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»Vom Eignungstest bis zum erfolgreichen Veröffentlichen ist olles dabei. Ein Buch, das nicht nur zukünftigen Bestsellerautoren Freude bereiten wird.« (Mindener Tageblatt) »Wer sich über die Erfolgs- oder zumindest die Überlebenschancen eines freien Schriftstellers knapp und bündig informieren will, dem kann dieses Taschenbuch mit Nachdruck empfohlen werden.« (Informationsdienst für Bibliotheken} »Vergnüglich zu lesender und auf jeden Fall zu empfehlender Ratgeber.« (Literaturkritik)
Schon als Kind wollte ich Schriftsteller werden. Weil Schriftsteller reich und berühmt sind. Sie lungern in Singapur und Rangun herum und rauchen Opium in Rohseideanziigen. Sie schnupfen Kokain in Mayfair, wohnen in Eingeborenenvierteln von Tanger und streicheln träge Gazellen. William S. Burroughs
Manfred Plinke
Schriftsteller Vom Schreiben leben
> > > >
Beruf Chancen Honorare Erfolgreiches Veröffentlichen
Autorenhaus Verlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheit sauf nähme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Umschlag-Illustration: Ralf Alex Fichtner Umschlaggestaltung: Sigrid Pomaska-Brand Zweite, erweiterte Ausgabe ISBN 3-932909-41-0 © 2004 Autorenhaus-Verlag Die erste Ausgabe erschien 2002.
Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, bleibt aber ohne Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt. Printed in Germany
> Inhalt
Vorwort .................................................................................
7
I. Über den Beruf und das Schreiben Der Beruf ............................................................................. Domestizierte Schriftsteller ................................................ Schriftstellernde Orang-Utans.............................................. Der deutsche Schriftsteller, statistisch gesehen ................. Zu viele Bücher, zu viele Schriftsteller? ........................... Freie Schriftsteller ............................................................... Schnurrend zwischen den Beinen kraulen ......................... Das Wort ist nicht der Anfang ........................................... Der göttliche Funke ............................................................. Diplomierte Dichter.............................................................. Test: Sind Sie Schriftsteller? ................................................ Der Unterschied ................................................................... Verhindert ein Stehpult Rückgratverkrümmung?...............
11 13 15 17 19 22 25 27 29 32 35 39 43
II. Vom Schreiben leben Ehrengaben .......................................................................... Professionalisierung ............................................................ Alles versucht, nichts ging ................................................. Beruf mit Zukunft: Ghostwriter ......................................... Können Schriftsteller schreiben wie Journalisten? ........... Literaturpreise und Stipendien ........................................... VG Wort: Ihr Geld! .............................................................. Künstlersozialkasse ............................................................. Können Schriftsteller Schwarzarbeiter sein? ..................... Schriftsteller werden als »Ich-AG«....................................... Äußere und innere Zensur ................................................. Freie Schriftsteller als Vereinsmitglieder? ..........................
47 53 55 57 59 62 64 65 66 68 69 71
III. Erfolgreiches Veröffentlichen Buchmarkt ........................................................................... Wozu feste Preise für Bücher? ............................................. Die Zukunft des Buchs ....................................................... Digitale Bücher .................................................................... Agenten für die Literatur ..................................................... Manuskripte anbieten .......................................................... Zusammenarbeit mit Verlagen ............................................ Der erste Leser ..................................................................... Schöne Schlampe Literaturbetrieb ..................................... Der permanente coitus interruptus der Kritiker ............... Lesungen: Gastfreundschaft der Ohren .............................
75 78 80 82 85 87 90 92 94 96 101
IV. Kleines Schriftsteller-Lexikon Kleines Schriftsteller-Lexikon ..............................................
107
Quellenhinweise ...................................................................
121
Das Ende ............................................................................... 122
> Vorwort
»Wie wird man eigentlich Schriftsteller?« bin ich immer wieder gefragt worden. So ist dieses Berufsporträt, mit Schwerpunkt auf den Buchautor, entstanden - als eine Art Einstieg in diesen so vielfältigen künstlerischen Beruf, dem alle Verlage und Buchhändler ihren Rohstoff verdanken. Historische Betrachtungen nützen dem literarisch Interessierten wie dem Quereinsteiger wenig, was er dagegen braucht, sind grundlegende Informationen über den Beruf des Schriftstellers in unserer Zeit. Und die finden Sie in diesem kleinen Band - über einen Beruf, für den es keine Arbeitsplatzbeschreibung gibt und den jeder ergreifen kann. »Das Schreiben heutzutage unterscheidet sich sehr vom Schreiben der Siebzigerjahre«, sagt der Lyriker Thomas Kling. Die äußeren Bedingungen haben sich auch verändert: Eine neue Generation von Schriftstellern mit einer ganz anderen Auffassung von ihrem Beruf ist herangewachsen, literarisches Schreiben wird in mehr Kursen, Seminaren und Schulen gelehrt, digitale Arbeitsmittel ermöglichen ein technisch einfacheres Schreiben und günstigeres Herstellen von Büchern, es gibt mehr Literaturpreise und Stipendien für Autoren, die Verlage sind produktiver, es werden mehr Bücher gekauft und es finden mehr Autorenlesungen statt als je zuvor. Mit anderen Worten: Die Chancen für neue Autoren sind besser als je zuvor. Ich danke den vielen Schriftstellerinnen und Schriftstellern für ihre Tipps, Hinweise und Zitate. Manfred Plinke
I. Über den Beruf und das Schreiben MEFISTA (in männlicher Tracht; Faust präsentierend): »Der Herr ist Autor.« SORBIN (jung, 15jährig, in anmutig gebrochenem Deutsch): »Was iest ain »Au-torr«?« MEFISTA (rasch
gefasst):
»Ein Autor? ist Derjenige, dem >ein Stock im Petticoat« beim Anblick dessen einfällt, wozu ein Leser zeitlebens >Schirm< sagt.« Arno Schmidt, Faust, IV. Teil, Szene 16
> Der Beruf
Der Beruf des Schriftstellers hat ein Image von Freiheit und Unabhängigkeit von der bürgerlichen Norm und hierarchischen Zwängen. Kreativität traut sich jeder zu, und schreiben kann doch nicht allzu viel Arbeit sein. Es gibt auch keine allgemeinen Standards, nach denen die Leistung bemessen wird, und daher kann sich die Illusion, Schriftsteller zu sein, weil man vielleicht ein paar seelenvolle Gedichte geschrieben hat, lange halten. Schriftsteller, das klingt interessant, nach Außenseiter, exotisch, bohemienhaft und verspricht Absolution für jede Art von Egozentrik. Für keinen Beruf gibt es so viele Bezeichnungen wie für den, der den Kopf so lange strapaziert, bis die Hand endlich schreibt: Dichter, Poeten, Schriftsteller, Verfasser, Prosaisten, Erzähler, Epiker, Romanciers, Novellisten, Essayisten, Dramatiker, Lyriker, Glossen- und Stückeschreiber, Drehbuchautoren, Literaten, Skribenten, Verse- oder Reimschmiede, Schreiber- oder Dichterlinge, Biografen, Texter, Journalisten, Ghostwriter - sie alle gehören zur Familie der Autoren. Als Überbegriff für den schreibenden Menschen hat sich Autor durchgesetzt, der Dichter wurde zum Lyriker, und unter einem Schriftsteller stellt man sich meist einen Belletristen, aber auch Sachbuchautor vor. Jede dieser Bezeichnungen legt sich wie ein Mantel um eine Person, und diese kann so frei sein, sich auszusuchen, welcher ihr gefällt. Keine dieser Berufsbezeichnungen ist geschützt. Ebenso können sich auch Autodidakten im Bereich der Bildenden Kunst Maler oder Bildhauer nennen - die Wahl der Beruf sbezeichnung ist für die meisten Künstlerberufe frei - sehr zum Ärger jener, die ihre Kunst ernsthaft ausüben und darunter leiden, dass ihr Berufsbild von Dilettanten verwässert wird. Nach einer seit fast einem halben Jahrhundert regelmäßig durchgeführten Allensbach-Umfrage sind von 18 Berufen - vom Arzt bis zum Gewerkschaftsführer - die Schriftsteller auf dem
achten Platz gerade noch so im Mittelfeld der Beliebtheit von den Befragten einsortiert worden. Unter den Bücherfreunden ruft allerdings noch größere Betrübnis hervor, dass die Buchhändler auf dem letzten Platz gelandet sind.
Karikatur: Tomaschoff, Die Welt
> Domestizierte Schriftsteller
Günter Grass beschrieb in seiner Rede Vom mangelnden Selbstvertrauen der schreibenden Hofnarren unter Berücksichtigung nicht vorhandener Höfe, wie Lyriker oder Erzähler in Deutschland als Dichter angesprochen sich beeilten, bescheiden darauf hinzuweisen, dass sie Wert darauf legten, Schriftsteller genannt zu werden. Kleine verlegene Sätze unterstrichen diese Demut, die sich darin äußere, dass sie beschwichtigten: »Ich übe mein Handwerk aus, wie jeder Schuster es tut. - Sieben Stunden lang arbeite ich jeden Tag mit der Sprache, wie andere brave Leut' sieben Stunden lang Ziegel setzen.« Grass nannte ihn den »domestizierten Schriftsteller«, der sich bis zum »Einschlafen vor Musen und Lorbeer« fürchte, Dichter genannt und missverstanden zu werden: »Die Angst, zu unterhalten, das heißt, genossen zu werden: eine in Deutschland erfundene und mittlerweile auch in anderen Ländern wuchernde Angst, Lukullisches von sich gegeben zu haben. ... Er, der Schriftsteller, der kein Dichter sein mag, misstraut seinen eigenen Kunststücken. Und Narren, die ihren Zirkus verleugnen, sind wenig komisch.« Das war 1966 - seitdem hat sich vieles verändert, auch in Deutschland: Junge Schriftsteller sind sich ihres Images bewusst, sie arbeiten an ihrem Auftritt und lassen sich auch vom Wort »Literaturmarketing« nicht erschrecken. Lesungen in der Spaßgesellschaft werden konsequent zum Event gestylt - manche Autoren bieten eine Performance, die weit über das Lesen von Texten in Buchhandlungen hinausgeht. Es gibt Lese-Shows in Museen, in den Abwässerkanälen, auf S-Bahnhöfen, im Polizeipräsidium, im Theater, beim Bestatter oder im Bordell, wenigstens aber in einem hippen Club oder einer Bar. Außerordentlich belebend wirkte der Auftritt von Rainald Goetz beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1983, als er sich die Stirn aufschlitzte und blutend weiterlas. Danach wurde im deutschsprachigen Literaturbetrieb vieles anders.
Das vom Spiegel ausgerufene Fräuleinwunder unter den neuen deutschen Schriftstellerinnen hat geradezu eine Welle von Entdeckungen aparter Gesichter ausgelöst. Die Medien waren dankbar: Literatur wurde buchstäblich vorzeigbar. »Bin ich schön, schreib ich schön«, kommentierte Tanja Dückers im Autoren-Jahrbuch den Trend, der die »Eigenliebe fördert und fordert«. Sie, die ebenfalls im Zentrum des Medieninteresses steht, findet, die »Fixierung auf das Visuelle, auf die narzisstische Präsentation der Autoren, ... geht immer auf Kosten des Textes. Es wird nicht gelesen, was nicht im Image des Autoren gesehen wird.« Die jugendfixierten Verlagsproduktionen - immer wieder neue Gesichter, immer mehr neue junge Literatur - wirken inflationär, das ist vielen Autoren bewusst geworden. Benjamin von Stuckrad-Barre, der Großmeister der Selbstinszenierung, wehrt sich inzwischen gegen sein Label als Pop-Literat. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost erklärte er: »Wem es ausreicht, meine Arbeit als Pop zu bezeichnen, dem wünsche ich viel Kraft ... und ein gesegnetes Weihnachtsfest. Und er soll sich mal wieder unter den Armen waschen.«
> Schriftstellernde Orang-Utans
Im Grimmschen Wörterbuch, vor einhundertfünfzig Jahren entstanden, gibt es einige Zitate, die man mit dem Autor, Dichter, Poet oder Schriftsteller verbindet: Autor, m., beholfner, schon der Zusammensetzung wegen, als Verfasser oder Schriftsteller: mir will das kranke zeug nicht munden,/ autoren sollten erst gesunden. Göthe. Autorhandwerk, n., Mops grüszt, als ein romanen-schmid,/ das autorhandwerk, mich denn mit. Göringk Autorwesen, n., zum schreiben und autorwesen ist er nicht gemacht. Heynes Briefe an Joh. Müller. Dichter, m., dichter lieben nicht zu schweigen,/ wollen sich der menge zeigen. Göthe das Sprichwort sagt: reimschmiede genug, aber wenig dichter. Simrock 1562 gestalter aller seiner ideen! immer halbtrunkener dichter, der sieht, was er sehen will Poet, m., der poet ist ein redender maier, und der maier ist ein schweigender poet. Keiserberg passion bin ich doch solcher gedanken keines weges, das ich vermeine, man könne jemanden durch gewisse regeln und gesetze zu einem poeten machen. Opitz poet ein poet ist gleich einem gartner, der immerdar in seinem mundt die blumen, zweig, klare und frische wasser, rosen, violen und dergleichen dinge führet, aber in seinem eignen garten niemals einige frucht abbricht. Albertinas Landstörzer wer ein poet will sein, der sei ein solcher mann,/ der mehr als worte nur und reime machen kann. Rabener spötter sprechen, dasz poeten nur galante lügner sind. Günther
sie wollen mit gewalt poeten sein, und drücken aus toller reimsucht ihr gehirne bis auf die hefen aus. Drollinger Schriftsteller, m., die ältere bedeutung des wortes ist die von concipient, es soll einer bezeichnet werden, der für andere rechtliche schreiben aufsetzt; in diesem sinne sind schrifftsteller, schrifftensteller [Quelle aas dem Jahr 1616) die anwendung des Wortes in dem uns gebräuchlichen sinne, dasz ein mann bezeichnet wird, der berufsmäszig eine litterarische thätigkeit ausübt, wird erst im 18. Jahrhundert üblich wüszte er, dasz er mit einem billigen schriftsteiler zu thun hat [Gleim an Lessing 1759)
die benennung, Schöngeist, die vor dreyszig jähren so angenem klang, ist nun zu einem widrigen schall geworden; man bedient sich des allgemein bezeichnenden wörtleins: Schriftsteller, die schönen geister scheinen selbst damit zufrieden zu seyn, denn sie beehren sich unter einander wörtlich und schriftlich mit diesem titel. Klinger Campe bezeichnet schriftstellerei und Schriftstellern als »niedrige, aber deswegen noch nicht verwerfliche Wörter« Schriftstellern, verb., für die Öffentlichkeit schreiben, litterarisch thätig sein, leicht mit ironischem beigeschmack: man hat exempel in der zeit, dasz äffen selbst auf reisen gingen, urangutangs ihren geist ausbildeten und hie und da schriftstellerten {Platen)
> Der deutsche Schriftsteller, statistisch gesehen
Der Verband deutscher Schriftsteller hat für seine Untersparten folgenden Alkoholkonsum pro Jahr ermittelt: Bier Wein Spirituosen Liter ges. Dramatiker 190140 7,5 337,5 Lyriker 40260 12,4 312,4 Epiker/Essayisten 240180 16,5 436,5 Kritiker 6050 6 116,0 gesamt 530630 42,4 1202,4 Wenn man - spaßeshalber - den Alkoholkonsum sämtlicher im Verband deutscher Schriftsteller in der IG Medien zusammengefassten Autoren addiert und auf die von diesen Autoren veröffentlichten Seiten umlegt, kommt man (im Jahr 1992), anders als bei den Philosophen - zur Erinnerung: 0,05 Liter Wein pro Seite - auf ca. 1 Liter Wein, 0,75 Liter Bier und einen doppelten Schnaps pro Seite, was bei einem normalen Roman von ca. 300 Seiten einen beträchtlichen Konsum darstellt, der durch die Buchhonorare nur in seltenen Fällen wieder hereingeholt wird. Vergleicht man nun wieder diesen Konsum mit dem Alkoholkonsum des normalen Lesers, ergibt sich ein fast noch erschreckenderes Bild: Während der deutsche Schriftsteller wie gesagt pro Seite 1 Liter Wein, 0,75 Liter Bier und einen Doppelten verbraucht, muss der Leser - nach der Statistik von Heinemann/Reuband, Göttingen und New York 1984 - 1,6 Liter Wein, 2 Liter Bier und einen Dreifachen trinken, um eine einzige deutsche Seite Prosa hinunterzuspülen. Michael Krüger: Aus dem Leben eines Erfolgschriftstellers, Zürich 1998.
45 Ja/ire Frankfurter Buchmesse, Achim Greser, Titanic Berlin
> Zu viele Bücher, zu viele Schriftsteller?
Das ist eine Gesinnungsfrage, die zu kontroversen Antworten herausfordert. Die ältere Schriftsteller-Generation neigt dazu, sie mit einem herzhaften Ja zu beantworten. Die Buchhändler fügen seufzend ein zweites Ja hinzu, die Verleger könnten sich mit einem teils teils vor der endgültigen Antwort drücken. Sie stöhnen zwar unter der Flut von Autorenmanuskripten, von denen nur jedes tausendste veröffentlichungsreif ist, andererseits suchen sie im Heuhaufen nach unentdeckten Talenten und der einen tollen Stecknadel mit markantem Autorenkopf. Der sollte dann auch noch jung und fotogen genug sein, um Leserinnen und Lesern den Buchkauf zu erleichtern. In Sten Nadolny haben unentdeckte Autoren einen verständnisvollen Fürsprecher: »Wenn gelegentlich beklagt wird, der Markt schreie ständig nach etwas Neuem, kann ich nur sagen: Das tut er mit gutem Recht! Neue Geschichten zu erzählen oder alte ganz neu, das macht diesen Beruf aus. Und man muss in Kauf nehmen, dass nach demselben Gesetz auch immer wieder neue Autoren interessant sind, eben weil sie neu sind. Völlig müßig, darüber zu jammern. Ein nicht unwichtiger Punkt ist unter anderem, dass junge Autoren ihre Chance haben müssen, sonst kommen wir insgesamt nicht vom Fleck: Erzählen lebt immer auch aus dem Erzählen der Anderen, vor allem der Fremden ... und der Jungen, und der Neuen in jeder Form.« Was schreiben sie denn so, die deutschsprachigen Federhalter? Die vielen Bücher, die jedes Jahr in deutscher Sprache erscheinen, können doch nicht alle über den Großen Teich gesegelt kommen und übersetzt werden? Sehr viel mehr deutsche Autoren tragen hier zur Bücherflut bei, als manche Kulturpessimisten glauben machen wollen. Rund eine Million Titel im Verzeichnis lieferbarer Bücher, 80.000 Neuerscheinungen pro Jahr, davon 60.000 Erstdrucke in deutscher Sprache - wer soll das alles lesen? Ratgebern wie
dem Deutschen Jahrbuch für Autoren oder dem Handbuch für Erst-Autoren wurde in diesem Zusammenhang der Vorwurf gemacht, sie trügen mit ihrer ermutigenden Einstellung zur Vermehrung des Bücherbergs bei. Aber kann es überhaupt zu viele Autoren, zu viele Verlage, zu viele Bücher geben? Kein Gourmet-Feuilletonist käme auf die Idee, sich darüber zu beklagen, es gäbe zu viele Weinsorten, zu viele Weingüter, zu viele Winzer. Kein Weinliebhaber hat Probleme, aus der Fülle des Angebots einen Wein herauszufinden, der ihm schmeckt. Wenn er im Supermarkt mit einem Amsel-, Dornoder Sonstwasfelder, alles Bestseller, die viele Menschen glücklich machen, konfrontiert wird, wendet er sich indigniert ab - in Richtung Chateauabfüllungen. Klagt er angesichts der vielen guten Tropfen, es gäbe zu viele Weine? Nein, er kauft einen Weinratgeber und wählt aus, was ihm schmecken wird - und schon hat er nebenbei auch noch einen erwartungsvollen Autor und einen bangenden Verleger glücklich gemacht. Seltsam, dass sich die Klage über »zu viele Bücher« so lange hält. Vielleicht ist es nur die mangelnde Kenntnis, wie leicht und gut man heute beispielsweise im Internet recherchieren kann: Datenbanken vom V1B bis zu buchkatalog.de liefern Übersichten, geben Inhalte und weitere Informationen zum Buch. Wer wollte außerdem auf den sinnlichen Genuss von Büchersphären in einer wirklichen Buchhandlung verzichten? Es kann nie genug Bücher geben!
Wie viele deutschsprachige Autoren gibt es?
Bei der Verwertungsgesellschaft Wort sind mehr als 100.000 Autoren registriert. Ein großes Autorenverzeichnis enthält rund 12.000 Namen, die Schriftstellerverbände haben etwa 6000 aktive Mitglieder. Bei der VG Wort und dem größten Schriftstellerverband, dem Verband deutscher Schriftsteller (VS), sind vorherige Veröffentlichungen Voraussetzung für eine Aufnahme. Ansonsten müssen Autoren niemandem beweisen, dass sie wirklich sind, was sie sich nennen, egal wie gut oder schlecht sie schreiben, wie künstlerisch oder dilettantisch sie mit der Sprache umgehen, ob sie berufen sind oder sich nur berufen fühlen, ob sie ihr Geld damit verdienen oder ob sie nur in ihrer Freizeit ihr Steckenpferd quälen. Alle Welt würde sich Schriftsteller nennen, gäbe es nicht den einen Prüfstand: die lieben Freunde, Nachbarn, Kollegen, die wissen wollen, was man schreibt und in welcher Buchhandlung das Werk erhältlich ist. »Wie verkauft es sich denn, und kannst Du davon leben?« lauten die tückischen Fragen. Und natürlich wird auch erwartet, dass man irgendwann einmal auf der Beststellerliste zu finden ist.
> Freie Schriftsteller
»Ein Buch zu schreiben ... ist das Leben in seiner größten Freiheit. Deine Freiheit als Schriftsteller ist keine Freiheit im Sinne wilden Schwadronierens; du darfst sie nicht überspannen. Es ist das Leben in seiner größten Freiheit, wenn du Glück genug hast, es auszuprobieren, weil du dir deine Materialien aussuchst, deine Aufgaben ausdenkst und deinen Arbeitsrhythmus bestimmst. ... Die Kehrseite dieser Freiheit ist natürlich, dass deine Arbeit so bedeutungslos ist, so sehr für dich allein bestimmt und so wertlos für die Welt, dass sich niemand darum schert, ob du sie gut machst oder überhaupt. Du bist frei, einige Tausend schwierige Entscheidungen am Tag zu fällen. Deine Freiheit ist ein Nebenprodukt der Belanglosigkeit deiner Tage. Ein Schuh verkauf er - der für andere arbeitet, der sich vor zwei oder drei Vorgesetzten verantworten muss, der seine Arbeit auf ihre Weise tun und sich in ihren Dienst stellen muss, am vorgegebenen Ort, zu vorgegebenen Stunden - verrichtet trotzdem nützliche Arbeit. Sollte der Schuhverkäufer eines Morgens nicht erscheinen, wird es außerdem jemand bemerken und ihn vermissen. Dein Manuskript, auf das du so viel Mühe verwendest, hat keine Bedürfnisse oder Wünsche; es kennt dich nicht. Auch benötigt niemand dein Manuskript; jeder benötigt Schuhe dringender. Es gibt bereits viele Manuskripte - wertvolle, höchst bereichernde und bewegende, intelligente und kraftvolle. Wärest du der Ansicht, Das verlorene Paradies sei ausgezeichnet, würdest du es kaufen? Weshalb erschießt du dich nicht einfach, anstatt ein weiteres ausgezeichnetes Manuskript zu beenden, mit dem du die Welt zum Narren hältst?« Das schreibt Annie Dillard in ihrem Buch Ich schreibe.
Die Bezeichnung »freier Schriftsteller« ist ein Euphemismus: Immer sind Schriftsteller abhängig gewesen. Und Abhängigkeiten gab und gibt es viele. Wahrscheinlich hat Homer schon »dienen« müssen ... die Poeten waren mitunter die geistigen Brüder der Hofnarren, Aüeinunterhalter, die fallen gelassen werden konnten ... Nicht selten waren sie diensteifrig und redeten nach dem Munde des Mächtigen. Nicht weniger selten muckten sie auf, wurden vertrieben, verbannt oder verurteilt. Die Literatur bewegt sich zwischen Freiheit und Unfreiheit. Der eine meint seine individuelle, der andere die allgemeine Freiheit. Peter Härtung: Wer vorausschreibt, hat zurückgedacht, Luchterhand Verlag
-Bücher liegen in der Luft' (Marguerite Duras) Aquarell von Ralf Alex Fichtner
> Schnurrend zwischen den Beinen kraulen
Für den österreichischen Schriftsteller Norbert Gstrein hat es »etwas Anmaßendes«, wie sich manche seiner Kollegen auf dem Meinungsmarkt bewegen: »Wenn sie, gefragt, auf alles Antworten haben oder sich ungefragt zu Wort melden, als wären ausgerechnet sie mit ihren Schreibtischleben dazu berufen, der Welt die Richtung vorzugeben.« Für Gstrein ist das »genau der Typ«, dessen Bücher er in der Regel meide. »Denn einer der Beweggründe wenigstens meines eigenen Schreibens ist, dass ich dabei gerade nicht Stellung beziehen muss.« Günter Grass, politisch und parteipolitisch »engagierter« Schriftsteller, spottet über die Kollegen, die sich gerne so nennen: »Ist ein Schimmel mehr Schimmel, wenn wir ihn >weiß< nennen? Und ist ein Schriftsteller, der sich >engagiert< nennt, ein weißer Schimmel?« Marcel Beyer beobachtet, dass seit Mitte der Achtzigerjahre eine ganze Reihe von Schriftstellern sich nicht mehr als »Sprachrohr, als kritische Instanz in der Öffentlichkeit und als Kommentator jedweden tagespolitischen Geschehens« verstünden. Für Beyer offenbart sich ein »pornografisches Verhältnis zu Sprache«, wenn sich Schriftsteller zu einem Thema schnell, einfach und allerweltstauglich äußern. Für ihn ist es nicht die Frage, »welche Meinung jemand, der mit Sprache umgeht, von der Welt hat, sondern: Wie lassen sich heute, nach dem Ende des Kalten Krieges - in Zukunft auch: nach dem 11. September 2001 - politische, gesellschaftliche Fragen in den Blick nehmen, ohne dabei bestimmte ästhetische Positionen aufzugeben?« Als deutsche Regierungspolitiker kurz vor einer Bundestagswahl plötzlich den Pazifismus entdeckten hat der VS - Verband deutscher Schriftsteller vorgeschlagen, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer zu verleihen. Peter Handke dazu: »Mit diesem Vorschlag ist das Wort Schriftsteller außer Gebrauch zu setzen. ... Wenn es stimmt, dass man dafür vom
deutschen Schriftstellerverband für den Friedenspreis vorgeschlagen wird, dann höre ich auf. Mein Beruf wird dann Rentner oder Maikäfer oder irgendwas.« Friedrich Ani dagegen meint, die meisten Autoren in Deutschland seien ohnehin »zu sehr damit beschäftigt, sich schnurrend zwischen den Beinen zu kraulen«. Er lehnt es ab, »über moralische Haltungen« nachzudenken. »Ich versuche nicht zu werten, sondern meine Figuren agieren zu lassen, wie sie möchten. >Korrekte< Personen, die man eindeutig zuordnen kann, interessieren mich nicht besonders. Natürlich gibt es Charaktere, die eher eindeutig sind - aber auch bei denen öffnet sich manchmal eine Tür und wir sehen eine ganz neue, unerwartete Seite. Großen Horror oder große Zärtlichkeit vielleicht. In German Angst gibt es keine Lösungen, keine Antworten, nur Fragen - und nur darauf kommt es beim Schreiben an: die richtigen Fragen zu stellen.« Dem Begriff des »engagierten« oder »politischen« Schriftstellers kann er nicht viel abgewinnen: »Die deutsche Gegenwartsliteratur stellt die Gegenwart dar, die sich die Autoren vorstellen, die ihnen wichtig ist - basta. Ebenso könnte man fragen: Sollte die deutsche Politik politischer sein? Vielleicht müsste man diese Frage bejahen, aber wozu? Die Dinge sind ihrer Zeit entsprechend. Was einen politischen Schriftsteller auszeichnet, weiß ich nicht. Ich hoffe das: dass er gut schreiben kann. Nur die Geschichte zählt, nichts sonst.«
> Das Wort nicht der Anfang
»Die großen Dichter liegen immer auf dem Diwan«, schreibt Bertolt Brecht 1919 selbstironisch an seine Liebste Bi. Ob sie vor Entkräftung dort liegen oder weil sie eine besonders verständnisvolle, dazu noch wohlhabende Frau gewählt haben, wird nicht verraten. Der Diwan ist heute nur noch selten der Ort der Inspiration, denn der Schriftsteller ist meist ein rastloses Wesen, das, wie Max Frisch sagte, seine Arbeitstage an der Maschine verbringt, wo er »Dinge ändern, noch mal abschreiben, Entwürfe machen« kann, »um bereit zu sein für Überraschungen«, damit er »einmal einen Schritt weiter denken, weiter formulieren kann als vorher.« So, auf dem Diwan liegend, kann der Schriftsteller vielleicht »auf Dramen herumreiten«, ob er aber in dieser Stellung dem ersten Satz eines Poems oder Romans begegnet? Truman Capote sagte, nur so könne er denken und bezeichnete sich als »absolut horizontalen Autor«. Hat er eine gute Geschichte erzählt, dann wäre ein Ziel erreicht, wenn der Leser, wie Alain de Botton es in der Zeit formulierte, sich im Werk des Autors wiederfinden und identifizieren kann: »... manche Schriftsteller scheinen unsere eigenen Gedanken wiedergeben zu können, mit einer Klarheit ..., zu der wir selbst nicht fähig sind. Sie kennen uns besser, als wir selbst uns kennen. Alles, was verschämt und verwirrend in uns war, ist schonungslos und offen in diesen Büchern dargelegt, und unsere Bleistiftmarkierungen am Rand zeigen, wo wir ein Stück von uns selbst gefunden haben.« Oft besteht der Wunsch oder der Zwang, zu schreiben, Worte zu suchen, um sich zu erklären, wenn sich der Autor einer Last entledigen muss. Für Imre Kertesz war das Schreiben stets nur ein Mittel, sich »vom Druck der Umwelt und der Umstände zu befreien«. Oder Max Frisch, der gestand: »Ich schreibe, um zu bestehen; ich schreibe, um mir klar zu werden.« Nicht selten wird dazu auch ein Journal genutzt, das hilft, Gedanken zu sortieren und den Ausdruck für das Alltägliche zu finden. Es
wird viel Autobiografisches aufgeschrieben, was dabei hilft, die eigene Lebenssituation zu bewältigen. Notierte Selbstreflexion ist bei den Dichtern ein bisschen wie Heilfasten. Und natürlich fließt etliches an fremder Intimität mit ein, wie Elke Heidenreich es kenntnisreich beschreibt: »Sie lauschen Tag und Nacht nach innen, führen Tagebücher, Notizbücher, Kladden, sammeln Ideen und fertigen Wortlisten an. Sie sind Sammler, die aus den Brosamen des Alltags herrliche Handlungsgebäude errichten. ... Schriftsteller, Autoren, Dichter leben vom Plankton des Alltags. Niemals ruht ihre Phantasie, manchmal ist sie etwas müde und braucht frische Nahrung. Dichter sind immer hungrig. Ihre Nahrung ist das Leben anderer. Zur Inspiration genügt nur ein geringer Anlass.« Tagebuchschreiben ist also auch bei Profischreibern manchmal ein Ventil und ersetzt gelegentlich sogar das Gespräch mit Anderen durch das Gespräch mit sich selbst. Für Autoren, die spät mit dem Schreiben begonnen haben, kann auch die Motivation dahinter stehen, ein Vermächtnis zu hinterlassen, sich zu verewigen, vielleicht um Zeitgeschichtliches zu bewahren. Das Tagebuch ist ein geduldiger Partner für die ersten Schritte auf dem Weg zum Manuskript. Auch die Liebe zu Büchern weckt manchmal den Wunsch, selbst zum Erzähler zu werden. Mit der Phantasie und den Möglichkeiten des Fiktiven zu spielen, gottgleich Figuren leiden oder glücklich werden zu lassen, befriedigt und - macht süchtig.
Wenn Sie ein guter Schriftsteller werden wollen, müssen Sie drei Dinge tun: Viel lesen, gut und genau zuhören und sehr viel schreiben. Lassen Sie sich auf den glühenden Strom der Worte, der Laute und der vielfarbenen Empfindungen ein und halten Sie Ihre Hand in Beivegung. Tauchen Sie ein in die Absurdität and schreiben Sie. Wagen Sie etwas. Sie werden Erfolg haben, wenn Sie sich nicht vor dem Versagen fürchten. Natalie Goldberg: Schreiben in Cafes
> Der göttliche Funke
Viele Schriftsteller wussten bereits in ihrer Jugend, dass sie das schöpferische Schreiben zu ihrem Beruf machen wollen. Birgit Vanderbeke erinnert sich, dass sie ungewöhnlich früh über das Lesen dazu kam: »Ich habe mein erstes Buch im Flüchtlingslager bekommen, da war ich fünfeinhalb. Das waren Die Kinder von Bullerbü. Ich hatte mir das Lesen schon früh beigebracht, weil ich im Lager keine Kinder zum Spielen hatte. Von dem Moment an wusste ich, dass ich auch so etwas Schönes machen will.« Auch Gabriele Wohmann hat »immer irgendwas geschrieben«, seit sie lesen und schreiben lernte. »Und davor, ohne Niederschrift, phantasierte ich mich mit meiner Schwester in erfundene Kinder und ihre Familienzusammenhänge, in fremde Wohnungen und Gärten. ... Vorboten für Schreibanfänge. ... Als ich lesen konnte und mit einem Lieblingsbuch fertig war, ergänzte ich es um viele weitere Kapitel. ... Kaum war ich verlobt, da habe ich ambitioniert geschrieben. Nicht still beschaulich dann und wann, keine kleine Poesie. Sondern rasch vor Ungeduld, Prosa, nie mit einem Konzept: drei Romane. Der Bleistift war am schnellsten auf schäbig-bräunlichem Papier.« Zeruyah Shalev begann mit dem Schreiben, als sie sechs Jahre alt war: »Ich hatte eine sehr einsame Kindheit. Schreiben hat mir geholfen, sie durchzustehen. Ungefähr fünfzig Notizbücher sind in dieser Zeit entstanden, Kurzgeschichten, Gedichte, Romananfänge.« Franz Xaver Kroetz, der seit seinem 12. Lebensjahr schreibt, hat schon damals sehr viel gelesen. Er sagt: »Das habe ich imitiert. Ich hatte eine Schreibmaschine zum Spielen. Darauf tippte ich meine ersten Romanversuche. Mit der Hand habe ich nie geschrieben. ... Mir kam es in dieser frühen Zeit hauptsächlich auf den Stil an, weniger auf den Inhalt. Meine Fixsterne waren Beckett und Joyce. Ich frage mich oft, wie das möglich war. Mein Elternhaus ist vollkommen unkünstlerisch. Der Vater
las Karl May. Woher kam dieser göttliche Funke? Ich glaube, mich hat die Pubertät so furchtbar geschüttelt, dass ich sie in Form von Kunst aus mir herausschleudern musste.« Auch wenn der Journalismus als Einstieg bei älteren Schriftstellern manchmal verpönt ist, viele der neueren Literaten sind über den Journalismus zum literarischen Schreiben gekommen, wie Tanja Dückers oder Judith Hermann, die in einem Interview erklärte: »Ich glaube schon, dass ich durch den Journalismus viel für das Schreiben gelernt habe, obwohl ich mir dessen nicht bewusst bin. Ich habe sicherlich Anfänge gelernt. Ich kann mich an einen absurden Satz aus dem Reportageunterricht in der Journalistenschule erinnern: Ein Einstieg muss sein wie eine atomare Explosion. Unglaublich eigentlich. Ich glaube, dass ich das - so absurd es klingt - unbewusst angewendet habe. Ich habe gelernt, konkret zu schreiben, Überflüssiges zu streichen, auf den Punkt zu kommen, nicht lange drum herum zu reden - eine bestimmte Form von diszipliniertem Schreiben also. Es fällt mir grundsätzlich, glaube ich, leichter, literarisch zu schreiben, weil ich mich im journalistischen Schreiben immer zurücknehmen musste und weil ich mir die Eskapaden, die ich mir im literarischen Schreiben leisten kann, im journalistischen Schreiben geradezu verbieten muss. Es gibt immer ein Gefühl der Zurücknahme und eine diffuse Vorstellung von Regeln und Gesetzen in meinem Hinterkopf, die mich nervös machen, weil ich denke, dass ich sie nicht einhalten kann. Ich kann die Wer-wo-wie-wann-was-warum-Regel nicht beherzigen, ich kann sie nicht ausstehen.« Paul Auster wollte immer nur schreiben: »Das hatte ich schon als Sechzehn-, Siebzehnjähriger gewusst, mich aber nie der trügerischen Hoffnung hingegeben, dass ich davon würde leben können.« Bodo Kirchhoff begann mit 14, und Heiner Müller war im gleichen Alter klar, dass er Schriftsteller werden wollte, während Bernhard Schlink zwar schon als Schüler geschrieben hatte, aber erst später, über das wissenschaftliche Schreiben, zur Belletristik kam. Manche Autoren beginnen erst im fortgeschrittenen Alter mit dem Schreiben von Autobiografien, wie Frank McCourt, der in
seinem Buch Die Asche meiner Mutter seine frühe Kindheit in Irland beschreibt und einen Welt-Bestseller landete. Ingrid Noll hat Diogenes ihr Manuskript Der Hahn ist tot vorerst 1990 angeboten - es wurde ein Bestseller, dem weitere folgten. Den Impuls zu schreiben kann aber auch eine andere Motivation geben, wie Pieke Biermann verrät: »Ich habe aufgrund niedrigster Rachegelüste zu schreiben angefangen.« E.M. Cio* ran sagt es deutlicher: »Meine Bücher strotzen vor Gehässigkeit, mörderischen Launen, Rachsucht - aber das war vielleicht nötig, denn sonst hätte ich nicht einen gewissen Anschein von Ausgeglichenheit, von >Vernunft< wahren können.«
Auf die Frage, ob er fürchte, seine künstlerische Inspiration könnte versiegen, antwortete Martin Walser in einem Interview: Ich habe nie von Inspiration gelebt. Das ist ein Wort von Anno dazumal, als man noch eine Muse hatte. Ich habe immer von Erfahrung gelebt. Denn Phantasie ist Erfahrung. Mir fällt ein, was mir fehlt. Meine Muse ist der Mangel. Wenn alles so wäre, wie ich wollte, könnte ich nicht mehr schreiben. Aber da das nie passieren wird, bleibt mir nur das Schreiben. Und vom wohlverdienten Ruhestand am Bodensee hält er nicht viel: Das ist doch absurd. Man muss atmen, man muss leben, man muss schreiben.
> Diplomierte Dichter
Mit acht Jahren schrieb er Tagebuch und Geschichten. Mit zehn gewann er - sehr zur Empörung seiner Umgebung - mit der Charakterstudie einer Nachbarin den zweiten Preis eines Zeitschriftenwettbewerbs. Von da an schrieb er wie besessen und gewann Jahr für Jahr Preise. Truman Capote war, wie er rückblickend sagte, mit sechzehn ein fertiger Schriftsteller: »Technisch habe ich damals so gut geschrieben wie heute«, erklärte er nach dem Welterfolg Kaltblütig in einem Interviewer. Er war nie auf einem College und hatte keine Schreibkurse besucht. Dennoch betonte er, wie wichtig das Handwerkliche für den Schriftsteller sei. Kann man das Handwerk des Schreibens lernen? Ja, das scheint inzwischen beantwortet: Wer das Handwerk beherrscht, den kann sein Talent überall hin bringen. Viele Autoren sind Autodidakten, die irgendwann das erste fertige Werk auf die Reise schicken, vorsichtshalber mit Rückporto. Die Gegenfrage, die niemand eindeutig beantworten kann: Gäbe es mehr gute Bücher von deutschsprachigen Autoren, wenn wir ein Netz von Schriftstellerschulen im Land hätten? Jan Philipp Reemtsma (für die Arno-Schmidt-Stiftung) war 1998 auf dem Düsseldorfer Symposium »Studienziel Dichter« der Ansicht, dass es dann »gewiss weniger schlechte Bücher« gäbe. Während die Diskussion um Genie und Handwerk immer noch anhält, haben sich Schreib schulen etabliert, wird längst auch im deutschsprachigen Raum Creative Writing gelehrt und - gelernt. Nach einer Recherche des Autorenhaus-Verlags (Kreatives Schreiben lernen) wurden im Jahr 2000 an rund 250 Schreibschulen in fast 700 Lehrveranstaltungen verschiedener Art über 10.000 Teilnehmer aus- und weitergebildet. Private Schreibschulen und Volkshochschulen bieten nicht nur Anfänger-, sondern auch weiterführende und spezielle Lehrgänge und Workshops an, teilweise unter Anleitung namhafter
Autoren. Das trifft noch mehr auf Werkstätten und Seminare von literarischen Institutionen und Hochschulen zu, an denen künstlerisches Schreiben gelehrt wird. Christian Ide Hintze von der Wiener Schule für Dichtung, die es seit 1991 gibt, warnte allerdings davor, Schriftsteller an Hochschulen auszubilden. Er erinnerte daran, dass das Thema des Schreibenlernens zweifelhaft geworden war unter anderem durch > dritt- und viertklassige Autoren, die in Schreibwerkstätten schlechte Literatur vervielfältigten; > den Geniekult der Romantik; > psychologischen Narzissmus, der Poeten verwehrt, sich auf andere Autoren zu berufen: »Ich bin Schüler von ...« hört man in der Literatur selten, im Gegensatz zu anderen Künsten. Der radikal künstlerische Ansatz der Wiener Pioniere, ja, das geradezu anti-administrative Konzept, ist die vielleicht der Kunst am ehesten gerecht werdende Form der Literaturschule. Die Lehrer sind ausschließlich Dichter (»Dichter lehren anders als Lehrer, die lehren«), keine Pädagogen, keine Literaturbetriebsmitglieder. Der Unterricht wird als primär literarische Tätigkeit aufgefasst. Die Schule für Dichtung bietet eine virtuelle Akademie per Internet an: www.sfd.at. Christian Ide Hintze weist darauf hin, dass die letzte bedeutende europäische Einrichtung dieser Art vor 2600 Jahren die Schule der Sappho auf Lesbos war. Die erste Professur für Kreatives Schreiben in Deutschland erhielt 2003 der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil. Der 1999 an der Hochschule eingerichtete Begabtenstudiengang »Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus« ist mit dem Namen Ortheils eng verbunden und in Deutschland einzigartig. Seine Lehrveranstaltungen zum Kreativen Schreiben bilden zugleich einen wissenschaftlichen Schwerpunkt für das gesamte kulturwissenschaftliche Studium an der Universität Hildesheim. Am Institut für Deutsche Philologie der Universität München ist eine weitere Creative-Writing-Hochschule im Entstehen:
Manuskriptum - Mänchener Kurse für Kreatives Schreiben ist ein Kooperationsprojekt mit dem Literaturhaus und der Bertelsmann Buch AG. Ziel ist das »Schriftstellerlabor«, in dem experimentiert wird mit dem Handwerkszeug des Schreibens; quer durch die Gattungen, von den klassischen, Lyrik, Prosaformen, Drama, über Essay und literarische Übersetzung bis zu Neuen Medien, Drehbuch und Schreiben für den Film; ergänzt wird das Angebot durch literaturhistorisches und -theoretisches Wissen und durch Textkritik. Im Mittelpunkt aber steht - im Schutzraum Werkstatt - die praktische Arbeit am eigenen Text. Seit 1995 bietet das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig Literarisches Schreiben als Hauptstudium an. Drei Lehrstuhlinhaber und eine wechselnde Zahl von Gastdozenten unterrichten die Studenten, welche am Ende das Diplom des Deutschen Literaturinstituts Leipzig erhalten. Etwa 170 Bewerber bemühen sich um die 70 Studienplätze. Während des sechssemestrigen Studiums wird in Literaturseminaren, Vorlesungen, WerkstattSeminaren und Einzellektoraten gelernt oder wie Tobias Hülswitt sagt: Es findet die »Dekonstruktion des Dichters« statt.
> Test: Sind Sie Schriftsteller?
Sind Sie von Zweifeln über Ihre wahre Identität zerrissen, fragen Sie sich täglich, stündlich, wer Sie wirklich sind? Können Sie Ihrem eigenen Blick im Spiegel nicht mehr begegnen, ohne sich zu fragen: »Bin ich es oder doch nicht?« - Dann machen Sie diesen Test, den ein ebenfalls Leidender vom Deutschen Literaturinstitut Leipzig auf dem Weg zur Erkenntnis freiwillig absolviert hat. Dazu inspiriert haben ihn bei der Ausarbeitung dieses Tests etliche kreative Schreibanleitungen aus verschiedenen klugen Büchern. > Setzen sie sich in einen abgedunkelten Raum. Schließen Sie die Augen. Ziehen Sie langsam Ihre Schuhe aus. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Schultag. Bilden Sie einige kurze Satze dazu. > Zählen Sie langsam rückwärts von 142,9 bis 99,6. Packen Sie Ihre Schnupftücher aus. Achten Sie darauf, was Ihnen dazu einfällt. > Stellen Sie sich vor, Sie seien in Rom, Venedig, Paris, New York, am Bodensee, in Buxtehude. Stellen Sie sich vor, Sie sprächen die Landessprache. Stellen Sie sich vor, Sie seien überraschend zurückgekehrt, kämen aber als Tourist. > Stellen Sie sich vor, Sie sähen sich zum ersten Mal. > Stellen Sie sich vor, Sie seien Ihr jüngerer Bruder. > Ändern Sie plötzlich Ihr Leben. > Stellen Sie sich vor, Sie seien Ihre Urgroßmutter. > Stellen Sie sich vor, Sie erinnerten sich an Ereignisse, an die Sie sich nicht erinnern. Bilden Sie einen kurzen Satz. > Sitzen Sie gerade, ja, gerade. > Wählen Sie eins Ihrer Taschentücher aus, und putzen Sie sich
damit die Nase. Wie fühlt sich das an? Passt es in den Text? Aus welcher Sicht ließe sich das außerdem beschreiben? > Halten Sie die Augen geschlossen. > Singen Sie ein Lied. > Hören Sie, wie still es um Sie herum ist. > Ziehen Sie Ihre Socken aus. > Formulieren Sie den erschütternden Höhepunkt einer ergreifenden Familiengeschichte. > Klettern Sie auf den Stuhl, machen Sie zehn Kniebeugen, klettern Sie herunter, machen Sie zehn Liegestütze. Beschreiben Sie die letzten Sekunden einer Bergwanderung vor der Katastrophe. Ändern Sie Ihr Leben nicht. > Halten Sie Ihre Augen geschlossen. Stellen Sie sich vor, allmählich würden Ihre Füße kalt. Setzen Sie sich wieder hin. Gerade. Nein, gerade. Sagen Sie zehnmal laut: »Meine Füße sind kalt.« Denken Sie an die Geschichte des Wettlaufs zwischen Scott und Amundsen. Spüren Sie den Anflug einer Erkältung? Erinnern Sie sich an Ihren letzten Abend bei Long Drinks und viel zu lauter Musik? Wer hat hinter Ihnen gestanden? Sind Sie länger geblieben, als Sie wollten? Weshalb? Standen Sie im Durchzug? Erinnern Sie sich an die Luft dort. Packen Sie Ihre Taschentücher weg. Beschreiben Sie ihre Konsistenz. Sagen Sie zehnmal laut: »Meine Füße sind jetzt eiskalt.« > Schämen Sie sich; schämen Sie sich nicht. Beschreiben Sie beides. > Sitzen Sie gerade. Wenn Sie Ihr Leben ändern, notieren Sie, was Ihnen dazu einfällt. Sagen Sie »Ich kann meine Füße nicht mehr spüren.« Wenn Sie Ihr Leben nicht ändern, so notieren Sie trotzdem. > Gehen Sie vor an die Rampe, und versuchen Sie, das atemlose Publikum atmen zu hören.
> Halten Sie die Augen geschlossen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten sich nichts mehr vorstellen. Zeigen Sie es auf keinen Fall. > Stellen Sie sich vor, Sie seien Scott, Sie hätten den Wettlauf zum Pol verloren, und jetzt verlieren Sie auf dem Rückweg auch noch Ihr Leben. Stellen Sie sich vor, Sie seien Amundsen. Wer wären Sie lieber? Wer wäre literarisch ergiebiger? Wen würden Sie lieber beschreiben? Mit wem würden Sie einen Abend verbringen wollen - bei Long Drinks und zu lauter Musik? Wer würde hinter Ihnen stehen? Halten Sie die Augen geschlossen. Stellen Sie sich vor, Sie seien die Mutter von Scott. Der Vater von Amundsen. Sein Tagebuch. Bilden Sie die Gegenwart von »verschollen«. > Überraschen Sie sich. Kreisen Sie auf der Bühne, bis Sie wieder gegen den Stuhl stoßen. Stellen Sie sich vor, Sie seien Sie selbst. Geben Sie auf, geben das aber keinesfalls zu. Oder beschreiben Sie, wie Sie aufgeben, aber tun Sie das auf keinen Fall. > Erleben Sie eine vernichtende Liebesgeschichte. Jetzt, sofort. > Stellen Sie sich vor, Sie seien Rom, Venedig, Paris, New York, der Bodensee, Buxtehude. Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Geist, ein Zwerg, Frau Holle, der Kilimandscharo, die Freiheitsstatue. > Rauchen Sie nicht, trinken Sie nicht, sitzen Sie gerade. Jawohl, gerade. Sie werden Ihre Gesundheit noch brauchen. > Stellen Sie sich vor, Sie müssten Ihr eigenes Leben leben. Wie begründen Sie das? Was sehen Sie? Was hören Sie? Was fühlen Sie? Auf wen sind Sie neidisch? Trennen Sie Privatleben und Öffentlichkeit, vertauschen Sie beides, vertauschen Sie's wieder, und heimsen Sie den Ruhm ein. Versuchen Sie, das Publikum zu halten, aber übertreiben Sie es nicht. Heben Sie anklagend die Brauen. > Verderben Sie es sich mit niemandem. Fragen Sie nach dem Grund.
> Finden Sie zehn überraschende Pointen. Erleben Sie eine spektakuläre Liebesgeschichte. Wer steht hinter Ihnen? Sitzen Sie gerade und halten Sie Ihre Augen geschlossen.
Stefan Finke, Jg. 1963, hat in Tübingen, Zürich und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert. Er veröffentlichte bisher mehrere Hörspiele und kurze Prosatexte.
Wenn Sie ohne Leidenschaft, ohne Gusto, ohne Liebe, ohne Freude schreiben, sind Sie kein echter Schriftsteller. Es bedeutet, dass Sie zu sehr damit beschäftigt sind, ein Auge auf den kommerziellen Markt zu werfen oder ein Ohr für erlesenen Zirkel der Avantgarde zu haben, dass Sie nicht wirklich Sie selbst sind. Dass Sie sich selber gar nicht kennen. Denn was ein Autor zu allererst sein sollte, ist - erregt! Aus Fieber und Enthusiasmus sollte er bestehen. Ohne solche Energie kann er eben so gut Pfirsiche pflücken oder Spargel stechen; Gott weiß, es wäre besser für seine Gesundheit. Ray Bradbury: Zen in der Kunst des Schreibens
> Der Unterschied
Eine Schule in Connecticut lud mich einst ein, anlässlich ihres Tags der Künste über den Beruf des Schriftstellers zu sprechen. Als ich ankam, fand ich heraus, dass noch ein zweiter Redner eingeladen war - Dr. Brock, wie ich ihn hier nennen werde. Er war Chirurg, hatte kürzlich mit dem Schreiben begonnen und hatte einige seiner Storys an Magazine verkauft. Dr. Brock war da, um etwas über das Schreiben als Nebenbeschäftigung zu erzählen. So wurden wir zürn Sachverständigenausschuss. Wir setzten uns vor all die Schüler, Lehrer und Eltern, die gespannt darauf waren, die Geheimnisse unserer glamourösen Tätigkeit zu erfahren. Dr. Brock trug ein knallrotes Jackett, welches ihm etwas Verwegenes - wie man es von einem echten Schriftsteller erwartet - verlieh. Also ging die erste Frage, wie es denn als Schriftsteller so sei, an ihn. Er sagte, es sei unwahrscheinlich spitze. Nach einem anstrengenden Tag in der Klinik schnappe er sich zu Hause umgehend seinen Schreibblock und schriebe sich seine Anspannung vom Leib. Dabei quöllen die Wörter nur so aus ihm heraus. So einfach sei das. Ich sagte dann, Schreiben sei weder einfach noch spitze, sondern schwer und einsam, und nur selten quöllen die Wörter dabei nur so aus einem heraus. Als Nächstes wurde Dr. Brock gefragt, ob es wichtig sei, einmal Geschriebenes nochmals zu überarbeiten. »Ach, überhaupt nicht, immer raus damit«, sagte er. Egal, wie die Wörter fielen, sie würden den Schriftsteller in seiner natürlichsten Form zeigen. Ich sagte, dass ohne Überarbeitung beim Schreiben gar nichts liefe, und betonte, dass Profis ihre Sätze immer wieder neu formulieren, um am Ende das Neuformulierte nochmals neu zu formulieren. »Was machen Sie an Tagen, an denen die Arbeit zäher vorangeht?« fragte jemand Dr. Brock. Er sagte, er ließe die Schreiberei dann einfach sein und warte auf einen besseren Tag. Ich
sagte dann, dass Profis sich an feste Arbeitszeiten gewöhnen, die sie jeden Tag einhalten müssten. Ich sagte, Schreiben sei ein Handwerk und keine Kunst, und dass jemand, der aus Mangel an Inspiration vor seinem Handwerk fliehe, sich selbst ein Bein stelle. Außerdem wäre er bald pleite. »Und wenn Sie deprimiert sind - wirkt sich das nicht auch auf die Texte aus?« fragte ein Schüler. »Wahrscheinlich schon«, antwortete Dr. Brock. Dann solle man lieber angeln gehen oder eine Runde drehen. »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. »Wenn man das Schreiben zu seinem täglichen Beruf macht, dann erledigt man diesen Job wie jeden Anderen auch.« Ein Schüler wollte wissen, ob es was bringe, sich in die Gefilde der Literaten zu begeben. Dr. Brock sagte, sein neues Leben als Mann der schreibenden Zunft gefalle ihm prächtig, und er gab ein paar Geschichten über Mittagessen mit seinem Verleger und seinem Agenten in Manhattaner Szenerestaurants zum Besten. Ich sagte, dass Schriftsteller Eigenbrötler seien, die sich nur selten mit anderen Schriftstellern träfen. »Verwenden Sie in Ihrer Arbeit Symbolik?« fragte mich ein Schüler. »Wenn ich es vermeiden kann, dann nicht«, antwortete ich. - Ich halte den Weltrekord im Versäumen der tieferen Bedeutung der meisten Erzählungen, Theaterstücke und Filme, und was Tanz oder Pantomime angeht, so ist die Botschaft noch nie zu mir durchgedrungen. »Ich liebe Symbole!« jubilierte Dr. Brock und beschrieb verzückt, wie sehr er es genoss, sie in seine Texte einzuflechten. Am Ende dieses Vormittags wussten wir alle viel mehr als vorher. Zum Schluss sagte mir Dr. Brock, dass er meine Antworten sehr interessant gefunden habe. Es sei ihm noch nie in den Sinn gekommen, dass Schreiben schwer sein könne. Ich sagte ihm, dass mich seine Antworten ebenso interessiert hätten. Mir sei es noch nie in den Sinn gekommen, dass Schreiben leicht sein könne. - Vielleicht sollte ich mir einen Nebenjob als Chirurg suchen. Was die Schüler angeht, so könnte man meinen, wir hätten sie völlig verwirrt. Aber im Grunde haben sie so mehr über
das Schreiben erfahren, als wenn nur einer von uns beiden gesprochen hätte. Es gibt keine »richtige« Art, eine so persönliche Sache zu meistern. Es gibt sehr verschiedene Schriftsteller und sehr unterschiedliche Methoden, und jede Methode, die Ihnen dabei hilft, das zu sagen, was Sie sagen wollen, ist für Sie richtig. Manche schreiben tagsüber, andere nachts. Manche brauchen Ruhe, andere schalten das Radio ein. Manche schreiben mit der Hand, andere am Computer, wieder andere sprechen in ein Diktiergerät. Manche schreiben die ganze Rohfassung in einem Stück, andere können mit dem zweiten Absatz nur dann beginnen, wenn sie am ersten endlos herumgefeilt haben. Aber alle sind empfindlich und verspannt, getrieben vom Bedürfnis, einen Teil ihrer selbst auf ein Blatt Papier zu bringen. Und dennoch schreiben sie nicht einfach, was ihnen in den Sinn kommt. Sie lassen sich am Schreibtisch nieder, um Literatur zu schreiben, aber das Selbst auf dem Papier hat viel steifere Finger als der Mensch, der da schreibt. Es ist schwer - aber wichtig -, sich selbst hinter der Verspannung zu entdecken. Nicht das Thema, sondern die Person hinter dem Text entscheidet am Ende, ob sich das Geschriebene verkauft. Mir ist es schon oft passiert, dass ich voller Interesse etwas gelesen habe, von dem ich nie gedacht hätte, dass es mich interessieren konnte - etwa einen wissenschaftlichen Forschungsbericht. Gefesselt hat mich dabei immer die Leidenschaft des Autors für sein Gebiet. Wie ist er dazu gekommen, sich damit zu beschäftigen? Mit welchem Gefühl ist er an die Sache herangegangen? Wie hat sich sein Leben dadurch verändert? Man muss nicht selbst ein Jahr allein in Waiden verbringen wollen, um einen Draht zu dem Schriftsteller zu finden, der dies getan hat. Hier geht es um den zwischenmenschlichen Austausch, das Kernstück jeder guten Nonfiction. Damit wären wir bei den beiden Punkten, nach denen ich in diesem Buch vorrangig Ausschau halten werde: dem Menschen und seiner Wärme. Ein guter Text ist so lebendig, dass er den Leser von Absatz zu Absatz mitzieht. Und diese Lebendigkeit wird nicht durch
irgendwelche »Kunstgriffe« erzeugt, sondern dadurch, dass man sich so klar wie möglich ausdrückt. Kann man diese Grundsätze lehren? Vielleicht nicht. Aber die meisten davon kann man erlernen. Auszug aus: Schreiben wie ein Schriftsteller von William Zinsser
> Verhindert ein Stehpult Rückgratverkrümmung?
Was braucht ein Schriftsteller für seine Arbeit? Seine Selbstständigkeit ist ohne hohe Investitionen und permanente Festkosten möglich, sieht man einmal von der Erweiterung der Handbibliothek und einem ergonomischen Arbeitsplatz ab. Die Berufskrankheit der Schriftsteller ist die Rückgratverkrümmung. Siegfried Lenz hats auch am Rücken, zwischen fünftem und sechsten Rückenwirbel entsteht der Schmerz, der ihn daran erinnert, dass Günter Grass ihm seit zwanzig Jahren zu einem Stehpult rät. Noch hat sich nicht jeder an den Computer mit Internetzugang und angeschlossenem Drucker gewöhnt, auch wenn inzwischen kaum noch ein Autor eine Schreibmaschine als alleiniges Schreibgerät benutzt. Korrekturen führen viele noch auf Papier mit Kugelschreiber oder Füller aus, weil ohne das ständige Summen und den erleuchteten Bildschirm intensiveres Überarbeiten möglich ist und mehr Intimität zum Text entsteht. Aber es ist natürlich sehr viel einfacher, mit dem Computer zu überarbeiten, Passagen einzufügen oder zu übertragen und auch die Four-letter-word-Taste: »Entf« zu benutzen. Der Werkstoff des Schriftstellers, von der Rohfassung bis zur Endfassung und zum fertigen Buch, bleibt trotzdem Papier. Es ist wichtig als Notizbuch und Wissensquelle bei der Recherchearbeit in Bibliotheken, und der Drucker verlangt auch danach. Je nach Arbeitsweise und Vorlieben gehören gespitzte Bleistifte oder andere Schreibgeräte für Entwürfe, Überarbeitungen und Korrekturen zur Grundausrüstung. Die Handbibliothek sollte gute Wörterbücher umfassen, Lexika, Referenz- und Nachschlagewerke sowie Bücher, die der Thematik des Projekts, an dem gearbeitet wird, entsprechen. Sie sollten möglichst in greifbarer Nähe stehen, zumindest aber im gleichen Raum, und es wäre ideal, wenn ein zweiter Tisch als Ablage für die aufgeschlagenen Werke darin Platz hätte. Andrzej Stasiuk beschreibt sein Zimmer als »das herun-
tergekommenste im ganzen Haus, total versumpft. Da darf überhaupt keiner reinkommen, vom Saubermachen ganz zu schweigen. Die Wände sind behängt mit Karten von Mitteleuropa, überall stehen Bücher rum und leere Bierflaschen. Mitten im Raum steht eine Pritsche, auf der ich schlafe. Es ist Gefängnis und auch wieder Kloster.« Meist arbeitet der Berufsschriftsteller am Schreibtisch zu Hause, es sei denn, er kann, wie Heinrich Böll, »überall schreiben«, wo er »Ruhe hat«. Überall schreiben konnte auch Thomas Bernhard, aber nur, wenn es soweit war: »Ich kann sicher auch unter Menschen schreiben, bei furchtbarem Lärm, wenn es parat ist, und wenn es nicht parat ist, kann die Ruhe noch so groß und ideal sein, und es geht nicht. Einen bestimmten idealen Platz gibt's nicht.« Bekannt sind Bilder von Literaten, die in Cafes arbeiten, zumindest Entwürfe und Skizzen beginnen. Die faszinierendste Story zum Thema Kaffeehaus-Literaten lieferte Joanne K. Rowling: Ihr erstes Harry-Potter-Manuskript soll in einem Cafe in Edinburgh entstanden sein, weil sie von der Sozialhilfe lebte und es zu Hause zu kalt war. Aber auch Natalie Goldberg schreibt in ihrem Bestseller über das Schreiben in Cafes. Für Heiner Müller war das Stückeschreiben eine motorische Tätigkeit. Er konnte einen Dialog nicht im Sitzen schreiben: »Ich muss herumgehen ... Der Wahnsinn ergibt sich aus der Motorik. In mir läuft ein Motor, der braucht manchmal Auslauf.« Einen Raum, einen Schreibtisch, Papier und Schreibgerät - ist das alles, was ein Schriftsteller braucht? Ja, zumindest ist dies seine Betriebsausstattung - keine große Investition. Sein wahres Kapital sind Talent und Können, Sprachgefühl und Wortschatz, Wissen und Belesenheit, Selbstdisziplin und Fleiß. Peter Handke qualifiziert diese Tugenden: »Gute Literatur kommt aus dem Erleben der Dinge und der Gerechtigkeit diesem Erleben gegenüber, aus nichts anderem. Sonst ist es nur Spielerei, Sprachbegabung, und das ist für mich etwas ganz Grausliges.«
II. Vom Schreiben leben Writing and selling it stop but don't get rich stop all authors poor first then rich stop me no exception stop Telegramm von Emest Hemingway an James Gamble
> Ehrengaben
Das amerikanische Forbes Magazine hatte vor ein paar Jahren die höchst bezahlten Autoren aufgelistet: 1. Stephen King 44 Mio $ 2. Tom Clancy 37 Mio $ 3. J.K. Rowling 36 Mio $
4. Dean Koontz 35 Mio $ 5. John Grisham 28 Mio $
Die »Harry Potter«-Autorin Joanne K. Rowling aber lässt die ganze schreibende Konkurrenz weit hinter sich: sie, die reichste Schriftstellerin der britischen Geschichte. Die 38-Jährige soll 2003 umgerechnet 182 Millionen Euro verdient haben. Mit großem Abstand folgt Jackie Collins, die nach Angaben der Zeitung im vergangenen Jahr 14,6 Millionen Euro verdiente. Selbst die weltberühmte Thriller-Autorin Agatha Christie kann an Rowling nicht heranreichen. Christie, die 1976 starb, hat insgesamt zwei Milliarden Bücher verkauft. Ihre Tantiemen beliefen sich auf 7,3 Millionen Euro. Der Wortursprung von Honorar bekommt eine neue Bedeutung angesichts solcher Summen: Ehrengabe. Für deutsche Autoren wären so hohe Ehrungen nahezu atemberaubend. Man denkt an deutsche Erfolgsautoren mit Millionenauflagen wie Simmel oder Konsalik und fragt sich, ob sie mit ihren Büchern ähnlich gut verdient haben. Wie reagiert der weniger begünstigte Schriftstelter auf solche Zahlen? Eher resigniert? Geld ist nicht alles? Kritisch oder neidisch? Kein Wunder, bei dem, was die schreiben?! Das sind Augenblicke, in denen Autoren daran glauben möchten, dass vielleicht auch ihr Buch einmal das Potenzial eines Bestsellers haben könnte. Die Kluft zwischen den Top-Verdienern und dem schreibenden Fußvolk wird immer größer. Einnahmen aus anderer Vermarktung, beispielsweise für Merchandising- und Filmrechte, erhöhen die Einkünfte der Megastars zusätzlich. Dagegen herrscht unter deutschsprachigen Bestsellerautoren
geradezu verordnete Abstinenz, man könnte es auch Bescheidenheit nennen. »Ich muss viel verdienen, weil ich so lange daran gearbeitet habe«, sagte Martin Walser in einem TagesspiegeMnterview beim Erscheinen seines neuen Romans Lebenslauf der Liebe. Und meint damit die Spekulation, dass sich die Arbeit von mehreren Jahren auszahlen wird: »Wenn der Roman weniger als 100.000 Exemplare verkauft, zahle ich drauf. Das fliehende Pferd habe ich in Nullkommanichts hingeschrieben, das hätte sich sogar mit weniger als 100.000 gelohnt.« Aber keine Sorge, Walser hat einen Namen: »Ich kann nur sagen, dass seit der Brandung die meisten Bücher ... ziemlich schnell die 100.000-Exemplare-Marke erreicht haben.« Lebenslauf der Liebe kostete im Laden 25,80 Euro: Angenommen, der Autor erhielte ein Honorar von mindestens 12 % vom Netto-Ladenpreis, sind das 2,90 Euro, jedes Mal, wenn die Kasse klingelt, also fast 300.000 Euro. Hinzu kämen die Beteiligung aus dem Verkauf der Taschenbuch- und eventueller Übersetzungsrechte. Auch eine Verfilmung würde einen großen Einkommenszuwachs bringen: Nicht nur die Lizenzeinnahmen daraus, auch die zusätzlichen Buchverkäufe würden den Urheber mit Extracash belohnen. Das braucht er aber auch, um neue Buchprojekte vorzunnanzieren und Reserven zu bilden, falls der nächste Roman nicht genug Leser finden sollte. Schriftsteller - ein Traumberuf? Wohl kaum. Die Chancen, zu den Bestverdienenden aufzusteigen, sind gering. »Der Schriftsteller und der Kellner bekommen beide zehn Prozent, obwohl der eine der Hersteller einer Ware ist, der andere nur der Hinsteller«, bemerkte Thaddäus Troll zur Einkommenssituation. Wahrscheinlicher ist, wenn das Manuskript, das der Autor ohne Abnahmegarantie geschrieben hat, überhaupt angenommen wird, ein Garantie-Honorar von vielleicht 2.000 oder 3.000 Euro und 5% vom Ladenpreis für ein Originalwerk, das als Taschenbuch erscheint. Das Honorar pro verkauftem Buch wird mit dem Garantie-Honorar verrechnet. Beispiel: Ladenpreis 7,90 Euro, ohne Umsatzsteuer 7,38 Euro, davon 5 % = ganze 37 Cent. Es müssen sich also 5.405
Exemplare verkaufen, bevor das Garantiehonorar verrechnet ist und zusätzliche Honorare fließen. Bei einer Paperback-Reihe werden sieben oder acht Prozent Honorar gezahlt. Durch den höheren Ladenpreis für OriginalPaperbacks errechnet sich demnach auch ein höheres Honorar pro Exemplar. Für Hardcoverausgaben liegen die Honorare höher, relativ und absolut erst recht, da Bücher mit festem Einband höhere Ladenpreise haben. Ob der Autor allerdings am Ende mehr verdient, ist offen: Verkauft sich das teurere Buch nicht entsprechend oft, bleiben auch die Honorare aus. Häufig werden Staffelhonorare vereinbart, beispielsweise: Bei einer Auflage bis zu 5000 Exemplaren: 5001 bis 10.000 Exemplare: 10.001 bis 20.000 Exemplare: 20.001 bis 30.000 Exemplare: darüber:
8% 9% 10 % 11 % 12 %
Für ein Debütwerk wird selten ein höheres Honorare durchzusetzen sein, es sei denn, mehrere Verlage lassen sich gleichzeitig dafür begeistern. Bei Kinderbüchern sind die Honorare niedrig, weil ja meist ein Illustrator auch honoriert werden muss: drei bis vier Prozent vom Ladenpreis und ein Garantiehonorar von 1000 bis 2000 Euro sind üblich. Es gibt zwar das Normvertragsformular, aber bindend ist es nicht, und feste Honorarsätze stehen auch nicht darin. Die Urheberrechtsreform von 2003 führt zwar den Begriff des »angemessenen« Honorars ein, der vor allem Bestsellerautoren zu Gute kommt, ob aber eines Tages durchschnittliche Berufsautoren höhere Honorare erhalten werden, ist offen. Es liegt also an der Qualität des Manuskripts und der Verhandlungsbereitschaft des Verlags, zu welchen Konditionen abgeschlossen wird. Dirk Kurbjuweit warnt allerdings: Wer es geschafft hat, einen Verlagsvertrag abzuschließen, sollte trotzdem nicht voreilig
handeln: »Als ein großer Verlag mein erstes Romanmanuskript akzeptiert hat, war ich so euphorisch, dass ich dem Lektor gegenüber erwähnte, bald kündigen zu wollen, um nur noch Bücher zu schreiben. Er sagte kühl, dass er niemandem empfehlen würde zu kündigen, bevor nicht hunderttausend Exemplare von einem Roman verkauft seien. Von meinem ersten Roman wurden dreitausend Exemplare verkauft.« Ein weiteres, ernüchterndes Beispiel von Martin Ahrends: »... aus den Abrechnungen ergibt sich ein Guthaben von 39,59. Das ist freundlich formuliert, denn zöge man die Summe unter alle drei Buchverträge, die der Verlag mit mir unterhält, ergäbe sich ein Saldo von 3641,27 zu meinen Lasten. Der Anstand verbietet mir, diesen Scheck über 39,59 einzulösen, denn ich schulde dem Verlag viel Geld. Und ein Buch obendrein, einen Roman, den ich bei Strafe des Untergangs nicht schreiben darf, weil ich nach getaner Arbeit nicht nur dem Vertag und nicht nur 3641,27 schulden würde. Ich werde den Scheck stattdessen zu den anderen heften, die ich mir als Kuriosa aufgehoben habe, für bessere Zeiten, wenn ich einmal berühmt bin und darüber lachen kann.« Das Kleingeld der Honorarabrechnungen mag zwar schockieren, aber nicht jeder wird darauf verzichten wollen. Die 30.000 bei der Künstlersozialkasse gemeldeten Autoren hatten 2003 ein Durchschnittseinkommen von 14.000 Euro im Jahr. Das war früher nicht viel anders. Selbst bekannte Schriftsteller waren auf Zugeständnisse für das tägliche Brot angewiesen: Friedrich Dürrenmatt bekannte: »Ich schreibe nicht für die Ewigkeit, sondern um Geld zu verdienen. Das meiste, was ich geschrieben habe, war Brotarbeit. Ich habe ja in allen Sparten geschrieben, Hörspiele, Kabarett, Kriminalromane ... Den Besuch der alten Dame habe ich in einer finanziellen Zwangslage geschrieben. Die Urfassung war völlig anders, aber die wäre für das Theater nicht brauchbar gewesen.« Einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten, Peter Handke, hat bescheidene Ansprüche: »Ich hatte Erfolg, ... aber ich hab mich nicht auf den Weg zu schreiben gemacht, um das zu erreichen. ... Vielleicht habe ich manchmal, wenn eine
»Herr Dr. Luther, ich kann ihnen 1 % des Ladenpreises für Ihre Bibelübersetzung bieten — und da setz ich noch zu ...«
»Also gut: 2%,.«
Aus: F.W. Bernstein: Achtung! Lesen gefährdet Ihre Dummheit, Haffmans Verlag
gewisse Schwermut sich nähert, kurz das Gefühl von Dankbarkeit, dass ich immerhin Geld hab. Aber es ist etwas anderes, reich zu sein oder Geld zu haben. Wirklich reich war ich nie, und ich hätte das auch nicht bewältigt. Reichtum bewirkt nichts Gutes. ... Mein Ideal ist das Denken und Schauen in der Stille. Mir genügt eine Hütte mit Garten. Ich wollte mir nichts mit dem Schreiben erkämpfen. Das Schreiben selbst war mein Ziel, nicht sein Ergebnis.«
Einkommen eines Schriftstellers
Geschrieben: 8 Bücher. Davon werden 3 noch verkauft, ihre Garantiehonorare sind bereits durch entsprechende Verkäufe abgegolten. Für ein Buch konnte der Verlag die Taschenbuchlizenz verkaufen. Für ein neues Buch, den Nachfolger des sich gut verkaufenden Buchs C, Verlagsvertrag abgeschlossen: Garantiehonorar. Buch A 1252 Ex. verkauft, Honorar -,66 826,32 Buch B 327 Ex. verkauft, Honorar 1,30 425,70 Buch C 2792 Ex. verkauft, Honorar -,74 2066,08 Buch D Taschenbuchlizenz 50 % 2500,00 Buch E Verlagsvertrag Garantiehonorar 3000,00 7 Zeitungsartikel Zeilenhonorar 1,- bis 7,50 2120,00 22 Lesungen Buch C Honorare 150,- bis 250,- 4200,00 1 Übersetzung 13,-pro Seite 2730,00 Jahreseinkommen €17.867,50 Davon müssen die laufenden Kosten abgezogen werden, die relativ niedrig sind. Die Anschaffung eines neuen PC wurde aufgeschoben. Da der Schriftsteller in der Großstadt lebt, braucht er kein Auto. »Hat es zum Leben gereicht?«, fragte ich ihn. »Meine Frau ist Lehrerin«, sagte er.
> Professionalisierung
»Schandbar begabte Burschen, die, wenn sie Geld brauchen, mit leichter Hand ein paar unsterbliche Verse aufs Papier werfen; sogleich wird ihnen das Manuskript vom Verleger ... mit Gold aufgewogen; und sie ziehen lachend weiter, ewig fröhliche Wanderburschen, gewissermaßen die Schmetterlinge in unserer harten Arbeitswelt, gelt ja?!« Arno Schmidt, der erst spät durch einen Mäzen in die Lage versetzt wurde, wenigstens ohne unmittelbare Existenzsorgen zu arbeiten, beklagte auch die »Absurdität ... je höher die Leistung, desto geringer der Verdienst!« Denn: »Je besser ein Buch, desto anspruchsvoller, >schwerer< ist es auch; stellt größere Anforderungen an Kenntnisse, an das Ohr des Lesers, an sein Gefühl für Wohlklang und Rhythmus: desto kleiner also zwangsläufig der Käuferkreis!« Eine Marketingerkenntnis. Der Begriff Literaturmarketing lässt manche Schriftsteller erschaudern. Für die jüngere Autorengeneration gehört das Marketingdenken schon zum Alltag, auch wenn es nicht so bezeichnet wird. Die Kinderbuchautorin Britta Schwarz spricht in ihrem Ratgeber So verkaufen Sie Ihr Buch - Erfolgsstrategien und Marketing für Autoren ganz unbefangen davon: »Die Marke Autor erkennt man oft ebenso wie die Marke Verlag an Genre, literarischer Qualität, Programm und Buchtiteln. Umgekehrt lässt sich von einem geschickt gewählten Titel wiederum auf die Marke, den Autor beziehungsweise Verlag schließen.« Der Lyriker Thomas Kling hat erkannt, »dass den Freiberuflern aus dem künstlerischen Bereich, also den Freelancern, keiner beigebracht hat, wie sie sich selbst zu managen haben. Das bedeutet, dass man erst lernen muss, Marketing zu machen, seine Preise zu bekommen, die man verlangt. Das ist eine wichtige Angelegenheit, wenn man das Schreiben - das Dichten in meinem Falle - professionell betreibt. Dann muss man eben auch sehen, wie man die Sachen an den richtigen Plätzen lanciert, sei es nun das schriftliche Produkt oder, in
meinem Fall, das zur Arbeit dazugehörige Leseprogramm. Und da hat sich in den letzten 15 Jahren doch einiges getan, weil, zumindest was die Dichtung angeht, sich eine jüngere Generation darum bemüht, eigene Vortrags formen zu finden. Das Schreiben heutzutage unterscheidet sich sehr vom Schreiben der Siebzigerjahre. Das hat sich eigentlich auch erst in den Neunzigerjahren durchgesetzt.« Für die meisten Autoren bleibt der Wunschberuf Schriftsteller ein Feierabend- und Wochenendberuf, nur möglich durch einen Brotberuf, mit dem sich das Einkommen sichern lässt. Und nicht alle sind dabei unglücklich: »Ich will Freude an meinem Beruf haben ... Ich habe ihn nie des Geldes wegen ausgeübt. Ich hatte ja mein Auskommen als Schulmeister und konnte dadurch schreiben, was ich wollte«, sagt der Kinderbuchautor Otfrid Preußler. Das Dilemma beschreibt Dirk Kurbjuweit, er traf einmal eine Dichterin, »die so lebt, wie man sich das vielleicht vorstellt. Es war beim Poetentreffen in Erlangen, und wir saßen abends in einer Bar zusammen, und jeder hat erzählt, wie er schreibt und lebt. Sie hat viel Zeit, aber ihre Sorge ist das Geld. Sie lebt ziemlich bescheiden. Du hast Geld und ich habe Zeit, sagte sie und lächelte fein. Ja, sagte ich, und fühlte mich schlecht. Ich schrieb einen Brief: Lieber Chefredakteur, hiermit kündige ich meinen Arbeitsvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Ich habe diesen Brief oft geschrieben, aber nie auf Papier.«
> Alles versucht, nichts ging
»Was ich weiß, ist nur, dass meine Schriftstellerei aus einer Liebe entsteht. Ich habe eine große Liebe zu diesem Beruf«, bekennt Sten Nadolny. Die braucht man auch, um die Doppelbelastung von Nebenund Brotberuf durchzuhalten. Gerhard Roth beispielsweise arbeitete erst als Operator, dann als Organisator im Rechenzentrum Graz und hat während dieser Zeit die Bücher Autobiogmfie des Albert Einstein und Winterreise geschrieben. Schriftsteller, das weiß er, haben schon immer in einem anderen Beruf ihren Lebensunterhalt verdient: »Der Arztberuf scheint bei manchen Autoren wie Döblin, Benn, William Carlos Williams sogar animierend auf die Arbeit gewirkt zu haben. Kafka arbeitete bekanntlich in einer Versicherungsanstalt - das ist bewundernswert und nur schwer nachvollziehbar. T. S. Eliot war an führender Stelle in einem Verlag tätig. Melville endete als Zollinspektor. Shakespeare und Nestroy waren Schauspieler, von Schriftstellern, die als Journalisten und Kritiker gearbeitet haben, wie Poe, Musil, Joseph Roth, Hemingway, Mailer und anderen gar nicht zu reden. Aber natürlich ist es mir lieber, wenn ich mich auf meine Arbeit als Schriftsteller konzentrieren kann. Einen komplexen Roman zu schreiben und einem Brotberuf nachzugehen, ist sehr schwierig ...« Die Theater- und Romanautorin Sarah Khan arbeitete als Reitlehrerin und Pferdewirtin und hat »alles versucht, nichts ging. Und fürs Schreiben entscheidet man sich nur dann, wenn nichts anderes mehr geht. Denn es kostet große Überwindung, zu ertragen, was man schreibt. Zuerst kommt sehr viel Hässliches aus einem heraus, ganz furchtbare Sätze und Ideen, schlimmste Fantasien. Man muss erst mal durch die verflixten sieben Gebirge mit seinen Texten, bis da was Brauchbares entsteht. Ich hab wirklich alles versucht, und jetzt bin ich Schriftstellerin.« Friederike Mayröcker arbeitete als Lehrerin und konnte
sich zuerst nicht vorstellen, Schriftstellerin zu werden und die Schulanstellung aufzugeben: »Alles ist draufgegangen auf diesen Brotberuf, ... je länger ich diesen Beruf ausgeübt habe, desto schlimmer ist es geworden. Das Bedürfnis zu schreiben wurde immer größer.« Helmut Krausser war Nachtwächter, Zeitungswerber und Opernstatist. »Dann schrieb ich 21 Theaterstücke, die alle Scheiße waren. Für meinen ersten Roman bekam ich mühelos einen Vertrag. Aus lauter Begeisterung schrieb ich in vier Wochen den zweiten. Schließlich bekam ich ein Stipendium. Mir fiel der Hörer aus der Hand. Wahnsinn, 12.000 Eier. Ich arbeite von Mitternacht bis morgens um vier. Wer nicht schreibt, um zu überleben, ist ein Schwätzer.« Doch wer dann Schriftsteller im Hauptberuf geworden ist, kennt, wie seinerzeit Heiner Müller, auch den Nachteil: »Wäre ich Bäcker, Ingenieur oder Journalist, dann hätte ich eine Arbeit, die ich von meiner Biografie, meinem Alltag mehr oder weniger trennen könnte. Da ich schreibe, kann ich das nicht. Ich bin sozusagen immer im Dienst. Ich habe nie frei ... Andererseits ist es natürlich ein Vorzug, tun zu können, was einem Spaß macht, und dafür auch noch bezahlt zu werden.«
> Beruf mit Zukunft: Ghostwriter
Eitel durften sie bisher nicht sein, die Ghostwriter. Ihr Name erscheint oft gar nicht, manchmal als Koautor oder »unter Mitarbeit von ...« auf der Titelseite eines Prominenten Buchs. Bisher blieben sie meist unbekannt oder »Hinter den Kulissen«, die kreativen Schreiber fremder Autobiografien, die Geister, die für andere Bücher schreiben. Für ihre Dienste (und ihre berufsmäßige Diskretion) werden sie gut bezahlt. Wird jetzt alles anders? Werden die Federhalter von Prominenten gesellschaftsfähig? Seit Dieter Bohlen mit seiner Autorin Katja Kessler aufgetreten ist, sind die Writer mit im TV-Bild. Er hat seine Geisterschreiberin ganz offen genannt und auch bei Pressekonferenzen vorgestellt. Effenberg hat es mit Hilfe des RTL-Journalisten Jan Mendelin »allen gezeigt«. Nadja >Naddel< Abd El Farrag hat ein ganzes Team beschäftigt und Beckenbauer hat verraten, wer ihm Kopf und Hand geliehen hat: Walter M. Straten. Er ist Sportredakteur bei Bild und sagt ganz bescheiden, wie es war: »Ich bin nicht sein Alter Ego, sondern nur sein Handwerkszeug, derjenige, der seine Gedanken zu Papier und in die Zeitung bringt.« Die Grenze zur Biografie ist manchmal schon fast überschritten, wie einmal Präsident Reagan mit dem ihm eigen Humor über seine 726-seitige Autobiografie bemerkte: »Ich habe gehört, dass es ein tolles Buch sein soll. Eines Tages werde ich es auch mal lesen!« Katja Kessler steht, anders als sonst üblich, zusammen mit ihrem Vorerzähler Dieter Bohlen im Mittelpunkt und der nimmt sie sogar bei Presseveranstaltungen in den Arm. Seine Ghostwriterin ist ebenso stolz darauf, »dass Dieter nicht plötzlich redet wie ein manikürter Pudel«. Über den Beruf meint die Profi Schreiber in: »So eine Existenz als Ghostwriterin ist extrem erschöpfend und lutscht einem die letzten kreativen Gedanken aus dem Kopf. Nach zehn Monaten denkst du wie der >Ghostgewritete<, sprichst wie er, machst dir seine Probleme zu deinen eigenen.«
Auch Ghosts, die nicht Bestseller für TV-Stars und Fußballer schreiben, vielmehr die, die »für ganz normale Bürger« die Lebensgeschichte aufschreiben, haben Hochkonjunktur, wie Katrin Rohnstock aus Berlin. Sie hat, wie sie dem Buchreport verriet, inzwischen fünf fest angestellte Mitarbeiter und es arbeiten mehr als zwanzig freie Autoren für sie. »Jedes Leben ist spannend genug, um in einem Buch zu landen«, erklärte die tüchtige Unternehmerin. Die Auflagen liegen meist unter 100 Exemplaren, die Kosten für den Auftraggeber: 8000 Euro plus. Aber Vorsicht: Nicht jeder, der seine Biografie für erzählenswert hält, ist bereit dafür zu bezahlen, ganz im Gegenteil, so glauben manche, die Autoren sollten dankbar sein, wenn sie solch interessanten Stoff geliefert bekommen.
> Können Schriftsteller schreiben wie Journalisten?
In der Vergangenheit hatten die Männer und Frauen der Presse und der anderen Medien häufig selbst eine schlechte Presse. Der Dichter Johann Michael Moscherosch bezeichnete sie als Fuchsschwänzer, Lumpen, Ohrenbläser und wies ihnen den schlechtesten Platz in der Hölle zu. Für Bismarck waren sie Menschen, die ihren Beruf verfehlt haben, und Wilhelm II. sprach schlicht von verkommenen Gymnasiasten. Auch die bekannten Koseworte (wie Pinscher) bundesdeutscher Politiker sind Geschichte. Journalisten haben ganz andere Probleme, denn viele haben die Arbeit in ihrem Beruf verloren. Seitdem die Werbeeinnahmen drastisch zurückgegangen sind, müssen viele Medien, vor allem Tageszeitungen, Kosten senken, um zu überleben. Die Folge: Tausende von angestellten Redakteuren wurden freie Journalisten. Und diesen Profis schnappt ein Schriftsteller nicht so leicht einen Auftrag weg. Bei Regionalblättern stehen die Chancen manchmal besser, sie haben oft ebenso informative und gut geschriebene Beiträge wie die national verbreiteten Zeitungen. Das verdanken sie teilweise der Zusammenarbeit mit freien Autoren, die ihnen über das redaktionelle Tagesgeschäft hinaus Beiträge zu speziellen Fachbereichen anbieten. Professor Friedrich Kraft, Chefredakteur des Donaukurier rechnet, dass er von den rund 1000 Manuskripten, die er pro Jahr erhält, etwa 50 veröffentlicht. Er schätzt die freien Mitarbeiter: »Journalistische Manuskriptangebote sind erwünscht!« Auch der Feuilleton-Ressortleiter beim Westfalen-Blatt, Manfred Stienicke, erhält rund 1000 Manuskripte pro Jahr, wovon etwa 30 angenommen werden. Dr. Wolfgang Bok, Chefredakteur der Heübronner Stimme, sagt zwar, nur wenige der bis zu 500 Manuskripte würden veröffentlicht, er sei aber offen für Anfragen. Sein Tipp zum Text: »Kurz, solide, keine PR!« Auch die Arbeitsgemeinschaft Westdeutscher Tageszeitungen hört sich gerne an, was Buchautoren
vorschlagen. Manfred Kriger, Chefredakteur, empfiehlt »eine vorherige telefonische Anfrage«. Berthold Dücker, Chef der Südthüringischen Zeitung, ist an politischen Themen interessiert: »Analysen, kritische Fragen zu Politik und Gesellschaft«. In Redaktionen geht es hektisch zu, entsprechend kurz und klar formuliert sollten die Angebote sein: Chefredakteur Joachim Westhoff vom Bonner Generalanzeiger bevorzugt ein knappes Expose. Dr. Uwe Zimmer, Chef der Münchner Abendzeitung, möchte erst dann Papier sehen, wenn man sich vorher telefonisch abgestimmt hat. Damit spricht er den meisten Kollegen aus dem Herzen: Ein kurzes E-Mail oder ein Anruf genügten, um herauszufinden, ob Interesse an einem Thema besteht. Wer Monate oder Jahre an einem Buch arbeitet, besitzt fundiertes Fachwissen. Das gilt für Sachbuch- wie Belletristikautoren, die lange recherchiert haben, um ihrer Romanfigur einen glaubwürdigen Background zu geben. So könnte ein Krimiautor beispielsweise interessante Parallelen zwischen Fiktion und realen Kriminalfällen liefern. Thomas Schuler, Medienautor der Berliner Zeitung: »Wenn jemand regelmäßig zu einer bestimmten Thematik schreibt, sollte er dauerhaften Kontakt zu verschiedenen Fachredaktionen suchen, gelegentlich mit den Redakteuren sprechen oder via E-Mail kommunizieren, um ein Gefühl für die Bedürfnisse der Redaktion zu entwickeln.« Dazu gehören auch die Angebotsformen, die je nach Zeitung und Redaktion verschieden sein können (Manuskriptform, E-Mail oder Papierausdruck). Interessant auch: welche Honorare (1 Euro bis 1,50 pro Zeile) üblich sind, ob der Autor vor Erscheinen eine Korrektur erhält, ob der Text exklusiv verwertet wird oder auch anderen Zeitungen zum Abdruck angeboten werden darf. Sofern nichts anderes vereinbart ist, fallen die Rechte üblicherweise an den Autor zurück. Kurzprosa in Zeitschriften und Zeitungen werden sehr unterschiedlich honoriert, ja nach Medium und Auflage zwischen 50 und 500 Euro. Verärgert sind Redakteure, wenn sie den Text eines freien Autors auch in einem Konkurrenzmedium finden (z.B. der
gleiche Beitrag in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung). Das wäre ein Grund, nicht mehr mit diesem freien Autor zusammenzuarbeiten. Aufmerksame Leser erkennen den Stil einer Redaktion schon bei der Lektüre. Deshalb wichtig für die Zusammenarbeit: Der freie Autor sollte die Zeitung, für die er arbeiten möchte, auch lesen. Für viele Schriftsteller bleibt das Schreiben für die Zeitung die Haupteinnahmequelle, auch wenn sie schon Erfolg haben. Bei Urs Widmer »liefen die literarischen Texte so nebenher, das Geld, dass ich mit ihnen verdient habe, habe ich überhaupt nicht mit dem Begriff >Lebensunterhalt< in Verbindung gebracht. Den verdiente ich vielmehr mit meinen Artikeln als Journalist mit Berichten über kulturelle Ereignisse oder Essays.« Diese enge Verbindung zum Journalismus verlieren viele Autoren ihr Leben lang nicht. Selbst wer genug Geld mit Bestsellern verdient hat, wie Frederick Forsyth, kann sich seinen Vorlieben zuwenden: »Wissen Sie, wenn man einen erfolgreichen Spionageroman geschrieben hat, freut man sich wie ein Schneekönig. Beim siebten oder achten Buch dieser Art fängt die Sache an, etwas fade zu werden. Ich will mich lieber wieder als Journalist um Themen kümmern, die ich für wichtig halte, zum Beispiel um die Frage, ob es gelingen wird, die Demokratie, wie wir sie in Westeuropa errungen haben, zu erhalten. Außerdem gehe ich gern Angeln und Tauchen. Ich will Zeit haben und frei sein. Meinen Platz als Thrillerautor räume ich gern für Jüngere.«
> Literaturpreise und Stipendien
Die Autorenförderung in Deutschland sei unterentwickelt, Förderpreise unterfinanziert und Stipendien würden unter der Hand vergeben, heißt es. Dass die Literaturförderung der öffentlichen Hand gekürzt wurde und angesichts leerer Gemein.dekassen weiter reduziert werden wird, stimmt. Auch, dass mancher Kämmerer die Euro-Umstellung dazu nutzte, dem Preisgeld etwas abzuzwacken, und eher ab- statt aufgerundet wurde. Dennoch sind selbst leicht gekürzte Literaturpreise und Fördermittel immer noch Preise und Stipendien, die den Autoren weiterhelfen. Es lässt sich eine Verlagerung der Literatur- und Autorenförderung von den Kommunen zu Stiftungen beobachten. Die Anforderungen an die Bewerber sind meist hoch, denn Stiftungen sind nicht daran interessiert, Hobbyschreiber zu finanzieren. Auch privatwirtschaftliche Förderer legen strenge Maßstäbe für ihr Literaturengagement an: Für sie ist nur ein zielgerichtetes Sponsoring interessant. In größerem Stil fördern Medienunternehmen, auch Buchverlage, die Literatur. Zwei neue Preise werden von der Buchbranche getragen, daneben engagieren sich auch einzelne Verlage für die Literaturförderung, allen voran Bertelsmann: Der Große Romanpreis des Clubs wurde zwar zurückgezogen, dafür gibt es nun einen Literaturpreis für das beste Zweitwerk, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Literaturwettbewerbe sind eine weitere Einkommens- und Publikationsmöglichkeit für unbekannte Autoren. Solche Wettbewerbe werden von Zeitschriften und Magazinen initiiert, die gemeinsam mit anderen Sponsoren attraktive Geld- und Sachpreise aussetzen. In dem Handbuch Literaturpreise und Stipendien sind mehr als 1000 Literaturpreise, Arbeits-, Reise- und Aufenthalts Stipendien sowie andere Auszeichnungen und Fördermaßnahmen verzeichnet. Das sind rund 600 Literaturpreise mit Neben-, Sonder- und Förderpreisen. Stipendien und Projektförderun-
gen, deren Anzahl pro Stifter oder Organisator variabel ist, gibt es etwa 200, ebenso weitere 200 bis 300 Aufenthaltsstipendien. Hinzu kommen unzählige Literaturwettbewerbe, teils mit beträchtlichen Preisen oder Veröffentlichungsmöglichkeiten für Debütanten. Rechnet man alle Literaturpreise, Stipendien und Literaturwettbewerbe zusammen, dann werden jeden Tag mehrere Preise oder Förderungen vergeben. Birgit Vanderbeke nennt sie »die feinste und autorenschonendste Art der Autorenförderung«. Vielen Autorinnen und Autoren wird nur durch Stipendien und Förderpreise die Zeit für das hauptberufliche Schreiben ohne Existenzsorgen ermöglicht. Wer Abgeschiedenheit und Ruhe zum Schreiben braucht, kann sich auch um eines der attraktiven Aufenthaltsstipendien in einem Künstlerhaus bewerben. Natürlich gibt es nichts im Literaturbetrieb, was nicht auch zu beklagen wäre. Kurt Drawert schrieb in der NZZ über Wulf Kirsten: »Wer von Akademietagung zu Akademietagung reist, mit Preisen bedacht und Preise zu vergeben notorisch berufen ist, der kommt vor lauter literaturbetrieblicher Verpflichtung am Ende kaum mehr an seinen Schreibtisch. Reden muss er halten, wo er lieber Gedichte schreiben würde, und Auskünfte muss er geben, wo er eigentlich diskret bleiben wollte. So kann schon das blanke Parkett der höheren Kulturetage hinderlich werden und so manchem, der in Ehren ergraut, zum besiegelten Schicksal. Denn wie schnell gehen die Jahre hin, und wo in der Ablage etwa ein Roman liegen könnte, finden sich nun Gelegenheitsschriften und Todesnachrufe.«
> VG Wort: Ihr Geld!
Bei der jährlichen Hauptausschüttung der Verwertungsgesellschaft Wort erhalten mehr als 100.000 Autoren, einschließlich Journalisten, Geld. Die Schecks von der VG Wort sind weder Autorenförderungsmaßnahmen, um die man sich bewerben muss, noch sind es Geschenke oder Almosen: Jeder angemeldete Rechteinhaber hat einen Rechtsanspruch darauf. Die Bezahlung der Bibliothekstantieme und der Betreibervergütung ist eine sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebende Verpflichtung, also eine zivilrechtliche und damit auch einklagbare Schuld. Autoren und Verlage haben einen Anspruch auf angemessene Entlohnung für ihre Leistungen - auch gegenüber der öffentlichen Hand. Dennoch gibt es Schriftsteller, die aus Unkenntnis auf die ihnen zustehenden Beträge verzichten. Nach einem Urteil des Landgerichts München I (Aktenzeichen 7 O 8786/99) gelten übrigens Autobiografien als Sachbücher und nicht als Belletristik. Die Werke würden - wie wissenschaftliche Bücher - für sich in Anspruch nehmen, tatsächlich Geschehenes wiederzugeben. Nicht nur Autoren bekommen von der VG Wort Geld, auch die gemeldeten Verlage erhalten als Rechteinhaber Vergütungen für Sendungen in Hörfunk und Fernsehen, aus der Fotokopiergeräteabgabe. Auch Selbstverleger können sich anmelden. Außerdem kümmert sich die Verwertungsgesellschaft BildKunst um die Interessen bildender Künstler. Da manche Autoren als Multitalente gleichzeitig auch illustrieren, ist ihre Anmeldung als Urheber des künstlerischen Werks bei der VG Bild-Kunst zu empfehlen. (Tabellen oder Schaubilder etc. zählen jedoch nicht). VG Wort, Goethestr. 49, 80336 München VG Büro Berlin, Köthener Str. 44, 10963 Berlin VG Bild-Kunst, Weberstr. 61, 53113 Bonn
> Künstlersozialkasse
Die Künstlersozialversicherung ist eines der großen Verdienste, die zum erheblichen Teil den Verhandlungen der IG Medien zu verdanken sind. Durch die KSK wurde Schriftstellern und anderen Künstlern erstmals ein Mindestmaß sozialer Absicherung ermöglicht. In der Künstlersozialversicherung können auch die finanziell schwachen Autoren in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen, als seien sie Arbeitnehmer: Dabei trägt der Autor 50 % der Beiträge, für den Rest kommen die Verwerter, also Verlage, und der Bund auf. Im Jahr 2003 waren 126.000 Künstler aus den Bereichen Wort, Musik, Darstellende und Bildende Kunst versichert. Die 30.000 Wortkünstler stellen mit 24 % die meisten Mitglieder. Ihre Einkommen lagen 2003 bei durchschnittlich 14.000 Euro im Jahr. Die Künstlersozialversicherung ist eine Pflichtversicherung: Autoren müssen ihr beitreten, wenn ihr Einkommen über den jeweiligen Bemessungsgrenzen des entsprechenden Jahres liegt. Diese Grenze liegt ab dem Jahre 2004 bei 3.900 EUR jährlich bzw. 325 EUR monatlich. Berufsanfänger werden auch dann nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versichert, wenn sie die ersten drei Jahre voraussichtlich nicht das erforderliche Mindestarbeitseinkommen erzielen werden. Achtung: Die Bemessungsgrenzen steigen von Jahr zu Jahr. Voraussetzung ist, dass Sie Ihre künstlerische und publizistische Tätigkeit selbstständig und erwerbsmäßig ausüben. Fordern Sie unverbindlich Unterlagen von der Künstlersozialkasse an: Künstlersozialkasse, 26380 Wilhelmshaven Tel.: (0 44 21] 75 43-9 / Fax: 75 43-586 www.kuenstlersozialkasse.de
> Können Schriftsteller Schwarzarbeiter sein?
Schriftsteller haben es schwer: Sie können kaum etwas bei der Einkommensteuererklärung absetzen, gewiss außer Papier mal einen neuen Computer, auch mal eine Reise, sofern sie gut begründbar ist. Das Mogeln ist schier unmöglich, denn, wie Peter Handke einmal ganz richtig darauf hingewiesen hat, ist Schwarzarbeit für einen Schriftsteller eher schwierig zu bewerkstelligen, da er davon lebt, dass sein Name überall draufsteht, wo seine Texte drin sind. Eine einfache Änderung des Steuerrechts würde die Literatur fördern: Lasst Schriftsteller Literatur schreiben, statt Steuerformulare ausfüllen! Mit anderen Worten: Folgen wir dem Beispiel Irlands, das seine Künstler ehrt und von der Einkommensteuer vollständig befreit hat! Das, lieber VS-Vorstand, wäre ein konkretes Anliegen, für das sich ein Schriftstellerverband engagieren kann und dabei alle Mitglieder hinter sich wüsste. Vorläufig gilt aber noch: Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit unterliegen der Einkommensteuer. Abziehen dürfen Autoren alle Betriebsausgaben, die, abgesehen vom Computer, meist nicht hoch sind. Die normalerweise niedrigen Einkünfte von Autoren können über Jahre zu Verlusten führen. Dann könnte das Finanzamt die Schriftstellerei als Hobby einstufen - und den Verlust durch die schriftstellerische Tätigkeit aus der vielleicht gemeinsam mit dem besser verdienenden Ehepartner abgegebenen Steuererklärung tilgen. Ein neueres Urteil des Bundesfinanzhofs stärkt jedoch die Position angehender Autoren: »Langjährige Verluste aus selbstständiger Arbeit lassen bei einem bildenden Künstler, der als solcher sowohl selbstständig als auch nichtselbstständig tätig ist und aus seiner künstlerischen Tätigkeit insgesamt positive Einkünfte erzielt, noch nicht auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht schließen«, urteilte der Bundesfinanzhof am 6. März 2003. Damit gehören oft willkürlich anmutende Entscheidungen der Finanzämter, wonach ein angehender
Künstler nur seinem Hobby nachgehe und daher keine Kosten seiner künstlerischen Arbeit absetzen dürfe, hoffentlich der Vergangenheit an. Wer in einem Jahr ein hohes Einkommen erzielt, beispielsweise, weil er drei Jahre an einem Buch gearbeitet hat und nun im Jahr der Veröffentlichung die Tantiemen reichlich fließen, oder weil es dem Verlag gelungen ist, die Filmrechte zu verkaufen und der warme Segen die sonst leere Kasse füllt, der geriete plötzlich in eine Steuerfalle. In solchen Fällen muss das Finanzamt mit freundlichen Worten über die Situation aufgeklärt werden. Dann werden die unterschiedlich hohen Einkünfte aufeinanderfolgender Jahre ausgeglichen. Preise oder Stipendien sind steuerfrei, wenn sie aus öffentlichen Mitteln zur Förderung der künstlerischen Fortbildung gewährt werden, sie dürfen nicht an eine künstlerische Gegenleistung gekoppelt sein, und reich werden dürfen Sie auch nicht damit. Es soll nur zum Lebensunterhalt reichen, denn Armut fördert bekanntlich auch die Kunst! Es kann (muss aber nicht) vorteilhaft sein, für die Mehrwertsteuer zu optieren. Der Autor kann so die Mehrwertsteuer seiner Kosten (meist 16 %) gegen seine meist nur mit 7 % Mehrwertsteuer berechneten Honorare verrechnen. Konsultieren Sie einen Steuerberater!
> Schriftsteller werden als »Ich-AG«?
Existenzgründerförderung können Sie auch erhalten, wenn Sie sich als Schriftsteller und somit Freiberufler selbstständig machen wollen. Schriftsteller, Maler oder Sänger sind zwar ungewöhnliche Existenzgründungen, aber grundsätzlich möglich. Wer eine »Ich-AG« gründen will, kann das also auch als Schriftsteller tun, die Hürden sind bewusst niedrig gehalten, Gutachten oder Rentabilitätsvorschauen nicht erforderlich. Die Arbeitsämter gehen davon aus, dass diejenigen, die eine »Ich-AG« gründen wollen, sich schon lange mit einer Existenz als Selbstständiger auseinander gesetzt haben und die Risiken eines solchen Schrittes kennen. Allerdings wollen die Arbeitsämter nach einem Jahr wissen, ob die Existenzgründung erfolgreich war. Dann müssen nämlich die Arbeitseinkünfte offen gelegt werden, eine Gewinn- und Verlust-Rechnung und der Steuerbescheid des Finanzamts auf den Tisch. Ob aus der »Ich-AG« eine Schriftstellerexistenz werden kann, die dem Freiberufler ein dauerhaftes Einkommen sichert, ist allerdings eine andere Frage. »Ich habe schon in vielen Existenzgründergesprächen so manchem die Idee ausgetrieben, sich als Schriftsteller selbstständig zu machen«, sagt Werner Ley, der für künstlerische Berufe zuständige Sekretär der Gewerkschaft ver.di in NRW, »Natürlich gibt es immer mal jemanden, der besonders begabt ist oder eine Nische clever nutzen kann und sich als Einsteiger durchsetzt. Aber jedem Erfolgreichem stehen 30 Erfolglose gegenüber. Eine reelle Chance, davon zu leben, gibt es kaum.« Die Bedingungen für die Existenzgründerförderung ändern sich und werden laufend ergänzt. Mehr Information dazu bei der Bundesagentur für Arbeit, im Internet: www.arbeitsagentur.de.
> Äußere und innere Zensur
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht in Artikel 5: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.« Warum gibt es einen »Index«, und wann landet ein Werk darauf? Müssen Autorinnen und Autoren in Deutschland mit der Zensurschere im Kopf schreiben? Wilfried Schneider von der Bonner Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erklärt dazu: »Jedes Recht findet seine Grenzen dort, wo andere, gleich wichtige Rechte verletzt werden könnten.« Artikel 2 des Grundgesetzes garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dieses Grundrecht bedeutet auch, dass Kinder und Jugendliche vor solchen Medien zu schützen sind, die ihren sozialethischen Reifungsprozess negativ beeinflussen könnten. Dies ist nicht nur Aufgabe der Erziehungsberechtigten, auch der Staat - nach Artikel 20 des Grundgesetzes ein sozialer Rechtsstaat - ist zu entsprechendem Handeln aufgerufen. In diesem Sinne wurde 1953 vom Deutschen Bundestag das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GJS] beschlossen. Nach dem Gesetz sind als jugendgefährdend einzustufen: »Schriften, die geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden ... Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende sowie den Krieg verherrlichende Schriften.« Seit Bestehen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften im Jahre 1954 gehören zu den »Schriften« inzwischen auch CDs, Videofilme, Computerspiele und Internet-Veröffentlichungen. Weit mehr als 10.000 Anträge wurden geprüft. Auf dem aktuellen Index stehen etwa 3000 Objekte, meist Video-
filme. Etwa 100 Bücher, Broschüren, Comics, Fanzines sind betroffen. Rund 2000 Print-Titel sind im Laufe der vier Jahrzehnte auf dem Index gelandet. Eine andere Form der Zensur wird von Literaten manchmal beklagt: Die des politischen und wirtschaftlichen Drucks. Wer zu politischen Fragen Stellung nimmt, wie beispielsweise Günter Grass und dabei nicht eben zärtliche Worte für seine Gegner findet, der rechnet mit entsprechenden Reaktionen in den Medien, und das ist vielleicht manchmal - wenn auch unbeabsichtigt - keine schlechte Art von zusätzlicher Publicity. Viele freie Schriftsteller und Drehbuchautoren hatten schon einmal den Verdacht, dass ihr Script nicht allein aus rein sachlichen Gründen abgelehnt wurde. So genannte schwarze Listen in den Medienbetrieben werden oft zitiert und sind im Film- und Fernsehbusiness auch gut vorstellbar. Das Wissen davon kann tatsächlich dazu führen, dass die »Schere im Kopf« alles meidet, was dem Arbeitgeber als kontroverse Aussage erscheinen könnte. Die Situation kann für engagierte Autoren auch bei Verhandlungen mit Medienkonzernen schwierig sein: Am längeren Hebel sitzt der Produzent allemal. Und genügend Kollegen stehen an der Tür und bitten um Einlass. Wer eine Familie ernähren muss, wird sich gut überlegen, ob er einen lukrativen Auftrag riskiert, um sein künstlerisch-gesellschaftliches Anliegen durchzusetzen. Das können sich eigentlich nur die Stars unter den Drehbuchautoren leisten.
> Freie Schriftsteller als Vereinsmitglieder?
Künstler sind Individualisten, die eine Mitgliedschaft wo immer, und sei es im größten deutschen Schriftstellerverband, der als Verband in der Gewerkschaft ver.di integriert ist, grundsätzlich ablehnen. »Ich würde nie einer Gruppe beitreten, die mich als Mitglied akzeptieren würde«, erklärte einst Groucho Marx das Prinzip. Für Peter Handke sind schon Schriftstellerversammlungen ein Gräuel. »Ich hab beim Verlag der Autoren, wo wir selbst die Gesellschafter waren, gesehen, wie gerade so machtlose Menschen, wie es Autoren meist sind, wenn sie ein bisschen Macht haben, diese dermaßen kaltschnäuzig benutzen, dass man sich wie im Zentralkomitee einer stalinistischen Partei fühlt. Je weniger Macht einer hat, desto kaltherziger übt er sie aus. Gerade an so armen Hanseln wie den Schriftstellern habe ich das beobachten können.« Auch Monika Maron lehnt die Vereinshuberei ab und erinnert an Franz Xaver Kroetz, der mit der Begründung: »Wir brauchen keinen Schriftstellerverband, wir brauchen Romanische Cafes«, aus dem Schriftstellerverband austrat. Monika Maron sieht die Stärke des Schriftstellers gerade darin, dass er sein Einzelgängertum behauptet: »Er stellt sich der Öffentlichkeit als einzelner und erwartet, von ihr beachtet zu werden. Weil er ebenso scheitern kann, haftet dem Versuch etwas Heroisches an. Das Gruppenethos eines Verbandes hingegen zwingt zur Nivellierung ... Vielleicht wäre es wirklich sinnvoller, wie Peter Schneider meint, wir hätten statt eines Verbandes Agenten, die unsere Interessen im Markt vertreten.« Vielen jungen Autoren ist nicht bewusst, dass auch sie von der Interessenvertretung der Schriftstellerverbände unmittelbar profitieren: Die Fortschritte in der sozialen Absicherung, die Schaffung der VG Wort, die Vereinbarungen mit den Verlegern über den Normvertrag, die Lobbyarbeit bei der Regierung und den Abgeordneten in Fragen des Urheberrechts kommen allen Schriftstellern zugute, gleich ob sie Mitglied sind oder nicht.
Die größte Autorenvereinigung mit etwa 4000 Mitgliedern ist der Verband deutscher Schriftsteller (VS), jetzt ein »Fachbereich« in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, ver.di. Sie hat 2001 aus fünf Organisationen, darunter auch die IG Medien mit dem VS, die größte Einzelgewerkschaft der Welt gebildet. Dadurch wurde die Rolle der Schriftsteller innerhalb dieser Mega-Gewerkschaft reduziert: »In der neuen Organisation beträgt der Anteil der Künstler 0,5 Prozent, der VS nähert sich der Promillegrenze«, schreibt Reimer Eilers im Autoren-Jahrbuch. Der Freie Deutsche Autorenverband (FDA) ist unabhängig und kann daher nicht auf die Struktur und Organisation einer Gewerkschaftsorganisation zurückgreifen. Ebenso sind die Regensburger Schriftstellergruppe e. V. (RSGI), übrigens der älteste deutsche Schriftstellerverband, der Bundesverband junger Autoren (BvjA), die Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IgdA) und andere kleinere Vereinigungen nicht gebunden und daher allein auf das Engagement ihrer Mitglieder und Sponsoren angewiesen. In Österreich und der Schweiz gibt es entsprechende, teils sehr aktive Autorenvereinigungen. Den meisten Autorenverbänden kann man unkompliziert beitreten, nur der VS legt die Latte ein wenig höher: Novizen müssen Veröffentlichungen vorweisen, wobei Publikationen aus Zuschussverlagen nicht berücksichtigt werden sollen. Im Gegensatz zu den deutschsprachigen Mitgliederverbänden kann man im EE.N.-Club nicht durch Beitritt Mitglied werden, man wird von den Mitgliedern vorgeschlagen und gewählt - was ihm natürlich entsprechende Vorwürfe einbringt. Das deutsche PEN-Zentrum engagiert sich hauptsächlich für Menschenrechtsfragen.
III. Erfolgreiches Veröffentlichen Den Erfolg muss man vergessen, wenn man ein neues Buch schreiben will. Fosnes Hansen
> Buchmarkt
Die Buchbranche klagt. Dabei geht es ihren Mitgliedern, verglichen mit anderen Branchen, nicht schlecht. Der Anlass zur Sorge: Die Verlagskonzentration nimmt zu, viele kleine und mittlere Verlage sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, der Buchhandel wird durch Medienkonzerne wie Bertelsmann (Random House), Holtzbrinck (u.a. Fischer, Rowohlt), Bonnier (u.a. Ullstein, Piper) und der Weltbild-Gruppe, die auch im Buchhandel stark engagiert ist, dominiert. Kleine Buchhandlungen schließen, weil sie mit den modernen, attraktiv gestalteten, serviceorientierten Buchhandelsketten nicht mithalten können. Die im Branchenverband Börsenverein des Deutschen Buchhandels zusammengeschlossenen rund 2000 Verlage und 5000 Buchhandlungen sind meist Kleinunternehmen. Aber wenige große Unternehmen beherrschen den Markt, der Verdrängungswettbewerb ist massiv. Die Zahl der lieferbaren deutschsprachigen Bücher liegt bei fast einer Million, jedes Jahr kommen 80.000 Neuerscheinungen hinzu, davon sind etwa 20.000 Neuauflagen. Der Anteil der Übersetzungen liegt bei 12 Prozent der Gesamtproduktion - keineswegs eine für die deutsche Literatur bedrohliche Situation, wie larmoyante Literaten gerne behaupten. Die Verlagskonzentration mag zwar für die Unternehmen gut sein - sie verbessern ihre Wirtschaftlichkeit -, aber sie bringt auch eine Konzentration auf garantiert umsatzstarke Titel mit sich. Das Marketingengagement gilt hauptsächlich Büchern, die erfolgreich sind. Ausgesuchte Buchprojekte mit geringer Auflagenerwartung - und darunter versteht man mittlerweile Auflagen von 6000 Exemplaren - werden in Konzern-Verlagen nicht einmal mehr dem Gremium der Mitentscheid er, der Verlagskonferenz, vorgestellt. Oft bestimmen Controlling- und Marketing-Experten ebenso über belletristische Literatur wie über neue Lifestylereihen. Kleineren Verlagen bleiben nur noch Themen, Autoren und
Nischen, die den Großen zu klein sind. Sollte darunter womöglich ein erfolgreicher Titel sein, bleibt das nicht unbemerkt. Man lässt beobachten, wie er sich entwickelt, bevor man als Großer selbst groß darauf einsteigt ... Der legendäre Verleger Klaus Wagenbach nennt deshalb die Independents die »Trüffelschweine der Branche«. Für Autoren, deren Werke keine ausreichend hohen Auflagen versprechen, wird es schwerer werden, bei den Buchkonzernen und den ihnen zugehörigen Mitglieds Verlagen unterzukommen. Noch lassen sich die kleineren Verlage auf das Verlegerrisiko ein. Sie müssen nicht wie die big boys bei der Buchkalkulation hohe Gemeinkosten auf jedes einzelne Buch umlegen. Bei ihnen gibt es kein Mindestrenditeziel von 15 Prozent vom Umsatz wie beispielsweise bei den Verlagen der Random House-Gruppe. Ein kleinerer Verlag mit klarem Themenprofil und gutem Namen im Buchhandel und bei den Lesern wird seinen Autoren und ihren Werken mehr Aufmerksamkeit widmen, ihnen den Glanz des Besonderen verleihen. Außerdem bleiben Bücher in kleineren Verlagen länger im Programm, werden nicht nach kurzer Zeit schon verramscht, wenn sie die hochgesteckten Absatzziele nicht erreichen. Wenn dann hoffentlich auch einmal ein Buch-Hit darunter ist, sollte der Autor den Wechsel zu einem großen Verlag gut bedenken - aus Loyalität und Dank für die erste Chance. Die kleineren Verlage werden weiter versuchen, dem Druck des Marktes mit Literaturbegeisterung, Originalität, Witz und gewohnter Selbstausbeutung aller Beteiligten zu begegnen. Ihr wirtschaftliches Überleben steht und fällt jedoch mit der Preisbindung für Bücher.
Mengenmäßige Buchproduktion nach Warengruppen
Quelle: Wöchentliches Verzeichnis der Deutschen Nationalbibliografie, 2001. Berechnungen: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Titelproduktion (Erstauflagen) nach Sachgruppen
Quelle: Buch und Buchhandel in Zahlen 2002, Buchhändler-Vereinigung
> Wozu feste Preise für Bücher?
Als die Buchpreisbindung von der EU-Wettbewerbskommission angegriffen wurde, ging ein Ruck durch die Branche. Die Preisbindung behindere, so lautete der Vorwurf der Kommission, den freien Wettbewerb. Aber die Brüsseler Anti-Buch-Bürokraten, sie galten schnell als Kulturfeinde an sich, hatten nicht mit dem massiven Widerstand der Branche und ihrer Förderer gerechnet. Die von den Verlagen frei bestimmten, mit gesetzlicher Hilfe festgesetzten Ladenpreise für Bücher schützen nämlich das gesamte Branchengefüge: Ein preisgebundenes Buch kann überall in Deutschland in jeder Buchhandlung, ob in einer Hugendubel-Filiale oder einer kleinen Themenbuchhandlung, zum gleichen Preis gekauft werden. Sogar die aggressiv konkurrierenden Internet-Buchhändler müssen sich daran halten, dass sich der Wettbewerb nicht in ruinösen Preiskämpfen, sondern in anderen Bereichen des Marketings abzuspielen hat. Warum sollte dieses Thema auch die Schriftsteller interessieren? Weil sie ebenso von einer wirtschaftlich funktionierenden Branche abhängig sind: Ohne das flächendeckende Vertriebssystem des Buchhandels würden weniger Bücher gekauft und weniger Buchmanuskripte von den Verlagen gesucht werden. Es gäbe weniger neue Bücher, weniger Neuauflagen, weniger Verlagsverträge mit Autoren. Immer noch wird die Buchproduktion in den Verlagen nach dem Prinzip der Mischkalkulation geplant. Das heißt, schwer verkäufliche, anspruchsvolle Literatur wird durch Bestsellererfolge finanziert. Ohne Preisbindung wären Verlage gezwungen, bei der Auswahl der zugesandten Manuskripte unter Kosten- und Ertragsgesichtspunkten möglichst nur noch die sicher erscheinenden Erfolgstitel auszuwählen. Die Sorge ist, ob die anspruchsvolle Literatur dabei ganz auf der Strecke bliebe. Es gäbe auf jeden Fall weniger und nicht unbedingt bessere Bücher.
Gleichzeitig würden bei einem scharfen Preiswettbewerb sämtliche Kosten im Verlag reduziert und damit auch die Honorare unter Druck geraten. Beispielsweise könnten Erstveröffentlichungen ganz ohne oder mit nur geringem Honorar üblich werden. Nur wenige, etablierte Schriftsteller, deren Bücher einen Platz auf den Bestsellerlisten versprechen, würden gut honoriert, denn um sie würde unter den Verlagen ein noch schärferer Wettbewerb als heute entbrennen. Ohne feste Buchpreise würde die gesamte Buchkultur allein den Marktgesetzen unterworfen. Die meisten Bücher würden teurer, nur wenige billiger. Das hohe Niveau deutschsprachiger Buchproduktion würde zwangsläufig sinken. Es gäbe mehr Trash.
Karikatur: Olli, Frankfurter Allgemeine Zeitung
> Die Zukunft des Buchs
Das Internet sei zu einem Forum für »ein eilig Volk von Möchtegern-Dichtern« geworden, das »seine Poesiealben« ins Netz entleere, schrieb Der Spiegel. Schriftsteller wagten sich nur hordenweise auf die entsprechenden Seiten der Literatur-Communities. Georg M. Oswald, der am Projekt Null mitgeschrieben hat, das inzwischen als Anthologie in Buchform erschienen ist, beschreibt den Reiz solcher Konzepte: »Man wusste nicht, was dabei herauskommt, wenn man mit zwanzig oder dreißig Schriftstellern in einem virtuellen Schreibraum eingesperrt ist. Die Möglichkeit, direkt miteinander in Kontakt zu treten, hat mich neugierig gemacht. Das ist ähnlich wie beim Briefschreiben, nur schneller, spontaner - und öffentlich.« Inzwischen sei ihm aber klar geworden, »dass schriftstellerisches Arbeiten gar nicht so viel Solidaritätsgehabe und Gemeinsamkeit erträgt. Im Gegenteil, es lebt vom Unterschied. Außerdem glaube ich, dass alle Gruppenbildungen die Tendenz haben, zum Ort allgemeiner Nabelschau zu werden«, - der Tod literarischen Schreibens also. Zur professionellen Nutzung des Internets als Veröffentlichungsplattform müssen ohnehin erst Lösungen für die entstandenen neuen Probleme, zum Beispiel den Schutz der Urheber bei der digitalen Verwertung geistigen Eigentums, durchgesetzt werden. Die rasante Entwicklung des Internets zum neuen Medium brachte manch voreilige Prognose mit sich, unter anderem, der Beruf des Schriftstellers würde mit dem Niedergang des Buchs an Bedeutung verlieren. Was dagegen spricht: Auch die neuen Medien setzen immer noch Schreib- und Lesefähigkeit voraus. Schon deshalb wird uns das Buch noch lange begleiten, es stellt technisch keine Ansprüche, hat Platz in der kleinsten Tasche, regt zum Denken an, entwickelt die Phantasie und lässt Bilder im Kopf entstehen. Und auch die Buchinhalte sind unabhängig von den Medien - daher werden die Schriftsteller un-
ersetzlich bleiben. Das weiß auch der Computerspezialist und Internet-Kritiker Clifford Stoll: »Ich glaube, was wir wollen, sind Geschichten. Ich will wissen, warum eine Frau mit einem reichen Mann zusammen ist, sich aber von ihm trennt, um mit einem ärmeren zu leben. Oder warum jemand jemanden umbringt. Ich will Bedeutsames wissen, will wissen, was diese Menschen dazu bewegt. Das ist wie mein Leben, das beginnt auch zu einem Zeitpunkt und endet an einem späteren. Hypertext suggeriert, dass jeder Verweis, jeder Link Bedeutung hat und gleich bedeutend ist, aber er ist es nicht. Ich halte nichts von diesem postmodernen Alles-ist-gleich-wertvoll. Das ist es nämlich nicht.«
> Digitale Bücher
Sogar Alberto Vitale, der Vorsitzende der International eBook Award Foundation, die einen 150.000 Dollar-Preis zur Verfügung stellte, um das noch unbeliebte E-Book zu promoten, musste anerkennen: »Ein Verlag ist nichts ohne einen Autor. Der Autor kommt zuerst, es geht um seine geistige Leistung. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese auf Papier oder als digitales Format vorliegt.« Aber der Gedanke, dass Autoren künftig nicht nur auf Verleger verzichten könnten, sondern vielleicht auch auf das gedruckte Buch, schien im Frühjahr 2000 nicht mehr unrealistisch. Immerhin hatten sich amerikanische Leser in einer Woche eine Sechzig-Seiten-Erzählung des amerikanischen Erfolgsautors Stephen King für etwa 2,50 Dollar 400.000mal aus dem Netz heruntergeladen. Hätte King den Text im New Yorker veröffentlicht, wäre er nur um etwa 10.000 Dollar reicher geworden. »Jetzt verdiene ich mindestens 450.000 Dollar.« Ein zweites King-verlegt-sich-selbst-Projekt ging dann aber daneben: Die Internet-Nutzer, gewohnt, alles kostenlos zu erhalten, spielten bei dem in Fortsetzungen veröffentlichten neuen Roman nicht mehr mit. Stephen King brach das Experiment ab. Die Buchproduktion im Digitaldruck ermöglicht seit einiger Zeit Bücher »on Demand«. Diese erst auf Nachfrage produzierten Bücher können von Autoren selber in Auftrag gegeben werden. Sie werden, sobald eine Bestellung vorliegt, von Daten innerhalb einiger Tage gedruckt und geliefert. Der Vorteil besteht darin, dass auch anspruchsvolle Literatur veröffentlicht werden kann, Lagerkosten und das Auflagenrisiko entfallen. Ein Problem ist das fehlende Lektorat (soweit es der Autor nicht zusätzlich in Auftrag gibt und bezahlt) und nach dem Druck das fehlende Marketing: Wenn niemand von dem Buch erfährt, bleibt es im virtuellen Regal stehen, wie das echte Buch im Lagerregal der Verlagsauslieferung.
Peter Gaymann, in: Die Literatur in der Karikatur, Fackelträger Verlag
Das Handbuch Mini-Verlag erläutert das Verfahren, gibt Kalkulationsbeispiele und nennt Adressen. Aber es stellt sich auch die Frage, ob Schriftsteller künftig klassische Verlags aufgaben übernehmen wollen - und ob sie das können. Für Autoren-Verleger entsteht daraus ein Dilemma: Ist es möglich, die künstlerische Freiheit zu behalten und gleichzeitig ans Geschäft zu denken? Oder können Autoren Unabhängigkeit zurückgewinnen, indem sie ihre Werke selbst vermarkten? Immer noch ist der Ein-Autor-Verlag, den die Familie von Erich Loest vor Jahren gründete und in dem nur seine eigenen Werke erscheinen, die große Ausnahme. Die neuen Möglichkeiten durch Publishing on Demand oder E-Books unterstützen, so scheint es, den Trend zum AutorenVerlag. Die Digitalisierung von Werken beginnt heute schon beim Autor, der am PC arbeitet und eine druckfertige Datei liefern kann. Goldmann-Verleger Georg Reuchlein prognostizierte gut lesbare und erschwingliche E-Books, mehr Umsatz mit elektronischen Büchern als mit gedruckten, und TopAutoren, die ihre Bücher in Eigenregie über das Internet veröffentlichen und verkaufen. Aus Verzweiflung darüber würde die Papierindustrie dann 2012 eine Kampagne starten; »real books printed on real paper«. Ganz gegenteiliger Meinung über die Zukunft der Printmedien ist Bernhard Schreier, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG: »Solange man eine Fliege an der Wand leichter mit einer Zeitung totschlagen kann als mit einem Computer, ist die Presse nicht verloren.« Michael Krüger sagt: »Nicht einmal große Kapitalgesellschaften, die auf dem freien Markt für ihr Geld mehr kriegen würden, sind daran zu hindern, ihr Geld mit Büchern zu verlieren. Da hat auch das Internet nichts daran geändert, im Gegenteil, die gehen gerade alle Pleite.« Ach, übrigens: Der E-Book-Award ist abgeschafft, nachdem das E-Book selbst in Deutschland ein Flop wurde: zu unhandlich, zu schlecht zu lesen, zu teuer. Da hat das alte GutenbergMedium noch eine lange Lebensdauer vor sich. Und die Batterien gehen ihm auch nicht aus.
> Agenten für die Literatur
Vor zehn Jahren waren es noch wenige, die fast nur mit Lizenzgeschäften für Verlage zu tun hatten. Heute lassen sich auch Autoren immer öfter von Agenten betreuen. Traumhafte Vorstellungen haben sie manchmal noch von der Art der Abwicklung: Man schickt einer Literaturagentur sein Manuskript, der Agent gibt dem Verlag einen Tipp und der lässt gleich mal die Druckkapazitäten in der Großdruckerei reservieren, während noch die paar lästigen Vertragsdetails ausgehandelt werden. Tatsächlich kann eine Literaturagentur ein höheres Honorar und bessere Konditionen erreichen als der unwissende Autor, der sich selbst aufs Fahrrad geschwungen hat, um ganz bescheiden sein Manuskript bei Nacht in den Verlagsbriefkasten zu stecken. Was spielen da die paar Prozente, die der Agent für sich einbehält, schon für eine Rolle? Ganz so weit ist es aber doch noch nicht. Denn keineswegs haben alle Schöngeister unter den erfolgreichen Newcomern den Weg zum Verlag über eine Agentur gefunden: Judith Hermann hat sich direkt mit Fischer-Programmchef Uwe Wittstock geeinigt, Zoe Jenny mit Joachim Unseld von der Frankfurter Verlagsanstalt. Andrea Brown wandte sich mit ihrem Frauenroman an den damaligen Cheflektor von Reclam Leipzig. Das Jahrbuch für Autoren konnte mit seinen ausführlichen Verlagsadressen vielen Autoren zum richtigen Verlag verhelfen. Literaturmakler sind Manuskript-Vorkoster für Verlagslektorate: Sie sortieren die Feinkost vom Unverdaulichen und kennen sich aus mit den Verlagsprogrammen. Ihre Auswahl reduziert den Arbeitsaufwand mit Manuskripten und Autoren. Allerdings müssen Agenten professionell sein, wissen, welche Trends im Kommen sind oder wieder abklingen, und eine gute Vorstellung von angemessenen Honoraren haben. Lektorate schätzen den Profi, der ein Manuskript in der Verlagssprache und Denkweise präsentieren kann: knapp formuliert und auf den Punkt gebracht. Darin sind angtoamerikanische
Agenten Vorbild, und Angebote von solchen Literaturagenturen werden in Verlagslektoraten mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Üblicherweise arbeiten Literaturagenturen auf Provisionsbasis, meist 15 % vom gezahlten Verlagshonorar. Manche Agenturen lassen sich bereits vorab Leistungen vom Autor bezahlen: Gebühren, Kostenerstattung, Aufwandsentschädigung - wie immer es bezeichnet wird. Sie verlangen Geld, bevor ein so genanntes Gutachten erstellt oder gar ein Verlag vermittelt wurde. Ein gleichzeitig mit angebotener Lektoratsservice sollte kritisch geprüft werden. Die manchmal hohen Kosten pro Seite können sich schnell auf einige tausend Euro addieren, ohne dass der Autor damit auch einen Anspruch auf eine erfolgreiche Vermittlung an einen seriösen Verlag erhält. Das Handbuch für ErstAutoren hat bei den Detailinformationen über Literaturagenturen im deutschsprachigen Raum auch vermerkt, welche vor erfolgreicher Vermittlung Kosten berechnen - im Gegensatz zu jenen Agenturen, die allein auf Erfolgsbasis arbeiten.
> Manuskripte anbieten
Die Autorin hatte erst vor acht Tagen ihren Frauenroman an fünf von ihr bevorzugte Verlage gesandt, da kam bereits ein Angebot zur Veröffentlichung von Rowohlt. Am nächsten Tag erhielt sie einen Brief von Reclam Leipzig. Die Angebote unterschieden sich in zwei Punkten: Rowohlt wollte das Buch im folgenden Frühjahr herausbringen mit einer Startauflage von 20.000 Exemplaren. Bei Reclam sollte es noch im selben Jahr im Herbst erscheinen, die Startauflage wäre jedoch nur 10.000. Das Garantiehonorar wäre bei Rowohlt wegen der höheren Auflage etwa doppelt so hoch, da der Honorarsatz für ein Taschenbuch gleich war Die Autorin war in der glücklichen Lage zu wählen: Aber für welchen Verlag sollte Sie sich entscheiden? Keine leichte Frage: Den größeren Verlag mit starkem Vertrieb, höherer Auflage und höherem Vorschuss, dafür aber einem um ein halbes Jahr späteren Erscheinen? Oder den mittelgroßen Verlag mit seiner flexiblen agilen, jungen Verlagsmannschaft, der das Buch im gleichen Jahr herausbringen würde, aber mit einer niedrigeren Startauflage und daher geringerem Vorschuss? Wie würden Sie entscheiden? Die Autorin publizierte bei Reclam Leipzig. Die schnellere Veröffentlichung war ihr wichtig. Wer konnte schon sagen, wie lange Frauenromane noch en vogue sein würden? Sie hatte außerdem so viel Vertrauen in die Qualität ihres Romans, dass ihr die geringere Startauflage keine Sorgen machte - und sie behielt Recht: Ihr Buch wurde ein Bestseller, und in kurzen Abständen erschienen mehrere Auflagen. Die meisten Erstautoren würden zu gerne in einen solchen Entscheidungskonflikt kommen. Die Erfolgsquote für unverlangt eingesandte Manuskripte ist gering, sie liegt im Promillebereich. Mit anderen Worten: Von eintausend Manuskripten wird vielleicht eines gedruckt. Und die Absagen stapeln sich bei den Autoren wie die Manuskripte in den Verlagen. Oft
treffen die dicken Kuverts, die immer bad news sind, erst nach Monaten beim Schriftsteller ein. Wie Oliver Herford treffend bemerkt: »Ein Manuskript ist ein Schriftstück, das in Eile vorgelegt und mit Muße zurückgegeben wird.«
Der Autor dieser Anzeige im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel befand sich nicht nur »im Druck«, er war auch schlecht beraten. Allenfalls Zuschussverlage werden sich für ihn interessieren und ihm Angebote machen: Gib mir Geld, viel Geld, und du erhältst ein Buch, dein Buch. Eine Umfrage unter zwölf Lektoraten zum Thema unverlangt eingesandte Manuskripte, die ein Branchenmagazin durchgeführt hat, brachte interessante und gegensätzliche Auffassungen. So viel ist sicher: Nur wenige gute Manuskripte haben eine Chance, verlegt zu werden. Die Hürden sind groß, wenn auch nicht unüberwindbar. Oliver Vogel von S. Fischer bekommt etwa 4000 Manuskripte im Jahr, davon kommen »50 für unseren Verlag durchaus in Frage.« Bei Rowohlt kommt eines von 2500 zum Zuge, und Tom Kraushaar bemängelt: »In den meisten Fällen führen so genannte >Stilblüten< zur schlagartigen Klarheit über die mangelhafte Begabung des Autors.« Tatsächlich handelt es sich weniger um »mangelhafte Begabung«, vielmehr um mangelhafte Beherrschung des Handwerks, das - nicht zuletzt durch die Lektüre von Ratgebern - gelernt werden kann. Thorsten Arend von Suhrkamp sagt, »jedes Manuskript wird aufgeschlagen«, auch gelesen? Und: »Wenn wir jährlich ein Manuskript finden, das wir herausbringen wollen, ist es sekundär, ob dafür 1000 oder 10.000 Einsendungen durchgesehen werden müssen.«
Der Buchmarkt befindet sich aus Autoren-Sicht im Ungleichgewicht: Viele Manuskripte irren durch die Verlage und möchten sich irgendwo dauerhaft niederlassen. Doch meist werden sie wieder herausgekickt: Auf ein Neues! Nicht verzagen! Wer kennt nicht die tröstlichen Geschichten von bekannten Schriftstellern, die unzählige Male abgelehnt wurden und dann einen Bestseller nach dem anderen veröffentlichten? Sophie von Herrach, Lektorin im Zürcher Amman Verlag, hat Roswitha Harings Buch Ein Bett aus Schnee aus dem Seufzerstapel gefischt, eine Perle, die zuvor von 11 Verlagen abgelehnt worden war: »Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Text überrumpeln und gewinnen kann. Was für ein Glücksmoment, wenn man sich nicht nach zehn Seiten den Grund überlegt, um abzulehnen.« Es ist gut, wenn sich Schriftsteller Gedanken darüber machen, wo Ihre Texte und Themen Chancen haben. Wer sich nicht über den Buchmarkt informiert - erkennt man den wahren Künstler nicht daran, dass ihn die Realität nicht berührt? - hat es schwerer, zu veröffentlichen. In der entsprechenden Fachliteratur gibt es grundlegende Informationen dazu, wie der Buchmarkt funktioniert und wie man Manuskripte erfolgreich anbietet, um den richtigen Verlag zu finden und den falschen zu meiden. Es kommt entscheidend darauf an, die richtige Literaturagentur oder den richtigen Verlag auf die richtige Weise anzusprechen. Voraussetzung dafür sind entsprechende Adressen und Informationen. Wer Agentur- und Verlagsadressen sucht, kann im Deutschen Jahrbuch für Autoren, Autorinnen nachschlagen. Es enthält neben aktuellen Autorenthemen Adressen von Verlagen, deren Programme und Manuskriptwünsche sowie Angaben zu formellen Anforderungen an die Manuskriptangebote: Expose mit oder ohne Textprobe oder vollständiges Manuskript auf Papier, Diskette oder als E-Mail. Es gibt in der Verlagsarbeit so manches, was mir durchaus gefallen würde, aber der Umgang mit Schriftstellern gehört nicht dazu. Raymond Chandler
> Zusammenarbeit mit Vertagen
»Es war der Traum jedes jungen Literaten, ein Buch bei S. Fischer zu haben, und meiner auch«, sagte Thomas Mann. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Jeder Erstautor träumt davon, sein Buch bei einem der renommierten großen Verlage zu veröffentlichen, und dass sein Buch zusätzlich geadelt wird, durch den Verlagsnamen, das Programm und durch die Gesellschaft der erlauchten anderen Schriftsteller, die in diesem Verlagshaus publizieren. Eines allerdings hat sich geändert: Das enge Verhältnis, oft ein Schriftstellerleben lang, von Autor zu Verleger, ist heute eher die Ausnahme. Lektoren müssen sich oft genug von ihren Zöglingen trennen, weil die bei anderen Verlagen mehr kassieren. - Und umgekehrt, denn auch Lektoren sind nicht mehr sesshaft, betreuen nicht mehr ein Arbeitsleben lang Programmreihen und Autoren; sie ziehen weiter zu anderen Verlagen, oft aus ähnlichen Gründen wie die Schriftsteller. Das Vertrauen des Autors zu seinem Verlag ist eine empfindliche Pflanze: Sein Manuskript soll unbedingt sofort gelesen werden, als hätten alle im Verlag seit Monaten allein auf diesen Text gewartet. Kritik und Korrekturen werden höchst ungnädig entgegengenommen. Niedrige Verkaufszahlen werden mangelnder Verlagswerbung angelastet. Schon eine leicht verzögerte Honorarabrechnung erzeugt Misstrauen. Kurzum: Verleger und Mitarbeiter brauchen für ihre schreibenden Künstler ein sensibles Händchen. Mit wem hat der Schriftsteller im Verlag zu tun? Mit dem Verleger oder Verlagsleiter meist nur bei kleineren und mittleren Verlagen, es sei denn, er zählt bereits zu den Bestsellerautoren. Üblicherweise läuft alles, auch Vertragsangelegenheiten, über den Lektor oder, was häufig der Fall ist, die Lektorin, Frauen beweisen möglicherweise mehr Geduld gegenüber Schriftstellern und ihren gelegentlich exzentrischen Wünschen. Hat der Verlag eine eigene Herstellungsabteilung im Haus, erhält der Schriftsteller die Korrekturfahnen oder Satzausdru-
cke von dort. An der Buch- oder Titelgestaltung wirken die Wortkünstler meist nicht mit, sie können bestenfalls ihre Vorstellungen dazu äußern. Für die Buchwerbung beschäftigen Verlage ihre eigenen Fachleute. Dazu könnte die Presseabteilung größerer Verlage um biografische Angaben, eventuell auch ein Foto des Autors bitten. Die Presseabteilung oder eine speziell dafür zuständige Mitarbeiterin koordiniert mit dem Autor und der Buchhandlung Termine und organisiert Lesungen. Der Hauptkontakt jedoch wird zwischen Lektor und Autor bestehen.
Wir sind Kaufleute. Wir machen Geschäfte. Wenn sie gut gehen, freuen wir uns, manchmal zusammen mit unseren Hauptlieferanten, den Autoren. In der Regel aber sind für sie sogar die gut gehenden Geschäfte schlechte, weil sie noch besser hätten sein können. Also freuen wir uns, wenn überhaupt, nur verhalten, gewissermaßen hinter vorgehaltener Hand. Den Wein bestellen wir dann in Viertelportionen, auf Vorspeisen verzichten wir freiwillig, den Schnaps trinken wir zu Hause in der Küche, wenn es der Autor nicht sieht. Kein Autor soll sagen, es ginge uns zu gut, aber auch nicht behaupten, wir stünden kurz vor der Pleite. Geht es uns wirklich schlecht, bestellen wir deshalb Menü drei. Michael Krüger, Schriftsteller und Verleger in: Wieso Bücher?, Wagenbach Verlag
> Der erste Leser
»Wie eine Lorenzsche Graugans« sei sie auf den »besten deutschsprachigen Lektor« geprägt, äußerte sich Elfriede Jelinek über ihren Rowohlt-Lektor Delf Schmidt, als der den Verlag wechselte. So eng kann die Zusammenarbeit zwischen Schriftsteller und Lektor sein, dass Autoren ihrem Lektor, der sie über Jahre betreut hat, bei einem Verlagswechsel folgen - was selbstverständlich auch den Marktwert des Lektors erhöht. Jörg Magenau charakterisiert die Lektoratsarbeit in einem Artikel, in dem er über eine Werkstattlesung im Literarischen Colloqnium schreibt: »Die Lektoren aber gaben sich erstaunlich wohlwollend. Hier ein paar Kürzungen anmahnend, dort eine andere Erzählperspektive vorschlagend, ermunterten sie auch in hoffnungslosen Fällen zur Weiterarbeit. Lektoren sind freundliche Menschen, die nicht zu beneiden sind. Sie müssen auch dann neue Bücher produzieren, wenn nichts Sensationelles auf ihren Schreibtischen landet. Wie weit der Weg vom Manuskript zum fertigen Buch ist, lässt sich an der Werkstattlesung ermessen. Sie bietet Einblick in den gewöhnlichen Zustand unlektorierter, gleichsam unbehauener Manuskripte, die doch die Bücher von morgen sind: Texte als Rohstoff einer hungrigen Industrie. Davon kann es nie genug geben.« Auffällig ist, wie vielen Büchern offenbar gar kein Lektorat mehr gegönnt wird. Selbst aus großen Verlagshäusern kommen Bücher, denen die wohlwollende Mitarbeit eines Lektors gut getan hätte. Klagen über den Einfluss eines Lektorats sind eher von mediokeren Autoren zu vernehmen, souveräne Schriftsteller urteilen zwar erschüttert, aber ganz einsichtig. Lawrence Norfolk beispielsweise gesteht: »Ein redigierter Text ist jedes Mal ein Schock. Man kann es nicht fassen, dass irgend jemandes Manuskript so viele Fehler enthalten soll, vom eigenen ganz zu schweigen. Schonungslos aufgedeckt werden grammatikalische Fehler, stilistische Bauchlandungen (Seine Augen folgten ihr ...
- haben Augen Beine?), Schreibfehler (in stets verschwenderischer Fülle) und Stellen, die niemand, der bei Sinnen ist, stehen ließe, weil sie fürchterlich sind. Die Schreibweise von Namen und Orten wird vereinheitlicht.« Matthias Politycki erkennt an, dass ein Lektor vor allem damit beschäftigt ist, »die Fehler seines Autors wieder wettzumachen. In Dreiviertel der Fälle hat er übrigens Recht ... und es geht einem als Autor am Anfang recht hart an, dass der Lektor mit demselben Recht über den Text urteilt, und manchmal vielleicht sogar mit mehr Recht ...« Lektorieren rettet Bücher und - rettet Autoren. Jeder Schriftsteller hat seine schlechten Gewohnheiten: Wörter und Wendungen, die er zu freigiebig verwendet oder falsch schreibt, syntaktische Strukturen, auf die er sich zu vertrauensvoll stützt. Der Lektor spürt Schwächen und Ungereimtheiten im Inhalt auf. Erst ein gutes Lektorat macht aus einem guten Manuskript ein besseres Buch. Erfahrene und selbstbewusste Schriftsteller wissen das zu schätzen. So sagte John Updike über seinen langjährigen Lektor William Keepers Maxwell: »Eine Menge hübscher Einzelheiten in meinen Geschichten gehören Bill Maxwell. Und ich hab das Lob für alle eingesteckt.«
> Schöne Schlampe Literaturbetrieb
»Den Erfolg muss man vergessen, wenn man ein neues Buch schreiben will«, weiß Eric Fosnes Hansen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass für junge Schriftsteller ein schneller Erfolg möglicherweise das Ende ihrer schreibenden Karriere bedeuten kann. Sie werden konsumiert und verbraucht und vergessen - wenn sie nicht nach kurzer Zeit ein neues Werk vorlegen können. Und das ist ein Problem, weil man den jungen Literaturstars nach ihrer Entdeckung keine Zeit, keine Privatheit mehr lässt. Wer in den Kreislauf von Interviews, Lesungen, Literaturkritik und Literaturwettbewerben gerät, hat nur noch wenig Zeit zum Schreiben und wird vielleicht selbst abhängig von Bewunderung und Beifall. Die Droge Erfolg macht süchtig nach mehr, kann aber gleichzeitig auch die künstlerische Persönlichkeit gefährden. Das muss nicht immer so sein, wer sich rechtzeitig aus den Fängen des Literaturbetriebs befreien kann, wird die notwendige Distanz zurückgewinnen. Gerade Erstautoren bekommen die volle Wucht der Literaturkritik zu spüren: Zuerst sind es Weihelieder, dann beim zweiten Buch, trifft den Autor die Kritik umso stärker. Plötzlich fällt es den Kritikern nämlich wie Schuppen von den Augen: Sie müssen sich beim ersten Buch geirrt haben, wenn das zweite so schlecht geworden ist. Der hoffnungsvolle Debütautor wurde zu früh als literarische Entdeckung gefeiert und dann hagelt es Verrisse. »Ich habe keine Ankunft erlebt, sondern eher eine lawinenartige Situation, die losbrach und mich mitgerissen hat. Ich bin in einen Betrieb hineinkatapultiert worden, in dem ich mich plötzlich orientieren musste, ohne dass einem jemand gesagt hätte, wie man sich verhalten soll«, beschrieb Judith Hermann die Kehrseite des Megaerfolgs ihres ersten Buches Sommerhaus, später. »Mittlerweile fange ich an, mich mit meinen Äußerungen über den Erfolg und das Leben mit dem Erfolg zurückzunehmen. ... Obwohl ich im Grunde Stunden lamentieren könnte: wie der Betrieb ist, wie schwie-
rig und anstrengend alles ist, und wie viele Nerven es kostet.« Judith Hermann erlebte es mit ihrem zweiten Buch Nichts als Gespenster so wie die zuvor hochgepriesenen Autorinnen Karen Duve mit ihrem Liebeslied, Zoe Jenny mit dem Blütenstaubzimmer, Donna Tartt mit ihrem Little Friend. Nur gut, dass es noch Leser gibt, die sich ihre eigene Meinung bilden möchten und nicht von Kritiken allein leiten lassen. »Es gibt diese merkwürdige Regelmäßigkeit des Verrisses der zweiten Bücher«, sagt Judith Hermann in einem Interview mit dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, »der sehr viel unbarmherzigeren Kritik. Aber als die Rezensionen dann erschienen, war ich nichtsdestotrotz fassungslos. Denn letztlich kann man sich auf derartige Dinge nicht wirklich einstellen - sie kommen und man liest sie, und dann ist man verletzt, gekränkt, schockiert und kurzzeitig vollständig vernichtet.« Der Schriftsteller Friedrich Ani beschreibt die Einstellung der Kollegen zum Erfolg so: »Die meisten Autoren in Deutschland saugen sich satt an den Nippeln der schönen Schlampe Literaturbetrieb.« Und für das Naturtalent Benjamin StuckradBarre ist sowieso »alles Bühne«. Auch Max Goldt oder Wiglaf Droste gründen ihren Erfolg auf ihre gut gepflegte Präsenz im Literatur- und Medienbetrieb: Sie lesen überall und werden gefeiert wie Medienstars. Dass man in manchen Feuilletons und ARD-Literatursendungen dieses Verhalten immer noch als ungebührlich ablehnt, stört die Darsteller nicht - auf den Beifall der alten Garde sind sie nicht angewiesen. Über die Literaturkritik gehen sie hinweg, als wären nicht sie gemeint, und die Literaturwissenschaftler, die das Phänomen beobachten und bereits analysieren, interessieren sie nicht. Zu solcher Einstellung haben auch andere Schriftsteller gefunden. Margaret Atwood beispielsweise sagte in einem Interview: »Man kann sich nur entscheiden zwischen den Podiumsdiskussionen und der L'art-pour-1'art-Ästhetik, die einen irgendwann zur Bedeutungslosigkeit verdammt. Die meisten Autoren landen irgendwo dazwischen. Wo ich mich sehe, sage ich Ihnen sicher nicht. Wofür gibt es schließlich Literaturwissenschaftler? Sollen die doch ihre Spielchen spielen.«
> Der permanente coitus interruptus der Kritiker
Ais Lieblingskind der Kritiker war Günter Grass schon immer den heißen und eiskalten Wechselbädern der Literaturkritik ausgesetzt: Seine Werke wurden hoch gelobt, er wurde mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt und -an den Medienpranger gestellt, wo sein Buch von einem »als namhafte Person erkennbaren Wüterich ... mit deutlich zur Schau getragenem Vernichtungswillen« auch physisch zerrissen wurde. Grass' Kommentar: »Welch ein barbarischer Kraftakt! Doch hat der Roman die Anstrengung des Eiferers überlebt.« Grass macht auf einen Aspekt der Literaturkritik aufmerksam: der Schriftsteller als Arbeitgeber des gesamten Literaturbetriebs. Ohne ihn hätten die Kritiker nichts zu kritisieren, die Wissenschaftler nichts zu analysieren, die Medien nichts über Literatur zu berichten. Ohne seine Werke müssten sich die selbst ernannten Instanzen »selbst zerfleischen; arbeitslose Sozialfälle wären sie ohne den Schriftsteller, der sie in Lohn und Brot hält, indem er ihnen wiederholt Gelegenheit bietet, an den Früchten seiner Arbeit zu partizipieren, er nährt sie.« Ein Blick über die Grenzen zu den europäischen Nachbarn zeigt, dass Kritik auch weniger auf Vernichtung aus sein kann, den Schriftsteller als Künstler respektiert, Kritik sachlich begründet oder Werke ironisch kommentiert. Sybille Lewitscharoff wünscht sich solche weisen Kritiker, die »dem Autor eines von Parataxen wimmelnden Werkes ganz sacht die Hand auf den Scheitel legen und ihm ins Ohr flüstern: >Du stocherst, du stammelst, du bist unglücklich lieber Freund. Beruhige dich. Die Welt ist schön<.« Monika Maron sagt über die deutsche Literaturkritik: »... selbst wohlmeinende, sogar lobende Kritiken enthalten immer auch Kränkendes, allein deshalb, weil der Kritiker sich im Ton fast immer über das Werk, das er bespricht erhebt, weil er für sich die Rolle des Lehrers beansprucht und dem Autor die Rolle des Schülers zuweist, der die Zensuren
bekommt, die der andere vergibt, ohne befürchten zu müssen, selbst öffentlich zensiert zu werden.« Hans Magnus Enzensberger beklagt eine »Boulevardisierung« der journalistischen Sitten auch im Feuilleton und beschreibt in der FAZ, wie die von ihm herausgegebenen Aufzeichnungen Eine Frau in Berlin als gefälschtes oder manipuliertes Tagebuch bezeichnet wurden, dabei aber keine Beweise dafür vorgelegt wurden. Ähnlich wie früher bei der Inquisition genügte schon eine unbewiesene Verdächtigung zur Verurteilung: »Der Kampf um die knappe Ressource Aufmerksamkeit hat inzwischen auch das bescheidene Gewerbe der Literaturkritik erreicht. Wer sich auf herkömmliche Weise mit Texten befasst, darf nicht auf Schlagzeilen hoffen. Ergiebiger als die Rezension ist jeder Versuch, aus einem Werk der Literatur einen Fall, besser noch, eine Affäre, am besten aber einen Skandal zu machen. Die Lektüre spielt dabei durch aus eine untergeordnete Rolle.« Dennoch ist Verständnis für die persönliche Situation von Kritikern angezeigt. Sybille Lewitscharoff meint, für einen Kritiker sei das Lesen wie ein permanenter coitus interruptus, der aufs Gemüt schlage, weshalb viele alte Kritiker berufskrank, Frauen launisch seien und Männer unentwegt herumsexeln würden. Schriftsteller sind natürlich höchst empfindlich gegen Kritik, selbst wenn sie das Gegenteil behaupten und mit vergleichenden Apercus ihre Betroffenheit zu kaschieren suchen: »Man könnte von Eunuchen sprechen, die einen Mann verhöhnen, weil er ein buckliges Kind gezeugt hat« (Heinrich Heine). Oder: »Einen aktiven Schriftsteller zu fragen, was er über Kritiker denkt, ist als ob man einen Laternenpfahl fragt, was er von Hunden hält« (John Osborne). Peter Handke zum Papst der Literaturkritik befragt, bekannte: »Ja, mich hat, was der schreibt, vor zehn Jahren, das gebe ich zu, sehr beschäftigt, weil er dachte, nun hätte er mich endgültig zur Strecke gebracht. ... Ich glaube, dass ihm der Geifer noch immer von den Fangzähnen tropft. Ein besonderes Phänomen ist auch, wie oft diese Groteskgestalt parodiert wird. Ich kenne viele, die finden ihn amüsant. Die sagen, wenn der einmal stirbt, wird man das sehr bedauern. Dem kann ich nun nicht beipflichten.«
Aus: Warum liegt mein Buch nicht neben der Kasse? von Peter van Straaten, Rotbuch Verlag
Versucht sich ein Kritiker im Metier des Schriftstellers, wird das selbstverständlich von unzähligen verletzten Schriftstellerseelen kritisch beobachtet. Hellmuth Karasek hat der schreibenden Zunft den Gefallen getan, sich an einen Roman (Das Magazin) zu wagen, der nicht nur bei den Kritikerkollegen durchfiel, sondern dem Verlag einen herzhaften Flop bescherte. Wenig geübt, einmal selbst Empfänger von Kritik zu sein, beklagte sich der Kritiker: »Die deutschen Feuilletons haben eine Fatwa über mich gesprochen.« Bei seinem nächsten Opus lautete eine Zeitungsüberschrift: »Karasek probiert wieder einen Roman.« Nicht weniger empfindlich reagierte sein bester Freund aus Fernsehtagen als er sich in Walsers Satire Tod eines Kritikers erkannte. Von allen lebenden deutschen Schriftstellern sei »Walser der eitelste«, urteilte Marcel Reich-Ranicki. »Ehrgeiz und Eitelkeit haben seinen Blick getrübt, seine Selbstkontrolle stark eingeschränkt und schließlich sein Talent zerstört.« Aber umgekehrt ist nach Jim Bishops Ansicht »ein guter Schriftsteller ... nicht automatisch ein guter Kritiker, genauso wenig wie ein guter Säufer ein guter Barkeeper wäre.« Das gilt auch, wenn die Rollen vertauscht werden. Viele Schriftsteller sind in der Rolle des Kritikers an Gnadenlosigkeit kaum zu überbieten: »Ganz furchtbar ... ein merkwürdiger Autor der Fehlleistungen« (Friedrich Dürrenmatt über Max Frisch}, »Schnüß ... ein verblendeter Unfug« (Eckhard Henscheid über Uwe Johnsons Jahrestage), »So ein grauenvolles Buch« (Harry Rowohlt über Großkotz von Mathias Nolte), »Dass man mit seinem Zeug Geld machen kann« (Harold Brodkey über John Updike), »Maxim Biller denkt flach und hässlich, daher schreibt er ein flaches und hässliches Deutsch« (Bloor Schleppey), »Mehr oder weniger kastriert« (Ulrich Holbein über Peter Handke). Friedrich Dürrenmatt berichtete von einer Begegnung mit Carl Zuckmayer im Hotel, der frei heraus sagte: »Sie halten meine Stücke für Scheiße, und ich halte Ihre Stücke für Scheiße.« Dürrenmatt: »Herr Zuckmayer, das haben Sie sehr gut formuliert.«
Martin Amis Yellow Dog war Gegenstand einer ausgiebigen Kritik durch den Kollegen Tibor Fischer, der zufällig auch gerade einen Roman veröffentlicht hatte: Das Buch von Amis sei »schrecklich«, aber »nicht schlecht, wie in nicht sehr gut oder etwas enttäuschend«, sondern es sei so schlecht, dass man sich in der U-Bahn schämen müsse, wenn einem jemand über die Schulter blicke. Henry de Montherlant sieht in der Kollegenschelte einen ganz natürlichen Prozess: »Ein schlechter Schriftsteller wird manchmal ein guter Kritiker, genauso wie man aus einem schlechten Wein einen guten Essig machen kann.« David Lodge, Romancier und Literaturprofessor erklärt sich das gespaltene Verhältnis zwischen Literaten damit, dass »mit einigen Ausnahmen ... Schriftsteller doch ein eher depressiver Haufen sind, außerdem allergisch gegen Kritik, schnell verletzt, hypersensibel, und sie haben einen unstillbaren Hunger nach Lob.« Das bekommen die neuen deutschen Erzähler wie Ulrich Greiner sagt: »Es ist schön, dass die deutschen Dichter auf einmal wieder als Artisten der Formulierungskunst auftreten und nicht mehr, wie damals in den Sechzigern und Siebzigern, als stammelnde Sinnsucher. Es ist schön, dass sie belesen sind, denn es ist kaum denkbar, gute Literatur zu schreiben, die sich nicht auf gute Literatur bezieht ... Man feiert sie, weil der Kenner dem Könner auf die Schliche kommen, seine Kniffe erraten, seine Anspielungen durchschauen kann. Deshalb sind diese Bücher in hohem Maß rezensierbar, und ihrer Rezensierbarkeit wegen kommen sie bei der Kritik gut weg.«
> Lesungen: Gastfreundschaft der Ohren
Vom Schreiben leben? Vielleicht wird man in Zukunft sagen: Vom Lesen leben? Denn für viele Schriftsteller sind Lesungen bereits ein wichtiger Teil ihres Einkommens. Sie sind beim Publikum beliebt wie in keinem anderen Land, weshalb auch ausländische Autoren gerne vor deutschen Lesern und Hörern, um nicht zu sagen »Fans«, auftreten. Selbst Sachbuchautoren, wie Ulrich Strunz oder Bodo Schäfer, können Säle füllen, und wenn beliebte Schriftsteller wie Wladimir Kaminer oder Thomas Kapielski im Kaffee Burger lesen, gibt es keine freien Plätze. Lesungen werden je nach Marktwert des Autors honoriert und zusätzlich gibt es für Fahrten zu entfernten Leseorten Reisekosten und Spesen. Gleichzeitig verkaufen und signieren die Schreiber ihre Bücher nach einer Lesung, und damit erhöhen sich indirekt ihre Tantiemen. Außerdem machen sie Werbung für ihr Buch und den Verlag durch Interviews und Berichte über die Leseveranstaltung in der Örtlichen Presse. Das Buch kommt ins Gespräch - die wichtigste Verkaufshilfe. Das Honorar für eine Lesung sollte nach einer Empfehlung des VS mindestens 250 Euro betragen, viele Schriftsteller lesen für weniger. Eine kleine Buchhandlung müsste sonst bei einem Eintrittspreis von fünf Euro mindestens 50 Gäste für die Lesung gewinnen. Im Durchschnitt sind es aber eher 20 oder 30. Schullesungen werden von den Friedrich-Bödecker-Kreisen organisiert, die rund 7000 Lesungen vor über 200.000 Schülern im Jahr vermitteln. Das Honorar liegt bei etwa 150 bis 200 Euro für eine zweistündige Lesung. Hat der Autor Glück, ist die Lesung vom Lehrer gut vorbereitet, und es wird ein so genannter Klassensatz bestellt: 20 bis 30 Bücher auf einmal. Sehr beliebten und bekannten Literaten werden selbstverständlich höhere Honorare geboten. Aber nehmen wir an, ein Schriftsteller hält im Jahr 25 Lesungen zu durchschnittlich 200 Euro Honorar pro Auftritt, dann verbessert sich sein Jahreseinkommen um hübsche 5.000 Euro.
Aus: Hier spricht der Dichter von Robert Gernhardt, Rowohlt Taschenbuch Verlag
Birgit Vanderbeke beschreibt, wie wichtig Lesungen für sie zu Beginn waren: »Ich habe manche Jahre lang wesentlich davon gelebt, dass mich Buchhandlungen oder Volkshochschulen zu Lesungen - mit oft nur wenig Publikum - eingeladen haben, und verdanke diese und jene auch finanzielle Rettung einer solchen Veranstaltung. Schriftsteller haben einen schwierigen Beruf, und es gibt von Regensburg bis zum Wattenmeer Leute, die das wissen und ernst nehmen.« Selbst ein Schriftsteller wie Martin Walser setzt sich aber bei der Einführung eines neuen Buchs immer noch den Strapazen einer Lese- und Interview-Tournee durch das ganze Land aus. Allerdings gibt es auch Autoren, die nicht gerne eingeladen werden, weil sie nuscheln, stottern, verlegen sind oder weil sie den Medien- und Eventrummel ablehnen. Helga M. Novak sagt dazu: »Ich war nie im Kulturrummel drin, ich hab mich nie nach Lesungen und Veranstaltungen gedrängelt. Ich brauch das nicht.« Der französische Literat Julien Gracq sieht in Lesungen vor allem Marketingveranstaltungen: »Heute machen die Schriftsteller die Werbung für ihre Bücher. Ich will das nicht tun. Das ist die Aufgabe der Verleger und Buchhändler. Ich stelle mich nicht für Autogrammstunden in Kaufhäusern zur Verfügung.« Andere Schriftsteller entfliehen gerne der Einsamkeit des heimischen Schreibtischs und suchen das Gespräch mit dem Leser, die Begegnung, die von Ort zu Ort verschiedenen Menschen und Stimmungen. Jörg Magenau sagt: »Wenn das Schreiben durch den Wunsch nach Unsterblichkeit motiviert wird, ist die Lesung die Erfüllung der Sehnsucht.« Rafik Schamis Lesungen sind immer gut besucht, obwohl sie kein großes Spektakel bieten. Das Geheimnis seines Erfolgs: »Immer weiter lernen und nie vergessen, dass Buchhändler und Publikum mir Zeit von ihrem Leben schenkten. Dazu kommt, dass Erzählen in der Fremde eine Passion ist. Es ist die Passion der Scheherazade vor dem Schwert des Königs. Solange sie erzählte, blieb sie am Leben. Schweigen bedeutete den Tod. Erzählend fühlte ich die Wärme, die Gastfreundschaft der Ohren, und Abend für Abend verwandelten meine Worte erwachsene Menschen in lauschende Kinder.«
Lesung
Nach der Lesung kommen die Fragen. »Das ist die Stunde des Schreckens«, sagt Elke Heidenreich und zählt die sieben LeserStandardfragen auf: Erstens Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben? Zwei Jahre schreiben im Kopf, drei Nachmittage schreiben mit der Hand. Was zählt? Was wollen sie hören? Ganze zwei Jahre! Bloß drei Nachmittage! Zweitens
Wie schreiben Sie, mit der Hand oder . . . ?
»Computer!« raunt das Publikum, und es scheint, als würde eine Liebesgeschichte durch Technik entwertet. Drittens Wo schreiben Sie? Wo alle schreiben: am Tisch. Viertens Haben Sie alles selbst erlebt oder ist es nur ausgedacht? Nur? Nur ausgedacht? Fünftens Können Sie denn davon leben? Ja. Würden sie gern hören, dass der Dichter hungert, leidet, friert? ... Besser ist also die Antwort: nein. Kann ich nicht. Dann werden nach der Lesung auch sehr viel mehr Bücher gekauft ... Sechstens Was schreiben Sie als nächstes? Wer es weiß, sagt es besser nicht. Siebtens Gefällt es Ihnen hier in Göttingen (Braunschweig, Wolfenbüttel, Husum usw.)? Ja, es ist ganz, ganz wunderbar. Das Schlimmste, findet Elke Heidenreich, kommt nach der Lesung: »Ich erzähl Ihnen jetzt mal was, darüber müssten Sie mal schreiben.« Elke Heidenreich: »Dumme Fragen«, aus: Da schwimmen manchmal ein paar gute Sätze vorbei, Fischer 2001
IV. Kleines Schriftsteller-Lexikon Ich arbeite monatelang ßr die Faktensammlung in Bibliotheken. Ich lese die wichtigsten Bücher über die Epoche. Ich besuche die Schauplätze meines Romans, gehe in Museen. Ich sammle Unmengen von Material. Alles, was ich will, ist unterhalten. Ken Follet
Absatzhonorar An verkaufte Auflage gekoppeltes Ĺ Honorar. Abzug Probe- oder Ĺ Korrekturabzug. Nach dem Verlagsrecht wird darunter auch ein vollständiges Exemplar eines Buchs verstanden. Almanach Früher Kalender und Jahrbuch, heute auch als Werbemittel: Verlagsalmanach mit Leseproben der Neuerscheinungen. Als Manuskript gedruckt Vermerk auf T Privatdrucken, die nicht im Buchhandel erhältlich sind und urheberrechtlich als nicht erschienen gelten. Änderungsrecht Durch das Verlagsrecht oder im Verlagsvertrag geregelter Umfang von Änderungen am Satz, Ĺ Korrekturen. Andruck Probedruck, Ĺ Korrekturen Anthologie (griechisch: Blütenlese} Der Herausgeber sucht sich die Blüten aus verschiedenen Werken und meist mehrerer Autoren als eine Auswahl zu einer bestimmten Thematik aus. Antikritik Viel zu wenig praktiziert: Erwiderung auf eine Rezension. Antiquariat Handel mit alten Büchern oder neuen, preisbindungsfreien, z.B. verramschten Titeln, die im Ĺ Modernen Antiquariat zu finden sind. Arbeitstitel Vorläufiger Titel eines Werkes, z.B. im Verlagsvertrag. Auflage Stückzahl des unveränderten Druckes eines Werkes, Druckauflage Auflagenhonorar Ĺ Absatzhonorar, Ĺ Honorar. Ausgabe erster Hand Erste, vom Verfasser selbst betreute Ausgabe. Ausgabe letzter Hand Letzte, noch zu Lebzeiten des Verfassers von ihm betreute Ausgabe, die oft von der Erstausgabe erheblich abweicht. Ausgewählte Werke Im Gegensatz zu Ĺ Gesammelten Werken eines Autors. Ausschnittdienste Pressebeobachtungsdienste, die z.B. alle Rezensionen für einen bestimmten Titel oder Verlag sammeln. Autor (lat. Förderer, Schöpfer) Ĺ Schriftsteller, Verfasser, TUrheber eines Werkes der Literatur, aber auch der Bildenden Kunst und Ton-Kunst. Autorenfragebogen Von Vertagen erbetene biographische, bibliographische Informationen ihres neuen Autors. Autorenhonorar tHonorar. Autorenverbände Vertreten die Interessen der ihnen angeschlossenen Mitglieder Ĺ Verband deutscher Schriftsteller (Verdi). Autorisierte Ausgabe Vom Autor autorisierter (freigegebener, genehmigter) Text.
Autor(en)korrektur 1. Korrekturlesen durch den Verfasser 2. Jede vom Verfasser in Abweichung vom Manuskript vorgenommene Korrektur des Satzes, Ĺ Änderungsrecht. Backlist Alle lieferbaren Titel eines Verlags, außer den Neuerscheinungen. Band Bei mehrteiligen Werken spricht man von Bänden im Sinne von Büchern. Barsortiment Buchgroßhandel, Ĺ Grossist, mit regionalen Schwerpunkten unterhalten große Hintergrundlager, aus denen der Bucheinzelhandel, Ĺ Sortiment, von einem auf den anderen Tag zu gleichen Konditionen beliefert wird. Die Bezeichnung Barsortiment geht auf die ursprüngliche, heute nicht mehr geltende Bedingung, nur gegen bar zu liefern, zurück. Bearbeitung Veränderungen am Werk durch dritte Hand, z.B. wenn der Autor verstorben ist oder keine Neubearbeitung vornehmen will, der Verlag sich aber das Recht dazu im Vertrag gesichert hat. Besprechungsstücke Freiexemplare für Besprechungen in Medien Ĺ Rezension. Bestenliste Alternativ zur Ĺ Bestsellerliste von der SWF-Literaturredaktion nach literarischen Gesichtspunkten herausgegebene Empfehlung. Bestsellerliste Beispielsweise die vom Ĺ Buchreport für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel ermittelte Liste der meistverkauften Bücher. 270 Buchhändler in Deutschland stellen anhand einer Liste mit etwa 80 Titeln eine Rangfolge von 1 bis 15 auf. Zusätzlich können 5 Titel eingetragen werden. Die Methode ist umstritten, aber etabliert. Die verkaufsfördernde Wirkung für die Top-Titel ist offenbar, wenn sie auch von manchen als Manipulation des Lesergeschmacks angesehen wird. Bibliographie Bücher- und Literaturverzeichnis. Bibliographische Angaben Zur Beschreibung eines Buchs gehören Titel, Untertitel, Verfasser, Herausgeber, Auflage, Erscheinungsort und -jahr, Verlag, Seilenzahl, Abbildungen, Format, Einband, Preis etc. Bibliophile Bücher werden für Sammler herausgegeben. Bibliotheksabgabe/Bibliothekstantieme wird von der tVG Wort eingezogen und an Urheber verteilt. Bilderbücher Kinderbücher für etwa 2- bis 7-jährige Kinder. Bildertitel Illustrierter Titel. Bildlegende Erläuterung des Bildinhalts, Bildunterschrift.
Blatt Kleinste, greifbare Einheit eines Buches mit zwei Seiten; auch für Zeitung verwendet. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Branchen Fachzeitschrift des Ĺ Börsenvereins. Börsenverein des Deutschen Buchhandels Vereinigung deutscher Buchhändler und Verlage mit Sitz in Frankfurt a. M. Broschur Buchbinder-Fachausdruck für ein Druckprodukt mit Papieroder Kartonumschlag. Es gibt zahlreiche Broschurarten [z.B. Englische Broschur, Klappenbroschur) Broschüre Druckwerk von geringem Umfang, meist geheftet, auch als Werbebroschüre. Bruttopreis End-/Ladenverkaufspreis inkl. MwSt. Buch 1. Ursprünglich die germanische Tafel aus Buchenholz, in die Schriftzeichen (Buchstaben) geritzt wurden. Jedes größere gebundene oder geheftete, geschriebene oder gedruckte Werk 2. Definition der UNESCO: Bücher sind nichtperiodische Publikationen mit einem Umfang von 49 Seiten oder mehr. 3. Bezeichnung einzelner Teile eines Schriftwerks (Bibel). Buchausstattung Sammelbegriff für die Gesamtgestaltung eines Buches bezieht sich auf Format, Schrift, Papier, Illustration, Einband etc. Buchbesprechung Ĺ Rezension Buchblock Die gesamten Seiten eines Buches. Buchdecke Buchdeckel und Buchrücken. Buchdruck Hochdruckverfahren, von Ĺ Gutenberg entwickelt, erst ein halbes Jahrhundert später durch Ĺ Offsetdruck weitgehend abgelöst. Büchersendung Ermäßigte Postgebühr für Bücher. Bücherwurm 1. Der gemeine Bücherwurm (Ptilinus pectinicornis) ist meist ein Klopfkäfer von 45 mm Länge, bevorzugt alte Bücher mit Holzdeckeln 2. Die gemeine Bücherlaus zerfrisst Bücher und Papier 3. Der gutartige Bücherwurm bevorzugt im Gegensatz zu den vorgenannten trockene, beheizte Räume. Während er ganze Bände verschlingt, bleiben sie doch meist unbeschädigt. Unarten dieser Spezies: Anmerkungen mit Kugelschreiber, Eselsohren, Rotweinflecken auf dem Umschlag. Buchformat Heute oft nach DIN-Papierformaten vereinheitlicht, z.B. DIN A5 = 148 x 210 mm. Früher nach Anzahl der Falzungen des Bogens und der sich daraus ergebenden Blätter bezeichnet, z.B. Oktav (8°) = 3x gefalzt = 8 Blätter bzw. 16 Seiten.
Buchgemeinschaft Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt es Buchgemeinschaften, die an ihre Mitglieder im Abonnement und auf dem Versandweg Bücher verkaufen. In Deutschland gibt es ein Dutzend Buchgemeinschaften mit sieben Millionen Mitgliedern. Buchgestaltung Im Verlag durch den Hersteller, auch in Zusammenarbeit mit fremden Gestaltern entwickelte Ĺ Buchausstattung. Buchhandel Traditionell Herstellender (= Verlage) und Verbreitender Buchhandel. Dieser gliedert sich in die Gruppe der Großhandels(Ĺ Barsortiment, Buchgrossisten, Zwischenbuchhandel, Pressegrosso etc.) und Einzelhandelsunternehmen (Buchhandlungen, Ĺ Sortimenter, Kaufhäuser, Antiquariate, Ĺ Bahnhofsbuchhandlungen, Presseeinzelhandel, Ĺ Buchgemeinschaften, Versandbuchhandlungen). Buchkaufhaus Erst seit den 80er Jahren in Deutschland zunehmend von Bedeutung, mit großen Verkaufsflächen von dreitausend Quadratmetern und 100000 Titeln und mehr vorrätig. Buchmessen Jährlich im Herbst in Frankfurt a.M., die bedeutendste Buchmesse der Welt, im Frühjahr in Leipzig und zweijährlich die Ĺ Minipressen-Messe in Mainz. Buchobjekte Künstlerisch verfremdete Bücher. Buchreport Wöchentlich erscheinendes Branchenmagazin, verbandsunabhängig, erscheint in Dortmund. Buchreport ermittelt auch Ĺ Bestsellerlisten. Buchumschlag Umschlag bei einer Broschur oder Ĺ Schutzumschlag bei einem Deckenband. CIP Cataloguing in Publication, Kurztitelaufnahme (auf der Titelrückseite) im Neuerscheinungs-Sofortdienst der Deutschen Nationalbibliographie. Copyright Urheber- und Verlagsrecht der USA, Copyright-Vermerk: © mit Urheber- oder Verlagsname und Jahr der Erstveröffentlichung. Cover Umschlag t Hardcover. Datenbank Sammlung elektronisch gespeicherter Daten, auch von Verlagen als CD ROM angeboten, z.B. umfangreiche wissenschaftliche Werke. Datenbanken sind urheberrechtlich geschützt. Deckungsauflage Zahl der Bücher, die ein Verlag verkaufen muss, um die Herstellungskosten inkl. Honorar zu decken. Erst danach trägt der Titel zur Deckung der allgemeinen Verlagskosten und danach zum Verlagsgewinn bei.
Deutsche Bibliothek In Frankfurt (und die Ĺ Deutsche Bücherei in Leipzig); sammelt das nach 1945 in Deutschland erschienene Schrifttum, gibt auch die Deutsche Nationalbibliographie heraus und gibt bibliographische Auskünfte. Deutsche Bücherei In Leipzig (gehört zur TDeutschen Bibliothek); sammelt seit 1913 das gesamte deutschsprachige Schrifttum. Deutsches Jahrbuch für Autoren, Autorinnen Handbuch für Schriftsteller und Verleger: »Der ultimative Ratgeber« (KulturlNews). Dienstleisterverlag in sich widersprüchlicher Begriff: Ein Dienstleister wird bezahlt, ein Verlag legt vor. TPseudoverlag. Druckbogen Meist passen auf eine Druckform 8 Seiten, also 16 Buchseiten auf einen beidseitig bedruckten Bogen. Für ein Buch mit 160 Seiten werden 10 Druckbogen x Auflagenhöhe benötigt. Druckfehler Sind meist Setzfehler. Druckkostenzuschussverlag Fälschlicherweise gebrauchter Begriff für Unternehmen, die sich vom Autor dafür bezahlen lassen, dass sie sein Werk drucken, aber meist weit mehr als einen Zuschuss zu den Druckkosten nehmen, Ĺ Dienstleisterverlag tPseudoverlag Ĺ Vanity Press. EAN-Strichcode Die European Article Number auf der vierten Umschlagseite ermöglicht es, das Buch mit dem Scanner zu identifizieren, zu berechnen und den Verkauf zu registrieren für Nachbestellungen, wie bei anderen Produkten. Editio castrata Auch: expurgata, von anstößigen Textstellen gereinigte Ausgabe. Edition Ausgabe, vor allem bei Neuausgabe klassischer Texte, aber auch Reihenbezeichnung eines Verlages. Einstampfen Um zart besaiteten Autoren die unangenehme Nachricht übermitteln zu können, was mit ihrem unverkäuflichen Buch geschieht, bevorzugen einfühlsame Verleger: Ĺ makulieren. Erstausgabe Erste im Buchhandel erschienene Ausgabe eines Buches. Erst-Autor Debütant. Fachbuch Buch zu einem speziellen Fachgebiet, für eine bestimmte Berufsgruppe. Faction Englischer Begriff für Romane, die eine Mischung aus Facts und Ĺ Fiction enthalten. Fahne, Fahnenabzug nicht umbrochener Korrekturabzug. Fahnenkorrektur Ĺ Änderungsrecht.
Faction Englischer Begriff für Romane, die eine Mischung aus Facts und tFiction enthalten. Fahne, Fahnenabzug nicht umbrochener Korrekturabzug. Fahnenkorrektur Ĺ Änderungsrecht. Fiction Englisch für dichterische, schöngeistige Literatur, im Gegensatz zu TNon-fiction. Freie Benutzung Wenn Inhalt und Form eines Werkes wesenhaft verändert werden, kann nach dem Urheberrecht die Veröffentlichung ohne Zustimmung des Urhebers der Vorlage erfolgen, z.B. Parodie. Freistücke Der Autor erhält gemäß Verlagsgesetz oder Verlagsvertrag eine bestimmte Zahl von Exemplaren seines Druckwerkes ohne Berechnung. Frontispiz Illustration oder Autorenporträt auf der dem Haupttitel gegenüberliegenden Buchseite. Garantie-Honorar Der Spatz im Verlagsvertrag, der manchem Autor lieber ist als die verkaufsabhängige Taube, die meist auch noch ein mageres Brüstchen hat. Ĺ Honorar. Gemeinfreie Werke sind für jedermann frei zur Veröffentlichung, da ihre Ĺ Schutzfrist nach dem T Urheberrecht abgelaufen ist. Bei Verlegern beliebt, da nicht nur honorarfrei, sondern auch autorenärgerfrei. Gesamtausgabe Zusammenstellung einzelner, in sich vollständiger Werke, die ein Bild vom Schaffen des Autors geben. Es können verschiedene Gesamtausgaben nebeneinander bestehen. Glossar Verzeichnis ungewöhnlicher, erklärungsbedürftiger Ausdrücke am Schluss des Buches. Graudrucke Zusammenfassende Bezeichnung für Ĺ Privatdrucke, Firmendrucke etc., die nicht im Buchhandel erhältlich sind. Gutenberg, Johann (1400-1468) hat den Buchdruck mit beweglichen Lettern eingeführt. Handbibliothek Die für einen Benutzer wichtigsten (Fach) Bücher und Nachschlagewerke. Handpresse Für kleine Auflagen, früher auch Andruckpresse für Bleisatz. Hardcover Fester Einband bei Büchern im Gegensatz zu TSoftcover bei Taschenbüchern. Herausgeber Bei Buchreihen, Sammelwerken ist der Herausgeber der Schöpfer der Idee und ihr Betreuer, Ĺ Edition.
Herstellender Buchhandel Ĺ Verlag. Herstellungskosten eines Buches sind alle direkt zurechenbaren Kosten wie Satz, Papier, Druck, Buchbindung und Gestaltung. Honorar Man unterscheidet auflagenabhängige oder umsatzbezogene Honorare und feste Ĺ Pauschalhonorare. Die Honorarsätze bewegen sich zwischen 5 und 8 % bei Taschenbüchern, um 10 % bei Hardcover-Titeln, bis zu 16% für Bestsellerautoren. Hörbücher Literarische Tonträger, von Schauspielern, auch von begabten Autoren als Lesung besprochene Audiokassetten. Hurenkind Ĺ Ausgangszeile eines Absatzes, die auf die nächste Seite gerutscht ist. Imprint Druckvermerk. Auch als Reihentitel mit dem Imprint des Originalverlags, z. B. Beck-Texte im dtv, versehen. Auch anderer Verlagsname in großem Verlag. Index 1. Alphabetisches Verzeichnis, Register, meist am Ende des Buches. 2. Liste verbotener Bücher. Ĺ Zensur. Indizierte Bücher (und andere Medien), deren Verbreitung eingeschränkt ist Ĺ Jugendmedienschutz. ISBN Internationale Standard-Buch-Nummer: Zehnstellige Nummer (Gruppen-, Verlags-, Buchnummer und Prüfziffer). ISSN International Standard Serial Number, nur für Zeitschriften. Jugendmedienschutz Die Bundesprüfstelle veröffentlicht regelmäßig die auf den Ĺ Index gesetzten jugendgefährdenden Schriften, die nicht ausgestellt oder an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden dürfen. Auch bekannte Verlagshäuser veröffentlichen solche Bücher. Ĺ Zensur. Klappentext Werblicher Text auf dem Schutzumschlag über den Inhalt des Buches und seinen Autor. Klebebindung Bindeverfahren, bei dem der beschnittene Buchblock am Rücken aufgeraut oder aufgefäst und mittels Kalt- oder Heißleim »geklebt« wird. Kleinverlage Verlage mit wenigen Titeln und Mitarbeitern und geringem Umsatz Ĺ Mini-Verlag. Kollationieren 1. Vergleichen von Manuskript/Urausgabe mit späteren Ausgaben 2. Begriff aus dem Antiquariatshandel: Prüfen der Vollständigkeit von Seiten, Tafeln etc. 3. Prüfen der Vollzähligkeit der zu bindenden Bogen eines Buches.
Korrekturabzug Abzug in Form von TFahnen oder umbrochenen Seiten zum Verbessern evtl. Salzfehler. Gemäß Verlagsgesetz und üblicherweise Verlagsvertrag ist der Autor dazu verpflichtet und berechtigt, in bestimmten Grenzen ohne zusätzliche Kosten Korrekturen an seinem Text vorzunehmen. Korrekturzeichen Im Duden sind Korrekturnormen nach DIN 16511 mit Korrekturzeichen abgedruckt. Kritik Buchbesprechung in Zeitungen, Zeitschriften, im Radio und Fernsehen, anhand eines vom Verlag frei zur Verfügung gestellten Besprechungsexemplars mit Waschzettel. Kritische Ausgabe Neuausgabe eines Werkes, das von Entstellungen, Auslassungen etc. gekennzeichnet war und den Originaltext wiederherzustellen sucht. Künstlerbücher Handpressen drucke, Materialbücher, Collagenwerke mit künstlerischem Anspruch. Ladenverkaufspreis In Deutschland unterliegen Bücher der Ĺ Preisbindung. Vom Verlag festgesetzter Ladenpreis. Legende Erläuterungen zu Abbildungen, Karten etc. Lektor (Leser) Verlagsmitarbeiter, der angebotene Manuskripte prüft, bearbeitet, kalkuliert und betreut. Er hält den Kontakt zum Autor über den Abschluss des Verlagsvertrags hinaus. Im Lektorat werden neue Buchreihen entwickelt, Lizenzen erworben und verkauft. Das Lektorat ist die wichtigste Abteilung eines Ĺ Verlags. Leseexemplar Vom Verlag an Buchhandlungen kostenlos versandte (früher ungebundene) kostenlose Exemplare eines Buches. Leseförderung Ĺ Stiftung Lesen. Leseforschung Hauptsächlich durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels veranlasste Untersuchungen. Lesung Meist lesen die (dafür nicht immer begabten) Autoren, z.B. in Buchhandlungen aus ihren Werken. Liebhaberausgabe Besonders ausgestattete Bücher in kleinen, oft limitierten Auflagen. Ĺ Pressendruck Literatur Überbegriff für die Gesamtheit fixierten Schrifttums, sowohl Sachliteratur wie auch schöngeistige Literatur. Manchmal wertend gebraucht für anspruchsvolle dichterische, künstlerische Werke. Literaturagentur Makler zwischen Autor und Verlag sowie zwischen ausländischen und inländischen Verlagen. Sie bezieht ein Erfolgshonorar für vermittelte Leistungen in Prozent vom Autorenhonorar oder dem Wert der Lizenz.
Literaturpreise Wichtige Förderung von Autoren, selten Verlagen, durch Auszeichnungen, verbunden mit Geldpreisen, Stipendien, gestiftet von öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen, literarischen Institutionen und Privatleuten Literaturverzeichnis Liste der verwendeten Literatur, Zitate etc. am Schluss eines Buches. Lizenzvertrag Vertrag über die Herausgabe eines Werkes, dessen Rechte z.B. ein Verlag hält, der einem anderen, beispielsweise im Ausland oder einem Taschenbuch-Verlag, das Recht zur Veröffentlichung einräumt. Longseller Buch mit hohem Absatz über längere Zeit im Gegensatz zum kurzfristig erfolgreichen Ĺ Bestseller. Loseblattwerke Fortlaufende Sammelwerke, für die der Abonnent eine Grundausstattung, etwa einen Ringbuchordner, und die aktuellen Ergänzungen vom Verlag erhält, die blattweise berechnet werden; häufig bei juristischen Werken. Makulieren Makulatur: Unbrauchbares Papier in der Druckerei oder im Verlag, auch Bücher, die nicht mehr verkauft werden können. Ĺ Verramschen Ĺ Einstampfen. Manuskript Handschrift, Begriff für nicht gedrucktes Werk, auch wenn es maschinegeschrieben (Typoskript) oder computergedruckt ist. Manuskriptvorbereitung Vor dem Satz erforderliche Arbeiten, Korrekturen, Klarstellungen, Satzauszeichnungen. Mini-Verlage Verlage oft mit nur einem oder wenigen Titeln, mit interessanten, oft künstlerischen Werken, die meist nicht in grollen Verlagen erscheinen könnten. Modernes Antiquariat kauft Rest- und Ramschauflagen von Verlagen zu niedrigen Preisen auf, verkauft sie (als Großhandel) an Buchhandlungen. Nationalbibliographie Ĺ Deutsche Bibliothek. Nebenrechte Alle zusätzlichen Nutzungsrechte, z.B. neben der Buchveröffentlichung als Hauptrecht die Taschenbuchrechte, Übersetzungsrechte, Filmrechte etc. Nettopreis Ĺ Verlagsabgabepreis, also Ladenpreis abzüglich MwSt. abzüglich Buchhandelsrabatte. Neuauflage Der sowohl veränderte wie auch unveränderte Neudruck der ersten Veröffentlichung eines Werkes. Die meisten Bücher erleben nur die Erstauflage.
Neuerscheinung Sowohl Erstauflagen wie Neuauflagen sind Neuerscheinungen. Non-books Alles außer Bücher, was der Buchhandel sonst anbietet (TShirts, Drucke, Karten etc). Non-fiction Sachbücher im Gegensatz zu TFiction, Belletristik. Normvertrag Ĺ Vertagsvertrag Nutzungsrecht Im Ĺ Verlagsgesetz oder Vertrag geregelte Übertragung von Haupt- und/oder Ĺ Nebenrechten. Online-Publishing Informationsbereitstellung eines Verlages über Datennetze. Originalausgabe Die vom Urheber bestimmte erste Ausgabe seines Werkes. Paperback Kartoniertes Buch, außer am Preis kaum vom Taschenbuch unterscheidbar. Papiergewicht Ausgedrückt in Gramm/m 2 , z.B. Schreibpapier 80 g/m2. Pauschalhonorar Festhonorar als einmalige Abfindung für eine oder alle Auflagen eines Buches. Pflichtexemplar In Deutschland müssen von jedem gedruckten Buch zwei Exemplare an die Ĺ Deutsche Bibliothek/Deutsche Bücherei und teilweise auch an Landesbibliotheken gesandt werden. Piratenausgabe Ĺ Raubdruck. Plagiat Widerrechtliche Verwertung der geistigen Schöpfung eines anderen; verletzt Ĺ Urheberrecht. Preisbindung In Deutschland wurde die gesetzliche Preisbindung vor über 100 Jahren eingeführt und gilt seither mit einer Unterbrechung. Pressendruck Kleine Auflagen bibliophiler Werke von Ĺ MiniVerlagen, oft in Bleisatz, besondere Typographie, auch mit Original-Druckgraphik. Meist limitiert/signiert. Printmedien Alle gedruckten Medien, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher etc. Privatdrucke Nicht über den Buchhandel verbreitete Drucke von Privatpersonen, Vereinen etc., die von diesen auch voll bezahlt sind. Pseudoverlag Unternehmen für vom Autor bezahlte Drucke. Praktiziert die Umkehrung des Verlagsprinzips: Nicht der Verlag legt vor (Wortursprung von Verlegen), sondern der Autor. TVanity Press, auch als Ĺ Druckkostenzuschussverlag bezeichnet. Üblicherweise
werden die Bücher solcher Unternehmen kaum im Buchhandel angeboten. Publishing on demand Der Digitaldruck ermöglicht Verlegen entsprechend der Nachfrage. Quellenangabe Bei Ĺ Zitaten verlangt das Urheberrecht deutliche Kennzeichnung und Quellenangabe. Ramsch Ĺ Verramschen Raubdruck Unautorisierter, illegaler Druck eines schon erschienenen Werkes. Redaktion Schriftleitung. Im Buchwesen auch: THerausgeber, Editor. Redigieren Redaktionsarbeit im engeren Sinne: das stilistische und inhaltliche Überarbeiten eines Textes. Ĺ Lektor. Register Sach-, Personen-, Ortsregister am Ende eines Buches mit Hinweis auf Seitenzahlen. Reprint Unveränderter Nachdruck eines (meist älteren vergriffenen) Werkes. Restauflage Schwerverkäuflicher Bestand eines Titels im Verlag, der preiswert abgegeben oder tverramscht wird. Rezension Buchkritik, urteilende Besprechung im redaktionellen Teil der Medien, Ĺ Kritik. Rezensionsexemplar Kostenlos den Redaktionen zur Besprechung zugesandte Neuerscheinung. Sachbuch Alle nicht schöngeistigen Werke, Ĺ Nonfiction, wobei man noch in wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Werke und in zahlreiche Untergruppen aufgliedern kann. 85 % der Neuerscheinungen sind nicht-belletristische Werke. Sammelausgabe Sammelwerk, Werk mit Beiträgen mehrerer Autoren. Schriftsteller Früher eher auf Verfasser schöngeistiger Prosawerke, nicht auf Poeten, angewandt. Ĺ Autor. Schutzfrist In Deutschland 70 Jahre Ĺ Urheberrecht Schutzumschlag Gestalteter, um den Einband eines tHardcovers gelegter Papierumschlag. Selbstverlag Vom Autor gegründeter Verlag, in dem seine Werke erscheinen; Ausgangspunkt mancher Ĺ Mini-Verlage. Skript Manuskript, meist: Drehbuch Sonderdruck Auszug aus einem größeren Werk Sortiment Ĺ Buchhandel.
Steadyseller Ĺ Longseller. Stiftung Buchkunst Führt den jährlichen Wettbewerb »Die schönsten Bücher« durch. Träger sind gemeinsam der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Bibliothek. Stiftung Lesen Aufgabe: Leseförderung, vor allem bei der Jugend. Taschenbücher gibt es seit dem 19. Jahrhundert (Tauchnitz Edition, später Reclam). Sie wurden nach dem Krieg durch rororo-Taschenbücher, denen Fischer u.a. folgten, populär. Sie haben Kartoneinbände und sind preiswert, die Herstellungskosten niedrig, ebenso die Autoren-Honorare. Früher eher als Lizenzauflagen, erscheinen heute viele Titel als Originalausgaben in Taschenbuchverlagen. Etwa 15 % aller Neuerscheinungen sind Taschenbücher, zur Hälfte Erstauflagen. Die Hälfte aller Taschenbücher sind belletristische Titel. Titel Die Benennung eines Buches, aber auch das Werk selbst. Titelbild 1. Abbildung auf dem Umschlag, besonders bei Taschenbüchern 2. tFrontispiz. Titelei Alle Seiten vor dem eigentlichen Textbeginn. Titelschutz Im Markengesetz (§§ 5, 15) ist der Schutz von Buchtiteln geregelt. Typoskript Maschinengeschriebenes Ĺ Manuskript. Umbruch Der zunächst endlos gesetzte Satz wird zu fertigen Seiten aufgebaut, d.h. umbrochen. Umsatzsteuer Für Bücher gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 %. Unveränderte Neuauflage Nachdruck der Erstauflage ohne Änderungen. Urheber Der Schöpfer eines Werkes. Ĺ Autor. Urheberrecht Schützt das Eigentum an geistigen Werken. Vanity Press Unternehmen, die sich vom Autor (Vanity = Eitelkeit} den Druck seines Werks bezahlen lassen. TPseudoverlag Verbreitender Buchhandel Alle Formen des Buchhandels, Ĺ Sortiments-, Bahnhofs-, Warenhaus-, Versandbuchhandel etc. Verfasser Ĺ Urheber, Ĺ Autor eines Werkes. Verfasserwerke Bücher mit mehreren auf dem Titel genannten Verfassern. Vergriffen Vom Verlag nicht mehr lieferbar.
Verkehrsnummer wird von Verlagen und Buchhandel im Waren- und Zahlungsverkehr verwendet. Verlag Unternehmen, das das geschriebene Wort, Bild, Ton, Film auf verschiedenen Trägern wie Buch, Kassette, CD der Öffentlichkeit zugänglich macht. Der typische Verlag (kommt von Vorlegen) 1. zahlt dem Autor einen Vorschuss, 2. lässt das Buch drucken und 3. liefert auf Kredit an den Buchhandel. Seine charakteristischen Aufgaben sind die Programmerstellung, die Finanzierung und der Vertrieb. Verlage werden auch als Herstellender Buchhandel bezeichnet, womit die wesentlichen Funktionen - Herstellung und Verbreitung von Büchern - hervorgehoben werden. Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sind etwa 2000 Verlage. Verlagsgesetz Regelt als Ergänzung zum Urheberrecht das Rechtsverhältnis von Verlag und Autor, soweit nicht ein individueller Ĺ Verlagsvertrag geschlossen wurde. Verlagsvertrag Vereinbarung zwischen Verleger und Autor über die Herausgabe eines Werkes. Zwischen dem Verband deutscher Schriftsteller und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels wurde ein Normvertrag vereinbart. Verramschen Ĺ Makulieren, Sinkt der Absatz eines Werkes unter eine bestimmte Stückzahl im Jahr, sichert sich der Verlag im Verlagsvertrag das Recht, das Buch zu verramschen. VLB Verzeichnis Lieferbarer Bücher, herausgegeben von der Buchhändler Vereinigung als Kataloge und als CD-ROM mit rund 1 Mio lieferbaren Titeln. VLS Verzeichnis Lieferbarer Schulbücher Vorabdruck Auszüge aus einem demnächst erscheinenden Buch in Zeitungen oder Zeitschriften. VS Verband deutscher Schriftsteller in der ver.di-Gewerkschaft Waschzettel Pressetext - eher sachliche Information zu Werk, Autor, Verlag etc. Zitat Dem Nachdruckverbot steht eine eng begrenzte Zitierfreiheit gegenüber. Grundsätzlich erforderlich ist die Ĺ Quellenangabe. Zuschussexemplare Verlage sind berechtigt, eine begrenzte Zahl von Büchern zusätzlich zur vereinbarten Auflage drucken zu lassen, um beschädigte oder fehlerhafte Exemplare auszugleichen. Zuschussverlage Ĺ Pseudoverlag Zwischenbuchhandel Buchgroßhandel Ĺ Barsortiment
> Quellenhinweise
Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Da schwimmen manchmal ein paar gute Sätze vorbei, Fischer, Frankfurt 2001 Hans Jürgen Balmes: Mein erstes Buch. Autoren erzählen vom Lesen, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2002 Klaus Bednarz und Gisela Marx: Von Autoren und Büchern, Hoffmann und Campe, Hamburg 1997 Car Corino und Elisabeth Albertsen (Hg.): »Nach zwanzig Seiten waren alle Helden tot.« Erste Schreibversuche deutscher Schriftsteller, Marion von Schröder, Düsseldorf 1995 Jörg Drews: Dichter beschimpfen Dichter, Haffmans Verlag, Zürich 1990
Günter Grass: Die Deutschen und ihre Dichter, dtv, München 1995 Günter Grass: Der Schriftsteller als Zeitgenosse, dtv, München 1996 Dietmar Grieser: Glückliche Erben. Der Dichter und sein Testament, Ullstein, Berlin 1992 Peter Härtling: »Wer vorausschreibt, hat zurückgedacht«, Luchterhand, Frankfurt 1990 Daniel Lenz / Eric Pütz: Lebensbeschreibungen - Zwanzig Gespräche mit Schriftstellern, edition text + kritik, München 2000 Andre Müller: .. - über die Fragen hinaus. Gespräche mit Schriftstellern, dtv, München 1998 Sten Nadolny: Das Erzählen und die guten Absichten, Piper, München 1990 Arno Schmidt: Der Platz an dem ich schreibe, Arno Schmidt Stiftung im Haffmans Verlag, Zürich 1993
> Das Ende
»Alles, alles ist zu Ende«, so endet Hans Falladas Kleiner Mann - was nun. Doch diese Endgültigkeit gelingt nicht jedem Schriftsteller, manche Bücher wollen einfach nicht enden. Andere haben noch verschiedene Anhänge, Nachworte, Indices, alles sehr nützlich, aber das Ende nur hinauszögernd, das unvermeidlich kommen und auf das der Leser manchmal lange, zu lange, warten muss. Über Matthew Arnold sagte Oscar Wilde: »Wenn man ihn liest, hofft man bei jedem Wort, es möge sein letztes sein.« Und gelegentlich wäre der Leser schon dankbar, wenn es das letzte Buch aus der Feder eines Autors wäre. Schriftsteller können es eigentlich nie lassen. John Updike erklärte es so: »Dass ich nicht aufhören kann mit Schreiben, ist auch eine Art Gier. Wäre es nicht sehr barmherzig von mir, wenn ich einfach jetzt Schluss machte damit? Annähernd 25 Jahre habe ich nichts anderes gemacht als geschrieben. Vielleicht habe ich ja inzwischen alles gesagt, was ich an Nichtigem zu sagen hatte ... Aber ich bringe das nicht fertig, weil ich eben immer denke, doch, doch noch ein Buch, und das wird dann phänomenal.« Ganz radikal macht Franz Xaver Kroetz dem Leser klar, dass er vergeblich wartet: »Ich schreibe seit meinem zwölften Lebensjahr. Mein Werk ist geschaffen. Wenn ich morgen sterbe, ist es mir wurscht.« Um das erlösende ENDE kommt eigentlich nur der herum, der nicht schreibt. Ulrich Holbein denkt wie vermutlich die meisten Schriftsteller: »Sterben, sobald man stirbt, ist leichter, als rechtzeitig einen Schluss zu finden. Und außerdem ist selten, wenn das Sterbeglöckchen der letzten Seitenzahl bimmelt, alles aus.« - ENDE -