KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
ERNST SCHERTEL
AUF DEN SPUREN DER...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
ERNST SCHERTEL
AUF DEN SPUREN DER FRÜHVOLKER AMERIKAS
2006 digitalisiert von Manni Hesse
VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAU • MÜNCHEN . INNSBRUCK • ÖLTEN
Ein Cowboy auf den Spuren des Eiszeitmenschen Im Sommer 195? ist es genau dreißig Jahre her, daß in NeuMexiko — einem der großen südwestlichen Staaten der USA — ein Cowboy gemächlich seines Weges ritt. Ein gewaltiger Sombrero schützte sein wetterbraunes Gesicht vor dem glühenden Sonnenbrand, der ringsum über das weiße Gestein eines ausgetrockneten Flußbettes flammte und alles auszudörren schien, was sich dort noch an Leben finden mochte. Der Schweiß rann dem jungen Burschen und seinem treuen Hengst über die Haut, und beide träumten von der nicht mehr fern winkenden Unterkunft in dem Städtchen Folsom mit seiner kühlen Hazienda für den Reiter und dem gemauerten, sonnensicheren Stall für das Tier. Zerstreut spielten ilie Finger des Cowboys über den Colt in seinem Gürtel, während seine zusammengekniffenen Augen in die blendende Weite schweiften. Plötzlich wurde sein Blick gefesselt: An einer Stelle des ehemaligen Flußufers sah das scharfe Auge des Reiters merkwürdige dunkelbraune Gebilde liegen, die fast wie verdorrte Blätter erscheinen konnten. Der Cowboy stieg neugierig aus dem Sattel, warf die Zügel dem Pferd über die Mähne und schritt auf die Stelle zu, die seine Aufmerksamkeit so mächtig erregt hatte. Er bückte sich und nahm eines der vermeintlichen Blätter in die Hand. Es fühlte sich hart an wie Stein und glänzte goldbraun über die ganze Oberfläche. Waren es versteinerte Blätter eines vorsintflutlichen Baumes? Der Cowboy schüttelte den Kopf; das hier ging über seine Schulweisheit. Er schob mit dem Fuß etliches Gestein beiseite und legte weitere Steinstücke frei. Eine Handvoll raffte er zusammen, steckte das Ganze in seinen Beutel, schwang sich wieder in den Sattel und trabte nachdenklich dem Städtchen zu. Am Spätnachmittag langte er in Folsom an. Als er sein Pferd versorgt hatte, begab er sich in den Schankraum der Hazienda, wo er einige seiner Freunde zu treffen hoffte. Den Männern, die beim Whisky beisammensaßen, berichtete er sogleich von seinem Fund. Man ließ die Sachen von Hand zu Hand gehen, und dann 2
begann ein großes Rätselraten. Man dachte an versteinerte Tannenzapfen, an den Mageninhalt eines Mammuts, an Kammzacken eines Drachentieres und manch anderes mehr. Bis endlich einer das richtige Wort fand: „Das ist überhaupt nichts für uns — das ist was für einen Professor!" So packte der Cowboy seine rätselhaften Schätze wieder zusammen, und man sprach von etwas anderem, Näherliegendem. Aus der Hand des Finders gelangte der Fund von Folsom in das geologische Institut der Universität Albuquerque, und bald begann die sorgsame wissenschaftliche Untersuchung des Falles. Eine Kommission von Gelehrten begab sich an den Fundplatz. Man fand noch eine Menge der gleichen braunen Stücke, und zwar zusammen mit alten Knochen, die der Cowboy nicht beachtet hatte; denn gebleichte Knochen verendeter Tiere gehörten hierzulande zu den gewöhnlichsten Dingen. Die Gelehrten stellten indes bald fest, daß es sich im vorliegenden Falle um Skelettreste eines büffelartigen Tieres handelte, das schon vor mindestens 10000 Jahren in Nordamerika ausgestorben war. Die zackigen braunen ..Blätter" aber wurden als Speerspitzen aus Feuerstein erkannt. Man hattt die Hinterlassenschaft von Menschen vor sich, die vor Jahrtausenden hier gelebt hatten. Das war die große Überraschung. Es hatte den Anschein, als ob man auf die Spuren der ersten Bewohner des Doppelkontinents Amerika gestoßen wäre. Es begann ein Wettlauf nach weiteren Speerspitzen aus so früher Zeit. Die Tagespresse nahm sich der Sache an, und ihre Leserschaft machte mit. Aus vielen Orten trafen Nachrichten ein, dieser und jener Farmer habe auf seinem Acker ähnliche Stücke gefunden, Lehrer meldeten sich, die bereits eine ganze Sammlung der Feuersteinspitzen besaßen. Ganz Nordamerika wurde abgesucht. Als man die Fundorte in eine Karte eintrug, ergab sich, daß Funde vor allem aus dem Westen vorlagen und sich dort um so mehr häuften, je näher man Alaska und der Beringstraße kam. Hier gab es Plätze, wo man die Spitzen geradezu haufenweise zusammenkehren konnte. Die Schlußfolgerung lag nahe, daß von dieser, Asien benachbarten Nordwestecke aus jene vorzeitliche Menschenrasse in den Kontinent eingewandert sein mußte und daß sie aus dem nordöstlichen Sibirien gekommen war. Sie hatte vermutlich 3
die an ihrer schmälsten Stelle 75 Kilometer breite Beringstraße überquert, die sich in den Wintern durch Eisbänke völlig schließt und auch in den Sommern durch die in der Meeresstraße liegenden Inseln leicht als Übergangsstelle von Asien nach Amerika dienen konnte. Vielleicht bestand damals auch noch eine Landbrücke zwischen den beiden Kontinenten nördlich der Beringstraße. Die Entdeckung des Cowboys und die Forschungsarbeit der Gelehrten erhielten erst ihr volles Gewicht, als im Jahre 1933 bei Tule Springs in den Wüstengebieten des nordamerikanischen Staates Nevada menschliche Lagerplätze ausgegraben wurden, die über 20000 Jahre zurückliegen mußten, wie durch die moderne Altersbestimmung der Radiokarbonmethode* nachträglich festgestellt werden konnte. Aus all dem ergibt sich, daß schon gegen Ende der letzten Eiszeit und unmittelbar nachher Menschen in Nordamerika gelebt haben. Es wäre falsch, zu glauben, daß es „die Indianer" gewesen sind, so wenig wir etwa bei den Eiszeitmenschen Südfrankreichs annehmen dürfen, daß es sich um „die Franzosen" handle, deren Ahnen einige Jahrhunderte vor Christus als Gallier dort eingewandert sind. Welcher Rasse die Eiszeitbewohner Nordamerikas angehört haben, ist bis heute nicht festzustellen gewesen, da man noch keinen einzigen Skelettrest aufgefunden hat und nur aus ihrer Hinterlassenschaft auf ihre einstige Existenz schließen kann. Menschliche Knochen vermodern viel leichter als Tierknochen, so daß in vielen Fällen zwar noch Tierreste zutage treten, während Menschenreste der Vergängnis anheimfielen. Sicher ist nur, daß jene nordamerikanischen Menschen gegen Ende der letzten Eiszeit von außen her in das bis dahin menschenleere Amerika eingewandert sein müssen, da es in Amerika selbst niemals Vorläufer des Menschen gegeben hat, die sich hätten zu „Urmenschen" entwikkeln können.
Zwerge nehmen Besitz von Nordamerika Der Mensch der Eiszeit und der unmittelbaren Nacheiszeit Nordamerikas scheint groß und kräftig gebaut gewesen zu sein, wie * S. Erklärung hinter der Zeittafel, Seite 30
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aus den Abmessungen seiner Waffen und aus den zahllos von ihm erlegten Großtieren — Mammut, Mastodon, Altbüffel und Riesenfaultier — hervorgeht. Trotzdem verschwanden jene frühen Menschenrassen im Laufe der Zeit, so wie auch die eiszeitliche Tierwelt der Neuen Welt, mit denen sie zusammengelebt haben, allmählich ausgestorben ist. Aber neue Schübe von Einwanderern folgten. Der Tierbestand veränderte sich langsam in Richtung auf seine heutigen Formen. Die Menschen, die jetzt aus Asien in hellen Haufen nachdrängten, waren von ganz anderer Art als alles, was vorher oder nachher in Nordamerika gelebt hatte; es waren „Zwerge" — keine Däumlinge von einer Spanne Länge, wie im Märchen, jedoch sehr kleine, schmächtige Kerle, wie man noch an ihren Skeletten feststellen kann. Und keiner von ihnen hatte lange zu leben. Wenn einer dieser Kleinmenschen 27 oder gar 30 Jahre alt wurde, war er schon ein Greis und stieg ins Grab. Die Kindersterblichkeit muß sehr groß gewesen sein. Trotzdem besaß diese Rasse Eigenschaften, die ihr als Rasse ein jahrtausendelanges Leben verlieh: Sie vermehrte sich mit ungewöhnlicher Fruchtbarkeit. Die Bevölkerungsziffer stieg von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, und die Ströme dieses Zwergvolkes ergossen sich flutartig über den Kontinent. Etwa um 5000 vor unserer Zeitrechnung waren die ersten Trupps angelangt, und schon zwei Jahrtausende später finden wir Angehörige dieses Volkes über ganz Nordamerika — einschließlich Kanadas — verbreitet. Dichtgedrängt wie Bienenschwärme oder Ameisen wohnten sie in ihren Dörfern entlang den Flüssen, die sie auf primitiven Einbäumen befuhren. Wenn sie einmal ein Dorf angelegt hatten, dann blieben sie dort ansässig; sie klebten mit erstaunlicher Zähigkeit an ihrer Scholle. Ihre Dörfer hatten ein wunderliches Aussehen: Jede Hütte stand hoch oben auf einem Haufen von Unrat, Asche und Küchenabfällen — Knochen, Fischgräten und Muschelschalen. Diese Misthaufen, die aus dem Müll, Schmutz und Mahlzeitenrückstand ganzer Generationen erwachsen waren, konnten acht bis neun Meter hoch werden und hatten oft einen Durchmesser von über zehn Meter. Die Oberfläche war mit einer dicken Lehmschicht überkleidet. Sobald sich wieder häßlicher Unrat übermäßig angesammelt hatte, wurde auch dieser Schutt aufs neue säuberlich mit 5
Lehm verdeckt. Die auf dem „Gipfel" eines solchen Haufens errichtete Hütte bestand vornehmlich aus der Feuerstelle, um deren gesellige Flamme sich die Sippenmitglieder sammelten. Starb einer der Angehörigen, so wurde er in dem gleichen Abfallhaufen begraben, auf dem er gelebt hatte. Oft bestreuten die Hinterbliebenen den Leichnam mit Ocker, der wegen seiner Feuerfarbe bei vielen Völkern als Sinnbild des Lebens gilt. Die Nahrung beschafften sich die Zwergmenschen durch Jagd, Fischerei und das Einsammeln von Wurzeln und Wildfrüchten. Aus dem Inhalt der Abfallhaufen sind wir gerade über diesen Punkt sehr genau unterrichtet: Die Nahrung bestand nicht aus dem Ertrag der Jagd auf Großwild, auf Elch, Büffel oder Bär, sondern aus dem Fleisch des Rotwilds, von Fuchs, Kaninchen, Opossum, Murmeltier, Vielfraß und von Geflügel, vor allem dem Truthahn, der Wildente und der Wildgans. Auf der Speisekarte standen auch Muscheltiere und Fische. Den Anbau von Nutzpflanzen kannten diese Menschen noch nicht. Erstaunlich entwickelt dagegen war bereits das Handwerk. Als Rohstoff für ihre Waffen und Werkzeuge diente der Feuerstein, aus dem die „Zwerge" Speerspitzen, Messer, Bohrer, Stichel und Beile herzustellen verstanden. Auch Tier- und Menschenknochen, Hirschgeweihe und Muschelschalen verarbeitete man zu nützlichen Gegenständen. In geringem Umfang nutzte man das Kupfer aus, das durch Hämmern im kalten Zustand geformt werden konnte, besonders KU Schmucksachen. Die Frauen schmückten sich auch gern mit farbigen Steinperlen. Da die Töpferei noch unbekannt war, dienten als Gefäße geschnitzte hölzerne Schalen und Schüsseln oder die natürlichen Schalen großer Früchte. Auf die Jagd gingen sie mit dem Wurfspeer, der mit Hilfe einer Speerschleuder* geworfen wurde. Pfeil und Bogen waren dagegen noch nicht in Gebrauch. Diese kleinen Leute verfügten insgesamt schon über eine recht beachtliche Lebenstechnik, die ihnen den Kampf mit der umgebenden Natur sehr erleichterte. Der Name dieser Zwerge ist uns nicht überliefert; man nennt sie wissenschaftlich das „Archaische Kleinwuchsvolk („archaisch" = altertümlich). Besser sind wir aus den vorhandenen Skeletten * Vgl. Erklärung hinter der Zeittafel, Seite 30
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Steinplastik eines „schmalgesichtigcn Kurzscliädels" (Fundstück aus vorgeschichtlichen Schichten von Kentucky)
über ihre Rasse unterrichtet. Sie scheinen mit den nordostasiatischen „Ainu" verwandt gewesen zu sein, die einst sehr zahlreich waren, heute aber auf eine kleine Anzahl zusammengeschrumpft sind. Diese merkwürdige Altrasse ist von auffallend kleiner Statur und zeigt auch heute noch eine geradezu waldmenschenähnliche Behaarung. Die Barte der Männer sind von gewaltiger Breite und reichen oft bis zum Knie. In dieser Art dürfen wir uns auch jenes „Archaische Kleinwuchsvolk" des vorgeschichtlichen Nordamerika vorstellen, dessen Bild sich durch diese Eigentümlichkeit noch mehr der uns vertrauten Vorstellung von Waldzwergen und Hutzelmännchen annähert. Um 1600 vor unserer Zeitrechnung ist der letzte von ihnen in Kentucky gestorben. Auch dieses Datum ist durch die Radiokarbonmethode ermittelt worden. Die Zwerge Nordamerikas waren „schlafen" gegangen.
Eskimos fischen im Mississippi Während an der Westküste Nordamerikas, in den Landschaften am Stillen Ozean, schon längst die Urahnen der späteren echten Indianer von Sibirien her ihren Einzug gehalten und ihre eigenartigen Lebensformen zu entwickeln begonnen hatten, war der Osten des Kontinents am Atlantik nach dem Verschwinden des „Archaischen Kleinwuchsvolkes" zu einer Art Niemandsland geworden, dessen fast undurchdringlicher Urwaldbestand wenig Verlockendes für Einwanderer an sich hatte, die einigermaßen höhere Lebensansprüche stellten. So bot sich das Land als leichte Beute für die arktischen Völker, die in ihrer hochnordischen Heimat an Kummer und Mühsal gewöhnt waren und im Vergleich zu ihrem ewigen Eis und Schnee die wärmeren Mississippigebiete fast als Paradies empfinden mußten. Auch diese Nordvölker waren aus Asien gekommen, und auch sie hatten einen Schuß Ainu-Blut, was in ihrer ebenfalls kleinen Statur zum Ausdruck kommt. Sie selbst nannten sich „ I n u i t " , „ E t e " oder sonstwie, aber wir fassen sie zusammen unter dem Namen „Eskimo", ein Begriff, der eigentlich ein Spitz- und Spottname ist, den ihnen in späterer Zeit die Irokesen gegeben haben und der soviel wie „Rohfleischesser" be8
deutet. Sie essen nämlich noch heute alles Fleisch roh, obwohl sie das Feuer kennen und zum Beispiel ihr „Gemüse" kochen das aus dem pflanzlichen Mageninhalt der geschlachteten Rentiere besteht und ohne Kochen ungenießbar wäre. Aber Fisch, Wal und Seehund werden roh verzehrt, so daß die Vitamine erhalten bleiben. Die eskimoischen Rohfleischesser begannen also in die Ohiound Mississippiländer einzudringen, nachdem das Kleinwuchsvolk dort ausgestorben war. Auch an der atlantischen Küste breiteten sie sich weit nach Süden aus. Das bedeutete für die Fischwelt dieser Gebiete einen gewaltigen Schrecken; denn die Eskimos waren mit weit besserem Fischereigerät ausgerüstet, als es den Waldzwergen zur Verfügung gestanden hatte. Die Eskimos besaßen vielerlei Harpunenarten — beinahe für jedes Wassertier eine besondere Konstruktion — und hatten Angelgerät von solcher Vollendung, daß jeder Angler von heute seine Freude daran hätte. Obwohl das Gerät aus Knochen und Tierzähnen hergestellt war, erfüllte es hervorragend seinen Zweck. Auch die Netzfischerei mit Netzen aus Pflanzenfasern oder dünngeschnittenen Tiersehnen war hochentwickelt. Die Eskimos sind breitgesichtige Langschädel; sie zeigen, von vorn gesehen, ein rundes „Vollmondgesicht", während der Abstand zwischen Nasenwurzel und Hinterkopf sehr groß ist, so daß die rückwärtige Kopfpartie weit nach hinten reicht. An diesen Langschädeln sind die Ausgrabungsschichten der eskimoischen Epoche im östlichen Nordamerika leicht zu erkennen. Der Aufenthalt in den wärmeren Landstrichen mußte den eskimoischen Einwanderern wie eine Zeit ewiger Sommerferien erscheinen; selbst der Winter zeigte sich hier immer noch ungleich milder als in ihrer Polarheimat, wo jedes Jahr aufs neue die grauenhafte Polarnacht zu überstehen war. Es fehlte jede Art von Feinden, denn niemand machte ihnen die endlosen Urwälder streitig. Das war ein Vorzug, der schon dem „Archaischen Kleinwuchsvolk" seine ungestörte Entwicklung und Ausbreitung in diesem Riesengebiet erlaubt hatte. So wohnten die Eskimos hier in bequemen Sommerhütten aus Balken und Reisig, die sie mit ihren arktischen Schneekuppelhäusern vertauscht hatten, und die Jahrhunderte verstrichen in gleichförmigem Lauf wie kurze Tage. Die von Fischen wimmelnden Bäche und Ströme und der beutereiche Saum der 9
Meeresküste boten Nahrung in Fülle. Man hätte jahrtausendelang so weitergelebt, wenn nicht doch eine neue Macht erschienen wäre, die diesem Schlaraffendasein der Nordländer ein Ende bereitet hätte. Kurz vor unserer Zeitrechnung begann von Süden her ein Sturm aufzuziehen. Neue Völker waren im Anmarsch.
Die Sclilangenaiibeter kommen Die große Völkerbewegung ging von Mittelamerika aus. Die seit unbekannten Zeiten hier sitzenden Altrassen begannen etwa um die Zeit, als in Europa das römische Kaiserreich begründet wurde, unruhig zu werden und wie ein Sauerteig zu gären. Den Grund für diese Unruhe dürfen wir wohl in dem Einströmen indianischer Stämme sehen, die von der Westküste Nordamerikas her nach Süden drängten und dort die eingesessene Bevölkerung aufscheuchten. Zum ersten Male traten echte Indianer, deren Urheimat ebenfalls Asien war, als Eroberungsvölker auf. Seit Jahrtausenden saßen sie an der pazifischen Küste Nordamerikas und hatten sich dort ausgebreitet, ohne kriegerisch in die Geschichte des Kontinents einzugreifen. Wohl waren große Gruppen von ihnen quer durch die Rocky Mountains und die Kiescnräume der Prärien nach Osten vorgedrungen: aber dort waren sie auf Niemandsland oder schlimmstenfalls auf das ,,Archaische Kleinwuchsvolk" oder die Eskimos gestoßen, die vor ihnen in die Urwälder flohen, sobald sie ihrer ansichtig wurden. Die Indianer wagten es nicht, in die Waldgebiete östlich des Mississippi einzudringen und wandten sich nach Süden. Die Länder der Mittagssonne lockten. So richteten sich die Wanderzüge der tatkräftigsten und kulturfähigsten Indianerstämme Nordamerikas auf Mittelamerika, wo bereits alte und von einer dichten Bevölkerung getragene Kulturen bestanden. Kriegerische Zusammenstöße waren unvermeidlich geworden. Die Angehörigen der Altrassen Mittelamerikas hatten ein ganz anderes Aussehen als die Indianer. Sie hatten breitgesichtige Kurzschädel; die Indianer aber waren langschädelig und mehr oder weniger schmalgcsichtig oder zeigten ein länglich-viereckiges Antlitz. Aber auch der kulturelle Charakter jener mittelamerikanischen 10
Karte Nordamerikas. Die Einwanderung der ersten Menschen in den menschenleeren Kontinent (seit etwa 20 000 v. Chr.) erfolgte im Nordwesten von Asien her über die Beringstraße und durch Alaska. Der schwarzgestrichelte Teil auf der Karte bezeichnet den Lebensraum der Adena- und HopewellKultur. Punktierte Linien: Grenze Alaskas, Kanadas, der Vereinigten Staaten
Altvölker unterschied sich völlig von dem der eindringenden Indianer. Jene Völker gingen fast völlig nackt, während die Indianer Vollbekleidung trugen. Am krassesten aber war der seelische Unterschied. Die mittelamerikanischen Eingeborenen zeigten eine milde und freundliche Sinnesart, die scharf abstach von der gewalttätigen Art der einfallenden Indianer. Trotzdem erwiesen sich auch die Mittelamerikaner oft als tapfere Kämpfer und Krieger, wenn es darauf ankam. Doch begnügten sich die Indianer zunächst damit, das Hochland von Mexiko zu besetzen, wo schon bald die echte indianische Kultur von Teotihuacan entstand, die später durch die Kulturen der ebenfalls indianischen Tolteken und Azteken abgelöst oder weiterentwickelt wurde. Der Einbruch der Indianer in den mittelamerikanischen Landstreifen wirkte auf den ganzen Raum wie ein Felsblock, der in einen See stürzt: Weithin schlugen die Wellen und wirbelten die Völker auf, die bis dahin in Ruhe und Frieden gelebt hatten. Umschichtungen und Auswanderungen setzten ein. Die Vorfahren des Mayavolkes* flüchteten aus ihren angestammten Wohnsitzen in Honduras und zogen sich auf die Halbinsel Yucatan am Golf von Mexiko zurück. Große Völkcrmassen strömten in den Südwesten Nordamerikas — in die heutigen USA-Staaten Neu-Mexiko, Arizona und Colorado — und wurden dort zu einem Grundbestandteil der Pueblos.** Andere wandten sich in den nordamerikanischen Osten. — Von ihnen soll auf den folgenden Seiten vor allem die Rede sein; denn diese Auswanderer gehören zu den interessantesten Frühvölkern der Neuen Welt. Es waren ebenfalls breitgesichtige Kurzschädel, die auf ihre Kurzschädeligkeit sehr stolz waren. Sie suchten die merkwürdige Kopfform künstlich zu betonen, indem sie ihre Kinder schon im frühesten Säuglingsalter auf ein Brett schnallten und durch eine Stirnbandage den Kopf fest an die Unterlage preßten. Dadurch wurde der Hinterkopf abgeflacht und das hochgeschätzte Rassemerkmal mit Gewalt verstärkt. Es ergaben sich oft die seltsamsten Mißbildungen; denn wenn die Natur vielleicht zufällig einen Lang• Vgl. Lux-Lesebogcn Nr. 86 „Das Reich der Maya" und Nr. 51 „Cortez — der weiße Gott". ** Vgl. Ernst Schertel: „Land der unterirdischen Götter" (Lux-Lesebogen Nr. 213). 12
Schädel geplant hatte, wölbte sich das Schädeldach besonders hoch empor, und es entstand ein sogenannter Turmschädel, wie er auf einigen uns erhaltenen Plastiken gut zu erkennen ist. Wie dieses Volk oder dieses Völkergemenge geheißen hat, das sich an der Atlantikseite Nordamerikas eine neue Heimat suchte, wissen wir nicht. Man hat ihm den Phantasienamen „Adena-Volk" gegeben. Man weiß aber, daß es sich bereits auf einer gehobenen Kulturstufe befand. Es bebaute mit Holz- oder Steinhacke seine Äcker, auf denen Kürbis, Bohne und vor allem Sonnenblumen angepflanzt wurden, deren Samenkörner das wichtigste Nahrungsmittel darstellten. Auch die Töpferei war schon bekannt. Die uns erhaltenen Gefäße aus gebranntem Ton, die sie mit geometrischen Ritzmustern verzierten, machen den „Adena-Leuten" alle Ehre. Waffen und Werkzeuge bestanden noch aus Stein, wie bei allen Völkern Amerikas vor der Ankunft der Europäer. Trotzdem war auch das Kupfer nicht unbekannt, das kalt für Schmucksachen oder Kultgeräte verarbeitet wurde. Die Kupferlager Nordamerikas befanden sich oben bei den Großen Seen. Im Fernhandel kam das kostbare Metall zu den verschiedenen Völkern. Die „Adena-Völker" beteten Schlangen an. Die Schlange war ihnen Sinnbild alles Höchsten — Sinnbild des Himmels und der Unterwelt, des Lichtes und der Dunkelheit, des Lebens und Sterbens und alles Geheimnisvollen und Dämonischen. Die „Weltenschlange", die sich als Regenbogen über den Himmel spannte und als Drache in der Unterwelt schlief, war ihre höchste Gottheit. Einen ähnlichen Schlangenkult finden wir in ganz Asien — von Sibirien bis Hinterindien —, und er war auch den Indianern vertraut. Langsam aber unaufhaltbar wie ein Zug von Wanderameisen wälzte sich der Strom der „Adena-Völker" nach Norden. Wo sich an Wasserläufen geeignete Plätze boten, begannen einzelne Familien zu siedeln. Das Gros aber zog weiter und durchwanderte den ganzen Osten Nordamerikas. Zunächst stießen sie in den fast menschenleeren Räumen kaum auf Widerstand. Erst im Gebiet der eskimoischen Urwaldkultur am Mississippi und um den Ohio herum wird es erstmals zu Kämpfen gekommen sein. Durch ihre Kriegerzahl und ihre waffentechnische Überlegenheit blieben die Adena-Leute Sieger. Schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung finden wir deshalb die 1,3
„Adena-Völker" als unbestrittene Herrseher im ganzen südöstlichen Nordamerika. Sie hatten sich in dem Gebiet zwischen den Großen Seen im Norden und der Halbinsel Florida und in den Streifen zwischen der atlantischen Küste und dem Mississippi bis in das mittlere Texas hinein festgesetzt.
Die künstlichen Berge Die Adena-Leute waren keine einheitliche Nation, sie waren auch nicht in einem „Reich" zusammengefaßt, sondern zeigten untereinander mancherlei Verschiedenheiten und wohnten an oft weit auseinanderliegenden Plätzen, so wie es sich bei ihrem Einzug in die neue Heimat ergeben hatte. Jeder dieser Plätze bestand aus einem geschlossenen größeren oder kleineren wohlorganisierten Gemeinwesen. Beim Bau ihrer Häuser rammten sie im Abstand von etwa eineinhalb Metern Pfähle im Kreis herum paarweise in die Erde und füllten die Zwischenräume mit Flechtwerk aus und überkleideten das Ganze mit Lehm. Zuletzt wurde ein kegelförmiges Dach aus Rinde aufgesetzt. Ein solcher Bau hatte etwa einen Durchmesser von zwölf bis achtzehn Metern und diente je einer Sippe als Behausung. Es gab auch Riesenbauten dieser Art mit zwanzig bis dreißig Meter Durchmesser, in denen sich die Dorfgemeinschaften zu ihren Feiern versammelten. Ergriffen steht der Mensch von heute vor den gewaltigen Friedhöfen der Adena-Menschen. Meist wurden die Toten verbrannt und ihre Asche in kleinen viereckigen Gräbern in die Erde gesenkt. Nur hervorragende Persönlichkeiten, Häuptlinge und Priester, wurden unverbrannt beigesetzt. Nach dem Stand des Bestatteten richtete sich auch der Wert der Beigaben, die man in das Grab legte. Ober jedes Grab wölbte sich ein Erdhügel, und diese Grabhügel wuchsen allmählich zu einem einzigen großen künstlichen Hügel zusammen, der alle Einzelgräber wie ein Sargdeckel bedeckte. Diese Gräberberge sind so charakteristisch für die „AdenaVölker", daß man sie auch „Hügelerbauer" genannt hat. Manchmal lagen mehrere Friedhofsberge dicht nebeneinander, Erinnerungsstätten für zahlreiche Generationen. Man kennt Hügel bis zu dreihundert Meter Durchmesser und von über dreißig Meter 14
Höhe, die meisten aber waren kleiner. Ihre Zahl beträgt mehrere Tausend. Zu den größten Gräberhügeln gehört der „Cahokia Mound" — der Cahokia-Hügel — östlich von St. Louis. Von gewaltiger Ausdehnung sind auch der „Adcna-Mound" im südlichen Ohio-Staat und der „Scioto Mound", ebenfalls in Ohio. Der Platz „Moundville" im Staate Alabama ist nach den großen Mounds benannt, die sich hier befinden. Ziel vieler Altertumsforscher sind im Staate Georgia die „Kolomiki Mounds", eine Hügelgruppe, die das ganze Landschaftsbild beherrscht. Viele Hügel sind erst vor kurzer Zeit aufgeschlossen worden, und die meisten von ihnen wurden zu „Archäologischen Staatsdenkmälern" erklärt und unter behördlichen Schutz gestellt. Es sind wahre Fundgruben für Altertümer. Was wir an Hinterlassenschaft aus der Zeit der „Adena-Völker" besitzen, stammt meist aus jenen monumentalen Grabanlagen.
Der Altar der Wolkenschlange Verschieden von den Hunderten von Begräbnishügeln der AdenaLcute sind einige wenige ihrer Hügelbauten, die nicht der Bestattung und dem Gedächtnis der Toten, sondern als Riesen-Altäre dienten. Die Gottheit, der sie galten, war die Schlange. Hoch auf dem Hügel lag das Bild dieses gotthaften Tieres in Riesenformen aus Erde und Stein modelliert, als ob es auf diese Weise dem Himmel und den Wolken nahegerückt sein sollte. Der größte und besterhaltene Erd-Altar der Adena-Kultur ist der „Schlangenhügel", der „Serpent Mound" im Staate Ohio. Hier springt eine hügelige Geländenase in das Tal des Brush Creek vor, eines an dieser Stelle etwa fünfzig Meter breiten Nebenflusses des gewaltigen Ohio River. Steil fällt der Geländekeil mehr als dreißig Meter tief zum Brush Creek ab, während die andere Flanke in das Tal eines kleinen Nebenflusses abstürzt. Das Ganze wirkt wie eine natürliche Kanzel, die hoch und beherrschend über das umgebende dichte Waldland aufragt. Ganz oben auf dieser naturgegebenen Empore liegt wie ein zaubervolles Naturspiel das Riesenrelief — die halbplastische Darstellung — einer Schlange, die 15
aus Erde und Steinen wie von Riesenfäusten geformt ist. Der Körper der gigantischen Schlange ist an seinen dicksten Stellen über sieben Meter breit und fast zwei Meter hoch. Der Schlangenleib windet sich in sieben gewaltigen Kurven und ist am Schwanzende spiralig eingerollt. Würde man ihn gestreckt auseinanderziehen, dann ergäbe sich eine Länge von vierhundert Metern. In seiner gewundenen Form mißt das Riesentier immer noch zweihundert Meter (vgl. Abbildung Seite 17). Und seltsam: Die Götterschlange stößt aus ihrem Maul ein Ei hervor, ebenfalls aus Erde und Steinen modelliert, und vierzig Meter lang und zwanzig Meter breit. Auf dem Ei erhebt sich nochmals eine Art Hügel, der aus angekohlten Steinen besteht. An der Schwärzung der Bodenschicht erkennt man, daß hier ehemals Feuer entfacht worden ist. Die Schlange im Brush-Creck-Tal ist das riesenhafteste Tierbild der ganzen Welt. Es zeugt in seiner gewaltigen Größe von der Verehrung eines alten Volkes für die jenseitigen Mächte, von seinem Glauben an ein geheimnisvolles Werden und Vergehen und an den ewigen Gegensatz von Licht und Finsternis, von Himmel und Unterwelt, von Heil und Unheil. Die Schlange — jenes rätselhafte Wesen, das im Felsdunkel wohnt und auf der Erde im Lichtglanz der Sonne dahinfährt, galt als der Inbegriff und die Zusammenfassung all jener Gegensätze, unter denen sich das Schicksal der Menschen vollzieht. Auch in der Bibel spielt die Schlange diese Doppclrolle; im Paradiesbericht wird sie dem Teufel gleichgestellt und bringt Leid und Tod über die Welt, in der Geschichte vom Zug der Juden durch die Wüste aber ist sie die „Eherne Schlange", die Heil und Gesundheit beschert. Unter den Schlangenbildern der „Adena-Völker" scheint das Bild im Brush-Creek-Tal vor allem die Schlange als Sonnenwesen zu verkörpern, das unter den Strahlen des Tagesgestirns hingebreitet liegt. Hier erscheint sie nicht in ihrem tötenden, sondern in ihrem lebenspendenden Charakter wiedergegeben. Das Ei, das sie aus ihrem Maul hervorgehen läßt, versinnbildlicht offenbar das junge oder neue Leben, das immer wieder aus dem Rachen des Todes sieghaft hervorgeht. Auch das Feu3r, das einst auf diesem Riesenei entzündet wurde, sollte „Leben" bedeuten. Man denkt bei 16
diesem magischen Ei an den Eierkult auf der OsterinseP), dem die gleiche Sinnbildlichkeit zugrundeliegt. Außer dem Schlangenhügel am Brush Creek gibt es einige andere ähnliche Schlangen-Erdbauten in Amerika; berühmt ist der Schlangenhügel in der Provinz Ontario in Kanada. Die kanadische Schlange ist indes ,,nur" fünfundsechzig Meter lang, aber ungefähr ebenso breit und hoch wie die am Brush Creek in Ohio. Ganz merkwürdig mutet es an, daß auch in dem weit entfernten Schottland ein solcher Schlangenhügel entdeckt werden konnte, über den sich die Schlange hundert Meter weit hinzieht. Vielleicht bestehen hier weltweite Zusammenhänge, die in Asien ihren Ursprung haben. Das Eigentümlichste an all diesen Riesenbildwerken ist die Tatsache, daß sie nur aus der Vogelperspektive in ihrer ganzen Größe überschaubar sind. Diese Eigenschaft teilen sie mit gewissen vorgeschichtlichen „Bodenzeichnungen" in Kalifornien, Chile und Peru, die auch nur aus der Luft gesehen einen bildhaften Zusammenhang erkennen lassen. Den Herstellern kam es also vor allem darauf an, daß die Bildwerke existierten und ihren geheimnisvollen Zauber wirksam werden ließen, nicht aber, daß man sie jemals in ihrer Ganzheit überschauen und erkennen konnte. Gewiß wurden die Bilder erst sorgfältig geplant und im Kleinen entworfen, bevor sie dann in riesiger Vergrößerung in die Wirklichkeit übertragen wurden. Im Schlangenhügel am Brush Creek haben sich die „AdenaVölker" ein weltgeschichtliches Denkmal gesetzt. Es ist um das Jahr 900 n. Chr. entstanden und war Jahrhunderte lang religiöser Mittelpunkt der „Schlangenanbeter". Hervorragende Persönlichkeiten ließen sich in der Nähe des Schlangenbildes bestatten; über die ganze Hochfläche breiten sich B^gräbnishügel und andere äußerlich nicht gekennzeichnete Begräbnisplätze. Wenn in den Festnächten das heilige Feuer auf dem Schlangenei zum Himmel flammte und weithin über die Wipfel der Urwälder leuchtetej erinnerten sich die Menschen dieser Völker ergriffen an ihre Herkunft aus der Welten- und Wolkenschlange „Manito". *) Vgl. Lux-Lesebogen Nr. 82, „Rätsel der Osterinsel".
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Wallburgen wachsen auf Lange Zeit sind die „Adena-Völkcr" die unbestrittenen Herren ihres Lebensraumes zwischen dem unteren Mississippi und den Großen Seen gewesen. Weder die eskimohaften Nordländer noch die indianischen Wildstämme des Westens waren stark genug, ernsthafte Angriffe zu wagen. Und doch erfüllte sich eines Tages auch das Schicksal der ,,Schlangenanbeter' ; . In Mittelamerika hatten die indianischen Tolteken — von Norden her anstürmend — die u r alte Stadt Teotihuacan (nahe der heutigen Stadt Mexiko) erobert und in der Nähe eine eigene Hauptstadt Tula gegründet. Von diesem Zeitpunkt an — es ist etwa um 800 n. Chr. — hörten die Einfälle der erstarkenden Indianervölker der westlichen Felsengebirge Nordamerikas nach Mittelamerika nicht mehr auf. Sie drängten jedoch nicht nur nach Süden, sondern fluteten auch in dichten Schwärmen nach dem Osten, wo jenseits des Mississippi die inzwischen reichgewordenen Kulturländer der „Adena-Völker" lockten. Die friedlichen Zeiten waren worbei, es galt sich zur Verteidigung bereitzumachen. In der Adena-Kultur selbst hatte sich in dieser Z^it eine tiefgreifende Wandlung vollzogen. Die ursprünglichen Träger dieser Kultur waren allmählich hingeschwunden und durch neu zuströmende — wenn auch verwandte — Völker aus Mittelamerika überlagert worden. Den Neuankömmlingen war die Aufgabe zugefallen, alles noch Lebensfähige aus der Adena-Kultur zu übernehmen und zu bewahren und gleichzeitig das Errungene gegen die andrängenden Indianerstämme des Westens mit starker Hand und unter Aufbietung aller verfügbaren technischen Mittel zu schützen. Durch diesen Wandel der Lebensverhältnisse bot der Osten der heutigen Vereinigten Staaten um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein sehr verändertes Bild gegenüber den vergangenen Epochen. Die Art der Wohnstätten war zwar immer noch die gleiche wie ehemals: Zu Dörfern zusammengefaßt, reihten sich die aus Pfählen errichteten und mit Rinde gedeckten Klein- und Großhäuser entlang den Wasserläufen aneinander, und ringsum lagen wie einst einzeln oder in Gruppen die kegelförmigen Begräbnishügel. Etwas Neues aber war in die Landschaft gekommen: Gewaltige Bcfesti19
gungsanlagen, welche die bedeutenderen Wohnplätze schützten oder an besonders gefährdeten Punkten des Landes aufragten. Es waren riesenhafte Aufschüttungen aus Erde und Steinen, langgezogene Wälle von etwa sieben Meter Fußbreite. Diese Wälle waren in großen Kreisen, Quadraten oder in unregelmäßigen Formen angelegt und die Einzelumwallungen durch schmale Wallgänge miteinander verbunden. Da man eines der ersten „ E r d w e r k e " auf dem Grundstück der „Hopewell-Farm" — der Farm zur guten Hoffnung — freigelegt hat, nennt man diese wehrhafte Kultur die „Hopewell-Kultur". Die stärksten Wallburgen liegen in Ohio, weil dieses Gebiet am meisten dem Druck der westlichen und später auch der nördlichen Indianerstämme ausgesetzt war. Im Süden grenzte der kultivierte Osten an die Länder der ebenfalls kultivierten seßhaften und friedliebenden Pueblos, von denen nichts zu befürchten war. Zudem mußten sich die Pueblos selber indianischer Einfälle erwehren und hatten Festungstürme gegen die kriegerischen Barbaren errichtet. Die mächtigste Wallburg in Ohio ist das „Fort Ancient" — das Alte Fort — am Ostufer des Little Miami River; es liegt auf einem neunzig Meter hohen Hügel, um dessen südlichen Teil sich der Fluß windet. Die aus Erdmassen und Steingeröll aufgeschütteten Wälle folgen dem unregelmäßigen Umriß der.oberen Hügelfläche. Die mehr als eineinhalb Kilometer lange Gesamtanlage besteht eigentlich aus zwei Wallburgen, die durch ein schmales ebenfalls umwalltes Mittelstück miteinander verbunden sind. Rings um die Verteidigungsanlage, die zugleich Fluchtburg für die Bevölkerung der Umgebung im Kriegsfalle war, hat man mehrere Begräbnishügel festgestellt. Das Fort ist um das Jahr 1250 erbaut worden. Nicht weit von „Fort Ancient" entfernt erhebt sich „Fort Hill", die Hügel-Festung. Auch diese Wallburg liegt auf einem isoliert stehenden Hügel, der hundertfünfzig Meter hoch ist. „Fort H i l l " scheint das älteste dieser Forts gewesen zu sein, man vermutet, daß seine Erbauungszeit der Anfang des 12. Jahrhunderts gewesen ist. Von den Wehranlagen, die fast immer auf Hügeln liegen und sich in ihrem Grundriß der unregelmäßigen Gestalt des Hügels anpassen, heben sich deutlich jene Erdwerke ab, die in Tälern errichtet sind und einen offenbar genau vorausgeplanten Grundriß 20
zeigen. Sie dienten religiös-kultischen Zwecken und festlichen Versammlungen. Die größte Anlage, die „Newark-Erdwerke" bei der Stadt Newark im Staate Ohio, breitet sich über eine Fläche von viereinhalb Kilometer Ausdehnung. Die fünfzig Meter breiten und viele Kilometer langen Straßen, die durch den Bezirk führen, waren vermutlich für Prozessionen bestimmt.
Unter der Sonne von Etowah Ihre letzte Blütezeit erlebte die „Hopewell-Kultur" um das Jahr 1350. Reiche Äcker lagen in der Nähe der Siedlungen, ein hochentwickeltes Handwerk und ein reger und weitverzweigter Handel sorgten für den Güterbedarf und den Güteraustausch und mehrten den Wohlstand. Man bezog Kupfer von den Bergwerken am Oberen See, Bärenzähne und den unentbehrlichen Obsidian aus den Felsengebirgen des Westens, Muscheln und Perlen aus dem Golf von Mexiko und Glimmerschiefer aus den Bergländern am Atlantischen Ozean. Bärenzähne, Bärenkrallen und Hundezähne, aber auch echte oder nachgemachte Perlen verarbeitete man zu Halsketten und zur Ausschmückung der Gewänder. Das Kupfer hämmerte man in kaltem Zustand zu dünnen Blechen aus, aus denen die geschickten Handwerker Menschen- und Tierfiguren oder Ornamente ausschnitten. Die Bleche wurden auch künstlerisch ziseliert, gepunzt und graviert. Es entstanden prachtvolle Brustplatten und ziervolle Bssatzteile für die Priester- und Häuptlingstracht. Auch aus den Schalen großer Muscheln und aus dünnen Platten von Glimmerschiefer sägte man kunstvolle Formgebilde heraus zur Verzierung von Kultgeräten und Würdezeichen. Vereinzelt wurden auch Gold- und Silberarbeiten aus den Werkstätten der Hopewell-Künstler aufgefunden (vgl. Abbildg. Seite 23). Werkstoff für die Waffen und Werkzeuge aber war der Stein. Aus Obsidian, einem glasartigen vulkanischen Mineral oder aus Lava stellten sie Speerspitzen bis zu einem halben Meter Länge her. Messer, Schaber, Drillbohrer und ähnliche spitze und scharfe Gebrauchsgegenstände fertigte man jedoch nach wie vor aus Feuerstein an, Schlagwerkzeuge — Äxte zum Fällen der Urwaldriesen und Hämmer — aus Felsgestein. Wie schon in den ältesten Tagen der 21
Menschheit wurden auch Holz und Tierknochen für die Anfertigung von Werkzeugen Verwendet. Reich entwickelte sich in den Ostländern auch die Töpferei. Auf die rauhen und nur grob verzierten Gefäße der frühen Adena-Kultur waren bei den „Hopewell-Völkern" sehr vielgestaltige und reich mit Kerb- oder Stcmpelmustern dekorierte Gefäßformen gefolgt. Auch die Flechtkunst und die nahe verwandte Webkunst, die schon den „Adena-Völkern" wohlbekannt gewesen waren, fanden in der „Hopewell-Kultur" ihre Heimstätte. Schön geflochtene Körbe und Matten gehörten zum Hausgerät, die Kunstweber widmeten sich vornehmlich der Herstellung von Prachtgewändern, da man im Alltagsleben auch jetzt noch die Kleidung auf ein Mindestmaß beschränkt hielt. Sie war nur Schmuck, aber nicht Notwendigkeit. Großzügig hatten sich die Siedlungen entwickelt und drängten sich an den Flüssen. Diese stadtähnlichen Großsiedlungen waren kaum noch Dörfer zu nennen, es wimmelte in ihnen von Volk. Auf die hohe Bevölkerungsziffer lassen nicht nur die Riesenfriedhöfe mit ihren zahllosen und oft gewaltigen Grabhügeln schließen, sondern auch die Größe der gemeinsamen Kultmittelpunkte — wie die Newark-Erdwerke —, in denen die Menschen zusammenströmten. All dem entsprach eine durchdachte gesellschaftliche Ordnung. Man lebte in großen Sippenverbänden beisammen, die einem bestimmten „ T o t e m " angehörten, ihre Abstammung also in magischer Weise auf ein bestimmtes Tierwesen — Schlange, Adler, Bär und andere Tiere — zurückführten. In der Frühzeit galt vermutlich das Mutterrecht — wie auch bei den Pueblos; die Frau spielte in der Sippe eine herrschende Rolle, und die Abstammung Wurde nicht vom Vater, sondern von der Mutter hergeleitet. Später verschoben sich diese Verhältnisse zugunsten des Mannes, das ergab sich, wie überall, aus dem Aufschwung von Wirtschaft und Technik. Trotzdem aber hat die Frau sich bis zum Ende der „Hopewell-Kultur" eine gewichtige Stellung zu bewahren gewußt. Zu einem staatlichen Zusammenschluß der einzelnen „Hopcwell-Völker" ist es aber nie gekommen. Jedes dieser Völker lebte für sich — gewiß nicht selten auch in Streit mit den andern. Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit offenbarte sich nur in Not22
Teil eines Herrscherzepters, Muschel-Sägearbeit von Fort Ancient
Zeiten oder aber bei den großen kultischen Feiern, wenn jede Fehde ruhte und man sich von nah und fern an einem der geheiligten Kultmittelpunkte versammelte, ähnlich wie es bei den Altgriechen, bei den Kelten und Germanen der Fall war. Im Zuge des kulturellen Aufstiegs wandelte sich auch der Baustil der kultischen Anlagen. Die alten Heiligtümer nach Art der Newark-Erdwerke waren umgrenzte heilige Bezirke ohne geschlossene Räume gewesen. Jetzt erbauten sich die Bewohner eine Art von „Hügel-Höhlentempeln", indem sie die Hügel mit Innenräumen versahen, in denen sich der eigentliche Kult vollzog. Zu diesem Zweck errichtete man vor der Aufschüttung des Hügels einen gemauerten hohlen Kern, über den dann die Erde gehäuft wurde. Die Hügel änderten dadurch ihr Aussehen und näherten sich der Würfelform. Ihre Maße aber blieben trotzdem vielfach noch ungeheuer. Die bedeutendste kultische Anlage des neuen Baustils war das Heiligtum von Etowah im heutigen Staat Georgia, ganz im Süden der „Hopewell-Länder". Aus der Lage des Bauwerks geht hervor, daß sich der Schwerpunkt des kulturellen Lebens verschoben hatte. Man war dem Mutterland Mittelamerika wieder nähergerückt. Man hatte wieder stärkere Beziehungen zur ehemaligen Heimat aufgenommen. Traditionen, die noch an der mittelamerikanischen Golfküste und auf den ihr vorgelagerten Inseln lebendig waren, wurden in der Hopewell-Kultur aufs neue wirksam. Eine neue Welle mystisch-religiöser Erregung ergriff die „Hopewell-Völker" und ließ sie dorthin blicken, von wo sie gekommen waren. Auch aztekische, altmexikanische Einflüsse Wurden aufgenommen, zum Beispiel das Sinnbild des Adlers, das mit der Schlange zu einer „Adler-Schlange" verschmolzen wurde. Gleichzeitig ergab sich — wie bei jeder bildhaften Religion — ein beglückender Aufschwung der Bildhauerkunst. Die eingeborene bildhauerische Begabung der „Hopewell-Völker" feierte Triumphe. Ein Gipfel war erreicht, der in dem Heiligtum von Etowah seinen sinnfälligen Ausdruck fand. Ein Gipfel aber auch, der nicht mehr überschritten werden konnte und auf den nur der Niedergang folgen konnte.
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Eine Kultur stirbt Einer der Gründe, warum sich der Schwerpunkt der HopewellKultur nach dem Süden verlagerte, war gewiß die ernste Gefährdung des Nordens durch die Einfälle der indianischen Wildstämme der Prärien. Das Gebiet am Ohio River war kaum mehr zu halten. Unaufhörlich stießen die Indianer aus dem Westen in die Ostländer vor, durchsetzten das Gebiet südlich der Großen Seen, drangen auch in das Land nördlich der Seen und preßten die Eskimo immer weiter nach Norden. So wurde auch der bisher so friedliche Norden zu einer Gefahr für die „Hopewell-Völker", sie waren wie in eine Zange genommen, die sich unerbittlich schloß. Immer größere Landesteile mußten aufgegeben werden. Nur im Süden vermochte man noch einigermaßen frei zu atmen. Aber der Verfall schritt fort. Der weitverzweigte Handel, das tüchtige Handwerk und das emsige Gewerbe wurden mehr und mehr lahmgelegt. Man mußte sich einschränken und mit Geringerem vorliebnehmen. Die Grabbeigaben wurden spärlicher und bescheidener, und schließlich verzichtete man vielfach sogar auf den altehrwürdigen Grabhügelbau und bestattete die Toten in einfachen Gruben, die mit einer Steinplatte abgedeckt wurden. Die großen Heiligtümer, wie Etowah, verfielen. Was nachher noch errichtet wurde, war nur ein Schatten der einstigen Größe. Weite Gebiete verödeten und wurden wieder zum Niemandsland. Zwar sind noch um das Jahr 1550 einige neue Siedlungen mit bescheidenen Kulthügeln angelegt worden, aber es war nur das letzte Aufflackern eines doch schon im innersten Mark getroffenen Lebenswillens. Um 1600 kam das Ende. Die Indianer hatten sich inzwischen in den von ihnen eroberten Ostländern häuslich eingerichtet. Sie, die jahrtausendelang schweifende Büffelj äger der Grassteppen des Westens gewesen waren, wandten sich jetzt einer seßhaften Lebensweise zu. Nach dem Vorbild der erlöschenden Hopewell-Kultur begannen sie, feste Dörfer anzulegen, die sie mit Vorliebe am F u ß der alten HopewellForts aufbauten oder sogar in die Festungswerke hineinverlegten. Auch hatten sie von den Besiegten den Ackerbau übernommen und bauten Mais und den von ihnen hochgeschätzten Tabak an, den sie 26
bisher einhandeln mußten. In den reich bewässerten Gebieten lockte der Fischfang, in dessen Künsten ihnen die Eskimos zu Lehrmeistern wurden. Im übrigen lebten die Indianer ihr eigenes Leben, übten ihre grausamen Bräuche und schritten in ledernen Hosen und Wämsern unter wallendem Federschmuck einher. Indes waren die Menschen der Hopewell-Kultur nicht völlig untergegangen. Sie lebten in geringer Zahl unter den Indianern fort, doch ihre kulturelle Bedeutung war nur noch gering. Sie hatten zwar noch ihre Häuptlinge, ihre Priester, ihre Clans und Stammesverbände — aber all das war nur ein Widerschein der einstigen Glanzzeiten. Ihrer Kunst war der lebendige Nährboden eines mächtigen Volkstums genommen. Und immer spürbarer wurde der Einfluß der indianischen Kultur. Viel Fremdartiges wurde jetzt in den ehemaligen Hopewell-Ländern sichtbar: Kunstwerke von einer wilden Phantastik und höllischen Unheimlichkeit, die seltsam abstach von der klaren, harmonischen und naturnahen Kunst der einstigen Eigentümer des Landes. Man formte nach dem Geschmack der Indianer Masken mit grauenhaft verzerrten Zügen. Gern jedoch ließen sich die Indianer von den Hopewell-Künstlern in deren alter Malweise porträtieren. Das war für die Indianer etwas ganz Neues, denn sie kannten keine Porträtkunst. Das Riesenland war für die auf wenige Reste zusammengeschrumpfte Hopewell-Bevölkerung viel zu groß geworden. So bildeten sich hier und dort weit auseinanderliegende neue kleine Mittelpunkte, an denen sich Gleichgeartete sammelten, alte Bräuche weiterpflegten oder neue Wege des kulturellen Zusammenlebens zu gehen suchten. Eine späte und recht primitive „Waldlandkultur'' ist das Kennzeichen dieses letzten Abschnitts der Vorgeschichte des östlichen Nordamerikas — der Geschichte dieser nordamerikanischen Völker, die sich vor dem Eindringen der Europäer abgespielt hatte. Um das Jahr 1550 betraten die ersten Spanier nordamerikanischen Boden. Wie Ameisen, von denen einige einen neuen Futterplatz entdeckt haben und den ganzen Haufen nach sieh ziehen, zogen immer mehr Menschen aus der Alten Welt über den Atlantik, um in der Neuen Welt Reichtümer zu erwerben, Abenteuer zu bestehen, die gescheiterte Existenz wieder aufzubauen oder auch 27
um nach politischen oder religiösen Verfolgungen endlich Ruhe zu finden. Auf die Spanier im Süden folgten im Norden die Franzosen, Holländer und Engländer, und bald gab es keine europäische Nation mehr, die nicht unter den Einwanderern vertreten gewesen wäre. Die Engländer gewannen die Oberhand im Nordosten der alten Hopewell-Länder — im Gebiet um das heutige New York. Von hier aus begann die schrittweise Eroberung und kulturelle Durchdringung ganz Nordamerikas, über Jahrhunderte zogen sich die Kämpfe zwischen den Weißen und den „Rothäuten" hin, die in einer Flut von Indianergeschichten ihren Niederschlag gefunden haben. Das Erscheinen der Europäer brachte Verwirrung unter die eingesessenen Völker. Die kaum erst zu Ackerbau und seßhafter Lebensweise gelangten Indianerstämme drängten in die westlichen Prärien zurück und wurden wieder Büffeljäger wie einst; aber sie waren jetzt ausgerüstet mit Pferdin und mit Feuerwaffen, die sie von den Weißen übernommen hatten und gegen die Weißen kehren konnten. Andere irrten haltlos hin und her, ließen sich kurze Zeit irgendwo nieder und brachen dann wieder auf, ohne irgendwo wirklich festen Fuß fassen zu können. Stets wies ihre Fluchtrichtung nach Westen, von wo sie gekommen waren. Besser dagegen standen sich vorerst noch die wenigen Nachkommen der alten „Hopewell-Völker" — vor allem die Muscogen und Cherokesen; denn ihr Lebensraum umfaßte noch den ganzen Südosten des Kontinents, der zunächst noch nicht in der Stoßrichtung der weißen Eroberer lag. Aber dann brach der weiße Mann auch in diese Reviere ein, und die letzten Angehörigen der „Hopewell-Völker" wurden „Amerikaner". Merkwürdig aber erscheint es, daß gerade diese Menschen, die als erste mit dem Namen Indianer bedacht worden waren, in Wirklichkeit gar keine Indianer gewesen sind, sondern Eroberer aus Mittelamerika, die im östlichen Amerika eine neue Heimat gefunden hatten.
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Zeittafel 20 000 v. Chr. Endabschnitt der letzten Eiszeit. Eiszeitliche Tierwelt. Der „Mensch von Tule Springs" (Nevada). 10000 v. Chr. Frühe Nacheiszeit. Teilweise noch eiszeitliche Tierwelt. Der „Mensch von Folsom" (Neu-Mexiko). 5000 v. Chr. Warmes und feuchtes Klima. Neuzeitliche Tierwelt. Erstes Auftreten des „Archaischen Kleinwuchsvolkes". 3000 v. Chr. Größte Ausdehnung des „Archaischen Kleinwuchsvolkes" über ganz Nordamerika. Siedlungen auf Abfallhaufen. 1600 v. Chr. Ende des „Archaischen Kleinwuchsvolkes". Eindringen eskimoischer Völker von Norden her. 200 v. Chr. Beginnende Einwanderung mittelamerikanischer Altvölker in das südöstliche Nordamerika. Anfänge der „Adena-Kultur". 100 n. Chr. Ausbreitung des „Adena-Volkes" bis zu den Großen Seen. Großhütten. Anfänge des Ackerbaues. Errichtung riesiger Grabhügel. Schlangenverehrung. 500 n. Chr. Weiterentwicklung der „Adena-Kultur". Töpferei, Flechterei und Weberei. Errichtung von „Bildhügeln" mit Schlangenreliefs. 900 n. Chr. Errichtung des gewaltigen „Schlangenhügels" am Brush Creek in Ohio. 1000 n. Chr. Übergang zur „Hopewell-Kultur". 1150 n. Chr. Reine Hopewell-Kultur. Errichtung des „Fort Hill" in Ohio. Groß-Ackerbau. Immer reichere Entwicklung von Töpferei, Kunsthandwerk und Bildhauerei. 1200 n. Chr. Anlage der „Newark-Erdwerke" in Ohio als eines kultischen Mittelpunktes. 29
1250 n. Chr. 1350 n. Chr.
Bau von „Fort Ancient" in Ohio. Verlagerung dem Süden. in Georgia.
des kulturellen Schwerpunktes nach Anlage des „Heiligtums von Etowah'' Letzte Blütezeit der Hopewell-Kulter.
1495 n. Chr. Kolumbus landet an der Küste der Hope well-Länder. 1550 n. Chr.
Letzte bauliche Neuanlagen. Talumeco u.a. in Georgia und Süd-Carolina. Ausklang der Hopeweil -Kultur. Erstes Auftreten der Spanier im südlichen Nordamerika.
1600 n. Chr.
hidianisierung der nördlichen Hopewell-Länder. Wirtschaftlicher und kultureller Niedergang. Verödung weiter Gebiete. Bückfall in eine primitive „H'aldlandkultur". Zunehmende europäische Invasion.
1776
n.
Chr. Unabhängigkeitserklärung der neugegründeten „Vereinigten Staaten von Amerika" (USA) und schrittweise Eingliederung der alten Hopewell-Länder in den jungen Staatsverband.
Anmerkungen: D i e R a d i o k a r b o n m e t h o d e ist ein neues Verfahren zur Altersbestimmung von archäologischen Fundstücken, die lebender, kohlenstoffhaltiger, Herkunft sind, d. h. aus tierischen, menschlichen oder pflanzlichen Stoffen bestehen (z. B. Gewebe, Kleidung, Knochen, Gebälk, hölzernes Gerät, Mumien, Papyrus). Jeder organische Stoff enthält ein gewisses Maß von radioaktivem (strahlendem) Kohlenstoff 14C, der „zu Lebzeiten" des Stoffes ständig aus der Atmosphäre ergänzt wird und dadurch im Gleichgewicht bleibt. Der unaufhaltsame Zerfall, die Zerstrahlung, des radioaktiven 14C beginnt erst, wenn beim „Tode" des betreffenden organischen Stoffes — eines Baumes, der gefällt und zu Gebälk verarbeitet wird, einer Wolle, die geschoren und verwebt wird usw. — die Aufnahme von ausgleichendem "C aus der Atmosphäre aufhört. Die Zerfallszeit von UQ ist bekannt. Aus dem gegenwärtigen Gehalt an "C in dem historischen Fundstück kann deshalb die Zeit seiner Verarbeitung ermittelt werden. Die Radiokarbonmethode hat ihre Bewährungsprobe bestanden, obwohl die Forschungsarbeit noch nicht abgeschlossen ist. Sie ist heute so weit entwickelt, daß Altersbestimmungen bis zu 20 000 Jahre zurück möglich sind. S p e e r s c h l e u d e r , ein Holz von etwa Armlänge, das am oberen Ende ein Loch oder eine Kerbe trägt. In das Loch oder die Kerbe wird das Speerende gelegt. Dadurch erhält der Speer größeren Schwung. 30
Q u e l l e n a n g a b e n : W. S, Webb, „Prehistoric Indiana of the Ohio Valley", 1952. — R. G. Morgan, „Fort Hill", 1950; „Fort Ancient, 1950. — E. F. Greemann, „Guide to Serpent Mound", 1952. — H. C. Siterone, „Primer of Ohio Archaeology", 1951. — F. Johnson, „Man in Northeastern North America", 1946. — „The Exposition of Indian Tribal Arts: Introduction to American Indian Arts", 1950. — A. R. Kelly, „Etowäh" (in „Archaeology"), 1954, _ p. Douglas, „Indian Art of the United States", 1941 u. a.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bild auf Umschlagseite 2: Steinfigur eines „breit gesiebt igen Kurzschädels"
L u x - L e s e b o g e n 2 3 7 (Geschichte) — H e f t p r e i s 2 5 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljälirl. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, Oberbayern, Seidl-Park. — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth
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D E R FERNE WESTEN Von 1800 bis 1870
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Jeder Band enthält Kunstdrucktafeln, historische Karten und im Anhang Anmerkungen, ausführliche Begriffserklärungen, Zeittafeln, Quellen- und Literaturhinweise. Preis je Band: In Ganzleinen DM 9.— In Luxuseinband DM 10.50 In jeder Buchhandlung erhältlich
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