Azoren befinden, und er glaubte, es handele sich um eine dieser Inseln: Die Steuermänner und Seeleute befanden sich nach ihrer Karte schon in der Nähe der spanischen Küste.
Samstag, 16. Februar Die ganze Nacht lavierte er, um das Land zu vermeiden, das man schon als Insel erkennen konnte; manchmal fuhr er nach Nordost, zu anderen Malen nach Nordnordost, und als die Sonne aufging, drehte er auf Südkurs, um die Insel zu erreichen, die sie wegen des bedeckten Himmels gar nicht mehr erkennen konnten, und achtern sah er eine weitere Insel, die acht Meilen entfernt sein mochte. Vom Sonnenuntergang bis in die Nacht kreuzte er auf und ab, um das Land trotz des starken Windes und des hohen Seegangs zu erreichen. Als sie das Salve beteten, also bei Eintritt der Dunkelheit, sahen ein paar Männer Licht auf der
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Leeseite, es schien die Insel zu sein, die sie gestern zuerst gesichtet hatten; und so lavierte er die ganze Nacht und näherte sich ihr, so weit er konnte; um zu sehen, ob er bei Sonnenaufgang eine der Inseln erkennen könnte. In dieser Nacht ruhte der Admiral etwas aus, denn er hatte, wie er sagt, seit Mittwoch weder geschlafen noch Zeit dazu gehabt, und er war ganz lahm, weil er fortwährend der Kälte und dem Wasser ausgesetzt war und weil er sehr wenig gegessen hatte. Bei Sonnenaufgang224 segelte er in Richtung Südsüdwest, und mit Anbruch der Nacht erreichte er die Insel, doch konnte er wegen der starken Bewölkung nicht erkennen, welche Insel es war.
Montag, 18. Februar Gestern nach Sonnenuntergang fuhr er an der Insel entlang, um zu sehen, wo er vor Anker gehen und Erkundigungen einziehen könne. Er warf einen Anker aus, den er sofort verlor: Er ging wieder unter Segel und lavierte die ganze Nacht. Nach Sonnenaufgang erreichte er von neuem die Nordküste der Insel und ging dort, wo er ankam, vor Anker; er schickte das Boot an Land, und die Seeleute sprachen mit den Bewohnern der Insel und erfuhren, daß es die Santa Maria, eine von den Azoren, war; man wies ihnen den Hafen225, wo sie mit der Karavelle vor Anker gehen konnten, und die Leute sagten, sie hätten niemals einen Sturm erlebt wie den der vergangenen zwei Wochen, und sie verwunderten sich sehr, daß die Seeleute dem Tod entronnen waren; sie dankten Gott vielmals (wie er sagt) und waren sehr froh über die Neuigkeiten, die sie erfuhren, nämlich, daß der Admiral die Indien entdeckt hatte. Der Admiral sagt, seine Navigation sei sehr genau gewesen, und gottlob habe er die Karte bestens geprickt, wenn er auch geglaubt habe, schon etwas weiter zu sein; aber er hielt es für sicher, daß er sich in der Umgebung der Azoren befand und daß dies eine von ihnen war. Und er sagt, er habe absichtlich den Eindruck hervorgerufen, als ob man eine größere Entfernung zurückgelegt habe, um die Steuermänner und Seeleute, die das Besteck machten, zu verwirren, damit er der Herr über diese Fahrtroute nach den Indien bliebe, wie er es tatsächlich war, denn keiner von ihnen hatte seinen Kurs richtig berechnet, und deshalb konnte keiner seiner Fahrtrichtung nach den Indien sicher sein.
Dienstag, 19. Februar Nach Sonnenuntergang kamen drei Männer von der Insel ans Ufer und riefen nach ihnen: Er schickte ihnen das Boot, sie kamen darin zum Schiff und brachten Hühner und frisches Brot mit, es war aber einer der drei Fastnachtstage, und sie brachten noch andere Dinge, die ihnen der Statthalter der Insel – er hieß João de Castanheda – mit den Worten schickte, daß er den Admiral sehr gut kenne, ihn aber nicht besuchen könne, weil es Nacht sei, doch am nächsten Morgen werde er kommen und ihm weitere Erfrischungen bringen, er werde auch die drei Männer von der Karavelle mitbringen, die auf der Insel geblieben waren; er habe sie noch nicht zurückgeschickt, weil er mit solcher Freude ihrer Erzählung von den Begebenheiten der Reise gelauscht habe. Der Admiral ließ den Sendboten große Ehre erweisen und ihnen Betten zuweisen, in denen sie die Nacht über schlafen konnten, denn es war schon sehr spät und der Ort weit entfernt. Und weil sie am vergangenen Donnerstag, als er sich in der Not des Sturmes befunden hatte, das Gelübde und die übrigen erwähnten Gelübde abgelegt hatten, auch jenes, daß sie auf dem ersten Land, das sie erreichten und wo es eine Kirche der Muttergottes gäbe, im Hemd dorthin ziehen würden etc., beschloß er, daß zunächst die Hälfte seiner Besatzung gehen und das Gelübde in einem Kirchlein erfüllen sollte, das wie eine Eremitenklause nahe am Meer lag; danach wollte er selbst mit der anderen Hälfte gehen. Da er sah, daß es ein sicheres Land war und da er den Zusicherungen des Statthalters vertraute und dem Frieden, in dem Portugal sich mit Kastilien befand, bat er die drei Sendboten, in den Ort zu gehen und einen Geistlichen zu holen, damit er ihnen eine Messe läse. Nachdem jene, nur mit einem Hemd bekleidet, gegangen waren, um ihre Wallfahrt auszuführen, und als sie eben beim Beten waren, kam ihnen die ganze Einwohnerschaft mit dem Statthalter zu Pferd und zu Fuß entgegen, fiel über sie her und nahm sie alle gefangen. Als der Admiral ohne den geringsten Verdacht bis elf Uhr morgens gewartet hatte, daß das Boot zurückkehrte, damit auch er mit den verbleibenden Leuten das Gelübde erfüllen könnte, und als er sah, daß sie nicht kamen, argwöhnte er, daß man sie festhielt oder daß das Boot untergegangen sei, denn die ganze Insel ist von steilen Klippen umgeben. Der Admiral hatte den Vorfall nicht verfolgen können, weil die Eremitenklause hinter einer Landspitze lag. Er lichtete die Anker und fuhr direkt auf die Klause zu, und er sah viele Berittene, die vom Pferd absaßen und mit voller Bewaffnung in das Boot stiegen und sich der Karavelle näherten, um den Admiral gefangenzunehmen. Der Statthalter erhob sich in dem Boot und bat den Admiral um Sicherheit für seine Person: Der Admiral gewährte sie ihm; aber was solle denn dies bedeuten, daß er keinen von seinen Leuten in dem Boote sähe? Und der Admiral fügte hinzu, jener möge getrost auf die Karavelle kommen, er werde alles tun, was er verlange. Denn der Admiral beabsichtigte, ihn mit freundlichen Worten herzulocken,
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um ihn gefangenzunehmen und mit diesem Pfand seine Leute auszulösen, und er glaubte nicht, treulos zu handeln, indem er ihm Sicherheit gewährte, da auch jener ihm Frieden und Sicherheit angeboten und sich hernach wortbrüchig gezeigt hatte. Da der Statthalter, wie er sagt, keine guten Absichten hegte, wagte er es nicht, auf das Schiff zu kommen. Als der Admiral sah, daß jener nicht auf die Karavelle kam, bat er ihn, zu sagen, warum er seine Leute gefangenhalte; es werde dem König von Portugal leid tun; den Portugiesen werde in dem Land der Könige von Kastilien große Ehre erwiesen, und sie könnten sicher ein- und ausreisen und sich sicher fühlen wie in Lissabon; die Könige hätten ihm Empfehlungsbriefe für alle Fürsten und Herrscher und alle Menschen der Welt mitgegeben, die wolle er ihm zeigen, sofern er aufs Schiff käme; und er sei der Admiral des Weltmeeres und Vizekönig der Indien, die jetzt Ihren Hoheiten gehörten, was er ihm anhand seiner mit ihren, Unterschriften und Siegeln versehenen Einsetzungsurkunden beweisen werde, und er zeigte sie von weitem; die Könige verbinde große Zuneigung und Freundschaft mit dem König von Portugal, und sie hätten ihm befohlen, allen portugiesischen Schiffen, denen er begegne, große Ehre zu erweisen: Und falls er ihm seine Leute nicht zurückgebe, werde er trotzdem nach Kastilien fahren, denn er habe ausreichend Besatzung bei sich, um bis nach Sevilla zu segeln; und er samt seinen Leuten, die ihnen diesen Schimpf antäten, würden streng bestraft werden. Darauf antworteten der Statthalter und die anderen, hier erkenne man keinen König und keine Königin von Kastilien an und ebensowenig ihre Briefe, noch habe man Angst vor ihnen, ja, man werde ihnen schon zeigen, was Portugal sei, und das klang nicht anders als eine Drohung. Als der Admiral dies gehört hatte, empfand er großen Verdruß, und er meinte, wie er sagt, es sei nach seiner Abfahrt womöglich Zwietracht zwischen beiden Königreichen entstanden, so daß er nicht umhinkonnte, ihnen die gebührende Antwort zu erteilen. Darauf erhob sich der Statthalter, wie er sagt, in der Ferne wieder in dem Boot und sagte zu dem Admiral, er möge sich mit seiner Karavelle im Hafen einfinden, denn alles, was er ihm täte und getan habe, hätte ihm sein Herr der König befohlen; für diese Äußerung nahm der Admiral alle Männer auf der Karavelle zu Zeugen, und der Admiral rief dem Statthalter und allen seinen Männern seine Antwort zu und gab ihnen sein Wort und versprach, daß er kraft seines Amtes nicht von der Karavelle gehen noch herabsteigen werde, bis er hundert Portugiesen nach Kastilien gebracht habe, und daß er die ganze Insel entvölkern werde. Und so ging er wieder in der Bucht vor Anker, wo er zuerst gelegen hatte, denn Wetter und Wind waren zu ungünstig, um etwas anderes zu unternehmen.
Mittwoch, 20. Februar Er ließ das Schiff ausbessern und die Fässer, um Ballast zu gewinnen, mit Meerwasser füllen, denn er lag in einem sehr schlechten Hafen und befürchtete zudem, daß seine Ankertaue zerreißen würden, und so war es auch; und deshalb segelte er nach der Insel São Miguel weiter, obwohl es auf keiner der Azoreninseln einen guten Hafen und Schutz vor dem jetzigen Wetter gab; er wußte kein anderes Mittel, als auf das offene Meer zu fliehen.
Donnerstag, 21. Februar Gestern brach er von der Insel Santa Maria nach der São Miguel auf, um zu sehen, ob er dort einen Hafen fände, in dem er das gegenwärtig schlechte Wetter, das sich durch starken Wind und hohen Seegang auszeichnete, abwarten könnte, und er fuhr bis in die Nacht, ohne irgendwo Land zu erblicken, denn die vom Wind und vom starken Seegang hervorgerufene schlechte Sicht und Finsternis ließen es nicht zu. Der Admiral sagt, er habe sich nicht sehr wohl gefühlt, denn er hatte nur drei Männer, die etwas von der Seefahrt verstanden, während die meisten der ihm verbliebenen Leute völlig unerfahren auf dem Meer waren. Er lag die ganze Nacht unter starkem Sturm bei und mußte große Mühen und Gefahren bestehen, aber unser Herr erwies ihm die Gnade, daß die See oder die Wogen nur von einer Seite anrollten, denn wenn sie sich überkreuzt hätten, wie es vorher der Fall war, dann wäre es weit schlimmer geworden als früher. Da er .die Insel São Miguel nach Sonnenaufgang nicht sah, beschloß er, zur Santa Maria zurückzukehren, um zu sehen, ob er seine Leute und das Boot und dazu die Taue und Anker, die er dort gelassen, wiederbekommen könne. Er sagt, er habe sich darüber gewundert, daß es bei diesen Inseln und in dieser Gegend so lange schlechtes Wetter geben könne, denn in den Indien sei er den ganzen Winter über herumgefahren, ohne vor Anker zu gehen, und es sei immer gutes Wetter gewesen, nur eine einzige Stunde lang habe er das Meer nicht gut sehen können, so daß er am Segeln gehindert wurde; hingegen habe er hier diesen schweren Sturm durchmachen müssen, und das gleiche sei ihm auf der Hinfahrt bis zu den Kanarischen Inseln geschehen; aber nachdem er jene hinter sich gelassen, hätte er Wind und See stets sehr ruhig gefunden. Abschließend sagt der Admiral, die Kirchenväter und die weisen Philosophen hätten recht gehabt mit der Meinung, daß
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das irdische Paradies im äußersten Osten liege, denn es sei von überaus mildem Klima. Und jene Länder, die er jetzt entdeckt habe (sagt er), lägen tatsächlich im äußersten Osten.
Freitag, 22. Februar Gestern ging er auf der Insel Santa Maria an der Stelle oder in dem Hafen vor Anker, wo er zuerst gelegen hatte, und kurz darauf kam ein Mann, der ihnen von den Felsen, die die Bucht umschlossen, mit seinem Mantel winkte und rief, sie sollten nicht von dort abfahren. Bald kam das Boot mit fünf Seeleuten, zwei Klerikern und einem Schreiber: Sie baten um sicheres Geleit, und als der Admiral es ihnen gewährt hatte, kamen sie auf die Karavelle; da es Nacht war, schliefen sie dort, und der Admiral erwies ihnen alle Ehre. Am Morgen verlangten sie, daß er ihnen eine Ermächtigung der, Könige von Kastilien zeigte, daraus ihnen ersichtlich werde, daß er die Reise mit deren Vollmacht durchgeführt habe. Der Admiral erkannte, daß dies ein Vorwand war, mit dem sie beweisen wollten, daß sie nicht falsch gehandelt, sondern recht getan hatten; sie kamen, weil sie der Person des Admirals nicht hatten habhaft werden können, die sie auf jeden Fall in ihre Hände bekommen wollten, denn sie führten Waffen auf dem Boot mit; und weil sie jetzt gesehen hatten, daß ihnen das Spiel mißglückt war, und fürchteten, der Admiral werde tun, was er ihnen gesagt und angedroht hatte, was er auch wirklich tun wollte und, wie er glaubte, auch ausführen konnte. Schließlich mußte er, um die von ihnen zurückgehaltenen Leute zu bekommen, ihnen den allgemeinen Empfehlungsbrief der Könige an alle Fürsten und Herrscher und andere Urkunden zeigen; und er schenkte ihnen etwas von allem, was er hatte, worauf sie zufrieden an Land fuhren, und bald darauf ließen sie alle seine Leute frei und schickten sie mit dem Boot zurück; er erfuhr von ihnen, jene hätten den Admiral niemals freigelassen, sofern sie ihn bekommen hätten, denn der Statthalter hätte gesagt, sein Herr der König habe es so befohlen.
Samstag, 23. Februar Gestern begann sich das Wetter etwas aufzuheitern, daher lichtete er die Anker und machte sich daran, die Insel zu umschiffen, um einen guten Ankerplatz zu suchen, an dem er Holz und Steine als Ballast an Bord nehmen konnte; aber bis zur Kompletstunde konnte er keinen Ankerplatz finden.
Sonntag, 24. Februar Gestern nachmittag ging er vor Anker, um Holz und Steine an Bord zu nehmen; und da der Seegang sehr stark war, konnte das Boot nicht landen, und als die erste Nachtwache zu Ende war, begann es aus West und Südwest zu wehen: Er ließ die Segel setzen, weil es bei diesen Inseln äußerst gefährlich ist, wenn man vor Anker liegt und auf den Südwind wartet, und wenn es aus Südwest bläst, kommt bald darauf Südwind. Und da das Wetter günstig war, um nach Kastilien zu fahren, verzichtete er darauf, Holz und Steine an Bord zu nehmen, und ging auf Ostkurs; so fuhr er bis zum Sonnenaufgang, also etwa sechseinhalb Stunden lang, ungefähr sieben Seemeilen die Stunde, das sind fünfundvierzigeinhalb Seemeilen. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang fuhr er sechs Seemeilen die Stunde, das waren in elf Stunden Sechsundsechzig Seemeilen, was mit den fünfundvierzigeinhalb Seemeilen in der Nacht einhundertelfeinhalb Seemeilen ergab, demnach achtundzwanzig Meilen.
Montag, 25. Februar Gestern nach Sonnenuntergang segelte er fünf Seemeilen die Stunde auf seinem Weg nach Osten: In den dreizehn Stunden dieser Nacht legte er etwa fünfundsechzig Seemeilen zurück, das sind sechzehneinviertel Meilen. Nach Sonnenaufgang fuhr er bis zum Sonnenuntergang weitere sechzehneinhalb Meilen bei gottlob glatter See. Zur Karavelle kam ein sehr großer Vogel, der wie ein Adler aussah.
Dienstag, 26. Februar Gestern nach Sonnenuntergang segelte er bei gottlob glattem Meer weiter auf seinem Ostkurs: Den größten Teil der Nacht fuhr er etwa acht Seemeilen die Stunde, er legte einhundert Seemeilen, also fünfundzwanzig Meilen zurück. Nach Sonnenaufgang legte er bei schwachem Wind und Regengüssen annähernd acht Meilen in ostnordöstlicher Richtung zurück.
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Mittwoch, 27. Februar Diese Nacht und den ganzen Tag fuhr er nicht auf seinem Kurs, weil er widrige Winde, hohe Wogen und Seegang hatte, und er befand sich einhundertfünfundzwanzig Meilen vom Kap São Vicente und achtzig von der Insel Madeira und einhundertsechs von der Insel Santa Maria entfernt. Er war sehr betrübt über diesen Sturm, jetzt, wo er schon vor der Tür des Hauses war.
Donnerstag, 28. Februar Auch in dieser Nacht fuhr er nicht auf seinem Kurs, sondern segelte mit wechselnden Winden in südlicher und südöstlicher Richtung, einmal so und ein andermal so, und er fuhr auch nach Nordost und Ostnordost, und geradeso ging es den ganzen Tag.
Freitag, 1. März In dieser Nacht fuhr er zwölf Meilen in Richtung Ost-zu-Nordost: Am Tag segelte er dreiundzwanzigeinhalb Meilen vor dem Wind in Richtung Ost-zu-Nordost.
Samstag, 2. März In dieser Nacht fuhr er achtundzwanzig Meilen auf seinem Kurs in Richtung Ost-zu-Nordost, und am Tag segelte er zwanzig Meilen vor dem Wind.
Sonntag, 3. März Nach Sonnenuntergang segelte er auf seinem Kurs nach Osten. Da wurde das Schiff von einer Sturmböe erfaßt, die ihm sämtliche Segel zerriß, und er sah sich in großer Gefahr, doch Gott wollte sie erretten. Der Admiral warf das Los, weil er, wie er sagt, einen Pilger nach Santa Maria de la Cinta in Huelva schicken wollte; der Mann, den es träfe, sollte die Wallfahrt im bloßen Hemd durchführen; und das Los fiel auf den Admiral. Dann legten alle noch das Gelübde ab, den ersten Samstag nach ihrer Ankunft bei Wasser und Brot zu fasten. Bevor die Segel zerrissen, hatte er etwa siebzig Seemeilen zurückgelegt: Danach fuhren sie wegen des großen Sturmes und der hohen See, die sie von beiden Seiten bedrängte, mit eingezogenen Segeln. Es gab Anzeichen, daß man sich in Landnähe befand; sie waren ganz in der Nähe von Lissabon.
Montag, 4. März Gestern nacht hatten sie einem so schrecklichen Sturm zu trotzen, daß sie glaubten, sie müßten zugrunde gehen; die Sturzseen kamen von zwei Seiten, und es schien, als wollten die Winde die Karavelle in die Luft heben, dazu regnete es ohne Unterlaß und blitzte auf allen Seiten; aber es gefiel unserem Herrn und Heiland, ihn zu beschützen, und so fuhr er bis zu der ersten Wache, da zeigte der Herr ihm Land, die Matrosen sahen es zuerst; und dann, damit er nicht an die Küste käme, bevor er sie erkannt hatte und sah, ob er einen Hafen oder anderen Ort fände, wo er Zuflucht finden konnte, setzte er das Bramsegel, denn er sah keine andere Rettung und versuchte, wenn auch unter großen Gefahren, ein Stück aufs hohe Meer hinauszufahren, und so bewahrte Gott sie bis zum Tagesanbruch, aber sie segelten nur mit unendlicher Mühe und unter großem Entsetzen, wie er sagt. Bei Tageslicht erkannte er das Land, es war die Roca de Cintra, die unmittelbar bei dem Fluß von Lissabon liegt; er beschloß, dort einzufahren, weil er keine andere Möglichkeit sah, so furchtbar war der Sturm vor der kleinen Stadt Cascais, die an der Mündung des Flusses liegt. Die Einwohner dieses Ortes, sagt er, hielten den ganzen Morgen über öffentliche Fürbitte für sie ab, und als er im Fluß angelangt war, liefen die Leute ans Ufer, in höchster Verwunderung, daß die auf dem Schiff dem Sturm entronnen waren; um neun Uhr vormittags kam er nach Restelo im Innern des Flusses von Lissabon, wo er von den Seeleuten hörte, daß sie noch nie zuvor einen Winter mit solchen Stürmen gehabt hätten; und vor Flandern seien fünfundzwanzig Schiffe gesunken, und andere lägen seit vier Monaten dort vor Anker, ohne in See stechen zu können. Der Admiral schrieb unverzüglich an den König von Portugal, der sich neun Meilen von dort aufhielt: Daß ihm die Könige von Kastilien befohlen hätten, sich nicht davor zu scheuen, in die Häfen Ihrer Hoheit von Portugal einzulaufen und auf ihre Kosten alles Nötige zu verlangen; und der König von Portugal möge ihm gestatten, mit der Karavelle bis zu der Stadt Lissabon zu fahren, da ihm schlechte Menschen, in der Vermutung, daß er viel Gold bei sich hätte, in dem wenig
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belebten Hafen etwas Böses antun könnten, und der König solle auch wissen, daß er nicht aus Guinea, sondern von den Indien komme.
Dienstag, 5. März Heute kam zu ihm der Patron des großen Schiffes des Königs von Portugal, das ebenfalls in Restelo vor Anker lag, und es war das mit Geschützen und anderen Waffen bestausgerüstetc Schiff, das man, wie er sagt, jemals gesehen hatte. Dieser Mann, der Bartolomeu Dias de Lisbõa hieß, kam mit einem bewaffneten Boot zu seiner Karavelle und sagte dem Admiral, er möge ins Boot kommen, um den Beamten des Königs und dem Kapitän jenes Schiffes Rechenschaft abzulegen. Der Admiral antwortete, er sei Admiral der Könige von Kastilien, und er pflege solchen Personen nicht Rechenschaft abzulegen, noch werde er von den Schiffen, auf denen er sich befinde, herabsteigen, es sei denn durch Waffengewalt. Der Schiffsherr antwortete ihm, er solle dann den Mastmeister der Karavelle schicken; da sagte der Admiral, er werde weder den Mastmeister noch einen anderen schicken, es sei denn, es werde durch Waffengewalt erzwungen, denn wenn er einen andern schicke, so sei es das gleiche, als ob er selbst komme, und es sei bei den Admirälen der kastilischen Könige der Brauch, eher zu sterben, als sich oder einen ihrer Leute auszuliefern. Der Schiffspatron mäßigte sich etwas und sagte, da dies sein fester Wille sei, solle es auch dabei bleiben; er bitte ihn aber, ihm die Briefe der Könige von Kastilien zeigen zu lassen, sofern er sie hätte. Der Admiral willfahrte dieser Bitte, und so kehrte jener zurück auf sein Schiff und berichtete dem Kapitän, der Alvaro Dama hieß, und dieser kam mit großem Gefolge, mit Kesselpauken und Fanfaren und Trompeten, unter großem Gepränge auf die Karavelle; er sprach mit dem Admiral und versicherte, er werde alles tun, was dieser befehle.
Mittwoch, 6. März Da es bekannt geworden war, daß der Admiral von den Indien zurückkehrte, kamen heute aus der Stadt Lissabon so viele Menschen, um ihn zu sehen und die Indios zu sehen, daß es höchst erstaunlich war; und man hätte miterleben müssen, wie verwundert sie waren und wie sie unserem Heiland dankten und sagten, dies alles werde den Königen von Kastilien vom Herrscher des Himmels geschenkt, weil ihr Glaube so stark sei und ebenso ihr Verlangen, Gott zu dienen.
Donnerstag, 7. März Heute kamen große Menschenhaufen und zahlreiche Edelleute zur Karavelle, darunter auch die Beamten des Königs, und alle dankten unserem Herrgott tausendmal für soviel Gutes und die Stärkung der Christenheit, die der Herrgott den Königen von Kastilien gewährt habe, und all das, sagt er, hätten Ihre Hoheiten zu eigen gewonnen, da sie ständig für die Ausbreitung des christlichen Glaubens wirkten und große Mühen auf sich nahmen.
Freitag, 8. März Heute erhielt der Admiral einen Brief des Königs von Portugal, der ihm von Dom Martim de Noronha überbracht wurde. Darin bat der König den Admiral, nach dem Ort zu kommen, wo er sich aufhielt, denn das Wetter ließ es nicht zu, mit der Karavelle in See zu stechen, und so leistete er der Einladung Folge, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, obwohl er es eigentlich nicht wollte, und er verbrachte die Nacht in Sacavém. Der König befahl seinen Beamten, dem Admiral und seinen Leuten und auch für das Schiff alles, was nötig sei, kostenlos zur Verfügung zu stellen, und es sollte alles getan werden, was der Admiral wünschte.
Samstag, 9. März Heute brach er von Sacavém auf, um dorthin zu reisen, wo sich der König aufhielt, in das Tal von Paraiso, neun Meilen von Lissabon entfernt; da es regnete, konnte er es vor Einbruch der Dunkelheit nicht erreichen. Der König befahl den vornehmsten Edelleuten seines Hofes, ihn mit allen Ehren zu empfangen, und auch der König selbst empfing ihn höchst ehrenvoll, er erwies sich ihm gnädig und ließ ihn Platz nehmen und sprach sehr freundlich zu ihm; dabei versicherte er ihm, daß er alles veranlassen werde, was den Königen von Kastilien und ihrem Interesse dienlich sei, er werde es getreulich erfüllen, noch besser, als wenn es um
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eigene Angelegenheiten ginge; und er bekundete seine große Freude darüber, daß die Reise unternommen und zum guten Ende geführt worden; er sei indessen der Ansicht, daß nach dem Vertrag, der zwischen den Königen und ihm geschlossen worden sei, jene Eroberung ihm gehöre, worauf der Admiral antwortete, er habe diesen Vertrag weder gesehen, noch wisse er etwas anderes, als daß ihm die Könige verboten hätten, zu der Mine oder überhaupt nach Guinea zu fahren, und so habe man es, bevor er abgefahren sei, in allen Häfen Andalusiens ausrufen lassen. Der König antwortete ihm sehr gnädig, er halte es für sicher, daß man in dieser Angelegenheit keines Schiedsrichters bedürfe. Er vertraute ihn der Gastfreundschaft des Priors von Crato an, der ranghöchsten Persönlichkeit, die dort anwesend war, und der Admiral empfing von ihm alle erdenklichen Ehren und Gunstbezeigungen.
Sonntag, 10. März Heute nach der Messe sagte ihm der König noch einmal, wenn er etwas brauche, so werde er es ihm sofort zur Verfügung stellen, und er unterhielt sich des längeren mit dem Admiral über seine Reise, dabei ließ er ihn die ganze Zeit über sitzen und ihm alle Ehren erweisen.
Montag, 11. März Heute verabschiedete er sich von dem König, und dieser sagte ihm einige Dinge, die er den Königen von Kastilien von ihm ausrichten solle, bei alldem erwies er ihm stets große Freundlichkeit. Der Admiral brach nach dem Essen auf, und der König schickte Dom Martim de Noronha mit ihm, und alle Edelleute begleiteten ihn und gaben ihm eine gute Wegstrecke das Ehrengeleit. Danach kam er zu einem Kloster des heiligen Antonius, das oberhalb eines Ortes mit Namen Vila Franca gelegen ist, dort hielt sich die Königin auf; und er ging, um ihr seine Reverenz zu erweisen und ihr die Hände zu küssen, denn sie hatte ihm ausrichten lassen, er möge nicht abreisen, ohne ihr einen Besuch abzustatten; bei ihr waren auch der Herzog und der Marquis, und der Admiral empfing von ihnen große Ehre. Am Abend reiste er von dort ab und übernachtete in Alhandra.
Dienstag, 12. März Als er heute im Begriff stand, von Alhandra abzureisen und zu der Karavelle zurückzukehren, traf ein Schildknappe des Königs ein, der ihm in seinem Namen das Anerbieten machte, falls er auf dem Landweg nach Kastilien reisen wolle, so werde der Schildknappe mit ihm reisen, um ihm Quartier und Reittiere zu verschaffen und auch sonst alles übrige, was notwendig sei. Als sich der Admiral von ihm verabschiedete, ließ ihm jener ein Maultier geben, und ein weiteres gab er seinem Steuermann, der ihn begleitete, und der Admiral sagte, er habe erfahren, daß jener dem Steuermann zwanzig Espadins aushändigen lassen hätte. All das habe der König getan, sagt er, damit es Ihre Hoheiten erführen. Nachts kam er auf der Karavelle an.
Mittwoch, 13. März Heute um acht Uhr, bei steigender Flut und Nordnordwestwind, lichtete er die Anker und fuhr nach Sevilla ab.
Donnerstag, 14. März Gestern nach Sonnenuntergang setzte er seinen Weg nach Süden fort, und vor Tagesanbruch befand er sich vor dem Kap São Vicente, das noch zu Portugal gehört. Danach segelte er nach Osten, um nach Saltes zu gelangen, und er fuhr den ganzen Tag bei schwachem Wind, bis jetzt, wo er sich vor Furón befindet.
Freitag, 15. März Gestern nach Sonnenuntergang segelte er auf seinem Kurs mit schwachem Wind bis zum Tagesanbruch, und beim Sonnenaufgang befand er sich vor Saltes; und um die Mittagsstunde passierte er bei steigender Flut die Saltes-Bank und fuhr in den Hafen ein, von dem er am 3. August des Vorjahrs aufgebrochen war; und deshalb, so sagt er, beende er hier diese Niederschrift, obwohl er die Absicht habe, auf dem Seeweg weiter nach Barcelona zu reisen, denn man habe ihm gemeldet, daß Ihre Hoheiten sich dort aufhielten; und
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dies wolle er tun, um ihnen Bericht zu erstatten von der ganzen Reise, die unser Herr ihn unternehmen lassen habe, um ihn zu erleuchten. Denn darüber hinaus, daß er wußte und fest und ohne inneren Zweifel davon überzeugt war, daß die göttliche Majestät alle guten Dinge tut und daß alles gut ist außer der Sünde und daß man nichts denken oder beurteilen kann, wenn Gott es nicht billigt: »erkenne ich all dies auch an meiner Reise« (sagt der Admiral), »denn hier hat er es auf wunderbare Weise bewiesen, wie man aus dieser Niederschrift entnehmen kann, durch viele hervorragende Wunder, die er auf dieser Reise getan hat; und ebenso erkenne ich es an mir, der ich seit so langer Zeit am Hofe Eurer Hoheiten weilte trotz des Widerstands und gegen die erklärte Meinung so vieler Würdenträger Eures Hofes, welche alle wider mich waren und meine Sache als Possen bezeichneten. Und ich vertraue auf unseren Herrn und Heiland, daß diese Sache der Christenheit zur größten Ehre gereichen möge, die ihr sonst vielleicht niemals zuteil geworden wäre.« Das sind die abschließenden Worte des Admirals Don Christoph Columbus über seine erste Reise nach den Indien und über deren Entdeckung.
Dies ist die Kopie der Abschrift, die der Bischof Fr. Bartolomé de las Casas eigenhändig verfertigt hat und die sich jetzt im Archiv des Erlauchten Señor Duque del Infantado befindet: Es ist ein Band in Folio, der in Pergament gebunden ist und sechsundsiebzig mit kleiner, gedrängter Schrift versehene Blätter enthält. Daselbst befindet sich noch eine andere alte Abschrift, die etwas später angefertigt wurde als die von Las Casas, es ist ebenfalls ein Band in Folio, mit gleichem Einband und einhundertvierzig Blättern. Beide wurden verwendet bei dem peinlich genauen Vergleich, den wir mit unseren Kopien vorgenommen haben: Der Erste Kosmograph der Indien Don Juan Bautista Muñoz und ich, Martín Fernández de Navarrete, in Madrid, am 27. Februar 1791.
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Anmerkungen
(Die Anmerkungen stammen von Martín Fernández de Navarrete. Einige hat er aber von Las Casas übernommen (vgl. Anm. 1). Diese sind in jedem einzelnen Fall als von Las Casas stammend gekennzeichnet.
1 Fray Bartolomé de Las Casas, von dessen Hand das Original stammt, dessen Kopie wir hier wiedergeben, besaß viele von Columbus persönlich geschriebene Papiere, mit deren Hilfe er seine »Geschichte der Indien« schrieb und auch den Bericht über diese Reise, wie wir ihn hier veröffentlichen, zusammenfassend darbot, wobei er den Prolog oder den an die Katholischen Könige gerichteten Brief unangetastet ließ, den er wörtlich auch in das Kapitel 36 seiner unveröffentlichten »Geschichte« einfügte. An den Rand der Kopie setzte Las Casas einige Bemerkungen, die wir, mit seinem Namen versehen, übernommen haben. 2 Paulo Toscanelli berichtete das gleiche über den Großen Khan in einem am 25. Juni 1474 in Florenz verfaßten Brief an den Domherrn von Lissabon Fernando Martínez; er bezog diese Nachrichten aus dem, was Marco Polo im Prolog und an anderen Stellen des Berichts über seine Reise erzählt. Toscanelli schickte eine Abschrift seines Briefes an Columbus, als dieser ihn in seinem Vorsatz, nach Westen zu segeln, um Indien zu erreichen, zu Rate zog. Siehe auch die »Geschichte« von Fernando Columbus, Kap. VII. 3 Dies ist ziemlich unklar. Obwohl die Könige die Vertreibung der Juden schon viel früher beschlossen hatten, veröffentlichten sie ihr diesbezügliches Dekret erst am 30. März 1492; und wenn sie mit Columbus auch unmittelbar nach ihrem Einzug in Granada zu verhandeln begannen, schlössen sie den Vertrag mit ihm doch erst am 17. April. Auf diese Weise reimen sich die Dinge, von denen er hier spricht, zusammen. 4 Saltes: Eine Insel, die von zwei Armen des Flusses Odiel gebildet wird; sie liegt der Stadt Huelva gegenüber. Bewohnt mindestens seit dem 12. Jahrhundert und auch noch im Jahr 1267, als König Don Alfonso el Sabio das Gemeindeland der Stadt Saltes von dem Huelvas abtrennte. Nicht bekannt ist dagegen, wann Saltes verödete, denn obwohl der Ort in der 1519 gedruckten »Suma de Geografia« des Martín Fernández de Enciso erwähnt wird, steht es fest, daß zu jener Zeit nur noch die Kirche existierte, die der Kirchen von Huelva angeschlossen war: Das weist darauf hin, daß keine Bevölkerung vorhanden war. Es sollte auch nicht lange dauern, bis die Kirche verfiel, denn um die Erinnerung an sie zu bewahren, wurde in Huelva eine Kapelle mit dem Namen Unsere Liebe Frau von Saltes begründet, in der noch heute ein Kreuz aufbewahrt wird, das eine Reliquie der Gemeinde ist. Auf der Insel findet man noch Überreste von der Kirche; das Gebiet der Insel ist aufgeteilt in Ackerland, Weideland und eingefriedete Wälder für Niederjagd, die den Marqueses de Ayamonte unter dem Titel Condes de Saltes gehören (Bericht des Don Josef Ceballos am Anfang des Werkes »Illustriertes Huelva« des Dic. Don Juan de Mora, gedruckt in Sevilla im Jahr 1762; und in den Kapiteln 1, 5 und 13 des gleichen Werkes). 5 Columbus benutzte italienische Meilen, die kürzer sind als die spanischen, denn vier von ihnen kommen drei spanischen und dem Maß einer Landmeile gleich. 6 Beim Tode Fernán Perazas im Jahr 1452 gelangte die Herrschaft über die Kanarischen Inseln an seine Tochter Doña Inés, die mit Diego de Herrera verehelicht war; König D. Enrique IV. bestätigte ihr diesen Besitz am 28. September 1454. Schon damals, sagt der Admiral, hätten die Einwohner der Insel Gomera und der Insel Hierro jedes Jahr im Westen ein Land gesehen, von dem man behauptet hat, es sei die nicht existente Insel San Borondon. Auch nach dieser Zeit dauerten die Illusionen und das verbreitete Vorurteil über ihre Existenz fort, ungeachtet der Expeditionen und Schiffe, die vergeblich ausgesandt wurden, sie zu finden und zu erforschen, denn selbst die geschicktesten Seeleute, die man dafür einsetzte, blieben erfolglos. Viera berichtet in seiner »Geschichte der Kanarischen Inseln« des langen und breiten mit Aufrichtigkeit und mit gutem kritischem Geist von allen diesen Geschehnissen (Band 1, Buch 1, Abs. XXVIII, S. 78ff.); und Feijoo widerlegt diese Hirngespinste als fixe Ideen des gemeinen Volkes (Kritische Bühne, Band 4, Diskurs X, Abs. 10.). – Pedro de Medina sagt in seinen »Herrlichkeiten Spaniens« (Kap. 52, S. 47), nicht weit von der Insel Madeira liege eine weitere, die Antilia heiße, die man aber nicht mehr sehen könne und die er auf einer sehr alten Schiffahrtskarte dargestellt gefunden habe; und Viera (Band 1, S. 90) berichtet, einige Portugiesen, die Einwohner der Insel Madeira seien, sähen im Westen Landgebiete, die sie niemals gefunden hätten, obwohl sie es versucht hätten; und hier liege die Ursache dafür, daß man sie auf den Karten darstelle, denn damals erschienen einige neue Inseln auf unseren Meeren, besonders die Antilia und San Borondon. Letztere ist auf dem Globus oder der Weltkarte zu sehen, die Martin Beheim 1492 in Nürnberg anfertigte; dort befindet sie sich im Südwesten der Insel Hierro, obwohl die Kapverdischen Inseln dazwischenliegen. – Auf Grund dieser im Verlaufe von fast vier Jahrhunderten fest eingewurzelten Vorurteile, die noch in der Zeit der Entdeckungen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts herrschten, und auf Grund der böswilligen Eifersucht, mit der man nach der ersten Reise das Verdienst des großen Columbus zu schmälern suchte, konnten die Gerüchte entstehen, der neue Kontinent und seine Inseln seien schon vorher von Alonso Sánchez de Huelva oder von einem anderen portugiesischen oder aus der Biskaya stammenden Seefahrer entdeckt worden, wie mehrere spanische Autoren versicherten, oder von Martin Beheim, wie auch in neuerer Zeit etliche Ausländer behauptet haben; aber Oviedo, ein zeitgenössischer Autor, versichert, jene Erdichtung könne niemand als wahrheitsgemäß bezeichnen, denn so kursiere sie unter dem gemeinen Volk, und er halte sie für falsch. D. Cristóbal Cladera widerlegte in seinen »Historischen Forschungen« mit sehr guten Gründen und Beweisführungen diese Behauptungen einheimischer und ausländischer Autoren und verteidigte das Verdienst und den Ruhm des ersten Admirals der Indien. 7 Erste Beobachtung der magnetischen Abweichung. 8 Diese Vermutung war nicht unbegründet, denn sie näherten sich einigen Klippen, die in unseren Karten vermerkt sind und im Jahr 1802 gesichtet wurden. 9 In dieser Position lagen die Klippen noch 40 Meilen weiter westlich.
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10 Der scharfsinnige Columbus, der als erster die magnetische Abweichung beobachtete, suchte die Befürchtungen seiner Leute zu zerstreuen, indem er ihnen auf vortreffliche Weise die Ursache dieser Erscheinung erklärte. So versichert es sein Historiker Muñoz, und so war es auch wirklich, wovon man sich überzeugen kann, wenn man die Überlegungen sieht, die er auf seiner dritten Reise über das veränderte Verhalten des Magneten anstellt. Ebendiese Überraschung und Besorgnis der Kapitäne und Matrosen ist ein entscheidender Beweis dafür, daß bis dahin noch niemand diese Abweichung der. Nadeln beobachtet hatte. So behaupten es Las Casas, Fernando Columbus und Herrera; alles exakte und vertrauenswürdige Historiker: Und deshalb ist es höchst seltsam, daß jene Meinung so weit verbreitet war, der erste, der die Abweichungen des Magneten beobachtet habe, sei Sebastián Caboto gewesen, der erst 1497 mit, Erlaubnis des englischen Königs Heinrich VII. auf Entdeckungsfahrt ging, wobei zu vermuten ist, daß er diese Nachricht erst im Jahr 1549 veröffentlichte; und es ist ebenso verwunderlich, daß andere diese Beobachtung einem gewissen Criñón, einem Steuermann aus Dieppe, zuschreiben und sie etwa auf das Jahr 1534 datieren. Auch unser Gelehrter Feijoo fiel diesem Irrtum zum Opfer und untermauerte ihn, er übernahm seine Feststellung, wie er sagt, von Monsieur Fontenelle aus dessen Geschichte der Königlichen Akademie der Wissenschaften vom Jahr 1712 (Kritische Bühne, Band 5, Diskurs XI und Brief V des Bandes 1). Der Pere Fournier (Hidrog. lib. XI, Kap. 10) erkennt Caboto und Gonzalo Fernández de Oviedo als jene an, die die Beobachtung als erste machten, den letzteren zweifellos, weil er sie im Buch 2, Kap. II seiner »Allgemeinen Geschichte der Indien« erwähnt. So hat man versucht, das Verdienst des Columbus zu verdunkeln, und zwar bis hinein in die Beobachtungen, die aus seinen Erlebnissen hervorgingen und aus seinen Überlegungen und Kenntnissen erwuchsen. 11 Die Klippen lagen 20 Landmeilen westlich von ihnen. 12 Sie waren etwa 10 Landmeilen von den Klippen entfernt. 13 Die vom Admiral angegebene Entfernung ist exakt. 14 Die Meinung des Admirals ist sehr begründet, denn er segelte 4 Meilen nördlich an den erwähnten Klippen vorbei. 15 Hier beginnen die Leute über die weite Reise zu murren (Las Casas). 16 Diese vom Admiral beschriebene Karte konnte keine andere sein als jene, die Paulo Toscanelli, der florentinische Arzt und berühmte Astronom seiner Zeit, 1474 nach Lissabon geschickt hatte. Sie reichte von Nordirland bis nach Guinea und verzeichnete alle Inseln, die auf dieser Fahrtroute liegen, und nach Westen zu war der Anfang von Indien dargestellt, mit den Inseln und Gegenden, nach denen man segeln könnte. Columbus sah diese Karte, und seine Lektüre der Reisebeschreibungen, besonders des Berichts von Marco Polo, bestärkte ihn in dem Gedanken, daß man im Westen das gleiche Indien finden könnte, nach dem andere schon in östlicher Richtung gereist waren. Aus diesem Grund mußte die Lage der Küsten und Inseln, die derartig vagen Angaben entnommen war, sehr ungenau und unvollkommen sein, wie es auch auf dem 1492 von Martin Beheim konstruierten Erdglobus der Fall war. 17 Kurze Freude Martín Alonsos über angebliches Land, es war aber keines (Las Casas). 18 Brefock [spanisch treo], ein quadratisches Segel, das nur gesetzt wurde, wenn schlechte Windverhältnisse waren. 19 Wenn man dieses Tagebuch genau überprüft, die Fahrtrichtungen, das jeweils gesichtete Land, die Zeichen, die auf Land hinwiesen, die Inseln, Küsten und Häfen, dann scheint es, daß die erste Insel, die Columbus entdeckte und betrat und der er den Namen San Salvador gab, jene sein muß, die weiter nördlich von den Türkischen Inseln liegt und El Gran Turco [Der Großtürke] genannt wird. Ihre Eigenschaften bestätigen die Beschreibung, die Columbus von ihr gegeben hat. Sie befindet sich auf 21° 30' nördlicher Breite, nördlich von der Mitte der Insel Santo Domingo. 20 Es muß Yáñez heißen. 21 Die wirkliche Lage dieser Insel im Verhältnis zur Insel Hierro ist W 5° S – O 5° N. 22 Ceuti oder Cepti, eine in Portugal gültige, aus Ceuta stammende Münze. 23 Marco Polo versichert im Kapitel CVI seiner Reisebeschreibung, er habe diese Insel gesehen, und gibt eine ausführliche Schilderung davon; er fügt hinzu, sie sei mitten im Meer gelegen, 1500 Seemeilen vom indischen Festland entfernt. Dr. Robertson sagt, es handele sich wahrscheinlich um Japan (»Recherches bist. sur l'Inde ancienne«, Abschn. 3.). 24 Die Anzahl dieser Inseln weist darauf hin, daß es sich um jene handeln muß, die die Caicos, die Inagua chica, die Inagua grande und Mariguana sowie andere im Westen gelegene bilden. 25 Diese große Insel muß jene sein, die man Gran Caico nennt, sie ist von der ersten 6,5 Meilen entfernt. 26 Dies scheint jene zu sein, die heute Caico del Norte heißt, obwohl sie unter dem Namen Santa Maria de la Concepción die ganze Gruppe der umliegenden Inseln umfaßte, die die Caicos genannt werden, wie weiter vorn, am 16. Oktober, vermerkt ist. 27 Es sind nur 19 Meilen. 28 Sie ist heute unter dem Namen Inagua chica bekannt. 29 Sie heißen Hamacas [Hängematten]. 30 Diese Essen dienen nicht als Schornsteine, sondern es sind Krönchen, die sich auf den Strohhütten der Indios befinden. Er sagt es deshalb, weil man oben eine Öffnung läßt, damit der Rauch abziehen kann (Las Casas). 31 Es scheint, daß die Isabela die gleiche ist, die man jetzt unter dem Namen Inagua grande kennt und die die Indios Saometo nannten. 32 Es handelte sich wohl um einen Leguan (Las Casas). 33 Es scheint, daß dies im Original versehentlich für Cuba gesetzt wurde, wie sich weiter hinten erweisen wird. 34 Vielleicht Bohio wie er später sagt. 35 Es müssen die östlichen und südlichen Cayos der Großen Bahamabank sein, denen nach Süden zu gefährliche Untiefen vorgelagert sind; Columbus war dort am 26. Oktober vor Anker gegangen; dann fuhr er weiter, um Cuba zu besuchen, wie er es auch wirklich tat, als er am 28. in den Hafen von Nipe einfuhr. 36 Man kennt ihn unter dem Namen Hafen oder Bai von Nipe, und er liegt 6 Meilen südsüdöstlich von der Punta de Mulas. 37 Die Punta de Mulas.
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38 Punta Cabana, in Richtung auf das Cabo de Moa zu gelegen. 39 Es muß sich um den Puerto de Baues handeln, der nordnordwestlich vor dem vorigen liegt. 40 Es muß der Puerto de las Nuevitas del Principe sein. 41 Der Einfahrtskanal des Puerto de las Nuevitas del Principe. 42 Es ist der Puerto de Baracoa (Las Casas). – Nein, der Puerto de Nipe. 43 Oder dies ist der Puerto de Baracoa, da er von dem flachen Kap spricht (Las Casas). – Nein, es ist der Puerto de las Nuevitas del Principe: Die beiden Anhöhen sind die Lomas del Mañueco, das flache Kap ist die Punta de Maternillo. 44 Heute heißt es Alto de Juan Dañue. 45 Der Río Máximo. 46 Alle tappten völlig im dunkeln, weil sie die Indios nicht verstanden. Ich glaube, daß jenes Cuba, von dem die Indios zu ihnen sprachen, die Provinz Cubanacan der Insel Cuba ist, die Goldgruben hat etc. (Las Casas). – Nein, es war Cuba, die Hauptstadt der Insel. 47 Dieses ganze Land ist die Insel Cuba und kein Festland (Las Casas). 48 Die Quadranten jener Zeit messen die doppelte Höhe; demzufolge müssen die 42°, die er sich seiner Angabe nach nördlich vom Äquator befand, um die Hälfte, auf 21° nördlicher Breite, verringert werden; das ist mit einer geringen Abweichung der Breitengrad, auf dem Columbus segelte. 49 Marco Polo gibt die Beschreibung des großen Reiches Katay; unter diesem Namen ist China nach Dr. Robertson auch in vielen Teilen des Ostens bekannt (Recherches historiques, sect. III.). 50 Dies heißt jetzt Boca de Carabelas grandes und Punta del Maternillo. 51 Aus den Dingen, die er hier über den Wind sagt, ergibt sich deutlich, daß er an der Küste Cubas entlangsegelte (Las Casas). 52 Dieses Kauderwelsch verstehe ich nicht (Las Casas). – Da der Admiral überzeugt war, daß es sich bei jenem Land um das äußerste Ende des indischen Festlands handelte, glaubte er auch, daß die erwähnten Städte hundert Meilen entfernt seien; Marco Polo gibt die Beschreibung von Qinsay oder Fiunsay im Kap. XCVIII seiner Reisebeschreibung. 53 Das ist falsch, denn Cuba liegt . . . Grad nördlich vom Äquator (Las Casas). – Man muß bedenken, daß die doppelte Höhe angegeben ist. Siehe Anmerkung 48. 54 Die tatsächlich zurückgelegte Strecke betrug 1105 Meilen. 55 Bohío nannten die Indios jener Inseln ihre Häuser, daher glaube ich, daß es der Admiral nicht richtig verstanden hat. Zuvor hätte er von der Isla Española sagen müssen, daß man sie Haiti nannte (Las Casas). 56 Das sind die Ajes oder Bataten (Las Casas). – Oviedo unterscheidet in seiner »Naturgeschichte der Indien«, Kap. 82, die Ajes von den Bataten. Die ersteren (sagt er) haben eine Farbe zwischen Maulbeerfarben und Blau; die letzteren sind eher braun, und sie sind besser. Er nennt sie aber nicht Mames. 57 Dies muß Baracoa sein (Las Casas). – Nein, es sind die Nuevitas del Principe. 58 Es muß die Villa del Principe oder Bayamo sein. 59 In der »Allgemeinen Geschichte der Indien« des Bischofs Las Casas berichtet dieser im Kap. 46 ausführlicher über diesen Vorfall: Diese beiden Christen (so schreibt er) trafen auf dem Weg zahlreiche Leute, die durch ihre Dörfer gingen, Frauen und Männer, und die Männer trugen immer einen Feuerbrand in der Hand und bestimmte Kräuter, um ihre Räucherungen vorzunehmen; es sind trockene Kräuter, die man in ein bestimmtes ebenfalls trockenes Blatt steckt nach Art eines Schwärmers, wie sie die Knaben zu Pfingsten basteln; und wenn es an der einen Seite angezündet ist, dann saugen oder schlürfen oder entnehmen sie am anderen Ende jenen Rauch, indem sie ihn einatmen: Damit schläfern sie ihre Glieder ein und berauschen sich fast, aber er sagt, daß sie die Müdigkeit nicht spüren. Diese Schwärmer, der wie man sie nennen soll, werden von ihnen selbst Tabacos genannt. Ich habe auf der Isla Española Spanier kennengelernt, die sie zu verwenden pflegten und die, wenn man sie deshalb tadelte und sagte, dies sei ein Laster, antworteten, es stünde nicht in ihrer Macht, damit aufzuhören. Ich weiß nicht, welchen Nutzen oder Geschmack sie daran fanden. – Hier liegt also der Ursprung unserer Zigarren. Wer würde damals gemeint haben, daß ihr Gebrauch und ihre Benutzung so verbreitet und allgemein werden würden und daß auf dieses neue und seltsame Laster eine der fettesten Steuern des Staates erhoben werden sollte? 60 Insel Babeque oder Bohio nannten die Indios die Küste des Festlands, die bei ihnen auch unter dem Namen Caritaba bekannt war. 61 Bevor Columbus nach Portugal und nach Spanien kam, hatte er das ganze Mittelmeer gesehen und befahren (siehe das Kap. IV der Lebensgeschichte die von seinem Sohn Fernando verfaßt wurde). 62 Dieser Hafen, den Columbus den Sonnenhafen nannte, muß Puerto del Padre sein. 63 Aus dem, was er hier sagt, kann man schließen, daß er, wenn er nach Norden gesegelt wäre, zwei Tage danach zweifellos Florida entdeckt hätte (Las Casas). 64 Dieses Kap muß, entsprechend der Fahrtroute, die Columbus nach Verlassen des Río de Mares (Nuevitas) einschlug, die Punta de Mulas sein. 65 Einer von diesen Bergen war das Cabo de Cuba, das man die Punta de Mahici nennt (Las Casas). – Nein, es waren die Sierra del Cristal und die Sierra del Moa. 66 Lücke im Original. 67 Es muß wohl der Hafen von Tanamo auf Cuba sein. 68 Wenn man die Weltkarte betrachtet, die Martin Beheim 1492 anfertigte und die von Mur und von Cladera veröffentlicht wurde, wird man die große Anzahl der Inseln bemerken, die man an das äußerste östliche Ende Indiens setzte. 69 Mit diesem Namen bezeichnete oder kannte man schon im 13. Jahrhundert Schiffe größeren Ausmaßes, wie es König Alfonso el Sabio in Teil 2, Abschn. 24, Verordnung 7 anführt.
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70 Es waren sicher Ferkelratten [Hutias] (Las Casas). – Oviedo sagt in der »Relación sumaria de la Historia natural de Indias« Kap. 6, daß die Hutias fast wie Mäuse aussehen oder doch eine Verwandtschaft oder Nähe zu ihnen haben; und die Codes [Meerschweinchen] sehen aus wie Kaninchen oder Kaninchenjunge, sie tun nichts Böses und sind sehr schön und von verschiedener Farbe. 71 Es sind 21° nördlicher Breite. Siehe Anmerkung 48. 72 Lücke im Original. 73 Cayo de Moa. 74 Das muß der Hafen sein, den er Santa Catalina nannte, weil er am Vorabend dieses Tages dort ankam (Las Casas). – Nein, es ist der Hafen Cayo de Moa, der sehr genau beschrieben wird. 75 Sierra de Moa. 76 Es ist der Río de Moa. 77 Punta del Mangles oder del Guarico. 78 Von den Sierras de Moa. 79 Das mußten Perlen sein (Las Casas). 80 Es besteht kein Zweifel, daß es dort welches gab (Las Casas). 81 Es gibt sie tatsächlich, wundervolle Pinien (Las Casas). 82 Puerto de Jaragua. 83 Punta del Mangles oder del Guarico. 84 Es ist Punta Vaez. 85 Unter den neun Häfen, die er seinen Worten nach gesehen und bezeichnet hat, muß man die Bucht Yamanique und die Häfen Jaragua de Taco, Cayaganueque de Nava und Maravi hervorheben. 86 Es war der Hafen Baracoa. 87 Der Monte del Yunque. 88 Der Puerto de Maravi. 89 Baracoa. 90 Die Punta de Maici. 91 Überall, wo sehr hohe Palmen stehen, ist die Erde überaus fruchtbar (Las Casas). 92 Auf dieses ungenaue oder falsche Verstehen ist es zurückzuführen, daß in diesem Bericht viele fehlerhaft wiedergegebene Namen zu finden sind. 93 Der Puerto de las Nuevitas. 94 Man beachte, mit welcher Berechtigung unsere Indien-Gesetze diesen Rat des Columbus unterstützten, der um so unparteiischer war, als er von einem Ausländer gegeben wurde, obwohl er schon in Spanien heimisch geworden war. 95 Dieses Wachs wurde von Yucatán dorthin gebracht, und daher glaube ich, daß es sich bei diesem Land um Cuba handelt (Las Casas). 96 Es ist der Puerto de Baracoa. 97 Tatsächlich befindet sich diese Untiefe an der Südostspitze dieser Hafeneinfahrt, die mit großer Genauigkeit beschrieben ist. 98 Der Río Boma. 99 Der Río Boma. 100 Es ist die Punta del Fraile. 101 Die Punta de los Azules. 102 Östliches kleines Vorgebirge von Cuba, ein großer Strand, der Punta de Maici heißt. 103 Das muß die Punta de Maici sein, die letzte der Insel Cuba (Las Casas). – Nein, denn dieses Kap ist das Cabo San Nicolás auf der Isla Española oder auf Santo Domingo. 104 Das scheint die Española zu sein (Las Casas). – So ist es. 105 Hier scheint es, als habe der Admiral der Insel Cuba den Namen Juana gegeben (Las Casas). 106 Puerto del Mole von San Nicolás auf der Isla Española. 107 Puerto San Nicolás. 108 Das Cabo San Nicolás. 109 Die Fortsetzung der Nordküste der Isla Española. 110 Es ist die Punta Palmista. 111 Puerto Escudo. 112 Eine Fahrrinne der Isla Tortuga. 113 Ich verstehe nicht, wie er diesem Hafen weiter oben den Namen Puerto Maria und jetzt den Namen San Nicolás geben konnte (Las Casas). – Er trägt heute noch den Namen San Nicolás. 114 Lotleine: Die Leine von der Stärke eines kleinen Fingers und von mehr als 100 Faden Länge, an deren Ende man das 95er Senkblei oder Reißlot befestigt, um die Tiefe des Meeres zu messen und die Beschaffenheit seines Grundes zu erkennen. 115 Lücke im Original. 116 Es ist die Brabank in demselben Hafen San Nicolás. 117 Bahia Mosquito.
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118 Es mußte 11 Seemeilen nördlich von ihm liegen. 119 Auch bei dieser Entfernungsangabe liegt ein Irrtum vor, denn es müssen 15 Seemeilen sein. 120 Puerto Escudo. 121 Die gleiche Bahia Mosquito, die er zuvor gesehen hatte. 122 Die Entfernung beträgt nur 11 Seemeilen. 123 Wir haben schon gesehen, daß es nur 11 Seemeilen sind. Vielleicht sind es auch Fehler in der von Las Casas angefertigten Kopie. 124 Anspielung auf die Küsten des Festlands. 125 Eine Ortschaft, die heute unter dem Namen Gros Morne bekannt ist und die am Ufer des Río de los Tres Rias liegt, der eine halbe Seemeile westlich vom Puerto de Paz mündet. 126 Niames oder Names waren die Ajes, eine Batatenart, aus deren Knollen sie Brot machten, und sie hatten den Geschmack von Kastanien. So sagt er weiter unten am 16. und 21. Dezember. Cazabi nannten sie das Brot, daß sie aus der Wurzel der Yuca genannten Pflanze herstellten. Siehe bei Oviedo das Kap. V seiner »Historia General y Natural de las Indios«. 127 Der Río de los Tres Ríos. 128 Bei dieser Zahlenangabe liegt ein Irrtum vor, denn es müssen 20° sein. 129 An anderen Stellen sagt er Baveque. 130 Puerto de Paz. 131 Dieses Baneque ist niemals gesehen worden. Möglicherweise war es die Insel Jamaica (Las Casas). 132 Es handelt sich um die im Innern liegende Ortschaft, die heute Gros Morne heißt; sie ist 4 Meilen vom Puerto de Paz entfernt, wo der Admiral vor Anker gegangen war. 133 Dieser Excelente war eine Münze im Wert von 2 Castellanos (Las Casas). 134 Der Puerto de la Granja. 135 Die Bucht des Port Margot. 136 Diese beiden Brüder und das Cabo de Tones hat er .bis jetzt noch nicht genannt (Las Casas). – Das Cabo de Torres ist die heutige Punta de Limbe. 137 Landspitze und Insel Margot. 138 Ein Gebirge auf dem Guarico und das von Monte Cristi, das 42 Seemeilen entfernt ist. 139 Bahia de Acúl. 140 Ich glaube, er meint Röhricht [spanisch cañaveral] (Las Casas). – Es muß Kanal [spanisch canal] heißen. 141 Es sind tatsächlich sehr hohe Berge, aber nicht so hohe, wie er behauptet. 142 Die Insel Ratas. 143 Es ist ein guter Hafen, aber noch besser ist der Puerto de Nipe, den er San Salvador en Cuba nannte. 144 Hier fehlt ein Wort im Original. 145 Es sind 5 Seemeilen. 146 Die Ortschaft Acúl. 147 Die Bahia de Acúl. 148 Das war Guacanagari el Señor del Marien, wo der Admiral die Befestigung errichtete und die 39 Männer zurückließ (Las Casas). 149 Eine Ortschaft, die jetzt Recreo heißt. 150 Puerto del Guarico. 151 El Guarico. 152 Diese Punta Santa hat er nicht genannt (Las Casas). – Es ist die Landspitze, die jetzt San Honorato heißt. 153 Nitayno war ein Anführer und Würdenträger nach dem König, so etwas wie ein Grande des Königreiches (Las Casas). 154 Die Einfahrt in die Bai von Acúl. 155 Die Isla de Ratas. 156 Hier ist im Original eine unverständliche Abkürzung. Vielleicht meint er: auf einen Steinwurf. 157 Port français. 158 Herrera berichtet in Dekade 1, Buch 1, Kap. 18, genau über diesen Vorfall, und er sagt, Conventos habe man die Zwischenräume zwischen den einzelnen Rippen des Schiffes genannt. 159 Fernando Columbus schreibt im Kap. 32 seiner »Geschichte« den Bericht seines Vaters, des Admirals, über diesen Vorfall ab, dabei entfernt er sich in seinen Worten etwas von dem durch Las Casas übermittelten Text, keineswegs aber in der Substanz. 160 Babia del Caracol. 161 Hier fehlt offensichtlich das Wort Nachrichten. 162 Das waren nicht Inseln, sondern Provinzen der Isla Española (Las Casas). 163 Es muß Vicente Yáñez heißen. 164 Die Bai und die Ortschaften von Caracol. 165 Villa de la Navidad nannte er die Befestigung und den Sitz, den er dort errichtete, weil er am Weihnachtstag dort ankam, wie es aus dein oben Geschilderten hervorzugehen scheint (Las Casas). 166 Puerto del Guarico oder Ciudad del Cabo.
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167 Er liegt 10 Meilen in Richtung N 80° O. 168 Die Siete Hermanos. 169 Sandhank der Siete Hermanos. 170 Bai von Manzanillo. 171 So lautet das Original; es muß jedoch heißen: gut 3 Meilen nach Südwesten. 172 Río Tapion in der Bai von Manzanillo. 173 Sechs Meilen: Es muß 3 Meilen heißen. 174 Es muß Westsüdwestseite heißen. 175 Die Insel Cabra. 176 Ankerplatz von Monte Cristi. 177 Er sagt die Wahrheit, denn von der See wie auch vom Land her sieht es aus wie eine Insel, die einem Haufen Weizenkörner gleicht (Las Casas). 178 Punta Rucia. 179 Er sagt die Wahrheit, aber es ist Festland (Las Casas). – Nein, es ist die Insel Jamaica. 180 Und man fand auf der Española sogar ein Goldkorn von der Größe eines Brotes aus Alcalá oder von der Größe eines Viertelbrotes aus Valladolid, und ich habe es selbst gesehen; und viele andere, die ein Pfund schwer waren, oder auch zwei und drei und acht Pfund, fand man auf der Española (Las Casas). 181 Jamaica. 182 Dieser Fluß ist der Yaqui, er ist sehr mächtig und führt viel Gold mit, und es kann sein, daß der Admiral damals welches gefunden hat, wie gesagt wird. Aber ich glaube immer noch, daß vieles davon Perlen waren,, denn es gibt dort viele Perlen, und vielleicht meinte der Admiral, alles sei Gold, was glänzte (Las Casas). – Es ist tatsächlich der Río Yaque oder de Santiago. 183 Der Río de Santiago. 184 Die wirkliche Entfernung beträgt 8 Meilen. 185 Dieser ist der größte von allen; ich weiß es (Las Casas). 186 Keine 4 Meilen sind es von dort bis zu den Minen (Las Casas). 187 Punta Isabélica. 188 Es sind nur 10½ Meilen oder 42 italienische Seemeilen, nach denen Columbus rechnete. 189 Vielleicht waren es die Manaties oder Seekühe, die Oviedo im Kap. 85 seiner »Historia Natural de las Indias« beschreibt. 190 Dieser Fluß ist der, von dem Martín Alonso Pinzón sagt, er sei 5 Meilen vom Puerto de Plata entfernt (Las Casas). – Es ist der Chuzona chico, 3½ Meilen vom Puerto de Plata. 191 Diesen Berg nannte er Monte de Plata [Silberberg], weil er sehr hoch ist und sein Gipfel immer von Nebel verhüllt ist, was ihn weiß oder silbrig macht, und an seinem Fuße befindet sich der Hafen, der nach dem Berg Puerto de Plata heißt (Las Casas). 192 Bai und Hafen von Santiago. Die von ihm auf 18 Meilen veranschlagte Entfernung vom Cabo del Angel bis zum Monte de Plata beträgt nur 6 Meilen. 193 Puerto de Plata. 194 Punta Macuris. Die Entfernung beträgt nicht 4 Meilen, sondern nur 3. 195 Punta Sesua. Die Entfernung beträgt nur 1 Meile. 196 Cabo de la Roca. Es sind nicht 6 Meilen, sondern nur 5. 197 Bahia Escocesa. 198 Es war die Halbinsel Samaná. 199 Die Insel Yazual. 200 Cabo Cabrón. 201 Puerto Yaqueron. 202 Cabo Samaná. 203 Bahia de Samaná. 204 Cayo de Levantados. 205 Hier kann man den Eindruck gewinnen, der Admiral habe einiges von Astrologie verstanden, wenn auch die Planeten nicht richtig gesetzt scheinen, was zu Lasten des schlechten Schreibers geht, der es übertragen hat (Las Casas). 206 Das mußten jene sein, welche man Ciguayos nannte, die das Haar alle sehr lang trugen (Las Casas). 207 Es waren keine Kariben, und es gab niemals welche auf der Española (Las Casas). 208 Caona nannte man das Gold auf dem größten Teil der Isla Española, aber es gab zwei oder drei Sprachen auf der Insel (Las Casas). 209 Dieses Goanin, war meiner Meinung nach keine Insel, sondern das geringhaltige Gold, das, wie die Indios der Española versicherten, einen Wohlgeruch verströmte, weshalb sie es sehr schätzten, und dieses nannten sie Goanin (Las Casas). – Diese Inseln, von denen Columbus versichert, sie seien den Indios bekannt, die in östlicher Richtung lagen und von denen die Kariben kamen, müssen Puerto Rico, Las Virgenes und andere sein, die man Caribes nennt, denn es ist sicher, daß die Indios Puerto Rico unter dem Namen Isla de Carib kannten. 210 Diese waren meiner Meinung nach die, die in den Gebirgen und an den Küsten des Nordteils der Española Ciguayos genannt wurden, also fast vom Puerto de Plata bis einschließlich Higuey (Las Casas).
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211 Lücke im Original. 212 Dieser stammt von dem Palmbaum und ist sehr hart: Er ist so ähnlich geformt wie eine Eisenschaufel, mit der man Eier oder Fische brät, vier Handbreit groß und auf allen Seiten abgestumpft: Sie nennen es Macana (Las Casas). 213 Nach dieser Rechnung war der Admiral am 20. Januar 1486 in den Dienst der katholischen Könige getreten. 214 Puerto Rico. 215 In dieser Position war er von Puerto Rico 30 Meilen entfernt. 216 Ich vermute, daß dies der Golfo de Samaná war, in den die Flüsse Yuna und Camo münden, machtvolle Flüsse auf der Isla Española (Las Casas). – Es ist die Bahia de Samaná, in die der Río Yuna mündet. 217 Dieses Cabo de San Theramo ist sicherlich jenes, das heute Cabo del Engaño heißt (Las Casas). – Das Cabo de San Theramo muß das Cabo Samaná sein, das äußerste östliche Ende der Halbinsel, welches westlich von seiner Fahrtroute lag. 218 Er befand sich nahe einer Sandbank, an der er 4 Meilen südlich vorbeifuhr. 219 Hier steckt ein Fehler in der Rechnung: Da jede Sanduhrzeit, wie gesagt wird, eine halbe Stunde beträgt, und unter der Voraussetzung, daß es 6 Seemeilen pro Stunde waren, ergibt sich, daß in den 5½ Stunden 33 Seemeilen zurückgelegt wurden, was 8¼ Meilen nach der Zählung des Columbus entspricht. 220 Mit dem Leik fahren bedeutet offenbar: bei dem. Wind segeln, um Luv zu gewinnen. Früher sagte man auch: mit Buleine und Luvseite fahren. 221 Lücke im Original. 222 Papahigo mayor [Größeres Bramsegel] nannte man das Großsegel ohne Leesegel, und Papahigo menor [Focksegel] das Segel am Fockmast. 223 Don Diego und Don Fernando Columbus, die der Vater, als er die zweite Reise unternahm, schon als Pagen bei dem Kronprinzen Don Juan zurückließ. 224 Das war am Sonntag, dem 17. Februar. 225 Der Puerto de San Lorenzo.
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Nachwort Das Schiffstagebuch des Columbus im Kontext der großen Entdeckungen
Bildnis Der Entdecker der Neuen Welt zählt zu den Unvergeßlichen in der historischen Erinnerung der Menschheit.1 Die Bronzemedaille des Guido Mazzoni von 1506, das einzig reale Abbild, zeigt ein hartes Profil.2 Der Sohn Ferdinand, der vom zwölften bis achtzehnten Lebensjahr bei seinem Vater lebte, beschrieb ihn: »Der Admiral war ein wohlgebauter Mann, mehr als mittelgroß, mit länglichem Gesicht und etwas hochliegenden Wangen, die weder dick noch dünn waren. Er hatte eine Adlernase und helle graue Augen. Hell war auch seine Gesichtsfarbe, doch leicht in ein lebhaftes Rot übergehend. In der Jugend war sein Haar blond, mit dreißig Jahren wurde es ganz weiß. Im Essen und Trinken wie in seiner Kleidung war er mäßig und bescheiden. Mit Fremden unterhielt er sich freundlich, mit den Angehörigen seines Haushalts war er leutselig, doch gab er sich angenehm würdig. In religiösen Dingen war er so streng, daß er beim Fasten und dem Hersagen der Gebete und Litaneien eher einem Ordensbruder glich. Auch war er ein so großer Feind des Fluchens, daß ich ihn niemals etwas anderes aussprechen gehört habe als 'bei San Fernando!'. Wenn er jemandem zürnte, kleidete er seinen Verweis für eine Tat oder ein Wort in den Ausruf 'Gott soll Euch holen!'. Hatte er etwas zu schreiben, probierte er seine Feder mit den einleitenden Worten 'Jesus cum Maria sit nobis in via'. Er verfaßte so schöne Briefe, daß er allein damit sein Brot hätte verdienen können.«3 Las Casas (1474– 1564), der sämtliche Briefe des Entdeckers zur Hand hatte und ihm im Jahre 1500 in Hispaniola begegnet war, bestätigte diese Charakteristik und ergänzte, er wäre ein Mann von großer Geisteskraft und hohem Gedankenflug, von Natur aus dazu veranlagt, bedeutende Unternehmungen durchzuführen. Er war geduldig, zuverlässig und äußerst tapfer im Ertragen von unglaublichen Widrigkeiten, die kein Ende nahmen. Sein Lebensschicksal stand im historischen Zusammenhang des Vorstoßes der Türken nach Europa, des Verfalls der oberitalienischen Handelsherrschaft und der überseeischen Ausbreitung Portugals und Spaniens, die nach der ökonomischen Seite hin den Fortschritt der ursprünglichen Akkumulation ausdrückte. Demgemäß besaß Columbus wie Gutenberg, Luther oder Paracelsus »zwei Seelen« im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, von der feudalen zur kapitalistischen Produktionsära. Er war ein Homo religiosus, mittelalterlich sein Glaube, seine Ethik, sein Kreuzzugsgeist, sein Weltbild, in dem eine neue Welt keinen Platz hatte. Zugleich war er ein Mann der Renaissance mit ihrer Herausarbeitung der Subjektivität des bürgerlichen Individuums. Ohne wiederum die Bildungsstufe der Renaissance erklommen zu haben, war er ein Meister der Seefahrt und der Kunst des Kartenzeichnens, wißbegierig, aktiv, mit Erfindungsgeist, Golddurst und dem visionären Vorschlag einer großen Lösung. Über die Seefahrer der Zeit erhob er sich dadurch, daß er »Indien« nicht durch die Umschiffung Afrikas anstrebte, sondern seine Idee, den Osten im Westen zu suchen, durch Nachdenken über die Kugelgestalt der Erde gewann und sie durch Vertrauen in seine Navigationskunst auf dem westlichen Weg über den Atlantik verwirklichen wollte. Die Einbildungskraft, hatte den westlichen Ozean schon längst mit dem von Platon beschriebenen Atlantis, dem insularen Paradies St. Brendans und dem apokryphen Antilia bevölkert. Nachrichten von Asien wurden durch Marco Polo, Nicolo de Conti und chinesische Gesandte herangetragen. Die afrikanische Küstenschiffahrt der Portugiesen erregte Europa. »Aber es gehörte denn doch zuletzt ein Mann dazu, der das alles zusammenfaßte, um Fabel und Nachricht, Wahn und Überlieferung in Wirklichkeit zu verwandeln.«4
Genua Christoph Columbus wurde zwischen dem 25. August und dem 31. Oktober 1451 in Genua geboren. Sein Vater war Wollweber und geachtetes Mitglied der Tuchmacherzunft. Die Lebensumstände seiner Mutter sind nicht überliefert. Das stolze Genua war immer noch ein Zentrum des Schiffbaus und des Welthandels mit der Levante und Afrika, doch verlor es 1458 seine republikanische Selbständigkeit an Frankreich. Die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) begrenzte zudem Seinen Einfluß im Orient. Der kleine Christoph lernte lateinisch lesen und schreiben sowie rechnen. »Der Sinn des Knaben«, überlieferte Antonio Gallo, »der kaum den notdürftigsten Unterricht genossen, gehörte der Seefahrt.«5 1469
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oder 1470 siedelte der Vater mit Webstuhl, Familie und seinem Lehrling nach Savona an der Riviera di Ponente über, wo er auch eine Schankwirtschaft betrieb. Mit vierzehn Jahren ging Christoph nach der Gewohnheit der Genuesen zur See. Von 1463. bis 1465 befuhr er das Mittelmeer auf den altbekannten Seestraßen. Im Jahr 1474 hielt er sich in Chios auf. Zwischen den Seefahrten arbeitete er als Wollkrempler. Als Vertreter der Genueser Firma Centurione kam er nach Lissabon und Madeira. In seinem Schiffstagebuch bekannte er am 21. Dezember 1492: »Ich bin ohne nennenswerte Unterbrechung dreiundzwanzig Jahre lang zur See gefahren und habe den ganzen Osten gesehen und auch den Westen, dies, als er sich nach Norden wandte, um England zu erreichen, und bin nach Guinea gefahren.«6 Die Fahrt nach Guinea war die größte vor der Entdeckungsreise. Angezogen von den Möglichkeiten für einen waghalsigen Seefahrer, die Portugal bieten konnte, ließ sich Columbus etwa 1475 in Lissabon nieder, in jener Stadt, die Mittelpunkt der geographischen Entdeckungen wurde, »wo die Erde aufhört und die Wellen schlagen«7.
Portugal Das kleine und äußerste Land im europäischen Südwesten fand als erstes nach dem frühen Abschluß der Reconquista (1254) in und um Afrika den Ausweg aus der kontinentalen Handelskrise des 15. Jahrhunderts, die durch die passive Goldbilanz gegenüber dem industriell überlegenen Orient und die Unterbrechung des freien Levantehandels durch die Türken verursacht war. Frühbürgerliche Initiative und feudale Raublust trieben so zum ersten Griff nach Afrika, zum Eroberungszug nach Ceuta in Marokko (1415). Die Ausrüstung der Kriegsflotte wurde in Lissabon und Porto mit so großem Eifer betrieben, daß sogar der Chronist Azurara dachte, »die Gebeine der Toten wünschten sich, wieder mit Fleisch umhüllt zu sein, damit sie ihre Söhne und Verwandten auf jenem Zug begleiten, könnten«8. Ceuta lockte als afrikanischer Schlüssel zum Mittelmeer, Endpunkt der transsaharischen Gold- und Sklaventransporte und Tor zum getreidereichen Hinterland. Einnahme und Behauptung der Stadt durch die Portugiesen ebneten den Weg für den direkten Afrikahandel von Lissabon und Porto, reizten zur weiteren Ausbeutung der afrikanischen Küste und erschlossen dem westeuropäischen Frühkapitalismus neue Akkumulationsquellen. Die nachfolgenden Entdeckungsfahrten standen unter der Leitung von Dom Henrique o Navegador, Großmeister des Christusordens. Da er alle Expeditionen selbst überwachen wollte, verließ er den Hof und siedelte nach dem tausend Meter in den Atlantik hineinragenden Vorgebirge von Sagres (Provinz Algarve) über. Auf dem äußersten Plateau erwuchs die kleine Stadt Villa do Infante, die bald schon über ein Observatorium und eine Schule für Nautik, Kartographie und Erdkunde verfügte. In ihr wurden mathematische und kosmographische Studien betrieben, Kapitäne und Piloten ausgebildet und jede neue Entdeckung der regelmäßig durchgeführten Atlantikfahrten auf Seekarten eingetragen. Nach dem Tod von Dom Henrique (1460) wurden die Karten, Instrumente und Papiere sofort nach Lissabon geschafft und sorgfältig gegen die westeuropäische Konkurrenz verheimlicht: res non verba. Zunächst trachtete Dom Henrique danach, Guinea zu finden. Sobald er nämlich erfahren hatte, daß dem Sultan von Tunis große Goldmengen zuflössen, entsandte er Kundschafter, um deren Herkunft festzustellen. Als sie berichteten, daß der Sultan Waren über das Atlasgebirge ins Innere Afrikas schickte und dafür Gold und Sklaven eintauschte, beschloß er, über See selbst mit den afrikanischen Reichen zu verkehren. Der Seeweg nach Guinea sollte die transafrikanische Handelsroute von den arabischen und oberitalienischen Mittelmeerhäfen nach den westafrikanischen ablenken und für Portugal monopolisieren. Sicherlich schwebte dem Infanten als letztes Ziel auch Indien vor. Nach dem Urteil der zeitgenössischen Kartographen war Afrika eine Halbinsel von etwa der Hälfte seiner wirklichen Größe. Die südliche Küste lief also geradewegs auf den Indischen Ozean zu. Die Beharrlichkeit, mit der Henrique trotz der, Fehlschläge, der Kritik und der Unkosten das strategische Ziel des portugiesischen Kaufmannskapitals . verfolgte, ist nur aus seiner genauen Kenntnis der von Azurara angeführten Bücher und der arabischen Handelsstraße erklärbar.9 Er wußte, daß Handelskarawanen von Nordafrika durch die Sahara nach Guinea zogen. Gelang es seinen Schiffen, bis dahin vorzustoßen, so stand der Weg nach Indien offen. »So öffneten wir die Meere, Die nie zuvor Geschlechter aufgetan, Erblickend neue Inseln und Himmelsstriche, Die einst erschloß Henriques kühner Plan.«10 Die hochprämiierten Entdeckungs- und Raubfahrten an der afrikanischen Westküste brachten, die Portugiesen nach Kap Bojador (1433), der Senegalmündung (1445), Sierra Leone (1462) und endlich 1471 an die ersehnte Goldküste. Golddurst und Sklavenhandel prägten hier das Profil der ursprünglichen
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Akkumulation. Die Plantagenkolonisation auf Madeira und São Tomé erforderte Sklavenjagd und Sklavenhandel. Vom Überfall auf Dorfgemeinschäften der Küste wechselten die Portugiesen angesichts des realen Kräfteverhältnisses gegenüber den Königreichen daher schnell zum Sklavenkauf über arabische, berberische und afrikanische Zwischenhändler. Während also die Osmanen nach der Eroberung Konstantinopels den oberitalienisch-indischen Handel durch eine Zollbarriere blockierten, verlegten die Portugiesen den innerafrikanischen Handelsweg mehr und mehr an den Südatlantik. Portugiesische Kaufleute fuhren die Flüsse im Senegal und in Guinea hinauf, ließen sich in den Dörfern nieder und betätigten sich mit ihren zahlreichen mulattischen Nachkommen selbst im Zwischenhandel. Sie lernten, mehr der List, dem Betrug und dem doux commerce zu vertrauen als der packten Gewalt. 1482 ließ Dom João II. die Festung und Faktorei São Jorge da Mina in Guinea errichten. Das Fort sollte das königlich-portugiesische Handelsmonopol verbürgen und die spanische wie westeuropäische Konkurrenz von der goldproduzierenden Region fernhalten. Zwei Jahre später, 1484, entdeckte Diogo Cão das Königreich Kongo. Mit ihm wurden diplomatische und kommerzielle Beziehungen aufgenommen, die sich bald wegen der Sklavenjagden wieder lösten. Südlich des Kongos legten die portugiesischen Ritter der ursprünglichen Akkumulation auch Faktoreien in Angola an. Alle Entdeckungen und Eroberungen in Übersee, einschließlich des Handels, betrachtete die Krone als ihr Monopol, das die Abführung des fünften Teils aller Gewinne forderte. Sie allein verfügte, ob das Monopol von ihr direkt ausgeübt wurde oder indirekt durch Vergabe von Konzessionen. Demgemäß durfte keine Fahrt ohne königliche Erlaubnis unternommen werden. Zwar ging der Erbfolgekrieg von 1475 bis 1479 mit Kastilien verloren, doch die spanischen Könige mußten anerkennen, daß der Krone Portugals die alleinige Herrschaft über Madeira, die Azoren, die Kapverdischen Inseln, Guinea, Indien mit allen anliegenden Meeren und Inseln zukomme.11 Formell hatte damit Kastilien das portugiesische Kronmonopol im Afrika- und Asienhandel bestätigt. Dennoch wagten sich die Rivalen nach Guinea, so daß Affonso anordnete, die Mannschaften fremder Schiffe, die man in seinem, ihm durch päpstliche Bullen gewährten Machtbereich ergriffe, ins Meer zu werfen. Die Cortes als Ständeversammlung des Klerus, des Adels, der Letrados und der Bürger stellten sich hinter das Kronmonopol und protestierten 1482 gegen die aufkommende fremde Handelskonkurrenz. Als England sich anschickte, eine Flotte an die afrikanische Goldküste zu entsenden, verlangte eine Sonderbotschaft Joãos II. (1481 – 1495) in London, daß ,die Guineafahrten durch königliche Autorität untersagt würden. Die historische Rivalität der beiden iberischen Reiche äußerte sich auch in der Hilfe Kastiliens für die vom portugiesischen Hochadel angezettelte Verschwörung gegen die Konsolidierung der absoluten Monarchie. Gestützt auf Bürgertum, Fidalguia und Letrados, die auf den Cortes von Evora 1481 die Überprüfung aller Besitztitel des Hochadels beschlossen, entmachtete João II. die Ricos-homens, kassierte ihre Güter und setzte königliche Richter auf allen Lehnsgebieten ein. Mit der Vernichtung des Hochadels war die absolute Königsmacht endgültig durchgesetzt. Zielstrebig widmete diese sich nun mit verdoppelten Einnahmen aus Mina der Suche des östlichen Seeweges nach Indien. Mit unbeugsamem Selbstvertrauen, ohne Entmutigung durch die zahlreichen Schiffbrüche erforschte Bartolomeu Dias mit zwei Karavellen von 50 Tonnen und einem Frachtschiff 1488 den Ort, »wo zuletzt das Meer die Küste bespült«: die Südspitze Afrikas, umtost von Stürmen und brechenden Wellen. Zu dieser Zeit war die afrikanische Westküste bis zum 22. Grad südlicher Breite erforscht und der Ausbeutung anheimgefallen. Gleichzeitig mit der Entdeckungsfahrt zum Kap entsandte João II. 1487 den arabisch sprechenden Pero de Covilhã auf dem Landweg nach Indien. Zwischen 1487 und 1492 erkundete er die indische Malabarküste, den Persischen Golf, das Rote Meer und die afrikanische Ostküste. Seine wie auch Dias' Berichte bestärkten die Erkenntnis, daß nunmehr der Seeweg nach Indien offen sei. Columbus geriet wie viele andere Italiener, zum Beispiel Bartolomeo Perestrello aus Piacenza, den Heinrich der Seefahrer zum Gouverneur der Insel Porto Santo machte, in den Bannkreis der portugiesischen Entdeckungen. Die Tochter Perestrellos, Felipa Moniz, wurde 1479 seine Frau, starb jedoch bei der Geburt des Sohnes Diego. Auf dem Landgut der Familie in Porto Santo lernte der Genuese die hinterlassenen Seekarten und Papiere seines Schwiegervaters kennen, der gleichfalls ein erfahrener Seeheld war. Gewiß empfing er aus ihnen die ersten nautischen Winke und Anregungen von Inseln im westlichen Ozean. Seeleute, die das Meer jenseits von Madeira und den Azoren befahren hatten, phantasierten von der Nähe westlicher Gestade. Im Jahre 1480 packte ihn die Idee, den Osten im Westen zu suchen. Die unmittelbare Anregung verdankte er seinem Bruder Bartolomeo. Antonio Gallo, der zeitgenössische Notar der Bank San Giorgio, berichtete 1506: »Der jüngere Bruder Bartolomeo hatte sich in Portugal, und zwar in Lissabon niedergelassen . . . Er faßte den Gedanken einer Schiffahrt nach Westen, als er in Lissabon die von den Portugiesen jenseits von São Jorge da Mina gemachten Entdeckungen in seine Weltkarten eintrug, die er zu seinem Lebensunterhalt zeichnete. Er erörterte dann die Beweise und seine eigenen Überlegungen mit
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seinem in nautischen Dingen erfahrenen Bruder.«12 Besessen von dem neuen Gedanken, der sozialen Aufstieg und unvergänglichen Ruhm verhieß, wollte der Seemann aus Genua fortan mit unerschütterlichem Tatbewußtsein und verbissener Energie in die Wirklichkeit umsetzen, was bisher nur gedacht war.
Terra ultra Oceanum Columbus konkretisierte seine Idee aus verschiedenen Quellen. Die Biblioteca Colombina in Sevilla ist im Besitz von fünf Wiegendrucken, die vom Entdecker benutzt wurden und seine handschriftlichen Bemerkungen tragen. Neben Plinius, Plutarch, Marco Polo, Aeneas Sylvius ist Petrus Alliacus, Tractatus de imagine mundi, um 1480, wohl der wichtigste literarische Anreger. Die Imago mundi war eine mittelmäßige Kompilation antiker und mittelalterlicher Beschreibungen der Welt, die das geographische Wissen der Zeit zusammenfaßte und die Kugelgestalt der Erde in theologischer Kosmographie betonte. Noch 1326/27 waren Petrus von Abano bzw. Cecco d'Ascoli als Ketzer verbrannt worden, weil sie das Vorhandensein von Antipoden gelehrt und damit an die Kugelgestalt der Erde geglaubt hatten. Der Humanismus setzte dann, auf Aristoteles, Eratosthenes, Marinus von Tyrus und Ptolemäus zurückgreifend, die Idee von der Kugelgestalt der Erde durch. Sie war im 15. Jahrhundert auch Nichtgelehrten wie Columbus geläufig. Falsch an den Vorstellungen war nur, daß Asien allein den halben Erdumfang bedecke, Europa also von »Indien« nicht weit entfernt sei. Zu »Indien« gehörte nach der Weltbeschreibung des Ptolemäus das ganze südliche und östliche Asien, also auch Indonesien und China. Daher las Columbus in der Imago mundi: »Der Ozean, der sich von Afrika bis zur Ostküste Indiens erstreckt, ist .nicht von großer Breite. Das Meer kann in wenigen Tagen durchschifft werden, wenn der Wind günstig ist.« Diesen Satz, daß der Anfang des bewohnten Ostens dem Ende des bewohnten Westens sehr nahe läge, machte er sich zu eigen. Auch beachtete er die Anregung Senecas (Medea, Vers 375 – 379), daß spätere Zeiten kommen werden, wo der Ozean sich öffnen und neue Welten zeigen werde, denn nicht der Länder Äußerstes sei Thule. Wie Hennig richtig urteilt, zog Columbus die praktische Folgerung aus dem, was von Aristoteles bis Albertus Magnus über die Größe des Ozeans gelehrt worden war.13 Er hatte also eine wissenschaftliche Theorie. Selbst gab er folgende Erklärung: »Ich habe mit wissenschaftlichen Männern, geistlichen und weltlichen, mit Lateinern und Griechen, Juden und Mauren und vielen anderen verhandelt . . . Ich habe in dieser Zeit alle Arten von Schriften studiert – Geschichtswerke, Chroniken, philosophische Abhandlungen und andere Wissenschaften.«14 Dazu suchte er sich auch der Autorität der Heiligen Schrift zu versichern, aus der ihm der geistliche Berater Pater Gaspar Gorricio vom Karthäuserkloster Santa Maria de las Cuevas in Sevilla die verwendbaren Verse für die Abstützung des Westfahrtplanes zusammenstellte. Er legte ein eigenes Libro de Profecias an, das größtenteils aber die Handschrift Gorricios zeigt. Zu den Bibelstellen – besonders Jesias 24,16; 60,9 und 65,17 – gesellten sich Zitate antiker und mittelalterlicher Autoritäten. In der Tat aber ließ erst sein Briefwechsel mit dem wenig autoritativen, weil noch lebenden Gelehrten Toscanelli (1397 – 1482) sein Projekt ausreifen. Vor 1450 war Toscanelli von einem Gesandten Chinas, der zu Papst Eugen IV. (1431 – 1447) gereist war, direkt über den Fernen Osten unterrichtet worden. Als die Entdeckungsfahrten der Portugiesen an der afrikanischen Westküste wegen des ungeahnten Verlaufes der Guineaküste ins Stocken gerieten, schrieb er am 25. Juni 1474 dem Beichtvater Dom Affonsos, Kanonikus Fernan Martins de Roriz: »Über den kürzesten Weg von hier nach Indien, wo die Gewürze wachsen (denn der Seeweg ist kürzer als der, den Ihr nach Guinea nehmt), habe ich schon oft gesprochen. Du sagst mir, daß S. Majestät von mir noch einmal eine Erklärung und einleuchtende Darstellung wünscht, daß und wie man diesen Weg einschlagen kann. Wenngleich ich überzeugt bin, daß man dies auf einem Globus zeigen sollte, so will ich dennoch der geringeren Mühe und des besseren Verständnisses wegen den Weg auf einer Karte erläutern, die den Seekarten ähnelt. Ich sende deshalb Sr. Majestät eine eigenhändig gezeichnete Karte. Auf ihr ist der ganze Westen der bewohnten Welt eingetragen von Irland bis nach Guinea nebst allen Inseln, auf die man unterwegs trifft. Ihnen gegenüber im Westen ist der Anfang von Indien mit den Inseln und Orten gezeichnet, wohin Ihr Euch nach dem Äquator wenden könnt und in welcher Entfernung, das heißt, in wieviel Meilen Ihr zu diesen Gegenden kommen könnt, die alle möglichen Gewürze, Edelgestein und Geschmeide in Fülle bergen. Und wundert Euch nicht, daß ich die Teile, wo die Gewürze wachsen, Westen nenne, da man doch gewöhnlich sagt, sie befänden sich im Osten.«15 In der Mitte der Weltkarte des Florentiner Gelehrten lag der Atlantik, im Osten die alte Welt von Irland bis Guinea, im Westen der Ostrand »Indiens«. Im Ozean selbst lagen mehr dem Ostrand zu die Azoren, die Kapverdischen Inseln und die Fabelinsel Antilia. Nach seiner Schätzung betrug die Breite des Ozeans zwischen »Indien« und Europa nur 130 Grad, während er nach Ptolemäus die Ausdehnung der Landmasse von Lissabon ostwärts bis »Indien« mit 230 Grad annahm. Das Verhältnis, wissen wir, war gerade umgekehrt. Der Vorschlag Toscanellis wurde wegen seiner Unglaublichkeit und wegen des drohenden
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Krieges mit Kastilien (1475 – 1479) in den Wind geschlagen. Er kam aber Columbus zu Gehör, der sich seit 1480 mit der gleichen Idee beschäftigte. Der noch unbekannte Seemann sandte dem Florentiner durch Lorenzo Birardi einen Brief, in dem er seinen Plan enthüllte. Toscanelli nahm das wundervolle und großartige Begehren beeindruckt auf und schickte eine Abschrift des lateinischen Briefes von 1474 mit der entsprechenden Seekarte zurück. In einem zweiten Brief an Columbus schrieb er: »Ich habe Kenntnis genommen von Deinem hochherzigen und großartigen Plan, auf dem Wege nach Westen, den die Dir gesandte Karte anzeigt, zu den Ländern des Ostens zu segeln. Besser hätte er sich mit Hilfe einer runden Kugel klarmachen lassen. Es freut mich, daß Du mich richtig verstanden hast. Der genannte Weg ist nicht nur möglich, sondern wahr und sicher.«16 Das Wagnis wäre allerdings mißlungen, wenn nicht dort, wo man nach der Seekarte Toscanellis (auf der die ganze Entdeckungsfahrt fußte, wenngleich Columbus den Seekurs völlig selbständig bestimmte) »Indien« vermutete, ein noch unbekannter Kontinent gelegen hätte. Eine nicht einkalkulierte Entdeckung gab Columbus recht, der bis zu seinem Tode (1506) glaubte, Indien auf dem Westweg erreicht zu haben. Glaubte er es wirklich bis zuletzt? Nur sein Zugeständnis nach der Berührung der kontinentalen Landmasse von Amerika ist überliefert, die Welt werde darüber staunen, daß Ptolemäus doch noch nicht alle Teile Indiens gekannt habe. Der Name Indio für die Ureinwohner der Neuen Welt ist jedenfalls eine Verewigung seines Irrtums. Hätte er seine »Eroberung durch Nachdenken« (A. v. Humboldt) nicht gemacht, so wäre die westliche Hemisphäre nach der Entdeckung des südöstlichen Seeweges durch Vasco da Gama (1498) gewiß zufällig von Portugiesen entdeckt worden. Zweifellos hätte die Kolonisation Amerikas dann einen anderen Verlauf genommen. Den Westfahrtplan entwickelte Columbus 1484 Dom João II. in einer persönlichen Audienz. Der Zeitpunkt war ungünstig gewählt. Der Vertrag von Algaçovas (1479) hatte Portugal allein die Kaproute nach Indien gesichert. Dazu forderte Columbus als namenloser Seefahrer die königliche Beteiligung an dem Unternehmen. Alle vorherigen Konzessionäre hatten nur Privilegien erhalten, wenn sie die Entdeckungen auf eigene Kosten durchführten. Der König forderte das Gutachten einer gelehrten Kommission an. Da die mathematischen und geographischen Kenntnisse des Seemannes beschränkt waren, fiel es den hellenistischer! Dogmatikern leicht, ihn mit seinen eigenen Autoritäten durch zahlreiche Zitate zu widerlegen, die er übergangen hatte. Wagemut und Phantasie sprachen zudem mehr gegen als für ihn. Viel mußte noch geschehen, ehe die »Modernen« von der unüberschreitbaren Autorität der »Alten« abließen, gewiß ein Problem, das erst das 18. Jahrhundert löste. Nur Martin Beheim, der Astronom, Kartograph und Mathematiker aus Nürnberg (1459 – 1506), der sich in Lissabon aufhielt, stimmte Columbus bei. Wie dessen Westfahrtplan basierte sein Globus, der erste überlieferte, ebenfalls auf der Toscanelli-Karte von 1474. In gewissem Sinne kam die Tat des Columbus für Spanien zwangsläufig, nicht für Portugal. Nur für Spanien existierte nach Algaçovas die Notwendigkeit, Indien auf dem Westweg zu erreichen.
Spanien Wie Las Casas berichtet, floh Columbus 1485 mit seinem Sohn nach Spanien, weil er fürchtete, der portugiesische König könnte ihn einkerkern und ohne ihn eine Expedition nach »Indien« entsenden.17 Wenige Jahre zuvor, 1479, war durch die katholischen Könige mit der Vereinigung Aragons und Kastiliens die Basis der absoluten Monarchie gelegt worden. 1492 wurde die siebenhundertjährige Reconquista, die Wiedereroberung der von den Mauren besetzten Halbinsel, abgeschlossen. Die Reconquista aber verlieh der Halbinsel einen Charakter, »der von dem des übrigen Europa der damaligen Zeit gänzlich verschieden war; im Norden Spaniens herrschten zur Zeit der europäischen Renaissance die Sitten und Gebrauche der Goten und Vandalen und im Süden die der Mauren«18. In der Reconquista wurde der spanische Feudalismus und der spanische Nationalcharakter geprägt. Es war kein Feudalismus fränkischer Art, der die Hörigkeit des Bauern ständisch versteinerte, sondern ein Feudalismus, der jahrhundertelang die Bauernfreiheit bewahrte. Kastilien blieb im europäischen Mittelalter eine »Insel freier Menschen«19. Die Dauer der Wiedereroberung formte in einer Weise den Abenteurergeist, den Drang nach Freiheit, die Todesverachtung, das Gottvertrauen, die Entscheidungskraft, den Mannesmut und die kriegerische Initiative aus, daß demgegenüber jene Produktivität vernachlässigt wurde, die jenseits der Pyrenäen die bürgerliche Gesellschaftsform hervorbrachte. Krieg und Grenzbesiedlung waren hingegen die beiden Königsstraßen im mittelalterlichen. Spanien, die zum Aufstieg in der sozialen Hierarchie, zu Erfolg und Wohlstand führten. Auf beiden wurde der Tod herausgefordert. Der Lohn für das tragische Spiel war die Freiheit des Geschlechts, der Adelstitel, die Aufnahme in die Ritterschaft, Lehnsbesitz. Erst nach der Eroberung Andalusiens (1248) bildete sich auf dem Lande im Süden ein Feudalismus fränkischer Färbung
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aus. Er zerstörte, den unauslöschlichen Protest der Freien niederringend, das demokratische Königtum und nahm die Monarchie in sein Schlepptau. Das dürre Kastilien entwickelte sich zu einem großen binnenländischen Verkehrssystem in Nordsüdrichtung. Die Handelsstraßen wurden von der Mesta geschaffen. Die wandernden Schafe der Viehzüchtergesellschaft erzeugten nicht nur die literarische Sehnsucht nach dem Hirtenleben, sondern begründeten auch den Reichtum der Hafenstadt Bilbao, der Börse von Burgos und der Tuchfabriken von Segovia. Kastilien wurde seit 1450 eine internationale Handelsmacht, die sich durch die portugiesischen Entdeckungen herausgefordert sah. Der Herzog von Medinaceli, der sich für die Ideen des Columbus interessierte, nahm den Flüchtigen für zwei Jahre in seinem Schloß auf. Der andalusische Grande war Grundherr der Hafenstadt Puerto de Santa Maria in der Cadizer Bucht und rüstete Schiffe für Handels- und Kaperfahrten aus. Im Franziskanerkloster La Rábida gewann Columbus in Fray Antonio de Marchena einen Freund, dem er seinen Sohn anvertraute. In Palos lernte der Genuese auch Martín Alonso Pinzón kennen, einen reichen Schiffseigentümer, der seinem Projekt zustimmte. Córdoba war die nächste Station seines Lebens. Die Geliebte Beatriz Enríquez de Harana gebar ihm den Sohn Fernando, wurde aber nicht geheiratet. In seinem Testament bestimmte Columbus deshalb, sein ehelicher Sohn Diego möge dafür sorgen, daß sie anständig leben könne, weil er bei ihr in großer Schuld stehe. Da Columbus nun in seinen Plänen die Ausbreitung des christlichen Glaubens mehr betonte als in Portugal, gewann er die spanische Geistlichkeit für sich. Der Beichtvater der Königin, Hernando de Talavera, vom Abte des Klosters La Rábida auf den Seefahrer aufmerksam gemacht, verschaffte ihm im Sommer 1486 eine Audienz beim Königspaar. Der Plan wurde zur Prüfung durch die Universität Salamanca angenommen. Im Jahre 1489 erhielt Columbus einen offenen Brief an alle Stadt- und Ortsbehörden, damit er sich an den Hof begeben könnte. Er begann, berichtet Las Casas, einen schmerzensreichen und endlosen Kampf zu führender mit scharfer Klinge nicht so unerbittlich und grausam hätte sein können wie das unablässige Ringen mit den vielen Männern, die er überzeugen wollte, ohne daß sie ihn verstanden, aber alles besser zu wissen sich anmaßten und ihm ohne Achtung und mit beleidigender Rede begegneten. Indes wurde der Wartende auf die königliche Gehaltsliste gesetzt und erhielt, um sein Leben zu fristen, pro Jahr 1200 Maravedis. 1490 lehnte der Talavera-Ausschuß die Vorschläge des Columbus ab, weil sie unmöglich seien. Eine Reise nach Indien dauere drei Jahre, der westliche Ozean sei wahrscheinlich unüberschiffbar; falls das Land der Antipoden erreicht werde, könne man nicht zurückkehren; es gäbe dort kein Land, weil der größere Teil der Erdkugel mit Wasser bedeckt sei; von den fünf Erdzonen seien nur drei bewohnbar; so viele Jahrhunderte nach der Schöpfung scheine es undenkbar, daß noch unbekannte Länder von einigem Wert entdeckt würden. Dem Königspaar erklärten die Gelehrten, daß es seiner Würde nicht anstehe, eine Sache zu fördern, die auf so schwachen Füßen ruhe. Dieses sagte weder ja noch nein und vertröstete den Niemand, der an einer Idee festhielt, auf die Zeit nach dem Abschluß des Maurenfeldzuges. Columbus aber war entschlossen, Spanien zu verlassen und Karl VIII. von Frankreich den Expeditionsplan vorzutragen. In dieser entscheidenden Situation schaltete sich der Abt des Klosters von La Rábida im Sommer 1491 noch einmal ein. Er versprach, dem Seefahrer eine Audienz am Hofe zu erwirken. Königin Isabella bat den Abgerissenen ins Hauptquartier nach Santa Fé und schickte 20000 Maravedis, damit er sich gut gekleidet bei Hofe einfinden könne. Wieder wanderte das Memorandum und die Privilegienliste (Vizekönigtum, Oberster Richter, Admiral, . Anteile) in den kritischen Kreis einer Gelehrtenkommission. Während der Wartezeit kapitulierte Granada. Columbus erlebte den Einzug der Könige in die letzte Festung der Mauren, sah seine Vorschläge jedoch erneut abgelehnt. Im letzten Augenblick rettete der Verwalter der königliche^ Privatschatulle, Luis de Santángel, das Unternehmen dadurch, daß die Santa Hermandad 1,4 Millionen Maravedis kreditierte und Columbus 250000 Maravedis bei seinen Anhängern lieh. Am 17. April 1492 wurden die Capitulaciones unterzeichnet. Juristisch waren sie kein privatrechtlicher Vertrag zwischen Partnern gleichen Status, sondern königliches Privileg, dem Genuesen für seine Dienste verliehen. Columbus wurden für sich und seine Erben die Würde des Admirals in allen entdeckten Ländern des westlichen Ozeans, das Vizekönigtum der entdeckten und eroberten Länder, ein Zehntel von allen Edelsteinen, Perlen, Gold, Silber, Gewürzen und sonstigen Handelswaren (nach Abzug der Kosten) und das alleinige Richteramt in allen Prozessen, die sich im Verkehr Spaniens mit den neuentdeckten. Gegenden ergaben, zugestanden. Er sollte sich mit dem achten Teil der Kosten für die Ausrüstung der Schiffe zu dieser Fahrt beteiligen und, dafür auch den achten Teil des Gewinns erhalten. Am 23. Mai traf Columbus in Palos ein, das nun für die »frühere Vernachlässigung des Unternehmens« zugunsten der Krone zwei Karavellen in zehn Tagen auszurüsten hatte. Ein drittes Schiff mußte gemietet werden. Matrosen wurden unter den Seeleuten Andalusiens, die den Portugiesen an Mut und Können nicht nachstanden, angeworben.
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Das Schiffstagebuch Genau besehen, war die Expedition des Columbus nur eine kühne Überfahrt nach Indien auf westlichem Seeweg. »Am dritten August des gleichen Jahres, an einem Freitag, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, fuhr ich wohlversehen mit vielfältigen Vorräten und zahlreichen Seeleuten von besagtem Hafen ab; ich nahm Kurs auf die Kanarischen Inseln, die Euren Hoheiten unterstehen und die in dem erwähnten Ozean liegen, um von dort aus meine eigentliche Fahrtroute einzuschlagen und so lange zu segeln, bis ich Indien erreicht haben würde, um jenen Fürsten die Botschaft Eurer Hoheiten zu überbringen und so zu erfüllen, was sie mir anbefohlen hatten; und daher faßte ich den Vorsatz, während der ganzen Reise mit größter Sorgfalt und Tag für Tag alles aufzuschreiben, was ich täte, was ich sähe und was sich zutrüge, wie man es im folgenden sehen wird. Und außer daß ich in jeder Nacht beschreiben werde, was sich am Tag zugetragen hat, und an jedem Tag, wie weit ich des Nachts gesegelt bin, habe ich die Absicht, meine fürstlichen Herren, eine neue Seekarte anzufertigen, in die ich das ganze Meer und alle Landgebiete, die im Ozean liegen, einzeichnen will, und zwar mit ihrer genauen Lage nach der Windrose; außerdem will ich ein Buch zusammenstellen, in dem ich alles getreulich nach seinem Umriß und unter Angabe der äquinoktialen Breite und der westlichen Länge darstellen will; dabei ist es vordringlich, daß ich den Schlaf vergesse und mich fortwährend der Navigation widme, auf daß ich meinen Vorsatz erfülle; und das wird großer Mühen bedürfen.« Das Tagebuch war eine Reisebeschreibung für die katholischen Könige, die die Monotonie der Tagesabläufe bei der Überquerung des Ozeans mit der Präzision eines Spezialisten festhielt und solcherart die täglich erlebte Geschichte ohne Auslassungen und Zeitsprünge wiedergab.20 Von allen zweiunddreißig Berichten und Briefen des Columbus besitzt es den größten historischen Quellenwert.21 Wie so vieles ging das Original verloren. Sein Inhalt ist nur in einer vertrauenswürdigen Kompilation22 des Las Casas erhalten, die Navarrete (1765–1844) im ersten Band seiner Colección de los viajes y descubrimientos 1825 veröffentlichte.23 Ehrenhaft und mit Respekt vor dem Wort des Columbus referiert Las Casas die Passagen des Tagebuches, wobei er vom Admiral in der dritten Person spricht. Nur auszugsweise zitiert er dessen eigene Worte. Der Bericht ist nicht immer vollständig, nicht frei von Irrtümern und ohne die nautischen Daten. Las Casas war wahrscheinlich eine Abschrift des Originals zur Hand, die aus dem Besitz von Don Luis Colón, dem Enkel des Entdeckers, stammte. Columbus schrieb ein Spanisch, das mit italienischen und portugiesischen Wörtern und Eigenheiten durchsetzt ist.24 Nur in einigen privaten Aufzeichnungen benutzte er italienische (genuesische) Redewendungen. Seine Sprache ist geistreich, sensibel und expressiv, natürlicherweise beeinflußt von zeitgenössischen stereotypen Wirklichkeitsbezeichnungen. Durch die Entdeckungsschriften gelangten die ersten amerikanischen Begriffe wie canoa (Kanu), cacique (Häuptling), hamaca (Hängematte), tiburón (Hai) in die europäische Lexik. Das Tagebuch weist seinen Autor aber nicht allein als literarisch originellen Beschreiber der Neuen Welt aus, sondern mehr noch als sicheren Navigator, der den Seemannssinn, wie Charcot es nennt, in erstaunlichem Maße besaß. Von seiner Guinea- und Englandfahrt wußte Columbus, daß vor der westafrikanischen Küste ein ständiger Nordost, im Norden aber Westwind weht. Er setzte diese Windverhältnisse für die ganze Ozeanbreite voraus und bestimmte demgemäß seinen Kurs. Er suchte bei der Ausfahrt die Breite der Kanarischen Inseln und für die Rückfahrt die der Azoren auf. So wird der Atlantik auch heute noch überquert. Seine tägliche Position auf dem Meer und den Kurs bestimmte Columbus durch die Besteckrechnung. Der Kompaßkurs wurde auf der Karte festgelegt und die geschätzte Entfernung abgesteckt. Die Hilfsmittel waren Kompaß, Zirkel, Quadrant, Lotleine, Seekarte aus Schafhäuten, Lineal, Kurstafel und Multiplikationstabelle.25 Bis ins 16. Jahrhundert war die Navigation Breitensegelei. Man suchte die gewünschte Breite auf und erhielt dann westlichen oder östlichen Kurs. Die Breite wurde aus der Höhe des Himmelspols über dem Horizont (Polhöhe) gewonnen. Über die Schiffe der Entdeckungsfahrt ist wenig bekannt.26 Alle Bilder entspringen der Phantasie oder sind Abbilder zeitgenössischer Schiffsmodelle. Die Santa Maria, eine Nao von 100 Tonnen mit 40 Mann Besatzung, war das Flaggschiff, doch nach dem Urteil des Admirals für Erkundungszwecke wegen des Tiefganges und der übergroßen Besegelung ungeeignet. Die Niña, eine Karavelle von 60 Tonnen mit 24 Mann Besatzung, wurde von Columbus hochgeschätzt. Sie war fest und stark gebaut, begleitete ihn auch auf seiner zweiten Reise nach Haiti, wurde bei der Fahrt nach Cuba Admiralsschiff und überstand als einziges Schiff den Sturm von 1495. Die Pinta, wie die Niña eine Karavelle, 60 Tonnen groß, 26 Mann Besatzung, segelte sehr schnell und überholte zum Ärger des Columbus ständig die Santa Maria, wenn eine Entdeckung bevorstand.
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Neue Welt – Westindien Sein »Indien« entdeckte der Admiral am neunundsechzigsten Tag nach der Abfahrt von Palos. Am siebzigsten Tag, dem 12. Oktober, landete die Expedition auf der Bahamainsel Guanahani. Der Entdecker taufte sie San Salvador. Heute trägt sie den Namen des englischen Flibustiers Watling. Es folgte die Entdeckung von Santa Maria de la Concepción Fernandina, Long Island (»Isabela«), Cuba (»Juana«) und Haiti (»Española«). Die noch spätfeudale und schon frühkapitalistische Gesellschaft der Spanier berührte die urgemeinschaftliche der Aruak und Caraïben. Im Brief an Luis de Santángel vom 15. Februar 1493 faßte Columbus das welthistorische Erlebnis zusammen. »Die Bewohner dieser Insel (die Aruak auf Española - J. H.) sind genauso wie jene aller anderen Inseln, die ich entdeckt habe, ohne Unterschied des Geschlechts vollkommen nackt, wie sie Gott erschaffen. Einige Frauen bedecken einen einzigen Körperteil mit Blatt oder einem Wollstück, das sie zu diesem Zwecke selbst anfertigen. Sie kennen kein Eisen und besitzen keine Waffen mit denen sie umzugehen wüßten. Nicht etwa deshalb sie keine körperliche Kraft haben, sondern weil sie von Natur aus äußerst friedlich sind. Als Waffe benutzen sie nur Rohre, denen sie vorn ein kurzes, scharf zugespitztes Stück Holz aufstecken. In Wirklichkeit aber setzen sie sich nicht einmal mit diesen Speeren zur Wehr. Oft geschah es, daß ich zwei oder drei meiner Männer nach irgendeiner Siedlung geschickt hatte, um mit den Eingeborenen in Fühlung zu treten, die dort in großer Zahl versammelt waren, und diese, als sie meine Leute herankommen sahen, eiligst die Flucht ergriffen. Sie taten dies nicht etwa, weil man einem von ihnen ein Leid angetan hätte. Ganz im Gegenteil: Überall, wo ich mit ihnen in unmittelbare Berührung kam, schenkte ich ihnen, was ich gerade bei mir hatte, Stoffetzen und viele andere Kleinigkeiten, ohne dafür etwas zu verlangen . . . Weiß man aber ihr Zutrauen zu gewinnen und ihre Furcht in den Wind zu schlagen, erweisen sie sich als ehrliche und freigebige Menschen, daß niemand es für möglich hielte, der es nicht selbst erlebt hat. Was man auch von ihnen verlangt, nie werden sie es einem verweigern, sondern es freundlich anbieten, wobei sie sich mit jeder noch so geringen Gegengabe zufriedengeben. Ich untersagte es, daß man ihnen so wertloses Zeug wie Schüsselscherben, Glassplitter oder Bänderstreifen gebe, obzwar sie vom Wahn besessen waren, die kostbarsten Edelsteine der Welt erworben zu haben, sobald sie dieser Dinge habhaft wurden. Ein Matrose bekam beispielsweise für ein Stück Band dem Gewicht nach so viel Gold wie 2½ Castellani (Peso d'oro – J. H.), während andere für Dinge noch geringeren Wertes noch mehr Gold erhielten . . . Sie waren von dem Glauben durchdrungen, daß alle Macht und alles Gute vom Himmel komme. Sie glaubten felsenfest, daß ich samt meinen Schiffen und all meinen Männern vom Himmel herabgestiegen sei. Mit dieser Vorstellung wurde ich überall von ihnen empfangen, sobald sie ihre Angstgefühle überwunden hatten. Man soll deshalb nicht etwa annehmen, daß sie dumm und unwissend seien. Im Gegenteil: Sie haben einen gesunden Menschenverstand, der des Scharfsinns nicht entbehrt. Sie durchfahren alle Meere, und es ist geradezu unglaublich, wie sie über alles genau Auskunft zu geben wissen. Allerdings waren ihnen bekleidete Menschen und Schiffe, wie die unsrigen, eine vollkommene Neuheit.«27 Die Aruak der karibischen Inseln lebten als Ackerbauern in Palmhütten (bohios), die zu friedlichen Dörfern vereinigt waren.28 Der Ackerbau war der wichtigste Produktionszweig zu ihrem Lebensunterhalt, daneben der Fischfang und die Jagd auf Vögel und Schildkröten. Ihre gesellschaftliche Organisationseinheit war die gentile Dorfgemeinschaft, die Ackerbau und Handwerk vereinigte. Sie gründete sich auf Gemeineigentum, Gemeinschaftsarbeit und Gemeinschaftsvergnügen. Für sie war der Krieg kein Erwerbszweig, weil der Ackerbau einen gewissen Überfluß an notwendigen Lebensmitteln hervorbrachte. Das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln und den Produkten der gemeinschaftlichen Arbeit war noch unerschüttert. Arglos und ohne das Bewußtsein des Wertgesetzes tauschten sie Gold gegen Glasperlen und Glöckchen aus Weißblech. Die Goldgier, von der Columbus und seine Männer besessen waren, signalisierte andererseits allgemein den Verwandlungsprozeß der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise. Sie war gewiß unverträglich mit dem Feudalismus, der sich auf Ackerbau und Landeroberungen gründete. Gold hatte Columbus den Königen, deren Geldbedürfnisse eindeutig bei der Entdeckungsfahrt im Spiel waren, versprochen. Goldlager aufzuspüren, erbat er in seinen Gebeten (6. Dezember 1492). Sein Golddurst hielt sogar Einzug in das Marxsche »Kapital«.29 Das Goldmotiv überlagerte die Missionsidee fast vollständig. Im Brief aus Jamaica vom 7. Juli 1503 wurde es unnachahmlich charakterisiert: »Gold ist höchst vortrefflich. Aus dem Gold wird ein kostbarer Schatz. Wer ihn besitzt, macht mit ihm in der Welt, was er will. Mit ihm kann er sogar Seelen in das Paradies bringen.« Aber auch das Tagebuch überliefert zahlreiche Stellen, aus denen hervorgeht, daß der Admiral des Weltmeeres einzig und allein auf der Suche nach Gold war (zum Beispiel am 1. und 12. November). Mit ihm
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konnten in der beginnenden kapitalistischen Produktionsära alle Wünsche erfüllt und glänzende Karrieren begonnen werden. Die auri sacra fames entschied damit das Schicksal der Entdeckten. Gewaltsames ZuTode-Arbeiten wird schon nach der zweiten Amerikafahrt in den Goldminen Españolas die übliche Form der Überarbeit. Neben die Entdeckung des indianischen Gentilkommunismus auf den Antillen (in deren Bezeichnung das sagenhafte Antilia überlebte), trat im Zeitgeist der Renaissance die Entdeckung, der Schönheit der caribischen Inseln.30 »Ich versichere Eure Hoheiten, daß es unter der Sonne wohl kaum Länder gibt, die fruchtbarer sind, die ein milderes Klima haben und reicher sind an guten und gesunden Gewässern, ganz anders als die Flüsse Guineas, die alle verpestet sind.« Die Insel Cuba war »die schönste, die Menschenaugen jemals erblickt hätten, voller ausgezeichneter Häfen und tiefer Flüsse«. Flußufer mit blühenden grünen Bäumen sahen anders aus als die iberischen. Große und kleine Vögel »ließen ihren lieblichen Gesang ertönen«. Palmen von anderer Art als jene Guineas und Spaniens reckten sich im sonnenüberglühten Land. Columbus gestand, daß es »ein großes Vergnügen gewesen sei, das Grün und die vielen Bäume zu sehen, und auch an den Vögeln habe er sich nicht satt sehen können« (28. Oktober). Española überraschte das europäische Auge noch mehr. Die Landschaften der Insel waren »so schön, daß sich selbst die schönsten und besten Kastiliens keineswegs mit ihnen messen könnten« (13. Dezember). Die Spanier suchten die originale Nachtigall Amerikas, die Wirklichkeit ihrer paradiesischen Vorstellungen. Doch die Naturszene der Neuen Welt, verglichen mit der Landschaft der Alten .Welt und in den stereotypen Formen der humanistischen Landschaftsmalerei beschrieben, übertraf die Kraft ihrer Phantasie. Schon in der ersten Beschreibung des Columbus von Westindien erscheint das Real-Wunderbare der tropischen Natur. Gewiß vermochte der Entdecker nicht das Universalhistorische in der Gesellschaftsstufe der Indianer zu finden. Er fühlte jedoch das brennende Verlangen, die Neue Welt so anschaulich zu beschreiben, wie er es vermochte.
Alte Welt – Ostindien Nach Europa zurückgekehrt, landete Columbus am 4. März 1493 in Lissabon, wo er in einer königlichen Audienz von seinen Entdeckungen berichtete. João II. kam zu dem Schluß, daß der spanische Admiral Indien nicht erreicht hätte. Da die Kartographen aber versicherten, daß die als Japan und Antilia geschilderten Inseln innerhalb der portugiesischen Hoheitsgrenze lägen, sollte ein Geschwader den Sachverhalt erkunden. Der Protest des Rivalen führte zur Weltteilungsbulle von 1493, durch die der aragonesische Papst Alexander VI. alle im westlichen Ozean gelegenen Länder und Inseln Spanien zusprach. Als Grenze der beiden Hoheitsgebiete wurde eine von Norden nach Süden gedachte Linie, hundert Leguas westlich der Kapverdischen Inseln, festgesetzt. Den wegen der prospanischen Weltteilung nunmehr portugiesischerseits angekündigten Krieg verhinderte der Vertrag von Tordesillas 1494, der die Grenzlinie zugunsten Portugals verschob. Nunmehr sollte sie 370 Leguas westlich der genannten Inselgruppe verlaufen. Da die Grenzlinie aber in Wirklichkeit wegen der ungenauen Karten nicht gezogen werden konnte, mußte sie ein Objekt dauernder Querelen werden. Vorerst jedoch sicherte der Vertrag von Tordesillas Portugals Ostweg nach Indien und die kommende Kolonisation Brasiliens. Unter dem Befehl des Fidalgo Vasco da Gama (1469 – 1524) entsandte Manuel I. (1495 – 1521) 1497 die lange schon geplante Indienflotte von vier Galeonen mit hundertsiebzig Mann Besatzung, darunter zahlreiche zur Seefahrt begnadigte Verbrecher. Nach der Umschiffung des Kaps folgte sie der ostafrikanischen Küste bis Malindi. Mit der Hilfe des berühmten arabischen Seemannes Abmad-Ibn-Madjid erreichten die Portugiesen nach Wettersturm und Wellenbruch, starrer Kälte im tiefen Süden, Skorbut und Hunger am 20. Mai 1498 den Hafen von Calicut im indischen Fürstenstaat Malabar. Zu diesem Zeitpunkt erfaßte das Mogulreich nur den Norden Indiens, während der Südwesten und Südosten aus rivalisierenden feudalen Fürstenstaaten mit traditionell hochentwickelten Manufakturen bestand. Während die Hindu-Fürsten durchaus bereit waren, sich auf den portugiesischen Zwischenhandel einzulassen, betrachtete die muslimische einheimische wie arabische Kaufmannschaft die Portugiesen als »europäische Piraten«, die sie ja auch waren. Die Portugiesen mußten zunächst die Erfahrung machen, daß der Fürst von Malabar ihre Gastgeschenke – gestreifte Stoffe, scharlachrote Kappen, Hüte, Korallenketten, Waschbecken, Zucker, Öl und Honig – kühl überging (sein Schatzmeister hatte sie als primitiv verlacht) und daß die ausgeschifften Waren als Plunderkram keine Käufer fanden. Dennoch willigte der indische Fürst in einem Schreiben an Manuel I. ein, Gewürze und Edelsteine gegen Gold, Silber, Korallen und Scharlachtuch auszutauschen. Als Muster übergab er den enttäuschten Portugiesen Zimt, Gewürznelken, Ingwer, Muskatnuß, Pfeffer und Edelsteine. Ohne Schiffsladung kehrte der Entdecker des östlichen Seeweges nach Indien mit nur fünfundfünfzig Überlebenden 1499 wieder nach Lissabon zurück. Manuel I. verlieh dem
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erfolgreichen Fidalgo das Prädikat des Hochadels und erhob ihn zum Admiral der indischen Meere. Sich selbst jedoch ernannte der König der Portugiesen zum »Herrn der Eroberungen, der Seefahrt und des Handels von Äthiopien, Arabien, Persien und Indien«. Im Gegensatz zu Vasco da Gama öffnete Christoph Columbus den spanischen Königen den Weg zu einer dreihundertjährigen Kolonialherrschaft in Amerika. Dies steht fest bei allen noch unaufgelösten Problemen seiner Biographie, seiner Fahrten und seiner Schriften. Unter letzteren ist das Tagebuch, wenn auch in der gekürzten Überlieferung, die ursprüngliche Dokumentation der Entdeckung des vierten Weltteils für Europa und zugleich die erste Ankündigung der golddurstigen und völkerverschlingenden Kolonisation. Berlin, Juni 1979
Jürgen Heil
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Anmerkungen 1 Samuel Eliot Morison, Admiral des Weltmeeres: Das Leben des Christoph Columbus, Bremen 1948. Richard Hennig, Columbus und seine Tat, Bremen 1940. J. B. Charcot, Christophe Colomb, vu par un marin, Paris 1928. Raccolta Colombiana – Reale Commissione Colombiana: Raccolta di documenti e studi pubblicati dalla Reale Commissione Colombiana pel Quarto Centenario della Scoperta dell'America, 15 Foliobände, Rom 1892 - 1896, Parte I, vol. 1 - 3, Scritti di C. Colombo (Kollektion von Cesare de Lollis), Rom 1892 - 1894. 2 Abgebildet in: Christoph Columbus, Bordbuch, Briefe, Berichte, Dokumente, hrsg. von Ernst Gerhard Jacob, Berlin (West) 1968. 3 Fernando Colombo; Historie del S. D. Fernando Colombo, Venedig 1571. Rückübersetzung aus dem Italienischen: Hernando Colón, Historia del almirante don Cristóbal Colón, 2 Bände, Madrid 1932. 4 Johann Wolfgang Goethe, Erfinden und Entdecken. 5 Raccolta Colombiana, parte III, Fonti italiane per la storia della scoperta del Nuovo Mondo, vol. 2, Rom 1893, 188. 6 Carlos Sanz (Ed.), Diario de Colón, 2 Foliobände, Madrid 1962 Bd. 1, 21. 12. 1492. 7 Luis de Camões, Os Lusiadas, Straßburg 1913 (nach der 1. Ausgabe Lissabon 1572), III, 20. 8 Gomes Eanes Azurara, Crõnica da Tomada de Ceuta, Lissabon 1916. 9 Ders., Crõnica dos Feitos de Guiné, 2 Bände, Lissabon 1949. 10 Camoes, Os Lusiadas, a. a. O., V, 4. 11 Florentino Pérez Embid, Los descubrimientos en el Atlántico y la rivalidad castellano-portuguesa hasta el tratado de Tordesillas, Sevilla 1948. 12 Raccolta Columbiana, ebenda. 13 Hennig, Columbus und seine Tat, a. a. O., 108. 14 Hernando Colón, Historia del almirante, a. a. O., Bd. 1, cap IV. 15 Hennig, Columbus und seine Tat, a. a. O., 181 f. 16 Bartolomé de Las Casas, Historia de las Indias; in: Colección de documentos ineditos para la Historia de España, Bd. 62 66, Madrid 1875 - 1876, lib. I, cap. 12. 17 Ebenda, lib. I, cap. 29. 18 Karl Marx, Das revolutionäre Spanien; in: Marx/Engels, Werke, Bd. 10, 437. 19 Claudio Sánchez Albornoz, España: Un enigma histórico, 2 Bände, Buenos Aires 1962, Bd. 2, 36. 20 Joaquin Arce Fernández, Problems linguistici inerenti il Diario di Christoforo Colombo; in: Atti del Convegno internazionale di Studi Colombiani 13. - 14. 10. 1973, Genua 1974, 53 - 75 88. Ders., Significado lingúistico-cultural del Diario de Colón; in: Diario di a bordo di Cristóbal Colón, Alpignano 1971. L. A. Vigneras (Ed.), The Journal of Christopher Columbus (Übersetzung: Cecil Jane), London 1960, Introduction. Julio F. Guillén Tato, El primer viaje de Cristóbal Colón, Madrid 1943. 21 Fritz Streicher, S. J., Die Kolumbus-Originale. Eine paläographische Studie; in: Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, Münster i. W. 1928, 196 - 250. 22 Die zusammenfassende Tagebuchabschrift von Las Casas in: Biblioteca Nacional de Madrid, Sección de Manuscritos, Signatura V.° 6, número 7. Als Facsimile in: Carlos Sanz (Ed.), Diario de Colón, Bd. 2. 23 Martín Fernández de Navarrete, Colección de los viajes y descubrimientos que hicieron por mar los Españoles desde fines del siglo XV, Madrid 1825, Bd. 1, 1 - 166. 24 Joaquin Arce Fernández, Problemi linguistici, a. a. O., 71. Ramón Menéndez Pidal, La lengua de Cristóbal Colón, el estilo de Santa Teresa y otros estudibs sobre el siglo XVI; in: Colección Austral, Nr. 283, Madrid 1942. Julio F. Guillén Tato, La parla marinera en el diario del primer viaje de Cristóbal Colón, Madrid 1951. Rodrigo de Sá Nogueira, Portuguesismos em Cristovão Colombo; in: Miscelanea de Filologia, Literatura e Historia Cultural a Memoria de Francisco Adolfo Coelho, Lissabon 1950, 81 - 107. 25 Julio Rey Pastor, La ciencia y la tecnica en el descubrimiento de America, Buenos Aires 1942. Alexander von Humboldt, Kritische Untersuchungen über die historische Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt und die Fortschritte der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert, 3 Bände, Berlin 1836 - 1852. 26 Heinrich Winter, Die Kolumbusschiffe von 1492, Rostock (o. J.). 27 Carlos Sanz, La carta de Colón anunciando su Liegada a las Indias (Descubrimiento de America); in: Nuevas adiciones a la Bibliotheca Americana Vetustissima, Madrid 1958, 77 - 142. Ders., El gran secreto de la Carta de Colón y otras adiciones a la Bibliotheca Americana Vetustissima, Madrid 1959. Ders., La Carta de Colón anunciando el Descubrimiento del Nuevo Mundo, 15. 2. - 14. 3. 1493, Madrid 1961. Ernst Weil, Faksimileausgabe des ersten in Deutschland gedruckten Briefes des Columbus in Latein, 1493, München 1922. 28 Irving Rouse, The Arawak; in: Julian H. Steward (Ed.), Handbook of South American Indians, vol. 4, New York 1963, 507 - 546. 29 Marx/Engels, Werke, Bd. 23, 145. 30 Lorenzo Garcia Vega, Prólogo; in: Cristóbal Colón, Diario de Navegación, La Habana 1961, 2 - 24.
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