Semantik Semantics
HSK 6
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Semantik Semantics
HSK 6
Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Handbooks of Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer
Herausgegeben von / Edited by / Edités par Hugo Steger Herbert Ernst Wiegand
Band 6
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1991
Semantik Semantics Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung An International Handbook of Contemporary Research
Herausgegeben von / Edited by Arnim von Stechow · Dieter Wunderlich
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1991
Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft / mitbegr. von Gerold Ungeheuer. Hrsg. von Hugo Steger ; Herbert Ernst Wiegand. — Berlin ; New York : de Gruyter. Teilw. mit Parallelt.: Handbooks of linguistics and communication science. — Früher hrsg. v on Gerold Ungeheuer u. Herbert Ernst Wiegand NE: Ungeheuer, Gerold [Hrsg.]; Steger, Hugo [Hrsg.]; PT Bd. 6. Semantik. — 1991 Semantik : ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung = Semantics / hrsg. von Arnim von Stechow; Dieter Wunderlich. — Berlin; New York: de Gruyter, 1991 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ; Bd. 6) ISBN 3-11-012696-6 NE: Stechow, Arnim von [Hrsg.]; PT
© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Verv ielfältigungen, Übersetzungen, Mikrov erfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin
V
Vorwort Mit dem Ende der sechziger Jahre erlebte die Forschung zur Semantik natürlicher Sprachen einen lebhaften Aufschwung. I n der Linguistik selbst wurde er eingeleitet durch Arbeiten wie An Integrated Theory of Linguistic Descriptions von Katz & Postal (1964) und der sogenannten Generativen Semantik (zum Beispiel Lakoffs Linguistics and Natural Logic and McCawleys A Program for Logic, beide in Davidson & Harman 1972). Die aus der Linguistik kommenden Versuche wurden Anfang der siebziger Jahre rasch überholt durch drei klassische Aufsätze Richard Montagues (English as a Formal Language, Univ ersal Grammar und The Proper Treatment of Quantification in Ordinary English, sämtlich in Montague 1974). Diese Arbeiten stellen den entscheidenden Durchbruch in der linguistischen Semantik dar. Die Entwicklung der theoretischen Semantik in der Linguistik stand zunächst noch entscheidend unter dem Einfluß von Sprachphilosophen und philosophischen Logikern (Frege, Russell, Carnap, Austin, Kripke, Montague, Lewis, Kaplan und viele andere), deren Positionen und Methoden weitgehend übernommen wurden. I nzwischen hat die Disziplin aber in der Semantik festen Fuß gefaßt, und die differenzierten, aus der Empirie der natürlichen Sprachen herkommenden Fragestellungen beeinflussen heute ihrerseits die philosophische Logik und die Kognitionswissenschaften. Unter den verschiedenen Konzeptionen der Semantik hat sich die Wahrheitsbedingungen-Semantik als besonders einflußreich erwiesen. Sie ist zum vorherrschenden Paradigma der formalen linguistischen Semantik geworden. Die wahrheitskonditionale Auffassung der Bedeutung von Sätzen liegt in irgendeiner Variante allen Beiträgen des Handbuchs zugrunde und erweist sich so als das einigende geistige Band. Fruchtbar geworden für die Linguistik ist vor allem eine spezielle Variante, nämlich die sogenannte Mögliche-Welten-Semantik. Sie erlaubt eine formale Rekonstruktion des für natürliche Sprachen zentralen Begriffs der Intension. Die in diesem Rahmen entwickelten Theorien gehen davon aus, daß die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks „berechenbar“ sein muß, und verwenden deshalb formale, insbesondere algebraische (modelltheoretische) Methoden, die die Konstruktion der Bedeutung kompositional aufgrund des Satzbaus erfassen. Das Handbuch soll den gegenwärtigen Stand der linguistischen Wahrheitsbedingungen-Semantik verläßlich dokumentieren. Wir sind zuversichtlich, daß die Darstellung in weiten Teilen klassisch genug ist, um nicht alsbald zu veralten. Die Teile I bis V des Handbuchs befassen sich mit allgemeineren Fragen der Semantik (Grundlegung der Disziplin, alternative Konzeptionen wie Situationssemantik, Kompositionalität, Stellung der Semantikkomponente innerhalb des Systems der Grammatik, Allrounderscheinungen der natürlichen Sprache wie: Kontextabhängigkeit und -veränderung, Vagheit und Mehrdeutigkeit, Präsupposition und I mplikaturen, das Verhältnis von Bedeutung und Gebrauch). Es geht also um die allgemeine semantische Theoriebildung und deren Zuschnitt auf die besonderen Probleme der natürlichen Sprache.
VI
Vorwort
Die Artikel in den Teilen VI bis X befassen sich mit speziellen Erscheinungen natürlicher Sprachen. Die Gliederung folgt weitgehend der Systematik der klassischen Grammatik (partes orationis wie Nomen, Pronomen, Adjektiv, Verb usw. und grammatische Kategorien wie Tempus, Modus, Aspekt etc.), die allerdings so ergänzt wird, daß diejenigen semantischen Aspekte der Sprache abgehandelt werden, für die heute verläßliche Ergebnisse vorliegen. Es versteht sich von selbst, daß in einer Disziplin, die in ständiger Entwicklung begriffen ist, eine Vollständigkeit der Systematik nicht zu erreichen war. Der in Teil XI enthaltene Service-Artikel „Formale Methoden in der Semantik“ erlaubt ein Nachschlagen von vielfach benutzten Definitionen. Einer der leitenden Gesichtspunkte bei der Konzeption des Handbuchs war, daß jeder Artikel nach Möglichkeit in sich geschlossen sein sollte. Ausgehend von einzelnen Sprachphänomenen sollten die vorgeschlagenen Theorien, die Probleme der semantischen Analyse und die offenen oder strittigen Fragen dargestellt werden. Damit waren gewisse Überschneidungen unvermeidbar. Wir haben solche Redundanzen bewußt in Kauf genommen, nicht zuletzt aus der Erwägung heraus, daß nur eine Geschlossenheit der einzelnen Artikel die Gewähr dafür bietet, daß sie als Arbeitsgrundlage für einschlägige akademische Lehrveranstaltungen benutzt werden können. Selbstverständlich enthält aber jeder Artikel Querverweise auf andere einschlägige Artikel. Ein weiterer Gesichtspunkt war die Eigenverantwortlichkeit der Autoren. Zwar liegt mit der Wahrheitsbedingungen-Semantik eine gemeinsame Grundkonzeption vor, aber dennoch ist bei dem heutigen Stand der Forschung noch vieles kontrovers. Die Herausgeber haben deshalb nicht immer versucht, zwischen eventuellen Unverträglichkeiten verschiedener Positionen zu vermitteln. Ferner wurde darauf verzichtet, die Terminologie rigoros zu vereinheitlichen. Auch hat jeder Autor gewisse Vorliegen, was die Wahl der logischen und grammatischen Notation betrifft. Dies sind Merkmale des persönlichen Stils, die wir erhalten wissen wollten. I n einem Punkt sind wir von der Konzeption der Geschlossenheit der Einzelartikel abgegangen: I n den Bibliographien gab es zahlreiche Überschneidungen. Separate Literaturlisten hätten den Umfang des Handbuchs beträchtlich vergrößert. Deshalb enthalten die Einzelartikel die Literaturhinweise in Kurzform, während sich in Teil XII die ausführliche Gesamtbibliographie befindet. Ein abschließendes Namens- und Sachregister soll die Arbeit mit dem Handbuch erleichtern. Wir möchten den Autoren für ihre große Geduld und Mühe danken. Die Arbeit an dem Handbuch hat viel länger gedauert als beabsichtigt. Der erste Grund für die Verzögerung ist, daß die erforderlichen Beiträge nicht in der gewünschten Zeit zusammengebracht werden konnten. Ein weiterer Grund ist, daß der Verlag, der das Handbuch ursprünglich herausbringen wollte, kurz vor Abschluß der redaktionellen Arbeiten seine Tätigkeit einstellte. Die Herausgeber der Handbuchreihe des Walter de Gruyter Verlages haben dann dankenswerterweise das Unternehmen übernommen. Die Überführung in diese Reihe verlangte weitere Änderungen am Handbuch, was erneut zu Verzögerungen führte. Möge das Ergebnis die Beteiligten für ihre langjährigen Bemühungen entschädigen. Unser Dank gilt auch den (bislang anonymen) Rezensenten der Beiträge, welche die für die Qualität des Handbuchs entscheidende Arbeit des kritischen Kommentierens unentgeltlich auf sich genommen haben. Es handelt sich um die folgenden Personen:
VII
R. Bäuerle, M. J. Cresswell, G. Carlson, J. Groenendijk, F. Hamm, I. Heim, J. Jacobs, A. Kemmerling, E. Klein, E. König, F. von Kutschera, M. Krifka, G. Link, S. Löbner, A. ter Meulen, M. Pinkal, R. van der Sandt, Ch. Schwarze, P. Staudacher, W. Sternefeld, M. Stokhof, D. Zaefferer und E. T. Zimmermann. Wir danken auch Ulrike Haas-Spohn, die die organisatorischen Kontakte mit den Autoren über Jahre unterstützt hat. Schließlich danken wir den Düsseldorfer Studentinnen und Studenten, die bei der Anfertigung der Bibliographie und der Register und beim Korrekturlesen geholfen haben: Esther Damschen, Carola Höhle, Gerhard Jäger, Birgit Gerlach, Steffi Klose und Ingrid Sonnenstuhl-Henning. Was die beiden Herausgeber betrifft, so schließen wir uns mit vollem Herzen den Worten jenes mittelalterlichen Schreiberleins an, das da gesagt hat: ὥσπερ ξένοι χαίρουσιν ἰδεῖν πατρίδα, καὶ οἱ θαλαττεύοντες ἰδεῖν λιμένα, καὶ οἱ στρατευόμενοι τὸ νῖκος, καὶ οἱ πραγματεύοντες τὸ κέρδος, καὶ οἱ νόσῳ λευόμενοι ἰδεῖν ὑγίαν, οὕτω καὶ οἱ γράϕοντες ἰδεῖν βιβλίου τέλος. Wie der Fremde sich freut beim Anblick der Heimat, der Seefahrer, gewahrt er des Hafens, der Kämpfende, wenn der Sieg da ist, der Händler, wenn Gewinn sich einstellt, der Kranke, wenn Gesundheit wiederkehrt, So freut sich der Autor beim Anblick des Endes des Buches. Juli 1991
Arnim von Stechow Dieter Wunderlich
VIII
Preface At the end of the sixties the investigation into the meaning of natural languages developed rapidly. It started with works such as An Integrated Theory of Linguistic Descriptions by Katz & Postal ( 1964) and the so-called Generative Semantics ( e. g. Lakoff’s Linguistics and Natural Logic and McCawley’s A Program for Logic; both in Davidson & Harman 1972). Very soon these efforts were made obsolete by three classical essays by Richard Montague (English as a Formal Language, Universal Grammar and The Proper Treatment of Quantification in Ordinary English, all in Montague 1974). These works constituted the crucial breakthrough in semantic theory. In the beginning the development of theoretical semantics as a field of linguistics was largely influenced by language philosophers and philosophical logicians ( Frege, Russell, Carnap, Austin, Kripke, Montague, Lewis, Kaplan, and many others), whose positions and methods survive to a great extent. In the meantime, theoretical semantics has gained a foothold in linguistics. From empirical research in particular languages finely differentiated questions arise and now influence philosophical logic and cognitive sciences. Among the different concepts of semantics, truth-conditional semantics has proven to be especially influential. It has become the predominant paradigm of theoretical semantics. This approach in one way or another forms the basis for all articles in this handbook and therefore constitutes its spiritual bond. A particularly productive variant is Possible World Semantics, which allows a formal reconstruction of the concept of intension which is crucial to natural languages. The theories developed in this framework assume that the meaning of a complex expression has to be “computable”, and therefore they use formal, especially algebraic (model-theoretic) methods to construct the meaning compositionally in view of syntactic structure. The aim of the handbook is to document the present state of truth-conditional semantics in linguistics, which involves theories that can now be termed “classical” and we hope will therefore remain valid in the future. Parts I to V of this handbook deal with more general questions of semantic theory: the conceptual and ontological foundations of the discipline, the common principles of semantics, alternative approaches such as situation semantics, the role of compositionality, the place of semantics within the system of grammar, the relationship of meaning and use as shown by all-around properties such as context dependence, context change, vagueness, ambiguity, presupposition and implicatures. The articles in parts VI to X are concerned with particular phenomena of natural languages. They are arranged according to both parts of speech ( nouns, pronouns, verbs and adjectives, etc.) and grammatical categories ( tense, mood, aspect, number, etc.). This division is complemented by those semantic aspects of language which have been proven to be crucial and particularly fruitful for research. It goes without saying that in a rapidly changing discipline such as semantics, a completely systematic organization cannot be found.
Preface
IX
Finally, there is a service article in part XI which provides central definitions in semantics. One of the main aspects in the conception of this handbook was that every article should be as self-contained as possible. Focusing on individual linguistic phenomena, the articles attempt to outline the proposed theories and the specific problems of the semantic analysis as well as the disputed questions. Thus, to a certain extent overlap could not be avoided. We allowed for such redundancies in part because only a selfcontained article can be used as a basis in academic lectures. Cross-references are included in the text. Another feature is the responsibility of the individual authors. The truth-conditional semantics may form a common denominator but some of the more specific questions are still controversial. The editors did not try to intervene when certain incompatibilities between different authors arose. Each author has a particular preference with respect to terminology and the logical and grammatical notation. These are features of personal style which we wanted to maintain. Some articles are written in German, and some in English. However, because of numerous overlaps in the literature, all references are included in one comprehensive bibliography at the end of the book. This final part also includes an index of subjects and names. We thank all the authors for their great effort and patience. The work on this handbook took a lot longer than expected. One reason for this delay was that the required articles could not be collected within the planned schedule. Another reason was that the original publisher went out of business. Fortunately, the editors of the handbook series at Walter de Gruyter were able to step in. This take-over required various changes in the manuscript and therefore led to a further delay. We hope that the result compensates all participants for the lenghty wait. We also thank the referees (who have been anonymous up until now) who undertook the important task of critically commenting on the articles: R. Bäuerle, M. J. Cresswell, G. N. Carlson, J. Groenendijk, F. Hamm, I. Heim, J. Jacobs, A. Kemmerling, E. Klein, E. König, F. von Kutschera, M. Krifka, G. Link, S. Löbner, A. ter Meulen, M. Pinkal, R. van der Sandt, Ch. Schwarze, P. Staudacher, W. Sternefeld, M. Stokhof, D. Zaefferer and E. T. Zimmermann. Thanks also to Ulrike Haas-Spohn who, over the years, helped to organize the contact with the authors. Finally we thank the students from Düsseldorf who helped with compiling the bibliography and the indexes as well as the proof-reading: Esther Damschen, Carola Höhle, Gerhard Jäger, Birgit Gerlach, Steffi Klose and Ingrid Sonnenstuhl-Henning. As far as the two editors are concerned, we fully agree with the words of the medieval writer who said: ὥσπερ ξένοι χαίρουσιν ἰδεῖν πατρίδα, καὶ οἱ θαλαττεύοντες ἰδεῖν λιμένα, καὶ οἱ στρατευόμενοι τὸ νῖκος, καὶ οἱ πραγματεύοντες τὸ κέρδος, καὶ οἱ νόσῳ λευόμενοι ἰδεῖν ὑγίαν, οὕτω καὶ οἱ γράϕοντες ἰδεῖν βιβλίου τέλος.
X
In the same way as strangers are pleased to see their country and sailors to see the harbour and warriors to see the victory and traders to see profit and invalids to see their recovery in this way writers enjoy seeing the end of the book. July, 1991
Arnim von Stechow Dieter Wunderlich
XI
Inhalt/Contents Vorwort ........................................................................................................................ Preface ..........................................................................................................................
I.
Allgemeine Grundlagen General Foundations
1. 2.
John Lyons, Bedeutungstheorien (Theories of Meaning) ............................ M. J. Cresswell, Basic Concepts of Semantics (Grundbegriffe der Semantik) ................................................................................................................ Dieter Wunderlich, Bedeutung und Gebrauch (Meaning and Use) ............. Gisbert Fanselow/Peter Staudacher, Wortsemantik (Word Semantics) ........
3. 4.
II.
Probleme der ontologischen Grundlegung: Welt versus Situation Problems of Ontological Foundation: World Versus Situation
5. 6.
M. J. Cresswell, Die Weltsituation (The World Situation) ........................... John Barwise, Situationen und kleine Welten (Situations and Small Worlds) .........................................................................................................
III.
Theorie der Satzsemantik Theory of Sentence Semantics
7. 8.
Arnim von Stechow, Syntax und Semantik (Syntax and Semantics) ........... M. J. Cresswell, Syntax and Semantics of Categorial Languages (Syntax and Semantik kategorialer Sprachen) ..........................................................
IV.
Kontexttheorie Context Theory
9. 10. 11.
Thomas Ede Zimmermann, Kontextabhängigkeit (Context Dependence) .. Ulrike Haas-Spohn, Kontextveränderung (Context Change) ....................... Manfred Pinkal, Vagheit und Ambiguität (Vagueness and Ambiguity) .......
V.
Semantische Grundlagen der Sprechakte Semantic Foundations of Speech Acts
12.
Günther Grewendorf/Dietmar Zaefferer, Theorien der Satzmodi (Theories of Sentence Mood) ................................................................................
V VIII
1 24 32 53
71 80
90 148
156 229 250
270
XII
Inhalt/Contents
13. 14. 15.
Pieter A. M. Seuren, Präsuppositionen (Presuppositions) ........................... Andreas Kemmerling, Implikatur (Implicature) .......................................... Rainer Bäuerle/Thomas E. Zimmermann, Fragesätze (Interrogatives) .......
VI.
Nominalsemantik Nominal Semantics
16. 17.
Jean-Yves Lerner/Thomas E. Zimmermann, Eigennamen (Proper Nouns) . Greg N. Carlson, Natural Kinds and Common Nouns (Natürliche Arten und Allgemeinnamen) .................................................................................. Manfred Krifka, Massennomina (Mass Nouns) ........................................... Godehard Link, Plural (Plural) .................................................................... Veronika Ehrich, Nominalisierungen (Nominalizations) .............................
18. 19. 20.
VII.
Semantik der Funktionswörter Semantics of Functional Words
21. 22. 23. 24. 25. 26.
Jan van Eijck, Quantification (Quantoren) .................................................. Irene Heim, Artikel und Definitheit (Articles and Definiteness) ................ Tanya Reinhard, Pronouns (Pronomina) ...................................................... Peter E. Pause, Anaphern im Text (Textual Anaphors) ................................ Joachim Jacobs, Negation (Negation) .......................................................... Ewald Lang, Koordinierende Konjunktionen (Coordinative Conjunctions) ...................................................................................................................... Kjell Johan Sæbø, Causal and Purposive Clauses (Kausale und finale Nebensätze) .................................................................................................. Ekkehard König, Konzessive Konjunktionen (Concessive Conjunctions) .. Angelika Kratzer, Modality (Modalität) ...................................................... Angelika Kratzer, Conditionals (Konditionale) ...........................................
27. 28. 29. 30.
VIII.
Adjektivsemantik Adjectival Semantics
31. 32.
Cornelia Hamann, Adjectives (Adjektive) .................................................... Ewan Klein, Comparatives (Komparativ) ....................................................
IX.
Verbalsemantik Verbal Semantics
33. 34.
Cathrine Fabricius-Hansen, Verbklassifikation (Classification of Verbs) ... Rainer Bäuerle, Verben der propositionalen Einstellung (Propositional Attitude Verbs) ............................................................................................. Cathrine Fabricius-Hansen, Tempus (Tense) ............................................... M. J. Cresswell, A dverbial Modification in λ-Categorial Languages (Adverbiale Modifikation) ...........................................................................
35. 36.
286 319 333
349 370 399 418 441
459 487 535 548 560 597 623 631 639 651
657 673
692 709 722 748
Inhalt/Contents
X.
Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus Residua: Prepositions, Degree Particles, Focus
37.
Dieter Wunderlich/Michael Herweg, Lokale und Direktionale (Spatial and Directional Prepositions) ...................................................................... Ekkehard König, Gradpartikeln (Degree Particles) ..................................... A rnim von Stechow, Current Issues in the Theory of Focus (Probleme der Fokustheorie) ......................................................................................... Angelika Kratzer, The Representation of Focus (Fokus-Repräsentation) ...
38. 39. 40.
XI.
Service-Artikel Service-Article
41.
Godehard Link, Formale Methoden in der Semantik (Formal Methods in Semantics) ................................................................................................
XII.
Bibliographischer Anhang und Register Bibliographic Appendix and Indices
42. 43. 44.
Bibliographie/Bibliography Personenregister/Name Index....................................................................... Sachregister/Subject Index............................................................................
XIII
758 786 804 825
835
861 908 915
1
I.
Allgemeine Grundlagen General Foundations
1.
Bedeutungstheorien
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 3.
1.
Geschichte und Gegenstand der Semantik Der Terminus Semantik Geschichte der Semantik Linguistische Semantik Ebenen der Bedeutung und Kompositionalität Semantik und Pragmatik Einige Zugänge zur semantischen Theorie Bedeutungstheorien und semantische Theorie Die Referenztheorie Die Ideationstheorie Verhaltenstheorie der Bedeutung und behavioristische Semantik Strukturelle Semantik Kontextuelle Theorie der Bedeutung Bedeutung und Gebrauch Wahrheitsbedingungen-Theorien der Bedeutung Literatur (in Kurzform)
Geschichte und Gegenstand der Semantik
1.1 Der Terminus Semantik Das Nomen Semantik ist eine relativ neue Prägung. Zur Bezeichnung der Wissenschaft von der Bedeutung wurde es erstmals im späten 19. Jh. benutzt. Es leitet sich von dem griechischen Adjek tiv semantikόs her, das je nach Kontext als „bedeutsam“ [significant] oder „sinnvoll“ übersetzt werden k ann. Es ist etymologisch mit mehreren anderen Termini verwandt, zu denen es bis in jüngste Zeit in Rivalität stand. Dazu gehören unter anderen „Semiasologie“, „Semiotik “ und „Semiologie“. Alle diese Bezeichnungen gehen, ebenso wie „Semantik “, letztlich auf eine Familie von griechischen Wörtern zurück , die etwas mit der Interpretation von Zeichen zu tun haben. Der etymologische Gesichtpunk t, der soeben ins Spiel gebracht wurde, ist von einiger Wichtigk eit. Unter den verschiedenen Theorien der Semantik , die in diesem Artik el und an anderen Stellen dieses Buches disk utiert werden, gibt es solche, die Bedeutung mit
Bezeichnung [signification] identifizieren und solche, die das nicht tun. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß Bréals berühmter Essai de sémantique (1877), der den gerade erst geschaffenen Terminus popularisierte, in seinem Untertitel die Bezeichnung science des significations enthielt. Das Französische besitzt k ein Wort der Alltagssprache, welches alles abdeck t, was durch das deutsche Wort Bedeutung (oder das englische Wort meaning) abgedeck t wird und das nicht nur von Bezeichung, sondern auch von Bedeutsamkeit [significance] unterschieden werden k ann, wenn immer dies notwendig ist. Bréals Essai ist nicht ins Deutsche übersetzt worden, aber die englische Übersetzung, welche 1903 erschien, definierte den neu entdeck ten Zweig der Linguistik implizit mittels eines ziemlich verschiedenen Untertitels: The Science of Meaning. Auf deutsch schreibende Forscher tendierten während der ersten Hälfte des 20. Jhs dazu, eher das Wort „Bedeutungslehre“ als „Semantik “ zu benutzen. Aus Gründen, die alsbald k lar werden werden dürften, wird heute paradoxerweise der Terminus „Semantik “ in einem sehr weiten Sinn benutzt, um die Wissenschaft von der Bedeutung als solche zu bezeichnen. „Bedeutungslehre“ wird im allgemeinen eingeschränk t auf den Bereich der Semantik , um den es Bréal (und den meisten Semantik ern jener Zeit) ging: diachrone lexikalische Semantik (siehe dazu 1.4). 1.2 Geschichte der Semantik Obwohl die Semantik erst als ein eigenständiger Zweig der Linguistik anerk annt wurde, als der Terminus „Semantik “ und damit verwandte Bezeichnungen im 19. Jh. für das Gebiet eingeführt wurden, ist das Interesse an Bedeutung doch so alt wie die Sprachforschung selbst. In Europa reicht es zurück bis zu den eigentlichen Anfängen der traditionellen Grammatik und Logik in den Spek ulationen Platos und seiner Zeitgenossen im 5. und 4. Jh. vor Christus. In anderen Teilen der Welt
I. Allgemeine Grundlagen
2
hat dieses Interesse eine ebensolange, wenn nicht längere Geschichte, besonders in Indien und China. Zuerst eregte das, was wir heute lexikalische Semantik nennen, die Aufmerk samk eit der Gelehrten, insbesondere die Etymologie: die Erforschung des Ursprungs und der Entwick lung von Wörtern unter besonderer Berück sichtigung ihrer Bedeutung. Aber auch in den meisten zentralen Bereichen der grammatischen Theorie waren semantische Gesichtspunk te von vitaler Wichtigk eit. Die Wortarten [partes orationis] (Nomen, Verb, Adjek tiv, usw.) und grammatischen Kategorien (Tempus, Genus, Numerus, usw.) wurden vollständig oder zumindest teilweise semantisch definiert. Ein Gleiches gilt für die zentrale Einheit der syntak tischen Analyse, den Satz, als dieser sich im Laufe einer jahrhundertelangen Tradition als solcher etablierte, eine Tradition, die ihre Anfänge bei Philosophen, Rhetoren und Literaturk ritik ern hat. Priscians k lassische, aus dem 6. Jh. unserer Zeitrechnung stammende Definition des Satzes verwendet das lateinische Wort sententia, wo seine griechisch schreibenden Vorläufer dianoia benutzten (vgl. Matthews 1981: 27). Beide Wörter werden in diesem Zusammenhang gewöhnlich als „Gedank e“ übersetzt, aber beide Wörter sind auch als Bedeutung, Intention oder Bedeutsamkeit interpretierbar. Tatsächlich k ann man dafür argumentieren, daß Priscians k lassische Definition des Satzes (ordinatio dictionum congrua sententiam perfectam demonstrans) am besten übersetzt wird als „eine wohlgeformte Folge von Wörtern, die eine vollständige Aussage (Proposition) ausdrück t“. Diese Übersetzung ist natürlich — und zwar bewußt — anachronistisch, insofern sie logische Terminologie des 20. Jhs benutzt, nämlich „wohlgeformt“ und „Aussage“ anstelle der traditionellen Begriffe des Grammatik ers: „k ongruent“ und „Gedank e“. Nicht nur war Semantik nicht k lar von Grammatik getrennt (insbesondere nicht von der Syntax), und zwar bis in das späte 19. oder frühe 20. Jh., nein, auch Grammatik und Logik waren nicht scharf voneinander abgegrenzt, auch nicht von Psychologie und Erk enntnistheorie. In diesem Zusammenhang sei im Vorübergehen bemerk t, daß der deutsche Logik er Frege — eine zentrale Gestalt in der Entwick lung der modernen formalen Semantik , wie wir sehen werden — den Terminus „Gedank e“ verwendete, wo die meisten heutigen Logik er von „Aussage“ (Proposition) sprechen würden. Allerdings hat bei Frege „Gedank e“ eine vollständig abstrak te,
nicht-psychologische Bedeutung. Erst in jüngster Zeit wurden darüber hinaus Sätze sowohl von Äußerungen (Priscians Terminus oratio wird vielleicht besser als „Äußerung“ übersetzt) unterschieden als auch von Aussagen (Propositionen). Diese Unterscheidungen werden nun allgemein als wesentlich angesehen. Wie sie genau eingeführt und gegeneinander abgegrenzt werden, das ist allerdings von Theorie zu Theorie verschieden. Aus Platzgründen ist es ausgeschlossen, detailliert auf die Geschichte der Semantik einzugehen oder auch nur die Grundzüge der historischen Entwick lungen der verschiedenen Bedeutungstheorien nachzuzeichnen, die uns in diesem Artik el beschäftigen werden. Gewisse historische Verbindungen zwischen Theorien oder Gesichtspunk ten werden in den folgenden Abschnitten dann aufgezeigt, wenn dies hilfreich oder angebracht zu sein scheint. Hier geht es uns vor allem darum, den Gesichtspunk t, der im Zusammenhang mit traditionellen Definitionen der Wortarten, der grammatischen Kategorien und des Satzes ins Spiel gebracht wurde, hervorzuheben und zu verallgemeinern: das bis in die neueste Zeit in der Linguistik anzutreffende Unvermögen, die Semantik von der Syntax und von anderen Teilen der Grammatik zu trennen. Dasselbe gilt für die linguistische Semantik , die sich k aum von anderen Zweigen der Semantik — der logischen, der psychologischen, der anthropologischen Semantik oder Semiotik — trennen ließ, obwohl sich diese Disziplinen sowohl untereinander wie auch von der linguistischen Semantik unterscheiden, was Betrachtungsweise und Zielsetzung betrifft. Wir werden im folgenden eine solche Trennung durchführen. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Arten von Semantik sind, wie wir sehen werden, k omplex und bis zu einem gewissen Grad k ontrovers, sowohl in ihrer Geschichte als auch in der Gegenwart. In diesem Buch geht es in erster Linie um linguistische Semantik , aber die die meisten Autoren arbeiten in einem theoretischen Rahmen, welcher der logischen Semantik viel verdank t. Es ist deswegen wichtig, diese Art der Erforschung der Bedeutung in einem größeren Zusammenhang zu sehen, und es ist der Zweck dieses ersten Artik els, diesen breiteren Kontext zu liefern. 1.3 Linguistische Semantik Definiert man „Semantik “ als „die Erforschung der Bedeutung“ (die übliche Definition), dann läßt sich der Begriff linguistische
1. Bedeutungstheorien
Semantik wiederum ganz einfach als „die Erforschung der Bedeutung innerhalb der Linguistik “ definieren. Man würde nun denk en, daß eine so definierte linguistische Semantik notwendigerweise alle Aspek te der sprachlichen Bedeutung abdeck en sollte. Dem ist aber nicht so. Es gibt zwei Gründe, weshalb die Linguistik sich nicht mit der Totalität von Bedeutung beschäftigt, die sprachlich ausgedrück t oder vermittelt wird (vgl. Lyons 1981 a: Kap. 1). Der erste und wichtigste Grund ist, daß sich die Linguistik in erster Linie, wenn nicht gar ausschließlich, mit einer offensichtlich relativ k leinen Teilmenge aller Sprachen beschäftigt, nämlich mit Sprachen, welche die folgenden Eigenschaften haben: (i) Sie sind natürlich (im Gegensatz zu k ünstlich) in dem Sinne, daß sie nicht k onstruiert sind (wie Esperanto auf der einen oder die formalen Sprachen der Logik er und Computerwissenschaftler auf der anderen Seite). Ferner sind diese Sprachen entweder natürlich erworben oder erwerbbar (d. h. der Erwerbsprozeß vollzieht sich ohne spezielle Anweisungen als Teil des Reife- und Sozialisationsprozesses unter normalen Umweltbedingungen). (ii) sind die Sprachen menschlich in dem Sinne, daß sie von Menschen erworben wurden oder erwerbbar sind, nicht aber von Tieren oder Maschinen. Diese Beschränk ung der Linguistik auf die Erforschung von natürlichen, menschlichen Sprachen unterscheidet die linguistische Semantik von anderen Arten der Semantik , insbesondere von (i) reiner oder logischer Semantik und von (ii) verschiedenen anderen Zweigen der Semiotik und Semiologie. Der zweite Grund besteht darin, daß die Linguistik, ebenso wie die anderen Wissenschaften auch, notwendigerweise die Phänomene, die sie auswählt und als Daten ansieht, idealisieren muß. Sie beschäftigt sich mit sprachlichen Äußerungen unter ihrer methodisch und theoretisch ausgezeichneten Perspek tive. Tatsächlich läßt sich die Linguistik als ak ademische Disziplin in mehrere überlappende Teildisziplinen unterteilen, und zwar sowohl hinsichtlich der zu untersuchenden Phänomene als auch hinsichtlich der methodologischen Abstrak tionen, welche die Art ihrer wissenschaftlicher Behandlung bestimmen. Die allgemeine Sprachwissenschaft läßt sich von der desk riptiven Linguistik unterscheiden, die theoretische von der angewandten Linguistik , die synchrone von der dia-
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chronen oder historischen Sprachwissenschaft, die Mik ro- von der Mak rolinguistik (vgl. Lyons 1983 b: 38—40). Für jede dieser Teildisziplinen gibt es einen entsprechenden Zweig der linguistischen Semantik mit ihren eigenen charak teristischen Zielen und Perspek tiven und, in vielen Fällen, mit ihren eigenen speziellen Bindungen zu nichtlinguistischen Disziplinen wie Philosophie, Logik , Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Stilistik , Geschichte usw. Aber selbst, wenn man alle diese Zweige der linguistischen Semantik zu einem Gesamtensemble vereinigt, wird man doch nicht sagen k önnen, daß diese vereinigten Disziplinen alles, was unter den Begriff sprachliche Bedeutung fällt, erschöpfend und unter jedem möglichen Blick wink el behandeln. Wie wir sehen werden, machen heutzutage viele Wissenschaftler einen terminologischen Unterschied zwischen Semantik und Pragmatik (1.5). Für die Praxis, wenn auch nicht unbedingt prinzipiell, führt dies zu einer engeren Definition von „linguistischer Semantik “ als derjenigen, die oben verwendet wurde. Diese Beschränk ung des Gegenstandsbereichs der linguistischen Semantik ist das Ergebnis zweier ursprünglich voneinander unabhängiger historischer Entwick lungen. Eine von diesen ist die Ausarbeitung und Formalisierung der Wahrheitsbedingungen-Semanti k als Theorie der Bedeutung, die auf einer engeren Definiton von „Bedeutung“ beruht als derjenigen, für die Linguisten bis in die jüngste Zeit eingetreten sind: Wir k ommen darauf später zurück (2.8). Die andere Entwick lung in der Linguistik ist die Aufgabe des Historismus des 19. Jhs zugunsten des Saussureschen oder nach-Bloomfieldschen Struk turalismus, später zugunsten eines Chomsk yschen Generativismus, der dann zum Paradigma dessen, was Kuhn normal science nennt, wird. Weil der Terminus „Bedeutungslehre“ (ebenso wie „Sprachwissenschaft“) eng mit dem vor allem historischen Ansatz des 19. Jhs assoziiert worden ist, pflegt man heute das Wort „Semantik “ zur Bezeichung dessen zu benutzen, was für die Ansätze des 20. Jhs charak teristisch ist. Ob man eine breitere oder engere Definition von „Linguistik “ oder „Bedeutung“ verwenden sollte, ist zur Zeit eine k ontroverse Frage. Es sei an dieser Stelle allerdings betont, daß eine Position, die für eine breite Definition von Linguistik und eine enge Definition von Bedeutung eintritt, k eineswegs ink onsistent ist, genau so wenig wie eine Position,
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die eine enge Definition von Linguistik und eine breite Definition von Bedeutung vertritt. Es ist allerdings de facto so, daß diejenigen Linguisten, die mit einer Unterscheidung von Semantik und Pragmatik arbeiten, im allgemeinen eine enge Definition sowohl von Linguistik als auch Bedeutung voraussetzen. Wenn „linguistische Semantik “ per definitionem „die Erforschung der Bedeutung in der Linguistik “ bedeutet, dann bedeutet „nichtlinguistische Semantik “ dasselbe wie „die Untersuchung der Bedeutung in nichtlinguistischen Disziplinen wie Philosophie, Logik , Psychologie, Semiotik usw.“ All diesen Disziplinen geht es ebenso wie der Linguistik um sprachliche Bedeutung. Aber sie interessieren sich unter Umständen auch für nichtsprachliche Bedeutung oder für Aspek te von sprachlicher Bedeutung, die den Linguisten nicht primär interessieren. Die meisten Bedeutungstheorien, die wir im folgenden betrachten, haben ihren Ursprung in von der Linguistik verschiedenen Disziplinen, und einige Theorien wurden dazu entworfen, sowohl linguistische als auch nichtlinguistische Bedeutung abzudeck en. Die Linguistik hat aus diesen Theorien geschöpft und hat sie in gewissen Fällen verfeinert oder für die eigenen Zweck e reinterpretiert. 1.4 Ebenen der Bedeutung und Kompositionalität Eine Art, die linguistische Semantik in verschieden Zweige zu untergliedern, ist soeben erläutert worden. Eine andere geht von den verschiedenen Ebenen aus, in welche Sprachäußerungen analysiert werden k önnen: die lexik alische, grammatische und phonologische Ebene. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß der Terminus „Semantik “ (für gewöhnlich als „Bedeutungslehre“ übersetzt) von denjenigen Linguisten, die ihn zuerst benutzten, stillschweigend auf die diachrone lexik alische Semantik eingeschränk t wurde, d. h. auf die Untersuchung der Bedeutung von Lexemen (solcher Wörter und Syntagmen, die man in einem Lexik on zu finden erwartet) aus einer historischen Perspek tive heraus. In den frühen 30er Jahren unseres Jhs wurden die ersten Schritte unternommen, dem struk turalistischen Prinzip der methodologischen Priorität der Synchronie über die Diachronie auch in der Semantik Geltung zu verschaffen. Aber dieses Prinzip wurde in der Semantik nicht so bereitwillig ak zeptiert, wie dies für die Phonologie und Grammatik der Fall war. Tat-
I. Allgemeine Grundlagen
sächlich lag mit Ullmanns (1957) Principles of Semantics das erste mehr oder weniger umfassende Kompendium der zeitgenössischen Forschung in der linguistischen Semantik vor, welches dieses struk turalistische Prinzip annahm und Synchronie und Diachronie in einem einheitlichen theoretischen Rahmen zu versöhnen versuchte. Dabei beschränk te sich Ullmanns Behandlung der Semantik auf die lexik alische Semantik . Die gleiche Beschränk ung des Gebietes findet man auch bei anderen Zeitgenossen Ullmanns, und auch noch während des folgenden Jahrzehnts. Die Feststellung, daß der Terminus „Semantik “ von den Linguisten bis in die sechziger Jahre hinein auf die Untersuchung der Bedeutung von Lexemen — entweder explizit oder implizit — eingeschränk t wurde, bedeutet nicht, daß diese Linguisten nicht an grammatischer oder phonologischer Bedeutung interessiert gewesen wären. Als eine von der Phonetik verschiedene Wissenschaft existierte die Phonologie k aum vor der Mitte des 20. Jhs. Dagegen haben sich Gelehrte seit über zweitausend Jahren mit Grammatik (d. h. mit Syntax und Flexion) beschäftigt und beinahe während dieser ganzen Zeit als selbstverständlich vorausgesetzt, daß die Bedeutung eines Satzes das Produk t der ihn k onstituierenden Wörter (genauer, seiner Lexeme) auf der einen und seiner grammatischen Struk tur auf der anderen Seite sei. Wie wir bereits gesehen haben, war ja die grammatische Theorie von Anbeginn semantisch begründet, und sie blieb es — besonders in den Schriften der mittelalterlichen spek ulativen Grammatik er (den sogenannten Modisten) und der Port Royal Grammatik er, ihren Nachfolgern im 17. Jh. — bis in das 20. Jh. hinein. Die generative Grammatik wurde in ihrer be k anntesten und einflußreichsten Form durch Chomsk y (1957) initiiert und führte über die Arbeiten von Katz & Fodor (1963), Katz & Postal (1964) zu Chomsk ys Aspects of the Theory of Syntax (1965), also zu dem, was heute die Standardtheorie genannt wird. Die Standardtheorie enthält Regeln für die Interpretation von Sätzen und k ann zurecht behaupten, die erste von Linguisten vorgeschlagene Theorie zu sein, die ernsthaft und explizit die Kompositionalität der Satzbedeutung angesprochen hat. Das Kompositionalitätsprinzip, das manchmal Fregeprinzip — eine etwas fragwürdige Bezeichnung — genannt wird, ist als solches weder aufregend neu noch revolutionär. Ich
1. Bedeutungstheorien
habe bereits darauf hingewiesen, daß es de facto seit Jahrhunderten von den traditionellen Grammatik ern stillschweigend vorausgesetzt wurde. Ferner löst es die unmittelbare intuitive Zustimmung von beinahe jedem aus — sei er Laie oder Spezialist —, der jemals über diesen Gegenstand nachgedacht hat. Denn das Kompositionalitätsprinzip (auf die Satzbedeutung angewandt) besagt ganz einfach folgendes: die Bedeutung eines Satzes ist das Produk t der Bedeutung der Einheiten, aus denen er zusammengesetzt ist. Erst wenn wir den halbtechnischen Terminus „das Produk t von“ durch den mathematisch präzisen Terminus „eine Funk tion von“ ersetzen, erhalten wir die typisch moderne Formulierung des Kompositionalitätsprinzips, das sowohl in diesem Buch als auch in der zeitgenössischen linguistischen und logischen Semantik eine so prominente Rolle spielt. Daß die Bedeutung eines Satzes eine Funk tion der Bedeutung der Wörter, Phrasen oder Teilsätze ist, aus denen er zusammengesetzt ist, heißt nichts anderes, als daß seine Bedeutung (i) eine bestimmte ist und (ii) Regeln gehorcht. Die sogenannten Projek tionsregeln der Aspects-Theorie der generativen Grammatik waren entworfen worden, um jedem wohlgeformten Satz eine oder mehrere semantische Repräsentationen zuzuordnen, die seine eine oder mehrere Bedeutungen wiedergeben sollten. Und zwar sollten die Regeln dieses leisten, indem sie auf einer tiefenstru k turellen Ausbuchstabierung sowohl der lexik alischen Bedeutung als auch der grammatischen Struktur operierten. In diesem Artik el wird nichts über Details der Aspects oder der generativen Grammatik nach den Aspects gesagt. Wir müssen mit Nachdruck auf die Wichtigk eit der Unterscheidung zwischen generativer Grammatik (in irgendeiner ihrer zahlreichen Versionen) als formaler Theorie der Sprachstruk tur und den philosophischen oder psychologischen Theorien der Bedeutung hinweisen, die mit ihr von ihren Vertretern assoziiert worden sind, Chomsk y inbegriffen. Dieser Gesichtspunk t wird später wieder aufgenommen, weil alle im folgenden zu disk utierenden Bedeutungstheorien im Prinzip mit dem Kompositionalitätsprinzip und seiner Formalisierung im theoretischen Rahmen der generativen Grammatik in Eink lang gebracht werden können. Wie der Leser bemerk t haben wird, ist das Kompositionalitätsprinzip mit Bezug auf die Bedeutung von Sätzen, nicht aber mit Bezug auf die von Äußerungen erläutert worden.
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Ebenso wie die traditionelle Grammatik sehen die meisten Versionen der generativen Grammatik den Satz als die größte Einheit der grammatischen Analyse an. Tatsächliche sprachliche Äußerungen werden nicht direk t betrachtet und a fortiori auch Texte nicht (seien sie gesprochen oder geschrieben), die aus einer oder mehreren Äußerungen bestehen. Dennoch bestand (und besteht noch) in den Köpfen vieler generativer Grammatik er eine nicht unbeträchtliche Verwirrung hinsichtlich der Relation zwischen Sätzen und Äußerungen. Diese k ann man auf mindestens drei Fak toren zurück führen: (1) die Ak t-Produ k t-Mehrdeutig k eit des Wortes „Äußerung“; (2) die Bloomfieldschen und nachBloomfieldschen Vorläufer der Chomsk yschen generativen Grammatik ; (3) den Mißbrauch der „Mädchen für Alles“-Unterscheidung Kompetenz-Performanz. Aus Platzgründen k önnen wir die k omplexe Interak tion dieser drei Fak toren hier nicht abhandeln. Hier möge der Hinweis genügen, daß die Mehrdeutigk eit des Wortes „Äußerung“ für eine grundlegende Ink onsistenz in Bloomfields (1926) Postulaten verantwortlich ist, die offensichtlich unbemerk t bis in die jüngste Gegenwart fortlebte und durch Chomsk ys (1965) Kompetenz-Performanz-Unterscheidung (und auch durch die Type-Tok en-Unterscheidung, die im Zusammenhang damit evoziert zu werden pflegt) nicht berührt wurde (vgl. Lyons 1980: 26—44; 1983 a: 235—247). Äußerungen werden einerseits als Sprechhandlungen und andererseits als Formen definiert, d. h. als linguistisch analysierbare Produk te solcher Ak te, die als Schall manifestiert sind (oder, sek undär, in einem anderen Medium). Faßt man Sätze im Sinne der Bloomfieldschen Tradition als größte Formen auf, dann sind sie eine Teilk lasse aller Äußerungen unter dem Gesichtspunk t des Produkt-Aspektes. Obwohl bisher noch k eine Einigk eit darüber besteht, wie die Unterscheidung zwischen Sätzen und Äußerungen genau zu treffen ist, so wird doch in zunehmendem Maße anerk annt, daß diese Unterscheidung — und möglicherweise mehr als eine solche Unterscheidung — getroffen werden muß, um die k ontextunabhängigen Aspek te der phonologischen, grammatischen und lexik alischen Struk tur innerhalb eines generativen Modells der Satzstruk tur behandeln zu k önnen. Erst dann wird es möglich, sich die Bedeutung einer Äußerung (als Ak t oder Resultat verstanden) als teilweise durch die Bedeutung des
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geäußerten Satzes bestimmt vorzustellen und teilweise durch den Kontext, in dem der Satz geäußert wurde. Ob die Äußerungsbedeutung ebenso wie die abstrak tere, theoretisch eingegrenzte Satzbedeutung als vollständig bestimmt und k ompositional angesehen werden k ann, ist zur Zeit noch unk lar. Gewisse Gründe sprechen dafür, daß die Äußerungsbedeutung nur partiell regelbestimmt ist. 1.5 Semantik und Pragmatik Die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik geht (ebenso wie die Unterscheidung zwischen Type und Tok en, die im Vorübergehen im letzten Abschnitt genannt wurde) letztlich auf das Werk des amerik anischen Logik ers, Philosophen und Semiotik ers C. S. Peirce (1839—1914) zurück . Sie wurde von Morris (1938) und Carnap (1938) aufgenommen und reinterpretiert und ist seitdem von einer großen Zahl von Logik ern und einer vergleichsweise k leineren Zahl von Linguisten übernommen worden. Morris und Carnap haben — in dieser Hinsicht sind sie Peirce gefolgt — die Semantik und die Pragmatik als zwei der drei Zweige der Semiotik definiert, wobei der dritte Zweig die Syntax (oder Syntak tik ) ist. Semiotik (in der Tradition, die uns im Augenblick beschäftigt) ist die Wissenschaft der Zeichensysteme, von denen die Sprachen — seien sie natürlich oder nicht-natürlich, menschlich oder nichtmenschlich — eine echte Unterk lasse bilden. Sie k ann in verschiedener Weise untergliedert werden, je nach der Natur der fraglichen Zeichensysteme und ihrer definierenden Eigenschaften. Zum Beispiel unterscheidet die moderne Semiotik die Zoosemiotik von der Anthroposemiotik aufgrund eines Kriteriums (ob nämlich die Zeichensysteme von nichtmenschlichen Lebewesen oder von menschlichen Wesen benutzt werden), sie unterscheidet die Untersuchung von Sprachsystemen von der Untersuchung anderer Zeichensysteme, das Studium der Vok alsysteme von dem Studium visueller, tak tiler und anderer Systeme, usw. Eine Unterscheidung, der Morris und Carnap besondere Wichtigk eit beimaßen, ist in dem gegenwärtigen Kontext besonders wichtig, nämlich die Trennung von reiner und empirischer Semiotik . Die erstere behandelt frei k onstruierte abstrak te Systeme, wobei es ihr primär um die Konstruk tion einer eleganten allgemeinen Theorie der Bezeichnung geht; die letztere beschäftigt sich mit der Untersuchung von existierenden natürlichen Zei-
I. Allgemeine Grundlagen
chensystemen. Nach Morris und Carnap wird durch diese Untergliederung des Gegenstandsbereichs die Logik zu einem Zweig der reinen und die Linguistik zu einem Zweig der empirischen Semiotik. Die Trichotomie Pagmati k -Semanti k -Syntax k ann nun, jedenfalls für die reine Semiotik , folgendermaßen definiert werden: die Pragmatik untersucht die Art und Weise, wie Zeichen benutzt werden; die Semantik, indem sie vom Gebrauch und von den Benutzern abstrahiert, die Beziehung zwischen Zeichen und dem, was sie bezeichnen; die Syntax untersucht, indem sie auch noch von dem abstrahiert, was bezeichnet wird, die substitutionellen und k ombinatorischen Beziehungen zwischen Zeichen. Man wird bemerk t haben, daß diese Formulierung, die dem Geiste, wenn auch nicht dem Buchstaben nach, eine Carnapsche ist, einerseits eine Unterscheidung zwischen Bedeutung und Gebrauch impliziert, andererseits aber Bedeutung mit Bezeichnung gleichsetzt. Wie wir später sehen werden, trennt die Formulierung auch nicht (obwohl Carnap das seinerzeit tat) zwischen Referenz und Denotation als zwei zu unterscheidende Aspekte der Bezeichung. In der Folge wurde bald deutlich, daß die Morris-Carnapsche Formulierung des Unterschieds von Semantik und Pragmatik (geschweige denn die Unterscheidung von Syntax und Semantik ) zu hoffnungslos fehlk onzipiert war, als daß sie als Grundlage für die Analyse von natürlichen, menschlichen Sprachen hätte dienen k önnen. Dennoch ist die terminologische Unterscheidung von Semantik und Pragmatik in den sechziger Jahren von Linguisten übernommen worden und hat seitdem zu einer verwirrenden Vielfalt von verschiedenen Definitionen geführt (vgl. Levinson 1983). Einige Definitionen basieren auf der Unterscheidung zwischen Bedeutung und Gebrauch; andere auf der Unterscheidung zwischen dem, was zu den Wahrheitsbedingungen oder der Proposition gehört und dem, was nicht dazu gehört; andere basieren auf der Kompetenz-Performanz-Unterscheidung; andere auf dem Unterschied zwischen Sätzen und Äußerungen; andere schließlich basieren auf dem Unterschied zwischen den k ontextunabhängigen im Gegensatz zu den k ontextabhängigen Schichten oder Komponenten der Bedeutung. Tatsächlich haben viele der Definitionen, mit denen Linguisten in den letzten Jahren gearbeitet haben, explizit oder implizit mehrere der genannten Unterscheidungen (wobei die Liste k eineswegs voll-
1. Bedeutungstheorien
ständig ist) innerhalb einer Begrifflichk eit verwischt, die, wie man nun allmählich einsieht, eine gänzlich untaugliche Konzeption von sprachlicher Bedeutung darstellt. Die Situation in der logischen Semantik (gleichgültig, ob ihre Definition als Zweig der reinen Semiotik nützlich ist oder nicht) ist prinzipiell völlig verschieden, da sie mit vollständig formalisierten, nicht-natürlichen Sprachen arbeiten k ann, die eine eindeutig bestimmte Struk tur haben und frei von Vagheit, Mehrdeutigk eit und Ink onsistenz sind. Aber logische und linguistische Semantik sind nach einigen Jahrzehnten der Trennung und unabhängigen Entwick lung in den letzten Jahren wieder eng zusammengek ommen, wie die meisten anderen Artik el dieses Buches deutlich zeigen. Aus dieser Perspek tive heraus werden wir deshalb an mehreren Stellen bei der Disk ussion von verschiedenen Bedeutungstheorien auf Fragen eingehen, die relevant für die Grenzziehung zwischen Semantik und Pragmatik sind.
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Einige Zugänge zur semantischen Theorie
2.1 Bedeutungstheorien und semantische Theorie In Anbetracht der Tatsache, daß wir „Semantik “ definiert haben als „die Erforschung der Bedeutung“, k önnte man denk en, daß Bedeutungstheorie und semantische Theorie synonym seien. Die meisten Linguisten und Philosophen sehen diese beiden Ausdrück e vermutlich als austauschbar und äquivalent an, wobei ganz spezielle Kontexte eine Ausnahme bilden mögen. Es ist aber bemerk enswert, daß in jüngster Zeit verschiedene Bücher und Artik el erschienen sind, in denen der Terminus semantische Theorie eine engere Bedeutung hat als der Terminus Bedeutungstheorie traditionell unter Linguisten, Philosophen, Psychologen und anderen hatte. Nicht nur wird er stillschweigend oder explizit auf linguistische Semantik eingeschränk t (die, wie wir gesehen haben, nicht unbedingt die Totalität der Bedeutung abdeck t, die sprachlich ausgedrück t oder übermittelt wird: 1.3). Der Terminus mißt darüber hinaus dem Wort Theorie Konnotationen oder Präsuppositionen bei, die damit nicht immer verbunden waren und die unter einer historischen Perspek tive als fragwürdig und beinahe mit Sicherheit als kurzlebig angesehen werden müssen.
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Semantische Theorie in diesem mehr eingeschränk ten Sinn arbeitet mit der Annahme, daß nichts als Theorie gilt, was nicht präzis formuliert ist, vollständig artik uliert und — in gewissen Darstellungen — „wissenschaftlich ist in dem Sinne, daß es empirisch überprüfbare Vorhersagen macht“ (Kempson 1977: 1). Gemessen an diesem Kriterium sind die meisten der Bedeutungstheorien, mit denen wir uns im zweiten Teil dieses Artik els beschäftigen werden, höchstens partiell Theorien — wenn nicht gar, wie ein Autor es formuliert hat, „reine Platzhalter für eine Theorie“ (Katz 1972: 3). Wir wollen hier aus Gründen der Darstellung, aber ohne etwas bezüglich umfassenderer Ansätze in Linguistik und Wissenschaftstheorie im allgemeinen zu präjudizieren, den Terminus „Semantik “ im engen Sinne verwenden. Gleichgültig, ob sie wissenschaftlich oder nicht sind: die Antworten, die die vorausgegangenen Generationen von Gelehrten auf die Frage „Was ist Bedeutung?“ gegeben haben — Antworten, die gewöhnlich als Bedeutungstheorien bezeichnet werden — k önnen nicht k urzerhand von denjenigen abgetan werden, deren Interesse auf dem Gebiet der semantischen Theoriebildung liegt (was für die meisten Autoren dieses Bandes zutrifft). Nach allgemeinem Konsensus ist die Frage „Was ist Bedeutung?“ die zentrale Frage für die semantische Theorie, ebenso, wie die Frage, „Was ist Sprache?“, die zentrale Frage für die allgemeine Sprachtheorie ist, von der die Semantik ein Teil ist. Aber „Bedeutung“ ist ein vortheoretischer Begriff. Sobald er verfeinert oder für die Zweck e der semantischen Theorie umdefiniert wird und dabei in eine Reihe von k onstitutiven Teilfragen aufgespalten wird, die mit Begriffen zu tun haben wie Synonymie, Ambiguitiät, Implik ation (von verschiedener Art), Präsupposition, Widersprüchlichk eit, Analytizität und Sinnlosigk eit (verschiedener Art), haben wir es mit Begriffen zu tun, von denen wir nicht einmal ein vortheoretisches Verständnis haben. All dies sind Unterscheidungen, die über Jahrhunderte hinweg von Philosophen, Etymologen und Lexik ographen geschaffen wurden und in jüngster Zeit durch die theoretischen Spek ulationen und die empirische Forschung von Pra k ti k ern verschiedener Disziplinen verschärft worden sind. Jede der Theorien, die im folgenden — selek tiv und allzu k urz, bedingt durch die Grenzen des verfügbaren Platzes — behandelt werden, hat ihren Beitrag zu einer oder meh-
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reren Varianten der heute existierenden semantischen Theorien geleistet. In einigen Fällen ist der Betrag eher negativ als positiv gewesen, in dem Sinn, daß die betreffenden Theorien unser Verständnis von Bedeutung insofern weitergebracht haben, als sie letztlich an ihrem eigenen Beispiel gezeigt haben, was Bedeutung nicht ist. Dies gilt zum Beispiel für die Ideationstheorie, die Referenztheorie und vermutlich auch für die behavioristische Theorie. In allen Fällen war jedoch der Beitrag historisch bedeutsam, und genau dieser Punk t wird in unserer Darstellung der jeweiligen Theorie betont werden. Wir werden auch k larstellen, daß die Theorien k eineswegs wechselseitig unverträglich sind und einige von ihnen als partielle und k omplementäre Theorien von Erscheinungen angesehen werden k önnen, die vielleicht nicht semantisch im engeren Sinne sind, die aber eng mit linguistischer Bedeutung verknüpft sind. 2.2 Die Referenztheorie Die meisten Bedeutungstheorien, die von Linguisten, Philosophen, Psychologen und anderen vertreten wurden, k önnen unter eine der folgenden Überschriften gruppiert werden: Referenztheorie, Ideationstheorie oder behavioristische Theorie (vgl. Alston 1964 a). Wie wir gerade bemerk t haben, schließen sich diese Kategorien nicht wechselseitig aus; ferner enthält jede von ihnen verschiedene mehr oder weniger gut entwickelte Varianten. Die Referenztheorie hat eine lange Geschichte und wird, wie andere traditionelle Bedeutungstheorien oft als Teil einer allgemeineren Theorie der Bezeichnung angesehen (vgl. 1.1, 1.5). Man k ann sie, ebenso wie die k onk urrierende oder k omplementäre Ideationstheorie, anschaulich einführen mittels dessen, was in der Literatur unterschiedlich mal semiotisches Dreieck, zuweilen Referenzdreieck — beides Bezeichnungen von Gelehrten, die es in neuerer Zeit popularisiert haben, nämlich Ogden & Richards (1923) — , bei Ullmann (1957) dagegen Basisdreieck genannt wird. Das semiotische Dreieck wird hier jedoch in einer allgemeineren Form wiedergegeben als bei Ogden und Richards oder bei dem ihnen hier folgenden Ullmann (siehe Abb. 1.1). A ist ein sprachlicher Ausdruck — allgemeiner: ein Zeichen — der einerseits mit B, einer Idee, einem Gedank en oder Begriff und andererseits mit C, dem wofür A steht oder was es bezeichnet, d. h. seinem Referenten,
I. Allgemeine Grundlagen
Abb. 1.1: Das semiotische Dreieck
verk nüpft ist. Referenztheorien unterscheiden sich von Ideationstheorien darin, daß sie C als Bedeutung von A annehmen, während letztere B als Bedeutung von A betrachten. Die traditionell formulierten Referenztheorien k önnen nach ontologischen oder erk enntnistheoretischen Gesichtspun k ten in verschiedene Teilk lassen unterteilt werden. Eine derartige Unterteilung basiert auf der alten, immer noch philosophisch und psychologisch k ontroversen Unterscheidung von Nominalismus und Realismus. In seiner einfachsten und traditionellsten Form ist der Nominalismus die Lehre, daß sprachliche Ausdrück e lediglich Namen für ihre Referenten sind, wobei in dieser Formulierung „lediglich“ implizieren soll, daß die Referenten eines Ausdruck s nicht unbedingt mehr miteinander gemeinsam haben als den Namen, den sie tragen. Im Gegensatz zum Nominalismus verwirft der Realismus das „lediglich“, aber nicht unbedingt die Gleichsetzung von Bedeutung und Benennung: der Realismus vertritt die Ansicht, daß den Referenten eines Namens etwas gemeinsam ist, das über ihr Verk nüpftsein mit demselben Ausdruck hinausgeht. Als philosophische Lehre spaltet sich der Realismus in verschiedene rivalisierende Richtungen auf, wobei der platonische Idealismus das eine und der Materialismus des 19. Jhs das andere Extrem bildet. (Es ist wichtig, den philosophischen Gebrauch von Realismus und Ideal ismus nicht mit den populäreren untechnischen Bedeutungen zu verwechseln, die diese Wörter erhalten haben, oder mit den spezifischeren, oft tendenziösen Bedeutungen, die ihnen viele moderne philosophische Systeme zuschreiben.) Wir k önnen hier nicht auf die verschiedenen Spielarten des Realismus eingehen. Wir wollen lediglich nicht unerwähnt lassen, daß zwischen den beiden Extremen, die wir genannt haben, eine Lehre angesiedelt ist, die für die Entwick lung der modernen semantischen Theorie von großer Wichtigk eit ge-
1. Bedeutungstheorien
wesen ist: der Konzeptualismus. Er wird gewöhnlich als eine Alternative sowohl zum Nominalismus als auch zum Realismus dargestellt, und für diese Charak terisierung gibt es in der Tat eine gewisse historische Rechtfertigung. Man tut aber wohl besser daran, den Konzeptualismus als verträglich mit bestimmten Versionen sowohl des Nominalismus als auch des Realismus (bezogen auf die hier formulierte Unterscheidung zwischen den beiden Theorien) zu betrachten. Denn der Konzeptualismus lehrt, daß alle Referenten desselben Ausdruck s unter denselben Begriff subsumiert werden (gleichgültig, ob sie als solche etwas gemeinsam haben) und daß Begriffe, sowohl in Gedank en wie in Sprache, zwischen sprachlichen Ausdrück en und dem, was sie bezeichnen, vermitteln. Ein vielzitierter — übrigens sowohl realistischer wie idealistischer — mittelalterlicher Slogan drück t dies folgendermaßen aus: Vox significat [res] mediantibus conceptibus. In der hier verwendeten Terminologie k ann dies so wiedergegeben werden: „Ein sprachlicher Ausdruck bezeichnet [seine Referenten] mithilfe von Begriffen.“ In der Terminologie von Abb. 1.1: A bezeichnet C mittels B. Wir werden auf die Position B des semiotischen Dreieck s erst im folgenden Abschnitt näher eingehen. Bisher haben wir zwei Dinge über die Referenztheorie der Bedeutung gesagt: (i) Sie unterscheidet sich von der Ideationstheorie nicht dadurch, daß sie B als nichtexistent oder als für den Sprachgebrauch irrelevant verwerfen würde, sondern darin, daß sie C (oder, in manchen Versionen, die Beziehung zwischen A und C) als Bedeutung von A definiert; (ii) Sie ist neutral gegenüber Nominalismus und Realismus. Die Referenztheorie ist ebenfalls mit der ganz traditionellen Ansicht verträglich — wiewohl sie diese nicht unbedingt impliziert — , daß Ausdrück e ihre Referenten sowohl bezeichnen (sich auf sie beziehen) als auch benennen. Man wird bemerk t haben, daß ich das lateinische significare in dem oben zitierten mittelalterlischen Slogan als „bezeichnen“ (oder „sich beziehen auf“) übersetzt habe. In dem gegenwärtigen Kontext ist dies verteidigbar, aber es bedarf zusätzlicher Erläuterung im Lichte der modernen Referenztheorien. Was nun aber die Gleichsetzung von Referenz und Benennung betrifft (und folglich in einer Referenztheorie der Bedeutung auch die Gleichsetzung von Bedeutung und Benen-
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nung), so ist heute allgemein anerk annt, daß diese auf einem Trugschluß beruht, trotz ihres Alters und der hervorragenden Bedeutung der vielen Philosophen, die sie verteidigt haben. Namen sind ihren Trägern, zumindest in vielen Sprachen, willk ürlich zugeordnet, nicht aber vermittels dessen, was man sich normalerweise als ihre Bedeutung vorstellen würde, falls sie eine haben. Die Arbitrarität der Beziehung zwischen Namen wie z. B. Johann und seinem Träger oder seinen Trägern stellt natürlich k ein Hindernis für die Gleichsetzung von Referenz (und Bedeutung) und Benennung dar, falls wir den nominalistischen Standpunk t ak zeptieren. Aber Eigennamen wie Johann scheinen vortheoretisch sehr verschieden zu sein von dem, was traditionell Gattungsnamen genannt wird, wie zum Beispiel Junge. Sie verhalten sich verschieden bezüglich Übersetzung und Paraphrase, und insofern sie überhaupt eine Bedeutung haben, die durch einen standardisierten Wörterbucheintrag definiert werden k ann, so ist diese (zumindest in vielen Kulturen) irrelevant für ihre Verwendung als bezeichnende Ausdrück e. Zum Beispiel k önnten wir Johann etymologisch glossieren als „Gott ist gnädig gewesen“. Es ist schwierig zu sehen, welche andere als diese etymologische Antwort auf die Frage „Was ist die Bedeutung von Johann?“ gegeben werden k önnte. Dennoch hilft die Glosse „Gott ist gnädig gewesen“ niemandem, wenn es darum geht, den Namen zu verwenden, ganz im Gegensatz zur Glosse „geschlechtsreifes Weibchen einer Rinderart“ für Kuh. Tatsächlich ist es zweifelhaft, ob man von Eigennamen zurecht sagen k ann, daß sie Bedeutung haben oder daß sie zum Vok abular einer Sprache in demselben Sinne gehören, wie dies für Gattungsnamen und andere Lexeme der Fall ist. Wir wollen deswegen die Bedeutung-als-Benennung-Version der Referenztheorie beiseite legen und lediglich feststellen, das sie historisch sehr einflußreich gewesen ist und ihre Spuren am terminologischen und begrifflichen Rüstzeug des Semantik ers hinterlassen hat. Zum Beispiel haben Frege, Russell und Carnap zeitweise ihre Ansichten innerhalb des Rahmens der Bedeutung-als-Benennung-Version der Referenztheorie ausgedrückt. Es gibt verschiedene unabhängige Gründe, weshalb die Referenztheorie der Bedeutung (zumindest in der einfachen Form, in der die Bedeutung eines Ausdruck s A als sein Referent C definiert wird) abgelehnt werden muß. Der erste und wichtigste Grund ist, daß sie
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zu einer unorthodoxen und k ontraintuitiven Charak terisierung von Bedeutungsgleichheit und Bedeutungsverschiedenheit führt, da (i) derselbe Ausdruck dazu benutzt werden k ann, um sich auf verschiedene Entitäten zu beziehen (ohne daß es zu einer Veränderung der Bedeutung des Ausdruck es k äme) und (ii) verschiedene (nicht-synonyme Ausdrüc k e) dazu benutzt werden k önnen, um dieselbe Entität zu bezeichnen. Zum Beispiel k ann (i) mein Vater oder sogar der Eigenname John Lyons beliebig viele Referenten haben, und (ii) könnten der Hel d von Verdun und der Chef der Vichy-Regierung beide dazu benutzt werden, um Marschall Pétain zu bezeichnen. Wenn wir sagen daß (i) mein Vater seine Bedeutung nicht mit jedem Wechsel des Referenten ändert oder daß (ii) der Hel d von Verdun eine andere Bedeutung hat als der Chef der Vichy-Regierung, dann k önnen wir uns hier auf unseren common sense verlassen oder auf mehr oder weniger theorieneutrale Tests wie Paraphrase oder Übersetzung. Wenn sich die Bedeutung von mein Vater mit dem Wechsel des jeweiligen Referenten ändern würde, dann k önnten wir diesen Ausdruck nicht k onsistent durch einen einzigen Ausdruck in andere Sprachen übersetzen, dessen Bedeutung in gleicher Weise variiert, z. B. in my father, mon père usw. Und wenn der Chef der VichyRegierung synonym mit der Hel d von Verdun wäre, dann müßte jeder Ausdruck , der den einen angemessen übersetzt, auch den anderen angemessen übersetzen. Argumente dieser Art gegen die Referenztheorie k ann man auf der Basis des gesunden Menschenverstandes entwick eln. Was die Philosophen aber beeindruck t hat, ist ein verwandtes, erk enntnistheoretisch aber viel weiterreichendes Argument. Es hat mit der Intersubstituierbark eit von synonymen und nicht-synonymen Ausdrük k en in sogenannten intensionalen oder opak en Kontexten zu tun. Beispielsweise stellt der Sk opus von Verben der propositionalen Einstellung (wissen, gl auben, usw.) einen derartigen Kontext dar (vgl. dazu den Artik el 34). Es wird allgemein angenommen — und diese Annahme wird im Kompositionalitätsprinzip (1.4) explizit gemacht —, daß die Substitution von synonymen Ausdrück en füreinander in größeren Ausdrück en, deren Konstituenten sie sind, k einen Einfluß auf die Bedeutung der größeren Ausdrück e haben sollte. Aber Satz (1) hat zweifellos eine andere Bedeutung — und zwar sowohl nach den Kriterien des gesunden Menschverstandes als auch nach dem
I. Allgemeine Grundlagen
Gesichtspunk t der Paraphrasierbark eit — als Satz (2). (1) Johann weiß nicht, daß der Held von Verdun der Chef der Vichy-Regierung war. (2) Johann weiß nicht, daß der Held von Verdun der Held von Verdun war. Nimmt man ferner an, daß Synonymie durch Wahrheitsbedingungen-Äquivalenz k er lärt wird (vgl. 2.8), dann k ann leicht bewiesen werden, daß (1) und (2) nicht dieselbe Bedeutung haben k önnen, denn sie haben nicht dieselben Wahrheitsbedingungen. Im Zuge dieses zweiten Argumentes k am Frege (1892) dazu, seine berühmte, aber terminologisch unglüc k liche Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung zu treffen. Er wählte Bedeutung für die Relation, die heutzutage Referenz genannt wird, denn er vertrat eine Referenztheorie der Bedeutung. Anstatt die Theorie im Lichte von Beispielen wie (1) und (2) aufzugeben, verk omplizierte er sie, indem er eine Trennlinie zwischen direk ter und indirek ter (oder obliquer) Referenz zog. Andere, insbesondere Carnap (1947), haben eine im großen und ganzen vergleichbare begriffliche Trennung innerhalb der Referenztheorie der Bedeutung vollzogen, indem sie zwischen Extension und Intension unterschieden. Ein dritter Grund, der dafür spricht, wenigstens die geradlinigsten Versionen der Referenztheorie zu verwerfen, ist erst in jüngster Zeit von Philosophen ernst genommen worden, und er ist auch in traditionellen Darstellungen der lexik alischen Semantik nicht mit gebührendem Nachdruck herausgestellt worden. Es geht darum, daß Lexeme — d. h. Worteinheiten der Art, die (in ihrer Zitierform) in k onventionellen Wörterbüchern aufgelistet sind — nicht als solche referierende Ausdrück e sind. Diese Tatsache ist in manchen Sprachen (z. B. Latein, Russisch oder Malaiisch) nicht so offensichtlich wie in anderen (z. B. Deutsch, Englisch oder Französisch), wo solche Nomina wie Kuh im Singular nicht ohne Determinator, Quantor oder Klassifik ator benutzt werden k önnen, sollen sie sich auf bestimmte Dinge beziehen. Ganz unabhängig von der grammatischen Struk tur einer bestimmten Sprache müssen jedoch Lexeme auf jeden Fall von den referierenden Ausdrüc k en unterschieden werden, deren Komponenten sie sind oder sein k önnen. Referierende Ausdrück e werden anläßlich bestimmter Äußerungsgelegenheiten nach den grammatischen Regeln einer Sprache gebildet. Sie sind prinzipiell nicht auflistbar, weil
1. Bedeutungstheorien
sie in einigen — vielleicht sogar allen natürlichen Sprachen — von unendlicher Zahl sind und ihre Referenz typischerweise je nach den Umständen der Äußerung und dem Redeuniversum variiert. Lexeme gibt es dagegen nur endlich viele (und zwar relativ wenige), und die Relationen, in denen sie zu Entitäten in der Außenwelt stehen, variieren nicht mit den Umständen der Äußerung. Der gerade herausgearbeitete Punk t k ann anhand der terminologischen Unterscheidung von Denotation und Referenz präzisiert werden. Wir wollen sagen, daß das Lexem Kuh die Klasse aller Kühe (die jetzt existieren, existiert haben und k ünftig existieren) denotiert, und daß seine Denotation ein Teil dessen ist, was mit Recht als seine Bedeutung angesehen wird. Ausdrück e wie diese Kuh, fünf Kühe, diese Kuhherde, Kühe usw. enthalten das Lexem Kuh (in der grammatisch und semantisch angemessenen Form). Kraft ihrer Denotation und der Bedeutung der anderen Komponenten, mit denen sie k ombiniert sind, haben sie einen bestimmten Referenzbereich bzw. ein Referenzpotential. Worauf sie sich aber tatsächlich beziehen, wenn sie als referierende Ausdrück e verwendet werden, wird vom Kontext bestimmt. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Kuh zwar die Klasse der Kühe denotiert, aber dennoch nicht zur Referenz auf diese Klasse benutzt werden k ann. Zu diesem Zweck müssen wir die Pluralform verwenden (die allerdings auch viele andere Verwendungen hat) oder zusammengesetzte Ausdrück e (wie etwa die Kl asse der Kühe). Es ist ferner eine Feststellung wert, daß nicht einmal Eigennamen (in vielen natürlichen Sprachen und Kulturen, in denen sie fungieren) mit einem einzigen Referenten verk nüpft sind, der durch alle möglichen Äußerungsk ontexte hindurch k onstant ist. Damit sollte deutlich geworden sein, daß die sogenannte Referenztheorie der Bedeutung in ihrer einfachsten und traditionellsten Form von einer Konfusion dessen, was wir bei der Interpretation der AC-Relation in Abb. 1.1 als Denotation und Referenz unterschieden haben, profitiert. Dies impliziert nicht, daß es prinzipiell unmöglich ist, eine elaboriertere Version dieser Theorie zu entwick eln, in der denotationelle und referentielle Bedeutung k orrek t unterschieden und dann systematisch aufeinander bezogen werden. Jede Theorie dieser Art würde wahrscheinlich Referenz eher zur Äußerungsbedeutung (die vielleicht nicht vollständig k om-
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positionell ist; vgl. 1.5) als zur Satzbedeutung rechnen. Jede solche Theorie hätte sich auch dem Problemk reis zuzuwenden, für den Frege seine Sinn-Bedeutung-Unterscheidung eingeführt hat. Sowohl Referenz als auch Denotation sind, so wie sie hier eingeführt wurden, von ihrer Natur her extensional und nicht intensional. Im Zusammenhang mit solchen Tatsachen wie die der Nicht-Synonymie von denotationell äquivalenten, zusammengesetzten, nicht-referierenden Ausdrüc k en (wie etwa ungefiederter Zweifüßl er und vernunftbegabtes Lebewesen, um ein Standardbeispiel zu benutzen) k ann man sich deshalb nicht auf die Unterscheidung von Referenz und Denotation berufen. Eine elaboriertere Version der sogenannten Referenztheorie der Bedeutung k önnte prinzipiell mit diesen und ähnlichen Phänomenen fertig werden, indem sie das, was traditionell als die Intension eines Ausdruck s beschrieben wurde, als Variation der Extension in den verschiedenen möglichen Welten interpretiert. Dies haben Montague und seine Nachfolger getan (siehe 2.8 und Artik el 7). Montagues Bedeutungstheorie ist nur eine verfeinerte Version dessen, was traditionell etwas ungenau Referenztheorie der Bedeutung genannt wurde. 2.3 Die Ideationstheorie Der Ideationstheorie brauchen wir weniger Raum zu widmen. Dies nicht deshalb, weil sie weniger wichtig als die Referenztheorie ist oder gewesen ist, sondern einfach deswegen, weil sich vieles, was in 2.2 gesagt wurde, übertragen läßt. Ebenso wie die Referenztheorie tritt die Ideationstheorie in verschiedenen Gestalten auf. Sie unterscheidet sich von ihr darin, daß sie in Abb. 1.1 nicht C, sondern B als Bedeutung von A ansieht. Die Ideationstheorie der Bedeutung ist nachweislich die traditionellste aller Theorien, sowohl in der Linguistik als auch in der Philosophie. Zahllose Generationen von Schülern sind über die Jahrhunderte hinweg mit Satzdefinitionen aufgezogen worden, die sich auf die Kriterien der grammatischen Wohlgeformtheit und der semantischen Vollständigk eit beriefen und die den Begriff der semantischen Vollständigk eit — vollständig oder für sich sinnvoll zu sein — dadurch umschrieben, daß der Satz einen einzelnen selbständigen Gedank en, eine Idee, ausdrück t. In der westlichen Tradition k önnen alle derartigen Definitionen auf die von Priscian und seiner
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griechischen Vorläufer zurück geführt werden (vgl. 1.2, 1.5). Obwohl diese Definitionen nicht notwendigerweise die Satzdeutung mit dem Gedank en oder der Idee, die der Satz ausdrück t, gleichsetzen müssen, so wird in der Tradition dennoch Satzbedeutung auf diese Weise erk lärt. Was die lexik alische Bedeutung betrifft, so wird diese mit den einfacheren, unvollständigen Gedank en oder Ideen identifiziert, welche mit Wörtern oder Phrasen verk nüpft sind. Diese Gedank en oder Ideen werden auch Begriffe genannt. Auf den ersten Blick ist die Ideationstheorie der Bedeutung sehr viel attrak tiver als die Referenztheorie, denn sie ermöglicht es uns, einerseits zwischen Bedeutung und Referenz, anderererseits zwischen Intension und Extension zu unterscheiden. Wenn wir die k onzeptualistische Betrachtungsweise der Bedeutung annehmen (die wir mit Nominalismus, Realismus oder einer dazwischen liegenden Mischung der beiden k ombinieren k önnen: vgl. 2.2), k önnen wir die beiden Unterscheidungen in einer zusammenfallen lassen: Wir k önnen sagen, daß die Bedeutung eines Ausdruck s die Intension der Klasse ist, die er bezeichnet und daß die Intension der Begriff, Gedank e oder Idee ist, die mit dem Ausdruck im Geist des Sprechers der fraglichen Sprache verk nüpft ist. Diese Betrachtungsweise ist, wie wir gesehen haben, in die scholastische Analyse der Referenz als Bezeichnung integriert. Diese Sehweise hat außerdem sowohl die linguistische Semantik als auch die Sprachphilosophie der nachscholastischen Periode bis in das 20. Jh. hinein beherrscht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß „die k lassische Formulierung der Ideationstheorie“ des im 17. Jhs lebenden Empiristen John Lock e — The use, then, of words is to be sensibl e marks of ideas; and the ideas that they stand for are their proper and immediate signification [„Der Gebrauch der Worte besteht darin, wahrnehmbare Zeichen von Ideen zu sein; und die Ideen, wofür sie stehen, sind ihre eigentliche und unmittelbare Bedeutung“] — nicht wesentlich verschieden ist von Formulierungen der mittelalterlichen Scholastik er oder von Lock es rationalistischen Zeitgenossen (vgl. Alston 1964 a). Die Ideationstheorie der Bedeutung ist von Nominalisten und Realisten vertreten worden, und auch von Rationalisten und Empiristen. Der Umstand, daß sie so lange überlebt hat (und wahrscheinlich noch immer die populärste Bedeutungstheorie unter Nicht-Spezialisten ist), ist der prak tischen — wissen-
I. Allgemeine Grundlagen
schaftlich aber nicht wünschbaren — Vagheit solcher Wörter wie Idee, Gedanke und Begriff zu verdank en. Wenn man unter Idee in diesem Zusammenhang etwas wie „Bild“ versteht, dann k ann man wenigstens die Vorstellung nachvollziehen, daß die Bedeutung von Wörtern wie Baum, Tisch oder Berg das verallgemeinerte oder schematische Bild von Bäumen, Tischen und Bergen ist, das von den Personen geteilt wird, die die Bedeutung dieser Wörter k ennen. Tatsächlich sind die Verhältnisse selbst inbezug auf die Dinge, von denen wir uns ein mentales Bild machen k önnen, wenn wir wollen oder müssen, nicht so selbstverständllich, wie wir gerade suggeriert haben. Auch ist k eineswegs k lar, daß solche Bilder eine Rolle beim Erwerb, bei der Speicherung oder beim Gebrauch der fraglichen Wörter spielen. Wie dem auch sein mag, k lar ist, daß die überwältigende Mehrzahl der Wörter in den Vok abularen von natürlichen Sprachen k eine Klassen von mental visualisierbaren Entitäten wie Bäume, Tische und Berge darstellen. Wenn aber die Idee (oder der Begriff) k ein mentales Bild ist, welche andere Art von mentaler Entität ist sie (bzw. er) dann? Es fehlt nicht an Theorien dessen, was gemeinhin Begriffsbildung genannt wird, und einige dieser Theorien sind von Psychologen entworfen worden und durch experimentelle Ergebnisse gestützt worden. Das Problem besteht jedoch darin, daß solche Theorien lediglich das Wort Begriff anstelle von Bedeutung verwenden, ohne es unabhängig zu charak terisieren. Wenn die Ideationstheorie irgendeinen Erk lärungswert haben soll, dann müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: (1) es muß möglich sein, festzustellen, ob eine bestimmte Idee, Gedank e oder Begriff im Kopf ist, wenn ein Wort in einem bestimmten Sinn benutzt wird, ohne einfach zu schließen, daß diese Idee, dieser Gedank e oder Begriff deswegen im Kopf ist, weil wir wissen, was das Wort bedeutet; (2) es muß gezeigt werden, daß es ein notwendiger Bestandteil der Kenntnis der Bedeutung eines Wortes ist, die betreffende Idee (Gedank e oder Begriff) zu haben. Es ist bemerk enswert, daß die von Linguisten, Philosophen, Psychologen und anderen bisher entwick elten Ideationstheorieen der Bedeutung diese beiden Bedingungen nie erfüllt haben. Aus dem gerade Gesagten folgt nicht, daß mentale Repräsentationen und mentale Prozesse der verschiedensten Art k eine Rolle bei der Sprachverwendung spielen würden (ob-
1. Bedeutungstheorien
wohl, wie wir sehen werden, die Behavioristen und andere Antimentalisten diesen Schluß gezogen haben: 2.4). Sie spielen im Gegenteil ganz offensichtlich eine Rolle. Was zur Frage steht ist, ob die Bedeutungen von Wörtern, Phrasen, Sätzen usw. mit mentalen Entitäten, seien sie mentale Bilder oder nicht, identifiziert werden k önnen — im strik testen Sinne von „Identifik ation“ — , und, falls dies möglich ist, ob eine nichtzirk uläre Bestimmung der Rolle solcher mentalen Entitäten bei der Explik ation von Denotation und Referenz einerseits und sprachinternen Erscheinungen wie Synonymie, Folgerung, Paraphrase usw. andererseits möglich ist. Nicht nur traditionelle Ideationstheorien der Bedeutung, sondern auch moderne generativistische Versionen, die auf der Zerlegung von Wörtern in ihre atomaren begrifflichen Komponenten beruhen — Theorien von der Art, wie sie von Katz & Fodor (1963) und Katz (1972) in die Linguistik eingeführt wurden — fallen den heute allgemein ka zeptierten Standardeinwänden gegen die Ideationstheorie zum Opfer. Bis zu dem Zeitpunk t, wo die angeblich atomaren Begriffe explizit mithilfe der Begriffe Denotation und Referenz interpretiert worden sind — sofern dies möglich ist — bleiben diese Zerlegungen sogar geheimnisvoller als die Bedeutungen von Wörtern und Phrasen, die sie erk lären sollen (vgl. Lewis 1970 und Artikel 2 und 4). Ein letzter Punk t sollte beleuchtet werden. Wir haben an früherer Stelle gesagt, daß die Ideationstheorie zunächst insofern attrak tiv ist, als sie die Möglichk eit bietet, zwischen Bedeutung und Referenz (Freges Sinn und Bedeutung) zu unterscheiden und/oder zwischen Intension und Extension. Weiteres Nachdenk en zeigt aber bald, daß die Theorie, so wie sie traditionell dargestellt wird, den obengenannten Unterschied zwischen der k ontextunabhängigen referentiellen Bedeutung eines Lexems wie Kuh und der k ontextabhängigen referentiellen Bedeutung von zusammengesetzten Ausdrück en wie die Kuh nicht zu behandeln vermag. Wenn es einen allgemeinen Begriff ’Kuh’ gibt, der als Intension des Lexems Kuh dient und auch seine Extension (d. h. seine Denotation bestimmt), dann muß es auch einen besonderen Begriff ’diese Kuh’ geben, der als Intension der Phrase die Kuh dient und deren Extension (d. h. ihre Referenz) festlegt. Traditionelle Darstellungen der Ideationstheorie der Bedeutung machen den Fehler, daß sie nicht dem Umstand Rechung tragen, daß die Un-
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terscheidung zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen, dem Kontextunabhängigen und dem Kontextabhängigen, quer zu der Unterscheidung zwischen Bedeutung und Referenz auf der einen und der zwischen Intension und Extension auf der anderen Seite verläuft. 2.4 Verhaltenstheorie der Bedeutung und behavioristische Semantik Unter Verhaltenstheorie der Bedeutung verstehe ich jede Bedeutungstheorie, die auf der Auffassung beruht, daß Sprache nichts anderes als Verhalten ist, das öffentlich beobachtbar und seinem Wesen nach vollständig physik alisch ist, das ferner ausreichend beschrieben werden k ann, sowohl was seine Form als auch was seine Bedeutung betrifft, ohne die Existenz solcher nicht-physik alischen oder mentalistischen Entitäten wie Ideen, Begriffe oder Intentionen zu postulieren. Unter behavioristischer Semantik verstehe ich die speziellere Variante einer Verhaltenstheorie der Bedeutung, die explizit auf der psychologischen Theorie der Bedeutung beruht, die von J. B. Watson (1924) und seinen Anhängern entwickelt wurde. Eine einflußreiche Verhaltenstheorie der Bedeutung, die allerdings nicht behavioristisch ist, war die von Ogden und Richards (1923), deren sogenanntes Basisdreieck in allgemeinerer Form in Abschnitt 2.2 wiedergegeben wurde. Wie die meisten Verhaltenstheorien der Bedeutung ist sie eine k ausale Theorie der Bedeutung: dies bedeutet, daß sie behauptet, daß Wörter und Äußerungen k ausal mit den Situationen verbunden sind, in denen sie vork ommen und daß ihre Bedeutung von dieser k ausalen Verbindung abhängt. Was die Referenz betrifft (die für Ogden und Richards eine Art von Bedeutung ist), so behauptet die Theorie, daß der Referent (d. h. C in Abb. 1.1) B verursacht (d. h. im Kopf des Sprecher/Hörers einer gegebenen Sprache den Begriff B hervorruft) und daß B A verursacht (d. h. eine Äußerung der Form A, beziehungsweise den Ausdruck A, hervorbringt). Bemerk enswert an dieser Analyse der Bezeichnung oder Bedeutung ist, daß sie, obwohl sie hinreichend traditionell darin ist, daß sie die Beziehung zwischen A und C als indirek t und k onventionell ansetzt, die Kausalitätsrichtung hinsichtlich der vermittelnden Relation, die zwischen B und C besteht, umk ehrt. Traditionell wird die Sprache als Aus-
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druck oder äußerliche Kundgabe des Denk ens angesehen; und von Gedank en oder Begriffen glaubt man, daß sie im Geist entstehen, und zwar entweder unverursacht oder durch andere Gedank en verursacht, nicht aber durch äußere Gegenstände, Ereignisse oder Situationen. Alle Verhaltenstheorien der Bedeutung tendieren dazu, die Sichtweise von Ogden und Richards zu teilen, worin sich ihre Verpflichtung zum Physik alismus zeigt. Der Umstand, daß Ogden und Richards solche Termini wie Idee oder Begriff im Hinblick auf B benutzen, bedeutet nicht, daß ihre Theorie eine Ausnahme zu der gerade aufgestellten Generalisierung darstellt. Wenn man sie gedrängt hätte, würden sie ohne Zweifel argumentiert haben, daß scheinbar mentalistische Termini wie Geist, Begriff oder Idee bloße Platzhalter (oder intervenierende Variablen, um einen Begriff der späteren Behavioristen zu benutzen) sind, die man mit dem Fortschritt der Wissenschaft zu gegebener Zeit durch offensichtlich eher nicht-mentalistische Termini ersetzen k önne, die sich auf Gehirnabläufe und Nervenak tivität beziehen würden. (Tatsächlich disk utieren Ogden und Richards Referenz aus einer psychologischen Sicht, die heutzutage als überholt und simplistisch angesehen würde, nämlich auf der Basis der von ihnen so genannten Engramme: hypothetische physik alische Gedächtnispuren im Gehirn.) Die Ansicht, daß die Sprache einfach eine bestimmte Art von k ommunik ativem Verhalten ist, war unter Linguisten der ersten Hälfte des 20. Jhs weit verbreitet. Wenige von ihnen sind allerdings so weit wie Bloomfield gegangen, der nicht nur für eine Verhaltenstheorie der Bedeutung, sondern für eine im engeren Sinne behavioristische Semantik plädiert hat. Für ihn besteht die Bedeutung einer Äußerung in ihren Reiz-Reaktions-Merkmalen (1926: 155) oder, anders formuliert, in „der Situation, in welcher der Sprecher sie äußert und in der Reak tion, die sie bei dem Hörer hervorruft“ (1933: 139). Die Schlüsseltermini sind „Reiz“ [stimulus] und „Reak tion“ [response], beide aus der behavioristischen Psychologie übernommen. Hier wird die Ansicht vertreten, daß Bedeutung in letzter Instanz durch bedingte Reak tionen auf Umweltreize erk lärbar ist, die zwar k omplexer als die bedingten Reflexe von Pawlows speichelproduzierendem Hund, in ihrer Art aber nicht verschieden davon sind. Jede behavioristische Lerntheorie beruht auf diesem Begriff von Konditionierung.
I. Allgemeine Grundlagen
Unter dem Einfluß Bloomfields und seiner Schüler wurde das Studium der linguistischen Semantik für etwa zwanzig Jahre entweder vollständig vernachlässigt oder, wie im Falle des Distributionalismus (eine bestimmte Spielart der k ontextuellen Semantik : siehe 2.6), in unproduk tive Forschungsrichtungen abgelenk t, nämlich in die Richtung der damals dominierenden Schule der amerk anischen Linguistik : die Schule des sogenannten Nach-Bloomfieldschen Strukturalismus. In dieser Schule lernte Chomsk y seine erste Linguistik . Er war es natürlich, der in seiner berühmten Rezension von Sk inner (1957; siehe Chomsk y 1959) behavioristischen Modellen des Sprachgebrauchs und -erwerbs den Todesstoß gab. Es ist aber wichtig, sich k lar zu machen, daß — wie dies oft in der Dialek tik des wissenschaftlichen Fortschritts der Fall ist — das, was Chomsk y unhinterfragt von seinen nach-Bloomfieldschen Vorläufern übernahm, genau so wichtig ist, wie das, was er verwarf. Er mag zwar die Kompetenz anstelle der Performanz betont haben, aber ebenso wie Bloomfield und einige der NachBloomfieldianer übernahm er ein letztlich psychologisches Modell der Sprachstruk tur. Darüber hinaus vertritt Chomsk y, obwohl er sich zugunsten des Mentalismus ausgesprochen und explizit den positivistischen Physik alismus der Behavioristen verworfen hat, einen sehr untraditionellen, antidualistischen Mentalismus (vgl. Lyons 1971: 134 f.). Tatsächlich ist es sehr schwierig zu sehen, ob es letztlich einen Unterschied zwischen Quines (1960) Physik alismus und Chomsk ys Mentalismus gibt: alles erweist sich letzten Endes als angeboren und genetisch vermittelt, sowohl k ognitive Struk turen wie auch Verarbeitungsprinzipien, die beide Gelehrte als wesentlich postulieren, seien sie nun für den Sprachgebrauch und -erwerb einschlägig oder nicht. Wenige Linguisten oder Psychologen würden heute die Prinzipien der Verhaltenstheorie der Bedeutung oder der behavioristischen Semantik in der Form, in der diese Theorien von Ogden und Richards, Morris (1946), Bloomfield oder Sk inner dargestellt worden sind, verteidigen. Und wenige Wissenschaftstheoretik er würden versuchen, die Verpflichtung zu dem in der Tat k ruden Physik alismus oder Positivismus des 19. Jhs zu rechtfertigen, auf dem der radik ale Behaviorismus von Bloomfield und Skinner basiert. Es muß deshalb betont werden, daß der verhaltenstheoretische, wenn nicht sogar der behavioristische, Standpunk t in der moder-
1. Bedeutungstheorien
nen philosophischen Semantik noch stark vertreten ist. Das k lassische Werk von Quine (1960) ist bereits genannt worden. Es sollte auch bemerk t werden, daß Grices (1957, 1968, 1969) einflußreiche Analyse der Bedeutung auf der Basis des Begriffes der k ommunik ativen Intention stark behavioristisch beeinflußt ist — obwohl sie sich auf scheinbar mentalistische Begriffe wie Intention beruft. Man k ann dafür argumentieren, daß Austins (1962) ebenso einflußreiche Theorie der Spechhandlungen als verhaltenstheoretisch k lassifiziert werden k ann. Bennetts (1976) Behandlung der Bedeutung, die bislang noch nicht die ihr gebührende Aufmerk samk eit von Seiten der Linguisten erfahren hat, ist fraglos eine verhaltenstheoretische und wird auch als eine solche ausgegeben. Es wäre deshalb falsch, verhaltenstheoretische — und dies gilt vielleicht sogar für behavioristische — Semantik en als veraltet und verfehlt abzuschreiben. 2.5 Strukturelle Semantik Vielen Linguisten, die in der nach-Bloomfieldschen amerik anischen Tradition groß geworden sind, hat der Terminus „struk turelle Semantik “ Kopfzerbrechen bereitet, ja er ist ihnen widersprüchlich vorgek ommen. Aber dies ist einfach deswegen geschehen, weil die ursprünglich allgemeineren Termini Struktural ismus und strukturel l e Semantik in theoretisch und methodisch einflußreichen Publik ationen der nach-Bloomfieldschen Schule eine unberechtigte Bedeutungsverengung erfahren haben, besonders in Harris (1951). Es gibt mehrere Kennzeichen der nachBloomfieldschen Linguistik , die diese von einigen oder allen anderen Ansätzen zur Erforschung der Sprache unterscheiden, mit denen sie in den fünfziger und den frühen sechziger Jahren im internationalen Wettstreit stand. Dazu gehören die folgenden: (i) Sie war k orpusbezogen und lehnte die Unterscheidung zwischen Sprachsystem (Saussures l angue, Chomsk ys Kompetenz) und Sprachäußerungen (Saussures parole, Chomskys Performanz) ab; (ii) Sie war zugegebenermaßen taxonomisch oder k lassifik atorisch, nicht aber erk lärend, und folglich mehr mit der Methodologie der Beschreibung beschäftigt als mit einer erk lärungsadäquaten Theorie der Sprachstruk tur; (iii) Auf der Grundlage von (i), beschränk t
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durch (ii) und die vorherrschende positivistische Einstellung, die für die Sozialwissenschaften dieser Epoche charak teristisch war (die Linguistik wird von den Nach-Bloomfieldianern normalerweise unter die Sozialwissenschaften eingereiht), versuchte sie, eine Reihe induk tiver Entdeck ungsverfahren für die Beschreibung von Sprachen zu formulieren; (iv) Sie schloß die Untersuchung der Bedeutung aus der eigentlichen Linguistik aus. In dem gegenwärtigen Kontext ist selbstverständlich (iv) von größtem Interesse; und im Hinblick auf die Bedeutung, welche semantische Erwägungen in der generativen Grammatik ab der Mitte der sechziger Jahre erlangt haben, ist dies der Ort, darauf hinzuweisen, daß Chomsk y (1957) zwar die nachBloomfieldsche Linguistik zurecht für die von mir so bezeichneten Merk male (i), (ii) und (iii) k ritisierte, (iv) aber nicht in Frage gestellt hat. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, daß Chomsk ys Generativismus Haltungen und Prinzipien mehr oder weniger unhinterfragt übernahm, die derselben Tradition entstammten, gegen die er im allgemeinen heftig aufbegehrt hat (vgl. Lyons 1983 b: 207—214). Der Terminus strukturelle Semantik ist selbstverständlich nicht widersprüchlich, wenn man den allgemeineren Sinn von strukturel l zugrunde legt. Er bezeichnet ganz einfach jeden Ansatz zur Erforschung der Bedeutung (in der Sprache), der auf dem Prinzip beruht, daß Sprachen (genauer, Sprachsysteme — Saussures langues) abstrak te Struk turen sind, deren Elemente ihre Identität (ihr Wesen und ihre Existenz) von den substitutionellen und k ombinatorischen Beziehungen herleiten, die zwischen ihnen bestehen (d. h., um die Saussuresche Terminologie zu benutzen, von ihren paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen). Wir müssen hier k eine ausführliche Darstellung des Struk turalismus in der Linguistik liefern (vgl. Lyons 1980: 242—261; 1983 b: 198—207). Es möge hier die Feststellung genügen, daß der struk turelle Standpunk t in der Semantik erst später eingenommen wurde als in anderen Zweigen der theoretischen und desk riptiven Linguistik wie etwa der Phonologie, daß aber sein Einfluß in einem großen Teil der interessantesten Arbeiten zur Semantik der letzten fünfzig Jahre sichtbar ist. Was die zeitgenössische Forschung zur Semantik betrifft, so ist ein guter Teil davon de facto sowohl nach Methode als auch Geist
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stru k turalistisch, obwohl die betreffenden Forscher vielleicht manchmal erstaunt wären, so charak terisiert zu werden. Zum Beispiel hat die lexik alische Komposition, wie sie von Katz & Fodor (1963) und ihren Anhängern innerhalb des Rahmens der Chomsk yschen Grammatik prak tiziert wurde oder wie sie von Dowty (1979) auf der Grundlage der Montague-Grammatik betrieben wurde, in den USA ihre historischen Vorläufer in den Schriften von Gelehrten wie Goodenough (1956) oder Lounsbury (1956) und in Europa in den Schriften von Hjelmslev (1956) oder Jak obson (1936) — um nur einige der herausragendsten und einflußreichsten zu nennen. Es ist bedauerlich, daß die europäischen Arbeiten zur Komponentenanalyse — die theoretischen wie die desk riptiven — Katz & Fodor (1963) weitgehend unbek annt waren, als sie als letztes Ziel der generativen Grammatik die Konstruk tion einer „integrierten Theorie der linguistischen Beschreibung“ (vgl. Katz & Postal 1964) ansetzten. Zumindest hätte diese Literatur die generativistischen Proponenten der lexi k alischen De k omposition in der Form, in der sie ab Mitte der sechziger Jahre bis zur Mitte der siebziger Jahre oder sogar noch später vorgeschlagen wurde, von Anbeginn an — und nicht erst etwa ein Jahrzehnt später — auf mehrere offensichtliche Einwände gegen die zugrundeliegenden Annahmen, auf denen sie beruht, sowie auf ihre empirischen Inadäquatheiten aufmerk sam gemacht (vgl. Lyons 1965: 123—5; 1971: 484—492). Heutzutage ist weitgehend anerk annt, daß die k omponentielle Analyse der lexik alischen Bedeutung und erst recht der grammatischen Bedeutung zu unüberwindlichen Schwierigk eiten sowohl theoretischer wie desk riptiver Art führt, wenn sie mit einer oder mehreren der folgenden Annahmen verknüpft ist: (i) daß die letzten Komponenten der Bedeutung unversell sind (d. h. sowohl sprachwie kulturunabhängig); (ii) daß die Bedeutung eines jeden beliebigen Wortes irgendeiner Sprache ausschließlich und präzise als mengentheoretische Funk tion seiner letzten Komponenten dargestellt werde kann; (iii) daß die k omponentielle Analyse der Bedeutung eines Wortes eine intensionale Definition der Klasse der Entitäten liefert, die unter seine Extension fallen. Jede dieser Annahmen war seit langem verdächtig, und besonders (iii) ist in jüngster Zeit
I. Allgemeine Grundlagen
auf sehr originelle Weise von Philosophen wie Putnam (1975) auf der einen und Psychologen wie Rosch (1974, 1976) auf der anderen Seite angegriffen worden. Sie haben mit stark en Argumenten überzeugend nachgewiesen, daß die Wörter für sogenannte natürliche Arten wie Tiger oder Zitrone eher über ihre prototypische Bedeutung als über eine Reihe von notwendigen und hinreichenden Bedingungen, die ihre Extension definieren, verstanden werden (vgl. Lyons 1981 a: 69—71). Ihre Argumente k önnen für den Großteil des Vok abulars verallgemeinert werden. Nicht alle struk turellen Semantik er sind Vertreter der Komponentenanalyse gewesen. Insbesondere scheint k einer von den Entdek k ern des Wortfeldbegriffes — Ipsen (1924), Jolles (1934), Porzig (1934), Trier (1934) — die Möglichk eit ins Auge gefaßt zu haben, die Struk tur solcher Felder k omponentiell zu beschreiben. Es blieb ihren Nachfolgern vorbehalten, die Theorie in dieser Richtung zu entwick eln (vgl. Coseriu & Geck eler 1974; Lehrer 1974). Den Feldtheoretik ern ging es mehr darum, den allgemeinen struk turalistischen Grundsatz zu betonen, daß die Bedeutung eines Wortes das Produk t seiner Beziehungen zu den Nachbarwörtern desselben Feldes ist: daß z. B. die Bedeutung von Stuhl das Produk t seiner Relationen zu solchen anderen Wörtern wie Sessel , Hocker, Möbel , Sofa, Couch, Bank usw. ist und nur mithilfe dieser Relationen analysiert oder beschrieben werden kann. In den k lassischen Formulierungen der Wortfeldtheorie gibt es vieles, was zurecht k ritisiert werden k ann: ihr Vertrauen auf hochgradig räumliche Metaphern; ihr exzessiver Relativismus; ihre k onzeptualistische Ontologie usw. (vgl. Lyons 1980: 261—271). Es k ann jedoch k aum bestritten werden, daß die Feldtheorie eine wesentlich anspruchvollere Konzeption der semantischen Interdependenz von Wörtern in die Linguistik eingeführt hat — eine Konzeption von der Unmöglichk eit, die Bedeutung von Wörtern individuell und in Isolation von anderen Wörtern zu definieren — als sie früheren Perioden geläufig war. Sie hat uns auch eine Fülle von detaillierten Untersuchungen verschiedener Bereiche der Vok abulare einiger der größeren europäischen Sprachen gebracht, welche die Vielfalt und den Reichtum der lexik alischen Bedeutung sowie das chimärische Wesen der allgemein angenommenen Übersetzungsäquivalenz illustrieren.
1. Bedeutungstheorien
2.6 Kontextuelle Theorien der Bedeutung Es ist sinnvoll, die kontextuellen Theorien der Bedeutung in zwei Klassen (von denen jede aufgrund verschiedener Kriterien in mehrere Unterk lassen zerfällt) zu gruppieren: (a) stark e und (b) schwache Theorien. Eine stark e k ontextuelle Theorie der Bedeutung identifiziert die Bedeutung eines Ausdruck s mit der Menge von Kontexten, in denen er vork ommt; eine schwache k ontextuelle Theorie der Bedeutung sagt dagegen, daß die Bedeutung eines Ausdruck s durch die Kontexte bestimmt wird (oder in diesen für die Beschreibung sichtbar wird), in denen er benutzt wird. Schwache k ontextuelle Theorien werden selbstverständlich noch weiter abgeschwächt — und so für den Theoretik er suk k zessive uninteressanter —, wenn die Bestimmung der Bedeutung durch den Kontext nicht als total, sondern als partiell angesehen wird. Ein weiteres anzuwendendes k lassifik atorisches Kriterium hat mit der Interpretation des Terminus Kontext zu tun. Soll er beschränk t werden auf das, was gewöhnlich, wenn auch tendenziös, „der linguistische Kontext“ genannt wird, d. h. die gesprochenen oder geschriebenen Äußerungen, die der betrachten Äußerung unmittelbar vorangehen und folgen, d. h. auf ihren Ko-Text? Oder bezieht der Terminus den sogenannten situationellen Kontext der Äußerung mit ein? Aus methodologischen Gründen ist für Linguisten der Versuch verführerisch, nur mit Ko-Text zu arbeiten, so wie sie auch versucht waren, bei der Untersuchung von solchen Phänomenen wie Anapher und Koreferenz nur mit Ko-Text zu arbeiten. Ich denk e aber, daß fairerweise gesagt werden muß, daß intensive Forschungsarbeit während der letzten zwanzig Jahre gezeigt hat, daß der einzige in der Linguistik vertretbare Kontextbegriff einer ist, der die Äußerungssituation und das wechselseitige Wissen, welche die Teilnehmer voneinander haben, miteinbezieht (vgl. Smith 1982). Es gibt eine historisch wichtige stark e k ontextuelle Kontexttheorie, die sich auf Ko-text beschränk t hat und die es wert ist, hier erwähnt zu werden. Es handelt sich um die distributionelle Theorie, die sich (etwas paradox) aus dem Versuch der Nach-Bloomfieldianer entwick elt hat, den Bezug auf semantische Erwägungen bei der Beschreibung der phonologischen und grammatischen Struk tur von Sprachen zu vermeiden (vgl. Harris 1951; 1954). Sie beruht auf dem Prinzip, daß zwei
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Ausdrück e eine umso ähnlichere Verteilung über ein repräsentatives Korpus von Daten hinweg haben, je enger ihre Bedeutungen beieinander liegen. Dies hat intuitiv einiges für sich. Darüber hinaus ist das Prinzip bis zu einem gewissen Punk t nachweislich k orrek t. Aber insofern es k orrek t ist, läßt es sich weitgehend dadurch erk lären, daß man sagt, daß die Bedeutungsnähe, sofern sie unabhängig definierbar ist, selbst der Grund für die Ähnlichk eit der Distribution ist. Ein weiteres Problem besteht darin, daß es viele verschiedene Arten von Bedeutungsnähe gibt: Synonymie, Hyponymie, Antonymie, Paronymie (verschiedener Art) usw. Es gibt aber k ein rein distributionelles Maß des semantisch wichtigen Unterschiedes zwischen diesen Arten: z. B. für die Relation, die zwischen gut und schl echt (Antonymie) und jene, die zwischen nasty und unpl easant (Paronymie oder Beinahe-Synonymie) besteht. Sobald wir damit beginnen, gewisse Kontexte als symptomatisch oder besonders normal auszuzeichnen, haben wir eine rein distributionelle Theorie der Bedeutung bereits verlassen (vgl. Hoenigswald 1960: 16). Der distributionellen Theorie jener NachBloomfieldianer — die sie auf die Semantik eher in einem programmatischen als in einem eigentlichen Sinn angewandt haben — ähnelt J. R. Firths (1957) Kollokationstheorie der lexik alischen Bedeutung (vgl. Lyons 1983 a: 220—227; Gordon 1982: 106—120). Firth selbst gab niemals eine präzise Definition von „Kollok abilität“ oder ein detailliertes Beispiel ihres Nutzens für die Textanalyse an. Ihm ging es darum, zu betonen, in welchem Maß die Kollok ation eines Wortes — seine „habituelle Assoziierung ... mit anderen bestimmten Wörtern in Sätzen“ (Robins 1971: 63) — einerseits unvorhersagbar sei aufgrund der situativen (oder referentiellen) Bedeutung und andererseits charak teristisch sei für den Stil gewisser sozialer Gruppen oder Individuen. Es blieb Firths Nachfolgern überlassen, z. B. Halliday (1966 b) und Sinclair (1966), seine Ideen über Kollok abilität detaillierter auszuführen und in der Folge mithilfe des Begriffs der Wahrscheinlichk eit des Zusammen-Vork ommens zu präzisieren. Es gibt allerdings Gründe für die Ansicht, daß eine detailliertere Entwick lung dieser Ideen lediglich dazu führt, sie in den Wirk ungsbereich der Kritik zu bringen, die ich gegen die distributionelle Bedeutungstheorie hervorgebracht habe. Es ist gesagt worden, daß Firths Begriff der k ollok ationellen Bedeutung „die Selek -
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tionsbeschränk ungen der transformationellen generativen Grammatik und die Transfermerk male von Weinreich vorwegnehmen“ (Gordon 1982: 120). Aber diese Aussage offenbart meiner Ansicht nach ein grundlegendes Mißverständnis von Firths theoretischer Position. Firth interessierte sich für die Kollok ationen eines Wortes nur deshalb, weil sie ausschließlich durch das Wort bestimmt, nicht aber aufgrund der unabhängig davon identifizierbaren Bedeutung des Wortes vorhersagbar sind. Z. B. würde die Tatsache, daß schwanger zusammen mit Mädchen oder Frau und nicht (oder seltener) zusammen mit Junge oder Mann vork ommt, Firth weniger interessieren als die Tatsache — um eines der Beispiele aus Quine (1953) zu benutzen — , daß addl ed [„faul“] in der Kollok ationsbeziehung zu egg [„Ei“], aber nur zu wenigen anderen Nomina in dieser Beziehung steht [vgl. dazu im Deutschen die Kollok ation von ranzig und Butter]. Wie Quine sagt, müssen wir uns bei der Beschreibung der Bedeutung solcher Wörter „oft mit einem hink enden partiellen Synomym plus Regieanweisungen begnügen“ (1953: 58). Wenn wir in den Arbeiten der Generativisten nach einem Äquivalent für Quines Regieanweisungen suchen, dann finden wir als nächste Parallele vielleicht die distinguishers von Katz & Fodor (1963). Aber Firths Auffassung von Bedeutung ist so verschieden von derjenigen der generativen Grammatik er (und der meisten Semantik er), daß es verfehlt wäre, eine zu enge Parallele zu ziehen. Das große Verdienst der Kollok ationstheorie besteht darin, daß sie die syntagmatischen oder k ombinatorischen Determinanten der lexik alischen Bedeutung hervorhebt. In dieser Hinsicht berührt sie sich eher mit Porzigs als mit Triers Version der Wortfeldtheorie (siehe 2.5). Der Umstand, daß Firth seine Aufmerk samk eit auf die eher idiosynk ratischen Kollok ationen eines Wortes k onzentriert und die Kollok ationstheorie als Teil einer umfassenden Kontextheorie formuliert hat, mag viele seiner Zeitgenossen befremdet haben. Er sollte uns aber nicht davon abhalten, uns seine Einsichten sowie die seiner Nachfolger — oder sogar der nach-Bloomfieldschen Distributionalisten -als Korrek tiv zu der oft exzessiven Abstrak tion und Allgemeinheit anderer Semantik er zu benutzen. Für mindestens einige Wörter scheint es so zu sein, daß ihre Bedeutung teilweise, wenn nicht gar vollständig, durch ihre Distribution definierbar ist.
I. Allgemeine Grundlagen
Was über die Kollok ationstheorie der lexik alischen Bedeutung gesagt wurde, läßt sich für jede Art von k ontextueller Bedeutungstheorie verallgemeinern. Stark e k ontextuelle Theorien k önnen aus den folgenden Gründen als inadäquat verworfen werden: die Bedeutung vieler Ausdrück e ist weitgehend, wenn nicht vollständig ohne wesentlichen Rück griff auf den Kontext definierbar; aber Gleichheit oder Verschiedenheit von Kontext k önnen nicht immer sichergestellt werden, ohne auf eine unabhängig zu definierende Gleichheit oder Verschiedenheit von Bedeutung zurück zugreifen. Schwache k ontextuelle Theorien sind sicher vertretbar, aber sie bedürfen der Ergänzung durch andere Bedeutungstheorien (Ideationstheorien, Referenztheorien, Verhaltenstheorien, stru k turelle Theorien oder Wahrheitsbedingungen-Semanti k ). Umgek ehrt sind diese anderen Theorien als umfassende Bedeutungstheorien inadäquat, wenn sie die Kontextabhängigk eit etlicher Ausdrück e in den natürlichen Sprachen nicht zu behandeln gestatten. 2.7 Bedeutung und Gebrauch Eine der einflußreichsten Gestalten in der Sprachphilosophie und philosophischen Logik der ersten Hälfte des 20. Jhs war Ludwig Wittgenstein. Interessanterweise war er jedoch zwei radik al verschiedenen Konzeptionen von Struk tur und Funk tion der Sprache verbunden. Sein Fühwerk , der Tractatus Logico-Phil osophicus (1921), ist ein Meilenstein in der Entwick ung der sogenannten Wahrheitsbedingungen-Semantik (siehe 2.8). Er beruhte auf der Auffassung, daß die einzige — oder zumindest primäre Funk tion — der Sprache darin bestehe, „Sachverhalte“ in der Welt zu beschreiben, abzubilden oder darzustellen; ferner beruhte er auf der Auffassung, daß jeder ak tuale oder potentielle Sachverhalt darstellbar sei durch eine Menge von logisch unabhängigen und unanalysierbaren (atomaren) Aussagen, die zu ihm isomorph sind, oder — alternativ — durch eine zusammengesetzte Aussage, die sich in ihre atomaren Bestandteile mithilfe der wahrheitsfunk tionalen Operationen der Negation, Konjunk tion, Disjunktion usw. zerlegen läßt. In seinem späteren Werk , insbesondere in seinen Phi l osophischen Untersuchungen (1953), verwarf Wittgenstein beide gerade sk izzierten Teile seiner Auffassung von Sprache, und vertrat stattdessen die Version eines
1. Bedeutungstheorien
Zugangs zur Semantik , die ich Bedeutungals-Gebrauch-Ansatz nennen möchte. Bedeutung-als-Gebrauch-Theorien ähneln k ontextuellen Theorien und k önnen in der Tat unter diese subsumiert werden. Sie k önnen ebenfalls als stark oder schwach k lassifiziert werden, je nachdem, ob sie Bedeutung mit Gebrauch identifizieren oder ob sie lediglich sagen, daß die Bedeutung eines Ausdruck s durch seinen Gebrauch bestimmt und enthüllt wird. (Wittgenstein selbst scheint oft zwischen der stark en und schwachen Variante der Bedeutungals-Gebrauch-Theorie zu schwanken.) Wittgenstein betonte die Verschiedenheit der k ommunik ativen Funk tionen, zu denen Sprache benutzt werden k ann, und die Unmöglichk eit, eine einheitliche Bedeutungsdefinition für die vielen verschiedenen Klassen natürlichsprachlicher Ausdrück e zu geben. Eine Sprache benutzen, sagte er, sei wie das Ausführen von Spielen, deren Regeln dadurch gelernt und sichtbar werden, daß man das Spiel tatsächlich spielt. Der Muttersprachler erwerbe seine Sprachbeherrschung nicht durch das Erlernen eines einzelnen Regelsystems, welches die Struk tur seiner Sprache und die Bedeutung ihrer Ausdrück e für alle Gelegenheiten des Gebrauchs festlegt, sondern dadurch, daß er sich in eine Vielfalt von „Sprachspielen“ einläßt, deren jedes auf eine bestimmte Art von sozialem Kontext beschränk t und durch besondere soziale Konventionen geregelt ist. Die Welt zu beschreiben ist nur eine von unbestimmt vielen solcher Sprachspiele, die wir als Mitglieder der Gesellschaft, der wir angehören, lernen; und diesem Sprachspiel sollte k ein bevorzugter Status bei der Konstruk tion einer allgemeinen Theorie der Struk tur und Funk tion von natürlichen Sprachen eingeräumt werden. Jedes Sprachspiel habe seine eigene Logik (oder Grammatik ) und müsse in gleicher Weise berück sichtigt werden. Diese Einstellungen und Annahmen — die von denen des Tractatus sehr verschieden sind — steck en den Rahmen ab, vor dessen Hintergrund Wittgenstein seinen berühmten und k ontroversen Ausspruch „Don’t look for the meaning of a word, look for its use!“ machte. Wie man bemerk en wird, identifiziert dieser Ausspruch nicht Bedeutung mit Gebrauch; er ist mit einer stärk eren oder schwächeren Bedeutung-als-GebrauchTheorie verträglich. Der Terminus Gebrauch, durch den Wittgenstein den Terminus Bedeutung ersetzt hat (ohne die beiden unbedingt zu identifizieren), erlangte einen technischen — oder halbtech-
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nischen — Sinn in der Ordinary-LanguageBewegung in der Sprachphilosophie, die in den fünfziger Jahren unseres Jhs besonders an der Universität Oxford in Blüte stand. (Wittgenstein selbst wirk te in Cambridge.) Das einigende Band unter den Anhängern der Ordinary-Language Bewegung war — trotz beträchtlicher Divergenzen in Einstellungen und Überzeugungen in Bezug auf andere Aspek te — ihr Glaube, daß ein sorgfältiges Beachten der Nuancen und Feinheiten beim Gebrauch von Sprachäußerungen in den mannigfaltigen Situationen des täglichen Lebens produk tiver sei als „Systembauerei“, d. h. die Konstruk tion von eleganten, aber empirisch inadäquaten und philosophisch verdächtigen, vorschnell formalisierten allgemeinen Theorien der Bedeutung. Die Ordinary-Language Bewegung ist fast vollständig von der philosophischen Szene verschwunden. Das Gleiche gilt für den logischen Positivismus (und logischen Atomismus), der das Zentrum eines großen Teils ihrer Kritik bildete. Beide Bewegungen haben jedoch ihre Spuren in der heutigen philosophischen und linguistischen Semantik (und Pragmatik ) hinterlassen. Die erstgenannte Bewegung hat u. a. Austins (1962) höchst einflußreiche Konzeption der Sprechak te und Grices (1975) noch einflußreicherere — und letztlich vielleicht produk tivere — Konzeption der k onversationellen Maximen und Implik aturen hinterlassen (siehe die Artik el 12 und 14). Austins Theorie der Sprechak te hatte ihren Ursprung in dem, was in der Literatur der „desk riptive Trugschluß“ (Austin 1961: 71) genannt wird. Es handelt sich um die Auffassung, daß die wesentliche Funk tion der Sprache darin bestehe, die Welt zu beschreiben. (Diese Betrachtungsweise wurde, wie wir bemerk t haben, in der Theorie des logischen Atomismus von Wittgensteins Tractatus formuliert und ausgearbeitet, und sie ist — wie wir sehen werden — grundlegend für Standardversionen der Wahrheitsbedingungen-Semantik .) Austin machte darauf aufmerk sam, daß nicht nur Nicht-Aussagesätze wie Interrogative und Imperative, sondern auch viele Aussagesätze — insbesondere solche Sätze der 1.Ps.,Sing., Präs. wie Ich verspreche dir, das Gel d am Monatsende zurückzugeben oder Ich erkl äre euch zu Mann und Frau — in der Regel nicht dazu benutzt werden, um auszudrück en, daß ein bestimmter Sachverhalt besteht oder nicht besteht, sondern dazu, um eine eine bestimmte k onventionell etablierte
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und sozial geregelte Tätigk eit zu verrichten: Ihr Gebrauch ist typischerweise performativ, nicht aber konstativ. Er behauptet ferner, daß alle Äußerungen, Behauptungen eingeschlossen, diese Eigenschaft der Performativität haben und daß wahre oder falsche Behauptungen über die Welt zu machen lediglich eine der vielen Handlungen ist, die mithilfe der Sprache verrichtet werden k önnen und daß die Wahrheit oder Falschheit von Behauptungen lediglich eine von den vielen Eigenschaften ist, mit deren Hilfe sie als „geglück t“ oder „mißglück t“ bewertet werden k önnen. Austin hat nicht lange genug gelebt, um die Details seiner Theorie auszuarbeiten, deren Grundzüge er in seinem posthum veröffentlichten Werk How To Do Things With Words (1962) entwick elte. Seine Ideen sind aber von seinen Anhängern, besonders von Searle (1969), zu dem,was man heute in der Literatur im allgemeinen als Sprechakttheorie bezeichnet, ausgearbeitet worden. Ob die Sprechak theorie als Semantik oder — wie viele sagen würden — als Pragmatik zählt, hängt davon ab, wie man die Grenze zwischen Sätzen und Äußerungen auf der einen und zwischen verschiedenen Arten von Bedeutungen auf der anderen Seite zieht (alternative Interpretationen findet man z. B. in Bach & Harnish 1979; Katz 1977; siehe auch Artik el 3). Von bleibendem Wert ist Austins Generalisierung des Begriffs der illokutiven Kraft als ein Aspek t oder eine Komponente des Gebrauchs, der teilweise in der phonologischen, grammatischen und lexik alischen Struk tur verschiedener Sprachen k onventionalisiert ist (und, wie es nun einmal so ist, verschieden in verschiedenen Sprachen). Es lohnt sich, im Vorbeigehen darauf hinzuweisen, daß Austins Begriff der illok utiven Kraft reicher ist als Freges Begriff der Kraft, der in der Begriffsschrift, was Behauptungen angeht, durch einen speziellen zweiteiligen Operator „⊢“ symbolisiert wird, wobei der senk rechte Strich für den Urteilsak t steht und der waagrechte Strich für das, was spätere Forscher als Modus der Aussage bezeichnet haben. Wir werden zu diesem Punk t im Abschnitt über Wahrheitsbedingungen-Semanti k k zurüc k ehren (2.8). Grices Beitrag zur modernen Semantik (oder Pragmatik ) ist sehr verschieden von demjenigen Austins, und viele würden sagen, daß er tiefer ist. Wie Austin hat Grice erk annt, daß zur Bedeutung von natürlichsprachlichen Äußerungen mehr gehört als die Aussagen
I. Allgemeine Grundlagen
(Propositionen), welche sie ausdrück en. Während aber Austin die Bedeutung von Äußerungen in ihren propositionalen Gehalt auf der einen und in ihre nicht-propositionale illok utive Kraft auf der anderen Seite zerlegte, setzte sich Grice für die Unterscheidung zwischen expliziter und impliziter Bedeutung ein: zwischen dem, was tatsächlich gesagt wird (in der einschlägigen Bedeutung von „sagen“) und dem, was impliziert (oder, um Grices Terminologie zu benutzen) implik iert [implicated] wird. Zum Beispiel k önnte ein Sprecher mit der Äußerung von Es ist dunkel hier drinnen implik ieren, daß er es gerne hätte, wenn der Adressat das Licht anmachen würde; und vom Adressaten k önnte man erwarten, diese spezielle Implikatur zu erschließen, indem er eine oder mehrere der von Grice (1975) so genannten Gesprächsmaximen [maxims of conversation] anwendet. Auf den ersten Blick k önnte es so scheinen, als wäre das, was Grice über die Interpretation von Äußerungen sagt, k aum mehr als eine informelle CommensenseAnalyse ohne jede philosophische Tragweite. Seine Theorie ist aber von ihm und seinen Anhängern mit großem Scharfsinn weiterentwick elt worden und wird gegenwärtig auf einen beeindruck end breiten Bereich von Phänomenen angewendet (einschließlich der sogenannten indire k ten Sprecha k te durch Äußerungen wie „Kann ich Ihnen etwas zu trink en anbieten?“, die normalerweise nicht dazu verwendet werden, um zu fragen, ob der Sprecher physisch, moralisch oder sonstwie in der Lage ist, dem Adressaten einen Drink anzubieten, sondern um ihm einen anzubieten). Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Entwick lung einer Theorie der Kommunik ation und Kognition durch Sperber & Wilson (1986), die auf einer Generalisierung von Grices Relevanzmaxime beruht. 2.8 Wahrheitsbedingungen-Theorien der Bedeutung Die Wahrheitsbedingungen-Semantik ist gegenwärtig das dominante Paradigma der semantischen Theorie (vgl. 2.1). Aus diesem Grund ist sie in diesem Band stark vertreten, und sie wird in den folgenden Artik eln detailliert abgehandelt. Der Zweck dieses k urzen Abschnittes ist es, sie mit den anderen oben erwähnten Ansätzen in Beziehung zu setzen und die Aufmerk samk eit auf ihre allgemeinen Vor- oder Nachteile für ihre Eignung als theoretischer Hintergrund für die
1. Bedeutungstheorien
Konstruk tion einer Theorie der linguistischen Semantik (vgl. 1.3) zu richten. Die moderne Wahrheitsbedigungen-Semantik hat ihren Ursprung nicht in der Linguistik , sondern in der mathematischen Logik , ihre Gründerväter Tarsk i und Carnap waren sk eptisch bezüglich der Möglichk eit, sie auf die Beschreibung natürlicher Sprachen anzuwenden. Sie vertraten die Ansicht, daß sich natürliche Sprachen, die mit Vagheit, Ink onsistenz, Mehrdeutigk eit und Unbestimmtheit durchsetzt sind, nicht für dieselbe Art von präziser und vollständiger Analyse eignen würden wie k onstruierte Sprachen, wie z. B. die Aussagen- oder die Prädik atenlogik . Erst Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre wurde diese Ansicht ernsthaft angegriffen, und zwar besonders von Richard Montague, der eine Reihe von einschlägigen Artik eln schrieb, von denen einer den programmatischen (und provok ativen) Titel English as a formal l anguage (1970 a) trug. Montagues eigene Theorie der Semantik ist eine spezielle Version der Wahrheitsbedingungen-Semantik , die auf der modelltheoretischen Entwick lung des traditionellen Begriffs der möglichen Welt beruht, auf den wir hier nicht einzugehen brauchen (siehe Artik el 2). In diesem Zusammenhang geht es nur darum festzustellen, daß der Ansatz außerordentlich einflußreich gewesen ist, sowohl unmittelbar — insofern er eine beträchtliche Zahl von Anhängern unter Logik ern und Linguisten gefunden hat — als auch mittelbar, insofern er andere Forscher inspiriert hat, ihre eigenen, etwas unterschiedlichen Varianten einer Mögliche-Welten-Semantik zu entwick eln (z. B. Cresswell 1973, 1985), oder sie zu Alternativen zur MöglicheWelten-Semantik , wie z. B. die Situationssemantik (vgl. Barwise & Perry 1983) angeregt hat. Die folgenden Bemerk ungen sind für die Wahrheitsbedingungen-Semanti k im allgemeinen relevant. Die beiden grundlegenden Begriffe der Wahrheitsbedingungen-Semantik sind bereits eingeführt worden, als im vorhergehenden Abschnitt auf Wittgensteins Tractatus eingegangen wurde. Der erste ist die Vorstellung, daß Bedeutung etwas wie Beschreibung, Abbildung oder Darstellung ist; der zweite ist das, was man heutzutage allgemein Kompositionalität nennt. Diese Begriffe werden nun in etwas anderer Form wieder eingeführt, wobei stillschweigend späterere theoretische und terminologische Verfeinerungen berück sichtigt sind. Wir werden jedoch zuerst — ebenso wie Wittgenstein einst und viele formale Se-
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mantik er noch heute — eine Definition der Satzbedeutung benutzen, die nicht zwischen einem Satz und seinem propositionalen Gehalt unterscheidet. Die Bedeutung eines Satzes k ann nach dem früheren Wittgenstein mit seinen Wahrheitsbedingungen identifiziert werden, d. h. mit den Bedingungen, die die Welt erfüllen muß, damit der fragliche Satz als wahre Darstellung des Sachverhaltes zählt, welchen abzubilden oder zu beschreiben er bezweck t. Daraus folgt, daß zwei Sätze genau dann synonym sind (d. h. daß sie dieselbe Bedeutung haben), wenn sie dieselben Wahrheitsbedingungen haben. Neben der Synomymie k önnen andere traditionell anerk annte Begriffe der Semantik — etwa Widersprüchlich k eit, Tautologie, Analytizität und Folgerung — ebenfalls leicht auf der Grundlage von Wahrheitsbedingungen definiert werden, wie in späteren Artik eln erk lärt werden wird. Die erste Grundvorstellung, auf der die Wahrheitsbedingungen-Semantik basiert, ist also, daß es einen engen Zusammenhang zwischen Bedeutung und Wahrheit gibt. Die zweite Grundvorstellung ist, wie gesagt, der Begriff der Kompositionalität. Die Behauptung, daß die Satzbedeutung k ompositional ist, impliziert, daß die Bedeutung eines beliebigen Satzes — sei er einfach, zusammengesetzt oder k omplex — vollständig durch die Bedeutung seiner Teilausdrück e und durch die Art ihrer Verk nüpfung bestimmt ist. So formuliert, scheint die Kompositionalitätsthese nichts weiter als eine Binsenwahrheit zu sein, der jeder k lar Denk ende sofort zustimmen würde. Die Hauptstoßrichtung der Wahrheitsbedingungen-Semanti k besteht aber darin, ein Verfahren zu entwik k eln, welches jedem der unendlich vielen Sätze einer Sprache eine Bedeutung zuweist, die sowohl empirisch plausibel als auch systematisch berechenbar ist, und zwar auf der Grundlage der lexik alischen Bedeutung der Bestandteile des Satzes sowie seiner grammatischen Struk tur. Und diese Aufgabe ist k eineswegs trivial. Tatsächlich ist bis heute unk lar, ob sie überhaupt prinzipiell lösbar ist. So groß ist die Komplexität von natürlichen Sprachen, daß bisher niemand die grammatische Struk tur von mehr als einem vergleichsweise k leinen Fragment von ihnen mit der Strenge und Präzision zu beschreiben vermochte, welche die formale Semantik erheischt. Was die lexik alische Struk tur von natürlichen Sprachen betrifft, so ist diese sogar noch unvollk ommener beschrieben. Es ist
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deshalb bisher immer noch unk ar, ob es — wie Montague und seine Anhänger gesagt haben — k einen wesentlichen Unterschied zwischen natürlichen und nicht-natürlichen Sprachen gibt, was ihre Formalisierbark eit und Bestimmtheit [determinacy] betrifft. Was k ann nun zusammenfassend über die Stärk en und Schwächen der Wahrheitsbedingungen-Semantik gesagt werden? Ihre prinzipielle Stärk e liegt zweifellos in der intuitiven Plausibilität der Vorstellung, daß Bedeutung (oder zumindest ein größerer Teil von Bedeutung) eine Sache der Korrespondenz mit Entitäten, Eigenschaften und Relationen in der Außenwelt ist, ferner in der Möglichk eit, diese einfache Vorstellung mithilfe der machtvollen und wohlverstandenden Technik en der modernen mathematischen Logik zu formalisieren und zu generalisieren. Sie hat dieselbe prima facie Attrak tivität wie die Referenztheorie der Bedeutung, aber sie ist insofern allgemeiner, als sie der Unterscheidung zwischen Extension und Intension Rechnung tragen k ann und unabhängig von den k ontroversen ontologischen und erk enntnistheoretischen Annahmen formulierbar ist, die historisch mit der Referenztheorie der Bedeutung in Verbindung gebracht worden sind (vgl. 2.2). Ferner k ann k ein Zweifel darüber bestehen, daß — wie der zweite Teil dieses Bandes zeigen wird — unser Verständnis eines weiten Bereiches von Phänomenen beträchtlich durch die Versuche gewonnen hat, die in den letzten fünfzehn Jahren unternommen wurden und immer noch unternommen werden, diese Phänome erschöpfend und präzise im Rahmen der Wahrheitsbedingungen-Semantik zu beschreiben. Aber die Wahrheitsbedingungen-Semantik hat ihre inhärenten Grenzen. Nach meiner Meinung (die nicht notwendigerweise mit derjenigen der Herausgeber oder der anderen Autoren übereinstimmt) ist sie zum Scheitern verurteilt, wenn sie als eine vollständige Theorie der semantischen Struk tur von natürlichen Sprachen ausgegeben wird. Der Grund ist ganz einfach der, daß ein großer Teil der Bedeutung, die lexik alisch, syntak tisch, morphologisch oder phonologisch in den Sätzen einiger, wenn nicht aller natürlichen Sprachen, k odiert ist, nicht-propositional ist. Wie im vorhergehenden Abschnitt bemerk t wurde, ist dies schon von Frege bemerk t worden und hat seinen terminologischen und begrifflichen Niederschlag in seinem Begriff der Kraft (die er von Sinn und Bedeutung unterschied) gefunden sowie in seinem zweigeteilten Behaup-
I. Allgemeine Grundlagen
tungsstrich der Begriffsschrift. Austins Begriff der illok utiven Kraft k ann als eine Erweiterung und Generalisierung von Freges Einsicht im Hinblick auf die Äußerungsbedeutung insgesamt angesehen werden. Hier aber geht es uns um die Satzbedeutung, welche mit dem propositionalem Gehalt zu identifizieren die Wahrheitsbedingungen-Semanti k er geneigt sind. Nun ist allgemein ak zeptiert, daß nichtdek larative und nicht-indik ativische Sätze für die Wahrheitsbedingungen-Semantik problematisch sind. Auf der anderen Seite ist die Erk enntnis, daß sich die Termini deklarativ und indikativ (die oft durcheinander gebracht werden), traditionell, und zwar zurecht, auf voneinander unabhängige, variable Dimensionen der grammatischen Struk tur beziehen, nicht so weit verbreitet, wie man sich es wünschen würde. Tatsächlich spricht nichts mehr dafür, die Bedeutung eines dek larativen indik ativischen Satzes mit seinem propositionalen Gehalt zu identifizieren, als diese Identifik ation im Falle von Nicht-Dek larativen (z. B. Interrogativen) oder Nicht-Indik ativen (z. B. Imperativen) vorzunehmen. Wenn eine Sprache die Kategorie von Indik ativsätzen besitzt, dann hat sie den waagrechten Teil von Freges Strich grammatik alisiert, der von dem propositionalen Gehalt des Satzes unterschieden werden muß und als sein (logischer) Modus beschrieben werden k ann: Modus in diesem Sinne des Terminus drück t solche Eigenschaften wie Tatsächlichk eit im Gegensatz zu Hypothese, Wünschbark eit usw. aus. In Sprachen, die einen Indik ativ haben, ist der Indik ativ der Modus, der morpho-syntak tisch Tatsächlichk eit im Gegensatz zu verschiedenen Arten von Nicht-Realität grammatik alisiert. Realität und Nicht-Tatsächlichk eit auf der einen und das Eingehen oder Nicht-Eingehen einer Verpflichtung des Sprechers auf der anderen Seite k önnen nicht nur morphosyntak tisch, sondern auch lexik alisch oder phonologisch (oder auch überhaupt nicht) in den Sätzen einer bestimmten Sprache k odiert werden. Die Versuchung, dekl arativ mit indikativ zu verwechseln und die Bedeutung von dek larativ-indik ativischen Sätzen mit ihrem propositionalen Gehalt zu identifizieren, wird dadurch vergrößert, wenn nicht gar geschaffen, daß in einigen natürlichen Sprachen — einschließlich der Sprachen, die zufällig die Muttersprachen der meisten Logik er und Semantik er sind — dek larativ-indik ativische Sätze eingebettet werden k önnen, ohne syntak tisch oder morphologisch als Konstituen-
1. Bedeutungstheorien
ten k omplexerer Sätze gek ennzeichnet zu werden. Dies ist aber k eineswegs ein universaler oder auch nur ein besonders häufiger Zug quer durch die Sprachen der Welt hindurch. Die linguistische Semantik sollte aber, wenigstens prinzipiell, die Totalität der natürlichen Sprachen nachbilden. Die dreigeteilte Analyse der Satzbedeutung, die in dem vorhergehenden Paragraphen sk izziert wurde, aber aus Platzgründen nicht weiter ausgeführt werden k ann (vgl. Lyons 1983: 16.2), verdank t viel dem Werk von Hare (1960), einem ordinary-languagePhilosophen, der den Begriff Bedeutung-alsGebrauch etwas anders als Austin (vgl. 2.7) ausgewertet hat. In der Literatur zur Wahrheitsbedingungen-Semantik ist eine zweigeteilte Analyse geläufiger, welche zwischen den etwas unterschiedlichen Termini Sinn, propositional er Gehal t, deskriptiver Gehal t oder Satzradikal auf der einen und Modus (in dem erweiterten Sinn des Wortes) oder Kraft auf der anderen Seite unterscheidet (vgl. Dummett 1973; Katz 1977; Searle 1969; Stenius 1960 usw.). Die dreigeteilte Analyse ist hier deshalb erwähnt worden, weil sie einmal Aspek te von Freges Einsicht erfaßt, die durch eine zweigeteilte Analyse nicht erfaßt werden, und weil sie vor allem getreuer und direk ter den Unterschied zwischen Satztypmodus und morphosyntak tischem Modus wiedergibt, der sich in der grammatischen Struk tur vieler, wenn nicht aller Sprachen zeigt. Es ist fraglich, ob eine befriedigende Wahrheitsbedingungen-Analyse einer dieser beiden Dimensionen der semantisch relevanten grammatischen Struk tur von Sätzen gegeben werden k ann, obwohl Versuche in dieser Richtung unternommen worden sind und weiterhin unternommen werden. Es steht sicher mehr im Eink lang mit unseren unverbildeten philosophischen Intuitionen, wenn man sagt, daß sich entsprechende Dek larative und Nicht-Dek larative (z. B. es regnet und regnet es?) oder sich entsprechende Indik ative und Nicht-Indik ative (z. B. lateinisch pl uit, Indik ativ, „es regnet“ und pl uat, Konjunk tiv, „es regne“), die sich nach allgemeiner Übereinstimmung in ihrer Bedeutung unterscheiden, denselben propositionalen Gehalt haben (und, wenn sie in dem angemessenen Kontext, der ihre Referenz festlegt, geäußert werden, dieselbe Proposition ausdrück en, sei sie wahr oder falsch), sich aber in anderer Hinsicht als in ihren Wahrheitsbedingungen unterscheiden, als darauf zu insistieren, daß sie verschiedene Wahrheitsbedingungen haben. Und
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zweifellos zollt man ihrer offenen grammatischen Struk tur mehr Achtung, wenn man diesen Standpunkt vertritt (siehe Artikel 12). Über die inhärenten Grenzen der Wahrheitsbedingungen-Semantik als Theorie der linguistischen Bedeutung k önnte mehr gesagt werden, als hier möglich ist, insbesondere über ihr Versäumnis, die Subjek tivität von Äußerungen und der Art ihrer Kodierung — nicht nur als pragmatische „Implik atur“, sondern im Lexik on und der grammatischen Struk tur vieler Sprachen — die gebührende Aufmerk samk eit zu schenk en (vgl. Lyons 1982, 1984). Aber ich möchte mit einer k onstru k tiven und kö umenischen Bemer k ung schließen. In diesem Kapitel haben wir verschiedene Bedeutungstheorien betrachtet, die für gewöhnlich als Rivalinnen angesehen werden, von denen nur eine recht haben k ann. Meiner Ansicht nach ist es viel vernünftiger, sie als k omplementär anzusehen. Daß ein Teil der in natürlichen Sprachen k odierten Bedeutung die Welt (oder mögliche Welten einschließlich der wirk lichen Welt) repräsentiert oder beschreibt, k ann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Es gibt auch Gründe für die Ansicht, daß dies die prototypischste Art von sprachlicher Bedeutung ist, da sie nicht anders als sprachlich ausgedrück t werden k ann (vgl. Lyons, 1981: § 3.1). Aber dies ist sicher nicht die einzige Art von Bedeutung, die systematisch in natürlichen Sprachen k odiert wird; und es scheint wenig sinnvoll zu sein, die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik — so wie dies viele Vertreter der Wahrheitsbedingungen-Semantik tun — nach dem Kriterium zu treffen, ob etwas auf der Basis von Wahrheitsbedingungen definierbar ist oder nicht. Wenn man schon eine desk riptiv nützliche Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik treffen möchte, dann sinnvollerweise eher auf der Grundlage der Unterscheidung von Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung, wobei anerk annt werden sollte, daß beide Arten von Bedeutung Propositionales und Nicht-Propositionales beinhalten.
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Literatur (in Kurzform)
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I. Allgemeine Grundlagen
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1956 · Gordon 1982 · Grice 1957 · Grice 1969 · Halliday 1966 b · Harris 1951 · Harris 1954 · Hjelmslev 1959 · Hoenigswald 1960 · Ipsen 1924 · Jolies 1934 · Katz 1972 · Katz 1977 · Katz/Fodor 1963 · Katz/Postal 1964 · Kempson 1977 · Kripk e 1972 · Kuhn 1962 · Lehrer 1974 · Levinson 1983 · Lewis 1970 · Lounsbury 1956 · Lyons 1965 · Lyons 1971 · Lyons 1977 (I: dt. 1980, II: dt. 1983 a) · Lyons 1981 a · Lyons 1981 b (dt. 1983 b) · Lyons 1984 · Lyons 1988 · Matthews 1981 · Montague
2.
1970 a · Morris 1938 · Morris 1938 · Morris 1946 · Ogden/Richards 1923 · Porzig 1934 · Putnam 1975 · Quine 1953 · Quine 1960 · Rosch 1974 · Rosch 1976 · Robins 1971 · Searle 1969 · Sinclair 1966 · Sk inner 1957 · Smith (ed.) 1982 · Sperber/ Wilson 1986 · Stenius 1967 · Ullmann 1957 · Watson 1924 · Wittgenstein 1921 · Wittgenstein 1953
John Lyons, Cambridge (Great Britain) (Übersetzt aus dem Englischen von Arnim von Stechow)
Basic Concepts of Semantics
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
The Subject Matter of Semantic Theory Sentence Meaning Compositionality Interpretation Structural Ambiguity Wellformedness and Interpretability Semantics and Psychology Truth-Conditions and Use Possible World Semantics and Logic Bibliographical Appendix Short Bibliography
1.
The Subject Matter of Semantic Theory
I suppose that the most embarrassing difficulty in approaching the study of semantics is to try to focus on what is its subject matter. Or to put it in another way: what are we to tak e as the basic data which we expect a theory to describe? One way in which we might proceed is to ask what it is that a person who k nows a language k nows that one who doesn’t k now that language doesn’t? In particular what sort of ability is it that demonstrates that the speak er k nows the meanings of the expressions in a given language? Many linguists will say that it is the ability to mak e judgements about whether an expression is meaningful, whether two expressions mean the same, and so on. Indeed Jerrold Katz, probably the most influential semanticist within linguistics, has made the prediction of such judgements the defining goal of a semantic theory. Many philosophers, on the other hand, will say that the only proper subject matter for a theory of meaning is a description of the way in which a language is used. They will concentrate on analysing what are called speech acts — such things as activ-
ities lik e promising, asserting, questioning and so on. The desideratum would of course be to find an ability which is involved in, and underlies, both the judgements that Katz think s basic to semantics, and the activities of language using which the speech act theorists are interested in. The most promising candidate for such an ability seems to be the ability to distinguish situations in which a sentence is true from those in which it is false. For consider how to distinguish someone who does from someone who does not k now the meaning of the English sentence (1) The door is open Presumably one does not need to be an English speak er to k now the difference between a situation in which a particular door is open and a situation in which it is not. But one does need to be an English speak er to k now that (1) is a sentence which is true in situations of the former k ind and false in situations of the latter k ind. This ability is sometimes expressed by saying that the English speak er knows the following (2) “The door is open” is true iff the door is open. (2) is apt to bemuse those who first come across it, but if it is tak en as no more than a statement of the conditions under which (1) is true, it can be seen that it is not simply a tautology, but an empirical fact which would not be so if English had been different. This view of semantics embodies the truthconditional theory of meaning and to many theorists it seems a good place to begin. Some truth-conditional semanticists, notably Donald Davidson and those the follow him, tak e the axiomatic generation of sentences lik e (2)
2. Basic Concepts of Semantics
as the goal of a semantic theory. Other theorists argue that situations should themselves be part of the framework of a semantical theory. Some situations are actual, others merely possible. A complete and total situation (whether actual or merely possible, there being of course only one actual total situation) is called a possible world. Semantical theories divide according as the situations they base themselves on are worlds or less than total situations. Theories of this latter k ind are perhaps best represented, for linguistics at least, by the work of Jon Barwise and John Perry on what they call situation semantics. Situation semantics, in their sense, is, however, relatively recent and the rest of this article will be concerned with the more traditional possible-worlds semantics. Readers who want to k now more of Barwise and Perry’s work should consult chapter II in this handbook (articles 5 and 6) and the work s listed in the bibliography.
2.
Sentence Meaning
In possible-worlds semantics the meaning of a sentence is a set of possible worlds. The meaning of (1) will be the set of worlds in which the door is open. That set of worlds is quite independent of English or of any other language. Possible-worlds semantics must be refined in a number of obvious ways. For instance, in the very same world the door may be open at one time and not at another. So perhaps we should think of pairs of a world and a time. Further the door will obviously refer to different doors in different contexts of use. So we should really think of the meaning of a sentence as a function from all the relevant contextual features to a set of possible worlds. (Context dependence is dealt with in article 9.) A set of possible worlds is sometimes called a proposition. This is because there has been a tradition in philosophy that a proposition is a language-independent entity which is what a sentence expresses. (There is dispute about whether propositions are tensed or not. If you think a proposition is tensed then you will tak e it to be a set of world-time pairs rather than just a set of worlds.) A proposition a is then said to be true in a world w iff w ∈ a. (For tensed propositions a is true in w at time t iff 〈w, t〉 ∈ a.) A sentence may be said (derivatively) to be true in w iff the proposition which is its meaning is true in w.
25
3.
Compositionality
But it is not enough just to say that the meaning of a sentence is a set of possible worlds. For a sentence, unlik e a word, is not something whose meaning must be learnt. A sentence is something whose meaning is determined from the meanings of the words in it in conjunction with its syntactical structure. So in order to articulate a theory of possibleworlds semantics, it is necessary to say something about how the meaning of a sentence is detemined from the meanings of the words in it. Article 7 of this handbook will be concerned with particular syntactical framework s on which truth-conditional semantics may be based. At present some rather simple illustrations will have to suffice. Suppose that we have a language whose words contain names and one-pl ace predicates. That is to say we are to consider sentences like (3) Lionel sleeps From what was said above we are to assume that the meaning of (3) is the set of all pairs 〈w, t〉, where w is a possible world and t a moment of time, and Lionel is asleep at time t in world w. In this language sl eeps is a single word, though in natural language a verb is probably a rather semantically complex entity. The simplest view of the meaning of a name in truth conditional semantics is that it is the thing it names. The name Lionel names the person Lionel. So one can say that the semantic value or meaning of the name Lionel is the person it names. The semantic value of sl eeps then falls into place. For sl eeps may be seen as what Arthur Prior once called a ‘sentence with a hole in it’. When the hole is filled with the word Lionel we get (3). When the hole is filled with Josephine we get (4) Josephine sleeps The meaning of sleeps can be seen as a proposition with a hole in it, or in other words a function which associates with each person (or more generally with each thing of which it mak es sense to suppose that it might be asleep) the set of world-time pairs at which that person is asleep. In general then the meaning of a name will be a thing and the meaning of a one-place predicate will be a function from things to sets of worlds (worldtime pairs). A function of this latter k ind can be called a property. A thing a has the property ω in a world w iff w ∈ ω(a). The extension of the
I. Allgemeine Grundlagen
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property ω in a world w is simply the set of those b such that w ∈ ω(b). The property itself is sometimes called an intension. An intension may be thought of as something which, in conjunction with a possible world, determines an extension. The language so far has had only one-place predicates. It could be extended by two, three or in general n-place predicates. Transitive verbs lik e kicks or l oves might be examples of two-place predicates, and verbs lik e gives examples of three-place predicates. It is doubtful whether there are any single words in a natural language which are more than three-place predicates. An n-place predicate has as its meaning what may be called an n-place property. This will be a function ω such that for n-tuples 〈a1, ..., an〉 of things ω (a1, ..., an) will be a set of world-time pairs. For any world w the extension of the property ω at w will be the set of n-tuples 〈a1, ..., an〉 such that w ∈ ω(a1, ..., an). The extension of an n-place predicate is, in other words, an nplace relation, in the sense in which a relation is just a set of n-tuples. The rules of combination can then be stated in a quite general fashion: If we have a sentence of the form αβ in which α is a name and β is a predicate then, where the meaning of α is the thing a and the meaning of β is the function ω, then the meaning of αβ is ω(a), that is to say it is the value (i. e. the output) that the function ω tak es when its argument (i. e. the input) is the thing a.
4.
Interpretation
The meanings of words are not work ed out but simply given. And we must remember one important aspect of language, that is that it is conventional. That is to say, although a given word may happen to have the meaning it does, it need not have it. Suppose that the name α in fact names a thing a, as in fact Lionel names Lionel. It could well have been the case that α had named some quite different thing. In other words, there is no instrinsic connection between α and what it names, the connection has to be imposed. What effects the imposition is a value assignment to the words in the language. Such an assignment is itself a function which associates with each word in the language a meaning of the appropriate k ind. We write V(α) = a to mean that assignment V gives to word α the meaning a. A different meaning for α would be
reflected by a different assignment. So where V and V′ are two assignments it could be that V(α) = a while V′(α) = b where b is something different from a. Among the many different theoretically possible value assignments there will be one which corresponds to the meanings that the words have in the natural language being studied. Of course words in a natural language are often used without precise meanings or in a long-literal way. A semantic theory will have to come to terms with this in one way or another. Such matters are discussed elsewhere in this handbook. In the name-and-predicate language described above, a function V will assign to each name a thing and to each predicate a function from things to sets of world-time pairs. The rule for obtaining the meanings of sentences as described above then says that if V(α) = a and V(β) = ω, then V(αβ) = ω(a). Alternatively one can simply say (5) V(αβ) = V(β) (V(α)) One reason why semantics should work this way is because there are too many sentences for their meanings to be learnt separately. The number of words in a language will be finite and in fact comparatively small. Small, that is, in comparison with the number of sentences — which in theory can be infinite, and even in practice will be far too large to learn piecemeal. The name-and-predicate language described so far does not have infinitely many sentences unless it has infinitely many words, but it is not difficult to describe a very small extension to it which does. Assume a nameand-predicate language with only a finite number of names and predicates. Now add one new word, not. The word not is such that when it is put immediately after a sentence it forms another sentence. Thus not only is (3) a sentence but so is (6) Lionel sleeps not (Putting the not at the end of the sentence gives something which is a little more lik e English. If we were to follow the practice followed in most of the languages of formal logic it would come at the beginning of the sentence. Nothing turns on this.) Extending the language in this way has the consequence that even with only one name a and only one predicate β the language has infinitely many sentences; to be precise the (infinite) sequence: (7) αβ, αβnot, αnot not, ... etc.
2. Basic Concepts of Semantics
The semantics of not is easy. Since not added to a sentence forms another sentence, its meaning would be a function which tak es a proposition (set of world-time pairs) as argument and gives another proposition as value. In fact we can even say just what function it is. If V is the value assignment which gives not the meaning it has in English then V(not) will be the function ω such that where a is a set of world-time pairs so is ω(a), and further any pair 〈w, t〉 is in ω(a) just in case it is not in a. (Put another way, ω(a) is the set-theoretical complement of a in the set of all world-time pairs.) Where γ is any sentence (which may itself of course include a number nots) then (8) V(γnot) = ω(V(γ)) which is to say that 〈w, t〉 ∈ V(γnot) iff 〈w, t〉 ∉ V(γ). Surely a consumation devoutly to be wished. In this particular case two occurrences of not bring us back to our original proposition. Suppose y is a sentence. Then γ and γnot express two different propositions. But γ followed by an even number of nots expresses the same proposition as γ, and γ followed by an odd number of nots expresses the same proposition as γnot. This fact enables us to mak e an important observation. For in a sentence followed by a large number of nots a speak er may have lost count of whether it is odd or even, and so not k now the truth conditions of the sentence. Such a possibility should not lead us to suppose that the speak er does not k now the language. Rather the truth conditions for every sentence are not something that every speak er actually k nows, rather they are logical consequences of what a speak er k nows. (This point has been stressed by Barbara Partee.) The problem of how to give an account of what sort of k nowledge this is is actually a crucial one in semantics. It is link ed with the problem of propositional attitudes and is dealt with elsewhere in this handbook (see article 34).
5.
Structural Ambiguity
A language capable of semantic treatment in the way just described has to be one in which there is no structural (or even lexical) ambiguity. So it cannot be identified with the surface structures of a natural language. Consider an example. It is often maintained (though it is disputed too) that the sentence (9) Everyone loves someone
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can be interpreted either to allow it to be a different someone in each case (say everyone loves the person to their left) or can be interpreted so that it means the same as (10) There is someone everyone loves which requires an object of universal admiration. In first-order predicate logic these two interpretations would be represented by two different formulae (11) (everyone x) ((someone y) (x loves y)) (12) (someone y) ((everyone x) (x loves y)) It would be on (11) and (12) that the value assignments would operate, not on (10). The relation between (10) and (11)/(12), and a more explicit description of what the underlying language would be lik e are beyond the scope of this section.
6.
Wellformedness and Interpretability
Another feature that this k ind of semantics has is that it allows for a distinction between grammatical well-formedness and semantic interpretability. Take the sentence (13) Saturday sleeps Suppose that Saturday is a name whose semantic value is the appropriate day of the week (whatever k ind of thing that is). From this it follows that (13) is a well-formed sentence. But many semanticists would want to argue that (13) mak es no sense. If they are right then this must be because the function ω which is the meaning of sl eeps is one which does not have Saturday in its domain. (The domain of a function is just the set of things that it will accept as input.) If so then there will be no result of V(sleeps) operating on V(Saturday) and (13) will not have a semantic value.
7.
Semantics and Psychology
It should be noticed that none of the entities used in this semantical theory has psychological content. Of course the theory is to be used in explaining what we k now when we k now a language. But that is not to explain how we k now these things or what k ind of k nowledge it is. It is solely concerned to give an account of what it is that we k now. When we k now what a sentences means, it may well be true, as Jerry Fodor and others have argued, that we represent this meaning in some sort of internal code or ‘language of thought’;
I. Allgemeine Grundlagen
28
and no doubt the study of such a code is the proper province of cognitive psychology. But the existence of possible worlds semantics at least suggests that semantics may be related to psychology in much the same way that Fodor think s psychology is related to physics. If a proposition is a set of possible worlds then no doubt each person who entertains that proposition will represent it in some way, but the psychological features of the representation will be no more the concern of semantics than Fodor would think that the physical description of a psychological state need concern psychology.
8.
Truth-Conditions and Use
It is often said that a sentence like (14) I promise to pay you five dollars cannot sensibly be assessed for truth or falsity. This is usually claimed by those who think of truth or falsity as a way of evaluating assertions. For such people will (rightly) point out that an utterance of (14) is not normally used to assert or report that one is promising; it is often used actually to promise. Certainly if truth and falsity only made sense in conjunction with speech acts lik e asserting or reporting then (14) would not be a good candidate for a sentence with truth conditions. But one doesn’t have to think of truth and falsity in this way. One can say simply that (14) is true iff the speak er promises to pay the hearer five dollars, and that this is without prejudice to the question of what a person is doing who utters a sentence with those truth conditions. Indeed the fact that (14) has those truth conditions can actually give an explanation of why it can be used to mak e a promise. For what better way to mak e a promise than by uttering (in the appropriate conditions) a sentence which is true iff one promises? More difficult cases for truth conditional semantics are syntactically distinguished sentences lik e imperatives and questions. They are discussed elsewhere in the handbook (see the articles 3, 12, and 15) but a general observation is in order here. It is this: the words and phrases in all these sentences are ones which can occur with the same meanings in sentences of all types. This means that, if they have a truthconditional meaning at all, this meaning must be involved in work ing out the meaning of non-declarative sentences.
9.
Possible World Semantics and Logic
The data of semantics are often held to be judgements which relate two or more sentences, for instance that a pair of sentences are incompatible to each other or entail each other. On the truth-conditional theroy of meaning, facts of this k ind emerge as consequences. Two sentences contradict each other if there is no possible world in which they are both true. A sentence a entails a sentence β iff there is no world in which a is true but β false. Facts of this k ind are often held to be the province of formal logic, and truth-conditional semantics is often described as logically based semantics. Logic has traditionally been concerned with the validity of inferences. An inference is the passage from a collection of sentences, called the premisses of the inference, to a sentence called its conclusion. Inferences divide into those which are valid and those which are not. In a valid inference the conclusion logically follows from the premisses. Thus from (15) and (16) we may validly infer (17): (15) Jeremy is male (16) Miriam is Jeremy’s sister (17) Jeremy is Miriam’s brother An example of an invalid inference is the inference from (18) and (19) to (20): (18) Beatrice dates Algernon (19) Algernon dates Clarissa (20) Beatrice dates Clarissa In possible worlds semantics an inference is valid iff when all the sentences in the inference have their standard meanings there is no possible world in which the premisses are all true but in which the conclusion is false. The notion of validity used in formal logic is however a little different. Put in very general terms the idea is that an inference in a system of logic is valid iff every interpretation which mak es the premisses true also mak es the conclusion true. In this respect the notion of validity used in formal logic is lik e the notion of entailment in possible worlds semantics in that here too truth-preservingness is a crucial element. However there is an important difference. The notion of entailment speak s about truth-preservingness in every possible world in that interpretation in which all the words have their ordinary meaning. Validity
2. Basic Concepts of Semantics
in formal logic is defined as truth-preservingness in every interpretation. To state this precisely one must define what counts as an interpretation for the logic in question. What goes on can be illustrated by using the propositional calculus as an example. In this language there are ‘words’ which represent whole sentences. They are called propositional variables (or sometimes sentential variables) and can be written as p, q, r ... etc. Then there are ‘sentential operators’ (or functors or connectives) which are symbols to represent particles lik e and, or, not or if. If we tak e the symbol ⋀ to be a formal representation of the word and, we want to explain the validity of such principles as the passage from p ⋀ q to p. (This is not so trivial as it look s since if ⋀ were to represent or this inference would not be valid.) In classical propositional logic the propositional variables are assigned ‘truth values’ and p ⋀ q is defined to be true if p and q are both true but false otherwise. The validity of the inference of p from p ⋀ q is then automatic, in that the conclusion p can never be assigned the value false unless p ⋀ q is too; so that there is no case of the premiss p ⋀ q being true but the conclusion p being false. By contrast p ⋀ q cannot be validly inferred from p because we can have p true but p ⋀ q false. (This will be so if q is false.) Why is this different from the account of valid inference in terms of possible worlds? Well, suppose that p and q are the very same proposition. In this case the worlds in which p ⋀ q is true are just the same as the worlds in which p is true. So in this particular case p does entail p ⋀ q. But the inference is still not valid in the propositional calculus because we can re-interpret the letters p and q. The crucial difference is that validity in a system of logic strictly speak ing relates sentence forms or schemata, and a particular proposition may be an instance of many schemata. When p and q are the same proposition then p ⋀ q may be argued to have also the form p ⋀ p, and the trouble is that while the schematic form p ⋀ p does follow from p (in the sense that you can’t mak e p true without mak ing p ⋀ p true too) the schematic form p ⋀ q does not. Those who advocate analysing entailment as validity in a system of logic are aware of this problem. They would say that if p and q are the same proposition then their conjunction should be represented as p ⋀ p rather than as p ⋀ q. Only the former represents the true logical form of the proposition. However,
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even if we grant that, in some sense, there is a correct logical form for each sentence — and perhaps any semantic theory might be held to have to postulate such a level — there are still problems in tying the notion of entailment to a particular system of logic; because there are serious problems in defining what should count as the correct system of logic. An inference schema in the propositional calculus is valid iff there is no assignment of truth values to the variables which mak es the premisses true but the conclusion false. What this means is that the interpretation of the simple sentences is allowed to vary as much as we please. The interpretation of ⋀ (and the symbols which represent or, not or if) is however k ept constant. If other symbols are held constant, peculiar things can happen. Suppose that s is a simple sentence symbol. The analogy with ⋀ is as follows. If ⋀ is properly to represent and it must mak e p ⋀ q true when, but unly when, p and q are both true. Suppose then we want s to represent a sentence which is true but only contingently true, say (21) The Sahara is desert Since (21) is true, any truth-value assignment which reflects this must assign it the value true, and, since it is now a constant which is always assigned the value true, it is not hard to see that in this logic s logically follows from any sentence whatsoever. But that is to say that e. g. the inference from (22) Christmas is in December to (21) is a valid inference. What has gone wrong of course is that, since it is a contingent matter that the Sahara is desert, although the constant s is entitled to be given the value true in every interpretation, because the Sahara is desert, yet its truth is not necessary, and so does not logically follow from any arbitrary proposition. It may be that s is true in the actual world, but there will be other possible worlds in which it is false. It may be thought that no one would advocate such a silly logic. But in fact what has been advocated is that those inferences in natural language which do not fall out of some standard system of logic, say the firstorder predicate calculus, can be made valid by the addition of extra premises frequently called meaning postulates. George Lak off for instance investigates the possibility of a ‘natural logic’ to underlie natural language, and considers meaning postulates as one way of
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providing extra axioms. But if meaning postulates are to do their work then, for the same reason as in the case of (21), they must be not merely true but necessary, and we still need an analysis of what it is for a meaning postulate to be necessary. Systems of logic do not provide this, and semantic theories which do provide this, such as those based on possible worlds, render the meaning postulate approach otiose, since they are able to provide a direct account of entailment. The stock example of a meaning postulate in the literature is (23) ∀x (x is a bachelor → x is male) (23) is supposed to explain the validity of inferring (24) from (25): (24) Sebastian is male (25) Sebastian is a bachelor This is because (24) logically follows from the conjunction of (23) and (25) in first-order predicate logic. Unfortunately (23) can be paralleled by a case that is not quite so clear. Presumably it is a contingent truth that snow is white (except in Manchester). But consider what happens if we were to add as a meaning postulate (26) ∀x (x is snow → x is white) If the inference from (24) to (25) is made legitimate simply by the addition of (23) then (26) would seem to validate any inference from something’s being snow to that thing’s being white. But such an inference would not be logically valid since the whiteness of snow is merely contingent. George Lak off, in his article on natural logic (1972), compared meaning postulates with lexical decomposition and suggested that the latter is explanatory in the way in which the former is ad hoc. By decomposing bachelor into mal e and unmarried we can replace (23) as a premiss for deriving (24) by (27) Sebastian is unmarried and Sebastian is male Now (24) does indeed follow from (27) in classical propositional logic, but decomposition will only work if we have criteria for distinguishing between cases where it represents a necessary truth and cases where it is merely contingent. If we were to decompose snow into predicates which included white and frozen, in an attempt to shew the validity of the inference from (28) to (29), (28) This is snow (29) This is white
I. Allgemeine Grundlagen
then the resulting inference would indeed be valid but the decomposition would not be an accurate conceptual representation of snow. For, since it is merely contingent that snow is white, it is not legitimate to assume that whiteness is part of its meaning. One might think that meaning postulates, or lexical decomposition, could be reinstated if we chose to work in an intensional logic, say one of the modal logics, or the k ind of intensional logic that Richard Montague favoured. These logics can be given a possible worlds semantics and it is customary to define validity as truth in every possible world in every admissible interpretation. For inferences, we can say that the inference is valid, in the logic in question, iff the conclusion is true in every world in every interpretation in which the premisses are true. Meaning postulates are then required to be true in all worlds, and their role is to narrow down the class of admissible interpretations by imposing constraints on what various expressions can mean. For example, if (23) is adopted as a meaning postulate, it says that the set of worlds in which any given thing is a bachelor is a subset of the set of worlds in which that thing is male. The role of (23) is to tell us that the interpretation which best reflects English will be one in which (23) holds. In the absence of any more detailed description of the semantics of English it might perhaps be helpful to note that (23) at least is true. But it is not (23) which explains why bachelor entails mal e. bachel or entails mal e because of certain relations which hold between the sets of worlds which are assigned to various expressions in the interpretation which best reflects English. These same relations also mak e (23) true and therefore (23) accurately describes, in part, the meaning of bachel or, but does not explain why it has that meaning. The true explanation is that the word bachelor is so used in English that certain things in certain worlds count as bachelors and certain other things do not. It is sometimes said that logic is concerned with form rather than meaning. But, at least when val idity is in question, this is nonsense. E. g. in the classical propositional calculus, and any logic based upon it, we must interpret ⋀ in certain ways, and not in other ways. Similarly with →, and ∨ . These words are frequently called logical constants and are distinguished from the variables whose interpretations are not so constrained. Now possibly there is a sense in which some words are more
2. Basic Concepts of Semantics
‘logical’ than others, but even if there is, it is surely not a sense which should be important for natural language semantics. In natural language every word is a constant, or at least is so within the limits tolerated by vagueness and indeterminacy. This has the consequence that the only k ind of logical validity useful in semantics is that explained as truth in all worlds using a possible worlds semantical framework. This discussion has been addressing itself to those who accept a distinction between contingent and necessary truth. Those who agree with Quine’s view that there is no such distinction, and that the truths of logic represent no more than the last truths we would be willing to give up, will not be bothered by the foregoing argument that logic gives no analysis of necessity. So much the better for logic, they will say, and so much the worse for necessity. It is, though, important to be clear how much must be rejected if we want to tread this path. Not only must we give up the distinction between necessity and contingency, we must also give up such notions as synonymy and translation. Quine is willing to tread this path, and a significant number of philosophers have followed him. But it is a path which in the end leaves no room for any discipline of semantics. Perhaps the best reply to Quine is that no argument, however apparently persuasive, can be stronger than the fact that there is much a thing as meaning, that we can recognize synomymies and that we can and do translate from one language into another.
10. Bibliographical Appendix One of the best introductions to truth-conditional semantics in its possible worlds version is probably still Lewis (1970). Some of the points made in the present article are made at greater length in Cresswell (1978 c, 1978 d and 1982). The most elaborate formal work in this tradition has been done by those influenced by Richard Montague. Montague’s own work is collected in Montague (1974) and a book -length introduction is found in Dowty, Wall and Peters (1981) where fuller bibliographical details may be found. Dowty (1979) contains a number of interest-
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ing applications. A work not directly in the style of Montague Grammar is Cresswell (1973) though much of that has been superseded. Discussion of the connection between truth-conditional semantics and our linguistic k nowledge is found in various articles by Barbara Partee (1973 c, 1979 b and 1982). Partee has also edited a collection of articles on Montague Grammar (1976). An interesting discussion of the connection between a semantics for a language and the activity of speak ing that language is found in Lewis (1975 b). Linguists who advocated a base for semantics in formal logic include McCawley (1971 b) and Lak off (1972). Situation semantics is most fully set out in Barwise & Perry (1983). A great deal of their work is concerned with the analysis of context. Davidson’s approach to truth-conditional semantics is advocated in Davidson (1967 b) and supported in Wallace (1972). An introduction to this k ind of semantics is given in Platts (1979). Katz’ semantic views are set out in Katz (1972) and elsewhere. Theories of meaning in terms of language use have been discussed in Grice (1968), Schiffer (1972), Searle (1969) and by many other philosophers. Typically such discussions contain no formal semantic theories which could be applied to any fragment of a natural language. Fodor’s views on the connection between meanings and representation are found in Fodor (1975, 1981). Quine’s most celebrated rejection of the analytic/synthetic distinction (i. e. the distinction between truths of fact and truths of logic) is in Quine (1953 a). His doubts about translation are set out in Quine (1960).
11. Short Bibliography Barwise 1981 · Barwise/Perry 1980 · Barwise/Perry 1981 a · Barwise/Perry 1981 b · Barwise/Perry 1983 · Cresswell 1973 · Cresswell 1978 c · Cresswell 1978 d · Cresswell 1982 · Davidson 1967 b · Dowty 1979 · Fodor 1975 · Fodor 1981 · Grice 1968 · Katz 1972 · Lak off 1972 · Lewis 1970 · Lewis 1975 b · McCawley 1971 b · Montague 1974 · Partee 1973 c · Partee (ed.) 1976 · Partee 1979 b · Partee 1982 · Platts 1979 · Quine 1953 a · Quine 1960 · Schiffer 1972 · Searle 1969 · Wall/Peters/Dowty 1981 · Wallace 1972
M. J. Cresswell, Wellington (New Zealand)
I. Allgemeine Grundlagen
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3.
Bedeutung und Gebrauch
1.
Satzbedeutung, Äußerungsbedeutung und kommunikativer Sinn; verschiedene Aspekte von Bedeutung und von Gebrauch Struktur-Repräsentation versus Prozeß Methodische Eingrenzung der Domäne der Semantik Zweistufige Semantik Modularität des Sprachgebrauchs: Bedeutung und Interaktionssystem Modularität der Bedeutung: Semantik und konzeptuelles System Literatur (in Kurzform)
2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Satzbedeutung, Äußerungsbedeutung und kommunikativer Sinn; verschiedene Aspekte von Bedeutung und von Gebrauch
Für jeglichen Bedeutungsbegriff ist es zentral, daß mit sprachlichen Äußerungen Information über nichtsprachliche Sachverhalte vermittelt wird. Bedeutungen sind in Gebrauchssituationen fundiert und werden in Gebrauchssituationen ak tualisiert. Daher ist es unvermeidlich, daß der intuitive Bedeutungsbegriff immer auch Gebrauchsaspek te enthält (man denk e nur an einen Begriff wie ‘usuelle Bedeutung’) und der gesunde Menschenverstand geradezu nach einer ‘Gebrauchstheorie’ der Bedeutung schreit (siehe Abschnitt 5). Aber auch in der logischen Semantik , die nach allgemeiner Auffassung den restri k tivsten oder am weitesten abstrahierten Bedeutungsbegriff entwick elt hat, spielen Gebrauchsaspek te eine wesentliche Rolle, und zwar in der von ihr herangezogenen Referenztheorie. Die Frage ist also nicht so sehr, ob Bedeutung und Gebrauch etwas miteinander zu tun haben, sondern wie die Grenzen gezogen werden und ob sich daraus ein fruchtbares Verständnis grundlegender Probleme ergibt. In einer mehr mentalistischen Perspek tive wird man ‘Bedeutung’ wahrscheinlich enger abgrenzen als z. B. in einer behavioristischen oder interaktionistischen Perspektive. Eine der weitestmöglichen ‘Bedeutungsdefinitionen’ ist von Bloomfield (1933) überliefert. Dazu betrachte man die in (1) wiedergegebene Geschichte, die aus den beiden prak tischen Situationen A und C sowie dem eingeschobenen Sprechereignis B besteht (zur Differenz gegenüber der Originalversion vgl. Wunderlich 1979).
(1) (A) Jack und Jill kommen vor die verschlossene Haustür. (B) Jill sagt: „Der Schlüssel liegt unter der Matte.“ (C) Jack bückt sich, holt den Schlüssel hervor und schließt die Haustür auf. Es ist offensichtlich so, daß es Jill mit ihrer Äußerung gelingt, die Situation A in die Situation C zu überführen: dadurch, daß die Äußerung in B relativ zur Situation A interpretiert wird, k ann der Folgezustand C erreicht werden. Für einen Behavioristen (wie es Bloomfield in manchen seiner Analysen war) besteht die Bedeutung eines sprachlichen Ausdruck s aus einem Paar von prak tischen Situationen: derjenigen, in der die Sprecherin einen Ausdruck äußert, und derjenigen, in der im Hörer eine Reak tion hervorgerufen wird (bzw. der Hörer eine Reak tion zeigt); k urz: in dem Paar von stimul us und response. Diese Abfolge der Situationen wäre bei normalem Verlauf der Ereignisse, also ohne die Äußerung nicht erfolgt; insofern ist es berechtigt, hier von einer nicht-natürlichen Bedeutung zu sprechen. (Interessanterweise ist auch der Intentionalist Grice zum Teil ein Behaviorist; vgl. dazu die Analyse in Grice (1957): Ein Sprecher S meint mit x etwas in einer nichtnatürlichen Weise genau dann, wenn S mit der Äußerung von x beabsichtigt, beim Hörer H einen Effek t zu produzieren dadurch, daß H die Absicht von S bemerkt.) Der eben genannte Bedeutungsbegriff bezieht sich auf den Gebrauch sprachlicher Ausdrück e in einer ak tualen Situation. Er ist k omplex, andererseits undifferenziert und allzusehr von spezifischen Parametern der Situation abhängig; z. B. hätte Jill noch vieles andere äußern k önnen, um Jack zu derselben Reak tion zu bewegen; und Jack hätte bei derselben Äußerung noch vieles andere tun k önnen; und bei einer anderen Gelegenheit als A hätte Jills Äußerung B auch andere Effek te als die in C gehabt. Aufgabe des Linguisten ist es, den Bedeutungsbegriff differenzierter zu analysieren (die verschiedenen Anteile, die in Jack s Reak tion eingehen, systematisch voneinander abzugrenzen), zugleich aber auch allgemeiner: nämlich sich von der spezifischen Art der Reak tion zu lösen. Die Entwick lung der Semantik theorie ist von dem Versuch geprägt, von den möglichen Effekten einer Äußerung immer weiter auf die sprachliche Grundlage dieser Effekte zurückzuschließen.
3. Bedeutung und Gebrauch
Zunächst k ann man erk ennen, daß Jills Äußerung für Jack eine Aufforderung war: dies ist der k ommunik ative Sinn, den Jack der Äußerung entnommen hat. In der gegebenen Situation A hat Jills Äußerung zunächst aber nur bedeutet, daß der Schlüssel zu der Haustür, vor der sie stehen, unter der Matte liegt, die sich bei dieser Haustür befindet: dies ist die im Kontext der Situation A vermittelte Information bzw. Äußerungsbedeutung. Und schließlich k ann diese Information nur deswegen vermittelt werden, weil der geäußerte Satz eine bestimmte Bedeutung hat (die durch die Situation A nur spezifiziert wurde). Grob gesagt, k ann man jeder Insk ription (einem ak ustischen oder graphischen ‘Vork ommen’) der Ausdruck sk ette der Schl üssel l iegt unter der Matte aufgrund des grammatischen Systems des Deutschen ein und dieselbe Satzbedeutung zugrundelegen. Sie erlaubt es, in jedem einschlägigen Kontext (z. B. so wie in A, wo Sprecherin und Hörer vor einer Haustür stehen) der Insk ription eine Ä ußerungsbedeutung zuzuschreiben. Und diese erlaubt es, zu jeder dabei denk baren Interak tionsgelegenheit (z. B. wo der Hörer Kavalier ist, der seine Freundin nach Hause begleitet) der Insk ription einen kommunikativen Sinn zu geben. (Zu einer ausführlicheren Disk ussion dieser Begriffe siehe Bierwisch 1980, ebenfalls Wunderlich 1976 mit etwas anderer Terminologie.) Die Satzbedeutung ergibt sich natürlich gemäß dem syntak tischen Aufbau des Satzes aus verschiedenen Wortbedeutungen. Die Äußerungsbedeutung wird manchmal auch als die wörtliche Bedeutung der Äußerung angesprochen (vgl. aber die etwas weitergehende Differenzierung in Bierwisch 1979, wonach es in der Äußerungsbedeutung wörtliche und nicht-wörtliche Aspekte gibt). Der hiermit angedeutete begriffliche Rahmen läßt sich z. B. durch das folgende Struk turschema aus Lang (1983) zusammenfassen (vgl. Abb. 3.1). Als erstes ist zu bemerk en, daß man das, was man jeder Insk ription einer Ausdruck sk ette zuschreiben k ann, dieser Ausdruck sk ette selbst zuschreiben k ann; man darf also von der Tatsache der Äußerung bzw. Insk ription überhaupt abstrahieren. Die Satzbedeutung ist neutral in Bezug darauf, ob ein ak ustischer oder visueller Stimulus vorliegt, ob er produziert oder wahrgenommen wird, ob er in dieser oder jener Weise verarbeitet wird. Alles dies sind leicht abgrenzbare Gebrauchsaspek te, mit denen sich die Semantik sicher
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Abb. 3.1: Faktoren des Sprechaktes (aus: Lang 1983)
nicht befassen muß. Insk riptionen werden erst relevant in Äußerungssituationen; aber auch dort sind die eben genannten Aspek te eher zweitrangig. Die abstrak te Satzbedeutung repräsentiert Identifizierungsbedingungen für einen Sachverhalt. Die Äußerungsbedeutung liefert dann eine Spezifizierung dieser Bedingungen an einem Kontext. Es k ann nun Kontexte geben, wo die Satzbedeutung nicht anwendbar ist, es somit auch k eine Äußerungsbedeutung gibt (in unserem Beispiel, wenn der Kontext nichts enthält, was auf das Vorhandensein eines Schlüssels oder einer Matte schließen läßt). Äußerungsbedeutungen sind also nicht etwas, das man willk ürlich zu einer Äußerung hinzufügen k ann; vielmehr muß man die Satzbedeutung als das Potential (die Funk tion) verstehen, die für einen Kontext eine Äußerungsbedeutung festlegt (möglicherweise aber auch keine). Der Begriff des Kontextes erfaßt hier primär Äußerungs- oder Situations k ontexte. Man k ann sich darunter aber auch sprachliche Kontexte vorstellen, deren Selek tionswirk ung auf die Äußerungsbedeutung oft ganz dieselbe ist wie die eines Situationsk ontextes. Daher ist es berechtigt, im Prinzip ganz undifferenziert von ‘Kontext’ zu sprechen. Auch Äußerungsbedeutungen lassen sich als Potential für einen möglichen k ommunik ativen Sinn betrachten: man k ann mit einer
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bestimmten Äußerungsbedeutung nicht Beliebiges meinen wollen; das, was man mit ihr meinen will, muß im Rahmen des Interak tionszusammenhangs irgendwie naheliegend und relevant sein. Jedoch ist die Systematik des Zusammenhangs von Äußerungsbedeutung und k ommunik ativem Sinn eine ganz andere (und weit k omplexere) als die des Zusammenhangs von Satz- und Äußerungsbedeutung; und die Variation dessen, was man mit einer Äußerungsbedeutung alles meinen kann, ist beträchtlich. Die Frage, an welcher Stelle eine sinnvolle Grenze zwischen Bedeutung und Gebrauch zu ziehen ist, ist schon nach dem bisher Gesagten nicht trivial; und sie wird eher noch problematischer, je mehr man in das Thema eintaucht. Die Mehrheit der Linguisten wird wahrscheinlich ganz grob der Auffassung zuneigen, daß Äußerungsbedeutungen im wesentlichen in die Domäne der Semantik (also der Bedeutungstheorie) fallen, der k ommunik ative Sinn in die Domäne der Pragmatik (der Gebrauchstheorie, unter einer Lesart von ‘Gebrauch’). Vergleicht man Sätze wie in (2) unter der k ontextuellen Voraussetzung, daß es genau einen Schlüssel und genau eine Matte gibt, so erk ennt man, daß sie alle etwas gemeinsam haben. Es geht um eine räumliche Relation zwischen diesen beiden Gegenständen bzw. um eine räumliche Lok alisierungseigenschaft des Schlüssels, k urz: um den Sachverhalt, daß der Schlüssel unter der Matte liegt. Dieser Sachverhalt k ann bestehen oder nicht. Aber ob er besteht, gehört weder zu der Satzbedeutung noch zu der Äußerungsbedeutung. (2) a. Der Schlüssel liegt unter der Matte. b. Der Schlüssel lag unter der Matte. c. Ob wohl der Schlüssel unter der Matte liegt? d. Der Schlüssel soll aber unter der Matte liegen! In Bezug auf den ausgedrück ten Sachverhalt gibt es für die Äußerungsbedeutung genau zwei Fälle: je nach der tatsächlichen Beschaffenheit der Welt gibt es den Sachverhalt in ihr oder nicht (wobei u. U. ein sehr k leiner Weltausschnitt, hier z. B. die Situation vor der Haustür genügt). In etwas anderer Formulierung: die mit der Äußerungsbedeutung gegebene Proposition (bzw. auch Information) ist entweder wahr oder falsch. Entsprechendes gilt allgemein für die Satzbedeutung in Bezug auf jeden der möglichen Kontexte. Der Satz gibt durch seine Bedeutung also Wahrheits-
I. Allgemeine Grundlagen
bedingungen (nicht Wahrheitswerte) vor — Wahrheitsbedingungen sind eine mögliche Fassung von Identifizierungsbedingungen. Dieser Effek t wird durch die Bedeutungen der Wörter und die syntak tische Konstruk tion des Satzes erreicht. Eine darauf aufbauende Bedeutungstheorie heißt Wahrheitsbedingungen-Semantik. (Die meisten Autoren des vorliegenden Handbuchs sind ihr in der einen oder anderen Variante verpflichtet.) Die Bedeutung der Sätze unter (2) ist durch die Proposition, daß der (jeweilige) Schlüssel unter der (jeweiligen) Matte liegt, noch nicht erschöpft. Die Proposition k ann auf verschiedene Zeiten bezogen, sie k ann behauptet, ihr Wahr-sein als fraglich oder wünschenswert hingestellt werden. In einem engsten Sinn von ‘Gebrauch’ macht der potentielle Sprecher der Sätze unter (2) einen (allerdings grammatisch indizierten) verschiedenen Gebrauch der Proposition. Bei dieser Lesart von ‘Gebrauch’ stellen Tempus und Modus bereits Gebrauchsaspek te dar. Diese Lesart soll hier aber nicht weiter verfolgt werden. Auch im Rahmen einer Wahrheitsbedingungen-Semantik k ann man sehr wohl formulieren, worin der Bedeutungsunterschied von (2a) und (2b) liegt, der von (2a) und (2c) usw. Dies setzt allerdings voraus, daß man den Anteil des Tempus, des Wortes ob und der Modalverben an den Wahrheitsbedingungen (oder allgemeiner: an den Erfüllungsbedingungen — siehe Abschnitt 5) spezifizieren kann. Noch in einem anderen Sinn ist die Bedeutung eines Satzes wie (2a) durch die Angabe von Wahrheitsbedingungen der üblichen Art nicht erschöpft. Man muß diesen Satz nämlich überhaupt nicht singulär-spezifisch (auf einen bestimmten Sachverhalt hin) bzw. referentiell (nämlich auf einen bestimmten Schlüssel hin) verstehen. Man k ann ihn auch generisch verstehen in dem Sinne, daß es eben allgemein für (Haustür-) Schlüssel gilt, daß sie unter einer Matte liegen. Für einen Satz wie (3a) wäre die generische Lesart wohl die präferierte, für einen Satz wie (3b) k önnte man sich auf eine Typ-Lesart einigen, für (3c) dürfte beides problematisch sein. (3) a. Der Schlüssel dient zum Türöffnen. b. Der Schlüssel wurde von den Römern erfunden. c. Der Schlüssel öffnet den Weg zum Herzen. In diesen Fällen fallen Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung oft zusammen (wie natürlich auch in allen k ontextunabhängigen
3. Bedeutung und Gebrauch
Aussagen, z. B. Definitionen). Möglicherweise wird man sagen müssen, daß die Wahrheitsbedingungen der üblichen Art einen Effek t der Satzbedeutung darstellen für den Fall, daß der Satz spezifisch (bzw. referentiell) verstanden wird; es gibt aber noch andere mögliche Modi des Bezugs von Sätzen auf die Welt (wie den generischen oder fik tionalen Modus) — deshalb wurde oben allgemeiner von Identifizierungsbedingungen gesprochen. In diesem Abschnitt wurden bereits mehrere Varianten des Begriffs ‘Gebrauch’ angedeutet. In den folgenden Abschnitten sollen einige davon etwas systematischer dargestellt werden. Im Abschnitt 2 wird ‘Gebrauch’ als prozeduraler (psycholinguistischer) Aspe k t verstanden. Abschnitt 3 ist systematisch-rek onstruk tiv (damit gleichzeitig zum Teil auch historisch-rek onstruk tiv) angelegt; es geht um die Abgrenzung dessen, was in die Domäne der Semantik vor jeder Theorie des Gebrauchs zu fallen hat. Im Abschnitt 4 wird näher ausgeführt, daß sich die Wahrheitsbedingungen-Semantik auf eine Referenztheorie stützt, die ihrerseits bereits einen Gebrauchsaspek t darstellt. Im Abschnitt 5 wird ‘Gebrauch’ auf Interak tionshandlungen bezogen (vielleicht die naheliegendste Auffassung von ‘Gebrauch’). Im Abschnitt 6 wird die Unterscheidung von Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung in einer anderen Form wieder aufgegriffen, und zwar unter dem Gesichtspunk t, welche Bedeutungsaspek te von der Sprache her und welche vom begrifflichen System her vorgegeben sind. Üblicherweise wird es als Aufgabe der Pragmatik verstanden, eine Theorie des Sprachgebrauchs zu entwick eln (vgl. Morris 1938). Da es verschiedene Gebrauchsaspek te gibt (prozedurale, referentielle, k onzeptuelle und interak tionale), ist von vornherein k eine homogene Domäne der Pragmatik zu erwarten. Dies wird auch deutlich von Levinson (1983) hervorgehoben, der mindestens folgende Varianten von Pragmatik unterscheidet: (P1) Pragmatik = Bedeutungstheorie minus Semantik (P2) Pragmatik = Theorie der kontextabhängigen Bedeutung sprachlicher Formen (P3) Pragmatik = Theorie der kontextspezifischen Inferenzen aus sprachlichen Formen (P4) Pragmatik = Theorie der Angemessenheitsbedingungen für Äußerungen
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(P5) Pragmatik = Theorie der Sprechakte (P6) Pragmatik = Theorie der Diskursstruktur (P1) umfaßt eigentlich alle anderen Varianten, aber ist in Form der negativen Abgrenzung eine letztlich uninteressante Fassung des Gegenstandsbereiches. Die übrigen Versionen beziehen sich auf verschiedene, aber doch zum Teil eng zusammenhängende und ineinander übergehende Aspek te. Deren jeweilige Rolle wird in den Abschnitten 4 und 5 deutlicher werden.
2.
Struktur-Repräsentation versus Prozeß
Unter psychologischem Gesichtspunk t stehen Bedeutungen einer sprachk ompetenten Person zur Verfügung, wenn sie über abrufbare mentale Repräsentationen der Bedeutungen verfügt, die sie dann prozedural (in der Produ k tion oder Wahrnehmung sprachlicher Äußerungen) einsetzen k ann. Wenn Linguisten von semantischer Kompetenz sprechen, so haben sie im allgemeinen den Aufbau von Bedeutungsrepräsentationen im Auge und nicht deren prozedurale Verwendung; sie betrachten Repräsentationen als neutral gegenüber dem prozeduralen Aspek t. Dies schließt allerdings nicht aus, daß sie psychologische Experimente berück sichtigen, sofern daraus etwas über Prinzipien beim Aufbau von Repräsentationen hervorgeht. Die Aufgabe einer Semantik theorie ist es, die systematische Zuordnung von sprachlichen Ausdrück en und Bedeutungen zu explizieren. Dazu wählt sie sich ihrerseits eine Repräsentations’sprache’ für Bedeutungen, mit der die struk turellen und z. T. auch funk tionalen Aspek te mentaler Bedeutungsrepräsentationen erfaßt werden, aber natürlich nicht deren physische Natur. (Dies steht, jedenfalls gegenwärtig, außerhalb der Reichweite jeder k ognitiv orientierten Wissenschaft.) Sofern die Semantik theorie relevante semantische Urteile (über Bedeutungsähnlichk eiten und -differenzen, semantische Beziehungen, Ambiguitäten, Anomalien, Implik ationen usw.) zu rek onstruieren vermag, k ann man ihren grundsätzlichen Realitätsgehalt (in Bezug auf semantische Kompetenz und damit auch mentale Verfügbark eit) nicht abstreiten. Im übrigen k önnen die Forschungen im Bereich der Psycholinguistik und der Künstlichen Intelligenz auch dazu dienen, mögliche Irrtümer des Linguisten zu korrigieren.
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In Erledigung ihrer Aufgaben macht die Semantik weitgehenden Gebrauch von Einsichten der Logik . Die Logik , als eine philosophische Disziplin, befaßt sich mit der Frage, inwiefern Bewußtseinsinhalte (Gedan k en, Ideen) Tatsachen und Sachverhalte der Welt darstellen; es geht ihr um das objek tive und nicht das subjek tive Bewußtsein. Da nun sprachliche Äußerungen dazu dienen, Bewußtseinsinhalte zu vermitteln, k ann man Bedeutungen (jedenfalls weitgehend) mit den Bewußtseinsinhalten identifizieren, die Gegenstand der Logik sind. Objek tives Bewußtsein ist in einer bestimmten Art von Metaphysik bzw. Ontologie verank ert, also grundsätzlichen Annahmen darüber, wie man Erk enntnisse über die Welt haben k ann. Zentral dafür (für die Logik und somit auch die Semantik ) ist der Begriff des Prädikats: Prädik ate dienen dazu, Individuen oder geordnete Paare (Tripel usw.) von Individuen, evtl. auch Eigenschaften oder Paare von Individuen und Eigenschaften, schließlich auch Situationen bis hin zu Weltzuständen zu sortieren. Daraus ergibt sich der jeweilige Aufbau der Logik . Das, was jeweils sortiert wird, k ann durch eine Variable repräsentiert werden, die über dem betreffenden Bereich rangiert. Jede Art von Sortierung stellt eine Ja/ Nein-Entscheidung dar (etwas fällt unter das Prädik at oder nicht) und somit auch eine (potentielle) Information. Es ist natürlich k lar, daß jemand, der die Sortierung beansprucht oder tatsächlich durchführt, über begriffliche Schemata oder Kriterien verfügen muß. Die Prädik ate einer Sprache müssen also k onzeptuell (perzeptiv, motorisch usw.) fundiert sein, damit die Information über ‘die Welt’ zum Tragen kommen kann. Eine semantische Standardrepräsentation für Bedeutungen ist, k onsequent in der angedeuteten philosophischen Verwandtschaft, ein Ausdruck der Prädik atenlogik oder einer passenden Erweiterung von ihr (z. B. in der Sprache des Lambda-Kalk üls, der Typenlogik oder der intensionalen Logik ), die gewisse Konstanten (als Träger der spezifischen Bedeutung) und Variablen (als Träger der synk ategorematischen oder k ontextabhängigen Eigenschaften des betreffenden Ausdruck s) enthält, möglicherweise auch Operatoren über den Variablen (wobei Lambda-Abstrak toren eine mögliche Form von Operatoren zur Repräsentatation fun k tionaler Zusammenhänge darstellen; daneben spielen Quantoren, modale Operatoren, der Definitheitsoperator usw. eine Rolle).
I. Allgemeine Grundlagen
Neben den logischen Repräsentationen gibt es Vorschläge für Bedeutungsrepräsentationen in einer weniger standardisierten Weise, meistens in der Form, daß gewisse Begriffselemente als semantische Merk male gewählt werden (innerhalb der verschiedenen Richtungen der struk turellen Semantik , eingeschlossen die Theorien von Katz, z. B. Katz & Fodor 1963 bis hin zu Katz 1972), neuerdings auch in der Form einer durch k onzeptuelle Struk turen fundierten Repräsentationssprache (wie bei Jack endoff 1983). Letztlich ist es aber wohl angemessen, auch bei diesen Autoren eine Präzisierungsmöglich k eit in Ausdrück en der (geeignet erweiterten) Prädikatenlogik zu unterstellen. Mit dem Rek urs auf die Prädik atenlogik wird die Verpflichtung zu einer realistischen Deutung eingegangen, d. h. die Prädik ate sollen Mengen einer bestimmten Sorte in der Realität repräsentieren und die Variablenbelegung soll jeweils reale Elemente dieser Sorten herausgreifen (Individuen, Eigenschaften, Sachverhalte usw.). — Diese realistische Sicht wird typischerweise durch ein Modell rek onstruiert (das aus einem Redeuniversum U — die jeweiligen Individuen enthaltend — und den möglichen Belegungen bezüglich U besteht), anhand dessen sich dann überprüfen läßt, ob die Wahrheitsbedingungen der Ausdrück e und die Relationen zwischen den Ausdrück en, wie z. B. die Implik ation, erfüllt sind. Bei der expliziten Ausformulierung solcher Modelle spricht man von modelltheoretischer Semantik. (Dabei bleibt offen, ob die Elemente von U real, z. B. durch Wahrnehmung, oder nominal, z. B. durch den Gesprächsk ontext, zur Verfügung stehen. Erfolgreich referieren k ann ein Sprecher nur im realen Kontext — vgl. dazu die Unterscheidung von attributivem und referentiellen Gebrauch in Abschnitt 4). Die Konstanten der semantischen Repräsentation (also vorwiegend Prädik atsk onstanten) müssen einem geeigneten Inventar entnommen werden, ebenfalls die möglichen Variablensorten. Man k ann hier relativ zu einer Sprache z. B. ziemlich arbiträre Konstanten annehmen, die (im Sinne der struk turellen Semanti k ) gewisse Klassifi k ationsaufgaben erfüllen. Man k ann auch Konstanten suchen, die sich in vernünftiger Weise k onzeptuell begründen lassen, d. h. auf allgemeine menschliche Wahrnehmungs- und Kognitionsleistungen beziehbar sind. Letztlich wird man aber Konstanten annehmen wollen, die sprachuniversell sind: k onzeptuell begründbar, aber
3. Bedeutung und Gebrauch
auch generell in den Sprachen verwendet werden, z. B. BELEBT, PERSON, TEIL-VON, VERTIKAL, DISTANZ, MOVE. Ein interessantes Beispiel ist das Prädik at CAUSE, das k onzeptuell als Ursache-Relation zwischen zwei Ereignissen zu verstehen ist, sprachuniversell aber eher als Relation zwischen einem Agens (als Instantiator des verursachenden Ereignisses) und einem Ereignis-Sachverhalt. Eine derartige Relation wird jedenfalls allgemein von Kausativ k onstru k tionen, quer durch alle bek annten Sprachen, ausgedrück t. Die hierbei zugrundeliegende Annahme ist, daß Form und Inhalt semantischer Repräsentationen universalgrammatisch bedingt sind (’Universalgrammatik ’ im Sinne der gattungsspezifischen genetischen Anlage). Jemand, der Ausdrück e einer ihm bek annten Sprache hört, reagiert darauf in spezifischer Weise, wobei den äußeren Reak tionen zunächst notwendigerweise mentale Reak tionen vorhergehen: er ‘versteht’ diese Ausdrück e. Man k ann annehmen, daß der Hörer k raft der sprachlichen Ausdrück e in die Lage versetzt wird, sich ein ‘Bild’ der betreffenden Sachlage zu machen; er ‘lernt’, was nach Ansicht des Äußerers der Fall ist, der Fall sein soll oder als Fall fraglich ist. Der Hörer wird also durch ‘Dek odierung’ der sprachlichen Äußerung in die Lage versetzt, sich ein eigenes ‘Modell’ der Realität aufzubauen. Bei dieser Verstehensleistung benutzt der Hörer die sprachliche Bedeutung in gewisser Weise prozedural. Er faßt sie als Anweisung auf, sein Modell so oder so einzurichten. Betrachten wir eine mögliche Äußerung der Nominalphrase in (4a) und deren vereinfachte Repräsentation in Form von (4b). (4) a. ein kleines Café gegenüber dem Bahnhof b. LOC(x, GEGENÜBER (Dy (BAHNHOFy))) & CAFÉx & KLEINx Für den Hörer ergibt sich dabei folgende Identifizierungsaufgabe: (a) ‘finde’ den Bahnhof (d. h. dasjenige y in der relevanten Situation, auf das das Prädik at BAHNHOF zutrifft); (b) ‘finde’ die GEGENÜBER-Nachbarschaftsregion zu diesem Bahnhof; (c) lok alisiere innerhalb dieser Region etwas, auf das sowohl das Prädik at CAFÉ wie auch das Prädik at KLEIN (z. B. in Bezug auf gastronomische Räumlich k eiten) zutrifft. Diese Aufgabe des Hörers ist offensichtlich aus einer Repräsentation wie in (4b) ableitbar, die nämlich die Identifizierungsbedingungen und
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deren Komposition umfaßt. Der Hörer setzt somit die prädik atenlogische Struk tur in eine Serie von Prozeduren um. — In diesem Sinne enthält auch schon der Definitheitsoperator D eine Anweisung an den Hörer: versuche, das betreffende Individuum in der von dir repräsentierten Situation (die den sprachlichen und nichtsprachlichen Kontext berück sichtigt) zu verank ern — eine Sichtweise, die z. B. im Rahmen der Situationssemantik und der Disk ursrepräsentationstheorie eine Rolle spielt. — Auch die Prädik atsk onstanten lassen sich prozedural interpretieren. BAHNHOF ist zunächst nichts anderes als die unanalysierte Abk ürzung für eine k omplexe Begriffsk onfiguration. Wenn man für BAHNHOF eine geeignete k omplexe Repräsentation in Ausdrück en primitiverer Prädik ate sucht, k ann man sich insbesondere fragen, welche Identifizierungsleistungen jemand erbringen muß, um ein Objekt als Bahnhof zu erkennen. Unter dem Aspek t des Sprachgebrauchs ergeben sich aus semantischen Repräsentationen Verstehensanweisungen an den Hörer. In psychologischen Bedeutungstheorien (z. B. Johnson-Laird 1982, vgl. auch die Kontroverse Johnson-Laird 1977, 1978 und Fodor 1978 b) wird dieser prozedurale Aspek t manchmal als der wesentliche oder primäre genommen. Falls man diesen Aspek t in geeigneter Weise standardisiert, sollte sich aber erweisen, daß er zu Resultaten führt, die mit der prädik atenlogischen Repräsentation äquivalent sind. Unter der oben angeführten universalgrammatischen Perspek tive gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied zwischen semantischen Repräsentationen und semantischen Prozeduren. Semantische Prozeduren unterliegen generellen k ognitiven Strategien der Informationsverarbeitung, die nicht auf sprachliche Informationen beschränk t sind. Falls sich herausstellen sollte, daß es genetische Prädispositionen für die Struk tur sprachlicher Prädik ate gibt, so wäre damit eine Ebene der semantischen Repräsentation definiert, die der k onzeptuellen Verarbeitung solcher Repräsentationen vorgelagert ist (siehe Abschnitt 6).
3.
Methodische Eingrenzung der Domäne der Semantik
Die traditionelle grammatische Begriffsbildung geht von der Parallelität (wenn nicht sogar Identität) formaler (morphologischsyntak tischer) Kategorien und inhaltlicher
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Aspek te, also letztlich ontologischer Kategorien, aus. Dies wird deutlich an Bezeichnungen wie Eigenschaftswort (Wörter, die Eigenschaften denotieren) oder Tempus (morphologische Kategorien, die die Einordnung in die Zeit ausdrück en). (Noch bei Jack endoff (1983) findet sich eine derartige, nur etwas subtilere, Parallelität, z. B. zwischen den verschiedenen Fragewörtern und den angenommenen ontologischen Sorten.) Bei der Entwick lung morphologisch-syntak tischer Theorien k onnte der inhaltliche Aspek t aber mit guten Gründen ausgek lammert werden (was letztlich zur These der Autonomie von Syntax und Morphologie führte). Ebenso ist der traditionelle Bedeutungsbegriff zunächst ungeteilt, er umfaßt alle möglichen inhaltlichen Aspek te (Bedeutung und Gebrauch sind parallel oder sogar identisch). Erst bei der Entwick lung einer theoretisch orientierten Semantik ergab sich die Notwendigk eit, die inhaltlichen Aspek te differenzierter zu betrachten. Semantische Theorien werden in der Regel mit dem formalen Apparat der Prädik atenlogik (oder einer passenden Erweiterung von ihr) formuliert. Da für diese das Konzept der Bewertung relativ zu einem Modell zentral ist, muß in einem solchen Rahmen Bedeutung letztlich in Form von Wahrheitsbedingungen rek onstruiert werden k önnen. Ein Ausdruck soll aber nicht mal diese, mal jene Bedeutung aufweisen, sondern in stabiler, d. h. k ontextinvarianter Weise immer dieselbe Bedeutung haben. Daraus ergab sich ein recht prak tik ables Kriterium für die Abgrenzung derjenigen inhaltlichen Aspek te, die innerhalb der Semantiktheorie zu behandeln sind: (S1) Semantisch an der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist der kontextinvariante Anteil dieses Ausdrucks an Wahrheitsbedingungen. Alle übrigen Bedeutungsaspek te des Ausdruck s wurden recht undifferenziert ‘pragmatisch’ genannt. Sie haben im weitesten Sinne mit der Verwendung des Ausdruck s zu tun, mit raumzeitlichen Eigenschaften des Kontextes, mit möglichen Sprecherannahmen, mit der Etablierung von Interak tionsbeziehungen usw. Die Bedeutung lexik alischer Einheiten reduziert sich dabei weitgehend auf eine (meist nicht weiter interessierende) Konstante eines speziellen semantischen Typs; für das wahrheitsk onditionale Verhalten des Ausdruck s ist
I. Allgemeine Grundlagen
im wesentlichen der semantische Typ einschlägig. Für eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Lexik oneinheiten ließ sich in diesem Rahmen überhaupt k eine Bedeutung rek onstruieren, dazu gehören insbesondere Gradpartik eln (wie schon, noch, nur) und Modalpartikeln (wie denn, doch, aber). Schon die Untersuchung indexikalischer (bzw. deiktischer) Ausdrücke (wie ich, hier, jetzt, das Tempus usw.) muß in wesentlicher Weise auf den Kontext einer Sprechsituation Bezug nehmen (vgl. Bar-Hillel 1954). Darum hat Montague ganz folgerichtig die erste formale Theorie indexi k alischer Ausdrüc k e „Pragmatik “ genannt (Montague 1968). Es stellte sich jedoch heraus, daß der Aufbau dieser Theorie im Prinzip von denselben formalen Mitteln Gebrauch macht wie die Theorie der k ontextinvarianten Bedeutung, also letztlich auch Wahrheitsbedingungen (relativ zu Bewertungen an einem Kontext und in einem Modell) formuliert. Somit schien es vernünftig, die Domäne semantischer Untersuchungen etwas weiter abzustecken. (S2) Semantisch an der Bedeutung eines Ausdrucks ist der Anteil, der sich modelltheoretisch rekonstruieren läßt. (S2) formuliert die inzwischen wohl am weitesten verbreitete Auffassung unter Semantik ern. Mit dieser Auffassung k onnte man nun daran gehen, den Topf „Pragmatik “ wieder zu leeren. Auf diese Weise gelang es, viele zunächst rätselhafte Aspek te der Bedeutung im Rahmen semantischer Theorien zu explizieren: z. B. die Tatsache, daß viele Ausdrück e nur dann verwendbar sind, wenn gewisse Präsuppositionen erfüllt sind (Peters 1979), oder die Tatsache, daß die Modalwörter je nach beanspruchtem Redehintergrund variable Bedeutung haben (Kratzer 1978), oder die Vagheit von Ausdrück en als Präzisierungsmöglichk eit relativ zu bestimmten Kontextdimensionen (Pinkal 1985). Diese Entwick lungen haben zum Ergebnis, daß sich ein Aspek t des Gebrauchs von Ausdrüc k en bereits semantisch repräsentieren läßt. Zentral dafür ist die Entwicklung eines formalen Kontextbegriffs. Ein Kontext enthält z. B. (a) eine Menge ausgezeichneter Individuen (wie Sprecher, Sprechzeit, Sprechort, verschiedene gestisch oder deik tisch k ennzeichenbare Objek te; möglicherweise auch Objek te, auf die sich anaphorisch beziehen läßt), (b) eine struk turierte Menge von Propositionen (die als Präsupposition, Redehintergrund o. ä. infragek ommen) und (c) eine Menge von
3. Bedeutung und Gebrauch
Prädik aten, die als Präzisierungsdimensionen verwendbar sind. (Siehe Artikel 9) Eng verbunden mit dem Begriff der Kontextabhängigk eit ist der Begriff der Kontextveränderung. Ein Ausdruck ist k ontextabhängig, wenn er sich nur relativ zu bestimmten Kontextparametern bewerten läßt. Diese Kontextparameter sind selbst jedoch nicht einfach invariant gegeben, sondern unterliegen der Veränderung durch vorhergehende Äußerungen. Wir ‘lernen’ aus einer Äußerung, was der Fall ist. Dieser Fall stellt somit für folgende Äußerungen einen passenden Kontext dar. Die durch einen Ausdruck erreichbare Kontextveränderung ist also nichts zur Bedeutung dieses Ausdruck s Zusätzliches, sondern eine Funk tion dessen Bedeutung (und zwar muß z. B. die ausgedrück te Proposition mit dem vorhandenen Kontext passend vereinigt werden, neu eingeführte Individuen müssen dem vorhandenen Redeuniversum passend hinzugefügt werden). (Siehe Artikel 10) Die Festlegung (S2) ist u. U. zu weit. Man k ann auch offensichtliche Gebrauchsaspek te der Sprache im Rahmen einer Logik sprache explizieren und dann eine modelltheoretische Bewertung vorsehen. Ein typisches Beispiel ist die Fragetheorie von Aqvist (1965) im Rahmen einer deontisch-epistemischen Logik . An dieser Theorie läßt sich gleich zweierlei zeigen: (a) man k ann natürlich auch sprachlich unbestimmt gelassene Aspek te der Referenz modelltheoretisch spezifizieren; (b) ebenso k ann man sprachlich unbestimmt gelassene Aspek te eines Sprechak tes, hier die Gelingensbedingungen für Fragen, im Prinzip auch modelltheoretisch spezifizieren. Aber daraus muß nicht folgen, daß diese Aspek te zum Gegenstand der Semantik theorie (statt Pragmatiktheorie) gehören. Aqvist analysiert die Bedeutung eines Fragesatzes wie in (5a), wenn er als Informationsfrage verwendet wird, in Form von (5b) (falls „wer alles“ gemeint ist) oder (5c) (falls „wer genau ist derjenige, der“ gemeint ist). Wenn der Fragesatz als Prüfungsfrage, didak tische oder rhetorische Frage verwendet wird, muß er jeweils andere ‘Bedeutungen’ haben. Hier wird einmal eine Spezifizierung des Bezugsbereiches für das Fragepronomen verlangt, die in wer selbst noch nicht gegeben ist; außerdem müssen die jeweiligen Sprechereinstellungen differenziert werden. Damit wird aber offensichtlich, über die Bedeutung von (5a) hinausgehend, schon der jeweilige k ommunikative Sinn einer Äußerung von (5a) erfaßt.
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(5) a. Wer dirigierte die Berliner Philharmoniker? b. ! ∀x (Dx → K(Dx)) („Es sollte der Fall sein, daß ich von allen, die die BP dirigierten, weiß, daß sie die BP dirigierten“) c. ! ∃x K(Dx & x = b) („Es sollte der Fall sein, daß ich von jemandem weiß, daß er die BP dirigierte und identisch mit b ist“) Dies war nur ein illustrierendes Beispiel dafür, daß mit einer formallogischen oder sogar modelltheoretischen Analyse durchaus mehr geleistet werden k ann, als man vernünftigerweise in die Domäne der Semantik theorie aufnehmen möchte. Man k ann offenbar vieles, was zur Äußerungssituation oder zur passenden Eingliederung von Äußerungen gehört, formal genauso behandeln wie die Bedeutung der Ausdrück e selbst. Es gibt noch viele andere Beispiele dieser Art. Auch die Vagheitsanalyse von Pink al (1985, siehe Artik el 11) ist vielleicht nicht „semantisch“ zu nennen. Ähnliches k önnte man von anderen Analysen behaupten, die unter Zuhilfenahme des Kontextbegriffs partielle Gebrauchsaspek te einbezogen haben. Der Kontext selbst ist nicht Teil der sprachlichen Bedeutung. Zur Bedeutung der Ausdrück e k önnen aber Bedingungen an den Kontext gehören von der folgenden Art: Wenn der Kontext so-und-so struk turiert ist, k ommt eine Äüßerungsbedeutung so-und-so zustande, wodurch dann der Kontext so-undso verändert wird; wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, k ommt gar k eine Äußerungsbedeutung zustande. Dies führt uns zu der folgenden Abgrenzung der Domäne der Semantik. (S3) Semantisch an der Bedeutung eines Ausdrucks ist sein Anteil an Wahrheitsbedingungen und an Kontextbedingungen. Mit der Formulierung „Anteil an ...“ ist unterstellt, daß die Anteile der verschiedenen Ausdrück e in einem Satz geeignet k ombiniert werden k önnen. Man k önnte sich vorstellen (wie das in rein semantischen Untersuchungen ja auch vielfach geschieht), daß die Bedeutungsanteile der Wörter in einem Satz zum Schluß irgendwie zusammengesammelt werden. Dies würde den Aspek t der grammatischen Struk tur, wie er in den morphologischsyntak tischen Theorien erarbeitet wird, mehr oder weniger ignorieren. In der Sprache der Prädi k atenlogi k und ihrer Erweiterungen folgt die semantische Kombination immer
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den synta k tischen Kombinationen; diese Sprachen sind so eingerichtet, daß ihre Syntax semantisch transparent ist. Dies ist für die natürlichsprachige Syntax aber k eineswegs evident; u. a. deshalb werden natürliche Sprachen oftmals als ‘unlogisch’ betrachtet. Schon wenn man (6a) und (6b) gegenüberstellt und al l e einfach durch den Allquantor interpretiert, ist die Disk repanz deutlich: der NP alle Hunde entspricht k eine Konstituente in der semantischen Repräsentation. (6) a. Alle Hunde bellen. b. ∀x (HUNDx → BELLx) Man k ann dieses Problem aber vermeiden, indem man (6b) aus einer Repräsentation ableitet, in der die Entsprechung von al l e Hunde tatsächlich eine Konstituente bildet, und zwar ein Prädik at 2. Stufe zu dem Prädik at BELL 1. Stufe; diese Technik geht auf Montague zurück. Montague hat das Postulat aufgestellt, natürliche Sprachen einfach so wie formale Sprachen der Logik zu behandeln (z. B. Montague 1970); damit verbunden ist die Forderung auf (rekursive) Kompositionalität. (K) Die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks ist eine Funktion aus den Bedeutungen seiner Teilausdrücke. (Kompositionalitätsprinzip) Die Art dieser Funk tion ergibt sich nach Maßgabe der jeweiligen syntak tischen Regel, mit der die Teilausdrück e zusammengefügt werden. Für das Kompositionalitätsprinzip gibt es eine stark e (sog. Frege’sche) Version (die von Montague vertreten wurde) und eine schwache Version. Die stark e Version behauptet einen Homomorphismus zwischen syntak tischem Aufbau und dem Aufbau von spezifizierten Bedeutungen, während die schwache Version nicht die Bedeutungen selbst, sondern die Bedeutungsrepräsentationen (eingeschlossen evtl. Variablen) meint. Die stark e Version unterstellt letztlich eine Parallelität zwischen sprachlicher und ontologischer Struk tur, die schwache Version läßt zu, daß erst weitere, z. B. k onzeptuelle, Fak toren die Bedeutung spezifizieren (siehe Abschnitt 6). Generell ak zeptiert (und möglicherweise auch ganz trivial) ist nur die schwache Version von (K). Montagues Syntax-Konzeption muß heute aus verschiedenen Gründen als überholt gelten. Man braucht nach heutiger Auffassung auch nicht für jede Syntaxregel eine eigene semantische Funk tion anzugeben; im Idealfall
I. Allgemeine Grundlagen
(im Konzept der sog. typengesteuerten Interpretation) braucht man gar nicht die spezielle Art der syntak tischen Kombination zu berück sichtigen, sondern nur den Umstand, daß zwei Ausdrück e syntak tisch k ombiniert werden, und den jeweiligen Bedeutungstyp dieser Ausdrücke (siehe Artikel 7, Abschnitt 4.3). Wenn man sowohl (S3) wie auch (K) in Rechnung stellt, dann muß für einen k omplexen Ausdruck nicht nur sein Anteil an den Wahrheitsbedingungen aus den jeweiligen Anteilen der Teilausdrück e errechenbar sein, sondern auch sein Anteil an den Kontextbedingungen. Soweit z. B. Präsuppositionen als semantische Bedeutungsbestandteile re k onstruiert wurden, mußte man zugleich versuchen, die Präsuppositionen der k omplexen Ausdrück e daraus abzuleiten. Dies ergab das sog. Projek tionsproblem der Präsupposition, ein Problem insofern, als offenbar nicht alle Präsuppositionen im k omplexen Ausdruck bewahrt werden (vgl. besonders Karttunen 1973 und Gazdar 1979; siehe Artikel 13). Das Kompositionalitätsprinzip in (K) hat sich als eine äußerst fruchtbare methodologische Forderung erwiesen, da es dazu führte, bisherige semantische Analysen u. U. aufzugeben und durch bessere zu ersetzen. Gleichzeitig wurden allerdings auch viele Probleme entdeck t, wo zwar (S3), aber nicht (K) — in seiner stark en Version — einzuhalten war (vgl. Partee 1984 a). Bei manchen dieser Probleme (wie z. B. dem der sog. Eselssätze) war man stillschweigend überzeugt, daß es sich um genuin semantische Probleme handelt, da sie in den Kernbereich der prädik atenlogischen Explizierung fielen. Dies veranlaßte manche Semantik er, (K) nur als eine empirische Hypothese aufzufassen, die in einigen Fällen vielleicht verletzt wird. (Hierbei handelte es sich wohl immer um die stark e Lesart von (K), da nur sie einen interessanten empirischen Gehalt beanspruchen k ann.) Erst spätere Entwick lungen (siehe Abschnitte 4 und 6) erlauben eine andere Sicht der Dinge. Für die methodische Eingrenzung der Domäne der Semantik erscheint mir (K) — in der schwachen Version — unverzichtbar. Deshalb wird zunächst abschließend die folgende Formulierung vorgeschlagen. (S4) Semantisch an der Bedeutung eines Ausdrucks ist sein Anteil an Wahrheitsbedingungen und an Kontextbedingungen, soweit diese kompositional sind. Daraus ergibt sich: Falls ein Ausdruck zwar zu den Wahrheitsbedingungen oder zu den Kontextbedingungen in spezifischer Weise
3. Bedeutung und Gebrauch
beiträgt, dies sich aber gemäß sonst gut begründeter morphologisch-syntak tischer Theorien nicht k ompositional (sondern nur global) auswirk t, so handelt es sich nicht um einen semantischen, sondern um einen pragmatischen Bedeutungsanteil. Im übrigen ist es wichtig, (S4) nur als eine notwendige, nicht auch unbedingt hinreichende Bedingung zu verstehen, um den Gegenstandsbereich der Semantik abzugrenzen. Im weiteren (siehe Abschnitt 6) wird sich herausstellen, daß diese Einschränk ung uns ermöglicht, die Bedeutung sprachlicher Ausdrück e zunächst im Hinblick auf k onzeptuelle Repräsentationen zu analysieren und erst diese auf Wahrheitsbedingungen zu beziehen.
4.
Zweistufige Semantik
Die Analyse indexi k alischer (dei k tischer) Ausdrück e hat dazu geführt, eine zweistufige Interpretation anzunehmen (ungefähr in dem Sinne von „Satzbedeutung“ versus „Äußerungsbedeutung“). Unterstellt wird, daß jedem Ausdruck eine einigermaßen feste Grundbedeutung in Form einer Funk tion (Charakter oder k ontextinvariante Bedeutung) zuk ommt; so sollte ich z. B. immer dieselbe Funk tion ausdrück en, egal ob Arnim von Stechow oder Dieter Wunderlich den Ausdruck äußert: ich bezeichnet relativ zu einem Sprechereignis immer den jeweiligen Sprecher. Der Beitrag von ich zu den Wahrheitsbedingungen wird also erst deutlich, wenn man das Sprechereignis k ennt. Und ähnliches gilt für alle indexik alischen Ausdrücke. Die Interpretation von Sätzen mit indexikalischen Ausdrücken ist im folgenden Sinne zweistufig: ich esse drück t eine Funk tion aus möglichen Kontexten (mit jeweils genau einem Sprecher) in Propositionen aus; jede dieser Propositionen stellt eine Funk tion aus möglichen Welten (Modellen) in Wahrheitswerte dar (siehe Stalnak er 1970, Kaplan 1979). Während die Extension von Prädik atsausdrück en wie essen in der Regel nur in den verschiedenen Auswertungswelten variiert, variiert die Extension (der referentielle Wert) von indexik alischen Ausdrück en nur mit dem Kontext: dementsprechend drück t ich einfach eine Funk tion aus Kontexten (mit genau einem Sprecher) auf ein Individuum (nämlich diesen Sprecher) aus. (Hier und im folgenden wird auf die Intension, rek onstruiert als Funk tion möglicher Welten in Extensionen, nicht weiter eingegangen.) (Siehe Artikel 9)
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Das Entscheidende ist, daß bei Ausdrück en wie ich zwischen variablem referentiellen Wert und fester Grundbedeutung (dem Charak ter) unterschieden werden muß. In der Terminologie der Situationssemantik (vgl. Barwise & Perry 1983) läßt sich sagen, daß der Ausdruck ich in der angegebenen Weise in der Sprechsituation verankert werden muß. Man k önnte ich also semantisch als situationsbeschränk te Variable ansehen. In ähnlicher Weise repräsentiert auch der Ausdruck er eine Variable, mit dem Unterschied, daß nicht der jeweilige Sprecher, sondern ein beliebiges Individuum, das durch eine definite Singular-Mas k ulinum-NP bezeichenbar ist, als Referent infrage k ommt. Die Definitheit erfordert, daß auch hier der Referent relativ zu einem Kontext eindeutig bestimmbar sein muß; mit anderen Worten, auch er muß in jeder Situation eindeutig verank ert werden k önnen. Und ähnliches gilt für alle definiten Nominalphrasen. (Siehe hierzu und im folgenden Artikel 22) Russell (1905) analysierte den definiten Artikel (z. B. in der Mann) als Kombination von Existenz- und Einzigk eitsbehauptung; stattdessen k ann man sagen, daß es sich um eine Kontextbedingung (bzw. um eine Präsupposition) handelt: in der betreffenden Situation soll es genau ein Individuum geben, das unter das Prädik at MANN fällt; mit anderen Worten, der Mann muß in der betreffenden Situation eindeutig verankert werden können. Mithin verlangen auch alle definiten NPn eine zweistufige Interpretation: der Mann schl äft drück t eine Funk tion aus Kontexten (mit jeweils genau einem Mann) in Propositionen aus; jede dieser Proposition stellt eine Funk tion aus möglichen Welten in Wahrheitswerte dar; der Mann drück t einfach die Funk tion aus Kontexten (mit jeweils genau einem Mann) auf ein Individuum (nämlich diesen Mann) aus; und der drück t eine Funk tion aus Nominalbedeutungen in die soeben genannte Kontextfunk tion aus. (Dabei ist Kompositionalität bewahrt.) Der definite Artik el ist also ein termbildender Operator; der Mann identifiziert relativ zu einem Kontext ein bestimmtes Individuum. Die Redeweise, daß der Mann eindeutig in der betreffenden Situation verank ert werden muß, heißt, daß ein beschränk ter Kontext gefunden werden muß, in dem genau ein Mann vork ommt. (Dies beinhaltet allerdings noch nicht, daß man dann den referentiellen Wert von der Mann k ennen muß, also auch in anderen Kontexten auf den betreffenden Mann referieren k ann — siehe
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dazu unten über attributive vs. referentielle Verwendung definiter NPn.) In vielen semantischen Analysen wird der indefinite Artikel durch einen Existenzquantor repräsentiert. Dies würde dann zu einer einstufigen Interpretation führen: ein Mann schl äft drück t die Proposition ∃x (MANNx & SCHLAFx) aus, somit direk t eine Funk tion aus möglichen Welten in Wahrheitswerte. Tatsächlich ist diese Annahme ziemlich problematisch. Die indefinite NP k ann auch als Prädik atsausdruck vork ommen (z. B. in Hel ge ist ein Mann) und müßte dann eine andere Bedeutung haben (vgl. Doron 1988). Möglicherweise sollte man den Ausdruck ein Mann einfach als Eigenschaftsausdruck repräsentieren: entweder so wie in (7a) mit „λ“ als Lambdaoperator und CARD-1 als Kardinalitätsprädik at, oder so wie in (7b), wo jedes Vork ommen der freien Variablen x in allen Belegungen denselben Wert erhalten muß (vgl. Löbner 1987 b, 1990). (7) a. λx(MANNx & CARD-1x) b. MANNx & CARD-1x Wenn der Ausdruck ein Mann als Prädik atsausdruck vork ommt, so bindet der jeweilige Subjek t-Term die Variable x. Kommt der Ausdruck in referentieller bzw. Argument-Position vor, so muß die Variable beliebig belegt werden k önnen; das heißt das jeweilige Redeuniversum muß mindestens einen Mann enthalten; wegen der Kardinalitätsforderung ist es nicht zugelassen, daß das Redeuniversum gar k einen Mann enthält (in einem solchen Fall würde ein Mann k einen Wert erhalten k önnen, somit auch der Satz k einen definiten Wahrheitswert). Dadurch k ommt automatisch die Lesart mit Existenzquantor zustande. Besonders die Probleme im Zusammenhang mit den sog. Eselssätzen wie in (8a, 8b) sprechen für eine solche Behandlung des indefiniten Artik els (siehe besonders Heim 1982). Die einzig sinnvolle Lesart (8c) (vorausgesetzt, wir geben das Konditional durch eine Implik ation wieder) läßt sich k ompositional nicht ableiten, wenn man für die Bedeutung des indefiniten Artik els schon im ersten Schritt eine Existenzquantifik ation annimmt. Das Problem ist nicht nur, daß der indefinite Artik el in (8c) ja offensichtlich durch einen Allquantor ‘übersetzt’ werden muß, sondern auch, daß der Quantorensk opus über den jeweiligen Teilsatz hinausgeht. Diese Probleme lassen sich vermeiden, wenn man die indefinite NP zunächst so wie in (7)
I. Allgemeine Grundlagen
interpretiert und erst in einem zweiten Schritt eine passende (existentielle oder universelle) Bindung vornimmt (letztlich über einen ganzen Disk ursabschnitt bindet). Die Quelle der Quantifik ation liegt also primär nicht in der Bedeutung des indefiniten Artik els, wenngleich sie ohne ihn auch nicht zustandekäme. (8) a. Jeder Bauer, der einen Esel hat, schlägt ihn. b. Wenn ein Bauer einen Esel hat, schlägt er ihn. c. ∀x ∀y (MANNx & ESELy & BESITZ(x,y) → SCHLAG(x,y)) Dieser zweistufige Ansatz in der Interpretation des jeweiligen Beitrags des indefiniten Artik els wurde in der Disk ursrepräsentationstheorie weiter ausgebaut (die im wesentlichen auf Kamp (1981 a) basiert). Das Gemeinsame der besprochenen Fälle einer zweistufigen Interpretation besteht darin, die engere Bedeutung von NPn von ihrem referentiellen Wert zu trennen. Die NPn referieren noch nicht von sich aus auf bestimmte Individuen, sondern stellen nur Variablen bereit, die dann weiter zu ‘verarbeiten’ sind. Die Variablen müssen in einem bestimmten beschränk ten Kontext belegt bzw. die NPn in einer Situation verank ert werden. Damit hat die ursprünglich ganz am Vorgehen der Prädik atenlogik orientierte Sicht der Semantik eine erhebliche Umdeutung erfahren. Die semantischen Repräsentationen der sprachlichen Ausdrück e enthalten noch k einerlei Angaben über Individuenk onstanten. Die eigentliche Referenztheorie ist weniger an den sprachlichen Ausdrück en selbst festzumachen als an der Konzeptualisierung möglicher Kontexte; sie stellt somit k ein im engeren Sinne sprachliches, sondern ein k onzeptuelles Modul dar (siehe Abschnitt 6 zu dieser Unterscheidung); es wäre also gar nicht verfehlt, die Referenztheorie als eine Theorie des Gebrauchs anzusehen. Nach der hier dargestellten Sicht sind weder definite noch indefinite NPn als Quantoren anzusehen (siehe Löbner 1987 b, 1990); definite NPn sind Terme, indefinite NPn sind Prädik atsausdrück e. Dies widerspricht der von Montague (1973) eingeführten und besonders in der Theorie der Verallgemeinerten Quantoren (Barwise & Cooper 1981) vertretenen Auffassung, daß alle NPn Quantoren sind. Dies schließt allerdings nicht aus, daß es unter den NPn auch genuine Quantoren gibt; für einen Ausdruck wie jeder Mann legt das Wort jeder die Quantoreneigenschaft be-
3. Bedeutung und Gebrauch
reits lexik alisch fest. Nun ist jeder Mann kein referentieller Ausdruck ; jeder Mann bedeutet nicht „die Gesamtheit der Männer“, sondern beinhaltet die Möglichk eit, die vork ommende Variable mit jedem beliebigen Mann eines — k ontextuell evtl. eingeschränk ten — Redeuniversums zu belegen. Diese Belegung selbst ist aber, wie in Artik el 7 „Syntax und Semantik “ gezeigt wird, weder k ompositionell noch unterliegt sie dem sog. Monsterverbot. Beides sind gut motivierte Bedingungen für semantische Repräsentationen. Deshalb darf man schließen, daß die Variablenbelegung auch beim Allquantor k ein genuin sprachlich-semantisches Verfahren darstellt, sondern letztlich auch ein Verfahren zur referentiellen Bewertung, das sprachunabhängig ist, — was natürlich völlig im Eink lang mit den Auffassungen der Logik er steht. Die Probleme des Allquantors hinsichtlich Kompositionalität und Monsterverbot sind im Lichte der zweistufigen Semantik also k eineswegs überraschend, sondern eher erwartbar. Im Rahmen einer zweistufigen Interpretation erscheinen dann auch einige weitere, oft diskutierte Probleme in einem neuen Licht. (a) Eine NP wie der Einbrecher in das Uhrengeschäft k ann attributiv oder referentiell gebraucht werden (siehe Donnellan 1966 und die Rek onstruk tion im Rahmen der Situationssemantik von Barwise & Perry 1983). Die genannte NP wird attributiv gebraucht, wenn sie nur als Prädik at hinsichtlich derjenigen Person fungiert, die einziger Täter einer bestimmten Einbruchssituation ist — wer immer es ist; wenn man nicht irgendwie Zeuge dieser Situation gewesen ist, hat man k eine Möglichk eit, diese Person auch unabhängig zu identifizieren. Die NP wird referentiell gebraucht, wenn sie dazu dient, auf eine bestimmte Person wirk lich zu referieren; um darin erfolgreich zu sein, benötigt man zusätzliches Wissen zur unabhängigen Identifizierung dieser Person. Angenommen, wir k ennen Moritz, dann k ann man z. B. mit der Frage „Was ist Moritz?“ die attributive Verwendung der NP herausfordern. Angenommen, wir k ennen Moritz nicht, dann k ann man mit der Frage „Wer ist Moritz?“ eine referentielle Verwendung der NP herausfordern. Die semantische Repräsentation der NP sollte gegenüber diesen beiden Lesarten neutral sein; die Lesarten ergeben sich erst bei unterschiedlicher Ausnutzung der Identifizierungsbedingungen eines Prädik ats im Rahmen der Referenztheorie, also in gewisser Hinsicht pragmatisch. Sei Dx AGENS (EIN-
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BRECH-UG)x die semantische Repräsentation der NP mit D als Definitheitsoperator. Dann k ann D z. B. bloß die Funk tion haben, als Wert der NP den einzigen Agens einer spezifischen Situation vom Typ EINBRECHUG (’in das Uhrengeschäft einbrechen’) herauszugreifen, oder die Funk tion, mithilfe des Prädi k ats AGENS(EINBRECH-UG) im Kontext der Sprechsituation einen referentiellen Wert, also eine Person, festzulegen. (Zur semantischen Analyse des definiten Artikels vgl. Löbner 1985 a). (b) In vielen Analysen deutet man die Interpretation des Pronomens durch einen Index an. Man unterscheidet dabei zwischen einem gebundenen und einem freien Pronomen, und zwar relativ zu der Satzdomäne, in dem das Pronomen vork ommt. (Auch das freie Pronomen muß natürlich irgendwie verank ert werden.) In einem Fall wie (9a) ist das Pronomen gebunden, in (9b) ist es frei. Die semantische Repräsentation für einen Satz wie jeder hoffte, daß er gewinnt sollte demgegenüber aber neutral sein; er ist in jedem Fall durch eine Individuenvariable wiederzugeben, die definit, nach Maßgabe der Kongruenzinformation, zu belegen ist. Erst je nach Kontext, und zwar im genuinen Sinne pragmatisch, hat man sich für die eine oder die andere Lesart zu entscheiden. Der Unterschied ist im Rahmen der Referenztheorie zu bestimmen, und dies k ann interessanterweise dazu führen, daß in (9b) er auf ein fixiertes Individuum referiert, in (9a) aber nicht. (9) a. (Viele Großmeister versammelten sich zum Turnier.) Jederi hoffte, daß eri gewinnt. b. (Kasparovi mußte seinen Titel verteidigen.) Jeder hoffte, daß eri gewinnt. Die durch Indizierung festgelegte Interpretation des Pronomens ist natürlich nichtk ompositional, wie man aus den beiden Möglichk eiten in (9) leicht erk ennt. Andererseits scheint es für die satzinternen Bindungsmöglichk eiten des Pronomens rein syntak tische Beschränk ungen zu geben (siehe Artik el 23 „Pronouns“). Dies weist darauf hin, daß die satzinterne Bindung des Pronomens ein typisches ‘Schnittstellenphänomen’ ist, bei dem einerseits syntak tische Informationen, andererseits k ontextuelle Informationen verwertet werden. (c) Generische Sätze sind im allgemeinen sprachlich nicht eigens gek ennzeichnet. Sowohl definite wie auch indefinite NPn k önnen
I. Allgemeine Grundlagen
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eine generische Lesart annehmen. Parallel zu (8a,b) k ann der Satz (8d) betrachtet werden, der entweder generisch (ähnlich wie (8a,b), jedoch bezogen auf irgendeinen beliebigen Mann) oder auch spezifisch, bezogen auf einen im Kontext identifizierbaren Mann, interpretierbar ist. (8) d. Ein Bauer, der einen Esel hat, schlägt ihn. Nur in der spezifischen Lesart referiert ein Bauer auf ein Individuum; in der generischen Lesart k ann der Ausdruck durch eine beliebige Referenzinstanz belegt werden. Wiederum sollte die semantische Repräsentation von (8d) gegenüber diesem Unterschied im Referenzmodus neutral sein; erst die Referenztheorie hätte diesen Unterschied zu k lären. (Im Rahmen der modelltheoretischen Semantik k ann immer nur ein spezifischer Situationsbezug hergestellt werden; daraus rühren die Probleme bei der Analyse generischer Sätze.) (d) Bei der Äußerung eines Satzes wie (10) k ann die Hauptbetonung (der Satzak zent) z. B. auf Arnim, Seepferd oder geschlachtet liegen. Damit wird die Gesamtinformation des Satzes jeweils unterschiedlich auf Hintergrundsinformation und fokussierte Information verteilt. Der Satz drück t aber in allen Fällen die gleiche Proposition aus; allerdings ist diese Proposition jeweils unterschiedlich aufgebaut bzw. struk turiert (zum Konzept der strukturierten Proposition vgl. u. a. Lewis 1970, Cresswell & von Stechow 1982). Man k ann z. B. annehmen, daß das jeweils betonte Wort die ranghöchste Prädik ation des Satzes ausdrückt. (10) Arnim hat ein Seepferd geschlachtet. Offensichtlich tritt die jeweils fok ussierte Information in der Proposition selbst gar nicht mehr in Erscheinung; die Proposition nivelliert diese Information, sie ist semantisch ärmer als die jeweiligen Informationsverteilungen. In einer einstufigen Interpretation hätte man für (10) nur die Proposition bzw. den Wahrheitswert zur Verfügung und k önnte die gewünschte Differenzierung gar nicht treffen. Bei der zweistufigen Interpretation k önnte auf der ersten Stufe der jeweilige semantische Aufbau berück sichtigt werden; unter Hinzufügung der referentiellen Eigenschaften ergäbe sich dann die zweite Stufe, also die Sortierungsqualität des Satzes in Bezug auf die Realität. (Siehe hierzu Artikel 39 und 40)
5.
Modularität des Sprachgebrauchs: Bedeutung und Interaktionssystem
Der Bereich sprachlicher Phänomene, dem ich mich jetzt zuwenden will, hat mit den bisher erörterten Problemen relativ wenig zu tun. Es ist dieser Bereich, der Anlaß zu der sog. Gebrauchstheorie sprachlicher Bedeutung, zur Theorie der performativen Ak te und zur Sprechak ttheorie gegeben hat (siehe Artik el 12). Im Sinne der Unterscheidungen in Abschnitt 1 handelt es sich primär um Theorien, die den k ommunik ativen Sinn von Äußerungen zu explizieren suchen, womöglich unter Berück sichtigung der Form der Äußerungen. Die Gebrauchstheorie der Bedeutung (Wittgenstein 1953/67, aber auch frühe ‘Soziolinguisten’ wie Malinowsk i 1923) leugnet letztlich so etwas wie die Möglichk eit semantischer Repräsentationen; dies hängt mit ihrer behavioristischen Sichtweise zusammen. Bedeutungen sind, dieser Theorie zufolge, im Leben, in den Tätigk eitsfeldern des Menschen verank ert; sie sind an soziale Ak te gebunden; Äußerungen selbst stellen soziale Akte dar. Eine wesentliche Präzisierung hat die Vorstellung von Äußerungen als sozialem Ak t durch Alston (1963, 1964 b), Hare (1970) und vor allem Austin (1956, 1962) erfahren. Paradigmatisch für die Analysen Austins ist die Untersuchung der sog. explizit performativen Äußerungen. Mit der Äußerung von Sätzen wie in (11) macht der Sprecher normalerweise nicht nur eine Aussage, sondern er vollzieht eine Bitte, eine Frage usw. (11) a. Ich bitte dich, zu schweigen. b. Ich frage dich, ob du sie kennst. Die Möglichk eit dieses sog. performativen Modus ist an das Präsens, den assertiven Charak ter und die Art und Verteilung der Personalpronomina gebunden. Mit den Sätzen in (12) lassen sich k eine explizit performativen Äußerungen vollziehen. (12) a. Ich bat dich, zu schweigen. b. Ich bitte dich nicht, zu schweigen. c. Du bittest mich, zu schweigen. Es hat viele Versuche gegeben, den merk würdig speziellen Modus der Sätze unter (11) zu k lären. Daß der performative Modus nicht zur Satzbedeutung gehören k ann, ergibt sich schon daraus, daß selbst Sätze wie (11) auch nicht-performativ verwendbar sind, z. B. in einem Dialog wie (13).
3. Bedeutung und Gebrauch
(13) Und was machst du, wenn ich anfange, auszuplaudern? — Ich bitte dich, zu schweigen. Aus der Sicht einer Semantik theorie sollten Sätze wie (11) im Prinzip dieselbe Repräsentation wie die Sätze unter (12) erhalten. Es handelt sich um Aussagesätze; daher sollte die Auffassung von Lemmon (1962), daß es sich beim performativen Modus dem Wesen nach um selbstverifizierende Äußerungen (in anderer Terminologie: um to k enreflexive Äußerungen) handelt, am meisten Plausibilität erhalten. Angenommen, daß der über einer Proposition operierende Aussagemodus die Sprechereinstellung „Ich betrachte diese Proposition als wahr“ ausdrüc k t. Dann drück t (11a) aus, daß der Sprecher es als wahr betrachtet, daß er (ich) den Zuhörer (dich) darum bittet, zu schweigen. Nun bezieht sich das Verb bitten auf Sprechereignisse, deren Agens der jeweilige Sprecher ist; und die Default-Interpretation des Präsens bezieht das Ereignis auf die Gegenwart. Die Interpretation von Verb, Verbargumenten und Tempus — zusammen mit der Annahme von Wörtlichk eit — k ann den Hörer also schließen lassen, daß das im Satz beschriebene Ereignis mit dem Äußerungsereignis identisch ist: daß der Sprecher tut, was er sagt, indem er sagt, was er tut. (Bei den Sätzen unter (12) ist ein solcher Schluß, aufgrund der Interpretation von Präteritum, der Negation und den Verbargumenten, unter k einen Umständen möglich: das Äußerungsereignis k ann nicht vergangen sein, es k ann nicht der Zustand sein, in dem ein bestimmtes Ereignis nicht stattfindet und es k ann nicht ein Ereignis sein, dessen Agens der Hörer ist.) Die Wörtlichk eits- oder Ernsthaftigk eitsannahme ist zulässig, soweit nicht k ontextuelle Bedingungen vorliegen, die sie außer Kraft setzen (wie der hypothetische Kontext in (13)). Der scheinbar exzeptionelle Charak ter der explizit performativen Äußerungen ergibt sich also als ein ganz normaler Effek t aus den üblichen Interpretationsbedingungen für Aussagesätze und allgemeinen Auffassungen über die Ernsthaftigk eit von Kommunik ation. Man braucht sich nicht auf einen speziellen performativen Modus oder eine spezielle Konvention des Sprachgebrauchs zu berufen. Der performative Modus ist nichts als die spezielle (nämlich tok enreflexive) Verwendung des dek larativen Modus; man k ann daher in diesen Fällen auch immer den tok enreflexiven Ausdruck hiermit hinzufügen.
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Im Prinzip denselben Effek t wie mit einer Äußerung der Sätze unter (11) k ann ein Sprecher auch mit den Sätzen unter (14) zustandebringen. (14) a. Schweig! b. Kennst du sie? Austin hat solche Äußerungen ‘primär performativ’ genannt. Bei einem falschen Verständnis der Quelle von Performativität hat man versucht, in die syntak tische Repräsentation der Sätze Elemente des expliziten Performativs einzubauen (z. B. Ross 1970; Sadock 1968, 1974). Diese Auffassungen wurden allerdings bald mit guten Gründen zurück gewiesen (z. B. Grewendorf 1972, Gazdar 1979). Allenfalls läßt sich sagen, daß der jeweilige Satzmodus ähnlich wie ein explizites Performativ zu interpretieren ist (so z. B. Lewis 1972); vorteilhafter ist es allerdings, daß die Satzmodi mindestens in Ausdrück en von allgemeinen Sprechereinstellungen und nicht in Ausdrück en von Sprechhandlungen interpretiert werden (siehe unten; vgl. auch Lang 1983). In der Theorie der Sprechakte (beginnend mit Austin 1962, vor allem aber Searle 1969, Bach & Harnish 1979) wurde dann ein genereller Versuch unternommen, alle Arten von sprachlichen Äußerungen als Kommunik ationsversuche des Sprechers zu betrachten. Dies beinhaltet natürlich, daß der Sprecher einen spezifischen Effek t beim Zuhörer erreichen will. Somit stellt die Sprechak ttheorie zunächst einen genuinen Ansatz zu einer Gebrauchstheorie der Sprache dar. Und es war natürlich k lar, daß die erreichbaren Effek te nur dadurch zustandek ommen k önnen, daß der Hörer die Äußerungen interpretiert, letztlich also semantische Repräsentationen zugrundelegt. In der tatsächlichen Ausführung der Sprechak ttheorie ist dieser Gesichtspunk t allerdings weitgehend zurück getreten, teils auch deswegen, weil die semantischen Probleme (jedenfalls damals) nicht zu lösen waren. In ihrem Kern hat sich die Sprechak ttheorie (von Searle und an Searle orientierend) mit einer Fundierung der Gebrauchsbedingungen von Sprache und, darauf aufbauend, mit einer Klassifik ation der überhaupt möglichen Sprechak te befaßt. Beide Aufgaben sind aus heutiger Sicht nicht befriedigend gelöst. Wie die Untersuchungen von Meggle (1981, ank nüpfend an die Arbeiten von Grice) zeigten, ist die handlungstheoretische Fundierung von Sprechak ten wesentlich diffiziler als
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dies ursprünglich angenommen wurde. Und aus linguistischer Sicht muß die Klassifik ation der Sprechak te von Searle in wesentlichen Punk ten als verfehlt betrachtet werden (siehe Wunderlich 1976, 1979, 1986 a; Lang 1983). Die Deutung, daß mit einer Äußerung dieser oder jener k ommunik ative Sinn verbunden wird, k ann nur relativ zu allgemeinen oder institutionellen Auffassungen über Interak tion und den speziellen Bedingungen einer Intera k tionssituation erfolgen (siehe Wunderlich 1976). Bierwisch (1980) hat dies dahingehend präzisiert, daß Kenntnisse über das Interak tionssystem vorausgesetzt werden müssen (und diese Kenntnisse haben mit den sprachlichen Kenntnissen nichts zu tun, da Interak tionen auch vor- und außersprachlich erfolgen k önnen); Interak tionsk enntnisse bilden ein eigenes Modul unserer Kenntnisse, mit denen sich u. a. die Handlungstheorie befaßt. Außerdem muß jede interak tive Deutung einer Äußerung auf der Bedeutung der geäußerten Sätze aufbauen. Die Sprechak ttheorie müßte also primär von einer Analyse der verschiedenen Satztypen ausgehen, die formal durch die Kategorie des Satzmodus gek ennzeichnet sind. (14a) ist ein Imperativsatz, (14b) ein Fragesatz; neben dem Aussagesatz sind dies die sprachuniversell dominanten (formal gek ennzeichneten) Satzmodi. Die zunächst zu bearbeitenden Probleme sind also: welche Satzmodi weist eine Sprache auf? und was ist ihre Bedeutung? Für einige Logik er haben die Satzmodi, da sie oberhalb von Propositionen operieren, überhaupt nur eine Gebrauchs-’Bedeutung’, d. h. sind direk t auf bestimmte Interak tionsaspek te bezogen. Ein typisches Beispiel dafür stellen die von Stenius (1967) formulierten Gebrauchsregeln dar: (15) a. Äußere einen Satz im deklarativen Modus nur, wenn sein Satzradikal wahr ist. b. Reagiere auf einen Satz im imperativen Modus, indem du sein Satzradikal wahr machst. Ähnlich sind die Wahrhaftigk eitsk onventionen von Lewis (1969) einzuschätzen, die ein Gesprächsteilnehmer beachtet, wenn er dek larative Sätze äußert oder imperative Sätze hört. Überraschen muß die Asymmetrie von Sprecher- bzw. Hörerregel (für den Hörer dek larativer Sätze und den Sprecher imperativer Sätze gibt es offenbar k eine Gebrauchsre-
I. Allgemeine Grundlagen
geln); interessanterweise fehlt auch eine analoge Gebrauchsregel für interrogative Sätze (siehe Wunderlich 1976). Regeln wie in (15) erfassen auch nur einen Standardgebrauch der Satzmodi und nicht die tatsächlich vork ommende pragmatische Variation. Natürlich sind solche Regeln im Rahmen des Vok abulars der Sprechak ttheorie weiter differenzierbar; die Frage aber bleibt, ob es nicht eine genuin semantische Grundlage gibt, die das Spek trum pragmatischer Gebrauchsregeln erst ermöglicht. Eine inzwischen verbreitete Auffassung ist, daß ein Satzmodus eine sehr allgemeine Sprechereinstellung (und damit ein mögliches Sprecha k tpotential) ausdrüc k t. Aber auch eine Sprechereinstellung ist etwas, das erst in der jeweiligen Äußerungsbedeutung in Erscheinung tritt: mit dem wörtlichen Gebrauch des Satzes beansprucht der Sprecher, ein bestimmtes Verhältnis zwischen Proposition und Welt ausgedrück t zu haben. Die semantische Grundlage dafür läßt sich noch ein Stück weiter in Richtung auf dieses Verhältnis selbst abstrahieren. Ein Satzmodus k önnte jeweils über einem bestimmten semantischen Typ operieren und auf einer zugehörigen Erfüllungsdimension einen von zwei Werten festlegen — einen Vorschlag dazu enthält (16). Die Semantik der satzmodusindizierenden Ausdrück e läßt sich dementsprechend in Form von Erfüllungsbedingungen formulieren; wie man aus (16a) ersieht, sind dann die Wahrheitsbedingungen ein spezieller Fall von Erfüllungsbedingungen. (16) a. Der deklarative Modus operiert über einer Proposition p und drückt aus, daß p wahr ist (möglicherweise schwächer: daß p nicht bezweifelt wird). b. Der imperative Modus (der 2. Person) operiert über einem Prädikat A und drückt aus, daß es relativ zu einem Interesse I positiv ist, wenn der Adressat das Prädikat A erfüllt. c. Der interrogative Modus operiert über einer Menge M von Propositionen und drückt aus, daß es relativ zu einem Wissensstand W unentschieden ist, welche Proposition pi aus der Menge M wahr ist. Wenn man (16) zugrundelegt, ergeben sich daraus die Sprechereinstellungen bei einer normalen wörtlichen Äußerung sehr einfach: der Sprecher gibt das als seine Einstellung zu verstehen, was der Satzmodus ausdrückt.
3. Bedeutung und Gebrauch
(17) a. deklarativer Modus: S betrachtet die Proposition p als wahr. b. imperativer Modus: S betrachtet es relativ zu einem Interesse I als vorzuziehen, daß der Adressat das Prädikat A erfüllt. c. interrogativer Modus: S betrachtet es relativ zu einem Wissensstand W als unentschieden, welche Proposition pi aus einer Menge von Propositionen wahr ist. Mit (16) bzw. (17) ist nur ein sehr allgemeines Bedeutungspotential formuliert, das eine breite Variation des k ommunik ativen Sinns aufgrund der Interak tionsumstände zuläßt. Insbesondere müssen die Variablen I und W in der betreffenden Sprechsituation belegt werden. In (14b) k ann das Interesse I z. B. ein Interesse des Sprechers oder ein Interesse des Adressaten sein; dementsprechend ergibt sich eine Differenzierung von ImperativÄußerungen entweder als Bitten oder als Vorschläge, Ratschläge, Warnungen. In (14c) k ann es sich um einen Wissensstand des Sprechers oder des Adressaten handeln; dementsprechend ergibt sich eine Differenzierung in Informationsfragen oder dida k tische/Prüfungsfragen. In das Problemfeld dieses Abschnitts gehören zum Teil auch die Phänomene des Sprachgebrauchs, die seit Grice (1967, 1975) unter dem Stichwort Implikaturen behandelt werden, besonders die k onversationellen Implik aturen (siehe Artik el 14). Ein Sprecher k ann etwas meinen, ohne dies wörtlich auszudrück en; er veranlaßt dann seine Zuhörer zu Schlußfolgerungen, die über die Äußerungsbedeutung hinausgehen. Reguliert wird das Verständnis von Implik aturen durch ein übergeordnetes Kooperationsprinzip, das Grice so formuliert hat: „Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem ak zeptierten Zweck oder der ak zeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird“. Dies ist offensichtlich ein Prinzip der sprachlichen Interak tion (unter dem Gesichtspunk t von rationalem Handeln) und nicht der Semantik . Diesem Prinzip unterstehen einzelne Maximen, die Grice in k antischer Art als Maximen der Quantität, der Qualität, der Relation und der Modalität unterschieden hat. Die inhaltliche Ausfüllung und theoretische Entfaltung dieser Maximen ist nicht immer evident (siehe dazu Gazdar 1979). Obwohl viele Linguisten einer Erk lärung sprachlicher Gebrauchsphänomene (bis
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hin zu stilistischen, poetischen oder figurativen Verwendungen) aufgrund von Implik aturen grundsätzlich zuneigen, stagniert die nötige theoretische Entwick lung. Die einzige Untersuchung der letzten Jahre, die einen theoretischen Fortschritt verspricht, ist Sperber & Wilson (1986); diese Autoren führen die Vielfalt von Implik aturprinzipien in einheitlicher Weise auf die Relevanz von Kontextannahmen zurück. (18) zeigt eines von vielen möglichen Beispielen für eine konventionelle Implikatur. (18) a. Sie kriegten ein Kind und heirateten. b. Sie heirateten und kriegten ein Kind. Jemand, der (18a) äußert, scheint anzudeuten, daß sie heirateten, nachdem (oder sogar: weil) sie ein Kind k riegten, während jemand, der (18b) äußert, wohl eher auf den sank tionierten Gang der Dinge abhebt. Man möchte aus guten Gründen nicht annehmen, daß und manchmal so viel wie „und dann“ bedeutet (vgl. Posner 1979). Deshalb beruft man sich hier gerne auf eine Modalitätsmaxime von Grice: „Berichte Geschehnisse in der Reihenfolge, in der sie sich ereigneten“. Es ist fraglich, ob dies wirk lich eine sinnvolle Maxime von Sprechern (und nicht Schulmeistern) ist. Eine bessere Erk lärung würde sich vielleicht im k onzeptuellen Rahmen ergeben: sofern nichts anderes indiziert ist, spiegelt die Sequenz von Teilsätzen (die Erwähnungsabfolge) die jeweils einschlägige Sequenz von Bewußtseinsinhalten wieder (Ereignisabfolge, Kausalk ette, Wichtigk eitshierarchie). (Solche Phänomene werden auch unter dem Aspek t der Ik onizität, d. h. bildhaften Abbildung in der sprachlichen Formulierung, behandelt.) Etliche Phänomene, für die Grice’sche Implik aturen (beruhend auf Rationalitätsmaximen) angenommen werden, lassen sich vielleicht durch normale k onzeptuelle Prozeduren erk lären (siehe den folgenden Abschnitt 6). Mithilfe von Implik aturen läßt sich auch die Wirk ung sog. indirek ter Sprechak te erk lären (vgl. Searle 1975). Wenn jemand beim Abendessen sagt: „Kannst du mir die Butter geben?“, so meint er natürlich „Gib mir die Butter“. Das Fragen nach der Fähigk eit implik atiert hier wie in vielen anderen Kontexten das Ausüben der Fähigk eit. Derartige Implik aturen k önnen z. T. standardmäßig vorgenommen werden, wobei Elemente der geäußerten Sätze oft zu Routineformeln (z. T. mit elliptischem Charak ter) abgeschwächt werden: der k ommunik ative Sinn der Äuße-
I. Allgemeine Grundlagen
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rung wird zur idiomatischen Standardbedeutung einer sprachlichen Formel (vgl. Brown & Levinson 1978; Coulmas 1981). Möglicherweise lassen sich indirek te Sprechak te auch im Rahmen der Gesprächsorganisation in turns erk lären (vgl. Levinson 1983; die zunächst im soziologischen Rahmen entwick elte Konversationsanalyse ist primär an den interak tiven Prinzipien des Gesprächsablaufs interessiert — vgl. z. B. Schegloff 1972; Schegloff & Sack s 1973; Sack s/Schegloff/Jefferson 1974; Wunderlich 1978 — und k ann daher für eine Reihe von Disk ursphänomenen erklärend herangezogen werden.)
6.
Modularität der Bedeutung: Semantik und konzeptuelles System
Bei der Behandlung satzsemantischer Probleme genügt es oft, nur den Bedeutungsanteil der sog. logischen oder Funk tionswörter (wie z. B. jeder, oder) explizit zu berück sichtigen, während man sich bei den sog. Inhaltswörtern (Nomina, Verben, Adjek tive, Präpositionen) auf die Angabe einer Konstanten eines gewissen semantischen Typs beschränk en k ann. Über diese Konstanten braucht man nur anzunehmen, daß sie irgendwie k onzeptuell (also im Begriffs- oder Erfahrungssystem) festgelegt sind. Zwischen den Inhaltswörtern gibt es aber eine Reihe von Bedeutungsbeziehungen, die natürlich auch in die Domäne der Semantik fallen. (19) gibt eine k leine Auswahl davon wieder: (19) a. A ist Großmutter / Ärztin → A ist weiblich b. A ist rot → A ist nicht blau c. A ist größer als B ↔ B ist kleiner als A d. A ist unter B ↔ B ist über A e. A sucht seine Brille ↔ A versucht, seine Brille zu finden. f. A kühlt das Bier → Das Bier wird kühl g. A rollt das Faß in den Keller → Das Faß rollt in den Keller Grundsätzlich gibt es drei Verfahren, solche Bedeutungsbeziehungen zu berücksichtigen. (A) Man formuliert sie in Form von Bedeutungspostulaten, die sich als empirische Beschränk ungen in der Interpretation auswirk en (vgl. Carnap 1947 a). In ihrer Gesamtheit charak terisieren sie den inhaltlichen Gehalt der jeweiligen Konstanten. Ein Bedeutungspostu-
lat wie (19a) ist z. B. dadurch gerechtfertigt, daß die Menge der Welten, in denen x eine Großmutter ist, eine Teilmenge der Welten ist, in denen x weiblich ist. (B) Man k ennzeichnet die Konstanten durch semantische Merkmale (genommen aus einer Auswahl von Prädik atsk onstanten, die als primitiv und relativ universell verstanden werden) und leitet daraus die Bedeutungsbeziehungen ab. Dieses Verfahren einer ‘Bedeutungszerlegung’ charak terisiert die verschiedenen Spielarten der struk turellen Semantik . Ein Problem dabei ist, daß die Deutung der semantischen Merk male in ihrer Rolle für die Deutung des Gesamtprädik ats meistens offen bleibt. (C) Man versteht die Konstanten als Abk ürzung für eine komplexe semantische Konfiguration. Auch hier wird die Bedeutung ‘zerlegt’, aber nicht in eine Liste von Merk malen, sondern in eine offene prädik atenlogische Formel (die ihrerseits geeignete primitive Prädik atsk onstanten enthält). Dies erlaubt dann wiederum, die Bedeutungsbeziehungen abzuleiten, und zwar aufgrund allgemeiner logischer Regeln. Dieses Verfahren wurde teils im Rahmen der sog. generativen Semantik (z. B. Lak off 1971) entwick elt, teils in Auseinandersetzung mit Positionen der struk turellen Semantik , eingeschlossen die Theorien von Katz (siehe besonders Bierwisch 1969). Zwischen dem Aufbau von Wortsemantik und Satzsemantik gibt es dann k einen wesentlichen Unterschied — abgesehen von den Effek ten, die daher rühren, daß Teile von Wörtern für syntak tische Beziehungen nicht zugänglich sind; Sätze wie (20a) und (20b) k önnen dieselbe Repräsentation erhalten — (20c) vs. (20d) veranschaulicht die Beschränk ung durch syntak tische Inseln. Für diese Argumentation ist es irrelevant, ob die Wortbedeutung aufgrund der Interpretation morphologisch sichtbarer Affixe abgeleitet wird oder nicht. (Zur Integration der Wortsemantik in die Montague-Grammatik vgl. Dowty 1979; siehe auch Artikel 8.) (20) a. Das Problem ist unlösbar. b. Das Problem kann nicht gelöst werden. c. * Das Problem ist unlösbar, sondern muß offen bleiben. d. Das Problem kann nicht gelöst werden, sondern muß offen bleiben. Ak tuell verfolgt werden heute nur Positionen, die durch die Verfahren (A) oder (C) charak terisierbar sind. Dabei ist es wohl so, daß
3. Bedeutung und Gebrauch
Anhänger von (A) gewisse Fragen gar nicht stellen, die für Anhänger von (C) gerade wichtige Fragen sind. Im Rahmen der Position (C) k önnen nun auch Probleme angegangen werden, die sich der theoretischen Behandlung bisher entzogen haben. Man betrachte die in (21) formulierten Bedeutungsbeziehungen. Wenn sich A und B face to face gegenüber stehen, gilt (21a); wenn sie hintereinander in einer Schlange stehen, gilt (21b); unter noch anderen Umständen braucht keines von beidem zu gelten. (21) a. A steht vor B ↔ B steht vor A b. A steht vor B ↔ B steht hinter A In (21a) muß vorausgesetzt werden, daß A und B jeweils intrinsische Frontseiten haben und daß die dadurch definierten Richtungen entgegengesetzt sind. In (21b) sind A und B in derselben Richtung orientiert, entweder aufgrund ihrer intrinsischen Frontseiten oder aufgrund einer speziellen Ausrichtung der Schlange oder aufgrund einer Beobachterperspek tive. Dieses Problem der Richtungsabhängigk eit findet sich auch, wenn jemand die Aufforderung „Park e hinter dem Peugeot!“ wahr machen will: er k ann seinen Wagen vor, hinter oder sogar neben dem Peugeot abstellen, je nach dem, was er als die definierende Richtung ansieht. Man k ann daher annehmen, daß vor und hinter in der lexik alischen Repräsentation eine Richtungsvariable erhalten, die in der entsprechenden Situation zu belegen ist: entweder intrinsisch durch Ausrichtung der Achsen des betreffenden Objek ts oder extrinsisch durch eine Beobachterperspek tive bzw. eine sonstwie einschlägige Richtung. Bei k onstanter Festlegung der Richtung sind vor und hinter im Sinne von (21b) k onvers zueinander, d. h. hinter k ann so wie vor, aber mit umgek ehrter Richtung repräsentiert werden. Zunächst sieht es so aus, als k önne die Richtungsabhängigk eit einfach im Rahmen der zweistufigen Semantik beschrieben werden; die Ausdrück e vor, hinter enthalten eine Kontextbedingung, die durch die zulässigen Kontexte in der einen oder anderen Weise erfüllt werden muß. Das Problem ist aber verwick elter, weil die Kontextbedingung entweder an Eigenschaften der Objek te oder an der Einführung eines Beobachters festgemacht werden muß; und dazwischen bestehen Abhängigk eiten, die eigens k ontrolliert werden müssen. Insbesondere müssen A und B im Hinblick auf ihre Objek teigenschaften interpretiert werden (ob sie eine passende Achse
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aufweisen oder nicht). Was hier vorliegt, ist also offensichtlich k omplizierter als in der bisher angenommenen zweistufigen Semantik . Die Sätze sind nicht einfach an einem Kontext als wahr oder falsch zu bewerten, sondern zunächst ist aufgrund der lexik alischen Bedeutung der Ausdrück e (evtl. relativ zu einem Kontext) die Repräsentation einer spezifizierten räumlichen Situation aufzubauen, die dann zu bewerten ist. Ähnliches wie in (21) läßt sich anhand der dimensionalen Adjektive beobachten (siehe Lang 1987 a, 1988 a). Z. B. gelten die in (22) genannten Implik ationen. Aber anders als die Bedeutungsbeziehungen zwischen polaren Adjek tiven wie in (19c) k önnen diese Implik ationen nur schwerlich aus der lexik alischen Repräsentation der Adjek tive abgeleitet werden. (Lang zeigt überzeugend, daß dafür eine ungeheuer k omplizierte und letztlich nicht begründbare Semantik vonnöten wäre). Vielmehr muß man annehmen, daß die Vordersätze eine bestimmte räumliche Anordnung des Objek tes voraussetzen (Spiegel bzw. Stange müssen aufrecht stehen), während die Hintersätze neutral zur räumlichen Anordnung sind. Wiederum ist zunächst aufgrund der lexik alischen Bedeutung der Ausdrück e die Repräsentation einer spezifizierten räumlichen Situation aufzubauen, die dann zu bewerten ist. (22) a. Der Spiegel ist 2 m breit und 1 m hoch → Der Spiegel ist 2 m lang und 1 m breit b. Die Stange ist 3 m hoch → Die Stange ist 3 m lang Lang nimmt an, daß die nominalen Prädik ate wie SPIEGEL, STANGE usw. nur auf Gegenstände zutreffen k önnen, die ein bestimmtes k onzeptuelles Objek tschema erfüllen. Zu dem Objek tschema gehören Informationen über Dimensionalität, Desintegrierbark eit der Achsen sowie Achsenauszeichnung (als maximale, vertik ale usw.). Die Anwendbark eit eines Adjek tivs auf den betreffenden Objek tterm hängt dann davon ab, ob das Adjek tiv (aufgrund seiner lexik alischen Bedeutung) auf die ausgezeichneten Achsen zutrifft oder vorhandene Leerstellen im Objek tschema passend festlegt und dadurch z. B. eine spezifische räumliche Anordnung des Objek tes erzwingt. Diese sog. Parameterbelegungsregeln dienen also dazu, eine k onzeptuelle Repräsentation für den Satz aufzubauen. Bierwisch & Lang (1987, 1989) unterscheiden strik t zwischen semantischer Repräsenta-
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tion (semantischer Form) und konzeptueller Repräsentation. Dies sind zwei verschiedene Module der Bedeutung, die auf ganz verschiedenen Kentnissystemen beruhen. Semantische Repräsentationen unterliegen ausschließlich sprachlichen (möglicherweise universellen) Prinzipien und insbesondere dem Kompositionalitätsprinzip. Die darin vork ommenden Konstanten sind sowohl grammatisch determiniert wie auch k onzeptuell fundiert, letzteres aber nicht notwendigerweise in der Biographie des Sprechers, sondern aufgrund der gattungsspezifischen k onzeptuellen Anlage. Der k ompetente Sprecher macht Gebrauch der durch das sprachliche System bedingten semantischen Repräsentationen, indem er sie im Lichte seiner individuellen Erfahrungen auf k onzeptuelle Repräsentationen abbildet. (Dies ist also ein weiterer Gebrauchsaspek t der Sprache; man k ann natürlich auch umgek ehrt sagen, daß der Sprecher Gebrauch von seinen Erfahrungen macht, wenn er sprachliche Ausdrück e interpretiert.) Konzeptuelle Repräsentationen unterliegen allgemeinen (also nichtsprachlichen) Prinzipien des k onzeptuellen Systems, im Fall von lok alen Präpositionen und Adjek tiven speziell des k onzeptuellen Systems des Raumes. Im Aufbau von k onzeptuellen Repräsentationen k ann nun in natürlicher Weise diverses Weltwissen (und natürlich auch der jeweilige Kontext) berück sichtigt werden. Insbesondere gehören Stereotype und prototypische Schemata zum k onzeptuellen Inventar, das hierbei herangezogen werden kann. Auch k onzeptuelle Repräsentationen sind propositional (obwohl sie ihrerseits mit anderen Repräsentationsformen in Wechselbeziehung stehen), also grundsätzlich mit den Mitteln der Prädi k atenlogi k formulierbar. Der Aufbau dieser Repräsentationen muß aber nicht k ompositional dem Aufbau von Sätzen folgen. Soweit Bedeutungseffek te augenscheinlich nichtk ompositional sind, sollte man also annehmen, daß sie aus dem k onzeptuellen System herrühren. Auch sog. Umweginterpretationen (bei semantisch zunächst abweichenden Sätzen, z. B. solchen, die eine Sortenverletzung aufweisen) lassen sich als ‘Reparaturen’ im Rahmen des k onzeptuellen Systems verstehen (ähnlich so wie gewisse Implik aturen als ‘Reparaturen’ innerhalb des Interaktionssystems gelten können). Die Unterscheidung von semantischer und k onzeptueller Repräsentation ist ebenfalls hilfreich in der Analyse der zahlreichen Fälle, die Bierwisch (1983) als konzeptuelle Differenzierung und als konzeptuelle Verschiebung be-
I. Allgemeine Grundlagen
schrieben hat. Die Beispiele in (23) k önnen den ersten Typus, den der k onzeptuellen Differenzierung, belegen. (23) a. Die Schlange steht bis kurz vor das Rathaus. Es regnete bis kurz vor unserer Abfahrt. Sie erhitzten die Substanz bis kurz unter 2000 Grad. b. Sie ist schon im Bett. Wir sind schon in Holland. Er ist schon 5 Jahre alt. Er hat schon 100 Mark gespart. Es ist sinnvoll, die Ausdrück e bis, vor und schon nicht als ambig anzusehen. Sie enthalten in ihrer semantischen Repräsentation einen Parameter, von dem die Sprecher einen unterschiedlichen k onzeptuellen Gebrauch machen, d. h. unterschiedlich spezifizieren k önnen. (Vgl. dazu das Beispiel (5) von oben für die unterschiedlichen Spezifizierungen von wer.) — Bis ordnet das Ende eines Zustands/ Prozesses auf einer Sk ala ein: diese k ann z. B. als räumliche oder zeitliche Dimension, aber auch als Temperatursk ala spezifiziert werden; und vor relationiert einfach zwei Elemente auf einer ziemlich beliebigen (horizontal gedachten) Sk ala. Die spezielle räumliche oder zeitliche oder noch andere Deutung der Dimension beruht auf einem wechselseitigen Selek tionseffek t des sprachlichen Kontextes, der hier insbesondere durch das Objek t der Präposition gestellt wird: Rathaus bezieht sich auf ein räumliches Objek t, Abfahrt auf ein zeitliches Ereignis und 2000 Grad auf einen Temperaturwert. — Schon bedeutet, daß etwas auf einer Sk ala nach dem Übergang der negativen Fälle zu den positiven Fällen eingeordnet wird: diese Sk ala k ann als zeitliche oder räumliche Dimension, als Sk ala der Lebensalter, Geldbeträge usw. spezifiziert werden (vgl. Löbner 1989, 1990). Der Typus der k onzeptionellen Verschiebung (der ebenfalls oft mit Differenzierung einhergeht) k ann an Beispielen wie in (24) demonstriert werden. (24) a. Die Schule beginnt um 8 Uhr. Die Schule ist gleich um die Ecke. Die Schule bietet neuerdings auch Kochkurse an. Die Schule hat ein strenges Reglement. Die halbe Schule versammelte sich auf der Straße. Die Schule spielt für die Reproduk-
3. Bedeutung und Gebrauch
tion der Gesellschaft eine zentrale Rolle. b. Seine Schrift ist unleserlich. Eine Punkt 8 Schrift ist mir zu klein. Die Koreanische Schrift wurde im Dezember 1443 eingeführt. Wenn Schul e eine ‘Institution zum Lernen’ bedeutet, so läßt sich nach generellen k onzeptuellen Kriterien zwischen Typ und Exemplar unterscheiden, zwischen Verfahren, Agenten und Klienten, ferner lassen sich Gebäude, Ak tivitäten und zeitlicher Ablauf zuordnen. Natürlich sind Institutionen, Gebäude, Personen und Prozesse ganz andere Arten von Entitäten, die somit unterschiedliche Sortenbedingungen erfüllen. Der jeweilige Kontext von Schul e stellt solche Sortenbedingungen, deren Verarbeitung führt dann zur k onzeptuellen Verschiebung. Man muß also nicht annehmen, daß Schul e mehrfach ambig ist. Dies wäre schon deshalb nicht wünschenswert, weil Nomina wie Universität, Kirche, Amtsgericht usw. ein ganz ähnliche Variation aufweisen. Und die Beispiele in (24b) zeigen, daß die Variationsmöglichk eit schon bei den Nomina viel weiter verbreitet ist. So k ann man für Schrift die semantische Repräsentation ‘Mittel zur optischen Repräsentation von Sprache’ annehmen, um daraus die verschiedenen ak tualen Verwendungsvariationen k onzeptuell abzuleiten. Für Nomina wie Buchstabe, Zeitung, Roman, Oper usw. läßt sich dies dann leicht fortführen. Das Problem der Polysemie beruht also im wesentlichen in dem ak tualen Gebrauch der Wörter, bei dem im Rahmen von k onzeptuellen Repräsentationen das jeweilige Weltwissen zur Differenzierung und Verschiebung eingesetzt werden k ann. Dies schließt nicht aus (sondern macht es geradezu erwartbar), daß gewisse Verwendungen präferiert oder stigmatisiert werden und dadurch neue semantisch idiomatische Lexik oneinträge fixiert werden können. Abschließend sei nochmals auf die Überlegungen zur zweistufigen Semantik in Abschnitt 4 eingegangen. Ein Situations- oder Intera k tions k ontext wird k onzeptuell und nicht sprachlich repräsentiert — insbesondere natürlich ein visueller Kontext; aber auch sprachliche Kontexte stehen, wenn sie gebraucht werden, in der Regel wohl k onzeptuell, also bereits ‘verarbeitet’, zur Verfügung; für die Einheitlichk eit des Kontextbegriffs — ob visuell oder sprachlich — sprechen insbesondere die indexik alischen Ausdrück e, die in der Regel sowohl deik tisch (im visuellen Kon-
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text) wie auch anaphorisch (im sprachlichen Kontext) gebraucht werden k önnen. Der referentielle Wert eines Ausdruck s muß in dem jeweiligen Kontext identifiziert werden; auch dies ist mithin eine k onzeptuelle Leistung. Man k ann es vielleicht so formulieren: k onzeptuelle Repräsentationen beziehen sich direk t auf die externe Welt, semantische Repräsentationen nur indirek t, nämlich nach ‘Übersetzung’ in k onzeptuelle Repräsentationen. Die Referenztheorie (die festlegt, wie semantische Individuenvariablen zu belegen sind) expliziert demnach im wesentlichen die ‘Schnittstelle’ zwischen semantischen und k onzeptuellen Repräsentationen (nicht notwendigerweise ex k lusiv). Prädi k ats k onstanten werden auf k onzeptuelle Schemata bezogen; k onzeptuelle Differenzierung und Verschiebung sind dann als Operationen über solchen Schemata zu verstehen. Im Lichte dieser Betrachtungen gewinnen Überlegungen der prozeduralen Semanti k (siehe Abschnitt 2) eine neue Perspek tive: die Belegung von Variablen sowie die k onzeptuelle Differenzierung / Verschiebung stellen Prozeduren dar, deren Resultat k onzeptuelle Repräsentationen sind. Natürlich werden auch Intera k tions k ontexte k onzeptuell repräsentiert; sie unterliegen aber ganz anderen regulierenden Prinzipien in Verbindung mit Motivationsstruk tur und der sozialen bzw. interak tiven Kompetenz. Deshalb k ann man die in Abschnitt 5 besprochenen Probleme wohl zurecht gegenüber Problemen der Referenz oder der k onzeptuellen Schematisierung deutlich abgrenzen. Allerdings k önnten sich aus den hier betrachteten Entwick lungen der Semantik auch neue Gesichtspunk te für die Sprechak ttheorie ergeben. Ein Sprecher, der mit seiner Äußerung einen spezifischen Effek t beim Hörer erreichen will, muß die Sprechsituation gewissermaßen ink remental repräsentieren: nämlich als eine Situation, die durch gewisse weitere Informationen in eine dementsprechend modifizierte Situation übergeführt werden kann. Aus der Sicht einer grundsätzlichen Unterscheidung von semantischer Kompetenz (als Teil der grammatischen Kompetenz) und generellen k onzeptuellen Fähigk eiten ergibt sich ein Spek trum möglicher Grenzziehungen zwischen Bedeutung und Gebrauch. Auf der einen Seite k önnte alles, was innerhalb des k onzeptuellen Systems geleistet wird, ‘Gebrauch’ genannt werden, auf der anderen Seite nur das, was spezifizische weitere Mo-
I. Allgemeine Grundlagen
52
dule (wie z. B. die Motivationsstruk tur und Interaktionskompetenz) in Anspruch nimmt. Die in diesem Abschnitt dargestellte Konzeption wird nicht von allen Semantik ern geteilt. Einmal gibt es Autoren, die eine eigene Ebene der semantischen Repräsentationen (oder ‘semantischen Form’ in der Terminologie von Bierwisch und Lang) überhaupt abstreiten, also Bedeutungen grundsätzlich in Form von k onzeptuellen Struk turen repräsentieren (z. B. Jack endoff 1983). Neben allen spezifischen (hier zum Teil dargestellten) Argumenten gibt es gegen diese Art der Konzeption auch den generellen Einwand, daß eine merk würdige Asymmetrie des grammatischen System behauptet wird. Die Grammatik ordnet Lautsequenzen Bedeutungen zu. Sowohl Laute wie auch Bedeutungen (realistisch verstanden) sind der Sprache extern. Als k omplexe ‘Schnittstelle’ zwischen syntak tisch-morphologischer Form und phonetischer Struk tur (als Repräsentationsform für artik ulatorische und auditive Prozesse) fungiert nach einhelliger Auffassung aller Linguisten die phonologische Struk tur; eine analoge k omplexe Schnittstelle zwischen syntak tisch-morphologischer Form und der k onzeptuellen Struk tur (als Repräsentationsform der Welt) k önnte die semantische Struk tur darstellen. Viele Semantik er stellen sich der Frage nach der k onzeptuellen Vermittlung grammatischen Wissens gar nicht, vielleicht weil sie Erwägungen dieser Art nicht als besonders relevant für die Entwick lung formaler Theorien halten. In der Regel nehmen diese Autoren einen direk ten Bezug semantischer Repräsentationen zur Welt an. Tatsächlich enthalten ihre Analysen oft sehr differenzierte k onzeptuelle Aspek te, die nicht k ompositional in Bezug auf die syntak tisch-morphologische Form sind. Es ist deshalb einfach unk lar, ob sie eher der hier dargestellten Konzeption oder einer
einstufigen (mithin wohl k onzeptuellen) Bedeutungsrepräsentation zuneigen. Die ak tualen Entwick lungen in der Kontext- und Referenztheorie (insbesondere der Disk ursrepräsentationssemantik ) deuten aber darauf hin, daß eine Konzeption wie die hier dargestellte an Gewicht zunehmen wird. Ich dank e Ewald Lang, Sebastian Löbner und Arnim von Stechow für hilfreiche Kommentare.
7.
Literatur (in Kurzform)
Alston 1963 · Alston 1964 b · Aqvist 1965 · Austin 1956 · Austin 1962 · Bach/Harnish 1979 · Bar-Hillel 1954 · Barwise/Cooper 1981 · Barwise/Perry 1983 · Bierwisch 1969 · Bierwisch 1979 · Bierwisch 1980 · Bierwisch 1983 · Bierwisch/Lang (eds.) 1987 · Bierwisch/Lang (eds.) 1989 · Bloomfield 1933 · Brown/Levinson 1978 · Carnap 1947 a · Coulmas 1981 · Cresswell/von Stechow 1982 · Donnellan 1966 · Doron 1988 · Dowty 1979 · Fodor 1978 b · Grewendorf 1972 · Grice 1957 · Grice 1967 · Grice 1975 · Hare 1970 · Heim 1982 · Jak k endoff 1983 · Johnson-Laird 1977 · JohnsonLaird 1978 · Johnson-Laird 1982 · Kamp 1981 a · Kaplan 1979 · Karttunen 1973 · Katz 1972 · Katz/ Fodor 1963 · Kratzer 1978 · Lak off 1971 · Lang 1983 · Lang 1987 a · Lang 1988 a · Lemmon 1962 · Levinson 1983 · Lewis 1969 · Lewis 1970 · Löbner 1985 a · Löbner 1987 b · Löbner 1989 · Löbner 1990 · Malinowsk i 1923 · Meggle 1981 · Montague 1968 · Montague 1973 · Morris 1938 · Partee 1984 a · Peters 1979 · Pink al 1985 · Posner 1979 · Ross 1970 · Russell 1905 · Sack s/Schegloff/Jefferson 1974 · Sadock 1968 · Sadock 1974 · Schegloff 1972 · Schegloff/Sack s 1973 · Searle 1969 · Searle 1975 a · Sperber/Wilson 1986 · Stalnak er 1970 · Stenius 1967 · von Wittgenstein 1953/1967 · Wunderlich 1976 · Wunderlich 1978 · Wunderlich 1979 · Wunderlich 1986 a
Dieter Wunderlich, Düsseldorf (Bundesrepublik Deutschland)
4. Wortsemantik
4. 1. 1.1 1.2 2. 3. 3.1 3.2 4.
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Wortsemantik Begriffliche Unterscheidungen Deskriptive vs. nicht-deskriptive Bedeutung Bedeutung vs. Extension Das Problem der logischen Wörter Die Semantik der Inhaltswörter: Wortbildung Komposition Ableitungen Die Semantik der Inhaltswörter: Simpliziabedeutungen Dekomposition der Simpliziabedeutungen bedeutungen Einschränkungen über die Inhaltskerne bedeutungen Dekomposition im engeren Sinne bedeutungen Stereotypen- und Prototypensemantik bedeutungen Natürliche Begriffe vs. mögliche Wortbedeutungen bedeutungen Literatur (in Kurzform)
(2) Regnet es denn? (3) Leider regnet es.
1.1 Deskriptive vs. nicht-deskriptive Bedeutung
aufgrund der desk riptiven Bedeutung von regnen Äußerungen gemacht werden, in denen ein und derselbe Sachverhalt, nämlich daß es regnet, jeweils als Bedingung, als Gegenstand einer Frage bzw. als Inhalt einer Mitteilung behandelt wird. Nicht-des k riptive Bedeutungs k omponenten dagegen tragen neben anderen Fak toren dazu bei, sprachlichen Äußerungen den Charak ter mehr oder weniger spezifizierter Handlungen zu verleihen, wie etwa den von Feststellungen (vgl. (1) und (3)), Fragen (vgl. (2)) oder dergleichen. Zum andern ermöglichen sie es, die Darstellung von Sachverhalten in unterschiedlicher Weise zu beleuchten (vgl. die Funk tion von l eider in (3)), sowie deren Verwendung in einen umfassenden Handlungsk ontext einzugliedern (so die Modalpartik el denn in (2), mit der zum Ausdruck gebracht wird, daß eine positive Antwort auf (2) als Begründung für etwas ak zeptiert würde, was vorher gesagt oder getan wurde). Die letzten beiden Beispiele legen nahe, daß die Bedeutung bestimmter Wörter mit ihrer nicht-desk riptiven Bedeutung zusammenfällt. Bei anderen Wörtern ist ein k omplexes Nebeneinander desk riptiver und nicht-desk riptiver Bedeutungsk omponenten anzunehmen. Die Unterscheidung ‘desk riptiv — nicht-desk riptiv’ entspricht dabei nicht einem Gegensatz im Bereich der semantischen Modi (etwa Feststellung vs. Aufforderung, Frage usw.). So ist, wie die Beispiele (1) bis (3) zeigen, die desk riptive Bedeutung von regnen durchaus mit verschiedenen Modi vereinbar. Der von hier aus naheliegenden Verallgemeinerung, daß desk riptive Bedeutungsk omponenten grundsätzlich modusneutral sind, scheinen nun aber bestimmte Vork ommen der sog. performativen Verben entgegenzustehen. Ein explizit performativer Satz wie (4) (4) Ich fordere Sie hiermit auf, die Straße zu räumen.
Ebenso wie für die gesamte Semantik , ist auch für die Theorie der Wortbedeutung die Unterscheidung zwischen deskriptiver und nichtdeskriptiver Bedeutung grundlegend. Die desk riptiven Bedeutungsk omponenten sprachlicher Einheiten gestatten die Darstellung von Sachverhalten unabhängig von der Verwendung dieser Darstellung für bestimmte Zweck e, wie die des Feststellen, Fragens oder Aufforderns. So können etwa mit den Sätzen (1) Wenn es regnet, ist Hans zuhause.
hat zwar die Form einer Aussage, dennoch drück t er in der Regel eine Aufforderung aus. Nimmt man nun an, daß dieser Gegensatz zwischen der Form eines Satzes und seiner Äußerungsbedeutung schon auf der Ebene der systematischen Satzbedeutung k onstituiert wird, so ergibt sich, daß die Bedeutungsstruk tur von (4) völlig verschieden ist von der Bedeutungsstruktur von (4’) (4’) Er forderte sie damit auf, die Straße zu räumen.
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
5.
1.
Begriffliche Unterscheidungen
Der Begriff der Wortbedeutung läßt sich, wenn überhaupt, nur im Rahmen einer allgemeinen Bedeutungstheorie für alle Arten sprachlicher Einheiten, seien sie einfach oder k omplex, explizieren. Das ergibt sich schon allein daraus, daß die vortheoretische Einheit des Wortes in jeweils theorieabhängiger Weise als Nahtstelle zwischen der Semantik syntak tisch k omplexer Phrasen (der Konstruk tionssemantik ) und der Semantik der Wortbildung (der Derivations- und Kompositionssemantik , s. u.) zu rek onstruieren ist. Aus dem Bereich der allgemeinen Bedeutungstheorie k önnen jedoch im folgenden nur wenige elementare Begriffe erörtert werden; für eine ausführliche Behandlung der Probleme sei daher auf die einschlägigen Artik el (1 bis 3, 7) verwiesen.
54
In diesem Sinne geht man in Ansätzen, die der Sprechakttheorie (Austin 1962, Searle 1969) verpflichtet sind, davon aus, daß etwa in (4) im Gegensatz zu (4’) die desk riptive Bedeutung von auffordern zur desk riptiven Bedeutung von (4) nichts beiträgt, insofern die sonst (etwa in (4’)) mit auffordern lediglich beschriebene Handlung mittels einer Äußerung von (4) gerade vollzogen und nicht beschrieben werde. M. a. W., das Verb auffordern würde in (4) nicht mit seiner üblichen desk riptiven sondern einer performativen oder Vollzugsbedeutung vorkommen. Demgegenüber hat u. a. Bierwisch (1980) gezeigt, daß man den performativen Effek t von Äußerungsvork ommen der Art (4) sehr wohl rek onstruieren k ann, ohne etwa für (4) und (4’) völlig verschiedene Bedeutungsstruk turen anzusetzen (siehe auch Artik el 3). Insbesondere ergibt sich aus der Analyse von Bierwisch, daß die Annahme performativer Bedeutungsk omponenten auf der Ebene der Wortsemantik nicht erforderlich ist, und daß die desk riptiven Komponenten von Wortbedeutungen in modusneutraler Weise in die desk riptive Bedeutung k omplexer Ausdrück e eingehen. Bierwisch geht freilich — u. E. mit Recht — davon aus, daß der Handlungscharak ter sprachlicher Äußerungen im Rahmen einer allgemeinen Handlungstheorie zu behandeln ist, die nicht als natürliche Erweiterung der linguistischen Theorie der sprachlichen Kompetenz angesehen werden kann. Wie noch auszuführen ist, k ann der Begriff der Wahrheitsbedingung als grundlegend für die Explik ation der desk riptiven Bedeutung angesehen werden. Gebilde wie die sprachlichen, die aufgrund ihrer Struk tur Sachverhalte darstellen k önnen, in die ein k ognitives System seine Welt gliedert, lassen sich hinsichtlich ihrer Darstellungsleistung dadurch charak terisieren, daß angegeben wird, wie die Welt aussieht, wenn der dargestellte Sachverhalt besteht (vgl. Wittgenstein 1921, 4.022, 4.024). In welchem Verhältnis der dargestellte Sachverhalt zur Welt tatsächlich steht, z. B. ob er der Fall ist oder der Fall sein soll, ist eine über die reine Darstellung hinausgehende Frage (auch einer Architek turzeichnung k ann nicht entnommen werden, ob sie einen geplanten oder bestehenden Grundriß darstellt). Wahrheitsbedingungen als Mittel der Explik ation einer Darstellungsleistung sind also modusneutral, also z. B. nicht an den Aussagemodus von Behauptungssätzen gebunden, andernfalls k önnte z. B. der Inhalt eines Bedingungssatzes nicht durch Wahrheitsbe-
I. Allgemeine Grundlagen
dingungen erfaßt werden. Wie die performativen Sätze zeigen, k önnen zwar wesentliche Aspek te eines sonst durch Modusindik atoren (z. B. Imperativform) ausgedrück ten Verhältnisses auch zum Inhalt einer Sachverhaltsdarstellung gemacht werden, was wohl eine spezifische Leistung sprachlicher Darstellung ist, aber niemals restfrei (auch (4) hat als Aussagesatz eine nicht-darstellende bzw. nicht-desk riptive Modusk omponente). Für die nicht eliminierbaren Ausdruck smittel nicht-darstellender Art ist also ein eigener Begriff nicht-desk riptiver Bedeutung erforderlich. Wie er zu fassen ist, darüber gibt es k eine allgemein ak zeptierte Theorie. Erwägenswert scheint uns ein Ansatz zu sein, der durch Arbeiten von Bierwisch (1980), Lang (1983) und Doherty (1985) nahegelegt wird. Danach k önnen so heterogen erscheinende Ausdruck smittel wie Modusindik atoren, Modalpartik el (z. B. doch, ja, etwa, wohl , denn), evaluative (z. B. leider) und epistemische (z. B. vermutlich) Satzadverbien unter einem einheitlichen Aspek t gesehen werden: mit ihnen werden Einstellungen, die sich ‘präreflexiv’ auf Sachverhalte beziehen in ‘nicht-propositionaler’ Weise ‘ausgedrüc k t’, d. h. die Einstellung wird nicht als Komponente eines Sachverhalts dargestellt, der durch Wahrheitsbedingungen chara k terisierbar ist, sondern durch sprachlichen Ausdruck gleichsam gezeigt und zu erkennen gegeben. Da die jeweils ausgedrück ten Einstellungen, einschließlich der durch Modi ausgedrück ten, untereinander k onk urrieren, k önnen bei einer Reihe von Distributionsbeschränk ungen, — vgl. die Beispiele (5) von Doherty (1985: 63) — die sonst üblichen ad hoc-Stipulationen weitgehend vermieden werden. (5) a. *Konrad ist nicht ja verreist. b. *Ist Konrad ja verreist? c. *Konrad ist nicht doch verreist. (ohne Kontrastakzent) d. *Ist Konrad nicht denn verreist? e. *Konrad ist denn verreist. Ferner weist die Unterscheidung von „nichtpropositionalem Ausdrück en“ und propositionalem „Sagen“ (E. Lang) zumindest die Richtung auf, in der eine Erk lärung für Kontraste wie in (6) (vgl. Doherty 1985: 16 f.) zu suchen ist. (6) a. Ich bedauere/vermute nicht, daß Konrad verreist ist.
4. Wortsemantik
b. *Konrad ist nicht leider/vermutlich verreist. c. Bedauere/Vermute ich, daß Konrad verreist ist? d. *Ist Konrad leider/vermutlich verreist? Für die Entwick lung eines Begriffs nicht-desk riptiver Bedeutung scheint uns jedenfalls die weitere Ausarbeitung des Konzepts ‘nichtpropositionaler Ausdruck einer Einstellung’ lohnend zu sein. 1.2 Bedeutung vs. Extension Als erster Schritt bei der Klärung dessen, was hier desk riptive Bedeutung genannt wurde, wird in fast allen Ansätzen eine Unterscheidung gemacht, deren begriffliche Fixierung vor allem Frege (1892) zu verdank en ist. Es handelt sich um die Unterscheidung zwischen dem Sinn oder der Bedeutung eines Ausdrucks und seinem Bezug oder seiner Extension — für letzere benutzt Frege den etwas eigenwilligen Terminus „Bedeutung“. Was damit gemeint ist, läßt sich etwas vereinfacht so verdeutlichen: Damit jemandem mit der Äußerung des Satzes (7) Marias Mutter arbeitet im Rot-KreuzKrankenhaus. etwas mitgeteilt werden k ann, was er noch nicht weiß, ist trivialerweise zweierlei erforderlich: er muß die Äußerung verstehen, aber er darf nicht schon vorher wissen, daß der mit ihr dargestellte Sachverhalt der Fall ist. Wüßte er nun sowohl, auf welche Person es zutrifft, daß sie Marias Mutter ist, als auch auf welche Personen es zutrifft, daß sie im Rot-Kreuz-Kran k enhaus arbeiten — oder mehr technisch ausgedrück t: würde er die Extension von Marias Mutter und die Extension des Prädik ats arbeitet im Rot-Kreuz-Krankenhaus k ennen, so wüßte er schon vorher, was ihm mit (7) erst mitgeteilt werden soll. Das Verstehen einer Äußerung von (7), also das, wozu die Sprachk enntnis wesentlich beiträgt, k ann somit nicht in der Kenntnis der Extensionen sämtlicher in (7) vork ommender Ausdrücke bestehen. M. a. W., allein schon die Verwendbark eit der Sprache für Zweck e der Mitteilung setzt voraus, daß der Sinn oder die Bedeutung, also das, dessen Kenntnis für das Verstehen erforderlich ist, zumindest im Falle einiger Ausdrück e von ihrer Extension verschieden ist. Die eben durchgeführte Überlegung zeigt auch, in welcher Richtung die Unterscheidung von Bedeutung und Extension ganzer Sätze zu suchen ist. Kennt man die Extensio-
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nen von Subjek t und Prädik at von (7), so weiß man, ob der Satz (7) wahr ist. Es liegt daher nahe, mit Frege die Extension eines Satzes mit seinem Wahrheitswert gleichzusetzen, da er es ist, der — jedenfalls in Fällen wie (7) — durch die Extensionen der Satzbestandteile festgelegt wird. Analog wird man für die Bedeutung des Satzes annehmen, daß sie etwas ist, was sich aus der Bedeutung seiner Bestandteile ergibt. Im Falle des Subjek ts und Prädik ats von (7) garantiert, wie eben ausgeführt, die Kenntnis allein ihrer Bedeutung nicht die Kenntnis ihrer Extension; es müssen also zusätzliche Fak ten bek annt sein, um diese Kenntnis herbeizuführen. Fak ten welcher Art dafür unter normalen Umständen in Frage k ommen, ergibt sich jedoch durchaus aus ihrer Bedeutung. Ihre Bedeutung legt also mit die Bedingungen fest, die erfüllt sein müssen, um die Person bzw. die Personen identifizieren zu k önnen, welche ihre jeweilige Extension ausmachen. Da nun aber mit der Extension seiner Bestandteile auch die Extension, also der Wahrheitswert von Satz (7) gegeben ist, sind in den Bedingungen, die die Bedeutungen seiner Bestandteile gleichsam der Welt auferlegen, um ihre Extension identifizierbar zu machen, auch die Bedingungen enthalten, die erfüllt sein müssen, um den Wahrheitswert des ganzen Satzes (7) zu bestimmen. Was somit durch die Bedeutung von Subjek t und Prädik at von Satz (7) festgelegt wird, ist zwar nicht sein Wahrheitswert, aber seine Wahrheitsbedingungen. Versteht man nun ausgehend von dieser Überlegung allgemein unter der deskriptiven Bedeutung eines Satzes etwas, was seine Wahrheitsbedingungen festlegt, so erhält man einen einheitlichen Begriff desk riptiver Bedeutung für alle Ausdrück e, bei denen sinnvoll zwischen Bedeutung und Extension unterschieden werden k ann: Die Bedeutungen derartiger Ausdrück e sind danach dasjenige, was die Bedingungen für die Feststellung ihrer Extension festlegt. Auf die Probleme der mit diesem Bedeutungsbegriff verbundenen Idealisierung soll später zurückgekommen werden. Es fragt sich nun, ob die Unterscheidung zwischen Bedeutung und Extension bei allen Ausdrück en gemacht werden muß, insbesondere ob sie bei allen Wörtern zu machen ist.
2.
Das Problem der logischen Wörter
Die Unterscheidung von Bedeutung und Extension wurde oben durch Beispiele von Sätzen zu motivieren versucht, deren Wahrheits-
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wert im Normalfall nur dann bestimmt werden k ann, wenn die Extension gewisser syntak tischer Bestandteile bek annt ist. Nun gibt es bek anntlich Sätze, deren Wahrheitswert man auch dann bestimmen k ann, wenn die Extension ihrer Bestandteile nicht bek annt ist. Zuweilen spricht man bei solchen Sätzen auch von Bedeutungswahrheiten. Dabei werden häufig zwei Arten solcher Sätze besonders ausgezeichnet: diejenigen Sätze, die „analytisch“ in einem engeren Sinne heißen, wie (8) Alle Junggesellen sind unverheiratet. und die logisch wahren Sätze wie (9) Wenn Hans unverheiratet ist, dann ist Hans unverheiratet. Beiden Satztypen ist, wie gesagt, gemeinsam, daß man ihren Wahrheitswert ohne besondere Extensionsk enntnisse ihrer Wörter bestimmen k ann, bei (8) und (9) also ohne Wissen darüber, wer Junggeselle oder unverheiratet ist, oder wer Hans ist. Während man jedoch die Bedeutung aller Wörter von (8) k ennen muß, um sagen zu k önnen, ob (8) wahr ist, genügt bei (9) lediglich das Wissen darüber, was wenn-dann bedeutet, sowie daß durch wenndann zwei syntak tische Varianten desselben Satzes verk nüpft werden, weshalb man auch sagt, daß (9) aufgrund seiner Form, spezieller seiner logischen Form als wahr bestimmt werden kann. Ausdrück e α wie wenn-dann, zu denen es Sätze wie (9) gibt, die ihren Wahrheitswert bewahren, wenn man unter Konstanthaltung der Deutung von a die Deutung der übrigen Ausdrück e ‘formgerecht’ variieren läßt, werden von der Logik als logische Konstanten oder logische Wörter rek onstruiert. Die übrigen Ausdrück e werden als außerlogisch eingestuft und nur hinsichtlich ihrer Formk lassen unterschieden. Damit ist freilich nur ein Hinweis, k ein Kriterium für die Unterscheidung logischer und außerlogischer Wörter und Ausdrück e gegeben. Denn was konstant bleiben und was alles variieren darf in einer logisch wahren Satzform, bleibt letztlich offen. So gesehen ist es durchaus verständlich, wenn Katz (1972) den Begriff der logischen Form, der sich aus dem herk ömmlichen Katalog logischer Partik el wie nicht, oder, und, al l e etc. ergibt, für willk ürlich und allenfalls historisch bedingt hält, und für einen umfassenden logischen Formbegriff plädiert, mit dessen Hilfe auch die semantischen Eigen-
I. Allgemeine Grundlagen
schaften von Sätzen wie (8) erfaßt werden können. Der Vorwurf der Willk ür gegenüber der Standardauswahl der logischen Wörter erweist sich jedoch als unberechtigt, wenn man das Augenmerk nicht auf eine Abgrenzung der logischen Wahrheiten richtet, sondern darauf, was die sog. nicht-logischen oder Inhaltswörter von den logischen Wörtern in k ontingenten Sätzen unterscheidet: Kennt man lediglich die Bedeutung von schl afen und die Extension von der Professor, so k ann man den Wahrheitswert von (10) der Professor schläft. nicht bestimmen: Weiß man etwa, daß Einstein in einem Kontext von (10) die Extension von der Professor ist, so reicht die bloße Kenntnis des Deutschen (also insbesondere von schläft) nicht, um festzustellen, ob (10) wahr ist. Andernfalls k önnte mit (10) über Einstein nichts mitgeteilt werden, was man nicht schon wüßte. Kennt man hingegen in einer Situation die Extension von Kursteilnehmer und diejenige von Regensburger Student, so braucht man k eine zusätzliche Extensionskenntnis mehr, um den Wahrheitswert von (11) Alle Kursteilnehmer sind Regensburger Studenten. bestimmen zu können. Das ‘aristotelische’ logische Wort al l e verhält sich also anders also das Inhaltswort schläft. Allgemeiner: k ennt man den Umfang zweier Prädik ate A und B, so läßt sich der Wahrheitswert von Al l e A sind B bestimmen, ohne daß man zusätzlich zur Bedeutung von al l e noch eine etwaige Extension von al l e kennen müßte (entsprechend für einige, kein etc.). Ebensowenig benötigt man bei einem wahrheitsfunk tionalen Satzverk nüpfer wie und bei gegebenen Wahrheitswerten der verk nüpften Sätze noch eine über die Bedeutung des Satzverk nüpfers hinausgehende Extensionsk enntnis, um den Wahrheitswert des mit ihm gebildeten k omplexen Satzes feststellen zu k önnen. M. a. W., die Unterscheidung von Bedeutung und Extension ist, jedenfalls so wie sie im letzten Abschnitt vorgenommen wurde, nur für nichtlogische oder Inhaltswörter wie schl afen, Junggesel l e, unverheiratet, etc. wohlbegründet, nicht aber für die herk ömmlichen logischen Wörter. Schränk t man die Klasse potentieller logischer Wörter auf solche mit Operatorenchak ra ter ein, so k önnte man sagen:
4. Wortsemantik
(LOG)
Ein Operatorwort W ist nur dann ein logisches Wort, wenn für beliebige syntaktisch zu W passende Operandenausdrücke a1,...,an die Kenntnis lediglich der Bedeutung von W sowie das Wissen darüber, was die Extensionen von a1,...,an sind, ausreicht, um die Extension von W(a1,...,n) festzulegen.
(Zu einem ähnlichen Vorschlag in einem etwas anderen Rahmen vgl. Peacocke 1976). Demnach sind logische Operatoren nicht nur in dem üblichen Sinne extensional, daß sie für extensionsgleiche Operanden dieselbe Extension der mit ihnen gebildeten k omplexen Ausdrück e festlegen — Extension(W(a1,...,an)) = Extension(W(b1,...,bn), falls Extension(ai) = Extension(bi) — das gilt auch für viele Inhaltswörter. Vielmehr müssen sich die Extensionen der mit ihnen bildbaren k omplexen Ausdrück e für alle Folgen von OperandenExtensionen mit einer gemeinsamen höchst allgemeinen Struk tur in gleicher Weise finden lassen. Es geht also um Extensionsverhältnisse, die von den besonderen Eigenschaften der in den Extensionen enthaltenen Objek ten unabhängig sind, k urz um gegenstandsneutrale Verhältnisse. Für die Prädik atenlogik 1.Stufe findet dieser Sachverhalt in dem bek annten Satz seinen Ausdruck (vgl. Kutschera 1967:147): Ist eine Formel F in einem k -zahligen Universum U erfüllbar, so auch in jedem k -zahligen Universum U’ (in der Prädik atenlogik ohne Identität zusätzlich in jedem k ’-zahligen Universum mit k ’〉k ). Dabei spielt der Gedank e eine Rolle, daß zu einer Extensions-Struk tur über einem Universum U eine isomorphe Struk tur über einem gleichzahligen Universum U’ k onstruierbar ist. Man k önnte daher die Gegenstandsneutralität logischer Operatorenwörter mit einer Reihe von Forschern (McCarthy 1981, van Benthem 1983 b, Keenan & Moss 1984, Westerståhl 1985) mit folgender Bedingung erfassen: (PERM) Es sei p die von einer Permutation des Universums induzierte isomorphe Abbildung der Menge der möglichen Denotate auf sich selbst und ǁWǁ die von der vorausgesetzten Interpretation bestimmte Extension von W am jeweiligen Referenzpunkt; dann gilt W ist nur dann ein logisches Wort, wenn p(ǁWǁ)(p(a1),...,p(an)) =
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ǁWǁ(a1,...,an), wobei vorausgesetzt ist, daß W ein n-stelliger Operator ist. Das ist natürlich nur dann eine sinnvolle Bedingung, wenn in der vorausgesetzten Syntax das fragliche Wort w nicht als synk ategorematisches Element behandelt wird; umgek ehrt formuliert: daß die logischen Wörter häufig synk ategorematisch behandelt werden (vgl. Montague 1973), k ann damit gerechtfertigt werden, daß ihre Deutung gegenstandsneutral ist. Benutzt man die von van Benthem (1983 b) bei seiner Rek onstruk tion des generalizedquantifier-Ansatzes von Barwise und Cooper (1981) entwic k elte durchsichtige Darstellungsweise, und läßt determinatorenartige Quantorenwörter wie al l e, kein etc. der Einfachk eit halber Relationen zwischen Teilmengen des Universums U denotieren, so ergibt sich z. B. für jeder folgendes Bild: (12) ǁjederǁ = {〈A,B〉; A,B ⊆ U & A ⊆ B} (Also etwa: ǁjeder(Student,arbeitet)ǁ = wahr gdw. 〈ǁStudentǁ, ǁarbeitetǁ〉 ∈ ǁjederǁ gdw. ǁStudentǁ ⊆ ǁarbeitetǁ.) Ist p der oben eingeführte von einer Permutation induzierte Automorphismus, so gilt: (13) p(ǁjederǁ) = {〈p(A),p(B)〉; A,B ⊆ U & 〈A,B〉 ∈ ǁjederǁ} mit (12) also: (14) p(ǁjederǁ) = {〈p(A),p(B)〉; A,B ⊆ U & A ⊆ B} Da Ink lusionsverhältnisse bei Permutationen erhalten bleiben, ergibt sich (15) p(ǁjederǁ) = {〈p(A),p(B)〉; A,B ⊆ U & p(A) ⊆ p(B)} mit (12) also: p(ǁjederǁ)(p(A),p(B)) = ǁjederǁ(A,B). jeder erfüllt also die Bedingung (PERM); und ebenso wird (PERM) von allen Determinatoren erfüllt, die als Extensionsrelationen deutbar sind, welche bei Permutationen des Universums erhalten bleiben. Ausdrück e hingegen, die intuitiv schon immer als Inhaltswörter angesehen wurden, erfüllen (PERM) offensichtlich nicht. In der Bedingung (LOG), in der die Forderung nach Gegenstandsneutralität, wie sie durch (PERM) teilweise verdeutlicht wird, implizit enthalten ist, wird wesentlich von epistemischen Begriffen Gebrauch gemacht, insbesondere von dem des Extensionswissens. Je nachdem, wie man diesen Begriff expliziert,
I. Allgemeine Grundlagen
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ergibt sich ein mehr oder weniger reichhaltiges Inventar logischer Wörter. Nimmt man z. B. an, daß das Wissen um die Extension zweier extensiongleicher Individuenterme die Kenntnis ihrer Extensionsgleichheit umfaßt, so ist damit das identifizierende ist automatisch als logisches Wort k lassifiziert. Es dürfte dann aber schwer sein, der unbegrenzten Fülle von numerischen Quantoren, die in genau k A sind B für k einsetzbar sind, den Charak ter von logischen Wörtern abzusprechen, da sie über Identität definierbar sind. Trägt man dem empirischen Charak ter bestimmter Identitätsaussagen (Dr. Jekyll ist Mr. Hyde) Rechnung, indem man jedem Individuenterm nicht einfach ein Individuum, sondern gleichsam einen Aspek t oder eine Manifestation eines Individuums als wißbare Extension zuordnet, so trennt man den Begriff der Extension von dem der Referenz. Eine Identitätsaussage wie A ist (mit) B (identisch) wäre dann im Sinne von ‘der Gegenstand, der sich als A manifestiert, ist derselbe wie der, der sich als B manifestiert’ k urz als „G(A)=G(B)“ zu interpretieren. Die Relation λx λy[G(x)=G(y)] wäre dann (anders als λx λy[x=y]) k eine logische im Sinne von (LOG). Faßt man analog die Kenntnis der Extension prädik ativer Ausdrück e nicht als Wissen darüber auf, welche Gegenstände sondern welche Gegenstandsmanifestationen unter das betreffende Prädik at fallen, so bleibt z. B. der logische Charak ter der aristotelischen Satzformen bzw. der darin enthaltenen Quantorenwörter (all e, kein, einige) erhalten, da ihre Deutung nicht davon abhängt, ob sich derselbe Gegenstand mehrfach manifestiert, vorausgesetzt freilich, die ‘Aspek t’-Extension eines Prädik ats umfaßt alle Manifestationen der Gegenstände, die das Prädikat erfüllen. Für eine weitergehende und von anderen Gesichtspunk ten aus vorgenommene Differenzierung innerhalb der Klasse potentieller logischer Wörter sei auf van Benthem (1983 b, 1984 b) und Westerståhl (1985) hingewiesen. (Vgl. ferner Artikel 9, Abschnitt 1.3) In diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen in Artik el 2 hingewiesen, wo logische Wörter allgemein als bedeutungsinvariant charak terisiert werden, d. h., sie werden unter jeder Interpretation gleich gedeutet. Diese allgemeine Konzeption erlaubt es auch, intensionale Operatoren wie notwendig und mögl ich als logische Wörter zu charak terisieren, die durch den hier vorgeführten Rek onstruk tionsversuch noch nicht erfaßt werden.
Cresswell lehnt in dem genannten Artik el die Unterscheidung zwischen logischen und nicht-logischen Wörtern allerdings explizit ab.
3.
Die Semantik der Inhaltswörter: Wortbildung
Ähnlich wie für die logischen Wörter stellt sich für die Inhaltswörter das Problem einer Explik ation des Begriffes „mögliche Bedeutung“. Offenk undig k ann nicht jede beliebige Kollek tion von Dingen als Extension eines Nomens gedeutet werden. Eine Theorie über die hier wirk samen Einschränk ungen ist bislang jedoch erst in Ansätzen vorhanden. Noch am ehesten k önnen Aussagen über die möglichen Bedeutungen zusammengesetzter Wörter als theoretisch abgesichert gelten. Dabei scheint ein wesentlicher Unterschied zwischen zwei Klassen von Wörtern zu bestehen, der sich in der terminologischen Scheidung „geschlossene vs. offene Klasse“ niederschlägt. Zur offenen Klasse werden Vollverben, Nomina und in der Regel Adjek tive und Adverbien gerechnet. Diese Kategorien k önnen — in verschiedenen Sprachen freilich in unterschiedlichem Ausmaß — durch Komposition (Farb-bild-schirm) oder Derivation (Trink-er) systematisch erweitert werden. Die geschlossene Klasse umfaßt in der Regel Präpositionen, Artik el, Hilfsverben, Konjunk tionen und Pronomina. Produk tive Regeln zur Erweiterung dieser Kategorien scheinen nicht vorzuliegen. Die Unterscheidung zwischen geschlossener und offener Klasse fällt offenk undig nicht zusammen mit der zwischen logischen und Inhaltswörtern. Doch scheint es uns erwägenswert zu sein, die geschlossene Klasse durch systematische Relativierung des in der Bedingung (PERM) (s. o.) verwendeten Automorphismus auf k onstantgehaltene Dimensionen (wie z. B. Raum, Zeit und Indexparameter) als „quasilogische Wörter“ zu charakterisieren. 3.1 Komposition Gewöhnlich unterscheidet man bei den zusammengesetzten Wörtern zwischen Komposition, d. h. der Zusammensetzung zweier freier Morpheme oder Morphemk omplexe, und Derivation, d. h. der Kombination eines freien Morphems oder Morphemk omplexes mit einem nicht-freien Affix (cf. Fleischer 1969 und Pesetsk y 1985 für einige Abgrenzungsprobleme). Bildungen aus drei oder
4. Wortsemantik
mehr Bestandteilen (Landeplatzbefeuerung) sind intern binär struk turiert, d. h. mindestens ein Bestandteil der Zusammensetzung ist selbst k omplex aufgebaut ([[Landeplatz]befeuerung]). Neuere grammatik theoretische Untersuchungen stellen die Unterscheidung zwischen Derivation und Komposition in Frage (so Lieber 1980; Höhle 1982 b, 1985; aber cf. Reis 1985). Unter semantischer Perspek tive ist es jedoch durchaus sinnvoll, die beiden Prozesse auseinanderzuhalten. Bei der Kompositionssemantik muß man sich auf die zusammengesetzten Wörter beschränk en, deren Interpretation(en) vollständig motiviert ist, d. h. aus der Bedeutung der beiden Bestandteile und der Bedeutung der Zusammensetzungsregel vorhergesagt werden k ann. Morphologisch k omplexe Bildungen wie Steinpil z fallen also nicht in den Bereich der Theoriebildung (aus der Bedeutung von Stein und der von Pil z allein k ann die Bedeutung von Steinpilz nicht abgeleitet werden). Bei den vollmotivierten Zusammensetzungen ist die nominale Komposition am besten untersucht. Hier existiert eine Forschungsrichtung, begründet durch Lees (1960) und fortgeführt durch Kürschner (1974), Rohrer (1967 a), Brek le (1970) und Levi (1978), die die Wortk omposition unter allgemeine (semanto-)synta k tische Prozesse einordnen möchte, d. h. der Kompositionsregel den gleichen Status zuschreibt wie etwa der Passivierungs-Regel. Ein Kompositum wie Holzhaus würde dabei aus einer relativsatzähnlichen Struk tur wie Haus, das man aus Hol z gemacht hat abgeleitet, und zwar über eine Reduk tionstransformation. Die zugrundeliegende Struk tur wird dabei entweder als syntak tische Struk tur im Sinne von Chomsk y (1965) angesehen, oder aber als semantische Repräsentation im Sinne der generativen Semantik . Primär wurde der Ansatz über den Gedank en motiviert, daß Tiefenstruk turen die Eingabe der semantischen Repräsentations k omponente seien bzw. selbst semantische Repräsentationen darstellten. Mit Motsch (1970) lassen sich die beiden Hauptargumente für eine syntak tische Beziehung zwischen Komposita und Relativsätzen wie folgt zusammenfassen: a) Komposita sind synonym zu syntaktischen Gruppen. Diese Synonymie kann durch eine gemeinsame Tiefenstruktur erfaßt werden. b) Komposita sind ambig. Diese Mehrdeutigkeit kann durch die Zuweisung unterschiedlicher Tiefenstrukturen erfaßt werden.
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Die Konstituierung der Bedeutung k omplexer Wörter ist diesen Vorstellungen zufolge also eine Angelegenheit der phrasalen Semantik , d. h. die Tiefenstruk turen der Komposita k önnen mit den üblichen Regeln der phrasalen Semantik interpretiert werden. Die Hypothese der ausschließlichen Relevanz der Tiefenstruk tur für die Bedeutungsanalyse wurde freilich bald wieder aufgegeben (cf. Chomsk y 1972; Jack endoff 1972). Es wurden Verfahren entwick elt, die erlauben, Oberflächenstruk turen direk t zu deuten, und dabei Synonymie oder Mehrdeutigk eit zu erfassen. Damit verloren aber die Argumente für eine transformationelle Herleitung der Komposita ihre Gültigk eit. Außerdem läßt sich zeigen, daß einerseits transformationelle Erk lärungen semantisch inadäquat sind (cf. Rohrer 1967 b; Fanselow 1981), andererseits aber die Mechanismen der Wortzusammensetzung sich beträchtlich vom theoretischen Inventar der Satzsyntax unterscheiden (Selk irk 1982). Daher ist es nicht sinnvoll, die Wortbildung als Teil der Satzsyntax zu behandeln. Es liegt nun nahe, Komposita direk t mit ihrer binären Oberflächenverzweigung zu erzeugen und als minimales wortsyntak tisches Prinzip das sogenannte Kopfprinzip vorauszusetzen, wonach wesentliche syntak tische Eigenschaften von einem der Bestandteile (dem „Kopf“) an das Kompositum vererbt werden (vgl. Williams 1981 b; Toman 1983). Die jeweiligen Bedeutungen der Komposita sind dann als mehr oder weniger k omplexe Funk tionen der Bedeutungen ihrer Bestandteile darzustellen. Dabei lassen sich v. a. drei Hauptklassen von Komposita unterscheiden. Am einfachsten sind die sog. Rektionskomposita zu behandeln, bei denen ein Bestandteil semantisch als Argument des anderen, funk tionalen Gliedes dient, also etwa LKW-Fahrer oder Professorenbruder, königstreu (cf. Lieber 1984; Fanselow 1981). Seinem Argumentcharak ter entsprechend bezieht sich der Erstbestandteil entweder (’generisch’) auf eine Gattung oder Art oder auf einen Vertreter dieser Art. Nicht befriedigend gek lärt ist die Frage, warum Rek tionsk omposita im eben genannten Sinn bei Verben so gut wie nicht vork ommen (cf. jedoch Pesetsky 1985). Die zweite Klasse läßt sich durch die Addition mehr oder minder logischer Bedeutungselemente beschreiben, ohne daß dabei die beiden Kompositumsbestandteile in irgendeine Rek tionsbeziehung zueinander träten, wie etwa bei Dichter- Komponist durch
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die Addition von „und“. In Abweichung von der k lassischen Einteilung k ann man auch Bildungen wie Nachtarbeit oder Küstenstadt zu dieser zweiten Klasse rechnen, wobei nun Beziehungen wie „ist lok alisiert an“ oder „während“ aus dem quasilogischen Bereich stammen, insofern sie bei entsprechender Vorgabe einer Ontologie von Orten und Zeiten auf logische Beziehungen reduzierbar sind. Die dritte Klasse bilden die sog. Determinativkomposita. Hier ergänzt die Interpretationsregel nicht nur logisches oder quasilogisches Material, sondern desk riptive Prädik ate, wie „befördern“ bei Lastauto. Die beiden Bestandteilsbedeutungen treten dann in aller Regel in eine Rek tionsbeziehung zur erschlossenen Relation (cf. Dowty 1979; Fanselow 1981). Dabei k önnen nicht beliebige Relationen erschlossen werden (cf. Rohrer 1967 b), sie müssen bezüglich der Bedeutungen der Bestandteile „appropriately classificatory“ sein (Downing 1978; Dowty 1979). Anders formuliert impliziert dies, daß die Auswahl der ergänzten Relation von den Bestandteilsbedeutungen entscheidend mitbestimmt wird (Behaghel 1907; Fanselow 1981). Andererseits treten auch vom Ko- und Kontext bestimmte Fa k toren hinzu (Herbermann 1981; Brek le et al. 1985). Hinzu k ommen Beschränk ungen im modalen oder temporalen Bereich (cf. Brekle 1973; Kürschner 1974). Nebentypen von Komposita wie Quasidvandva-Bildungen (etwa der Erstbestandteil in Benzin-Öl-Gemisch) ergänzen dieses Bild nurmehr unwesentlich (cf. Toman 1985). Die Interpretationsregeln für Komposita scheinen sich allgemein auf eine Klasse von Deutungsprinzipien reduzieren zu lassen, die auch in der Satzsemantik Verwendung findet, so z.B Fun k tionalappli k ation, Durchschnitt, Relationsergänzung etc. (cf. Fanselow 1985). 3.2 Ableitungen Ableitungen zeichnen sich den Komposita gegenüber dadurch aus, daß nur ein freies Morphem bzw. ein freier Morphemk omplex in ihnen vork ommt. Wörter wie Lastwagenfahrer sind als sek undäre Komposition von abgeleiteten Wörtern verstehbar (cf. Lieber 1984 zu dieser Problematik). Ableitungsstruk turen stehen an der Grenze zu Flexionsprozessen, und die Grenzziehung zwischen Derivation und Flexion ist in jüngerer Zeit häufig in Frage gestellt worden (Lapointe 1979; Kiparsk y 1982; Jensen & Stong-Jensen 1984). Keinesfalls k ann sie se-
I. Allgemeine Grundlagen
mantisch gezogen werden, da deutsche Derivationssuffixe wie Diminuativa in anderen Sprachen flexivisch sind (Fula), umgek ehrt deutsche Flexionsprozesse wie Pluralbildung auch derivationell geregelt sein k önnen (Kawak wala, cf. Anderson 1982). So bleibt nur der Schluß zu ziehen, daß Flexion genau die Prozesse umfaßt, die in einer Sprache syntak tische Relevanz besitzen (Anderson 1982). Wegen ihrer Nähe zur Syntax ist es nicht überraschend, daß bei der Derivation die Strategie, eine nicht (quasi-)logische Relation zu ergänzen, nur eine marginale Rolle spielt, etwa bei dem Muster Lyriker (jemand, der Lyrik schreibt). Wichtiger erscheinen zwei Prozesse: Erstens k ann eine Operation auf die Bedeutung der Ableitungsbasis angewendet werden, die die Argumentstruk tur des Prädik ats verändert. So wird zwar bei der er- Nominalisierung des Deutschen das externe Argument des Verbs zum externen Argument des Nomens (vgl. Williams 1981 a zu diesem Begriff), die ung- Nominalisierung hingegen läßt im Falle der nomen-actionis-Lesart ein neues Argument entstehen oder verwandelt ein internes Argument des Verbs (das Objek t) in ein externes Argument. Alternativ dazu k ann logisches Material wie die Negation (unl ösbar) oder quasilogisches wie Aspek tmerk male, Kausativelemente, Möglichk eitsoperatoren etc. addiert werden. Beide Optionen k önnen k ombiniert sein, wie bei bar: das verbale Objek t wird externes Argument des Adjek tivs, und ein Möglichk eitsoperator wird hinzugefügt. (λx ♢ ∀y [δ’(y,λP[P{x}])], cf. Dowty 1979: 300). Da weder beliebige Manipulationen an der Argumentsstruk tur möglich sind (Williams 1981 a), noch beliebige (quasi-)logische Operatoren addiert werden dürfen, ergibt sich eine weitere Einschränkung des Begriffes mögliche Wortbedeutung. Insgesamt k ann man also davon ausgehen, daß für alle k omplexen Wörter (zu den Einschränk ungen cf. Kanngießer 1985) die lexematische Bedeutung weiter zergliedert werden kann, und zwar in a) eine Menge logischer und quasi- logischer Operatoren, b) eine (bei der Derivation) bzw. zwei (bei der Komposition) zunächst nicht weiter zergliederte Simpliziabedeutungen, die wir „Inhaltskerne“ nennen wollen, c) (v. a. bei Komposita) eine ergänzte Inhaltskernrelation, welche jedoch zu den Inhaltskernen in einer engen Beziehung stehen muß
4. Wortsemantik
4.
Die Semantik der Inhaltswörter: Simpliziabedeutungen
4.1 Dekomposition der Simpliziabedeutungen 4.1.1 Rechtfertigung über wortsemantische Überlegungen In der traditionellen Wortsemantik forschung wurde eine strenge Dichotomie zwischen der Theorie der Bedeutung zusammengesetzter Wörter und der Theorie der Simpliziabedeutungen postuliert (cf. Coseriu 1978). Diese strik te Scheidung ist jedoch problematisch, da die Bedeutung zumindest eines großen Teils k omplexer Wörter auch durch Simplizia wiedergegeben werden k ann. Dies wird auch durch die Beobachtung nahegelegt, daß morphologisch k omplexe Wörter einer Sprache eine nicht-k omplexe Entsprechung in einer anderen Sprachen finden k önnen, cf. timber vs. Bauhol z. In dem Maße nun, wie es für die Sprache A gerechtfertigt ist, dem k omplexen Wort eine k omplexe Bedeutung ß zuzuweisen, muß dies auch für Sprache B gelten, in der die Übersetzung von zufälligerweise nicht wortstrukturell komplex ist. Wir haben also anscheinend Anlaß dazu, auch Simpliziabedeutungen wie die Bedeutungen k omplexer Wörter in Inhaltsk erne und logische bzw. quasilogische Komponenten zu zerlegen. Dies ist etwa plausibel für Dieb als „nomen agentis“ zu stehl en, oder für töten/ kil l als semantisches Kausativum zu sterben/ die, die man als semantische Inchoativa zu tot/dead auffassen k önnte. Man k ann also für töten etwa folgende Bedeutungsanalyse vorschlagen: (16) X tötet Y bedeutet: „X verursacht, daß der Zustand eintritt: Y ist tot“ 4.1.2 Rechtfertigung durch phrasalsemantische Überlegungen Neben Überlegungen, die sich direk t auf die Bedeutung der betroffenen Wörter beziehen, lassen sich vor allem zwei weitere Argumente zumindest für eine moderate Version der Zerlegung von Simpliziabedeutungen formulieren. Die erste Überlegung bezieht sich auf die Tatsache, daß die phrasale Semantik anscheinend in die interne Struk tur von Wortbedeutungen einwirk en k ann bzw. auf sie Zugriff hat (vgl. Morgan 1969). Wörter wie almost oder again tendieren dazu, nicht nur Phrasenund Wortbedeutungen als Argumente zu nehmen, sondern auch Teile von Wortbedeutun-
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gen. So ist der englische Satz John hid the treasure again ambig zwischen den Lesarten „es trat erneut ein, daß Hans den Schatz versteck te“ und „Hans verursachte, daß der Schatz erneut verborgen war“, wobei die zweite Lesart nicht impliziert, daß Hans den Schatz bereits einmal versteck t hatte. Hier hat again nur Sk opus über ‘verborgen’, d. h. einen Teil der mutmaßlich k omplexen Bedeutung ‘verursachen, daß y verborgen ist’ von hide. Gewisse Operatoren scheinen also die Zerlegung von Simpliziabedeutungen zu erfordern. Allerdings ist diese Interak tion von phrasaler und lexik alischer Semantik auf wenige Wörter beschränk t, und auch dabei stark restringiert. Legt man etwa für kil l die oben ansk izzierte Bedeutung zugrunde, so sollte der Satz John al most kil l ed Bil l vier Lesarten besitzen, was jedoch nicht der Fall ist. Zweitens zeigen durch Bedeutungszerlegungen miteinander verbundene Wörter häufig ein auffälliges syntak tisches Gleichverhalten. Etwa bilden sie in Idiomen Gruppen aus (cf. Binnick 1971), und sie teilen wie dt. haben, geben („verursachen, daß jemand hat“) und kriegen („in den Zustand k ommen, daß man hat“) bestimmte syntak tische Muster (cf. Abraham 1986): (17) a. ich habe/ kriege/ gebe ein Buch b. wir haben /kriegen/ geben die Tür im/ ins Auto c. ich habe/ kriege / gebe etwas zu lesen Eine synchron-grammatische Erk lärung solcher Fak ten setzte allerdings voraus, die Subk ategorisierungsrahmen von geben bzw. kriegen vollständig aus denen von haben abzuleiten, was nicht möglich ist, da sich in vielen Fällen in unvorhersagbarer Weise semantisch aufeinander bezogene Verben syntak tisch unterschiedlich verhalten: (18) sie haben/ kriegen / *geben (uns) eine Erklärung ins Bild eingeblendet Lok alisiert man darüber hinaus die Erk lärung von Zusammenhängen wie den eben angedeuteten in der Satzsemantik , so erhält man das Syntaxmodell der Generativen Semantik , welches sich als völlig inadäquat erwiesen hat (cf. Newmeyer 1979). 4.1.3 Adäquatheitsprobleme der Zerlegung Das Hauptproblem einer Zerlegungsanalyse liegt jedoch in ihrem semantischen Kernbereich, nämlich in der Frage der Adäquatheit der vorgeschlagenen Analysen. Die Beziehung zwischen der Zerlegungsstruk tur und der Wortbedeutung k ann k eine der Synonymie
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sein, wenn die Terme der Zerlegungsstruk tur die Bedeutung der entsprechenden deutschen oder englischen Wörter haben sollen. Nicht in jeder Situation, in der x verursacht, daß y stirbt, würde man davon sprechen, daß x y getötet hat, es muß ein Moment der „direk ten Verursachung“ hinzuk ommen (cf. Hall 1965, Shibatani 1976). Auf dieselbe Weise scheiterten bislang auch alle Verbesserungsversuche. Wenn jedoch Paraphrase und Wort nicht einmal bezüglich der Wahrheitsbedingungen übereinstimmen, k önnen sie unmöglich gleichbedeutend sein. Die Paraphrase ist dann aber auch keine Bedeutungsangabe. Prinzipiell besteht jedoch die Option, den Anspruch aufrechtzuerhalten, daß Wort und Paraphrase in einem technischen Sinne synonym sind, die Intuitionen über Bedeutungsgleichheit aber von einer Interferenz mit pragmatischen Fak toren beeinflußt werden. Anders als für can ist es beispielsweise nicht möglich, das anscheinende Synonym be abl e to in indirek ten Aufforderungen zu verwenden (cf. Searle 1975), d. h. anders als der Satz (19) Can you open the door kann die Äußerung (20) Are you able to close the door nicht als Bitte verstanden werden, sondern nur wörtlich oder in sark astischem Sinne. Searle versucht dies pragmatisch zu erk lären. Wird eine nicht-idiomatische Ausdruck sweise für eine Bedeutung gewählt, so k ann der Hörer annehmen, daß der Sprecher einen Grund dafür hat, sich nicht idiomatisch auszudrük k en, so daß sich k onversationelle Implik aturen ergeben k önnen, die die Äußerungsbedeutung entsprechend beeinflussen. Analog k önnte (cf. McCawley 1978 u. Pulman 1983) versucht werden, Interpretationsunterschiede zwischen kil l einerseits und cause to die andererseits durch konversationelle Implikaturen zu erk lären. Allerdings ist dieser Ansatz prak tisch nicht ausgearbeitet. Andererseits k önnte man die Nicht-Synonymie von Paraphrase und Wort ak zeptieren, und nurmehr eine Folgerungsbeziehung zwischen Wortbedeutung und Paraphrase postulieren. Dies würde bedeuten, für jedes Wort eine Menge sog. Bedeutungspostulate anzusetzen, wie: „x tötet y impliziert: x verursacht, daß y stirbt“. Damit expliziert man wohl einen Teil der in einer Sprache gültigen Folgerungsbeziehungen. Allerdings gibt man damit von vorneherein das eigentliche Ziel einer Wortsemantik auf, nämlich zu k lären, was es heißt,
I. Allgemeine Grundlagen
die Bedeutung eines Wortes zu k ennen. Diese Kenntnis der Bedeutung eines Wortes versetzt ohne weiteres in die Lage, Schlüsse zu ziehen, wie sie in den Bedeutungspostulaten ausgedrück t sind. Schließlich k ann durch sprachspezifische Bedeutungspostulate der sprachübergreifende Charak ter vieler Bedeutungsbeziehungen nicht erfaßt werden (Dies gilt nicht für den Begriff des Bedeutungspostulats wie er in der Montague-Grammatik verwandt wird). Entsprechend k onnte auch durch psychologische Experimente nicht festgestellt werden, daß neben der Kenntnis der Bedeutung die Kenntnis von Bedeutungspostulaten irgendeine Rolle im menschlichen Folgerungsvermögen spielt (cf. etwa Johnson-Laird 1983 für eine Zusammenfassung). Insbesondere in Ansätzen, die mit Varianten der generativen Grammatik verbunden sind, wurde versucht, das Problem durch die Annahme zu umgehen, daß die Elemente der Bedeutungszerlegung nicht den Bedeutungen der gleichlautenden Wörter der natürlichen Sprache entsprächen, sondern daß es sich dabei um „abstrak te“ Operatoren handele (cf. etwa Hall 1965). Da zumindest in der Generativen Semantik die Bedeutung dieser Operatoren nicht spezifiziert wird, wird diese Vorgehensweise häufig als empirisch leer angesehen (cf. Lewis 1972; Dowty 1979, Pulman 1983). Da nicht bek annt ist, welche Interpretation CAUSE zuk ommen k ann, scheint es nicht möglich, zu entscheiden, ob die Analyse von kill als „CAUSE TO DIE“ adäquat ist. Folglich wurde versucht, eine modelltheoretische Interpretation für solche Operatoren im Rahmen der Montague-Grammatik zu entwick eln (cf. etwa Dowty 1979), oder die Operatoren wurden in Zusammenhang zu einer language of mind gebracht (Jackendoff 1983). Für die Bewertung der Adäquatheit einer Dek omposition ist jedoch die Frage „abstrak te Repräsentation oder modelltheoretische Interpretation“ sek undär, solange beide Ansätze überhaupt in der Lage sind, Intuitionen über Bedeutungsbeziehungen systematisch zu rek onstruieren. Zwar hat sich der modelltheoretisch definierte Folgerungsbegriff in dieser Hinsicht als äußerst fruchtbar erwiesen, aber es ist nicht auszuschließen, daß ein Ansatz, der mit der ‘Syntax’ abstrak ter Bedeutungs-Konfigurationen arbeitet — sieht man einmal von der Vollständigk eitsproblematik ab — zumindest in der Wortsemantik zu interessanten Alternativen führt, da es hier darauf ank ommt, einen engeren Begriff des
4. Wortsemantik
semantischen Enthaltenseins zu entwick eln als ihn die logische Folgerung bereitstellt. Hält man nun — in welchem Ansatz auch immer — an der Dek omposition „k ill = CAUSE TO DIE“ fest, so k ann der NichtSynonymie von kil l und cause to die freilich nur dann Rechnung getragen werden, wenn der Operator CAUSE bei der Analyse der Bedeutung des englischen Wortes cause selbst nicht verwendet wird. Letztendlich wird also die Beseitigung des Adäquatheitsproblem der Paraphrase damit erk auft, daß die offenk undige Implik ationsbeziehung zwischen kil l und cause to die von der Theorie im Unk laren gelassen wird. Ansätze zur Lösung dieser Schwierigk eit scheinen bislang im Detail nicht entwickelt worden zu sein. 4.2 Einschränkungen über die Inhaltskerne Gestützt auf eine modelltheoretische Definition quasilogischer Operatoren scheint eine Dek ompositionstheorie zumindest in dem Bereich möglich zu sein, der Analogien zu Ableitungsstruk turen aufweist. So wird von Dowty (1979) die Vendler’sche Verbk lassifik ation (vgl. Artik el 33, 36) über eine intensionallogische Dek omposition der Verbbedeutungen rek onstruiert. Dabei werden neben den üblichen logischen Operatoren als quasilogische Operatoren lediglich die ihrerseits modelltheoretisch gedeuteten CAUSE, BECOME, DO, sowie AT herangezogen und im Sinne eines sog. Aspek tk alk üls zum Aufbau k omplexer Verbbedeutungen verwendet. Als unanalysierte Inhaltsk erne dienen dabei Bedeutungen stativischer Prädikate. Damit stellt sich das Problem einer weiteren Einschränk ung über mögliche Inhaltsk erne. Selbst durch eine stark e Einschränk ung der Zahl möglicher logischer oder quasilogischer Operatoren in Wortbedeutungen erfaßt man natürlich nicht die offenk undige Tatsache, daß nicht jede beliebige Kollek tion von Dingen als Extension mit einer Wortbedeutung verbunden sein k ann, solange k eine Restrik tionen über die Inhaltsk erne selbst formuliert werden. Eine erste Restrik tion ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen syntaktischer Kategorie und semantischem Typ, wie er beispielsweise in Montague (1973) formuliert ist. Danach entspricht jeder (feinen) syntak tischen Kategorie genau ein semantischer Typ. Da die Zahl möglicher syntak tischer Kategorien jedoch universal beschränk t ist (cf. Jak k endoff 1983), ergibt sich somit schon eine erhebliche Einschrän k ung über mögliche
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Wortbedeutungen. Die Denotatsbereiche der einzelnen Kategorien sind prak tisch disjunk t, wobei es freilich sprachspezifische Unterschiede geben k ann, so sind japanische Verben häufig mit deutschen Adjek tiven zu übersetzen und japanische Adjek tive manchmal durch deutsche Verben. Weitere Restrik tionen ergeben sich durch die Domänen möglicher Sub k ategorisierung, Aspe kkt lassifizierungen bei Verben, die strik te Scheidung zwischen Massen- und Gattungsnamen bei den Nomina u. s. w. Durch Bedeutungspostulate, die im Sinne von Montague (1973) nicht einzelne Wörter sondern ganze Klassen von Wörtern betreffen, k ann die logische Einordnung der einzelnen Prädik ate weiter differenziert werden, etwa k ann man zweistellige Verben dahingehend unterscheiden, ob sie NP-Bedeutungen (i. e. Intensionen von Eigenschaftsk lassen) oder Individuen als Objek tsargumente ak zeptieren u. s.w. Wenngleich diese logische Typisierung und weitergehende Einschränk ungen semantische und syntak tische Erk lärungsk raft besitzen (cf. Jack endoff 1983, Fanselow 1985), sind immer noch zu viele semantische Entitäten als mögliche Inhaltsk erne ausgezeichnet. Dowty (1979) schlägt für seine als Inhaltsk erne nicht weiter dek omponierten stativischen Prädik ate vor, sie dadurch der Beliebigk eit zu entziehen, daß der zugrunde gelegte Modellbegriff durch Hinzufügung eines vieldimensionalen logischen Raumes eine reichere Struk tur erhält. Jedem stativischen Grundprädik at soll eine Region im logischen Raum so zugeordnet sein, daß deren Punk te die Werte der in die Extension des Prädik ats fallenden Objek te im logischen Raum repräsentieren. 4.3 Dekomposition im engeren Sinne Ein weiterer Versuch zur Lösung dieses Problems besteht in der weiteren Zerlegung der Inhaltsk erne in atomare Bedeutungseinheiten. Ebenso wie eine Dek omposition die Beziehung zwischen töten und sterben sichtbar machen k ann, so k ann eine solche auch für die Explik ation der Bedeutungsbeziehung zwischen Junggesel l e und unverheiratet, der „Hyponymie“-Beziehung zwischen Turm und Gebäude, überspringen und überwinden, oder der „Antonymie“-Beziehung zwischen heiß und kal t herangezogen werden. Man k ann also die Hypothese vertreten, daß sich auch Inhaltsk erne weiter struk turieren lassen, also etwa Junggesell e semantisch als „männlich,
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erwachsen, nicht verheiratet“ analysieren. Die beiden wichtigsten Vertreter dieser Dek ompositionstheorie im engeren Sinne sind einerseits die struk turalistische Semantik (insbesondere auch die Theorie der Wortfelder) und andererseits die Merk malstheorie von Katz und Fodor. (Vgl. Artik el 1, Abschnitt 2.5; Artikel 2, Abschnitt 9.) 4.3.1 Strukturalistische Semantik Die struk turalistische Semantik geht von einer tiefen Parallelität von Phonologie und Semantik aus. In der Phonologie sind die einzelnen Phoneme durch distink tive Merk male (stimmhaft, nasal, etc.) unterschieden. Die Mer k malsunterschiede sind minimal, d. h. für jedes postulierte Merk mal müssen sich Phoneme finden lassen, die sich nur in diesem Merk mal unterscheiden. Sie sind exhaustiv, insofern sich alle Phoneme durch eine Spezifik ation der Merk male unterscheiden lassen; sie entstammen einem universalen Inventar möglicher Unterscheidungen, doch werden für einzelne Sprachen nicht alle Merk male herangezogen. Ganz ähnlich stellte man sich vor, daß innerhalb eines Sinnbezirks (Trier 1931), d. h. einer bestimmten, nicht sprachlich vorgegebenen Gliederungseinheit des Gegenstandsbereiches, Wortbedeutungen definiert sind durch distink tive Merk male, auch Seme genannt. So wäre innerhalb eines vorstellbaren Sinnbezirk s der Einrichtungsgegenstände das Merk mal „Vorhandensein einer Lehne“ denk bar, das z. B. Hock er von Stühlen oder Sesseln trennt. Die Bedeutung eines Wortes ist wie ein Phonem definiert durch die Menge der verwendeten Merk male und die jeweils dafür spezifizierten Werte. Wie im lautlichen Bereich k önnen sich Sprachen dahingehend unterscheiden, welche Seme überhaupt verwendet werden. Die Gesamtheit der nach semantischen Merk malen spezifizierten Wörter eines Sinnbezirk s k onstituiert das sog. Wortfeld (Trier 1931). Da die Bedeutung eines Wortes festgelegt ist durch die Gesamtheit der sie charak terisierenden Seme, und diese je nach der Ausgestaltung des Wortfeldes wie in der Phonologie verschieden sein k önnen, ergibt sich, daß die Bedeutung immer nur in Opposition zu den anderen im Wortfeld vork ommenden Lexemen angegeben werden k ann. Das Standardbeispiel hierfür ist die Notensk ala. Sind nur vier Notenwerte vorhanden, so hat eine „zwei“ einen geringeren Wert als in einem System mit 15 Notenwerten.
I. Allgemeine Grundlagen
(Eine Rek onstruk tion des Wortfeldbegriffs findet sich in Lutzeier 1981). Da verschiedene Sprachen verschiedene Seme in den Wortfeldern realisieren, ergibt sich mithin eine gewisse Form sprachlicher Relativität: die Seme sind nicht objek tiv vorgegeben, sondern sprachspezifisch k onstituiert. Dabei ist freilich zu berück sichtigen, daß alle Sprachen ineinander übersetzbar sind (cf. Kutschera 1975), so daß die Relativität höchstens in der Auswahl von Semen aus einem universal gültigen System prinzipiell dem Menschen zugänglicher Unterscheidungen bestehen k ann. Ebenso beruhen alle weitergehenden Behauptungen über sprachliche Relativität (z. B. Whorf 1956) auf einer empirisch falschen Einschätzung der Datenlage (cf. etwa Malotki 1983). 4.3.2 Die Merkmalssemantik von Katz und Fodor Für das 1963 von J. J. Katz und J. A. Fodor entwick elte System von Merk malen wurde der Anspruch erhoben, daß diese letztlich auf ein universal gültiges Inventar primitiver Konzepte zurück geführt werden k önne. Am k onsequentesten hat Katz in einer Reihe von Arbeiten (1966, 1972, 1977) das Ziel verfolgt, semantische Eigenschaften und Beziehungen von Ausdrück en, wie Analytizität, Synonymie, „entailment“ etc. auf struk turelle Ink lusionsbeziehungen zwischen nichtsprachlichen autonomen Entitäten, genannt semantic markers, zurückzuführen. So sei z. B. der Satz (21) John wants to have the things that he desires analytisch, da der „semantic mark er“ von ‘x wants to have y’ enthalten sei im „semantic mark er“ von ‘x desires y’, insofern desires als wants to have very badl y analysiert werden k önne und die readings von John und he bei der k orreferenten Lesart übereinstimmen (vgl. Katz 1972: 175). Die Zurück führung semantischer Eigenschaften und Relationen auf formale Beziehungen zwischen Konzeptstruk turen muß freilich solange als programmatisch angesehen werden, wie die Wohlgeformtheitsbedingungen dieser Struk turen im Unk laren bleibt; so k onnte z. B. auch durch die Selbstauslegungsversuche von Katz (1972, 1977) und die Deutungsbemühungen von Janet D. Fodor (1977) nicht befriedigend gek lärt werden, welcher Status dem „semantic mark er“ (22) von chase angesichts der k ategorialen Diversität der darin verwendeten Begriffstypen zuk ommt, soweit sie durch die Knoten-
4. Wortsemantik
etik etten erk ennbar sind (vgl. zu diesem Problem auch Kutschera 1975).
Betrachtet man nun ausgehend von einer Menge von Merk malen die Klasse der logisch denk baren Zerlegungsstruk turen von Wortbedeutungen, so k ann man Prinzipien darüber zu formulieren versuchen, welche dieser Zerlegungsstruk turen als mögliche Wörter fungieren k önnen. Solche Überlegungen entstammen zunächst der generativen Semantik (McCawley 1971 a), die sie auf allgemeine in der Syntax gültige Beschränk ungen reduzieren wollte (siehe dazu jedoch Newmeyer 1979). In anderer nicht der generativen Semantik verpflichteten Weise versucht Jack endoff (1983), Prinzipien darüber zu formulieren, welche k onzeptuellen Konstituenten in einer Zerlegungsstruk tur als Variablen offengelassen werden, d. h. als Argumente der resultierenden Prädi k atsbedeutung fungieren können. 4.3.3 Adäquatheitsprobleme Wie für die Dek omposition der Simpliziabedeutungen in Inhaltsk erne und quasilogische Operatoren stellt sich natürlich auch für die weitergehende Merk malszerlegung das Problem, daß nur in den seltensten Fällen Paraphrase und Wort als synonym betrachtet werden k önnen, wenn die Paraphrasenbestandteile die Bedeutung ihrer natürlichsprachlichen Pendants besitzen (cf. Pulman 1983; Fodor 1981). Fodor 1981 zieht daraus den Schluß, daß die meisten scheinbar k omplexen Prädik ate wie to paint unanalysierte primitive Bestandteile einer Semantik , für ihn einer language of mind, sein müssen. Labovs Untersuchungen zu Begriffen wie „Vase“ oder „Tasse“ deuten auf eine grundsätzliche Schwierigk eit der Zerlegungsanalyse hin. Labov variierte auf bildlichen Darstellungen systematisch das Verhältnis von Größe und Breite, Ausprägung des Vorhandenseins eines Henk els für vasen- bzw. tassenähnliche
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Objek te. Er stellte fest, daß die deutliche Ausprägung eines Merk mals weder hinreichend noch notwendig für die Zuordnung eines Objek tes zu einem Begriff wie Tasse oder Vase ist. Nach welchem Begriff k ategorisiert wird, ist bestimmt vom zusammengenommenen Grad der Ausprägung verschiedener Merk male. Man k ann versuchen, mit Hilfe einer fuzzy logic den Grad der Ausprägung einzelner Merk male zu metrisieren und dann einen allgemeinen Schwellenwert für Mitgliedschaft im Konzept angeben, gerät damit aber u. a. in die bek annten Probleme dieses Logik typs (cf. Smith & Medin 1981). In die gleiche Richtung deuten auch psychologische Untersuchungen über die mentale Repräsentation von Begriffen und Konzepten. Aus der Vielzahl empirischer Ergebnisse, die Smith & Medin referieren, seien zwei Beispiele herausgegriffen: Einmal sind sog. Typikalitätseffekte nachzuweisen, d. h. daß bestimmte Vertreter einer Art wie „Rotk ehlchen“ für „Vogel“ als typischerer Vertreter angesehen werden als andere (z. B. „Huhn“); dies k ann eine Merk malssemantik , die etwa nur das Merk mal 〈 + Vogel〉 k ennt, nicht ausdrück en. Zweitens ergab sich, daß Menschen bei ihrer Kategorisierung auch nicht-notwendige Merk male (wie „fliegt“ bei „Vogel“) verwenden, was ebenfalls mit der Merk malssemantik schwer verträglich ist, da die Merk male als analytische ja notwendig sein müssen. Nimmt man „fliegt“ bei Vogel auf, so schließt man jedoch ink orrek t Laufvögel aus der Klasse der Vögel aus. Diese Beobachtungen beziehen sich zunächst nur auf die Anwendung und nicht auf den Inhalt von Begriffen bzw. die Zusammensetzung von semantischen Repräsentationen. Ein Festhalten an der strik ten Merk malssemantik erfordert dann aber die Entwick lung einer Theorie der k onzeptuellen ‘Performanz’, die die Kluft zwischen analytischen Merk malsk omplexen und variablen Näherungsschematismen zu schließen imstande ist. 4.3.4 Konzeptuelle Probleme Selbst wenn man diese Probleme noch umgehen k önnen sollte, ist die Merk malsanalyse schwerwiegenden Einwänden ausgesetzt. Mit den Bedeutungsanalysen werden ja eine Menge von Sätzen (die nicht vom trivialen Typ al l e Junggesel l en sind unverheiratet sein müssen) als Bedeutungswahrheiten bzw. als analytisch ausgezeichnet. Die Existenz solcher Bedeutungswahrheiten, ja die Existenz von einer Entität „Bedeutung“ schlechthin ist jedoch nicht unumstritten, am k onsequentesten
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hat gegen sie Quine (1960) argumentiert. Was unreflek tiert als Bedeutung angesehen wird, stellt ihm zufolge nur ein System von allgemein geteilten Glaubensannahmen über die Welt dar. Begriffe wie Analytizität, Synonymie und Bedeutung bilden nach ihm aufgrund ihrer Interdependenz einen durch Definitionen nicht auflösbaren Zirk el. Versucht man jedoch diese Begriffe durch Bedingungen beobachtbaren Verhaltens festzulegen, so gelangt man allenfalls zu Definitionen für so etwas wie ‘Stimulus’-Analytizität bzw. ‘Stimulus’- Synonymie einer sehr eingeschränk ten Klasse unanalysierter Äußerungen. Die Zerlegung von Äußerungen in bedeutungsvolle Bestandteile setzt hingegen immer sog. ‘analytische Hypothesen’ voraus, die ihrerseits (abgesehen von den wahrheitsfunk tionellen Konnek toren) von den Daten her prinzipiell nicht abgesichert werden k önnen. Das scheitert allein schon daran, daß die bei der elementaren Referenz vorausgesetzten ontologischen Grundk ategorien, für die ja alternative Systeme vorstellbar sind, aus dem beobachtbaren Verhalten nicht ermittelt werden können. Quine veranschaulicht diese These mit dem (’radik alen’) Übersetzungsproblem für das Wort gavagai in einer außerhalb unserer k ulturellen Tradition stehenden erdachten Sprache. Linguistische Analysen k önnten ergeben, daß gavagai immer dann verwendet wird, wenn man als Deutscher Hase äußern würde. Dennoch ist nach Quine der Schluß nicht berechtigt, gavagai die Bedeutung „Hase“ zuzuschreiben. Die Eingeborenen k önnten über eine völlig andere Ontologie verfügen, in der nicht Objek te die Grundlage darstellen, sondern Ereignisse, oder Teile von Objek ten den Objek ten ontologisch vorgeordnet sind, so daß gavagai auch „unabgetrennter Hasenteil“ oder „Hasungsereignis“ bedeuten k önnte. Empirisch seien aber diese verschiedenen „Bedeutungszuweisungen“ nicht voneinander zu unterscheiden, d. h. mit empirischen Daten k ann die ontologische Grundlegung nicht erk annt werden. Diese Unterdeterminiertheit durch Beobachtung gilt aber letztlich für Bedeutungszuweisungen in allen Sprachen. Damit gibt es aber auch k ein empirisches Datum, das für deutsch Hase die Annahme eines Merk mals ‘physik alisches Objek t’ rechtfertigte. Quines Argumentation ist von verschiedener Seite angegriffen worden (cf. Pulman 1983 für ein Referat). Chomsk y 1980 wendet ein, daß die fehlende Evidenz zur Rechtfertigung
I. Allgemeine Grundlagen
gewisser ‘Übersetzungen’ nur einen Fall von Unterdeterminierung einer Theorie durch empirische Daten darstelle, wie sie in allen empirischen Disziplinen gegeben ist. Im übrigen k önnte man mit Chomsk y sagen, daß die ‘gavagai’-Problematik nur von anderer Seite her die These beleuchtet, daß die bei der Erlernung jeder menschlichen Sprache vorauszusetzenden analytischen Hypothesen selber nicht erlernt werden können. Putnam (1975 b) wendet sich grundsätzlich gegen die Annahme, daß das, was herk ömmlich unter Bedeutung verstanden wird, sich „im Kopf“ befinde. Er setzt dabei voraus, daß Bedeutungen (Intensionen im traditionellen nicht-intensionallogischen Sinne) zumindest die Bedingung erfüllen müssen, die Extension eines Wortes in einer vorgegebenen Welt festzulegen. Die im Gehirn repräsentierten Merk male k önnen in diesem Sinne aber nicht die Bedeutung eines Wortes sein. Die Bedeutungsanalyse für Wasser k ann im psychologischen Sinne nicht das Merk mal 〈 + H2O〉 enthalten, da sonst die der Chemie unk undigen Menschen die Bedeutung von Wasser nicht k ennen würden und sich die Bedeutung der ‘natural k ind’ Wörter mit dem naturwissenschaftlichen Fortschritt permanent ändern würde. Nehmen wir also an, die Bedeutung von Wasser sei ein wie immer geartetes Konglomerat aus Eigenschaften wie „farblos, geschmack sfrei, flüssig“ u. s. w., und dies wäre mental repräsentiert. Nehmen wir weiter an, es gebe eine Zwillingserde, die sich von unserer nur dadurch unterscheidet, daß der Stoff mit den wahrnehmbaren Eigenschaften von Wasser dort nicht H2O sondern XYZ ist. Die Zwillingsmenschen besitzen dann dieselbe mentale Repräsentation der Bedeutung von Wasser. Dennoch referieren sie mit Wasser nicht auf H2O, sondern auf XYZ. Die mental repräsentierten Eigenschaften k önnen also die Extension von Wasser nicht festlegen, es sei denn, man ließe die Extension von Wasser mit der jeweiligen Weltumgebung so variieren, daß auch für „uns“ Wasser in der Zwillingswelt XYZ bezeichnen würde; es ist aber nach Putnam offensichtlich, daß wir im Zweifelsfalle nur das als Wasser anerk ennen würden, was stofflich mit „unserem Wasser hier“ übereinstimmt, selbst wenn dazu mühsame empirische Untersuchungen erforderlich sind, deren Ergebnisse mit den „im Kopf“ repräsentierten Eigenschaften unverträglich sind. In diesem Sinne seien ‘naturalk ind’ Wörter indexik alische Ausdrück e. Im Unterschied zu den üblichen indexik alische
4. Wortsemantik
Ausdrück en (wie ich, du, hier) designieren sie jedoch „starr“ im Sinne von Kripk e (1972), d. h. sie haben in jeder möglichen Welt dieselbe Extension, da die Vertreter einer natürlichen Art aufgrund ihrer ‘inneren Konstitution’ durch Eigenschaften chara k terisiert sind, die ihnen mit Notwendigk eit zuk ommen, ob wir diese nun kennen oder nicht. Gegen den analytischen Charak ter semantischer Merk male wendet Putnam ein, daß fast jedes von ihnen aufgrund von Erfahrung revidierbar erscheint. So würden selbst Merk male wie „belebt“ im Falle von Wörtern wie Katze aufgegeben, wenn sich herausstellen sollte, daß Katzen in Wirk lichk eit Maschinen sind. Daß Katzen Tiere sind, wäre demnach eine empirische, k eine analytische Wahrheit. Analoge Argumente ließen sich nach Putnam für alle Merk male bei allen natural k ind terms formulieren, und prinzipiell auch für Artefak te. Hier besteht für Putnam ein wesentlicher Unterschied zu Ausdrück en, die aus Ableitungsprozessen resultieren: x ist l ösbar ist unrevidierbar als x kann gel öst werden zu deuten, was natürlich nichts über die Revidierbark eit der Merk male von l ösen impliziert. Putnams Argumentation setzt also die Ak zeptabilitätsgrenze für Zerlegungsstruk turen exak t dort, wo sie sich auch linguistisch motivieren läßt. 4.4 Stereotypen- und Prototypensemantik Bevor man eine Konk lusion aus den Argumenten gegen die Merk malssemantik ziehen k ann, ist eine Einschränk ung angebracht. Wie Johnson-Laird (1983) betont, k önnen wir durchaus verabreden, Wörter so zu verwenden, daß ihre Bedeutung durch eine Merk malsmatrix festgelegt ist. Dies gilt insbesondere für den technischen, wissenschaftlichen oder juristischen Bereich. Diese Wörter scheinen mit ihrer Zerlegungsbedeutung auch durchaus Eingang in den normalen Wortschatz finden zu k önnen. Insbesondere scheinen auch die Verwandschaftsbezeichnungen, ein beliebtes Feld wortsemantischer Untersuchungen, zu diesen sog. Terminologien zu gehören, deren Aufbau auch Coseriu (1978) als verschieden von denen natürlicher Begriffe ansieht. Die Angriffe gegen eine Zerlegungsanalyse k önnen sich also nur auf nicht-terminologische Bestandteile des Wortschatzes richten. Putnam geht nun davon aus, daß zum sprachlichen Wissen die Kenntnis von sog. Stereotypen gehört, die k onventionell in einer Sprachgemeinschaft mit dem Gebrauch be-
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stimmter Ausdrück e verbunden sind, die aber in k einem Falle den Charak ter notwendiger Merk male haben und daher auch im Bedarfsfalle ignoriert werden k önnen. Man muß lediglich damit rechnen, daß die mit dem Stereotyp verbundene Eigenschaft (z. B. „gestreift“ bei Tigern) als typisch gilt. Inwieweit die Stereotype das allgemeine k ognitive Verhalten der Menschen über das rein Kommunikative hinaus bestimmen, ist unklar. Da Putnam daran festhält, daß die Bedeutung eines Ausdruck s seine Extension festlegt, andererseits aber mentale Repräsentationen dies nicht leisten k önnen, faßt er die Bedeutung eines Wortes als nichtmentales mehrdimensionales Gebilde auf, in das soziale, individuelle und weltbezogene Fak toren eingehen. Neben syntak tischen und semantischen Merk malen hoher Zentralität, die zwar nicht analytisch, aber doch schwer revidierbar sind, enthält das Bedeutungsgebilde die sozialverbindlichen Stereotype sowie als „Beitrag“ der Welt die Extension. Die letztlich nicht aufhebbare Kluft zwischen der Extension und den übrigen Fak toren wird durch eine soziale Kooperation, der „linguistic division of labor“ zu überbrück en versucht, indem die Eruierung der k riterialen Eigenschaften für die Zugehörigk eit zur Extension an Experten delegiert wird, die über den jeweiligen Forschungsstand verfügen. Während Putnam der Meinung zu sein scheint, daß alle (nichtextensionalen) Bedeutungsk omponenten nichtanalytisch, da revidierbar sind, schlägt Pulman ein differenzierteres Modell vor. Einen Ansatz von Schwartz (1977, 1978, 1980) modifizierend, unterscheidet er (vorläufig) drei semantische Kategorien: „natural k inds“, „nominal k inds“ und „primary k inds“. Natural kinds werden im wesentlichen wie bei Kripk e und Putnam gefaßt, sie sind vor allem dadurch ausgezeichnet, daß ihre Terme im Sinne von Schwartz als Subjek te ‘stabiler Generalisierungen’ fungieren k önnen, d. h. solcher Generalisierungen, die zwar prinzipiell k orrigierbar sind (‘Katzen k önnten sich als etwas anderes als Tiere erweisen’, was aber nur heißt, daß wir über die vorausgesetzten notwendigen Eigenschaften k eine absolute Gewißheit haben k önnen), aber angesichts singulärer Gegenbeispiele nicht aufgegeben werden. Sie werden primär durch die Vermittlung von Stereotypen verstanden. Terme für primary kinds, wie z. B. flüssig, fest, trocken, gel b, heiß, gl att etc., lassen zwar stabile Generalisierungen zu, aber im Gegen-
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satz zu „natural k ind“-Termen auch analytische Spezifik ationen (’trock en’ schließt ‘naß’ aus). Es handelt sich meist um Adjek tive mit Bezug zum sensorischen Bereich, die k eine Arten bezeichnen, sondern allenfalls solche k reuzk lassifizieren. Auch ihr Verständnis sei durch Stereotype vermittelt. Terme für nominal kinds, wie z. B. Ausdrück e für Artefak te, Verwandschaftsbezeichnungen, Institutionen etc. sind dagegen allenfalls mit Stereotypen verbunden, die für ihr Verständnis nicht k onstitutiv sind, sie gehen k lare analytische Beziehungen ein, und k önnen nur in einem abgeleiteten Sinne in stabilen Generalisierungen auftreten, insofern in ihren Spezifik ationen ein Bezug auf „natural k inds“ oder „primary k inds“ vork ommen k ann, der jedoch nur deren oberflächliche Eigenschaften betrifft (Boote sind zwar Mittel für den Transport auf Wasser, aber die innere Konstitution von Wasser ist nicht entscheidend dafür, was als Boot gilt; Fahrzeuge, die auf Putnams Zwillingserden-XYZ schwimmen, sind immer noch Boote). Psychologische Theorien über die Repräsentation von Konzepten stimmen mit dem Ansatz von Putnam darin überein, daß Konzepte nicht durch die Angabe einzeln notwendiger und zusammengenommen hinreichender Merk male charak terisiert werden k önnen. Sie unterscheiden sich von Putnam insofern, als sie die Auswahl der bestimmenden Fak toren primär nicht durch soziale Konventionen, sondern durch Eigenschaften der menschlichen Kognition bestimmt sehen. Ein auffälliges Phänomen ist dabei, daß viele Konzepte durch Prototypen repräsentiert werden, d. h. durch einen als zentral ausgezeichneten Vertreter des Konzepts, der dazu verwendet wird, eine Ähnlichk eitsordnung zu induzieren, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Konzept-Mitgliedschaft getroffen wird (vgl. Rosch 1973, 1975). Aus dem exemplarischen Charak ter des Prototyps ergibt sich, daß auch nicht-notwendige Merk male in die Repräsentation eingehen. Wenn sich die Ergebnisse dieser Untersuchungen auch auf die Repräsentation von Wortbedeutungen übertragen lassen, was nicht selbstverständlich ist (siehe unten), so ist in der Wortsemanti k mit Ähnlich k eitsordnungen und Prototypie zu rechnen. Ein elementares Beispiel von Prototypie, das vermutlich mit Eigentümlichk eiten unseres Perzeptionsvermögens zusammenhängt, zeigt sich in der unterschiedlichen Lexik alisie-
I. Allgemeine Grundlagen
rung im Bereich der Grundfarben, früher eines der Standardbeispiele linguistischer Relativität. Oberflächlich betrachtet variieren die Sprachen hinsichtlich der Anzahl und Extension ihrer Farbwörter erheblich. Sorgfältige Untersuchungen (Berlin & Kay 1969) haben jedoch gezeigt, daß die Extension von Farbwörtern mit einem universalen System von prototypischen Segmenten im Farbspek trum, den sogenannten „focal points“ einheitlich erfaßt werden k ann. Jedem Grundfarbwort (z. B gel b aber nicht bl ond oder quittengel b, zur Abgrenzung vgl. Berlin & Kay 5 ff.) ist ein „focal point“ zugeordnet, der als Basis einer Ähnlichk eitsordnung zur (unscharfen) Abgrenzung der Extension dient. Es werden maximal elf solcher „focal points“ mit Grundfarbwörtern verbunden (z. B. Englisch: bl ack, white, red, green, yel l ow, bl ue, brown, purpl e, pink, orange, grey), mindestens jedoch zwei, nämlich die „focal points“ für Schwarz und Weiß (solche Sprachen finden sich z. B. in Neu-Guinea). Wie Rosch (1973) jedoch zeigen k onnte, sind diese elf „focal points“ auch dann perzeptuell ausgezeichnet, wenn sie nicht mit einem Grundfarbwort belegt sind. Aus der Anzahl der Grundfarbwörter einer Sprache läßt sich relativ gut vorhersagen, welche der natürlichen „focal points“ lexik alisiert sind. Das dritte Farbwort wird ausnahmslos dem „focal point“ für Rot zugeordnet. Es folgen Grün und Gelb in beliebiger Reihenfolge, sodann Blau, danach Braun; für die restlichen vier sind k eine Vorhersagen möglich. Bei gleichem Grundfarbwortschatz sind die Zuordnungsdifferenzen zwischen Sprechern verschiedener Sprachen nicht größer als die zwischen Sprechern derselben Sprache. Sind weniger als elf „focal points“ lexik alisiert, so werden nicht-lexik alisierte „focal points“ in den Bereich der lexik alisierten gezogen. Der prototypische Charak ter der lexik alisierten „focal points“ bleibt davon unberührt. Im Farbwortbereich müssen also nicht-triviale Vork ategorisierungen unserer Umwelt bereits vorgegeben sein, und damit auch die Fixierung möglicher Prototypen und die Bedeutung möglicher Wörter. Dies scheint sich auf weite Bereiche der Wahrnehmung zu übertragen (Rock 1985, Bower 1979). Sollte es der k ognitiven Psychologie möglich sein, eine Theorie über Kombinationsmechanismen für primitive Begriffe zu entwick eln, so wäre ansatzweise erk ennbar, was ein möglicher natürlicher Begriff ist.
4. Wortsemantik
4.5 Natürliche Begriffe vs. mögliche Wortbedeutungen Keil (1979) hat einige Gesetze für natürliche Begriffe aufgestellt und durch experimentelle Untersuchungen überprüft. Wie der Baum (23) veranschaulicht, lassen sich natürliche Begriffe (Terminalk noten) beispielsweise in
Natürliche Prädik ate k önnen sich nun, wie Keil (1979) feststellte, nur auf Teilbäume von (23) beziehen, d. h. es gibt Begriffe, die nur über Organismen prädizierbar sind, aber nicht solche, die man nur von Tieren und Ereignissen prädizieren könnte. Betrachtet man nun aber Wörter wie Schul e, so ergibt sich, daß sie sich je nach Verwendungsweise (cf. Bierwisch 1983) auf ganz unterschiedliche Typen von Objek ten beziehen k önnen, die zusammengenommen k einen zusammenhängenden Teilbaum in einem ontologischen Baum ergeben. (24) Die Schule hat ein Flachdach. (Gebäude) Die Schule spendete letztes Jahr einen größeren Betrag. (Institution) Die Schule macht ihm großen Spaß. (Ensemble von Prozessen) Traditionell spricht man hier von der Polysemie eines Wortes. Die Auflistung mehrerer Bedeutungen im Lexik on wird dem systematischen Charak ter dieses häufigen Phäno-
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einander ausschließende Klassen (in Großbuchstaben) k ategorisieren, die man erhält, wenn man die unter die Begriffe fallenden Objek te hinsichtlich k ategoriengerechter Prädikation (fettgedruckt) zusammenfaßt. Auf diese Weise ergibt sich aus einem sog. Prädikabilitätsbaum (fettgedruck te Knoten) ein ontologischer Baum (Knoten in Großbuchstaben).
mens, das Bierwisch konzeptuelle Verschiebung nennt, nicht gerecht. Die Annahme, eine der Bedeutungen sei grundlegend und die anderen daraus abgeleitet, k ann in vielen Fällen nicht begründet werden und zwingt zu willkürlichen Entscheidungen. Bierwisch schlägt daher vor, nur die allen nicht-metaphorischen Verwendungen gemeinsamen Bedeutungsaspek te zur lexik alischen Bedeutung zu rechnen, die Überführung in die vollspezifizierten Konzepte hingegen einer Menge von k onzeptuellen Operationen zu übertragen. So k önne etwa als im Lexik on zu verzeichnende semantische Charak terisierung von Schule die Struktur (25) λx [ZWECK(x)(W) & W = LEHRUND LERNPROZESSE] angesetzt werden. Die k onzeptuellen Operationen k önnen als Schemata wie (26) repräsentiert werden: (26) λx [INSTITUTION(x) & SEM(x)] λx [GEBÄUDE(x) & SEM(x)] λx [PROZESS(x) & SEM(x)]
I. Allgemeine Grundlagen
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Setzt man in (26) für „SEM“ die lexik alische Spezifik ation (25) für Schul e ein so erhält man die verschiedenen in (24) von Schule bezeichneten vollspezifizierten Konzepte. Da eine semantische Lexik onspezifizierung wie (25) mit Hilfe der genannten k onzeptuellen Operationen eine Familie von natürlichen Konzepten determiniert, die, wie oben bemerk t, nicht durch eine gemeinsame Menge von ‘Prädik abilia’ erfaßt werden k ann, sind sie nach Bierwisch selbst k eine natürlichen Begriffe, sondern etwas Abstrakteres.
5.
Literatur (in Kurzform)
Abraham 1986 · Anderson 1982 · Austin 1962 · Barwise/Cooper 1981 · Behaghel 1907 · van Benthem 1983 a · van Benthem 1984 a · Berlin/Kay 1969 · Bierwisch 1980 · Bierwisch 1983 · Binnick 1971 · Bower 1979 · Brek le 1970 · Brek le 1973 · Brek le/Boase-Beier/Toman 1985 · Chomsk y 1965 · Chomsk y 1972 · Chomsk y 1980 · Coseriu 1978 · Doherty 1985 · Downing 1978 · Dowty 1979 · Fanselow 1981 · Fanselow 1985 · Fleischer 1969 · Fodor 1981 · Fodor 1977 · Frege 1892 · Groenendijk /
Stok hof 1982 · Hall 1965 · Herbermann 1981 · Höhle 1982 b · Höhle 1985 · Jack endoff 1972 · Jak k endoff 1983 · Jensen/Stong-Jensen 1984 · Johnson-Laird 1983 · Kanngießer 1985 · Katz 1966 · Katz 1972 · Katz 1977 · Katz/Fodor 1963 · Keenan/Moss 1984 · Keil 1979 · Kiparsk y 1982 · Kripk e 1972 · Kürschner 1974 · Kutschera 1967 · Kutschera 1975 · Labov 1973 · Lang 1983 · Lapointe 1979 · Lees 1960 · Levi 1978 · Lewis 1970 · Lieber 1980 · Lieber 1984 · Lutzeier 1981 · Malotk i 1983 · McCarthy 1981 · McCawley 1971 a · McCawley 1978 · Montague 1973 · Morgan 1969 · Motsch 1970 · Newmeyer 1979 · Peacock e 1976 · Pesetzk y 1985 · Pulman 1983 · Putnam 1975 b · Quine 1960 · Reis 1985 · Rock 1985 · Rohrer 1967 a · Rohrer 1967 b · Rosch 1973 · Rosch 1975 · Schwartz 1977 · Schwartz 1978 · Schwartz 1980 · Searle 1969 · Searle 1975 · Selk irk 1982 · Shibatani 1976 · Smith/Medin 1981 · Trier 1931 · Toman 1983 · Toman 1985 · Westerståhl 1985 · Whorf 1956 · Williams 1981 a · Williams 1981 b · Wittgenstein 1921
Gisbert Fanselow, Passau/Peter Staudacher, Regensburg (Bundesrepublik Deutschland)
71
II. Probleme der ontologischen Grundlegung: Welt versus Situation Problems of Ontological Foundation: World Versus Situation
Das Handbuch enthä lt keine systematische Darstellung der Situationssemantik: einmal war sie noch nicht bekannt, als das Handbuch konzipiert wurde, zum andern basiert kein Artikel direkt auf dieser Theorie. Die folgenden beiden Beiträ ge sind eine Kontroverse zwischen einem engagierten Vertreter der Mögliche-Welten-Semantik — M. J. Cresswell — und einem der Vä ter der Situationssemantik — J. Barwise. Cresswells Beitrag wurde nicht speziell für dieses Handbuch geschrieben. Er erschien erstmals als Kapitel 5 von M. J. Cresswell, Semantic Essays: Possible Worlds and their Rivals, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1988. Barwises Antwort ist dagegen für dieses Handbuch konzipiert. Die Herausgeber
It’s a small world after all
5. 1. 2. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 4. 5. 6. 7.
1.
Die Weltsituation Ziel Situationssemantik Situationen als Propositionen Die Erzeugunggseigenschaft Propositionen und große Mengen Die Unvollständigkeit von Propositionen und Situationen Situationen als Welten Situationen als Ereignisse Schluß Literatur (in Kurzform)
Ziel
Ich möchte in diesem Beitrag einen Vergleich anstellen zwischen der Mögliche-Welten-Semantik und der semantischen Theorie, die Jon Barwise und John Perry neuerdings entwikkelt haben und die sie Situationssemantik nennen. Obwohl die Mögliche-Welten-Semantik zweifellos ihr stä rkster Konkurrent ist, vermeidet die Literatur zur Situationssemantik erstaunlicherweise hartnä ckig direkte Vergleiche der beiden Theorien. Ich werde zu zeigen versuchen, daß die sogenannten „Situationen“ geschaffen wurden, um bestimmte Rollen zu spielen, die in der Mögliche-WeltenSemantik durch Entitä ten von recht unter-
schiedlicher Art dargestellt werden. Und ich möchte weiter zeigen, daß keine Entitä t alle diese Rollen zugleich spielen kann.
2.
Situationssemantik
In der Mögliche-Welten-Semantik ist die Bedeutung eines in einem Kontext geä ußerten Satzes die Klasse der Welten, in denen der Satz wahr ist. Ich sage „in einem Kontext“, weil natürlich viele, wenn nicht alle Sä tze, einen Kontext erfordern, der allerlei Art von Information liefern muß — etwa über Zeit, Ort und Sprecher —, bevor man zu einer bestimmten Proposition gelangt, die in einer möglichen Welt wahr oder falsch sein kann. In der Situationssemantik beschreiben Sä tze im Kontext Situationen. Wie in der MöglicheWelten-Semantik müssen wir nicht-reale Situationen zulassen, weil keine der Situationen, die von einem falschen Satz beschrieben wird, tatsächlich der Fall ist. Ich gehe hier davon aus, daß die Version der Situationssemantik, die mit Barwise und Perry’s Situations and Attitudes (1983) vorliegt, die verbindliche ist. Alle Literaturhinweise beziehen sich — wenn nicht anders angegeben — darauf. Barwise und Perry unter-
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
72
scheiden mehrere Typen von Situationen: Sachverhalte, Ereignisverlä ufe, Diskurssituationen, usw. (siehe S. 53—57). Tatsä chlich handelt es sich dabei aber immer um nichtleere Kollektionen von Konstituenten der folgenden Form: (a) an l: r, a1, ..., an; ja oder (b) an l: r, a1, ..., an; nein wobei l eine „Lokation“, d. h. eine raumzeitliche Region ist, r eine n-stellige Relation (Relationen und Situationen sind Grundbegriffe der Theorie.) und a1, ..., an Objekte sind (Die Objekte können Individuen sein, die ebenfalls Grundbegriffe sind, oder sie können Relationen oder Situationen sein.). „Ja“ und „nein“ sind die beiden Wahrheitswerte. Eine wesentliche Eigenschaft von Situationen ist, daß sie partiell sein können. Zum Beispiel gibt es viele Situationen, die weder (a) noch (b) enthalten. Falls eine Situation beide enthält, heißt sie inkohärent (S. 54). Wenn (a) oder (b) Teil von e an einer Lokation l ist, schreiben Barwise und Perry in e: an l: r, a1, ..., an; ja (oder nein); und wenn weiter e nur aus einem Eintrag besteht, schreiben sie z. B. e: = an l: r, a1, ..., an; ja Falls ϕ ein Satz ist, dann ist seine Bedeutung [[ϕ]] eine Relation zwischen Situationen, und wir lesen u [[ϕ]] e als „ϕ, geä ußert in der Situation u, beschreibt die Situation e“. Die Situation u hat man sich als Diskurs-Situation vorzustellen, deren Aufgabe typischerweise darin besteht, Dinge zweierlei Art zu liefern: Erstens die „mehr oder weniger öffentlichen Aspekte einer Äußerung“ (S. 121) wie den Sprecher, die Zeit und den Ort, usw.; und zweitens die „Sprecherverbindungen“ (S. 125), d. h. worauf sich der Sprecher in u durch Namen, Pronomina oder andere derartige Ausdrücke bezieht, die in ϕ vorkommen. Die Situation u ist von der Art, die Barwise und Perry Sachverhalt nennen, das bedeutet, daß die Lokation l dieselbe in allen Konstituenten von u ist und man somit von dem einzigen l in u als der „Diskurslokation“ sprechen kann.
3.
Situationen als Propositionen
Barwise und Perry nennen einen Satz im Kontext eine Aussage, und ich werde diese bequeme Abkürzung manchmal benutzen. In
der Mögliche-Welten-Semantik sind Aussagen wahr oder falsch in Welten, und die Bedeutung (oder wie Barwise und Perry sagen würden, die „Interpretation“) einer Aussage ist die Klasse der Welten, in denen sie wahr ist. Klassen von Welten werden oft Propositionen genannt, und die Bedeutung einer Aussage ist eine einzelne Proposition. Die Strategie dieses Beitrages ist die folgende: Ich werde plausibel zu machen versuchen, daß eine der Aufgaben, die Barwise und Perry Situationen zuweisen, darin besteht, die Rolle von Propositionen zu spielen. Ich werde zeigen, daß gewisse Schwierigkeiten entstehen, wenn sie diese Rolle spielen. Ich werde weiter zu zeigen versuchen, daß einige andere Aufgaben, die nach Barwise und Perry Situationen erfüllen, verlangen, daß sie sich wie Welten verhalten. Meine Schlußfolgerung wird sein, daß man von Situationen zu viele inkompatible Aufgaben verlangt. 3.1 Die Erzeugungseigenschaft Man betrachte die Situation, die lediglich aus Mollies Bellen besteht: e* : = an l: bellt, Mollie; ja In gewisser Hinsicht beschreibt eine Äußerung von Mollie bellt in einer Diskurssituation, die l als Bezugslokation spezifiziert, genau e*. Nicht mehr und nicht weniger. Die Aussage spricht Mollie Bellen an l zu und sagt nichts darüber aus, was sonst noch geschieht. Sie beschreibt eine Situation e genau dann, wenn e* ⊂e. Ich möchte von Sä tzen dieser Art sagen, daß sie die Erzeugungseigenschaft haben. Ein Satz ϕ hat die Erzeugungseigenschaft bezüglich eines Kontextes u genau dann, wenn es eine Situation e* gibt, so daß u [[ϕ]] e gdw. e* ⊂ e ϕ hat die Erzeugungseigenschaft schlechthin genau dann, wenn ϕ sie in jedem Kontext hat. In den formalen Sprachen, die Barwise und Perry im Anhang zu Situations and Attitudes betrachten, haben alle atomaren Sä tze die Erzeugungseigenschaft (siehe auch Kapitel 7 meines Buches Adverbial Modification, 1985 a), und wenn Situationen wie Propositionen behandelt werden sollen, wä re es auch wünschenswert, daß alle Sä tze sie haben. Barwise und Perrys Semantik für die wahrheitsfunktionalen Satzoperatoren erhalten diese Eigenschaft aber im allgemeinen nicht einmal in den beschrä nkten Sprachen, die sie diskutieren. Genauer: Die Konjunktion erhä lt sie, die Disjunktion aber nicht. Um dies zu zeigen, nehmen wir an, daß u ein Kontext ist, der für
5. Die Weltsituation
alle kontextabhä ngigen Namen in einem Satz ϕ ⋀ ψ Denotate bereitstellt. Wir haben die Regel (siehe S. 137), daß u [[ϕ ⋀ ψ]] e gdw. u [[ϕ]] e und u [[ψ]] e. Nehmen wir nun an, es gä be ein e1 und ein e2, so daß u [[ϕ]] e gdw. e1 ⊂ e und u [[ψ]] e gdw. e2 ⊂ e. (Dies bedeutet gerade, daß ϕ und ψ die Erzeugungseigenschaft haben.) Damit gilt für e* = e1 ⋃ e2: e* ⊂ e gdw. e1 ⊂ e und e2 ⊂ e gdw. u [[ϕ]] e und u [[ψ]] e gdw. u [[ϕ ⋀ ψ]] e Dies beweist, daß ϕ ⋀ ψ von e* generiert wird. Also hat ϕ ⋀ ψ die Erzeugungseigenschaft, wenn sowohl ϕ als auch ψ sie haben. Die Disjunktion verhä lt sich dagegen anders, zumindest wenn ihre Semantik klassisch ist. Und die Semantik für die Disjunktion, die Barwise und Perry vorlegen, ist klassisch. Angenommen, die Werte für alle Namen werden vom Kontext u geliefert, dann können wir die Regel für „∨“ definieren als: u[[ϕ ∨ ψ]] e gdw. u [[ϕ]] e oder u [[ψ]] e. Nun sieht man, wieso ein disjunktiver Satz die Erzeugungseigenschaft eventuell nicht hat: Angenommen, es gelte u [[ϕ]] e1 und u [[ψ]] e2, wobei e1: = an l: bellt, Jackie; ja e2: = an l: schläft, Jackie; ja Nun sind e1 und e2 in gewissem Sinne Atome, und zwar insofern, als es kein e* gibt so, daß e* ⊂ e1 und e* ⊂ e2. Aber u [[ϕ ∨ ψ]] e1 und u [[ϕ ∨ ψ]] e2 Damit kann es kein e* geben, so daß u [[ϕ ∨ ψ]] e gdw. e* ⊂ e gilt. Wie steht es mit der Satznegation? Hier stehen wir zunä chst vor dem Problem, daß Barwise und Perry sich nicht sicher sind, ob es sie überhaupt gibt. Wenn wir ihrer klassischen Behandlung der Disjunktion folgen, würden wir einfach sagen, daß u [[nicht-ϕ]] e gdw. nicht u [ϕ]] e. Aber wir könnten nicht u [[ϕ]] e auch in einer Situation vorfinden, in der ϕ nicht so sehr falsch, als vielmehr undefiniert ist. Das könnte etwa für Mollie schläft in unserer obigen Situation e* : = an l: bellt, Mollie; ja der Fall sein. Man kann ebenso wenig herleiten, daß Mollie in e* schlä ft, wie daß sie nicht
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schlä ft. Wir wollen sagen, daß zwei Situationen e und e’ ä quivalent sind, e ≈ e’, wenn sie auseinander alleine durch die Änderung der Wahrheitswerte der Konstituenten gewonnen werden können. Mit anderen Worten, e und e’ entscheiden genau dieselben Alternativen, obwohl die von ihnen getroffenen Entscheidungen nicht gleich ausfallen müssen. Wenn uns nun ein Satz cp gegeben ist, so können wir die Klasse der Situationen, in denen cp in einem Kontext u definiert ist, folgendermaßen definieren: u [[ϕ]]+e gdw. für ein e’ ≈ e gilt: u [[ϕ]]e’ Die formale Definition der Negation würde dann besagen, daß u [[nicht-ϕ]] e gdw. u [[ϕ]]+e aber nicht: u [[ϕ]] e. Das würde heißen, daß e über alle möglichen Alternativen entscheidet, die mit ϕ zu tun haben, ohne ϕ selbst zu verifizieren. Diese Art der Negation ist, genau wie die Disjunktion, ein Operator, der die Erzeugungseigenschaft nicht erhä lt. Sei nä mlich e* wie folgt: an l: r1, a; ja an l: r2, a; ja Nehmen wir weiter an, daß für ein gegebenes u gilt u [[ϕ]] e gdw. e* ⊂ e Nun werden wir unter e’ ≈ e auch solche mit e1 : = an l: r1, a; ja an l: r2, a; nein und e2 : =
an l: r1, a; nein an l: r2, a; ja
finden. Da nun e* ⊄ e1 und e* ⊄ e2, aber e1 ≈ e* und e2 ≈ e* gilt, so erhalten wir u [[nichtϕ]] e1 und u [[nicht-ϕ]] e2. Aber e1 und e2 haben keinen nichtleeren Schnitt, und daher ist die Klasse aller e, für die gilt u [[nicht-ϕ]] e nicht erzeugbar, obwohl die Klasse der e, für die u [[ϕ]] e gilt, erzeugt wird. Man könnte meinen, daß eine Situation dadurch negiert werden kann, daß man die
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Wahrheitswerte ihrer Konstituenten einfach vertauscht. Es ist aber leicht einzusehen, daß dies nur das Konträ re einer Situation ergä be, nicht aber das zu ihr Kontradiktorische: Sei e die Situation von Mollies Bellen und Schlafen. Eine Umpolung der Wahrheitswerte in e ergä be die Situation e’, in der Mollie nicht bellt und nicht schlä ft. Das Kontradiktorische von e ist aber vielmehr die Situation von Mollies entweder Nicht-Bellen oder NichtSchlafen. Es genügt, den Wahrheitswert nur einer Konstituenten umzupolen. Und die Schwierigkeit besteht daraus, daß man dies auf mehr als eine Weise machen kann, es sei denn, die Situation besteht aus nur einer Konstituenten. Bei Situationen, die nur aus einer Konstituenten bestehen, gibt es natürlich keine Probleme. Die Negation von (a) an l: r, a1, ..., an; ja ist einfach (b) an l: r, a1, ..., an; nein und umgekehrt. Das ist nun tatsä chlich die einzige Negation, die Barwise und Perry zulassen, und ich muß gestehen, daß ihr Standpunkt ein wesentlich festeres Band zwischen Sprache und Ontologie schmiedet, als ich für vertretbar halte. Wenn nä mlich überhaupt nur solche Situationen negiert werden können, die aus einer einzigen Konstituente, die eine atomare Relation involviert, bestehen, dann hä ngt die Antwort auf die Frage, ob eine Aussage negiert werden kann, davon ab, ob sie eine solche Situation beschreibt oder nicht. Barwise und Perry behaupten, sie wüßten, wann das der Fall sei. Zum Beispiel behaupten sie auf S. 76, daß „es zwar die atomaren Eigenschaften, müde zu sein, hungrig zu sein und ein Philosoph zu sein, gibt, daß aber kein Grund für die Annahme besteht, daß es die atomare Eigenschaft, ein müder, hungriger Philosoph zu sein, gibt“. Wä hrend es also für eine gegebene Person und Lokation jeweils einzelne Situationen des Hungrigseins, des Müdeseins und des Philosophseins und ebenso einzelne Situationen des Nicht-Müdeseins, des Nicht-Hungrigseins und des Nicht-Philosophseins gibt, und wä hrend es sogar eine einzelne Situation, ein hungriger, müder Philosoph zu sein, gibt, gibt es keine Situation, kein hungriger, müder Philosoph zu sein. Demnach gibt es kein Prä dikat, welches „ist kein müder, hungriger Philosoph “ bedeutet! Was mich angeht, so finde ich es
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
völlig unplausibel, daß die Struktur der Welt die Sprache auf diese Weise beeinflussen sollte. Ich hä tte gedacht, daß die Suche nach einer logisch perfekten Sprache, welche die Strukturen der Wirklichkeit genau widerspiegelt, seit dem Tractatus zu den Akten gelegt sei. Wenn wir die Satznegation haben wollen und gleichzeitig die Erzeugungseigenschaft erhalten wollen — und folglich die Idee aufrechterhalten, daß eine Situation insofern etwas wie eine Proposition ist, als eine einzelne Situation die Bedeutung eines Satzes im Kontext sein kann — könnten wir zunä chst untersuchen, ob der von Barwise und Perry zugelassene Apparat es gestattet, eine Art von Negation oder eine Art von Disjunktion zu haben, die aus einer Situation eine andere herstellt, die genau deren Negation ist — oder aus einem Paar von Situationen eine andere, die genau deren Disjunktion ist. Es ist am einfachsten, mit der Negation zu beginnen. Barwise und Perry lassen unter anderem Relationen zwischen Situationen zu. So verwendet etwa ihre Semantik für weil eine zweistellige Relation, in der an l: weil, e1e2; ja bedeutet, daß an le2 der Fall ist, weil e1 der Fall ist. Auf ä hnliche Weise könnten wir die Negation ausdrücken, indem wir eine einstellige Relation einführen, die über Situationen operiert. Wenn e eine Situation ist, dann ist ihre Negation e’, wobei e’ : = an l: neg, e; ja (mit l als der kleinsten Lokation, die alle Orte in e umfaßt). Die Idee ist, daß e’ einfach die Situation von e’s Falschsein ist. Ein ernsthaftes Problem für neg ist das Problem der Iteration. Betrachten wir zunä chst das satzeinbettende nicht, das wir oben eingeführt haben. Es sollte nicht allzu schwierig sein, einzusehen, daß [[ϕ]] und [[nichtnicht-ϕ]] dieselbe Relation sind. Diese Tatsache wurde in Structured Meanings (Cresswell 1985 b: 170) dazu benutzt, zu zeigen, daß — entgegen Barwise und Perrys Behauptung — die Situationssemantik das Problem logisch ä quivalenter Sä tze nicht immer löst; aber zumindest bedeutet dies, daß kein Problem für die Semantik der doppelten Satznegation besteht. neg dagegen verhä lt sich anders. Was wä re denn die doppelte Negation in einer Situation e? Wir hätten e1 := an l: neg, e; ja e2 := an l: neg, e1; ja
5. Die Weltsituation
Jetzt kommt das Problem: e1 ist eine Menge von Konstituenten, von denen eine neg enthä lt, und doch ist auch e1 selbst Argument von neg. Wenn die Relationen mengentheoretisch konstruiert wä ren, dann würde dies dem Fundierungsaxiom widersprechen. Barwise und Perry behandeln Relationen als Grundbegriffe. Damit ist nicht klar, was sie auf diesen Einwand antworten würden, zumal sie keine Theorie für Relationen entwickeln, die mit der normalen Mengenlehre vergleichbar wäre. Auch die Disjunktion können wir als Relation zwischen Situationen behandeln. Die Disjunktion von e1 und e2 ist e3:= an l: oder, e1, e2; ja wobei l die kleinste Lokation ist, welche die Lokationen von e1 und e2 umfaßt. Diese Disjunktion leidet zwar noch am Iterationsproblem, aber wie neg erhä lt sie die Erzeugungseigenschaft. 3.2 Propositionen und große Mengen Ich bin bisher davon ausgegangen, daß Situationen in der Situationssemantik die Rolle spielen, welche in traditionellen Theorien den Propositionen zukommt — ob sie als Mengen von möglichen Welten aufgefaßt werden oder nicht. In diesen traditionelleren Theorien ist das Problem der Negation einfach. Die Bedeutung der Negation wä re eine Funktion, die etwa aus der Proposition, daß Perry ein müder, hungriger Philosoph ist, die Proposition, daß Perry kein müder, hungriger Philosoph ist, macht. Nach wie vor bleibt allerdings das Problem bestehen, zu entscheiden, was das ist. Richmond Thomason hat vor kurzem vorgeschlagen, Propositionen als Grundbegriffe anzusehen, zumindest für die Zwecke der Logik und Semantik. Ich selbst bin vor zwanzig Jahren ebenso verfahren. Aber Barwise und Perry wä ren mit keiner Analyse der Negation zufrieden, die deren Bedeutung zu einer Funktion von Propositionen in Propositionen macht. Sie haben vielmehr eine herablassende Einstellung zu Propositionen. Auf S. 178 nennen sie diese ein „Artefakt der semantischen Anstrengungen“, ä w hrend selbstverst ä ndlich ihre eigenen Grundbegriffe „alles reale Dinge“ sind. (Es überrascht nicht, daß einer ihrer liebsten Beispielsä tze „Ich habe recht; du hast Unrecht“ ist.) Sie würden zum Beispiel auch eine Eigenschaft nicht als Funktion von Dingen in Propositionen behandeln, oder die Bedeutung einer Satzkonjunktion als Funktion von Pro-
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positionen in Propositionen. Der Grund dafür liegt in ihrer Einstellung zur Mengenlehre. In jeder Mengenlehre, die diese Unterscheidung zulä ßt, sind Mengen die Klassen, die „klein“ genug sind, um Elemente von anderen Klassen zu sein, und „echte Klassen“ sind zu groß, als daß dies passieren könnte. Aber trotzdem können Mengen in der Standardmengenlehre sehr groß sein; sicher gibt es Mengen von transfiniter Mä chtigkeit, und ihre Verwendung stellt für die Mögliche-Welten-Semantik in aller Regel kein Problem dar. Aber Barwise und Perry mögen nur kleine Mengen. Auf S. 52 schreiben sie: „Alles, was wir über Mengen sagen, stimmt, wenn man es auf endliche Mengen von Grundbegriffen, endliche Mengen dieser Mengen, usw. anwendet“. Es zeigt sich, daß das der Grund dafür ist, daß sie Propositionen nicht mögen, denn „es stellt sich heraus, daß die Interpretation einer Äußerung — die realistische Proposition, die sie bezeichnet — eine echte Klasse ist“ (S.178). Sicherlich werden die Mengen von Welten, welche die meisten Propositionen bilden, unendlich sein. Wenn eine Proposition eine einzelne Situation ist, dann ist sie — entgegen dem, was Barwise und Perry sagen — vielleicht nicht unendlich; wenn aber die Negation eine Funktion sein soll, deren Definitionsbereich die Klasse aller Propositionen ist, dann müßte diese Funktion sicherlich unendlich sein. Die Frage, wie man Semantik mit einer sehr schwachen Mengenlehre betreiben kann, ist meiner Ansicht nach von vitalem Interesse. Ein Gleiches gilt für die Frage, ob man das auch tun sollte, und wenn ja, warum. Es ist eine unglückliche Praxis der Situationssemantik, daß diese Frage mit einer großen Menge von anderen Fragen vermengt worden ist, wie etwa der Frage, welche Grundbegriffe man verwenden soll, oder warum die Sprachphilosophie seit Frege und Russell völlig fehlgelaufen ist. Die Frage nach den angemessenen Grenzen der mengentheoretischen Konstruktionen kann und sollte gestellt und diskutiert werden, und zwar für jeden semantischen Ansatz. Ich wä re der allererste, der mehr Licht in diesem Bereich begrüßen würde. 3.3 Die Unvollständigkeit von Propositionen und Situationen Ich habe bisher zu zeigen versucht, daß die Situationen die Rolle von Propositionen übernehmen können, wenn auch nicht problemlos. Die Motivation für diese Rollenzuweisung ist die, daß Situationen partiell oder unvollstä n-
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dig sind. Wenn wir aber gewisse andere Dinge betrachten, die Barwise und Perry von Situationen verlangen, dann zeigt es sich, daß die Frage der Vollstä ndigkeit mitnichten so klar liegt, wie es zunä chst scheint. Ein Teil des Problems besteht darin, wie u [[ϕ]] e zu verstehen ist. Dieser Ausdruck ist zu lesen: Im Kontext u beschreibt ϕ die Situation e. Bisher habe ich so getan, als sei e die Proposition, die ϕ im Kontext u ausdrückt. Aber man kann sich eine Situation ebenso gut als eine mögliche Welt vorstellen, so daß u [[ϕ]] e dann eher zu lesen ist als: „Bezüglich des Kontexts u ist ϕ wahr in e.“ Was ich nun zeigen möchte, ist, daß Barwise und Perrys Haltung gegenüber der Disjunktion zu Schwierigkeiten führt, falls wir uns die Bedeutung eines Satzes als eine einzelne Situation vorstellen; ferner, daß ihre Behandlung der Disjunktion erfordert, daß man Situationen als Welten rekonstruiert. Damit würde die Situationssemantik zu einer Version der Mögliche-Welten-Semantik. In der Mögliche-Welten-Semantik sind Propositionen Mengen von Welten. In diesem Rahmen ist es ziemlich einfach zu definieren, was es für eine Proposition bedeuten soll, unvollstä ndig oder partiell zu sein. Angenommen ich sage zu dir: (1) Morgen vormittag zwischen 9 und 12 Uhr bin ich entweder zuhause oder in der Universität. Wenn der Kontext einmal den Sprecher, das Datum und was sonst noch gebraucht werden könnte, geliefert hat, zerfallen die möglichen Welten in zwei Klassen, nä mlich in jene, in denen (1) wahr ist, und in jene, in denen (1) falsch ist. Unter den Welten, in denen (1) wahr ist, können sehr wohl welche sein, in denen ich an beiden Orten bin, wenn auch vermutlich nicht zur selben Zeit, aber es wird sicher einige Welten geben, in denen ich an dem einen Ort bin, nicht aber an dem anderen. Satz (1) ist in einem gewissen Sinn unvollstä ndig: Er kann auf verschiedene Arten wahr gemacht werden. Dies ist der Sinn, in dem eine Proposition unvollstä ndig ist, und wenn eine Situation etwas wie eine Proposition ist und eine Situation in dieser Weise unvollstä ndig wä re, dann müßten wir eine einzelne Situation haben, die durch (1) beschrieben wird, welche die Situation meines Zuhause-oderan-der-Universitä t-Seins ist, ohne eine Situation zu sein, in der ich zuhause bin, oder eine Situation zu sein, in der ich in der Universitä t
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
bin. In einer Hinsicht ist es einfach, sich vorzustellen, wie das aussehen soll, denn die Proposition, die durch (1) in einem Kontext ausgedrückt wird und welche in der MöglicheWelten-Semantik die Klasse der Welten ist, in denen (1) wahr ist, hat gerade diese Eigenschaft. Jedes Element der Klasse ist entweder eine Zuhause-Welt oder eine Universitä tsWelt, aber es ist nicht wahr, daß jedes Element eine Zuhause-Welt ist, und es ist nicht wahr, daß jedes Element eine Universitä ts-Welt ist. Die Proposition ist unvollständig. Die Schwierigkeit, Situationen auf diese Weise zu betrachten, liegt darin, daß sie Ärger macht, wenn man sie mit Barwise und Perrys klassischer Semantik für oder kombiniert. Es ist klar, daß (1) dieselbe Bedeutung hat wie (2) Entweder bin ich morgen zwischen 9 und 12 zuhause, oder ich bin morgen zwischen 9 und 12 in derUniversität. Und es ist weiter klar, daß (2) eine Satzdisjunktion ist. Wie wir gerade gesehen haben, ist Barwise und Perrys Semantik für das Wort oder die klassische — wenn die kontextuellen Merkmale einmal festgelegt sind. Demzufolge beschreibt (2) in einem Kontext u, der alle Denotate liefert, eine Situation e genau dann, wenn entweder (3) Ich bin morgen zwischen 9 und 12 zuhause die Situation e beschreibt, oder wenn (4) Ich bin morgen zwischen 9 und 12 in der Universität e beschreibt. Das aber bedeutet, daß e nicht in demselben Sinne unvollstä ndig ist, in dem die Menge der Welten, in denen (1) wahr ist, unvollstä ndig ist. Die Unvollstä ndigkeit der Proposition, die durch (1) ausgedrückt wird, entsteht dadurch, daß (1) nicht durch mein Zuhausesein wahr gemacht werden muß (denn ich könnte in der Universitä t sein), noch muß (1) durch mein In-der-Universitä tSein wahr gemacht werden (weil ich zuhause sein könnte). Aber nehmen wir an, eine Situation hä tte die Art von Unvollstä ndigkeit, die eine Proposition hat. Sei e eine Situation, in der ein bestimmtes Eisenbahnsignal in Betrieb ist. Angenommen, es ist ein Zweifarbensignal, das heißt, wenn es in Betrieb ist, zeigt es entweder Rot oder Grün an. Jetzt stelle ich mir jemand vor, der fragt: „Wenn du sagst, daß es in Betrieb ist, meinst du dann bloß, daß es Rot oder Grün anzeigt, oder meinst du, daß es den Zustand der Strecke korrekt
5. Die Weltsituation
anzeigt?“ Die Antwort könnte lauten: „Wenn ich sage, daß es in Betrieb ist, dann meine ich, daß es Rot oder Grün anzeigt.“ Sei nun a ein Satz mit der Bedeutung, daß das Signal Rot anzeigt, und β, daß es Grün anzeigt. Dann wird jede Situation, in der das Signal in Betrieb ist, durch „a oder β“ beschrieben. Wir nehmen aber an, daß e eine Situation ist, die dieselbe Art von Unvollstä ndigkeit aufweist wie die Proposition, daß das Signal in Betrieb ist. Das bedeutet aber, daß e keine Situation sein muß, in der das Signal Rot anzeigt (denn es könnte eine sein, in der es Grün anzeigt), noch muß es eine Situation sein, in der das Signal Grün anzeigt (denn es könnte eine sein, in der es Rot anzeigt). Und dies ergibt einen Widerspruch. Denn „a oder β“ beschreibt e, und das kann nur so sein, wenn a die Situation e beschreibt, oder wenn ß es tut. Wenn aber a die Situation e beschreibt, dann ist e eine Situation, in der das Signal Rot anzeigt, und wenn β die Situation e beschreibt, dann ist e eine Situation, in der das Signal Grün anzeigt. Oder betrachten wir ein Beispiel, das nä her an denen von Barwise und Perry liegt — eine Situation, in der Mollie bellt. Ich habe oben gezeigt, daß, wenn e* genau die Situation von Mollies Bellen an l ist, dieses e* auch geeignet wä re, die Proposition, daß Mollie an l bellt, darzustellen und damit die Bedeutung eines einschlä gigen Satzes sein könnte. Aber natürlich wird Mollie in jeder Situation, in der sie bellt, entweder laut oder leise bellen. Folglich scheint es so zu sein, daß man keine Situation e haben kann, in der Mollie einfach nur bellt. Situationen können unvollstä ndig sein, aber es sieht so aus, als könnten sie nicht allzu unvollstä ndig sein. Sie können nicht so unvollständig wie Propositionen sein. Die hier angeführte Argumentation hat von einer Situation Gebrauch gemacht, die auf genau zwei Weisen spezifisch gemacht werden konnte; es ist aber nicht schwer, einzusehen, daß dasselbe Resultat aus einer Situation folgt, die auf endlich viele Weisen spezifisch gemacht werden muß. Was schließlich eine Situation betrifft, die auf eine von unendlich vielen Weisen spezifisch gemacht werden muß, kann nicht durch eine unendliche Disjunktion dargestellt werden — weil es in der natürlichen Sprache keine gibt — aber es scheint unvernünftig, allein daraus einen prinzipiellen Unterschied herleiten zu wollen. Wenn also Situationen nicht in dem Sinne unvollstä ndig sein können, in dem Propositionen es sind, welche Art von Unvollstä ndigkeit können sie dann haben? Hier kommen
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wir weiter, wenn wir uns die obige Argumentation genauer ansehen. Denn der entscheidende Punkt bei der Situation e, in der das Signal in Betrieb ist, ist der, daß man eine solche Situation nicht haben kann, ohne zugleich eine rot-anzeigende Situation oder eine grün-anzeigende Situation zu haben. Wenn man sie haben könnte, dann wä re die Unvollstä ndigkeit von e sehr radikaler Natur. Es würde dann nä mlich zum Wesen von e gehören, daß e in einer der beiden Weisen vervollstä ndigt werden müßte. Ich werde eine Situation wesentlich unvollständig nennen, wenn sie es erfordert, Teil einer Situation zu sein, die zu einer Kollektion von spezifischeren Situationen gehört. Die bisher durchgeführte Argumentation zeigt, daß keine Situation wesentlich unvollständig sein kann.
4.
Situationen als Welten
Wenn eine Situation nicht wesentlich unvollstä ndig sein kann, auf welche andere Weise kann sie dann unvollstä ndig sein? Ziehen wir ein Beispiel aus Barwise und Perrys Arbeit über Einstellungen heran. Betrachte den Unterschied zwischen (5) Fritz kam herein (6) Fritz kam herein, und Sandra rauchte oder nicht. Barwise und Perry stellen sich die „bloßen Infinitive“, die (5) und (6) entsprechen, als Objekte eines Verbs der Wahrnehmung vor, wie etwa bei Sepp sah ... in (5 a) oder (6 a): (5) a. Sepp sah Fritz hereinkommen (6) a. Sepp sah Fritz hereinkommen und Sandra rauchen oder nicht rauchen. Sie betonen, daß (5) und (6) — obwohl logisch ä quivalent — dennoch verschiedene Situationen beschreiben. Denn (5) erwä hnt Sandra überhaupt nicht — es könnte sein, daß es überhaupt keine Person dieses Namens gibt. Und (5 a) muß (6 a) sicherlich nicht implizieren, denn wenn Sepp Fritz hereinkommen sah, dann folgt daraus nicht, daß er Sandra irgendetwas hat tun sehen, rauchen oder nicht rauchen — sie könnte ja gar nicht dagewesen sein, selbst wenn es eine solche Person gä be. Im Falle von (6 a) behaupten Barwise und Perry, daß Sepp, um Sandra rauchen oder nicht rauchen sehen zu können, sie entweder rauchen oder nicht rauchen sehen müßte, und beide Aussagen implizieren würden, daß Sandra anwesend wä re und von Sepp gesehen
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würde. In der Terminologie der Unvollstä ndigkeit ist jede Situation, die (6) genau beschreibt (d. h. jede Situation, die nicht mehr und nicht weniger ist, als (6) beschreibt), wesentlich unvollstä ndig, indem sie danach verlangt, entweder zu einer Situation erweitert zu werden, in der Sandra raucht, oder zu einer Situation, in der sie nicht raucht. Nun mag auch (5) (wie Mollies Bellen) wesentlich unvollstä ndig sein, aber nicht auf dieselbe Weise wie (6). Nehmen wir nä mlich einmal an, es gä be niemand wie Sandra. Dann müßte eine Situation, die (5) beschreibt, nicht auf dieselbe Weise erweitert werden wie (6). Dennoch könnte eine solche Situation in einer bestimmten Hinsicht als unvollstä ndig beschrieben werden. Stellen wir uns dazu vor, daß Fritz hereinkä me. In gewissem Sinne ist es logisch möglich, daß dies alles ist, was passiert. Nun, vielleicht nicht ganz alles. Vermutlich muß Fritz ein Ding oder eine Person mit einigen bestimmten Eigenschaften sein. Aber sie müssen nichts über Sandra beinhalten. Wir wollen das so ausdrücken: Wenn e eine Situation ist, die durch (5) im Kontext beschrieben wird, dann könnte e zwar zu einer Situation erweitert werden, in der Sandra raucht, oder zu einer, in der sie nicht raucht, aber sie muß nicht derart erweitert werden. Sie könnte alles sein, was es gibt. Und damit sind wir endlich bei der zentralen Behauptung dieses Beitrags. Wenn e schon alles sein könnte, was es gibt, dann könnte e eine mögliche Welt sein. Und alles, was eine mögliche Welt sein könnte, ist eine mögliche Welt. Mit anderen Worten: Situationen sind Welten. Und hier kommen wir zu einem Punkt, den Hintikka in seinem Kommentar zum Artikel von Barwise (1981 a) im Journal of Philosophy angesprochen hat. Warum müssen wir annehmen, daß Welten große Dinge sind? Die wirkliche Welt ist zweifellos ein großes Ding — aber es gibt sicherlich keinen logischen Grund, auszuschließen, daß es nur einige wenige Objekte geben könnte, die nur ein paar Eigenschaften haben und in nur wenigen Relationen zueinander stehen. Wie klein eine Welt sein kann, ist eine metaphysische Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Alles was ich behaupte, ist, daß sie so klein sein kann wie eine von Barwise und Perrys Situationen. Manche Welten sind Teile von anderen. Eine Welt ohne Sandra kann zu einer Welt mit einer rauchenden Sandra — oder zu einer Welt mit einer nicht-rauchende Sandra erweitert werden. Das ist natürlich eine sehr irreführende Art der Darstellung, denn es gibt
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
Propositionen, die in der kleineren Welt wahr sind, die aber aufhören, wahr zu sein, wenn die Welt erweitert wird. Es könnte wahr sein, daß Fred die einzige Person im Raum in der kleineren Welt ist; dies ist aber nicht mehr wahr, sobald die rauchende oder nicht-rauchende Sandra angekommen ist. Eine Weise, eine Welt zu erweitern, besteht darin, daß man einfach mehr Dinge hinzunimmt, die gewisse Eigenschaften haben und in gewissen Beziehungen stehen. Situationen, die Kollektionen von Konstituenten sind, können in der normalen mengentheoretischen Weise erweitert werden, und Aussagen, die ihren Wahrheitswert unter solchen Erweiterungen beibehalten, werden von Barwise und Perry persistent genannt. Barwise und Perry benutzen den Unterschied zwischen (5) und (6), um ein Argument hochzuziehen, daß in der Situationssemantik die Ersetzung von logisch ä quivalenten Sä tzen nicht gilt. Da ich argumentiere, daß Situationen Welten sind, muß ich zeigen, was mit diesen beiden Sä tzen geschieht, wenn Situationen Welten sind, denn es wird als ein Mangel der Mögliche-Welten-Semantik betrachtet, daß sie die Ersetzung von logisch ä quivalenten Sä tzen zulä ßt. Obwohl Propositionen in der Mögliche-Welten-Semantik normalerweise als Klassen von Welten angesehen werden, mit der Konsequenz, daß jede Welt entweder in einer gegeben Proposition ist oder nicht, könnte man sie stattdessen als Funktionen von möglichen Welten in Wahrheitswerte auffassen. Das würde die Möglichkeit eröffnen, daß eine Proposition für gewisse Welten nicht definiert ist, und damit für diese Welten überhaupt keinen Wahrheitswert hat. Nun besteht laut Barwise und Perry der Unterschied zwischen (5) und (6) darin, daß (5) Situationen beschreiben kann, die Sandra überhaupt nicht enthalten, wogegen (6) das nicht kann. Die einfachste Art, dies zu verstehen — d. h. die klassische Semantik für oder beizubehalten und dennoch die Äquivalenz von (5) und (6) verwerfen zu wollen — scheint die folgende zu sein: Wir lassen (7) Sandra rauchte undefìniert für Welten, in denen es keine derartige Person gibt, und lassen (6) diese Eigenschaft erben. Damit gibt es zwar keine Welten, in denen (5) und (6) unterschiedliche Wahrheitswerte haben, dagegen kann es sehr wohl Welten geben, in denen (5) einen Wert hat, (6) aber nicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dies für den besten Weg halte, das
5. Die Weltsituation
Problem zu behandeln, aber die Methode liefert zumindest eine Lösung, die mit der Behandlung von Situationen als Welten verträ glich ist. Das Argument, das ich gegen wesentlich unvollstä ndige Situationen entwickelt habe, hä ngt entscheidend von der Semantik ab, die Barwise und Perry für oder angeben. Im Rest dieses Artikels werde ich zeigen, daß diese Semantik in keinster Weise eine isolierte Eigenart ist, die ohne substantielle Änderungen des gesamten theoretischen Rahmens modifiziert werden könnte.
5.
Situationen als Ereignisse
Die Semantik für oder, die Barwise und Perry bereitstellen, spielt eine Schlüsselrolle für die Begründung eines Schlusses, dessen Gültigkeit für bloße Infinitivkonstruktionen sie behaupten. Auf S. 182 ist ihr Beispiel der Schluß von (8) auf (9): (8) Ralph sah Ortcutt oder Hortcutt den Brief verstecken (9) Ralph sah Ortcutt den Brief verstecken oder Ralph sah Hortcutt den Brief verstecken. Ihre Semantik für sehen, auf das ein bloßer Infinitiv folgt (nicht aber ein daß-Satz) behauptet eine Relation zwischen einem Subjekt und einer Situation. Angenommen nun, (8) sei wahr. Was Ralph dann sieht, ist eine Situation, in der entweder Ortcutt oder Hortcutt den Brief versteckt. Nach der Semantik für oder muß dies entweder eine Situation sein, in der Ortcutt den Brief versteckt, oder eine, in der Hortcutt das tut. Damit sieht Ralph eine dieser Situationen, und das genügt, um (9) zu stützen. Tatsä chlich sieht man, selbst wenn man sich nicht mit der Semantik für oder genauer auseinandersetzt, daß Barwise und Perrys Auffassung von perzeptionellen Sä tzen wesentlich unvollst ä ndige ä S tze ausschließt. Dies ist so, weil sie sich Situationen als Einzeldinge vorstellen. Was Ralph in jeder Situation sieht, die (8) beschreibt, ist eine bestimmte Situation, etwas, was tatsä chlich vor seinen Augen liegt. Ich für meinen Teil bin nicht davon überzeugt, daß Perzeption so stattfindet. Vielmehr glaube ich, daß Sä tze über Wahrnehmungssä tze ein großes Stück Intensionalitä t mit beinhalten. Aber das gehört nicht hierher, und ich möchte lediglich einige der Konsequenzen, die sich aus dem individuellen Charakter der Situationen er-
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geben, aufzeigen. Wenn Situationen so etwas wie spezielle Individuen sind, dann müssen sie in gewisser Weise vollstä ndig sein. Angenommen, a sei so ein spezielles Individuum. Dann möchte ich behaupten, daß es für eine Welt möglich sein muß, genau dieselben Individuen wie eine Welt mit a zu enthalten und dennoch eine Welt ohne a zu sein. Natürlich würden die verbleibenden Individuen nicht mehr in Relationen zu a stehen, wie sie es jetzt tun, und sie könnten deshalb andere Eigenschaften haben als die, die sie jetzt haben, aber es gibt kein Individuum, dessen Existenz logisch von der Existenz eines anderen Individuums abhängt. In ä hnlicher Weise sollte auch eine Situation als ein selbstä ndiges Objekt einer bestimmten Wahrnehmung — eine Szene, wie Barwise sie in seinem Artikel über Perzeption nennt — etwas sein, das für sich existieren kann, als etwas, das als Teil entweder Ortcutts Verstecken des Briefs oder Hortcutts Verstekken desselben enthält. Es gibt viele, die bloße Infinitivkonstruktionen als Relationen zwischen Personen und Ereignissen ansehen würden. Und viele von diesen würden die Ereignisse als individuelle Einzeldinge betrachten wollen. Diejenigen, die das tun, würden beinahe mit Sicherheit disjunktive Ereignisse verwerfen. Sie würden sagen, man könne nur dann ein Ereignis des ϕ-ens oder ψ-ens haben, wenn dieses entweder ein Ereignis des ϕ-ens oder ein Ereignis des ψ-ens sei. Im Falle des Bahnsignals: Falls es tatsä chlich Rot anzeigen würde, dann wä re sein In-Betrieb-Sein einfach sein Rot-Anzeigen, und wenn es Grün anzeigen würde, dann wä re sein In-Betrieb-Sein sein Grün-Anzeigen. Der Grund dafür ist der, daß man keine Ereignisse haben kann, die in dem oben definierten Sinne wesentlich unvollstä ndig sind. Da man kein Ereignis des ϕ-ens oder ψ-ens haben kann, ohne daß es ein Ereignis des ϕens oder ein Ereignis des ψ-ens ist, kann Ralph auch kein solches Ereignis sehen, ohne ein ϕ-en zu sehen oder ein ψ-en zu sehen. Diese Betrachtung bloßer infinitivischer Sä tze mag richtig oder falsch sein; aber keiner ihrer Verteidiger muß annehmen, daß Ereignisse die Bedeutungen von Sä tzen sind, und ich vermute, daß die meisten von ihnen das auch nicht annehmen würden. Die Art der Unvollstä ndigkeit, welche Satzbedeutungen zukommt, ist in aller Regel die wesentliche Unvollstä ndigkeit. Wenn zum Beispiel jemand bei mir eingebrochen hat, dann muß es eine bestimmte Person gewesen sein, die das zu
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
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einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Werkzeugen tat. Aber es gibt nichts in der Bedeutung des Satzes (10) Jemand hat bei mir eingebrochen, was mir diese Dinge erzä hlt. Genauso wie es nichts in (1) gibt, was dir sagt, ob ich zuhause oder in der Universitä t sein werde. Somit scheint es kein Zufall zu sein, daß die wesentliche Unvollstä ndigkeit ein „Auf keinen Fall!“ für Situationen ist. Aber sie scheint das Resultat eines Irrtums zu sein, nä mlich das Ergebnis des Wunsches, daß die Entitä ten, die durch bloße Infinitivsä tze bezeichnet werden, dieselben sind wie die von Sä tzen bezeichneten. Wenn wir Situationen nur für bloße Infinitive verwenden, dann werden sie wie Ereignisse. Das gibt uns die Freiheit, traditionellere Entitä ten als Werte von Sä tzen zu benutzen.
6.
Schluß
In der Bewertung der Situationssemantik als eines Konkurrenten zur Mögliche-Welten-Semantik komme ich zu folgendem Ergebnis: In der Mögliche-Welten-Semantik gibt es Entitä ten von mindestens dreierlei Art, welche die Situationssemantik als eine einzige Art zu be-
6. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
handeln versucht hat. Es gibt mögliche Welten, die individuell und vollstä ndig sind und bezüglich derer die Wahrheit bestimmt wird. Dann gibt es Propositionen — Klassen von Welten —, die in logischen Relationen zueinander stehen und die Bedeutungen von Sä tzen im Kontext sind. Propositionen ä hnlich sind Eigenschaften und Relationen. Schließlich gibt es individuelle Einzeldinge, zu denen manche auch die Ereignisse zä hlen möchten. Ich haben zu zeigen versucht, daß man Situationen als Entitä ten von jeder dieser Arten ansehen kann. Wenn man dies tut, könnte man unter Umstä nden eine Semantik erhalten, die ebenso gangbar ist wie traditionellere Ansä tze. Die Probleme treten auf, wenn man versucht, dieselbe Art semantischer Entitä ten für alle drei Aufgaben zu verwenden. Unglücklicherweise besteht die Originalitä t der Situationssemantik gerade in diesem Versuch.
7.
Literatur (in Kurzform)
Barwise 1981 a · Barwise/Perry 1983 · Cresswell 1985 a · Cresswell 1985 b
M. J. Cresswell, Wellington (New Zealand) (Übersetzt aus dem Englischen von Arnim von Stechow)
Situationen und kleine Welten Vorbemerkungen Die Grundbegriffe der beiden Theorien Die wirkliche Welt und ihre Tatsachen Weltausschnitte Effizienz, Kontext und die relationale Bedeutungstheorie Propositionen und Situationen Schluß Literatur (in Kurzform)
Vorbemerkungen
In diesem Artikel möchte ich drei Dinge zugleich tun: Ich möchte eine kurze Einführung in die Situationssemantik geben, die Situationssemantik mit der Mögliche-Welten-Semantik vergleichen und auf einige Punkte der Kritik eingehen, die Cresswell (in Artikel 5) an der Situationssemantik übt. Andere Ge-
genüberstellungen von Situationssemantik und Mögliche-Welten-Semantik finden sich — als Hauptgegenstand oder Nebenaspekt — in den Aufsä tzen Barwise & Perry (1980), Barwise (1981 b), Barwise & Perry (1985), Perry (1986), Barwise (1986 a), Barwise (1986 b) und Cooper (1987). Zunä chst eine Binsenwahrheit: Ein Aussagesatz kann dazu benutzt werden, eine Aussage zu machen, das heißt, eine Behauptung, daß die reale Welt (oder ein Teil davon) so oder so geartet ist . Die Mögliche-Welten-Semantik und die Situationssemantik sind sich darin einig, daß ein Verstä ndnis des behauptenden Gebrauchs von Aussagesä tzen grundlegend für ein Verstä ndnis ihrer Bedeutung ist. Folgerichtig wird denn auch in beiden Ansä tzen versucht, aus dieser Binsenwahrheit eine mathematisch prä zise, philosophisch vertretbare
6. Situationen und kleine Welten
und empirisch adä quate Theorie der Bedeutung zu entwickeln. Beide Ansä tze unterscheiden sich jedoch in der Art ihres Vorgehens in mindestens fünf wesentlichen Punkten: 1. Die Lücke, die zwischen dem Satz und der Behauptung oder Feststellung, die damit gemacht wird klafft, wird unterschiedlich bewertet. Die Mögliche-Welten-Semantik betrachtet sie als eine lä stige Kleinigkeit, wä hrend die Situationssemantik annimmt, daß sie ein zentraler Punkt der Bedeutung ist. 2. Die Strategien zur Behandlung von Eigenschaften und Relationen unterscheiden sich. Die Mögliche-Welten-Semantik definiert sie mengentheoretisch, wä hrend die Situationssemantik sie als Grundbegriffe ansieht. 3. Der Möglichkeit, Aussagen über Teile der Welt zu machen, wird unterschiedliche Wichtigkeit zugemessen. Wie schon im ersten Punkt nimmt die Mögliche-Welten-Semantik sie als ä rgerliche Nebensache in Kauf, die Situationssemantik betrachtet sie als zentral. 4. Die Mögliche-Welten-Semantik hä lt den Parameter für die wirkliche Welt (oder für einen Teil davon) implizit in der semantischen Reprä sentation des Inhaltes einer Aussage, wogegen ihn die Situationssemantik explizit macht. 5. Die beiden Ansä tze verwenden ganz unterschiedliche Techniken, um das oben in der Binsenwahrheit angesprochene „so oder so geartet sein“ zu klassifizieren. Die MöglicheWelten-Semantik klassifiziert es vermittels Mengen von totalen möglichen Welten, wogegen die Situationssemantik einen Kalkül von Situationstypen (oder Eigenschaften von Situationen) verwendet. Jeder dieser fünf Unterschiede ist von größter Bedeutung und könnte Gegenstand eines lä ngeren Aufsatzes sein. Anstatt einen Rechtfertigungsversuch für die der Situationssemantik zugrundeliegenden Entscheidungen zu unternehmen, möchte ich einen anderen Weg einschlagen und zugrundeliegende Annahmen der beiden Theorien vergleichen, um zu sehen, wie sich die obigen Unterschiede daraus ergeben. Was sind mögliche Welten? Wenn immer man sich einem Raum von Möglichkeiten gegenübergestellt sieht, kann man die Möglichkeiten „mögliche Welten“ nennen, sogar wenn dieser Raum lediglich das Ergebnis eines Münzwurfs ist. Sicher hat das auch schon jemand getan. Offenbar brauchen wir einen prä ziseren Begriff, wenn wir einen fruchtbaren Vergleich durchführen wollen. Die Version der Mögliche-Welten-Semantik, die ich
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zugrundelege, ist die klassische, wie sie von der Mögliche-Welten-Semantik als einer Semantik für Modaloperatoren und natürliche Sprache verkörpert wird. Die grundlegenden Annahmen, von denen man hier ausgeht, sind die folgenden: 1. Die Grundbegriffe der Theorie sind individuelle Einzeldinge und mögliche Welten. Alles andere wird durch mengentheoretische Objekte dargestellt, die daraus aufgebaut werden können. 2. Es gibt eine bestimmte Welt w0, die wirkliche Welt, welche die Grundtatsachen festlegt. Diese Tatsachen definieren gewisse Grundalternativen [basic issues] in einem Möglichkeitsraum, z. B. welche Eigenschaften verschiedene Dinge (oder Folgen von Objekten) haben oder nicht haben. 3. Es gibt eine Menge W aller möglichen Welten mit w0 ∈ W. Die von w0 verschiedenen Welten w in W entsprechen den anderen Weisen, wie die Grundalternativen des Möglichkeitsraumes hätten ausfallen können. 4. Der primä re semantische Wert, der einem Aussagesatz S zugewiesen wird, ist eine Proposition pS. Propositionen sind Funktionen von möglichen Welten in Wahrheitswerte (oder können damit identifiziert werden). Eine Proposition p ist genau dann wahr, wenn p(w0) = T („T“ wie „true“). Ich möchte dem die Grundannahmen der Situationssemantik gegenüberstellen. Dabei formuliere ich diese Grundkonzepte so, daß sie sowohl mit Barwise & Perry (1983) als auch mit den neuesten Arbeiten zur Situationssemantik verträ glich sind, die von der in Barwise & Perry (1983) eingenommenen Position zum Teil abweichen. 1. Die Grundbegriffe der Theorie sind individuelle Einzeldinge (die sowohl die normalen Dinge umfassen, wie auch Situationen, einschließlich Ereignisse und raum-zeitliche Lokationen), ferner Eigenschaften und Relationen. Somit werden Eigenschaften und Relationen nicht mengentheoretisch dargestellt, sondern sind Grundbegriffe. 2. Es gibt eine einzige Welt w0, die wirkliche Welt, welche die Grundtatsachen festlegt, nä mlich welche Einzeldinge in welchen Beziehungen zueinander stehen. 3. Zulä ssige Behauptungen sind solche über die wirkliche Welt oder über Teile davon. Diese Teile sind Situationen. Jeder einzelnen Situation S entspricht die Menge von Tatsachen, die in S der Fall sind. Im allgemeinen wird die Menge der Tatsachen, die einer gegebenen Situation zugeordnet ist, eine echte
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Teilmenge der Menge aller Tatsachen von w0 sein. 4. Genauso wie es Eigenschaften von und Relationen zwischen anderen Einzeldingen gibt, gibt es Eigenschaften von und Relationen zwischen Situationen, und Relationen zwischen Situationen und anderen Einzeldingen. Eine Eigenschaft von Situationen nennen wir zuweilen einen Situationstyp. Da diese Eigenschaften nicht extensional sind, gibt es keinen Grund dafür, anzunehmen, daß zwei verschiedene Situationstypen Typen von verschiedenen wirklichen Situationen sind. Auch gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß jeder Situationstyp Typ irgendeiner wirklichen Situation ist. (In Barwise & Perry (1983) entsprechen diesen Situationstypen die Ereignistypen.) 5. Der primä re semantische Wert, den ein Aussagesatz erhä lt, ist seine Bedeutung, eine Relation US ⇒ DS zwischen dem Typ US von Situationen, in denen S behauptend geä ußert wird, und dem Situationstyp DS, der damit beschrieben wird. Eine zulä ssige behauptende Äußerung u vom Typ US ist wahr, falls die Situation su, von der u handelt, vom Typ DS ist. Der Informationsgehalt (oder die Interpretation, wie wir in Barwise & Perry (1983) gesagt haben) der Äußerung u ist, daß su vom Typ DS ist. In dieser allgemeinen Formulierung kann die Theorie als ein Versuch betrachtet werden, etwas Fleisch an die Wahrheitstheorie von J. L. Austin zu bringen. In einer Hinsicht jedoch weicht die Situationssemantik sowohl von Austin als auch von der Mögliche-WeltenSemantik ab. Sie versucht nä mlich, eine allgemeine Theorie der Bedeutung zu formulieren, innerhalb derer die Theorie der Bedeutung natürlicher Sprachen als ein Spezialfall hergeleitet werden kann. Sie beabsichtigt aber auch, uns ein Verstä ndnis der Bedeutung der mentalen Zustä nde zu ermöglichen. Die Bedeutung eines mentalen Zustandes wird also ebenfalls als eine Relation U ⇒ D zwischen Situationstypen angesehen. Ich habe versucht, die Grundannahmen beider Theorien derart einander gegenüberzustellen, daß die Unterschiede und Ähnlichkeiten der Ansä tze deutlich werden. Ich hoffe, daß selbst diese kurze Zusammenfassung klar macht, daß die Situationssemantik keineswegs Situationen mit Propositionen vermengt, wie das von Cresswell (in Artikel 5) behauptet wird. Ich werde spä ter darauf zurückkommen und Gründe dafür suchen,
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
warum Cresswell dies meint. Zunä chst sollen hier einige gegensä tzliche Grundannahmen diskutiert werden.
2.
Die Grundbegriffe der beiden Theorien
Die Grundbegriffe der Möglichen-Welten-Semantik sind Einzeldinge und Mögliche Welten. Alles weitere wird durch Objekte der Mengenlehre dargestellt, die daraus gebaut werden. Im Gegensatz dazu ist die Situationssemantik einerseits großzügiger, andererseits restriktiver in ihren Grundbegriffen. Sie hat keine alternativen Welten, lä ßt aber alle Arten von Dingen als Objekte zu. Vor allem aber sind Eigenschaften und Relationen als Grundbegriffe zugelassen. Es wird nicht versucht, sie zu definieren oder durch irgendetwas anderes mittels der Mengenlehre darzustellen. Diese unterschiedlichen Ausgangspunkte sind wichtig. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die Behandlung von Eigenschaften. In der Logik erster Stufe benutzen wir Mengen (oder ihre charakteristischen Funktionen), um Eigenschaften darzustellen, und zwar indem wir die Menge der Dinge wä hlen, welche die Eigenschaft haben, bzw. die Funktion, die den Objekten, welche die Eigenschaft besitzen, den Wert T und denen, die sie nicht haben, den Wert F zuweist. Aber das ist natürlich zu grobkörnig für viele Zwecke, einschließlich der semantischen Analyse der natürlichen Sprache. Die von der Mögliche-Welten-Semantik gew ä hlte Strategie besteht darin, Eigenschaften als Funktionen von nicht analysierten möglichen Welten in die Menge solcher charakteristischen Funktionen darzustellen. Diese Strategie setzt stillschweigend zwei Dinge voraus: Daß es nä mlich erstens für jede Welt w und Eigenschaft P eine Funktion FP,w gibt, die allen Elementen des Bereichs aller Objekte den Wert T oder F zuweist, je nachdem, ob das Objekt die Eigenschaft in dieser Welt hat oder nicht; und zweitens, daß es für zwei verschiedene Eigenschaften P1, P2 zwei mögliche Welten w, und w2 gibt, wo etwas die eine Eigenschaft hat, die andere aber nicht, so daß FP1w1 ≠ FP2w2. Jede dieser beiden Annahmen ist von Bedeutung. Die zweite lä uft auf das bekannte Problem hinaus, daß man zu der Konsequenz gezwungen ist, daß „logisch ä quivalente“ Prä dikate dieselbe Eigenschaft ausdrücken. Wel-
6. Situationen und kleine Welten
chen weiteren philosophischen Ballast diese zweite Annahme mit sich führt, hä ngt davon ab, was man sonst noch über mögliche Welten annimmt. Wenn man, wie Lewis, davon ausgeht, daß es sich dabei um wirkliche Dinge handelt, alternative Wirklichkeiten, die aber genauso real wie unsere eigene sind, dann führt diese Annahme entweder zu einigen sehr bizarren Wirklichkeiten, oder aber die Anzahl der uns umgebenden Eigenschaften wird ernsthaft beschnitten. Ein Beispiel: Entweder es gibt Welten, in denen jemand ein Junggeselle, aber kein unverheirateter Mann ist (oder umgekehrt), oder aber die Eigenschaft, ein Jungeselle zu sein, ist die Eigenschaft ein unverheirateter Mann zu sein. Jede dieser Ansichten zieht wohlbekannte Probleme nach sich. Um aber nachzuvollziehen, wo Cresswell fehlgeht, müssen wir uns die erste der beiden Annahmen merken.
3.
Die wirkliche Welt und ihre Tatsachen
Wenn man vergleicht, wie sich die beiden Ansä tze in Bezug auf Punkt (2) oben verhalten, könnte es so scheinen, als ob die MöglicheWelten-Semantik und die Situationssemantik in diesem Punkt übereinstimmen, so daß weiter nichts zu diskutieren wä re. Aber die Dinge liegen nicht so einfach. Der Inhalt von (2) kann nä mlich nicht unabhä ngig von dem Möglichkeitsraum gesehen werden, den die Welt festlegt. In der Mögliche-Welten-Semantik wird angenommen, daß der Raum durch eine Menge von Individuen und eine Sammlung ℜ von Prä dikaten bestimmt ist. Ein beliebiger Punkt im Raum wird bestimmt, indem man ein n-stelliges Prä dikat und eine Folge von Individuen a1, ..., an fixiert. Diese Punkte in wurden von Perry (1986) Alternativen [issues] genannt, weshalb ich als den Alternativenraum bezeichnen werde. Für jede solche mögliche Alternative liefert uns die wirkliche Welt eine Tatsache, indem sie festlegt, ob die Objekte in dieser Relation zueinander stehen oder nicht. Die Situationssemantik geht davon aus — oder ist zumindest verträ glich mit der Annahme — daß es (bezüglich eines gegebenen Individuationssschemas, das durch eine gegebene Population bestimmt ist) einen intendierten, maximalen, ausgezeichneten Raum von Alternativen gibt. Ich gebe zu, daß ich in meinen Anmerkungen in Barwise & Perry (1985) davon ausging, daß die Mögliche-Wel-
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ten-Semantik an die Existenz eines solchen eindeutig bestimmten Raumes gebunden sei. Mein Versuch, die Inkonsistenz der MöglicheWelten-Semantik zu beweisen, beruhte auf dieser Annahme, wie Stalnaker (1984) ganz richtig bemerkt. Grob gesagt war meine Argumentation etwa die folgende: Mit dieser Annahme müßte der Alternativenraum eine echte Klasse sein und der Versuch, Möglichkeiten durch Mengen möglicher Welten darzustellen, folglich fehlschlagen. Die Annahme eines solchen maximalen Raumes scheint mir eine recht naheliegende Konsequenz der Vorstellung Lewis’ zu sein, Welten als alternative Realitä ten aufzufassen. Jedoch legt Stalnaker (1984) dar, daß es für den Mögliche-Welten-Semantiker keinen Grund gibt, diesen Weg zu beschreiten. Wenn man sich die möglichen Welten nur als eine formale Technik zur Modellierung von alternativen vollstä ndigen Weisen vorstellt, wie die Welt hä tte sein können, und nicht als alternative konkrete Realitä ten, dann gibt es nichts, was dagegen sprä che, den ganzen technischen Apparat relativ zu einem bestimmten Alternativenraum zu betrachten, so daß „vollstä ndig“ im Sinne von „vollstä ndig bezüglich dieses gegebenen Raums von Alternativen“ gemeint ist. Auf diese Weise, denkt Stalnaker, sollten wir uns die Angelegenheit vorstellen, und das scheint mir auch durchaus vernünftig zu sein. So gesehen habe ich nichts gegen die intuitive Vorstellung von möglichen Welten einzuwenden und werde sie im folgenden auch so verwenden. (Ich möchte allerdings anmerken, daß sich diese Vorstellung von möglichen Welten nicht ganz mit dem verträ gt, was Stalnaker und andere vor Augen haben, wenn sie mit möglichen Welten arbeiten, insbesondere wenn es darum geht, Propositionen darzustellen. Ich habe dies in Barwise (1986 b) zu zeigen versucht.)
4.
Weltausschnitte
Ich möchte nun noch kurz einige Gründe dafür angeben, weshalb ich meine, daß Situationen, also Weltausschnitte, die kleiner als das Ganze sind, für die Semantik wichtig sind. — Da sind zunächst die NI-Perzeptionswiedergaben wie Johannes sah Maria laufen zu nennen, deren nächstliegende Analyse darin besteht, daß sie Teilsätze enthalten, die solche Ausschnitte beschreiben, und zwar als in einer gewissen perzeptionellen
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Relation zum wahrnehmenden Subjekt stehend (siehe Barwise 1981 a oder Kapitel 7 von Barwise & Perry 1983). — Es gibt prima facie Gründe dafür, anzunehmen, daß Konditionale Relationen zwischen Situationen beschreiben. — Sätze werden in bestimmten Sprechakten verwendet, Ereignissen, die in der Welt stattfinden. Solche Ereignisse sind ihrem Wesen nach begrenzte Teile der Welt, Teile, die typischerweise von anderen Teilen handeln. (Siehe dazu die Literaturangaben zur Effizienz in Barwise & Perry 1983 oder Barwise 1987b.) — Man kann zu zeigen versuchen, daß die semantischen Paradoxien daher rühren, daß man die prinzipielle Unmöglichkeit, Aussagen über die ganze Welt zu machen, außer acht läßt. Unter dieser Annahme machen Sätze wie der Lügner-Satz immer Aussagen über Fakten, die außerhalb des Teils der Welt liegen, über den der Satz redet. Cresswell gesteht (in Artikel 5) zu, daß man Situationen braucht, aber er glaubt, daß die Mögliche-Welten-Semantik, und zwar so wie sie ist, diese in naheliegender Weise behandeln kann. In dem nach Cresswells Meinung wesentlichen Teil seines Aufsatzes argumentiert er, daß die Mögliche-Welten- Theoretiker erlauben, daß der Alternativenraum von Welt zu Welt variiert, so daß eine mögliche Welt sehr wohl nur ein Ausschnitt der ganzen wirklichen Welt sein könnte, selbst relativ zu den betrachteten Alternativen. Insbesondere argumentiert er, daß alleine die Tatsache, daß man in einem Rahmen arbeite, in dem die wirkliche Welt w0 eine bestimmte Alternative regele, etwa ob a die Eigenschaft P hat oder nicht, noch lange kein Grund dafür sei, daß der Ausgang dieser Alternative in jeder Welt festgelegt sein müsse. Nach seiner Meinung sind manche Welten sehr groß, andere dagegen recht klein — daher sein Untertitel. Folgen wir Cresswell und nennen eine Welt, welche die Alternativen in einer echten Teilmenge des Raums festlegt, welcher die wirkliche Welt festlegt, eine kleine Welt. Wir benutzen w, für den durch die kleine Welt w bestimmten Alternativenraum. Cresswell behauptet, daß es mit der Mögliche-Welten-Semantik konsistent sei, kleine Welten zuzulassen, und daß man mit ihnen all die Situationen habe, die man brauche. Diesen Schritt zu tun hatte auch ich erwogen, als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal über NI- Wahrnehmungswiedergaben
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
nachdachte. Ich habe ihn aus zwei Gründen verworfen. Ich kam zu dem Schluß, daß er (i) nicht mit dem deskriptiven Grundansatz der Mögliche-Welten-Semantik vertr ä glich ist und daß er (ii) auch nicht alle Situationen liefert, die man braucht. Hier möchte ich zwei weitere Gründe hinzufügen, die gegen diesen Schritt sprechen. Der eine hat mit der Theorie der Bedeutung zu tun, der andere mit semantischen Paradoxien. Ich werde zuerst die ersten beiden Punkte diskutieren, um dann auf die beiden letztgenannten zurückzukommen. In bezug auf den ersten Punkt wä re zunä chst zu sagen, daß das Vorgehen der Mögliche-Welten-Semantik, Eigenschaften als Funktionen von möglichen Welten in charakteristische Funktionen zu rekonstruieren, auf zwei Annahmen beruht. Die erste ist, daß eine Welt w zusammen mit einem Prä dikat oder einer Eigenschaft P eine totale Funktion Fw,P von in die Wahrheitswerte bestimmt. Ein Augenblick des Nachdenkens zeigt jedoch, daß Cresswell gerade diese Annahme aufgibt, indem er kleine Welten zulä ßt. Denn wenn w eine kleine Welt ist, in der die Alternative, ob P(a) gilt oder nicht, gar nicht zu den Alternativen von w gehört, dann muß Fw,P(a) undefiniert sein! Wenn man also tatsä chlich kleine Welten zulä ßt, muß man die Behandlung von Eigenschaften und Relationen neu durchdenken und damit den gesamten deskriptiven Rahmen im Herzen der MöglicheWelten-Semantik. Keine schlechte Idee, aber vermutlich nicht unbedingt das, was Cresswell im Sinn hatte. (Die Probleme vervielfachen sich, wenn man versucht, in diesem Rahmen so etwas wie Montague-Grammatik nachzuspielen. Denn dann braucht man zusä tzlich Funktionen höheren Typs von solchen partiellen Funktionen, da man die Funktionale höheren Typs „erblich konsistent“ halten möchte.) Nehmen wir nichtsdestoweniger an, der Mögliche-Welten-Semantiker sei gewillt, diesen Schritt zu tun, und er durchdenke die sich daraus ergebenden Folgen erneut. Hat er nun alles zugelassen, was er braucht, um Situationssemantik zu treiben? Ich behaupte nein; zumindest, wenn ich Cresswells Vorschlag verstanden habe. Denn selbst, wenn man zulä ßt, daß eine kleine Welt w ihren eigenen Alternativenraum w festlegt, so ist dieser Raum immer noch „rechteckig“. Das soll heißen, daß ich denke, daß er die Idee nicht aufgibt, der Raum w werde durch eine Menge wvon Objekten und einer Menge ℜw, von Prä dikaten bestimmt. Wenn eine kleine
6. Situationen und kleine Welten
Welt die Alternative regelt, ob a die Eigenschaft P hat oder nicht, und die Alternative, ob b die Eigenschaft Q hat, dann wird sie auch die Alternative regeln, ob a die Eigenschaft Q hat, und die Alternative, ob b die Eigenschaft P hat. Die Situationen in der Situationssemantik müssen diese Abgeschlossenheitseigenschaft nicht erfüllen. Das können sie gar nicht, wenn sie den Zweck erfüllen sollen, für den sie ursprünglich erfunden worden sind. Denn ich kann eine Szene sehen, in der Alice rennt und Bill redet, ohne daß diese Szene die Alternative regelt, ob Alice redet oder nicht. Eine Situation kann im Gegenteil eine ganz beliebige Menge von Alternativen regeln. Zusammenfassend denke ich also, daß Cresswells Ansatz in die richtige Richtung geht, daß aber zwei Probleme dabei auftauchen. Erstens wird die Kohä renz des grundlegenden deskriptiven Rahmens der Mögliche-Welten-Semantik unterminiert. Wenn man diesen Weg einschlä gt, wird man nä mlich Relationen und Eigenschaften irgendwie anders darstellen müssen; deswegen scheint es mir, daß man sie ebenso gut als Grundbegriffe einführen kann. Aber wenn man schon Eigenschaften und Relationen als Grundbegriffe aussetzt, dann ist es ziemlich überflüssig, auch mögliche Welten als Grundbegriffe zu haben. Zweitens geht dieser Ansatz nicht weit genug. Man muß auch die Idee aufgeben, eine mögliche Welt regele alle Alternativen in einem rechteckigen Alternativenraum. Aber genau diese beiden Schritte waren der Ausgangspunkt auf dem Weg zur Situationssemantik. Wenn Cresswell gewillt ist, sie zu tun, würde mich das sehr freuen, denn dann hä tte er die ausgetretenen Pfade der Mögliche-Welten-Semantik wirklich verlassen und verdiente eine ehrenvolle Aufnahme im Lager der Situationssemantik. Es gibt noch einen zweiten, viel populä reren (aber viel schlechteren) Vorschlag, Situationen in der Mögliche-Welten-Semantik zu behandeln. Und zwar soll eine partielle Situation durch die Menge all der totalen Welten dargestellt werden, mit denen sie verträ glich ist. Hintikka hat dies bei verschiedenen Gelegenheiten vorgeschlagen. Perry und ich haben diesen Vorschlag ausführlich in Barwise & Perry (1980) diskutiert. Da dieser Handbuchartikel ein allgemeiner Vergleich der Mögliche-Welten-Semantik und der Si-
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tuationssemantik sein soll, und nicht nur eine Replik auf den Artikel von Cresswell, und weil des weiteren der oben erwä hnte Aufsatz nie in einer allgemein zugä nglichen Form veröffentlich worden ist, möchte ich hier die beiden Hauptargumente wiederholen. Erstens zeigt die Geschichte der Mathematik und Logik, wie wichtig es ist, sich der Partialitä t Auge in Auge zu stellen und sie nicht durch einen Trick zu vermeiden. Man betrachte den analogen Fall partieller versus totaler Funktionen. Eine partielle Funktion von A nach B wird Eigenschaften haben, die keine ihrer Vervollstä ndigungen hat, Eigenschaften, die durchaus relevant sind. Zum Beispiel wird die Eigenschaft, daß eine Funktion f auf den natürlichen Zahlen für ein n nicht definiert ist, von keiner ihrer Vervollstä ndigungen g geteilt. Nun könnte man denken, diese Eigenschaft von f durch eine andere Eigenschaft der Kollektion aller Vervollstä ndigungen von f darzustellen, nä mlich daß diese für das Argument n nicht übereinstimmen. Aber es gibt Fä lle, wo man sich darauf nicht verlassen kann. Angenommen, unser Grundbereich ist die Menge der stetigen Funktionen auf den reellen Zahlen, und wir betrachten die Funktion f, die folgendermaßen definiert ist: f(x) = x(x + 1)/x für alle x ≠0, wobei f(0) nicht definiert ist. Offensichtlich gibt es nur eine einzige stetige Funktion g, die f fortsetzt, und zwar mit g(0) = 1. Damit gibt es wichtige Eigenschaften von f, die allein durch die Betrachtung der Vervollstä ndigung von f nicht erfaßt werden können. Warum sollte etwas ä hnliches nicht in der Semantik vorkommen? Warum könnte es nicht Quellen für Regelmä ßigkeiten im Raum der möglichen Weisen, wie die Welt sein könnte, geben, die analog zur obengenannten Beschrä nkung stetiger Funktionen festlegen, daß in allen totalen Welten die Dinge in einer gewissen Weise geartet sind, selbst wenn ein gegebener Weltausschnitt nicht festlegt, daß sie so geartet sind? Könnten wir nicht die logische Wahrheit als eine solche Art von Regularitä t ansehen? Der Umstand, daß jede totale Welt R(a) v R(a) erfüllt, ist noch kein Grund dafür, daß dies jeder Weltteil tun sollte. Der obige Vorschlag, eine Situation mit den Welten zu identifizieren, mit denen sie verträ glich sind, erzeugt ein weiteres Problem.
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Wenn man ihn nä mlich im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik ausführt, dann werden offensichtlich Propositionen mit Situationen verwechselt, weil diese auf dieselbe Weise dargestellt werden, nä mlich als Mengen von möglichen Welten. Die Vermeidung einer solchen Verwechslung war einer der Gründe gegen diese Rekonstruktion von Situationen, die wir in Barwise & Perry (1980) angegeben hatten. Es liegt eine gewisse Ironie darin, daß nun Cresswell behauptet, die Situationssemantik selbst mache sich dieser Verwechslung schuldig, weil er nä mlich denkt, wir würden versuchen, Situationen und Propositionen durch Situationen darzustellen.
5.
Effizienz, Kontext und die relationale Bedeutungstheorie
In den ersten Arbeiten über mögliche Welten und Modalitä t wurde angenommen, daß Sä tze Propositionen ausdrücken, und daß eine derartige Proposition durch eine Funktion darzustellen sei, die den Welten T zuordnet, in denen der Satz wahr ist, und F jenen Welten, in denen er falsch ist. Als jedoch dieser Rahmen für die Untersuchung von natürlichen Sprachen benutzt zu werden begann, stellte sich dies als unhaltbar heraus. Sä tze, in denen Wörter wie ich, jetzt, hier, dies . . . vorkommen, drücken keine einzelne Proposition aus. Was sie ausdrücken, hä ngt vielmehr von den Umstä nden ab, unter denen sie benutzt werden: von der Person a, die den Satz geä ußert hat, vom Zeitpunkt t der Äußerung, vom Ort p, wo er geä ußert wurde, vom Objekt b, auf das a sich bezog usw. So wurden nach und nach verschiedene kontextuelle Elemente zu einer Kontextfolge c = 〈a,t,p,b, ...〉 von Objekten zusammengefaßt, die eine Rolle spielten, um von einem Satz zum propositionalen Gehalt zu gelangen, für jede besondere Verwendung des Satzes. Immer noch stand die Proposition im Mittelpunkt des Interesses. Das störende c, das verschiedene kontextuelle Elemente darstellte, bekam gewöhnlich die Rolle eines Indexes zugewiesen oder wurde vollstä ndig unterdrückt. Cresswell zum Beispiel besteht darauf, von der Bedeutung eines Satzes im Kontext zu sprechen, welche er als eine Proposition ansieht. Dies ist es auch, was mich dazu veranlaßt, zu denken, daß die Mögliche-Welten-Semantik immer noch davon ausgeht, daß die primä ren semantischen Objekte, die Sä tzen zugeordnet sein sollen,
Propositionen sind. Was aber sind nun diese Kontext-Folgen, und warum stoßen sie den Mögliche-WeltenSemantikern so sauer auf? Ich denke, sie sind nichts anderes als Reprä sentationen einer Situation, dem Teil der Welt, der für die Bestimmung des Inhaltes der fraglichen Äußerung relevant ist. Der Kontext c = 〈a,t,p,b, ...〉 stellt eine Situation dar, in der a zur Zeit t am Ort p etwas sagt und sich DIES auf den Gegenstand b bezieht. Der Grund, weshalb Kontexte in der Mögliche-Welten-Semantik behandelt werden, ist deshalb gerade darin zu sehen, daß dieser Ansatz keine handliche Methode zur Verfügung stellt, mit solchen begrenzten Ausschnitten der Welt umzugehen. Einer der Hauptpunkte in Barwise & Perry (1983) war die Behauptung, daß diese kontextuellen Elemente nicht nur ein lä stiges technisches Problem sind. Wir meinen, daß das allgemeine Phä nomen, das sie darstellen, in den Vordergrund gerückt werden muß, um eine systematischere und zentralere Rolle genau im Herzen einer Analyse der Bedeutung zu spielen. Das ist es, was wir mit dem Begriff „Effizienz“ gemeint haben. Die Behauptung war, auf derlei ad-hoc-Konstrukte verzichten zu können, wenn man Situationen in der Theorie zulä ßt. Dieselben Objekte, die zur Darstellung dessen dienen, worüber Behauptungen handeln, können auch als Kontexte der Behauptungen dienen, ferner für die Begleitumst ä nde anderer bedeutungstragender Einheiten. Auf diese Weise erhä lt man eine relationale Theorie der Bedeutung, in der die Dinge, die zueinander in Relation gesetzt werden, Dinge derselben Art sind. Natürlich wurde, sobald Kontext-Folgen in der Mögliche-Welten-Semantik auftauchten, angenommen, daß nun die Bedeutung eines Satzes (oder sein Charakter, um Kaplans Terminus zu benutzen) eine Funktion von diesen Kontexten c = 〈a,t,p,b, ...〉 in Propositionen sei. Funktionen sind eine gewisse Art von Relationen, und damit gab es implizit eine relationale Theorie der Bedeutung in der Mögliche-Welten-Semantik. Die Zulassung von Situationen gestattet es, daß die Relationen zwischen Dingen derselben Art bestehen und nicht zwischen ad hoc Folgen einerseits und Funktionen von möglichen Welten in Wahrheitswerte andererseits. Cresswell anerkennt zä hneknirschend die Relevanz von Kontexten und sagt, daß „ein Kontext eine Situation“ sei. Ich möchte mir hier Gedanken darüber machen, ob der Vor-
6. Situationen und kleine Welten
schlag Cresswells, Situationen als kleine Alternativwelten zu behandeln, es ihm wirklich gestattet, Kontexte als Situationen zu behandeln. Dies gliedert sich in drei Einzelfragen: (i) Gibt es einen festen Raum von Alternativen, der für alle solche Kontexte verwendet werden kann? (ii) Falls nein, gibt es dann wenigstens für jeden Kontext c einen rechteckigen Raum c von Möglichkeiten? (iii) Ist es vom philosophischen Standpunkt aus sinnvoll, den Kontext einer Äußerung als eine eigene kleine Welt aufzufassen? Es wird nicht überraschen, daß ich vorschlagen möchte, alle diese Fragen mit nein zu beantworten. Die Antwort auf Frage (i) ist sicherlich negativ. Wenn wir in den letzten zehn Jahren in der Semantik überhaupt irgendetwas gelernt haben, dann ist es das: Kontexte haben einen gewaltigen und in seiner Vielfalt unerschöpflichen Einfluß auf die Interpretation von Äußerungen. Es ist heutzutage völlig unplausibel, daß es eine feste Menge kontextueller Merkmale gibt, die ein für alle Mal festgelegt werden kann. Selbst hinsichtlich der Frage (ii) scheint es einfach zu sein, sich Fä lle vorzustellen, für welche die oben formulierte Bedingung nicht gilt. Nehmen wir an, sowohl John als auch ich würden zugleich sprechen. Er würde etwas Schmeichelhaftes über mich sagen, sich aber weitschweifig ausdrücken, und ich würde sagen: „Ich finde, er ist heute weitschweifig.“ Der Kontext meiner Äußerung müßte also den Tag beinhalten, mich, John, die Tatsache, daß ich spreche, und daß ich mich mit ER auf John beziehe. Aber wenn der Alternativenraum rechteckig wä re, dann müßte mein Kontext auch die Alternative regeln, ob John spricht. Und da dies tatsä chlich der Fall ist, müßte diese Tatsache in den Kontext einbezogen werden. Dann aber wä ren zwei Sprecher im Kontext und nicht lediglich einer, was wir brauchen, um zu erreichen, daß ich die Interpretation meines Gebrauches von „Ich“ bin. Die entscheidende Frage ist jedoch nach meiner Meinung (iii). Denn was wir verstehen möchten, ist ja dieses: Wie schaffen es Leute, die gemeinsam in der allgemeinen wirklichen Welt leben, darüber zu kommunizieren? Cresswell sagt, es sei sinnvoll, sich eine Situation als eine kleine Welt vorzustellen, wenn sie „alles sein könnte, was es gibt“. Aber wenn wir Kontexte als kleine Welten behandeln, dann ist überhaupt nicht mehr klar, wie die Beziehung des Kontextes zum Rest der Welt, die beschrieben wird, aufrecht erhalten werden kann. Wenn es uns um Wahrheit geht, ist
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es sicher nicht sinnvoll, sich Äußerungen als möglicherweise alles, was es gibt, vorzustellen. Wir werden vielmehr zugeben müssen, daß Kontexte im allgemeinen Teilsituationen von größeren Situationen oder Welten sind, um die Wahrheit oder Falschheit einer Äußerung behandeln zu können. So liefern uns die Äußerungskontexte ein weiteres Beispiel einer Situation, die keine kleine alternative Welt ist, sondern vielmehr ein begrenzter Ausschnitt der wirklichen Welt. Die Notwendigkeit, Situationen als begrenzte Teile der wirklichen Welt ansehen zu müssen, war selbstverstä ndlich eine der ursprünglichen Motivationen für die Situationssemantik. Wenn man Situationen (oder kleine Welten) zulä ßt und sie dazu verwendet, den semantischen Wert von NI-Wahrnehmungswiedergaben zu bestimmen (wie Cresswell vorschlä gt), dann muß man auch in der Lage sein, die Tatsache darzustellen, daß Situationen Teile der Welt sind. Insbesondere muß man die Tatsache darstellen können, daß eine Welt w Teil der wirklichen Welt w0 ist. Damit braucht man als einen neuen Grundbegriff die Teilweltbeziehung w ⊆ w’. Wenn man aber dieses zulä ßt, dann scheint das wirklich quer zu Cresswells Begründung dafür, daß Situationen mögliche Welten sind, zu liegen, nä mlich daß es möglich ist, daß sie alles sind, was es gibt.
6.
Propositionen und Situationen
Schließlich kommen wir zu Cresswells anderer Behauptung, nä mlich daß die Situationssemantik Situationen und Propositionen vermengt. Es gibt mehrere Gründe dafür, weshalb Cresswell dies denken mag. Unglücklicherweise liegt in Perry (1980) genau diese Vermengung vor, insofern dort gesagt wird, die Gegenstä nde des Glaubens seien Situationen. In der Arbeit Barwise & Perry (1980) (die etwas spä ter als Perry 1980 geschrieben wurde) sahen wir Propositionen als Mengen von alternativen Situationen an. In Barwise & Perry (1983) jedoch haben wir die Rede von Propositionen vollst ä ndig vermieden. Grund dafür waren Probleme mengentheoretischer Natur, die auftauchten, als wir versuchten, Propositionen als Mengen alternativer Situationen darzustellen. In Barwise & Perry (1983) wollten wir Propositionen mithilfe von zwei Dingen klassifizieren, nä mlich einem Situationstyp und einer
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realen Situation, die von diesem Typ sein sollte. An einer Stelle ziemlich am Anfang des Buches verwenden wir Kollektionen von alternativen Situationen, um Situationstypen darzustellen. Damit wä re es natürlich gewesen, ein Paar 〈s,T〉, das aus einer Situation s und einer Kollektion T von Situationen besteht, zu verwenden, um eine Proposition darzustellen. Eine solche Proposition wä re wahr, falls s ∈ T. Weil wir aber davon ausgingen, daß Situationen in der Lage sein sollten, alle Alternativen — und nicht nur die einer vorab ausgewä hlten Menge von Alternativen — zu regeln, wä ren diese Kollektionen T im allgemeinen zu groß, um Mengen sein zu können. Folglich konnten sie nicht Konstituenten von Fakten oder anderen Situationen sein. Aus diesem Grund meinten wir, dieses Problem dadurch umgehen zu müssen, daß wir die Rede von Propositionen völlig vermieden und uns stattdessen mit ihren beiden Konstituenten getrennt befaßten. Ich glaube, daß der folgende Umstand Cresswell zu der Annahme veranlaßt, wir vermengten Situationen mit Propositionen in Barwise & Perry (1983): Ziemlich oft (jedoch keineswegs immer) haben diese Kollektionen T die Erzeugungseigenschaft (um mit Cresswell zu reden), das heißt, sie bestehen aus all den Situationen, die eine gegebene Situation STenthalten. Aus diesem Grund denkt er, vermengten wir die Proposition mit ST. Aber das stimmt einfach nicht. Hä ufig gibt es gar keine erzeugende Situation ST für T, und selbst wenn es eine gibt, dann wä re die Proposition die, daß s vom Typ T ist, d. h. daß sT eine Teilsituation von s ist. Eigentlich gab es aber gar keinen Grund dafür, in Barwise & Perry (1983) Propositionen zu vermeiden. Schon lange bevor das Buch fertiggeschrieben war, gingen wir von Kollektionen alternativer Situationen über zu unserem Ereignistyp-Kalkül, um Situationstypen darzustellen. Nachdem wir Ereignistypen zur Verfügung hatten, hä tten wir unsere Entscheidung, Propositionen zu vermeiden, überdenken sollen. Wir hä tten nä mlich Propositionen als Paare, die aus einer Situation und einem Ereignistyp bestehen, darstellen können. Dies ist eines jener Versehen, die einem zustoßen. Das geben wir offen zu und können daran leider nichts mehr ä ndern. Aber dieser Fehler bedeutet nicht, daß die Situationssemantik, und zwar selbst in der Version Barwise & Perry (1983), Propositionen mit Situationen vermengt.
II. Probleme der ontologischen Grundlegung:Welt versus Situation
7.
Schluß
Die menschliche Sprache ist ein extrem reiches, komplexes Werkzeug für die Kommunikation, das Denken und Handeln. Das Ziel, ihre Semantik zu verstehen, ist eine außerordentliche Herausforderung. Die Situationssemantik versucht, den Schwerpunkt der Forschungen zu verlagern, indem sie zwei verwandte Phä nomene in den Mittelpunkt des Interesses stellt: die Effizienz der Sprache, und die Partialitä t der Information. Diese beiden Aspekte werden in der relationalen Bedeutungstheorie vereint, einer Theorie, welche die Bedeutung als eine Beschrä nkung ansieht, die zwei echten Teilen der Welt auferlegt wird, der Äußerung und der beschriebenen Situation. Dies ist in nuce der Gehalt der Situationssemantik. Immerhin ist es noch ein weiter Weg von diesem intuitiven Bild bis zu einer streng detailierten Ausarbeitung. Man könnte sich vorstellen, die Details im theoretischen Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik auszuarbeiten. Mir scheint jedoch, daß — hat man einmal die entsprechende Perspektive — die Motivation für einen großen Teil des traditionellen Rahmens verloren geht. Ferner sieht man, weshalb der Ansatz in die Probleme gerä t, in die er geraten ist. Deshalb steht eigentlich nicht die Alternative Mögliche-Welten-Semantik oder Situationssemantik zur Debatte. Es geht vielmehr um zwei verschiedene Einstellungen zur semantischen Theoriebildung. Eine nimmt eine wohl verstandene Theorie an, eine, die in der Vergangenheit sehr fruchtbar war, hä ngt fest an ihr und versucht, die Sprachdaten damit in Einklang zu bringen. Die andere Einstellung geht von einigen Grundeinsichten, wie Sprache funktioniert, aus und ist bereit und willens, den Grundansatz in jeder Hinsicht zu überdenken, wo es für den Fortschritt in der Semantik nötig scheint. Beide Einstellungen haben ihren Ort. Man kann nicht stä ndig wieder ganz von vorne anfangen, oder es wird nie einen Fortschritt geben. Andererseits muß man auch in der Lage sein, den bisherigen theoretischen Rahmen zu verä ndern, wenn die Daten dies verlangen. Im Moment bevorzugt Cresswell die erstgenannte Geisteshaltung, diejenigen unter uns, die über Situationssemantik arbeiten, dagegen die letztgenannte. Er glaubt, die Fakten erforderten kein Überdenken, wä hrend wir meinen, daß sie es tun. Für uns sieht es so aus, als ob die alte Maschinerie endlich knirschend zum Stehen kommt angesichts der bei-
6. Situationen und kleine Welten
den verwandten Probleme der Partialitä t und Effizienz, die sich in der relationalen Bedeutungstheorie treffen, dem Herzstück der Situationssemantik.
8.
Literatur (in Kurzform)
Barwise 1981 a · Barwise 1981 b · Barwise 1986 a ·
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Barwise 1986 b · Barwise 1986 c · Barwise/Etchemendy 1987 · Barwise/Perry 1980 · Barwise/Perry 1983 · Barwise/Perry 1985 · Cooper 1987 · Perry 1980 · Perry 1986 · Stalnaker 1984
Jon Barwise, Bloominton, Indiana (USA) (Übersetzt aus dem Englischen von Regine Eckhardt und Arnim von Stechow)
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III. Theorie der Satzsemantik Theory of Sentence Semantics
7.
Syntax und Semantik
1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 6. 7.
Vorbemerkungen Allgemeine Grundlagen Syntax, Bedeutungen, Interpretation Syntaktische und semantische Kategorien Kompositionalität und Rekursivität Mehrdeutigkeit Montagues Universalgrammatik Allgemeine Konzeption Syntax Semantik Beschränkungen Kategorialgrammatik Vorbemerkungen Das klassische Modell Verallgemeinerte Kategorialgrammatiken Generative Grammatik Vorbemerkungen Das GB-Modell Interpretation Thetatheorie Syntaktische und semantische Struktur Literatur (in Kurzform)
1.
Vorbemerkungen
Die Stoffauswahl dieses Artikels ist weitgehend durch die Beiträge dieses Bandes b estimmt. Fast alle Autoren stehen in der Tradition der logisch orientierten Semantik, die mit den sprachtheoretischen Schriften Montagues (siehe Thomason, ed. 1974) ihren Einzug in die Linguistik gehalten hat. Dementsprechend steht die Montaguesche Konzeption des Verhältnisses von Syntax und Semantik im Vordergrund, insb esondere Montagues Universalgrammatik (vgl. Abschnitt 3). Montagues Sprachtheorie ist der Logik verpflichtet, insb esondere der Typentheorie. Auf die Grundlagen der Typentheorie wird in dieser Darstellung nicht eingegangen, dagegen wohl auf eine spezielle, typentheoretisch aufgeb aute Art von Syntax, nämlich die kategorialen Grammatiken (siehe Ab schnitt 4). Einmal b eruht nämlich Montagues Sprachtheorie selb st auf kategorialgrammatischen
Auffassungen, zum anderen kann man in diesem Typ von Grammatik mit einfachen Mitteln eine strikte Parallelität von Syntax und Semantik erzwingen — die Idealvorstellung vieler Semantiker. Drittens werden in neuerer Zeit gewisse Verallgemeinerungen von kategorialen Grammatiken für die syntaktische und semantische Analyse nutzb ar gemacht, so daß dieser Typ von Grammatiken erneut das Interesse vieler Theoretiker erweckt. Schließlich sind einige Beiträge dieses Bandes kategorialgrammatisch formuliert, z. B. die Cresswells. Montagues Grammatiktheorie — und eb enso die Theorie der kategorialen Grammatik — ist semantisch motiviert: Sie sieht die einzige Aufgab e der Syntax darin, eine rekursive Interpretation für alle Ausdrücke einer Sprache zu ermöglichen. Die meisten Linguisten — insb esondere die generativen Grammatiker — sind dagegen der Auffassung, daß die Form von Ausdrücken nach Prinzipien organisiert ist, die von semantischen Erwägungen unab hängig sind. Dieser Standpunkt ist als Autonomie der Syntax b ekannt. Für ein solches System ist die Frage nach dem Verhältnis von Syntax und Semantik wesentlich schwieriger zu b eantworten als für die erstgenannten Systeme, die auf Parallelität zwischen Syntax und Semantik hin angelegt sind. Ab schnitt 5.3 ist deshalb der Frage gewidmet, wo der Ort der Semantik in der sogenannten „Rektions- und Bindungstheorie“ Chomskys (1981) ist, denn b ei diesem Entwurf handelt es sich um ein System mit autonomer Syntax. Die Frage wird in grundsätzlicher Weise noch einmal in Abschnitt 6 aufgenommen. Nicht speziell eingegangen wird auf kontextfreie Phrasenstrukturgrammatiken, obwohl diese in der linguistischen Tradition — sie können als Formalisierung der unmittelb aren Konstituentenanalyse des amerikanischen Strukturalismus angesehen werden — sowie zum Beispiel für die Theorie der Programmiersprachen eine hervorragende Rolle
7. Syntax und Semantik
spielen. Diese Auslassung ist insofern b erechtigt, als in Ab schnitt 3.2 an einem Beispiel skizziert wird, daß diese Art von Grammatiken ein trivialer Spezialfall von Montagues allgemeiner Grammatik ist. Analoges gilt für die sogenannten generalisierten Phrasenstrukturgrammatiken von Gazdar et alii (1985), auf die in Abschnitt 6 beiläufig eingegangen wird. Eb enso wie Artikel 1, in dem ein Üb erb lick üb er die verschiedenen, zur Zeit existierenden Bedeutungstheorien gegeb en wurde, mit dem Ziel, die Praxis der Semantiker zu relativieren, versucht auch dieser Artikel, die in diesem Band vorherrschende Theorieb ildung in einen allgemeineren Kontext einzub etten. So wird b ereits aus Ab schnitt 2, in dem allgemeine Grundlagen der semantischen Theorie diskutiert werden, deutlich werden, daß der Verfasser die autonome Auffassung von Syntax, wie sie der generativen Grammatik Chomskys zugrundeliegt, prinzipiell für richtig hält, ob wohl es gerade in dieser Theorie b isher keine ausgearb eitete Semantik gib t, die den Theorieentwürfen Montagues oder der Kategorialgrammatiker vergleichbar wäre. Weitgehend orthodox wird in dieser Darstellung die Frage ab gehandelt, was Bedeutung ist. Wir führen die in der MöglichenWelten-Semantik üb lichen semantischen Entitäten der Extension und Intension ein, sowie die kontextab hängigen Pendants der Intensionen, d. h., Montagues (UG) „Bedeutungen“ b zw. Kaplans (1977) „Charaktere“. Andere traditionelle Bedeutungsb egriffe werden hier nicht diskutiert, was nichts üb er deren Wert oder Unwert implizieren soll (vgl. dazu Artikel 1). Die vielversprechende Bedeutungskonzeption von Heim (1983), wonach die primäre Bedeutung eines Satzes sein „kontextveränderndes Potential“ ist, aus dem die Wahrheitsb edingungen sekundär ab leitb ar sind, wird in Artikel 10 dargestellt.
2.
Allgemeine Grundlagen
2.1 Syntax, Bedeutungen, Interpretation Die Trennung zwischen Syntax auf der einen und Semantik auf der anderen Seite, wie sie von den logisch orientierten Semantikern allgemein vorausgesetzt wird, ist in der Linguistik keine Selb stverständlichkeit, sondern wissenschaftsgeschichtlich neueren Datums. Sie ist erst durch Ch. Morris und R. Carnap allmählich in das allgemeine Methodenb ewußtsein der Sprachwissenschaftler gedrungen (vgl. dazu Artikel 1, Abschnitt 1.5).
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Akzeptiert man die Trennung, dann ergib t sich für diesen Beitrag die folgenden Systematik: Auf der einen Seite gib t es die Syntax als Theorie von der Komb inatorik der Zeichen, auf der anderen Seite gib t es die Semantik als Theorie der Bedeutungen der Zeichen. Wir wollen im folgenden die Kollektion der Bedeutungen, die man für eine Sprache ansetzt, Ontologie nennen. Schließlich gib t es eine Ab b ildung, I nterpretation, die Ausdrükken Bedeutungen zuordnet. Eine Diskussion des Verhältnisses von Syntax und Semantik wird also üb er drei Dinge zu reden hab en: die Organisationsprinzipien der Syntax natürlicher Sprachen, die Organisationsprinzipien, die den „Aufb au der Bedeutungen“ regeln, und die Organisationsprinzipien, denen die Interpretation, welche Ausdrücke auf Bedeutungen abbildet, gehorcht. Für die folgende Diskussion — insb esondere die ersten Ab schnitte — ist die Lektüre von Artikel 2 „Basic Concepts of Semantics“ und Artikel 8 „Syntax and Semantics of Categorial Languages“ hilfreich. Ferner wird die Kenntnis der wichtigsten Begriffe der Theorie der formalen Sprachen vorausgesetzt, mit anderen Worten, der Begriff des Baumes, der Phrasenstrukturregel, der Ab leitung und dergleichen mehr. Für die eb en genannte dreiteilige Gliederung ergib t sich das folgende Prob lem: Die meisten Linguisten sind der Auffassung, daß die Erforschung der Prinzipien der syntaktischen Form eine empirische Frage ist. Das Sprachvermögen stellt b estimmte syntaktische Organisationsprinzipien zur Verfügung, von denen in verschiedenen Sprachen ein unterschiedlicher Geb rauch gemacht wird. Es handelt sich ab er — auf einer gewissen Ab straktionseb ene — um dieselb en, kognitiv vorgegeb enen Prinzipien, welche erforscht werden können und welche die Beschränkungen für einzelsprachliche Grammatiken determinieren. Man würde per analogiam erwarten, daß es auch für die Organisation der Bedeutungsb ereiche allgemeine Gesetzmäßigkeiten gib t, die empirisch ermittelt werden können. Die Interpretationsrelation, welche die b eiden Bereiche — Syntax und Bedeutungen — verb indet, sollte auch b estimmten Beschränkungen genügen; zumindest müßte sie auf die Restriktionen der b eiden Bereiche, die sie verb indet, Rücksicht nehmen und wäre insofern empirisch bedingt. Ein derartiges Bild ist ab er nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge unrealistisch: Es gib t eine Vielzahl von koexistierenden Onto-
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logiekonzeptionen, ohne daß — auch nur prinzipiell — gefragt und b eantwortet werden könnte, ob einige von ihnen empirisch „realer“ als andere seien. Zur Zeit ist es üb erhaupt nicht klar, ob die Frage nach der empirischen Adäquatheit einer hinreichend starken Ontologie sinnvoll ist. Der Grund ist darin zu sehen, daß die logisch orientierten Semantiker — wozu die Mehrzahl der Autoren dieses Bandes gehört — sich fast ausschließlich für die Wahrheitsb edingungen von Äußerungen interessieren, b eziehungsweise für den Beitrag, den ein Wort oder eine Phrase zu den Wahrheitsb edingungen eines komplexen Ausdrucks leistet. (Vgl. dazu Artikel 1, Ab schnitt 2.8 und Artikel 2.) Nun sind ba er Wahrheits b edingungen nichts Psychisches, sondern etwas Ob jektives, worauf in Artikel 1 anläßlich des Fregeschen „Gedankens“ hingewiesen wurde. In der Mögliche-Welten-Semantik wird der Fregesche Gedanke, d. h. die Proposition, als Menge von möglichen Welten rekonstruiert. Wie ab er soll man z. B. die Bedeutung von intransitiven Verb en — also einstellige Eigenschaften — rekonstruieren: als Funktionen von Welten in Mengen von Individuen (Montague) oder als Funktionen von Individuen in Mengen von Welten (Cresswell)? Beide Rekonstruktionen sind mathematisch gesehen äquivalent, und es gib t zur Zeit keine empirischen Kriterien, die eine Wahl zwischen den beiden Vorschlägen erlauben würden. Dies gilt für den Aufb au von Bedeutungsb ereichen ganz allgemein: Unter den formalen Semantikern sind gegenwärtig funktional aufgeb aute Bedeutungsb ereiche, die zu einer typentheoretischen Syntax passen, üb lich. Es gib t ab er keinerlei empirische Kriterien, weshalb nicht ein „flacher“ Bereich, wie er etwa für die Semantik der Prädikatenlogik (z. B. der zweiten Stufe) üb lich ist, genauso geeignet sein sollte. Eb enso kann man sich fragen, wieso Bedeutungsb ereiche nicht relational oder „gemischt“ statt b loß funktional aufgeb aut sein sollten. Mit anderen Worten, die Kriterien für den Aufb au von Bedeutungsb ereichen sind zur Zeit meistens rein logischer und methodologischer Art (z. B. Widerspruchsfreiheit und Einfachheit), nicht ab er empirischer Natur, von der glob alen Forderung ab gesehen, daß die Ontologie reich genug sein muß, um die Wahrheitsb edingungen aller Sätze ausdrücken zu können. Das b esagt ab er nicht, daß keine empirischen Restriktionen möglich wären: Zum Beispiel b emüht sich die Theorie der generalisier-
III. Theorie der Satzsemantik
ten Quantoren um allgemeine semantische Beschränkungen, die festlegen sollen, was ein möglicher Quantor einer natürlichen Sprache ist (Vgl. dazu Artikel 21 „Quantification“). Eine andere nichttriviale Beschränkung ist das in Artikel 9 „Kontextab hängigkeit“, Ab schnitt 1.3, formulierte Prinzip L, welches b esagt, daß eine Wortb edeutung entweder „deiktisch“ oder „ab solut“ ist, nicht ab er b eides zugleich. Wir kommen darauf in Ab schnitt 3.4.2.4 zurück. Eine Mittelstellung zwischen der empirischen Prinzipien gehorchenden Syntax und dem logischen Prinzipien unterliegenden Bedeutungsaufb au nimmt die Interpretationsb eziehung ein. Einmal gehen hier die Restriktionen der Syntax insofern ein, als die Ausdrücke einer Sprache den Vorb ereich dieser Beziehung b ilden. Zum anderen hat man versucht, die Relation selb st empirisch zu b eschränken, z. B. durch mehr oder weniger strikte Kompositionalitätsforderungen (vgl. dazu Ab schnitt 3.4.2.1) oder Einschränkungen für zulässige semantische Operationen („Monsterverbot“, vgl. Abschnitt 3.4.2.3). 2.2 Syntaktische und semantische Kategorien Den meisten logisch orientierten Ansätzen zur Semantik ist gemeinsam, daß sie einen Parallelismus von syntaktischen und semantischen Kategorien annehmen. Die neueren Wurzeln dieser Auffassung gehen üb er Ajdukiewicz (1935) und Leśniewski (1929/38) auf Husserl (1901/2) zurück, wob ei allerdings anfangs nicht klar zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien unterschieden wurde (vgl. Casadio 1987). Eine klare Formulierung des Parallelismus liegt in den grammatiktheoretischen Schriften Montagues (z. B. UG) vor. Unter einer Kategorie kann man sich in diesem Zusammenhang eine Menge vorstellen. Die folgenden Aussagen mögen exemplarisch den genannten Parallelismus verdeutlichen: 1. Der syntaktischen Kategorie der intransitiven Verb en entspricht die semantische Kategorie der einstelligen Eigenschaften. 2. Der syntaktischen Kategorie der transitiven Verb en entspricht die semantische Kategorie der zweistelligen Eigenschaften. 3. Der syntaktischen Kategorie der Eigennamen entspricht die semantische Kategorie der Individuuen. 4. Der syntaktischen Kategorie der Nominale (Nominalphrasen) entspricht die semantische Kategorie der einstelligen Eigenschaf-
7. Syntax und Semantik
ten zweiter Stufe, d. h. der Eigenschaften von Eigenschaften. 5. Der syntaktischen Kategorie der Adverb ien entspricht die semantische Kategorie der Funktionen von einstelligen Eigenschaften in einstellige Eigenschaften. 6. Der syntaktischen Kategorie der Aussagesätze entspricht die semantische Kategorie der Propositionen. Auf der Grundlage eines solchen Parallelismus stellt sich das Verhältnis von Syntax und Semantik folgendermaßen dar: Die Aufgab e der Syntax b esteht darin, die syntaktischen Kategorien einer Sprache zu definieren. Die Aufgab e der Semantik b esteht einmal darin, die semantischen Kategorien einer Sprache zu definieren, zum anderen darin, die Relation zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien anzugeb en (also die Interpretationsrelation). Falls die Sprache eindeutig ist, wird diese Relation jedem Ausdruck einer syntaktischen Kategorie genau einen Ausdruck in der entsprechenden semantischen Kategorie zuordnen. Falls die Sprache mehrdeutig ist, wird die Relation einem Ausdruck mehrere Bedeutungen aus der entsprechenden Bedeutungskategorie zuordnen. Gewisse Komplikationen entstehen dadurch, daß die Parallelität zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien — selb st, wenn es sich dab ei nicht um eine eine 1-1-Beziehung, sondern um ein Viele-1-Beziehung handelt — eine Idealisierung ist, die für Grammatiken von natürlichen Sprachen nur durch Kunstgriffe zu erreichen ist, da Ausdrücke derselb en syntaktischen Kategorie Bedeutungen verschiedener semantischer Kategorien hab en können. Zum Beispiel gehören Eigennamen wie Fritz, die ein Individuum b ezeichnen, und Quantorenphrasen wie niemand, die eine Eigenschaft zweiter Stufe b ezeichnen (siehe unten), derselb en syntaktischen Kategorie an, da es sich in b eiden Fällen um Nominalphrasen handelt. Eb enso verhält es sich mit intransitiven Verb en: Unpersönliche Verb en wie regnen b ezeichnen b ereits Propositionen im Gegensatz zu persönlichen Verb en, wie z. B. schlafen. Transitive Verb en unterteilen sich z. B. in objekttransparente und objektopake Verben: Erstere drücken zweistellige Relationen zwischen Individuen aus (z. B. küssen), letztere b ezeichnen Relationen zwischen Individuen und Eigenschaften zweiter Stufe (z. B. suchen; vgl. dazu Artikel 33). Diese Verb en hab en verschiedene logische Eigenschaften. Zum Beispiel kann man aus Klaus-Jürgen küßt einer Dame die Hand fol-
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gern Es gibt eine Dame, welcher Klaus-Jürgen die Hand küßt. Ein analoger Schluß von Klaus-Jürgen sucht eine echte Dame auf Es gibt eine echte Dame, die Klaus-Jürgen sucht ist dagegen im allgemeinen nicht möglich. Die Bedeutungen dieser Verb en gehören also verschiedenen semantischen Kategorien an. Dasselb e gilt für Sätze: Finite Aussagesätze drükken Propositionen aus, infinite Sätze ohne Sub jekt drücken Eigenschaften aus, W-Fragen drücken Eigenschaften aus. Sätze hab en also heterogene Bedeutungen. Ähnliche Nicht-Parallelitäten zwischen syntaktischer und semantischer Kategorie kann man praktisch für jede Wortart feststellen. In der Literatur gib t es zwei Strategien, die a priori geforderte Parallelität von syntaktischen und semantischen Kategorien zu erzwingen. Einmal kann man von der Semantik her argumentieren, indem man zwei Ausdrücke immer dann syntaktisch verschieden kategorisiert, wenn ihre Bedeutungen intuitiv gesehen verschiedenen semantischen Kategorien angehören. Dieses Verfahren ist unter Kategorialgrammatikern üb lich (vgl. dazu etwa Lewis 1970 und Cresswell 1973; siehe auch Artikel 8). Wir hab en b ereits gesagt, daß wir die aus dieser Strategie resultierenden — in der Regel sehr einfachen — kategorialen Syntaxen semantisch mo tivierte Syntaxen nennen wollen. Auf sie wird in Ab schnitt 4 näher eingegangen. Die zweite Strategie, einen Parallelismus zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien zu erzwingen, ist die seit Montague populäre Technik der Typenanhebung (siehe Montagues UG und PTQ sowie Artikel 21). Wir wollen sie hier nicht allgemein, sondern anhand von zwei Beispielen erläutern. Das erste Beispiel b etrifft Nominalien. Das Nominal Fritz b ezeichnet zunächst ein Individuum, z. B. Fritz. Niemand b ezeichnet dagegen eine Eigenschaft zweiter Stufe, nämlich die Menge aller Eigenschaften, die niemand hat. (Eine Eigenschaft zweiter Stufe kann man als die Menge der erststufigen Eigenschaften auffassen, auf welche die zweitstufige Eigenschaft zutrifft.) Man kann nun auch dem Individuum Fritz eindeutig eine Eigenschaft zweiter Stufe zuordnen, nämlich die Menge aller Eigenschaften, die Fritz hat. Auf diese Weise kann man Nominalphrasen einheitlich die Menge aller Eigenschaften zweiter Stufe als semantische Kategorie zuordnen. Es versteht sich von selb st, daß nicht alle Eigenschaften zweiter Stufe vernünftige Kandidaten für „Typenanheb ung“ sind. Für „an-
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gehob ene“ Denotate wird man verlangen, daß sie sich semantisch genau so wie nicht angehob ene Denotate verhalten. Zum Beispiel trifft eine Eigenschaft P genau dann auf Fritz zu, wenn P zur Menge der Eigenschaften gehört, welche Fritz hat. Deswegen ist die zuletzt genannte Menge ein vernünftiges Denotat für Fritz mit angehob enem Typ. Dagegen wäre es nicht sinnvoll, wenn man als Denotat z. B. die Menge {{Fritz}} wählen würde. Diese Eigenschaft zweiter Stufe kodiert zwar das Individuum Fritz eindeutig, eignet sich ab er nicht für eine einheitliche Interpretation der Su b jekt-Prädikats-Beziehung. Die vorher gewählte Kodierung läßt sich dagegen gemäß der Leib niz zugesprochenen Idee, praedicatum inesse subjecto, deuten. Das zweite Beispiel b etrifft die transitiven Verb en. Man kann sich den erwähnten semantischen Unterschied zwischen ob jekttransparenten und ob jektopaken Verb en an den folgenden b eiden Bedeutungsregeln klarmachen: (1) a. küssen bezeichnet diejenige Relation, die auf ein Paar von Individuen x und y genau dann zutrifft, wenn das Individuum x das Individuum y küßt. b. suchen bezeichnet diejenige Relation, die auf ein Paar, bestehend aus einem Individuum x und einer Eigenschaft zweiter Stufe Q, genau dann zutrifft, wenn für jede Welt, in der x mit der Suchaktivität, in welcher x in der wirklichen Welt begriffen ist, Erfolg hat, gilt: Q trifft dort auf die Eigenschaft erster Stufe, von x gefunden zu werden, zu. Nach der recht komplizierten Bedeutungsregel (1 b) ist zum Beispiel der Satz Klaus-Jürgen sucht eine echte Dame in der wirklichen Welt wahr, wenn Klaus-Jürgen in allen denjenigen Welten eine echte Dame findet, in denen er findet, wonach er in der wirklichen Welt sucht. Man sieht sofort, daß diese Bedeutungsregel nicht erlaub t, auf die Wahrheit des Satzes Es gibt eine echte Dame, die KlausJürgen sucht zu schließen, denn aus der Tatsache, daß Klaus-Jürgen nur in den Welten eine echte Dame findet, in denen er mit seiner Suche Erfolg hat, folgt nicht, daß er in jeder dieser Welt dieselbe Person findet. Man kann nun durch Typenanheb ung küssen eb enfalls als eine Relation zwischen Individuen und Eigenschaften zweiter Stufe auffassen. Dies macht man sich am b esten klar, indem man die Bedeutungsregel (1 a) in das
III. Theorie der Satzsemantik
Format der Bedeutungsregel für suchen bringt: (2) küssen drückt diejenige Relation aus, die zwischen einem Individuum x und einer Eigenschaft zweiter Stufe Q genau dann besteht, wenn Q auf die Eigenschaft erster Stufe, von x geküßt zu werden, zutrifft. Nach dieser zweiten Bedeutungsregel ist der Satz Klaus-Jürgen küßt eine Dame genau dann wahr, wenn die durch eine Dame ausgedrückte Eigenschaft zweiter Stufe auf die Eigenschaft erster Stufe, von Klaus-Jürgen geküßt zu werden, zutrifft. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Eigenschaft, von Klaus-Jürgen geküßt zu werden, zu den Eigenschaften gehört, welche eine Dame hat. Man macht sich leicht klar, daß diesmal der Schluß auf die Wahrheit des Satzes Es gibt eine Dame, welche KlausJürgen küßt erlaubt ist. Durch Typenanheb ung kann man oft einen gemeinsamen Bedeutungstyp erzwingen, allerdings um den Preis der Komplizierung der Bedeutungsregeln. Die Strategie ist in der sogenannten Montaguegrammatik als „generalizing to the worst case“ b ekannt. Man kann auf diese Weise die syntaktischen Kategorien in vielen Fällen unab hängig von semantischen Gesichtpunkten definieren, ohne den Parallelismus zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien aufzugeb en. Das Verfahren führt ab er zu Schwierigkeiten, wenn semantisch offensichtlich heterogene Ausdrücke in derselb en syntaktischen Kategorie sind. Dies ist zum Beispiel für Nomina der Fall. Man vergleiche etwa Mo to rrad und Bruder: das erste Nomen b ezeichnet eine einstellige Eigenschaft, das zweite dagegen eine zweistellige. Nach allgemeiner Auffassung gehören die b eiden ab er zu derselb en Wortklasse und deshalb auch zu derselb en syntaktischen Kategorie. Ein strikter Parallelist muß diese Nomina also verschiedenen syntaktischen Kategorien zuordnen. Auch hier mag es wieder Kunstgriffe geb en. Zum Beispiel könnte man einstellige Nomina wie Mo to rrad formal als zweistellig klassifizieren. Man muß dann allerdings sicherstellen, daß im Unterschied zu Edes Bruder in Edes Mo to rrad das Sub jekt Ede nicht das erste Argument ab b indet. Im zweiten Fall handelt es sich ja nicht um eine Argumentstelle von Mo to rrad, sondern um ein Argument der kontextuell zu erschließenden Besitzer-Relation. Lösungen dieser Art wird man getrost als epizyklisch b ezeichnen können. Das Fazit dieser Üb erlegung ist, daß
7. Syntax und Semantik
die Postulierung eines Parallelismus nicht ohne Epizyklen um die Konsequenz herumkommt, daß zumindest in einigen Fällen syntaktische Kategorien semantisch motiviert werden müssen. Die meisten Linguisten — b esonders die generativen Grammatiker — lehnen nun allerdings eine semantische Fundierung von syntaktischen Kategorien ab — zugunsten eines Standpunktes, der als Autonomie der Syntax b ekannt ist. Demnach sind für die Bestimmung von syntaktischen Kategorien rein formale Kriterien maßgeb end wie zum Beispiel morphologische Merkmale, welche gemäß den Prinzipien der sogenannten X-b arTheorie „projiziert“ werden (vgl. dazu z. B. Chomsky 1981). Vom autonomen Standpunkt aus ist es keineswegs von vornherein notwendig, einen Parallelismus von syntaktischen und semantischen Kategorien anzunehmen. So gib t es in den letzten Jahren tatsächlich auch Theorien, die grundsätzlich von einer Nicht-Parallelität der b eiden Systeme ausgehen (siehe dazu die Bemerkungen üb er „typengesteuerte“ Interpretation in Ab schnitt 3.4.2.2). Andererseits ist es eine Erfahrungstatsache, daß man für die prototypischen Fälle mit der Parallelitätsforderung gut fährt. Es scheint also so zu sein, daß das Zusammenfassen von b estimmten Ausdrücken unter dieselb e syntaktische Kategorie im allgemeinen semantisch motiviert ist. 2.3 Kompositionalität und Rekursivität Gottlob Frege wird ein Prinzip zugeschrieb en, das sich folgendermaßen formulieren läßt: (3) Die Bedeutung eines zusammengesetzten Ausdrucks ist eine Funktion der Bedeutungen seiner Teile und der Weise ihrer syntaktischen Verbindung. Dieses Prinzip wird in der Literatur Kompositionalitätsprinzip oder Fregeprinzip genannt. John Lyons meint in Artikel 1, Ab schnitt 1.4, daß es erstens ziemlich fragwürdig sei, Frege als Urheb er dieses Prinzips anzusehen und daß zweitens das Prinzip als solches nicht b esonders aufregend, sondern vielmehr in der grammatischen Tradition von allen Gelehrten als Selb stverständlichkeit vorausgesetzt worden sei. Zum ersten Punkt ist zu sagen, daß Frege dieses Prinzip tatsächlich niemals explizit formuliert hat, daß es ab er in mehreren seiner Argumente implizit vorhanden ist. So heißt es zu Beginn von Frege (1923): „Erstaunlich ist es, was die Sprache leistet, indem
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sie mit wenigen Silb en unüb ersehb ar viele Gedanken ausdrückt, daß sie sogar für einen Gedanken, den nun zum ersten Male ein Erdenb ürger gefaßt hat, eine Einkleidung findet, in der ihn ein anderer erkennen kann, dem er ganz neu ist. Dies wäre nicht möglich, wenn wir in dem Gedanken nicht Teile unterscheiden könnten, denen Satzteile entsprächen, so daß der Aufb au des Satzes als Bild gelten könnte des Aufb aues des Gedankens. ... Sieht man so die Gedanken an als zusammengesetzt aus einfachen Teilen und läßt man diesen wieder einfache Satzteile entsprechen, so wird es b egreiflich, daß aus wenigen Satzteilen eine große Mannigfaltigkeit von Sätzen geb ildet werden kann, denen wieder eine große Mannigfaltigkeit von Gedanken entspricht. Hier liegt es nun nahe zu fragen, wie der Aufb au des Gedankens geschieht und wodurch dab ei die Teile zusammengefügt werden, so daß das Ganze etwas mehr wird als die vereinzelten Teile.“
Zum zweiten Punkt von Lyons Kommentar ist allerdings zu b emerken, daß gerade für einen Logiker das Kompositionalitätsprinzip alles andere als selb stverständlich ist. Pronomina, die sich wie geb undene Variab len verhalten, scheinen nämlich Gegenb eispiele zu sein. Man betrachte dazu den folgenden Satz: (4) [S[NPJeder junge Politiker] [VP glaubt, daß er die Weltprobleme lösen kann]] Nehmen wir einmal an, der Satz hab e die angegeb ene Struktur. Ferner setzen wir voraus, daß sich er anaphorisch auf das Sub jekt jeder junge Po litiker b ezieht. Nach dem Kompositionalitätsprinzip liegt die Erwartung nahe, daß wir die Satzb edeutung aus den Bedeutungen des Sub jekts und des Prädikats ermitteln. Hier liegt eine Vagheit in der Formulierung. Man könnte unter Umständen b is auf die Wörter oder gar Morpheme zurückgehen. Wir wollen für das folgende davon ausgehen, daß nur auf die unmittelb aren Konstituenten zurückgegriffen werden darf. Wie ab er soll das in diesem Falle möglich sein? Damit das Prädikat eine Bedeutung hab en kann, muß das Pronomen er eine Person b ezeichnen. Ab er das ist gerade nicht gegeb en. Er hat erst im Verb und mit dem Sub jekt eine Bedeutung, wird also „synkategorematisch“ verwendet, wie man sagt. Diese Art des Geb rauchs von Pronomina wird in der Prädikatenlogik b ekanntlich als Variab lenb indung rekonstruiert. (4) hat im wesentlichen die folgende logische Form: (5) (∀x) Px Schon Ajdukiewicz (1935) hat b eob achtet, daß sich Ausdrücke dieser Gestalt nicht kom-
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positionell deuten lassen. Zwar läßt sich der Quantor (∀x) syntaktisch als ein Funktor b eschreib en, der aus einem Satz wieder einen Satz macht. Die Bedeutung dieses Funktors kann ab er keine Funktion sein, welche der Bedeutung des eingeb etteten Satzes, d. h. von Px, wieder eine Bedeutung zuordnet: Wäre dem nämlich so, so müßte (∀x) eine Wahrheitsfunktion denotieren, denn Px b ezeichnet einen Wahrheitswert und (∀x)Px eb enfalls. Wir wissen ab er, daß der Wahrheitswert von (∀x)Px von allen Wahrheitswerten ab hängt, die Px denotieren kann. Die Annahme, daß Px eine feste Bedeutung hat, auf die b ei der Ermittlung der Satzb edeutung zurückgegriffen werden kann, ist also nicht haltb ar. Genau diese Annahme scheint das Kompositionalitätsprinzip aber zu implizieren. Man b eachte, daß Px in unserem Beispiel für einen komplexen Ausdruck steht. Man kann sich also nicht dadurch herausreden, daß man den Wahrheitswert von (∀x)Px durch Rückgriff auf die Bedeutung von P allein ermitteln kann. Ab gesehen davon, daß wir vorausgesetzt hab en, daß die kompositionale Interpretation nur auf die unmittelb aren Konstituenten zurückgreifen darf, müßten wir erst einmal die Bedeutung von P b estimmen. Eine genauere Betrachtung würde zeigen, daß dab ei genau dasselb e Prob lem wie eben auftritt. In diesem Zusammenhang verdient erwähnt zu werden, daß Ajdukiewicz (1935) die im allgemeinen Montagues PTQ zugeschrieb ene Erfindung des Nominals vorweggenommen hat, indem er vorschlug, den Ausdruck (∀x)Px durch die Analyse ∀(Px) zu ersetzen, wob ei ∀ ein Funktor der Kategorie s/(s/n) ist, der aus einem einem Verb al (s/n) einen Satz s macht. Der Russellsche Zirkumflexoperator ist die λ-Ab straktion, die hier aus dem offenen Satz Px das Verb al Px ab strahiert. Dies ist die entscheidende Idee von Montagues PTQAnalyse. Zur Kategoriennotation, vgl. Ab schnitt 4.2.1. Der Sache nach ist die Trennung zwischen Quantor und Funktionala b straktion üb rigens schon b ei Frege angelegt. Frege sieht Quantoren als Begriffe zweiter Stufe an. Ferner liefert seine ε-Ab straktion den Werteverlauf einer Funktion. Frege hat Quantoren und ε-Ab strakte ab er nicht syntaktisch verb unden, weil ε-Ab strakte keine Begriffe sondern Gegenstände sind und deshalb in seinem System keine Argumente eines Begriffs von Begriffen sein können. Man kann gegen die ob ige Argumentation einwenden, daß das Kompositionalitätsprin-
III. Theorie der Satzsemantik
zip allgemeiner zu verstehen ist und deshalb durch dieses Gegenb eispiel nicht widerlegt wird. Wir greifen die Bedeutung eines Satzes wie (4) schließlich nicht aus der Luft. Sie muß sich also irgendwie aus der Bedeutung der Satzteile und deren Verknüpfung ergeb en. Es mag also schon so sein, wie Lyons b ehauptet, daß jeder Theoretiker, der einmal üb er Bedeutung nachgedacht hat, das Kompositionalitätsprinzip in irgendeiner Form als selb stverständlich akzeptieren wird. Es ist ab er gar nicht klar, was genau ein solcher Theoretiker damit akzeptiert. Wie Partee (1984 a) zurecht b emerkt, geb en präzise Formulierungen des Prinzips leicht zu Kontroversen Anlaß. Bereits eine Präzisierung der Fassung (3) ist alles andere als trivial. Bei näherem Hinsehen zeigt es sich nämlich, daß hier sowohl syntaktische wie auch semantischen Verknüpfungsoperationen vorausgesetzt sind, die aufeinander b ezogen werden müssen. Man mache sich das an einem sehr einfachen Beispiel klar, nämlich der Koordination von Sätzen durch oder. Die einschlägige syntaktische Verknüpfungsregel sei folgendermaßen formuliert: (6) F ist diejenige syntaktische Operation, welche beliebigen Sätzen S1und S2den Satz „S1oderS2“ zuordnet. Mit andern Worten, wenn die Sätze S1und S2 gegeb en sind, dann ist F(S1,S2) der Satz „S1 oderS2“. Eine adäquate Interpretation wird nun diese Art der sytaktischen Verknüpfung als mengentheoretische Vereinigung deuten, denn die Vereinigung der Welten, in denen S1 wahr ist, mit den Welten, in denen S2wahr ist, ist gerade die Menge der Welten, in denen S1oder S2wahr ist (vgl. dazu Artikel 8). Mit anderen Worten, die syntaktischen Operation F muß durch die folgende semantische Operation G interpretiert werden: (7) G(p,q) ist p ⋃q, für beliebige Propositionen p und q. Aufgrund dieser Üb erlegung kann das Kompositionalitätsprinzip (3) auf die folgende Weise formuliert werden: (8) Kompositionalitätsprinzip (UG) Sei α ein Ausdruck, der mithilfe der syntaktischen Operation F aus den Ausdrükken β1,...,βn gewonnen ist, d. h., α = F(β1,...,βn). Seien ferner b1,...,bndie Bedeutungen von β1,...,βn respektive. Sei schließlich G die semantische Operation, durch welche die syntaktische Operation
7. Syntax und Semantik
F gedeutet wird, dann ist die Bedeutung von α gleich G(b1,...,bn). Diese Formulierung — die Montagues UG zugrundeliegt — zeigt mehrerlei: Erstens wird präzisiert, auf welche Weise das, was in (3) „die Art der syntaktischen Verb indung“ genannt wurde, die Bedeutung b eeinflussen kann, „so daß das Ganze etwas mehr wird als die vereinzelten Teile“. Wenn immer aus b ereits erzeugten Teilausdrücken ein komplexerer Ausdruck geb ildet wird, dann gib t es eine syntaktische Operation (Regel), die dies leistet. Diese Regel wird durch eine semantische Operation gedeutet, die den Bedeutungen der Teilausdrücke eine neue Bedeutung zuordnet, diejenige des Resultatsausdrucks. Man sieht hier deutlich, daß Syntaxregeln semantisch interpretiert werden müssen, eine Notwendigkeit, woran man b ei umgangsprachlichen Formulierungen wie (3) zunächst gar nicht denkt. Das zweite wesentliche Merkmal der Präzisierung (8) ist, daß es sich um eine rekursive Definition handelt: Es wird vorausgesetzt, daß b ereits auf syntaktisch aufgeb aute Teilausdrücke und ihre Bedeutungen zurückgegriffen werden kann. Am „Anfang“ einer solchen Rekursion stehen natürlich syntaktisch nicht weiter zerlegb are Bestandteile, die Wörter, deren syntaktische Kategorien und deren Bedeutungen „im Lexikon“ festgelegt werden müssen. Daß der Begriff Kompositionalität nur rekursiv definiert werden kann, ist in der grammatischen Tradition sicher nicht gesehen oder zumindest nicht thematisiert worden. Ein Gleiches gilt b ereits für so selb stverständliche Begriffe wie syntaktische Kategorie. Man denke etwa an den Satzb egriff selb st. Die in Artikel 1 zitierte klassische Definition Priscians, nach der ein Satz „eine wohlgeformte Folge von Wörtern ist, die eine vollständige Aussage ausdrückt“ (o rdinatio dictio num co ngrua sententiam perfectam demo nstrans) ist b ezeichnenderweise nicht rekursiv: Weder ist gesagt, was Wohlgeformtheit b edeutet, noch ist der Satzb egriff formal, d. h. ohne Rückgriff auf Bedeutung, definiert. Und eine nichtrekursive Definition dessen, was die Wohlgeformtheit eines Satzes ausmacht, ist auch grundsätzlich nicht möglich, einfach deshalb , weil es unendlich viele Sätze gib t und diese — b eziehungsweise deren Wohlgeformtheit — nur mit Rekurs auf die Regeln definiert werden können, die sie erzeugen. In diesem Umstand ist der tiefere Grund zu sehen, weshalb
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sämtliche klassischen Definitionen des Satzes gescheitert oder zumindest wenig aussagekräftig sind (vgl. dazu Ries 1931). Die Montaguesche Formulierung (6) ist eine sehr allgemeine Präzisierung des Kompositionalitätsprinzips: Sie läßt völlig offen, welcher Art die semantischen Operationen sind, welche die Syntaxregeln deuten. Möglicherweise gib t es hier empirische Beschränkungen. Wir kommen in Ab schnitt 3.4.2.3 („Monsterverb ot“) noch einmal auf diese Frage zurück. Die Präzisierung des Kompositionalitätsprinzips zeigt schließlich, daß man innerhalb des Prinzips einen syntaktischen und einen semantischen Aspekt unterscheiden muß: die syntaktische Seite der Kompositionalität wird durch die syntaktischen Operationen, der semantische Aspekt dagegen durch die semantischen Operationen rekonstruiert. An dieser Stelle wird eine Idealisierung sichtb ar, die möglicherweise mit dem „modularen“ Ansatz der modernen generativen Grammatik nicht verträglich ist. Die Idealisierung b esteht darin, daß Syntaxregeln vorausgesetzt werden, nämlich Operationen, die aus Ausdrükken wieder Ausdrücke machen. Die moderne generative Grammatik, z. B. die sogenannte „Rektions- und Bindungstheorie“, kennt ab er gar keine Syntaxregeln mehr in diesem Sinne. Es gib t nur noch eine Reihe von unter einander una b hängigen Wohlgeformtheitsprinzipien, deren komplexes Zusammenspiel die Grammatikalität eines Ausdrucks oder einer Struktur b estimmt (vgl. etwa Chomsky 1981). Es ist die Frage, ob sich diese Prinzipien in algeb raische Operationen umformulieren lassen, wie dies in der Montagueschen Präzisierung vorausgesetzt ist. Selb st wenn diese Umformulierung prinzipiell möglich ist, b leib t noch die Frage, ob sie im Sinne der generativen Grammatik „erhellend“ ist. Auf jeden Fall stellt sich das Prob lem, wie das Kompositionalitätsprinzip für die generative Grammatik formuliert werden kann. Darauf wird in Abschnitt 6 eingegangen werden. Selb st wenn man Montagues Formulierung (8) akzeptiert, wird man doch nicht b ehaupten können, daß sie in allen Punken eine Explikation des Fregezitates darstellt. Nach Frege hat der Gedanke eb enso wie der Satz Teile. Die Proposition der Mögliche-WeltenSemantik hat ab er keine Teile, sondern ist eine ungegliederte Menge von Welten, der man die Proposition, aus denen sie „gewonnen“ worden ist, nicht ohne weiteres ansehen kann. Eb ensowenig kann man z. B. der Zahl
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12 ansehen, daß sie im konkreten Fall das Resultat der Addition von 7 und 5 ist. Sie könnte auch auf andere Weise b estimmt worden sein. Analog dazu kann man eine Proposition auf verschiedene Weise ausdrücken. Wer also genau den Fregeschen Kompositionaltätsb egriff rekonstruieren möchte, muß den syntaktischen Aufb au noch mit zum Gedanken zählen (vgl. dazu Lewis 1970 und Cresswell 1985 b). Die in diesem Ab schnitt andiskutierten Fragen sollten deutlich gemacht hab en, daß die mit dem Kompositionalitätsprinzip zusammenhängenden Prob leme alles andere als trivial sind. Sie b etreffen vielmehr das Herzstück der semantischen Theorieb ildung, nämlich den Interpretationsb egriff selb st. Die Formulierung (8) ist ja nichts anderes als die Kernklausel, welche eine lexikalisch gegeb ene Interpretation rekursiv auf alle Ausdrücke einer Sprache fortpflanzt. 2.4 Mehrdeutigkeit Es gib t zwei Arten von Mehrdeutigkeit, syntaktische und semantische. Syntaktische Mehrdeutigkeit liegt dann vor, wenn die Regeln der Grammatik einem Ausdruck mehr als eine Struktur zuweisen, d. h., falls es mehrere verschiedene Ab leitungen gib t. Semantische Mehrdeutigkeit ist gegeben, wenn ein und derselb e Ausdruck mehr als eine Bedeutung hat. Ein einfaches Beispiel für syntaktische Mehrdeutigkeit ist ein Satz der Form „α oder β oder γ“. Aufgrund der ob en angegeb enen Regel (6) kann er auf zweierlei Weise hergeleitet werden, nämlich als F(α,F(β,γ)) oder als F(F(α,β),γ). Diesen b eiden Ab leitungen entsprechen die folgenden syntaktischen Strukturen: (9) a. (F α oder (F β oder γ)) b. (F (F α oder β) oder γ) Syntaktische Mehrdeutigkeiten sind eine Folge des Regelsystems. Sie b rauchen keine semantischen Mehrdeutigkeiten nach sich zu ziehen. Für das gerade diskutierte Beispiel garantiert unsere Interpretationsregel (7) die semantische Eindeutigkeit. Wendet man formale Systeme zur syntaktischen Analyse von natürlichen Sprachen an, so stellt sich die Frage, inwieweit syntaktische Mehrdeutigkeiten reine Artefakte des Formalismus sind und inwieweit sie empirisch gerechtfertigt sind. Zu Beginn der Entwicklung der generativen Grammatik hab en sol-
III. Theorie der Satzsemantik
che Üb erlegungen eine Rolle gespielt. Heutzutage kümmern sich die meisten generativen Grammatiker kaum mehr darum, da Fragen der Formalisierung in dieser Theorie während der letzten Jahre in den Hintergrund getreten sind zugunsten von grundsätzlichen Üb erlegungen. Ein ernsthafteres Prob lem für das Thema dieses Artikels stellt die semantische Mehrdeutigkeit dar. Solche Mehrdeutigkeiten können einmal dadurch entstehen, daß ein Wort mehrdeutig ist, z. B. „Flügel“, womit die Schwinge eines Vogels, eine Art von Klavier, ein Geb äudeteil, die Hälfte einer Doppeltür und anderes gemeint sein kann. Diese Art von Amb iguität kann man lexikalische Mehrdeutigkeit nennen. Daneb en gib t es ab er einen anderen Typ von Mehrdeutigkeit, der üb licherweise strukturelle Mehrdeutigkeit genannt wird. (Die Benennung ist insofern prob lematisch, als sie b ereits eine b estimmte Art von theoretischer Analyse suggeriert, nämlich die Sub sumption unter den Begriff der syntaktischen Mehrdeutigkeit.) Ein Standardsatz, anhand dessen diese Art von Mehrdeutigkeit illustriert zu werden pflegt, ist (10 a), der die Lesarten (10 b) und (10 c) hat: (10) a. Jeder Mann liebt eine Frau. b. Für jeden Mann gibt es eine Frau, die er liebt. c. Es gibt eine Frau, die jeder Mann liebt. Es handelt sich b ei diesem Beispiel um einen Fall von Skopusmehrdeutigkeit. In (10 b ) hat der Allquantor jeder Mann weiten Skopus b ezüglich des Existenzquantors eine Frau, in (10c) hat der Allquantor dagegen engen Skopus b ezüglich des Existenzquantors. (Für die hier benutzte Terminologie vgl. Artikel 21.) Wir diskutieren nun, wie die b eiden Typen von Mehrdeutigkeiten rekonstruiert werden. Bereits lexikalische Mehrdeutigkeiten stellen für eine Theorie, welche eine Interpretation als Funktion auffaßt, ein gewisses Prob lem dar. Die verb reitetste Strategie, diese Fälle ab zuhandeln, b esteht darin, Homonyme lexikalisch zu desamb iguieren, indem man z. B. zwischen Flügel1, Flügel2usw. unterscheidet. Eine solche Theorie faßt also Flügel nicht als ein einziges Wort auf, sondern als verschiedene. Jedem dieser Wörter kann dann durch die Interpretationsfunktion prob lemlos genau eine Bedeutung zugeordnet werden. Dieses Verfahren wird z. B. in Montagues UG oder in Cresswell (1973) b enutzt. Man könnte ein-
7. Syntax und Semantik
wenden, daß b ei einem derartigen Vorgehen das empirische Faktum der Mehrdeutigkeit definitorisch aus der Welt geschafft wird. Es b edarf ab er nur einer geringfügigen Zusatztechnik, um diesem Einwand zu b egegnen, nämlich einer Komponente der Grammatik, in der die desamb iguierten Wörter wieder identifiziert werden, etwa durch Indextilgung. Mit Bezug auf die nicht-desamb iguierten Wörter kann man dann die Relation der Mehrdeutigkeit in naheliegender Weise definieren. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Methode der Desamb iguierung durch Indizierung nicht zwischen verschiedenen Arten von lexikalischer Mehrdeutigkeit zu unterscheiden vermag. Man b etrachte zunächst wieder Flügel. Sämtliche Spielarten dieses Wortes hab en eine gemeinsame etymologische Herkunft. Deshalb b ezeichnet man ein solches Wort in der Literatur auch als polysem, d. h. als ein Wort mit vielen Bedeutungen. Im Gegensatz dazu wird ein Wort wie To n homonym genannt, da die b eiden Bedeutungen — „Klang“ b zw. „eine b estimmte Art von Erde“ — auf verschiedene Etyma zurückgehen, die durch die historische Entwicklung zu einer Lautform geworden sind. Im letzteren Fall handelt es sich, intuitiv gesehen, eher um zwei Wörter, die zufällig dieselb e Lautgestalt hab en. Wir lassen die Frage, auf welche Weise Polysemie und Homonymie rekonstruiert werden können, in diesem Artikel offen. Eine andere Methode, lexikalische Mehrdeutigkeiten zu erfassen, b esteht darin, die Interpretation als Relation anzusehen, die ein Wort unter Umständen mit mehreren Bedeutungen verb indet. Die meisten Semantiker vermeiden diese Art von Analyse, um nicht in technische Schwierigkeiten zu geraten. Man muß die Bedeutungsrelation ja rekursiv für komplexe Ausdrücke definieren, wob ei sich die Mehrdeutigkeiten unter Umständen multiplizieren. Man b etrachte zum Beispiel den Satz: (11) Hubertus ersteigerte ein Schloß und einen Flügel. Nehmen wir einmal an, Schlo ß sei zweideutig und Flügel sei vierdeutig. Dann muß die Bedeutungsrelation diesem Satz acht verschiedene Bedeutungen zuordnen. Es ist sicher kein Prob lem, eine Relation zu definieren, die so etwas leistet, ab er die Definition wird umständlich und ist zudem entb ehrlich, da lexi-
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kalische Amb iguitiäten auch b ei Zugrundelegung einer Interpretationsfunktion erklärt werden können. Konsequenzenreicher ist die Prob lematik, die mit strukturellen Mehrdeutigkeiten, insb esondere der Skopusmehrdeutigkeit verb unden ist. Wir hab en b ereits darauf hingewiesen, daß die Benennung „strukturelle Mehrdeutigkeit“ insofern nicht unprob lemantisch ist, als sie die theoretische Behandlung des Phänomens b ereits vorwegnimmt. Betrachten wir dazu Satz (10a). Um die Diskussion nicht zu b elasten, wollen wir von den Komplikationen der deutschen Syntax (Finitumvoranstellung mit anschließender Topikalisierung eines Satzgliedes) ab sehen und diesen Satz wie sein englisches Gegenstück gliedern. Unter diesen Annahmen hat er die folgende Gestalt: (12) [S [NP jeder Mann] [VP liebt [NP eine Frau]]] Die relevanten Regeln, welche diese Struktur aufgeb aut hab en, sind die folgenden kontextfreien Phrasenstrukturregeln: (13) a. S → NP VP b. VP → V NP Im Gegensatz zu der ob en eingeführten Regel (6) kann dieses Regelsystem keine Quelle für irgendwelche syntaktischen Mehrdeutigkeiten sein, wie man b eim ersten Hinschauen erkennt. Nimmt man einmal an, diese Analyse sei die einzig empirisch vertretb are, dann scheidet scheinb ar der Weg aus, die semantische Mehrdeutigkeit von (10a) durch eine strukturelle, d. h. syntaktische Mehrdeutigkeit zu erklären, die für die verschiedenen Bedeutungen verantwortlich ist. Montague hat das Prob lem zu umgehen versucht, indem er eine semantisch motivierte syntaktische Analyse vorgelegt hat, nach der Nominalphrasen wie in der Prädikatenlogik als Quantoren auf offene Sätze angewandt werden. In Montagues PTQ wird Satz (10a) — von Details der technischen Ausformulierung einmal ab gesehen — durch Anwendung der Quantoren jeder Mann x und eine Frau y auf die offene Formel x liebt y hergeleitet. Wendet man zuerst eine Frau y und dann erst jeder Mann x an, so erhält man die Lesart (10b ), während eine umgekehrte Anwendung die Lesart (10c) ergib t. Die Regel der Quantorenanwendung („Hineinquantifizieren“ b zw. „quantifying in“) wird im folgenden Q genannt. Die b eiden Ab leitungen von (10a) sind demnach:
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III. Theorie der Satzsemantik
b itrary interpretation — as the b asic goal of serious syntax and semantics; and the developments emanating from the Massachusetts Institute of Technology offer little promise to that end.”
Man sieht sofort, daß zwischen diesen b eiden syntaktischen Strukturen und den prädikatenlogischen Ausdrücken (15a) und (15b ) eine Eins-zu-Eins-Beziehung besteht: (15) a. (∀x)[Mann’(x)→(∃ y)[Frau’(y) & liebt’(x,y)]] b. (∃y)[Frau’(y) & (∀ x)[Mann’(x)→ liebt’(x,y)]] Damit ist klar, daß die Strukturen so gedeutet werden können, daß sie die genannten Lesarten (10b) und (10c) ausdrücken. Die folgenden Einwände gegen diese Art der Behandlung liegen auf der Hand. Erstens gib t es keinerlei von semantischen Gesichtspunkten unab hängige Evidenz für syntaktische Analysen dieser Art. Keine der b eiden syntaktischen Analysen, entspricht der nach Voraussetzung empirisch gerechtfertigten Struktur (12). Zweitens kann man einwenden, daß die Erklärung von Skopusmehrdeutigkeiten mithilfe von syntaktischer Mehrdeutigkeit als solche erst zu rechtfertigen sei. Diesen Einwand kann man ab er so lange b eiseite schieb en, wie keine alternativen, nichtstrukturellen Theorien in Sicht sind. Der erste Einwand wird von Montague selb st durch eine b ewußte Ab sage an die These von der Autonomie der Syntax b eantwortet. Für den Kalifornier hat die Syntax lediglich den Zweck, eine rekursive Bedeutungsdefinition für die gesamte Sprache zu ermöglichen. Jede syntaktische Beschreib ung, die das leistet, ist zunächst adäquat. Die Syntax wird so zur reinen Hilfswissenschaft der Semantik. Die klassische Formulierung dieses Standpunktes findet sich zu Beginn von Montagues EFL: “I do not regard as successful the formal treatments of natural languages attempted b y certain comtemporary linguists. Like Donald Davidson I regard the construction of a theory of truth — or rather, of the more general notion of truth under an ar-
Dieses Zitat ist ein besonders klarer Beleg für die Auffassung von Syntax, die wir semantisch motiviert genannt haben. In der GB-Theorie Chomskys (1981) werden Skopusmehrdeutigkeiten eb enfalls üb er syntaktische Mehrdeutigkeiten erklärt, allerdings auf einer b esonderen Repräsentationseb ene der Theorie, nämlich der sogenannten logischen Form (vgl. dazu Ab schnitt 5.2). Auf andern Repräsentationse b enen der Grammatik ist ein Satz wie (10a) dagegen syntaktisch eindeutig. So hat (10a) auf der Eb ene der sogenannten S-Struktur die angegeb ene Analyse (12). Die b eiden Strukturen (14a) und (14b ) erzeugt man, indem man die Regel Q „rückwärts“ anwendet: Bei Montague wird die Quantorenphrase an die Stelle der geb undenen Variab len eingesetzt, während sie b ei Chomsky aus dieser Position „herausb ewegt“ wird und eine entsprechende Variab le hinterläßt. In der Chomskyschen Theorie heißt die Regel Q deswegen auch „Quantorenanheb ung“ (vgl. May 1977 für Details). Diese Regel wird auf der Eb ene der logischen Form angewandt. Die entsprechenden logischen Formen für die b eiden Lesarten sind — von irrelevanten Einzelheiten wieder ab gesehen — die folgenden: (16) a. [[NP jeder Mann]x [[NP eine Frau]y [S x liebt y]]] b. [[NP eine Frau]y [[NP jeder Mann]x [S x liebt y]]] Man erkennt, daß diese Strukturen isomorph zu den Montagueschen Strukturen (14) sind. Die Behandlung von Skopusmehrdeutigkeiten in der Chomskyschen Theorie ist also mit derjenigen Montagues zunächst äquivalent. Der Vorteil der GB-Theorie b esteht darin, daß sie eine autonome Auffassung von Syntax ermöglicht: Die Eb ene der S-Struktur enthält die nach Voraussetzung empirisch gerechtfertigte Struktur (12), während in der semantisch motivierten Syntax Montagues diese Struktur nirgends erscheint. Ein ähnlicher Weg wie in der GB-Theorie ist b ereits in Cooper & Parsons (1976) b eschritten worden. Die Autoren nehmen für einen Satz wie (10a) eine einzige syntaktische Struktur an, nämlich (12). Diese wird mit Skopusindizes versehen, die den Bezugsb ereich eines Nominals anzeigen. Jeder NPKnoten wird mit einem S-Knoten koindiziert, und dies b esagt, daß das gesamte S der Wir-
7. Syntax und Semantik
kungsb ereich der b etreffenden NP ist. Wenn ein S mit mehr als einem Skopusindex versehen ist, legt die Reihenfolge der Indizes den relativen Skopus der koindizierten NPs fest. Für unser Beispiel sind die b eiden Lesarten in diesem System folgendermaßen zu desambiguieren: (17) a. [Sij [NPi jeder Mann] [VP liebt [NPj eine Frau]]] b. [Sji [NPi jeder Mann] [VP liebt [NPj eine Frau]]] Die b eiden Strukturen unterscheiden sich nur durch die Reihenfolge der Skopusindizes an S, welche den relativen Skopus der b eiden Nominale kodiert. Offensichtlich sind diese Repräsentationen wiederum isomorph zu denen der Montague-Grammatik und denen der GB-Theorie, d. h. sie sind 1-zu-1 in jedes dieser Systeme üb ersetzb ar. Damit ist auch klar, daß sie auf dieselb e Weise gedeutet werden können. Genau wie die GB-Theorie hat dieser Ansatz den Vorteil, daß es eine autonome syntaktische Eb ene gib t: Die syntaktische Struktur ist unab hängig von Skopusmehrdeutigkeiten motiviert, die Desamb iguierung findet üb er Indizes auf einer eigenen Eb ene statt, die an der eigentlichen syntaktischen Struktur nichts ändern, die Interpretation ab er b eeinflussen. Als Ergeb nis dieses Ab schnittes halten wir fest, daß sämtliche Theorien Skopusmehrdeutigkeiten als strukturelle Mehrdeutigkeiten rekonstruieren, wob ei sich die verschiedenen Vorschläge lediglich darin unterscheiden, ob eine autonome syntaktische Eb ene ohne strukturelle Mehrdeutigkeiten angenommen wird oder nicht. Sowohl für lexikalische als auch für Skopusmehrdeutigkeiten gilt also, daß sie in einer speziellen Komponente des Systems desamb iguiert werden. Im Zuge dieser Praxis hat es sich eingeb ürgert, Skopusmehrdeutigkeiten als strukturelle Mehrdeutigkeiten anzusehen.
3.
Montagues Universalgrammatik
3.1 Allgemeine Konzeption Montagues Sprachtheorie ist so allgemein formuliert, daß sie als b egrifflicher Bezugsrahmen für die meisten Beiträge dieses Bandes dienen kann. Die Grundkonzeption ist de facto in dem Ab schnitt üb er allgemeine Grundlagen b ereits vorgestellt worden. Auf den einfachsten Nenner geb racht, b esagt die Theorie folgendes: Syntax und Semantik sind algeb raische Systeme, und die Interpretation ist eine homomorphe, d. h. strukturerhaltende Ab b ildung der Syntax auf die Semantik.
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An dieser Stelle ist üb rigens genau das Fregeprinzip (vgl. Ab schnitt 2.3) in die Theorie eingeb aut. Die algeb raischen Operationen der Syntax sind die Operationen, welche Zeichenfolgen zu neuen Zeichenfolgen komb inieren. Die algeb raischen Operationen der Semantik sind semantische Operationen, die Bedeutungen Bedeutungen zuordnen. Die allgemeine Theorie, welche in Montagues UG dargestellt ist, enthält lediglich die folgenden Beschränkungen: 1. Ein komplexer Ausdruck, d. h. ein Element der Syntaxalgeb ra, ist eindeutig zerlegb ar. Damit ist gemeint, daß man ihm die syntaktische Operation und die Teilausdrücke „ansehen“ kann, mit deren Hilfe er geb ildet ist. Belieb ige algeb raische Systeme erfüllen eine solche Beschränkung im allgemeinen nicht, z. B. wird nichts dergleichen für die Semantikalgeb ra gefordert (vgl. dazu die Bemerkungen am Ende von Abschnitt 3.3.1). 2. Aus der Forderung, daß die Interpretation eine Ab b ildung ist, ergib t sich, daß keine semantischen Mehrdeutigkeiten zugelassen sind. Mehrdeutigkeiten müssen also durch einen zusätzlichen Apparat analysiert werden (vgl. dazu Abschnitt 2.4). 3. Die Forderung, daß die Interpretation homomorph ist, erweist sich als eine spezielle Rekonstruktion des Fregeprinzips (vgl. die Formulierung (8) in Abschnitt 2.3). 4. Der in Ab schnitt 2.2 diskutierte strikte Parallelismus zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien wird von Montague explizit gefordert. Eine Interpretation, die dieser Forderung genügt, wird Fregesche I nterpretation genannt werden. Diese Einschränkung wird sich als einigermaßen einschneidend erweisen. Insgesamt sind die Einschränkungen ab er unerheb lich. Die Syntaxtheorie ist so stark, daß unter anderem alle rekursiv aufzählb aren Sprachen erzeugt werden können. Eb enso gib t es keinerlei Einschränkungen für semantische Operationen. Das System ist also nicht in demselb en Sinne eine Universalgrammatik, wie die Chomskysche. Während Chomskys Theorien einen universellen Rahmen für mögliche natürliche Sprachen ab stecken möchte, zielt Montagues Theorie auf einen Rahmen für alle Sprachen ab . Auf mögliche, empirisch motivierte Beschränkungen der Theorie kommen wir noch zu sprechen. 3.2 Syntax Montagues UG nimmt zwei Eb enen der syntaktischen Repräsentation an, die wir die Eb ene der DA-Struktur und die der OF-
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Struktur nennen wollen. DA-Strukturen b ilden den Input für die semantische Interpretation. Da es sich b ei letzterer um eine Funktion handelt, müssen DA-Strukturen vollständig desambiguiert sein (daher die Bezeichnung DA). DA-Strukturen entsprechen also nicht den D-Strukturen der GB-Theorie, sondern eher deren logischen Formen (vgl. dazu die Ausführungen in Ab schnitt 2.4). Die Bezeichnung OF soll an „Oberfläche“ erinnern. DA-Strukturen werden durch eine DASyntax erzeugt. Dab ei handelt es sich — in einem noch zu präzisierenden Sinne — um eine Algeb ra, deren Elemente — also gerade die DA-Strukturen — strukturell eindeutig sind und die aufgeb aut werden durch sukzessive Anwendung von syntaktischen Operationen, wob ei die durch ein Lexikon vorgegeb enen Elemente den „Bodensatz“ b ilden. Eine DA-Syntax kann man sich als ein System von Regeln vorstellen, die von der folgenden Form sind: (19) Wenn α1,..., αn Ausdrücke der Kategorien σ1,...,σn respektive sind, dann ist F(α1,..., αn) ein Ausdruck der Kategorie τ. Jede solche Regel ist nichts anderes als eine n-stellige (b eschränkte) algeb raische Operation F. Das gesamte System ist also eine partielle Algeb ra. Diesen einfachen Grundgedanken sollte man b ei den folgenden b eiden etwas umständlichen Definitionen vor Augen hab en, deren relative Kompliziertheit technische Gründe hat, auf die wir später noch kurz eingehen. Für die folgende Definitionen b ezeichnet Kat eine Menge von Kategorienindizes. Sie dienen zur Bezeichnung der syntaktischen Kategorien des Systems. Ferner setzen wir voraus, daß ein Paar 〈A,Φ〉 gegeb en ist, das aus einer Menge von Ausdrücken A und einer Menge von syntaktischen Operationen Φ b esteht, die auf A definiert sind. Im Unterschied zu Montagues Originaldefinition in UG läßt die folgende Definition die Frage offen, welche Elemente in A sind. Montague selb st verlangt, daß A die kleinste vom Lexikon erzeugte Menge ist. Dieser Sachverhalt ist nur umständlich auszudrücken und erschwert ein Verständnis der Definition. Wir erläutern, was damit gemeint ist, am Ende dieses Ab schnittes. Wer mit dieser restriktiveren Begriffsb ildung arb eiten möchte, kann die Erläuterungen als Zusatzb edingungen zur Definition auffassen.
III. Theorie der Satzsemantik
(20) Eine (auf Kat und 〈Α,Φ〉 basierende) DA-Syntax („desambiguierte Syntax“) besteht aus einem Lexikon (Xτ)τ ∈ Kat, einer Menge von Syntaxregeln S, einer Menge von syntaktischen Kategorien (Cτ)τ ∈ Kat und einem ausgezeichneten Kategorienindex τ0, wobei die folgenden Bedingungen gelten: a. Das Lexikon ist ein Mengensystem (Xτ)τ ∈ Kat. Jedes dieser Xτ ist eine Teilmenge von A und heißt (die zu τ gehörige) lexikalische Kategorie. Lexikalische Kategorien dürfen leer sein, sich aber nicht überschneiden. Sie enthalten die Grundausdrücke oder Lexeme. b. Jede Syntaxregel hat die Form 〈F, σ1,...,σn, τ〉, wobei F eine n-stellige syntaktische Operation aus Φ ist und σ1,...,σn, τ aus Kat sind. c. Das System (Cτ)τ ∈ Kat der syntaktischen Kategorien ist durch die folgenden beiden Bedingungen bestimmt: (i) Für jeden Kategorienindex τ ist Xτ eine Teilmenge von Cτ. (ii) Wenn 〈F, σ1,...,σn, τ〉 eine Syntaxregel ist und α1,...,αn Ausdrücke sind, die in den Kategorien Cσ1,...,Cσn respektive liegen, dann liegt der Ausdruck F(α1,...,αn) in der Kategorie Cτ. Die Elemente von Cτ heißen Ausdrücke der Kategorie τ, für jedes τ aus Kat. Die b eiden folgenden Bedingungen (d) und (e) b einhalten die eindeutige Zerlegb arkeit der Ausdrücke: d. Es ist verboten, daß eine Syntaxregel ein Resultat liefert, das in einer lexikalischen Kategorie liegt (Fundiertheit). e. Zusätzlich wird verlangt, daß es zu jedem Ausdruck eindeutige Vorgängerausdrücke gibt. Wenn also zwei Operationen zum selben Wert führen, dann müssen sie gleich sein: Falls F(α1,...,αm) = G(β1,...,βn), so F = G und 〈α1,...,αm〉 = 〈β1,...,βn〉 (folglich auch m = n, α1 = β1,...usw.). f. Der ausgezeichnete Kategorienindex τ0 kennzeichnet die Kategorie der Sätze des Systems. Zunächst ist zu b emerken, daß Montague in UG ein System dieser Art nicht desambiguierte Syntax sondern desambiguierte Spra-
7. Syntax und Semantik
che nennt. In gewisser Weise ist die Wahl der Terminologie willkürlich, da in dem System b eides steckt: sowohl die Syntaxregeln als auch die dadurch erzeugten Mengen von Ausdrücken. Der nächste Kommentar b etrifft die Forderung (d) nach der Fundiertheit der Syntax. Sie ist für natürliche Sprachen b einahe selb stverständlich, da sie b esagt, daß jede Konstruktion aus unzerlegb aren Grundausdrükken — eb en den Lexemen — mithilfe von Syntaxregeln aufgeb aut ist. Würde man auf die Fundiertheit verzichten, wäre die Eindeutigkeit des Aufb aus der Ausdrücke nicht sichergestellt: Ein Ausdruck α könnte dann sowohl zum Grundb estand des Lexikons gehören, als auch durch eine syntaktische Operation dort hinein gelangen, sagen wir, durch Anwendung der Operation F auf die Ausdrücke α1,...,αn. In diesem Fall hätte der genannte Ausdruck zwei Gestalten, nämlich a und F(α1,...,αn). Damit würde die Syntax den Ausdruck sowohl als unzerlegb ar wie als zerlegb ar klassifizieren. Diese Möglichkeit wird durch die Bedingung verhindert. Bedingung (e) b esagt, daß jeder Ausdruck auf nur eine Weise aus Teilausdrücken gewonnen werden kann. Die Fundiertheitsb edingung (d) und die Forderung nach Eindeutigkeit der Vorgängerausdrücke (e) garantieren, daß ein komplexer Ausdruck auf genau eine Weise mithilfe von Operationen aus Grundausdrücken gewonnen werden kann. Deshalb kann man diese Art von Syntaxen zu Recht desambiguiert nennen. Hier handelt es sich üb rigens um eine echte Einschränkung der Theorie, die nicht von allen denkb aren algeb raischen Systemen erfüllt wird. So läßt sich etwa — b ei Zugrundelegung der ganzen Zahlen — die Zahl 2 auf unendlich viele Weisen durch die Additionsoperation erreichen (0 + 2 = 2, — 1 + 3 = 2,...usw.). Die Eindeutigkeit des syntaktischen Aufb aus macht rekursive Definitionen üb er den Aufb au von Ausdrücken möglich. Die Definition der Interpretation wird von dieser strukturellen Eigenschaft wesentlichen Geb rauch machen. Die Eindeutigkeitsb edingung (e) ist allerdings unnötig stark formuliert. Von den konkreten Grammatikfragmenten für das Englische, die Montague ausgearb eitet hat, genügt nur das Fragment aus UG dieser Bedingung. Das b ekannteste Fragment — die englische Grammatik in PTQ — verstößt gegen (e), genügt ab er einem etwas lib eraleren
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Eindeutigkeitsb egriff. Wir kommen auf diesen Punkt zurück. In diesem Zusammenhang wollen wir auf die ob en angeschnittene Frage eingehen, wie man sich die Trägermenge A der Algeb ra 〈A,Φ〉 vorzustellen hat, auf welcher die DASyntax b asiert. Es handelt sich dab ei um alle Ausdrücke, die man mithilfe der unb eschränkten Operationen in Φ aus lexikalischen Ausdrücken b ilden kann. Die DA-Syntax wählt durch Beschränkung der Operationen aus diesem Vorrat aus, ist also eine Teilalgeb ra dieses Systems. Strukturell ändert sich dab ei nichts. Wenn F als einzige Operation zum Beispiel die zweistellige Verkettung ist und wir ein Vokab ular V vorgegeb en hab en, dann ist A das freie Monoid üb er V, die üb liche Situation, die wir b ei Ersetzungssystemen vorfinden, etwa in dem Beispiel, das wir gleich diskutieren. Im allgemeinen Fall sind die syntaktischen Operationen ab er komplizierter als die Verkettung. Man kann sich die Ausdrücke in A dann als Terme der Form F(α1,...,αn) repräsentiert vorstellen, wob ei F ein Name für eine syntaktische Operation ist, die auf die Argumentausdrücke α1,...,αn angewandt ist. So ein System ist in der Literatur als Termalgeb ra b ekannt. Diese Erläuterungen sollten auch verdeutlicht hab en, weshalb Montagues Begriffsb ildung so kompliziert anmutet: Syntaxregeln sind b eschränkte Operationen. Mengentheoretisch kann man die Beschränkungen ab er nur formulieren, indem man zunächst die gesamten Operationen angib t. Für das folgende wollen wir stets davon ausgehen, daß die Trägermenge in dieser Weise definiert ist. Wir nennen das System 〈A,Φ〉 im folgenden zuweilen auch syntaktische Algebra. Die Elemente von A heißen DAAusdrücke. Zur Veranschaulichung von Definition (20) wollen wir nun die folgende kleine kontextfreie Syntax in Montagues Formalismus üb ertragen. (22) a. S → NP VP b. VP → V NP c. NP → Art N d. N → Mann, Frau e. V → liebt f. Art → jeder, eine Als Kategorienindizes können wir die nichtterminalen Symb ole der kontextfreien Syntax wählen, d. h. wir setzen Kat als S, NP, VP, V, Art, N. Die lexikalischen Kategorien sind die folgenden:
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(23) XN = {Mann, Frau} XV = {liebt} XArt = {jeder, eine} Die einzige Operation, die wir für die Formulierung der Syntaxregeln b enötigen ist die zweistellige Verkettung, die auf die einschlägigen Kategorien b eschränkt werden muß. Sei für das folgende Fverkdiese Operation, d. h., Fverk(α,β) = αβ. Die Menge der Syntaxregeln — die wir diesmal mit R b ezeichnen, da S b ereits für das Satzsymb ol steht — läßt sich dann folgendermaßen formulieren: (24) r1 = 〈 Fverk, NP, VP, S 〉 r2 = 〈 Fverk, V, NP, VP 〉 r3 = 〈 Fverk, Art, N, NP 〉 Die desamb iguierte Syntax, welche dieselb en Strukturen, wie die kontextfreie Grammatik (22) erzeugt, ist also das (auf Kat und der Algeb ra 〈A,Fverk〉 b asierende System 〈(Xτ)τ ∈ Kat, R, S 〉, wob ei A die Menge aller Zeichenfolgen üb er dem Terminalvokab ular ist. Bereits die dieser Syntax zugrundeliegende kontextfreie Syntax (22) war keine Quelle von Mehrdeutigkeiten, und deshalb ist die soeb en konstruierte Montague-Syntax sicher desamb iguiert im Sinne von Definition (20). Wir erhalten ab er ein Prob lem, wenn wir die kontextfreie Syntax um die folgende Regel für oder-Koordinationen erweitern: (25) S → S oder S Diese Regel analysiert einen Satz der Form „α oder β oder γ“ auf zwei Weisen: (26) a. [S[S α oder β] oder γ] b. [S α oder [S β oder γ]] Diese strukturelle Mehrdeutigkeit b leib t erhalten, wenn wir die Regel nach der b isher skizzierten Methode in das Montague-Format übertragen: (27) 〈Foder, S, S, S〉, wobei Foder(α,β) = α oder β für beliebige Sätze α und β. Diese Regel ist identisch mit der in Ab schnitt 2.3 eingeführten Regel (6) — einer Quelle für syntaktische Amb iguitäten, wie wir wissen. In dieser Form ist die Regel in einer DA-Syntax deshalb nicht zulässig, und man muß also auf irgendeine Weise die Eindeutigkeit des Aufbaus erzwingen. Im Falle des vorliegenden Beispiels ist eine Lösung sehr einfach: Es genügt, daß man die durch die verschiedenen Anwendungen der Operation (25) induzierte „Klammerstruktur“ im Ausdruck selb st kodiert, mit anderen
III. Theorie der Satzsemantik
Worten, die Operation Foderist durch die Operation F*oderzu ersetzen, die zwei Sätzen α und β den „geklammerten“ Satz “,[S α oder β]“ zuordnet. Die revidierte Regel erzeugt nach wie vor die b eiden Strukturen (26 a) und (26 b ). Ab er jede dieser Strukturen ist auf eindeutige Weise aus Vorgängerstrukturen aufgeb aut: (26 a) ist aus [Sαoder β] und γ aufgeb aut, (26 b ) dagegen aus α und [Sβ oderγ]. Eindeutigkeit des Aufb aues ist also in jedem Fall gegeben. Dieses Verfahren ist ab er nicht allgemein genug: es versagt zum Beispiel für den mehrdeutigen Satz jeder Mann liebt eine Frau. Wir erinnern uns daran, daß dieser durch die Sub stitutionsregel Q (s. Ab schnitt 2.4) auf zwei wesentlich verschiedene „Vorgängerpaare“ zurückgeführt werden kann, nämlich auf 〈jeder Mann x, x liebt eine Frau〉 und 〈eine Frau y, jeder Mann liebt y〉 (vgl. die Ab leitungen (14)). Da es auf die spezielle Wahl der b etreffenden Variab len nicht ankommt — es muß sich nur um dieselb e Variab le handeln — erhält man sogar noch unendlich viele alphab etische Varianten für b eide Vorgängerpaare. Im Geiste von UG — wo die Regel Q allerdings nicht eingeführt wird, sie findet sich erst in PTQ — wäre es, die Desamb iguierung mithilfe von Variab len und geeignet indizierten Klammern zu leisten. Zum Beispiel könnte man die Ab leitung (14 a) eindeutig kodieren als (Q,x (Q,y jeder Mann x liebt eine Frau y)). An dieser Notation kann man festmachen, daß Q zuerst an der Stelle y und dann erst an der Stelle x angewandt worden ist (vgl. dazu die anhand von Beispiel (17) illustrierte Methode von Cooper & Parsons 1976). Eindeutigkeit des Aufb aus läßt sich durch die Einführung von geeigneten Hilfssymb olen immer erzwingen. Strukturierte Ausdrücke, wie die soeb en hergeleiteten, wird man ab er nicht als Sätze im üb lichen Sinne ansehen wollen, da die Klammern im allgemeinen keine phonetische Sub stanz hab en. Montague sieht deswegen eine Relation vor, die diese Klammern tilgt. Diese Idee steht hinter der folgenden Definition: (28) Eine OF-Syntax („Oberflächensyntax“) ist ein System 〈DA, R〉, wobei DA eine desambiguierte Syntax und R eine Relation ist, deren Vorbereich die Ausdrücke der desambiguierten Sprache ist. Montague nennt ein solches System in UG üb rigens nicht Syntax sondern Sprache (vgl. dazu die Ausführungen zu Beginn des Ab schnitts). Für unsere Beispiele wird man R als
7. Syntax und Semantik
Streichung der Hilfssym b ole (indizierte Klammern und Variab len) auffassen wollen, d. h. die Zeichenfolge α steht zur Zeichenfolge β in der Relation R, wenn β aus α durch Streichung aller in α vorkommenden Hilfssymbole entsteht. Man kann nun in naheliegender Weise die Begriffsb ildungen der desamb iguierten DASyntax auf die OF-Syntax üb ertragen. Insb esondere kann man den Begriff der syntaktischen Mehrdeutigkeit (vgl. Ab schnitt 2.4) präzisieren: (29) a. Die Ausdrücke der OF-Syntax sind die Elemente des Nachbereichs von R. b. Die Sätze der OF-Syntax sind die Elemente im Nachbreich von R, die durch R mit einem Satz der DA-Syntax verbunden sind. — Allgemein: Ein Element α aus dem Nachbereich von R ist ein Ausdruck der Kategorie τ der OF-Syntax, wenn α durch R auf einen Ausdruck der Kategorie τ der DA-Syntax zurückgeführt wird. c. Ein OF-Ausdruck ist syntaktisch mehrdeutig, wenn er über R mit mehr als einem DA-Ausdruck verbunden ist. Analog ist syntaktische Eindeutigkeit und n-fache syntaktische Mehrdeutigkeit zu definieren. d. Zwei OF-Ausdrücke sind syntaktisch homonym, wenn sie durch R auf denselben DA-Ausdruck zurückgeführt werden. Syntaktische Homonymie könnte zum Beispiel b ei elliptischen Konstruktionen vorliegen: R kann b estimmte Bestandteile eines Ausdrucks optional tilgen, wob ei allerdings R eine Relation sein muß, die mehr leistet, als nur Klammern zu streichen. Bei Montague gib t es keinerlei Beschränkungen für die Relation R, und es ist auch nur schwer zu sehen, wie solche in seinem algeb raischen Rahmen formuliert werden können. Die einfachste Modifikation des Montagueschen Ansatzes scheint die folgende zu sein: Es gib t eine Ob erflächensyntax, die wie eine DA-Syntax definiert ist, die ab er mehrdeutig sein darf. Die Relation R ist dann als ein Homomorphismus von der DA-Syntax auf die Ob erflächensyntax definiert. Es ist klar, daß man mit einem solchen Ansatz alle Hilfssymb ole b eseitigen kann: Die syntaktischen Operationen der Ob erflächensyntax sehen im einfachsten Fall genau so aus, wie die der DA-Syntax mit dem
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Unterschied, daß keine desamb iguierenden Hilfssymb ole eingeführt werden. Durch den Homomorphismus wird jede Operation, die Hilfssymb ole einführt, auf die entsprechende ohne Hilfssymb ole ab geb ildet. Das ist die algeb raische Simulation der Streichung. Eine restriktivere Formulierung der Relation R findet sich in Janssen (1983), auf die wir am Ende dieses Abschnitts eingehen. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich Montague selb st in seinen Englischfragmenten in PTQ und EFL nicht an die Eindeutigkeitsb edingung (20e) gehalten hat. Zum Beispiel werden in PTQ Koordinationsregeln des in Ab schnitt 2.4 exemplifizierten Typs verwendet: Man darf aus zwei NPs (VPs) α und β eine NP (b zw. VP) der Form „α oder β“ b ilden, ohne daß Klammern hinzugefügt würden. Wie wir wissen, führen diese Regel zu strukturellen Mehrdeutigkeiten. Außerdem wird in PTQ die mehrfach angesprochene Sub stitutionsregel Q b enutzt, die eine unendliche syntaktische Mehrdeutigkeit zur Folge hat. Man kann aus dem folgenden Grund auf eine b uchstab engerechte Erfüllung von Montagues Eindeutigkeitsforderung verzichten. Die Klammern kodieren ja lediglich die Ab leitungsgeschichte. Definiert man nun die Struktur eines Ausdrucks üb er die Ab leitungsgeschichte selb st — das in der generativen Grammatik seit Anb eginn üb liche Verfahren — hat man sämtliche Informationen zur Verfügung, die man b enötigt. Ein Ausdruck läßt sich möglicherweise auf zwei wesentlich verschiedene Weisen herleiten, ab er eine konkrete Ab leitung determiniert eindeutig eine Struktur. Wir hab en b ei unserem Kommentar zur Eindeutigkeitsforderung gesagt, daß ihr Sinn darin b esteht, rekursive Definitionen üb er den Aufb au der Ausdrücke zu ermöglichen. In einer mehrdeutigen Sprache sind solche Definitionen nicht ohne weiteres möglich, weil nun nicht mehr garantiert ist, daß die rekursive Definition auf eindeutig b estimmte Teilausdrücke eines Ausdrucks zurückgreifen kann. Durch eine kleine Komplikation erreicht man ab er dasselb e, wie Montagues Eindeutigkeitsforderung: Man läßt die Rekursion nicht mehr üb er die Ausdrücke sondern üb er deren Ab leitungen, d. h. die syntaktischen Strukturen der Ausdrücke, laufen. Wir gehen in Ab schnitt 3.3.1 kurz auf diesen Punkt ein. Die in der Praxis vorgeschlagenen Montague-Syntaxen sind also in aller Regel mehrdeutig, d. h. sie ignorieren die Bedingung (20e).
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Gemäß eines Vorschlags von Janssen(1983) kann man Montagues Analysen zur Formulierung der Desamb iguierungsrelation R benutzen. Man geht dazu von einer im allgemeinen mehrdeutigen Ob erflächensyntax G aus. Man konstruiert auf die b eschrieb ene Weise die desamb iguierte Syntax G*, deren Ob jekte gerade die Analysen sind (b ei Janssen Terme genannt). Die Relation R ist der Homomorphismus von G* nach G, der die Analysen „auswertet“, d. h. jede Analyse wird auf ihre „Endkette“ ab geb ildet. (Eine Ob erflächensyntax ist hier natürlich kein Ob jekt im Sinne von Definition (28), sondern im Sinne von Definition (20) ohne die Eindeutigkeitsb edingung.) Diese Definition der Relation ist restriktiver als die ob en skizzierte, weil man die Relation R in kanonischer Weise aus einer gegeb enen Ob erflächensyntax gewinnt. Gegenüb er Montagues UG liegt hier allerdings insofern eine kleine Akzentverschieb ung vor, als man nicht mehr von einer DA-Syntax ausgeht, sondern von einer potentiell mehrdeutigen Ob erflächensyntax. Die Janssensche Formulierung hat den Vorteil, im Einklang mit der etab lierten Praxis der Syntaktiker zu stehen, gemäß der eine Desamb iguierung durch eine unterschiedliche Anwendung von Syntaxregeln gleistet wird. 3.3 Semantik 3.3.1 Kompositionale Interpretation Eine Interpretation einer Sprache geht in zwei Schritten vor: Im ersten Schritt wird jedem Grundausdruck der Sprache eine Bedeutung zugeordnet, und im zweiten Schritt wird das Verfahren angegeb en, welches die Bedeutungen von zusammengesetzten Ausdrücken aus den Bedeutungen ihrer Teile und der Art ihrer syntaktischen Verb indung b erechnet, also das Kompositionalitätsprinzip (vgl. die Formulierung (3)). Wir wollen nun erläutern, wie dieses Prinzip algeb raisch ausb uchstab iert wird. Dazu b etrachten wir einen DA-Satz der Form [S α oder β]. Wir wissen, daß es genau eine syntaktische Operation gib t, die diesen Satz aus Teilausdrücken aufb aut, sagen wir, die im vorhergehenden Ab schnitt eingeführte Operation F*oder. Für unsere angenommene DASyntax gilt also: (30) F*oder, (α,β) = [S α oder β] Diese Operation führt den Satz [S α oder β] auf die Bestandteile α und β zurück, während die b eiden Klammern „[s“ und “]“, sowie das Wort oder nicht zu den „Vorgängerausdrük-
III. Theorie der Satzsemantik
ken“ gezählt werden. Diese Zeichen werden vielmehr durch die Regel eingeführt und gehören deswegen mit zum Aspekt „Art der syntaktischen Verb indung“, der als wesentlicher Parameter in das Fregeprinzip eingeht. Dieser Aspekt ist in der algeb raischen Rekonstruktion die syntaktische Operation selb st. Damit ist deutlich, daß die Bedeutung von [S α oder β] nicht nur von den Bedeutungen von α und β ab hängt, sondern auch von F*oder. In einem algeb raischen Ansatz kann man die letztgenannte Ab hängigkeit so formulieren, daß man F*oder durch eine „semantische Operation“ interpretiert, welche den Bedeutungen der Teilsätze die Bedeutung des zusammengesetzten Satzes zuordnet. Diese semantische Operation kann man als „Bedeutung der Syntaxregel F*oder“ auffassen. Syntaktische Regeln hab en also selb st auch Bedeutungen und zwar höherstufige: Sie drükken Funktionen von Bedeutungen in Bedeutungen aus. Man kann freilich einwenden, daß die Einführung von oder durch eine syntaktische Regel unnatürlich ist. Oder hat, intuitiv gesehen, sicher eine eigenständige Bedeutung. Suggestiver wäre wohl eine Regel, die aus zwei Sätzen a und β und einer Konjunktion γ einen Satz der Form [S α γ β] machen würde. An den allgemeinen Üb erlegungen würde sich dadurch ab er nichts ändern. Die fragliche Syntaxregel hätte eb enfalls eine Bedeutung, nämlich die Funktionapplikation der Bedeutung von γ auf die Bedeutung von α und β. Die ob ige Regel (30) folgt der Praxis der Logiker, die oder „synkategorematisch“, d. h. durch eine Syntaxregel einführen. Die Analyse ist insofern b edenkenswert, als sie zeigt, daß die Trennung zwischen Syntax und Lexikon keineswegs selb stverständlich ist. Der Montaguesche Begriff der syntaktischen Operation ist so allgemein, daß man im Prinzip mit einem leeren Lexikon auskommen und jedes Wort durch eine eigene Syntaxregel einführen kann. A priori ist gegen ein solches Vorgehen nichts einzuwenden. Man könnte das „intendierte Lexikon“ nämlich als die nullstelligen Operationen rekonstruieren, welche Konstanten einführen. Man hüte sich also davor, die theoretischen mit den vortheoretischen Begriffen zu vermengen. Diese Üb erlegungen stehen hinter der algeb raischen Formulierung (8) des Fregeprinzips, das der b esseren Üb ersicht halb er hier noch einmal wiederholt werde: (31) Zu jeder (n-stelligen) syntaktischen Operation F gibt es eine entsprechende (n-
7. Syntax und Semantik
stellige) semantische Operation G derart, daß die Bedeutung einer beliebigen DAStruktur F(α1,...,αn) gleich G(b1,...,bn) ist, wobei b1,...,bndie Bedeutungen von α1,...,αn respektive sind. Schreibt man b(α) für die Bedeutung des DAAusdrucks α, so läßt sich der wesentliche Teil von (31) durch die folgende einprägsamere Formel wiedergeben: (32) b(F(α1,...,αn)) = G(b(α1),...,b(αn)) (32) b esagt, daß die Bedeutungen der DAAusdrücke eine Algeb ra — die semantische Algebra — b ilden, die der syntaktischen Algeb ra ähnlich ist (d. h. sie hat eb ensoviele Operationen mit derselb en Zahl von Argumenten) und daß der Bedeutungsb egriff b ein Homomorphismus von der syntaktischen Algeb ra in die semantische Algeb ra ist, d. h., daß er (32) erfüllt. Diese Üb erlegungen motivieren den Interpretationsb egriff, der in UG definiert wird: (33) Eine Interpretation der syntaktischen Algebra 〈A,S〉 ist ein System 〈B,T,f〉, wobei 〈B,T〉 eine zu 〈A,S〉 ähnliche Algebra ist und f eine Funktion ist, die jedem Grundausdruck aus A einen Wert in B, d. h. eine Bedeutung, zuordnet. Durch die Interpretation ist der genannte Homomorphismus b ereits eindeutig b estimmt. Er ist das, was man die semantische Bewertung der Syntax (oder Sprache) 〈A,S〉 nennt, die explizit durch die folgende Rekursion definiert wird: (34) Seien 〈A,S〉 und 〈B,T,f〉 wie beschrieben. Die Bewertung b, die jedem Ausdruck aus A eine Bedeutung in B zuordnet, ist durch die folgenden beiden Bedingungen definiert: a. Wenn a ein Grundausdruck ist, dann ist b(α) = f(α). b. Wenn α ein zusammengesetzter Ausdruck ist, der mithilfe der syntaktischen Operation F aus den Ausdrükken α1,...,αn gewonnen ist, dann ist b(α) = G(b(α1),...,b(αn)), wobei G die F entsprechende semantische Operation ist. Genau genommen muß man terminologisch zwischen der Bedeutungszuweisung f, der Interpretatio n 〈B,T,f〉 und der Bewertung b unterscheiden. Wir b enutzen im folgenden die Bezeichnung Interpretatio n als Mädchen für alles. Ferner muß man letztlich auch formu-
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lieren, daß zwischen den b eiden Operationsmengen S und T eine 1—1-Beziehung b esteht, die Operationen derselb en Stelligkeit verb indet. Das ist hier stillschweigend vorausgesetzt. Es sollte klar sein, daß (34) das üb liche Schema einer rekursiven Bedeutungsdefinition ist. Zum Beispiel ist auch die in dem Artikel 8, „Syntax and Semantics of Categorial Languages“, angegeb ene Interpretation für λ-kategoriale Sprachen ganz offensichtlich nach diesem Muster gebaut. Ein Homomorphismus läßt sich intuitiv als strukturerhaltende A bb ildung charakterisieren. Allerdings werden nicht alle Aspekte der Eingangsstruktur b ewahrt. Den strukturerhaltenden Effekt der semantischen Bewertung können wir uns veranschaulichen, indem wir DA-Ausdrücke durch Montague-Bäume darstellen.
Wir setzen voraus, daß F0 und F1 die syntaktischen Operationen sind, die diese Struktur aufb auen. Aus der Tatsache, daß die Bewertungsfunktion b ein Homomorphismus ist, folgt, daß die Bedeutung von (35) analog zu dieser Struktur aufgeb aut ist, daß sie also die Form (36) G0(b(Orangen),G1(b(sind),b (Apfelsinen))) hat, wob ei G0 und G1 die semantischen Operationen sind, welche den syntaktischen Operationen F1 b zw. F2 entsprechen. Nun ist zunächst zu b emerken, daß (36) streng genommen üb erhaupt keine Struktur hat, sondern ein Element der Menge B der semantischen Algeb ra ist. Eb enso ist der syntaktische Baum (35) kein Ausdruck der Syntax: nur die Ausdrücke an den Knoten gehören zur Ausdrucksmenge. Wegen der Eindeutigkeit der Syntax b esteht ab er ein 1—1-Beziehung zwischen Ausdrücken und ihren syntaktischen Bäumen. Wir müssen hier also nicht unterscheiden. Man kann in Analogie zu den syntaktischen Bäumen semantische Bäume einführen und (36) zu dem folgenden semantischen Baum umschreiben:
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III. Theorie der Satzsemantik
Beispiels klarmachen: (38) [S [NPApfelsinen] [VPsind [NPOrangen]]]]
In (37) hab en alle nicht-terminalen Knoten k die Form 〈b(α), Gi〉 und können gelesen werden als „b(α) ist das Resultat der Anwendung von Giauf (die linken Teile) der Etikette der Knoten, die k unmittelb ar dominiert“. Unter dieser Interpretation drückt (37) offensichtlich die Bedeutung der DA-Struktur (35) aus. Die augenfällige Parallelität zwischen dem syntaktischen Baum (35) und dem semantischen Baum (37) ist ganz im Geist des in Ab schnitt 2.3 wiedergegeb enen Fregezitates: (37) kann als Rekonstruktion der Rede vom Aufb au des Gedankens aus Gedankenteilen angesehen werden. Semantische Bäume dieser Art sind erstmals in Carnap (1947) unter dem Begriff der intensionalen I somorphie eingeführt worden. Sie sind in der Literatur wiederholt aufgenommen worden — immer, um als Gegenstände propositionaler Einstellungen zu dienen (vgl. dazu Artikel 34) — zum Beispiel in Lewis (1970) als meanings und in Cresswell (1985 b) als strukturierte Bedeutungen. Es sieht zunächst so aus, als würde der Homomorphismus von der syntaktischen in die semantische Algeb ra die syntaktische Struktur vollkommen in die semantische Struktur projizieren. Der Schein trügt jedoch. Wir hab en b ereits gesagt, daß die Bedeutungsalgeb ra im allgemeinen üb erhaupt nicht in derselb en Weise strukturiert ist wie die Syntaxalgeb ra: wenn zum Beispiel (36) eine Proposition ist, sagen wir die Menge aller möglichen Welten, dann kann (36) auf recht verschiedene Arten gewonnen sein. Wenn wir voraussetzen, daß Orangen und Apfelsinen synonym sind, d. h. daß b(Orangen) = b(Apfelsinen) ist, dann kann (36) auch als G0(b(Apfelsinen), G1(b(sind),b(Orangen))) b estimmt werden. Aus dieser Üb erlegung folgt, daß semantische Algeb ren im allgemeinen wesentlich weniger Struktur hab en als ihre syntaktischen Alge b ren. Sel b stverständlich hab en semantische Bäume mehr Struktur als unstrukturierte Bedeutungen. Ab er auch hier geht im allgemeinen Struktur durch die Ab b ildung der Syntax in die Semantik verloren. Wir können uns das anhand des folgenden
Die zugehörige DA-Struktur ist verschieden von (35), denn die NPs Apfelsinen und Orangen hab en die grammatischen Funktionen getauscht. Der zu (38) gehörende semantische Baum ist ab er identisch mit (37), denn wir hab en vorausgesetzt, daß b(Orangen) = b(Apfelsinen). Damit ist ein Unterschied, der in der Syntax noch vorhanden war, durch die Abbildung eingeebnet worden. Daß b ei Ab b ildungen prinzipiell Information verloren gehen kann, ist nicht weiter verwunderlich. Der Informationsverlust läßt sich unter der Voraussetzung, daß es Synonyme gib t, prinzipiell nicht vermeiden. Diese Üb erlegung ist insofern wichtig, als sie der Fregeschen Analogie zwischen der Gliederung des Gedankens und der Gliederung des ihn ausdrückenden Satzes Grenzen setzt: Selb st, wenn der Gedanke gegliedert sein sollte, dann ist er im allgemeinen doch weniger gegliedert als sein Ausdruck. Zum Schluß dieses Ab schnittes wollen wir auf einen Punkt eingehen, der im vorhergehenden Ab schnitt angesprochen worden ist, die Forderung nach der Eindeutigkeit des syntaktischen Aufb aues. Diese Bedingung ist für die rekursive Definition der Bedeutungsfunktion wesentlich: Wenn sich von einem Ausdruck nicht eindeutig auf seine „Vorgänger“ schließen läßt, kann die Rekursion nicht auf diese zurückgreifen. Eb en dieser Rückgriff ist ab er in der Definition (34) vorausgesetzt. Wir hab en gesagt, daß MontagueGrammatiken in der Praxis dennoch nicht desamb iguiert sind. Es ist nun ohne weiteres nachzuvollziehen, warum dies möglich ist. Die Idee ist, daß man nicht die Ausdrücke der mehrdeutigen Sprache analysiert, sondern deren Bäume. Auch wenn ein Ausdruck auf verschiedene Weise erzeugt werden kann, so ist doch sein Analyseb aum eindeutig, denn dieser Baum b eschreib t ja gerade, auf welche Weise der Ausdruck gebildet worden ist. Die rekursive Definition der Bewertungsfunktion b für syntaktische Bäume — in EFL Analysen genannt — geschieht ganz analog zu Definition (34): Falls ein Ausdruck a das Etikett eines Endknoten ist, ist b(α) = f(α). Falls wir dagegen einen Knoten mit dem Etikett 〈α,F〉 vorliegen hab en, der n Knoten mit den Etiketten 〈β1,F1〉,...,〈βn,Fn〉 unmittelb ar dominiert, dann ist b(α) gleich G(b(β1), ..., b(βn)), wob ei G die semantische Operation ist, die F entspricht. Es hat sich also nichts geändert. Der Analyseb aum dient lediglich
7. Syntax und Semantik
dazu, die Teilausdrücke eindeutig zu identifizieren. Diese Üb erlegung zeigt, daß es zwar für die algeb raische Theorie, nicht ab er für die Praxis erheb lich ist, ob Montague-Sprachen desamb iguiert sind oder nicht. Montague selb st war sich üb er den angesprochenen Sachverhalt völlig im klaren, wie seine Ab schlußb emerkung zum Syntaxfragment in (PTQ: 255) zeigt: „Thus our fragment admits genuinely (that ist, semantically) amb iguous sentences. If it were desired to construct a corresponding unamb iguous language, it would b e convenient to take the analysis trees themselves as the expressions of that language.“
3.3.2 Semantische Kategorien Der allgemeine Interpretationsb egriff (35) sagt nichts darüb er aus, was Bedeutungen sind. Das einzige, was verlangt wird, ist, daß der Bedeutungsb ereich zusammen mit den semantischen Operationen eine zur Syntaxalgeb ra ähnliche Algeb ra b ildet. In der Praxis der sogenannten Mögliche-Welten-Semantik, die in irgendeiner Form den meisten Beiträgen des Handb uchs zugrundeliegt, wird ab er mit ganz speziellen Bedeutungen gearb eitet, die im ersten Ab schnitt dieses Artikels vorausgesetzt, nunmehr ab er explizit eingeführt werden. Es handelt sich um Extensionen und I ntensionen und den darauf aufb auenden Charakteren. Montagues semantische Kategorien sind typentheoretisch aufgeb aut, eine Praxis, die heute in den meisten Arb eiten zur Semantik üb lich ist. Wir stellen im folgenden das semantische System von UG vor. Alternative Bedeutungssysteme liegen in Montagues EFL, Lewis (1970) und Cresswell (1973) vor (vgl. auch Artikel 8). Montagues System setzt eine spezielle Menge Typ von Typen voraus. Die Typen sind das semantische Pendant der Kategorienindizes. Wir erinnern daran, daß die Kategorienindizes dazu dienen, die syntaktischen Kategorien einer Sprache zu indizieren (vgl. Definition (20)). Im folgenden geht es um die Indizierung der semantischen Kategorien, das sind Mengen von Bedeutungen. Die Menge Typ wird folgendermaßen definiert. (39) a. e und t gehören zur Menge Typ. b. Wenn σ und τ zu Typ gehören, dann auch 〈σ,τ〉. c. Wenn τ zur Menge Typ gehört, dann auch 〈s,τ〉. Im sogenannten Denotatensystem, das gleich eingeführt wird, indiziert e die Kategorie der (möglichen) I ndividuen, t die Kategorie der
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Wahrheitswerte, 〈σ,τ〉 den Typ der Funktionen von Dingen des Typs σ in Dinge des Typs T und 〈s,τ〉 die Kategorie der Funktionen von Welten in Dinge des Typs T, die sogenannten I ntensionen. Die folgende Definition drückt dies präzise aus: (40) Sei E die Menge der möglichen Individuen, W die Menge der möglichen Welten. Dann gilt: a. De,E,W ist E. b. Dτ,E,W ist {0,1}, wobei 0 für das Falsche und 1 für das Wahre steht. c. D〈σ,τ〉 ist die Menge der Funktionen aus der Menge Dσ,E,W in die Menge Dτ,E,W. d. D〈s,τ〉,E,W ist die Menge der Funktionen von W in Dτ,E,W. Kategorien dieser Art heißen b ei Montague Denotatsbereiche, ihre Elemente folglich Denotate. Einige der wichtigsten Arten von Denotaten sind die folgenden: Die Denotate vom Typ 〈σ,τ〉 sind Mengen von Denotaten des Typs σ, b eziehungsweise die charakteristischen Funktionen dieser Mengen. Sie heißen Extensionen. So ist b eispielsweise ein f aus 〈e,t〉 die Extension eines einstelligen Prädikats von Individuen. f trifft auf ein Individuum a zu, falls f(a) = 1. Zu jeder Extension gib t es eine I ntension. Zum Beispiel ist die Intension eines einstelligen Prädikats ein Denotat g vom Typ 〈s,〈σ,τ〉〉. g trifft auf ein Denotat des Typs a in einer Welt w zu, falls g(w)(a) = 1. Die Begriffsb ildungen erlaub en es, mehrstellige Relationen (Relationen in extenso) und deren Intensionen (Relationen in intenso) zu rekonstruieren: Eine n-stellige Relation von Denotaten der Typen σ1, ... ,σn hat den Typ 〈σn,〈σn—1, 〈.... 〈σ1,t〉 ... 〉〉〉. Die korrespondierende Intension hat den Typ 〈s,〈σn,〈σn—1, 〈.... 〈σ1, t〉 ...〉〉〉〉. Es ist üb lich, Relationen in intenso Eigenschaften zu nennen. Eine Eigenschaft ist also stets eine Funktion von Welten in Relationen in extenso. Nullstellige Eigenschaften, d. h. Denotate vom Typ 〈s,t〉, heißen Propositionen. Eine Proposition p ist wahr in der Welt w, wenn p(w) gleich 1 ist. Die Folgerungsbeziehung zwischen Propositionen läßt sich in diesem Ansatz als Teilmengenb eziehung rekonstruieren: Aus der Proposition p fo lgt die Proposition q, wenn für jede Welt w, in der p(w) gleich 1 ist, auch gilt, daß q(w) gleich 1 ist. An dieser Stelle sei auf eine Eigenart des Montagueschen Denotatensystems hingewie-
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sen: Es gib t keine Kategorie Ds, welche die möglichen Welten als Elemente enthält. Dafür gib t keine logischen Gründe. Man müßte s lediglich als weiteren Grundtyp zulassen und Dsentsprechend definieren. Der empirische Grund, weshalb Montague sein System nicht in dieser naheliegenden Weise aufb aut, ist vermutlich der, daß in der natürlichen Sprache nicht explizit üb er Welten geredet oder quantifiziert wird. Zum Beispiel hab en Verb en eb ensowenig ein offenes „Weltargument“ wie sie ein offenes „Zeitargument“ hab en. In der formalen Sprache der I ntensionalen Logik, die in Montagues UG und PTQ zur Bezeichnung der Denotate von Ausdrücken der natürlichen Sprache b enutzt wird, ist der Weltparameter nur implizit vorhanden und dient lediglich dazu, den Begriff der Intension zu rekonstruieren. Die Bedeutungen natürlichsprachlicher Ausdrücke können nicht schlechthin als Denotate der angegeb enen Art rekonstruiert werden, da indexikalische Ausdrücke in verschiedenen Kontexten verschiedene Denotate hab en. Zum Beispiel b ezeichnet das Personalpronomen ich in verschiedenen Äußerungssituationen im allgemeinen verschiedene Personen, nämlich die jeweiligen Äußerer dieses Wortes. Trotzdem wird man sagen, daß die sprachliche Bedeutung von ich in allen diesen Kontexten dieselb e ist. Sprachliche Bedeutungen in diesen Sinne werden b ei Montague als Funktionen von Kontexten in Denotate rekonstruiert und Bedeutungen (meanings) genannt. Um terminologische Verwechslungen mit dem umgangsprachlichen Begriff Bedeutung auszuschließen, wollen wir Kaplans (1977) terminus technicus Charakter üb ernehmen. Die folgenden Ausführungen lehnen sich terminologisch eb enfalls an Kaplan an, sind ab er in den allgemeinen Rahmen von Montagues UG eingebettet. Kaplan b enutzt Kontext als Grundb egriff. Man kann sich darunter einen zeitlich und örtlich fixierten Weltausschnitt vorstellen, also eine Situation. Unter den Kontexten interessieren für die Interpretation einer natürlichen Sprache die Äußerungskontexte. Die Menge aller Äußerungskontexte nennen wir K. Der Begriff des Charakters ist nun folgendermaßen definiert: (41) Sei E eine Menge von Individuen, W eine Menge von möglichen Welten, K eine Menge von Äußerungskontexten. Wir definieren für jeden Typ σ die Kategorie der Charaktere vom Typ σ — notiert als Mσ,E,W,K — als die Menge der Funktionen von K in Dσ,E,W.
III. Theorie der Satzsemantik
Die Kategorien der Charaktere sind die semantischen Kategorien, die den syntaktischen Kategorien entsprechen. Die Charaktere sind also die eigentlichen Bedeutungen. Die Denotate sind Hilfsb egriffe, die zur Definition der Charaktere dienen. Der in Ab schnitt 2.2 diskutierte Parallelismus von syntaktischen und semantischen Kategorien wird durch eine Einschränkung erzwungen, die wir im nächsten Ab schnitt als „Fregesche Interpretation“ kennenlernen werden. Wir wollen uns den Begriff des Charakters anhand eines einfachen Beispiels veranschaulichen: (42) Ich bin durstig Der Charakter dieses Satzes ist diejenige Funktion χ1 aus M〈s,t〉E,W,K, die einem Kontext k aus K die Menge der Welten w aus W zuordnet, so daß die Person, welche (42) am Kontext k äußert, in w zur Zeit der Äußerung durstig ist. Der Charakter von ich ist die Funktion χ2 aus Me,E,W,K, die jedem Kontext k die Person in De,E,W,Kzuordnet, die ich in k äußert. Der Charakter von bin durstig ist diejenige Funktion χ3 aus M〈s,〈e,t〉〉,E,W,K, die einem Kontext k diejenige Eigenschaft P aus D〈s,〈e,t〉〉 zuordnet, die jeder Welt w die Individuen zuordnet, die in w durstig sind. Satz (42) ist aus ich und bin durstig mittels einer syntaktischen Operation F aufgebaut. In einer kompositionalen Semantik muß es also eine korrespondierende semantische Operation G geb en, welche dem Paar (χ2, χ3) den Charakter χ1 zuordnet. G kann zum Beispiel als diejenige Operation definiert werden, die einem beliebigen ϕ aus Me,E,W,K und einem b elieb igen χ aus M〈s,〈e,t〉〉 denjenigen Charakter ψ aus M〈s,t〉,E,W,K zuordnet, der einem b elieb igen Kontext k diejenige Proposition p aus D〈s,t〉,E,W,K zuordnet, so daß für ein b elieb iges w aus W gilt: p(w) = 1 genau dann, wenn ϕ(k) zur Menge χ(k)(w) gehört. Der Charakter von ich bin durstig ist also eine Funktion, die von zwei Argumenten ab hängt. In Ab hängigkeit vom ersten Argument — dem Kontext — erhält man die durch den Satz an diesem Kontext ausgedrückte Proposition. Kaplan nennt den Wert des Charakters für das erste Argument Inhalt. Wählt man als zweites Argument die Welt, in welcher der b etreffende Kontext situiert ist, und wendet die soeb en b estimmte Proposition darauf an, so erhält man einen Wahrheitswert, die Referenz des Satzes. Ein aus einem Kontext und
7. Syntax und Semantik
einer Welt b estehendes Paar 〈k,w〉 legt also die Referenz eines Satzes eindeutig fest und heißt deswegen in Montagues UG Referenzpunkt. Inhalt und Referenz müssen üb rigens nicht immer auseinander fallen. So kann man b ei Charakteren vom Typ e — die Bedeutung von ich war ein Beispiel dafür — prinzipiell nicht zwischen Inhalt und Referenz unterscheiden. Ausdrücke dieses Charakters heißen direkt referentiell. Man kann das formale Auseinanderfallen zwischen Inhalt und Referenz dadurch erzwingen, daß man für Inhalte grundsätzlich Intensionen — eventuell starre — ansetzt, eine weithin üb liche Praxis. Wir gehen in Ab schnitt 3.4.2.3 auf den Begriff des Charakters ausführlicher ein. 3.4 Beschränkungen 3.4.1 Syntaktische Beschränkungen Die Syntaxtheorie Montagues ist keine empirische Theorie, sondern ein möglichst allgemeiner Rahmen, dessen Beschränkungen an Ausdruckskraft sich allenfalls aus der mathematischen Natur der verwendeten Begriffe ergeb en. Montague-Syntaxen sind von kaum vorstellb arer generativer Kraft. Man kann leicht zeigen, daß sich jede aufzählb are Sprache durch eine Montague-Syntax darstellen läßt. Damit ist es ab er nicht genug: Montague formuliert keine Einschränkungen für die Anzahl oder die Stelligkeit der b enutzten Operationen. Man kann damit Sprachen von transfiniter Kardinalität und mit Ausdrücken von transfiniter Länge analysieren, ein Vorhaben, das ohne linguistisches Interesse ist. Somit stellt sich die Frage, ob der allgemeine Rahmen geeignet ist, um empirisch motivierte Einschränkungen zu formulieren. Zunächst ist an Einschränkungen zu denken, die sich aus dem Formalismus selb st ergeb en. Als Analogie b ietet sich diejenige Beschränkung für un b eschränkte Ersetzungsgrammatiken an, die zum Begriff der kontextfreien Sprachen geführt hat („Nur ein Nonterminal links vom Pfeil“). Der Begriff der syntaktischen Operation ist ab er so allgemein, daß diese Analogie versagt. Es sind alle denkb aren Zeichenmanipulationen zugelassen, so daß „inhärente“ Beschränkungen nicht auf der Hand liegen. Die Beschränkungen müssen also dieser Theorie offenb ar „von außen“ auferlegt werden. Beispielsweise könnte man als syntaktische Operationen Verkettungen und Permutationen zulassen, Sub stitutionen von der durch Regel Q aus Ab schnitt 2.4 exemplifizierten Art dagegen verb ieten. Eine solche
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Einschränkung müßte ab er empirisch motiviert werden, ein Unterfangen, daß direkt in das Forschungsprogramm der generativen Grammatik führt. Partee (1976) hat versucht, die zulässigen Ab leitungen in einer Montague-Grammatik durch eine Natürlichkeitsbedingung zu b eschränken, die b esagt, daß als Zwischenschritte einer Ab leitung nur im intuitiven Sinne wohlgeformte Ausdrücke erzeugt werden dürfen. Eine solche Bedingung verb ietet zum Beispiel die Herleitung der „Ob erflächenstruktur“ (43b ) aus der Tiefenstruktur (43a), da (43a) kein wohlgeformter Ausdruck des Englischen ist: (43) a. e was arrested John b. Johni was arrested ei Wenn man, wie viele generative Grammatiker, der Ansicht ist, daß es Argumente dafür gib t, eine Repräsentation wie (43a) auf einer grammatischen Eb ene als real anzusehen, dann wird man die Natürlichkeitsb edingung als zu restriktiv ablehnen müssen. Als Ergeb nis dieses Ab schnittes halten wir fest, daß die Syntaxtheorie Montagues in keiner Weise auf irgendwelche Beschränkungen hin angelegt ist. Wir wenden uns deshalb der interessanteren Frage zu, ob die Montaguesche Semantikkonzeption Beschränkungen nahelegt, die durch die Empirie gerechtfertigt sein könnten. 3.4.2 Semantische Beschränkungen 3.4.2.1 Kompositionalität Auf den ersten Blick scheint die strikt lokale Kompositionalitätsanforderung, die in in der Bedingung (34b ) enthalten ist, eine gravierende Einschränkung zu sein. Tatsächlich verstoßen die Montague-Semantiker in der Praxis gegen diese Bedingung, zum Beispiel, wenn es um die Deutung von geb undenen Variab len geht. Darauf wurde b ereits in Ab schnitt 2.3 hingewiesen. Wir b etrachten erneut Satz (4), der hier als (44) wiederholt wird, wob ei wir die Variab lenb indung in der Syntax symb olisiert hab en (vgl. die Ab schnitte 2.4 und 3.2). (44) a. [S [NP Jeder junge Politiker]x [VP glaubt, daß erx die Weltprobleme lösen kann]] b. (∀x)Px (44a) hat im wesentlichen die Form des prädikatenlogischen Ausdrucks (44b ). Um die Diskussion zu vereinfachen, diskutieren wir nur den letzteren. Hier tritt die Kompositio-
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nalitätsprob lematik b ereits in voller Schärfe auf. Wenn es uns nicht gelingt, diesen Ausdruck gemäß dem Montagueschen Kompositionalitätsprinzip (34) zu interpretieren, gelingt dies erst recht nicht für den komplizierteren natürlichsprachlichen Satz (44). Die syntaktische Regel F, nach der (∀x)Px aufgeb aut ist, b esagt, daß er aus den b eiden Teilausdrücken (∀x) und Px geb ildet ist. Eine kompositionelle Interpretation gemäß Definition (34) müßte die Bedeutung von (∀x)Px aus der Bedeutung von (∀x) und der von Px b erechnen. Es ist b ereits gesagt worden, daß die Schwierigkeit für eine solche Interpretation darin liegt, daß die Bedeutung von (∀x)Px nicht alleine von dem Wert ab hängt, den Px unter einer b estimmten Belegung hat, sondern von jedem Wert, den Px für irgendeine Belegung annehmen kann. Hier scheint Montagues Kompositionalitätsprinzip zu versagen. Man kann ab er auch für diese Fälle lokale Kompositionalität erzwingen, indem man eine Technik anwendet, die auf Tarski (1952) zurückgeht. Die Grundidee ist diese: Man nimmt als Bedeutungen der prädikatenlogischen Zeichen nicht deren üb liche Denotate (Wahrheitswerte für Sätze, Mengen und Relationen für Prädikate, und Individuen für Variab len und Konstanten), sondern vielmehr Funktionen von Belegungen in die üb lichen Denotate. Sie werden in EFLDenotatsfunktio nen genannt. Zum Beispiel ist die Bedeutung b(x) einer Variab len x diejenige Denotatsfunktion, die einer b elieb igen Belegung h den Wert h(x) zuordnet. b(Px) ist diejenige Denotatsfunktion, die einer Belegung h das Wahre zuordnet, wenn h(x) in b(P)(h) — einer von h unab hängigen Menge von Individuen — ist. b(∀x)(h) schließlich ist diejenige Funktion, die auf einen Satzwert d - eb enfalls eine Denotatsfunktion — angewandt das Wahre ergib t, wenn für jedes Individuum a gilt, daß d(hx/a) das Wahre ist. Dab ei ist hx/a wie h definiert mit der eventuellen Ausnahme, daß x auf a ab geb ildet wird. b(∀x)(h) angewandt auf b(Px) ist also genau dann das Wahre, wenn für jedes a gilt, daß b(Px)(hx/a) das Wahre ist. Dies ist die üb liche Wahrheitsb edingung. Die semantische Operation G, welche der syntaktischen Operation F entspricht, ist die Funktionalapplikation. Damit können wir die Bedeutung von (∀x)Px völlig im Einklang mit dem Kompositionalitätsprinzip (35) definieren als b((∀x)Px) = G(b((∀x)),b(Px)), und das Gegenb eispiel ist aus der Welt ge-
III. Theorie der Satzsemantik
schafft. Auf diese Weise kann man auch eine kompositionale Semantik für die λ-Ab straktion erreichen (vgl. für die Einzelheiten UG, Abschnitt 6). Das zunächst als recht einschneidende Bedingung anmutende Kompositionalitätsprinzip erweist sich b ei näherem Hinsehen also als keine echte Beschränkung des Systems — vorausgesetzt, man verkompliziert die Ontologie in der b eschrieb enen Weise. Man kann allerdings einwenden, daß diese Lösung zwar nicht gegen den Buchstab en, wohl ab er gegen den Geist des Kompositionalitätsprinzips verstößt. Man steckt den nichtkompositionalen Teil der Semantik in die Ontologie. Die Metasprache zeigt deutlich, daß auch hier „sub stitutionell“ gearb eitet wird, da man modifizierte Denotatsfunktionen b enutzt. In gewisser Weise verschleiert diese Formulierung also, daß die Semantik der Variab lenb indung nicht kompositional zu b ehandeln ist. Dies ist vermutlich der tiefere Grund, weshalb die meisten Semantiker die Variab lenb indung nicht auf die b eschrieb ene Weise interpretieren. Montague selb st hat in seiner für die Linguistik einflußreichsten Schrift PTQ geb undene Variab len als strukturelle Symb ole b ehandelt, die in Ab hängigkeit von einem Zusatzparameter — der Belegung — interpretiert werden. Als Fazit dieser Diskussion halten wir fest, daß dem Kompositionalitätsprinzip durch eine Bereicherung der Ontologie zwar immer Genüge getan werden kann, daß es ab er — falls man eine plausib le Ontologie quasi empirisch vorgib t — zu restriktiv ist. Bei dieser Interpretation ist man also zu dem Schluß genötigt, daß diese zentrale Restriktion des Systems empirisch prob lematisch, wenn nicht gar inadäquat ist. 3.4.2.2 Fregesche Interpretation Die zweite einschneidende Beschränkung, die Montague in UG für den Interpretationsb egriff formuliert hat, ist unter dem Namen FregescheInterpretation b ekannt. Sie b einhaltet zwei von einander unab hängige Restriktionen: 1. Die systematische Mehrdeutigkeit von Sätzen: Uneingeb ettete Sätze denotieren an einem Kontext einen Wahrheitswert (Freges gerade Bedeutung), eingeb ettete Sätze denotieren an einem Kontext dagegen eine Proposition (Freges ungerade Bedeutung). Diese Restriktion wird durch die gleich anzugeb ende Definition für die Typenzuweisung impliziert (siehe (45)). Sie ist eine reine Frege-
7. Syntax und Semantik
exegese und ergib t sich keineswegs zwingend aus der allgemeinen Theorie. 2. Die Forderung nach Parallelität von syntaktischen und semantischen Kategorien, die wir in Ab schnitt 2.2 b ereits kennengelernt hab en. Sie ist durch Definition (46) gewährleistet. Beide Restriktionen sind durch die Praxis der Semantiker in Frage gestellt worden. Montague selb st hat in EFL ein Fragment des Englischen vorgelegt, dessen Sätze — seien sie eingeb ettet oder nicht — einheitlich durch Charaktere interpretiert werden, die Kontexte in Propositionen ab b ilden. Ähnlich sind z. B. Cresswell (1973), Kaplan (1977), Kratzer (1978) und viele andere vorgegangen. Einwände gegen die Parallelismusforderung sind in Ab schnitt 2.2 diskutiert worden und werden am Ende dieses Ab schnitts unter dem Stichwort typengesteuerte Interpretatio n noch einmal aufgenommen. Für die folgenden Definitionen setzen wir eine DA-Syntax 〈(Xτ)τ ∈Kat, S, τ0〉 und ein System von Charakteren der ob en b eschriebenen Art voraus. (45) Eine Fregesche Typenzuweisung für diese Syntax ist eine Funktion h von Kat in die Menge Typ mit der Einschränkung, daß h(τ0) = t ist. Eine Typenzuweisung indiziert also alle syntaktischen Kategorien mit Typen. Das Attrib ut „Fregesch“ b ezieht sich auf die Einschränkung, daß die Kategorie der Sätze — das sind die DA-Ausdrücke der Kategorie τ0 — mit dem Typ t indiziert werden. Die folgende Definition legt den Parallelismus von syntaktischen und semantischen Kategorien fest. (46) Eine (durch die Typenzuweisung h vermittelte) Fregesche Interpretation für unsere Syntax ist eine Interpretation (B,T,f), die den folgenden Bedingungen genügt: a. B enthält für jeden Grundausdruck a der Syntax einen Charakter des entsprechenden Typs, d. h. falls α zur Kategorie τ gehört, ist seine Bedeutung f(α) vom Typ h(τ). b. Die semantischen Operationen müssen ebenfalls die Typenzuweisung respektieren. Mit anderen Worten: Die semantische Operation G, welche der Syntaxregel 〈F,σ1....,σn,τ〉 entspricht, ist eine Operation, die Bedeutungen der Typen h(σt),...,h(σn) eine Bedeutung vom Typ h(τ) zuordnet. c. B ist unter den semantischen Operationen, d. h. den Elementen von T, abgeschlossen.
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Wir wollen uns diese Definition anhand der Interpretation einer Satzkonstante der b ereits erwähnten Sprache der intensionalen Logik verdeutlichen. In dieser Sprache sind die Kategorienindizes identisch mit den Typen. Die Typenzuweisung b ildet jeden Typ auf sich selb st ab . Insb esondere ist h(t) = t. Wir unterscheiden deshalb nicht zwischen Kategorienindizes und Typen. Wir nehmen nun an, der Ausdruck (47) pluit’ sei eine Konstante dieser Sprache vom Typ t, also ein Satz von Montagues b erühmter intensionalen Sprache I L, deren Einzelheiten uns hier nicht weiter interessieren. Aus dem Begriff der Fregeschen Interpretation folgt, daß die Interpretationsfunktion f diesem Satz einen Charakter in Mt zuordnet, also eine Funktion aus der Menge der Kontexte in die Menge Dt, welche die b eiden Wahrheitswerte enthält. (Die Relativierung auf die Mengen W,E und K ist hier als selb stverständlich vorausgesetzt.) Wenn wir (47) wie den deutschen Satz es regnet deuten, dann wird f(47) der Charakter sein, der einem Kontext das Wahre genau dann zuordnet, wenn es in der Welt dieses Kontextes zur Zeit des Kontextes am Ort des Kontextes regnet. In der Sprache der I L gib t es nun einen Operator, den sogenannten I ntensor ˆ, der jedem Ausdruck die Intension zuordnet, die er an seinem Äußerungskontext hat. Man b etrachte dazu die intensionalisierte Version von (47): (48) ˆpluit’ Eine Fregesche Interpretation der eb en skizzierten Art würde diesem Ausdruck, denjenigen Charakter zuordnen, der einem Kontext k und einer Welt w (also einem Referenzpunkt) die Menge der Welten w’ zuordnet, so daß es in w’ zur Zeit des Kontextes k am Ort des Kontextes k regnet. In UG und PTQ werden natürlichsprachliche Ausdrücke indirekt dadurch interpretiert, daß man sie in Ausdrücke der genannten Sprache IL üb ersetzt, wob ei sich die Bedeutungen der Üb ersetzungen auf die natürlichsprachlichen Ausdrücke üb ertragen (vgl. dazu Artikel 41). In diesen Fragmenten werden nun uneingeb ettete natürlichsprachliche Sätze in Ausdrücke der intensionalen Logik vom Typ t üb ersetzt, eingeb ettete dagegen in deren in-
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tensionalisierte Pendants, die vom Typ 〈s,t〉 sind. Dies ist notwendig, weil z. B. intensionale Operatoren wie es ist no twendig nicht nur vom Wahrheitswert eines eingeb etteten Satzes ab hängen, sondern von dessen Intension (vgl. dazu den folgenden Ab schnitt). Die Einschränkung, daß man Sätze der ausgezeichneten Kategorie durch Wahrheitswerte deutet, impliziert also, daß nicht alle Sätze der ausgezeichneten Kategorie t angehören dürfen: Wären die eingeb etteten Sätze von diesem Typ, könnte man Sätze unter intensionalen Operatoren nicht interpretieren. (Montague selb st deutet üb rigens nicht alle intensionalen Operatoren auf die hier skizzierte Weise. In PTQ wird der Notwendigkeitsoperator als ein logisches Symb ol „synkategorematisch“ eingeführt. Bei diesem Vorgehen gehört der Operator keiner lexikalischen Kategorie an. Wir können auf diese Alternative hier nicht eingehen.) Freges Lehre von der kontextuellen Mehrdeutigkeit wird b ei Montague folgendermaßen rekonstruiert: Der Charakter von uneingeb etteten Sätzen b ildet Referenzpunkte in Wahrheitswerte ab , der von eingeb etteten Sätzen b ildet dagegen Referenzpunkte auf Propositionen ab . Es b esteht — wie schon gesagt — keinerlei Notwendigkeit, so vorzugehen. Man kann als Satzcharaktere vielmehr einheitlich Funktionen von Kontexten in Propositionen nehmen (vgl. z. B. Artikel 8). Es ist also durchaus möglich, die in (45) formulierte Einschränkung für die Typenzuweisung, daß der ausgezeichnete Kategorienindex auf den Typ t ab geb ildet werden muß, wegzulassen. Wir kommen nun auf die in Definition (46) enthaltene Forderung nach Parallelität von sytaktischen und semantischen Kategorien zu sprechen. Wir hab en in Ab schnitt 2.2 b ereits darauf hingewiesen, daß man in vielen Fällen diese Forderung durch Typenanheb ung erzwingen kann, eine Technik, die wir als „generalizing to the worst case“ kennengelernt hab en. Wir erinnern daran, daß es möglich ist, Eigennamen wie Fritz und Quantorenphrasen wie niemand b eide syntaktisch als NPs zu klassifizieren und trotzdem der Parallelismusforderung gerecht zu werden, indem man nämlich der Kategorie NP zum Beispiel den Typus 〈〈s,〈e,t〉〉,t〉 zuweist, dessen Denotate Mengen von Eigenschaften sind (hier: die Mengen der Eigenschaften, die Fritz hat, b eziehungsweise die Menge der Eigenschaften, die niemand hat). Von „Typenanheb ung“ wird in diesem Zusammenhang des-
III. Theorie der Satzsemantik
halb geredet, weil der einfachste Typ, der eine adäquate Interpretation von Fritz zuläßt, der Typ e ist, der zum eb en erwähnten komplizierteren NP-Typ „angehob en“ worden ist. Falls die Technik des Anheb ens nicht verfängt — als Beispiel hatten wir unter anderem einstellige Nomina wie Mo to rrad versus mehrstellige Nomina wie Bruder genannt — b leib t nichts anderes üb rig, als die b etreffenden Ausdrücke syntaktisch verschieden zu kategorisieren, will man der Parallelismusanforderung genügen. Während die Typenanheb ung in der Regel zu unnötig komplizierten Bedeutungsregeln führt, ist die Technik der unterschiedlichen Kategorisierung nicht mit einer autonomen Begründung von syntaktischen Kategorien verträglich. Klein & Sag (1981) hab en deshalb ein Analyseverfahren vorgeschlagen, das heute als typengesteuerte I nterpretation bekannt ist. Die Grundidee b esteht darin, daß man Ausdrücke nach rein semantischen Gesichtspunkten typisiert und zwar auf möglichst einfache Weise. Die Typen steuern dann unab hängig von der syntaktischen Kategorie der Ausdrücke die Interpretation. Die folgenden b eiden Beispiele mögen verdeutlichen, wie dies funktionieren kann. (49) a. [S[NP Fritz] [VP schläft]] e 〈s,〈e,t〉〉 [VP schläft]] b. [S[NP Niemand 〈〈s,〈e,t〉〉,t〉 〈s,〈e,t〉〉 Hier sind also die NPs verschieden typisiert. Dies setzt voraus, daß die Typen nicht an syntaktische Kategorien, sondern an Ausdrücke der b etreffenden Kategorien zugewiesen werden. Wir b etrachten hier eine extensionale Deutung und nehmen an, daß f(Fritz) der Charakter ist, der jedem Kontext Fritz zuordnet. Ferner ist f(schläft) der Charakter, der jedem Kontext die Eigenschaft zu schlafen zuordnet, d. h. die Funktion, die jeder Welt die Menge der Schläfer dieser Welt zuordnet, b zw. die charakteristische Funktion dieser Menge. f(niemand) schließlich ist der Charakter, der jedem Kontext die Menge der Eigenschaften zuordnet, die keine Person in der Welt des Kontextes hat. Eine Interpretation muß diesen Charakteren einen Satzcharakter, d. h. eine Funktion von Kontexten in Wahrheitswerte, zuordnen. Eine typengesteuerte Interpretation ist nichts anderes als eine Methode, den Teilcharakteren des Satzes auf möglichst einfache Weise einen Satzcharakter zuzuordnen. Die restriktivste Interpretationsstrategie b esteht darin, daß man als einziges
7. Syntax und Semantik
Mittel der semantischen Komposition die funktionale Applikation zuläßt. Für die b eiden Beispiele sehen die dieser Strategie entsprechenden Interpretationen folgendermaßen aus. Offensichtlich ist der Charakter von (49 a) die Funktion g1, welche einem Kontext k das Wahre genau dann zuordnet, wenn Fritz in der Welt des Kontextes schläft. Mit Rückgriff auf die b eiden angegeb enen Komponentencharaktere läßt sich g, wie folgt definieren: Für einen b elieb igen Kontext k gilt: g1(k) = 1 genau dann, wenn f(Fritz)(k) ein Element der Menge (f(schläft)(k))(wk) ist, wob ei wkdie Welt des Kontextes k ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn (f(schläft)(k))(wk) angewandt auf f(Fritz)(k) das Wahre ist. Betrachten wir nun (49 b ). Der Charakter dieses Satzes ist diejenige Funktion g2, die einem Kontext das Wahre zuordnet, wenn niemand in der Welt des Kontextes schläft. g2 läßt sich üb er die Komponentencharaktere wie folgt definieren: Für jeden Kontext k ist g2(k) das Wahre genau dann, wenn f(niemand)(k) angewandt auf f(schläft)(k) das Wahre ergibt. Beide Interpretationen hab en nur mit funktionaler Applikation gearb eitet. Allein das vorgeb ene Ziel, daß nämlich der Satzcharakter vom Typ t sein muß, hat b estimmt, in welcher Weise appliziert wird. Es ist nicht möglich, die Satzcharaktere durch Funktionalapplikation anders zu gewinnen als eb en b eschrieb en. Insofern steuern die Typen den Interpretationsprozeß. Die typengesteuerte Interpretation ist in dieser Form natürlich noch keine allgemeine Theorie: Welcher Charakter zwei oder mehr vorgegeb enen Charakteren zugeordnet werden kann, hängt davon ab , was man als semantische Operation zuläßt. In den diskutierten Beispielen hatten wir als einzige Operation die funktionale Applikation zugelassen. Beschränkt man die zulässigen Operationen nicht, kann grundsätzlich jeder Charakter als Wert einer semantischen Operation auftauchen, folglich können auch b elieb ige Typen „kombiniert“ werden (siehe Abschnitt 4). Für die allgemeine Thematik dieses Ab schnitts ist aus dieser Diskussion folgendes festzuhalten: Sollte sich eine präzisierte Variante der typengesteuerten Interpretation als empirisch korrekt erweisen, dann ist die im Begriff der Fregeschen Interpretation enthaltende Parallelismusforderung für die Deutung
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natürlicher Sprachen nicht haltb ar, denn eine wesentliche Motivation der typengesteuerten Interpretation b esteht ja gerade in der Ab lehnung eines strikten Parallelismusprinzips. 3.4.2.3 Monsterverbot Der b ekannteste Versuch, eine Beschränkung für semantische Operationen zu formulieren, geht auf Kaplan (1977) zurück. Er ist als Monsterverbot b ekannt. Diese Beschränkung läuft darauf hinaus, daß die semantischen Operationen natürlicher Sprachen höchstens intensional sein dürfen. Wir werden zunächst erklären, was darunter zu verstehen ist. Anschließend werden wir diskutieren, ob diese Einschränkung nicht zu weitgehend ist, da sie empirisch motivierte Operationen wie Stalnakers (1973) Diagonaloperator ausschließt. Der Stoff dieses Ab schnittes ist in größerer Ausführlichkeit in Artikel 9 abgehandelt. Wir erinnern daran, daß ein Charakter vom Typ 〈s,τ〉 eine Funktion ist, die für einen gegeb enen Kontext zunächst eine Intension des Typs 〈s,τ〉 b estimmt, die dann in Ab hängigkeit vom Weltparameter — der im folgenden Auswertungswelt genannt wird, um eine Konfusion mit der Welt des Kontextes zu vermeiden — eine Extension vom Typ τ festlegt. Schema (50) veranschaulicht den geschilderten Sachverhalt: (50)
Kontext Auswertungswelt Charakter → Intension → Extension
Der in (50) erkennb are Doppelschritt wurde erstmals in Stalnaker (1970) explizit thematisiert, ist ab er b ereits in Montagues UG implizit vorhanden (vgl. dazu Zimmermann 1977). Für die folgende Diskussion machen wir die Annahme, daß zumindest alle unter einem Operator einge b etteten Ausdrücke einen Charakter dieser Art hab en, daß sie an einem Referenzpunkt also immer eine Intension und eine Extension hab en. Diese Annahme ist unprob lematisch, denn Charaktere vom Typ T können immer durch solche vom Typ 〈s,τ〉 ersetzt werden. Zum Beispiel kann man als Bedeutung von ich anstelle des in Ab schnitt 3.3.2 angegeb enen Charakters χ1, der dem Typ e angehört, eb ensogut den Charakter χich vom Typ 〈s,e〉 wählen, der einem Kontext k diejenige (konstante) Intension f vom Typ 〈s,e〉 zuordnet, die einer b elieb igen Welt den Sprecher im Kontext k zuweist. Um eine handliche Terminologie zur Verfügung zu hab en, vereinb aren wir die folgenden Ab kürzungen: Wenn α ein Ausdruck, χα der Charakter von α ist und 〈k,w〉 ein b elieb iger
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Referenzpunkt — also ein Paar aus Kontext und Auswertungsindex — ist, dann gilt: (51) a. Intα(k) ist χα(k). b. Extα(k,w) ist χα(k)(w), d. h. Intα(k)(w). Dab ei steht Intα(k) natürlich für „die Intension von a am Kontext k“, während Extα(k,w) für „die Extension von a am Referenzpunkt 〈k,w〉“ steht. Es kann sein, daß die Begriffe Intension und Extension nicht für alle Arten von Ausdrücken definiert sind (Was ist zum Beispiel die Intension/Extension eines Modaloperators?). In der Regel werden ab er die Ausdrücke, die mithilfe von Operatoren b zw. syntaktischen Operationen gewonnen werden, wieder eine Intension und eine Extension hab en. Nur solche Fälle hab en wir im folgenden im Auge. Wir führen nun eine semantische Klassifizierung von (interpretierten) syntaktischen Operationen ein: (52) Sei α ein Ausdruck der Form F(α1,...,αn), d. h. α ist aus α1,...,αn mithilfe der Operation F gewonnen. a. F ist extensional, wenn sich Extα(k,w) durch Rückgriff auf Extα1(k,w), ..., Extαn (k,w) bestimmen läßt. b. F ist intensional, wenn sich Extα(k,w) durch Rückgriff auf Intα1(k), ..., Intαn (k) bestimmen läßt. c. F ist ein ein Monstrum — falls F weder extensional noch intensional ist. Die eingangs genannte Restriktion von Kaplan läßt sich nun folgendermaßen formulieren: (53) Monsterverbot Monster kommen in der natürlichen Sprache nicht vor. Wir weisen zunächst darauf hin, daß b ei der Klassifikation (52) wesentlich die (nicht genannte) semantische Operation G eingeht, welche die syntaktische Operation F interpretiert. Letzlich wird die Bedeutung G dieser Operation klassifiziert. Eine syntaktische Operation als solche hat keine der genannten Eigenschaften. Wir hab en die Klassifikation deshalb für die syntaktischen Operationen eingeführt, um den terminologischen Zusammenhang mit den entsprechenden Ausführungen in dem Artikel 9 zu wahren. Es b esteht ja im allgemeinen eine 1—1-Beziehung zwischen der syntaktischen Operation Fδ, die einen Operator δ einführt und der semantischen Operation Gδ, die Fδdeutet. Man kann Gδ also in den meisten Fällen mit der Bedeu-
III. Theorie der Satzsemantik
tung des Operators δ identifizieren und die Klassifikation auf die Operatoren, d. h. die sprachlichen Zeichen, üb ertragen. Diese Praxis wird in Artikel 9 stillschweigend b efolgt, und auch wir sprechen im folgenden manchmal von der Extensionalität b zw. Intensionalität eines Operators. Betrachten wir nun einige Beispiele. Klassische extensionale Operationen sind die Wahrheitsfunktionen: Sie ordnen den Extensionen der eingeb etteten Sätze — das sind Wahrheitswerte — wieder einen Wahrheitswert zu. Wir verdeutlichen dies an der Negation. Fnichtsei die Operation, die aus einem Satz a den Satz „nicht α“ macht. Die Bedeutung dieser Operation sei die semantische Operation Gnicht, die einen Wahrheitswert in sein Gegenteil verkehrt. Diese Operation ist extensional, denn Extnicht α(k,w) ist das Gegenteil des Wahrheitswertes von Extα(k,w). Wir können Fnichtauch als intensionale Operation klassifizieren, wenn wir als Deutung die Operation G*nichtansetzen, welche der Intension des eingeb etteten Satzes — einer Proposition — ihr mengentheoretisches Komplement zuordnet. Technisch: G*nicht(Intα (k))(k,w) ist das Wahre, falls Intα(k) von w das Falsche ist. Diese Formulierung zeigt, daß Extnichtα(k,w) durch Rückgriff auf Intα(k) formulierb ar ist. Aus diesem Beispiel sollte klar sein, daß sich sämliche extensionale Operationen stets intensional umdeuten lassen, eine Vorgehensweise, für die Cresswell (1973) exemplarisch ist (vgl. auch Artikel 8). Andererseits ist eine intensionale Operation im allgemeinen nicht extensional. Ein Beispiel ist die die sogenannte Leibniznotwendigkeit, eine Operation, die der Intension des eingeb etteten Satzes dann das Wahre zuordnet, wenn diese mit der Menge aller Welten identisch ist. Eine Analyse im UG-Rahmen kann folgendermaßen aussehen: Fnotwendigsei diejenige syntaktische Operation, die einem Satz α den Satz „notwendig α“ zuordnet. Als Interpretation wählen wir die semantische Operation Gnotwendig, die einer Proposition p das Wahre zuordnet, falls p in jeder Welt wahr ist. Fnotwendigist eine intensionale Operation, denn Extnotwendigα (k,w) ist das Wahre, falls Intα(k) die Menge aller möglichen Welten ist, d. h. falls Intα(k)(w’) das Wahre für jede Welt w’ ist. Es ist klar, daß wir Extnotwendigα(k,w) nicht alleine durch Rückgriff auf Extα(k,w) b estimmen können: Extα(k,w) ist zwar dasselbe wie Intα(k)(w), aber Extnotwending α (k,w) hängt eb en nicht nur von Extα(k,w) ab , sondern von Extα(k,w’) für jedes w’.
7. Syntax und Semantik
Ein weiteres Beispiel für einen intensionalen Operator ist Montagues b erühmter Intensor ˆ, welcher der Intension des unter ihm eingeb etteten Satzes eb en diese Intension als Extension zuordnet. Die Operation kann folgendermaßen b eschrieb en werden: F ̭ ordnet dem Satz α den Ausdruck ˆa zu. Ext ̭α(k,w) ist die Intension f, so daß für eine b elieb ige Welt w’ gilt: f(w’) = Extα(k,w’). Dies b edeutet nichts anderes, als daß Extα(k,w) = Intα(k) ist. Damit ist der Operator intensional. Montagues Extensor ˇ ist dagegen ein extensionaler Operator: Er operiert auf einem intensionalisierten Satz, dessen Extension eine Intension ist. Er nimmt diese Extension (eine Intension!) und macht daraus einen Wahrheitswert. Der Extensor wird durch die Regel F̬ eingeführt, die dem intensio nalisierten Satz ˆα den Satz ˇ ˆ α zuordnet. G ̬ ist die semantische Operation, die Extα(k,w) als Wert Extα(k,w)(w) zuordnet. (Man denke daran, daß Extα(k,w) eine Proposition ist!) Wir hab en diese b eiden letzten Operationen hier aufgeführt, um zu zeigen, daß sie nicht durch das Kaplansche Monsterverb ot b etroffen sind. Wie man sich denken kann, fällt auch der in Kaplan (1977) eingeführte Operator dthat, der aus einer Kennzeichnung einen starren Designator macht (vgl. dazu Artikel 16: „Eigennamen“) nicht unter das Monsterverb ot. Er ist vielmehr als intensional zu klassifizieren. Kaplans Operator kann in erster Näherung folgendermaßen b eschrieb en werden: Fdthatist diejenige Operation, die einem Kennzeichnungsterm α den Term „dthat α“ zuordnet. Wir nehmen an, daß das Denotat einer Kennzeichnung ein sogenanntes Individuenkonzept, d. h. eine Funktion in D〈s,e〉 ist. Die Deutung dieser syntaktischen Operation ist die semantische Operation Gdthat, so daß für einen b elieb igen Referenzpunkt 〈k,w〉 gilt: Gdthat (Intα(k))(w) ist Intα(k)(wk), wob ei wkdie Welt des Kontextes k ist. Die Formulierung macht zunächst deutlich, daß Fdthat eine intensionale Operation ist. Weil nun die Welt der Äußerung wkim allgemeinen verschieden von der Auswertungswelt w ist, stimmt Intα(k)(wk) im allgemeinen auch nicht mit Intα(k)(w) (= Extα (k,w)) üb erein. Deswegen kann die Operation nicht extensional sein. Zum Beispiel ist Gdthat(Intder Sprecher (k))(k,w) = Intder Sprecher (k)(wk) = der Sprecher in der Welt wkdes Kontextes k. Man sieht üb rigens an dieser Stelle, daß die Formulierung des Operators unzurei-
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chend ist: in wkgib t es im allgemeinen mehr als einen Sprecher. Man darf die Welt, in welcher der Kontext situiert ist, nicht mit dem Kontext gleichsetzen. Eine intuitiv adäquate Formulierung des Kaplanschen Operators verlangt deshalb , als zweiten Parameter von Referenzpunkten Situationen statt Welten zu wählen. Diese Verfeinerung findet man in Artikel 9, wo man auch mehr üb er den dthatOperator nachlesen kann. Die b isher b etrachteten Operationen sind alle zulässig. Wir kommen nun zu einem Monstrum, nämlich dem sogenannten Diagonaloperator, den wir durch Δ symb olisieren wollen. Dieser Operator ist in einem gewissen Sinne die Umkehrung des dthat-Operators: Während letzterer aus einer Kennzeichnung einen starren Designator macht, macht ersterer aus einem starren Designator eine Kennzeichnung. (Die Bezeichnung „Diagonaloperator“ für Δ ist insofern ein wenig irreführend, als sie suggeriert, daß Δ der alleinige Diagonaloperator ist. dthat ist ab er eb enfalls ein Diagonaloperator: Er ersetzt das zweite Argument des Charakters durch die Welt des ersten Arguments. Wie wir sehen werden, ersetzt Δ dagegen die Welt des ersten Arguments durch das zweite Argument. Diagonalisierung einer Funktion ist ab er gerade diese Gleichsetzung von Argumenten.) Trotz einer gewissen formalen Analogie zum zulässigen Operatorenpaar Extensor/Intensor fällt der Diagonaloperator unter das Monsterverbot. Wir wollen uns dies nun klarmachen. Zunächst stehen wir vor einer formalen Schwierigkeit: Innerhalb des b isher gewählten semantischen Rahmens können wir die Semantik des Operators Δ gar nicht ohne weiteres formulieren. Die folgende Beschreib ung ist nicht prob lemlos, drückt ab er den wesentlichen Zug der Operation aus, nämlich die Identifikation der Äußerungswelt mit der Auswertungswelt. FΔist die syntaktische Operation, die aus einem Namen α den Term „Δα“ macht. GΔ(χα)(k,w) ist χα(kwk/w,w) für einen b elieb igen Referenzpunkt 〈k,w〉, wob ei kwk/wder hypothetische Kontext sein soll, der aus k entsteht, indem man die Welt des Kontextes durch die Auswertungswelt w ersetzt. Wir werden weiter unten kurz auf die Prob lematik dieser Redeweise eingehen. χα ist natürlich der Charakter von α. Der Diagonaloperator wird in Stalnaker (1978) üb rigens für Sätze definiert. Wir hab en ihn hier für Namen eingeführt, um die b ereits genannte Beziehung zum dthat-Operator zu b etonen, dessen Umkehrung Δ ist.
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Wir üb erlegen uns zunächst, daß die Operation FΔtatsächlich ein Monstrum ist. Wenn die Operation extensional wäre, müßte χα(kwk/w,w) (= Extα(kwk/w,w)) mit Extα(k,w) identisch sein. Das ist im allgemeinen Fall ab er sicher nicht gegeb en. Eb enso ist Intα(k) im allgemeinen von χα(kwk/w,) verschieden, weshalb der Operator nicht intensional sein kann. Mit anderen Worten, ExtΔα(k,w) hängt wirklich echt von χα selbst ab. Stalnaker (1978) b enutzt diesen Operator (b zw. dessen satzeinb ettende Variante) dazu, um Sätze, die b ei der üb lichen Interpretation nicht informativ sind, informativ zu machen. Zum Beispiel drückt — unter der Voraussetzung, daß Hesperus und Phosphorus starre Designatoren sind — Satz (54 a) an jedem Kontext k eine Tautologie oder einen Widerspruch aus: die Menge aller Welten, wenn Hesperus und Phosphorus in der Äußerungswelt wk dasselb e b ezeichnen, die leere Menge sonst. Demnach würde (54 b ) ausdrücken, daß Ptolemäus an die Wahrheit der notwendigen (bzw. unmöglichen) Proposition glaubte. (54) a. Hesperus ist identisch mit Phosphorus b. Schon Ptolemäus glaubte, daß Hesperus identisch mit Phosphorus sei Eine solche Analyse ist ab er nicht adäquat. Ptolemäus glaub te, daß der „Hesperus“ heißende (Stern) identisch mit dem „Phosporus“ heißenden sei. Dieser Glaub ensinhalt ist kontingent und daher informativ, denn was in einer Welt „Hesperus“ oder „Phosphorus“ heißt, kann in einer anderen Welt anders heißen. Man erhält die gewünschte kontingente Lesart durch Diagonalisierung: (55) Schon Ptolemäus glaubte, daß Δ(Hesperus) identisch mit Δ(Phosphorus) sei Wir setzen voraus, daß χHesperus (k,w) der Gegenstand ist, der in k „Hesperus“ heißt. Dann ist χΔHesperus(k,w) = χHesperus(kwk/ d. h. der w,w), Gegenstand, der in der Auswertungswelt w „Hesperus“ heißt. Dies b edeutet, daß χΔHesperus als eine Kennzeichnung f aufgefaßt werden kann, die einer b elieb igen Welt w den in w „Hesperus“ genannten Gegenstand zuordnet. Analoges gilt für die Interpretation von Phosphorus. Damit ist ohne weiteres einzusehen, daß der in (55) unter den Glaub ensoperator eingeb ettete Satz eine informative Proposition ausdrückt, und zwar die intuitiv korrekte. Der Diagonaloperator wird in der natürlichen Sprache nicht ausgedrückt; man kann ihn als
III. Theorie der Satzsemantik
einen unsichtb aren Operator ansetzen, den man aus pragmatischen Gründen braucht. Wir kommen nun auf das ob en angesprochene Prob lem mit der Formulierung des Diagonaloperators zu sprechen: es handelt sich um die Interpretation der Operation kwk/w. Was soll es schon heißen, daß man einen Kontext dadurch verändert, daß man seine Welt durch eine andere ersetzt, wo wir doch den Kontext als Teil dieser Welt eingeführt hatten? Stalnaker (1978) vermeidet dieses Prob lem, indem er für b eide Komponenten eines Referenzpunktes Welten ansetzt. Die Diagonalisierungsoperation kann dann definiert werden als GΔ(χα)(wk,w) = χα(w,w). Diese Definition setzt ganz offensichtlich einen andern Weltb egriff voraus, als die „großen“ Welten der Mögliche-Welten-Semantik. Welten müssen so etwas wie Situationen sein: Sonst wären Redeweisen wie der Sprecher in wkb zw. der Sprecher in w sinnlos. Eine solche Revision hat weitreichende Konsequenzen, die sorgfältig b edacht werden müssen. Unter anderem erhält man das Prob lem, daß eine Auswertungssituation im allgemeinen keine Äußerungssituation ist. Die Diagonalisierung Δich, deren Resultat die Kennzeichnung der Sprecher ist, setzt ab er gerade dieses voraus (vgl. dazu Artikel 10). Eine Methode, die Unterscheidung zwischen Kontexten und Welten quasi b eizub ehalten und doch mit der genannten Ersetzungsoperation zu arb eiten, b esteht darin, Kontexte durch geeignete Merkmale zu identifizieren, z. B. durch ein Tripel 〈wk,zk,ok〉, das aus der Welt, der Zeit und dem Ort des Kontextes b esteht (vgl. Lewis 1980 a). Die „Koordinaten“ eines solchen Tripels kann man durch andere ersetzen. Damit hat die genannte Su b stitutionsoperation zwar einen Sinn, ab er man handelt sich das Prob lem ein, daß viele solche Tripel unmögliche Kontexte sind: Man erhält einen solchen unmöglichen Kontext zum Beispiel dadurch, daß man die Zeitkoordinate auf ein Datum zurückverschieb t, zu dem die Welt des Kontextes noch gar nicht b estand (vgl. dazu die Ausführungen in Artikel 9). Die konzeptuellen Konsequenzen der Diagonalisierung sind also in jedem Fall prob lematisch. Insofern ist die Konsequenz des Kaplanschen Monsterverb otes als solche sicher b egrüßenswert. Die Frage ist allerdings, ob die Operation nicht aus empirischen Gründen unverzichtbar ist. Man hätte ein starkes Argument für den Diagonaloperator, wenn die geschilderte Lösung Stalnakers die einzig mögliche Analyse von propositionalen Einstellungen wäre. Es gib t ab er rein intensionale Analysen, die al-
7. Syntax und Semantik
lerdings mit dem Begriff der strukturierten Bedeutung arb eiten (vgl. Cresswell & von Stechow 1982 und Artikel 34). Als weiteres Beispiel für ein Monstrum wäre die Variab lenb indung zu nennen. Betrachten wir etwa den in Ab schnitt 3.4.2.1 diskutierten Ausdruck (∀x)Px. Wie in Montagues UG setzen wir hier voraus, daß jeder Kontext eine Belegung festlegt — wob ei nicht darüb er gegrüb elt werden soll, ob das eine sinnvolle Annahme ist. Betrachten wir nun die Syntaxregel F(∀x), die aus einem Satz a den Satz (∀x)α macht. Die in 3.4.2.1 b eschrieb ene kompositionale Deutung ist die Operation G(∀x), welche χα am Referenzpunkt 〈k,w〉 das Wahre zuordnet, falls χα(k[h/hkx/a]) für jedes α das Wahre ist. hk ist die durch den Kontext k festgelegte Belegung, die in der üb lichen Weise variiert wird. Wir hab en hier im Einklang mit den Ausführungen in 3.4.2.1 vorausgesetzt, daß der Charakter uns eine Denotatsfunktion für einen Kontext liefert, woraus wir durch Anwendung auf eine Belegung eines der üb lichen Denotate — hier eine Proposition — erhalten. Die Operation wäre intensional, wenn Ext(∀x)Px(k,w) alleine von χα(k)(hk) — dem Pendant der Intension in einer Ontologie die mit Denotatsfunktionen arb eitet — ab hängen würde. Das ist ab er nicht der Fall: sie hängt von allen x-Varianten von hkab . Damit ist diese Operation — und die Variab lenb indung ganz allgemein — ein Monstrum. Bereits in Ab schnitt 3.4.2.1 hab en wir darauf hingewiesen, daß der Variab lenb indung praktisch von jedermann ein Sonderstatus eingeräumt wird. Man kann sie aus sportlichem Ehrgeiz zwar formal in das Kompositionalitätsprinzip (34) zwängen: Eine Ad-hocKomplikation der Ontologie ist die Folge. Und auch im Zusammenhang mit Kaplans Beschränkung erweist sich diese Operation als außergewöhnlich: sie ist ein Monstrum. Die Variab lenb indung sollte man also weder gegen das Kompositionalitätsprinzip noch gegen das Monsterverb ot ins Feld führen. Hinzu kommt, daß Stalnaker die Diagonalisierung gar nicht als semantische Operation verstanden wissen will, sondern als pragmatische Hilfsoperation, die eine Proposition informativ macht oder die Interpretation eines deiktischen Wortes ermöglicht, dessen Bezug in einem Kontext nicht klar ist (vgl. dazu Artikel 8: Ab schnitt 3). Es handelt sich also gar nicht um eine genuine semantische Operation, welche eine Regel interpretiert. Andere
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potentielle Gegenb eispiele gegen Kaplans Monsterverb ot werden in Artikel 9 diskutiert, ab er als nicht zwingend verworfen. Dieses b leib t also ein ernsthafter Kandidat für eine tragfähige empirische Beschränkung semantischer Operationen. Man kann das Monsterverb ot leicht in die allgemeine Referenztheorie einb auen. Unter der Voraussetzung, daß die Bedeutung eines Ausdrucks ein Charakter ist, muß man den Rekursionsschritt des Kompositionalitätsprinzips (34) auf S. 107 lediglich durch die restriktivere Bedingung (34) b* ...dann ist b(α)(k) = G(b(α1)(k), ... ,b(αn)(k)), für einen beliebigen Kontext k ersetzen. Genau diese Formulierung wird in Kaplan (1977) vorgeschlagen. 3.4.2.4 Beschränkungen der Referenz In Ab schnitt 3.3.2 hab en wir darauf hingewiesen, daß deiktische Wörter (ich, dies, hier, jetzt) direkt referentiell sind, d. h. daß ihre Extension alleine vom Äußerungskontext ab hängt. Der Begriff ist genauer folgendermaßen definiert: (56) Ein Ausdruck α referiert direkt, falls Extα(k,w) = Extα(k,w’), für jedes k,w und w’. Falls man für solche Ausdrücke üb erhaupt die Unterscheidung zwischen Intension und Extension machen will — vgl. dazu unsere Bemerkungen zu Beginn des vorhergehenden Ab schnitts — dann hab en direkt referentielle Ausdrücke eine konstante Intension, ab er in der Regel an verschiedenen Kontexten eine verschiedene. Im Gegensatz dazu drückt ein Wort wie Sense an jedem Kontext dieselb e Intension aus, die ab er für verschiedene Auswertungswelten im allgemeinen verschiedene Extensionen liefert. Man sagt, daß solche Wörter absolut referieren. (57) Ein Ausdruck α referiert absolut, falls Intα(k) = Intα(k’), für jedes k und k’. Es ist klar, daß komplexe Ausdrücke in der Regel weder direkt noch ab solut referieren. Zum Beispiel hängt der Wahrheitswert des Satzes Ich weiß das sowohl vom Äußerungskontext als auch von der Auswertungswelt ab . Anders steht es jedoch für Lexeme. Man ist versucht, die folgende allgemeine Beschränkung anzunehmen, die in dieser expliziten Form nach unserer Kenntnis erstmals in Artikel 9, Ab schnitt 1.3 formuliert worden ist, sich ab er nach Auskunft von Wolfgang
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Klein der Sache nach b ereits in Bühler (1934) findet. (58) Prinzip L Lexikalische Grundeinheiten referieren entweder direkt oder absolut. Auf den ersten Blick gib t es zahlreiche Gegenb eispiele. Man b etrachte etwa ein finites Verb wie schimpfte. Dieses Wort hat sowohl einen ab solut referierenden Teil, nämliche den Stamm schimpf- als auch eine direkt referentielle Komponente, nämlich das in der Endung -te enthaltene Präteritum (zur deiktischen Analyse des Tempus, siehe Artikel 35). Um Prinzip L durchhalten zu können, ist man also zu der Annahme gezwungen, daß schimpfte keine lexikalische Grundeinheit ist, sondern zumindest in die Bestandteile schimpf + Präteritum zerlegt werden muß. Genau diese Zerlegung wird aus syntaktischen Gründen in der generativen Grammatik (und wohl jeder traditionellen Grammatik) seit langem angenommen, wo der Satz Niko schimpfte als (59) analysiert wird. (59) [IP Niko [I’ [VP schimpf] [I Präteritum]]] AGR Mit anderen Worten, es gib t eine eigenständige Grundeinheit I(NFL), welche die Tempusinformation (und die Kongruenzmerkmale AGR) enthält, während das Verb nur aus einem Stamm b esteht. Diese Analyse ist mit Prinzip L verträglich. Ein anderes Gegenb eispiel gegen Prinzip L ist das Possessivpronomen in meine Hütte. Paraphrasiert man diese Nominalphrase als die Hütte vo n mir, dann wird deutlich, daß meine das direkt referierende ich und die Besitzerrelation — hier durch vo n ausgedrückt — b einhaltet. Die Relation wird ab er offenb ar ab solut b ezeichnet, wie man sich an der metasprachlichen Formulierung der Bedeutung von meine Hütte klarmachen kann: „die Hütte in der Auswertungswelt w, welche der Sprecher am Äußerungskontext k in der Auswertungswelt w b esitzt“. Somit scheint mein ein sowohl deiktisch als auch ab solut referierendes Wort zu sein. (Wir üb ergehen die Komplikation, daß mein zusätzlich noch die Information der Definitheit zu b einhalten scheint.) Ab er auch diese Argumentation ist nicht zwingend. Man denke daran, daß mein keineswegs immer mit der Besitzerrelation verb unden ist: mein So hn. Eine alternative Analyse ist deshalb , mein als ich zu deuten, also als ein direkt referierendes Wort und die infrage kommende Relation aus dem Kontext zu erschließen. Man b eachte, daß Lokal- und
III. Theorie der Satzsemantik
Temporaladverb ien wie do rt „der Ort wo der Sprecher nicht ist“ oder vo rher „ein Zeitpunkt vor jetzt“ keine Gegenb eispiele sind. Sie enthalten zwar Relationen, also scheinb ar ab solute Bestandteile. Diese werden ab er in b ezug auf den Äußerungskontext ausgewertet. Die Konsequenzen von Prinzip L sind nach unserer Kenntnis b isher in der Literatur nicht ausgelotet worden. Bereits das erste Beispiel zeigt, daß das Prinzip insofern interessant ist, als es Restriktionen für die lexikalische Zerlegung und die Syntax impliziert und deshalb empirisch nicht leer ist.
4.
Kategorialgrammatik
4.1 Vorbemerkungen Kategorialgrammatiken sind Spezialfälle von Montague-Grammatiken. Die erste explizite Formulierung eines solchen Systems wurde in Ajdukiewicz (1935) vorgelegt. Vermutlich ist dies der früheste Entwurf einer formalen Grammatik, die ausdrucksstark genug ist, um in erster Approximation eine Analyse von natürlichen Sprachen zu ermöglichen. Ajdukiewicz’s ursprüngliche Konzeption der Kategorialgrammatik ist rein syntaktisch. Die Ausdrücke des Systems wurden ab er stillschweigend als interpretiert vorausgesetzt, wob ei die Notation klarmacht, daß es zwei Arten von Ausdrücken gib t: Funkto ren, die als Funktionen gedeutet werden, und Namen, welche nichtfunktionale Ob jekte b ezeichnen. Rekonstruiert man Ajdukiewicz’s System mit den Methoden der Montagueschen Universalgrammatik, dann hat es drei wesentliche Merkmale. 1. Es gib t einen strikten Parallelismus zwischen syntaktischen und semantischen Kategorien. Nicht einmal zwischen syntaktischen Kategorien und Typen wird unterschieden. 2. Als einzige syntaktische Operation ist die Verkettung zugelassen, die so b eschränkt ist, daß ein Funktor stets mit dazugehörigen Argumenten verkettet werden darf. 3. Jede solche Syntaxregel ist als funktionale Applikation der Bedeutung des Funktors auf seine Argumente interpretierbar. Eine Kategorialgrammatik, die gemäß diesen drei Prinzipien aufgeb aut ist, wollen wir klassisch nennen (vgl. Casadio 1987). Im nächsten Ab schnitt werden wir diesen Typ von Grammatiken näher diskutieren. Mit klassischen Grammatiken kann man b ereits relativ interessante Ausschnitte von natürlichen Sprachen b eschreib en. Aufgrund
7. Syntax und Semantik
der sehr starken Einschränkungen des Formalismus ist man oft zu recht künstlichen, empirisch nicht motivierb aren Analysen gezwungen (vgl. z. B. Kratzer et alii 1974: Bd. 2, Kap. 2.4). Lewis (1970) hat deswegen die Ansicht vertreten, daß man kategorialgrammatisch erzeugb are Strukturen als logische Formen (b ei ihm Tiefenstrukturen genannt) ansehen soll, welche die Bedeutung von Ob erflächensätzen ausdrücken und durch Transformationsregeln in letztere üb erführt werden. In Montagues Terminologie können Lewis’ kategoriale Strukturen als desamb iguierte Sprache (b zw. DA-Grammatik) aufgefaßt werden (vgl. Definition 20). Die Transformationsregeln definieren dann Montagues Relation R, welche die Strukturen in Ausdrücke einer Sprache üb erführt (vgl. Definition 28). Mehr oder weniger die gleiche Konzeption liegt Cresswell (1973) zugrunde. Die kategorialgrammatische Analyse natürlichsprachlicher Ausdrücke ist für Logiker deswegen so interessant, weil die Syntaxregeln des klassischen Modells in wenigen Minuten eingeführt sind und der Logiker sich nicht ernsthaft mit syntaktischen Feinheiten der natürlichen Sprache b eschäftigen muß. Er üb erläßt deren Ausb uchstab ierung der Relation R, um die sich die Linguisten zu kümmern haben. In neuerer Zeit hab en Theoretiker, die ernsthaft an Syntax interessiert sind, versucht, die Ausdruckskraft des Formalismus zu erweitern, ohne gleich b ei dem uneingeschränkten Begriffssystem Montagues zu landen. Solche erweiterten Systeme lassen sich nach den Syntaxregeln und deren Interpretationen klassifizieren. In Ab schnitt 4.3 skizzieren wir derartige Erweiterungen. Die Ideen dazu finden sich üb rigens praktisch sämtlich b ereits bei Lambek (1958). 4.2 Das klassische Modell 4.2.1 Syntax Wir führen nun die klassische Version der Kategorialgrammatik ein. Die Typen sind folgendermaßen definiert: (60) a. s und n sind Typen. b. Wenn X und Y Typen sind, dann ist (X/Y) ein Typ. Die Montaguesche Definition (39) ist natürlich nur eine notationelle Variante dieser Definition (erweitert um intensionale Typen). s ist der Typ der Sätze, n der Typ der Namen. Beispiele für Typen mit den Montagueschen Ensprechungen sind die folgenden:
121
(61) a. b. c.
Ajdukiewicz n s (s/n)
Montague e t 〈e,t〉
d. ((s/n)/n)
〈e,〈e,t〉〉
e. (s/(s/n))
〈〈e,t〉,t〉
f. g. h. g.
〈e,e〉 〈〈e,t〉,〈e,t〉〉 〈t,t〉 〈〈t,t〉,t〉
(n/n) ((s/n)/(s/n)) (s/s) ((s/s)/s)
Bezeichnungen Eigennamen Sätze einstellige Prädikate zweistellige Prädikate Nominale, Terme Attribute Adverbien Satzadverbien Satzkonjunktionen
Das Lexikon der Grammatik ist eine Funktion BC („Basiskategorie“), die jedem Typ X eine endliche Menge BCXzuordnet. Für die meisten Typen ist diese Menge leer. — Als syntaktische Operation ist lediglich die zweistellige Verkettung zugelassen. — Die einzige Syntaxregel der Grammatik ist die folgende: (62) X/Y Y → X Diese Regel ist folgendermaßen zu lesen: „Wenn α ein Ausdruck vom Typ X/Y und β ein Ausdruck vom Typ Y ist, dann ist αβ ein Ausdruck vom Typ X.„ Im Format von Montagues UG wäre diese Regel als eine Menge von Regeln zu schreiben, nämlich als: (63) 〈F, X/Y,Y, X〉, wobei F die zweistellige Verkettung ist und X/Y,Y, X Typen sind. Als Sätze der Sprache, die von einer solchen Grammatik erzeugt werden, zählen alle Ketten üb er dem Lexikon, d. h. der Vereinigung aller BCX, die vom Typ s sind. Eine klassische Kategorialgrammatik läßt sich in der folgenden Weise als MontagueGrammatik schreib en (die üb rigens nicht desambiguiert ist; vgl. Definition 20): (64) 〈A, F, BCX, X ein Typ, S, s〉 Dabei ist F die zweistellige Verkettung, S enthält alle Regeln der unter (63) angegeb en Form und A ist die Menge aller Ketten, die sich aus Grundausdrücken, d. h. aus Elementen der Basiskategorien durch Verkettung b ilden lassen. s ist der ausgezeichnete Index des Systems. Um die Definition zu veranschaulichen, setzen wir das folgende kleine Lexikon BC voraus: (65)Lexem a. niemand b. schlafen c. lange d. konnte e. sehen
Typ (s/(s/n)) (s/n) ((s/n)/(s/n)) ((s/n)/(s/n)) ((s/n)/n)
Abkürzung NP [= (s/IV)] IV IV/IV IV/IV TV [= (IV/n)]
122
Die Grammatik vermag die folgende Strukur herzuleiten:
Den Baum erhält man in naheliegender Weise durch sukzessive Anwendung der Syntaxregel (62). Aus Platzersparnisgründen hab en wir die unter Kategorialgrammatikern weithin übliche „flache“ Notation für Bäume benutzt. Die Grammatik erlaub t es, die ungrammatische Wortfolge (67a) herzuleiten, während die Neb ensatzstellung (67b ) nicht erzeugbar ist: (67) a. *niemand lange konnte schlafen b. niemand lange schlafen konnte Bar-Hillel, Gaifman und Shamir (1960), hab en gezeigt, daß man jede kontextfreie Sprache durch eine klassische Kategorialgrammatik erzeugen kann. Es ist kein grundsätzliches Prob lem, (67a) in einer kontextfreien Grammatik als ungrammatisch zu klassifizieren und (67b ) zu erzeugen. Man muß dazu allerdings eine sehr große Anzahl von im Prinzip voneinander una b hängigen Grundkategorien einführen, deren eventuelle semantische Gemeinsamkeiten erst auf einer Metaeb ene charakterisiert werden können. Das widerspricht der semantischen Motivation, die hinter dem System steht. (Kategorialgrammatiken in komplexer Notation wurden erstmals in Kratzer et alii 1974 diskutiert.) Das Beispiel illustriert Lewis’ (1970) Standpunkt, daß plausib le Systeme dieser Art nur zur Charakterisierung von „logischen Formen“ geeignet sind. Hinzukommt, daß geringfügige Erweiterungen der Datenb asis zur Einführung von Kategorienmehrdeutigkeit zwingen, sofern die grammatische Analyse semantisch sinnvoll sein soll. Man b etrachte etwa Sätze, in denen transitive Ver b en vorkommen:
Da intransitive Verb en dem Typ IV = (s/n) angehören, ist die einfachste Analyse für ein transitives Verb wie sehen, daß es dem Typ
III. Theorie der Satzsemantik
TV = IV/n angehört. (68a) zeigt zunächst, daß wir dann für Pronomina in Sub jekt- und Ob jektstelle einen verschiedenen Typ annehmen müssen: Wir können aus einem IV nur einen Satz machen, wenn das Sub jekt ein NP = (s/IV) ist. Weil ein Nominal wie nichts aus semantischen Gründen eb enfalls vom NP-Typ sein muß, muß sehen in (68b ) vom Typ IV/NP sein. In diesem speziellen Fall kann man die Argumente des Verb s einheitlich vom Typ NP ansetzen — ein Fall von Montagues „generalizing to the worst case“ (vgl. Ab schnitt 2.2). Schon b ei geringfügigen Stellungsvariationen versagt diese Strategie ab er. Man b etrachte dazu das folgende Beispiel:
Um diesen Satz herzuleiten, hab en wir dich neb en dem Typ n und dem Typ NP auch noch dem Typ IV/TV zugeordnet, der aus einem transitiven ein intransitives Verb macht; dich gehört also b ereits drei Typen an. Diese Typenmehrdeutigkeit ist alleine durch den Formalismus erzwungen: Es gib t weder empirisch-syntaktische noch semantische Gründe dafür. Unter der Annahme, daß das zuerst ab geb aute Argument des Verb s das Ob jekt, das zuletzt ab geb aute Argument das Sub jekt ist, können wir den folgenden Satz üb erhaupt nicht mehr in plausibler Weise herleiten: (70) Siehst du mich? Das klassische System ist also gegenüber Stellungsphänomenen recht unflexib el, und ist deswegen um weitere Regeln b ereichert worden, die wir in Ab schnitt 4.3 kennenlernen werden. Zunächst wollen wir uns ab er der Interpretation des Systems zuwenden. 4.2.2 Semantik Anders als das Montaguesche Typensystem unterscheidet die klassische kategoriale Syntax nicht zwischen extensionalen und intensionalen Typen. Die den Typen zugeordneten Denotate müssen deshalb entweder sämtlich Extensionen oder sämtlich Intensionen sein. Da eingeb ettete Sätze auf jeden Fall Propositionen denotieren und nichts dagegen spricht, daß auch nichteingeb ettete Sätze Propositionen denotieren, ist die zweite Alternative geb oten. Die folgende Definition b enutzt dieselb en Konventionen, wie Definition (40) aus 3.3.2. Wir setzen also für das Denotatensystem folgendes fest:
7. Syntax und Semantik
(71) a. Dn, E,W = E. b. Ds,E,W = Die Menge Funktionen von W in {0,1} c. DX/Y,E,W = Die Menge der Funktionen von DY,E,Win DX,E,W. Dn ist also Montagues De, und Dsist Montagues D〈s,t〉. Die Indizes E,W sind hier und im folgenden weggelassen. Was die Definition der Charaktere b etrifft, so spricht nichts dagegen, Montagues (b zw. Kaplans) Definition zu üb ernehmen, d. h. für jeden syntaktischen Typ X ist MXdie Menge der Funktionen aus der Menge der Kontexte in die entsprechende Denotatenmenge DX. Wenn γ eine Funktion ist, die den Grundausdrücken der kategorialen Sprache ein typengerechtes Denotat zuordnet, muß die rekursive Definition der von g ab hängigen Interpretation [[ ]]gfür alle Ausdrücke der kategorialen Sprache folgendermaßen aussehen: (72) a. Falls α ein Grundausdruck ist, dann ist [[α]]g = g(α). b. Falls α ein Ausdruck der Form βγ mit β vom Typ X/Y und γ vom Typ Y ist, dann gilt für einen beliebigen Kontext k: [[βγ]]g(k) = [[β]]g(k) angewandt auf [[γ]]g(k). Man kann diese Rekursion als Fregesche Interpretation (B,{G},g) auffassen (vgl. Definition 48). Dab ei ist g eine Funktion die jedem Grundausdruck einen Charakter des entsprechenden Typs zuordnet. G ist die Operation, die wir im Zusammenhang mit Kaplans Monsterverb ot kennengelernt hab en. (Die Operation G fällt üb rigens nicht unter Kaplans Monsterverb ot, da man sie in das Schema (34b *) b ringen kann: Sei χ1 ein Charakter vom Typ X/Y und χ2 einer vom Typ Y ist, dann ist G(χ1,χ2) = λk[χ1(k)(χ2(k))].) In B sind die Charaktere, die als g-Wert eines Grundausdrucks vorkommen, ferner ist B unter der Operation G abgeschlossen. Man sieht ohne weiteres, daß (72) eine gleichwertige Formulierung zu einer Fregeschen Interpretation ist: Der Rekursionsanfang, Bedingung (a), ist die Auflistung der Funktion g. Klausel (a) sagt, daß die Grundelemente der Trägermenge B der Bedeutungsalgeb ra durch Grundausdrücke b enannt werden. Klausel (b ) b esagt, daß die Menge B unter der Operation G ab geschlossen ist. Wir wollen im folgenden darauf verzichten, stets nachzuweisen, wie derartige Begriffsb ildungen in die Montaguesche Sprechweise üb ertragen werden können, sondern uns auf in-
123
haltliche Gesichtspunkte konzentrieren. Das erste, was wir b emerken, ist, daß in dieser Art von Semantik Kaplans Monsterverb ot direkt eingeb aut ist. Dies folgt aus der Definition der Charaktere vom Typ X/Y, wie sich der Leser üb erlegen möge. Von der Sache her ist ein solches Vorgehen ab er keineswegs notwendig. Es ist durchaus möglich, kategoriale Sprachen so zu deuten, daß Monster ausdrückb ar werden. Dieser Weg wird zum Beispiel in Cresswell (1973) b eschritten. Er definiert die Menge der Charaktere vom Typ X/Y dazu als die Menge der Funktionen, die einem Charakter vom Typ Y einen Charakter vom Typ X zuordnen. Legt man eine solche Ontologie zugrunde, kann man den in Ab schnitt 3.4.2.3 eingeführten Diagonaloperator A ohne weiteres als Funktor analysieren. (73) Sei Δ ein Symbol vom Typ n/n. g(Δ) ist der Charakter χ1 in Mn/n, so daß für einen beliebigen n-Charakter χ2 gilt: χ1(χ2)(k)(w) = χ2(kwk/w)(w), für beliebige k und w. Dies ist genau die Deutung, die wir in 3.4.2.3 diskutiert haben. Die Definition ist insofern instruktiv, als wieder einmal deutlich wird, daß eine Kompositionsregel wie die funktionale Applikation unab hängig von der zugrundeliegenden Ontologie wenig üb er die Einfachheit oder Kompliziertheit der semantischen Operation b esagt: Im gerade diskutierten Fall steckt die Kompliziertheit der Operation im Bedeutungsb egriff selb st: g(Δ) ist ja keineswegs ein Kaplanscher Charakter, d. h. eine Funktion von Kontexten in Denotate. Vielmehr ist g(Δ) eine Funktion, die aus einem Kaplanschen Charakter wieder einen Kaplanschen Charakter macht. Man kann sich darüb er streiten, ob man solche Funktionen noch Charaktere nennen soll. Als Terminus b ietet sich z. B. Cresswellscher Charakter oder monströser Charakter an. Die hier vorausgesetzte Semantik erlaub t es nicht, die Fregesche Vorstellung, daß Sätze (in einem Kontext) einen Wahrheitswert denotieren, zu rekonstruieren, wohl ab er den üb lichen Wahrheitsb egriff. Man legt dazu fest, daß der Satz α unter der Interpretatio n [[ ]] am Ko ntext k wahr ist, wenn die Proposition [[α]](k) in der Welt des Kontexts wkwahr ist. Es sind noch weitere Interpretationsvarianten möglich: Cresswell (1973) steckt alle Denotate — auch die funktionalen — in Dn, was zur Folge hat, daß die funktionalen Denotate partielle Funktionen sein müssen. Für die fol-
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gende Diskussion wollen wir jedoch eine stark vereinfachte Semantik voraussetzen: Wir ignorieren Kontextab hängigkeit und nehmen an, daß die Ausdrücke der kategorialen Sprache direkt durch Denotate gedeutet werden. 4.3 Verallgemeinerte Kategorialgrammatiken In der neueren Literatur wird mit verallgemeinerten Kategorialgrammatiken gearb eitet (vgl. z. B. Bach 1984, Ades & Steedman 1982, Szab olcsi 1987; eine umfassende Üb ersicht üb er linguistische Anwendungen findet sich in Bach, E., Oehrle, R. und Wheeler, D. 1987). Die Verallgemeinerungen b estehen darin, daß weitere Syntaxregeln zugelassen werden. Dies führt zu einer wesentlich größeren Flexib ilität des Formalismus. Praktisch sämtliche der heutzutage diskutierten Erweiterungen, insb esondere die sogenannte „Geach’sche Regel“, finden sich b ereits in Lamb eks (1958) „syntactic calculus“. Lamb ek skizziert für die wesentlichen Operationen auch eine extensionale Semantik. Der Fortschritt gegenüb er Lamb ek b esteht vor allem in der Erprob ung des Systems anhand von komplizierten Beispielen. In diesem Ab schnitt demonstrieren wir zunächst die Tragfähigkeit einiger möglicher Erweiterungen. Anschließend weisen wir auf gewisse theoretische Konsequenzen der Verallgemeinerungen hin: Plausib le Prinzipien führen dazu, daß die Regeln hoffnungslos „üb ergenerieren“, d. h. nichtgrammatische Sätze erzeugen, ohne daß zu sehen ist, wie dies durch „natürliche“ Beschränkungen des Formalismus verhindert werden könnte. Diese Konsequenzen machen es sehr zweifelhaft, ob verallgemeinerte Kategorialgrammatiken zur syntaktischen Analyse von natürlichen Sprachen geeignet sind. Der Formalismus scheint eher ein guter Kandidat zur Darstellung der „logischen Form“ zu sein, die noch flexib ler gestaltet werden kann als b ei Lewis (1970) oder Cresswell (1973). Die erste Erweiterung b esteht darin, daß neb en Funktorentypen der Form Y/X nun auch solche der Form X\Y mit der entsprechenden Syntaxregel zugelassen sind: (74) Linksapplikation (LA) X X\Y → Y Die Regel (62) des klassischen Modells wollen wir entsprechend „Rechtsapplikation“ (RA) nennen. Die Namen erinnern an die intendierte Interpretation, die in b eiden Fällen in der funktionalen Applikation der Bedeutung
III. Theorie der Satzsemantik
des Funktors auf die Bedeutung des Argumentes b esteht. Wir werden im folgenden nicht immer terminologisch zwischen den b eiden Regeln unterscheiden sondern zuweilen einfach von funktionaler Applikation (FA) sprechen. Mithilfe des erweiterten Formalismus ist die deutsche „Grundwortstellung“ einfach auszudrücken: (75)
weil
ich dich n n
sehe n\(n\s)
Eine wichtige Erweiterung b esteht in der Hinzunahme von Regeln der „funktionalen Komposition“ (Theorem i des Lambekkalküls): (76) Funktionalkomposition (FK) a. nach rechts: X/Y Y/Z → X/Z b. nach links: X\Y Y\Z → X\Z Die Namen ergeb en sich wieder aus der intendierten Deutung, die für (76 a) folgendermaßen aussieht: Einer Funktion f vom Typ X/Y und einer Funktion g vom Typ Y/Z wird die Funktion λx[f(g(x))] zugeordnet. Wir b enutzen hier und im folgenden fette Typen zur metasprachlichen Charakterisierung von Denotaten. Analog wird (76 b ) interpretiert. Es gib t einige weitere Varianten der Funktionalkomposition, z. B. X/Y Z\Y → Z\X, die sich mithilfe der unten eingeführten Regel AR herleiten lassen. Für das folgende wird eine eng mit der Funktionalkomposition verwandte Regel wichtig werden, die als Geach’sche Regel — eine historische Fehlattrib ution — b ekannt geworden ist (Theorem j des Lamb ekkalküls): (77) Typenexpansion (G wie Geach) X/Y → (X/Z)/(Y/Z) (analog für \). Die Kompositionsregeln und die Geach’sche Regel erhöhen die Ausdruckskraft des Systems b eträchtlich. Geach (1972) weist zunächst darauf hin, daß man die Negation als Satzoperator auffassen kann und sie trotzdem verschiedende Konstituenten negieren kann. Die von ihm diskutierten aristotelischen Beispiele sehen, auf das Deutsche üb ertragen, folgendermaßen aus:
7. Syntax und Semantik
(78b ) hat zwei Analysen: Einmal kann nicht die Konstituente jeder Mensch modifizieren. Dazu wird FKR angewendet. Das Resultat wird dann auf das IV angewendet. Das zweite Mal kann nicht das s jeder Mensch fliegt modifizieren. Dies geschieht mittels der Regel FAR. Die Analyse von (78a) und die erste Analyse von (78b ) kann man nun auch mithilfe der Geach’schen Regel nachspielen und erhält (79a) b zw. b (79 ):
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einschlägige Analyse angedeutet: Um einen Relativsatz wie who lo ves So krates oder that every Greek lo ves zu b ilden, muß lo ves So crates b zw. every Greek lo ves der Kategorie IV angehören. Das Relativwort macht dann daraus einen Satz. Für ein etwas komplizierteres Beispiel — das aus gutem Grund dem Englischen entnommen ist, da die b isherigen Methoden für das Deutsche noch nicht ausreichen — zeigen wir, wie lange Ab hängigkeiten mithilfe der Kompositionsregel FK analysiert werden:
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß ein so erweiterter Formalismus viele syntaktischen Amb iguitäten erzeugt. Zum Beispiel läßt sich (81) auch auf die folgende Weise analysieren: Die offensichtliche Parallelität der fraglichen Ab leitungen gib t den Hinweis, wie die Geach’sche Regel zu deuten ist. Das Denotat des Satzoperators nicht ist die Negation nicht’. Entsprechend muß in (79 a) das durch die Regel G gewonnene Negationsadverb vom Typ (s/n)/(s/n) die Bedeutung λPλx[nicht’(P(x))] hab en, wob ei P vom Typ (s/n) und x vom Typ s ist. Allgemein ordnet also die Geach’sche Regel einer Funktion f vom Typ X/Y die Funktion λgλxf(g(x)) zu, wob ei g vom Typ Y/Z und x vom Typ Z ist. Man üb erzeugt sich, daß die Deutung der b eiden Sätze die erwünschten Resultate liefert. Zum Beispiel liefert die Verb alnegation die Funktion λx[nicht’(fliegt’(x))], während die Nominalnegation die Funktion λP[nicht’(jeder Mensch’(P)) liefert. Die Deutung der Geach’schen Regel zeigt den erwähnten engen Zusammenhang mit der Funktionalkomposition: Regel G erzeugt in gewisser Weise diese Operation. Dies sieht man sofort anhand des Umstandes, daß sich FK aus G herleiten läßt:
Man kann also theoretisch ohne die Regel FK auskommen. Kompositionsregeln sind auch dazu b enutzt worden, um „lange Ab hängigkeiten“ wie z. B. W-Bewegung kategorial nachzuspielen (vgl. z. B. Szab olcsi 1987). Bereits in Geach (1972: 486) ist die
Diese syntaktischen Mehrdeutigkeiten, die kein semantisches Korrelat hab en, sind alleine durch den Formalismus erzeugt. Das Beispiel zeigt auch, daß die Kategorien nicht den üb lichen Konstituenten b egriff rekonstruieren: Nach gängigem Verständnis sind die Ketten yo u believe, yo u believe (that) Mary und you believe (that) Mary likes keine Konstituenten. Gegen diese Auffassung ist allerdings b ereits schon von Geach (1972) eingewandt worden, daß der Koordinationstest zeige, daß es sich doch um Konstituenten handele: a. you believe and I disbelieve that Otto likes Mary. b. you believe that Mary likes and Peter believes that Mary hates Emil. Wir wollen auf diese Prob lematik nicht eingehen, sondern nur darauf verweisen, daß man leicht verallgemeinerte Koordinationsregeln in die Kategorialgrammatik einführen kann, die solche Kategorien koordinieren. Bereits Lamb ek hat in der genannten Arb eit die einschlägigen Techniken vorgeführt. Sämtliche Theorien der verallgemeinerten Koordination (z. B. Geach 1972; von Stechow 1974; Keenan & Faltz 1978; Rooth & Partee 1982)
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sind letztlich in Lamb ek (1958) b ereits angelegt. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, daß man das im vorhergehende Ab schnitt angesprochene Prob lem der Mehrfachkategorisierung teilweise auf sehr elegante Weise durch die Regeln der Typenanhebung („type raising“) bewältigen kann: (83) Typenanhebung (TA) X → Y/(Y/X), X → Y/(X\Y), ... usw. für die verschiedenen Kombinationen von / und \. Für den Fall, daß Y = s ist, erhalten wir die „Montaguesche Sternoperation“, die folgendermaßen gedeutet wird: wenn α ein Denotat vom Typ X ist, dann ist das hochgestufte Denotat a* die Funktion λff(a), wob ei f vom Typ s/X ist. Zum Beispiel ist *Ede’ = λPP(Ede’), also gleich der Menge der Eigenschaften, die Ede hat. Man kann also Ede je nach Bedarf als n oder als NP mit geeigneten Schrägstrichen „im Inneren“ auffassen. Dasselb e gilt auch für Personalpronomen. (Die Regel X → Y/(X\Y) entspricht Theorem h des Lamb ekkalküls. Die Regel X → Y/(Y/X) ist im Originalkalkül nicht herleitb ar. Sie erweitert seine generative Kraft erheb lich, wie wir unten sehen werden.) Die Typenanheb ung können wir auch für Funktoren verallgemeinern, indem wir z. B. aus Verb en des Typs (s/n)/n solche des Typs (s/NP)/NP machen usw. In einer Sprache mit „freier“ Wortstellung wie dem Deutschen oder dem Lateinischen kann ein Funktor sowohl links als auch rechts von seinen Argumenten stehen. Man kann diese Stellungsfreiheit durch die folgende Äquivalenzregel formulieren: (84) Applikationsrichtungsänderung (AR) X/Y ↔ Y\X. Der Doppelpfeil b edeutet Ab leitb arkeit in b eiden Richtungen. Semantisch hat diese Regel keinen Effekt. Mithilfe von AR kann man z. B. aus Satz (85a) den Satz (85b ) herleiten:
Um Satz (70) — Siehst du mich? — herzuleiten, b enötigen wir eine Regel, welche die Argumente eines Funktors vertauscht. (86) Argumentvertauschung (AV) (X\Y)/Z ↔ X\(Y/Z) Die Deutung b esteht im Üb ergang von der
III. Theorie der Satzsemantik
Funktion λzλx[f(x)(z)] zu λxλz[f(x)(z)] bzw. umgekehrt. Die Herleitung von (70) — unter der Annahme, daß sehen die lexikalisch festgelegt Kategorie n\(n\s) hat — sieht nun folgendermaßen aus:
Man sieht ohne weiteres ein, daß diese Ab leitung das semantisch korrekte Resultat liefert: die Regel AR ändert an der Bedeutung nichts, die Regel AV vertauscht die b eiden Argumente der Relation sehen’ und sorgt so dafür, daß die Funktion zuerst auf das Sub jekt du’ angewandt werden kann. In der neueren Literatur wird ein weiteres Prinzip angenommen, das als Verbindung (connection) bekannt ist (vgl. Steedman 1987): (88) (X/Y)/Z Y/Z → X/Z (Con) Die Interpretation dieser Regel ist die folgende: Einer Funktion f vom Typ (X/Y)/Z und einer Funktion g vom Typ Y/Z wird die Funktion λx[f(x)(g(x))] zugeordnet. Eb enfalls Varianten der Verb indung sind offenb ar Regeln wie Z\(X/Y) Z\Y → Z\X, Y/Z (Y\X)/Z → X/Z oder Z\Y (Y\X)/Z → Z\X, die gleich gedeutet werden. Mit Hilfe der Verb indung lassen sich Konstruktionen mit sogenannten „parasitären Lücken“ (vgl. Engdahl 1980) korrekt analysieren:
Üb er die Kompositionsregel FK erhalten wir aus dem (IV\IV)/IV witho ut und dem IV/n reading zunächst das (IV\IV)/n witho ut reading, welches die Funktion λx[without’(reading’(x)] denotiert. Die Interpretation der Verb indungsregel sorgt dafür, daß file witho ut reading die Funktion λy[(λx[without’(reading’(x)](y))(file’(y))], d. h. λy[without’ (reading’(y))(file’(y))] denotiert. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß man Bindung „variab lenfrei“ nachspielen kann. Man b etrachte zunächst ein Reflexivpronomen:
sich macht aus einer zweistelligen Relation eine einstellige, indem sie die b eiden Argu-
7. Syntax und Semantik
mente der Relation identifiziert, d. h. sich’ ist die Funktion λf(λx[f(x)(x)]). Damit ist Satz (90) offenb ar korrekt gedeutet. Die Interpretation läßt sich für n-stellige Relationen verallgemeinern (vgl. von Stechow 1979a). Auf die Möglichkeit, Reflexivpronomina auf diese Weise zu deuten, wurde erstmals in Quine (1960) hingewiesen (vgl. auch Geach 1972, von Stechow 1979a und Szab olcsi 1987). In Quines Arb eit ist eb enfalls dargelegt, wie man in der skizzierten Weise geb undene Varia b len grundsätzlich eliminieren kann. Letztlich handelt es sich um nichts anderes als um eine Anwendung der Verfahren der komb inatorischen Logik (vgl. Schönfinkel 1924). Dementsprechend kann man ein geb undenes Personalpronomen wie ein Reflexivum interpretieren (vgl. Szab olcsi 1987):
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Beispiel:
Um die Reihenfolge von Funktor und Argument zu vertauschen, müssen wir Ede nur zum Typ s/(s/n) anheb en. Wir erhalten so:
Betrachten wir nun einen Satz, in dem der Funktor ein Nominal qua lexikalischer Eintrag ist:
Um die umgekehrte Reihenfolge zu erhalten, heb en wir die Verb phrase einfach zu s/(s/(s/n)) an und erhalten: er’ ist hier ein Operator, der aus einer Funktion f vom Typ IV/s die Funktion λgλx[f(g(x))(x)] macht, die vom Typ IV/IV ist. er’ ordnet der Funktion hofft’ also die Funktion λgλx[hofft’(g(x))(x)] zu. Wenn man diese auf gewinnt’ anwendet, erhält man λx[hofft’(gewinnt’(x))(x)]. Wendet man jeder’ darauf an, so erhält man offenb ar eine Lesart, b ei der das Sub jekt des eingeb etteten Satzes durch den Quantor gebunden ist. Möglichkeiten wie diese hab en eine Reihe von Forschern (z. B. Lamb ek 1958; Geach 1970; Ballmer 1975; Ades & Steedman 1982; Bach et al. 1987; Szab olcsi 1987) so fasziniert, daß sie die These vertreten hab en, man solle verallgemeinerte Kategorialgrammatiken direkt zur Analyse natürlicher Sprachen b enutzen. Diese Ansicht ist ab er fragwürdig, weil b ereits Systeme, mit wesentlich weniger Regeln als den hier vorgeführten, so stark sind, daß der folgende Permutationssatz gilt (van Benthem 1984a): (92) Gegeben sei ein System, das nur die Regeln der Rechtsapplikation (RA), der Typenanhebung (TA) und die Geach’sche Regel (G) benutzt. Dann gilt: Wenn die Folge von Ausdrücken x vom Typ X ist, dann ist jede Permutation von x vom Typ X. Bevor wir diesen Satz zeigen und seine Implikationen für die Grammatiktheorie diskutieren, wollen wir an zwei Beispielen ein Gefühl für die komb inatorische Vielfalt des Systems erwecken. Zum Beispiel läßt sich das Prinzip AR, also die Änderung der Applikationsrichtung, direkt aus der Typenanheb ung herleiten. Man b etrachte dazu das folgende
In einem System, das die Regel TA kennt — ein für alle Kategorialgrammatiker unverzichtb ares Prinzip — ist also die Regel AR redundant, d. h., Funktor und Argument lassen sich immer vertauschen. Daß eine typenexpandierende Regel wie TA als eine „Bewegungsregel“ aufgefaßt werden kann, macht man sich am b esten folgendermaßen klar. Einen Funktor der Gestalt X/Y kann man sich als eine Struktur vom Typ X vorstellen, in der ein Y fehlt. Zum Beispiel kann man sich das Wort träumt als ein s mit fehlendem Sub jekt n, hier als tn dargestellt, denken:
Ein zu einem Nominal (s/(s/n)) angehob enes Nomen, sagen wir, Irene, kann man sich aus dieser Lücke „herausb ewegt“ vorstellen (die syntaktische Kürzung erfolgt hier nach ob en):
Mit anderen Worten, die Anheb ung von n zu s/(s/n) kann gelesen werden „Verlangt rechts einen Satz, in dem ein n fehlt“. Und die Se-
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III. Theorie der Satzsemantik
mantik der Typenanheb ung stellt sicher, daß dies äquivalent mit der Auffassung ist, daß das Nominal gerade das fehlende n ist. Dies b edeutet ab er, daß man es sich als „herausb ewegt“ vorstellen kann. Natürlich ist die „Lücke“ tn keine theoretische Einheit der Ka-
tegorialgrammatik — im Gegensatz zur generativen Grammatik (vgl. Ab schnitt 5). Die Üb erlegungen dienen hier der Anschaulichkeit. Das andere strukturauf b auende Prinzip, welches van Benthems Permutationstheorem
voraussetzt, ist die Geach’sche Regel. Machen wir uns an einem Beispiel klar, daß auch diese „Bewegungen“ b ewirkt. Man b etrachte das folgende Beispiel, wob ei man sich nicht an der Wortordnung stören möge:
(93), denn die Permutationen einer Folge lassen sich stets durch geeignete Vertauschung von benachbarten Gliedern erreichen. Um den ersten Teil zu zeigen, genügt der Nachweis, daß sich eine Folge (X/Y)/Z, Z, Y vo n rechts kürzen läßt. Man b etrachte dazu die Ableitung (101): Um zu verstehen, wie man zu dieser Ableitung gelangt ist, arb eiten wir wieder mit der Bewegungsmetapher. Betrachten wir zunächst den Baum, der die Ausgangskette nur mithilfe der Rechtsapplikation kürzt:
(99)
scheint s/s
(zu träumen) s/n
Irene n
Diese Folge kürzt sich zu s. Mithilfe der Geach’schen Regel kann man nun Irene an den Anfang „b ewegen“, wie die folgende Struktur zeigt.
Man kann die Regel G als einen Mechanismus ansehen, der es gestattet, die n-Lücke an den höheren s-Knoten zu vererb en. Dort kann sie dann durch das äußerste Nominal „gesättigt“ werden. Diese Üb erlegungen sollten ein Gefühl für die gewaltige komb inatorische Kraft erzeugt hab en, die dem System innewohnt, so daß wir uns nun dem Beweis des Permutationssatzes (92) zuwenden können. Der Beweis vollzieht sich in zwei Schritten (vgl. van Benthem 1984a: 74 f.): Zuerst wird gezeigt, daß sich jeder kategoriale Baum einer Grammatik, die den in (93) genannten Voraussetzungen genügt (d. h. nur AR, TA und G als Regeln hat), in einen lediglich nach rechts verzweigenden Baum „transformieren“ läßt. Im zweiten Schritt wird gezeigt, daß sich b elieb ige Endknoten eines solchen Baumes vertauschen lassen, ohne daß sich am Endresultat etwas ändert. Daraus folgt sofort Satz
Wie wir sehen, ist die Folge (X/Y)/Z, Z ein X/Y. Stellen wir uns nun den Funktor (X/Y)/Z aus dieser Folge „herausb ewegt“ vor und notieren wir die Lücke „unter dem Strich“, so ist die Folge t, Z ein (X/Y)/ ((X/Y)/Z). Das ist die Kategorie, die wir unter Z in der zweiten Zeile der Ab leitung sehen. t steht hier wieder als mnemotechnisches Symb ol für die ((X/Y)/Z)-Lücke. Eb enso können wir Y als ein X mit fehlendem Funktor X/Y auffassen. Mit unter dem Strich notierter X/ Y-Lücke erhalten wir so ein X/(X/Y). Dies ist die Kategorie, die wir unter Y in der zweiten Zeile des Beweises finden. Die zweite Zeile kodiert also, daß der jeweils linke Funktor fehlt: Z würde vom Knoten X/Y dominiert, hätte man (X/Y)/Z darauf angewandt, Y würde vom Knoten X dominiert, hätte man den fehlenden Funktor X/Y darauf angewandt. Schaut man sich die dritte Zeile der Ab leitung an, dann sieht man, daß man die b eiden rechten Glieder (X/Y)/a, X/(X/Y) mithilfe der Funktionalkomposition FK zu X/a zusammenfassen kann, vorausgesetzt, man kann ihre Reihenfolge vertauschen. Dieses
7. Syntax und Semantik
Ziel wird in den nächsten vier Zeilen erreicht, wob ei Geach’s Regel zur Herleitung von FK b enutzt wird, wie ob en b eschrieb en, und die Vertauschung durch TA simuliert wird, was auch b ereits diskutiert wurde. Die folgenden b eiden Zeilen vertauschen wieder Funktor und Argument. Jede Ab leitung läßt sich also in einen nur nach rechts verzweigenden Baum b ringen. Dieses Normalformtheorem ist der erste Teil des Beweises. Als nächsten Schritt üb erlegen wir, daß wir b elieb ige Glieder an—2, an—1 eines solchen Ab leitungsb aumes vertauschen können, ohne daß sich etwas am Gesamtresultat der Kürzung ändert.
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same Lesart: (106) a. Die Mutter riet der Tochter, dem Vater zu schmeicheln b. Die Mutter riet dem Vater, der Tochter zu schmeicheln Die b eiden Sätze sind ab er auf keinen Fall synonym. Verallgemeinerte Kategorialgrammatiken erzeugen also in aller Regel unerwünschte Lesarten. Das Prob lem ist in unterschiedlichen Varianten in von Stechow (1979 a), Zimmermann (1986) und van Benthem (1987) angesprochen worden. Der Anything-goes-Eindruck wird erhärtet durch ein zweites Theorem von van Benthem (1984 a), das folgendermaßen lautet: (107) Ein Paar von zwei beliebigen Kategorien X,Y lassen sich stets zu einer Kategorie Z kürzen. Der
Betrachte zum Beweis die folgende Ab leitung mit vertauschten Positionen von an—2 und an—1:
Damit ist van Benthems Permutationstheorem vollständig ab gehandelt. Kommen wir also auf die Konsequenzen des Satzes für die linguistische Theorieb ildung zu sprechen. Sie sind nach Meinung des Verfassers schwerwiegend: Das Theorem b einhaltet, daß die wohlgeformten Ausdrücke einer natürlichen Sprache unter Permutation ab geschlossen sind — b ei Erhaltung der Wohlgeformtheit! Demnach wäre b eispielsweise mit (105a) auch (105b) wohlgeformt. (105) a. Die Maus pfeift ein Lied b. Maus pfeift ein Lied die Mit einem solchen Wohlgeformtheitsb egriff können die Grammatiker ab er nichts anfangen. Hinzukommt, daß die Regeln TA und G die Bedeutung nicht verändern. So hätten z. B. die Sätze (106a) und (106b ), die in der Permutationsb eziehung stehen, eine gemein-
Beweis
sieht
folgendermaßen
aus:
TA, für beliebiges Z Y Z/(Z/Y) (Z/X)/((Z/Y)/X) Geach (Z/X)/a Geach, mit a = ((Z/Y)/X) RA Aus dem Kürzungstheorem (108) folgt sofort, daß es für jede b elieb ige Folge von Kategorien eine Kategorie gib t, zu der sie sich kürzen läßt. Mit anderen Worten, jede b elieb ige Wortfolge ist eine Konstituente. Diese Aussagen zeigen, daß verallgemeinerte Kategorialgrammatiken in der vorliegenden Form zu stark sind und b eschränkt werden müßten. Es ist ab er nicht zu sehen, wie plausi b le Beschränkungen aussehen könnten. Man b edenke, daß die Voraussetzungen für das Permutationstheorem äußerst plausib le Prinzipien sind: die Rechtsapplikation ist notwendig, die Geach’sche Regel — die eine querkategoriale Behandlung z. B. der Negation erlaub t — ist der Stolz der Kategorialgrammatiker, und die Typenanheb ung ist zumindest dem Montaguegrammatiker heilig. Da man offenb ar keine dieser Regeln aufgeb en kann, müssen sie in ihrer Glob alität eingeschränkt werden. Es liegt nicht auf der Hand, wie solche Beschränkungen inhärent mit den Mitteln der Kategorialgrammatik formuliert werden können. Es steht vielmehr zu erwarten, daß die Restriktionen „von außen“ an den Formalismus herangetragen werden, durch Merkmale, welche die üb lichen in der generativen Grammatik erarb eiteten Restriktionen in komplexen Kategorien kodieren. Ein solches Verfahren hat mit dem Formalismus der Kategorialgrammatik offen-
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III. Theorie der Satzsemantik
b ar nichts zu tun. Die dab ei einschlägigen Gesetzmäßigkeiten sind prinzipiell anderer Art. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sämtliche Restriktionen am Ende vielleicht technisch in einer Kategorialgrammatik mit komplexen Kategorien formuliert werden können. Dies gilt analog für die verallgemeinerten Kategorialgrammatiken und selb stverständlich auch für kontextfreie Grammatiken in komplexer Notation (vgl. z. B. Kratzer et alii 1973, Gazdar et al. 1985); vgl. auch Ruttenb erg (1976) und von Stechows (1979 a) Kritik an Cresswells Intention, Wortstellungsprob leme durch λ-Konversion zu b ehandeln (vgl. dazu Artikel 8: Abschnitt 5). Wir wollen hier die Frage offenlassen, ob die genannten Schwierigkeiten durch geeignete kategorialgrammatische Beschränkungen prinzipiell b eheb b ar sind. Was man von der kategorialen Grammatik auf jeden Fall lernen kann, ist das folgende: Es läßt sich wesentlich mehr „lokal“ interpretieren, als sich die Theoretiker träumen lassen, die nur die Prädikatenlogik der ersten Stufe im Kopf haben, die weithin übliche „GB-Position“. Betrachte als erstes Skopusmehrdeutigkeiten. Um eine Quantorenphrase mit einem Verb zu komb inieren, muß man sie nicht unb edingt in der logischen Form b ewegen. Zum Beispiel kann man die starke Lesart von (109 a) — die als (109 b ) wiedergegeb en wird —, so erklären, daß man zuerst das Sub jekt mit dem Verb durch Funktionalkomposition komb iniert und dann das Ob jekt auf das Resultat anwendet:
Es ist wichtig, daß das Verb als (s/n)/n kategorisiert wird. Würde man die Kategorie mit angehob enem Ob jekt (s/n)/NP wählen, käme
APPL ist ein Operator, der aus dem sitiven fliegen das transitive mit (hilfe) macht, wob ei die Interlinearversion mitfliegen Flügel(Akkusativ)“ dasselb
intranfliegen „Vögel e b e-
kein Skopuseffekt zustande. Eine Analyse dieser Art ist in Levin (1982) vorgeschlagen worden. Die Analyse liefert dasselb e Resultat wie die im nächsten Ab schnitt diskutierte Bewegungsanalyse der GB-Theorie. Wir lassen das Prob lem offen, nach welchen Kriterien man zwischen den b eiden Ansätzen gegeb enenfalls zu wählen hat. Auch geb undene Pronomina müssen in dieser Theorie nicht unb edingt als geb undene Variab len im Sinne der Prädikatenlogik interpretiert werden. Für die Deutung von agglutinierenden Sprachen, die z. B. Reflexivaffixe hab e, ist die ob en skizzierte Analyse (90) der Reflexivierung durchaus plausib el. Wir können uns dies anhand des Kompositums Selbstbeherrschung klarmachen Unter der Voraussetzung, daß selbst vom Typ (s/n)/((s/n)/n) ist und die Bedeutung selbst’ = λfλx[f(x)(x)] hat, kann man die Komposition selbst + beherrsch analysieren als selbst’(beherrsch’) = λx[beherrsch’(x)(x)]. Ferner lassen sich kausativierte komplexe Verben, wie zum Beispiel das japanische tabe + sase „essen machen“ als Funktionalkomposition der b eiden Verb en analysieren. Wir nehmen dazu an, daß das (n\s) tabe die Bedeutung essen’ hat, während das Kausativverb sase, das vom Typ s\(n\s) ist, die Bedeutung cause’ hat. Die Komposition dieser b eiden Funktionen ergi b t die Funktion λyλx[cause’(essen’(x))(y)], die vom Typ des transitiven Verb s, also ein n\(n\s) ist. Man sieht an dieser Analyse, daß man keineswegs verlangen muß, daß sase in der Syntax einen Satz einb ettet. Der propositionseinb ettende Effekt wird semantisch nachgespielt: essen’(x) gehört zwar dem semantischen Typ s an, man darf ab er nicht vergessen, daß es sich dab ei um einen Ausdruck der Metasprache handelt, der keine syntaktische Entsprechung hat. Auch das sogenannte Applikativ kann man kategorialgrammatisch leicht nachspielen. Die folgenden Beispiele des Chichewa illustrieren das Phänomen (zitiert nach Baker 1988: 69):
deutet, wie „Vögel fliegen mit Flügeln“. Kategorialgrammatisch wird eine Präposition wie mit als ein (IV/IV)/n klassifiziert. Demnach hat (110a) die folgende kategoriale Struktur:
7. Syntax und Semantik
Die Applikativkonstruktion (110 b ) läßt sich nun folgendermaßen analysieren:
Als einziges Zusatzprinzip b enötigen wir die folgende Lückenvererbungsregel: (113) (IV/IV)/n IV → IV/n welche durch die Operation λfλgλx[f(x)(g)] gedeutet wird, wob ei f vom Typ (IV/IV)/n und g vom Typ IV ist. Man kann sich leicht überlegen, daß (111) und (112) synonym sind. Diese Üb erlegungen zeigen, daß die Prinzipien der verallgemeinerten Kategorialgrammatik b esonders für die Interpretation von morphologisch komplexen Wörtern geeignet sind. Für die Anwendung der Funktionalkomposition in der Morphologie hab en z. B. Bach (1984) und Di Sciullo und Williams (1987) plädiert. Für eine lexikalische Behandlung der deutschen Applikativverb en plädiert Wunderlich (1987). Ich b in allerdings nicht sicher, ob sein Vorschlag auf die hier vorgeschlagene Analyse hinausläuft. Einen zu den genannten Autoren völlig entgegengesetzten Standpunkt nimmt Baker (1988) ein, der (110b ) aus (110a) syntaktisch herleitet, indem die Präposition üb er Bewegung in das Verb inkorporiert wird. Das vorsichtige Fazit der Diskussion dieses Ab schnittes ist, daß Kategorialgrammatiken wohl nicht so sehr die syntaktische Struktur natürlicher Sprachen rekonstruieren, sondern eher die semantischen Operationen widerspiegeln, die wir b ei der Interpretation durchführen. Der Eindruck, daß die kategoriale Struktur mit der syntaktischen Struktur gleichzusetzen ist, rührt vermutlich daher, daß syntaktische und kategoriale Struktur oft parallel verlaufen. Wir kommen auf diesen Punkt in Abschnitt 6 noch einmal zu sprechen.
5.
Generative Grammatik
5.1 Vorbemerkungen Die generative Grammatik hat eine lange Geschichte, in der verschiedene Modelle vorge-
131
schlagen wurden (vgl. Newmeyer 1980 und 1983). Wir diskutieren hier das sogenannte GB-Modell, eine Bezeichnung, die von dem Buch Lectures o n Go vernment and Binding (Chomsky 1981) herrührt. Für dieses Modell gib t es keine verb indliche semantische Theorie, sondern lediglich systematische Hinweise, an welchen Stellen die Semantik anzuschließen ist. Kennzeichnend für die Haltung vieler Theoretiker dieser Richtung ist das folgende Zitat aus Riemsdijk & Williams (1986: 177): „Ab out semantics, too little is known, to speak with any assurance.“ Die folgenden Bemerkungen üb er den Ort der Semantik in der GB-Theorie hab en deshalb teilweise einen spekulativen Charakter. In unserer Darstellung verzichten wir darauf, die recht komplexe GB-Theorie detailliert einzuführen. Uns interessiert diese Grammatikkonzeption lediglich unter dem Gesichtpunkt, was sie für das Verhältnis von Syntax und Semantik impliziert. Insb esondere werden wir uns in dem zusammenfassenden Ab schnitt 6 mit dem folgenden Prob lem b eschäftigen: Muß das Verfahren von Montagues UG, welches syntaktische Regeln durch semantische Operationen interpretiert, für eine Theorie ausscheiden, in der es üb erhaupt keine Syntaxregeln im b isher eingeführten Sinne gibt? 5.2 Das GB-Modell Die GB-Theorie — oder zumindest eine Version derselb en — ist ein Eb enenmodell, das folgende Eb enen der syntaktischen Repräsentation annimmt.
Die D-Struktur kodiert die Funktor-Argument-Relation: Sie stellt die Konfigurationen zur Verfügung, in denen die Argumente eines Funktors in einer kanonischen Konfiguration zum Funktor stehen (vgl. Abschn. 5.3). Auf der Eb ene der S-Struktur kann ein Argument oder ein Funktor „b ewegt“ worden sein, und zwar durch die Regel Bewege-α. Diese Struktur b ildet die Eingab e für die phonologischen Regeln einerseits, welche die „phonetische Form“ (P-Struktur) aufb auen, und für die Interpretationsregeln, welche die
132
III. Theorie der Satzsemantik
„logische Form“ (LF) erzeugen. Die logische Form b ildet die Eingab e zur eigentlichen Semantik. Wir machen uns die Organisation an einem klassischen Beispiel, der Chomskyschen Analyse der Passivkonstruktion, klar.
Auf der D-Struktur wird der Passivsatz John was arrested mit Jo hn als direktem Ob jekt der VP konstruiert. Das Sub jekt des Satzes ist leer, symb olisiert als e („empty“). Die Regel Bewege-α b ewegt dieses Nominal an die Sub jektstelle und hinterläßt eine koindizierte „Spur“ ti. Diese Struktur ist der Input für die semantische Interpretation. Die Idee, die hinter diesem Vorgehen steht, ist die folgende: Auf der S-Struktur kann ein Argument sehr weit von seinem Funktor wegb ewegt sein. Die b ei der Bewegung hinterlassenen Spuren erlaub en es, seinen Funktor „wiederzufinden“. Die Spuren kodieren also die Ab leitungsgeschichte eines Satzes. Im Falle des ob igen Beispiels ist noch die Nähe von Argument und Funktor gegeb en. In den folgenden Beispielen ist ab er „zyklisch“ b ewegt worden, was zu einer größeren Distanz zwischen Argument und Funktor führt: (116) a. [S Johniseems [Sti’ to have been arrested ti]] b. [S Johni is believed [Sti’ to have been arrested ti]] Bei den b isherigen Beispielen handelt es sich um eine sogenannte NP-Bewegung, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, daß aus einer „Argumentposition“ in eine „Argumentposition“ b ewegt worden ist. Wir verzichten auf eine allgemeine Definition des Begriffs „Argumentposition“. Für die Zwecke dieser Darstellung genügt es zu wissen, daß das Sub jekt eines Satzes, ferner die Ob jektpositionen des Verb s Argumentpositionen sind, also die Positionen NP1, NP2 und NP3 in der folgenden Struktur für das Englische: (117) [S NP1 [VP [V’ V NP2] NP3]] Auf ähnliche Weise wird die sogenannte WBewegung geregelt, die sich von der NP-Bewegung unter anderem dadurch unterscheidet, daß immer nur in eine „Nicht-ArgumentPosition“, eine satzperiphere Position, b ewegt werden darf. Ein Beispiel dafür ist die folgende b A leitung:
Hier ist who zyklisch zuerst an die periphere (sog. COMP-)Position des untergeordneten Satzes und dann an die periphere Position des üb ergeordneten Satzes b ewegt worden. (Auf die Eigenart der do-Bewegung gehen wir nicht ein.) NP-Bewegung und W-Bewegung hab en syntaktisch recht verschiedene Eigenschaften. NP-Bewegung ist, was die Reichweite b etrifft, ein wesentlich restriktiverer Prozeß. Eb enfalls hab en NP-Spuren und W-Spuren verschiedene distrib utionelle Eigenschaften. Diese Details interessieren in diesem Zusammenhang ab er nicht (vgl. dazu Chomsky 1981). Wir wollen für die folgende Diskussion lediglich voraussetzen, daß die Syntax Repräsentationen dieser Art liefert. Wir b etrachten nun noch ein Beispiel für eine Konstruktionsregel, welche logische Formen aufb aut. Es handelt sich um die Regel der Quantorenanhebung (QR), die b ereits in Ab schnitt 2.4 als Q erwähnt worden ist (vgl. dazu May 1977). Diese Regel b esagt, daß man eine NP an eine satzperiphere Position unter Hinterlassung einer koindizierten Spur b ewegen darf. Zum Beispiel kann man aus (119a) die b eiden LFs (119 b ) und (119 c) herleiten: (119) a. [S every man [VP loves a woman]] b. [S every mani [S a womanj [Sti [VP loves tj]]]] c. [S a womanj [S every mani [Sti [VP loves tj]]]] Die Idee ist natürlich, daß durch die b eiden LFs die Skopusamb iguität der S-Struktur (119 a) rekonstruiert wird. Bevor wir uns Gedanken üb er die Interpretation der Theorie machen, wollen wir auf zwei wichtige Punkte hinweisen: 1. Die Konstruktion dieser Repräsentationen unterliegt strengen syntaktischen Restriktionen, welche die Üb ergenerierung verhindern, die wir für die verallgemeinerten Kategorialgrammatiken konstatiert haben. 2. Die syntaktischen Kategorien NP, VP usw. sind „autonom“ motiviert. Sie kommen dadurch zustande, daß morphologische Merkmale des „Kopfes“ projiziert werden. Eine NP hat die morphologischen Merkmale des N-Kopfes, eine VP die Merkmale des VKopfes usw. Auf das Schema, welches diese Projektion leistet, das sogenannte X-barSchema, wird in Ab schnitt 6 kurz eingegangen (vgl. dazu Chomsky 1970 und 1981). Seman-
7. Syntax und Semantik
tische Gesichtspunkte spielen für die Projektion keine Rolle. Beide Punkte illustrieren, was in Ab schnitt 2.2 „Autonomie der Syntax“ genannt wurde. 5.3 Interpretation Setzen wir einmal voraus, daß die semantische Interpretation der Komb ination von Funktor und Argumenten typengesteuert funktioniert — wob ei neb en der Funktionalapplikation auch die üb rigen Interpretationsprinzipien der verallgemeinerten Kategorialgrammatik einschlägig sind — dann interessiert vor allem die Deutung von Bewege-α, der wesentlichen Transformationsregel, welche die Eb enen des Modells verb indet. In Artikel 8, Ab schnitt 5, wird gezeigt, daß man Bewegung stets durch λ-Ab straktion nachspielen kann. Wird eine Quantorenphrase vom Typ s/(s/n) b ewegt, gib t es zwei Möglichkeiten: Ab strahiert man üb er eine Variab le vom Typ s/(s/n), kommt kein Skopuseffekt zustande; die Interpretation liefert dann dasselb e Ergeb nis, als wäre die Phrase nicht b ewegt worden. Dieser Fall entspricht der sogenannten λ-Konversion (vgl. Art. 8). Ab strahiert man dagegen üb er eine Variab le vom Typ n, kommt ein Skopuseffekt zustande (analog zum Hineinquantifizieren, das wir in Ab schnitt 2.4 kennengelernt hab en). Bewege-α kann grundätzlich auf b eide Arten interpretiert werden. Die Idee, Bewegung als λ-Ab straktion zu interpretieren, findet sich b ereits in der verallgemeinerten Phrasenstrukturgrammatik von Gazdar et alii (1985). Allerdings sagt diese Theorie nichts zu Skopuseffekten, d. h., nur die erste der geschilderten Optionen wird betrachtet. Mit der Interpretation der Bewegung ist der entscheidende Teil einer Semantik für die GB-Theorie geliefert. Es gib t dann noch rein syntaktische Prinzipien (Bindungstheorie, ECP), die eine Konstruktion eventuell als nicht wohlgeformt ausweisen, die ab er mit Semantik im eigentlichen Sinne des Wortes nichts zu tun hab en und die deshalb hier nicht b ehandelt werden müssen. Die Bindungstheorie wird in Artikel 23 „Pronouns“ b ehandelt; das ECP ist z. B. in von Stechow & Sternefeld 1988, Kap. 8 ausführlich diskutiert. Eine entscheidende Schnittstelle zwischen Syntax und Semantik ist durch das sogenannte ThetaKriterium gegeb en, auf das wir in Ab schnitt 5.4 eingehen werden. Wir b etrachten zunächst die Interpretation einer LF wie (119 b), hier wiederholt als (120): (120) [S every mani [S a womanj [S ti [VP loves tj]]]] Den b eiden Spuren ti und tj entsprechen die
133
Individuenvariab len xi und xj respektive, die durch die b eiden Quantorenphrasen im Stil von Montague geb unden werden. Dies führt zur folgenden Deutung: (121) jeder Mann’(λxi [eine Frau’(λxj [liebt’ (xj,xi)])]) Anheb ungskonstruktionen wie die unter (116) genannten stellen uns vor etwas andere Prob leme. Man richte sein Augenmerk etwa auf (116 a), hier wiederholt als (122a). Eine angemessene Interpretation ist (122b): (122) a. [S Johni seems [Sti to have been arrested ti]] b. scheint’((∃x)(verhaftet’(x, John’)) Man erhält diese Deutung, wenn man John an seine D-Position zurückb ewegt und den Passivoperator als Existenzquantor, der das Sub jekt ab b indet, interpretiert. Die Ausführungen motivieren die folgende Semantik für Bewege-α: (123) Deutung von Bewege-α [YPi XP]’ = λyiXP’(YP’), falls yi vom YP-Typ ist, = YP’(λyiXP’), falls yi von dem niedrigeren Typ ist, aus dem der YP-Typ durch Typenanhebung entsteht. Mit α’ b ezeichnen wir den semantischen Wert der Konstruktion α. Wie im Kapitel üb er Kategorialgrammatik b enutzen wir für metasprachliche Zeichen fette Buchstab en mit Apostroph am Wort- oder Phrasenende. Die erste Interpretation von Bewege-a nennen wir skopusneutral, die zweite skopusbildend. Wir setzen ferner voraus, daß alle Spuren durch Variablen interpretiert werden: (124) Spurendeutung ti’ = xi, wobei xi entweder vom Typ der Spur ti, d. h. der bewegten Phrase ist, oder von dem niedrigeren Typ, aus welchem der ti-Typ durch Typenanhebung entsteht. Wir erläutern die Interpretationsregeln nun an einem Beispiel. (125) a. [S a unicorni seems [S ti to be in the garden]] b. ein Einhorn’ (λxi scheint’ (im Garten’ (xi)) c. scheint’(ein Einhorn’(im Garten’)) Die transparente Lesart, welche die Existenz eines Einhorns impliziert, erhalten wir, indem wir die Spur ti durch eine Variab le vom Typ
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n interpretieren, die opake Lesart rekonstruieren wird, indem wir die Spur durch eine Variab le vom Typ s/(s/n) deuten. Dazu die beiden Interpretationen in (126), siehe unten. Nehmen wir uns als nächstes die Interpretation der Anhe b ungskonstruktion (122a) vor, wob ei wir die folgende Semantik für den Passivoperator been voraussetzen: (127) been’(VP’) = ∃xVP’(x), wobei VP’ die einstellige Eigenschaft ist, die durch die VP ausgedrückt wird, die unter been eingebettet ist). Wenn wir das Tempus vernachlässigen, ergib t diese Passivsemantik als Bedeutung für die VP been arrested ti die Proposition (∃x)[verhaftet’(x,xi)]. Wir nehmen dab ei an, daß verhaftet’ vom Typ (s/n)/n und John’ vom Typ n ist. Aufgrund dieser Voraussetzungen drückt dann (122a) tatsächlich die gewünschte Proposition (122b ) aus, wie die Rechnung in (128) zeigt. Die Interpretation des Passivs wird prob lemlos mit Passiviterationen wie Jo hn is believed to have been arrested fertig, wie sich der Leser üb erlegen möge. Allerdings gib t es an einer anderen Stelle Schwierigkeiten: Die Interpretation von Bewege-α nimmt an, daß jede NP „zurückb ewegt“ werden kann. Diese Annahme führt im Verb und mit der Passivregel zu unerwünschten Resultaten. Zum Beispiel wird für Satz (129a) neb en der erwünschten Lesart (129b ) auch die abwegige Lesart (129 c) vorausgesagt, b ei der nobody’ im Skopus des indefiniten Subjekts ist.
III. Theorie der Satzsemantik
(129) a. Nobodyi was arrestet ti b. nobody(λxi(∃x)[arrest*(x,xi)]) c. (∃x)[arrest*(x,nobody)] Wir lassen offen, wie dieses Problem zu lösen ist (vgl. dazu Partee 1984). Die Analyse (129 b ) setzt üb rigens voraus, daß arrest* vom Typ (s/n)/NP ist. Wir hab en im vorhergehenden Ab schnitt b ereits darauf hingewiesen, daß man die Argumente eines Funktors immer durch eine geeignete Operation hochstufen kann. Für das vorliegende Beispiel sähe diese Hochstufung folgendermaßen aus: arrest* = λPλxP(λy[arrest’(x,y)]). Diese Operation ändert an der Bedeutung und den Skopusverhältnissen bü erhaupt nichts. Deswegen wollen wir im folgenden die verschiedenen semantischen Typen von Verben nicht unterscheiden. Wir kommen nun zur Interpretation von Strukturen mit W-Bewegung. Die folgende Konstruktion ist eine Wiederholung von (118S). (130) [CPwhoi do [S you believe [CPti’ [S Mary likes ti]]]] Statt S’ hab en wir diesmal CP geschrieb en („COMP-Phrase“), um nicht mit der hier verwendeten semantischen Terminologie in Konflikt zu kommen, nach der S’ die Bedeutung eines Satzes ist. Eine in erster Approximation vernünftige Deutung von (130) ist die Eigenschaft (131) λx[Person’(x) & glaubst’ (du’, mag’ (Mary’,x))]. Wir erhalten diese Bedeutung mithilfe der folgenden Annahmen.
7. Syntax und Semantik
(132) Die Bedeutung von whoi ist die Funktion λP(Person’(xi) & P(xi)), wobei P vom Typ (s/n) ist. Wir müssen ferner noch verlangen, daß die Variab le xi an der Stelle λ-ab geb unden wird, die ihren Skopus markiert. Dies ist die Stelle, an der sich whoi in LF b efindet. Wir nennen diese Ab b indung Sko pusmarkierung. (131) erhalten wir nun aus (132) durch die folgende Herleitung in (133), siehe unten. Die Interpretationsregeln b ehandeln auch sogenannte Rattenfängerb eispiele — das sind Fälle, in denen ein W-Wort aus syntaktischen Gründen Material mitnimmt, das semantisch nichts mit dem W-Wort zu tun hat — korrekt. (134) a. [CP [Mit wesseni Schwester]j [S geht Martin tj aus]] b. λxi [Person’(xi) & [(mit xi’s Schwester’)(geht-aus’)(Martin’)]] Der Witz an diesem Beispiel ist, daß mit xi’s Schwester’ eine Adverb ialb edeutung vom Typ IV/IV ist. Um die Bedeutung (134 b ) aus (134a) zu gewinnen, muß die W-Phrase in COMP so interpretiert werden, als stünde sie an der Stelle der Spur tj. Ferner muß die Variab le xi, welche dem Fragepronomen wessenientspricht, an der COMP-Position durch den λ-Operator ab geb unden werden. Dies erreichen wir zum Beispiel dadurch, daß wir die LF in (135) erzeugen. Wir wollen ab schließend einige Bemerkungen zum Verhältnis von syntaktischen und semantischen Kategorien machen. Es ist deutlich geworden, daß in dieser Art von Theorie
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kein Parallelismus wie b ei Montague oder der Kategorialgrammatik zu erwarten ist: Es handelt sich hier um eine autonome Syntax. Man wird sich die Interpretation im allgemeinen so vorzustellen hab en, wie dies für die typengesteuerte Interpretation erläutert worden ist (vgl. Ab schnitt 3.4.2.2). Ab schließend sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es für die GB-Theorie keinerlei allgemein akzeptierte Semantik gib t. Die hier diskutierten Interpretationsprinzipien — die keineswegs vollständig sind — können deshalb keine Verb indlichkeit b eanspruchen. Sie illustrieren lediglich, wie man sich den Anschluß der Semantik an eine autonom konzipierte Syntax vorstellen kann. 5.4 Theta-Theorie 5.4.1 Thetakriterium und Thetamarkierung Die in der GB-Theorie formulierten Beschränkungen sind, mit Ausnahme des Thetakriteriums, rein syntaktisch und erb ringen daher keine neuen Gesichtspunkte für das Verhältnis von Syntax und Semantik. Das Thetakriterium — und die Theorie der Thetamarkierung ganz allgemein — ist dagegen die wesentliche Schnittstelle zwischen Syntax und Semantik und verdient eine eingehendere Diskussion. In die Terminologie der Logik üb ersetzt, b einhaltet das Thetakriterium eine Trivialität, nämlich, daß ein n-stelliges Prädikat genau n Elemente b enötigt, um einen Satz zu b ilden. In der GB-Terminologie wird dieser Gedanke so ausgedrückt.
136
(136) Für jede Argumentposition GF eines Funktors F gilt: In GF befindet sich ein Argumentausdruck genau dann, wenn GF durch F thematisch markiert wird. Zum Begriff der Argumentposition vgl. die Bemerkungen in Ab schnitt 5.2 In der GBTheorie heißen üb rigens Positionen eines Baumes grammatische Funktionen (GFs). Dieser Begriff ist unprob lematisch, von der Berechtigung der Benennung einmal ab gesehen. Prob lematischer ist, wie man den Begriff der thematischen Markierung mittels der üb lichen logischen Methoden explizieren soll. Klar ist, daß er etwas mit Stelligkeit oder Valenz eines Funktors zu tun hat: Ein einstelliges Verb wie gähnen vergib t nur eine thematische Rolle, und zwar an das Sub jekt NP1 (vgl. (117)). Ein transitives Verb wie schlagen thetamarkiert darüb er hinaus das direkte Ob jekt NP2 und ein dreistelliges Verb weist auch dem indirekten Ob jekt, also der grammatischen Funktion NP3, eine „Thetarolle“ zu. Das ist die Redeweise. Dem Leser, der sich an dieser Stelle fragt, wieso man sich so gewunden ausdrückt und nicht einfach mit dem Begriff der Stelligkeit eines Prädikats arb eitet, können wir nur mit einer Vermutung antworten: Wahrscheinlich liegt das an der Wahl der Grundb egriffe. Wenn man die Stelligkeit als Grundb egriff ansieht, dann ist die platte logische Formulierung des Thetakriteriums möglich, die ob en angegeb en wurde. Allerdings muß man auch dann noch üb er die Art der verlangten Argumente reden. In der GB-Theorie will man die Stelligkeit ab er wohl mithilfe eines anderen Grundb egriffes erklären, nämlich gerade mit dem der Thetamarkierung, d. h. der Vergabe von thematischen Rollen. Wir wollen hier zeigen, daß sich die einschlägigen Begriffsb ildungen der Theorie der Thetamarkierung kategorialgrammatisch rekonstruieren lassen. Dies führt zu der These, daß die Thetamarkierung ein kategorialgrammatisches Prinzip ist. Die kategorialgrammatische Reformulierung der thematischen Markierung kann man am b esten einsehen, wenn man sich an die in Di Sciullo & Williams (1987: 29) b enutzte Terminologie anschließt, die sich in ähnlicher Form in Baker (1988) und in vielen anderen neueren Pub likationen findet. Dort wird angenommen, das jedes Verb ein Thetaraster hat, in dem seine thematischen Rollen aufgelistet sind. (137) a. gähnt(A(gens)) b. schlägt(A,Th(ema)) c. schenkt(A,Th,Z(iel)) Die Namen für die thematischen Rollen b rau-
III. Theorie der Satzsemantik
chen wir nicht sonderlich ernst zu nehmen. Was soll es schon heißen, daß gähnen ein Agens hat? Die Wahl einer intuitiveren Bezeichnung hilft vielleicht für dieses Beispiel, nützt ab er insgesamt wenig: Man wird immer wieder auf Verb en stoßen, die mithilfe eines eta b lierten, kleinen Rolleninventars nicht klassifizierb ar sind, falls man die inhaltlichen Vorstellungen, die hinter den Rollenb ezeichnungen stehen, wirklich ernst nimmt. Wichtig ist lediglich, daß die thematischen Rollen geordnet sind: In (137c) ist Agens die erste, Thema die zweite und Ziel die dritte Rolle. Durch Unterstreichung wird gekennzeichnet, daß eine thematische Rolle außerhalb der VP des Verb s zugewiesen wird. Es gib t pro Lexikoneintrag maximal eine solche Rolle; sie heißt externe Thetarolle. Die nicht unterstrichenen thematischen Rollen werden innerhalb der VP zugewiesen und heißen interne Thetarollen. Die Thetamarkierung oder Thetazuweisung geschieht durch Koindizierung einer Thetarolle mit einem Argument, Thetakoindizierung genannt. Für eine einfache transitive VP sieht das folgendermaßen aus:
Hier ist das direkte Ob jekt seinen Hund mit der Rolle Thema von schlägt koindiziert. Durch diesen Mechanismus wird ausgedrückt, daß das Verb dem Ob jekt diese Rolle „zuweist“. Wir wollen sagen, daß das Ob jekt seinen Hund und das Verb schlägt Themakoindiziert sind. Das externe Argument Agens muß an ein Argument außerhalb der VP zugewiesen werden. Dazu kommt nur das Sub jekt in Frage. Der Einfachheit halb er nehmen wir an, daß ein deutscher Neb ensatz die Struktur [S NP VP] hat, d. h. der sogenannte INFL-Knoten wird unterschlagen. Die Zuweisung der Rolle Agens an das Sub jekt sieht dann folgendermaßen aus:
7. Syntax und Semantik
137
Zuerst wird der Index der Rolle Agens an den VP-Knoten projiziert, und zwar entlang der „Kopflinie“ im Sinne des X-b ar-Schemas (vgl. Ab schn. 6). Dies wird Thetaprojektion genannt. Anschließend wird die VP mit dem Sub jekt thetakoindiziert. Auf diese Weise wird dem Sub jekt die externe Rolle „zugewiesen“. Generell läßt sich folgendes sagen: Durch Projektion vererb t sich eine Theta-Rolle „nach ob en“, also an eine Phrase. Durch Koindizierung wird sie „zugewiesen“ oder „verbraucht“. Man b enötigt freilich noch syntaktische Prinzipien, welche den dargestellten Indizierungsmechanismus einschränken. Dazu wird angenommen, daß die erste interne Rolle mit dem direkten, die zweite interne Rolle mit dem indirekten Ob jekt koindiziert wird. Die b eiden Ob jektpositionen sind strukturell charakterisierb ar (vgl. 5.2). Eine Phrase selb st wird mit einem Argument innerhalb der „nächsthöheren“ Phrase koindiziert, in der Regel mit dem Subjekt.
ein n-Sub jekt „zu sich nimmt“. In der Funktorenkategorie n\(n\(n\s)) wollen wir das „äußerste“ n den dritten Argumenttyp, das mittlere n den zweiten Argumenttyp und das innerste n den ersten Argumenttyp nennen. Die Terminologie läßt sich offensichtlich für Funktorenkategorien b elieb iger Art verallgemeinern. Wir legen fest, daß der erste Argumenttyp extern „zugewiesen“ wird, falls nichts anderes gesagt wird. Damit b enötigen wir keine Zusatzkonvention zur Charakterisierung der externen Rolle. Wir können nun die Thetakoindizierung als Typenkoindizierung rekonstruieren: (141) Ein Funktor δ ist Y-koindiziert mit dem Argument α, falls δ vom Typ X/Y (bzw. vom Typ Y ist, α vom Typ Y\X) ist und sich die beiden zu X kürzen lassen, d. h. nebeneinander stehen. Wir übertragen zunächst das Beispiel (138) in diese Terminologie:
5.4.2 Eine kategorialgrammatische Rekonstruktion Es ist sicher wünschenswert, diese metaphorischen Redeweisen weiter zu präzisieren. In der Literatur der generativen Grammatik geschieht dies in aller Regel nicht. Wir wollen zeigen, daß sich die Thetakoindizierung und die Theta-Projektion kategorialgrammatisch ausdrücken lassen. Diese Umformulierung ist insofern eine echte Rekonstruktion, als sie eine klare Aussage darüb er macht, was thematische Markierung eigentlich ist, nämlich nichts anderes als die Funktionalapplikation eines Funktors auf ein passendes Argument. Wir b ehaupten zunächst, daß ein Thetaraster dasselb e ist wie eine Funktorenkategorie. Das sieht man daran, daß sich die Lexikoneinträge (137) kategorialgrammatisch folgendermaßen darstellen lassen: (140)
a. gähnt b. schlägt c. schenkt
n\s n\(n\s) n\(n\(n\s)
Da es b ei den Thetarastern nicht so sehr auf die Namen der Rollen, als vielmehr auf die Reihenfolge ankam, müssen wir uns üb erlegen, daß die Funktorenkategorien eb enso wie die Einträge (137) die Reihenfolge kodieren. Das ist ab er durch die Klammerung sichergestellt. Zum Beispiel ist schenkt ein dreistelliger Funktor, welcher der Reihe nach ein indirektes n-Ob jekt, ein direktes n-Ob jekt und
Unter der Annahme, daß seinen Hund den Typ n hat, ist in dieser Struktur das direkte Ob jekt mit dem Funktor schlägt n-koindiziert. Die kategorialgrammatische Notation hat den Vorteil, daß wir keinen zusätzlichen Mechanismus für die Koindizierungsrelation b enötigen; sie ist in dem Formalismus der Kategorialgrammatik b ereits angelegt. In (142) b efindet sich die Kategorie n, welche durch den Koindizierungsmechanismus „verb raucht“ wird, sowohl b ei dem Funktor als auch b ei dem Argument. Man kann nun in naheliegender Weise den Begriff der Typenmarkierung (oder Typenzuweisung) als Explikat der Thetamarkierung einführen: (143) Der Funktor δ weist dem Argument α den Typ Y zu, falls δ und α Y-koindiziert sind. (143) b edeutet natürlich, daß δ vom Typ X/Y (b zw. Y, α vom Typ Y ist und die b eiden neb eneinander stehen. — Offensichtlich weist in (142) der Funktor schlägt dem Argument seinen Hund den Typ n zu. Zur Vervollständigung der Rekonstruktion fehlt uns noch die kategorialgrammatische
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Umformulierung der Thetaprojektion. Dazu legen wir folgendes fest: (144) Ein Funktor hat den Projektionstyp Y, falls er den Typ X/Y (bzw. Y\X) hat. Nach dieser Definition hat sowohl das V als auch die VP von (142) den Projektionstyp n, wob ei der Index von V die zweite n-Rolle von schlägt, der von VP die erste n-Rolle von schlägt ist. Die Definition stellt also sicher, daß höchstens ein Typ an den nächsthöheren Knoten einer Konstruktion projiziert wird. Diese Definition dient üb rigens lediglich dazu, die Redeweise von der Thetaprojektion zu rekonstruieren. Aus kategorialgrammatischer Sicht ist die Begriffsb ildung üb erflüssig. Eb enfalls wird kein Kategorialgrammatiker die vom Standpunkt seiner Theorie aus redundante Definition der Typenkoindizierung benutzen. Wir müssen nun noch sagen, was es heißt, daß ein Funktor einen Typ hat, da Definition (144) diese Redeweise voraussetzt. Es ist klar, daß dieser Begriff rekursiv definiert werden muß. Wir wollen hier keine allgemeine Definition versuchen, sondern das Gemeinte an Beispiel (142) erläutern. Der Knoten V erb t den Typ n\(n\s) aus dem Lexikon, d. h. von schlägt. Die VP erhält den durch Kürzung mit dem Typ des direkten Ob jektes entstandenen Typ n\s. Die Zuordnung von Typen an Projektionen (im Sinne des X-b ar-Schemas) ist in geeigneter Weise zu verallgemeinern. Da üb er Thetaprojektion in der generativen Grammatik ab er kaum etwas gesagt wird, was üb er das hier Dargestellte hinausgeht, können wir diesen Punkt für die Zwecke unserer Diskussion als abgeschlossen betrachten. Wir kommen nun noch kurz auf Funktoren zu sprechen, die keine externe Thetarolle vergeb en. Eine Paradeb eispiel sind die sogenannten „ergativen“ Verb en. Es wird angenommen, daß z. B. ko mmen nur die interne Rolle Thema vergib t. Kategorialgrammatisch muß diese durch ein diakritisches Zeichen, zum Beispiel durch den Exponenten i, gekennzeichnet werden. Der GB-Eintrag und der kategorialgrammatische Eintrag sähen also folgendermaßen aus: (Th) ni\s Beide Einträge b esagen, daß die Rolle b zw. der Argumenttyp von ko mmen VP-intern realisiert werden muß. Das diakritische Merkmal i gehört nicht zum eigentlichen Formalismus der Kategorialgrammatik, sondern zu den Prinzipien, die kategoriale und phrasale (145) kommen
III. Theorie der Satzsemantik
Struktur verb inden. Man hätte natürlich auch wie Di Sciullo & Williams (1987) vorgehen und den externen Argumenttyp auszeichnen können; da dies ab er der Normalfall ist, scheint die hier dargestellte Vorgehensweise allgemeiner zu sein. Damit hab en wir den gegenwärtigen Stand der Theorie der Thetazuweisung vollständig kategorialgrammatisch rekonstruiert. Wir wollen uns das noch einmal anhand von Beispiel (139) — hier wiederholt als (146) — verdeutlichen. Wir notieren die thematischen Markierungen in b eiden Formalismen:
Dieses Schaub ild zeigt, daß eine 1—1-Entsprechung zwischen dem Index j und dem ersten Argumenttyp n sowie zwischen dem Index i und dem zweiten Argumentyp n b esteht. Die kategorialgrammatische Rekonstruktion hat meines Erachtens den Vorteil, daß sie eine Interpretation der Thetakoindizierung und der Thetaprojektion darstellt. Man versteht nunmehr, warum der Indizierungsmechanismus so aussehen muß, wie er in der zitierten generativen Literatur angenommen wird. Die kategorialgrammatische Reformulierung des Thetakriteriums b esagt also dieses: Jede Folge der Form NP1,((NP3), NP2), V mit der entsprechenden Typenfolge X1, X2, X3, Z\s läßt sich zu s kürzen. Umgekehrt gib t es zu jeder solchen Typenfolge eine Folge aus NPs + V, welche erstere instantiiert. Nach dem Kriterium sind zum Beispiel die folgenden Ketten ungrammatische D-Strukturen: (147) a. *[S Niemand [VP beleidigt]] b. *[S e [VP[V’ e beleidigt]]] c. *[S e [VP beleidigt]] d. *[S Ede [VP dem schwarzen Ritter [V’ niemand beleidigt]]] Die ersten drei Strukturen hab en zu wenig Argumente, die letzte hat eins zu viel — wob ei
7. Syntax und Semantik
die Interpretation von NP3 als „freier Dativ“ hier einmal aus dem Spiel bleibe. Wir fragen nun: Ist das Thetakriterium ein syntaktisches oder ein semantisches Prinzip? Die Frage ist völlig analog zu b eantworten, wie die nach dem Status der Syntaxregel der Prädikatenlogik, die b esagt, daß man ein nstelliges Prädikat mit n Argumenten zu einem Satz verknüpft. Das Theta-Kriterium ist in seiner Sub stanz diese Regel. Sofern man die Angab e der Stelligkeit als ein syntaktisches Merkmal auffaßt — das üb liche Verfahren — wird man das Kriterium syntaktisch nennen. Sofern man hier einen Reflex der Semantik sieht — die Stelligkeit des Prädikats und die der ausgedrückten Relation entsprechen sich —, wird man das Prinzip zumindest teilweise zur Semantik rechnen wollen. Die adäquate Betrachtungsweise scheint demnach zu sein, daß das Prinzip eine Schnittstelle von Syntax und Semantik markiert.
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— geraucht hat geb ildet. FK stellt sicher, daß sich die Sub jektrolle an den Verb alkomplex vererb t. Es ist also nicht das Verb geraucht, welches das Sub jekt thetamarkiert, sondern der gesamte Verb alkomplex geraucht hat. Dies ist mit kompositionaler Thetamarkierung gemeint. Wir wollen uns anhand des Deutschen genauer üb erlegen, wie eine Theorie der kompositionalen Thetamarkierung aussehen kann, wob ei wir die Terminologie der generativen Grammatik — und zwar in der b ei Di Sciullo & Williams (1987) vorliegenden Form — mit der hier vorgeschlagenen kategorialgrammatischen Rekonstruktion in Einklang b ringen. Analysieren wir zunächst eine Kausativkonstruktion unter Vernachlässigung des Tempus:
5.4.3 Kompositionale Thetamarkierung In der generativen Grammatik wird zwischen direkter und kompositionaler Thetamarkierung unterschieden. Unter anderem wird gesagt, daß das Sub jekt eines Satzes durch die VP kompositional thetamarkiert wird. In diesem Ab schnitt wollen wir klären, was damit gemeint ist. Betrachte dazu den folgenden Satz: (148) weil Zeno wie ein Türke geraucht hat Er drückt — b ei Vernachlässigung der Vergleichsphrase wie ein Türke — die folgende Proposition aus: (149) prät’(rauchen’(Zeno’)) Nehmen wir einmal an, das Präterium prät’ sei ein Satzoperator, hab e also den Typ (s\s, der durch hat ausgedrückt wird. Wir erhalten die gewünschte Bedeutung (149), wenn wir mit Funktionalkomposition b ar eiten:
Diese Analyse zeigt, daß geraucht das Subjekt nicht direkt thetamarkiert. Es wird zunächst das komplexe Verb — Verbalkomplex genannt
Im Anschluß an Bech (1955/57) und Höhle (1978) setzen wir hier voraus, daß abräumen ließ einen Verb alkomplex b ildet, der in der Syntax direkt generiert wird, also nicht durch Transformationen aus einer satzeinb ettenden Struktur erzeugt wird. Die Ordnung der Thetarollen ist ab steigend von links nach rechts, d. h., die erste Rolle ist die des Sub jekts, die zweite die des direkten Ob jekts, usw. Die Indizes auf der linken Seite der Rollen b eziehen sich auf die Sub ordinationstiefe, die mit den Zahlen steigt. Die Argumentverer b ung vollzieht sich nach Di Sciullo & Williams (1987) folgendermaßen. Lassen wird als „Funktor“ klassifiziert. Funktoren stehen b ei den b eiden Autoren im Gegensatz zu Prädikaten: Ein Prädikat thetamarkiert seine Argumente, während sich ein Funktor mit seinem Modifikat „kompositional“ verb indet, z. B. so, wie das in (151) angedeutet ist. Unter anderem vererb t sich die externe Rolle 1Agens des Funktors an den Verb alkomplex. Da ein Verb al nur eine externe Rolle hab en kann, wird die 2Agens-Rolle des Modifikats „internalisiert“, d. h., die Unterstreichung wird getilgt. Die Rollen des Mo-
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III. Theorie der Satzsemantik
difikats vererb en sich ansonsten an den Komplex. Die „Propositionsrolle“ von lassen verschwindet dab ei, ohne daß von den Autoren ausgeführt wird, warum das so ist. Sie wird von Di Sciullo & Williams nicht einmal er-
wähnt, ob wohl sie angenommen werden muß, weil lassen hier als cause’, d. h. als „z veranlaßt daß p“ interpretiert wird. Die kategorialgrammatische Rekonstruktion zeigt sofort, warum diese Rolle vom Verb alkomplex nicht projiziert wird:
Zur Interpretation des Ver b alkomplexes hab en wir zunächst zweimal die Geach’sche Typenanheb ung angewandt. Die Semantik dieser Operation stellt sicher, daß das Resultat die Bedeutung λTλyλxλz(cause’(z,T(x,y))) ist, wob ei T für eine zweistellige Relation steht, also vom Typ (n\(n\s)) ist. Diese Bedeutung wenden wir mittels FA auf abräumen’ an und erhalten λyλxλz (cause’ (z, abräumen’ (x,y))), ein dreistelliges komplexes Verb. Die zweimalige Anwendung der Geach’schen Regel simuliert üb rigens lediglich die funktionale Komposition eines Funktors mit einem mehrstelligen Prädikat. Würde man den Typ von abräumen’ ohne Klammern notieren als (n,n\s), so könnte man an eine verallgemeinerte Regel FK denken, welche direkt den Üb ergang von (n,n\s) + (s,n\s) zu (n,n,n\s) gestattet. Schaut man sich das Resultat dieser Deutung näher an, dann ist völlig klar, wo die „propositionale Rolle“ von cause’ geblieben ist: Sie wird der Proposition abräumen’(x,y) zugewiesen. Das y-Argument der Bedeutung des Verb alkomplexes wird natürlich üb er FA an den-Tisch’ zugewiesen, während das x-Argument an seine-Frau’ geht, eb enfalls üb er FA. Die kategorialgrammatische Analyse legt nahe, die von Di Sciullo & Williams vorgeschlagene Notation folgendermaßen zu modifizieren: Durch die Koindizierung der Rolle Prop mit der Klammer, welche die Rollen des sub ordinierten Verb s abräumen umschließt, wird ausgedrückt, daß diese Rolle an die Proposition zugewiesen wird, die durch abräumen bestimmt ist.
Ganz generell läßt sich zu diesem Typ von Argumentverschmelzung sagen, daß die „Propositionsrolle“ des bü ergeordneten Ver b s „verb raucht“ wird — also nicht mehr vom Verb alkomplex projiziert wird — während sich die üb rigen Rollen an den Komplex vererb en. Nach demselb en Schema werden Anheb ungsverb en wie scheinen und pflegen mit dem subordinierten Verb komponiert. Anders verhält es sich mit Kontrollverb en. Betrachten wir dazu die folgende Analyse, die wieder im Stil von Di Sciullo & Williams gehalten ist:
Di Sciullo und Williams drücken Kontrolle durch Koindizierung von thematischen Rollen aus. Dab ei wird verlangt, daß die „kontrollierte“ Rolle als „verb raucht“ gilt, also nicht vom Verb alkomplex projiziert wird. Ansonsten gelten die Kompositionsregeln für Funktoren und Modifikat: Die Rollen vererb en sich, wob ei das externe Argument des Funktors das externe Argument des Verb alkomplexes wird. Wie schon im vorhergehenden Beispiel schweigen sich die b eiden Autoren üb er die Ob jektrolle von wo llen aus. Sie wird lediglich durch Punkte angedeutet, verschwindet ab er b ei der Komposition auf geheimnisvolle Weise, ein Geheimnis, das die
7. Syntax und Semantik
kategorialgrammatische Rekonstruktion zu lüften vermag. Schauen wir uns dazu zunächst an, was eine Analyse der Kontrolle zu leisten hat. Eine vernünftige Deutung von (154) ist die folgende: (155) λx [ wollen’ (x,rauchen’ (x, die-letzteZigarette’)] (Zeno’) Das Entscheidende ist, daß das Sub jekt des sub ordinierten Verb s mit dem Sub jekt des Matrixverb s durch Variab lenb indung identifiziert wird. In gewisser Weise wird durch diese Ab straktion tatsächlich eine thematische Rolle „verb raucht“, denn der Verb alkomplex rauchen wo llen projiziert nicht zwei Sub jektsrollen, sondern nur noch eine. Die Formalisierung zeigt ab er, daß die Redeweise, daß nur die Rolle von wo llen projiziert wird, streng genommen sinnlos ist. Durch λ-Konversion ist nämlich sichergestellt, daß Zeno’ sowohl logisches Sub jekt von rauchen’ als auch von wollen’ ist. Die Analyse (155) gib t schließlich Aufschluß üb er den Verb leib der Ob jektrolle von wollen’: Es handelt sich um eine „propositionale Rolle“, die an die Proposition rauchen’(x,die-letzte-Zigarette’) vergeb en wird. Damit liegt es nahe, wollen’ als ein (s\(n\s)) zu kategorisieren. Bei der Deutung des Verb alkomplexes rauchen wo llen können wir nun nicht lediglich mit Funktionalkomposition ar b eiten, weil dieses Prinzip zur Folge hat, daß sich die Sub jektsrolle des eingeb etteten Verb s an den Verb alkomplex vererb t. Dies hab en wir b ei der Analyse der Kausativkonstruktion (152) b ereits festgestellt. Wir müssen eine Konstellation schaffen, die es erlaub t, die Sub jekte der b eiden Verb en durch Ab straktion zu identifizieren. Die folgende Analyse leistet dies:
Die Regel SK führt wollen’ in λPλx[wollen’(x,P(x))] üb er. Allgemein b ildet sie eine Funktion f vom Typ (s\(n\s)) in die Funktion λPλx[f(x,P(x))] ab , wob ei P vom Typ (n\s) und x vom Typ n ist. (Der b esseren Üb ersicht halb er ist diese Funktion in der Argumentschrei b weise der Prädikatenlogik notiert.) Daß auf wollen’ diese Regel angewandt werden kann, muß im Lexikon stipuliert wer-
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den oder folgt vielleicht aus allgemeineren Prinzipien der Kontrolltheorie. Man üb erzeugt sich leicht, daß diese Analyse das gewünschte Resultat liefert. Die Geach’sche Typenanheb ung ordnet der Funktion λPλx[wollen’(x,P(x))] nämlich die Funktion λTλyλx[wollen’(x,T(x,y))] zu, woraus man durch Funktionsapplikation auf rauchen’ schließlich λyλx[wollen’ (x,rauchen’ (x,y))] erhält, das korrekte Resultat. Eine Rücküb ertragung dieser Analyse in den Formalismus von di Sciullo und Williams könnte nun folgendermaßen aussehen:
Wie in der Notation (153) ist durch die Koindizierung der propositionalen Rolle mit der Klammer, welche die Rollen von rauchen enthält, ausgedrückt, daß diese Rolle an die durch rauchen b estimmte Proposition zugewiesen wird und deshalb „verb raucht“ ist. Wie b ei di Sciullo und Williams ist schließlich die Kontrollb eziehung durch Koindizierung ausgedrückt, wob ei das kontrollierte 2Agens eb enfalls als „verb raucht“ gilt. Ihre eigentliche semantische Interpretation erhalten diese Indizes freilich erst durch die vorgeführte kategorialgrammatische Deutung. Es sollte deutlich sein, daß die vorgeführten Prinzipien es erlaub en, viel kompliziertere Verb alkomplexe des Deutschen kompositional zu deuten, zum Beispiel den Verb alkomplex in des folgenden Satzes: (158) weil Ede Caroline den Tisch abräumen lassen wollen haben wird Wir üb ergehen den mangelhaften Stil dieses Satzes, der normalerweise durch gewisse Inversionen im Verb alkomplex b ereinigt wird („Ob erfeldb ildung“). Unsere Prinzipien b esagen, daß der Verb alkomplex abräumen lassen wo llen haben wird in einer Lesart die Bedeutung (159) λyλxλz (fut’(prät’(wollen’ (z,cause’ (z,abräumen’(x,y))))) hat. Der Verb alkomplex vergib t also drei thematische Rollen, die korrekt an die entsprechenden Argumente in (158) zugewiesen werden. Das Beispiel illustriert eindrucksvoll, wie komplex die kompositionale Thetamarkierung sein kann. Die kompositionale Thetamarkierung ist nicht etwa eine Ausnahmeerscheinung, son-
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dern eher der Normalfall. Zum Beispiel ist sie in der Wortb ildung gang und gäb e. Wir hab en derartige Beispiele in 4.3 mit den Applikativkonstruktionen, der morphologischen Reflexivierung und Kausativierung kennengelernt. Die Beispiele lassen sich b elieb ig vermehren (vgl. dazu etwa Moortgat 1988). Hier ist es um die Komposition von Rollen in der Syntax gegangen. Andere Beispiele, die eb enfalls in der Syntax mit diesen Methoden b ehandelt werden können, sind etwa die folgenden: (160) a. Wir halten ihn für inkompetent b. Er hörte sie leise stöhnen Halten für nimmt semantisch ein propositionales Ob jekt, ist also vom Typ s\(n\s). Inko mpetent ist vom Typ n\s. Mithilfe von G und FA läßt sich daraus der Verb alkomplex für inko mpetent halten b ilden, der vom Typ des transitiven Verb es ist. Diese Analyse ist eb enfalls von Di Sciullo & Williams vorgeschlagen worden. Auf dieselb e Weise kann man stöhnen + hören zu stöhnen hören verschmelzen und den Verb alkomplex als transitives Verb al auffassen. Ein anderes Beispiel für kompositionale Thetamarkierung in der Syntax soll angeb lich das folgende Satzpaar sein: (161) a. Wladimir wohnt auf dem Berg/in der Stadt b. Wladimir geht auf den Berg/in die Stadt In der generativen Literatur findet man die Redeweise, daß dem Berg b zw. der Stadt in (161 a) durch das Verb wo hnen und die Präposition auf bzw. in kompositional thetamarkiert werden. Entsprechendes gilt für (161 b ). Der Grund für diese Redeweise ist der folgende: das Verb enthält die Information, ob die präpositionale Ergänzung lokal oder direktional zu deuten ist. Die Präposition b einhaltet eine räumliche Beziehung. Die semantischen Verhältnisse werden korrekt widergespiegelt, wenn man etwas wie die folgenden b eiden Bedeutungen für wo hnen bzw. gehen annimmt: (162)
P läuft in b eiden Fällen üb er Eigenschaften von Orten, die durch Präpositionalphrasen
III. Theorie der Satzsemantik
ausgedrückt werden. Dies ist in der Notation durch ein entsprechendes Su b kategorisierungsmerkmal ausgedrückt. Die Kasusmerkmale b eziehen sich auf den Kasus, der von der Präposition regiert wird. (161 a) wird also gedeutet als „Wladimir hat eine Wohnung, die auf dem Berg/in der Stadt ist“ und (161 b ) wird interpretiert als „Wladimir geht einen Weg, der an einem Ort endet, der auf dem Berg/in der Stadt ist“. Die vorgeschlagene Analyse macht klar, daß die Ergänzungen dem/den Berg b zw. der/die Stadt durch die Präposition thetamarkiert werden, während die b etreffenden PPs durch das Verb sub kategorisiert, ab er nicht eigentlich thetamarkiert werden, da sie in der logischen Repräsentation kein Argument des Verb s, sondern ein Prädikat eines Argumentes desselb en sind. Die Analyse zeigt, daß es sich letzlich nicht um einen Fall von kompositionaler Thetamarkierung handelt, da nirgends thematische Rollen verschmolzen werden. Es soll hier nicht b ehauptet werden, daß diese Art der Analyse die einzig mögliche ist (vgl. dazu Artikel 37). Die kategorialgrammatische Rekonstruktion der Thetamarkierung ist eine Explikation der generativen Redeweisen in mehrfacher Hinsicht. Sie zeigt erstens, warum gewisse Thetarollen b ei Koindizierung „verb raucht“ werden. Sie zeigt ferner, daß die üb lichen Redeweisen nicht fein genug sind, sondern durch kompliziertere Koindizierungsmechanismen ersetzt werden müssen (vgl. die Koindizierung der propositionalen Rolle mit der „Klammer“ des sub ordinierten Verb s). Schließlich wird klar, daß es mit einer b loßen Notation nicht getan ist. Es geht um die Interpretation der einschägigen Koindizierung. In diesem Sinne ist auch Bechs (1955/57) Theorie der Orientierung unvollständig — die erste formale Theorie des Verb alkomplexes —, da die verschiedenen Fälle von Argumentverer b ung (Kontrolle versus Anheb ung) nicht semantisch unterschieden werden (vgl. dazu von Stechow 1984). Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Theorie der kompositionalen Thetamarkierung mit dem Thetakriterium durchaus verträglich ist. Man muß das Kriterium lediglich dahingehend verallgemeinern, daß Verb alkomplexe — und Projektionen derselb en — thetamarkieren. Dies geschieht im Einklang mit dem Thetakriterium. Zum Ab schluß dieses Ab schnittes weisen wir darauf hin, daß wir hier zwar gezeigt hab en, daß man den Verb alkomplex des Deutschen direkt kompositional interpretie-
7. Syntax und Semantik
ren kann. Wir lassen ab er offen, ob man das auch stets tun so ll. In von Stechow & Sternefeld (1988, Kapitel 12) sind Argumente angeführt, daß man im Falle von Kontrollverb en wie wo llen nicht so vorgehen soll, daß diese vielmehr einen Satz mit leerem Sub jekt einb etten. Dab ei handelt es sich allerdings um syntaktische Gesichtspunkte, auf die hier nicht eingegangen werden kann.
143
Fehlen der Syntaxregeln ein Einwand zur Praxis der Semantiker, Regeln zu interpretieren, hergeleitet werden kann. Den Ausgangspunkt unserer Diskussion b ilden die folgenden einfachen englischen Sätze (163) a. Max left b. Everyone left die
6.
in
der
GB-Theorie
die
Struktur
Syntaktische und semantische Stuktur
Wir b eschließen den Artikel mit einigen grundsätzlichen Betrachtungen zum Verhältnis von Syntax und Semantik. Insb esondere wollen wir die Frage erneut aufgreifen, was eigentlich syntaktische Struktur ist. Was ist genauer gemeint, wenn wir gesagt hab en, daß hab en. Wir können diesem Baum die konnotwendige Restriktionen sich nicht in natürtextfreie Regel, die ihn aufb aut, direkt ab lelicher Weise aus einem Formalismus, zum sen. Es handelt sich um Beispiel dem der verallgemeinerten Katego(165) S → NP INFL VP. rialgrammatiken, erge b en, sondern „von außen“ an ihn herangetragen werden müssen? Wir hab en es mit einer Sub jekt-PrädikatZuächst greifen wir ein Prob lem auf, das Konstruktion zu tun, die als NP’(VP’) b zw. sich für eine autonome Syntaxkonzeption wie VP’(NP’) interpretiert wird, je nachdem, ob die der GB-Theorie stellt: Sämtliche formalen NP’ eine Quantorenphrase oder ein EigenSemantiker hab en — üb er die Schriften Riname ist. Wir wollen (165) Prädikation nenchard Montagues — die Praxis der Logik nen. üb ernommen, syntaktische Regeln durch seBetrachten wir als nächstes Anheb ungsmantische Operationen zu deuten. In der GBkonstruktionen. Theorie gib t es nun üb erhaupt keine Syntax(166) a. Max seems to leave regeln im eigentlichen Sinn, sondern eine Anb. Everyone seems to leave zahl von interagierenden Wohlgeformtheitsprinzipien. Eb en dies ist unter Modularität — Verschiedene Prinzipien der GB-Theorie sadas Markenzeichen dieses Ansatzes — zu vergen uns, daß diese Sätze die Struktur (167) stehen. Wirb wollen uns üb erlegen, ob aus dem ha en:
Man könnte zunächst denken, daß die Wurzelregel dieses Baumes wiederum die Prädikation (165) ist. Eine solche Auffassung greift ab er zu kurz, da (165) die Information, daß
das Matrixsub jekt durch NP-Bewegung aus dem untergeordneten Satz hinausb ewegt worden ist, nicht enthält. Man kann diese Information durch ein Lückenmerkmal X/NP kodieren, das wir b ereits aus der verallgemei-
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III. Theorie der Satzsemantik
nerten Kategorialgrammatik kennen und das b edeutet, daß in der Kategorie X eine NP fehlt, also „herausb ewegt“ worden ist. Dies ist die wesentliche Technik, durch die die so-
genannten verallgemeinerten Phrasenstrukturgrammatiken b ekannt geworden sind (vgl. Gazdar et al. 1985). Mithilfe dieses Merkmals kann der Baum (167) notiert werden als:
Nun sind wir in der Lage, die „Spitzenregel“ (169) S → NP INFL VP/NP
(170) a. Max wants to leave b. Everyone wants to leave
zu interpretieren, und zwar als Bewege-α, so wie wir das in (123) b eschrieb en hab en. Die Rolle des Bewegungsindex ist in dieser Notation von dem Lückenmerkmal üb ernommen worden. Wir wollen (169) Anhebung nennen. Vor ganz andere Prob leme stellen uns sogenannte „Kontrollkonstruktionen“:
Einschlägige Prinzipien der GB-Theorie b einhalten, daß diesmal das Sub jekt nicht „b ewegt“ worden ist, sondern daß die Struktur (171) anzunehmen ist. Für diese Struktur sind die Interpretationen (172) (a) und b( ) erwünscht:
(172) a. λxi[möchte’(gehen’(xi))(xi)](Max’) b. jeder’(λxi[möchte’(gehen’(xixi)])
ten die intendierten Interpretationen, wenn wir als Spitzenregel (173) S → NPi INFL VP
Eine Methode, diese zu erreichen, b esteht in dem folgenden Vorgehen. Wir legen zunächst fest, daß ein mit i indiziertes PRO als xi interpretiert wird, wob ei xi vom Typ n ist. (PRO ist das phonetisch unsichtb are Sub jekt eines Infinitivsatzes, dessen weitere Eigenschaften uns in diesem Zusammenhang nicht zu interessieren b rauchen.) Aufgrund dieser Annahme drückt die VP in (171) die offene Eigenschaft möchte’(gehen’(xi)) aus. Wir erhal-
ansetzen und diese Regel durch die Operation λxi[VP’(xi)](NP’) b zw. NP’(λxi[VP’(xi)]) deuten, je nachdem, ob das Sub jekt vom Typ n oder s/(s/n) ist. Wir wollen diese Regel Subjektkontrolle nennen. Für die sogenannte Objektkontrolle müssen wir eine analoge Regel annehmen, nämlich (174) VP→ V NPi CP.
7. Syntax und Semantik
Diese Regel ist durch die Operation λxi[V’(xi,CP’)](NP’) b zw. λy[NP’(λxi [V’(xi, CP’) (y)])] zu interpretieren, je nachdem, ob NP vom Typ n oder s/(s/n) ist. Diese Regel interpretiert die Matrix-VP von (175 a) korrekt als (175b ), während die Matrix VP von (175c) die Interpretation (175 d) erhält: (175) a. John [VP asked Maryi [CP PROi to leave]] b. bat’(Mary’,gehen’(Mary’)) c. John [VP asked everyonei [CP PROi to leave]] d. λy[ jeder’ (λxi[bat’(xi,gehen’(xi))](y)] Um die Bedeutungen für die vollständigen Sätze zu erhalten, müssen wir im nächsten Schritt die Prädikation anwenden. Die Repräsentationen der Kontrollkonstruktionen werden also korrekt gedeutet. Wir hab en allerdings nichts dazu gesagt, wie man zu den b etreffenden Repräsentationen, d. h. zur korrekten Koindizierung von PRO und einem „Kontrolleur“ kommt. Die naheliegende Annahme ist, daß die Kontrolle semantisch durch das jeweilige „kontrollierende“ Verb gesteuert ist. Demnach hätte z. B. want den semantischen Eintrag λPλx[möchte’(x,P(x))], während ask den Eintrag λPλyλx[bitten’(x,y,P(y))] hätte. P ist hier die Eigenschaft, die durch den Infinitivsatz ausgedrückt wird. Man gelangt zu dieser Eigenschaft, indem man jeden Infinitivsatz mit PROi-Sub jekt duch λxi ab b indet. (Man kann das PROi-Sub jekt auch ganz weglassen und Infinitivsätze einfach als VPs auffassen.) Analysen der Kontrolle dieser Art sind seit langem in der Literatur vorgeschlagen worden (siehe z. B. von Stechow 1979a). Sie liefern für die prototypischen Fälle die korrekten Ergeb nisse, hab en ab er Schwierigkeiten mit Beispielen wie Der Leutnant bat den Oberstleunant, nun endlich mal befördert zu werden. Ob wohl bitten ein prototypisches Ob jektkontrollverb ist, legen inhaltliche Erwägungen eine Interpretation mit Sub jektkontrolle nahe (vgl. zu derartigen Prob lemfällen von Stechow & Sternefeld 1988: Kap. 9). Wir resümieren nun, was wir b isher üb er die Interpretation des Spitzenknotens eines Baumes festgestellt hab en: Wir erhalten den korrekten Input für die Deutung, wenn wir die folgenden drei „Regeln“ aus den Strukturen ablesen: (176) a. S → NP INFL VP/NP (Anhebung) b. S → NPi INFL VP (Subjektkontrolle) c. S → NP INFL VP (Prädikation)
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Diese „Regeln“ sind noch nicht fein genug, da noch der semantische Typ des Sub jekts zu vermerken ist, der die Applikationsrichung steuert. Beispielsweise müßte die Prädikationsregel aufgespalten werden in die folgenden b eiden Regeln:
Der Regel (177 a) wäre dann die semantische Operation f(NP’,VP’) = VP’(NP’) zuzuordnen, während die Regel (177 b ) durch g(NP’,VP’) = NP’(VP’) zu interpretieren wäre. So wie sie stehen, sind die Regeln noch immer nicht vollständig, denn der Knoten INFL enthält die Tempusinformation und die morphologischen Merkmale, welche die Kongruenz von Sub jekt und Prädikat regeln. Es gib t GB-Mechanismen, die dafür sorgen, daß diese Merkmale korrekt weitergegeb en werden (vgl. etwa von Stechow & Sternefeld 1988, Kap. 5). Kontextfrei können diese Mechanismen b eispielsweise so notiert werden, daß man die Kategorien mit den entsprechenden Merkmalen indiziert, wob ei Variab len für eine identische Merkmalsspezifizierung sorgen. So wäre etwa Regel (177 b ) zu notieren als
wob ei die Variab le α die Werte „erste“, „zweite“ und „dritte“, die Varia b le β die Werte Singular und Plural und die Variab le γ die Werte Präsens und Präteritum annehmen kann. Diese Regel in komplexer Notation steht also für eine Schar von kontextfreien Regeln, deren einzelne Instanzen sich durch Spezifizierung der Person-, Numerus- und Tempusvariab len α, β und γ ergeb en (Vgl. dazu Kratzer et alii 1974 oder Gazdar et alii 1984; heute nennt man diese Art von Merkmalspezifikation „Unifikation“.). Die Instanzen werden allerdings gleich gedeutet, da die morphologischen Merkmale die Interpretation nicht b eeinflussen. (Der INFL-Knoten in (178) ist ein ab strakter Knoten, der nur Merkmale enthält. In Chomsky (1981) wurde er in das Verb durch eine Regel inkorporiert, später wurde dann das Verb nach INFL b ewegt — was zu Schwierigkeiten b ei Sätzen wie Jo hn always
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sleeps führt —, während man ab er heute in der GB-Theorie meistens annimmt, daß dieser Knoten lediglich dazu dient, eine eigene syntaktische Kategorie zu „projizieren“ und ansonsten die Merkmalskongruenz zwischen Sub jekt und Prädikat regelt. Wir gehen hier nicht auf die Frage ein, ob man diesen Knoten überhaupt braucht.) Kommen wir nun zu der eingangs gestellten Frage zurück. Man kann die strukturaufb auenden Prinzipien offenb ar immer in der Form von „Regeln“ komprimieren, die dann durch semantische Operationen gedeutet werden können. Die Regeln liest man den Verzweigungen der erzeugten Strukturen in der vorgeführten Weise ab . Die Antwort auf unsere Frage scheint somit zu sein, daß man die GBTheorie in den allgemeinen Rahmen von Montagues UG einb etten kann und folglich die Semantik mit den dort entwickelten Methoden anschließen kann, indem man die relevanten Verzweigungstypen der Strukturen als Regeln interpretiert. Ein generativer Grammatiker wird diese relevanten Verzweigungstypen allerdings nicht „Regeln“ nennen wollen, da er dieses Wort zur Bezeichnung von sprachlichem Wissen verwendet, das wir „im Kopf“ hab en. Es ist ab er sehr unwahrscheinlich, daß wir Regeln wie (178) — wob ei es sich noch um einen sehr einfachen Fall handelt — im Kopf hab en. Im Kopf hab en wir wohl eher die einzelnen Prinzipien, die diese Strukturstücke aufb auen. Diese Prinzipien sind die eigentlichen Regeln. Aus der Theorie der kontextfreien Grammatiken ergib t sich nichts üb er das Zusammenspiel der einzelnen Module. Insofern kann man sagen, daß die verschiedenen Merkmale „von außen“ an diese Regeln herangetragen werden. Allerdings ist zuzugeb en, daß ein solcher Einwand als eine Frage der Nomenklatur ab getan werden kann. Vom theoretischen Standpunkt des Semantikers ist es zunächst gleichgültig, ob man die für die Interpretation b enötigten Strukturteile Regeln nennt oder Verzweigungstypen. Wichtig ist hier nur, daß man eb en diese Information für den Anschluß der Semantik b enötigt. Offen b leib t allerdings, wie man zu den relevanten Verzweigungstypen gelangt. In einer modularen Grammatik dürfen wir uns diese nicht als von vornherein gegeb en vorstellen, etwa als riesige Schar von kontextfreien Regeln in komplexer Notation. Wir müssen diese vielmehr konstruieren. Nach welchen Strategien dab ei genau vorzugehen ist, soll hier nicht ausgeführt
III. Theorie der Satzsemantik
werden. Als nächstes greifen wir die Frage nach dem Verhältnis von kategorialer und phrasaler Struktur auf. Insb esondere fragen wir uns, wieso wir die Phrasenstruktur nicht mit der kategorialen Struktur identifizieren, da man ja letztere auf jeden Fall für die Interpretation benötigt. Wir rekapitulieren zunächst ein wesentliches Bauprinzip für Phrasen: Jede Phrase hat genau einen Kopf. So sind in (179) die Köpfe der Reihe nach das Nomen Oma, die Präposition in und das Ver b bäckt.
Das Prinzip, genau einen Kopf zu hab en, ist ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten X-bar-Schemas, welches die Forderung enthält, daß man für alle Verzweigungen den Kopf stets eindeutig b estimmen kann. Man kann dies erreichen, indem man verlangt, daß die Verzweigungen stets die Form (180) Xm → ... Xn ... (m ≥ n) hab en, wob ei die Exponenten den Grad der Komplexität der Kategorie X symb olisieren sollen und die Punkte für Phrasen — das sind Kategorien von maximaler Komplexität — stehen (vgl. von Stechow & Sternefeld 1988, Kap. 4). Der Kopf der Verzweigung (180) ist natürlich Xn. Der Kopf ist von großer syntaktischer Bedeutung, da er die morphologischen Merkmale einer Phrase trägt. Man denke etwa an die Regel der Kongruenz von Sub jekt und Prädikat: Sowohl das Sub jekt als auch das Prädikat können sehr komplex sein, die Kongruenzmerkmale erscheinen ab er jeweils an genau einer Stelle, die keineswegs unb edingt das erste oder letzte Wort des Sub jektes oder des Prädikates sein muß. In der X-b ar-Syntax läßt sich der Kopf einfach definieren, da das X-b ar-Schema im wesentlichen eine Formalisierung des Kopfb egriffes ist. Schauen wir nun, wie sich dieser Begriff in einer Kategorialsyntax b estimmen läßt.
7. Syntax und Semantik
Der Kopf der VP ist das Verb , also ein Funktor. In (181 b ) ist der Kopf des N’ dagegen nicht der Funktor putzige, sondern dessen Argument Tier. Eine einheitliche Definition des Kopfb egriffes ist also in der Kategorialgrammatik nicht möglich. Es b leib t nichts anderes üb rig, als zwischen exozentrischen Funktoren (das sind solche, die die Kategorie verändern) und endo zentrischen Funktoren (das sind solche, die die Kategorie nicht verändern) zu unterscheiden und festzulegen, daß erstere Köpfe sind, letztere dagegen nicht. Die Notwendigkeit dieser Fallunterscheidung zeigt, daß ein wichtiges Bauprinzip von außen an den Formalismus herangetragen wird (vgl. dazu von Stechow & Sternefeld 1988, Kap. 5). Daß der Formalismus der Kategorialgrammatik nicht auf Phrasalität hin angelegt ist, sieht man ferner daran, daß man Phrasen wie die ob engenannten üb erhaupt nicht natürlich kategorialgrammatisch definieren kann. Die natürlichen Kategorisierungen von Oma, in und bäckt sind n\s, n\(n\s) und n\(n\s) respektive. Dies b edeutet, daß sich die gesättigten Kategorien jeweils zu einem s reduzieren. Hier steht man erstens vor dem Prob lem, wie man die kategorialen Unterschiede zwischen z. B. Sub stantiven und intransitiven Verb en — die b eide einstellige Eigenschaften denotieren — oder den von transitiven Verb en und Präpositionen — die jeweils zweistellige Eigenschaften denotieren — ausdrücken soll. Montague hat in PTQ zu einem Ad-hoc-Verfahren gegriffen, indem er z. B. für die Kategorie der Sub stantive einen neuen Typ n\\s einführte. Auf ähnliche Weise könnte man Präpositionen und transitive Verb en unterscheiden. Noch prob lematischer als dieser notationelle Schlenker ist die Tatsache, daß man den Kategorien nicht ansehen kann, daß das letzte Argument — das „Sub jekt“ — in aller Regel nicht in der durch den Kopf projizierten Phrase realisiert werden darf. Mit anderen Worten, Phrasen müssen definiert werden als Syntagmen vom Typ X/Y b zw. Y\X, wob ei X ein Grundtyp ist. Die durch das n\(n\s) bäckt induzierte Phrase ist also nicht das s die Oma einen Guggelhupf bäckt, sondern das n\s einen Guggelhupf bäckt. Eine
147
derartige Definition liefert zwar die korrekten Resultate, ist ab er völlig unnatürlich im Rahmen des gewählten kategorialgrammatischen Formalismus. Hier hab en wir wieder ein Beispiel dafür vorliegen, daß eine wichtige strukturelle Unterscheidung sich nicht aus dem Formalismus ergib t, sondern von außen herangetragen werden muß. Versuchen wir nun zu einem Resümee b etreffs des Verhältnisses von phrasaler und kategorialer Struktur zu kommen. Aufgrund der Diskussion scheint es vernünftig zu sein, die phrasale Struktur als die vorrangig syntaktische anzusehen. Diese Struktur scheint den Rahmen für die kategoriale Komb ination zur Verfügung zu stellen. Man komb iniert die semantischen Typen innerhalb dieses Rahmens soweit, wie das möglich ist. Das Sub jekt b leib t dab ei in aller Regel (d. h. außer für den Fall „ergativer“ Verb en, den wir in Ab schnitt 5.4.2 kurz angesprochen hab en) innerhalb der Phrase ungesättigt, weil keine syntaktische Position dafür vorhanden ist. Für die Komb ination selb st werden je nach Gegeb enheit recht verschiedene Prinzipien gewählt. In der Syntax scheint man weitgehend mit Funktionalapplikation und Ab straktion auszukommen, wob ei allerdings auch hier mir Komplikationen zu rechnen ist, wie die Ausführungen zum Verb akomplex in 5.4.3 gezeigt hab en. In der Morphologie ist dagegen auf jeden Fall mit weiteren Kompositionsprinzipien zu rechnen, wie aus den Beispiele zur Kausativierung und zum Applikativ in Ab schnitt 4.3 deutlich geworden sein dürfte. Die Diskussion legt nahe, daß sich die „semantische Struktur“ — also die Wahl b estimmter Kompositionsprinzipien — nach der syntaktischen richtet und nicht umgekehrt. Das genaue Verhältnis von semantischer, d. h. kategorialer, und syntaktischer, d. h. phrasaler Struktur ist ab er b isher weitgehend ungeklärt und wird mit Sicherheit Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung der kommenden Jahre sein. Dieser Beitrag verdankt den Kommentaren der folgenden Kolleg(inn)en außerordenlich viel: Urs Egli, Ulf Friedrichsdorf, Ulrike Haas-Spohn, Tilman Höhle, Wolfgang Klein, Barb ara Partee, Wolfgang Sternefeld, Dieter Wunderlich und — last b ut not least — Ede Thomas Zimmermann, der mir ein unveröffentlichtes Manuskript zur Verfügung gestellt hat, das für die Ab schnitte 3.2 und 3.3.1 wesentlich b enutzt wurde. Klaus von Heusinger hat die Korrekturen gelesen. Niemand von den genannten Freunden ist für verb leib ende Mängel, insbesondere für die exzessive Länge, verantwortlich.
148
III. Theorie der Satzsemantik
Als einzige Entschuldigung hab e ich anzugeb en, daß ich einen kohärenten, verständlichen und gleichzeitig einigermaßen umfassenden Üb erb lick üb er den Stand der Kunst geb en wollte, der verschiedenen Sehweisen innerhalb der formalen Syntax und Semantik gerecht wird. Jeder, der so etwas einmal versucht hat, weiß, daß ich Unmögliches angestrebt habe.
7.
Literatur (in Kurzform)
Ades/Steedman 1982 · Ajdukiewicz 1935 · Bach 1984 · Bach/Oehrle/Wheeler (eds.) 1987 · Baker 1988 · Ballmer 1975 · Bar-Hillel/Gaifman/Shamir 1960 · van Benthem 1984a · van Benthem 1987 · Bühler 1934 · Carnap 1947 · Casadio 1987 · Chomsky 1965 · Chomsky 1970 · Chomsky 1981 · Cooper/Parsons 1976 · Cresswell 1973 · Cresswell 1985b · Cresswell/von Stechow 1982 · Curry/Feys 1958 · Di Sciullo/Williams 1987 · Engdahl 1980 ·
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Arnim von Stechow, Konstanz (Bundesrepublik Deutschland)
Syntax and Semantics of Categorial Languages Preliminary Remarks Syntactic Categories Lambda-Abstraction Interpretation Lambda-Conversion and Transformations Short Bibliography
Preliminary Remarks
One interest in categorial languages is syntactic. In fact a great deal of early work on such languages was concerned with their syntactic properties. While the study of such properties is certainly important, the spirit of this handb ook would make it sub ordinate to the question of how to give a truth-conditional semantics for a categorial language. That will be the goal of this article. An early presentation of categorial languages is found in Ajdukiewicz (1935). They were then taken up b y, among others, Bar Hillel (1964) and Geach (1970). However the earliest formal semantics for categorial languages appears to b e that given in Lewis (1970) though it’s an ob vious generalization of work in intensional logic, e. g. that b eing done b y Richard Montague in the sixties (Montague 1974).
2.
Syntactic Categories
The syntax of a categorial language makes use of the idea of a syntactic catego ry. Syntactic categories are either basic categories or functo r categories. In most presentations there are two b asic categories, the category of name and the category of sentence. Various authors have considered other b asic categories (for instance Lewis (1970/72: p. 171) has an additional b asic category of co mmo n no un) b ut our purposes will b e served with just those two. The category of names will b e referred to as ‘n’ and the category of sentences as ‘s’. Functor categories are categories which ‘make’ more complex expressions out of simpler ones. For instance, the word and in English has the function of making a sentence out of two simpler sentences. Thus (1) Gwendolen pauses and Earnest smiles is made up, using and, from the two sentences (2) and (3): (2) Gwendolen pauses (3) Earnest smiles. The symb ol underlying and in a categorial language would therefore b e put into a syntactic category lab elled (s/ss) to indicate that it makes an s (sentence) out of two others.
8. Syntax and Semantics of Categorial Languages
The syntactic rules which define wellformed expressions would state this fact. An explicit definition of the categories b ased on s and n can b e given by the following two rules: s and n are categories. If τ and σ1, ..., σn are categories then so is (τ/σ1...σn). The idea is that the only syntactic categories are those generated b y these rules. Thus (s/ ss) is a syntactic category b ecause s is one b y S1 and (s/ss) is made up out of s in the way allowed b y S2. (τ/σ1 ... σn) is the category which forms an expression of category T out of expressions of categories σ1, ..., σn respectively. Categories can get complex. For instance (s/n) is the category of a one-place predicate. (This might b e a word like pauses which makes a sentence like (2) out of a name like Gwendolen.) Since (s/n) is a syntactic category, so is ((s/n)/(s/n)). This is the category which forms a one-place predicate out of a noneplace predicate, and it has b een suggested that an adverb like invitingly might b e represented by a symbol in this category so that (4) pauses invitingly would b e a (complex) one-place predicate expression (an (s/n)) made up b y an adverb comb ining with another one-place predicate pauses. (4) could then comb ine with the name Gwendolen to produce the sentence (5) Gwendolen pauses invitingly. In a categorial language every well-formed expression is in some syntactic category. Further, it is convenient to insist that an expression b e in no more than one category. The simple expressions out of which all the others are made can b e in any category. Where σ is a syntactic category, then Fσ will denote the class of symb ols (i. e. simple expressions) in category σ. When a categorial language is describ ed in this ab stract way, it is not said what a symb ol is. A symb ol can b e anything we please. It is a symb ol merely in virtue of playing a certain structural role in a syntactic system. It is often assumed that a language should have only finitely many symb ols. This is b ecause the meaning of each symb ol must b e separately learnt, as opposed to the complex expressions, whose meanings will b e determined b y the meanings of the simple symb ols in association with the rules of comb inations in a way soon to b e describ ed. Each Fσ will then b e finite and, further, all b ut
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finitely many of them will b e empty. (As will b e seen in a moment, the fact that there are no symb ols in a given category does not prevent there b eing complex expressions in that same category.) The set of well-formed expressions of a categorial language can b e defined as follows. Let Eσ b e the set of all expressions of category σ. Expressions will turn out to b e finite sequences of other expressions leading b ack until symb ols are reached. This is defined b y the following two rules: Fσ ⊆ Eσ (This just means that any symb ol in category σ is also an expression in category σ.) If δ ∈ E(τ/σ1... σn) and α1 ∈ Eσ1, ..., αn ∈ Eσn (where τ and σ1, ..., σn are all categories, not necessarily all distinct) then the sequence 〈δ, α1, ..., αn〉 is in Eτ, i. e. it is a well-formed expression in category τ. This can be illustrated using examples (1) and (4). Let Gwendo len and Earnest b e symb ols in category n which represent the English words ‘Gwendolen’ and ‘Earnest’. In other words, Gwendo len and Earnest are b oth in Fn. Let pauses and smiles b e in F(s/n) and and in F(s/ss). Since Gwendo len is in Fn, then, b y E1, it is in En. Similarly, pauses ∈ E(s/n). So b y E2, (6) is in ES, and similarly (7) is in ES. (6) 〈pauses, Gwendolen〉 (7) 〈smiles, Earnest〉 Since and ∈ E(s/ss) then E2 gives (8) as a member of Es. (8) 〈and, 〈pauses, Gwendolen〉, 〈smiles, Earnest〉〉 The word order of (8) is not English, b ut this fact does not affect the categorial structure. Indeed we could easily rearrange the word order to get (9) 〈〈Gwendolen, pauses〉, and, 〈Earnest, smiles〉〉 In (9), as in (8), provided the categories of the symb ols remain unchanged, it is clear that and forms (9) out of two simpler sentences. And each of these simpler sentences is formed b y a one-place predicate (i. e. a memb er of E(s/n)) combining with a name. (8) and (9) can alternatively b e represented as phrase markers:
III. Theorie der Satzsemantik
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The grammar which generates such phrase markers can b e expressed in a system of context-free ‘rewrite’ rules which correspond to E1 and E2. (s/ss) → {and} n → {Gwendolen, Earnest} (s/n) → {pauses, smiles} τ→ (τ/σ1, ..., σn)σ1...σn E2a is actually a rule schema which gives a particular rule for each collection of categories τ, σ1, ..., σn. To generate (4) we need to have invitingly in F((s/n)/(s/n)). Then E2 puts (10) in E(s/n) and so by E2 again, (11) is in Es. (10) 〈invitingly, pauses〉 (11) 〈〈invitingly, pauses〉, Gwendolen〉 And as with (9) we can use the equivalent (12) 〈Gwendolen, 〈pauses, invitingly〉〉 (Of course, if the interest is syntactical rather than semantical, a particular word order may b e important, and rules to effect this will need to be part of the grammar.)
3.
Lambda-Abstraction
Categorial languages as describ ed up to this point are certainly extremely powerful, b ut they are not they stand quite rich enough. To get the extra flexib ility we add what is called an abstraction operator. This is denoted b y the Greek letter ‘λ’. λ is not a functor and is in no syntactic category. A categorial language with an ab straction operator can b e called a λ-categorial language. In order to motivate and describ e the use of λ we shall look at the symb ols someone and no o ne. These symb ols seem b oth to b e in the same syntactic category, and at first
sight it might seem that they are names. This is b ecause we can get sentences like (13) and (14): (13) 〈someone, smiles〉 (14) 〈no one, smiles〉 However, even if it is plausib le to treat someo ne as the name of someone, it is impossib le so to treat no o ne. When Alice saw no one on the road it was Carroll’s logical joke that the White King should congratulate her on her sharp eyesight. In fact no o ne seems to mean the same as no t so meo ne where no t is a symbol in category (s/s). (14) is equivalent to (15) 〈not, 〈someone, smiles〉〉 But in (15) no t so meo ne is not a constituent of (15) and is not in any syntactic category. In fact it is b etter to follow Frege’s idea here and say that so meo ne is a higher-order predicate. In (15) so meo ne is the property of a predicate to the effect that there exists a person of whom the predicate is true. And no o ne means that there is no such person. Now if an ordinary predicate makes a sentence out of a name and is therefore in category (s/n) a predicate of predicates ought to make a sentence out of a predicate and so b e in category (s/(s/n)). Expressions in this category are what linguists call no un phrases or NP’s. Assigning this category to so meo ne and no o ne makes (13) and (14) well-formed sentences. Further, it allows us to give a meaning to no one which makes (14) equivalent to (15). But consider the sentence (16) Someone doesn’t smile One use of (16) might b e equivalent to (15). But it has another use. For (16) might mean simply that there is a least one person who doesn’t smile, leaving it open that there are
8. Syntax and Semantics of Categorial Languages
others who do. The prob lem is to express this sense using no t, so meo ne and smiles. Now so meo ne when applied to a predicate is to mean that the predicate is true of someone. So what predicate is involved in (16)? The predicate is ‘does not smile’, and our prob lem is to express it using no t and smiles. One way of doing this would b e to allow no t to b e in more than one syntactic category. Not only would it b e in category (s/s), it would also b e in category ((s/n)/(s/n)). In fact Geach (1970) proposes a general law to the effect that anything in category (τ/σ) is also in category ((τ/σ1...σn)/(σ/σ1...σn)). Such a practice would contradict the stipulation that a symb ol b e in no more than one syntactic category and so the question is whether we can get the same effect without giving up this restriction. This can be done in the following way: We are to think of the predicate ‘does not smile’ as b eing short for some such expression as ‘is an x such that x does not smile’ where the x is what is called a variable. That is to say we are not thinking of any particular nonsmiling thing, we are thinking of what it is for anything x to b e such that x does not smile. In natural languages the effect of a variab le is often ob tained b y means of a pronoun, as when one says (17) Every time I come to a traffic light it is red. (The point ab out (17) is that no particular traffic light is being referred to.) We shall use the notation 〈λ, x, α〉 to mean ‘is an x such that α’. 〈λ, x, α〉 will b e in category (s/n). Actually, the notion of ab straction is more general than that. In the ab ove example 〈λ,x, α〉 is in category (s/n) b ecause a is in category s and the variab le x is in category n. In general where x is a variab le in category σ and α an expression in category τ then 〈λ, x, α〉 is in category (τ/σ). This can b e made precise: We first must supplement the language with a set of variab les for each syntactic category. The variab les play a structural role in manufacturing new expressions and we can never b e sure that we may not need more, so we shall assume that with each category a there is associated a denumerab ly infinite set Xσ of variab les of category σ. Each memb er of Xσ counts as an expression in category σ. This can b e made precise b y adding two more rules to E1 and E2: Xσ ⊆ Eσ
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If x ∈ Xσ and α ∈ Eτ then 〈λ, x, α〉 ∈ E(τ/σ) The complex predicate which underlies ‘doesn’t smile’ can now be represented as (18) 〈λ, x, 〈not, 〈smiles, x〉〉〉 where x ∈ Xn. E3 and E2 make 〈smiles, x〉 a member of Es and therefore so is (19) 〈not, 〈smiles, x〉〉 So by E4, (18) is in category (s/n). I. e. it is a predicate. So the appropriate sense of (16) can be represented as (20) 〈someone, 〈λ, x, 〈not, 〈smiles, x〉〉〉〉 (20) means that someone is an x such that x does not smile. This device enab les λ-categorial languages to deal with the kind of phenomena logicians have b ecome very familiar with. That is the two senses of (21) Everyone loves someone (In the strong sense, (21) means that there is a person who is the ob ject of universal admiration, while the weak sense allows a situation in which each person, say in a circle, loves the person to their left, so everyone loves someone without there b eing anyone whom everyone loves. Some linguists have disputed that (21) has a strong sense in English, b ut we could easily suppose a language in which there were these two senses.) In (21) lo ves is a rather more elab orate kind of predicate than smiles and pauses, for lo ves requires two names to turn it into a sentence.lo ves is therefore called a two-place predicate, b y contrast with predicates like smiles and pauses which are one-place predicates.lo ves can b e put in category (s/nn). This means that if x and y are both in Xn then (22) 〈loves, x, y〉 is in Es. With everyo ne and so meo ne b oth in F(s/(s/n)) then the two senses of (21) can b e represented by (23) and (24). (23) 〈everyone, 〈λ, x, 〈someone, 〈λ, y, 〈loves, x, y〉〉〉〉〉 (24) 〈someone, 〈λ, y, 〈everyone, 〈λ, x, 〈loves, x, y〉〉〉〉〉 (23) says that everyone is an x which satisfies the predicate ‘x loves someone’. (24) says that there exists a y for which ‘everyone loves y’ is true. This completes the syntactic aspects of λcategorial languages. It is time to move on to semantics.
III. Theorie der Satzsemantik
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4.
Interpretation
Actually semantics at an informal level has b een in the picture all the way through. What must b e done is make it explicit. The kind of semantics to b e provided is what is often called model-theoretic, that is to say one first specifies a system of entities which are the things eligib le to b e the meanings of the expressions in any syntactic category in any λcategorial language. Such a system of domains of interpretation will b e denoted b y D. One then ‘interprets’ a particular language in D b y means of an assignment function V which assigns values of the appropriate kind to each symb ol. The rules of comb ination then shew how to determine a semantic value for each expression of . By varying V, the very same can b e given different interpretations, and expressions in two different ’s can end up with the same interpretation. D is a function which associates with each syntactic category σ a set or domain Dσ of things which are possib le meanings for expressions of category a. The first question is what are Dn and Ds. Ds is the domain of sentence meanings. These can b e called propositions, and in article 2 it was suggested that they b e taken as sets of possib le worlds, or perhaps, in order to take tense into account, as sets of world-time pairs; or mayb e even something more complex. Sets of world-time pairs is good for starters anyway. Where W is the set of all world-time pairs then a ∈ Ds iff a ⊆ W. I. e. the memb ers of Ds are all and only sets of world-time pairs. Dn is the domain of things than can b e named. But what can b e named? Well I guess anything can b e named. But what is anything? Mayb e questions like this are metaphysical rather than semantical. The idea is that Dn contains everything that there is. And this doesn’t just mean individual ob jects. For we often talk ab out sets, characteristics, events, tendencies, attitudes and aspirations. They are all ‘things’ in the extended sense which is appropriate to Dn. The situation for the functor categories is a little different. Consider a (one-place) predicate. This will b e an expression in category (s/n) and it will form a sentence out of a name. Suppose it is the predicate pauses. The meaning of (6), in a value assignment V which is to mirror English, will b e the set of pairs 〈w, t〉 in which Gwendolen pauses in world w at time t. If Gwendo len had b een replaced by the name of someone else, say of Algernon, then it would have b een the set of pairs such
that Algernon pauses in w at t. In other words the meaning of pauses will b e a function (or infinite correlation) which associates with anything a the set of worlds and times at which a pauses. Denote this function b y ω. ω(a) will then b e the set of 〈w, t〉 pairs such that a pauses in w at t. In ω(a), a is said to b e the argument of the function ω and ω(a) is the value of the function ω for the argument a. There will of course b e many memb ers of Dn for which ω will not make sense. Such an a will not b e in the do main of ω. This just means that ω(a) does not exist or ω is not defined for a. Thus (25) 〈Saturday, pauses〉 might have no semantic value. In general D(s/n) will consist of functions whose domains are taken from (i. e. whose arguments are in) Dn and whose values are in Ds. The domains of these functions are unlikely to b e the whole of Dn. I. e. they will b e partial functions. This is necessary not only to account for the semantic anomaly of sentences like (25) b ut also to prevent certain set-theoretical prob lems. For instance, take the case of a function ω in D(s/n). This function might well b e named b y an expression in category n and should therefore itself b e a memb er of Dn. So at least one of the memb ers of Dn for which ω would not b e defined would be ω itself. This can b e generalized for every functor category. A memb er of D(τ/σ1...σn) will b e a function ω from Dσ1 × ... × Dσn to Dτ. That is to say its first argument will b e in Dσ1, its second in Dσ2, ..., its nth in Dσn, and its value will b e in Dτ. And there will of course b e some arguments from the appropriate category for which it will not be defined. A value assignment V for a λ-categorial language is a function such that for any α ∈ Fσ; V(α) ∈ Dσ. I. e. V assigns to every symb ol a meaning from the appropriate category. Notice that V does not give values to the variab les. This is b ecause ultimately we will b e interested only in expressions whose final value is unaffected b y the value given to the variab les. Associated with a language and a system D of domains there is a set N of value assignments to the variab les. If ν ∈ N then for any x ∈ Xσ, ν(x) ∈ Dσ. We now show how to define a function Vν which gives a semantic value for every expression of , whether simple or complex. Vν is defined as follows:
8. Syntax and Semantics of Categorial Languages
V1 If α ∈ Fσ then Vν(α) = V(α) V2 If x ∈ Xσ then Vν(x) = ν(x) V3 If α is 〈δ, α1, ..., αn〉 then Vν(α) = Vν(δ) (Vν(α1), ..., Vν(αn)) V4 If α is 〈λ, x, β〉, with x ∈ Xσ and β ∈ Eτ, then Vν(α) is the function ω such that for any a ∈ Dσ, ω(a) = V(ν, a/x) (β), where (v, a/x) is the function exactly like v except that (ν, a/x) (x) = a. V2 and V3 may require a little comment. The idea is that when δ comb ines with α1, ..., αn to form an expression, the meaning of that expression is got b y letting the function which is the meaning of δ (i. e. Vν(δ)) operate on the meanings of α1, ..., αn respectively. (And these are Vν(α1), ..., Vν(αn).) Of course it may happen that Vν(δ) is not defined for these arguments, as in (25) — if V(Saturday) is Saturday and Saturday is not in the domain of V(pauses). In such a case the whole expression will lack a value. If we think of 〈λ, x, β〉 as meaning ‘is an x such that β’ then the idea is that a satisfies this iff a is an x such that β, which is to say that β is true when x is given the value a, which is just what (v, a/x) does. These rules can b e illustrated b y working through an example. Take (23). By V1—V3 it is not hard to see that Vν(〈loves, x, y〉) = V(loves) (v(x), v(y)) So Vv(〈λy, 〈lo ves, x, y〉〉) is the function ω such that for any a ∈ Dn: ω(a) = V(v, a/y) (〈loves, x, y〉) = V(loves) ((v, a/y) (x), (v, a/y) (y)) = V(loves) (v(x, a) So 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff v(x) loves a in w at t. Now Vν(〈someone, 〈λ, y, 〈loves, x, y〉〉〉〉 = V(someone) (Vν(〈λ, y, 〈loves, x, y〉〉 = V(someone) (ω) And, since V is supposed to give so meo ne its English meaning: V(someone) (ω) is the set of pairs 〈w, t〉 such that there exists at t in w a person a such that 〈w, t〉 ∈ ω(a). And this latter is so iff v(x) loves a at 〈w, t〉. So 〈w, t〉 ∈ Vν (〈so meo ne, 〈λ, y, 〈lo ves, x, y〉〉〉) iff v(x) loves someone at 〈w, t〉. Now consider Vν(〈λ, x, 〈someone, 〈λ, y, 〈loves, x, y〉〉〉〉) This will b e the function ω′, again in D(s/n), such that, for any a ∈ Dn, ω′(a) = V(ν, a/x) (〈so meo ne, 〈λ, y, 〈lo ves,
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x, y〉〉〉) and 〈w, t〉 will b e in this set iff a loves someone at 〈w, t〉. Finally consider Vν((23)). Vν((23)) is (b y V3) V(everyone) (ω′) so 〈w, t〉 ∈ Vν((23)) iff for every person a who exists in w at t, 〈w, t) ∈ ω′(a). And this last is so iff every person loves someone at 〈w, t〉. The meaning of (24) can b e worked out analogously. It will b e seen to yield the strong interpretation. In (23) and (24) the dependence on v finally disappears. The assignment to y no longer matters in 〈λ, y, 〈loves, x, y〉〉 and the assignment to x b ecomes irrelevant in the final expression. In 〈λ, y, 〈lo ves, x, y〉〉 the y after the λ binds the y in 〈lo ves, x, y〉. By contrast the x remains free. Of course in 〈lo ves, x, y〉 b oth the x and y are free. In general in 〈λ, x, β〉 the x after the λ b inds all free occurrences of x in β. The following theorem is easy to prove: If ν and µ are two assignments which agree on the variab les free in an expression α, then for any assignment V, Vν(α) = Vμ(α). If α contains no free variab les (like (23) or (24)) then Vμ(α) = Vν(α) for all assignments to the variab les and so we may simply speak of V(α). The sentences which underly natural language are usually considered not to contain free variab les and so their meanings are determined by V alone.
5.
Lambda-Conversion and Transformations
In λ-categorial languages there are certain principles which state conditions under which certain expressions have the same semantic value in all interpretations. These are known as the principles of λ-conversion (Cresswell 1973: pp. 88—90), and state that certain expressions are synonymous purely as the result of the semantics of λ-conversion. The principle concerned here is (*) 〈〈λ, x, α〉, β〉 is equivalent in every interpretation to α[β/x]. In this principle x and β must b oth b e of the same category, say σ. Let α b e in category τ. α[β/x] is α with β replacing all free occurrences of x, provided ob vious releterring is done to prevent anything in β b eing b ound as a result. Since 〈λ, x, α〉 is in category (τ/σ) then b oth sides of the principle are in category τ and
154
the principle simply says that they have the same value in every interpretation. Intuitively (*) says that the statement that β is an x such that x α’s means simply that β α’s. For instance, Gwendolen is an x such that x smiles iff Gwendolen smiles. The connection was mentioned earlier b etween categorial languages and phrase structure grammars. When an ab straction operator is added, we get something which looks much more like a transformational grammar. To see this we can look at some simple transformations. In particular let us look at the transformation which gets (26) from (27). (26) Gwendolen and Earnest smile (27) Gwendolen smiles and Earnest smiles There is of course a difference b etween smile and smiles and it may even b e a semantic difference. For now however it is simpler to treat it as a surface difference and suppose that there is only one symb ol at the λ-categorial level. The principles of λ-conversion enab le one occurrence of smile to do the work of two, and thus, in a sense, have the same effect as a transformation which deletes a symb ol under appropriate conditions of identity with a symb ol elsewhere in the structure. In (27) we suppose that Gwendo len and Earnest are each in category n, run is in category (s/n) and and is in category (s/ss). This means that its categorial structure is (28) 〈〈Gwendolen, smile〉, and, 〈Earnest, smile〉〉 What the principle (*) of λ-conversion does is assure us that (28) is semantically equivalent to (29) 〈〈λ, x, 〈〈Gwendolen, x〉, and, 〈Earnest, x〉〉〉〉 smile〉 Here x is a variab le in category (s/n), and we can read (29) in some such manner as ‘smile is an x such that Gwendolen x’s and Earnest x’s.’ At any rate, using variab les in category (s/n) enab les one to ab stract on the verb and supply it, using only one occurrence of the symbol, as an argument of the abstract. In the case of (28) and (29) the principles of λ-conversion tell us that an expression containing a λ, (29), is equivalent to one without any λ, (28). This does not mean that every expression with λ’s can b e converted into an equivalent one without. For instance, sentence (20) cannot b e converted into an equivalent sentence without λ’s, b y any numb er of λ-conversions. The principle (*) of λ-conversion which
III. Theorie der Satzsemantik
enab les us to go from (28) to (29) can b e describ ed as a grammatical transformation on structures. It would have something like the following form
This looks perhaps rather unfamiliar as a transformation, b ut it is surely conceivab le that transformational theory could b e rewritten so that the transformations might all emerge as complex sequences of λ-conversions. (At the very least an investigation of this possib ility would seem a viab le research project.) One important difference b etween transformations and λ-conversions may b e seen b y looking at (29). What we notice is that its structure actually seems to tell us how it has b een ob tained. For one may think of the variab le x as a trace indicating the place where smile used to b e in (28). This means that a sentence of a λ-categorial language in a sense carries its structure with it. Some authors seem to consider this a b ad thing. For instance Levin (1982) extends ordinary categorial languages b y allowing more lib eral principles of comb ination and on p. 147 appears to prefer this to adding an ab straction operator precisely on the ground that a λcategorial treatment puts too much structure into the sentence itself. Categorial languages do of course have quite restricted formation rules and there is nothing to prevent more general kinds of phrase structure rules from b eing semantically interpreted. In a way this is just what Montague Grammar is all ab out (see Montague 1974 and also Suppes 1973 and von Stechow 1974). Levin’s work is interesting in that he advocates a categorial syntax but with more general semantic rules. As a way of illustrating the transformational power of the principles of λ-conversion, we shall look at how they may b e used to change the linear order of strings of symb ols. There is a grammatical operation known as preposing or topicalization, whereb y one might take a sentence like (30) Gwendolen loves Earnest and stress the fact that it is Earnest that Gwendolen loves b y b ringing the name Earnest to the beginning of the sentence to get
8. Syntax and Semantics of Categorial Languages
(31) Earnest Gwendolen loves (31) is a little less natural than (32) It is Earnest whom Gwendolen loves b ut with the right kind of stress (on EARNEST) a sentence like (31) is surely possib le with the meaning of (30). The categorial structure of (30) is (33) 〈loves, Gwendolen, Earnest〉 where lo ves is in category (s/nn) and Gwendo len and Earnest are b oth in category n. λconversion gives (34) 〈〈λ, x, 〈〈λ, y, 〈x, y, Earnest〉〉, Gwendolen〉〉, loves〉 Now, since x and y are two (distinct) variables of category (s/nn) and n respectively, this makes 〈x,y, Earnest〉 an expression of category s. This in turn puts 〈λ, y, 〈x, y, Earnest〉〉 into category (s/n), meaning ‘is a y such that y x’s Earnest’ which b ecomes (when Gwendo len is added as argument) ‘Gwendolen is a y such that y x’s Earnest’; in other words, ‘Gwendolen x’s Earnest’. So the whole sen-
155
tence means ‘lo ves is an x such that Gwendolen x’s Earnest’, i. e. ‘Gwendolen loves Earnest’. These last remarks (made at greater length in Cresswell 1977 a) indicate how one might use categorial languages in a theory of syntax as well as semantics. They would then b ecome part of the syntactic b ase of a linguistic description of a natural language. At the other extreme they could b e regarded in much the way Montague regarded his intensional logic, as the language of semantic representation into which the syntactic structures were mapped.
6.
Short Bibliography
Ajdukiewicz 1935 · Bar Hillel 1964 · Cresswell 1973 · Cresswell 1977 a · Geach 1970 · Levin 1982 · Lewis 1970 · Montague 1974 · von Stechow 1974 · Suppes 1973
M. J. Cresswell, Wellington (New Zealand)
156
IV. Kontexttheorie Context Theory
9. 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6.
Kontextabhängigkeit Die klassische Theorie Extension und Intension Intension und Charakter Arten der Referenz Arten der Kombination Varianten und Alternativen Parametrisierung Extensionalisierung Zweidimensionale Modallogik Tokenanalyse Erkenntnistheoretische Umdeutung Aspekte des Kontexts Standardaspekte unter der Lupe Demonstrativa Einschlägiges Probleme Bindung Perspektivische Verschiebungen Skopismus, Holismus und quantifizierte Kontexte Mißbrauch Historisch-bibliographische Anmerkungen Zur klassischen Theorie Zu den Varianten und Alternativen Zu den Aspekten des Kontexts Zu den Problemen Zu den historisch-bibliographischen Anmerkungen Literatur (in Kurzform)
Die in diesem Artikel besproc henen semantisc hen Phänomene könnte man — statt unter Kontextabhängigkeit — ebensogut unter den Begriffen Deixis oder direkte Referenz abhandeln. Es geht jedenfalls um eine bestimmte Art der Situationsabhängigkeit der Bedeutung sprac hlic her Ausdrüc ke. Um allerdings diese Situationsabhängigkeit genauer fassen zu können, bedarf es eines allgemeinen theoretisc hen Rahmens für die Besc hreibung des Verhältnisses der Sprac he zur Welt. Ein solc her Rahmen wird von der in Teil 1 dargestellten allgemeinen Referenztheorie bereitgestellt, die zugleic h auc h die klassische Theorie der Kontextabhängigkeit ist. Andere, größtenteils mit der klassisc hen Theorie eng ver-
wandte Bezugsrahmen werden im darauffolgenden Teil kurz vorgestellt. Erst danac h gibt es (im dritten Teil) einen Überblic k über den Phänomenbereic h; dabei sollen vor allem die deskriptive Spannweite und Flexibilität der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten erkennbar werden. Ihre Grenzen sind Gegenstand von Teil 4.
1.
Die klassische Theorie
Die hier zum Ausgangspunkt erkorene klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit läßt sic h nur verstehen, wenn man sie auf dem Hintergrund eines bestimmten Bildes des Zusammenhangs zwisc hen Sprac he und Welt sieht. Als grobe Skizze steht dieses Bild am Anfang der folgenden Darstellung. Nac h dem Begriff ‘Kontext’ wird man in dieser Darstellung der klassisc hen Theorie übrigens vergeblic h suc hen: er gehört — in der hier bevorzugten Terminologie — zu einer erst in Absc hnitt 2.1 zu besprec henden Variation des klassischen Rahmens. 1.1 Extension und Intension Durc h die Verwendung sprac hlic her Ausdrüc ke beziehen sic h Sprec her oft auf Personen oder Dinge. Wenn z. B. Erwin den Satz: (1) Ich bin Vertreter. äußert, so bezieht er sich mit dem Subjekt ich auf sic h selbst, also Erwin. In dieser Situation ist Erwin der Referent oder, wie man auc h sagt, die Extension des Wortes ich. Für das Substantiv Vertreter läßt sic h ebenfalls eine Extension angeben, wenn auc h nic ht in so naheliegender Weise. Ist die von Erwin aufgestellte Behauptung wahr, so könnte man zunäc hst vermuten, daß dieses Substantiv genau wie das Subjekt auf den Sprec her Erwin verweist. Doc h worauf soll sic h das Wort Vertreter beziehen, wenn Erwin Unrec ht hat? Eine möglic he Antwort wäre, daß es sic h in diesen Fällen auf unbestimmte Weise auf alle
9. Kontextabhängigkeit
beliebigen Vertreter bezieht oder — was auf dasselbe hinausläuft — auf die Gesamtheit aller Vertreter. Die Extension des Substantivs Vertreter ist nac h der letzteren Sic htweise, der wir uns hier ansc hließen, die Menge der Vertreter, also etwas Abstraktes. Diese Sic htweise erlaubt es auc h, für die Verwendung der Kopula bin eine Extension anzugeben: Erwins Behauptung besagt, daß er ein Element der Extension von Vertreter ist, so daß man als Kopula-Extension die Elements c haftsbeziehung ansehen kann. In ähnlic her Weise kann man jetzt versuc hen, für beliebige Verwendungen beliebiger sprac hlic her Ausdrüc ke Extensionen zu finden. Eine notorisc he Sc hwierigkeit bereiten dabei vor allem Sätze. Auf den ersten Blic k sc heint es hier keine intuitiv vorgegebenen Referenten zu geben. Eine Überlegung aus der Prädikatenlogik zeigt aber, daß man über Umwege auc h Satz-Extensionen bekommen kann. Betrac htet man nämlic h Satzsc hemata wie: (2) x liebt y. oder — in prädikatenlogisc her Notation — (offene) Formeln wie: (2′) LIEBEN(x,y), so liegt es nahe, als ihre Extension die Menge aller geordneten Paare 〈a,b〉 festzulegen, die (2) bzw. (2′) erfüllen, für die also gilt: a liebt b. Bei mehr als zwei freien Variablen bekommt man dementsprec hend Mengen von Tripeln, Quadrupeln etc . als Extensionen. Im allgemeinen ist dann die Extension einer Formel φ mit n freien Variablen die Menge aller n-Tupel 〈a1,..., an〉, die φ erfüllen. Da nun das einzige 0-Tupel die leere Menge ∅ ist, bleibt für eine Formel φ ohne freie Variablen als Extension entweder die Einermenge {∅} — falls φ wahr ist — oder aber die leere Menge ∅ (für ein falsc hes φ). Natürlic hsprac hlic he (Aussage-)Sätze entspre c hen insofern gesc hlossenen Formeln, als sie offenbar keine freien Variablen enthalten. Als Extensionen von Sätzen kämen somit die mengentheoretisc hen Objekte {∅} und ∅ infrage: {∅} ist die gemeinsame Extension der wahren Aussagen, die falsc hen haben alle ∅ zur Extension. Diese beiden abstrakten Objekte bezeic hnet man auc h als die beiden Wahrheitswerte. In der Mengenlehre und im folgenden werden sie überdies mit den Zahlen 0 (= ∅) und 1 (= {∅}) identifiziert. Mit den bisher getroffenen Festlegungen über die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke
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ergibt sic h unmittelbar eine interessante Konsequenz für einfac he Sätze wie (1): ihre Extensionen lassen sic h aus den Extensionen ihrer jeweiligen Teilausdrüc ke ermitteln. Sie erfüllen also ein Naives Kompositionalitätsprinzip Die Extension eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus den Extensionen seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Dieses Kompositionalitätsprinzip für Extensionen läßt sic h aber nic ht auf beliebige Sätze ausdehnen. Typisc he Gegenbeispiele sind vor allem Sätze mit eingebetteten daß-Sätzen: (3) Monika vermutet, daß Erwin Vertreter ist. Aus dem Naiven Kompositionalitätsprinzip und der Annahme, daß die Extension des Teilsatzes Erwin Vertreter ist gleic h dem Wahrheitswert dieses Satzes ist, folgt sofort, daß man ihn durc h jeden beliebigen deutsc hen (Neben-)Satz mit demselben Wahrheitswert ersetzen könnte, ohne daß sic h am Wahrheitswert der Gesamtaussage (3) etwas änderte. Doch das ist natürlich absurd. Um die im Zusammenhang mit (3) auftretenden Sc hwierigkeiten zu umgehen, muß man entweder das Naive Kompositionalitätsprinzip oder die Annahme, daß Satzextensionen Wahrheitswerte sind, aufgeben. Hier wird nur die erste Alternative weiterverfolgt. (Für die zweite siehe den Artikel 6.) Eine minimale Absc hwäc hung des Naiven Kompositionalitätsprinzips besteht nun darin, für solc he Problemfälle wie die Satzeinbettung in (3) eine Art ‘Ersatzextension’ vorzusehen: der Wahrheitswert von (3) hängt dann nic ht vom Wahrheitswert des eingebetteten Satzes, wohl aber von der durc h ihn ausgedrüc kten Proposition (dem Satzinhalt) ab, und letztere übernimmt die Rolle der Ersatzextension bei einer kompositionellen Besc hreibung der Extension von (3). Statt von ‘Ersatzextensionen’ spric ht man üblic herweise von Intensionen. Propositionen sind also Satzintensionen. Die entsprec hende Abänderung des Naiven Kompositionalitätsprinzip lautet dann: Fregesches Kompositionalitätsprinzip Die Extension eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus den Extensionen bzw. den Intensionen seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Syntaktisc he Konstruktionen, bei denen (wie etwa bei den meisten Anwendungen der Subjekt-Prädikatsregel) die Extensionen der Teilausdrüc ke zur Ermittlung der Extension des
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Gesamtausdruc ks ausreic hen, nennt man extensional, die anderen heißen dementsprec hend intensional. Satzeinbettungen wie in (3) sind also intensionale Konstruktionen. Andere intensionale Konstruktionen sind z. B. der Ansc hluß des direkten Objekts bei Verben wie suchen oder schulden sowie die Attribution gewisser Adjektive wie angeblich oder vorsätzlich. Es ist bemerkenswert, daß sic h die meisten dieser intensionalen Konstruktionen (wenn nic ht sogar alle) durc h geeignete Paraphrasen auf Satzeinbettungen zurüc kführen lassen. Propositionen sind also möglic herweise die einzigen Intensionen, die man tatsächlich braucht. Aber was sind Propositionen? Die bisherige Charakterisierung als Satzinhalte ist ausgesproc hen vage. Eine traditionelle, aber (wie sic h noc h herausstellen wird) nic ht ganz hinreic hende Präzisierung des Propositions- und allgemein des Intensionsbegriffs besteht in einer Gleic hsetzung von Inhalt und Information: die Intension eines Ausdruc ks ist danac h die Information, die benötigt wird, um seine Extension zu bestimmen. Da die Extension eines sprac hlic hen Ausdruc ks im allgemeinen von den Umständen seiner Äußerung abhängt, kann man sic h die Intension als ein Verfahren vorstellen, das unter beliebig gegebenen Umständen eine Spezifikation der jeweiligen Extension liefert. Oder, abstrakter und allgemeiner: als eine Funktion (durc haus im mathematisc hen Sinne des Wortes), die sic h auf möglic he Situationen anwenden läßt und deren Werte stets Extensionen sind. Die Intension eines Substantivs wie S pion läßt sic h etwa auf die Situation der Bundesrepublik Deutsc hland in den frühen siebziger Jahren anwenden und liefert eine Menge, deren prominentestes Mitglied wohl Günter Guillaume ist (wer weiß?), während der Wert derselben Intension für die Romanwelten von Ian Fleming eine häufig von Roger Moore und Sean Connery verkörperte Gestalt enthält: in jedem Falle ist der Wert der Intension die Menge der Geheimagenten. Insbesondere ist also in diesem Beispiel die Intension stets dieselbe Zuordung von Situation zu Extension, selbst wenn erstere nic ht von dieser Welt und letztere nur in den seltensten Fällen vollständig bekannt ist. 1.2 Intension und Charakter Propositionen sind also charakteristische Funktionen, d. h. Funktionen von Situationen in Wahrheitswerte, oder, was praktisc h auf dasselbe hinausläuft: Mengen von Situatio-
IV. Kontexttheorie
nen — vorausgesetzt, man identifiziert c harakteristisc he Funktionen jeweils mit den Mengen der Argumente, für die sie den Wert 1 ergeben. Demnac h besagt Satz (3), daß Monika in der durc h das Verb vermuten ausgedrüc kten Einstellung V zu einer gewissen Menge p steht; dabei ist p die Menge derjenigen Situationen, in denen Erwin Vertreter ist, und die Beziehung V läßt sic h ungefähr so besc hreiben: x steht in V zu p, falls x eine Vermutung hegt, bei deren Zutreffen eine Situation aus p vorliegt. Das Zutreffen der Beziehung V ist natürlic h selbst wieder situationsabhängig, so daß sic h als Intension des Verbs vermuten eine Funktion ergibt, die Situationen Relationen zwisc hen Personen und Propositionen zuordnet. Unter der (in diesem Zusammenhang harmlosen) vereinfac henden Annahme, daß die Gesamtheit aller von einer Person gehegten Vermutungen selbst wieder eine Vermutung dieser Person bildet, gelangt man zu der folgenden (provisorisc hen) Bedeutungsregel: (R*) Die Intension des Verbs vermuten ist eine Funktion V, die jeder Situation s eine zweistellige Relation Vszuordnet, so daß für beliebige Individuen x und Propositionen p gilt: (*) x steht zu p in der Relation Vs, falls p in jeder Situation s’ gilt, die mit den von x in s gehegten Vermutungen vereinbar ist. (R*) ist eine typisc he Regel für die Deutung einer intensionalen Konstruktion. Wendet man sie auf Sätze wie (3) an, verweist die Variable s auf die Situation, an der der betreffende Ausdruc k geäußert wird und für die seine Extension ermittelt werden soll; s’ bezieht sic h dagegen auf Situationen, die für die Ermittlung der Intension eines der Teilausdrüc ke zu Rate gezogen werden müssen. Es empfiehlt sic h für das folgende, diesen Untersc hied in der Rolle von s und s’ festzuhalten: man sagt, daß sic h s bei einer (einfac hen) Anwendung von (R*) auf eine Äußerungssituation bezieht, während s’ für Auswertungssituationen steht. (R*) ist ein Beispiel für eine rec ht gängige Analyse von Einstellungsverben wie vermuten. Es ist bekannt, daß diese Analyse wegen der logisc hen Inkonsequenz propositionaler Einstellungen zu Sc hwierigkeiten führt, die sic h durc h einen logisc h feineren (aber komplizierteren) Propositionsbegriff umgehen lassen. (Vgl. dazu Artikel 34.) Dieses Phänomen ist jedoc h weitgehend (genauer: abgesehen
9. Kontextabhängigkeit
von einem in Absc hnitt 4.2 noc h anzusprec henden möglic hen Zusammenhang) unabhängig von Fragen der Kontextabhängigkeit. Wir werden uns deshalb weiter auf (R*) beziehen und stillsc hweigend voraussetzen, daß die gleic h zu diskutierenden Probleme auc h im Zusammenhang mit logisc h strukturierten Propositionen auftreten und sic h dann in analoger Weise lösen lassen. Wenden wir nun (R*) auf das folgende Beispiel an: (4) Monika vermutet, daß ich in Radolfzell bin. Um das Problem, das sic h für eine Analyse von (4) nac h (R*) ergibt, klar zu sehen, sei hier eine bestimmte (etwas verquere) Äußerungssituation s0 von (4) betrac htet, deren Vorgesc hic hte sic h folgendermaßen abgespielt hat: Erwin ruft aus Sc hwäbisc h-Hall Monika an, um ihr mitzuteilen, daß er nac h Radolfzell fahren will. Unterwegs überlegt er es sic h jedoc h anders und fährt stattdessen nac h Konstanz, wo Monika — die beiden führen dort einen gemeinsamen Haushalt — an ihrem Sc hreibtisc h im Arbeitszimmer sitzt, während ihre Eltern im Wohnzimmer fernsehen. Bei seiner Ankunft trifft Erwin als erstes Monikas Eltern und äußert nun (4). Monika hört dies zwar durc h ein Loc h in der Wand zwisc hen Wohn- und Arbeitszimmer, hält es jedoc h für eine (etwas abwegige) Äußerung ihres Vaters; die Stimmen der beiden ähneln sic h nämlic h, und Monika wähnt Erwin in Radolfzell. So weit die Besc hreibung der uns interessierenden Äußerungssituation s0 von (4). Versuc hen wir nun, (R*) zur Ermittlung des Wahrheitswertes von (4) in s0 heranzuziehen. Die Bedingung (*) läuft in diesem Falle darauf hinaus, daß in jeder (Auswertungs-) Situation s’, die mit den von Monika in s0 gehegten Vermutungen vereinbar ist, die durch (5) ausgedrückte Proposition wahr ist: (5) Ich bin in Radolfzell. (5) ist aber offenbar in einer Situation s’ gerade dann wahr, wenn sic h (in s’) die in s’ sprec hende Person in Radolfzell aufhält. Damit (4) gemäß (R*) in s0 wahr ist, müßten also Monikas Vermutungen darauf hinauslaufen, daß sic h der Äußerer von (4) in Radolfzell befindet. Doc h das ist natürlic h absurd: Monika ist in Konstanz, und sie kann ja hören, daß der Sprec her nebenan ist. (R*) sagt also die Falsc hheit von (4) in s0 voraus, wo doch Erwin ganz offensichtlich recht hat. Es ist klar, was hier sc hiefgelaufen ist: Er-
159
win behauptet mit seiner Äußerung von (4) nämlic h keineswegs, daß Monika vermute, die Person, die jetzt gerade im Nebenzimmer sprec he, sei in Radolfzell. Die Vermutung, die Erwin meint, bezieht sic h vielmehr auf ihn selbst, den augenblic klic hen Sprec her; es handelt sic h also um eine sog. singuläre Proposition, eine Proposition über ein bestimmtes Individuum. Die bisherigen Festlegungen zur Bestimmung von Intension und Extension tragen dieser Tatsac he offenbar nic ht Rec hnung. Eine Revision tut not. Es bieten sic h hier im Prinzip zwei Möglic hkeiten an, diese im Zusammenhang mit (4) aufgetretenen Sc hwierigkeiten aus dem Weg zu räumen: (A) entweder man ändert die Deutung (R*) des Verbs vermuten und besc hränkt sic h in der Klausel (*) auf solc he Auswertungssituationen, in denen dieselbe Person spric ht wie in der Äußerungssituation; (B) oder man gibt die Voraussetzung auf, daß (5) ausdrüc kt, daß sic h der (jeweilige) S precher in Radolfzell aufhält und nimmt stattdessen an, (5) besage, daß sic h Erwin in Radolfzell aufhalte. Wir werden beiden Möglic hkeiten nac hgehen und dabei feststellen, daß (A) wieder zu neuen Problemen führt, während man mit (B) zu einem neuen Intensions-Begriff gelangt, der es dann erlaubt, diese Probleme zu umgehen. Später (in Absc hnitt 2.1) wird sic h allerdings herausstellen, daß sic h die Alternative (A) bei einer abstrakteren Betrachtungsweise wieder retten läßt. Untersuc hen wir also zunäc hst die Alternative (A). Dabei handelt es sic h lediglic h um eine leic hte Verfeinerung der Regel (R*); die Klausel (*) müßte ersetzt werden durch: () x steht zu p in der Relation Vs, falls p in jeder Situation s’ gilt, die mit s den Sprecher gemeinsam hat und die mit den von x in s gehegten Vermutungen vereinbar ist. (+) ist natürlic h noc h etwas unfertig: variiert man nämlic h das Beispiel (5) ein wenig, so stellt sic h sc hnell heraus, daß die in (+) herangezogenen Auswertungssituationen s’ neben dem Sprec her auc h beispielsweise die Gespräc hspartner, den Äußerungstag, den Ort der Handlung u. a. m. von der Äußerungssituation s übernehmen müssen: ihr, heute, hier etc . verhalten sic h in dieser Hinsic ht nämlic h ganz analog zu ich. Die Aspekte der Äußerungssituation, die in dieser Weise von den Auswertungssituationen übernommen werden, nennen wir hier einmal die [für (R+)] festen Situationsaspekte, während wir die anderen Aspekte als [durch (R+)] verschiebbar
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bezeic hnen. (Man beac hte, daß Aspekte von Situationen gewissen Eigensc haften derselben entsprec hen: s und s’ stimmen im Aspekt ‘Sprec her’ überein, falls sowohl s als auc h s’ die Eigensc haft zukommt, daß eine gewisse Person X in ihr spric ht; Genaueres zu diesem Aspekt-Begriff erfährt man in Absc hnitt 2.1.) Die Revision (A) besagt also einfac h, daß (R+) bestimmte Aspekte der Äußerungssituation festhält. Um welc he Aspekte handelt es sic h dabei? Das Beispiel (4) legt nahe, daß der Sprec her auf jeden Fall dabei ist: nac h (+) müssen ja Äußerungs- und Auswertungssituation den Sprec her gemeinsam haben. Doc h das ist nur die halbe Wahrheit, wie eine kleine Erweiterung des obigen Beispiels zeigt. Erwin könnte nämlic h seiner Äußerung von (4) durc haus wahrheitsgemäß folgendes hinzufügen: (6) Monika vermutet, daß nicht ich spreche, sondern jemand anders. Nac h (R+) würde aber Erwin mit (6) im wesentlic hen behaupten, daß es keine Situation gibt, die mit Monikas Vermutungen vereinbar ist und in der Erwin spric ht: die durc h den in (6) eingebetteten Satz ausgedrüc kte Proposition besteht aus den Situationen s, in denen jemand spric ht, dieser Jemand aber nic ht Sprec her in s ist; solc he s kann es offenbar nic ht geben, so daß die Bedingung (+) in diesem Falle darauf hinausläuft, daß es keine Situation s’ gibt, die mit Monikas Vermutungen vereinbar ist und die mit s0 den Sprec her Erwin gemein hat. Doc h Monika mag in der skizzierten Situation s0 sogar der Meinung sein, daß Erwin gerade etwas sagt; auf jeden Fall widerspric ht diese Annahme nic ht ihren Vermutungen über Erwin, so daß die besc hriebenen Situationen s’ doc h existieren. Sie glaubt eben nur nic ht, daß Erwin der Sprec her ist, den sie gerade, also in s0, hört — aber in irgendwelc hen anderen Situationen kann sie ihn sic h durc haus als Sprec her vorstellen. (R+) funktioniert also auch nicht. Wie ist es nun um die Alternative (B) bestellt? Danac h ist (R*) vollkommen in Ordnung, und der Fehler ist in der Voraussetzung zu suc hen, daß der in (4) eingebettete Satz (5) die Proposition ausdrüc ke, nac h der sic h der (jeweilige) Sprec her in Radolfzell aufhält: nehmen wir nämlic h stattdessen an, die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition bestünde aus den Situationen, in denen Erwin in Radolfzell ist, so würde (4) laut (R*) besagen, daß sic h Erwin in allen mit Monikas Annahmen kompatiblen Situationen in Radolfzell aufhält;
IV. Kontexttheorie
und genauso ist es ja wohl auc h. Eine Komplikation bei dieser Lösung besteht nun allerdings darin, daß die Annahme, (5) besage, daß Erwin in Radolfzell sei, vollkommen ad hoc ist und sc hon in der näc hstbesten Situation s1, in der jemand anders als Erwin spric ht, zu offenkundigem Unsinn führt: hier kann ja die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition unmöglic h besagen, daß Erwin in Radolfzell ist, sondern allenfalls, daß sic h eine gewisse Person, die in s1 Sprec her ist, in Radolfzell befindet. Damit würde aber (5) in s1 eine andere Proposition ausdrüc ken als in s0, d. h. die Intension von (5) hinge von der Äußerungssituation ab. Die Alternative (B) läuft also letztlic h darauf hinaus, die Intension eines Ausdruc ks — ähnlic h wie die Extension — als etwas mit der Äußerungssituation Variierendes aufzufassen: (5) drüc kt — je nac h dem, wer diesen Satz gebrauc ht — einmal diese, einmal jene (singuläre) Proposition aus, wie auc h der Wahrheitswert dieses Satzes von Situation zu Situation sc hwanken kann. Um zu gewährleisten, daß die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition in der gewünsc hten Art und Weise von der Äußerungssituation abhängt, müssen die oben dargestellten Prinzipien zur Bestimmung von Extension und Intension verfeinert werden. Was man brauc ht, ist ein Sc hema, nac h dem ein Satz wie (5) in jeder Äußerungssituation s eine für s c harakteristisc he Intension bekommt — oder, anders ausgedrüc kt: Festlegungen für die Bestimmung der funktionalen Abhängigkeit der Intension von der jeweiligen Äußerungssituation. Diese Abhängigkeit werden wir von nun an den Charakter des betreffenden sprac hlic hen Ausdruc ks nennen. Der Charakter χ5 von (5) ist also eine Funktion, die jeder Äußerungssituation s die Menge derjenigen Situationen s’ zuordnet, für die gilt: der Sprec her in s befindet sic h in der Situation s’ in Radolfzell. Um den Charakter χ5 systematisc h mit dem Aufbau von (5) in Verbindung zu bringen, muß sc hon unterhalb der Satzebene zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation untersc hieden werden. Denn die Extension des Subjekts ich in (5) wird in der Äußerungssituation bestimmt, während sic h die Extension des Prädikats (bin in Radolfzell) nac h der Auswertungssituation ric htet. Dieser Untersc hied in der Gewic htung von Äußerungs- und Auswertungssituation liegt nic ht an den Rollen von Subjekt und Prädikat, sondern an dem Wort ich. (Das läßt sic h z. B. anhand von
9. Kontextabhängigkeit
Sätzen mit mich in Objektsposition oder Eigennamen als Subjekt unmittelbar einsehen.) Soll also die Extension e des Subjekts ich angegeben werden, so muß bekannt sein, welc he Situation s Äußerungssituation ist, während die Auswertungssituation keine Rolle spielt: e ist der Sprec her in s. Der Charakter χich von ich läßt sic h dann als eine Funktion auffassen, die für beliebige Äußerungssituationen s und Auswertungssituationen s’ als Wert stets den Sprec her in der Situation s liefert. χich ist also wie χ5 eine Funktion, die auf Äußerungssituationen angewandt wird und deren Werte Intensionen sind, d. h. Funktionen von Auswertungssituationen in Extensionen. Dies gilt für Charaktere im allgemeinen. Es ergibt sich somit das folgende Bild:
Die Pfeile sind dabei in folgendem Sinne zu lesen: ‘[am Ursprung des Pfeils] legt in [rec hts vom Pfeil] eindeutig [am Ziel des Pfeils] fest’. ‘K’ steht für die Klassisc he Kontexttheorie von David Kaplan aus Kalifornien. (K) ist natürlic h nur dort anwendbar, wo überhaupt sinnvoll zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation unters c hieden werden kann, also bei intensionalen Konstruktionen. Doc h läßt sic h das Sc hema leic ht auf extensionale Konstruktionen ausweiten: dazu überlegt man sic h z. B., was passiert, wenn ein Satz wie (5), dessen Charakter χ5 wir ja jetzt ungefähr kennen, als solc her behauptet wird. Zunäc hst kann natürlic h χ5 auf die Äußerungssituation s unmittelbar angewandt werden; das Ergebnis ist die durc h (5) in s ausgedrüc kte Proposition χ5(s), die aus den Situationen besteht, in denen die Person, die (5) in s äußert, in Radolfzell ist. Was aber ist die Extension, der Wahrheitswert von (5) in s? Das Sc hema (K) sagt, daß man zur Beantwortung dieser Frage noc h eine Auswertungssituation hinzuziehen müßte; eine solc he sc heint aber zunäc hst gar nic ht gegeben zu sein. Andererseits ist klar, daß (5) in der Äußerungssituation s natürlic h genau dann wahr ist, wenn die Person, die (5) in s äußert, in der Situation s selbst in Radolfzell ist, wenn also s zu χ5(s) gehört. Die durc h (5) in der Äußerungssituation ausgedrü c kte Proposition muß in diesem Fall also im Hinblic k auf die Äußerungssituation selbst ausgewertet
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werden. Um das Sc hema (K) allgemein anwendbar zu mac hen, kann man somit einfac h vereinbaren, daß — falls keine Auswertungssituation als solc he deklariert wurde — immer die Äußerungssituation als Default-Wert herhalten muß: (D) Außerhalb intensionaler Konstruktionen fungiert die Äußerungssituation als Auswertungssituation. Anhand von (D) läßt sic h ein interessanter Aspekt des Untersc hiedes zwisc hen den beiden weiter oben betrac hteten Möglic hkeiten (A) und (B) zur Deutung eingebetteter daßSätze aufzeigen. Nac h (D) zeic hnen sic h nämc li h intensionale Konstruktionen dadur c h aus, daß man bei ihnen neben der Äußerungssituation noc h weitere Situationen zur Extensionsbestimmung heranzieht: die Auswertungssituation kann hier gegenüber dem Ausgangspunkt verschoben werden. Dies erinnert an die nac h der verworfenen Alternative (A) postulierte Vers c hiebung situationeller Aspekte. Nac h (D) werden sogar (innerhalb intensionaler Konstruktionen) Situationen als ganze versc hoben. Daß dies aber nic ht wieder zu den im Zusammenhang mit (6) angetroffenen Sc hwierigkeiten führt, liegt daran, daß durc h die Untersc heidung zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation der Ausgangspunkt der Versc hiebung, die Äußerungssituation, immer erhalten bleibt: wenn auc h das Hauptverb vermutet in (6) bewirkt, daß der eingebettete Nebensatz in diversen Auswertungssituationen betrac htet wird, so kann sic h sein Subjekt ich dennoc h nac h der Äußerungssituation des Gesamtsatzes ric hten. Normalerweise wird (D) nur für den speziellen Fall eines nic ht eingebetteten Aussagesatzes φ gefordert; auf die allgemeine Version kann man dann mit irgendwelc hen Hilfsannahmen sc hließen. In jedem Falle erhält man auf diese Weise ein einfac hes Rezept zur Ermittlung der Extension (des Wahrheitswertes) v von φ in einer Äußerungssituation s0: v = χφ(s0)(s0), wobei χφ der Charakter von φ ist. Stellt man sic h Charaktere als Tabellen vor, in denen für jede Kombination von Äußerungs- und Auswertungssituation die jeweilige Extension eingetragen ist, so besagt also (D), daß für extensionale Konstruktionen (insbesondere auc h für Sätze in Isolation) nur die Einträge auf der Diagonalen von Interesse sind. Dieses Bild von Charakteren als Tabellen sollte man für das folgende stets im Auge behalten. An ihm wird besonders deutlic h, daß der ursprünglic h (in einem in Ab-
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IV. Kontexttheorie
sc hnitt 2.3 noc h zu vertiefenden Sinne) zweidimensionale Wahrheitsbegriff der klassisc hen Theorie durc h (D) auf eine Dimension reduziert und somit überhaupt erst wieder mit dem vortheoretisc hen Wahrheitsbegriff vergleichbar wird. Die Untersc heidung zwisc hen Äußerungsund Auswertungssituation markiert einen Untersc hied in der Rolle, die Situationen bei der Bestimmung der Extension sprac hlic her Ausdrüc ke spielen können. Doc h während offenbar jede nur denkbare Situation in einer Regel wie (R*) als Auswertungssituation herangezogen werden kann sind Äußerungssituationen nur solc he, in denen eine sprac hlic he Äußerung stattfindet; sie bilden nur einen
kleinen Teil der möglic hen Situationen. Diese Beobac htung ist insofern interessant, als sie zeigt, daß das obige Sc hema (K) keineswegs dazu geeignet ist, die Extension von Ausdrüc ken bezüglic h beliebiger Paare 〈s,s’〉 von Situationen zu ermitteln, wobei dann s als Äußerungssituation fungiert und s’ als Auswertungssituation. (Solc he Paare 〈s,s’〉 werden wir ab jetzt als Referenzpunkte bezeichnen.) Wenn in s beispielsweise kein Sprec her (oder Äußerer) zugegen ist, ist (K) überhaupt nic ht anwendbar. Charaktertabellen sind also ni c ht quadratis c h, und ihre Diagonalen durc hkreuzen nur die den Äußerungssituationen vorbehaltene Hälfte:
1.3 Arten der Referenz
Äußerungssituation keine Rolle. Auf diese Weise ergibt sic h eine natürlic he Klassifikation sprac hlic her Ausdrüc ke nac h ihren ‘Charaktereigenschaften’: Definition: (a) Ein sprachlicher Ausdruck a referiert direkt, falls für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt: χα(s0)(s) = χα(s0)(s’). (b) Ein Ausdruck α referiert absolut, falls für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt: χα(s0)(s) = χα(s1)(s).
Die Extension eines sprac hlic hen Ausdruc ks a ergibt sic h nac h (K) aus seinem Charakter χα, einer Äußerungssituation s0 und einer Auswertungssituation s. Wie die bisher betrac hteten Beispiele sc hon zeigen, genügt in einigen Fällen neben χα bereits die Kenntnis einer der beiden Situationen, um die Extension χα(s0)(s) eindeutig festzulegen. So ist es beispielsweise für das Wort ich vollkommen gleic hgültig, was s ist, da χich(s0)(s) stets der Sprec her in der (Äußerungs-) Situation s0 ist; ganz analog spielt für die Ermittlung der Extension eines Substantivs wie Vertreter die
Direkt referentielle Ausdrüc ke sind also solc he, bei denen man die Auswertungssituation
9. Kontextabhängigkeit
im Sc hema (K) überspringen kann: sie beziehen sic h direkt, ohne Vermittlung einer Inhalts- oder Intensionsebene, auf die Welt. Absolute Ausdrüc ke sind hingegen solc he, die inhaltlic h, also auf der Intensionsebene, stets dasselbe besagen, und zwar unabhängig davon, zu welc her Gelegenheit sie geäußert werden. Da beide Begriffe nur den Charakter χα eines Ausdruc ks a betreffen, kann man sie auc h direkt auf χα beziehen, was wir gelegentlich tun werden. Die obigen Begriffsbestimmungen sc hließen nic ht aus, daß ein und derselbe Ausdruc k a sowohl direkt als auc h absolut referiert. Allerdings muß a dann per definitionem eine konstante Charaktertabelle besitzen, seine Extension muß also an allen Referenzpunkten gleich sein: χα(s0)(s) = χα(s1)(s’), für beliebige s0, s1, s und s’. Ausdrüc ke, die dieser harten Bedingung genügen, sind nic ht gerade häufig, aber es gibt sie: logisc he Wörter wie und, oder, nicht, jedes etc . sowie tautologisc he Sätze (wie es regnet oder es regnet nicht) gehören zumindest nac h landläufiger Auffassung dazu; auc h Eigennamen werden oft als absolut und direkt analysiert; wir sc hließen uns dieser Praxis an. Beide Auffassungen sind allerdings nic ht ganz unumstritten. (Siehe Absc hnitt 4.4 bzw. Artikel 16.) Es sei darauf hingewisen, daß die Definition (a) nur verlangt, daß die Extension des betreffenden Ausdruc kes nicht von der Auswertungssituation abhängt, woraus aber natürlic h nic ht folgt, daß sie von der Äußerungssituation ec ht abhängt. Diese Konsequenz läßt sic h aber erreic hen, wenn (a) um die Zusatzklausel erweitert wird: (a’) für irgendwelche Äußerungssituationen s0 und s1: χα(s0) ≠ χα(s1). Direkt referentielle Ausdrüc ke a, die zusätzlic h der Bedingung (a’) genügen, heißen deiktisch. Typisc he deiktisc he Wörter sind du, gestern und hier. Die in (a) und (b) definierten Begriffe sind gänzlic h unabhängig voneinander. Ein Ausdruc k kann nic ht nur (a) und (b) zugleic h erfüllen oder (wie die deiktisc hen Ausdrüc ke) direkt referentiell sein, ohne absolut zu referieren. Auc h das Umgekehrte ist möglic h, wie ‘rein inhaltlic he’ Wörter wie essen oder Vertreter zeigen. Und sc hließlic h gibt es eine ganze Reihe von Ausdrüc ken, die weder direkt noc h absolut referieren. Sc hon bei einem einfachen Satz wie (7) ist das der Fall: (7) Ich bin ein Berliner.
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Einerseits hängt der Wahrheitswert von (7) immer von der Auswertungssituation ab. So war die bislang bekannteste Äußerung von (7) sic herlic h falsc h, denn der Sprec her stammte aus Brookline (Mass.). Dennoc h ist es natürlic h vorstellbar und insofern in einer möglic hen Situation s der Fall, daß John F. Kennedy in Berlin zur Welt gekommen ist. Das beweist, daß (7) nic ht direkt referentiell ist, denn χ7(s0)(s0) ≠ χ7(s0)(s), wenn s0 die entsprec hende tatsäc hlic he Situation vor dem Sc höneberger Rathaus ist und s so ist wie besc hrieben. Andererseits ist (7) natürlic h auc h kein absoluter Ausdruc k. Äußert nämlic h etwa Arnim von Stec how den Satz (7), so drüc kt er damit offenbar eine andere Proposition aus als der US-amerikanisc he Präsident seinerzeit; findet die Äußerung in dieser Welt statt, wird sie sic h sogar im Wahrheitswert von ihrer berühmten Vorgängerin unterscheiden. Es sollte beac htet werden, daß (7) ein komplexer Ausdruc k ist. Eindeutige Fälle von Wörtern, die weder (a) noc h (b) erfüllen, sind weitaus sc hwieriger zu finden. Es gibt allerdings gewisse Verwendungsweisen absoluter Wörter, die eine Abhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation nac h sic h ziehen. So kann man bei zweistelligen, also auf Relationen oder Funktionen bezogenen Substantiven wie Bruder oder Mutter das Argument weglassen, das dann aus der Äußerungssituation ergänzt werden muß: (8) a. Bevor er zum Familientreffen fuhr, rasierte sich Karl Marx. Nicht einmal die Brüder haben ihn daraufhin erkannt. (8) b. Vor der Schwarzwaldklinik wurde ein Säugling gefunden. Die Mutter ist nach wie vor unbekannt. Bei einer Äußerung von (8a) versteht man zumindest normalerweise Brüder im Sinne von Brüder von Karl Marx; ebenso bezieht sic h Mutter in (8b) natürlic h auf die Mutter des Findelkindes, von dem gerade die Rede war. Genauer: die durc h den zweiten Satz von (8a) in einer Äußerungssituation s0 ausgedrüc kte Proposition χ8(s0) besteht aus den (zeitlic h vor s0 liegenden) Situationen s, in denen die Brüder der in s0 nahegelegten Person den Referenten von ihn (also Karl Marx) nic ht erkennen; genauso besteht in einer Äußerungssituation s1 die durc h den zweiten Satz von (8b) ausgedrüc kte Proposition aus den Situationen s’, in denen die Mutter des in s1 zur Debatte stehenden Kindes unbekannt ist.
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In beiden Fällen muß also das fehlende Argument aus der Äußerungssituation erschlossen werden. Wie dies genau gesc hieht, soll an dieser Stelle nic ht weiter verfolgt werden (siehe aber Absc hnitt 3.3). Hier sei lediglic h darauf hingewiesen, daß fehlende Argumente nic ht immer aus der Äußerungssituation ergänzt werden können und dürfen. Oft bleibt das Argument nämlich unbestimmt: (9) Vater werden ist nicht schwer. Hier wird Vater wie Vater von jemand oder Vater eines Kindes benutzt und eben nic ht im Sinne von Vater von x, wobei x dann eine durc h die jeweilige Äußerungssituation nahegelegte Person ist. (Zu Sätzen wie (9) vgl. Abschnitt 4.3). Ein anderer Fall, in dem die Extension eines einzelnen Wortes von Äußerungs- und Auswertungssituation zugleic h abhängt, liegt bei flektierten Verbformen wie schläfst vor: anders als bei dem absoluten Wort schlafen hängt die Extension der finiten Form von der Äußerungszeit (und möglic herweise auc h vom Sprec her) ab. Doc h dieses Wort läßt sic h als Produkt einer syntaktisc hen Regel bzw. eines morphologisc hen Prozesses und nic ht als ‘nac ktes Lexem’ einstufen; unter Verwendung der grammatisc hen Terminologie: schläfst zerlegt sic h in V + INFL, wobei letzteres deiktisc h, ersteres aber absolut referiert. Ähnlic h kann man das Possessivpronomen mein in das deiktisc he Wort ich und ein possessives Element zerlegen (vgl. dazu Absc hnitt 3.3). Wir haben damit Anlaß zu der folgenden Hypothese über das Lexikon: (L) Lexikalische Grundeinheiten sind immer deiktisch oder absolut. Von den Extensionen gewisser Adjektive wird gelegentlic h eine doppelte situationelle Abhängigkeit behauptet. Ein einsc hlägiges Beispiel ist das Adjektiv aus (9). In Verbindung mit einem Substantiv verweist es in seiner Grundform (Positiv) auf eine Menge, deren genaue Zusammensetzung von vielerlei Faktoren abhängt. Ob ein bestimmter Gegenstand in der durc h schweres Lehrbuch denotierten Menge liegt, hängt unter anderem davon ab, auf welc he Dimension sic h der Sprec her mit schwer bezieht: also etwa auf den Sc hwierigkeitsgrad der Lektüre oder einfac h auf das Gewic ht des Papiers; und innerhalb derselben Dimension gibt es untersc hiedlic he Standards: die Standards für Lesbarkeit sc hwanken mit der vom Sprec her ins Auge gefaßten Lesersc haft, und die Gewic htskriterien haben auc h etwas damit zu tun, ob von
IV. Kontexttheorie
Lehrwerken für das Chemiestudium oder von Lesefibeln die Rede ist. Sowohl den von einigen Adjektiven unterdeterminierten Dimensionen als auc h den bei allen steigerbaren Adjektiven zu beobac htenden sc hwankenden Standards wird gelegentlic h eine Abhängigkeit von der Äußerungssituation nac hgesagt. Andererseits ist unbestritten, daß der Auswertungssituation bei der Bestimmung der Extension von Adjektiven immer eine zentrale Rolle zukommt: sie liefert die einsc hlägigen Fakten. Betrac hten wir dazu ein Beispiel. Bei einer Äußerung von (10) Die Studenten meinen, daß das Handbuch Semantik ein zu schweres Buch ist. kann die Sprec herin irgendeiner Gruppe von Studenten entweder eine Meinung über das Gewic ht des vorliegenden Werkes zusc hreiben oder aber eine Einstellung zu dessen intellektueller Zumutbarkeit; doc h sie kann damit nic ht zum Ausdruc k bringen, daß die besagten Studenten dieses Buc h für in jedem Sinne zu sc hwer halten. Die Proposition, zu der in (10) eine Einstellung konstatiert wird, besteht also (in erster Annäherung) entweder aus denjenigen (Auswertungs-) Situationen, in denen das Handbuch S emantik mehr wiegt als man tragen kann, oder sie ist die Menge der Situationen, in der dasselbe Buc h von der Lesersc haft zu viel abverlangt. Um welc he Proposition es sic h handelt, hängt dabei offenbar davon ab, auf welc he Dimension sic h die Sprec herin mit schweres bezieht; und das wiederum wird vom Thema des Gespräc hs und insofern von der Äußerungssituation zumindest beeinflußt. Auf ähnlic he Weise argumentiert man dafür, daß auc h die Wahl des Vergleic hsstandards der Äußerungssituation obliegt. Doc h stehen Dimension und Standard erst einmal fest, so hängt die Extension von schwer immer noc h von der Auswertungssituation ab: ob etwa eine Auswertungssituation s zur Menge der Situationen gehört, in denen das Handbuch S emantik ein größeres Gewic ht hat als Barwise (ed.) (1977) (oder ein anderer akzeptierter Standard), hängt von den Fakten in s selbst ab und nic ht von dem, was in der Äußerungssituation der Fall ist. Wir müßten demnac h für schwer folgenden Typ von Bedeutungsregel ansetzen: (Rschwer) Es sei s0 eine Äußerungssituation, s eine Auswertungssituation, und X sei diejenige Vergleichsdimension aus der Menge {Gewicht, Schwierigkeitsgrad, ...}, die in s0 am wichtigsten ist. Dann ist χschwer(s0)(s) eine Funktion,
9. Kontextabhängigkeit
die einer beliebigen Menge M diejenigen Gegenstände y zuweist, für die gilt: y ist in M, und in s kommt y bezüglich X ein höherer Wert zu als dem in s0 einschlägigen X-Standardwert. (M ist die Extension des Bezugsnomens.) Adjektive wie schwer sc heinen also auf doppelte Weise gegen die Hypothese (L) zu sprec hen. Doc h so einfac h ist die Sac he wiederum auc h nic ht. Wie wir im näc hsten Absc hnitt sehen werden, wird die unterdeterminierte Dimension keineswegs immer von der Äußerungssituation beigetragen. Und was den Standard angeht, so wird er bei der Extensionsbestimmung des Positivs stets vergleic hend herangezogen: ein Lehrbuc h ist sc hwer (in welc hem Sinne auc h immer), wenn es (in diesem Sinne) schwerer ist als der situationell vorgegebene Standard. Damit wird offensic htlic h der Positiv des Adjektivs auf den Komparativ (bzw. ein allen Steigerungsfomen zugrundeliegendes Grundlexem mit komparativis c her Bedeutung) zurüc kgeführt. Und der Komparativ referiert absolut. Der Positiv ließe sic h also auc h als das Ergebnis eines morphologisc hen Prozesses auffassen und fiele damit nic ht in den Zuständigkeitsbereic h von (L). (Siehe die Artikel 31 und 32.) (L) ist so gemeint, daß sic h das Lexikon einigermaßen einfac h und plausibel so darstellen und interpretieren läßt, daß (L) gilt; es soll keineswegs behauptet werden, daß (L) ein zwingendes Prinzip ist, ohne das keine empirisc h korrekte Besc hreibung des Deutsc hen auskommen kann. Weiterhin sei beac htet, daß sic h (L) definitionsgemäß nur auf die Frage der Extensionsbestimmung bezieht und keine anderen semantisc hen Dimensionen wie Stil, Präsuppositionen etc . erfaßt. Es ist z. B. klar, daß bei einem pejorativ gefärbten Wort wie Köter die Extension nur von der Auswertungssituation abhängt, während die Färbung von dem in der Äußerungssituation zu bestimmenden Sprec her beigesteuert wird, wie man sic h an einem einfac hen Beispiel klarmachen kann: (11) Hermann weiß, daß Hellas Hund gestorben ist. (11′) Hermann weiß, daß Hellas Köter gestorben ist. In (11) und (11′) wird über den Träger des Namens Hermann jeweils dasselbe ausgesagt, daß er nämlic h zu einer gewissen Proposition p†, die aus den Situationen besteht, in denen Hellas Hund gestorben ist, in der durc h das
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Verb wissen ausgedrüc kten Relation steht. Der Untersc hied zwisc hen den beiden Varianten besteht lediglic h darin, daß in letzterem der Sprec her zusätzlic h zu verstehen gibt, daß er selbst das betreffende Tier nic ht gerade verehrt. Doc h dieser Untersc hied spielt keine Rolle bei der Ermittlung der Intension p† des eingebetteten Satzes und insofern auc h nic ht für den Charakter der in ihm vorkommenden Wörter. Hund und Köter sind c haraktergleic h und referieren absolut; sie bestätigen somit die Hypothese (L). Die Färbung gehört offenbar einer vom Charakter unabhängigen semantischen Dimension an. Die Hypothese (L) sagt etwas darüber aus, wie sic h die kleinsten sprac hlic hen Bedeutungsträger auf die Welt beziehen. Im Falle eines deiktisc hen Wortes wird die Extension direkt aus Merkmalen (Aspekten) der Äußerungssituation ermittelt. Dies gilt auc h dann, wenn das Wort in eine intensionale Konstruktion eingeht: der Beitrag, den ein deiktisc hes Wort zur Bestimmung der Intension eines Ausdruc ks leistet, in dem es vorkommt, erschöpft sich in seiner Extension: (12) Caroline hätte fast übersehen, daß heute die Sonne scheint. Mit einer Äußerung dieses Satzes am 26. 12. 1953 wird beispielsweise gesagt, daß Caroline in einer bestimmten Relation (des ‘Beinahe-Übersehens’) zu der Menge p der Situationen steht, in denen am 26. 12. 1953 die Sonne sc heint. Das deiktisc he Wort heute bringt in die Proposition p lediglic h den Tag der Äußerung ein; p ist also eine singuläre Proposition über den 26. 12. 1953. Im Gegensatz dazu trägt z. B. das Verb scheint zu p wie zur Intension des Gesamtsatzes auc h einen Inhalt, eine Intension, bei: die bloße Kenntnis der Extension von scheint in der Äußerungssituation reic ht zur Bestimmung von p nicht aus. Die Fähigkeit, Extensionen direkt in den Aufbau von Intensionen (wie p) einfließen zu lassen, ist das semantisc he Hauptc harakteristikum deiktisc her Wörter und motiviert die Redeweise von der ‘direkten Referenz’. Gelegentlic h wird sogar gesagt, daß deiktisc he Wörter wie heute dafür sorgen, daß ihr Referent — aufgrund der Singularität — ein Teil der ausgedrüc kten Proposition ist. Dieser Redeweise werden wir uns nic ht ansc hließen, da sie auf Sc hwierigkeiten bei der Präzisierung stößt; der Begriff der singulären Proposition ist, nebenbei bemerkt, schon heikel genug. Der Beitrag deiktisc her Wörter zum Inhalt der Ausdrüc ke, in denen sie vorkommen, be-
IV. Kontexttheorie
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steht also lediglic h in ihrem jeweiligen Referenten. Aber mit der Angabe des Referenten ist natürlic h nic ht die Bedeutung oder Funktion eines deiktisc hen Wortes hinreic hend besc hrieben. Denn die Extension variiert von (Äußerungs-) Situation zu Situation, und die Art und Weise der Variation mac ht gerade den Charakter eines solc hen Wortes aus: die Ebene der Auswertungssituation kann ja bei direkter Referenz getrost übersprungen werden. Bei dieser Betrac htungsweise stellt sic h der Charakter eines deiktisc hen Wortes als eine Art Mini-Intension dar: als eine partielle Funktion von Situationen in Extensionen, aber eben als eine solc he Funktion, die nur für Äußerungssituationen definiert ist. Die so durc h Überspringen der redundanten Auswertungs-Ebene aus dem Charakter χα eines direkt referentiellen Ausdruc ks a gewonnene Mini-Intension nennen wir den deskriptiven Gehalt δα von α: für direkt referentielle α, beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt also: δα(s0) = χα(s0)(s) = χα(s0)(s’). Der deskriptive Gehalt eines deiktisc hen Ausdruc ks entspric ht meistens mehr oder weniger der Intension irgendeines absoluten Ausdruc ks. So ist die Intension von der Angesprochene ungefähr gleich dem deskriptiven Gehalt von du: χder Angesproc hene(s0) ≈ δdu, für beliebige Äußerungssituationen s0. In diesem Falle nennt man den absoluten Ausdruc k eine Umschreibung des entsprec henden deiktisc hen Ausdruc ks: der Angesprochene ist also eine Umsc hreibung von du. Man beac hte, daß deiktisc he Ausdrüc ke und ihre Umsc hreibungen niemals [!] c haraktergleic h sind. Die Umsc hreibung hebt lediglic h die Variabilität des deiktisc hen Charakters auf eine begrifflic he Ebene. Oder, etwas prosaisc her: die Abhängigkeit der Extension eines deiktisc hen Ausdruc ks von der Äußerungssituation wird in der Umsc hreibung zu einer Abhängigkeit von der Auswertungssituation. Der Zusammenhang zwisc hen deiktisc hem Charakter und Umsc hreibung kann als das Werk eines an der sprac hlic hen Oberfläc he unsi c htbaren Operators aufgefaßt werden, der alle Situationsabhängigkeiten auf die Äußerungssituation bezieht. Dieser Operator hat den etwas umständlic hen und sc hwer zu artikulierenden Namen dthat [phonetisch: d∂æt]. Die Extension eines Ausdruc ks der Gestalt dthat(α) bestimmt sic h für Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s wie folgt: χdthat(α)(s0)(s) = χα(s0)(s0). Die Ar-
beitsweise von dthat mac ht man sic h am besten anhand metasprac hlic her Besc hreibungen der Charaktere absoluter Ausdrüc ke klar: angenommen, χder Angesprochene(s0)(s) sei die in s angespro c hene Person. Dann ergibt si c h dthat(der Angesprochene) als die in s0 angesproc hene Person. Das Ergebnis des dthatOperators läßt sic h immer als eine solc he Einsetzung von Äußerungs- für Auswertungssituationen darstellen. Mehr dazu erfährt man in Abschnitt 2.3. 1.4 Arten der Kombination Das Sc hema (K) führt nic ht nur zu einer natürlic hen Klassifikation sprac hlic her Ausdrüc ke nac h ihren referentiellen Eigensc haften. Man kann es auc h benutzen, um versc hiedene Typen syntaktisc her Konstruktionen zu untersc heiden. Dafür ist es nützlic h, sic h der Begriffsbildungen der algebraisc hen Semantik zu bedienen [vgl. dazu auc h Artikel 7] und diese Konstruktionen als Operationen über sprac hlic hen Ausdrüc ken oder ihren Tiefenstrukturen aufzufassen. Danac h gibt es z. B. im Deutsc hen eine Operation R, die aus einem Nomen und einem (kongruenten) Relativsatz ein komplexes Nomen erstellt: R(Kind,das weint) = Kind, das weint, etc . Im allgemeinen nimmt eine syntaktisc he Konstruktion F eine bestimmte Anzahl n von Ausdrüc ken (oder Tiefenstrukturen) α1,...,αn als Argumente und liefert als Ergebnis wieder einen Ausdruc k (bzw. eine Tiefenstruktur). Im Rahmen der hier favorisierten kompositionellen Semantik geht man davon aus, daß sic h der Charakter des Ergebnisses F(α1,...,αn) aus den Charakteren der Argumente mit Hilfe einer der Konstruktion F entsprec henden semantischen Operation ΣF bestimmen läßt. Wir haben also ein: Allgemeines Kompositionalitätsprinzip Der Charakter eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus dem Charakter seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Im Falle der Relativsatzanbindung R ist die entspre c hende semantis c he Operation die c S hnittmengenbildung: ΣR(χ1, χ2)(s0)(s) = χ1(s0)(s) ⋂ χ2(s0)(s). Dabei wird vorausgesetzt, daß die Extension eines Relativsatzes wie die eines Nomens eine Menge ist. R ist also (im Sinne des Absc hnitts 1.1) extensional, da an jedem Referenzpunkt die Kenntnis der Extensionen der beiden Argumente ausreic ht, um die Extension des Ergebnisses festzulegen. Im allgemeinen ist eine n-stellige syntaktisc he Konstruktion F extensional, falls extensionsgleic he Teilausdrüc ke stets zu extensionsglei-
9. Kontextabhängigkeit
c hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1, χ’1 ..., χn, χ’n und Referenzpunkte 〈s0,s〉 gilt: χ1(s0)(s) = χ’1(s0)(s), ..., χn(s0)(s) = χ’n(s0)(s) impliziert ΣF(χ1, ..., χn)(s0)(s)(s) = ΣF(χ’1, ..., χ’n)(s0)(s). Natürlic h ist nac h dieser Definition eine solc he Konstruktion F genau dann extensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also an jedem Referenzpunkt 〈s0,s〉, in dem Sinne auf eine Operation Σ über Extensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1, ...,χn, gilt: ΣF(χ1, ..., χn) (s0) (s) = Σ (χ1, (s0) (s), ..., χn(s0) (s)). Bei dem Relativsatz-Beispiel ist natürlic h Σ immer die Sc hnittbildung ⋂ und hängt somit insbesondere nic ht vom Referenzpunkt ab. F ist in diesem Sinne kanonisch extensional; möglic herweise ist jede (tatsäc hlic he) extensionale Konstruktion kanonisch. Wie wir bereits in Absc hnitt 1.1 am Beispiel der Satzeinbettung unter Einstellungsverben gesehen haben, kommt man mit dem Naiven Kompositionalitätsprinzip ni c ht aus: ni c ht alle tatsäc hlic h vorkommenden syntaktisc hen Konstruktionen sind extensional. Manc hmal muß man auc h die Intensionen der beteiligten Ausdrüc ke kennen, um die Extension des Gesamtausdru c ks zu bestimmen. Immerhin brauc ht man aber im Falle einer intensionalen Konstruktion nic ht die gesamten Charaktere der Teilausdrüc ke zu kennen, um die Extension des Ergebnisses zu ermitteln. Im allgemeinen ist eine n-stellige syntaktisc he Konstruktion F intensional, falls jeweils intensionsgleic he Teilausdrüc ke stets zu extensionsgleic hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1,χ’1, ...,χn,χ’n und Referenzpunkte 〈s0,s〉 gilt: χ1(s0) = χ’1(s0), ..., χn(s0) = χ’n (s0) impliziert ΣF(χ1, ..., χn) (s0) (s) = ΣF(χ’1, ..., χ’n) (s0) (s). Natürlic h ist nac h dieser Definition eine solc he Konstruktion F genau dann intensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also in jeder Äußerungssituation s0, in dem Sinne auf eine Operation Σ über Intensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1,...,χn gilt: ΣF(χ1, ..., χn) (s0) = Σ (χ1(s0), ..., χn(s0)). Im Falle der erwähnten Satzeinbettung entspri c ht die semantis c he Operation stets einer bestimmten Art von (intensionaler) Funktionalapplikation; die genaue Spezifikation dieser Operation und ihrer intensionalen Entsprec hung wird der Leserin überlassen. Sie wird dabei auc h hier eine gewisse Kanonizität beobac hten, die jedoc h nic ht so leic ht zu definieren ist wie im Falle
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der Relativsatz-Anbindung. Der Grund dafür liegt in dem untersc hiedlic hen Verhalten von Einstellungsverb und Nebensatz: während letzterer seine gesamte Intension besteuert, interessiert bei ersterem lediglic h die Extension. Die Konstruktion ist damit sozusagen ex-intensional. Auf solc he gemisc hten Konstruktionen läßt sic h der Begriff der Kanonizität dann übertragen, wenn man sie immer auf dieselbe Operation über Extensionen (von Einstellungsverben) und Intensionen (von Sätzen) reduzieren kann. Dieser Art von Kanonizität genügen wiederum möglic herweise alle in diesem Sinne gemisc hten Konstruktionen. Man kann sic h leic ht überlegen, daß jede extensionale Konstruktion auc h intensional ist; das Umgekehrte gilt natürlic h nic ht. Aber gibt es eigentlic h Konstruktionen, die nic ht einmal intensional sind? Die bisherigen Definitionen sc hließen das nic ht aus. Dennoc h geht allein die Idee einer nic ht-intensionalen Konstruktion gegen den Geist der hier dargestellten Theorie, weswegen man semantisc he Operationen, bei denen die Extension des Ergebnisses nic ht durc h die Intensionen der Argumente festgelegt wird, als Monster bezeic hnet. Die klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit legt das folgende Prinzip nahe: (M) In der natürlichen Sprache gibt es keine Monster: syntaktische Konstruktionen sind immer (höchstens) intensional. (M) ist lediglich eine Reformulierung des Fregesc hen Kompositionalitätsprinzips im Rahmen des Sc hemas (K) und als Einsc hränkung des Allgemeinen Kompositionalitätsprinzips. Aus den bisherigen Betrac htungen läßt sic h (M) etwa folgendermaßen motivieren: ein Monster müßte für mindestens eines seiner Argumente die Abhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation in Betrac ht ziehen; die Äußerungssituation wird damit aber hypothetisc h versc hoben, durc h eine andere Situation ersetzt, womit sie letztlic h zur Auswertungssituation wird: das vermeintli c he Monster entpuppt sic h so als falsc h verstandene intensionale Konstruktion. Dieses Argument, das sic h weiter ausbauen und präzisieren ließe (vgl. Artikel 7), mutet sc hon fast wie eine definitorisc he Wegerkärung jeglic her Monster an. Daß sic h die Sac he dennoc h nic ht so einfac h verhält, kann man anhand eines Beispiels einsehen. Wir kommen dazu auf die im vorhergehenden Absc hnitt erwähnten dimensionell unterbestimmten Adjektive zurüc k. Auc h wenn die fehlende Dimension
IV. Kontexttheorie
168
oft irgendwie aus der Äußerungssituation ersc hlossen werden kann, kann es passieren, daß keine der vom Adjektiv her denkbaren Dimensionen in einer gegebenen Sprec hsituation sonderlic h naheliegt. Um nic ht mißverstanden zu werden, muß sic h der Sprec her in so einer Situation klarer ausdrüc ken, als es das betreffende Adjektiv erlaubt. Dazu kann er auf ein expliziteres Adjektiv zurüc kgreifen: neben schwer gibt es z. B. das dimensionell determinierte schwierig bzw. das (in der einsc hlägigen Lesart) etwas angestaubte gewichtig. Oft besteht auc h die Möglic hkeit, die fehlende Dimension durc h Hinzufügung eines Adverbs zu explizieren: (13) Der zeitlich kürzeste Weg nach Paris führt über Landau. Wenn allerdings die von kurz unterbestimmte Dimension (Dauer, Länge, ...) von der Äußerungssituation abhängen soll, dann wäre die in (13) eingesetzte Konstruktion der Modifikation eines Adjektivs durc h ein (Dimensions-) Adverb ein Monster! Denn wird (13) z. B. in einer Situation s0 geäußert, in der die Längendimension näher liegt als die Dauer, so bezieht sic h nac h dieser Analyse das bloße Adjektiv kürzeste in s0 auf die Längenskala; in der komplexen Adjektivphrase zeitlich kürzeste wird die Länge dann aber durc h die Dauer ersetzt: χkürzeste(s0)(s) bezeic hnet in Verbindung mit einem Nomen a die Menge derjenigen Gegenstände aus der Extension χα(s0)(s) von α, denen bezüglic h der durc h s0 bestimmten Dimension der geringste Wert zukommt, die also von minimaler Länge sind; χzeitlich kürzeste (s0)(s) liefert dagegen (in Verbindung mit a) die Menge derjenigen Gegenstände aus der Extension χα(s0)(s) von α, denen bezüglic h der durc h die Bedeutung von zeitlich bestimmten Dimension der geringste Wert zukommt, die also von minimaler Dauer sind. Das Adverb zeitlich operiert somit in der Weise auf dem Adjektivc harakter, daß — statt der eigentlic hen Extension am betrac hteten Referenzpunkt — die Extension des (eingebetteten) Adjektivs an einem anderen Referenzpunkt ermittelt wird, nämlic h an einem solc hen, dessen Äußerungssituation für das eingebettete Adjektiv die Dimension der Dauer nahelegt: die fraglic he Kombintion Σ aus χzeitlichund χkürzeste liefert also für den Punkt 〈s0,s〉 die Extension χkürzeste(s1)(s), wobei s1 wie s0 ist — außer daß die für kurz näc hstliegende Dimension in s1 die Dauer ist. Diese Bestimmung von s1 ist möglic herweise etwas unklar und ließe sic h im Rahmen einer
gewissen (in Absc hnitt 2.1 zu besprec henden) Variante der gegenwärtigen Theorie auf befriedigendere Art und Weise geben. Doc h wie immer s1 genau ermittelt wird: es handelt sic h dabei um eine von s0 versc hiedene Situation, und diese Versc hiebung der Äußerungssituation macht Σ zum Monster. Das gerade diskutierte Beispiel ist ein Vertreter eines Typs montröser Konstruktionen, wie sie in der Literatur vorgesc hlagen wurden. Weitere möglic he Monster werden wir noc h kennenlernen. Auc h die Frage, ob und wie sic h zumindest einige von ihnen vermeiden lassen, wird uns noc h besc häftigen. Sc hon in Absc hnitt 2.1 werden wir eine Möglic hkeit kennenlernen, dem soeben bes c hriebenen Monster Σ durc h einen theoretisc hen Sc hlenker zu entkommen.
2.
Varianten und Alternativen
Die klassisc he Theorie ist nic ht konkurrenzlos. Vieles, was man mit ihr mac hen kann, läßt sic h ebensogut oder sogar noc h besser im Rahmen anderer Theorien erreic hen, deren Begriffsbildungen zwar teilweise mit den klassisc hen verwandt sind, die aber dennoc h andere Sic htweisen einbringen. Die folgende Synopse soll den Leserinnen einen groben Überblic k über die wic htigsten möglic hen Abweic hungen von der klassisc hen Perspektive vermitteln. Aus Platzgründen ist die Darstellung allerdings weniger ausführlic h als in Teil 1; mitunter kommt sie nic ht einmal über den Rang einer groben Skizze hinaus. Für tiefere Einsic hten muß daher auf die in Absc hnitt 5.2 genannte Literatur verwiesen werden. 2.1 Parametrisierung Aus den bisher betrac hteten Beispielen wird deutlic h, daß sic h die Rolle der Äußerungssituation s0 bei der Extensionsbestimmung (durc h den Charakter) jeweils auf den Beitrag gewisser Aspekte besc hränkt: für ich benötigt man den Produzenten der in s0 getätigten Äußerung, gestern verweist auf den Vortag des Tages von s0, hier bezieht sic h auf den Ort, an dem sic h s0 abspielt, etc . Was sind nun Aspekte von (Äußerungs-) Situationen im allgemeinen? Diese Frage läßt sic h wohl auf mehrere äquivalente Arten beantworten. Wir werden jedenfalls situationelle Aspekte als Werte gewisser Funktionen auffassen, die (konkreten) Situationen irgendetwas zuordnen; die Funktionen selbst bezeic hnen wir dabei als situationelle Parameter. So verstehen wir unter dem Orts-Parameter eine Funktion,
9. Kontextabhängigkeit
die jeder Situation ihren Ort zuweist, der Vortags-Parameter liefert für ein gegebenes s den Tag vor dem Tag von s, der Sprecher-Parameter ist eine partielle Funktion, die nur für Äußerungssituationen definiert ist und mac ht, was man von ihr erwartet, usw.; und Sprec her, Vortag und Ort einer (Äußerungs-) Situation s0 sind als Werte der entsprec henden Parameter Aspekte von s0. Nac h dieser Definition besitzt natürlic h jede Situation eine Unzahl von abwegigen und uninteressanten Aspekten, von denen nur einige für die Bestimmung von Extensionen relevant sind. Welc he dies ungefähr sind, wird uns noc h in Teil 3 besc häftigen. Im folgenden werden wir erst einmal so tun, als sei die Liste der einsc hlägigen Parameter wohlbekannt; die Parameter selbst werden wir sogar gelegentlic h mit ihrer Stelle in dieser Liste identifizieren: wenn also der Sprec her-Parameter die erste Stelle einnehmen sollte, so werden wir ihn als Parameter 1 bezeichnen etc. Diejenigen situationellen Aspekte, die (in einer bestimmten Sprac he) für die Bestimmung von Intension und Extension als Beitrag der Äußerungssituation herangezogen werden, heißen kontextuell; wir werden diesen Begriff ebenso auf die entsprec henden situationellen Parameter anwenden. Im Sc hema (K) könnte man also die Äußerungssituation getrost durc h die Gesamtheit ihrer kontextuellen Aspekte ersetzen, ohne daß sic h am Kern der klassisc hen Theorie irgendetwas änderte. Man könnte sogar Charaktere als Funktionen auffassen, die Listen (also n-Tupeln oder Folgen) c von kontextuellen Aspekten Intensionen zuordnen. Solc he c bezeichnet man üblic herweise als Kontexte. Jeder Äußerungssituation entspric ht demnac h genau ein von ihr determinierter Kontext, aber derselbe Kontext kann im Prinzip einer Unzahl von Äußerungssituationen entsprec hen — wieviele es genau sind, hängt natürlic h von Anzahl und Art der kontextuellen Aspekte ab: wäre der Sprec her der einzige kontextuelle Parameter, so bestünden Kontexte im wesentlic hen aus Personen, und alle Äußerungen Ronald Reagans fänden in diesem Sinne im selben Kontext statt. Die Tatsac he, daß die Determination nic ht unbedingt eine ein-eindeutige Beziehung ist, zeigt, daß der soeben eingeführte Kontextbegriff nic ht immer ganz dem intuitiven entspric ht — das ist wohl eher bei dem Begriff der Äußerungssituation der Fall — doc h gerade dieser Kontextbegriff ist der in der logisc hen Semantik heutzutage übliche.
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So wie die Äußerungssituation auf ihre kontextuellen Aspekte reduziert werden kann, läßt sic h auc h die Auswertungssituation im Prinzip auf das wesentlic he zurec htstutzen und somit als Liste von (für die Bestimmung der Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke wesentlic hen) situationellen Aspekten auffassen. Aus der Auswertungssituation wird dann ein Index. Ganz analog zu dem soeben Gesagten gilt natürlic h auc h hier, daß eine Auswertungssituation s im allgemeinen mehreren Indizes entspric ht, wobei die Frage, wieviele es sind, vor allem wieder davon abhängt, welc he situationellen Parameter und Aspekte indexikalisch sind. Die allgemeine Referenztheorie gibt darüber keine Auskunft: ein Index könnte ebensogut nur aus einem einzigen Aspekt (etwa einer möglic hen Welt) bestehen wie aus einer Vielzahl von Aspekten, die in ihrer Gesamtheit die Auswertungssituation jeweils eindeutig festlegen. (Natürlic h ist die Anzahl der Aspekte nic ht entsc heidend für diese Möglic hkeit der eindeutigen Festlegung: der ‘Aspekt’, mit s identisc h zu sein, legt s ganz allein eindeutig fest; es ist allerdings fraglic h, ob und wann ein dermaßen spezieller Aspekt bei der Bestimmung einer Extension jemals wirklic h benötigt wird.) Allerdings sei im folgenden stets vorausgesetzt, daß indexikalisc he Parameter und Aspekte automatisc h als kontextuell gelten. Diese Annahme ist sowohl theoretisc h sinnvoll als auc h empirisc h gerec htfertigt. Was den theoretisc hen Sinn angeht, so wird man im näc hsten Absatz sowie im Absc hnitt 2.3 einige Hinweise finden; die empirisc he Rec htfertigung wird auf Absc hnitt 3.1 vertagt. Kontextuelle Parameter und Aspekte, die nic ht zugleic h auc h indexikalisc h sind, heißen echt kontextuell. Ec ht kontextuelle Aspekte sind naturgemäß solc he, deren Existenz mit der Tatsac he zusammenhängt, daß in der betrac hteten Situation eine Äußerung stattfindet. Das typisc he Beispiel ist einmal mehr der Sprecher. So wie sic h die Äußerungssituation in (K) durc h den von ihr determinierten Kontext ersetzen läßt, kann natürlic h die Rolle der Auswertungssituation von dem ihr entsprec henden Index gespielt werden; entsprec hend muß man dann Intensionen als Funktionen von Indizes statt von (Auswertungs-)Situationen in Extensionen definieren. Diese Ersetzung ist allerdings für die klassisc he Theorie nic ht ganz so folgenlos wie der Übergang von Äußerungssituationen zu Kontexten. Denn nic ht alle kontextuellen Parameter tauc hen auc h im Index auf, wodurc h letzterer stets
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weniger spezifisc h ist. Während also die Auswertungssituation — wie in der Darstellung (X) in Absc hnitt 1.2 eigens hervorgehoben wurde — gelegentlic h selbst eine Äußerungssituation sein kann, ist eine solc he Übereinstimmung zwisc hen Kontext und Index prinzipiell unmöglic h. Insbesondere gibt es in der Kontext-Index-Variante der klassis c hen Theorie keine Diagonale im eigentlic hen Sinne. Allerdings entspric ht natürlic h (weiterhin unter der Annahme, daß indexikalisc he Aspekte auc h immer kontextuell sind) jedem Kontext c eindeutig ein durc h Streic hung der rein kontextuellen Aspekte entstehender Index i(c). Diese Entsprec hung kann als Diagonalen-Ersatz zur Reformulierung des Prinzips (D) herangezogen werden: Default-Wert für die Auswertung in s0 ist dann nic ht der Punkt 〈s0,s0〉, sondern 〈c(s0),i(c(s0))〉, wobei c(s0) der von s0 determinierte Kontext ist. Doc h nic ht alle Funktionen der Diagonalen können in dieser Theorie-Variante simuliert werden; wir werden das in Absc hnitt 2.3 nac hweisen. Die Ersetzung von Auswertungssituationen durc h Indizes ließe sic h natürlic h auc h unter Beibehaltung der Abhängigkeit der Intension von der Äußerungssituation vornehmen, wodurc h sic h nic hts Wesentlic hes gegenüber der Kontext-Index-Variante änderte. Für eine solc he Beibehaltung der konkreten Äußerungssituationen könnte der Umstand angeführt werden, daß die Gesamtheit der kontextuellen Parameter prinzipiell offen und insofern nic ht durc h Auflistung darstellbar ist. Ob dem allerdings wirklic h so ist, hängt nic ht zuletzt von der bis zu einem gewissen Grade frei zu wählenden Parametrisierung der Äußerungssituation ab, über die in Teil 3 noc h einiges zu sagen sein wird. Die Einführung von Kontexten und Indizes kann auc h als Ausgangspunkt für eine ec hte Erweiterung des in Absc hittt 1 dargestellten Rahmens genutzt werden. Denn nac h den obigen Festlegungen sind Kontexte und Indizes Listen von situationellen Aspekten. Bisher sind wir zwar davon ausgegangen, daß die einzelnen Aspekte eines Kontexts oder Index in dem Sinne aufeinander abgestimmt sind, als sie jeweils Aspekte ein und derselben (Äußerungsbzw. Auswertungs-)Situation sind; prinzipiell besteht aber natürlic h die Mögli c hkeit, neben derartigen stimmigen Kontexten und Indizes auc h solc he Aspektlisten zu berüc ksic htigen, die jeweils keine möglic he Situation determinieren. Und daß dies Sinn mac ht, zeigen Beispiele wie (14), bei
IV. Kontexttheorie
denen sich die klassische Theorie schwertut: (14) Vor hundert Billionen Jahren hat es hier geregnet. Um zu sehen, wo hier die Schwierigkeit liegt, stellen wir uns eine reale Äußerungssituation s0 von (14) vor, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit stattfand. (14) ist dann sic herlic h — insbesondere aufgrund des Alters unseres Universums — falsc h. Doc h was sagt die klassisc he Theorie dazu? Nac h (D) ist zunäc hst die Auswertungssituation mit s0 gleic hzusetzen. Die den restlic hen Satz einbettende Präpositionalphrase vor hundert Billionen Jahren sorgt nun offenbar dafür, daß man sic h bei der Auswertung auf Situationen besc hränken soll, deren Zeit 1014 Jahre zurüc kliegt. Da der Satz jedoc h keine Aussage über eine andere Welt o. ä. mac ht, muß man offenbar die restlic hen Aspekte von s0 beibehalten. Aufgrund dieser Überlegung müßte man die Konstruktion ‘vor n Jahren + φ’ im Rahmen der klassisc hen Theorie so deuten, daß das Ganze wahr wird, wenn die durc h φ ausgedrüc kte Proposition für diejenige Auswertungssituation den Wahrheitswert 1 liefert, deren Zeit vor n Jahren liegt, die aber ansonsten mit s0 übereinstimmt. Da es nun für unser s0 keine solc he Situation gibt, käme (14) — wie erwünsc ht — als falsc h heraus. Doc h leider erginge es (15) in derselben Situation nicht anders: (15) Vor einer Billiarde Jahren hat es hier nicht geregnet. Denn es gab (zumindest nac h landläufiger physikalisc her Auffassung) keine Situation, die sic h zu dem in (15) angegebenen Zeitpunkt tatsäc hlic h hier zugetragen hat; insbesondere gab es dann auc h keine solc he regenfreie Situation. (15) wäre also nac h dieser klassisc hen Analyse falsc h. Diese sic herlic h unerwünsc hte Konsequenz ließe sic h wohl nur durc h die unabhängig nur sc hwer zu motivierende Annahme vermeiden, daß die Negation in (15) den gesamten Restsatz in ihren Skopus nehmen müsse. Versc höbe man stattdessen den Zeitaspekt in der Bedeutungsregel für ‘vor n Jahren + φ’ unabhängig vom Rest der Auswertungssituation, käme zwar ein Index heraus, der keiner realen oder fiktiven Situation entspric ht — weil er unter dem Aspekt Welt unsere harte Realität liefert, andererseits aber vor Big Bang liegt; doc h die Wahrheitsbedingungen von (14) und (15) könnten dann korrekt erfaßt werden: da der besagte Index keiner Si-
9. Kontextabhängigkeit
tuation entspric ht, kann man davon ausgehen, daß es an ihm auc h nic ht regnet, womit (15) — im Gegensatz zu (14) — wahr würde. Wie man leic ht nac hprüft, spielt für diese Analyse der Skopus der Negation in (15) keine Rolle; die betreffende Äußerung würde in jedem Falle als wahr bewertet. Das spric ht offenbar für eine Erweiterung des IndexBegriffs auf Listen von indexikalis c hen Aspekten, die möglic herweise untereinander nicht stimmig sind. Die obige Argumentation ist nic ht absolut stic hhaltig. Wir haben nur angedeutet, daß eine bestimmte Anwendung der klassisc hen Theorie auf Beispiele wie (14) und (15) zu Sc hwierigkeiten führt. Es ist natürlic h denkbar, daß sic h diese Sc hwierigkeiten durc h Rüc kgriff auf andere Ebenen der Semantik (wie etwa eine Präsuppositions-Ebene) oder andere semantisc he Regeln im Rahmen der klassisc hen Theorie prinzipiell lösen ließen. Diesen Punkt wollen wir hier allerdings offenlassen. Das Beispiel (15) ist natürlic h weit hergeholt, doc h läßt sic h an ihm die Grundidee hinter den unstimmigen Aspektlisten gut einsehen. Eine etwas realistisc here, aber dafür weniger durc hsic htige Anwendung derselben Tec hnik kann den zu Ende von Teil 1 aufgezeigten Konflikt um den Status der Dimensions-Adverbien (bzw. der sie einführenden syntaktis c hen Konstruktion) lösen. Man brauc ht dazu nämlic h nur die relevante Dimension als eigenen indexikalisc hen Parameter zu führen, der von den genannten Adverbien (aber nic ht durc h satzeinbettende Verben) versc hoben wird. Das Ergebnis der Versc hiebung ist dann oft ein Index, der nic ht genau eine Situation determiniert (sondern zumeist mehrere), womit die Frage der Bestimmung dieser Situation gegenstandslos würde. Diese Lösung des Problems der Dimensions-Adverbien ist allerdings nic ht die einzige Möglic hkeit der Vertreibung des Monsters aus Absc hnitt 1.4; eine Alternative ergibt sic h durc h Adaption der in Absc hnitt 3.3 zu diskutierenden Beschreibungstechniken. Die Ersetzung von Auswertungssituationen durc h unstimmige Indizes erlaubt es übrigens auc h, intensionale Konstruktionen im Sinne der Alternative (A) aus Absc hnitt 1.2, also durc h Versc hiebung einzelner Aspekte, zu deuten, ohne daß man auf die dort angetroffenen Sc hwierigkeiten stößt: der Tric k besteht darin, daß das Ergebnis der Versc hiebung nic ht notwendigerweise eine (Auswertungs-)Situation ist (bzw. von einer solc hen
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determiniert wird). Doc h gilt hier wie stets beim Umgang mit der Tec hnik der unstimmigen Indizes: man sollte sie nur im äußersten Notfall anwenden, wenn wirklic h keine andere Besc hreibungsmethode mehr faßt. Sie kann nämlic h allzu leic ht dazu verleiten, jeden Konflikt mit dem Monsterverbot durc h eine steigende Zahl von unabhängig variierenden indexikalisc hen Aspekten zu umgehen. Das Ergebnis wäre einerseits eine anekdotisc h anmutende und unbegrenzt erweiterbare Auflistung von zufällig gefundenen situationellen Parametern — anstelle der klaren klassisc hen Trennung in Äußerungs- und Auswertungssituation. Zugleic h würde der Untersc hied zwisc hen Index und Kontext (bzw. Äußerungssituation) immer mehr verwisc ht oder zumindest graduell: ein Aspekt wie die näc hstliegende Dimension ist natürlic h beinahe kontextuell, weil die ihn versc hiebenden Konstruktionen sehr selten und äußerst gesuc ht sind, und vielleic ht ist es nur eine Frage der Zeit, bis man für einen beliebig gegebenen kontextuellen Aspekt eine entsprec hende Versc hiebungs-Konstruktion findet. Wir werden uns deshalb im folgenden bemühen, möglic hst ohne Unstimmigkeiten in den Indizes auszukommen und uns stattdessen im Rahmen der klassisc hen Theorie von Teil 1 (bzw. einer ihrer zu Anfang des gegenwärtigen Absc hnitts angedeuteten Varianten) bewegen. Auf die grundsätzlic he Frage der Tragweite dieser Strategie werden wir erst am Ende des Kapitels (in Abschnitt 4.3) zurückkommen. Für den Kontextbegriff mac ht die Erweiterung auf unstimmige Aspektlisten keinen guten Sinn. Zumindest läßt sic h in diesem Falle kein Argument nac h dem obigen Stric kmuster vorbringen, da ja kontextuelle Aspekte niemals versc hoben oder abgewandelt werden. Und der Ausgangspunkt entspringt stets der Äußerungssituation; er ist daher von Natur aus stimmig. Diese Überlegung kann — gemeinsam mit den Beobac htungen zu (14) und (15) — dazu benutzt werden, eine Kontexttheorie zu favorisieren, die auf Äußerungssituationen und teilweise unstimmigen Indizes basiert, in der also die Intension mit Hilfe einer konkreten Situation ermittelt wird, während man zur Bestimmung der Extension ein abstraktes Merkmals-Bündel, den Index, heranziehen muß. Andererseits werden wir in Absc hnitt 2.3 einige sehr elegante semantisc h-pragmatisc he Tec hniken kennenlernen, die ohne eine Aufspaltung der Äußerungssituation in Aspekte nic ht auskommen.
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Bevor wir uns nac h weiteren Alternativen zur klassisc hen Theorie der Kontextabhängigkeit umsehen, sei darauf hingewiesen, daß es sic h bei dem soeben diskutierten Problem nic ht um die Frage der unstimmigen Referenzpunkte handelt, also darum, ob man vielleic ht gelegentlic h mit Kontext-Index-Kombinationen arbeiten muß, die keiner gemeinsamen Situation entsprec hen; denn das passiert ja bereits im Prinzip sc hon in der klassisc hen Theorie: die meisten Referenzpunkte liegen nic ht auf der Diagonalen (der Charaktertabellen), doc h brauc ht man sie zur Ermittlung der Intension. Die durc h (14) und (15) aufgeworfene Frage läßt sic h überhaupt erst sinnvoll stellen, wenn man die klassisc he Theorie zu verlassen bereit ist und auf jeden Fall Situationen durc h entsprec hende Aspektlisten ersetzt. Auf die in diesem Absc hnitt vorgenommene Zerlegung von Situationen in Aspekte werden wir im Rest dieses Kapitels immer dann zurüc kgreifen, wenn es aus darstellungstec hnisc hen Gründen ratsam ersc heint. Wir gehen dann — solange nic hts Gegenteiliges gesagt wird — stets von einer Zerlegung sowohl der Äußerungs- als auc h der Auswertungssituation aus. Die so entstehende Variante der klassisc hen Theorie bezeic hnen wir von nun als Parametrisierung. 2.2 Extensionalisierung Die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke hängen von irgendwelc hen Situationen bzw. situationellen Aspekten ab. Um die Art und Weise dieser Abhängigkeit im konkreten Fall anzugeben, haben wir uns mit Hilfe metasprac hlic her Variablen auf die jeweils beteiligten Situationen bezogen: der Charakter χichdes Personalpronomens ich wurde z. B. als eine Funktion besc hrieben, die für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s die in s0 sprec hende (oder sc hreibende) Person liefert. Um die Extension von ich festzustellen, bedarf es demnac h der Funktion χich, die ihrerseits gewisse Argumente benötigt, um ein Ergebnis zu liefern. Stattdessen könnte man das Wort ich selbst als Namen der Funktion χich auffassen, deren Argumente auf der sprac hlic hen Oberfläc he unausgesproc hen bleiben. Anstatt also das Wort ich vermittels seines Charakters zu deuten, würde man ihm dann eine logische Form der Gestalt ICH(x)(y) zugrundelegen, wobei ICH ein Funktionssymbol ist und die Variablen x und y mit der Äußerungs- bzw. der Auswertungs-
IV. Kontexttheorie
situation belegt werden. Man beac hte, daß auf diese Weise die Untersc heidung zwisc hen Charakter, Intension und Extension als versc hiedene Ebenen der semantisc hen Analyse überflüssig wird: ICH(x)(y) benennt einfac h die Extension des Wortes ich, während ICH(x) und ICH Namen für seine Intension bzw. seinen Charakter sind; für die zugrundeliegende logisc he Form gibt es also nur die Ebene der Benennung, der Extension. Die Darstellung der Situationsabhängigkeit der Extension natürli c hspra c hli c her Ausdrü c ke mit Hilfe von nur in der logisc hen Form sic htbaren Variablen bezeic hnet man daher als Extensionalisierung. Bereits an der Deutung eines einzelnen Wortes läßt sic h verdeutlic hen, daß der Untersc hied zwisc hen der klassisc hen Charakteranalyse (K) und der Tiefenanalyse vermittels Extensionalisierung nic ht so haarspalterisc h ist, wie er zunäc hst wirken mag: anstatt nämlic h dem Pronomen ich analog zu (K) eine Funktion zugrundezulegen, für die dann gezeigt werden kann, daß eines ihrer Argumente (die Auswertungssituation) leerläuft, hat man im Rahmen der Extensionalisierung die Möglic hkeit, dieses Argument einfac h wegzulassen und das Wort auf eine einstellige Funktion zurüc kzuführen. Ganz allgemein läßt sic h dann der in Absc hnitt 1.3 eingeführte Begriff der direkten Referenz als Fehlen der der Auswertungssituation entspre c henden Variablen in der logisc hen Form darstellen; und ganz analog zeic hnet sic h absolute Referenz durc h die Abwesenheit der Äußerungssituation aus. Die so gewonnenen logisc hen Formen erlauben also eine redundanzfreie und durc hsic htige Darstellung der Situationsabhängigkeit der Extension eines natürli c hspra c hli c hen Ausdruc ks. Dies zahlt sic h besonders im Falle komplexer Ausdrüc ke mit gemisc hten Referenzweisen (direkt, absolut etc .) aus: der Satz ich bin Vertreter wird dann nic ht als eine Kombination der jeweils von zwei Argumenten abhängigen Charaktere analysiert, sondern — wenn man einmal das Tempus vernachlässigt — etwa so: (16) VERTRETER(s)(ICH(s0)) Dabei sind s und s0 wie bereits in den bisherigen Ausführungen Variablen, die für die Auswertungs- bzw. die Äußerungssituation stehen. Neu ist nur, daß in der extensionalisierten Darstellung (16) der Charakterbegriff eliminiert worden ist und die untersc hiedlic hen Referenzweisen von Pronomen und Substantiv direkt durc h die versc hiedenen Variablen zum Ausdruc k gebrac ht werden. Die
9. Kontextabhängigkeit
Beibehaltung der Notationskonventionen soll betonen, daß die zur Formulierung der Bedeutungsregeln benutzte Metasprac he in derselben expliziten Weise auf Situationen Bezug nimmt wie die (extensionalisierten) logisc hen Formen. (16) ist nic ht nur eine logisc he Form, sondern auc h eine Formel der Logik — oder genauer gesagt: eine notationelle Variante einer prädikatenlogisc hen Formel. Die Variation besteht lediglic h darin, daß man in der (erststufigen) Prädikatenlogik normalerweise keine Ausdruc ksmöglic hkeiten für Funktionen besitzt, deren Werte wieder Funktionen sind; stattdessen hat man Namen für Relationen, was aber in unserem Fall auf dasselbe hinausläuft. Wir werden deshalb die Form (16) für das folgende mit der aus der Logik vertrauteren Darstellung (16′) identifizieren: (16′) VERTRETER(s, ICH(s0)) Abgesehen von der nic ht besonders aufregenden Reduktion der Stellenzahl für die Charaktere direkt oder absolut referierender Ausdrüc ke verhilft die Extensionalisierung noc h zu einer anderen Einsic ht in das Zusammenspiel der zentralen Begriffe der klassisc hen Kontexttheorie. Die Rede ist von der Untersc heidung zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation sowie dem in diesem Zusammenhang besonders wic htigen Prinzip (M) der Monsterfreiheit. Wie wir gesehen haben, zeic hnen sic h intensionale Konstruktionen dadurc h aus, daß in ihnen die Extensionen der beteiligten Ausdrüc ke in ihrer Variation über vers c hiedene Auswertungssituationen betrac htet werden. Bezieht man dies auf die Darstellung vermittels extensionalisierter logisc her Formen, so heißt das nic hts anderes, als daß man bei diesen Konstruktionen von der konkreten Belegung der entsprec henden Variablen abstrahieren muß, daß also diese Variablen gebunden werden. (Abstraktion vom konkreten Wert ist die allgemeinste Form der Variablenbindung.) Das Prinzip (M) wiederum besagt, daß sic h Äußerungssituationen in dieser Hinsic ht grundsätzlic h anders verhalten: es kann danac h keine Konstruktionen geben, die eine Versc hiebung der konkret vorgegebenen Äußerungssituation verlangen. Dieser von (M) postulierte Untersc hied in der Rolle von Äußerungs- und Auswertungssituation läßt sic h auf die folgende griffige Formulierung bringen: (EM) Die Äußerungssituation ist ein freier Parameter: die ihr in der logischen Form entsprechenden Variablen dürfen nicht gebunden werden.
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Was diese Reformulierung des Monsterverbots besonders attraktiv mac ht, ist ihre große Ansc haulic hkeit und die Tatsac he, daß mit ihr die zunäc hst etwas ungewohnten und abstrakten Betrac htungen aus Absc hnitt 1.4 auf die altvertraute Unters c heidung zwis c hen freien und gebundenen Variablen zurüc kgeführt werden. Die Tatsac he, daß (EM) eine Darstellung in einer extensionalisierten logisc hen Form voraussetzt, sollte man dabei übrigens nic ht überbewerten: worauf es in (EM) ankommt, ist das Verhalten gewisser Variablen, und das kann man — wenn man den Umweg über die logisc he Form vermeiden möc hte — natürlic h genausogut in den metaspra c hli c hen Bedeutungsregeln studieren. Die obige Formulierung (EM) spielt sic h im klassisc hen Rahmen (K) ab. Eine analoge Formulierung läßt sic h für die in Absc hnitt 2.1 diskutierten Parametrisierungen finden, insbesondere auc h dann, wenn von unstimmigen Aspektlisten Gebrauc h gemac ht wird. In allen diesen Fällen muß man versc hiedene Sorten von Variablen für kontextuelle und indexikalisc he Aspekte einführen und in dem (EM) entsprec henden Prinzip von den kontextuellen Variablen (anstatt von solc hen für die Äußerungssituation) sprechen. Prädikatenlogisc he Formeln wie (16′) lassen sic h bekanntlic h rein formal, also als Aussagen über einen beliebigen Individuenbereic h, interpretieren. Auf diese Weise gelangt man zu einer abstrakten Referenztheorie, in der die versc hiedenen Situationstypen (oder Aspekte) lediglic h die Rolle von zunäc hst nic ht weiter spezifizierten Individuen spielen. In einer solc hen Theorie untersc heidet man zwar normalerweise versc hiedene Sorten von Individuen (Objekte, Situationen etc .), doc h mac ht man über die Vertreter der einzelnen Sorten so wenig Annahmen wie möglic h. Auf diese Weise ist man gezwungen, alle für die logis c h-semantis c he Analyse wesentli c hen Voraussetzungen in der Argumentation explizit zu nennen. Darin liegt ein Vorteil dieser abstrakten Betra c htungsweise. Zu ihren Nac hteilen gehört, daß sie den Untersc hied zwisc hen Situationen und Aspekten derselben allzu leic ht verwisc hen kann: die Werte der entsprec henden Variablen sind eben beliebig. Diese Beliebigkeit kann sogar den Nebeneffekt haben, daß sic h das für die klassisc he Theorie wesentlic he Prinzip (D) nic ht mehr
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ohne weiteres formulieren läßt; dafür muß dann erst der Begriff der Diagonalen axiomatisiert werden. 2.3 Zweidimensionale Modallogik Geht man von der Darstellung (X) in Absc hnitt 1.2 aus, dann lassen sic h Charaktere als Funktionen auffassen, welc he Referenzpunkten, also Paaren 〈s0,s〉 aus Äußerungsund Auswertungssituationen, irgendwel c he Objekte zuordnen. Wenn man außerdem einmal für einen Augenblic k von dem Umstand absieht, daß nic ht jede beliebige (Auswertungs-) Situation zugleic h auc h eine Äußerungssituation ist, dann ersc heinen die Denotate sprac hlic her Ausdrüc ke einfac h als in doppelter Weise situationell abhängig. Dieser Art Doppelabhängigkeit von Extensionen begegnet man auc h in der zweidimensionalen Modallogik, wo einerseits logisc he Formeln relativ zu Paaren von möglic hen Welten gedeutet werden und wo andererseits gewisse Modaloperatoren über diese Weltenpaare quantifizieren. Die klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit läßt sic h also auc h als angewandte zweidimensionale Modallogik verstehen: die Rolle der Welten wird hier von den Situationen übernommen, und als Modaloperatoren hat man beispielsweise die satzeinbettenden intensionalen Konstruktionen, deren Aufgabe es ist, von den jeweils betrac hteten Auswertungssituationen zu abstrahieren. Zu den wic htigsten in der zweidimensionalen Modallogik untersuc hten Operatoren gehören die sog. Diagonaloperatoren, die den Auswertungspunkt auf die Diagonale (die Menge der Weltenpaare der Gestalt 〈w,w〉) versc hieben: diagonalisiert man einen Ausdruc k a der zweidimensionalen Modallogik — d. h. wendet man einen Diagonaloperator auf ihn an — so ist die Extension des resultierenden Gesamtausdruc ks an einem Weltenpaar 〈w,w’〉 einfac h as Extension am entsprec henden Punkt auf der Diagonalen. Es gibt demnac h genau zwei Diagonaloperatoren, von denen der eine den Auswertungspunkt auf 〈w,w〉 projiziert, während der andere auf 〈w’,w’〉 versc hiebt. Ersetzt man nun Welten durc h (Auswertungs-)Situationen, so stellt sic h heraus, daß wir einen dieser beiden Diagonaloperatoren bereits kennengelernt haben: es handelt sic h um den in Absc hnitt 1.3 eingeführten Operator dthat, der es gestattet, einen deiktisc hen Charakter aus dem einer entsprec henden absoluten Umsc hreibung zu gewinnen. Orientiert man sic h an der
IV. Kontexttheorie
Darstellung (X), so ersc heint dthat als waagerechter Diagonaloperator, denn die Auswertungssituation wird unter dthat in waagerec hter Ric htung auf die Diagonale versc hoben. Das senkrec hte Pendant zu dthat haben wir indes noc h nic ht kennengelernt. Kein Wunder: ein solc her Operator versc hiebt die Äußerungssituation und ist damit ein nac h (M) geäc htetes Monster. Über die Rolle dieses Monsters in der logisc hen Sprac hanalyse wird noc h in den Absc hnitten 2.5 und 4.2 zu verhandeln sein. Hier sei zunäc hst einmal nur festgehalten, daß sic h im Vergleic h zwisc hen waagerec hter und senkrec hter Diagonalisierung die in der klassisc hen Theorie postulierte Asymmetrie zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation offenbart: nur die letztere kann auf die Diagonale versc hoben werden. Eine solc he Asymmetrie wird in der zweidimensionalen Modallogik normalerweise nic ht angenommen; sie ist ein zusätzlic hes, für diese Anwendung charakteristisches Merkmal. Die Asymmetrie zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation ist nic ht nur eine Folge des Monsterverbots (M). Sie besteht ohnedies aufgrund der Tatsac he, daß die Charaktertabellen (X) nic ht quadratisc h sind, weil die Äußerungssituationen nur einen Teil aller (Auswertungs-) Situationen darstellen. Insbesondere durc hkreuzt die Diagonale nic ht die gesamte Tabelle, so daß es strenggenommen nic ht nur einen, sondern eine ganze Reihe von senkrec hten Diagonaloperatoren, aber nur einen waagerec hten, nämlic h dthat, gibt: senkrec hte Diagonalisierung sagt nur etwas über das Verhalten eines Operators auf der linken, von der Diagonalen durc hzogenen Seite von (X) aus; versc hiedene senkrec hte Diagonaloperatoren könnten sic h in der rec hten Hälfte verschieden verhalten. Die Analogie zwisc hen der zweidimensionalen Modallogik und der Theorie der Kontextabhängigkeit wird interessanter, wenn man von der klassisc hen Version zu der in Absc hnitt 2.1 skizzierten Parametrisierung übergeht. Nimmt man nämlic h — wie dort bereits vorgesc hlagen — an, daß indexikalisc he Aspekte immer auc h zugleic h kontextuell sind, so ergibt sich eine natürliche Aufspaltung 〈i,i’,c〉 der (durc h Aspektlisten vertretenen) Referenzpunkte: in i sind die von der Auswertungssituation determinierten Aspekte 〈i1,...,in〉 aufgelistet, i’ umfaßt die indexikalisc hen Aspekte 〈i’1,...,i’n〉 der Äußerungssituation, und c besteht aus den rein kontextuellen Aspekten 〈c1,...,cm〉 derselben. Bei dieser Aufspaltung der Referenzpunkte erge-
9. Kontextabhängigkeit
ben sic h diverse Diagonalen und dementsprec hend versc hiedene Möglic hkeiten, Diagonaloperatoren zu definieren. Zunäc hst einmal gibt es natürlic h nac h wie vor den dthat-Operator, der am aufgespaltenen Referenzpunkt 〈i,i’,c〉 die Extension an 〈i’,i’,c〉 liefert. Doc h daneben kann man noc h für jeden indexikalisc hen Parameter j die entsprec hende kleine Diagonale δj betrac hten, die aus den Punkten (bzw. Listen) besteht, für die ij = i’j, bei denen also Auswertungs- und Äußerungssituation im Aspekt j übereinstimmen. Für jede solc he kleine Diagonale gibt es dann entsprec hende Operatoren, die die Auswertung vom vorgegebenen Referenzpunkt 〈i,i’,c〉 auf den entsprec henden δj-Punkt versc hieben — und zwar entweder (in waagerec hter, zulässiger c Ri htung) auf 〈〈i1,...,i’j,...,in〉,i’,c〉 oder (senkre c ht und ungeheuerli c h) auf 〈i,〈i’1,...,ij,...,i’n〉,c〉. Während also durc h Anwendung von dthat ein komplexer absoluter Ausdruc k wie am Ort und zur Zeit auf hier und jetzt hinausläuft, vermag eine (kleine) Orts-Diagonalisierung die Bezüge auf die Äußerungssituation feiner zu differenzieren; das Ergebnis käme inhaltlic h dem Ausdruc k hier und zur Zeit gleic h. Ein weniger gekünsteltes Beispiel ist die waagerec hte Weltenversc hiebung, also das auf den Weltenparameter eingesc hränkte dthat. Sein Effekt auf Sätze entspric ht in etwa einer Modifikation durc h das Satzadverb tatsächlich. Man beac hte übrigens, daß Versc hiebungen vermittels kleiner Diagonalisierungen im allgemeinen auf unstimmige Aspektlisten führen. Die in c enthaltenen ec ht kontextuellen Aspekte entbehren offensic htlic h jeder Möglic hkeit zur Diagonalisierung. Daraus folgt, daß sic h deiktisc he Wörter im Rahmen der Kontext-Index-Variante der klassisc hen Theorie im allgemeinen nic ht nac h der gegen Ende von Absc hnitt 1.3 angedeuteten Methode durc h waagerec hte Diagonalisierung entspre c hender absoluter Ums c hreibungen gewinnen lassen. Der tiefere Grund dafür liegt in dem untersc hiedlic hen Spezifikationsgrad von Kontext und Index. Durc h Streic hung der rein kontextuellen Aspekte können z. B. zwei sic h im Sprec her untersc heidende Kontexte c und c’ zusammenfallen: Sprec her(c ) ≠ Sprec her(c’), aber i(c) = i(c’). Damit entspric ht dem Index i(c) ein s, das mehrere Äußerungen versc hiedener Sprec her enthält. Wegen dieser ‘Überbesetzung’ der Sprec herRolle führt von i(c) kein Weg zurüc k zum Sprec her von c: die Auswertung der Umsc hreibung der Sprecher liefert an i(c) kein
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eindeutiges Resultat. Die klassisc he Theorie vermeidet dieses Problem, weil sie auc h die lokaleren, c und c’ determinierenden Äußerungssituationen als Auswertungssituationen zuläßt. Diese Unums c hreibbarkeit einiger deiktisc her Ausdrüc ke läßt sic h offenbar nur dann vermeiden, wenn kontextuelle und indexikalisc he Parameter zusammenfallen. Dies läßt sic h dadurc h erzwingen, daß man einfac h jeden kontextuellen Parameter für indexikalisc h erklärt und jeden aufgespaltenen Referenzpunkt 〈〈i1,...,in〉, 〈i’1,...,i’n〉, 〈c1,...,cm〉〉 c dur h das längere 〈〈i1,...,in,c1,...,cm〉, 〈i’1,...,i’n,c1,...,cm〉,∅〉 ersetzt. (∅ ist die leere Liste.) Wir bezeic hnen diese künstlic he Aufblähung der Indizes und Referenzpunkte als Quadratur, weil sie die Charaktertabellen in eine quadratisc he Form bringt. In Absc hnitt 2.5 kommen wir darauf zurück. Aus der Aspektlisten-Sic ht lassen sic h außer den großen und kleinen Diagonalisierungen auc h noc h mittelsc hwere Operatoren definieren, die simultane Vers c hiebungen mehrerer, aber nic ht aller Aspekte auf die Diagonale bewirken. In der Praxis kann man diese sehr umständlic h zu definierenden Operatoren immer meiden, indem man z. B. mehrere Aspekte zu einem neuen vereinigt. Die in Absc hnitt 2.2 skizzierte Tec hnik der Extensionalisierung läßt sic h auc h auf Systeme der zweidimensionalen Modallogik anwenden. Man erhält dann eine zweisortige Logik, deren Ausdrüc ke die Eigentümlic hkeit aufweisen, daß in ihnen höc hstens zwei (bestimmte) Variablen der Sorte ‘Situation’ frei vorkommen dürfen. Und die Diagonaloperatoren entpuppen sic h dann als spezielle Ersetzungsoperatoren, also solche, die alle freien Vorkommen einer (bestimmten) Variablen durc h solc he einer anderen Variablen ersetzen. Der waagere c hten Diagonalisierung durc h dthat entspric ht z. B. ein Operator DTHAT, der die Situationsvariable s bindet und sic h mit beliebigen Ausdrüc ken α verbindet; die Extension von (DTHAT s) α hängt dann von der Variablenbelegung g ab und ist dieselbe wie die von α an der Belegung g’, die wiederum so ist wie g, außer daß sie für die Variable s als Wert g(s0) liefert. Danac h hat (DTHAT s) α stets dieselbe Extension wie das durc h Ersetzung aller freien Vorkommen von s durc h s0 aus a hervorgehende α[s/s0]. In der Aspektlisten-Variante bewirkt DTHAT entsprec hend eine Ersetzung der indexikalisc hen Variablen durc h ihre kontextuellen Gegenstüc ke: aus der Auswertungswelt wird die Realität, die Zeit wird zum Jetzt etc . Per Ana-
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logie könnte man jetzt erwarten, daß α[s0/s] einer senkre c hten Diagonalisierung entspric ht. Das stimmt jedoc h nur ungefähr: das ursprünglic he a kann nämlic h Bedingungen enthalten, die wesentlic h voraussetzen, daß sic h die Variable s0 auf eine Äußerungssituation bezieht — etwa wenn in a vom Sprec her in s0 die Rede ist. Beim Übergang zu α[s0/s] mac hen diese Bedingungen dann nic ht mehr für jede Belegung von s einen Sinn; α[s0/s] definiert also nur eine partielle Funktion. Doc h jede Ausweitung dieser Funktion auf den gesamten Bereic h der Auswertungssituationen ist eine Diagonalisierung im Sinne der obigen Festlegung. In der Extensionalisierung zeigt sic h übrigens eine elementare logisc he Eigensc haft, die allen Diagonalisierungen — ob groß, ob klein oder mittelsc hwer — gemeinsam ist: indem sie alle von irgendwelc hen situationellen Aspekten abstrahieren, mac hen sie dieselben überflüssig. Das soll heißen, daß ein Ausdruc k, dessen Extension von einem gewissen Aspekt abhängt, diese Abhängigkeit durc h Diagonalisierung verlieren kann. In gewisser Weise haben wir diesen Effekt bereits kennengelernt: das in Absc hnitt 1.2 eingeführte Prinzip (D) läuft mit seiner Einsetzung der Äußerungs- für die Auswertungssituation auf eine waagerec hte Diagonalisierung, also ein unsic htbares dthat, hinaus und bewirkt so eine Unabhängigkeit der Extension von der Auswertungssituation — womit letztere für den Extensionsbegriff (und speziell auc h für die Wahrheit) entbehrlic h wird. In Absc hnitt 2.5 werden wir uns diesen Abstraktions-Effekt der senkre c hten Diagonalisierung zunutze machen. 2.4 Tokenanalyse Die klassisc he Theorie geht in der in Teil 1 dargestellten Form davon aus, daß die Äußerungssituation die Extension eines deiktisc hen Wortes wie du jeweils eindeutig festlegt. Oft sc heint dies aber gar nic ht der Fall zu sein. Betrac hten wir z. B. einmal eine für den Kindergartenalltag typisc he Auseinandersetzung zwisc hen Alain und Fabian, bei der (absolut gleic hzeitig) die folgenden Vorwürfe zu hören sind: (17) Du hast mein schönes Haus kaputt gemacht. (18) Du hast meinen Flitzer versteckt. Es ist offenbar unsinnig, von einer solc hen Situation zu behaupten, sie determiniere eindeutig einen Referenten für das Wort du: in
IV. Kontexttheorie
Alains Äußerung von (17) bezieht sic h die Anrede auf Fabian, der im selben Moment mit seiner Äußerung desselben Pronomens seinen Freund Alain anspric ht. Die ganze Szene ist allerdings in dem Sinne vielleic ht gar keine Äußerungssituation, als in ihr mehr als eine Äußerung stattfindet und wir bisher (zumindest implizit) immer davon ausgegangen waren, daß sic h Äußerungssituationen gerade dadurc h auszeic hnen, daß in ihnen genau eine sprac hlic he Äußerung stattfindet. Man kann nun vielleic ht die beiden Äußerungen von (17) und (18) in versc hiedenen Situationsausschnitten ansiedeln: Fabians Äußerung findet danac h in einem anderen Aussc hnitt derselben Situation statt als Alains, und die jeweiligen Charaktere werden dann als Funktionen über diesen Auss c hnitten definiert. Allerdings funktioniert diese Strategie nic ht immer so glatt. Die gerade betrac htete Situation könnte nämlic h etwa durc h den klärenden Auftritt der Erzieherin Doris bereic hert werden, die im Verlaufe ihrer Äußerung von (19) zunäc hst auf Fabian und anschließend auf Alain zeigt: (19) Während du das Haus wieder aufbaust, kannst du ja den Flitzer holen. Auc h hier besitzt du offensic htlic h zwei Extensionen, nämlic h dieselben wie in den vorher betrac hteten Äußerungen von (17) und (18). Wollte man nun die beiden Teiläußerungen deshalb an versc hiedenen Situationsaussc hnitten a und a’ auswerten, bräuc hte man noc h zusätzlic he (der klassisc hen Theorie eher fremde) Prinzipien zur Deutung komplexer Ausdrüc ke. Denn was immer der relevante Situationsaussc hnitt für den Gesamtsatz (19) sein soll — er kann nic ht sowohl mit a als auch mit a’ zusammenfallen. Beispiele wie (17)—(19) legen den Verdac ht nahe, daß die kleinsten deutungsrelevanten Situationsaussc hnitte aus Äußerungen einzelner Wörter bestehen; man kann sie sogar mit solc hen Wortäußerungen identifizieren. Was aber sind (Wort-) Äußerungen? Eine naheliegende und üblic he Antwort auf diese Frage lautet: Äußerungen bestehen aus Ausdrüc ken und (Äußerungs-) Situationen. Dieser Äußerungsbegriff nützt uns hier allerdings nic ht viel, weil er gerade in den eben diskutierten Fällen nic ht anwendbar ist: hier gab es ja pro Situation mehr als eine Äußerung von du. Eine Alternative ergibt sic h, wenn man die bisher als Grundeinheiten fungierenden sprac hlic hen Ausdrüc ke als (disjunkte) Klassen von Äußerungen, ihren Realisierungen oder Token, auffaßt. Danac h wären etwa
9. Kontextabhängigkeit
die vier in den obigen Kindergarten-Situationen geäußerten Anreden d1 — d4 allesamt Realisierungen desselben Wortes: {d1,d2,d3,d4} ⊂ du. Die untersc hiedlic hen Extensionen ließen sic h dann dadurc h erklären, daß der Charakter χdu jedem dieser vier Token einen eigenen Wert zuordnet. Charaktere wären nac h dieser Auffassung Funktionen, die jeder Realisierung (d. h. jedem Element) eines Ausdrucks eine Intension zuweisen. In diesem Sinne lassen sic h alle bisher eingeführten lexikalis c hen Bedeutungsregeln leic ht modifizieren. Für absolute Lexeme ändert sic h dadurc h nic ht viel; die Unabhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation wird lediglic h durc h eine Unabhängigkeit vom Token ersetzt. Aber auc h bei direkt referentiellen Wörtern bereitet diese neue Betrac htungsweise keine Sc hwierigkeiten. So läßt sic h z. B. χich (I)(s) als Produzentin des Tokens I ∈ ich c harakterisieren, χheute(D)(s) ist der Tag, an dem die Äußerung D (∈ du) stattfindet, usw. Dabei ist s immer eine beliebige (Auswertungs-) Situation; auf der Intensionsebene bleibt also alles beim Alten. Da Bedeutungsregeln für deiktisc he Wörter (nac h dieser Auffassung) auf die Realisierungen derselben Bezug nehmen, werden diese Wörter auc h als tokenreflexiv bezeic hnet. Die diskutierte Ersetzung von Äußerungssituationen durc h Äußerungen läuft also auf eine Analyse der Deixis als Tokenreflexivität (kurz: Tokenanalyse) hinaus. Daß die Tokenanalyse keine triviale Variation der klassisc hen Theorie ist, wird deutlic h, wenn man von lexikalisc hen zu komplexen Ausdrüc ken übergeht. Wie wir bereits im Zusammenhang mit (19) gesehen haben, benötigt man dafür eine zusätzlic he Theorie-Komponente, die den Zusammenhang zwisc hen versc hiedenen Teiläußerungen herstellt. Theorien dieser Art zeic hnen sic h in der Regel durc h ein großes Mißverhältnis zwisc hen begrifflic her Komplexität und Erkenntnisgewinn aus; wir werden uns diesen Teil der Tokenanalyse deshalb ersparen. Es fällt auf, daß auc h bei der Tokenanalyse die Extensionen immer nur von bestimmten Eigensc haften oder Aspekten des Tokens abhängen. Um dem Rec hnung zu tragen, kann man nac h dem Vorbild des Absc hnitts 2.1 Aspekte von Realisierungen definieren und Charaktere auf den entsprec henden Aspektlisten operieren lassen; auc h hier gibt es dann die Möglic hkeit einer Theorie-Erweiterung dur c h Hinzunahme unstimmiger Aspektlisten. Die in Absc hnitt 2.2 besc hriebene Tec h-
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nik der Extensionalisierung läßt sic h ebenfalls mit der Tokenanalyse kombinieren. In diesem Fall benötigt man allerdings eine weitere Sorte von Variablen für Realisierungen sprac hlic her Ausdrüc ke, was man als Indiz dafür werten kann, daß die Parallelität zur klassisc hen Theorie doc h rec ht oberfläc hlic h ist. Während nämlic h nac h klassisc her Auffassung die Äußerungssituationen einen Teil der Gesamtheit aller Auswertungssituationen ausmac hen, verlangt die Tokenanalyse zwei unabhängige Sorten von Variablen für Realisierungen und Situationen. Insbesondere sind alle mit dem Begriff der Diagonalen — und somit auc h die aus der zweisortigen Modallogik entlehnten — Betrac htungen nic ht ohne weiteres auf die Tokenanalyse übertragbar; dasselbe gilt für die in Absc hnitt 2.1 gemac hte Annahme, indexikalisc he Aspekte seien zugleic h auc h immer kontextuell. (Auf einen weiteren substantiellen Unters c hied zwisc hen der klassisc hen Theorie und der Tokenanalyse werden wir in Absc hnitt 2.5 hinweisen.) Angesic hts dieser durc h die Tokenanalyse eingebrac hten theoretisc hen Komplikationen und ihrer (teilweise noc h zu demonstrierenden) Defizite stellt sic h die Frage, ob sic h die Vorzüge der klassisc hen Theorie nic ht doc h irgendwie mit einer (nic ht allzu komplexen oder künstlic hen) Lösung der mit (17)—(19) angesproc henen Probleme vereinbaren lassen. Dies ist in der Tat der Fall. Denn die klassisc he Theorie läßt sic h als Spezialfall einer geeignet formulierten Tokenanalyse auffassen. Zunäc hst kann man sehen, daß die Tokenanalyse für die Mehrzahl der diskutierten Beispiele in dem Sinne zu fein ist, als bei ihnen eine Differenzierung nac h versc hiedenen Realisierungen desselben Ausdruc ks nic ht nötig ist: die betra c hteten Äußerungssituationen waren meist so gewählt, daß sie die Extensionen der in ihnen geäußerten deiktisc hen Wörter eindeutig festlegten. Solc he Äußerungssituationen bezeic hnen wir als homogen. Der klassisc hen Theorie (in der in Teil 1 dargestellten Form) liegt die Idealisierung zugrunde, alle Äußerungssituationen seien homogen. Wenn es nun gelingt, diesen Homogenitätsbegriff im Rahmen der Tokenalyse zu rekonstruieren, dann sollte eine Besc hränkung auf homogene Äußerungssituationen gerade auf die klassisc he Theorie hinauslaufen. Eine begrifflic he Zurüc kführung der homogenen Äußerungssituationen auf Token setzt nun allerdings voraus, daß der Zusammenhang zwisc hen Realisierungen komplexer
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Ausdrüc ke und denen ihrer Teile bereits präzisiert ist. Unter dieser Voraussetzung kann man eine homogene Äußerungssituation als eine Äußerung a eines komplexen Ausdruc ks auffassen, für dessen Teilausdrüc ke β stets gilt: wenn die Realisierungen b und b’ von β Teile von a sind, so sind b und b’ intensionsgleic h. Die restlic he Rekonstruktion der klassisc hen Theorie im Rahmen der Tokenanalyse ist eine mühselige Arbeit am Begriff. Eine ganz andere Möglic hkeit der Rettung der klassisc hen Theorie basiert auf der Beobac htung, daß Inhomogenität versc hiedene Ursac hen haben kann. Einmal kann sie wie in (17) und (18) auftreten, wenn in einer gegebenen Situation mehr als eine Gesamtäußerung eines Satzes, Textes etc . vorliegt. In diesem Fall kann man die Situation in mehrere Situationsaussc hnitte aufspalten, mit denen man dann jeweils klassisc h verfährt. Diese Aufspaltung mag in manc hen Fällen künstlic h ersc heinen, ist aber offenbar immer möglic h und erspart eine Tokenanalyse. Die zweite Art der Inhomogenität wird durc h (19) vertreten: hier liegt eine mehrfac he Realisierung eines deiktisc hen Lexems innerhalb derselben Gesamtäußerung vor. Nun ist zunäc hst einmal festzustellen, daß diese Art der Inhomogenität nic ht von jedem deiktisc hen Wort hervorgerufen werden kann. Wenn z. B. (20) als Satz geäußert wird, referieren die beiden Vorkommen von ich niemals auf versc hiedene Personen: (20) Wenn ich noch ein Bier trinke, kann ich nicht mehr fahren. Hier hilft auch kein Gestikulieren wie im Falle von du: ich bezieht sic h jeweils auf den Produzenten der Äußerung von (20). Deiktisc he Wörter, bei denen Gesten etwas ausric hten können, heißen auc h Demonstrativa. Der Tric k ist nun der folgende: für Demonstrativa läßt sic h ein kontextueller Parameter annehmen, der das Problem der Extensionsfindung auf eine begleitende Zeigehandlung verweist; nic ht das Token ist aussc hlaggebend, sondern die Demonstration. (Natürlic h bedarf es dann noc h einer Sonderregelung für die vielen Fälle, in denen die Zeigehandlung weggelassen wird.) Es sollte klar sein, daß diese Methode zur Darstellung inhomogener Äußerungssituationen die vom klassisc hen Standpunkt aus einfac hste ist. (Weiteres über Demonstrativa in Abschnitt 3.2.) 2.5 Erkenntnistheoretische Umdeutung Dieser letzte Absc hnitt fällt insofern etwas aus dem thematisc hen Rahmen, als die gleic h zu
IV. Kontexttheorie
eröffnenden philosophis c hen Perspektiven strenggnommen nic ht die Semantik der natürlic hen Sprac he betreffen; andererseits passen sie gerade deshalb hierher, denn sie zeigen, daß der Anwendungsbereic h der klassisc hen Theorie weit über die deskriptive Semantik hinausgeht. Ähnlic h wie die Russellsc he Kennzeic hnungstheorie [vgl. dazu Artikel 22] oder die Davidsonsc he Adverbialsemantik [s. Artikel 36] läßt sic h nämlic h auc h die Kaplansc he Theorie der Kontextabhängigkeit zur Darstellung und Untermauerung bestimmter philosophisc her Thesen und Positionen heranziehen. Diese philosophisc he Dimension mac ht einen Großteil der ursprünglic hen Motivation hinter dem Begriffsapparat dieses Kapitels aus, und ihr Studium trägt auf jeden Fall zu dessen besserem Verständnis bei. Darüberhinaus spielen einige der in diesem Zusammenhang zu diskutierenden Beispiele und Analysen durc haus eine wic htige Rolle in der linguistisc hen Anwendung der klassisc hen Theorie; doc h darüber wird erst in Abschnitt 4.2 zu reden sein. Als Einstieg mag eine Rüc kbesinnung auf die Einführung des Intensionsbegriffs in Absc hnitt 1.1 dienen. Dort haben wir gesagt, daß man sic h die Intension eines Ausdruc ks im wesentlic hen als eine Methode zur Bestimmung seiner Extension vorstellen kann: angewandt auf eine beliebig vorgegebene Situation oder Tatsac henkonstellation liefert die Intension die jeweilige Extension. Im Falle eines Satzes ist die Extension ein Wahrheitswert, womit die Intension — in diesem Falle auc h Proposition genannt — als eine Menge von (Auswertungs-)Situationen aufgefaßt werden kann. Solc he Mengen möglic her Tatsac henkonstellationen lassen sic h wiederum in naheliegender Weise als Informationen verstehen: eine Menge entspric ht der Information, daß alle ihre Elemente in dem Sinne möglic h sind, daß ihr Bestehen nic ht ausgesc hlossen werden kann, daß also die Wirklic hkeit zu ihr gehört. (Genauere Ausführungen zu dieser Betrac htungsweise findet man in Artikel 2.) Damit liegt nun der Verdac ht nahe, daß die durc h einen Satz (in einer Äußerungssituation) ausgedrüc kte Proposition — also seine Intension — gerade die durc h ihn übermittelte Information ist. Halten wir dies in Form einer Hypothese fest: (F) Der Informationsgehalt eines Satzes ist seine Intension. Ein Großteil dieses Absc hnittes wird der Widerlegung und Modifikation der Hypothese (F) gewidmet sein; danac h werden wir uns
9. Kontextabhängigkeit
endlic h den philosophisc hen Implikationen zuwenden. Um besser zu verstehen, wie (F) überhaupt gemeint ist, ist es nützlic h, einige naheliegende, hier aber nic ht intendierte Interpretationen dieser Hypothese zu verwerfen. Mit (F) ist z. B. nic ht gemeint, daß ein (in einer bestimmten Situation geäußerter) Satz der Hörersc haft genau die durc h ihn ausgedrüc kte Proposition als Information übermittelt. Welc he Information tatsäc hlic h übermittelt wird, hängt von vielerlei, insbesondere auc h pragmatisc hen Faktoren ab, die uns hier nic ht weiter interessieren: die Äußerung kann z. B. ironisc h gemeint sein und im wesentlic hen nur Informationen über die Einstellung des Sprec hers vermitteln; sie kann — etwa in einer Prüfung — die Wohlinformiertheit des Sprec hers oder — bei einer Parlamentsrede — dessen Sc hlagfertigkeit unter Beweis stellen und insofern sehr aufsc hlußreic h sein; sie kann zeigen, ob es sic h bei der Sprec herin um eine Muttersprac hlerin handelt usw. In all diesen Fällen wird jedoc h die im engeren Sinne vom Satz übermittelte Information durc h andere, die Äußerung begleitende Umstände ergänzt oder überlagert. Doc h nur um erstere geht es in (F): um die gemäß der wörtlichen Bedeutung des betreffenden Satzes übermittelte Information. [Siehe Artikel 3.] Selbst wenn man sic h strikt an die wörtlic he Bedeutung hält, ist (F) nic ht ganz eindeutig. Denn was ein Satz im wahrsten Sinne des Wortes in einer Äußerungssituation besagt, kann für die Hörersc haft je nac h deren Vorwissen mehr oder weniger informativ sein. Die korrekte Antwort auf eine Frage im mündlic hen Staatsexamen sollte dem Prüfer bekannt sein, dem ministeriellen Beisitzer vermittelt sie vielleic ht neue Erkenntnisse: in diesem Sinne ist ihr Informationsgehalt stark hörerabhängig. Doc h darum geht es nic ht. Wir werden idealerweise von solc hen Untersc hieden in der Informiertheit abstrahieren und für die Diskussion des Prinzips (F) keinerlei Voraussetzungen über den Informationsstand der Kommunikationsteilnehmer mac hen. Insofern interessieren wir uns hier nur für den maximalen Informationsgehalt eines Satzes — also diejenige Information, die er bei wörtlic her Interpretation einer gänzlic h desinformierten und desorientierten Hörersc haft übermitteln würde. Es ist natürlic h fraglic h, ob man dieser Art von Hörersc haft überhaupt irgendwelc he Informationen übermitteln kann; doc h soll uns diese rein heuristisc he Idealisierung nic ht bis in die letzten Verästelungen des Details
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interessieren. Nac h diesen Vorklärungen sind wir in der Lage, die Hypothese (F) anhand einiger Beispiele zu überprüfen. (F) fällt j a nic ht vom Himmel, und so erstaunt es wenig, daß sic h dieses Prinzip bei vielen Beispielen gar nic ht schlecht ausnimmt. So etwa bei: (21) Tom pennt. Der Einfac hheit halber nehmen wir an, daß es sic h bei (21) um einen absoluten Satz handelt, dessen Intension p also nic ht von der Äußerungssituation abhängt; p besteht also aus den Situationen, in denen der Referent des Eigennamens Tom der durc h das Prädikat pennt bezeic hneten Tätigkeit nac hgeht. Nac h (F) besteht dann der Informationsgehalt von (21) gerade in dieser als Information verstandenen singulären Proposition p: wer über keine weiteren Informationen außer p verfügt, weiß damit nur, daß nic ht ausgesc hlossen werden kann, daß Tom sc hläft. Dies ist offenbar eine korrekte Aussage über den maximalen Informationsgehalt der wörtlic hen Interpretation von (21). Betrac hten wir als näc hstes einen Satz, der in versc hiedenen Äußerungssituationen verschiedene Propositionen ausdrücken kann: (22) Ich bin müde. Um (F) zu testen, benötigen wir zumindest eine Information über die Äußerungssituation: wir müssen wissen, wer (22) äußert. Nehmen wir also an, es handele sic h um Tom. Dann drüc kt (22) im wesentlic hen die Propostion aus, die aus allen Situationen besteht, in denen Tom müde ist. Was den Informationsgehalt angeht, so hätte Tom also ebensogut (22′) äußern können: (22′) Tom ist müde. Dabei setzen wir voraus, daß Tom ein Standardname ist — ein Name, der sic h per sprac hlic her Konvention direkt und absolut auf Tom bezieht. Diese Voraussetzung ist nic ht ganz unproblematisc h (siehe Absc hnitt 1.3). Doc h dient (22′) hier lediglic h der Illustration einer Inadäquatheit von (F): nac h (F) ist der Informationsgehalt einer Äußerung von (22) durc h Tom gleic h dem Informationsgehalt, den (22′) hätte, wenn man Tom als Standardnamen versteht. Natürlic h ist eine Äußerung von (22′) aus Toms Mund etwas befremdlic h oder allenfalls babyhaft. Doc h könnte man — und sei es nur zur Aufrec hterhaltung von (F) — annehmen, daß der Grund für diese Abweic hung stilisti-
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sc her oder pragmatisc her, nic ht jedoc h semantisc her Natur ist: (22) und (22′) besagen zwar in dieser Situation dasselbe, ihr Informationsgehalt ist damit nac h (F) auc h gleic h, aber sie unterliegen untersc hiedlic hen Gebrauc hsbedingungen, die dafür sorgen, daß (22′) einigermaßen inakzeptabel ist. (F) scheint damit fürs erste gerettet. Ganz so einfac h ist es nic ht. Denn (22) und (22′) übermitteln nur dem dieselbe Information, der über die Identität des Sprec hers informiert ist, der also weiß, daß sic h der Name Tom auf den Sprec her von (22) bezieht. Dieses Wissen ist aber keine notwendige Vorbedingung für das Verständnis der beiden Sätze: (F) verlangt hier offensic htlic h zu viel vom Hörer. Daß es sic h hierbei nic ht nur um einen marginalen Sc hönheitsfehler, sondern um eine substantielle Inadäquatheit der Hypothese (F) handelt, sieht man besser, wenn man vom Sprec her-Parameter auf Beispiele mit anderen Kontextabhängigkeiten übergeht, bei denen Desinformiertheit an der Tagesordnung ist: (23) Morgen ist Nikolaustag. (23′) Am 6. Dezember 1985 ist Nikolaustag. In diesem Falle sc heinen stilistisc he Untersc hiede oder Zweifel am Standardnamen-Status des Datums weniger angebrac ht als bei den vorherigen Beispielen. Bei einer Äußerung von (23) am 5. 12. 1985 wird aber im allgemeinen eine andere Information übermittelt als durc h eine Äußerung von (23′). In unsererm Kulturkreis ist die in (23) enthaltene Information für die Eltern kleiner Kinder ungleic h wic htiger als der relativ banale Inhalt von (23′): erstere könnte sie zu einem PanikKauf von Äpfeln, Nüssen und Mandelkernen veranlassen, während letztere in der Regel ihr Verhalten kaum beeinflussen dürfte. Dieser banale Inhalt von (23′) — daß am 6. 12. 1985 der Nikolaus kommt — ist aber gerade die durc h beide Sätze am 5. 12. 1988 ausgedrüc kte (singuläre) Proposition μ23. (23) sc heint aber darüberhinaus noc h mehr zu besagen. Und dieses Mehr an Information, dieser Untersc hied im Informationsgehalt zwisc hen (23) und (23′), wird von (F) nic ht erfaßt. Worin besteht nun eigentlic h die Information, die (23) gegenüber (23′) so interessant ersc heinen läßt? Und was mac ht sie so interessant? Der Untersc hied zwisc hen den beiden Sätzen hat offenbar etwas damit zu tun, daß die von beiden ausgedrüc kte Proposition durc h (23) unmittelbar in Beziehung zur Äußerungssituation gesetzt wird und gerade deshalb einen Einfluß auf das Verhalten der
IV. Kontexttheorie
Informierten ausüben kann. Diese Unmittelbarkeit der Information geht (23′) ab: was dieser Satz besagt, ist sommers wie winters dasselbe (nämlic h μ23) und hilft vor allem denen nic ht weiter, denen das Datum der Äußerung nic ht gegenwärtig ist, die also die Äußerung zeitlic h nic ht genau genug lokalisieren können. In (23) wird das Kommen des Nikolaus aus der Äußerungssituation heraus, also vom Standort des Sprec hers aus, besc hrieben und insofern mit sprac hlic hen Mitteln lokalisiert; die Besc hreibung in (23′) entbehrt dieser Perspektive. Diese zusätzlic he lokalisierende Dimension im Informationsgehalt ist nun offenkundig ein Effekt der Variabilität der Intension von (23), die wiederum auf die direkte Referentialität des Temporaladverbs morgen zurüc kgeführt werden kann, das dazu beiträgt, den der Äußerungszeit folgenden Tag — und insofern auc h die Äußerungszeit selbst — relativ zum Nikolaustag zu lokalisieren. Während also (23′) lediglic h eine absolute Information μ23 über die Besc haffenheit der Welt liefert, setzt (23) dieselbe Information zum Standort des Sprec hers in Beziehung. Dieser Untersc hied in der Perspektive, aus der die durc h die beiden Sätze ausgedrüc kte Proposition präsentiert wird, wird in (F) übergangen. Eine Modifikation von (F) muß also die durc h möglic he deiktisc he Teilausdrüc ke eingeführte Perspektive der übermittelten Information berüc ksic htigen. Eine sic h aus diesen Betrac htungen nahelegende Verbesserung von (F) besteht somit in einer Differenzierung des Informationsgehalts in einen absoluten, von der Intension beigesteuerten Teil und die durc h den Charakter verliehene lokalisierende Perspektive. In dem soeben diskutierten Beispiel ergibt sic h dann für (23) einerseits die auc h durc h (23′) ausgedrüc kte Information μ23 und andererseits die lokalisierende Information ε23, daß der Nikolaustag dem Tag der Äußerung folgt, d. h. die Menge der Situationen s, die sic h an einem 5. Dezember abspielen. Diese Proposition ε23 ergibt sic h wiederum einfac h aus dem Charakter χ23 von (23) durc h Einsetzung der Auswertungssituation s für die Äußerungssituation so: χ23 liefert ja für den Referenzpunkt 〈so,s〉 gerade dann den Wahrheitswert 1, wenn am Tag nac h so (in s) der Nikolaus kommt. Nac h einer am Sc hluß von Absc hnitt 2.3 gemac hten Beobac htung ergibt sic h somit ε23 aus χ23 durc h senkrec hte Diagonalisierung. Wir erhalten damit die folgende Modifikation von (F):
9. Kontextabhängigkeit
(S) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch senkrechte Diagonalisierung seines Charakters kodierten Lokalisierung. Man beac hte, daß die Monstrosität der senkrec hten Diagonalisierungen an dieser Stelle keine Rolle spielt: (S) dient ja nic ht der Interpretation einer bestimmten syntaktisc hen Konstruktion. Mit (S) wird klar, warum man in Beispielen wie (23′) keine Zweiteilung der Information findet: bei absoluten Ausdrüc ken läuft die Diagonalisierung leer — ihr Charakter kann ja unabhängig von der Äußerungssituation besc hrieben werden, womit diese auc h nic ht durc h die Auswertungssituation ersetzt werden kann: ε23’ = μ23’ (= μ23). Wir haben in Absc hnitt 2.3 festgestellt, daß senkrec hte Diagonalisierungen nic ht in jeder Referenztheorie möglic h sind. (S) mac ht nur für die klassisc he Theorie aus Teil 1 sowie für die in Absc hnitt 2.3 skizzierte Quadratur der Parametrisierung Sinn. Will man ein zu (S) analoges Prinzip im Rahmen der nic htquadratis c hen Parametrisierung aus Abs c hnitt 2.1 formulieren, so muß man berüc ksic htigen, daß die ansonsten durc h Diagonaliserung erhältlic he Information nic ht in dem Sinne aus dem Charakter herausdestilliert werden kann, daß sie — wie das Ergebnis einer senkrec hten Diagonalisierung — wieder einer Proposition entspric ht. Wenn einige kontextuelle Aspekte (nac h dieser Theorie-Variante) unumsc hreibbar sind, sollte man für die lokalisierende Information also lieber den vollen Charakter veranschlagen. Wir erhalten damit: (E) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch seinen Charakter kodierten Lokalisierung. Im Untersc hied zu (S) postuliert (E) einen kategorialen Untersc hied zwisc hen den beiden Informationskomponenten. Der Untersc hied zwisc hen Perspektivelosigkeit und Lokalisierung ist nac h (E) nic ht nur einer des Inhalts, sondern auc h ein Untersc hied in der Form der Information: erstere entspric ht einer Menge von Indizes, während letzterer ein Charakter, also eine Funktion von Kontexten in Intensionen ist. (S) ist dagegen durc haus mit der Annahme verträglic h, daß jede Information propositional ist.
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Der in (E) für die Kodierung der lokalisierenden Information geforderte volle Charakter ist eigentlic h etwas zu viel des Guten. Das sieht man am besten anhand einer Extensionalisierung im Stil von Absc hnitt 2.2 ein. Charaktere lassen sic h dann durc h Formeln besc hreiben, die — entsprec hend der Referenzpunkt-Aufspaltung aus Absc hnitt 2.3 — im wesentlic hen drei Typen von Variablen enthalten: indexikalis c he, indexikalis c h-kontextuelle (kurz: mittlere) und rein kontextuelle. Die Charakterformel für Ich schlafe jetzt enthält beispielsweise eine indexikalisc he Variable für die Auswertungswelt (wegen der Faktenabhängigkeit der Extension von schlafen), eine mittlere (von jetzt eingeführte) Variable für die Äußerungszeit und eine rein kontextuelle Variable für den Sprec her. Welc he (lokalisierende) Information beinhaltet nun der Charakter χ dieses Satzes? Grob gesproc hen informiert χ darüber, daß der Sprec her in der Äußerungswelt zur Äußerungszeit cs hläft. Insbesondere gibt es also in dieser Hinsic ht keinen Untersc hied zwisc hen indexikalisc hen und mittleren Variablen: beide dürfen — dem Prinzip (D) gemäß — direkt auf die Äußerungssituation bezogen werden. Für die Ermittlung der lokalisierenden Information ist also die Untersc heidung zwisc hen den Aspekten der Auswertungssituation und den indexikalisc hen Aspekten des Kontexts überflüssig. (Das äußert sic h übrigens auc h darin, daß das Wort jetzt in diesem Falle nic ht zur lokalisierenden, wohl aber zur absoluten Information beiträgt.) Der Charakter χ läßt sic h damit in (E) insoweit reduzieren, als man (in der extensionalisierten Darstellung) indexikalis c he und mittlere Variablen miteinander identifiziert. Von der Formulierung (S) ausgehend liegt es nun nahe, diese Identifikation durc h eine senkrec hte Diagonalisierung vorzunehmen und dementsprec hend die mittleren Variablen durc h indexikalisc he zu ersetzten. Doc h führt natürlic h der umgekehrte Weg zum selben Ziel: eine Ersetzung der indexikalisc hen Variablen durc h mittlere, also kontextuelle. Das ist aber nic hts anderes als eine Anwendung des DTHAT-Operators! Natürlic h ist das Ergebnis einer solc hen waagerec hten Diagonalisierung strenggenommen immer noc h ein Charakter χ’, so daß auf den ersten Blic k gegenüber (E) nic hts gewonnen sc heint. Dieser Sc hein trügt aber. Denn das durc h DTHAT modifizierte χ’ ist direkt referentiell und läßt sic h daher auf eine Funktion von Kontexten in Wahrheitswerte oder äquivalenterweise als Menge von Kontexten auffassen.
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Da ein Kontext nic hts anderes ist als eine nstellige Liste von Aspekten, entspric ht diese Menge von Kontexten wiederum einer n-stelligen Relation !χ; in unserem Beispiel ist !χ die Relation, die zwisc hen einem Individuum x (dem Sprec her), einem Zeitpunkt z und einer Welt w besteht, wenn x in w zu z schläft. (E’) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch die der waagerechten Diagonalisierung seines Charakters entsprechende Relation kodierten Lokalisierung. Wir werden zwar im folgenden von der klassisc hen Formulierung (E) ausgehen, dabei aber diese Reduktion (E’) von χ auf die Relation !χ nic ht ganz aus den Augen verlieren: in Absc hnitt 4.2 wird sie uns gute Dienste leisten. Was hat das nun alles mit Philosophie zu tun? Der Zusammenhang ergibt sic h aus einer Verallgemeinerung bzw. Umdeutung einiger zentraler Begriffe der Referenztheorie. Zunäc hst nehmen wir zur Kenntnis, daß sic h das Analyse-Instrumentarium der klassisc hen Theorie ohne große Verrenkungen von der Besc hreibung öffentlic her Äußerungen auf innere Monologe übertragen läßt. Die Rolle des Sprec hers wird dann von der den inneren Monolog führenden Person gespielt — sie ist ja die intendierte Referentin des Wortes ich und zählt (in einem in Absc hnitt 3.1 noc h näher zu untersuc henden Sinn) als Sprecherin — und statt einer intersubjektiv zugänglic hen Äußerungssituation mit in der Regel mehreren Kommunikationsteilnehmern haben wir es lediglic h mit dem inneren Zustand zu tun, in dem sic h die betreffende Person befindet. Innere Monologe finden allerdings nur sehr selten in dem Sinne statt, daß sic h eine Person den Wortlaut einer an sie selbst geric hteten fiktiven Äußerung vergegenwärtigt. In der Regel begegnet man dieser asozialen Form von Kommunikation wohl eher in Romanen, Beric hten und anderen Texten, wo sie als Kunstgriff angewandt wird, um den Bewußtseinszustand einer Person zu besc hreiben: der innere Monolog soll auf plastisc he Weise verdeutlic hen, was dem Protagonisten gerade durc h den Kopf geht. Die sprac hlic he Formulierung steht also für ihren Inhalt als Denkinhalt oder — allgemeiner — als (momentanen) Bewußtseinsinhalt, der neben dem Gedankengut auc h Wahrnehmung (und even-
IV. Kontexttheorie
tuell sogar emotional gefärbte Einstellungen) umfaßt. Aus dem Sprec her wird so ein wahrnehmendes und denkendes Wesen oder — philosophisc her ausgedrüc kt — ein erkennendes Subjekt; und die Äußerungssituation wird zum kognitiven (bzw. epistemischen) Zustand. Das ist die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassischen Theorie. Es ist nützlic h, sic h an dieser Stelle einige terminologisc he und inhaltlic he Subtilitäten einzuprägen. Zunäc hst sollte man sic h den Untersc hied zwisc hen Bewußtseinsinhalt und epistemisc hem Zustand klarmac hen. Ersterer ist abstrakter Natur; es handelt sic h um eine bestimmte (perspektivis c he) Information. Prinzipiell — aber wohl nic ht praktisc h — ist es möglic h, daß die Bewußtseinsinhalte zweier Personen miteinander identisc h sind. Doc h befinden sic h diese Personen niemals im selben epistemisc hen Zustand. Denn letzterer ist die tatsäc hlic he Situation, in der sic h das jeweilige erkennende Subjekt befindet; und wenn es sic h um zwei versc hiedene Subjekte handelt, dann hat diese Versc hiedenheit definitionsgemäß einen Untersc hied im epistemisc hen Zustand zur Folge — eben einen Untersc hied im Subjekts-Aspekt. Der Bewußtseinsinhalt entspric ht also dem subjektiven Bild, das sic h die jeweilige Person von ihrer Situation, also von ihrem epistemisc hen Zustand, mac ht. Dazu gehört dann insbesondere eine Lokalisierung von sic h selbst als Subjekt in Raum, Zeit und Welt. Ob diese Lokalisierung korrekt ist oder etwa das Subjekt einem Irrtum oder einer Täusc hung unterliegt, hängt dann davon ab, ob der tatsäc hlic he epistemisc he Zustand des Subjekts mit dem Bewußtseinsinhalt verträglic h ist — ob also der Charakter für diese Situation eine in dieser Situation wahre Proposition liefert. Bei der Bestimmung und Bewertung dieser Proposition werden die kontextuellen und indexikalisc hen Parameter an der Wirklic hkeit (und nic ht etwa am subjektiven Bild derselben) ausgewertet. Wir können diese philosophisc he Interpretation auf einige der oben besproc henen Beispiele anwenden, indem wir diese als innere Monologe deuten. Wenn sic h Tom (22) sagt — oder wenn man von Tom zu Rec ht sagen kann, er sage zu sic h (22) — dann klassifiziert sic h Tom als müde Person. Das heißt natürlic h nic ht unbedingt, daß Tom sic h damit in einem (körperlic hen) Zustand von Müdigkeit befindet: er könnte ja einem Irrtum unterliegen. Es heißt, daß sic h Tom in einem (kognitiven) Zustand des sic h für müde Haltens
9. Kontextabhängigkeit
befindet — ein Zustand, in dem sein Bewußtseinsinhalt dem erkennendem Subjekt eine bestimmte Eigensc haft (Müdigkeit) zusc hreibt. Damit befindet sic h Tom nic ht notwendigerweise auc h in einem Zustand, in dem Tom als Individuum diese Eigensc haft zugesc hrieben wird. Dieser subtile Untersc hied kommt vor allem im Falle einer (in der einsc hlägigen philosophisc hen Literatur deshalb auc h gerne diskutierten) Identitätskrise zum Tragen. (23) ist in dieser Hinsic ht durc hsic htiger. Wenn (23) in einem von Caroline geführten inneren Monolog auftauc ht, dann ordnet Caroline ihren momentanen Zustand zeitlic h in den Tag unmittelbar vor dem Nikolaustag 1985 ein. Selbstverständlic h ist damit nic ht unbedingt der 5. Dezember angebroc hen; ein Irrtum ist hier wesentlic h leic hter möglic h als beim vorhergehenden Beispiel. I n Carolines Bewußtsein besitzt lediglic h der Tag ihres momentanen Zustandes eine gewisse Eigensc haft (direkter Vorgänger des Nikolaustages zu sein). Nehmen wir einmal an, sie irrt sic h tatsäc hlic h: in Wirklic hkeit haben wir bereits den 8. Dezember. Heißt das, daß Caroline — und sei es auc h nur momentan — den 8. Dezember für den Vorgänger des Nikolaustages hält? Wohl kaum. Oder eben nur: insofern sie den 8. Dezember als Tag ihres momentanen epistemisc hen Zustands, als Heute, klassifiziert. Im momentanen Weltbild ihres Bewußtseinszustands liegt also der Tag des momentanen Zustands vor dem Nikolaustag; und in Wirklic hkeit ist der Tag ihres momentanen Zustands der 8. Dezember. Die Differenz zwisc hen Carolines Perspektive auf den 8. Dezember als Heute und der Tatsac he, daß es sic h in Wirklic hkeit um den ac hten Tag des Monats Dezember handelt, entspric ht natürlic h genau dem zuvor diskutierten Untersc hied zwisc hen lokalisierender und perspektiveloser Information. Der im inneren Monolog (23) besc hriebene kognitive Zustand Carolines ist das epistemisc he Analogon zum Charakter in (E) bzw. zur Diagonalisierung desselben in (S). Für den Vergleic h der Carolinesc hen Vorstellungswelt mit der Wirklic hkeit muß die in (23) gemac hte Aussage als Aussage über die Wirklic hkeit gewertet werden. Aus dem Heute der Carolinesc hen Perspektive wird dann der Tag, an dem sic h der innere Monolog (bzw. die ihm entsprec hende Überlegung) tatsäc hlic h abspielt — gerade so, wie sonst aus dem Charakter durc h Auffüllung der kontextuellen Aspekte die Intension wird. Der (möglic her-
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weise diagonalisierte) Charakter von (23) besc hreibt also, wie Caroline die Welt sieht; die — sic h am tatsäc hlic hen Zustand Carolines ergebende — Intension dagegen besc hreibt, wie die Welt ist. Der Untersc hied zwisc hen (diagonalisiertem) Charakter und Intension bzw. der zwisc hen lokalisierender und absoluter Information wird so, in der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie, zu einem Untersc hied zwisc hen epistemischer und metaphysischer Perspektive. Hält man sic h nun an die diagonalisierungsfreie Variante (E), so ist dieser Untersc hied wieder kategorialer Natur. Der Bewußtseinsinhalt des erkennenden Subjekts kann dann prinzipiell nic ht als Information im Sinne des zu Anfang des gegenwärtigen Absc hnitts thematisierten propositionalen Wissens aufgefaßt werden. Bei der Caroline im Falle des inneren Monologes vorliegenden Information χ23 handelt es sic h nic ht nur um eine andere als die, daß der 8. Dezember 1985 dem Nikolaustag vorangeht (μ23) — es handelt sic h um einen anderen Typ von Information, nämlic h um lokalisierende Information, um Information aus der Sic ht des Subjekts in seinem momentanen kognitiven Zustand. Die Alternative (S) ist in dieser Hinsic ht weniger radikal: nac h ihr ist der Untersc hied zwisc hen epistemisc her und metaphysisc her Perspektive rein inhaltlic her Natur. Caroline befindet sic h zwar nic ht im Besitz der perspektivelosen Information μ23, sie vertraut aber wohl einer anderen, ebenso propositionalen Information, nämlic h ε23. Heißt das, daß nac h (S) Carolines Bewußtseinsinhalt jeglic her epistemisc hen Perspektive entbehrt? Natürlic h nic ht! Die Perspektive ist bei ε23 nur ein Teil des Inhalts: an die Stelle des kontextuellen Zeit- (bzw. Tages-) Parameters in χ23 tritt in ε23 die Zeit der Auswertungssituation. Der Untersc hied zwisc hen lokalisierender und absoluter Information läßt sic h am eindruc ksvollsten am Grenzfall der Nullinformation oder Trivialität illustrieren. Triviale Informationen sind solc he, die unter beliebigen Umständen zutreffen, deren Kenntnisnahme also nic hts lehrt. Die in (E) geleistete Präzisierung der Untersc heidung zwisc hen Lokalisierung und Perspektivelosigkeit läßt nun prinzipiell zwei Trivialitätsbegriffe zu: Trivialität eines Charakters versus Trivialität einer Proposition. Im Lic hte der erkenntnistheoretis c hen Umdeutung der klassis c hen Theorie entsprec hen diese Begriffe c( um
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grano salis) zwei alten Bekannten aus der Philosophie: Definition: (a) Eine epistemische Information χ gilt a priori, falls für beliebige kognitive Situationen s0 gilt: χ(s0)(s0) = 1. (b) Eine metaphysische Information p gilt notwendig, falls für beliebige Situationen s gilt: p(s) = 1. Wir haben diese Begriffe hier im Rahmen der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie gegeben, doc h werden sie häufig auc h direkt für Charaktere und Propositionen im üblic hen Sinne definiert. Den Untersc hied zwisc hen den beiden Begriffen mac ht man sic h am besten an drei einfac hen Beispielen klar: (24) Es regnet oder es regnet nicht. (25) Ich existiere. (26) Renatus Cartesius sum. (24) ist eine Tautologie und insofern — im Sinne von (D) — in allen Äußerungssituationen wahr. Also gilt χ24 a priori. In einer Äußerungsituation (bzw. relativ zu einem Bewußtseinsinhalt) s0 ist aber die durc h (24) ausgedrüc kte Proposition χ24(s0) ebenfalls trivial: sie trifft auf eine Situation s zu, falls es in s regnet oder nic ht regnet. (24) drüc kt somit immer eine notwendige Wahrheit aus. Die Untersc heidung zwisc hen a priorisc her und notwendiger Geltung greift also in diesem Falle nicht. Ganz anders bei (25). Wird nämlic h (25) in einer Situation s0 von einem beliebigen Individuum geäußert, so existiert diese Person insbesondere auc h in s0. Also gilt χ25 a priori. Daran ändert sic h auc h nic hts, wenn man von der Äußerung zum Denken übergeht und ich auf das Subjekt desselben bezieht: die Existenz läßt sic h hier mit Hilfe eines altehrwürdigen Desc artesc hen Arguments nac hweisen. Andererseits sind für jeden Äußerer oder Denker Situationen s denkbar, in denen er nic ht existiert. Für solc he s ist aber χ25(s0)(s) = 0 und somit die durc h (25) ausgedrüc kte Proposition keine notwendige Wahrheit. Man beac hte, daß in diesem Falle s0 ≠ s sein muß; zum Nac hweis der A Priorizität genügte aber die Wahrheit an allen diagonalen Referenzpunkten. Der Charakter von (25) ist also ein kontingentes A Priori: χ25 gilt a priori, aber es gibt Referenzpunkte, an denen sic h der Wahrheitswert 0 ergibt.
IV. Kontexttheorie
An der Analyse von (25) wird bei näherem Hinsehen deutlic h, wie man mit Hilfe der klassisc hen Theorie weitere a priorisc he und zuglei c h kontingente Wahrheiten konstruieren kann: geht man von einer extensionalen Darstellung des Charakters im Stil von Absc hnitt 2.2 aus, so liegt A Priorizität dann vor, wenn die Einsetzung von s0 für s, also das Ergebnis der Anwendung des Operators DTHAT zu einer für Äußerungs- bzw. Erkenntnissituationen s0 allgemeingültigen Aussage führt; Kontingenz wiederum ergibt sic h, wenn zumindest für eine Belegung von s und s0 etwas Falsc hes herauskommt. Diese Beobac htung läßt sic h auf eine griffige Formulierung bringen: wenn ein Charakter als Eigensc haft (von Äußerungssituationen), nic ht aber als Relation (zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituationen) trivial ist, so liegt ein kontingentes A Priori vor. (Man beac hte nebenbei, daß bei Parametrisierung der als Eigensc haft von Äußerungssituationen aufgefaßte Charakter nic hts anderes ist als die in (E’) erwähnte, ihm entsprec hende Relation.) Im vorliegenden Fall ergab sic h der Effekt durc h eine Interaktion des deiktisc hen Subjekts mit dem absoluten Prädikat: erst die Ersetzung des Auswertungs-Parameters im Prädikat läßt die Aussage für Äußerungssituationen trivial werden. Prinzipiell ist jedoc h auc h A Priorizität möglic h, ohne daß Deixis vorliegt — wenn nämlic h die durc h den Charakter über die Auswertungssituation gemac hte Aussage für alle Äußerungssituationen trivial ist; und kontingent ist ein solc hes A Priori dann, wenn diese Trivialität nic ht auf beliebige Situationen zutrifft. Ein Beispiel für so ein deixisfreies kontingentes A Priori ist etwa der Charakter des Satzes Es gibt ein denkendes Wesen. Wie nic ht anders zu erwarten, verhält sic h (26) genau entgegengesetzt zu (25). Denn einerseits kann dieser Satz heutzutage nic ht mehr wahrheitsgemäß geäußert werden: χ26(s0)(s0) = 0 für alle (diesseitigen) s0 nac h dem 11. Februar 1650. Damit gilt (26) auc h nic ht a priori. Andererseits besteht die mit einer Äußerung von (26) durc h Desc artes hö c hstpersönli c h ausgedrü c kte Proposition aus den Situationen s, für die gilt: der Sprec her, also Desc artes, ist mit dem Träger des (hier wieder als Standardnamen verstandenen) latinisierten Namens Renatus Cartesius, also mit Desc artes, identisc h. Diese Bedingung wird offensic htlic h von allen s erfüllt. Desc artes konnte also mit (26) eine notwendige Wahrheit ausdrücken.
9. Kontextabhängigkeit
Wir haben die obige Definition auf dem Hintergrund der These (E) getroffen. Die Begriffsbildungen sowie die Analyse der Beispiele lassen sic h jedoc h auc h sinngemäß auf (S) übertragen. Die erkenntnistheoretis c he Wendung der klassisc hen Theorie führt somit auf das aus traditioneller philosophisc her Sic ht zumindest überrasc hende Ergebnis, daß A Priori und Notwendigkeit zwei voneinander unabhängige Begriffe sind. Dies ist die eingangs dieses Abs c hnittes angekündigte philosophisc he Implikation der klassisc hen Theorie. Die in (a) und (b) definierten Begriffe lassen sic h im Prinzip auf Charaktere beliebiger Ausdrüc ke (im Gegensatz zu Sätzen) übertragen. Dazu bedarf es lediglic h der Einsic ht, daß in beiden Fällen eine Invarianz der Extension über gewisse Referenzpunkte hinweg gefordert wird. Eine natürlic he Verallgemeinerung (a’) des A Priori auf beliebige Charaktere χ ergibt sic h demnac h aus der Bedingung, daß für Äußerungssituationen s0 und s1 stets gilt: χ(s0)(s0) = χ(s1)(s1). Zur Illustration des A Priori in diesem weiteren Sinne mag der Charakter der Kennzeic hnung die S prache dieser Äußerung dienen: jede Äußerung dieses Ausdruc ks referiert auf das Deutsc he, doc h ist es in praktisc h jeder Äußerungssituation zumindest denkbar und insofern (metaphysisc h) möglic h, daß das Gespräc h auf Altisländisc h geführt wird. Die entsprec hende Verallgemeinerung (b’) des Notwendigkeitsbegriffs führt auf einen der Kernbegriffe von Absc hnitt 1.3, direkte Referenz: eine Intension χ(s0) ist notwendig, wenn χ(s0)(s) = χ(s0)(s’) = 1 (für beliebige s und s’), wenn also der betreffende Ausdruc k direkt auf den Wahrheitswert 1 referiert und die Auswertungssituation keine Rolle spielt. Als weiterer begrifflic her Zusammenhang zwisc hen den oben gegebenen Definitionen und den Referenzarten sprac hlic her Ausdrüc ke sei hier noc h die Unverträglic hkeit von Deixis und A Priorizität — auc h im erweiterten Sinne (b’) — erwähnt, deren Nac hweis eine Fingerübung ist. Die direkte Referenz bedarf im Rahmen der erkenntnistheoretis c hen Deutung der klassisc hen Theorie besonderer Aufmerksamkeit. Direkte Referenz führt bekanntlic h auf der Intensions-Ebene zu singulärer Information, Information über den Referenten. Da es sic h dabei um perspektivelose Information handelt, ist damit nic hts über die Art des Gegebenseins, d. h. die Identifikation des Referenten aus Sic ht des Subjekts gesagt: es
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kann sic h um einen unmittelbar gegebenen kontextuellen Aspekt (Ego, Hic , Nunc ), eine kausal vermittelte Bekanntsc haft (Wahrnehmung, Erinnerung) oder einen im wesentlic hen deduktiv ersc hlossenen Sac hbezug handeln. Letzterer liegt etwa vor, wenn ein Detektiv aufgrund der Inspektion eines Tatorts auf die Existenz eines Einzeltäters sc hließt und diesen einer bestimmten Personengruppe zuordnet. Die entsprec hende perspektivelose Information ist dann eine singuläre Proposition über den tatsächlichen Übeltäter; in einem gewissen, trivialen Sinn weiß der Detektiv, um wen es sic h dabei handelt, nur reic ht diese sc hwac he Identifikation nic ht für eine Festnahme aus. Das Beispiel — und für andere Arten der direkten Referenz lassen sic h analoge Fälle konstruieren — soll veransc haulic hen, daß direkte Referenz und Singularität von der praktisc hen Identifizierbarkeit des Referenten durc h das Subjekt unabhängige Eigens c haften des objektivierten (= am epistemisc hen Zustand ausgewerteten) Bewußtseinsinhalts sind. Der objektivierende Sc hritt von der perspektivisc hen Information zur singulären Propositon ist im allgemeinen mit einem Informationsverlust verbunden: mehreren Arten des Gegebenseins entspric ht in Wirklic hkeit oft dasselbe Individuum. Es kann daher leic ht passieren, daß dasselbe Subjekt dieselbe perspektivelose Information mehrfac h vorliegen hat, ohne dies merken zu können; oder es liegen widersprüc hlic he singuläre Informationen über dasselbe Individuum vor, das aber dem Subjekt jeweils auf versc hiedene Art gegeben ist. (Im zweiten Fall können natürlic h nic ht alle Informationen ric htig sein.) In dieser Differenz zwisc hen epistemisc her und entsprec hender (d. h. objektivierter) metaphysisc her Information liegt ein Großteil des Erklärungspotentials der erkenntnistheoretis c hen Deutung der klassischen Theorie. Eine der in diesem Teil diskutierten Alternativen zur klassisc hen Theorie widersetzt sic h einer erkenntnistheoretisc hen Umdeutung. Die Rede ist von der in Absc hnitt 2.4 skizzierten Tokenanalyse. Der Grund dieser Unverträglic hkeit mit der im vorliegenden Absc hnitt eingenommenen Perspektive wird deutlic h, wenn wir ein typisc hes Beispiel einer Äußerung betrac hten, für die sic h die Tokenanalyse besonders gut eignet: (27) Jetzt ist es siebenundzwanzig Sekunden früher als jetzt. Offensic htlic h kann man (27) so verzögert aussprec hen, daß in dem Sinne etwas Wahres
IV. Kontexttheorie
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herauskommt, daß das zweite Token von jetzt exakt siebenundzwanzig Sekunden nac h dem ersten geäußert wird. Mit der Tokenanalyse bereitet die Deutung dieser selbsterfüllenden Äußerung auc h keine Sc hwierigkeiten: jedes Token von jetzt wird an seinem Zeitpunkt und als auf diesen verweisend gedeutet. Versuc ht man jedoc h, (27) als inneren Monolog aufzufassen — was ja nic ht sonderlic h sc hwierig ist — versagt die in diesem Absc hnitt dargestellte Umdeutung. Zumindest ist es nic ht mehr ohne weiteres möglic h, den Charakter von (27) als Momentaufnahme eines entsprec henden Bewußtseinsinhalts aufzufassen. Denn einerseits führt die klassisc he Auffassung des Charakters zu einer offenkundig falsc hen Deutung: dem Wort jetzt entspricht ein einziger kontextueller Parameter, so daß sic h beide Token auf das eine Jetzt des kognitiven Zustands bezögen. Andererseits ist aber die von der Tokenanalyse vorgenommene Aufspaltung in zwei Jetzt-Zeiten nic ht mit der Auffassung verträglic h, daß χ27 einem in diesem Zustand gefaßten Gedanken entspric ht, der vermöge der in (27) vorkommenden deiktisc hen Wörter irgendeinen propositionalen Inhalt aus der Perspektive des Subjekts in dieser Situation besc hreibt: der Witz an (27) ist ja gerade, daß er seinen mehr oder weniger trivialen Inhalt portionenweise aus der Sic ht zweier versc hiedener Situationen präsentiert. Ein möglic her Ausweg ist hier die am Ende des vorhergehenden Abs c hnitts angesproc hene Deutung einiger deiktisc her Wörter als Demonstrativa mit unsic htbarer (’innerer’) Zeigehandlung. Ob diese Strategie generell genug ist, müssen wir dahingestellt sein lassen. Um jedenfalls die Tokenanalyse für die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassisc hen Theorie fruc htbar zu mac hen und damit auc h die Charaktere solc her Sätze wie (27) als Bewußtseinsinhalte aufzufassen, bedarf es möglic herweise einer subtileren Entsprec hung zwisc hen Charakter und epistemisc her Information, als wir sie hier angedeutet haben. Wir besc hließen unseren philosophisc hen Exkurs mit einer Reihe von Warnungen. Zunäc hst einmal ist aus den obigen Betrac htungen hoffentlic h klar geworden, daß die mit der klassisc hen Theorie in Verbindung gebrac hten philosophisc hen Thesen strenggenommen auf einer Umdeutung derselben beruhen. Diese Umdeutung ist für sic h genommen noc h keine Begründung dieser Thesen. Dafür müßte vor allem erst einmal gezeigt werden, daß die aus der Idee des inneren Monologs gewonnene Auffassung von Be-
wußtseinsinhalten als Charakteren überhaupt tragfähig ist. Weiterhin müßte die obige Definition auf ihre Brauc hbarkeit als Rekonstruktion entsprec hender klassisc her Begriffsbildungen überprüft werden. Sonst hätte man mit (25) und (26) vielleic ht nur eine These belegt, die zwar im Wortlaut, aber nic ht im Inhalt gängigen philosophisc hen Positionen widerspric ht. Und sc hließlic h ist auc h dann noc h nic ht gezeigt, daß diese Art von Untermauerung der umstrittenen These für das Unterfangen überhaupt wesentlic h ist: vielleic ht läßt sic h der Nac hweis ja auc h ganz unabhängig von dem aus der Referenztheorie übernommenen Begriffsapparat führen. In diesem Falle wäre die erkenntnistheoretisc he Umdeutung bestenfalls ein irreführender Umweg. Von der klassisc hen Theorie der Kontextabhängigkeit zur sprac hanalytisc hen Fundierung der Unabhängigkeit von A Priorizität und Notwendigkeit — und insbesondere des durc h (25) angeblic h illustrierten kontingenten A Priori — ist also noc h ein weiter Weg, dem zu folgen für uns hier allerdings nic ht in Frage kommt.
3.
Aspekte des Kontexts
Dieser Teil soll in erster Linie einen Eindruc k von den Anwendungsweisen und -möglic hkeiten der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten vermitteln. Ein dafür geeigneter Rahmen ist die in Absc hnitt 2.1 skizzierte Aufcs hlüsselung der Äußerungssituationen in eine Liste semantisc h relevanter Aspekte. Dabei werden zunäc hst, im ersten Absc hnitt, diejenigen Parameter näher untersuc ht, die uns oben sc hon öfters begegnet sind: neben den für die erste und zweite Person zuständigen, kommunikative Rollen c bes hreibenden Aspekten gehören dazu vor allem auc h die für jede Situation definierten, sie lokaliserenden Eigensc haften: Welt, Zeit und Ort. Der darauffolgende Absc hnitt ist solc hen deiktisc hen Ausdrüc ken gewidmet, die in der Regel auf eine die Äußerung begleitende Zeigehandlung Bezug nehmen und insofern von einem ‘Zeige-Aspekt’ abhängen. Im letzten Absc hnitt dieses Teils werfen wir noc h einen kleinen Blic k in den Abgrund derjenigen sprac hlic hen Ausdruc ksmittel, die — anstatt von einem konkret faßbaren Aspekt des Kontexts abzuhängen — sic h etwas diffus auf durc h die Äußerungssituation Nahegelegtes zu beziehen scheinen. Wir haben zu Beginn des Absc hnitts 2.1 festgestellt, daß der dort definierte Aspekt-
9. Kontextabhängigkeit
Begriff extrem liberal ist. So läßt sic h beispielsweise eine Funktion definieren, die jeder Situation s das näc hste Sc haltjahr nac h s zuordnet, ohne daß es in irgendeiner Sprac he einen Ausdruc k gibt, dessen Extension von diesem Aspekt abhängt; ein Gleic hes gilt für konstante Aspekte wie den, der jeder Situation die Kreiszahl π zuweist. Die Charaktere sprac hlic her Ausdrüc ke sind eben nic ht für alle Aspekte von Äußerungssituationen sensibel. Welc he Aspekte semantisc h einsc hlägig sind, ist überdies keine absolut zu beantwortetende Frage, sondern hängt zum Teil von metatheoretisc hen Faktoren (Einfac hheit der semantis c hen Bes c hreibung, Kompatibilität mit anderen Theorien, ...) ab. So gibt es keinen zwingenden Grund dafür, die Extension von ich als vom Sprec her-Aspekt abhängig zu besc hreiben: man könnte stattdessen beispielsweise eine Funktion f heranziehen, die jedem s0 Geburtsort und -datum des Produzenten der Äußerung zuweist. Die Extension von ich läßt sic h dann in s0 als die Person besc hreiben, die (in der Welt von s0) an dem von f(s0) spezifizierten räumlic h-zeitlic hen Koordinatenpunkt geboren wurde; nur sc heint es keinen vernünftigen Grund dafür zu geben, den für ich naheliegenden Sprec herAspekt durc h das bizarre f zu ersetzen. Doc h sc hon bei gestern ist es einigermaßen zweifelhaft, was denn nun der für die Extensionsbestimmung einsc hlägige situationelle Aspekt ist: statt des Vortags könnte man ebensogut den Tag der Äußerung selbst nehmen und dann in einer für gestern zuständigen semantisc hen Regel festlegen, wie die Abhängigkkeit von diesem Tages-Aspekt genau aussieht. Auf diese Weise könnte man gestern, heute und morgen als auf jeweils untersc hiedlic he Weise von demselben Aspekt abhängig besc hreiben. Ja, man kann noc h einen Sc hritt weitergehen und die genannten Ausdrüc ke lediglic h von dem für jetzt und gleich benötigten Aspekt des Sprechzeitpunkts abhängen lassen: morgen bezieht sic h auf den Tag nac h dem Sprec hzeitpunkt etc . Die Betrac htungen in Absc hnitt 2.4 legen sc hließlic h nahe, daß sic h ein Großteil der kontextuellen Aspekte ohne große Verrenkungen auf den Token- Aspekt reduzieren läßt, der einfac h jedem s0 die in s0 gemac hte Äußerung zuweist. Sc hließlic h lassen sic h sogar alle Aspekte auf einen einzigen reduzieren, nämlic h den Identitäts-Aspekt, der jeder Situation s einfac h s selbst zuordnet; doc h diese Reduktion trivialisiert den AspektBegriff und führt zu einer unnötig komplizierten Variante der klassisc hen Theorie. Wie
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auc h immer: der Entsc heidung zugunsten eines bestimmten kontextuellen Parameters in der semantisc hen Besc hreibung wird immer etwas Willkürlic hes anhaften. Das sollte bei der folgenden exemplarisc hen Auswahl stets bedacht werden. 3.1 Standardaspekte unter der Lupe Das aus der Sic ht der klassisc hen Theorie typisc he deiktisc he Wort sc hlec hthin ist das Personalpronomen der ersten Person Singular. Es tauc ht in praktisc h allen Darstellungen und Anwendungen der klassisc hen Theorie auf. Auc h wir haben es zur Motivierung der Untersc heidung von Äußerungs- und Auswertungssituation herangezogen. Wir werden deshalb den Sprec her-Aspekt als erstes unter die Lupe nehmen. Zunäc hst ist zu vermerken, daß das Wort ich — da es auc h in sc hriftlic hen Äußerungen vorkommen kann — nic ht immer wirklic h auf den Sprecher verweist. Etwas neutraler könnte man vom Äußereraspekt sprec hen (bzw. sc hreiben), der den Produzenten des (in der Äußerungssituation eindeutig bestimmten) sprac hlic hen Ausdruc ks herausgreift. Doc h auc h das ist möglic herweise nic ht allgemein genug, will man etwa den in Absc hnitt 2.5 bereits thematisierten Gebrauc h von ich in inneren Monologen oder sonstigen Denk-Zitaten auf einigermaßen plausible Weise erklären: (28) ‘Habe ich heute eigentlich schon gefrühstückt?’ fragte sich Wolfgang. Auch wenn man in Beispielen wie (28) für die Ermittlung der Extension von ich die Äußerungssituation in Ri c htung Auswertungssituation versc hiebt, ist immer noc h nic ht gesagt, wie man denn den Referenten genau bestimmt: der besc hriebene Denkakt ist ja nic ht notwendigerweise der einzige in der betra c hteten Situation stattfindende. (Allerdings ist der Gedanke, der in dem Satz umsc hrieben wird, in dem das fraglic he Pronomen vorkommt, eindeutig bestimmbar: man sieht, daß man hier auf ähnlic he Probleme stößt wie im Zusammenhang mit der Tokenanalyse.) Doc h abgesehen davon, daß ich nic ht unbedingt auf den Urheber eines gewissen sprachlichen Produktes verweist, muß es sic h auc h nic ht unbedingt um den Urheber des betreffenden sprac hlic hen Produktes handeln: (29) Nimm’ mich mit! Diese eindeutige Aufforderung soll man in Kürze auf in öffentlic hen Herrentoiletten bereitgestellten Präservativpa c kungen lesen
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können. Wer aber ist der Urheber dieser sc hriftlic hen Äußerungen? Das jeweilige Token wird zweifellos von einer Masc hine erstellt; die Aufsc hrift gleic ht also in dieser Hinsic ht einem Gesc häftsbrief, wo sic h ich auf den Chef als den geistigen Urheber und nic ht auf die Sekretärin als Produzentin des tatsäc hlic hen Briefes bezieht. Doc h (29) ist wohl kaum als zweideutige Aufforderung seitens der Bundesgesundheitsministerin gemeint. Das Wort mich bezieht sic h vielmehr auf den von ihrer Behörde bereitgestellten Gummisc hutz. Der wiederum kommt wohl kaum als Produzent der genannten Äußerung in Frage. Dennoc h ist klar, daß er in diesem Falle als Referent von ich verstanden wird: das Kondom zählt als Sprecher. Der Sprec her-Parameter liefert also einfac h das, was immer in dieser Situation als Sprec her zählt. Analoges wird für alle im folgenden zu besprec henden kontextuellen Parameter gelten. Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß diese Aufweic hung der Aspekte kein rein semantisc hes Phänomen ist, sondern größtenteils in der Pragmatik unter dem Stic hwort Akkomodationsregeln abgehandelt werden kann: in einer Situation, in der überhaupt niemand spric ht, muß die Hörerin — will sie das Ausgesagte verstehen — das Wort ich eben auf irgendjemand (oder irgendetwas) anderes beziehen; und beim Ausfindigmac hen dieses ‘Sprec her-Ersatzes’ helfen ihr die genannten Regeln. Solc he Regeln bewirken offenbar eine Versc hiebung eines rein kontextuellen Aspekts, womit sie auf den ersten Blic k das in Absc hnitt 1.4 verhängte Monsterverbot zu unterlaufen cs heinen. Doc h handelt es sic h bei den Akkomodationsregeln nic ht um semantisc he Operationen: solc he Versc hiebungen kommen nur vor, wenn die im engeren Sinne semantisc hen Regeln versagen. Um das zu unterstreic hen, werden wir in solchen Fällen von pragmatischen Verschiebungen der entsprec henden Aspekte sprechen. Mehr wollen wir an dieser Stelle über den Sprec her-Aspekt nic ht sagen, da wir ihn sc hon ausführlic h kennengelernt haben. Es sollte nur erwähnt werden, daß dieser Aspekt im Deutsc hen wie in vielen (wenn nic ht sogar allen) anderen Sprac hen rein kontextueller Natur ist, sic h also stets auf die Äußerungssituation bezieht und nic ht versc hoben werden kann. Ausgehend von der ersten Person Singular liegt natürlic h die erste Person Plural, das wir, nahe. Blendet man einmal sämtlic he Unweg-
IV. Kontexttheorie
barkeiten der Pluralsemantik aus [diese sind Gegenstand des Artikel 19], so sc heint wir keine sonderlic h interessanten Probleme aufzugeben: es bezieht sic h offenbar auf eine in der Äußerungssituation naheliegende Gruppe, die den Sprec her (oder den, der als Sprec her zählt) und mindestens eine andere Person (oder ein anderes als Person geltendes Wesen) umfaßt. Bei nährerem Hinsehen stellt sic h dann heraus, daß (i) nic ht alle Mitglieder dieser Gruppe in der Außerungssituation zugegen oder (ii) überhaupt am Leben sein müssen, daß (iii) die Bestimmung der wir-Gruppe in der Praxis oft eine rec ht vage Angelegenheit ist und daß es (iv) nebenbei auc h andere, ebenso naheliegende, den Sprec her umfassende Personengruppen geben kann. Das folgende Beispiel dient als Illustration von (i) — (iv): (30) Wir sind wieder wer. Bei einer Äußerung von (30) durch einen bundesdeutsc hen Ric hter in der Nac hkriegszeit konnte sic h dieser mit wir natürlic h auf die Gruppe der Deutsc hen beziehen. Wenn diese Äußerung im engsten Kollegenkreis stattfindet, ist (i) erfüllt. (ii) gilt auc h, wenn man einmal unterstellt, daß sic h der Sprec her auf die Deutsc hen als Gesamtheit und nic ht auf die Überlebenden bezieht. Eine Vagheit kommt ins Spiel, wenn man sic h fragt, ob zu dieser Gesamtheit etwa auc h alle kurz vor Ende des zweiten Weltriegs geborenenen Deutsc hen gehören. Und unter den genannten Umständen hätte der Jurist natürlic h ebensogut sic h und seine Kollegen vom Volksgeric htshof meinen können. Man erkennt an diesem Beispiel auc h, daß die gelegentlic h vorgesc hlagene (und in manc hen Sprac hen markierte) Aufspaltung des wir in eine die Hörersc haft umfasssende und eine sie aussc hließende Lesart nic ht immer weiterhilft. Das Gleic he gilt für andere Disambiguierungsversuc he: die konkrete Auswahl der Gruppe, auf die sic h wir bezieht, ist eine hoc hgradig situationsabhängige Angelegenheit. Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, für die erste Person Plural einen eigenen kontextuellen Parameter anzusetzen. Ebensogut könnte man die Extension von wir unter Rüc kgriff auf den Sprec her-Aspekt und eine (in Absc hnitt 3.3 noc h näher zu erläuternde) situationsabhängige Ordnung der Dinge nac h ihrer Prominenz (oder Einsc hlägigkeit) besc hreiben: wir bezieht sic h dann auf die im Sinne dieser Ordnung ranghöc hste Gruppe, der der Sprecher angehört.
9. Kontextabhängigkeit
Wenden wir uns den Personalpronomina der zweiten Person zu. Einige der Phänomene, die man hier beobac hten kann, sind den der ersten Person gleic h oder analog: Ansprec hpartner werden oft nic ht wirklic h angesproc hen, sondern lediglic h als solc he gedac ht (wie etwa im Selbstgespräc h oder bei einer Anrufung der Götter), der tatsäc hlic he Leser oder Hörer muß nic ht der Angesproc hene sein (wie beim Abhören eines Telefongespräc hs), die Bestimmung der im Plural angesproc henen Gruppe ist nic ht immer ganz eindeutig usw. An grundsätzlic h Neuem gegenüber der ersten Person kommt wohl nur die im Deutsc hen (und vielen anderen Sprac hen) vorgenommene Untersc heidung zwisc hen Familiarund Höflic hkeitsform hinzu. Die wiederum spielt für die Extensionsbestimmung in der Regel keine Rolle, sondern gehört — ähnlic h wie die in Absc hnitt 1.3 angesproc hene Färbung — einer anderen semantisc hen Ebene, dem Register, an; der (durc haus häufige) Fall, in dem die Referentin von du aufgrund der Tatsac he ermittelt wird, daß es sic h um die einzige Anwesende handelt, die vom Sprec her geduzt wird, läßt sic h im Rahmen pragmatisc her Überlegungen abhandeln — und zwar analog zu der Situation, in der jemand eine Aufforderung in französisc her Sprac he auf sic h bezieht, wenn ihm und der auffordernden Person klar ist, daß er der einzige weit und breit ist, der des Französisc hen mäc htig ist. Die Register-Untersc hiede bei den Personalpronomina der zweiten Person sc hlagen sic h also nic ht in den Charakteren nieder: du und S ie im Singular sind ebenso c haraktergleic h wie das Personalpronomen ihr und das pluralische Sie. Neben den Produzenten und Rezipienten der Äußerungen spielen Ort, Zeit und Welt der Äußerungssituation eine wic htige Rolle bei der Extensionsbestimmung. Der aus Sic ht der Referenztheorie wic htigste Untersc hied zwisc hen diesen Situationsparametern einerseits und den für die Deutung der Personalpronomina der ersten und zweiten Person zuständigen besteht darin, daß letztere rein kontextuell sind, während Ort, Zeit und Welt jeweils verschoben werden können: (31) Sicherlich hat es in Rottweil geregnet. Wir gehen davon aus, daß (31) das Ergebnis einer sukzessiven Modifikation des Verbs regnen durc h das Vergangenheitstempus Perfekt, das komplexe Ortsadverb in Rottweil und das Satzadverb sicherlich ist; das Subjekt spielt semantisc h offenbar keine Rolle. Es liegt dann nahe, regnen selbst etwa im Sinne von es
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regnet zu deuten, also durc h einen Charakter χ:, der an einem Referenzpunkt 〈s0,s〉 den Wahrheitswert 1 ergibt, falls es in s regnet. Die in (31) angewandten Modifikatoren versc hieben dann die Auswertungssituation: das Perfekt führt auf ein vergangenes s’, mit der Präpositionalphrase gelangt man in ein s” in Rottweil, und für den gesamten Satz (31) werden dann möglic he Auswertungssituationen herangezogen, die nic ht mit Sic herheit ausgesc hlossen werden können. Im Rahmen einer Parametrisierung (im Sinne von Absc hnitt 2.1) sieht dann die gesamte Extensionsbestimmung einer Äußerung von (31) in einer Situation s0 also ungefähr so aus:
Man beac hte, daß bei dieser Auswertung von (31) von s0 als Äußerungssituation nur im ersten Sc hritt wesentlic her Gebrauc h gemac ht wird — nämlic h dort, wo s0 in den Index eingeführt wird. Man hätte also (31) ebensogut im Rahmen einer prä-klassisc hen Theorie deuten können, die lediglic h zwisc hen Extension und Intension untersc heidet, wobei erstere von letzterer und einem in Aspekte aufgesc hlüsselten Index abhängt. Das liegt daran, daß die von den intensionalen Operatoren in (31) — also von sicherlich, in Rottweil und dem Perfekt — tangierten indexikalisc hen Aspekte nic ht gleic hzeitig durc h deiktisc he Ausdrüc ke belegt werden. Aber warum sollten sie auc h? Warum wollte man z. B. den ursprünglic h (über (D)) kontextuell gegebenen Ortsaspekt zunäc hst ersetzen und
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dann wieder zurüc kversc hieben? In der Tat sc heint ein Nebeneinander von absolutem (in Rottweil) und deiktisc hem Adverbial (hier) nur dann angemessen zu sein, wenn sc hon eines von beiden ausreic hen würde. Allerdings mac hen solc he Hin- und Herversc hiebungen von indexikalisc hen Aspekten dann durc haus Sinn, wenn einer der beteiligten intensionalen Operatoren in dem Sinne undifferenziert ist, als er auf mehr als einen Aspekt Bezug nimmt: der undifferenzierte Operator versc hiebt dann vielleic ht zunäc hst den gesamten Index, was durc h gezielte Bindung einzelner Aspekte teilweise wieder rüc kgängig gemac ht werden kann. Das typisc he Beispiel für so einen undifferenzierten Operator ist das satzeinbettende daß. Denn es mac ht einen Untersc hied, ob etwa Angela (32) oder (32′) äußert — es sei denn, sie befindet sich gerade in Rottweil: (32) Die Leute in Rottweil ärgern sich darüber, daß es ständig regnet. (32′) Die Leute in Rottweil ärgern sich darüber, daß es hier ständig regnet. In beiden Fällen verschiebt das daß den WeltAspekt im eingebetteten Satz auf die Welt der jeweiligen Auswertungssituation. Doc h während in (32) der eingebettete Nebensatz — ebenfalls aufgrund des daß — auc h am Ort der Auswertungssituation bewertet wird, wird dieser Nebeneffekt in (32′) gerade durc h das hier wieder rüc kgängig gemac ht: der Auswertungs-Ort ist der Ort der Äußerung. Was für den Ort gilt, gilt nic ht für die Zeit. Entgegen den obigen Behauptungen sind nämlic h im Falle des Zeitparameters Doppeltbelegungen durc haus möglic h: neben ein Vergangenheitstempus wie dem Perfekt in (31) kann z. B. noc h ein Temporaladverb treten, ohne daß eine der beiden Zeitbestimmungen für sich allein ausreichte: (33) Heute hat es in Rottweil geregnet. Deutet man (wie oben) das Perfekt als Quantor über vor der Sprec hzeit Vergangenes, so kommt heraus, daß (33) besagt, daß es (irgendwann) vor der Äußerung in Rottweil geregnet hat; das Adverb heute wäre dann redundant. Auc h eine Vertausc hung des Skopus von Tempus und Zeitadverb hilft hier nic ht weiter: danac h wäre das Perfekt überflüssig, und (33) würde bedeuten, daß es in Rottweil am Tag der Äußerung irgendwann regnet. Das ist jedoc h nic ht korrekt; der Regen muß vor der Äußerung von (33) fallen, damit diese wahr ist. Um die Interaktion von Tempus und Zeitadverb zu erfassen, müssen offenbar die bisher betrac hteten Deutungs-
IV. Kontexttheorie
tec hniken noc h etwas verfeinert werden. Eine naheliegende, aber in die Irre führende Strategie besteht in einer Abänderung der PerfektSemantik — nämlic h, indem man das Tempus (prä-klassisc h) auf die Zeit vor der Auswertungszeit bezieht. Das besc hert uns zwar — mit der angedeuteten Skopus-Vertausc hung — eine andere Lesart für (33), aber noc h lange nic ht die erwünsc hte: der Satz würde besagen, daß es irgendwann vor dem Tag der Äußerung geregnet hat. (Ohne Skopus-Vertausc hung erhielte man wieder die alte, unerwünsc hte Lesart.) Die Quantifikation muß dagegen ric htigerweise über die Zeit vor der Äußerung, aber am Tage derselben, also im Rahmen der Auswertungszeit, laufen:
An dieser exemplarisc hen und stark vereinfac hten Darstellung der semantisc hen Interaktion von Tempus und Temporaladverb kann man gleic h mehreres auf einmal erkennen. Erstens setzt das Perfekt die Zeit der Auswertungssituation (oft auc h Betrachtzeit genannt) zu der der Äußerungssituation (= Sprechzeit) in Bezug. Zweitens müssen offenbar diese Zeiten Intervalle und nic ht etwa Zeitpunkte sein; sonst könnnte man ja nic ht die eine Auswertungszeit in die andere einbetten. Und drittens verhält sic h der Zeitparameter komplizierter, als man vielleic ht zunäc hst erwartet hätte; dies wird besonders deutlic h, wenn man sic h an die Analyse komplexerer Beispiele mit anderen Tempora oder anderen Typen von Zeitadverbien (insbesondere Frequenzadverbien) heranwagt. [Dafür muß jedoc h auf den Artikel 35 verwiesen werden.]
9. Kontextabhängigkeit
Neben Ort und Zeit ist in unsere Musteranalyse von (31) noc h der Weltparameter eingegangen, der zur Deutung des Modaladverbs sicherlich benutzt wurde. Die allgemeine Idee hinter diesem Umgang mit möglic hen Welten ist bereits in Absc hnitt 1.2, bei der Darstellung der Deutung satzeinbettender Verben, dargestellt worden. (Die obige Deutung von sicherlich ging natürlic h davon aus, daß es sic h bei der Einbettung unter dieses Adverb um ein vergleic hbares Phänomen handelt.) Genauere Ausführungen zum Weltenbegriff, von denen alle Versionen der klassisc hen Theorie Gebrauc h mac hen, würden leider den Rahmen des vorliegenden Artikels sprengen. Es sei lediglic h darauf hingewiesen, daß in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber herrsc ht, daß jede möglic he Welt alle Fakten vollständig determiniert — wenn auc h jede auf ihre Weise: vielleic ht gibt es eine Welt, in der die Anzahl der Haare auf David Lewis’ Kopf doppelt so groß ist wie tatsäc hlic h, aber es gibt keine, in der sie unbestimmt ist. Uneinigkeit herrsc ht dagegen unter den Metaphysikern über die Frage, ob man sic h nic htreale Welten als konkrete Universen oder als abstrakte Mögli c hkeiten vorzustellen hat. Von der Beantwortung dieser Frage hängt unter anderem ab, ob etwa ein und dieselbe Person in einer nic ht-realen Welt existieren kann und ob es strenggenommen überhaupt Sinn mac ht, fiktive Welten zu betrac hten, in denen diese Person Eigensc haften besitzt, die ihr in Wirklic hkeit nic ht zukommen. Solange diese und ähnlic he philosophisc he Fragen zum Weltenbegriff noc h ungeklärt sind, steht natürlic h die klassisc he Theorie auf rec ht wackligen Füßen. Für Ort, Zeit und Welt gelten wieder ähnlic he Vorbehalte wie für den Sprec herparameter. Solange keine lokalen Angaben den Auswertungsort versc hieben, gilt der Äußerungsort als solc her; doc h letzterer ist oft nur sehr vage umrissen. In versc hiedene Äußerungen von (34) kann man sic h bei versc hiedenen Gelegenheiten jeweils auf das Zimmer, in dem man sic h befindet, auf die Region in einem Umkreis von etwa 150 Kilometern oder sogar auf den gesamten Kontinent beziehen, in dem die Äußerung stattfindet: (34) Im Frühjahr wird es nur selten wärmer als 34° Celsius. Diese Art von Vagheit läßt sic h auc h beim Welt- oder Zeitparameter nac hweisen. Und auc h vor pragmatisc hen Versc hiebungen sind die genannten Aspekte nic ht sic her. Ein all-
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gemein bekannter Fall ist das sog. historische Präsens, das dem Gymnasiasten gerne als Grammatikfehler, dem Literaten indes als Stilmittel ausgelegt wird. Eine Versc hiebung des Ortsaspekts sc heint allerdings nur möglic h zu sein, wenn die Zeit mitversc hoben wird. Versc hiebungen der Welt findet man sc hließlic h dort, wo gleic h die gesamte Äußerungssituation ‘ausgetausc ht’ wird, wie etwa bei einer Opernaufführung: als Sprec her zählt die (in der Regel fiktive) Person, die vom jeweiligen Sänger dargestellt wird, als Sprec hzeit die Zeit, in der die Oper spielt, und die Welt ist auch nicht die, in der wir leben. Die Analyse der Beispiele (31)—(33) hatte gezeigt, daß die drei betrac hteten Parameter Ort, Zeit und Welt jeweils (semantisc h) versc hiebbar, d. h. indexikalisc h, sind. Damit sind sie zunäc hst nur aufgrund einer in Abcs hnitt 2.1 vereinbarten Konvention auc h kontextuelle Parameter. Doc h sind sie auc h echte kontextuelle Parameter? Gibt es m. a. W. Wörter oder Konstruktionen, deren semantisc hes Verhalten man nur unter der Annahme besc hreiben kann, daß sie auf jeweils einen der drei genannten Aspekte des Kontexts Bezug nehmen? Angesic hts der Relativität der Zerlegung von Situationen in Aspekte muß wohl die Antwort auf diese beiden Fragen strenggenommen negativ ausfallen. Dennoc h lohnt es sic h, nac h Ausdrüc ken und Konstruktionen zu suc hen, die sic h auf natürlic he und naheliegende Weise durc h einen Bezug auf Ort, Zeit und/oder Welt der Äußerungssituation besc hreiben lassen. Und in der Tat haben wir zumindest für den Zeitparameter ein solc hes Beispiel kennengelernt: bei der Deutung von (33) hat es sic h ja herausgestellt, daß das Perfekt auc h dann auf die Äußerungszeit Bezug nimmt, wenn die Auswertungszeit bereits (in diesem Falle durc h ein Zeitadverb) versc hoben wurde. Damit ist die Kontextualität der Zeit auc h empirisc h untermauert. Für den Ortsaspekt sind eindeutig deiktisc he Ausdrüc ke sc hon sc hwieriger zu finden. Das bereits erwähnteWort hier ist natürlic h ein guter Kandidat, doc h werden wir in Absc hnitt 3.3 noc h sehen, daß es keineswegs unbedingt durc h Bezug auf den Ortsaspekt gedeutet werden muß. Bei Orientierungsangaben wie links und unten ist zumindest zu beac hten, daß sie eher die Perspektive des Sprec hers (und insofern allenfalls den Sprec her-Aspekt) als den Ort der Äußerung berüc ksic htigen. Doc h könnte man den Begriff des Ortsparameters dahingehend präzisieren, daß er sic h auf den Sprec her mit dessen
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Orientierung bezieht; dafür spric ht auc h, daß bei Telefongespräc hen als Ort der Äußerung der Ort gilt, an dem sic h die Sprec herin befindet. Was sc hließlic h die Welt angeht, so wurde bereits im Zusammenhang mit der zweidimensionalen Modallogik (in Absc hnitt 2.3) bemerkt, daß der waagerec hte Diagonaloperator (dthat) in der Anwendung auf Sätze dem Modaladverb tatsächlich entspricht. Eine Lupe ist kein Mikroskop, und so können diese Bemerkungen nur einen Eindruc k von den Problemen vermitteln, die sic h der klassisc hen Theorie bei ihrer Anwendung auf die Besc hreibung versc hiedener Typen von Kontextabhängigkeit stellen. Die Details sind oft ungleich komplexer. 3.2 Demonstrativa Den im vorangehenden Absc hnitt diskutierten kontextuellen Aspekten ist eine gewisse Äußerlic hkeit gemeinsam: sie alle betreffen objektive, mehr oder weniger leic ht feststellbare Merkmale konkreter Situationen. Doc h die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke hängen nic ht immer nur von solc hen einfac hen Aspekten des Kontexts ab. Deixis ist das griec hisc he Wort für ‘Zeigen’, und viele deiktisc he Ausdrü c ke werden c harakteristis c herweise von Zeigehandlungen begleitet. Ganz typisc h ist die Verwendung von Zeigegesten im Zusammenhang mit den (wohl auc h deshalb so genannten) Demonstrativa: (35) Das mag ich nicht! Wer einen Satz wie (35) äußert, kann dabei mit dem Finger auf irgendetwas zeigen, und genau dieses Objekt ist dann in der Regel die Extension des Demonstrativpronomens das. Natürlic h ist die Zeigegeste oft nic ht eindeutig. So kann z. B. unklar sein, ob das Kleinkind bei seiner Äußerung von (35) den häßlic hen Plastikteller oder den darauf liegenden lec keren Spinatbrei meint. Geht man nun davon aus, daß sic h der Charakter von das (im wesentlic hen) durc h die Kennzeic hnung dasjenige Ding, auf welches der S precher zeigt umsc hreiben läßt, so liegt es nahe, das Ziel der Zeigehandlung als kontextuellen Parameter anzusehen; Demonstrativa würden auf diese Weise insofern einheitlic h behandelt, als ihre Extension dann jeweils von diesem ZeigeAspekt abhängt. Was nun aber diesen ZeigeAspekt von den in Absc hnitt 3.1 betrac hteten ‘harten’ Aspekten untersc heidet, ist das für mögli c he Mißverständnisse verantwortli c he subjektive Moment: worauf sic h ein Demonstrativpronomen bezieht, hängt davon ab,
IV. Kontexttheorie
worauf der Sprec her zeigt, und das ist den Umstehenden nic ht immer klar, wohl aber dem Sprec her. Was mit einem Satz wie (35) in einer Situation s0 gesagt wird, was also die durc h ihn ausgedrüc kte Proposition ist, hängt teilweise davon ab, was die Sprec herin in s0 mit das meint. Allerdings kann sie mit ihrer Äußerung (plus Zeigegeste) nic ht Beliebiges meinen; sie muß sic h sc hon an die bei Zeigehandlungen üblic hen Gepflogenheiten halten: ein substantieller Teil des Gegenstandes sollte also in angemessener Entfernung auf einer als Verlängerung des zeigenden Fingers gedac hten Linie liegen; Abweic hungen von dieser Regel sollten zumindest durc h besondere Umstände gerec htfertigt sein. Weiterhin gilt, daß es natürlic h im eigenen Interesse der Sprec herin liegt, Formulierung und Zeigehandlung so eindeutig wie möglic h zu gestalten. Man kann also davon ausgehen, daß das Ziel der ZeigeGeste für den Adressatenkreis als solc hes identifizierbar sein muß und im Normalfall auc h ist. Dem Zeige-Aspekt kommt somit ein gewisses Maß an Intersubjektivität zu. Um die Nac hvollziehbarkeit ihrer Intention auc h wirklic h sic herzustellen, kann die Sprec herin zur Unterstützung ihrer Zeigehandlung zusätzlic he sprac hlic he Mittel einsetzen. So kann sie beispielsweise das Demonstrativpronomen in Artikelfunktion verwenden und mit einem Nomen versehen. Eine solc hermaßen gebildete, im folgenden als demonstrativ bezeic hnete Nominalphrase (wie diesen Fraß) hilft dann, eventuell beim nac kten Demonstrativum (plus Zeigegeste) zu befürc htenden Mißverständnissen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Eine aus theoretisc her Sic ht interessante Frage betrifft nun die Referenzweise demonstrativer Nominalphrasen: wie bestimmt sic h etwa die Extension von diesen Fraß? Wenn wir einmal davon ausgehen, daß es sic h bei diesen in der Tat um ein ec ht deiktisc hes Wort (mit Bezug auf einen Zeige-Aspekt) handelt, reduziert sic h die Frage nac h der Referenzweise der Gesamt-NP auf die nac h dem Einfluß des Artikels auf die Auswertung des Nomens: Substantive referieren normalerweise nic ht deiktisc h, und so würde man für diesen Fraß zunäc hst eine gemisc hte Referenzweise erwarten; eine Auswertung an der Äußerungssituation wäre also nur durc h einen Einfluß des deiktisc hen Artikels erklärbar. Wegen des Prinzips (D) kann man diese Frage natürlic h nur unter Heranziehung intensionaler Konstruktionen klären. Und in der Tat sc heint dann einiges für die Annahme zu sprec hen,
9. Kontextabhängigkeit
daß Nominalphrasen mit deiktisc hem Artikel selbst wieder deiktisc h sind, wie die näc hsten Beispiele zeigen werden: (36) Vor fünf Minuten war dieser Wassertropfen noch gefroren. In (36) versc hieben die temporale Präpositionalphrase und das Tempus gemeinsam die Auswertungszeit vor die Äußerungszeit. Die Extension des Subjekts sollte eigentlic h dementsprec hend für diesen vergangenen Zeitpunkt ermittelt werden. Doc h offenkundig bezieht sic h die Spezifikation der Form der besagten Flüssigkeitsmenge auf die Zeit der Äußerung von (36): ob diese sc hon im gefrorenem Zustand in Tropfenform war, spielt für die mit Hilfe von (36) gemac hte Ausssage offenbar gar keine Rolle. Im Gegenteil: wer statt (36) den Satz (36′) äußert und dabei auf einen Wassertropfen verweist, sagt selbst dann nic hts Ric htiges, wenn selbiger erst 5 Minuten vor der Äußerung aufgetaut ist; es ist sogar fraglic h, ob unter diesen Umständen mit (36′) überhaupt eine Behauptung aufgestellt wird. (36′) Vor fünf Minuten war dieses Eisstückchen noch gefroren. Diese Beobac htungen lassen sic h auc h auf andere Typen intensionaler Konstruktionen übertragen: der in (37) eingebettete daß-Satz muß an den mit des Paten Vorstellungen vereinbaren Situationen ausgewertet werden: (37) Der Pate geht davon aus, daß dieser von uns eingeschleuste Mann absolut vertrauenswürdig ist. Doch wenn etwa ein Polizeiinspektor (37) benutzt, um seinen Kollegen einen neuen Under-Cover-Agenten vorzustellen, sollte — im Interesse der Polzeibehörden — der besagte Mafioso gerade nic ht auf die Idee kommen, daß es sic h um einen Maulwurf handelt. Umgekehrt hätte der Polizeibeamte keine lediglic h aus Sic ht des Gangster-Bosses korrekte Charakterisierung der vorgestellten Person mit einem deiktisc hen Artikel versehen können. Wenn es sic h bei dem Spitzel um einen tessinisc hen Bauernsohn handelt, wäre (37′) auf ähnlic he Weise unangemssen wie sc hon zuvor (36′): (37′) Der Pate geht davon aus, daß dieser ehemalige sizilianische Chorknabe absolut vertrauenswürdig ist. Weitere Beispiele würden den Verdac ht, daß sic h die Eigensc haft, deiktisc h zu referieren, vom Artikel auf die gesamte Nominalphrase
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überträgt, nur noch erhärten. Die dem Zeige-Aspekt inhärente Subjektivität haftet auc h demonstrativen Nominalphrasen an — allerdings in weit geringerem Maße: im Normalfall determinieren nämlic h die Zeige-Geste und die durc h das Nomen ausgedrüc kte Eigensc haft gemeinsam gerade einen Gegenstand bzw. (im Plural) eine Gruppe von Gegenständen. Aber es gibt auc h Fälle, in denen das Nomen nic ht die erwünsc hte Disambiguierung der Zeigehandlung bewirkt. Wer etwa auf die Frage des Kellners, welc hes der Getränke denn für ihn bestimmt sei, etwas vage auf das Tablett weist und dabei: (38) Dieses Bier! artikuliert, drüc kt sic h möglic herweise deshalb nic ht eindeutig aus, weil sic h auf dem Tablett drei Biergläser versc hiedenen Inhalts befinden. Die Ungenauigkeit kann versc hiedene Ursac hen haben. Zum einen kann der Gast übersehen haben, daß sic h mehrere Biere auf dem Tablett befinden; andererseits ist es aber auc h möglic h, daß ihm lediglic h die Zeigegeste mißlungen ist. Im ersten Fall referiert (38) auf nic hts. Im zweiten Fall hängt die Frage, ob (38) eine Extension besitzt von den Referenzbedingungen für Zeigehandlungen ab. Da für letztere die Absic hten des Sprec hers eine wic htige Rolle spielen, überträgt sic h die Intentionsabhängigkeit der Zeigehandlung auf die Extensionsbestimmung von (38). Das ist das subjektive Element in der Deutung demonstrativer Nominalphrasen. Man beac hte, daß es sic h dabei um einen subjektiven Aspekt in der Bestimmung der Extension c na h allgemeinverbindli c hen sprac hlic hen Regeln handelt und nic ht etwa um die Absic ht des Sprec hers, sic h auf ein bestimmtes Ding zu beziehen. Es ist nützlic h, diesen Untersc hied terminologisc h festzuhalten. Den vom Sprec her angenommenen Bezug eines Ausdruc ks auf einen Gegenstand werden wir als subjektive Referenz bezeichnen. Der den Sprac hregeln gemäße tatsäc hlic he Bezug heißt objektive Referenz. Letztere ist gemeint, wenn von der Extension und ihren subjektiven Aspekten die Rede ist. Fassen wir nun unsere Betrac htungen zur Extensionsbestimmung demonstrativer Nominalphrasen im Singular in Form einer Regel zusammen: (R Es sei β ein Nomen, s0 eine Äußerungs) situation und s eine Auswertungssituation. Dann ist χdieses β(s0)(s) dasjenige Ding x, für das gilt:
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x wird in s0 (durch den Sprecher in s0) gezeigt, und x ist in χβ(s0)(s0). Mit der für den definiten Artikel in der Logik üblic hen Notation ι läßt sic h (RΔ) auc h so paraphrasieren: (R') Es sei β ein Nomen. Dann läßt sich dieses β auch so paraphrasieren: dthat(ιx (x wird gezeigt & x ist ein β)). Gibt es neben den traditionell als demonstrativ bezeic hneten Artikeln und Pronomina (dieses und jenes) noc h weitere sprac hlic he Ausdrüc ke, die sic h auf den kontextuellen Zeigeparameter beziehen? Prinzipiell kann natürlic h jede sprac hlic he Äußerung von einer Zeigegeste begleitet werden. Doc h das mac ht den betreffenden Ausdruc k deshalb noc h nic ht zum Demonstrativum. Wenn Rumpelstilzchen auf sich selbst zeigt und dabei (39) Ich bin der Schönste im ganzen Land! ruft, spric ht er nic ht deshalb von der eigenen Person, weil er auf sic h zeigt, sondern weil er das Personalpronomen der ersten Person Singular verwendet; würde er stattdesssen auf der Königin Kind zeigen, könnte er dadurc h allenfalls Verwirrung stiften, keineswegs aber die (objektive) Referenz des Subjekts von (39) versc hieben. Wenn sic h jemand auf die Stirn tippt und dabei sein Gegenüber mit den Worten Du hast sie wohl nicht alle! beleidigt, so mag der Fingerzeig vielleic ht zur Verdeutlic hung der Mitteilung beitragen, doc h hängt weder die Extension der Gesamtäußerung (0 oder 1) noc h die einer ihrer Teile vom Ziel der Zeigegeste (Stirn? Hirn? Vogel?) ab. Andererseits kann eine die zweite Person begleitende Zeigegeste durc haus zur Klärung der Referenz beitragen, wie wir in Absc hnitt 2.4 (im Zusammenhang mit der Tokenanalyse) gesehen haben. Das legt den Verdac ht nahe, daß der für die zweite Person einsc hlägige Aspekt des Angesproc henen unter Berüc ksic htigung eventueller, die jeweilige Äußerung (das Token) begleitender Zeigegesten bestimmt werden muß. Noc h stärker sc heint hier vom Zeige-Parameter abzuhängen: solange auf nic hts gezeigt wird, verweist hier offensic htlic h immer auf den Ort der Äußerung — also auf irgendeine, von diversen Situationsfaktoren abhängige Umgebung des Sprec hers. Tritt eine Zeigegeste hinzu, fungiert aber der Ort des Ziels derselben als Referent von hier. Ein besonders beac htenswerter Fall liegt vor, wenn diese Zeigegeste auf einen Stellvertreter des gemeinten Gegenstands (ein Symbol im weitestmöglic hen Sinne) geric htet ist — wie etwa der berühmte
IV. Kontexttheorie
Finger auf der Landkarte, der bewirkt, daß mit einer Äußerung von (40) nic ht unbedingt etwas Wahres gesagt wird: (40) Wir sind jetzt hier. Dieses, in der Literatur gelegentlich als Deixis am Phantasma bezeic hnete Phänomen kann mitunter Verwirrung stiften. Denn zum einen kann es passieren, daß in einer konkreten Situation einmal tatsäc hlic h unklar ist, ob auf das Symbol oder auf das symbolisierte Objekt verwiesen wird; und zum anderen kann, durc h diese Art von Mißverständnis angeregt, der Theoretiker auf die abwegige Idee kommen, es handele sic h hier um eine sprac hlic he Ambiguität — wo doc h die Unbestimmtheit im Akt des Zeigens liegt. Die zuletzt diskutierten Beispiele sollten verdeutlic hen, daß begleitende Zeigegesten bei der Extensionsbestimmung für sprac hlic he Äußerungen oft eine wic htige Rolle spielen, die Ausübung dieser Rolle aber ganz offensic htlic h durc h semantisc he Faktoren beschränkt und kontrolliert wird. 3.3 Einschlägiges Ein Großteil der soeben im Zusammenhang mit demonstrativen Nominalphrasen beobac hteten Phänomene läßt sic h ebensogut anhand (singularisc her) Kennzeichnungen, also definiter Nominalphrasen des Typs der/die/ das + Nomen, illustrieren. Auc h diese können bekanntlic h mit Zeigehandlungen verknüpft werden, und sie weisen dann — wie man leicht durc h Variation der obigen Beispiele sieht — dieselben referentiellen Eigensc haften wie demonstrative Nominalphrasen auf. Man kann also von einem demonstrativen Gebrauch der betreffenden Kennzeic hnungen sprec hen. Demonstrativ gebrauc hte Kennzeic hnungen sind insbesondere immer deiktisc h. Eine naheliegende Frage ist nun, ob man mit einer Kennzeic hnung auc h dann deiktisc h referieren kann, wenn man nic ht gleic hzeitig auf irgendetwas zeigt. Man kann. Um das zu sehen, brauc ht man lediglic h eines der obigen Beispiele etwas abzuwandeln: (37″) Der Pate geht davon aus, daß der von uns eingeschleuste Mann absolut vertrauenswürdig ist. Der Kriminalinspektor kann (37″) seinem Vorgesetzten gegenüber äußern, ohne daß der besagte Agent anwesend ist; er brauc ht also nic ht auf ihn zu zeigen. Doc h wie sc hon bei einer Äußerung von (37) sind für die Kenn-
9. Kontextabhängigkeit
zeic hnung der von uns eingeschleuste Mann nic ht die Auswertungssituationen des Nebensatzes einsc hlägig, sondern die Äußerungssituation selbst. Die Kennzeic hnung wird also deiktisch gebraucht. Gegen diesen etwas flotten Nac hweis des deiktisc hen Gebrauc hs von Kennzeic hnungen läßt sic h einwenden, daß (37″) möglic herweise bloß ein Beispiel für flexibles Skopusverhalten (und nic ht deiktisc hen Gebrauc h) ist und daß obendrein diese Art Rüc kbezug auf die Äußerungssituation (in der einen oder anderen Form) bei jeder Nominalphrase beobac htet werden kann. Wir werden darauf in Absc hnitt 4.3 zurückkommen. Wenn nun der Referent einer wie in (37″) gebrauc hten Kennzeic hnung nic ht das Ziel einer Zeigehandlung ist, woher bekommt dann die Nominalphrase ihre Extension? Oder anders ausgedrüc kt: wie sieht der für die deiktisc h, aber ohne Zeigehandlungen benutzten Kennzeic hnungen zuständige kontextuelle Parameter aus? Eine Antwort besteht darin, solc he Kennzeic hnungen auf die Form dthat(α) zu bringen (siehe Absc hnitt 1.3) und dann jeweils die deskriptiven Gehalte a miteinander zu vergleic hen: was ihnen gemeinsam ist, besc hreibt den gesuc hten Parameter. Bei der von uns betrac hteten Äußerung von (37″) ist a sc hnell gefunden: der Inspektor bezieht sic h auf diejenige Person x, für die in der Äußerungssituation gilt: x wurde von der Polizei in die Organisation eingesc hleust. α ist somit die Kennzeic hnung der von uns eingeschleuste Mann selbst. Genauer gesagt: der Charakter der in (37″) deiktisc h gebrauc hten Kennzeic hnung läßt sic h mit der Intension derselben bei normalem, nic ht-deiktisc hem Gebrauc h umsc hreiben. Der Inspektor verwendet (37″) also so, als wäre die besagte Kennzeic hnung in ein unsic htbares dthat eingebettet. Ist (37″) in dieser Hinsic ht ein Einzelfall? Oder können deiktisc he Verwendungen von Kennzeic hnungen a stets mit dthat(α) paraphrasiert werden? Diese einfac he Analyse kann zumindest dann nic ht zutreffen, wenn die Kennzeic hnung von einer Zeigehandlung begleitet wird; in diesem Falle muß nämlic h der Zeige-Aspekt bei der Extensionsbestimmung hinzugezogen werden. Nimmt man etwa für α die Kennzeic hnung der Wassertropfen, so ergibt die Übertragung von (R’Δ) als Paraphrase statt dthat(α) das kompliziertere dthat(ιx (x wird gezeigt & x ist ein Wassertropfen)).
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Auc h wenn keine Zeigehandlung vorliegt, muß die deiktisc he Verwendung einer Kennzeic hnung a nic ht unbedingt auf dthat(α) hinauslaufen. Bemühen wir noc h einmal das Beispiel (37″)! Selbstverständlic h kann bei Äußerung dieses Satzes zu den genannten Umständen noc h die Voraussetzung treten, daß die Polizeibehörden dem organisierten Verbrec hen mit einer ganzen Riege von Spitzeln beizukommen versuc hen. Nur einer von ihnen — so wollen wir außerdem annehmen — ist aber ganz neu, und über ihn erstattet jetzt der Inspektor Beric ht. Es ist klar, daß sic h die Kennzeic hnung der von uns eingeschleuste Mann auf den besagten Agenten bezieht, daß dieser aber kaum als dasjenige Individuum bezeic hnet werden kann, dem in der Äußerungssituation die Eigensc haft, Agent zu sein, zukommt; eher läßt sic h die Person, von der die Rede ist, als einziger Agent, der in der betreffenden Situation zur Debatte steht, c harakterisieren, also als dasjenige einschlägige Individuum, das die durc h durc h das Nomen ausgedrüc kte Eigensc haft besitzt. Als Faustregel für die Deutung deiktisc h gebrauc hter Kennzeichnungen ergibt sich somit:: (R Es sei a eine deiktisch gebrauchte Kenn) zeichnung der Gestalt δβ, wobei δ ein definiter singularischer Artikel und β die kongruente Form eines Nomens ist. Dann läßt sich α folgendermaßen paraphrasieren: dthat (ιx (x ist einschlägig & x ist ein β)). Statt x ist einschlägig hätte die Bedingung ebensogut x ist relevant, x steht zur Debatte oder ähnlic h lauten können. Auf die genaue Wortwahl kommt es uns hier nic ht an. Der Inhalt der Bedingung ist allerdings wic htig; um ihn geht es im folgenden. Eine Sc hwac hstelle der Regel (Rδ) ist der Begriff der Einsc hlägigkeit, den wir hier als kontextuellen Aspekt auffassen wollen. Da es sic h dabei um einen ausgesproc hen vagen, aber — wie wir gleic h noc h sehen werden — vielseitig einsetzbaren Begriff handelt, sollte sic h eine Theorie der Kontextabhängigkeit um Klärung oder Präzisierung bemühen. Was also mac ht in einer Äußerungssituation den einen oder anderen Gegenstand einsc hlägig und hebt ihn gegebenenfalls aus dem Meer der anderen seiner Art hervor? In dem zuvor diskutierten Beispiel war es der Umstand, daß von der betreffenden Person bereits seit längerem die Rede war. Doc h kann es auc h ganz andere Ursac hen geben. Wenn z. B. ein Babysitter mit seiner Freundin telefoniert und
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dabei (41) äußert, so kann er sic h mit dem Subjekt des Nebensatzes auf die ihm anvertrauten Kinder beziehen, ohne daß von denen vorher die Rede war: (41) Brunners denken natürlich, daß die Gören schon längst schlafen. Was die betreffenden Kinder hier besonders einsc hlägig mac ht, könnte z. B. der Lärm sein, den sie verursac hen — oder ganz einfac h die den beiden Gespräc hspartnern wohlvertraute und für sie wic htige Tatsac he, daß der Sprec her sie hütet. Etwaige andere, den beiden bekannte Kinder können dagegen vernac hlässigt werden: Brunners Kinder liegen den Kommunikationsteilnehmern in der gesc hilderten Situation am nächsten. Einsc hlägig kann also alles sein, was auffällig ist oder sonstwie besonders naheliegt. Dazu genügt es dann im allgemeinen nic ht, daß der betreffende Gegenstand (bzw. die betreffende Person) jedem einzelnen Gespräc hsteilnehmer naheliegt. Wenn sic h nämlic h der besagte Babysitter — etwa zu Anfang des Telefonats — unsic her ist, ob seine Freundin überhaupt weiß, was er gerade treibt, dann wird er so etwas wie (41) gar nic ht äußern — selbst wenn die Freundin sehr wohl über die von ihm ausgeübte Tätigkeit unterric htet ist. Er wird sic h nur dann der Kennzeic hnung die Gören bedienen, wenn er weiß, daß auc h die Freundin weiß, von wem die Rede ist. Einsc hlägigkeit basiert demnac h auf einem Fundus den Kommunikationspartnern gemeinsamer oder gemeinsam zugänglicher Informationen. Einsc hlägigkeit ist kein absoluter Begriff — und das im dreifac hen Sinne. Neben (i) seiner Relativität zu einer betrac hteten Situation hängt sein Umfang in der Regel auc h von (ii) einer Bezugs-Eigensc haft ab: in der eben betrac hteten Situation bildet vielleic ht der Brunner-Na c hwu c hs eine eins c hlägige Gruppe G von Kindern — doc h ist G damit nic ht in jedem Sinne einsc hlägig: wenn etwa unmittelbar vor dem Telefongespräc h — aber ohne Wissen des Babysitters oder seiner Freundin — das Ehepaar Brunner an den Folgen eines Unfalls gestorben ist, so würde sic h die Kennzeic hnung die Erben jedenfalls nic ht auf G beziehen. Sc hließlic h ist Einsc hlägigkeit auc h in dem Sinne relativ, als es sic h um eine (iii) graduelle Eigensc haft handelt: vielleic ht sind auc h die Gesc hwister der Freundin des Babysitters irgendwie einsc hlägig, aber eben nic ht so einsc hlägig wie der Nac hwuc hs der Familie Brunner. Der Relativität (i) wird in (Rδ) Rec hnung getragen, als
IV. Kontexttheorie
das Adjektiv einschlägig dort im Skopus eines dthat ersc heint, wodurc h seine Extension relativ zur Äußerungssituation ermittelt wird. (ii) und (iii) sind in (Rδ) nic ht berüc ksic htigt. Eine entsprec hende Änderung der Regel wäre zwar prinzipiell möglic h, würde aber in viele tec hnisc he Details führen, die mit dem Stoff dieses Kapitels nic ht viel zu tun haben. Wir belassen es also bei der obigen Formulierung und behalten notfalls immer im Auge, daß sie noc h einiger Korrekturen bedarf. Der Rest des vorliegenden Absc hnitts ist einer weiteren Vertiefung und Erklärung des Einsc hlägigkeits-Begriffs anhand einsc hlägiger Beispiele gewidmet. Besonders naheliegend und insofern einsc hlägig sind natürlic h die Dinge, auf die die Sprec herin zeigt. Damit dec kt die Regel (Rδ) prinzipiell auc h demonstrative Verwendungen singularisc her Kennzeic hnungen ab. Dennoc h kann der Einsc hlägigkeits-Aspekt den ZeigeAspekt nic ht immer ersetzen: rein demonstrative Ausdrüc ke wie das da bedürfen im Normalfall eines zeigenden Hinweises und können nic ht einfac h auf irgendwelc he naheliegenden Referenten bezogen werden. Rein demonstrative Ausdrüc ke sind deshalb auc h in der Sc hriftsprac he in der Regel nic ht zu finden; Ausnahmen von dieser Regel sind allenfalls Vorkommen in Bilderläuterungen oder in der direkten Rede. Ebenfalls besonders naheliegend ist der Ort, an dem sic h die Sprec herin befindet. Das läßt vermuten, daß der Orts-Aspekt zumindest prinzipiell durc h ein Zusammenspiel der kontextuellen Einsc hlägigkeit mit der absoluten Eigensc haft, ein Ort zu sein, simuliert werden kann. Was die Deutung des lokal deiktisc hen Wortes par exc ellenc e, nämlic h hier, betrifft, so spric ht einiges für diese Vermutung. Zunäc hst ist festzustellen, daß sic h hier demonstrativ verwenden läßt, also mit Bezug auf das Ziel einer die Äußerung begleitenden Zeigegeste. Interpretiert man hier also im Sinne von dthat(ιx x ist einschlägig & x ist ein Ort), so ergibt sic h dieser Bedeutungsaspekt ganz von selbst: solange kein anderer Ort im Mittelpunkt des Interesses steht, kann man getrost den Ort der Äußerung als den einzig einsc hlägigen ansehen; doc h wenn die Sprec herin auf einen bestimmmten Ort (oder auf ein Symbol für einen bestimmten Ort) zeigt, so verdrängt dieser den Ort der Sprec hhandlung von seiner herausragenden Position. Darüberhinaus kann — wie bei den Kennzeic hnungen — neben dem Zeigen auc h das Erwähnen einen Ort nahelegen, wodurc h
9. Kontextabhängigkeit
sic h ebenfalls die Extension von hier ändert. Sol c he Veränderungen können oft sehr sc hnell und unvermittelt gesc hehen, wie der folgende Typ von Beispiel zeigt: (42) Im Alter von sechsundsechzig Jahren reiste Karl erstmals nach Amerika: hier fand er endlich jene Freiheit, der er hier so sehr entbehrt hatte. Das erste hier in (42) bezieht sic h offensic htlic h auf Amerika, während das zweite Vorkommen desselben Wortes im selben Satz auf Europa, Deutsc hland oder jedenfalls eine Umgebung des Äußerungs-Ortes verweist. Man könnte diesen plötzlic hen Wec hsel der Extension in einer pragmatisc hen Verlegung des Ortes sehen — in Analogie zu dem in Absc hnitt 3.1 angesproc henen historisc hen Präsens. Ansonsten bleibt — wollte man unbedingt das auf den Äußerungs-Ort bezogene hier auf einen Orts-Aspekt zurüc kführen — die Annahme einer ec hten Ambiguität von hier; allerdings müßten selbst dann die übrigen Lesarten unter Rüc kgriff auf andere kontextuelle Aspekte (Gezeigtes, Vorerwähntes, ...) gedeutet werden. Die Einsc hlägigkeitsAnalyse hat gegenüber diesen Alternativen den Vorteil der Einfac hheit. Hinzu kommt, daß die Referenten deiktisc her Kennzeic hnungen unter ähnlic hen Umständen und ähnlic h sc hnell wec hseln können wie die Extension von hier. Ein wegen der ungesc hic kten (vom Sprec her aber vielleic ht beabsic htigten) Wiederholung stilistisc h etwas mißglüc ktes Beispiel ist: (43) Auf unser letzten Neuseeland-Rundreise ist uns der Rolls-Royce nach zwei Tagen verreckt, aber in Europa haben wir mit dem Rolls-Royce bisher Glück gehabt. Geht man davon aus, daß es sic h bei dem in (43) ersterwähnten Luxus-Gefährt um einen Mietwagen handelt, während der zweite zum Wagenpark des Äußerers gehört, so verändert sic h in (43) die Extension der NP der RollsRoyce etwa so sc hnell wie der in (42) thematisierte Ort. Daß so etwas wie Einsc hlägigkeit im Redekontext eine Rolle spielt, ist also kaum zu bezweifeln; und diese Einsc hlägigkeit ist es, die so rasant mit der Rede-Zeit geht. Insgesamt sprec hen diese Beobac htungen für eine Deutung des Hier als Ort der Einschlägigkeit. Wenn sc hon der sc heinbar direkte Bezug von hier durc h Einsc haltung des Einsc hlägigkeits-Aspekts zerlegt werden kann, wie steht es dann um die anderen, zunäc hst ebenso irreduzibel anmutenden Parameter? Sind z. B.
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Sprec her und Hörer die in ihren Rollen als Kommunikationspartner einsc hlägigsten Personen der Äußerungssituation? Wenn dem so wäre, müßte allerdings die Referenz von ich und du durc h ähnlic he Ablenkungsmanöver wie in (42) und (43) manipuliert werden können. Ein entsprec hendes Beispiel sc heint auc h schnell gefunden: (44) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ In der Tat verweisen die beiden Vorkommmen des Personalpronomens der ersten Person Singular bei einer Äußerung von (44) in der Regel auf versc hiedene Personen. Der dadurc h möglic herweise nahegelegte Verdac ht, daß die Erwähnung einer anderen Äußerungssituation einen no c h eins c hlägigeren Sprec her als den tatsäc hlic hen und somit einen neuen Referenten von ich sc hafft, läßt sic h jedoc h rasc h wieder zerstreuen: die Ersetzung der direkten durc h indirekte Rede ändert offenbar so gut wie nic hts an der Aussage — aber nur, wenn mit dem Modus auc h die Person gewechselt wird: (44′) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte, daß er ihm das nächste Mal vielleicht nicht mehr helfen könne. (44″) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte, daß ich ihm das nächste Mal vielleicht nicht mehr helfen könne. Anders als in (44) muß sich in (44″) das zweite ich wie das erste auf den Sprec her der Gesamt-Äußerung beziehen; und anders als (44′) ist also (44″) auc h keine ungefähre Paraphrase von (44). Aus dieser banalen Beobac htung werden wir gleic h zwei wic htige Sc hlußfolgerungen ziehen: erstens ist (44) kein Indiz für eine Einsc hlägigkeits-Analyse von ich; und zweitens ist die direkte Rede ein weites Feld. Die erste Folgerung ziehen wir indirekt: wenn die Versc hiedenheit der Extensionen der ich-Vorkommen in (44) dadurc h erklärt werden soll, daß hier durc h die Erwähnung einer anderen Äußerungssituation mit anderem Sprec her letzterer einsc hlägiger wird als der tatsäc hlic he Produzent der Äußerung, so wäre eine Übertragung der Argumentation auf (44″) kaum zu verhindern; das ist aber — wegen unserer simplen Beobac htung — unerwünsc ht. Wir werden ohne weitere Argumentation die etwas kühnere, in der Literatur aber selten ernsthaft bezweifelte Folgerung ziehen, daß sic h durc h Themenwec hsel, Ablenkung und andere für die Änderung der
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Einsc hlägigkeit einsc hlägige Methoden die Extension von ich nic ht verändern läßt; der Einsc hlägigkeits-Parameter ist also für die Deutung der ersten Person nic ht einsc hlägig. Insbesondere ist er damit auc h nic ht in dem Sinne trivial, daß sic h jede deiktisc he Referenz mit ihm erklären ließe. Und was für die erste Person ric htig ist, gilt ebenso für die zweite. Was Zeit und Welt der Äußerung angeht, so wollen wir allerdings im folgenden offenlassen, ob auc h diese Parameter durc h entsprec hende Eins c hlägigkeits-Analysen ersetzt werden können. Daß die direkte Rede ein Thema für sic h ist, sieht man gerade daran, daß sie die ansonsten unmöglic he Versc hiebung von ich zuläßt oder sogar erzwingt. Doc h ist dies keineswegs die einzige oder auc h nur die auffälligste Eigentümlic hkeit der direkten Rede. Im Gegenteil: bei genauerem Hinsehen entpuppt sic h die vermeintlic he Versc hiebung der Extension in (44) als Nebeneffekt einer allgemeinen Umdeutung aller in der direkten Rede vorkommenden (= angeführten) Ausdrüc ke. Bei geeigneter Variation des Beispiels sieht man nämlic h, daß sic h ein angeführtes ich nic ht nur auf einen anderen Sprec her, sondern auc h auf mehrere Sprec her oder auf niemanden beziehen kann: (45) Schon oft hat ein Arzt zu meinem Schwager gesagt: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ (45′) Es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn einmal ein Arzt zu meinem Schwager sagt: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ Die einfac hste Erklärung für dieses auf den ersten Blic k etwas verwirrende Verhalten des angeführten ich ist, daß es sic h bei der direkten Rede um eine metasprac hlic he Redeweise handelt, daß also die Extension des angeführten ich strenggenommen das Wort ich selbst ist, und daß der Eindruc k einer anderen, ‘sekundären’ Extension nur von der im jeweiligen Satz über dieses Wort gemac hten Aussage herrührt. Für diese Erklärung spric ht unter anderem auc h die Tatsac he, daß zumindest unter gewissen Umständen angeführte Ausdrüc ke einer anderen Sprac he entstammen können. Wir werden jedoc h diese Betrac htung hier nic ht weiter vertiefen, weil sie vom Thema abführt. Es sei nur angemerkt, daß die eigentlic h sehr naheliegende metasprac hlic he Aufassung der direkten Rede im Detail zahlrei c he, teilweise überras c hende
IV. Kontexttheorie
Probleme aufwirft. Neben den notorisc hen Sc hwierigkeiten des Verhältnisses zwisc hen Sprac he und Metasprac he im allgemeinen ist hier vor allem die in der natürlic hen Sprac he oft nur mangelhaft durc hgehaltene Trennung der beiden Ebenen zu nennen. Wenn auc h nic ht jede Kontextabhängigkeit mit Einsc hlägigkeit in Beziehung gebrac ht werden kann, so gilt dies doc h für die meisten Arten der Bezugnahme auf die Äußerungssituation. Zum Absc hluß dieses Absc hnitts soll dies anhand einer skizzierten Fallstudie, der Deutung von Genitivattributen, gezeigt werden. Grundsätzlic h kann man im Deutsc hen zwei Arten von Genitivattributen untersc heiden: solc he, die gemeinsam mit einem (möglic herweise syntaktisc h komplexen) Nomen wieder ein Nomen bilden, und solc he, die sic h syntaktisc h wie (definite) Artikel verhalten und ein Nomen zu einer Nominalphrase vervollständigen. Wegen ihrer Stellung innerhalb der NP wegen werden wir sie als rechte bzw. linke Attribute bezeic hnen. Zunäc hst zu den rechten Attributen: (46) Guinivere ist die Gemahlin Arthurs. (47) Lancelot ist ein Getreuer Arthurs. (48) Excalibur ist das Schwert Arthurs. Von Details abgesehen ist die Deutung von (46) unproblematisc h: es handelt sic h um die Behauptung der Identität zwisc hen der durc h das Subjekt bezeic hneten Guinivere und derjenigen Person, die mit dem durc h das Genitivattribut Arthurs benannten König vermählt ist. Gemahlin läßt sic h in diesem Zusammenhang als Bezeic hnung für eine Funktion auffassen, deren Argumente und Werte jeweils Mensc hen sind. Substantive wie Gemahlin bezeic hnen wir daher als funktionale Substantive. Nur die wenigsten Substantive sind funktional. Fälle wie in (47) sind weitaus häufiger: was ein ordentlic her König ist, hat eine große Sc har von Fans. Als Funktionswert brauc ht man also eine Menge, was auf eine Deutung von Getreuer als Relation zwisc hen Personen hinausläuft. Derartige Substantive heißen deshalb auc h relationale Substantive. Natürlic h läßt sic h Funktionalität als Spezialfall von Relationalität auffassen, womit (46) und (47) durc h eine einzige Regel interpretiert werden können: in beiden Fällen wird der Extension eines Substantivs a durc h ein Genitivattribut ein Argument zugeführt. Genauer: (G) Es sei α ein relationales Nomen, β ein Eigenname im Genitiv, s0 eine Äuße-
9. Kontextabhängigkeit
rungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χαβ(s0)(s) = {x xχα(s0)(s)χβ(s0)(s)} Notation und Idee dieser Regel sind anhand der Beispiele (46) und (47) leic ht erläutert: für Getreuer Arthurs liefert (GQ) als Extension die Menge der (Personen) x, für die gilt: x G a, wobei G die Extension von Getreuer ist und a der Träger des Namens Arthur; ein Getreuer Arthurs muß demnac h jemand sein, der in einem gewissen (Treue-) Verhältnis zu Arthur steht. Für die Deutung von Gemahlin Arthurs müssen wir natürlic h die Ehe als Relation auffassen, die zwisc hen x und y genau dann besteht, wenn x die Ehefrau von y ist. (GQ) liefert dann die Menge der Ehefrauen von a; Aufgabe des bestimmten Artikels muß es sein, das einzige Element dieser Menge herauszugreifen und zur Extension der gesamten Nominalphrase zu machen. Was hat das nun mit Kontextabhängigkeit im allgemeinen und Einsc hlägigkeit im besonderen zu tun? Nic ht immer werden die Argumente relationaler Substantive so explizit genannt wie in (46) und (47). Häufig findet man sie auch in Sätzen wie: (49) Arthur fühlte sich einsam: die Gemahlin war unpäßlich, und die Getreuen hatten ihn verlassen. Keines der beiden relationalen Substantive ist hier mit einer anderen Argumentangabe versehen. Das ist allerdings auc h nic ht nötig: aus der Tatsac he, daß kein Argument genannt wird, kann man in (49) sc hließen, daß es sic h bei dem Gesuc hten in beiden Fällen um Arthur handelt. Warum? Weil er gerade erwähnt wurde und insofern naheliegt. Arthur ist also einsc hlägig. Wir gelangen damit zu folgender Ellipsenregel: (G) Es sei α ein relationales Nomen, ∅ eine leere genitivische Nominalphrase, s0 eine Äußerungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χα∅(s0)(s) = {x x χα(s0)(s)y}, wobei y (in seiner Eigenschaft als Argument von α) einschlägig in s0 ist. (G∅) setzt eine syntaktisc he Analyse voraus, nac h der relationale Nomina eines GenitivAttributs bedürfen, dessen Fehlen irgendwie strukturell (hier durc h eine leere NP) markiert wird. Offen bleibt, ob jede Weglassung eines Genitiv-Attributs bei einem relationalen Nomen im Sinne von (G∅), also definit, gedeutet werden muß. Immerhin ist — wie sc hon in Absc hnitt 1.3 erwähnt — eine weitere indefi-
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nite Regel denkbar, die die entsprec hende Argumentstelle existentiell abbindet. Wir wenden uns nun der vermutlic h häufigsten Art von rec hten Attributen zu, die in (48) exemplifiziert wird. S chwert hat so gar nic hts Relationales: offenbar drüc kt dieses Substantiv einfac h nur eine Eigensc haft aus. Es gehört somit zur großen Gruppe der gesättigten Nomina, die ebenso wie relationale Substantive mit rec hten Attributen versehen werden können. Sehr viele dieser Beispiele legen ein Besitzverhältnis nahe. S chwert Arthurs kann sic h aber auc h auf Sc hwerter beziehen, die Arthur leihweise benutzt, oder solc he, die er im Auftrag des Britisc hen Museums präpariert. Die Relation, die zwisc hen den Trägern der durc h das gesättigte Substantiv ausgedrüc kten Eigensc haft und die Extension der Nominalphrase hergestellt wird, muß also nic ht unbedingt ein Besitzverhältnis sein. Im Interesse des Sprec hers sollte jedoc h stets klar sein, welc he Relation R gemeint ist. R muß also einsc hlägig sein. Hier ist eine entsprechende Deutung: (G) Es sei α ein gesättigtes Nomen, β ein Eigenname im Genitiv, s0 eine Äußerungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χαβ(s0)(s) = {x x ∈ χα(s0)(s) & x R (s) χβ(s0)(s)}, wobei R (in ihrer Eigenschaft als Relation zwischen Elementen der Extension von α und der Extension von β) einschlägig in s0 ist. Unter der Annahme, daß Besitz solange einsc hlägig ist, bis etwas dagegen spric ht, dec kt (GR) auc h die vielen Fälle ab, bei denen der Genitiv eine im engeren Sinne possessive Funktion ausübt. Besitz ist dann der DefaultWert für Einschlägigkeit von Relationen. Nac h (GR) hängt das Bestehen der von der Äußerungssituation beigesteuerten Relation R von der Auswertungssituation ab. Warum ist das so? Die Rec htfertigung ergibt sic h wieder durc h Einbettung in intensionale Umgebungen: (50) Lancelot glaubt, daß der Becher Arthurs Gift enthält. Nac h einer naheliegenden Interpretation besagt (50), daß zu den mit Lanc elots Glauben vereinbaren Situationen nur solc he s gehören, für die gilt: der Bec her, aus dem Arthur in s trinkt, enthält in s Gift. Besitz ist für diese Deutung offenbar nic ht einsc hlägig, vielmehr muß das gesuc hte R die Relation zwisc hen Zec her und Bec her sein. Diese Relation ist
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aber nur insofern einsc hlägig, als sie in den Glaubens-Welten von Lanc elot besteht. Daher die in (GR) postulierte Abhängigkeit von R von der Auswertungssituation. Der Effekt von (GR) läßt sic h auc h als eine situationsabhängige Umdeutung des betreffenden Substantivs auffassen: das normalerweise gesättigte Becher wird in den einsc hlägigen Äußerungssituationen im Sinne eines relationalen BecherRgedeutet. Man könnte deshalb daran denken, die auf den Einsc hlägigkeits-Parameter zurü c kgreifende Regel (GR) durc h eine Mehrdeutigkeits-Analyse des betreffenden Nomens zu ersetzen, wobei dann die häufigste Lesart von der Besitz-Interpretation geliefert wird. Gegen eine solc he lexikalisc he Ambiguität spric ht die Tatsac he, daß die Zahl der potentiellen Lesarten im Prinzip unbesc hränkt ist. Es handelt sic h hier um eine Art Polysemie, eine systematisc he Ambiguität im Lexikon, und (GR) dient zur Besc hreibung dieser Polysemie. Wir kommen hierauf in Abschnitt 4.4 zurück. Auc h die Strategie einer ersatzlosen Streic hung von (GQ) zugunsten einer Verallgemeinerung von (GR) auf beliebige Substantive ist denkbar: der problematis c hen Unters c heidung zwisc hen relationalen und nic ht-relationalen Nomina könnte man aus dem Weg gehen, indem man Wörter wie Gemahlin im Sinne des gesättigten Gemahlin von jemanden deutet und dem Einsc hlägigkeitsparameter die Arbeit überläßt, die ric htige Relation (Ehe) zu liefern. Dieses Vorgehen würde auc h erklären, warum selbst in Verwendungen typisc her relationaler Substantive gelegentlic h andere, vom Kontext offenbar stärker forc ierte Relationen ins Spiel kommen: in einem Gespräc h unter Psyc hotherapeuten kann sic h der Äußerer von (51) beispielsweise auf einen Teil der weiblic hen Patientensc haft seines geschätzten Kollegen beziehen: (51) Die Ehefrauen des Dr. Leid sind allesamt hysterisch. Doc h die inhärente Relationalität einiger Substantive läßt sic h nic ht so leic ht wegerklären. Die angedeutete Strategie könnte etwa den einfac hen und offenkundigen Bedeutungsunters c hied zwis c hen Vorabend und Abend gar nic ht oder nur auf sehr gezwungene Weise erklären: der Vorabend eines Tages ist zugleic h auc h der Abend eines (freilic h anderen) Tages. Die ‘Sättigung’ der beiden Wörter führt also jeweils zum gleic hen Resultat. Warum sollte dann für dieses Resultat einmal
IV. Kontexttheorie
die eine, einmal die andere Relation einsc hlägig sein? Beispiele wie (51) sind durc haus im Geiste der oben diskutierten Regeln erklärbar. Zunäc hst kann man das relationale Substantiv Ehefrauen mit Hilfe der Regel (GQ) kontextuell sättigen; dafür benötigt man allerdings eine pluralisc he Version von (GQ), die dann eine Gruppe einsc hlägiger Ehemänner an die Argumentstelle setzt. Bei akutem Mangel an solc hen Männern müßte man auf die oben nur angedeutete indefinite Sättigungsregel zurüc kgreifen. Das Resultat dieser Umkategorisierung ist ein gesättigtes Nomen, womit (GR) anwendbar wird und die einsc hlägige Therapeut-Patient-Beziehung ins Spiel bringt. Kommen wir nun noc h kurz auf die linken Genitivattribute zu sprec hen. Zunäc hst wieder ein paar Beispiele: (46′) Queenie Vera ist Atzes Braut. (47′) Latzehos ist Atzes Kumpel. (48′) Exknallibus ist Atzes Knarre. Offensic htlic h führt das linke Attribut stets ein definites Element in die Nominalphrase ein: Atzes Braut heißt soviel wie die Braut Atzes, Atzes Kumpel bedeutet der Kumpel Atzes etc . Im wesentlic hen läßt sic h also das linke Attribut als eine Kombination zwisc hen rec htem Attribut und definiten Artikel auffassen. Die Rolle des Einsc hlägigkeitsparameters ist damit — von etwaigen Eingriffen in die Deutung des Artikels abgesehen — dieselbe wie in den oben diskutierten Fällen. Erwähnenswert ist die Konstruktion, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang zu der in Absc hnitt 1.3 genannten Deutung der Possessivpronomina steht. Der Zusammenhang ist folgender: die Position, die das linke GenitivAttribut innerhalb der NP einnimmt, ist die des Artikels. Man könnte diese Konstruktion also als eine Umkategorisierung der GenitivNP zum (genus- und kasusneutralen) Artikel ansehen. Wir bezeic hnen diese Umkategorisierung hier einmal als Possessivierung. Es fällt dann auf, daß dieselbe Konstruktion für Personalpronomina tabu ist: *seiner Getreuer. An die Stelle der zu erwartenden GenitivForm des Personalpronomens tritt hier das Possessivpronomen. Damit ergibt sic h das Possessivpronomen als Resultat der Possessivierungs-Regel (linkes Attribut) in Anwendung auf das Personalpronomen; es liegt somit nic ht im Einflußbereic h der Hypothese (L). Wie sie beim Genitiv-Attribut fehlende Argumente und Relationen einführt, so kommt
9. Kontextabhängigkeit
die Einsc hlägigkeit oft dann zu Hilfe, wenn es in der logisc hen Form irgendwelc he Löc her zu stopfen gilt. Damit läßt sic h vor allem die Anzahl der nötigen kontextuellen Aspekte radikal reduzieren. Insbesondere lassen sic h auf diese Weise allerlei abstruse vorgeblic he Kontextparameter ausmerzen wie beispielsweise die in der Literatur gelegentlic h erwähnte Previous Drink Coordinate (PDC), die dafür sorgen soll, daß die an den Ober geric htete Aufforderung Noch so eins! nic ht nur von diesem, sondern auc h von der Theorie korrekt interpretiert wird. Grob gesproc hen benötigt man anstelle der an den Haaren herbeigezogenen PDC lediglic h eine ähnlic he Strategie der Ellipsendeutung wie im Falle des Genitivattributs sowie eine vom Einsc hlägigkeitsaspekt abhängige Deutung des Wortes so: erstere führt die kontextuell einsc hlägige Eigensc haft, vom Gast gewünsc ht zu werden, ein, während so auf die für diese Eigensc haft einsc hlägige Getränkesorte verweist. Natürlic h stec kt auc h hier wieder der Teufel im Detail, doc h ist diese Art der Ausnutzung von Einsc hlägigkeiten intuitiv und theoretisc h befriedigender als eine Kollektion von ‘Ad-Hoc ereien’ wie der PDC. Selbst bei optimaler Ausnutzung des Becs hreibungs-Potentials des Eins c hlägigkeitsParameters bleiben noc h einige zusätzlic he, irreduzible Aspekte übrig: zumindest der Sprec her-Parameter sc heint sic h einer Zurüc kführung auf Einsc hlägiges zu widersetzen. Ein weiterer, bisher nic ht erwähnter Aspekt des Kontexts, der in diesem Sinne ebenso irreduzibel ist, ist der Präzisionsgrad der Aussage. Dabei handelt es sic h um denjenigen Parameter, der für eine großzügige Deutung solc her Angaben wie zwei Millionen Einwohner verantwortlic h ist und der durc h gewisse Gradadverbien wie ungefähr oder haargenau versc hoben werden kann (und sic h damit als indexikalisc h erweist). Die Nic htReduzierbarkeit des Präzisionsgrads auf in der Äußerungssituation Einsc hlägiges mac ht man sic h analog zu den oben im Zusammenhang mit (44) angestellten Überlegungen zur Irreduzibilität des Sprechers klar. Wir wollen das Thema ‘Einsc hlägigkeit’ nic ht verlassen, ohne auf eine der Sc hattenseiten dieses sehr nützlic hen Parameters aufmerksam zu mac hen. Aus der Vielfalt der in diesem Absc hnitt diskutierten Beispiele sollte bereits hervorgegangen sein, daß sic h eine Präzisierung des Begriffs der Einsc hlägigkeit extrem sc hwierig gestalten dürfte. Vor allem aber gilt dies dann, wenn man um eine zirkelfreie Erklärung bemüht ist, wenn also die
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in einer Situation (hinsic htlic h beliebiger Eigensc haften) einsc hlägigen Gegenstände, Relationen usw. ohne Bezugnahme auf die — aufgrund dieser ja erst zu ermittelnden — Extensionen der in ihr gemac hten Äußerung bestimmt werden sollen. Daß dies vielleic ht nic ht einmal immer möglic h ist, belegt das folgende Beispiel: (52) Beim Überschreiten des Innenhofes hat sich Martin das Bein gebrochen. Selbst wenn man annimmt, daß Martin die für die Relation des Bein-Besitzes beim Äußern von (52) einsc hlägigste Person ist, bleibt die Tatsac he, daß er ein ungefiederter Zweibeiner ist. Was aber das Interesse auf eine der beiden Extremitäten lenkt, sc heint nun gerade die in (52) selbst zur Sprac he gebrac hte Fraktur zu sein. Einsc hlägig — so sc heint es jedenfalls — wird das gebroc hene Bein dadurch, daß von ihm geredet wird.
4.
Probleme
Dieser Teil dient dazu, ein wenig an den Wurzeln der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten zu nagen. Die Probleme, um die es in den folgenden vier Absc hnitten geht, sind rec ht untersc hiedlic her Natur. Gemeinsam ist ihnen, daß sie dazu beitragen, das in den ersten drei Teilen dieses Kapitels vermittelte heile Weltbild etwas ins Sc hwanken zu bringen. Nebenbei werden wir auc h einige weitere Anwendungen der klassisc hen Theorien kennenlernen. 4.1 Bindung Wir beginnen mit der Frage, ob die Personalpronomina der dritten Person Singular der Hypothese (L) aus Absc hnitt 1.3 genügen. Hier ist ein harmloses Beispiel: (53) Er ist ein Genie. Wir nehmen einmal an, (53) werde auf einem Filmkritikertreffen in einer Diskussion über Wim Wenders geäußert. In diesem Zusammenhang ist klar, daß sic h das Pronomen er auf den Regisseur von Paris-Texas bezieht: Wim Wenders ist das in dieser Diskussion (hinsic htlic h Genialität) einsc hlägigste Individuum. Das legt die folgende einfac he Interpretationsregel für er nahe: (R) Es sei s0 eine Äußerungssituation und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χer (s0)(s) ist das in s0 einschlägigste Individuum.
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(Rer) ist alles andere als perfekt. Sc hon für die Analyse von (53) reic ht die Regel nic ht ganz aus, weil sie die Relativierung auf die Genialität vernac hlässigt. Wenn nämlic h gerade vom jüngsten Opus des Meisters die Rede ist, so ist dieser Film ebenso einsc hlägig wie sein Regisseur. Aber als Eigensc haft eines Film ist Geniehaftigkeit gänzlic h unpassend; sie ist das Attribut des Künstlers. Deshalb ist Wim Wenders in der genannten Situation hinsic htlic h der über den Subjekts-Referenten in (53) gemac hten Aussage einsc hlägiger als sein Werk. Um diese Überlegungen in eine Reformulierung von (Rer) einzubeziehen, bedarf es offenkundig einer sorgfältigen Tokenanalyse. Eine ähnlic he, aber leic hter zu behebende Unzulänglic hkeit betrifft das Genus des Pronomens. Es ist denkbar, daß Wim Wenders nic ht die einzige zur Debatte stehende sc höpferisc h tätige Person ist. Vielleic ht war ebensosehr von Doris Dörrie die Rede. Dennoc h ist klar, daß man sic h mit er in (53) oder sonstwo kaum auf diese Regisseurin beziehen kann — und sei sie als Gespräc hsthema und Genie-Kandidatin noc h so einsc hlägig: ihr natürlic hes Gesc hlec ht gebietet es, möglic hst mit Pronomina femininen Generis auf sie zu verweisen. Zur thematisc hen Einsc hlägigkeit in der Situation tritt also beim deutsc hen Personalpronomen in der dritten Person Singular noc h eine sprac hlic he Nebenbedingung: das Genus des Pronomens muß zum Referenten passen. Im Falle von Personen heißt dies in der Regel, daß männlic hes Gesc hlec ht mit Maskulinum, weiblic hes aber mit Femininum korreliert. Doc h das ist nur die halbe Wahrheit. Denn erstens kann man bekanntlic h auf eine zuvor mit dem Attribut Mädchen oder Fräulein versehene Person unter Umständen mit neutralem es referieren; und auc h der Fall, daß eine Person männlic hen Gesc hlec hts ist und ein feminines Pronomen auf sie verweist, ist gar nic ht so selten. Zweitens gibt es viele Lebewesen und Gegenstände, die gar kein natürlic hes Gesc hlec ht besitzen oder deren natürlic hes Gesc hlec ht für die Auswahl des Pronomens oft unerheblic h ist. Dies gilt z. B. für Kater, auf die man sic h mit dem femininen Substantiv Katze und in der Folge mit femininen Pronomina beziehen kann, oder auc h für als Tasse bezeic hnete Trinkgefäße. Insgesamt spielen damit für die Entsc heidung des Genus natürlic he Eigensc haften der Referentin ebenso eine Rolle wie die üblic herweise oder unmittelbar vorher in der Äußerungssituation bereits auf sie bezogene Bezeic hnungen. Ohne alle Details zu rec htfertigen oder
IV. Kontexttheorie
zu kommentieren, geben wir hier eine hinsic htlic h der beiden eben genannten Unzulänglichkeiten verbesserte Version von (Rer): (R) Es sei x ein Vorkommen des Personalpronomens er in dem in der Situation s0 geäußerten Satz α und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χer(s0)(s) ist das in s0 bezüglich [λxα] einschlägigste Individuum, auf das entweder (a) in s0 kurz vor der Äußerung von x mit einer maskulinen Nominalphrase referiert wurde oder das (b) (für alle an der Kommunikation in s0 Beteiligten offensichtlich) in der Extension eines gängigen maskulinen Nomens liegt. Dabei ist [λxα] diejenige Eigenschaft, die ein Individuum y in einer Situation s’ besitzt, falls die Ersetzung von x durch einen Standardnamen von y zu einem am Referenzpunkt 〈s0,s’〉 wahren Satz führt. Die Rolle der Eigenschaft [λxα] in (R2) besteht darin, potentielle Referenten von er hinsichtlic h der durc h a ausgedrüc kten Eigensc haft miteinander zu vergleic hen. Wie die Notation andeuten soll, entspric ht dieser Bestimmung einer Eigensc haft durc h hypothetisc he Substitution potentieller Alternativen zum Vorkommen eines Pronomens gerade die Abstraktion vom konkreten Wert einer Variablen. Bei der Definition von [λxα] wird — wie in der sog. substitutionellen Deutung der Variablenbindung üblic h — vorausgesetzt, daß jedes überhaupt infrage kommende y einen (Standard-) Namen besitzt; diese Voraussetzung ließe sic h auf versc hiedene Weisen umgehen, würde aber die Regel (R2) nur noc h umständlic her mac hen, als sie ohnehin sc hon ist. Auf die Rolle der Bindung von x in (R2) kommen wir gleic h wieder zurüc k. Zuvor überzeugen wir uns aber noc h davon, daß diese Bedeutungsregel tatsäc hlic h der Beschränkung (L) genügt. Natürlic h bestätigt (R2) die Hypothese (L). Da nämlic h im Definiens der Extension von er die (metasprac hlic he) Variable s gar nic ht ersc heint, führt die Anwendung von χer(s0) auf vers c hiedene Auswertungssituationen stets zum selben Ergebnis. er ist demnac h direkt referentiell. Da sic h weiterhin Äußerungssituationen hinsic htlic h der Einsc hlägigkeit einzelner Individuen stark untersc heiden können, ist die Gleic hung χer(s0) = χer(s1) nic ht allgemeingültig. er ist nac h (R2) also deiktisch und erfüllt damit insbesondere (L).
9. Kontextabhängigkeit
Wenn nun er deiktisc h ist, dann läuft die für die Bestimmung der Eigensc haft [χxα] vorgenommene Bindung auf eine Abstraktion von der Äußerungssituation hinaus. Unterläuft damit (R2) das Monsterverbot (M)? Nein. Denn (R2) ist ja nic ht für die Bestimmung der Extension des metasprac hlic hen Ausdruc ks [λxα] zuständig. Diese wird zwar am Rande auc h definiert, was aber nur eine Erläuterung der Notation ist. Die Abstraktion von der Äußerungssituation findet also bei [λxα] in der Metasprac he statt; und daß sie dort zulässig — ja sogar unumgänglic h — ist, steht außer Zweifel: jede in diesem Kapitel diskutierte Bedeutungsregel nimmt auf Äußerungssituationen im allgemeinen Bezug und abstrahiert somit von ihnen. Sic herlic h könnte man (R2) noc h in versc hiedener Hinsic ht verfeinern. Wie auc h immer die Details dazu aussehen mögen: an der Bestätigung von (L) aufgrund der direkten Referentialität der Personalpronomina wird sic h wohl nic hts ändern. Damit steht die Szenerie für das hier zu diskutierende Problem. Nun heißt es: Vorhang auf! Eintritt: (54) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß er ein Genie ist. Zunäc hst ist festzustellen, daß (54) die eingebettete Nebensatz-Variante von (53) als Teil enthält. Was zu (53) gesagt wurde, sollte auc h für (54) gelten. In einer Situation, in der von Wim Wenders die Rede ist, wäre (54) folgendermaßen zu paraphrasieren: (55) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß Wim Wenders ein Genie ist. Natürlic h ist diese Deutung möglic h. Doc h besitzt (54) noc h eine andere Lesart, nac h der sic h das Pronomen er auf das Subjekt des Gesamt-Satzes zurüc kbezieht. Dieser Rückbezug ist nic ht so zu verstehen, daß das Pronomen als Abkürzung für das Subjekt steht; denn (55″) untersc heidet sic h deutlic h von dieser (und überhaupt jeder) Lesart von (54): (55′) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß jeder Kritiker ein Genie ist. (54) ist in der rückbeziehenden, anaphorischen Lesart möglic herweise wahr, (55′) mit Sic herheit falsc h. Damit kommt eine auf quantifizierende Nominalphrasen erweiterte Einsc hlägigkeits-Analyse nac h dem Vorbild von (R2) für diese Lesart nic ht infrage. Was man brauc ht, ist eher eine Tec hnik der Variablenbindung, wie man sie aus der Logik kennt. Üblic herweise werden anaphorisc he Bezüge
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durc h Bindung unsic htbarer Variablen in einer zugrundeliegenden Struktur dargestellt. Für die einsc hlägige Lesart von (54) müßte man den Satz in sein Subjekt jeder Kritiker und eine sog. Matrix oder offene Formel der Gestalt x läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist zerlegen. Um nun aus Subjekt und Matrix den erwünsc hten Satz (54) zu konstruieren, bedarf es einer speziellen syntaktisc hen Operation Q namens Quantorenbindung, deren semantisc hes Pendant ΣQ denselben Effekt wie ein (auf die Extension des Nomens relativierter) die Variable x bindender Quantor hat. ΣQ ist also eine zweistellige Operation über Charakteren mit dem folgenden Effekt: (QS) ∑Q(χjeder Kritiker, χx läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist) (s0)(s) = 1, falls für jede Einsetzung eines (Standard-) Namens k für ein Individuum aus der Extension χKritiker(s0)(s) gilt: χk läßt gerne einfließen, daß k ein Genie ist (s0)(s) = 1. ΣQ ist in dieser Form nic ht kompositionell [vgl. dazu Artikel 7]. Eine sic h an das Kompositionalitätsprinzip haltende Reformulierung muß statt der Einsetzungen von Standardnamen für Kritiker untersc hiedlic he Belegungen, also Benennungen der Kritiker durc h Variablen, heranziehen, von denen die Extension der Matrix dann jeweils abhängt. Aus (QS) wird damit: (QB) ΣQ(χjeder Kritiker, χx läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist) (s0)(s) = 1, falls für alle Belegungen b von x durch ein Individuum aus der Extension χKritiker(s0)(s) gilt: χk läßt gerne einfließen, daß k ein Genie ist (s0)(s) = 1, bei der Belegung b. Auc h diese Formulierung ist strenggenommen nic ht kompositionell, weil sie (für die Relativierung) eine Zerlegung des Subjekts vornimmt. Dieses Kompositionalitätsproblem hat aber nic hts mit den gegenwärtigen Betrac htungen zu tun und läßt sic h auf leic hte und befriedigende Weise mit den üblic hen Methoden der Quantorensemantik [s. Artikel 21] lösen. Uns interessiert an (QB) vor allem die Nebenbedingung bei der Belegung b. Damit die vom Charakter zugewiesene Extension überhaupt von einer Belegung abhängt, muß diese im Definitionsbereic h dieses Charakters auftauc hen. Das kann sie prinzipiell an drei Stellen: (i) als Bestandteil der Außerungssituation, also kontextuell; (ii) als Bestandteil der Auswertungssituation, also indexikalisc h; (iii) als weiteres Argument neben Äußerungsund Auswertungssituation, also eigenständig.
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Alle drei Lösungen haben jedoc h ihre Tüc ken. Das werden wir jetzt der Reihe nach zeigen. Ad (i): Faßt man Belegungen als kontextuelle Parameter auf, gelangt man zu einer Aufweichung des Monsterverbots (M). Wie man an (QB) sieht, ist es gerade der Sinn (der kompositionellen Deutung) der Quantorenbindung, daß man von irgendeiner festen Benennung abstrahiert und somit bei der Extensionsbestimmung auc h andere Benennungsmöglic hkeiten untersuc ht als etwa eine einzige, zufällig vom Kontext gegebene (in der Äußerungssituation akute?) Belegung. (QB) würde somit zu einer Versc hiebung der Äußerungssituation führen, womit ΣQ ein Monster wäre. Ad (ii): Die Indexikalisierung der Belegungen läßt zwei Varianten zu, die sic h in der Besc hreibung des Zusammenhangs zwisc hen gebundener Variable in der Matrix und Personalpronomen an der sprac hlic hen Oberfläche unterscheiden. (ii-a) Die den gebundenen Variablen entsprec henden Pronomina werden als Reflexe der Quantorenbindung aufgefaßt, die in Lautform und syntaktisc h-morphologisc hem Verhalten zufällig mit den ec hten Personalpronomina in Sinne der Analyse (R2) übereinstimmen. Während letztere als deiktisc he Ausdrüc ke analysiert werden, ist das gebundene Pronomen im wesentlic hen ein anderes Wort (oder syntaktisc hes Phänomen), das nic hts mit direkter Refererenz zu tun hat, sondern mit Intensionalität — denn nic hts anderes wäre die durc h Quantorenbindung verursac hte Index-Versc hiebung. Es handelt sic h um eine Mehrdeutigkeits- Analyse der Pronomina der dritten Person. Gegen eine solc he Auffassung spric ht die durc h sie hervorgerufene Redundanz oder Umständlic hkeit in der Sprac hbesc hreibung: jedes in Funktion einer gebundenen Variablen auftretende Pronomen müßte entweder im Lexikon doppelt klassifiziert und besc hrieben werden; oder die Operation F führt diese Pronomina synkategorematisch (d. h. ohne Lexikonzugriff) ein, womit die für die Kongruenz zur Bezugs-NP benötigten morphologis c hen Informationen bei der Formulierung dieser Regel reproduziert werden müßten. Zudem bedürfte es einer Erklärung, warum diese Art von Mehrdeutigkeit in sehr vielen Sprachen auftritt. (ii-b) Man faßt die gebundenen Vorkommen von Variablen in der Matrix als gewöhnlic he Pronomina auf. Allerdings kann dann die korrekte Semantik der Pronomina unmöglic h wie in (R2) aussehen. Denn einerseits
IV. Kontexttheorie
hängt nac h (R2) die Extension des Pronomens nic ht vom Index, sondern vom Kontext ab; und andererseits ist von einer Belegung in dieser Regel sowieso nic ht die Rede. Letzteres ist allerdings ein leic ht zu behebender Makel: die in (R2) besc hriebene Abhängigkeit der Extension des Vorkommens eines Pronomens von der Äußerungssituation kann ja als Funktion von Äußerungen in (möglic he) Extensionen umgedeutet werden. Die so aufgefaßte Belegung müßte dann allerdings noc h in den Index gesc hoben werden — sonst wären wir ja über die monströse Lösung (i) des Problems ni c ht hinausgekommen. Gegen diese indexikalisc he Auffassung der variierenden Extension von Pronomina spric ht nun aber eine Grundannahme der klassisc hen Theorie, nämlic h das den Zusammenhang zwisc hen Intension und Information postulierende Prinzip (F) oder eine seiner Differenzierungen (siehe Absc hnitt 2.5). Es ist auf jeden Fall so, daß die in einer Äußerungssituation s0 von einem Satz übermittelte Information — also das, was der S atz in der S ituation besagt — mit seiner Intension (in s0) übereinstimmt. Diese Identifizierung ist unvereinbar mit der Annahme (ii-b), die impliziert, daß Pronomina absolut gedeutet werden. Um dies einzusehen, kann man einen beliebigen Satz mit ‘freiem’ Personalpronomen betrachten: (56) Sie hat einen Holzkopf. Nehmen wir an, (56) werde in einer Situation geäußert, in der sic h das Subjekt auf eine sic h in der erhobenen Hand der Sprec herin befindlic he Handpuppe bezieht. Die so übermittelte Information ist dann dieselbe wie die durch (57) ausgedrückte: (57) Diese Puppe hat einen Holzkopf. Die Intensionen wären aber — wenn das Pronomen als absolut gedeutet wird — versc hieden: (56) würde das Verfahren zur Feststellung des Referenten des Subjekts in die Intension miteinbeziehen, während die durc h (57) ausgedrüc kte Proposition direkt von der gezeigten Puppe als Gegenstand handelt. An dieser Stelle wird die Tiefe des Problems der Quantorenbindung wohl am deutlic hsten: es weist auf eine in der klassisc hen Theorie bestehende Spannung zwisc hen der Charakterisierung der Intension als absoluter Information einerseits und der Unversc hiebbarkeit der Äußerungssituation andererseits hin. Die Rolle der Pronomina als direkt referentielle, die Intensionsebene überspringende Ausdrüc ke steht in einem klassisc h nic ht befrie-
9. Kontextabhängigkeit
digend zu lösenden Konflikt mit ihrer Funktion als quantifizierte, also durc h Abstraktion oder Versc hiebung gedeutete Variablen. Solange dieser Konflikt auf einen eng begrenzten Bereic h wie den des Einflußbereic hs der Quantorenbindung besc hränkt ist, mag man geneigt sein, Ad-hoc -Lösungen wie (ii-a) für den besten Ausweg zu halten. In Absc hnitt 4.3 werden wir jedoc h sehen, daß sic h Bindungen einer erheblic h weiteren Verbreitung erfreuen, als man es aufgrund des bisherigen Diskussionsstandes erhoffen könnte. Ad (iii): Dem soeben besc hriebenen Konflikt kann man durc h Einführung einer dritten Komponente des Referenzpunktes aus dem Wege gehen: neben Kontext und Index beherbergt dieser dann gleic hberec htigt noc h eine Belegung der Pronomina, die auf diese Weise — wie sc hon in der Variante (ii-b) — als eindeutige Wörter aufgefaßt werden können. Gegen diese Vermeidungsstrategie läßt sic h zweierlei einwenden. Erstens liefert sie keine Garantie dafür, daß nic ht irgendwann einmal weitere, der Quantorenbindung vergleic hbare Phänomene entdec kt werden, die dann analog zu einer Vier-, Fünf- oder Sec hsteilung des Referenzpunktes führen würden. Außerdem sollte man ein über das bloße Aufzeigen hinausgehendes Identifikationskriterium für das Phänomen der Quantorenbindung haben, das es von der üblic hen, als Index-Vers c hiebung aufgefaßten Intensionalität untersc heidet; daß die Angabe eines solc hen Kriteriums keine Trivialität ist, ersieht man sc hon aus der Tatsac he, daß sic h nac h dem in Absc hnitt 2.2 besc hriebenen Verfahren auc h letztere prinzipiell als Variablenbindung darstellen läßt. 4.2 Perspektivische Verschiebungen In Absc hnitt 2.5 haben wir gesehen, daß im Rahmen der erkenntnistheoretisc hen Umdeutung der klassisc hen Theorie Charakteren momentane Bewußtseinsinhalte entsprec hen. Da man sic h sprac hlic h auf die Gedanken und Wahrnehmungen von Personen mit satzeinbettenden Verben wie glauben, befürchten, hoffen, ahnen etc . beziehen kann, liegt der Verdac ht nahe, daß eine adäquate Semantik diese Verben als charakterielle Einstellungen, also als (indexabhängige) Relationen zwisc hen Individuen und Charakteren analysieren sollte. Eine solc he Klassifikation satzeinbettender Verben widerspric ht nun allerdings nic ht nur der in Absc hnitt 1.2 (und andernorts) gemac hten gängigen Annahme, daß es sic h hier um propositionale Einstellungen
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handelt; sie sc heint auc h mit dem Monsterverbot (M) unvereinbar zu sein. Wir wollen deshalb näher untersuc hen, welc he Rolle c harakterielle Einstellungen in der logisc hen Sprachanalyse spielen. Zunäc hst muß betont werden, daß die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassisc hen Theorie eine Interpretation satzeinbettender Verben als propositionale Einstellungen nic ht aussc hließt; denn selbst wenn die Funktion eines Einstellungsverbs darin besteht, einem Individuum einen Bewußtseinsinhalt eines bestimmten, im Komplementsatz näher c harakterisierten Typs zu unterstellen, so könnte diese Charakterisierung immer noc h durc h eine Proposition erfolgen. Konkreter läßt sic h diese Möglic hkeit an der folgenden aus Sic ht der erkenntnistheoretisc hen Deutung nic ht ganz unplausiblen Bedeutungsregel verdeutlichen: (Rmeinen) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint daß φ, wobei φ ein (Neben-) Satz ist; s0 und s seien Außerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: die durch φ ausgedrückte Proposition χφ(s0) folgt aus dem Bewußtseinsinhalt χx,s von x in s. Das Meinen wird hier als emotionslose, den Bewußtseinsinhalt c harakterisierende Einstellung aufgefaßt. Man beac hte nebenbei, daß (Rmeinen) der Hypothese (L) genügt: meinen referiert danach absolut. Die in (Rmeinen) aufgestellte Bedingung soll in dem Sinne verstanden werden, daß nac h ihr der (als Charakter aufgefaßte) Bewußtseinsinhalt χx,s von x (in der Welt und zur Zeit der Auswertungssituation s) so besc haffen ist, daß die ihm entsprec hende (als Proposition aufgefaßte) perspektivelose Information χx,s(sx) — also (in der Terminologie von Absc hnitt 2.5) der objektivierte Bewußtseinsinhalt — nur Situationen umfaßt, in denen auc h p gilt; sxist dabei der kognitive Zustand von x, also die von x aus gesehene Situation s: sxund s stimmen weitestmöglic h überein, aber x ist das Ego, das erkennende Subjekt, in sx. Um Motivation und Arbeitsweise dieser Regel zu verstehen, kann man (Rmeinen) auf ein einfaches Beispiel ansetzen: (58) Martin meint, daß ich lisple. Äußert Maria in einer Situation s0 diesen Satz, bestimmt sic h der Wahrheitswert mit (Rmeinen) wie folgt:
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Nac h der so reduzierten Wahrheitsbedingung besagt Marias Äußerung von (58) also, daß Maria in jeder mit Martins Bewußtseinsinhalt (zur Zeit der Äußerungssituation) vereinbaren Situation lispelt. Das ist sic herlic h kein unerwünsc htes Ergebnis. Uns interessiert hier vor allem, wie es zustande kommt. Denn einerseits deutet (Rmeinen) das satzeinbettende Verb als propositionale Einstellung, doc h andererseits faßt diese Regel den Bewußtseinsinhalt des erkennenden Subjekts als Charakter auf. Der Tric k besteht lediglic h in der perspektivischen Verschiebung: der Charakter des Nebensatzes wird zunäc hst — den Grundprinzipien der klassisc hen Theorie gemäß — an der Äußerungssituation ausgewertet; das Resultat ist eine gewisse (in diesem Falle singuläre) Proposition. Dann wird die Auswertungssituation leic ht versc hoben, zur entsprec henden epistemisc hen Perspektive des Subjekts hin, aus der heraus die (singuläre) Proposition betrac htet wird. Die der Äußerungssituation eigene Perspektive wird also zur Ermittlung der durc h den Nebensatz ausgedrüc kten Propositon benutzt; doc h für die Feststellung der Einstellung des Subjekts wird sie ignoriert. Dieses Vorgehen entspric ht natürlic h genau der bereits in Absc hnitt 1.2 skizzierten Deutung von Einstellungsverben. Neu ist hier lediglic h, daß dem Subjekt der Einstellung eine epistemisc he Perspektive unterstellt wird. Mit der epistemisc hen Perspektive ist es in (Rmeinen) nic ht allzu weit her. Ein zweiter Blic k zeigt nämlic h, daß diese prinzipiell nic ht in die Deutung von Einstellungssätzen einbezogen wird. Intuitiv gesehen liegt das daran, daß die Regel ohnehin nur auf einen Vergleic h
IV. Kontexttheorie
zweier perspektiveloser Propositionen hinausläuft: die erste ist die Intension v des eingebetteten Nebensatzes in der Äußerungssituation, die zweite der seiner ihm eigenen Perspektive beraubte, objektivierte Bewußtseinsinhalt μ des Subjekts, und verglic hen werden die beiden hinsic htlic h der Frage, ob der erste den zweiten (im Sinne einer Mengeninklusion) umfaßt. Sowohl die dem Charakter des eingebetteten Nebensatzes innewohnende Perspektive als auc h insbesondere der epistemisc he Blic kwinkel des Subjekts werden in (Rmeinen) übergangen. Wir haben bereits in Absc hnitt 2.5 festgestellt, daß der Verlust der epistemisc hen Perspektive durc h Objektivierung einen Informationsverlust nac h sic h ziehen kann: versc hiedene Individuen können dem Subjekt auf versc hiedene Arten gegeben sein. Dieser Informationsverlust spiegelt sic h in konkreten semantisc hen Effekten der Regel (Rmeinen) wider. Der erste, harmlose Effekt mac ht sic h dann bemerkbar, wenn sic h etwa Martin und Maria in s0gegenüber sitzen, Martins Bewußtseinsinhalt χMartin,s0 den Charakter χDu lispelstumfaßt, Martin aber nic ht nur sein Gegenüber, sondern auc h seine Vermieterin für eine Lisplerin hält, die beiden allerdings nic ht miteinander in Beziehung bringt, obwohl es sic h in beiden Fällen um Maria handelt. Unter diesen Annahmen mac ht (Rmeinen) Marias Äußerung von (58) sozusagen aus zwei unabhängigen Gründen wahr: die Intension des eingebetteten Nebensatzes ist dieselbe singuläre Proposition p wie die in Martins epistemisc hen Zustand durc h Du lispelst bzw. Meine Vermieterin lispelt ausgedrückte. Der erste Effekt von (Rmeinen) besteht also ganz einfac h darin, daß zwei voneinander unabhängige Meinungen Martins durc h ein und dieselbe Besc hreibung Marias abgedec kt werden, daß also Marias Aussage (58) eine gewisse Unbestimmtheit unterstellt wird. Ein umgekehrter Effekt ergibt sic h, wenn Martin — vielleic ht aufgrund einer neuen Frisur oder einer Wahrnehmungsstörung — sein Gegenüber nic ht als seine Lebensgefährtin erkennt, von der er gerade annimmt, daß sie nic ht lispelt. Ein in etwa dem Satz Meine Lebensgefährtin lispelt nicht entsprechender Charakter gehört demnac h ebenfalls zu Martins aktuellem Bewußtseinsinhalt. Da Maria Martins tatsä c hli c he Lebensgefährtin ist, folgt nun, daß der objektivierte Bewußtseinsinhalt χMartin,s0(s0Martin) auc h das Gegenteil von p impliziert. χMartin,s0 (s0Martin) ist damit widersprüc hlic h und impliziert — wie man sic h leicht überlegt — überhaupt jede Proposition.
9. Kontextabhängigkeit
Maria hätte also auc h behaupten können, daß es nac h Martins Meinung in Kreuzlingen Zebras gibt und damit — nac h (Rmeinen) — auf jeden Fall rec ht gehabt. Dieser Defekt von (Rmeinen) läßt sic h nun relativ leic ht ausmerzen, ohne daß sic h an der Idee der Regel Wesentlic hes ändert: anstatt Bewußtseinsinhalte als Charaktere aufzufassen, könnte man — intuitiv etwa entsprec hend den vom Subjekt für wahr befundenen Sätzen — dieselben adäquater durc h Mengen von Charakteren repräsentieren. Die absurde Konsequenz um (59) würde auf diese Weise vermieden; allerdings wäre dann immer noc h Marias Äußerung von (58′) wahr, was angesic hts der Umstände — insbesondere Martins unersc hütterlic hen Glaubens an die reine Artikulation seiner Lebensgefährtin Maria — jedoc h gar nicht einmal unerwünscht ist: (58′) Martin meint, daß ich nicht lisple. Diese Tec hnik der Widerspruc hs-Vermeidung — im wesentlic hen eine Adaption der sog. Umgebungs- Semantik für propositionale Einstellungen — hat ihre Grenzen, die sic h besonders deutlic h zeigen, wenn der eingebettete Satz oder seine Negation notwendig wahr ist, ohne zugleic h a priorisc h zu sein. Ein typisc her Fall liegt etwa vor, wenn Maria unter Anspielung auf ihre perfekte Verkleidung die folgende zutreffende Behauptung aufstellt: (59) Martin meint, daß ich Maja bin. Zumindest unter der Annahme, daß es sic h bei Maja um einen Standard-Namen (von Marias Freundin) handelt, drüc kt der in (59) eingebettete daß-Satz eine widersprüc hlic he Proposition aus. Damit folgt sofort, daß nac h (Rmeinen) unter den gegebenen Umständen jede Äußerung wahr ist, die Martin eine widersprüc hlic he Meinung unterstellt — also auc h etwa: (59′) Martin meint, daß ich Ruth Rendell bin. Der Sc hluß von (59) auf (59′) ist nun allerdings sehr gewagt, zumal zwisc hen Marias Freundin und der großen britisc hen Kriminalsc hriftstellerin keinerlei äußerlic he Ähnlichkeit besteht. Die Grenzen, an die die Regel (Rmeinen) hier stößt, sind natürlic h auc h die Grenzen des der klassisc hen Theorie zugrundeliegenden und bereits in Absc hnitt 1.1 als bekanntermaßen zu grobmasc hig eingesc hätzten Propositionsbegriffs. Der Sc hluß von einem Widerspruc h auf einen beliebigen anderen (klassisc h: denselben!) bzw. von einer Einstellung zu einem Widerspruc h auf die Einstellung zu jedem Wi-
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derspruc h läßt sic h völlig unabhängig von der hier betrac hteten Regel — einfac h aufgrund des Propositionsbegriffs und des Monsterverbots — vorführen. Eine Kritik an (Rmeinen) unter Hinweis auf die offensic htlic h inadäquate Erfassung solc her Beispiele wie (59) und (59′) könnte damit im gegenwärtigen Zusammenhang als thematisc h verfehlt empfunden werden. Wir werden zwar noc h sehen, daß der Zusammenhang zwisc hen der Feinheit des Propositions-Begriffs und der Einbeziehung epistemisc her Perspektiven in die Deutung von Einstellungsberic hten enger ist (oder jedenfalls enger konstruiert werden kann), als es hier den Ansc hein haben mag. Im Interesse einer skeptisc hen Lesersc haft tun wir jedoc h vorerst einmal so, als handele es sic h hier um zwei vollkommen unabhängige Phänomene. Von solc hen Problemen einmal abgesehen, lassen sic h also Einstellungsberic hte vermittels satzeinbettender Verben einigermaßen befriedigend mit Hilfe der bezüglic h epistemisc her Arten des Gegebenseins unspezifisc hen Regel (Rmeinen) besc hreiben. Das unspezifisc he Element ist aber nic ht bei allen Typen von Einstellungsberichten erwünscht: (60) Bettina meint, mit Eddy Merckx verheiratet zu sein. Im Untersc hied zu den bisher betrac hteten Beispielen liegt hier (oberfläc hlic h) keine Satz-Einbettung vor. Daß hier eine gegenüber den bisherigen Beispielen neue Dimension eröffnet wird, sieht man, wenn man versuc ht, (60) mit Hilfe von (Rmeinen) zu deuten und den Infinitiv als Ausdruc k einer unvollständigen, um das Matrix-Subjekt zu ergänzenden Proposition aufzufassen: (60′) Bettina meint, daß sie mit Eddy Merckx verheiratet ist. Das im eingebetteten Satz ergänzte Personalpronomen müßte dann natürlic h als durc h das Matrix-Subjekt (im Sinne des vorhergehenden Absc hnitts) gebunden gedeutet werden. (Daß hier eine bloße, auf kontextuelle Eins c hlägigkeit zurü c kgehende extensionale Übereinstimmung nic ht ausreic ht, sieht man an analogen Beispielen mit quantifizierendem Subjekt; es liegt also — syntaktisc h gesproc hen — Kontrolle durc h das Matrix-Subjekt vor.) Aber ansonsten könnte ja die Deutung im Stil von (Rmeinen) vonstatten gehen. Da im Falle von (Standard-) Namen Bindung und Ersetzung auf intensionaler Ebene keinen Untersc hied mac hen — in beiden Fällen kommt eine singuläre Proposition über den Referen-
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ten heraus — und nur die Intension für (Rmeinen) von Belang ist, könnten wir die Probleme aus Absc hnitt 4.1 verdrängen und (60′) einfach durch (60″) ersetzen: (60″) Bettina meint, daß Bettina mit Eddy Merckx verheiratet ist. Dabei gehen wir natürlic h davon aus, daß die beiden Vorkommen des Namens Bettina in (60″) auf ein und dieselbe Person, Bettina, verweisen.) Nac h (Rmeinen) besagen also (60) und (60″) genau dasselbe. Doc h ist das korrekt? Unter den meisten Umständen werden wohl die beiden Sätze in der Tat auf dasselbe hinauslaufen, doc h möglic herweise nic ht in allen. Eine Situation, in der (60) falsc h, aber (60″) wahr ist, könnte sic h etwa so abspielen: Bettina findet auf dem Speic her ein altes Hoc hzeitsfoto von sic h und ihrem Gatten Wendelin. Das Foto zeigt Wendelin halb verdec kt in seiner Sportausrüstung; sie selbst ist nur von hinten zu sehen, aber unsc hwer als seine Braut zu identifizieren. Den Rest kann man sic h denken: Bettina glaubt, daß es sic h bei dem abgebildeten Athleten um den großen belgisc hen Radfahrer handelt und dementsprec hend bei der nic ht zu erkennenden Braut um dessen Gattin. Nac h (Rmeinen) ist der Fall dann klar: die (in einer beliebigen Äußerungssituation) durc h den in (60″) eingebetteten Nebensatz ausgedrüc kte singuläre Proposition folgt in der besc hriebenen Situation aus Bettinas objektivierten Bewußtseinsinhalt: die von Bettina auf dem Foto betrac htete Frau ist ihrer Meinung nac h mit Eddy Merc kx verheiratet, und in Wirklic hkeit ist die so besc hriebene Frau Bettina selbst. Die Falsc hheit von (60) sc heint jedoc h durc h diese Gesc hic hte unberührt: von sic h selbst glaubt Bettina nic hts dermaßen Falsc hes, wie ihr in (60) unterstellt wird. Es sc heint, als müsse Bettina im Falle der Wahrheit von (60) das Subjekt der Einstellung als S ubjekt gegeben sein; die durc h den eingebetteten Satz (in einer entspre c henden Äußerungssituation) ausgedrüc kte Proposition muß sic h also nic ht — wie in (Rmeinen) gefordert — irgendwie durch Objektivierung einer Meinung von Bettina ergeben, sondern auf eine ganz bestimmte Art und Weise, nämlic h durc h Auswertung des Sprec her- oder Subjekt-Parameters (in einem gewissen epistemisc hen Zustand Bettinas). Die in (60) von Bettina behauptete Einstellung muß eben — in einer gängigen Terminologie — eine Meinung de se sein. Und genau diese Nebenbedingung wird durc h die Zurüc kführung von (60) auf die Paraphrase (60′)
IV. Kontexttheorie
übersehen; die Sc huld daran trägt natürlic h die weiter oben beobac htete Unbestimmtheit von (Rmeinen). Mehreres läßt sic h gegen diese Betrac htungen einwenden. Zum einen ist es gar nic ht so klar, ob (60″) — oder auc h (60′) — unter den genannten Umständen wirklic h in irgendeinem Sinne wahr wäre. Dies würde nun allerdings auf eine Kritik der Regel (Rmeinen) hinauslaufen, die bei dieser bereits die Sensitivität gegenüber der epistemisc hen Perspektive des Subjekts vermißt. In diesem Falle hätten wir also gar nic ht erst die infinitivisc he Variante zu bemühen brauc hen. Diese Kritik wollen wir dahingestellt sein lassen, weil einerseits die Frage des Wahrheitswerts der genannten Sätze möglic herweise nic ht ganz theorieunabhängig beantwortet werden kann und andererseits eine Ablehnung von (Rmeinen) aufgrund mangelnder Rüc ksic htnahme auf epistemisc he Perspektiven unserem Argumentationsgang ohnehin entgegenkommt. Ein zweiter Einwand könnte natürlic h genau dem umgekehrten Weg folgen und sc hlic htweg die Falsc hheit von (60) infrage stellen. Die Infinitiveinbettung wäre dann mit (Rmeinen) korrekt gedeutet. Immerhin müßte man unter dieser Annahme zunäc hst (etwa pragmatisc h) erklären, warum denn (60) in der besc hriebenen Situation zumindest falsch wirkt. Die prinzipielle Möglic hkeit einer solc hen Erklärung können wir hier nic ht bezweifeln; wir gehen jedoc h davon aus, daß die Falsc hheit von (60) ein semantisc hes, die wörtlic he Bedeutung dieses Satzes betreffendes Phänomen ist. Weitere Einwände könnten die spezielle Art des Gegebenseins Bettinas durc h Vermittlung einer Fotographie betreffen. In so einem Falle ist der Leser angehalten, sic h ein besseres Beispiel auszudenken. An dieser Stelle erhebt sic h natürlic h die Frage, ob man nic ht den subtilen Bedeutungsuntersc hied zwisc hen (60) und (60′) durc h eine genauere Paraphrase besc hreiben kann. Also etwa durch: (60) Bettina meintde se, daß sie mit Eddy Merckx verheiratet ist. Wir wollen einmal dahingestellt sein lassen, was wohl der genaue Zusammenhang zwisc hen den beiden Verben meinen und meinende sesein könnte. Stattdessen zeigen wir, daß eine kompositionelle Deutung der Paraphrase (60s) keineswegs eine triviale Angelegenheit ist. Betrac hten wir zunäc hst die intendierte Deutung von meinende se:
9. Kontextabhängigkeit
(Rmeinen de se) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meintde se daß φ, wobei φ ein (Neben-) Satz ist; s0 und s seien Äußerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Bewußtseinsinhalt χx, s von x in s impliziert denjenigen Charakter x, der an einem Referenzpunkt 〈s1,s’〉 den Wahrheitswert 1 liefert, falls der Sprecher von s1 die durch φ ausgedrückte Proposition χφ(s0) in s’ erfüllt. Den bislang undefinierten Implikationsbegriff für Charaktere kann man entweder — in Analogie zu dem in Absc hnitt 2.5 eingeführten A Priori — als Folgerung an allen diagonalen Referenzpunkten oder — wenn man Bewußtseinsinhalte durc h Mengen von Charakteren rekonstruiert — als Elementschaftsbeziehung auffassen. Wie (Rmeinen de se) gemeint ist, mac ht man sic h am besten anhand des Beispiels (60s) klar. In diesem Falle verlangt die Regel (von einer Auswertungssituation), daß Bettinas Bewußtseinsinhalt (in dieser Situation) den Charakter des Satzes Ich bin mit Eddy Merckx verheiratet impliziert; denn dieser ist gerade an einem Punkt 〈s1,s’〉 wahr, falls die Sprec herin in s1 die durc h sie mit Eddy Merckx verheiratet ist ausgedrüc kte Proposition erfüllt. (Rmeinen de se) sc heint uns also in der Tat die intendierte Deutung de se für (60) zu geben. Bei der Formulierung von (Rmeinen de se) haben wir an entsc heidender Stelle gemogelt. Wir haben nämlic h vergessen zu sagen, was es für ein Individuum x bedeutet, eine Proposition zu erfüllen. Auf den ersten Blic k sc heint es sic h hier um ein harmloses Versehen zu handeln. Denn wir sind ja in diesem Falle nur an singulären Propositionen p interessiert, die jeweils aus genau den Situationen bestehen, in denen ein bestimmtes, festes Individuum xp eine bestimmte, feste Eigensc haft Ep hat; und in (Rmeinen de se) ist natürlic h in diesem Falle mit der Erfüllung von p durc h x (in s) gemeint, daß x (in s) die Eigensc haft Epbesitzt. Diese Definition mac ht nun allerdings offensic htlic h nur dann Sinn, wenn sic h aus dem singulären p die Eigensc haft Epeindeutig ermitteln läßt. Das kann man im allgemeinen jedoc h nic ht erwarten: sc hon in unserem Beispiel sc hlägt nämlic h diese Bestimmung fehl, handelt doc h die zur Debatte stehende Proposition genausogut von Eddy Merc kxs wie
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von Bettina, wobei allerdings den beiden ganz vers c hiedene Eigens c haften zugespro c hen werden. Nac h (Rmeinen de se) müßte also (60s) noc h eine Lesart besitzen, nac h der Bettina meint, mit Bettina verheiratet zu sein. Doc h das ist offenkundig absurd. Die Situation ist nic ht hoffnungslos. Denn (Rmeinen de se)läßt sic h dann retten, wenn es nur gelingt, den Gegenstand der durc h den Nebensatz ausgedrüc kten Proposition eindeutig als die Stelle zu bestimmen, an der das auf das Einstellungssubjekt zurüc kbezogene Pronomen steht. Neben einer Markierung der Einstellung als Meinung de se benötigt die Paraphrase also auc h noc h eine Markierung des Pronomens als an die Sprec her-Perspektive gebundenes Pronomen: (60) Bettina meintde se, daß sie* mit Eddy Merckx verheiratet ist. Der Stern deutet dabei gerade an, daß das Pronomen das Thema der durc h den Satz ausgedrüc kten Proposition ist. Dabei muß natürlic h der Themenbegriff irgendwie präzisiert werden. Das kann z. B. dadurc h gesc hehen, daß man die gesamte Proposition p in Thema und Rest (= Rhema) strukturiert, indem man sie etwa als Paar 〈xp,Ep〉 auffaßt. Die Details einer solc hen Verfeinerung des Propositionsbegriffs sind äußerst tric kreic h und können an dieser Stelle unmöglic h vorgeführt werden. [Siehe dazu Artikel 34.] Wir erwähnen hier lediglic h die prinzipielle Möglic hkeit einer Präzisierung von (Rmeinen de se) mit Hilfe thematisch strukturierter Propositionen. Die Version (60C) weist den Weg zu einer ganz anderen Möglic hkeit der Deutung von (60) im Rahmen der klassisc hen Theorie, aber ohne Verfeinerung des Propositionsbegriffs. Denn wenn die gesternten Pronomina in jedem Falle als Ausdruc k der Subjekts-Perspektive gedeutet werden, sind sie selbst — solange nur irgendwie die Stellen markiert werden, an die sie gehören — vollkommen redundant. Statt auf (60C) könnte man (60) also genausogut auf (60*) zurückführen: (60.) Bettina meint, daß * mit Eddy Merckx verheiratet ist. Der Untersc hied zwisc hen (60C) und (60*) ist nun, daß bei letzterem ein unvollständiger, lüc kenhafter Satz eingebettet ist; dem eingebetteten Satz fehlt das Subjekt, womit er (zumindest semantisc h gesehen) eine Art VP ist. Statt wie in (R*meinen) könnte man also die Extension der Konstruktion ‘meinen + Infinitiv’ auf den Charakter dieser VP zurüc kführen. In der Tat: nic hts liegt oberfläc hlic h
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näher; diese VP ist ja — von der Finitheit des Verbs abgesehen — der eingebettete Infinitiv! Die entsprec hende Regel kann dann (Rmeinen de se) ersetzen. Und so sieht sie aus: (Rmeinen + INF) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint φ, wobei φ ein Infinitiv (mit zu) ist; s0und s seien Äußerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Bewußtseinsinhalt χx, s von x in s impliziert denjenigen Charakter χ, der an einem Referenzpunkt 〈s1,s’〉 den Wahrheitswert 1 liefert, falls der Sprecher von s1 in s’ die durch φ ausgedrückte Eigenschaft χφ(s0) besitzt, falls also gilt: χich(s1)(s’) ∈ χφ(s0)(s’). Die Überprüfung von (Rmeinen + INF) am Beispiel (60) überlassen wir diesmal der Leserin. Wir weisen zudem darauf hin, daß nac h dieser Regel die Infinitiveinbettung unter meinen kein Monster ist. Das wiederum ersieht man unmittelbar aus dem Umstand, daß in der obigen Bedingung zur Festlegung der Extension der Verbalphrase vom Charakter des eingebetteten Infinitivs nur insofern die Rede ist, als seine Intension in der Äußerungssituation betrac htet wird. Für zwei intensionsgleic he Infinitive kommt also jeweils dieselbe Menge meinender Individuen heraus. Die geneigte Leserin möge auc h diese Behauptung am Beispiel (60) und unter Heranziehung etwa des durc h Eddy Merc kx geäußerten Satze (61) überprüfen: (61) Bettina meint, mit mir verheiratet zu sein. Meinungen de se sind nac h (Rmeinen + INF) Selbstzuschreibungen von Eigensc haften. Da im Falle von (60) die zugesc hriebene Eigensc haft gerade die Intension des eingebetteten Infinitvs ist, ist die Deutung nac h (Rmeinen + INF) sehr direkt und elegant. So besehen ist sie der nur um den Preis einer Verfeinerung des Propositions-Begriffs präzisierbaren Zurüc kführung (Rmeinen de se) der Infinitiveinbettung auf eine Satzeinbettung überlegen. Andererseits ist die Deutung der perspektivisc hen Bindung mit Hilfe strukturierter Propositionen eine universeller einsetzbare Strategie als die oberfläc hennahe Deutung der Infinitiveinbettung als Selbstzusc hreibung, läßt sic h doc h auf diese Weise auc h das im Zusammenhang mit (59) und (59′) angesproc hene Problem der
IV. Kontexttheorie
Einstellung zum Widerspruch lösen. Die Deutung des Meinens de se als Selbstzusc hreibung einer gewissen Eigensc haft läßt sic h mit der in Absc hnitt 2.5 angesproc henen Version (E’) der Untersc heidung von perspektiveloser und lokalisierender Information in Verbindung bringen. Den Zusammenhang erkennt man am klarsten im Rahmen einer Parametrisierung von Äußerungs- und Auswertungssituationen (im Sinne von Absc hnitt 2.1). Um ihn herzustellen, bedarf es allerdings der Annahme, daß es genau einen rein kontextuellen Parameter gibt, und zwar den des Sprec hers. Dann läßt sic h mit (E’) die Regel (Rmeinen + INF) folgendermaßen äquivalent umformulieren: (R’meinen + INF) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint φ, wobei φ ein Infinitiv (mit zu) ist; c sei ein Kontext, i ein Index. Dann ist χψ(c)(i) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Sprecher jedes Kontexts c’ aus !χx,i ist in χφ(c)(i(c’)). Unter den gegebenen Annahmen läßt sic h die Äquivalenz dieser Formulierung mit der Ausgangsregel leic ht nac hweisen. (E’) lag ja die Idee zugrunde, daß die lokalisierende Information eines Charakters χ bereits in der als Menge von Kontexten aufgefaßten waagerec hten Diagonalisierung !χ derselben stec kt. Insbesondere müssen also Folgerungen aus Bewußsteinsinhalten χx,s als Folgerungen aus !χx,i darstellbar sein (wobei i die Parametrisierung von s als Auswertungssituation ist). Was soll es aber heißen, daß ein Charakter χ aus der Menge !χx,i von Kontexten folgt? Hier hilft ein beliebig gewähltes Beispiel weiter: offenbar impliziert Alains Bewußtseinsinhalt etwa den Charakter χmir ist kalt, falls sic h Alain in einer Situation zu befinden meint, deren Ego zu deren Zeit an deren Ort in deren Welt etc . friert, falls also χmir ist jetzt hier tatsäc hlic h kalt an allen Kontexten in !χx,i — im Sinne des Default-Prinzips (D) — wahr ist. Letzteres heißt aber gerade, daß !χx,i eine Teilmenge von χmir ist kalt ist. In dem uns interessierenden Fall wird so aus der in (Rmeinen + INF) geforderten Implikation zwisc hen χx,s und χ eine Teilmengenbeziehung zwisc hen !χx,i und der Menge der Kontexte c’, für die χich(c ’)(i(c ’)) in χφc( )(i( c ’)) liegt. Damit ist klar, daß (Rmeinen + INF) in der Tat nur eine Reformulierung von (Rmeinen + INF) auf der Basis von (E’) ist.
9. Kontextabhängigkeit
Die Formulierung (R’meinen + INF) ist dann besonders aufsc hlußreic h, wenn der eingebettete Infinitiv φ keinerlei deiktisc he Elemente enthält. In diesem Falle besagt die Regel, daß alle indexikalisc hen Parameter durc h die durc h einen Kontext c’ repräsentierte epistemisc he Situation des Subjekts besetzt werden. Unserer Annahme gemäß ist der einzige zusätzlic he kontextuelle Parameter der des Sprec hers; und dieser wird nac h (R’meinen + INF) ebenfalls von c’ determiniert. Die durc h einen Satz wie (62) beric htete Einstellung läuft also auf eine Lokalisierung der epistemisc hen Situation des Subjekts hinaus: der Satz ist wahr, falls Alain seine eigene Situation als eine solc he begreift, zu deren Zeit, an deren Ort, in deren Welt etc. das Subjekt friert: (62) Alain meint zu frieren. Der Beitrag des in (62) eingebetteten Infinitivs zur Extensionsbestimmung reduziert sic h somit auf die Menge der Kontexte c’, deren Sprec her die durc h das Verb ausgedrüc kte Eigensc haft besitzen. Das dem Infinitiv fehlende Subjekt wird also nac h (R’meinen + INF) implizit als Aspekt eines Kontexts aus dem Bewußtseinsinhalt des Einstellungssubjekts aufgefaßt. Der eingebettete Infinitiv ersc heint so als unmittelbarer Ausdruc k einer gewissen lokalisierenden Information im Sinne der Untersc heidung (E’). Dabei ist freilic h zu beac hten, daß diese Lokalisierung nic ht durc h den !-Operator aus dem infinitivisc hen Charakter, sondern lediglic h durc h eine (in der metasprac hlic hen Erläuterung gegebene) Deutung der unbesetzten Subjekts-Stelle gewonnen werden kann. Aber immerhin: (R’meinen + INF) liefert in der Anwendung auf Beispiele wie (62) eine gute Illustration für (E’): lokalisierende Informationen kann man sic h als die durc h absolut referierende Infinitive ausgedrückten Eigenschaften vergegenwärtigen. Bevor wir das Thema ‘Einstellungsverben’ endgültig verlassen, sei noc h darauf hingewiesen, daß sic h die anhand infinitiveinbettender Verben dargestellte Deutung von Einstellungen de se durc h Selbstzusc hreibung prinzipiell auc h auf satzeinbettende Verben übertragen läßt. Die für diese Übertragung erforderlic he semantisc he Tec hnik ist die aus der Kategorialgrammatik entlehnte Lückenvererbung, deren Darstellung hier allerdings zu weit führen würde. (Eine ausführlic he Würdigung enthält Artikel 7.) Dieser Hinweis mag jenen Rest von Skepsis gegenüber der weiter oben vorgeführten Deutung (Rmeinen) satzeinbettender Verben zerstreuen, der an-
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gesic hts eventueller Lesarten de se noc h verblieben sein könnte. Daß die Details sehr kompliziert sind, wird der geduldige Leser spätestens dann merken, wenn er selbst einmal versuc ht, den subtilen Bedeutungsuntersc hied zwisc hen (63) und (63′) den einsc hlägigen Regeln gemäß zu beschreiben: (63) Lakoff träumte, daß er Brigitte Bardot war und ihn selbst küßte. (63′) Lakoff träumte, daß er Brigitte Bardot war und sich selbst küßte. In (63) soll dabei das akkusativisc he Personalpronomen auf das Matrix-Subjekt Lakoff zurüc kbezogen sein, während das Reflexivum in (63′) an das Subjekt er des eingebeteten Satzes gebunden werden soll. Selbst wer (wie der Verfasser dieser Zeilen an allen Tagen mit ungeradem Datum) für (63) die Lesart, nac h der Lakoff in seinem Traum die Welt aus BBs Augen sieht und aus dieser Perspektive einen bedeutenden Linguisten küßt, nic ht so rec ht nac hempfinden kann, ist herzlic h dazu eingeladen, diesem Satz einmal zu Übungszwekken ebendiese Interpretation zu unterstellen. Den bisher in diesem Absc hnitt betrac hteten Beispielen ist gemeinsam, daß die in ihnen enthaltenen deiktisc hen Elemente — ganz im Sinne der klassisc hen Theorie — stets unmittelbar auf die Äußerungssituation bezogen waren und daß andere, dieser Situation fremde Perspektiven niemals zur Ermittlung der Intensionen irgendwelc her Teilausdrüc ke herangezogen werden mußten: in (Rmeinen) wurden die für das Einstellungs-Subjekt einsc hlägigen Arten des Gegebenseins der Referenten direkt referentieller Ausdrüc ke offengelassen und somit insbesondere nic ht von den im Einstellungs-Beri c ht verwendeten Ausdrüc ken determiniert; und in (Rmeinen + INF) wird zwar für das implizite Subjekt des Infinitivs eine ganz bestimmte Perspektive gefordert, doc h wird dieses Subjekt synkategorematisc h gedeutet und gerade nic ht als sprac hlic her Ausdruc k, dessen Charakter die betreffende Einstellung als de se kennzeic hnet. Um nun aber im Beric h der Einstellungsberic hte die klassisc he Theorie aufs Glatteis zu führen, bedarf es offenbar mehr als nur solc her Beispiele, für deren Deutung andere Äußerungssituationen oder epistemisc he Zustände herangezogen werden müssen. Wie ein potentielles Gegenbeispiel zur klassisc hen Theorie besc haffen sein könnte, mac ht man sic h vielleic ht an dieser Stelle anhand einer abwegigen Deutung des eingebetteten Infinitivs klar, nac h der einfac h das dem Infinitiv implizite
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Subjekt durc h ich besetzt wird, wobei gleic hzeitig gefordert wird, daß die Extension dieses nic ht realisierten ich am epistemisc hen Zustand des Einstellungs-Subjekts bestimmt wird. Eine solc he systematisc h versc hobene Deutung des ich hat offenbar denselben Effekt wie die oben angegebene Interpretation der Infinitiv-Einbettung; doc h diese der klassisc hen Theorie fremde Ersetzung der Äußerungssituation ist natürlic h einigermaßen ad hoc und — wie die äquivalente Regel (Rmeinen + INF) beweist — vermeidbar. (Sie führt obendrein zu syntaktisc hen Komplikationen.) Die Frage aber bleibt, ob es nic ht Beispiele gibt, bei denen eine solc he Ersetzung der Äußerungssituation durc h eine andere epistemisc he Perspektive die einzige Möglic hkeit ist. Dies wäre natürlic h insbesondere dann der Fall, wenn das entsprec hende deiktisc he Element an der sprac hlic hen Oberfläc he ersc heint und nic ht — wie das vorgeblic he ich des Infinitivs — durc h grammatisc he Analyse hin- oder wegerklärt werden kann. Hier ist so ein Fall: (64) Schweißgebadet wachte Tom mitten in der Nacht auf: morgen war Heiligabend, und er hatte völlig vergessen, dem Weihnachtsmann seinen Wunschzettel zu schicken. Das Problem ist das Temporaladverb morgen, das sic h für gewöhnlic h auf den Tag nac h der Äußerungssituation bezieht (und somit deiktisc h ist). Im vorliegenden Fall ist zunäc hst nic ht hundertprozentig klar, worauf morgen überhaupt verweist: ist es der auf die besc hriebene (Auswertungs-) Situation folgende Tag, oder handelt es sic h um den näc hsten Tag aus Toms Sic ht? Wie dem auc h sei: die Äußerungssituation spielt — zumindest in der näc hstliegenden Lesart von (64) — für die Bestimmung der Extension von morgen gar keine Rolle. Es sc heint, als müsse sie für den kurzen Moment der Äußerung von morgen durc h eine andere Situation ersetzt werden. Wir haben also unser Gegenbeispiel gefunden. Oder etwa nic ht? Immerhin basierte die Argumentation des vorhergehenden Absatzes auf der Voraussetzung, daß morgen deiktisch ist und also seine Extension aus der Äußerungssituation bezieht. Nun zeigt aber doc h (64) gerade, daß das nic ht der Fall sein kann. Statt der gesamten klassisc hen Theorie sollten wir vielleic ht einfac h nur die Annahme aufgeben, daß morgen deiktisc h ist, und (64) im Gegenteil als Indiz dafür werten, daß es sic h
IV. Kontexttheorie
um ein absolutes Wort zur Kennzeic hnung des auf die Auswertungssituation folgenden Tages handelt. Wenn wir dann noc h annehmen, daß der Satz morgen war Heiligabend in (64) unter ein unsic htbares Einstellungsprädikat (mit unsic htbarem Subjekt Tom) eingebettet ist, kämen wir der intendierten Deutung von (64) offenbar rec ht nahe. Gegen diese bequeme Lösung spric ht der Umstand, daß Beispiele wie (64) sehr selten sind und in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle das Wort morgen eben doc h auf die Äußerungssituation bezug nimmt, was zumindest irgendwie erklärt werden müßte. Für eine absolute Deutung spric ht wiederum die Tatsac he, daß eine analoge Versc hiebung der Äußerungssituation für die Bestimmung der Extension eines so klar deiktisc hen Wortes wie ich unmöglic h zu sein sc heint: (64′) besagt etwas ganz anderes als (64). (64′) Schweißgebadet wachte Tom mitten in der Nacht auf: morgen war Heiligabend, und ich hatte völlig vergessen, dem Weihnachtsmann meinen Wunschzettel zu schicken. Es ist natürlic h fraglic h, ob sic h aus der Existenz solc her isolierter Beispiele irgendein entsc heidender Einwand gegen die klassisc he Theorie konstruieren läßt. Sätze wie (64) muten ohnehin irgendwie metasprac hlic h an oder sind jedenfalls sonstwie markiert. Die Gesuc htheit solc her vermeintlic her Gegenbeispiele ist vielleic ht gerade ein Hinweis darauf, daß die klassisc he Theorie mit ihrer Analyse des Normalfalls nicht so ganz schief liegt. 4.3 Skopismus, Holismus und quantifizierte Kontexte In diesem Absc hnitt dreht es sic h weniger um einen Phänomenbereic h, der sic h im Rahmen der klassisc hen Theorie nic ht oder nur auf unbefriedigende Weise besc hreiben ließe, als vielmehr um einen weiteren Ansatz zur Semantik deiktisc her Ausdrüc ke: den Skopismus. Aus zweierlei Gründen handeln wir diese Alternative erst hier und nic ht sc hon im zweiten Teil ab: einerseits hat nämlic h offenbar niemand jemals eine ernstgemeinte skopistisc he Analyse des Phänomens der Deixis geliefert; die Möglic hkeit geistert lediglic h als Sc hrec kgespenst durc h die klassisc h geprägte Literatur. Andererseits ergeben sic h aus der Kritik des Skopismus aus klassisc her Sic ht wiederum tiefe Einsic hten in und möglic herweise sc hwerwiegende Einwände gegen die klassische Theorie selbst.
9. Kontextabhängigkeit
Um überhaupt zu sehen, daß und wie der Skopismus ursprünglic h motiviert ist, führen wir zunäc hst ein Beispiel vor, bei dem man die für den Skopismus zentrale Skopus-Analyse auf gewisse absolut referierende Ausdrücke anwendet: (65) Anfang der siebziger Jahre war in der National-Zeitung zu lesen, in schwerer Zeit habe der Kanzler das Vaterland im Stich gelassen. Uns interessiert an (65) nur ein ganz spezieller semantisc her Aspekt, nämlic h der Beitrag, den die Kennzeic hnung der Kanzler zur Extensionsbestimmung leistet; und bei dieser Nominalphrase ist es vor allem die Zeitabhängigkeit ihrer Extension, der unsere Aufmerksamkeit gilt. Zunäc hst einmal müssen wir aber die Grobstruktur von (65) irgendwie in den Griff bekommen. Wir gehen davon aus, daß es sic h bei war in der National-Zeitung zu lesen um ein subjektloses EinstellungsPrädikat handelt, dessen Extension (in einer Auswertungssituation) die Propositionen umfaßt, die durc h die in der National-Zeitung (in derselben Situation) behaupteten Sätze ausgedrüc kt werden. Die adverbialen Bestimmungen Anfang der siebziger Jahre und in schwerer Zeit dagegen quantifizieren (existentiell) über die Auswertungs-Zeiten jeweils ganz bestimmter Zeiträume. Der gesamte Satz besagt damit, daß es einen Zeitpunkt z am Anfang der 70er Jahre gibt, so daß in der zu z ersc hienenen Ausgabe der National-Zeitung eine Behauptung aufgestellt wurde, die dann zutrifft, falls es eine Zeit z’ zwisc hen 1933 und 1945 gibt, zu dem die durc h den Satz der Kanzler hat das Vaterland im S tich gelassen ausgedrüc kte Proposition p wahr ist. Nac h der in Absc hnitt 3.3 skizzierten Semantik der Kennzeic hnungen hängt nun die Identität von p davon ab, ob die Kennzeic hnung der Kanzler deiktisc h oder absolut verstanden werden soll; der eingebettete Satz ist gerade in dieser Hinsic ht mehrdeutig. Nac h der ersten Lesart würde zur Zeit der Abfassung dieses Kapitels die Intension des eingebetteten Satzes pdgerade die (fiktiven und realen) Situationen umfassen, in denen Helmut Kohl das Vaterland im Stic h läßt; die zweite Lesart padagegen besteht aus den Situationen s, in denen der Kanzler in s das Vaterland im Stic h läßt. Im einen Falle würde also (65) auf die Behauptung hinauslaufen, daß die National-Zeitung zu Beginn der 70er Jahre Helmut Kohls Vergangenheit unter die Lupe genommen hätte; im zweiten Falle würde dem Blättc hen unter-
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stellt, es werfe dem Reic hskanzler Adolf Hitler Vaterlandsverrat vor. Es ist nic ht zu bestreiten, daß (65) in der Tat diese beiden — offenkundig falschen — Lesarten besitzt. Das Problem ist natürlic h, daß (65) in gewisser Weise stimmt. Doc h hatte es die rec htsradikale Presse zum genannten Zeitpunkt natürlic h weder auf den pfälzisc hen Konservativen noc h auf den Braunauer Rassisten abgesehen. Zielsc heibe der Angriffe war vielmehr der damals amtierende Bundeskanzler Willy Brandt. Neben pdund pasc heint also der eingebettete Satz auc h noc h die Proposition pmausdrüc ken zu können, die gerade in den Situationen zutrifft, in denen derjenige, der zum einsc hlägigen Ersc heinungsdatum z der National-Zeitung Kanzler war, im Dritten Reic h das Vaterland im Stic h gelassen hat. Diese dritte (oder mittlere) Lesart, die man mit der Auflösung der Kennzeic hnung der Kanzler in zwei Lesarten offensic htlic h nic ht bekommen kann, ergibt sic h nun auf natürliche Weise mit einer Skopus-Analyse. Wir führen das Verfahren hier nur sehr grob vor; die Details können an anderer Stelle nac hgelesen werden. Wir verweisen auf die Artikel 22 und 7. In der Tat haben wir die Tec hnik sc hon in Absc hnitt 4.1 kennengelernt, wo wir für den Zwec k der Quantorenbindung Sätze in Nominalphrasen und offene Formeln zerlegt haben. Entsprec hende Zerlegungen können wir nun auc h bei (65) und seinen Teilsätzen vornehmen, obwohl dort natürlic h gar kein Pronomen gebunden werden muß. Drei dieser Zerlegungen interessieren uns hier besonders, da sie — wie wir sogleic h sehen werden — den drei beobac hteten Lesarten entsprec hen. Zunäc hst einmal kann man (65) in die (absolut zu deutende) Nominalphrase der Kanzler und die verbleibende Matrix md (Anfang der siebziger Jahre war in der National-Zeitung zu lesen, in schwerer Zeit habe x das Vaterland im S tich gelassen) zerlegen; diese Zerlegung läßt sic h dann so deuten, daß die Extension von mddie Menge Md der Individuen ist, die die Matrix (anstelle von x) erfüllen und daß der ganze Satz wahr ist, wenn die Extension der Kennzeic hnung ein Element von Mdist. Eine zweite Möglic hkeit ergibt sic h, wenn wir lediglic h den eingebetteten Satz in der Kanzler und die Matrix mm (in schwerer Zeit habe x das Vaterland im S tich gelassen) zerlegen und das Ganze analog deuten. Drittens und letztens können wir den eingebetteten Satz ‘unterhalb’ des Temporaladverbs in der Kanzler und eine Matrix ma (x habe das Vaterland im S tich gelassen) se-
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zieren. Wie man nun leic ht nac hweist (und die Notation sc hon andeutet), entsprec hen diesen drei Zerlegungen gerade die drei vorher ausgemac hten Lesarten. Das war die SkopusAnalyse von (65). Es ist bemerkenswert, daß die SkopusAnalyse ohne die Annahme einer Ambiguität in der Kennzeic hnung der Kanzler auskommt. Daraus könnte man an dieser Stelle die (freilic h voreilige) Konsequenz ziehen, genau diese Annahme sei überflüssig. Wir lassen diesen Punkt vorerst offen und wenden uns zunäc hst einer weit radikaleren Spekulation zu, die sic h an dieser Stelle ebenso aufzudrängen sc heint. Dazu sc hauen wir uns noc h einmal genauer an, wie die direkt referentielle Lesart der Kennzeic hnung der Kanzler durc h die Skopus-Analyse von (65) abgedec kt wird. Wir haben bereits erwähnt, daß der gewünsc hte Effekt dadurc h erreic ht wird, daß der gesamte Satz (65) in die betreffende Nominalphrase plus Rest-Matrix zerlegt wird: die Extension der NP wird dann an der für die Auswertung dieses Gesamtsatzes einsc hlägigen Situation vorgenommen, und das ist — aufgrund des Prinzips (D) — gerade die Äußerungssituation. Dieser Effekt ist natürlic h von Einzelheiten des Beispiel (65) unabhängig: sobald ein Satz in eine NP plus Rest-Matrix zerlegt und im angedeuteten Sinne interpretiert wird, hängt die Extension der NP — eben wegen (D) — nur von der Äußerungssituation ab. In diesem Sinne läßt sic h direkte Referentialität durc h Skopus simulieren. Da man den komplexen Apparat der Skopus-Analyse — wie (65) zeigt — ohnehin zu benötigen sc heint, ist es nur billig zu fragen, warum man ihn dann nic ht auc h auf dem Terrain der klassisc hen Theorie, der Semantik deiktisc her Ausdrüc ke, zum Einsatz bringen sollte. Genau diese Übertragung der soeben besc hriebenen skopusanalytis c hen Te c hniken auf deiktisc he Ausdrüc ke bezeic hnen wir hier als Skopismus. Sc hauen wir uns genauer an, wohin diese Spekulation führt. Zunäc hst einmal muß klargestellt werden, daß eine Skopus-Analyse für deiktisc he Ausdrüc ke nic ht genau nac h dem Muster des eben diskutierten Beispiels vorgenommen werden darf. Denn der Witz an solc hen Ausdrüc ken wie ich und jetzt ist es ja gerade, daß sie sic h immer auf die Äußerungssituation beziehen und nic ht — wie der Kanzler in (65) — je nac h Lesart (Zerlegung) auf sie bezogen werden können oder nic ht. Eine Übertragung der Skopus-Analyse auf deiktis c he Ausdrü c ke müßte also sämtlic he Lesarten bloc kieren, bei
IV. Kontexttheorie
denen diese nic ht in Abhängigkeit von der Äußerungssituation gedeutet würden. Daß die Durc hführung einer solc hen Bloc kade kein triviales Unternehmen sein kann, sieht man vielleic ht sc hon daran, daß eine einfac he Regelung, nac h der jedes deiktisc he Element a zu einer Zerlegung des Gesamtsatzes φ(α) in a plus Rest-Matrix φ(x) Anlaß geben soll, sc hon deshalb nic ht funktionieren kann, weil der Gesamtsatz mehr als ein deiktisc hes Element enthalten könnte. Von diesem tec hnisc hen Detail abgesehen, würde eine Zurüc kführung der Deixis auf Skopus-Verhalten in einen ernsthaften Konflikt mit jeder Art von Kompositionalitätsprinzip führen. Ein Satz, der Deiktisc hes enhält, könnte nämlic h nac h dieser Analyse so gut wie nie in einen anderen Satz eingebettet werden, ohne daß sic h durc h diese Einbettung nic ht auc h seine Bedeutung ändern würde: durc h die Einbettung ergibt sic h ein neuer Gesamtsatz und somit auc h eine neue Zerlegung, die im allgemeinen nic ht zur ursprünglic hen Zerlegung äquivalent ist. In gewisser Weise liegt genau hier der Angriffspunkt der klassisc hen Theorie gegen den Skopismus; doc h davon später mehr. Sc hauen wir uns zunäc hst einmal an, was durc h die Besc hreibung der Deixis mit Hilfe der Skopus-Analyse gegenüber der klassisc hen Theorie gewonnen sein könnte. Was den Skopismus gegenüber der klassisc hen Theorie so attratkiv mac ht, ist leic ht gesagt: er kommt ohne eine Untersc heidung von Äußerungs- und Auswertungssituation und somit ohne den Charakter als zu Extension und Intension zusätzlic her semantisc her Ebene aus. Da die Untersc heidung von Charakter und Intension ja gerade durc h die klassisc he Analyse deiktisc her Ausdrüc ke in intensionalen Umgebungen motiviert war, ist das nic ht weiter verwunderlic h. Dennoc h lohnt es sic h, einmal genau nac hzusc hauen, was eigentlic h im Rahmen einer skopistisc hen Analyse aus dem ursprünglic hen Situationenpaar wird. Dazu ziehen wir eine Variante eines Beispiels zurate, das uns einmal (in Absc hnitt 1.2) zur Motivation der Dualität von Äußerungs- und Auswertungssituation gedient hat: (66) Monika vermutet, daß ich nicht spreche. Der klassisc hen Theorie gemäß sieht die logisc he Form von (66) — in der extensionalisierten Notation von Absc hnitt 2.2 — in etwa folgendermaßen aus: (66′) VERMUTEN(s, Monika, {s SPRECHEN(s, ICH(s0))})
9. Kontextabhängigkeit
In (66′) haben wir die in der Metasprac he übli c he Notation für Mengenabstraktion durc h gesc hweifte Klammern benutzt. Man beac hte, daß die zwisc hen ‘{’ und ‘’ stehende Variable s im Mengenterm gebunden ist und sic h in dieser Hinsic ht von dem ersten, freien Vorkommen von s in (66′) untersc heidet; wir haben dieselbe Variable gewählt, um hervorzuheben, daß es sic h um dieselbe Art der Bezugnahme auf Auswertungssituationen handelt. Weniger verwirrend ist jedoc h diese — vollkommen äquivalente -Notation: (66) VERMUTEN(s, Monika, {s’ ﹁ SPRECHEN(s’, ICH(s0))}) Vergleic hen wir nun diese Formel mit dem Ergebnis der entsprec henden Skopus-Analyse! Dafür müssen wir (66) zunäc hst in das deiktisc he ich und die Restmatrix vermutet, daß x nicht spricht zerlegen. (Morphologisc he Feinheiten übergehen wir wieder einmal.) Letztere enthält keine deiktisc hen Elemente — zumindest wenn wir die Finitheit ignorieren — und besitzt demnac h die folgende absolut referierende Form: (67) VERMUTEN(s, Monika, {s ﹁ SPRECHEN(s,x)}) Die Skopus-Analyse bildet jetzt aus (67) eine Menge und weist (66) die Aussage zu, daß die Extension von ich ein Element derselben ist. Wir erhalten damit: (66′) ICH(s0) ∈ {x VERMUTEN(s, Monika, {s ﹁ SPRECHEN(s, x)}) Wir haben wie in der klassisc hen Theorie die Extension von zwei Situationen abhängig gemac ht, obwohl wir ja zeigen wollen, daß nac h skopistisc her Auffassung eine einfac he Situationsabhängigkeit vollkommen ausrei c ht. Das in (66′) freie Vorkommen von s (das die Auswertungssituation für das Prädikat VERMUTEN andeutet) und das (für die Extensionsbestimmung von ICH zuständige) s0 müßten also durc h dieselbe Variable ersetzt werden können, wenn unsere Vermutung ric htig ist; und da der Sprec her-Parameter ICH nur in Bezug auf Äußerungssituationen Sinn mac ht, sollte diese eine Variable gerade s0sein. Wir erhalten somit aus (66′) eine Formel, die sic h — wieder unter Rüc kgriff auf eine gebundene Umbenennung — auf die folgende kompaktere Form bringen läßt: (66) VERMUTEN (s0, Monika, {s’ ﹁ SPRECHEN (s’, ICH(s0))}) Wir sehen also, daß das bei der klassisc hen Analyse (66k) herangezogene Paar aus Äuße-
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rungs- und Auswertungssituation in der Skopus-Analyse (66s) durc h den entsprec henden waagerec hten Diagonalpunkt ersetzt wurde: die Skopus-Analyse ist damit zur waagerec hten Diagonalisierung der klassisc hen Analyse äquivalent. Zwisc hen den beiden besteht somit durc haus ein kleiner Untersc hied. Ist damit unsere Vermutung, der Skopismus könne die klassisc he Theorie ohne Charaktere simulieren, widerlegt? Nicht ganz. Der Sc hlüssel zur Klärung des Verhältnisses der beiden Ansätze zueinander liegt in dem der klassisc hen Theorie eigentümlic hen Default-Prinzip. Denn das Prinzip (D) besagt, daß ein Satz genau in den (Äußerungs-)Situationen wahr ist, in denen auc h seine waagerec hte Diagonalisierung wahr ist. Der von Haus aus zweidimensionale Wahrheitsbegriff der klassisc hen Theorie wird auf diese Weise eindimensional. Mit Hilfe der soeben an (66) gemac hten Beobac htungen — die sic h bei einer geeigneten Präzisierung auf beliebige Sätze verallgemeinern ließen — sc hließen wir, daß der Skopismus auf denselben eindimensionalen Wahrheitsbegriff führt wie die klassisc he Theorie. Soweit sic h die zentralen semantisc hen Begriffsbildungen auf den (auf Äußerungssituationen relativierten) Wahrheitsbegriff zurüc kführen lassen, ist also der Skopismus — seine Mac hbarkeit einmal vorausgesetzt — zumindest in deskriptiver Hinsic ht der klassisc hen Theorie ebenbürtig. Eine klassisc he Kritik der Gleic hsetzung von direkter Referenz und weitem Skopus muß damit entweder (a) über die deskriptive Adäquatheit hinausgehende externe Kriterien für die Bevorzugung semantisc her Theorien angeben oder aber (b) wenigstens einen nur klassisc h (im Gegensatz zu: skopistisc h) definierbaren Begriff nennen, der nic ht nur innerhalb der klassisc hen Theorie selbst von Interesse ist. Vertreter der klassisc hen Theorie versuc hen in der Regel, den Forderungen (a) und (b) auf einen Sc hlag nac hzukommen. Wir haben ja sc hon gesehen, daß der Skopismus mit dem Makel einer inhärenten Nic ht-Kompositionalität behaftet ist. Kompositionalität ist dann auc h das klassisc herweise angeführte externe Kriterium. Der Skopismus erfüllt es nic ht; die klassisc he Theorie hingegen — Durc hführbarkeit des Programms wieder einmal außen vor — erfüllt das Monsterverbot (M) und damit eine relativ strenge Kompositionalitats-Anforderung: Kompositionalität gilt nic ht nur auf Charakter-, sondern sogar auf Intensions-Ebene. Die Intension ist zu-
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gleic h auc h der wic htigste gegen vermeintlic he Skopisten als Beleg zu (b) ins Felde geführte klassisc he Begriff: in der Skopus-Analyse verwisc ht sic h der Untersc hied zwisc hen Charakter und Intension. Wir können uns diese klassisc he Kritik leic ht anhand des obigen Analyse-Beispiels klarmac hen. Der kleine Untersc hied zwisc hen (66k) und (66s) besteht ja gerade darin, daß nur in der klassisc hen Variante (durc h die Wahl untersc hiedlic her Variablen) zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation differenziert wird. Bei der Defintion der Intension aus der Charakterformel (66k) mac ht man sic h diesen Untersc hied zunutze, indem man erstere, nic ht aber letztere mit einem konkreten Wert belegt. Eine solc he differenzierte Belegung ist aber in (66s) unmöglic h, da es hier nur eine freie Variable gibt, deren Vorkommen alle (zu)gleic h belegt werden müssen. Die Nic ht-Definierbarkeit der Intension erklärt das Sc heitern der Kompositionalität: die Intension wird gerade für eine Einbettung in intensionale Umgebungen benötigt. Daß Intensionen über ihre Rolle für eine kompositionelle Deutung hinaus irgendein Interesse haben können, muß freilic h erst noc h gezeigt werden. Dazu genügt es, sic h auf einen speziellen Typ von Intensionen, die Propositionen, zu konzentrieren. Bereits bei ihrer intuitiven Motivierung (in Absc hnitt 1.1) sind Propositionen als Satzinhalte, als das, was S ätze besagen, eingeführt worden. Sie haben somit eine — wenn auc h etwas vage — außertheoretisc he Charakterisierung erfahren. Genauer: der klassisc he Propositionsbegriff beanspruc ht, ein vortheoretisc h gegebenes Phänomen zu erfassen. Dieser Anspruc h der klassisc hen Theorie, die mit Sätzen (in Äußerungssituationen) gemac hten Aussagen durc h die von ihnen ausgedrüc kten Propositionen zu erfassen, manifestiert sic h in der Aufspaltung (E) des Informationsgehalts in zwei Komponenten. Und hier versagt der Skopismus: da mit ihm der Propositionsbegriff nic ht definierbar ist, ist er auc h nic ht in der Lage, ein Analogon zu (E) zu liefern. Damit ist er insbesondere auc h als Ausgangspunkt für die in Absc hnitt 2.5 angedeuteten erkennntistheoretis c hen Betra c htungen ungeeignet. Die die Kompositionalität betreffende klassisc he Kritik (a) des Skopismus wollen wir hier nic ht weiter diskutieren, weil sie offenkundig gerec htfertigt ist. Uns interessiert hier mehr der Einwand (b), der klassisc he Propositions-Begriff sei von unabhängigem Interesse. Wir haben bereits darauf hingewie-
IV. Kontexttheorie
sen, daß der ihm entsprec hende vortheoretisc he Begriff des Besagten ein wenig vage ist. Machen wir uns das an einem Beispiel klar: (68) Ich bin jetzt in Grasse. Was (68) besagt, hängt offensic htlic h davon ab, unter welc hen Umständen der Satz geäußert wird. Günter Grass hätte mit einer Äußerung von (68) anno 1959 etwas anderes gesagt, als es Patric k Süskind mit demselben Satz im Jahre 1989 vermag: im ersten Fall läuft die Äußerung auf die Behauptung hinaus, daß sic h der bekannte Sozialdemokrat zu einem gewissen Zeitpunkt der fünfziger Jahre in der Parfümstadt befindet, während die zweite Äußerung von einem gewissen Gegenwartsautoren besagt, er weile zu einer bestimmten späteren Zeit in der Provenc estadt. So jedenfalls lehrt es uns die klassisc he Theorie. Doc h stimmt das auc h? Stellen wir uns einmal vor, die beiden Äußerungen von (68) wären Texte auf Ansic htskarten, die die Autoren jeweils an ihre Verleger gesc hic kt hätten. Auf der Buc hmesse treffen sic h nun diese beiden Verleger, wobei der eine die Karte des anderen sieht und dieselbe mit folgenden Worten kommentiert: (69) Das hat Grass damals auch geschrieben; in Wirklichkeit hat er sich dann in Godesberg herumgetrieben. Uns interessieren die ersten drei Buc hstaben von (69), mit denen sic h der Sprec her auf die in Süskinds Ansic htskarte aufgestellte Behauptung bezieht. Da er nac h unserer Gesc hic hte zumindest mit dem ersten Teilsatz von (69) rec ht hat, kann die Extension des das in dieser Lesart (A) unmöglic h die (nac h der klassisc hen Theorie) auf Süskinds Ansi c htskarte ausgedrü c kte Proposition sein; denn über seines zukünftigen Kollegen zukünftigen Aufenthaltsort hat sic h Günter Grass zur Zeit des Parteitags sic herlic h keine Gedanken gemac ht. In einem gewissen Sinne ist also das, was mit der von uns betrac hteten Äußerung von (68) gesagt wird, nic ht dasselbe wie die Intension dieses Satzes. Natürlic h kann man den Begriff auc h in dieser Situation im Sinne der klassisc hen Theorie verstehen: wenn Süskinds Verleger ein Witzbold ist, kann er vielleic ht auf die Äußerung seines Kollegen mit seiner Bewunderung der Weitsic ht des Autoren der Blechtrommel kontern — oder seiner Verwunderung darüber Ausdruc k geben, daß sic h der von ihm selbst verlegte Erfolgsautor sc hon in so jungen Jahren für Politik interessierte. Im ersten Falle (B) hätte er dann das das im Sinne von daß
9. Kontextabhängigkeit
S üskind zur Zeit der Abfassung seiner Karte in Grasse sei, also der Intenison der betreffenden Äußerung von (68), verstanden; im zweiten Falle (C) hätte er offenbar das Demonstrativum auf die durc h S üskind befindet sich 1959 in Grasse ausgedrüc kte Proposition bezogen. Wohlgemerkt: alle drei Möglic hkeiten des Verständnisses von das sind in dieser Situation legitim — wenn auc h zwei von ihnen aus inhaltlic hen Gründen abwegig ersc heinen; und alle drei Möglic hkeiten ergeben sic h aus der waagerec hten Diagonalisierung des Charakters von (68) durc h Bezug jeweils versc hiedener situationeller Parameter auf die Äußerungssituation — aber es ist keineswegs klar, daß eine dieser drei Möglic hkeiten in einem besonderen, von den anderen beiden verfehlten Sinne das mit dem Satz (in der Situation) Gemeinte trifft. In der sc hon weiter oben benutzten Notation der Extensionalisierung kann man die drei Verständnisse des in der betreffenden Situation durc h (68) Besagten so darstellen: (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0), Zeit(s0), ICH(s0), Grasse) (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0),1989, Süskind, Grasse) (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0), Zeit(s0), Süskind, Grasse) Die von der klassischen Theorie beanspruchte Rekonstruktion eines vortheoretisc hen Begriffs ist also alles andere als offenkundig: das Beispiel legt eher den Verdac ht nahe, daß das vage alltagssprac hlic he Verständnis vom Gesagten zwisc hen der Intension (68B) im klassisc hen Sinne und anderen Möglic hkeiten der Abstraktion von Aspekten der Äußerungssituation c hangiert. Bei der vermeintlic hen Rekonstruktion handelt es sic h also allenfalls um einen normativen Eingriff in die Alltagssprac he: verwende den Begriff des Gesagten stets im Sinne des klassisc hen PropositionsBegriffs. Die Äußerung (69) des Verlegers von Grass zeugt dann von laxem Sprachgebrauch. Natürlic h waren Intensionen und speziell Propositionen in der klassisc hen Theorie und ihren Vorläufern in erster Linie herangezogen worden, um den Beitrag zu bestimmen, den ein sprac hlic her Teilausdruc k in einer nic htextensionalen Umgebung zur Bestimmung der Extension des Gesamtausdruc ks leistet. Diese Bestimmung des Propositions-Begriffs ist gegen die soeben vorgebrac hten kritisc hen Betrac htungen immun. Doc h mit ihr allein läßt sic h auc h kein wesentlic h über den Vor-
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wurf der Nic ht-Kompositionalität hinausgehender Einwand gegen den Skopismus konstruieren — allenfalls der, daß der Begriff des (kompositionellen) Beitrags zur Extension von unabhängigem (empirisc hen?) Interesse sei. Versuc ht die klassisc he Theorie, mit ihrem Intensions-Begriff irgendeinen weitergehenden Anspruc h zu stellen, bleibt ihr nur die Flucht in eine zweifelhafte Normativität. Wie die Intension in der klassisc hen Theorie aufgefaßt wird, gerät sie nic ht nur häufig mit dem vortheoretisc hen Begriff vom Gesagten in Konflikt, sondern ebensooft auc h mit einem sic h durc h einfac he Plausibilitäts-Überlegungen aufdrängenden umgebungsrelativen Begriff des Beitrags zur Extension. Das gilt zumindest im Rahmen einer Parametrisierung. Wie wir sc hon in Absc hnitt 2.3 gesehen haben, läuft eine Parametrisierung (immer unter der Annahme, daß jeder kontextuelle Parameter zugleic h auc h indexikalisc h ist) auf eine Aufspaltung 〈i,i’,c〉 jedes Referenzpunkts in die Aspekte i der Auswertungssituation, die indexikalisc hen Aspekte i’ der Äußerungssituation und die rein kontextuellen Aspekte c der Äußerungssituation hinaus. In welc her Aspektliste sic h ein Parameter P niedersc hlägt, hängt von seiner Verschiebbarkeit ab: wenn es eine (intensionale) Konstruktion gibt, die die Extension eines Gesamtausdruc ks von den Extensionen seiner Teile an solc hen Situationen abhängig mac ht, die sic h von der Äußerungssituation in P unterscheiden, dann ist P indexikalisc h; sonst ist P rein kontextuell. Man beac hte, daß die Einordnung von P ein für allemale und insbesondere unabhängig von der für die Versc hiebbarkeit verantwortli c hen Konstruktion ges c hieht: wenn es auc h nur eine einzige solc he den Parameter P betreffende Versc hiebung gibt, dann ist P grundsätzlic h indexikalisc h; die Abhängigkeit der Extension von Ps Wert muß in diesem Falle bei jeder intensionalen Konstruktion — und sei es auc h nur pro forma — berüc ksic htigt werden. In dieser Unflexibilität in der Aufspaltung der Referenzpunkte läßt sic h die Ursac he einiger Unplausibilitäten der klassischen Theorie erkennen. Ein paar Beispiele zeigen hoffentlic h, was gemeint ist. Bei ihrer Analyse werden wir uns noc h weiter von jeglic hen Standards der deskriptiven Semantik entfernen, als wir es ohnehin sc hon in diesem Kapitel getan haben. Möge der didaktisc he Zwec k, einen allgemein-theoretis c hen Punkt aufzuhellen, die Skrupellosigkeit gegenüber den Daten und ihrer Beschreibung rechtfertigen!
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Ein Modaladverb wie möglicherweise bezieht sic h — jedenfalls nac h einer naheliegenden semantisc hen Analyse — auf den Weltparameter und auf keinen anderen: (70) Möglicherweise war alles umsonst. Wenn Fritz nac h Verspeisen eines opulenten Mahls in einem Restaurant mehrere Male vergeblic h nac h der Rec hnung verlangt und dann seiner Gemahlin gegenüber die Hoffnung (70) äußert, so bringt er damit zum Ausdruc k, daß es zumindest in gewissen, wohl eher irrealen Situationen s so ist, daß der unter das Modaladverb eingebettete Satz es war alles umsonst in s wahr ist. Nic ht von jedem überhaupt denkbaren s ist jedoc h dabei die Rede, sondern lediglic h von solc hen, die sic h zur selben Zeit am selben Ort, aber nic ht unbedingt in der Wirklic hkeit abspielen. Versc hoben wird also nur der Weltaspekt. Als Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes bietet sic h somit diese Abhängigkeit vom Weltaspekt an. Ein Lokaladverb wie nirgends bezieht sic h — ebenfalls nac h einer naheliegenden semantisc hen Analyse — auf den Ortsparameter und auf keinen anderen: (71) Nirgends gibt es einen für diese Zwecke geeigneteren Ort. Wenn ein Sc hüler auf die Anordnung seiner Lehrerin, sc hleunigst den auf ihrem Stuhl befindlic hen Reißbrettstift zu entfernen, (71) erwidert, so bringt er damit zum Ausdruc k, daß keine Situation s so ist, daß der unter das Lokaladverb eingebettete Satz es gibt einen für diese Zwecke geeigneteren Ort in s wahr ist. Nic ht von jedem überhaupt denkbaren s ist jedoc h dabei die Rede, sondern lediglic h von solc hen, die sic h zur selben Zeit in derselben Welt, aber nic ht unbedingt am Ort der Äußerung abspielen. Versc hoben wird also nur der Ortsaspekt. Als Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes bietet sic h somit diese Abhängigkeit vom Ortsaspekt an. Die im Zusammenhang mit (70) und (71) angestellten Betrac htungen sind mit der klassisc hen Theorie nic ht hundertprozentig vereinbar. Wenn nämlic h die Analyse von (70) zeigt, daß der Weltparameter versc hiebbar ist und die Analyse von (71) auf die Versc hiebbarkeit des Ortsparameters hinweist, dann muß in jedem der beiden Fälle die im jeweils anderen Fall beobac htete Versc hiebbarkeit in den globalen, von der einzelnen Konstruktion unabhängigen Intensions-Begriff eingehen. Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes muß also in beiden
IV. Kontexttheorie
Fällen die Abhängigkeit von der Welt, vom Ort und von weiteren, in anderen Umgebungen beobac heten Aspekten sein. Was der Beitrag eines Teils zur Extension des Ganzen ist, hängt also nac h der klassisc hen Theorie strenggenommen von allen nic ht-extensionalen Konstruktionen der jeweiligen Sprac he bzw. von deren Besc hreibung ab. In diesem Sinne haftet der klassisc hen Theorie (bei einer Parametrisierung der Auswertungssituationen) ein holistisches Element an. Eine Alternative zu diesem Holismus könnte sic h durc h eine etwas flexiblere Auffassung von Referenzpunkten ergeben. Wir skizzieren hier nur ein denkbares Vorgehen; ob es wirklic h zu intuitiveren Resultaten führt als die klassisc he Theorie, steht in den Sternen am Ideenhimmel. Für die Skizze setzen wir eine feste Parametrisierung voraus. Für eine beliebige Menge M von indexikalisc hen Parametern ist dann ein M-Referenzpunkt ein Paar, bestehend aus einem Kontext sowie einem M-Index, d. h. einer Liste von indexikalisc hen Aspekten, die nur für jedes Element von M einen Wert enthält. Ein M-Index m läßt sic h in der Weise in einen gewöhnlic hen Index i einarbeiten, daß alle M-Aspekte in i durch die entsprec henden Aspekte von m ersetzt werden; das Resultat notieren wir als i/m. Jeder gewöhnlic he Charakter χ determiniert dann in natürlic her Weise an jedem — parametrisierten, ungespaltenen und möglic herweise unstimmigen — Referenzpunkt 〈c,i〉 eine MIntension namens χ(c)(i-M), also eine Funktion von M-Indizes in Extensionen: χ(c)(i-M) liefert für einen beliebigen M-Index m als Wert χ(c)(i/m). Ganz analog zu den in Abcs hnitt 1.4 eingeführten Begriffsbildungen kann man nun eine n-stellige syntaktisc he Operation F als M- intensional bezeichnen, falls jeweils M-intensionsglei c he Teilausdrüc ke stets zu extensionsgleic hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1, χ1’,..., χn, χn’ und alle Referenzpunkte 〈c,i〉 gilt: χ1(c)(i-M) = χ1’(c)(i-M), ..., χn(c)(i-M) = χn’(c)(i-M) impliziert ΣF(χ1, ..., χn)(c)(i) = ΣF(χ1, ..., χn)(c)(i). Und ganz analog ist eine solc he syntaktisc he Konstruktion F genau dann M-intensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also an jedem Kontext c, in dem Sinne auf eine Operation ΣFc über M-Intensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1, ..., χn und Indizes i gilt:
9. Kontextabhängigkeit
ΣF(χ1,..., χn)(c) = ΣFc(χ1(c)(i-M),...,χn(c)(iM)). Wären die für (70) und (71) skizzierten Beispielsanalysen korrekt, so wäre die Hinzufügung eines Modal- bzw. Lokaladverbs {Welt}- bzw. {Zeit}-intensional. Die Angabe der entsprec henden M-intensionalen Operationen überlassen wir — wieder in Analogie zu Absc hnitt 1.4 — der Leserin. Auf die sinngemäße Übertragung der dort im Zusammenhang mit intensionalen und gemisc hten Konstruktionen angestellten Überlegungen zur Kanonizität verzichten wir hier. Ziel der ganzen Sophisterei ist es, einen begrifflic hen Rahmen für eine Aufweic hung der klassisc hen Theorie bereitzustellen. Die Idee dabei ist zunäc hst, für jede syntaktisc he Operation F eine (im Sinne der Inklusion) möglic hst kleine Menge M indexikalischer Parameter zu finden, so daß F M-intensional ist. Sind solc he minimalen Parameter-Mengen erst einmal gefunden — in der Regel dürfte dies keine allzu großen Sc hwierigkeiten bereiten — so kann man die klassisc he Dic hotomie von Intensionalität und Extensionalität in der Grammatik durc h ein ganzes Spektrum von M-Intensionalitäten wie Temporalität (M = {Zeit}), Modalität (M = {Welt}), Propositionalität (M = {Zeit, Welt}) etc . ersetzen. Das ist zunäc hst nur eine Verfeinerung der klassisc hen Theorie. Die Situation ändert sic h aber dann, wenn die M-Intensionen nic ht nur zur Klassifikation syntaktisc her Konstruktionen herangezogen werden, sondern auc h in andere Bereic he der Theorie vordringen, wie es etwa der Fall wäre, wenn man in dem Prinzip (E) als perspektivelose Information jeweils das ganze Spektrum der M-Intensionen berüc ksic htigte, die sic h in einer Äußerungssituation durc h Abstraktion von einigen indexikalisc hen Aspekten bei gleic hzeitiger Besetzung der anderen durc h den Kontext ergeben. Sieht man einmal von der — zumeist angenommenen — reinen Kontextualität des Sprec her-Parameters ab, so hätte man hier einen Ausgangspunkt zur Erfassung des im Zusammenhang mit (68) beobac hteten Changierens des Besagten; die angesproc hene Lüc ke läßt sic h dann entweder durc h Quadratur oder durc h Erweiterung des Begriffs der M-Intensionaltitäten schließen. Die obigen Andeutungen sind zugegebenermaßen sehr vage und unfertig, können aber als Anregung für eine weitere Besc häftigung mit dem neuerlic h im klassisc hen Rahmen aufgetauc hten, leic ht beunruhigenden Phänomen der quantifizierten Kontexte verstanden werden. Das Phänomen besteht
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darin, daß gestandene kontextuelle Parameter urplötzlic h dabei erwisc ht werden, wie sie durc h sprac hlic he Operatoren gebunden, also versc hoben, werden. Hier zunäc hst ein harmloses, weil klassisc h erklärbares Beispiel, das wir bereits in Absc hnitt 1.3 angesproc hen haben: (72) Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Immer unter der Annahme, daß es sic h bei Vater um ein funktionales Substantiv handelt und daß weiterhin ein fehlendes Argument stets durc h den Kontext beigesteuert wird, gibt es hier ein ernsthaftes Problem. Offensic htlic h besagt ja (72) in seiner näc hstliegenden Lesart nic ht, daß die Vatersc haft eines ganz bestimmten, vielleic ht unmittelbar vor Äußerung des Satzes erwähnten Kindes eine Bürde ist; gemeint ist offenbar vielmehr eine Aussage über die Vatersc haft im allgemeinen. Je nac h Skopus der Negation ist also die Argumentposition existentiell oder universell abquantifiziert. In jedem Falle müßte man dann aber von der für kontextuelle Auffüllung vorgesehenen Stelle abstrahieren, was nac h den Regeln der klassisc hen Theorie nic ht möglich ist. Das Problem mit (72) kann man auf versc hiedene Weisen lösen. Zunäc hst sei darauf hingewiesen, daß die betreffende deiktisc he Position unsic htbar ist und insofern — ähnlic h wie das fehlende Subjekt des Infinitivs im vorhergehenden Absc hnitt — relativ beliebig manipuliert werden kann: vielleic ht handelt es sic h bei der für die quantifizierte Lesart verantwortlic hen Konstruktion um eine andere, nic ht deiktisc he Possessivierung als die in Absc hnitt 3.3 diskutierte. Eine andere Möglic hkeit der Erklärung ist rein pragmatisc her Natur: (72) hat so etwas Spric hwörtlic hes. Und bei allgemeinen Lebensweisheiten abstrahiert man sc hon einmal vom Kontext. So z. B. auch in: (73) Ich kann doch nicht einerseits andauernd Nächstenliebe predigen und andererseits sämtliche Nachbarn verklagen. Das ich wird in (73) weniger als Bezeichnung des Sprec hers, sondern eher als Stellvertreter für dessen Perspektive oder Rolle (moralisc hes Subjekt) verstanden, über die durc h den Einleitungssatz quantifiziert wird. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß man derartige Quantifikationen in die Art des Sprec hakts und somit in die Pragmatik absc hieben kann. Und was bei (73) geht, könnte auc h bei (72) funktionieren.
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Die näc hsten beiden Beispiele zeigen, daß die Fluc ht in die Pragmatik keine Erlösung vom Übel der quantifizierten Kontexte bringt: (74) Die meisten Unternehmen sprechen die Preisgestaltung mit der Konkurrenz ab. (75) Jeder Gast ist mir willkommen — und sei es nur, damit wir über den Rest der Welt lästern können. Es sollte klar sein, daß eine Deutung von (74) als Spruc h über die Konkurrenten im allgemeinen zu einer abwegigen Lesart führt. Allerdings besteht natürlic h hier wieder die Möglic hkeit einer Wegerklärung der KontextVersc hiebung durc h eine weitere Possessivierungs-Konstruktion, bei der weder durc h den Kontext aufgefüllt noc h existentiell (oder sonstwie) quantifiziert wird, sondern eine unsic htbare Variable für spätere Bindungen (im Sinne von Abschnitt 4.1) eingeführt wird. (75) ist härter. Das Problem ist, daß das Wort wir nic ht auf eine bestimmte, in der Äußerungssituation besonders wic htige, den Sprec her umfassende Gruppe verweist, wie wir das von den Betrac htungen zu Beginn des Absc hnitts 3.1 her erwarten würden. Vielmehr sc heint sic h das Wort wie eine durc h das Subjekt des Hauptsatzes gebundene Variable für relevante, den tatsächlichen Sprec her umfassende Gruppen zu handeln: wir heißt so viel wie ich und der jeweilige Gast. Damit wird aber der für die Bestimmung der ric htigen Gruppe zuständige Eins c hlägigkeits-Aspekt gebunden; nac h der klassisc hen Theorie erweist er sic h damit als indexikalisc h. Doc h damit widerspric ht das Pronomen ich der Hypothese (L); denn der Sprec her-Aspekt wird für die Bestimmung der Extension von wir in (75) nac h wie vor vom Kontext beigesteuert. Alle diese Beispiele weisen offenbar darauf hin, daß die Untersc heidung von indexikalics hen (vers c hiebbaren) und kontextuellen Aspekten nic ht in der von der klassisc hen Theorie postulierten Weise funktioniert. Ob eine Aufweic hung der Theorie hier wirklic h weiterhilft, ist allerdings unklar. In jüngster Zeit werden stattdessen auc h Möglic hkeiten einer radikalen Revision oder sogar Ersetzung der klassisc hen Theorie der Deixis untersuc ht. Ausgangspunkt einiger dieser Untersuc hungen sind gewisse Inadäquatheiten der SkopusAnalyse von Kennzeic hnungen und quantifizierenden Nominalphrasen. So kann man mit der Skopus-Analyse beispielsweise nic ht so rec ht erkären, warum (76) (auc h) in dem Sinne zu verstehen ist, daß der besagte Alt-
IV. Kontexttheorie
Nazi lediglic h in der Zeit vor den im zweiten Satz beric hteten Aktivitäten Bürgermeister war: (76) Nach dem Krieg blieben viele der Parteimitglieder ohne Gesinnungswechsel im Amt. Der Bürgermeister, der freilich inzwischen hatte zurücktreten müssen, wurde noch Jahre später auf NPDKundgebungen gesehen. Als Ersatz für die Skopus-Analyse werden deshalb oft Strategien zur Verteilung von Referenzpunkten (genauer: Variablen für solc he) für die Extensionsbestimmung von absoluten Teilausdrüc ken vorgesc hlagen. Diese Strategien lassen sic h dann wieder zur Analyse der Deixis heranziehen. Ob sic h damit die in diesem Absc hnitt genannten Probleme der klassisc hen Theorie lösen lassen und welc he neuen Probleme sic h aus einer solc hen Vorgehensweise ergeben, steht natürlic h auf einem anderen Blatt. Aber eine neue Perspektive ergibt sich allemale. 4.4 Mißbrauch Zum Absc hluß des Artikels stellen wir zwei Erweiterungen der klassisc hen Theorie vor, die sic h zwar teilweise nac h dem Buc hstaben derselben ric hten, ihrem Geist jedoc h fremd sind. Die erste dieser Erweiterungen ergibt sic h aus der sc hon zu Beginn von Teil 3 angesproc henen und von der Theorie nur sc hwer auszus c hließenden Mögli c hkeit abwegiger Parametrisierungen; die zweite ist eine Revision, die die in Absc hnitt 2.5 betrac hteten Konsequenzen der erkenntnistheoretis c hen Umdeutung noc h einmal neu interpretiert. Die Tatsac he, daß die klassisc he Theorie nic ht in der Lage ist, sic h vor diesen — keineswegs fiktiven — Mißbräuc hen zu sc hützen, muß natürlic h besonders heutzutage jeden verantwortungsbewußten Wissens c haftler c na hdenklich stimmen. Für den ersten Mißbrauc h genügt es, sic h eine auffällige Eigentümlic hkeit deiktisc her Wörter vor Augen zu halten. Ein Charakteristikum von ich ist es beispielsweise, daß es in versc hiedenen Situationen versc hiedene Extensionen annehmen kann. Darin untersc heidet sic h das deiktisc he Wort nic ht von den meisten absoluten Wörtern. Der Untersc hied besteht — wenn die klassisc he Theorie rec ht hat — darin, daß die Situationsabhängigkeit beim absoluten, nic ht aber beim deiktisc hen Wort einen Beitrag zur Extensionsbestimmung leisten kann. Untersc hiedlic he Extensionen in versc hiedenen Situationen trifft man
9. Kontextabhängigkeit
aber auc h aus offensic htlic h ganz anderen Gründen an. Vom sc hwierigen Sonderfall der Eigennamen [die Gegenstand von Artikel 16 sind] einmal abgesehen, begegnen wir wec hselnden Extensionen insbesondere dort, wo auc h die Intensionen wec hseln, nämlic h bei Ambiguitäten. Und ganz wie beim deiktisc hen Ausdruc k leistet der Intensionswec hsel als solc her keinen Beitrag zur Extensionsbestimmung. So wie sic h ich stets auf den Sprec her der Außerungssituation bezieht, bezieht sic h auc h ein mehrdeutiges Wort wie S chloß stets auf das, was in der Äußerungssituation mit S chloß gemeint ist. Mac hen wir uns diese elementare Tatsac he anhand eines einigermaßen beliebigen Beispiels klar: (77) Caroline hat vor, sich morgen ein Schloß zu kaufen. (77) hat (mindestens) vier Lesarten, die sic h durc h Ausmultiplikation einer uns hier nic ht weiter interessierenden strukturellen (Skopus-) Mehrdeutigkeit — beliebiges versus bestimmtes Sc hloß — mit der lexikalisc h bedingten Ambiguität von S chloß ergeben. Nac h einer dieser vier Lesarten plant etwa Caroline (im Sinne einer in Absc hnitt 4.2 dargestellten Analyse), die Eigensc haft zu besitzen, die ein Individuum x in einer Welt w genau dann hat, wenn es in w ein Herrsc haftsgebäude gibt, welc hes x (in w) am Tag nac h der Äußerung von (77) käuflic h erwirbt. Eine Lesart, die (77) nic ht besitzt, ist die, nac h der sic h Carolines Trac hten auf einen beliebigen Zeitpunkt ric htet, an dessen darauffolgenden Tag sie sic h dann das Sc hloß kauft: morgen rec hnet vom Tag der Äußerung an. Ebenso gibt es keine Lesart, nac h der Caroline am Tag nac h der Äußerung etwas kaufen will, das entweder eine Sc hließvorric htung oder ein Gebäude ist — je nac hdem, wie in der Kaufsituation S chloß verstanden würde: die Disambiguierung findet also in der Äußerungssituation statt. Die Tatsac he, daß lexikalisc he Disambiguierungen in der Äußerungssituation stattfinden, könnte man nun als Indiz für einen Bezug mehrdeutiger Lexeme auf die Äußerungssituation werten. Lexikalisc he Ambiguität wäre demnac h ein Spezialfall von direkter Referenz. Damit ließen sic h die Begriffsbildungen der klassisc hen Theorie von der Referenzbestimmung auf die — für gewöhnlic h als davorgesc haltet aufgefaßte — Disambiguierung übertragen. Alles, was man dazu benötigt, ist offenbar ein Bezug auf die durc h ein (mehrdeutiges) Lexem in einer Äuße-
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rungssituation ausgedrüc kte Lesart bzw. — im Rahmen einer Parametrisierung — einen (rein kontextuellen) Disambiguierungsparameter. Die Einführung eines solc hen Parameters stellt den ersten von uns angekündigten Mißbrauc h der klassisc hen Referenztheorie dar. Mac hen wir uns einige Konsequenzen dieses sträflichen Vorgehens klar. Ein erster Grund für Skepsis gegenüber einem Disambiguierungsparameter ist, daß mit ihm das Prinzip (L) von der Zweiteilung des Lexikons zerstört wird. Das können wir uns wieder anhand des Beispiels (77) klar mac hen. Carolines Vorhaben ric htet sic h bei der von uns ins Auge gefaßten Lesart ja nic ht auf die Objekte, die zum Zeitpunkt der Äußerung Sc hlösser sind: was heute ein Sc hloß ist, kann in unserer sc hnellebigen Zeit sc hon morgen eine Ruine sein. Die Extension von Schloß wird also für die Auswertungssituation ermittelt. Damit besitzt aber das Lexem S chloß eine gemisc hte Referenzweise: die Extension hängt — wegen der Disambiguierung — sowohl von der Äußerungs- als auc h von der Auswertungssituation ab. Mehr Unbehagen gegen eine Disambiguierung durc h die Äußerungssituation stellt sic h ein, wenn man bedenkt, daß diese zu einer Erweiterung des Einflußbereic hs der Tokenanalyse führt: (78) In Carolines Schloß muß das Schloß am Hauptportal erneuert werden. Eine einzige Äußerungssituation für (78) würde für die beiden Vorkommen von Schloß ein und dieselbe Lesart determinieren. Um das zu verhindern, müßte man also die Situation im Sinne einer Tokenanalyse aufspalten. Ohne Disambiguierungsparameter wäre das nicht nötig. Damit nic ht genug. Wenn man dem Kontext sc hon die Arbeit aufbürdet, (78) zu disambiguieren, sollte man eigentlic h (79) gleic h dazutun: (79) Ein Wechsel der Bank bewirkt keinen Unterschied im Gehalt. (79) besitzt (mindestens) ac ht Lesarten, von denen die meisten freilic h aus inhaltlic hen Gründen rec ht eigenartig sind. Der Untersc hied zu (78) ist, daß die Mehrdeutigkeiten in (79) nic ht auf Mehrdeutigkeiten der beteiligten Wörter, sondern auf das Zusammenfallen von Wortformen zurüc kzuführen sind. Wechsel kann ein Austausc h oder ein Zahlungsmittel bezeic hnen, aber nur im zweiten Fall kann man auc h einen Plural bilden. (Bei der Bewertung dieses Beispiels mag es dialek-
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tale Untersc hiede geben!) Die Pluralbildung entlarvt auc h die beiden Lesarten der Wortform Bank als zu versc hiedenen Wörtern gehörig. Bei Gehalt ist es noc h einfac her: hier gibt es (neben anderen morphologisc hen Untersc hieden) zwei Genera. Wollte man nun (79) mit Hilfe der Charaktere der betreffenden Wörter disambiguieren und etwa ein einziges Wort Bank mit kontextabhängiger Intension unterstellen, so könnte man sc hlec ht erklären, warum dann der Plural einmal Banken, ein anderes Mal Bänke lautet und wieso obendrein die Intension von der Wahl der Pluralform abhängt. Wenn man andererseits den Formen selbst Charaktere zuweist, gibt man damit den Wortbegriff für semantis c he Zwec ke auf und könnte nic ht mehr erklären, warum beispielsweise in der überragenden Zahl der Fälle morphologisc h eng verwandte Formen auc h die gleic hen Charaktere besitzen. Will man derartig absurde Konsequenen vemeiden, muß man den Aktionsradius des Disambiguierungsparameters auf ec hte lexikalisc he Ambiguitäten — unsystematisc he Mehrdeutigkeiten auf der Wortebene — wie in (78) einsc hränken. Da aber auc h für Mehrdeutigkeiten auf der Formebene in aller Regel Disambiguierungen vorgenommen werden, muß man diese auf andere Mec hanismen — etwa auf pragmatisc h erklärbare Verstehensstrategien — zurüc kführen. Die Annahme solc her zusätzlic hen, über den Disambiguierungsparameter hinausgehenden Strategien mac ht aber ebendiesen überflüssig: die Auflösung einer Ambiguität wie (79) sc heint kein prinzipiell anderes Unternehmen zu sein als die Disambiguierung von (78) und so werden sic h Strategien zur Lösung des ersten Problems auch auf das zweite übertragen lassen. Au c h bei strukturellen Ambiguitäten dürfte die Annahme eines Disambiguierungsparameters zu Sc hwierigkeiten führen. Denn die Bestimmung der Extension komplexer Ausdrüc ke gesc hieht zumindest nac h landläufiger Meinung anhand der syntaktisc hen Struktur, die also für diese Zwec ke bereits vorausgesetzt wird. Nac h einer ebenso verbreiteten Ansic ht werden strukturelle Ambiguitäten aber durc h die syntaktisc he Struktur aufgelöst, weswegen die Identifikation der korrekten Lesart über einen kontextuellen Parameter — wie auc h immer diese vonstatten gehen mag — wieder überflüssig zu sein scheint. Wenig einwenden gegen eine Disambiguierung durc h Kontextabhängigkeit läßt sic h dagegen bei einer Besc hränkung auf Polysemien,
IV. Kontexttheorie
also Mehrdeutigkeiten auf der Wortebene mit erkennbarem, systematis c hen Zusammenhang zwisc hen den Lesarten. Ein typisc hes Beispiel ist die Möglic hkeit, mit Bezeic hnungen für Institutionen, die in einem Gebäude untergebrac ht sind, zugleic h auc h auf die Gebäude zu verweisen: (80) Die Universität ist vollkommen uninteressant. Wenn ein Baumeister (80) in einem Vortrag über die Bodenseestadt Konstanz äußert, kann er damit (a) ein fac hlic h-ästhetisc hes Urteil über ein gewisses Bauwerk ausdrüc ken oder aber zu verstehen geben, daß (b) Arc hitektur nic ht zu den an der dortigen Universität gelehrten Fäc hern gehört. Wollte man diese Mehrdeutigkeit unter Rüc kgriff auf einen Disambiguierungsparameter auflösen, so ließen sic h dagegen dieselben Bedenken vorbringen wie in den anderen bisher betrac hteten Fällen. Das Systematisc he an dieser Zweideutigkeit eröffnet aber zugleic h eine ganz andere Möglic hkeit, die klassisc he Analyse der Kontextabhängigkeit zum Einsatz zu bringen. So könnte man etwa der Lesart (a) eine komplexere logisc he Form unterlegen, in der dem Subjekt von (80) eine Besc hreibung wie ‘das der Universität entsprec hende Gebäude’ oder (falls die Polysemie Ausdruc k eines allgemeineren Phänomens sein sollte) ‘das der Universität entsprec hende konkrete Ding’ entspric ht. Die einsc hlägige Entsprec hungs-Relation beizusteuern wäre dann Aufgabe eines Kontext-Parameters. Wenn dieses Vorgehen hier auc h etwas gezwungen wirken mag, so wollen wir zumindest auf die prinzipielle Möglic hkeit einer solc hen semantisc hen Auflösung von Polysemien und den prinzipiellen Untersc hied zur Annahme eines Disambiguierungsparameters hinweisen: die hier skizzierte — und sc hon in Absc hnitt 3.3 angesproc hene — Zurüc kführung von Polysemien auf unsic htbare Kontextvariablen setzt einen hohen Grad von systematisc her Vorhersagbarkeit der Lesarten voraus. Insbesondere ist also keineswegs gesagt, daß man alle in der Literatur als Polysemien abgehandelten Phänomene in dieser Weise behandeln könnte oder sollte. Daß die klassisc he Theorie nic ht zur Auflösung lexikalisc her Ambiguitäten herangezogen werden sollte, heißt natürlic h nic ht, daß jeglic he Besc hreibung oder Erklärung dieses alltäglic hen Vorgangs mit der klassisc hen Theorie unvereinbar ist. Die Bestimmung der korrekten Lesart ist nur nic ht Gegenstand der
9. Kontextabhängigkeit
Semantik, sondern der Pragmatik. Die Frage, welc he Lesart eines Ausdruc ks in einer bestimmten Äußerung gemeint ist, hat für die klassisc he Theorie also weniger mit der Extensionsbestimmung zu tun als etwa mit der Frage, was der Sprec her mit seiner Äußerung wohl bezwec ken will, welc her Sprac he diese Äußerung entstammt und ob er überhaupt etwas aussagt oder nic ht vielmehr nur hustet oder nachplappert. Über das Verhältnis von Kontextabhängigkeit und Mehrdeutigkeit ließe sic h noc h einiges mehr sagen, doc h interessiert uns hier eigentlic h nur der Aspekt der Pervertierung der klassisc hen Theorie durc h Hinzunahme eines Disambiguierungsparamters. Wir weisen noc h einmal darauf hin, daß es — abgesehen von der Hypothese (L) — keine theorieinternen Gründe für den Aussc hluß eines solc hen Parameters zu geben sc heint und sehen darin zumindest eine unerfreulic he Lüc ke der klassischen Theorie. Der Ausgangspunkt des zweiten TheorieMißbrauc hs ist die gegen Ende von Absc hnitt 2.5 notierte und dort philosophisc h gewendete Beobac htung, daß die klassisc he Theorie zwei voneinander unabhängige Trivialitätsbegriffe bereitstellt: das auf Charaktere bezogene A Priori und die Notwendigkeit als Eigensc haft von Propositionen. Der erste Begriff spielt dabei eine der Gültigkeit aus der Logik analoge Rolle: eine gültige Formel ist eine solc he, die — als alleinstehende Formel und nic ht als Teilformel betrac htet — stets (in allen Modellen) wahr ist; ebenso ist ein Satz a priori wahr, wenn er in Isolation — also nic ht eingebettet — geäußert stets (in allen Äußerungssituationen) wahr ist. Da es einen Untersc hied mac ht, ob ein Satz in diesem Sinne logisc h trivialerweise wahr ist oder ob er eine notwendige Proposition ausdrü c kt, könnte man hier einen neuen Ansatzpunkt für das Problem der mangelnden Feinheit des Propositions-Begriffs suc hen, das sic h ja — wie wir in Absc hnitt 4.2 gesehen haben — vor allem darin äußert, daß äquivalente Sätze im Rahmen der klassisc hen Theorie allzu leic ht füreinander ersetzbar ersc heinen. Doc h a priorische Äquivalenz — also Extensionsgleic hheit in allen Äußerungssituationen — impliziert ja nic ht unbedingt intensionale Äquivalenz, d. h. (im Falle von Sätzen) Gleic hheit der ausgedrüc kten Proposition. So sind zwar (81) und (81′) a priori äquivalent, drüc ken aber — nac h klassisc her Auffassung — niemals dieselbe Proposition aus:
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(81) Alain geht zur Schule. (81′) Alain geht jetzt zur Schule. Der intensionale Untersc hied zwisc hen diesen beiden Sätzen erklärt dann auc h — ebenfalls nac h klassisc her Auffassung — warum sie sic h z. B. bei Einbettung unter die temporale Präpositionalphrase nächstes Jahr verschieden verhalten. Könnte man da nic ht einen ebenso feinen Untersc hied zwisc hen (81) und dem logisc h äquivalenten (81″) annehmen, der sic h dann ganz analog erst bei Einbettung unter, sagen wir einmal, Einstellungsverben bemerkbar macht? (81″) Wenn Alain nicht zur Schule geht oder Tom den Kindergarten besucht, dann geht Alain zur Schule. (Wir nehmen selbstverständlic h an, daß in (81″) wenn — dann, nicht und oder im Sinne der klassisc hen Aussagenlogik zu verstehen sind; wer Skrupel hat, möge das Beispiel austausc hen.) Die Annahme möglic her intensionaler Untersc hiede zwisc hen logisc h äquivalenten Sätzen stellt den zweiten hier betrac hteten Mißbrauc h der klassisc hen Referenztheorie dar. Mac hen wir uns einige Voraussetzungen für dieses sträfliche Vorgehen klar. Wir wollen hier nic ht infrage stellen, daß logisc he Äquivalenz auc h Äquivalenz a priori nac h sic h zieht. Demnac h müssen Satzpaare wie (81) und (81″) in allen Äußerungssituationen denselben Wahrheitswert zugewiesen bekommen. Die näc hstliegende (und hier einzig betrac htete) Methode, um das zu garantieren, besteht ganz einfac h darin, dem in solc hen Sätzen auftretenden logisc hen Material (in unserem Falle: den Junktoren) eben an allen entsprec henden Referenzpunkten die von der Logik her zu erwartende Extension zuzuweisen: nicht denotiert danac h an beliebigen Punkten der Gestalt 〈s0,s0〉 die Umkehrung der Wahrheitswerte etc . Die a priorisc he Äquivalenz von (81) und (81″) ist dann im wesentlic hen das Werk der Kompositionalität. Natürlic h dürfen wir jetzt nic ht — wie sonst in der klassisc hen Theorie üblic h — diese Annahme des Standardverhaltens des logisc hen Materials auf beliebige Referenzpunkte übertragen; denn auf diese Weise würden — wie man leic ht nac hprüft — die entsprec henden Sätze auc h stets intensional gleic h, was wir ja verhindern wollen. Also benötigen wir Punkte 〈s0,s〉, an denen beipielsweise nicht nic ht die Wahrheitswertumkehrfunktion denotiert. Wir nennen solc he 〈s0,s〉 einmal Nonstandard-Punkte. Mit der Annahme von Nonstandard-Punkten sind
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nun zwei Probleme verbunden, die sic h beide nic ht auf befriedigende Weise lösen zu lassen sc heinen. Diese Tatsac he und der Umstand, daß zwisc hen dem Kontrast (81) versus (81′) einerseits und dem Untersc hied zwisc hen (81) und (81″) andererseits keine intuitive Parallele besteht, läßt uns die hier angedeutete Möglic hkeit zur Verfeinerung des PropositionsBegriffs als Irrweg erscheinen. Die beiden Probleme deuten darauf hin, daß der Begriff des Nonstandard-Punkts rec ht dunkel ist; die Annahme eines intensionalen Untersc hieds zwisc hen (81) und (81″) impliziert also die Existenz von höc hst zweifelhaften Objekten. Problem Nummer Eins ist sc hlic ht: wie soll ein Nonstandard-Punkt 〈s0,s〉 überhaupt aussehen, was ist seine interne Struktur? Wir können lediglic h sagen, daß es sic h bei s0und s nic ht um dieselbe Situation handeln kann. Unklar aber ist, ob die beiden überhaupt etwas gemeinsam haben oder haben können (die Welt oder die Zeit etwa), ob s eine Äußerungssituation sein kann, ob s unstimmig sein kann oder gar muß etc . Das Problem ist nic ht, daß diese Fragen nic ht so zu beantworten wären, daß sc hließlic h irgendeine Verfeinerung des Propositionsbegriffs herauskäme. Das Problem ist, daß offenbar jede Beantwortung dieser Fragen willkürlic h zu sein sc heint. Ein NonstandardPunkt ist einfac h ein Referenzpunkt, an dem die Logik nic ht mehr stimmt. Warum das so ist und wie der Referenzpunkt ansonsten aussieht, ist egal — solange er nur nic ht auf der Diagonalen liegt. Und diese letzte, einzig von dem Bestreben, die A Priorizität der logisc hen Wahrheit zu garantieren, geleitete Einsc hränkung ersc heint noc h besonders willkürlic h. Problem Nummer Zwei betrifft das Nonstandardverhalten der logisc hen Ausdrüc ke: wenn die üblic he, von der Logik her zu erwartende Extension tabu ist, was ist dann die Extension eines logisc hen Ausdruc ks an einem Nonstandard-Punkt? Bezeic hnet also etwa das Wort nicht stets entweder die Umkehrfunktion oder eine ganz bestimmte, andere Funktion — oder variiert die Extension der NegationsPartikel von einem Nonstandard-Punkt zum näc hsten? Kann die Extension eines ansonsten extensionalen Junktors an einem Nonstandard-Punkt intensional sein? Wieviele logisc he Ausdrüc ke können an einem Nonstandard-Punkt von ihrem Standardverhalten abweic hen: alle, fünf oder nur einer zur Zeit? Auc h bei diesen Fragen besteht nic ht das Problem, daß man sie nic ht irgendwie beantwor-
IV. Kontexttheorie
ten könnte; aber man muß sie eben irgendwie beantworten. Die gemeinsame Ursac he dieser Probleme ist offensic htlic h, daß man sic h unter einem Referenzpunkt, an dem die Logik versagt, nic hts Rec htes vorstellen kann. Lediglic h die Idee, eine spezielle Eigensc haft der klassisc hen Theorie zur Verfeinerung des PropositionsBegriffs heranzuziehen, hat überhaupt erst zur Annahme der Existenz dieser Punkte geführt. Oder waren sie vielleic ht sc hon vorher da, ohne daß sie jemand bemerkt hat? War vielleic ht die in Absc hnitt 1.3 erwähnte, für gewöhnlic h als Selbstverständlic hkeit hingenommene Annahme, logisc he Wörter seien sowohl deiktisc h wie auc h referentiell und hätten mithin stets dieselbe Extension, sc hlic htweg falsc h? In der Tat: ist denn nic ht sc hon eine fiktive Situation, in der eine andere Sprac he gesproc hen wird, die sic h vom Deutsc hen lediglic h in der Semantik einiger (bei uns) logisc her Wörter untersc heidet, ein geeigneter Ausgangspunkt zur Konstruktion eines Nonstandard-Punkts? Nein. Denn die Extensionsbestimmung mit Hilfe klassisc her Charaktere erfolgt ja nic ht nac h den Regeln der Sprac he, die in einer betrac hteten Situation gesproc hen wird. Wäre dies so, könnten wir mit klassisc hen Mitteln nic ht einmal Sätze deuten, in denen von der Frühzeit der Erde die Rede ist; und Sätze über fremde Länder und Kulturen bekämen haufenweise falsc he Lesarten zugewiesen. Außerdem hätte die Hinzunahme und entsprec hende Deutung solc her Äußerungssituationen unmittelbar zur Folge, daß A Priori und Notwendigkeit leere Begriffe würden. Die Tatsac he, daß wir auc h an exotisc hen Referenzpunkten die Extensionsbestimmung nac h den tatsäc hlic hen Regeln des Deutsc hen vornehmen müssen, zeigt also gerade, daß es im Rahmen der klassisc hen Theorie keine Nonstandard-Punkte geben kann. Aus der Not der Unbekanntheit von Nonstandard-Punkten könnte man natürlic h eine Tugend der Unterdeterminiertheit mac hen. Wie das geht, zeigt eine Analogie zu einem in der logisc hen Semantik durc haus üblic hen (in Abschnitt 1.2 als abstrakt und formal bezeichneten) Vorgehen bei der Deutung sprac hlic her Ausdrüc ke. Anstatt ihnen nämlic h einfac h — bei lexikalisc hen Ausdrüc ken durc h Auflistung und ansonsten über Regeln — Charaktere zuzuordnen, wird normalerweise nur gesagt, wie so eine Zuordnung im allgemeinen auszusehen hat. Das läßt dann allerhand, für semantisc he Zwec ke in der Regel uninteres-
9. Kontextabhängigkeit
santen Spielraum für die konkrete Ausführung. Diesen Spielraum könnte man durc h definitorisc he Setzung einfac h auf die Hinzunahme beliebiger Nonstandard-Punkte erweitern. Die Konsequenz wäre, daß jede Beantwortung der Fragen des vorletzten Absatzes zu einer theoretisc h möglic hen Interpretation führt. Auf diese Weise könnte man zwar peinlic hen Fragen nac h der Natur der Sac he gesc hic kt aus dem Weg gehen, hätte aber keine Einsic ht in das tatsäc hlic he Funktionieren der Sprac he gewonnen, sondern nur ein Wohlverhalten des zur Modellierung herangezogenen formalen Apparats erzwungen. Und soll das der Zwec k des ganzen Unternehmens sein?
5.
Historisch-bibliographische Anmerkungen
Die Literatur zum Thema ‘Kontextabhängigkeit’ ist ausgesproc hen umfangreic h und dem Verfasser dieser Zeilen nur zu einem Bruc hteil bekannt. Die folgenden Hinweise erheben daher keinen Anspruc h auf Vollständigkeit, nic ht einmal auf Repräsentativität. Genannt werden lediglic h die wic htigsten Quellen, auf denen der Text basiert, ein paar Klassiker sowie ausgewählte Werke, die tiefer ins Detail gehen. Die Bemerkungen sc hließen sic h in Aufbau und Reihenfolge in etwa an den Haupttext an; Absc hnitte entsprec hen Teilen (1—4), Absätze Abschnitten (1.1 etc.). 5.1 Zur klassischen Theorie Die Beobac htung, daß sic h sprac hlic he Ausdrüc ke gelegentlic h auf die Welt beziehen und insofern Extensionen haben, ist zu offensic htlic h, um historisc h belegt zu werden. Ein früher Versuc h, auf systematisc he Weise Extensionen (’Bedeutungen’) für beliebige sprachlic he Ausdrüc ke zu finden, ist Frege (1892). Aus demselben Werk stammt auc h die Idee des Wahrheitswertes als Satzextension sowie die Einführung von Ersatzextensionen (’Sinnen’) zur Rettung eines (impliziten) Kompositionalitätsprinzips. Die mengentheoretisc he Bestimmung der Wahrheitswerte und ihre prädikatenlogisc he Motivation findet man allerdings erst in Tarski (1936). Die Charakterisierung von Intensionen als extensionsbestimmende Funktionen geht letztlic h auf Carnap (1947) zurüc k, wo jedoc h (in § 29) ausdrüc klic h auf die Untersc hiede zum Fregeschen Sinn-Begriff hingewiesen wird. Deutungen von Satzeinbettungen wie in
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(R*) gehören — ausgehend von Hintikka (1969b) — zum logisc h-semantisc hen Allgemeingut; der Begriff der singulären Proposition geht auf Kaplan (1975) zurüc k, wo er mit der Russellsc hen Ontologie in Zusammenhang gebrac ht wird. Daß deiktisc he Ausdrüc ke sic h nic ht nahtlos in das durc h die Untersc heidung von Extension und Intension gewonnene Bild fügen, ist sc hon in Frege (1918) gesehen worden. Die im Text gegebene Darstellung sc hließt sic h im Geiste Kaplan (1977) an, dem Urtext der hier als ‘klassisc h’ bezeic hneten Referenztheorie. Die Ursprünge dieser Theorie sind nic ht ganz eindeutig zu ermitteln, sc heinen aber in Kalifornien zu liegen: Kamp (1971) und Vlac h (1973) gelten als erste Vorläufer; Montague (1968: Absc hnitt 3) und Montague (1970: Absc hnitt 4) sind weitere frühe (freilic h wenig explizite) Zeugnisse. Einen guten und ausführlic hen Einstieg bietet das erste Kapitel von Kratzer (1978). Die Untersc heidung versc hiedener Referenzweisen liegt im Rahmen der klassisc hen Theorie zu nahe, um irgendjemandem zugesc hrieben werden zu können. Die Hypothese (L) ist wahrsc heinlic h neu (aber ebenfalls nic ht besonders originell). Auf den Zusammenhang zwisc hen (L) und die in der generativen Syntax üblic he Abspaltung der Finitheit vom lexikalisc hen Verb hat Arnim von Stec how (in einem Kommentar zu einem Vorläufer dieses Kapitels) hingewiesen. Die Auffüllung unterdeterminierter Dimensionen durc h die Äußerungssituation ist in Bartsc h (1986) vorgesc hlagen worden; eine entsprec hende Einbeziehung von Standards findet man in E. Klein (1980). Der Operator dthat ist prä-klassisc h und stammt aus Kaplan (1978); vgl. auch Kaplan (1977: Kapitel XII). Das Allgemeine Kompositionalitätsprinzip findet man in Montague (1970: Absc hnitte 3 und 4), wo Monster explizit zugelassen werden. Für das Monsterverbot (M) wird erstmalig in Kaplan (1977: VIII) plädiert; hier kommt auc h die Bezeic hnung ‘Monster’ her. Die monströse Analyse der Dimensions-Adverbien folgt von der Idee her wieder Bartsc h (1986). Auf weitere im Bereic h der Modifikatoren-Semantik heimisc he Monster mac ht Pinkal (1977: Kapitel 6) aufmerksam. 5.2 Zu den Varianten und Alternativen Situationelle Parameter und Aspekte tauc hen sc hon in den frühesten Formulierungen der klassisc hen Theorie und davor auf: vgl. z. B. S c ott (1970) (prä-klassis c h) und Kaplan
IV. Kontexttheorie
226
(1979) (klassisc h). In der Tat: einiges spric ht dafür, daß die ‘offizielle’ Version der klassisc hen Theorie in Kaplan (1977) die Parametrisierung ist und daß das, was wir hier als ‘klassisc h’ bezeic hnen, allenfalls heuristisc hen und illustrativen Charakter hat. (Daneben gibt es noc h eine weitere terminologisc he Falle in unserer Darstellung: das englisc he Adjektiv indexical entspric ht nicht unserem indexikalisch; letzteres leitet sic h von Index — im Englisc hen auc h meist index — her, während ersteres dem deutsc hen Wort deiktisch entspric ht und somit so ziemlic h das Gegenteil bedeutet!) Für unstimmige indexikalisc he Aspektlisten wird in Lewis (1980a: Absc hnitt 6) argumentiert; dort wird auc h für die Beibehaltung der Äußerungssituationen plädiert, um dem in Cresswell (1972: Absc hnitt 4) beklagten Wildwuc hs der kontextuellen Parameter Einhalt zu gebieten. In Kaplan (1977) wird diese Frage nur am Rande (in Fußnote 16) berührt (und offengelassen). Ein früher Verfec hter extensionalisierter logisc her Formen ist Tic hý (1971). Neuere Arbeiten haben sic h allerdings eher von Gallin (1975: § 8) inspirieren lassen. Die Reformulierung (EM) des Monsterverbots gehört zur logisc h-semantisc hen Folklore. Die klassisc he Theorie ist bereits in ihren frühesten Darstellungen als abstrakte Referenztheorie aufgefaßt worden: vgl. z. B. Kaplan (1979). Eine Version, in der sic h nic ht einmal (D) ohne axiomatis c he Zusatzannahmen formulieren läßt, ist Montague (1970: Absc hnitt 4); die Diagonale tritt dort in Gestalt der Menge der ‘ausgezeichneten Referenzpunkte logis c h möglic her Modelle’ [’designated points of referenc e of logic ally possible models’] (ebd., 382) auf. Der Urtext der zweidimensionalen Modallogik ist Segerberg (1973); der Zusammenhang zur Kontextabhängigkeit wird dort bereits erwähnt. Die aufgrund der Asymmetrie der ‘Dimensionen’ bestehenden Untersc hiede zwisc hen zweidimensionaler Modallogik und klassisc her Referenztheorie sind vor allem in Kapitel VIII von Kaplan (1977) herausgestellt worden. Die Idee zur Quadratur der Charaktere, um die Umsc hreibbarkeit beliebiger deiktisc her Ausdrüc ke zu garantieren, kann man in Stalnaker (1981: Absc hnitt IV) hineinlesen, wo die Kontexte und Indizes verwirrenderweise als ‘Welten’ (’worlds’) bezeic hnet werden. Die Analyse der Deixis als Tokenreflexivität ist älter als die klassisc he Theorie und geht auf Reic henbac h (1947: 50) zurüc k. Als eine dem Wesen der Sprac he näherkommende Al-
ternative zur klassisc hen Theorie ist sie in Cresswell (1973: Kapitel 8) propagiert und präzisiert worden. Die für die klassisc he Theorie wic htige Rolle von Zeigehandlungen wurde sc hon in Kaplan (1977: Kapitel II) gesehen. Eine detaillierte klassisc he Behandlung inhomogener Äußerungssituationen findet man in von Stechow (1979b). Die Analogie zwisc hen der Semantik deiktisc her Ausdrüc ke und der Analyse epistemisc her Situationen hat eine mindestens auf Russell (1940) zurü c krei c hende Vorgesc hic hte; der moderne Klassiker ist Castañeda (1966). Eine ausführlic here Diskussion der philosophisc hen Aspekte (und weitere Literaturhinweise) bietet Forbes (1989). Die Identifikation (F) von Informationsgehalt und Intension stammt aus Frege (1892). Der Begriff des Standard-Namens geht auf Kaplan (1969: § VIII) zurüc k. Die Version (S) der Gewinnung der epistemisc hen Perspektive enspric ht dem Vorgehen in Stalnaker (1978); die Formulierung folgt einem Vorsc hlag aus Lewis (1980a: 94). (E) findet man in Kaplan (1977: Kapitel XVII). Das Resultat der Reduktion (E’) ist gerade die (dort unabhängig motivierte) Charakterisierung der Selbstlokalisierung in Lewis (1979b) — abzüglic h der (nur in der dort propagierten Ontologie möglic hen) Identifikation von Individuen und Kontexten (einer bestimmten Parametrisierung). Identitätskrisen werden vor allem seit Perry (1977), einem weiteren modernen Klassiker, gerne diskutiert. Die im Text gegebene Gegenüberstellung von (einem Typ von) A Priorizität und (metaphysisc her) Notwendigkeit gibt die auf Kaplan (1977: Kapitel XVII) zurüc kgehende Rekonstruktion einer geistesverwandten Untersc heidung aus Kripke (1972) wieder. Der Beweis für die Existenz jedes denkenden Subjekts findet sic h in Desc artes (1641: Meditatio II,3). Das Beispiel (27) zur Illustration der Unverträglic hkeit der Tokenanalyse mit der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie hat Jean Yves Lerner (in einer Diskussion mit dem Autoren) vorgesc hlagen. Daß die erkenntnistheoretisc he Umdeutung zunäc hst nur eine Analogie ist, wird sc hon in Kaplan (1977: Kapitel XX) angedeutet. Ein von deiktisc hen Bezügen freies Beispiel für ein kontingentes A Priori liefert Williamson (1986). 5.3 Zu den Aspekten des Kontexts Ausführli c here Überlegungen zur Bestimmung des Sprec hers in einer gegebenen Äußerungssituation sowie weitere Beispiele im Stil
9. Kontextabhängigkeit
von (29) findet man in Kratzer (1978: 17— 27). Die Idee, solc he Phänomene teilweise mit pragmatis c hen Akkomodationsregeln (’rules of ac c omodation’) zu besc hreiben, stammt aus Lewis (1979a) und ist eine Verallgemeinerung des Vorgehens in Stalnaker (1973). (Mehr dazu bringt Artikel 10.) Ein Versuc h, der notorisc hen Vagheit der Personalpronomina der ersten und zweiten Person Plural durc h Disambiguierung Herr zu werden, ist etwa Gardies (1985: 127—134); eine einheitlic he Deutung von wir findet man dagegen in Kratzer/von Stec how (1977: 109—115). Mehr über den im Text reic hlic h vernac hlässigten Ortsparameter erfährt man etwa bei Fillmore (1975a), W. Klein (1978) oder von Stec how (1982b). (Vgl. auc h Artikel 37.) Die Literatur zum Zeitparameter ist dermaßen umfangreic h, daß eine Nennung einzelner Titel nur irreführend sein kann; die obige Diskussion wurde von Bäuerle (1979b) inspiriert, wo man eine genaue Darstellung der Interaktion von Tempus und Temporaladverb findet. (Zum Tempus vgl. auc h Artikel 35.) Wic htige Beiträge zum Wesen möglic her Welten sind Kripke (1972: Lec ture 1), Kaplan (1975) und Lewis (1986). Der Zeige-Parameter spielt in Kaplan (1977: Kapitel II) die Rolle des typisc hen kontextuellen Parameters und dient sogar zur Motivation der Untersc heidung von Intension und Charakter. Etwaige subjektive Züge des Zeige-Parameters werden in Kaplan (1978: 239 f.) als für die objektive Referenz irrelevant zurü c kgewiesen; Kaplans Argumentation wird in Bac h (1987: 182—186) überzeugend widerlegt. Die Untersc heidung zwisc hen subjektiver und objektiver Referenz wird in Castañeda (1977) und Kripke (1977) vertieft. Der Begriff ‘Deixis am Phantasma’ geht auf Bühler (1934: § 8) zurüc k, ist dort aber weiter gefaßt. Einer der ersten und einflußreic hsten Beiträge zum deiktisc hen Gebrauc h von Kennzeic hnungen ist Donnellan (1966); mindestens ebenso wic htig ist die Kritik in Kripke (1977). Der Einsc hlägigkeitsbegriff wird von Lewis (1979a: Example 3) ins Spiel gebrac ht. Bei Satz (42) hat ein Beispiel aus W. Klein (1978: 26) Pate gestanden. Das sc hwierige Verhältnis zwisc hen direkter Rede und Kontextabhängigkeit wird in Grabski (1981) unter die Lupe genommen. Die Darstellung der Possessivierung gibt wohl die gängige (und sic herlic h auc h irgendwo anders besc hriebene) Sic htweise dieses Phänomenbereic hs wieder. Die PDC ist ein Buhmann aus Cresswell (1972:
227
8). Den Präzisionsgrad als kontextuellen Parameter findet man in Lewis (1980a: Absc hnitt 5). Irene Heim hat (vor einigen Jahren, beim Kaffeetrinken) den Autor dieses Kapitels erstmals mit Beispielen wie (52) bekanntgemac ht; sie gehören inzwisc hen zu den alten Bekannten jedes Semantikers. 5.4 Zu den Problemen Eine Präzisierung der Deutung von Personalpronomina mit Hilfe einer Einsc hlägigkeitshierarc hie findet man in Smaby (1979: Absc hnitt 2). Die Darstellung der Quantorenbindung gibt die Idee hinter der gängigsten, auf Montague (1973) zurüc kgehenden Behandlung der Quantifikation wieder. Weitere Details entnimmt man dem Artikel 21. Die Monster in Kauf nehmende Lösung (i) des StatusProblems von Belegungen wird in Montague (1970: Absc hnitte 6 und 7) vertreten. Die Mehrdeutigkeits-Analyse (ii-a) wird bei Bennett (1978) und Janssen (1980) vorgesc hlagen; bei der Absc hiebung (ii-b) der Belegung in den Index handelt es sic h um einen Buhmann, der wohl von keinem Anhänger der klassics hen Referenztheorie ernsthaft vertreten wird und dessen Widerlegung durc h die entsprec henden Passagen in Kaplan (1977: Kapitel II) inspiriert wurde. Belegungen mit Eigenstatus (iii) sind der ratlose Ausweg von Kaplan (1979). Die Diskussion um die korrekte Semantik der Einstellungsberic hte wird in der sprac hanalytisc hen Literatur naturgemäß nic ht immer klar getrennt von der Diskussion um die ric htige Theorie der kognitiven, epistemisc hen etc . Einstellungen; die meisten der zu Absc hnitt 2.5 gegebenen Literaturhinweise lassen sic h somit ohne weiteres auc h auf Absc hnitt 4.2 übertragen. Die Regel (Rmeinen) ist die offenkundige Übersetzung der in Absc hnitt 1.2 gegebenen üblic hen Semantik der Einstellungsverben im Rahmen der klassisc hen Theorie (und ihrer erkenntnistheoretisc hen Deutung); eine ähnlic he Regel (für say) findet man z. B. in Kaplan (1977: Kapitel XX). Die mangelhafte Behandlung der Einstellung zum Widerspruc h wird in von Stec how (1984c : Absc hnitt 2) zum Hauptangriffspunkt gegen (Rmeinen) gemac ht. Die (auc h dort implizite) Umgebungs-Semantik geht letztlic h auf Montague (1968: Absc hnitt 1) zurüc k. Genaueres erfährt man in Artikel 34. Die Bezeic hung ‘Einstellung de se’ stammt aus Lewis (1979b); einen Stern am Pronomen zur Andeutung derselben findet man bereits in Castañeda (1966). Das Phänomen als sol-
228
c hes hat sc hon Geac h (1957) problematisiert. Die Aufspaltung der Proposition in Thema und Rhema wird — im Rahmen der Möglic he-Welten-Semantik — in Cresswell/von Stec how (1982) präzisiert und in von Stec how (1984c ) erstmals zur Besc hreibung von Einstellungen de se ausgenutzt. Der Satz (63) ist eine Übertragung eines (im Deutsc hen so nic ht wiederzugebenden) noc h raffinierteren Beispiels aus Lakoff (1970c : 245), wo das Problem allerdings — wohl zu Unrec ht — als ontologisc hes dargestellt wird. Passagen wie (64) werden gerne von Feinden der systematisc hen Grammatik (am Biertisc h) als Belege für die Naturwüc hsigkeit der Sprac he angeführt — nic ht ganz zu Unrec ht, wie man aus Sic ht der klassisc hen Theorie wohl sagen muß! Die Erklärung gewisser durc h Kennzeic hnungen hervorgerufener Ambiguitäten vermittels Skopus-Analyse wird üblic herweise Bertrand Russell zugesc hrieben; ein Loc us c lassic us ist Whitehead/Russell (1910: 69— 71). Daß eine an der Nominalphrase selbst ansetzende Disambiguierung für solc he Fälle wie (65) nic ht ausreic ht, kann man an vielen Stellen nac hlesen — so z. B. bei Kripke (1977: Absc hnitt 2). Der klassisc he, auf die ausgedrü c kte Proposition bezugnehmende Einwand gegen eine Skopus-Analyse der Deixis findet sic h (in seiner Anwendung auf Demonstrativa) in Kaplan (1977: Kapitel IX); hier besteht wieder eine enge Analogie zu der Argumentationsweise in Kripke (1972: Lec ture 1). Die feste Rolle, die dem — in Wirklic hkeit eher vagen — vortheoretisc hen PropositionsBegriff dabei zugesc hrieben wird, wird in Lewis (1980a: Absc hnitt 11) klar gesehen; in Evans (1979: 164) findet man eine ähnlic he Betrac htung zur Kripkesc hen Namens-Theorie. Für einen situationsabhängigen Propositions-Begriff wird dagegen in Stalnaker (1981: Absc hnitt IV) plädiert. Die Untersc heidung versc hiedener Typen von Intensionalität ist gängige, aber für gewöhnlic h nic ht eigens thematisierte Praxis in der logisc hen Semantik. Ein Beispiel im Stil von (72) und (73) wird in Kaplan (1977: Fußnote 13.2) angesproc hen und Ri c hmond Thomason zuges c hrieben; Kaplan kommentiert: ‘What shall one say about this?’ Von quantifizierten Kontexten und Beispielen wie (74) und (75) ist in Partee (1989) die Rede. Kritiken an der SkopusAnalyse und Spekulationen zu ihrer Überwindung enthalten Bäuerle (1983), Enç (1986) und Dalrymple (1988).
IV. Kontexttheorie
Die prominenteste Stelle, an der ein Disambiguierungsparameter vorgesc hlagen wurde, ist wohl Bennett (1978: 9 f.), wo auc h mit einem ähnlic hen Beispiel wie (78) auf die Notwendigkeit einer Tokenanalyse hingewiesen wird. Die Bemerkungen zum pragmatisc hen (’vor-semantisc hen’) Status der Disambiguierung sc hließen sic h an Kaplan (1977: Kapitel XXII) an. Den Vorsc hlag zur Ausnutzung der klassisc hen Theorie zur Verfeinerung des Propositions-Begriffs findet man in Montague (1970: Absc hnitt 4). Die Kritik ist von Cresswell (1975: Absc hnitt 1) inspiriert. Auf die Tatsac he, daß die Sprac hregeln nic ht mit der Auswertungssituation wec hseln, wird z. B. in Kripke (1972: Lec ture 2) hingewiesen. Die abstrakte, formale Modellierung ist c harakteristisc h für fast die gesamte Montaguesc he Tradition; wir sind in diesem Kapitel — vor allem aus darstellungstec hnisc hen Gründen — ähnlic h wie Cresswell (1973) naiv und direkt vorgegangen. 5.5 Zu den historisch-bibliographischen Anmerkungen Jahreszahlen hinter den Autorennamen beziehen sic h nac h Möglic hkeit auf das jeweilige Datum der Erstveröffentlichung. In einigen Fällen sind die Texte etwas älter. So wurde der prä-klassisc he Text Kaplan (1978) bereits im Herbst 1970 verfaßt. Der Klassiker Kaplan (1977) ist inzwisc hen in dem Band Almog et al. (eds.) (1989) mit aktuellen Kommentaren Kaplans und anderer erschienen. Danksagung Im Verlaufe der erstaunlic h langwierigen Arbeiten an diesem Handbuch-Artikelhabe ic h mit zahlreic hen Freunden und Kollegen über das eine oder andere oben angesc hnittene Thema diskutiert. Namentlic h erwähnen möc hte ic h an dieser Stelle Rainer Bäuerle, Manfred Krifka, Jean-Yves Lerner, Kjell Johan Sæbø, Arnim von Stec how, Dieter Wunderlic h und Sandro Zuc c hi, denen ic h entsc heidende Hinweise, Anregungen und Einwände verdanke. Mein Dank gilt aber auc h vielen Ungenannten sowie Astrid Wahlert für Korrekturen an der letzten Version des Manuskripts.
6.
Literatur (in Kurzform)
Almog et al. (eds.) 1989 · Bac h 1987 · Bartsc h 1986 · Barwise (ed.) 1977 · Bäuerle 1979b · Bäuerle 1983 · Bennett 1978 · Bühler 1934 · Castañeda 1966 · Castañeda 1977 · Carnap 1947 · Cresswell 1972 · Cresswell 1973 · Cresswell 1975 · Cresswell/ von Stec how 1982 · Dalrymple 1988 · Desc artes
10. Kontextveränderung
1641 · Donnellan 1966 · Enç 1986 · Evans 1979 · Fillmore 1975a · Forbes 1989 · Frege 1882 · Frege 1918 · Gallin 1975 · Gardies 1985 · Geac h 1957 · Grabski 1981 · Hintikka 1969b · Janssen 1980 · Kamp 1971 · Kaplan 1969 · Kaplan 1975 · Kaplan 1977 · Kaplan 1978 · Kaplan 1979 · Klein 1978 · Klein 1980 · Kratzer 1978 · Kratzer/von Stec how 1977 · Kripke 1972 · Kripke 1977 · Lakoff 1970c · Lewis 1979a · Lewis 1979b · Lewis 1980a · Lewis 1986 · Montague 1968 · Montague 1970b · Mon-
229
tague 1973 · Partee 1989 · Perry 1977 · Pinkal 1977 · Reic henbac h 1947 · Russell 1940 · Sc ott 1970 · Segerberg 1973 · Smaby 1979 · Stalnaker 1973 · Stalnaker 1978 · Stalnaker 1981 · von Stec how 1979b · von Stec how 1982b · von Stec how 1984c · Tarski 1936 · Tic hý 1971 · Vlac h 1973 · Whitehead/Russell 1905 · Williamson 1986
Thomas Ede Zimmermann, Stuttgart, (Bundesrepublik Deutschland)
10. Kontextveränderung 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Einleitung Pragmatische Folgerungen Redekontext und Äußerungssituation Anaphora Literatur (in Kurzform)
Einleitung
Was ein Satz aussagt, welc hen Inhalt oder welc he Proposition er ausdrüc kt, hängt davon ab, unter welc hen Umständen, in welc her Situation er geäußert wird — jedenfalls dann, wenn der Satz indexikalisc he Elemente enthält. Die Bedeutung indexikalisc her Ausdrüc ke und damit die Abhängigkeit der Wahrheitsbedingung eines Satzes von möglic hen Kontexten seiner Äußerung wird von der indexikalisc hen Semantik oder der Theorie der Kontextabhängigkeit, wie sie im vorangehenden Artikel dargestellt wurde, untersuc ht. Ihr zentraler Begriff ist der des Charakters. Der Charakter eines Satzes ist eine semantisc he Regel, die für jeden Kontext angibt, welc hen Inhalt der Satz in diesem Kontext ausdrüc kt. Kontexte hat man sic h in diesem Zusammenhang als möglic he Äußerungssituationen vorzustellen, als begrenzte Weltaussc hnitte, die für die Zwec ke der Semantik jedenfalls so weit spezifiziert sein müssen, daß sie den Bezug der indexikalisc hen Ausdrüc ke festlegen. Was jedoc h die Äußerung eines Satzes einem Hörer sagt, welc he Information sie ihm vermittelt, hängt nic ht nur von der Bedeutung des geäußerten Satzes, von seinem Charakter ab, sondern auc h vom Hörer selbst, von seinen Überzeugungen — über die Umstände der Äußerung und über vieles andere mehr. Die Äußerung eines Satzes kann dem Hörer etwas ganz anderes sagen, als der Satz als
solc her aussagt — etwa dann, wenn er sic h über die Umstände der Äußerung täusc ht. Sie kann ihm auc h mehr sagen als das, was der Satz tatsäc hlic h aussagt — weil er das, was der Satz sagt, zu anderem, was er glaubt, in Beziehung setzt, und seine Sc hlüsse daraus zieht. Oder sie kann ihm gar nic hts sagen, ihm überhaupt keine Information liefern — dann nämlic h, wenn der Inhalt des Satzes dem Hörer bereits bekannt ist. Besc hränkt man sic h auf die Betrac htung von Gespräc hssituationen, in denen die Vermittlung von Information im Vordergrund steht, so ist es eine sinnvolle Idealisierung vorauszusetzen, daß die Überzeugungen der Gespräc hsteilnehmer in den für die Zwec ke des Gespräc hs relevanten Hinsic hten übereinstimmen. Solc he gemeinsamen Annahmen von Gespräc hsteilnehmern — die Prämissen sozusagen, unter denen neue Äußerungen interpretiert werden — werden wir einen Redehintergrund oder Redekontext nennen. Es ist wic htig, diese beiden Kontextbegriffe — Kontext als Äußerungssituation und Kontext als Redehintergrund — auseinanderzuhalten. Denn wenn wir uns im folgenden mit Theorien der Kontextveränderung besc häftigen, so wird es zunäc hst immer nur um Kontexte im zweiten Sinn gehen. Änderungen von Kontexten im ersten Sinn, d. h. von Äußerungssituationen, werden wesentlic h von Faktoren bestimmt, deren Besc hreibung außerhalb der Zuständigkeit der Linguistik liegt. Die Änderung eines Redekontextes sollte hingegen linguistisc h besc hreibbar sein; denn sc hon allein dadurc h, daß auf einem gewissen Redehintergrund eine Äußerung fällt und von den Hörern interpretiert wird, ändert sic h dieser Redehintergrund — geeignete Aufric htigkeits- und Vertrauensannahmen vorausgesetzt. So sollte sic h auc h die Information, die
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durc h eine Äußerung vermittelt wird, über die Besc hreibung des Einflusses der Äußerung auf den Redehintergrund erfassen lassen. Man findet im wesentlic hen zwei Arten der formalen Modellierung von Redekontexten: Zum einen stellt man sie als eine Menge von Propositionen dar, die als die Menge der gemeinsamen Annahmen der Gespräc hsteilnehmer zu verstehen ist. Zum anderen besc hreibt man sie als eine Menge von möglic hen Welten, nämlic h als die Menge derjenigen Welten, die mit den gemeinsamen Annahmen der Gesprä c hsteilnehmer verträgli c h, also gemäß diesen Annahmen möglic h sind. Das erste Modell fällt inhaltlic h dann mit dem zweiten zusammen, wenn man nur solc he Mengen von Propositionen zuläßt, die unter logisc her Folgerung abgesc hlossen sind. In den Absc hnitten 3 und 4 werden Gründe auftauc hen, beide Modelle in der einen und anderen Hinsic ht zu modifizieren. Eine Theorie der Veränderung von Redekontexten dient zunäc hst einem prinzipiellen Zwec k: der Anbindung der abstrakten Wahrheitsbedingungssemantik an eine pragmatisc he Theorie, die die Bedeutung von Äußerungen betrac htet. So läßt sic h die illokutionäre Kraft einer erfolgreic hen Behauptung, wenngleic h unvollständig, dadurc h c harakterisieren, daß die vom behaupteten Satz ausgedrüc kte Proposition dem Redekontext hinzugefügt wird, das heißt, von den Gespräc hsteilnehmern als weitere Prämisse akzeptiert wird. Dies ist allerdings nur das einfac hste Modell der Kontextveränderung. Es wird sic h in mehrerlei Hinsic ht als zu simpel erweisen: Zum einen müssen wir an einem Satz vercs hiedene Bedeutungsaspekte untersc heiden, die alle zu seinem Informationswert beitragen. Neben den Wahrheitsbedingungen eines Satzes, das heißt, der von ihm ausgedrüc kten Proposition, sind dafür ja auc h seine Präsuppositionen und seine konversationellen Implikaturen relevant. Diese versc hiedenen Bedeutungsaspekte zu integrieren, ist eine weitere Aufgabe einer Kontextveränderungstheorie, der wir uns im Absc hnitt 2 zuwenden. Ihre Lösung wird uns sc hließlic h zu einer Explikation des Begriffs der pragmatisc hen Folgerung führen. Zum anderen hängt die von einem Satz ausgedrüc kte Proposition von dem Redekontext ab, in dem der Satz geäußert wird. Wie diese Abhängigkeit aussieht und welc he Konsequenzen sie für die Besc hreibung von Kontextveränderungen hat, werden wir im Ab-
IV. Kontexttheorie
sc hnitt 3 für indexikalisc he und im Absc hnitt 4 für anaphorisc he Ausdrüc ke untersuc hen. Im Absc hnitt 3 werden wir zugleic h die beiden eben so sorgfältig getrennten Kontextbegriffe wieder zueinander in Beziehung setzen können. Letztendlic h dreht es sic h im gesamten Artikel immer wieder um das Verhältnis von Semantik und Pragmatik: wie die theoretisc hen Zusammenhänge zwisc hen ihnen zu konstruieren sind, wo sic h zwisc hen ihnen eine Trennlinie ziehen läßt, und ob es überhaupt eine autonome, aus der Pragmatik ausgrenzbare Semantik gibt. Daß es bei einer Kontextveränderungstheorie auc h um solc he Fragen geht, wird immer im Auge zu behalten sein.
2.
Pragmatische Folgerungen
Logisc he von nic ht-logisc hen Folgerungen zu untersc heiden, das heißt, Bedeutungsaspekte, die einen Einfluß auf die Wahrheitsbedingungen von Sätzen haben, von solc hen zu trennen, die dafür irrelevant sind, ist bezüglic h der Umgangssprac he keine eindeutig und unstrittig zu lösende Aufgabe. Es gibt allerdings einige klare Fälle. Betrac hten wir dazu die nachstehenden Beispielsätze: (1) Alle Gäste haben abgesagt. (2) Einige Gäste haben abgesagt. (3) Nicht alle Gäste haben abgesagt. Es ist klar, daß (2) eine logisc he Folgerung aus (1) ist; andererseits wird man bei einer Äußerung von (2) in der Regel darauf sc hließen, daß auc h Satz (3) gilt. Der Sc hluß von (2) auf (3) kann also offenkundig kein logisc her Sc hluß sein, denn sonst würde (1) über (2) seine eigene Negation, nämlic h (3) logisc h implizieren und müßte damit als widersprüc hlic h betrac htet werden. Der Sc hluß von (2) auf (3) ist vielmehr ein Standardfall dessen, was man — in Abgrenzung zur logisc hen Implikation — als (konversationelle) Implikatur bezeic hnet: eine Folgerung, die nic ht zur Satzbedeutung gehört, sondern aufgrund allgemeiner Prinzipien der rationalen Gespräc hsführung aus der Äußerung von Sätzen gezogen werden kann. Implikaturen werden im Rahmen der Gric esc hen Theorie der Konversationsmaximen eingeführt; wir verweisen für eine Darstellung dieser Theorie und eine Klassifikation der versc hiedenen Arten von Implikaturen auf Artikel 14 dieses Handbuc hs. Unser obiges Beipiel ist eine Implikatur, die sic h aus der
10. Kontextveränderung
Maxime der Quantität ableiten läßt. Diese besagt, daß Äußerungen so informativ wie möglic h und — für den jeweiligen Gespräc hszwec k — nötig zu gestalten sind. Da nun eine Äußerung von (1) informativer wäre als eine Äußerung von (2), man aber davon auszugehen hat, daß die Maxime der Quantität beac htet wird, läßt sic h einer Äußerung von (2) entnehmen, daß der Sprec her (1) nic ht guten Gewissens hätte behaupten können und demnac h seine Negation, nämlic h (3) für wahr hält. In einer feineren Klassifikation ist der Sc hluß von (2) auf (3) eine sogenannte skalare Implikatur; eine präzise Definition dieses Begriffs findet sic h in Gazdar (1979, Kap. 3). Eine andere Klasse von Bedeutungsaspekten, bei denen man sic h besonders heftig darüber gestritten hat, ob sie als logisc h-semantisc he Folgerungen aus Sätzen oder als pragmatisc he Eigensc haften der Äußerung von Sätzen aufzufassen sind, bilden die sogenannten Präsuppositionen. Einige Standardbeispiele sind nachstehend angeführt: (4) a. Der König von Frankreich ist kahlköpfig. b. Frankreich hat einen König. (5) a. Gregor bedauert, daß Renate gekündigt hat. b. Renate hat gekündigt. (6) a. Anna hat aufgehört zu rauchen. b. Anna hat früher geraucht. Vertreter eines semantisc hen Präsuppositionsbegriffs gehen davon aus, daß Sätze, deren Präsuppositionen nic ht erfüllt sind, weder wahr noc h falsc h, sondern wahrheitswertlos oder unbestimmt sind; im Rahmen einer dreiwertigen Semantik lassen sic h die Präsuppositionen eines Satzes dann als diejenigen logisc hen Folgerungen definieren, die sic h sowohl aus dem Satz selbst als auc h aus seiner Negation ergeben. Der pragmatisc he Präsuppositionsbegriff hingegen besagt, daß Präsuppositionen Bedingungen für die angemessene und erfolgreic he Äußerung von Sätzen darstellen. Diese beiden Konzeptionen sind natürlic h nic ht von vorneherein unverträglic h, wenngleic h viele Vertreter eines pragmatics hen Präsuppositionsbegriffs ein semantisches Pendant desselben ablehnen. Präsuppositionen sind im Gegensatz zu konversationellen Implikaturen nic ht aus allgemeinen Prinzipien der Konversation abzuleiten, sondern werden als lexikalisc he Eigensc haften betrac htet; in den obigen Beispielen sind es der bestimmte Artikel der bzw. die
231
Verben aufhören und bedauern, die die entsprechenden Präsuppositionen induzieren. Man kann sic h nun fragen, wann die Präsuppositionen einfac her Sätze bei deren Einbettung in komplexere Konstruktionen erhalten bleiben und wann sie verloren gehen; diese Fragestellung ist als das sogenannte Projektionsproblem für Präsuppositionen bekannt. Die nac hstehenden Sätze etwa sind Beispiele für Einbettungen von (4a), bei denen die Präsupposition (4b) bewahrt bleibt: (4) c. Vielleicht ist der König von Frankreich kahlköpfig. d. Der König von Frankreich ist nicht kahlköpfig. e. Wenn der König von Frankreich kahlköpfig ist, dann braucht er eine Perücke. f. Entweder ist der König von Frankreich nicht kahlköpfig oder er trägt eine Perücke. (4g)—(4k) hingegen präsupponieren intuitiv nicht mehr, daß Frankreich einen König hat: (4) g. Frankreich hat einen König, und der König von Frankreich ist kahlköpfig. h. Vielleicht hat Frankreich einen König und vielleicht ist der König von Frankreich kahlköpfig. i. Wenn Frankreich einen König hat, so ist der König von Frankreich kahlköpfig. j. Entweder hat Frankreich keinen König oder der König von Frankreich ist kahlköpfig. k. Der König von Frankreich ist nicht kahlköpfig, denn Frankreich hat keinen König. Einige pragmatisc he Präsuppositionstheorien versuc hen das Projektionsproblem nun über einen Mec hanismus der Kontextveränderung zu lösen. (Semantisc he Präsuppositionstheorien geben auf das Projektionsproblem bereits über die oben genannte Präsuppositionsdefinition eine Antwort, da diese ja für Sätze beliebiger Komplexität formuliert ist. Jedoc h sind semantisc he Präsuppositionstheorien gerade dahingehend kritisiert worden, daß sie damit intuitiv inadäquate Vorhersagen über die Präsuppositionen komplexer Sätze mac hen. Die einsc hlägigen Argumente lassen sic h etwa in Gazdar (1979) oder in Van der Sandt (1987) nac hlesen; daß alle diese Argumente aber nic ht gänzlic h zwingend sind, wird in Link (1986) gezeigt.) Für die pragmatisc he Behandlung des Projektionsproblems gibt es im wesentlic hen zwei
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Strategien. Die erste S trategie findet sic h in Gazdar (1979). Gazdar setzt eine strikte Trennung der semantisc hen von der pragmatisc hen Komponente voraus. Die Semantik ordnet Sätzen die von ihnen ausgedrüc kten Propositionen zu; darauf aufbauend hat die Pragmatik zu besc hreiben, wie sic h durc h die Äußerung von Sätzen der Redekontext verändert. Dabei sind drei versc hiedene Arten von Informationen auseinanderzuhalten, die durc h die Äußerung eines Satzes zum Kontext hinzugefügt werden können: sein semantisc her Gehalt, seine Implikaturen und seine Präsuppositionen. Gazdar faßt Redekontexte als konsistente, aber nic ht unbedingt deduktiv abgesc hlossene Mengen von Propositionen auf. Allerdings weic ht sein Verständnis davon von dem eingangs skizzierten etwas ab; bei ihm enthalten Redekontexte diejenigen Propositionen, auf die sic h der Sprec her mit der Äußerung eines Satzes festlegt, die der Hörer ihm also gerechtfertigterweise unterstellen kann. Die Anbindung des pragmatisc hen Effekts einer Behauptung an den semantisc hen Gehalt des behaupteten Satzes wird von Gazdar nun über seine Formulierung der Gric esc hen Maxime der Qualität bewerkstelligt. Diese lautet: „Sage nur, was Du weißt!“ Daraus ergibt sic h, daß durc h die Äußerung eines Satzes S der Redekontext (des Hörers) um die von dem Satz Der S precher weiß, daß S ausgedrüc kte Proposition erweitert wird — der semantisc he Inhalt des geäußerten Satzes kommt also über dessen epistemisc he Implikatur, aus der er logisc h folgt, zum alten Kontext hinzu. Gazdar untersc heidet nun ferner zwisc hen potentiellen und aktualen Präsuppositionen und Implikaturen. Potentielle Präsuppositionen oder Implikaturen sind Eigensc haften von Sätzen. Potentielle Präsuppositionen werden aufgrund lexikalisc her Information einfac hen Sätzen zugeordnet, in denen die entsprec henden präsuppositionsauslösenden Lexeme vorkommen; sie vererben sic h dann unbesc hränkt auf beliebig komplexe Sätze, die solc he einfac hen Sätze als Teile enthalten. Auc h potentielle Präsuppositionen haben bei Gazdar immer die Form Der S precher weiß, daß .... Demnac h haben zum Beispiel nic ht nur (4a) und (4c ) bis (4 f), sondern auc h (4g) bis (4k) die potentielle Präsupposition Der Sprecher weiß, daß Frankreich einen König hat. Potentielle Implikaturen werden Sätzen aufgrund allgemeiner Regeln zugeordnet. Gazdar betrac htet zwei Typen von Implika-
IV. Kontexttheorie
turen, die aus der Gric esc hen Maxime der Quantität abgeleitet werden: skalare Implikaturen — für die wir sc hon zu Anfang dieses Absc hnitts ein Beispiel gegeben haben und auf die wir auc h hier nic ht weiter eingehen werden, da sie für die Präsuppositionsprojektion irrelevant sind — und sogenannte Klausalimplikaturen. Eine Klausalimplikatur entsteht, wenn ein Satz A als Teil einer Äußerung in einer Weise vorkommt, in der er weder behauptet noc h verneint wird; man kann dann davon ausgehen, daß der Sprec her bezüglic h der Gültigkeit von A eine neutrale Haltung hat, das heißt, sowohl A als auc h die Negation von A für möglic h hält. Dementsprec hend werden einem Satz A, der einen Teilsatz B enthält, dann die potentiellen Klausalimplikaturen Der S precher hält für möglich, daß B und Der S precher hält für möglich, daß nicht B zugeordnet, wenn aus A weder B noc h die Negation von B logisc h folgt. (Außerdem darf die betreffende Einbettung von B nic ht Anlaß zur Erzeugung potentieller Präsuppositionen der Form Der S precher weiß, daß B oder Der S precher weiß, daß nicht B Anlaß geben; für eine genaue Definition vgl. Gazdar 1979: 59.) So erhalten beispielsweise die Sätze (4h)—(4j) alle die nac hstehenden potentiellen Klausalimplikaturen: (4.1) Der Sprecher hält für möglich, daß Frankreich einen König hat. (4.2) Der Sprecher hält für möglich, daß Frankreich keinen König hat. (4.3) Der Sprecher hält für möglich, daß der König von Frankreich kahlköpfig ist. (4.4) Der Sprecher hält für möglich, daß es nicht der Fall ist, daß der König von Frankreich kahlköpfig ist. Die von den potentiellen Implikaturen und Präsuppositionen eines Satzes ausgedrüc kten Propositionen werden nun gleic hfalls durc h die Äußerung des Satzes zum Redekontext hinzugefügt, allerdings nur dann, wenn ihre Hinzufügung diesen Redekontext nic ht inkonsistent mac hen würde. Außerdem ist es wic htig, daß die Hinzufügung geordnet vonstatten geht: Bei einer Äußerung von S, wurde der Kontext ja zunäc hst um die Qualitätsimplikatur Der S precher weiß, daß S erweitert — diese ist nie nur potentielle, sondern stets auc h aktuale Implikatur einer Äußerung (woraus sic h ergibt, daß die Äußerung eines Satzes, der mit dem Kontext inkonsistent ist, den Prozeß der Kontextveränderung von vorneherein zum Abbruc h bringen würde). Als
10. Kontextveränderung
näc hstes kommen nun die potentiellen Implikaturen des Satzes zum Kontext hinzu und absc hließend seine potentiellen Präsuppositionen — allerdings jeweils nur insoweit, als durc h ihre Hinzufügung im Redekontext keine Inkonsistenzen entstehen. (Für die genaue Definition dieser geordneten konsistenten Erweiterung vgl. Gazdar 1979: 131 f.) Es ist nun gerade diese so geordnete und durc h die Konsistenzforderung besc hränkte Kontexterweiterung, die es ermöglic ht — zumindest in den meisten Fällen —, die Präsuppositionen komplexer Sätze korrekt vorherzusagen. Potentielle Präsuppositionen können nun nämlic h durc h Elemente des alten Kontexts, durc h Folgerungen aus dem semantisc hen Gehalt ihres Trägersatzes, und insbesondere durc h Klausalimplikaturen der Äußerung ‘gelösc ht’ werden — und sind dann nic ht mehr als Bestandteile der Äußerungsbedeutung aufzufassen. Wir wollen dies für unsere Beipiele unter (4) kurz vorführen. Betrac hten wir zunäc hst (4h)—(4j), die der Übersic htlic hkeit halber hier noc h einmal wiederholt seien: (4) h. Vielleicht hat Frankreich einen König, und vielleicht ist der König von Frankreich kahlköpfig. i. Wenn Frankreich einen König hat, so ist der König von Frankreich kahlköpfig. j. Entweder hat Frankreich keinen König oder der König von Frankreich ist kahlköpfig. Diese Sätze haben alle die potentielle Präsupposition (4.5); sie haben jedoc h gleic hzeitig die potentielle Klausalimplikatur (4.2): (4.5) Der Sprecher weiß, daß es einen König von Frankreich gibt. (4.2) Der Sprecher hält für möglich, daß Frankreich keinen König hat. Da diese Implikatur bei einer Äußerung von (4h), (4i) oder (4j) dem Kontext hinzugefügt wird, ist die potentielle Präsupposition (4.5) mit dem daraus resultierenden Kontext nic ht mehr konsistent und wird dementsprec hend gelöscht. (4k) ist ein Beispiel dafür, daß eine Folgerung aus dem semantisc hen Gehalt des geäußerten Satzes die Präsupposition lösc ht; Der S precher weiß, daß (4k) impliziert (4.6), und dieses steht im Widerspruch zu (4.5): (4) k. Der König von Frankreich ist nicht kahlköpfig, denn Frankreich hat keinen König.
233
(4.6) Der Sprecher weiß, daß Frankreich keinen König hat. In den Beipielen (4a), (4c)—(4f) hingegen gibt es keine Klausalimplikaturen, die zur potentiellen Präsupposition im Widerspruc h stehen. Sie könnte daher höc hstens kontextuell gelösc ht werden, bleibt in der Regel jedoc h als aktuale Präsupposition der Äußerung erhalten. Für (4g) allerdings mac ht Gazdars Mec hanismus eine intuitiv inadäquate Vorhersage: (4) g. Frankreich hat einen König, und der König von Frankreich ist kahlköpfig. Dieser Satz hat überhaupt keine Klausalimplikaturen und auc h keine semantisc hen Folgerungen, die mit seiner potentiellen Präsupposition (4.5) inkonsistent wären. Dementsprec hend ist (4.5) Element des neuen Kontexts einer Äußerung von (4g) und somit aktuale Präsupposition. Intuitiv wird (4.5) in (4g) jedoc h keineswegs präsupponiert, sondern vielmehr — im ersten Konjunktionsglied — behauptet. Diese Inadäquatheit hat ihren Ursprung in der Tatsac he, daß Gazdar Präsupposition und Behauptung nic ht als komplementäre Begriffe behandelt, sondern Präsuppositionen und Implikaturen gleic hfalls als Behauptungen auffaßt — als implizite Behauptungen allerdings, die sic h von expliziten Behauptungen eben gerade dadurc h untersc hieden, daß sie ignoriert werden können, wenn Widersprüc hlic hkeit droht. Weitere Gegenbeispiele zu Gazdars Theorie finden sic h etwa in Soames (1982) und Van der Sandt (1987); vgl. ebenfalls Artikel 13 dieses Handbuchs. Die zweite S trategie zur Behandlung des Projektionsproblems geht in ihrem Grundgedanken bereits auf Stalnaker (1973), (1974) und Karttunen (1974) zurüc k. Ihre expliziteste Version findet sic h in Heim (1983b). (Auc h Soames (1982) und van der Sandt (1987) lassen sic h, zumindest teilweise, der zweiten Strategie zurechnen.) Im Untersc hied zur ersten, betrac htet die zweite Strategie Präsuppositionen nic ht als implizite Behauptungen, sondern vielmehr als Voraussetzungen für Behauptungen: die Präsuppositionen eines Satzes sind Propositionen, die ein Redekontext enthalten muß, wenn die Äußerung des Satzes in diesem Kontext angemessen oder zulässig sein soll. Für Äußerungen elementarer Sätze sind solc he Zulässigkeitsbedingungen aufgrund lexikalisc her Information zu spezifizieren. Das Projektionsproblem stellt sic h dann als die Frage,
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wie sic h die Zulässigkeitsbedingungen für die Äußerung eines komplexen Satzes auf die Zulässigkeitsbedingungen seiner elementaren Teile zurückspielen lassen. Es zeigt sic h nun, daß sic h auf diese Frage eine ganz einfac he Antwort geben läßt, wenn man den Prozess der Kontextveränderung sc hrittweise, rekursiv über den Aufbau des geäußerten Satzes, besc hreibt — wenn man also die von einer komplexen Äußerung bewirkte Kontextveränderung aus den Kontextveränderungen, die ihre elementaren Teile nac h sic h ziehen, zusammensetzt. Denn daraus läßt sic h dann ablesen, wie sic h die Zulässigkeitsbedingung der komplexen Äußerung aus den sc hon bekannten Zulässigkeitsbedingungen ihrer elementaren Teile ergibt. Und es wird gleic hzeitig der Tatsac he Rec hnung getragen, daß Teile einer Äußerung Präsuppositionen einführen können, die für die Interpretation anderer Teile vorausgesetzt werden müssen. Etwas tec hnisc her ausgedrüc kt, sieht das Programm also folgendermaßen aus: Zunäc hst werden Redekontexte als Mengen von möglic hen Welten aufgefaßt; daß eine Proposition in einem Kontext gilt oder er sie enthält, heißt dann einfac h, daß er eine Teilmenge von ihr ist. Den zentralen Begriff bildet nun die Kontextveränderungsfunktion +, die einem Kontext k und einem Satz S den Kontext k + S zuordnet, der aus der Äußerung von S in k entsteht. Wesentlic h ist, daß diese Funktion nur partiell ist; k + S ist nur dann definiert, wenn die Äußerung von S in k zulässig ist und insbesondere also die Präsuppositionen von S in k enthalten sind. Ist S ein elementarer Satz und die Äußerung von S in k zulässig, so ist k + S gleic h k ⋂ ǁSǁ — wir verwenden hier und im weiteren ǁSǁ, um die von einem Satz S gemäß der vorgegebenen Semantik ausgedrü c kte Proposition zu bezeic hnen. Was zu tun bleibt, ist, k + S auc h für komplexe Sätze rekursiv zu definieren, und dazu gehört auc h die Angabe der Zulässigkeitsbedingungen komplexer Äußerungen. Wie das gesc hieht, wollen wir anhand einiger Beispiele veransc haulic hen. Beginnen wir mit dem einfac hsten Fall, den Konjunktionen. Die Veränderung des Redekontexts k durc h eine Äußerung der Form A und B läßt sic h offenkundig so besc hreiben, daß zunäc hst zum Kontext k die von A ausgedrüc kte Proposition hinzugefügt wird, und zum daraus resultierenden Kontext dann die von B ausgedrüc kte Proposition; k + (A und B) ist also
IV. Kontexttheorie
gleic h (k + A) + B, das heißt — sofern A und B elementar sind —, gleic h k ⋂ ǁAǁ ⋂ ǁBǁ. Daraus ergeben sic h unmittelbar die Zulässigkeitsbedingungen von Konjunktionen: Eine Äußerung von A und B ist im Kontext k dann zulässig, wenn A in k und B in k + A zulässig ist. Dies bedeutet, daß im ursprünglic hen Kontext k nur solc he Präsuppositionen von B enthalten sein müssen, die nic ht durc h die Äußerung von A eingeführt werden. Betrachten wir dazu das nachstehende Beispiel: (7) Der König von Frankreich hat einen Sohn und der Sohn des Königs von Frankreich ist kahlköpfig. (7) a. Der König von Frankreich hat einen Sohn. b. Der Sohn des Königs von Frankreich ist kahlköpfig. Wenn (7) in einem Kontext k geäußert wird, so ist diese Äußerung zunäc hst nur angemessen, wenn k die Präsupposition von (7a), das heißt die Proposition ǁFrankreic h hat einen Königǁ enthält. Ist dies der Fall, so darf man k um ǁ(7a)ǁ zu k ⋂ ǁ(7a)ǁ erweitern. Ferner muß nun k ⋂ ǁ(7a)ǁ die Präsuppositionen von (7b) enthalten, also ǁFrankreic h hat einen Königǁ und ǁDer König von Frankreic h hat einen Sohnǁ = ǁ(7a)ǁ. Dies ist erfüllt, und so hat die Konjunktion (7) nur die Präsupposition ǁFrankreic h hat einen Königǁ. Betrac hten wir noc h zwei weitere Fälle, nämlic h Negationen und Konditionale. Hier werden, im Gegensatz zur Konjunktion, die Teilsätze nic ht behauptet; und so haben die Kontexte, die durc h die Behauptung der Teilsätze erzeugt würden, nur eine Hilfsfunktion bei der Festlegung des von der komplexen Äußerung erzeugten Kontexts. Für negierte Sätze der Form nicht A sieht dies folgendermaßen aus: Die Äußerung von A im Kontext k würde den Kontext k + A erzeugen. Mit der Äußerung von nicht A will man nun aber gerade diejenigen Welten als möglic h beibehalten, die im Übergang von k zu k + A ausgesc hlossen werden. Demnac h ist k + nicht A gerade als k\(k + A) zu definieren. Und damit ist eine Äußerung von nicht A nur in Kontexten zulässig, in denen die Präsuppositionen von A enthalten sind — dies entspric ht natürlic h genau der Beobac htung, daß Präsuppositionen (in der Regel) unter Negation erhalten bleiben. Bei der Interpretation von Konditionalsätzen der Form wenn A, dann B müssen zwei provisorisc he Kontexte betrac htet werden: er-
10. Kontextveränderung
235
stens die Menge derjenigen Welten aus dem alten Kontext k, in denen A der Fall ist, also k + A, und zweitens die Menge der Welten aus k + A, in denen B der Fall ist, also (k + A) + B. Mit dem Konditionalsatz werden dann gerade diejenigen Welten aus k ausgesc hlossen, in denen A der Fall ist und unter dieser Annahme B nic ht der Fall ist. Demnac h ist k + (wenn A, dann B) als k\(k + A\k + A + B) zu definieren. Für Konditionalsätze haben wir damit dieselben Zulässigkeitsbedingungen wie für Konjunktionen: wenn A, dann B ist in k zulässig, wenn A in k und B in k + A zulässig ist. Dementsprec hend präsupponiert etwa unser Beispiel (4e), daß Frankreic h einen König hat, das Beispiel (4i) hingegen nicht: (4) e. Wenn der König von Frankreich kahlköpfig ist, dann braucht er eine Perücke. i. Wenn Frankreich einen König hat, so ist der König von Frankreich kahlköpfig.
samen Kontext zulässig zu mac hen. Die Akkommodationsregel kann also, genau genommen, nur dann zur Anwendung kommen, wenn kein gemeinsamer Redekontext besteht: Die Äußerung eines Sprec hers muß in seinem Redehintergrund auf jeden Fall zulässig sein, und so können die Hörer nur dann zur Akkommodation genötigt sein, wenn ihr Redehintergrund nicht der des Sprechers ist. Die rekursive Definition der Kontextveränderungsfunktion mac ht es nun zudem möglic h, die Akkommodationsregel nic ht auf den Ausgangskontext, sondern stattdessen auf die provisorisc h eingeführten Kontexte anzuwenden. Dadurc h läßt sic h der Fall behandeln, daß ein Satz bei der Einbettung in die Negation seine Präsuppositionen verlieren kann. Betrac hten wir dazu noc h einmal das Beispiel (4k) und seine mögliche Präsupposition (4b): (4) k. Der König von Frankreich ist nicht kahlköpfig, denn Frankreich hat keinen König. b. Frankreich hat einen König.
Die Präsuppositionen eines beliebig komplexen Satzes S lassen sic h also ganz allgemein so definieren: S präsupponiert die Proposition p, wenn jeder Kontext, in dem eine Äußerung von S zulässig ist, p impliziert. Die soweit skizzierte Kontextveränderungstheorie birgt allerdings noc h eine entsc heidende Sc hwierigkeit in sic h. Wir waren ja davon ausgegangen, daß der Redekontext die gemeinsamen Annahmen der Gespräc hsteilnehmer enthält, also diejenigen Propositionen, die sowohl Sprec her als auc h Hörer voraussetzen. Daraus ergibt sic h jedoc h, daß Sätze, deren Präsuppositionen weder explizit eingeführt wurden, noc h als Allgemeinwissen zu den Überzeugungen der Hörer gerec hnet werden können, als unzulässig und damit als uninterpretierbar betrachtet werden müssen. Nun ist es aber allgemein zugestanden, daß ein Sprec her auc h indirekt über die Präsuppositionen eines Satzes Informationen vermitteln kann — beim Gazdarsc hen System stand dies gerade im Vordergrund. Die zweite Strategie versuc ht dem über die Einführung der sogenannten Akkommodationsregel Rec hnung zu tragen: Wenn ein Sprec her einen Satz S in einem Kontext k äußert und S in k nur dann zulässig ist, wenn die Proposition p in k gälte, p aber in k nic ht enthalten ist, so werden die Hörer ihre Prämissen stillsc hweigend so verändern, daß sie die Proposition p hinzunehmen, um damit S in ihrem gemein-
Wenn (4k) in einem Kontext k geäußert wird, der die Proposition ǁ4bǁ nic ht enthält und demnac h die Zulässigkeitsbedingungen des ersten Teilsatzes nic ht erfüllt, so gibt es prinzipiell zwei Möglic hkeiten der Akkommodation: Man kann zum einen den ursprünglic hen Kontext k zu k + ǁ4bǁ akkommodieljren und dazu dann den ersten Teilsatz von (4k) gemäß obiger Regel für die Negation hinzufügen; damit entsteht der Kontext k + (4b)\k + (4b) + der König von Frankreich ist kahlköpfig. Dazu läßt sic h der zweite Teilsatz von (4k) nic ht mehr konsistent hinzufügen. Man sollte daher zur zweiten Möglic hkeit übergehen: Man akkommodiert nur den provisorisc h eingeführten Kontext zu k + (4b), fügt dazu der König von Frankreich ist kahlköpfig hinzu und bildet dann die Differenz zum ursprünglic hen Kontext k. Danac h erzeugt der erste Teilsatz von (4k) den Kontext k\k + (4b) + der König von Frankreich ist kahlköpfig. In ihm gilt lediglic h, daß entweder Frankreic h keinen König hat oder daß er nic ht kahlköpfig ist; und so läßt sic h zu ihm der zweite Teilsatz konsistent hinzufügen. Auf die Präsuppositionstheorie sind wir deswegen so ausführlic h eingegangen, weil sic h an ihr die versc hiedenen Funktionsweisen der zwei Ansätze zu einer Kontextveränderungstheorie, Gazdars und Stalnakers, besonders augenfällig vergleic hen lassen. Nun ist aber zu betonen, daß in Stalnakers Ansatz
IV. Kontexttheorie
236
mit dem Begriff der pragmatisc hen Zulässigkeitsbedingung ein Instrument zur Verfügung steht, dessen Anwendungs- und Erklärungsmöglichkeiten viel weiter reichen. Wie in der Einleitung erwähnt, ist es ja ein Ziel einer Kontextveränderungstheorie, den Sprec hakt des Behauptens zu c harakterisieren. Eine natürlic he Bedingung an geglüc kte Behauptungen besteht nun darin, daß sie den Redehintergrund bereic hern, das heißt, die Menge der gemeinsam für möglic h gehaltenen Welten verkleinern, aber nic ht auf die leere Menge reduzieren sollen. Daraus ergibt sic h erstens, daß in einem Kontext k nur solc he Äußerungen A zulässig sind, die keine Inkonsistenzen erzeugen, für die also k + A ≠ ∅ — diese Konsistenzbedingung hatten wir ja schon oben stillsc hweigend verwendet. Und zweitens ergibt sic h daraus die Informativitätsbedingung, daß in k eine Äußerung A unzulässig ist, wenn A in k sc hon bekannt ist, wenn also k + A = k. (vgl. hierzu auc h Stalnaker 1978, 325 f.). Damit läßt sic h die sogenannte Gerichtetheit der Konjunktion erklären, das heißt, daß zum Beipiel der nac hstehende Satz (4g) zumindest in einigen Kontexten zulässig, (41) hingegen nie akzeptabel ist: (4) g. Frankreich hat einen König und der König von Frankreich ist kahlköpfig. l. Der König von Frankreich ist kahlköpfig und Frankreich hat einen König. Denn der erste Teilsatz von (41) ist in einem Kontext k nur zulässig, wenn k die Präsupposition ǁFrankreic h hat einen Königǁ enthält; und auf diesem Hintergrund kann der zweite Teilsatz von (41) nic ht mehr informativ geäußert werden (vgl. Stalnaker 1973, 454). Die Geric htetheit der Konjunktion zu erklären, ma c ht Gazdar übrigens deswegen c S hwierigkeiten, weil seine pragmatis c he Theorie Sätze als ganze behandelt und sic h nicht in ihren rekursiven Aufbau vertieft. Eine andere Zulässigkeitsbedingung liefert uns die folgende Beobac htung: Während Gazdar seine Präsuppositionstheorie in der expliziten Absic ht entwic kelt hat, ohne einen semantisc hen Präsuppositionsbegriff und so mit der klassisc hen zweiwertigen Semantik auszukommen, will Stalnaker durc haus für eine semantis c he Präsuppositionstheorie Raum lassen — welc he er sic h im Rahmen einer Semantik mit Wahrheitswertlüc ken vorstellt. Dafür, daß aus semantisc hen Präsuppositionen auc h pragmatisc he werden, sorgt dann
eine generelle Zulässigkeitsbedingung, die man die Wahrheitsdefinitheitsbedingung nennen könnte. Sie besagt, daß eine Äußerung von S im Kontext k nur dann zulässig ist, wenn S in allen Welten aus k wahrheitsdefinit ist, wenn also ǁSǁ — was nun als eine partielle Funktion aus der Menge der möglic hen Welten in {wahr, falsc h} aufzufassen wäre — für alle Welten in k definiert ist (vgl. Stalnaker 1973, 452; 1978, 326). Auf dem Hintergrund des bisher Gesagten läßt sic h sc hließlic h eine allgemeine Definition des Begriffs der pragmatisc hen Folgerung geben. Eine solc he Definition findet sic h bereits in Stalnaker (1976a), wo er von reasonable inference spric ht und diese folgendermaßen charakterisiert: „... an inferenc e from a sequenc e of assertions or suppositions (the premisses) to an assertion or hypothetic al assertion (the c onc lusion) is reasonable just in c ase, in every c ontext in whic h the premisses c ould appropriately be asserted or supposed, it is impossible for anyone to ac c ept the premisses without c ommitting himself to the c onc lusion.“ (Stalnaker 1976a, 180/181)
Im Rahmen der oben gesc hilderten Kontextveränderungstheorie können wir das so präzisieren: Eine Behauptung B ist genau dann eine pragmatische Folgerung aus den Behauptungen A1,...An, wenn für jeden Redekontext k, in dem A1 und ... und Anzulässig ist, gilt, daß (...(k + A1) + ...) + An ⊆ ǁBǁ, das heißt ersteres letzteres impliziert. Damit können wir nun Präsuppositionen und, wenn wir sie behandelt hätten, auc h Implikaturen in einem präzisen Sinn als pragmatisc he Folgerungen besc hreiben. Stalnaker setzt in dem erwähnten Aufsatz übrigens gerade Klausalimplikaturen von Disjunktionen und Konditionalen dazu ein, gewisse Sc hlußsc hemata — Kontraposition, hypothetisc her Syllogismus, direktes Argument —, die unter einer konditionallogisc hen Interpretation des umgangsprac hlic hen wenn-dann nic ht logisc h gültig sind, als pragmatisc he Folgerungen zu erklären und damit ihrer intuitiven Gültigkeit Rechnung zu tragen.
3.
Redekontext und Äußerungssituation
Im vorangehenden Absc hnitt haben wir skizziert, wie sic h über eine Theorie der Kontextveränderung vers c hiedene Bedeutungskomponenten von Äußerungen integrieren lassen.
10. Kontextveränderung
In diesem Absc hnitt soll es nun um den Zusammenhang zwisc hen dem Redehintergrund, vor dem ein Satz geäußert wird, und seinem semantisc hen Inhalt im engeren Sinn, das heißt, der vom Satz ausgedrüc kten Proposition gehen. Bisher stand hinter unseren Überlegungen ja die Vorstellung, daß eine Kontextveränderungstheorie auf der Grundlage einer vorgegebenen Semantik operiert: die Semantik spezifiziert für jeden Ausdruc k der betrac hteten Sprac he, welc he Proposition er ausdrüc kt, und es ist diese Proposition, die bei einer zulässigen Äußerung des Satzes dem jeweiligen Redekontext hinzugefügt wird. Diese Vorstellung gilt es nun in versc hiedenerlei Hinsicht zu verfeinern. Zunäc hst ist natürlic h zu beac hten, daß die semantis c he Komponente c ni ht Sätzen sc hlec hthin, sondern erst den auf eine Äußerungssituation relativierten Sätzen Propositionen zuordnen kann. Das liegt daran, daß in einem Satz sogenannte indexikalische oder deiktische Ausdrücke vorkommen können, Ausdrüc ke, deren Bedeutung sic h nur unter Bezugnahme auf den Kontext ihrer Äußerung bestimmen läßt; klassisc he Beispiele für Deiktika sind ich, hier, jetzt, morgen, dies, der da, dort. So muß man, um festzulegen, welc he Proposition etwa der Satz Ich bin jetzt müde ausdrüc kt, darauf Bezug nehmen, wann und von wem er geäußert wird; äußert ihn eine Person a zu einem Zeitpunkt t, so besagt er, daß a zu t müde ist, äußert ihn eine Person b zu einem Zeitpunkt t’, so drüc kt er aus, daß b zu t’ müde ist. Weniger offenkundige Beispiele für Indexikalität liefern Kennzeic hnungen; bei ihnen läßt sic h eine attributive und eine referentielle Lesart untersc heiden: ein Ausdruc k wie der Erfinder des Blitzableiters bezeic hnet im attributiven Sinn, ganz unabhängig davon, unter welc hen Umständen er geäußert wird, in jeder Welt w dasjenige Individuum, welc hes in w den Blitzableiter erfunden hat; in der referentiellen Lesart hingegen bezeic hnet er in jeder Welt w dasjenige Individuum, welc hes in der Äußerungswelt den Blitzableiter erfunden hat, in diesem Sinne ist er dann kontextabhängig. Daß selbst Eigennamen Indexikalität anhaftet, wird später noc h deutlic h werden. (Vgl. dazu auc h Artikel 16 dieses Handbuchs.) Wir werden jedenfalls von nun an voraussetzen, daß die semantisc hen Interpretationsregeln für jeden Ausdruc k der Sprac he nic ht einfac h eine Intension, sondern seinen soge-
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nannten Charakter definieren: eine Funktion von Äußerungssituationen in Intensionen, also eine systematisc he Besc hreibung der Abhängigkeit des Inhalts eines Ausdruc ks von der Situation, in der er geäußert wird. Wir werden dementsprec hend jetzt mit ǁAǁ den Charakter eines Ausdruc ks A bezeic hnen. Ist A ein Satz, so bezeic hnet 〈A,c 〉 die Äußerung von A in einer Situation c und ǁAǁc die von A in c ausgedrüc kte Proposition, das heißt, die Auswertung des Charakters von A in der Situation c . Ist A ein indexikalisc her Ausdruc k, so ist ǁAǁc immer eine konstante Intensionfunktion. Bei indexikalis c hen Ausdrüc ken ist es also allein die Äußerungssituation und nic ht die Auswertungswelt, welc he ihren außersprac hlic hen Bezug festlegt. Man spric ht hier auc h davon, daß indexikalisc he Ausdrücke direkt referentiell sind. Äußerungssituationen sind nun offensic htlic h Objekte ganz anderer Art als die bislang betrac hteten Redekontexte; formal werden sie in der Regel als Tripel c = 〈wc, tc, pc〉 repräsentiert, wobei wc für die Welt, tc für den Zeitpunkt und pc für den Ort der Situation c steht. Diese drei Merkmale reic hen hin, eine potentielle Äußerung eines Satzes eindeutig zu lokalisieren. Daher sind alle anderen Eigensc haften von c , die man für die Interpretation indexikalisc her Ausdrüc ke benötigt, über Welt, Zeit und Ort festgelegt. Zum Beispiel ist der Sprec her in c dasjenige Individuum aus wc, welc hes zu tc am Ort pc spric ht, der Adressat in c dasjenige Individuum aus wc, das vom Sprec her in c zu tc angesproc hen wird. Für weitere Details der indexikalisc hen Semantik verweisen wir auf Artikel 9 dieses Handbuc hs. Für unsere Zwec ke, das heißt für eine Theorie der Veränderung von Redekontexten, sind nur die folgenden allgemeinen Überlegungen wesentlich: Wenn nic ht Sätze, sondern erst Äußerungen, also lokalisierte Sätze, Propositionen ausdrüc ken, so wird es notwendig, auc h Redekontexte explizit zu lokalisieren — denn wir wollen ja nic ht den Inhalt einer Äußerung vor einem beliebigen Redekontext betrac hten, sondern vor dem, auf dem die Äußerung fällt. Wir hatten zwar sc hon immer davon gesproc hen, daß Redekontexte durc h die Äußerung von Sätzen in bestimmter Weise verändert werden, aber da wir uns für die Indexikalität von Sätzen nic ht interesssiert hatten, brauc hten wir diese Redeweise nic ht weiter zu präzisieren. Allerdings ist die Lokalisierung von Redekontexten offenkundig unproblematis c h:
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Mit jeder Äußerung 〈A,c 〉 sind uns ja durc h die Äußerungssituation c die einsc hlägigen Annahmen der Gespräc hsteilnehmer gegeben — ganz einfac h deshalb, weil uns über wc alles, also auc h die Einstellungen von Sprec hern und Hörern gegeben sind. Daher können wir immer als eines der Merkmale von c einen Redekontext kc annehmen. Die im vorhergehenden Absc hnitt eingeführte Kontextveränderungsfunktion ist dann so umzudeuten, daß sie nic ht mehr einfac h einen Satz und einen Redekontext als Argument nimmt, sondern einen in einer bestimmten Situation lokalisierten Satz und den in dieser Situation gegebenen Redehintergrund; das heißt statt k + A müssen wir jetzt kc + 〈A,c〉 schreiben. Es fragt sic h nun, wie große Rüc kwirkungen diese vorderhand triviale Änderung auf die Definition der Kontextveränderungsfunktion hat. Eine Möglic hkeit wäre ja, die bisherigen Definitionen sinngemäß beizubehalten, also einfac h in den entsprec henden Rekursionsklauseln die Relativierung auf die Äußerungssituation hinzuzufügen. Damit wäre dann, wenn A ein atomarer Satz ist, kc + 〈A,c 〉 gleic h kc ⋂ ǁAǁc, wenn A eine Konjunktion der Form B und C ist, gleic h (kc ⋂ ǁBǁc) ⋂ ǁCǁc, und so weiter. Intuitiv würde dies, grob gesagt, bedeuten, daß eine Äußerung 〈A,c 〉 ihren Redekontext kc so verändert, daß die von A in c ausgedrüc kte Proposition zu kc hinzugenommen wird. (Wir gehen hier zunäc hst davon aus, daß in die Definition des Charakters eines indexikalisc hen Ausdruc ks der Redekontext einer Situation c nie wesentlic h eingeht, das heißt, daß es nur die objektiven Merkmale einer Äußerungssituation und nic ht subjektive Hörer/Sprec hereinstellungen sind, die den Bezug der Deiktika festlegen. Zumindest für indexikalisc he Ausdrüc ke wie ich, hier, jetzt ist diese Annahme sicherlich unumstritten.) Doc h leider trifft dieses einfac he und sc heinbar naheliegende Vorgehen nic ht wirklic h die Zielsetzungen einer Kontextveränderungstheorie. Denn diese sollte besc hreiben, welc he Information ein Satz, der in einer bestimmten Situation geäußert wird, den Hörern vermittelt, oder, allgemeiner formuliert, wie die Hörer den Satz auf der Grundlage ihrer bisherigen Überzeugungen verstehen. Der oben skizzierte Weg, der besagt, daß es die tatsäc hlic h oder objektiv in einer Situation ausgedrüc kte Proposition ist, die dem Redekontext hinzugefügt wird, erfaßt das subjektive Verständnis der Hörer jedoc h nur in dem
IV. Kontexttheorie
Fall korrekt, in dem diesen die relevanten Merkmale der Äußerungssituation bekannt sind. Betrachten wir dazu ein Beispiel: (8) Morgen wird es eine Sonnenfinsternis geben. Wir wollen annehmen, daß Satz (8) am 5. November 1987, um 15 Uhr geäußert wird; der Inhalt dieser Äußerung ist dann die Menge all derjenigen Welten, in denen es am Freitag, den 6. November, (irgendwo) eine Sonnenfinsternis gibt. Findet die Äußerung jedoc h gegenüber einem Hörer statt, der irrtümlic herweise davon ausgeht, daß es Mittwoc h, der 4., und nic ht Donnerstag, der 5. November ist, so wird dieser Hörer den Satz so verstehen, daß es am Donnerstag, den 5. November, eine Sonnenfinsternis gibt. Sein Redekontext wird also nac h der Interpretation des Satzes nur noc h solc he Welten enthalten, in denen es am 5. November 1987 eine Sonnenfinsternis gibt — und, aufgrund allgemeinen Wissens über die Häufigkeit von Sonnenfinsternissen, keine Welten, in denen sic h am 6. November die Sonne verfinstert. Sc hauen wir uns noc h ein weiteres, weniger banales Beispiel an: (9) Am Tag nach Madeleines vierundvierzigstem Geburtstag wird es in Deutschland eine totale Sonnenfinsternis geben. Hier interessiert uns die referentielle Lesart der Kennzeic hnung Madeleines vierundvierzigster Geburtstag. Wird (9) unter dieser Lesart irgendwann und irgendwo in der wirklic hen Welt geäußert, so ist die damit ausgedrüc kte Proposition die Menge der Welten, in denen es am 11. 8. 1999 in Deutsc hland eine totale Sonnenfinsternis gibt. Würde (9) mir gegenüber geäußert, so wäre es genau diese Proposition, die dadurc h zu meinen Überzeugungen hinzukäme, denn mir ist bekannt, worauf sic h die Kennzeic hnung Madeleines vierundvierzigster Geburtstag in der wirklic hen Welt bezieht. Jemandem, der lediglic h weiß, daß Madeleine im Jahre 1955 geboren wurde, wird (9) hingegen nur die Information geben, daß es irgendwann im Jahre 1999 — oder am 1. 1. 2000 — eine Sonnenfinsternis gibt. Und jemand, der von Madeleine gar nic hts weiß außer, daß sie derzeit lebt, wird (9) nur entnehmen können, daß es irgendwann in den näc hsten vierundvierzig Jahren eine Sonnnenfinsternis gibt, und daß diese Sonnenfinsternis einen Tag und vierundvierzig Jahre nac h dem Geburtstag einer Person namens „Madeleine“ liegt. Daß der semantisc he Gehalt, den die Äußerung eines indexikalisc hen Satzes für einen
10. Kontextveränderung
Hörer hat, ganz stark mit den Informationen des Hörers hinsic htlic h der Äußerungssituation und des Bezugs der deiktisc hen Ausdrüc ke variiert, heißt natürlic h keineswegs, daß sprac hlic he Bedeutung eine hoffnungslos subjektive und systematisc her Besc hreibung unzugänglic he Angelegenheit wäre. Die Bedeutung indexikalisc her Sätze ist ja mit ihrem Charakter zu identifizieren und dieser ist jedem Mitglied der Sprac hgemeinsc haft allein aufgrund seines semantisc hen Wissens gegeben. Erst um die von einem Satz ausgedrüc kte Proposition — seinen semantisc hen Gehalt im engeren Sinn — zu kennen, ist mehr als nur spra c hli c hes Wissen erforderli c h, benötigt man zusätzlic h Tatsac henwissen über die Äußerungssituation und die Äußerungswelt im allgemeinen. Erst an dieser Stelle kommt die subjektive Komponente in Form von subjektiven Überzeugungen ins Spiel. Es dürfte nun klar geworden sein, daß die Behandlung indexikalisc her Sätze innerhalb einer Kontextveränderungstheorie ni c ht in der oben skizzierten Weise erfolgen kann. Wenn wir so etwas wie den subjektiven Informationsgehalt der Äußerung eines Satzes A im Kontext c erfassen wollen, müssen wir nic ht ǁAǁc zum Redekontext kc hinzufügen, sondern vielmehr eine Proposition ǁAǁc’: diejenige Proposition, die A in einer möglic hen Äußerungssituation c ’ ausdrüc ken würde, die den — vielleic ht falsc hen — Annahmen der Hörer über die tatsäc hlic he Äußerungssituation entspric ht. Solc he Annahmen können natürlic h nie so spezifisc h sein, daß sie genau eine Situation c ’ festlegen. So, wie wir Äußerungssituationen oben eingeführt hatten, würde dies ja darauf hinauslaufen, daß die Überzeugungen der Hörer genau eine möglic he Welt wc’ auszeic hnen, und das ist sc hlec hterdings nic ht möglic h. Doc h ist für die Interpretation einzelner Äußerungen ja auc h nur eine begrenzte Festlegung nötig: die Annahmen der Hörer sollten eine Menge von möglic hen Äußerungssituationen c ’ aussondern, die hinsic htlic h des Bezugs der in A vorkommenden Deiktika übereinstimmen — also etwa darüber, wer der Sprec her, wann der Äußerungszeitpunkt, wer die mit „Madeleine“ bezeic hnete Person ist. Jedes solc he c ’ würde dann als Argument des Charakters von A ein und dieselbe, passende Proposition liefern. Aber auc h wenn diese Bedingung an die Hörerannahmen — also an den Redekontext — verletzt ist, hat das nic ht zur Folge, daß ein indexikalisc her Satz überhaupt nic ht mehr
239
interpretiert werden kann.- wie unser zweites Beispiel oben zeigen sollte. Wenn hinsic htlic h des Bezugs eines indexikalisc hen Ausdruc ks keine Festlegung besteht, gehen die Hörer nämlic h zu so etwas wie einer ‘attributiven’ Lesart über: der Ausdruc k wird in diesem Fall nic ht mehr als direkt referentiell, sondern als (attributiv zu lesende) Deskription (um)gedeutet, also etwa ich als der S precher, jetzt als der Äußerungszeitpunkt, Madeleine als die Person, die mit „Madeleine“ bezeichnet wird, usw. Es ist dann die unter einer solc hen Uminterpretation von einem Satz ausgedrüc kte, nunmehr kontextunabhängige Proposition, die zum Redekontext hinzukommt. Was wir in diesem Absc hnitt gesc hildert haben, entspric ht weitgehend Überlegungen von Stalnaker in dem bereits erwähnten Aufsatz „Assertion“. Stalnaker mac ht dort allerdings die vereinfac hende Annahme, daß Äußerungssituationen si c h mit mögli c hen Welten identifizieren lassen. Unter dieser Annahme kann er seine Überlegungen dann in den folgenden Bestimmungen zusammenfassen: Kontextveränderung durch indexikalische Sätze: kc + 〈A,c〉 = kc ⋂ ǁAǁc’, für ein c’ ∈ kc Hier stehen c , c ’ nic ht mehr für Tripel aus einer Welt, einem Zeitpunkt und einem Ort, sondern nur noc h für möglic he Welten; das heißt, c = c w. A steht für einen elementaren Satz. (Die Definition gilt natürlic h trivialerweise auch für nicht indexikalische Sätze.) Damit obiges aber überhaupt wohldefiniert ist, benötigen wir eine Zulässigkeitsbedingung für Äußerungen indexikalischer Sätze: Zulässigkeitsbedingung für indexikalische Sätze: Die Äußerung eines Satzes A vor einem Redehintergrund k ist nur dann zulässig, wenn gilt: ǁAǁc’ = ǁAǁc”, für alle c’, c” ∈ kc. Stalnakers Zulässigkeitsbedingung für indexikalisc he Sätze — im folgenden mit „ZBI“ abgekürzt — kann nun auf zwei versc hiedene Weisen erfüllt werden, die der zuvor getroffenen Falluntersc heidung entsprec hen. Zum einen gilt ZBI nämlic h dann, wenn der Redekontext — die Annahmen der Hörer — den Bezug der indexikalisc hen Ausdrüc ke in A eindeutig festlegt. So ist gemäß ZBI etwa die Äußerung des Satzes (10) (10) An Madeleines dreißigstem Geburtstag regnet es.
240
IV. Kontexttheorie
in einem Redekontext k zulässig, der nur solc he Welten w’ enthält, in denen sic h Madeleine jeweils auf dasselbe Individuum a, und nur auf dieses, bezieht und a in jedem w’ am selben Tag t geboren wurde. Denn dann ist der Charakter von (10) innerhalb von k konstant; das heißt, für jede möglic he Äußerungswelt w’ ∈ k ist die von (10) in w’ ausgedrückte Proposition dieselbe, nämlic h die Menge der Welten w, in denen es dreißig Jahre nac h t, dem Geburtstag von a in w’, regnet. Wird nun aber ein Satz vor einem Redehintergrund geäußert, der ZBI nic ht genügt, so findet, wie wir oben gesagt hatten, eine Uminterpretation statt. Diese Uminterpretation wird bei Stalnaker auf eine ganz systematisc he Weise erzeugt, nämlic h durc h die Verwendung des sogenannten Diagonaloperators Δ (vgl. dazu auc h Artikel 9) und das Diagonalisierungsprinzip: Diagonalisierung: Wenn die Äußerung eines Satzes A in einem Redekontext k gemäß ZBI nicht zulässig ist, so wird nicht k + A, sondern k + ΔA berechnet. Der Diagonaloperator ist semantisc h folgendermaßen erklärt: ǁΔAǁw’,w = ǁAǁw,w, für alle möglic hen Welten w,w’. Der Diagonaloperator identifiziert im Charakter eines Ausdruc ks A die Äußerungswelt w’ mit der jeweiligen Auswertungswelt w. Er hat also den Effekt, daß die Extension von A in einer Welt w unter der Annahme betrac htet wird, daß A in dieser Welt w geäußert würde. Es ist offenkundig, daß der Charakter eines diagonalisierten Satzes für jede möglic he Äußerungssituation w’ die gleic he Proposition liefert, denn w’ geht in die semantisc he Regel für die Bestimmung dieser Proposition nic ht mehr ein. ZBI ist durc h Diagonalisierung also auf jeden Fall Genüge getan. Doc h ist der Diagonaloperator nic ht nur ein tec hnisc her Kniff, sondern erzeugt vielmehr gerade solc he Lesarten, wie wir sie oben als intuitiv wünsc henswert besc hrieben haben: er bewirkt, daß alle direkt referentiellen Ausdrüc ke ‘attributiv’ gelesen werden. Das wird deutlic h, wenn wir zum Beispiel die Wahrheitsbedingungen von Δ(10) ausformulieren und mit denen von (10) verglei c hen: ǁ(10)ǁw’ =
{w in w regnet es dreißig Jahre nach dem Tag, an dem in w’ die Person, auf die sich „Madeleine“ in w’ bezieht, geboren wurde}
ǁΔ(10)ǁw’ =
{w in w regnet es dreißig Jahre nach dem Tag, an dem in w die Person, auf die sich „Madeleine“ in w bezieht, geboren wurde.}
Der Diagonaloperator erfaßt zwar formal alle in einem Satz vorkommenden Deiktika, doc h heißt dies nic ht, daß wir nur solc he Sätze diagonalisieren dürften, die lauter indexikalisc he Ausdrüc ke mit unbekanntem Bezug enthalten. Denn hinsic htlic h indexikalisc her Ausdrüc ke, deren Bezug innerhalb eines Redekontexts bekannt ist, ist der Diagonaloperator, jedenfalls innerhalb dieses Redekontextes, einfac h redundant: Wenn etwa für unser Beispiel (10) der Bezug von Madeleine eindeutig festgelegt ist, so liefert die in den Wahrheitsbedingungen von Δ(10) vorkommende Kennzeic hnung die Person, auf die sich „Madeleine“ in w bezieht für alle Welten w in k immer das gleic he Individuum, ist also eingeschränkt auf k direkt referentiell. Stalnakers Theorie ermöglic ht unter anderem eine einfac he Lösung des Fregesc hen Problems: Wie können Identitätssätze informativ sein? Betrac hten wir dazu ein Beispiel mit Eigennamen: (11) Hesperus ist Phosphorus. Wie wir bisher sc hon stillsc hweigend vorausgesetzt hatten, werden Eigennamen als indexikalisc he Ausdrüc ke betrac htet, deren Semantik sich ganz grob so formulieren läßt: Wenn N ein Eigenname ist, so gilt für alle w’ und alle w: ǁNǁw’,w = dasjenige Individuum, auf das sich N in w’ bezieht. Demgemäß hat aber ein Satz wie (10) nie einen kontingenten Inhalt, sondern drüc kt in jeder Äußerungssituation entweder die tautologisc he oder die kontradiktorisc he Proposition aus — je nac hdem, ob „Hesperus“ und „Phosphorus“ sic h in der fraglic hen Äußerungswelt auf den gleic hen Gegenstand beziehen oder nicht. Doc h repräsentieren Äußerungssituationen sozusagen totales Wissen; für eine Kommunikations- oder Informationstheorie muß der Gehalt eines Satzes hingegen vor dem Hintergrund partiellen Wissens, wie es durc h Redekontexte modelliert wird, betrac htet werden. Und in einem Redekontext kann natürlic h der Bezug eines oder beider Eigennamen in (11) unbekannt sein;. Das wiederum bedeutet, daß (11) nic ht wörtlic h, sondern diagonalisiert zu interpretieren ist. Die diago-
10. Kontextveränderung
241
nalisierte Lesart von (11) besagt ungefähr: „Das, worauf sic h „Hesperus“ bezieht, ist identisc h mit dem, worauf sic h „Phosphorus“ bezieht“ — ein Satz, der dann durc haus eine informative Lesart hat, das heißt, eine kontingente Proposition ausdrüc kt. (Es ist sogar so, daß wegen der im letzten Absc hnitt eingeführten Konsistenz- und Informativitätsbedingung eine Äußerung von (11) nur in Kontexten zulässig ist, in denen der Bezug zumindest eines der beiden Eigennamen nic ht bekannt ist.) Absc hließend sei jedoc h noc h betont, daß Stalnakers Gleic hsetzung von Äußerungssituationen mit Äußerungswelten zwar angehen mag, solange man nur Eigennamen und Kennzeic hnungen im Auge hat, sic h aber mit Sic herheit dann nic ht mehr beibehalten läßt, wenn auc h andere Deiktika, etwa die Standardbeispiele ich, hier, jetzt zu berüc ksic htigen sind. Denn betrac htet man Sätze, in denen diese Ausdrüc ke vorkommen, so wird es wic htig, Äußerungen solc her Sätze nic ht mehr nur in einer möglic hen Welt, sondern auc h in Raum und Zeit zu lokalisieren: Eine Äußerung von „Ic h bin müde“ zum Beispiel drüc kt ja nur als konkretes Ereignis betrac htet eine Proposition aus und nic ht unabhängig davon, wann und von wem sie produziert wird. Faßt man aber Äußerungssituationen wieder, wie eingangs gesc hildert, als Tripel aus einer Welt, einer Zeit und einem Ort auf, so sind natürlic h weitere Abänderungen vonnöten. wenn die Stalnakersc he Theorie nac h wie vor anwendbar sein soll: Auc h Redekontexte können nic ht mehr einfac h als Mengen von möglic hen Welten, sondern müssen als Mengen von mögli c hen Äußerungssituationen verstanden werden. Und wenn das Prinzip der Diagonalisierung auc h für lokale und temporale Deiktika (und solc he, die sic h über diese definieren lassen) verallgemeinert werden soll, so müssen auc h Äußerungsbedeutungen, also Propositionen, als Mengen von solc hen Situationen und nic ht mehr nur als Mengen von Welten definiert werden. Die Details dieser Erweiterungen werden wir hier nic ht entwic keln, aber es dürfte klar sein, daß damit die Kontextveränderungsregel und die Zulässigkeitsbedingung in der obigen Form unverändert übernommen werden könnten; der Diagonaloperator wäre dann als ǁΔAǁ〈w’,t’,p’〉,〈w,t,p〉 = ǁAǁ〈w,t,p〉,〈w,t,p〉 zu definieren.
wie in eine Theorie der Kontextveränderung deiktisc he Ausdrüc ke und die durc h sie erzeugte Abhängigkeit des Satzinhalts von der Äußerungssituation einzupassen sind. Absc hließend hatten wir angedeutet, daß es für eine allgemeine Behandlung von Indexikalität erforderlic h sein dürfte, Redekontexte und auc h Propositionen nic ht mehr einfac h als Mengen von Welten aufzufassen, sondern zusätzlic he Raum- und Zeitkoordinaten einzuführen. In diesem Absc hnitt werden wir uns den anaphorisc hen Ausdrüc ken, insbesondere den anaphorisc hen Personalpronomina zuwenden. Auc h diese, so wird sic h zeigen, liefern Gründe dafür, Redekontexte mit mehr Struktur zu versehen. Die Betrac htung der Anaphora führt uns in das Zentrum der aktuellen Kontextveränderungsdiskussion, denn hier haben Kamp (1981 a) und Heim (1982) eine ausgearbeitete und wohlmotivierte Theorie vorgelegt, die auf breiter Front aufgegriffen wurde und weiterentwickelt wird. Deiktika sind, so hatten wir gesagt, Ausdrüc ke, deren Interpretation von Merkmalen der Äußerungssituation bestimmt wird. Die Interpretation anaphorisc her Ausdrüc ke hingegen hängt von einem anderen Ausdruc k im gleic hen oder in einem vorangehenden Satz ab, von ihrem Bezugselement oder Antezedens. (Eine ausführlic he Darstellung der gängigen Theorien zur Semantik anaphorisc her Pronomina findet sic h in den Artikeln 23, 24 dieses Handbuchs.) Die erste und näc hstliegende Hypothese zur Deutung anaphorisc her Ausdrüc ke versuc ht nun, Anaphora wie Deiktika zu behandeln und ihre Bedeutung durc h eine spezielle Form von Situationsabhängigkeit zu erklären: was ein anaphorisc her Ausdruc k bezeic hnet, hängt davon ab, welc her Ausdruc k sein Antezedens ist und was dieses bezeic hnet — eine Information, die in jeder Äußerungssituation im Redekontext enthalten sein sollte. Um ein Beispiel zu geben: Wenn der Satz (13) in einer Situation geäußert wird, in der zuvor (12) geäußert wurde, so ist klar, daß das Pronomen er sic h auf das gleic he Individuum bezieht wie sein Antezedens Oskar — genauso, wie klar ist, daß er sic h auf Oskar bezieht, wenn Oskar tot auf einer Bahre liegt und der Geric htsmediziner, auf ihn deutend, (13) äußert: (12) Oskar ist tot. (13) Er wurde vergiftet.
4.
Doc h sc heint die Parallele zwisc hen Deixis und Anaphorik nic ht weit zu tragen. Deiktisc he Pronomina sind immer referentiell, sie beziehen sic h stets auf einen Gegenstand der
Anaphora
Im vorangehenden Absc hnitt ging es darum,
242
Äußerungssituation. Anaphoris c he Pronomina sind hingegen höc hstens dann referentiell, wenn sie ein definites Antezedens haben. Bezieht sic h ein Pronomen jedoc h anaphorisc h auf eine quantifizierende Nominalphrase, so bezeic hnet es natürlic h genausowenig einen Gegenstand wie sein Antezedens. Die Beispiele (14) bis (16) verdeutlichen dies: (14) Jeder bekommt das, was er sich gewünscht hat. (15) Niemand ist verpflichtet mehr zu tun, als er tun kann. (16) Jemand hat gedroht, er werde Oskar vergiften. In solc hen Fällen sc heint die zweite Hypothese angebrac ht zu sein, daß anaphorisc he Pronomina als Variablen zu deuten sind, die von ihrem Bezugswort, dem Quantor gebunden sind. Danac h ist ihre Interpretation gerade nic ht mehr von der Äußerungssituation abhängig. Nun gibt es jedoc h Beispiele, die sic h vorderhand weder der einen noc h der anderen Hypothese fügen: (17) Maria hat einen Esel. Er wird gut behandelt. (18) Wenn Hans einen Esel hat, schlägt er ihn. (19) Jeder Bauer, der einen Esel hat schlägt ihn. Im Sinne der ersten Hypothese lassen sich die hervorgehobenen Pronomina in den obigen Sätzen deshalb nic ht analysieren, weil ihre Bezugswörter indefinite Nominalphrasen sind, die gemeinhin als Existenzquantoren gedeutet werden und insofern keinen Gegenstand bezeic hnen. Es gibt allerdings Versuc he, die erste Hypothese so umzuinterpretieren, daß sie Beispiele wie (17) noc h erfassen kann. Man sagt dann, daß indefinite NPs zwar semantisc h gesehen keinen Gegenstand bezeic hnen, daß aber derjenige, der einen Satz mit einem Indefinitum äußert, einen bestimmten Gegenstand im Sinn haben kann, und daß es dann dieser Gegenstand ist, der von dem anaphorisc hen Pronomen bezeic hnet wird. Eine solc he Analyse findet sic h etwa in Kripke (1977); auc h in Lewis (1979a) wird etwas ähnlic hes vorgesc hlagen. Vgl. dazu ebenfalls Heim (1982, Kap. I, 1.3.). Beispiele wie (18) und (19) lassen sic h auf diese Weise allerdings nach wie vor nicht behandeln. Die zweite Hypothese ist insofern nic ht anwendbar, als diese Pronomina, gemäß allen gängigen syntaktisc hen Analysen, außerhalb des Skopus ihrer Antezedentia stehen und
IV. Kontexttheorie
daher von diesen nic ht gebunden sein können. Für Sätze wie (17) ließe sic h die zweite Hypothese noc h durc h die Annahme retten, daß indefinite Nominalphrasen ungewöhnli c h weiten, über die Grenzen des jeweiligen Teilsatzes hinausreic henden Skopus haben. Doc h für Sätze wie (18) und (19) nützt auc h das nic ht viel. (18) und (19) sind sogenannte Eselsätze: Sätze, in denen innerhalb eines Wennoder Relativsatzes eine indefinite Nominalphrase steht und außerhalb dieses Teilsatzes ein auf diese NP anaphorisc h bezogenes Pronomen. In solc hen Konstruktionen hat der unbestimmte Artikel intuitiv nic ht mehr die Bedeutung eines Existenz-, sondern vielmehr die eines Allquantors. (18) und (19) sind so zu paraphrasieren: (18) a. Für jeden Esel x gilt: wenn Hans den x besitzt, dann schlägt Hans den x. (19) a. Für jeden Bauern y und jeden Esel x gilt: wenn y den x besitzt, dann schlägt y den x. Natürlic h darf man aus diesen Paraphrasen nun nic ht den Sc hluß ziehen, daß der unbestimmte Artikel sich eben sowohl als Existenzals auc h als Allquantor deuten läßt und daß die problematisc hen Pronomina so doc h als Variablen erklärt werden können, die durc h NPs mit ungewöhnlic h weitem Skopus gebunden sind. Denn der unbestimmte Artikel ist ja nic ht sc hlec hthin mehrdeutig zwisc hen einer existenz- und einer allquantifizierenden Lesart. Letztere erhält er nur in ganz bestimmten Konstruktionen, und wie dies zustande kommt, sollte eine adäquate Theorie erklären können. Eine solc he Erklärung findet sic h nun in Kamp (1981a) und Heim (1982). (Eine kritisc he Darstellung anderer Versuc he, das Problem der Eselsätze zu lösen, gibt Heim 1982: Kap. I, 1.2.) Kamp und Heim haben ihre Theorien voneinander unabhängig entwic kelt und im wesentlic hen stimmen sie sowohl in ihrer bedeutungstheoretisc hen Grundkonzeption, als auc h in ihrer Lösung des Problems der Eselsätze überein. Ihre Auffassung soll hier in drei Sc hritten dargelegt werden: Im ersten Sc hritt geht es nur um eine neue Konzeption der Semantik definiter und indefiniter NPs und damit auc h des anaphorisc hen Bezugs. Erst im zweiten Sc hritt kehren wir zu unserem eigentlic hen Thema zurüc k und ziehen die Konsequenzen dieser neuen Semantik für eine Kontextveränderungstheorie. Im dritten Sc hritt soll dann sc hließlic h der theoreti-
10. Kontextveränderung
sc he Nutzen klar gemac ht werden, der im Übergang zu einer Kontextveränderungstheorie liegt, denn dadurc h lassen sic h einige Fragen beantworten, die in der Semantik noc h offen bleiben mußten. Unsere Darstellung wird sic h weitgehend an Heim (1982) orientieren. (Für eine Darstellung der Version Kamps siehe Artikel 41.) Heim und Kamp lehnen zunäc hst die traditionelle Analyse des unbestimmten Artikels als Existenzquantor ab. Dies läßt sic h anhand der Eselsätze plausibel mac hen. Denn wenn der unbestimmte Artikel mal als Existenzund mal als Allquantor zu lesen ist, so liegt es nahe ihn allein als keins von beidem zu lesen und den quantifizierenden Effekt anderen Elementen von Sätzen zuzusc hreiben. Im Kern beruht darauf die Strategie von Heim und Kamp. Die semantisc he Funktion indefiniter Nominalphrasen liegt demgemäß nur darin, Argumentpositionen mit freien Variablen zu besetzen und die Belegung der Variablen zu besc hränken. Diese Strategie dehnen Kamp und Heim auc h auf definite Nominalphrasen aus; deren semantisc he Funktion ist genau die gleic he. Letztlic h bedeutet dies, daß der bestimmte und der unbestimmte Artikel semantisc h leer sind. Der offenkundig vorhandene Bedeutungsuntersc hied zwisc hen ihnen wird sic h so erst im dritten Sc hritt auf der pragmatisc hen Ebene erklären lassen. Zunäc hst ist allerdings zu betrac hten, wie sic h die semantisc he Strategie konkret zum Tragen bringen läßt. Unsere obigen Sätze (17)—(19) erhalten bei Heim die nac hstehenden logisc hen Formen. Wie man zu ihnen gelangt und wie sie semantisc h zu interpretieren sind, wird gleic h erläutert werden: (17) b. (Maria , Esel , besitzt ) ( wird gut behandelt) (18) b. (Hans , (wenn (Esel , besitzt ) dann ( schlägt ))) (19) b. jeder (Bauer , Esel , besitzt ) ( schlägt ) Die logisc he Form eines Satzes wird von Heim aus seiner syntaktisc hen Struktur durc h eine Reihe von Konstruktionsregeln erzeugt. Diese Regeln versehen zuerst jede Nominalphrase mit irgendeinem Index. Wenn wir dabei einem Pronomen und einer anderen NP denselben Index geben, so heißt das, daß wir ersteres auf zweiteres anaphorisc h beziehen. Danac h werden alle nic htpronominalen NPs unter Hinterlassung einer koindizierten leeren NP an den Satzanfang bewegt und die Quan-
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toren aus den Quantorenphrasen herausgezogen. Eine genauere Fomulierung dieser Konstruktionsregeln findet sic h in Heim (1982, Kap.II, 5.2, Kap.III, 3.1, 4.2, 4.3). Wir sind hier jedoc h insofern von Heims Regeln abgewic hen, als wir davon ausgehen, daß Eigennamen immer weitesten Skopus erhalten. Diese Annahme, die sic h auc h in Kamp (1981 a) findet, ist für die Angemessenheit der unten formulierten Interpretationsregeln notwendig. Sie wird dann überflüssig, wenn wir im dritten Sc hritt zur endgültigen Formulierung der Heimschen Theorie übergehen. Die so erzeugten Strukturen werden dann für die Zwec ke der semantisc hen Interpretation reanalysiert. Das ist nötig, weil sic h syntaktisc he und semantisc he Kategorien nic ht dec ken. So sind pronominale und leere NPs, semantisc h gesehen, Variablen, also Terme, NPs, die aus einem Nomen und einem Artikel bzw. einer leeren Quantorenposition bestehen, sind hingegen atomare Formeln. Komplexe Formeln sind Konstituenten, die eine oder mehrere atomare Formeln als unmittelbare Konstituenten enthalten. Es gibt zwei Typen von komplexen Formeln: solc he, die aus einem Quantor oder Operator und seinen Sc hwesterkonstituenten bestehen, und solc he, die einfac h nur andere Formeln als unmittelbare Konstituenten haben; letztere nennt Heim (1982, Kap.II, 3.1) kumulative komplexe Formeln. Nac h Anwendung der Konstruktionsregeln kommt dann als logisc he Form eines Satzes so etwas heraus, wie wir es oben für unsere Beispiele (17)—(19) hingesc hrieben haben, von den oberen Indizes „i“ und „d“ an den Variablen abgesehen. (Wenn-dann-Sätze behandelt Heim nic ht ganz so, wie wir es hier und im folgenden sc hildern werden, sondern als intensionale Konstruktionen. Sie geht davon aus, daß Konditionalsätze, in denen kein expliziter adverbialer Quantor vorkommt — wie zum Beispiel das meistens in wenn Hans einen Esel besitzt, schlägt er ihn meistens —, dennoc h einen unsic htbaren Modaloperator enthalten, der in der logisc hen Form am Satzanfang sic htbar gemac ht wird. Das wenn-dann selbst ist dann semantisc h irrelevant, vgl. Heim 1982, Kap.II, 4.2; s. auc h Artikel 30. Wir werden hier die Intensionalität des Konditionals nic ht berüc ksic htigen und uns an die vereinfac hende Analyse in Kamp 1981 a halten.) Die Rolle dieser oberen Indizes ist klar: sie zeigen an, welc he Variablen in der logisc hen Form definit (= d) und welc he indefinit (= i) sind. Diese Information, die wir für die se-
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mantisc he Interpretation der logisc hen Formen benötigen werden, ist ja in der syntaktisc hen Struktur von Sätzen enthalten. Das Vorkommen einer Variablen in der logisc hen Form eines Satzes heißt definit bzw. indefinit, wenn der kleinste NP-Knoten, der dieses Vorkommen enthält, definit bzw. indefinit ist. Als indefinit in diesem erweiterten Sinn gelten nic ht nur NPs mit dem unbestimmten Artikel, sondern auc h NPs mit einer leeren Quantorenposition; definit sind leere NPs, NPs, die aus einem definiten Pronomen bestehen, und NPs mit dem bestimmten Artikel. Es kommt nun natürlic h entsc heidend auf die Interpretation der so gegebenen logisc hen Formen an. Wie dies in der Theorie von Heim aussieht, wird uns als näc hstes besc häftigen, allerdings nur so weit, daß wir die in unseren Beispielsätzen auftauc henden Elemente behandeln können. Die logisc hen Formen umgangssprac hlic her Sätze lassen sic h als Ausdrüc ke einer Repräsentationssprac he betrac hten, die wir für unsere begrenzten Zwec ke so definieren können: Grundausdrüc ke sind n-stellige Prädikate , , ... (n = 1,2,...) und Individuenvariablen x1, x2, ...; atomare Formeln sind Ausdrücke der Form , ..., wobei ak ∈ {i,d} (k = 1,...,n). Wenn A, B, B1,...Bn Formeln sind, so sind au c h (B1,...,Bn), jeder (A,B) und (wenn A, dann B) Formeln. Die semantisc hen Regeln für diese Sprac he sollen nun jeder Formel F ihre Erfüllungsbedingungen zuordnen, das heißt, für jede Variablenbelegung j und jede möglic he Welt w festlegen, ob F bei j in w wahr oder falsc h ist. Dazu ist zweierlei rekursiv zu bestimmen: die Menge aller Paare 〈j,w〉, bei denen eine Formel F wahr ist und welc he die Erfüllungsmenge von F — EM(F) — heiße; und außerdem die Menge der quantifizierbaren Variablen einer Formel F — QV(F) —, die durc h die Quantoren jeder und wenn-dann quantifiziert werden können. Dies ist folgendermaßen definiert: Definition 1: Sei M = 〈W, D, ǁ ǁ 〉 ein intensionales Modell für unsere Repräsentationssprache, worin W eine Menge von möglichen Welten, D ein nicht-leerer Individuenbereich und ǁ ǁ eine Interpretation der Prädikate ist. Da wir indexikalische Ausdrücke vorläufig außer acht lassen, ist ǁ ǁ keine Charakter-, sondern eine Intensionsfunktion, die jeder Welt w die Menge derjenigen n-tupel von Individuen zuordnet, auf die
IV. Kontexttheorie
in w zutrifft. Eine zu M gehörige Variablenbelegung ist eine Funktion von der Menge der Variablen in die Menge D. Es gilt dann: 1. Ist F ein atomarer Satz der Form , ..., so ist EM(F) = {〈j,w〉 〈j(xr1),...,j(xrn)〉 ∈ ǁ
ǁw}
und QV(F) = {xrk ak = i}, d. h. die Menge der in F indefinit vorkommenden Variablen. 2. Ist F eine komplexe Formel der Form (A1, ..., An), so ist
3. Ist F eine komplexe Formel der Form jeder (A,B) oder (wenn A, dann B), so ist EM(F) = {〈j,w〉 zu jedem j’ = QV(A) j mit 〈j’,w〉 ∈ EM(A) gibt es ein j” = QV(B) j’ mit 〈j”,w〉 ∈ EM(B)} und QV(F) = ∅ — hierbei heißt j’ = QV(A)j, daß j’ mit j bis auf die Belegung der Variablen aus QV(A) übereinstimmt. Schließlich heißt eine Formel F in einer Welt w wahr gdw. es ein j gibt, so daß 〈j,w〉 ∈ EM(F). Zusammen mit den Regeln zur Erzeugung der logisc hen Formen ergeben sic h damit für umgangsspra c hli c he Sätze die erwüns c hten Wahrheitsbedingungen. Dies sei wiederum anhand unserer Beispiele (17)—(19) veransc haulic ht. Wir werden dabei die vereinfac hende Annahme mac hen, daß, wenn N ein Eigenname ist, eine atomare Formel der Form Nxr als xr heißt „N“ zu verstehen ist. Damit vernac hlässigen wir die in Absc hnitt 3 angespro c hene Indexikalität von Eigennamen, wir werden aber später darauf zurüc kkommen. Betrac hten wir als erstes unser Beispiel (17). Die logisc he Form von (17) ist eine kumulative komplexe Formel; sie ist wahr in einer Welt w genau dann, wenn es eine Variablenbelegung j gibt, so daß j(x1) ein Individuum ist, welc hes in w „Maria“ heißt, und j(x2) ein Individuum, welc hes sowohl zu den Eseln in w, als auc h zu den in w gut behan-
10. Kontextveränderung
delten Individuen zählt und außerdem in w Eigentum von j(x1) ist. (17) hat also die gleic hen Wahrheitsbedingungen wie die nac hstehende prädikatenlogische Formel (17c): (17) c. ∃x1 ∃x2 (Maria x1 ⋀ Esel x2 ⋀ Besitzen x1,x2 ⋀ Gut-behandelt-werden x2) Die Beispiele (18) und (19) illustrieren die dritte semantisc he Regel. (18) ist genau dann in einer Welt w wahr, wenn es eine Variablenbelegung j gibt, derart, daß j in w die Formel Hans x3 erfüllt und jede x4-Variante von j, die in w die Formel (Esel x4, x3 besitzt x4) erfüllt, auc h die Formel (x3 sc hlägt x4) in w erfüllt. [Eine x4-Variante einer Variablenbelegung j ist eine Variablenbelegung, die alle Variablen außer x4 wie j belegt.] (18) ist also in w genau dann wahr, wenn es eine Person namens Hans in w gibt und jedes Individuum, welc hes in w ein Esel ist und Hans gehört, von Hans in w gesc hlagen wird. Analog sind die Wahrheitsbedingungen von (19) zu berec hnen. Mithin ergeben sic h für (18) und (19) genau die Wahrheitsbedingungen, die wir in (18a) und (19a) sc hon umgangssprac hlic h ausgedrüc kt haben und die sich prädikatenlogisch so darstellen: (18) c. ∃x3 (Hans x3 ⋀ ∀x4 ((Esel x4 ⋀ Besitzen x3x4) → Schlagen x3,x4)) (19) c. ∀x1∀x2 ((Bauer x1 ⋀ Esel x2 ⋀ Besitzen x1,x2) → Schlagen x1,x2) Das Problem der Eselsätze läßt sic h also dadurc h lösen, daß man den unbestimmten Artikel nic ht mehr als Quantor, sondern als freie Variable analysiert. Ob eine NP mit dem unbestimmten Artikel eine existentielle oder eine universelle Lesart hat, hängt dann davon ab, in welc her Kontruktion sie vorkommt. Auf diese Weise bleibt eine einheitlic he Analyse des unbestimmten Artikels gewahrt. Daß der bestimmte Artikel ebenso, das heißt nic ht als Quantor, sondern als freie Variable zu analysieren ist, ist vollends leic ht einzusehen. Denn offenbar können wir in den Sätzen (17)—(19) das sic h auf einen Esel beziehende Pronomen er bzw. ihn ohne Bedeutungsuntersc hied durc h der bzw. den Esel ersetzen; es gibt eben auc h anaphorisc he Verwendungen von NPs mit dem bestimmten Artikel. Folglic h ist dieses anaphorisc he der Esel ebenso zu analysieren wie er, d. h. als freie Variable, und diese Feststellung ist dann um der Einheitlic hkeit der Analyse willen, auf weitere Verwendungen des bestimmten Artikels auszudehnen. Wir können uns nun dem zweiten Sc hritt
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zuwenden, den Konsequenzen dieser veränderten Semantik für eine Kontextveränderungstheorie. Diese kommen sc hon im einfac hsten Fall zum Vorsc hein, dem Fall eines anaphorisc hen Pronomens mit einem indefiniten Antezedens im vorausgehenden Satz, also z. B.: (20) a. Ein Mann liegt auf dem Sofa. b. Er schläft. Gemäß den obigen Regeln ist die von (20) als ganzem ausgedrüc kte Proposition die Menge aller Welten, in denen es einen Mann gibt, der auf dem Sofa sitzt und sc hläft; und wenn (20) in einem als Proposition repräsentierten Redekontext k geäußert wird, so wird diese Proposition zu k hinzugefügt. Nun besteht (20) aber aus zwei Einzelsätzen, und wir sollten daher versuc hen, k + (20) auf ((k + (20a)) + (20b) zurüc kzuspielen. Dazu k erst mit der von (20a) und dann mit der von (20b) ausgedrü c kten Proposition zu cs hneiden, wäre allerdings intuitiv völlig inadäquat: Die von (20a) ausgedrüc kte Proposition ist die Menge aller Welten, in denen es einen Mann gibt, der auf dem Sofa sitzt; und die Wahrheitsbedingung von (20b) ist, gemäß den obigen Regeln, die Menge aller Welten, in denen es ein sc hlafendes männlic hes Individuum gibt. Betrac htete man den Satz (20b) losgelöst von jeglic hem Kontext, so wäre das keineswegs unerwünsc ht; denn wenn gänzlic h unbekannt ist, worauf sic h das er in (20b) bezieht, so ist es nic ht unplausibel, er als irgendjemand zu verstehen und (20b) diese Wahrheitsbedingung zuzuordnen. (Das entspric ht dem, was wir in Absc hnitt 3 als Diagonalisierung besc hrieben haben.) Doc h wollen wir (20b) in einem Kontext betrac hten, in dem zuvor (20a) geäußert wurde; und dann entspric ht diese Wahrheitsbedingung natürlic h gar nic ht dem Informationsgehalt, den (20b) in diesem Kontext hat. (20b) besagt dann ja nic ht, daß irgendein Mann sc hläft, sondern, daß „derselbe“ Mann, von dem in (20a) schon die Rede war, schläft. In der Tat sc heint sic h dieser Informationsgehalt von (20b) überhaupt nic ht propositional als eine bestimmte Menge von Welten besc hreiben zu lassen. Man könnte meinen, daß sic h die von (20b) vermittelte Information als die Proposition besc hreiben ließe, die von dem Satz Der Mann, der auf dem S ofa liegt, schläft ausgedrüc kt wird. Dies steht zum einen in Widerspruc h zu der gerade gesc hilderten Theorie anaphorisc her Pronomina, die diese ja als mit ihrem Antezedens koindizierte Variablen und nic ht als verkleidete Kennzeic hnungen analysierte. Zum anderen würde
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der obige Satz aber auc h insofern nic ht die ric htige Proposition liefern, da er — bei der gängigen Analyse von Kennzeic hnungen — eine Einzigkeitsbehauptung enthielte, die intuitiv in (20) nic ht vorhanden ist: (20) kann durc haus auc h in Situationen wahr werden, in denen zwei Männer auf dem Sofa liegen und einer davon sc hläft. Eine ausführlic here Begründung dafür, daß es nic ht angemessen ist, anaphorisc he Pronomina der obigen Art als Kennzeic hnungen zu analysieren, findet sich in Heim (1982, Kap. I, 1.4 und 2.3). Was (20b) zum Redekontext beiträgt, ist vielmehr eine zusätzlic he Besc hränkung für die Belegung der Variablen, die dem indefiniten Antezedens entspric ht; und so verhält es sic h mit allen Sätzen, die eine indefinite NP pronominal wieder aufnehmen. Dieser Gedanke läßt sic h in einer Kontextveränderungstheorie nur dann angemessen präzisieren, wenn man Redekontexte nic ht mehr als Mengen von möglic hen Welten, sondern als etwas von der gleic hen Art wie die oben für offene Sätze eingeführten Erfüllungsmengen auffaßt. Ein Redekontext ist demnac h eine Menge von Paaren aus einer Variablenbelegung und einer möglic hen Welt oder, anders gesagt, eine Eigensc haft von einer Folge von Individuuen. Daß Gespräc hsteilnehmer einen so aufgefaßten Redekontext k haben, heißt dann intuitiv, daß sie glauben, daß die durc h k gegebene Eigensc haft in der wirklic hen Welt instantiiert ist, daß es also eine Belegung j gibt, so daß das Paar aus j und der wirklichen Welt in k enthalten ist. Diese veränderte Auffassung von Redekontexten erlaubt es zudem, an unserer einfac hen Besc hreibung einer Kontextveränderung als einem mengentheoretisc hen Durc hsc hnitt festzuhalten. Der durc h einen Satz erzeugte neue Kontext ist nun eben der Durc hsc hnitt des alten Kontexts mit der Erfüllungsmenge des Satzes. Das Beispiel (20) ist damit völlig angemessen zu erfassen. In einem dritten Sc hritt können wir nun diese Darstellung von Redekontexten, die von unserer Analyse definiter und indefiniter NPs erzwungen wurde, nutzbringend auf diese Analyse rückbeziehen. Bisher haben wir ja den bestimmten und den unbestimmten Artikel semantisc h weitgehend gleic hbehandelt; der einzige Untersc hied, der sic h so weit ergab, war, daß nur indefinite Variablen im obigen Sinn quantifizierbare Variablen sind und definite nic ht. Auf der pragmatisc hen Ebene der Kontextveränderung läßt sic h mehr dazu sagen. Heim
IV. Kontexttheorie
erklärt nun nämlic h den Untersc hied zwisc hen definiten und indefiniten Nominalphrasen mittels eines einzigen pragmatisc hen Prinzips, der sogenannten Neu/Alt-Bedingung. Hinter diesem Prinzip steht eine Einsic ht, die sc hon aus der traditionellen Grammatik stammt: Indefinite Nominalphrasen haben die Funktion, neue, noc h nic ht erwähnte Gesprä c hsgegenstände einzuführen; definite Nominalphrasen dienen dazu, auf bereits bekannte Gespräc hsgegenstände zurüc kzuverweisen (vgl. dazu etwa die DudenGrammatik, § 360). Dieser noc h sehr vage Gedanke läßt sic h mit Hilfe der oben entwikkelten Begrifflichkeit angemessen präzisieren. Dazu gilt es zunäc hst die Rede von relativ zu einem Kontext neuen und alten Variablen zu erklären: Eine Variable x heißt genau dann bezüglic h eines Redekontexts k neu, wenn mit jedem 〈j,w〉 ∈ k auc h für jedes d ∈ D 〈jx/d,w〉 ∈ k ist — wobei jx/d die Belegung ist, die x mit d und alle anderen Variablen wie j belegt. Eine Variable, die bezüglic h k nic ht neu ist, heißt bezüglic h k alt; und die Menge der bezüglic h k alten Variablen nennen wir auch den Bereich von k. Neu sind in einem Kontext mithin die Variablen, deren Belegung durc h den Kontext in keiner Weise besc hränkt ist, über die der Kontext also keinerlei Information enthält; alt sind hingegen die Variablen, die in früheren, im Kontext sc hon aufgenommenen Sätzen unquantifiziert vorkommen und so durc h den Kontext in ihrer Belegung besc hränkt sind. Wir können damit nun Heims Neu/AltBedingung, im folgenden mit „NAB“ abgekürzt, formulieren: Neu - /Alt - Bedingung für Variablen: Eine atomare logisc he Form F ist in einem Redekontext k nur dann zulässig, wenn jede indefinite Variable von F neu und jede definite Variable von F alt bezüglich k ist. NAB bezieht sic h nur auf atomare logisc he Formen. In NAB von den definiten und indefiniten Variablen — und nic ht Variablenvorkommen — in F zu reden, ist dabei deswegen erlaubt, weil in atomaren logisc hen Formen, insoweit sie von umgangssprac hlic hen Sätzen herrühren, eine Variable nic ht sowohl definit als auc h indefinit vorkommen kann. Es stellt sic h nun natürlic h sofort die Frage, wie die Neu/Alt-Bedingung auf komplexe Formeln ausgedehnt werden kann. Die Antwort ist nic ht sc hwer, denn das Problem der
10. Kontextveränderung
Projektion von Zulässigkeitsbedingungen hatten wir ja sc hon im Absc hnitt 2 für die dort betrac hteten Fälle gelöst: wir mußten nur den Prozess der Kontextveränderung rekursiv über den Aufbau der Sätze besc hreiben und konnten dann die Zulässigkeitsbedingungen als Bedingungen für die Definiertheit der Kontextveränderungsfunktion auffassen. Dadurc h wurde der Tatsac he Rec hnung getragen, daß durc h einen (Teil)Satz Annahmen eingeführt werden können, von denen die Zulässigkeit eines darauffolgenden (Teil)Satzes abhängt. Genau die gleic he Strategie wird uns auc h hier zum Erfolg verhelfen. Wir definieren: Definition 2: 1. k + F = k ⋂ EM(F), wenn F atomar ist. 2. k + (A1,...,An) = (...(k + A1) ... + An). 3. k + (wenn A, dann B) = k + jeder (A,B) = {〈j,w〉 ∈ k ⋂ für jedes j’, das mit j bezüglich des Bereichs von k übereinstimmt und für das gilt: 〈j’,w〉 ∈ k + A, gibt es ein j”, das mit j’ im Bereich von k + A übereinstimmt, so daß gilt: 〈j”,w〉 ∈ (k + A) + B } Im Verbund mit dieser Definition liefert NAB eine Zulässigkeitsbedingung für alle logisc hen Formen unserer einfac hen Repräsentationssprac he. Wir können dies auc h als eine Besc hränkung für die möglic hen Lesarten umgangsspra c hli c her Sätze auffassen. Denn wenn wir uns die obigen Regeln zur Erzeugung logisc her Formen ansc hauen, so ist es klar, daß sie keineswegs jedem Satz genau eine logisc he Form zuordnen. Gemäß der Indizierungsregel, um die es uns hier geht, lassen sic h ja NPs mit beliebigen Indizes versehen. Zwar sind viele Indizierungen dabei einander gleic hwertig, da sie durc h Umbenennung der Variablen auseinander hervorgehen, do c h führen versc hiedene Koindizierungen auc h zu wesentlic h versc hiedenen logisc hen Formen. NAB ist nun gerade dazu da, Koindizierungen, die zu intuitiv unerwünsc hten Interpretationen führen, auszusc hließen. Um ein besonders krasses Beispiel zu geben: Ordnete man dem obigen Satz (19) die nac hfolgende logisc he Form (19d) zu so hieße das, (19) als (19′) zu verstehen — was sichtlich absurd ist: (19) d. Jeder (Bauer , Esel , besitzt ) ( schlägt ) (19′) Jeder Bauer, der ein Esel ist und sich selbst besitzt, schlägt sich.
247
Natürlic h kann die Neu/Alt-Bedingung zusammen mit ihrer rekursiven Ausdehnung auf komplexe logisc he Formen nic ht alle unerwüns c hten Koindizierungen auss c hließen. (Einige werden, so dürfen wir annehmen, bereits durc h rein syntaktisc he Bedingungen ausgesc hlossen — vgl. Art. 23 dieses Handbuc hs.) Aber sie erklärt wenigstens, wieso indefinite NPs nie anaphorisc h gebrauc ht werden können und wieso Definita sic h auf Indefinita beziehen können — gemäß NAB müssen sic h Definita sogar auf Indefinita beziehen, sofern der Kontext nur über frühere Äußerungen zu seinem Inhalt kommen kann. Mac hen wir uns das an einigen Beispielen klar: (21) Ein Mann hatte einen Schwamm. Er war naß. (21′) Mann , Schwamm , hatte , war naß. (22) Er war naß. Ein Mann hatte einen Schwamm. war naß, Mann , Schwamm , (22′) hatte Hier sagt unsere Theorie, daß man zwar in (21), aber nic ht in (22) er und ein S chwamm anaphoris c h aufeinander beziehen kann, d. h., in (21′), aber nic ht in (22′) t = s sein kann. Auf genau die gleic he Weise können wir den Kontrast zwisc hen (23) und (24) erklären: (23) Wenn ein Mann einen Esel besitzt, schlägt er ihn. (23′) wenn (Mann , Esel , besitzt ) dann ( schlägt ) (24) Wenn ein Mann ihn besitzt, schlägt er einen Esel (24′) wenn (Mann , besitzt ) dann (Esel , schlägt )) Hier wird zunäc hst der alte Kontext k durc h den Wenn-Satz zu einem hypothetisc hen Kontext k’ erweitert; in (23′) muß xt bezüglic h k’ alt sein, weswegen hier s = t gelten darf; in (24′) dagegen muß xt bezüglic h k’ neu sein, und deswegen muß dort t ≠ s gelten. Um nic ht-pronominale definite NPn angemessen zu behandeln, ist sc hließlic h der Neu/Alt-Bedingung noc h eine weitere Zulässigkeitsbedingung zur Seite zu stellen, die sogenannte Inhaltsbedingung, mit „IB“ abgekürzt. Sie verlangt, daß der deskriptive Gehalt einer definiten NP keine neue Information enthalten darf; z. B. ist die Verwendung von der Esel nur dann zulässig, wenn der Gespräc hsgegenstand, auf den sic h der Esel be-
248
zieht, als Esel bekannt ist. Dies ist so zu explizieren: Inhaltsbedingung für definite NPn Wenn F eine Formel ist, die gemäß obiger Regeln zur Erzeugung der logisc hen Form von dem (einfac hen oder komplexen) Nomen N einer NP der Form der N herrührt, so ist F nur in einem Kontext k zulässig, der F impliziert. Daß ein Kontext k eine logisc he Form F impliziert, ist dabei folgendermaßen definiert: k impliziert F genau dann, wenn es zu jeder Variablenbelegung j und jeder Welt w mit 〈j,w〉 ∈ k eine Variablenbelegung j’ gibt derart, daß j’ hinsic htlic h des Bereic hs von k mit j übereinstimmt und 〈j’,w〉 ∈ k + F. Diese Definition findet sic h erst in Heim (1987). In Heim (1982) wird k impliziert F einfac h als k + F = k bestimmt. Diese sc hlic htere Definition wäre jedoc h nic ht ganz korrekt, wie ein einfac hes Beispiel zeigt. Wenn wir in einem Kontext k bereits den Satz Ein Mann kauft ein Buch unter der logisc hen Form F = (Mann xr, Buc h xs, xr kauft xs) ausgewertet haben, so wollen wir, daß die NP der Mann, der ein Buch kauft bzw. ihre logisc he Form F’ = (Mann xr, Buc h xt, xr kauft xt) von k impliziert wird. Der NP ein Buch, die in der definiten NP enthalten ist, muß jedoc h in F’ eine bezüglic h k neue Variable entsprec hen; also ist t ≠ s und damit auc h auc h k + F ≠ k. Die verfeinerte Definition der Implikation kann hingegen diesen Fall adäquat erfassen: wenn es eine Variablenbelegung j gibt, die in einer Welt w den Kontext k und damit auc h F erfüllt, dann gibt es natürlic h auc h eine Variablenbelegung j’, die den Bereic h von k wie j belegt und k + F’ in w erfüllt; j’ brauc ht dazu lediglic h xt mit j(xr) und alle anderen Variablen wie j zu belegen. Worin besteht nun der Bedeutungsuntersc hied zwisc hen dem bestimmten und dem unbestimmten Artikel? Mit IB wird ganz deutlic h, daß er nur in den untersc hiedlic hen Präsuppositionen besteht, die die Artikel mit sic h führen. Das ist natürlic h kein neuer Gedanke. Etwas Neues entsteht daraus nur dadurc h, daß wir diesen Gedanken mit der in Abs c hnitt 2 entwi c kelten Präsuppositionstheorie und mit der Einsic ht, daß definite und indefinite NPs selbst keine Quantoren sind, kombinieren. Mit der neuen Auffassung von definiten und indefiniten NPs und demgemäß von Redekontexten wird es im übrigen auc h mögli c h, Präsuppositionsprojektion unterhalb der Satzebene zu behandeln, d. h. ins-
IV. Kontexttheorie
besondere die Präsuppositionen quantifizierter Sätze aus den Präsuppositionen ihrer offenen Teilformeln abzuleiten. (Vgl. dazu Heim 1983b, 3.2 und 3.3.). Eine letzte Wendung führt uns nun zur endgültigen Fassung der von Heim (1982) und (1983) vertretenen Theorie. Betrac hten wir dazu noc h einmal die Definition der Kontextveränderungsfunktion. Die semantis c hen Regeln, das heißt die Definition der Erfüllungsbedingungen geht in Definition 2 offenbar nur an einer Stelle ein, nämlic h in 2.1, der Rekursionsbasis. Setzen wir aber dort für EM(F) das Definiens von EM(F) aus Definition 1.1 ein, so ist es uns möglic h, ganz ohne die semantisc hen Regeln auszukommen. Auc h die Definition von QV(F) erweist sic h als überflüssig. Ihre Funktion wird von der Definition des Bereic hs eines Kontexts erfüllt, zusammen mit der in NAB formulierten Forderung, daß indefinite Variablen immer neu sein müssen. Denn daraus ergibt sic h, daß in Definition 2.2 gerade die noc h nic ht quantifizierten Variablen in der gewünsc hten Weise quantifiziert werden. Mit diesen Reformulierungen gelangen wir also zu einer Bedeutungstheorie, die lediglic h aus einer rekursiven Definition des Kontextveränderungspotentials von Sätzen und einer Reihe von pragmatisc hen Zulässigkeitsbedingungen besteht. Unsere Theorie sagt mithin für jede Formel F und jeden Redekontext k nur, wann und wie dann k + F definiert ist. Doc h lassen sic h daraus die Wahrheitsbedingungen von Sätzen zurüc kgewinnen, allerdings nur partiell und kontextrelativ: Zunäc hst ist ein Kontext k genau dann in einer Welt w wahr, wenn es ein j gibt, so daß 〈j,w〉 ∈ k. Und falls k in w wahr ist, so ist ein Satz S unter einer Lesart F genau dann in w und relativ zu k wahr, wenn k + F in w wahr ist. Die Kontextrelativität dieser Wahrheitsdefinition ist offenkundig; sie ist unumgänglic h, wenn man Sätzen mit anaphorisc hen Ausdrüc ken wie z. B. (20b) gerec ht werden will. Eine Wahrheitsbedingung im klassisc hen Sinn hat ein Satz S unter einer Lesart F nur dann, wenn F im tautologisc hen Kontext ko zulässig ist; seine Wahrheitsbedingung ist dann gerade {w es gibt j mit 〈j,w〉 ∈ ko + F}. Die Wahrheitsdefinition ist partiell, da sie die Wahrheit von Sätzen nur relativ zu wahren Kontexten erklärt. Darin kommt einfac h zum Ausdruc k, daß ein Satz, dessen Präsuppositionen nic ht erfüllt sind, gar keinen Wahrheitswert erhält. Allerdings rec hnet die obige Definition alle Prämissen eines Gespräc hs,
10. Kontextveränderung
eben den gesamten Kontext zu den Präsuppositionen eines Satzes, und das ist offenbar eine zu starke Annahme. In Heim (1982, Kap.III, 3.3) finden sic h Überlegungen, wie diesem Problem zu begegnen wäre. Sc hließlic h ist zu beac hten, daß eine Bedeutungstheorie von der gerade skizzierten Form das üblic he Verhältnis von Pragmatik und Semantik umkehrt. Gewöhnlic h verwendet eine pragmatisc he Theorie eine unabhängige semantisc he Komponente. Hier aber steht die pragmatisc he Komponente für sic h, aus ihr kann man, wenn man will, eine Teilkomponente aussondern, die dem entspric ht, was sonst Semantik heißt. Wir haben keine Begründung angegeben, die diese Umkehrung erzwingt. Aber wir haben immerhin vorgeführt, daß Heim diese Umkehrung auf elegante Weise möglich macht. Wir wollen uns absc hließend noc h kurz der Frage zuwenden, wie sic h die Überlegungen dieses Absc hnitts mit denen des vorangegangenen Absc hnitts vereinbaren lassen. Eine einheitlic he Behandlung von Deiktika und Anaphora ist ja ein offenkundiges Desiderat, handelt es sic h doc h weitgehend um die gleic hen Wörter und Phrasen, die eben sowohl deiktisc h als auc h anaphorisc h verwendet werden können. Allerdings fällt ein Gegensatz gleic h ins Auge. Für indexikalisc he Sätze hatte es sic h als nützlic h herausgestellt, zwisc hen der von der Äußerungssituation bestimmten objektiven und der auf den Redehintergrund bezogenen subjektiven Bedeutung zu untersc heiden. Bei Sätzen mit Anaphora ergibt diese Untersc heidung hingegen keinen Sinn — jedenfalls solange wir keine anaphorisc hen Ausdrüc ke mit deiktisc hem Antezedens berüc ksic htigen. Denn zu wissen, worauf sic h ein anaphorisc her Ausdruc k bezieht, erfordert ja gerade rein sprac hlic he Kenntnisse und keine Kenntnisse über die Welt. Bei anaphorisc hen Sätzen fallen also subjektive und objektive Bedeutung zusammen; beide sind nur vom Redekontext abhängig. Dieser Gegensatz mag eine Vereinheitlic hung unwahrsc heinlic h mac hen. Aber nac hdem wir sc hon zu Beginn dieses Absc hnitts gesehen haben, daß sic h Anaphora nic ht einfac h wie Deiktika behandeln lassen, wollen wir nun zumindest versuc hen, Deiktika in die hier entwic kelte Theorie der Anaphora einzupassen. Bei diesem Versuc h erhält z. B. der Satz Er schläft zunäc hst einfac h die logisc he Form schläft ganz unabhängig davon, ob er nun anaphorisc h oder deiktisc h verwendet
249
ist. Diese beiden Verwendungen untersc heiden sic h nur darin, wie die Variable xr in den Bereic h des Kontexts k, vor dem der Satz Er schläft betrac htet wird, eingeführt worden ist. Ist das er anaphorisc h, so ist dafür ein zuvor geäußerter Satz verantwortlic h. Ist das er deiktisc h, so ist dagegen davon auszugehen, daß die entsprec hende Prämisse, die die Variable xr in k eingeführt hat, situationell erzeugt wurde, z. B. durc h eine Zeigegeste und die entsprec henden Wahrnehmungen der Gespräc hsteilnehmer. In diesem Fall können wir also annehmen, daß k eine Formel P erfüllt, in der P diejenige Eigensc haft bezeic hnet, durc h die der mit er bezeic hnete Gegenstand den Gespräc hsteilnehmern gegeben ist — z. B. kann P so viel heißen wie ist ein Mann, den wir vor uns auf dem S ofa sitzen sehen, und auf den der Sprecher deutet. Diese Behandlung bedeutet allerdings, daß Deiktika als Deskriptionen und nic ht mehr als direkt referentielle Ausdrüc ke angesehen werden. Betrac hten wir dazu noc h einmal den Satz (11): (11) Hesperus ist Phosphorus. (11′) (Hesperus , Phosphorus , = ) Daß Hesperus und Phosphorus als Eigennamen indexikalisc he Ausdrüc ke sind, hatten wir ja sc hon im Absc hnitt 3 festgestellt. Nehmen wir nun an, daß Hesperus in einem Kontext k unter der Besc hreibung P = ist ein Stern, der „Hesperus“ heißt und abends an derund-der S telle am Himmel zu sehen ist und Phosphorus unter der Besc hreibung Q = ist ein S tern, der „Phoshorus“ heißt und morgens an der-und-der S telle am Himmel zu sehen ist eingeführt ist. Danac h erfüllt k die Formel ( , Q ). Wenn wir zudem annehmen, daß k sonst nic hts enthält, so gilt, gemäß obiger Wahrheitsdefinition, daß k + (11) und damit (11) selbst genau dann in einer Welt w wahr ist, wenn es in w ein P und ein Q gibt, die identisc h sind. Die Menge aller Welten, in denen k + (11) wahr ist, ist dann die von (11) in k ausgedrüc kte Proposition. Diese Proposition ist kontingent, und sie entspric ht in etwa dem, was wir im Absc hnitt 3 als die Diagonalproposition von (11) bezei c hnet haben. So gesehen, liefert unsere Theorie für die Besc hreibung der kontextverändernden Wirkung von (11) das richtige Ergebnis. Doc h bleibt als Problem, daß eine solc he Theorie uns vorderhand keinerlei Möglic hkeit bietet, die von (11) in einer Äußerungssituation objektiv ausgedrüc kte Proposition zu besc hreiben. Selbst wenn wir nur an einer Theo-
IV. Kontexttheorie
250
rie subjektiver Bedeutung interessiert wären, würde dieses Problem spürbar, sobald wir modale Sätze betrac hten wollten. Denn dann würden sic h gerade wieder die Sc hwierigkeiten auftun, die ursprünglic h den Anstoß dazu gaben, indexikalisc he Ausdrüc ke als direkt referentielle Ausdrüc ke zu analysieren. (Vgl. dazu Artikel 9.) Der oben festgestellte Gegensatz verhindert also in der Tat, Deiktika einfach wie Anaphora zu behandeln. Es bedarf demnac h noc h weiterer theoretisc her Modifikationen. Eine naheliegende Änderung besteht in der Forderung, daß eine deiktisc he Variable nur mit dem Gegenstand belegt werden darf, der von dem deiktisc hen Ausdruc k in einer Äußerungssituation tatsäc hlic h bezeic hnet wird; die womöglic h irrige Art und Weise des Gegebenseins dieses Gegenstandes tut es dann nic ht mehr. Solc he Bedingungen nennt man auc h externe Anker für Variablen; dieser Begriff wird zum Beispiel in Kamp (1986) eingeführt. Allerdings ist dann der Kontextbegriff erneut umzuinterpretieren. Wenn wir sagten, daß ein Kontext die gemeinsamen Überzeugungen der Gespräc hsteilnehmer repräsentiere, nun aber sol-
11. 1. 2.
5.1 5.2 6.
1.
Einleitung
4.1 4.2 4.3 5.
5.
Literatur (in Kurzform)
Asher 1986 · Asher 1989 · Gazdar 1979 · Heim 1982 · Heim 1983b · Heim 1987 · Kamp 1981a · Kamp 1985 · Kamp 1986 · Kartunnen 1974 · Kripke 1977 · Lewis 1979a · Link 1986 · Soames 1982 · Stalnaker 1973 · Stalnaker 1974 · Stalnaker 1976a · Stalnaker 1978 · Stalnaker 1987 · Stalnaker 1988 · van der Sandt 1987
Ulrike Haas-Spohn, München (Bundesrepublik Deutschland)
Vagheit und Ambiguität Einleitung Die Repräsentation semantischer Unbestimmtheit Dreiwertige Logiken Supervaluationssemantik Kommentare und Vergleich Metrische Vagheitstheorien Fuzzy Logic Probabilistische Vagheitssemantik Kommentare und Vergleich Zur Typologie der Unbestimmtheitsphänomene Vagheitstypen Ambiguität Zur Abgrenzung von Vagheit und Ambiguität Das Grenzziehungsproblem und topologische Vagheitstheorien Vagheit und Toleranz Topologisch basierte Vagheitstheorien Literatur (in Kurzform)
2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4.
c he externen Anker für die Variablen im Bereic h des Kontexts zulassen, so hat dies zur Folge, daß diese Überzeugungen nic ht mehr als de-dicto-, sondern als de-re-Überzeugungen zu verstehen sind. Was diese Begriffe betrifft, so sei nur auf den Artikel 34 verwiesen. Um die Behandlung propositionaler Einstellungen im Rahmen einer Kontextveränderungstheorie geht es auc h in Stalnaker (1987, 1988), Kamp (1985), Asher (1986) und Asher (1989). Für uns ist aber offenkundig, daß die Theoriebildung hinsic htlic h all der angesprochenen Phänomene noch sehr im Fluß ist.
Vagheit und Ambiguität kommen in Ausdrüc ken natürlic her Sprac he fast durc hgängig
vor. Dabei handelt es sic h nic ht um zufällige und korrekturbedürftige Mängel, wie dies von der sprac hanalytisc hen Philosophie angenommen wurde. Vagheit und Ambiguität sind konstitutive Eigensc haften natürlic her Sprac hen, die maßgeblic h zu deren Eigensc haft als effizientem und universellem Kommunikationsmittel beitragen. Die Ausnutzung von systematis c hen Bedeutungsvarianten und Vagheitsspielräumen mac ht den flexiblen Einsatz von Sprac he möglic h: Ein Ausdruc k ist in versc hiedenen Situationen in einer Vielzahl untersc hiedlic her Lesarten bzw. Präzisierungen verwendbar, und zwar mit dem Grad an Präzision, der den jeweiligen Erfordernissen angemessen ist. Grundlegende Ausführungen und sc hlagende Beispiele für den Status von Vagheit und Ambiguität in natürlic hen Sprac hen finden sic h außer in den einsc hlägigen Passagen von Wittgenstein (1953: §§ 66—133) in Erdmann (1910) und Naess (1975). Für die Semantiktheorie sind Vagheit und Ambiguität Problemfälle: Sie verstoßen gegen die Prinzipien der eindeutigen Bedeutungszuweisung, der Bivalenz, ansc heinend sogar
11. Vagheit und Ambiguität
gegen die elementare Forderung der Konsistenz. Dieser Artikel wird versc hiedene Vorsc hläge behandeln, Vagheit und Ambiguität in einen formal-semantisc hen Besc hreibungsrahmen zu integrieren. Dabei geht es in einem ersten Durc hgang (Absc hnitt 2—3) um Theorien für semantisc he Unbestimmtheit im allgemeinen (unter diesem Terminus werden im folgenden Vagheit und Mehrdeutigkeit zusammengefaßt). Daran ansc hließend werden spezielle Fragen im Zusammenhang mit Ambiguität (Absc hnitt 4) und Vagheit (Absc hnitt 5) diskutiert. Vor der Vorstellung formaler Theorien sollen in diesem Absc hnitt die wesentlic hen Eigensc haften semantisc her Unbestimmtheit informell herausgearbeitet werden. Den Ausgangspunkt dafür bildet die klassisc he Definition des Vagheitsbegriffs, die Charles Peirc e 1902 in einem Wörterbuc hartikel formuliert hat: „A proposition is vague when there are possible states of things c onc erning whic h it is intrinsic ally unc ertain whether, had they been c ontemplated by the speaker, he would have regarded them as exc luded or allowed by the proposition. By intrinsic ally unc ertain we mean not unc ertain in c onsequenc e of any ignoranc e of the interpreter, but bec ause the speaker’s habits of language were indeterminate.“
In dieser Formulierung sind versc hiedene Aussagen über semantisc he Vagheit enthalten. Erstens ist Vagheit ‘intrinsisc he’, der Aussage inhärente Unbestimmtheit. Sie hat nic hts mit mangelndem Wissen über die Weltumstände, mit Ungewißheit oder ‘epistemisc her Unbestimmtheit’ zu tun. Zweitens ist für semantisc he Vagheit die Möglic hkeit von Grenzfällen entsc heidend, von Sac hverhalten, bei denen unklar ist, ob sie unter die Aussage fallen oder nicht. „It is indeterminanc y of the usage, not its extension, whic h is important (...). The finite area of the field of applic ation of the word is a sign of its generality, while vagueness is indic ated by the finite area and lac k of spec ific ation of its boundary.“ (Blac k 1937: 432).
(1) Hans hat einen roten Wagen. (2) Hans hat irgendeinen Wagen. Satz (1) ist semantisc h vage: dunkelrosa oder rotorange Fahrzeuge im Besitz von Hans sind Anwendungsgrenzfälle, die auf der intrinsisc hen Unbestimmtheit von rot beruhen. Satz (2) würde man umgangssprac hlic h wohl noc h eher als vage bezeic hnen als (1), jedenfalls wenn (2) als Antwort auf die Frage Was für einen Wagen hat Hans? geäußert wurde. Diese
251
Verwendung des Ausdruc ks ‘vage’ zielt jedoc h auf eine pragmatisc he Eigensc haft von Satz (2) bzw. seiner Äußerung: Er ist unangemessen allgemein und unspezifisc h, und daher zu wenig informativ. Semantisc h vage ist Satz (2) nicht. Ein dritter Gesic htspunkt, der die Definition von Peirc e ergänzt, ist der enge Zusammenhang von semantisc her Unbestimmtheit und Kontextabhängigkeit. Die Existenz unklarer Anwendungsfälle als Vagheitskriterium hat eine positive Entsprec hung: die Möglic hkeit untersc hiedlic her Verwendungen in verschiedenen Situationen. (3) Hans hat einen teuren Wagen. Je nac h den finanziellen Verhältnissen von Hans und den Standards der Kommunikationsteilnehmer wird das unbestimmte teuer rec ht präzise untersc hiedlic he Lesarten annehmen. Der Indefinitbereic h eines unbestimmten Ausdruc ks ist gleic hzeitig sein Präzisierungspotential. Die bisher genannten Eigensc haften semantisc her Vagheit gelten für Ambiguität in gleic her Weise. Ic h komme nun zu einer ersten Bestimmung des Untersc hiedes zwisc hen Vagheit und Ambiguität, und greife dazu wieder auf die Definition von Peirc e zurüc k. Dort wird Vagheit als Unbestimmtheit von Propositionen, nic ht von Sätzen, bestimmt. Ein Satz kann einerseits unbestimmt sein, weil er eine unbestimmte — vage — Proposition ausdrüc kt; er kann andererseits auc h deswegen unbestimmt sein, weil er zwei untersc hiedlic he Propositionen alternativ ausdrü c ken kann (Beispielsatz (4)), und dem Hörer die zur Desambiguierung nötige Information fehlt. (4) Fritz hat einen neuen Wagen. Im ersten Fall liegt Vagheit vor, im zweiten Ambiguität (wobei Satz (4) gleic hzeitig demonstriert, daß Vagheit und Ambiguität einander nicht ausschließen). Im Absc hnitt 4 wird sic h zeigen, daß es tatsäc hlic h nic ht ein klares Kriterium für die Untersc heidung von Vagheit und Ambiguität gibt, sondern eine Reihe von Untersc hieden, und dementsprec hend eine Palette von Übergangsformen zwisc hen reiner Vagheit und prototypisc her Mehrdeutigkeit. Im Absc hnitt 5 wird eine zentrale Eigensc haft vager Ausdrüc ke behandelt, die über das bisher Gesagte hinausgeht und in der formalen Besc hreibung zu besonderen Problemen führt: ihre prinzipielle ‘Unsc härfe’, die Unmöglic hkeit, in einer kontinuierli c hen Realität präzise Denotatgrenzen zu ziehen.
IV. Kontexttheorie
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Hier sollen zunäc hst, wie angekündigt, Theorien behandelt werden, die das Phänomen semantisc her Unbestimmtheit im allgemeinen betreffen (wenngleic h sie meist als ‘Vagheitstheorien’ formuliert wurden). Dabei wird, entsprec hend den Ausführungen dieses Absc hnitts, die folgende Charakterisierung von semantischer Unbestimmtheit zugrundegelegt: (5) a. Ein Satz ist semantisch unbestimmt genau dann, wenn ihm trotz hinreichend genauer Kenntnis der relevanten Weltumstände in bestimmten Kontexten weder ‘wahr’ noch ‘falsch’ eindeutig als Wahrheitswert zugeordnet werden kann. b. Ein Ausdruck ist semantisch unbestimmt, wenn er in Sätzen so vorkommen kann, daß er für deren semantische Unbestimmtheit verantwortlich ist.
2.
Die Repräsentation semantischer Unbestimmtheit
Vage und mehrdeutige Ausdrüc ke verstoßen gegen das Bivalenzprinzip der klassisc hen Logik, das die Zuordnung genau eines der beiden Wahrheitswerte ‘wahr’ oder ‘falsc h’ zu jedem Satz verlangt. Dies kann man sic h grundsätzlic h auf zwei Arten vorstellen: Entweder ist neben ‘wahr’ und ‘falsc h’ (mindestens) ein dritter Wahrheitswert vorhanden; oder es liegen Lüc ken in der Wahrheitswertzuweisung vor. Je nac hdem welc he Variante man im Falle semantisc her Unbestimmtheit als gegeben ansieht, wird man entweder mehrwertige Logiken als Repräsentationsformat verwenden, oder zweiwertige semantis c he Theorien, die mit partiellen Wertzuweisungen arbeiten. Es handelt sic h bei der Entsc heidung darüber nic ht um eine Frage der Notation: Die resultierenden Theorien des Indefiniten untersc heiden sic h in inhaltlic h wic htigen Punkten und sind grundsätzlich unvereinbar. Beide Zweige, mehrwertige und ‘Lüc kentheorien’, sind in der Literatur in versc hiedenen Varianten vorgesc hlagen worden. Von den mehrwertigen Logiken haben die minimale und die maximale Variante Beac htung gefunden: dreiwertige Logiken, die Indefinitheit mit einem zusätzlic hen Wahrheitswert ‘unbestimmt’ oder ‘indefinit’ repräsentieren, und unendlic hwertige Logiken, unter der Bezeic hnung ‘fuzzy logic ’ gekannt geworden, die
das reelle Interval (0, 1) zur Repräsentation des Indefinitbereic hes benutzen. Die Theorien, die partielle Wahrheitswertzuweisungen zugrundezulegen, gehören in der großen Mehrheit zur Familie der ‘Supervaluationssemantiken’. Analog zur dreiwertigen Logik arbeitet man hier mit den drei ‘Wahrheitszuständen’ ‘wahr’, ‘falsc h’ und ‘undefiniert’. Gelegentlic h sind Erweiterungen des Supervaluationsansatzes durc h Wahrscheinlichkeitsmaße vorgesc hlagen worden, die in etwa eine Entsprec hung zu den numerisc hen Wahrheitswerten der fuzzy logic ergeben. Quer zur Einteilung in mehrwertige und Lüc kentheorien laufen sc hließlic h einige neuere Vorsc hläge, bei der Besc hreibung vager Ausdrüc ke auf Denotate im üblic hen Sinne zu verzic hten und als Basisrepräsentation für ihre Bedeutung relationale, topologische Strukturen anzunehmen. Im weiteren Verlauf dieses Absc hnittes werden dreiwertige Vagheitstheorien und Supervaluationstheorien vorgestellt. Im dritten Absc hnitt sollen die beiden grundlegenden Zugänge zum Unbestimmtheitsphänomen verglic hen und anhand des Vergleic hs einige grundlegende strukturelle Eigensc haften von Vagheit und Ambiguität herausgearbeitet werden. Absc hnitt 3 befaßt sic h mit den unendlic hwertigen Varianten: fuzzy logic und probabilistisc he Vagheitssemantik. Topologisc he Ansätze werden in Absc hnitt 5 betrac htet. 2.1 Dreiwertige Logiken Versc hiedene Varianten dreiwertiger Logik sind seit den zwanziger Jahren vorgesc hlagen und untersuc ht worden, meist allerdings nic ht zur Modellierung semantisc her Unbestimmtheit, sondern aus den versc hiedensten Motivationen: zur Durc hführung von Unabhängigkeitsbeweisen (Post 1941), zur Repräsentation von Ungewißheit (Lukasiewic z 1930), und, in den siebziger Jahren, zur Behandlung von Präsuppositionen (Peters 1979, Blau 1978a; letzterer bezieht allerdings den Vagheitsaspekt mit ein). Eine ausführlic he Darstellung der älteren Systeme findet sic h in Rescher (1969). Die Einführung eines dritten Wahrheitswertes führt zu beträc htlic hen Freiheiten bei der Interpretation der logisc hen Konstanten. Die Wahrheitstafeln für die zweistelligen Junktoren der Aussagenlogik haben neun Positionen; nur für vier davon sind die Werte durch die klassische Logik vorgegeben.
11. Vagheit und Ambiguität
(6)
⋀ U I F
W I F W F F
F
Die Wertzuweisung an die übrigen fünf Positionen, bei denen jeweils mindestens ein Teilausdruc k indefinit ist, ist im Prinzip beliebig. Durc h intuitive Erwägungen läßt sic h der Spielraum jedoc h sc hnell und wirkungsvoll einsc hränken. Kleene (1952) sc hlägt ein dreiwertiges Symbol vor, das sic h aus der folgenden ‘Regularitätsbedingung’ ergibt: Ein komplexer Ausdruc k erhält W (bzw. F) als Wert, wenn die definiten Werte der Teilausdrüc ke in der klassisc hen Logik bereits ausreic hen würden, um W (bzw. F) zuzuweisen; sonst ist er indefinit (I). Die resultierenden Wahrheitstafeln für die aussagenlogisc hen Junktoren sind in (7) aufgeführt:
253
Eine Sonderstellung unter den dreiwertigen Ansätzen nimmt in zweifac her Hinsic ht das System von Ulric h Blau ein (Blau 1978a). Erstens ist es in einer gewissen Hinsic ht eine konservative Erweiterung der klassisc hen Logik; zweitens stellt es mit Abstand die am sorgfältigsten ausgearbeitete und von den natürlic h-sprac hlic hen Daten her am besten begründete mehrwertige Theorie der semantisc hen Unbestimmtheit dar. Unter den Begriff der semantisc hen Unbestimmtheit faßt Blau außer Vagheit auc h Fälle von Präsuppositionsverletzungen. Tatsäc hlic h ist die semantisc he Analyse der Präsupposition sogar sein primäres Anliegen; seine Theorie des Indefiniten ist von daher motiviert. Blau betrac htet I und F als sekundäre Ausdifferenzierungen des klassisc hen ‘falsc h’: F steht für ‘normale’ unmarkierte Falsc hheit, I im Präsuppositionsfall für Falsc hheit aufgrund einer verletzten Präsupposition. Entsprec hend fordert Blau für die dreiwertige Interpretation der klassisc h-logisc hen Konstanten, daß sie in die klassisc h-zweiwertige übergeht, wenn man I und F zu klassisc h ‘falsc h’ zusammenfallen läßt (Regularität). Die unter (7) angeführten Wahrheitswertetafeln für ⋀ und ⋁ sind regulär (im Sinne Blaus); für die Implikation ergibt Blaus Regularitätsbedingung dagegen in Abweic hung sowohl von Kleenes wie von Lukasiewic z’ System die folgende Wahrheitstafel.
Die Interpretationen für ⋀ und ∨ sind so plausibel, daß es in der Literatur keine nennenswerten Alternativvorsc hläge gibt. Insgesamt hat Kleenes System jedoc h Eigensc haften, die es als formal uninteressant und für die Modellierung semantisc her Unbestimmt(8) → W I F heit ungeeignet ersc heinen lassen: Die FolgeW W I F rungsbeziehung ist gegenüber der klassisc hen I W WW Logik stark reduziert, vor allem aber gibt es F W WW in Kleenes System keine gültigen Sätze: Bei c dur hgängig indefiniten Teilausdrü c ken Die wic htigste Konsequenz dieser Interprenimmt jeder Ausdruc k den Wert I an. Neuere tationsvariante ist, daß in besc hränkten AllArbeiten zur Vagheitssemantik knüpfen dessätzen (∀ x(Fx → Gx)) nurmehr die eindeutig halb eher beim dreiwertigen System von wahren Anwendungsfälle des Prädikats F Łukasiewicz an, das etwas stärker ist, indem zählen: Indefinite F-Instantiierungen bleiben es der Implikation A → B bei indefiniten A ebenso wie falsche außer Betracht. und B den Wert W zuweist. Damit bleiben Die Regularitätsbedingung garantiert Koneine Reihe von wic htigen Tautologien der servativität: Da die Verteilung des Wertes W klassisc hen Logik erhalten (z. B. A → A, durc h die Einführung von I unberührt bleibt, A → ﹁ ﹁ A, (A → B) → ((B → C) → sind Gültigkeit und Folgerung in Blaus Sy(A → C))). Andere klassisc h gültige Sätze, stem extensionsgleic h mit den klasssic hen Bez. B. das Tertium Non Datur (A ∨ ﹁ A) und griffen. Der explizite Bezug auf die differender Satz vom Widerspruc h (﹁ (A ⋀ ﹁ A)) gezierte Werteskala wird durc h die Einführung hen verloren. Ob dies als Nac hteil oder als eines zweiten, nic ht-klassisc hen Negationswünsc henswerte Konsequenz des aufgehobeoperators ‘—’ zusätzlic h zum regulären ‘﹁’ nen Bivalenzprinzips betrac htet werden sollte, c ermögli ht. wird in 2.2 zu diskutieren sein. Als allgemeines Resultat ist festzuhalten, daß die bisher betrac hteten dreiwertigen Systeme nic ht konservativ sind: Sie geben einen Teil des klassisc h-logisc hen Folgerungs- und Gültigkeitsbegriffs auf.
254
Es handelt sic h um die aus der Präsuppositionssemantik bekannte Untersc heidung zwisc hen starker (‘innerer’) und sc hwac her (‘äußerer’) Negation. Das Tertium Non Datur kommt entspre c hend in einer gültigen (A ∨ ﹁ A) und in einer kontingenten Version vor (A ∨ — A), letzteres in Übereinstimmung mit den anderen genannten dreiwertigen Systemen. Im Absc hnitt 3 wird die Frage diskutiert, wie weit Blaus System eine adäquate Theorie für den Vagheitsfall darstellt. 2.2 Supervaluationssemantik Im Gegensatz zu mehrwertigen Logiken interpretieren supervaluationsbasierte Theorien semantisc he Unbestimmtheit als das Vorliegen einer Wahrheitswertlüc ke. Vagheit wird nic ht durc h Erweiterung des Wertespektrums, sondern duc h das Zulassen partieller Wertzuweisungen modelliert. Die konsistente Integration partieller Funktionen in die prädikatenlogisc he Semantik leistet das Prinzip der Supervaluation. Supervaluationen sind erstmalig in van Fraassen (1968, 1969) zur Becs hreibung des Präsuppositionsphänomens eingesetzt worden, und dort mit bezug auf eine ‘Nezessitationsrelation’ definiert. Für vagheitssemantisc he Zwec ke ist die einfac here Version hinreic hend, die in Fine (1975) ausführlic h besc hrieben und diskutiert und in ähnlic her Form in Kamp (1975) vorgesc hlagen wird. Die Grundidee ist die folgende: Da die Denotate vager und mehrdeutiger Ausdrüc ke durc h deren Bedeutung nic ht vollständig determiniert sind, gibt es nic ht nur eine sc harfe Begrenzung / eine klassisch-logische Interpretation, sondern eine Menge von möglic hen Grenzziehungen / klassisc hen Interpretationen, die mit der Bedeutung dieser Ausdrüc ke verträglic h sind. Die Semantik einer Sprac he mit unbestimmten Ausdrüc ken kann durc h eine solc he Menge klassisc her Komplettierungen () repräsentiert werden, die ihrerseits eine ‘Supervaluation’ oder ‘Basisinterpretation’ (V) determiniert. Ein Satz ist wahr in V, wenn er wahr in allen V′ ∈ , falsch, wenn er falsch in allen V′ ∈ ist; er ist indefinit, wenn er Komplettierungen zuläßt, die zu untersc hiedlic hen klassisc hen Wahrheitswerten führen.
Die Beziehung unter (10) gilt nic ht nur für
IV. Kontexttheorie
Satzkonstanten, sondern für alle prädikatenlogisc hen Sätze (und, mit entsprec henden Modifikationen, für Ausdrü c ke beliebiger Kategorie): V(A) für einen komplexen Ausdruc k A ergibt sic h also nic ht unmittelbar aus den V-Werten seiner Teilausdrüc ke; die Beziehung ist immer über die Menge klassisc her Komplettierungen vermittelt. Dies soll am Beispiel der Disjunktion illustriert werden. Wenn V(A), V(B) ∈ {W, F}, so ergibt das Supervaluationsverfahren für A v B trivialerweise die klassisc hen Resultate: alle klassisc hen Komplettierungen von V stimmen für A und B, und damit auc h für A v B, im Wahrheitswert überein. (11a) zeigt die Bewertung der Disjunktion für ein wahres und ein indefinites Disjunktionsglied, (11b) den entsprec henden Fall für einen falsc hen und einen indefiniten Teilsatz. Die untere Zeile enthält die Werte für die Basisinterpretation V, die beiden oberen Zeilen die alternativen Möglic hkeiten der Wertzuweisung an A, B, A v B in den mit V verträglic hen klassisc hen Interpretationen. Die Pfeile deuten die Ric htung an, in der sic h der Wert des komplexen Ausdruc ks aus den Werten der Teilausdrüc ke berec hnet. Wahrheitswertlüc ken sind durc h I markiert.
Im Beispiel (a) erhält der Gesamtausdruc k den definiten Wert W, da die klassisc he Definition der Disjunktion für alle Komplettierungsalternativen übereinstimmend W ergibt. Im Beispiel (b) erhält man für die alternativen Komplettierungen abwei c hende Resultate; entsprec hend bleibt die Basisinterpretation für A v B hier undefiniert. — So weit dec ken sic h die Resultate des Supervaluationsverfahrens mit denen der dreiwertigen Logik. Das kritisc he Beispiel, das den Untersc hied zwisc hen beiden Ansätzen demonstriert, ist der Fall mit zwei unbestimmten Disjunktionsgliedern, der in (12) dargestellt ist.
11. Vagheit und Ambiguität
(12a) als die näc hstliegende Lösung geht von vier möglic hen Komplettierungen aus. Was eine möglic he klassisc he Komplettierung ist, hängt jedoc h nic ht nur vom Wahrheitszustand der unmittelbaren Teilausdrüc ke der Disjunktion ab, sondern auc h von deren Struktur (allgemeiner: von ihrer wec hselseitigen semantisc hen Beziehung, die sic h im einfac hen Fall aus ihrer Struktur ergibt). Ist B von der Form A, fallen V1 und V4 als möglic he Präzisierungen aus (s. (12b)): Der Satz vom Ausgesc hlossenen Dritten erhält — in Übereinstimmung mit der klassisc hen Logik, aber in Abweic hung vom allgemeinen Fall der Disjunktion mit indefiniten Teilsätzen W als Wert. Das Beispiel illustriert zwei wic htige Eigensc haften des Supervaluationsansatzes. Erstens ist er konservativ: Da die Bewertung komplexer Ausdrüc ke über klassisc he Komplettierungen erfolgt, und da alle Tautologien in den klassis c hen Komplettierungen dur c hgängig wahr sind, müssen sie unabhängig vom Wert der Konstituenten in der Supervaluation wahr sein (Entsprec hendes gilt für den Folgerungsbegriff). Zweitens ist er in bezug auf den dritten Wahrheitszustand nic ht ‘wahrheitsfunktional’: Wie (12) zeigt, läßt sic h der Wahrheitszustand der Disjunktion (W oder I) nic ht aus der Tatsac he vorhersagen, daß beide Teilsätze indefinit sind. Information über die Struktur der Teilausdrüc ke sowie lexikalisc he Bedeutungsrelationen ist zusätzlic h erforderlic h. Fehlende Wahrheitsfunktionalität gilt potentiell für genau diejenigen komplexen Ausdrüc ke, die mehr als einen indefiniten Teilausdruc k enthalten. V(A ⋀ B) variiert für V(A) = V(B) = I zwisc hen I und F, V(A → B) zwisc hen W und I, die Äquivalenz A ↔ B sogar zwisc hen W (für A = B), F (für A = ﹁ B) und I. Alle übrigen Wahrheitswertverteilungen (d. h. die Fälle mit maximal einem I) führen für die aussagenlogisc hen Junktoren zu Resultaten, die mit Kleenes Wahrheitstafeln übereinstimmen (s. o. (7)). Die Negation ist als einstelliger Operator unproblematisc h; sie entspric ht der dreiwertigen starken Negation. Definitheit und Indefinitheit können durc h einen Definitheitsoperator explizit ausgedrüc kt werden (D bei Fine 1975, ⊡ bei Pinkal 1983, 1985), der mit ‘eindeutig’ oder ‘in jeder Hinsic ht’ paraphrasierbar ist und wie folgt interpretiert wird:
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Am eben vorgestellten Standardansatz der Supervaluationstheorie stört, daß er mit fiktiven, in natürlic hen Sprac hen möglic herweise gar nic ht realisierbaren vollständig präzisen Interpretationen als Elementen von arbeitet. Dies ist jedoc h keine notwendige Eigensc haft supervaluationsbasierter Theorien. Im folgenden wird eine Variante vorgestellt, die ohne klassisc he Komplettierungen auskommt. Sie ist in Pinkal (1983, 1985) besc hrieben und der dort entwic kelten Präzisierungssemantik zugrundegelegt. Ein präzisierungssemantisc hes Modell ist ein geordnetes Paar 〈V, ), wobei V eine partielle Interpretation und eine Menge partieller Interpretationen ist. Die partiellen Definitionen müssen in ihren definiten Teilen konsistent sein (dürfen keinen klassisc hen Widerspruc h enthalten); außerdem muß das Paar 〈V, ) den folgenden Bedingungen genügen: (14) (i) V ∈ (ii) V ⊆ V′ für jedes V′ ∈ (iii) für alle V′ ∈ und Sätze A: wenn V′(A) undefiniert, so gibt es V″, V‴ mit V′ ⊆ V″, V′ ⊆V‴, V″(A) = W und V‴(A) = F V ist gemäß (14) ein Mengenverband, der durc h die ⊆ - Relation partiell geordnet ist, ein Infimum besitzt (nämlic h V), aber nic ht notwendig ein Supremum. Inhaltlic h kann man sic h als ein System von mehr oder weniger präzisen Interpretationen vorstellen, die durc h untersc hiedlic he Äußerungskontexte induziert werden, und durc h ⊆ bzw. die Umkehrung ⊆ als Präzisierungsrelation (‘mindestens so präzise wie’) geordnet sind. Die präzisierungssemantisc he Variante ergibt für die Basisinterpretation exakt die gleic hen Eigensc haften wie die Standardversion der Supervaluationstheorie. Sie untersc heidet sic h in mehreren Punkten in bezug auf Status und Eigensc haften von : Erstens fordert die Bedingung (14) (iii) nur die punktuelle Präzisierbarkeit jedes unbestimmten Ausdruc ks; global präzise Interpretationen brau c hen nic ht vorzukommen. Zweitens ist es möglic h, intermediäre Präzisierungszustände darzustellen, und damit den Prozeß der sukzessiven Präzisierung unbestimmter Ausdrü c ke im Diskurs als Ketten in darzustellen. Drittens ist nic ht durc h die Basisinterpretation determiniert: Es können bestimmte Präzisierungsalternativen (partielle Komplettierungen der Basisinterpretation) berüc ksic htigt, andere ausgesc hlossen werden. Damit kann in gewissem Ausmaß dazu verwendet wer-
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den, konkrete Präzisierungsgefüge im Lexikon natürlic her Sprac hen zu modellieren. Beispiele dazu folgen in 4. 2.3 Kommentare und Vergleich Dreiwertige und supervaluationsbasierte Ansätze interpretieren unbestimmte natürlic hsprac hlic he Prädikate in der Weise, daß der Individuenbereic h in drei Teilmengen (Positiv-, Negativ- und Indefinitbereic h) zerlegt wird. Die präzisierungssemantisc he Variante des Supervaluationsansatzes ist jedoc h, wie soeben ausgeführt wurde, strukturell in signifikanter Weise reic her als die mehrwertigen Logiken. Sie ermöglic ht es, die interne Strukturierung des Indefinitbereic hes zu modellieren, wie sie z. B. von K. O. Erdmann beschrieben wurde: „..., auf dem Grenzgebiet, das als Hauptgrenze den Kern einsc hließt, verlaufen mehr oder minder zahlreic he Untergrenzen, die zum Teil ebenfalls Grenzgebiete aufweisen, auf denen wieder Untergrenzen zweiter Ordnung sic h befinden. Häufig setzt sic h dieser Gliederungsvorgang noc h weiter fort, so daß sic h Untergrenzen dritter und höherer Ordnung nac hweisen lassen. Indem aber alle diese Grenzen Sonderbedeutungen eins c hließen, entsteht jene Vieldeutigkeit ...“ (Erdmann 1910: 8).
Dies ist ein Argument für den Supervaluationsansatz: In Absc hnitt 4 wird sic h zeigen, daß sic h in seinem Rahmen versc hiedene interessante Struktureigensc haften unbestimmter Prädikate präzise festmac hen lassen. Zunäc hst muß jedoc h die Frage gestellt werden, welc he Erklärung des Indefiniten grundsätzlic h adäquat ist: die mehrwertige, die zur Aufgabe des klassisc hen Theorembestandes tendiert, oder die ‘Lüc kentheorie’, die auf die elementare Eigensc haft der Wahrheitsfunktionalität verzichtet. Das dreiwertige System Ulric h Blaus ist das einzige, das gleic hzeitig die Eigensc haften der Konservativität und der Wahrheitsfunktionalität für sic h reklamiert. Der Grund für diese Sonderstellung ist das Regularitätsprinzip, dem Blaus dreiwertige Logik gehorc ht: I und F stehen als zwei Varianten von Falsc hheit dem Wert W gegenüber. Blaus System ist von der Konzeption her asymetrisc h, im Untersc hied sowohl zu den anderen dreiwertigen Systemen, bei denen I unabhängig neben W und F steht, als auc h zu den Supervaluationssystemen, in denen Unbestimmtheit zu W und F in der gleic hen (Präzisierungs-)Beziehung steht.
IV. Kontexttheorie
Supervaluation Kleene u. a. Blau Wenn man den I-Wert benutzt, um Präsuppositionsverletzungen semantisc h zu repräsentieren, ist die Asymetrie plausibel, im Gegensatz zur supervaluationsbasierten Präsuppositionstheorie von Fraassens: Satz (16) kann im Falle, daß Karl keinen Wagen besitzt, als falsc h, nie jedoc h als wahr betrac htet werden: (16) Karls Wagen ist rot. Für die Modellierung des Vagheitsfalles ist die asymmetrisc he Lösung jedoc h problematisc h. Vagheitsbedingte Unbestimmtheit ist nic ht ein markierter Fall von Falsc hheit, sondern — semantisc h bedingte — Unklarheit darüber, ob eine Aussage den wahren oder den falsc hen Fällen zuzurec hnen ist: Wenn die Farbe von Karls Wagen einen Grenzfall von rot darstellt, so ist Satz (16) gerade deshalb unbestimmt, weil man ihn mit gleic hem Rec ht unter die wahren und unter die falsc hen Fälle einordnen könnte, bzw. weil man ihn mit gleic hem Rec ht von den wahren und den falschen Fällen ausschließen könnte. Die beiden parallelen Formulierungen im letzten Satz markieren den Untersc hied zwisc hen supervaluationsbasierten Theorien des Unbestimmten (I ist ‘einerseits W, andererseits F’) und den symmetrisc hen mehrwertigen Systemen (I ist ‘weder W noc h F’). In Pinkal (1985) wird ausführlic h dafür argumentiert, daß es Indefinitheit ‘an sic h’ gar nic ht gibt; das Resultat der Argumentation ist in einem Präzisierungsprinzip zusammengefaßt, das in vereinfac hter Form in (17) wiedergegeben ist. Je nac h dem, ob man Präsuppositionsverletzungen als semantisc hes Phänomen oder bloß als eine Angelegenheit der Pragmatik betrac htet, ist (17) als abgrenzende Definition der vagheits- und ambiguitätsbedingten Unbestimmtheit oder als generelle Aussage über Indefinitheit zu interpretieren. (17) Semantische Unbestimmtheit ist alternative Präzisierbarkeit zu ‘wahr’ und ‘falsch’. Dieses Präzisierungsprinzip und damit eine Entsc heidung für den Supervaluationsansatz läßt sic h auf versc hiedene Weise motivieren. Ein Indiz liefert die Betrac htung, wie Unbestimmtheit umgangsspra c hli c h thematisiert wird, nämlic h typisc herweise mit ‘einerseits ja, andererseits nein’-Formulierungen. Dazu kommt die Beobac htung, daß sic h Unbestimmtheit durc h einen geeigneten Kontextwec hsel immer zu einem eindeutigen Fall (W oder F) auflösen läßt, eine Möglic hkeit, die
11. Vagheit und Ambiguität
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im Diskurs auc h durc hgängig genutzt wird. Das wesentlic he Argument für die Entsc heidung zwisc hen den alternativen Theorien des Unbestimmten ergibt sic h jedoc h aus der Betrac htung ihrer grundlegenden ‘nic ht-klassisc hen’ Struktureigensc haften: der Nic ht-Konservativität im einen und der fehlenden Wahrheitsfunktionalität im anderen Fall. Im folgenden soll die Angemessenheit dieser Eigensc haften diskutiert werden, ausgehend vom Standardbeispiel der Vagheitsliteratur, dem Tertium Non Datur. Wie im Absc hnitt 2 ausgeführt, erhält man in den ‘symmetrisc hen’ dreiwertigen Systemen V(A ∨ ﹁ A) = I für V(A) = I, in der Supervaluationssemantik ist in jedem Fall V(A ∨ ﹁ A) = W. Entsprec hendes gilt für den Satz vom Widerspruc h: A ⋀ ﹁ A ist kontingent in den mehrwertigen Logiken, kontradiktorisc h in Supervaluationssystemen. Daß diese den Gültigkeitsbegriff der klassisc hen Logik bewahren, hängt unmittelbar damit zusammen, daß die logisc hen Konstanten (auf der Ebene der Supervaluation) nic ht wahrheitsfunktional sind. Vertreter der mehrwertigen Logik können die Tatsac he anführen, daß in Übereinstimmung mit der nic ht-konservativen dreiwertigen Analyse natürlic hsprac hlic he Sätze wie (18) und (19) keineswegs eindeutig als wahr bzw. falsc h empfunden werden. (18) Dies Buch ist rot, oder es ist nicht rot. (19) Dies Buch ist rot, und es ist nicht rot.
indefiniten Teilsätzen I als Wahrheitswert möglic h. Mehrwertige Logiken haben keine Erklärung für das Verhalten von (20), und der Untersc hied zwisc hen (20) und (21) steht in direktem Widerspruc h zur Annahme der Wahrheitsfunktionalität. Die c ni ht-wahrheitsfunktionale Supervaluationssemantik wird diesen Beispielen offenbar besser gerecht. Das erste und das zweite Satzpaar (18)/(19) bzw. (20)/(21) liefern also entgegengesetzte Evidenz. Sie muß jedoc h untersc hiedlic h gewic htet werden. (18) und (19) sind logisc h determinierte Sätze, die keine direkte informative Lesart besitzen. Sie sind deshalb, im Gegensatz zu den unmarkierten Beispielsätzen (20) und (21), von vornherein zweifelhafte Quellen für semantisc he Intuitionen. Tatsäc hlic h bietet sic h als sekundäre Interpretation für (18) an, daß der Sprec her auf einer eindeutigen Wertzuweisung besteht, für (19) die Interpretation als implizite ‘einerseits-andererseits’-Formulierung. Beides läßt sic h gut mit dem Supervaluationsansatz in Einklang bringen. Die Evidenz spric ht demnac h eher für eine konservative, aber nic ht-wahrheitsfunktionale Semantik des Unbestimmten, und damit für die Supervaluationsalternative. Die Argumentation dieses Absc hnitts folgt im wesentlic hen den Ausführungen in Pinkal (1985). Die Gegenposition ist ausführlic h in Blau (1982) dargestellt.
Wenn es sic h bei dem bezeic hneten Gegenstand um einen Grenzfall von rot handelt, kann (18) sogar als falsc h und (19) als zutreffende Charakterisierung betrac htet werden. Zusammen mit dem strukturellen Vorteil der Wahrheitsfunktionalität spric ht dies für die mehrwertige Lösung. Zu einem anderen Resultat kommt man, wenn man die Sätze (20) und (21) betrachtet. (20) Dies Buch ist rot, und jenes ist nicht rot. (21) Dies Buch ist rot, und jenes ist nicht grün.
3.
Sie sind parallel zu (19) gebaut; dabei ist (20) ein kontingentes Gegenstüc k zu (19). Unter der Voraussetzung, daß die beiden Büc her gleic hfarbig sind, muß Satz (20) als falsc h beurteilt werden. Im Supervaluationsrahmen folgt dies direkt aus der Tatsac he, daß die Prädikate beider Teilsätze identisc h sind, die Wahrheitsbewertungen also strikt korrelieren: wie immer man präzisiert, kann (20) nic ht wahr werden. In (21) dagegen sind die Prädikate unabhängig, und entsprec hend ist bei
Metrische Vagheitstheorien
Im Absc hnitt 2 sind dreiwertige Logiken und ihr supervaluationstheoretisc hes Korrelat besproc hen worden. In diesem Absc hnitt geht es um unendlic hwertige Varianten bzw. Erweiterungen dieser Systeme, die als Wahrheitswerte reelle Zahlen aus dem Intervall [0, 1] verwenden. Der Übergang von drei Wahrheitswerten zu einem Wertespektrum ist versc hieden motiviert worden. Ein grundsätzlic hes Argument besteht darin, daß der kontinuierlic he Übergang vom Positiv- zum Negativbereic h bei vagen Prädikaten durc h ein dreiwertiges System nic ht dargestellt wird (vgl. z. B. Zadeh 1975). Weitere Argumente ergeben sic h aus der Anwendung auf den Komparativ von Adjektiven (Kamp 1975) und auf die Besc hreibung bestimmter sprac hlic her Hec ken (Gradmodifikatoren wie sehr und relativ; Lakoff 1973). Die Stic hhaltigkeit dieser Argumente wird im einzelnen in 3.3, im Ansc hluß an die Vorstellung der Formalismen, kommentiert. Es wird sic h zeigen, daß
258
die Notwendigkeit von Wahrheitsmetriken unter theoretis c hem Gesi c htspunkt ni c ht zwingend ist; dies gilt in besonderem Maße, wenn man in einem supervaluationsbasierten Rahmen arbeitet, in dem ja über die Dreiwertigkeit hinaus bereits zusätzlic he Struktur vorhanden ist. Allerdings gibt es ein praktisc hes Argument, das für beide Ansätze — dreiwertige Logik und Supervaluation — in gleic her Weise gültig ist. Unter den Grenzfällen eines vagen Prädikates kommen bessere und sc hlec htere Anwendungsfälle vor (man vergleic he ein fast-rotes Rotorange und ein blasses Rosa als Anwendungsfälle für rot). Zur Information, die mit der Äußerung eines vagen Prädikates vermittelt wird, trägt nic ht nur das Wissen um die Verteilung des I-Wertes und um die relative Position der Anwendungsfälle zu den extremen Werten W und F bei (die sic h im Supervaluationsrahmen darstellen läßt), sondern auc h das Wissen über die untersc hiedlic hen Grade, mit denen versc hiedene Objekte das Prädikat verifizieren. Ein konkretes Beispiel dafür, daß man dies Wissen für die Bewertung von Äußerungen benötigt, ist die Funktion vager Prädikate in definiten Deskriptionen (Pinkal 1979). Daß Wissen über Wahrheitsgrade seinerseits vage ist, soll vorerst unberüc ksic htigt bleiben. Die Frage wird, zusammen mit einer Reihe weiterer inhaltlic her Probleme, nac h der Vorstellung der fuzzy logic (in 3.1) und der probabilistisc hen Erweiterung des Supervaluationsansatzes (in 3.2) in 3.3 diskutiert. 3.1 Fuzzy Logic Unendlic hwertige Logiken sind seit den Sec hziger Jahren durc h Lofti Zadehs Arbeiten (z. B. 1965, 1975) unter dem Etikett ‘fuzzy logic ’ bekannt geworden; mit Lakoff (1973) wurden sie in die linguistisc he Diskussion eingebrac ht. Zur Popularität der fuzzy logic hat ihr Anwendungsbezug beigetragen, die Tatsac he, daß semantisc he Operationen sic h als arithmetisc he Funktionen problemlos implementieren lassen. Sätze erhalten Werte aus dem reellen Intervall [0, 1] direkt zugewiesen. Die Denotate von Prädikaten sind ‘fuzzy sets’, Abbildungen vom Individuenbereic h in die Menge [0, 1], in den Standardbeispielen als Funktionen bestimmter meßbarer Eigensc haften der Individuen definiert. (22) zeigt einen möglic hen Funktionsverlauf für das Adjektiv groß (tall), bei dem die Wahrheitsgrade der Prädikation von der Körpergröße abhängen.
IV. Kontexttheorie
Tatsäc hlic h ist das Konzept der unendlic hwertigen Logik älter als der Terminus ‘fuzzy logic ’. Es geht auf Lukasiewic z (1930) zurüc k, dessen Interpretation für die aussagenlogisc hen Standardoperatoren in (23) wiedergegeben ist. (23) V(﹁ A) = 1 — V(A) V(A ⋀ B) = min (V(A), V(B)) V(A ∨ B) = max (V(A), V(B)) V(A → B) = min (1, 1 — V(A) + V(B)) Die Definitionen unter (23) liefern auc h die Wahrheitstafeln des dreiwertigen Systems von Łukasiewic z, wenn man W = 1, I = ½ und F = 0 setzt; sie sind als generelle Definitionen der Junktoren in n-wertigen Systemen intendiert. Wie das dreiwertige System ist das unendli c hwertige c ni ht konservativ. Für V(A) = 0.3 erhält man z. B.: (24) V(p ∨ ﹁ p) = max (0.3,1—0.3) = 0.7 V(﹁ (p ⋀ ﹁ p)) = 1 — min (0.3,1—0.3) = 0.7 Goguen (1969) argumentiert im Blic k auf die natürli c h-spra c hli c he Anwendung für ein alternatives unendlic hwertiges System, dessen elementare Definitionen in (25) aufgeführt sind. (25) V(﹁ A) = 1 — V(A) V(a ⋀ B) = V(A) · V(B) V(A ∨ B) = V(A) + V(B) — V(A) · V(B)
Von der Negation abgesehen, ordnen (23) und (25) den aussagenlogisc hen Junktoren jeweils untersc hiedlic he Wahrheitsfunktionen zu. Für ⋀ und ∨ sind damit die gängigen Interpretationsvarianten bereits ersc höpft. Für die Implikation ist eine größere Anzahl von Definitionsalternativen vorges c hlagen worden, die in ihren Resultaten für spezifisc he Ausgangswerte z. T. erheblic h voneinander abweichen (vgl. Todt 1983). Die Anwendung im fuzzy reasoning, dem Sc hließen auf der Basis indefiniter, partiell zutreffender Information, soll den kurzen Überblic k über die fuzzy logic absc hließen.
11. Vagheit und Ambiguität
Folgerungsbeziehungen zwisc hen indefiniten Sätzen kann man in dreiwertigen oder Supervaluationssystemen formulieren, indem man Indefinitheit durc h die Einführung eines c ni ht-klassis c hen Operators ausdrü c kbar mac ht. Dies leistet z. B. der Definitheitsoperator D oder Blaus starke Negation (﹁ DA ⋀ ﹁ D ﹁ A bzw. ﹁ A ⋀ ﹁ — A für ‘A indefinit’). Dieser Weg ist für die fuzzy logic versc hlossen: Um sie expressiv vollständig zu mac hen, benötigt man unendlic h viele Operatoren (nämlic h je einen für jedes x ∈ (0, 1)), und Systeme mit unendlic h vielen Operatoren sind wiederum nic ht vollständig axiomatisierbar (Morgan/Pelletier 1977). Stattdessen kann man in der fuzzy logic mit Varianten der konventionellen Sc hlußregeln arbeiten, die für jedes klassisc he Sc hlußsc hema zusätzlic h eine arithmetisc he Operation über [0, 1] spezifizieren. Parallel zur Durc hführung der klassisc hen Sc hlüsse wird so der Wahrheitsgrad für jede neue Konklusion berec hnet. Die allgemeine Form für den fuzzy Modus Ponens sieht z. B. folgendermaßen aus: (26)
A i A→B j k = f(i,j) B
Die Spezifikation von f in den einzelnen Systemen der fuzzy logic hängt mit der Definition der Implikation zusammen. In (27a, b) sind die Operationen für die Systeme von Lukasiewicz und Goguen angegeben: (27) a. f(i,j) = max (0, i + j — l) b. f(i,j) = i · j 3.2 Probabilistische Vagheitssemantik Supervaluationsbasierte Wahrheitsmetriken sind in Kamp (1975) und Pinkal (1977, 1979) vorgesc hlagen worden. Man erhält sie, indem man ein Wahrsc heinlic hkeitsmaß P über der Komplettierungs-/Präzisierungsmenge etabliert, bzw. über einer Kontextmenge C, deren Elemente die Interpretationen in induzieren. Als Wahrheitsgrad eines Satzes A erhält man den P-Wert, die ‘Wahrsc heinlic hkeit’ der Menge von Kontexten, die verifizierende Interpretationen für A induzieren (im folgenden kurz: CA). ‘Wahrsc heinlic hkeit’ ist hier ein tec hnisc her Begriff, der für bestimmte formale Eigensc haften der zugrundegelegten Metrik steht; er darf nic ht inhaltlic h im Sinne von ‘Zutreffenswahrs c heinli c hkeit’ mißverstanden werden. Die V-Funktion ordnet Wahrheitsgrade zu, nic ht epistemisc he Wahrsc heinlic hkeiten.
259
(28) V(A) = P(CA) Die probabilistisc he Erweiterung der Supervaluationssemantik ist konservativ; eine klassisc he Tautologie hat nur verifizierende Komplettierungen; es gilt also CA = C und damit V(A) = P(C) = 1. Entsprec hend ist CA für einen klassisc hen Widerspruc h ∅, und deshalb V(A) = P(∅) = 0. Als Wahrsc heinlic hkeitsmetrik ist die Erweiterung jedoc h nic ht wahrheitsfunktional: Die kompositionelle Bestimmung semantisc her Werte erfolgt nic ht durc h den Bezug auf P-Werte, sondern über mengentheoretisc he Operationen auf der Kontextmenge. So erhält man als Wert für die Konjunktion: (28’) V(A ⋀ B) = P(CA ⋀ B) = P(CA ⋂ CB). Dies Resultat läßt sic h in Form von Wahrheitswertzuweisungen bestenfalls als V(A) · VA(B) reformulieren, wobei ‘VA(B)’ eine bedingte Wahrscheinlichkeit ausdrückt: den P-Wert von B unter der Voraussetzung, daß A wahr ist. Welc hen Wert A A B zugewiesen erhält, hängt davon ab, wie stark die Teilausdrüc ke miteinander korrelieren: Der Wert wird um so höher, je einheitlic her sic h A und B in versc hiedenen präzisierenden Kontexten verhalten. Entsprec hendes gilt für v und →: (29) V(A ∨ B) = V(A) + V(B) — P(CA ⋂ CB) V(A → B) = 1 — V(A) + P(CA ⋂ CB) 3.3 Kommentare Beim Vergleic h von fuzzy logic und probabilistisc her Vagheitstheorie zeigt sic h ein ähnlic hes Bild wie auf der Ebene der dreiwertigen Entsprec hungen, nur daß die Untersc hiede hier krasser heraustreten. Im einen Fall werden einzelne Wahrheitsfunktionen aus einem Kontinuum alternativer Mögli c hkeiten in sc hwer motivierbarer Weise herausgegriffen. Im anderen Fall liegt der Bewertungsmodus fest; die Werte variieren jedoc h in Abhängigkeit vom zugrundegelegten Wahrsc heinlic hkeitsmaß in sc hwer vorhersagbarer Weise. Um die Zusammenhänge deutlic her zu mac hen, soll für das Beispiel der Konjunktion betrac htet werden, wie der Spielraum aussieht, den die probabilistisc he Semantik für die Wertzuweisung überhaupt zuläßt. Erstens kann wegen CA ⋂ CB ⊆ CA, CB der P-Wert von A ⋀ B nic ht größer sein als der P-Wert eines seiner Konjunkte. Zweitens müssen auc h bei ungünstigster Korrelation CA und CB im Fall von P(CA) + P(CB) > 1 überlappen. Man erhält demnach:
260
(30) a. V(A ⋀ B) min (V(A), V(B)) b. V(A ⋀ B) max (0, V(A) + V(B) — 1) Im Extremfall maximaler Korrelation geht das in (30a) in Identität über, und entsprec hend das in (30b) bei minimaler Korrelation. Ein Sonderfall in dem von den Extremfällen aufgespannten Spektrum möglic her Werte ist der, bei dem die Konjunkte voneinander unabhängig sind (P ist Gleic hverteilung, und A und B enthalten durc hgängig untersc hiedlic he lexikalisc he Ausdrüc ke). Für diesen Fall ergibt sich: (31) V(A ⋀ B) = V(A) · V(B) Ein Blic k auf die unendlic hwertigen Systeme in 3.1 zeigt, daß Łukasiewic z den Sonderfall maximaler Korrelation, Goguen den Gleic hverteilungsfall zugrundelegt. Welc he der beiden Varianten gibt die natürlic h-sprac hlic hen Verhältnisse angemessen wieder? Es sc heint, daß die Beantwortung der Frage vom jeweiligen Einzelfall abhängt. Die Überlegungen in 2.3 hatten anhand von (quasi-)tautologisc hen und widersprüc hlic hen Sätzen gezeigt, daß unbestimmte Sätze natürlic her Sprac he nic ht wahrheitsfunktional sind. Die Argumentation gilt natürlic h ebenso für die unendlic hwertigen Erweiterungen der in Absc hnitt 2 besproc henen dreiwertigen Ansätze. Hier soll ein Beispiel angeführt werden, das auc h für normale Sätze mit Werten aus dem Zwisc henbereic h die Relevanz von Korrelationen unterhalb der Wahrheitswertebene nahelegt. (32) Hans und Otto sind groß. (33) Hans ist groß und intelligent. Wenn Hans und Otto gleic h groß sind, sollte man (32) mit demselben Resultat als wahr bezeic hnen können wie jedes seiner Konjunkte, und daran ändert sic h auc h nic hts, wenn beliebig viele ‘gleic hwahre’ Konjunktionsglieder hinzugefügt werden. Anders verhält es sic h mit (33): Der Satz ist, wenn Hans ein ec hter Grenzfall von groß und intelligent ist, problematisc her als seine Konjunkte, und er wird durc h Hinzufügen weiterer partiell zutreffender Eigensc haften immer fragwürdiger. Im Falle (32), bei dem die Teilsätze über das gemeinsame Prädikat groß korrelieren, sc heint die eine, im Fall (33), wegen der wenig ausgeprägten Korrelation von Größe und Intelligenz, die andere fuzzy-logisc he Variante angemessener. Beide zusammen legen die probabilistisc he Version nahe: sie erlaubt es im Gegensatz zur fuzzy logic , den Einfluß von Korrelationen zu repräsentieren.
IV. Kontexttheorie
Beim fuzzy reasoning hat man ein zusätzlic hes Problem: Korrelationen von fuzzySc hlüssen sind, wie in 3.1 ausgeführt, Paare bestehend aus einem Satz und einem Wahrheitsgrad, den der Satz aufgrund des Wahrheitsgrades der Prämissen zugewiesen erhält. Diese Konklusionen haben jedoc h einen anderen Status als die aus klassisc h-logisc hen Sc hlüssen: Sie sind nic ht endgültig, sondern geben in ihrem numerisc hen Bestandteil nur eine Untergrenze an. Der Wahrheitsgrad der ersc hlossenen Aussage kann tatsäc hlic h viel höher sein, als er sic h aufgrund der jeweils in den Prämissen verwendeten Evidenz ergibt. (34) Ottos Wagen ist rot. (35) Wenn Ottos Wagen rot ist, ist er nicht grün. (36) Ottos Wagen ist orange. (37) Wenn Ottos Wagen orange ist, ist er nicht grün. (38) Ottos Wagen ist nicht grün. Angenommen, die Farbe von Ottos Wagen liegt so zwisc hen rot und orange, daß (34) 0.4 und (36) 0.6 als Wahrheitswert erhält. (35) und (37) sollen eindeutig wahr sein. Die Modus-Ponens-Regel weist (in beiden oben spezifizierten Versionen) dem Satz (38) auf der Grundlage von (34)/(35) den Wert 0.4, auf der Grundlage von (36)/(37) den Wert 0.6 zu, obwohl (38) tatsäc hlic h 1 erhalten müsste. Fuzzy-logisc he Sc hlußsysteme müssen ‘Evidenzverstärkung’ dur c h Mehrfa c hableitung erlauben. Dabei muß allerdings verhindert werden, daß voneinander abhängige Prämissen in mehreren Sc hlüssen gleic hzeitig verwendet werden. In der Künstlic he-IntelligenzFors c hung sind komplexe Evidenzverstärkungssysteme sowohl für die Behandlung von Vagheit (Wahlster 1981) wie von unsic herem Wissen (Shortliffe 1976) entwic kelt werden. Das letztere System versteht sic h explizit als Approximation an ein wahrsc heinlic hkeitstheoretisc hes Sc hlußverfahren. Es ist wohl korrekt, wenn auc h nic ht im Sinne ihrer Initiatoren, die fuzzy logic insgesamt in dieser Weise zu interpretieren. Eine wic htige Motivation für die Einführung von Wahrheitsmetriken war die Möglic hkeit der einheitlic hen Behandlung untercs hiedli c her Adjektivkonstruktionen (Zadeh 1975, Kamp 1975): Der Komparativ läßt sic h in naheliegender Weise als Relation zwisc hen Wahrheitsgraden interpretieren (s. (39)), Gradmodifikatoren wie sehr und relativ durch arithmetisc he Operationen auf Wahrheitsgraden wie in (40):
11. Vagheit und Ambiguität
(39) V (a ist größer als b) = 1 gdw. V (a ist groß) > V (b ist groß) (40) V (a ist sehr groß) = [V (a ist groß)]2 Tatsäc hlic h muß man die Situationen differenzierter sehen: Komparative lassen sic h sc hon in der nic htmetrisc hen Supervaluationssemantik definieren, über die Inklusionsbeziehung zwisc hen verifizierenden Interpretationen/Kontexten: (41) V (a ist größer als b) = 1 gdw. Ca ist groß ⊃ Cb ist groß Allerdings erfaßt die Definition nur die Fälle, in denen unmittelbarer Vergleich möglich ist. (42) Hans ist begabter als Karl. (43) Hans ist größer als intelligent (mehr groß als intelligent). Vergleic he zwisc hen untersc hiedlic hen Dimensionen eines Adjektivs (wie in (42), wenn Hans ein sehr begabter Klavierspieler und Karl ein relativ begabter Sc hac hspieler ist) und Vergleic he, die versc hiedene inkommensurable Adjektive einbeziehen (‘Metakomparative’ wie in (43)) sind im Supervaluationsrahmen nur in der metrisc hen Erweiterung interpretierbar. Dies dec kt sic h gut mit der Intuition, daß (42) in der besc hriebenen Situation sowie (43) markierte, sekundäre Verwendungen des Komparativs sind. Die fuzzy logic mac ht keinen Untersc hied zwisc hen ordinären und Metakomparativen. Auc h dies Resultat würde also für die Supervaluationsvariante sprec hen. Allerdings läßt sic h gegen beide Ansätze einwenden, daß eine generelle Theorie des Komparativs auf der Basis von Wahrheitsgraden nic ht möglic h ist. Eines von mehreren Gegenargumenten illustriert das folgende Beispiel: (44) Der Tisch ist länger als breit. (44) kann auch dann wahr sein, wenn der Tisch relativ kurz, aber ziemlich breit ist: Verglic hen werden hier die Skalenwerte von Länge und Breite, nicht Wahrheitsgrade. Wahrheitsmetriken liefern demnac h keine vollständige Semantik für Adjektivkonstruktionen. Und auc h in den Bereic hen, wo sie anwendbar sind, sind sie nic ht unumgänglic h: Metakomparative werden in Klein (1980), Hoepelman (1986) ohne Rekurs auf Wahrheitsgrade besc hrieben, und die gleic hen Autoren liefern eine nic ht-metrisc he Interpretation für die Gradmodifikatoren sehr und relativ. Was sprachliche Hecken im allgemeinen betrifft, so eignet sic h die von Lakoff vorge-
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sc hlagene fuzzy-logisc he Behandlung ohnehin nur für sehr, relativ und einige präzisierende und depräzisierende Modifikatoren wie exakt und ungefähr. Andere Hec kenausdrüc ke, z. B. adadjektivisc he für-Phrasen (groß für einen Baskettballspieler) erfordern eine Supervaluation bzw. präzisierungssemantisc he Interpretation (vgl. Pinkal 1977). Wieder andere Hekken wie eigentlich, echt, typisch lassen sic h in einem reinen vagheitssemantisc hen Rahmen gar nicht beschreiben. Wahrheitsmetriken leisten zur Semantiktheorie natürlic her Sprac hen nur einen begrenzten Beitrag. Auf der anderen Seite führen sie in methodologisc he Probleme, die Ulric h Blau als Vagheitsdilemma folgendermaßen charakterisiert: „Wollen wir die klassisc he Logik anwenden, so sind wir zu einem sc harfen Sc hnitt gezwungen; führen wir zwisc hen wahr und falsch eine unbestimmte (neutrale) Zone ein, so kommen wir den Phänomenen vielleic ht etwas näher, aber die beiden nun erforderlic hen Sc hnitte sind ebenfalls willkürlic h; führen wir weitere Wahrheitswerte ein, so werden sie zunehmend nic htssagend und ziehen immer noc h willkürlic he Grenzen; lassen wir sc hließlic h unendlic h viele Wahrheitswerte zu, so ist die Klassifikation sc harf genug, aber auc h sc hon zu sc harf, also wieder willkürlic h, und überdies ist der Zusammenhang mit den ursprünglic hen Begriffen wahr, falsc h so ziemlic h verlorengegangen, wir wissen nic ht, was diese „Wahrheitswerte“ noc h bedeuten sollen.“ (Blau 1978a: 28)
Wie Todt (1980) ausgeführt, führt der Ausweg, die Wahrheitsbewertungen selbst zu ‘fuzzifizieren’, nic ht zu einer ec hten Lösung. Gleic h, ob man mit Werten aus [0, 1], mit Verteilungen über [0, 1] arbeitet (‘linguistisc he Variablen’ Zadeh (1975 a)), oder ob man im Supervaluationsrahmen Grenzziehungen durc h die Einführung von ‘Vagheit höherer Ordnung’ aufweic ht (Fine 1975): Man versc hiebt das Problem nur auf die näc hste Ebene, und muß dort wieder präzise — und noc h sc hwerer motivierbare — Werte bzw. Grenzen ansetzen. Der Grenzziehungskonflikt ergibt sic h grundsätzlic h, sobald man präzise Theorien auf eine kontinuierlic he Domäne anwendet. Es handelt sic h dabei nic ht nur um ein methodologisc hes Problem, das die Beziehung zwisc hen Theorie und natürlic h-sprac hlic her Vorgabe betrifft. Der Konflikt ist in der natürlic h-sprac hlic hen Bedeutung selbst angelegt, und für eine Eigensc haft verantwortlic h, um die es im Absc hnitt 5 gehen wird: die latente Inkonsistenz genuin vager Ausdrücke.
IV. Kontexttheorie
262
4.
Zur Typologie der Unbestimmtheitsphänomene
Na c h der Charakterisierung semantis c her Unbestimmtheit in Absc hnitt 1 fällt unter diesen Begriff das vage Prädikat rot ebenso wie Homonyme und syntaktisc he Skopusambiguitäten. In diesem Absc hnitt soll die interne Strukturierung des heterogenen Gegenstandsbereic hs betrac htet werden; versc hiedene in der Literatur zu Vagheit und Ambiguität gängige Untersc heidungen, die sic h primär auf vage Ausdrüc ke beziehen, werden vorgestellt und kommentiert. Ansc hließend wird der Bereic h der Ambiguitätsphänomene gesic htet und versc hiedene Kriterien für die Abgrenzung von Vagheit und Mehrdeutigkeit diskutiert. 4.1 Vagheitstypen Eine erste Klassifikation unbestimmter Ausdrüc ke betrifft das Verhältnis von Definitund Indefinitbereic hen in der ‘Basisinterpretation’. Bei relativen Ausdrücken ist der Indefinitbereic h umfassend. Jeder möglic he Anwendungsfall ist (tendenziell) durc h alternative Präzisierung relativierbar. Die auffälligste und gesc hlossenste Gruppe relativer Ausdrüc ke bilden die Gradadjektive; weiter gehören dazu relative Adverbien und Quantoren (oft und viel). Der zweite Typ ist unter dem Terminus Randbereichsunschärfe bekannt. Randbereic hsunsc harfe Ausdrüc ke besitzen ausgedehnte Bereic he definitiver Anwendbarkeit, die durc h eine mehr oder weniger ausgeprägte Übergangszone getrennt sind. Neben Adjektiven wie rot, Orts- und Zeitadverbien wie hier und bald gehört in diese Gruppe vor allem die Hauptmasse der Verben und Gattungssubstantive. Einen dritten Typ bilden sc hließlic h die punktuellen Prädikate, die durc h einen punktförmigen positiven Definitbereic h gekennzeic hnet sind, der über eine ‘Toleranzzone’ in den beinahe umfassenden Negativbereic h übergeht. Seine wic htigsten Vertreter sind die Ausdrüc ke, die gemeinhin als Prototypen für Präzision gelten: geometrisc he Prädikate (rechteckig) und Maßangaben (2 700 m hoch). Von ihnen wird im nächsten Abschnitt noch die Rede sein. Eine andere Unters c heidungsmögli c hkeit ergibt sic h aufgrund der Beobac htung, daß vage Prädikate unters c hiedli c he Präzisierungseigensc haften besitzen und deshalb dem Individuenberei c h vers c hiedene Ordnungsstrukturen aufprägen (vgl. Kamp 1975). Das Adjektiv schwer ist von eindimensionaler Prä-
zisierungsstruktur: Wenn in einer Präzisierung ein bestimmter Gegenstand unter das Prädikat schwer fällt und ein anderes nic ht, kann es keine andere Präzisierung geben, die das Verhältnis umkehrt. Das vieldimensionale begabt verhält sic h entgegengesetzt: Hier lassen sic h tendenziell immer Kriterien finden, die die ‘Begabungshierarc hie’ für zwei beliebige Personen umkehren. Zwisc hen den Extremen liegen die beschränkt- dimensionalen Ausdrüc ke (Pinkal 1985). Hier gibt es im Indefinitbereic h sowohl Objekte, deren Verhältnis präzisierungsunabhängig festliegt, als auc h Paare von Objekten, die an der Basis unvergleic hbar sind und deren Verhältnis sic h in unters c hiedli c hen Präzisierungen umkehrt. Ein Beispiel ist groß in der Anwendung auf nic ht-mensc hlic he Objekte: Ist ein Fahrrad größer als ein Kühlsc hrank? Die Mehrzahl der relativen Prädikate gehört in diese Gruppe, außerdem die meisten Gattungssubstantive. Die letzteren bilden wegen ihrer Vielfalt und Komplexität im Lexikon natürlic her Sprac hen einen Sonderfall. Entsprec hend intensiv sind sie in der Vagheitsliteratur erörtert worden. Eine ihrer eher harmlosen Eigensc haften wird in Quine (1960) besc hrieben. Quine führt aus, daß nic ht nur der Umfang eines Gattungsbegriffs, sondern auc h die Ausdehnung der unter ihn fallenden Objekte zur Unbestimmtheit führen kann: Einerseits ist zwisc hen den Prädikaten Berg und Hügel keine eindeutige Grenzziehung möglic h; andererseits lassen sic h Berg und Tal, Tag und Nacht als ‘Individuen’ nic ht sc harf gegeneinander abgrenzen. Beide Vagheitsarten führen in jeweils versc hiedenen syntaktisc hen Umgebungen Unbestimmtheit herbei: die erste in Prädikationen (‘vagueness of predic ation’), die zweite in lokalen bzw. temporalen Bestimmungen (‘vagueness of individuation’). Susan Haac k untersc heidet in ihrer Vagheitsübersic ht (1974: 111) drei Arten von Vagheit in bezug auf die Anwendungsbedingungen der betroffenen Ausdrüc ke (‘qualific ations’): „(a) The qualifications are complex ... and it is indeterminate how many of the qualifications must be satisfied ... (b) The qualifications are complex and in certain cases conflicting ... (c) The qualifications are simple ..., but in certain cases it is indeterminate whether the conditions, or one of the conditions, is satisfied.“
Der Untersc hied zwisc hen den ersten beiden Fällen und dem Fall (c ) kann unter Mehrdi-
11. Vagheit und Ambiguität
mensionalität vs. Eindimensionalität (bzw. Vagheit in einer Bewertungsdimension) verbuc ht werden. Interessant ist die Untersc heidung zwisc hen (a) und (b), die wiederum Gattungssubstantive betrifft. Mit (a) c harakterisiert Haac k das in Wittgenstein (1953) am Beispiel des Ausdruc ks S piel beschriebene Phänomenen der Familienähnlichkeit. (b) besc hreibt die Situation bei Termini wie dem Quinesc hen ‘tributary’ (Nebenfluß), wo alternative Definitionskriterien zu leic ht untersc hiedlic hen Begriffsextensionen führen (vgl. Quine 1960: 128). Der Fall (a) betrifft den alltagssprac hlic h-kognitiven Zugriff über stereotypisc he Merkmale, die für eine bestimmte Gattung c harakteristisc h, aber weder notwendig noc h hinreic hend sind. Fall (b) betrifft Probleme, die sic h beim Versuc h fac hsprac hlic h-verbindlic her Referenzbestimmung ergeben. Die beiden Vagheitsarten lassen sic h demnac h den beiden Komponenten des Putnamsc hen Bedeutungsbegriffs zuordnen (Putnam 1975b). Bei S piel ist die psyc hologisc he, bei Nebenfluß die referentielle Ebene dominierend. Zusätzlic he Unbestimmtheit ergibt sic h bei Ausdrüc ken, bei denen umgangssprac hlic he Verwendung und fac hsprac hlic he Präzisierung(en) konkurrieren, dur c h die Überlagerung der beiden Ebenen. Sc hließlic h wird im Zusammenhang mit Gattungssubstantiven gelegentlic h die Untersc heidung zwisc hen extensionaler und intensionaler Vagheit erörtert. Semantisc he Unbestimmtheit ist in diesem Artikel bisher nur auf der Ebene der Extensionen behandelt worden. Daß semantisc he Eigensc haften streng extensional von der zufälligen Existenz bestimmter Grenzfälle und ihrem Verhalten abhängig gemac ht werden, ist offenbar inakzeptabel. Aber auc h die intensionale Definition der Vagheit über ‘möglic he Grenzfälle’ ist nic ht problemlos möglic h. Waismann (1951) führt aus, daß bei genügender Abweic hung von den Gegebenheiten der realen Welt die Anwendung aller Gattungsbegriffe hoc h problematisc h wird; sie sind typisc herweise ostensiv, nic ht durc h Definition eingeführt, und behalten Stabilität und Präzision nur unter den ‘natürli c hen Bedingungen’ unserer Welt. Diese von Waismann als ‘open texture’ oder ‘Porosität’ bezeic hnete intensionale Eigencs haft natürli c h-spra c hli c her Begriffe ist spra c hphilosophis c h und wissens c haftstheoretisc h bedeutsam. Für die Semantik natürlic her Sprac hen ist jedoc h die Untersc heidung zwisc hen extensionaler und intensionaler Vagheit über das Grundsätzlic he hinaus nic ht sehr
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ergiebig. Stattdessen ist ein ‘realistisc her’ Begriff von Unbestimmtheit nötig, der möglic he Grenzfälle gerade so weit einbezieht, wie sie ‘plausibel vorstellbar’ sind. Die theoretisc he Bestimmung der realistisc hen Ebene ist ein offenes Problem mit starken philosophisc hen Implikationen. Praktisc h wird ein vagheitssemantisc her Realismus jedoc h in allen deskriptiven Analysen vorausgesetzt. ‘Natürlic he Gattungen’, wie sie z. B. durc h die Klassifikation der c hemisc hen Elemente gegeben sind, sind nac h Waismann porös, in realistisc her Sic ht jedoc h präzise. Der Bereic h der Artefakte und sozialen Institutionen mag in einem bestimmten Weltzustand und vor einem bestimmten soziokulturellen Hintergrund extensional präzise gegliedert sein. Die realistisc he Vorstellung von Alternativen weist die begrifflic he Gliederung dieser Bereic he als vage aus. Das bekannteste Beispiel ist das ‘Stuhlmuseum’ aus Blac k (1937), in dem eindeutige Stühle und Nic ht-Stühle durc h eine Kette gedachter Grenzfälle verbunden sind. 4.2 Ambiguität Ambiguität oder Mehrdeutigkeit tritt in versc hiedenen Formen und in den versc hiedensten Sprac hbereic hen auf. Lexikalische Ambiguität wird traditionell mit dem Begriffspaar Homonymie/Polysemie weiter untersc hieden. Homonyme sind untersc hiedlic he lexikalisc he Einheiten, die zufällig (oder aufgrund einer dem Sprec her nic ht mehr gegenwärtigen etymologisc hen Beziehung) identisc he phonetisc he (‘Homophone’) oder orthographis c he (‘Homographen’) Repräsentationen haben. Beispiele sind S chloß und Bank. Polyseme sind dagegen Wörter mit mehreren verwandten Lesarten, die typis c herweise dur c h metaphoris c he oder metonymis c he Prozesse aufeinander bezogen sind. Polysemien können idiosynkratisc h sein (grün für Farbe und Reifezustand, Birne für die Fruc ht und die Glühbirne, etc .). Es gibt jedoc h wic htige Formen systematisc her Polysemie, die das Lexikon durc hziehen. Nac h Bierwisc h (1979) ergeben sie sic h dadurc h, daß ein Konzept in versc hiedenen Domänen oder auf vers c hiedenen Abstraktionsstufen ‘realisiert’ wird. Beispiele für systematisc he Polysemien sind die aktual/dispositionell-Untersc heidung (etwa bei schnell und Klavier spielen) und die Gebäude/Institution-Ambiguität (z. B. Universität, Amtsgericht). Die Frage nac h konkreten Abgrenzungskriterien zwisc hen Homonymie und Polysemie wird weiter unten noc h einmal zur Sprac he kommen. Die
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Sc hwierigkeit, präzise Kriterien, die über den vagen Begriff der Worteinheit hinausgehen, mit konventionellen Mitteln zu formulieren, wird ausführlic h in Lyons (1977) kommentiert. Ambiguität kommt in versc hiedenen Formen auc h in der Syntax (im weiteren Sinne) vor. Hier sollen zwei wic htige Ausprägungen syntaktischer Ambiguität genannt werden. Bei Präpositionalphrasen ist oft die Stelle nic ht eindeutig vorgegeben, an der sie in die Konstituentenstruktur des Satzes eingehängt werden müssen (‘attachment ambiguity’). (46) Hans traf den Mann mit dem Aktenkoffer. Während hier die Ambiguität darauf beruht, daß für einen Satz untersc hiedlic he syntaktisc he Strukturen im engeren Sinne möglic h sind, betrifft der umfangreic here Komplex der Skopusambiguitäten Alternativen in der logischen Form. (47) Alle Linguisten lieben eine Theorie. Wie in (47) kann Skopusambiguität durch das gemeinsame Vorkommen mehrerer Quantoren entstehen; es können aber auc h Terme, Modal- und Temporaloperatoren und Einstellungsverben interagieren, wobei es zum Teil zu rec ht subtilen, vagheitsartigen Unterscheidungen kommt. Ein dritter prominenter Typ von Ambiguität ist die referentielle Mehrdeutigkeit von Pronomina und definiten Nominalphrasen, die hier stellvertretend für eine größere Gruppe steht: Alle indexikalisc hen Ausdrüc ke sind potentiell ambig; ihre Unbestimmtheit ist einfac h das Gegenstüc k ihrer Kontextabhängigkeit. Weiterhin kommt Ambiguität als funktionale Mehrdeutigkeit bei Komposita und Genitivattributen vor, als elliptisc he Mehrdeutigkeit bei mehrstelligen Prädikaten (Verben, relationale Substantive, Komparativ), bei denen einzelne obligatorisc he Argumente nic ht realisiert sind. Quantoren und quantifizierende Adverbien sind sc hließlic h oft im Hinblic k auf ihren Bezugsbereic h mehrdeutig. Die in dieser — keineswegs vollständigen — Aufzählung genannten Ambiguitätsphänomene stellen die Sprac htheorie vor untersc hiedlic he Probleme. Für deren Behandlung ist jedoc h nic ht die Semantik zuständig, sondern die linguistisc hen Teildisziplinen, in deren Gegenstandsbereic h die Ambiguitäten jeweils auftreten. Hier soll im folgenden nur die generelle Frage betrac htet werden, wie sic h Ambiguität insgesamt gegen Vagheit abgrenzen läßt. Die versc hiedenen in der Literatur
IV. Kontexttheorie
vorges c hlagenen Abgrenzungskriterien führen dabei zu einer zusätzlic hen, domänenabhängigen internen Differenzierung des Ambiguitätsbegriffs. 4.3 Zur Abgrenzung von Vagheit und Ambiguität Im Absc hnitt 1 ist eine Untersc heidung zwisc hen Vagheit und Ambiguität für die Satzebene grob umrissen worden, die sic h folgendermaßen verallgemeinern läßt: Vage Ausdrüc ke haben ein unbestimmtes Denotat; ambige Ausdrüc ke besitzen mehrere alternative Denotate. Kit Fine c harakterisiert die Beziehung zwisc hen den beiden Phänomenen folgendermaßen: „Vague and ambiguos sentenc es are subjec t to similar truth-c onditions; a vague sentenc e is true if true for all c omplete prec isific ations; an ambigous sentenc e is true if true for all disambiguations. (...) However, how we grasp the prec isific ations and disambiguations, respec tively, is very different. (...) disambiguations are distinguished; to assert an ambigous sentenc e is to assert, severally, eac h of its disambiguations. (...) prec isific ations are extended from a c ommon basis and ac c ording to c ommon c onstraints; to assert a vague sentenc e is to assert, generally, is prec isific ations. Ambiguity is like the super-imposition of several pic tures, vagueness like an unfinished pic ture, with marginal notes for c ompletion.“ (Fine 1975: 282 f)
Entsprec hend besitzen Vagheit und Ambiguität untersc hiedlic hen kommunikativen Status: Im Falle von randbereic hsunsc harfen Substantiven, Verben, Farbadjektiven ist die Unbestimmtheit ein von Sprec her und Hörer akzeptierter weitgehend unbemerkter Bestandteil des jeweiligen Wortsinnes. Bei Homonymen und referentiell mehrdeutigen Kennzeic hnungen dagegen legt der Sprec her immer einen bestimmten semantisc hen Wert zugrunde. Unbestimmtheit tritt nur unter der Hörerperspektive auf, und zwar in dem Fall, daß das Kontextwissen des Hörers nic ht die zur Desambiguierung erforderlic hen relevanten Kontextdaten umfaßt. Es gibt keine unbestimmte Lesart des ambigen Ausdruc ks. Unbestimmtheit als Wahrheitszustand ist zwar möglic h, aber nur als kommunikativer Unglüc ksfall, der umgehend behoben werden muß: Ambige Ausdrüc ke sind, im Gegensatz zu vagen, desambiguierungs- bzw. präzisierungsbedürftig. Dies Präzisierungsgebot als Eigensc haft ambiger Ausdrüc ke ist einleuc htend und auf die genannten Beispiele offenbar zutreffend. In weniger prototypisc hen Fällen können In-
11. Vagheit und Ambiguität
tuitionen über die Notwendigkeit von Desambiguierungen jedoc h problematisc h werden. In Lakoff (1970a) wird ein Test vorgesc hlagen, der die Untersc heidung zwisc hen Ambiguität und Vagheit auf die Wahrheitsbeurteilung von Sätzen reduziert. Lakoffs Beispiel ist (48). Der Test kann außerdem mit allen Konstruktionen durc hgeführt werden, in denen mit einem syntaktisc hen Vorkommen des fraglic hen Prädikats gleic hzeitig zwei oder mehrere Prädikationen vorgenommen werden (z. B. Satzteilkoordination, universelle Quantifikation). (48) John hit the wall, and so did Bill. (49) John schlug gegen die Wand, und Bill auch. Unter der Voraussetzung, daß John gegen die Wand prallt und Bill dagegen hämmert, besitzt Satz (48) (wie seine deutsc he Entsprec hung (49)) keine verifizierende Lesart. Es gibt nämlic h (nac h Lakoff wenigstens) keine umfassende Präzisierung des Verbs hit, die die Lesarten ‘Ereignis’ und ‘Aktion’ einsc hließt: hit ist ambig — im Gegensatz zu den vagen Prädikaten groß, begabt und S piel: Sie besitzen zu zwei untersc hiedlic hen Präzisierungen immer eine allgemeinere Lesart, die beide einbezieht, und es ist deshalb nic ht möglic h, mit ihnen unerfüllbare Sätze nac h dem Muster (48)/(49) zu konstruieren. Das Kriterium für Ambiguität, das dem Text zugrundeliegt, läßt sic h folgendermaßen formulieren: Ein Ausdruc k ist ambig, wenn er unvereinbare Präzisierungen besitzt. Dies Unvereinbarkeitskriterium und das zuvor formulierte Präzisierungsverbot cs heinen auf dasselbe hinauszulaufen. Tatsäc hlic h zieht das letztere die Grenzen jedoc h etwas enger als das erste: Unvereinbarkeit der Lesarten besagt, daß keine umfassende Lesart mit maximalem Umfang vorhanden ist. Das Präzisierungsgebot hängt darüber hinaus mit dem Fehlen einer maximal unbestimmten Basisinterpretation zusammen. Tatsäc hlic h sc heint es, vor allem im Bereic h systematisc her Polysemien, Beispiele für unbestimmte Ausdrüc ke zu geben, die zwisc hen die beiden Grenzen fallen: Ein Kind, das ‘zur Sc hule’ geht, brauc ht sic h im Normalfall nic ht zu entsc heiden, ob es die Institution oder das Gebäude meint; mit dem Satz Das war ein schneller Wagen, mit dem man auf der Autobahn einen rasant überholenden Ferrari kommentiert, legt man sic h nic ht unbedingt auf eine der Lesarten ‘aktual’ oder ‘dipositionell’ fest. Der Ambiguitätstest ist jedoc h positiv: Einen ab-
265
gestellten Ferrari und einen 2 CV, der mit 80 km/h durc h ein Wohngebiet rast, kann man sc hlec ht unter der Bezeic hnung zwei schnelle Wagen zusammenfassen. Die Sic htung der beiden Ambiguitätskriterien ergibt also im Resultat eine Unterteilung der Ambiguitätsphänomene: Bei einer starken Form der Ambiguität stehen die Lesarten isoliert nebeneinander; bei einer sc hwac hen Form existiert eine einheitlic he unbestimmte Basislesart. Diese Untersc heidung dec kt sic h zumindest in der Tendenz mit dem Wahrsc heinlic hkeitskriterium, das die traditionelle Philosophie für die Homonymie/ Polysemie-Distinktion bei lexikalisc h mehrdeutigen Ausdrüc ken verwendet. Beide Arten von Ambiguität grenzen sic h gegen den Rest der Unbestimmtheitsphänomene dadurc h ab, daß man ihre Lesarten nic ht zu einer umfassenden Lesart erweitern kann. Dieser Rest der Unbestimmtheitsphänomene würde, der bisher eingeführten Terminologie entsprec hend, insgesamt unter den Begriff ‘Vagheit’ fallen. Auc h hier muß jedoc h eine zusätzli c he Unters c heidung getroffen werden. Randberei c hsuns c harfe Substantive, bei denen bestimmte Standardpräzisierungen ausgeprägt sind, fallen nic ht unter das Unvereinbarkeitskriterium. Trotzdem kann man sie mit gleic hem Rec ht als mehrdeutig wie als vage bezeic hnen. Das Farbprädikat rot fällt dagegen eindeutig unter die vagen Ausdrüc ke. Hier sc heint ein Kriterium zu greifen, das im Absc hnitt 3 sc hon angesproc hen wurde: Ein Ausdruc k ist mehrdeutig, wenn er über eine begrenzte Zahl diskreter Lesarten verfügt, vage, wenn ein Kontinuum möglic her Präzisierungen vorliegt. Man darf dieses Anzahlkriterium nic ht sc hematisc h anwenden: Einfac hes Abzählen von Lesarten ist wegen fließender Übergänge und Überlagerungen sc hlec ht möglic h; man wird denselben Ausdruc k als mehrdeutig und als vage bezeic hnen, je nac hdem man auf die grundsätzlic he Unbestimmtheit des Zwisc henbereic hes oder auf faktisc h ausgeprägte Konturen in diesem Bereic h abhebt. Allerdings verweist die Kontinuitätsbedingung auf eine wesentlic he Eigensc haft vager Ausdrüc ke: Wegen des kontinuierlic hen Übergangs von positiven zu negativen Anwendungsfällen stellt bei ihnen jede präzise Grenzziehung einen ungerec htfertigt sc harfen Sc hnitt dar. In erster Näherung kann man diese Feststellung zu einem Präzisierungsverbot für vage Ausdrüc ke ummünzen, das dem Präzisierungsgebot bei ambigen Ausdrü c ken entspri c ht. Tatsä c hli c h
IV. Kontexttheorie
266
geht sie viel weiter: Sie läuft auf die Unmöglic hkeit hinaus, für vage Ausdrüc ke überhaupt Denotatgrenzen festzulegen, und damit auf deren inhärente Inkonsistenz. Von dieser wird im folgenden Abschnitt die Rede sein. Für den Zwisc henbereic h zwisc hen genuiner Vagheit und ec hter Ambiguität bietet sic h der Terminus ‘Verwendungsvielfalt’ an. Damit erhält man für den Gesamtbereic h indefiniter Ausdrüc ke das Klassifikationssc hema (50).
5.
Das Grenzziehungsproblem und topologische Vagheitstheorien
5.1 Unbegrenztheit und Inkonsistenz Vagheit im engeren Sinne liegt bei Ausdrükken vor, bei denen der Übergang zwisc hen Positiv- und Negativbereic h kontinuierlic h ist. Mit der Kontinuität des Übergangs ist eine Eigensc haft verknüpft, die für die Semantiktheorie problematisc her ist, als alle bisher behandelten Aspekte von Unbestimmtheit: Kontinuierlic he Übergänge lassen es nic ht zu, daß sinnvolle Denotatgrenzen gezogen werden. Dieser Sac hverhalt wird in einem Argumentationss c hema explizit gemac ht, das in einer Version als Sorites oder Haufenparadox bekannt ist. Sie wird im folgenden in umgangssprac hlic her Form wiedergegeben: Ein Körnc hen Sand bildet keinen Sandhaufen. Legt man ein zweites Körnc hen dazu, erhält man auc h noc h keinen Sandhaufen. Das gleic he gilt für das dritte und jedes wei-
tere Körnc hen. Was vorher kein Sandhaufen war, kann nic ht durc h Hinzufügen eines einzelnen Körnc hens ein Sandhaufen werden. Es gilt also: Wieviel Körnc hen Sand man auc h immer zusammenlegt, sie bilden keinen Sandhaufen. Plausible Prämissen ergeben hier ein offenbar falsc hes, mit der Realität unvereinbares Resultat. Die Inkonsistenz basiert auf der Vagheit des Prädikates S andhaufen (andere bekannte Versionen verwenden kahlköpfig und rot). Die Plausibilität der Prämissen beruht darauf, daß sie in kleinen Sc hritten von einem Anwendungsfall zum näc hsten, nur unwesentli c h davon vers c hiedenen Anwendungsfall übergehen. Wegen der Irrelevanz des Untersc hiedes kann man keinen einzelnen der Übergänge zurüc kweisen; zusammengenommen ergeben sie das offenkundig falsc he Resultat. Das Argumentationss c hema des Sorites läßt sic h auf zwei Arten formal repräsentieren, die unter (51) und (52) wiedergegeben sind.
(mit
Fx
x
ist
kein S andhaufen)
11. Vagheit und Ambiguität
(mit F* (n) = n Körnchen S and bilden keinen Sandhaufen) Auf die beiden Versionen wird im folgenden mit ‘Modus-Ponens-Variante’ bzw. ‘Allsatzvariante’ referiert. In (51) ergibt sic h das falsc he Resultat aus einer beliebig langen Folge von Modus-Ponens-Sc hlüssen. In (52) wird das Sc hlußverfahren der mathematischen Induktion angewandt. Metrisc he Vagheitstheorien legen eine einfac he Lösung des Problems nahe. Entsprec hende Vorsc hläge sind sowohl für die fuzzy logic (Goguen 1969) als auc h für die Supervaluationssemantik (Thomason 1973) gemac ht worden. Der Wahrheitsgrad der FakPrädikationen bzw. die Menge der verifizierenden Komplettierungen nimmt beim Übergang vom Positiv- zum Negativbereic h kontinuierlic h ab; die Prämissen Fak → Fak + 1 erhalten deshalb nic ht 1, sondern einen etwas niedrigeren Wahrheitswert zugewiesen. Die wiederholte Anwendung der fast-wahren Prämissen in der Modus-Ponens-Regel ergibt für die Resultate — in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen — immer sc hwäc here Wahrheitsgrade. Dies gilt für die Modus-PonensVariante. Für die Allsatzvariante ergibt sic h im Supervaluationsrahmen ebenfalls eine überrasc hend einfac he Lösung: In jeder klassisc hen Komplettierung der Prämisse B ist genau eine Instantiierung falsc h, und damit der gesamte Allsatz. In der Supervaluation ist die Prämisse B also eindeutig falsc h, obwohl jede Instantiierung fast wahr ist. Ein anderer Weg, das Konsistenzproblem der Sorites-Argumentation zu lösen, besteht darin, daß man den Wahrheitswert der Prämissen nic ht generell zurüc knimmt, sondern ihre Bewertung vom Kontext abhängig mac ht. Dies wird in Kindt (1983) und ähnlic h in Veltman (1986) vorgesc hlagen: Im Normalfall erlaubt die Semantik vager Ausdrüc ke Sc hlüsse von einem Anwendungsfall auf einen nahe verwandten. Falls erforderlic h, kann sie so weit verfeinert werden, daß die Implikationen ungültig werden und damit die Ableitung falscher Resultate blockiert wird. Diesen Vorsc hlägen steht die Auffassung gegenüber, daß die Inkonsistenz, die im Sorites zutage tritt, eine inhärente Eigensc haft der Bedeutung vager Ausdrüc ke ist, die nic ht wegerklärt werden darf, sondern von der Semantiktheorie modelliert werden muß. Die
267
semantisc he Irrelevanz geringfügiger Untersc hiede ist als ‘semantisc he Toleranz’ konstitutiver Bestandteil vager Begriffe. Theoretisc h kann man für einen vagen Ausdruc k präzise Denotatgrenzen festlegen. Damit gibt man jedoc h wesentlic he Aspekte seiner natürlic hen Bedeutung und seine unproblematisc he Verwendbarkeit im normalsprac hlic hen Diskurs auf. Dummett (1975) und, mit Bezug darauf, Kamp (1981c ) führen das Farbprädikat rot als Beispiel an. Sein Denotat läßt sic h in Form eines Frequenzintervalls präzise festlegen. Wenn man dies tut, befinden sic h aber auf beiden Seiten der Denotatsgrenze Farbtöne, die wahrnehmungsmäßig nic ht untersc heidbar sind. Rot ist nic ht länger ein Beobac htungsprädikat; die Grundlage für die unproblematisc he Verwendung der Farbwörter — gleic haussehende Objekte fallen unter das gleic he Prädikat — entfällt. Wright (1975) führt zu den Prädikaten child und adult folgendes aus: „Without toleranc e these predic ates (...) c ould no longer substain the explanatory role whic h they now have for us (...) That predic ates of degree of maturity possess toleranc e is a direc t c onsequenc e of their soc ial role; very small differenc es c annot be permitted to generate doubt about their applic ation without c orrespondingly c oming to be assoc iated with a burden of moral and explanatory distinc tions whic h they are too slight to c onvey.“ (Wright 1975: 337)
Pinkal (1985) zeigt in Anlehnung an Quine (1960), daß auc h umgangssprac hlic he Maßangaben mit Toleranzen verwendet werden müssen. Interpretiert man Maßangaben wie 1,80 m groß (für Personen) und 687 km lang (für Flüsse) als völlig präzise, werden sie praktisc h unanwendbar. Das liegt in erster Linie nic ht daran, daß es Grenzen für die Meßgenauigkeit gibt, sondern an der Tatsac he, daß unterhalb gewisser Toleranzgrenzen die Meßvorsc hriften vage werden, und mit großem Aufwand in unnatürlic her Weise fixiert werden müßten. Die Konsequenz dieser Beispiele besteht darin, daß man eine Relation des ‘irrelevanten Untersc hiedes’ oder Toleranzrelation als topologisc he Bedeutungskomponente explizit in die semantisc he Besc hreibung vager Ausdrüc ke aufnimmt. Die Toleranzrelation ist symmetrisc h und reflexiv, aber nic ht transitiv. Sie wird im folgenden als notiert (mit FSuperskript für das jeweilige Prädikat). Die Sorites-Problematik ergibt sic h, kurz gesagt, daraus, daß die nic ht-transitive F-Relation
268
die transitiven Implikations- (bzw. Äquivalenz-) Beziehungen begründet, die zusammengenommen das inkonsistente Resultat ergeben.
Die wahrheitsmetrisc hen Ansätze lösen das Problem, indem sie die Begründungsbeziehung (⇒) relativieren und die -Relation damit für die Semantik unberüc ksic htigt lassen. Kindt und Veltman lassen zu, daß die -Relation kontextuell variiert (was sic her angemessen ist) und im Sorites-Fall beliebig verfeinert wird, was zu bedenklic hen Konsequenzen für die Semantik vager Ausdrüc ke führt, wie die oben angeführten Beispiele zeigen. Kamp (1981c ) und Pinkal (1985) entwikkeln dagegen Vorsc hläge für eine Vagheitssemantik, die die Beziehung unter (53) berüc ksic htigt, und damit die latente Inkonsistenz vager Ausdrüc ke akzeptiert. Indem die Theorien partielle Diskursmodelle und ein dynamis c hes Interpretationskonzept zugrundelegen werden, erhalten normale Verwendungen vager Ausdrüc ke jedoc h konsistente Interpretationen. 5.2 Topologisch basierte Vagheitstheorien Hier sollen die Ansätze von Kamp (1981c ) und Pinkal (1985) (erweitert in Pinkal 1990) skizziert werden. Ein topologisc h basierter vagheitstheoretis c her Formalismus wird außerdem in Kindt (1983) vorgesc hlagen; Kindts Theorie bezieht die ∼ -Topologie auf eine fuzzy-logisc he Wahrheitsmetrik und betrac htet sie, wie bereits erwähnt, als beliebig verfeinerbar. Ausgangspunkt von Kamps Vagheitstheorie (und in Anlehnung daran derjenigen von Pinkal (1985), (1990)) ist das Konzept der dynamisc hen Interpretation, das Kamp als Diskursrepräsentationstheorie für die Bewertung anaphoris c her Ausdrü c ke in Kamp (1981 a) entwic kelt hat. Im Diskursverlauf wird eine endlic he Repräsentation — ein Diskursuniversum zusammen mit einer Menge von ‘Bedingungen’ über dessen Elementen — sukzessive aufgebaut. Semantisc he Invarianten sind die Mengen definiter (positiver und negativer) Anwendungsfälle sowie eine Toleranzrelation für jedes Prädikat F. Die definiten Fälle sind automatisc h in jedem Kontext (jeder Diskursrepräsentation) enthalten. Die Toleranzrelation kommt über ein Tole-
IV. Kontexttheorie
ranzprinzip zur Geltung. Es verbietet grob gesagt, Fa und ﹁ Fa gleic hzeitig in einen Kontext zu integrieren, wenn für die denotierten Individuen und gilt. Der Formalismus sieht in groben Zügen folgendermaßen aus: Kamp definiert einen Kontext C als eine über ⊢ (Ableitbarkeit) abgesc hlossene Satzmenge. Der Ableitbarkeitsbegriff soll sc hwäc her sein als der klassisc he; er wird zunäc hst undefiniert vorausgesetzt. Wird im Kontext C ein neuer Satz A akzeptiert, erhält man als resultierenden Kontext C die ⊢-Hülle über C ⋃ {A}. Sätze erhalten ihren Wahrheitswert relativ zu Kontexten. Alle Sätze aus C sind wahr (relativ zu C), aber nic ht alle wahren Sätze (relativ zu C) sind in der Regel Elemente von C. Insbesondere ist mit Fa ∈ C und immer auc h Fb wahr, ohne daß Fb damit automatisc h zum Kontext gehört. In dem Fall, daß die Integration eines Satzes den Kontext inkonsistent mac hen würde, darf er nic ht in den Kontext integriert werden, auc h wenn er relativ zum Kontext wahr ist. In einer Implikation setzt der Vordersatz sc hließlic h analog zur Anaphernbehandlung in der Diskursrepräsentationstheorie den Kontext, der für die Interpretation des Hintersatzes maßgebend ist. Vage Prädikate lassen sic h im Diskurs konsistent verwenden, solange zwisc hen positiven und negativen Prädikationen ausreic hender Abstand (in bezug auf F) besteht. Für die Modens-Ponens-Variante des Sorites ergibt Kamps Theorie die folgende Analyse: Die Implikationen Fak → Fak + 1 sind wahr, da der Vordersatz jeweils einen Kontext setzt, in dem wegen k k+1 die Wahrheit des Hintersatzes garantiert ist. Durc h das Toleranzprinzip wird jedoc h die Integration der Prämissen in den Kontext verhindert, wenn sie zu F-Prädikationen über Individuen führen, die in der unmittelbaren Umgebung des negativen Definitbereic hes liegen. — Für die Allsatzvariante des Sorites nimmt Kamp an, daß die universelle Prämisse (B in 52) falsc h ist, obwohl alle Instantiierungen wahr sind. Diese Annahmen sind offenbar mit der klassisc hen Logik unvereinbar. Kamp spezifiziert keine alternative Logik, sondern stellt nur die folgende allgemeine Betrac htung an: Der Begriff der Folgerung ist sinnvollerweise auf die Menge konsistenter Kontexte zu definieren. Was ein konsistenter Kontext ist, hängt von der Spezifikation des — nur partiell festgelegten — Ableitungsbegriffs ab. Damit ist der Folgerungsbegriff eine Funktion des
11. Vagheit und Ambiguität
Ableitungsbegriffs: Es gibt eine Abbildung, die unters c hiedli c hen Ableitungsrelationen untersc hiedlic he Folgerungsrelationen zuordnet. Diese Abbildung ist, wie sic h zeigen läßt, monoton, besitzt also Fixpunkte. Die Fixpunkte (an denen sic h Ableitungs- und Folgerungsbegriff dec ken) wären Kandidaten für eine alternative Vagheitslogik. Pinkal (1985) übernimmt Kamps Konzept der kontextuellen Dynamik, entwirft aber eine Vagheitstheorie, deren Gültigkeits- und Folgerungsbegriff die klassisc hen Begriffe einsc hließen. Der Ansatz verbindet topologics he und supervaluationssemantis c he Elemente in der folgenden Weise: Die Semantik vager Ausdrüc ke wird einerseits durc h ein Präzisierungsmodell 〈V, 〉 (s. o. 2.2), andererseits mittels der -Relationen in einer topologis c hen Modellstruktur repräsentiert, wobei die Äquivalenzrelation für F in 〈V, 〉 mindestens so fein sein muß wie . Zulässigkeitsbes c hränkungen mit der allgemeinen Form (54) verlangen als lokale Konsistenzregeln, daß in der unmittelbaren Umgebung von explizit in den Diskurs eingebrac hten Individuen keine Denotatgrenzen verlaufen dürfen. (54) ⇒ V(Fa) = V(Fb) Sie etablieren einen automatisc hen Kontextwec hselmec hanismus, der unter Ausnutzung des Präzisierungsspielraums vager Ausdrüc ke jeweils für ein semantisc h homogenes Umfeld bei den Individuen des Diskursuniversums sorgt. In der Modus-Ponens-Variante des Sorites sind die Implikationen jeweils wahr, weil der Vordersatz eine Präzisierung erzwingt, die den Hintersatz wahr mac ht. Ähnlic h wie bei Kamp wird dabei die Grenze des Definitbereic hes immer wieder vorverlegt, bis sc hließlic h die lokalen Konsistenzregeln mit der globalen Semantik in Konflikt geraten. Anders als in Kamps Vorsc hlag wird die klassisc he Logik nic ht ersetzt, sondern für bestimmte topologisc he Strukturen jeweils erweitert. Der entstehende ‘praktisc he’ Gültigkeitsbegriff ist eine Erweiterung des klassisc hen, da er auf der Menge aller zulässigen Valuationen (also einer Teilmenge der Supervaluationen) definiert ist. Entsprec hendes gilt für den Folgerungsbegriff. Allerdings werden bei dieser Er-
269
weiterung wesentlic he formale Eigensc haften aufgegeben, als wic htigste die Transitivität des Folgerungsbegriffs. Der praktis c he Folgerungsbegriff spiegelt damit die strukturellen Eigenschaften der ~ -Relation. Die Zulässigkeitsbesc hränkungen im Ansatz von Pinkal (1985) werden nur im Falle expliziter Referenz auf ein Individuum aktiviert. Die Interpretation der universellen Prämisse in der Allsatz-Variante fällt deshalb mit der Standard-Supervaluation zusammen. Sie ist einfac h falsc h. In Kamp (1981c ) wird ihr der Wert F trotz Wahrheit aller Instantiierungen zugewiesen, mit der einzigen Begründung, daß sonst unmittelbare Inkonsistenz die Folge wäre. Beide Vorsc hläge sind in diesem Punkt nic ht zufriedenstellend. In Pinkal (1990) werden Überlegungen zur Allsatz-Variante angestellt, die auc h die Beziehung von Vagheit und Quantifikation im allgemeinen betreffen. Die Besc hreibung der Interaktion von Allquantor und lokalen Konsistenzregeln wird mithilfe von Tableau-Verfahren und ihrer Tec hnik der selektiven Instantiierung vorgenommen: Der Allsatz ist wahr, die Konklusion aufgrund der restriktiven Instantiierungsregel jedoch nicht ableitbar.
6.
Literatur (in Kurzform)
Ballmer/Pinkal 1983 · Bierwisc h 1979 · Blac k 1937 · Blau 1978a · Blau 1982 · Dummett 1975 · Eikmeyer/Rieser 1983 · Erdmann 1910 · Fine 1975 · van Fraassen 1969 · Goguen 1969 · Haac k 1974 · Hoepelman 1986 · Kamp 1975 · Kamp 1981a · Kamp 1981c · Kindt 1983 · Kleene 1952 · Klein 1980 · Lakoff 1970a · Lakoff 1973 · Lewis 1970 · Łukasiewic z 1930 · Lyons 1977 · Morgan/ Pelletier 1977 · Naess 1975 · Peirc e 1902 · Peters 1979 · Pinkal 1977 · Pinkal 1979 · Pinkal 1980/81 · Pinkal 1983 · Pinkal 1984 · Pinkal 1985 · Pinkal 1990 · Post 1941 · Putnam 1975b · Quine 1960 · Resc her 1969 · Russell 1923 · Shortliffe 1976 · Thomason 1973 · Todt 1980 · Ullmann 1957 · Veltmann 1986 · Wahlster 1981 · Waismann 1951 · Wittgenstein 1953 · Wright 1975 · Zadeh 1965 · Zadeh 1975
Manfred Pinkal, Saarbrücken (Bundesrepublik Deutschland)
270
V.
Semantische Grundlagen der Sprechakte Semantic Foundations of Speech Acts
12. Theorien der Satzmodi 1. 2. 2.1 2.2
3. 4. 5. 5.1 5.2 5.3 6. 7. 8.
Einleitung Der sprachphilosophische Hintergrund Freges Urteilsstrich Wittgensteins Grundlegung semantischer und pragmatischer Modustheorien Die Theorie der Sprechakte — Modus als Illokutionstyp Der Satzmodusbegriff Satzmodusprobleme Satzmodustheorien Ein-Ebenen-Theorien Zwei-Ebenen-Theorien Drei-Ebenen-Theorien Offene Fragen Literaturempfehlungen Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitung
2.3
(1) (2) (3) (4)
Sie lesen dieses Buch. Lesen Sie dieses Buch? Lesen Sie dieses Buch! Daß Sie dieses Buch lesen!
Wer unter normalen Umständen einen der Sätze (1)—(4) äußert, nimmt damit in jedem Fall auf den Sachverhalt Bezug, daß sein Adressat ein situationell näher bestimmtes Buch liest, aber die Art, in der er darauf Bezug nimmt, ist von Fall zu Fall in charakteristischer Weise verschieden: Eine Äußerung von (1) ist typischerweise eine Feststellung, daß dieser Sachverhalt Tatsache ist, eine Äußerung von (2) gilt im allgemeinen als Frage nach der Tatsächlichkeit dieses Sachverhalts, Äußerungen von (3) als Versuche, den Adressaten zur Realisierung dieses Sachverhalts zu bewegen, und Äußerungen von (4) als Ausdruck des Erstaunens über das Bestehen dieses Sachverhalts. Woher die Gemeinsamkeit, woher die Unterschiede? Die inhaltliche Gemeinsamkeit, der Sachverhaltsbezug, basiert offenbar auf einer formalen Gemeinsamkeit, dem Vorkommen der Konstituenten lesen, Sie und dieses Buch in allen vier Sätzen. Die inhaltlichen Unterschiede gehen offenbar ebenfalls auf formale
Unterschiede zurück, nämlich in der Reihenfolge der Konstituenten, in der Interpunktion bzw. Intonation und im Vorkommen einer weiteren Konstituente. Die von solchen Unterschieden konstituierten Formtypen nennt man Satzmodi (in der traditionellen Grammatik meist Satzarten) oder syntaktische Modi, die damit korrelierten Funktionstypen (Arten der Bezugnahme auf den jeweiligen Sachverhalt) illokutionäre Rollen, Illokutionstypen oder semantische Modi. Von den Satzmodi streng zu unterscheiden sind die Modi des Verbs (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ etc.), obwohl oder gerade weil hier zum Teil, z. B. beim Imperativ (Verb- und Satzmodus) enge Zusammenhänge bestehen. Ferner ist es überaus hilfreich, die Namen der Satzmodi von denen der damit typischerweise verbundenen Illokutionstypen strikt zu unterscheiden, z. B. für die Sätze (1)—(4) wie folgt: Satzmodus 1 deklarativ (Aussagesatz) 2 interrogativ (Fragesatz) 3 imperativ (Aufforderungssatz) 4 exklamativ (Ausrufesatz)
Illokutionstyp assertiv (Aussage) erotetisch (Frage) direktiv (Aufforderung) exklamatorisch (Ausruf)
Vor einer genaueren Diskussion des Satzmodusbegriffs, der damit verknüpften Probleme und der einschlägigen Theorien soll jedoch zunächst der sprachphilosophische Hintergrund der modernen Satzmodusforschung umrissen werden.
2.
Der sprachphilosophische Hintergrund
2.1 Freges Urteilsstrich Ausgehend von der Unterscheidung zwischen dem Ausdrücken eines Urteils und dem begrifflichen Inhalt, der mit einem Urteil aus-
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gedrückt wird, repräsentiert Frege in seiner Begriffsschrift (1879) Urteile wie folgt: Ein senkrechter Strich (der sog. Urteilsstrich) vor einer Zeichenverbindung, die für einen beurteilbaren Gehalt steht, gibt an, daß dieser Inhalt, der ansonsten eine „blosse Vorstellungsverbindung“ darstellt, als Urteil ausgedrückt wird. Freges Urteilsstrich wird bisweilen als eine erste formale Repräsentation eines Modus aufgefaßt: als Zeichen dafür, daß ein bestimmter Inhalt behauptet wird. Vor einer genaueren Deutung dieses Zeichens ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Freges Urteilsstrich nicht an der traditionellen Unterscheidung grammatischer Modi orientiert war: Frege war nicht der Meinung, daß deklarative Sätze, Imperative und Interrogative wie (1)—(3) denselben Inhalt ausdrücken und sich lediglich im Modus (in dem jeweils vollzogenen sprachlichen Akt) unterscheiden. In Über Sinn und Bedeutung (1892) formuliert Frege den Unterschied zwischen deklarativen, interrogativen und imperativen Sätzen als Unterschied in ihrem Sinn (= Inhalt) und nicht als Unterschied in dem vollzogenen sprachlichen Akt: Deklarative Sätze drücken einen Gedanken aus, interrogative eine Frage und imperative einen Befehl; bei interrogativen Sätzen sind allerdings nur die Wortfragen gemeint, Satzfragen drücken denselben Gedanken aus wie Behauptungssätze (cf. Der Gedanke 1918/19). Wie etwa aus Funktion und Begriff (1891) hervorgeht, hat Freges Trennung des Urteilens von dem, worüber geurteilt wird, darin ihren Grund, daß „sonst eine bloße Annahme, das Setzen eines Falles, ohne gleich über sein Eintreten zu urteilen, nicht ausdrückbar wäre.“ Freges „Annahme“ kann allerdings im Sinne einer „bloßen Vorstellungsverbindung“ nur psychologisch gedeutet werden. Mit der später von Gentzen für seine Theorie des natürlichen Schließens entwickelten Idee, neben dem Behauptungsakt einen externen Akt des eine-Annahme-Machens einzubeziehen, ist eine solche Auffassung unverträglich. In späteren Arbeiten (z. B. Grundgesetze der Arithmetik, Der Gedanke, Gedankengefüge) formuliert Frege eine spezifischere und entpsychologisierte Version der Urteilslehre. „Urteilen“ ist danach „die Tat“ der „Anerkennung der Wahrheit eines Gedankens“ und „das Behaupten“ ist „die Kundgebung dieses Urteils“: „Das Urteil wird kundgemacht durch einen mit behauptender Kraft ausge-
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sprochenen Satz“ (cf. Gedankengefüge 1923/ 25). Worin besteht nun die distinktive Funktion des Urteilsstrichs, wenn diese weder zur Abgrenzung grammatischer noch handlungsbezogener Modi gedacht ist? Frege zufolge ist er Mittel zur Kundgebung des Urteils, dient also zum Vollzug der Behauptung, daß ein ausgedrückter, beurteilbarer und als wahr anerkannter Inhalt „das Wahre“ ist. Dennoch fungiert er nicht so wie etwa der Ausdruck „Es ist wahr, daß ...“. Wird letzterer einem Satz ohne Urteilsstrich vorangestellt, so kommt dadurch keine Behauptung zustande, sondern lediglich ein anderer Satz mit demselben Inhalt. Dieser Satz kann als Konstituent eines komplexen Satzes vorkommen. Der Urteilsstrich dagegen kann niemals vor einem Konstituentensatz innerhalb eines komplexen Satzes stehen. Dies ist auch der Grund, warum er nicht im Sinne von „Ich behaupte, daß ...“ gedeutet werden kann. Allerdings gibt es Parallelen mit Austins Auffassung explizit performativer Äußerungen (s. 2.3): Nur der Satz, dem der Urteilsstrich vorangestellt worden ist, kann als wahr oder falsch beurteilt werden; der gesamte Ausdruck mit dem Urteilsstrich drückt weder etwas (einen Inhalt) aus, noch bezeichnet er etwas: Er behauptet etwas, nämlich, daß der ihm folgende Inhalt wahr ist. Der Urteilsstrich kann daher auch nicht als deskriptiver Behauptungsoperator gedeutet werden: Seine Funktion besteht darin, den Akt der Behauptung zu konstituieren, nicht darin, ihn zu beschreiben. Freges Urteilsstrich kann somit als erste logische Repräsentation explizit performativer Äußerungen aufgefaßt werden, allerdings mit folgenden Unterschieden zu Austins diesbezüglicher Theorie: Er soll stets den erfolgreichen Vollzug des Behauptungsaktes garantieren, und als wahr nur behaupten, was auch wahr ist, also nie vor falschen Sätzen stehen. Mit dieser auf Freges System ausgerichteten Funktion des Urteilsstrichs erwies sich dieser allerdings als überfordert, wie durch Russells Paradoxie offenkundig wurde. 2.2 Wittgensteins Grundlegung semantischer und pragmatischer Modustheorien Freges Urteilsstrich ist von zwei sprachphilosophischen Traditionen her kritisiert worden, die als grundlegend für alle späteren Theorien des semantischen bzw. pragmatischen Modus angesehen werden können. Die
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Kernpunkte dieser Kritik finden sich in der Fregekritik von Wittgensteins Tractatus und in der Fregekritik von Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen. Erstere geht aus von einer Bildtheorie des Satzes und kritisiert den nicht-deskriptiven (performativen) Charakter von Freges Moduszeichen; letztere geht aus von einer Gebrauchstheorie des Satzes und kritisiert den deskriptiven (nicht-performativen) Charakter von Freges „Annahme“ sowie seiner anderen Modusbedeutungen. Peano hatte Freges Urteilsstrich als überflüssig zurückgewiesen, da er jedem Theorem vorangehe. Auch Wittgenstein bezeichnet im Tractatus Freges Urteilsstrich als „logisch bedeutungslos“, allerdings aus einem anderen Grund: Ein Satz könne nicht von sich selbst aussagen, daß er wahr ist. Diese Begründung hat Freges Urteilsstrich aber bereits im Sinne der Wittgensteinschen Bildtheorie des Satzes uminterpretiert: „Der Satz zeigt, wie es sich verhält, wenn er wahr ist. Und er sagt, daß es sich so verhält.“ (4.022) Da Wittgenstein den Modus hier dem deskriptiven Inhalt eines Satzes zurechnet, kann er Frege die genannte Selbstreferenz eines Satzes unterstellen. Eine solche Identifikation nimmt Wittgenstein jedoch nur im Fall deskriptiver Sätze („Sätze der Naturwissenschaften“) vor. Da nur diese Sätze für ihn Sinn haben, und da zu ihrem Sinn nicht nur gehört, was sie darstellen, sondern auch, daß sie dies darstellen, besteht ihr Modus gerade in ihrer Darstellungsfunktion/Abbildungsfunktion (cf. 4.031). Dieser Auffassung zufolge gibt es also gar keine sinnvollen Sätze mit anderem Modus, ein Verdikt, das auch Freges Urteilsstrich in seinem intendierten, nicht-deskriptiven Sinne trifft. Die linguistisch absurde Konsequenz der Bildtheorie für Sätze mit anderen Modi wurde von den logischen Empiristen dadurch zu vermeiden versucht, daß man für alle Sätze einen verkappten deklarativen Modus annahm, eine Auffassung, die in den ‘performativen Analysen’ der logischen Semantik weiterlebt, obwohl ihre Überwindung eigentlich schon bei Frege zu sehen sein müßte. Die Kritik, die Wittgensteins Spätphilosophie an der Bildtheorie des Tractatus vorbringt, steht daher — trotz der Fregekritik auch des späten Wittgenstein — partiell durchaus im Einklang mit Überlegungen Freges. Dies betrifft vor allem die Auffassung, daß ein Bild als solches keinen Modus besitzt. Eine Überlegung dieser Art war für Frege der
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Anlaß gewesen, den Urteilsstrich einzuführen. Wittgenstein illustriert seine Version wie folgt: „Denken wir uns ein Bild, einen Boxer in bestimmter Kampfstellung darstellend. Dieses Bild kann nun dazu gebraucht werden, um jemand mitzuteilen, wie er stehen, sich halten soll; oder, wie er sich nicht halten soll; oder, wie ein bestimmter Mann dort und dort gestanden hat; oder etc. etc. Man könnte dieses Bild (chemisch gesprochen) ein Satzradikal nennen. Ähnlich dachte sich wohl Frege die „Annahme“.“ (PU, S. 299).
Will man unter Satzradikal Freges begrifflichen Inhalt verstehen, so enthält das Satzradikal keinerlei modale (Modus-)Komponente. Will man das, was der Tractatus-Theorie zufolge ein Satz „darstellt“ (abbildet), als „Satzradikal“ bezeichnen, so enthält das Satzradikal eine Modus-Komponente, da der Sinn eines Satzes der Tractatus-Theorie zufolge im Sinne eines assertorischen Anspruchs (cf. 4.022) auf „wahr/falsch-Pole“ hin „gerichtet“ ist. Vor dem Hintergrund dieses Unterschieds und unter Berücksichtigung obiger Passage aus den P hilosophischen Untersuchungen muß der für spätere semantische Modustheorien einflußreiche Versuch von Stenius gedeutet werden, der Tractatus-Theorie eine ‘FregeVersion’ zu geben und sie dadurch mit Wittgensteins Spätphilosophie vereinbar zu machen. Stenius zufolge läßt sich die Bildtheorie des Satzsinnes nur auf das Satzradikal anwenden. Jener Teil des Satzsinnes, der durch das Satzradikal gegeben ist, ist sein deskriptiver Inhalt, also das, was ein Satz „zeigt“ und als Bild darstellt. Nun akzeptiert Stenius aber einerseits Wittgensteins Auffassung, daß das Satzradikal „gerichtet“ ist, und ist andererseits der Meinung, daß es mit einer modalen Komponente (etwa im Sinne von Freges Urteilsstrich) verbunden werden muß, um einen Satz zu bilden, und daß es mit verschiedenen Modi kombinierbar ist. Der Trick, mit dem Stenius hier Unverträgliches zu vereinbaren sucht, besteht in der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Wahrheit: der deskriptiven Wahrheit eines Satzradikals und der modalen Wahrheit eines Satzes. Dieser Trick ist nun aber der Kritik sowohl des frühen, als auch des späten Wittgenstein ausgesetzt. Wenn nämlich das Satzradikal in Übereinstimmung mit 4.022 bereits eine modale Komponente enthält, dann ist nicht einzusehen, wieso es darüberhinaus noch mit einem Modus (etwa i. S. von Freges Ur-
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teilsstrich) kombiniert werden muß; auf der Basis von 4.022 würde dies geradezu in einen Regreß führen. Daß andererseits für das Satzradikal — unabhängig von dem Modus, mit dem es kombiniert ist — kein „gerichteter“ Sinn im Sinne von deskriptiven „wahr/falschPolen“ angenommen werden kann, soll Wittgensteins Bild des Boxers gerade demonstrieren. Danach können für ein Satzradikal erst dann Wahrheitsbedingungen identifiziert werden, wenn vorausgesetzt wurde, daß es in einem assertorischen Illokutionstyp gebraucht wird. Dem späten Wittgenstein zufolge läuft die Auffassung, die Bedeutung eines Satzes sei durch Angabe seiner Wahrheitsbedingungen zu spezifizieren, darauf hinaus, für jeden Satz einen assertorischen Typ anzunehmen. Aber genau diese Auffassung von der primär deskriptiven Funktion der Sprache, die nicht nur die Tractatus-Theorie, sondern auch die Theorie Freges kennzeichnet, hat er entschieden bekämpft. Seiner eigenen Auffassung nach muß man, um Sätze in der wahr/falschDimension bewerten zu können, die Bedeutung dieser Sätze schon kennen, und nicht jeder Satz hat eine Bedeutung, die es zuläßt, ihn in dieser Dimension zu bewerten. Der assertorische Modus (Typ) ist einer unter vielen, und wieviele Modi es gibt, bestimmt sich danach, wie Sätze gebraucht werden können. Damit wird der Modus von Sätzen von deren Form völlig abgelöst: Die (modale) Art eines Satzes bestimmt sich nach der Art seiner Verwendung (cf. PU § 21—24). Eine Theorie der Modi als Gebrauchsweisen von Sätzen impliziert, daß die Auffassung, jeder Satz ließe sich formal in einen Modusteil und einen Satzradikalteil mit korrespondierenden sprachlichen Handlungen analysieren, nicht aufrechtzuerhalten ist. Wittgensteins diesbezügliche Kritik an Frege, sein Urteilsstrich fungiere wie ein „Zeichen des Satzes“, nach dem der Behauptungsakt vollzogen werde, etwa so, wie man nach Noten singt (PU § 22), beruht allerdings auf einer Fehldeutung, die damit zusammenhängt, daß Wittgenstein noch nicht über eine Theorie der explizit performativen Äußerungen im Sinne Austins verfügte. Freges Urteilsstrich ist gerade nicht als ein Satzzeichen zu verstehen, das als Repräsentation des deskriptiven „Es wird behauptet, daß ...“ gedeutet werden kann. Eine Analyse jener Art von Ausdrücken, als deren formale Repräsentation Freges Urteilsstrich gelten kann, ist erst von J. L. Austin vorgenommen
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worden. Ebenso hat erst Austin in seiner Theorie der Sprechakte das Instrumentarium bereitgestellt, mit dem sich die Wittgensteinsche Vorstellung vom Modus als Art der Verwendung von Sätzen und d. h. als Typ sprachlicher Handlungen präzisieren läßt. 2.3 Die Theorie der Sprechakte — Modus als Illokutionstyp Wie Wittgenstein kritisiert Austin den deskriptiven Fehlschluß der philosophischen Tradition: daß die primäre Funktion der Sprache darin bestünde, über die Welt zu reden. Die vielfältigen Gebrauchsweisen der Sprache, die Wittgensteins Sprachspiele diesem Fehlschluß entgegenhalten, hat Austin in seiner Theorie der Sprechakte zu systematisieren versucht. Ausgehend von der Frage, in welcher Hinsicht man sagen kann, daß mit Äußerungen Handlungen vollzogen werden, unterscheidet er drei Aspekte solchen Handlungsvollzugs: (a) den lokutionären Akt als den Akt des Etwas-Sagens. Bei diesem Akt des Etwas-Sagens lassen sich die folgenden Aspekte unterscheiden: Der phonetische Akt besteht darin, daß Laute der Art geäußert werden, wie sie von der Phonetik beschrieben werden; der phatische Akt besteht darin, daß Wörter nach den grammatischen Konstruktionsregeln einer Sprache, mit einer bestimmten Intonation etc. geäußert werden; der rhetische Akt besteht darin, daß über etwas gesprochen wird (reference) und darüber etwas gesagt (sense) wird. (b) den illokutionären Akt als jene Handlungen, zu deren Vollzug das im lokutionären Sinne Gesagte gebraucht wird, also z. B. um eine Behauptung aufzustellen, ein Versprechen zu geben, eine Frage zu stellen, einen Befehl zu geben, zu warnen etc. Der illokutionäre Akt repräsentiert jenen Aspekt sprachlicher Handlung, auf den sich Wittgenstein primär bezog, wenn er über die Gebrauchsweise von Sätzen redete. (c) den perlokutionären Akt als einen Akt, der dadurch zustandekommt, daß mit einer Äußerung bestimmte kausale Wirkungen auf die Gefühle, Gedanken oder Handlungen der Adressaten erzielt werden. Beispiele sind: jemanden überzeugen, jemanden überreden, jemanden kränken, jemanden von etwas abhalten etc. Wittgensteins pragmatische Auffassung der Modi läßt sich in Austins Theorie wie folgt wiedergeben: Ein Modus ist ein illokutionärer Typ. Diese Charakterisierung setzt
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voraus, daß sich illokutionäre Akte in einer systematischen Weise in Typen klassifizieren lassen. Entsprechende Klassifikationen sind etwa von Austin oder Searle vorgeschlagen worden. Illokutionäre Akte und damit pragmatische Modi (diese lassen sich als Spezialisierungen der semantischen Modi auffassen) können auf unterschiedliche Art realisiert werden. Man kann sie auf explizite Weise vollziehen mit sog. explizit performativ en Äußerungen, bei denen durch eine bestimmte Verwendung (meist 1.Pers. Sing. Ind. Präs. Akt.) von Verben, die illokutionäre Akte bezeichnen, der betreffende illokutionäre Akt vollzogen werden kann. So kann z. B. mit „Ich verspreche dir, morgen zu kommen“ auf explizite Weise ein Versprechen gegeben werden. Man kann sie aber auch auf implizite Weise vollziehen mit Äußerungen, bei denen dem Kontext entnommen werden muß, welcher illokutionäre Akt vollzogen wird. So kann man etwa auch mit „Ich komme morgen“ ein Versprechen geben. Ein wesentliches Merkmal explizit performativer Äußerungen wie etwa „Ich vermache dir meine Uhr“ sah Austin darin, daß sie nicht wie etwa bestimmte deskriptive implizit performative Äußerungen, etwa „Ich zeige dir meine Uhr“, als wahr oder falsch beurteilt werden können. Im Gegensatz zur letzteren Äußerung, mit der man in bestimmten Umständen etwas feststellt, behauptet oder beschreibt, heißt die erste Äußerung machen, normalerweise, eine Uhr vermachen, und nicht behaupten, feststellen oder beschreiben, daß man eine Uhr vermacht. Austin wendet sich also nicht nur wie Wittgenstein gegen die Auffassung der logischen Empiristen, daß alle sinnvollen Äußerungen einen Assertionsmodus besitzen, er bestreitet auch speziell für den Typ explizit performativer Äußerungen die traditionelle Annahme, diese Äußerungen hätten wie gewöhnliche deklarative Äußerungen in der 1.Person generell einen assertorischen Modus (Typ). Er bestreitet insbesondere eine notwendige Voraussetzung dieser Annahme, nämlich daß Äußerungen wie „Ich verspreche dir, morgen zu kommen“ ein Satzradikal bzw. einen deskriptiven Inhalt der Art „daß ich dir verspreche, morgen zu kommen“ ausdrückten. Mit seiner Theorie der explizit performativen Äußerungen hat Austin die Voraussetzungen für eine sprachtheoretisch adäquate Interpretation des Fregeschen Urteilsstrichs
geschaffen; nicht nur, indem sich nun auf den explizit performativen Charakter dieses Moduszeichens verweisen läßt, sondern auch dadurch, daß die Art der Bewertung von Äußerungen von deren Illokutionstyp und damit ihrem Modus abhängig gemacht wird. In seiner „Zwei-Dimensionen-Theorie“ ist dies wie folgt zusammengefaßt: Zuerst ist zu fragen, welchen Illokutionstyp eine Äußerung realisiert, und erst dann läßt sich die Frage beantworten, auf welche Weise sie bezüglich der „Korrespondenz mit den Tatsachen“ zu bewerten ist.
3.
Der Satzmodusbegriff
Die Namen der Satzmodi in der traditionellen Grammatik — Aussagesatz, Fragesatz, Aufforderungssatz, Ausrufesatz — verweisen deutlich darauf, daß die intuitive Idee hinter dem Satzmodusbegriff die einer Korrelation von Formtyp (syntaktischer Modus: Subkategorie der Kategorie Satz) und Funktionstyp (semantischer Modus: Teilmenge der Menge möglicher Funktionen von Ausdrücken) ist. Einer Explikation dieser scheinbar klaren Intuition stehen aber mehrere erhebliche Hindernisse im Weg. (a) Die Vermischung von Form und Funktion ist die Hauptsünde der Modusbehandlung in den traditionellen Grammatiken, aber leider nicht nur in diesen. Es steht aber wohl außer Zweifel, daß die zu explizierende Form-Funktions-Korrelation nicht zu leisten ist, ohne daß die Relate, Formtyp und Funktionstyp, klar voneinander unterschieden werden. (b) Die unscharfen Grenzen des Formtypbegriffs bilden die nächste Schwierigkeit. Zwar herrscht Einigkeit darüber, daß zur Definition eines Formtyps nur strukturell-grammatische Eigenschaften wie Stellung der Konstituenten, ihre syntaktischen Kategorien und Funktionen sowie ihre morphosyntaktischen Eigenschaften, das Vorkommen von Strukturwörtern und schließlich die Intonation herangezogen werden dürfen (Altmann 1983, Zaefferer 1983a: 474), oder negativ und kürzer, daß lexikalische Information (im Sinne der Stammbedeutung von Wörtern der Hauptkategorien) ausgeschlossen bleiben muß. Auf der anderen Seite weiß man aber, daß die Grenze zwischen Funktions- und Inhaltswort und damit zwischen grammatischer und lexikalischer Bedeutung fließend ist. Eine Grammatik muß also für eine gegebene Sprachausprägung eine Entscheidung bezüglich lexikalischer vs. grammatischer Eigen-
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schaften von Sätzen treffen. Dann lassen sich in der Menge möglicher Sätze einer Sprache durch Abstraktion von lexikalischer Information Äquivalenzklassen strukturgleicher Sätze bilden und davon wieder nach gewissen Struktureigenschaften Äquivalenzklassen. Solche Formtypen wollen wir Konstruktionstypen nennen. Davon erfüllen aber längst nicht alle die Bedingungen des intuitiven Satzmodusbegriffs. Eine parataktische Reihung ist z. B. ein Konstruktionstyp, aber kein Satzmodus, denn ihr entspricht kein bestimmter Funktionstyp. Oder doch? Vielleicht der Funktionstyp der Verknüpfung von Sachverhalten? Das bringt uns zum nächsten Problem. (c) Die Unklarheit des Funktionstypbegriffs. Die Funktionen des Sprachgebrauchs sind derart vielfältig, daß hier eine Eingrenzung dringend notwendig erscheint. Die Einschränkung auf kommunikative Funktionen ist kritisiert worden, da sie den „kalkulativen Sprachgebrauch“ vernachlässige (Harman 1977:418). Sie erscheint aber gerechtfertigt, wenn man annimmt, daß dieser als verinnerlichtes selbstadressiertes Sprechen vom kommunikativen Sprachgebrauch abgeleitet ist (vgl. Wygotski 1964). Kommunikative Funktionstypen haben wiederum verschiedene Aspekte, die den Aspekten sprachlichen Handelns und somit zum Teil den linguistischen Beschreibungsebenen entsprechen. Der im Zusammenhang mit den Satzmodi relevante Funktionstypaspekt ist derjenige, der die Art der Handlung näher charakterisiert, die man vollzieht, indem man etwas sagt, oder, in Austinschen Termini, der Aspekt des illokutionären Aktes oder kurz der Illokution (vgl. oben 2.3). Illokutionstypen erhalten wir, wenn wir einerseits vom propositionalen Gehalt (dem rhetischen Aspekt des lokutionären Aktes) abstrahieren und andererseits von denjenigen beim Adressaten erzielten Effekten, die über das bloße Verstehen hinausgehen (dem perlokutionären Akt). — Standardbeispiele für Illokutionstypen sind Behauptungen, Fragen, Bitten (das würde gut zu den Satzmodi passen), aber auch Versprechen, Drohungen, Warnungen. Eine Definition des Begriffs „möglicher Illokutionstyp“ ist u. W. zum erstenmal von Vanderveken vorgeschlagen worden (Vanderveken 1985 b). — Doch selbst wenn die Begriffe Satzmodus und Illokutionstyp und damit Vor- und Nachbereich der von einer Theorie der Satzmodi zu definierenden Relation klar bestimmt sind, bleibt noch ein großes, allerdings aus der le-
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xikalischen Semantik wohlbekanntes Problem, das der (d) Mehrdeutigkeit in beiden Richtungen. Zum einen können demselben Satz (und damit natürlich auch Satzmodus) verschiedene Illokutionstypen entsprechen, z. B. dem Satz Sie können gehen der Illokutionstyp der Erlaubnis bzw. des Mitteilens einer Erlaubnis (nur in letzterem Fall wäre z. B. eine Rückfrage „Woher wissen Sie das?“ angebracht). Zum anderen können ein und demselben Illokutionstyp verschiedene Satzmodi entsprechen, z. B. dem Illokutionstyp der Bitte der interrogative und der imperative Satzmodus (Stellst du bitte das Radio etwas leiser?, Stell bitte das Radio etwas leiser!). Wie in anderen Bereichen der Ausdrucks- und Inhalts-Zuordnung müssen wir uns fragen: Liegt echte Ambiguität bzw. Synonymie vor? Oder nur Vagheit mit verschiedenen Präzisierungsmöglichkeiten? Und im Falle echter Mehrdeutigkeit: Sind die beiden Lesarten unabhängig voneinander? Oder ist eine Zuordnung primär und die andere abgeleitet?
4.
Satzmodusprobleme
Die meisten Theorien der Satzmodi befassen sich nicht mit der Frage, wie denn Satzmodus zu definieren sei, sondern nehmen die traditionellen Satzmodi als gegeben. Sie sind daher mit der angeführten Begriffsexplikation verträglich. Sie sind sich darüberhinaus darin einig, daß es zur strukturellen Bedeutung der deklarativen Sätze gehört, daß sie im allgemeinen wahrheitswertfähig sind, und daß darüberhinaus ein wesentlicher Teil der Bedeutung solcher Sätze in Termini von Wahrheitsbedingungen (im folgenden kurz WB) expliziert werden kann. Das Hauptproblem für jede WB-semantisch fundierte Satzmodustheorie sind also Sätze, auf die der Wahrheitsbegriff nicht so recht zu passen scheint: Nicht-deklarative Sätze vor allem, aber auch nicht-assertierend gebrauchte Deklarativsätze. Als der wichtigste Schlüssel zur Semantik der Nicht-Deklarative hat sich die Tatsache erwiesen, daß einige von ihnen eingebettete Entsprechungen haben (z. B. die Interrogative die sogenannten indirekten Fragesätze). Deren Semantik, soweit WB-relevant, läßt sich nämlich dadurch ermitteln, daß sie in wahrheitswertfähige Matrixsätze eingebettet werden. Schließlich kommen manche Theorien auf dem Umweg über die Nicht-Deklarative auch
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zu einer Neubewertung des deklarativen Satzmodus. Die Probleme, die eine Theorie der Satzmodi zu lösen hätte, lassen sich in Form von Adäquatheitskriterien formulieren (vgl. z. B. Zaefferer 1983a:467 f.), etwa wie folgt: Eine adäquate Theorie der Satzmodi einer natürlichen Sprache L sollte (AK 1)
(AK 1.1) (AK 1.2)
(AK 1.3)
(AK 1.4)
(AK 1.5)
die selbständigen L-Sätze nach den L-Satzmodi subkategorisieren, d. h. den Begriff des L-Satzmodus als Teilklasse der Klasse der L-Sätze extensional definieren, und dabei folgenden Phänomenen Rechnung tragen: den strukturellen Beziehungen zwischen L-Sätzen verschiedener Modi („Transformationen“); den strukturellen Beziehungen zwischen L-Sätzen der verschiedenen Modi und ihren eingebetteten Entsprechungen (so vorhanden); den syntaktischen Beziehungen zwischen solchen eingebetteten Entsprechungen (so vorhanden) und den einbettenden Strukturen; den satzmodus- oder illokutionstypspezifischen Vorkommensbeschränkungen für bestimmte Ausdrücke wie Negationspartikel, polarity items, Satzadverbien, Modalpartikeln etc. den spezifischen Beschränkungen der Verknüpfbarkeit von L-Sätzen verschiedener Modi mit Hilfe von Konjunktionen.
Eine solche Theorie sollte ferner (AK 2)
(AK 2.1) (AK 2.2)
(AK 2.3) (AK 2.4)
für jeden L-Satzmodus M die strukturelle Bedeutung von M auf eine Weise definieren, die es gestattet, beliebigen L-M-Sätzen eine intuitiv adäquate Bedeutung zuzuordnen, die folgenden Phänomenen Rechnung trägt: eventuellen Ambiguitäten von LM-Sätzen; den logischen Eigenschaften von LM-Sätzen sowie den logischen Beziehungen sowohl zwischen L-MSätzen, als auch zwischen L-M-Sätzen und L-M′-Sätzen; der Bedeutungsrelation zwischen LM-Sätzen und ihren eingebetteten Entsprechungen (falls vorhanden); der Tatsache, daß die Bedeutung solcher eingebetteter Entsprechungen die Bedeutung von Sätzen mit-
bestimmt, in die sie eingebettet sind; (AK 2.5) den satzmodusspezifischen Fokussierungsimplikaturen (vgl. unten 5.2.4). Abstrahiert man von der Relativierung auf eine bestimmte Sprache L, so kann man mit Zuber (1983:3) weiterhin fordern: (AK 3) Eine universelle Theorie der Satzmodi sollte Aussagen über die Anzahl und Identität der möglichen Satzmodi machen.
5.
Satzmodustheorien
Der folgende Überblick über eine Auswahl von Satzmodustheorien teilt diese nach den folgenden beiden Hauptkriterien in Gruppen ein: (a) die Anzahl der angenommenen Beschreibungsebenen für die Bedeutung von Sätzen einschließlich ihrer Modi (eine, zwei oder drei), (b) die Art der jeweils angenommenen Semantik (Modelltheorie, Spieltheorie, Merkmalstheorie etc.). 5.1 Ein-Ebenen-Theorien Die ersten sechs Gruppen von Theorien siedeln Satzmodusbedeutung und Restbedeutung auf einer Ebene an. 5.1.1 Die Methode der abstrakten Modusmorpheme In ihrem einflußreichen Buch An Integrated Theory of Linguistic Description stellen J. Katz und P. Postal die Behauptung auf, daß „spezielle Frage- und Imperativmorpheme in den zugrundeliegenden Phrasenstrukturen von Frage- bzw. Imperativsätzen vorkommen müssen“ (Katz/Postal 1964:74; Übers. G./Z.). Für das Imperativmorphem I wird ein Lexikoneintrag mit etwa folgender Bedeutung angesetzt: „Der Sprecher bittet darum (verlangt, besteht darauf etc.), daß“; für das Fragemorphem Q wird eine Bedeutung angenommen, die auf etwa folgende Paraphrase hinausläuft: „Sprecher verlangt eine Antwort, d. h. die Äußerung eines wahren Satzes, der entweder aus der positiven bzw. negativen Form des Fragesatzes minus Q besteht, oder aber bedeutungsmäßig mit dem Fragesatz übereinstimmt unter Abzug der Bedeutung von Q und nach Ergänzung der semantischen Bestimmung der W-markierten Konstituenten.“
Syntaktisch wird zunächst ein Deklarativsatz erzeugt, aus dem bei Anwesenheit von I oder Q obligatorische Transformationen dann einen Imperativ- bzw. Fragesatz machen.
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Die Argumente, die Katz und Postal für ihre Analyse anführen, sind syntaktischer und semantischer Natur und tauchen seither in der Literatur immer wieder auf. Die syntaktischen Argumente betreffen vor allem unser Kriterium (AK 1.4), also Kookkurrenzbeschränkungen, wie sie durch (5 ) vs. (6) und (7) vs. (8) illustriert werden: (5) Möglicherweise lesen Sie dieses Buch. (6) * Lesen sie dieses Buch möglicherweise! (7) Sie lesen dieses Buch wohl kaum. (8) * Lesen Sie dieses Buch wohl kaum? Die semantischen Argumente betreffen das Kriterium (AK 2.2), nämlich Paraphrasebeziehungen wie die zwischen (3) und (9) und semantische Anomalien wie die in (10): (3) Lesen Sie dieses Buch! (9) Ich bitte Sie, dieses Buch zu lesen. (10) ? Verstehen Sie dieses Buch! Der Einfluß des Buches von Katz und Postal war, wie erwähnt, groß, was sich auch daraus ablesen läßt, daß aus einer seiner Anmerkungen (Nr. 9, S. 149) eine alternative Satzmodustheorie entwickelt wurde, die sogenannte Performative Analyse. 5.1.2 Die Performative Analyse I Die Performative Analyse der Satzmodi verdankt ihren Namen den von J. Austin (1962) so genannten performativ en Verben, einer Klasse von Handlungsverben, die nicht nur dazu benutzt werden können, über die von ihnen bezeichnete Handlung zu sprechen, sondern in bestimmten Formen (im allgemeinen 1. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv) auch dazu, sie zu vollziehen (vgl. oben, 2.3; z. B. bitten in (11)): (11) Ich bitte Sie, das Rauchen einzustellen. Die von Katz und Postal in der oben erwähnten Fußnote angedeutete Möglichkeit, statt z. B. eines abstrakten Imperativmorphems I einen abstrakten Matrixsatz I request that you will, also mit einem performativen Hauptverb, anzunehmen, wurde von Ross (1967) aufgegriffen und weiterverfolgt. Er schlägt vor, Fragesätze aus zugrundeliegenden Strukturen mit einem abstrakten Verb des Fragens abzuleiten, also z. B. (2) aus einer Struktur, wie sie etwa (12) zugrundeliegt: (2) Lesen Sie dieses Buch? (12) Ich frage Sie, ob Sie dieses Buch lesen. Die Grundidee der Performativen Analyse besteht darin, gewisse Parallelitäten zwischen selbständigen und eingebetteten Sätzen da-
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durch zu erklären, daß man annimmt, daß auch erstere im Grunde eingebettet sind, nur daß hier eben die einbettende Struktur getilgt wurde. So scheint z. B. die Anomalie in (10) die gleiche zu sein, wie die in (13): (13) ? Ich fordere Sie auf, dieses Buch zu verstehen! Nach diesem Muster erklärt R. Lakoff (1968) Bedeutungsparallelen von selbständigen und eingebetteten Konjunktivsätzen im Lateinischen. Sowohl die Methode der abstrakten Modusmorpheme, als auch die Performative Analyse waren ursprünglich zur Behandlung nichtdeklarativer Satzmodi gedacht. Ganz analog hatte Austin vor der Entwicklung seiner Theorie der Sprechakte eine grundlegende Dichotomie von konstativen und performativen Äußerungen angenommen, die jeweils auch verschieden zu analysieren seien, bis er entdeckte, daß ja auch konstative Äußerungen ihren performativen Anteil haben, der z. B. in Sätzen wie (14) explizit gemacht werden kann: (14) Ich behaupte, daß niemand dieses Buch lesen wird. Es lag nahe, die Performative Analyse entsprechend auf Deklarativsätze auszuweiten, und genau dies ist die Hauptidee von Ross’ Aufsatz On Declarative Sentences: „Alle Deklarativsätze, die in Kontexten vorkommen, in denen Pronomina der ersten Person möglich sind (damit sollen Hinweisschilder und dergleichen ausgeschlossen werden, G./Z.), sind von Tiefenstrukturen abzuleiten, die genau einen übergeordneten performativen Teilsatz enthalten, dessen Hauptverb ein ‘verbum dicendi’ ist.“ (Ross 1970a:252; Übers. G./Z.).
Da die Performative Analyse in diesem frühen, naiven Stadium, das wir Performative Analyse I nennen, noch keine spezifizierte Semantik besaß, waren ihre Argumente im wesentlichen syntaktischer Art. Die größte Sammlung an einschlägigen Daten stellt wohl Sadock (1974) dar. Unglücklicherweise erwiesen sich gerade die syntaktischen Argumente für die Performative Analyse als sehr angreifbar (vgl. Grewendorf 1972 und Gazdar 1979: Kap. 2). Es stellte sich nämlich heraus, daß die angeblichen Effekte des abstrakten Matrixsatzes nicht nur ebensogut, sondern sogar besser erklärbar sind, wenn man sie als KontextEffekte auffaßt. Dies ist auch der Tenor der Argumentation von Downes (1977), und es läßt sich leicht
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zeigen, daß die Annahme abstrakter Matrixsätze die Annahme strukturierter Kontexte mit Sprecher- und Adressatenrepräsentation nicht ersetzen kann, sondern nur um eine Ebene verschiebt und unnötig verdoppelt. So läßt sich zwar der Plural in Lest! durch Numeruskongruenz mit einem Objekt „euch“ im abstrakten Matrixsatz ‘erklären’, aber es stellt sich natürlich gleich die Frage, woher dieses seinen Numerus erhält. Was durch die heftige Kritik an der Performativen Analyse freilich nicht aus der Welt geschafft wurde, ist ihre Attraktivität für die WB-Semantiker, gestattet sie es doch, Sätzen beliebiger Modi Wahrheitsbedingungen zuzuordnen, da sie ja alle aus zugrundeliegenden Deklarativsätzen abgeleitet werden. Einen etwas anderen, WB-semantisch motivierten Ansatz behandelt der folgende Abschnitt. 5.1.3 Die Methode der paraphrasierten Performative Dies ist die Bezeichnung, die Lewis selbst seiner Variante der Performativen Analyse (Lewis 1970) gegeben hat; die recht gewaltsame Streckung des WB-Begriffs, die ihr zu eigen ist, hat ihr auch den Namen „Prokrustes-Methode“ eingetragen (Zaefferer 1983a). Zwei Ideen charakterisieren diesen Ansatz, nicht-deklarative Sätze WB-semantisch in den Griff zu bekommen. Die erste besteht darin, solche Sätze genau dann wahr zu nennen, wenn ihre performative Paraphrase wahr ist. So werden für (2)—(4) etwa die WB von (17)—(19) angenommen: (7) Ich frage Sie, ob Sie dieses Buch lesen. (18) Ich fordere Sie auf, dieses Buch zu lesen. (19) Ich äußere mein Erstaunen darüber, daß Sie dieses Buch lesen. Die Tatsache, daß es merkwürdig erscheint, Sätzen wie (2)—(4) überhaupt WB zuzuordnen, versucht Lewis damit zu erklären, daß sie unter normalen Umständen immer wahr sind. (Wäre diese Erklärung stichhaltig, so müßte auch die Zuordnung von WB zu Sätzen wie Eine Frau ist eine Frau merkwürdig erscheinen, was aber wohl nicht zutrifft.) Die zweite Grundidee von Lewis besteht darin, die Austin-Rosssche Parallelisierung von deklarativen und nichtdeklarativen Satzmodi nicht mitzumachen und dem deklarativen Satzmodus einen Sonderstatus einzuräumen. Der Grund hierfür ist leicht zu sehen: Erhielte (1) die WB von (20), so wäre (1) unter allen normalen Äußerungssituationen wahr, unabhängig davon, ob der Adressat das
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
betreffende Buch liest oder nicht, was eindeutig inadäquat wäre: (20) Ich behaupte, daß Sie dieses Buch lesen. Ein Vorteil von Lewis’ Methode ist es, daß sie die WB-semantische Interpretation auch nicht-satzförmiger Äußerungen wie (21) erlaubt, vorausgesetzt, man ist bereit, etwa (22) als Paraphrase anzusehen: (21) Ein Prosit der Gemütlichkeit! (22) Ich bringe hiermit einen Toast auf die Gemütlichkeit aus. Möglichen Einwänden gegen seine Annahme einer Äquivalenzbeziehung zwischen nichtdeklarativen Sätzen und ihren performativen Entsprechungen begegnet Lewis mit dem Hinweis, daß WB-semantisch äquivalente Sätze durchaus verschiedene Gebrauchsbedingungen haben und deswegen intuitiv als bedeutungsverschieden empfunden werden können. Dies ist ein häufiges Argument bei Ein-Ebenen-Theoretikern; es spricht die grundsätzliche Modularitätsfrage an („Welche Phänomene sollen von der Sprachbeschreibung welchen Subsystemen oder Modulen zugeordnet werden?“), auf die wir unter 5.1.6. kurz zurückkommen werden. Lewis’ Gegeneinwand hat der ernsthaften Kritik an seinem Ansatz aber nicht den Wind aus den Segeln genommen (vgl. z. B. Grewendorf 1979). Sie wendet sich erstens gegen Lewis’ Vorschlag, gewöhnliche performative Verben in den Paraphrasen zu verwenden. Da man z. B. (3) außer durch (18) ebensogut durch (23) paraphrasieren könnte, (23) Ich bitte Sie, dieses Buch zu lesen. führt dies dazu, daß Lewis entweder bitten und auffordern als Synonyme annehmen müßte, was sicher inadäquat wäre, oder daß er für jeden nicht-deklarativen Satzmodus n Lesarten ansetzen muß, wenn n die Zahl der paarweise bedeutungsverschiedenen passenden performativen Verben ist, was ebenfalls sehr unattraktiv ist. Selbst wenn Lewis, dem Beispiel von Katz/Postal und den Vertretern der Performativen Analyse folgend, statt konkreter Verben in den Paraphrasen abstrakte Verben verwenden würde, deren Bedeutung als der gemeinsame Nenner der Bedeutungen der einschlägigen Verben zu definieren wäre, bliebe der zweite Einwand. Dieser besagt, daß Lewis durch die uniforme Behandlung der WB von Deklarativsätzen und dessen, was er WB von NichtDeklarativen nennt, heterogene Dinge in einen Topf wirft, nämlich (a) die Charakteri-
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sierung des modusunabhängigen Inhalts einer Äußerung und (b) die der damit vollzogenen Handlung. Bei Deklarativen vernachlässigt er (b), bei den anderen Satzmodi (a). Anders der folgende Ansatz, der konsequent bei allen Satzmodi (im folgenden kurz SM) (a) verfolgt. 5.1.4 Modusspezifische Bewertungen R. Montagues Beitrag zur Entwicklung der formalen Semantik natürlicher Sprachen ist zweifellos von größter Bedeutung (vgl. Montague 1974, Partee 1976, Link 1979). Sein Beitrag zur Semantik der Satzmodi beschränkt sich freilich auf eine programmatische Bemerkung des Inhalts, daß es die zentrale Rolle von Syntax und Semantik sei, Wahrheits- und Folgerungsbedingungen zu konstruieren, solange man ausschließlich Deklarativsätze betrachtet, sowie eine Fußnote dazu (die direkt gegen Lewis gewendet werden kann), daß solche Bedingungen bei Imperativ- und Interrogativsätzen selbstverständlich unangemessen seien und durch Erfüllungsbedingungen und eine Charakterisierung des semantischen Inhalts einer korrekten Antwort ersetzt werden müßten (Montague 1974:248). Der Satzmodus wird hier als eine Art Weiche aufgefaßt, die die semantische Bewertung in das jeweils passende Gleis lenkt, deswegen kann man hier von einer Methode der modusspezifischen Bewertungen sprechen. Die Idee ist leicht zu illustrieren. Nennen wir — für einen gegebenen Referenzpunkt i — U und U′ die Sachverhalte, daß der iAdressat das in i spezifizierte Buch liest bzw. nicht liest. Dann ist nach dieser Auffassung der semantische Gehalt von (1)—(3) dadurch charakterisiert, — daß (1) genau dann wahr ist in i, wenn U; — daß der semantische Inhalt einer i-Antwort A auf (2) dadurch bestimmt ist, daß A entweder genau dann wahr ist in i, wenn U, oder wenn U′; — daß (3) genau dann erfüllt ist in i, wenn U. Die Methode der modusspezifischen Bewertungen ist bestimmt intuitiv attraktiver als die Prokrustes-Methode, aber sie hat zumindest zwei wesentliche Mängel: Erstens wird sie unserem Kriterium (AK 2.2) nicht gerecht, weil sie es nicht gestattet, logische Beziehungen zwischen Sätzen verschiedener Modi adäquat zu explizieren, und zweitens setzt sie voraus, was erst nachgewiesen werden müßte,
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daß nämlich jedem SM genau eine Bewertung angemessen ist. Ansätze, beiden Mängeln abzuhelfen, werden erst weiter unten (v. a. in 5.2.4) zur Sprache kommen. 5.1.5 Modusspezifische Denotattypen Einen originellen Vorschlag zur Behandlung der Satzarten in einer Montague-Grammatik hat Hausser (1980) gemacht. Er geht davon aus, daß in einer Montague-Grammatik die Menge möglicher Denotate für die Ausdrücke einer Sprache nach Typen eingeteilt ist und daß Ausdrücken verschiedener Kategorien im allgemeinen (wenn auch nicht immer) mögliche Denotate verschiedener Typen zugeordnet werden. Nachdem nun Sätze verschiedener Modi offenbar Ausdrücke verschiedener Kategorien sind, ist es natürlich denkbar, ihnen Denotate verschiedener Typen zuzuordnen, und genau dies ist es, was Hausser vorschlägt: (1) würde bei ihm eine Proposition denotieren, (2) eine Eigenschaft von Propositionsmengen (das liegt daran, daß (2) ein Ja/NeinFragesatz ist; anderen Interrogativen werden andere Denotattypen zugeordnet) und (3) eine Individuenkonzepteigenschaft. Eine partielle Vorwegnahme dieser Methode findet sich bereits bei Cresswell (1973), der vorschlägt, einfachen W-Fragen wie (24) (24) Wer liest? entweder einstellige Prädikate (also hier: „lesen“) oder NP-Denotate (also hier: „der Leser“) zuzuordnen. Cresswell läßt die Frage offen, welche der Alternativen vorzuziehen sei; dem Einwand, daß (24) doch nicht mit „lesen“ oder „der Leser“ synonym sei, begegnet er mit dem Hinweis, daß der Unterschied nicht in der Bedeutung, also im Beitrag zur WB, sondern in den Gebrauchsbedingungen liege. Im Gegensatz zu Hausser ordnet Cresswell Imperativen WB zu, wobei er aber offenläßt, ob ein Imperativ dann wahr sein soll, wenn der Adressat die Proposition wahr macht (das entspräche Montagues Erfüllungsbedingung), oder dann, wenn der Sprecher mit der Äußerung tatsächlich eine Aufforderung oder dergleichen vollzieht (das entspräche einer verbesserten Version der Prokrustes-Methode). Im Gegensatz zu Cresswell und unter Berufung auf Hausser läßt Wunderlich (1983a) Imperative Adressateneigenschaften denotieren und setzt sich damit ebenfalls Bierwischs Kritik an diesem Ansatz aus, daß nämlich eine Äußerung eines Imperativsatzes nicht nur eine bestimmte Eigenschaft spezifiziere,
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sondern auch eine bestimmte Einstellung dazu (Bierwisch 1980:19). Hier tut sich wieder die Modularitätsfrage auf: Für Bierwisch haben „Lies!“ und „du sein und lesen“ verschiedene Bedeutungen, sind semantisch nicht äquivalent, während sie sich für Hausser und Wunderlich nur pragmatisch, in den Gebrauchsbedingungen unterscheiden. 5.1.6 Illokutionstypspezifische Bewertungen Dem Vorwurf einer zu ‘armen’ semantischen Charakterisierung entgehen auch diejenigen Ansätze nicht, die sich insofern als Verfeinerung von Montagues Methode der satzmodusspezifischen Bewertungen auffassen lassen, als sie illokutionäre Mehrdeutigkeit (vgl. AK 2.1) zulassen und somit nicht jedem Satzmodus, sondern jedem realisierten Illokutionstyp eine Bewertung zuordnen. Auf diese Weise kann vor allem der Eigenschaft gewisser Deklarativsätze Rechnung getragen werden, daß sie sowohl assertive wie explizit performative Lesarten haben, wie z. B. (25 ), was als Erteilen einer Erlaubnis fungieren kann, aber auch als bloßes Mitteilen einer solchen. (25) Sie dürfen dieses Buch lesen. Im Gegensatz zu Lewis kann dieser Ansatz solche Unterschiede direkt erfassen und braucht sie nicht auf irgendwelche unspezifizierten Gebrauchsbedingungen abzuschieben. H. Kamp, der das Problem der illokutionären Mehrdeutigkeiten am Beispiel der Erlaubnissätze ausführlich diskutiert, zeigt auf, daß es jeden Theoretiker in ein Trilemma führt, der sowohl (a) die relevanten Generalisierungen erfassen, als auch (b) den rekursiven Teil seiner Theorie von pragmatischen Begriffen freihalten, und schließlich (c) eine streng formale Theorie haben will (Kamp 1978). Nur zwei der drei Ziele, so Kamp, sind simultan erreichbar, ob man eher das zweite oder das dritte aufgeben soll, möchte er nicht entscheiden (vgl. Grewendorf 1984b). Eine konsequente Anwendung der Methode der illokutionstypspezifischen Bewertungen ist der Vorschlag von Lappin (1982), jeder illokutionären Lesart eines Satzes passende Erfüllungsbedingungen zuzuordnen. Die Relativierung der Bewertung auf Lesarten läßt sich bereits an der Form seiner Regeln ablesen: „Eine Äußerung von S als X zur Zeit t ist erfüllt gdw. ...“, wobei S ein Satz und X ein Illokutionstyp ist. Daß der eingangs erwähnte Vorwurf der zu ‘armen’ semantischen Charakterisierung
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
auch diese differenzierteren Ansätze trifft, läßt sich an Lappins Erfüllungsbedingungen für Befehle und Bitten ablesen, die identisch sind. Dies ist zwar intuitiv adäquat (Äußerungen von „Du gibst mir mal das Buch?“ als Bitte und „Gib mir das Buch!“ als Befehl sind gleichermaßen genau dann erfüllt, wenn der Adressat mit der Übergabe des fraglichen Buches reagiert); es zeigt aber zugleich, daß Erfüllungsbedingungen den semantischen Gehalt von Äußerungen mit verschiedenen syntaktischen und semantischen Modi untercharakterisieren. Dem spezifischen Unterschied zwischen Befehlen und Bitten haben laut Lappin die Sprechaktregeln Rechnung zu tragen, d. h. die Unzulänglichkeit der Erfüllungsbedingungen als Bedeutungscharakterisierung soll wiederum pragmatisch wettgemacht werden. An dieser Stelle ist der Hinweis angebracht, daß die meisten Vertreter der hier als EinEbenen-Methoden bezeichneten Ansätze die Notwendigkeit einer Ergänzung andeuten, nur sagen sie eben nichts darüber oder sie verweisen vage auf die Gebrauchsbedingungen. Dies bedeutet aber noch keine klare Stellungnahme in der Modularitätsfrage, in unserem Fall also der Frage, ob die Unterschiede zwischen den Satzmodi als Bedeutungsunterschiede, also semantisch, oder als reine Gebrauchsunterschiede, also pragmatisch zu behandeln seien, denn Gebrauchsbedingungen sind im allgemeinen wesentlich bedeutungsabhängig. Natürlich haben Sätze verschiedener Modi verschiedene Gebrauchsbedingungen. Die Frage ist, ob diese Gebrauchsunterschiede bedeutungsunabhängig sind, m. a. W. ob Lewis’ Vergleich mit den bedeutungsgleichen Ausdrücken, die sich nur im Versfuß unterscheiden, hier trifft. Wer an einer Bedeutungsebene und der Gleichung ‘Bedeutung = (Beitrag zur) Wahrheitsbedingung’ strikt festhält, sieht sich fast zu einer positiven Antwort gezwungen und wird mit Levinson (1979:30) und Gazdar (1981:75 ) annehmen, daß „illokutionäre Rollen nichts mit Semantik zu tun haben und vielmehr zur Gänze in der Pragmatik behandelt werden sollten“. Anders diejenigen Autoren, die für die Lösung der Problematik der Satzmodi von vornherein zwei Ebenen für nötig erachten. 5.2 Zwei-Ebenen-Theorien Ausgehend von der Beobachtung, daß Sätze verschiedener Modi die gleiche Restbedeutung haben können (vgl. (1)—(4) oben), gehen die Vertreter dieser Theorien davon
12. Theorien der Satzmodi
aus, daß es zur vollständigen Beschreibung der Bedeutung natürlichsprachlicher Sätze notwendig ist, zwei Ebenen zu unterscheiden: die der Gesamtbedeutung einschließlich Modus, und die des nach Abzug der Modusbedeutung verbleibenden Restes, wobei letztere meist unter der Bezeichnung propositionaler Gehalt behandelt wird. Da man den Träger des propositionalen Gehalts seit Wittgenstein (vgl. 2.2 oben) das Satzradikal nennt, lassen sich diese Theorien alle als Varianten der Methode der Satzradikale charakterisieren. Die Untergliederung des Abschnitts erfolgt nach der Art der für die beiden Ebenen angenommen Semantik. 5.2.1 Zwei Arten von Semantik Der sprachphilosophische Hintergrund von Stenius’ einflußreichem Versuch, WB-Semantik und Wittgensteins Sprachspiel-Konzeption auf einen Nenner zu bringen, ist bereits oben (Abschnitt 2.2) umrissen worden. Die Grundannahme seiner Variante der Methode der Satzradikale ist die, daß die Regeln, die die Bedeutung des Satzradikals bestimmen, ganz anderer Art sein müssen, als die, die die Bedeutung des modalen Elements ausmachen (Stenius 1967:259). Regeln der ersten Art, die als Denotationsregeln aufgefaßt werden können, bestimmen das, was Stenius deskriptive Wahrheit nennt, Føllesdal (1967:279) nennt sie konstitutive Regeln; Regeln der zweiten Art bestimmen im Falle von Deklarativsätzen das, was Stenius modale Wahrheit nennt, Føllesdal spricht hier von funktionserhaltenden (preservative) Regeln, denn obwohl sie nicht konstitutiv sind für das Sprechen einer Sprache, ist ihre Einhaltung dennoch wesentlich dafür, daß die kommunikative Funktion dieser Sprache aufrechterhalten bleibt. Stenius stellt die Regeln eines Berichts- und eines Befehlsspiels zu einem kombinierten Spiel zusammen, das er in zwei Varianten präsentiert: Die erste enthält keine syntaktischen modalen Elemente, so daß die korrekte Moduswahl völlig dem Kontext überlassen bleibt. (Das entspricht dem, was Ross (1970a) die pragmatische Analyse nennt, bei der alles, was bei der Performativen Analyse im performativen Matrixsatz kodiert ist, dem Kontext zu entnehmen ist.) Die zweite enthält modale Elemente, und der syntaktische Modus bestimmt eindeutig den semantischen. Diese beiden Varianten sind insofern interessant, als keine von beiden die tatsächlichen
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Verhältnisse bei natürlichen Sprachen wiederzugeben scheint: Diese haben syntaktische Indikatoren für den semantischen Modus, die aber für die eindeutige Bestimmung des letzteren nicht immer hinreichend sind. Die Annahme zweier völlig verschiedener Arten von Semantik ist einer doppelten Kritik ausgesetzt: Erstens ist auch die Einhaltung von Modus-Regeln in gewisser Weise konstitutiv und nicht nur funktionserhaltend (oder würde man sagen, jemand spricht Deutsch, der mit Imperativsätzen das Berichtsspiel und mit Deklarativsätzen das Befehlsspiel spielt?); deswegen formuliert Searle seine Regeln für das modale Element auch ausdrücklich als konstitutive Regeln (Searle 1969). Zweitens führt diese Konzeption zu unnötigen Schwierigkeiten, wenn es um Bedeutungsrelationen wie die zwischen (3) und (26) geht, weil dazu Regeln der einen Art erst einmal in Regeln der anderen Art überführt werden müssen. (3) Lesen Sie dieses Buch! (26) Ich empfehle Ihnen, dieses Buch zu lesen. Eine einheitliche Bedeutungsbeschreibung scheint also vorzuziehen zu sein, falls sie, und das ist natürlich wesentlich, die nötige Ebenenunterscheidung aufrechterhält. 5.2.2 Zweimal Handlungstheorie Einen möglichen Ansatz der skizzierten Art stellt die Searlesche Ausarbeitung von Austins Theorie der Sprechakte dar (Searle 1969). Searle charakterisiert sowohl propositionale wie auch modale Bedeutung in Termini von sprachlichen Handlungen, indem er Regeln für den Gebrauch der referierenden und prädizierenden Ausdrücke und der Illokutionstypindikatoren angibt (letztere nennt er illocutionary force indicating devices), zu denen er auch die Satzmodi zählt. Eine Charakterisierung der Bedeutung von (3) würde bei ihm unter anderem folgende Aussagen enthalten: (a) Propositionaler Gehalt: Es gibt Objekte x und y, die der Sprecher von (3) seinem Adressaten mit Hilfe der Äußerung von Sie bzw. dieses Buch identifizierbar machen will, und der Sprecher beabsichtigt, mit der Äußerung von (3) die Frage des Bestehens oder Nicht-Bestehens der Relation „lesen“ zwischen x und y aufzuwerfen; (b) Illokutionstyp: Die Äußerung von (3) gilt als ein Versuch, den Adressaten dazu zu bewegen, das Bestehen der Relation „lesen“ zwischen x und y herbeizuführen.
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Es wird wohl deutlich, daß solche handlungstheoretischen Charakterisierungen propositionaler Gehalte sehr schwerfällig sind, und es liegt daher nahe, sich mehr an das zu halten, was die linguistische Semantik bereits entwickelt hat. 5.2.3 Zweimal Merkmalssemantik Anders als Searle behandelt Katz (1977) die Illokutionstypdetermination nicht handlungstheoretisch, also pragmatisch, anders als Ross aber auch nicht syntaktisch: für ihn ist der richtige Ort dafür zunächst einmal, nämlich unter den idealisierten Bedingungen, die er Null-Kontext nennt, die Semantik. Syntaktisch scheint sich, was die Behandlung der Satzarten betrifft, seit Katz/Postal (1964) wenig geändert zu haben — Satzmodi scheinen weiterhin durch abstrakte Modusmorpheme repräsentiert zu werden —, aber semantisch wird jetzt zwischen dem propositionalen Gehalt und dem Propositionstyp eines Satzes unterschieden, wobei letzterer als diejenige Information charakterisiert wird, die bestimmt, welcher Sprechakttyp mit einer Äußerung dieses Satzes im Null-Kontext (also ohne Zusatzinformation) vollzogen wird. Was den Katz’schen Ansatz bei allen Bedenken (für eine Kritik an der Merkmalssemantik vgl. Lewis 1970; Gazdar 1979a zeigt auf, daß der Begriff ‘Null-Kontext’ nicht das leistet, was er leisten soll) interessant macht, ist, daß er einerseits dem WB-Begriff für Assertive eine ganze Reihe von Analoga für nichtassertive Sprechakte an die Seite stellt (wie später Lappin, vgl. oben 5 .1.6), und daß er andererseits eine Unterscheidung zwischen der Erfüllung dieser Bedingungen, die er verwandelte Bedingungen nennt, und den illokutionären Erfolgsbedingungen nicht nur vorsieht (das tut Lappin auch), sondern auf der Ebene der Semantik ansiedelt. Daß eine solche Unterscheidung notwendig ist, ist evident (die Bedingungen dafür, daß eine Frage als beantwortet gilt — das WB-Analogon für Fragen — sind verschieden von den Bedingungen dafür, daß sie als gestellt gilt), dafür, daß sie in die Semantik gehört, argumentiert Katz aufgrund der Tatsache, daß die Erfolgsbedingungen für einen Sprechakt in die WB für einen anderen eingehen können, man vergleiche etwa (2) und (27): (2) Lesen Sie dieses Buch? (27) Er hat mich gefragt, ob ich dieses Buch lese.
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Zu den verwandelten Bedingungen, die Katz vorschlägt, gehören neben WB für Assertive Erfüllungsbedingungen für Direktive mit den Spezialfällen der Antwortsbedingungen für Fragen und der Annahmebedingungen für Herausforderungen, Kompensierungsbedingungen für Expressive, Einhaltungsbedingungen für Obligative, Anerkennungsbedingungen für deklarierende Sprechakte, Erlaubnisbedingungen für permissive Sprechakte und Befolgungsbedingungen für Ratschläge. Obwohl die meisten dieser Propositionstypen im Englischen und im Deutschen nicht durch Satzmodi indiziert werden, dürfte es klar sein, daß solche Begriffe für eine universale Theorie der Satzmodi insofern interessant sind, als die Möglichkeit besteht, daß die entsprechenden Typen in irgendeiner natürlichen Sprache via Satzmodus ausgedrückt werden. Kritisch anzumerken ist, (a) daß Katz’ Analysen außer beim assertiven und beim direktiven Typ noch sehr vorläufig und ad hoc sind, (b) daß nirgends Grenzen abzusehen sind, die einer beliebigen Inflation des Typeninventars Einhalt gebieten könnten, vor allem aber, (c) daß eine präzise modelltheoretische Interpretation des ganzen merkmalssemantischen Apparates fehlt und wegen seiner Unübersichtlichkeit und Schlechtdefiniertheit wohl auch schwer zu leisten sein dürfte. 5.2.4 Zweimal Modelltheorie So verschieden alle in diesem Abschnitt zu behandelnden Theorien auch sein mögen, ihnen gemeinsam ist, daß sie auf zwei Beschreibungsebenen, der des propositionalen Gehalts und der der Illokution, modelltheoretisch interpretierte Repräsentationsebenen ansetzen. Der erste Schritt in dieser Richtung war wohl der Vorschlag von G. Lakoff (1975 ), die naive Performative Analyse I durch eine ausgearbeitetere Version zu ersetzen, in der (a) der performative Matrixsatz samt Komplement und (b) der Komplementsatz allein (das Satzradikal) getrennte modelltheoretische Interpretationen erhalten. Cresswell (1973) hat, wie oben (5 .1.5 ) erwähnt, bei den Imperativsätzen bereits die beiden Optionen (a) und (b) gesehen, aber da er jedem nicht-ambigen Satz genau eine semantische Charakterisierung, seine WB, zuordnen zu müssen glaubt, sieht er die Möglichkeit einer Mehrfachcharakterisierung nicht, die ihm aus seinem Dilemma helfen würde.
12. Theorien der Satzmodi
Ganz ähnlich wie Lakoff, aber ohne auf diesen Bezug zu nehmen, hat Davidson (1979) vorgeschlagen, die volle Bedeutung einer Äußerung durch zwei WB zu charakterisieren, z. B. die eines Imperativs durch die WB der Äußerung einer indikativischen Umformung des betreffenden Satzes und die WB des Modusindikators, wobei letztere genau dann erfüllt ist, wenn die betreffende Äußerung tatsächlich dem imperativen (oder direktiven) Illokutionstyp zugehört. Im Unterschied zu Lakoff (und in Übereinstimmung mit Lewis) nimmt er allerdings Deklarativsätze von dieser Behandlung aus, denn diese zeichnen sich seiner Ansicht nach durch die Abwesenheit eines Modusindikators aus. Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen auf der Hand: Es erlaubt eine Ausweitung des bewährten WB-semantischen Vorgehens auf diejenigen Satzarten, denen man schlecht einen Wahrheitswert zusprechen kann. Die Davidsonsche Erklärung für diese Unmöglichkeit klingt freilich wenig überzeugend: Das liege daran, daß sie eben zwei Wahrheitswerte haben. Das ist aber wohl vor allem ein terminologisches Problem. Ernsthaftere Probleme für den Davidsonschen Ansatz ergeben sich bei den Interrogativen (diese Möglichkeit räumt er selbst in einer Fußnote ein). Wie schon Katz und Postal bemerkt haben, lassen sich zwar mit Hilfe von Indefinitformen deklarative Entsprechungen zu W-Interrogativen bilden, aber es bleibt offen, ob (28) eine DavidsonUmformung von (29), (30) oder (31) ist: (28) Meine nächste Äußerung ist eine Frage. Jemand liest etwas. (29) Wer liest etwas? (30) Was liest jemand? (31) Wer liest was? Die in den Arbeiten Zaefferer (1981)—(1984) entwickelte Illokutionssemantik versucht, diesen Problemen mit zunehmender Differenziertheit und Adäquatheit Rechnung zu tragen. Die Überwindung der ersten Schwierigkeit mit Davidsons Ansatz ist der Idee nach den Vorschlägen von Katz (1977) und Lappin (1982) verwandt: (a) Äußerungen werden auf zwei Ebenen bewertet (semantisch charakterisiert): der lokutionären und der illokutionären, (b) die Bewertung auf der lokutionären Ebene erfolgt in derjenigen Dimension, die für den jeweils realisierten Illokutionstyp spezifisch ist: Wahrheit bei Assertiven, Beantwortetheit bei Fragen, Erfülltheit bei Direktiven,
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Quasi-Wahrheit bei rhetorischen Fragen, Wahrheit und Gerechtfertigtheit bei Exklamativen, (c) die Bewertungen auf der illokutionären Ebene erfolgen in der Dimension des Erfolgs bzw. der Wirksamkeit (für Einzelheiten siehe Zaefferer 1983a, 1984). So werden Bedeutungsbeziehungen zwischen Sätzen verschiedener Modi explizierbar (AK 2.2); es läßt sich z. B. zeigen, daß (33) wahr ist (in seiner assertierenden Lesart), wenn (32) wirksam ist: (32) Sag mir, wer du bist! (33) Ich frage dich, wer du bist. Die ernsthaften Probleme werden dadurch vermieden, daß zur Charakterisierung des lokutionären Gehalts auf Davidsons Konzept der deklarativen Umformung verzichtet wird. Die W-Stellen in W-Interrogativen werden nicht durch Existenzquantifizierung gebunden (wie in (28)), sondern durch Allquantifizierung mit Skopus über den Illokutionstypoperator. So wird es möglich, sowohl die Ambiguität des Karttunen-Hirschbühler-Problemsatzes (34) zu explizieren (Karttunen 1977, Hirschbühler 1978), wie auch seine partielle Synonymie mit (35): (34) Welche Note verdient jeder Student? (35) Welcher Student verdient welche Note? Ein anderer, ebenfalls in vielen Bereichen schon recht detailliert ausgearbeiteter Ansatz ist die von D. Vanderveken, teilweise in Zusammenarbeit mit J. Searle, entwickelte Illokutionslogik (Vanderveken 1980, 1983, Searle/Vanderveken 1985 ). Vandervekens Lösung des ersten, mehr terminologischen Problems gleicht der von Zaefferer (s. o.), nur daß er die verschiedenen Bewertungen auf der lokutionären Ebene unter den Erfüllungsbegriff (satisfaction) zusammenfaßt und auf der illokutionären Ebene zwischen dem Vollzug und dem makellosen Vollzug (non-defective performance) eines Sprechakts unterscheidet. So gehört z. B. zur Erfüllung eines mit (36) gegebenen Versprechens, (36) Ich verspreche Ihnen, daß ich dieses Buch lesen werde. daß sein Sprecher das betreffende Buch lesen wird, zum Vollzug, daß er dieses Versprechen gibt, und zum makellosen Vollzug, daß er beabsichtigt, es zu halten. Der Begriff des makellosen Vollzugs ist notwendig für Vandervekens Rekonstruktion von Grices (1975 ) konversationellen Implikaturen (Vanderveken 1985 a), da in deren Bestimmung häufig die Annahme eines makellosen Vollzugs eingeht. Eine Lösung des zweiten Problems fin-
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det sich bei Vanderveken nicht, da er sich nicht näher mit W-Fragen befaßt. Zaefferers Illokutionssemantik und Vandervekens Illokutionslogik sind in der Zielsetzung ganz ähnlich, aber im Vorgehen verschieden. Das Ziel ist die Vervollständigung des modelltheoretischen Ansatzes, so daß auch nicht-deklarative SM und andere illokutionstypbezogene Phänomene behandelt werden können. Die Illokutionssemantik ist mehr sprachbezogen und rekonstruiert spezifische Bedeutungsrelationen wie die zwischen (32) und (33) mit Hilfe von Bedeutungspostulaten, die Illokutionslogik ist apriorisch aufgebaut, definiert mögliche Illokutionstypen auf der Basis von Searles Klassifikation (Searle 1975 b) und rekonstruiert die gleichen Relationen aufgrund der Definitionen der betreffenden Illokutionstypen. In Zaefferer (1983b) wurde auf Punkte hingewiesen, in denen sich das illokutionslogische System wegen der Problematik der ihm zugrundeliegenden Searleschen Klassifikation als empirisch inadäquat erweisen könnte. Der in Zaefferer (1984) festgehaltene Stand der Illokutionssemantik weist noch zwei deutliche Unzulänglichkeiten auf: Die von der zugrundegelegten Mögliche-Welten-Semantik ererbten Probleme des Propositionsbegriffs und die Tatsache, daß sie noch mit unstrukturierten Propositionen arbeitet. Wie man letzterem Mangel abhelfen kann, hat Jacobs (1984a) gezeigt, und er hat weiterhin nachgewiesen, daß eine Illokutionssemantik mit in Fokus und Hintergrund strukturierten Propositionen (a) eine einheitliche Behandlung von Fokussierung sowohl in An- wie in Abwesenheit fokussierender Elemente (wie z. B. auch) erlaubt und (b) ganz zwanglos der Tatsache Rechnung trägt, daß Fokusimplikaturen illokutionstypspezifisch sind. Vgl. (37) und (38), denen man als Implikaturen etwa (37′) und (38′) zuordnen könnte (Majuskeln indizieren die Satzakzentsilbe): (37) Lesen Sie DIEses Buch! (37′) Sprecher nimmt an, daß Adressat beabsichtigt, ein Buch zu lesen. (38) Lesen Sie DIEses Buch? (38′) Sprecher nimmt an, daß Adressat ein Buch liest. 5.2.5 Modusbedeutung als Implikatur(-auslöser) Mehrere Autoren haben vorgeschlagen, für die Satzmodusbedeutung nicht eine eigene, spezifische Bedeutungsebene anzunehmen,
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sondern sie auf einer ohnehin notwendigen, die Kernbedeutung ergänzenden Ebene anzusiedeln, der Ebene der Implikaturen oder Präsuppositionen. Der erste Vorschlag in dieser Richtung dürfte wohl der von Kasher sein, der annahm (1974:25 ), daß mit jedem Satz eine Klasse schwacher Kontextimplikaturen verbunden sei, die seinen semantischen Modus (also Illokutionstyp) bestimmt, und daß zu jedem Modus eine charakteristische Klasse von Präferenzrelationen gehört, an denen das entsprechende Satzradikal teilhat. So impliziere z. B. der fragende Modus bezüglich einer Proposition p, daß der Sprecher das Wissen, ob p, dem Nichtwissen, ob p, vorzieht, und der assertierende, daß der Sprecher eine Situation, in der der Adressat weiß, daß er, der Sprecher, p glaubt, einer Situation vorzieht, in der dies nicht der Fall ist. Anders als Kasher expliziert Lee (1983) die Modusbedeutung nicht als Kontextimplikatur, sondern als konventionelle Implikatur im Sinne von Karttunen/Peters (1979). Es erhebt sich allerdings die Frage, ob hier nicht allzu Heterogenes zusammengeworfen wird, denn z. B. das für die ‘normalen’ konventionellen Implikaturen typische Projektionsproblem tritt bei den Modusimplikaturen nicht auf. Während bei Lee Imperative die Bedeutung ihres Radikals zum Inhalt haben und die Modusbedeutung als Implikatur mit sich führen, sind die Verhältnisse bei R. Zuber, von dem der jüngste Vorschlag in dieser Gruppe stammt (Zuber 1983), gerade umgekehrt: Die Modusbedeutung löst die Implikatur (in Zubers Terminologie: Präsupposition) nur aus, und was präsupponiert wird, ist das Satzradikal (bei Zuber: die Satzbasis) oder etwas daraus Abgeleitetes. Zuber vertritt die These, daß es genau drei nichtdeklarative Satzarten gibt: die exklamative, die imperative und die interrogative. Ein nicht-deklarativer Satz ist nach Zuber exklamativ genau dann, wenn er seine Basis maximal präsupponiert, er ist imperativ genau dann, wenn er die Negation seiner Basis maximal präsupponiert, und interrogativ genau dann, wenn er entweder das eine oder das andere tut. Zubers Buch ist voll von originellen und interessanten Vorschlägen, von denen allerdings viele der wichtigsten leider wohl unmodifiziert nicht haltbar sind. So wären z. B. nach den oben genannten Definitionen die Interrogative entweder Exklamative oder Imperative. Richtig an diesem Ansatz ist sicher die Intuition, daß Nicht-
12. Theorien der Satzmodi
Deklarative ihren propositionalen Gehalt nicht behaupten, sondern eine andere Relation dazu ausdrücken. 5.3 Drei-Ebenen-Theorien Wie die Zwei-Ebenen-Theorien gehen auch diese Ansätze von der Annahme einer Ebene des propositionalen Gehalts (oder eines Analogons dazu) aus, allerdings plädieren sie dafür, für die Explikation des semantischen Modus zwei zusätzliche Analyse- und damit Repräsentationsebenen anzusetzen, wobei freilich die Vorstellungen davon, welches diese beiden Ebenen sein sollen, sehr unterschiedlich sind. 5.3.1 Drei Ebenen sprachlicher Bedeutung Einen Ansatz zu einer Zwei-Ebenen-Behandlung der Modusbedeutung stellt Wunderlich in seinen Studien zur Sprechakttheorie vor, wo er unterscheidet zwischen illokutiven Typen (Sprechakttypen) und Positionstypen (Typen propositionaler Einstellungen) und die Möglichkeit andeutet, „propositionale Einstellungen mit bestimmten Sprechakttypen zu assoziieren“ (Wunderlich 1976:44), was er allerdings nicht weiter ausführt. Etwas anders Lyons (1977), der ausgeht von der Hareschen Trichotomie Phrastik (propositionaler Gehalt) — Tropik (Modusanzeichen) — Neustik (Anzeichen für die Verpflichtung, die der Sprecher eingeht), und den Illokutionstyp als Produkt von Tropik und Neustik ansieht (Lyons 1977:75 0). Die Argumente für die Unterscheidung von Tropik und Neustik vermögen allerdings nicht recht zu überzeugen (vgl. die Besprechungen von Lyons’ Buch durch Cresswell 1979 und von Stechow 1982). 5.3.2 Zwei sprachliche Ebenen und eine kommunikative Eine ganz andere Auffassung von der modularen Organisation sprachlicher Kommunikation kommt in einem Ansatz zum Ausdruck, zu dessen Vertretern Bierwisch (1980), Doherty (1985 ), Lang (1983), Motsch (1979) und in neueren Schriften wohl auch Altmann (1983) und Wunderlich (1983a) zu rechnen sind. Zur Vermeidung dessen, was Bierwisch (1980:2) die „Erbsünde der Sprechakttheorie“ nennt, nämlich der Vermischung von Sprache und Kommunikation, unterscheidet dieser Ansatz zwischen der mit der Äußerung eines Satzes in einem bestimmten Modus ausgedrückten Einstellung zu dessen propositio-
285
nalen Gehalt und dem damit in einem Interaktionsrahmen übermittelten kommunikativen Sinn, wobei die Bestimmung der ersteren eine linguistische, die des letzteren (und damit des vollzogenen Sprechakts) hingegen eine kommunikationstheoretische Aufgabe sei. Die Sprechakttheorie sei keine Theorie der sprachlichen Bedeutung, sondern des kommunikativen Sinns, und sprachliche Illokutionstypindikatoren im strengen Sinn gebe es nicht (Bierwisch 1980:24). Satzmodi bezeichnen propositionale Sprechereinstellungen wie Annehmen, Wollen und wissen Wollen, und haben nur sehr vermittelt mit Sprechhandlungen zu tun. Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings die Frage, ob wirklich ein Unterschied zu der gängigen Auffassung besteht, wonach Satzmodi Illokutionstypindikatoren sind, denn es ist ja durchaus denkbar, den assertierenden, direktiven und erotetischen Illokutionstyp zu definieren als diejenigen Handlungen, die im Ausdrücken der genannten Einstellungen bestehen.
6.
Offene Fragen
Obwohl sich eine gewisse Überlegenheit der modelltheoretisch orientierten Zwei-EbenenTheorien über die anderen Ansätze abzuzeichnen scheint, sind damit noch längst nicht alle Probleme im Bereich der Satzmodi gelöst. Zu den noch anstehenden Aufgaben für die künftige Satzmodusforschung gehören unter anderem: (a) die präzise Bestimmung der Bedeutung der Satzmodi in den verschiedenen natürlichen Sprachen (und damit die Beantwortung der Frage, inwieweit z. B. der Imperativ im Deutschen mit dem Imperativ im Englischen äquivalent ist); (b) die Beschreibung und Erklärung der Verknüpfbarkeitsbeschränkungen für Teilsätze verschiedener Modi im Rahmen ein und desselben Satzes, vgl. z. B. (39) (Imp + Dekl) mit (40) (* Dekl + Imp) und (41) (Dekl + Int) mit (42) (* Int + Dekl); (39) Lesen Sie dieses Buch und Sie sind im Bilde! (40) * Sie lesen dieses Buch und seien Sie im Bilde! (41) Sie lesen dieses Buch, aber stört Sie nicht dieser Lärm? (42) * Lesen Sie dieses Buch, aber dieser Lärm stört Sie nicht. (c) die Bestimmung des Grades der Kompositionalität der Satzmodusbedeutung
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
286
(haben z. B. im Deutschen die Merkmale Verberststellung und terminale Intonation Eigenbedeutungen, aus deren Kombination die Imperativbedeutung entsteht, oder tragen die Merkmale erst in Kombination Bedeutung?); (d) die Beschreibung anderer Modi als der Standardfälle Deklarativ, Imperativ und Interrogativ, z. B. des Exklamativs (Zaefferer 1983a ist nur ein erster Schritt hierzu); (e) die Frage der Modifizierbarkeit der Satzmodusbedeutung durch Satzadverbien und Modalpartikeln; (f) die Ermittlung des Inventars an Satzmodi, über das natürliche Sprachen verfügen (erste Hypothesen hierzu finden sich in Zaefferer 1983a, reichhaltiges Material in Sadock/ Zwicky 1985).
7.
Literaturempfehlungen
Eine knappe Einführung in die Sprechakttheorie gibt Grewendorf (1980), einen guten Überblick über die linguistischen Probleme Fodor (1977). Mehr wegen der angeführten Daten als wegen der vorgeschlagenen Lösungen interessant ist Sadock (1974). Trotz aller Einwände lesenswert ist Kapitel 16 von Lyons (1977), wenn man von Stechow (1982) als Korrektivlektüre hinzunimmt. Als interessanter Versuch, den zentralen Begriff des Illokutionstyps (illocutionary force) präzise zu definieren, ist Vanderveken (1985 b) eine Auseinandersetzung wert. Für historisch interessierte Leser, die auch mehr spekulative Ausführungen zu schätzen wissen, sei schließlich die — in den grundsätzlichen Bemerkungen erstaun-
lich moderne — Arbeit von K. Brugmann (1918) empfohlen. Für wertvolle Hinweise sei Andreas Kemmerling und Dieter Wunderlich gedankt.
8.
Literatur (in Kurzform)
Altmann 1983 · Anscombe 1967 · Austin 1962 · Bierwisch 1980 · Brugmann 1918 · Cresswell 1973 · Davidson 1979 · Doherty 1985 · Downes 1977 · Dummett 1973 · Fodor 1977 · Føllesdal 1967 · Frege 1879 · Frege 1891 · Frege 1892 · Frege 1893/ 1903 · Frege 1918/19 · Frege 1923/25 · Gazdar 1979 · Gazdar 1979a · Gazdar 1981 · Grewendorf 1972 · Grewendorf 1979 · Grewendorf 1980 · Grewendorf 1984b · Grice 1975 · Harmann 1977 · Hausser 1980 · Hirschbühler 1978 · Jacobs 1984a · Kamp 1978 · Karttunen 1977 · Karttunen/Peters 1979 · Kasher 1974 · Katz 1977 · Katz/Postal 1964 · Lakoff, G. 1975 · Lakoff, R. 1968 · Lang 1983 · Lappin 1982 · Lee 1983 · Lewis 1970 · Link 1979 · Lyons 1977 · Montague 1974 · Motsch 1979 · Partee (ed.) 1976 · Ross 1967 · Ross 1970a · Sadock 1974 · Sadock/Zwicky 1985 · Searle 1969 · Searle 1975 b · Searle/Vanderveken 1984 · von Stechow 1982 · Stenius 1967 · Stenius 1969 · Vanderveken 1980 · Vanderveken 1983 · Vanderveken 1985 a · Vanderveken 1985 b · Wittgenstein 1921 · Wittgenstein 1969 · Wunderlich 1976 · Wunderlich 1983a · Wygotzky 1964 · Zaefferer 1981 · Zaefferer 1982 · Zaefferer 1983a · Zaefferer 1983b · Zaefferer 1984 · Zuber 1983
Günther Grewendorf, Frankfurt a. M./ Dietmar Zaefferer, München (Bundesrepublik Deutschland)
13. Präsuppositionen 1. 2. 3. 4. 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6.
Einleitung Empirische Kriterien Klassifikation und strukturelle Basis von Präsuppositionen Der logische Präsuppositionsbegriff und wie er pragmatisch wurde Das Projektionsproblem Einleitung Karttunen, Karttunen & Peters Gazdar Heim Van der Sandt Der diskurstheoretische Präsuppositionsbegriff
6.1 6.2 6.3 7. 8.
1.
Allgemeines Die diskurssemantische Lösung des Projektionsproblems Prädikatbedingungen, Dreiwertigkeit und die Ambiguität von nicht Offene Fragen Literatur (in Kurzform)
Einleitung
Die meisten Sätze haben eine oder mehrere Präsuppositionen. Es ist nicht schwierig, einen Blick für sie zu entwickeln: wenn man das Phänomen einmal aufgezeigt und ein paar Beispiele gegeben hat, so sind sie leicht wie-
13. Präsuppositionen
287
derzuerkennen, zumindest in klaren Fällen. Was sich als schwierig erwiesen hat, ist vielmehr, dem Präsuppositionsbegriff den rechten Platz innerhalb der Sprachtheorie zuzuweisen. In diesem Artikel werde ich versuchen, einen Überblick darüber zu geben, wie dieses Problem in neuerer Zeit angegangen wurde, welche Schwierigkeiten dabei hauptsächlich aufgetaucht sind und welche Perspektiven man entwickelt hat. Präsuppositionen waren in der Philosophie des Mittelalters bekannt. Nuchelmans (1973:174) berichtet, daß z. B. in der Ars Meliduna, einer Logikabhandlung aus dem späten 12. Jahrhundert, Trägersätze propositiones implicatae genannt werden, die ein enuntiabile (= Behauptung) enthalten und eine weitere Aussage (die Präsupposition), die wahr sein mußte, wenn die Behauptung nicht ‘nichtig’ werden sollte. Walter Burleigh (frühes 14. Jh.) bezeichnet das, was wir Präsupposition nennen, als praeiacens („was vorliegt“).
Beginnen wir mit einigen Beispielen. Wir sagen, daß die Sätze (1 a—g) unter anderem so etwas wie die Sätze (1 a’—g’), die rechts neben ihnen stehen, präsupponieren; das Symbol „»“ dient hier zur Bezeichnung der Präsuppositionsrelation: (1) a. Frank hat aufgehört zu rauchen. b. Norma lebt noch in Paris. c. David hat Ehebruch begangen. d. Hans weiß, daß er sich geirrt hat e. Haralds Kinder schlafen. f. Nur Karl hat Whisky geschmuggelt. g. Es war Karl, der Whisky geschmuggelt hat.
» a’. Frank hat früher geraucht. » b’. Norma hat in Paris gelebt. » c’. David ist verheiratet. » d’. Hans hat sich geirrt.. » e’. Harald hat Kinder. » f’. Karl hat Whisky geschmuggelt. » g’. Jemand hat Whisky geschmuggelt.
Die Sätze (1a—g) nennen wir die Trägersätze und (1a’—g’) Präsuppositionen dieser Trägersätze. Der Unterschied besteht in der Regel darin, daß, wer einen Trägersatz äußert, dessen Präsuppositionen als gegeben anzunehmen scheint. Ein Sprecher kann dies explizit machen und zuerst eine oder mehrere der Präsuppositionen äußern und dann den Trägersatz (man erhält dann immer ein wohlgeformtes Textstück); oder er kann die Präsupposition(en) implizit lassen — in diesem Fall entnimmt ein kompetenter Hörer (das heißt, ein Hörer, der die Sprache beherrscht) die
Präsuppositionen dem geäußerten Trägersatz. Präsuppositionen sind also sozusagen in ihren Trägersätzen enthalten, und es ist eine der Aufgaben einer Präsuppositionstheorie, Sätze so zu analysieren, daß deutlich wird, auf welche Weise genau Präsuppositionen in ihnen implizit enthalten sind. Um dieses Problem wird es in Abschnitt 3 gehen. Wir haben Präsuppositionen als strukturelle Eigenschaften von Sätzen eingeführt: sie sind aus einem Bestandteil des Trägersatzes oder aus seiner Struktur ableitbar. Nicht alle Autoren folgen diesem Sprachgebrauch; manche haben einen umfassenderen Präsuppositionsbegriff. So sagt z. B. Stalnaker (1978: 321) „Präsuppositionen sind das, was vom Sprecher als gemeinsamer Hintergrund der Gesprächsteilnehmer, als ihr gemeinsames oder wechselseitiges Wissen betrachtet wird.“ Soames (1982:485 f.) vertritt eine ganz ähnliche Meinung, doch versucht er, die strukturell impliziten Präsuppositionen durch die Bedingung auszusondern, daß ein Satz S dann die Präsupposition P hat, wenn bei ‘normalen Äußerungen’ von S P als gemeinsames Wissen vorhanden ist. Wir werden hier nicht mit diesem pragmatischen Präsuppositionsbegriff operieren, sondern uns an den linguistischen oder semantischen Präsuppositionsbegriff halten, gemäß dem Präsuppositionen in der Struktur ihrer Trägersätze enthalten sind. Auch werden wir nicht versuchen, den linguistischen Begriff aus dem pragmatischen herzuleiten, wie Soames das mit Hilfe des Begriffs der ‘normalen Äußerung’ tut. Soames’ Präsuppositionsbegriff würde vorhersagen, daß der Satz Das Auto hielt an z. B. Autos haben Motoren präsupponiert, denn dies ist gemeinsames Wissen, das bei ‘normalen Äußerungen’ dieses Satzes vorhanden ist (aktiviert wird). Eine solche Verwendung des Terminus „Präsupposition“ macht den Präsuppositionsbegriff unbrauchbar. Präsuppositionen sollten von Hintergrundwissen getrennt gehalten werden. Der Grund für diese Beschränkung liegt darin, daß nur der linguistische (oder semantische oder strukturelle) Präsuppositionsbegriff zu einer klaren Formulierung von Problemen und Lösungsvorschlägen geführt hat, nicht aber der pragmatische, der Präsuppositionen mit Äußerungssituationen und Gesprächsteilnehmern variieren läßt. Laut Stalnaker „würde man, wenn eine Ziege in den Raum käme, normalerweise von diesem Zeitpunkt an präsupponieren, daß eine Ziege im Raum ist“ (1978:323), und auf diese Tatsache
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könnte man zurückgreifen, wenn beispielsweise jemand sagt: Schau dir die an! Doch linguistische Präsuppositionen liefern nicht den außersprachlichen Bezug deiktischer Ausdrücke. Linguistische Präsuppositionen sind systematische Eigenschaften von Satztypen, keine zufälligen Eigenschaften von Äußerungen. Sie sind in der Sprache festgelegt. Nur um diese Art von Präsuppositionen wird es uns hier gehen. Zudem muß sich eine Präsupposition durch einen Satz ausdrücken lassen. Anders gesagt, eine Präsupposition ist selbst ein sprachlicher Gegenstand. So kann man zwar sagen, der Satz Schau dir die an! verlange systematisch, daß die Äußerungssituation klar mache, worauf sich das Wort die bezieht, doch ist das keine Präsupposition im gewünschten Sinn. Wir wollen in der Semantik nur das als Präsupposition betrachten, was eine Tatsache ausdrückt, die für den geglückten Gebrauch des Trägersatzes als gegeben akzeptiert sein muß. Die jeweilige Tatsache wird sich von Situation zu Situation ändern, aber der Ausdruck muß immer derselbe oder ein äquivalenter sein. Wenn ich also die Behauptung AB äußere (das heißt, den Satz A, der B präsupponiert) und die Behauptung, daß A wahr ist, glücken soll, dann muß B als wahr anerkannt worden sein. (Wir werden uns hier nicht weiter darüber auslassen, was es genau heißt, Propositionen ‘als wahr anzuerkennen’ oder ‘als gegeben zu akzeptieren’. Man findet praktisch in der gesamten aktuellen Literatur zur Analyse von verbalen Kommunikationssituationen keine befriedigende Behandlung von Sprecher-Verpflichtungen und der Annahme von Propositionen für die Zwecke eines Gesprächs. Es kann hier nicht unsere Absicht sein, eine grundsätzliche Klärung solcher Begriffe zu liefern.) Oder wenn ich frage, ob AB (wobei A eine Ja-NeinFrage ist), so muß B als wahr akzeptiert sein, damit die Frage nach der Wahrheit von A glücken kann. Ebenso kann eine Äußerung des Imperativs AB nur dann glücken, wenn B als wahr betrachtet wird. Der Terminus glücken verweist auf ein ziemlich komplexes Gefüge von Bedingungen, aber im gegenwärtigen Zusammenhang ist nur eine Bedingung relevant, nämlich daß das Gespräch ohne Korrekturen fortgesetzt werden können muß. Von einem streng logischen Standpunkt aus bedeutet das, wie wir sehen werden, daß für jede Aussage (oder Behauptung) AB gilt, daß B aus A logisch folgt. Von einem semantischen Standpunkt aus bedeutet es, daß ein
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Satz AB nur in Kontexten interpretiert werden kann, die zulassen, daß B vor A geäußert wird. Wie mittlerweile klar geworden ist, können nicht nur Behauptungen, sondern auch alle anderen Arten von Sprechakten Präsuppositionen haben. Eine Frage zum Beispiel kann sicherlich eine Präsupposition haben, wie Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung (V,1) zeigt, wo Vincentio ausruft: „Komm hierher, Spitzbube! Was, hast du mich vergessen?“ Diese Frage präsupponiert, daß der Adressat, Biondello, den Sprecher einmal gekannt hat. Doch da Biondello das abstreitet, erübrigt sich die Frage (wird sie ‘nichtig’): „Euch vergessen? Nein Herr, ich konnte Euch nicht vergessen, denn ich habe Euch in meinem Leben nicht gesehen.“ Beispiele dieser Art ließen sich beliebig vermehren. Die formalen semantischen Theorien, die in diesem Jahrhundert entwickelt wurden, haben Präsuppositionen als problematisch empfunden. Zum einen kommt man nicht umhin, Präsuppositionen der betrachteten Art als etwas Semantisches anzusehen: sie sind ein Teil des Sprachsystems und leisten einen Beitrag zur Bedeutung ihrer Trägersätze. Dann muß man ihnen aber auch in einer semantischen Theorie, soll sie adäquat sein, einen geeigneten Platz zuweisen. Doch haben die semantischen Theorien, die ‘auf dem Markt’ sind, Schwierigkeiten, einen geeigneten Platz für Präsuppositionen zu finden. Es gibt dafür eine Reihe von Gründen. Erstens haben die existierenden Standard-Semantiken wenig oder gar nichts über Sprechakte zu sagen, die keine Behauptungen sind; doch kommen Präsuppositionen solchen Sprechakten ebenso zu wie den Behauptungen. Ferner hat die moderne Semantik, die sich aus der Logik entwickelt hat und immer noch eng mit ihr verbunden ist, keine Erklärung des Begriffs der ‘Nichtigkeit’; in der Präsuppositionsanalyse sagt man jedoch traditionellerweise, daß ein Satz, dessen Präsuppositionen nicht alle erfüllt sind, ‘nichtig’ ist. Ein weiterer Grund liegt darin, daß die üblichen Formalisierungen von (Behauptungs-)Sätzen, die die syntaktische Herleitung logischer Folgerungen ermöglichen, für die Ableitung von Präsuppositionen ungeeignet sind. Es gibt noch andere Gründe, zum Beispiel, daß moderne Semantik und Logik keinen Raum für Unterscheidungen lassen, die mit der Reihenfolge von Behauptungen zusammenhängen, wohingegen Präsuppositionen deutlich etwas mit linearer Abfolge zu tun haben: man erhält
13. Präsuppositionen
einen guten Text, wenn die Präsupposition zuerst kommt und danach der Trägersatz, aber die umgekehrte Anordnung führt immer zu kontextuellem Kauderwelsch oder jedenfalls dazu, daß man die Präsupposition als nachträgliche Information betrachten muß, die den Trägersatz erst interpretierbar macht. Der wichtigste Grund für das Unbehagen der formalen Semantiker an den Präsuppositionsphänomenen rührt jedoch daher, daß Präsuppositionen manchmal zu bloß plausiblen Folgerungen abgeschwächt werden. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn ein Trägersatz in einen größeren, komplexeren Satz eingebettet wird. Bei Einbettungen fallen Folgerungen oft weg, wie man von der elementaren Logik her weiß. Ein komplexer Satz C, der einen Satz A enthält, erbt nicht notwendigerweise die Folgerungen von A. Wenn A zum Beispiel das Antezedens eines Konditionalsatzes ist, so gehen alle seine Folgerungen verloren; ebenso, wenn A unter einem Glaubensoperator eingebettet ist. Dasselbe gilt für Präsuppositionen, die Folgerungen aus ihrem Trägersatz sind: sie fallen bei Einbettungen immer dann weg, wenn andere, ‘normale’ Folgerungen auch wegfallen. (Allerdings ist die Negation, wie wir unten sehen werden, ein Sonderfall.) Das Problem ist jedoch, daß Präsuppositionen, anders als normale Folgerungen, oft in abgeschwächter Form überleben, nicht als strikte logische Folgerungen, aber als naheliegende Schlußfolgerungen, die man zieht, solange nichts dagegen spricht. Man betrachte etwa den Satz (2): (2) Viktor glaubt, daß sein Sohn in Kentucky lebt. Dies ist ein komplexer Satz, in dem der Satz „Viktors Sohn lebt in Kentucky“ (A) unter einen Glaubensoperator eingebettet ist. A präsupponiert „Viktor hat einen Sohn“ (B), und wenn A alleine vorkommt, so folgt der Satz B auch aus A (A ⊧ B). Aber aus (2), dem ganzen komplexen Satz, folgt B nicht; das zeigt sich daran, daß aus (3): (3) Viktor glaubt, daß er einen Sohn hat, und er glaubt, daß sein Sohn in Kentucky lebt. B nicht folgt. (Wenn B aus (2) folgen würde, dann sollte B auch aus (3) folgen, denn (3) ist eine Konjunktion, die (2) als Konjunktionsglied hat. Aber B folgt nicht aus (3), wie jedermann zugeben wird. Also folgt B auch nicht aus (2)). Dennoch legt (2) B immer noch nahe: solange nichts dagegen spricht, wird man, wenn man (2) für wahr hält, annehmen, daß Viktor einen Sohn hat. B ist mit anderen
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Worten eine Default-Annahme, wenn (2) für wahr gehalten wird. Wir sagen daher, daß B eine Default-Annahme (DA) von (2) ist. Präsuppositionen unterscheiden sich prinzipiell dadurch von anderen, ‘normalen’ Folgerungen, daß letztere, im Gegensatz zu ersteren, nie Anlaß zu DAs geben. Für die herkömmliche formale Semantik liegt darin insofern ein Problem, als sie über kein Instrumentarium verfügt, welches Default-Annahmen erfassen könnte. Solche nicht logischen Phänomene werden, falls man sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, gewöhnlich an eine (schlecht definierte) Pragmatik abgeschoben. Doch kann man schwer leugnen, daß Präsuppositionen etwas Semantisches sind. Außerhalb der formalen Semantik im engen Sinn findet man jedoch in gewissem Umfang theoretische Überlegungen zu dem Problem, was mit den Präsuppositionen eingebetteter Sätze geschieht, d. h. dem sogenannten Projektionsproblem für Präsuppositionen. Diese Literatur läßt sich weder eindeutig der Semantik noch eindeutig der Pragmatik zuordnen; sie bildet einen eigenständigen Bereich im Rahmen der Präsuppositionsliteratur. Das Projektionsproblem werden wir in Abschnitt 5 besprechen. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß in dieser Literatur oft nicht oder nicht sehr klar zwischen Präsuppositionen, die im strikten Sinn Folgerungen sind, und abgeschwächten Präsuppositionen oder DAs unterschieden wird. Das trifft nicht auf die ganze Literatur zu, wie in Abschnitt 5 klar wird, aber auf einiges davon. Und es ergibt sich daraus ein bedauerlicher Mangel an Klarheit in der gängigen Terminologie. Oft wird der Begriff der P räsupposition ohne Unterschied sowohl für Präsuppositionen, die Folgerungen sind, als auch für abgeschwächte Präsuppositionen verwendet, und das ist verwirrend. Und es gibt keinen allgemein anerkannten Terminus für Präsuppositionen, die bei der Einbettung des Trägersatzes zu bloß plausiblen Folgerungen abgeschwächt werden. Wie oben bereits erwähnt, werden wir hier den Begriff der Default-Annahme oder DA verwenden.
2.
Empirische Kriterien
Bevor wir zu einer genaueren Analyse von Präsuppositionsphänomenen übergehen können, gilt es, hinreichende Kriterien für Präsuppositionen und Default-Annahmen zu entwickeln. Überlegen wir uns dazu zunächst einmal, welche empirischen Kriterien es für
290
den Begriff der Folgerung gibt. Der Folgerungsbegriff ist der zentrale Begriff der Logik, denn die Logik ist ein Kalkül zur Bestimmung von Folgerungen; die logische Definition der Folgerung lautet: Aus A folgt B (A ⊧ B) genau dann, wenn es analytisch unmöglich ist, daß A wahr ist und zugleich B falsch. Praktisch heißt dies: wenn A ⊧ B, so kann ein Sprecher nicht A behaupten und zugleich explizit auch nur die Möglichkeit offen lassen, daß nicht-B gilt. Jede Folge von Äußerungen, in der eine Behauptung, die die Möglichkeit von nicht-B beinhaltet, und eine Behauptung, daß A, gemeinsam vorkommen, muß intuitiv widersprüchlich anmuten. Es handelt sich jetzt darum, dies in empirischen Kriterien auszudrücken, die sich auf ‘gewöhnliche’ wie auf präsuppositionale Folgerungen gleichermaßen anwenden lassen müssen. In empirischer Hinsicht sagen wir also, daß eine analytisch notwendige Folgerung A ⊢ B genau dann vorliegt, wenn sowohl nicht-B und/aber A als auch möglicherweise nicht-B und/aber A widersprüchlich anmuten. So geht aus Beispiel (4) hervor, daß es sich hier um richtige Folgerungen handelt — um nichtpräsuppositionale oder ‘gewöhnliche’ in (a) und (b) und um präsuppositionale Folgerungen in (c) und (d) (die Ausrufezeichen stehen für intuitive Widersprüchlichkeit): (4) a. Harald hat Tulpen gekauft ⊢ Harald hat Blumen gekauft. ! Vielleicht hat Harald keine Blumen gekauft, aber er hat Tulpen gekauft. ! Harald hat keine Blumen gekauft, aber er hat Tulpen gekauft. b. Der Gefangene ist entflohen ⊧ Jemand ist entflohen. ! Vielleicht ist niemand entflohen, aber der Gefangene ist entflohen. ! Niemand ist entflohen, aber der Gefangene ist entflohen. c. Alle Seejungfrauen sind blond ⊧ Es gibt Seejungfrauen. ! Vielleicht gibt es keine Seejungfrauen, aber alle Seejungfrauen sind blond. ! Es gibt keine Seejungfrauen, aber alle Seejungfrauen sind blond. d. David hat Ehebruch begangen ⊧ David ist verheiratet. ! Vielleicht ist David nicht verheiratet, aber er hat Ehebruch begangen. ! David ist nicht verheiratet, aber er hat Ehebruch begangen. Dagegen gibt es in (5) keine Folgerungsbeziehungen („√“ steht für „in Ordnung“):
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
(5) a. Harald hat keine Tulpen gekauft ≠ Harald hat Blumen gekauft. √ Vielleicht hat Harald überhaupt keine Blumen gekauft, jedenfalls hat er keine Tulpen gekauft. √ Harald hat keine Blumen gekauft und erst recht keine Tulpen. b. Sie denkt, der Gefangene sei entflohen ≠ Jemand ist entflohen. √ Vielleicht ist niemand entflohen, aber sie denkt, der Gefangene sei entflohen. √ Niemand ist entflohen, aber sie denkt, der Gefangene sei entflohen. c. Vielleicht hat David Ehebruch begangen ≠ David ist verheiratet. √ Vielleicht ist David nicht verheiratet, aber vielleicht ist er verheiratet und dann hat er möglicherweise Ehebruch begangen. ! David ist nicht verheiratet, aber vielleicht hat er Ehebruch begangen. d. Falls Hans weiß, daß er sich geirrt hat, wird er es sagen. ≠ Hans hat sich geirrt. √ Vielleicht hat Hans sich nicht geirrt, vielleicht aber doch, und falls er das dann weiß, wird er es sagen. ! Hans hat sich nicht geirrt, aber wenn er weiß, daß er sich geirrt hat, wird er es sagen. Es ist darauf hinzuweisen, daß es auch Fälle gibt, wo zwar der Test mit dem Möglichkeitsoperator Widersprüchlichkeiten aufweist, der Test ohne diesen Operator aber nicht: (6) Die Wand ist schwarz ≠ Die Wand ist weiß ! Vielleicht ist die Wand nicht weiß, aber sie ist schwarz. √ Die Wand ist nicht weiß, aber/sondern sie ist schwarz. Beide Tests sind also notwendig. Für die Zwecke der Präsuppositionstheorie genügt aber anscheinend der Test mit dem Möglichkeitsoperator. Dieser liefert ein hinreichend zuverlässiges Kriterium für die Fälle, die uns hier beschäftigen. Da Präsuppositionen Folgerungen sind, müssen sie diesen Test bestehen, doch braucht man ein weiteres Kriterium, um sie von gewöhnlichen Folgerungen abzugrenzen. Stalnaker (1973, 1974) und insbesondere Van der Sandt (1982) haben gezeigt, daß die Akzeptabilität von Texten ein solches weiteres Kriterium bildet. Wenn A » B, dann gilt nicht nur A ⊧ B, sondern auch, daß die Verknüpfung „B und A“ ein natürli-
13. Präsuppositionen
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ches und wohlgeformtes (d. h. akzeptables) Textstück bildet. Wenn wir diesen Test beispielsweise auf (1a—g) anwenden — und geeignete Pronominalisierungen zulassen —, so ist das Ergebnis positiv: (7) a. Frank hat früher geraucht, und er hat aufgehört zu rauchen. b. Norma hat in Paris gelebt, und sie lebt noch in Paris. c. David ist verheiratet, und er hat Ehebruch begangen.
Hier ist eine Katze, welche zu einer DA des Glaubenssatzes wird, und daher sollte es unproblematisch sein, den Satz Vielleicht ist hier keine Katze vorangehen zu lassen. Daß es nicht unproblematisch ist, hat offenkundig damit zu tun, daß das Pronomen ich das Subjekt von glauben ist. Mit einem anderen Subjekt ist der Satz akzeptabel: (8) f. Vielleicht ist hier keine Katze, aber er glaubt, daß die Katze auf der Matratze ist.
Sätze, die unbetonte Teile enthalten, die aus ihnen folgen, können demnach so analysiert werden, daß diese Teile präsupponiert sind: (7) d. (Harry wird abreisen, und) er wird morgen abreisen. e. (Die Geldbörse wurde gefunden, und) sie wurde von der Polizei gefunden.
Wir können nun auch einen empirischen Test für DAs angeben: Wenn A ≠ B, aber „B und A“ einen akzeptablen Text bilden, und A einen Teilsatz CB enthält (d.h, einen Teilsatz C, der B präsupponiert), dann ist B eine DA von A (im folgenden mit A 〉 B abgekürzt). Es ist zu beachten, daß es viele Fälle gibt, in denen A ≠ B gilt und „B und A“ akzeptabel ist, es aber kein eingebettetes CB gibt, wie zum Beispiel in: (9) a. Lady Fortune wiehert. Lady Fortune ist ein Pferd. b. √ Lady Fortune ist vielleicht kein Pferd, aber sie wiehert. c. Lady Fortune ist ein Pferd, und sie wiehert.
Solche Fälle ähneln Spalt- und Sperrkonstruktionen, die in Abschnitt 3 behandelt werden. Sie zeigen daß Präsuppositionen mit Thema-Rhema-Phänomenen verwandt sind. Bei gewöhnlichen Folgerungen führt jedoch die Verbindung „B und A“ zu einem unnatürlichen und inakzeptablen Textstück (D* soll die Inakzeptabilität von Texten bezeichnen): (8) a. D* Harald hat Blumen gekauft, und er hat Tulpen gekauft. b. D* Jemand ist entflohen, und der Gefangene ist entflohen. Dies sind also unsere beiden empirischen Kriterien für Präsuppositionen: Folgerung und Textakzeptabilität. Sie haben sich, zumindest für Trägersätze, die Behauptungen sind, für den derzeitigen Stand der Präsuppositionstheorie als hinreichend erwiesen. Systematische empirische Tests für andere Sprechakte wurden nicht entwickelt. Doch ist es möglich, daß eine Präsupposition im Skopus eines nicht-behauptenden Sprechaktoperators steht und damit ihren DA-Status verliert: (8) c. Wurde Hans von seiner Frau verlassen, oder hat er keine Frau? d. Geh in den Laden und kaufe nur eine Süddeutsche! Auch ist zu beachten, daß der Test, so wie wir ihn formuliert haben, bei einer Variante von Moores Paradox scheitert: e. ! Vielleicht ist hier keine Katze, aber ich glaube, daß die Katze auf der Matratze ist. Der eingebettete Satz hat die Präsupposition
Da kein CB vorhanden ist, betrachten wir den Satz Lady Fortune ist ein P ferd nicht als DA von Lady Fortune wiehert. Da er gleichfalls keine Folgerung ist — wie (9b) zeigt —, ist er auch keine Präsupposition. Er mag eine „Default-Annahme“ in einem umfassenderen Sinn sein, aber nicht in dem hier eingeführten technischen Sinn. Die Kombination der beiden Tests — Folgerung und Textakzeptabilität — weicht von dem ab, was man häufig in der Literatur findet, dem sogenannten Negationstest. Dieser Test geht auf Strawson (195 0a) zurück (siehe unten). Strawson hat vorgeschlagen, daß, wenn A » B, so auch nicht-A » B (und wenn nicht-B wahr ist, so hat A keinen Wahrheitswert). Wenn dieser Vorschlag korrekt wäre, wäre A » B genau dann der Fall, wenn (a) B sowohl aus A als auch aus nicht-A folgt und (b) B keine notwendige Wahrheit ist. Doch würde dies zum einen bedeuten, daß notwendige Wahrheiten nie Präsuppositionen sein könnten (eine offenbar allzu drakonische Maßnahme). Zum anderen wäre damit (worauf u. a. Russell (1905 ), Wilson (1975 ), Boër & Lycan (1976) hingewiesen haben) nicht berücksichtigt, daß A » B (zumindest in der Regel — vgl. Abschnitt 6) nicht nicht-A ⊧ B nach sich zieht: die Negation kann ‘radikal’
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
292
verwendet werden, so daß auch die Präsupposition verneint wird: (10) David hat NICHT Ehebruch begangen: er ist nicht einmal verheiratet! Auch wenn tion markiert sonsche Test haben mag, ist.
3.
solche Verwendungen der Negasind, zeigen sie, daß der Strawzwar einen heuristischen Wert aber nicht wirklich zuverlässig
Klassifikation und strukturelle Basis von Präsuppositionen
Wir können vier Klassen von Präsuppositionen unterscheiden (wobei die vierte eine Restkategorie ist). Wir haben zunächst die Klasse der Existenzpräsuppositionen. Sie wurden als erste entdeckt und haben die besondere Aufmerksamkeit der Philosophen auf sich gezogen. Es handelt sich bei ihnen um Behauptungen, daß etwas tatsächlich existiert, wie in: (11) a. Der König von Frankreich ist kahlköpfig. » Es gibt einen König von Frankreich. b. Alle Türen waren verschlossen. » Es gab Türen. Man sagt gewöhnlich, daß Existenzpräsuppositionen durch den bestimmten Artikel (der) oder den Allquantor (alle) ausgelöst werden. Doch das ist nicht richtig, denn manchmal ist es möglich, eine wahre Behauptung zu machen, die der oder alle enthält (und zwar nicht in einem eingebetteten Satz) und dennoch nicht die tatsächliche Existenz dessen präsupponiert, auf das mittels der oder alle Bezug genommen wird: (12) a. Die gesamte Polizei sucht den Yorkshire-Mörder Es gibt einen Yorkshire-Mörder. b. Alle Götter werden von jemandem verehrt. Es gibt Götter. Existenzpräsuppositionen hängen zwar in der Regel davon ab, ob die fragliche Nominalphrase definit oder allquantifiziert ist, aber eben auch davon, ob das betreffende Prädikat an der Position, an der die Nominalphrase steht, extensional ist. Manche Prädikate sind bezüglich bestimmter Termpositionen nicht extensional: suchen und verehren zum Beispiel sind bezüglich ihres Objekts nicht extensional, denn man kann nach etwas suchen oder etwas verehren, ohne daß dieses Etwas tatsächlich existiert. Wir sagen deshalb, daß Existenzprä-
suppositionen durch das P rädikat eines Satzes erzeugt werden, und zwar genau dann, wenn dieses Prädikat bezüglich der betrachteten Termposition extensional ist und der betrachtete Term definit oder allquantifiziert. Eine zweite wohlbekannte Klasse sind die faktiv en Präsuppositionen. Manche Prädikate (zu denen auch einige Adjektive gehören) sind bezüglich eines Satzterms faktiv. Das heißt, die Wahrheit des eingebetteten faktiven Satzes wird präsupponiert. Der faktive Satz kann ein Subjekt- oder ein Objektsatz sein. Bei manchen Verben kann sowohl an Subjekt- als auch an Objektposition ein Satz stehen (bedeuten, nahelegen, beweisen). Solche ‘ZweiSatz-Verben’ sind immer bezüglich des Subjektsatzes faktiv. Der Grund für diese eigentümliche Tatsache ist nicht bekannt. Aber man kann sagen, daß ein faktives Verb stets bezüglich des Satzterms mit dem höchsten Rang faktiv ist — unter der Annahme, daß es eine universelle Rangfolge von Termpositionen gibt, gemäß der Subjekte vor Objekten kommen, Objekte vor indirekten Objekten usw. (vgl. Keenan & Comrie 1977, Comrie & Keenan 1979). Dementsprechend ist in (13) der Subjektsatz faktiv: (13) Daß an Haralds Schuhen Schlamm ist, bedeutet/ legt nahe/ beweist/ läßt einen vermuten, daß er der Mörder ist. Neben den normalen faktiven Verben gibt es auch Verben, die die Falschheit eines eingebetteten Satzterms präsupponieren (z. B. sich einbilden, daß oder wähnen — vgl. Frege 1892:47). Diese könnte man antifaktiv e Verben nennen. Normale faktive Prädikate sind z. B. wissen, einsehen, vergessen haben, schade sein, bedauerlich, schrecklich, wunderbar, nichts/etwas ausmachen, entzückt sein. Es ist möglich, eine Klasse von ‘schwachen’ faktiven Verben auszugrenzen: Verben, die zwar gewöhnlich die Wahrheit des eingebetteten Satzterms präsupponieren, aber auch so verwendet werden können, daß dies nicht der Fall ist. Beispiele sind traurig sein, herausfinden: (14) a. Lindas Kaninchen ist nicht gestorben, aber sie glaubt, es sei gestorben und ist traurig darüber. b. Du Dummkopf, ich bin sicher, du hast jetzt herausgefunden, daß die Erde ein Würfel ist. Man muß aufpassen, daß man faktive Prädikate (Verben) nicht mit sogenannten implikativ en Verben verwechselt (Karttunen 1971). Sätze mit einem implikativen Verb als Haupt-
13. Präsuppositionen
prädikat präsupponieren nicht die Wahrheit des eingebetteten Satzes, sondern dieser Teilsatz folgt aus ihnen, und wenn sie negiert werden, folgt aus ihnen der negierte Teilsatz (und wenn man sie in Frageform setzt, so wird nach der Wahrheit des Teilsatzes gefragt). Ein solcher Fall ist gelingen: (15) a. Es gelang ihnen, die Grenze vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. ⊧ Sie erreichten die Grenze vor Einbruch der Dunkelheit. b. Es gelang ihnen nicht, die Grenze vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. ⊧ Sie erreichten die Grenze nicht vor Einbruch der Dunkelheit Der Textakzeptabilitätstest (Abschnitt 2) zeigt deutlich, daß wir es hier nicht mit Präsuppositionen zu tun haben: (16) D* Sie erreichten die Grenze vor Einbruch der Dunkelheit und das gelang ihnen. Faktive Präsuppositionen sind in neuerer Zeit von Linguisten (wieder) entdeckt worden (Kiparsky & Kiparsky, 1970). Der Begriff der Faktivität war schon in der Philosophie des Mittelalters bekannt. Er kommt aber in der philosophischen Präsuppositionsliteratur kaum vor und wird auch in der formalen Semantik selten erwähnt. Eine dritte Klasse von Präsuppositionen könnte man kategorielle Präsuppositionen nennen. Sie entstehen aufgrund spezifischer semantischer Eigenschaften von Prädikaten (d. h. von einzelnen Lexemen oder auch von komplexen Konstruktionen wie Ehebruch begehen). Solche präsuppositionsauslösenden lexikalisch-semantischen Eigenschaften finden sich im Lexikon aller natürlichen Sprachen. Allerdings haben die Semantiker erst kürzlich einen Blick für dieses Phänomen entwickelt (vgl. Fillmores Untersuchung von 1971 über accuse und criticise). Wir werden hier von Vorbedingungen sprechen, die von Termdenotaten erfüllt werden müssen, wenn die Äußerung des Satzes mit dem betreffenden Prädikat als Hauptprädikat glücken soll. Es lassen sich beliebig Beispiele für lexikalische Vorbedingungen im Lexikon finden. So stellt etwa das Verb schmuggeln an seinen Objektterm die Vorbedingung, daß er etwas bezeichne, dessen Transport illegal ist. Zurückkommen hat als Vorbedingung, daß der Subjektterm etwas bezeichnet, das weg war oder ist. Das englische assassinate erfordert, daß das Denotat seines Subjekts menschlich
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ist und daß der Objektterm eine Person von hohem sozialen Status bezeichnet, die in Verbindung mit diesem Status ermordet wird. Neben Vorbedingungen stellen Prädikate auch Erfüllungsbedingungen (im engeren Sinn) an die Denotate ihrer Argumentterme: diese Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn ein Satz mit dem fraglichen Prädikat wahr sein soll und sie erzeugen ‘gewöhnliche’ Folgerungen. Ihre Verletzung führt zu (klassischer) Falschheit. Die empirischen Kriterien, die wir in Abschnitt 2 besprochen haben, entscheiden darüber, ob eine Bedingung eine Vorbedingung oder eine Erfüllungsbedingung ist. Das Verb ermorden zum Beispiel hat als Vorbedingung, daß das Denotat seines Subjektterms menschlich und das Denotat des Objektterms zumindest ein Tier mit Rechten ist. Zu seinen Erfüllungsbedingungen gehört, daß das Töten ungesetzlich und vorsätzlich erfolgen muß. Diese Forderung ist keine Vorbedingung, wie der empirische Test sofort zeigt. Vorbedingungen können einen Großteil des semantischen Gehalts eines Prädikats ausmachen und so seine Erfüllungsbedingungen trivialisieren. So besteht zum Beispiel bei steigerbaren Adjektiven wie groß, alt, häßlich, leicht die Vorbedingung darin, daß das Denotat des Subjektterms die Eigenschaft haben muß, die der von dem Adjektiv ausgedrückten Dimension entspricht („Größe“, „Alter“, „NichtSchönheit“, „Leichtigkeit“); die diesen Adjektiven gemeinsame Erfüllungsbedingung besagt, daß das Denotat des Subjekts die betreffende Eigenschaft in einem bestimmten (implizit festgelegten) Grad besitzt. Wenn eine kategorielle Vorbedingung verletzt ist, so erhalten wir in der Regel das, was in der Sprachphilosophie als Kategorienfehler bekannt ist. Es ist zum Beispiel ein Kategorienfehler zu sagen Diese Kugel hat den Butler ermordet. Manchmal werden Kategorienfehler absichtlich gemacht, um den Hörer dazu zu zwingen, den Satz so zu deuten, als ob er keinen Kategorienfehler enthalte. Wenn zum Beispiel E. M. Forster („Engel und Narren“) schreibt: (17) Und der Zug tanzte im Sonnenuntergang einen Walzer um die Mauern von Verona. so werden Sie als Leser das so deuten, als ob der Zug ein lebendiges menschliches Wesen sei. Dies ist ein wichtiges Element in der Metapher, die dann weiterhin den kreisförmigen Weg des Zuges um die Stadtmauern von Verona mit den Drehungen eines Walzers vergleicht (und damit das Bild eines Festes am
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frühen Abend auftauchen läßt). Absichtliche Kategorienfehler können also zum Aufbau einer Metapher beitragen. Schließlich gibt es noch einige weitere Präsuppositionstypen, die in der Literatur wohlbekannt sind, sich aber nicht ohne weiteres einer der drei bisherigen Kategorien zuordnen lassen. Wir fassen sie hier in Ermangelung einer grundsätzlicheren Behandlung zu einer vierten Kategorie zusammen. Ein typischer Fall sind die Präsuppositionen, die mit Spaltund Sperrsätzen assoziiert sind — für die wir in (18a) und (18b) jeweils ein Beispiel geben (vgl. auch 7d,e): (18) a. Es war Karl, der Whisky geschmuggelt hat. b. Wer Whisky geschmuggelt hat, war Karl Beide Sätze präsupponieren, daß jemand Whisky geschmuggelt hat, und diese Präsupposition ist regelmäßig und vermutlich strukturell mit der Spalt- bzw. Sperrkonstruktion gekoppelt. Man beachte, daß die reale Existenz eines Whiskyschmugglers nur aus der Tatsache folgt, daß schmuggeln bezüglich der Subjektposition extensional ist. Bei Spaltoder Sperrkonstruktionen mit nichtextensionalen Termen haben wir eine solche Folgerung nicht: (19) a. Es war das Ungeheuer von Loch Nesss, von dem sie träumte. b. Wovon sie träumte, war das Ungeheuer von Loch Ness. Offenkundig können diese Sätze wahr sein, ohne daß es tatsächlich ein Ungeheuer von Loch Ness gibt. Aber die Präsupposition, daß sie von etwas träumte, ist immer noch vorhanden. Dies hat zur Folge, daß es Dinge gibt, die nicht existieren, wie das Haus, das geplant, aber nie gebaut wurde oder die Person, von der wir uns einbilden, sie stehe in der Tür, usw. (vgl. Seuren 1985 : 472—476), — eine Folgerung, die für einige Philosophen unerwünscht ist, aber in der Semantik natürlicher Sprachen unvermeidlich. Man muß daher zwischen es gibt und es existiert unterscheiden, und der Existenzquantor ist am besten so zu deuten, daß er ersteres und nicht letzteres impliziert. Ein anderer Präsuppositionstyp in dieser Klasse sind die von dem Operator nur erzeugten Präsuppositionen: (20) Nur Karl hat Whisky geschmuggelt. Der empirische Test zeigt, daß dieser Satz
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
präsupponiert, daß Karl Whisky geschmuggelt hat und daß er behauptet, daß niemand anderes Whisky geschmuggelt hat. Wir weisen hier darauf hin, daß die reguläre Negation dieses Satzes: (21) Nicht nur Karl hat Whisky geschmuggelt. die Präsupposition bewahrt und nur die Behauptung verneint. Wir werden dazu weiter unten mehr sagen. Ein ähnlicher, aber komplexerer Präsuppositionstyp ist mit sogar [even] verknüpft: (22) Sogar Karl hat Whisky geschmuggelt. [Even Carl smuggled whisky.] Dieser Satz präsupponiert, daß niemand von Karl erwarten würde, daß er Whisky schmuggelt, und behauptet, daß Karl es dennoch getan hat. Für den negierten Satz: (23) Nicht einmal Karl hat Whisky geschmuggelt. [Not even Carl smuggled whisky.] gilt jedoch nicht (wie bei nur), daß er die Präsupposition bewahrt und bloß die Behauptung verneint. (23) präsupponiert vielmehr, daß niemand von Karl erwarten würde, daß er keinen Whisky schmuggelt, und behauptet, daß Karl es dennoch nicht getan hat. Logisch und semantisch gesehen ist (23) also nicht die Negation von (22). Will man (20) und (21) als den regulären Fall behalten, so kann man annehmen, daß (23), obwohl es so tut, als sei es die Negation von (22), in Wirklichkeit eher (24) entspricht: (24) Sogar Karl hat keinen Whisky geschmuggelt. [Even Carl did not smuggle whisky.] (Man beachte, daß viele Sprachen eine Satz (24) entsprechende Form verwenden, um den Inhalt von (23) auszudrücken.) sogar [even] wird dann so analysiert, daß es die Präsupposition erzeugt, daß man von dem Gegenstand, den der von sogar [even] modifizierte Term bezeichnet, nicht erwarten würde, daß er die Proposition, in der er vorkommt, erfüllt; und die Behauptung ist dann, daß er dies doch tut. Eine solche Lösung ist natürlich nur dann gangbar, wenn man bereit ist, in der Grammatik einen Unterschied zwischen der Oberflächenform eines Satzes und seiner semantisch relevanten Form zu machen. Nicht alle semantischen Theorien lassen eine solche Unterscheidung zu und stehen dann unvermeidlich vor dem Problem, eine systematische Erklärung für Fälle wie (22) und (23) zu geben.
13. Präsuppositionen
Schließlich haben wir die Präsuppositionen die mit auch, ebenso, gleichfalls und ähnlichen Wörtern verbunden sind. Man betrachte die nachstehenden beiden Fälle: (25) a. Karl hat auch Whisky geschmuggelt » Karl hat etwas anderes (als Whisky) geschmuggelt. b. Auch Karl hat Whisky geschmuggelt » Jemand anderer (als Karl) hat Whisky geschmuggelt. Diese Fälle zeigen, daß Wörter wie auch jeweils an eine Konstituente des Satzes gekoppelt sind (ganz ähnlich wie nur und sogar). Die erzeugte Präsupposition ist dann der ganze Satz, aber mit einer Existenzabschwächung bezüglich der Konstituente, zu der auch gehört. Wir werden hier auf die grammatischen Regeln, die festlegen, mit welcher Konstituente auch jeweils verbunden ist, nicht weiter eingehen. (Für frühere Analysen von nur, sogar, auch siehe Horn (1969), Keenan (1971b), vgl. auch Artikel 38). Die obige Klassifikation wirft unmittelbar die Frage nach der strukturellen Basis von Präsuppositionen auf, und insbesondere die Frage, ob es eine gemeinsame strukturelle Basis für alle Präsuppositionen gibt. Für die erste Kategorie (Existenzpräsuppositionen) haben wir die strukturelle Basis angegeben: sie werden dadurch erzeugt, daß das Hauptprädikat bezüglich einer Position extensional ist, in der ein definiter oder allquantifizierter Term steht. Das bedeutet, daß das Lexikon für jedes Prädikat angeben muß, an welchen Positionen es extensional ist und an welchen nicht. (In der Praxis betrachtet man Extensionalität am besten als den Normalfall, so daß man nur Nichtextensionalität besonders kennzeichnen muß.) Die Kategorien der faktiven und der kategorialen Präsuppositionen sind gleichfalls lexikalisch bestimmt: Man muß im Lexikon für jedes Prädikat angeben, welche faktiven und kategorialen Präsuppositionen es auslöst. Solange man keine allgemeinen Prinzipien entdeckt hat, die das Vorkommen solcher lexikalischen Präsuppositionen regeln und damit in einem gewissen Maß vorhersagen, muß man die Präsuppositionseigenschaften jedes einzelnen Prädikats gesondert aufführen. Wir sehen also, daß die strukturelle Basis für die ersten drei Typen von Präsuppositionen in der semantischen Beschreibung einzelner lexikalischer Prädikate gegeben ist. Dies gilt nicht für die Fälle, die wir unter der vierten Kategorie diskutiert haben. Bei nur, sogar und auch kann man sagen, daß sie Prä-
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suppositionen erzeugen und daß diese Präsuppositionen als Teil ihrer lexikalischen Bedeutung beschrieben werden müssen. Das macht sie zu lexikalischen Präsuppositionen, wenngleich nicht unbedingt zu solchen, die an ein Prädikat gebunden sind: Man müßte eigens begründen, daß nur, sogar, auch am besten als Prädikate zu analysieren sind. Für die Präsuppositionen von Spalt- und Sperrkonstruktionen läßt sich jedoch kein naheliegender lexikalischer Ursprung finden. Hier werden die meisten lieber davon sprechen, daß die Präsuppositionen von einer grammatischen Konstruktion erzeugt werden. Man würde ein neues und überzeugendes Argument benötigen, um zu zeigen, daß sich auch hier eine lexikalische Quelle ausmachen läßt (z. B. die Kopula sein, s. Abschnitt 6.2). In der Literatur wurde übrigens der Frage nach der strukturellen Basis von Präsuppositionen nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihr angesichts der Relevanz gebührt, die sie für das umfassendere Problem der Kompositionalität hat, d. h. für das Problem, wie sich die Gesamtbedeutung von Sätzen aus der Bedeutung ihrer Teile aufbaut. Für den kompositionalen Aspekt hat man sich hauptsächlich im Zusammenhang mit Projektionsphänomenen interessiert (vgl. Abschnitt 5 ), aber viel weniger hinsichtlich des ‘Ursprungs’ elementarer Präsuppositionen. Manche Autoren (Sadock 1978; 282, Karttunen & Peters 1979) ziehen es vor, Präsuppositionen als konventionale Implikaturen (im Sinne von Grice 1975 ) zu betrachten, d. h. als etwas, das konventional an Lexeme und grammatische Konstruktionen gebunden ist. Das steht nicht unbedingt im Widerspruch zu dem, was wir oben gesagt haben, vorausgesetzt, daß man die Folgerungsbeziehungen präzise beschreibt. Doch scheint der Versuch, den ohnehin undurchsichtigen Begriff der Präsupposition über den noch undurchsichtigeren Begriff der konventionalen Implikatur zu explizieren, kontraproduktiv (vgl. Van der Sandt 1982:73). Es dürfte produktiver sein, Präsuppositionen — als systematische und konventionale Bedeutungsbestandteile — als semantische Eigenschaften der Lexeme und Konstruktionen zu betrachten, von denen sie ausgelöst werden.
4.
Der logische Präsuppositionsbegriff und wie er pragmatisch wurde
Den Ausgangspunkt der modernen Präsuppositionsforschung bildet Gottlob Freges klassische Untersuchung „Über Sinn und Be-
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deutung“ (1892). Dort setzt Frege ein extensionales Kompositionalitätsprinzip voraus: die Extension eines Satzes ist eine Funktion der Extensionen seiner Teile (S. 33). Die Extension eines Satzes ist für Frege sein Wahrheitswert (S. 34). Die Extension eines definiten Terms (Kennzeichnung, Eigenname, definites Pronomen) ist ein Gegenstand in der Welt, der Bezug oder die „Bedeutung“ dieses Terms. Die Frage lautet nun: Was geschieht, wenn ein definiter Term in einem Satz nichts bezeichnet, wie in dem berühmten Beispiel von Russell (1905): (26) Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig. wenn Frankreich keinen König hat? In solchen Fällen, so sagt Frege, darf man, wie bei der Lektüre eines Romans, den Satz so interpretieren, als habe er nur einen „Sinn“, aber keinen Wahrheitswert. Oder aber man sagt, daß der Term die leere Menge bezeichnet (S. 41); dann ergibt sich in der Regel, daß der Satz falsch wird (z. B. ist Kahlköpfigkeit keine Eigenschaft der leeren Menge). Doch für Frege ist ein solcher Gebrauch definiter Terme ein Mißbrauch, der in der Umgangssprache vermieden werden sollte und der in der Logik und der Mathematik eindeutig gefährlich ist. Seiner Meinung nach ist es eine Unvollkommenheit der natürlichen und einiger logischen Sprachen, daß sie solche Verwendungen überhaupt zulassen. Es ist eine Voraussetzung — also eine Präsupposition — für jeden Behauptungssatz und ebenso für seine Negation, daß die definiten Terme in ihm einen Bezug in der Welt haben. Man muß die ganze Angelegenheit vor dem Hintergund des klassischen metalogischen Prinzips vom Ausgeschlossenen Dritten (PAD) sehen, das auch als striktes Bivalenzprinzip bekannt ist. Es besagt: Im logischen System gilt: (a) jeder Satz hat einen Wahrheitswert und (b) es gibt genau zwei Wahrheitswerte, nämlich wahr und falsch. Aristoteles’ Prädikatkalkül, das „logische Quadrat“, war explizit durch PAD beschränkt (Strawson 195 2:15 7—171; Kneale & Kneale 1962:5 5 f.). Dieses alte System hatte jedoch den Nachteil, daß es nicht alle Sätze erfassen kann: Sätze, die über leere Klassen quantifizieren, müssen ausgeschlossen werden, da sonst Paradoxien entstehen. Es war eine der wichtigsten Motivationen für die Entwicklung der modernen Quantifikationstheorie, diese Beschränkung aufheben zu wollen, so daß PAD ohne den einschränkenden Ope-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
rator „im logischen System“ formuliert werden konnte. Man sieht, daß Frege irgendwo in der Mitte zwischen traditioneller und moderner Analyse steht. Er läßt noch Sätze ohne Wahrheitswert zu, aber nur in der Literatur und nicht, wenn es um Wahrheit geht, also in Wissenschaft und Logik. Diese möchte er von jeglichem aristotelischen Makel frei halten. Aber er muß dafür einen Preis zahlen: wenn die Extension definiter Terme, die nichts in der Welt bezeichnen, die leere Menge ist, dann muß aufgrund des Prinzips der Substitution koreferentieller Terme salv a v eritate (SSV) (27b), genauso wie (27a), wahr sein: (27) a. Die leere Menge ist Teilmenge von jeder Menge. b. Der gegenwärtige König von Frankreich ist Teilmenge von jeder Menge. Das läuft unseren Intuitionen ernstlich zuwider. Es war Frege klar, daß Präsuppositionen eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Bedrohung für jede logische Analyse natürlicher Sprache im klassischen Rahmen darstellen. Das war auch Russell klar. Und Russells Lösung (seine Kennzeichnungstheorie, 1905 ) war viel radikaler: Man eliminiere alle definiten Terme (außer den Eigennamen) und reanalysiere sie als Erscheinungsformen des Existenzquantors; man lese (26) als „es gibt ein x, so daß gilt: x ist König von Frankreich und x ist kahlköpfig“. Da die natürliche Sprache zudem offenbar verlangt, daß es nur einen solchen König geben darf, wird die ‘Einzigkeitsklausel’ hinzugefügt: „und für jedes y gilt: wenn y König von Frankreich ist, dann ist y identisch mit x“. Die Formel lautet also: (28) a. ∃x(KöF(x) ⋀ Kahl(x) ⋀ ∀y(KöF(y) → x = y)) So, wie die Welt derzeit beschaffen ist, ist (28a) falsch, und seine logische Negation wahr: (28) b. ﹁ ∃x(KöF(x) ⋀ Kahl(x) ⋀ ∀y(KöF(y) → x = y)) Aber aus dem einen oder anderen Grund neigen Sprecher natürlicher Sprachen dazu, die natursprachliche Negation von (26): (29) Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig. nicht als (28b) sondern als (30) zu verstehen: (30) ∃x(KöF(x) ⋀ ﹁ Kahl(x) ⋀ ∀y(KöF(y) → x = y))
13. Präsuppositionen
Wenn diese logische Analyse auch linguistisch und insbesondere semantisch korrekt ist, so kann man offenkundig zumindest auf Existenzpräsuppositionen verzichten und davon ausgehen, daß die natürliche Sprache PAD in seiner unbeschränkten Version genügt und damit von einem logischen Standpunkt aus einwandfrei ist. Diese saubere und ‘logische’ Sichtweise der Sprache war daher den Logikern, die sich für Linguistik interessierten, viel lieber. Sie wird immer noch in gewissen Kreisen für korrekt erachtet. (Vgl. jedoch Geach (195 0), der eine ernstzunehmende Kritik an Russells Analyse vorbringt, die teilweise auf der Unterscheidung von Präsupposition und Behauptung gründet.) Man muß jedoch sehen, daß diese Kennzeichnungstheorie der natürlichen Sprache nicht gerecht wird. Erstens kann sie Präsuppositionen, die keine Existenzpräsuppositionen sind (vgl. Abschnitt 3), überhaupt nicht erklären. Und zweitens kann sie auch Existenzpräsuppositionen nicht wirklich erklären. Man nehme den Satz: (31) Hans dachte, ich hätte ein Auto, und er hoffte, daß mein Auto in gutem Zustand sei. Versucht man nun, die Russellsche Analyse auf mein Auto anzuwenden, so wird man feststellen, daß der Existenzquantor, der dabei eingeführt wird, eine grob falsche Deutung erzeugt, ganz egal, welche Position man ihm in der Formel zuweist: (32) a. ∃x (Hans dachte, x sei mein Auto & Hans hoffte, daß x in gutem Zustand sei) b. Hans dachte, daß ∃x (x ist mein Auto & Hans hoffte, daß x in gutem Zustand sei) c. Hans dachte, daß ich ein Auto hätte & ∃x (x ist mein Auto & Hans hoffte, daß x in gutem Zustand sei) d. Hans dachte, daß ich ein Auto hätte & Hans hoffte, daß ∃x (x ist mein Auto & x ist in gutem Zustand) Wenn der Bezug von mein Auto das Auto sein soll, von dessen Existenz im ersten Konjunktionsglied die Rede ist, so entstehen Skopusprobleme. Und wenn man Skopusprobleme vermeidet, dann gibt es keine Möglichkeit auszudrücken, daß es sich um dasselbe Auto handelt. Ähnliche Probleme ergeben sich bei Sätzen wie: (33) a. Es gab einen Mann, und der Mann gewann das Rennen, und der Mann gewann das Rennen nicht.
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b. Es gab einen Mann, und der Mann gewann das Rennen, und es gab einen Mann, und der Mann gewann das Rennen nicht. Russells Analyse kann nicht erklären, warum (33a) widersprüchlich ist und (33b) nicht. Und schließlich gibt es in Russells Theorie keine Erklärung dafür, daß normale Sprecher dazu neigen, (29) als (30) und nicht als (28b) zu verstehen, obwohl, grammatisch gesehen, (29) nichts anderes ist als die Negation von (26). Es ist wahr, daß Russell nicht den Anspruch erhoben hat, eine semantische Analyse zu liefern, sondern nur eine logische Analyse geben wollte. Aber die Semantiker haben diesen Unterschied immer vernachlässigt, und die Russellsche Kennzeichnungstheorie hat in der Semantik und nicht in der Logik Karriere gemacht. Doch als semantische Theorie ist sie falsch. Es ist kein Zufall, daß die erste ernstzunehmende Kritik an Russells Analyse aus der Philosophie der normalen Sprache kam, die in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg in Oxford ihren Höhepunkt hatte. Diese einflußreiche philosophische Bewegung betrachtete Sprache als etwas auf natürliche Weise Entstandenes, das man als solches akzeptieren und ernst nehmen müsse. Die Vertreter dieser Richtung wurden zu scharfen Beobachtern der Sprache und waren natürlich nicht damit einverstanden, wie Russell sich rücksichtslos über sprachliche Tatsachen und Regelmäßigkeiten hinwegsetzte. 195 0 und 195 2 veröffentlichte Strawson seinen bekannten Angriff auf Russell (1905 ). Er macht zunächst die zweifellos richtige Beobachtung, daß in der natürlichen Sprache nicht Satztypen, sondern Äußerungsvorkommnisse Wahrheitswerte haben. Dann übernimmt er Freges Analyse, zieht jedoch die weitere Konsequenz, daß ein Satz (oder besser eine Äußerung), in der ein definiter Term vorkommt, der nichts bezeichnet, überhaupt keinen Wahrheitswert hat. Das heißt, er weicht insofern von Frege ab, als er Termen, die nichts bezeichnen, nicht als künstliches Denotat die leere Menge zuordnet und damit das merkwürdige Ergebnis vermeidet, daß (27a) und (27b) notwendigerweise den gleichen Wahrheitswert haben, solange Frankreich keinen König hat. Strawson wendet einfach das extensionale Kompositionalitätsprinzip an: wenn ein Teil einer Äußerung keine Extension hat, dann hat auch die ganze Äußerung keine Extension. In einem solchen Fall hat die Äußerung dann keinen Wahrheitswert.
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Die Analyse von Strawson führt allerdings wieder zu einer eingeschränkten Formulierung von PAD und paßt insofern nicht zum Trend in der modernen Logik. Sie läßt zu, daß es Äußerungen gibt (wir müssen nun diesen Terminus verwenden und dürfen nicht mehr von Sätzen reden), die keinen Wahrheitswert haben, und schiebt damit der Logik und nicht der Sprache den schwarzen Peter zu. Das erklärt wohl, warum Strawsons Analyse in der philosophischen Literatur auf ungewöhnlich scharfen Widerstand stieß. Für Strawson hat eine Äußerung mit einem definiten Term, der nichts bezeichnet, oder mit einer Allquantifikation über eine leere Klasse keinen Wahrheitswert; sie fällt damit nicht unter den Kalkül, der aber ansonsten strikt zweiwertig bleibt. Diese Position ist mit der des Aristoteles verwandt (wenngleich nicht identisch); sie bedeutet, daß die Anwendbarkeit der Logik teilweise von kontingenten Tatsachen und nicht allein von der Struktur der logischen Analyse abhängt. Das Dilemma wurde später in der modelltheoretischen Semantik aufgelöst. Dort betrachtet man Sätze unter einer Interpretation, die den Bezug der definiten Terme vorgibt; erst dann wird der Kalkül auf sie angewendet. Aber diese Lösung hat das Präsuppositionsproblem nicht vollständig ausgeräumt. Für Strawson folgt aus der Tatsache, daß eine Äußerung AB einen Wahrheitswert hat, bereits die Wahrheit von B: A präsupponiert dann B. Wenn der Präsuppositionsbegriff so definiert wird und zudem eine logische Beziehung in einem strikt zweiwertigen System darstellen soll, so muß B offenkundig eine notwendige Wahrheit (logisch gültig) sein, da nicht-B zu einem Widerspruch führen würde. Damit würde die Präsuppositionsrelation völlig trivialisiert, was sicherlich nicht in Strawsons Sinn ist. Sie muß deshalb eine Beziehung außerhalb des logischen Systems sein, eine Vorbedingung für die Anwendung der Logik, dafür, daß die Äußerung nicht ‘nichtig’ ist. Man kann auf B deshalb schließen, weil A überhaupt in den Anwendungsbereich der Logik fällt. Strawson selbst hat sich zu diesem Punkt nicht wirklich explizit geäußert, seine Kritiker im übrigen auch nicht — was daran lag, daß „die Theorie nichtzweiwertiger Sprachen kaum entwickelt war.“ (Van Fraassen 1971:15 4). Es ist aber klar, daß, wenn A » B, der Schluß von A auf B keine Kontraposition erlaubt: nicht-B liefert nicht nicht-A (obwohl es A ist nicht wahr liefert). Diese Klasse von logischen Folgerungen ohne Kon-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
traposition nannte Van Fraassen (1968, 1969) „necessitations“. Von Van Fraassen (insbesondere 1971) stammt auch ein bekannter Versuch, Präsuppositionen als logische Beziehungen zu explizieren. In seinem Superv aluationssystem erzeugt er ‘Präsuppositionssprachen’ aus zweiwertigen Sprachen mit vollständiger Bewertung und schafft damit Raum für eine logische und dennoch nicht triviale Präsuppositionsrelation. Wir werden auf das Supervaluationssystem hier nicht im einzelnen eingehen, denn es ist technisch ziemlich komplex, aber linguistisch völlig unplausibel (siehe aber Artikel 11). Es wurde von Logikern als elegant und geistreich gepriesen, aber es hat die Präsuppositionsforschung nicht beeinflußt. Das wesentliche Fazit von Strawsons Präsuppositionstheorie ist, daß mit A » B, auch nicht-A » B gilt. Wenn B falsch ist, dann hat A keinen Wahrheitswert und fällt dementsprechend unter keinen logischen Kalkül. Die Frage, ob A oder nicht-A wahr ist, „taucht dann gar nicht auf, da die Bedingungen dafür, diese Frage zu stellen, nicht erfüllt sind“ (Strawson 195 2:18). Es gibt jedoch Probleme. Wenn A» B, dann, so möchte man meinen, gilt auch A ⊧ B und nicht-A ⊧ B; denn in allen Fällen, in denen A (oder nicht-A) wahr ist, ist auch B wahr. Doch ist es andererseits irreführend, so zu reden, denn der Begriff der Folgerung ist ein logischer Begriff, der Präsuppositionsbegriff unter dieser Analyse jedoch nicht. Vom logischen Standpunkt aus ist die Situation unbefriedigend. Sie ist auch in empirischer Hinsicht unbefriedigend. Sellars (195 4) wendet ein, daß der Satz: (34) Der König von Frankreich hat mich zum Mittagessen eingeladen. wenn er von einem Spinner und Angeber geäußert wird, eindeutig falsch und eben nicht wahrheitswertlos ist, und es ist schwer, ihm hier nicht zuzustimmen. Außerdem müßte, wie von verschiedenen Autoren beobachtet wurde, die Negation einer Existenzbehauptung zu einem Widerspruch führen und demnach paradox sein: (35) Das Ungeheuer von Loch Ness existiert nicht. könnte dann nie wahr sein, denn aus seiner Wahrheit würde die Existenz des Ungeheuers von Loch Ness als Präsupposition folgen. Schließlich wäre, wenn Hans keine Kinder hat, ein Satz wie (36a) unter Strawsons Ana-
13. Präsuppositionen
lyse wahrheitswertlos, der gleichbedeutende Satz (36b) jedoch wäre dann falsch: (36) a. Nicht alle Kinder von Hans schlafen. b. Einige Kinder von Hans schlafen nicht. Zweifellos entsprechen diese Ergebnisse überhaupt nicht den sprachlichen Intuitionen. Strawson hat versucht, derartigen Einwänden zu begegnen (1954a, 1964), doch ohne Erfolg. Einige Jahre später (als man auch andere als die traditionellen Existenzpräsuppositionen untersuchte) wurde dann beobachtet, daß Präsuppositionen nicht (ausnahmslos) unter Negation erhalten bleiben (Wilson 1975 ; Kempson 1975 ; Boër & Lycan 1976, Atlas 1977). Diese Autoren behaupten, daß Strawsons Analyse zusammenbricht, weil sie empirisch nicht haltbar ist. Wenn es z. B. in Frankreich keinen König gibt, dann ist (26) nicht ohne Wahrheitswert, sondern schlichtweg falsch, denn man kann wahrheitsgemäß sagen: „Der gegenwärtige König von Frankreich ist NICHT kahlköpfig: es GIBT keinen König von Frankreich!“. Deshalb, so sagen sie, ist, wenn eine Präsupposition B von A falsch ist, A falsch und nicht-A wahr. Präsuppositionen sind also von einem rein logischen Standpunkt aus nichts anderes als Folgerungen. Was sie von anderen, vielleicht ‘gewöhnlicheren’ Folgerungen unterscheidet, hat nichts mit Logik, sondern nur mit Pragmatik zu tun: aus pragmatischen Gründen, die mit guter und zweckdienlicher Kommunikation zu tun haben, legt nicht-A die Wahrheit von B nahe (doch sie folgt nicht mehr daraus). Diese Analyse ist als Folgerungsanalyse der Präsuppositionen bekannt. Wenn sie richtig ist, kann die Logik so bleiben, wie sie ist, und das uneingeschränkte PAD läßt sich aufrechterhalten. Man kann alle Schwierigkeiten mit dem Präsuppositionsbegriff aus der Logik und der formalen Semantik heraushalten. Unter dieser Analyse gehört alles, was mit Präsuppositionen zu tun hat, in die Pragmatik, nicht in die Semantik, geschweige denn in die Logik. Dieser Ansatz verschaffte den Sprachlogikern und formalen Semantikern wieder die Sicherheit, daß man das uneingeschränkte PAD für die natürliche Sprache beibehalten könne. Man brauchte keine Angst vor den Präsuppositionen zu haben. Man konnte sie als Epiphänomene betrachten, die sich aus Bedingungen des praktischen Sprachgebrauchs ableiten und daher einer hinreichend weit verstandenen Pragmatik überlassen werden können.
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Dieser pragmatische Präsuppositionsbegriff fand breite Anerkennung, und das lag mit Sicherheit auch daran, daß er die logische Orthodoxie unangetastet ließ. Für viele Semantiker (und Pragmatiker) ist das auch heute noch die ‘Standardtheorie’. Es ist jedoch zu beachten, daß die Folgerungsanalyse, wenngleich sie deutliche Vorteile gegenüber der Analyse von Strawson bringt, auch ihre Schwächen hat. Erstens braucht man, wenn Präsuppositionen, logisch gesehen, nichts anderes als Folgerungen sind, eine Analyse, die es gestattet, einen Kalkül für diese Folgerungen zu entwickeln. Für die sogenannten klassischen Folgerungen gibt es im Prinzip eine solche Analyse, aber man braucht auch für Folgerungen, die Präsuppositionen sind, eine wohlbegründete und systematische Behandlung. Viele Präsuppositionen lassen sich auf semantische Bedingungen an Prädikate (’Bedeutungspostulate’) zurückführen, doch gibt es, wie wir gezeigt haben, Fälle, die eindeutig wahrheitskonditional sind (Spaltkonstruktionen, nur, auch), bei denen aber die strukturelle Basis noch unklar ist. Eine zweite Schwäche findet sich auf der pragmatischen Seite. Es gibt bislang noch keinen theoretischen Ansatz, der Präsuppositionen über Merkmale des Sprachgebrauchs von anderen Folgerungen abgrenzt und dabei erklärt, wieso Präsuppositionen in Umgebungen, in denen ‘gewöhnliche’ Folgerungen verloren gehen, häufig als Default-Annahmen erhalten bleiben. Man hat Formalismen entwickelt, die beschreiben, wie die Präsuppositionen eingebetteter Sätze auf DAs komplexer Sätze ‘projiziert’ werden (vgl. den folgenden Abschnitt). Doch es gibt keine adäquate pragmatische Theorie. Zum Beispiel folgt sowohl aus dem Antezedens von (37a), als auch aus dem von (37b), daß Hans gearbeitet hat. Aber in (37a) ist das eine gewöhnliche Folgerung, in (37b) hingegen eine Präsupposition: (37) a. Wenn Hans um vier Uhr angefangen hat zu arbeiten, dann ist er jetzt noch nicht fertig. b. Wenn Hans um vier Uhr aufgehört hat zu arbeiten, dann ist er jetzt noch nicht fertig. Der Unterschied in der Art der Folgerung zeigt sich darin, daß (37b) als Ganzes immer noch die DA, daß Hans gearbeitet hat, besitzt, (37a) hingegen nicht. Wenn dieser Unterschied in der Art der Folgerung aus Merkmalen des ‘normalen’ Sprachgebrauchs her-
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geleitet werden soll, dann ist diese Herleitung anzugeben. Die Vertreter der Folgerungsanalyse haben das zwar versucht, jedoch ohne Erfolg. Ihr Vorläufer war Grice (1981), dem ein Vortrag von Grice aus dem Jahre 1970 zugrundeliegt (S.183). Ihre Argumentation ist im Kern die folgende: Man betrachte einen Satz AB (z. B. Der König ist kahlköpfig). AB kann nur wahr sein, wenn „B und AB“ (z. B. Es gibt einen König und er ist kahlköpfig) wahr ist, da A ⊧ B. AB wird dann als „B und AB“ analysiert. Nicht-AB wird dementsprechend als „nicht (B und AB)“ analysiert (z. B. nicht (es gibt einen König und er ist kahlköpfig)). Da nicht-B ⊧ nicht-AB, ist es überflüssig „nicht(B und AB)“ zu sagen, wenn B nicht wahr ist: „nicht-B“ würde genügen (Maxime der Quantität). Daher liegt es nahe anzunehmen, daß B wahr ist, aber AB falsch, wenn AB negiert wird. So liegt es etwa nahe anzunehmen, daß es einen König gibt, wenn Der König ist kahlköpfig verneint wird, wie in Der König ist nicht kahlköpfig. Van der Sandt (1982, 1988) vermerkt, daß diese Argumentation nur für die Negation gilt, und es nicht klar ist, wie sie sich auf andere Arten der Einbettung übertragen ließe. Er sagt ferner, daß unter dieser Analyse ein Satz nicht-AB semantisch vage wäre und man daher gemäß der Maxime „Sei informativ“ eher den Satz „B und nicht-A“ äußern müßte. Außerdem fragt er, woher es kommt, daß ein Satz der Form „es ist nicht der Fall, daß B und AB“ nicht nahelegt, daß B gilt. Und schließlich gibt er zu bedenken, daß sich leicht Beispiele angeben lassen, die genau der Struktur der pragmatischen Argumentation entsprechen und dennoch nicht das gleiche Ergebnis liefern. Man betrachte den Satz: (38) Karl ist entflohen. Das kann nur wahr sein, wenn die nachstehenden zwei Sätze wahr sind: (39) a. Jemand ist entflohen. b. Es ist Karl. Wir wollen (38) als die Konjunktion von (39a) und (39b) analysieren. Die Negation von (38): (40) Karl ist nicht entflohen. muß dann als (41) gelesen werden: (41) nicht (jemand ist entflohen und es ist Karl.) Da (41) schon dann wahr ist, wenn das erste Konjunktionsglied falsch ist, muß jeder, der (40) äußert, konversationell implizieren, daß jemand entflohen ist, und behaupten, daß es
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
nicht Karl war. Bei normaler, nicht-kontrastiver Intonation (die wir die ganze Zeit unterstellt haben) ist eine solche konversationelle Implikatur jedoch nicht vorhanden. Der Unterschied ist natürlich, daß (39a) eine gewöhnliche Folgerung aus (38) ist und keine Präsupposition. Der anaphorische Bezug, der bei der vorgeschlagenen Analyse im zweiten Konjunktionsglied vorkommt, erzeugt fernerhin ein Problem, das ihre logische Adäquatheit betrifft (vgl. Geach 1969, 1972). Wenn z. B. (42) die konversationell bevorzugte Analyse von (43) ist: (42) Es gibt einen König, und er ist nicht kahlköpfig. (43) Der König ist nicht kahlköpfig. dann haben wir das Problem, daß (42) mit (44) verträglich ist, welches die Analyse von (45) wäre: (44) Es gibt einen König, und er ist kahlköpfig. (45) Der König ist kahlköpfig. Aber (43) und (45 ) widersprechen einander, ganz gleich, welche Analyse der Negation man wählt. Es hilft nichts, die logische Analyse von (43) wie nachstehend zu verfeinern (vgl. Grice 1981:197): (46) !∃x (König(x)) ⋀ ∀y (König(y) → ﹁ kahlköpfig(y)) Denn obwohl dieses in der Tat unverträglich ist mit (47), was für Der König ist kahlköpfig steht: (47) !∃x (König(x)) ⋀ ∀y (König(y) → kahlköpfig(y)), gibt es immer noch ein Adäquatheitsproblem: man sieht nun, daß die folgenden beiden Sätze (wenngleich geschraubt) voll miteinander verträglich sind: (48) a. Es gibt einen König, und der König ist kahlköpfig. b. Es gibt einen König, und der König ist nicht kahlköpfig. was sie unter obiger Analyse nicht sein sollten. Andererseits haben wir einen Widerspruch in: (48) c. Es gibt einen König, und der König ist kahlköpfig, und der König ist nicht kahlköpfig. Das zeigt einfach, daß jeder Ansatz, der à la Russell definite Terme in einen oder mehrere quantifizierte Terme zerlegt, zum Scheitern
13. Präsuppositionen
verurteilt ist. Die Definitheit ist nun einmal da, und sie dient dazu, auf etwas zurückzuverweisen, was vorher eingeführt wurde. Wir müssen daher abschließend feststellen, daß die pragmatische Analyse der Präsuppositionen falsch ist. (Sie scheint letztlich die Formulierung der Wahrheitsbedingungen eines Satzes mit seiner strukturellen semantischen Analyse zu verwechseln). Außerdem gibt es genug Hinweise darauf, daß die typischen Merkmale von Präsuppositionen auf ein autonomes, axiomatisches System, welches ihr Verhalten regelt, zurückzuführen sind. Wir werden unten, in Abschnitt 6, sehen, daß diese Sichtweise durch eine Reihe von semantischen und linguistischen Beobachtungen gestützt wird, die alle darauf hindeuten, daß Präsuppositionen über ihre Funktion im Text bestimmt sind. Aber bevor wir diesen Präsuppositionsbegriff entwickeln können, müssen wir einen Überblick über das Projektionsproblem geben und über das, was hierzu an Lösungen vorgeschlagen wurde.
5.
Das Projektionsproblem
5.1 Einleitung Die Präsuppositionsforscher haben nicht nur die logischen und kontextuellen Besonderheiten der Präsuppositionen einfacher Sätze und ihrer Negation erkundet, sondern auch die Eigenheiten, die entstehen, wenn Trägersätze tiefer eingebettet werden. Wir wollen, im Anschluß an Van der Sandt (1982), Präsuppositionen unnegierter einfacher Sätze als elementare Präsuppositionen bezeichnen. Wie wir gesehen haben, können elementare Präsuppositionen als abgeleitete Präsuppositionen eines komplexen Satzes auftauchen oder zu DAs abgeschwächt werden oder ganz verloren gehen. Präsuppositionen unterscheiden sich insofern von gewöhnlichen Folgerungen, als diese bei der Einbettung ihres Trägersatzes entweder zu abgeleiteten Folgerungen des komplexen Satzes werden oder verloren gehen; sie werden nie zu Default-Annahmen abgeschwächt. Präsuppositionen ähneln gewöhnlichen Folgerungen insofern, als sie, wenn ihr Trägersatz eingebettet wird, unter den gleichen Bedingungen zu abgeleiteten Präsuppositionen bzw. zu gewöhnlichen Folgerungen werden: jede Einbettung, unter der Folgerungen erhalten bleiben, bewahrt auch die Präsuppositionen — die Negation ist hier, wie wir sehen werden, die einzige Ausnahme. Das Projektionsproblem besteht darin, die
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Bedingungen zu formulieren und zu erklären, unter denen elementare Präsuppositionen zu Präsuppositionen oder zu DAs werden oder ganz wegfallen. Dieses Problem hat den Großteil der Aufmerksamkeit, die man den Präsuppositionsphänomenen gewidmet hat, auf sich gezogen — auf Kosten anderer, ebenso wichtiger Probleme. Alle Versuche, das Projektionsproblem zu lösen, sind in dem Sinn kompositional — oder als kompositional zu deuten —, daß es die Struktur des komplexen Satzes ist, die den endgültigen Status der Präsupposition festlegt. Innerhalb dieses Rahmens lassen sich zwei Haupttrends unterscheiden. Es gibt erstens den Projektionsansatz, bei dem man einbettenden Operatoren sprachlich festgelegte semantische Eigenschaften zuordnet, welche das Schicksal der Präsuppositionen der unter ihnen eingebetteten Sätze bestimmen. Die Hauptvertreter dieser Richtung sind Karttunen, Karttunen & Peters und Heim. Zweitens haben wir den Tilgungsansatz, bei dem die einbettenden Operatoren nur die klassischen Eigenschaften haben, die die Bewahrung oder Tilgung von Folgerungen regeln, und das Überleben der elementaren Präsuppositionen (die keine Folgerungen sind) davon abhängt, ob sie miteinander verträglich sind und auch den pragmatischen Implikaturen des Satzes nicht widersprechen, welche entweder von der Position eines Operators auf einer semantischen Skala abgeleitet sind oder davon, daß ein eingebetteter Satz gewisse Folgerungen nicht zuläßt. Vorläufer des Tilgungsansatzes sind Langendoen & Savin (1971), die die simple Theorie vertraten, daß alle elementaren Präsuppositionen ungefiltert erhalten bleiben (die kumulative Hypothese). Gazdar (1976, 1979a, 1979b) nahm dies zum Ausgangspunkt und schlug einen Filtermechanismus vor. Ihm folgte Soames (1979). Soames (1982) strebt eine Synthese der beiden Ansätze an. Van der Sandt nimmt eine gesonderte Position ein. Beide Richtungen haben zu einem Präsuppositionsbegriff geführt, der über Kontextabhängigkeit und Kontexterweiterung bestimmt ist: jeder neue Satz in einem Text oder einem Gespräch wird dem gegebenen Kontext hinzugefügt, und Präsuppositionen sind als Bedingungen an den vorangehenden Text oder Kontext zu betrachten (vgl. auch Artikel 10). Van der Sandt (1988) weist darauf hin, daß sich die beiden Ansätze mit verschiedenen Arten von Gegenbeispielen angreifen lassen. Gegenbeispiele zum Projektionsansatz sind
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Fälle, in denen die Theorie eine abgeleitete Präsupposition oder DA vorhersagt, die nicht vorhanden ist. Für den Tilgungsansatz gilt das Umgekehrte: hier sind solche Fälle stichhaltige Gegenbeispiele, in denen die Theorie vorhersagt, daß eine elementare Präsupposition ausgefiltert wird, die in Wirklichkeit als abgeleitete Präsupposition oder DA auftaucht. 5.2 Karttunen, Karttunen & Peters Karttunens Name ist mit dem System der Stöpsel, Löcher und Filter assoziiert. Das sind Bezeichnungen für verschiedene Klassen von Operatoren. Die Bezeichnung Stöpsel wird für Operatoren verwendet, die elementare Präsuppositionen daran hindern, abgeleitete Präsuppositionen oder DAs zu werden. Löcher sind Operatoren, die elementare Präsuppositionen als Präsuppositionen oder DAs durchlassen. Filter sind Operatoren, die Präsuppositionen manchmal durchlassen, manchmal aber auch nicht. Dieses Dreigespann kommt mit kleinen Variationen in Karttunen (1973, 1974) und in Karttunen & Peters (1979) vor. Wir werden hier die letzte Veröffentlichung besprechen, denn sie gibt die endgültige Position ihrer Verfasser zu diesem Thema wieder. Die Klasse der Stöpsel enthält z. B. Verben des Sagens. In Karttunen (1973, 1974) umfaßte sie auch nicht-faktive Verben der propositionalen Einstellung (glauben, hoffen usw.), aber in dem Aufsatz von 1979 gehören diese in eine gesonderte Kategorie. Zu den Löchern gehören z. B. faktive Verben, implikative Verben (z. B. gelingen), aspektuelle Verben (z. B. anfangen, aufhören, weitermachen) und alle Modalausdrücke. Die Negation wird als ambig betrachtet, sie kann eine innere Negation sein, welche ein Loch ist, oder eine äußere Negation, die ein Stöpsel ist. Diese Unterscheidung entspricht dem Unterschied zwischen einer Verwendung der Negation, bei der Präsuppositionen erhalten bleiben, und einer Verwendung, bei der sie getilgt werden. Die Filter sind nur eine kleine Klasse, die aus den natursprachlichen Entsprechungen der logischen, wahrheitsfunktionalen Operatoren und, oder, wenn ... dann besteht (d. h. Konjunktion, Disjunktion, Implikation). Karttunen & Peters (im folgenden KP) ordnen jedem sprachlichen Ausdruck X eine zweifache Übersetzung in die intensionale Logik zu (seine „Bedeutung“) Das eine ist sein Extensionsausdruck (X)e: das Denotat von X (wie in der herkömmlichen formalen Seman-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
tik). Das andere ist sein Implikaturausdruck (X)i: er steht, wenn X ein Satz ist, für die konv entionale Implikatur von X (im Griceschen Sinn), andernfalls für das, was X zu den konventionalen Implikaturen des Satzes, in dem es vorkommt, beiträgt. Die meisten Präsuppositionen werden als (Gricesche) konventionale Implikaturen behandelt, und auf diese konzentriert sich KPs Analyse. KP unterscheiden zwischen dem, was logisch folgt und dem, worauf sich ein Sprecher festlegt (die konventionalen Implikaturen). Es werden allerdings keine empirischen Kriterien dafür angegeben, und dementsprechend bleibt die Beziehung zwischen Propositionen, die logisch folgen, und solchen, die konventional impliziert sind, unklar. Wir werden nicht darauf eingehen, wie KP die e- und i-Ausdrücke von Sätzen aus den Teilen unterhalb der Satzebene zusammensetzen (es wird angenommen, daß das Lexikon für jeden Eintrag beide Arten von Ausdrükken liefert). Uns geht es hier vielmehr darum, was mit elementaren konventionalen Implikaturen in komplexen Sätzen geschieht, also um das Projektionsproblem. Für Löcher, Stöpsel und nicht-faktive Verben der propositionalen Einstellung (wir wollen sie „Glaubensverben“ nennen) ist KPs Lösung trivial. Sie führen für diese Fälle eine Vererbungsfunktion h ein, deren Argumente Paare aus den e-Ausdrücken und i-Ausdrücken der betreffenden Löcher, Stöpsel und Glaubensverben sind, und die als Werte die jeweiligen iAusdrücke der Sätze liefert, in denen der betreffende Operator als höchstes Prädikat vorkommt. Für faktive Verben (bzw. für die Paare aus e- und i-Ausdrücken, die ihnen zugeordnet sind) liefert h also genau die faktiven Teilsätze. Für gelingen liefert h den iAusdruck des Objekt-Satzes. Für hoffen, wünschen, wollen, glauben usw. (also für Glaubensverben) liefert h einen Satz, der dem Subjekt des betreffenden Verbs einen Glauben zuschreibt, dessen Inhalt der i-Ausdruck des Objekt-Satzes ist. Für Verben wie sagen liefert h „eine Tautologie, die keine Verpflichtung mit sich bringt“ (S.21). Diese Vererbungsfunktion bleibt im Text unklar, doch gibt es in einem Anhang eine formale Beschreibung. Das Hauptinteresse richtet sich offensichtlich auf die Klasse der Filter. Es ist anzumerken, daß ein Satz, dessen iAusdruck nicht mit dem e-Ausdruck verträglich ist, in jedem Kontext uninterpretierbar oder inakzeptabel ist. Wenn sich andererseits als i-Ausdruck eine Tautologie ergibt, dann
13. Präsuppositionen
werden die elementaren Präsuppositionen, die in diese Tautologie eingehen, als Präsuppositionen oder DAs des komplexen Satzes aufgehoben. Was die Filter anbelangt, so geben KP eigene Definitionen für die i-Ausdrücke an, die von ihnen erzeugt werden (die e-Ausdrücke sind mit den üblichen logischen Analysen der fraglichen Sätze identisch). Es wäre einfach gewesen, die Funktion h so zu erweitern, daß sie die Filter gleichfalls abdeckt, aber KP (1979:34) wollten das nicht. Die Definitionen für die wahrheitsfunktionalen Operatoren und, oder und wenn ... dann sind in (49) aufgeführt. Dabei steht „A“ immer für „(A)e“. „AP“ wird für „A, mit P als Implikaturausdruck“ verwendet. Die Variablen „P“, „Q“, ... stehen für die i-Ausdrücke des jeweiligen Basissatzes. „K“ ist Hintikkas epistemischer Notwendigkeitsoperator. (49) a. (APund BQ)i = P ⋀ (A → Q) b. (APoder BQ)i = (P ∨ B) ⋀ (A ∨ Q) c. (wenn APdann BQ)i= ﹁ K ﹁ A ⋀ P ⋀ (A → Q) KP unterscheiden zwei natursprachliche Negationen, die ‘gewöhnliche’ oder innere Negation, die Präsuppositionen bewahrt, und die ‘widersprechende’ oder äußere Negation, die Präsuppositionen aufhebt. Letztere entspricht der klassischen zweiwertigen Negation. KP (1979:47) merken an, daß die klassische, ‘äußere’, präsuppositionslöschende Negation „die Verteilung von Polaritätsausdrücken nicht berührt“, und sie bringen dafür als Beleg: (50) a. Baldur hat nicht schon vergessen, daß heute Freitag ist, denn heute ist Donnerstag. mit dem positiven Polaritätsausdruck schon. Es ist ihnen aber offenkundig nicht aufgefallen, daß die präsuppositionslöschende Negation nicht bei negativen Polaritätsausdrücken stehen kann, wie sich an der Inakzeptabilität des Satzes (50b) zeigt: b. *Es macht Baldur nichts aus, daß heute Freitag ist, denn heute ist Donnerstag. der das (faktive) negative Polaritätsverb etwas ausmachen enthält. (Vgl. Abschnitt 6.2 und Seuren 1985 :228—236 für weitere Einzelheiten.) Die beiden Negationen sind folgendermaßen definiert (1979:47): (51) a. Gewöhnliche Negation: (nicht-AP)e = ﹁ A; (nicht-AP)i = P
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b. Widersprechende Negation: (NICHT-AP)e = ﹁ (A ⋀ P); (NICHT-AP)i = P ∨ ﹁ P Dem ‘gewöhnlichen’ nicht sind als i-Ausdruck gerade die Präsuppositionen des Satzes zugeordnet, der verneint wird, doch der i-Ausdruck der klassischen, widersprechenden Negation NICHT ist eine Tautologie: daß die Präsuppositionen des verneinten Satzes wahr oder nicht wahr sind — sie sind damit also aufgehoben. Auf diesen Vorschlag zur Lösung des Projektionsproblems prasselte ein Hagel von Gegenbeispielen hernieder. Ebenso trafen ihn ernste methodologische Einwände. Es gibt außerdem einige logische Probleme, die wir als erstes besprechen wollen. In der Theorie von KP gilt, daß einige Präsuppositionen logische Folgerungen sind, wohingegen andere nur etwas sind, worauf der Sprecher sich verpflichtet. Diejenigen, die keine Folgerungen sind, bringen KPs Mechanismus in Schwierigkeiten; er kann auf sie nicht angewendet werden. Wenn elementare Präsuppositionen, wie gemeinhin angenommen wird, Folgerungen aus ihrem Trägersatz sind, wohingegen Präsuppositionen, die nicht aufgehoben wurden (also projizierte Präsuppositionen), nicht immer Folgerungen sind (z. B. wenn es sich um DAs handelt), dann gibt es Ärger mit der widersprechenden Negation. Dieser Operator nimmt einen i-Ausdruck als Teil eines e-Ausdrucks (vgl. (5 1b)). Aber die Logik soll nur auf e-Ausdrücken operieren. Solange Präsuppositionen (i-Ausdrücke) Folgerungen sind, gibt es keine Probleme. Dann hat z. B. ein Ausdruck der Form (NICHT (AP oder BQ)) den e-Ausdruck ﹁ ((A ∨ B) ⋀ (P ∨ B) ⋀ (A ∨ Q)), und der ist mit dem einfachen Satz ﹁ (A ∨ B) äquivalent, da A ⊧ P und B ⊧ Q. Aber wenn A ≠ P und B ⊧ Q oder B ≠ Q, dann ist (NICHT (Ap oder BQ)e wiederum ﹁ ((A ∨ B) ⋀ (P ∨ B) ⋀ (A ∨ Q)). Nun seien A wahr und B, P, Q falsch. Dann ist (AP oder BQ) wahr, da A wahr ist. Aber (NICHT (AP oder BQ)) ist auch wahr, denn ((A ∨ B) ⋀ (P ∨ B) ⋀ (A ∨ Q)) ist wegen der Falschheit des zweiten Konjunktionsglieds falsch. Daraus ergibt sich also bedauerlicherweise, daß die von KP definierte widersprechende Negation nicht wahrheitsfunktional ist. Das liegt eindeutig nicht in KPs Absicht. Dennoch läßt sich dieses Ergebnis nur dann vermeiden, wenn man alle i-Ausdrücke (elementare Präsuppositionen und DAs) als Folgerungen aus
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ihrem Trägersatz betrachtet. Doch das ist empirisch nicht haltbar. Das Ergebnis ist nicht überraschend, denn in einer streng zweiwertigen Logik ist nur für eine einzige wahrheitsfunktionale Negation Platz. (Es sei denn, man läßt logisch leere Operatoren zu. Angenommen N sei ein von der klassischen Negation ﹁ verschiedener wahrheitsfunktionaler Negationsoperator in einer strikt zweiwertigen Logik. N darf nicht Wahres auf Wahres abbilden, denn das würde das Prinzip vom ausgeschlossenen Widerspruch verletzen: ein Satz und seine Negation können nicht zugleich wahr sein. Also bildet N Wahres auf Falsches ab. Aber N darf nicht Falsches auf Wahres abbilden, denn sonst wäre es mit ﹁ identisch. Also bildet N Falsches auf Falsches ab. D. h., N bildet jede Proposition auf Falsches ab: für jeden Satz a ist Na notwendigerweise falsch, und für jeden beliebigen Satz b gilt Na ⊧ b, der Operator N ist also logisch leer.) Die Lösung ist offenkundig: Beide Negationen müsssen den e-Ausdruck ﹁ A für negiertes AP haben. Damit ist die Logik (die nur mit e-Ausdrücken zu tun hat) wieder in Ordnung. Aber man hat sich nun den zweifelhaften Begriff der ‘Präsuppositionsambiguität’ eingehandelt oder muß — wenn man ihn vermeiden will — in Kauf nehmen, daß der Projektionsmechanismus nicht mehr kompositional ist, da er teilweise von der weiteren Umgebung abhängt. Die Auswirkungen dieses Punktes sind also nicht trivial. Daß zwischen Folgerungen und DAs nicht unterschieden wird, hat eine weitere unerwünschte Konsequenz. Abgeleitete i-Ausdrücke können unterschiedliche logische Eigenschaften haben, je nachdem, ob die Präsuppositionen, die in ihre Übersetzungen eingehen, elementar sind oder nicht. So ist (nicht-AP oder nichtBP)i = (P ∨ ﹁ B) ⋀ (﹁ A ∨ P). Das ist nur dann eine Tautologie, wenn A ⊧ P und B ⊧ P. Das bedeutet, daß (5 2a) nicht präsupponieren (konventional implizieren) sollte, daß Hans Kinder hat, und (5 2b) (in diesem Sinne) präsupponieren sollte, daß Hans Kinder hat, wenn die Kinder von Hans ehelich oder amtlich gemeldet sein können, denn (P ∨ ﹁ B) ⋀ (﹁ A ∨ P) ≡ (B ∨ A) → P: (52) a. Entweder sind die Kinder von Hans nicht ehelich, oder sie sind nicht amtlich gemeldet. b. Entweder können die Kinder von Hans nicht ehelich sein, oder sie können nicht amtlich gemeldet sein.
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Und doch ist klar, daß (52a) (in diesem Sinne) präsupponiert, daß Hans Kinder hat, wohingegen (5 2b) noch nicht einmal andeutet, was es gemäß KPs Theorie präsupponieren müßte. Außerdem gibt es — wie Soames (1979), Gazdar (1979a), Wilson (1975 ) und Van der Sandt (1982) festgestellt haben — unmittelbare Gegenbeispiele in Hülle und Fülle. Wir werden einige davon betrachten. Eine Gruppe von Gegenbeispielen ist von der Form „wenn Ap, dann P“ (Wilson, 1975): (53) Wenn Andreas darüber traurig ist, daß seine Katze gestorben ist, dann ist seine Katze gestorben Dies soll präsupponieren, daß die Katze von Andreas gestorben ist, da (wenn AP, dann P)i = P. Aber (5 3) hat offenkundig keine solche Präsupposition. Zu einer anderen Klasse von Gegenbeispielen gehören die folgenden Sätze: (54) a. Es ist möglich, daß Susanne keine Kinder hat, aber es ist auch möglich, daß sie weggefahren sind. b. Es ist möglich, daß Susanne Kinder hat, und es ist möglich, daß sie weggefahren sind. c. Es ist möglich, daß Susanne Kinder hat und daß sie weggefahren sind. Diese Sätze sind von der Form (55a—c): (55) a. Möglicherweise nicht-A und möglicherweise BA. b. Möglicherweise A und möglicherweise BA. c. Möglicherweise (A und BA). Gazdar (1979a) hat darauf hingewiesen, daß der i-Ausdruck von (5 5 a), also möglicherweise ﹁ A → A, in Verbindung mit seinem e-Ausdruck über den modus ponens A ergibt. (5 4a) sollte also präsupponieren, daß Susanne Kinder hat. Das gleiche gilt für (5 4b). Beide Vorhersagen sind eindeutig falsch. Van der Sandt fügt hier die Beobachtung hinzu, daß die Theorie zwar fälschlicherweise behauptet, daß (5 5 b) A präsupponiert, aber die richtige Vorhersage macht, daß (5 5 c) A nicht präsupponiert: (A und BA)i = A → A, und das ist eine Tautologie, so daß es nichts gibt, was der Möglichkeitsoperator erben könnte. Doch intuitiv gibt es keinen solchen Unterschied zwischen (5 4b) und (5 4c). Entsprechend sagt KPs Theorie voraus, daß (5 6a) präsupponiert, daß Hans Kinder hat, (5 6b) hingegen nur, daß Hans Kinder hat, wenn heute Montag ist:
13. Präsuppositionen
(56) a. Wenn die Kinder von Hans in der Schule sind, dann können wir bei ihm einbrechen. b. Wenn heute Montag ist und die Kinder von Hans in der Schule sind, dann können wir bei ihm einbrechen. Es ist klar, daß dieser Unterschied nicht vorhanden ist. Soames (1979) hat beobachtet, daß (Anicht-P oder BP)i = (﹁ P ∨ B) ⋀ (A ∨ P), und daß dies genau dann zu A ∨ B äquivalent ist, wenn A ⊧ ﹁ P und B ⊧ P, d. h. wenn A und B bezüglich der Projektion atomar sind. Aber in diesem Fall präsupponiert die Disjunktion sich selbst, und das gilt gemeinhin als etwas, was jede Präsuppositionstheorie vermeiden muß. Van der Sandt (1982: 116) bemerkt, daß dadurch jede Theorie — auch die von Karttunen (1974) —, dergemäß Präsuppositionen ihren Trägersätzen kontextuell vorgeordnet sind, disqualifiziert würde. Neben solchen direkten Gegenbeispielen lassen sich Fälle anführen, in denen tatsächliche Präsuppositionen oder DAs fälschlicherweise ausgefiltert werden (Gazdar 1979a:114), oder Fälle, in denen e- und i-Ausdrücke logisch unverträglich sind und der fragliche Satz dennoch völlig verständlich ist (Van der Sandt, 1982:118). Gazdar (1979a) fügt noch den methodologischen Einwand an, daß KPs Löcher, Stöpsel, Filter und Glaubensverben keine natürlichen Klassen bilden und daß vor allem das Filtersystem durch keinerlei unabhängige Prinzipien motiviert zu sein scheint. 5.3 Gazdar In Gazdars System (1976, 1979a, 1979b) werden Präsuppositionen — anders als bei KP — nicht projiziert, sondern gezielt gelöscht. Es gibt keine Klassen von Operatoren mit Stöpsel-, Löcher-, Filter- oder sonstigen Eigenschaften: ein allgemeiner Mechanismus soll genau diejenigen Präsuppositionen tilgen, die in den natursprachlichen Sätzen intuitiv nicht auftauchen. Dieser Mechanismus arbeitet mit drei verschiedenen semantischen Eigenschaften: Folgerungen, Implikaturen und Präsuppositionen. Der Folgerungsbegriff ist klassisch, und klassisch ist auch die Logik, die ihn regelt. Folgerungen leiten sich aus lexikalischen Eigenschaften her und bleiben bei logischen Verknüpfungen unter den klassischen folgerungsbewahrenden Operatoren erhalten. Es gibt zwei Arten von Implikaturen: Skalar- und
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Klausalimplikaturen. Skalarimplikaturen werden von Ausdrücken erzeugt, die eine Position auf einer semantischen Skala einnehmen (Horn 1972). Ein Ausdruck e, der eine Position auf einer semantischen Skala s einnimmt und in einem Satz A vorkommt, erzeugt lauter Skalarimplikaturen der Form K(﹁ α) — wobei a aus A dadurch entsteht, daß e durch einen analogen Ausdruck e′, der auf s eine stärkere Position als e einnimmt, ersetzt wird. So hat ein Satz wie Einige Menschen starben die Skalarimplikatur „K(nicht alle Menschen starben)“. Der K-Operator drückt epistemische Notwendigkeit aus (Hintikka 1962) und ist als „soweit der Sprecher weiß, ...“ zu lesen. (Sein Gegenstück ist der Operator P, der für epistemische Möglichkeit steht.) Klausalimplikaturen sind Eigenschaften von Sätzen a, die als Teil einen Satz ß so enthalten, daß aus a weder β noch ﹁ β folgt. Die Implikatur hat dann die Form P(β) ⋀ P(﹁ β). (Für formale Einzelheiten siehe Gazdar 1979: 5 8—5 9). Zum Beispiel hat der Satz Hans denkt, daß er groß ist die Klausalimplikatur „P(Hans ist groß) und P(Hans ist nicht groß)“. Beide Arten von Implikaturen sind für minimale Satzstrukturen definiert (Gazdar verwendet hier den verwirrenden Terminus ‘Im-Plikatur’). Skalare Implikaturen vererben sich auf größere Strukturen B, die A als Teil enthalten, wenn B ⊧ A, es sei denn, sie werden durch den Filtermechanismus gelöscht. Klausalimplikaturen vererben sich, wenn der Mechanismus sie nicht tilgt. Elementare Präsuppositionen (für Gazdar ‘Prä-Suppositionen’) werden von ‘Präsuppositionsauslösern’ erzeugt, also etwa vom bestimmten Artikel, von einem lexikalischen Ausdruck, von einer grammatischen Konstruktion. (Die Funktion, die sie erzeugt, wird von Gazdar nicht im einzelnen ausgeführt). Sie sind für jeden Satz AQ von der Form „K(Q)“. Sie werden vererbt und damit zu abgeleiteten Präsuppositionen, wenn sie nicht vom Filtermechanismus getilgt werden. Elementare Präsuppositionen sind Folgerungen aus ihrem Trägersatz und damit auch aus jeder größeren Struktur, die Folgerungen bewahrt. Präsupposition und Folgerung werden also als zwei verschiedene Eigenschaften betrachtet, die bei Basissätzen zufällig zusammenfallen. Der Filtermechanismus funktioniert folgendermaßen. Wenn man einen Satz A hat, so listet man zunächst seine Folgerungen (E), seine Implikaturen (I) und seine elementaren Präsuppositionen (PR) auf. Wenn E einander widersprechende Folgerungen enthält, dann
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ist A uninterpretierbar, d. h. A kann in keinem Kontext verwendet werden (höchstens als Zitat). Wenn ein Element e aus E mit einem Element p aus P R oder i aus I unverträglich ist, dann wird p bzw. i gelöscht, und A bleibt in allen Kontexten interpretierbar. Wenn ein i aus I mit einem p aus P R unverträglich ist, dann wird p ausgefiltert. Implikaturen, die miteinander unverträglich sind, heben sich gegenseitig auf, und das gleiche gilt für einander widersprechende Präsuppositionen. Es gibt also eine Rangfolge, dergemäß Folgerungen Implikaturen und Implikaturen Präsuppositionen vorgeordnet sind. Diese Theorie nimmt auch auf Kontexterweiterungen Bezug: Ein Satz A wird in einem gegebenen Kontext k betrachtet, k wird dann um A erweitert, und so wird der Kontext für den nächsten Satz erzeugt. Auch abgeleitete Implikaturen und Präsuppositionen werden k hinzugefügt (1979:132). k ist als eine Menge von Propositionen zu betrachten. Kontexterweiterung ist dann als Konjunktion, d. h. als mengentheoretischer Durchschnitt aufzufassen. Jede interpretierbare Menge von Propositionen muß unter logischer Folgerung abgeschlossen sein, d. h. sie muß konsistent sein. Wenn k mit A unverträglich ist, ist A in k nicht interpretierbar. Wenn k mit einem i ∈ I oder einem p ∈ P R unverträglich ist (A ≠ p), dann wird i bzw. p ausgefiltert, und A verliert in k diese Implikatur oder Präsupposition. Offenkundig ist dieser Aspekt der Kontexterweiterung in Wirklichkeit nichts anderes als eine Anwendung des Filtermechanismus auf k. Man erhält die gleichen Ergebnisse, wenn man A mit den Propositionen in k bzw. den Sätzen, die diese ausdrücken, konjunktiv verknüpft. Wenn Kontexterweiterung so definiert wird, läßt sie die Kompositionalität des Filtermechanismus unangetastet. Der Hauptkritiker von Gazdars System ist Van der Sandt. Er weist darauf hin (1982:132), daß Gazdars Verwendung des KOperators nicht richtig sein kann. Ein Satz wie Der Weihnachtsmann macht viele Kinder glücklich präsupponiert „K (Der Weihnachtsmann existiert)“, und es folgt aus ihm „Der Weihnachtsmann existiert“. Die Präsupposition kann daher nicht getilgt werden. Das bedeutet, daß der Satz in allen Kontexten, in denen der Sprecher weiß, daß der Weihnachtsmann nicht existiert, nicht interpretierbar ist. Doch das stimmt nicht, wie sich daran zeigt, daß man ihn sinnvoll bestreiten kann. Van der Sandt weist auch darauf hin, daß Sätze wie Der Teufel existiert sich selbst prä-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
supponieren, so daß sie zu keinem k etwas Neues hinzufügen könnten, da die Hinzufügung des Satzes (oder seiner Proposition) nach der Präsupposition immer überflüssig wäre. Ganz ähnlich verhält es sich mit Sätzen der Form „A und BA“: hier ist A notwendigerweise eine Präsupposition und eine Folgerung, so daß das erste Konjunktionsglied notwendigerweise überflüssig wäre. Er führt auch einige direkte Gegenbeispiele an, bei denen Präsuppositionen fälschlicherweise ausgefiltert werden. So sagt Gazdars Theorie etwa voraus, daß in (5 7) die elementare Präsupposition „K (der Teufel existiert nicht)“ ausgefiltert wird. Doch es ist klar, daß sie als Default-Annahme erhalten bleibt: (57) Ronald ist nicht traurig darüber, daß der Teufel nicht existiert. Die Menge P R der elementaren Präsuppositionen muß „K (der Teufel existiert)“ enthalten (wegen des bestimmten Artikels) und gleichfalls „K (der Teufel existiert nicht)“ (wegen der faktiven Konstruktion über etwas traurig sein). Da aus (5 7) keine der beiden Präsuppositionen folgt, heben sie sich wegen ihrer Widersprüchlichkeit gegenseitig auf. Auch in dem folgenden Fall wird nicht richtig ausgefiltert: (58) Wenn Ronald denkt, daß ich aufgehört habe zu rauchen, dann weiß er nicht, daß ich nie geraucht habe. Die Menge P R von (5 8) enthält „K (ich habe früher geraucht)“, wegen aufhören, aber auch „K (ich habe nie geraucht)“, aufgrund des faktiven Verbs wissen. Da keine von beiden eine Folgerung ist, heben sie sich gegenseitig auf. Doch (5 8) hat ganz klar die DefaultAnnahme, daß die Person, auf die mit „ich“ Bezug genommen wird, in Wirklichkeit nie geraucht hat. Es sei ferner vermerkt, daß Gazdars Theorie zwar die korrekte Vorhersage macht, daß (5 9a) ein interpretierbarer Satz ist, bei dem das erste Konjunktionsglied die elementare Präsupposition, daß Harald einen Sohn hat, aufhebt, aber daß sie nicht erklären kann, warum (5 9b) inakzeptabel ist und als widersprüchlich empfunden wird, obwohl der Filtermechanismus das gleiche Ergebnis liefert: (59) a. Harald hat keinen Sohn, aber er glaubt, daß sein Sohn in Kentucky lebt. b. ! Harald hat keinen Sohn, aber wenn sein Sohn in Kentucky lebt, werden wir ihn finden.
13. Präsuppositionen
Wenn „Harald hat einen Sohn“ A ist, dann haben beide Sätze K(A) als Element von PR (wegen sein Sohn lebt in Kentucky), und aus keinem Satz folgt A. Jedoch folgt aus beiden ﹁ A, so daß K(A) getilgt wird. Beide Sätze sollten also interpretierbar sein (’erfüllbar’ in Gazdars Terminologie). Doch ist nur (5 9a) interpetierbar, nicht aber (5 9b). Das gleiche Problem entsteht, wenn das erste Konjunktionsglied (Harald hat keinen Sohn) Teil des Kontexts ist, zu dem das zweite Konjunktionsglied hinzugefügt werden soll. Es fehlt eine Erklärung dafür, daß das zweite Konjunktionsglied von (5 9a) eine akzeptable Erweiterung darstellt, das von (5 9b) jedoch nicht. 5.4 Heim Im Jahre 1983 hat Irene Heim einen kurzen Aufsatz veröffentlicht, der ein hohes Maß an Inspiration mit einem geringen Maß an formaler Präzision vereint. In diesem Aufsatz versucht sie „die deskriptive Adäquatheit der Theorie von Karttunen und Peters mit der von Gazdar geforderten Erklärungsadäquatheit zu verbinden“. Es geht ihr insbesondere darum zu zeigen, daß der richtige Weg zur Lösung des Projektionsproblems eine Klassifikation von Operatoren wie in Karttunens Projektionssystem mit einer expliziten Theorie der Kontexterweiterung verbinden muß. (Sie verfolgt damit den Ansatz von Karttunen 1974.) Sie nimmt an, daß jeder Operator ein Kontextv eränderungspotential (KVP) besitzt, und sie postuliert, daß das KVP eines Operators sowohl seine wahrheitskonditionalen Eigenschaften festlegt, als auch diejenigen Eigenschaften, die die Projektion von Präsuppositionen betreffen. Dieser allgemeine Gedanke mag richtig sein, doch um das zu zeigen, bedarf es einer formalen Präzision, die in Heim (1983b) nicht vorhanden ist. Heim führt den Begriff der Zulässigkeit ein. Ein Satz A ist in einem Kontext k genau dann zulässig, wenn „k + A“ definiert ist. Außerdem „ist p genau dann eine Präsupposition von A, wenn aus jedem Kontext, in dem A zulässig ist, p folgt“. Die Begriffe „Zulässsigkeit“, „k + A“ und „Präsupposition“ werden also übereinander definiert, aber es wird kein empirisches Kriterium angegeben, mittels dessen man entscheiden könnte, wann die Begriffe zutreffen und wann nicht. Man kann erahnen, daß Heim meint, daß ein Satz A genau dann in einem Kontext k zulässig ist, wenn die Präsuppositionen von A Teil von k sind, und daß es unabhängige empirische Kriterien für
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die Bestimmung von Präsuppositionen geben muß. Ein Kontext wird, wie in Stalnaker (1970, 1973, 1978), als eine Menge von möglichen Welten aufgefaßt, und Kontexterweiterung ist als mengentheoretischer Durchschnitt definiert. Die Notation „k + A“ wird verwendet, „um das Resultat der Anwendung des KVP von A auf den Kontext k zu bezeichnen“. Heim gibt konkret nur die KVPs für die Implikation und für die Negation an: (60) KVP(wenn): k + (wenn A, dann B) = k \ (k+A \ k+A + B) (61) KVP(nicht): k + nicht-A = k \ (k + A) wobei „\“ wie üblich für die mengentheoretische Differenzbildung steht. Dies bestimmt laut Heim die Wahrheitsbedingungen: mengentheoretisch errechnet sich (60) zu k \ (A \ B) und (61) zu k \ A — was den klassischen Wahrheitsbedingungen für die Implikation bzw. Negation entspricht. Es liefert auch, sagt Heim, die Projektionseigenschaften der betreffenden Operatoren: für wenn wird verlangt, daß „k + A“ und „k + A + B“ definiert sind, d. h., daß die Präsuppositionen von A Teil von k sind und die von B Teil von k + A; für nicht wird verlangt, daß „k + A“ definiert ist, d. h., daß die Präsuppositionen von A Teil von k sind. Dies, so sagt Heim, „legt fest, daß die Negation ein ‘Loch’ im Sinne von Karttunen ist“. Es kommt häufig vor, daß ein Satz A in einem Kontext k nicht zulässig ist, weil die Präsuppositionen von A kein Teil von k sind. In solchen Fällen werden diese Präsuppositionen, falls sie in k zulässig sind, nachträglich „hineingeschmuggelt“: k wird zu einem etwas reicheren Kontext k’ abgeändert, in dem A zulässig ist. Ganz im Sinne Heims kann man also das folgende allgemeine Prinzip postulieren: (62) Für jeden Satz A, der P präsupponiert, ist k + Ap = (k + P) + A, wobei k + P leer läuft, wenn k ⊧ P. Wenn k + P nicht leer läuft, wenn also zum Zeitpunkt der Äußerung von A k ≠ P gilt, dann wird die Operation k + P Akkommodation des Kontexts k genannt. Laut Heim, „enthält diese informelle Charakterisierung der Akkommodation eine versteckte Ambiguität, die zum Vorschein kommt, wenn wir uns ein Beispiel anschauen“. Ihr Beispiel ist „nicht-AP“ in einem Kontext k, aus dem P nicht folgt. Hier muß man akkommodieren, und „man kann sich dann zwei ganz verschiedene Weisen vorstel-
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len, auf die das geschehen könnte“. Die ‘globale’ Weise besteht darin, daß man zunächst k zu k + P erweitert und dann nicht-A hinzufügt; man erhält so k + P\((k+P)+A). Die ‘lokale’ Möglichkeit sieht so aus, daß man wieder k zu k + P erweitert und dann „k + A“ in (61) durch „(k + P) + A“ ersetzt; das ergibt k\((k + P) + A). Man sollte dann eine ‘ceterisparibus-Präferenz’ postulieren, um sicher zu stellen, daß „Präsuppositionen nur dann getilgt werden, wenn sonst Widersprüche drohen würden“. Obwohl der Gedanke, daß KVPs sowohl Wahrheitsbedingungen als auch die Projektion von Präsuppositionen bestimmen, vermutlich richtig und gewißlich anregend ist, sind Heims Formalisierungsvorschläge ernstzunehmender Kritik ausgesetzt. Als erstes ist darauf hinzuweisen, daß Heim entweder mit zwei verschiedenen wahrheitsfunktionalen Negationen arbeitet (und in diesem Fall würde man gerne die zugehörige Logik sehen) oder eine nicht wahrheitsfunktionale Negation hat (und in diesem Fall würde man gerne die semantische Beschreibung sehen). Ihre ‘globale’ und ‘lokale’ Negation entsprechen den mengentheoretischen Produkten (k⋂P)\A bzw. k\A. Letzteres ist die klassische zweiwertige Negation, ersteres entspricht der präsuppositionserhaltenden Negation von Strawson (und anderen). Wenn die Negation in dieser Weise gespalten sein sollte, so wäre aber nicht einzusehen, warum sich z. B. nicht auch die Implikation in eine präsuppositionserhaltende ‘globale’ und eine klassische ‘lokale’ Implikation aufspalten sollte. Außerdem weist der Formalismus eine verhängnisvolle Ambiguität auf. Wenn „k + A“ einfach „das Resultat der Anwendung des KVP von A auf den Kontext k bezeichnet“, dann ist das KVP von wenn, d. h. k\(k + A\k+A + B), nichts anderes als k\(A\B) und das KVP von nicht einfach k\A. Hier wird in keiner Weise verlangt, daß „k + A“ oder „k + A + B“ definiert sein müssen, und es folgt auch nichts hinsichtlich der Projektionseigenschaften von Implikation oder Negation. Um entscheiden zu können, ob KVPs Projektionseigenschaften festlegen, braucht man eine klare Unterscheidung von KVP-Regeln einerseits und mengentheoretischen Ergebnissen andererseits, wie z. B. in (63)—(65 ), wo „+“ und „\\“ Kontextveränderungsregeln sind und die Klammern die Reihenfolge der Anwendung anzeigen: (63) a. k + A ⇒ k ⋂ A b. k\ \A ⇒ k \ A (oder: k ⋂ Ā)
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Akkommodation von Präsuppositionen kann dann so formuliert werden (vgl. (62) oben): (64) a. k + AP = (k + P) + A b. k\\AP = (k + P)\\A Das macht es uns möglich, zwei wahrheitsfunktional verschiedene Negationen zu unterscheiden: (65) a. KVP(nicht): k + nicht-AP = k\\AP = (k + P)\\A ⇒ (k ⋂ P) \ A b. KVP(NICHT): k + NICHT-AP = k\\A ⇒ k \ A Die erste ist die präsuppositionserhaltende Negation, während die zweite einfach die klassische zweiwertige Negation ist, bei der Präsuppositionen keine Rolle spielen. Es ist zu beachten, daß eine solche Analyse nicht im Rahmen einer zweiwertigen Logik erfolgen kann, sondern mehr als zwei Werte voraussetzen muß. Das ist so, weil die ‘minimale’ präsuppositionserhaltende Negation die Folgerungen aus den Präsuppositionen des negierten Satzes bewahrt, denn (k ⋂ P) \ A bezeichnet eine Teilmenge der durch P gegebenen Menge von möglichen Welten. Dasselbe könnte man für die Implikation machen: man könnte eine ‘minimale’ Implikation definieren, die die Präsuppositionen des Antezedens bewahrt, und daneben eine klassische Implikation, bei der Präsuppositionen keine Rolle spielen. Dasselbe gilt für die Disjunktion, für nicht-implikative Modaloperatoren, für Einstellungsverben usw. Wir würden uns damit eine Unmenge von systematisch mehrdeutigen Operatoren aufhalsen, bloß weil ein solcher klassischer mengentheoretischer Ansatz nicht dazu in der Lage ist, das Phänomen der Default-Annahmen, wie es sich aus der Abschwächung von Präsuppositionen ergibt, in allgemeiner Weise zu integrieren. Wir müssen daher abschließend festhalten, daß KVPs vielleicht Wahrheitsbedingungen festlegen können, aber grundsätzlich nicht dazu geeignet sind, die Projektionseigenschaften von Sätzen zu bestimmen, solange der Begriff der Kontextveränderung über die klassischen mengentheoretischen Operationen für Mengen von möglichen Welten (oder ähnlichem) definiert ist. Das Beste, was man erreichen kann, ist eine Analyse, die mit ganz vielen systematisch mehrdeutigen Operatoren beladen ist, die systematisch verschiedene Wahrheitsbedingungen haben. Jede derartige Lösung des Projektionsproblems braucht eine ‘ceteris-paribus-Präferenz’, die aus unabhängigen Gründen postuliert werden muß. Das
13. Präsuppositionen
veranschaulicht noch einmal, daß sich Präsuppositionsphänomene nicht so leicht in den Rahmen der herkömmlichen modelltheoretischen Semantik einpassen lassen. 5.5 Van der Sandt In Van der Sandts Präsuppositionstheorie (1982, 1988) wird über den Begriff der Textakzeptabilität in Verbindung mit dem Begriff der elementaren Präsupposition festgelegt, was die Präsuppositionen oder DAs komplexer Sätze sind. „AKZ(A,k)“ stehe für „der Satz A ist im Kontext k akzeptabel“ und „+“ bezeichne die Kontexterweiterung. Dann sind Präsupposition und Akzeptabilität folgendermaßen definiert: (66) A präsupponiert B im Kontext k genau dann, wenn B eine elementare Präsupposition von A ist und AKZ(A,k’), wobei k’ = k + B (67) AKZ(A,k) nur, wenn k ≠ A und k ≠ ﹁ A. Für bestimmte, eingeschränkte Klassen von komplexen Sätzen werden die folgenden zusätzlichen Akzeptabilitätsbedingungen unter Bezug auf die Grundbedingung (67) formuliert: (68) a. Wenn A nicht von der Form „B und C“, „B oder C“, „wenn B, dann C“ ist, und wenn A einen eingebetteten Satz D enthält, der weder das Objekt eines nicht-faktiven Einstellungsverbs noch eine elementare Präsupposition von A ist, dann gilt AKZ(A,k) nur, wenn AKZ(D,k). b. Wenn A von der Form „B und C“ ist, dann gilt AKZ(A,k) nur, wenn AKZ(B,k) und AKZ(C,k’), wobei k’ = k + B. c. Wenn A von der Form „B oder C“ oder „wenn B, dann C“ ist, dann gilt AKZ(A,k) nur, wenn AKZ(B,k) und AKZ(C,k). Die Bedingungen in (67) und (68) sind als notwendige Bedingungen formuliert; man muß sie möglicherweise verfeinern, um hinreichende Bedingungen zu erhalten (allerdings wird behauptet, daß sie jedenfalls für das Projektionsproblem hinreichend sind). Außerdem könnte man für andere Satztypen spezielle Definitionen benötigen. Also bilden Fälle, in denen eine Akzeptabilitätsbedingung verletzt ist, aber die Präsupposition erhalten bleibt, Gegenbeispiele. Wir werden unten sehen, daß es eine Klasse von Fällen gibt, die zeigen, daß die Bedingungen zu schwach sind. Diese wi-
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derlegen die Theorie nicht gänzlich, zeigen aber, daß man sie verstärken muß. Die beiden Grundbegriffe in dieser Theorie sind „elementare Präsupposition“ und „Textakzeptabilität“. Hinsichtlich der elementaren Präsuppositionen unterscheidet sich Van der Sandts Auffassung nicht wesentlich z. B. von der Auffassung Gazdars. Sein Akzeptabilitätsbegriff, wie er in, (67) und (68) festgelegt ist, leitet sich von einem allgemeinen pragmatischen Informativitätsprinzip her. Das zentrale Prinzip, welches die Projektionsphänomene erklärt, besteht aus diesem pragmatisch motivierten Begriff der Akzeptabilität im Kontext, dessen grundlegende Bestimmung (67) auf abgeleitete Bestimmungen wie in (68) übertragen wird. Diese Theorie gibt sich nicht-kompositional: der Präsuppositionsbegriff wird unter Bezugnahme auf einen gegebenen Kontext definiert. Es ist jedoch auch möglich, den gewohnten Begriff der ‘Präsupposition an sich’, d. h. einen kontextunabhängigen Begriff zu definieren. Man muß sich dazu überlegen, unter welchen Bedingungen eine elementare Präsupposition in keinem Kontext erhalten bleibt, also in jedem Kontext getilgt wird. Eine elementare Präsupposition B eines Satzes A wird getilgt, wenn es keinen Kontext k gibt, so daß AKZ(A,k’) gilt, wobei k’ = k + B. Daß es kein solches k gibt, ist nur dann sichergestellt, wenn die Abfolge „B und A“ selbst gemäß (67) inakzeptabel ist. Man betrachte z. B. die folgenden Sätze: (69) a. Hans hat Kinder, und seine Kinder sind in der Schule. b. Entweder hat Hans keine Kinder, oder seine Kinder sind in der Schule. Diese Sätze sind von der Form „P und QP“ bzw. „nicht-P oder QP“ (wobei „P“ für „Hans hat Kinder“ steht und „Q“ für „Die Kinder von Hans sind in der Schule“). In beiden Fällen wird die elementare Präsupposition P von Q getilgt, und zwar aufgrund der internen Inakzeptabilität von: (70) a. D* Hans hat Kinder, und Hans hat Kinder und seine Kinder sind in der Schule. b. D* Hans hat Kinder, und entweder hat er keine Kinder oder seine Kinder sind in der Schule. Dies wird durch (67) erklärt, wenn man davon ausgeht, daß der präsupponierte Satz P den Kontext k darstellt und das zweite Vorkommen von P in (70a), bzw. das Vorkommen von nicht-P im ersten Disjunktionsglied von
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(70b), für das A in (67) steht — unter Berücksichtigung der Regeln für die Konjunktion und die Disjunktion in (68b) bzw. (68c). Das erlaubt uns, (in Van der Sandts Sinn) zu sagen, daß ein Satz (oder seine Proposition) P genau dann eine ‘Präsupposition an sich’ eines Satzes Q ist, wenn P eine elementare Präsupposition von Q und „P und Q“ akzeptabel ist (d. h. es mindestens einen Kontext k gibt, in dem AKZ(P,k) und AKZ(Q,(k + P)) gilt.) Aus dieser Theorie folgt, daß ein Satz QP, aus dem P logisch folgt, in Kontexten, die nicht-P enthalten, inakzeptabel ist, denn aus solchen Kontexten folgt nicht-Q. Aber abgesehen von den Fällen, die von (68a—c) abgedeckt sind — und vielleicht noch einigen anderen — wird ein Satz QP, wo P keine Folgerung, sondern nur eine DA ist, in einem Kontext, der nicht-P enthält, nicht inakzeptabel. In solchen Kontexten wird die DA einfach getilgt, wie in (5 9a) oben. Man beachte, daß Sätze der Form „nicht-QP“ von (68a) abgedeckt werden: nicht-QP ist in genau den Kontexten akzeptabel, in denen QP akzeptabel ist. Diese Negation ist also präsuppositionserhaltend. Es ist darauf hinzuweisen, daß Van der Sandts Präsuppositionstheorie eine grundsätzliche Erklärung dafür hat, daß Sätze der Form „P und QP“ (z. B. (69a)) P nicht präsupponieren. Die Tilgung dieser Präsupposition ist für alle vorherigen Theorien — mit Ausnahme der von Stalnaker — ein Problem. In Stalnakers Theorie wird die Tilgung dadurch erreicht, daß man den Präsuppositionsbegriff auf Fälle einschränkt, in denen der vorangehende Kontext (und speziell das vorangehende Konjunktionsglied) die Präsupposition nicht bereits enthält. In Van der Sandts Theorie wird die Präsupposition getilgt, sobald ein Satz QP als „P und Q“ ‘ausbuchstabiert’ wird. Wie wir bereits erwähnt haben, hat diese Theorie mit gewissen, in systematischer Weise problematischen Fällen zu kämpfen. Die Bedingung (67) scheint zu schwach zu sein, denn es gibt inakzeptable Satzfolgen, die davon nicht erfaßt werden. Es stehe k für das erste Konjunktionsglied von (71) und A für das zweite: (71) D* Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber er hat Kinder. Gemäß (67) gilt dann AKZ(A,k), aber unsere Intuition sagt das Gegenteil. Es zeigt sich, daß — mit k wie oben — auch die Bedingun-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
gen (68a) und (68c) problematisch sind. Gemäß (68a) sollten (72a) und (72b) beide akzeptabel (oder inakzeptabel) sein, aber nur ersteres ist intuitiv akzeptabel, letzteres nicht. Das heißt, während AKZ(möglicherweise A,k) gilt, gilt nicht AKZ(A,k): (72) a. √ Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber vielleicht schlafen seine Kinder. b. D* Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber seine Kinder schlafen. Ähnlichen Ärger macht (68c), denn (73a) ist intuitiv akzeptabel, obwohl (73b) und (73c) nicht akzeptabel sind, wohingegen (68c) verlangt, daß alle drei Sätze den gleichen Akzeptabiltätsgrad haben. Das heißt, während AKZ((wenn A, dann B),k) gilt, gilt weder AKZ(B,k), noch AKZ(C,k): (73) a. √ Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber wenn er welche hat, werden wir sie finden. b. D* Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber er hat Kinder. (= (71)) c. D* Vielleicht hat Harald keine Kinder, aber wir werden sie finden. Diese Fälle zeigen, daß die Bedingung (67) noch genauer formuliert werden muß. Es sieht so aus, als ob (67) dann adäquat funktionieren würde, wenn man den Parameter k etwa in der folgenden Weise verstärkt. Dafür, daß ein Satz A in einem Kontext k akzeptabel ist, scheint es, neben der Bedingung, daß aus k weder A noch nicht-A folgen darf, eine weitere Bedingung zu geben. Diese weitere Bedingung verlangt, daß keine Kontexterweiterung von k dazu führen darf, daß eine benachbarte Erweiterung inakzeptabel wird (wobei es eine Aufgabe der empirischen Forschung ist, herauszufinden, wie strikt diese Nachbarschaftsbedingung gilt.) Diese zusätzliche Bedingung erklärt die Inakzeptabilität von (71), (72b), (73b,c): in all diesen Fällen fügt das zweite Konjunktionsglied dem Kontext eine Folgerung hinzu, die das erste Konjunktionsglied inakzeptabel macht. Bezeichnenderweise erzeugen (72a) oder (73a) keine solchen Folgerungen. Es ist eine interesssante Feststellung, daß diese Nachbarschaftsbedingung ihre offenkundige intuitive Anziehungskraft nicht von der Logik, sondern von dem psychologischen Faktor der Nähe herleitet. Der wesentliche Beitrag von Van der Sandts Theorie ist die Behauptung, daß die Antwort auf das Projektionsproblem in einer adäquaten Definition des Begriffs der Textakzeptabilität zu suchen ist. Diese Behauptung gründet auf der allgemeinen Regel (zu
13. Präsuppositionen
der es bislang keine Ausnahmen gibt), daß jeder Satz Q mit der elementaren Präsupposition P diese Präsupposition behält — sei es als Folgerung, d. h. als abgeleitete Präsupposition, sei es als Default-Annahme —, wenn die Abfolge „P und Q“ intuitiv akzeptabel ist. Die Frage ist also: Wie soll man „Akzeptabilität“ formal definieren? Und Van der Sandts Theorie liefert zumindest teilweise eine Antwort auf diese Frage. Van der Sandt vertritt eine konservative Position bezüglich der herkömmlichen modelltheoretischen Semantik und ihrer Beziehung zur Pragmatik. Daß er eine nicht-kompositionale Formulierung seiner Theorie vorzieht, ist vor diesem Hintergrund zu sehen: die übliche formale Semantik sollte hinreichen, wenn man sie um (eine nicht-kompositionale) Pragmatik erweitert. Gleichzeitig kommt jedoch, wie wir gesehen haben, der psychologische Aspekt zu kurz. Und es scheint, daß das theoretische Potential von Kontextphänomenen für die Semantik natürlicher Sprachen nicht genügend genutzt wird, wenn man die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Projektionsproblem richtet. Im folgenden Abschnitt wird es um einige neuere Arbeiten gehen, die sich darum bemühen, einen kontext- oder, wie wir auch sagen werden, diskursrelativen Präsuppositionsbegriff auszuarbeiten und ihn zu einer substantiellen, neuen Komponente einer vollständigen semantischen Theorie der Sprache zu machen, einer Komponente, die weder zur Modelltheorie noch zur Pragmatik gehört, aber beide entlastet.
6.
Der diskurstheoretische
Präsuppositionsbegriff 6.1 Allgemeines Fauconnier (1984, 1985 ) und Seuren (1985 ) stellen innerhalb der Präsuppositionsforschung eine neue Entwicklung dar, die die Vorgaben von Autoren wie Morgan, Stalnaker, Gazdar, Heim und Van der Sandt in der gleichen Richtung weiterführt. Fauconnier und Seuren betrachten die Kontextrelativität von Präsuppositionen als nur einen Aspekt der Rolle, die der Kontext bei der Interpretation von Äußerungen spielt. Ihrer Meinung nach gelangt man zu einer viel besseren Übereinstimmung von Theorie und Tatsachen, wenn man die übliche Aufspaltung in formale Semantik und Pragmatik aufgibt und durch
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ein neues Bild ersetzt. Dessen Hauptbestandteil ist ein System mentaler (d. h. psychisch realer) Diskursrepräsentationen, in denen der semantische Beitrag vorangehender Äußerungen gespeichert ist (und die auf Sprecher relativiert sind, falls es mehr als einen gibt). (Man muß davon ausgehen, s. Seuren 1985 : 322; Reichgelt 1985 , daß Diskursrepräsentationen, genau wie das gewöhnliche Gedächtnis, zeitlichen Einwirkungen unterliegen. Nach einer Weile werden einzelne Beiträge nicht mehr getrennt gehalten, und es kommt zu einer allgemeinen „Durchorganisierung“ oder „Integration“, bei der der ursprüngliche Input auf ein dauerhafteres Speicherformat gebracht wird. Die Fragen, die mit solchen Umwandlungen verbunden sind, werden wir hier nicht ansprechen.) Zentral ist die Behauptung, daß Diskursrepräsentationen oder Diskursbereiche (D) eine entscheidende Rolle im Interpretationsprozess spielen. Diese Behauptung gewinnt Substanz durch das Postulat, daß jeder D die Einführung von Unterbereichen (oder, wie Fauconnier sagt, von Unterräumen) erlaubt, in denen die durch den Diskurs gegebene Information gespeichert ist, die speziell diese Unterbereiche betrifft. Wenn also z. B. von einer Person namens Hans im Diskurs gesagt wird, sie glaube bestimmte Dinge, dann wird ein eigener Unterbereich oder Unterraum in D eingeführt, der das wiedergibt, was Hans laut Diskurs glaubt. Oder wenn von einer Proposition A gesagt wird, sie sei möglich, dann wird ein Unterraum eröffnet, der das repräsentiert, was als möglich bezeichnet wurde. Und wenn gesagt wird, daß sowohl A als auch nicht-A möglich ist, dann werden zwei Unterbereiche eingeführt, einer für A und einer für nicht-A. Der entscheidende Punkt liegt darin, daß dieser Mechanismus von Bereichen und Unterbereichen den ganzen Komplex intensionaler Phänomene abdecken soll, derentwegen „mögliche Welten“ zusammen mit der üblichen intensionalen Modelltheorie in die Semantik eingeführt wurden. Es wird, mit anderen Worten, behauptet, daß man in der Semantik natürlicher Sprachen einfach eine extensionale Modelltheorie verwenden sollte und die Behandlung von Intensionalitätsphänomenen der Theorie der Bereiche und Unterbereiche überlassen kann. Man braucht dann in der Semantik natürlicher Sprachen keine möglichen Welten mehr, denn ihre Rolle wird von Unterbereichen oder Unterräumen übernommen. Wir werden dieses neue semantische Paradigma als Diskurssemantik bezeichnen.
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Wenn ein Diskursbereich D durch die Äußerung eines Satzes AP erweitert wird, dann muß D außerdem entweder bereits den Beitrag von P, b(P), enthalten, oder b(P) wird nachträglich hinzugefügt. (Dies ist nichts anderes als das, was Lewis, Heim und andere „Akkommodation“ genannt haben, und es ist ganz im Sinn von Karttunen 1974, Gazdar, Van der Sandt und anderen.) In allen Fällen, in denen A » P und damit auch A ⊧ P gilt, zieht die Inakzeptabilität von P in D die von A nach sich. Wenn jedoch P nur eine DA von A ist (A 〉 P), dann gilt A ≠ P und es gibt einen eingebetteten Satz B, so daß B » P gilt. Nun kann D P „zurückweisen“, aber D muß deshalb nicht auch A zurückweisen. A wird in D solange akzeptabel bleiben, wie P (nachträglich) in den Unterbereich, zu dem BP hinzukommt, eingefügt werden kann. Im allgemeinen muß P im (Unter)bereich seines Trägersatzes akzeptabel sein. In allen Fällen, in denen A 〉 P, aber nicht A » P gilt, also P eine DA von A ist, gehört der eingebettete Satz BP zu einem intensionalen Unterbereich, und der komplexe Satz A bleibt solange in D akzeptabel, wie P im zu BP gehörigen Unterbereich akkommodiert werden kann. Wenn P in dem geeigneten Unterbereich keinen Platz findet, dann ist A tatsächlich inakzeptabel in D. So ist, um ein einfaches Beispiel zu geben, (74) a. D* Robert hat den Preis gewonnen, aber er denkt, er habe ihn nicht gewonnen, und er denkt, daß es mich ärgert, daß er ihn gewonnen hat. inkohärent oder inakzeptabel, weil die faktive Präsupposition von mich ärgern daß nicht in den Unterbereich dessen, was Robert glaubt, hineinpaßt. Fauconnier (1985 : 105 —108) stellt fest, daß es Fälle gibt, in denen P tatsächlich nicht in den Unterbereich von BP kommt, sondern zum (Unter)bereich von A: (74) b. Auf diesem Gemälde ist Gundula wieder hübsch. c. Hans hat gesagt, daß Harald auch betrunken war. Satz (74b) ist wahr, wenn Gundula früher hübsch war, aber es jetzt nicht mehr ist, und das Gemälde sie dennoch als hübsch darstellt. Satz (74c) ist wahr, wenn Hans nur gesagt hat, daß Harald betrunken war, Sprecher und Hörer aber wissen — oder für wahr halten —, daß ein anderer oder mehrere andere ebenfalls betrunken waren. Hier ist also die Präsupposition des eingebetteten Satzes nur im Bereich des übergeordneten Satzes erfüllt
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
und nicht im Unterbereich von BP. Diese Fälle sind für alle Theorien, die es gibt, problematisch, auch für die Diskurssemantik. Man beachte allerdings, daß nicht alle Präsuppositionen eine solche Behandlung zulassen. Ein Satz wie: (74) d. Hans hat gesagt, daß nur Harald betrunken war. erfordert, daß Hans unter anderem gesagt hat, daß Harald betrunken ist. Es gibt keine mögliche Interpretation im Sinne von „Harald war betrunken, wir wissen das, und Hans sagte, daß niemand betrunken war“. Wir befinden uns hier in einem noch unausgeloteten Bereich von Präsuppositionsphänomenen, und es gibt dort so viele Komplikationen, daß weitere Untersuchungen vonnöten sind. Theorien, die mit nur einem Bereich und nicht mit Unterbereichen arbeiten, sind grundsätzlich nicht in der Lage, Beobachtungen wie zu (74a) zu erklären. In dieser Hinsicht hat die Diskurssemantik gegenüber anderen nicht-intensionalen Kontexterweiterungssemantiken einen empirischen Vorsprung. Sowohl Fauconnier als auch Seuren postulieren ein funktionales P rinzip der maximalen Einheit von Diskursrepräsentationen. Daraus folgen hauptsächlich zwei Dinge. Erstens kann man auf Referenzpunkte („Adressen“), die in einen (Unter)bereich Dn eingeführt wurden, mit definiten Termen Bezug nehmen, die zu einem von Dn verschiedenen Bereich Dm gehören, mit m 〉 n. (n, m (n ≥ 0) kennzeichnen die Tiefe des (Unter)bereichs; D0 ist der „Wahrheitsbereich“, d. h. der Bereich, der all das enthält, worauf sich der Sprecher durch seine Äußerungen festgelegt hat.) Fauconnier bringt viele Beispiele dieses Typs: (75) Der kluge Junge ist dumm. Ein solcher Satz muß nicht widersprüchlich sein. Nehmen wir an, es geht um eine Erzählung. (75 ) kann dann so verstanden werden, daß der Junge, der in Wirklichkeit klug ist, in der Erzählung als dumm beschrieben wird, oder, daß der Junge, der in der Erzählung als klug beschrieben wird, in Wirklichkeit dumm ist. Laut Seuren (1985 : 429— 430) hat der Gebrauch des Verbs existieren mit einem definiten Subjektterm zur Bedingung, daß der Term eine Adresse bezeichnet, die in einem intensionalen Unterbereich eingeführt wurde; der Satz mit existieren als Hauptprädikat erzeugt dann eine entsprechende Adresse in dem Bereich, zu dem der Satz hinzugefügt wird (oder die Einführung
13. Präsuppositionen
einer solchen Adresse wird blockiert, nämlich dann, wenn es sich um einen negierten Satz handelt). Adressen (Referenzpunkte) werden so weit wie möglich auf intensionale Unterbereiche weitergegeben. Das heißt, sie haben die Tendenz, nach unten durchzusickern. Zweitens haben die Präsuppositionen eingebetteter intensionaler Sätze die Tendenz, sich von den Unterbereichen dieser Sätze aus nach oben in die von höheren Sätzen und selbst bis hin zum Wahrheitsbereich D0 auszubreiten. Wenn die Präsupposition keine Folgerung aus dem ganzen komplexen Satz ist, aber von D0 zugelassen wird, ohne den Gesamtsatz inakzeptabel zu machen, dann wird diese Präsupposition zu einer DA. Dieser Aspekt der Diskurssemantik liefert die Grundlage für ihre Lösung des Projektionsproblems. 6.2 Die diskurssemantische Lösung des Projektionsproblems Kontextuelle Akzeptabilität wird wie oben in (67) bestimmt, doch in Verbindung mit dem Nachbarschaftsprinzip. Damit wird also zwischen unmittelbarer und mittelbarer Akzeptabilität unterschieden; letztere ist wie in (67) charakterisiert, erstere durch (67) und das Nachbarschaftsprinzip. Wir werden die Notationen „AKZu(A,Dn)“ und „AKZm(A,Dn)“ für unmittelbare bzw. mittelbare Akzeptabilität verwenden. Einige Satzoperatoren stellen Bedingungen an die Einfügbarkeit ihrer Argumentsätze in den übergeordneten Bereich Dn. Diese Argumentsätze müssen daher in Dn wenigstens mittelbar akzeptabel sein. So ist ein Satz der Form „möglicherweise (AP)“ in Dn genau dann unmittelbar akzeptabel, wenn AP in Dn mittelbar akzeptabel ist. Für den Notwendigkeitsoperator hingegen muß man aufgrund intuitiver Akzeptabilitätsurteile fordern, daß „notwendigerweise (AP)“ in Dn genau dann (unmittelbar) akzeptabel ist, wenn AP in Dn unmittelbar akzeptabel ist. Auf ähnliche Weise kann man Akzeptabilitätsbedingungen für wenn, oder, und und nicht formulieren: (76) a. AKZu(möglicherweise(AP),Dn) gdw. AKZm(AP,Dn) b. AKZu(notwendigerweise(AP),Dn) gdw. AKZu(AP,Dn) c. AKZu(wenn AP, dann BQ,Dn) gdw. AKZm(AP,Dn) und AKZu(BQ,Dn + AP)
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d. AKZu(APoder BQ,Dn) gdw. AKZm(AP,Dn) und AKZu(BQ,Dn+nicht-AP), oder AKZm(BQ,Dn) und AKZu(AP,Dn+nicht-BQ) e. AKZu(APund BQ,Dn) gdw. AKZu(AP,Dn) und AKZu(BQ,Dn + AP) f. AKZu(nicht-AP,Dn) gdw. AKZu(AP,Dn) (76c) stimmt mit der üblichen Analyse von Konditionalsätzen wenn A, dann B überein, gemäß der die Abfolge A und B hinzufügbar sein muß. Manche Vorkommen von wenn A, dann B verlangen jedoch die Hinzufügbarkeit von B und A, wie in: (77) a. Wenn die Kinder von Hans schlafen, dann hat Hans Kinder. b. Wenn er sich in die Hand geschnitten hat, dann hat er das Glas zerbrochen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Typen von Konditionalsätzen wurde bislang noch nicht systematisch erforscht. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob in den B und A-Fällen der Konditionalsatz ein ‘Echo’ hat, d. h. als „Wenn es stimmt, daß A, dann B“ paraphrasiert werden kann. Der Notwendigkeitsoperator und die Konjunktion, deren Argumentsätze Folgerungen sind, erfordern unmittelbare Akzeptabilität für Einfügungen in Dn, wohingegen die Operatoren, deren Argumentsätze keine Folgerungen sind, nur mittelbare Akzeptabilität verlangen; nicht bildet hier die einzige Ausnahme und verlangt gleichfalls unmittelbare Akzeptabilität. (Wir werden später Argumente dafür betrachten, daß bei der Negation in (76f) die Präsuppositionen des negierten Satzes Folgerungen sind.) Dieser Unterschied ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß Folgerungen unmittelbare Akzeptabilität verlangen, wohingegen Operatoren, deren Argumente keine Folgerungen sind, das nicht fordern. Neben den obigen Operatoren gibt es solche, deren Semantik nicht die Akzeptabilität der eingebetteten Sätze im übergeordneten Bereich Dn, sondern nur im intensionalen Unterbereich Dm (m 〉 n) verlangt. Dazu gehören, wie man weiß, die Operatoren glauben, hoffen, erwarten, wünschen, sagen, erzählen, behaupten usw. Diese bauen einfach ihre intensionalen Unterbereiche auf, die beträchtlich von Dn abweichen können. Andererseits verlangen faktive oder antifaktive Prädikate, einschließlich der Perzeptionsverben, die unmittelbare Akzeptabilität
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der eingebetteten Sätze in Dn, weil diese Sätze (bzw. ihre Negationen) Folgerungen sind. Das Phänomen der Default-Annahmen läßt sich nun folgendermaßen erklären. Die Akzeptabilitätsbedingungen derjenigen Operatoren in (76), deren Argumentsätze keine Folgerungen sind, fordern (mittelbare) Akzeptabilität in Dn. Dn darf also nicht die Negationen der Präsuppositionen dieser Argumentsätze enthalten, und deswegen liegt die Annahme sehr nahe, daß diese Präsuppositionen wahr sind, wenn Dn und der hinzugefügte Satz wahr sind. Verben der propositionalen Einstellung oder des Sagens, die unabhängige Unterbereiche aufbauen, erzeugen nicht solche starken DAs. Dennoch stellt das oben erwähnte Prinzip der maximalen Einheit von Diskursrepräsentationen auch hier sicher, daß sich die Präsuppositionen der eingebetteten Sätze, wenn keine Widersprüche entstehen können, nach oben hin bis zu Dn ausbreiten — wo sie gegebenenfalls nachträglich eingefügt werden und damit eine schwächere Art von DAs erzeugen. Alle DAs, die starken wie die schwachen, werden getilgt, sobald unverträgliche DAs oder Folgerungen von anderen Quellen her in das gleiche Dn gelangen. Man beachte, daß eine aus einer anderen Quelle stammende unverträgliche Folgerung in Dn dazu führt, daß die Operatoren in (76) nicht verwendet werden können, da ihre Argumentsätze dann in Dn inakzeptabel sind. Aber inkompatible DAs aus anderen Quellen erzwingen nur, daß die Präsuppositionen innerhalb ihres eigenen intensionalen Unterbereichs bleiben. So ist (78a) ein inakzeptables Textstück, aber (78b) nicht; hier geht nur die DA, daß Hans Kinder hat, verloren, und der Möglichkeitsbereich im zweiten Konjunktionsglied enthält „vielleicht hat er Kinder und vielleicht sind sie in der Schule“: (78) a. D* Hans hat keine Kinder, aber vielleicht sind seine Kinder in der Schule. b. Vielleicht hat Hans keine Kinder, aber vielleicht sind seine Kinder in der Schule. Andererseits sind sowohl (78c) als auch (78d) akzeptabel, obwohl keine DA erhalten bleibt (vgl. (59a,b) oben): (78) c. Hans hat keine Kinder, aber er glaubt, daß seine Kinder in der Schule sind. d. Vielleicht hat Hans keine Kinder, aber er glaubt, daß seine Kinder in der Schule sind.
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Der Unterschied zu (78a,b) besteht hier darin, daß die Semantik des satzeinbettenden Operators glauben keine Bedingungen an die Einfügbarkeit des Argumentsatzes in den Bereich D0 stellt. 6.3 Prädikatbedingungen, Dreiwertigkeit und die Ambiguität von nicht Seuren (1985 , Kap.3) gibt eine ausführliche Begründung dafür, daß Präsuppositionen sich ganz allgemein aus Vorbedingungen herleiten, die semantisch an das höchste Prädikat des Trägersatzes geknüpft sind (vgl. Abschnitt 3 oben). Er behauptet, daß dies die strukturelle Grundlage aller Präsuppositionen ist, einschließlich der, die sich bei Spalt- und Sperrkonstruktionen oder bei nur, sogar und auch ergeben. Man braucht für diese Behauptung die grammatische Annahme, daß alle logischen und sonstigen nichtverbalen Operatoren in der semantischen Analyse Prädikate sind. Die Einzelheiten dieser grammatischen Theorie können wir hier jedoch nicht besprechen. Ebenso behauptet Seuren — aus Gründen, auf die wir gleich zu sprechen kommen —, daß die natürliche Sprache mit einer dreiwertigen Logik arbeitet, die zwei Negationen enthält. Die drei Wahrheitswerte sind wahr, minimal falsch und radikal falsch. Radikale Falschheit ergibt sich, wenn eine Vorbedingung des Hauptprädikats nicht erfüllt ist. Minimale Falschheit ergibt sich, wenn alle Vorbedingungen erfüllt sind, aber nicht alle Erfüllungsbedingungen (im strikten Sinn). Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, ist der Satz wahr. Minimale Falschheit bewahrt demnach Präsuppositionen. Minimale Falschheit wird mittels der minimalen Negation zu Wahrheit; diese Negation ist also gleichfalls präsuppositionserhaltend. Radikale Falschheit ist nicht präsuppositionserhaltend und wird mittels der radikalen Negation zu Wahrheit. Radikale Falschheit ist nicht dasselbe wie die klassische Negation, wie aus der Tafel (79) ersichtlich wird. Seuren behauptet, daß in der natürlichen Sprache nicht die klassische, sondern nur die minimale und die radikale Negation vorkommt. In (79) sind die Wahrheitstafeln für minimale Falschheit (~), für radikale Falschheit (≃), für die Konjunktion und für die Disjunktion gegeben — und obendrein auch für die klassische Negation ﹁, die nichts anderes als die Disjunktion (Vereinigung) von minimaler und radikaler Negation ist (1 steht für Wahrheit, 2 für minimale, 3 für radikale Falschheit):
13. Präsuppositionen
315
(79) ﹁A 2 1 1
≃A 2 2 1
~A 2 1 3
A 1 2 3
1 1 2 3
⋀B 2 3 2 3 2 3 3 3
1 1 1 1
∨B 2 3 1 1 2 2 2 3
Wie A. Weijters im Anhang zu Seuren (1985 ) zeigt, weicht diese Logik in keiner Weise von der klassischen zweiwertigen Logik ab, solange man nur die klassischen Operatoren (﹁, ⋀, ∨) verwendet. Seurens Begründung für die Dreiwertigkeit der natürlichen Sprache sieht folgendermaßen aus. Er macht zunächst eine Reihe von Beobachtungen, die zeigen, daß die Negation unter bestimmten grammatischen Bedingungen Präsuppositionen bewahrt (d. h. per se minimal ist), während sie in anderen grammatischen Umgebungen perse radikal ist (vgl. Seuren 1985 :228—238). Die nachstehenden Klassen enthalten Beispiele für Negationen, bei denen die Präsuppositionen erhalten bleiben: A. Morphologisch inkorporierte Negationen (z. B. un-, oder -los, wie in unmöglich oder erfolglos) bewahren präsuppositionale Folgerungen. Man vergleiche dazu (80a) mit (80b) (das Ausrufezeichen markiert wiederum Widersprüchlichkeit): (80) a. ! Stefans ältester Sohn war unhöflich. Er existiert gar nicht. b. Stefans ältester Sohn war NICHT höflich. Er existiert gar nicht. Nur morphologische Negationen, die in einen Existenzquantor inkorporiert sind, wie niemand oder niemals, fallen, wie (81a) und (81b) belegen, nicht unter dieses Prinzip: (81) a. Niemand hat hier zu rauchen aufgehört. Niemand hat hier je geraucht. b. Hans hat niemals seine Frau beleidigt. Er ist gar nicht verheiratet. B. Negationen in nicht-kanonischen Positionen. Unter der kanonischen Position der Negation verstehen wir im Deutschen die Position, bei der die Negation das Prädikat modifiziert. Negationen in anderen Positionen sind notwendigerweise präsuppositionserhaltend: (82) a. ! Nicht alle Geldschränke wurden aufgebrochen. Es gab gar keine Geldschränke. b. Tim hat NICHT alle Geldschränke aufgebrochen. Es gab gar keine Geldschränke. C. Nicht-extraponierte faktiv e Subjektsätze.
Man vergleiche das widersprüchliche (83a), in dem der faktive Subjektsatz nicht extraponiert ist, mit dem konsistenten (83b): (83) a. ! Daß sie schuldig war, überraschte ihn nicht. Sie war gar nicht schuldig. b. Es überraschte ihn NICHT, daß sie schuldig war. Sie war gar nicht schuldig. D. Spalt- und Sperrkonstruktionen. Sie bewahren Präsuppositionen unter Negation. Man vergleiche den grammatisch negierten Sperrsatz (84a) mit dem logisch negierten (84b): (84) a. ! Was er gesagt hat, war nicht „Hallo“. Er hat überhaupt nichts gesagt. b. Es stimmt nicht, daß, was er gesagt hat, „Hallo“ war. Er hat überhaupt nichts gesagt. E. Kontrastakzent: (85) a. ! Die NONNE hat keine Waffen geschmuggelt. Niemand hat Waffen geschmuggelt. b. Es stimmt nicht, daß die NONNE Waffen geschmuggelt hat. Niemand hat Waffen geschmuggelt. F. Negationen in nicht-behauptender Funktion. Wenn eine Negation in nicht-behauptender Funktion vorkommt, muß sie Präsuppositionen bewahren: (86) a. ! Der König von Frankreich scheint NICHT kahlköpfig zu sein. Es gibt gar keinen König von Frankreich. b. ! Ede hofft, daß seine Kinder NICHT schlafen. Er hat gar keine Kinder. c. ! Die meisten Geldschränke wurden NICHT aufgebrochen: es gab gar keine Geldschränke (Im letzten Beispiel befindet sich die Negation im Skopus des Quantors meistens.) G. Negationen mit negativ en Polaritätsausdrücken (NPAs). NPAs sind lexikalische Ausdrücke, idiomatische Wendungen oder Konstruktionen, die in einfachen Deklarativsätzen nur zusammen mit einer Negation oder einem negativen Adverb (kaum, nur) grammatisch sind. Beispiele im Deutschen sind brauchen, mehr („er kann nicht mehr“), einmal („er hat nicht einmal abgesagt“), etwas dafür können, etwas ausmachen usw. Bei einigen NPAs kann man die Negation durch die emphatische Partikel doch ersetzen. („Es macht mir DOCH
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etwas aus“, „Er kann DOCH etwas dafür“) Einige dieser NPAs sind faktive Verben und bieten sich daher für den Präsuppositionstest an: (87) a. Frieda kann DOCH etwas dafür, daß ihr Mann Alkoholiker ist. » Friedas Mann ist Alkoholiker. b. ! Frieda kann nicht etwas dafür, daß ihr Mann Alkoholiker ist. Er ist kein Alkoholiker. Es gibt möglicherweise weitere Verwendungsweisen der Negation, bei denen Präsuppositionen erhalten bleiben: bisher hat hier noch niemand einen vollständigen Überblick gegeben. Man weiß auch nicht, warum die Negation in den genannten Fällen per se Präsuppositionen bewahren sollte. Man kann also bislang nur die Tatsachen festhalten. Zum Ausgleich gibt es aber auch Verwendungen der Negation, bei denen Präsuppositionen eindeutig nicht bewahrt bleiben, nicht einmal als DAs. Alle Sprachen haben neben NPAs auch positive Polaritätsausdrücke (PPAs); im Deutschen gehören dazu z. B. ziemlich, kaum, mindestens, noch, schon, sogar usw. Genau wie bei den NPAs weiß man auch hier nicht, wie sich ihre syntaktischen und semantischen Eigenschaften erklären lassen; einige Beobachtungen sind bekannt, aber die ganze Wahrheit muß erst noch herausgefunden werden. (Vgl. Ladusaw 1980 und Zwarts 1986, die versuchen, das Verhalten von Polaritätsausdrücken über Folgerungsbeziehungen in Booleschen Algebren zu erklären. Aber in Anbetracht der vielen Gegenbeispiele, die es dazu immer noch gibt, vgl. Seuren 1985 : 241, muß man diese Versuche, so interessant sie auch sind, als vorläufig betrachten.) PPAs haben die Eigenschaft, einen sogenannten ‘Echo-Effekt’ hervorzurufen, wenn sie unter einer Negation stehen — so, als ob der unnegierte Satz gerade von jemand anderem geäußert worden wäre. Außerdem sind Negationen über PPAs präsuppositionslöschend, also radikal. Man betrachte dazu etwa das Satzpaar (88a,b). In (88a) erzeugt der NPA mehr die Präsupposition, daß das, was gesagt wird, früher so war, und behauptet, daß es jetzt nicht der Fall ist. In (88b) kommt die PPA noch vor, die die gleiche Präsupposition erzeugt, aber behauptet, daß sich nichts geändert hat. (88a) verlangt die Negation, weil mehr ein NPA ist. In (88b) ist die Negation möglich, aber nur die radikale. In beiden Sätzen wird die Präsupposition geleugnet, und das führt, wie vorhergesagt, dazu, daß (88a)
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
inkonsistent ist, (88b) aber konsistent bleibt: (88) a. ! Sie wohnt nicht mehr in Paris. Sie hat dort überhaupt nie gewohnt. b. Sie wohnt NICHT noch in Paris. Sie hat dort überhaupt nie gewohnt. Es wird nun begründet, daß es (mindestens) drei Wahrheitswerte geben muß, wenn man die Negation als wahrheitsfunktional betrachten will. Da es, wie wir gesehen haben, (a) viele Fälle gibt, in denen sowohl AP ⊧ P als auch nicht-AP ⊧ P gilt, ohne daß P eine notwendige Wahrheit ist, und (b) Falschheit von P nicht zu einer Wahrheitswertlücke für AP und nicht-AP, sondern zu deren Falschheit führt, ergibt sich, daß es mehr als zwei Wahrheitswerte geben muß: Neben dem Wert „wahr“ muß es (mindestens) zwei Werte „falsch“ geben, wenn man das Prinzip vom ausgeschlossenen Widerspruch retten will. Wenn es so ist, daß man Wahrheitswerte — so wie Gegenstände — nicht mehr als nötig vervielfältigen sollte, dann muß die Logik der natürlichen Sprache dreiwertig sein, oder die natursprachliche Negation ist nicht wahrheitsfunktional. Seuren behauptet, daß die Negation wahrheitsfunktional und zweideutig ist, nämlich für die minimale und für die radikale Negation stehen kann. Man könnte diese Schlußfolgerung vermeiden, wenn sich eine Analyse finden ließe, bei der der klasssischen Negation verschiedene Positionen zugewiesen und damit die beobachteten logischen Unterschiede erfaßt werden. Bislang hat aber noch niemand eine solche Analyse geliefert (vgl. Seuren 1985 : 235 —238; 260—266, wo einige Vorschläge dazu diskutiert werden). Seuren geht allerdings nicht auf Horn (1985 ) ein. Horn behauptet eine „pragmatische Ambiguität“ und unterscheidet zwischen einer gewöhnlichen (Seurens minimaler) Negation und einer metasprachlichen Negation, welche nicht nur alle Fälle von Seurens radikaler Negation abdecken würde, sondern auch Fälle wie: (89) Großmutter ist nicht abgekratzt, du ungezogenes Ding, — sie ist gestorben. Horns Aufsatz ist ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der Negation, und es sieht so aus, als ob metasprachliche Verwendungen der Negation in der Tat eine abgrenzbare Kategorie bilden würden. Zum Beispiel scheint die metasprachliche Negation auf kanonische Positionen beschränkt zu sein, so wie die radikale Negation (siehe oben, unter B). Dennoch ist es wohl nicht richtig, die
13. Präsuppositionen
beiden zu identifizieren, denn man kann (metasprachlich) sagen: (90) a. Daß sie schuldig war, ÜBERRASCHTE ihn nicht, es BRACHTE ihn GANZ AUSSER FASSUNG. b. Was er hat, sind nicht „fette Rinder“, sondern „nette Kinder“. In Anbetracht von C und D oben müssen diese Negationen als minimal und nicht als radikal betrachtet werden. Man beachte außerdem, daß der metasprachliche Gebrauch der Negation per se einen Kontrastakzent nach sich zieht; wenn es sich um die radikale Negation handeln würde, hätten wir daher einen Konflikt mit D. Es dürfte das beste sein, die metasprachliche Negation als gewöhnliche minimale Negation zu behandeln, die allerdings nicht den Inhalt des negierten Satzes bestreitet, sondern die sprachliche Angemessenheit eines verwendeten Ausdrucks. Um einer solchen Analyse Substanz zu geben, muß man allerdings eine Theorie der Anführung entwickeln. Präsuppositionen werden allerdings nicht von den logischen Eigenschaften von Sätzen bestimmt. Sonst hätte man nämlich, selbst mit einer dreiwertigen Logik, das absurde Ergebnis, daß jeder Satz alle Tautologien und ein Widerspruch alle Sätze präsupponiert. Präsuppositionen sind in Seurens Theorie keine logischen, sondern semantische Eigenschaften, deren Ursprung in den semantischen Einträgen lexikalischer Prädikate liegt. Die Logik wird als ein Epihänomen der Semantik betrachtet; diese definiert sowohl die Wahrheitsbedingungen als auch den Diskursbeitrag der Prädikate (ihr KVP in Heims Sinn). Der Diskursbeitrag der minimalen Negation ist eine Anweisung, die besagt, daß der negierte Satz aus Dn herauszuhalten ist. Für die radikale Negation erhalten wir gleichfalls eine Anweisung; sie besagt, daß das jeweilige Dn in Ordnung zu bringen ist und sicher gestellt werden muß, daß Dn ⊧ nicht-P (wobei P eine Präsuppositionen des negierten Satzes A ist). Die radikale Negation kann also nur dann angemessen verwendet werden, wenn die Präsupposition, die eliminiert werden soll, explizit angegeben ist, so wie oben in (80b), (81a,b), (82b), (83b) und (88b). Der negierte Satz AP ist dann a fortiori aus Dn ausgeschlossen. (Fauconnier schlägt eine andere Behandlung der Negation vor. Er behandelt sie als einen intensionalen Operator, der für das, was negiert ist, einen Unterbereich (Unterraum) einführt (oder fortführt). Es bleibt abzuwarten,
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welche der beiden Analysen — wenn überhaupt eine — die richtige ist.) Bei diesem Ansatz sollten die Akzeptabilitätsbedingungen für Sätze mit Satzoperatoren (so wie sie oben in (76) definiert sind) als etwas betrachtet werden, das sich aus dem Diskursbeitrag (d. h. dem KVP) der einzelnen Operatoren ergibt. Und idealerweise sollte sich der Diskursbeitrag aus der wahrheitskonditionalen Beschreibung der Operatoren herleiten. Hier ist die Reihenfolge der Ableitung also umgekehrt wie in Heim (1983b). Ein Satz der Form „NICHT-AP“ (d. h. mit radikaler Negation) hat jetzt in Dn die Akzeptabilitätsbedingung, daß b(AP) in Dn oder in einem Unterbereich von Dn vorkommen muß: (76) g. AKZu(NICHT-AP,Dn) gdw. Dm ⊧ AP (m ≥ n).
7.
Offene Fragen
Es bleibt immer noch eine erschreckende Liste von offenen Fragen übrig, von denen wir einige bereits angesprochen haben (vgl. die Bemerkungen zu den Beispielen (7d,e), (8c—f), (74b—d), (77a,b), (89—90))). Daneben ist noch das folgende zu erwähnen. Da gibt es als erstes das Problem der Negation. Man kann in Anbetracht der geschilderten Beobachtungen nicht vernünftigerweise daran zweifeln, daß die natursprachliche Negation über die klassische zweiwertige Negation der Logik nicht erschöpfend abgehandelt ist. Es scheint auch nicht wahrscheinlich, daß eine „pragmatische“ Ergänzung ausreichen wird. Man braucht eindeutig eine neue Bewertung der logischen und pragmatischen Merkmale der Negation und eine Untersuchung ihrer metasprachlichen Eigenschaften, denn sie ist, wie auf den vorangehenden Seiten klar wurde, offenbar aller Theorien Schreckgespenst. Dann haben wir das noch weitgehend ungelöste Problem, wie sich Präsuppositionen unter Quantoren verhalten. Um es in einfachen Worten zu sagen: während wir mittlerweile wohl eine Antwort auf die Frage haben, warum ein Satz wie: (91) Das Gespenst von Neuschwanstein hat ein Konto in Füssen. die Existenzpräsupposition verletzt, die von dem Prädikat ein Bankkonto haben erzeugt wird, gibt es keine grundsätzliche Antwort auf die Frage, warum ein Satz wie:
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
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(92) Einige Gespenster aus verschiedenen Schlössern haben ein Konto in Füssen. gleichfalls diese Präsupposition verletzt. Die zweite Hälfte von Heim (1983b) ist ein Versuch, dieses Problem zu lösen, aber man muß gerechterweise sagen, daß eine Lösung noch weit entfernt ist. Der nächste Problembereich betrifft die Syntax, die man für eine angemessene Behandlung der Präsuppositionsphänomene braucht. Wir haben es hier mit einer komplexen Problemstellung zu tun, die keineswegs trivial ist. Wie oben schon vermerkt wurde, brauchen wir eine Syntaxtheorie, die eine Trennung von Oberflächenform und semantischer Form ermöglicht. Der oben anhand der Sätze (20)—(24) besprochene Fall ist klar und aufschlußreich. Während die logische Negation von Sätzen wie (93a) oder (94a) durch (93b) bzw. (94b) gegeben ist, ist (95 b) nicht die logische Negation von (95a): (93) a. Alle Minister waren korrupt. b. Nicht alle Minister waren korrupt. (94) a. Nur der Innenminister war korrupt. b. Nicht nur der Innenminister war korrupt. (95) a. Sogar der Kultusminister war korrupt. [Even the Minister of Culture was corrupt.] b. Nicht einmal der Kultusminister war korrupt. [Not even the Minister of Culture was corrupt.] (95 a,b) ist insofern interessant, als der zweite Satz nicht die logische Negation des ersten ist, wie das bei (93) und (94) der Fall ist. Man kann (95 ) so paraphrasieren: „Der Kultusminister war korrupt, obwohl er der letzte ist, von dem man das erwarten würde“. Doch (95 b) entspricht „Der Kultusminister war nicht korrupt, obwohl er der erste ist, von dem man das erwarten würde“. Aber trotz dieses semantischen Unterschieds zwischen (95 ) auf der einen und (93) und (94) auf der anderen Seite sind die Sätze syntaktisch völlig analog konstruiert. Es ist klar, daß darin ein Problem liegt, und zwar ein Problem für die Syntax. (Das obige Beispiel ist nur eines von vielen; man könnte leicht weitere Beispiele anführen.) Schließlich bleibt noch die berechtigte Frage, welche anderen semantischen Eigenschaften es neben Folgerungen, Präsuppositionen und DAs (im obigen Sinn von „abgeschwächten Präsuppositionen“) geben
könnte. Es wird z. B. häufig die Meinung vertreten, daß ein Wort wie sogar keine Präsuppositionen erzeugt, sondern nur konventionale Implikaturen (Stalnaker 1974; Karttunen & Peters 1979). (95 a) gilt dementsprechend als wahr, wenn der fragliche Minister korrupt ist, ganz gleich, was man von ihm erwarten würde; man betrachtet den semantischen Beitrag von sogar nicht als Teil der Wahrheitsbedingungen. Doch sind die Meinungen zu diesem Punkt gespalten, und auch über die Frage, ob man noch andere Fälle auf diese Weise behandeln sollte, herrscht keine Einigkeit. In jedem Fall liegt hier die Beweislast bei denen, die wie Karttunen und Peters neue Unterscheidungen einführen. Diese müßten durch gute empirische Tests und eine solide formale Basis abgestützt werden. Eine nützliche Bibliographie zum Thema Präsuppositionen findet sich in Sag & Prince 1979. Ich bin Rob van der Sandt, Arnim von Stechow und einem anonymen Gutachter für nützliche kritische Bemerkungen, Anregungen und Vorschläge zu Dank verpflichtet.
8.
Literatur (in Kurzform)
Atlas 1977 · Barlow/Flickinger/Wescoat (eds.) 1983 · Bierwisch/Heidolph (eds.) 1970 · Boër/Lycan 1976 · Cole (ed.) 1978 · Cole (ed.) 1981 · Cole/ Morgan (eds.) 1975 · Comrie/Keenan 1979 · Davidson/Hintikka (eds.) 1969 · Fauconnier 1984 · Fauconnier 1985 · Fillmore 1971 · Fillmore/Langendoen (eds.) 1971 · Van Fraassen 1968 · Van Fraassen 1969 · Van Fraassen 1971 · Frege 1892 · Gazdar 1976 · Gazdar 1979a · Gazdar 1979b · Geach 195 0 · Geach 1969 · Geach 1972 · Grice 1975 · Grice 1981 · Heim 1983b · Hintikka 1962 · Horn 1969 · Horn 1972 · Horn 1985 · Kartunnen 1971 · Kartunnen 1973 · Kartunnen 1974 · Kartunnen/Peters 1979 · Keenan 1971b · Keenan/Comrie 1977 · Kempson 1975 · Kiparsky/Kiparsky 1970 · Kneale/Kneale 1962 · Ladusaw 1980 · Lambert (ed.) 1969 · Langendoen/Savin 1971 · McCawley 1981 · Morgan 1969 · Munitz/Unger (eds) 1974 · Nuchelmans 1973 · Oh/Dinneen (eds.) 1979 · Patzig (ed.) 1969 · Reichgelt 1985 · Russell 1905 · Sadock 1978 · Sag/Prince 1979 · Van der Sandt 1982 · Sellars 195 4 · Seuren 1985 · Soames 1979 · Soames 1982 · Stalnaker 1970 · Stalnaker 1973 · Stalnaker 1974 · Stalnaker 1978 · Steinberg/Jakobovits (eds.) 1971 · Strawson 195 0a · Strawson 195 2 · Strawson 1954a · Strawson 1964 · Wilson 1975 · Zwarts 1986
Pieter A. M. Seuren, Nijmegen (Niederlande) (übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Haas-Spohn)
14. Implikatur
319
14. Implikatur 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
4.3 5. 6.
Einleitung Grices Theorie der Implikatur Meinen Sagen und Implikieren Konventionale Implikatur Konversationale Implikatur Implikaturen, die weder konventional noch konversational sind Schematische Übersicht Unterscheidungsmerkmale Anwendungen der Theorie der Implikatur Die Semantik logischer Konstanten in der natürlichen Sprache Indirekte Sprechakte Präsupposition und die Grenze zwischen. Semantik und Pragmatik , Kritik an der Theorie der Implikatur Die Konversationsmaximen Die Konventional/konversational - Unterscheidung Gesagtes versus konventional Implikiertes Literaturempfehlungen Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitung
2.6 2.7 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2
Zu den Aufgaben einer Semantik für eine natürliche Sprache gehört es, die wörtliche Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke d. h. der Wörter, Wendungen und Sätze dieser Sprache anzugeben und zwar so, daß (I) die wörtliche Bedeutung eines komplexen Ausdrucks sich aus den wörtlichen Bedeutungen seiner Bestandteile und ihrer Anordnung (und schließlich aus einer endlichen Anzahl kleinster Bedeutungsbestandteile und deren Anordnung) ergibt und daß (Il) die wörtliche Bedeutung eines Satzes verständigungstheoretisch fruchtbar ist, d. h. möglichst viel Aufschluß darüber gibt, welche kommunikative Rolle die Äußerung dieses Satzes in einer Sprachgemeinschaft spielen kann, in der diese Sprache zum Zwecke der Verständigung benutzt wird. Diese Konzeption der Aufgaben einer Semantik rührt, was (I) angeht, von Frege her. Die Auflage (Il) ist von der sog. Gebrauchstheorie der Bedeutung inspiriert. Wittgensteins Spätwerk war hier von großem Einfluß; wirkungsvoller für die Linguistik war allerdings der Ansatz von Austin, der erstens den Begriff der Bedeutung - anders als Wittgenstein nicht zugunsten eines des Gebrauchs aufge-
ben, sondern den Bedeutungsbegriff gebrauchstheoretisch nutzbar machen wollte, 'und der zweitens die Umrisse einer systematischen Theorie entworfen hat, in der dies gelingen könnte. Frege beschränkte sich bei seinen Überlegungen (zur Grundlegung der Logik) zumeist auf Aussagesätze. Zu den hervorstechenden kommunikativen Rollen der Äußerung eines Aussagesatzes gehört es, daß damit Bedingungen kenntlich gemacht werden, unter denen mit der Äußerung etwas Wahres gesagt wird. Es ergibt sich mithin die weitere Auflage an eine Semantik, daß (IIl) die Bedeutung eines Aussagesatzes festlegt, unter welchen Bedingungen er wahr ist. Für das Folgende wird es weitgehend bei der Beschränkung auf Aussagesätze bleiben; aus Platzgründen werde ich trotzdem einfach "Satz" sagen. Worum es im weiteren an den Auflagen (I) bis (IH) gehen wird, ist: Die Semantik einer natürlichen Sprache soll die Wahrheitsbedingungen aller Sätze dieser Sprache kompositional spezifizieren und dabei möglichst fruchtbar sein für eine Theorie der Verständigung. Eine Verständigungstheorie (für eine gegebene Sprache) soll in systematischer Weise angeben, w'as ein (kompetenter) Sprecher, S, dieser Sprache mit der Äußerung eines bestimmten Satzes bei einer bestimmten Gelegenheit zum Ausdruck bringt, und was von seinem (verständigen) Adressaten, A, als vom Sprecher zum Ausdruck gebracht erfaßt wird. Nennen wir die Gesamtheit dessen, was mit . der Äußerung eines Satzes s unter kompetenten Sprachbenutzern bei einer Gelegenheit g zum Ausdruck gebracht und verstanden wird, den Äußerungsinhalt (von s bei g). Entsprechend mögen die Wahrheitsbedingungen, die von der wörtlichen Bedeutung von s bei g festgelegt werden, der Satzinhalt (von s bei g) heißen. Zum Äußerungsinhalt gehört also alles, was mit der Äußerung von s bei g inhaltlich übermittelt wird; zum Satzinhalt gehört nur das, was vom Satz selbst (bei der Äußerungsgelegenheit) dank seiner wörtlichen Bedeutung übermittelt wird. Mit einem Satz lassen sich nun sehr verschiedene Äußerungsinhalte zum Ausdruck bringen. Welche das sind, hängt von den Umständen der Äußerungsgelegenheit ab. Die Auswahl in Tabelle 14.1
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
320
bringt einige vertraute Beispiele. (Hinter der Aufteilung dieser Beispiele in vier Gruppen steht kein theoretisches Kriterium, sondern nur das Bemühen, verschiedene Grade der Entfernung zwischen dem jeweiligen Teil des Äußerungsinhalts und dem dazugehörigen Satzinhalt kenntlich zu machen. Bei Fällen, die zur ersten Gruppe zu rechnen sind, ist
diese Entfernung annähernd Null; in allen andern Fällen ist sie größer.) Es stellt sich hier die Frage, welche Äußerungsinhalte zum Satzinhalt zu rechnen sind, und aus der Antwort ergibt sich dann, was für ein Begriff der wörtlichen Bedeutung in einer Semantik zugrundezulegen ist. Es gibt hierbei zwei widerstreitende Grundtendenzen.
Satz
Besondere Merkmale der Äußerungssituation
Teil des Äußerungsinhaltes
A
Es regnet
-
~aß es (zum Zeitpunkt der Außerung in der Umgebung von S) regnet
B
Es regnet leider
-
Juhu, es regnet
-
H arveys Freund stammt aus KirdOlf Franz bedauert nicht, daß er sich so daneben benommen hat Edie war schön, aber unglücklich
-
daß S es bedauert, daß es regnet daß S sich darüber freut, daß es regnet daß Harvey einen Freund hat
Er blickte in ihr Dekollete und ihm wurde schwindlig Harvey ist in der Bar oder im Bett Selbst Michael hatte am Essen nichts auszusetzen
-
c
Es regnet Es regnet
D
Es regnet Es regnet leider
-
-
daß Franz sich danebenbenommen hat daß ein Kontrast zwischen Edies Schönheit und ihrem Unglücklichsein besteht daß er erst blickte und ihm dann schwindlig wurde daß S nicht weiß, wo Harvey ist daß Michael eher am Essen etwas auszusetzen hat als andere
begeisterte Tonlage (seitens S) betrübte Tonlage (seitens S)
daß S sich darüber freut, daß es regnet daß S es bedauert, daß es regnet
auf Ns Bitte hin, die Wäsche im Garten aufzuhängen auf Ns Bitte hin, die Wäsche im Garten aufzuhängen
daß S jetzt nicht die Wäsche im Garten aufbängen wird daß S es bedauert, jetzt nicht die Wäsche im Garten aufhängen zu können daß A sich ein Bier nehmen mag daß A seinen Fuß von S's Fuß nehmen möge daß es sich bei der Brünetten (soweit S weiß) nicht um Harveys Mutter oder Großmutter handelt a. daß S nichts Vorteilhaftes über Hubers fachliche Qualitäten sagen mag b. daß Huber fachlich nicht viel taugt
Bier steht im Kühlschrank
A lungert bei seinem Spezi S herum
Du stehst auf meinem Fuß
-
H arvey geht heute abend mit einer Brünetten aus
-
Herrn Hubers Schrift ist gut leserlich und seine Manieren sind vorzüglich
in einem Gutachten über Huber, in dem es um Hubers Berufung zum Philosophieprqfessor .geht und in dem nichts weiter über Huber gesagt wird
\
Tabelle 14.1: Beispiele für Äußerungsinhalt
321
14. Implikatur
Nach der einen von ihnen ist möglichst alles vom Äußerungsinhalt zum Sat;zinhalt zu rechnen, so daß eine Semantik allen Bestandteilen des Äußerungsinhalts (wie sie etwa in Tabelle 14.1 aufgeführt sind) Rechnung zu tragen hätte. Eine Semantik würde eine Verständigungstheorie (weitgehend) überflüssig machen. Die entgegengesetzte Tendenz hält möglichst alles im Äußerungsinhalt Enthaltene aus dem Satzinhalt heraus, was sich nicht trivial aus dem Satz selbst ergibt: und zwar dadurch ergibt, daß man den Satz in einen "daß ... " Satz umwandelt. Gemäß dieser zweiten Tendenz klaffen Semantik und Verständigungstheorie beliebig weit auseinander. Wenigstens Gruppe D unserer Beispiele in Tabelle 14.1 wirft offensichtlich kaum überwindbare Probleme für jede Konzeption auf, nach der eine Semantik für eine Sprache auch schon eine Verständigungstheorie für diese Sprache wäre. Denn die Beispiele in dieser Gruppe legen den Schluß nahe, daß sich mit einem beliebigen gegebenen Satz ein beliebiger Äußerungsinhalt ausdrücken läßt, weil sich immer Äußerungsgelegenheiten finden oder erfinden lassen, bei denen die Äußerung dieses Satzes Ausdruck jenes Inhalts wird. Bereits Freges (1892, 1918) Unterscheidung zwischen "Gedanke" und "Beleuchtung" zielt auf die Ausgrenzung eines möglichst engen Begriffs des Satzinhalts. Semantik in der Fregeschen Tradition beschränkt sich vornehmlich auf die Behandlung von solchen Komponenten des Äußerungsinhalts, die in Gruppe A unserer Tabelle hineingehören. Der Satzinhalt, der mit einer Äußerung zum Ausdruck gebracht wird, unterschreitet gemäß dieser Konzeption belie big weit den Äußerungsinhalt, und es stellt sich das Problem, wie man den Rest des Äußerungsinhalts in den theoretischen Griff bringt. Für eine Verständigungstheorie gibt es viel zu tun, selbst wenn semantisch alles gesagt und getan wäre. Eine sog. Gebrauchstheorie der Bedeutung würde die entgegengesetzte Richtung einschlagen: versuchen, den Satzinhalt bei möglichst jeder (sprachlich korrekten) Äußerung möglichst eng an den jeweiligen Äußerungsinhalt anzuschmiegen. Dabei ergibt sich ein Problem: Bei der Beschreibung der wörtlichen Bedeutung müßten sehr viele Vieldeutigkeiten der sprachlichen Ausdrücke postuliert werden. Denn wenn mit demselben Satz bei verschiedenen Gelegenheiten sehr verschiedene Äußerungsinhalte einhergehen, dann muß der Satz desto mehrdeutiger sein, je mehr Äuße-
rungsinhalte dem Satz zugerechnet werden. Das Verzeichnis der Bedeutungen der Grundausdrücke würde unabsehbar und unüberschaubar umfangreich werden. Und dadurch wiederum würde es rätselhaft, wie die Sprache . überhaupt erlernbar ist. Semantik und Verständigungstheorie hängen hier - gemäß gebrauchstheoretischem Postulat - zwar denkbar eng zusammen. Doch dieser enge Zusammenhang ist zunächst einmal. nichts als eine schöne Forderung. Wie sie im Rahmen einer glaubhaften Theorie - die insbesondere der Auflage (I) Rechnung trägt - einzulösen . wäre, ist schwer zu sehen. Wir können also zwei sprachphilosophische Richtungen unterscheiden: die FregeTradition, in der Semantik vornehmlich nach den Auflagen (I) und (IIl) konzipiert ist, d. h. kompositional und wahrheitsbezogen, was die wörtliche Bedeutung angeht. Dagegen steht die gebrauchstheoretische Richtung, die vornehmlich auf eine direkte Einlösung von (Il) ausgerichtet ist. Gebrauchstheoretischen Ansätzen stellt sich insbesondere (I) als Problem: Wie kann die unübersichtliche Mannigfaltigkeit der Äußerungsinhalte ein und desselben Satzes in eine kompositionale Bedeutungstheorie gebändigt werden? Der FregeTradition stellt sich (Il) als Problem: Wie kann die Kluft zwischen dem in dieser Tradition enggefaßten Satzinhalt und dem unbestreitbar viel weiteren Äußerungsinhalt im Rahmen einer Theorie überwunden werden? Die Theorie der konversationalen Implikatur von Paul Grice liefert einen Ansatz zur Lösung des Problems der Frege-Tradition: von einem enggefaßten Satzinhalt her auf einem systematischen (oder zumindest auf einem rational nachvollziehbaren) Weg einen inhaltlich anscheinend beliebig weit entfernten Äußerungsinhalt zu gewinnen.
2.
Grices Theorie der Implikatur
2.1 Meinen Grices Theorie der Implikatur ist Teil seiner Theorie des Meinens. Diese wiederum ist das Kernstück seiner Theorie rationaler Verständigung. Mit einer Handlung (insbesondere auch einer sprachlichen Äußerung) etwas meinen, das umfaßt bei Grice: mit der Handlung versuchen, dem Adressaten Gründe für eine Annahme oder Handlung seinerseits zu geben. (Im folgenden wird es nur um solche Fälle gehen, wo mit der Handlung Gründe für Annahmen gegeben werden.) Der für das
322
Meinen springende Punkt ist dabei, daß die Handlung, mit der etwas gemeint wird, diese Gründe nicht allein dank ihren natürlichen Eigenschaften bereitstellt, sondern nur dank des Umstands, daß sie solche Gründe bereitstellen soll (gleichgültig, welches ihre natürlichen Eigenschaften sind). Der Handlung für sich selbst, als natürliches Ereignis genommen, läßt sich nicht entnehmen, was der Adressat aus ihr entnehmen soll. Der Gedankengang, der den Adressaten zu dem vom Handelnden gewünschten Ergebnis führen soll, hat als eine unerläßliche Prämisse, daß der Handelnde mit der Handlung gerade dieses Ergebnis anstrebt. In einem einfachen Fall haben wir einen Handelnden (den Sprecher) S, einen Adressaten A, eine Handlung x, eine Proposition p, wobei x (oder S’s Vollzug von x) kein natürliches Zeichen für p ist: (1) S will mit x erreichen, daß A zu der Annahme gelangt, daß p; (2) S unterstellt, daß A angesichts von x (bzw. angesichts von S’s Vollzug von x) bemerkt, daß (1); und (3) S unterstellt, daß wenn A bemerkt, daß (1), er damit Grund hat zu glauben, daß p. Das Grundschema des Gedankengangs von A läßt sich dann so beschreiben: (0) S tut x. (1) Wenn S x tut, dann will er mich damit zu der Annahme bringen, daß p. (2) Wenn S mich zu der Annahme, daß p, bringen will, dann p. (3) p Baut S darauf, daß A auf so einem Weg von der Wahrnehmung der Handlung zur gewünschten Annahme (daß p) gelangt, dann vollzieht S x mit der Absicht, daß (i) A zu der Annahme gelangt, daß p; (ii) A zu der Annahme gelangt, daß S x mit der Absicht vollzieht, daß (i); (iii) die in (ii) bezeichnete Annahme A Grund für die in (i) bezeichnete Annahme gibt. Hat S diese drei Absichten, so meint er — im Sinne der Theorie von Grice — mit x, daß p. Dabei ist die für unsere Zwecke irrelevante weitere Voraussetzung beiseite gelassen, daß S mit seiner Äußerung gegenüber A gewisse arglistige Absichten nicht hegt. Es ist leicht zu sehen, daß mit sprachlichen Äußerungen bei ihrer Verwendung zu normalen Zwecken der Verständigung etwas im Griceschen Sinne gemeint wird. Nehmen wir an, daß A nicht weiß, wie das Wetter ist, und daß er glaubt, S wisse über das Wetter Be-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
scheid. Nehmen wir weiterhin an, daß A glaubt, daß S ihn nicht — was das Wetter angeht — hinters Licht führen will. Und nehmen wir schließlich an, daß S all dies weiß. Wenn S unter solchen Umständen A zu der Überzeugung bringen will, daß es regnet [Bedingung (i)], so mag er zu diesem Zweck den Satz Es regnet äußern (dieser Äußerung entspricht „x“ in den obigen Erläuterungen). Diese Äußerung hat, für sich genommen, nichts Regnerisches an sich; S macht diese Äußerung also nicht deshalb, weil er glaubt, daß A aus ihr unmittelbar entnehmen würde, daß es regnet (wie A dies etwa dann tun würde, wenn er Geräusche wahrnähme, die er für typische Regengeräusche hält). S macht diese Äußerung vielmehr deshalb, weil er glaubt, daß A aus ihr entnehmen wird, daß S ihn damit zu der Überzeugung bringen möchte, daß es regnet [Bedingung (ii)]. Und dies möchte S, weil er darauf vertraut, daß A ihn (zumindest in Hinsicht aufs Wetter) für informiert und aufrichtig hält, so daß A also — weil er merkt, daß S ihn glauben machen will, daß es regnet — einen guten Grund hat anzunehmen, daß es regnet [Bedingung (iii)]. Und genau deshalb wird A schließlich glauben, daß es regnet, wie S es will [Bedingung (i)]. Der Kreis schließt sich, und eine Überzeugung entsteht hier also aufgrund indirekter oder sekundärer Anhaltspunkte: A glaubt schließlich (wenn alles klappt), daß es regnet, aber nicht weil er irgendwie wahrgenommen hätte, daß es regnet, sondern weil er eine (hier eine sprachliche) Handlung von S wahrgenommen hat, in der nichts auf Regen hinweist, außer Ss Geisteszustand, der in der Handlung deutlich wird. Beim Griceschen Meinen wird also darauf abgezielt, eine Überzeugung (z. B. daß es regnet) rational hervorzurufen, obwohl das dazu benutzte Mittel (z. B. die Äußerung von Es regnet) kein unmittelbarer natürlicher Anhaltspunkt dafür ist, daß die betreffende Überzeugung inhaltlich zutrifft. Im einfachsten Falle treten beim Adressaten Annahmen über die Absichten, den Informationsstand und die Gutwilligkeit des Sprechers an die Stelle von Annahmen über rein naturgesetzliche Zusammenhänge, die auch ohne alles menschliche Dazutun bestehen. Dieser Mechanismus rationaler Beeinflussung kann auch außersprachlich und — allgemeiner gesagt — ohne die Zuhilfenahme konventional bedeutungsvoller Mittel in Gang gesetzt werden und ablaufen. Für das Gricesche Meinen bedarf es keiner vorab kon-
14. Implikatur
ventional etablierten semantischen Beziehung zwischen dem, womit gemeint wird, und dem, was gemeint wird. Ein schönes Beispiel dafür finden wir in einer Erzählung von J. L. Borges (sie trägt den Titel „Der Garten der Pfade, die sich verzweigen“). Da meint jemand mit einem Revolverschuß, den er in England abgibt, daß der britische Artilleriepark sich in einer bestimmten nordfranzösichen Stadt befindet; zwischen ihm und seinem Adressaten, der in Berlin sitzt, besteht keine Abmachung, dank der Revolverschüsse überhaupt etwas bedeuten, geschweige denn gerade diesen speziellen Inhalt haben. Dennoch gelingt die Verständigung, ohne nachgeschobenes Glossar oder dergleichen. Gemeinsame Interessen von Meinendem und Adressat, ähnlicher Sinn für das, was auffällig ist, beiderseitige Intelligenz und noch unüberschaubar viel anderes mehr — kurz, Übereinstimmungen der kognitiven Gestimmtheit — reichen aus, um Verständigung mit nicht-natürlichen Zeichen gelingen zu lassen. Auch sprachliche Verständigung beruht auf dieser Grundlage — das ist ein Grundgedanke von Grices Sprachphilosophie. Sprachliche Verständigung ist zwar insofern konventional, als ihr Medium es ist. (Zu einer Sprache gehören per definitionem Ausdrücke mit wörtlicher Bedeutung; und wörtliche Bedeutung ist eine konventional verfestigte Beziehung zwischen dem, womit gemeint wird, und dem, was gemeint wird.) Aber sprachliche Verständigung ist insofern nicht wesentlich konventional, als solcherlei Verständigung auch ohne Konventionen gelingen kann. Zudem wird bei sprachlicher Verständigung systematisch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit den konventionalen Mitteln auch außerkonventionale Verstehenseffekte zu erreichen. Darum wird es im Folgenden gehen; die Theorie der Implikatur ist ein Teil der Theorie des Meinens, und zwar solcher Fälle, in denen etwas mit sprachlichen Äußerungen gemeint wird. 2.2 Sagen und Implikieren Die Gesamtheit dessen, was ein Sprecher mit einer sprachlichen Äußerung meint, zerfällt nach Grice in das, was mit ihr gesagt wird, und das, was mit ihr implikiert wird. Was mit ihr gesagt wird, ergibt sich aus der wörtlichen (bei Grice: der „konventionalen“) Bedeutung des geäußerten Satzes durch Desambiguierung und Bezugsbestimmung; ist aus den Lesarten eines mehrdeutigen Satzes die in der Äußerung gemeinte Lesart ausgesondert, und ist der Bezug aller bezugnehmenden Aus-
323
drücke (einschließlich der kontextabhängigen) bestimmt, so liegt fest, was der Sprecher mit der Äußerung gesagt hat. (Dem Gesagten entspricht in Austins Zerlegung des Sprechaktes das sog. Rhem und bei Frege der mit dem Satz ausgedrückte Gedanke.) Alles, was über das Gesagte hinaus mit der Äußerung gemeint wird, ist das Implikat der Äußerung. Entscheidend für den Unterschied zwischen Gesagtem und Implikiertem ist, wie der Adressat aufgrund der Äußerung zu der betreffenden Annahme gelangen soll. Und zwar kommt es dabei darauf an, wie er jeweils Prämisse (1) des Grundschemas stützen soll. Wenn mit der Äußerung eines Satzes s gesagt wird, daß p, dann baut der Sprecher darauf, daß der Adressat etwa so folgert: sagen, daß p s hat die Bedeutungen b, b1 ..., bn S benutzt s in einer der Bedeutungen von s S benutzt s nicht in den Bedeutungen b1, ..., bn S benutzt s in der Bedeutung b b bestimmt in der gegebenen Situation den Sachverhalt, daß p (1) Wenn S (in der gegebenen Situation) s äußert, dann will er mich damit zu der Annahme bringen, daß p. Wenn der Adressat so schließt (und im Rahmen des Grundschemas bis zu p weiterfolgert), dann stützt er Prämisse (1) des Grundschemas durch Annahmen über die Bedeutung des geäußerten Satzes; und weil er schließlich, auf diesem Weg, zu der Annahme gelangt, daß p, und p im Einklang mit der Bedeutung des geäußerten Satzes steht, hat der Sprecher mit seiner Äußerung gesagt, daß p — vorausgesetzt natürlich (und das ist wesentlich für Grice), der Sprecher baut bei seiner Äußerung auf all dies. Es ist hier eine Bemerkung zwischendurch am Platze. Diese Schlüsse, die der Adressat ziehen soll und die der Sprecher also antizipiert, wirken ein bißchen kompliziert und würden erst recht so wirken, wenn sie einigermaßen vollständig entfaltet würden. Es sieht so aus, als müsse ein Sprecher eine Phase intrikater Planung durchlaufen, bis er schließlich etwas — im Griceschen Sinne — sagen kann. Der naheliegende Einwand — daß kaum jemand so räsonniert, bevor er den Mund aufmacht, um etwas zu sagen — vermag der Theorie von Grice allerdings nichts anzuhaben. Sie soll keine psychologische Rekonstruktion sprachlicher Verständigung ab-
324
geben, sondern eine rationale. Einer solchen Rekonstruktion ist es nicht darum zu tun, was im Bewußtsein von Sprecher und Adressaten bei sprachlicher Verständigung nun genau vor sich geht, sondern darum, wie sich das, was auch immer da vor sich geht, als ein rationaler Prozeß (nach Maßgabe der uns verfügbaren Modelle von Rationalität) darstellen läßt. Natürlich darf so eine Rekonstruktion mit den psychologischen Daten nicht unvereinbar sein — es darf beispielsweise nichts psychologisch Unmögliches oder Überflüssiges in ihr postuliert werden —, aber sie steht auch nicht unter dem Diktat einer introspektiven Datenerhebung, in der es Annahmen, Wünsche und Folgerungsschritte nur gibt, wo sie „erlebt“ werden. Grice entwickelt eine Theorie der sprachlichen Verständigung, soweit sprachliche Verständigung eine Form rationaler Beeinflussung ist — und zwar beiderseits: auf seiten des Sprechers ist dies ein rational gesteuerter Beeinflussungsversuch und auf seiten des Adressaten ein rational überwachtes Beeinflußtwerden. Daß es solch ein (rationaler) Aspekt unseres gewöhnlichen Redens ist, dem sich der Äußerungsinhalt verdankt, diese Auffassung liegt der Theorie von Grice zugrunde. Nur wenn der Anspruch auf Rationalität preisgegeben oder eine Theorie der Rationalität entwickelt wird, die nicht auf Annahmen, Wünsche und Folgerungen zurückgreift, läßt sich der von Grice entwickelte Ansatz verwerfen. Wird mit der Äußerung eines Satzes s implikiert, daß p, dann baut der Sprecher darauf, daß der Adressat Prämisse (1) des Grundschemas stützen kann, ohne dabei anzunehmen, daß p (in der gegebenen Situation) durch einen wahrheitskonditionalen Bestandteil der Bedeutung von s bestimmt wird. Dabei sind erst einmal zwei Fälle zu unterscheiden: (a) S sagt mit s gar nichts (sondern implikiert nur, daß p); (b) S sagt mit s irgendetwas (aber etwas anderes als p). Ein Beispiel für den ersten Fall: A ist hereingelegt worden, weiß aber nicht, von wem. Er fragt S, ob S an der Sache beteiligt war. S skandiert in kindlicher Intonation den Satz Ich bin klein (obwohl er — auch für A unübersehbar — recht groß ist), weil er annimmt, daß A daraufhin die zweite Zeile des Kindergebetreims (Ich bin klein) Mein Herz ist rein einfällt. S meint mit seiner Äußerung dann nicht, daß er klein ist; also sagt er mit seiner Äußerung nichts. Vielmehr implikiert er bloß, daß er mit der Sache nichts zu tun
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
hat. Die meisten von Grice und in der sonstigen Literatur behandelten Fälle sind von der Art (b). Ein typisches Beispiel geben die starken Untertreibungen ab: Jemand äußert den Satz Die Eintracht Frankfurt wird heuer wohl nicht deutscher Meister und implikiert damit, daß diese sympathische Mannschaft Glück hat, wenn sie nicht absteigt. Der Sprecher meint, was der Satz bedeutet; also sagt er es — aber angesichts des allgemein bekannten Tabellenstandes (zwei Spieltage vor Saisonende) meint er noch etwas mehr, und das implikiert er demzufolge. — Alle indirekten Sprechakte im Sinne Searles (1975 a) gehören in die Rubrik (b) des Implikierens. 2.3 Konventionale Implikatur Grice unterscheidet nun darüberhinaus verschiedene Formen der Implikatur. Konventionale Implikaturen rühren von der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes her, gehören aber nicht zu dem, was mit der Äußerung gesagt wird. Der Standardtest für die Unterscheidung zwischen Gesagtem und Implikiertem ist die Anwendbarkeit des modus tollens: zum Gesagten gehören nach Grice nur solche Inhalte, aus deren Falschheit sich ergibt, daß etwas Falsches gesagt worden ist. Das Implikat hingegen muß immer falsch sein können, ohne daß das Gesagte falsch ist. In derselben Weise hat bereits Frege (1918) zwischen dem vom Satz ausgedrückten Gedanken und den bloß angedeuteten Bestandteilen des Satzinhaltes unterschieden. Es gilt also: Nur das, was wahr sein muß, damit nicht falsch ist, was gesagt wird (vorausgesetzt, es wird etwas gesagt), gehört zum Gesagten; was sonst noch allein von der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes her in den gemeinten Äußerungsinhalt hineingebracht wird, ist konventional implikiert. Mit der Äußerung von (4a) bzw. (4b) wird nach Grice jeweils dasselbe gesagt: (4) a. Edie war schön, und sie war reich b. Edie war schön, aber sie war reich denn was nach Grice (und auch nach Frege) damit gesagt wird, ist höchstens dann falsch, wenn Edie nicht schön oder nicht reich war. Wer den zweiten Satz äußert, gibt damit allerdings unweigerlich auch zu verstehen, (daß er glaubt,) daß irgendetwas Edies vormalige Schönheit in einen Kontrast dazu setzt, daß sie reich war. (Dieser Kontrast mag darin bestehen, daß zuvor gesagt wurde, sie sei
14. Implikatur
schön und arm gewesen.) Wer den ersten Satz äußert, tut das nicht. Das Fehlen solch eines Kontrasts widerlegt nach Grice nicht, was mit der Äußerung des zweiten Satzes gesagt wurde: Die Äußerung ist vielleicht irgendwie unangemessen oder schräg, aber es wurde mit ihr etwas gesagt, was dennoch deswegen nicht falsch ist. Die Bezeichnung „konventionale Implikatur“ rührt daher, daß das Implikat durch die konventionale (d. h. wörtliche) Bedeutung des Wortes aber hervorgerufen wird. Es bedarf nichts weiter als einer Kenntnis der Sprachkonventionen, um zu erkennen, daß mit der Äußerung des zweiten Satzes gemeint wird, daß ein Kontrast zwischen Edies Schönheit und ihrem Reichtum besteht, obwohl mit der Äußerung — laut Grice — nicht gesagt wird, daß ein solcher Kontrast besteht. Was eine konventionale Implikatur von einer semantischen Präsupposition (falls es so etwas gibt) unterscheidet, ist folgendes: wenn das konventionale Implikat falsch ist, kann das Gesagte dennoch ganz klar falsch sein; hingegen wäre nichts gesagt worden — oder das Gesagte wäre wahrheitswertlos —, wenn das semantisch Präsupponierte falsch ist. 2.4 Konversationale Implikatur Konventionale Implikaturen sind die Bestandteile des Äußerungsinhaltes, die sich zwar aus der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes ergeben, die aber nicht zum Gesagten zu rechnen sind. Sie zu erfassen, bedarf es nur der Sprachbeherrschung. Nichtkonventionale Implikaturen ergeben sich nicht allein aus der Satzbedeutung; sie zu erfassen, verlangt vom Adressaten außersprachliche Erwägungen. Solche Erwägungen können von ganz verschiedenen Merkmalen der Äußerung und des Rahmens, in dem sie getan wird, ausgelöst werden. Grices Theorie der konversationalen Implikatur beschränkt sich auf die Behandlung solcher Fälle, in denen die Annahme, daß der Sprecher mit seiner Äußerung kooperiert (d. h., grob gesagt, daß er einen sinnvollen Gesprächsbeitrag machen will), den Schlüssel dafür liefert, was er mit seiner Äußerung implikiert. Es gibt Implikaturen, die anders funktionieren — die sich nicht allein aus dieser Annahme erschließen lassen —, sie sind weder konventionale noch konversationale Implikaturen und werden kurz im nächsten Abschnitt behandelt. Konversationale Implikaturen sind in Situationen angesiedelt, in denen wenigstens zwei Personen miteinander reden, wobei ih-
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nen einigermaßen klar ist, was der Zweck und welches die Umstände ihres Gespräches sind (ob sie beispielsweise bloß eilig einen unvermeidlichen Plausch bei einer zufälligen Begegnung absolvieren oder unter Zeitdruck ein gemeinsames Abendessen planen oder mit Muße ihre Einschätzung eines Films vergleichen oder eine heftige Diskussion über die Beurteilung einer bestimmten Verhaltensweise haben). Darüber hinaus sei jeder der Beteiligten, zumindest was das Gespräch angeht, auf Kooperation bedacht, jedenfalls in dem Sinne, daß er das Prinzip beachtet: „Rede so, wie es dem Gespräch, an dem du teilnimmst, gerade angemessen ist!“ Dies alles wiederum sei gemeinsames Wissen unter den Gesprächsteilnehmern: Jeder nimmt an, daß es sich so verhält; jeder nimmt an, daß auch die andern dies annehmen; keiner nimmt an, daß einer der andern irgendetwas von alledem in Zweifel zieht, und so weiter. Was sich aufgrund dieser Gegebenheiten (über das Gesagte und das konventional Implikierte hinaus) an mit einer Äußerung Gemeintem erfassen läßt, ist eine konversationale Implikatur der Äußerung. Das Kooperationsprinzip — so zu reden, wie es angesichts des Gesprächszwecks und Gesprächsstandes angemessen ist — wird von Grice (1975 ) in vier Hinsichten näher spezifiziert. In lockerer Anlehnung an Kants Kategorien nennt er diese Hinsichten Quantität, Qualität, Relation und Modalität und ordnet ihnen folgende Konversationsmaximen zu: Quantität: 1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig. 2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig. Qualität: Versuche deinen Beitrag so zu machen, daß er wahr ist. 1. Sage nichts, was du für falsch hältst. 2. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen. Relation: Sei relevant. Modalität: Sei klar. 1. Vermeide Dunkelheit des Ausdrucks. 2. Vermeide Mehrdeutigkeit. 3. Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit). 4. Der Reihe nach!
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Grice beansprucht für diese Sammlung von Konversationsmaximen weder Vollständigkeit noch wechselseitige Unabhängigkeit. Grice gibt keine Definition für konversationale Implikaturen, und auch die folgende Erläuterung soll bloß eine abschließende Zusammenfassung einiger wichtiger Merkmale sein, wobei ein normaler Gesprächskontext vorausgesetzt wird. Daß ein Inhalt p mit einer Äußerung x konversational implikiert wird, besagt in etwa, daß (i) der Sprecher mit x weder sagt noch konventional implikiert, daß p; (ii) x sich aber nur dann (oder: am besten dann) als in Einklang mit den Konversationsmaximen auffassen läßt, falls der Sprecher mit x auch meint, daß p; und (iii) der Sprecher mit x meint, daß p, wobei er u. a. gerade darauf spekuliert, daß der Adressat bemerkt, daß (ii). Die Paradefälle konversationaler Implikatur ergeben sich da, wo die Äußerung aufgrund ihrer konventionalen Beschaffenheit allein kontextuell unangemessen wäre (d. h. gegen wenigstens eine der Maximen verstieße). Der Sprecher baut darauf, daß der Adressat jetzt versucht, die Äußerung nun doch so zu verstehen, daß sie kein Verstoß gegen die Konversationsmaximen ist, und daß er dadurch das Implikat erfaßt. Grice nennt dieses Verfahren Ausbeutung der Maximen, gegen die scheinbar verstoßen wird. Mit der Ausbeutung lassen sich nach Grice eine Menge geläufiger Phänomene sprachlicher Verständigung erklären, die von einem rein semantischen Blickpunkt aus Schwierigkeiten bereiten: die Äußerung von Tautologien, von Mehrdeutigkeiten und von offenkundig falschen Sätzen (Ironie, Metapher, Litotes, Hyperbel); hierher gehört auch unser obiges Beispiel mit Ich bin klein und vieles andere mehr. All diese Fälle gehören in den Bereich dessen, was Grice spezialisierte konversationale Implikaturen nennt: Es bedarf spezieller Merkmale der Äußerungssituation, um das jeweilige Implikat zu erschließen. Generalisierte konversationale Implikaturen liegen — im Gegensatz zu den spezialisierten — da vor, wo die Implikatur normalerweise mit der Äußerung einhergeht, wo kein Verstoß gegen die Konversationsmaximen wahrgenommen wird, weil das Implikat mitverstanden wird, sich aber ein solcher Verstoß ergäbe, wenn das Implikat nicht auch gemeint wäre. (Die Äußerung von Im letzten Jahr habe ich zwei silberne Feuerzeuge verloren hat als generalisierte konversationale Implikatur, daß es eigene Feuerzeuge waren; würde dies nicht gemeint, läge — unter gewöhnlichen Umständen — ein Verstoß gegen die erste
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Maxime der Quantität vor.) 2.5 Implikaturen, die weder konventional noch konversational sind In diese Kategorie fallen Implikaturen, die sich von den konversationalen darin unterscheiden, daß andere Maximen (als die Konversationsmaximen) bei dem Schluß auf das Gemeinte eine Rolle spielen. Maximen der Moral, einer Religion, der Höflichkeit, der Feierlichkeit usw. können natürlich in der gleichen Weise wie die der Konversation für die Interpretation einer Äußerung relevant werden. Wer z. B. bei einem feierlichen Anlaß unfeierlich spricht, kann damit vielerlei implikieren. Grice behandelt diese Implikaturen nicht, sondern berücksichtigt sie in seiner Theorie nur durch Erwähnung. Es findet sich in seinen Arbeiten auch kein Kriterium zur Unterscheidung zwischen Konversationsmaximen und andern Maximen. Doch der Leitgedanke bei der Unterscheidung ist ziemlich klar: zu den Konversationsmaximen gehören nur die Prinzipien, die jede vernünftige Verständigungspraxis leiten, jedenfalls soweit es in ihr um die charakteristischen Zwecke sprachlicher Verständigung (wie z. B. möglichst effektiven Informationsaustausch) geht. 2.6 Schematische Übersicht
Abb. 14.1:Einteilung der Implikate
2.7 Unterscheidungsmerkmale Linguistisch relevant ist insbesondere die Unterscheidung zwischen Satzinhalt (also den konventionalen Bestandteilen des Äußerungsinhaltes) und nicht-konventionalen Implikata. Angenommen, die Proposition p gehört normalerweise zum Äußerungsinhalt des Satzes s; wie läßt sich nun entscheiden, ob p zur wörtlichen Bedeutung von s zu rechnen ist — der Zusammenhang von s und p also, prima
14. Implikatur
facie, von einer Semantik zu beschreiben und zu erklären ist — oder nicht? Grice (1961, 1975 , 1978, 1981) erwähnt und diskutiert mehrere Anhaltspunkte, von denen die drei wichtigsten erwähnt seien. 1. Ein nicht-konventionales Implikat ist häufig nicht abtrennbar; d. h. ein nicht-konventionales Implikat hat die Tendenz, erhalten zu bleiben, wenn man mit andern Worten dasselbe sagt. Falls sich also das Gesagte mit ganz verschiedenen Worten sagen läßt, in allen Formulierungen aber dieselbe Implikatur vorliegt, dann ist dies ein Indiz dafür, daß es sich um eine nicht-konventionale Implikatur handelt (denn offenbar rührt sie nicht von der konventionalen Bedeutung einzelner Wörter her). 2. Ein nicht-konventionales Implikat ist stornierbar, d. h. der fragliche Satz kann geäußert werden, ohne daß die betreffende Proposition implikiert wird. So kann man beispielsweise sagen Im letzten Jahr habe ich zwei silberne Feuerzeuge verloren, ohne damit zu implikieren, daß es eigene Feuerzeuge waren. Beispielsweise kann man der Äußerung die Bemerkung hinzufügen Allerdings waren es nicht meine eigenen (explizite Stornierung). Es kann auch Äußerungsgelegenheiten geben, wo die Implikatur einfach aufgrund gewisser Kontextmerkmale nicht entsteht (kontextuelle Stornierung); z. B. mag es in dem Gespräch gerade darum gehen, wie peinlich es ist, Dinge zu verlieren, die einem nicht gehören. 3. Ein konversationales Implikat ist herleitbar, d. h. es läßt sich jeweils mit Hilfe der Konversationsmaximen und andern Merkmalen der Äußerungssituation erklären, wie die Implikatur im einzelnen zustandekommt, wie also der Sprecher plausiblerweise darauf bauen kann, in der gewünschten Weise verstanden zu werden. Keiner dieser Anhaltspunkte ist ein endgültiger Test, wie Grice selbst wiederholt betont. Es findet sich im Rahmen von Grices Theorie mithin kein scharfes Kriterium für die Unterscheidung zwischen konventionalen und nicht-konventionalen Bestandteilen des Äußerungsinhaltes. Die Unterscheidung zwischen Gesagtem, konventionalem Implikat und generalisiertem konventionalen Implikat läßt unübersehbar viele Zweifelsfälle offen. Grice (1978) selbst empfiehlt in Zweifelsfällen die Anwendung der methodologischen Maxime, nicht mehr konventionale Bedeutungen anzunehmen als nötig. Doch natürlich läßt
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auch diese Maxime aufgrund der ihr innewohnenden Vagheit noch viel Spielraum für Zweifelsfälle.
3.
Anwendungen der Theorie der Implikatur
Ursprünglich hat Grice (1961) seine Theorie der Implikatur auf ein philosophisches Problem der Wahrnehmungstheorie angewandt; ich werde mich hier aber auf Anwendungsfälle in der Linguistik und Sprachphilosophie beschränken und auch die in Abschnitt 2.2 bereits erwähnten Phänomene nicht-wörtlicher Sprachverwendung beiseite lassen. 3.1 Die Semantik logischer Konstanten in der natürlichen Sprache (a) Grice (1975 ) hat zu zeigen versucht, daß natursprachliche Ausdrücke wie nicht, oder und falls sich semantisch nicht von der Negation, der Adjunktion bzw. dem Konditional (in ihrer logischen Standardinterpretation) unterscheiden. Laut Grice sind diese Ausdrücke auch in der natürlichen Sprache rein wahrheitsfunktionale Junktoren; alles, was man sonst noch zu ihrer Bedeutung hinzurechnen mag, seien in Wirklichkeit generalisierte konversationale Implikaturen. Beim umgangssprachlichen falls sind Grices Argumente sehr kompliziert und wenig überzeugend; Grice selbst (1967: Vorl.5 ) räumt ein, daß er keine befriedigende Lösung für ein Problem hat, das sich für seinen Ansatz bei negierten Konditionalen ergibt. Es gab weitere gewichtige Einwände gegen die semantische Gleichsetzung von „→“ und falls (zu einem knappen Überblick vgl. Gazdar 1979: 83 ff.). Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß diese Gleichsetzung auch von Philosophen und Linguisten verworfen wird, die die Gricesche Theorie der Implikatur und ihre Anwendung auf und und oder akzeptieren. (Siehe dazu beispielsweise auch Strawson (1986).) Die These von der semantischen Wahrheitsfunktionalität von nicht, und und oder wurde insbesondere von Cohen (1971, 1977) angegriffen; Walker (1975 ) und Gazdar (1979) haben die Argumente von Cohen entkräftet: Im Falle der Negation berücksichtigt Cohen nicht, daß eine oberflächensyntaktisch gesehen „doppelte“ Verneinung (Ich will kein Streit nich) semantisch gesehen bloß eine dialektale Variante der einfachen Verneinung (Ich will keinen Streit) sein mag; Cohens Beispiele gegen die Wahrheitsfunktionalität von
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und und oder kranken daran, daß es sich um Einbettungen von und- und oder-Sätzen in Konditionale handelt, so daß sich der Anschein des Gegenbeispielcharakters mit guten Gründen durch das Vorkommen des nicht wahrheitsfunktionalen Wortes falls in diesen Sätzen erklären läßt. (b) Umgangssprachliche Existenzquantoren wie einige, manche und es gibt ..., die haben häufig die Funktion, den Schluß auf die Negation der Allquantifikation zuzulassen. Mit einem Satz wie Einige Studenten nickten in der Vorlesung ein ist häufig auch gemeint, daß nicht alle Studenten einnickten. Gehörte die Zulässigkeit des Schlusses von einige auf nicht alle zur Bedeutung dieser umgangssprachlichen Quantoren, dann bestünde eine tiefgreifende semantische Diskrepanz zwischen ihnen und den Quantoren der Standardlogik. Im Lichte der Griceschen Theorie betrachtet, erweist sich die Folgerung, daß nicht alle Studenten einnickten, jedoch als ein konversationales Implikat der Äußerung von Einige Studenten nickten in der Vorlesung ein: es ist, erstens, nicht abtrennbar (denn es ergibt sich auch bei Sätzen wie Es gab Studenten, die in der Vorlesung einnickten u. ä.); es ist, zweitens, stornierbar (man kann der Äußerung anfügen: Ja, keinem einzigen Studenten gelang es wach zu bleiben); und es ist, drittens, mit Hilfe der ersten Maxime der Quantität herleitbar (denn wenn dem Sprecher bekannt wäre, daß tatsächlich alle Studenten vom Schlaf übermannt worden sind, dann wäre seine Äußerung nicht so informativ, wie sie leicht hätte sein können). Umgangssprachliche Quantoren bilden eine sog. quantitative Skala, die von alle über die meisten, viele, einige, usw. bis zu kein reicht. (Ein, weiteres Beispiel für solch eine Skala liefern die Ausdrücke gewiß, wahrscheinlich, möglich, usw.). Eine allgemeine Theorie der Implikaturbeziehungen zwischen solchen skalaren Ausdrücken haben Horn (1972) und daran anknüpfend Gazdar (1979) entwickelt. (Siehe dazu auch weiter unten Abschnitt (e).) (c) Grice (1981) hat die Theorie der Implikatur auch auf die umgangssprachlichen Kennzeichnungsoperatoren (der/die/das sound-so) angewandt. Die Stoßrichtung ist dabei, für diese Fälle die Einführung einer besonderen logischen Beziehung der Präsupposition in die Semantik zu vermeiden. Strawson (195 0a) hatte gegen Russells (1905 ) Kennzeichnungstheorie eingewandt, sie führe zu unplausiblen Resultaten, die sich am besten
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
mit der Annahme einer zusätzlichen Präsuppositionsbeziehung zwischen Propositionen vermeiden ließen. Viele Linguisten waren Strawson darin, mit allerdings unterschiedlichen Erläuterungen der Präsuppositionsbeziehung, gefolgt. Gemäß Grice (1981) erweist sich die ursprüngliche Russsellsche Theorie als semantisch wenigstens so befriedigend wie Strawsons Theorie, wenn man Russells Ansatz in geeigneter Weise durch die Theorie der Implikaturen ergänzt (die Argumentation Grices erstreckt sich übrigens auch auf die Verwendung des Kennzeichnungsoperators in nichtindikativischen Kontexten). Eine Schwäche von Grices Vorschlag zur Modifikation von Russells Kennzeichnungstheorie liegt allerdings darin, daß neuartige syntaktische Hilfsmittel ins Spiel gebracht werden, deren Extravaganz ihre Durchsichtigkeit weit überragt. — Ein wichtiges Argument Grices gegen Strawson ist, daß mit einer Feststellung wie Der König von Frankreich ist nicht kahl nicht immer vorausgesetzt wird, daß es einen König von Frankreich gibt; diese angeblich vorausgesetzte Proposition sei sowohl explizit, als auch kontextuell stornierbar und sie sei auch nicht leicht abtrennbar; mithin sei sie nicht zur konventionalen Satzbedeutung zu rechnen. (d) Ähnlich argumentieren Karttunen & Peters (1979) gegen das Bestehen einer semantischen Beziehung zwischen subjunktiven Konditionalen (Wenn das-und-das der Fall wäre, dann wäre auch dies-und-dies der Fall) und der Falschheit ihrer Antecedens-Sätze. Vielmehr werde, so Karttunen & Peters, mit solchen Konditionalen nur zumeist konversational implikiert, daß der Antecedens Satz falsch ist. (e) Als letztes Beispiel sei die These von Horn (1973) und Gazdar (1979) über die semantische Eindeutigkeit von möglich genannt. Für eine Mehrdeutigkeit dieses Wortes scheint zu sprechen, daß aus (5 ) sowohl (6) wie auch (7) folgt. (5) Es ist notwendig, daß p (6) Es ist möglich, daß p (7) Es ist nicht möglich, daß nicht p Nun wird aber mit der Äußerung eines Satzes vom Typ (5) häufig auch (8) gemeint: (8) Es ist möglich, daß nicht p. Wegen der Unverträglichkeit von (7) mit (8) und der Verträglichkeit von (6) mit (7) und von (6) mit (8) liegt es nahe, zwei verschiedene Bedeutungen für möglich anzunehmen: in dem einen Sinn von möglich wird (8) von (6)
14. Implikatur
beinhaltet; in dem andern Sinn nicht. Die von den genannten Autoren vorgeschlagene Gegenlösung besteht darin, daß möglich einen einzigen Sinn hat, so daß zwischen (6) und (8) kein Bedeutungszusammenhang besteht, sondern nur einer der konversationalen Implikatur. Zu einer Kritik dieses Lösungsvorschlages siehe Burton-Roberts (1984). 3.2 Indirekte Sprechakte John Searle (1975 a) erklärt im Rahmen seiner Sprechakttheorie das Zustandekommen indirekter Sprechakte u. a. auch mit Hilfe der Annahme, daß bei sprachlicher Verständigung Konversationsmaximen beachtet werden. Mit einer Äußerung wie Kommst du an das Salz ran? stellt man normalerweise nicht nur eine Frage nach einer Fähigkeit des Adressaten, sondern bittet ihn auch darum, das Salz herüberzureichen. Diese Bitte ist dann ein indirekter Sprechakt, der mit der Äußerung vollzogen wird; er ergibt sich nach Searle nicht aus der Bedeutung der benutzten Wörter allein (wie dies bei der Frage nach der Fähigkeit der Fall ist), sondern auch aus andern Merkmalen der Äußerungssituation, u. a. aus der Geltung gewisser Konversationsmaximen. 3.3 Präsupposition und die Grenze zwischen Semantik und Pragmatik Vielerseits wurde in der Theorie der Implikatur ein Ansatz erblickt, mit dem man den schillernden Begriff der Präsupposition schärfer konturieren oder sogar als überflüssig erweisen könnte. Eine der in diesem Zusammenhang am heftigsten diskutierten Fragen betrifft die Zuordnung von Präsuppositionen in die Bereiche Semantik und Pragmatik. Die begrifflichen Unklarheiten, die bei diesen Fragen im Spiel sind, lassen sich kaum übertreiben: Erstens wird die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik von verschiedenen Autoren mit sehr unterschiedlichen Schlüsselbegriffen charakterisiert; zweitens bilden die unter dem Etikett „Präsupposition“ erfaßten Phänomene einen schwer überschaubaren und auf den ersten Blick recht disparaten Haufen; und drittens bringt Grices Theorie der Implikatur eine von den Begriffen „Semantik“, „Pragmatik“ und „Präsupposition“ unabhängige Terminologie ins Spiel, die von sich aus wenig Aussichten darauf birgt, sog. „Präsuppositionen“ nun mit erfreulicher Eindeutigkeit auf „die Semantik“ und „die Pragmatik“ zu verteilen.
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Unter diesen Vorbehalten, was die Klarheit der involvierten Begriffe angeht, lassen sich nun die folgenden Tendenzen unterscheiden: Erstens gibt es die Tendenz, die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik überhaupt als hinfällig oder verfehlt zu betrachten. Grob gesagt behaupten (a) Generative Semantiker, die Pragmatik werde sich in — recht verstandene — Semantik auflösen (so findet sich z. B. bei Gordon & Lakoff (1975 ) ein Versuch, konversationale Implikaturen zu semantisieren), und (b) Anhänger der sog. Gebrauchstheorie der Bedeutung behaupten gerade das Umgekehrte. Diese beiden Extrempositionen spielen in der Diskussion keine wesentliche Rolle; gegen (a) sind schwerwiegende Einwände — siehe dazu insbesondere Morgan (1977) und Gazdar (1979) — vorgebracht worden, die nicht entkräftet worden sind; Position (b) ist bislang nicht zu einem für Linguisten diskussionswürdigen Stand der Ausarbeitung gediehen. Zweitens gibt es die Tendenz, der Semantik eine in erweitertem Sinne wahrheitskonditionale Komponente zuzurechnen, die den sog. semantischen Präsuppositionen Rechnung tragen sollen. Normalerweise ergeben sich daraus Ansätze, die zum einen für logische oder quasi-logische Wörter (nicht / möglich) lexikalische Mehrdeutigkeiten postulieren und zum andern für natürliche Sprachen nicht-klassische Logiken zugrunde legen. (Näheres dazu in Artikel 13). Drittens gibt es die Tendenz, die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik zu präzisieren als die zwischen den klassisch wahrheitskonditionalen Bestandteilen der Satzbedeutung (Semantik) und dem Rest (Pragmatik). — Diese Auffassung wird beispielsweise von Kempson (1975 ) und Gazdar (1978, 1979) vertreten, mit dem Unterschied allerdings, daß Kempson offenbar der Ansicht ist, alle unter dem Etikett „Präsupposition“ angesammelten Phänomene ließen sich im Rahmen einer pragmatischen Theorie der Implikatur erfassen, während gemäß Gazdars Konzeption in der Pragmatik zwischen Präsuppositionen und Implikaturen unterschieden wird. Viertens gibt es die Tendenz, der Semantik die klassisch wahrheitskonditionalen Bestandteile der Äußerungsbedeutung zuzuordnen und noch Platz in ihr für etwas nicht Wahrheitskonditionales zu lassen — der Rest ist Pragmatik. So möchte Wilson (1975 ) den Begriff der Präsupposition aus der Semantik heraushalten, aber mehr als bloß Wahrheits-
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konditionales in ihr enthalten sehen; was dies genau ist, läßt sie allerdings offen — nichts weist darauf hin, daß sie gerade konventionale Implikaturen für das fehlende Stück Semantik hält. Genau dies hingegen tun Karttunen & Peters (1979), und sie führen aus, wie sich das im Rahmen der Montague-Semantik darstellen läßt. Zu dieser vierten Tendenz sind auch die einschlägigen Arbeiten von Stalnaker (1970, 1973, 1974, 1978) zu rechnen, der in lockerer Anlehnung an Grices oben dargestellte Auffassungen eine interessante Skizze einer pragmatischen Theorie entworfen hat. Stalnaker greift Grices (1967, 1981) Begriff der gemeinsamen Grundlage (common ground) auf, um damit u. a. einen umfassenden Begriff der pragmatischen Präsupposition zu umreißen. Eine Proposition gehört in diesem Sinne dann zur gemeinsamen Grundlage eines Gespräches, wenn jeder am Gespräch Beteiligte sie glaubt (oder gesprächsweise unterstellt), sie für von allen andern Beteiligten geglaubt (bzw. unterstellt) hält, usw; und — grob gesagt — präsupponiert ein Sprecher eine Proposition im Gespräch, wenn er die Disposition hat, sich im Gespräch so zu verhalten, als gehöre die Proposition zur gemeinsamen Grundlage. (Der sprechakttheoretisch gehaltene Versuch einer genaueren Bestimmung dieses Begriffs der pragmatischen Präsupposition findet sich bei Caton (1981); eine detaillierte linguistische Präzisierung und Anwendung von Stalnakers Ansatz findet sich bei Heim (1982).) Stalnaker führt überzeugend aus, daß ein solcher Begriff der pragmatischen Präsupposition in einer Theorie rationaler Verständigung eine zentrale Rolle spielt; mit seiner Hilfe lasse sich der wesentliche kommunikative Witz von Sprechakten, wie z. B. dem des Behauptens, in einer für eine Mögliche-Welten-Semantik anknüpfbaren Form beschreiben. Der springende Punkt einer Behauptung besteht nach Stalnaker beispielsweise darin, daß mit ihr angestrebt wird, den behaupteten Inhalt zu den pragmatischen Präsuppositionen des Gesprächs hinzuzunehmen — was auch geschieht, solange die Behauptung unwidersprochen bleibt. In einem derartigen — gewissermaßen unabhängig motivierten — Begriff der pragmatischen Präsupposition sieht Stalnaker zumindest den Ausgangspunkt, von dem aus eine linguistische Theorie sich mit dem Phänomen der sog. Präsupposition beschäftigen solle. Jede semantische Präsupposition eines Satzes, falls es so etwas gibt, würde (unter
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
normalen Umständen) unweigerlich pragmatisch präsupponiert, wenn der Satz geäußert wird; aber nicht jede pragmatische Präsupposition ist eine semantische. Der pragmatische Begriff der Präsupposition ist also jedenfalls weit genug, um alle sprachlichen Phänomene zu erfassen, für die Linguisten eine semantische Präsuppositionsbeziehung postulieren. Allerdings ist der pragmatische Präsuppositionsbegriff unabhängig motiviert und könnte im Verbund mit allgemeinen Konversationsmaximen zu einer Erklärung dieser Phänomene ausreichen; dann wäre ein semantischer Präsuppositionsbegriff überflüssig. Der in der Linguistik geläufige Terminus „Präsupposition“ deckt ein mehr oder weniger homogenes Korpus von Beispielen ab. Stalnaker empfiehlt, zunächst einmal zu versuchen, die im Korpus erfaßten Erscheinungen mit einem ohnehin benötigten Begriff im Rahmen einer pragmatischen Theorie in den Griff zu bekommen. Es wäre voreilig, an das Korpus mit dem Postulat einer semantischen Beziehung heranzugehen, die einschneidende Komplikationen in der Semantik nach sich zöge und von vornherein über einen Kamm scherte, was sich bei näherer Betrachtung als verschiedenartig erweisen mag. Ob sich schließlich alle sog. Präsuppositionsphänomene auf pragmatischem Wege befriedigend behandeln lassen, hält Stalnaker (vgl. z. B. 1974: 212) für eine offene Frage, die künftige linguistische Forschung zu beantworten hat. (Deshalb rechne ich Stalnaker der vierten Tendenz zu, obwohl seine Arbeiten vom Geist der dritten Zeugnis geben.) Es sei noch einmal hervorgehoben, daß weder die Gleichsetzung von Semantik mit einer Theorie der rein wahrheitskonditionalen Bedeutungsaspekte, noch die vollständige Zuordnung von Implikaturen zur Pragmatik sich auf die Arbeiten von Grice berufen kann. Gazdar (1978: 10) gibt ein Beispiel für dieses wohl verbreitete Mißverständnis ab. Die Dichotomien Semantik/Pragmatik und Gesagtes/Implikat bilden eine Kreuzklassifikation. In Grices Sprachphilosophie ist eher eine duale Semantik-Konzeption angelegt: sowohl das Gesagte (etwas Wahrheitskonditionales), als auch das konventionale Implikat (etwas nicht Wahrheitskonditionales) fallen in den Aufgabenbereich der Semantik. Entsprechend fallen nicht alle Implikaturen der Pragmatik zu (sondern zumindest die konventionalen darunter der Semantik). Natürlich möchte auch Grice keine semantischen Präsuppositio-
14. Implikatur
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nen zulassen: das ist geradezu die linguistische Pointe seiner Theorie der Implikatur. Am deutlichsten stemmt er sich gegen derlei Präsuppositionen bei seiner implikaturalen Behandlung des Präsuppositionslochs bedauern (vgl. Grice 1981: 195 ff.). Dennoch sind in der Theorie der Implikatur semantische Präsuppositionen nicht von vornherein in Abrede gestellt. Jedem Aspiranten auf den Titel „semantische Präsupposition“ einen Ort außerhalb der Wahrheitskonditionalität zuzuweisen: das ist der Leitgedanke von Grices Theorie. Ob dieser Ort der Semantik oder der Pragmatik zuzurechnen ist, ist seine bestenfalls zweite Sorge.
tatsächlich zu den Konversationsmaximen zu rechnen ist oder nicht („Vermeide Ausdrucksformen, die den Adressaten unnötigerweise daran hindern könnten, sich um den sachlichen Gehalt deines Beitrages zu kümmern“). Diese offensichtlichen Kritikpunkte weisen darauf hin, daß es für eine Theorie der Implikatur noch vieles zu tun gibt, und nichts an ihnen spricht gegen die Möglichkeit, diese bei Grice nur in Umrissen entworfene Theorie durch Präzisierung und Formalisierung linguistisch fruchtbar zu machen. Dies ist z. B. in Arbeiten von Stalnaker, Karttunen & Peters (1979), Gazdar (1979) und Heim (1982) teilweise geschehen.
4.
4.2 Die Konventional/KonversationalUnterscheidung
Kritik an der Theorie der Implikatur
Im Folgenden werden nur Kritikpunkte erwähnt, die es mit der Theorie der Implikaturen im besonderen zu tun haben. Mannigfache allgemeinere Einwände gegen Grices bedeutungstheoretische Konzeption bleiben unberücksichtigt. 4.1 Die Konversationsmaximen Daß die von Grice aufgeführten Maximen sehr vage sind, ist offensichtlich: „informativ“, „Gesprächszweck“, „nötig“, „angemessener Grund“, „relevant“ usw. — all diese Ausdrücke sind vage. Das ist theoretisch bedauerlich, aber von sich aus kein Einwand gegen eine Theorie im Stadium ihres Entwurfs. Vielfache Präzisierungs- und Formalisierungsvorschläge einzelner Maximen entkräften, was erst ein Einwand wäre: daß diese Vagheit unbeseitigbar in der Natur der Theorie liege. Mit der Vagheit hängt zusammen, daß die Maximen nicht (zumindest nicht deutlich) unabhängig voneinander sind. Wie kann man informativ sein, ohne die Wahrheit zu sagen und sich klar auszudrücken? Hängt die beste Reihenfolge eines Berichtes nicht davon ab, was relevant ist? Ergeben sich nicht auch die Maximen der Quantität aus der Maxime, relevant zu sein? — Zudem ist die Liste der Maximen sicherlich unvollständig; Grice (1981: 189) erwähnt en passant einen weiteren Kandidaten für die Kategorie der Modalität: „Wähle für das, was du sagst, die Form, die die Formulierung passender Erwiderungen maximal erleichtert“. Wichtiger ist vielleicht, daß ein klares Kriterium fehlt, mit dem sich entscheiden läßt, ob eine gegebene Maxime
Eine weitere Schwäche der Theorie der Implikatur liegt in der unscharfen Trennung zwischen konventionalen und konversationalen Implikaturen. Dieser Mangel ist häufig konstatiert worden, doch nicht immer scheint bemerkt worden zu sein, wie grundsätzlich er ist und wie gravierend er sich gerade für die Belange des Linguisten auswirkt. Der Herleitbarkeitstest — auf den Grice (1981: 188) letztlich noch den größten Wert zu legen scheint — ist bestenfalls eine notwendige Bedingung für konversationale Implikaturen; zudem ist er — wie Sadock (1978) darlegt — angesichts der Erklärungsstärke der Konversationsmaximen trivial: Es läßt sich mit ihnen einfach zu viel herleiten. Der Test mit der Abtrennbarkeit setzt voraus, daß sich vorab beurteilen läßt, ob mit verschiedenen Sätzen dasselbe gesagt wird, und er gibt — vgl. Grice (1978: 115 ) — weder eine hinreichende, noch eine notwendige Bedingung für konversationale Implikaturen ab. Es ist um ihn allerdings nicht ganz so schlimm bestellt, wie Sadock (1978: 289) meint, der an dieser Stelle übersieht, daß es in dem Test um Gleichheit des Gesagten und und nicht um Synonymie geht. Der Test mit der Stornierbarkeit versagt spätestens bei den Zweifelsfällen, für die Linguisten sich gerade eine Entscheidung erhoffen. Dasselbe gilt für den von Sadock (1978: 294) vorgeschlagenen Test mit der „Verstärkbarkeit“ (reinforceability): die Idee dabei ist, daß sich ein konversationales Implikat explizit in die Äußerung hinzunehmen läßt, ohne daß die entstehende Äußerung in angreifbarer Weise redundant wäre — während dies bei konventionalen Implikaten gerade nicht geht. Die Unterscheidung zwischen konventionalen und konversationalen Implikaturen ist
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
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überhaupt noch nicht klar getroffen. Mithin ist eine Berufung auf die Theorie der Implikatur in ihrem derzeitigen Zustand — zumal in den subtilen Zweifelsfällen an einer für sich selbst unklaren Semantik/Pragmatik-Trennlinie — nicht besser als die auf vortheoretische Intuition. 4.3 Gesagtes versus konventional Implikiertes Schließlich ist auch die Unterscheidung zwischen konventionaler Implikatur und Gesagtem nicht unanfechtbar. Laut Grice wird mit Sätzen des Typs p, aber q und p, mithin q dasselbe gesagt, aber verschiedenes konventional implikiert: ein Gegensatz bzw. ein Folgerungszusammenhang zwischen p und q. Es ist sicherlich unbestreitbar, daß bei der Äußerung solcher Sätze von keinem bestimmten Gegensatz (bzw. von keinem bestimmten Folgerungszusammenhang) gesagt wird, er bestehe zwischen p und q. Dennoch läßt sich die Auffassung vertreten, daß mit solchen Äußerungen gesagt wird, zwischen p und q bestehe ein Gegensatz (bzw. Folgerungszusammenhang). Nach dieser konkurrierenden Auffassung würde mit einem Satz des Typs (*) p, aber q also gesagt, (i) daß p, (ii) daß q, und (iii) daß zwischen p und q ein Gegensatz besteht — wobei allerdings offen bleibt, welcher Gegensatz genau gemeint ist. Zumindest die Intuition scheint nicht völlig abwegig, daß jemand, der einen Satz vom Typ (*) äußert, strenggenommen etwas Falsches sagt, wenn (iii) falsch ist. Zu zeigen, daß (iii) falsch ist, mag allerdings in den meisten Fällen eine schier unlösbare Aufgabe sein. So ließe sich denn auch erklären, weshalb eine unqualifizierte Zurückweisung von (*) — etwa mit Nein oder Das stimmt nicht — vernünftigerweise erst einmal als ein Angriff auf (i) oder (ii) aufzufassen ist. Auch leuchtet es nicht unbedingt ein, daß mit (9a) und (9b) dasselbe gesagt wird: (9) a. Er ist Engländer, er ist mithin tapfer b. Er ist tapfer, mithin ist er Engländer Zumal bei komplexeren Sätzen wie (10a—d) ist es wohl nicht sehr plausibel anzunehmen, es werde mit ihnen allen genau dasselbe gesagt, und zwar etwas, das allein dann schon stimmt, wenn Edie schön, reich und unglücklich war. (10) a. Edie war schön und reich, und mithin unglücklich b. Edie war schön, mithin reich und unglücklich
c. Edie war schön, mithin reich, aber dennoch war sie unglücklich d. Edie war unglücklich, mithin reich, aber dennoch war sie schön Grice hat sich auf diese intuitiv wenig befriedigenden Konsequenzen nicht explizit festgelegt, doch werden sie durch seine Ausführungen (in Grice 1975) zumindest nahegelegt. Die Kategorie der konventionalen Implikatur steht also auch da, wo es um ihre Abgrenzung gegen das Gesagte geht, auf keinen sichereren Füßen als denen unserer sprachlichen Intuitionen. Und diese scheinen nicht einmal bei den von Grice angegebenen Beispielen eindeutig auf die vorgenommene Kategorisierung zu deuten. Die Theorie der konversationalen Implikatur ist sicherlich ein verheißungsvoller, wenn nicht sogar unverzichtbarer Ausgangspunkt für jede Bemühung, systematische Verbindungen zwischen einer wahrheitskonditional ausgerichteten Semantik und einer sprechakttheoretisch ausgerichteten Verständigungstheorie herzustellen. Das theoretische Desiderat für die linguistische Anwendung ist hier die Präzisierung. Die Lehre von den konventionalen Implikaturen hingegen bedarf zuvörderst der Erhellung. Selbst im Griceschen System ist sie unklar. Und häufig versagt die Lehre gerade da, wo man linguistisch etwas mit ihr anfangen möchte: an den heiklen Grenzen zwischen Semantik und Pragmatik, zwischen wahrheitskonditionalen und andern Bestandteilen wörtlicher Bedeutung, oder zwischen Präsupposition und Inhalt des vollzogenen Sprechaktes. Klarer als diese Unterscheidungen ist auch die zwischen konventionalen und konversationalen Implikaturen nicht. Keine dieser Unterscheidungen sollte vorab als theoretisch bessergestellt (oder gar sakrosankt) betrachtet werden; erst vom Standpunkt einer umfassenden Theorie wird sich wohl beurteilen lassen, wieviel jede einzelne von ihnen tatsächlich taugt.
5.
Literaturempfehlungen
Der in Abschnitt 1.1 dargestellte Meinensbegriff wird von Grice (195 7) entwickelt. Bei Grice (1968, 1969, 1982, 1989) und Schiffer (1972, 1982) finden sich eine Reihe von Modifikationen und Verfeinerungen; in diesen Arbeiten wird auch ausführlich erörtert, in welcher Weise dieser Begriff eine zentrale Rolle bei der Explikation des Begriffs der sprachlichen Bedeutung spielen soll. Einen guten und auch bibliographisch sorgfältigen
15. Fragesätze
Überblick über die Diskussion zur Bedeutungstheorie von Grice liefert die Anthologie von Meggle (1979). Der in Abschnitt 2.3 erwähnte Begriff der gemeinsamen Grundlage ist von Lewis (1969) und Schiffer (1972) genauer untersucht worden; neuere Diskussionen, insbesondere auch zu seiner linguistischen Fruchtbarkeit, finden sich in der Anthologie von Smith (1982) und in der GriceFestschrift von Grandy & Warner (1986). Erweiterungen, Vereinfachungen, neue Systematisierungen, Präzisierungen oder Formalisierungen der Griceschen Konversationsmaximen finden sich in beinahe jeder Arbeit zum Thema. Es sind zu viele, um sie alle zu nennen, und keine darunter sticht genügend hervor, um sie besonders herauszuheben. Eine Extremposition sei ausgenommen: Sperber & Wilson (1982, 1986) lehnen nicht nur den Begriff der gemeinsamen Grundlage als pragmatisch irrelevant ab, sondern lassen auch den Rest von Grices Ansatz zu einer Verständigungstheorie auf ein einziges Prinzip größtmöglicher Relevanz zusammenschrumpfen.
333
6.
Literatur (in Kurzform)
Austin 1962/1975 · Bertolet 1983 · Burton-Roberts 1984 · Caton 1981 · Cohen 1971 · Cohen 1977 · Frege 1892 · Frege 1918 · Gazdar 1978 · Gazdar 1979 · Gordon/Lakoff 197 5 · Grandy/Warner (eds.) 1986 · Grice 195 7 · Grice 1961 · Grice 1967 · Grice 1968 · Grice 1969 · Grice 1975 · Grice 1978 · Grice 1981 · Grice 1982 · Grice 1989 · Harnish 1977 · Heim 1982 · Horn 1972 · Horn 1973 · Karttunen/Peters 1979 · Kasher 1974 · Kasher 1975 · Kempson 1975 · Lewis 1969 · Meggle (ed.) 1979 · Morgan 1977 · Posner 1979 · Recanati 1989 · Rogers/Wall/Murphy (eds.) 1977 · Russell 1905 · Sadock 1978 · Schiffer 1972 · Schiffer 1982 · Searle 1975 a · Smith (ed.) 1982 · Sperber/Wilson 1982 · Sperber/Wilson 1986 · Stalnaker 1970 · Stalnaker 1973 · Stalnaker 1974 · Stalnaker 1978 · Strawson 195 0a · Strawson 1986 · Walker 1975 · Wilson 1975
Andreas Kemmerling, München (Bundesrepublik Deutschland)
15. Fragesätze 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Fragemodus und Frageinhalt Reduktionstheorien der direkten Frage Frage-Antwort-Paare Fragen als Mengen von Deklarativen Deklarative und Interrogative in einer logischen Kategorie Literatur (in Kurzform)
1.
Fragemodus und Frageinhalt
Nach formalen Kriterien (wie z. B. Wortstellung, Intonation, Präsenz eines Fragewortes) unterscheidet man die grammatischen Modi des deklarativen bzw. interrogativen Satzes (Aussagesatz vs. Fragesatz), wobei unter den Interrogativen seit Aristoteles (De Int. 20b 27—31) die dialektischen (Entscheidungsfragen, Ja/Nein-Fragen) von den nicht-dialektischen Bestimmungs- bzw. Ergänzungsfragen getrennt werden. Aber abgesehen von verstreuten Bemerkungen konzentrierten sich Logik und Semantik nahezu ausschließlich auf die Aussagesätze, so daß erst Prior & Prior (195 5 ) den Anstoß zu einer mehr systematischen Beschäftigung mit den Interrogativen gaben. Sie diskutierten das ambivalente
Verhalten der Interrogative hinsichtlich Kants logischer Tafel der Urteile (Prolegomena): zwar lassen sich auch Interrogative „der Relation nach“ in kategorische, hypothetische und disjunktive einteilen, die Aspekte der Quantität, der Qualität und der Modalität aber lassen sich nur auf die Beziehung von Frage und Antwort anwenden. Es stellt sich also die Frage nach einer Behandlung der Interrogative mit Hilfe des für wahrheitswertfähige Deklarative entwickelten semantischen Apparats. Nun zeigt schon die Bezeichnung der beiden grammatischen Modi, daß eine prominente Art ihrer Verwendung darin besteht, daß einerseits Behauptungen/Aussagen gemacht und andererseits Fragen gestellt werden. Die Parallele zwischen diesen illokutionären Modi und der entsprechenden grammatischen Form ist kein Zufall. Die zweite Frage ist also die nach dem spezifischen Inhalt deklarativer bzw. interrogativer Sätze, der sie für bestimmte illokutionäre Verwendungen geeignet erscheinen läßt. Die sprachlichen Handlungen, die mit der Äußerung (1) von Mary in einer gegebenen
334
Situation vollzogen werden, lassen sich durch einen deklarativen Satz wie (2) beschreiben: (1) Beryl wird kommen. Wird George auch kommen? (2) Mary behauptet, daß Beryl kommen wird, und fragt, ob George auch kommen wird. In dieser von Egli (1976) Vollbeschreibung genannten Analyse sind die in (1) vollzogenen Sprechhandlungen zerlegt in einen illokutionären Teil, der sich in den Verben der Hauptsätze manifestiert, und einen propositionalen Teil, der durch die dazugehörigen Nebensätze repräsentiert wird. Für die Frage entspricht dem die Unterscheidung von ultimate concern und ultimate topic of concern in Leonard (195 9) und die Trennung von request und subject in Belnap & Steel (1976). An einer Handlungsbeschreibung wie (2) fällt zweierlei auf: erstens wird bei der Umwandlung von (1) in (2) der grammatische Modus keineswegs neutralisiert, obwohl der illokutionäre Modus abgetrennt wird (es wird lediglich die direkte Frage/Aussage in eine indirekte umgewandelt); und zweitens sind die indirekten Fragen/Aussagen mit einer ganzen Reihe verschiedenartiger Matrixverben kombinierbar. Die Abtrennung des illokutionären Aspekts löst also nicht die Frage nach dem semantischen Gehalt von Interrogativen, macht aber den Zusammenhang von direkter und indirekter Frage deutlich und damit das Problem der „interrogativen Einstellungen“ (s. Artikel 12). Auf das Problem der Einstellungen stützt sich nun die Postulierung einer unterhalb der Ebene der Vollbeschreibung angesiedelten Analyseebene der kognitiv-semantischen (Egli 1976) Beschreibung des propositionalen Gehalts. Der in (2) beschriebene Behauptungsakt hat ja einen spezifischen Inhalt, ist auf ein spezifisches Objekt bezogen. Die verschiedensten sprachlichen oder mentalen Akte können aber denselben Inhalt, dasselbe Objekt haben: das, was Peter behauptet, wird von Franz gewünscht und von Fritz befürchtet. Hinsichtlich dieses Objekts, der ausgedrückten Proposition, sind direkte und indirekte Deklarative äquivalent. Es liegt also nahe, das Problem der deklarativen — d. h. propositionalen — Einstellungen auf Interrogative zu übertragen und auch direkte und indirekte Interrogative als hinsichtlich ihres Inhalts äquivalent anzusehen (für eine explizite Argumentation siehe Belnap 1983): während der Kommissar noch
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
überlegt, wer als Täter in Frage kommt, weiß sein Assistent es schon, und seinem Chef ist es ganz egal. Wichtig ist dabei, daß die möglichen Einstellungen zu den Inhalten von Deklarativen teilweise disjunkt sind von den bei Interrogativen möglichen. Zwar läßt wissen beides zu, aber bei glauben ist nur der Deklarativ möglich, während überlegen nur Interrogative zuläßt: (3) a. Ich weiß, daß/ob Peter kommt, b. Ich glaube, daß/*ob Peter kommt, c. Ich überlege, *daß/ob Peter kommt. Damit lassen sich nun folgende Konsequenzen für die Ausgangsfragen plausibel machen (wenngleich nicht in einem strengen Sinn ableiten): (a) Der Unterschied zwischen Deklarativ und Interrogativ liegt nicht darin, daß ein bestimmter mentaler oder verbaler Akt, ein bestimmter illokutionärer Aspekt, signalisiert wird. Jedoch umfaßt umgekehrt jede Theorie solcher Akte (z. B. die Untersuchung der Frage als Fragehandlung) eine Beschreibung des Inhalts oder Objekts dieses Aktes als Teilkomponente. (b) Theorien der Frage müssen demgemäß unterschieden werden von Theorien des Frageinhalts, müssen aber auch mit solchen kompatibel sein. Der eigentliche Gegenstand der Semantik als theory of meaning (im Gegensatz zu einer theory of use) ist aber der Inhalt, denn, so Cohen (1929:352), „...our desire to receive an answer when we ask a question is, like our desire to be relieved when we assert a proposition, neither universally present nor in any way constitutive of the meaning or content of what we ask or assert.“
Demgemäß wird im folgenden nicht auf verschiedene Verwendungsweisen (Informationsfrage, Examensfrage u. a. m.) eingegangen, und Theorien der Frage wie z. B. Åqvist (1965 ) werden nur hinsichtlich ihrer Behandlung des Frageinhalts diskutiert. (c) Es gibt offensichtlich Affinitäten von bestimmten (Gruppen von) Verben oder Einstellungen zu Deklarativ-Inhalten einerseits bzw. zu Interrogativ-Inhalten andererseits. Der grammatische Modus steht also für einen semantisch-propositionalen Unterschied, und höchstens sekundär dadurch auch für einen illokutionären, indem der semantische Inhalt eines Deklarativs oder Interrogativs nicht mit allen illokutionären Rollen verträglich ist. (d) Eine Theorie des Frageinhalts sollte die Äquivalenz direkter und indirekter Fragen nachvollziehen können.
15. Fragesätze
2.
Reduktionstheorien der direkten Frage
Angesichts der Unterscheidung von illokutionärem und propositionalem Aspekt und von Satzpaaren wie (4) a. Rosen sind rot. b. Sind Rosen rot? liegt es nahe, hinter Interrogativen und Deklarativen denselben propositionalen Gehalt zu vermuten und den Unterschied allein im illokutionären Aspekt zu suchen. Eine solche Auffassung findet sich z. B. in Leonard (195 9) und in der Satzradikalmethode von Stenius (1967), wo Sätze wie (5 a—c) ein gemeinsames Inhalts-Radikal (5d) erhalten: (5) a. You are late: b. Are you late? c. Be late! d.
Ganz ähnlich ist auch die Q-Morphem-Analyse von Katz & Postal (1964). Intuitiv plausibel erscheint der Ansatz jedoch nur bei der Entscheidungsfrage, das Radikal einer Ergänzungsfrage kann keine Proposition sein. Und selbst bei Entscheidungsfragen stellt sich das Problem, wann der propositionale Inhalt, der ja mit dem eines deklarativen Satzes identisch ist, im Falle einer Einbettung als daß-Satz auftaucht und wann als ob-Satz. Lehnt man andererseits eine Trennung von illokutionärem und propositionalem Aspekt ab, nimmt man also mit anderen Worten die Vollbeschreibung als einzige Analyseebene an, so kann man, mit Lewis (1970), eine direkte Frage wie (6a) als äquivalent zu der explizit performativen Paraphrase (6b) ansehen. Diese performative Paraphrase hat als deklarativer Satz natürlich einen Wahrheitswert, wenngleich („saying so makes it so“) einen trivialen, der von der Wahrheit oder Falschheit des Satzes (6c) völlig unabhängig ist. (6) a. Lieben Sie Brahms? b. Ich frage Sie (hiermit), ob Sie Brahms lieben. c. Sie lieben Brahms.
335
Hier entstehen zwei erkennbar verschiedene Ebenen. Beim Deklarativ sagt man, er sei wahr oder falsch, je nachdem, ob der ausgesagte Sachverhalt existiert oder nicht. Und das heißt, daß der Wahrheitswert direkter Deklarative auf den Inhalt bezogen ist und nicht mit dem Wahrheitswert der performativen Paraphrase (6) d. Ich behaupte (hiermit), daß Sie Brahms lieben. übereinstimmen muß. Bei der Reduktion der direkten Frage auf eine explizit performative Struktur bleibt also der Frageinhalt zunächst ungeklärt. Da Lewis (1970) es aber im Unterschied zur Satzradikalmethode vermeidet, das „Radikal“ und damit den Frageinhalt als Träger des Wahrheitswertes anzusehen, ist er allerdings nicht mehr gezwungen, Deklarativ-Inhalte mit Interrogativ-Inhalten zu identifizieren. Dies erlaubt es ihm, mit der ParaphrasenMethode auch Ergänzungsfragen zu behandeln. Versucht man nämlich — allerdings entgegen den Intentionen von Lewis — aus seinen Analysen eine Trennung von illokutionärem und propositionalem Aspekt herauszufiltern, so ist die Beschreibung der Entscheidungsfrage zumindest oberflächlich der Satzradikalmethode nicht unähnlich:
während Ergänzungsfragen der Art (7a) auf die Struktur (7b) zurückgeführt werden:
336
Unterstellt man nun, daß die jeweilige Ergänzung des performativen Verbs den propositionalen Gehalt repräsentiert, so vermißt man eine Kategorie „indirekter Fragesatz“ mit entsprechendem sematischen Typ. Im Fall der Ob-Frage hat die Ergänzung die Kategorie S (semantischer Typ:Proposition), im Fall der Wer-Frage ist die Kategorie S/N (semantisch:Eigenschaft). Insgesamt gibt es also keine speziellen interrogativen Inhalte: die Entscheidungsfrage entspricht im Typ dem Deklarativsatz, die Ergänzungsfrage dem, was an deklarativer Struktur übrig bleibt, wenn man das Fragewort einfach ignoriert. Die Konsequenz daraus, daß verschiedene Fragesätze verschiedene semantische Typen repräsentieren, ist eine entsprechende Typenvermehrung beim einbettenden Verb: FRAGEN-OB mit propositionaler Ergänzung, FRAGEN-WER mit Eigenschaftsergänzung, usw. Zwar behandelt Lewis nur die ob- und die wer-Frage (also die Frage nach einer obligatorischen Verbergänzung), und dafür reicht es aus, die Unterscheidung von FRAGEN-OB und FRAGEN-WER lediglich als Problem der Valenz des Frageverbs zu behandeln. Aber dennoch ist es fraglich, ob man Lewis (1970) gerecht wird, wenn man diese Valenzen als propositionalen Gehalt isoliert. Denn in der Typeninflationierung beim einbettenden Verb ist die — wenngleich wenig intuitive — Möglichkeit angelegt, den eigentlich interessanten Teil der Semantik des Interrogativsatzes als ein Problem der lexikalischen Semantik des performativen Verbs anzusehen. Lewis könnte nämlich auch inhaltlich so verschiedene Sätze wie (8a,b) dadurch analysieren, daß er eine gemeinsame Ergänzung (8c) zu den Frageverben FRAGEN-WANN und FRAGEN-WOHIN postuliert: (8) a. Wann bringt Arnim die Schlittschuhe? b. Wohin bringt Arnim die Schlittschuhe? c. Arnim bringt die Schlittschuhe. d.
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Die Fragen unterscheiden sich dann aber nicht in der Art der vom Verb geforderten Ergänzung, sondern der Unterschied ist eine Frage der Semantik des einbettenden Verbs geworden. Da das Lexikon endlich ist, scheint eine solche Auffassung jedoch nicht haltbar zu sein (Groenendijk und Stokhof, persönl. Mitteilung) angesichts von im Prinzip endlos erweiterbaren Fragesequenzen (und damit einer entsprechenden Anzahl immer komplexer werdender Fragewörter) wie (8e): (8) e. In welchem Ort verbringt Franz seine Ferien? In welchem deutschen Ort verbringt Franz seine Ferien? In welchem deutschen Ort mit weniger als 1 000 Einwohnern verbringt Franz seine Ferien? Darüberhinaus ist aber auch klar, daß die Lewis’sche Analyse der direkten Frage nur dann erfolgreich ist, wenn es neben der Vollbeschreibung keine isolierbare Ebene des propositionalen Gehaltes gibt. Eine solche wäre aber erforderlich, wenn man an der parallelen Kategorie der indirekten Frage festhalten will, was insofern plausibel zu sein scheint, als dann der Satz (9a) getreu seiner syntaktischen Form als eine „interrogative“ Einstellung zu einer Konjunktion zweier Fragen gedeutet werden kann, während Lewis zwei Einstellungen (egal-wann, egal-wohin) zu nur einer Proposition unterstellen müßte, was eigentlich nur auf die syntaktische Struktur (9b) zu projizieren ist, also auf die Konjunktion zweier Deklarative. (9) a. Es ist mir egal, wann er geht und wohin er geht. b. Es ist mir egal, wann er geht, und es ist mir egal, wohin er geht. Noch schwieriger wird eine solche Paraphrase, wenn man mir durch das quantifizierende jemand ersetzt. Und während das konjunktive Beispiel (9a,b) immerhin noch möglich erscheint, zeigt ein analoges disjunktives Beispiel — (9c,d) — einen deutlichen Bedeutungsunterschied: (9) c. Ich frage mich, wann er geht oder ob er schließlich doch bleibt. d. Ich frage mich, wann er geht, oder ich frage mich, ob er bleibt. Versucht man jedoch, einen propositionalen Gehalt zu isolieren, so kann dieser nicht mit dem identifiziert werden, was an deklarativer Struktur übrig bleibt, wenn man das Fragewort, soweit vorhanden, einfach ignoriert.
15. Fragesätze
Dies könnte der Grund sein, warum Lewis bei einer Vollbeschreibung stehen bleibt, aber explizit wird die Theorie von Interrogativsatzminus-Fragewort von Cresswell (1973) und Tichý (1978) vertreten, die signifikanterweise ebenfalls nur ob- und wer- Fragen diskutieren. Cresswell (1973: 236 f.) nimmt nämlich folgendes an: „1. ...in the case of yes/no questions at least, the most straightforward analysis seems to be to regard them ... as ordinary sentences. 2. In (a) WHO RUNS V (who runs) is not a proposition ... Rather V((a)) is the same as V(runs) ... I. e. what is being questioned is a one-place property ...“
Das Symbol WHO in WHO RUNS steht für Cresswell nur als syntaktische Markierung, die anzeigt, daß ein einstelliges Prädikat allein eine komplette Äußerung bildet. Semantisch gesehen hat WHO keine Wirkung, sondern ist eine Identitätsfunktion von Eigenschaften in Eigenschaften. Tichý (1978) bemerkt zu den Sätzen (10a,b): „the difference ... boils down to the difference in meaning between the verbs asserts and asks.“ Und zu (10c) sagt er, daß dem Präfix Who is und dem Fragezeichen keinerlei logische Signifikanz zukommt. (10) a. Tom asserts that Bill walks. b. Tom asks whether Bill walks. c. Who is the president of the U. S.? Nur läßt sich aus den schon bei Lewis besprochenen Gründen der propositionale Inhalt nicht ganz so einfach isolieren, weil sonst alle Fragen nach nicht-obligatorischen Ergänzungen (wann, wohin, warum) denselben Inhalt hätten — den einer vollständigen assertorischen Struktur. Und da kann es wohl nicht Aufgabe des Frageworts sein, eine sonst nicht vorhandene syntaktische Komplettierung herzustellen. Die triviale Deutung als Identitätsfunktion bzw. die völlige Ignorierung helfen nicht weiter, da dann nicht gesagt werden kann, was eigentlich erfragt ist. Tichýs Kommentar zu (10a/b) wird von Groenendijk & Stokhof (1984: 393) durch (10d/e) widerlegt: (10) d. Tom weiß, daß Bill schläft. e. Tom weiß, ob Bill schläft. Nimmt man nämlich an, daß wissen in beiden Verwendungen dieselbe Bedeutung hat, dann müßten nach Tichý (10d) und (10e) bedeutungsgleich sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn wenn Bill nicht schläft und Tom dies weiß, so ist (10e) wahr, (10d) aber falsch.
337
Ein weiterer Versuch, Fragen vermittels deklarativer Strukturen zu paraphrasieren, gründet sich auf die Beobachtung, daß Fragen ebenso wie Deklarative Präsuppositionen, nämlich Fragevoraussetzungen haben. Dieser Ansatz wird zuerst von Harrah (1961, 1963) verfolgt. Versteht man unter der logischen Präsupposition eines Satzes S einen Satz, der sowohl aus S als auch aus dessen Negation logisch folgt, so ist zunächst nicht klar, wie man analog die Präsupposition einer Frage definieren soll. Deshalb ist ein solcher Ansatz nicht ganz unabhängig vom Verhältnis der Frage zu ihren Antworten. Eine disjunktive Frage wie (11a) läßt sich beantworten mit (11b) oder (11c); daher scheint der Fragesteller die Disjunktion (11d) vorauszusetzen und um eine Verringerung der Alternativen zu bitten. Die Erwiderung (11e) ist dann eine Zurückweisung der Fragevoraussetzung, d. h. die Frage stellt sich nicht. (11) a. Kommt Urs oder Renate? b. Urs kommt. c. Renate kommt. d. Urs kommt oder Renate kommt. e. Weder Urs noch Renate kommt. Ja/Nein-Fragen sind dann eine spezielle Variante der disjunktiven Fragen, weil auf (12a) die Antworten (12b) bzw. (12c) möglich sind, was ebenfalls zu einer vorausgesetzten Disjunktion (12d) führt, die allerdings völlig tautologisch ist. (12) a. Kommt Urs? b. Er kommt. c. Er kommt nicht. d. Er kommt oder er kommt nicht. Bei einer Ergänzungsfrage wie (13a) werden die Antwortalternativen Urs kommt, Renate kommt, ... usw. für alle in Frage kommenden Individuen nicht explizit aufgeführt, so daß anstelle einer Disjunktion Urs kommt oder Renate kommt oder P hilipp ... das äquivalente (13b) als Fragevoraussetzung angenommen wird. (13) a. Wer kommt? b. ∃x (x kommt) Harrah hat nun die Idee, den propositionalen Gehalt der direkten Frage mit der Fragevoraussetzung zu identifizieren. Dazu Harrah (1963: 28): „Our basic idea is that particular types of question can be identified with particular types of statement. Whether questions can be identified with statements which behave like exclusive disjunctions — that is, statements of the form ‘F or else G’; the disjuncts
338
F and G can be taken to be the answers. Which ones questions can be identified with existential generalizations — that is, statements of the form ‘Some things are F’; ...“
Und zum illokutionären Aspekt bemerkt er: „... questions are regarded as tools for reducing states of rational doubt. The questioner expresses what he knows concerning the given subject matter by saying ‘This or that is the case’ or ’Some things are so and so’; and the respondent then, if he chooses, matches this with a counterstatement which provides more information and thereby lessens the questioner’s doubt.“
Hinsichtlich des propositionalen Gehaltes sind also die Frage (14a) und die Feststellung (14b) identisch; ebenso die Frage (15 a) und die Feststellung (15b). (14) a. Kommt Hans oder Fritz? b. Hans kommt oder Fritz kommt. (15) a. Wer kommt? b. Es kommt jemand. Während aber die deklarative Struktur nur die Feststellung signalisiert, verbindet sich mit dem Interrogativ darüber hinaus noch die Obligation für den Adressaten, wenn möglich die Alternativen zu reduzieren oder die Werte der vom partikulären Quantor gebundenen Variablen zu spezifizieren oder zumindest einzuschränken. Dieser Ansatz transzendiert die Satzradikalmethode, indem er nicht auf eine Analyse der Entscheidungsfrage beschränkt ist. Er teilt aber mit der Satzradikalmethode die Problematik der Übertragung der Analyse auf die indirekte Frage. Dort entfällt der Aspekt der Adressaten-Obligation, so daß zwischen (16a) und (16b) ebensowenig ein Unterschied gemacht werden kann wie zwischen (17a) und (17b). (16) a. Max weiß, daß entweder Dale oder David kommt. b. Max weiß, ob Dale oder David kommt. (17) a. Ismay weiß, wer kommt. b. Ismay weiß, daß jemand kommt. Und es bleibt unerfindlich, warum der Inhalt von jemand kommt = wer kommt bei manchen Verben als Deklarativform, bei anderen nur als Interrogativform auftritt. Ein letzter Versuch, Fragen mit deklarativen Strukturen hinwegzuparaphrasieren, stammt von Åqvist (1965 ) und Hintikka (1976). Ähnlich wie bei Lewis (1970) handelt es sich um den Versuch einer Vollbeschreibung. Nur wird diesmal die Frage nicht auf
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
eine performative deklarative Struktur reduziert, sondern auf einen Imperativ. Und im Gegensatz zu Harrah ist der propositionale Gehalt — wenn man einen solchen aus einer Vollbeschreibung herausbrechen kann — nicht die Fragevoraussetzung, sondern das Frageziel. Wenn ich frage, ob Hans kommt, dann will ich wissen, ob Hans kommt (zumindest wenn es sich um eine Informationsfrage handelt), so daß ich meinen Zweck erreicht habe, wenn ich weiß, ob Hans kommt. Das Ziel der Frage — Hintikka (1976) nennt es Desideratum — ist also (18a) im Fall der Entscheidungsfrage und (18b) im Fall der Ergänzungsfrage. (18) a. Ich weiß, ob Hans kommt. b. Ich weiß, wer kommt. Jeder Imperativ hat ein Desideratum — man beschreibt die Situation, deren Herstellung man wünscht/befiehlt/anordnet. Das Desideratum ist eine Proposition. Der Imperativ (19a), an Ede und Rainer gerichtet, beschreibt die Situation (19b) und fordert dazu auf, diese Situation herzustellen. (19) a. Schreibt einen Artikel über Fragen! b. Ede und Rainer schreiben einen Artikel über Fragen. Die Besonderheit von Frage-Imperativen ist nun, daß sie ein epistemisches Desiderat haben: ich weiß + eingebettete Frage. Im Gegensatz zu Lewis (1970) kann man hier also annehmen, daß das Desideratum als propositionaler Gehalt abtrennbar ist. (20) BRING IT ABOUT THAT BRING IT ABOUT THAT Imperativ
(I know who lives here) (I know whether John lives here) Desideratum
In der Analyse (20) ist aber die Frage nicht hinwegparaphrasiert worden, sondern erst einmal etwas tiefer versteckt. Die Proposition, die den propositionalen Gehalt des Imperativs ausmacht, ist somit nicht der propositionale Gehalt der Frage. Der Angelpunkt der Åqvist-Hintikka-Analyse ist also nicht die Imperativ-Reduktion, sondern die nicht-interrogativische Paraphrasierung des Desideratums. Dies entspricht in etwa dem Vorgehen von Harrah — d. h. es werden dieselben Präsuppositionen angenommen — plus der Addition des epistemischen Elements bei der Umformung der Präsupposition zum Ziel der Frage. Fragewörter werden als Quantorenphrasen expliziert, die weiten Skopus über das episte-
15. Fragesätze
mische Element haben, so daß aus den Harrah’schen Präsuppositionen (21a) jeweils das Åqvist-Hintikka’sche Desideratum (21b) wird. (21) a. Hans kommt oder Hans kommt nicht. ∃x (x kommt) b. Ich weiß, daß Hans kommt, oder ich weiß, daß Hans nicht kommt. ∃x (Ich weiß, daß x kommt) Mit diesem Vorgehen wird aber nicht der propositionale Gehalt der Frage isoliert, sondern es handelt sich um die Reduktion einer interrogativen Einstellung (wissen-wer und wissenob) auf eine deklarative Einstellung (wissendaß). Die Möglichkeit einer solchen Reduktion ist aber nicht durch den Fragesatz bedingt, sondern durch die semantischen Eigenschaften des Einstellungsverbs. Das hat zur Folge, daß der Ansatz von Åqvist und Hintikka nicht auf den allgemeinen Fall einer interrogativen Einstellung anwendbar ist. Zwar kann aus (22a) der Satz (22b) gefolgert werden, oder sogar, in einer von Hintikka ebenfalls behandelten Lesart, der Satz (22c): (22) a. Ich weiß, wer kommt. b. Es gibt jemanden, von dem ich weiß, daß er kommt. c. Von jedem, der kommt, weiß ich, daß er kommt. Aber bei Verben, die ausschließlich interrogative Einstellungen ausdrücken, ist eine solche Reduktion gar nicht erst möglich, denn (23a) ist sicher nicht durch (23b) paraphrasierbar, da ein daß-Satz hier nicht akzeptabel ist. (23) a. Ich überlege, welcher Berg der höchste ist. b. Es gibt einen Berg, von dem ich überlege, daß er der höchste ist. Vielleicht könnte man dem mit einer ingeniösen lexikalischen Dekompositionsanalyse begegnen, aber auch dann bleibt immer noch das Argument von Karttunen (1979):
339
technique must be adopted for sentences like (a) which feature two indirect questions with only one verb.“
Insgesamt sind also die verschiedenen Methoden der deklarativen Paraphrasierung von Fragen bei den direkten Fragen relativ erfolgreich, lassen sich aber allesamt nicht auf das Problem der indirekten Frage anwenden.
3.
Frage-Antwort-Paare
Direkte Fragen sind initiative Sprechakte, d. h. sie leiten einen minimalen Dialog ein, der durch eine Antwort komplettiert wird. Und „knowing what counts as an answer“, so bemerkt Hamblin (195 8), „is equivalent to knowing the question“. Die Konsequenzen, die sich daraus für eine Fragetheorie ergeben können, hängen nunmehr vom Antwortbegriff ab, insbesondere auch vom Antwortformat. Hamblin nimmt an, daß alle Antworten Deklarative sind und daher schon für sich allein eine Proposition ausdrücken. Antworten, die nicht als vollständige Sätze formuliert sind, müssen dann als Ellipsen erklärt werden. Nimmt man dagegen die Satzteil-Antwort als grundlegend an, so ergibt sich ganz natürlich die Auffassung, daß Frage + Antwort mit einem Deklarativsatz äquivalent sind, z. B. Wer kommt? Urs. ≡ Urs kommt. Mit dieser Auffassung könnten nun auch die bereits besprochenen Theorien von Cresswell (1973) und Tichy (1978) in Verbindung gebracht werden. Denn selbst wenn man den Fragewörtern keinerlei logische Signifikanz zuspricht und daher wohl so verschiedenen Fragen wie (24a—c) allesamt den propositionalen Gehalt von (24d) zuschreiben muß, so sind doch die Paare (24′a—c) jeweils wieder einer Proposition äquivalent. (24) a. Wann bringt Arnim die Schlittschuhe? b. Wohin bringt Arnim die Schlittschuhe? c. Warum bringt Arnim die Schlittschuhe? d. Arnim bringt die Schlittschuhe
„I cannot conceive of any lexical decomposition of depend on which would enable us to account for the meaning of (a) along the lines Hintikka suggests. (a) Whether Mary comes to the party depends on who invites her.
(24′) a. 〈Arnim bringt die Schlittschuhe. Morgen〉 b. 〈Arnim bringt die Schlittschuhe. Auf die Reichenau〉 c. 〈Arnim bringt die Schlittschuhe. Weil er aufs Eis will.〉
The crucial point here is that Hintikka does not assign any meaning to indirect questions as such. Instead, they are interpreted “contextually”, that is, as a part of a larger construction which in addition contains a verb. Some radically different
Zur Bedingung der Äquivalenz muß also noch das hinzukommen, was Hamblin angesprochen hat: es muß aus der Frage ersichtlich sein, was jeweils als Antwort zählt. Alle obi-
340
gen Paare mögen Propositionsäquivalente sein, aber nur jeweils eines davon zählt als Antwort auf jeweils eine der drei Fragen. Das Fragewort hat also zumindest die Aufgabe, die Art der erwarteten Komplettierung zu spezifizieren. Die Auffassung von der Frage als Struktur mit einer wohldefinierten Lücke, die durch die Antwort gefüllt wird, tritt erstmals bei Cohen (1929) auf, der den logischen Inhalt der Frage (25 a) mit der propositionalen Form (25 b) angibt, so daß Fragewörter einfach als Variablen eines bestimmten Typs aufgefaßt werden. (25) a. Was ist die Summe von 3 und 5? b. x = 3 + 5 Eine solche offene Satzform ist z. B. auch Teil der Analyse von Åqvist (1965 ) und Hintikka (1976: 29 f.), der sie als Matrix der Frage bezeichnet: „... we also define the matrix of a wh-question to be its presupposition minus the quantifier. ... an answer (potential answer) to a given question is a substitution instance of its matrix ...“
Von einer solchen propositionalen Form läßt sich sagen, sie sei wahr oder falsch relativ zu einer Substitutionsinstanz, zu einem angenommenen Wert der Variablen. Unabhängig von einer bestimmten Substitutionsinstanz läßt sich daher — dies ist die Grundannahme in Egli (1974, 1976) — die mit der propositionalen Form assoziierte propositionale Funktion als propositionaler Gehalt der Frage isolieren: (26) λx (x = 3 + 5). Die Verwendung der Funktionalabstraktion hat ihren Vorteil darin, daß auch Satzformen mit mehr als einer assoziierten propositionalen Funktion adäquat repräsentiert werden können. Die Fragen (27a,b) fallen in einer Cohen-Satzform (27c) zusammen. (27) a. Wer sieht wen? b. Wen sieht wer? c. x sieht y. Dagegen werden sie in den mit dieser Form assoziierten Funktionen wohl unterschieden: (27) d. λx λy (x sieht y) e. λy λx (x sieht y). Einen vergleichbaren Ansatz verfolgen auch Hausser (1978) und Hausser & Zaefferer (1979). Die wohl früheste Formulierung der Äquivalenz des Frage-Antwort-Paares zu einem Deklarativ stammt allerdings von Kee-
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
nan & Hull (1973). Dort wird das Fragewort als eine Art restringierter Quantor behandelt, nach dem Vorbild von Carnap (1934, 1968:223) und Reichenbach (1947), die für (28a) eine Form wie (28b) annehmen. (28) a. Wann war Karl in Berlin? b. (?t) (Karl war zu t in Berlin) Der Vorteil eines solchen Ansatzes könnte sein, daß Fragesätze eine einheitliche Kategorie repräsentieren, während die Funktionalabstraktion zu einer Vielfalt von Typen führt. Der Vorteil der Funktionalabstraktion liegt aber darin, diese Typen auch angeben zu können, während eine direkte Semantik des ?-Operators bei Keenan & Hull nicht gegeben wird, so daß letztlich der propositionale Gehalt der Frage aus der deklarativäquivalenten Struktur 〈Frage, Antwort〉 gar nicht isolierbar ist. Womit die Frage der Anwendbarkeit dieses Ansatzes auf eingebettete Fragen gar nicht mehr gestellt zu werden braucht. Auch scheint eine solche unlösbare Verquickung nicht der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Frage und Antwort letztlich verschiedene Sprechakte mit angebbaren verschiedenen Inhalten sind. Die Funktionalabstraktionsanalyse hat als Paradefall natürlich die Ergänzungsfrage, die schon in Jespersen (1940) x-question genannt wird. Aber je nachdem, ob es sich um eine Frage nach wer (NP-Frage: λxNP (XNP kommt)), wann (ADVt-Frage: λtADV (tADV (er kommt))), welche (Quantorenfragen) usw. handelt, entsteht jedesmal ein anderer semantischer Typ für etwas, was syntaktisch zu einer Kategorie Fragesatz zusammengefaßt ist. Dies ist problematisch, wenn man einerseits an dem Prinzip festhalten will, daß Ausdrücke derselben syntaktischen Kategorie auch denselben semantischen Typ haben, und andererseits nicht behaupten will, die syntaktische Kategorie der Fragesätze habe einen ähnlichen Status wie die Kategorie VERB in der Kategorialgrammatik, wo der Verbbegriff selbst gar nicht existiert, sondern nur in Form der verschiedenen Kategorien Transitivum, Intransitivum etc. auftritt. Was aber bei Lewis ein Problem der infiniten Anzahl potentieller Frageverben war, ist hier ein Problem der Zugehörigkeit eines Verbs zu einer infiniten Menge semantischer Typen. Es müßte möglich sein, die Bedeutung des Verbs in all seinen Typen mit einer Meta-Regel zu beschreiben. Denn ohne sie fiele eine Generalisierung weg: wie erklärt sich, daß praktisch jedes Verb, das eine indirekte Frage irgendeines Typs zuläßt, auch alle anderen Fragetypen zuläßt? Man
15. Fragesätze
braucht nicht einmal die eingebettete Frage zu bemühen; auch direkte Fragen lassen sich durch eine Konjunktion verknüpfen, die eigentlich immer zwei typengleiche Objekte verknüpft: (29) Wann kommt er und wie lange bleibt er? Für eine Behandlung der Entscheidungsfrage führt Egli (1974) die Kategorie des Modus ein, die nur die beiden Elemente es ist so, daß und es ist nicht so, daß enthält, auf Deutsch: ja und nein. Aber dies ist eine Achillesferse aller Theorien mit diesem Antwortformat: die Semantik ist korrekt für (30a,b), versagt aber bei negierter Frage (30c). (30) a. Kommt Urs? Ja ≡ Es ist so, daß Urs kommt. b. Kommt Urs? Nein ≡ Es ist nicht so, daß Urs kommt. c. Kommt Urs nicht? Nein ≠ Es ist nicht so, daß Urs nicht kommt. Das unterschiedliche Verhalten von nein und die Existenz eines dritten Elements dieser Kategorie im Deutschen — nämlich doch — weisen darauf hin, daß in einer adäquaten Behandlung auch Kontexteigenschaften zu berücksichtigen wären. Unterschiedliche Auffassungen finden sich zur disjunktiven Frage, die von Hausser — geleitet von den möglichen Antworten — als Ergänzungsfrage, von Egli — inspiriert von der Form der disjunktiven Fragen — als Konjunktion (!) zweier Entscheidungsfragen interpretiert wird. Eine Darstellung der Probleme mit disjunktiven und Ja/Nein-Fragen findet sich in Bäuerle (1979a). Als Schwächen dieses Ansatzes erwähnt Egli (1976) selbst die Extensionalität der Semantik und die Verletzung des Natürlichkeitsprinzips dadurch, daß keine Bedeutungsangaben für Fragewörter angegeben werden, diese also lediglich hinwegparaphrasiert werden. Eine Intensionalisierung ist erforderlich, wenn man überhaupt eine Theorie der indirekten Frage anschließen will. Und das Natürlichkeitsprinzip erfordert die Angabe einer Kategorie, die sowohl deklarative wie auch interrogative Werte hat, in der sowohl z. B. deklarative Nominalphrasen („jeder Mann, ein Mann“) wie auch interrogative Nominalphrasen („welcher Mann“) untergebracht werden können. Erforderlich ist also die Lösung des schon bei Keenan & Hull (1973) angesprochenen Frageoperator-Problems. Nur läßt sich dieses Problem im Rahmen des Antwortformats „Satzteilantwort“ nicht lösen, weswegen sich die intensionale Version
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der Fragetheorie in Egli (1976) der Ansicht von Hamblin (195 8) anschließt, daß Antworten Satzantworten sind. Dies ist nämlich nicht nur eine Frage der Natürlichkeit des Antwortformats, sondern eine Konsequenz aus dem Postulat (A) Knowing what counts as an answer is equivalent to knowing the question. Die Fragen (31a,b) sind nämlich verschieden, obwohl sie dieselben kategorialen Antworten (31c) haben. Die gewünschte Verschiedenheit drückt sich erst wieder in den Satzantworten (31d,e) aus. (31) a. In welchem Erdteil liegt Luxemburg? b. In welchem Erdteil liegt Liechtenstein? c. In Asien (Afrika, usw.) d. Luxemburg liegt in Asien (Afrika ...) e. Liechtenstein liegt in Asien (Afrika ...) Nur hinsichtlich der Satzantwort gilt also die Äquivalenzthese. Die kategorialen Antworten lassen höchstens eine Implikation zu: (B) Die Frage zu kennen, impliziert, die möglichen Antworten zu kennen.
4.
Fragen als Mengen von Deklarativen
Mit Hamblin (195 8) beginnt die Tradition der von Harrah (1984) so genannten set-of-answers-methodology (hier: Antwortmengenbzw. AM-Methode), in der Antworten Propositionen sind und Fragen Mengen von Antworten. Diese Antworten können — was die disjunktive Frage nahelegt — als explizite Auflistung repräsentiert oder aber — im Fall der Ergänzungsfragen — als Eigenschaften von Propositionen angebbar sein. Mit Belnap & Steel (1976:2) „The meaning of a question addressed to a query system ...is to be identified with the range of answers that the question permits.“
setzt die AM-Methode die von Harrah (1961, 1963) begonnene Bemühung um ein Fragesystem fort, und Titel wie „Questions in Montague English“ (Hamblin 1973), „Questions in Montague Grammar“ (Bennett 1979b), „Questions and Answers in Montague Grammar“ (Belnap 1982), hinter denen sich durchweg AM-Ansätze verbergen, zeigen die Affinität der Methode zu einer formalen Semantik, die auf mengentheoretischen Operationen beruht und dem Prinzip „eine syntaktische Kategorie bedingt einen semantischen Typ“ huldigt. Erstmals taucht jetzt
342
„Fragesatz“ als Kategorie ernsthaft auf, auch wenn man gleich vorwegnehmen kann, daß dahinter nunmehr die Frage nach der gemeinsamen Kategorie „Satz“ stehen wird. Immerhin ist hier die durch Funktionalabstraktion entstandene Typenvielfalt auf die Dichotomie Deklarativ-Interrogativ reduziert (die in Hamblin (1973) bereits dahingehend aufgelöst wird, daß auch Deklarative für Propositionsmengen stehen — mit genau einem Element), so daß erstmals Arbeiten sowohl zur direkten wie auch zur indirekten Frage im Rahmen derselben Methode durchgeführt werden. Während dies in Wunderlich (1976a) und Bennett (1979b) explizit festgestellt wird, beschränkt sich Karttunen (1977) allein auf die indirekte Frage, weil ihm für die direkte Frage eine Art Vollbeschreibung vorschwebt. Varianten der AM-Beschreibung ergeben sich aus unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob man (a) die Menge der möglichen (Hamblin 1973) oder die Menge der wahren (Wunderlich 1976a, Karttunen 1977) Antworten zugrundelegen soll, und ob man (b) die Menge der wahren Antworten exhaustiv als die Antwort versteht (Karttunen 1977) oder als Menge, aus der ausgewählt werden kann (Bennett 1979b). Neuere im Rahmen der Montague-Grammatik oder verwandter Systeme angestellte Untersuchungen zur Frage-Semantik nehmen für gewöhnlich Karttunens (1977) Analyse der indirekten Frage als Ausgangspunkt, deren Grundidee, wie erwähnt, darin besteht, jede Frage die Menge ihrer wahren Satz-Antworten (genauer: der entsprechenden Propositionen) denotieren zu lassen. Wenn also ϕ ein Satz ist und ∥ϕ∥ die durch ihn ausgedrückte Proposition, so wird nach Karttunen die indirekte Entscheidungsfrage ob ϕ die Einermenge {∥ϕ∥} oder die der Negation, also {∥ϕ∥}, denotieren — je nachdem, ob ϕ wahr ist oder nicht. Tritt eine indirekte Frage nun als Komplement eines Verbs wie in (32) Monika fragt Erwin, ob es schon 8 Uhr ist. auf, so muß dieses Verb eine Argumentstelle für Propositionen-Mengen besitzen. Daraus ergibt sich unmittelbar eine Doppelt-Klassifizierung solcher Verben wie wissen, die neben indirekten Fragen auch daß-Sätze, also Propositionen denotierende Ausdrücke, einbetten: (32) a. Erwin weiß, daß die Tagessschau pünktlich beginnt. b. Erwin weiß, ob die Tagesschau pünktlich beginnt.
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
Da das Komplement in (33a) nach der Karttunenschen Analyse einem anderen logischen Typ angehört als das in (33b), müßte es sich streng genommen um zwei verschiedene, gleichlautende Verben, wissendund wissenw, handeln. Wie man allerdings unschwer erkennt, besteht ein enger Zusammenhang zwischen den beiden; denn beispielsweise folgt aus (33b) und (33c) der wissend-Satz (33a): (33) c. Die Tagesschau beginnt pünktlich. Im Rahmen der Karttunenschen Analyse ist man gezwungen, diese Folgerungsbeziehungen durch ein Bedeutungspostulat wie (33d) zu beschreiben, das einen Zusammenhang zwischen wissendund wissenwherstellt: (33) d. A weißw eine nicht-leere Menge von Propositionen gdw. gilt: A weißd jedes Element dieser Menge. (Im gerade betrachteten Fall ist das Attribut „nicht-leere“ redundant, im allgemeinen aber nicht. (33d) ist eine Folgerung aus dem von Karttunen (1977: 18, fn. 11) angegebenen Postulat, das außerdem noch etwas über das Wissen der leeren Propositionen-Menge aussagt.) Während man also den Zusammenhang zwischen (33a) und (33b) mit einem Bedeutungspostulat noch einigermaßen in den Griff bekommen kann, erweisen sich Beispiele wie (34) als erheblich schwieriger für eine Aufspaltung des Wissens in propositionales und frageeinbettendes: (34) Monika weiß, daß im Ersten ein Krimi läuft und ob der Western im Zweiten in Farbe ist. Die Koordinierbarkeit von daß-Sätzen mit (übrigens: beliebigen) indirekten Fragen in der Komplementposition einiger Verben macht offenbar die Angabe eines gemeinsamen logischen Typs (zumindest für koordinierte Strukturen) erforderlich. Karttunens Theorie weist an dieser Stelle eine Lücke auf. Bevor wir allerdings auf alternative Möglichkeiten der Klassifikation indirekter Fragen eingehen, sei noch erwähnt, wie sich andere Fragetypen im Rahmen von Karttunen (1977) ausnehmen. Bei Alternativfragen der Gestalt ob ϕ1oder [ob] ϕ2 ... oder [ob] ϕn zählen nach Karttunen als wahre Antworten alle wahren Propositionen aus der Menge {∥ϕ1∥, ..., ∥ϕn∥}. Das Denotat von ob es regnet oder die Sonne scheint enthielte somit bei Regenbogenwetter zwei Elemente, während es
15. Fragesätze
in einer lauen Sommernacht meistens leer wäre. Mit dem oben erwähnten Postulat (33d) ergibt sich bei dieser Analyse der Schluß von (35 a) auf (35 b), eine Tatsache, die an der Karttunenschen Theorie gelegentlich bemängelt wurde (z. B. von Boër 1978b: 310): (35) a. Monika weiß, daß die Tagesschau nicht läuft. b. Monika weiß, ob die Tagesschau nicht läuft oder ob sie verlegt wurde. Für Ergänzungsfragen führt die Karttunensche Strategie, Frageinhalte mit Eigenschaften von Propositionen zu identifizieren, zu einer Analyse, in der ein Fragewort mit einem Existenzquantor identifiziert wird (im folgenden ‘w(h) = ∃’-Analyse): wenn etwa wer schwimmt durch die Menge der wahren Propositionen der Form x schwimmt gedeutet werden soll, so läßt sich im allgemeinen das Denotat einer Frage der Form was V mit der Menge der Propositionen p identifizieren, für die (36) gilt. (36) p ist wahr, und es gibt ein x, so daß p besagt, daß x die durch V ausgedrückte Eigenschaft besitzt. (V ist dabei der durch Abstraktion gedeutete Rest des Satzes.) Diese Analyse läßt sich in naheliegender Weise auf mehrfache Ergänzungsfragen übertragen. Dabei entspricht dann jedem Fragewort ein Existenzquantor. Mit dieser ‘w(h) = ∃’ -Analyse sind zahlreiche Probleme verbunden, von denen zwei hier genannt seien. Das erste betrifft das Phänomen der Exhaustivität. Man betrachte: (37) a. Monika weiß, was heute im Fernsehen kommt. b. Monika weiß nicht, ob das Wort zum Sonntag heute im Fernsehen kommt. Nach der Karttunenschen Analyse sind (37a) und (37b) miteinander verträglich: damit (37a) als wahr herauskommt, genügt es, daß Monika von jeder Sendung, die tatsächlich kommt, auch weiß, daß sie kommt; von Sendungen, die nicht laufen, ist in Karttunens Wahrheitsbedingungen nicht die Rede, so daß Monika also insbesondere über diese nichts wissen muß. Intuitiv ist jedoch schwerlich einzusehen, wie (37a) und (37b) gemeinsam wahr sein können: wenn Monika weiß, was im Fernsehen läuft, und vielleicht außerdem noch über minimale deduktive Fähigkeiten verfügt, so sollte sie auch darüber informiert sein, was mit dem Wort zum Sonntag los ist. Man ist also geneigt, (37a) so zu verstehen, daß Monika die Fähigkeit zugesprochen wird,
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alle Elemente des Redeuniversums hinsichtlich der Frage, ob sie im Fernsehen kommen, zu beurteilen (starke Exhaustiv ität von wissen + Ergänzungsfrage). Um also den Widerspruch zwischen (37a) und (37b) zu beschreiben, müßte man insbesondere von (37a) auf: (37) c. Monika weiß, was heute nicht im Fernsehen kommt. schließen dürfen, was im Karttunenschen System jedoch ausgeschlossen ist. Dabei ist zu beachten, daß dieser Defekt nicht etwa durch ein weiteres Postulat für das Wort wissenw behoben werden kann. Mit dem schon vorausgesetzten Prinzip (33d) würde ein solches Postulat ja im wesentlichen auf eine Festlegung über das propositionale wissend hinauslaufen, für das die Exhaustivitätsannahme aber natürlich nicht gilt: (37d) ist nämlich durchaus mit (37b) verträglich. (37) d. Von jeder Sendung, die kommt, weiß Monika, daß sie kommt. Es gibt allerdings eine andere Möglichkeit, im Rahmen der Karttunenschen Analyse die starke Exhaustivität zu erzwingen. Man kann dieselbe nämlich einfach in die Fragebedeutung selbst einbauen. Dazu müßte man lediglich auch wahre Propositionen der Form ‘es ist nicht der Fall, daß x die durch V ausgedrückte Eigenschaft besitzt’ als Antworten auf Ergänzungsfragen zulassen. Obwohl ein solches Vorgehen etwas gegen den Geist der Karttunenschen Analyse geht — intuitiv handelt es sich bei diesen Propositionen ja nicht um adäquate Antworten — bekommt man auf diese Weise ebenfalls keine Schwierigkeiten mehr mit Sätzen wie (37a—d). Der Einbau der starken Exhaustivität in die Analyse der indirekten Frage selbst bringt jedoch gewisse (möglicherweise allerdings überwindbare) Schwierigkeiten mit sich. Starke Exhaustivität tritt nämlich nicht immer oder zumindest nicht immer auf dieselbe Weise wie in wissen + w(h)-Konstruktionen auf. Man betrachte dazu den folgenden Satz: (38) Monika fragt Erwin, wo man sonntags eine Programmzeitschrift kaufen kann. Dieser Satz ist typischerweise in Situationen wahr, in denen Monika bereits zufrieden ist, wenn Erwin ihr auch nur eine sonntäglich geöffnete Verkaufsstelle von Programmzeitschriften nennen kann. Mit der Exhaustivität würde man aber als einzig mögliche Lesart von (38) diejenige bekommen, wonach Monika nach einer vollständigen Liste aller solcher Läden verlangt. Man beachte, daß sich
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diese Konsequenz auch nicht dadurch vermeiden läßt, daß man etwa die Auswahl der in Frage kommenden Orte irgendwie kontextuell (z. B. auf solche, die im Umkreis von 2,5 km liegen) einschränkt: vielleicht gibt es ja 5 solcher Orte, von denen Erwin bloß einen kennt und nennt; Monika wäre aber trotz der mangelnden Exhaustivität der Erwinschen Antwort (in der nächstliegenden Lesart des Satzes) zufrieden. Bevor wir auf die zweite Schwierigkeit der Karttunenschen Analyse indirekter Ergänzungsfragen eingehen, sei noch kurz eine Anmerkung zu der soeben eingeführten Terminologie gemacht: die Exhaustivität, von der soeben die Rede war, war die sog. starke Exhaustivität. Das Gegenstück dazu, die schwache Exhaustiv ität, liegt dann vor, wenn man von der Einstellung (z. B. wissenw) zu einer Frage (wasv) auf eine entsprechende Einstellung zu allen positiven Instanzen, also allen wahren Propositionen der Form ‘x hat die Eigenschaft V’ schließen kann. Diese schwache Exhaustivität ist bei der Karttunenschen Analyse bereits in die Bedeutung der Frage eingebaut. (Eine ausführliche Darstellung verschiedener Exhaustivitäts-Grade findet man bei Groenendijk & Stokhof 1982: 179—181.) Die zweite Unzulänglichkeit der ‘w(h) = ∃’-Analyse betrifft Fragen mit welcher/e/es (engl.: which): (39) Monika weiß, welche Programmzeitschrift Erwin abonniert hat. Ohne auf Details einzugehen, wollen wir hier nur erwähnen, daß Karttunen für (39) nur eine Lesart bekommt, und zwar eine de reLesart, nach der Monika von jeder Programmzeitschrift, die Erwin abonniert hat, weiß, daß er sie abonniert hat, ohne unbedingt zu wissen, daß es sich bei diesen Blättern um Programmzeitschriften handelt. So könnte (39) nach Karttunen wahr sein, falls Erwin den Gong abonniert hat, Monika dies weiß, aber zugleich irrtümlich annimmt, es handle sich dabei um eine Fachzeitschrift für den Boxsport. Möglicherweise besitzt (39) auch tatsächlich eine solche Lesart. Das Problem ist jedoch, daß der Satz offensichtlich auch so verstanden werden kann (’de dicto’), daß durch ihn Monikas Wissen um den Status der von Erwin abonnierten Zeitschriften mitbehauptet wird. Eine solche Lesart ist aber nach der Karttunenschen Analyse nicht vorgesehen, ja nicht einmal mit dieser vereinbar. (Vgl. Groenendijk & Stokhof 1982: 181—183,
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
204 f und Zimmermann 1985: 433 f). Trotz aller Schwächen der Karttunenschen Analyse indirekter Fragen sei hier jedoch an einen ihrer wesentlichen Vorzüge erinnert: alle indirekten Fragen sind nach Karttunen vom selben logischen Typ, denn sie denotieren allesamt Mengen von Propositionen. Insbesondere gibt es also kein Problem, verschiedenartige Fragen miteinander zu koordinieren. Insofern kann man Karttunens Theorie als echten Fortschritt gegenüber früheren Darstellungen der Frage ansehen. Seit dem Erscheinen von Karttunens Arbeit (1977) zur Syntax und Semantik indirekter Fragen hat es eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen und alternativen Ansätzen zur Darstellung dieser Phänomene gegeben. Auf zwei davon wollen wir hier etwas ausführlicher eingehen. Boër (1978b) übernimmt zunächst im wesentlichen die Karttunensche Analyse der Entscheidungsfrage, gelangt aber aufgrund der weiter oben (im Zusammenhang mit 35 a,b) erwähnten Kritik zu einer anderen Deutung von Alternativfragen der Form: (40) a. ob ϕ1 oder [ob] ϕ2 ... oder [ob] ϕn. Wie der einfachen Entscheidungsfrage wird auch der Alternativfrage nach Boër als Denotat eine Einermenge zugewiesen, die jetzt als Element die tatsächliche ‘Wahrheitswertverteilung’ der durch ϕ1, ..., ϕn ausgedrückten Propositionen besitzt. Falls also alle Teilglieder wahr sind, so enthält das Denotat der gesamten Alternativfrage als einziges Element den durch die Konjunktion ϕ1und ϕ2 ...und ϕn ausgedrückten Satzinhalt, also den Schnitt der einzelnen Propositionen miteinander: ∥ϕ1∥ ⋂ ∥ϕ2∥ ⋂ ... ⋂ ∥ϕn∥; wenn hingegen z. B. die Elemente ϕ2 und ϕn falsch sind, ist das Denotat der Alternativfrage die Menge {∥ϕ1∥ ⋂ ∥ϕ2∥ ⋂ ... ⋂ ∥ϕn∥} etc. Im allgemeinen lautet dann die Formel zur Bestimmung der Proposition im Denotat von (40a):
Es ist klar, daß auf diese Weise der oben kritisierte Schluß von (35 a) auf (35 b) nur noch dann funktioniert, wenn Monikas Wissen unter logischen Folgerungen (‘Abschwä-
15. Fragesätze
chungen’) abgeschlossen ist, was nicht unbedingt der Fall ist. Indirekte Ergänzungsfragen wie (41a) sind nach Boër wie (41b) zu paraphrasieren: (41) a. Monika erzählt Erwin, was sie heute verkauft hat. b. ∃x V(m,x) ⋀ ∀x [V(m,x) ↔ E(m,e, ⋀V(m,x))] (V = hat (heute) verkauft, E = erzählt, m = Monika, e = Erwin, ⋀ = daß.) Das erste Konjunkt gibt dabei eine Art Existenzpräsupposition (genauer: -implikation) wieder, die bei Karttunen und den meisten anderen Theorien vernachlässigt wird; auch wir werden sie im folgenden unterschlagen. Ersetzt man das Bikonditional (‘↔’) im zweiten Konjunkt durch eine einfache (materiale) Implikation (‘→’), so erhält man die Karttunensche Analyse von (41a), wenn man einmal für erzählen eine ähnliche Aufspaltung (samt Postulat) annimmt wie weiter oben für wissen. Die ‘←’-Richtung bringt ein zusätzliches faktives Element in die Analyse von (41a): die Gegenstände, von denen Monika Erwin gegenüber behauptet, daß sie sie verkauft habe, muß sie auch wirklich verkauft haben, wenn (41a) unter der Analyse (41b) wahr sein soll. Interessanterweise ist die in (41b) zugrundegelegte propositionale Einstellung des Erzählens an sich nicht faktiv; der genannte Effekt ergibt sich erst bei einer Frageeinbettung wie in (41a). Für Verben wie wissen, die schon von Haus aus faktiv sind, läuft natürlich die Boërsche Analyse im wesentlichen auf die Karttunensche hinaus. Neben der zusätzlichen Existenzimplikation ist ein gegenüber Karttunen neues Merkmal allerdings die Tatsache, daß Boër ohne eine Aufspaltung der Verben wie wissen, erzählen etc. in frageeinbettende und propositionale Vorkommen auskommt: die indirekte Frage wird bei Boër nämlich als Funktor aufgefaßt, der propositionale Operatoren (Einstellungen mit Subjekt) als Argumente nimmt. So erhält man die Boërsche Interpretation der in (41a) eingebetteten Frage im wesentlichen durch Abstraktion von den Parametern e (Objekt), m (Subjekt) und E (Hauptverb) in (41b); für die Details dieser geschickten logischen Kategorisierung müssen wir auf Boërs Originalarbeit verweisen. Ein Effekt dieses Vorgehens sei hier allerdings noch erwähnt: wenn man bei Verben wie wissen und erzählen eine einheitliche semantische Form zugrundelegt, ist es prinzipiell möglich, auch die gemischten Koordinationen wie (42a) zu beschreiben:
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Man braucht nämlich nur anzunehmen, daß (42a) wiederum auf (42b) zurückzuführen ist: (42) a. Monika erzählt Erwin, was sie heute gemacht hat und daß sie bereits mehrere Lexika verkauft hat. b. Monika erzählt Erwin, was sie heute gemacht hat, und Monika erzählt Erwin, daß sie bereits mehrere Lexika verkauft hat. Da Karttunen für die beiden Vorkommen von erzählt in (42b) zwei (sogar kategoriell) verschiedene Relationen ansetzt, hätte er — im Gegensatz zu Boër — Probleme, (42a) in dieser Weise als Ellipse zu erklären. Man beachte, daß die in den Frageinhalt eingeschleuste Faktivität noch keine starke Exhaustivität nach sich zieht: (41b) ist nämlich durchaus mit der Annahme verträglich, daß Monika Erwin gegenüber den falschen Eindruck erweckt hat, sie habe noch mehr verkauft als die Gegenstände, von denen sie ihm erzählt hat. Doch wie bei Karttunen, so läßt sich auch hier bei Boër die starke Exhaustivität nachträglich einbauen, worauf wir hier allerdings aus Platzgründen verzichten. (Vgl. dazu Zimmermann (1985: 439)). Es gibt übrigens viele Fälle von Frageeinbettungen, bei denen keine Faktivität vorliegt, so z. B. in: (43) Monika überlegt, was sie lesen soll. (43) besagt ja nicht, daß sich Monika zu jedem Buch, das sie lesen soll, überlegt, daß sie es lesen soll: vielleicht kommen ihr ja immer nur die falschen Schriften in den Sinn. Als Ausweg schlägt Boër in diesen Fällen vor, das einbettende Verb (hier: überlegen) mit einem an der Oberfläche möglicherweise unsichtbaren Operator (namens about) auszustatten, der die Frageinhalte ihrer Faktivität beraubt. Auf eine genauere Diskussion müssen wir hier allerdings verzichten. Ebensowenig gehen wir auf die bei Boër ohnehin nur andeutungsweise behandelten which-Fragen ein. Es sei jedoch erwähnt, daß sich die bei Karttunen nicht darstellbare de re/de dicto Ambiguität derselben im Rahmen der Boërschen Theorie zumindest prinzipiell erfassen läßt.
5.
Deklarative und Interrogative in einer logischen Kategorie
Die von Groenendijk & Stokhof (1982) vorgelegte Analyse indirekter Fragen besitzt gegenüber ihren Vorgängern den großen Vorzug, auf einer einheitlichen logischen Kate-
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V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
gorisierung der Frage- und Satzeinbettungen plemente von wissen als intensional bezeichzu basieren. Die Grundidee, die übrigens auch net werden. Der Unterschied ist aber, daß es in der Konstruktion wissen, daß ϕ (oder auch: in Lewis (1982) zu finden ist, ist zunächst sehr einfach: anstatt Einermengen von Propositiowissen, ob ϕ) der Satz ϕ ist, dessen Intension nen als Denotate von Entscheidungsfragen beachtet werden muß; nicht der Wahrheitswert von ϕ, sondern die durch ϕ ausgedrückte oder (wie bei Boër) Alternativfragen zu nehmen, kann man gleich die Elemente derselben Proposition ist es, die zu den Wahrheitsbedindafür benutzen. Auf diese Weise erhält man gungen beiträgt und als Extension (Denotat) sowohl des daß-Satzes als auch des ob- Satzes automatisch eine einheitliche logische Katedient. Davon zu unterscheiden sind jedoch gorie für daß- und ob-Ergänzungen. Der Undie Intensionen von daß ϕ und ob ϕ, die jedem terschied ist, daß ein Ausdruck der Form daß ϕ immer, d. h. an jedem Index (in jeder Welt), Index die entsprechende Proposition zuorddieselbe Proposition ∥ϕ∥ bezeichnet, während nen. Wie bereits angedeutet wurde, handelt die indirekte Entscheidungsfrage ob ϕ entes sich bei der Intension von daß ϕ um eine weder ∥ϕ∥ oder ∥ϕ∥ bezeichnet, je nach dem, konstante Funktion mit Wert ∥ϕ∥, während sich die Intension f von ob ϕ nach der Formel welche der beiden Propositionen am Index wahr ist. Nimmt man nun (wie allgemein üb5 (4 ) bestimmt: lich) an, daß Verben wie wissen Relationen zwischen Individuen und Propositionen ausdrücken, so ergeben sich unmittelbar die folgenden Schlußschemata: (44) a.(i) A weiß, ob ϕ. (ii) ϕ (iii) A weiß, daß ϕ. b.(i′) A weiß, ob ϕ. (ii′) Es ist nicht so, daß ϕ. (iii′)A weiß, daß ϕ nicht der Fall ist. Wegen der Prämisse (ii) bezeichnet nämlich daß ϕ in (44a) dieselbe Proposition wie ob ϕ, also ∥ϕ∥; mit (i) wiederum folgt, daß diese Proposition zu A’s Wissen gehört. Ähnlich argumentiert man für (44b). Man beachte, daß diese Schlüsse lediglich auf der logischen Kategorisierung des Wissens als propositionaler Einstellung und auf der Analyse von ob-Komplementen als Bezeichnungen für Propositionen beruhen. Insbesondere wurde also von keinem Bedeutungspostulat (etwa: Faktivität von wissen) oder gar einer DoppeltKlassifizierung des einbettenden Verbs Gebrauch gemacht. Während die obigen Schlüsse bei Verben wie wissen und erzählen willkommen sind, möchte man sie doch nicht überall haben:
Groenendijk und Stokhof haben eine verblüffend einfache Methode gefunden, um Schlüsse wie den in (44c) zu blockieren: man muß nämlich einfach nur annehmen, daß es sich bei dem Komplement zu überlegen um eine intensionale (opake, ungerade) Position handelt! Diese Idee bedarf der Erläuterung, da ja in üblicher Redeweise auch die Kom-
Die Schlüsse (44a) und (44b) funktionieren gerade deshalb, weil es für die Einstellung des Wissens nur darauf ankommt, welche Proposition durch das Komplement daß ϕ bzw. ob ϕ denotiert wird, was also die Extension des jeweiligen Komplements ist. Wenn man nun annimmt, daß dies bei Verben wie überlegen nicht der Fall ist, sondern daß vielmehr die Intension des Komplements — also der jeweilige propositionale Begriff (= die ‘Art des Gegebenseins’ der Proposition) — in die Wahrheitsbedingungen eingeht, so ist der Übergang von (i) und (ii) nach (iii) in (44c) tatsächlich nicht mehr möglich: selbst wenn (ii) gilt und somit daß ϕ und ob ϕ dieselbe Proposition denotieren, sind sie dennoch (im allgemeinen) sinnverschieden. Die durch gewisse Verben eingeschleuste Faktivität indirekter Fragen stellt sich also nach Groenendijk und Stokhof als Extensionalität bezüglich der Komplementposition dar. Bisher war allerdings nur von indirekten Entscheidungsfragen die Rede. Alternativfragen werden wie bei Boër, also nach der Formel (40b), behandelt — freilich mit dem Unterschied, daß man jetzt die dort angegebene Proposition selbst (und nicht die entsprechende Einermenge) als Denotat nimmt. Es stellt sich aber die Frage, ob sich die Strategie, indirekten Fragen Propositionen als Denotate zuzuordnen, auch auf Ergänzungsfragen übertragen läßt. Welche Proposition soll in diesem Fall bezeichnet werden? Um die von Groenendijk & Stokhof vorgeschlagene Lösung dieses Problems besser nachvollziehen zu können, sei zunächst ein-
15. Fragesätze
mal daran erinnert, daß sich die durch eine Entscheidungsfrage ob ϕ bezeichnete Proposition als die Menge aller Welten (Indizes) auffassen läßt, in denen ϕ dieselbe Extension (denselben Wahrheitswert) hat wie in Wirklichkeit: (46) a. {w ∥ϕ∥ (w) = ∥ϕ∥ (wo)}, wobei „wo“ auf die wirkliche Welt referiert. Die in (46a) definierte Proposition ist nämlich gerade dann ∥ϕ∥, falls ϕ (in wo) wahr ist und ∥ϕ∥ sonst. Diese Charakterisierung der Denotation von Entscheidungsfragen läßt sich nun in naheliegender Weise auf Ergänzungsfragen wie wer am Samstag Erwin vertritt übertragen. Der Unterschied ist lediglich, daß letzteren statt eines Satzes ein Prädikat entspricht. In unserem Beispiel bietet sich somit die Menge derjenigen Welten als Denotat an, in denen das Prädikat am Samstag Erwin vertreten dieselbe Extension hat wie in Wirklichkeit. Im allgemeinen würde man dann für eine Frage der Form wer Q (bzw. wen Q, was Q etc.) das folgende Denotat bekommen: (46) b. {w ∥Q∥ (w) = ∥Q∥ (wo)}, wobei wieder wo die Wirklichkeit ist und ∥Q∥ die Intension des Prädikates Q, also der durch Abstraktion vom Fragewort gedeutete Rest des Satzes. Bei Mehrfachfragen (wer wen unterrichtet etc.) muß man dementsprechend öfter abstrahieren, um ein mehrstelliges Prädikat Q zu erhalten; an der Formel (46b) ändert das aber nichts. Ein wichtiges Merkmal dieser von Groenendijk & Stokhof vorgeschlagenen Deutung von Ergänzungsfragen ist, daß man mit ihr die starke Exhaustiv ität geschenkt bekommt. Man betrachte etwa: (47) a. [Monika weiß,] wer wen unterrichtet b. [Monika weiß nicht,] ob Erwin Maya unterrichtet. Das Denotat der in (47a) eingebetteten Frage ist (47c), das äquivalent ist zu (47d): (47) c. {w ∥unterrichtet∥ (w) = ∥unterrichtet∥ (wo) } d. {w ∀x ∀y: 〈x,y〉 ∈ ∥unterrichtet∥ (w) ↔ 〈x,y〉 ∈ ∥unterrichtet∥ (wo)} Andererseits denotiert die eingebettete Frage in (47b) die folgende Menge: (47) e. {w 〈Erwin, Maya〉 ∈ ∥unterrichtet∥ (w) ↔ 〈Erwin, Maya〉 ∈ ∥unterrichtet∥ (wo)}, also eine Abschwächung von (47d). Wenn nun Monikas Wissen aber unter solchen Ab-
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schwächungen abgeschlossen ist, können (47a) und (47b) nicht gleichzeitig wahr sein, was zu zeigen war. Auch die schon erwähnte de re/de dictoAmbiguität von Ergänzungsfragen mit welcher/e/es + N wird bei Groenendijk und Stokhof behandelt, eine ausführliche Darstellung der Methode würde jedoch hier zu weit führen. Die beiden Lesarten, die eine indirekte Frage wie (48a) erhält, sind (48b,c). (48) a. welches Schulbuch rot ist b. {w ∥Schulbuch∥ (w0) ⋂ ∥rot∥ (w) = ∥Schulbuch∥ (w0) ⋂ ∥rot∥ (w0)} c. {w ∥Schulbuch∥ (w) ⋂ ∥rot∥ (w) = ∥Schulbuch∥ (w0) ⋂ ∥rot∥ (w0)} (∥ϕ∥(w) ist die Extension des Ausdrucks ϕ in der Welt w; aus Einfachheitsgründen haben wir angenommen, daß rot als durchschnittsbildend gedeutet wird.) (48b) ist dasselbe wie: (48) b′. {w ∀x ∈ ∥Schulbuch∥ (w0): x ∈ ∥rot∥ (w) ↔ x ∈ ∥rot∥ (w0)} Ohne die ‘→’-Richtung wäre (48b’) die Konjunktion (der Schnitt) über die Karttunensche Interpretation von (48a); bei Groenendijk und Stokhof kommt aber noch die starke Exhaustivität der Frage hinzu. (48c) ist die de dictoLesart von (48a). Der Unterschied zwischen den beiden ist der folgende: um (48a) in der de re-Lesart (48b) zu wissen, müßte Erwin von jedem Schulbuch bekannt sein, ob es rot ist oder nicht; um die de dicto Lesart (48c) zu wissen, müßte er von jedem Gegenstand wissen, ob er ein rotes Schulbuch ist oder nicht. Diese beiden Lesarten sind natürlich (streng genommen) logisch unabhängig voneinander. Ob sie auch die — sicherlich vorhandene — Ambiguität von welcher-Fragen richtig wiedergeben, ist jedoch zweifelhaft. So hat uns ein anonymer Gutachter darauf hingewiesen, daß nach Groenendijk und Stokhof der indirekte Fragesatz (48) d. welches rote Schulbuch ein Schulbuch ist in der de dicto-Lesart genauso behandelt wird wie (48a), d. h. er wird durch (48c) gedeutet. Das ist aber offensichtlich nicht korrekt. (Vgl. Zafferer 1984 für eine möglicherweise adäquatere Behandlung von welcher-Fragen.) Einer der wesentlichen Vorzüge der hier nur skizzenhaft dargestellten Theorie von Groenendijk & Stokhof ist die einheitliche logische Kategorisierung aller indirekten Fragen sowie der daß -Sätze: sie alle denotieren Propositionen (Weltenmengen) und können deshalb beliebig miteinander koordiniert werden. Sätze wie:
V. Semantische Grundlagen der Sprechakte
348
(49) Erwin weiß, welches Schulbuch rot ist und daß rote Schulbücher nicht zulässig sind.
einer solchen Wegerklärung im Rahmen seiner Theorie.)
können deshalb ganz direkt, ohne Tilgungstransformation o. ä., als Einbettungen von Konjunktionen (‘p ⋀ q’) gedeutet werden. Doch diese elegante Lösung des Koordinationsproblems gibt ein Rätsel auf, welches sich übrigens auch schon bei der Boërschen Analyse ergibt. Es erscheint nämlich aus der Sicht dieser Theorien einigermaßen schleierhaft, warum Sätze wie (5 0a) und (5 0b) abweichend sind: (50) a. *Erwin glaubt, welches Schulbuch rot ist. b. *Erwin fragt Monika, daß rote Schulbücher nicht zulässig sind.
6.
Weiterhin gilt natürlich, daß es solche gemischten Koordinationen wie in (49) nur dann gibt, wenn das einbettende Verb sowohl daß -Sätze als auch indirekte Fragen nimmt. Natürlich könnte man (5 0a) und (5 0b) rein syntaktisch ausschließen, was allerdings im Rahmen der beiden zuletzt angesprochenen Theorien ganz unnatürlich erscheint. (Karttunen bereiten diese Fakten dagegen kein Problem, aber er hat ja dafür auch mit (49) Ärger!) Von einem rein deskriptiven Standpunkt aus handelt es sich hier lediglich um einen Schönheitsfehler, der sich vielleicht sogar eines Tages irgendwie wegerklären läßt. (Vgl. Boër 1978b: 332 f., für einen ersten Versuch
Literatur (in Kurzform)
Åquist 1965 · Bäuerle 1979a · Belnap 1982 · Belnap/Steel 1976 · Bennett 1977 · Bennett 1979b · Boër 1978b · Carnap 1934 · Cohen 1929 · Cresswell 1973 · Egli 1974 · Egli 1976 · Engdahl 1980 · Groenendijk/Stokhof 1982 · Groenendijk/Stokhof 1984 · Hamblin 195 8 · Hamblin 1967 · Hamblin 1973 · Harrah 1961 · Harrah 1963 · Harrah 1984 · Hausser 1978 · Hausser/Zaefferer 1979 · Hintikka 1974 · Hintikka 1976 · Hiz (ed.) 1978 · Jespersen 1940 · Karttunen 1977 · Katz/Postal 1964 · Keenan/Hull 1973 · Kiefer (ed.) 1983 · Leonard 195 9 · Lewis 1970 · Lewis 1982 · Manor 1982 · Prior/Prior 195 5 · Reichenbach 1947 · Scha 1983 · von Stechow/Zimmermann 1984 · Stenius 1967 · Tichý 1978 · Wunderlich 1976a · Zaefferer 1983 · Zaefferer 1984 · Zimmerman 1985
Bibliographien zum Thema: Egli, Urs und Hubert Schleichert (1976) Bibliography of the Theory of Questions and Answers. In: Belnap & Steel (1976), 155—200. Vorläufige Version in: Linguistische Berichte 41, 1976, 105—128. Ficht, Heribert (1978) Supplement to a bibliography of the theory of questions and answers. In: Linguistische Berichte 55, 92—114. Rainer Bäuerle, Stuttgart/Thomas Ede Zimmermann, Stuttgart, (Bundesrepublik Deutschland)/
349
VI. Nominalsemantik Nominal Semantics
16. Eigennamen 1. 2. 3. 4. 4.1 4.2 5. 5.1 5.2 5.3 6. 6.1 6.2 6.3 7. 7.1 7.2 8. 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 9.
1.
Einleitung Namensträger als Bedeutungen Namen als verkleidete Kennzeichnungen Eigennamen in modalen Kontexten Ein Problem für die Deskriptionstheorie Namen als starre Designatoren Was Eigennamen bedeuten Die Festlegung der Referenz Bedeutung und Inhalt Mögliche Verfeinerungen Eigennamen und Einstellungen Diagonalisierungen als Nebensinne Waterloo Zwei Dimensionen oder reine Benennung? Ein Fazit Vermischte Bemerkungen Logische Kategorie der Eigennamen Fiktion Historisch-bibliographische Notizen Zum Terminus ‘Eigenname’ Zur Benennungstheorie Zur Kennzeichnungstheorie und zur logischen Kategorisierung Zu den verkleideten Kennzeichnungen Zur Kritik an den sogenannten Deskriptionstheorien Zur Festlegung des Namens-Prädikats Zum Begriff der Tradition Zur Namensbedeutung Zu den propositionalen Einstellungen Zur Fiktion Literatur (in Kurzform)
Einleitung
Einige Wörterbücher wollen konsequent sein und führen deshalb keine Eigennamen auf. In anderen findet man die Hauptstä dte der Welt und die großen Feldherren der Geschichte. Unsere gute Erde fehlt in keinem. Sind Eigennamen vielleicht gar keine richtigen Wörter? Um diese Vermutung genauer ausdrücken zu können, führen wir zunä chst einige terminologische Unterscheidungen ein. Jemand ruft in den Wald: Ursula! Das akustische Er-
eignis wollen wir als Namenstoken bezeichnen. Diesem Token entspricht ein Typ, den wir die Lautform des Namens nennen. Unter einem Wort verstehen wir ein Paar aus einer Lautform und einer ihr per Sprachkonvention zugewiesenen Bedeutung. Der Bedeutungsbegriff ist dabei theorieabhä ngig und kann unterschiedlicher Natur sein (vgl. Artikel 1). Wenn wir nun Namen den Status von Wörtern (eventuell) absprechen, so soll dies heißen, daß ihnen (möglicherweise) keine konventionell gefestigten Paare aus Lautformen und Bedeutungen entsprechen. Versuchen wir nun, die Anforderungen, die wir an den Bedeutungsbegriff stellen müssen, etwas enger zu fassen. Viele Namen besitzen gewisse deskriptive Züge. So sind beispielsweise die meisten Vornamen geschlechtsspezifisch. Es gibt typische Hundenamen und auch mehr oder weniger vornehme Familiennamen, die die Herkunft ihrer Trä ger verraten. Schließlich haben viele Namen (wie unser Beispiel Ursula) eine etymologische Bedeutung. All diese Arten von Bedeutungen interessieren uns hier nicht: in einem Satz wie (1) können sie nä mlich den Beitrag (vorausgesetzt es gibt ihn) nicht beschreiben, den die Lautform Ursula zur Bedeutung des Satzes beisteuert, nä mlich die Festlegung eines Individuums, des Namensträgers. (1) Ursula ist abgereist. Wer (1) ä ußert, wird voraussetzen, daß die Gesprä chspartner Ursula irgendwie kennen. Es wird dagegen im allgemeinen nicht verlangt, daß die Hörer die ursprüngliche Bedeutung des Namens kennen, und die Hörer erwarten auch nicht, daß die Sprecher dies von ihnen erwarten. Diese Bedeutung trä gt also nicht zum Verstä ndnis des Satzes bei und gehört demnach nicht zu dem, was wir die systematische Bedeutung eines Namens nennen. Ein Sprecher könnte hingegen vom Hörer erwarten, daß er weiß, daß es sich um eine
VI. Nominalsemantik
350
Frau handelt. In einem gewissen Sinne sind wir also berechtigt, das Merkmal ‘weiblich’ als ein Element der systematischen Bedeutung von Ursula anzusehen. Doch der Hörer identifiziert nicht (oder nicht allein) aufgrund dieser Information über das Geschlecht das Individuum, von dem die Rede ist. Ein solches Merkmal bildet also auf keinen Fall den Kern der gesuchten Bedeutung.
2.
Namensträger als Bedeutungen
Als eine erste Hypothese bietet sich an, die Bedeutung von Ursula dem Individuum, das diesen Namen trä gt, gleichzusetzen. Wir werden diese Hypothese als (reine) Benennungstheorie bezeichnen. In die durch (1) ausgedrückte Proposition geht das Individuum Ursula ein, und der Beitrag, den ein Name zur Bedeutung eines Satzes, in dem er vorkommt, leistet, besteht darin, für dieses Individuum zu stehen. Gegen eine solche Sichtweise scheinen eine Reihe von Beobachtungen zu sprechen, die im wesentlichen auf Frege zurückgehen. Da die Diskussion der Methode, die man zur Lösung der Fregeschen Probleme für gewöhnlich benutzt, schon fast zum traditionellen Einstieg in die Semantik der Eigennamen geworden ist, beginnen auch wir unsere Darstellung mit der Erörterung dieser Probleme. Betrachten wir zunächst einige Beispiele. (2) Konfuzius ist niemand anders als Kungtse. (3) Zhangsan glaubt, daß Konfuzius ein römischer Redner war. (4) Zhangsan glaubt, daß Kung-tse ein römischer Redner war. (5) Zhangsan glaubt nicht, daß Konfuzius mit Kung-tse identisch ist. (6) Zhangsan glaubt nicht, daß Konfuzius mit Konfuzius identisch ist. Wenn (2) gilt, so haben Konfuzius und Kungtse denselben Referenten (denselben Namensträ ger). Nach unserer Annahme müßten sie also auch bedeutungsgleich sein. Mit Hilfe des Kompositionalitä tsprinzips kann man dann schließen, daß auch (3) und (4) sowie (5) und (6) dieselben Wahrheitsbedingungen besitzen, was zumindest auf den ersten Blick nicht korrekt zu sein scheint. Wenn Konfuzius und Kung-tse denselben Referenten haben, ist es außerdem nicht auf den ersten Blick zu sehen, wie (2) selbst etwas anderes ausdrücken könnte als die Identitä t eines Individuums mit sich selbst. Intuitiv ist
(2) jedoch informativ. Zusä tzliche Probleme bringen Sä tze wie (7) und (8): (7) Romulus hat nicht existiert. (8) Remus hat nicht existiert. Wenn sie wahr sind, haben Romulus und Remus keinen Trä ger, also auch (laut Hypothese) keine Bedeutung. Dann enthalten die beiden offenbar doch sinnvollen Sä tze als Subjekte Ausdrücke, die keine Bedeutung haben, was mit dem Kompositionalitä tsprinzip wiederum nicht in Einklang zu bringen ist. Mit diesen und ä hnlichen Überlegungen und Beispielen hat man vor allem in der einschl ä gigen sprachphilosophischen Literatur zu zeigen versucht, daß die Semantik der Eigennamen komplizierter ist, als es die reine Benennungstheorie wahrhaben will. Eine Antwort auf die Frage der Informativitä t von Identitä tsaussagen geben wir in Abschnitt 5.2. Das Problem der Namen in intensionalen Kontexten wird in Abschnitt 6.2.2 gelöst. Wie man Sä tze wie (7) oder (8) in einer Theorie der Eigennamen behandeln kann, erörtern wir in 7.2. Doch bevor wir unsere eigenen Lösungsvorschlä ge bringen, schauen wir, wie die sog. Deskriptionstheorie mit den Schwierigkeiten fertig wird, mit der die Bennennungstheorie zu kämpfen hat.
3.
Namen als verkleidete Kennzeichnungen
Probleme, wie sie die Sä tze (2)—(8) für eine Auffassung der Namen als reine Benennungen stellen, treten in ä hnlicher Form bei einer allzu einfachen Interpretation von Kennzeichnungen auf. Eine Lösung — die Russellsche Kennzeichnungstheorie (s. Artikel 22), nach der Kennzeichnungen Quantoren sind — lä ßt sich auch direkt auf die logische Analyse der Eigennamen übertragen. Danach entspricht jedem natürlichsprachlichen Namen N ein Prä dikat PN(‘N-sch zu sein’). Der Name N wird dann durch die Kennzeichnung der/die/ das PNwegparaphrasiert, wobei letztere als Quantor (‘es gibt genau ein PN, und für dieses gilt:’) aufgefaßt wird. Eine prä dikatenlogische Paraphrase von z. B. (2) sä he nach dieser Methode dann so aus: (9) ∃x ∃y ∀x′ ∀y′ ([PKonfuzius(x′) ↔ x′ = x] ⋀ [PKung-tse (y′) ↔ y′ = y] ⋀ x = y) Diese Analyse von Eigennamen als Quantoren liefert nur dann eine adä quate Beschrei-
16. Eigennamen
bung der mit (2)—(8) verbundenen Probleme, wenn eine extensionale Gleichheit zweier Prä dikate PNund PN′ — also Identitä t oder Nicht-Existenz der Namensträ ger — nicht die Bedeutungsgleichheit der (z. B. intensional interpretierten) Prä dikate PNund PN′impliziert. Erst dann ist nä mlich garantiert, daß z. B. die in (3) und (4) eingebetteten Sä tze trotz der Wahrheit von (2) wirklich etwas verschiedenes bedeuten können. Im Prinzip könnte man die einem Namen N entsprechende Kennzeichnung der/die/das PN — statt wie in (9) als Quantor — auch im Sinne der Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie (s. Artikel 22) als Individualbegriff (Individuenkonzept, Art des Gegebenseins) interpretieren, also durch eine Funktion, die je nach Situation (Index, möglicher Welt) ein Objekt, nä mlich den (eindeutig bestimmten) Besitzer der Eigenschaft PNspezifiziert. Auch hier müßte man dann eine intensionale Verschiedenheit von z. B. PKung-tseund PKonfuziusannehmen. Ein Vorteil der Auffassung von Namen als Quantoren gegenüber dieser zweiten ist der, daß sie eine einfache Erklä rung der Tatsache erlaubt, daß Schlüsse wie der von (10) auf (11) gelegentlich zulä ssig sind. Unter Rückgriff auf die Russell-Paraphrase der Kennzeichnung PKonfuziuskann man nä mlich (10) eine sog. de-re-Lesart (12) unterlegen, nach der Zhangsan etwas über Konfuzius, also Kung-tse, glaubt. (10) Zhangsan glaubt, daß Konfuzius ein römischer Redner war. (11) Zhangsan glaubt, daß Kung-tse ein römischer Redner war. (12) ∃x ∀x′ ([PKonfuzius(x′) ↔ x′ = x] ⋀ [Zhangsan glaubt: x war ein römischer Redner]) Da nun die Identitä tsbehauptung (13) nach der Russellschen Kennzeichnungstheorie auf so etwas wie (9), hier wiederholt als (14) hinauslä uft, folgt in der Tat (11) aus prä dikatenlogischen Gründen — vorausgesetzt, man analysiert es im Sinne von (15). (13) Konfuzius und Kung-tse sind ein und derselbe. (14) ∃x ∃y ∀x′ ∀y′ ([PKonfuzius(x′) ↔ x′ = x] ⋀ [PKung-tse (y′) ↔ y′ = y] ⋀ x = y) (15) ∃x ∀x′ ([PKung-tse (x′) ↔ x′ = x] ⋀ [Zhangsan glaubt: x war ein römischer Redner]) Auch die Tatsache, daß solche Schlüsse wie der von (10) auf (11) (unter Voraussetzung
351
von (13)) nicht immer zu funktionieren scheinen, lä ßt sich dann leicht erklä ren. Neben den de-re-Lesarten (12) und (15) besitzen (10) und (11) nämlich noch jeweils eine de-dicto-Lesart, und zwar (16) bzw. (17). (16) Zhangsan glaubt: ∃ x ∀ x′ ([PKonfuzius (x′) ↔ x′ = x] ⋀ x war ein römischer Redner) (17) Zhangsan glaubt: ∃ x ∀ x′ ([PKung-tse (x′) ↔ x′ = x] ⋀ x war ein römischer Redner) Der Schluß von (10) auf (11) wird im allgemeinen schon dann blockiert, wenn nur einer der beiden Sätze de dicto interpretiert wird. Deutet man Eigennamen durch Individualbegriffe, so lä ßt sich diese Art der Analyse des Zusammenhangs zwischen (10) und (11) nur unter Zuhilfenahme einer Relation Erf wiedergeben, welche besagt, das ein Individuum unter einen Individualbegriff fä llt, ihn also erfüllt. Die entsprechenden Analysen von (10) wären dann: (18) ∃xErf(x, K) ⋀ Zhangsan glaubt: x war ein römischer Redner) (19) Zhangsan glaubt: K war ein römischer Redner. Dabei steht K für den Individualbegriff, der dem Namen Konfuzius entspricht. In (18) ist dann (wie in (12)) eine offene Proposition Gegenstand von Zhangsans Glauben; in (19) hingegen ist es die Proposition, die aus der Kombination des Sinnes (der Intension) K von K onfuzius mit dem (der) von war ein römischer Redner entsteht. Ein weiterer Vorteil der Auffassung von Namen als Quantoren ist die relativ naheliegende Paraphrase (21) von negativen Existenzaussagen wie (20); das Tempus haben wir dabei allerdings vernachlässigt. (20) Sherlock Holmes hat es nicht gegeben. (21) ﹁ ∃xPSherlock Holmes(x) Bei einer Interpretation von Namen durch Individualbegriffe müßte man so etwas wie partielle Konzepte zulassen, also solche, die nicht für alle Situationen definiert sind. Zudem sollte dann noch garantiert werden, daß die nä chstliegende Formalisierung von (20), nä mlich (22), auch wirklich wahr wird, wenn das Konzept H (für Sherlock Holmes) leerläuft. (22) ﹁ ∃x Erf (x, H) Es sollte erwähnt werden, daß sich die soeben dargestellten Schwierigkeiten allesamt aus der Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie direkt ergeben und nicht aus den speziellen
VI. Nominalsemantik
352
Anwendungen derselben auf Paraphrasen (der/die/das PN) von Eigennamen (N). Weiterhin soll nicht verschwiegen werden, daß sich diese Probleme zwar alle lösen lassen, aber eben nur um den Preis einer Theorie, die komplizierter ist, als sie sich auf den ersten Blick darstellt. Wie immer man nun die kennzeichnenden Paraphrasen der/die/das PNim einzelnen interpretiert, so scheint doch schon jetzt eines klar zu sein: die Auffassung von Namen als verkleideten Kennzeichnungen, die sog. Deskriptionstheorie der Eigennamen, ist offenbar in der Lage, die in Abschnitt 2 angesprochenen Probleme, auf die eine naive Benennungstheorie sofort stößt, auf befriedigende Weise zu lösen. Ein weiterer Vorteil der Deskriptionstheorie liegt zudem darin, daß man mit ihr auch leicht erklä ren kann, wie ein Name referiert, d. h. auf welche Weise die Bedeutung eines Namens N Aufschluß darüber gibt, wer N’s Namensträ ger ist: nach der Deskriptionstheorie ist nä mlich der Referent von N dasjenige (aufgrund von PN) eindeutig bestimmbare Individuum, welches die durch PNausgedrückte Eigenschaft besitzt. Dennoch hat auch diese Theorie ihre Schattenseiten, denen wir uns jetzt zuwenden werden. Einerseits kann man mit der Deskriptionstheorie das Verhalten der Eigennamen in bestimmten opaken Kontexten, namentlich in modalen Umgebungen (Möglichkeit, Notwendigkeit etc.), erstaunlicherweise nicht ohne weiteres erklä ren. Zum anderen gibt es eine Vagheit in der Deskriptionstheorie, die zu beseitigen erhebliche Schwierigkeiten bereitet; gemeint ist die Bestimmung des einem Namen N entsprechenden, den Namensträ ger identifizierenden Prä dikates PN. In den beiden nun folgenden Teilen 4 und 5 werden eben diese Probleme nacheinander abgehandelt.
4.
Eigennamen in modalen Kontexten
4.1 Ein Problem für die Deskriptionstheorie Wir betrachten zunä chst einen beliebigen Eigennamen, z. B. Aristoteles, und ein (gemä ß Deskriptionstheorie) dazugehöriges Prä dikat PAristoteles. Obwohl es für das darauffolgende Argument unerheblich ist, nehmen wir der Anschaulichkeit halber einmal an, PAristoteles wä re das Prä dikat Lehrer Alexanders zu sein; wichtig ist eigentlich nur, daß es sich um ein Prä dikat handelt, welches unabhä ngig vom
Namen Aristoteles definiert ist (dessen Referenz es ja erst festlegen soll) und daß es den Namensträ ger eindeutig identifiziert (was wir zumindest einmal voraussetzen wollen). Als nä chstes bringen wir Aristoteles in den Bereich eines Modaloperators, und zwar so: (23) Es verhält sich notwendigerweise so, daß Aristoteles der Lehrer Alexanders war. Die in (23) ausgedrückte Modalitä t wollen wir dabei als metaphysische Notwendigkeit, also als Wahrheit in allen möglichen Welten, auffassen. (Über das eingebettete Prä teritum sehen wir aus Einfachheitsgründen stillschweigend hinweg.) Gemä ß der Analyse, die wir in Teil 3 für das Verhalten der Namen in Glaubenskontexten gegeben haben, besitzt (23) mindestens zwei Lesarten. Die der dedicto Lesart entsprechende Interpretation besagt, daß es sich in jeder möglichen Welt so verhä lt, daß es genau ein Individuum gibt, das Alexander unterrichtet hat, und daß dieses Individuum Alexander unterrichtet hat. Die andere Lesart (de re) sagt, daß es genau ein Individuum gibt, das Alexander unterrichtet hat, und daß dieses Individuum in allen möglichen Welten Alexander unterrichtet hat; diese Lesart besagt also, daß Aristoteles die Eigenschaft, Alexanders Lehrer zu sein, mit metaphysischer Notwendigkeit zukommt. Wä hrend nun diese zweite Lesart dem üblichen Verstä ndnis von (23) recht nahe kommt, scheint die erste nicht belegt zu sein. Um die unerwünschten Lesarten auszuschalten, könnte man eine Skopuskonvention vorschlagen, nach welcher die (als Quantoren aufgefaßten) Kennzeichnungen, die den Eigennamen entsprechen, den Modaloperatoren gegenüber, die von den epistemischen Operatoren scharf zu trennen wä ren, immer weiten Skopus hä tten. Daß es jedoch um mehr als nur Quantorenskopus geht, zeigt eine Betrachtung des modalen Status nicht modalisierter Aussagen. (24) Alexanders Lehrer war Aristoteles. Laut Deskriptionstheorie hat (24) die Lesart (25): (25) ∃x ∀x′ [[Alexanders-Lehrer(x′) ↔ x′ = x] ⋀ Alexanders-Lehrer(x)] Demnach wä re (24) unter der Voraussetzung, daß Aristoteles existiert hat, tautologisch. Dies kann aber nicht sein, denn Aristoteles hä tte sicher auch zurückgezogen leben können und dann nie den Auftrag erhalten, einen Königssohn zu erziehen. Hier kann keine Skopuskonvention helfen, da der Skopus der Aristoteles entsprechenden
16. Eigennamen
Kennzeichnung sozusagen maximal ist. Folgendes Ergebnis können wir also vorerst festhalten: Ohne Skopuskonvention weist die Deskriptionstheorie Sä tzen, in denen Eigennamen in modalen Kontexten auftreten, gewisse tautologische bzw. widersprüchliche Lesarten zu, die diese offensichtlich nicht besitzen. Doch auch nach Einführung einer auf Modaloperatoren beschr ä nkten Skopuskonvention bleiben Sä tze, in denen dem Namensträ ger eine dem Namen entsprechende Kennzeichnung zugeschrieben wird, problematisch. In der vorigen Argumentation wurde angenommen, daß sich alle Sprecher über eine Deskription geeinigt hä tten, eine Annahme, die sicherlich nicht realistisch ist. Ein echter Fregianer würde sagen, daß der Sinn eines Namens von Sprecher zu Sprecher variiert. Er vertritt demnach eine Art von Theorie, die in der Literatur unter dem Namen Bündeltheorie bekannt ist. Nach dieser Theorie könnte (24) nun durchaus falsch sein, weil ja ein Äußerer den Namen Aristoteles vielleicht im Sinne von der vielseitigste griechische Philosoph versteht. Abgesehen davon, daß diese semantische Relativitä t gewisse Probleme mit sich bringt, lä ßt sie sich durch folgendes Argument widerlegen: man bilde einen Satz, der als Prä dikat statt z. B. Alexanders Lehrer die Disjunktion über alle bei den Sprechern gä ngigen Kennzeichnungen enthä lt; dieser Satz ist nun für jeden Sprecher notwendig wahr. Da diese Disjunktion offensichtlich vom Zufall abhä ngt (nicht jede Sprachgemeinschaft wird über dieselben Kennzeichnungen verfügen), scheint dieses Ergebnis zumindest überraschend. Es ist sogar völlig unakzeptabel, wenn man bedenkt, daß es in der StandardMögliche-Welten-Semantik genau eine notwendig wahre Proposition gibt. Wenn man jedoch diese Annahme (die sowieso an anderen Stellen Ärger macht) fallen lassen könnte, so würde die Argumentation für den Fregianer besser aussehen. Man könnte dann nä mlich für den disjunktiven Satz bei jedem Sprecher eine eigene Lesart voraussetzen, bei der sichtbar wä re, daß der jeweilige Sprecher den Satz nur deshalb für logisch wahr hä lt, weil er in der Disjunktion seine eigene Kennzeichnung wiedererkennt. Der Satz wä re dann für den Sprecher, der für Aristoteles die Kennzeichnung Alexanders Lehrer benutzt, nur deshalb notwendig wahr, weil (24) für ihn notwendig wahr ist. Dies wä re nun ein Ergebnis, mit dem man leben könnte. In der Standard-Mögliche-Welten-Semantik gibt es aber hier kein Entrinnen für die
353
Bündeltheorie. Im nä chsten Abschnitt wollen wir untersuchen, wie die Deskriptionstheorie modifiziert werden kann, damit wenigstens ihre Grundidee gerettet werden kann. 4.2 Namen als starre Designatoren Die Schwierigkeiten, die die Modalitä ten für die Deskriptionstheorie bereiten, lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen; nicht der Inhalt der Kennzeichnung der/die/das PNist es, welcher für die Bestimmung des modalen Status von Sä tzen, in denen ein Name N vorkommt, eine Rolle spielt, sondern das durch diese Kennzeichnung jeweils festgelegte Individuum. Es scheint also, als habe die reine Benennungstheorie zumindest einen wahren Kern, da sie den Ärger mit den Modalitä ten vermeidet. Eine Art Kompromiß zwischen den beiden Ansä tzen könnte sich demnach als Ausweg erweisen. Ein solcher Kompromiß ist die zweidimensionale Namenstheorie oder kurz: die 2D-Theorie. (Das D soll dabei zugleich an Deskription erinnern, da es sich um eine, wenn auch erhebliche Modifikation der Deskriptionstheorie handelt.) Die 2D-Theorie besagt, daß die einem Namen entsprechende Kennzeichnung (zumindest in gewissen Umgebungen) rein benennend oder „starr“ interpretiert werden soll. Um klarzustellen, was das heißt, sei zunä chst der Begriff der Starrheit eingeführt. Der Einfachheit halber und der Tradition gemä ß führen wir diesen Begriff im Rahmen der Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie ein und überlassen den Lesern die (etwas umstä ndliche) Übertragung auf die Russellsche Quantoren-Paraphrase von Kennzeichnungen. Ein Individualbegriff, also eine Funktion f, die Situationen (oder Welten) Individuen zuordnet, heißt starr (engl. rigid), falls für jede Situation, für die f definiert ist, dasselbe Individuum als Wert geliefert wird, falls also für beliebige Welten w und w′ im Definitionsbereich von f gilt: f(w) = f(w′). Ein sprachlicher Ausdruck, der einen starren Individualbegriff zum Inhalt hat, heißt dann ein starrer Designator (engl. rigid designator). Nach der Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie wä re also z. B. die kleinste natürliche Zahl ein die Null bezeichnender starrer Designator; die Eigennamen laut Deskriptionstheorie entsprechenden Kennzeichnungen sind hingegen im allgemeinen keine starren Designatoren. Man kann nun aber einen DiagonalisierungsOperator (s. Artikel 9) namens dthat definieren, der aus beliebigen Kennzeichnungen starre Designatoren macht. Sei nä mlich α eine
VI. Nominalsemantik
354
Kennzeichnung, die in einem Kontext c den Individualbegriff f zum Inhalt hat, und sei wc die Welt, in der c realisierbar ist (die Kontextwelt von c). Dann ist der Inhalt von dthat(α) in c derjenige (starre) Individualbegriff g, der jeder Welt w′ als Wert f(wc) zuweist: (25) ǁdthat(α)ǁc(w′) = g(w′) = f(wc) = ǁαǁc(wc) Man beachte, daß nach dieser Theorie die Inhalte ǁαǁc von Ausdrücken α kontextabhä ngig sind; das wird normalerweise unabhä ngig motiviert (s. Artikel 9) und macht das Zweidimensionale an der 2D-Theorie aus, die wir jetzt wie folgt formulieren können: ein Eigenname N läßt sich paraphrasieren durch (26) dthat(der/die/das PN), wobei PN(wie in der ursprünglichen Deskriptionstheorie) ein N entsprechendes Prä dikat ist, das den Namensträ ger eindeutig festlegt. Wie man leicht sieht, sind Namen nach der 2D-Theorie starre Designatoren, die auf den Namensträ ger verweisen. Die Probleme mit den Modalitä ten sind damit offenbar gelöst. Gleichzeitig erhä lt die 2D-Theorie einen wesentlichen Aspekt der Deskriptionstheorie: die Frage, worauf Eigennamen referieren, wird unter Verweis auf die den Namen entsprechenden Kennzeichnungen beantwortet. Es drä ngt sich allerdings der durchaus berechtigte Verdacht auf, daß man sich durch die postulierte Starrheit der Eigennamen die Fregeschen Probleme (aus Teil 2) wieder eingehandelt hat, die zur Verwerfung der reinen Bennenungstheorie geführt haben. Bevor wir jedoch diesem Verdacht nachgehen, widmen wir uns dem anderen offenen Problem der Deskriptionstheorie, das sich für die 2DTheorie natürlich genauso stellt: was ist der Zusammenhang zwischen einem Namen und dem ihm entsprechenden, den Namensträ ger eindeutig identifizierenden Prädikat?
5.
Was Eigennamen bedeuten
5.1 Die Festlegung der Referenz Gesucht sind jetzt die Prä dikate PN, die man in die Paraphrasen (26) von Eigennamen N einsetzen kann. Es hä tte dabei wenig Sinn, als PNjeweils die Eigenschaft zu nehmen, mit dem Namensträ ger identisch zu sein. Wenn nä mlich n ein starrer Designator des Namensträ gers von N ist, so lä uft die Paraphrase dthat (das mit n identische Individuum) — auf
eine kennzeichnungstheoretische NotationsVariante der reinen Benennungstheorie hinaus. Insbesondere hä tte man also keine Erklä rung für die Referenz von Eigennamen. Die gesuchten PNmüssen eben nicht nur den jeweiligen Namensträ ger eindeutig identifizieren; die Entsprechung N : PNmuß auch in dem Sinne im Regelsystem der Sprache verankert sein, daß die Verwendung von N bei allen Sprechern unter Rückgriff auf PN erklä rt werden kann. Für N = K onfuzius sind damit z. B. auch solche speziellen Eigenschaften PN ausgeschlossen wie chinesischer Religionsstifter aus dem 6.—5. Jahrhundert v. Chr. Besser geeignete Kandidaten scheinen dann schon eher solche PNzu sein, die mit dem Gebrauch von N als Namen wesentlich zusammenh ä ngen. Die Namenstr ä ger-Relation selbst ist natürlich ausgeschlossen — sie soll ja gerade erst definiert werden — und auch der direkte Rückgriff auf die Namensgebung (Person, die auf den Namen K onfuzius getauft wurde) verbietet sich in vielen Fä llen: Konfuzius ist ein lateinischer Name, auf den sein Trä ger nie getauft wurde. Allerdings lä ßt sich jede Verwendung eines Eigennamens insofern auf die Namensgebung zurückführen, als jeder einzelne Sprecher den von ihm benutzten Namen irgendwann einmal gelernt, also von einem anderen Sprecher übernommen hat. Auf diese Weise ergibt sich eine Kette von Übernahmesituationen, an deren Anfang der Taufakt, die Namensgebung, steht. Diese Kette, die wir von nun an als Tradition (für den betreffenden Namen) bezeichnen wollen, stellt also eine Verbindung zwischen Sprecher in einer Äußerungssituation und Namensträ ger her. Aus dieser Überlegung ergibt sich die folgende Bestimmung von PN. (27) Ein Individuum x erfüllt das Prädikat PNdefinitionsgemäß genau dann, wenn gilt: x steht am Anfang der einschlägigen Tradition für N. Diese Festlegung bedarf einiger Erlä uterung. Zunä chst einmal sollte klar sein, daß PNnach ihr nicht nur den Namensträ ger eindeutig identifiziert, sondern auch als konventionell verankert gelten kann: PNlä ßt sich schematisch auf beliebige Eigennamen N beziehen und stellt somit keine speziellen Anforderungen an die einzelnen Sprecher. Andererseits handelt es sich auch nicht um eine triviale Relation, die lediglich zu einer starren Kennzeichnung des Namensträ gers führte: welches die einschlä gige Tradition eines Namens ist und wer an ihrem Anfang steht, hä ngt von den Umstä nden ab. Daß der entsprechende
16. Eigennamen
Eigenname N dennoch starr auf den Namensträ ger referiert, ist einzig und allein das Werk des in ihm (nach der gegenwä rtigen Theorie) impliziten dthat-Operators. Diese semantische Beschreibung der Eigennamen behandelt dieselben analog zu Personalpronomina wie ich (s. Artikel 9), wo man auch zwei Ebenen der Bedeutung unterscheidet: zum deskriptiven Gehalt, der im Falle von ich in etwa auf die Beschreibung der/die Sprecher/in hinauslä uft, tritt noch eine Komponente der direkten Referentialität, die durch einen dthat-Operator beigetragen wird und zur Folge hat, daß ich nicht so etwas wie der jeweilige Sprecher heißt, sondern eher durch die gegenwärtige, tatsächliche Sprecherin paraphrasiert werden sollte. Der deskriptive Gehalt liefert also das Kriterium, nach dem der Referent von ich bestimmt wird, wä hrend die direkte Referentialitä t sichert, daß nicht dieses Kriterium, sondern der Referent selbst die Rolle der Intension spielt. Anstatt nun diese beiden Bedeutungskomponenten getrennt voneinander zu betrachten, ist es üblicher und zweckmä ßiger, beide durch die einzige Funktion (im mathematischen Sinn des Wortes) darzustellen, welche Äußerungssituationen (oder Kontexten) und Welten (oder auch Welt-Zeit-Paaren) Extensionen zuordnet. Dem Wort ich entspricht dann die Funktion χich, die einem Kontext c und einer Welt w den Sprecher in c zuordnet. Die direkte Referentialitä t offenbart sich dabei in der Unabhä ngigkeit dieser Funktion von w; der deskriptive Gehalt macht den Rest der Definition von χich aus. χich heißt auch der Charakter des Ausdrucks ich. Bei Eigennamen N kann also die Kennzeichnung der/die/das PNals deskriptiver Gehalt fungieren, da mit ihr der Namensträ ger bestimmt wird; wegen des dthat-Operators bleibt die für modale Kontexte benötigte direkte Referentialitä t der Eigennamen davon unberührt. Es ist zu beachten, daß es sich bei (27) um eine schematische Bestimmung der Eigenschaft PNhandelt: für verschiedene Lautbzw. Schriftformen N liefert diese Definition entsprechend verschiedene Eigenschaften und somit auch verschiedene Namensbedeutungen (Charaktere). Dies hat unter anderem die Konsequenz, daß nach der 2D-Theorie der Ortsname Frankfurt semantisch eindeutig ist, auch wenn er auf mehrere Stä dte referiert, daß sich aber andererseits diese Bedeutung von der von Frankfort [fræŋkfǝt] unterscheidet. Damit wä hlt (27) den goldenen Mittelweg
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zwischen einer Analyse, die für alle Eigennamen dieselbe, rein schematische Bedeutung ansetzt (‘das, was am Anfang der einschlä gigen Tradition für den gerade geä ußerten Eigennamen steht’) und einer der Disambiguierung echter Homonyme analogen tiefenstrukturellen Aufspaltung referenzambiger Namen in mehrere Wörter mit jeweils eigenem Charakter. Die eine, abstraktere Alternative hat gegenüber (27) den Nachteil, daß sie in der Praxis eine recht unhandliche Zerstückelung des Kontextes in einzelne Teilä ußerungen voraussetzt. (Vgl. dazu den Artikel 9.) Die zweite Möglichkeit ist im wesentlichen die Benennungstheorie: wenn zum disambiguierten Namen bereits seine Verwendungstradition gehört, dann ist nur diese für ihn einschlägig. 5.2 Bedeutung und Inhalt Nach der 2D-Theorie sind Eigennamen starre Designatoren. Darin besteht die große Gemeinsamkeit zwischen der 2D-Theorie und der reinen Benennungstheorie. Wo liegt nun der Unterschied zwischen den beiden Theorien? Vielleicht mag es scheinen, als seien die beiden Theorien gleich, denn beiden zufolge besteht der Beitrag eines Eigennamens zum Satzinhalt (= Proposition) in seiner (direkten) Bezugnahme auf den Namensträ ger. Diese Gemeinsamkeit der beiden Theorien lä ßt sich — etwas salopp — durch die Gleichung (28) Inhalt = Referenz charakterisieren: sowohl nach der reinen Benennungstheorie als auch nach der 2D-Theorie ist (28), wenn man es auf Eigennamen einschrä nkt, korrekt. (Man muß dazu freilich die starren Namensinhalte der 2D-Theorie mit ihren konstanten Werten identifizieren; diese Subtilitä t wollen wir aus Einfachheitsgründen ignorieren.) In gewisser Weise besagt die reine Benennungstheorie nicht mehr als (28), d. h. sie erschöpft sich in einer ‘Inhaltsangabe’ für Eigennamen, und diese Inhaltsangabe besteht in einem Verweis auf den Referenten. Faßt man die Benennungstheorie jedoch als semantische Theorie auf, also als Theorie darüber, was Eigennamen bedeuten, so muß man zu (28) — wie wir es getan haben — stillschweigend eine weitere, weitaus gewagtere Behauptung hinzufügen. Es ist dies die Gleichung: (29) Bedeutung = Inhalt (Auch (29) soll natürlich nur in bezug auf Eigennamen betrachtet werden.) Das Pro-
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blem ist dann, daß aus (28) und (29) aufgrund gewisser identitätslogischer Gesetze (30) folgt: (30) Bedeutung = Referenz Die Bedeutung eines (disambiguierten) Eigennamens wä re danach sein Namensträ ger. Dies allerdings steht im Konflikt mit einem allgemeinen Anspruch, der für gewöhnlich an einen Bedeutungsbegriff im Rahmen einer linguistischen Theorie gestellt wird, daß nä mlich die Beziehung zwischen den Ausdrücken entsprechenden Bedeutungen im konventionellen Regelsystem der Einzelsprache verankert ist. Insbesondere sollte bei jedem Ausdruck der Sprache zumindest ein großer Teil der kompetenten Sprecher wissen, was dieser Ausdruck bedeutet. Doch obwohl bei Eigennamen stets klar ist, auf welche Weise sie referieren (wenn sie referieren!), sind doch dem einzelnen Sprecher nur relativ wenige Referenten als Namensträ ger bekannt. Eine größere Überschneidung ergibt sich dann nur bei berühmten Persönlichkeiten, Orten oder Produkten, so daß die Gleichung (30) zwar bei gewissen Verwendungen von Namen wie Nixon funktioniert, im allgemeinen aber versagt. Die 2D-Theorie hingegen lä ßt (30) auch im Falle von Eigennamen nicht durchgehen: Bedeutungen sind Charaktere, also Extensionen in Abhä ngigkeit von Kontexten und Welten (= Indizes), und genauso, wie man die Bedeutung des Wortes ich nicht mit dem (vorübergehenden) Referenten — etwa Herrn Dr. Lauben — gleichsetzen darf, so darf man Herrn Dr. Lauben auch nicht als Bedeutung des Namens Dr. Lauben auffassen, selbst wenn es Herr Dr. Lauben ist, der zum Satzinhalt beiträ gt, sobald jemand Dr. Lauben sagt (und sich damit auf Herrn Dr. Lauben bezieht) oder Herr Dr. Lauben selbst das Wort ich (in einer nicht-generischen, ‘normalen’ Verwendung) ä ußert. Die Bedeutung von ich ist nä mlich immer dieselbe, egal wer das Wort ä ußert: sie ist eine Funktion, die in jedem Kontext den Sprecher in diesem Kontext herausgreift. Ebenso ist die Bedeutung eines Eigennamens stets dieselbe, egal in welchem Zusammenhang der Name gebraucht wird: es handelt sich lediglich um eine allgemeine Regel zur Auffindung des Referenten unter Vorgabe gewisser kontextueller Informationen. Diese Regel kann man kennen, ohne etwa in einer konkreten Äußerungs-Situation über diese Informationen zu verfügen. Insbesondere muß also nicht jeder Sprecher des Deutschen beim Hören eines Namens (z. B. in einer
VI. Nominalsemantik
Übernahmesituation) wissen, was die gerade relevante Tradition genau ist — geschweige denn, wer am Anfang derselben steht; die allgemeine Regel kennt er jedoch, und insofern kennt er auch die Bedeutung des Namens. Die Unterscheidung zwischen Bedeutung (= Charakter) und Referenz gibt uns auch eine Handhabe für die Erklä rung der Informativitä t von Identitä tsaussagen. Die durch eine Identitä tsaussage wie (2) in Abschnitt 2 ausgedrückte Proposition ist zwar notwendig wahr. Es gibt aber Kontexte, in denen die Identitä t nicht gilt, nä mlich diejenigen, in denen die Individuen am Anfang der einschlä gigen Tradition der entsprechenden Namen verschieden sind. Die der Semantik deiktischer Pronomina nachgebildete Unterscheidung zwischen den Bedeutungen und den (starren) Inhalten von Eigennamen lä ßt sich auch auf gewisse Gattungsnamen anwenden. Es gibt gute Argumente dafür, daß sich der Beitrag eines Wortes wie Tiger zum Satzinhalt in der reinen Benennung einer bestimmten Art von Tieren erschöpft, wä hrend der Zugang zu diesem Referenten über kontingente Eigenschaften (Gestreiftheit o. ä .) der typischen Vertreter dieser Gattung erfolgt. Ein anderer Zugang ist zumindest dem durchschnittlichen kompetenten Sprecher auch gar nicht gegeben, da die wesentlichen Eigenschaften, die die Angehörigkeit zur Gattung determinieren, zumeist nicht angebbar sind. Von gewissen Eigennamen, insbesondere von Personennamen, ließe sich dasselbe behaupten. Es scheint, als könne man auf bestimmte Gegenstä nde wie Personen oder natürliche Arten nur dann direkt, d. h. mit Hilfe starrer Designatoren, Bezug nehmen, wenn diese Designatoren ihrerseits wieder von nicht-essentiellen Eigenschaften der Referenten abhä ngen. Der Mangel an essentiellen Kriterien zur Festlegung eines Referenten ist jedoch keine notwendige Bedingung dafür, daß ein Wort modo nominis proprii gebraucht wird. So werden z. B. neue industrielle Produkte oft durch (in dieser Verwendung zumeist kurzlebige) Eigennamen bezeichnet, obwohl sich für sie prinzipiell auch begriffliche Umschreibungen angeben ließen. (Ein Beispiel ist die in Deutschland übliche Bezeichnung Aspirin für Acetylsalicylsä uretabletten.) Der Grund der Bevorzugung von Namen liegt hier sicherlich in der großen semantischen Flexibilitä t derselben: man kann immer eine neue Namens-
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tradition begründen, ohne wirklich eine neue Wortbedeutung in die Sprache einzuführen. (Die Lautform ist allerdings in der Regel neu.) In unserer schnellebigen Zeit ist dies oft von Vorteil. 5.3 Mögliche Verfeinerungen Die 2D-Theorie kann in der von uns dargestellten Form leider nicht alle mit Eigennamen zusammenh ä ngenden Ph ä nomene erfassen. In diesem Abschnitt greifen wir drei der vernachlä ssigten Bereiche heraus, die in der vorhergehenden Darstellung zum Teil bereits angetippt wurden. In allen drei Fä llen lä ßt sich leicht einsehen, daß die Theorie prinzipiell so modifiziert werden kann, daß auch diese Beispiele von ihr abgedeckt werden. Ein schwierigeres Problem werden für den Abschnitt 6.2 aufheben. Problem Nummer Eins sind die Verä nderungen der Lautformen (bzw. Schriftformen) von Eigennamen. In der Definition (27) von PNhaben wir so getan, als seien die Lautformen N ewig und unverä nderlich, von der Taufe bis zu beliebigen spä teren Verwendungen des Namens. Daß dem nicht immer so ist, sieht man schon anhand eines in Teil 3 vorgebrachten Beispiels: die Form Konfuzius ist eine (überdies an die phonetischen bzw. orthographischen Verhä ltnisse des gegenwä rtigen Deutschen angepaßte) Latinisierung eines chinesischen Namens. Die relevante Tradition von Überlieferungssituationen dieser Lautform führt also gar nicht auf die Taufe von Kung-tse zurück, sondern nur auf eine Einbürgerung, in der die ursprüngliche chinesische Form ins Lateinische übertragen wurde. Von dieser Einbürgerungs-Situation führt aber der Weg über die Quelle der Übertragung zu einer chinesischen Tradition, die bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurückreicht. Um eine Namens-Tradition zu erfassen, genügen also nicht immer die Übernahmesituationen derselben Lautform (im relevanten Gebrauch). Gelegentlich kann sich diese Form abrupt ä ndern, so daß man Einbürgerungen und die damit verbundenen Übernahmesituationen anderer, ä quivalenter Lautformen berücksichtigen muß. Da überdies nicht alle Form-Verä nderungen abrupt geschehen, sondern die meisten mehr oder weniger schleichend, z. B. aufgrund von Lautverschiebungen, vor sich gehen, müßte man eigentlich sogar die Laut- und Schriftformen selbst von den Entwicklungsstadien der Einzelsprachen abhä ngig machen, so daß z. B. Leibnitz und Leibniz als Vertreter derselben Schriftform zu
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verschiedenen Zeiten gelten. Solche Details werden offenbar von der 2D-Theorie, wie wir sie eingeführt haben, nicht berücksichtigt; sie stellen aber auch keine prinzipiellen Schwierigkeiten dar. Ähnlich unproblematisch, in der Praxis aber unübersichtlicher, liegt der Fall bei denjenigen deskriptiven Zügen der Bedeutungen von Eigennamen, die konventionell mit der Lautform verknüpft sind, aber über unser PNSchema (27) hinausgehen. Hierzu gehört die schon in Teil 1 angeführte Geschlechtsspezifitä t einiger Vornamen. Es ist klar, daß man die der Namensbedeutung zugrundeliegende Deskription in solchen Fä llen einfach um weitere Bedingungen (wie x ist weiblichen Geschlechts) anreichern kann. Dennoch ist natürlich bei vielen Namens-Lautformen fraglich, welche deskriptiven Züge ihnen speziell zukommen: viele geschlechtsspezifische Namen können auch als Namen für geschlechtslose Gegenstä nde fungieren (z. B. Georgia), so daß man das Geschlechts-Prä dikat höchstens bedingt (wenn x Mensch ist, so ist x weiblichen Geschlechts) zur Bedeutungs-Festlegung hinzunehmen darf. Obwohl es hier sicherlich noch viele Unklarheiten in den Details gibt, scheint uns die 2D-Theorie doch für die Beschreibung dieser Phä nomene einen guten Rahmen abzugeben. Schließlich gibt es noch eine (marginale) Gruppe von Eigennamen, die zwar auch als Abkürzung für eine fixierte Kennzeichnung der Form dthat der/die/das P stehen, bei denen P aber nicht die von uns angegebene PNGestalt hat. So scheint das für den Namen Jack the Ripper einschlä gige P so etwas wie Mann, der 1888 in Whitechapel mindestens sieben Prostituierte ermordet hat zu sein. Die Hauptgründe, die dafür sprechen, diesen Namen so und nicht mit Hilfe unseres PJack-the-Ripperzu analysieren, können wir hier nur andeuten. Einmal denotiert der Name genau dann, wenn P von genau einem Individuum erfüllt wird (was keineswegs sicher ist). Zweitens wird man nur dann von einer korrekten Verwendung dieses Namens sprechen, wenn die Zuschreibung der Eigenschaft P nicht zu einem Informations-Gewinn führt: Jack the Ripper ist P wird sofort als wahr erkannt, wenn nur der Name Jack the Ripper bekannt ist; der Satz ist in gewisser Weise a priori wahr. Obwohl derartige Namen offenbar sehr selten sind und wohl auch nur dann auftreten, wenn das benannte Individuum weder bei der Taufe noch spä ter als Tä ufling identifiziert werden kann, muß man doch zu-
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geben, daß es sich um eine Art von Eigennamen handelt, die wir in der 2D-Theorie bisher nicht beschrieben haben. Es ist jedoch klar, daß sich alle diese Fä lle nach dem Jackthe-Ripper-Muster durch dthat(der/die/das P) mit P ≠ PNbeschreiben lassen, wodurch allerdings die Theorie ein wenig an Homogenitä t einbüßt: was bisher über die Semantik der Eigennamen gesagt wurde, trifft streng genommen nur auf echte Eigennamen und nicht auf die seltenen Fä llen von uneigentlichen Namen wie Jack the Ripper zu. Daß diese Unterteilung der Namen in echte und uneigentliche nicht rein theorieintern ist, sieht man übrigens daran, daß in den meisten Konversationslexika unter einem echten Eigennamen steht, wer oder was der Referent ist (Nixon: Politiker; Rom: Stadt etc.), wä hrend bei einem uneigentlichen Namen erklä rt wird, worauf dieser (wahrscheinlich) referiert (Jack the Ripper: Bezeichnung für einen Mörder). Ein hä rterer Brocken als die soeben diskutierten Phä nomene ist das semantische Verhalten von Eigennamen in Komplementen zu Verben der propositionalen Einstellung (s. Artikel 34). Dies gab ja auch den Anlaß, von der reinen Benennungstheorie zur Deskriptionstheorie überzugehen. In der 2D-Theorie aber sind die alten Geister wieder da. Wie man mit ihnen fertigwerden kann, soll im nächsten Abschnitt erläutert werden.
6.
Eigennamen und Einstellungen
6.1 Diagonalisierungen als Nebensinne Wir kommen jetzt auf die Beispiele zurück, die ausschlaggebend für die Verwerfung der reinen Benennungstheorie waren. Sie hatten alle mit Verben der propositionalen Einstellung zu tun. Ein Fall war: (31) Zhangsan glaubt, daß Konfuzius ein römischer Redner war. Wir werden die durch diesen Satz beschreibbaren Situationen gleich etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dazu nehmen wir zunä chst an, (31) wä re wahr, wobei Zhangsan der Name einer bestimmten Person sei. Weiterhin sei die Wahrheit von (32) vorausgesetzt. (32) Konfuzius und Kung-tse sind ein und derselbe. Intuitiv scheint nichts dagegen zu sprechen, daß auch (33) gilt, wobei Zhangsan wie in (31) verwendet wird. (33) Zhangsan glaubt nicht, daß Kung-tse ein römischer Redner war.
Man beachte nun, daß (33) und (34) schon deswegen einander auszuschließen scheinen, weil der eine die Negation dessen ausdrückt, was der andere besagt: (34) Zhangsan glaubt, daß Kung-tse ein römischer Redner war. Wenn nun aber — wie es nicht nur die reine Benennungstheorie, sondern auch die 2DTheorie behauptet — der Beitrag eines Namens zum Satzinhalt sich in der (starren) Bezugnahme auf den Namensträ ger erschöpft, scheint der Schluß von (31) und (32) auf (34) unvermeidlich. Nach unserer Voraussetzung wä ren dann aber (33) und (34) gemeinsam wahr, was nicht sein kann. Um die 2D-Theorie vor diesem Argument zu schützen, kann man den kritischen Schluß von (31) und (32) auf (34) dadurch blockieren, daß man bei Einbettung unter Einstellungsverben (allgemeiner: Einstellungsprä dikaten) den deskriptiven Gehalt des Namens berücksichtigt. Man könnte die 2D-Theorie dahingehend einschrä nken, daß die logische Form eines Namens N von dessen syntaktischer Umgebung abhä ngig gemacht wird: kommt N im Komplement eines Einstellungsprä dikats vor, so wird es im Sinne von (35) der/die/das/PN interpretiert; sonst, d. h. in extensionalen, modalen etc. Umgebungen, bleibt es bei der Paraphrase: (36) dthat(der/die/das/PN) Dies würde für (31) folgende Interpretation ergeben: (37) Zhangsan glaubt, daß der folgende Sachverhalt besteht: es gibt genau ein Individuum x, so daß gilt: x steht am Anfang der einschlägigen Tradition für Konfuzius, und x war ein römischer Redner. Interpretiert man nun (33) als Negation von (34), so ergibt sich in der Tat kein Widerspruch aus der von uns angenommenen Wahrheit von (31) bis (33): da die Namen K onfuzius und K ung-tse voneinander verschieden sind, unterscheiden sich auch die einschlä gigen Traditionen, und somit die Propositionen, an die Zhangsan glaubt. Leider ist (37) nicht immer adä quat, insbesondere dann nicht, wenn Zhangsan die Namensform K onfuzius gä nzlich unbekannt ist. Zhangsan wä re dann wohl schwerlich irgendein Glauben über die einschlä gige Namenstradition zu unterstellen. In einem solchen Fall möchte
16. Eigennamen
man eher die Lesart (40) haben, d. h. genau die Lesart, die die 2D-Theorie in ihrer bisherigen Form voraussagte. (40) Zhangsan glaubt, daß der folgende Sachverhalt besteht: dthat (derjenige, der am Anfang der einschlägigen Tradition für Konfuzius steht) war ein römischer Redner. Was jetzt geboten scheint, ist eine Aufweichung der obigen obligatorischen Fallunterscheidung, also etwa folgendes: taucht ein Name N im Komplement eines Einstellungsprä dikats auf, so kann es normal oder deskriptiv, d. h. als starrer Designator (36) oder als deskriptiver Gehalt (35), interpretiert werden. Etwas salopper ausgedrückt heißt dies, daß man das dthat in der logischen Praphrase von Eigennamen wegstreichen darf, wenn diese in Einstellungskomplementen vorkommen. Diesen Übergang vom rein referentiellen Inhalt eines starren Designators zu seinem deskriptiven Gehalt bezeichnet man auch als Diagonalisierung, weil er sich — statt als Streichung des dthat — in den meisten Fä llen auch als Ergebnis der Anwendung eines sog. senkrechten Diagonaloperators (s. Artikel 9) auffassen lä ßt. Wir können also folgende Hypothese über den Zusammenhang zwischen Eigennamen und propositionalen Einstellungen formulieren: (41) Taucht ein Eigenname im Komplement eines Einstellungsprädikats auf, so darf er diagonal, d. h. durch seinen deskriptiven Gehalt, gedeutet werden. Man beachte, daß der ursprünglich unerwünschte Schluß von (31) und (32) auf (34) durch (41) nun zwar doch wieder legitimiert wird, dies allerdings nur unter einer gewissen Lesart von (31) (bzw. (34)), welche mit (33) nicht kompatibel ist, falls dieses als Negation von (34) (als Konklusion) aufgefaßt wird. Da es aber noch eine andere, nä mlich die diagonale Lesart gibt, nach der (31) und (33) verträ glich ist und der fragliche Schluß blockiert wird, braucht uns die normale Interpretation in diesem Zusammenhang nicht weiter zu stören. Man sieht, daß auch die inhaltliche Auffüllung der Eigennamen um die Annahme einer Ambiguitä t oder Unbestimmtheit in mindestens einem der oben betrachteten Sä tze wohl nicht umhinkommt. Obwohl man — wie hoffentlich aus der bisherigen Diskussion klar geworden ist — mit (41) relativ weit kommt, weist dieses Prinzip bei nä herer Betrachtung doch gewisse Schwä chen auf. Zunä chst einmal rä umt es
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den Eigennamen einen höchst eigentümlichen Status im semantischen Regelwerk ein. Obwohl sich nä mlich das Phä nomen der Diagonalisierung bei deiktischen Ausdrücken gelegentlich beobachten lä ßt (oder vorsichtiger ausgedrückt: unterstellt werden kann), ist dies nur dann der Fall, wenn eine normale, wörtliche, starre Interpretation in einen Konflikt mit irgendwelchen konversationellen Prinzipien gerä t. Man diagonalisiert sozusagen normalerweise nicht ohne irgendeinen erkennbaren Grund. Obwohl sich zwar ein solcher pragmatischer Konflikt in den obigen Beispielen vielleicht noch nachweisen ließe, ist dies aber nicht immer der Fall, wenn die wörtliche Interpretation der Namen zu einem unangemessenen Ergebnis führt; ein einschlä giges Beispiel wird im folgenden Abschnitt diskutiert. Wir haben daher (41) in einer allgemeinen, ‘ungesteuerten’ Form formuliert, als Postulat einer Ambiguitä t von Eigennamen in einer ganz bestimmten syntaktischen Umgebung, ohne Prä ferenz einer der beiden Lesarten. Insbesondere braucht also bei einer Anwendung von (41) nicht geprüft zu werden, ob diese überhaupt angemessen ist. Auf diese Weise liefert die Diagonalisierung in manchen Fä llen möglicherweise zu viele Lesarten. Doch ist das nicht ihr eigentlicher Nachteil: der folgende Abschnitt wird ein Gegenbeispiel (und damit die Widerlegung der Hypothese (41)) bringen, welches zeigt, daß man gewisse Lesarten von Sä tzen mit Namen in Einstellungskontexten auch durch Diagonalisierung nicht bekommt. Selbst wenn dieses Verfahren also gelegentlich zu viele Lesarten vorhersagt, so sind die richtigen nicht immer dabei. 6.2 Waterloo 6.2.1 Das Rätsel Wir beginnen mit einer Geschichte, für deren Falschheit wir uns verbürgen: Stellen wir uns vor, daß Gereon auf einer Autofahrt durch Belgien an einem Hinweisschild mit der Aufschrift Waterloo 3 km vorbeikommt. Der Ortsname kommt ihm irgendwie bekannt vor, und Gereon beginnt zu grübeln. In Brüssel hat er es dann geschafft: er kennt den Namen (genauer: die Schriftform) aus seiner feierabendlichen Lektüre geschichtswissenschaftlicher Fachliteratur, wo er im Zusammenhang mit einer napoleonischen Schlacht erwä hnt wurde. An eine Schlacht Napoleons gegen die Belgier vermag sich Gereon allerdings (zu recht) nicht erinnern, so daß er (fä lschlicherweise) schließt, es müsse sich um ein anderes
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Waterloo handeln, nä mlich eines, das in der abendlä ndichen Geschichte nie eine Rolle gespielt hat. Ende der Vorstellung! Wir fragen uns jetzt, ob unter den oben genannten Umständen der folgende Satz wahr ist: (42) Gereon ist der Meinung, daß Waterloo eine historische Stätte ist. Intuitiv spricht nichts gegen die Wahrheit von (42): eingedenkt seines historischen Wissens glaubt Gereon mit Sicherheit, daß Waterloo eine wichtige Rolle in der Geschichte gespielt hat, und dieser Glaube ist ihm auf seiner Autofahrt durch Belgien wohl kaum abhanden gekommen. Wie steht es nun aber mit dem folgenden Satz? (43) Gereon ist der Meinung, daß Waterloo keine historische Stätte ist. Ganz analog lä ßt sich jetzt natürlich dafür argumentieren, daß (43) ebenfalls wahr ist: Gereons Glauben, daß der Ort (namens Waterloo), an dem er gerade vorbeigekommen ist, historisch unbedeutend ist, lä ßt sich auf seine Überzeugung zurückführen, daß kein belgischer Ort dieses Namens in den Standardwerken der abendlä ndischen Geschichtsschreibung auftaucht; diese Überzeugung und das Wissen, daß Waterloo ein Ort in Belgien ist, sind für die Wahrheit von (43) verantwortlich. Sowohl (42) als auch (43) scheinen also in der von uns geschilderten Situation wahr zu sein. Das Problem für eine semantische Theorie des Verhaltens von Namen in Einstellungskontexten besteht nun darin, zu erklä ren, wie (42) und (43) gemeinsam wahr sein können, ohne daß sich Gereons Glaubensinhalte logisch widersprechen. Es ist nä mlich klar, daß sich diese Annahme unserer Geschichte leicht hinzufügen ließe, ohne daß die Konsistenz derselben zerstört würde: Gereon glaubt ja lediglich, es gä be einen Ort (namens Waterloo), welcher Schauplatz einer napoleonischen Schlacht war etc. sowie einen Ort (namens Waterloo), der keine historische Stä tte ist, bei Brüssel liegt usw. Insbesondere könnte also Gereons Glauben frei von Widersprüchen sein (was wir von jetzt an auch annehmen wollen). Andererseits sieht es so aus, als impliziere die Wahrheit von (42) und (43), daß Gereon an das Bestehen und an das NichtBestehen ein und desselben Sachverhaltes glaube, daß also seine Glaubensinhalte miteinander unverträ glich wä ren. Eine semantische Theorie, die die Wahrheitsbedingungen von (42) und (43) korrekt beschreiben will, muß also diesen Sä tzen zumindest gewisse
VI. Nominalsemantik
Lesarten zuordnen, nach denen die eingebetteten Teilsä tze einander nicht widersprechen; sie muß gleichzeitig dafür sorgen, daß beide Sä tze unter den geschilderten Umstä nden in jeweils einer Lesart als wahr herauskommen. Schauen wir nun, ob die Hypothese (41) aus dem vorhergehenden Abschnitt all dieses leisten kann. Zunä chst gilt es, bei (42) die beiden Lesarten (42r) und (42d) zu unterscheiden, von denen die erste (de re) besagt, daß Gereon zu einer gewissen singulä ren Proposition p im Glaubensverhä ltnis steht, daß er nä mlich von dem Ort Waterloo glaubt, er sei eine historische Stä tte. Die (diagonale) Lesart (42d) hingegen besagt, daß Gereon an die Wahrheit der Proposition δ glaubt, daß es nä mlich in der Welt w, in der er sich befindet, genau einen einschlä gigen Trä ger für den Namen Waterloo gibt. (42d) ist offensichtlich mit Gereons Ansichten unvereinbar und kann aufgrund der Widerspruchsfreiheit dessen, was Gereon glaubt, also nicht wahr sein. Wie steht es nun mit (42r)? Wenn man für seine Wahrheit argumentieren wollte, dann wohl so, daß man zeigt, daß Gereon vom Gegenstand von p, also von Waterloo, gelernt habe und daher nach wie vor annehmen, daß dieser der Schauplatz einer Schlacht Napoleons war. Dieses Wissen habe er nä mlich durch Lektüre eines Geschichtsbuches erworben, in welchem die Schriftform Waterloo benutzt wurde, wobei man sich auf Waterloo, also den Gegenstand von p, bezog etc. Hä lt man diese Argumentation für korrekt, so scheint es jedoch unumgä nglich, auch der folgenden zuzustimmen: durch Lektüre des weiter oben erwä hnten Hinweisschildes habe Gereon vom Gegenstand von p gelernt, daß selbiger in Belgien liege, woraus er geschlossen habe und daher auch nach wie vor annehme, daß es sich nicht um einen Ort von historischem Interesse handele. Da Gereons Glaubensinhalt frei von logischen Widersprüchen ist, hieße dies, daß er von Waterloo nicht glauben kann, es handele sich um eine historische Stä tte. Gereon könne demnach p nicht glauben, und (42r) ist somit falsch. Die Annahme der Wahrheit der Lesart (42r) hat uns somit — mit derselben Art von Argument — auf ihre Falschheit geführt, die wir damit als nachgewiesen ansehen dürfen. An dieser Stelle sind wir schon fertig. Eine Betrachtung von (43) erübrigt sich nä mlich: da (42d) und (42r) die einzigen Lesarten sind, die (42) nach der Hypothese (41) besitzt, können wir letztere — in der von uns betrachteten Fassung — als widerlegt ansehen. Eine ad-
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ä quate Semantik der Namen in Einstellungskontexten sollte ja unter den geschilderten Umstä nden mindestens eine Lesart von (42) als wahr einstufen. Man könnte hier vielleicht einwenden, daß (42d) nicht das wiedergibt, was Gereon glaubt. Statt dessen glaubt Gereon an die Wahrheit der Proposition δ′, daß es nä mlich am Anfang der Traditionskette, an die er sich bei seinen Überlegungen anschließt, genau einen Ort gibt, der historisch bedeutend ist. Dies setzt aber voraus, daß wir Äußerungstoken (hier sogar eine Art Denktoken) einführen. Da eine solche Theorie uns nicht zur Verfügung steht und ihre Entwicklung alles andere als trivial ist, werden wir einer Lösung den Vorzug geben, bei der wir im Rahmen der hier vorgestellten Kontexttheorie bleiben können. Bevor wir nun aber die Diagonalisierung endgültig aufgeben, sei noch ein letzter Rettungsversuch unternommen. Die Falschheit von (42d) beruhte bloß auf der von δ implizierten Einzigkeit der relevanten Tradition. Vielleicht sollte man es statt mit δ also mit einer etwas schwä cheren Proposition δ″ versuchen, die dann zwar nicht durch Diagonalisierung, aber eventuell durch ein ä hnliches Verfahren gewonnen werden könnte. δ″ würde dann einfach besagen, daß es zumindest eine (relevante) Tradition gibt, an dessen Anfang ein Ort steht, welcher historisch bedeutsam ist. Gegen eine solche Lesart von (42) wä re in der Tat nicht viel einzuwenden; sie wä re vor allem auch unter den geschilderten Umstä nden wahr. Der Ärger fä ngt aber bei (43) an. Zunä chst muß nä mlich sichergestellt sein, daß auch (43) neben der üblichen de-re-Lesart (43r) — die aus ä hnlichen Gründen wie (42r) falsch sein muß — eine Lesart (43d) besitzt, bei der der eingebettete Teilsatz nun aber nicht als (logische) Negation von δ″ interpretiert werden darf: sonst wä re nä mlich auch (43) in allen Lesarten falsch. Doch selbst wenn man (43) so deutet, daß Gereon der Glaube an die Existenz eines historisch unbedeutenden (einschlä gigen) Trä gers des Namens Waterloo zugeschrieben wird, erfaßt man damit nicht das, was der Satz in seiner wahren Lesart besagt: nach (43d) würde nä mlich Gereon dann etwas Wahres glauben, da ja beispielsweise das Waterloo im US-Bundesstaat Iowa tatsä chlich nie eine größere Rolle in der Weltgeschichte gespielt hat. Doch Gereon hat vielleicht noch nie von diesem und anderen amerikanischen Waterloos gehört und mag sogar zu der Überzeugung ge-
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langt sein, es gä be neben dem Schlachtenschauplatz und dem Brüsseler Vorort keine andere Stadt dieses Namens. Offenbar ist dann Gereons Ansicht, von der (43) wahrheitsgemä ß berichtet, ein Irrglaube. Was bei (43d) verlorengeht, scheint also ein gewisser singulä rer Aspekt der wahren Lesart von (43) zu sein: Gereon liegt ja deswegen schief, weil das Waterloo, von dem er glaubt, es sei so unbedeutend, in Wirklichkeit der ehemalige Schlachtenschauplatz ist. Auch diese letzte Anstrengung, die Diagonalisierungs-Hypothese zu retten, scheint uns somit gescheitert zu sein, und wir haben uns nach etwas Neuem umzuschauen. 6.2.2 Des Rätsels Lösung Bevor wir (wie Napoleon) endgültig an Waterloo scheitern, wollen wir als letzte Strategie eine Disambiguierung des Eigennamens Waterloo nach seinen Gebrauchsweisen aufbieten: immerhin ist es nicht abwegig anzunehmen, daß der ganze Ärger mit (42) nur dadurch entsteht, daß Gereon den Namen anders gebraucht als wir. Ein genauerer Blick auf diese Taktik entlarvt sie jedoch als Scheinlösung. Denn entweder handelt es sich bei Gebrauchsweisen von Eigennamen um auf eine gemeinsame Namensgebung zurückgehende und sich im wesentlichen durch die Namensträ ger unterscheidende ‘globale’ Verwendungsweisen — wie sie etwa in einem Konversationslexikon unterschieden werden; oder die Gebrauchsweisen sind lokaler gemeint, etwa im Sinne von Traditionsketten, auf denen der Namen von Sprecher zu Sprecher überreicht wird. Nach der ersten Interpretation findet keine Disambiguierung statt, denn es gibt nur ein (für das Beispiel einschlä giges) Waterloo; und im zweiten Sinne würde Gereon eine Einstellung zum Gebrauch des Namens Waterloo durch den Äußerer von (42) zugewiesen, über den er jedoch gar nichts zu wissen braucht. Natürlich hilft auch die soeben angesprochene Diagnonalisierung nicht weiter, weil bei einer MehrdeutigkeitsAuffassung die Eigennamen nicht mehr kontextabhä ngig sind und die Diagonalisierung somit leerläuft. Aus der ausführlichen Diskussion des Waterloo-Beispiels haben wir gesehen, daß die Analyse von Einstellungs-Prä dikaten als Relationen zwischen dem Subjekt und der durch den Komplementsatz ϕ ausgedrückten Proposition zumindest dann zu Schwierigkeiten führen kann, wenn cp einen Eigennamen N enthä lt. Insbesondere hat sich die radikale de-
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dicto-Deutung, nach der in unserem Beispiel Waterloo als Beschreibung eines Ursprungs irgendeiner relevanten Überlieferungs-Tradition interpretiert wird, als zu schwach erwiesen, weil eben diese Beschreibung auch auf ganz andere Waterloos zutrifft, von denen Gereon gar nichts weiß oder glaubt. Um zu einer adä quaten Interpretation des Komplementsatzes ϕ zu gelangen, muß man also auf jeden Fall das Individuum, von dem er handelt, also den Namensträ ger, berücksichtigen. Doch die Deutung von ϕ durch eine singulä re Proposition über den Namensträ ger von N hat sich als zu pauschal erwiesen: in unserem Beispiel hat Gereon von Waterloo nur insofern geglaubt, es habe dort eine napoleonische Schlacht stattgefunden, als ihm der Ort durch seine geschichtswissenschaftliche Lektüre gegeben war. Er hat von Waterloo als dem Ort, den er aus dem-und-dem Buch kannte, geglaubt, es sei ein Schlachtenschauplatz, wä hrend er von demselben Waterloo als belgischer Kleinstadt, an der er dann-und-dann vorbeigefahren ist, das Gegenteil annahm. Für eine Glaubenseinstellung zur entsprechenden singulä ren Proposition hat das aber nicht ausgereicht. Diese Beobachtungen legen nun nahe, bei Einstellungen zu singul ä ren Propositionen zwischen verschiedenen Zugä ngen zu differenzieren, die das Subjekt (der Einstellung) zum Objekt (der Proposition) hat. Bevor man sich also fragt, ob Gereon in der Glaubensrelation zu p steht, sollte man erst einmal klä ren, ob er von Waterloo, also dem Gegenstand von p, glaubt, daß es die in p postulierte Eigenschaft (eine historische Stä tte zu sein) besitzt, wenn ihm Waterloo einerseits durch ein Geschichtsbuch, andererseits durch einen Wegweiser etc. zugä nglich wird. Im ersten Fall gilt dies, im zweiten nicht. Eine solche Deutung der Einstellungen de re wollen wir im vorliegenden Abschnitt skizzieren, weil wir von ihr als der von uns favorisierten Theorie glauben, daß sie alle bisher diskutierten Probleme (und andere) auf befriedigende Weise lösen kann. Als erstes muß dafür geklä rt werden, was ein Zugang zu einem Gegenstand ist. Wir gehen davon aus, daß einem potentiellen Einstellungs-Subjekt x ein Gegenstand y dann zugä nglich ist, wenn x y in irgendeinem Sinne kennt — was etwa der Fall ist, wenn x y beobachtet oder eben auch, wenn x einen Text liest, in dem y namentlich erwä hnt wird — und wenn y zugleich das einzige Objekt ist, das x auf diese Weise kennt. Ein Zugang zu einem Objekt y für ein Subjekt x
VI. Nominalsemantik
ist also eine Relation R, für die gilt: R ist eine ‘Bekanntschaftsrelation’, x R y und ﹁ x R z, sobald z ≠ y. (Da R intensional bestimmt ist, hä ngt die Wahrheit von x R y und somit die Frage, ob R für x ein Zugang zu y ist, in der Regel von der jeweils betrachteten Situation ab!) Mit Hilfe des Zugangs-Begriffs lä ßt sich nun der Glaube de re wie folgt definieren: (44) Es seien x und y Individuen, Z sei eine Bekanntschaftsrelation und P eine Eigenschaft. Dann gilt: x glaubt von y qua Z, es habe P, genau dann, wenn: (i) Z ein Zugang für x zu y ist, und (ii) x in der Glaubensrelation zu der Proposition steht, die in den Welten w wahr ist, in denen gilt: ∃ v [Z ist in w ein Zugang für x zu v & v hat in w die Eigenschaft P] Natürlich setzt diese Definition ein Verstä ndnis des Glaubens de dicto als Einstellung zu einer Proposition voraus. Es mag sein, daß (44) auch noch etwas zu ungenau ist und wir den Glauben de dicto eher als Selbstzuschreibung einer Eigenschaft analysieren sollten. Eine entsprechende Angleichung von (44) wä re dann leicht gemacht; doch führen diese Erwä gungen zu weit von unserem eigentlichen Thema ab (s. Artikel 34 oder Artikel 9). Man beachte, daß y in der obigen Definition nicht in die Bestimmung des Gegenstandes des Glaubens de re direkt eingeht, sondern daß stattdessen der Zugang Z als Scharnier zwischen y selbst und der geglaubten Eigenschaft fungiert. Natürlich kann man (44) noch zu einer Definition des Glaubens de rebus verallgemeinern, indem man mehrere Gegenstä nde y1, ..., ynmit Zugä ngen Z1, ..., Znals Parameter zulä ßt. Und das Ganze lä ßt sich natürlich auch auf andere Einstellungen übertragen. Wir überlassen dies dem Leser und zeigen stattdessen, wie (44) für eine Bestimmung der Wahrheitsbedingungen von Sä tzen wie (45) und (46) herangezogen werden kann. (45) Gereon glaubt, daß Waterloo ein ehemaliger Schlachtenschauplatz ist. (46) Gereon glaubt, daß Waterloo kein ehemaliger Schlachtenschauplatz ist. Faßt man (45) als Zuschreibung eines Glaubens über Waterloo auf, so liegt es im Rahmen der bisherigen Betrachtungen nahe, den im Satz nicht weiter spezifizierten Zugang auch tatsä chlich unspezifisch, d. h. existentiell
16. Eigennamen
abquantifiziert, zu interpretieren. (45) ist dann wahr, falls es für Gereon einen Zugang Z zu Waterloo gibt, so daß Gereon die Proposition glaubt, daß er, Gereon, zu genau einem Ding, welches außerdem ein ehemaliger Schlachtenschauplatz ist, in der Bekanntschaftsrelation Z steht. Setzt man für Z nun etwa die Relation Z0des Kennens als Ort des Wellingtonschen Lagers o. ä . ein, so kä me (45) in dieser de-re-Lesart im Rahmen der zu Anfang des Abschnitts 6.2.1 erzä hlten Geschichte als wahr heraus: Gereon hat über Z0 Kenntnis von Waterloo erlangt und glaubt auch, daß der Gegenstand, von dem er gelesen hat, er sei Ort des Wellingtonschen Lagers gewesen, ein Schlachtenschauplatz war. Ebenso problemlos stellt sich bei dieser Betrachtungsweise (46) dar: Z0tut es hier zwar nicht, dafür kann man aber Z, nehmen, die Relation, die zwischen u und v genau dann besteht, wenn u auf einem Schild bei Brüssel liest, daß v 10 km entfernt ist. (Die genauen Definitionen von Z0und Z1sind natürlich unwichtig; die Hauptsache ist, man findet eine für Gereon eindeutige Bekanntschaftsrelation, also einen Zugang.) Das Hauptproblem des vorhergehenden Abschnittes wä re also mit dieser de-re-Analyse aus der Welt geschaffen. Spä testens an dieser Stelle stellt sich nun die Kompositionalitä tsfrage: wenn (45) und (46) die eben skizzierten Lesarten besitzen, wie kann man dies aufgrund des syntaktischen Aufbaus dieser Sä tze und mit Hilfe der Bedeutungen der in ihnen vorkommenden Wörter erklä ren? Insbesondere interessiert uns hier natürlich der Beitrag, den die Vorkommen des Namens Waterloo zu den Gesamtbedeutungen leisten. Zunä chst ist dabei klar, daß die Referenz des Namens, also der Namensträ ger, ein wesentlicher Bestandteil der de-re-Lesarten von (45) und (46) sein muß. Außerdem enthalten die beiden fraglichen Propositionen auch keinen anderen, für den Namen Waterloo spezifischen Bestandteil: würde man Waterloo durch Washington ersetzen, verä nderte sich nur das Gereon zugä ngliche Objekt, also der Namensträ ger. Doch selbst wenn klar ist, was die Namensvorkommen in (45) und (46) zur GesamtProposition beitragen, so bleibt zunä chst offen, wie sie diesen Beitrag leisten. Aus Platzgründen können wir hier leider nicht nä her auf dieses Problem eingehen und müssen wieder auf die Artikel 9 und 34 verweisen. Die Diagonalisierung scheiterte an Waterloo, doch wir sollten nicht vergessen, daß sie
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einer Lösung des klassischen Problems der Deutung von Eigennamen in Einstellungskontexten recht nahe kam: mit ihr waren referenzgleiche Namen in Einstellungskontexten im allgemeinen nicht miteinander austauschbar. Wie steht es nun mit der differenzierten de-re-Deutung der Einstellungsprä dikate? Kann sie die Verträ glichkeit von Sä tzen wie (47) bis (49) erklären? (47) Monika glaubt, daß sich Werner den Fuß gebrochen hat. (48) Werner ist mit Erwin identisch. (49) Monika glaubt nicht, daß sich Erwin den Fuß gebrochen hat. Wenn wir annehmen, daß die Identitä t (48) gilt, und wir außerdem die Einstellungen in (47) und (49) beide (bezüglich des gemeinsamen Trä gers der Namen Erwin und Werner) de re interpretieren, so können wir einen Widerspruch offenbar nur dadurch vermeiden, daß wir (49) nicht als Negation von (47) auffassen. Wir müssen also für (49) zumindest eine Lesart finden, die mit (47) (de re) und (48) verträ glich ist. Eine solche bietet sich natürlicherweise an, wenn man den Skopus des durch die de-re-Lesart gegebenen Existenzquantors (es gibt einen Zugang Z) erweitert: die so erhaltene Lesart von (49) besagt, daß Monika einen Zugang Z zu Werner (= Erwin) besitzt, ohne zu glauben, daß sich der ihr so Gegebene eine Fraktur am Fuße zugezogen habe. Wenn wir annehmen, daß (49) auf diese Weise mehrdeutig ist, können wir offenbar den vermeintlichen Widerspruch zwischen den drei letztzitierten Sä tzen wegerklä ren: vielleicht glaubt ja Monika von Erwin qua einem Z2, er habe sich den Fuß gebrochen, aber sie glaubt es eben nicht qua Z3(was immer Z2und Z3sein mögen). Obwohl diese Darstellung schon in die richtige Richtung geht, scheint sie doch noch einen Punkt ungeklä rt zu lassen: werden nä mlich (47) und (49) in einem Kontext, in dem die Wahrheit von (48) klar ist, kurz hintereinander geä ußert, so drä ngt sich den Hörern der Eindruck auf, die Zugä nge Z2und Z3, die jeweils für die Wahrheit der beiden Sä tze garantieren, hä tten etwas mit den Namen Werner bzw. Erwin zu tun. Insbesondere könnte man meinen, es werde behauptet, daß Monika zwar dem Satz (50), nicht aber (51) zustimmen würde. (50) Werner hat sich den Fuß gebrochen. (51) Erwin hat sich den Fuß gebrochen. Wir halten diesen Eindruck letztlich für eine pragmatisch bedingte Implikatur, die nur zu-
VI. Nominalsemantik
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stande kommt, wenn wirklich beide Sä tze, also (47) und (49), innerhalb desselben Kontextes geä ußert werden: ohne (49) wä re es ja abwegig anzunehmen, (47) enthielte irgendwelche Informationen über Monikas Einstellung zum Namen Werner. Doch selbst wenn es sich hier um eine Implikatur handelt, die nur unter gewissen speziellen Umstä nden zustandekommt, sollte klar sein, welches die genauen Ursachen für dieses Phä nomen sind. Wir wollen deshalb versuchen, eine pragmatische Erklärung zu liefern. Wenn ein Sprecher mehrere Aussagen über dasselbe Ding macht, so würde er nur Verwirrung stiften, wenn er dies kurz hintereinander verschieden nennt (vorausgesetzt es besitzt überhaupt mehrere, den Hörern vertraute Namen). Im allgemeinen folgt der typische kooperative Sprecher also der folgenden Maxime: (M) Benenne dasselbe Ding im selben Kontext nicht auf unterschiedliche Weise! Verstößt nun der Sprecher gegen (M), so wahrscheinlich deshalb, weil er den Hörern zusä tzliche Informationen zukommen lassen will, in unserem Falle nä mlich Informationen darüber, wie die in (47) und (49) unspezifisch angedeuteten Zugä nge des Einstellungs-Subjekts zum Objekt geartet sind. Daher die Implikatur. 6.3 Zwei Dimensionen oder reine Benennung? Ein Fazit Der letzte Abschnitt hat ein überraschendes Ergebnis gebracht: der nach der 2D-Theorie jedem Namen zugeschriebene Charakter spielt bei der Lösung der Probleme, die beim Gebrauch von Namen in intensionalen Kontexten entstehen, keine Rolle. Hiermit wä re wieder der Weg frei für eine reine Benennungstheorie. Demjenigen, der dieser Theorie anhä ngt — und schon ihre bestechende Einfachheit spricht für sie — bringt dieser Aufsatz neue Argumente gegen jeden Versuch, deskriptive Züge in die Bedeutung von Namen einzuführen. So gelesen reiht sich unser Aufsatz in eine Reihe von Schriften, die die Deskriptionstheorien anfechten. Unsere Arbeit zeigt aber auch, daß viele Probleme, die traditionell im Zusammenhang mit Namen diskutiert werden, nicht unbedingt Probleme der Namenssemantik sind, sondern in anderen Bereichen der Semantik zu lösen sind. Wir weisen schon an dieser Stelle darauf hin, daß wir bei der Frage, wie fiktionale Eigennamen zu deuten
sind, auch zu einer Lösung tendieren (oder mindestens eine solche nicht ausschließen), die die Semantik von Eigennamen unangetastet lä ßt, dafür aber fiktive Gegenstä nde einführt. Gerade der Gebrauch von fiktionalen Namen galt aber traditionell als Bereich, in dem nur eine Deskriptionstheorie den Fakten gerecht werden konnte. Dem Leser dagegen, der die Überlegungen aus Abschnitt 5.2 ernst nimmt, bietet die 2DTheorie eine Möglichkeit, Namen in einem traditionelleren Sinn eine Bedeutung zu geben. Die im vierten Satz dieses Aufsatzes gestellte Frage findet eine eindeutige Antwort. Außerdem können wir in einer 2D-Theorie ohne weiteres erklä ren, warum Identitä tsaussagen zwischen den Namen informativ sind: es gibt eben Kontexte, in denen die Identitä t nicht gilt. (Vgl. Abschnitt 5.2.) Eine Benennungstheorie hat auf diese Frage keine prä zise Antwort. Mit dieser Gegenüberstellung beider Theorien schließen wir unsere Darstellung ab. Was folgt, sind Nachträ ge und Ergä nzungen zu Themen, die unseres Erachtens am Rande der Thematik des vorliegenden Artikels liegen.
7.
Vermischte Bemerkungen
7.1 Logische Kategorie der Eigennamen Bei den in unserem Artikel angestellten Betrachtungen zur Semantik von Eigennamen haben wir wesentlichen Gebrauch von der Methode der logischen Sprachanalyse gemacht. Wir haben nä mlich immer dann, wenn es auf Klarheit und Genauigkeit ankam, die zur Debatte stehenden natursprachlichen Ausdrücke in logische Formeln, also Ausdrücke einer Logiksprache, übersetzt, oder wir haben zumindest angedeutet, wie eine solche Übersetzung auszusehen hat. Dabei haben wir allerdings eine Fragestellung ausgeklammert, die traditionellerweise zum Kernbereich der logischen Sprachanalyse gehört, die Frage nach den logischen K ategorien der zu analysierenden natursprachlichen Ausdrücke. In diesem Abschnitt wollen wir dazu das nachtragen, was uns in diesem Zusammenhang interessant erscheint. Wir stellen uns also die folgende Frage: (F) Was ist die den Eigennamen entsprechende logische Kategorie — vorausgesetzt es gibt eine solche? (F) ist nicht ganz eindeutig zu beantworten: Namen werden nach der in Teil 5 dargestellten 2D-Theorie als (kontextuell fixierte) Kenn-
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zeichnungen aufgefaßt. Die Frage muß somit an die Kennzeichnungstheorie weitergegeben werden, und genau hier waren wir vorher etwas vage oder liberal, indem wir alternativ verschiedene Kennzeichnungstheorien zur Prä zisierung der von uns vorgeschlagenen Namensparaphrase zugelassen haben. Bei der Beantwortung von (F) kommt es aber nun darauf an, für welche dieser Möglichkeiten man sich entscheidet. Wir haben also eine Art Fallunterscheidung zu machen. Nach der Russellschen Kennzeichnungstheorie sind Kennzeichnungen eigentlich komplexe Quantoren. Wä hlt man nun (wie in der logisch-philosophischen Literatur üblich) die erststufige Prä dikatenlogik als Zielsprache der Übersetzung, so sind Quantoren für sich genommen keine wohlgeformten Ausdrücke, sondern (wie bereits angedeutet) FormelSchemata. Im Rahmen der Prä dikatenlogik erster Stufe lä uft also die durch die Russellsche Kennzeichnungstheorie prä zisierte Namens-Paraphrase der 2D-Theorie auf folgende Beantwortung von (F) hinaus: (A1) Eigennamen werden synkategorematisch übersetzt; ihnen entspricht somit keine logische Kategorie. Doch die Russellsche Kennzeichnungstheorie lä ßt sich auch für solche Logiksprachen verwerten, in denen Quantoren eine eigene syntaktische Kategorie besitzen. Dies gilt insbesondere für die (in der linguistischen SatzSemantik beliebten) höheren typenlogischen Sprachen, in denen Quantoren als Mengen von Individuen oder ‘Begriffe zweiter Stufe’ gedeutet werden. Die Antwort auf (F) lautet dann: (A2) Die logische Kategorie der Eigennamen ist die Kategorie Quantor, der ontologisch die Kategorie der Menge von Mengen von Individuen entspricht. Die Entscheidung zwischen (A1) und (A2) liegt also in erster Linie bei der Entscheidung für oder gegen gewisse Logiksprachen zum Zwecke der Bedeutungsanalyse. Bei den Befürwortern von (A1) spielen in der Regel ontologische Skrupel gegenüber abstrakten Referenzobjekten (wie sie höherstufige Logiken voraussetzen) eine Rolle; die Anhä nger von (A2) berufen sich dagegen auf die größere Eleganz ihrer Theorie, die u. a. allen Nominalphrasen (im Singular) eine einheitliche logische Kategorie, die des Quantors, zuweist. Eine dritte Möglichkeit, (F) zu beantworten, ergibt sich, wenn man statt der Russellschen Kennzeichnungstheorie die Frege-Car-
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napsche Theorie wä hlt, um die Namens-Paraphrase der 2D-Theorie auszufüllen. Nach der Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie bezeichnen Kennzeichnungen Individuen, d. h. sie sind Individualterme. Wir erhalten somit: (A3) Die logische Kategorie der Eigennamen ist die Kategorie Individualterm. (A3) besitzt wie (A1) gegenüber (A2) den Vorteil der Erststufigkeit, also der ontologischen Sparsamkeit; doch lä ßt sich auch mit dieser Methode keine einheitliche Behandlung aller Nominalphrasen erzielen. Im Falle der logischen Kategorisierung von Eigennamen kann wohl der Unterschied zwischen (A1) und (A3) nur noch mit ä sthetischen Kriterien beurteilt werden. Es sei noch erwä hnt, daß sich die FregeCarnapsche Kennzeichnungstheorie im Rahmen einer höherstufigen Logik so uminterpretieren lä ßt, daß eine einheitliche logische Kategorisierung der Nominalphrase (im Singular) herauskommt. Das Ergebnis dieser sog. Höherstufung ist jedoch gerade (A2); wir führen diese Variante deshalb nicht getrennt auf. Damit haben wir alle wesentlichen Möglichkeiten der Prä zisierung der 2D-Theorie der Eigennamen auf ihre Aussage zur logischen Kategorisierung der Namen hin überprüft, ohne uns für eine von ihnen besonders stark zu machen. Es sei abschließend noch darauf hingewiesen, daß wir dabei einen rein extensionalen Standpunkt eingenommen und die Antworten (A1)—(A3) nicht weiter danach differenziert haben, welche Art von Inhalten den Namen jeweils zugewiesen werden. In unserem Fall war dies deshalb möglich und sinnvoll, weil ja die 2D-Theorie gerade besagt, daß für Eigennamen die Gleichung ‘Inhalt = Referenz’ gilt. 7.2 Fiktion Namen ohne Referenten, wie etwa diejenigen fiktiver Romanhelden, haben wir bisher ignoriert. Im folgenden werden wir etwas nä her auf sie eingehen und dabei feststellen, daß mit ihnen Probleme verbunden sind, die weit über das Thema dieses Artikels hinausreichen. Dies möge als Rechtfertigung dafür dienen, daß wir das (vor allem innerhalb der Sprachphilosophie) wichtige Problem der fiktionalen Eigennamen hier ausgeklammert haben; fiktional heißen dabei solche (Verwendungen von) Eigennamen, die sich nicht auf die Taufe eines Individuums zurückführen lassen, sondern lediglich auf eine Einführung innerhalb eines
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literarischen Werkes, Mä rchens, Films etc. Ein Standardbeispiel ist Sherlock Holmes, ein Name, auf den man in vielerlei Zusammenhängen trifft, so auch hier: (52) Sherlock Holmes lebte in Dublin. Es ist klar, daß (52) falsch ist, und zwar aus mehreren Gründen: einmal hat es Sherlock Holmes nie gegeben, also hat er auch nirgends gewohnt; zum anderen hä tte er, wenn es ihn gegeben hä tte, nicht in Dublin, sondern in London (und zwar in der Baker Street) gewohnt. (52) kann man also auf zweierlei Weisen verstehen: wörtlich, also als Aussage, an deren Subjektstelle eine leere, nicht referierende Kennzeichnung steht, und kontrafaktisch, also ungefähr in folgendem Sinne: (52′) Wenn sich alles so verhielte, wie es bei Conan Doyle steht, dann hätte Sherlock Holmes in Dublin gelebt. Wegen ihrer Bezugnahme auf einen bestimmten Autor ist die Paraphrase (52′) der kontrafaktischen Lesart von (52) nicht allgemein einsetzbar. Wir schlagen deshalb eine neutralere Formulierung für das Antezedens vor: (52″) Wenn alles so wäre, wie es im relevanten literarischen Werk steht, dann hätte Sherlock Holmes in Dublin gelebt. Die Kennzeichnung das relevante literarische Werk soll dabei diejenigen Geschichten, Romane etc. herausgreifen, auf die die im Sukzedens stehenden fiktionalen Eigennamen zurückführbar sind. Das Antezedens von (52″) kann man als eine Art intensionaler Satzoperator (Fiktions-Operator) auffassen, der bei Sä tzen mit fiktionalen Eigennamen oft implizit mitverstanden wird. Sä tze wie (52) versteht man wohl eher kontrafaktisch. Doch ist das keineswegs immer der Fall, wenn von Romanhelden die Rede ist. In (53) dominiert offensichtlich die wörtliche, wahre Lesart über die falsche kontrafaktische: (53) Sherlock Holmes hat es nicht gegeben. Leider ist die soeben skizzierte Wegerklä rung einiger Schwierigkeiten mit fiktionalen Namen mit der 2D-Theorie nicht vereinbar. Der Grund dafür ist, daß die den Namen entsprechenden Kennzeichnungen in den kontrafaktischen Lesarten obiger Sä tze nicht als starr aufgefaßt werden dürfen, weil sie ja sonst auch in den einschlä gigen Fiktionswelten leerlaufen müßten. Die fiktionalen Eigennamen müßten also durch ‘echte’ Beschreibungen ersetzt werden, damit die kontrafaktischen Les-
VI. Nominalsemantik
arten überhaupt einen guten Sinn machen. Die Frage, welche Beschreibung dabei einen vorgegebenen Namen ersetzen soll, ist im allgemeinen gar nicht so einfach zu beantworten. Aus Platzgründen gehen wir darauf auch nicht nä her ein, sondern vermerken lediglich, daß es eine einfache Diagonalisierung hier nicht tut, weil nä mlich sonst herauskä me, daß z. B. Conan Doyle Geschichten über die Person verfaßt hat, die am Anfang der tatsä chlichen Überlieferungs-Tradition des (fiktionalen) Namens Sherlock Holmes steht. Die für die kontrafaktischen Lesarten benötigten Deskriptionen müssen also offenbar etwas mehr mit dem Inhalt der relevanten Fiktion zu tun haben. Man sieht, daß die 2D-Theorie hier sehr uneinheitlich zu werden droht, indem sie gewissen Verwendungen fiktionaler Namen ganz andere Arten von Bedeutungen zuweist als gewöhnlichen Eigennamen. Doch damit nicht genug. Es gibt nä mlich noch mehr Probleme, die mit fiktionalen Namen zusammenhä ngen und auch mit Hilfe von FiktionsOperatoren nicht zu lösen sind. Ein beliebtes Beispiel dafür ist das folgende: (54) Der fiktive Detektiv Sherlock Holmes ist ironischerweise viel berühmter als jeder echte Detektiv. (54) ist offensichtlich — zumindest in einer sehr naheliegenden Lesart — wahr. In seiner wörtlichen wie in seiner kontrafaktischen Interpretation wä re er aber falsch: im ersten Fall lä uft die Kennzeichnung des Meisterdetektivs wieder leer; aber die Einbettung unter einen Fiktions-Operator ist auch falsch, denn laut Conan Doyle ist Holmes kein fiktiver, sondern eben ein echter Detektiv. In welchem Sinn versteht man (54) dann? Das Problem mit Sä tzen wie (54) ist um so dringlicher, als sie durchaus wörtlich zu deutenden Sätze wie (54′) zu gleichen scheinen: (54′) Der antike Philosoph Plato ist ironischerweise viel berühmter als jeder moderne Philosoph. Wollte man aber (54) parallel zu (54′) deuten, so müßte man wohl Sherlock Holmes als Namen für etwas — z. B. eine fiktive Entitä t — auffassen. Für diese Auffassung spricht u. a., daß (54) wie (54′) die üblichen Extensionalitä ts-Tests glä nzend besteht; so kann man beispielsweise den Namen Sherlock Holmes durch die Kennzeichnung der Heldder ConanDoyle-Geschichten ersetzen, ohne an der Wahrheit von (54) etwas zu ä ndern. Gegen die Deutung von Sherlock Holmes als Namen
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einer fiktiven Person spricht vor allem der zweifelhafte ontologische Status nicht-existenter Gegenstä nde. Auch auf diese Frage gehen wir hier nicht weiter ein, wollen aber erwä hnen, daß sich die 2D-Theorie dann retten lä ßt, wenn man fiktive Entitä ten als Namensträger zuläßt. Neben diesen ontologischen Schwierigkeiten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Fragestellungen zum Thema fiktionale Namen, von denen viele noch nicht befriedigend behandelt werden können. Es ist jedoch unklar, inwieweit die bisher ungelösten Probleme wirklich in den Bereich der Eigennamen-Semantik gehören. Es spricht vielmehr einiges dafür, daß es dabei nicht um fiktionale Namen, sondern um fiktive Gegenstä nde geht.
8.
Historisch-bibliographische Notizen
8.1 Zum Terminus ‘Eigenname’ Das deutsche Wort Eigenname ist eine Lehnübersetzung von lat. nomen proprium, welche — laut Kluge (1975) — erstmals 1642 belegt ist. Die lateinische Bezeichnung selbst lä ßt sich wiederum auf griech. ὄvoμα κύριov zurückverfolgen, das man beispielsweise bei Dionysios Thrax (Uhlig 1883: 33) findet, der eine Unterscheidung der stoischen Sprachlehre übernimmt, wonach der Name (ὄvoμα) ein Wort ist, das eine spezifische Eigenschaft bedeutet, wä hrend ein Appellativum (πρoτηγoρία) ein Wort ist, welches eine allgemeine Eigenschaft bedeutet (vgl. Egli 1981: 28). Mit dem Beiwort κύριov grenzt Dionysios die wahre (gelehrte) Bedeutung von der allgemeinen (umgangssprachlichen) Bedeutung des Wortes ὄvoμα ab. ὄvoμα κύριov bedeutet also so etwas wie ‘Name im eigentlichen Sinne’. 8.2 Zur Benennungstheorie Als klassischer Vertreter einer reinen Benennungstheorie wird üblicherweise John Stuart Mill (1843: Kap. I.2) angeführt. Mill unterteilt die Namen in individuelle und allgemeine, konkrete und abstrakte, konnotative und nicht-konnotative. Nicht-konnotative Namen schreiben dem Gegenstand, den sie bezeichnen, keine Eigenschaft zu; sie besitzen also eine reine Benennungsfunktion: auch wenn die Stadt Travemünde ihren Namen ursprünglich aufgrund ihrer Lage an der Mündung der Trave erhalten hat, so könnte Travemünde immer noch dieselbe Stadt bezeich-
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nen, selbst wenn der Fluß seinen Lauf ä nderte. Auch ein Wort wie (das) Weiß (engl. whiteness) ist nach Mill ein nicht-konnotativer Name, aber kein echter Eigenname, weil nicht konkret. The Sun und God sind dagegen konnotativ, weil sie ihren Namensträ gern Eigenschaften (Sonne bzw. Gott zu sein) zuschreiben; auch sie sind in diesem Sinne keine Eigennamen. 8.3 Zur Kennzeichnungstheorie und zur logischen Kategorisierung Die im Text mehrfach erwä hnte Frege-Carnapsche Kennzeichnungstheorie ist die von Carnap in Anlehnung an Frege vorgeschlagene Deutung von Kennzeichnungstermen, nach der diesen jeweils zwei semantische Werte, Extension und Intension, entsprechen. Die Extension ist dabei das Individuum, das die Bedingung der Kennzeichnung als einziges erfüllt, falls es ein solches Ding überhaupt gibt. Andernfalls tritt irgendeine willkürliche Konvention — z. B. der Verweis auf ein Ersatzobjekt — in Kraft. Die Intension einer Kennzeichnung ist die Extension derselben in Abhä ngigkeit von beliebigen Tatsachenkonstellationen (≅ möglichen Welten), d. h. (in Carnaps Theorie) eine Funktion, welche Tatsachenkonstellationen Individuen zuordnet. Die Idee, neben dem Denotat, also der Extension (bei Frege: der Bedeutung), einen weiteren semantischen Wert, nä mlich die Intension (bei Frege: den Sinn) anzusetzen, welcher den ersten vollstä ndig determiniert, stammt dabei von Frege (1892) und dient vornehmlich dem Zweck, den Informationsgehalt von Kennzeichnungstermen von ihrer referentiellen Funktion zu trennen; daneben soll auf diese Weise auch eine allgemeine, auf Kennzeichnungen wie Eigennamen gleichermaßen bezogene Version des oben (in Abschnitt 6.1) dargestellten klassischen Problems der propositionalen Einstellungen gelöst werden. Die Idee, das Verhä ltnis ‘Extension vs. Intension’ als das einer funktionalen Abstraktion bezüglich möglicher Tatsachenkonstellationen aufzufassen, ist der von Carnap (1947: I.7—9.) geleistete Beitrag zur Frege-Carnapschen Kennzeichnungstheorie. Die Russellsche Kennzeichnungstheorie, die im Text als ebenbürtige Alternative zur Frege-Canapschen betrachtet wird, geht auf Russell (1905) zurück. Dort werden Kennzeichnungen als gewisse Quantoren mit variablem Skopus aufgefaßt. Der dabei eingehende Begriff des variablen Skopus wird in Whitehead & Russell (1910: I. B 14.) prä zisiert, be-
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sitzt allerdings (intuitiv wie formal betrachtet) Tücken und Schattenseiten, wie z. B. Kaplan (1970) zeigt. Eine neuere Version der Russellschen Kennzeichnungstheorie, bei der die eigentliche Deutung der Quantoren unabhä ngig von ihrem (variablen) Skopus vorgenommen wird, stammt von Montague (1973). Die logische Kategorisierung der Eigennamen hä ngt, wie weiter oben (in Abschnitt 7.1) bemerkt wurde, im Rahmen der von uns favorisierten 2D-Theorie von der zugrundegelegten Kennzeichnungstheorie ab; die in 7.1 betrachtete Kategorisierung (A1) entspricht dabei einem strikt an Russell (1905) orientierten Vorgehen, (A2) ist die Montaguesche Version der Russellschen Kennzeichnungstheorie und (A3) ist natürlich Frege-Carnap. Diese Entsprechungen gelten aber nur im Falle einer Zurückführung der Eigennamen auf Kennzeichnungen. 8.4 Zu den verkleideten Kennzeichnungen Es ist zu unterscheiden zwischen solchen gemä ßigten Theorien, die Eigennamen auf die gleiche Art interpretieren wie Kennzeichnungen und den radikaleren Versuchen, Eigennamen durch Kennzeichnungen zu ersetzen. Als Hauptvertreter einer gemä ßigten Position kann Frege (1892) gelten, der die Unterscheidung von Intension und Extension (genauer: Sinn und Bedeutung) ebenso auf Eigennamen wie auf Kennzeichnungen anwendet. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, daß die Intension eines Eigennamens im allgemeinen nicht durch die sprachlichen Konventionen festgelegt ist, sondern lediglich der Bedingung genügen muß, den (tatsä chlichen) Referenten, den Namensträ ger, zu identifizieren, wä hrend sich die Intension einer Kennzeichnung aus der Deutung des kennzeichnenden Prä dikates ergibt. Auf diese Weise kann es nach Frege bei Eigennamen z. B. zu Sinnschwankungen (= unterschiedlichen Intensions-Auffassungen) bei verschiedenen Sprechern kommen. Diese Idee einer gewissen Vagheit von Eigennamen findet man auch bei Wittgenstein (1953: § 79). Eine radikalere Position vertritt Russell (1905), der Eigennamen der natürlichen Sprache im allgemeinen durch (Russellsche) Kennzeichnungen paraphrasiert und ihnen insofern (vgl. oben: 8.3) keine eigenstä ndige Bedeutung zugesteht. Allerdings besitzt nach Russell (1910) auch die natürliche Sprache rein benennende Ausdrücke (wie etwa engl. this), die dann als logische Eigennamen bezeichnet werden. Auch echte Eigennamen können nach Russell gelegentlich als logische Eigen-
VI. Nominalsemantik
namen fungieren. Ein Beispiel ist die Verwendung des Namens Bismarck durch den Namensträ ger selbst (und mit Bezug auf sich selbst). Wird jedoch dieser Name von jemand anders benutzt, muß er (in der Regel) durch eine Kennzeichnung paraphrasiert werden, weil die Äußerung einer singulä ren Proposition (die bei Verwendung eines logischen Eigennamens entsteht) vom Sprecher einen zu hohen Grad an Bekanntschaft mit dem Gegenstand derselben voraussetzt. Welche Kennzeichnung im Einzelfall für einen Namen eingesetzt werden muß, hä ngt nach Russell — ä hnlich wie der Fregesche NamensSinn — unter anderem vom jeweiligen Sprecher ab. Eine Ersetzung äs mtlicher benennender Ausdrücke durch Kennzeichnungen hat Quine (1960) vorgeschlagen, allerdings aus Gründen der ontologischen Durchsichtigkeit logischer Notationen. Kennzeichnungen spielen auch in der sog. Bündeltheorie von Searle (1958) eine Rolle. Allerdings werden sie dort nur dazu benutzt, die pragmatische Voraussetzung zu sichern, daß die Verwendung eines Namens Kenntnisse voraussetzt, die es erlauben, den Namensträ ger eindeutig zu identifizieren. Einen ä hnlichen Gebrauch von Kennzeichnungen machen auch Wittgenstein (1953: § 79), Evans (1973), Strawson (1959, 1974), Dummett (1973: 110 ff.) und Linsky (1977). 8.5 Zur Kritik an den sogenannten Deskriptionstheorien Der Begriff der Deskriptionstheorie subsumiert allgemein alle Theorien, die die Kompetenz des Sprechers, mit einem Namen auf ein Individuum zu referieren, von Informationen abhä ngig machen, die der Sprecher über dieses Individuum besitzen muß. Insbesondere gehören dazu die Theorien, die Namen Kennzeichnungen gleichsetzen. Kritik an diesen Theorien findet man außer bei Kripke (1980) auch bei Donnellan (1966, 1972, 1974). Die speziellen Probleme, die sich für verkleidete Kennzeichnungen in modalen Kontexten ergeben, stellt vor allem Kripke (1980) ausführlich dar, von dem auch der Begriff starrer Designator (rigid designator) stammt. Der von uns in 4.2 benutzte dthat-Operator geht auf Kaplan (1978) zurück. 8.6 Zur Festlegung des Namens-Prädikats Quine (1960, 1961a) setzt PNgleich der Eigenschaft, mit dem Trä ger des Namens N identisch zu sein, falls N einen Referenten
16. Eigennamen
besitzt. In diesem Falle lä uft die Quinesche Kennzeichnungsparaphrase auf eine Spielart der reinen Benennungstheorie hinaus. Die Konsequenz des Quineschen Vorgehens für nicht-denotierende Namen untersucht Hochberg (1957). Plantinga (1978) benutzt unter Verweis auf die von Boethius und Scotus vertretene These, daß Eigennamen wesentliche Eigenschaften ihrer Referenten ausdrücken, fixierte (= starr gemachte) PN-Kennzeichnungen als Paraphrasen. Das entspricht unserem Vorgehen in 4.2; Plantinga lä ßt allerdings weitgehend offen, wie man dabei das PNselbst bestimmt. 8.7. Zum Begriff der Tradition Ein Begriff der Überlieferungskette findet sich andeutungsweise schon bei Strawson (1959: 181, Fn.). Kripke (1980) gibt nur einige Hinweise darauf, wie eine Namens-Tradition ungefä hr auszusehen habe. Kritiken an der Kripkeschen Sichtweise findet man z. B. bei Dummett (1973: 110 ff), der Kripke Zirkularitä t vorwirft, und Evans (1973), der einige verzwickte Fä lle von Überlieferungs-Ketten diskutiert und daraufhin für eine pragmatische Deskriptionstheorie plä diert (vgl. oben: 8.4). Prä zisierungen der Kripkeschen Ideen über Namens-Traditionen findet man bei Devitt (1974, 1981) und Lerner (1979). Wir haben in diesem Artikel die Frage, wie eine wohlgeformte Tradition aussehen soll, ausgeklammert. In der Literatur spricht man gewöhnlich von der Kripkeschen Kausal-Theorie der Eigennamen. Es wird angenommen, daß die Glieder der Überlieferungskette durch kausale Beziehungen miteinander verbunden sind. Unsere Theorie macht darüber keine Annahme, wie der von uns neutrale Terminus ‘Tradition’ andeutet. Zur Frage der Kausaliät t in Überlieferungsketten vgl. Schwarz (1979). 8.8 Zur Namensbedeutung Der allgemeine bedeutungstheoretische Rahmen der 2D-Theorie ist die klassische Theorie der Kontextabhä ngigkeit von Kaplan (1977). Die Indexikalitä t von Eigennamen betont Burge (1973), der Aristoteles durch dieser Aristoteles paraphrasiert, wobei dem Namen Aristoteles in der logischen Paraphrase das Prä dikat, Aristoteles zu heißen, zugrundegelegt wird und verlangt wird, daß auf den Referenten dieses Prädikat zutrifft. Ausgehend von reinen Benennungstheo-
369
rien gelangen von linguistischer Seite Gardiner (1940) und von sprachphilosophischer Seite Castañeda (1979) zu dem Schluß, daß Eigennamen überhaupt keine Bedeutungen haben, sondern nur denotieren. Gardiner sieht hier ein Dilemma, weil Namen doch Wörter seien und Wörter stets etwas bedeuteten. Die 2D-Theorie gibt Gardiner insofern recht, als sich auch nach ihr der inhaltliche Aspekt eines Eigennamens in seiner Benennungsfunktion erschöpft; dennoch haben Namen Bedeutungen (wenn auch sehr abstrakte), wodurch sich Gardiners Dilemma (so es ein solches überhaupt gibt) löst. Castañeda wiederum sieht sich gezwungen, Eigennamen zumindest in indirekter Rede deskriptiv zu deuten, wodurch seine Hauptthese unterlaufen wird, daß (in unserer Terminologie) die Verwendung eines Namens keine Rückschlüsse auf den Zugang des Sprechers bzw. des Einstellungs-Subjekts zum Referenten zuließe. Unsere Version der 2D-Theorie ist — aufgrund der von uns vorgenommenen existentiellen Abquantifizierung des ZugangsParameters (vgl. oben: 6.2.2) — insofern eine konsequentere Anwendung der Castañedaschen These, als die Namen auch in beliebigen Einstellungskontexten ihre rein referentielle Funktion beibehalten. Der moderne sprachphilosophische Klassiker der Eigennamen-Interpretation, Kripke (1980), bezieht interessanterweise zur Frage, was ein Name bedeutet, offenbar keine Stellung. Kripke geht es in erster Linie um Inhalte. Die von uns (oben 4.2) angestellten Betrachtungen zu kontextueller Vagheit und Ambiguitä t gehen auf Kaplan (1977: XXII) zurück. Die Parallelitä t zwischen der Semantik der Eigennamen und der Deutung einiger Gattungsbegriffe (vgl. oben: 4.3) heben vor allem Kripke (1980) und Putnam (1973, 1975) hervor. Uneigentliche Namen wie Jack the Ripper werden von Boër (1978a) untersucht, der von attributiven Verwendungen von Namen spricht. 8.9 Zu den propositionalen Einstellungen Das klassische Problem aus 6.1 kann man über Quine (1961 b) bis auf Frege (1892) zurückverfolgen. Eine Diagonalisierungs-Lösung hat Stalnaker (1978) vorgeschlagen, der auch andere Anwendungen dieses Verfahrens diskutiert. Die Diagonalisierung selbst stammt ursprünglich aus der zweidimensionalen Modallogik (vgl. Segerberg (1973)), wo auch Kaplans dthat als eine Art DiagonalOperator dargestellt werden kann.
370
VI. Nominalsemantik
Der im Zusammenhang mit de-re-Lesarten in 5.2 eingeführte Begriff der singulä ren Proposition geht auf Kaplans (1975) Betrachtungen zur Russellschen Ontologie zurück. Unsere Redeweise vom ‘Gegenstand’ einer singulä ren Proposition ist insofern etwas heikel, als sich nach der gä ngigen Auffassung von Propositionen als Weltenmengen dieser Gegenstand durch die infrage kommende Proposition nicht eindeutig bestimmen lä ßt; auf diese Schwierigkeit weist z. B. auch Kaplan (1977: IV) hin. Bei einer prä ziseren Darstellung müßte man also einen feinkörnigen Propositions-Begriff — wie etwa den aus Cresswell & von Stechow (1982) — zugrundelegen. Das Waterloo-Problem aus 5.3 stammt von Kripke (1979), der es allerdings nicht löst, sondern nur darstellt. Die in 5.4 skizzierte Theorie der propositionalen Einstellungen ist die von Cresswell & von Stechow (1982). Der Begriff des Zugangs wird dabei im Geiste von Lewis (1979b) definiert. 8.10 Zur Fiktion
(1974) und Lewis (1978) vorgeschlagen. Die einschlä gigen Gegenbeispiele stammen von Parsons (1980a), der eine an Meinong (1971) orientierte ontologische Lösung propagiert und fiktionale Namen auf fiktive Gegenstände referieren läßt.
9.
Boër 1978a · Carnap 1947 · Castañeda 1977 · Cresswell/von Stechow 1982 · Devitt 1974 · Devitt 1981 · Donellan 1966 · Donnellan 1972 · Donnellan 1974 · Dummett 1973 · Egli 1981 · Evans 1973 · Frege 1892 · Hochberg 1957 · Kaplan 1970 · Kaplan 1975 · Kaplan 1977 · Kaplan 1978 · Kluge 1975 · Kripke 1979 · Kripke 1980 · Lerner 1979 · Lewis 1978 · Lewis 1979b · Linsky 1977 · Meinong 1971 · Mill 1843 · Montague 1973 · Parsons 1980a · Plantinga 1978 · Putnam 1973 · Putnam 1975 · Quine 1960 · Quine 1961a · Quine 1961b · Russell 1905 · Russell 1910 · Schwarz 1979 · Searle 1958 · Segerberg 1973 · Stalnaker 1978 · Strawson 1959 · Strawson 1974 · Uhlig 1883 · Whitehead/Russell 1905 · Wittgenstein 1958 · Woods 1974
Jean-Yves Lerner, Saarbrücken/ Thomas Ede Zimmermann, Stuttgart, (Bundesrepublik Deutschland)
Eine kontrafaktische Analyse von Sä tzen mit fiktionalen Namen wird z. B. von Woods
17. 1. 2. 3.
Natural Kinds and Common Nouns
8. 9. 10. 11.
Introduction Kind-Denoting Terms Kind-Level Versus Individual-Level Predicates Semantic Analysis Stages Common Nouns in the Historical Perspective Proper Names, Kinds and the Theory of Reference Reaction to Kripke and Putnam Sortal Concepts Conclusion Short Bibliography
1.
Introduction
4. 5. 6. 7.
Literatur (in Kurzform)
Natural kinds are real causal powers that order the world in which we live. The central cases of natural kinds are generally taken to include species of plants and animals such as lemon-trees and tigers, chemical substances such as gold or helium, elements of physical theory such as electrons or quarks, diseases
such as the measles and polio and perhaps phemomena like heat and pain. In general, natural kinds are the sorts of things that are naturally amenable to scientific investigation. There is, for example, no science of big things, because big things do not seem to form a natural kind. In human languages, natural kinds can be referred to with the use of noun phrases (also called terms). These noun phrases are typically built up around a central common noun which itself appears to be specially connected to the natural kind referred to (or denoted) by the phrase. For example, if we analyze the reference of a use of the noun phrase the tiger (as in The tiger is a striped beast) as referring to the species itself, the central common noun is the count noun tiger.
2.
Kind-Denoting Terms
As the term ‘natural kinds’ implies, natural kinds are a subclass of kinds more generally. Noun phrases referring to or denoting natural
17. Natural Kinds and Common Nouns
kinds come in a variety of forms and differ somewhat from language to language. Carlson (1978) and Krifka (1988) discuss several such constructions. The chief criteria in deciding whether a noun phrase denotes a kind are whether the sentence it appears in (typically as subject) has a generic reading, and whether the noun phrase can have predicated of it ‘kind-level’ predicates such as (be) widespread, common, rare, increasing in population, or comes in a range of sizes, has x’s up to y long, and so forth (see Carlson 1978). These predicates, as has long been recognized, cannot be satisfactorily attributed to individuals (e. g. Socrates is widespread). The most common form of a kind-denoting noun phrase is a determinerless expression either identical to the basic common noun itself (as in the case of English heat, gold, and man), or else a pluralized form of the basic common noun in the case of count nouns (as in the case of English cats, lemons or tigers). In some languages, such as Thai, the singular form of the count noun may be employed generically at least in combination with a classifier (see Stein 1981). Another equally common means of referring to natural kinds is with the definite article in conjunction with the basic common noun. This may accompany both count and mass nouns, as in German, or it may accompany just the count version and exclude the mass version (as in English). Examples include the tiger, the elm tree, or das Gold, and l’or (French). Such noun phrases are generally ambiguous between a generic reading (where it refers to the kind) and a non-generic or individual reading, where the referent is some particular individual. So, a sentence like (1) is generally taken to be ambiguous: (1) The tiger eats about 80 kilograms of meat a day. This sentence could be about the tiger before you, or the kind itself. Krifka (1988) notes that languages such as Bavarian German and Frisian have two different definite articles with distinct uses, only one of which may be used in a noun phrase with generic reference. One form of the definite article has a directly anaphoric use, where it is used to pick out something that is in the immediate environment, or has just been mentioned, as in the following Bavarian example taken from Krifka (1988). (2) I hab a Bia und an Schnaps bschdait. Dea Schnaps war daia. ‘I ordered a beer and a schnapps. The schnapps was expensive.’
371
The other form of the definite article where the speaker and hearer share knowledge, and is non-anaphoric in This is the form that appears with names, as in the following example. (3) Da Karel is kema. ‘Charles has arrived’
is used general usage. proper
Substituting the form da for dea in (2), or substituting dea for da in (3) results in unacceptable sentences. Kind-denoting phrases employing the definite article in Bavarian employ only the form that goes with proper names. An example is (4). (4) Da Schnaps (*Dea Schnaps) is daia. ‘Schnapps is expensive’ Thus, the definite article is another means of constructing a term that may refer to a kind. In some languages, the determinerless form of the noun phrase may still function as if there were a definite article present. Porterfield and Srivastav (1988) have recently argued that determinerless Hindi count noun phrases function as definites, displaying the same sort of ambiguity we find in example (1) in spite of the absence of a definite article. They argue that not all languages pattern likewise. Their analysis of determinerless noun phrases in Indonesian reveals that they display only a generic reading, and no individual non-generic reading at all. Finally, a more artificial means of constructing a noun phrase referring to a certain kind, often employed in Western science, is to contruct a Latinate name, as with homo sapiens for mankind, or felis tigris for the tiger. This method, though employed almost exclusively in conjunction with scientific investigation, nevertheless represents a linguistic resource for the creation of new kinddenoting terms. The indefinite article likewise can give rise to a generic reading with singular count nouns, as in the English samples: (5) a. A Tiger has stripes. b. An electron consists of two ‘up’ quarks and one ‘down’ quark. c. An elm tree is classified as a gymnosperm. Languages with indefinite articles very commonly (and possibly always) may employ them in this same way. While these noun phrases result in generic sentences with truthconditions typically indistinguishable from
372
those same sentences with noun phrases of the sorts discussed above, they lack the ability to take ‘kind-level’ predicates. The following examples appear to be unacceptable (though they have an acceptable reading to be discussed shortly). (6) a. ??A tiger is common (vs. ‘Tigers are common’) b. ??A lemon tree is rare (cf: ‘The lemon tree is rare’) Hence their status as noun phrases referring to kinds is somewhat in doubt. However, they do give rise to generic readings and are formally based on the appropriate common nouns, forming a paradigm with the definite article. Similar to the definite article, the indefinite is often times ambiguous between a generic reading and a singular non-generic reading. (7) has two distinct readings. (7) A dog pleases its master every day. On one reading this refers to some particular dog, but there is also another generic reading where this is about dogs in general. It is of some interest that the definite and indefinite articles are both commonly employed in the creation of generic noun phrases, to the exclusion of the other determiners one finds in natural language. In fact, it has been suggested (Kramsky 1972) that one criterion for whether a given word is functioning as an article at a given stage in the development of a language is whether they give rise to generic noun phrases. Very commonly, definite articles develop from ‘weakened’ demonstratives (as has occurred in Romance languages), and indefinite articles commonly develop from the numeral one (Germanic and Romance languages follow this pattern). Why becoming an article would create the possibility of a generic NP remains an open topic for future research. Natural languages also employ various means of creating kind-denoting NP’s through descriptive maans. One type of construction is the use of a determiner with a taxonomic common noun — a common noun understood as a predicate applied to subordinate kinds. So, the examples of (8) have sensible readings because the common nouns can be understood as applying to kinds, and not to individuals. (8) a. One mammal lays eggs to reproduce itself. b. Every dinosaur is extinct. c. This metal is widespread.
VI. Nominalsemantik
With mass common nouns, conversion to count noun status is a sign that it has become taxonomic. Examples such as those in (9) are commonly noted. (9) a. Two wines are grown in this region. b. Every ore in this region is valuable. Taxonomic noun phrases make use of the full range of determiners available in a given language, although the articles may preclude a taxonomic interpretation. For example, the following seem difficult to interpret as meaning ‘a type of bird’ and ‘the kind of mammal (e. g. that we were just discussing)’. (10) A bird is quite common. (cf: ‘One bird is quite common’) (11) The mammal is widely known. (cf: ‘This mammal is widely known’) Natural languages also may employ an overtly taxonomic noun in conjunction with a superordinate common noun to denote a kind. In English such words as type, kind, sort, etc. are routinely used to create unambiguously kind-denoting noun phrases, as in (12). (12) a. Every kind of metal is solid at room temperature, save on. b. One type of bird migrates from the Arctic to the Antarctic annually. As with the taxonomic noun phrases, the choice of determiners is not restricted (so long is it is a count determiner), except again for some similar problems with the articles. Finally, anaphoric devices may also be used to refer to kinds, as in: (13) a. They (meaning lions) are not very common around here. b. This (meaning iron) is a very useful metal. Of this entire range of constructions, we can distinguish those that make crucial use of a particular common noun in their construction in order for the noun phrase to have its intended denotation (the first examples employing articles and no determiner at all) from the remainder, in which a wide range of different subordinate common nouns may be employed. So, while the noun phrase this animal, this carnivore and this Asian mammal, this striped beast, etc. may all be used to refer to the tiger on a given occasion of use, the denotations of carnivores, Asian mammals, striped beast, animals, etc. all differ solely according to the meaning of the noun.
17. Natural Kinds and Common Nouns
3.
Kind-Level Versus Individual-Level Predicates
With this background in mind, we will now turn to some of the motivating features of a theory incorporating kind terms. In a series of works (chiefly, Carlson 1978), a view of noun phrase denotations is developed in which kinds play a central role. Kinds in this framework are taken to be elements of the domain of entities of the model, rather than being themselves constructed out of more primitive elements of the model, such as sets or functions from points of reference to sets (one analysis of properties). The primary motivation for treating kinds thus is two-fold. The first is that it enables a uniform syntactic and semantic treatment for predicates that seem to be equally applicable to kinds and individuals. Consider, for instance, the predicate eat meat. One can equally predicate this of a kind (14b) or of an individual, such as John (14a): (14) a. This person (said pointing at John) eats meat. b. This kind of animal (said pointing at a dog) eats meat. Note that one can even conjoin these NP’s and predicate a common property of them: (15) This person and this kind of animal both eat meat. One may even from meaningful comparative constructions which contrast properties of kind-denoting and individual-denoting NP’s: (16) a. This person (said pointing at Harold) runs faster than this kind of animal (said, pointing at a turtle) (runs). b. This kind of animal runs faster than this person (runs). Such comparisons on anyone’s analysis of comparatives requires a predication common to both. If the predicates of the matrix and subordinate are of different semantic types, it is not clear how one could form a common grounds for comparison, nor how one could sensibly conjoin these NP’s and predicate a single property of both, as in (15). On the other hand, if kinds and individuals are treated as being of the same semantic type, standard analyses of comparison and conjunction, and other constructions, will apply without difficulty. Observations of this sort motivate the need to treat kinds and individuals as at least belonging to a common semantic type.
373
However, these observations do not in and of themselves require that kinds be treated as entities in order to assimilate their analysis to that of individual-denoting phrases. One could equally well, in Montague-grammar style, treat both as generalized quantifiers of a common semantic type, yet retain the claim that kind-phrases are non-denoting NP’s, just like everyone or no animal. This is tantamount ot the claim that kind-phrases are quantified NP’s. There is substnatial cause to think, in the absence of any overt quantification, they are not. Instead, kind-phrases like this kind of animal are best analyzed as denoting phrases, much as proper names or definite descriptions, in the absence of overt indications of quantification. Perhaps the most controversial case study is that of the semantics of the English bare plural construction, which has been proposed in Carlson (1977, 1978) and elsewhere to function as a proper name of an entity which is a kind. It remains controversial whether all instances of bare plural NP’s should be so analyzed in English, or whether most or all corresponding determinerless constructions in other languages demand a similar treatment. Evidence for a denoting analysis takes a variety of forms. One important form of argument, which will not be discussed here in any detail, is to consider concrete non-denoting analyses one by one, and examine the adequacy each. So, to take a simple case, if a NP such as dogs were treated as universally quantified, thereby meaning something much like ‘all dogs’, one can easily show that incorrect truth-conditions would thereby be assigned many sentences; true sentences like dogs bark or dogs have four legs would be predicted on this analysis to be false. Hence, this analysis, as it stands, is inadequate. One may then proceed to the consideration of other nondenoting analyses, and examine them in a similar light. The most compelling arguments, however, are those that apply to non-denoting analyses as a class. One of the chief characteristics of quantified phrases is that they exhibit scope ambiguities relative to one another, negation, and a variety of other constituents of the sentence in which they may appear. In a sentence like (17), a scope ambiguity arises, the quantified phrase several horses interacting with the verb look for: (17) Mary is looking for several horses. Mary could have several particular ones in mind, or else she might be satisfied with find-
374
ing any colleagues so long as she finds several of them. On the other hand, in a sentence like (18), no similar ambiguity may be found: (18) Mary is looking for horses. The only reading of (18), according to the semantic interpretation, is one where there are no particular horses which Mary is looking for. A similar result emerges when other quantified NP’s appear in the sentence. Under most circumstances, quantified NP’s may interact to produce scope ambiguities (though typically one reading is more salient). With bare plural NP’s, however, there is little evidence of scope interaction. The following examples do not readily yield judgments of scope ambiguities involving bare plurals: (19) a. Dogs like everyone. b. Most people in this room own cars. c. Each customer bought gifts at four different drug stores. Nor do the bare plurals of English participate convincingly in scope ambiguities produced by placing them subordinate clauses, as exemplified below: (20) a. Three of our students believe that professors (cf: each professor) are incredibly good at critiquing articles. b. Jerry wanted to ask poets (cf: some poet) to come to his birthday party. c. Mary hoped her husband would meet celebrities (cf. a celebrity) in Las Vegas. In none of these cases is there a convincing and consistently-judged wide-scope reading for the bare plural NP, in contrast to other quantified noun phrases. There is a de dicto/ de re distinction in examples such as (20a), but such an ambiguity is also associated with proper names in such contexts as well, and hence does not require that the bare plural be treated as a quantified, non-denoting phrase. The argument thus far is that at least some instances of bare plural NP’s function as denoting terms, taken as denoting a kind of thing. As a result, a term such as dogs may have the same denotation as a number of other denoting phrases used in a given context, such as: (21) that kind of animal (said, pointing at a dog, for example) the dog (generic reading) the type of animal which is the world’s most common domestic pet Jerome’s favorite sort of pet this mammal over here (taxonomic reading)
VI. Nominalsemantik
What serves as the denotation of bare plurals may also provide one of the values that quantified sentences are evaluated with respect to. For instance, if someone claims that at least one type of animal eats meat, the sentence Wolves eat meat shows that the open sentence x eats meat is true with wolves assigned as the value of x, and hence that At least one type of animal eats meat is true. Or, if someone claims that every breed of cat has a tail, the falsity of Manx cats have a tail provides a value (manx cats) which falsifies the universal closure of x has a tail with values of x restricted to kinds. A variety of semantic phenomena, some long-noted in the philosophical literature, distinguish phrases denoting or quantifying over kinds from those denoting or quantifying over individuals (NP’s I will henceforth call kind-level and individual-level). There are a variety of predicates, simple and complex, which select kind-phrase subject, being infelicitious with subjects denoting at the individual-level. Probably most widely-known and transparent are predicates employing kindwords themselves. Sentences of the following sort were an important ingredient in medieval theories of supposition, for instance: (22) a. The lion is a kind of mammal. b. ??Leo (an individual lion) is a kind of lion. (23) a. Killer bees are a variety of honeybee. b. ??These six bees are a variety of honeybee. (24) a. Man is a species. b. ??John is a species. (The question marks intend that the (b) examples have a different status from the (a) examples; whether the (b) examples are sortally incorrect or necessarily false remains an open question.) There are also a number of adjectives that select for kind-phrases as subjects which, too have been often noted. These adjectives include widespread, common, rare, heterogeneous, indigenous (to) (25) a. Dogs are common/rare/widespread/ heterogeneous (e. g. in size) b. ??Those five dogs are common/rare/ widespread/heterogeneous (e. g. in size) Such predicates as these are to be clearly distinguished from those which typically se-
17. Natural Kinds and Common Nouns
lect plural NP’s, such as (be) similar, (be) a couple, etc., which are entirely felicitious with individual-level plural phrases as subjects. A very few verbs have been noted also to select for kind-phrases as subjects. The verb come in (e. g. Coke cans come in three different sizes) is one such example. In more complex verb phrases, elements in combination with the verb may select kind-level subjects. For example, the verb gain or increase by themselves do not particularly select for kinds. However, a complex phrase like is increasing in numbers or is gaining in population do. However, in far more cases, we can detect a certain reading of a predicate which is only possible when there is a kind-level subject, though there is a felicitious interpretation with an individual-level subject. A good example of this is noted in Carlson (1978). Compare the readings available for the following: (26) a. Wolves get larger and more vicious as you drive north from here. b. My three dogs get larger and more vicious as you drive north from here. (26b) has only a pragmatically implausible reading where there is an implied causal connection between my dogs’ sizes and viciousness, and someone’s driving north. While (26a) also has this unusual reading associated with it, there is in addition another much more natural reading in which size and disposition of northerly wolves are compared to their southerly neighbors’. Such a reading, with such examples as Scientists are becoming more sophisticated these days having a reading where no individual scientist need himself or herself be getting more sophisticated, in contrast to All scientists are becoming more sophisticated, which demands increased dophistication in individual scientists. Quite a few other parallel distinctions may be noted. For instance, the adverb continuously allows for two readings in (27a) but only one (the much less plausible one) in (27b): (27) a. Guests continuously arrived at our party until 11:30. b ??Several guests continuously arrived at our party until 11:30. A somewhat different type of example is illustrated in (28). (28) a. Small Japanese cars are very popular this year. b. Most small Japanese cars are very popular this year. In (28a), unlike (28b), there is a reading avail-
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able where there need be no particular, individual small Japanese car that is itself popular (this is a pragmatically implausible state of affairs). However, (28b), with an individuallevel subject, has only the implausible reading, unless of course the subject is taken as quantifying over types of automobile on a taxonomic reading. Other semantic phenomena related to kinds have been somewhat more widely discussed. One such is the adverbs of quantification first introduced in Lewis (1975a). Many frequency adverbs allow for two distinct readings in the presence of a kind-level subject, but only one in the presence of an individual-level subject. Contrast the following: (29) a. Female birds usually care for their young. b. All female birds usually care for their young. Again, setting aside the taxonomic reading of (29b), there is a reading of (29a) which (29b) does not have; it is the one equivalent to most female birds care for their young. (29b) has only a reading which describes how much of her time a female birds spends on caring for its babies; (29a) shares that as a possible reading, but has the quantificational reading as well. In some cases the nature of the predicate rules out the plausibility of a temporal reading; in such cases only one reading plausibly appears with the kind-level subject, and no plausible reading appears in the case of the individual-level subject. The examples below, taken from Lewis (1975a) and Carlson (1978) illustrate this point. (30) a. Quadratic equations usually have two solutions. b. ??Many quadratic equations usually have two solutions. (31) a. Texans are often tall. b. ??All Texans are often tall. The (b) examples probably do have readings, but the readings require an unusual state of affairs. Most frequency adverbs function as adverbs of quantification, with clear correspondences to the set of determiner meanings: usually/most, always/all, sometimes/some, never/no, often/many, hardly ever/few, and so forth. One does not find such correspondences in the case of cardinal specifications. Lions like Fred twice does not mean the same things as “Two lions like Fred.”
VI. Nominalsemantik
376
Another construction that appears very much akin to these adverbs of quantification are modals used quantificationally. This is probably most easily seen in the case of can, which functions as an existential quantification over instances of a kind. Contrast (32a) and (32b), the latter without a kind-level subject. (32) a. Cats can weigh 25 pounds. b. ??Each cat can weigh 25 pounds. The interpretation of (32a) does not require that a given cat may fluctuate in weight, which is the only possible reading for (32b) (again, taxonomic readings aside). This quantificational use of the modals (limited to can, may, and should) selects kind-terms for its subject. In the absence of a kind-term as subject, the interpretation attributes ability to individuals, which is strange with predications of weight and other generic properties that do not readily fluctuate. A final phenomenon, which has been more widely discussed and criticized, is the appearance of an atemporal interpretation for when under the following circumstances: (a) a kindterm appears in the main clause (b) a pronoun bound by the kind-term appears in the whenclause (in the case where the when-clause follows the main clause). So, for instance, (33a, b), which do not fulfill these conditions, have only a (difficult) temporal reading. (33c), on the other hand, has a restrictive, or atemporal reading. Note that one can substitute “if” for “when” in (33c) but not (33a, b) and retain its sense. (33) a. Each dog is intelligent when it has intelligent parents. b. Dogs are intelligent when cats have intelligent parents. c. Dogs are intelligent when they have intelligent parents. This constructions is discussed in Carlson (1979), Farkas & Sugioka (1982), and Declerck (1988). With a change of the type of predicate in the sentence, an ambiguity can result with a kind-term in the main clause, while with an individual-term in the main clause, only the temporal reading is possible. Contrast the following: (34) a. Wolves are dangerous when they are mean. b. Most wolves are dangerous when they are mean. In (34a), the sentence is ambiguous between
a reading which states which wolves are likely to be (generally) dangerous, and a reading which states the conditions under which a given wolf might be most dangerous. (34b) has only the latter reading.
4.
Semantic Analysis
We have just examined a series of semantic phenomena related to the distinction between kind-level and individual-level phrases. In this section we will sketch the rudiments of a semantics designed to address many of the issues raised. The basic ingredients of the analysis will involve making a sub-typed distinction between kinds and individuals, relating the two domains to one another, and a corresponding distinction among predicates. The analysis of predicates will require positing a generalization operator, which derives predicates from other predicates, as well as the introduction of a class of predicates that apply to neither kinds nor individuals, but instead to “stages” (see section 5). In light of this semantic machinery, we can better understand the organization of the semantic phemonena just discussed. As a point of reference, we here assume a modified version of a Montague grammar (Dowty, Wall, and Peters 1981); chiefly, we replace the role of individual concepts (of type 〈s, e〉) with individuals (of type 〈e〉, following Bennett, 1975). The domain of entities A of type 〈e〉 is further subdivided into (at least) two disjoint domains: those of individuals I type 〈ei〉 and those of kinds K type 〈ek〉. The two domains I and K are related to one another in intension by a relation R of relation (or instantiation); R is an irreflexive, asymmetric, (and transitive) relation defined over IxK. We leave open a more precise specification of its character, as the types of issues this would raise (e. g. essentialism) will be discussed in subsequent sections. We shall, however, assume for the sake of simplicity the following identity condition for kinds: ∀xkyk[[☐∀zi[R(zi, xk) ↔ R(zi, yk)] → xk = yk] Just as members of I serve as the denotations of individual-level denoting phrases (such as proper names), so the members of K serve as the denotations of kind-level phrases (such as bare plural phrases). We will assume also that common nouns are predicates which correspond to kinds; that is, for every common noun phrase CN with translation CN′ there is some member a of K such the following holds:
17. Natural Kinds and Common Nouns
☐[∀xiR(x,i, a)] ↔ CN′(xi)]] With these restrictions, we are able to provide an analysis of the meaning of a bare plural noun phrase, based on a common noun of arbitrary syntactic complexity. The bare plural NP derived from CN will have the following denotation: ıxk[☐∀yi[R(yi, xk) ↔ CN′(yi)] (While this treats the bare plural as a type of definite description, nothing about the grammatical property of “definiteness” necessarily follows; rather, this analysis treats bare plurals as denoting phrases, a property logically distinct from definiteness; see Kamp 1981a and Heim 1982.) Once one has a distinction between kinds and individuals in the domain of entities, we are then able to distinguish predicate subtypes as well according to the sortal range. Probably the most obvious group of predicates that form under such an analysis are those which are restricted only to kinds. These are such examples as widespread, common, etc. If such predicates are defined only for members of K, a sentence such as John is widespread (we assume John to be a member of I, not K) will be strange because the predicate applies only to kinds (entities of type 〈ek〉), and is undefined for entities outside the sortal range (i. e. the typing of the predicates is also sensitive to subtypes); however, various alternative accounts may well be preferable in which the type (e. g. predication of widespread to an individual is sortally but not type-wise incorrect, or that it is merely necessarily false). Various other more complex predicates defined as applying only to kinds may also be built up (such as increased in population last year, etc.). However, the vast majority of predicates would, at least on the surface of things, apply equally to kinds and to individuals. That is, most predicates, simple and complex, pattern like the examples below: (35) a. Dogs have four legs. b. Those two dogs (e. g. the individuals before us) have four legs. (36) a. This type of mineral absorbs water. b. This lump of mineral absorbs water. Given we are assuming a sub-typing difference between kind-phrases and individuallevel phrases, the ability of nearly all predicates to apply equally to both would appear unexpected; in particular one would anticipate finding individual-level predicates corresponding to the widespread class, which al-
377
low only individual-level subjects. However, none are to be found, at least if one quite reasonably discounts predicate nominals such as is an individual dog and the like. How might we account for this pattern? A persistent intuition about examples such as those above is that the predicate is one that basically applies to individuals, and only derivatively to kinds. Having four legs, for instance, is a property of individual thinking entities, rather than a basic property of species. If we take this intuition seriously, we take have four legs to be an individual-level predicate that applies basically to the domain of I, and then seek to account for how it might (apparently) apply to a kind. In Carlson (1978, 1982) the following solution is proposed, making use of this intuition. There is a semantic operation applying to all individual-level predicates which maps their intensions into predicates applying to kind-level entities; this generalization operation is abbreviated Gn. Thus, in predicating has four legs of a kind, one is not doing so directly, but rather through the mediating the generalization operation; the resulting analysis directly represents in the intensional logic that a component of the interpretation is an individual-level predicate. Below are reduced and abbreviated IL translations of the two corresponding examples of (35). (35) a. Gn(ˆ [have′ (four legs′)]) (d) b. have′ (four legs′) (those two dogs′) (Here, d abbreviates ıxk☐∀yi[R(yi, xk) ↔ dog′ (yi)]). Provided we understand that Gn applies to any individual-level predicate, we expect to find no individual level predicates in the object language which cannot also be equally applied (or so it appears) to kinds. However, this is not the only motivation for having such a semantic operation. Another reason can be found in examining such examples as those in (37). (37) a. The lion protects its young from predators. b. Paranoids fervently believe that they are under constant scrutiny by the authorities. c. Timid people do not like to talk about themselves in public. The issue at hand is the interpretation of the pronouns in each case. One finds that there is in each case an interpretation for the pronouns in each case. One finds that there is in each case an interpretation for the pronoun
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in which its value is not at the kind-level, but rather at the individual level. The message imparted by, say, (37a), is (roughly) that a given lion with young, will protect its own from predators, and not necessarily the young of other lions. If the pronoun were bound by the kind, the sentence should be synonymous with The lion protects the lion’s young from predators (with both instances of the lion generic in interpretation). Similarly, if the reflexive pronoun in (37c) were to take on the value of its apparent kind-level antecedent, it ought to mean the same as Timid people do not like to talk about timid people in public. However, in each case there is an interpretation of the pronoun which is at the individuallevel. The Gn operation provides an account of this by taking the intension of a predicate that binds an individual-level pronoun and converting the predicate into one that applies to kinds. Schematic IL representations for this reading of (37) are provided in (37′). (37′) a. Gn(ˆ λxi[xi protects xi’s young from predators]) (l) b. Gn(ˆ λxi[xi fervently believes xi is under scrutiny]) (p) c. Gn(ˆ λxi[﹁ xi likes to talk about xi in public]) (tp) (p abbreviates the translation of paranoids, tp, timid people, and 1, the lion). Thus, the Gn operation allows for the binding of an individual-level pronoun in a predicate that is applied to a kind. It is noteworthy that, in the latter two cases, there is an additional reading of the pronoun in which the value of the pronoun is at the kind-level; thus, there is a reading of (37c) in which timid people don’t like to talk about timid people in general in public. Its schematic IL representation would then be as follows: (37″) c. λyk [Gn (ˆ ﹁ like to talk about yk in public) (yk)] (tp) Thus, the Gn analysis allows for pronouns to be interpreted at either level. ((37a) does not seem to allow such a kind-level reading; this correlates with the fact that protect is a basic “stage-level” relation — see below). In certain instances noted above, a lexical item in the syntactic structure of the sentence functions as an “elevating” operator. The adverbs of quantification and the instances of the modals noted may be viewed as expressions that relate predicates to kind terms. To provide an example, the adverb of quantification often would predicate an individual-level property truly of kinds which have many instances
VI. Nominalsemantik
satisfying the property in extension. Taking the translation of this instance of often to be: λPλxk[many′ yi[R(yi, xk) & ˇP (yi)]], in reduced and abbreviated form Texans are often tall would come out as follows: (38) many′ yi [R(yi, t) & tall′(yi)] What is wrong, then, with a sentence like Few Texans are often tall is that the quantification of the subject NP is at the individual-level, but the adverb of quantification takes something at the kind-level. In schematic form, the difficulty with this example can be isolated thus: (39) few′ (Texan′) zi [λxk [many′ yi [R(yi, xk) & tall′ (yi)] (zi)] The xi bound by the quantifier few Texan(s) has a predicate applied to it in this formula which applies only to kinds; thus, it is unacceptable, and has no interpretation assigned (or, a necessarly false one). Thus far, we have focused on examples in which individual-level predicates are derivatively predicated of kinds. There appear, however, to be some basic predicates which allow for two analyses at the kind-level. The adjective popular is a good example. Contrast the more salient readings of the following examples: (40) a. Brass buttons are popular in the U. S. b. Film stars are popular in the U. S. On the one hand, it is unlikely that the truth of (40a) will be supported by any popular individual brass buttons; on the other, the more salient reading of (40b) does seem to implicitly popularity to individual film stars (e. g. Maryl Streep, William Hurt, etc.). That is, in (40a) the predicate popular is being applied directly to the kind — thus, the kind itself is the object of popularity, whereas in (40b) the predicate is applied derivatively, thus implying that the predicate basically applies to individuals instantiating that kind. (40′) a′. popular′ (bb) b′. Gn[ˆ λxk (popular′(xk))] (fs) Thus, there is a further category of predicates applying to kinds, which may apply either directly or derivatively; they then basically apply to I ⋃ K. This is typical of “psychological” predicates, including complex derived predicates such as be talked about or worry everyone. As the Gn operation applies to any individual-level predicate, a dual analysis of such predicates is predicted when predicated of a kind.
17. Natural Kinds and Common Nouns
This, then, exhausts the categories of basic predicates for generic and habitual sentences. There are other dimensions to examine. For example, it appears that there is a need on occasion for a notion of kinds of kinds (it is, quite possibly, interpretable to say some thing like: “Mammals are often usually intelligent” and not encounter anomaly). However, in the next section we will examine a notion of “stages,” as they stand in contrast to both individuals and kinds.
5.
Stages
Heretofore, we have been dealing exclusively with stative sentences which predicate some property in generality to individuals or kinds. However, an equally common type of sentence in everyday discourse is non-stative (i. e. an event or process) and attributes ephemeral properties to individuals and kinds. I will refer to this class of sentences as episodic sentences. When episodic predicates are predicated of individuals, there seems little to note; however, when attributed to a kind-term, there is a clear existential interpretation of the subject NP. Consider the following examples: (41) a. John Smith was spotted twice in Vermont last week. b. The California condor was spotted twice in Vermont last week. (42) a. Several dogs attacked my neighbor’s cat last night. b. Dogs attacked my neighbor’s cat last night. (43) a. One famous explorer (i. e. Columbus) arrived in the New World in 1492. b. One famous breed of mammal (i. e. horses) arrived in the New World in 1492. Examples like (42b) have long been a source of controversy regarding whether the subject NP should be analyzed as kind-denoting, or as an existentially quantified indefinite. However, there can be little question about the kind level status of the subject NP’s in (41b) and (43b), and once we have an analysis for them, it would be naturally extendable to the example (42b) as well (see Carlson 1977 for arguments that the subject of examples like (42b) are kind-denoting, and Gillon (1990) for some arguments against the analysis). The main thing to note about the truth-conditions of (41—43b) is that they are simply existen-
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tial: that, for instance, some breed of mammals arrived iff there was at least one animal of the breed that arrived, and if no animals of the breed arrived, then the breed cannot have arrived. This set of existential truthconditions stands in marked contrast to the truth-conditions of generic and habitual sentences, where matters are much more complicated, and cannot be reduced to simple existentials. For instance, Texans are tall is not true iff some Texan is tall, but height must somehow be distributed among Texans in a way not fully understood at present (see Carlson 1991, for discussion of this point). To account for the existential import of kind-level NP’s in episodic sentences, as well as their extensional character, Carlson (1978) introduces into the semantics the philosophically common notion of a stage, which is taken to be a spatio-temporally bounded portion of the extension of an individual in a world at a given interval. The episodic predicates, then, are analyzed as predicates applying basically to stages of individuals. Let us elaborate briefly on how the analysis works, and then comment on its wider significance. Let us take stages to be entities of a different subtype from I and K; let us subtype them as 〈es〉. We assume stages to have a semilattice structure, in that the join of any two stages of an individual forms another stage of that individual, up to a unique maximal stage (the full spatiotemporal extension of an individual in a possible world), and that any given stage can be analyzed into at least two non-overlapping stages (we assume no minima). Unlike the higher-order entities, stages are purely extensional, having no extensions themselves or counterparts in other possible worlds, appearing at a unique time and place. It is convenient to think stages continuous in time, without “gaps”, but whether this further restriction is necessary remains an open question. All entities in I ⋃ K are related to the set of stages by another realization relation M (mnemonic, “manifestation”), with appropriate relationships built into the M relation. For instance, if an individual a stands in the R relation to a kind k at some set of points of evaluation, then all stages standing in the M relation to a also stand in the M relation to k (but not necessarily vice-versa); the taxonomic relations among the kinds will also be expressed accordingly. There are no (or perhaps only a very few) expressions in the object language that denote stages directly; NP-meanings denote or quantify only at the
380
higher levels. That stages of individuals of a kind also are stages of the kinds is important in that it means that, while a given individual has a unique maximal extension with respect to a time and world, kinds may have many. Turning to the proposed analysis of episodic predicates, we see that they cannot apply to stages directly since NP-meanings introduce entities from I ⋃ K and not from the set of stages S. As a result, stage-level predicates are introduced in the semantics with existential quantification over stages in its translation. Suppose run is a stage-level predicate; its translation is going to apply to a kind or individual such that the resulting proposition is true iff there is a stage of the kind or individual in the extension of a stagelevel predicate corresponding to run. The analysis of John ran (setting aside tense) will be: (44) λx [∃ys[M(ys, x) & run*(ys)] (j) Here, all but the (j) part are the IL translation of the verb run; x is a variable taking values in I ⋃ K, and run* is a stage-level predicate picking out, at a given time and world, all stages of running individuals and kinds. If the same predicate is applied to a kind (such as dogs), its reduced translation (omitting tense) would be as follows: (45) ∃ys [M(ys, d) & run*(ys)] Thus, dogs ran is true at a given past time iff ther is some stage of the kind in the extension of run*; it is further reasonable to assume, in this case, that any running stage of the kind dogs is also a running stage of some individual dog realizing the kind dog; thus, (45) will be true iff (46) also holds: (46) ∃xi∃ys [R(xi, d) & M(ys, xi) & run*(ys)] That is, dogs ran is true iff there is some dog (or dogs) that ran. The existential quantification over stages, combined with restrictions on the R and M relations, gives the effect of an existentially quantified subject in cases such as these, even though the subject is a phrase denoting a kind. On some occasions, though, this equivalence does not hold. Consider sentence (41b) above again. Note that introduction of a wide-scope existential over individual condors will not give a logically equivalent result, because a wide-scope existential will require that it be the same condor that was spotted twice, whereas in the actual sentence, it could well be two different condors spotted, though each only once. An informal abbreviated transla-
VI. Nominalsemantik
tion fo the sentence (41b) would be as follows: (41′) b. λx [twice (∃ys [M(ys, x) & in Vermont (were-spotted (ys))]) (cc) If the predicate were spotted twice in Vermont were taken as basically applying only to individuals, it would have to be false under circumstances where no single individual condor was seen more than once. However, if we allow “direct” application to kinds, as presented in (41′b), there is no such requirement placed on any particular California condors, only on the kind itself. The set of stage-level expressions of the language encompasses almost all the episodic verbal predicates (though see Schubert & Pelletier 1987 for some examples where this does not seem quite true). A particularly interesting distinction appears when we turn to adjectives, which turn out to be very much of a mixed class. A good many adjectives are basically stage-level (e. g. available, drunk, (physically ill, alive, asleep, (physically) hungry etc.). A large number of others apply basically to the individual-level as noted above (e. g. intelligent fat, four-legged, red, (mentally) ill, sickly). There is also a group of adjectives that function in both categories, typically according to whether the state is manifested (stage-level) or idspositional (individual-level). Thus, mean as a stage-level adjective requires that the subject be acting mean, whereas at the individual-level is denotes a typical characteristic of the individual, independently of present behavior. Included in this mixed class are such cases as dangerous, cooperative, noisy, muddle-headed, and so forth. In general, predicative PP’s are stagelevel, and predicate nominals individual-level, though one can easily find exceptions in both directions. There are various test constructions which, on the whole, isolate the same class of episodic predicates. Milsark (1974) notes that the range of adjectives found in the post-NP position of English existential sentences is restricted. For instance, while one can saw There were several men drunk, one cannot equally well say There were several men intelligent. The set of post-NP predicates is the set of stage-level predicates. Likewise, Carlson (1978) notes that this same class of predicates may appear in the bare infinitival complements of perception verbs (e. g. John saw several men drunk, but not, John saw several men intelligent). Stump (1985) introduces an-
17. Natural Kinds and Common Nouns
other means of isolating the same set of stagelevel predicates, noting that that free adjuncts have differing potentials for interpretation depending on this distinction, and that certain constructions take stage-level but not individual-level predicates (e. g. With John drunk, Mary was worried, but not With John stupid, Mary was worried). (See also Stump 1981 for more on stages.) Once the distinction between stage-level and individual-level predicates is recognized, we can see that the availability of stage-level readings can effect interpretations. Consider once again the ambiguity inherent in a sentence like Dogs are often mean. Since mean is either a stage-level or an individual-level predicate, we find that the sentence is likewise ambiguous (i. e. whether it is an adverb of quantification saying that many dogs are (characteristically) mean, or whether it is stage-level, saying that typically, a given dog is mean a lot of the time). A similar ambiguity is not available for an example like Dogs are often intelligent, since intelligent applies only to individuals. To conclude this section, another class of generic/habitual sentences has yet to be discussed: those based upon episodic predicates. It turns out, in most cases, that any verbal predicate applying to stages can also be used to express a general characteristic. So, for instance, the predicate ran fast or wrote with the left hand can be used to express what happened on a given occasion (the episodic interpretation), or else a general characteristic (the generic/habitual interpretation). This was noted and argued for in Dahl (1975). Sentences like the following are ambiguous: (47) a. Maxwell ran fast. b. Herman’s cousin wrote with the left hand. Similar ambiguities appear with kind-level subjects as well. (48) a. Dinosaurs attacked one another. b. Two kinds of fish ate the shellfish. Either sentence could attribute a (past) general characteristic, or describe a past scene. Insertion of used to in (47) and (48) disambiguates. The appropriate generalization would appear to be that any verbal stagelevel predicate may also function as a predicate applying to individuals and kinds, giving rise to a generic/habitual reading. There is a certain amount of evidence (see Carlson 1978, 1991) that another semantic operation is in-
381
volved in such cases which maps basic stagelevel verbal predicates into individual and kind-level; we shall call this G. This operation, like Gn, is a generalization operation as well. Unlike Gn, which is is an “elevating” operation taking predicates of type 〈s,〈ei, t〉〉 into predicates of type 〈ek, t〉, this other operation maps stage-level predicates of type 〈s,〈ei⋃k, t〉〉 to expressions of type 〈ei⋃k, t〉. In the process, the extensional stage-level predicate operated on is intensionalized. Bennett (1975) notes this characteristic of generic/ habitual sentences, observing that a sentence like Procedure P picks out the largest state has a reading different from Procedure P picks out Alaska. If Alaska were no longer the largest state, the procedure would pick out whatever was, though the current extension of the expression the largest state (in the U. S.) is Alaska. The addition of G results in a sentence whose truth-conditions are no longer simply existential, but have all the usual difficulties associated with defining truth-conditions for generic/habitual sentences. The intuition is that a generalization has been formed over events/processes of the sort expressed by the basic stage-level predicate generalized over. Thus, if we take a sentence like (49a), its abbreviated IL representation would be (49b) (keep in mind that bark′ is the translation of the lexical item bark, and that this is further decomposible into an expression containing bark′ and existential quantification over stages). (49) a. Dogs bark loudly. b. G(ˆ loudly′ (ˆ bark′) (d) This forms a generalization over stages of the type described by bark loudly and attributes the generalization to the kind dogs. This concludes a sketch of a semantics based on an ontology of kinds, individuals, and stages. The most difficult issue this perspective raises is how to express the content of the generalization operators Gn and G. It is very natural to think of these as quantifierexpressions, especially as they appear to alternate with adverbs of frequency and adverbs of quantification, which are transparently quantificational. Farkas and Sugioka (1983), Krifka et al. (1991), and Schubert & Pelletier (1987) have explicitly made proposals to this effect. However, in none of the cases is there an explicit analysis of the semantics of the proposed quantifier, and there is some reason to think Gn and G are not quantificational in content. For instance, they
382
VI. Nominalsemantik
are both intensional, whereas quantification itself is not; furthermore, there is a “default” portion of the meaning, and it remains unclear whether the notion of “default quantification” really qualifies as a possible quantifier meaning. In other words, at present a number of fundamental issues surrounding the analysis of generics and habituals remain unresolved. We now will turn away from a discussion of sentences in which kind-terms appear, and focus more closely on common noun meanings and the character of natural kinds.
6.
Common Nouns in the Historical Perspective
It is a compelling and long-noted fact that there is a strong association between natural kinds and the syntactic category of common nouns in that nouns and no other syntactic categories play the role in the way natural languages express thoughts about kinds of things (though adjectives may play a much more limited role). While it is almost universally assumed that not all nouns express natural kinds (see below), it is quite clear that the category of nouns alone has the logical properties necessary for the linguistic expression of natural kinds. Thus, the study of the semantics of natural kind terms leads immediately to the question of the semantic content of the syntactic categories of natural language. Here I take a traditional perspective, setting aside very serious questions about the cross-linguistic significance of syntactic categories derived largely from the analysis of Indo-European languages (see, for instance, Kinkade 1983). Traditionally, syntactic categories are differentiated into two broad categories commonly referred to as categorematic and syncategorematic. The categorematic categories include nouns, adjectives, verbs, participles, and possibly more. These are the ‘meaningful’ words of a language, corresponding most closely to the major lexical categories of modern linguistic theory commonly characterized by large, open-ended membership and a guiding intuition that these words have ‘content’ in a way other words do not. In X-Bar syntactic theory, (for example Jackendoff 1977; Chomsky 1981; Gazdar et al. 1985), the categorematic words form the heads of phrases. Syncategorematic categories, on the other hand, are characterized by being generally
limited in membership, closed, and semantically less contentful. These are generally felt to be more ‘grammatical’ and ‘logic’ in nature. Included here would be conjunctions, determiners, subordinators (e. g. if), complementizers, and so forth. Coppleston (1972) notes that the Stoics characterized syncatecorematic words as (i) unable to function alone (in Greek) as subject or predicate, (ii) having no referential function, and (iii) able to signify only in virtue of their logical function in propositions. This last point might be best thought of as the notion that syncategoremata are functions without real world significance which, when applied to something capable of signification (a categorematic word), yields an expression which has altered signification. So, for instance, as William of Ockham noted later. “... syncategoremata signify not things, but rather added to another term causes it to signify something” (Boehner 1957: 42 f). So, for instance, the word every taken alone has no definite reference to anything, but the phrase every man does (Boehner 1952). From the perspective of current logical analysis, this broad distinction is well encoded. First-order predicate calculus, insofar as it can be construed as a semantic analysis of natural language, treats the major syntactic categories (nouns, verbs, and adjectives) as nplace predicates, while representing in a very different way the few syncategorematic elements it chooses to represent at all directly (i. e. negation, coordination, subordination with if ... then, and universal and existential determiners). Extensions of the system, such as tense logic or modal logic, tend to preserve this distinction, again to the extent they can be construed as semantic analyses of natural languages. Yet, mainstream semantic analysis has not sought very diligently to differentiate the syntactic classes within the categoremata. For example, in the influential Montague (1973) paper, adjectives, common nouns, and intransitive verbs are all treated identically as one-place predicates (though differentiated syntactically). However, there exists a longstanding tradition of attempts to differentiate nouns, adjectives, and verbs semantically, which is continued by insightful current work as well. Aristotle (in Categories and De interpretatione) was interested in the semantic content of nouns. According to Aristotle, their content depended on the notion of substance, substance being the underlying real strata of
17. Natural Kinds and Common Nouns
existence which persist in the face of change (for Aristotle, substance was the same as the essence of the individual). These substances have a variety of characteristics: (1) They have no contrary; thus, while the contrary of black is white, the substance named by horse has no contrary. (2) The same substance can have contrary qualities at different times, and remain the same substance; a horse can be black one day and white the next and remain a horse. (3) Substances are not accidental. If an individual ceases to ‘participate in’ a substance that it currently participates in, then that individual is destroyed; if my dog Fido ceases to be a dog, the individual Fido has ceased to exist. (4) Substances ‘signify that which is individual’ — that is, they provide a way of individuating things. McKeon (1941) explains that the substance is “the concept under which a thing is to be identified, if it is to be identified at all”. Two sorts of substances were distinguished, the primary substances (corresponding to individuals) being what all else may be predicated of; the secondary substances (species, and so forth) do not exhibit this characteristic on this analysis. Nouns were taken to designate these substances, though with reference to a given quality: ‘signify substance qualitatively differentiated’. In contrast, and more weakly, Aristotle proposed that verbs denote accidental qualities by virtue of time (hence the tense endings on the verbs), and did not fulfill the four criteria above. Like verbs, adjectives denoted accidental qualities and nothing more — substance is not involved — but unlike verbs and like nouns (which, in Greek, shared case inflections with adjectives), adjectives had a notion of permanence as a part of their meaning, and did not signify by virtue of time. Traditionally, Greek and Roman grammarians also offered similar accounts of syntactic category. Diomedes says of nouns: “A noun is a complete expression with case and without tense, signifying a material thing (rem) properly or commonly” (Irvine 1982). Donatus gives a similar definition. The influential Roman grammarian Priscian explicitly claimed that the parts of speech cannot be distinguished from one another an any way, except by taking into account their ‘properties of signification’. The property of signification of the noun was to signify substance and quality (following Aristotle), while the adjective signify quality alone (and pronouns substance without quality). Priscian’s notion em-
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phasizes not so much what is signified by the use of a part of speech, as the way it signifies. But the tradition of Aristotle and of the grammarians differed in crucial ways. Most important was a basic assumption of how many parts of speech there are. Aristotle and the logically-oriented followers held that there was basically two categories — nominal and verbal, corresponding roughly to the presentday stative-nonstative distinction — with the remaining parts of speech playing subordinate roles as “completions of, or connections between, the two” (Kretzman 1982: 134). The Priscianic tradition, though, held that there were eight parts of speech with equal status. The Middle Ages, especially the late Middle Ages, saw the rise of a tradition of grammatical study firmly rooted in logic, with an aim and purpose quite different from that of the traditional grammarians — that the study of language should be a science, or at least theoretically oriented, whose primary goal was to give causal explanation for the nature of language (which, in this context, meant Latin and maybe Greeek). A good deal of this work focused on the content of the syntactic categories, and quite sophisticated analyses were offered, building on the approach of Aristotle. Abelard, for instance, disputed Aristotle’s notion that the time was the distinguishing feature of verbs as opposed to the nominals; there seemed little reason to deny that time was of relevance to the nominals since their true application was, in fact, dependent on time fully as much as the verb. Recently, Enç (1981) has argued a similar point in a more sophisticated manner, concluding that time is implicit in the meaning of all nouns, as well as verbs. Abelard instead suggests that verbs (the copula among them) had a ‘completeness of sense’ (Coppleston 1972: 144 f) characteristic of whole sentences that is lacking in the other categories (a notion akin to thinking of sentences as verb-headed endocentric constructions). This ‘completeness of sense’ characteristic of verbs derives from a verb’s signifying things which ‘inhere’ in the subject of the sentence. For example, the NP a running man, lacking a verb (it has a participle instead), fails to have a completeness of sense found in a man runs because the latter signifies that which inheres in the subject, while the former signifies a man with certain properties. In an insightful analysis, Abelard notes that adjectives and nouns are really very much like
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verbs except that they cannot ‘link’ with a subject of a sentence as a verb can. Adjectives and nouns, though, can be ‘linked’ if supplemented with a copula. Thus, be a man or be white are, on his analysis, complex verbs, sharing the same type of signification. But by far the most intensive effort so far among grammarians and philosophers to attribute meanings to syntactic categories is to be found in the work of the ‘Modistae’, whose main body to work was accomplished in the late 13th and early 14th centuries (see BursillHall 1971, 1975; Pinborg 1976 for basic reviews of the work of this group of speculative grammarians). Their work was based to a large extent on the work of Priscian, as well as the Aristotelean framework as passed down through the translations and commentaries of Boethius on Aristotle. They sought to explain the universal form of language (of which Latin was assumed the best known example of a language where the universals showed so plainly), by appeal to the nature of reality itself. For furhter discussion, see Kretzmann, Pinborg and Kenny (1982), Bursill-Hall (1971, 1972, 1975, 1976), Coppleston (1972), Pinborg (1976) and Moody (1975). Though himself not one of the Modistae, the basic perspective is expressed explicitly in John of Salisbury’s Metalogicon Book 1 (McGarry, 1955). The argument in Chapter 14 (pp. 38—41) proceeds as follows: Grammar, though arbitrary and an invention of man, bears the stamp of its origins, where man named all the things that lay before him. This gives us a stock of nouns, or names denoting entities. These entities have qualities, which differentiate the entities from one another (some qualities accidental, other more permanent) — the name of these differentia are adjectives, which “depict the force and nature of nouns in the same way that properties of substances indicate their differences”. He notes, for example, that nouns do not admit of comparison since the substances are themselves not subject to degrees of intensity. Finally, verbs indicate that aspect of substances with regard to change, either spatial (motion) or temporal. And since there is no motion independent of time, verbs (in Latin) obligatorily bear tense. And since movement is subject to change and variation, verbs are used for expressing these aspects of substances. “Is this not a clear footprint of nature impressed on (the devices of) human reason?”
VI. Nominalsemantik
Modistic analysis proceeds very much along these lines, unconcerned for the most part with what was subject to interlanguage variation and hence of little interest for revealing the universal generalizations underlying language (phonology, for instance, was not included as an element of linguistic study). The Modistic system was to a large extent an attempt to converge the categories of the tradition grammarians (chiefly Priscian) and the metaphysical categories of the Aristotelean/logical tradition. An important notion inherited by this tradition, connected with common noun meanings, is the idea that there is an essential ingredient inherent in an individual that makes reference by use of a common noun possible. This is called the quiddity of the thing — that without which the thing no longer exists — so-called because it constitutes the answer to the question “Quid sit?” (‘What (kind of thing) is it?’). In giving the answer to such a question (and the notion of quiddity implies that there is but one answer, so Aristotle is a man in answer to this question but not a philosopher) one also gives the essential nature of the thing; an implicit mode of individuation is implied by the use of a noun in answer. We do not identify objects solely on the basis of pronouns, or ostention, or demonstratives. This gives rise to the question of whether this essential property of a thing is determined only relative to a given mode of reference, or whether there is an absolute sense in which a given object, however referred to, has a single essence. This latter position is referred to as Aristotelean essentialism by Gupta (1980). It would not appear that the medieval grammarians were committed to this strong form of essentialism, as not all nouns give essential properties to things (e. g. runner). However, if each noun carriers with it an implicit mode of individuation, each noun carriers with it some designation of an essential property something must have to fall under that concept (however ill-defined or abstract the property). Thus, to use Kretzman’s example, designating ‘this’ as a coat is different from designation it as a ‘piece of cloth’. Asking whether this is the same coat as the one I saw yesterday is quite different from asking whether it is the same piece of cloth as I say yesterday. Coats and pieces of cloth have different quiddities, for one could destroy the coat without destroying the piece of cloth (by making it into a pair of trousers, for instance).
17. Natural Kinds and Common Nouns
The converse case is also possible, as with the ship of Theseus which maintains its identity through changes in material composition carried out bit-by-bit in time; it is the same ship but not the same quantity of wood. In early modern times, Locke (as discussed in Schwartz 1977 and Bolton 1976) held a view that there are in fact two types of essential properties. On the one hand there was a ‘real’ essence, this essence being that which determined all other qualities an individual would have, forming the causal basis of the phenomenal world (qualitites are those properties with the powers to produce ideas in the mind — see Bealer (1981)for one recent discussion of qualities). The real essence was viewed as something that is unknown and unknowable, beyond our epistemological abilities to identify (Locke cites the difficulties chemists of his time had in these attempts). What was of most interest to Locke, though, was the nominal essence, since the nominal essence was essentially known and knowable. These are the concepts of the mind by which things are grouped together into kinds that a common name (noun) might be applied to all. Nominal essences are thus complex ideas which serve as criteria for whether a given individual is of that kind, and at the same time provide a meaning for the associated linguistic expression. Unlike real essences, which subsist by themselves, nominal essences are purely products of the mind; nominal essences do not determine the qualities a given thing actually has, for they play no real causal role. On Locke’s view, then, the semantic content of any kind term is to be found in the mind, resulting in a conceptualist view of meaning. The most straightforward proposal based on Locke’s analysis is to treat the complex ideas that constitute the nominal essences as sets of properties which, if all apply to a given individual, then that individual is subsumed under that kind. However, other sorts of analyses still consistent with the conceptualist view have also been proposed. Wittgenstein’s (1953) notion of ‘family resemblance’ in his discussion of the category of names is a more complex proposal, but one still within the conceptualist framework. Similarly, proposals which involve the notion of prototypes or central exemplars, possibly along with corresponding foils to mark category boundaries, are typically conceptualist proposals of meaning (since real essences do not play a role in meaning in Locke’s system,
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whether these other proposals care to countenance such things is more a matter of ontology than of semantics).
7.
Proper Names, Kinds and the Theory of Reference
Frege (1892) presented influential arguments that a semantics needs to be constructed along less conceptualist lines. Frege proposed that there be a separation between the sense of an expression and its reference in order to account for the possibilities of intersubstitution of terms for one another in some contexts, but not in others. The reference of a term is its (actual) extension. If it is the meaning of the term then extensionally equivalent terms ought to be intersubstitutable for one another throughout, salva veritate. As is well-known, however, such extensionally equivalent terms as animal with a heart and animal with a kidney cannot be so intersubstituted. Thus, Frege argues, each term has also associated with it a different sense, in which the term’s ‘mode of presentation’ is contained. Frege also extended this analysis to the domain of proper names, claiming that they had besides a reference, a sense as well (thus differentiating Hesperus from Phosphorus and Cicero from Tully). Finally, and crucially, Frege argues that senses cannot be construed as ideas, but instead need to be treated as public entities representing the objective content of our thoughts. Thus, while two people might have different ideas about the meaning of a term, they can still be said to share the same sense, which is only possible if senses are not ideas. The notion of granting proper names meaning in the same way that other common nouns may be said to have meaning, whether as a Fregean sense, or as a Russellian definite description, has the merit of solving the intersubstitutibility dificulties with coreferential proper names, but it strikes many people as counterintuitive (see article 16 on Proper names for a much fuller and more qualified discussion). If reference to an object can only be achieved as the result of that object satisfying certain predicates or having particular properties, then these predicates or properties must be associated with any word or words that successfully refer. Hence, either names must be so analyzed, or a new theory of reference needs to be proposed. Kripke and Putnam chose to argue that the traditional analysis of names is incorrect,
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and that a new theory of reference is indeed the appropriate course to take. While Kripke’s arguments focused on proper names, and while Putnam’s paid close attention to the meanings of natural kind terms, the conclusion of both is that a semantics for these terms requires incorporating non-psychological constructs into the theory that are very similar to Locke’s real essences, or Aristotle’s substances. Kripke (1972) attacks the idea that the referent of a proper name is determined via reference to a cluster of properties given by the meaning of the noun. I n a series of influential arguments, he shows that if one fixes the meaning of a name as being a given cluster of properties, it is still possible to use that same name to refer to that same person even if the person lacks one or more of those properties. Kripke proposes instead that direct reference is possible, and that proper names refer directly to individuals, unmediated by any other reference-determining properties. (See article 16, for extensive discussion of this point.) Putnam (chiefly 1970 and 1975 b) focuses on natural kind terms instead of proper names (terms like lemon, tiger, and magnetism) and develops similar conclusions about the nature of reference. Putnam attacks the traditional theory of reference, arguing that for natural kind terms, at any rate, there is no set of properties P such that any sentence of the form K is P is analytic for any natural kind term K (for terms like bachelor, however, such properties can be specified; it is analytic that bachelors are unmarried and male). So, for example, suppose one specifies that lemons must be yellow, or have a tart taste. One can always imagine objects which do not have these properties, but are lemons nonetheless. For example, green lemons are still lemons, and if a change in the sun’s rays caused all lemons to turn blue (so that they were never yellow again), then they would still be lemons. Putnam argues that even such central classificatory properties as mammal-hood are not analytic. It was, after all, a discovery that dolphins are mammals, even if at one time they were thought to be fish, but they remained dolphins. Or, Putnam argues in a more far-fetched example, suppose we discover that cats are really very cleverly-constructed robots from Mars (and not organisms of any type at all). They would still be cats, though their nature would be quite different from what we had thought at one time.
VI. Nominalsemantik
In contrast, consider finding out that bachelors are not unmarried after all; under these circumstances one could well be said not to have understood the meaning of the word in the first place. Hence, Putnam argues, natural kind terms cannot be analyzed as any complex of necessary and sufficient properties, and that a different analysis of their meaning is required. In particular, he argues that the extension of the term is a part of the meaning because the extension fixes the reference at the essence of that extension as a representative of the natural kind. Putnam’s most famous and most controversial argument about the nature of the meaning of natural kind terms is the Twin Earth argument presented in Putnam (1975 b). Putnam considers two auxiliary hypotheses arising from the conceptualist hypothesis that the meaning of a term is just a way of recognizing if a given thing falls under its extension or not; (1) that knowing the meaning of a term is just a matter of being in a certain psychological state, and (2) that the meaning of a term determines its extension. Putnam wishes to argue that these two hypotheses are not mutually tenable, and that the first is the one we should give up. Hence, meaning is not entirely conceptual. We are asked to imagine a place called ‘Twin Earth’ which is an exact double of the present planet in all respects save one: that all the clear liquid on Twin Earth that one drinks, finds in lakes and rivers, bathes in, and so forth, is not H2O, but instead a different liquid with a long and complicated chemical composition abbreviated as XYZ. On Earth and Twin Earth alike, the word water is applied, and a Twin Earthian visiting Earth would call our stuff ‘water’ just as we call XYZ ‘water’ upon visiting Twin Earth. No one can tell the difference between XYZ and H2O, and we are asked to roll back to the time to about 1750, before chemistry was developed on Earth and Twin Earth, so even expert chemists of the time could not distinguish the two. Putnam’s conclusion is that the term water on Earth means something different from the term water on Twin Earth, even though an Earthian and his Twin-Earthian exact counterpart may be in exactly the same psychological states. Hence, the extension is a part of the meaning, accounting for this difference in meaning, since the meaning difference cannot be accounted for psychologically.
17. Natural Kinds and Common Nouns
A slightly different point may be made using more realistic examples, which points to a difference in meaning not traceable to a difference in mental states in the individual user. Putnam claims not to be able to tell the difference between beach trees and elm trees — that his concept of both are identical. Nevertheless, in using the term elm he means by that elm trees and not beech trees, and in using the term beech he means beeches, and not elms. In differentiating the terms Putnam proposes that he is relying on other people who are in a position to distinguish the two (such as botanists), and that his legitimate and accurate uses of these terms relies not on any concepts he has in his head, but instead on the uses of the terms by other people, whose uses are in turn fixed by the extensions. Thus, Putnam proposes that meaning involves a social component as well as an extensional component. Traditional theories of meaning thus leave out two important ingredients of meaning — the social and the real. The central point so far, then, is that natural kind terms have an ‘indexical’ character in that when the reference of a term is fixed, it is fixed indexically. The Twin-Earthian’s ‘water’ is the water there, and the Earthian ‘water’ is the water here, and like the indexical (or ‘token-reflexive’) terms such as I or now or here, the psychological state of the user is not what determines reference. If, for instance, I sincerely believe that the time is three in the afternoon and it is in fact only one in the afternoon, my uses of the term now will mean one o’clock in the afternoon, and not three. And someone else who uses the term now at the same time as I do who is in a very different psychological state (the person may think it is ten in the morning), nevertheless successfully refers to the same time as I do, namely, one in the afternoon, in spite of our differing mental states. So natural kind terms include an indexical component as well which is sensitive to more than a person’s mental state. Still, even in the case of natural kind terms, it seems that speakers of the language need to have some idea of what they are talking about in order to use the term successfully. As Putnam points out, if someone points at a snowball and asks if it is a tiger, there is not much point in talking with him. Speech communities have their own ‘minimum standards’ which dictate a certain level of knowledge, and these standards are social standards that may vary from community to commu-
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nity. English speakers are required by their communities to be able to distinguish tigers and leopards, but not beeches and elms. This minimum level of competence is contained within a stereotype associated with a term. Stereotypes represent what are taken to be the central, paradigmatic feature of a class, for instance the stripedness of tigers or the yellowisch color of gold. However, these are not necessary properties (unstriped tigers are tigers, white gold is still gold), nor is it necessary that the stereotypes be accurate — only that they be conventionally agreed-upon. However, there appear to be a few properties associated with kinds that are especially resistant to revision and particularly central to the associated concept, and Putnam wishes to single these out for special consideration since these properties involve a system of classification, as when we consider tigers to be animals or gold to be a metal. He calls properties with this character semantic markers. In the end, then, a word’s meaning consists of a complex of properties which collectively determine the reference of the term indexically and specify the minimum level of knowledge required of the linguistic community for appropriate usage. These include (i) the syntactic characteristics of the word (e. g. mass noun, etc.), (ii) semantic markers, (iii) the stereotype, and (iv) the extension, the first three characterizing the speaker’s competence.
8.
Reaction to Kripke and Putnam
The arguments of Kripke, and Putnam in particular, have generated a large amount of commentary on a wide range of issues; most revolve around the question of the viability of the essentialism underlying their conclusions, even if Kripke’s arguments repeat the basic argument of Aristotle. It is crucial to the story that there be some real elements of the world that are not products of the ability of humans to classify phenomena on the basis of some psychological notion of ‘similarity’, which serve to ground the reference of names and natural kind terms. It is conceded very much from the beginning that there are terms expressing kinds for which there is no such natural grounding, ‘non-natural’ kinds like bachelors or big things, which do call for an account based on human classificatory propensities. Thus, one of the main tasks of the Kripke-Putnam view is to provide a means of distinguishing natural kinds from the others;
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the other is to defend some notion of ‘natural kind’ as viable. One natural suggestion following from the Kripkean view of reference is to regard natural kind terms, like proper names, as rigid designators, having the same extension in all possible worlds in which an extension of the term exists. However, as pointed out by Donnellan (1983), Schwartz (1977, 1980) and Mondadori (1978) among others, this would appear not so. The extension of the term tiger may consist of one set of individuals in one world and an entirely distinct set of individuals in another (or, for that matter, at a later time in the same world). This is precisely the characteristic of descriptive, non-rigid terms. Nevertheless, the evidence does militate in favor of taking natural kind terms in fact to be rigid designators (Mondadori 1978; Carlson 1978; Cook 1972). For example, in contrafactual contexts the extension of the term would appear to be constant. The solution is to then take natural kind terms as denoting the same kind of things in each possible world; thus the extension of the term is no longer a set of individuals, but the kind itself (Mondadori 1978; Donnellan 1983). Unfortunately, though, rigid designation does not differentiate natural kinds from ‘non-natural’ kinds at all, since such phrases as bachelor, lawyer, or even yellow thing with a rounded end all function as rigid designators in precisely the same way, by all the same tests, and hence rigid designation fails to differentiate the two types of kind-denoting terms. While it is of interest that all such phrases function as Kripkean rigid designators, this test fails to isolate a set of terms which would intuitively be called natural kinds. Another non-semantic criterion that has been proposed to distinguish the two classes of terms harkens to the original Aristotelean conception of essence: that which survives change and by which a thing is identified if it is to exist at all. The claim is that natural kinds are properties which, if an individual has that property in one possible world, it must have the same property in all worlds in which it exists. A wide variety of authors have discussed this possibility, including Marcus (1971), Cocchiarella (1976), Chandler (1975), Mondadori (1978), Wiggins (1980), Plantinga (1974), Copi (1954). For example, if Rex is a dog in one possible world, then Rex must be a dog in all worlds in which Rex is to be found (assuming dog to be a natural kind term). This metaphysical criterion has initial
VI. Nominalsemantik
plausibility and promises to distinguish natural kind from other kinds. So, suppose in this world that Rex is also a pet. It is difficult to imagine another world where Rex is not a dog and, say, a fly instead, but it is quite reasonable to consider a world in which Rex is not a pet. Hence, being a pet is not an essential property and thus not a natural kind, whereas dog is on this criterion much more plausibly a natural kind. However, this criterion, too, is open to objection. On the one hand, it is not all that clear that the basic intuition is all that sound. Can we not really imagine a world in which my dog Rex has been turned into a cat, for instance? After all, we have stories in which princes turn into frogs (see Price, 1980 for such arguments). There appear to be real examples of such metamorpheses in the real world, as Schwartz (1980) has noted, as wehen one element turns into another as the result of radioactive decay. Schwartz also cites the cases of the caterpillar and butterfly, and tadpole and frog. Something like butterfly or frog would appear to be a natural kind term, even on the assumption that frogs and tadpoles, and butterflies and caterpillars, are disjoint types of things. Still, it is quite easy to imagine a possible world in which a given frog exists but is not a frog (as, for instance, when the same frog, let us call it ‘Mel’, is young and hence a tadpole). It is also quite easy to imagine a world in which Mel is never a frog, as when Mel is eaten by a large fish while still a tadpole. These are quite clearly possible worlds, yet would appear to violate our assumptions. Still other criticisms (such as that of Norton 1982) involve the argument that there is an element of circularity involved in reasoning about generic essences. One is prone to actually use the generic property as a means of identifying an individual across possible worlds, and hence it would appear to be essential to that individual. The thrust of these arguments casts doubt on the initial hope that essentialism will serve as the key. Unfortunately, the arguments often trade on nuclear intuitions about what a possible world may be like, and firm conclusions are difficult to come by (see Plantinga 1974, for example, on whether Socrates could have been an alligator). Another line of counterargument questions whether Kripke and Putnam place too much reliance on science to deliver the real essences; perhaps their trust is misplaced. As Zemach
17. Natural Kinds and Common Nouns
(1976) notes, science has a way of changing, and showing its previous assumptions untrue. For instance, of the four primary elements of Greek physics — earth, wind, fire and water, quite possibly only the last may be a natural kind. But Kripke-Putnam appear to hold that the meaning of a term is established by pointing to an original set of examples of what are taken to be instances of the same kind, thereby establishing the kind as the reference of the term. The rest is up to science — to enlighten us as to the nature of this grounding kind. Thus, Kripke says, “One might discover essence empirically”. “Science can discover empirically that certain properties are necessary of cows, or of tigers ...” (pp. 318, 322 f). Canfield (1983) finds this view of things most unsatisfactory, as does Cassam (1986). One of the first difficulties is that in almost all cases the original samples that served to ground the original use of a term (if any such samples could be isolated in the first place) can no longer be examined by scientists. Hence, what scientists actually examine are items that are assumed to be of the same kind as the original sample. It may even have been that the original samples were in fact of another kind which through subsequent usage became connected to quite a different kind. (Canfield cites a questionable fabricated example about a ruler of England who was duped into calling a sample of iron pyrite ‘gold’, which is subsequently used by the kingdom’s inhabitants to refer to gold and not iron pyrite; still, the point remains a valid one). The Kripkean view also meets with the objection that scientists are not themselves making purely stipulative decisions about what is to count as a member of a given kind. That is, perhaps scientists themselves are introducing an intermediate step in their investigations of natural kinds in which they take certain discovered properties to be essential to the kind, thereby redefining the kind. Canfield cites Hughes’ (1971) discusion of how viruses were first isolated and later defined. First, viruses were taken to be causal agents of certain diseases that passed through filters that barred other microbes. So at first, viruses were effectively defined by size (it is not at all clear that any size specification at all ever intuitively distinguishes a natural kind). Subsequent microscopic analysis revealed a disjunctive defintion. Hughes writes: “Modern definitions abound, but most characterize the virus as an infectious ... entity which is usu-
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ally submicroscopic, which contains a core of either DNA or RNA covered by a protein or lipoprotein capsid which reproduces exclusively within living cells”. The point is that if such a definition of ‘virus’ is accepted, it guides investigation into what is to count as an instance of the kind in a way that is contingent upon what happens to have been discovered at the time, or what is taken as important at the time (for example, the diseaseinducing characteristics of many viruses in humans seems to persist in their study even if the range of things causing disease in people is generally regarded not to be a natural kind), Donnellan (1983) similarly cites the example of whether elements are to be individuated solely by reference to their atomic number, rather than by their isotope number (i. e. by the combined total of protons and neutrons in the nucleus). Some isotopes of an element behave quite differently from other isotopes (e. g. by being radioactive), and it is quite plausible to consider a classification of elements based on isotope number rather than atomic number. Donnellan’s point is that there is no way of showing that one of these schemes is right, and the other wrong, in spite of the fact that they divide the world into very different natural kinds. Thus, science is not only involved in discovery, but in stipulation of meaning as well. A similar point has been made about the status of species in scientific investigation. One hypothesis about species consonant with the natural kind arguments of Putnam is that they are individuals (Ghiselin 1974; Hull 1976), thus lending species a metaphysical priority. This point of view has been subject to question, however (see, for an overview of issues Kitcher 1984 and Sober 1984). Lakoff (1987) attacks the notion that species should enjoy such priority. He points out that biolgoists have varying criteria for individuating species. One group examines the overall similarity of the structures of organisms to determine which should count as conspecifics; another wishes to take into account the historical origins of the kind in question. Still another employs both criteria. Lakoff points to some interesting cases in which the varying approaches give different results, making the point that there is no reasonable way to determine which way of doing things is ‘right’. Lakoff also points out that many of the categories commonly assumed to name natural kinds (e. g. zebra, fish, and moth) are badly gerrymandered categories which do not form
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kinds even under any scientific account. As Lakoff is primarily interested in defending a conceptualist view of semantics, he concludes that the notion of natural kind should not be countenanced. However, other writers equally skeptical about the nature of species do not draw precisely this same conclusion. Dupré (1986) articulates a point of view in which it is still possible to say that there are natural kinds, yet not in making the claim he is not committed to any form of essentialism, which, he argues, is a separate issue. Dupré thus argues that in discovering kinds (which can be done) one is not thereby discovering essences, as Kripke and Putnam would seem to have it. Fales (1982) argues for a weaker form of essentialism in determining natural kinds, arguing that there are fundamental natural kinds (which govern the basic physical constituents of the world) but that the discontinuities found in nature which form the basis of speciation and so forth are derivative, and not themselves fundamental. Thus, there are natural kinds, but tigers and gold would not be among them. Some of these criticisms may be blunted by a reformulation of Putnam’s analysis of meaning of natural kind terms which reflects scientists’ reformulations of the extension of a term. McKay and Stern (1979) argue that the four-part analysis of natural kind terms needs to be supplemented by a notion of standards of membership. The argument is that Putnam’s proposal as it stands allows that two terms might have the same extension, markers, stereotype, and syntactic markers, yet still mean different things. They suggest the case of theoretical terms drawn from different disciplines, such as chemists’ bionic compound and biologists’ vitalic compound. These have the same extension, plausibly the same semantic markers, and apparently the same stereotype (such as ‘carbon compound occurring in organisms’). Still, chemists and biologists might apply different standards of membership, and hence would mean different things by their terms; biologists might insist that the compound be produced in an organism, but the chemists might only pay attention to the chemical properties alone. As it is these standards of membership happen to yield the same results, yet it is easy to imagine a world in which a vitalic compound might not be produced in an organism, and hence it would not be called a bionic compound. Including a set of ‘standards of membership’ would avoid this difference in possible extension re-
VI. Nominalsemantik
sulting from two terms that, on Putnam’s account, mean the same thing. Additional criticisms of Putnam have focused on the character of the Twin-Earth argument and the other arguments he presents (Mellor 1977; Unger 1984). Zemach (1976) asserts that the basic intuitions of the TwinEarth argument are simply wrong: that for both the Earthian and the Twin-Earthian counterpart, the term water mean the same thing, namely, H2O or XYZ. These intuitions, however, do not appear to be very widely shared, and most counterarguments have accepted the intuition but focused on other parts of the argument. Fodor (1982, 1987) adapts the intuitions but disputes the conclusion. It is not entirely clear that Putnam can legitimately claim that the Earthian and the Twin-Earthian doppelganger can be molecule-for-molecule the same. Both, Zemach points out, can be said to have different intentions precisely because they are different individuals living in different worlds with different scientists living in them and this results in different mental contents. (However, see Parret 1982 for an argument that the differing indexicality values of the first-person I do not have this consequence). In spite of the objections, the Twin-earth story appears to tap into strong and widely-held intuitions which have led to various efforts to further investigate the basic theory set forth. Welsh (1988) takes issue with some of the basic claims that Putnam and Kripke make about natural kind terms. She argues, first of all, that artifact terms and natural kind terms should not be conflated. Artifact terms are not to be defined analytically (contra Schwartz 1978), nor are they to be defined like natural kind terms (contra Putnam 1975). “Rather, artifact terms are those terms whose reference determining properties are functional properties, which themselves may not be directly observable.” (p. 104). She goes on to argue that the relevant notions concerning artifacts and natural kinds are the notion of structure and function, and that by and large, natural kind terms are structure terms, and that artifacts terms are (again, by and large) functions terms. Both of these categories are opposed to purely descriptive terms, whose extensions are determined by satisfaction of some set of predicates. Another point Welsh makes is that proper names and structure terms (i. e. most natural kind terms) should receive separate analyses, and that it is a mistake to empty natural kind
17. Natural Kinds and Common Nouns
terms of all descriptive content. Proper names are, as Kripke claims, fully non-descriptional. But structure terms include a description (akin to Putnam’s stereotype) which plays a role in determining the content of a term. However, Welsh argues, the stereotypical descriptions do not provide an analytic definition; they are, rather, partial specifications which require a context in order to specify contents. To collapse proper names with function terms fails to represent the difference between contentless terms, on the one hand, and incomplete knowledge on the other. Schwartz (1980) discusses one proposal which he sets forth to distinguish natural kind terms from the rest. One of the striking characteristics of certain types of sentences involving natural kinds is that they can be necessary truths, yet synthetic and known only after empirical investigation (a posteriori). Whales are mammals falls into this category. It is a necessary truth, yet it is one that had to be discovered by examining whales. It is also clear that the meaning of the word whale does not include the meaning ‘mammal’ in the same analytic way that unmarried is related to the meaning ‘bachelor’. Donnellan calls these truths ‘exotic truths’. One of their chief characteristics is that if the truth holds for any one member of a natural kind, it must hold for all. If one whale is discovered to be a mammal, then they all must be; it is not possible for some to be mammals, others fish, and perhaps others amphibians. Generalizations with this character Schwartz refers to as stable generalizations. He goes on to hypothesize, “... a term is a natural kind term if and only if it occurs as the subject term of some stable generlization. A term is a nominal kind term if and only if it does not occur in any stable generalization (p. 187). Thus the claim is that a nominal kind, such as ‘barbed wire’ cannot occur as the subject of any such generalizations. Consider, for instance, the claim that barbed wire is made of metal. This is not a stable generalization, since it is easy enough to imagine some barbed wire not made of metal (e. g. a special plastic compound) without it following that all barbed wires must be made of the same material. Consider as a possible counterexample the statement that pencils are artifacts. This would appear to be stable generalization, at least at first sight. However, Schwartz points out that we might be mistaken about the nature of pencils — suppose they grow in bushes (and thus are not artifacts). Now, if
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we can imagine being that that badly mistaken about things, the conclusion appears correct that pencils (i. e. those things) turn out to have quite a different nature from what we first thought; we would not deny that they are pencils. However, it is not clear that this criterion will work in all cases. Sloops are boats would appear to be a stable generalization, or arguably so, yet according to Schwartz sloops would not be a natural kind. In such cases as these, the reply is that ‘boat’ is a part of the meaning of the word sloop, and hence we are dealing with an analytic truth and not an ‘exotic’ one. It is easy to see how one might go back and forth on this for some time in the absence of clear criteria for analycity. In investigating the question of which noun phrases denote natural kinds, it becomes difficult occasionally to draw clear boundaries. One point of debate is whether artifacts (pencils, sloops, shoelaces, etc.) should be considered natural kinds. If we mean by ‘natural kind’ that the kind is simply not man-made, then pencils and so forth would be excluded, but then so would substances such as plastic, which quite reasonably should be classified as a natural kind (Bolton 1976). Schwartz’s arguments are directed towards trying to differentiate artifacts from other naturally-occurring kinds (his definition would count plastic as a natural kind). However, some believe that the Twin-earth arguments, when applied to artifact terms, show them to be natural kinds as well. Abbott (1989), in a review of major issues surrounding Putnam’s arguments, expresses doubt that terms like pencil should be excluded from the list of natural kinds. She finds it odd that “... Putnam only considers internal structure properties as possible denotation-determinants for artifact terms. On the face of it, we might imagine that exostructure, general appearance, and/or function would be a greater importance in the case of an artifact”. Unfortunately, in constructing the Twin-earth type arguments, the intuitions become weakened. So, for instance, consider another world in which there are thin wooden things with graphite cores, erasers at one end, but the people in that world never write with them (they write with something else) and in fact eat these things for breakfast; additionally, they are made in factories for their nutrional content and bear the form they do for the sake of ease of digestion. Now, are these things pencils? The answer ist most unclear.
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Somewhat surprisingly, Putnam would appear to agree that artifacts might be natural kinds. In a reply to Schwartz, Putnam (1982) concludes that things like sloops and jokes could well be natural kinds, depending on one’s perspective. From a given perspective, any kind could be regarded as a nominal kind or as a natural kind. De Sousa (1984) likewise comes to the conclusion after examining proposed distinguished features of natural kinds, that virtually any kind, including artifacts, can be viewed as a natural kind relative to some set of interests or epistemic priorities. If you shift these, a nominal kind may take on the character of a natural kind. One could draw the conclusion from these arguments that natural kinds should not be distinguished from nominal kinds. However, this conclusion need not follow. It may only shed light on why certain Twin-earth type stories yield unclear results, whereas others do not (e. g. the case of H2O and XYZ). The basic arguments assume a background set of epistemic priorities and/or interests, and in the case of artifact terms or similar terms, the epistemic priorities are easily adjusted to obtain opposing intuitions. If one is unclear about the precise character of these background assumptions, one cannot account for the source of this variation. There is one line of argument, however, which lends substance to the notion that natural kinds are essentially indexical in the way Putnam suggests. This line of argument emphasizes the necessity of grounding the uses of the term in an (actual) extension. In a reanalysis of the causal theory of names, focusing on natural kind terms, Sterelny (1983) discusses two modifications of the theory: first, that the theory must be able to account for kind terms adduced in the absence of sample, and second, that the theory must include subsequent uses of a term in fixing its reference above and beyond an original ‘dubbing’ event. In the first modification, it is necessary to provide a role for (referential) definite descriptions in originally fixing the extension of a term, as when samples are inaccessible (e. g. black hole). The second modification allows for the constant regrounding of a term through subsequent use. The term may in fact undergo change as the result of this regrounding. Or, it may serve also to stabilize the meaning of a term. For example, Putnam and Zemach both note the problem of impurities in samples (say, of water), yet the term water refers to H2O, and
VI. Nominalsemantik
not the impurities. By regrounding a term, however, the stable part of the reference will be H2O, and the impurities will be unstable, varying from sample to sample. This emphasis on grounding the meaning of a term in extensions has also been discussed by Kripke (1972) and Bennett (1979). Consider the non-existent kind unicorns. This kind has no extension in the real world, and hence there is no grounding for the term (nothing for the indexicality of the term to connect to). It is quite tempting to think of unicorns as a species of horse-like animals which, instead of inhabiting some place across the ocean, inhabit another possible world. The point Kripke makes is that the story does not tell us enough about unicorns: we have no idea what their internal structure would be. Thus, in a world inhabited by a variety of species, all having the relevant characteristics of unicorns (white, one horn, large, horse-like, etc.), we could not tell which one of those was the unicorn species, and which were similar but other species. And in the absence of being able to do this — note that we cannot say, ‘Choose the ones that are like these here’ — the term unicorn has no definite natural-kind reference. A similar story might be told for fictional substances as well (e. g. kryptonite, of the Superman stories). Here we might draw an analogy to names of fictional characters. Lycan and Shapiro (1986) consider the problem of essence of non-actuals, such as the fictional Perry White, the editor of the newspaper the (fictional) Superman/Clark Kent works for. Now, Lycan and Shapiro ask us to consider the following question: “Might he have gone into bricklaying, philosophy, or nursing, instead of journalism?” (p. 359). We feel pulled two ways. On the one hand, the answer appears to be “no”. If the author of the original Superman story had eliminated the editor character, and put in a janitor named Perry White instead, there would be no real sense in which we could say that the janitor is the same Perry White as the editor. In stark contrast are real individuals, for whom we feel no such ambivalence. Kripke could have gone into bricklaying instead of philosophy. Thus, it appears that fictional characters must have the stipulated properties associated with them in order to remain the same character. On the other hand, if we take the point of view of someone else who is already in the story (e. g. Clark Kent), there is a clear sense in which Perry White might have not gone into jour-
17. Natural Kinds and Common Nouns
nalism. However, notice too that Clark Kent is, in the story, able to ‘ground’ his uses of the name Perry White by reference to an individual with extension in that world. Similar things might be said about fictional natural kinds. There is a clear sense in which unicorns must be single-horned and white, etc., and that this cannot be a mistaken description of a species seen from afar. So, in this sense there is no way we can agree that unicorns might have two horns. But of a real species, we might have some doubts; many horned animals if viewed from the appropriate angle appear to have one horn. So, we could agree that oryxes might have two horns instead of one, even if our community believes (mistakenly) they have just one. But we can also take the within-the-story perspective as well, noting that from the perspective of people in the story, modal properties of unicorns may well exist (for those in the legend, it would be possibly true that unicorns might have two horns). This change in perspective also conforms to a change in the availability to ground one’s uses of a term in extensions. Thus, once again extensions appear critical to meaning, for in their absence natural kind terms behave like attributive descriptions. A related theme also permeates the discussion surrounding natural kinds, that of kinds exhibiting real causal powers. The notion that natural kinds have an inner structure that science may discover may not be quite to the point, for the inner structures are posited in a science to account for the causal powers the kind exhibits, not merely to classify tokens as being of this kind or that. The connection between causal powers and natural kinds has a long tradition in Western philosophy according to Cassam (1986), who describes this idea as the ‘Lockean/Leibnizian/Kantian insight’. He goes on to describe the insight thus: “The point here is that there is no question of first of all identifying things and then attempting to discover laws governing their behavior; for part of what it is to recognize an object is to recognize its characteristic pattern of behavior, its (causal) powers and dispositions.” (p. 101). Thus, as Fodor (1987) argues, it is not correct to identify a kind with its observed perceptually basic properties (to include its observable internal structure); rather, the kind is to be identified with the causal role played by the kind in determining what our perceptions will be like under appropriate circumstances. Copi (1954) wishes to distinguish real essence from accidents on this basis
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as well, by reference to causal, scientific theory. This emphasis on causation may also be the key to an outstanding difficulty with the Kripke/Putnam story how the meanings of natural kind terms are fixed, namely, which kind is one pointing at in applying a term to an instance if a given instance may exemplify a large number of distinct kinds? One suggestion, found in Wiggins (1980) and elsewhere, is that the instance is to be classified under the highest kind (or ‘sortal’) available. However, as Strawson (1981) has pointed out, the idea of a ‘highest’ sortal carries substantial difficulties which are not easily circumvented. An alternative proposed in Sterelny (1983) appears more promising. In identifying an instances as an instance of a certain kind, one is not simply pairing a noise with an instance, but there are other prerequisites which must be fulfilled in order for a term to be applied felicitously as a grounding instance of the term. The speaker must have (a) recognitional capacities, and (b) knowledge of causal powers. The recognitional capacities require that one has the ability to discriminate with some degree of reliability between instances and noninstances of the kind. On the other hand, one needs to also have some knowledge of the causal powers of the kind — this need not be couched in terms of a scientific theory — the causal powers governing the role the instance plays in its interactions with the world. If these two requirements are fulfilled, one can isolate kinds from their superordinates and their subordinates. (If the first requirement of recognitional capacity is sufficient, one has a nominal kind). Note that the crucial distinction is that these requirements only apply to grounding instances of the use of the term. One may use the term felicitously as a nongrounding instance even in the absence of these two types of knowledge. We close this section with an emphasis on the causal powers of natural kinds. However, it is also clear that a semantic analysis of natural kind terms needs to be embedded in a more general theory of common noun meanings. In the following section we will examine some formal treatments of common noun meanings. The central focus in each will be that common noun meanings carry with them powers of individuation; that in the absence of common noun meanings we find no preclassified set of individuals. This perspective draws on traditions that have been mentioned above, but in more recent years
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VI. Nominalsemantik
the perspective has been articulated variously by Strawson (1959), Geach (1962, 1973), Wiggins (1980), and Wallace (1965), among others. In light of these discussions we will then return to the question of the status of natural kinds in a semantic theory.
9.
Sortal Concepts
N. Cocchiarella (1977) presents a perspective crediting Geach, Strawson, Sellars, and Wallace as examples of philosophers who have taken the view that common nouns are not simply predicates like adjectives or intransitive verbs. Strawson (1959) says that a sortal concept (provided by a noun) “... supplies a principle for distinguishing and counting particulars which it collects”. (p. 168). Cocchiarella, following a suggestion he finds implicit in Wallace, associates sorts with the notion of restricted quantification. He argues that even standard systems of unrestricted quantification implicitly presuppose some sortal concept like ‘object’ or ‘entity’ determining the range of values for the variables, and about which identity statements can be asserted. Like Gupta (to be discussed shortly), Cocchiarella holds that sorts, as denotations of count nouns, provide us with criteria for identity, where ‘each thing is identifiable and can be referred to at all only through criteria provided by some sortal concept under which it falls’. He excludes mass nouns and very general count nouns like thing and object, though providing no defence of the exclusion of mass nouns apart from their apparent failure to describe a set of ‘packaged’ individuals. He takes great care to assert that this is a semantic principle which need not have any direct epistemological counterpart. “This claim should in no way be confused with the different (and false!) claim that each thing is individuated in accordance with some (or any) sortal concept by means of which it can be identified” (p. 444). Cocchiarella regards the natural kinds as a particular subset of these sorts. They are essential to an object (as identified under that kind), and represent “the natural power or capacities which things have to act, behave, function etc., in certain specific and determinative ways: to be in fact the causal basis for the natural laws upon which our scientific theories are constructed.” (p. 456). He does not hold that all things fall under some natural kind or other (exceptions being artifacts,
mixed materials like mud, and so forth); nor is there any necessary connection between natural kinds and sortal concepts. It could be that natural kinds themselves would not provide sortal concepts; but it seems to be a fact that at least some do. Cocchiarella offers a definition by which we can tell if a sort S is in fact a natural kind (NK). NK(S) = df ∃kF ☐c (∀x) (Fx ↔ Sx) i. e. for S to be a natural kind there must be some sortal predicate F such that in all possible worlds where the same natural laws apply as this one (this is the import of the c superscript), everything in each world is F iff it falls under the sort S. Natural kinds, on this account, are not the sorts themselves, but are (contingently) associated with them. The result appears to be a Lockean position where all nouns in the language actually denote something of the same class as non-natural kind terms (though they are not mental constructs for Cocchiarella), and only a certain subset of these sorts are associated with something else ‘out there’; but in no sense does a noun in this system actually denote a natural kind. Indeed, he allows for the possibility that there are natural kinds for which we may well be unable to have any corresponding terms in the language, or for that matter where natural kinds correspond to the meanings of words belonging to other syntactic categories. Gupta (1980) attacks the problem of common noun meaning from the standpoint of a possible worlds view of semantics. All predicates (nouns, verbs, adjectives, and perhaps some adverbs) have associated with them a principle of application, a means by which the extension of the term is determined (for Gupta this is a semantic and not a psychological matter). But nouns also contain as parts of their meanings another type of principle, a principle of identity by which objects are traced and identified from one time to the next (persistence), and from one possible world to the next (trans-world identity). Thus, a principle of persistence for a common noun K traces a K through time (i. e. it determines when a K at time t is the same as or different from a K at another time t′). A principle of trans-world identity for a common noun K through possible worlds determines if a K in one possible world is the same K as in a K in another possible world. A major consequence of this view is that trans-world identity of individuals is not an element of the model structure itself (what Gupta calls the standard view), but instead these identities are deter-
17. Natural Kinds and Common Nouns
mined and given by the interpretation of the common nouns of the language. For each world, a common noun establishes a set of certain types of intentional properties called individual concepts (which, in spite of the name, are not mental constructs). So, for example, the word ship determines a set of individual concepts of particular ships which are used to trace each ship from world to world and time to time. The collection of such concepts represents the principle of identity of the word ship. Common nouns, then, package the objects of the world according to the principles of application and identity. The principle of identity as reflected in language provides us a means of counting things. Depending on which noun we use to describe what we are counting, the ‘same’ objects may be counted differently. Thus, Gupta notes that passengers and people are counted differently (one person traveling twice counts as two passengers), though at some level they seem to be the same things (all passengers are in some sense people). A related natural language phenomenon affected by principles of individuation, as noted above, is the use of the term the same N, where the N chosen will give rise to different judgments regarding whether or not x is the same as y — a matter that cannot be determined absolutely, but only with reference to a sort, the meaning of a common noun. Other predicates, like adjectives and intransitive verbs, play no role in individuation and reidentification, and even in combination with common nouns should thereby play no role in building up of complex expressions denoting a sort distinct from the sort already determined by the head common noun. So, we count and reidentify fat man by counting and identifying men that the predicate fat applies to. This would appear to be correct. Gupta distinguishes a subclass of common nouns which he calls substance sorts. These are common nouns which, he hypothesizes, are essential properties of individuals. The sort expressed by the common noun man would on his analysis be a substance sort, whereas the one expressed by the common noun man born in Jerusalem would not, since a man may fall within its extension in one world yet not in another, and still remain the same individual. The common noun man satisfies the definition of ‘substance sort’ (p. 45) which expresses basic essentialism: K is a substance sort if (a) K is modally
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constant (has the same extension everywhere) and (b) K is separated (the individual concepts in K’s extension never overlap). A concept like “number or planets” is not modally constant, because it picks out different numbers in different possible worlds, whereas the concept “number” is modally constant. “Modal separation” is the other requirement; an intensional property I is separated (with respect to a model) iff any two individual concepts (functions from worlds to individuals) falling under I are such that if their extensions are identical at a given world, then the individual concepts must be identical as well. For instance, person expresses a separated property because the individual concepts falling under that sort are such that if any two (e. g. Cicero and Tully) pick out the same individual at world1, they must pick out the same individual at any other world. Thus, while Gupta’s full analysis presents a compelling view of common noun meanings, his system goes only part way towards identifying a class of natural kind meanings (a subclass of his substance sorts). Natural kinds, it appears, would be the subclass of substance sorts which have a particular origin, a matter above and beyond his semantic analysis. If we consider the way that natural kinds are to be isolated in the analyses reviewed (of which Cocchiarella has the most to say directly), we see that natural kind terms must come with principles of individuation and application as a part of their meaning (which is consistent with the traditional views). However, the analyses do not force us into the position of including natural kind terms as a class of common nouns meanings semantically distinguished from the rest. Instead, the class of natural kinds may be isolated by reference to some property of the denotation that is not part of the meaning of the common noun itself (as Cocchiarella and, it appears, Gupta would appear to have it). For instance, the notion of natural kind may be constituted in a belief we hold about the reference of the term. In the final section, we will consider the status of natural kinds more fully.
10. Conclusion The discussion above points to an array of insights and arguments which appear to point towards some notion of natural kind, but no definitive analysis can be presented which
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most would regard as reasonably satisfactory. In fact, the objections may appear strong enough to some to demand abandonment of the whole notion. Yet, there are a number of quite compelling phenomena which still require attention, and which bring one back to consideration of natural kinds. There is, for instance, the basic intuition that natural kind terms are in some way non-accidental, perhaps essential or at least central properties in a way that other terms are not. Natural kind terms appear much better than others to delimit domains for doing science, the results of which have in many cases yielded rewarding results. It is hard to imagine a biology based on size distinctions alone, for example, yielding the same sort of insight that our basic notion of species and genera appear to yield, even if some of these notions (or, perhaps many of them) do not match up with nature in the end (for example, many people might regard ‘beetle’ as a species when in fact it is a very general term that includes about 290,000 or so species (Dupré 1981)). The Twin-earth argument and others presented by Putnam also yield, for many, strong and striking intuitions which distinguish terms like water from more descriptive terms like bug. While there have been many critics of the arguments, most have accepted the basic intuitions and argued instead that the consequences of the intuitions are not what Putnam and Kripke take them to be. The arguments which revolve around the necessity of an extension to ground the meanings of the term have been discussed less (though see Salmon 1981), but again point to a contrast which needs account. The basic idea that natural kinds are associated with causal roles, and hence serve as the locus of powerful generalizations, also is a compelling intuition lending prima facie credence to such a distinction. Many people can attest anecdotally to the observations that natural kind terms are among the most difficult to learn of a new language being acquired (despite the fact that most have very precise definitions and are not subject to vagaries of usage); this would appear to point in the direction of an analysis which did not grant natural kind terms much descriptive content, like proper names. We also have the strong intuition that a significant readjustment in our conceptions follow learning that what we once assumed to be a natural kind is a nominal kind instead, or
VI. Nominalsemantik
vice-versa. For example, Burge (1982) informs us that arthritis is not a physiological kind, but instead is applied to any inflammation of the joints whatever source. Putnam discusses the case of jade which in fact applies to two quite distinct substances; vitamins, once thought to form a natural class, do not. Were dinosaurs a natural kind? Are wallabies kangaroos or a separate species? There is the intuition that reversing conceptions of this sort, which appear to cross the natural-kind/ nominal-kind boundary, call for major revisions in our concepts in a way that is not called for if we learn that dinosaurs lived longer ago than we had thought, or that jade is an igneous and not a sedimentary creation. Other less anecdotal observations also argue for a separation of vocabulary type. F. Keil (1986, 1988) has shown that children come to distinguish natural kinds and nominal kinds at a certain stage of development. Keil asked children to judge whether various objects could undergo transformations and remain the same sort of object. Keil tells a couple of contrasting stories. One is about raccoon-like creatures that turn out to have all the relevant microstructure of skunks (including having skunks for descendents and ancestors). By about second grade, the majority of children assert that these creatures were in fact skunks, though they looked just like raccoons. On the other hand, Keil tells a story about artifacts which have been transformed into other artifacts (e. g. things that look like and function like coffee pots, but turn out to have beem made out of bird feeders). Children at no point come to the conclusion that these coffee pots were ‘really’ bird-feeders in any great numbers. Thus, the (tentative) conclusion of this line of research is that there is a separation of vocabulary type which emerges with age in which outward appearance of an object either plays or does not play an important role. Furthermore, at an early age, children seem to treat all terms alike, making no such distinction (i. e. natural kind terms at an early age are treated about the same as nominal kind terms). Keil also remarks anecdotally that it is not simply an exposure to science which, as a matter of formal education, forces these distinctions on children. Based on work he attributes to Sheila Jeyifous in Nigeria, he reports that among traditional non-literate Yoruba people, the same kinds of developmental shifts in vocabulary are evidenced. What is
17. Natural Kinds and Common Nouns
particularly interesting, though, is that the mode of explanation differs. “Thus, when a Yoruba subject judges that a sheep which has acquired all the characteristic features of a goat is still a sheep, she may justify her response not by referring to evolution of biological laws, but by referring instead to what is loosely called Yoruba metaphysical logic, wherein she might discuss how the two animals were created by different gods in certain ways, and how such origins override simple changes in characteristic features” (p. 146). These cross-cultural remarks are consistent with the findings reported in Berlin (1973), who reports that among Amerindian cultures, strong phenomenal differences of e. g. male and female of bird species are overlooked in favor of vocabulary which divide animals approximately according to species lines (though Lakoff notes that it is more often the genus level that bears the common name, e. g. ‘maple’). Berlin states, “There is a growing body of evidence that suggests that the fundamental taxa recognized in folk systematics correspond fairly closely with scientifically known species” (p. 210). In sum, an account is due to a series of arguments and phenomena that all point at least in the general direction of the naturalkind/nominal-kind distinction. No competing point of view on these phenomena has emerged which expresses the distinction as generally or as distinctly. Finally, let us consider natural language a bit more closely. At this time, I know of no human language which grammatically marks a distinction between nominal and natural kinds (via e. g. gender marking of nouns, selection of determiners, etc.). However, many other major semantic distinctions do not necessarily become encoded in the syntax or morphology of natural language, either. This formal absence can only count in favor of those who do not find the direction compelling. However, as a semantic phenomenon, it may have significance for natural language in ways that have not been yet discussed, and which will be presented briefly in closing. I will illustrate with English examples, and while it is not clear how widely the phenomena are shared, they are shared by some other languages as well. In the analysis of the meaning of certain predicates, in determining their range of application, a notion of natural kind may well come into play. Take, for instance, the predicate extinct. One can reasonably say the examples in (50):
397
(50) a. The wooly mammoth is extinct. b. Dinosaurs are extinct. But it is quite strange if extinct is applied to what does not seem to be a natural kind: (51) a. ?People who try to make gold from lead are now extinct. b. ?Big lazy dogs are extinct. Unless these kinds are thought of (somehow) as being species or similar natural kinds, the examples are strange. The predicates of this class may be few and far between, but may also include the objects of such verbx as discover or invent (or possibly technical vocabulary such as isolate in chemistry). What one will generally find, though, is that phenomena which semantically appear to single out natural kind terms also include artifacts and other products of human invention. Consider the distinction in English between bare plural forms and their corresponding definite generic forms. Under many circumstances, these are felt to be synonymous (e. g. lions vs. the lion). However, various writers (e. g. Vendler 1967b; Lawler 1973) have noted a subtle semantic difference between the two, with the range of application of the definite generics limited. There are perfectly acceptable bare plural generics for which the corresponding definite form is judged unnatural. For example, alongside the term circles, one can comfortably speak of ‘the circle’. However, as Vendler (1971) notes, the form curves has no corresponding natural form the curve — his explanation is that curve is too general. However, definite singular generic forms cannot be convincingly applied to even some very specific common nouns. For example, while one might speak of ‘dusty blue refrigerators’, there is something very strange about the form the dusty blue refrigerator (though the form the refrigerator is quite acceptable). Clearly, this is not simply a syntactic or morphological matter (although there are some such restrictions, as for instance, in English mass terms have no corresponding definite form, whereas in other related languages (e. g. German and French) they do). Many proposed cases of non-natural kinds do not accept the definite article well. Thus, phrases like the bug, the varmint, the short bush are difficult to use. If one makes an inventory of the sorts of generic phrases in which the definite article is used most naturally, one finds alongside species and other lower biological taxa: artifacts (just those that can be invented) such as the mechanical pencil
398
or the automobile, artistic forms like the novel, or the symphony, other cultural forms — activities in games, such as the jump shot in basketball or the slap-shot in ice hockey; mathematical objects such as the hyperbola or the triangle. Thus, the possibility of accepting a definite generic form in English isolates a class which includes natural kinds, but a variety of other kinds as well. However, given a different perspective, many people feel that any phrase at all can accept a definite generic form. Consider the phrase the philosopher, for instance. In many contexts, this sounds a bit odd (e. g. ? The philosopher is in demand these days, cf: Philosophers are in demand). However, the phrase the philosopher does have an acceptable reading as long as one thinks of philosophers as being something like a natural kind. This may result in ajocular air, as if the philosopher is to be found in the cage alongside the Siberian tiber at the zoo, but it need not. This may be the same sort of phenomena Putnam and De Sousa (1984) are considering in noting that kind-terms seem to be able to ‘change uses’. Whatever the appropriate analysis of this or other like natural language phenomena, a theory of natural kinds or of the type of phenomena motivating their study should shed light on such questions as these. I wish to thank Barbara Abbott, Rod Bertolet, David Fowler, Gerhard Heyer, Martin Irvine, Norman Kretzmann, Manfred Krifka, Michael McKinsey, and Armin von Stechow for their comments and criticisms in the preparation of this work; none are responsible for any errors nor do any necessarily agree with any of my conclusions. My appreciation to Yves Fuchs for typing the final manuscript. Preparation of this work was also aided by support from the Merrill-Palmer Institute of Wayne State University, and the Max-PlanckInstitut für Psycholinguistik in Nijmegen.
VI. Nominalsemantik
11. Short Bibliography Abbott 1989 · Ashworth 1974 · Bealer 1981 · Bennett 1975 · Bennett 1979 · Berlin 1973 · Boehner 1952 · Bolton 1976 · Bürge 1982 · Bursill-Hall 1971 · Bursill-Hall (ed. and translator) 1972 · Bursill-Hall 1975 · Bursill-Hall 1976 · Canfield 1983 · Carlson 1977 · Carlson 1978 · Carlson 1979 · Carlson 1982 · Carlson 1991 · Cassam 1986 · Chandler 1975 · Chandler 1986 · Chomsky 1981 · Cocchiarella 1976 · Cocchiarella 1977 · Cook 1980 · Copi 1954 · Copleston 1972 · Dahl 1975 · Declerck 1988 · De Sousa 1984 · Donnellan 1966 · Donnellan 1983 · Dowty/Wall/Peters 1981 · Dupré 1981 · Dupré 1986 · Enç 1981 · Fales 1982 · Farkas/Sugioka 1983 · Fodor 1982 · Fodor 1987 · Frege 1982 · Gazdar/Klein/Pullum/Sag 1985 · Geach 1962 · Geach 1973 · Ghiselin 1974 · Gillon 1990 · Ginet/Shoemaker (eds.) 1983 · Goodwin 1965 · Gupta 1980 · Harris 1959 · Heim 1982 · Hughes 1971 · Hull 1976 · Irvine 1982 · Jackendoff 1977 · Kamp 1981a · Keil 1986 · Keil 1988 · Kenny 1980 · Kinkade 1983 · Kitcher 1984 · Kramsky 1972 · Kretzman/Kenny/Pinborg (eds.) 1982 · Krifka 1988 · Krifka/Carlson/Chierchia/Link/Pelletier/ter Meulen (1991) · Kripke 1972 · Lakoff 1987 · Lawler 1973 · Lewis 1975a · Lycan/Shapiro 1986 · Mondadori 1978 · Marcus 1971 · McGarry (ed.) 1955 · McKay/Stern 1979 · McKeon 1941 · Mellor 1977 · Milsark 1974 · Montague 1974 · Moody 1953 · Moody 1975 · Norton 1982 · Parret 1982 · Pinborg 1976 · Plantinga 1974 · Plantinga 1978 · Porterfield/Srivastav 1988 · Price 1977 · Putnam 1970 · Putnam 1975b · Putnam 1975 · Putnam 1982 · Schubert/Pelletier 1987 · Schwartz 1977 · Schwartz 1978 · Schwartz 1980 · Searle 1969 · Searle 1983 · Sober 1984 · Sterelny 1983 · Stein 1981 · Strawson 1959 · Stump 1981 · Stump 1985 · Thomason (ed.) 1974 · Unger 1984 · Vendler 1967b · Wallace 1965 · Welsh 1988 · Wiggins 1980 · Wittgenstein 1953 · Wolter (ed. and translator) 1962 · Zemach 1976
Greg N. Carlson, Rochester, New York (USA)
18. Massennomina
399
18. Massennomina 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2
6.2 7.
Einleitung Massennomina und Individualnomina Variable Verwendungsweisen Typologie der IN/MN-Distinktion Die Syntax von Massentermen Bloße Massen- und Pluralterme Die Syntax von Numerativ- und Numeralkonstruktionen Grundpositionen in der Semantik von MN Drei Ansätze zur logischen Analyse von bloßen MT Generische und objektbezogene Verwendung von bloßen MT Die Referenzweise objektbezogener Massenterme Mereologische Rekonstruktionen Dinge und Stoffquanta Maße und Grade Die Semantik objektbezogener Massenterme Eine verbandstheoretische Modellstruktur Die Semantik nominaler Konstruktionstypen Definite, quantifizierende und partitive NPn Die Semantik generischer Massenterme Die Interpretation generischer Terme Die Bedeutung generischer Sätze Sorten Kumulativität bei anderen syntaktischen Kategorien Kumulative und gequantelte, kollektive und distributive Prädikation Zeitkonstitution und die MN/IN-Distinktion Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitung
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1 5.2 5.3 6. 6.1
1.1 Massennomina und Individualnomina Unter den Nomina vieler natürlicher Sprachen kann man zwei einigermaßen klar unterscheidbare, wenn auch nicht disjunkte SubIndividualnomina Singular Plural die Ringe sind ... (1)a. der Ring ist ... b. ein Ring ist ... Ringe sind ... c. ein Ring zwei Ringe d. *viel Ring viele Ringe e. *etwas Ring *etwas Ringe f. jeder Ring *jede Ringe g. *aller Ring alle Ringe h. *drei Kästchen Ring drei Kästchen Ringe i. *mehr Ring mehr Ringe j. *lauter Ring lauter Ringe
kategorien identifizieren, nä mlich diejenige der Individualnomina (“count nouns”, im folgenden IN) und diejenige der Massennomina (“mass nouns”, im folgenden MN, auch „Kontinuativa“ genannt). Ein morphologisches Unterscheidungskriterium ist, daß MN im Gegensatz zu IN transnumeral sind, d. h. keine Numerusdistinktion aufweisen; ein syntaktisches Unterscheidungskriterium, daß MN im Gegensatz zu IN nicht mit Numeralia wie drei kombinierbar sind. Typische Beispiele für IN sind Ring oder Sonate. Unter den Massennomina können zwei weitere Spielarten unterschieden werden, nä mlich Stoffnomina (“mass nouns” im engeren Sinne, im folgenden SN) wie Wein, Gold, Musik und Kollektivnomina (auch „Genuskollektive“, im folgenden KN) wie Vieh, Schmuck, Polizei. Ein semantisches Unterscheidungskriterium dieser beiden MN-Arten ist, daß SN im Gegensatz zu KN auf homogene, nicht natürlich voneinander abgegrenzte und damit nicht unmittelbar zä hlbare Entitä ten zutreffen. Die IN/MN-Distinktion tritt auch bei Abstrakta auf; vgl. etwa Zahl, Tugend als IN und Glück, Trauer als MN. MN wurden als syntaktisch und semantisch auffä llige Klasse von Noreen (1903) und Jespersen (1924) identifiziert; auf KN als eigene Klasse hat z. B. Leisi (1953) hingewiesen. Einige syntaktische Eigentümlichkeiten von MN im Vergleich zu IN im Deutschen führt folgende Gegenüberstellung vor. Da es sich hierbei durchweg um Terme (NPn) handelt, seien weitere Bezeichnungen und geeignete Abkürzungen eingeführt: Unter einem Massenterm (MT) und einem Individualterm (IT) sei eine NP auf der Basis eines MN bzw IN verstanden, und unter einem Pluralterm (PT) ein pluralischer IT. Massennomina Stoffnomina Kollektivnomina der Honig ist ... der Schmuck ist ... Honig ist ... Schmuck ist ... *ein/*zwei Honig *ein/*zwei Schmuck viel Honig viel Schmuck etwas Honig etwas Schmuck jeder Honig jeder Schmuck aller Honig aller Schmuck drei Gramm Honig drei Kästchen Schmuck mehr Honig mehr Schmuck lauter Honig lauter Schmuck
400
(l a) zeigt die Aufhebung der Numerusdistinktion bei MT. Im Deutschen tritt hier meist der Singular ein („Singularetantum“), seltener der Plural („Pluraletantum“, z. B. bei Masern); in anderen Sprachen ist der Plural hä ufiger, z. B. im Swahili. (b) zeigt, daß MN ohne Artikel als Terme verwendet werden können, eine Eigenschaft, die sie mit pluralischen IN teilen. Man spricht hier von bloßen Massenoder Pluraltermen (bare mass terms, bare plurals). (c) zeigt, daß MN nicht mit Numeralen kombinierbar sind. (d) bis (g) führen die Kombinierbarkeit mit einigen Determinatoren vor. (h) zeigt, daß MN und Plural-IN in Konstruktionen verwendet werden können, in denen eine Maßangabe, eine Behä lterbezeichnung o. ä . auftritt (Ausdrücke wie Kästchen und Glas werden hinfort Numerative genannt). (i) und (j) zeigen, daß MN und PluralIN mit lauter und der Komparativpartikel mehr verbindbar sind. 1.2 Variable Verwendungsweisen Es gibt eine nicht unerhebliche Anzahl von Nomina, die sich einer eindeutigen Zuordnung zu MN oder IN entzieht (z. B. Kuchen). Weiterhin gibt es Beispiele, in denen ein vermeintliches MN in IN-Konstruktionen auftritt (z. B. drei Mehle im Sinne von „drei Sorten Mehl“, eine Liebe im Sinne von „ein Fall von Liebe“), und umgekehrt Beispiele, in denen ein vermeintliches IN in MN-Konstruktionen vorkommt (z. B. etwas Apfel). Daß diese letztere Verwendungsweise nicht auf kulinarische Kontexte beschrä nkt ist, zeigen die Beispiele (2). Zuweilen können auch Eigennamen in MN-Verwendung auftreten; sie bezeichnen dann künstlerische oder andere Hervorbringungen (vgl. 3). (2) a. Und das ZDF ist natürlich heute ein Routinebetrieb zur Erstellung und Verbreitung von Programm. b. Noch mehr U-Bahn ab 28. Mai. c. Schäden wurden auch an Ahorn, Esche und Eiche beobachtet. d. ... Bielefeld, dieses große Stück Universität, ... (3) a. 1000 Seiten Arno Schmidt für 49 Mark. b. Die Welt ist voller Degussa. Die Verwendung eines Nomens in MN- oder IN-Konstruktionen hat Einfluß auf dessen semantische Interpretation. In IN-Konstruktionen wird die Individuierbarkeit und damit die Zä hlbarkeit der Entitä ten vorausgesetzt,
VI. Nominalsemantik
auf die sich das Nomen bezieht; in MN-Konstruktionen werden hingegen die Entitä ten als homogen und hinsichtlich der Zä hlbarkeit neutral dargestellt. Hä ufig ist dann die materiale Substanz eines Gegenstands gemeint, z. B. in ein Kilogramm Huhn. Aufgrund der Variabilitä t der syntaktischen Verwendungsweisen wird hä ufig die Annahme einer lexikalischen Distinktion zwischen IN und MN aufgegeben zugunsten der Auffassung, daß jedes Nomen sowohl als MN wie als IN verwendet werden kann (vgl. z. B. Ware 1975, Allan 1980). Es gibt ferner ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten, die eine oder andere Verwendungsweise für den gesamten Nominalwortschatz oder einen Teil davon zugrundezulegen und andere Verwendungweisen davon abzuleiten, wobei diese Ableitungen auf verschiedenen linguistischen Ebenen beschrieben werden können (syntaktisch, semantisch oder pragmatisch — vgl. Pelletier & Schubert 1989). 1.3 Typologie der IN/MN-Distinktion An dieser Stelle möchte ich einige Hinweise dazu geben, in welcher Form die IN/MNDistinktion in den Sprachen der Welt auftritt. In sogenannten Klassifikatorsprachen gibt es keine IN; alle Nomina sind als MN anzusehen (vgl. Leisi 1953, Sharvy 1978): sie sind transnumeral, und ein Numerale kann nicht unmittelbar mit einem Nomen kombiniert werden, sondern es muß ein Numerativ, ein sogenannter Klassifikator, eingesetzt werden. Ein Beispiel ist das Chinesische. Einem Nomen, dem im Deutschen ein IN entspricht, ist hier ein spezifischer Klassifikator zugeordnet, z. B. zhāng für Bezeichnungen flacher, ausgedehnter Gegenstä nde (z. B. sān zhāng zhuōzi, ‘drei KL Tisch’, „drei Tische“), bă für Bezeichnungen von zu greifenden Gerä ten (z. B. haǒjí bǎ jiǎnzi ‘viele Scheren’), chǎng für Wettkä mpfe und Unwetter (z. B. zhèi chǎng xuè ‘dieser Schneefall’). In europä ischen Sprachen treten Klassifikatoren nur ganz marginal auf, zum Beispiel in drei Stück Vieh oder three heads of cattle. Die Individuierbarkeit spielt auch in Klassifikatorsprachen eine Rolle (vgl. Drossard 1982), allerdings nicht für die IN/ MN-Distinktion, sondern für die SN:KNDistinktion: Nomina, die homogene Stoffe bezeichnen, im Chinesischen z. B. chá ‘Tee’, haben in der Regel keine speziellen Klassifikatoren, sondern werden mit neutralen Maßangaben wie bàng ‘Pfund’ konstruiert (z. B. sān bàng (de) chá ‘drei Pfund (von) Tee’); die Einfügbarkeit der subordinierenden Partikel
18. Massennomina
de stellt einen weiteren Unterschied zu Klassifikatorkonstruktionen dar. (Vgl. zu Klassifikatorsprachen Greenberg 1972, Allan 1977, Serzisko 1980, Kölver 1982). Weniger gut belegt sind Sprachen, deren Nominalwortschatz stä rker den IN zuneigt; Greenberg (1972) erwä hnt Papua-Sprachen und nordamerikanische Sprachen wie das Hopi. In diesen Sprachen soll jedes Nomen unmittelbar mit einem Numerale kombinierbar sein. Ein weiterer Sprachtyp, der in unserem Zusammenhang von Interesse ist, sind Sprachen mit Kollektiv-Singulativ-Distinktion wie Bretonisch, Arabisch oder Oromo („Galla“, vgl. hierzu Andrzejewski 1960), in denen von einem KN eine Form abgeleitet werden kann, die eine einzelne Entitä t bezeichnet (z. B. arab. ḥamāmu ‘Taube(n)’, ḥamāmatun ‘eine Taube’), von welcher dann wiederum eine Pluralform gebildet werden kann (ḥamāmatun ‘Tauben’). Die Singulativmarkierung hat hier die Funktion eines Klassifikators mit dem Numerale EINS (vgl. Greenberg 1972). Singulativmarkierungen können zuweilen auch mit Nomina verwendet werden, die homogene Entitä ten bezeichnen (z. B. ḥadīdun ‘Eisen’, ḥadīdatun ’ein Stück Eisen’).
2.
Die Syntax von Massentermen
2.1 Bloße Massen- und Plural-Terme Bloße MT und PT treten in zwei wesentlich verschiedenen Verwendungsweisen auf, die durch folgende Beispiele illustriert werden: (4) a. Gold schmilzt bei 1063 Grad. b. Gold lag im Safe. (4a) ist eine Aussage über die Gattung Gold; (4b) eine Aussage über ein Exemplar dieser Gattung. Ter Meulen (1981) bezeichnet Terme der ersten Art als nominal, Terme der zweiten Art als prädikativ und folgt damit den logischen Untersuchungen von Quine (1960) zur Semantik von MN in Kopulasä tzen wie Gold ist ein Element und dieses Pulver ist Gold (vgl. Abschnitt 3.1). Da aber auch „prä dikative“ Terme an NP-Position vorkommen (z. B. in Eva hat Gold gekauft) ist eine andere Bezeichnungsweise angebracht: ich spreche hinfort in Fä llen wie (4a) von generischen und in Fä llen wie (4b) von objektbezogenen bloßen MT. Es ist zu beachten, daß die beiden Lesarten auch bei bloßen PT auftreten (vgl. Äpfel sind gesund vs. Äpfel lagen im Korb). Generische und objektbezogene bloße Terme unterscheiden sich in ihrem diskurs-
401
pragmatischen Status: objektbezogene sind indefinit und hä ufig rhematisch, generische definit und hä ufig thematisch. Dies zeigt sich darin, daß objektbezogene bloße Terme im Gegensatz zu generischen eine Tendenz zur Akzentuierung und zur Nachstellung besitzen (GOLD lag im Safe, Im Safe lag GOLD). In vielen Sprachen werden diese beiden Formen deutlicher unterschieden, z. B. im Finnischen durch Kasus (Nominativ/Akkusativ vs. Partitiv) und im Französischen und Bairischen durch Artikel (definiter vs. partitiver/indefiniter Artikel). Die Übersetzung von (4a,b) ins Bairische lautet beispielsweise: (5) a. As Goid schmuizd bei 1063 Grad. b. A Goid is im Safe glegn. 2.2 Die Syntax von Numerativ- und Numeralkonstruktionen Für MN besonders charakteristisch sind Konstruktionen wie fünf Glas Wein, die im folgenden als Numerativkonstruktionen bezeichnet seien. Sie bestehen aus einem Numerale wie fünf, einem Numerativ wie Glas (auch „Z ä hlwort“, „Mensurativ“, „Quant“ genannt), und einem Nomen wie Wein (dieses kann ein MN oder ein Plural-IN sein). Numerativkonstruktionen sind zu unterscheiden von den bedeutungsä hnlichen attributiven Konstruktionen der Art fünf Barren von Gold, fünf Gläser mit Wein oder fünf Glas guten Weines, in denen das Nomen durch eine Prä position oder den Genitivkasus untergeordnet ist. Im Englischen und Französischen gibt es nur diese formal unterordnende Konstruktion, z. B. five glasses of wine, cinq verres de vin; in einer Reihe von Arbeiten wird jedoch argumentiert, die Prä positionen of bzw. de hier nicht unbedingt als unterordnend zu analysieren (vgl. z. B. Akmajian & Lehrer 1976, Selkirk 1977). Es gibt zwei plausible syntaktische Strukturierungen der Numerativkonstruktion, (6a) und (6b): (6) a. [[drei Barren][Gold]] b. [[drei][Barren Gold]] Man beachte, daß sowohl drei Barren als auch Barren Gold in einer Austauschklasse mit einfachen Wörtern vorkommen: (drei Barren)/ (viel) Gold, drei (Barren Gold)/(Ringe). Für die Annahme von (6a) mindestens für Klassifikatorkonstruktionen spricht, daß von den sechs Stellungsmöglichkeiten von Numerale, Numerativ und Nomen universal nur die vier auftreten, in denen Numerale und Numerativ benachbart sind (vgl. Greenberg 1975). Die
402
üblichen Konstitutententests liefern ein wenig klares Bild. Im Konjunktionstest muß beispielsweise sowohl (6a) als auch, allerdings etwas weniger gut, (6b) zugelassen werden; relevante Daten sind [drei Barren und zwei Säckchen] Gold und drei [Barren Gold und Säckchen Silber]. Ich lege im folgenden die Struktur (6a) als die elementarere zugrunde. Es gibt einige Unterarten von Numerativkonstruktionen (vgl. Jansen 1980, Löbel 1986), z. B. Meßkonstruktionen wie zwei Liter Wein oder zwei Schluck Wasser, Behälterkonstruktionen wie zwei Becher Milch, Zählkonstruktionen wie zwei Scheiben Brot, Klassifikatorkonstruktionen wie zwei Stück Vieh, Kollektivkonstruktionen wie zwei Rudel Wölfe und Sortenkonstruktionen wie zwei Sorten Bier. Diese Konstruktionen weisen einige syntaktische und semantische Besonderheiten auf. Nicht alle kommen mit jedem beliebigen Nomentyp vor; Kollektivkonstruktionen sind beispielsweise nicht mit SN möglich, und Zä hl- und Klassifikatorkonstruktionen nicht mit Plural-IN. Meß-, Behä lter- und Klassifikatorkonstruktionen zeichnen sich ferner dadurch aus, daß sie keine Kompositabildungen unter Bedeutungserhaltung zulassen (z. B. drei Scheiben Brot = drei Brotscheiben; drei Gläser Bier ≠ drei Biergläser). Eine interessante stilistische Restriktion ist, daß Numerativkonstruktionen bei Bezug auf Menschen eher gemieden werden (vgl. ?eine Schar junge Mädchen vs. eine Schar junger Mädchen). Ein besonderes Problem stellt die Bestimmung des Kopfes einer Numerativkonstruktion dar. Sehen wir uns die Vererbung syntaktischer und semantischer Merkmale im Deutschen an. Die syntaktischen Merkmale (wir betrachten hier lediglich den Numerus) werden im allgemeinen durch das Numerativ bestimmt, das damit als syntaktischer Kopf anzusehen ist (vgl. 7a). Bei Meßkonstruktionen kann jedoch auch das Numerativ KopfFunktion einnehmen (vgl. 7b). (7) a. Ein Strauß Blumen stand/ *standen in der Vase. b. Drei Ellen Stoff lagen/ lag im Schrank. Nach der Vererbung semantischer Merkmale müßte das Nomen als Kopf zä hlen, wie folgende Beispiele zeigen: (8) a. Eva hat drei Steigen Obst gepflückt. b. Hans hat drei Gläser Wein getrunken. Das Verb pflücken selektiert an Objektposition Blumen oder Obst, und das Verb trinken Flüssigkeiten. Diesen semantischen Merkmalen muß offensichtlich nicht das Numera-
VI. Nominalsemantik
tiv, sondern das Nomen genügen. Damit ergibt sich eine Diskrepanz zwischen der syntaktischen und der semantischen Strukturierung (vgl. zu dieser Problematik Akmajian & Lehrer 1976, Selkirk 1977, Löbel 1986). Betrachten wir nun die syntaktische Struktur von Numerativkonstruktionen wie drei Barren Gold im Verhä ltnis zu IN-Konstruktionen mit Numeralen wie drei Ringe (im folgenden Numeralkonstruktionen genannt). Hier ist zu berücksichtigen, daß IN und MN verschiedenen, Numeralkonstruktionen, Numerativkonstruktionen und MN aber gleichen syntaktischen Kategorien angehören (vgl. (*Ring)/ (ein Ring)/ (ein Barren Gold)/ (Gold) lag im Safe). Mit den Kategorienbezeichnungen IN (Individualnomina), N (Nomina), NL (Numerale), NM (Numerativ), NMP (Numerativphrase) ergeben sich folgende Strukturierungen: (9) a. [N [NL ein][IN Ring]] b. [N [NL drei][N Ringe]] c. [N [NMP [NL drei][NM Barren]][N Gold]] Plural-IN können sowohl in Numeral- als auch in Numerativkonstruktionen und schließlich auch als bloße PT vorkommen. Sie müssen also sowohl als IN wie auch als N kategorisiert werden. Ich nehme an, daß die Pluralmarkierung in (9b) ein rein syntaktisches Kongruenzphä nomen ist, wä hrend es sich in Fä llen wie (10) um inhä rent semantischen Plural handelt. Dafür spricht das Fehlen der Pluralmarkierung bei Konstruktionen wie (9b) in vielen Sprachen, z. B. im Türkischen (siehe Artikel 19). Daß die Pluralmarkierung rein syntaktischen Status haben kann, wird auch daraus deutlich, daß Dezimalbruchzahlen unabhä ngig von der Anzahl stets Pluralmarkierung erfordern (vgl. eins komma null Ellen/ *Elle). (10) [N [NMP zehn Kilogramm][N Äpfel]] Nominalphrasen entstehen durch Kombination eines Determinators mit Ausdrücken der Kategorie N oder IN. Demnach kann man zwei Kategorien, DETI und DETN, unterscheiden. (11) a. [NP [DETI der][IN Ring]] b. [NP [DETN die][N drei Ringe]] c. [NP [DETN die][N drei Barren Gold]] Für indefinite Determinatoren muß ein leerer Determinator angenommen werden: (12) [NP [DETN][NGold]] Quantifizierende Determinatoren sind meist vom Typ Det’, z. B. jeder, die meisten (vgl. die
18. Massennomina
403
meisten (*drei) Ringe; eine Ausnahme ist alle, vgl. alle (Ringe)/ (drei Ringe). Konstruktionen der Art der Barren Gold, jeder Barren Gold schließlich können analysiert werden, wenn man nach (10b) Barren Gold die Kategorie N zuweist: (13) [NP [Det der] [N [Nm Barren] [NP Gold]]]
3.
Grundpositionen in der Semantik von MN
3.1 Drei Ansätze zur logischen Analyse von bloßen MT Vor allem das Auftreten von MT als Subjekte und als Prä dikate in Kopulasä tzen hat Sprachphilosophen und Linguisten zu semantischen Analysen gereizt. Drei Grundansä tze sind nach Bealer (1975) zu unterscheiden. Auf die Doppelrolle der bloßen MT hat Quine (1960) hingewiesen; nach der Kopula analysiert er sie als Prä dikate, vor der Kopula hingegen als Individuenbezeichnungen, die auf eine Gattung referieren. Ein Beispiel: (14) a. Dieses Pulver ist Gold. G(p) b. Gold ist wertvoll. W(g) Im folgenden wurde an diesem dualen Ansatz (“dual approach”) vor allem kritisiert, daß zwischen dem Prä dikat G und dem Individuum g keinerlei logischer Zusammenhang bestehe. Aus diesem Grunde ist es nicht unmittelbar möglich, den Schluß von (14a) und (14b) auf dieses Pulver ist wertvoll zu formalisieren. Es wurde daher versucht, beide MTInterpretationen auf eine einzige zurückzuführen: auf die Interpretation als Prä dikat (Prädikat-Ansatz, „general term approach“) oder auf die Interpretation als Individuenbezeichnung (Individuen-Ansatz, „singular term approach“). Den Pr ä dikat-Ansatz verfolgen Clarke (1970), Burge (1972), Grandy (1973) und, in intensionaler Variante, Montague (1973a), Pelletier (1974) und Bennett (1979a). Dabei wird (14a) als allquantifizierter Satz interpretiert. So können Schlüsse wie (15) formalisiert werden: (15) Dieses Pulver ist Gold. Gold ist wertvoll. Dieses Pulver ist wertvoll.
G(p) ∀x [G(x) → W(x)] W(p)
Prädikate wie ist selten, die nicht über einzelne
Exemplare einer Gattung distribuieren, müssen als Prä dikate höheren Typs eingeführt werden: (16) Gold ist selten. (G) Der Individuen-Ansatz geht auf Parsons (1970) zurück und wird unter anderem auch von Moravcsik (1973) und Carlson (1977, 1978) vertreten. Dabei wird (14a) mithilfe einer eigenen Relation R „ist ein Exemplar/ eine Realisation/ein Quantum von“ formalisiert. Schlüsse wie (15) können damit nicht unmittelbar nachgebildet werden; vielmehr muß man eigens postulieren, daß ein Prä dikat, das auf eine Gattung zutrifft, überhaupt auf deren Exemplare distribuiert. Das SchlußSchema sieht damit wie folgt aus: (17) Dieses Pulver ist Gold. Gold ist wertvoll. Wenn eine Gattung wertvoll ist, so sind es auch deren Realisationen. Dieses Pulver ist wertvoll.
R(p,g) W(g) ∀x [W(x) → ∀y [R(y,x) → W(y)] W(p)
Zwischen den Typen der Prä dikate wertvoll und selten muß nicht unterschieden werden, da in diesem Ansatz beide auf Entitä ten vom Individuentyp zutreffen. Den dualen Ansatz vertritt ter Meulen (1980, 1981). Hierbei kommt es darauf an, zwischen den beiden Interpretationen Beziehungen zu stiften. Ter Meulen analysiert Gold in (15a) als Prä dikat und Gold in (15b) als Namen der Intension dieses Prä dikats; andere Rekonstruktionen sind möglich. Auch in den dualen Ansä tzen lassen sich Schlüsse wie (15) nur durch Annahme weiterer Sätze beweisen. Individuen-Ansatz und dualer Ansatz sind dem Prä dikat-Ansatz in einem Punkte überlegen: Die Formalisierung von generischen Aussagen wie (15b) als Allquantifikationen ist nach Lyons (1977: 194 f.) nä mlich sowohl zu stark als auch zu schwach. Betrachten wir den Satz Schnee ist weiß: das Vorkommen von nichtweißem, z. B. schmutzigem Schnee macht diesen Satz nicht falsch, und umgekehrt bliebe der Satz sogar wahr in einer Welt, in der zufä llig aller Schnee schmutzig-grau ist. Aus diesem Grund ist die Annahme von zuäs tzlichen Bedingungen zum Beweis des Schlusses (17), zu welcher der duale Ansatz und der Individuen-Ansatz greifen müssen, durchaus gerechtfertigt.
404
3.2 Generische und objektbezogene Verwendung von bloßen Massentermen In (14a) tritt Gold in generischer Verwendung auf. Diese kommt nicht allein in Kopulasä tzen vor, sondern kontrastiert allgemein mit der objektbezogenen Verwendung: (18) a. Gold hat die Ordnungszahl 79. b. Gold lag im Safe. c. Anna liebt Gold. d. Anna hat Gold gekauft. In (18a,c) bezieht sich Gold auf die Gattung Gold und in (18b,d) auf ein bestimmtes Quantum dieser Gattung. Eine explizite Analyse solcher Sä tze (mit Schwerpunkt auf bloßen PT, die dasselbe Verhalten aufweisen) liegt in Carlson (1977, 1978) vor. Carlson nimmt eine einheitliche Interpretation von Gold an, nä mlich wie im Individuen-Ansatz als Namen der Gattung. Daß in (18b,d) eigentlich Aussagen über Exemplare der Gattung gemacht werden, liegt nach ihm an den Verben im Safe liegen und kaufen, in deren Interpretation der Bezug auf die Exemplare erfolgt (eine ä hnliche Auffassung vertritt Chafe 1970: 188 ff.). Als Analyse von (18a,b) sind demnach (19a,b) anzusetzen, wobei R für die Realisierungsrelation (s. o.) steht. (19) a. Gold hat die Ordnungszahl 79: O-79 (g) b. Gold lag im Safe: λx ∃y [R(y,x) & L-i-S(y)] (g) = ∃y [R(y,g) & L-i-S(y)]) Für Carlsons Analyse spricht, daß es tatsä chlich eine enge Korrelation zwischen Verbbedeutung und Interpretation einer NP als generisch oder objektbezogen gibt. Carlson führt ferner ins Feld, daß objektbezogene bloße MT und PT im Gegensatz zu indefiniten NPn mit Numerale stets engsten Skopus besitzen (vgl. 20), und daß anaphorische Bezüge zwischen beiden Lesarten möglich sind (vgl. 21): (20) a. Anna möchte einen Schweden heiraten. (enger/weiter Skopus) b. Anna möchte Gold kaufen. (nur enger Skopus) (21) Anna kaufte Goldi, weil esi wertvoll ist. Kratzer (1980) hat jedoch darauf hingewiesen, daß die Annahme, bloße PT hä tten stets engen Skopus, nicht aufrechterhalten werden kann; ihr Argument gilt auch für bloße MT. So ist die natürliche Interpretation von (22) nicht, daß Anna die Gattungen Strychnin und
VI. Nominalsemantik
Zucker verwechselte, sondern daß sie von einem bestimmten Quantum Strychnin dachte, es wä re Zucker; dies erfordert jedoch eine weitskopige Analyse von Strychnin. (22) Anna wollte Strychnin in den Kaffee tun, weil sie es mit Zucker verwechselte. Zum zweiten ist Carlsons Analyse gerade wegen Anaphora-Phä nomenen auch problematisch. So kann die anaphorische Beziehung in (23a) nicht adä quat beschrieben werden, da es auf dasselbe Gold-Exemplar und nicht auf die Gattung Gold referiert. Ferner sollten nach Carlsons Analyse anaphorische Beziehungen auch in (23b) mit dem definiten Pronomen es möglich sein; tatsä chlich sind sie es nur mit dem indefiniten Pronomen welches: (23) a. Anna hat Goldi verloren, und Otto hat esi gefunden. b. Weil Anna Goldi liebt, hat sie *esi/ welchesi gekauft. Ein weiteres Argument gegen Carlsons Analyse ist, daß in vielen Sprachen die beiden Interpretationen von Gold auch syntaktisch unterschieden werden (vgl. Abschnitt 2.1). Ich nehme im folgenden deshalb zwei Interpretationen von bloßen MT an, eine generische, die durch Individuenbezeichnungen reprä sentiert werden kann, und eine objektbezogene, die wie andere indefinite NPn reprä sentiert werden sollte. Daß indefinite bloße MT in der Regel mit engem Skopus, d. h. nonspezifisch, interpretiert werden, erklä rt sich aus der Beobachtung von Partee (1972), nach der deskriptiv arme indefinite NPn hä ufiger nonspezifisch interpretiert werden als deskriptiv reiche; bloße MT/PT können dabei als deskriptiv besonders arm gelten, da ihnen die Anzahl- oder Quantitä tsangabe fehlt. Die Korrelation zwischen Verbbedeutung und Interpretation des bloßen MT lä ßt sich auf ein allgemeineres Phä nomen zurückspielen, nä mlich daß nonspezifische NPn nur für bestimmte Verben (genauer: bestimmte Verb-Argumentstellen) zulä ssig sind. Insbesondere können stative Verben keine nonspezifischen Subjekte haben; dies zeigt Beispiel (24a), das im Gegensatz zu (24b) nur eine spezifische (weitskopige) Interpretation von ein Gemälde zulä ßt. Betrachtet man ein ä hnliches Beispiel mit dem Subjekt Gold, so zeigt sich, daß bei nichtstativen Verbausdrücken nur die nonspezifische (engskopige) Interpretation vorkommt (vgl. 25b), und daß Sä tze mit stativen Verbausdrücken ungrammatisch sind, wenn eine generische Interpretation aus unabh ä ngigen Gründen ausgeschlossen ist (vgl. 25a):
18. Massennomina
(24) a. Ein Gemälde stammt wahrscheinlich aus dem Louvre. (spez.) b. Ein Gemälde wurde wahrscheinlich aus dem Louvre gestohlen. (spez./ nonspez. mit Akzent auf ein Gemälde) (25) a. *Gold stammt wahrscheinlich aus der Bank von England. b. Gold wurde wahrscheinlich aus der Bank von England gestohlen. (nonspez. mit Akzent auf Gold) Die Koreferenzphä nomene in (21) und (23a,b) schließlich können unter der Annahme erklä rt werden, daß mit einem objektbezogenen bloßen MT wie Gold zugleich auch die Gattung Gold in den Diskurs eingeführt wird und als mögliches Antezedens für Pronomina zur Verfügung steht, daß aber umgekehrt mit einem generischen bloßen MT selbstverstä ndlich noch kein Exemplar der Gattung eingeführt wurde, sodaß hierfür ein spezielles indefinites Pronomen verwendet werden muß. Die Betrachtungen in den Abschnitten 3.1 und 3.2 haben ergeben, daß sich die Ansä tze, die bloßen MT und PT eine einheitliche Interpretation zuweisen wollen — Prä dikat-Ansatz und Individuen-Ansatz — nicht halten lassen (vgl. auch ter Meulen 1980, 1981, Pelletier & Schubert 1987b). Die plausibelste Theorie scheint somit eine Version des dualen Ansatzes zu sein. 3.3 Die Referenzweise objektbezogener Massenterme Die Extension eines Prä dikats wie Gold unterscheidet sich in charakteristischer Weise von der Extension von Prä dikaten wie ein Barren Gold oder ein Ring: letztere sind sogenannte sortale Prädikate, erstere nicht. Diese Unterscheidung geht (in ontologischem Gewand) auf Aristoteles zurück (Metaphysik Buch D, 1014a); seine Beispiele sind Wasser und Silbe. Frege (1884) entwickelt das Konzept des sortalen Prä dikats als das eines „Begriffs“, „der das unter ihn Fallende bestimmt abgrenzt und keine beliebige Zertheilung gestattet“. Ein Beispiel ist der „Begriff ’Buchstabe des Wortes Zahl’“, der das Z gegen das a, dieses gegen das h usw. abgrenze. Frege bemerkt: „Nicht alle Begriffe sind so beschaffen. Wir können z. B. das unter den Begriff des Rothen Fallende in mannigfacher Weise zertheilen, ohne daß die Theile aufhörten, unter ihn zu fallen. Einem solchen Be-
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griffe kommt keine endliche Zahl zu“ (S. 66).
Frege hat die Teilbarkeit als Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Prä dikatarten herangezogen. Dieses wurde spä ter Kriterium der distributiven, partitiven oder divisiven Referenz (Goodman 1951) genannt, und u. a. von Cheng (1973), Bunt (1979) und ter Meulen (1980, 1981) zur Beschreibung der Semantik von MT verwendet. Auf Quine (1960) geht das Kriterium der kollektiven oder kumulativen Referenz zurück: „So called mass terms like ‘water’, ‘footwear’, and ‘red’ have the semantic property of referring cumulatively: any sum of parts which are water is water“ (S. 91).
Sowohl das Kriterium der divisiven wie das der kumulativen Referenz vermag die Referenzweise eines bloßen MT wie Gold von der eines IT wie ein Ring zu scheiden. Doch welches Kriterium ist angebracht? Divisive Prä dikate unterscheiden sich von kumulativen in zweierlei Weise: (a) sie können auf Entitä ten zutreffen, ohne auf deren Zusammenfassung zuzutreffen; (b) wenn sie auf eine Entitä t zutreffen, so treffen sie auf jeden noch so kleinen Teil dieser Entitä t zu. Für MT gilt (a) offensichtlich nicht; daher muß das Kriterium der Divisivitä t auf jeden Fall durch das der Kumulativitä t ergä nzt werden. (b) hat als das Problem der kleinsten Teile in der Diskussion eine wichtige Rolle gespielt. Vertreter des Kriteriums der divisiven Referenz nehmen an, daß der natürlichsprachlichen Semantik ein nicht-atomares Weltbild zugrundeliegt, vgl. etwa Bunt (1979: 255): „mass nouns provide a way of talking about things as homogeneous entities, as if they do not consist of certain smallest parts“. Dies führt jedoch zu Problemen bei MT wie Vieh, die ganz offensichtlich kleinste Teile besitzen. Andere Semantiker gehen umgekehrt von der Existenz kleinster Teile aus, z. B. Quine (1960: 97): „In general a mass term in predicative position may be viewed as a general term which is true of each portion of the stuff in question, excluding only the parts too small to count“. Ähnliche Auffassungen vertreten Laycock (1972) und Moravcsik (1973). Beide Annahmen scheinen mir unangemessen zu sein. In der Semantik der natürlichen Sprache ist wohl weder ein atomares noch ein nicht-atomares Weltbild „eingebaut“; sie lä ßt die Frage der Atomaritä t vielmehr offen. Dies ist wiederum mit dem Kriterium der kumulativen Referenz verträ glich, das nichts über die Existenz oder Nicht-Existenz von kleinsten Teile postuliert.
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Das Kriterium der Kumulativitä t schließt auch bloße PT mit ein: die Zusammenfassung zweier Entitä ten, die unter Ringe fallen, fä llt wieder unter Ringe. Beide Termtypen können deshalb im folgenden als kumulative Terme zusammengefaßt werden. Terme der Art ein Ring oder ein Barren Gold seien hingegen gequantelt genannt. Die Zä hlbarkeit hä ngt, wie Frege bemerkte, von der Atomaritä t des Prä dikats ab. Doch nicht von ihr allein: darüber hinaus gilt, daß zä hlbare Entitä ten sich nicht überlappen dürfen, d. h. diskret sein müssen (vgl. Carlson 1981). Zum einen hat dies die Folge, daß bei der Zä hlung von Dingen, die unter ein atomares kumulatives Prä dikat wie Ringe fallen, nur die atomaren Elemente als Zä hleinheiten gelten und nicht auch die verschiedenen Zusammenfassungen (es gilt allgemein, daß ein kumulatives Prä dikat bei n atomaren Entitä ten auf 2n-1 Entitä ten insgesamt zutrifft). Zum anderen bedingt dies, daß nicht jedes gequantelte Prä dikat zä hlbar ist. Ein Beispiel ist ein Liter Wasser: die Entitä ten, die darunter fallen, können einander überlappen, und deshalb ist die Frage, wie viele einzelne Liter Wasser in einer Wanne sind, nicht sinnvoll. Jespersen (1924) spielt auf das Kriterium der Diskretheit an; MN sind nach ihm „words which do not call up the idea of some definite thing with a certain shape or precise limits“, die deshalb auf Entitä ten aus der „world of uncountables“ zuträfen (S. 198). Zu kumulativen Prä dikaten ist noch eine Besonderheit zu vermerken (vgl. Roeper 1983). Wenn mit zwei Entitä ten a,b stets auch die Zusammenfassung von a und b eine Entitä t ist, so hat dies Auswirkungen auf die Interpretation von Pr ä dikaten. Angenommen, a sei rot und b sei nicht rot, ist dann die Zusammenfassung von a und b rot oder nicht rot? Drei Möglichkeiten bieten sich an: entweder schlä gt man sie der Extension von rot zu, oder der von nicht rot, oder man legt eine dreiwertige Logik zugrunde und schlä gt sie dem Neutralbereich von rot zu. 3.4 Mereologische Rekonstruktionen Zur Rekonstruktion der Semantik von MT wurden hä ufig mereologische Modelle verwendet. Dazu gehören die Mereologie im engeren Sinne, um 1916 von Lesniewski als eine antinomiefreie Alternative zur Mengenlehre entwickelt (vgl. Luschei 1962), und der Individuenkalkül, 1940 von Leonard und Goodman vorgestellt und zur Fundierung einer streng nominalistischen, d. h. eintypigen Se-
VI. Nominalsemantik
mantik für Logiksprachen herangezogen (vgl. Goodman 1951). Die verschiedenen Spielarten des Individuenkalküls wurden von Eberle (1970) dargestellt und axiomatisiert, insbesondere auch solche, die nicht die Existenz von atomaren Teilen implizieren. — Verwandte Modelle setzt Burge (1977) mit seinen „aggregates“, Bunt (1979) mit seinen „ensembles“ und Blau (1981a) mit seinen „collections“ ein. Gewisse Mereologien sind ferner strukturgleich mit Booleschen Algebren ohne Nullelement (vgl. Clay 1974); explizit werden Boolesche Algebren von Wald (1977), Lønning (1982) und Roeper (1983) zur Beschreibung von MT verwendet. Ein mengentheoretisches Modell mereologischer Strukturen sind Teilmengensysteme, z. B. die Potenzmenge einer Menge (ohne die leere Menge), wobei die Zusammenfassung durch die Mengenvereinigung reprä sentiert wird; dieses Modell legen z. B. Gabbay & Moravcsik (1973) und Hoepelman (1981) zugrunde. Link (1983a) arbeitet schließlich mit ebenfalls strukturä hnlichen Verbä nden (vgl. dazu nä her Abschnitt 4, ebenfalls Artikel 19 „Plural“). Wichtigstes Kennzeichen mereologischer Modelle ist, daß sie eine Operation der Zusammenfassung (Fusion) von Elementen besitzen, die im Gegensatz zur Mengenvereinigung nicht zu einer Typanhebung führt. Weitere wichtige Begriffe, die auf der Basis der Zusammenfassungsoperation definiert werden können, sind die Relationen der Überlappung und der Teilbeziehung zweier Elemente (vgl. Abschnitt 4.1). Mereologische Modellbildungen wurden zur semantischen Beschreibung sowohl objektbezogener als auch generischer MT verwendet. Ich beginne die Darstellung mit den letzteren. Relevante Arbeiten hierzu sind Quine (1960), Stewart (1971), Burge (1972), Moravcsik (1973), Wald (1977). Ihre Grundvorstellung ist, daß ein MT wie Gold in generischer Interpretation die Fusion aller Goldquanta, d. h. das gesamte Gold der Welt, denotiert. Diese Auffassung hat sich jedoch einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten zu erwehren (vgl. Parsons 1970, Pelletier 1974, ter Meulen 1980, Pelletier & Schubert 1989). Vor allem sind Sä tze über das Fusionsobjekt keine Aussagen über die Gattung, und umgekehrt. Beispielsweise ist der Satz das Gold der Welt wiegt mehr als eine Tonne in unserer Welt sicher wahr, doch die Umformung in einen generischen Satz ist nicht möglich: Gold wiegt mehr als eine Tonne ist falsch. Umgekehrt ist der
18. Massennomina
Satz Gold ist schwerer als Wasser in unserer Welt sicher wahr, obwohl das Gold unserer Welt zusammengenommen wesentlich leichter ist als das Wasser unserer Welt. Ein weiteres Problem des mereologischen Ansatzes besteht darin, daß ko-extensive Gattungen ihm zufolge identisch sind. Wä re beispielsweise alles Gold zu Goldschmuck verarbeitet, so wä re die Fusion des Goldes gleich der Fusion des Goldschmucks, und damit nach mereologischer Interpretation die Gattung Gold gleich der Gattung Goldschmuck. Gleiches gilt für Gattungen, die gar nicht realisiert sind, wie z. B. Ambrosia und Phlogiston. Diese Konsequenz wurde zu umgehen versucht durch die Einbeziehung möglicher Welten (Moravcsik 1973): wenn beispielsweise Gold und Goldschmuck in nur einer möglichen Welt nicht ko-extensiv sind, so wä ren sie bereits mereologisch differenzierbar. Dies genügt allerdings nicht; es lassen sich nä mlich Gattungen vorstellen, die notwendig koextensiv sind, jedoch unterschiedliche atomare Teile haben und deshalb nicht identisch sind; z. B. könnte man Goldschmuck und Schmuckgold über ein Bedeutungspostulat auf diese Weise interpretieren. Die mereologische Interpretation generischer MT muß aus diesen Gründen verworfen werden. Wie steht es mit der mereologischen Analyse objektbezogener MT? Hier sind zwei Analysen zu unterscheiden: (a) Die Extension objektbezogener MT sind Mengen, deren Elemente einer mereologischen Struktur unterliegen; (b) sie sind Individuen, die einer mereologischen Struktur unterliegen. Die erste Auffassung stellt die notwendige Voraussetzung für die Interpretation kumulativer Prä dikate bereit: der Zusammenfassung von Entitä ten muß ein formales Pendant gegeben werden, wozu eben die Fusion dient. Dies wird in Abschnitt 4 nä her ausgeführt. Die zweite Auffassung geht davon aus, daß die Ontologie von Stoffquanta sich fundamental von der Ontologie von Dingen unterscheidet und daher einer neuartigen, nichtmengentheoretischen modellhaften Rekonstruktion bedarf; ein Vertreter dieser Theorie ist Laycock (1975) mit Rückgriff auf Strawson (1954b, 1959). Laycock zufolge besitzen Stoffquanta wie etwas Wasser im Gegensatz zu Dingen wie einem Apfel keine inhä renten Identifikationskriterien. Wenn man zu Recht sagen will, daß x dasselbe Wasser ist wie jenes, das Anna gestern aus der Quelle geschöpft hat, dann
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muß dem betreffenden Wasserquantum ein zus ä tzliches Identifikationskriterium durch eine dinghafte Entitä t aufgeprä gt werden — z. B. durch einen Eimer, durch eine PfützenGestalt usw. Im Gegensatz dazu sind solche zusä tzlichen Identifikationskriterien nicht nötig, wenn man zu recht sagen will, daß x derselbe Apfel ist wie der, den Anna gestern gepflückt hat. Es gibt eine Reihe von Ansä tzen zur Entwicklung einer eigenen Stoff-Ontologie ohne dinghafte Identitä tskriterien; Beispiele sind Strawson (1959), Quine (1960, 1974) und Zemach (1970). Für die Semantik von MT werden derartige Ansä tze von Wald (1977), Bunt (1979) und Lønning (1982, 1987) herangezogen. Ein Kennzeichen dieser Arbeiten ist, daß sie es überhaupt vermeiden, für Stoffquanta Variablen einzusetzen, da Variablen nur für Entitä ten mit Identitä tskriterien stehen können. Ein Satz wie (Etwas) Wasser verdampft wird beispielsweise von Lønning wie folgt behandelt: Wasser und verdampft werden als Individuen in einem mereologischen Modell interpretiert, die jeweils für die Gesamtheit des Wassers bzw. die Gesamtheit des Verdampfenden stehen, und der Satz Wasser verdampft wird als Behauptung interpretiert, daß diese beiden Individuen sich überlappen. Es ist allerdings zu bezweifeln, daß die Semantik von MT auf diese Weise angemessen beschrieben werden kann. Ein Grund hierfür ist, daß auf bloße MT anaphorisch bezuggenommen werden kann; in (26) bezieht sich es auf dasselbe Wasser, das Anna aus der Quelle geschöpft hat, ohne daß es durch einen Trä ger eines Identitä tskriteriums wie Eimer modifiziert zu werden brauchte: (26) Anna hat gestern Wasseri aus der Quelle geschöpft und esi heute weggeschüttet. Wir müssen deshalb annehmen, daß auch Stoffquanta ihre Identit ä tskriterien haben; diese Annahme hat vor allem Cartwright (1965, 1970) vertreten. Vielfach wurde auch davon ausgegangen, daß ein objektbezogener MT wie Wasser stets paraphrasiert werden könne durch Ausdrücke wie ein Quantum Wasser oder eine Portion Wasser (vgl. Montague 1973a, Cook 1975, Bennett 1979a). Ein weiteres Problem der mereologischen Rekonstruktion objektbezogener MT besteht darin, daß sich die Atomaritä t in ihr nicht befriedigend behandeln lä ßt. Beispielsweise möchte Moravcsik (1973) den Satz x ist Wasser als „x ist ein mereologischer Teil des Individuums Wasser“ analysieren, was ihm aber
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nicht möglich erscheint, da faktisch nicht jeder Teil des Wassers Wasser ist. Er muß deshalb zu jedem Massenterm eine zusä tzliche strukturelle Eigenschaft annehmen, so daß nur diejenigen Teile als Wasser gelten, die auch die entsprechende strukturelle Eigenschaft haben. Damit wird aber die mereologische Rekonstruktion selbst überflüssig, da alle Information, ob eine Entitä t x Wasser ist, bereits aus der Kenntnis dessen gewonnen werden kann, ob sie der für Wasser spezifischen strukturellen Eigenschaft genügt (vgl. zu anderen Kritikpunkten Pelletier & Schubert 1989). 3.5 Dinge und Stoffquanta Obgleich in der natürlichen Sprache Stoffquanta behandelt werden, als wä re die ReIdentifizierung kein Problem, weisen sie eine Reihe von Unterschieden zu Dingen auf, die ihre Reflexe auch in der sprachlichen Behandlung zeigen. Die drei wichtigsten will ich hier anführen: — Stoffquanta und Dinge können miteinander koinzidieren, z. B. ein Quantum Gold x mit einem Ring y. Das Verhältnis von x und y wird sprachlich nicht symmetrisch behandelt; man sagt, y besteht aus x (vgl. Parsons 1970). — Stoffquanta und Dingen können unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben werden, auch wenn sie miteinander koinzidieren. Zum Beispiel kann das Gold, aus dem ein Ring besteht, aus Brasilien kommen, der Ring selbst aber aus Holland. Auch wird man nicht sagen, daß das Gold des Ringes einen Diamanten hat — der Ring ist es, der ihn hat (Parsons 1970, ter Meulen 1980). Es gibt jedoch Prädikate — Link (1983a) nennt sie „invariant“ —, die stets sowohl auf Dinge als auch auf die sie konstituierenden Stoffquanta zutreffen (z. B. befindet sich im Safe). — Eine Bedingung für die Identität von Stoffquanta ist die Identität ihrer Teile. Zum Beispiel sind x und y derselbe Liter Wasser, wenn x und y aus denselben Wasserteilen bestehen. Dies gilt nicht für Dinge; hier können Teile ausgetauscht werden, ohne daß dies die Identität des Dinges berühren müßte — man denke etwa an den Stoffwechsel eines Lebewesens oder die Reparatur eines Autos (Wald 1977). Zur Beschreibung des unterschiedlichen Verhaltens von Dingen und Stoffquanta wurden
VI. Nominalsemantik
unterschiedliche Strategien eingeschlagen. Es gibt Theorien, die eine Stoff-Ontologie für SN mit einer Ding-Ontologie für IN verknüpfen (vgl. Wald 1977, Bunt 1979, Lønning 1982, 1987). Als problematisch erweist sich hier die Integration der beiden Ontologien, vor allem, weil viele Nomina sowohl als SN wie als IN verwendet werden können. Andere Theorien rekonstruieren Dinge und Quanta als Individuen, jedoch als Individuen unterschiedlicher Art (ter Meulen 1980, Link 1983a). Um zwischen Dingen und Stoffquanta Beziehungen herzustellen, muß eine eigene Funktion angenommen werden, die einem Ding das Stoffquantum zuweist, aus dem es zum Referenzpunkt besteht. Ein anderer Weg, Dinge und Stoffquanta in einem einheitlichen Modell zu reprä sentieren, führt über die Annahme von elementareren Entitä ten, nä mlich von raumzeitlichen Manifestationen. Diese wurden unter verschiedenen Bezeichnungen diskutiert, z. B. als „Schichten“ (Carnap 1954), „features“ und „incidences“ (Strawson 1954b, 1959), „stages“ (Quine 1960, Carlson 1977, 1978, Hinrichs 1985), „types“ (Zemach 1970), „temporal parts“ (Gabbay & Moravcsik 1973) und „Homaams“ (“heaps of molecules at a moment”, Montague 1973a). Man kann sie sich als Raumzeitgebiete vorstellen, die ganz von einem Ding oder einer Substanz erfüllt sind. Die Koinzidenz eines Dings mit einem Stoffquantum kann dann als Identitä t ihrer raumzeitlichen Manifestationen zu einem Referenzzeitpunkt rekonstruiert werden. 3.6 Maße und Grade Zur Beschreibung von Numerativkonstruktionen wie zwei Gramm Gold muß auch über die Semantik von zwei Gramm nachgedacht werden. Ausdrücke dieser Art werden amount terms genannt; Ansä tze zu ihrer Beschreibung finden sich bei Parsons (1970), Bennett (1974), Cartwright (1975), Wald (1977), Bunt (1979), ter Meulen (1980), Eikmeyer & Jansen (1980), Lønning (1982, 1987) und Krifka (1989). Ferner muß auch das damit zusammenhä ngende Problem der Vergleichssä tze der Art (27) behandelt werden; Ansä tze zu deren Beschreibung finden sich bei Cresswell (1976), Hellan (1981) und v. Stechow (1984a). (27) Dies (x) ist mehr Gold als das (y). Für die Analyse von Maßangaben wie zwei Gramm erweisen sich die Konzepte der Maßtheorie als geeignet (vgl. z. B. Krantz et al. 1971). Eine Maßeinheits-Bezeichnung wie
18. Massennomina
Gramm ist demnach semantisch als (partielle) Funktion aufzufassen, die einem Individuum eine Zahl zuordnet, hier einem massebehafteten Individuum dessen Gewichtsschwere in Gramm. Eine solche Funktion heißt allgemein eine Maßfunktion. (Siehe auch Artikel 32.) Unter den meßbaren Eigenschaften interessieren in unserem Zusammenhang vor allem diejenigen, für die sich eine Brücke zur Zusammenfassung von Elementen schlagen lä ßt. Für eine Maßfunktion m einer solchen Eigenschaft lä ßt sich auf natürliche Weise eine Addition definieren (vgl. auch Cartwright 1975): Wenn zwei Entitä ten sich nicht überlappen, so sei die Summe der Maße der beiden Entitä ten gleich dem Maß der Zusammenfassung der beiden Entitä ten. Mithilfe von Maßfunktionen dieser Art kann ein Ausdruck wie zwei Gramm Gold interpretiert werden als Prä dikat, das auf Gold-Quantitä ten des Gewichts 2 Gramm zutrifft. Cresswell (1976) und v. Stechow (1984a) behandeln Numerativkonstruktionen etwas anders. Nach ihnen denotiert ein MN wie Gold genauso wie ein graduierbares Adjektiv wie schwer eine Relation zwischen Individuen x und Graden d, wobei x und d in der Relation Gold stehen, wenn x Gold und d der Quantitä tsgrad von x ist. Dies erleichtert die Darstellung von komparativen Sä tzen, da stets eine einschlä gige Dimension vorgegeben ist; (27) drückt beispielsweise aus, daß x bezüglich des „Goldmaßes“ einen höheren Grad besitzt als y. Für eine parallele Behandlung von Gold und schwer scheint auch die Parallelitä t der folgenden Beispiele zu sprechen: (28) a. Dies ist zwei Gramm schwer. b. Dies ist zwei Gramm Gold. Es gibt jedoch wichtige syntaktische Unterschiede zwischen graduierbaren Massennomina und MN. Sie verhalten sich nicht unmittelbar parallel zueinander, wie folgende Beispiele (Äquativ, Positiv, Komparativ) zeigen: (29) a. Dies ist so schwer wie das. b. Dies ist schwer. c. Dies ist schwerer als das. a’. Dies ist so viel Gold wie das. b’. Dies ist viel Gold. c’. Dies ist mehr Gold als das. Offensichtlich wird das MN Gold erst durch viel in einen Ausdruck vom semantischen Typ eines graduierbaren Adjektivs überführt. Im Falle von (29c) ist dies lediglich etwas verunklart, da man mehr auch als Entsprechung
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des Komparativmorphems -er analysieren könnte — vor allem natürlich, wenn man das Englische zugrundelegt, wo more tatsächlich in beiden Funktionen auftritt. — Ferner dürfen auch (28a) und (28b) keineswegs parallel analysiert werden. Sowohl in ihrer Akzentstruktur als auch in ihrer Syntax weichen sie voneinander ab: es heißt zwei GRAMM schwer vs. zwei Gramm GOLD, und Topikalisierungen wie zwei Gramm ist dies schwer sind möglich, *zwei Gramm ist dies Gold hingegen nicht. Daß Maßfunktionen auch zur Rekonstruktion von MT-Quantoren wie das meiste Gold nötig sind, hat Parsons (1970) gezeigt. Der Satz Das meiste Gold ist ungeschürft kann nach ihm nicht analysiert werden als: die meisten Goldquanta sind ungeschürft, sondern als: das Maß des ungeschürften Goldes ist größer als das Maß des geschürften Goldes.
4.
Die Semantik objektbezogener Massenterme
Im folgenden sollen einige der in Abschnitt 3 eingeführten Begriffe etwas prä zisiert werden. Eine ausführliche Darstellung findet sich in Krifka (1989). 4.1 Eine verbandstheoretische Modellstruktur Will man die Semantik von kumulativen Prä dikaten modelltheoretisch rekonstruieren, so muß vor allem der Zusammenfassung von Entitä ten ein formales Pendant gegeben werden. Die wesentlichen Eigenschaften der hierzu nötigen Modellstruktur werden durch einen vollständigen Summen-Halbverband dargestellt (vgl. Link 1983a). Hierunter versteht man eine Struktur 〈A,u〉, wobei A eine Menge und u eine zweistellige Operation auf A, die Summenoperation, ist und für alle x,y,z ∈ A gilt: (30) a. x ⊔ y = y ⊔ x, d. h. ⊔ ist kommutativ; b. x ⊔ [y ⊔ z] = [x ⊔ y] ⊔ z, d. h. ⊔ ist assoziativ; c. x ⊔ x = x, d. h. ⊔ ist idempotent; d. ∃d ∈ A [x ⊔ y = d & ∀d’ ∈ A [x ⊔ y = d’ → d = d’]], d. h. ⊔ ist eine innere Verknüpfung auf A, und A ist bezüglich ⊔ abgeschlossen. Über die Summenoperation kann die Teilrelation ⊑ definiert werden (vgl. 31); sie konstituiert eine Halbordnung 〈A, ⊑〉, deren
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wichtigste Struktureigenschaften in (32) aufgeführt werden. Für alle x,y,z A gilt: (31) a. x ⊑ y : ⇔ x ⊔ y = y b. x ⊑ y : ⇔ x ⊑ y & x ≠ y (32) a. x ⊑ x, d. h. ⊑ ist reflexiv; b. x ⊑ y & y ⊑ z → x ⊑ z, d. h. ⊑ ist transitiv; c. x ⊑ y & y ⊑ x → x = y, d. h. ⊑ ist antisymmetrisch; Mithilfe der Teilrelation kann die Relation der Überlappung zweier Entitä ten, ∘, definiert werden: (33) x ∘ y : ⇔ ∃z [z ⊑ x & z ⊑ y] Damit kann eine weitere Einschrä nkung der zulä ssigen Modelle definiert werden, die in bestimmten Zusammenhä ngen von Bedeutung ist, nä mlich die der Komplementaritä t des Summen-Halbverbandes: (34) y ⊏ x → ∃!z [y ∘ z & y ⊔ z = x] Die Operation der Summenbildung findet ihre ordnungstheoretische Entsprechung in der Fusion. Unter der Fusion (dem Supremum) einer Teilmenge M von A relativ zu einer Halbordnung ⊑ in A, kurz FU(M), versteht man die kleinste obere Schranke von M. (35) a. O. Schr(x,M) :⇔ ∀y [y ∈ M → y ⊑ x] b. FU(M) = x :⇔ O.Schr(x,M) & ∀y [O.Schr(y,M) → x ⊑ y] FU ist eine Verallgemeinerung von u; es gilt FU({x, y}) = x ⊔ y. Wegen der Vollstä ndigkeit von 〈A, ⊔〉 besitzt jede Teilmenge von A (auch eine infinite) eine Fusion. Zu unterscheiden von der Fusion einer Menge M, die nicht Element von M zu sein braucht, ist das maximale Element von M bezüglich einer Halbordnung ⊑, genannt MAX(M). Es ist wie folgt definiert: (36) MAX(M) = x ⇔ x = FU(M) & x ∈ M. Auf der Grundlage eines kumulativen Summen-Halbverbands können nun kumulative, gequantelte und divisive Prä dikate durch ihre Extensionen charakterisiert werden. Es sei ∥ · ∥ eine Interpretationsfunktion; dann gilt (37) a. P ist kumulativ :⇔ ∀x,y [x ∈ ∥ P ∥ & y ∈ ∥ P ∥ → x ⊓ y ∈ ∥ P ∥] b. P ist gequantelt :⇔ ﹁ ∃ x,y [x ∈ ∥ P ∥ & y ∈ ∥ P ∥ & x ⊏ y] c. P ist divisiv :⇔ ∀x,y [x ∈ ∥ P ∥ & y ⊑ x → y ∈ ∥ P ∥] Die Begriffe des Atoms einer Menge und des atomaren Prä dikats können wie folgt definiert werden:
VI. Nominalsemantik
(38) a. ATOM(x,M) :⇔ x ∈ M & ﹁ ∃y [y ⊏ x & y ∈ M] b. P ist atomar :⇔ ∀x [x ∈ ∥ P ∥ → ∃y [y ⊑ x & ATOM(y, ∥ P ∥)]] 4.2 Die Semantik nominaler Konstruktionstypen Wenden wir uns nun der Beschreibung der Semantik nominaler Konstruktionen zu, wobei wir mit Numerativkonstruktionen beginnen. Maßeinheits-Bezeichnungen wie Gramm werden mithilfe von Maßfunktionen rekonstruiert, die bezüglich der Summenoperation u additiv sind und die sogenannte „archimedische Eigenschaft“ besitzen, die besagt, daß Entitä ten in Teilbeziehung kommensurabel sein müssen. Für alle derartigen Funktionen m soll gelten: (39) a. ﹁ x ∘ y ⇔ m(x) + m(y) = m(x ⊔ y) b. m(x) > 0 & y ⊑ x → ∃n [n · m(y) > m(x)]] Im folgenden seien Mengen mit ihren charakteristischen Funktionen identifiziert, so daß neben x ∈ M auch die Schreibweise M(x) und neben {x..x..} die Schreibweise λx [..x..] zugelassen ist. Ein Numerativausdruck wie zwei Gramm Gold kann dann als Anwendung eines Operators zwei Gramm auf ein Prä dikat Gold analysiert werden: (40) ∥ zwei Gramm Gold ∥ = λn λX λx [X(x) & g(x) = n](2) (∥ Gold ∥) = λx [∥ Gold ∥ (x) & g(x) = 2] Hier steht g für die Gramm-Maßfunktion, und der semantische Aufbau verlä uft wie von der syntaktischen Analyse (6a) vorgezeichnet. Zwei wichtige semantische Einschrä nkungen lassen sich für Numerativkonstruktionen formulieren: Erstens muß die zugrundeliegende Maßfunktion additiv und archimedisch bezüglich u sein; dies erklä rt, weshalb Ausdrücke wie *achtzehn K arat Gold nicht akzeptabel sind (im Gegensatz zu Wortbildungen wie achtzehn-KaRAT-Gold). Unter dieser Bedingung kann man nachweisen, daß Numerativkonstruktionen stets gequantelte Prä dikate sind. Zweitens darf das Bezugsnomen nicht gequantelt sein. Dies erklä rt, weshalb Ausdrücke wie *hundert Meter fünfhundert Gramm Wolle ungrammatisch sind, obwohl sie semantisch durchaus interpretierbar wä ren (z. B. Wolle, die 100 Meter lang und 500 Gramm schwer ist). Man könnte zwar diese Bildungen auch syntaktisch ausschließen; doch es gibt durchaus syntaktisch korrekte
18. Massennomina
Ausdrücke derselben Struktur, z. B. zwei Mal fünfhundert Gramm Wolle, so daß besser nach semantischen Gründen gesucht werden sollte. Informell gesprochen, liegt der Grund für die beiden semantischen Einschrä nkungen wohl darin, daß es Aufgabe von Numerativkonstruktionen ist, aus einem Kontinuum von Entitä ten (wie es durch kumulative Extensionen dargestellt wird) Entitä ten bestimmter Größe auszusondern; deshalb darf das Bezugsprä dikat nicht bereits gequantelt sein, wä hrend das resultierende Prä dikat gequantelt sein muß. Wenn dieser Ansatz allgemein zur Rekonstruktion der Semantik von Numerativkonstruktionen dienen soll, müssen auch Numerative wie Glas oder Barren mithilfe von Maßfunktionen interpretiert werden. Dies ist durchaus möglich; Barren basiert dann beispielsweise auf einer Funktion b, die einer Entitä t die Anzahl der Barren zuordnet, aus denen sie besteht. Ein Ausdruck wie zwei Barren Gold trifft dann auf alle Entitä ten zu, die Gold sind und das Maß zwei Barren besitzen. Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß zwei Barren und das Gold, aus dem die Barren bestehen, nicht miteinander identifiziert werden sollten (vgl. 3.5). Wenn wir mit Link (1983a) eine Funktion h annehmen, die Dinge auf die Stoffquanta abbildet, aus denen sie bestehen, ergibt sich folgende Reprä sentation: (41) ∥ zwei Barren Gold ∥ = λx [∥ Gold ∥ (h(x)) & b(x) = 2] Die Formalisierung von zwei Glas Wein bedarf statt h einer primitiven Relation des Enthaltenseins. Ein Einwand gegen diese Analyse ist, daß man Barren als normales IN analysieren könnte, das auf Atome der Modellstruktur zutrifft. Dann benötigte man eine allgemeine Maßfunktion, die angibt, aus wievielen Atomen ein Individuum besteht, und könnte zwei Barren Gold reprä sentieren als: Gold, das mit zwei Modell-Atomen koinzidiert, die unter Barren fallen. Diese Analyse ist jedoch abzulehnen, da sie beispielsweise keine Möglichkeit bereitstellt, auf Ausdrücke wie anderthalb Barren Gold ausgeweitet zu werden: anderthalb Barren Gold sind zwei Dinge, ein ganzer und ein halber Goldbarren, und sollten daher durch zwei Atome in der Modellstruktur reprä sentiert werden. Zweitens sollte nach ihr jedes IN auch als Numerativ verwendbar sein; Ausdrücke wie *zwei Ringe Gold sind jedoch ungrammatisch.
411
Kann der hier entwickelte Ansatz auch auf die Behandlung von Klassifikatorkonstruktionen wie zwei Stück Vieh ausgedehnt werden? Das Problem liegt bei der Maßfunktion von Stück. Offensichtlich ist diese nicht unabhä ngig von dem jeweiligen Nomen, hier Vieh. Setzen wir daher eine zweistellige Funktion NE an, die, angewendet auf ein Prä dikat, eine Maßfunktion liefert (NE steht für „Natürliche Einheit“). Wir erhalten damit: (42) ∥ zwei Stück Vieh ∥ = λn,X,x [X(x) & NE(X)(x) = n] (2) ∥ (Vieh ∥) = λx [∥ Vieh ∥ (x) & NE(∥ Vieh ∥)(x) = 2] Unter zwei Stück Vieh fallen demnach alle Entitä ten, die unter Vieh fallen und die zwei Natürliche Einheiten Vieh zä hlen. Das zweimalige Auftreten von ∥ Vieh ∥ mag redundant erscheinen; wenn man den NE-Operator jedoch genügend allgemein versteht (bei Lebewesen z. B. als „ein Organismus“), dann ist es sinnvoll, qualitative und quantitative Komponente eines Prä dikats in der angegebenen Weise zu trennen. Es ist schließlich zu berücksichtigen, daß NE eigentlich auf die Intension von Prä dikaten angewendet werden soll; anderenfalls ist die Maßfunktion bei koextensiven Prä dikaten, z. B. bei Prä dikaten mit leerer Exension, gleich. Die vorgeschlagene Methode zur Darstellung von Klassifikatorkonstruktionen kann auch zur Darstellung von Numeralkonstruktionen wie zwei Rinder herangezogen werden. Ausgehend davon, daß ein IN wie Rind sich von einem KN wie Vieh durch ein „eingebautes“ Stückmaß unterscheidet, ist hierfür die Analyse (43) möglich. Dabei steht Rd für ein kollektives Prä dikat (ä hnlich Vieh); bei der Pluralform Rinder handelt es sich um ein reines Kongruenzphänomen (vgl. Abschnitt 2.2). (43) ∥ Rind ∥ = λr,x [NE(∥ Rd ∥)(x) = r] ∥ zwei Rinder = λZ [Z(2)] (λr,x [NE (∥ Rd ∥) (x) = r]) ∥ = λx [NE(∥ Rd ∥)(x) = 2] Die Extensionsgleichheit von Rind und Vieh vorausgesetzt, besitzen damit zwei Stück Vieh und zwei Rinder die gleiche Extension. Nach (43) sind IN als relational zu analysieren: sie bilden Zahlen auf Prädikate ab. Bloße PT wie Rinder treffen auf Entitä ten zu, die sich aus zwei oder mehr Einzelentitä ten, z. B. Rindern, zusammensetzen. Ihre Extension kann kompositional aus der Extension von IN mithilfe eines Plural-Operators gewonnen werden.
412
(44) ∥ Rinder ∥= λZλx ∃r [Z(r)(x) & r ≥ 2] (λr,x [NE(∥ Rd ∥)(x) = r]) = λx ∃r [NE(∥ Rd ∥)(x) = r & r ≥ 2] Bei Dualformen wä re die Anzahl mit 2 und bei Singulativformen mit 1 zu spezifizieren. Konstruktionen wie zwei Herden Rinder sind parallel zu zwei Barren Gold zu analysieren: auf das Prä dikat Rinder wird eine Numerativphrase zwei Herden angewendet. Das Konzept der NE-Maßfunktion kann ferner zur Klä rung der Verwendung von MN in IN-Funktion wie in zwei Bier(e) dienen. Man muß hierzu annehmen, daß NE nicht nur natürliche Einheiten einer Gattung, sondern auch konventionelle Einheiten zä hlen kann. Allerdings können konventionelle Einheiten durchaus unterschiedlich sein; zwei Bier kann sich je nach Kontext auf zwei Glä ser, zwei Flaschen, zwei Kä sten, zwei Fä sser Bier usw. beziehen; NE ist daher nicht als Funktion, sondern als Relation zu analysieren. Da sich zu sehr vielen MN in bestimmten Situationen geeignete konventionelle Einheiten denken lassen, verwundert es nicht, daß viele MN auch in IN-Verwendung auftreten können. Nach der hier vorgeschlagenen Analyse liegt jedem IN ein MN zugrunde, Rind beispielsweise ein Prä dikat Rd. Ist dies der geeignete Kandidat für die MN-Verwendung eines IN ? In manchen Fä llen wohl, oft aber liefert dies jedoch nicht die intendierte Bedeutung: viel Rind heißt in der Regel etwas anderes als viel Vieh, nä mlich viel Rindfleisch. Hier sind zwei Lexikoneinträ ge für Rind anzunehmen, einmal als IN und einmal als MN in der Bedeutung „Rindfleisch“. Die MN/IN-Distinktion ist dieser Analyse zufolge eine syntaktische. Zwar gehören MN und IN semantisch unterschiedlichen Kategorien an, aber jedem IN liegt ein MN (genauer: KN) zugrunde, in unserem Beispiel etwa dem IN Rind ein Prä dikat Rd. Daß einerseits ein Nomen wie Vieh nicht als IN verwendet werden und andererseits Rd nicht unmittelbar als MN dienen kann, lä ßt sich aber semantisch nicht weiter begründen; bei Rd wie bei Vieh handelt es sich um diskrete kumulative Prä dikate. Wir haben mithin ein syntaktisches Phänomen vor uns. Wenden wir uns nun definiten Deskriptionen wie das Gold im Safe zu. Die Einzigkeitsbedingung, die üblicherweise an definite Deskriptionen gestellt wird, ist bei kumulativen Bezugsprä dikaten in der Regel nicht erfüllt — wenn a unter Gold im Safe fä llt, dann fallen
VI. Nominalsemantik
im allgemeinen auch weitere Elemente, z. B. Teile von a, unter dieses Prä dikat. Dies gilt jedoch nicht für gequantelte Bezugsprä dikate: die drei Barren Gold im Safe referiert nur, wenn es im Safe genau drei Barren Gold gibt. Es ist dennoch eine einheitliche Analyse dieser Fä lle möglich, nä mlich über den MAX-Operator (vgl. Montague 1973a, Link 1983a): (45) a. ∥ das Gold ∥ = λX MAX(X)(∥ Gold ∥) = MAX(∥ Gold ∥) b. ∥ die drei Barren Gold ∥ = MAX(∥ drei Barren Gold ∥) Es lä ßt sich nä mlich zeigen: Wenn das Bezugsprä dikat (hier: Gold) kumulativ ist, dann liefert MAX wegen der Vollstä ndigkeit des zugrundeliegenden Summen-Halbverbands immer einen Wert. Wenn das Bezugsprä dikat jedoch gequantelt ist, dann liefert MAX nur dann einen Wert, wenn es zugleich singulä r ist, d. h. nur auf eine einzige Entitä t zutrifft; andernfalls ist MAX nicht definiert. Nach Abschnitt 2.2 sind zwei unterschiedliche Verwendungsweisen des definiten Artikels zu unterscheiden; in der einen sollte er eine Anzahl-Argumentstelle abbinden, in der zweiten nicht. Dies legt folgende Analyse im letzteren Fall nahe: (46) ∥ der Ring ∥ = λZ [MAX(Z(1))] (λn,x (∥ Rg ∥(x) & NE(∥ Rg ∥)(x) = n]) = MAX(λx [∥ Rg ∥ (x) & NE (∥ Rg ∥)(x) = 1]) Hier bindet der definite Artikel zugleich die Anzahl-Argumentstelle des IN mit ab. Ähnlich sind auch Ausdrücke wie der Barren Gold zu behandeln; allerdings muß durch geeignete Typ-Kombinationsregeln dafür gesorgt werden, daß Barren unmittelbar mit Gold zu einem Ausdruck des IN-Typs kombiniert werden kann.
5.
Die Semantik generischer Massenterme
In diesem Abschnitt sollen — um einige Grade weniger formal — wichtige Beobachtungen zur Semantik generischer Massenterme dargestellt werden. 5.1 Die Interpretation generischer Terme Die generische Interpretation von Termen ist nicht auf bloße MT oder PT beschrä nkt. Drei Arten generischer Terme sind zu unterscheiden (vgl. z. B. Lawler 1973), nä mlich definit-
18. Massennomina
generische (47), indefinit-generische (48) und artikellose, d. h. bloße MT/PT (49): (47) a. Der Pandabär ist ungesellig. b. Die Pandabären sind ungesellig. c. Das Schießpulver wurde in China erfunden. (48) a. Ein Pandabär ist ungesellig. b. Eine Herde Vieh ist der Stolz jedes Hirten. (49) a. Gold ist ein Metall. b. Äpfel sind gesund. Betrachten wir zunä chst definit-generische und indefinit-generische Terme. Sie unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht, was hier an zwei Beispielen gezeigt wird. Erstens treten definit-generische Terme nur als Bezeichnungen von etablierten, bekannten Gattungen auf; (50a) hat, im Gegensatz zu (50b) und (47a), nur eine nicht-generische Lesart (s. Artikel 17). (50) a. Der zottelige Bär ist ungesellig. b. Ein zotteliger Bär ist ungesellig. Zweitens: Verbausdrücke in Sä tzen mit indefinit-generischen Subjekten sind stets stativ, was bei Sä tzen mit definit-generischen Subjekten nicht der Fall zu sein braucht. (67b) ist nur in nicht-generischer Lesart möglich, und (68b) nicht einmal in dieser, da das Verb aussterben nur auf Gattungen anwendbar ist. (51) a. Der Mensch betrat 1969 den Mond. b. Ein Mensch betrat 1969 den Mond. (52) a. Der Pandabär ist am Aussterben. b. *Ein Pandabär ist am Aussterben. Der Grund hierfür liegt darin, daß Sä tze mit indefinit-generischen Sä tzen in einem bestimmten Modus stehen, der annä hernd mit typischerweise markiert werden kann und Stativitä t impliziert. Er kann bei definit-generischen Sätzen fehlen (vgl. 51a). Konstituieren bloße MT/PT eine eigene Art generischer Terme, oder sind sie den beiden bisher beobachteten Arten zuzurechnen? Sie teilen zum einen das Verhalten von indefinit-generischen Termen, insofern sie nicht auf etablierte Gattungen beschrä nkt sind (vgl. 53). Zum anderen zeigen sie jedoch auch Eigenschaften definit-generischer Terme, insofern die mit ihnen kombinierten Verbausdrücke nicht stativ zu sein brauchen (vgl. 54): (53) a. Zottelige Bären sind ungesellig. b. In Südafrika geschürftes Gold wird in die USA exportiert.
413
(54) a. Pandabären sind am Aussterben. b. Styropor wurde 1950 erfunden. Allerdings scheinen die für Sätze der Art (54) zulä ssigen bloßen MT/PT stets auf etablierte Gattungen beschrä nkt zu sein. Dies zeigt sich an Beispielen wie *Zottelige Bären sind am Aussterben oder *Blaugefärbtes Styropor wurde 1950 erfunden. Wie sind nun generische Terme semantisch zu analysieren? Definit-generische Terme plausiblerweise als Individuenbezeichnungen von Gattungen, also von abstrakten Individuen. Da sie auf etablierte Gattungen beschrä nkt sind, ist hierfür eine beschrä nkte Menge von Individuen zur Reprä sentation der Gattungen erforderlich. Indefinit-generische Terme hingegen sind nicht auf etablierte Gattungen beschrä nkt, sondern jeder beliebige indefinite Term (jedes nominale Prä dikat) kann generisch interpretiert werden. Sollen sie ebenfalls Individuenbezeichnungen sein, so muß die Modellstruktur für jedes nominale Prä dikat ein korrespondierendes Individuum bereitstellen. Dies ist durchaus möglich, allerdings nicht im Rahmen der üblichen Typentheorie. Modellstrukturen, die dies erlauben, wurden in verschiedenen Theorien zu nominalisierten Prä dikaten ausgearbeitet (vgl. Chierchia 1982, auf der Basis von Arbeiten von Cocchiarella, und Turner 1983, der Modellstrukturen annimmt, die auf Scottschen Bereichen basieren). Wenn sowohl definit-generische als auch indefinit-generische NPn als Individuenbezeichnungen analysiert werden, so werden allerdings die eben dargestellten Unterschiede zwischen ihnen unterschlagen. Natürlich könnte man dem Nomen Pandabär zwei Gattungsindividuen entsprechen lassen, wobei dann nur auf eines zuträ fe, am Aussterben zu sein. Diese Auffassung halte ich jedoch für wenig plausibel. Alternativ dazu könnte man Sä tze mit indefinit-generischen Termen als Aussagen über die Denotate der nominalen Prä dikate selbst ansehen (ä hnlich ter Meulen für generische MT allgemein). Ein Satz wie (48a) wä re dann zu verstehen als: die Eigenschaft, ungesellig zu sein (wobei diese durch den „typischerweise“-Modus modifiziert ist) trifft auf das Denotat von ein Pandabär zu (wobei dieses als Menge oder besser intensional als Eigenschaft zu verstehen ist). Diese Analyse bedingt allerdings, daß ist ungesellig hier ein Prä dikat höheren Typs ist als etwa in (47a) oder in Otto ist ungesellig, die beide als Aussagen über einfache Individuen zu analysieren wä ren. Diese Typanhebung kann auf den „typischerweise“-Operator zurückgeführt werden.
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Bloße PT oder MT können auf zweierlei Weise interpretiert werden: entweder, wie alle nominalen Prä dikate, als indefinit-generische Terme, oder als definit-generische Terme. Im letzteren Falle handelt es sich um Namen von etablierten Arten — eine Interpretation, die Carlson (1977, 1978) für generische bloße MT/PT allgemein vorgeschlagen hat. 5.2 Die Bedeutung generischer Sätze Der Wahrheitswert eines generischen Satzes wird letztlich durch die Eigenschaften der Exemplare der Gattung bestimmt. Die Beziehung zwischen Aussagen über Exemplare und Aussagen über die Gattung selbst stellt jedoch ein notorisches Problem dar (vgl. Abschnitt 3.1 zu Sätzen der Art Schnee ist weiß). Drei Arten von generischen Sä tzen kann man nach diesem Kriterium unterscheiden: solche, deren Prä dikat typischerweise auch auf die einzelnen Exemplare der Gattung zutrifft (z. B. Schnee ist weiß); solche, deren Prä dikat nicht auf Exemplare zutrifft (z. B. Gold ist selten), und schließlich bei definit-generischen Sä tzen solche, die auf einige wenige Exemplare mit „Vorreiter-Rolle“ für die gesamte Gattung zutreffen (z. B. Aids erreichte 1979 Europa). Wir wollen hier nur Sä tze der ersten Art betrachten. Wie erwä hnt erhalten diese Sä tze stets einen „typischerweise“-Operator. Der Operator TYP für Sä tze mit indefinit-generischen Subjekten hebe dabei das Prä dikat um eine Stufe an. Daneben gibt es aber auch einen zweiten Operator TYP’, der das Prä dikat nicht anhebt (für Sä tze der Art (47a) oder für habituelle objektbezogene Sä tze wie Otto raucht; vgl. zu einer einheitlichen Theorie Chafe 1970, Dahl 1975 und Carlson 1977, 1979). Ich nehme im folgenden ein Prä dikat Schnee und eine Individuenbezeichnung dSchnee an, deren semantische Relation zueinander hier von der Betrachtung ausgeklammert bleibt. (55) a. ∥ Schnee ist weiß ∥ = TYP (∥ weiß ∥) (∥ Schnee ∥) b. ∥ (Der) Schnee ist weiß ∥ = TYP’ (∥ weiß ∥) (∥ d-Schnee ∥) (55a) wä re nä her zu beschreiben als: unter normalen Umstä nden fä llt jede Entitä t, die unter das Prä dikat Schnee fä llt, unter das Prä dikat weiß, und (55b) als: unter normalen Umstä nden fä llt jedes Exemplar der Gattung Schnee auch unter das Prädikat weiß. In der Literatur zu MN werden hä ufig Sä tze wie Gold ist Gold oder Gold ist Metall
VI. Nominalsemantik
diskutiert. Es handelt sich hierbei um generische Sä tze, die (in der indefinit-generischen Rekonstruktion von Gold) wie folgt beschrieben werden können. (56) a. ∥ Gold ist Gold ∥ = TYP (∥ Gold ∥) (∥ Gold ∥) b. ∥ Gold ist Metall ∥ = TYP (∥ Metall ∥) (∥ Gold ∥) Beide Sä tze sollten bei einer angemessenen Rekonstruktion von TYP wahr sein: jedes Quantum Gold fallt typischerweise (und sogar notwendig) unter die Prä dikate Gold und Metall. 5.3 Sorten Etablierte Gattungen, auf die mit definit-generischen Termen bezuggenommen werden kann, stehen hä ufig in Sorten-Beziehung zu übergeordneten Gattungen; z. B. gelten Gold und Eisen als Metallsorten oder als Metalle. Durch diese Sortenbeziehungen entstehen taxonomische Klassifikationshierarchien, deren Struktureigenschaften von Kay (1971) und Cocchiarella (1976) beschrieben wurden. Als Beispiel sei ein Ausschnitt aus einer solchen Hierarchie in einem Diagramm dargestellt:
Für die Bedeutungsbeschreibung dieser Ausdrücke ist von Interesse, daß Sä tze wie Gold ist ein Metall und Gold ist ein Edelmetall wahr sind, Edelmetall ist ein Metall oder Weißgold ist ein Metall hingegen falsch. Dies korrelliert damit, daß mit Gold, Silber usw. ohne weiteres definit-generische Terme gebildet werden können, was mit Metall, Edelmetall oder Weißgold eher problematisch ist. Dieser Befund steht in engem Zusammenhang mit der Beobachtung von Berlin, Bredlove und Raven (1973), daß es in taxonomischen Hierarchien eine ausgezeichnete Ebene gibt, von ihnen „generics“ und hier im folgenden Spezies genannt, deren Taxa eine zentrale Rolle bei der Erfassung der Welt spielen und für die ein besonders reicher und morphologisch einfacher Wortschatz zur Verfügung steht; in unserem Beispiel ist dies die Gold-Silber-EisenBlei-Ebene.
18. Massennomina
Taxonomische Beziehungen werden durch Wörter wie Art, Sorte ausgedrückt, die wie Numerative verwendet werden oder in Komposita auftreten können (vgl. zwei Sorten Metall, zwei Metallsorten). Daneben gibt es auch den sogenannten Artenplural (zwei Metalle); wenn ein MN in pluralischer Verwendung auftritt, ist sehr hä ufig gerade diese Bedeutung gemeint, die aber auch bei IN nicht ausgeschlossen ist (vgl. In unserem Garten haben wir K artoffeln, K ohl und zwei Äpfel). In semantischer Hinsicht ist interessant, daß die Sortenbeziehung nur zwischen Spezies und übergeordneten Gattungen besteht; Sä tze wie Gold ist ein Metall und Gold ist ein Edelmetall sind wahr, Sä tze wie Edelmetall ist ein Metall hingegen falsch. Zur formalen Behandlung von Sortenprä dikaten wie zwei Metalle gehe ich davon aus, daß die Summenoperation u auch auf Gattungsindividuen, d. h. auf abstrakte Entitä ten, anwendbar ist. SR sei ein Sorten-Operator, der angewendet auf ein Gattungsindividuum eine Maßfunktion für die Anzahl der Sorten dieser Gattungen liefert: (58) a. ∥ zwei Sorten Metall ∥ = λn,y,x[SR(y)(x) = n](2) (∥ d-Metall ∥) = = λx [SR(∥ d-Metall ∥)(x) = 2] b. ∥ zwei Metalle ∥ = λn,x [SR(∥ d-Metall ∥)(x) = n])(2) = λx [SR(∥ d-Metall ∥)(x) = 2] Damit ist auch gewä hrleistet, daß die beiden Sä tze Gold ist Metall (s.o) und Gold ist ein Metall unterschiedliche semantische Reprä sentationen erhalten (vgl. 56, 59). Dies ist nötig, um unterschiedliche Wahrheitswerte bei Sä tzen wie Mit K upfer legiertes Gold ist Metall (wahr) und Mit K upfer legiertes Gold ist ein Metall (falsch) zu erhalten. (59) ∥ Gold ist ein Metall ∥ = SR(∥ d-Metall ∥) (∥ Gold ∥) = 1
6.
Kumulativität bei anderen syntaktischen Kategorien
6.1 Kumulative und gequantelte, kollektive und distributive Prädikation Mit dem Kriterium der Kumulativitä t können nicht nur Nomina erfaßt werden. Bereits Quine (1960) bezieht es auch auf Adjektive; er hä lt rot für kumulativ, kugelförmig für gequantelt. Es gibt auch divisive Adjektive wie leicht. Verbausdrücke können nach diesem Kriterium ebenfalls eingeteilt werden; so ist
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enthält K upfer kumulativ, wiegt 2 K ilogramm gequantelt und befindet sich im Safe sowohl kumulativ als auch divisiv. Eine Diskussion solcher nichtnominalen Prä dikate und ihrer Kombinierbarkeit mit MN bzw. MT findet sich in Bunt (1979, 1981a) und Lønning (1982). Der Unterschied zwischen kumulativen/divisiven und gequantelten Prä dikaten ist insbesondere im Zusammenhang mit der Distinktion zwischen kollektiver und distributiver Prä dikation von Interesse (s. Artikel 19). Bei gequantelten Prä dikaten haben die beiden Interpretationen stets unterschiedlichen Wahrheitswert (vgl. 60a); bei kumulativen oder divisiven Prä dikaten (vgl. 60b,c) können die Wahrheitswerte beider Interpretationen jedoch zusammenfallen, und sie tun dies bei Prä dikaten, die kumulativ und divisiv sind, zwingend (vgl. 60d): (60) a. Die drei Barren Gold wiegen zwei Kilogramm. b. Die drei Barren Gold sind schwer. c. Die drei Barren Gold sind leicht. d. Die drei Barren Gold befinden sich im Safe. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Betrachten wir (60a). Wenn dieser Satz in der distributiven Lesart wahr ist, d. h. wenn die einzelnen Goldbarren unter wiegen zwei K ilogramm fallen, so kann wegen der NichtKumulativitä t des Prä dikats nicht auch die Zusammenfassung der drei Barren Gold darunter fallen. Den möglichen Zusammenfall von Lesarten bei (60b, c und d) erklä rt man ä hnlich, indem man die Kumulativitä t, die Divisivitä t oder beides der jeweiligen Prä dikate zugrundelegt. 6.2 Zeitkonstitution und die MN/INDistinktion Das Kriterium der Kumulativitä t kann noch in einem anderen Sinne auf verbale Prä dikate angewendet werden. Die MN/IN-Distinktion zeigt dann überraschende Parallelen zu Aspektklassen oder „Zeitkonstitutions-Typen“ (vgl. François 1985), worauf unter anderem in Leisi (1953), Allen (1966), Stewart (1971), Taylor (1977) und ter Meulen (1980, 1984) hingewiesen haben. Betrachten wir atelische und telische Verbausdrücke (vgl. Garey 1957; nach Vendler 1957 „Activities“ und „Accomplishments“). Zu ersteren zä hlen schlafen, Wein trinken; zu letzteren einschlafen, ein Glas Wein trinken. Die wichtigsten syntaktischen Tests für diese
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Aktionsarten sind: atelische Verbausdrücke können nicht durch durative Adverbiale wie in einer Stunde (nicht-futurisch), telische Verbausdrücke nicht durch Zeitspannen-Adverbiale wie eine Stunde (lang) spezifiziert werden. (61) ... daß Eva a. eine Stunde (lang) schlief b. *in einer Stunde Wein trank (62) ... daß Eva a. *eine Stunde (lang) einschlief b. in einer Stunde ein Glas Wein trank Der Einfluß der Kumulativitä t auf die Aktionsart liegt in den (b)-Fä llen offen zutage: ein kumulatives Verbargument wie Wein löst bei einem Verb wie trinken die atelische Interpretation aus (vgl. 61b), ein gequanteltes Argument wie ein Glas Wein hingegen die telische (vgl. 62b). Notiert wurde dieses Phä nomen von Verkuyl (1972); semantische Erklä rungsversuche geben Hoepelman (1976, 1981), Hoepelman & Rohrer (1980), Dowty (1979), L. Carlson (1981) und Hinrichs (1985). Diese Versuche weisen jedoch Schwä chen auf. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Hoepelman will die Nicht-Akzeptabilitä t von (61b) damit erklä ren, daß in diesem Satz ausgedrückt würde: (1) ein Quantum Wein wurde von Eva in einer Stunde getrunken, und (2) (da Wein als divisiv rekonstruiert wird) jeder Teil dieses Quantums wurde in einer Stunde getrunken, was intuitiv nicht richtig sei. Einwand: das von in einer Stunde bezeichnete Intervall kann durchaus größer sein als die Gesamtdauer des Vorgangs, was Sä tze wie Eva trank 10 Glas Wein in einer Stunde, tatsächlich sogar in nur 54 Minuten nahelegen. In diesem Sinne wurde aber jedes Teilquantum des Weins ebenfalls in einer Stunde getrunken. Ich möchte abschließend kurz die Analyse in Krifka (1989) skizzieren, in der die Korrelation zur MN/IN-Distinktion unmittelbar deutlich wird (vgl. auch ter Meulen 1984, Bach 1986). Voraussetzung ist eine Analyse von Verbausdrücken als Ereignispr ä dikate (vgl. hierzu Davidson 1967a). Prä dikate wie schlafen und einschlafen unterscheiden sich dann auf mittlerweile vertraute Weise: wenn ein Ereignis unter schlafen fä llt, so fä llt in der Regel auch ein echter (zeitlicher) Teil davon darunter; wenn hingegen ein Ereignis unter einschlafen fä llt, so fä llt ein echter Teil davon in der Regel nicht darunter. Das Kriterium
VI. Nominalsemantik
der Divisivitä t ist wiederum nicht streng anwendbar, da es durchaus Teile von SchlafensEreignissen geben kann, die nicht unter schlafen fallen (z. B. ein nä chtliches Auf-die-UhrSchauen); das Kriterium der Kumulativitä t ist daher auch hier angemessener. Atelische Verbausdrücke können somit als kumulative, telische Verbausdrücke als gequantelte Ereignisprä dikate angesehen werden (vgl. auch L. Carlson 1981). Diese Unterscheidung wird etwas verunklart, weil zugrundeliegend telische Verbausdrücke auch in iterativer und imperfektiver Lesart auftreten (im Sinne von wiederholt einschlafen, am Einschlafen sein) und dann kumulativ interpretiert werden. Dies hat seine Entsprechung im nominalen Bereich in der kumulativen Interpretation von Pluraltermen (Iterativformen sind verbale Pluralia) und Partitivkonstruktionen (ein Ereignis, das unter am Einschlafen sein fä llt, ist echter Teil eines Ereignisses, das unter einschlafen fällt). Die Analogie zu Nomina geht noch weiter: es gibt Entsprechungen zum Singulativ (Semelfaktiva wie ungar. zörren ‘einmal klopfen’ vs. zörög ‘klopfen’); es gibt Numerativkonstruktionen (eine Stunde (lang) trinken), Klassifikatorkonstruktionen (ein Mal trinken) und Vergleichskonstruktionen (mehr schlafen als) (vgl. zu diesen Parallelitä ten Leisi 1953, Dressler 1968). Lediglich das Pendant zu Numeralkonstruktionen scheint bei Verben zu fehlen; Sprachen, mit Konstruktionen wie *zwei schlafen sind mir unbekannt. Die Tests in (61) und (62) erhalten in diesem Licht eine einfache Erklä rung. (62a) ist ausgeschlossen, weil durative Adverbiale wie Numerativphrasen fordern, daß der Bezugsausdruck nicht bereits gequantelt sein darf. (vgl. Abschnitt 4.2). (61b) ist aus einem pragmatischen Grund ausgeschlossen. In einer Stunde drückt aus, daß Anfang und Ende des Ereignisses nicht weiter als eine Stunde auseinanderliegen, egal wie lang es tatsä chlich dauert. Es kann hier eine aus der Konversationsmaxime der Quantitä t (vgl. Grice 1975) abzuleitende pragmatische Regel angenommen werden, die Zeitrahmen-Angabe so eng wie möglich zu wä hlen. Nun fallen unter einen kumulativen Verbausdruck mit einem Ereignis e im allgemeinen auch Teile von e; und wenn e in einem Zeitrahmen von einer Stunde plaziert ist, so natürlich auch die zeitlichen Teile von e. Die pragmatische Regel zwingt nun dazu, das Intervall so klein wie möglich zu wä hlen. Bei kumulativen Ereignisprä dikaten darf es dann nur mehr die Atome des Ereignisprä dikats umfassen, und tatsä chlich
18. Massennomina
ist ein Satz wie Eva hat in 0,4 Sekunden Wein getrunken (etwa als Bericht von einem Schnellschluckspecht-Wettbewerb) durchaus akzeptabel. Wenn telische Verben als gequantelt, atelische als kumulativ rekonstruiert werden, sind auch die Unterschiede von Wein trinken und ein Glas Wein trinken erklä rbar. Offenbar überträ gt sich hier die Referenzweise des Objekts auf die Referenzweise des Gesamtausdrucks. Diese Übertragung wird ausgelöst durch die spezifische semantische Relation zwischen Verbdenotat und Termdenotat. Entscheidend ist hierbei, daß das Termdenotat Teil für Teil einem Ereignis in der Extension des Verbs unterzogen wird. Dabei entsprechen sich jeweils ein Teil des Objekts und ein Teil des Ereignisses. Ich danke Thomas Becker, Godehard Link, Arnim v. Stechow, Dieter Wunderlich und den beiden Gutachtern für wertvolle Hinweise zu diesem Artikel.
7.
Literatur (in Kurzform)
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417
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Manfred Krifka, Austin, Texas (USA)
418
VI. Nominalsemantik
19. Plural 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 3. 3.1 3.2 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 5. 6.
1.
Einleitung Typen von Plural-Konstruktionen Indefinite Plural-NPn; bloße Pluralia (BP) Definite Plural-NPn Universell quantifizierte Plural-NPn; Quantoren-Floating Numeralia und andere Plural-Quantoren Partitiv-Konstruktionen Koordinierte konjunktive NP-Strukturen Kollektive Nomina, Prädikate und Adverbien Distributive vs. kollektive Prädikation Relationale Plural-Sätze Reziproke Konstruktionen und das englische respectively Ontologie Das Potenzmengen-Modell; Kollektionen; Mereologie Das algebraisch strukturierte Universum der Individuensummen und Gruppen Analyse der linguistischen Daten im Rahmen der Plural-Logik LP Indefinite Plural-NPn Bloße Pluralia Definite Plural-NPn alle Partitiv Konjungierte NPn RP-Sätze Reziproke Konstruktionen respectively Spezielle Probleme und Ausblick Literatur (in Kurzform)
Einleitung
In den bekannten indogermanischen Sprachen wie Deutsch, Englisch, Französisch unterliegen die meisten Nomina der Unterscheidung ± zählbar (engl. ± count). Beispiele von + zä hlbaren Nomina sind Pferd, Apfel, Aufgabe, Menge; sie seien im folgenden individuierende Nomina(IN) genannt (engl. count nouns). Diese Nomina treffen auf diskrete, zä hlbare Objekte zu und treten daher mit Zahlwörtern wie ein, acht, viele auf. — Zä hlbare Nomina oder Massenomina(MN) dagegen bezeichnen typischerweise Stoffe (Gold, Wasser); es finden sich hier aber auch Kollektiva wie Atommüll, engl. furniture und Abstrakta wie Solidarität. Die Numerus-Unterscheidung Singular/Plural lä ßt sich vom semantischen Standpunkt nur auf die Klasse IN anwenden. IN im Plural bezeichnen diskrete Gesamtheiten von Objekten derselben Art (z. B. Pferde, Äpfel, Aufgaben, Mengen).
Massenomina dagegen stehen für nicht-diskrete Objekte, so daß die Numerus-Unterscheidung neutralisiert wird: Pluralitä t als diskrete Gesamtheit ergibt hier keinen Sinn (vgl. *drei Atommülle, *many furnitures). Massenomina können daher Transnumeralia genannt werden; in den westlichen Sprachen ist ihre morphologische Nische nicht immer der Singular: neben Singulariatantum (Gold) finden sich auch Pluraliatantum wie Möbel und engl. entrails. Die letzteren nennt Dougherty (1970: 853) syntaktische Pluralia. Solche rein syntaktischen Pluralformen können auch semantische Einzahlen bezeichnen (z. B. engl. scissors) oder durch Kongruenz erzeugt werden (im Deutschen und Englischen erzwingen etwa Dezimalzahlen Pluralisierung; vgl. 1,0 Äpfel, 1.0 apples). Transnumeralia im Singular pluralisieren gelegentlich ebenfalls; dieser Prozeß ist jedoch mit einer ziemlich lexemspezifischen Bedeutungsverä nderung verbunden, die z. B. Abundanz (die Wasser des Nil) oder Mannigfaltigkeit bzw. Sortigkeit (die übrigen drei Weine auf der Liste; wertvolle exotische Hölzer) ausdrückt. In einigen Sprachen schließlich ist die Pluralform mit Zahlwörtern unverträ glich: im Ungarischen haben wir hajókat láttam (Schiffe sah ich) vs. öt hajót láttam (fünf Schiffe sah ich). Das Plural-Morphem -k- dient im Ungarischen also dazu, lediglich numerisch unspezifizierte Gesamtheiten zu markieren; in Verbindung mit Zahlwörtern ist die zusä tzliche Pluralmarkierung des Nomens offensichtlich redundant. Es lä ßt sich hier aber auch die Tendenz ablesen, daß der reine Plural ohne Determinator so etwas wie eine „transnumeralisierende“ Funktion hat: die individuierende semantische Rolle des Singulars wird aufgehoben, und übrig bleibt eine eher strukturlose Vielzahl. Der umgekehrte Prozeß jedenfalls ist in vielen Sprachen direkt manifest: ausgehend von einem transnumeralen Nomen, das einen unspezifischen, nicht-diskreten Begriff bezeichnet, gelangt man mit einem geeigneten Affix zu einer Singulativ-Form, die auf nunmehr individuierte Exemplare des Begriffs zutrifft (vgl. das arabische dabban: unspezifisch Fliege; vs. dabbane: eine Fliege). Das deutsche K ollektiv-Affix ge- erzeugt einen ä hnlichen Effekt, indem es ein — zä hlbares Nomen in ein + zä hlbares umwandelt (vgl. Holz vs. Gehölz); aber dieser Fall ist semantisch anders gelagert. Man kann jedoch die beteiligten Unterscheidungen sehr schön anhand des deutschen Wortes Polizei illustrieren: dieses No-
19. Plural
men selbst ist transnumeral mit der Bedeutung eines Massenausdrucks (vgl. die Polizei umstellte das Gebäude). Es besitzt als „Singulativ“ das IN Polizist, das auf einzelne Polizeibeamte zutrifft und regulä r pluralisiert (Polizisten); von dem Ausgangsnomen gibt es jedoch auch einen Sortenplural Polizeien (z. B. der Länder Bayern und Baden-Württemberg), der für verschiedene Polizei-Organisationen steht. Für weitere Beispiele aus einer Anzahl verschiedener Sprachen siehe Biermann (1981). Die Untersuchung einer breiten Palette von Sprachen hat ergeben, daß es eine universell ziemlich stabile Hierarchie von Klassen von Nomina gibt, die sich mit abnehmender Leichtigkeit pluralisieren lassen. Diese Klassen können durch Merkmale charakterisiert werden, die auf einer Skala des semantischen Individuierungsprozesses in der Sprache angesiedelt sind. Nach Smith-Stark (1974) lautet die Hierarchie SPRECHER > ADRESSAT > VERWANDTSCHAFTSNAME > VERNUNFTBEGABTES WESEN > MENSCH > LEBEWESEN. In Sprachen ohne PluralMorphem (z. B. im Chinesischen) übernimmt ein mehr oder weniger ausgefeiltes System von Klassifikatoren die Rolle der Bildung von diskreten Einheiten, die dann durch Hinzufügung von Zahlwörtern gezä hlt werden können (syntaktisch gesehen scheinen jedoch die Klassifikatoren die Numeralia zu parametrisieren; die Verbindung Numerale + Klassifikator operiert dann auf dem Nomen). Klassifikatoren finden sich auch im Deutschen und Englischen (30 Stück Vieh, 30 head of cattle; man beachte, daß der Klassifikator typischerweise nicht pluralisiert wird). Siehe auch M. Krifkas Beitrag über Massenomina, Artikel 18. Zusammenfassend lä ßt sich sagen, daß die meisten, wenn nicht sogar alle Sprachen grammatische Mittel zur Bildung pluralischer Terme besitzen, die semantisch gesehen Vielheiten bezeichnen. Die Pluralisierung geschieht entweder mit Hilfe eines eigenen Pluralmorphems oder über ein System von Klassifikatoren, oder mit Hilfe einer Kombination von beidem.
2.
Typen von Plural-Konstruktionen
Zur detaillierteren Beschreibung der semantischen Eigenschaften der Pluralisierung beschrä nke ich mich im folgenden auf das Deutsche und nahe verwandte Sprachen wie Englisch. Der Ausdruck „Plural-Nominalphrase“
419
sei als „Plural-NP“ oder einfach „PNP“ abgekürzt. 2.1 Indefinite Plural-NPn; bloße Pluralia (BP) Betrachten wir die folgenden Beispiele. (1) a. Einige Freunde kamen vorbei. b. Ein paar Tage später kam Hans zurück. c. Kinder haben das Floß gebaut. d. Ich hab’ mpa Freunde getroffen. e. Mindestens einige der Häuser waren vollkommen zerstört. f. There are only a few tickets left. Die indefiniten PNPn in (1) beziehen sich intuitiv auf eine nicht spezifizierte, jedoch konkrete Gesamtheit von Objekten mittels Existenz-Quantifikation. Die existentielle Kraft rührt von Determinatoren wie einige, ein paar, verschiedene, engl. a few her. Dieselbe Funktion wird traditionellerweise dem Null-Determinator ∅ zugesprochen, der in (1c) anzusetzen wä re (Chomsky 1965); er wird als pluralisches Gegenstück zum indefiniten Artikel ein angesehen. Stockwell et al. (1973a) ziehen für das Englische die unbetonte Version von some, mitgeteilt sm, als das eigentliche Gegenstück des unbestimmten Artikels a vor; sm könnte im Deutschen etwa wie in (1d) durch mpa (unbetontes ein paar) wiedergegeben werden. Beispiel (1e) enthä lt eine Partitivkonstruktion: es gibt eine kontextuell spezifizierte Gesamtheit von Hä usern, von denen mindestens einige gemä ß der Aussage des Satzes vollkommen zerstört waren; in Abschnitt 2.5 wird auf diese Konstruktion eingegangen. Im Englischen lä ßt die existentielle Lesart übrigens ebenso wie im Singular thereinsertion zu; vgl. (1 f). Indefinite PNPn können auch als Prä dikatsnomen auftreten; in dieser Position lassen sie keinen Determinator zu, sind also bloße Pluralia. (2) Die Tiere auf dieser Wiese sind (*einige) Pferde. (3) Einige Jakobiner waren (*verschiedene) Advokaten. (4) Kohl und Strauß waren (*mpa) Freunde. In (2) und (3) scheint der Plural im Prä dikatsnomen lediglich ein Fall von Kongruenz zu sein; genau genommen treffen die Eigenschaften Pferd und Advokat nur auf einzelne Individuen zu. Der Satz (4) ist jedoch anders gelagert: die PNP Freunde ist elliptisch aufzufassen und setzt in ausformulierter Gestalt
420
Freunde voneinander ein pluralisches Subjekt voraus. Dieses Prä dikatsnomen ist also ein irreduzibler Plural. Es gibt eine wichtige Parallele zwischen Sä tzen der Art (2) und dem Gebrauch von Massenausdrücken in prä dikativer Position. Man vergleiche (5) a. Wenn die Tiere auf dieser Wiese Pferde sind und die Tiere auf jener Wiese auch Pferde sind, dann sind die Tiere auf den beiden Wiesen (zusammengenommen) ebenfalls Pferde. b. Wenn dies hier Wasser ist und das da Wasser ist, dann ist dies hier und das da (zusammengenommen) ebenfalls Wasser. Dies zeigt, daß Plural-Prä dikate und Massenausdrücke gemeinsam die Eigenschaft der kumulativen Referenz besitzen (siehe dazu das Ende des Abschnitts 3.2). Der Rest dieses Abschnitts ist dem wichtigen Problem der bloßen Pluralia (BP) gewidmet. Zwar können BP in Sä tzen wie (1c) existentiell interpretiert werden, doch treten sie hä ufig als Subjekt von generischen Sätzen auf und haben dort eine ganz andere Bedeutung. Betrachten wir die folgenden Beispiele. (6) a. Pferde sind Säugetiere. b. Tiger sind gestreift. (7) a. Im revolutionären Frankreich waren hohe Staatsposten von Mitgliedern politischer Clubs besetzt. b. Im revolutionären Frankreich gab es hohe Staatsposten, die von Mitgliedern politischer Clubs besetzt waren. (8) a. Wale werden bald ausgestorben sein. b. Tranquillizer sind weit verbreitet. Satz (6a) hat eine strikte universelle Bedeutung: jedes Pferd ist ein Sä ugetier. (6b) dagegen hat bestenfalls so etwas wie eine „quasiuniverselle“ Bedeutung: die meisten (oder alle typischen) Tiger sind gestreift. (7a) hat ebenfalls eine quasi-universelle Lesart: ein hoher Posten im Staat war üblicherweise von einem Mitglied irgendeines politischen Clubs besetzt. Die existentielle Lesart wird dagegen, analog zur englischen Regel der there-insertion, durch die Wendung es gab explizit gemacht; vgl. (7b). Für einen ä hnlichen grammatischen Effekt im Hollä ndischen siehe de Mey (1984). Wie aber sind die Sä tze unter (8) zu behandeln? Ihre BP scheinen weder eine (quasi-)universelle noch eine eigentlich existentielle Lesart zu haben; sie beziehen sich vielmehr kollektiv auf die Gesamtheit der Wale bzw. Tranquillizer. Die BP fungieren
VI. Nominalsemantik
hier gewissermaßen als Eigennamen dieser Gesamtheiten. Carlson (1977, 1978) zieht es vor, von einer Referenz auf Arten von Gegenstä nden anstelle ihrer Gesamtheiten oder Klassen zu sprechen (siehe auch Artikel 17). Carlson geht sogar noch einen Schritt weiter und schlä gt eine semantische Analyse vor, in der alle BP einheitlich Arten denotieren. Dieser Vorschlag soll hier keiner abschließenden Würdigung unterzogen werden; stattdessen werde ich anhand ausgewä hlter Beispiele aus der Fülle der Daten, die Carlson liefert, einige wichtige Aspekte von BP-Konstruktionen vorstellen. Eine weitere Klasse generischer Sä tze etwa enthä lt relationale BP wie die folgenden unter (9) (siehe auch Abschnitt 2.9). (9) a. Einhörner haben Hörner. b. Biber bauen Dämme. Andere generische Konstruktionen mit BP sind (10) a. Hans repariert alte Autos. b. Laubbäume werden selten, wenn man höher in die Berge kommt. Carlson kontrastiert das Verhalten der BP mit dem des singularischen indefiniten Artikels im Zusammenhang mit anderen grammatischen Phä nomenen wie Skopus, Opakheit und Aspekt. So weisen BP in Gegenwart anderer skopus-sensitiver NPn eine Tendenz zu engem Skopus auf, wä hrend eine singularische indefinite NP die übliche Skopus-Ambiguitä t zeigt. Vergleichen wir die a)- und b)-Sä tze unter (12) und (13); die möglichen Lesarten sind durch Quantorenfolgen wie etwa ‘∀∃’ in Klammern angegeben, wobei ‘>’ für „ist naheliegender als“ steht. (12) a. b. (13) a. b.
Jedes Mädchen las ein Buch über Pferde. (∀∃ > ∃∀) Jedes Mädchen las Bücher über Pferde. (∀∃; *∃∀) ?Ein Hund war überall. (∃∀ > ∀∃) Hunde waren überall. (∀∃; *∃∀)
Carlson behauptet für das Englische, daß die ∀∃-Lesart in (13a) (a dog was everywhere) nicht möglich sei, so daß die pragmatisch abweichende ∃∀-Lesart erzwungen werde. Das würde bedeuten, daß (13a) und (13b) gar keine gemeinsame Lesart besä ßen, was Carlson als Beweis dafür ansieht, daß BP nicht das Gegenstück zu singularischen indefiniten NPn sein können. Wenn wir das Beispiel (13a) ein wenig variieren, scheinen beide Lesarten jedoch möglich, wie in (14a): (14) a.
Eine seltsame Stimme ließ sich überall vernehmen. (∀∃, ∃∀)
19. Plural
421
b.
Seltsame Stimmen ließen sich überall vernehmen. (∀∃) Die BP-Version (14b) des Satzes lä ßt aber die ∃∀-Lesart immer noch nicht zu. Bei genauerer Betrachtung scheint es allerdings, als ob selbst dieser Befund gradueller Natur ist: die Möglichkeit der ∃∀-Lesart scheint von dem Grad abzuhä ngen, in dem der durch den BP mitgeteilte Begriff sich zu zä hlbaren Einheiten oder einer wohlumrissenen Gruppe individuieren lä ßt. Vergleichen wir die Sä tze (15a) und (15b). (15) a. b.
CIA-Agenten verminten alle Häfen Nicaraguas. (∀∃ > ∃∀) Fanatische Ayatollahs gewannen die Kontrolle über alle Bereiche des öffentlichen Lebens. (∃∀ > ∀∃)
Bereits in (15a) ist die ∃∀-Lesart möglich (d. h. ein spezielles CIA-Kommando übernahm die Aufgabe), wä hrend sie in (15b) sogar vorherrschend zu sein scheint. Letzteres ist auf die einigermaßen kontingente historische Tatsache zurückzuführen, daß das Stereotyp, welches die meisten von uns seit einiger Zeit mit dem Begriff ‘Ayatollah’ verbinden, so etwas wie eine wohlumrissene Clique religiöser Anführer mit politischem Einfluß bedeutet, die dazu tendiert, als Gruppe zu agieren. Wir brauchen in (15b) jedoch nur ‘Ayatollahs’ durch ‘Mullahs’ zu ersetzen, um mit großer Wahrscheinlichkeit einen Skopus-Wechsel zu erzeugen: jetzt bedeutet der Satz eher, daß jeder Bereich des öffentlichen Lebens der Aufsicht eines wachsamen Mullahs unterworfen ist. Wir haben es hier also mit einer in hohem Maße pragmatischen und kulturabhä ngigen Skala von Übergä ngen von der ∀∃- zur ∃∀Lesart zu tun, die einhergeht mit der wachsenden Spezifizitä t der Subjekt-NP. Diese beinahe kontinuierlichen Übergä nge sind in der folgenden Liste von Sätzen illustriert. (16) a. b. c. d. e. f. g. h.
(∀∃) Überallhin war Blut verspritzt. Sand fand sich in jedem Teil der Kamera. (∀∃) Ameisen krabbelten in jeder Zimmerecke herum. (∀∃) Wander-Arbeiter schliefen unter allen Brücken der Stadt. (∀∃ » ∃∀) Rechtsradikale randalierten in allen Wies’n-Zelten. (∀∃ > ∃∀) GSG9-Beamte riegelten alle Hauptstraßen ab. (∀∃, ∃∀) Putschende Generäle besetzten alle Zentren der Macht. (∃∀) Eine Militär-Junta kontrollierte alle Regierungspositionen. (∃∀)
Ich wende mich nun Opakheitsphä nomenen zu. Betrachten wir das Satzpaar unter (17). (17) a. Der Reporter will mit einem Augenzeugen sprechen. b. Der Reporter will mit Augenzeugen sprechen. Carlson behauptet im Zusammenhang mit ä hnlichen Beispielen, daß (17a) sowohl eine opake wie eine transparente Lesart besitzt, wä hrend (17b) nur eine opake Bedeutung hat. Seine Beobachtung entspricht zweifellos der Intuition über die dominante Interpretation dieser Sä tze. Wie jedoch Kratzer (1980) bemerkt, kann der Kontext auch bei den BP die transparente Lesart in den Vordergrund rükken; ihr Beispiel ist (18) Hans wollte Tollkirschen in den Obstsalat tun, da er sie mit richtigen Kirschen verwechselte. Schließlich seien zwei Beispiele erwä hnt, in denen es um den Einfluß der Objekt-NP auf den Aspekt-Typ der Verbalphrase geht (zu diesem Themenkomplex siehe Verkuyl 1972, Hinrichs 1985, und besonders Krifka 1986, 1987). Achievement-Verben wie entdecken werden in Verbindung mit Objekt-BP zu Aktivitä ten (activities), wie die Verträ glichkeit mit der durativen Adverbialphrase zwei Stunden lang zeigt: (19) Hans entdeckte zwei Stunden lang (schöne Beispiele/*ein schönes Beispiel). Bei spezifischer Objekt-NP ist jedoch trotz des Plurals das Zeitspannen-Adverbial innerhalb von zwei Stunden möglich. (20) Hans entdeckte innerhalb von zwei Stunden einige besonders interessante Beispiele. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß PNPn mit einem indefiniten Determinator existentielle Kraft besitzen. Sie stehen für spezifische Kollektionen von Objekten mit einer deutlichen Mehrzahl-Pr ä supposition. Bloße Pluralia sind ambig; sie können existentielle Kraft besitzen und sogar weiten Skopus über einen anderen Operator annehmen, aber das kann abhä ngen von dem kontextuell gegebenen Grad der Individuierung der bezeichneten Pluralitä t. Ansonsten steht ein BP für eine mehr oder weniger homogene Vielheit, die in keiner mensurativen Dimension (numerisch, raum-zeitlich, klassifizierend) spezifiziert ist. In generischen Kontexten und dort vornehmlich in Subjektposition verhalten sich BP wie Eigennamen von Arten
422
VI. Nominalsemantik
(Carlsons kind denoting terms) oder besitzen quasi-universelle Kraft nach Art der sog. beliebigen Objekte (Fine 1985). Die indefiniten PNPn besitzen somit in ihren Eigenschaften eine große Ähnlichkeit zu den indefiniten Massenausdrücken. 2.2 Definite Plural-NPn Auf den ersten Blick induzieren definite PNPn der Gestalt die PNP eine universelle Lesart, wie etwa in den Sätzen (21) a. Die Soldaten starben. b. Die reellen Zahlen lassen sich durch nicht-abbrechende Dezimalbrüche darstellen. Das bedeutet einfach, daß jeder Soldat starb bzw. daß jede reelle Zahl eine Darstellung als nicht-abbrechender Dezimalbruch besitzt. Aber ebenso wie bei den indefiniten PNPn sind Ausnahmen möglich, ohne daß der Satz falsch wird: (22) a. Julia haßt die Montagues (und liebt gleichwohl den Romeo). b. Die Deutschen leiden unter einer Sauberkeitsfixierung (dennoch gibt es in diesem unserem Land einige ganz schön dreckige Winkel). c. Die Tiger sind gestreift (bis auf Albinos). Auch wenn hier ein gewisser Spielraum bleibt, so behalten die Sä tze doch im Prinzip ihre universelle Bedeutung. Im folgenden Satz würde eine universelle Paraphrase allerdings bizarr klingen: (23) Die Römer haben die Brücke erbaut. Die definite PNP die Römer steht hier vielmehr für eine Gruppe, das Volk der Römer, welcher irgendwie kollektiv der Brückenbau zugeschrieben wird. Skopus-Überlegungen zeigen noch klarer, daß die PNP in der Tat als denotierender Ausdruck behandelt werden sollte, ebenso wie die klassische Kennzeichnung im Singular (siehe Scha 1981). Die folgenden Beispiele kontrastieren definite PNPn mit ihren universellen Paraphrasen. (24) a. b. (25) a. b. (26) a.
Alle Sansculotten jubelten einem Cordelier zu. (∀∃ > ∃∀) Die Sansculotten jubelten einem Cordelier zu. (∃) Lucile glaubt nicht, daß alle Cordeliers korrupt sind. Lucile glaubt nicht, daß die Cordeliers korrupt sind. Alle Indulgents wurden verbannt oder
b. (27) a. b.
hingerichtet. Die Indulgents wurden verbannt oder hingerichtet (ich habe vergessen, was). ?Weil siei die terreur stoppen wollten, wurden alle Cordeliersi hingerichtet. Weil siei die terreur stoppen wollten, wurden die Cordeliersi hingerichtet.
Die Sä tze in (24), die Robespierres Alptraum beschreiben, zeigen die Interaktion mit einer indefiniten NP. (24a) besitzt die üblichen zwei Lesarten: in der einen jubelten einige Sansculotten z. B. Danton zu, andere Desmoulins, usw.; in der anderen jubelten alle Sansculotten ein und demselben Mitglied des Clubs der Cordeliers, etwa Danton, zu. (24b) dagegen hat nur die Danton-Lesart, da die definite PNP nicht skopus-sensitiv ist. (25) zeigt denselben Effekt im Zusammenhang mit der Negation. Die Version (25b) mit der definiten PNP heißt in ihrer natürlichsten Interpretation, daß die Cordeliers als Gruppe in Luciles Augen nicht korrupt sind; die Negation ist hier also nicht imstande, den Gruppen-Term die Cordeliers ‘aufzuspalten’. (26) betrifft Disjunktionen. Obwohl die Intuitionen hier weniger stabil sind, scheint die intendierte Lesart für (26b) natürlich zu sein: entweder wurden die Indulgents verbannt, oder sie wurden hingerichtet. In (26a) dagegen nimmt der Allquantor weiten Skopus über die Disjunktion, d. h. die Indulgents wurden nach der Aussage des Satzes einer verschiedenen Behandlung unterzogen. (27) schließlich gibt zu erkennen, daß die definite PNP mühelos rückwä rts pronominalisiert (vgl. (27b)), wä hrend dies im Fall des Allquantors zumindest fraglich erscheint. Wenn definite PNPn mit kollektiven Prä dikaten kombiniert werden, so ist die universelle Paraphrase nicht mehr möglich, wie (28) zeigt; das Prä dikat sich versammeln trifft vielmehr auf eine gewisse kontextuell vorgegebene Gruppe von Schülern zu: (28) Die Schüler versammelten sich um ihren Lehrer. All dies deutet darauf hin, daß definite PNPn sich wie pluralische Kennzeichnungen verhalten; eine solche Auffassung würde auch der sprachlichen Tatsache Rechnung tragen, daß bis auf morphologische Varianz der bestimmte Artikel im Singular und Plural derselbe ist (im Englischen gibt es sogar nur das eine the). Damit diese Idee der auf den Plural verallgemeinerten Kennzeichnung auch formal sinnvoll wird, müssen wir eine Art Gruppenobjekt in die Semantik einführen, so daß die üblichen Bedingungen der Existenz und
19. Plural
Eindeutigkeit für Kennzeichnungen sind. Betrachten wir die PNP (29) die Ns
423
erfüllt
wobei „Ns“ für irgendein pluralisiertes Nomen N steht. Dann sollte die Extension von N mindestens zwei Elemente enthalten, damit der Term (29) denotieren kann. Im Gegensatz zu dieser Existenzbedingung sind die Identitä tskriterien von (29) nicht ganz so einfach zu formulieren; dieser Punkt wird in Abschnitt 3 behandelt. Wir nehmen hier also erst einmal an, daß der Term (29) in seiner üblichen Bedeutung eine konkrete Kollektion von Objekten bezeichnet, wie auch immer diese Kollektion formal spezifiziert sein mag. Trotzdem bleibt uns der etwas unklare Status der generischen Verwendung von (29), der in den Beispielen immer wieder auftaucht. Im Rest dieses Abschnitts möchte ich einige Bemerkungen zu dieser Verwendung machen, indem ich sie mit dem indefiniten Fall vergleiche. Betrachten wir den Satz (30), (30) a. Ein Mitglied dieses Clubs trinkt keinen Alkohol. b. Mitglieder dieses Clubs trinken keinen Alkohol. c. Die Mitglieder dieses Clubs trinken keinen Alkohol. Wie Dahl (1975) zu Recht beobachtet, formuliert (30a) einen notwendigen Zusammenhang bezüglich eines gewissen modalen Standards (hier Club-Regeln) zwischen der Mitgliedschaft im Club und der Alkoholfreiheit. (30b) kann als synonym mit (30a) angesehen werden. Der Satz (30c) macht zwar dieselbe universelle Aussage, aber hier könnte es reiner Zufall sein, daß kein Clubmitglied Alkohol trinkt. Dieser Satz bezieht sich vorrangig auf die realen Clubmitglieder, wä hrend (30a, b) auch potentielle Mitglieder betreffen. In dieser Lesart ist der Satz keine generische Aussage über die Clubmitgliedschaft, auch wenn er immer noch etwas Generisches an sich hat, jedoch bezüglich einer anderen, der temporalen Dimension: er kann eine Gewohnheit ausdrücken, die kontingenterweise allen Clubmitgliedern zukommt; dieser Effekt ist aber unabhängig von der definiten PNP. Der deutlichste Unterschied zum indefiniten Fall zeigt sich bei sog. Artenprä dikaten wie aussterben. Definite NPn im Singular wie im Plural lassen eigentliche Artenprädikation (proper kind predication) zu, wä hrend dies zumindest für indefinite NPn im Singular nicht gilt:
(31) a. Die Dinosaurier sind ausgestorben. b. ?Dinosaurier sind ausgestorben. c. *Ein Dinosaurier ist ausgestorben. In (31 a) steht die definite PNP für eine Art (die Spezies der Dinosaurier); der Satz macht eine ‘historische’ und insofern nicht-generische Aussage über diese Spezies. Er hat damit eine andere Qualitä t als (32a), wo das Prä dikat ist ein Wiederkäuer eigentlich auf die Exemplare der Spezies Kuh und nicht auf die Art selbst zutrifft. In diesem Fall spricht man von abgeleiteter Objekt-Prädikation (derived object predication). Sie ist natürlicher mit dem BP oder einer indefiniten NP im Singular (cf. (32b, c)); der bestimmte Artikel in (32a) scheint eher marginal und nur aufgrund eines gewissen Vertrautheitseffekts zugelassen (im Englischen klingt er nicht gut, im Französischen wiederum ist er wegen des Verbots von BP notwendig). (32) a. Die Kühe sind Wiederkäuer. b. Kühe sind Wiederkäuer. c. Eine Kuh ist ein Wiederkäuer. Zum Problemkreis generischer Aussagen siehe Carlson (1982), Pelletier & Schubert (1987 a, 1987 b), Heyer (1987), Gerstner & Krifka (1987), Gerstner (1988) sowie Carlson & Pelletier (1991); dieser Sammelband enthä lt einen ausführlichen Forschungsbericht zum Thema. 2.3 Universell quantifizierte PNP; Quantoren-Floating Wie wir oben gesehen haben, können bereits definite PNP universell-quantifizierende Kraft besitzen. Worin liegt dann der Unterschied zwischen (21 a) und Sätzen wie in (33)? (33) a. Alle Soldaten starben. b. All die Soldaten starben. Bei distributiven Prädikaten wie sterben scheinen (21 a) und (33a) auf dasselbe hinauszulaufen. Bei kollektiver Prädikation wie in (34), (34) Die Soldaten widerstanden dem feindlichen Angriff. sind der Allsatz und sein Gegenstück mit der definiten PNP nicht mehr synonym (dies wurde bereits weiter oben festgestellt): hier ist nicht gesagt, daß alle Soldaten dem feindlichen Angriff widerstanden haben; einige mögen gefallen sein. Ein Unterschied besteht also darin, wie leicht der Satz eine kollektive Interpretation zulä ßt. In (33b) wird durch die Anwesenheit von all der Aspekt der Totalität betont: die Mitglieder einer kontextuell gegebenen Gruppe von Soldaten starben ohne
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VI. Nominalsemantik
Ausnahme. Dieser Totalit ä tsaspekt enth ä lt auch ein Skalen-Moment, wie durch das folgende literarische Beispiel deutlich wird: (35) All the king’s horses and all the king’s men cannot put Humpty Dumpty together again. Dieser Satz ist auch dadurch interessant, daß er ein Prä dikat (put together) enthä lt, welches bezüglich der Unterscheidung kollektiv vs. distributiv nicht markiert ist. Derartige Prä dikate sind gut geeignet, die hier in Frage kommenden Lesarten auseinanderzusortieren. Betrachten wir die Sä tze in (36) (in Klammern ist eine Bewertung der Dominanz der Lesarten angegeben). (36) a. b. c. d.
Alle Männer hoben den Tisch. (distr > koll) Die Männer hoben den Tisch. (koll > distr) Die Männer hoben alle den Tisch. (distr > koll) Die Männer hoben jeder den Tisch. (distr)
In (36c) und (36d) haben wir es mit einem gefloateten Quantor zu tun. Quantoren-Floating ist ein weitverbreitetes Phä nomen in Sprachen wie Englisch (vgl. Postal 1972) und Deutsch (vgl. Link 1974) und dient hauptsä chlich der Akzentuierung der Skopus-Beziehungen in einem Satz. Wir sehen hier, daß es auch bei der kollektiv/distributiv-Unterscheidung eine Rolle spielt. Ich gebe zwei weitere Beispiele. Aus (37) ist zu ersehen, daß der gefloatete Quantor alle im Unterschied zu jeder mit der kollektiven Lesart jedenfalls verträ glich ist, wenn diese durch ein Adjektiv wie gemeinsam erzwungen wird. In (38) schließlich haben wir Quantoren-Floating von einer Nicht-Subjekt NP, mit demselben Effekt der Betonung der distributiven Lesart. (37) a. b. (38) a. b.
Die Mieter strengten alle einen Prozeß gegen ihre Hausherren an. (distr > koll) Die Mieter strengten (alle/*jeder) einen gemeinsamen Prozeß gegen ihre Hausherren an. (koll) Der Vater verpaßte seinen ungezogenen Kindern eine gehörige Strafpredigt. (koll) Der Vater verpaßte seinen ungezogenen Kindern allen eine gehörige Strafpredigt. (distr > koll)
2.4 Numeralia und andere PluralQuantoren Es gibt eine große Anzahl weiterer pluralischer Quantoren, die alle auf die eine oder die andere Art dazu dienen, eine PNP quantitativ zu messen. Wir haben exakte Quantoren wie Zahlwörter (genau) zwei, drei, vier, ..., mindestens n, höchstens n; mathematische Quantoren wie endlich viele, unendlich viele; vage Quantoren wie ungefähr n, wenige, viele, eine Menge, die meisten. Die exakten Quantoren haben eine prä zise Bedeutung, die in naheliegender Weise semantisch erfaßt werden kann (Blau 1980, Barwise & Cooper 1981). Wä hrend ihre Semantik also klar ist, scheinen quantifizierte PNP nicht völlig in ihrer syntaktischen Struktur bestimmt zu sein. Zum Beispiel haben Numeralia auf der einen Seite einen quantifizierenden Effekt (cf. drei Männer trafen sich im Park); auf der anderen Seite scheinen sie sich wie Adjektive zu verhalten, also NP-Modifikatoren, die immer noch Raum für einen weiteren Determinator lassen (vgl. alle drei Äpfel vs alle roten Äpfel). Echte Quantoren lassen sich aber nicht hä ufen (vgl. *alle einige P); gleichwohl nehmen die Zahlwörter syntaktisch eine Sonderstellung ein, da sie vor den ‘gewöhnlichen’ Adjektiven stehen müssen (vgl. drei rote Äpfel vs *rote drei Äpfel). Ich schlage hier die folgende Lösung vor (Link 1987 d). Numeralia spielen im prä nominalen Bereich eine doppelte Rolle. Zunä chst gibt es eindeutige Hinweise darauf, daß sie als akjektivische Modifikatoren mit einer intersektiven Bedeutung auftreten. Betrachten wir das Satzpaar drei Männer stemmten das K lavier vs je drei Männer können das K lavier stemmen; wenn das Zahlwort drei wie ein Quantor mit eingebauter existentieller Kraft behandelt wird, so paßt das zwar auf den ersten Satz, aber die universelle (generische) Lesart des zweiten Satzes steht dem entgegen. Es gibt jedoch eine ziemlich natürliche Adjektiv-Analyse dieses Satzpaares: mit dem ersten wird ausgesagt, daß eine Gruppe von Mä nnern, die aus drei Individuen besteht, das Klavier stemmte, mit dem zweiten dagegen, daß jede beliebige Gruppe von Mä nnern, die aus drei Individuen besteht, in der Lage sein wird, das Klavier zu stemmen. Die intersektive Bedeutung von drei besteht also darin, daß die zugelassenen Mä nnergruppen mit solchen Gruppen von Objekten (mengentheoretisch) geschnitten werden, die aus drei Individuen bestehen. Das syntaktische Problem,
19. Plural
daß Zahlwörter und normale Adjektive nicht beliebig angeordnet werden können, lä ßt sich durch die Einführung eines extra Knotens NUM für Numeralia lösen. Damit bleibt uns allerdings der folgende problematische Fall. (39) a. Alle drei Männer verließen den Raum. b. Die drei Männer verließen den Raum. Wenn drei ausschließlich ein Adjektiv wä re, semantisch gesprochen also auf Nomina (hier Männer) operieren würde, um eine Menge von Mä nner-Gruppen zu erzeugen, die alle aus drei Individuen bestehen, dann sollte (39a) eine universelle Quantifikation über diese Dreiergruppen beinhalten. Aber der Satz bedeutet natürlich, daß alle Mä nner den Raum verließen, wobei außerdem mitgeteilt wird, daß es drei waren. Dasselbe kann für (39b) gesagt werden: es gibt eine eindeutig bestimmte Gruppe von Mä nnern, die den Raum verließen; dieser Bedeutungsanteil, den der bestimmte Artikel beisteuert, wird durch das Zahlwort in nicht-restriktiver Weise numerisch spezifiziert. Dies legt eine doppelte Behandlung der Numeralia nahe, einmal als adjektivische Modifikatoren mit einem eigenen NUM-Knoten, das andere Mal als numerische Spezifizierungen des Quantors oder Artikels. Diese Doppelrolle wird in Sä tzen wie (40a) und (40b) deutlich, die bis auf ihre Redundanz akzeptabel sind. Die numerische Spezifikation des Quantors, die den Charakter einer Nebeninformation oder Prä supposition besitzt, muß sich natürlich mit der Information aus dem Nomen vertragen, sonst wird der Satz ungrammatisch; siehe (40c, d). (40) a. Alle sieben der sieben Astronauten gaben ihre Zustimmung. b. Alle fünf von den Fünflingen überlebten. c. *Alle drei der sieben Astronauten gaben ihre Zustimmung. d. *Alle drei von den Fünflingen überlebten. Die semantische Analyse von vagen Quantoren ist weniger offensichtlich. Betrachten wir den Satz (41 a), (41) a. Viele Studenten an diesem Seminar studieren Hegels „Logik“. Der vage Quantor viele verlangt nach einer Bezugsgruppe oder einem relevanten Standard, in Bezug auf den seine Bedeutung („eine große Anzahl“) zu interpretieren ist. Dieser
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Standard kann zum Beispiel sein: (i) die reine Größe der durch das zugehörige Pluralnomen bezeichneten Gruppe (hier: die Studenten an diesem Seminar; wenn es etwa hundert sind, dann sind 80 Studenten viele); (ii) der Charakter des Pluralnomens oder des Prä dikats (weiß man etwa, daß es sich um ein Seminar für moderne Logik handelt, oder aber, daß Hegels „Logik“ unter den heutigen Studenten wenig populä r ist, dann sind 10 von 100 Studenten viele); (iii) externe Information wie die Anzahl der Hegel-Studenten im letzten Jahr, in anderen Universitäten oder Ländern, etc. Wä hrend die Bedeutung dieser Quantoren also vage und in hohem Maße kontextabhä ngig ist, gibt es gewisse feste Bedeutungsbeziehungen zwischen ihnen. Altham (1971) gibt die folgenden Äquivalenzen an: (42) a. viele = nicht wenige = nicht fast alle nicht b. nicht viele = wenige = fast alle nicht c. nicht viele nicht = wenige nicht = fast alle Aber selbst diese Beziehungen bedürfen nä herer Erlä uterungen. Die erste Gleichheit in jeder Zeile setzt eine klassische (‘schwache’) Auffassung der Negation voraus; und die zweite Gleichheit stimmt nur in der rein quantitativen Lesart von wenige. Die wichtigste formale Konsequenz, die aus einer adä quaten Behandlung der vagen Quantoren zu ziehen ist, ist die Einsicht, daß der Quantor und sein Nomen als Einheit zu behandeln sind. Dies ist der Grund, warum Barwise & Cooper (1981) die gesamte quantifizierte NP „Quantor“ nennen. Dieser einflußreiche Aufsatz ist eine der Hauptquellen für vage Quantoren, eine andere ist Blau (1980); siehe auch Verkuyl (1981) und Hörmann (1983). Für den gesamten Abschnitt 2.4 ist ferner die Literatur zur Theorie der Generalisierten Quantoren einschlägig, die in der Linguistik von Barwise & Cooper (1981) ihren Ausgang nahm; siehe Gä rdenfors (1987) und die dortige Bibliographie (darin vor allem die Arbeiten von J. van Benthem und von D. Westerståhl) sowie Westerståhl (1989). 2.5 Partitiv-Konstruktionen Im Deutschen haben Partitiv-Konstruktionen entweder die Gestalt Determinator + von + NP oder Determinator + NPGenetiv (einer von den Anwesenden, einer der Anwesenden); im Englischen lautet die Konstruktion Determinator + of + NP, z. B. some of the men. Der semantische Unterschied zu den rein quantifizierenden NP wie einige Männer kann wie
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folgt beschrieben werden: (i) eine spezifische Gesamtheit von Objekten, die in der in Rede stehenden Situation vorhanden ist, wird von der Genetiv-NP oder der NP hinter dem von herausgegriffen (diese NP möge Kern-NP und die Gesamtheit selbst Kern heißen); (ii) der Determinator sondert daraufhin einen geeigneten Teil dieser Gesamtheit aus. Daraus ergibt sich, daß die Kern-NP definit zu sein hat (vgl. *einige aller Männer, *alle weniger Bücher); dies ist der sog. partitive constraint (Ladusaw 1982). Ferner sei angemerkt, daß auch bei pluralischen (d. h. mit Individualnomina gebildeten) Kern-NPn nicht-diskrete PartitivDeterminatoren auftreten können (vgl. die Hälfte, ein großer Teil, das meiste von diesen Büchern ist Ausschuß). Daher sollte eine semantische Reprä sentation des Partitivs ein passendes Kern-Objekt sowie eine auf dem Kern operierende Teil-Ganzes-Relation zur Verfügung stellen. Diese beiden Stücke werden übrigens auch in solchen Konstruktionen gebraucht, in denen der Determinator (oder Quantor) gefloatet ist; so ist die Ähnlichkeit zwischen den folgenden beiden Sä tzen auffallend. (43) a. (Alle / viele / die Mehrzahl) von den Studenten schlossen sich der Friedensbewegung an. (Partitiv) b. Die Studenten schlossen sich (alle / in großen Zahlen / mehrheitlich) der Friedensbewegung an. (QuantorenFloating) Im Deutschen ist in manchen Floating-Konstruktionen der Partitiv noch sichtbar, wie die folgenden Beispiele zeigen. (44) a. Die Mieter strengten (alle / jeder) einen Prozeß an. b. Von den Mietern (strengten alle / strengte jeder) einen Prozeß an. Mit der hier vorgestellten Konzeption des Partitivs lä ßt sich übrigens auch ein sonst nicht erklä rbarer Unterschied zwischen dem englischen both und the two behandeln, wie Ladusaw (1982) festgestellt hat. So kann man sagen one of the two, aber nicht *one of both. Der Grund liegt darin, daß der streng distributive Quantor both nicht für ein Kern-Objekt stehen kann, von dem man geeignete Teile nehmen könnte. Mit anderen Worten, im Gegensatz zu both individuiert der Anzahlquantor the two eine Gruppe. 2.6 Koordinierte konjunktive NPStrukturen
VI. Nominalsemantik
Plural-Strukturen ergeben sich auch bei der Konjunktion von Nominalphrasen. Betrachten wir die folgenden Sätze. (45) a. Georg und Martha schlafen. b. Georg und Martha treffen sich. c. Georg und Martha haben geheiratet. d. Georg und Martha sind Mann und Frau. e. Ein Junge und ein Mädchen spielten im Hof. f. Die Meiers und die Müllers trafen sich. g. Drei Männer und vier Frauen kamen zusammen. h. Eine Reihe Männer und einige wenige Frauen versammelten sich. (45a) ist gleichbedeutend mit dem Satz Georg schläft und Martha schläft. Das kollektive Verb sich treffen erlaubt eine solche Paraphrase jedoch nicht, ebensowenig wie heiraten, wenn dies in (45c) im Sinne von einander heiraten verstanden wird. (45d) ist noch ein wenig komplizierter; wä hrend in (45a—c) die NP Georg und Martha ohne Einfluß auf den Wahrheitswert durch Martha und Georg ersetzt werden kann, spielt hier sogar die Reihenfolge der Konjunkte eine Rolle. Der Rest der Beispiele zeigt, daß die Konjunktion von Satzkonstituenten nicht nur auf Namen in der Rolle von NPn angewendet werden kann, sondern auch auf volle NPn. Dies ist jedoch gewissen Einschrä nkungen unterworfen; so bekommt man etwa nicht *Hans und keine Frau, *wenige Frauen und einige Männer (können [kollektiv] das K lavier heben), *zwei Bratschen und wenige Geigen (spielten im Takt). Barwise & Cooper (1981: 194 ff) geben eine Erklä rung für dieses Verhalten. Wenn NPn als generalisierte Quantoren interpretiert werden, dann stellt sich heraus, daß nur solche NPn in einer Konjunktion verbunden werden können, die sich „monoton“ in derselben Richtung verhalten, entweder beide monoton steigend oder monoton fallend (für den technischen Begriff der Monotonizitä t siehe Barwise & Cooper). 2.7 Kollektive Nomina, Prädikate und Adverbien Es gibt eine Anzahl von Individualnomina in der Einzahl, die eine pluralische Bedeutung besitzen; wie PNPn stehen sie für identifizierbare Gruppen-Objekte. Beispiele im Deutschen sind Paar, Duo, Trio, Gruppe, Menge,
19. Plural
Volk, Mannschaft, Vieh, Gremium, K ommission, Versammlung, Aufsichtsrat. Entsprechend dazu gibt es viele kollektive Prä dikate, die nur solche NPn zulassen, die entweder eine Pluralitä t ausdrücken (wie PNPn, kollektive Nomina, koordinierte konjunktive NPn) oder eine homogene Vielheit (Massenausdrücke): zahlreich vertreten sein, zahlreich erscheinen, (sich) ähnlich sein, sich gleichen, parallel sein, K lassenkameraden sein, gut gemischt sein, sich treffen, sich versammeln, sich vereinigen, paarweise antreten, sich trennen, auseinandergehen, auseinanderstieben, ausschwärmen, sich zerstreuen, umgeben, umzingeln, sich teilen, aneinandergeraten, und viele mehr. Die verschiedenen Kategorien des semantischen Plurals passen jedoch nicht in gleichem Maße zu allen hier aufgeführten Prädikaten: (46) a. Die Gäste waren zahlreich erschienen. b. *Hans, Max und Peter waren zahlreich erschienen. c. Hans, Max und Peter gerieten aneinander. d. ?Das Ganstertrio geriet aneinander. Normale distributive Verben werden durch Hinzufügung kollektiver Adverbien zu kollektiven Prä dikaten; Beispiele für solche Adverbien sind zusammen, gleichzeitig, einstimmig, massenhaft, im Chor. Man beachte den Bedeutungsunterschied zwischen zusammen und insgesamt: das erste Adverb erzeugt, wie gesagt, echte kollektive Prä dikate, wä hrend das zweite zu einer weiteren, der sog. kumulativen Lesart führt (siehe Abschnitt 2.9). Das Adverb einander schließlich erzeugt reziproke Konstruktionen, die ebenfalls zu den kollektiven Prä dikaten gerechnet werden können (siehe Abschnitt 2.10). 2.8 Distributive vs. kollektive Prädikation Betrachten wir noch einmal die S ä tze (47) a. Die Soldaten schliefen. b. Die Soldaten versammelten sich. c. Jeder Soldat schlief. Im Gegensatz zu (47b) enthä lt der Satz (47a) eine unwesentliche Verwendung der PNP, da er ohne weiteres durch den singularischen Allsatz (47c) paraphrasierbar ist. Eine Möglichkeit, diesen Fall zu behandeln, wä re die Annahme einer systematischen Ambiguitä t in der NP die Soldaten. Der Unterschied zwischen (47a) und (47b) ist jedoch besser im Prä dikat zu suchen, wobei als Auslöser gerade der Gegensatz zwischen distributiven und kol-
427
lektiven Prä dikaten zu nennen ist. Danach steht die NP die Soldaten stets für die Gruppe der Soldaten, von der im gegebenen Kontext die Rede ist. Die Ambiguitä t ist damit in die VP verlagert, was unter anderem den Vorteil hat, daß Sä tze mit einer einzigen PNP und einer aus einem kollektiven und einem distributiven Prä dikat kombinierten VP (wie die Beatles trennten sich und starteten (jeder) eine Solo-Karriere) kein Problem darstellen: semantisch ist von ein und demselben Objekt (der Gruppe der Beatles) die Rede, die erst lokal bei den zwei verschiedenen Prä dikatKonjunkten differenziert zu behandeln ist. Wie das zu geschehen hat, ist im Fall der kollektiven Prä dikate wie in (47b) klar: sich versammeln ist einfach eine Eigenschaft dieses Gruppenobjekts. Weniger offensichtlich ist eine Antwort auf die Frage, ob auch distributive Prä dikate wie schlafen auf eine ganze Gruppe von Objekten zutreffen können. Zumindest in einem abgeleiteten Sinn scheint nichts dagegen zu sprechen; die formale Semantik fordert hier jedoch eine prä zise Entscheidung. Nehmen wir an, die vorliegende Gruppe bestehe aus drei Soldaten a, b und c; was soll dann alles zur Extension von schlafen in (47a) zä hlen? Neben den einzelnen Objekten a, b und c könnte man ja ‘redundanterweise’ auch die ganze Gruppe zur Extension hinzunehmen. Eine solche Entscheidung würde jedoch zu unhaltbaren Konsequenzen führen, wie das folgende Beispiel zeigt. (48) Die Soldaten erhielten hundert Mark. Wäre in unserem Modell neben den einzelnen Soldaten auch die Gruppe in der Extension von erhielten hundert Mark, so müßte die Zahlstelle nicht 300 Mark, sondern 400 Mark, und wenn man die möglichen Zweiergruppen noch dazutut, sogar 700 Mark auszahlen! Wir kommen daher nicht umhin, den unwesentlichen Gebrauch von PNPn mit distributiven Prä dikaten formal explizit zu machen. Neben dem distributiven Prä dikat schlafen sei ein abgeleitetes Prä dikat *schlafen eingeführt, welches auch auf Gruppenobjekte zutrifft, und zwar (i) auf alle Personen, die (im gegebenen Kontext) schlafen, sowie (ii) auf alle Gruppen von Objekten, die aus diesen schlafenden Personen gebildet werden können; im obigen Modell besteht damit die Extension von *schlafen aus a, b, c, {a, b}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}(hier wurden die Gruppenobjekte der Einfachkeit halber durch Mengen reprä sentiert, was aber keine systematische Bedeutung hat; zum Problem der Reprä sentation oder Modellierung dieser Objekte siehe Abschnitt
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3). Der Satz (47a) ist damit so zu interpretieren, daß die Gruppe der Soldaten in der Extension von *schlafen liegt, d. h. aus Elementen aufgebaut ist, die in der Extension von schlafen liegen. Das heißt aber soviel wie daß jeder Soldat schlä ft, woraus sich die Wahrheit von (47c) ergibt. Der kritische Fall (48) kann nun ganz analog behandelt werden: die Gruppe der Soldaten liegt in der Extension von *(erhielten hundert Mark), d. h. ist aufgebaut aus Elementen, die in der Extension von erhielten hundert Mark liegen. Also erhä lt jeder Soldat gerade hundert Mark, und die Zahlstelle zahlt insgesamt 300 Mark und nicht mehr, wie es sein muß. Es gibt nun eine große offene Klasse von Prä dikaten (zu der auch schon erhielten hundert Mark zu rechnen ist), die nicht nach ihrer Zugehörigkeit zu den distributiven bzw. kollektiven Prä dikaten markiert sind, sondern vielmehr beide Interpretationen zulassen. Betrachten wir (49) a. Drei Männer hoben das Klavier. b. Drei Männer hoben ein Klavier. Der erste Satz hat zwei Lesarten: er bezieht sich entweder auf einen einzigen Akt des Klavierhebens (kollektive Lesart) oder auf drei getrennte Handlungen, von denen jede ein Klavierheben darstellt (distributive Lesart). Wieviele Lesarten besitzt (49b)? Man stellt fest, daß der Satz skopussensitiv ist, was prima facie seltsam ist, da bei der Kombination zweier indefiniter NPn keine SkopusUnterschiede auftreten sollten (vgl. ein Mann sah eine Frau, was nur eine Lesart hat). Es ist bemerkenswert, daß indefinite Plural-NPn in der Tat Skopus-Unterschiede erzeugen. Wir erhalten damit für (49b) vier Lesarten (enger und weiter Skopus zusä tzlich zu der kollektiv/ distributiv-Unterscheidung), von denen allerdings zwei zusammenfallen; die verbleibenden drei Lesarten lauten: (i) es gibt eine Gruppe x von drei Mä nnern und ein Klavier y so daß x hob y (ein Heben, ein gehobenes Klavier); (ii) es gibt eine Gruppe x von drei Mä nnern, von denen jeder ein Klavier hob (drei Akte des Hebens, ≤ 3 gehobene Klaviere); (iii) es gibt ein Klavier y und eine Gruppe x von drei Mä nnern, von denen jeder y hob (drei Akte des Hebens, ein gehobenes Klavier). Hieraus ergibt sich nebenbei, daß es nicht ausreicht, zum Auffinden der verschiedenen Lesarten einfach die Anzahl der gehobenen Klaviere zu zä hlen; a fortiori kann eine Aussage über die Gesamtzahl der gehobenen Klaviere nicht als logische Form für (49b) hergenommen
VI. Nominalsemantik
werden, wie dies zuweilen vorgeschlagen wurde. Dieses Vorgehen ist auch aus systematischen Gründen inadä quat: eine numerische Aussage kann bestenfalls aus einer Behauptung wie (49b) gefolgert werden, ist jedoch schwerlich mit dieser synonym zu nennen. Eine formale Darstellung von (49) muß erkennen lassen, ob das Prä dikat distributiv zu verstehen ist oder nicht. Zu diesem Zweck sei ein Distributivitä tsoperator ‘D’ auf Prä dikaten eingeführt, der neue Prä dikate erzeugt, welche unterschiedslos auf Gruppen und normale Individuen anwendbar ist. Eine Gruppe von Objekten ist dann in der Extension von Dheben, wenn alle Individuen in der Extension von heben sind, d. h. wenn jedes einzelne Mitglied der Gruppe den Akt des Hebens ausführt. Fehlt dagegen der Operator vor dem Prä dikat heben, so ist die kollektive Lesart gemeint. Sobald wir es mit Gruppen zu tun haben, stellt sich das Problem einer möglichen Stufung der Gruppenbildung. Betrachten wir noch einmal den Satz (45 f), der hier als (50) wiederholt sei. (50) Die Meiers und die Müllers trafen sich. In einer Lesart zumindest bedeutet dieser Satz, daß sich die beiden Familien trafen, was nicht notwendig dasselbe ist wie wenn sich alle Mitglieder der beiden Familien versammeln. Stellen wir uns ferner ein rotes und ein blaues Kartenspiel vor, die auf dem Tisch liegen. Wenn wir sagen, (51) Die roten Karten und die blauen Karten sind gemischt, dann bedeutet das nicht, daß die roten und die blauen Karten alle untereinander vermischt wurden. In jedem Fall sind jedoch die folgenden beiden Sätze wahr: (52) a. Die Kartenspiele liegen auf dem Tisch. b. Die Karten der beiden Kartenspiele liegen auf dem Tisch. Man sieht also, daß kollektive Prä dikate auf die Bildung einer mittleren Ebene der Gruppenbildung ansprechen können (wie bei trafen sich, sind gemischt) oder auch nicht (wie bei auf dem Tisch liegen). In Link (1983) werden die letzteren Prä dikate invariant genannt. Das Ebenenproblem wird hier wie folgt behandelt: eine eigene Zwischenebene wird in die formale Semantik als gesondertes formales Objekt eingeführt, und ein Bedeutungspostulat für invariante Prä dikate besagt, daß diese gerade
19. Plural
die Zwischenebene ‘ignorieren’. Eine Iteration von Gruppenbildungsebenen scheint in der Sprache nicht realisiert zu sein, d. h. es gibt keine Prä dikate, die Gruppen von Gruppen, Gruppen von Gruppen von Gruppen, usw. auseinanderhalten. Es gibt noch eine andere Lesart von (50), in der die Meiers sich an einem Ort und die Müllers sich an einem anderen Ort trafen. In diesem Fall müssen wir die beiden Familien als gesonderte Objekte auf der Zwischenebene ‘abschließen’ und von der Kollektion (oder der „Summe“, wie wir das weiter unten nennen werden) dieser zwei Familien sagen, daß sie in der Extension von *sich-treffen liege; das führt dann dazu, daß jede Familie für sich genommen in der Extension von sichtreffen liegt, d. h. daß die Familien sich getrennt trafen. In (50) sind die relevanten Untergruppen syntaktisch klar markiert. Scha (1981) behauptet, daß es auch in Sätzen wie (53) Six boys gather eine weitere, bisher nicht erfaßte Lesart gebe, die etwa von einem Modell erfüllt werde, in dem es drei Gruppen mit je zwei Jungen gebe, die sich an verschiedenen Orten treffen, oder auch von einem Modell, in dem sich vier Jungen an einer Stelle und der Rest woanders trifft. Scha will damit sagen, daß die Gesamtgruppe in eine Partition von Untergruppen zu zerlegen ist, die sich alle an (möglicherweise) verschiedenen Orten treffen, eine Vorstellung, die im folgenden Satz sogar natürlich erscheint: (54) Eine halbe Million Leute versammelten sich im ganzen Land. Man beachte, daß die bisherige kollektive Lesart einen Spezialfall der jetzt betrachteten darstellt (wenn nä mlich die Partition nur aus einem einzigen Element, der ganzen Gruppe, besteht). Man könnte somit eine Dreiteilung einführen und neben der distributiven und kollektiven noch eine partitionelle Lesart unterscheiden. Es scheint jedoch aus methodologischen Gründen vernünftiger zu sein, die letztgenannten Lesarten nicht wirklich zu differenzieren, sondern sie als pragmatische Varianten (Modelle) ein und derselben Lesart anzusehen. Nehmen wir das Verb sich versammeln: mit diesem Prä dikat lä ßt sich in wechselnden Kontexten ein kontinuierlicher Übergang von der einen zur anderen ‘Lesart’ vollziehen (wie weit voneinander müssen die Treffpunkte entfernt sein, damit sich verschie-
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dene Treffen ergeben?): (55) Eine halbe Million Leute trafen sich in Deutschland / in Bayern / in München / auf der Oktoberwiese / im Olympiastadion (?) / auf dem Marienplatz (??) / in der bayerischen Staatskanzlei (pragmatischer Stern). 2.9 Relationale Plural-Sätze Bisher haben wir lediglich Sä tze mit einer PNP betrachtet. Zu den interessantesten Fä llen von Pluralitä t zä hlen jedoch zweistellige Prä dikate mit PNPn an beiden Argumentstellen. Solche Konstruktionen wurden in der Literatur Elementary Plural (Relational) Sentences (EPRS; Langendoen 1978, de Mey 1984) oder Dependent Plurals genannt. Ich schlage den Ausdruck relationaler Plural (RP) vor. Wir wollen uns dazu die folgenden Beispiele ansehen. (57) a. Einhörner haben Hörner. b. Biber bauen Dämme. c. Pferde haben vier Beine. d. Antilopen versammeln sich an Wasserstellen. (58) a. Die Quadrate enthalten die Kreise.
b. Die Seiten des Rechtecks 1 verlaufen parallel zu den Seiten des Rechtecks 2. c. Die Seiten des Rechtecks 1 kreuzen die Seiten des Rechtecks 2.
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(56) a. Vier Männer hoben drei Tische. b. 300 holländische Firmen besitzen 5000 amerikanische Computer. c. Die Frauen kochten für die Gefangenen. d. Die Mieter hassen die Hausherren. Im letzten Abschnitt sahen wir, daß eine indefinite PNP im Prinzip bereits vier Lesarten erzeugen kann; eine zweite PNP wie in (56a, b) erhöht damit die Anzahl auf acht. Zwei davon fallen wieder zusammen, wie sich herausstellt; die verbleibenden sieben Lesarten für (56a) sind in Abb. 19.3 auf anschauliche Weise zusammengestellt. ‘CC’ steht dabei für die doppelt kollektive, ‘DD’ für die doppelt distributive Lesart, ‘CD’ für die im Subjekt kollektive und im Objekt distributive sowie ‘DC’ für die im Subjekt distributive und im Objekt kollektive Lesart.
Abb. 19.3:Die 7 Lesarten von (56a): Vier Männer hoben drei Tische
Die in Abschnitt 4.7 angegebenen logischen
VI. Nominalsemantik
Formen geben genau die hier dargestellten Verhä ltnisse wieder. Dazu war es nötig, den D-Operator nicht nur auf elementare Prä dikate wie heben anzuwenden, sondern auf ganze VPn bzw. Lambda-Ausdrücke als ihre logischen Gegenstücke. Eine Besonderheit im Zusammenhang mit (56a) sei noch erwä hnt. Wenn die Zahlwörter in den beiden PNPn zufä llig übereinstimmen, ergibt sich eine bijektive Lesart, die sich von allen anderen unterscheidet. Der Satz (59) Vier Männer hoben vier Tische bedeutet vorrangig, daß wir es mit vier Mä nnern und mit vier Tischen zu tun haben derart, daß jeder Mann gerade einen Tisch hob (bijektive Beziehung). Dieses Beispiel scheint seinerseits ein Spezialfall von einer weiteren Lesart zu sein, die in (56b) realisiert ist und auf die Scha (1981) aufmerksam gemacht hat. In dieser kumulativen Lesart geht es nur um die Gesamtzahl der Individuen auf beiden Seiten der Relation; wieviele Beziehungen im einzelnen vorliegen, das spielt keine Rolle. Im Fall von (56b) bedeutet das etwa, daß die Gesamtzahl der hollä ndischen Firmen mit einem amerikanischen Computer 300 ist, und daß diese Firmen insgesamt 5000 amerikanische Computer besitzen. Die Besitzverhä ltnisse mögen dabei im einzelnen aussehen wie sie wollen, solange die Kardinalitä t des Vorbereichs 300 und die des Nachbereichs 5000 ist (man sieht, daß (59) der Spezialfall der kumulativen Lesart darstellt, in dem zwischen Vor- und Nachbereich eine bijektive Beziehung besteht). Erneut stellt sich die Frage, ob die kumulative Lesart nicht besser auch unter die (doppelt) kollektive CC zu subsumieren sei. Das liefe jedoch auf eine systematische Ungenauigkeit in bezug auf die gegebene Relation hinaus. Eine genuin kollektive Interpretation von (56b) etwa würde bedeuten, daß die 5000 amerikanischen Computer gemeinschaftlicher Besitz der 300 hollä ndischen Firmen wä ren; dies ist aber natürlich nicht intendiert. Die kumulative Lesart relationaler Pluralia stellt insofern in der Tat eine unabhä ngige Konstruktion dar, als Subjekt- wie Objektphrase gewissermaßen beide thematisch sind: sie stellen autonom referierende Ausdrücke (Keenan) dar, was man daran sehen kann, daß die in ihnen auftretenden Zahlwörter absolut zu nehmende Größenangaben machen (die Objektphrase einen Tisch in drei Männer hoben einen Tisch referiert im Gegensatz dazu nicht
19. Plural
autonom, da die Zahlangabe (= ein) nicht ausreicht, um etwas über die Anzahl der beteiligten Tische zu sagen). Betrachten wir als nä chstes den Satz (56c); er enthä lt zwei definite PNPn, so daß keine Skopusambiguitä t entsteht. Wir bekommen daher die vier Lesarten CC, CD, DC und DD. Der Satz (56d) ist ein wenig komplexer. In der naheliegenden Interpretation haßt jeder Mieter (nur) seinen eigenen Hausherrn (kein allgemeiner ‘Klassenkampf’). Diese Lesart kann leicht formalisiert werden; Schwierigkeiten bereitet dagegen die Angabe eines genauen Übersetzungsalgorithmus, der die gruppen-denotierenden PNPn geeignet ‘auseinandernimmt’, so daß die funktionale Beziehung zwischen den einzelnen Mietern und ihren Hausherren zum Vorschein kommt. Ich werde hier keinen Vorschlag für eine derartige Übersetzung machen; zuviele Annahmen über die Gesamtgestalt einer logisch fundierten Grammatik kä men ins Spiel, die derzeit kaum endgültig geklärt sind. Unter (57) wurden einige wichtige relationale Pluralkonstruktionen angeführt, die generische Sätze darstellen. Generizitä t ist ein eigenes Thema für sich, zu dem eine wachsende Literatur existiert, auf die im Abschnitt 2.1 schon verwiesen wurde. Hier möge es genügen, die Beobachtung festzuhalten, daß in generischen Kontexten die NumerusDistinktion semantisch neutralisiert wird, so daß es sich bei der pluralischen Form generischer Sä tze nicht wirklich um ein Pluralphä nomen handelt. Wir verzichten daher auch auf eine Formalisierung der Sätze in (57). Wir kommen nun zu den interessanten Beispielen unter (58), welche von Scha (1981) entdeckt und zuerst analysiert wurden. Sie scheinen zunä chst jeden formalen Ansatz zu ruinieren, nach dem im wesentlichen die Gestalt der NPn die quantifikationelle Struktur eines Satzes bestimmen. Bezeichnen wir die Variable für die Subjekt-Individuen mit x, die für die Objekt-Individuen mit y. Dann hat (58a) die Quantoren-Struktur ∀y∃x; (58b): [∀x∃y & ∀y∃x]; (58c): ∃x∃y. Das Verb wird in allen drei Fä llen gleichwohl von zwei definiten PNPn flankiert. Damit stellen diese Sä tze prima facie Gegenbeispiele zu der Behauptung dar, daß die Quantorenstruktur durch die Grupen/∀-Ambiguitä t bei definiten PNPn festgelegt wird (Hausser 1974, Bennett 1975); diese Analyse sagt im vorliegenden Fall gleichförmig eine ∀x∀y-Struktur voraus. Auch Langendoens Vorschlag, der die Struktur in (58b) favorisiert (Langendoen 1978),
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kann nicht ohne Modifikationen aufrechterhalten werden. Scha selbst nimmt Zuflucht zu geeigneten Bedeutungspostulaten für die drei beteiligten Verben; vgl. Scha (1981: 497). Das ist ein Hinweis darauf, daß die definiten PNPn für sich genommen doch nicht für die „erratischen“ Quantorenstrukturen verantwortlich gemacht werden können; deren Quelle liegt vielmehr in den auftretenden Prä dikaten. In der Tat sind alle drei Beispiele einem ziemlich mathematischen Kontext entnommen. Je technischer aber der verwendete Relationsausdruck, desto prä ziser ist die damit verbundene Quantorenstruktur. Das Prä dikat parallel verlaufen ist der klarste Fall: es bezeichnet eine zweistellige Relation, die sowohl links- als auch rechtstotal ist, daher die Struktur [∀x∃y & ∀y∃x]. Im Prinzip verhä lt es sich mit enthalten genauso; hier ist aber bereits der Kontext genügend unscharf, daß eine Vagheit in der Subjektposition zugelassen wird. Die Betonung liegt lediglich auf „keine Gegenbeispiele im Nachbereich der Relation“; das heißt aber soviel wie ﹁ ∃y∀x ﹁ oder ∀y∃x, was einfach Rechtstotalitä t bedeutet. Wird das Beispiel variiert, ist noch nicht einmal das notwendig: der Satz (60) Die Montagues hassen die Capulets ist wahr, so wie die Geschichte erzä hlt wird, auch wenn wir annehmen, daß Romeo und Julia beschlossen haben, ihrem Haß auf die jeweils andere Familie zu entsagen. Ähnliche Überlegungen lassen sich zu Schas drittem Beispiel anstellen: das Bedeutungspostulat ∃x∃y für kreuzen scheint beinahe nur auf den vorliegenden Fall mit den Rechtecken zu passen; man würde nä mlich wohl kaum den folgenden Satz über Amerika für wahr halten, nur weil sich irgendwo im Mittelwesten ein Highway mit einem Bahnstrang kreuzt. (61) In Amerika kreuzen die Highways die Eisenbahnschienen. Welche Schlußfolgerung soll man aus derlei Betrachtungen ziehen? Die Diskussion dürfte wohl gezeigt haben, daß die hergebrachte semantische Technik der Bedeutungspostulate ein viel zu rigides Mittel sind, um all die pragmatischen und situationsbedingten Bedeutungsnuancen erfassen zu können. Der Semantiker sollte sich an die invarianten Bedeutungskomponenten halten. Dazu zä hlt etwa die distributiv/kollektiv-Unterscheidung, die bei zwei PNPn zu den vier Lesarten CC, CD, DC, DD führt. Einige davon werden möglicherweise durch den Kontext oder die vorliegende Relation ausgeschlossen; wenn wir in
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(56c) etwa das Verb kochen-für durch das achievement-Verb freilassen ersetzen, so ist die Interpretation DD schwerlich zu realisieren: (62) Die Frauen ließen die Gefangenen frei. Was nun Schas Beispiele angeht, so sind sie am besten unter die doppelt kollektive Lesart CC zu subsumieren. Es verhä lt sich nicht so, daß die relationalen PNP-Konstruktionen stä ndig ihre ‘Bedeutung’ verä ndern; die Interpretation CC äl ßt vielmehr genügend Raum für die verschiedenen Quantorenstrukturen, die sich aufgrund des speziellen Prä dikats und des speziellen Kontexts ergeben mögen. Wie auch in anderen Bereichen wird hier deutlich, daß die Interpretation eines Satzes durch die reine Bedeutung (die kontextunabhä ngige Semantik) unterbestimmt ist. Auf diese Weise lassen sich die scheinbaren Gegenbeispiele in eine geeignete Perspektive bringen. 2.10 Reziproke Konstruktionen und das englische respectively Es gibt eine ausgedehnte Literatur, vor allem in der generativen Syntax, zu den reziproken Konstruktionen. Weil sie eine systematische Beziehung zu den Pluralia haben, seien sie hier kurz diskutiert. Die folgenden Sä tze sind typische Beispiele. (63) a. Georg und Martha hassen einander. b. Die Professoren hassen einander. c. Die See-Elefanten lagen aufeinander. d. ?Der Ausschuß haßt einander/sich. e. The committee ?hates/hate each other. f. Die Meiers und die Müllers hassen einander. g. ?Blücher und Wellington und Napoleon kämpften in Waterloo gegeneinander. h. George und Martha expect each other to win. (63a) und (63b) bedeuten, daß innerhalb der durch die Subjektphrase bezeichneten Gruppe eine wechselseitige Haßbeziehung besteht, wobei auf jeden Fall ‘Selbsthaß’ ausgeschlossen ist (disjunkte Referenz, engl. disjoint reference). Also haßt nach (63a) Georg Martha und umgekehrt, und in (63b) gehören alle Paare von Professoren zu der Relation hassen, mit Ausnahme der „Diagonalpaare“. Es liegt also nahe, einander als einen VP-Operator aufzufassen, der kollektive Prä dikate erzeugt, und der über die Quantorenstruktur ‘∀x∀y [x ≠ y →’ mit Hilfe des Ausgangsprä dikats
VI. Nominalsemantik
definierbar ist. Doch schon in (63b) stellt sich Vagheit ein: der Satz kann wahr sein, ohne daß alle Paare von zwei Professoren in der gegebenen Relation stehen. In (63c) ist dies sogar vom Weltwissen her ausgeschlossen (hier zeigt sich also wieder die Begrenztheit von Bedeutungspostulaten). Disjunkte Referenz mit gruppen-denotierenden Nomina wie Ausschuß scheint im Deutschen kaum möglich (63d), wä hrend sich im Englischen die Semantik gegenüber der Syntax leichter durchsetzt, insbesondere bei Plural-agreement im Verb (63e). Der nä chste Satz (63 f) ist wie (60) in der Lesart „Haß zwischen den Familien“; analysieren wir einander-hassen als einstelliges kollektives Prä dikat wie oben angedeutet, so sind die beiden Familien als Untergruppen ‘abzuschließen’, bevor das Bedeutungspostulat für einander zum Tragen kommt; andernfalls würde sich auch eine Haßbeziehung innerhalb der Familien ergeben. Eine mittlere Gruppenbildungsebene wird auch in (63g) benötigt, wenn der Satz die geschichtlichen Fakten wiedergeben soll (d. h. Blücher und Wellington gegen Napoleon); es ist allerdings zweifelhaft, ob der Satz diese Bedeutung annehmen kann. Der letzte Satz (63h) schließlich soll nur darauf verweisen, daß die disjunkte Referenz im Englischen eine viel flexiblere syntaktische Konstruktion darstellt als im Deutschen; zu den each-other-Konstruktionen siehe z. B. Dougherty (1974), Fiengo & Lasnik (1973) und Higginbotham (1980) mit den jeweils dort angegebenen Literaturhinweisen. Langendoen (1978) schließlich gibt einen ausführlichen Überblick über die Literatur der reziproken Konstruktionen und diskutiert ihre Reduzierbarkeit auf RP-Sätze. Ein letztes, wenn auch ziemlich spezielles Phä nomen sei angeführt, das im Zusammenhang mit Pluralitä t diskutiert werden kann: mit der englischen respectively-Konstruktion lassen sich gleichzeitig mehrere paarweise Beziehungen derselben Art ausdrücken, die sonst nur nacheinander aufgelistet werden können. Hier sind einige Beispiele. (64) a. George and Nick hate Martha and Honey, respectively. b. George and Martha are drinking and dancing, respectively. c. Charley Brown, Linus, and Schroeder won the first, second, and third prize, respectively / in this order. Hier wird die semantische Bedeutung, wenn auch auf Kosten einer schwerfä lligen Syntax, explizit gemacht: die intendierten EinszueinsBeziehungen zwischen den sich entsprechen-
19. Plural
den Termen sind leicht zu identifizieren. Da es auf die Reihenfolge der Terme ankommt, muß eine mengentheoretische Darstellung auf sog. n-tupel, d. h. geordnete Paare, Tripel usw. rekurrieren. Im Gegensatz dazu lassen sich die Terme in einer normalen konjunktiven NP, die Gruppen denotiert, vertauschen. Ein nicht-symmetrisches Verhalten gibt es aber auch bei konjunktiven PNPn in Sä tzen wie (45d), der hier als (65) wiederholt sei. (65) Georg und Martha sind Mann und Frau.
3.
Ontologie
3.1 Das Potenzmengen-Modell; Kollektionen; Mereologie Was für Entitä ten sind Plural-Objekte? In der informellen Diskussion des Abschnitts 2 wurden Ausdrücke wie „Gesamtheit“, „Gruppe“, „Kollektion“ verwendet, wenn von diesen Objekten die Rede war. Nehmen wir einmal in unserer mengentheoretischen Metasprache diese Gruppenobjekte als gegeben an und fragen uns, in welcher Weise sie in die semantischen Relationen eingehen. Zum Beispiel kann eine Gruppe ein Element der Extension eines kollektiven Prä dikats wie sich treffen sein; wenn Extensionen einstelliger Prä dikate Teilmengen des Individuenbereichs sind, dann muß eine Gruppe ein Individuum sein. Ein solches Gruppen-Individuum hat aber offensichtlich eine innere Struktur. Betrachten wir etwa zum einen die Gruppe b von Personen, die aus Marat, Danton und Robespierre besteht, und zum anderen die Gruppe a, die nur aus Marat und Danton besteht. a ist eine Untergruppe von b. Wenn wir die Relation „ist eine Untergruppe von“ mit ‘≤’ mitteilen, so können wir a ≤ b schreiben. Nun ist ≤ eine Halbordnung, wie man leicht feststellen kann; und da das Standardmodell für die Halbordnungen die Mengeninklusion ist, liegt es nahe, Gruppenobjekte als Mengen von Individuen aufzufassen (Bartsch 1973, Hausser 1974, Bennett 1975, u. a.). Diese Entscheidung erzwingt allerdings eine Anpassung in der Struktur der Prä dikat-Extensionen: so muß sich treffen etwa nunmehr eine Menge von Mengen von Individuen bezeichnen, wenn die elementare Prä dikation weiterhin durch die Elementschaftrelation reprä sentiert werden soll. Damit entsteht eine starre Trennlinie zwischen kollektiven und distributiven Prä dikaten, wenn diese nach wie vor Mengen von Individuen denotieren. Wegen der Exi-
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stenz gemischter Prä dikate wie ein K lavier heben ist eine solche Trennlinie offensichtlich inadä quat. Man kann nun auch die normalen Individuen um eine Mengenstufe anheben (d. h. sie mit ihren Einermengen identifizieren) und damit die Einheitlichkeit der Prä dikatextensionen wiederherstellen (siehe z. B. Scha 1981). Damit besteht ein Modell für eine Sprache mit Pluralitä ten aus einer Potenzmengen-Struktur 2E, zusammen mit einer Denotationsfunktion f derart daß f(t) ∈ {{d} d ∈ E} für einfache Individuenterme t, f(g) ∈ 2E für Gruppenterme g, und f(P) ⊆ 2Efür einstellige Prä dikate P. Die Teilgruppenrelation ist dann als Mengeninklusion auf 2E realisiert, wie das oben ins Auge gefaßt wurde. Wir könnten es damit bewenden lassen und auf der Grundlage dieser einfachen Idee eine Logik der Pluralia entwickeln. Aber besitzen Mengen von Mengen die passenden Existenzund Identitä tsbedingungen, um als formale Gegenstücke des intuitiven Begriffs von einem Pluralobjekt zu dienen? Blau (1981 a) widmet sich dieser Frage. Die Existenzbedingungen für Pluralobjekte, bei Blau „Kollektionen“ genannt, stellen kein Problem dar; ist P ein einstelliges Prä dikat, so existiert die Kollektion der P genau dann, wenn P auf mindestens ein Individuum zutrifft. Zwar scheint die definite PNP die P die Existenz von mindestens zwei Objekten, die P sind, vorauszusetzen; Blau zieht es jedoch vor, die Einerkollektionen als Grenzfä lle miteinzuschließen. Was die Identitä tsbedingungen betrifft, so ist Blau der Auffassung, Kollektionen seien „hyperextensional“ im folgenden Sinn: die Gleichheit der Extensionen zweier Prä dikate P und Q ist eine hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung für die Gleichheit der Kollektionen. Wenn z. B. P für Karte (eines Kartenspiels) und Q für Kartenspiel steht, dann können wir sagen, daß die Kollektion der drei Q genau dann auf dem Tisch liegt, wenn die Kollektion der P, die zu den Q gehören, auf dem Tisch liegt. Nun ist auf dem Tisch liegen ein invariantes Prä dikat, wie das oben genannt wurde, und stellt damit nicht den allgemeinsten Kontext dar, in dem eine Kollektion auftreten kann. Gegen die aufkommende Vermutung, daß die Gleichheit der Extensionen vielleicht doch eine notwendige Bedingung sei, argumentiert Blau in (1981 a: 129, Fußnote). Verfolgt man die Blauschen Überlegungen weiter, so kommt man zurück zu dem Potenzmengen-Modell, das zumindest strukturell angemessen zu sein scheint. Warum iden-
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tifizieren wir dann nicht einfach die Pluralobjekte mit Mengen von Individuen, wie dieses Modell angibt? In Link (1983, 1984) wurden linguistische wie philosophische Argumente gegen eine solche Identifizierung angeführt, die in der Folgezeit für eine gewisse Verwirrung gesorgt haben (siehe etwa Landman 1987). Das Argument mit den ‘gemischten Prä dikaten’, das bereits erwä hnt wurde, ist weiterhin gültig, ebenso das der strukturellen Analogie zu dem nicht-atomaren Verband der Massenausdrücke. Was nun die rein philosophische Frage der Identifizierung angeht, so schoß das dort Gesagte womöglich über das Ziel hinaus. Der Sinn der Polemik war, bewußt zu machen, daß mengentheoretische Konstrukte niemals die ‘Objekte selbst’ sind, die es zu reprä sentieren gilt, sondern lediglich Modellierungen (siehe zu diesem Begriff z. B. Link 1987 b: 244). Die Situation sei durch ein mathematisches Beispiel illustriert. Man betrachte die Menge der Teiler der Zahl 30, T30 := {1,2,3,5,6,10,15,30}. Man würde wohl kaum sagen, daß diese Menge ‘nichts anderes ist als’ die Potenzmenge der Menge {2,3,5}, und noch weniger, daß 1 die leere Menge ‘ist’, die Zahlen 2,3,5 Einermengen ‘sind’, und daß 30 identisch mit der Menge {2,3,5} ist (in der Tat macht die übliche mengentheoretische Definition der natürlichen Zahlen diese Aussagen im strikten Sinn falsch). Und doch sind all diese Aussagen ‘wahr’ unter einer ganz prä zisen Interpretation: die Menge T30, zusammen mit der Teilerrelation, ist ordnungsisomorph zur Potenzmente 2{2,3,5} mit der Mengeninklusion als Ordnungsrelation. Abb. 19.4a und 19.4b zeigen diese strikte Parallele zwischen T30 und der Potenzmenge von {2,3,5}. T30 stellt eine atomare Boolesche Algebra über den drei Atomen 2, 3 und 5 dar, von der die Potenzmenge in Abb. 19.4b das Standardmodell bildet. Die Potenzmenge ‘modelliert’ oder reprä sentiert den Teilerverband T30, ist aber deshalb noch nicht mit ihm identisch. Betrachten wir nun drei Individuen, a = Marat, b =Danton, c = Robespierre, und das Prä dikat P = sich treffen. Wir wollen nun annehmen, daß, wenn Marat und Danton sich treffen, das Prä dikat P auf die Individuensumme (kurz: „i-Summe“) von a und b zutrifft, die durch a ⊕ b mitgeteilt sei (analog mit a ⊕ c und b ⊕ c). Wenn alle drei Revolutionshelden zusammenkommen, trifft P auf die Dreiersumme a ⊕ b ⊕ c zu. Diese Summen-Individuen können wie in Abb. 19.4c angeordnet werden; man sieht dann, daß die Summen unter Einschluß der Atome a, b und
VI. Nominalsemantik
Abb. 19.4a: Teilermenge für 30
Abb. 19.4b: Potenzmenge von {2, 3, 5}
Abb. 19.4c: Summenmenge für a, b, c
c durch die nach oben gerichteten Linien und deren Kombinationen halbgeordnet sind, und zwar in der gleichen Weise wie die Strukturen in den Abb. 19.4a und 19.4b. Diese Halbordnung ist die Teilgruppen-Relation, die wir jetzt als „ist ein (Individuen-) Teil von“ lesen werden (symbolisch: ≤i); ihr objektsprachliches Gegenstück ist das zweistellige Prä dikat ∏. Die Menge dieser Summen mit der Relation ≤i ist aber isomorph zur PotenzmengenAlgebra über der Menge {a,b,c} minus der
19. Plural
leeren Menge. Nach der hier vertretenen Auffassung beinhaltet eine Struktur der Art 4c alle Intuitionen über das Verhalten von Plural-Objekten, und es kann daher auch kein Argument geben, das zeigen würde, daß diese Objekte ‘in Wirklichkeit’ Mengen seien. Aus rein praktischen Gründen können Mengen als Modelle von Plural-Objekten dienen, solange man den Modellierungsaspekt nicht vergißt. Methodisch ist jedoch der axiomatische Zugang vorzuziehen, der die Objekte, über die die Sprache spricht, als gegeben annimmt und stattdessen die strukturellen Beziehungen zwischen den verschiedenartigen Individuen zu charakterisieren versucht (dies ist der Kern einer algebraischen Semantik; vgl. Link 1987 b). Die atomaren Booleschen Algebren ohne Nullelement sind übrigens die Modelle für die Teil-Ganzes-Strukturen der Mereologie (Lesniewski 1927—31, Leonard & Goodman 1940, Eberle 1970). Aber der logische und philosophische Kontext, in dem mereologische Theorien erforscht wurden, waren von dem vorliegenden Problemfall vollkommen verschieden. Massey (1976) scheint der erste gewesen zu sein, der mereologische Summen in Verbindung mit Pluralia gebracht hat. Mit der Mereologie verwandt sind auch die Theorien von Bunt (1981b) und Lønning (1982). Was diese Ansä tze über technische Unterschiede hinweg mit dem hier vorgestellten gemein haben, ist der strukturelle oder algebraische Geist, in dem sie abgefaßt sind. In Link (1983, 1984) ist der Individuenbereich in einem Modell nicht mehr eine bloße nichtleere Menge, sondern mit einer algebraischen Struktur versehen, die die intuitive Logik von Pluralsä tzen in der Sprache wiedergibt. Im folgenden Abschnitt wird dieser verbandstheoretische Ansatz soweit beschrieben, daß einer reprä sentativen Auswahl aus den obigen Beispielen eine passende logische Interpretation gegeben werden kann. Es sei abschließend noch auf andere wichtige algebraische Ansä tze verwiesen, die in den letzten Jahren einflußreich geworden sind: die Boolesche Semantik (siehe z. B. Keenan 1981, Keenan & Faltz 1985, Keenan & Stavi 1986) sowie die Theorie der Generalisierten Quantoren (siehe Barwise & Cooper 1981, van Benthem 1983b und Gä rdenfors 1987 mit der dort enthaltenen Bibliographie). Allerdings war keiner der beiden Ansä tze entwikkelt worden, um auch Pluralphä nomene behandeln zu können. Für eine Plural-Diskussion im Rahmen der Generalisierten Quantoren siehe jedoch Link (1987d).
435
3.2 Das algebraisch strukturierte Universum der Individuensummen und Gruppen Die formale Sprache einer Logik der Pluralitä ten, die hier vorgestellt wird, möge LP heißen. Sie ist der „Plural-Teil“ des Systems in Link (1983, 1984). LP ist eine Prä dikatenlogik der ersten Stufe mit den üblichen logischen Konstanten, einem Kennzeichnungsoperator ‘ι’ und einer simultanen LambdaAbstraktion (zur letzteren siehe z. B. Link 1979: 100). Mitteilungszeichen für Formeln in LP sind ‘ϕ’, ‘ψ’, ‘χ’; für Individuenvariablen, die gleichermaßen über Atome wie Individuen-Summen laufen, ‘u’, ‘v’, ‘w’, ‘x’, ‘y’, ‘z’; für Individuenterme ‘a’, ‘b’, ‘c’; für Prä dikate ‘P’, ‘Q’, ‘R’, ‘S’. Diese Symbole können auch mit Strichen und Indizes versehen werden. Als spezielle Grundsymbole der Sprache seien eingeführt: die einstelligen Prä dikatkonstanten ‘E’ für „existiert“ und ‘RA’ für „ist ein reines Atom“; die 2-stellige Prä dikatkonstante ‘∏’ für „ist ein Individuenteil (i-Teil) von“; das einstellige Funktionssymbol ‘〈 〉’ für „die Gruppe von“ und der „Plural-Operator“ auf einstelligen Prädikaten, ‘*’. Als nä chstes benötigen wir einige definierte Ausdrücke; unter jeder Definition ist eine umgangssprachliche Paraphrase angegeben. (D.1) a = b ↔ a ∏ b ⋀b ∏ a a ist identisch mit b genau dann wenn (i. f. gdw) a ein i-Teil von b und b ein i-Teil von a ist. (D.2) Ata ↔ ∀x[x ∏ a → x = a] a ist ein Atom gdw alle i-Teile von a schon mit a übereinstimmen (wegen der semantischen Regel (TD.3) unten sind alle i-Teile schon ungleich dem Nullelement; damit sagt die Bedingung, daß die Atome unmittelbar über dem Nullelement liegen). (D.3) a˙∏ b ↔ a∏b ⋀ At a a ist ein atomarer i-Teil von b gdw a ist ein iTeil und a ist ein Atom. (D.4) ROa ↔ ∀ x[x˙∏ a → RAx] a ist ein reines Objekt gdw alle atomaren Teile von a sind reine Atome. (D.5) ⊗P a → *P a ⋀ ﹁ Ata a ist ein echt pluralisches P gdw a ist eine Summe von Elementen, die P sind, und ist kein Atom. (D.6) Distr(P) ↔ ∀ x [Px → Atx] Das Prä dikat P ist distributiv gdw alle Objekte, auf die P zutrifft, sind atomar.
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(D.7) DP := λx∀u[u˙∏ x → Px] Die distributive Version DP von P ist die Menge aller Individuensummen x, so daß jeder atomare i-Teil von x die Eigenschaft P hat. (D.8) σxPx := ιx[*P x ⋀ ∀ y [*P y → y ∏ x]] Die Individuensumme der P ist diejenige iSumme x so daß x ein *P ist (d. h. eine Summe von Atomen, die die Eigenschaft P haben) und alle sonstigen y, die *P sind, i-Teil von x sind; σxPx ist damit das Supremum aller iSummen, die aus Atomen mit der Eigenschaft P aufgebaut sind. (D.9) σ*xPx := σx⊗ Px Die gesternte Individuensumme der P ist die iSumme der P mit der Prä supposition, daß diese Summe aus mindestens zwei Atomen besteht und damit echt pluralisch ist. (D. 10) a ⊕b := σxIa,bx mit Ia,b := λx[x = a ⋁x = b] Die Individuensumme aus a und b ist das Supremum der Individuen a und b (die selbst keine Atome zu sein brauchen). Die Semantik für LP gibt die Idee eines algebraisch-strukturierten Individuenbereichs formal wieder. Der Individuenbereich E eines Modells ist mit der Halbordnung ≤i versehen, die die i-Teil-Beziehung zwischen Individuen(summen) darstellt. Außerdem führen wir eine zweistellige Supremumsoperation auf E ein, die mit ‘⋁’ bezeichnet sei, und die aus zwei Individuen die Individuensumme bildet. Für die hier behandelten Daten würde es ausreichen, mit der dadurch gegebenen sog. Halbverbandsstruktur zu operieren, von der lediglich weiter zu fordern ist, daß sie atomar, in einem gewissen Sinne frei sowie vollständig ist (d. h. alle Individuen können aus Atomen aufgebaut werden, und zu jeder beliebigen, nicht nur endlichen, Menge von Individuen existiert ein Supremum). Der Einfachheit halber sei jedoch die zunä chst reicher erscheinende, in Wahrheit aber durch die genannten Forderungen bereits garantierte Struktur einer atomaren Booleschen Algebra (Schütze 1989, Link 1991 b) angenommen, die in der Potenzmengen-Algebra ein anschauliches Modell besitzt. Schließlich muß noch die mittlere Gruppenbildungsebene reprä sentiert werden, um den oben diskutierten Beispielen Rechnung zu tragen. Diese Bemerkungen führen zu der folgenden Definition.
VI. Nominalsemantik
(D. 11) Eine Boolesche Modellstruktur mit Gruppen ist ein Tripel 〈E, A°, γ〉, so daß gilt: 1. E ist eine vollständige atomare Boolesche Algebra, mit der Menge A der Atome, mit der Summenoperation ‘⋁’ und der Halbordnung ≤i; 2. A°, die Menge der reinen Atome, ist eine Teilmenge von A; 3. y ist eine injektive Abbildung von der Menge aller echten i-Summen über A° in die Komplementmenge A\A°. Ist 〈E, A°, γ〉 eine Boolesche Modellstruktur mit Gruppen, so heiße d ∈ E ein reines Objekt, wenn d nur aus reinen Atomen aufgebaut ist; sonst heiße d unrein. Ein reines Objekt ist etwa Blücher ⊕ Wellington, ein unreines 〈 Blücher ⊕ Wellington 〉 ⊕ Napoleon. γ ist die Gruppenbildungsoperation für die mittlere Gruppenebene. (D.12) Ein Modell für LP ist ein geordnetes Paar M = 〈B, ǁ.ǁ〉, so daß gilt: 1. B = 〈E, A°, y〉 ist eine Boolesche Modellstruktur mit Gruppen; E\{0}, wobei 0 das Nullelement in E ist, heiße der Individuenbereich von M. 2. ǁ . ǁ ist eine prädikatenlogische Modellfunktion auf den Grundausdrücken von LP, so daß gilt: (i) ǁaǁ ∈ E für eine Individuenkonstante a; (ii) ǁ Pn ǁ ⊆ (E\{0})n, wenn Pneine n-stellige Prädikatkonstante ist. Sei M = 〈B, ǁ . ǁ〉 ein Modell für LP. Ich gebe nun die Wahrheits- und Denotationsbedingungen für die theoriespezifischen Symbole in LP an (auf eine komplette rekursive Definition sei hier verzichtet). Das Nullelement 0 dient als „Dummy-Objekt“ für nichtdenotierende Terme (siehe z. B. Link 1979: 102 f), und die Quantifikation lä uft nur über Individuen, die von 0 verschieden sind. Man beachte, daß das formale Gegenstück zur Pluralbildung in der Sprache, der Pluraloperator ‘*’, mengentheoretisch prä zise charakterisiert wird. (TD.1) ǁEaǁ = 1 gdw ǁaǁ ≠ 0; (TD.2) ǁRAaǁ = 1 gdw ǁaǁ ∈ A°; (TD.3) ǁa ∏ bǁ = 1 gdw ǁaǁ ≠ 0 und ǁaǁ ≤i ǁbǁ; (TD.4) ǁ 〈a〉 ǁ = γ(ǁaǁ) falls ǁaǁ ∈ D1γ, und 0 sonst; (TD.5) ǁ*Pǁ = die Menge aller i-Summen von Elementen aus ǁPǁ, d. h. der von
19. Plural
der Extension ǁPǁvon P erzeugte „Summen-Unterverband“. Mit Hilfe von (TD.1)—(TD.5) können die folgenden semantischen Regeln abgeleitet werden: (TD.6) ǁa = bǁ = 1 gdw ǁaǁ ≠ 0 ≠ ǁbǁ und ǁaǁ = ǁbǁ; (TD.7) ǁAtaǁ = 1 gdw ǁaǁ ∈ A; (TD.8) ǁa˙∏bǁ = 1 gdw ǁaǁ ∈ A und ǁaǁ ≤i ǁbǁ; (TD.9) ǁRO aǁ = 1 gdw ǁaǁ ∈ [A°], d. h. ǁaǁ ist eine Summe von reinen Atomen; (TD.10) ǁ⊗P aǁ = ǁ*Pǁ\A; (TD.11) ǁσxPxǁ = sup≤ i ǁPǁ, mit sup≤ i Ø = 0; (TD.12) ǁσ*xPxǁ = ǁσxPxǁ, falls ǁPǁ ≥ 2 Elemente hat, und sonst = 0; (TD.13) ǁa ⊕ bǁ = ǁaǁ ⋁ ǁbǁ; (TD.14) ǁιxPxǁ = ǁσxPxǁ, falls ǁPǁ nicht mehr als ein Element enthält. 4.1 Indefinite PNPn
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Die LPM-Theoreme in Link (1983: 315 f), welche nur Symbole aus LP enthalten, sind in der hier gegebenen Semantik LP-logisch wahr. Speziell sei das Prinzip der kumulativen Referenz für Pluralia erwä hnt; vgl. den Beispielsatz (5a) oben. Es besagt, daß, wenn x und y Summen aus P-Individuen sind, so ist auch die Summe von x und y eine Summe aus P-Individuen: (66) ∀x ∀y [*P x ⋀ *P y → *P [x ⊕ y]]
4.
Analyse der linguistischen Daten im Rahmen der Plural-Logik LP
Ich werde nun für die wichtigsten Fä lle von Plural-Konstruktionen, die oben diskutiert wurden, logische Reprä sentationen in LP angeben. Eine aus der Montague-Grammatik entlehnte Strichnotation überführt die deskriptiven Ausdrücke des Deutschen in kategoriengerechte Konstanten von LP.
(1) a. Einige Freunde kamen vorbei. LF1: ∃x [⊗ Freund′(x) ⋀ kam-vorbei′(x)] (kollektiv) LF2: ∃x [⊗ Freund′(x) ⋀ Dkam-vorbei′(x)] (distributiv) ⇔ ∃x [⊗ Freund′(x) ⋀ ∀u [u˙∏ x → kam-vorbei′(u)]] EinigeJakobiner waren Advokaten. (3) LF: ∃x [⊗ Jakobiner′(x) ⋀ *Advokat′(x)] ↔ ∃x [⊗ Jakobiner′(x) ⋀ ∀u [u˙∏ x → Advokat′(u)]] Wegen der Distributivitä t von Advokat folgt die zweite Zeile (vgl. Link 1983: 309); man beachte ferner, daß die Pluralitätspräsupposition in der formalen Darstellung durch ‘⊗’ erhalten bleibt. (49) a. Drei Männer hoben das Klavier. LF1: ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ hob′(x, ιy Klavier′(y))] (kollektiv) LF2: ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ Dλu hob′(u, ιy Klavier′(y))(x)] (distributiv) ⇔ ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u ˙∏ x → hob′(u, ιy Klavier′(y))]] Die Numeralia ‘2’, ‘3’, ‘4’, ... sind adjektiv-ä hnliche Modifikatoren, die alle diejenigen Summen in einer NP-Extension herausgreifen, die die angegebene Anzahl von Atomen besitzen. Somit ist LF1 etwa zu lesen; „es gibt eine Summe von Mä nnern, die aus drei Atomen besteht und kollektiv das Klavier hob“. Zur Diskussion siehe Abschnitt 2.4. (49) b. Drei Männer hoben ein Klavier. LF1: ∃x ∃y [(3*Mann′)(x) ⋀ Klavier′/(y) ⋀ hob′(x, y)] (kollektiv) LF2: ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ Dλu ∃y [Klavier′(y) ⋀ hob′(u, y)](x)] (distributiv) ⇔ ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u ˙∏ x → ∃y [Klavier′(y) ⋀ hob′(u, y)]] LF3: ∃y [Klavier′(y) ⋀ ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ Dλu hob′(u, y) (x)]] (‘Klavier’ weiter Skopus) ⇔ ∃y [Klavier′(y) ⋀ ∃x [(3*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u˙∏ x → hob′(u, y)]] Die kollektive Lesart mit weitem Skopus für Klavier stimmt mit LF1 überein. 4.2 Bloße Pluralia (1)c.Kinder haben das Floß gebaut.
LF: ∃x [ ⊗ Kind′( x ) ⋀ baute-das-Floß′( x )]
(kollektiv)
Dies ist die existentielle und unproblematische Lesart eines bloßen Plurals. Für die Reprä sentation bloßer Pluralia in generischen Sätzen siehe die Literaturhinweise in Abschnitt 2.1.
438
VI. Nominalsemantik
4.3 Definite PNPn (28)
Die Schüler versammelten sich (um ihren Lehrer). LF: sich-versammeln′ (σ*x Schüler′ (x)) (24) b. Die Sansculotten jubelten einem Cordelier zu. LF1: ∃y [Cordelier′ (y) ⋀ zujubeln′ (σ*x Sansculotte′ (x), y))] LF2: ∃y [Cordelier′ (y) ⋀ Dλu zujubeln′ (u, y)(σ*x Sansculotte′ (x))] ⇔ ∃y [Cordelier′ (y) ⋀ ∀u [u˙∏σ*x Sansculotte′ (x) → zujubeln′ (u, y)]] ⇔ ∃y [Cordelier′ (y) ⋀ ∀u [Sansculotte′ (u) → zujubeln′ (u, y)]] (39) b. Die drei Männer gingen / verließen den Raum. LF1: ging′ (ιx [3*Mann′](x)) Diese logische Form entspricht der Option, das Zahlwort in die drei Männer als Adjektiv zu behandeln. Wie oben angedeutet, ist es jedoch möglicherweise angemessener, das Zahlwort als prä supponierenden numerischen Spezifikator des definiten Artikels aufzufassen. Dann hä tte die Formalisierung etwa die folgende Gestalt: LF2: ging′([σ/3]x *Mann′(x)) [σ/3]xPx ist hier eine Abkürzung für ιxPx / ∀x [Px → drei′(x)], wobei der zweite Schrä gstrich Blaus prä supponierender „Prä junktor“ ist (siehe Blau 1985, Link 1986: Appendix). Der Term ist zu lesen als „das eindeutige x so daß Px, wobei prä supponiert ist, daß alle i-Summen, die P sind, genau drei Atome enthalten“ (der Prä suppositionsbegriff ist natürlich nur sinnvoll in einer Logik mit Wahrheitswertlücken; für eine Diskussion verschiedener Systeme siehe Link 1986). 4.4 alle (33) a. Alle Soldaten starben. LF: *starb′(σ*x Soldat′(x)) ⇔ ∀u [Soldat′(u) → starb′(u)] (24) a. Alle Sansculotten jubelten einem Cordelier zu. LF1: Dλx ∃y [Cordelier′(y) ⋀ zujubeln′ (x, y)] (σ*x Sansculotte′ (x)) ⇔ ∀u [u˙∏ σ*x Sansc′(x) → λx∃y [Cord′(y) ⋀ zujubeln′ (x,y)](u)] ⇔ ∀u [Sansculotte′(u) → ∃y [Cordelier′(y) ⋀ zujubeln′ (u, y)]] LF2: ∃y [Cordelier′(y) ⋀ Dλu zujubeln′ (u, y)(σ*x Sansculotte′ (x))] ⇔ ∃y [Cordelier′(y) ⋀ ∀u [Sansculotte′(u) → zujubeln′(u, y)]] 4.5 Partitiv einige der Studenten LF: ∃x [x ∏σ*y Student′ (y) ⋀ ...] (43) a. alle (von den) Studenten LF: ∀u [u˙∏ σ*x Student′(x) → ...] 4.6 Konjungierte NPn (45) (45) (45) (45) (45)
a. Georg und Martha schlafen. LF: Dschlafen′(g ⊕m) ⇔ ∀u [u˙∏ g ⊕ m → schlafen′(u)] ⇔ schlafen′(g) ⋀ schlafen′(m) b. Georg und Martha treffen sich. LF: sich-treffen′(g ⊕ m) c. Georg und Martha haben geheiratet. LF: λx ∃u ∃v [x = u ⊕ v ⋀ heirateten′(u, v)] (g ⊕ m) ⇔ heirateten′(g, m) d. Georg und Martha sind Mann und Frau. LF: λxy [Mann-von′(x, y) ⋀ Frau-von′(y, x)] (g,m) ⇔ Mann-von′(g, m) ⋀ Frau-von′(m, g) e. Ein Junge und ein Mädchen spielten im Hof. LF1: ∃x ∃y [Junge′(x) ⋀ Mädchen′(y ⋀ spielte′(x ⊕ y)] LF2: ∃x ∃y [Junge′(x) ⋀ Mädchen′(y) ⋀ Dspielte′(x ⊕ y)] ⇔ ∃x ∃y [Junge′(x) ⋀ Mädchen′(y) ⋀ spielte′(x) ⋀ spielte′(y)]
[wegen Distr(starb′)]
(Wie 24b)
19. Plural
(45)
(45)
439
f. Die Meiers und die Müllers trafen sich. LF1: sich-treffen′(σ*x Meier′(x) ⊕ σ*x Müller′(x)) LF2: Dsich-treffen′(〈σ*x Meier′(x)〉 ⊕ 〈σ*x Müller′(x)〉) ⇔ sich-treffen′(σ*x Meier′(x)) ⋀ sich-treffen′(σ*x Müller′(x)) g. Drei Männer und vier Frauen kamen zusammen. LF: ∃x ∃y [(3*Mann′)(x) ⋀ (4*Frau′)(y) A kam-zusammen′ (x ⊕ y)]
4.7 RP-Sätze Sei D1hob′(x, y) := Dλu hob′(u, y)(x) und D2hob′(x, y) := Dλv hob′(x, v)(y). ‘MT’ (bzw. ‘TM’) steht für „Mann (bzw. Tisch) hat weiten Skopus“; ‘MT-CD’ etwa bedeutet damit: „M hat Skopus über T, wobei die M-Position kollektiv und die T-Position distributiv aufgefaßt wird“. (56) a. Vier Männer hoben drei Tische. Sei D1hob′(x, y) := Dλu hob′(u, y)(x) und D2hob′(x, y) := Dλv hob′(x, v)(y). ‘MT’ (bzw. ‘TM’) steht für „Mann (bzw. Tisch) hat weiten Skopus“; ‘MT-CD’ etwa bedeutet damit: „M hat Skopus über T, wobei die M-Position kollektiv und die T-Position distributiv aufgefaßt wird“. LF1: ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ λz ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ hob′(z,y)](x)] ⇔ ∃x ∃y [(4*Mann′)(x) ⋀ (3*Tisch′)(y) ⋀ hob′(x, y)] LF2: ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ λz ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ D2hob′(z, y)](x)] ⇔ ∃x ∃y [(4*Mann′)(x) ⋀ (3*Tisch′)(y) ⋀ ∀v [v˙∏y → hob′(x,v)]] LF3: ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ Dλu ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ hob′(u,y)](x)] ⇔ ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u˙∏x → ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ hob′(u,y)]]] LF4: ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ Dλu Ǝy [(3*Tisch′)(y) ⋀ D2hob′(u, y)](x)] ⇔ ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u˙∏x → ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ ∀v [v˙∏y → hob′(u, v)]]]] LF5: ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ λz ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ hob′(x, z)](y)] ⇔ ∃x ∃y [(4*Mann′)(x) ⋀ (3*Tisch′)(y) ⋀ hob′(x,y)] LF6: ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ λz Ǝx [(4*Mann′)(x) ⋀ D1hob′(x,z)](y)] ⇔ ∃x ∃y [(4*Mann′)(x) ⋀ (3*Tisch′)(y) ⋀ ∀u [u˙∏x → hob′(u, y)]] LF7: Ǝy [(3*Tisch′)(y) ⋀ Dλv Ǝx [(4*Mann′)(x) ⋀ hob′(x, v)](y)] ⇔ ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ ∀v [v˙∏y → ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ hob′(x, v)]]] LF8: ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ Dλv ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ D1hob′(x, v)](y)] ⇔ ∃y [(3*Tisch′)(y) ⋀ ∀v [v˙∏y → ∃x [(4*Mann′)(x) ⋀ ∀u [u˙∏x → hob′(u, v)]]]] (56) d. DieMieter hassen die (= ihre) Hausherren. LF:*λu [Atu ⋀ hassen′(u, ιy Hausherr-von′(y, u))](σ*x Mieter′(x)) ⇔ ∀u [u˙∏ (σ*x Mieter′(x)) → hassen′(u, ιy Hausherr-von′(y, u))] ⇔ ∀u [Mieter′(u) → hassen′(u, ιy Hausherr-von′(y, u))] 4.8 Reziproke Konstruktionen (63)
a.
Georg und Martha hassen einander. LF: [EINANDER(hassen′)] (g ⊕ m) ⇔ hassen′(g, m) A hassen′(m, g);
dabei wurde das folgende Bedeutungspostulat benutzt (zur Diskussion siehe oben): (BP) (63)
EINANDER(2) ⇔ λx ∀u ∀v [u˙∏x ⋀ v˙∏x ⋀ u ≠ v → P2(u, v)] h. George und Martha expect each other to win. LF: [EINANDER(λxy expect′(x, win′(y)))] (g ⊕ m) ⇔ expect′(g, win′(m)) ⋀ expect′(m, win′(g))
4.9 respectively (64) (64)
a. George und Nick hate Martha and Honey, respectively. LF: λx1x2 [λy1, y2 [hate′(x1, y1) ⋀ hate′(x2, y2)](m, h)] (g, n) ⇔ hate′(g, m) ⋀ hate′(n, h) b. George and Martha are drinking and dancing, respectively. LF: λxy [drink′(x) ⋀ dance′(y)] (g, m) ⇔ drink′(g) ⋀ dance′(m)
(MT-CC) (MT-CD) (MT-DC) (MT-DD) (TM-CC) = LF1 (TM-CD) (TM-DC) (TM-DD)
440
5.
VI. Nominalsemantik
Spezielle Probleme und Ausblick
Viele Probleme konnten hier nicht behandelt werden, in denen Pluralia eine Rolle spielen. Generische Konstruktionen wurden schon erwä hnt. Zum eng verwandten Thema der Massenausdrücke siehe Krifkas Beitrag, Art. 18. Für eine geschlossenen Theorie einfacher und mehrfacher Fragen ist eine Behandlung von Pluralia ebenfalls unumgä nglich (zu diesem Themenkomplex siehe Zaefferer 1984, de Mey 1984, v. Stechow & Zimmermann 1984, und Artikel 15 in diesem Handbuch). Komparativ-Konstruktionen wie etwa mehr PlutoniumFässer wurden angeliefert als Frachtbriefe vorhanden waren verdienen ebenfalls eine eingehende Analyse. Es gibt ferner ein interessantes Problem für eine Pluraltheorie, das im Zusammenhang mit Relativsatz-Konstruktionen mit mehreren Kopfnomina auftritt (sog. Hydren nach Link 1984); siehe v. Stechow (1980) und Link (1984). Es gibt sicherlich sehr viel mehr über relationale Pluralkonstruktionen zu sagen. Ein enger Zusammenhang besteht außerdem zu dem großen Fragenkomplex der Plural-Anaphora; siehe Rooth (1987) und Arbeiten im Rahmen der Diskursrepr ä sentationstheorie (siehe z. B. Reyle 1986). Das Thema der Distributivitä t ist in jüngeren Arbeiten weiterbehandelt worden; genannt seien Roberts (1987), Gil (1987), Choe (1987). In der letztgenannten Schrift wird eine koreanische Partikel diskutiert, die Choe Antiquantor nennt. Sie hat ein Gegenstück in dem deutschen je, das in Link (1987 c, 1987 d) diskutiert und dort als Distributivitä tsoperator auf der VP gedeutet wird. Semantische Theorien, die den Begriff des Ereignisses zu ihrem Gegenstand machen, rücken immer mehr in den Vordergrund der Diskussion. Auch hier spielen Pluralia eine prominente Rolle. Ein Beispiel ist der Einfluß von Plural-Objektphrasen auf die Aspektklasse der VP. Wie in Abschnitt 2.1 bereits erwä hnt, wird dieses Phä nomen der Zeitkonstitution (Krifka) diskutiert in Hinrichs (1985) und Krifka (1986, 1987). Für eine Übertragung des algebraischen Ansatzes von LP auf die Ereignistheorie siehe Bach (1986), Krifka (1987, 1989) und Link (1987 b). In jüngster Zeit werden Pluralia schließlich auch in der künstlichen Intelligenz im Rahmen natürlichsprachlicher Wissensverarbeitungssysteme untersucht; siehe dazu Schütze 1989, Eberle 1989, Allgayer & Reddig-Siekmann 1990 sowie Allgayer 1991.
6.
Literatur (in Kurzform)
Allan 1977 · Allan 1980 · Allgayer (ed.) 1991 · Allgayer/Reddig-Siekmann 1990 · Altham 1971 · Bach 1986 · Ballmer/Pinkal (eds.) 1983 · Bartsch 1973 · Barwise 1979 · Barwise/Cooper 1981 · Bä uerle/ Schwarze/von Stechow 1983 · Bennett 1975 · van Benthem 1983b · Biermann 1982 · Blä sius/Hedtstück/Rollinger (eds.) 1990 · Blau 1978 · Blau 1980 · Blau 1981a · Blau 1981b · Blau 1985 · Brady/Berwick (eds.) 1984 · Bunt 1979 · Bunt 1981b · Bürge 1977 · Carlson 1977 · Carlson 1978 · Carlson 1982 · Carlson/Pelletier (eds.) 1991 · Cartwright 1979a · Cartwright 1979b · Chierchia 1982 · Choe 1987 · Chomsky 1965 · Clarke, B. L. 1981 · Clarke, D. S. 1970 · Cocchiarella 1976 · Dahl 1975 · Dougherty 1970 · Dougherty 1971 · Dougherty 1974 · Dowty 1985b · Dowty 1986 · Dowty/Brodie 1984 · Eberle 1970 · Eberle 1989 · Fiengo/Lasnik 1973 · Fine 1985 · Gabbay/Guenthner (eds.) 1989 · Gä rdenfors (ed.) 1987 · Gerstner 1988 · Gerstner/Krifka 1987 · Gil 1987 · Groenendijk/Janssen/Stokhof (eds.) 1981 · Groenendijk/de Jongh/Stokhof (eds.) 1986a · Groenendijk/Stokhof/Veltman (eds.) 1987 · Gupta 1980 · Hausser 1974 · Heim 1983a · Heim/Lasnik/May 1991 · Heyer 1987 · Hinrichs 1985 · Hoeksema 1983b · Hoepelman/Rohrer 1980 · Hörmann 1983 · Keenan (ed.) 1975 · Keenan 1981 · Keenan/Faltz 1985 · Keenan/Stavi 1986 · Kiefer/Perlmutter (eds.) 1974 · Kimball (ed.) 1973 · Kölver 1982 · Kratzer 1978 · Kratzer 1980 · Krifka 1987 · Krifka 1988 · Krifka 1989 · Ladusaw 1982 · Landman 1987 · Landman/ Veltman (eds.) 1984 · Langendoen 1978 · van Langendonck 1972 · Lasersohn 1988 · Leonard/Goodman 1940 · Lésniewski 1927-31 · Lewis 1975a · Link 1974 · Link 1979 · Link 1983a · Link 1983b · Link 1984 · Link 1986 · Link 1987b · Link 1987c · Link 1987d · Link 1991a · Link 1991b · Lønning 1982 · Lønning 1987 · Lønning 1986 · Lønning 1989 · Massey 1976 · de Mey 1984 · Ojeda 1990 · Pelletier (ed.) 1979 · Pelletier/Schubert 1987a · Pelletier/Schubert 1987b · Reyle 1986 · Roberts 1987 · Roeper 1983 · Rohrer (ed.) 1980 · Rooth 1987 · Scha 1981 · Scha/Stallard 1988 · Schütze 1989 · Seiler/Lehmann (eds.) 1982 · Serzisko 1980 · Sharvy 1978 · Sharvy 1980 · Smith-Stark 1974 · von Stechow 1980 · von Stechow/Zimmermann 1984 · Stockwell/Schachter/Partee 1973a · ter Meulen (ed.) 1983 · Verkuyl 1972 · Verkuyl 1981 · Webber 1984 · Westerståhl 1989 · Zaefferer 1984 · Zaefferer (ed.) 1991
Godehard Link, München (Bundesrepublik Deutschland)
20. Nominalisierungen
441
20. Nominalisierungen 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 5. 6.
1.
Vorbemerkung Die Syntax von Nominalisierungen Formklassenunterschiede X-bar-Theorie und Nominalisierungen Die Bedeutungen von Nominalisierungen Tatsachen und Ereignisse Ereignisse und Ereignisbegriffe. Realistische oder intensionalistische Ereignissemantik Nominalisierung und Aspekt Die formale Semantik von Nominalisierungen Typenlogik und Nominalisierungen Ereignissemantik ohne Ereignisindividuen (Cresswell) Realistische Ereignisontologie im λ-Format (Bierwisch) Zusammenfassung Literatur (in Kurzform)
Vorbemerkung
Nominalisierungen sind in der Geschichte der Sprachwissenschaft immer ein ‘heißes’ oder, besser gesagt, ein heikles Thema gewesen. In der deskriptiven Wortbildungslehre (Henzen 1947, Marchand 1960, Fleischer 1969) spielen Nominalisierungen als Belege für die Produkä tivit t/Nichtproduktivit ä t morphologischer Prozesse eine wesentliche Rolle. So wird die Nominalisierung auf -ung als Paradebeispiel für ein produktives Wortbildungsmuster gern zitiert. Zugleich sind in der traditionellen deutschen Grammatik Nominalisierungen Gegenstand sprachkritischer Reflexion: die ‘Substantivierungstendenzen im heutigen Deutsch’ wurden und werden als Auswüchse bürokratischer Sprachverkrustung beklagt (Daniels 1963). In der Ur- und Frühgeschichte der Transformationsgrammatik (Version „Syntactic Structures“) wurden Nominalisierungen als ein besonders gelungenes, weil morphologisch produktives, Beispiel für die durch syntaktische Transformationen zu explizierende oberfl ä chensyntaktische Ähnlichkeit verschiedener Konstruktionen (Peters K ommen ist bedauerlich; Daß Peter kommt, ist bedauerlich; Peter kommt. Das ist bedauerlich) herangezogen. Ein dieser frühen TG-Tradition verpflichtetes Standardwerk ist das Buch von Lees (1960), das viele wesentliche Einsichten zur Syntax und Semantik von Nominalisierungen enthält. Die ‘midlife crisis’ der sog. Standardtheorie (Version „Aspects of the Theory of Syntax“)
wurde u. a. durch Diskussionen um den theoretischen Status von Nominalisierungen ausgelöst (Lakoff 1965, McCawley 1968, Bach 1968, Pusch 1972). Diese Auseinandersetzungen drehten sich im wesentlichen um die Frage, ob Nominalisierungen ‘lexikalistisch’, also als Einheiten des Lexikons, oder ‘transformationalistisch’, also als das Ergebnis von syntaktischen Transformationen, zu behandeln seien. Der Theaterdonner ist verklungen, die Transformationalisten haben mit der ‘Generativen Semantik’ die Szene verlassen. Übriggeblieben ist die von Chomsky (1970) entworfene X-bar-Theorie, die heute zum Standardinventar (beinahe) jeder Syntaxtheorie gehört. Der theoretische Status der Wortbildung ist aber weiterhin in der Diskussion. Neben strikt lexikalistischen Positionen (Jakkendoff 1975, Aronoff 1976, Williams 1981, Selkirk 1982, di Sciullo & Williams 1987, Bierwisch 1989), denen zufolge Wortbildungsprozesse sich zwar in den Begriffen der Xbar-Syntax formulieren lassen, aber eigenen, genuin lexikalischen Prinzipien unterliegen, stehen neuerdings wieder syntaktische Rekonstruktionsversuche gegenüber, in denen die Ebene der Wortsyntax nicht von der der Satzsyntax abgetrennt wird (Pesetsky 1985, Lebeaux 1986, Roeper 1987). Den zahlreichen Untersuchungen zu Wortbildungssyntax, in denen die Nominalisierungsproblematik allerdings zumeist nur einen Anwendungsfall unter anderen abgibt, stehen nur wenige Studien zur Semantik von Nominalisierungen gegenüber. Auch in diesen Arbeiten ist das Nominalisierungsproblem zumeist nicht zentral, sondern bildet einen Anwendungsfall für das allgemeine Problem der Semantik von Ereignisausdrücken. Über den theoretischen Status von Ereignissen besteht dabei weithin Uneinigkeit. Sind Ereignisse Individuen, ä hnlich wie Personen oder Gegenstä nde, oder sind Ereignisse Eigenschaften von Raum-/Zeitregionen? Von der Beantwortung dieser Frage hä ngt es ab, wie eine semantische Theorie aufgebaut wird. Sieht man Ereignisse als Individuen an, so wird man, um sie von Personen oder Sachen semantisch unterscheiden zu können, verschiedene Sorten von Individuen einführen, der Bedeutungsanalyse also eine mehrsortige Logik zugrundelegen. Sieht man Ereignisse als Eigenschaften und die Eigenschaften von Ereignissen mithin als Eigenschaften von Eigenschaften an, so wird man diese, um sie
442
von den Eigenschaften von Personen oder Gegenstä nden absetzen zu können, einem höheren logischen Typ zuordnen und die Bedeutungsanalyse dementsprechend typenlogisch organisieren. Die nachfolgende Übersicht beginnt mit einer Darstellung der Nominalisierungssyntax. Diese umfaßt eine Subklassifizierung formal verschiedener Nominalisierungsarten (Abschnitt 2.1) sowie eine kurze Erörterung der X-bar-Theorie (Abschnitt 2.2). Die Darstellung der Nominalisierungssemantik hat zwei Teile. Der erste Teil umfaßt den Versuch einer Phä nomenologie der Bedeutungen von Nominalisierungen unterschiedlicher Formklassenzugehörigkeit (Abschnitte 3.1, 3.2). In diesem Zusammenhang werden einige für die Nominalisierungssemantik grundlegende Begriffe der analytischen Sprachphilosophie wie Ereignis, Tatsache, Ereignisbegriff erläutert und anhand linguistischer Kriterien problematisiert. Im Zentrum der Erörterung steht dabei die Auseinandersetzung um Davidsons realistischen und Montagues intensionalistischen Ereignisbegriff. Das Kapitel enthä lt ferner eine (intuitive) Darstellung der Aspekteigenschaften von Nominalisierungen (Abschnitt 3.3). Im zweiten Teil der Semantikdarstellung werden unterschiedliche formale Modelle zur semantischen Repr ä sentation und Interpretation von Nominalisierungen besprochen: die typenlogische Reprä sentation von Nominalisierungen in der MontagueGrammatik (des PTQ-Formats) und formale Versuche zur Umgehung des Typenproblems (Abschnitt 4.1) sowie die Darstellung des Nominalisierungsproblems in der λ-kategorialen Sprache Cresswells (Abschnitt 4.2). Ferner wird der Ansatz von Bierwisch (1989) vorgestellt (Abschnitt 4.3), der den Versuch macht, Davidsons realistische Ontologie in einer λ-kategorialen Sprache zu rekonstruieren. In der traditionellen Wortbildungslehre stehen neben den Ereignisnominalisierungen die Agensnominalisierung (Sprecher, Sieger, Trinker, Teilnehmer, Bedienung, Leitung, Vermittlung), die Objektnominalisierung (Erfindung, Sammlung, Bedachung), die Instrumentnominalisierung (K ocher, Rechner, K opierer, K ühlung, Lüftung, Verkleidung) und die Eigenschaftsnominalisierung (Schönheit, K lugheit, Magerkeit, Munterkeit) an zentraler Stelle. In der theoretischen Linguistik spielten Nominalisierungen dieser Art lange eine eher untergeordnete Rolle (vgl. aber Motsch 1963, Vendler 1968), erst in jüngster Zeit sind sie in der Diskussion um die Theorie des Lexikons
VI. Nominalsemantik
und den theoretischen Status der Morphologie thematisiert worden (Oh 1985, 1988, Bierwisch 1989, Lenerz 1990). In der SemantikDiskussion stehen aber nach wie vor die Ereignisnominalisierungen im Vordergrund. Deshalb wird sich die nachfolgende Übersicht weitgehend auf diesen Nominalisierungstyp beschränken.
2.
Die Syntax von Nominalisierungen
2.1 Formklassenunterschiede Im Deutschen lassen sich morphologisch zwei Klassen von Nominalisierungen unterscheiden: Infinitivnominalisierungen auf -en und Derivativnominalisierungen z. B. auf -ung, -t, -e, -ø bzw. auf Ge...e und -erei. Letztere beziehen sich auf Ereigniswiederholungen, drükken also eine Art iterativen Aspekt aus, und haben eine leicht pejorative Konnotation. Infinitivnominalisierung (N-INF)
Derivativnominalisierung (N-DER)
Infinitivnominalisierungen sind grundsä tzlich nicht pluralisierbar und infolgedessen nur eingeschrä nkt determinierbar; alle Plural-Determinantien sind ausgeschlossen.
Derivativnominalisierungen lassen die Pluralbildung in der Regel zu (4) und unterliegen daher hinsichtlich der Determinierbarkeit keinen grunds ä tzlichen Beschr ä nkungen (5). Eine Ausnahme bilden aber die Bildungen auf Ge...e, die schon im Singular eine pluralische Bedeutung haben:
20. Nominalisierungen
Von der grundsä tzlichen Pluralisierbarkeit der Derivativnominalisierungen gibt es weitere Ausnahmen:
Esau (1973) betrachtet die Nicht-Pluralisierbarkeit bestimmter Derivativnominalisierungen als eine idiosynkratische Eigenschaft der jeweiligen Bildung und wertet dies als ein Argument für die lexikalistische Position. Ehrich gibt in Ullmer-Ehrich (1977) eine aktionsartenspezifische Erklä rung: Nicht pluralisierbar sind Nominalisierungen von terminativen Verben (accomplishments und achievements in der Terminologie von Vendler 1957), welche sich auf einmalige und unwiederholbare Ereignisse beziehen. Vendler (1967a) nennt diese Bildungen perfective nominals. Der aktionsartenspezifischen Erklä rung des Pluralisierungsverhaltens von Derivativnominalisierungen stehen aber Beispiele wie (7) entgegen: (7) a. Die Besteigungen des K1 b. Die Leerungen des Briefkastens c. Die Reinigungen des Hallenbades d. Die Säuberungen der Partei Die Verben in (7) sind ebenso wie die in (6) terminativ. Ihre Nominalisierungen beziehen sich auf abgeschlossene Ereignisse, also solche, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Der Unterschied zwischen (6) und (7) hat damit zu tun, ob wir dieses Ergebnis für permanent und den Vorgang selbst damit als unwiederholbar ansehen oder nicht. Einen bestimmten Vorrat kann man nur einmal verzehren, die Pluralnominalisierung (6a), welche ‘Wiederholung’ ausdrücken würde, macht daher keinen Sinn. Dagegen ist es üblich, daß ein Briefkasten immer wieder geleert wird und die Pluralnominalisierung (7b) ist dementsprechend sinnvoll. Es sind also nicht wie bei Infinitivnominalisierungen die Konstruktionseigenschaften des formalen Bildungstyps, die Pluralisierungen der Art (6) verbieten; ob eine Derivativnominalisierung pluralisierbar ist, gehört vielmehr zu den Eigenschaften, die sich auf die Wortbedeutung beziehen und nicht über morphologische Regeln festzulegen sind. Beispiele wie (7) spre-
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chen auch gegen die These von Grimshaw (1988b), derzufolge nur Resultatnominalisierungen pluralisierbar sind. Ein Beispiel, das diese These zu unterstützen scheint, ist (8): (8) a. Edison’s inventions are ingenious b. *Edison’s inventions of the phonograph are ingenious Der Vergleich von (8a,b) zeigt, daß die Argumentstruktur der Resultatnominalisierung (8a) von der der Ereignisnominalisierung (8b) verschieden ist: Bei der Resultatnominalisierung fehlt das interne Themaargument. Schä ublin (1972) hat versucht, Pluralisierungsverhalten und Argumentstruktur von Nominalisierungen in einen systematischen Zusammenhang zu bringen. Seinen Beobachtungen zufolge sind Ereignisnominalisierungen nur dann pluralisierbar, wenn das Genitivkomplement als genitivus subjectivus gedeutet werden kann, d. h. wenn es ein AgensArgument repräsentiert: (9) a. Die Ausgrabungen Schliemanns b. *Die Ausgrabungen des Tempels Beispiele, bei denen das Genitivkomplement zwischen einer Agens-Lesart und einer Thema-Lesart ambig ist, werden — so Schä ublin — stets agentiv gedeutet: (10) a. Die Begrüßungen des Vorstands b. Die Verdächtigungen des Zeugen c. Die Ermahnungen des Abgeordneten Beispiele wie die in (7) zeigen allerdings, daß die Pluralisierbarkeit von Derivativnominalisierungen nicht auf Bildungen mit AgensKomplement beschränkt ist. Infinitivnominalisierungen des Typs NINF verhalten sich (wenn man von Pluralisierbarkeit und Determinierbarkeit absieht) wie gewöhnliche Nomen: Sie werden durch Adjektive oder durch rechtsadjungierte Genitiv- bzw. Prä positionalphrasen modifiziert (11, 12): (11) a. Das häufige Beobachten des Kindes b. Das schnelle Fahren im Auto c. Das bequeme Reisen ohne Gepäck d. Das regelmäßige Verkaufen von Bildern (12) a. Das Beobachten des Kindes b. Das Fahren des Chauffeurs c. Das Verkaufen von Bildern durch den Museumsleiter Den nominalen Infinitiven des Typs N-INF stehen verbale Infinitivkonstruktionen (VINF) der Art (13, 14) gegenüber:
444
VI. Nominalsemantik
unterschiedliche Distributionseigenschaften: (17) a. Die Beobachtung des Kindes wurde angeordnet b. Das Beobachten des Kindes wurde angeordnet c. *Das Kind beobachten wurde angeordnet
Verbale Infinitive kommen wie die entsprechenden N-INFe in Subjekt- oder Objektfunktion vor. In ihrer internen Grammatik unterscheiden sie sich aber von den nominalen Infinitiven: Verben in V-INF-Konstruktionen werden nicht wie die entsprechenden Nomen in N-INF-Konstruktionen durch Genitiv- oder Agentiv-NPn modifiziert. Sie regieren vielmehr den Akkusativ (13a, d) oder den Dativ (13e). Sie werden nicht durch Adjektive, sondern durch Adverbien modifiziert (14). Sie nehmen linksadjungierte PPn als Attribute (13b,c) und stehen gemeinhin ohne Artikel. V-INFe sind insofern nicht ohne weiteres den Nominalisierungen zuzurechnen. Es gibt aber Mischkonstruktionen, in denen sich verbale und nominale Elemente verbinden: (15) Häufiges den Beruf wechseln schadet der Gesundheit (16) Das Aufsätze schnell Hinschreiben ist sein größter Ehrgeiz In (15) weist das Adjektiv die Konstruktion als nominal aus, die linksadjungierte Akkusativ-NP hingegen kennzeichnet die Konstruktion als verbal. In (16) spricht die Determination durch den Artikel für eine nominale, die Modifikation durch ein Adverb für eine verbale Konstruktion. Zu beiden Beispielen gibt es rein verbale Infinitive (15′,16′) und rein nominale (15″,16″): (15′) Häufig den Beruf wechseln schadet der Gesundheit (15″) Häufiges Wechseln des Berufs schadet der Gesundheit (16′) Aufsätze schnell hinschreiben ist sein größter Ehrgeiz (16″) Das schnelle Hinschreiben von Aufsätzen ist sein größter Ehrgeiz Semantisch erscheinen die verschiedenen Varianten ä quivalent, jedenfalls ist es — bezogen auf die bisher diskutierten Beispiele — nicht leicht, Bedeutungsunterschiede zwischen VINFen, N-INFen und Mischkonstruktionen anzugeben. Bezüglich anderer Kontexte als -macht Spaß haben V-INFe und N-INFe aber
Die unterschiedlichen Distributionseigenschaften weisen auf mögliche semantische Unterschiede hin. Das Verhä ltnis von V-INFund N-INF-Konstruktionen ist für die Nominalisierungssemantik also problematisch und bedarf der Klä rung. Ich werde deshalb im folgenden V-INF-Konstruktionen in die Erörterung miteinbeziehen, obwohl es sich bei diesen Konstruktionen nicht um Nominalisierungen im strengen Sinne handelt. Im Englischen gibt es wie im Deutschen zwei Typen von nomenbildenden Operationen, also Nominalisierungen im engeren Sinne: Derivativnominalisierungen (18) und Nominale Gerundien (19). Den Nominalen Gerundien stehen die Verbalen Gerundien gegenüber (20). (18) Derivativnominalisierungen (N-DER) a. The refusal of the offer was a pleasure b. The introduction of the guests was a pleasure (19) Nominale Gerundien (N-GER) a. The refusing of the offer was a pleasure b. The introducing of the guests was a pleasure (20) Verbale Gerundien (V-GER) a. Refusing the offer was a pleasure b. Introducing the guests was a pleasure Die Opposition zwischen nominalen und verbalen Gerundien stimmt in mancher Hinsicht mit der zwischen nominalen und verbalen Infinitiven überein: nominale Gerundien haben prä positionale Attribute, verbale Gerundien haben strukturellen Kasus; nominale Gerundien werden durch den Artikel determiniert, verbale Gerundien nicht. Anders als die nominalen Infinitive des Deutschen lassen sich die nominalen Gerundien des Englischen pluralisieren: (21) a. The refusings of the offers were a pleasure b. The introducings of the guests were a pleasure Anders als die verbalen Infinitive des Deutschen lassen die verbalen Gerundien linksadjungierte Agens-NPn im Genitiv zu:
20. Nominalisierungen
(22) a. Bill’s refusing the offer was a pleasure b. Janet’s introducing the guests was a pleasure Gerundien mit nur einem linksadjungiertem Genitiv (23) lassen sich daher nicht ohne weiteres der Nominal- oder der Verbalklasse zuordnen: (23) a. Bill’s refusing was a pleasure b. Janet’s introducing was a pleasure In der Diskussion um die Standardtheorie hat für die Unterscheidung zwischen nominalen und verbalen Gerundien auch das Problem der syntaktischen Kontrolle eine Rolle gespielt. Nach Wasow & Roeper (1972) werden verbale Gerundien von der Subjekt-NP des Matrixsatzes kontrolliert, nominale Gerundien unterliegen keiner syntaktischen Kontrolle. Thompson (1973) hat in ihrer Kritik an Wasow & Roeper jedoch gezeigt, daß die Kontrolleigenschaften von der jeweiligen Bedeutung des Matrixverbs abhä ngen, z. B. kontrolliert avoid das verbale ebenso wie das nominale Gerundium (Bill avoids singing arias vs. Bill avoids the singing of arias). Für die Unterscheidung der verschiedenen Gerundialkonstruktionen ist das Kontrollproblem mithin irrelevant. Für die Nominalisierungssemantik kommt es vielmehr darauf an, die Bedeutungsunterschiede zwischen den im eigentlichen Sinne nomenbildenden Konstruktionen N-DER und N-GER einerseits sowie dem verbalen Konstruktionstyp V-GER andererseits zu kennzeichnen. 2.2 X-bar-Theorie und Nominalisierungen Chomsky hat die X-bar-Theorie in „Remarks on Nominalizations“ (1970) entwickelt, um strukturelle Parallelen zwischen Nominalisierungen und Sä tzen syntaktisch zu rekonstruieren. (24) a. The enemy’s destruction of the city b. The enemy destroys the city (25) The destruction of the city by the enemy (26) a. The city’s destruction by the enemy b. The city is destroyed by the enemy Der Grundgedanke der X-bar-Theorie ist die Einführung von Phrasen unterschiedlicher Projektionsstufen, die den Grad der Komplexitä t einer Phrase angeben. Lexikonelemente der Kategorien N, V, Prä p, A haben den Komplexitä tsgrad Null (Schreibweise X° bzw. X). Mit jeder Erweiterung kann die Projektionsstufe um Eins erhöht werden (X1, X2 ... Xn), bis auf der maximalen Projektionsstufe
445
(Xmax) die Phrase gesättigt ist. Die hauptsä chliche Leistung der X-barTheorie für eine Nominalisierungsgrammatik besteht darin, syntaktisch wohlgeformte Bildungen wie (24—26) korrekt zu erzeugen und ungrammatische wie (27,28) auszuschließen. (27) The destruction by the enemy *of the city (28) The enemy’s destruction of the city *by Caesar Interessant für die Theorie sind diese Beispiele deshalb, weil nur das Hinzutreten des jeweils letzten Komplements die Konstruktionen ungrammatisch macht. (Für (27) gilt das natürlich nur unter der Voraussetzung, daß the city als Objekt von destruction und nicht als Attribut zu enemy aufgefaßt wird). In der ursprünglichen Version der Theorie (Chomsky 1970) werden (25) und (26) transformationell abgeleitet, (25) ergibt sich aus der Tiefenstruktur von (24a) durch AGENTPOSTPOSING, NP-PREPOSING rückt dann die Objekt-NP an die Spitze und erzeugt so (26a). Da AGENT-POSTPOSING die Agens-NP immer ans Ende bewegt, ist (27) transformationell nicht ableitbar. (28) kann durch die Festlegung der Projektionsstufe verhindert werden, wenn man davon ausgeht, daß NPGEN — und — of NP auf derselben Projektionsstufe Nmax-1 wirksam werden und diese zu Nmax erhöhen. In der um Theta-Rollen erweiterten lexikalistischen Theorie haben nominalisierte Nomen ebenso wie Verben eine bestimmte Anzahl von Argumenten, denen im Lexikon bestimmte Theta-Rollen zugewiesen sind. Die Argumentstruktur des Verbs bleibt dabei in der Nominalisierung erhalten (Prinzip der Argumentvererbung) bzw. darf nur nach zwei Grundregeln der Argumentverschiebung (Williams 1981) verschoben werden:
In dieser Eintragung unterscheiden sich destroy und destruction nur durch die Kategorienzuweisung (v. Stechow & Sternefeld, 1988, Kap. 2). Williams (op.cit.) weist darauf hin, daß Nominalisierungen ein zusä tzliches Ereignisargument haben. In (30) I consider that [destruction of the city by evil forces] steht that für ein Ereignisargument R, zu welchem das in Parenthese gesetzte komplexe Nomen mit seinen zwei Argumenten (Agens
VI. Nominalsemantik
446
und Thema) prä diziert ist. Damit ergeben sich für destroy und destruction die folgenden Lexikoneinträge:
In beiden Einträ gen (29,31) ist die Thema-NP auf die Position unmittelbar rechts neben dem Kopf-Nomen destruction festgelegt, (27) scheidet damit durch lexikalische Festlegung aus. (28) wird durch das Theta-Prinzip ausgeschlossen, wonach dieselbe thematische Rolle nur einmal vergeben wird.
3.
Die Bedeutung von Nominalisierungen
3.1 Tatsachen und Ereignisse Im Hinblick auf die Bedeutung von Nominalisierungen stellt sich zunä chst die Frage, ob und inwieweit die oben betrachteten Formklassenunterschiede eine semantische Entsprechung haben. Denotieren z. B. derivative Nominalisierungen andere Arten oder, um es technisch auszudrücken, Sorten von Entitä ten als nominale oder verbale Infinitive bzw. nominale oder verbale Gerundien? Die Erörterung von Sortenunterschieden wurde in die semantische Diskussion von Strawson (1950b) und Vendler (1967a) eingebracht. Beide diskutieren vor allem die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Ereignissen, Strawson unter primä r logischen und ontologischen, Vendler unter primä r linguistischen Gesichtspunkten. Vendler bezieht die Formklassenunterscheidung zwischen verbalen und nominalen Gerundien auf Sortenunterschiede: Verbale Gerundien denotieren Tatsachen (32a), nominale Gerundien denotieren Ereignisse (32b). (32) a. Peter’s singing the Marseillaise was surprising b. Peter’s singing of the Marseillaise was slow Was sind Ereignisse? Strawsons ontologische Antwort lautet: Ereignisse sind raum/zeitliche Entitä ten, sie finden an bestimmten Orten, zu bestimmten Zeiten statt, man kann sie sehen, hören, daran teilnehmen. Was charakterisiert die Ausdrücke einer Sprache, mit denen man sich auf Ereignisse bezieht, oder anders ausgedrückt, was kennzeichnet Ereignisnominalisierungen? Vendlers — linguistische — Ant-
wort lautet: Ereignisnominalisierungen kommen in der Umgebung von Wahrnehmungsverben, Zeitadverbien und temporalen Prä positionen vor. (33) I heard Peter’s singing of the Marseillaise (34) Peter’s singing of the Marseillaise occurred at midnight (35) Everything was quiet until Peter’s singing of the Marseillaise Was sind Tatsachen? Strawsons ontologische Antwort lautet: Tatsachen werden in wahren Aussagen behauptet. Tatsachen sind nicht in der Welt, sondern Aussagen über die Welt. Tatsachen haben keine raum/zeitlichen Attribute, und man kann sich zu ihnen nicht in Raum-/Zeitbezügen verhalten, sie nicht sehen oder hören. Tatsachennominalisierungen sind dementsprechend mit Wahrnehmungspr ä dikaten oder Temporalausdrücken nicht kombinierbar: (36) *I heard Peter’s singing the Marseillaise (37) *Peter’s singing the Marseillaise occurred at midnight (38) *Everything was quiet until Peter’s singing the Marseillaise Zu Tatsachen kann man bestimmte Einstellungen haben, sich darüber freuen oder sie bedauern; man kann den Tatsachencharakter von Sachverhalten auch bezweifeln oder bestreiten. Tatsachenausdrücke (39) und Sachverhaltsausdrücke (40) sind dementsprechend als Komplemente zu Verben der propositionalen Einstellung verwendbar. (39) Peter’s singing the Marseillaise was denied (40) Peter’s singing the Marseillaise is unlikely Cresswell (1979) fragt, wie es mit Nominalisierungen der Art (41) steht: (41) a. The non-arrival of the train annoyed us b. The non-arriving of the train annoyed us Wenn wir mit Vendler davon ausgehen, daß nominale Konstruktionen (N-DER und NGER) Ereignisse denotieren, müssen wir dann nicht auch die Nicht-Ankunft eines Zuges als Ereignis auffassen? Der Auffassung, daß auch das Nicht-Stattfinden von etwas ein Ereignis sei, stehen zwei Einwä nde entgegen (vgl. dazu Cresswell 1979): Man kann keinen Zeitpunkt oder Ort finden, an dem sich das NichtStattfinden eines Ereignisses festmachen lä ßt (*The non-arrival of the train occurred at mid-
20. Nominalisierungen
night, *The non-arrival of the train occurred at Florence); und es gibt keine Identitä tskriterien, aufgrund derer sich das Nicht-Ankommen des Zuges von der Nicht-Verheiratung des Papstes unterscheiden lä ßt. Cresswells Lösung: Nominalisierungen der Art (39—41) sind Namen nicht von Ereignissen, sondern von Propositionen (= Tatsachen oder Sachverhalten). Diese Feststellung kann allerdings kein Argument dafür sein, Ereignisse überhaupt aus der Semantik zu verbannen. Bestimmte Verben und Prä positionen, die Nominalisierungen als Komplemente nehmen, verbieten nä mlich Komplemente der Art (41), also solche, die nur als Namen von Propositionen analysiert werden können (vgl. Vater 1976, Bayer 1986). Wir müssen daher davon ausgehen, daß die nominalisierten Komplemente dieser Verben etwas anderes bezeichnen als Propositionen, nämlich Ereignisse. (42) a. Hans wartet auf die Ankunft des Zuges b. *Hans wartet auf die Nicht-Ankunft des Zuges c. Hans wartete darauf, daß der Zug ankam (ankäme) d. *Hans wartete darauf, daß der Zug nicht ankäme (43) a. Seit der Ankunft des Zuges sind fünf Stunden vergangen b. *Seit der Nicht-Ankunft des Zuges sind fünf Stunden vergangen c. Seit der Zug angekommen ist, sind fünf Stunden vergangen d. *Seit der Zug nicht angekommen ist, sind fünf Stunden vergangen (44) a. Hans hat die Ankunft des Zuges verpaßt b. *Hans hat die Nicht-Ankunft des Zuges verpaßt (45) a. Hans hat die Ankunft des Zuges gefilmt b. *Hans hat die Nicht-Ankunft des Zuges gefilmt c. Hans hat gefilmt, wie der Zug angekommen ist d. *Hans hat gefilmt, wie der Zug nicht angekommen ist Wir unterscheiden deshalb als zwei grundlegende semantische Kategorien: (i) Nominalisierungen von Propositionen, die als solche die Inkorporierung der Negation zulassen, und (ii) Ereignisnominalisierungen, die als Nominalisierungen von Prä dikaten zu gelten haben
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und inkorporierte Negationen verbieten. Eine wichtige Rolle in der Diskussion um verschiedene semantische Sorten von Nominalisierungen spielte in der Tradition der ‘Generativen Semantik’ die Unterscheidung zwischen faktiven und nicht-faktiven Prädikaten (Kiparsky & Kiparsky 1970, McCawley 1968, Peterson 1979, Peterson & Wali 1985). Diese Unterscheidung bezieht sich zunä chst auf die Wahrheitsprä suppositionen, die mit dem Gebrauch bestimmter Verben der propositionalen Einstellung verbunden sind. Komplementsä tze im Kontext faktiver Verben gelten als wahr prä supponiert (46,47), mit dem Gebrauch nicht-faktiver Verben verbindet sich keine Wahrheitspräsupposition (48).
Aus der Prä suppositionsanalyse wurden zwei Schlußfolgerungen hinsichtlich der Denotate von Komplementsä tzen und Nominalisierungen gezogen: 1. Komplemente von faktiven Verben denotieren Tatsachen, Komplemente von nichtfaktiven Verben denotieren Sachverhalte. 2. Derivativnominalisierungen denotieren Tatsachen, denn sie sind nur im Kontext faktiver Verben möglich (McCawley 1968).
Die Faktivitä tsanalyse ist jedoch in drei Punkten kurzschlüssig: 1. Es gibt faktive Verben, die sich eindeutig nicht auf Tatsachen, sondern auf Handlungen beziehen, z. B. bereuen und kritisieren, und die dennoch Derivativnominalisierungen als Komplemente zulassen: (51) a. Hans bereut seine Absage b. *Hans bereut die Tatsache, daß er abgesagt hat
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(52) a. Hans kritisiert Pauls Absage b. *Hans kritisiert die Tatsache, daß Paul abgesagt hat 2. Derivativnominalisierungen stehen hä ufig im Kontext von (nicht-propositionalen) Gegenstandsprä dikaten, für die die faktiv/nonfaktiv- Unterscheidung keine Rolle spielt. In diesen Kontexten beziehen sie sich nicht auf Ereignisse, sondern auf Gegenstä nde, die aus diesen Ereignissen resultieren (Resultatnominalisierungen): (53) a. Die Bebauung des Gebiets wurde eingeebnet b. Die Übersetzung des Textes ist fehlerhaft c. Edisons Erfindung ist praktisch In Nominalisierungsgrammatiken des Aspects-Formats ist deshalb vorgeschlagen worden (Fraser 1970, Stockwell, Schachter & Partee 1973b, Esau 1973), Nominalisierungen auf Komplementsatzkonstruktionen zu bestimmten Trä gernomen zurückzuführen, z. B. das Ereignis, daß ..., die Handlung, daß ..., der Inhalt dessen, was..., das Resultat davon, daß ... etc. Eine Kritik an diesen Vorschlä gen enthält Ullmer-Ehrich 1977. 3. Derivativnominalisierungen sind, jedenfalls im Deutschen, auch als Komplemente zu nicht-faktiven Verben möglich, sie müssen dann aber als Namen von Handlungen oder Ereignissen interpretierbar sein. (54) Hans kündigt seine Ablehnung an Hans hat Pauls Rücktritt befohlen
3.2 Ereignisse und Ereignisbegriffe — Realistische oder intensionalistische Ereignissemantik Ereignisse und Tatsachen — dies ist das Fazit
VI. Nominalsemantik
4. Derivativnominalisierungen sind im Deutschen nicht erlaubt in der Umgebung von Verben, die ausschließlich Propositionen als Komplemente zulassen, und zwar auch dann nicht, wenn die fraglichen Verben faktiv sind.
Im Deutschen, so lä ßt sich aus diesen Beobachtungen ableiten, denotieren derivative Nominalisierungen niemals Propositionen (Tatsachen oder Sachverhalte), sondern Ereignisse oder Resultate von Ereignissen. Faktivitä t spielt für die Zulä ssigkeit und die Sortenzuweisung von Nominalisierungen im Deutschen keine Rolle. Im Japanischen ist wie im Deutschen die Unterscheidung nach Propositionen und Ereignissen primä r. Darüber hinaus ist aber Faktivitä t ein auch morphologisch markiertes Unterscheidungsmerkmal (vgl. Kuno 1973). Das Japanische hat die Komplementierungspartikel no für Ereigniskomplemente, koto und to für Propositionskomplemente, wobei koto wahre (bzw. vom Sprecher für wahr gehaltene) Propositionen (= Tatsachen) kennzeichnet, wä hrend to Propositionen ohne Wahrheitsanspruch (= Sachverhalte) charakterisiert:
des vorigen Abschnitts — gehören zu unterschiedlichen Sorten von Entitä ten. Aber was für eine Sorte von Entitä ten sind Ereignisse? Wir haben oben Strawsons Position zitiert, wonach Ereignisse ‘in’ der Welt sind. Die Frage ist: Als was sind Ereignisse ‘in’ der Welt
20. Nominalisierungen
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— als Individuen, als Eigenschaften? Davidsons (1967a) inzwischen klassische Antwort auf diese Frage lautet: Ereignisse sind Individuen, sie bevölkern unsere Erde ä hnlich wie Personen und Gegenstä nde, sie haben bestimmte Eigenschaften und stehen in bestimmten Relationen zu anderen Individuen. Auf der Ebene der logischen Form macht Davidson keinen Unterschied zwischen ereignis- oder handlungsdenotierenden Verben einerseits und Nominalisierungen, die auf Ereignisse oder Handlungen referieren, andererseits. Sä tze, die adverbial modifizierte Handlungsverben enthalten, werden wie folgt repräsentiert: (59) John buttered the toast with a knife in the bathroom (60) (∃e) (Butter (John, the toast,e) & With a knife (e) & In the bathroom (e))
len Zeitmessung beziehen kann. Freilich sind diese Einheiten der Zeitmessung nicht in demselben Sinn ‘real’ wie Personen, Gegenstä nde oder Ereignisse, da sie auf konventioneller Festlegung beruhen. Insofern muß auch eine realistische Ontologie wie die Davidsons letztlich auf konventionalisierte Festlegungen rekurrieren. Montague (1960) diskutiert verschiedene Explikationen des Ereignisbegriffs: 1. Die nominalistische Auffassung, wonach Ereignisse Beschreibungen von dem sind, was zu bestimmten Zeitpunkten geschieht. 2. Die extensionalistische Auffassung, derzufolge Ereignisse als Mengen von Zeitpunkten anzusehen sind. 3. Die intensionalistische Auffassung, wonach Ereignisse Eigenschaften von Zeitpunkten sind.
In dieser Darstellung reprä sentiert e das Ereignisargument. Jedes n-stellig scheinende Prä dikat wie z. B. butter wird als n+1-stellig aufgefaßt. Davidsons realistische Ontologie setzt voraus, daß man Identitä tskriterien angeben kann, die es ermöglichen, ein Ereignis eindeutig von anderen zu unterscheiden. Davidson diskutiert das Identitä tsproblem an einem Beispiel von Austin: Wenn A den Abzugshahn einer geladenen Schußwaffe gezogen und auf B gezielt hat, ist dieses Ereignis e identisch mit dem Ereignis e’ (= ‘Schießen von A auf B’)? Davidson bejaht die Frage, e und e’ sind identisch, weil sie zeitlich nicht voneinander zu trennen sind. Wann immer e geschieht, geschieht zugleich e’. A’s denkbare Entschuldigung, er habe zwar e beabsichtigt, nicht aber e’, ä ndert nach Davidson nichts an der Identitä tsfestlegung, sondern besagt lediglich, A habe nicht gewußt, daß e = e’. Wenn jemand mit einer geladenen Schußwaffe auf jemanden schießt (e), wird das Opfer von einer Kugel getroffen (e′). Gilt deshalb auch hier e = e’? Davidsons Antwort ist negativ, e und e’ sind in diesem Fall verschieden, denn e geschieht kurz vor e’. Die Identitä t von Ereignissen ist damit auf die Identitä t von Zeitpunkten oder -intervallen zurückgeführt. Doch wie begründet man die Identitä t von Zeitpunkten? Eine denkbare Antwort ist: Die Zeitpunkte t und t’ sind identisch, wenn zur Zeit t und t’ genau dasselbe geschieht. Diese Antwort scheidet für Davidson natürlich aus. Sein Identitä tskriterium setzt voraus, daß man sich auf die Einheiten der konventionel-
Gegen die erste Auffassung spricht nach Montague, daß durch sie der Begriff des Ereignisses auf beschreibbare Ereignisse eingeschrä nkt wird. ‘Inexpressible events’ würde es nach dieser Auffassung nicht geben können. Die extensionalistische Auffassung schließt aus, daß zwei Ereignisse, die stets zur selben Zeit vorkommen, also koextensiv sind, dennoch als verschiedene Ereignisse gelten können. Beispiel: Jemand knipst das Licht an (e) und Das Licht geht an (e′). Wann immer e geschieht, geschieht auch e’. Dennoch können e und e’ unterschiedliche Eigenschaften und Folgen haben, weshalb sie als verschieden anzusehen sind. Die intensionalistische Auffassung, die Montague selbst favorisiert, führt striktere Identitä tsbedingungen ein. Zwei Eigenschaften F und F’ sind identisch, wenn in jeder möglichen Welt, in der F ein Individuum a charakterisiert, auch F’ auf a zutrifft. Bezogen auf Ereignisse als Eigenschaften von Zeitpunkten heißt dies: zwei Ereignisse e und e’ sind identisch, wenn in jeder möglichen Welt, in der e eine gegebene Zeit t charakterisiert, auch e’ auf t zutrifft. Beide, Montague und Davidson, betrachten die Identitä t von Ereignissen ausschließlich im Hinblick auf das Kriterium der Zeitgleichheit. Gegen eine solche Beschrä nkung ist kritisch eingewendet worden (z. B. von Lemmon 1967), daß Ereignisse zeitlich und rä umlich determiniert sind. Der Tod des Sokrates und Das Witwe-werden der Xanthippe ereignen sich in jeder Welt, in der Xanthippe die Frau des Sokrates ist, zur selben Zeit, aber möglicherweise an verschiedenen Orten,
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weshalb sie als verschiedene Ereignisse anzusehen sind. Die erweiterte intensionalistische Auffassung, wonach Ereignisse Eigenschaften von Raum-/Zeitregionen sind, führt zu strikteren Identitä tskriterien, sie hat aber auch ihren Preis: Namen von Eigenschaften sind Allgemeinbegriffe und Ereignisse als Eigenschaften zu analysieren, heißt, die Rede von Ereignissen auf generische Ereignisse einzuschrä nken. Montague spricht von instantaneous generic events. In (61) Das Aufgehen der Sonne ist (immer) ein großartiges Schauspiel wird die Eigenschaft, ein ‘großartiges Schauspiel’ zu sein, nicht einem bestimmten Sonnenaufgang zugeschrieben, sondern einem Ereignistyp. (61) kann dementsprechend durch (62) formal reprä sentiert werden (vgl. Montague 1960): (62) Q = ̂λt (Aufgehen (die Sonne,t)) & Großartiges Schauspiel(Q) Wie aber steht es mit besonderen Sonnenaufgangsereignissen (in Montagues Redeweise instantaneous particular events)? (63) Hans hat diesen Sonnenaufgang verschlafen (63) drückt nicht aus, daß Hans ein generisches Ereignis verschlafen hat, sondern daß ihm ein bestimmtes Partikularereignis entgangen ist. Montague schlä gt vor, auch Partikularereignisse als Eigenschaften von Zeitpunkten aufzufassen, allerdings als Eigenschaften von solcher Besonderheit, daß sie in der Regel nur einem einzigen Zeitpunkt (-intervall) zukommen. Zur formalen Darstellung dieser Intuition führt Montague eine Prä dikatskonstante P ein mit der Bedeutung ‘Ist ein Individualereignis’. Aufgehen wird dann als Prä dikat interpretiert, das Individuen, aber eben auch Prä dikatskonstanten vom Typ P, als Argumente nimmt. (64) Aufgehen (P, die Sonne) ist dann zu lesen als ‘P ist ein bestimmtes individuelles Aufgehen der Sonne’. Die Formel (65) besagt dann, daß Hans genau dasjenige Aufgehen der Sonne verschlafen hat, welches durch die Eigenschaft P unik charakterisiert ist. (65) Aufgehen (P, die Sonne) & Verschlafen (Hans, P) Montagues Überlegungen sind nicht primä r linguistisch motiviert, sondern sprachphilosophisch. Verschiedene Formklassen von Ereignisausdrücken mit ihren (möglicherweise)
VI. Nominalsemantik
verschiedenen Bedeutungen bleiben unberücksichtigt. Für das Englische geht Montague dementsprechend davon aus, daß Nominalausdrücke wie rising, denen man den Konstruktionstyp V-GER vs. N-GER so nicht ansieht, ambig sind zwischen einer generischen und einer partikularen Lesart. Im Deutschen lä ßt sich zwischen beiden Lesarten, der generischen und der partikularen, bis zu einem gewissen Grad morphologisch differenzieren. Verbale Infinitive (V-INF) denotieren stets generische Ereignisse, sie sind mit definiten Temporalausdrücken daher nicht kombinierbar: (66) *Die Mülltonne gestern leeren war mühsam Nominale Infinitive (N-INF) und Derivativnominalisierungen (N-DER) sind dagegen im Kontext definiter Temporalausdrücke möglich. Sie denotieren Partikularereignisse. (67) a. Das gestrige Leeren der Mülltonne war mühsam b. Die gestrige Leerung der Mülltonne war mühsam Barwise & Perry (1983) sehen für das Englische den Unterschied in ä hnlicher Weise: „Gerundive nominals are used to refer not only to events, but also to general types of events. By contrast, derived nominals refer to specific situations or events“ (S. 77). Barwise & Perry geben zum Beleg ihrer These die folgenden Beispiele: (68) a. Cat hair being in the butter always means a cat is in the house b. Jackie’s biting Molly always upsets the Perrys (69) a. *That hair in the butter always means a cat is in the house b. *The situation, when Jack bit Molly, always upsets the Perrys Bei den Beispielen in (69) handelt es sich freilich nicht — wie von Barwise & Perry nahegelegt — um Derivativnominalisierungen, sondern um gewöhnliche Basisnomen. Worauf es in ihrer Argumentation aber ankommt, ist die semantische Differenzierung zwischen nominalem Bildungstyp (69) und verbalem Bildungstyp (68). Thomason (1985) kritisiert diese Auffassung von Barwise & Perry und vertritt als Gegenposition die These, daß Derivativnominalisierungen sich auf Ereignisse beziehen, wä hrend Gerundien Namen von Propositionen sind. Diese Position entspricht der oben
20. Nominalisierungen
für den Vergleich von verbalen und nominalen Gerundien vertretenen Auffassung. Der hier relevante Formklassenunterschied zwischen V-GER und N-GER wird jedoch von Thomason ebensowenig diskutiert wie von Barwise & Perry oder von Montague. Das Beispiel (68b) macht im übrigen deutlich, daß verbale Gerundien nicht, wie oben angenommen, allein Propositionen denotieren, sondern auch für den Bezug auf Ereignisse verwendbar sind. Der Satz drückt nicht aus: ‘Die Perrys sind immer empört über (ein und) die(selbe) Tatsache, (nä mlich) daß Jack Molly beißt’, sondern ‘Wann immer Jack Molly beißt, sind die Perrys empört darüber’. Die verbalen Gerundien des Englischen sind also sortenambig zwischen dem Bezug auf Tatsachen und Sachverhalte (= Propositionen) einerseits und dem Bezug auf generische Ereignisse andererseits. Die V-INFe des Deutschen lassen hingegen nur den Bezug auf generische Ereignisse zu. N-INFe wiederum beziehen sich ebenso wie Derivativnominalisierungen auf partikulare Ereignisse, niemals auf Propositionen. Damit stellt sich die Frage, ob nominale Infinitive und Derivativnominalisierungen Konstruktionsvarianten mit gleicher Bedeutung sind oder ob es einen semantischen Unterschied zwischen ihnen gibt. 3.3 Nominalisierungen und Aspekt Man kann ein Ereignis quasi ‘von innen’ in seinem kontinuierlichem Zeitablauf oder ‘von außen’ als ein zeitlich abgeschlossenes Ganzes betrachten. In Sprachen mit Aspektsystem wird die interne Perspektive durch den imperfektiven, die externe durch den perfektiven Aspekt ausgedrückt (Comrie 1976). Das Deutsche zä hlt nicht zu den Aspektsprachen; Bedeutungsunterschiede, die den Aspektoppositionen entsprechen, lassen sich im Deutschen aber durch die Verwendung verschiedener Typen von Nominalisierungen zum Ausdruck bringen. (70) a. Das Reisen ohne Gepäck hat Spaß gemacht b. Die Reise ohne Gepäck hat Spaß gemacht Die Infinitivnominalisierung in (70a) ist imperfektiv, sie bezieht sich auf den Verlauf einer Reise in ihren verschiedenen Stadien unter Absehung von ihrem Anfang und/oder Ende. Die Derivativnominalisierung in (70b) ist perfektiv, sie bezieht sich auf das Gesamtereignis ‘Reise’, das unter Absehung von seinem Ver-
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lauf als zeitlich geschlossen (mit Anfang und Ende) betrachtet wird. Bartsch (1972) spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die Infinitivnominalisierung imperfektive (zeitlich offene) Vorgänge bezeichnet, wä hrend die Derivativnominalisierung perfektive (zeitlich geschlossene) Ereignisse denotiert. Damit stellt sich die Frage, worin Vorgä nge und Ereignisse sich semantisch unterscheiden. Zwei Gesichtspunkte sind für die Klä rung dieser Frage relevant: (i) im Bereich der NominalSemantik die strukturelle Gegenüberstellung von Individualnomen und Massennomen sowie (ii) im Bereich der Verb-Semantik die Aktionsartenunterscheidung zwischen terminativen und nicht-terminativen Verben. (i) Massennomen teilen mit Infinitivnominalisierungen nicht nur strukturelle Eigenschaften (hinsichtlich Determinierbarkeit und Pluralisierbarkeit s. o.), sondern auch semantische: So wie jede Teilportion eines gegebenen Quantums ‘Wasser’ selbst ein Quantum ‘Wasser’ ist, so ist jeder Ausschnitt aus einem Vorgang ‘Reisen’ auch eine Instantiierung des Vorgangs ‘Reisen’. Derivativnominalisierungen verhalten sich in dieser Hinsicht anders, sie teilen die referentiellen Eigenschaften von Individualnomen: So wie nicht jeder Teil von einem Stuhl ein Stuhl ist, so instantiiert nicht jeder Ausschnitt einer ‘Reise’ selbst eine Reise, sondern bezeichnet nur einen Teil davon: eine Reiseetappe. M. a. W. Infinitivnominalisierungen haben wie Massennomen kumulative Referenz (diese Ausdrucksweise stammt von Quine 1960). Derivativnominalisierungen teilen mit anderen Individualnomen das Merkmal der holistischen Referenz. (ii) Terminative Verben (accomplishments und achievements in der Terminologie von Vendler 1957), also solche, die sich auf Zustandsverä nderungen beziehen, sind hinsichtlich ihrer zeitlichen Eigenschaften ebenfalls holistisch zu deuten. Nicht-resultative Zustands- und Vorgangsverben (activities und states bei Vendler) haben dagegen zeitlich kumulative Bedeutung (vgl. auch Galton 1984, Löbner 1988, Bach 1986). (71) Terminativ Hans löst das Problem (72) Nicht-Terminativ Hans denkt über das Problem nach Wä hrend (72), wenn es für eine bestimmte Zeitspanne T gilt, auch auf beliebige Teilintervalle von T zutrifft, kann (71) nur auf T in seiner Gesamtheit, aber nicht auf jedes beliebige Teilintervall von T zutreffen.
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Nominalisierungen teilen einerseits mit gewöhnlichen Basisnomen (wie Maus (N1INDIV), Mutter (N2INDIV) oder Mehl (N1MASS)) Eigenschaften der kategorialen oder typenlogischen Bedeutung. Mit den Basisverben (wie genesen, schwimmen, ankommen, nicken (V1) oder zerstören, belagern, finden, ablehnen (V2)) verbindet sie andererseits die lexikalische Bedeutung, z. B. die Argumentstruktur (s. o.) und die Aktionsart. Für die semantische Charakterisierung von deverbativen Nominalisierungen spielt daher das Zusammenwirken der Aktionsartenbedeutung des nominalisierten Verbs mit der Aspektbedeutung der Nominalisierungsoperation eine wichtige Rolle. Nach den Merkmalen der Terminativität und der Durativität lassen sich für das Deutsche vier Verbaktionsarten unterscheiden (vgl. Andersson 1972). (73) a. [+ DUR, + TERM]: genesen, heilen, leeren, zerstören, räumen, vertreiben b. [+ DUR, — TERM]: schwimmen, wandern, tanzen, belagern, verfolgen, beobachten c. [— DUR, + TERM]: ankommen, eintreten, erreichen, versagen, ablehnen d. [— DUR, — TERM]: springen, husten, nicken Terminativa sind Verben der Zustandsverä nderung, sie beziehen sich auf zeitlich geschlossene Handlungen, Prozesse und Vorkommnisse mit inhä rentem Abschluß. Nicht-terminative Aktivitä ts- und Zustandsverben beziehen sich auf zeitlich offene Vorgä nge, die aber einen kontigenten Abschluß haben können. Kanonische Kontexte für die Klassifizierung von Verben und Verbphrasen nach Aktionsarten sind bestimmte Zeitadverbien und Adverbien der Dauer. (74) [+ DUR, + TERM] a. *Die Wunde heilte zwei Monate lang b. *Die Polizei räumte das Haus zwei Stunden lang c. Die Wunde heilte in zwei Monaten d. Die Polizei räumte das Haus in zwei Stunden (75) [+ DUR, — TERM] a. Hans schwamm seit zwei Stunden im See b. Galileo beobachtete den Stern seit zwei Jahren c. * Hans schwamm in zwei Stunden im See d. *Galileo beobachtete den Stern in zwei Jahren
VI. Nominalsemantik
(76) [— DUR, + TERM] a. *Hans kam seit zwei Stunden an b. Hans kündigte den Besuch seit zwei Tagen an c. Hans kam in zwei Stunden an d. *Hans kündigte den Besuch in zwei Stunden an (77) [— DUR, — TERM] a. Hans hustete seit zwei Wochen b. *Hans hustete in zwei Wochen Terminative Verben (74,76) verbieten in der Regel die Kombination mit Durativadverbialen oder durativen Begrenzungsadverbialen ‘seit + Zeitangabe’. Wo solche Kombinationen zulä ssig sind — wie in (76b) — ist das Verb nicht wie in (75b) kontinuativ, sondern iterativ zu deuten. Durative Terminative (74) lassen die Kombination mit dem durativen Begrenzungsadverbial ‘in + Zeitangabe’ zu, bei nicht-durativen Terminativen ist ‘in + Zeitangabe’ nicht als Durativadverbial, sondern als Temporaladverbial mit nachzeitiger Bedeutung aufzufassen (76c). Nicht-terminative Verben (75,77) verbieten die Kombination mit ‘in + Zeitangabe’. Die Kombination mit ‘seit + Zeitangabe’ ist zulä ssig, hat aber unterschiedliche Lesarten: kontinuativ bei durativen und iterativ bei nicht-durativen Terminativen (vgl. 75a vs. 77a). Die obige Feststellung über die Aspektfunktion von Nominalisierungen äl ßt sich nun dahingehend prä zisieren, daß — imperfektivierende — Infinitivnominalisierungen stets, also auch als Nominalisierungen von terminativen Verben, vom zeitlichen Abschluß der Denotatsituation absehen, wä hrend umgekehrt ung-Nominalisierungen sich grundsä tzlich, also auch als Nominalisierungen von nicht-terminativen Verben auf Situationen mit zeitlichem Abschluß beziehen. Testkriterium dafür ist die Kombinierbarkeit mit terminativen Prädikaten:
20. Nominalisierungen
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Die Aspektbedeutung von Nominalisierungen spielt in den Analysen von Esau (1973), Ullmer-Ehrich (1977) und Bartsch (1981, 1983) eine zentrale Rolle. Eine Einbeziehung dieses Gesichtspunkts der Nominalisierungssemantik in neuere Theorieformate steht noch aus.
4.
Die formale Semantik von Nominalisierungen
4.1 Typenlogik und Nominalisierungen In der Montague-Grammatik wird jeder syntaktischen Kategorie ein strukturidentischer (homomorpher) semantischer Typ zugeordnet. Ausgehend von den elementaren Grundtypen e (für Individuennamen) und t (für Satznamen) lassen sich komplexe Typen beliebiger Stufung bilden. Intransitive Verben etwa haben den Typ 〈e,t〉. Ein Ausdruck dieses Typs ist ein Funktor, der, angewendet auf einen Ausdruck vom Typ e, einen Ausdruck vom Typ t ergibt. Wie steht es nun mit Infinitivnominalisierungen in Sätzen wie (82) a. Schlafen ist langweilig b. Tanzen macht Spaß Langweilig sein und Spaß machen haben den Typ 〈e,t〉. Die Nominalisierungen Schlafen und Tanzen müßten demnach vom Typ e sein, also auf Individuen referieren. Das ist jedoch nicht der Fall, die Eigenschaft langweilig zu sein wird in (82) nicht einem besonderen Schlafereignis zugeschrieben, sondern dem generischen Ereignis ‘Schlafen’ (vgl. Abschnitt 3.2). Ist langweilig denotiert demnach die Eigenschaft einer Eigenschaft und der semantische Typ muß um eine Stufe zu 〈〈e,t〉,t〉 erhöht werden: (83) Schlafen 〈e,t〉
ist langweilig 〈〈e,t〉,t〉
Diese Analyse ist jedoch problematisch für ‘einfache’ Sä tze wie Hans ist langweilig, bei denen wir das intransitive Verb nicht als 〈〈e,t〉,t〉, sondern als 〈e,t〉 analysieren wollen. Ist langweilig hat dann zwei verschiedene Typen, den einfachen und den um eine Stufe erhöhten, was zu einer unbefriedigenden Komplizierung der Grammatik führt. Wenn man nä mlich an der Forderung nach Strukturidentitä t von syntaktischer Kategorie und
semantischem Typ festhä lt, dann korrespondiert der erhöhte Typ einer anderen (komplexeren) syntaktischen Kategorie als der einfache Typ. Es gibt verschiedene Auswege aus dieser Zwickmühle: 1. Man gibt die Forderung nach Strukturidentitä t von syntaktischer Kategorie und semantischem Typ auf. Hans und Schlafen oder daß Hans schläft sind dann von derselben syntaktischen Kategorie, aber nicht vom selben semantischen Typ. Thomason (1976) hat für die Analyse von that-Komplementen diesen Weg eingeschlagen. 2. Man subkategorisiert die syntaktischen Kategorien nach Typenunterscheidungen und lä ßt auch variable Typenindizes (floating types) zu. Dies ist ein Vorschlag von Parsons (1977). Hans, Schlafen und daß Hans schläft haben dann jeweils einen festen Typenindex, nä mlich NPe, NP〈e,t〉 bzw. NP〈s,t〉, wobei 〈s,t〉 der Typ eines Komplementsatzes ist. Ein intransitives Verbal wie langweilig sein hat einen variablen Typenindex IV〈*,t〉 mit * als einer Variablen für e, 〈e,t〉 oder 〈s,t〉, ein intransitives Verb wie froh sein hat dagegen einen festen Index IVe. Zusä tzlich wird festgelegt, daß Ausdrücke, die miteinander kombiniert werden, kompatible Typenindizes haben müssen. Damit leitet das System Hans ist langweilig, Hans ist froh, Schlafen ist langweilig und Daß Hans schläft, ist langweilig in einheitlicher Weise her und schließt zugleich Kombinationen wie *Schlafen ist froh und *Daß Hans schläft, ist froh aus. 3. Man kann auf Typen verschiedener Stufung verzichten, wenn man verschiedene Sorten von Individuen zulä ßt: Objektindividuen, Ereignisindividuen, Eigenschaftsindividuen etc. Diesen Weg schlagen Reichenbach (1947) und, im Anschluß an Davidson (1967a), Bartsch (1972), Ullmer-Ehrich (1977) und Bierwisch (1989) ein. Reichenbach (1947, § 48) reprä sentiert Nominalisierungen durch event splitting als komplexe Prä dikate, die aus Sä tzen gebildet und zu Ereignisvariablen v prä diziert sind. Wenn F(a) die allgemeine Form der prä dikatlogischen Darstellung eines elementaren Satzes ist, so hat die korrespondierende Nominalisierung die Form [F(a)]*(v): (84) George VI is crowned Be crowned (George VI) (85) The coronation of George VI (∃v) ([Be crowned (George VI)]*(v)) Hier ist v der Name des Ereignisses, welches die Eigenschaft [F(a)]* hat. Ehrich inkorporiert in Ullmer-Ehrich (1977) eine modifizierte Version des Rei-
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chenbach-Vorschlags in eine Kategorialgrammatik des PTQ-Formats. Nominalisierungen gehen dabei aus morphologischen Operationen über Verbstä mmen hervor. In die Semantiksprache werden sie als unanalysierte Ereignisprä dikate F* übersetzt und durch Korrespondenzregeln zu Sä tzen in Beziehung gesetzt. (85) hat dann die semantische Darstellung (86a), woraus sich durch λ-Konversion (86b) ergibt: (86) a. λP (∃v) [P(v) & VON (v, George VI)] (coronate*) b. (∃v) [coronate* (v) & VON (v, George VI)] Die Korrespondenzregeln beziehen Formen vom Typ (86b) auf Nominalisierungsoperationen über temporalisierten Sä tzen und ordnen so das Argument im Nachbereich der VON-Relation dem Agens- oder dem Patiensargument des Verbs zu: (87) (∃v) [(coronate* (v) VON (v, George VI)) (ti)] ↔ (∃v) [((Nom (coronate (x, George VI)) (v)) (ti)] Einen sortenlogischen Ansatz vertreten in neueren Arbeiten Chierchia (1982) und Turner (1983). Chierchia entwickelte im Anschluß an Vorschlä ge von Cocchiarella (1976, 1978) eine (um Intensionen erweiterte) mehrsortige Logik IL*, in der Prä dikate als Individuenausdrücke analysiert werden. Prä dikation ist als Relation H zwischen Individuen verschiedener Sorten (‘gewöhnlichen’ Individuen und ‘Eigenschaftsindividuen’) aufgefaßt: (88) H(Dancing, John) ‘John hat die Tanz-Eigenschaft’ John is dancing Mit der Relation H ist eine Funktion H* systematisch assoziiert, welche elementare Prä dikatausdrücke zu ihren Nominalisierungen in Beziehung setzt: (89) H*(u) = {u’: H (u,u’)} Die Nominalisierung Dancing bezieht sich danach auf die Menge der u’, die die Eigenschaft haben, ein Tanzen zu sein: (90) H*(Dancing) = {u’: H(Dancing, u’)} John’s dancing is fun hat dann die H-Reprä sentation: (91) (∃u’) [H (Dancing, John, u’) & Fun(u’)] Wie man sieht, hat die Nominalisierung gegenüber dem elementaren Prä dikat eine um 1
VI. Nominalsemantik
erhöhte Stelligkeit. Dies, ebenso wie die Auffassung, daß Eigenschaften Individuen sind, erinnert an die Davidson-Lösung, die in allen neueren Ansä tzen zur Analyse von Nominalisierungen eine deutliche Renaissance erfährt. 4.2 Ereignissemantik ohne Ereignisindividuen (Cresswell) In Cresswells Ansatz werden die Ausdrücke einer natürlichen Sprache in einer λ-kategorialen Sprache syntaktisch analysiert. Diese baut auf zwei Grundkategorien auf, der Kategorie der Sä tze (0) und der Kategorie der Individuenausdrücke (1). Die übrigen Kategorien werden durch funktionale Ableitung gewonnen. So ist 〈0,1〉 die Kategorie der intransitiven Verben, die aus Individuenausdrücken (Kategorie 1) Sä tze (Kategorie 0) machen. Für die semantische Deutung der syntaktischen Strukturen ist allein der Funktor-/Argumentzusammenhang wesentlich; die Reihenfolge, in der die semantischen Korrelate der natürlichsprachlichen Ausdrücke aufgereiht sind, spielt für die Interpretation keine Rolle und unterliegt auf der Ebene der syntaktischen ‘Tiefenstrukturen’ auch keiner Beschrä nkung. Ein Subjekt-Term etwa kann am Anfang oder am Ende eines syntaktisch analysierten Satzes stehen, er muß als Funktor der Kategorie 〈0,〈0,1〉〉 aber stets über einem Ausdruck der Kategorie 〈0,1〉 als seinem Argument operieren. Cresswell (1973) behandelt Nominalisierungen als das Ergebnis von tiefensyntaktischen Operationen. Er unterscheidet drei Nominalisierungsoperatoren: nom1macht aus Sä tzen Terme, nom2macht Nomen aus intransitiven Verben, nom3macht Nomen aus transitiven Verben. Damit ergeben sich die folgenden Kategorienzuweisungen: nom1: 〈〈〈0, 〈0,1〉〉, 0〉 nom2: 〈〈0,1〉, 〈0,1〉〉 nom3: 〈〈0,1〉, 〈0,1,1〉〉 Die Nominalisierung I hate Bill’s leaving litter wird von Cresswell (1973) als Ergebnis einer nom2-Operation behandelt und (im Gegensatz zu den in Abschnitt 2.1 angenommenen Kriterien) als nominales Gerundium aufgefaßt. Der nominale Charakter ergibt sich für Cresswell aus der Tatsache, daß das Gerundium durch einen possessiven Genitiv determiniert ist. Das Possesiv-Morphem s ist als ein Ausdruck der Kategorie 〈〈0,〈0,1〉〉, 〈0,1〉, 1〉 analysiert und macht aus Individuenausdrükken der Kategorie 1 Determinatoren, welche ihrerseits Nomen der Kategorie 〈0,1〉 als Argumente nehmen und daraus Terme der Ka-
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tegorie 〈0,〈0,1〉〉 machen. Damit ergibt sich (93) als syntaktische Analyse für (92). (92) Bill’s leaving litter (93) 〈λ, x〈0,1〉, 〈Bill, 〈λ, x1, 〈〈s,x1〉, 〈nom2, 〈λ, z1, 〈λ, y1 〈leaving, z1, y1〉, litter〉〉〉 x〈0,1〉〉〉〉〉 Die Interpretation für diesen Ausdruck besagt in umgangssprachlicher Formulierung: „There is exactly one thing, which is both, an action of leaving litter and is performed by Bill“ (S. 207). Dieser Deutung unterliegt die folgende semantische Regel: (94) V(nom2) ist eine Funktion f ∈ D〈〈0,1〉, 〈0,1〉〉, und für jede Eigenschaft P ∈ D〈0,1〉 gilt: f (P) = P Die Bedeutung der Nominalisierung wird in dieser Regel mit der Bedeutung der nichtnominalisierten Verben gleichgesetzt. („On this view the only function performed by nom2 is the changing of a verb phrase into a complex common noun expression“, a. a. O. S. 207). Die Nominalisierungsoperation hat allein syntaktische Bedeutung und verhindert z. B., daß (92) als vollstä ndiger Satz fehlanalysiert wird. (94) berücksichtigt nicht, daß Verben und Nominalisierungen extensional zumeist verschieden sind: Die Extension von leave litter ist die Menge aller Individuen, die Abfall herumliegen lassen; die Extension von leaving litter ist die Menge aller Handlungen, die als ‘Liegenlassen von Abfall’ charakterisierbar sind. In Cresswell (1979) wird diese rein syntaxorientierte Position verlassen. Nominalisierungen gelten nicht mehr als das Ergebnis von Nominalisierungsoperationen, sondern werden direkt aus dem Lexikon in die syntaktische Struktur eingeführt. Mit transitiven Verben teilen sie die syntaktische Kategorie 〈0,1〉, semantisch müssen sie aber unterschiedlich analysiert werden, denn „The walk is represented by the predicate ‘is a walk’, while the verb is ‘x walks’, and the problem is that the x which is the walk is clearly not the same as the x which walks“ (Cresswell 1979: 96). Es gibt aber systematische Bedeutungszusammenhä nge zwischen Verben und Nominalisierungen, die die semantische Analyse zu berücksichtigen hat: Zum einen trifft in einer gegebenen Welt w (96) auf denselben Zeitraum zu, für den (95) gilt. Zum anderen hat die PP to the station in beiden Sä tzen dieselbe Bedeutung. (95) John walks to the station
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(96) John’s walk to the station occurs Cresswell schließt sich im Prinzip der oben diskutierten Auffassung Montagues an, daß Ereignisse Eigenschaften von Zeitpunkten sind bzw. (in einem um mögliche Welten und Zeitintervalle erweiterten Rahmen) Eigenschaften von Paaren von Welten und Zeitintervallen (w,t). Wie lä ßt sich diese Sichtweise mit unserer ‘naiven’ Ontologie vereinbaren, wonach Ereignisse (bestimmte Sorten von) Individuen sind? Cresswell knüpft hier an die schon in dem Buch von 1973 (S. 93 ff.) dargelegte Auffassung an, daß ein Individuum p als Funktion von einer gegebenen Welt w auf bestimmte Raum/Zeit-Ausschnitte aus w verstanden werden kann, nä mlich genau diejenigen Ausschnitte, in denen sich p manifestiert: „A basic individual p is a function from a world w to a part of that world [...]. p(w), the value of the function p in the world w, is called the manifestation of p in w“ (Cresswell 1973: 94). (Siehe auch Artikel 36). Der Bedeutungszusammenhang zwischen Nominalisierungen und Verben kann nun als ein indirekter Zusammenhang reprä sentiert werden. Als syntaktische Analysen für (95,96) ergeben sich die Strukturen (95′,96′): (95′) ((λ,x (John, (walksv, (to,x)))) (the, station)) (96′) (((John, s), (λ,x ((λ,y ((walkN, (to,y)), x)), (the, station)))), occurs) Die semantischen Deutungen für das Verb walkv und das Nomen walkN werden in den folgenden Regeln angegeben: (97) walkv: V(walk) ist die Funktion f in D〈0,1〉, für die gilt: (i) a ist im Argumentbereich von f gdw. a ein physikalisches Objekt ist. (ii) Für jedes a im Argumentbereich von f und für jedes Welt-Zeitpaar (w,t) ∈ W gilt: (w,t) ∈ f(a) gdw. t in w ein Intervall ist, in dem a läuft. (98) V(walkN) ist eine Funktion fin D〈0,1〉,für die gilt: a ∈ D, ist im Argumentbereich von f gdw. a((w,t)) für jedes Paar (w,t) ∈ W ein Ausschnitt aus der Manifestation eines Individuums im Argumentbereich von V(walkv) ist und wenn für jedes (w,t) ∈ W und jedes a im Argumentbereich von f gilt: (w,t) ∈ f (a) gdw. es ein b gibt mit a((w,t)) = b((w,t)) und b läuft in w zur Zeit t. Vereinfacht formuliert besagt diese Regel: a ist ein Laufereignis in w, wenn es sich in einem Zeitintervall manifestiert, das mit einem Aus-
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schnitt aus der Manifestation von b in w identisch ist, und zwar mit dem Ausschnitt, in dem b zur Zeit t in w lä uft. Identisch sind hier nicht mehr die Extensionen des Basisverbs und der Nominalisierung, identisch ist das Zeitintervall, auf das die Nominalisierung zutrifft, mit dem Zeitintervall, in dem das Basisverb auf ein bestimmtes Individuum zutrifft. Ein ä hnlicher Ansatz findet sich — unter Einbeziehung der Aspektfunktion von Nominalisierungen — in Bartsch (1981,1983). 4.3 Realistische Ereignisontologie im λFormat (Bierwisch 1989) Bierwischs Vorschlag zur Behandlung des Nominalisierungsproblems rekonstruiert Davidsons realistische Ontologie im Rahmen einer λ-kategorialen Sprache. Wortableitungen gehören dieser Theorie zufolge ins Lexikon und gehen auf regulä re lexikalische Prozesse zurück. Das Lexikon selbst wird anders als in früheren generativen Theorien nicht einfach als Liste von Worteinträ gen mit idiosynkratischer Bedeutungszuweisung aufgefaßt, sondern als ein Prozeßmodul, welches semantische Information (z. B. über die Zerlegung von Lexemen in atomare Prä dikate und ihre Argumente) mit syntaktischer Information über die Zuweisung von Thetarollen im Satz verkoppelt. Ein Lexikoneintrag spezifiziert diesem Ansatz zufolge die semantische Form SF eines Lexems als eine (komplexe) Prä dikat-/Argumentstruktur und reprä sentiert das Thetaraster für dieses Lexem durch λ-Operatoren, die über der gegebenen Prä dikat-/ Argumentstruktur operieren.
Für die Darstellung der semantischen Form von Ereignisprä dikaten übernimmt Bierwisch die Davidson-Lösung: Jedem Ereignisprä dikat Fn wird ein zusä tzliches Ereignisargument zugewiesen: (100) Fn (x1, ... xn, xn+1) Das Ereignisargument x1instantiiert den Sachverhalt, daß F(x2...xn, xn+1). Statt (100) kann daher auch (101) geschrieben werden: (101) x1 INST (Fn(x2 ...xn xn+1)) Wie bei Davidson ist das zusä tzliche Ereignisargument Bestandteil der semantischen Form von Ereignisverben ebenso wie von Ereignisnominalisierungen. In dieser Hinsicht gibt es zwischen Verben und Nominalisierun-
VI. Nominalsemantik
gen keinen Unterschied. Bierwischs Lösung unterscheidet sich in diesem Punkt von Williams (1981, s. o.), der das zusä tzliche Ereignisargument nur für Nominalisierungen und nicht auch für das zugrundeliegende Basisverb einführt. Die semantische Form für retten bzw. Rettung ist dementsprechend (102) x1 INST (RESCUE (x2, x3)) Dabei sind INST und RESCUE als elementare Prä dikate einer abstrakten Semantiksprache aufgefaßt. (103) ist der um λ-Operatoren als Indikatoren auf Thetarollen erweiterte Lexikoneintrag für retten/Rettung: (103) λx3 λx2 λx1 [x1 INST (RESCUE (x2, x3))] Die Differenzierung zwischen Basisverben und Nominalisierungen ergibt sich aus zusä tzlichen Konventionen über die funktionale Applikation der λ-Operatoren und die Zuweisung von Thetarollen. Die λ-Operatoren werden grundsä tzlich in der Reihenfolge n < n — 1 ... 2 < 1 abgearbeitet, d. h. es wird zunä chst das interne Argument der am tiefsten eingebetteten Propositionalstruktur abgebunden. Dies gilt für Verben und Nomina übereinstimmend. Die Unterscheidung kommt durch die Zuweisung der Thetarollen zustande: Die durch das zusä tzliche Ereignisargument gegebene referentielle Thetarolle λx1 ist bei Nominalisierungen (wie bei Nomina schlechthin) identisch mit der externen oder ausgezeichneten Thetarolle. Bei Verben spezifiziert λx2 die ausgezeichnete Thetarolle (die als Satzsubjekt realisiert wird), die referentielle Thetarolle fä llt also nicht mit der ausgezeichneten Thetarolle zusammen. Bleibt noch der theoretische Status der Affixmorpheme (z. B. -ung) zu klä ren. Die Bedeutung von Affixmorphemen wird ebenfalls λ-kategorial dargestellt. Jedoch wird die kategoriale Bedeutung des Resultats der Affigierung nicht durch funktionale Applikation (nach den Regeln der λ-Konversion) abgeleitet, sondern durch funktionale Komposition. Wä hrend ein Ausdruck λxα(...)β gemä ß den Regeln für funktionale Applikation der Kategorie (β, α) zuzurechnen ist, kann das Resultat der funktionalen Komposition Fkom (λxα (...)β) eine andere Kategorie als (β, α) realisieren. (Genaueres siehe Artikel 7.) Die Tatsache, daß Affixe zwar λ-kategorial dargestellt, aber nicht funktional appliziert werden, reflektiert — so Bierwisch — den besonderen Status der Affigierung. Das Nominalisierungssuffix -ung hat die Reprä sentation λz [z] wobei z eine Propositionsvariable der Kategorie O reprä sentiert.
20. Nominalisierungen
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Resultatnominalisierungen faßt Bierwisch als Sonderfä lle der Ereignisnominalisierung auf. Jedes Ereignis hat einen Verlauf und mit dem Herbeiführen einer Zustandsver ä nderung ein Resultat. Die Ereignisnominalisierung umfaßt im Prinzip beide, in bestimmten Kontexten kann aber der Bezug auf den Verlauf oder der auf das Ergebnis primä r sein (vgl. 104 a,b). (104) a. Die Ordnung der Bücher kostete ihn drei Tage (Verlauf) b. Die Ordnung der Bücher war schwer wiederherzustellen (Resultat)
tik, Phonologie) gab und Lexikonelemente (wie z. B. Nominalisierungen oder kausative Verben) als Ergebnis von prä lexikalischen syntaktischen Transformationen behandelt wurden, ist Bierwischs Auffassung vom Aufbau der Grammatik strikt modular. Syntax, Semantik und Phonologie sind autonome Komponenten der Grammatik, die durch das Lexikon als Schnittstelle aneinander angeschlossen werden. Nominalisierungsoperationen (wie Wortbildungsprozesse überhaupt) gehören ins Lexikon, nicht in die Syntax, und gehorchen genuin lexikalischen Prinzipien.
Da die diesbezügliche Deutung vom Kontext (vor allem von dem der Nominalisierung zugeschriebenen Prä dikat) abhä ngt, ist die Unterscheidung zwischen Verlauf und Resultat nicht auf der Ebene der semantischen Form SF zu reprä sentieren, sondern ergibt sich auf der Ebene der konzeptuellen Interpretation, wenn man eine entsprechende Deutungsschablone („template“) an die semantische Form SF anlegt. Die Schablone für die Resultatnominalisierung hat die Form: (105) λv λz [[z RES e] : [v e]]
5.
Hier ist e das Ereignisargument, dem v als Prä dikatsvariable zugeschrieben ist. Für v ist der Lexikoneintrag der Ereignisnominalisierung einzusetzen, bei Ordnung ist dies (106) λx λy λz [z INST [y ARRANGE x]] (106) wird in (105) eingesetzt. Dabei wird λz durch die Ereignisvariable e abgebunden, und es ergibt sich (107) als Interpretation für die Nominalisierung in (104b): (107) a. λz [[z RES e] : [λx λy [e INST [ARRANGE (y,x)]]]]≡ b. λz λx λy [[z RES e : [e INST [ARRANGE (y,x)]]]] Andere Schablonen erzeugen in analoger Weise die instrumentelle Deutung (z. B. für Kühlung) oder die lokale Deutung (z. B. für Umgebung). Auf den ersten Blick hat diese Analyse Ähnlichkeit mit dem Verfahren der lexikalischen Dekomposition wie es in der Generativen Semantik üblich war. Der Unterschied steckt nicht nur in der Verwendung der aus der Kategorialgrammatik übernommenen Verwendung von λ-Operatoren, sondern vor allem in der allgemeinen Konzeption vom modularen Aufbau der Grammatik. Wä hrend es in der Generativen Semantik keine prinzipielle Trennung zwischen verschiedenen Analyseebenen der Grammatik (Syntax, Seman-
Zusammenfassung
Die Bilanz der hier gegebenen Übersicht ist nicht eindeutig. Einerseits hat es im Rahmen neuerer Theorieansä tze in den letzten Jahren deutliche Fortschritte vor allem hinsichtlich der syntaktischen Behandlung des Nominalisierungsproblems gegeben. Andererseits steht eine umfassende semantische Analyse noch aus, in der die kategoriale Bedeutung der verschiedenen Nominalisierungsarten (Infinitiv- vs. Derivativnominalisierung, verbale vs. nominale Infinitive) ebenso berücksichtigt ist wie die Aspektfunktion von Nominalisierungen und der wortsemantische Beitrag, den die Verbaktionsarten zur Interpretation von Nominalisierungen leisten. Auch der Bedeutungszusammenhang zwischen Nominalisierungen und Komplementsä tzen, der in früheren transformationsgrammatischen Analysen des Nominalisierungsproblems eine zentrale Rolle gespielt hat, ist im Rahmen jüngerer Theorieansätze neu zu überdenken. Eine überzeugende Analyse wird ferner die ontologische Grundfrage nach dem Status von Ereignissen (Individuen vs. Eigenschaften) eindeutig und im Hinblick auf die verschiedenen Nominalisierungsarten zu beantworten haben. Allgemeinphilosophische Betrachtungen mögen Skepsis gegenüber einer realistischen Ontologie angezeigt sein lassen. Der sprachliche Formenreichtum rechtfertigt diese Skepsis nicht und legt es nahe, Modelle, die semantischen Deutungen unterlegt werden, sortenreich zu strukturieren.
6.
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1976 · Cresswell 1973 · Cresswell 1979 · Daniels 1963 · Davidson 1967a · Delacruz 1976 · DiSciullo /Williams 1987 · Dowty 1979 · Eisenberg 1986 · Esau 1973 · Fabb 1984 · Fleischer 1969 · Fraser 1970 · Galton 1984 · Grimshaw 1988b · Henzen 1947 (3. Aufl. 1965) · Higginbotham 1983 · Jackendoff 1975 · Kiparsky/Kiparsky 1970 · Kuno 1973 · Lakoff 1965 · Lakoff 1972 · Lebeaux 1986 · Lees 1960 · Lemmon 1967 · Lenerz 1990 · Löbner 1988 · Marchand 1960 · McCawley 1968 · Montague 1960 · Montague 1973 · Moortgat 1985 · Motsch 1963 · Neale 1988 · Oh 1985 · Oh 1988 · Olsen 1989 · Parsons 1979 · Pesetzky 1985 · Peterson
VI. Nominalsemantik
1979 · Peterson/Wali 1985 · Pusch 1972 · Quine, van Orman 1960 · Reichenbach 1947 · Roeper 1987 · Schä ublin 1972 · Schwartz 1969 · Selkirk 1982 · von Stechow/Sternefeld 1988 · Stowell 1981 · Strawson 1950b · Stockwell/Schachter/Partee 1973b · Thomason 1976 · Thomason 1985 · Thompson 1973 · Toman 1983 · Turner 1983 · Ullmer-Ehrich 1977 · Vater 1976 · Vendler 1957 · Vendler 1967a · Vendler 1968 · Wagner 1971 · Wasow/Roeper 1972 · Williams 1981 · Wunderlich 1971
Veronika Ehrich, Nijmegen (Niederlande)
459
VII. Semantik der Funktionswörter Semantics of Functional Words
21. 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4. 4.1 4.2 4.3 5. 6.
Quantification Introduction History Aristotle on Quantification The Fregean Leap The Semantics of Quantification Determiners and Quantifiers Quantifiers, Number Trees, Relational Properties Quantifiers of Higher Types Reducibility of Higher-Type Quantifiers Branching Quantifiers, Donkey Quantifiers, Bach-Peters Quantifiers Resumptive Quantification and Branching Quantification and Syntax Syntactic Form and Logical Form Quantifier Raising Quantifying In Conclusion Short Bibliography
The paper discusses quantification in natural language from the perspective of the theory of generalized quantifiers. Attention is restricted to explicit quantification, with a focus on quantified Noun Phrases. In a brief historical sketch, the quantification theories of Aristotle and Frege are summarized. It is shown how the Fregean theory improves on the Aristotelean account by introducing the notion of variable binding, which allows for an arbitrary number of quantifiers in a single expression. Next, a systematic account of the use of generalized quantifiers in the semantics of natural language is given. Numerical trees for quantifiers are introduced, examples of relational properties of quantifiers — with corresponding number tree properties — are given, and their use in semantic descriptions is illustrated. It is then argued that generalized quantifiers of higher types, as defined by Lindström, play an irreducible role in the semantics of natural language, and it is shown how these higher type quantifiers can be used
for the description of branching quantification, ‘Donkey’ quantification, and ‘Bach-Peters’ quantification. Finally, the treatment of quantifiers in the mapping of syntactic form to logical form is discussed. The two main techniques here are quantifier raising (as used in transformational theories of Logical Form) and Quantifying in (as used in Montague grammar). Both techniques are described and their limitations discussed. The conclusion lists two open problems areas for theories of quantification and syntax.
1.
Introduction
As Aristotle demonstrated twenty-three centuries ago, quantity words play a crucial role in any normative theory of reasoning in natural language. Aristotle’s logic concentrates on the inferential behaviour of words like all, some, and no, words that can be classified as noun phrase specifiers (or: determiners). The study of the logical properties of these quantifiers led him to a theory of reasoning on which Immanual Kant commented that never since its conception has it needed to retrace a single step. But Kant also wrote: „Merkwürdig ist noch an ihr, daß sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint.” [Furthermore it is remarkable that until now [Aristotle’s logic] has also not been able to advance a step, so that to all appearances it is closed and complete.] (Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur zweiten Auflage, 1787).
Indeed, the theory of the syllogism remained unchallenged as the standard theory of reasoning until the nineteenth century. Aristotle’s theory of reasoning is syntactic in the sense that the justification for drawing a conclusion from given premisses is stated in terms of the forms of the natural language sentences constituting the premisses and the conclusion.
VII. Semantik der Funktionswörter
460
Thus we see that in Aristotle’s days logic was still quite close to linguistics. Quantification phenomena are of concern to logicians and linguists alike. Logicians are primarily interested in the role of quantification in inference. In order to study the inferential properties of quantifiers they have developed theories about the nature of quantification, theories that lie at the heart of logic. Aristotle’s theory is the first of these. Twenty-two centuries later Gottlob Frege made a giant improvement by linking the theory of quantification with a theory of variable binding: thus predicate logic was born. A neat account of the semantics of predicate logic was added later by Alfred Tarski. Later still, in the fifties of the present century, Andrzej Mostowski has fitted the quantifiers all and some of first order predicate logic into a larger framework of generalized quantifiers. Linguists have only recently become interested in semantics; it is not surprising that they have turned first to the fields where logicians have toiled for centuries, in order to see if they could share in the harvesting. But the linguists quickly started to ask questions of their own, questions about the meaning and behaviour of non-standard quantifiers, about the relation between quantification, definite and indefinite reference and naming, about appropriate mechanisms for representing quantifier scope distinctions, about quantification and the singular-plural distinction, about the interaction between quantification and the natural language counterpart to variable binding, and so on. This fertilizing influence has caused a new discipline of ‘logical semantics for natural language’ to emerge, a discipline with a research program of its own. Most notably, Mostowski’s generalized quantifiers theory has been partly rediscovered and partly reconstructed by natural language researchers and logicians with an interest in natural language, and has provided a stimulus for inspired and inspiring new research. Emphasis was brought to the fact that the class of quantified noun phrase specifiers is much larger than the quadruple all, some, no, and not all that Aristotle studied. Quantified determiners like most, more than five, exactly three, etc., have not until recently attracted much attention, despite the fact that in reasoning they play a role almost as important as that of all and its three close relatives. The validity of the argument
(1)
Most sailors are adventurers. All adventurers are brave. Most sailors are brave.
depends just as much on the properties of most as on those of all, while the invalidity of the following argument shows that the logical properties of all and most must be different: (2) Most sailors are adventurers. Most adventurers are brave. Most sailors are brave. Quantification in natural language covers the standard logical quantifiers but it is not confined to them; neither is the phenomenon confined to quantifiers that can be expressed by means of determiners. For convenience, examples of quantifiers from English, German and Dutch will be used, but there is no reason to believe that similar expressions cannot be found in other natural languages. Many languages have dedicated adverbs for expressing quantification over locations: English has everywhere, somewhere, nowhere, German has überall, manchenorts, nirgends, Dutch has overal, ergens, nergens. Also widespread are adverbs that quantify over temporal objects. In an example like (3) Manchmal sind sich die Verliebten hier begegnet. (‘The lovers have often met here.’) it is the sentential adverb that expresses quantity. In this example the domain of quantification presumably is ‘intervals of time’. Other sentential adverbials that quantify over this domain are only once, sometimes, always, never. Note that always, sometimes, never and not always form an Aristotelian quadruple. And again there are non-standard adverbial quantifiers to be added to the list, e. g. at least four times, more than once, exactly twice, seldom. Sometimes it is difficult to tell what is the domain of discourse that these adverbial quantifiers range over: the adverbial quantifier in this sentence is a case in point (see Lewis 1975a for discussion). Quantification over intervals of time may also be implicit in sentences in which no overt quantifiers occur. If one is willing to look beyond surface structure, an X-ray picture of the logical structure of a sentence like (4) Penelope will be at the banquet. will reveal an existential quantifier over instants or intervals of time, witness the natural paraphrase of this sentence in predicate logic
21. Quantification
(suppose t0 is a dedicated variable interpreted as now): (5) ∃t(t > t0 ⋀ AtBanquet(p, t)) In spite of the fact that in logical paraphrases of natural language tense in usually expressed by means of quantification over instants or intervals of time, tense is not discussed in this article. The article does not cover implicit quantification, as in the modal expression in the following example: (6) Odysseus cannot swim. Example (6) has a logical paraphrase: (7) There is no situation in which Odysseus has the abilities he actually has and in which he swims. The trouble with implicit quantification is that it is difficult to draw a line at all. The following example exhibits implicit quantification: (8) Achilles is a murderer. Example (8) means: (9) There was a person whom Achilles has murdered. Attention will be restricted to explicit quantification because explicitness of the quantifying phrase is a clear cut criterion for delimiting the field of investigation. Also, we will focus on quantification in NPs. For a discussion of quantification in a non-NP context see Löbner (1986). We will first give a short historical survey that of necessity emphasizes the logical perspective on quantification, the special interest linguists have shown for quantified expressions being relatively recent. Next we will take a systematic look at the semantics of quantification. Finally, we will turn to matters of quantification and syntax.
2.
History
2.1 Aristotle on Quantification Aristotle’s theory of quantification focusses on the following Square of Opposition:
The quantifiers in this square express rela-
461
tions between two ‘terms’, or, as we will say, between a first and a second argument, where the two arguments denote sets of entities. The validity of the syllogism BARBARA, (10)
All B are C All A are B All A are C
rests on the transitivity property of the relation all. Another way of putting this is by saying that BARBARA expresses the fact that all is transitive. Basically, all the rest of syllogistic theory follows from this fact plus the logical relations that hold between the quantifiers in the square and some general properties of quantifiers. That this is so was largely proven by Aristotle himself, by means of a reduction of all syllogisms to BARBARA and CELARENT. H ere is the syllogism CELARENT: (11)
No B are C All A are B No A are C
The Scholastic names BARBARA and CELARENT are mnemonic names based on the words affirmo and nego, for the universal affirmative quantifier all and the universal negative quantifier no, respectively. Existential affirmation by some is indicated by I (affirmo); existential negation by means of some not by O (nego). Syllogism (11) can be reduced to (10) by replacing C in (10) by notC and observing that A ll B are not-C is equivalent to No B are C. According to the Stagirite, the following logical relations hold in the square of opposition: (a) the assertions in opposite corners of the square are contradictories; (b) the assertions of the top row of the square cannot both be true; these assertions are called contraries; (c) the assertions of the bottom row of the square cannot both be false; they are called subcontraries. (d) Finally, Aristotle takes it that the assertion in the top left corner implies that in the bottom left corner, and that in the top right corner implies that in the bottom right corner (subalternant implies subalternate). Two extra assumptions are needed to warrant the relations (b), (c) and (d). (b) and (c) are true only on the assumption that the domain of discourse E is non-empty. (d) is true only on the considerably stronger assumption that no argument has an empty extension.
462
What this means is that the Aristotelean quantifiers are taken to have existential import. One might say that Aristotle took the quantifiers all, no, some and not all, and figured out what inferential patterns with two premisses and a conclusion were validated by these. As is observed in van Benthem (1986 b), one might also pose the converse question: what are the quantifiers that are related as in the square of opposition and satisfy the inferential patterns of syllogistic theory? If the two assumptions of the previous paragraph are accepted, then the quantifiers that Aristotle put in the square are the only ones that fit (cf. van Eijck 1985 a); if not, it turns out that the syllogistic theory of all and some is also satisfied by other candidates: the complete syllogistic theory of all and some is satisfied by precisely all couples: (12) There are at most n — 1 A or all A are B / At least n A are B See van Benthem 1986 b and Westerståhl 1989. Thus, the following generalized Square of Opposition emerges:
VII. Semantik der Funktionswörter
theory, although subtle, were completely ad hoc. Frege had the striking insight that all that is needed is a general description of the way in which the combination of a universal quantifier that acts as binder for a variable υ, with an expression ϕ, affects the meaning of ϕ. As Frege noted, natural language sentences can be regarded as containing symbols that are replaceable by other symbols at one or more of their occurrences. In such cases the part of the original expression that is invariant under the replacement can be said to denote a function, the replaceable part an argument to this function. One might think of the word Calypso in (13) Calypso is more beautiful than Circe. as replaceable by the word Artemis: the result of the replacement is an expression of the same kind as the first. If one makes such a replacement, one considers the word Calypso as an argument-symbol that fits in the slot marked — in the functional expression (14) — is more beautiful than Circe. Alternatively, one might look at the original sentence in a different way, by considering Circe as an argument that combines with (15) Calypso is more beautiful than ... Or one might consider Calypso and Circe as occupying the two argument places indicated respectively by — and ... in (16) — is more beautiful than ...
Aristotle’s square is a special case, where n = 1. Aristotle’s theory has two considerable limitations: only one quantifier per sentence is allowed, and the theory is limited to standard quantifiers. 2.2 The Fregean Leap In his Begriffsschrift (1879), Gottlob Frege presented a systematic theory in which quantification and variable binding are combined. Quantifiers are introduced as variable-binding operators, and a general theory of relations is presented. The inferences covered by Aristotelean logic use sentences with at most one expression of generality. In medieval logic, attempts had been made to extend the theory to make it cover sentences containing several expression of generality. These attempts at formulating a so-called suppositio-
Examination of other examples leads to the recognition of functions with more than two arguments. The two argument slots in (16) must be kept apart. If one compares (17) and (18), (17) Calypso admires herself. (18) Calypso admires Artemis. the difference between these expressions can be phrased by saying that the former has been construed by combining the proper name Calypso with the functional expression (19), whereas the latter is the result of combining Calypso and (20). Expression (20) in turn results from combining (21) and Artemis. This shows that the two expressions (19) and (21) are different. (19) — admires — (20) — admires Artemis. (21) — admires ... Marking open slots in expressions typographically is cumbersome. Instead, Frege proposes to use variables: expressions that
21. Quantification
serve the purpose of open slots in other expressions. Instead of (19) one can write (22) and instead of (21) one writes (23). (22) x admires x (23) x admires y Sentences can now be formed by uniformly substituting proper names for variables in expressions containing these variables. Uniformly substituting Calypso for x in (22) results in: (24) Calypso admires Calypso. This is equivalent to (17). Next, Frege combines quantification and variable binding, as follows. (25) Everyone admires Calypso. can be paraphrased as: no matter how one interprets x, (26) will be true: (26) x admires Calypso. The logical form of this universal statement becomes evident from the translation: (27) ∀x(x admires Calypso) In this translation the universal quantifier V binds the variable x in (26). In the logical translation of (28) two occurrences of the same variable get bound by the universal quantifier in (29): (28) Everyone admires himself. (29) ∀x(x admires x) We say that the quantifier ∀x ranges over the variable x. Replacing all occurrences of x by occurrences of a different variable does not change the meaning of an expression: (30) has the same meaning as (29). (30) ∀y(y admires y) We say that (29) and (30) are alphabetic variants. Frege defines the existential quantifier in terms of the universal quantifier ∀ and the negation operator ﹁: if v is a variable, then ∃v is an abbreviation for ﹁ ∀v ﹁. (31) can be rendered as (32): (31) Someone admires Calypso. (32) ∃x(x admires Calypso) The treatment of several expressions of generality in one sentence poses no problem: the logical translation of (33) is built by universally quantifying over x in (34), (33) Everyone admires someone. (34) x admires someone. and (34) is built by existentially quantifying over a different variable, say y. Thus, from
463
an expression in which both x and y are free, namely (35), first an expression is formed in which y gets bound but x remains free, namely (36), and next the variable x gets bound by a universal quantifier, in (37). (35) x admires y (36) ∃y(x admires y) (37) ∀x∃y(x admires y) The stronger reading of (33), according to which there is someone who is admired by everyone, can be formed by reversing the order of the construction steps by which the quantifiers are introduced; the result is: (38) ∃y∀x(x admires y) In this formula the existential quantifier has scope over the universal quantifier, while in the formula that expresses the weaker reading the existential quantifier is within the scope of the universal quantifier. In order to illustrate more clearly that Frege’s theory of quantification is in fact a combined theory of quantification and binding, it is convenient to use λ-operators (lambda-operators) to express the binding of variables, and let the quantifiers ∀ and ∃ combine with expressions in which a λ-operator has maximal scope. The notation using λoperators is not Frege’s; the λ-calculus was introduced in Church (1940). The notation is adopted here because it illustrates the essence of the Fregean combination of quantifiers and variable-binding remarkably well. Using λ-abstraction, a one-place predicate (i. e., an expression denoting a property) can be formed out of a sentence. Consider again the sentence (39) Calypso admires Artemis. By abstracting from the name Calypso, a predicate can be formed, namely the predicate to admire Artemis, to be translated as (40) λx(x admires Artemis) The predicate to be admired by Calypso is the result of abstracting from the object in the same sentence, the name A rtemis; this predicate is translated as (41). The translation of the predicate to admire oneself is (42). (41) λy(Calypso admires y) (42) λx(x admires x) Let us suppose now that a one-place predicate can only be combined with a universal or existential quantifier V or 3, and that the result is again a sentence. (43) is rendered as (44): (43) Everyone admires Artemis.
464
(44) ∀λx(x admires Artemis) H ere the quantifier V expresses a property of properties, namely ‘being a property that all objects in the domain of discourse have’. Using ⟦·⟧ for the interpretations of logical expressions we can say that ⟦∀⟧ (i. e., the interpretation of ∀) equals {E}, where E is the domain of discourse. Applied to the example, this gives that (44) is true iff ⟦λx(x admires Artemis)⟧is an element of ⟦∀⟧. In other words, (44) is true iff ⟦λx(x admires A rtemis)⟧ = E. To put it yet another way, (44) expresses the following: (45) The property of admiring Artemis is a property that all objects in the domain of discourse have. From (44) a new predicate can be formed by abstracting from the name Artemis: (46) λy(∀λx(x admires y)) This is the predicate to be admired by everyone. By combining this predicate with the existential quantifier one gets the formula that expresses that everyone admires someone, in the strong reading: (47) ∃λy(∀λx(x admires y)) Like the universal quantifier, the existential quantifier 3 expresses a property of properties: ‘being a property that at least one object in the domain of discourse has’, or: ‘being a property with a non-empty extension’. In other words, if E is the domain then ⟦∃⟧ is {A ⊆ E A ≠ ∅}. A formula of the form ∃(λυϕ) is true just in case ⟦λυϕ⟧ is an element of ⟦∃⟧. Thus, (47) can be paraphrased as: (48) The property of being admired by everyone is a property of at least one object in the domain of discourse. Note that the Fregean ∀ and ∃ differ from the binary relations all and some of the previous section. Unlike the quantifiers in section 2.1, the Fregean quantifiers range over the whole domain of discourse. Expression in which the Aristotelean quantifiers occur can easily be reformulated in terms of Fregean quantifiers. (49) becomes (50): (49) All P are Q (50) ∀λx(Px → Qx) H ere the universal quantifier combines with a predicate that expresses the property of being Q if one is P (the property of either being Q or not being P). To say that this is a property that all objects have is nothing other than saying that all P are Q. Similarly, (51) can be paraphrased as ‘there is at least one
VII. Semantik der Funktionswörter
object that is both P and Q’, which is rendered as (52): (51) Some P are Q (52) ∃λx(Px ⋀ Qx) Thus, restricted universal and existential quantification are reducible to unrestricted universal and existential quantification. To capture the ‘existential import’ of the Aristotelian all, a slightly more involved translation is needed: (53) ∃λx(Px) ⋀ ∀λy(Py → Qy) The first conjunct ensures that the extension of P is non-empty. If one considers the logical translations of natural language sentences with quantified expressions, it should be noted that these quantified expressions do not figure as such in the translations any more. The logical translation of (54) is (55): (54) Odysseus killed every gallant. (55) ∀λx(gallant(x) → Odysseus killed x) In this translation the constituent every gallant has disappeared: it is contextually eliminated. Frege remarks that a quantified expression like every gallant does not by itself give rise to ‘einer selbständigen Vorstellung’ (a concept by itself), but can only be interpreted in the context of the translation of the whole sentence. Applied to this particular example: the literal paraphrase of (55) is: (56) All objects in the domain of discourse have the property of either not being gallants or being objects killed by Odysseus. In this restatement of sentence (54) the phrase every gallant does not occur. Summing up, we can say that two principles are central to Frege’s account of quantification: the principle of compositionality and the closely connected principle of contextuality. The former says that the meaning of a complex expression — like the logical translation of Everyone admires someone — depends in a systematic way on the meanings of the components from which the expression is construed in a step by step process. Frege does not often refer to this principle explicitly, but nevertheless it always looms large in the background of his writings; see Janssen (1983). According to the principle of contextuality the meaning of a phrase cannot be studied in isolation, but must always be viewed as related to the context in which the phrase appears. Quantified expressions are prominent examples to which this applies.
21. Quantification
465
Frege’s theory of quantification and variable binding removes the first of the two limitations on the theory of Aristotle, the limitation to one expression of generality per sentence. The limitation to standard quantifiers still exists. The first crystal-clear discussion of the discipline of semantics conceived as the study of the relations between the expressions of a logical language and the objects that are denoted by these expressions was given in Tarski (1933) (English translation in Tarski 1956). Tarski first defines the concept of a model for a first order predicate logical language (a language that allows quantification over entities of the first order, i. e., individual objects). H e then uses this definition to define a function ⟦·⟧ that yields either true or false for any formula ϕ of the language, provided that the interpretations of the free variables in ϕ are fixed. This definition — or a variation on it — can be found in any textbook on first order predicate logic; see for instance van Dalen (1983).
3.
The Semantics of Quantification
3.1 Determiners and Quantifiers Basically, noun phrases (57) [NP[DET all][CN men]] (58) [NP[DET no][CN nymphs]] (59) [NP[DET at least three][CN gallants]]
like
can be interpreted as sets of sets of individuals (sets of VP-denotations), namely the denotations of those VPs for which DET CN VP holds. Let E be a domain of discourse. Then we have: — (57) is interpreted as {A ⊆ E men ⊆ A}; — (58) is interpreted as {A ⊆ E nymphs ⋂ A = ∅}; — (59) is interpreted as {A ⊆ E gallants ⋂ A ≥ 3} Here men is the extension of men in the model, nymphs is the extension of nymphs in the model, and gallants ⋂ A is the cardinality of the intersection of A and the extension of gallants is the model. Now we can say that (60) All men walk. is true in a model iff the set of walkers is in {A ⊆ E men ⊆ A}. Similarly, (61) At least three gallants sing. is true iff the set of singers is a member of
{A ⊆ E gallants ⋂ A ≥ 3}. This provides a uniform treatment of the semantics of subjectpredicate combinations. Equivalently, determiners in natural language may be interpreted as two-place relations D between sets of individuals. Instead of B ∈ DA we now write DA B. A ll men walk is true in a given model iff the relation of inclusion holds between men and walk. Thus, the determiner all is interpreted as the inclusion relation. Abstracting from the domain of discourse, we can say that determiner interpretations pick out a binary relation on sets of individuals, on arbitrary universes E. Notation: DEA B. Pictorially:
Above, we have used DA B for a determiner relation on sets A and B. It is convenient to use d, a and b to refer to the linguistic expressions that have, respectively, the determiner relation D and the sets A and B as their interpretations. This view on determiners might be thought to be linguistically naive because of the focus on subject noun phrases that combine with simple verb phrases. H ow, for instance, is one to deal with the determiner every in the following example? (62) A servant of Penelope hated every gallant. At first sight it seems that every relates the set gallants to a two-place relation hate. H owever, underneath the surface the familiar relation of inclusion can be found, between the set gallants and the set {x yhatesx}, where y is some fixed object. Many of the determiners occurring in natural language satisfy some interesting global constraints. A first intuition about determiners is extension (EXT): Definition 1 (EXT) A determiner D satisfies the condition of extension if the following holds: for all A, B ⊆ E ⊆ E′: DEAB ⇔ DE′ AB. Determines observing EXT are stable under growth of the universe. So, given sets A and B, only the objects in the minimal universe A ⋃B matter. Pictorially:
466
One example of a determiner that does not satisfy the constraint EXT is many in the sense of relatively many, the sense in which Many adventurers survived can be false while Many adventurers were surviving adventurers is true. Many A are B is true in this sense if the proportion of objects that are B inside the set A is larger than the proportion of Bs in the whole universe; these proportions may change with growth of the universe. Formally:
H owever, this is not the only sense of many. Many in the sense of ‘exceeding some contextually given norm number’ does satisfy EXT. Another intuition that is satisfied by many determiners is conservativity (CONS): Definition 2 (CONS) A determiner D satisfies the condition of conservativity if the following holds: for all A, B ⊆ E: DEAB ⇔ DEA(A ⋂ B). Conservativity says that the part of the second argument B that is outside the first argument A is irrelevant for evaluating the determiner; it is the first argument of the determiner that sets the stage. Although this property holds for all ‘ordinary’ determiners, there are some exceptions. (63) Only fishermen survived. (64) Odysseus encountered mainly syrens and nymphs. Under its most plausible reading, (63) means that the set of survivors consisted exclusively of fishermen. In other words, it is an assertion about the full set of survivors, not just about the set of surviving fishermen. Similarly, (64) means that the majority of the set of beings encountered by Odysseus consisted of syrens and nymphs. Again, it is an assertion about the full set of beings that Odysseus encountered, and not just about the syrens and nymphs that he came across. We can get around these exceptions by denying that only and mainly are syntactically in the same class as determiners like all, some, no and so on. Only seems to combine with NPs to form new NPs, and mainly behaves more like an adverb
VII. Semantik der Funktionswörter
than like an NP-constituent. Another exception to CONS is the determiner many in the proportional sense that was mentioned above. But even here one can make a syntactic escape: it has been argued that many is an adjective rather than a determiner. Conservativity is extensively discussed in Barwise & Cooper (1981), where it is called the live-on property. CONS plus EXT permit one to suppress the parameter E. The two conditions taken together ensure that the truth of DA B depends only on A and A ⋂ B. Expressed as a diagram:
Next, the relational perspective on determiners suggests a very natural way of distinguishing, inside of the set of determiners, between determiners that are expressions of quantity (like every, all, some, most), and determiners that are not (like my, the, John’s). Determiners that form ‘logical’ quantifiers satisfy the following condition of isomorphy (ISOM): Definition 3 (ISOM) A determiner D satisfies the condition of isomorphy if the following holds: if f is a bijection from E to E′, then DEAB ⇒ DE′f[A]f[B]. This intuition expresses that only the cardinalities of the sets A and B matter. The first mention of ISOM is in Mostowski (1957), an article that laid the logical foundations of the generalized quantifier perspective. Any relation between sets of individuals A and B that fulfils the requirements of EXT, CONS and ISOM is called a generalized quantifier. Also, if a natural language determiner is interpreted as a relation that fulfils the requirements of EXT, CONS and ISOM, it is called a logical determiner. The interpretation of every satisfies ISOM, the interpretation of (65) every ... except Odysseus does not, for in some state of affairs (67) might be true and (66) false, even though there is an isomorphic mapping of sailors to peasants and perished ones to survivors. (66) Every sailor except Odysseus has perished. (67) Every peasant except Odysseus has survived.
21. Quantification
Every sailor except one does fulfil ISOM, precisely because it does not matter which one is the exception. If D satisfies EXT, CONS and ISOM, it turns out that the truth of DA B depends only on the cardinal numbers A and A ⋂B, or equivalently, on A—B and A ⋂ B. The ‘proper treatment’ of quantification in Montague (1973) implicitly uses generalized quantifiers. According to Montague the proper way to treat noun phrases in natural language is a uniform way. Ignoring the technicalities of Montague’s intensional treatment, an NP is interpreted as a set of sets of entities. The NP every man is interpreted as the set of all sets that include the set of men; the interpretation of the NP a man is the set of all sets that contain at least one man; the interpretation of the man is the set of all sets that contain the one and only man in the domain in case there is a unique man in the domain, the empty set otherwise. For reasons of structural uniformity this treatment is extended to cover proper names as well: the interpretation of the NP John is the set of all sets having the individual John as a member. The interpretation of John is not a generalized quantifier, for it is not invariant under isomorphic mappings of the universe. In Barwise & Cooper (1981) the systematic study of the semantics of noun phrases in natural language from a generalized quantifiers perspective is started. This article, in which the historical link with Mostowski (1957) is mentioned, has given rise to new research on generalized quantifiers and their application in natural languages. See van Benthem (1986 a) for an overview and for further references. 3.2 Quantifiers, Number Trees, Relational Properties Suppose a determiner D satisfying EXT, CONS, and ISOM has A as a first and B as a second argument. D can then be characterized as a subset of the following tree of numbers:
The first number in each number pair is
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A—B, the second one A ⋂B. As an example of how the positions in the tree should be read, consider the third row. This row treats the case where there are 2 As: either both of them are non-Bs, or one of them is non-B and the other is B, or both of them are Bs. H ere are some examples of tree patterns for logical determiners:
Once the principle behind the construction of these trees is grasped, many interesting properties of logical determiners can be visualized quite easily, and results for these properties obtained through reasoning about tree patterns. Consider e. g. the following monotonicity property (right-monotonicity in the upward direction). Definition 4 (MON ↑) A Logical determiner D is right upward monotone if the following holds: if DAB and B ⊆ B′, then DAB′. Examples of determiners with this property are all and some, as can be seen from the fact that (68) implies (69) and the fact that (70) implies (71): (68) All warriors are aggressive. (69) All warriors are aggressive or arrogant. (70) Some peasants are rude. (71) Some peasants are rude or stubborn. In cases where a determiner D has the property MON↑, we also say that a noun phrase denotation DA formed with that determiner has property MON↑. H ere is the numerical
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tree pattern for logical determiners that are MON↑: Definition 5 (MON ↑ tree property) If a node has a +, then all nodes to the right on the same row have +-s. To see that this is the correct tree property, consider a node with a + in the pattern of a MON↑ determiner. What the MON↑ property expresses is that if we add extra elements to the Bs the determiner relation will still hold. If these extra elements are non-A s then this does not affect the node position we are in (the conservativity of D tells us that the determiner relation still holds). If the extra elements are As, then one or more of the As change from non-Bs into Bs, and we shift to a new + position one or more places to the right in the same row. Definition 6 (MON ↓) A logical determiner D is right downward monotone if the following holds: if DAB and B′ ⊆ B then DAB′. Again, a noun phrase interpretation DA of which the determiner has property MON↓ will be called MON↓. We will also call a noun phrase with an MON↓ (MON↓) interpretation upward (downward) monotone. Examples of downward monotone noun phrases are not all and no. The corresponding tree pattern property: Definition 7 (MON↓ tree property) If a node has a +, then all nodes to the left on the same row have +-s. Inspection of the above example tree patterns shows that at least three is MON↑, less than half is MON↓, and an even number of is neither MON↑ nor MON↓. Barwise & Cooper (1981) observe that the choice between and and but for noun phrase conjunction depends on the monotonicity properties of the conjuncts. Noun phrases that are monotone in the same direction are conjoined with and, monotonicity in opposite directions triggers conjunction by means of but: all sailors and some peasants versus many gallants but no bridegroom. It is easy to come up with exceptions, but with some qualifications the rule seems to hold. Monotonicity properties of logical determiners also turn out to play an important role in the description of negative and positive polarity phenomena in natural languages (see for instance Ladusaw 1979, Zwarts 1986). The following sentences, taken from Dutch, English and German, exhibit negative polarity
VII. Semantik der Funktionswörter
phenomena: (72) Hoogstens honderd strijders hoeven de wacht te houden. (‘At most a hundred warriors need to be on guard.’) (73) *Minstens honderd strijders hoeven de wacht te houden. (‘At least a hundred warriors need to be on guard.’) (74) Es interessierte keinen einen Deut. (‘No-one was at all interested.’) (75) *Es interessierte einen einen Deut. (Someone was slightly interested.) (76) Few people lifted a finger to help the wounded soldiers. (77) *Many people lifted a finger to help the wounded soldiers. In the Dutch examples, the verb hoeven is a so-called negative polarity item: the verb phrase in which it occurs must be a negative context. Likewise, the German ein Deut and the English to lift a fìnger are negative polarity items. The following English examples illustrate the fact that any, in one of its readings, is a negative polarity item: (78) No sailor refused any of the gifts. (79) *Every gallant refused any of the gifts. When these phenomena were first discussed, negative polarity items were defined as items that demand a negative context, where negative context was paraphrased as: context that is somehow in the scope of a negation operator. The examples make clear that noun phrases also qualify as negative contexts. The noun phrases no sailor and hoogstens honderd strijders (at most a hundred warriors) are negative, every gallant and minstens honderd strijders (at least a hundred warriors) are not. The noun phrases that allow negative polarity items in their scopes turn out to be precisely the downward monotone noun phrases. Negative polarity items have positive counterparts. Positive polarity items occur in the following Dutch sentences: (80) Alle mannen waren allerminst tevreden. (‘All men were not-in-the-least satisfied.’) (81) Precies vijf mannen waren allerminst tevreden. (‘Exactly five men where not-in-the-least satisfied.’) (82) *Niemand was allerminst tevreden. (‘Nobody was not-in-the-least satisfied.’) The positive polarity item allerminst (not-inthe-least) is allowed in the scope of a MON↑
21. Quantification
or a non-monotone noun phrase, but it is rulèd out in a context where a MON↓, noun phrase is present. The tree pattern characterizations of the properties MON↑ and MON↓ make it easy to establish useful facts about these properties. The conjunction of MON↑ (MON↓,) noun phrases is MON↑ (MON↓). The disjunction of MON↑ (MON↓) noun phrases is MON↑ (MON↓). The conjunction of a MON↑ noun phrase and a MON↓ noun phrase is in general not monotone, and neither is their disjunction. Negating a monotone noun phrase reverses the monotonicity direction. These observations follow immediately from the fact that the tree pattern of a conjoined noun phrase has + in exactly those places where all the conjuncts have +, and the tree pattern of a disjunction of noun phrases has + in all places where at least one of the disjuncts has +. The negation of a noun phrase changes all +-s into —-s and vice versa. The observed regularities can be used to explain the following data. (83) No sailor and few peasants refused any of the gifts. (84) *Every sailor but no peasant accepted any of the gifts. (85) *Geen man of geen vrouw was allerminst tevreden. (‘No men or no woman was not-in-theleast satisfied.’) In (83) the conjoined NP is MON↓, so that a suitable negative context for any is established, and the example is acceptable. In (84) the disjunction every sailor but no peasant is not monotone, which rules out a sentence with negative polarity any. From this example we see that the mere presence of the MON↓ noun phrase no peasant in the sentence is not enough to make the use of a negative polarity item felicitous: the negative polarity item any is not in the scope of no peasant but in that of the noun phrase in which no peasant occurs as a disjunct. In (85), finally, the noun phrase geen man of geen vrouw is a disjunction of two MON↓ noun phrases, which means that it is itself MON↓, and this rules out the occurrence of a verb phrase with the positive polarity item allerminst. The properties MON↑ and MON↓ refer to monotonicity in the second argument of a determiner. We may also look at monotonicity properties in the first argument. Barwise & Cooper (1981) use the terms persistence
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and anti-persistence for this kind of monotonicity. Definition 8 (↑MON) A determiner D is left upward monotone if the following holds: if DAB and A ⊆ A′ then DA′B. Definition 9 (↓MON) A determiner D is left downward monotone if the following holds: if DAB and A′ ⊆ A then DA′B. Examples of ↑MON determiners are some and not all, as can be seen from the fact that (86) entails (87) and (88) entails (89): (86) Some seductive nymphs smiled. (87) Some nymphs smiled. (88) Not all boastful gallants sang. (89) Not all gallants sang. All and no are examples of ↓MON determiners, witness the entailment relations between (90) and (91), and those between (92) and (93): (90) All sailors perished. (91) All adventurous sailors perished. (92) No storytellers talked. (93) No entertaining storytellers talked. One might say that ↑MON and ↓MON refer to monotonicity properties of the determiner, MON↑ and MON↓ to monotonicity properties of the whole noun phrase. Therefore, a determiner that is ↑MON (↓MON) is sometimes simply called upward (downward) monotone. Again, these monotonicity properties are borne out by linguistic facts. In English, negative polarity any must occur in a negative context, and the first argument of a ↓MON provides such a context (every and no are ↓MON, some is ↑MON): (94) Every sailor who accepted any of the gifts perished. (95) No sailor who accepted any of the gifts perished. (96) *Some sailor who accepted any of the gifts perished. Because of CONS, the first argument of a determiner relation is more important than the second one. Thus, left monotonicity imposes a more severe constraint on a determiner relation than right monotonicity. The tree pattern property that corresponds to ↑MON is: Definition 10 (↑MON tree property) If a node has a +, then all nodes in the
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VII. Semantik der Funktionswörter
downward triangle with this node as its root have +-s. To see that this is correct, observe that ↑MON says that if the determiner relation holds for some sets A and B, and we add one or more extra elements to the set of A s, then the relation will still hold, no matter whether the extra elements are Bs or non-Bs. Adding an extra A will bring us in the next lower row, at the nearest position in the ↘ direction if the extra element is a non-B, or at the nearest position in the ↙ direction if the extra element is a B; in both places we will find +-s. Similarly, we can establish that the corresponding tree pattern property for ↓MON determiners is the same, but in the upward direction. Looking again at the example trees from the beginning of the section, we see immediately that at least three is ↑MON, and less than half of and an even number of are not monotone in their left arguments. For another illustration of the relevance of logico-semantic analysis to empirical linguistics, look at the table below, which shows the relational properties of quantifiers. A natural question suggests itself: why is it that certain relational properties do not seem to be realized in natural language? Prima facie it might be an accidental fact that the natural languages we have studied do not exhibit asymmetric, circular, euclidic or antieuclidic quantifiers. Or it might be a general empirical constraint on natural languages: a linguistic universal in the true sense. The logical study of quantifiers has revealed, however, that the constraints are a matter of logic rather than empirical fact. Van Benthem has shown that there are no asymmetric, euclidic, or circular quantifiers. Also, it has turned out that anti-euclidic determiners depend only on their first argument. If one focusses on deterproperty symmetry
definition DAB ⇒ DBA
antisymmetry asymmetry reflexivity irreflexivity transitivity circularity euclidity anti-euclidity
DAB&DBA ⇒ A = B DAB ⇒ ﹁ DBA DAA ﹁ DAA DAB&DBC ⇒ DAC DAB&DBC ⇒ DCA DAB&DAC ⇒ DBC DAB&DCB ⇒ DAC
miners D satisfying the natural requirement that for every A ≠ ∅ there are B, B′ such that DA B and ﹁ DA B′, then, as Zwarts (1986) has shown, there are no anti-euclidic determiners. Observe that Zwarts’ requirement merely states that the second argument of the quantifier should make a difference. As an example of a non-existence result, here is a proof of the fact that there are no interesting asymmetric quantifiers. Theorem 1 (Van Benthem) There are no asymmetric quantifiers except the empty one. Proof: Because D is non-empty, there are A , B such that DA B. It follows from CONS that DA(A ⋂ B). Suppose A—Bequals n. Add n new individuals to A ⋂B and call the result A*. Now A* ⋂ A = A ⋂ B, and DA(A ⋂B) implies DAA* by CONS. Also DA(A ⋂B) implies DA*(A ⋂ B) by ISOM, which implies DA*A by CONS. We have found a pair A , A * with DAA* and DA*A, contradicting asymmetry. For the use of relational properties of quantifiers to describe linguistic constraints, consider sentences of the following pattern: (97) There is/are NP. Barwise & Cooper (1981) propose as a linguistic universal that the NPs that can occur in this position are precisely the quantifiers that are neither reflexive nor irreflexive. This rule explains the following contrasts: (98) There are five gallants. (99) There are many sailors. (100) There are not many women. (101) There are no women. (102) *There are all soldiers. (103) *There are not all men. Unfortunately there are counterexamples: the determiner most is neither reflexive nor irreexamples some, no, at least k, exactly k, an even number of all — all, at least half not all, all but k all — — —
21. Quantification
flexive. It is obvious that it is not irreflexive; it is not reflexive either, because most gallants are gallants is not true in case there are no gallants. Still, we have: (104) *There are most gallants. Similarly for determiners like more than half, more than two thirds, and so on. A proposal that seems to work better than Barwise & Cooper’s is the following: There-universal The items that satisfy the There is/are A context are precisely the symmetric quantifiers. The symmetric quantifiers turn out to be those quantifiers that can be characterized by a condition on the intersection of their first and second arguments. To see this, assume that D is symmetric. If there are A , B such that DA B then by CONS, DA(A ⋂ B), and by symmetry, D(A ⋂B)A , and again by CONS, D(A ⋂B)(A ⋂B). To see that the symmetric quantifiers are a proper subclass of the quantifiers that were singled out by Barwise & Cooper, look at the corresponding properties in the tree of numbers. Symmetry is reflected in the number tree as follows: Definition 11 (SYM tree property) If a node has a +, then all nodes on the ↘ diagonal through this node have +. The tree properties corresponding to reflexivity and irreflexivity are, respectively: Definition 12 (REFL tree property) Every node on the ↙ diagonal through 0,0 has +. Definition 13 (IRREFL tree property) Every node on the ↙ diagonal through 0,0 has —. It follows immediately that if a quantifier is symmetric, either the quantifier is trivial (every node in its tree has a +, or every node in its tree has a —), or it is neither reflexive nor irreflexive. As a final example of a linguistic description in terms of semantic properties, we consider the concept of a definite NP. In order to get at a semantic characterization, we drop ISOM, and we look at NP interpretations as sets of sets of individuals. Definition 14 An NP interpretation F is a principal filter there exists an A such that F(B) iff A ⊆ B. Definition 15 If F = {B A ⊆ B} is a principal filter,
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then A is called the generator of F. Definition 16 A principal filter F is nontrivial F has a non-empty generator. Note that the principal filter on E generated by the empty set is equal to E; this principal filter is trivial just because it does not exclude anything at all. We now have a precise semantic characterization of definiteness: Definition 17 Definite NPs are NPs that are interpreted as non-trivial principal filters. Furthermore, singular definites are generated by singleton sets, plural definites by non-singletons. If a definite NP has the structure ‘determiner + common noun’, then the determiner must be MON↑. This is because principal filters satisfy the following constraint: F(B) and B ⊆B′ implies F(B′). H owever, the characterization is not only applicable to noun phrases that have this structure, but also to proper names interpreted as sets of sets, in the Montagovian style. Proper names interpreted thus are non-trivial principal filters. Similarly for noun phrases like the king, the gallants, both princesses, these five sailors, Odysseus and the king of the A chaians. None of these satisfies ISOM. Plural definites are the NPs that occur most naturally in the position following of in partitive constructions like one of these five sailors, so again the generalized quantifier perspective provides a semantic characterization of a linguistic constraint. The partitive construction presupposes the existence of a set of which some part is singled out: this set is precisely the non-empty generator of the principal filter. 3.3 Quantifiers of Higher Types The concept of a generalized quantifier that was introduced in Mostowski (1957) has been generalized further in Lindström (1966), and, as it turns out, this further generalization is useful for the semantic analysis of natural language. Consider the following example. (105) More nymphs than goddesses are happy. This sentence is true iff the number of happy individuals that are nymphs is larger than the number of happy individuals that are goddesses. Thus, the truth conditions for the sentence involve the three sets nymphs, goddesses and {x happy(x)}.
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Following Lindström, we consider relations between relations on universes E. If Q is a relation between n relations on E, of arities r1, ..., rnrespectively, then we say that Q is a relation of type 〈r1, ..., rn〉. Note that one-place predicates are taken to be ‘relations’ of arity 1. To clarify this perspective, here are some examples (take E to be the universe): ∙ Q is a relation of type 〈1〉 iff Q ⊆ E. ∙ Q is a relation of type 〈1, 1〉 iff Q ⊆ ( E × E). ∙ Qis a relation of type 〈1, 1, 2〉 iff Q ⊆ ( E × E × E2). ∙ Q is a relation of type 〈2, 2〉 iff Q ⊆ ( E2 × E2). In the general case: ∙ Q is a relation of type 〈r1, ..., rn〉 iff Q ⊆ ( Er1 × ... × Ern). Of course, in order to ensure that these relations Q are really quantificational we have to impose the proper constraints, most notably a suitably extended version of ISOM. The Fregean quantifiers V and 3 have type 〈1〉, for they are subsets of the set of oneplace predicates on some universe E, i. e., they are relations of arity 1 on the set of all subsets of E. The Aristotelean quantifiers and the generalized quantifiers that we have discussed in sections 3.1 and 3.2 have type 〈1, 1〉; they denote relations between pairs of subsets of the universe E, i. e., relations between pairs of one-place predicates on E. The complex determiner that occurs in example (105) can be interpreted as a quantifier of type 〈1, 1, 1〉, for the truth conditions of the sentence are stated in terms of three oneplace predicates on the universe of discourse. Some further examples of 〈1, 1, 1〉 quantifiers occur in the following sentences. (106) Every ploughman and yeoman was happy. (107) The thousand foot soldiers and charioteers cheered. (108) At least one hundred Trojans and Achaians were killed. (109) More than twice as many warriors as charioteers attacked. (110) Fewer Achaian kings than princes survived. (111) Fewer Achaian kings than princes survived. One might think that the determiner every — and ... in (106) can be discarded in favour of
VII. Semantik der Funktionswörter
a 〈1, 1〉 determiner every that combines with a conjoined common noun, but this is not so. Conjoining the two common nouns results in a common noun interpreted as the set of individuals that are both ploughmen and yeomen, and thus gives a reading for the whole sentence that is not intended. The same applies to the determiners the thousand — and ... and at least one hundred — and ... in examples (107) and (108), respectively. Note the syntactic difference between (110) and (111). The italics in the examples indicate that fewer A chaian kings than princes can be analysed in two non-equivalent ways. If one takes the adjective A chaian as part of the determiner, the property of being Achaian is asserted of both the first and the second common noun that the determiner combines with. In other words: if one takes the syntax to be (112) [fewer Achaian [kings] than [princes]] then the things being compared are Achaian kings on one hand and Achaian princes on the other. Alternatively, the syntactic analysis can be (113) [fewer [Achaian kings] than [princes]] This produces the reading in which Achaian kings are compared with princes in general. The examples show that there are determiners in natural language that can be analysed as 〈1, 1, 1〉 quantifiers. Of course, the examples by themselves do not prove that there is no way of constructing these determiners out of simpler building blocks. We will return to this issue below. The following examples seem to indicate that natural languages employ quantifiers of still higher types: (114) Every Boeotian, Phocian, Locrian, Aitolean and Cretan took part in the fighting. (115) Equal numbers of Boeotians, Phocians, Locrians, Aitoleans and Cretans came to Ilios. The quantifier involved in example (114) would be of type 〈1, 1〉 if one could explain away the and, for then one could assume that every combines with -or-. In the absence of such an ‘and/or swap theory’ one has to assume that both sentences involve determiners of type 〈1, 1, 1, 1, 1, 1〉. It is clear that the number of common nouns can be arbitrarily extended (H omer’s famous list of men and ships sent to Troy is much longer), so the examples suggest that quantifiers of type 〈1, ..., 1〉 occur in natural language.
21. Quantification
Again we can separate the logical determiners from the rest by imposing the constraints of EXT, CONS and ISOM. The reformulations of EXT and ISOM are straightforward. The reformulation of CONS may come as a surprise. Definition 18 (CONS for 〈1, ..., 1〉 quantifiers) A quantifier Q of type 〈1, ..., 1〉 satisfies conservativity if the following holds: A1, ..., An, P ⊆ E: QEA1 ... An P ⇔ QEA1 ... An(P ⋂ ( Ai)). This new version of CONS says that the last argument of the quantifier — the one that corresponds to the VP denotation — plays a special role. The set to which the VP denotation can be restricted is the union of the denotations of the n other arguments. In other words: the union of the denotations of the n other arguments sets the stage. Note that the version of CONS for 〈1, 1〉 quantifiers is covered as a special case (set n = 1). The following equivalences illustrate that the above generalization is indeed the correct one. (116) Every ploughman and yeoman was happy. ⇔ Every ploughman and yeoman was a happy ploughman or yeoman. (117) More Achaians than Trojans survived. ⇔ More Achaians than Trojans were surviving Achaians or Trojans. Notice that all determiners mentioned so far in this section satisfy EXT and CONS. They also satisfy ISOM, except for the determiner (118) fewer Achaian — than ... which is sensitive to the property of individuals of being Achaian, surely part of their individuality. We can generalize still further. Sentences of the following type were first discussed in Scha (1981): (119) Twenty Achaians slaughtered one hundred Trojans. Scha considered the reading expressing that a total of twenty Achaians were involved in the slaughtering of Trojans, and that a total of one hundred Trojans were killed in the event. H e branded this cumulative quantification. The truth conditions for this sentence involve two sets achaian and trojan, and, with disregard of tense, the two-place relation slaughter. This means that a quantifier of type 〈1, 1, 2〉 is involved. Nor is this the end:
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(120) Three kings awarded a total of thirty prizes to a total of twelve champions. H ere a quantifier of type 〈1, 1, 1, 3〉 seems to be present, for the three sets kings, prizes, champions and the three place relation award are involved. Again, EXT, CONS and ISOM must be amended to separate the real quantifying relations of these higher types from the rest. Again, the generalizations of EXT and ISOM to quantifiers Q of type
are straightforward (ISOM must now be stated in terms of bijections with domain En that are induced by bijections with domain E). The version of CONS for quantifiers of these types reads as follows. Definition 19 (CONS for 〈1, ..., 1, n〉 quantifiers) A quantifier Q of type 〈1, ..., 1, n〉 satisfies conservativity if the following holds: A1, ..., An ⊆ E, R ⊆ En: QEA1 ... AnR ⇔ QEA1 ... An (R ⋂ (A1 × ... × An)). This new version of conservativity says that if n CNs are combined with an n-place VP, it is the Cartesian product of the CN denotations that sets the stage. Scha’s examples of cumulative quantification observe EXT, CONS and ISOM. We have shown by example that generalized quantifiers of higher types than 〈1, 1〉 may be employed in the analysis of natural language. The obvious sequel question is: do we really need them? Let us consider some examples of quantifiers of type 〈1, 1, 2〉: (121) (A, B, R) iff dom(R ⋂ (A × B)) = A. (122) (A, B, R) iff for some b ∈ B: A × {b} ⊆ R. For convenience we introduce some simple abbreviations: Definition 20 For a ∈ E and R ⊆ E2: Ra {x Rax} and {x Rxa}. The following definition is from Keenan (1987b). Definition 21 A quantifier of type 〈1, 1, 2〉 is a compound of two 〈1, 1〉 quantifiers Q1 and Q2 iff we have either (A, B, R) ⇔ Q1(A, {a Q2(B, Ra)})
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or (A, B, R) ⇔ Q2(B, {b Q1(A, )}) In the first case we call the quantifier a linear compound, in the second case an inverted compound. (A, B, R) is a compound iff it can be viewed as the interpretation of an expression (123) quant1 a is r-related to quant2 b where quant1 is interpreted as Q1and quant2 as Q2, and where the two quantifiers can have both possible scope orderings. The quantifier in example (121) is a 〈1, 1〉 compound, because for this case we have: (124) (A, B, R) ⇔ ALL(A, {a SOME (B, Ra)}) This reduction shows that in example (121) is merely a 〈1, 1, 2〉 type formulation of the ∀∃ pattern in Every man loves some woman. Similarly, the quantifier in example (122) is a compound, for it can be defined as follows: (125) (A, B, R) ⇔ SOME(B, {b ALL(A, )}) The higher type quantifier in example (122) turns out to be a 〈1, 1, 2〉 type formulation of the ∃∀ reading of Every man loves some woman. Incidentally, the cases of compound 〈1, 1, 2〉 quantifiers provide a nice check of the generalization of CONS in definition 19: if a 〈1, 1, 2〉 quantifier is a compound of two 〈1, 1〉 quantifiers Q1and Q2 that both satisfy CONS (in the original version for 〈1, 1〉 quantifiers), then it is not very difficult to show that satisfies the extended version of CONS. Obviously, in cases where higher type quantifiers are 〈1, 1〉 compounds, the analysis in terms of 〈1, 1〉 quantifiers is to be preferred to the higher type analysis. The fact that a quantifier is a compound means that it is reducible and points the way to a compositional treatment. If it turns out that irreducibly higher type quantifiers occur in natural language, then a compositional account of the meaning of sentences in which they occur might turn out to be a problem. The issue of reducibility, which will be discussed in the next section, is therefore of paramount importance for the semantics of natural language.
VII. Semantik der Funktionswörter
3.4 Reducibility of Higher-Type Quantifiers In section 2.2 it was mentioned that the 〈1, 1〉 type Aristotelean quantifiers are reducible to 〈1〉 type Fregean quantifers. Such a reduction of 〈1, 1〉 quantifiers to 〈1〉 quantifiers is not always readily available, however. Theorem 2 (Barwise & Cooper) More than half of the A are B is not definable in terms of More than half of all things in a language with only the two one-place predicates A and B. A fortiori we know that more than half of the A is not first-order definable (in a language with only the two one-place predicates A and B and identity). In other words: there is no formula ϕ of first order predicate logic that only contains the predicates A , B and =, and that has the same truth conditions as ‘more than half of the A are B’. This shows that the addition of the 〈1, 1〉 quantifier most to first order predicate logic genuinely strengthens the language. Frege’s limitation to ∀ and ∃ turns out to be a genuine restriction. In van Benthem (1984b) logical definability of type 〈1, 1〉 quantifiers is discussed. Which generalized quantifiers can be considered as abbreviations of expressions of first order logic, and which cannot? This question is important for the logico-semantic analysis of natural language because the answer will affect the choice of logical translation language for the semantic enterprise. A precise characterization of the class of first order definable 〈1, 1〉 quantifiers has been given in Westerståhl (1984). The characterization is in terms of the quantifier property of being continuous in the left argument. Definition 22 (L-CONT) A quantifier Q is called continuous in the left argument if the following property holds: A ⊆ A″ ⊆ A′: QAB ⋀ QA′B ⇔ QA″B. It is not difficult to see that a quantifier Q is L-CONT iff Q is the intersection of a ↑MON quantifier Q1 and a ↓MON quantifier Q2. An example of a L-CONT quantifier is between five and ten, which is the intersection of at least five (↑MON) and at most ten (↓MON). Exactly four is L-CONT; this quantifier is the intersection of at least four (↑MON) and at most four (↓MON). Also, as is easy to see from the definitions, ↑MON or ↓MON quantifiers are L-CONT. Note that ↑MON and ↓MON quantifiers satisfy the intersection condition: every quantifier Q has the property
21. Quantification
Q = Q ⋂ QT, where QT is the trivial quantifier QTthat is always true (QTis both ↑MON and ↓MON). Again, there is a corresponding property for L-CONT in the tree of numbers: Definition 23 (L-CONT tree property) If two nodes m, n and m′, n′ have +-s, then the parallelogram in between consists of +-s. In a picture:
Here is Westerståhl’s result: Theorem 3 (Westerståhl) On finite universes, the first-order definable 〈1, 1〉 quantifiers are precisely the disjunctions of L-CONT quantifiers. Reformulation in terms of numerical tree patterns: a quantifier Q is first order definable iff Q has a tree pattern that can be analysed as a set of superimposed parallelograms. Next, it can be shown that not all 〈1, 1, 1〉 quantifiers are reducible to 〈1, 1〉 quantifiers (see Keenan & Moss 1985). Theorem 4 (Keenan & Moss) More — than ... is not definable in terms of any 〈1, 1〉 quantifier. Sketch of proof: The basic idea of the proof is the following. Instead of viewing 〈1, 1〉 quantifier Q on universe E as a relation ⊆ ( E × E), we can consider Q as a function in E → E, defined as Q(A) {B QAB} for all A ⊆E. H ere, Q(A) is the interpretation of the whole noun phrase. Thus, every quantifier Q of type 〈1, 1〉, maps sets to sets of sets, and if n is the number of elements in E, then E has 22n elements, but the range of the function Q has at most 2n elements. The quantifier MORE-THA N of type 〈1, 1, 1〉 can be viewed as a function in ( E2 → E, defined as MORE-THAN(A, B) {C MORE A THAN B C} for all pairs A , B ⊆E. Keenan & Moss show that this function has a range larger than 2n, and it follows that MORE-THA N cannot be reduced to any 〈1, 1〉 quantifier. Nor is it possible to define MORE-THA N by means of boolean combinations of 〈1, 1〉 quantifiers, for the class of 〈1, 1〉 quantifiers is
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closed under boolean operations. Note that the theorem assumes that MORE-TH AN has the same VP argument as the 〈1, 1〉 quantifier that one tries to reduce it to. If this requirement is dropped, then — as one of the referees of this article pointed out — a reduction turns out to be possible after all, witness the following equivalence: (126) MORE-THAN(A, B, C) ⇔ MORE-THAN-HALF(((C ⋂ (A — B)) ⋃ (C ⋂ (B — A))), (C ⋂ (A — B))) To see why (126) does not contradict Keenan & Moss’ result, note that theorem 4 assumes that MORE-TH AN observes the usual quantifier constraints. In particular, the relations is supposed to satisfy CONS, i. e. in MORETH AN(A, B, C) the stage is set by A ⋃ B. In the 〈1, 1〉 quantifier of (126) it is not A ⋃B but (C ⋂ (A—B)) ⋃ (C ⋂ (B—A)) that sets the stage. Next, let us consider the class of 〈1, 1, 2〉 quantifiers. We have seen some examples in section 3.3; here are some more: (127) (A, B, R) iff R ⋂ (A × B) is a constant function. (128) (A, B, R) iff ∃f: A B, f ∈ R ⋂ (A × B). (129) (A, B, R) iff dom(R ⋂ (A × B)) = 20 and rng(R ⋂ (A × B)) = 100. These examples observe EXT, CONS and ISOM. We will show that the 〈1, 1, 2〉 quantifier in example (127) is not a 〈1, 1〉 compound by proving that the compound 〈1, 1, 2〉 quantifiers have a property that (127) lacks. The account, based on van Benthem 1989, uses some definitions. Definition 24 If R, S ⊆ E2, then R ~ rS iff Ra = Sa for all a ∈ E. Definition 25 If R, S ⊆ E2, then R ~ 1S iff = for all a ∈ E. Definition 26 A 〈1, 1, 2〉 A quantifier is right-oriented (left-oriented) if the following holds: for all R, S with R ~ rS (R ~ 1S): (A, B, R) ⇔ (A, B, S). Thus, a right-oriented 〈1, 1, 2〉 quantifier does not distinguish between relations R and S with the property that for all a ∈ E the Rrange and the S-range of a have the same number of elements. Similarly, a left-oriented
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〈1, 1, 2〉 quantifier does not disinguish between relations R and S such that for all a ∈E that R—1 range and the S—1 range of a have the same number of elements. Incidentally, the right-oriented 〈1, 1, 2〉 quantifiers are precisely the quantifiers that are closed under right-permutations in the sense of the following definition in H igginbotham & May (1981): Definition 27 F is a right-permutation of E2 if F is defined by F(a, b) = 〈f(a), fa(b)〉, where f is a permutation of E and {fa a∈ E} a set of permutations of E. Left-permutations of E2 are defined similarly. Theorem 5 (Van Benthem) 〈1, 1, 2〉 quantifiers that are 〈1, 1〉 compounds are either right-oriented or leftoriented. Proof: Suppose (A , B, R) is a linear 〈1, 1〉 compound. Then there are Q1 Q2 such that Q1(A, {a Q2(B, Ra)}) Because Q2observes ISOM: if Q2(B, Ra)and Ra = Sa then Q2(B, Sa). This holds for every a ∈ E. So if Ra = Safor every a ∈ E then (A, B, R) iff (A, B, S), i. e., is rightoriented. Similarly, it can be shown that inverted 〈1, 1〉 compounds are left-oriented. To see that the quantifier of example (127) above is not a linear 〈1, 1〉 compound one need only observe that R ~ rS in the picture below:
The quantifier holds for R, but not for S, so is not right-oriented. To see that it is also not left-oriented, observe that R and S in the picture below have R ~ lS, while the quantifier relation holds for R, not for S:
Note that the quantifier in (127) fulfils the weaker requirement of being AB-left-oriented: it is invariant under all R, S ⊆A × B such that R ~ lS. Of course, the of example (127) is expressible in natural language:
VII. Semantik der Funktionswörter
(130) Every man loves (one and) the same woman. Although the of this example is not a compound, it is equivalent to a conjunction of two compounds: (131) Every man loves exactly one woman and exactly one woman is loved by every man. By similar applications of theorem 5 it can be shown that the 〈1, 1, 2〉 quantifiers in examples (128) and (129) are not compounds. The quantifier in example (128) can be used to paraphrase sentence (132): (132) Every man loves a different woman. It is proved in van Benthem (1989) that this quantifier is not definable in terms of 〈1, 1〉 quantifiers at all. The irreducibility argument applies equally well to quantifiers of still higher types: (133) Two nasty old men told the same dirty story in the same ugly manner to the same young girl on the same day in different pubs. Example (133), freely adapted from Keenan (1987b), involves a 〈1, 1, 1, 1, 1, 1, 6〉 quantifier that is irreducible to a compound of six 〈1, 1〉 quantifiers. 3.5 Branching Quantifiers, Donkey Quantifiers, Bach-Peters Quantifiers Once it is accepted that quantifiers of type 〈1, 1, 2〉 and higher play an irreducible role in the semantics of natural language, such quantifiers can profitably be employed for the treatment of so-called branching quantification phenomena. Examples like the following are discussed in Barwise (1979): (134) Most men and most women like each other. As Barwise convincingly argued, the most plausible reading for (134) can be paraphrased as follows: it is possible to select a group containing a majority of the men, and then independently of the selection of this first group to select a group containing a majority of the women, and to do this in such a way that all the members in the first group and all the members in the second group like each other. This reading can be represented by the following branching formula:
To make sense of this notation, an interpretation for the branching prefix must be agreed
21. Quantification
477
upon. Barwise has proposed such an interpretation for n-tuples of MON↑ or MON↓ quantifiers. A proposal for numerical quantifiers (quantifiers of the form ‘exactly m ...’) was added by Van Benthem (1983 b). Restricting attention to binary branching, we can picture the format like this:
Assuming that quant1 is interpreted as Q1 and quant2as Q2, the following definitions give the interpretation instructions for the three cases in which we can assign a plausible meaning to (136): Definition 28 (Branching of MON↑ quantifiers) ∃X ⊆ A, ∃Y ⊆ B such that Q1AX and Q2BY and X × Y ⊆ R. Definition 29 (Branching of MON↓ quantifiers) ∃X ⊆ A, ∃Y ⊆ B such that Q1AX and Q2BY and R ⊆ X × Y. Definition 30 (Branching of numerical quantifiers) ∃X ⊆ A, ∃Y ⊆ B such that Q1AX and Q2BY and R = X × Y. Note that these definitions depend on CONS and on the monotonicity properties of the quantifiers (in the case of the numerical quantifiers: on the fact that ‘exactly n’ can be defined as a conjunction of a MON↑ and a MON↓ quantifier). See Westerståhl (1987) for discussion and for a generalisation of the account. It is clear that the branching readings can also be expressed by means of higher type quantification. An interpretation for (134) in terms of a 〈1, 1, 2〉 quantifier looks like this: (137) (men, women, like-each-other) where is the 〈1, 1, 2〉 quantifier such that (138) (A, B, R) ⇔ ∃U ⊆ A, ∃V ⊆ B, U × V ⊆ R, and
This quantifier is not a 〈1, 1〉 compound, for it is neither left-oriented nor right-oriented, as the following pictures make clear. The relations in the first picture are equivalent under ~ l. Still the quantifier relation holds for R but not for S:
The relations in the following picture show that is not right-oriented:
In fact, these pictures show that does not even fulfil the weaker requirements of being AB-left-oriented or AB-right oriented. H ere are some more examples of quantification that can be analyzed both as branching 〈1, 1〉 quantifiers and as 〈1, 1, 2〉 quantifiers. (139) No Achaian and no Trojan trust each other. (140) Exactly five Achaians and exactly six Trojans fight each other. (141) If nobody helps nobody, everybody will suffer in the end. A branching analysis for (141) was first proposed in van Benthem (1983b). The corresponding higher type analysis employs a 〈1, 1, 2〉 quantifier defined as follows: (142) (person, person, help) ⇔ (person × person) ⋂ help = ∅ H ere a reduction to two 〈1, 1〉 determiners is unproblematic, for this quantifier can also be expressed in logical formula with just 〈1, 1〉 quantifiers, as follows: (143) no x: (person(x), some y: (person(y), help(x, y))) But the point is that such an analysis has no syntactic motivation at all, for why should the second occurrence of nobody in the sentence be interpreted as an occurrence of somebody? Provided that a plausible syntactic story can be told about it — see section 3.6 — the higher type analysis seems preferable. In all these cases the reanalysis of branching quantification in terms of 〈1, 1, 2〉 quan-
478
tifiers is not the only possibility. One might contend that quantifiers of still higher types are involved, and analyze (134) as: (144) (men × women, like-each-other)
VII. Semantik der Funktionswörter
〈2,
2〉
quantifier
defined
as:
where , of type 〈2, 2〉, is defined as:
In a case such as this we can say that the 〈2, 2〉 quantifier is reducible to a 〈1, 1, 2〉 quantifier. Not every 〈2, 2〉 quantifier is reducible in this sense; such a reduction is only possible for 〈2, 2〉 quantifiers that always have a Cartesian product as their first argument. The quantifier relation in the famous donkey sentence (146) Every farmer who owns a donkey beats it. can be viewed as a 〈2, 2〉 type quantifier: (147) ({〈x, y〉 x ∈ farmer ⋀ y ∈ donkey & 〈x, y〉 ∈ own}, beat) where is defined by: (148) (R, S) ⇔ R ⊆ S Note that this 〈2, 2〉 quantifier is not reducible to a 〈1, 1, 2〉 quantifier: if one takes the set of farmers who own donkeys as the first argument, the set of donkeys owned by farmers as the second argument, and the beatrelation as the third, then the relation between the donkeys and their owners is lost. Note also that the 〈2, 2〉 quantifier employed here is a direct generalization of the 〈1, 1〉 every. Using a type 〈2, 2〉 quantifier, we can also state acceptable truth conditions for a related and reputedly troublesome sentence: (149) More than half of the farmers who own a donkey beat it. This sentence certainly does not mean that more than half of the pairs consisting of a farmer and a donkey owned by that farmer are members of the beat-relation. Consider a situation where there is one rich and cruel farmer, who beats all of his fifty donkeys, and there are nine poor farmers, who all own just one donkey that they treat well; in such a situation the sentence should turn out false. Presumably, the sentence should mean something like: (150) More than half of the donkey-owning farmers are donkey-beating farmers. Reasonable truth conditions are given by the
According to this paraphrase, the donkeyowning farmers that beat all of their donkeys are the farmers that matter. This condition may of course be weakened by changing the definition of the 〈2, 2〉 quantifier; see Rooth (1987) for discussion. Once we are at it, higher type quantifiers can also be used to analyze ‘Bach-Peters’ sentences with crossed anaphoric links: (152) Every pilot who shot at it hit some Mig that chased him. This might mean the same as: (153) Every pilot who shot at some Mig that chased him hit it. For this paraphrase the donkey analysis works. In this reading all chasing Migs that were shot at were hit. But maybe (152) should rather be paraphrased as: (154) For every pilot who shot at some Mig that chased him it was the case that he hit at least one of the chasing Migs that he shot at. This reading can also be analyzed by means of a type 〈2, 2〉 quantifier (155) ({〈x, y〉 x ∈ pilot & 〈x, y〉 ∈ shot-at & y ∈ mig & 〈y, x〉 ∈ chased}, hit) where is defined by: (156) (R, S) ⇔ ∀x ∈ dom(R) ∃y ∈ rng(R) : 〈x, y〉 ∈ R ⋂ S It should be noted, though, that the real problem with donkey sentences and Bach-Peters sentences is not to state their truth conditions, either in terms of higher type quantification or by some other means, but rather to relate their semantics to their syntax in some plausible way. 3.3 Resumptive Quantification and Branching It is claimed in May (1985) and May (1989) that in examples like the following a pair reading is present: (157) Nobody helps nobody. (158) Everyone likes everyone. (159) Exactly one man loves exactly one woman. (160) Few men admire few women. (161) Many Trojans loathe many Achaians.
21. Quantification
These examples are taken to have the following readings, possibly among other ones. (157): there is no pair of persons such that the first member of the pair helps the second member. (158): for every pair of persons it holds that the first member loves the second. (159): exactly one pair consisting of a man and a woman exists such that the man loves the woman. (160): few pairs consisting of a man and a woman are such that the man admires the woman. (161): many pairs consisting of a Trojan and an Achaian have the property that the first member killed the second. May accounts for these readings by assuming a syntactic mechanism that takes the second quantified specifier of an identical pair to be a resumption of the first (and the account can be extended to arbitrary n-tuples). There are some semantic difficulties with resumptive quantification. According to the theory, (162) Exactly two dots are connected to exactly two stars. in
should have a resumptive reading that is true the following situation:
In the same situation, the resumptive reading of (163) Half of the dots are connected to half of the stars. if there is one, should be true. The sentence (164) Most of the dots are connected to most of the stars. is
is predicted to have a resumptive reading that false in the following situation:
These predictions are questionable. The problems are related to the difficulty noted in section 3.5 in connection with example (149). Resumptive quantifiers are taken to be of types 〈2, 2〉, 〈3, 3〉, etc., according to the number of identical specifiers that is taken together. As has been noted in section 3.5, these quantifiers are reducible to quantifiers
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of types 〈1, 1, 2〉, 〈1, 1, 1, 3〉, and so on. In many instances, they are also reducible to pairs, triples, ... of 〈1, 1〉 quantifiers, but not to pairs, triples, ... of identical 〈1, 1〉 quantifiers. This can be taken as semantic motivation for the syntactic move of quantifier resumption, provided of course that the resumptive readings of identical quantifier pairs really obtain. Note that the resumptive readings of (157), (158) and (159) are equivalent to the branching readings of these examples. H owever, such is certainly not true for (162), (163), (164) or for the following example: (165) At most two men and at most two women love each other. On the branching reading, (165) means that there are no sets X, Y such that X × Y ⊆love, and X does contain more than two men or Y more than two women (see section 3.5). On the resumptive reading it means that the intersection of love and men × women contains at most two pairs. It is doubtful whether (165) really has the resumptive reading. Note that the picture given as a counterexample to the resumptive reading of (164) makes the branching reading of this sentence true. The paradigm examples where resumption works well turn out to be precisely the cases where the resumptive reading is equivalent to a branching reading. This suggests linking the syntax of quantifier-resumption and a branching semantics, where the branching readings may of course turn out to be equivalent to linear arrangements of quantifiers, as e. g. in the case of (157) and (158).
4.
Quantification and Syntax
4.1 Syntactic Form and Logical Form In a well-known metaphor in the introduction to the Begriffsschrift, Frege compared the relation between natural language and formal language to that between the naked eye and a microscope. Frege’s attitude is characteristic for the way in which logicians used to look at natural language. The standpoint that natural language is not a suitable tool for reasoning because it does scant justice to the formal structure of thought came to be called the ‘Misleading Form Thesis for Natural Language’. An adherent to the Misleading Form Thesis might discard the idea of a logico-semantical analysis of natural language as altogether hopeless — this was the attitude of Alfred
480
Tarski — but a more positive reaction is also possible. If the superficial form of natural language sentences is indeed misleading, one might still try to analyze natural language sentences by translating them into a more transparent medium. This would replace the Misleading Form of a sentence with a representation of its true Logical Form. To qualify as ‘representations of Logical Form’, the translations must satisfy several requirements: 1. They must be expressions of a disambiguated language. 2. They must be suitable for representing the meanings of the original sentences, by specifying their truth conditions in sufficient detail. 3. They must be suitable for reasoning, i. e. they must be in a language for which sound, manageable and preferably complete inference systems exist. 4. They must be in a language that is rich enough to deal with natural language fragments of reasonable complexity. Requirement (1) entails that the Logical Forms cannot be natural language expressions themselves. Requirements (2) and (3) are interconnected but must nevertheless be kept apart. It is conceivable that some medium of representation copes successfully with (2) but not nearly as well with (3), e. g. because the Logical Form structures are too cumbersome for use in systems of inference. The language of predicate logic satisfies (1) and is rather good for both (2) and (3). Unfortunately predicate logic does not satisfy requirement (4). Even if we substitute a language with generalized quantifiers for predicate logic, the question of the connection between the misleading natural language forms and the logical forms remains. If one supports the Misleading Form Thesis one may take the translation process to be ad hoc. Otherwise, one has to impose the following additional condition on Logical Forms: 5. Logical Forms must be such that they can be arrived at from syntactic forms in a non ad hoc, compositional way. The first logician to take requirement (5) seriously has been Richard Montague. Montague proposed a close connection between rules for the syntactic construction of natural language expressions and rules for the interpretation of these expressions. H is syntactic structures are not misleading: these struc-
VII. Semantik der Funktionswörter
tures, plus the record of the way in which they have been construed, contain enough information about meaning and inferential behaviour to enable direct interpretation in an appropriate model. The fact that the intermediate level of translation in a logical language is not essential has led to the standard but mistaken view that the concept of ‘Logical Form’ is alien to Montague grammar. Montagovian analysis trees — trees recording the history of the building of syntactic structures — may fruitfully be regarded as logical forms: because of their close connection with semantic rules they fulfil the five requirements just mentioned to a sufficient degree. Montague Grammar has set rigorous standards for a non ad hoc semantic analysis of natural language. Proponents of Transformational Generative Grammar and Government Binding theory and other more syntactically oriented theorists also saw the importance of a systematic relation between syntactic structure and logico-semantic structure. GB theorists have postulated a separate component of the grammatical framework which they call the Logical Form or LF component of the grammar. This component is derived from structures of surface syntax by a series of applications of structure-transforming rules. H istorically, the use of quantifier raising for mapping syntactic structures into logical forms that has been proposed in TGG and GB theory was preceded by a quantifier lowering (or more generally: operator lowering) analysis. See Seuren (1984) for a historical synopsis and an account of this earlier Generative Semantics theory. As the generative semantics account is only of historical interest we will concentrate on GB theory and Montague grammar, with a focus on quantifier scope and variable binding. 4.2 Quantifier Raising The theory of the scope behaviour of quantified NPs that represents the main direction for treating semantic phenomena in the TGG and GB tradition is developed in May (1977, 1985). In this account, semantic structure is covered in a separate Logical Form component. Of central importance to the theory of Logical Form is the effect of a single rule QR (‘Quantification Rule’), a transformation rule for mapping surface-structures to LF structures. QR moves a component and leaves a trace. The rule itself does not specify where
21. Quantification
the moved element has to go, except in very general terms. Extra information about the target position is encoded in ‘conditions on transformations’ that apply to all possible transformations. The rule is defined as follows: (166) (QR) Adjoin Q to S. Like every movement transformation, QR leaves a trace at the source position when it moves a constituent. Traces are interpreted as variables bound by the moved elements in their new positions. The (repeated) application of QR on surface structures of sentences results in structures that closely resemble formulas of a logic with generalized quantifiers of type 〈1, 1〉. In connection with QR the most important condition on transformations is the Condition on Analyzability: Definition 31 (CA) A set of grammar rules satisfies the condition on analyzability if the following holds: if a rule Φ mentions SPEC, then Φ applies to the minimal [+ N]-phrase dominating SPEC which is not immediately dominated by another [+ N]-phrase. CA makes use of some simple version of theory: ‘[+ N]-phrase’ is used to generalize over NPs and APs; SPEC generalizes over NP-specifiers. Among NP-specifiers the categories Q, DET, and ∅ are distinguished; all these are sisters of the -node. The category Q ranges over (standard and non-standard) quantifierspecifiers, including the indefinite article a and indefinite some. The category DET ranges over definite articles, demonstratives, reflexives and processives. The empty specifier ∅ is the specifier of a proper name, a personal pronoun, a bare mass noun or a bare plural. The distinction between three kinds of specifiers induces a distinction between Quantified Phrases (NPs with Q as specifier) and Referring Phrases (NPs with DET or ∅ as specifier). NPs with several specifiers — like the many victims — are quantified phrases: QR is triggered by the presence of a specifier Q, regardless of whether a specifier DET is also present. To make QR work as intended the notion ‘NP Aibinds its trace i’ must be defined and it must be verified that the traces left after application of QR are indeed bound in the desired way. The definition of binding uses the structural notion of c-command taken
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from Reinhart (1976). Definition 32 A node A in a structure tree T c-commands node B in T the first branching node dominating A also dominates B. Definition 33 The c-command domain of node A in T the set of all nodes X in T that A ccommands. Definition 34 NP Aibinds its trace ei in T ei is in the c-command domain of Ai in T. Definition 35 A variable ei is properly bound in T some NP Ai binds ei in T. Applications of QR must be ‘forced’ in certain circumstances; the next definition is needed to describe these: Definition 36 The argument-positions of a predicate are the NP-positions for which the predicate is subcategorized (subject, object, etc.), except for the positions where the dummysubject ‘it’ can occur (e. g. the subject position in it is certain that —). In more recent GB-jargon, argument positions are the positions in which Θ-roles can be assigned. The Predication Condition (PC) ensures that every NP is related to a Θ-position: Definition 37 (PC) A logical form structure ϕ satisfies the predication condition if every quantified phrase in ϕ properly binds one and only one occurrence of a trace in argument position. The requirement that logical forms satisfy PC makes application of QR obligatory if quantified NPs occur in the surface structure of a sentence; also, it compels movement in upward direction. Note that CA ensures that the moved element will be a (possible complex) NP. As an example of the way in which QR works, consider the following sentence with two quantified NPs: (167) Every satyr frightened some nymph. QR must apply twice in order to comply with PC; the two possible orders of application yield the following LF-structures:
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In a logical language with 〈1, 1〉 quantifiers, where the format of quantification is given by (170) quant x: (ϕ(x), ψ(x)) with ϕ as the restriction of the quantifier and ψ as its body, (168) and (169) can respectively be translated as follows (tense is disregarded): (171) every x: (satyr(x), some y: (nymph(y), frighten(x, y))) (172) some y: (nymph(y), every x: (satyr(x), frighten(x, y))) The quantifiers here are the standard restricted quantifiers, but non-standard generalized quantifiers may occur as well. Of course the logical translations can be dispensed with: because the LF structures (168) and (169) are unambiguous they can be interpreted directly in suitable models. The example illustrates how logical forms fix scope relations between quantifiers; in fact, the scope relations in LF structures are determined by the syntactic c-command relations. Recently it has been proposed to regard LF structures as ambiguous between several scope readings (cf May 1989). In this proposal the asymmetric notion of c-command is replaced by a symmetric notion. With this amendation, both LF structures for (167) are ambiguous between the ∀∃ and the ∃∀ reading. The replacement of asymmetric ccommand by symmetric c-command is motivated by examples with crossed bindings, e. g. in Bach-Peters sentences. H ere, we stick to the older version and discuss some further examples of applications of QR. If an NP has the form (173) [NP [NP Q1 N] [PP PREP [NP Q2 N]]] then — as a consequence of CA — and application of QR to Q1 will move the whole NP; an application of QR to Q2will move only the NP dominated by PP and extract it from the whole NP. This predicts a scope order Q2Q1for NPs with the above structure: if Q1 did c-command Q2in LF, then PC would not be met. (174) Everybody in some Greek city cursed Ephialtes. Example (174) will get an interpretation where some x which is a Greek city has scope over every y which is a person present in x. The other scope order is ruled out because it would leave the variable x in every y which is a person present in x unbound. The theory predicts that the following ex-
VII. Semantik der Funktionswörter
amples differ in their possible scope readings. (175) Everybody cursed Ephialtes in some Greek city. (176) Ephialtes betrayed everybody in some Greek city. Example (175) will get two readings: after two applications of QR, either everybody or some Greek city can end up in the higher position. Example (176) is syntactically ambiguous between a structure where the PP belongs to the direct object and a structure where the PP and the direct object are sisters. Under the first syntactic analysis (176) is semantically unambiguous, under the other analysis the sentence gives rise to two non-equivalent LFstructures; this gives three readings in all. The predictions fit in reasonably well with one’s intuitions about scope ambiguity. Note that the predictions depend crucially on the asymmetry of the c-command relation. If asymmetric c-command is replaced by a symmetric version, PC will permit any scope ordering. We may take it that QR as applied to sentences containing an embedded sentence is subject to the Subjacency Conditionfor LF, although May (1985) is equivocal about this. Subjacency for LF implies that quantified NPs in embedded sentences can only take scope over operators in the embedded clause, i. e. it predicts that quantification is clausebounded. Thus, in example (177), QR can either adjoin the subject of the embedded sentence to the matrix S or to the embedded S, but only the second option results in a LFstructure that complies with the Subjacency Condition. (177) Odysseus regretted that one of his friends had been killed. According to the theory, in the only acceptable LF-structure for (177) the existential quantifier representing the subject of the embedded sentence will have narrow scope with respect to regretted that. This prediction is clearly wrong. Subjacency also predicts that in relative clauses the relativized element has scope over all operators in the relative clause. There are many exceptions to the rule that quantification is clause-bounded. In May (1977) the following other shortcomings are admitted, but the relevant facts are proclaimed to be outside the scope of the theory: — Direct objects of transitive verbs are predicted to exhibit only a transparent reading; the reading of Odysseus seeks a princess, where a princess has narrow scope with respect to seeks is unaccounted for.
21. Quantification
— The asymmetries in scope behaviour between the various quantified NPs (ambiguity of Every satyr frightened some nymph versus non-ambiguity of Some nymph frightened every satyr) are unaccounted for. Kroch (1974) gives an account in terms of lexical differences of the specifiers involved. — Definite descriptions do not have scope in this theory, or, more precisely, they are taken to have narrow scope with respect to every other operator. This yields frequent wrong predictions for descriptions with an embedded quantified NP, like the lord of every creature. — QPs containing a preposition plus a quantified NP are predicted to unambiguously exhibit an inversely linked reading, which means that the most natural reading of examples like every patient with a noncontagious disease is missed. For reasons unknown to the present author, recent work on LF has not concentrated on removing these shortcomings, but rather on extending the theory in new directions: quantification with crossed anaphoric linking, as in Bach-Peters sentences, has been studied, and a mechanism of absorption, which essentially combines two 〈1, 1〉 quantifiers into one 〈2, 2〉 quantifier is proposed to handle it (cf H igginbotham & May 1981, May 1985, May 1989). See section 3.6 above for a discussion of the semantics. The proposal to make absorption a general mechanism that applies to examples like (167) just as well as to Bach-Peters sentences is disturbing. Analysing (167) by considering ∀∃ as a 〈2, 2〉 quantifier that is true of the two relations satyr × nymph and frighten just in case there is a y ∈ nymph with man × {y} ⊆ frighten (or as a 〈1, 1, 2〉 quantifier with the obvious modification to the truth conditions) may be semantically unobjectionable but it mocks the Fregean insight that these cases can be treated by a compositional use of quantifiers of type 〈1〉 or 〈1, 1〉. 4.3 Quantifying In In the so-called PTQ fragment of Montague (1973), quantifying-in rules are used to effect scope reversals of logical operators and to provide anaphoric links. A quantifying-in rule combines an NP A with an expression ϕ of category S, CN or VP by substituting A for the occurrences of some indexed pronoun in ϕ. There is a syntactic function QInfor every
483
index number n, and the rule application QIn(A, ϕ) inserts the NP A into the expression ϕ in the position of the leftmost pronoun with index n occurring in ϕ. If the NP A is not a pronoun then the indices of all other occurrences of pronouns with index n in ϕ are deleted. If A is a pronoun, then it has some index, say k; application of QInnow replaces all indices n on pronouns in ϕ by k. Quantifiying-in is used to establish the anaphoric link that is indicated by the italics in the following example. (178) Every sailor believed that he would perish. This sentence, with the intended anaphoriclink, is formed in two steps. First a sentence is formed in which two pronouns with the same index occur. (179) He3 believed that he3 would perish. Next, the subject every sailor is quantified in at S-level for index 3. The first occurrence of he3is replaced by every sailor, and the index of the second occurrence of he3 is erased. The semantic effect of quantifying-in is given by the translation instruction that goes with syntactic function QIn. Let ϕ be a syntactic expression of category S, let stand for ‘translates as’, and let A ′ be the translation of A , and ϕ′ the translation of ϕ. Then we have (disregarding intensions, here and henceforth): (180) Quantifying-in at S-level QIn(A, ϕ) A′(λxn.ϕ′) The variable xnin this instruction is of type e. If ϕ is an expression of category CN or VP the following rule applies: (181) Quantifying-in at CN/VP level QIn(A, ϕ) λy.A′(λxn.ϕ′(y)) Again, this is an extensional version; the variables xnand y are of type e. As can be seen from these rules, quantifying-in of pronouns serves no semantic purpose. Montague allows it because he wants quantifying-in to apply uniformly to all NPs. The quantifying-in rules are context sensitive; they regulate the process of substituting an NP in a certain expression, with very drastic effects on the interpretation of that expression. These rules serve not only to remove ambiguities resulting from the mutual scope behaviour of quantifiers; they are also used to establish anaphoric links between an antecedent NP and a bound pronoun, and they account for ambiguities resulting from the
484
interaction of NPs and the negation operator, or from the interaction of NPs and intensional operators. The transparent/opaque distinction between the two readings of Odysseus seeks a princess can be accounted for without using the quantifying-in mechanism, by distinguishing two versions of seek, one opaque and one transparent in object position. Similarly for the ‘functional-nonfunctional’ distinction for the subject position of IVs like change. The transparent/opaque ambiguities out of the way, we are left with scope ambiguities and anaphoric linking as tasks for the quantifying-in mechanism. Quantifying-in is primarily intended to resolve scope ambiguities; the account of anaphoric links that it also provides is more or less a side effect. It is clear that quantifying-in can only account for bound anaphora, never for other kinds of anaphoric links (cf article 23). The quantifying-in rules in PTQ and in many extensions of the PTQ fragment allow virtually anything in the way of scope inversions: even the most scope-sensitive Montague-grammarian will be able to account for all of the readings he or she ‘feels’. In many cases, indeed, too many readings are predicted. Montague keeps the boom of predicted ambiguities within certain limits by imposing meaning postulates to establish logical equivalences between the translations of different derivations of the same sentence. In Montague’s terminology two formulas are logically equivalent iff they are true in the same models satisfying a given set of meaning postulates. One way to build sentence (182) in PTQ is by directly combining the NP every satyr with the VP frightened some nymph. (182) Every satyr frightened some nymph. The translation rule that goes with this syntactic rule ensures that every satyr has wide scope over some nymph. A scope reversal can be effected by first producing the sentence (183) Every satyr frightened him3. and then use the rule for quantifying-in at Slevel to substitute some nymph for the pronoun him3. Example (184) illustrates why it is necessary to allow quantifying-in at VP level. (184) Every satyr frightened some nymph and embraced her. Sentence (184) has a reading where the universal quantifier has wide scope over the ex-
VII. Semantik der Funktionswörter
istential one, and her is anaphorically linked to some nymph. To get this reading, some nymph must be quantified-in at VP level; the matrix for the application of the rule being frightened him2and embraced him2. Quantifying-in at CN level can be necessary in examples where a relative clause A modifies a CN already containing a modifier B, with B itself containing an NP that is anaphorically related to a pronoun in A . Sentence (185) provides an example: (185) Odysseus disliked every suitor of a girl in Ithaca who had tried to marry her. In the syntactic analysis of (185) that interests us the relative clause who had tried to marry her modifies suitor of a girl in Ithaca. Under this analysis, example (185) has a reading where every suitor has scope over a girl in Ithaca, while a girl in Ithaca is anaphorically linked to her. To get this anaphoric link one has to quantify in a girl in Ithaca in a constituent that already contains the relative clause. To also get the quantifier scopes right, the only suitable phrase is the common noun suitor of him3 who had tried to marry him3. In example (182) the process of quantifying-in, applied to the NP some nymph and the sentence every satyr frightened him4, yields the following translation (tense is disregarded): (186) λP.∃x(nymph′(x) ⋀ P(x)) (λx4.∀y (satyr′(y) → λP.P(x4) (λz. frighten′ (y, z)))) After some applications of λ-conversion this reduces to: (187) ∃x(nymph′(x) ⋀ ∀y(satyr′(y) → frighten′(y, x))) This is indeed the inverse scope reading of (182). H ere satyr translates as satyr′, nymph as nymph′. The translation instruction for frighten is: (188) frighten λPλy.P(λz.frighten′(y, z))) In (188), P is a variable of type 〈〈e, t〉, t〉, y and z are variables of type e and frighten′ is a constant of type 〈e, 〈e, t〉〉. The notation frighten′(y, z) is used as shorthand for frighten′(z)(y). Incidentally, translation instruction (188) eliminates the need for a meaning postulate to relate a constant of type 〈〈〈e, t〉, t〉, 〈e, t〉〉 to one of type 〈e, 〈e, t〉〉. The example makes clear that the device of quantifying-in necessitates a distinction between syntactic structure and derivational history. The following structure can be derived in a number of ways, and not all of these derivations result in the same interpretation:
21. Quantification
(189) [S [NP every satyr] [VP [TV frightened] [NP a nymph]]] Sentences are disambiguated by derivational history trees (or ‘analysis trees’, as Montague
The numbers following the expressions identify the syntactic operations (PTQ-numbering) that have been used. The nodes of the tree are occupied by well-formed strings. Derivational history trees or analysis trees in PTQ are entirely comparable to LF structures in TGG/GB. The quantifying-in rules in PTQ do not refer to syntactic structure; no syntactic rules in PTQ do. It is easy to modify PTQ so that it generates structured descriptions instead of strings; in this modified version — call it ‘structured PTQ’ — a syntactic rule has structured descriptions as input and output. Consequently, in structured PTQ derivational history trees are ‘adorned trees’: their nodes consist of labelled bracketings instead of strings. Each labelled bracketing represents a structure tree, so a derivational history tree is a tree with structure trees at its nodes. See Partee (1973b) and Janssen (1983) for further discussion. In the original PTQ-fragment QIn simply refers to the leftmost pronoun with index n. This disregard of syntactic structure creates serious problems in connection with quantifying-in. To demonstrate this, a provisional extension of the PTQ-fragment with the determiner no is useful. The translation of no is: (190) λQλP.∀x(Q(x) → ﹁ P(x)) Now consider this example: (191) Every satyr who frightened no nymph embraced her. Clearly, an anaphoric link between no nymph and her is impossible. Still, the PTQ rules permit quantifying-in of no nymph in the Sexpression every satyr who frightened her3 embraced her3;this establishes an anaphoric link between no nymph and her, and gives the following translation: (192) ∀x(nymph′(x) → ﹁ ∀y((satyr′(y) ⋀ frighten′(y, x)) → embrace′(y, x)))
485
calls them), not by syntactic structure trees or structure bracketings like (189). H ere is a derivational history tree for the inverse scope reading of (189):
Example (191) indicates that it is necessary to restrict QIn. In appears to depend on the nature of the antecedent whether an anaphoric link is permitted or not in sentences like this. Example (193), with anaphoric links as indicated by the italics, is perfectly all right. (193) Every gallant who admired Penelope courted her. The problem appears to be that QI applies indiscriminately to all NPs. Although a characterization of NPs permitting an anaphoric link between an antecedent in a relative clause and a pronoun in the main clause — as in the intended readings of (191) and (193) — in terms of properties of NP-denotations may be feasible (one could rule out MON↓ NPs), the quantifying-in mechanism will often engender the wrong readings: (194) Every satyr who loved a nymph kissed her. As is well-known, the reading of (194) with an anaphoric link as indicated by the italics but with narrow scope for a nymph with respect to the subject of the sentence is impossible in PTQ. The problem is that the pronoun in (194) is an example of a ‘donkey pronoun’. As an alternative for the PTQ-method of quantifying-in, a technique of NP storage has been worked out in Cooper (1975, 1983). Practical applications of this technique are demonstrated in H obbs & Shieber (1987). NP storage is very similar to quantifying-in. In order to give an NP wide scope its translation is ‘put in store’, with a variable annexed to it. The variable serves as a temporary place holder in the LF expression under construction. Quantifying-in now boils down to binding the placeholder variable by lambda abstraction and applying the NP translation pulled from store to the abstract. Of course some care must be taken with complex NPs: an NP1 in store may contain an embedded
VII. Semantik der Funktionswörter
486
NP2 which may or may not be stored itself. One only gets a well-formed LF expression if the NPs are pulled from store in the correct order. This imposes the same constraint on the quantifier scopes in examples like (174) as the predication condition in GB theory. Another alternative to quantifying-in is lexicalisation of scoping, as proposed in H endriks (1987). To get the inversed scopes reading of (182), one adds the following new translation instruction for frighten to the lexicon: (195) frighten λPλQ.P (λy.Q (λz. frighten′ (z, y))) Note that whereas the old translation instruction (188) maps frighten to an expression of type 〈f(NP), 〈e, t〉〉 (f(NP) is the type 〈〈e, t〉, t〉 of NPs), the new instruction (195) maps to an expression of type 〈f(NP), 〈f(NP), t〉〉. This means that for this approach to scoping to work a switch to flexible Montague grammar is necessary, where given categories can map to a variety of types. Independent reasons for making this move are given in Partee & Rooth (1983). Of course, the constraints that are needed on quantifying-in will have to be imposed on the alternative techniques as well. Both NP storage and lexicalisation of scoping remain very close to quantifying-in in that they employ a mechanism of binding of the variables introduced by quantifiers; neither of the two alternatives can solve the anaphora problems in connection with (191) and (194). The ‘linking anaphora mechanism’ proposed in Kamp (1981a) and H eim (1982) tackles these issues. This theory draws a sharp distinction between quantified expressions on one hand and definite or indefinite expressions on the other. Definite and indefinite expressions add new variables to a ‘current block of variables’; quantified expressions start a new variable block, introduce a variable in this block and bind the whole block of variables after it has been completed. The proposal for the treatment of (194) now runs like this: every satyr who loved a nymph introduces a variable x for satyr who loved a nymph. This variable is constrained to satyr(x) and x loved a nymph. When x loved a nymph is further analysed, a nymph gives rise to a new variable y constrained to nymph(y). This gives the following block: (196) satyr(x), nymph(y), x loved y The universal quantifier takes the whole block as its restriction, binds the variables x and y
introduced in it, and has the rest of the sentence as its body. The body is x kissed her, which means that the pronoun her can be anaphorically linked to y because her is in the scope of a quantifier with y in its block. The universal quantification over x and y gives (194) the reading that was discussed in section 3.5. A very neat account of the semantics of a theory along these lines can be given in terms of the state change semantics employed in dynamic logic: see Barwise (1987a), Groenendijk & Stokhof (1987) and Rooth (1987) for more information. In van Eijck (1985 b) it is argued that the representation structures of the Kamp/H eim theory fulfil the requirements for Logical Forms from section 4.1. Advantages of the Kamp/H eim theory are that it provides a neat account of ‘donkey pronouns’ in examples like (194) and that text anaphora are dealt with elegantly: pronouns can be linked to variables that always remain accessible because they are introduced in the top block. Problems for the theory are examples like (149) from section 3.5. The interesting question remains whether the new quantification and anaphoric link mechanism can fully replace the Montagovian approach. The answer to this depends of course on the kinds of extensions one is prepared to graft on the original theory. It is fairly clear that the account of the distinction between the ‘strict’ and the ‘sloppy’ reading of (197) Agamemnon loved his wife and Orestes did so too. will necessitate the introduction of some notion of ‘bound anaphora’ in addition to the notion of ‘link anaphora’ that is the basis of the Kamp/Heim theory.
5.
Conclusion
By way of general conclusion we can say that the theory of generalized quantifiers provides the toolbox for defining adequate truth conditions for a wide variety of quantification phenomena in natural language expressions. Of course there are difficult remaining problems — evaded in the present contribution — most notably concerning the nature of the domain of quantification. Is it, for instance, fruitful or maybe even necessary to quantify over events in the sense of Davidson (1967)? If so, what is the nature of these events, and what is their principle of individuation, i. e. how do we go about to distinguish one event from another? Fortunately, progress in nat-
487
ural language semantics does not seem to depend on a solution of these issues. The semantic theory of quantification is reasonably well developed, but the area of quantification and syntax is another matter. The main open questions are: 1. How is the ‘variable binding paradigm’ from first order logic — employed both in the GB theory of LF and in Montague grammar — related to the ‘state change semantics paradigm’ from dynamic logic that is employed in the Kamp/Heim theory of Logical Form? 2. How are LFs for natural language expressions involving higher type quantification connected to surface syntactic forms? As to the second question, it seems clear that a combination of paradigms is called for. Given that the two paradigms treat indefinite descriptions in a different way — one paradigm assimilates them to quantifiers, the other one does not — this raises the question how indefinites are to be treated in a combined theory. Also, the line between anaphora resolution by binding and anaphora resolution by linking needs to be drawn. Although the theories discussed in section 4 provide a partial answer to the first question, for most of the irreducibly higher type quantifiers that we have encountered in section 3 we have no systematic way of deriving them from syntactic surface structures. The compositional connection between syntactic structures and the higher type generalized quantifiers that are needed to state their truth conditions has not yet been found. Of course, adherents to the Misleading Form Thesis will
say that this is no accident. This should not disturb natural language semanticists, however. Rather than admitting defeat they should carry on looking for the missing links. This paper has benefited from comments by Johan van Benthem, David Carter, H ans Peter Kolb, Fernando Pereira, Elias Thijsse, Dieter Wunderlich, and two anonymous Handbook referees. Jane Gardiner gave valuable advice on English prose style. Thank you all.
6.
Short Bibliography
Barwise 1979 · Barwise 1987a · Barwise/Cooper 1981 · van Benthem 1983b · van Benthem 1983c · van Benthem 1984b · van Benthem 1986a · van Benthem 1986b · van Benthem 1989 · Church 1940 · Cooper 1975 · Cooper 1983 · van Dalen 19832 · Davidson 1967 · van Eijck 1985a · van Eijck 1985b · Evans 1980 · Frege 1879 · Frege 1891 · Frege 1892 · Geach 1962 · Geach 1970 · Geach 1972 · Groenendijk/Stokhof 1987 · H eim 1982 · H endriks 1987 · H igginbotham/May 1981 · H obbs/ Shieber 1987 · Janssen 1983 · Kamp 1981a · Keenan 1987b · Keenan/Moss 1985 · Kroch 1974 · Ladusaw 1979 · Landman/Moerdijk 1983 · Lewis 1970 · Lewis 1975a · Lindström 1966 · Löbner 1986 · May 1977 · May 1985 · May 1989 · Montague 1973 · Mostowski 1957 · Partee 1973b · Partee 1979 · Partee/Rooth 1983 · Reinhart 1976 · Reinhart 1987 · Rooth 1987 · Russell 1905 · Scha 1981 · Seuren 1984 · Tarski 1933 · Tarski 1956 · Westerståhl 1984 · Westerståhl 1985 · Westerståhl 1987 · Westerståhl 1989 · Zwarts 1983 · Zwarts 1986
Jan van Eijck, Amsterdam (The Netherlands)
22. Artikel und Definitheit 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2. 2.1 2.2 2.3
Der bestimmte Artikel Die Russellsche Deutung und ihre Rechtfertigung Existenz- und Einzigkeitsbedingung als Präsupposition, Fregesche Deutung Referentieller und attributiver Gebrauch Bereichswahl: Kontextabhängigkeit und Anaphorizität Sonstiges Der unbestimmte Artikel Ein als Existenzquantor Spezifische und unspezifische Lesart Sonstiges
3. 3.1 3.2 4. 5.
Definitheit in NP-Klassifikationen Definita im engeren Sinne Starke und schwache NPs Quellenangaben und Literaturempfehlungen Literatur (in Kurzform)
„Artikel und Definitheit“ bezeichnet keinen natürlich begrenzten Themenkomplex in der logischen Semantik. Entsprechend zerfällt dieser Artikel in mehrere nur lose zusammenhängende Teile, und viele Überlegungen enden in Fragen, für die andere Artikel zuständig sind.
488
VII. Semantik der Funktionswörter
Der erste und mit Abstand längste H auptabschnitt widmet sich der Deutung des bestimmten Artikels, ein zweiter der des unbestimmten. In beiden Fällen beginnen wir mit Vorschlägen, die seit Beginn des Jahrhunderts zum Kanon der logischen Sprachanalyse gehören, und konfrontieren diese dann mit einer Reihe von Einwänden und Verbesserungsvorschlägen. In erster Linie referieren wir dabei Literatur aus der Tradition der Wahrheitsbedingungensemantik, verweisen aber hie und da auch auf Berührungspunkte mit Fragestellungen und Begriffsbildungen philologisch-linguistischer H erkunft. Manche Leser(innen) wird es enttäuschen, daß wir so ausgiebig bei den „alten H üten“ verweilen und vielbeachtete neueste Arbeiten noch nicht einmal erwähnen. Damit soll nicht impliziert sein, daß diese Arbeiten ohne Wert sind; gerade sie können aber nur im Vergleich mit den klassischen Theorien angemessen beurteilt werden. Aus Platzgründen mußten hier Prioritäten gesetzt werden, und die Autorin dieses Kapitels hielt ein relativ genaues und vollständiges Bild von Leistungsfähigkeit und Grenzen der klassischen Analysen für lehrreicher als einen notgedrungen oberflächlichen Querschnitt durch die aktuelle Literatur. Der dritte H auptabschnitt beschäftigt sich mit Definitheit als einer semantischen Eigenschaft, die neben dem bestimmten Artikel und damit gebildeten NPs auch auf gewisse andere Determinatoren und NPs zutrifft. Wir betrachten dort kurz einen engeren und einen weiteren Definitsbegriff aus der neueren Syntax- und Semantikliteratur, können aber nicht ernsthaft auf empirische Anwendungen und theoretischen Nutzen solcher Begriffsbildungen eingehen. Mit Ausnahme des dritten Abschnittes ist die Darstellung nicht sehr technisch. Formalisierungen werden nur wo unbedingt nötig erwähnt, und auch dann mehr oder weniger vereinfacht wiedergegeben. So gewinnen hoffentlich auch technisch unerfahrene Leser(innen) wenigstens einen ersten Einblick in die Problematik, während es versierteren im allgemeinen leicht fallen dürfte, die unterschlagenen Feinheiten zu ergänzen.
1.
Der bestimmte Artikel
Wir schließen uns hier ohne Diskussion der traditionellen Lehrmeinung an, daß das Deutsche einen bestimmten Artikel besitzt, der sich mittels prosodischer und morphophonemischer Kriterien vom sonst identischen Demonstrativpronomen und -determinator ab-
grenzen läßt. (Grob gesagt ist der Artikel völlig unbetont und verschmilzt im Kontext gewisser Präpositionen obligatorisch zum Portemanteau, z. B. von + dem = vom, während der Demonstrativdeterminator einen wenn auch schwachen Akzent trägt und neben Präpositionen selbständig bleibt.) Diesen Artikel nennen wir hier das, wobei die Singular-Neutrum-Nominativ-Form zugleich für alle anderen Numeri, Genera und Kasus stehen soll. Das tritt, grob gesagt, außer mit Eigennamen mit allen Substantiven auf, ungeachtet Numerus und Zählbarkeit. Bis Abschnitt 1.4 beschränken wir uns allerdings auf Vorkommnisse vor zählbaren Singularappellativa. Wir nehmen weiterhin an, daß das oder ein in relevanter H insicht äquivalentes abstraktes Morphem versteckt in NPs mit pränominalem Genitiv oder Possessivpronomen vorhanden ist (des Königs Tochter = die Tochter des Königs, sein Haus = das Haus von ihm). 1.1 Die Russellsche Deutung und ihre Rechtfertigung 1.1.1 Russellsche Deutung Die berühmteste Deutung des bestimmten Artikels stammt von Russell (1905) und besagt folgendes: (1) Ein Satz der Form [das ζ] ξ drückt diejenige Proposition aus, die wahr ist, wenn es genau ein ζ gibt und dieses ξ ist, und die andernfalls falsch ist. Daraus ergibt sich also, daß (2) wahr ist, wenn es genau eine Katze gibt und diese schläft. (2) Die Katze schläft. Falls es hingegen keine Katze gibt, oder falls es zwei oder mehr Katzen gibt, oder schließlich falls es genau eine gibt, diese aber nicht schläft, so ist (2) falsch. Man kann diese Analyse auf allerhand Arten implementieren, von deren Unterschieden wir hier abstrahieren (s. Artikel 7 und 21). Wenn man semantische Interpretation auf dem Umweg der Übersetzung in eine gängige Logiksprache betreibt, kann man z. B. so verfahren, daß man Sätze wie (2) in prädikatenlogische Formeln wie (3) überführt. (3) ∃x [∀y [Katze(y) ↔ x = y] & schläft(x)] Arbeitet man mit sogenannten Generalisierten Quantoren, so kann man sagen, das drücke diejenige Relation zwischen zwei Mengen aus, die genau dann besteht, wenn die erste Menge genau ein Element hat und darüberhinaus Teilmenge der zweiten ist. Uns
22. Artikel und Definitheit
489
interessieren hier nur die Wahrheitsbedingungen, die im Endeffekt herauskommen, und so sprechen wir bei diesen und vielen anderen Analysen allemal von der „Russellschen Deutung“ des bestimmten Artikels.
rungskontext können wir uns ein Welt-ZeitPaar vorstellen, d. h. Äußerungswelt und Äußerungszeit. Ein Auswertungsindex ist gleichfalls ein Welt-Zeit-Paar, jedenfalls genügt das für unsere Zwecke hier.)
1.1.2 Direkt referentielle Deutung
(7)
Die Alternative, die wir der Russellschen Deutung hier gegenüberstellen, ist in ihrem intuitiven Kern wohl naheliegender und deshalb auch historisch älter; allerdings präsentieren wir sie in einer modernen Variante, zu der sie sich erst unlängst gemausert hat. Die Grundidee dieser Deutung ist, daß mit der Äußerung einer NP der Form das ζ ein Individuum benannt wird. Z. B. kann man sich eine Äußerung des Satzes (2) vorstellen, bei der sich die Sprecherin mit die Katze auf die Katze Meimei bezieht und somit mit dem Satz als ganzem eine Proposition über Meimei ausdrückt, nämlich die Proposition, daß Meimei schläft. Das ist also dieselbe Proposition, die sich auch mit dem Satz (4) oder (bei geeigneter begleitender Geste) mit dem Satz (5) ausdrücken ließe. (4) Meimei schläft. (5) Sie schläft. Natürlich kann man sich mit derselben NP die Katze auch auf andere Katzen als Meimei beziehen. In dieser H insicht ähnelt diese NP weniger dem Eigennamen Meimei als dem Pronomen sie, das ja auch je nach Äußerung mal dieses, mal jenes Individuum bezeichnet. Die Katze hat bezüglich möglicher Referenten allerdings nicht ganz soviel Spielraum wie sie; es gilt vielmehr die folgende Regel: (6) das ζ, geäußert in der Welt w zum Zeitpunkt t, bezeichnet nur dann etwas, wenn es in w zu t genau ein ζ gibt. Ist diese Bedingung erfüllt, so bezeichnet die betreffende Äußerung von das ζ dieses Individuum. Es kann also bei unpassendem Äußerungskontext passieren, daß mit die Katze garnichts benannt wird, in welchem Falle dann auch mit dem Satz, in dessen Verlauf diese NP geäußert wird, nichts behauptet wird. Die Deutung in (6) nennen wir fortan die „referentielle“ oder genauer die „direkt referentielle“ Deutung des bestimmten Artikels (s. Artikel 9). Da wir im folgenden diese Deutung mit der Russellschen vergleichen wollen, stellen wir die beiden noch einmal in einer Tabelle gegenüber. Sei ä eine Äußerung eines Satzes der Form [das ζ] ξ, die im Äußerungskontext kä stattfindet. (Unter einem Äuße-
Russellsch: Wann drückt ä eine Proposition aus? Wann ist die ausgedrückte Proposition zu einem Auswertungsindex i wahr?
immer wenn es an i genau ein ζ gibt, und ξ an i auf das einzige ζ an i zutrifft
direkt referentiell: nur wenn es an kä genau ein ζ gibt wenn ξ an i auf das einzige ζ an kä zutrifft
1.1.3 Standardargumente für die Russellsche Analyse Da die referentielle Deutung dem naiven Verständnis näher liegt, fragt sich sofort, was wohl Russell und seine Nachfolger zu einer Gegentheorie bewogen hat. Dafür gibt es eine Reihe Standardargumente. Kurz gesagt werden der referentiellen Analyse Schwierigkeiten mit folgenden vier (teilweise überlappenden) Typen von Beispielen vorgeworfen: Identitätsaussagen; wahre Sätze mit leeren Kennzeichnungen; Existenzaussagen; und Skopusphänomene. Die Russellsche Alternative wird jeweils mit den Problemen fertig. 1.1.3.1 Identitätssätze (8) bedeutet nicht dasselbe (8) Der Vater von Vreneli bin ich. (9) Ich bin ich.
wie
(9).
Während (9) trivial ist, ist (8) informativ, kann also je nach Sachlage wahr oder falsch sein. Eine korrekte Semantik des bestimmten Artikels muß das möglich machen. Setzen wir voraus, daß das Wort ich in jeder Äußerungssituation dasjenige Individuum bezeichnet, das dort spricht. Sätze mit ich sind also unter beiden zur Diskussion stehenden Analysen kontextabhängig, d. h. sie drücken in der Regel je nach Äußerungssituation verschiedene Propositionen aus. Für (9) allerdings ergibt sich, daß damit immer die notwendig wahre Proposition behauptet wird, denn egal wer (9) äußert, der Betreffende ist garantiert mit sich selber identisch. Daher unser Urteil, daß dieser Satz trivial ist. Bei Satz (8) jedoch scheiden sich die Analysen. Betrachten wir eine Äußerung von (8),
490
deren Sprecher H agelhans ist. Russellsch gedeutet drückt sie die Proposition aus, daß H agelhans und niemand sonst Vrenelis Vater ist. Dies ist ganz klar eine kontingente Proposition. Sie ist z. B. falsch, wenn Vreneli die Tochter von Joggeli ist. Unter der referentiellen Analyse dagegen liegt die Proposition, die dieses Beispiel ausdrückt, nicht schon dadurch fest, daß der Sprecher H agelhans ist, sondern hängt zusätzlich noch davon ab, was in der Äußerungssituation der Referent der NP der Vater von Vreneli ist. Dafür ist Regel (6) zuständig: Diese NP benennt, wenn überhaupt etwas, das einzige Individuum, das in der Äußerungswelt Vrenelis Vater ist. Da gibt es nun drei Möglichkeiten: Entweder in der Äußerungswelt hat niemand oder mehr als einer Vreneli gezeugt; dann kommt gar keine Behauptung zustande, also erst recht keine informative. Oder in der Äußerungswelt hat H agelhans Vreneli gezeugt; dann wird die Proposition, daß H agelhans mit sich selbst identisch ist, behauptet, also dieselbe Trivialität, die (9) ausdrückt. Oder schließlich in der Äußerungswelt hat jemand von H agelhans verschiedener Vreneli gezeugt; dann ist die behauptete Proposition, daß dieser andere mit H agelhans identisch ist, also notwendig falsch. In keinem der drei Fälle läßt die referentielle Analyse also für (8) eine kontingente Behauptung zustandekommen. 1.1.3.2 Leere Kennzeichnungen in wahren Sätzen Äußerungen, die eine leere Kennzeichnung enthalten, drücken nach der referentiellen Analyse nie eine Proposition aus, während sie nach der Russellschen teils wahr, teils falsch sind. Mit „leerer Kennzeichnung“ meinen wir hier eine Äußerung von das ζ in einer Welt und zu einer Zeit, wo es kein ζ gibt. Ein einfaches Beispiel ist (10), geäußert in unserer Welt im Jahre 1988. (10) Der deutsche Kaiser ist krank. Diese Äußerung ist unter der Russellschen Deutung falsch, unter der referentiellen Deutung dagegen weder wahr noch falsch, da überhaupt keine Behauptung mit ihr zustandekommt. Leider läßt sich dieser Unterschied nicht ohne weiteres dazu ausnutzen, zwischen den beiden Analysen zu unterscheiden. Beide stimmen insofern mit unserem intuitiven Urteil überein, als sie die Äußerung von (10) als irgendwie unangemessen und irreführend einstufen. Daß für dieses Urteil das umgangs-
VII. Semantik der Funktionswörter
sprachliche Wort „falsch“ verwendet werden kann, entscheidet als solches nicht zugunsten der Russellschen Deutung. Dem Vertreter der referentiellen Analyse zeigt das allenfalls, daß seine Theorie hier eine feinere Unterscheidung zwischen zwei Arten von Unangemessenheit trifft, zwischen denen das vortheoretische „falsch“ nicht differenziert. Interessanter sind deshalb Fälle, wo die referentielle Analyse keine Proposition, die Russellsche dagegen eine wahre liefert, denn bei diesem Unterschied kann man sich nicht einfach durch terminologische Toleranz neutral halten. Betrachten wir etwa das negierte Gegenstück zu (10). (11) Der deutsche Kaiser ist nicht krank. Unter der referentiellen Deutung drückt dieser Satz, 1988 geäußert, ebensowenig eine Proposition aus wie (10). Das kommt heraus, egal auf welche der folgenden beiden Weisen man ihn logisch gliedert. (12) Der deutsche Kaiser hat die Eigenschaft, nicht krank zu sein. (13) Es ist nicht der Fall, daß der deutsche Kaiser krank ist. Wählt man (12), so ist von vorneherein klar, daß keine Proposition zustandekommt, da ja das Subjekt keinen Referenten hat und folglich die vom Prädikat ausgedrückte Eigenschaft auf nichts angewandt werden kann. Wählt man (13), so steht man vor der unmöglichen Aufgabe, von einer nicht zustandegekommenen Proposition die Negation zu ermitteln. Nun ist es tatsächlich so, daß wir das isolierte Beispiel (11) als unangemessen empfinden, und zwar in der gleichen Weise unangemessen wie sein unnegiertes Gegenstück (10). Insofern können wir mit der Voraussage der referentiellen Deutung zufrieden sein. Unter passenden Umständen ist es aber auch möglich, Satz (11) in einem Sinne zu gebrauchen, in dem er intuitiv nicht nur angemessen, sondern sogar wahr ist. Z. B. kann man sich folgenden Dialog vorstellen. (14) a. Der deutsche Kaiser ist krank. b. Unsinn, der deutsche Kaiser ist bestimmt nicht krank, denn Deutschland hat doch schon längst keinen Kaiser mehr. Während die referentielle Deutung hier also anscheinend der neutralen Lesart genüge tut, erlaubt sie uns nicht, auch die alternative Lesart zu erfassen, die unter solchen besonderen Umständen entsteht.
22. Artikel und Definitheit
Die Russellsche Deutung ist hier besser dran. Mit ihr entsprechen nämlich die beiden logischen Gliederungen (12) und (13) zwei echt verschiedenen Lesarten. Nimmt man (12), so kommt die Äußerung genauso falsch heraus, wie ihr unnegiertes Gegenstück. Dies ergibt also die neutrale Lesart, unter der (11) und (10) tatsächlich den gleichen unangemessenen Status haben. Wählt man hingegen (13), so erhält man die Negation von etwas Falschem, also insgesamt eine wahre Äußerung. Das erfaßt plausiblerweise die spezielle Lesart, die in (14) hervortritt. Daß eine leere Kennzeichnung den Satz als ganzen nicht immer am Wahrsein hindert, zeigen auch Beispiele des folgenden Typs. (15) Wenn Hans Söhne hat, dann erbt sein ältester Sohn die Brauerei. Intuitiv kann (15) wahr sein, wenn Hans keine Kinder hat. In diesem Fall gibt es aber gewiß keinen ältesten Sohn von H ans, und die NP sein ältester Sohn (= der älteste Sohn von Hans) hat daher unter der referentiellen Deutung keinen Referenten. Demzufolge drückt der dann-Satzkeine Proposition aus und somit kommt auch für das Konditional als ganzes keine zustande. Wiederum funktioniert die Russellsche Deutung besser: Der dannSatz drückt die Proposition aus, daß H ans genau einen ältesten Sohn hat und dieser die Brauerei erbt. Diese ist zwar per Voraussetzung in der Äußerungssituation falsch, aber das hindert sie natürlich nicht daran, zusammen mit der (ebenfalls falschen) Antezedensproposition ein wahres Konditional zu ergeben. Nebenbei bemerkt ergeben sich analoge Fragen, wenn wir statt leerer Kennzeichnungen solche betrachten, die an mangelnder Eindeutigkeit leiden, also Äußerungen von das ζ, wo es zwei oder mehr ζs gibt. Stellen wir uns etwa folgenden Dialog vor. (16) a. Warum übst du nicht Geige? b. Mir ist die Saite gerissen. Wir nehmen hier an, daß sonst nichts zwischen A und B gesprochen wurde oder sonstwie zu ihrem gemeinsamen Erfahrungsschatz gehört, das eine gegenüber den anderen drei Saiten von Bs Geige auszeichnen würde (siehe dazu 1.4 unten). Dann ist Bs Äußerung intuitiv unangemessen. Aber „falsch“ würden wir sie nicht nennen. In diesem Fall weicht die Russellsche Analyse eindeutig vom vortheoretischen Gebrauch des Wortes „falsch“ ab, während die referentielle Analyse ihn respektiert.
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Aber auch hier finden sich Beispiele, mit denen nur die Russellsche Analyse fertig wird, nämlich Äußerungen, die eine NP das ζ enthalten und dabei wahr sind, obwohl es mehrere ζs gibt. Beispiele analog zu (14) oben sind hier zwar wesentlich schwerer zu forcieren und glücken, wenn überhaupt, nur mit starker Betonung auf dem bestimmten Artikel: (17) ? Ich habe noch nie DIE Blume vor meinem Fenster gegossen, denn es sind zwei Blumen vor meinem Fenster. Aber parallel zu (15) lassen sich natürliche Beispiele finden. Stellen wir uns etwa vor, H ans hat drei Söhne und nur eine Tochter. (18) ist in dieser Situation durchaus geglückt und kann wahr sein. (18) Wenn Hans drei Töchter und nur einen Sohn hätte, dann würde die Brauerei natürlich der Sohn erben. Bei diesem Satz versagt wiederum die referentielle Analyse, während die Russellsche keine Probleme hat. 1.1.3.3 Existenzsätze Als nächstes versuchen wir die referentielle Analyse auf die folgenden beiden Sätze anzuwenden. (19) Den König von Frankreich gibt es. (20) Den König von Frankreich gibt es nicht. Bei (19) kommt folgendes heraus: Entweder Äußerungswelt und -zeit sind so, daß Frankreich darin genau einen König hat. Dann ist dieser der Referent der NP und die ausgedrückte Proposition ist, daß er existiert. Dies ist zwar keine notwendig wahre Proposition, aber in der Äußerungssituation ist sie jedenfalls wahr. Oder aber Frankreich hat in der Äußerungswelt und -zeit keinen oder mehrere Könige. Dann wird mit (19) gar keine Proposition ausgedrückt. So oder so scheint es nicht möglich zu sein, mit (19) etwas in der Äußerungssituation Falsches zu behaupten, wie man es doch intuitiv durchaus kann. Immerhin sagt die referentielle Deutung voraus, daß mit einer Äußerung von (19) in einer Situation, wo Frankreich keinen König hat, irgendetwas nicht in Ordnung ist, und man könnte sich vielleicht auf den Standpunkt stellen, daß das unserem intuitiven Urteil, so eine Äußerung sei „falsch,“ nahe genug kommt. Aber mit (20) kommt man auch dann nicht zurecht: Wenn Frankreich in der Äußerungszeit und -welt genau einen König hat, dann drückt (20) die Proposition aus, daß dieser nicht existiert, also eine Proposi-
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tion, die in der Äußerungssituation garantiert falsch ist. Oder aber Frankreich hat keinen oder mehrere Könige, und es wird somit gar nichts behauptet. Mit Satz (20) sollte man also nie etwas in der Äußerungssituation Wahres behaupten können, während man das doch intuitiv mit jeder Äußerung dieses Satzes im 20. Jahrhundert tut. Wieder hat es die Russellsche Deutung leichter. (19) besagt ihrzufolge, daß es genau einen König von Frankreich gibt und dieser existiert. Was immer das ganz genau bedeutet, es ist jedenfalls in unserer Welt und unserem Jahrhundert falsch. Satz (20) ist unter der Russellschen Analyse prinzipiell skopusmehrdeutig, nämlich kann er entweder als (21) oder als (22) gelesen werden. (21) Es gibt genau einen König von Frankreich und dieser existiert nicht. (22) Es ist nicht der Fall, daß es genau einen König von Frankreich gibt und dieser existiert. (22) ist die Negation von (19) und deshalb hier und heute wahr; dies ist offensichtlich die intuitiv verfügbare Lesart. 1.1.3.4 Skopus Wir haben schon an den Beispielen (11) und (20) gesehen, daß unter der Russellschen Analyse der Skopus eines Definitums semantisch relevant ist, während er unter der referentiellen Analyse keinen Einfluß auf die Bedeutung hat. Die beiden Analysen machen daher unterschiedliche Voraussagen über Sätze, die neben dem Definitum z. B. einen Zeit- oder Modaloperator enthalten. (23) Der Präsident der USA wird immer ein Weißer sein. (24) Der Gewinner kann nicht mehr als eine Runde verlieren. (23) ist intuitiv zweideutig. Wer diesen Satz 1988 äußert, hat unter einer Lesart offensichtlich recht, denn Reagan wird gewiß immer weiß bleiben. Unter einer anderen Lesart sagt er dagegen etwas Kontroverseres, nämlich daß auch in Zukunft immer nur Weiße an die Macht kommen werden. Bei der Russellschen Deutung kommt das zwanglos als Skopusmehrdeutigkeit heraus. Gibt man dem Definitum weitesten Skopus, erhält man die banale Lesart: (23) ist wahr zu einer Zeit t gdw. der Präsident der USA zu t die Eigenschaft hat, zu jeder Zeit nach t Weißer zu sein. H at dagegen wird immer weiteren Skopus, so ergibt sich die interessante Lesart: (23) ist wahr
VII. Semantik der Funktionswörter
zu t gdw. für jede Zeit t’ nach t gilt, daß der, der zu t’ Präsident der USA ist, zu t’ Weißer ist. Unter der referentiellen Analyse kommt immer dasselbe heraus, egal ob der Präsident der USA im Skopus des Zeitoperators steht oder nicht, denn laut Regel (6) bezeichnet diese NP denjenigen, der zur Äußerungszeit Präsident der USA ist. Wird Satz (23) also 1988 geäußert, so drückt er ungeachtet seiner logischen Gliederung die Proposition aus, daß Reagan immer Weißer sein wird. Die interessantere Lesart bleibt dabei unbehandelt. Die Analyse von (24) ist wegen der semantischen Flexibilität modaler Ausdrücke etwas komplizierter (s. Artikel 29). H ier kommt es uns aber nur darauf an, daß (24) eine Lesart besitzt, die sich etwa folgendermaßen paraphrasieren läßt: Die Spielregeln implizieren, daß man mit der zweiten verlorenen Runde automatisch das ganze Spiel verloren hat. Wenn (24) in diesem Sinne geäußert wird, kommt es offenbar für die Wahrheit der Äußerung nicht auf Eigenschaften des tatsächlichen gegenwärtigen Gewinners an, ja es muß nicht einmal einen solchen geben. Das zeigt schon, daß die referentielle Deutung hier nicht angemessen ist. Mit der Russellschen Analyse ergibt sich die gewünschte Lesart dagegen unter der Annahme, daß der Gewinner im Skopus von kann nicht steht, und daß kann nicht ϕ hier in etwa bedeutet: „es gibt keine mit den Spielregeln verträgliche Welt, wo ϕ wahr ist“. Das Verhalten von das-NPs im Skopus von Zeit- und Modaloperatoren widerlegt ein für alle mal die These, daß das ζ sich auf das einzige ζ in der Äußerungswelt zur Äußerungszeit bezieht. Das wird noch klarer, wenn wir zum Vergleich NPs heranziehen, deren Deutung wirklich nur von den Äußerungsumständen abhängt, etwa das Pronomen ich oder ein von einer Zeigehandlung begleitetes Demonstrativum. Im Gegensatz zu (23) oben sind (25) und (26) nicht mehrdeutig. (25) Ich werde immer ein Weißer sein. (26) Dieser Präsident [Sprecher zeigt auf Reagan] wird immer ein Weißer sein. 1.1.3.5 Bemerkungen Keines dieser vier Argumente muß man beim heutigen Forschungsstand einfach so hinnehmen. Das Problem der informativen Identitätsaussagen z. B. tritt auch bei solchen NPs auf, bei denen es starke unabhängige Gründe für eine direkt referentielle Deutung gibt — jedenfalls nach Meinung vieler zeitgenössischer Forscher.
22. Artikel und Definitheit
(27) Der da [Sprecher zeigt auf eine Figur auf einem Foto] bin ich. Auch Satz (27) kann nichttriviale Information vermitteln, obwohl hier rechts und links des Identitätsprädikats ein demonstrativ gebrauchtes Pronomen und das Pronomen ich stehen, also Paradebeispiele für Ausdrücke, deren Referenz ausschließlich von der Äußerungssituation abhängt. In der neueren philosophischen Literatur finden sich einige Vorschläge, wie man der Informativität solcher Sätze Rechnung tragen kann, ohne deswegen die direkt referentielle Deutung der betroffenen NPs zu widerrufen. Die Diskussion dieser Vorschläge würde hier zu weit führen, zumal da auf diesem Gebiet noch manches ungeklärt oder kontrovers ist (s. Artikel 9). Wir müssen deshalb an dieser Stelle offenlassen, ob und inwiefern das Problem der Identitätsaussagen für die Wahl der richtigen Deutung des bestimmten Artikels relevant ist. Ähnliches gilt für das Problem der Existenzaussagen. Auch dieses Problem betrifft neben NPs mit dem bestimmten Artikel gewisse andere NPs, die (zumindest nach einer verbreiteten Lehrmeinung) direkt referentiell zu deuten sind, insbesondere Eigennamen. (28) Homer hat es (nicht) wirklich gegeben. H ier können wir ebenfalls nicht auf die einschlägigen Argumente und Kontroversen eingehen. Stattdessen belassen wir es wiederum bei dem H inweis, daß erst nach einer umfassenden Behandlung von Existenzaussagen, die neben (19) auch (28) und andere Beispiele berücksichtigt, verläßliche Rückschlüsse für die Semantik des bestimmten Artikels gezogen werden könnten. Auf das Problem der wahren Sätze mit leeren Kennzeichnungen kommen wir gleich in Abschnitt 1.2 noch zurück, mit dem Ergebnis, daß hier die beste Lösung eine Art Mittelweg zwischen Russellscher und referentieller Analyse ist. Und selbst die angeblichen Skopusmehrdeutigkeiten in (23) und (24) werden wir noch einmal genauer unter die Lupe nehmen müssen, nämlich in 1.3.3. 1.2 Existenz- und Einzigkeitsbedingung als Präsupposition, Fregesche Deutung 1.2.1 Schwer erhältliche Lesarten Denken wir noch einmal etwas genauer über das Beispiel (11) nach.
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(11) Der deutsche Kaiser ist nicht krank. Wir haben oben festgestellt, daß dieser Satz zweierlei Lesarten hat, nebenbei allerdings auch bemerkt, daß nicht beide Lesarten gleich neutral sind. Man versteht (11) lieber so, daß es die Existenz eines deutschen Kaisers impliziert, und weicht auf die andere Lesart nur aus, wenn aus dem Kontext hervorgeht, daß dies nicht gemeint ist. Nun rechtfertigt die Markiertheit dieser zweiten Lesart natürlich nicht, sie ganz zu vernachlässigen, wie das unter der referentiellen Analyse geschah. Besser ist da sicher eine Analyse wie die Russellsche, die eine Mehrdeutigkeit voraussagt. Aber noch besser wäre es, nicht nur beide Lesarten zu erfassen, sondern darüber hinaus auch noch zu erklären, warum die eine zwangloser hervortritt als die andere. Ist das unter der Russellschen Analyse möglich? Auf den ersten Blick bietet sich eine syntaktische Erklärung an. Die neutrale Lesart ist bei (11) nämlich diejenige, wo das Definitum weiteren Skopus als die Negation hat, was die syntaktischen H ierarchieverhältnisse zwischen Subjekt und Negation widerspiegelt. Tatsächlich ist es in Sätzen dieser Form ganz allgemein schwieriger, der im Mittelfeld stehenden Negation Skopus über das vorangestellte Subjekt zu geben als umgekehrt. Andere Beispiele zeigen aber, daß diese Erklärung nicht allgemein genug ist. Denn auch in (29) muß die Lesart mit weiter Negation durch einen passenden Kontext erzwungen werden, obwohl hier die syntaktischen Bedingungen für diese Skopuskonstellation gewiß günstig sind. (29) Ich frühstücke nicht mit dem deutschen Kaiser. Sehen wir uns ein paar weitere Beispiele an. (30) Hans möchte seinen Kontrabaß verstekken. (31) Hans fragt sich, ob sein Kontrabaß 1000 Mark wert ist. (32) Wenn mein Mann käme, würde ich Knödel kochen. Nach der Russellschen Analyse sollten diese Sätze unter anderem folgende Lesarten haben: (33) Hans möchte genau einen Kontrabaß haben und diesen verstecken. (34) Hans fragt sich, ob er genau einen Kontrabaß hat und dieser 1000 Mark wert ist. (35) Wenn ich (genau) einen Mann hätte und dieser käme, würde ich Knödel kochen.
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Solche Lesarten sagen wir voraus, wenn wir dem Definitum Skopus über den minimalen Satz geben, in dem es enthalten ist; sie sollten also nicht nur mögliche, sondern sogar besonders leicht erhältliche Lesarten sein, da die logische Gliederung hier nahe an der syntaktischen Struktur bleibt. Das stimmt aber nicht. (30) und (31) können, wenn überhaupt, nur mit großer Mühe im Sinne von (33) und (34) gelesen werden. Spontan lesen wir (30) so, daß es nichts darüber aussagt, wie wünschenswert der Besitz eines Kontrabasses für H ans ist. (31) verstehen wir dahingehend, daß H ans sich durchaus sicher ist, einen Kontrabaß zu haben. Und wenn wir (32) etwa von einer Unbekannten hören, schließen wir spontan, daß die betreffende verheiratet ist. (35) ist zwar auch eine mögliche Lesart, aber wir denken an sie erst, wenn wir wissen, daß die Sprecherin keinen Mann hat. Alle diese Beispiele geben dem Russellianer dasselbe Rätsel auf: Warum ist die Lesart, in der das Definitum den durch die syntaktische Struktur nahegelegten engen Skopus erhält, nicht zwanglos verfügbar? 1.2.2 Präsuppositionstheorie In der Literatur gelten solche Beispiele in der Regel als Indiz dafür, daß die mit dem bestimmten Artikel verbundene Existenz- und Einzigkeitsbedingung eine Präsupposition ist. Um zu verstehen, was damit gemeint ist, und was es zur Erklärung unserer Beobachtungen beiträgt, müssen wir kurz in die Präsuppositionstheorie abschweifen (vgl. Artikel 13). Präsuppositionsforscher sind sich keineswegs einig darüber, was Präsuppositionen sind. Der Konkretheit halber wählen wir hier einen sogenannten semantischen Präsuppositionsbegriff (weisen aber weiter unten noch kurz auf eine Alternative hin). Der Grundgedanke hier ist, daß manche Sätze partielle Propositionen ausdrücken, d. h. Propositionen, die nicht jeder möglichen Welt und Zeit einen Wahrheitswert zuordnen, sondern nur für eine Teilmenge aller Welt-Zeit-Paare definiert sind. Ein Beispiel wäre die in (37) definierte partielle Proposition p, die nach Meinung vieler Forscher der Satz (36) ausdrückt. (36) Es hört zu regnen auf. (37) p ist in w zu t wahr, wenn es in w unmittelbar vor t regnet und zu t nicht regnet; falsch, wenn es in w sowohl unmittelbar vor t als auch zu t regnet; undefiniert (= wahrheitswertlos), wenn es in w unmittelbar vor t nicht regnet.
VII. Semantik der Funktionswörter
„Präsupposition“ ist nun so definiert: (38) Seien p und q (möglicherweise partielle) Propositionen. Dann ist q eine semantische Präsupposition von p gdw. q bei allen Welt-Zeit-Paaren wahr ist, bei denen p wahr oder falsch ist. p präsupponiert also z. B., daß es unmittelbar vorher geregnet hat; genauer gesagt, p präsupponiert die folgende Proposition q: (39) q ist in w zu t wahr, wenn es in w unmittelbar vor t regnet; falsch, wenn es in w unmittelbar vor t nicht regnet. Was ergeben sich nun für empirische Voraussagen aus der Annahme, daß ein Satz eine partielle Proposition ausdrückt, also eine nicht-triviale Präsupposition hat? Zunächst einmal gar keine; dazu muß erst einmal festgelegt werden, welchen semantischen und pragmatischen Gesetzmäßigkeiten partielle Propositionen unterliegen. Allgemein angenommen wird, daß man, um einen Satz aufrichtig zu behaupten, dessen Präsupposition für wahr halten muß. Daraus folgt also, daß man mit einer Äußerung von (36) der Meinung Ausdruck gibt, es habe unmittelbar zuvor geregnet, und daß der H örer dieser Äußerung berechtigt ist, daraus u. a. diese Information zu entnehmen. Diese Voraussage erlaubt uns freilich nicht, empirisch zu überprüfen, ob der Satz (36) wirklich eine Proposition ausdrückt, die q präsupponiert. Dasselbe würde nämlich vorausgesagt, wenn (36) statt p die Proposition p’ ausdrückte, von der q zwar eine logische Folge, aber keine Präsupposition ist. (40) p’ ist in w zu t wahr, wenn es in w unmittelbar vor t regnet und zu t nicht regnet; falsch andernfalls. Der Unterschied zwischen diesen beiden H ypothesen kommt erst zum Vorschein, wenn wir Sätze mit eingebetteten Vorkommnissen von (36) betrachten. (41) Es hört nicht zu regnen auf. (42) Hans möchte, daß es zu regnen aufhört. (43) Hans fragt sich, ob es zu regnen aufhört. (44) Wenn es zu regnen aufhörte, würde es wärmer. Drückte (36) die Proposition p’ aus, so sollte (41) die Negation von p’ ausdrücken, also,
22. Artikel und Definitheit
daß es entweder unmittelbar zuvor nicht geregnet hat oder jetzt immer noch regnet. Tatsächlich ist dies zwar eine mögliche Lesart, aber nicht die neutralste. Spontan lesen wir (41) nämlich im Sinne von „es regnet weiter“, was aus der Negation von p’ nicht folgt. Analoge Probleme ergeben sich bei (42)—(44): Unter der Annahme, daß (36) p’ ausdrückt, erhalten wir zwar mögliche, aber nicht die unmarkierten Lesarten dieser drei Sätze. Drückt (36) dagegen die partielle Proposition p aus, so können wir mit geeigneten Zusatzannahmen die neutralen Lesarten herleiten. Es kommt nun darauf an, diese Zusatzannahmen auszuarbeiten und zu motivieren, was in der hier skizzierten Version der Präsuppositionstheorie darauf hinausläuft, eine kompositionale Semantik für partielle Propositionen zu entwickeln. Um die Sätze (41)—(44) zu interpretieren, müssen wir z. B. festlegen, was die Negation einer partiellen Proposition ist, was es bedeutet, zu einer partiellen Proposition in der Wünschensrelation zu stehen, und was ein Konditional mit partiellem Antezedens bedeutet. Dies ist keine leichte Aufgabe, und sie ist in der gegenwärtigen Präsuppositionsforschung erst teilweise gelöst. Betrachten wir etwa das negierte Beispiel (41). Eine sehr naheliegende Verallgemeinerung des klassischen Negationsoperators auf partielle Propositionen ist folgende: Die Negation von p hat denselben Definitionsbereich wie p und liefert für jedes WeltZeit-Paar in diesem Definitionsbereich den entgegengesetzten Wahrheitswert wie p. Wenden wir das auf (41) an und nehmen an, daß (36) p ausdrückt, so ergibt sich, daß (41) die folgende Proposition ﹁ p ausdrückt. (45) ﹁ p ist in w zu t wahr, wenn es in w sowohl unmittelbar vor t als auch zu t regnet; falsch, wenn es in w unmittelbar vor t regnet und zu t nicht regnet; undefiniert, wenn es in w unmittelbar vor t nicht regnet. Dies entspricht in der Tat der neutralen Lesart, denn ﹁ p hat ebenso wie p die Präsupposition q. Damit sind wir freilich noch nicht am Ende, denn nun müssen wir uns auch noch um die markierte Lesart kümmern. Das können wir z. B. so angehen: Wir definieren zunächst einen Operator T, der partielle Propositionen in totale verwandelt: T(p) stimmt auf dem Definitionsbereich von p mit p überein und ist außerhalb des Definitionsbereichs
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von p überall falsch. Dann stipulieren wir, daß ein Satz, der eine Proposition p ausdrückt, stets eine sekundäre Lesart besitzt, unter der er stattdessen die Proposition T(p) ausdrückt. Schließlich setzen wir fest, daß sekundäre Lesarten nur in solchen Äußerungssituationen verfügbar werden, wo die primäre Lesart den offensichtlichen Absichten des Sprechers widerspricht. So ein Fall liegt z. B. vor, wenn (41) im Zusammenhang von (46) geäußert wird. (46) Es hört nicht zu regnen auf, denn es hat noch gar nicht angefangen. Unter der Annahme, daß (36) p ausdrückt, ist dieser Text widersprüchlich. Deswegen darf man hier auf eine sekundäre Lesart ausweichen, unter der (36) T(p) und (41) folglich die Negation von T(p) ausdrückt. T(p) ist natürlich p’. Alles dieses ist skizzenhaft, ad hoc, und vielleicht ganz falsch. Die Leser(innen) müssen sich hierüber durch Auseinandersetzung mit der Präsuppositionsliteratur ihr eigenes Urteil bilden. 1.2.3 Präsupposition des bestimmten Artikels Kehren wir jetzt zum bestimmten Artikel zurück. Die Analogie zwischen den Beispielen (41)—(44) einerseits und (29)—(32) andererseits dürfte bereits aufgefallen sein. Bei (41) —(44) bekommen wir Schwierigkeiten unter der Annahme, daß (36) es hört zu regnen auf die totale Proposition p’ ausdrückt, und diese Schwierigkeiten scheinen im wesentlichen die gleichen zu sein, die wir mit (29)—(32) unter der Russellschen Deutung des bestimmten Artikels haben: Beidesmal sagen wir eine markierte Lesart statt der intuitiv naheliegendsten voraus. Für den Fall der aufhör-Sätze haben wir eben angedeutet, wie im Rahmen einer Präsuppositionstheorie gegen diese Schwierigkeiten angegangen wird. Nun verfahren wir genauso mit den das-Sätzen. Statt der totalen Propositionen, die sie unter der Russellschen Deutung ausdrücken, lassen wir Sätze der Form [das ζ] ξ nun partielle Propositionen ausdrücken. (47) Fregesche Deutung Unabhängig vom Äußerungskontext drückt [das ζ] ξ diejenige Proposition aus, die an einem Index i wahr ist, wenn es an i genau ein ζ gibt und dieses an i ξ ist, falsch ist, wenn es an i genau ein ζ gibt und dieses an i nicht ξ ist,
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und wahrheitswertlos ist, wenn es an i nicht genau ein ζ gibt. Nach dieser Deutung präsupponiert [das ζ] ξ also, daß es genau ein ζ gibt (siehe Definition (38)), während dies unter der Russellschen Deutung lediglich eine logische Folge der ausgedrückten Proposition war. Wenden wir diese Fregesche Deutung nun auf den negierten Satz (29) an. (29) Ich frühstücke nicht mit dem deutschen Kaiser. Wir nehmen an, daß (29) die Negation von (48) ist. (48) Ich frühstücke mit dem deutschen Kaiser. (48) drückt nach (47) die partielle Proposition r aus. (49) r ist an i wahr, wenn es an i genau einen deutschen Kaiser gibt und ich an i mit diesem frühstücke; falsch, wenn es an i genau einen deutschen Kaiser gibt und ich an i nicht mit diesem frühstücke; wahrheitswertlos, wenn es an i nicht genau einen deutschen Kaiser gibt. Wir haben oben festgelegt, was die Negation einer partiellen Proposition ist. Demnach drückt (29) die folgende ebenfalls partielle Proposition ﹁ r aus. (50) ﹁ r ist an i wahr, wenn es an i genau einen deutschen Kaiser gibt und ich an i nicht mit diesem frühstücke; falsch, wenn es an i genau einen deutschen Kaiser gibt und ich an i mit diesem frühstücke; wahrheitswertlos, wenn es an i nicht genau einen deutschen Kaiser gibt. (29) präsupponiert also ebenso wie (48), daß es genau einen deutschen Kaiser gibt, womit erklärt ist, daß wir dies spontan aus (29) schließen. Soweit die unmarkierte Lesart. Die markierte Lesart, die etwa im Zusammenhang von (51) erzwungen wird, erhalten wir mithilfe der obigen Stipulationen, indem wir (48) von r auf T(r) uminterpretieren. (51) Ich frühstücke nicht mit dem deutschen Kaiser, denn Deutschland hat gar keinen Kaiser. T(r) ist übrigens genau die Proposition, die uns die Russellsche Deutung für (48) geliefert hätte. Auf die Behandlung der Beispiele (30) —
VII. Semantik der Funktionswörter
(32) können wir ohne größeren Aufwand hier leider nicht eingehen. Wir wollen nicht verschweigen, daß da selbst für gründliche Kenner(innen) der neuesten Präsuppositionsliteratur noch manches mysteriös bleibt. Soweit die Semantik solcher Sätze innerhalb einer Theorie der semantischen Präsupposition einsichtsvoll beschrieben werden kann, haben wir eine Motivation für die Fregesche gegenüber der Russellschen Deutung. Bevor dies aber vollständig gelungen ist, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Im folgenden werden wir oft über den Unterschied zwischen Russellscher und Fregescher Deutung hinwegsehen und beide als die „klassischen“ Deutungen in einen Topf werfen. Dies ist insofern gerechtfertigt, als die beiden viel wesentliches gemeinsam haben. Zwar sticht auf den ersten Blick eine Überstimmung zwischen Fregescher und referentieller Deutung ins Auge: beide sagen voraus, daß eine Äußerung von [das ζ] ξ in der Äußerungswelt weder wahr noch falsch ist, wenn es dort nicht genau ein ζ gibt. Aber in Bezug auf die klassischen Argumente gegen die direkt referentielle Analyse verhält sich die Fregesche Deutung größtenteils wie die Russellsche. Insbesondere sagt (47) voraus, daß die Äußerung eines Identitätssatzes wie (8) eine kontingente Proposition ausdrückt. (Es ist sogar fast dieselbe Proposition wie unter der Russellschen Deutung, nur daß sie für Welten, wo Vreneli keinen oder mehrere Väter hat, statt Falsch überhaupt keinen Wahrheitswert liefert.) Weiterhin ergibt sich aus der Fregeschen Deutung, daß der Skopus einer das-NP relativ zu Modal- und Zeitoperatoren bedeutungsrelevant ist, und damit erfaßt sie die Skopusmehrdeutigkeiten in Sätzen wie (23). Abschließend weisen wir noch darauf hin, daß viele Autoren einen anderen Präsuppositionsbegriff verwenden (prominente Beispiele sind Karttunen & Peters 1979 und Gazdar 1979). Sie nehmen an, daß jeder Satz zwei Propositionen ausdrückt, einen Inhalt und eine Präsupposition, die beide totale Propositionen sind. (Falschheit der Präsupposition impliziert also nicht Wahrheitswertlosigkeit des Inhalts.) Im Rahmen solcher Theorien wird die Russellsche Deutung des bestimmten Artikels intakt übernommen: sie liefert dort den Inhalt von Sätzen der Form [das ζ] ξ, und muß bloß noch durch eine separate Regel für die Präsupposition ergänzt werden: (52) a. [das ζ] ξ hat als Inhalt diejenige Proposition, die an einem Index i wahr
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ist, wenn es an i genau ein ζ gibt und dieses an i ξ ist, und andernfalls falsch. b. [das ζ] ξ hat als Präsupposition diejenige Proposition, die an einem Index i wahr ist, wenn es an genau ein ζ gibt, und andernfalls falsch. Wiederum kommt es nun darauf an, geeignete Prinzipien zu entwickeln, die etwa Präsupposition und Inhalt eines negierten oder sonstwie komplexen Satzes festlegen, und zwar dergestalt, daß neben den neutralen auch die markierten Lesarten herauskommen. Wir verweisen dazu auf die einschlägige Literatur. Unser Ziel in diesem Abschnitt war nicht, für eine bestimmte Behandlung der Existenz- und Einzigkeitspräsupposition des bestimmten Artikels zu argumentieren. Wir wollten lediglich zeigen, wozu es gut sein könnte, die Existenz- und Einzigkeitsbedingung irgendwie vom Rest der Russellschen Wahrheitsbedingung abzuheben. Der Konkretheit halber haben wir hier mit partiellen Propositionen und der Fregeschen Deutung gearbeitet, aber nichts in unseren Ausführungen spricht dagegen, diese Differenzierung in einer anderen Präsuppositionstheorie vorzunehmen. 1.3 Referentieller und attributiver Gebrauch 1.3.1 Donnellan und seine Exegeten In einem berühmten Aufsatz vertrat Donnellan (1966) die These, daß der bestimmte Artikel auf zweierlei verschiedene Weisen gebraucht werden könne, nämlich „referentiell“ oder „attributiv“. Vom attributiven Gebrauch meint Donnellan, daß er einigermaßen befriedigend durch die klassischen semantischen Analysen erfaßt sei. (Aus dem Streit zwischen Russellscher und Fregescher Deutung hält sich Donnellan heraus.) Der referentielle Gebrauch sei jedoch bisher übersehen worden und besitze Eigenschaften, die den klassischen Analysen widersprechen. Donnellan führt seine Unterscheidung mit einer Reihe von Beispielen ein. Er betrachtet etwa einen Satz wie (53) in zweierlei Typen von Äußerungssituationen. (53) Schmeißen Sie den Mann mit dem Obstler bitte sofort hinaus! Situationstyp 1: Der Gastgeber G einer großen Party hat gerade am anderen Ende des Gartens seinen Erzfeind E erspäht und wendet sich mit dem Befehl (53) an seinen Butler
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B. Situationstyp 2: Dem Gastgeber G einer Versammlung der Blaukreuzler ist soeben zugeflüstert worden, es trinke jemand auf der Versammlung Obstler, und daraufhin äußert er (53) zu B. Die erste Situation soll den referentiellen Gebrauch exemplifizieren. Laut Donnellan dient hier die Kennzeichnung den Mann mit dem Obstler dazu, eine bestimmte Person zu benennen; der Inhalt des geäußerten Befehls selbst ist aber von der Wahl dieser Kennzeichnung unabhängig, d. h. G hätte genau dasselbe befehlen können, indem er E auf eine andere Weise benannt hätte. In der zweiten Situation dagegen geht die Kennzeichnung der Mann mit dem Obstler irgendwie wesentlich in den Inhalt des Befehls ein; hinausgeschmissen werden soll hier nicht eine bestimmte Person, sondern, wer immer es sein mag, der da Obstler trinkt. Dies kennzeichnet den attributiven Gebrauch. Donnellan weist darauf hin, daß der Unterschied besonders deutlich wird, wenn in Wirklichkeit überhaupt niemand Obstler trinkt. Stellen wir uns etwa vor, E trinkt Wasser aus einem Schnapsglas und niemand trinkt Obstler. In der ersten Situation macht das für Zustandekommen und Ausführbarkeit des Befehls nichts weiter aus. Solange B versteht, daß G E gemeint hat, weiß er, was er zu tun hat, auch wenn ihm klar ist, daß E bloß Wasser im Glas hat. In der zweiten Situation ist das anders. Sobald hier B bemerkt, daß gar niemand Obstler trinkt, hat er keinen ausführbaren Befehl mehr vor sich. Donnellan führt seine Unterscheidung durch solche und andere Beispiele ein und schließt, daß eine Russellsche oder Fregesche Analyse die Eigenschaften des attributiven Gebrauchs korrekt voraussage, nicht aber die des referentiellen. Er legt sich aber auf keine konkrete Analyse für letzteren fest, und seine Interpreten in der Fachliteratur sind, wie sich gezeigt hat, durchaus verschiedener Meinung darüber, wie so eine Analyse auszusehen hätte. Wir wollen hier kurz auf dreierlei Präzisierungen eingehen, die sich u. a. bei Kripke (1977), Stalnaker (1970) und Kaplan (1978) finden. In der linguistischen Literatur gibt es daneben noch diverse andere Auslegungen von Donnellans Terminologie (insbesondere eine, nach der mit „attributiv“ eine gewisse Art von generischen Definita gemeint sind — siehe dazu 1.5.3 unten), die hier unberücksichtigt bleiben. Kripke vertritt die These, alle Verwendungen des bestimmten Artikels seien klassisch zu deuten, einschließlich der von Donnellan
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beschriebenen sogenannten referentiellen. Die scheinbar unklassischen Eigenschaften der letzteren ergäben sich aus dem Zusammenspiel dieser Deutung mit pragmatischen Gesetzmäßigkeiten. Illustrieren wir diese These kurz an der Äußerung von (53) in Situationstyp 1, Donnellans Beispiel für einen referentiellen Gebrauch. Der Befehl, den G mit (53) in Situation 1 zustandebringt, hat nach Kripkescher Auffassung einen Inhalt, den wir etwa so charakterisieren können: (54) unausführbar in w, wenn in w nicht genau ein Mann Obstler trinkt; ausgeführt in w, wenn B in w den einzigen in w Obstler trinkenden Mann hinauswirft; unausgeführt in w, wenn B in w den einzigen in w Obstler trinkenden Mann nicht hinauswirft. Dies ist also (entgegen Donnellans Ansicht) kein Befehl, der direkt das Individuum E betrifft, sondern vielmehr einer, in dessen Inhalt das Prädikat Mann mit dem Obstler wesentlich eingeht. Mit anderen Worten, es ist der Befehlsinhalt, den Donnellan für die Analyse des attributiven Gebrauchs annimmt und den uns eine klassische (genauer hier: Fregesche) Deutung des bestimmten Artikels liefert. Wenn E in der Äußerungswelt bloß Wasser trinkt, so impliziert (54) klar, daß der Befehl in dieser Welt entweder überhaupt nicht oder allenfalls durch H erauswerfen einer von E verschiedenen Person ausgeführt werden kann. Woher kommt dann die Donnellansche Intuition, daß sich der Befehl auf eine bestimmte Person, nämlich E, bezieht? Kripkeaner führen das darauf zurück, daß diesem Befehl seitens des Sprechers ein auf E bezogener Wunsch zugrundeliegt, und daß dieser Wunsch für den H örer und andere Zeugen der Äußerung erschließbar ist. Den Inhalt dieses Wunsches können wir so beschreiben: (55) erfüllt in w, wenn B in w E hinauswirft; unerfüllt in w, wenn B in w E nicht hinauswirft; (und vielleicht: unerfüllbar in w, wenn es E oder B in w nicht gibt.) Kripkeaner sind sich mit Donnellan darüber einig, daß Zweck und Wirkung des Befehls in unserem Beispiel darin bestehen, einen Wunsch mit dem Inhalt (55) mitzuteilen. Aber während Donnellan den Inhalt des geäußerten Befehls einfach mit dem Inhalt des mitgeteilten Wunsches gleichsetzt, sieht Kripke
VII. Semantik der Funktionswörter
einen indirekteren Zusammenhang zwischen den beiden: Wenn E der einzige Mann ist, der Obstler trinkt, dann ist mit der Ausführung des Befehls (54) zugleich auch der Wunsch (55) erfüllt. Unter der genannten Voraussetzung ist daher dieser Befehl ein passendes Mittel zur Erfüllung dieses Wunsches. Da der Sprecher G erstens den Wunsch (55) hegt und zweitens voraussetzt, daß E der einzige Mann ist, der Obstler trinkt, handelt er also rational, indem er den Befehl (54) produziert. Der H örer B seinerseits sieht sich mit dem Befehl (54) konfrontiert, errät die eben genannte Motivation für diesen Befehl seitens des Sprechers G, und erschließt so, daß G den Wunsch (55) hegt. Damit dieses „Ratespiel“ klappt, braucht B natürlich einen gewissen Einblick sowohl in die äußeren Unstände der Äußerung als auch in das Innere Gs. Er muß z. B. sehen, daß die Annahme, daß E Obstler trinkt, für G naheliegt. Es ist aber nicht notwendig, daß er diese Annahme teilt. B kann Gs Beweggründe auch erraten, wenn er zufällig weiß, daß der vermeintliche Obstler bloß Wasser ist. Der Befehl (54) ist dann zwar entweder unausführbar oder seine Ausführung würde nichts zur Erfüllung des Wunsches (55) beitragen. Aber daraus folgt natürlich keineswegs, daß B nicht wüßte, wie er als gehorsamer Butler auf Gs Äußerung zu reagieren hat. Für praktische Zwecke ist es irrelevant, daß ein unausführbarer Befehl geäußert wurde; solange B erraten konnte, was G mit seiner Äußerung wollte, muß er ihn ganz so behandeln, als hätte er befohlen, E zu entfernen. Kein Wunder also, daß es so aussieht, als habe G (55) und nicht (54) befohlen. Wir sehen also, wie es dem Kripkeaner gelingt, das Phänomen des referentiellen Gebrauchs vorherzusagen, ohne die einheitliche Semantik des bestimmten Artikels aufzugeben. (Wir konnten das hier freilich nicht für die Gesamtheit der Donnellanschen Beispiele belegen, sondern nur eine Kostprobe geben.) Dies ist natürlich ceteris paribus die attraktivste Position, und wir schließen deshalb bis auf weiteres, daß die klassische Analyse korrekt ist, und zwar nicht nur als Analyse einer Lesart unter anderen, sondern als Analyse der einzigen Lesart des bestimmten Artikels. Kaplan (1978) und Stalnaker (1970) vertreten eine andere Auffassung. Für diese beiden Autoren ist der referentielle Gebrauch kein pragmatisches Epiphänomen, sondern beruht auf einer eigenständigen nicht-klassischen Lesart des bestimmten Artikels, näm-
22. Artikel und Definitheit
lich einer Lesart, unter der das-NPs direkt referentiell sind. Nach Kaplanscher Auffassung ist dies genau die direkt referentielle Deutung (6), die wir oben definiert haben. Stalnaker nimmt dagegen eine Variante an, die wir grob wie folgt wiedergeben. (56) das ζ, geäußert am Kontext k, bezeichnet nur dann etwas, wenn der Sprecher von k von genau einem Individuum voraussetzt, daß es ζ ist. Ist diese Bedingung erfüllt, so bezeichnet die betreffende Äußerung von das ζ dieses Individuum. Beide Vorschläge machen ernst mit Donnellans Intuition, daß bei gewissen Gebräuchen von das ζ Äußerungsinhalte zustandekommen, in die nicht die Eigenschaft ζ, sondern vielmehr der Referent der NP eingeht. Die beiden Deutungen unterscheiden sich allerdings darin, welche Eigenschaft der Äußerungssituation für die Bestimmung des Referenten verantwortlich ist. In der Kaplanschen Version ist es dasjenige Individuum, das in der Äußerungswelt und zur Äußerungszeit tatsächlich als einziges ζ ist. In der Stalnakerschen Version kommt es dagegen nicht auf die objektiven Tatsachen an, sondern darauf, wen der Sprecher für ein ζ hält (bzw. so tut, als ob er ihn für ein ζ halte). Im Normalfall wird das auf dasselbe herauskommen. Donnellan hebt aber gerade die Fälle hervor, wo der Unterschied sichtbar wird, etwa das Beispiel vom Wasser im Schnapsglas. Stalnakers Version ist hier direkt nach Donnellans Anweisungen geschneidert: Wenn G mit der Mann, der den Obstler trinkt E meint und E Wasser trinkt, dann ist der Referent dieser NP trotzdem E; denn E ist es, von dem G voraussetzt, daß er ein Obstler trinkender Mann ist. Kaplans Version hingegen liefert in diesem Fall entweder gar keinen Referenten oder einen anderen als E. Kaplanianer können allerdings argumentieren, daß dieser Unterschied keine empirischen Folgen hat (das Argument ist den Kripkeanern abgeschaut): Für praktische Zwecke macht es letztenendes nichts aus, welchen Inhalt eine Äußerung tatsächlich besitzt, solange nur durch die Äußerungsumstände gesichert ist, daß der H örer erschließen kann, was gemeint war. Die beiden Versionen unterscheiden sich noch in einem weiteren Punkt. Bei Stalnaker ist verlangt, daß der Sprecher vom Referenten voraussetzt, daß dieser ζ ist, d. h. er muß eine de re Einstellung zu ihm haben, was wiederum erfordert, daß er mit ihm in gewissem Maße vertraut ist (s. Artikel 34). Man kann sich
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leicht Umstände vorstellen, in denen diese Bedingung nicht erfüllt ist und eine Stalnakerreferentielle Deutung deswegen ausscheidet. Unser obiges Beispiel der Äußerung von Satz (53) auf der Blaukreuzler-Versammlung (wie auch andere Paradebeispiele für den sogenannten attributiven Gebrauch) ist von dieser Art. H ier setzt G zwar voraus, daß es genau einen Obstler trinkenden Mann gibt, aber es gibt niemanden, von dem er voraussetzt, daß dieser Obstler trinkt. In dieser Äußerung kann die definite NP daher nicht referentiell gedeutet werden, jedenfalls nicht unter Stalnakers Definition der referentiellen Lesart. Kaplans Deutung beinhaltet keine solche Beschränkung. Dort ist nur verlangt, daß es in der Äußerungswelt tatsächlich genau ein ζ gibt; wenn dies gilt, so kann sich der Sprecher mit einem Definitum auf dieses ζ beziehen, auch wenn er es in keiner Weise kennt. Donnellans Ausführungen deuten darauf hin, daß Stalnakers Version seinen Intentionen hier näher kommt als Kaplans. 1.3.2 Indirekte Argumente für eine referentielle Lesart H alten wir uns aber nicht mit DonnellanExegese auf, sondern fragen wir uns lieber, ob die von Kaplan oder Stalnaker definierten direkt referentiellen Lesarten wirklich eigenständige Lesarten des bestimmten Artikels sind. Wenn wir nach Kripkescher Manier alle empirischen Merkmale des referentiellen Gebrauchs auch bei einer einheitlich klassischen Semantik erklären können, dann werden wir uns natürlich keine zweite Lesart aufbürden. (Daß nicht alle Vorkommnisse des bestimmten Artikels direkt referentiell sein können, haben wir ja schon in Abschnitt 1.1.3 gesehen, und diese Ansicht vertritt heute auch niemand.) Vertreter einer Kaplanschen oder Stalnakerschen Deutung für das schulden uns also den Nachweis, daß es doch Verwendungen dieses Wortes gibt, denen eine klassische Deutung nicht gerecht wird. Donnellans Beobachtungen alleine reichen, wie Kripke gezeigt hat, hier nicht aus. Verfechter einer eigenständigen direkt referentiellen Lesart (insbesondere Stalnaker) haben sich deshalb subtilere Argumente einfallen lassen, von denen wir nun eine kleine Kostprobe geben. Für das folgende gelte als etabliert, daß das eine klassische Lesart hat. Wie können wir nun empirisch überprüfen, ob dies seine einzige Lesart ist oder ob es ambig ist und neben der klassischem noch eine direkt referentielle Lesart besitzt? Durch bloße Inspektion der
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Wahrheitsbedingungen einzelner Äußerungen läßt sich das leider nicht entscheiden. Direkt referentielle und klassische Deutungen machen nämlich empirisch äquivalente Voraussagen über den Wahrheitswert, den eine Äußerung der Form [das ζ] ξ in der Äußerungssituation hat. Erst wenn wir die von der Äußerung ausgedrückte Proposition betrachten, gehen die Voraussagen auseinander. Aber woran sollen wir erkennen, welche von zwei Propositionen eine gegebene Äußerung ausdrückt, wenn diese Propositionen in der Äußerungswelt denselben Wahrheitswert haben? Theoriefreie Kriterien gibt es dafür leider nicht. Mit etwas Phantasie kann man aber indirekte Tests erfinden. Einer dieser Tests basiert auf folgender Beobachtung: Die Pronomina das, dasselbe usw. in Sätzen wie Hans glaubt dasselbe, Hans bedauert das scheinen sich auf Propositionen zu beziehen. (Denn Propositionen sind ja nach gängiger Auffassung die Gegenstände des Glaubens und Bedauerns.) In Texten wie (57) greift das offenbar die Proposition auf, die der vorangegangene Satz ausdrückt. (57) Fortuna hat gewonnen. Hans hat das vorausgesehen. Der zweite Satz bedeutet hier nämlich, daß H ans vorausgesehen hat, daß Fortuna gewinnen würde. Betrachten wir nun eine Variante von (57), bei der es prima facie kontrovers ist, welche Proposition der erste Satz ausdrückt. (58) Das Pferd, auf das ich gesetzt habe, hat gewonnen. Hans hat das vorausgesehen. Unter der Annahme, daß das anaphorische das im zweiten Satz auch hier die Proposition aufgreift, die mit der Äußerung des vorangehenden Satzes ausgedrückt wurde, machen unsere beiden Deutungen des bestimmten Artikels in das Pferd, auf das ich gesetzt habe nun deutlich verschiedene Voraussagen über die Wahrheitsbedingungen des zweiten Satzes. Nehmen wir an, in der Äußerungswelt habe ich auf genau ein Pferd gesetzt, und zwar auf Fortuna. Wenn die referentielle Deutung stimmt, bedeutet der zweite Satz dann, H ans habe vorausgesehen, daß Fortuna gewinnen würde. Stimmt dagegen die klassische Deutung, so sagt der zweite Satz, H ans habe vorausgesehen, daß ich auf das siegreiche Pferd setzen würde. (Der Unterschied kommt am klarsten heraus, wenn H ans nicht gewußt hat, auf welches Pferd ich setzen würde. H at er dann etwa gesagt: „Fortuna wird gewinnen,“
VII. Semantik der Funktionswörter
so hat er vorausgesehen, daß Fortuna gewinnen würde, aber nicht, daß ich auf das siegreiche Pferd setzen würde. H at er dagegen z. B. gesagt: „Du gewinnst bestimmt wieder deine Wette,“ dann hat er vorausgesehen, daß ich auf das siegreiche Pferd setzen würde, aber nicht, daß Fortuna gewinnen würde.) Welche Deutung des bestimmten Artikels stimmt nun also? Anscheinend beide. Der zweite Satz in Text (58) läßt sich nämlich intuitiv sowohl auf die eine wie auf die andere der genannten Weisen auslegen. Dies ergibt sich zwanglos, wenn wir den bestimmten Artikel als zweideutig auffassen. Wir bekommen es aber nicht heraus — und das ist der Witz dieser Beobachtung —, wenn wir ihm nur eine Deutung zugestehen. Nun ein zweites Argument für die Zweideutigkeitshypothese: Wie wir schon bemerkt haben, rührt die Schwierigkeit, die Existenz einer eigenständigen referentiellen Lesart nachzuweisen, daher, daß ein referentielles Definitum hinsichtlich der Bedingungen für die Wahrheit der Äußerung sich nicht von einem klassischen mit weitestem Skopus unterscheiden läßt. Jedesmal, wenn wir ein referentielles Definitum vor uns zu haben meinen, kann also der Skeptiker einwenden, es handle sich in Wirklichkeit um ein klassisches mit weitestem Skopus. Müssen wir ihm damit das letzte Wort lassen? Nicht immer, wie die folgende Überlegung zeigt: Linguisten nehmen allgemein an, daß die syntaktische Struktur eines Satzes weitgehend, wenn auch nicht vollständig, seine logische Gliederung determiniert. (Demnach entspricht gerade in komplexeren Sätzen durchaus nicht jeder logisch möglichen Skopuskonstellation der darin vorkommenden Quantoren und Operatoren auch eine intuitiv mögliche Lesart; s. Artikel 7.) Dieser Tatsache verdankt es sich, daß sich skopusmehrdeutige Sätze in der Regel durch Paraphrase disambiguieren lassen. In (59) z. B. kann entweder ein oder zwei Leute oder immer weiteren Skopus haben. Aber in (60) und (61) überlebt nur jeweils eine dieser zwei Lesarten. (59) Ein oder zwei Leute kommen immer zu spät. (60) Es gibt ein oder zwei Leute, die immer zu spät kommen. (61) Es ist immer so, daß ein oder zwei Leute zu spät kommen. Anscheinend liegt das an einem allgemeinen Prinzip, das Relativ- und daß-Sätzezu „Skopusinseln“ macht. Was immer hier genau die richtige Generalisierung sein mag, wir halten
22. Artikel und Definitheit
fest, daß sich Skopusmehrdeutigkeiten typischerweise wegparaphrasieren lassen. Diese Beobachtung sollte sich nun ausnützen lassen, um zu entscheiden, ob eine gegebene Mehrdeutigkeit skopusbedingt ist oder nicht. Betrachten wir ein Beispiel. Vertreter und Gegner der H ypothese von der Zweideutigkeit des bestimmten Artikels sind sich einig, daß (62) und (63) auf zweierlei Weisen verstanden werden können. (62) Der Spieler auf der linken Seite gewinnt immer. (63) Der Spieler auf der linken Seite kann nicht verlieren. Mit (62) kann einerseits gemeint sein, daß der, der jetzt gerade links steht, immer gewinnt (auch wenn er rechts steht). Andererseits kann gemeint sein, daß immer gewinnt, wer jeweils links steht. Analoges gilt für (63). Die Zweideutigkeitshypothese sagt voraus, daß die erstgenannte Lesart im Prinzip auf zweierlei Weise zustandekommen kann: entweder indem das Definitum weitesten Skopus erhält, oder aber indem es direkt referentiell gedeutet wird. Dagegen impliziert eine unzweideutig klassische Analyse, daß diese Lesart nur von weitem Skopus des Definitums herrühren kann. Wenn letztere recht hat, steht nun zu erwarten, daß sich die Ambiguität irgendwie wegparaphrasieren läßt. Versuchen wir das einmal: (64) Es ist immer so, daß der Spieler auf der linken Seite gewinnt. (65) Es ist unmöglich, daß der Spieler auf der linken Seite verliert. Diese Paraphrasen tendieren wohl ein bißchen mehr zur Lesart mit engem Skopus für das Definitum, aber sie haben doch immer noch beide Lesarten (jedenfalls scheint dies das Konsensusurteil in der Literatur zu sein). Dies spricht prima facie für die Zweideutigkeitshypothese. Denn wenn die fragliche Lesart von einer referentiellen Deutung des bestimmten Artikels und nicht von weitem Skopus herrührt, dann gibt es natürlich keinen Grund, weshalb sie in gewissen syntaktischen Strukturen weniger verfügbar sein sollte als in anderen. Andersherum gesagt: Wer sich auf die klassische Analyse beschränken will, schuldet uns hier eine Erklärung, warum die Skopusmöglichkeiten für das-NPs im Gegensatz zu denen anderer NPs keiner strukturellen Beschränkung zu unterliegen scheinen. Gegen beide dieser Argumente läßt sich
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mancherlei einwenden. Das Argument mit der Propositionsanapher das in (58) beruht in erster Linie auf Annahmen über Anaphora, und diese lassen sich infragestellen. Das Pronomen das, mit dem im zweiten Satz angeblich auf die vom ersten ausgedrückte Proposition Bezug genommen wird, ist ja längst dafür bekannt, daß es sich auf alle möglichen, oft nur indirekt vorher angesprochenen Abstrakta beziehen kann. Man denke etwa an das notorische Beispiel (66). (66) Goldwater gewann im Westen, aber das wäre hier unmöglich gewesen. H ier verdankt das das zwar seine Interpretation auch irgendwie dem vorangehenden Satz, aber es greift doch weder die Proposition, die dieser als ganzer ausdrückt, noch anscheinend die Bedeutung irgendeiner seiner Konstituenten auf. Dies läßt vermuten, daß sich „anaphorisches“ das auf alle möglichen Abstrakta beziehen kann, die nur irgendwie lose vom „Antezedenssatz“ nahegelegt sein zu brauchen. Wenn wir das aber zugestehen, können wir nicht mehr arg viel aus der beobachteten Zweideutigkeit von Hans hat das vorausgesehen in (58) schließen: Diese beweist dann allenfalls, daß eine Äußerung des Satzes Das Pferd, auf das ich gesetzt habe, hat gewonnen unter gewissen Umständen u. a. auch die Proposition, daß Fortuna gewonnen hat, nahelegen kann. Dem widerspricht nun aber nicht, daß dieser Satz allemal nur die von der klassischen Analyse vorausgesagte Proposition ausdrückt. Man kann sich den Zusammenhang zwischen ausgedrückter und nahegelegter Proposition etwa so vorstellen (wir denken hier wieder Kripkeanisch): Wenn ich behaupte, daß das Pferd, auf das ich gesetzt habe, gewonnen hat, so darf man mir unterstellen, daß ich für diese Behauptung gute Gründe habe. Solche Gründe können im Prinzip von verschiedenster Art sein, aber eine typische Möglichkeit ist, daß es ein bestimmtes Pferd gibt, von dem ich erstens weiß, daß es gewonnen hat, und zweitens, daß ich auf es (und kein anderes) gesetzt habe; denn zusammengenommen impliziert dieses Wissen den Inhalt meiner Behauptung. Nehmen wir an, der H örer meiner Behauptung errät, daß meine Gründe von solcher Art sind, errät also u. a., daß ich von einem bestimmten Pferd weiß, daß es gewonnen hat. Dann hat meine Äußerung für diesen H örer in gewisser Weise die Proposition, daß das betreffende Pferd gewonnen hat, nahegelegt. Und das genügt
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vielleicht schon, damit sie von einem das aufgegriffen werden kann. Diese alternative Erklärung ist zugestandenermaßen etwas zu vage, um die Zweideutigkeitshypothese klar aus dem Feld zu schlagen. Leider sind aber beide oben angeführten Argumente noch einem vernichtenderen Einwand ausgesetzt. Betrachten wir eine Variante des Beispiels (58). (67) Jedesmal, wenn das Pferd, auf das ich setze, gewinnt, sieht Hans das voraus. Dieser Satz hat diverse Lesarten, aber von Interesse ist hier diejenige, die in der folgenden Situation wahr ist: Ich setze insgesamt dreimal auf ein Pferd, das gewinnt; davon das erste Mal auf Fortuna, das zweite Mal auf Silver Blaze, und das dritte Mal auf Eldorado. Nun sagt H ans das erste Mal voraus, daß Fortuna gewinnt, das zweite Mal, daß Silver Blaze gewinnt, und das dritte Mal, daß Eldorado gewinnt, ohne daß er jeweils etwas über meine Wette wüßte. Offenbar eignet sich Satz (67) zur wahrheitsgemäßen Beschreibung dieses Sachverhalts. Überlegen wir uns nun aber, was das für die Deutung des Definitums und des anaphorischen das impliziert. Referentiell kann das Definitum das Pferd, auf das ich setze, hier nicht sein, denn es hat ja keinen von der Äußerungssituation fixierten Referenten, sondern ist klar im Skopus von jedesmal. Also muß es klassisch gedeutet werden. Weiterhin muß es Skopus innerhalb des wennSatzes haben, denn sonst käme ja eine Lesart heraus, nach der für ein bestimmtes Pferd gilt, daß jedesmal, wenn dieses gewinnt, H ans das voraussieht. Jetzt folgt aber nach unseren obigen Annahmen, daß der wenn-Satzdiejenige Proposition ausdrückt, die an i wahr ist, wenn an i das Pferd gewinnt, auf das ich an i setze. Ist dies die Proposition, die das aufnimmt? Offenbar nicht, denn H ans hat ja in keinem Fall vorausgesehen, daß ich meine Wette gewinnen würde. Tatsächlich drückt Hans sieht das voraus hier anscheinend diejenige Proposition aus, die an i wahr ist, wenn H ans an i von dem Pferd, auf das ich an i setze, voraussieht, daß dieses gewinnt. Es scheint aber nicht möglich zu sein, dies vorherzusagen, indem man das die Intension irgendeiner Konstituente in der logischen Form des vorausgegangenen Textes wiederaufnehmen läßt. Dieses Beispiel macht klar, daß der Schluß von den möglichen Deutungen des einfacheren Satzes (58) auf die Existenz einer referentiellen Lesart des bestimmten Artikels auf Sand gebaut war. Denn bei (67) kommt auch
VII. Semantik der Funktionswörter
der Vertreter der Zweideutigkeitshypothese nicht darum herum, das anaphorische das Propositionen aufnehmen zu lassen, die kein vorangehendes Textstück ausdrückt. Ist das aber erst einmal zugestanden, dann kann sich der Vertreter einer rein klassischen Analyse auch bei (58) darauf hinausreden. Mir derselben Strategie können wir das zweite Argument abschießen. Diesmal betrachten wir (68), wiederum eine um einen zusätzlichen Operator bereicherte Variante unseres ursprünglichen Beispiels (64). (68) Es hätte immer ebensogut sein können, daß der Spieler auf der linken Seite rechts gestanden wäre. Hier interessiert uns eine Lesart, wo der Spieler auf der linken Seite weder referentiell ist, noch Skopus innerhalb des daß-Satzeshat. Genauer gesagt, wir haben folgende Lesart im Auge: Für jede Zeit t gilt: der Spieler, der zu t tatsächlich links stand, hätte ebensogut rechts stehen können. Das Definitum muß hier klassisch gedeutet werden, damit es sich für verschiedene Zeiten t auf verschiedene Spieler beziehen kann. Andererseits muß es aber weiteren Skopus als der Modaloperator hätte ebensogut bekommen, denn wir sprechen ja nicht von möglichen Welten, in denen der dortige linke Spieler zugleich rechts steht. Damit sind wir gezwungen, anzuerkennen, daß der Skopus eines klassischen Definitums keine Schwierigkeiten hat, aus dem eingebetteten daß-Satzzu entkommen. Sobald wir das zugeben, wird aber die Berufung auf eine referentielle Deutung für (64) überflüssig, d. h. erspart uns keine ad hoc Annahmen mehr in der Theorie der strukturellen Skopusbeschränkungen. Diese Gegenargumente demonstrieren, daß die Zweideutigkeitshypothese nichts bringt, jedenfalls nichts für die Lösung der Probleme, mit denen wir sie hier zu motivieren versucht haben. Sie lassen aber Rätsel zurück: wir wissen jetzt genausowenig wie zuvor, wie das anaphorische das zu seiner Deutung kommt oder wieso die Skopusmöglichkeiten des Definitums sich nicht syntaktisch einengen lassen. Wir können diese Rätsel hier nicht lösen, wollen aber doch wenigstens für die Skopusbeispiele kurz eine alternative Behandlung andeuten. 1.3.3 Noch einmal Skopus Eine wichtige Rolle spielte oben das Faktum, daß Sätze wie (64) und (65) zwei Lesarten haben, darunter eine, die unter einer rein klas-
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sischen Analyse nur dann erzeugt wird, wenn das Definitum weitesten Skopus erhält. Dazu mußten diese Sätze folgendermaßen logisch gegliedert werden. (Wir beschränken uns hier auf (64); analoges gilt für (65).) (69) [der [linke Spieler]]x [es ist immer so, daß [x gewinnt]] Wir haben dem Definitum hier weiten Skopus gegeben, damit das Prädikat linke Spieler zur selben Zeit ausgewertet wird wie der ganze Satz. (69) drückt die folgende Proposition p aus: (70) p ist in w zu t wahr, wenn es in w zu t genau einen linken Spieler a gibt und für alle t’ gilt, daß a in w zu t’ gewinnt; falsch, wenn es in w zu t genau einen linken Spieler a gibt und für mindestens ein t’ gilt, daß a in w zu t’ nicht gewinnt; wahrheitswertlos sonst. Bemerkenswerterweise läßt sich nun dieselbe Proposition p in einer extensionalen Sprache, wo explizit über Welten und Zeiten quantifiziert wird, auch folgendermaßen formalisieren: (71) λw,t ∀t’ [[der linke-Spieler(w,t)] gewinnt(w,t’)] Wir meinen hier eine Sprache, in der gewinnt und linke-Spieler nicht einstellige Prädikate sind, sondern vielmehr Funktoren, die auf ein Welt-Zeit-Paar angewandt werden müssen, um erst mit diesem zusammen ein einstelliges Prädikat zu ergeben. Gewinnt etwa drückt die Funktion aus, die für jedes Welt-Zeit-Paar w,t die Menge derer liefert, die in w zu t gewinnen; analog für linke-Spieler. Die Deutung des bestimmten Artikels ist das extensionale Analogon der oben eingeführten klassischen Interpretation, also (wenn wir die Fregesche Variante wählen): (72) Extensionalisierte Fregesche Deutung: [das ζ] ξ ist wahr, wenn ζ eine einelementige Menge ausdrückt, deren einziges Element auch in der von ξ ausgedrückten Menge ist; falsch, wenn ζ eine einelementige Menge ausdrückt, deren einziges Element nicht auch in der von ξ ausgedrückten Menge ist; wahrheitswertlos, wenn ζ keine einelementige Menge ausdrückt. Zeit- bzw. Modaloperatoren sind in so einer Sprache natürlich einfach Quantoren, die Zeit- bzw. Weltvariablen binden; immer z. B.
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entspricht Vt’ in (71). Das Bemerkenswerte an der Formalisierung (71) ist, daß die das-NP dort engen Skopus relativ zum Zeitoperator hat und trotzdem insgesamt eine Lesart herauskommt, die wir bisher nur durch entweder weiten Skopus oder eine referentielle Deutung erzeugen zu können glaubten. Wir sehen daran, daß es theoretisch eine dritte Möglichkeit gibt: Vielleicht ist das Deutsche auf der relevanten Analyseebene eine Sprache, deren Substantive und Verben Argumentstellen für Welt und Zeit besitzen. Wenn das stimmt, gibt es offenbar Prinzipien, die erzwingen, daß das Weltund Zeitargument des Verbums stets lokal gebunden ist (d. h. durch den Propositionsabstraktor bzw. Zeit- oder Modaloperator an der unmittelbar darüberliegenden Satzgrenze). Die Welt- und Zeitargumente eines Substantivs hingegen scheinen prinzipiell frei wählbar zu sein. Sie können von der nächstliegenden oder auch von einer weiter entfernten Satzgrenze aus gebunden sein; und vielleicht können sie sogar frei bleiben und deiktisch gedeutet werden, d. h. sich auf kontextuell gegebene Welten und Zeiten beziehen. Prinzipiell läßt sich ein Satz wie (23) (23) Der Präsident der USA wird immer ein Weißer sein. dann auf unendlich viele Weisen disambiguieren: Nicht nur kann das Definitum weiten Skopus wie in (73) oder engen wie in (74) erhalten, es gibt in jedem dieser beiden Fälle auch noch beliebig viele Möglichkeiten für die Wahl der Argumente von Präsident der USA. (73) λw,t [[der Präsident-der-USA(_, _)]x [wird-immer(w,t)t’, [x ein-Weißer-sein (w,t’)]]] (74) λw,t [wird-immer(w,t)t’ [[der Präsident-der-USA(_, _)] einWeißer-sein(w,t’)]] Wenn wir für (_, _) in (74) (w,t’) wählen, erhalten wir die „echte“ enge-Skopus-Lesart für das Definitum der Präsident der USA , d. h. das, was wir uns bisher unter einer engen-Skopus-Lesart vorgestellt haben. Wenn wir aber — ebenfalls in (74) ! — stattdessen (w,t) einsetzen, dann ergibt sich haargenau dieselbe Bedeutung, als hätten wir (w,t) in (73) eingesetzt. Mit anderen Worten, es kommt dann das heraus, was wir vormals als weite-Skopus-Lesart des Definitums diagnostiziert haben. Allgemein gilt: das Disambiguierungsschema (73) bringt uns überhaupt
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keine neuen Lesarten gegenüber (74), d. h. jede Instantiierung von (73) besitzt eine äquivalente von (74). Und noch allgemeiner gilt: unter der extensionalisierten Fregeschen Deutung von das in (72) ist der Skopus einer dasNP nicht bedeutungsrelevant. Kehren wir im Lichte dieser Überlegungen zu den Beispielen zurück, die ursprünglich für eine klassisch/referentiell-Ambiguität des bestimmten Artikels zu sprechen schienen. (64) Es ist immer so, daß der linke Spieler gewinnt. Wir waren oben mit dem Dilemma konfrontiert, dem Definitum in diesem Satz entweder eine referentielle Lesart zuzugestehen oder ihm zu erlauben, sich über syntaktische Skopusbarrieren hinwegzusetzen. Jetzt haben wir einen Ausweg: Selbst wenn die Skopusverhältnisse in (64) durch die Syntax fest vorgegeben sind, also nur Disambiguierungen der Form (75) gestattet sind, bekommen wir alle gewünschten Lesarten. (75) λw,t [es ist-immer(w,t)t, so, daß [[der linke-Spieler(_, _)] gewinnt(w,t’)]] Insbesondere erhalten wir die vermeintlich referentielle Lesart, indem wir die Argumentstellen des Substantivs linke-Spieler mit den Variablen w,t füllen. Ein Vorteil dieser Lösung ist, daß sie auch bei (68) nicht passen muß. Die kritische Lesart, die wir oben für dieses Beispiel betrachtet haben, erhalten wir so: (76) λw,t [immer(w,t)t’ [es hätte-sein-können(w,t’)w’, daß [[der Spieler-auf-der-linken-Seite(w,t’)] rechts-gestanden-wäre(w’,t’)]]] Wenn dieser Ansatz weiterverfolgt wird, ergeben sich eine Reihe neuer Fragen, die wir hier nicht behandeln können und die auch in der Literatur noch wenig geklärt sind. Vor allem müssen wir die empirischen Voraussagen überprüfen, die dieser Ansatz für NPs mit anderen Determinatoren als dem bestimmen Artikel impliziert. Sehen wir uns dazu kurz (77) an. (77) Einmal ist kein Verstorbener hier gewesen. Dieser Satz enthält den Zeitoperator ist-einmal (d. h. „einmal in der Vergangenheit“) und die quantifizierte NP kein Verstorbener. Wenn wir ersterem weiten und letzterer engen Skopus geben, erhalten wir eine Repräsentation der folgenden Form.
VII. Semantik der Funktionswörter
(78) λw,t [ist-einmal(w,t)t, [kein Verstorbener(w,_) hier-gewesen(w,t’)]] Füllen wir die Zeitargumentstelle von Verstorbener nun mit t, so bedeutet (78), daß zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit keiner der jetzt Verstorbenen hier war. Dies ist eine Lesart, die wir vormals prinzipiell nicht erzeugen konnten, egal welchen Skopus wir der NP gegeben hätten. Wenn (77) tatsächlich so gelesen werden kann, spricht das prima facie für den hier skizzierten Ansatz. Gründlichere Überlegungen zu solchen Beispielen finden sich in der Literatur, insbesondere in den Arbeiten von Enç (1982, 1986). Bevor wir unsere Überlegungen an dieser Stelle abbrechen, werfen wir einen Blick zurück auf unsere Argumentation in Abschnitt 1.1.3.4. Dort haben wir die direkt referentielle Analyse mit der ursprünglichen Russellschen Version der klassischen Analyse verglichen und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß sie dieser unterlegen ist. Mittlerweile haben wir aber zwei Revisionen der klassischen Analyse vorgenommen, die beide die Distanz zur referentiellen Analyse vermindert haben. In Abschnitt 1.2.3 sind wir zur Fregeschen Version übergegangen und haben damit zugestanden, daß die Existenz- und Einzigkeitsbedingung einen anderen Status hat als der Rest der Wahrheitsbedingung. H ier in 1.3.3 sind wir nun sogar bei einer Version gelandet, die in gewisser Weise die direkt referentielle Deutung als Spezialfall einschließt. Dies wird deutlich, wenn wir uns überlegen, wie wir unter der neuen Version (72) eine gegebene (Oberflächen-)NP das soundso disambiguieren können. Alle Disambiguierungen sind von der Form [das soundso(u,v)], wobei u eine Welt- und v eine Zeitvariable ist. H insichtlich der Wahl von u und v können wir drei Fälle unterscheiden: (i) u,v werden deiktisch gedeutet und referieren direkt auf Äußerungswelt und Äußerungszeit; (ii) u,v werden so lokal wie möglich gebunden, d. h. es bindet sie der hierarchisch niedrigste Operator, in dessen Skopus sie sich befinden; (iii) sonstige Möglichkeiten. (i) liefert uns die Lesarten, die wir vormals durch direkt referentielle Deutung des betreffenden Definitums bekamen. (ii) liefert uns die Lesarten, die wir mit der alten Fregeschen Deutung (47) bekamen. (iii) schließlich liefert uns Lesarten, die im allgemeinen unter den vormaligen Deutungen überhaupt nicht zu erzeugen waren (jedenfalls nicht unter der gegebenen Skopuskonstella-
22. Artikel und Definitheit
tion, und manchmal sogar unter keiner möglichen logischen Gliederung des betreffenden deutschen Satzes). (Fall (iii) ist etwa durch (76) illustriert.) Wir wollen keineswegs behaupten, daß die von den Vertretern der Zweideutigkeitshypothese aufgebrachten Probleme jetzt gelöst sind. Was wir soeben skizziert haben, muß erst einmal sauber ausgearbeitet und empirisch überprüft werden, ganz zu schweigen davon, daß wir die Beispiele mit anaphorischem das auf die lange Bank geschoben haben. Es ist aber wohl fair, zu schließen, daß die Zweideutigkeitshypothese in der Form, wie wir sie in 1.3.2 betrachtet haben, beim gegenwärtigen Forschungsstand wenig für sich hat. Bis die hier angedeutete Alternative oder noch etwas Besseres konkurrenzfähig geworden ist, bleiben wir da lieber gleich bei der klassischen Analyse in einer der üblichen Varianten, z. B. der in 1.2.3. So halten wir es jedenfalls für den Rest dieses Artikels, zumal da wir uns nun Themen zuwenden, die von den hier betrachteten Kontroversen unabhängig sind. 1.4 Bereichswahl: Kontextabhängigkeit und Anaphorizität 1.4.1 Situationsbedingte Beschränkung des Individuenbereichs Nichts an Russells Deutung hat wohl häufiger Anstoß erregt als die darin eingebaute Einzigkeitsbedingung. Offensichtlich gebrauchen wir doch tagtäglich Sätze wie (79), ohne deswegen der abwegigen Meinung Ausdruck zu geben, daß es auf der ganzen Welt nicht mehr als einen Tisch gibt. (79) Der Tisch wackelt. Man stelle sich etwa vor, (79) wird während eines häuslichen Abendessens geäußert. Derselbe Einwand trifft selbstverständlich die Fregesche Deutung; daß die Einzigkeitsbedingung dort präsupponiert ist, macht es nicht besser. Der Einwand ist richtig, aber betrifft er speziell den bestimmten Artikel? Ähnlich lassen sich ja auch die üblichen Deutungen anderer Determinatoren angreifen: Wenn etwa im Verlaufe desselben Abendessens (80) oder (81) geäußert werden, geht es auch nicht um alle Gläser und alle Messer auf der Welt. (80) Jedes Glas hat einen Sprung. (81) Kein Messer ist scharf. Die Parallele zwischen (79), (80) und (81) legt
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nahe, daß wir hier ein allgemeineres Phänomen vor uns haben, das nichts speziell mit der Semantik des bestimmten Artikels zu tun hat. Der Individuenbereich, den wir der Interpretation einer quantifizierenden NP zugrundelegen, hängt grundsätzlich von der Äußerungssituation ab und bildet mitunter nur eine kleine Teilmenge der tatsächlich existierenden Individuen. Was jeweils in dieser Menge enthalten ist und was nicht, hängt grob gesagt davon ab, worauf die Gesprächspartner gerade ihre Aufmerksamkeit richten, und dies ist wiederum bedingt durch schwer zu präzisierende Faktoren wie Relevanz für das Gesprächsinteresse und sinnliche Auffälligkeit. Z. B. ist der Individuenbereich in unserer Abendessensszene offenbar auf Mobiliar, Geschirr und Nahrungsmittel beschränkt, die der Sprecher unmittelbar vor sich hat oder die sich jedenfalls in derselben Wohnung befinden. Die Existenz unversehrter Gläser und scharfer Messer außerhalb dieses Bereiches tut der intuitiven Wahrheit der Äußerungen (80) und (81) keinen Abbruch, und so braucht den Vertreter der klassischen Analyse des bestimmten Artikels auch nicht zu verwundern, daß die Existenz beliebig vieler Tische außerhalb desselben Bereiches ebenso unschädlich für die Wahrheit von (79) ist. Bei der genaueren Ausarbeitung dieser Antwort ergeben sich allerdings Komplikationen. In der oben vorgestellten Abendessensszene könnte die Sprecherin ihre Äußerung von (79) z. B. ohne weiteres wie in (82) fortsetzen. (82) Der Tisch wackelt. Wir hätten doch lieber den Eichentisch von Tante Lida behalten sollen. H ier geraten wir in ein Dilemma. Nach dem bisher Gesagten sagt oder präsupponiert die Sprecherin mit (82) unter anderem, daß es im kontextuell relevanten Individuenbereich genau einen Tisch und genau einen Eichentisch von Tante Lida gibt. Das kann aber nur stimmen, wenn der Eichentisch von Tante Lida der einzige Tisch überhaupt im betreffenden Individuenbereich ist, und damit folgt aus (82), daß der Eichentisch von Tante Lida wackelt. Intuitiv folgt das natürlich keineswegs. Dem Dilemma entkommen wir, wenn wir annehmen, daß für die Deutung der beiden NPs in (82) aus irgendeinem Grunde nicht derselbe Individuenbereich relevant ist. Äußerungssituationen wandeln sich bekanntlich ständig, und selbst im Verlauf der Äußerung kurzer Texte verschiebt sich die Aufmerksam-
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keit der Gesprächspartner oft auf neue Dinge (s. Artikel 10). Um unser Dilemma mit (82) aufzulösen, müssen wir plausibel machen, daß der Individuenbereich hier von einer NPÄußerung zur nächsten anschwillt: Während bei der Tisch nur eine kleine Menge in unmittelbarer Nähe befindlicher Dinge berücksichtigt wird, ist für die Interpretation von den Eichentisch von Tante Lida auf einmal eine größere Menge relevant, die mindestens noch einen zweiten Tisch einschließt. Wodurch ist diese Erweiterung bewirkt? Offensichtlich durch nichts, was sich in der Zeit zwischen den beiden NP-Äußerungen ereignet, denn was der Sprecher vor der Äußerung von den Eichentisch von Tante Lida gesagt hat, ist allenfalls dazu angetan, den einzigen physisch präsenten Tisch noch mehr ins Rampenlicht zu rücken, und kaum dazu, an die Existenz anderer Tische zu erinnern. Ausschlaggebend für die Bereichserweiterung scheint hier vielmehr erst die Äußerung des Prädikats Eichentisch von Tante Lida zu sein. Dieses veranlaßt den H örer, an Träger dieser Eigenschaft zu denken, und damit, seinen Aufmerksamkeitshorizont so weit auszudehnen, bis er wenigstens die naheliegendsten davon mit einschließt. Erst dieser erweiterte Bereich wird dann der Deutung der NP, die dieses Prädikat enthält, zugrundegelegt. Der gleiche Mechanismus scheint übrigens in (83) am Werk zu sein. (83) Jedes Glas hat einen Sprung. Aber die meisten Gläser von Tante Lida waren auch nicht besser. Auch hier können wir die intuitiv natürliche Deutung darauf zurückführen, daß beim H ören des Prädikats Gläser von Tante Lida das geistige Auge so weit schweift, bis es die (oder wenigstens die auffälligsten) Gläser der Tante in den Blick bekommt, und daß die meisten dann auf den daraus resultierenden Aufmerksamkeitsbereich bezogen wird. H ier gibt es noch vieles zu präzisieren. Es bleibt abzuwarten, ob psychologische Begriffe wie „Auffälligkeit“, „Aufmerksamkeit“ sich geeignet explizieren lassen, um die Verwendung des bestimmten Artikels vorauszusagen, und ob wirklich genau dieselbe Explikation dieser Begriffe der Interpretation anderer Determinatoren zugrundeliegt. Immerhin haben wir hier eine Forschungsstrategie angedeutet, die prima facie vernünftig aussieht: Statt wegen Daten wie den obigen die klassische Deutung des bestimmten Artikels wegzuwerfen oder an ihr herumzudoktern, versuchen wir erst einmal, sie zu ergänzen durch eine allge-
VII. Semantik der Funktionswörter
meine Theorie, nach der Quantifikationsbereiche von psychologischen Gegebenheiten der Äußerungssituation abhängen, und vor deren H intergrund sie richtige Voraussagen macht. 1.4.2 Anaphora und Variablenbindung Nun wird in der traditionellen Literatur oft gesagt, daß NPs mit bestimmtem Artikel neben ihrem „situationsbezogenen“ („deiktischen“) Gebrauch auch einen „anaphorischen“ haben. Unser Beispiel (79), geäußert in der häuslichen Küche in Anwesenheit genau eines Tisches, war ein typischer Fall von „deiktischem“ Gebrauch. Den „anaphorischen“ Gebrauch illustriert hingegen etwa (84). (84) Hanno hat einen Hund und eine Katze. Die Katze hat Flöhe. Unter den oben eingeführten Annahmen läßt sich auch dieses Beispiel im Rahmen klassischer Analysen des bestimmten Artikels beschreiben. Plausiblerweise wird nämlich auch hier das Definitum die Katze in einer Äußerungssituation gebraucht, in der von allen in der Äußerungswelt existierenden Katzen nur eine im Individuenbereich ist. Die Ursache dafür ist diesmal eine vorangehende Äußerung, nämlich die des Satzes Hanno hat einen Hund und eine Katze. Diese Äußerung hat nämlich die Aufmerksamkeit des H örers auf H annos H austiere gelenkt und damit diese bis auf weiteres in den Individuenbereich gebracht und andere Tiere ausgeschlossen. Bezogen auf den so umgrenzten Bereich ist die Einzigkeitspräsupposition von die Katze hat Flöhe unproblematisch erfüllt, solange H anno nicht mehr als eine Katze hat, und der Wahrheitswert des Satzes richtet sich ausschließlich nach dem Flohbefall von H annos einziger Katze. Ähnlich kann man die sogenannten „assoziativ-anaphorischen“ Gebräuche des bestimmten Artikels verstehen: (85) Ich habe eine Uhr gefunden. Nur die Batterie ist leer. Die Batterie verstehen wir hier spontan im Sinne von „die Batterie in der eben erwähnten Uhr“. Die NP die Batterie ist hier nicht eigentlich anaphorisch, denn es wurde ja im vorausgehenden Text noch keine Batterie erwähnt. Aber sie ist doch in einem gewissen weiteren Sinne anaphorisch, denn ihre Interpretation hängt wesentlich von einer NP im vorangehenden Text ab. H awkins spricht hier
22. Artikel und Definitheit
vom „assoziativ-anaphorischen“ Gebrauch. Von unserer Warte läßt sich dieses Beispiel etwa wie folgt beschreiben: Der vorausgehende Text in (85) rückt eine Uhr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ceteris paribus sind deshalb Teile und Zubehör dieses Objekts auffälliger als andere Gegenstände von der gleichen Sorte. Der kontextuell gegebene Individuenbereich enthält an Batterien also nur solche, die zur betreffenden Uhr gehören. Deuten wir den zweiten Satz von (85) mit Bezug auf diesen Bereich, so präsupponiert er nicht, daß es nur eine Batterie in der Äußerungswelt gibt, sondern bloß, daß nur eine Batterie zur eben erwähnten Uhr gehört. Dies ist intuitiv richtig, und die Wahrheitsbedingungen kommen so auch richtig heraus. Was wir in den letzten zwei Absätzen angedeutet haben, läuft darauf hinaus, den „anaphorischen“ Gebrauch (im weitesten Sinne) sozusagen als Spezialfall des „deiktischen“ Gebrauchs zu behandeln. In beiden Fällen ist der zentrale Punkt, daß das Definitum bezüglich eines Bereichs gedeutet wird, der von der Äußerungssituation bestimmt ist. Der „anaphorische“ Fall zeichnet sich nur dadurch aus, daß an der H ervorbringung dieser Äußerungssituation wesentlich eine unmittelbar vorausgegangene sprachliche H andlung beteiligt war. Dieser Gedanke ist wohlbekannt aus der Pronominalsemantik, wo er allerdings in jüngster Zeit ziemlich unter Beschuß geraten ist (s. Artikel 23 und 10). Wir können hier in diesem Artikel leider nicht allgemein auf die Frage eingehen, wieweit sich Anaphora auf Kontextabhängigkeit reduzieren läßt. Wir wollen aber kurz eine Verwendungsweise von das-NPs betrachten, für die eine solche Reduktion, wenn nicht unmöglich, so doch mit einer nicht-trivialen Schwierigkeit behaftet ist. (86) Der Hemul gab jedem Kind ein Geschenk, das ihm selbst mehr Spaß machte als dem Kind. (87) Viele, die ein Zelt und einen Schlafsack haben, nehmen nur den Schlafsack mit in den Canyon. (88) Keines dieser Bücher hält, was der Umschlagtext verspricht. Für (86) und (87) haben wir Lesarten im Auge, unter denen die hervorgehobenen Definita anaphorisch auf die Antezedentien jedem Kind bzw. einen Schlafsack bezogen sind. Bei (88) geht es uns um die assoziativ-anaphorische Lesart, derzufolge kein Buch hält, was der Text auf dem Umschlag dieses Buches
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verspricht. Wir zeigen nun, daß unsere bisherige Analyse mit diesen Beispielen nicht fertig wird. Natürliche Äußerungssituationen für (86) sind intuitiv so beschaffen, daß der Bereich der zur Diskussion stehenden Individuen mehrere Kinder einschließt. In solchen Äußerungssituationen hat aber nach unseren bisherigen Annahmen das Prädikat macht ihm selbst mehr Spaß als dem Kind entweder gar keine Extension (Fregesch) oder eine leere (Russellsch). Also sollte der Satz (86) als ganzer in solchen Äußerungssituation nie wahr werden können. — Für (87) und (88) gilt analoges: In Äußerungssituationen, die intuitiv für (87) und (88) passen, ist typischerweise nicht ein einziger Schlafsack bzw. Umschlagtext als relevant ausgezeichnet. Vielmehr sind die Schlafsäcke aller Personen im Quantifikationsbereich der viele-NP (bzw. die Umschlagtexte aller zur Rede stehenden Bücher) gleichermaßen auffällig. Damit haben wir aber Individuenbereiche, bezüglich derer unter klassischen Deutungen des bestimmten Artikels die Prädikate nehmen nur den Schlafsack mit in den Canyon bzw. hält, was der Umschlagtext verspricht keine wohldefinierten, nichtleeren Extensionen erhalten. Infolgedessen bekommen wir keine intuitiv adäquaten Wahrheitsbedingungen für diese Sätze heraus. Versuchen wir das Problem genauer zu diagnostizieren, indem wir uns Schritt für Schritt durch die Interpretation eines unserer Beispiele arbeiten. (88) z. B. hat die logische Grobstruktur (89). (89) [keines dieser Bücher]x [x hält, was der Umschlagtext verspricht] Nehmen wir an, die Äußerungssituation liefert uns einen Individuenbereich U, wobei sich in U u. a. zwei oder mehr Bücher befinden. Gemäß der Semantik von kein ist (89) genau dann wahr, wenn es keine Variablenbelegung gibt, die erstens x eines der Bücher in U zuordnet, und die zweitens den Teilsatz (90) wahr macht. (90) x hält, was der Umschlagtext verspricht Aber halt! Das war schlampig ausgedrückt, denn wir haben nicht gesagt, welchen Individuenbereich wir bei der Deutung von (90) zugrundelegen sollen, wenn wir prüfen, welche Belegungen diesen Teilsatz wahrmachen. Ist es U? Wenn wir dies annehmen, kriegen wir auf jeden Fall Schwierigkeiten, egal wie wir uns den Inhalt von U im einzelnen vorstellen. Nehmen wir an, daß U genau einen
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Umschlagtext enthält, so erhalten wir eine wohldefinierte Extension für die NP der Umschlagtext, aber leider immer dieselbe, egal was unser jeweiliges g ist. Nehmen wir andererseits an, daß U keinen oder mehrere Umschlagtexte enthält, dann hat der Umschlagtext überhaupt keine Extension. U ist also nicht der richtige Bereich für die Deutung von (90). Was dann? Anscheinend müssen wir hier je nach g einen anderen Bereich Ug wählen, der jeweils die Dinge enthält, die irgendwie zu g(x) gehören und andere Dinge der gleichen Art ausschließt. Z. B. enthält Ug an Umschlagtexten nur solche, die sich auf dem Umschlag von g(x) befinden, und keine, die auf den Umschlägen anderer Bücher (innerhalb oder außerhalb von U) stehen. Mit anderen Worten, der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung von (88) — und gleichfalls von (86) und (87) — ist die Erkenntnis, daß wir im Skopus eines Quantors bei der Deutung eines Definitums einen Individuenbereich zugrundelegen müssen, der nicht schon allein durch die Äußerungssituation festliegt, sondern auch noch von der Variablenbelegung abhängt. Dies gilt nebenbei bemerkt nicht bloß für Definita; die naheliegendste Interpretation der kein-NP in (91) illustriert genau dasselbe Phänomen: (91) Nur eine Klasse war so schlecht, daß kein einziger Schüler die Prüfung bestand. (Kein einziger Schüler bedeutet hier „kein einziger Schüler der jeweiligen Klasse“, und nicht: kein einziger Schüler im für die Auswertung von (91) einschlägigen Gesamtbereich.) Von dieser Erkenntnis ist es freilich noch ein weiter Weg zu einer sauber ausformulierten Lösung. Unser Ziel in diesem Abschnitt war bescheidener: Wir wollten lediglich plausibel machen, daß Fälle wie (86)—(88) nicht unbedingt als Gegenbeispiele zur klassischen Analyse des bestimmten Artikels aufzufassen sind, sondern mit ebenso guter Berechtigung für die Entwicklung einer Theorie der Bereichswahl fruchtbar gemacht werden können. Das Problem der Bereichswahl wird in der logisch-philosophischen Literatur zum bestimmten Artikel oft nur am Rande erwähnt bzw. als geklärt vorausgesetzt. In der philologisch-linguistischen Tradition hingegen steht es im Mittelpunkt des Interesses. (Wenn dort z. B. verschiedene Gebrauchsweisen des bestimmten Artikels unterschieden werden, haben die Klassifikationskriterien oft damit
zu tun, welche Aspekte der Äußerungssituation jeweils für die Abgrenzung des Individuenbereichs verantwortlich sind.) Wir haben in diesem Abschnitt in gewisser Weise den Standpunkt gerechtfertigt, daß die Mechanismen der Bereichswahl nicht speziell zur Semantik des bestimmten Artikels gehören, sondern eine allgemeinere Rolle spielen. Andererseits ist aber hoffentlich auch klar geworden, daß die empirische Adäquatheit einer semantischen Analyse des bestimmten Artikels erst vor dem H intergrund einigermaßen konkreter Annahmen über diese Mechanismen überprüft werden kann, und daß es sich hier keineswegs um ein triviales Forschungsthema handelt. 1.5 Sonstiges Bis jetzt haben wir viele Verwendungen des bestimmten Artikels völlig ignoriert, beispielsweise Vorkommnisse im Plural und vor Eigennamen, und diverse sogenannte „generische“ Lesarten. Wir wollen abschließend kurz einige Probleme anreißen, die sich ergeben, wenn wir diese vernachlässigten Beispiele einzubeziehen versuchen. In einigen Fällen sind diese Probleme weitgehend gelöst, in anderen noch nicht einmal klar formuliert. 1.5.1 Verallgemeinerung auf Pluralia und Stoffnamen Russells Deutung war von ihrem Urheber nicht für alle NPs mit bestimmten Artikeln gedacht, sondern nur für solche im Singular und mit zählbarem Appellativ, und in der philosophischen Literatur wird diese Einschränkung meistens stillschweigend übernommen. Linguisten haben das oft bemängelt und darauf hingewiesen, daß der bestimmte Artikel nicht nur in die Katze, sondern auch in die Katzen und das Wasser vorkommt und intuitiv in allen drei Umgebungen eine einheitliche Bedeutung hat. Um diese zu erfassen, braucht man augenscheinlich eine allgemeinere Deutung als die klassische. In diesem Zusammenhang wurde mitunter vorgeschlagen, daß der bestimmte Artikel als solcher nur die Bedeutung eines Universalquantors hat. Damit besagt sowohl (2) als auch (92) unter anderem, daß jede Katze schläft. (2) Die Katze schläft. (92) Die Katzen schlafen. Man beachte, daß dies der Russellschen Deutung für (2) nicht widerspricht, da ja (93) aus (3) logisch folgt.
22. Artikel und Definitheit
(3) ∃x [∀y [Katze(y) ↔ x = y] & schläft(x)] (93) ∀x [Katze(x) → schläft(x)] Dieser Allsatz ist nun aber noch nicht die ganze Bedeutung dieser Sätze, sondern es kommt noch der Beitrag des Numerus hinzu. Angenommen das Merkmal Singular an einem Substantiv bedeutet, daß dieses Substantiv auf genau ein Ding zutrifft, während Plural bedeutet, daß es auf mindestens zwei zutrifft. Die Gesamtbedeutung unserer beiden Sätze ergäbe sich dann durch Konjunktion der Beiträge von Artikel und Numerus, so daß für (2) (94) herauskommt und für (92) (95). (94) Jede Katze schläft und es gibt genau eine Katze. (95) Jede Katze schläft und es gibt mindestens zwei Katzen. (94) ist der Russellschen Deutung äquivalent, und (95) scheint einigermaßen richtig die intuitive Bedeutung von (92) wiederzugeben. Wir haben diesen Vorschlag hier etwas vage dargestellt und werden es auch dabei bewenden lassen. Bei näherer Betrachtung erheben sich nämlich ernste Zweifel, ob er auf dem richtigen Wege ist. Erstens scheint er fälschlich zu implizieren, daß Jede Katze schläft die gleiche Einzigkeitsbedingung wie (2) enthalten sollte, da der Numerus hier ja auch Singular ist. Zweitens können damit prinzipiell nur distributive Lesarten für Pluraldefinita erfaßt werden. Wir wenden uns daher einer anderen Methode zu, die semantischen Funktionen von Numerus und Artikel voneinander zu trennen, die sich in der jüngeren semantischen Forschung besser bewährt hat. (Für Einzelheiten und Diskussion verweisen wir auf die Artikel 18 und 19.) Angenommen, die Extension des Singularsubstantivs Katze ist die Menge aller Katzen, während die Extension des Pluralsubstantivs Katzen die Menge aller Katzengruppen ist. Wenn es z. B. insgesamt drei Katzen gibt, a, b und c, dann ist die Extension von Katze die Menge {a, b, c}, und die Extension von Katzen ist die Menge {a+b, b+c, a+c, a+b+c}. (Mit dem Pluszeichen bilden wir Gruppen, z. B. ist a + b die Gruppe, die sich aus a und b zusammensetzt.) Als Deutung des bestimmten Artikels schlagen wir nun (96) vor, wobei das wie bisher für beliebige Formen des bestimmten Artikels steht (auch pluralische!) und ζ nun entweder ein Singular- oder ein Pluralsubstantiv sein kann.
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(96) [das ζ] ξ ist wahr genau dann wenn die Extension von ζ ein maximales Element enthält und dieses in der Extension von ξ ist. Um (96) anzuwenden, brauchen wir noch eine Definition: ein maximales Element einer Menge M ist ein Element von M, das alle anderen Elemente von M als Teile einschließt. Es ergibt sich also z. B., daß a + b + c ein maximales Element der Menge {a + b, b + c, a + c, a + b + c} ist, da sowohl a + b als auch b + c und a + c Teilgruppen davon sind. In der Menge {a, b, c} gibt es dagegen kein maximales Element; man beachte, daß hier kein Element Teil eines anderen ist. Allgemein besitzt die Extension eines Singularsubstantivs nur in dem Spezialfall ein maximales Element, wo es sich um eine Menge mit nur einem Element handelt; das einzige Element erfüllt dann trivial die Definition der Maximalität. Für unsere Sätze (2) und (92) ergibt sich mithin folgendes: Der Singularsatz (2) ist wahr genau dann, wenn es genau eine Katze gibt und diese schläft. Der Pluralsatz (92) ist wahr genau dann, wenn die Gruppe, in der alle Katzen enthalten sind, schläft. Auch hier kommt für den Singular also wieder genau die Russellsche Deutung heraus. Die neue Deutung des Artikels verbleibt dabei sehr nahe am Russellschen Original; wir haben bloß „einzig“ durch „maximal“ ersetzt. Diese Deutung funktioniert übrigens auch gut für Stoffnamen. Dabei nehmen wir an, daß etwa die Extension von Wasser die Menge aller Portionen Wasser ist. Unter diesen ist die maximale Portion die Gesamtheit allen Wassers. Nach (96) muß diese Gesamtheit kalt sein, damit (97) wahr ist. (97) Das Wasser ist kalt. Wir können (96) die verallgemeinerte Russellsche Deutung nennen. Ganz analog können wir die übrigen oben diskutierten Deutungen verallgemeinern. Die verallgemeinerte Fregeschen Deutung z. B. geht wie (96), außer daß sie besagt, daß [das ζ] ξ wahrheitswertlos ist, wenn die Extension von ζ kein maximales Element hat. Für ζ = Hund passiert das, wenn es keinen oder mehrere H unde gibt, für ζ = Luft, wenn es keine Luft gibt, und für ζ = Hunde, wenn es keinen oder nur einen Hund gibt. Alles, was wir in 1.2, 1.3 und 1.4 im Zusammenhang mit den spezielleren Versionen diskutiert haben, überträgt sich auf diese Verallgemeinerungen. Z. B. was wir in 1.4 zur Kontextrelativität der Einzigkeitsbedingung gesagt haben, gilt mutatis mutandis für die Maximalitätsbedingung in der verallgemei-
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nerten Deutung: Wenn wir beim häuslichen Abendessen Sätze wie (98) oder (99) gebrauchen, meinen wir nicht, daß es auf der ganzen Welt kein kaltes Bier und keine frischen Brezen gibt. (98) Das Bier ist warm. (99) Die Brezen sind von gestern. Auch hier wird der Interpretation der Substantive jeweils ein vom Aufmerksamkeitsradius der Gesprächsteilnehmer umschriebener Individuenbereich zugrundegelegt. 1.5.2 Bestimmter Artikel vor Eigennamen Selbst unter den verallgemeinerten Deutungen des letzten Abschnitts kann das — wie ja unter üblichen Annahmen alle Determinatoren — nur mit Gemeinnamen kombiniert werden. Die Deutungsregel setzt allemal voraus, daß die Schwesterkonstituente von das eine Menge zur Extension hat, also ein Prädikat ist. Dies wird nun auch gelegentlich als willkommen erwähnt, da ja in der Tat vor Eigennamen kein Artikel steht. Aber in diesem Punkt finden wir viel Variabilität von Sprache zu Sprache und sogar von Fall zu Fall innerhalb desselben Dialektes. Diese Tatsache macht es etwas fragwürdig, ob es richtig ist, die Unverträglichkeit des bestimmten Artikels mit Eigennamen aus grundlegenden Eigenschaften seiner Bedeutung herzuleiten. Bei oberflächlichem Vergleich verschiedener Sprachen mit Artikeln stechen besonders zwei Typen von Umgebungen ins Auge, wo bestimmte Artikel in der einen Sprache artikellosen Formen in der anderen entsprechen: erstens vor Eigennamen und zweitens vor generischen Plural- und Stoff-NPs. In süddeutschen Dialekten stehen z. B. Personennamen grundsätzlich mit bestimmtem Artikel. Auf Spanisch heißt der generische Satz Hunde beißen: Los perros muerden; ebenso übersetzt sich Blut ist rot zu La sangre es roja. Semantische Forschungen zur Generizität lassen es plausibel erscheinen, daß Hunde und Blut in den genannten Beispielen auch als Eigennamen fungieren, nämlich Namen für Arten (s. Artikel 17). Wenn wir uns dieser Auffassung hier einmal anschließen, können wir also alle diese Beispiele zusammenfassen als Belege dafür, daß die Distribution des bestimmten Artikels vor Eigennamen von Sprache zu Sprache variiert. Man findet auch gerade in dieser H insicht sehr viele Fälle, wo innerhalb derselben Sprache die Setzung des Artikels von stilistischen oder schlecht durchschauten syntaktischen Faktoren gesteuert zu sein scheint.
VII. Semantik der Funktionswörter
Z. B. sagt man auch in einem Deutsch, wo *der Horaz (jedenfalls als Name für die Person) nicht vorkommt, die Oden des Horaz. Wer Hans kommt sagt, sagt trotzdem Der arme Hans kommt, und nicht *A rmer Hans kommt. Mit generischen NPs lassen sich zahlreiche minimale Paare wie die folgenden finden: (Ewige) Treue wird belohnt; der Lohn ewiger Treue; aber nicht *der Lohn Treue, sondern stattdessen der Lohn der Treue. Viele ziehen Bier billigem Sekt vor, aber nicht so gut? Viele ziehen Bier Sekt vor, sondern schon eher Viele ziehen Bier dem Sekt vor. Die Gesetzmäßigkeiten hier sind wenig erforscht und dürfen uns auch in diesem H andbuch nicht beschäftigen. Wir müssen uns jedoch fragen, was aus solchen Fakten für die semantische Beschreibung des bestimmten Artikels folgt. Sollen wir uns einfach auf den Standpunkt stellen, daß wir es vor Eigennamen bloß mit einem semantisch leeren Doppelgänger des „echten“ bestimmten Artikels zu tun haben? Dann könnten wir es für letzteren getrost bei der bisherigen Deutung belassen, und ersterer ginge uns als Semantiker natürlich nichts an. An dieser Auffassung ist jedoch unbefriedigend, daß sie es als reinen Zufall erscheinen läßt, daß ausgerechnet ein H omonym des bestimmten Artikels und nicht irgendein anderes Morphem in diesen Beispielen erscheint. Dies läuft der Intuition (und traditionellen Lehrmeinung) zuwider, daß der bestimmte Artikel doch mit einer gewissen semantischen Berechtigung bei Eigennamen steht, nämlich weil sie selber ihrer Bedeutung nach definit sind und er deshalb mit ihnen semantisch kompatibel ist. (Inwiefern Eigennamen „definit“ sind, werden wir in Abschnitt 3.1 unten präzisieren.) Wenn man dies konsequent weiterverfolgt, führt es unter Umständen zu einer Theorie, nach der der bestimmte Artikel selbst überhaupt nie etwas bedeutet. Seine Distribution ist auf semantisch definite NPs beschränkt, aber im übrigen durch (teilweise sprachspezifische) syntaktische Bedingungen gesteuert. Auch in den „normalen“ Fällen, die wir bisher ausschließlich betrachtet haben, ist vielleicht etwas anderes, nicht oberflächlich Manifestes für die definite Deutung verantwortlich, wovon der bestimmte Artikel nur ein oberflächliches Symptom ist. Eine andere Möglichkeit wäre, zu leugnen, daß es in der natürlichen Sprache überhaupt Eigennamen im semantischen Sinne gibt. Die sogenannten Eigennamen sind einfach Prädikate, deren Extension (notwendigerweise?) eine Einermenge ist. Z. B. be-
22. Artikel und Definitheit
zeichnet Hans die Eigenschaft, H ans zu sein. So wird gewährleistet, daß die für Gemeinnamen entworfene Deutung von das auch mit Eigennamen kombinierbar ist, und es kommt die richtige Gesamtbedeutung für der Hans heraus. Für die oberflächlich artikellose Variante nähme man hier wohl am zweckmäßigsten an, daß dort auf der semantisch relevanten Repräsentationebene ebenfalls ein bestimmter Artikel vorhanden ist, der nur eben nicht phonetisch realisiert ist. Beim gegenwärtigen Forschungsstand ist unklar, wie man sich hier entscheiden soll und ob überhaupt etwas Interessantes daran hängt. Der bestimmte Artikel vor Eigennamen und sein semantisches und syntaktisches Verhältnis zum bestimmten Artikel vor Gemeinnamen scheinen bisher überhaupt nicht in theoretischem Rahmen thematisiert worden zu sein. 1.5.3 Generische Lesarten Manchmal können NPs der Form das ζ so gelesen werden, daß sie sich nicht auf ein bestimmtes ζ beziehen, sondern irgendwie auf ζs im allgemeinen. In solchen Fällen ist oft von einer „generischen“ Lesart die Rede. Die hervorgehobenen NPs in den folgenden Beispielen sind eine repräsentative Auswahl dessen, was in der Literatur unter diesen Terminus gefaßt worden ist. (100) Der Walkman bewirkt die Vereinsamung des modernen Menschen. (101) Der Geisterkrebs ist an der ganzen Golfküste verbreitet. (102) Die Frau, die es mit dir aushält, verdient, heiliggesprochen zu werden. (103) Der Kanzler wird von der Nationalversammlung gewählt. (104) Wir fuhren mit dem Bus nach Feuerland. (105) Philipp kommt bald in die Schule. Auf keines dieser Definita scheinen die bisher referierten Überlegungen zu passen. Z. B. fehlen hier trotz des Singulars die Einzigkeitsund gelegentlich auch die Existenzpräsuppositionen. Ganz klar ist das bei (100) und (101), wo selbstverständlich an Situationen mit zahlreichen Walkmans, modernen Menschen und Geisterkrebsen gedacht ist. Bei (102) fällt auf, daß der Sprecher ohne weiteres glauben kann, daß es keine Frau mit dir aushält, und er muß wohl auch nicht ausschließen, daß es mehrere gibt. Bei (103) mag es zwar zur Äußerungszeit nur einen Kanzler und eine Nationalversammlung (im relevanten Staat) geben, aber
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der Satz unter der hier intendierten Lesart ist so gemeint, daß er auch über die Kanzler und Nationalversammlungen vergangener und zukünftiger Zeiten spricht. (104) läßt durchaus zu, daß es in der Äußerungssituation unzählige gleich-auffällige Busse gibt (und darüber hinaus sogar, daß wir auf unserer Reise nach Feuerland öfters umsteigen mußten und somit mehr als einen Bus benutzt haben.) Auch (105) kann geglückt und wahr sein, wenn es viele gleich relevante Schulen gibt; die Frage Welche Schule? muß der Sprecher bei der intendierten Lesart nicht beantworten können. Es liegt also erst einmal der Schluß nahe, daß wir es in diesen Beispielen mit einer neuen, von den bisher besprochenen Analysen nicht berührten Lesart des bestimmten Artikels zu tun haben. Das ist aber ein bißchen vorschnell gedacht, was man spätestens bemerkt, wenn man diese neue Lesart etwas präziser zu charakterisieren versucht. Dabei drängt sich schnell der Verdacht auf, daß in der Liste oben recht H eterogenes zusammengeworfen wurde. Bei manchen Beispielen ist es plausibel, die generische Kraft einem impliziten Quantifikationsadverb zur Last zu legen. Z. B. läßt sich (103) recht zwanglos durch (106) paraphrasieren. (106) Der Kanzler wird immer von der Nationalversammlung gewählt. Vielleicht steckt also in (103) ein unsichtbares immer, das ebenso wie das sichtbare in (106) die beiden Definita in seinem Skopus hat. Damit ergäbe sich als Bedeutung so etwas wie „zu jeder Zeit t wird der Kanzler zu t von der Nationalversammlung zu t gewählt“. Dies muß noch verfeinert werden, denn genaugenommen geht es in (103) nicht um alle Zeiten schlechthin, sondern nur um solche, wo ein Kanzler gewählt wird — wenn es überhaupt um Zeiten geht, und nicht vielmehr um Gelegenheiten oder so etwas. Aber diese Fragen stellen sich auch beim expliziten immer in (106), treten also in der Semantik der Quantifikationsadverbien sowieso auf. Ähnlich läßt sich vielleicht (102) angehen, obwohl hier eine Paraphrase mit explizitem immer nicht ganz so natürlich wirkt. Dieser Satz scheint so ungefähr zu bedeuten: „in jeder hypothetischen Situation, wo es eine Frau mit dir aushält, verdient diese Frau die H eiligsprechung“. Wie wir beim Verständnis allerdings gerade diesen Universalquantor und seine Beschränkung rekonstruieren, wäre noch zu klären. Immerhin, die Attraktivität eines Ansat-
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zes, der in generische Sätzen stets einen impliziten Allgemeinheitsoperator hineinanalysiert, liegt auf der H and: Er gestattet es nämlich, die angeblich „generischen“ Definita ganz in der üblichen (klassischen) Manier zu deuten. Sie sind als solche genausowenig „generisch“ wie etwa der Präsident der USA in unserem alten Beispiel (23). Es sah nur zunächst so aus, da wir den wirklichen Träger der generischen Kraft an der Oberfläche nicht sehen konnten. Ist er aber erstmal dingfest gemacht, dann löst sich der Bedarf nach einer generischen Lesart des bestimmten Artikels von selbst auf. Auf wieviele Beispiele sich so ein Ansatz ausweiten läßt, ist nicht auf Anhieb klar. Aus der Forschung über Quantifikationsadverbien ist bekannt, daß diese nicht bloß über Zeiten, sondern auch über allerhand anderes quantifizieren können, im allgemeinsten Fall vielleicht über so etwas Abstraktes wie Situationen oder Fälle. Wenn man das konsequent ausnützt, kann man vielleicht sogar Beispiele wie (107) über den gleichen Kamm wie (103) und (102) scheren. (107) Der Deutsche liebt Ruhe und Ordnung. Vielleicht ist hier so etwas zu ergänzen wie „in jedem Fall, der genau einen (typischen) Deutschen einschließt: ...“ Damit blieben aber noch viele Fragen offen, nicht zuletzt die Frage, wonach sich unter dieser Analyse die Wahl zwischen definiten und indefiniten generischen NPs (vgl. 2.3.2 unten) richtet. Wie dem auch sei, allen der eingangs genannten Beispiele ist auf diesem Weg ohnehin nicht beizukommen. Ein klares H indernis bildet das Prädikat verbreitet in (101). Was immer wir hier für ein Quantifikationsadverb hineingeheimnissen, es käme Unsinn heraus, denn an der ganzen Golfküste verbreitet zu sein, ist eben keine Eigenschaft, die jeweils einzelnen Geisterkrebsen zukommen kann. Beispiel (100) ist nicht so eklatant problematisch, aber auch hier ist wohl nicht gemeint, daß zu allen Zeiten oder in allen Fällen einer bestimmten Sorte der jeweilige Walkman zur Vereinsamung des jeweiligen modernen Menschen beiträgt. (100) kann wahr sein, ohne daß je ein einzelner Walkman einen einzelnen Menschen vereinsamt hat. Beispiele wie (101) motivieren eine ganz andere Theorie, nämlich die von Carlson (1978), gemäß der die NP der Geisterkrebs in (101) sich auf eine Art, nämlich auf die Spezies Geisterkrebs, bezieht. Von dieser kann dann verbreitet sinnvoll prädiziert werden.
VII. Semantik der Funktionswörter
Wieweit sich so eine Analyse dann auch auf andere der obigen Beispiele überträgt, hängt davon ab, was man von Arten alles prädizieren kann und was solche Prädikationen bedeuten. Carlson z. B. schlägt vor, daß selbst so „gewöhnliche“ Prädikate wie liebt Ruhe und Ordnung nicht nur auf einzelne Menschen sondern auch auf Arten von Menschen (z. B. Nationen) anwendbar sind. Damit erhält (107) eine ganz analoge Analyse wie (101): das Definitum bezieht sich auf die Art der Deutschen, und von dieser wird prädiziert, daß sie Ruhe und Ordnung liebt. Es ist dann natürlich zu explizieren, wie die Eigenschaften von Arten mit denen ihrer Realisierungen zusammenhängen, z. B. was man aus der Ordnungliebe der deutschen Nation über die Ordnungsliebe einzelner Deutscher schließen kann und umgekehrt. Wir verweisen zu dieser und anderen sich bei diesem Ansatz ergebenden Fragen auf die Arbeiten von Carlson (s. auch Artikel 17). Gesetzt einmal den Fall, daß eine Deutung generischer Definita als Namen für Arten sich für einige oder gar alle der obigen Beispiele motivieren läßt — dann wäre noch zu klären, wie diese Art-Lesart kompositional zustandekommt, d. h. welchen Beitrag dabei jeweils das Substantiv und der Artikel leisten. Carlson macht in dieser H insicht einen Vorschlag, demzufolge der bestimmte Artikel rein klassisch bleibt, und die Verantwortung für die Art-Referenz allein beim Substantiv liegt. Er nützt dabei eine systematische Mehrdeutigkeit in Substantiven aus, die sich z. B. auch in der Mehrdeutigkeit von Dieses A uto habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen äußert (Auto als konkreter Gegenstand oder als Typ). Der Geisterkrebs in (101) bedeutet für ihn so etwas wie „die einzige (kontextuell relevante) Art, deren Realisierungen notwendig Geisterkrebse sind“. Es ist aber wohl etwas verfrüht, sich eingehend mit der Frage zu befassen, inwieweit der bestimmte Artikel innerhalb so eines Ansatzes seine klassische Bedeutung behalten kann. Der generische Gebrauchs definiter NPs ist von vielerlei Geheimnissen umwittert, auf die bis jetzt weder der eine noch der andere der oben skizzierten Ansätze irgendwelches Licht geworfen hat. Warum z. B. kann (108) nicht mit einer generischen Lesart für das hervorgehobene Definitum gelesen werden, während doch z. B. in (109) die intendierte generische Bedeutung zwanglos zum Vorschein kommt? (108) Der verspätete Bus macht mich nervös.
22. Artikel und Definitheit
(109) Verspätete Busse machen mich nervös. Bisher ist leider kein konkreter Vorschlag zur Deutung generischer Definita gemacht worden, der sich nicht sofort dem Vorwurf aussetzt, viel zu viel zuzulassen und insbesondere weitgehende Austauschbarkeit mit anderen generischen Ausdrücken (etwa artikellosen Pluralia) vorherzusagen. Genaueres Eingehen auf diese Problematik würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Nehmen wir noch kurz zu den Beispielen (104) und (105) Stellung. Unser erstgenannter Ansatz scheint diese Beispiele nicht zu erfassen, denn bei (104) und (105) ist offenbar kein verallgemeinerndes Quantifikationsadverb versteckt: Es ist hier nicht von einer Mehrzahl von Fällen die Rede, in denen wir mit dem jeweiligen Bus nach Feuerland fuhren, bzw. in denen Philipp in die jeweilige Schule kommt. Carlsons Theorie hat wohl bessere Chancen. Jedenfalls ist nicht so leicht zu widerlegen, daß der Bus und die Schule hier Arten bezeichnen, und man kann wohl auch explizieren, wie sich die Eigenschaften mit dem Bus fahren und in die Schule gehen (bzw. kommen) kompositional aus der Verbindung der Verbbedeutungen mit diesen Arten ergeben. Wir konnten hier kaum mehr tun, als die Existenz generischer Definita zu erwähnen. Was sie genau bedeuten und ob sie überhaupt eine einheitliche Deutung zulassen, bleibt offen. Ob der bestimmte Artikel hier eine spezielle generische Bedeutung hat und wie sich diese gegebenfalls zu seiner „normalen“ Bedeutung verhält, darüber können wir noch nicht einmal intelligent spekulieren.
2.
Der unbestimmte Artikel
Der unbestimmte Artikel im Deutschen ist ein. (Wiederum lassen wir die Neutrum-Nominativ-Singular-Form alle anderen Formen mitvertreten.) Er wird in der Regel vom Numerale unterschieden, mit dem er bis auf phonologische Eigenschaften — fehlenden Akzent, Reduzierbarkeit (je nach Dialekt) zu ’n — identisch ist. Allerdings ist nicht klar, daß diese Unterscheidung semantisch relevant ist; jedenfalls trifft die Standardinterpretation, die wir gleich vorstellen werden, ebensogut auf das Numerale zu. 2.1 Ein als Existenzquantor Seit Frege und Russell ist es üblich, den unbestimmten Artikels ein mithilfe des Existenzquantors der Prädikatenlogik zu analysieren.
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Die Wahrheitsbedingungen des Satzes (110) werden beispielsweise mit denen der prädikatenlogischen Formel (111) idenfiziert. (110) Eine Katze ist anwesend. (111) ∃x [Katze(x) & anwesend(x)] Man kann diese Analyse auf verschiedene Weise implementieren. Z. B. würde man im Rahmen der generalisierten Quantoren-Theorie (s. Artikel 21) sagen, daß ein die Relation der Nicht-Disjunktheit zweier Mengen ausdrückt. (Satz (110) z. B. bedeutet, daß die Menge der Katzen und die Menge der Anwesenden einen nicht-leeren Durchschnitt haben.) Auf die konkrete Realisierung kommt es uns hier aber nicht an. Wir bezeichnen als „∃-Deutung“ jede Interpretation des unbestimmten Artikels, die irgendwie die folgende Voraussage macht: (112) Ein Satz der Form [ein ζ] ξ drückt diejenige Proposition aus, die wahr ist, wenn es mindestens ein Individuum gibt, das sowohl ζ als auch ξ ist, und falsch sonst. Wir erinnern nun kurz an die üblichen Argumente für diese Deutung. Danach betrachten und verwerfen wir zwei Möglichkeiten, die relativ liberalen Wahrheitsbedingungen in (112) in gewissen Richtungen zu verschärfen. 2.1.1 Vorteile der ∃-Deutung In der philologisch-linguistischen Tradition ist es üblich, so zu reden, als beziehe man sich mit der Äußerung eines Indefinitums auf ein Individuum. Demnach bezieht sich die Sprecherin z. B., wenn sie (110) äußert und dabei die Wahrheit sagt, mit eine Katze auf die anwesende Katze. Diese Auffassung führt aber zu bekannten Schwierigkeiten. Was, wenn die Sprecherin lügt, d. h. wenn in Wirklichkeit gar keine Katze anwesend ist oder es vielleicht noch nicht einmal Katzen gibt? Es ist unklar, auf welches Individuum sich das Indefinitum dann bezieht. Anscheinend auf keines; aber welchen Beitrag macht es dann sonst zur Bedeutung dieser Äußerung, die wir ja offenbar ohne Schwierigkeiten verstehen? Die ∃-Deutung räumt mit solchen Rätseln gründlich auf. Mysteriös ist aus dem traditionellen Blickwinkel auch, welchen Beitrag ein Indefinitum zur Bedeutung von Sätzen macht, in denen es unter Negation, Quantoren oder anderen Operatoren eingebettet ist. (113) Es stimmt nicht, daß Hagit eine Katze mitbringt.
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(114) In jedem Geigenkasten sitzt eine Katze. Die Frage, auf welche Katze (oder sonstiges Individuum) sich eine Katze hier bezieht, ist offenbar unangebracht. Unter der ∃-Deutung dagegen sind diese Beispiele vollkommen durchsichtig, wie aus elementaren Einführungen in die Logik oder formale Semantik geläufig sein dürfte. 2.1.2 Implikatur der Einzigkeit Gemäß der ∃-Deutung ist (110) nicht nur dann wahr, wenn genau eine Katze anwesend ist, sondern auch dann, wenn es zwei oder mehr sind. Wie verträgt sich das mit dem Urteil, daß (110) irgendwie unpassend oder irreführend ist, wenn der Sprecher damit über eine Szene mit mehreren Katzen berichtet? Wie verträgt es sich auch damit, daß wir (110) und (115) nicht als synomym empfinden? (115) Eine oder mehrere Katzen sind anwesend. Solchen Intuitionen wäre vielleicht besser entsprochen, wenn ein als „genau ein“ gedeutet würde. Aber das geriete dafür wieder mit anderen Urteilen in Konflikt, etwa dem Urteil, daß die Antwort in (116) durchaus nicht widersprüchlich ist. (116) War eine Katze anwesend? — Ja, sogar zwei. Auch würde es so eine Deutung unmöglich machen, kein schlicht als die Negation von ein zu deuten. Das Dilemma löst sich zum Glück leicht auf, wenn wir zwischen ausgedrückter Proposition im engeren Sinne und skalarer Implikatur unterscheiden. Wir können dann daran festhalten, daß die ∃-Deutung adäquat den Beitrag des unbestimmten Artikels zur ausgedrückten Proposition beschreibt. Die oft zusätzlich vermittelte Information, daß es höchstens ein Individuum im Durchschnitt der beiden Prädikate gibt, ist dagegen eine skalare Implikatur. (Ein analoges Dilemma, mit auch analoger Auflösung, stellt sich übrigens bei der Interpretation aller Numeralia.) Auf diese Weise erklären sich die oben angedeuteten Intuitionen ohne gegenseitigen Widerspruch (s. Artikel 14). 2.1.3 Nicht-Einzigkeitsbedingung Offenbar darf ein ζ nicht verwendet werden, wenn bereits bekannt ist, daß es nicht mehr als ein ζ gibt. Die folgenden Sätze sind nicht, bzw. nur unter abwegigen Bedingungen, akzeptabel.
VII. Semantik der Funktionswörter
(117) Ein Gewicht unseres Zelts ist unter 2 kg. (118) Ein Kopf des Ermordeten war kahlgeschoren. Unter der ∃-Deutung des unbestimmten Artikels sind diese Sätze wahr, wenn das Gewicht unseres Zelts unter 2 kg ist bzw. der Kopf des Ermordeten kahlgeschoren war. Es ist also nicht ohne weiteres einzusehen, warum wir sie in diesem Falle nicht äußern dürfen. Dieses Problem gibt zu der Vermutung Anlaß, daß die ∃-Deutung zu liberal ist und durch eine zusätzliche „Nicht-Einzigkeitsbedingung“ verstärkt werden sollte: (119) [ein ζ] ξ drückt diejenige Proposition aus, die wahr ist, wenn es mindestens zwei ζs gibt, darunter mindestens eines, das sowohl ζ als auch ξ ist; andernfalls falsch. (119) verhindert, daß (117) und (118) in den beschriebenen Situationen wahr sind. Allerdings sagt es voraus, daß sie stattdessen falsch sind, was auch nicht ganz stimmt. Intuitiv sind (117) und (118) nicht falsch, sondern mißglückt. Wir täten also besser daran, die Nicht-Einzigkeitsbedingung als Präsupposition zu behandeln, etwa so: (120) [ein ζ] ξ drückt diejenige Proposition aus, die wahr ist, wenn es mindestens zwei ζs gibt, darunter mindestens eines, das sowohl ζ als auch ξ ist; falsch ist, wenn es mindestens zwei ζs gibt, darunter keines, das sowohl ζ als auch ξ ist; wahrheitswertlos ist, wenn es nicht mindestens zwei ζs gibt. Dieser Vorschlag ist durch die Ausführungen von Hawkins (1978) inspiriert. Mit (120) lassen sich zwar nun die Urteile über (117) und (118) herleiten, aber dafür gibt es anderswo Schwierigkeiten. Betrachten wir etwa (121) und (122). (121) Robert hat einen sechs Meter langen Wels gefangen. (122) Ein krankhaft neugieriger Nachbar von mir ist in den Speicher eingebrochen. Gemäß (120) sollten diese Sätze präsupponieren, daß es mindestens zwei sechs Meter lange Welse gibt bzw. daß ich mindestens zwei krankhaft neugierige Nachbarn habe. Das tun sie aber intuitiv nicht. Wer (121) behauptet oder hört, kann durchaus meinen, daß Robert das Glück hatte, den mit Abstand längsten Wels auf der Welt zu erwischen. (122)
22. Artikel und Definitheit
läßt ebenfalls ganz offen, wieviele krankhaft neugierige Nachbarn ich habe, und spricht insbesondere keineswegs gegen die H offnung, daß es nur einer ist. Um solche Komplikationen zu vermeiden, bleiben wir lieber bei der ursprünglichen ∃Deutung anstelle von (120). Dann müssen wir freilich nach einer alternativen Erklärung für (117) und (118) suchen. Ganz grob gesagt scheint hier die Regel zu gelten: „Vermeide den unbestimmten Artikel, wenn du den bestimmten verwenden kannst.“ Ein bißchen genauer gesagt: (123) In Äußerungssituationen, wo bereits bekannt ist, daß die Präsupposition für [das ζ] ξ erfüllt ist, ist es verboten, [ein ζ] ξzu äußern. Da z. B. bekannt ist, daß jeder Gegenstand genau ein Gewicht und jeder Mensch genau einen Kopf hat, ist es in potentiellen Äußerungssituationen für (117) oder (118) gemeinsames Wissen der Gesprächsteilnehmer, daß die Einzigkeitspräsupposition von das Gewicht unseres Zelts bzw. der Kopf des Ermordeten erfüllt ist. Deshalb müssen hier diese Definita anstelle der entsprechenden Indefinita verwendet werden. Es wäre wünschenswert, (123) aus irgendwelchen allgemeineren Prinzipien herzuleiten. Es ist allerdings unklar, wie das gehen soll. Auf den ersten Blick erinnert (123) an das Phänomen der skalaren Implikatur (s. Artikel 14): Wenn zwischen zwei Ausdrücken eine asymmetrische Folgerungsbeziehung vorliegt, geht die Wahl des schwächeren Ausdrucks allgemein mit der konversationalen Implikatur einher, daß das Wissen des Sprechers für den stärkeren nicht ausreicht. Z. B. folgt [es ist möglich, daß p] asymmetrisch aus [es ist notwendig, daß p], und deshalb implikiert [es ist möglich, daß p], daß der Sprecher nicht in der Lage ist, [es ist notwendig, daß p] zu behaupten (typischerweise, weil er [es ist möglich, daß nicht p] ebenfalls für wahr hält). Da zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel ebenfalls eine asymmetrische Folgerungsbeziehung besteht — aus [das ζ] ξ (unter der klassischen Deutung) folgt [ein ζ] ξ (unter der ∃-Deutung) — erwartet man hier einen analogen Effekt: Der Gebrauch von [ein ζ] ξ sollte konversational implikieren, daß der Sprecher nicht in der Lage ist, [das ζ] ξ zu äußern, m. a. W. daß er nicht voraussetzen kann, daß es genau ein ζ gibt. Daraus ließe sich in der Tat (123) ableiten: Wenn die Implikatur, daß der Sprecher nicht voraussetzen
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kann, daß es genau ein ζ gibt, mit der gemeinsamen Voraussetzung der Gesprächsteilnehmer, daß es genau ein ζ gibt, in Konflikt gerät, resultiert plausiblerweise Unangemessenheit. Dies scheint bei (117) und (118) der Fall zu sein. Nun werden die üblichen Beispiele von skalarer Implikatur in der Regel aus der Griceschen Konversationsmaxime der Quantität („Mach deinen Beitrag so informativ wie für die gegebenen Gesprächszwecke nötig!“) hergeleitet. An dieser Stelle bricht leider die Analogie zusammen, denn für die Nicht-Einzigkeitsimplikatur des unbestimmten Artikels scheint so eine H erleitung nicht möglich zu sein. Wenn schon bekannt ist, daß jeder Mensch nur einen Kopf hat, vermittelt (118) nämlich haargenau so viel neue Information wie der betreffende Satz mit bestimmtem Artikel. Mangelnde Informativität kann hier also nicht der Grund für die Unangemessenheit sein. Soweit wir sehen können, läßt sich (123) auch auf keine andere der bekannten Griceschen Maximen zurückführen. Vielleicht sollten wir eine neue Maxime postulieren: „Präsupponiere in deinem Beitrag so viel wie möglich!“ Aus so etwas, passend präzisiert, könnte man (123) wohl als Spezialfall gewinnen. Damit befinden wir uns aber ganz auf Neuland und wollen weitere Spekulationen in dieser Richtung erst einmal der zukünftigen Forschung überlassen. Wie immer (123) zu erklären ist, als deskriptive Generalisierung hat es einiges für sich. Neben der Unangemessenheit von (117) und (118) erklärt es auch den (von H awkins im selben Zusammenhang diskutierten) semantischen Kontrast in minimalen Paaren wie dem folgenden. (124) Richard hat sich gestern abend das Beaux-Arts-Trio angehört und hinterher ein Bier mit dem Pianisten getrunken. (125) Richard hat sich gestern abend das Beaux-Arts-Trio angehört und hinterher ein Bier mit einem Pianisten getrunken. Angenommen, Richard hört sich das BeauxArts-Trio an und trinkt nachher mit Pressler, dem Pianisten dieses Trios. Über diesen Sachverhalt kann mit (124) angemessen und wahrheitsgemäß berichtet werden. (125) dagegen wäre irreführend und würde den H örer zu dem Schluß berechtigen, daß Richard mit einem anderen Pianisten als Pressler getrunken hat. Wir versuchen nun zu zeigen, wie
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sich dieses intuitive Urteil aus dem Zusammenspiel von (123) mit Mechanismen der Bereichswahl erklärt (siehe Abschnitt 1.4 oben). Sehen wir uns zunächst (124) an. Mit dem ersten Konjunkt wird hier durch die Erwähnung des Beaux-Arts-Trios ein Individuenbereich B geschaffen, der die Musiker dieses Trios enthält und andere ausschließt. In B gibt es bekanntermaßen genau einen Pianisten, also ist die Präsupposition des zweiten Konjunkts von (124) erfüllt, und es resultiert, wie gewünscht, eine Lesart, nach der Richard mit dem einzigen Pianisten in B trinkt. Nun zu (125). Da das erste Konjunkt und (nehmen wir an) der extralinguistische Kontext genau wie bei (124) sind, wird auch hier erst einmal der Bereich B etabliert. Da es in B aber bekanntermaßen genau einen Pianisten gibt, findet nun (123) Anwendung und verbietet den Gebrauch des unbestimmten Artikels. Um die Äußerung vor dem Mißglücken zu retten, müßte nun entweder die Annahme revidiert werden, daß das Beaux-Arts-Trio nur einen Pianisten hat, oder aber der Individuenbereich erweitert werden. Leichter ist hier offenbar das zweitere: der Bereich wird spontan so weit ausgedehnt, bis alle nächst-auffälligsten Pianisten mit eingeschlossen sind (bzw., wenn es außerhalb des Beaux-Arts-Trios keine Auffälligkeitsunterschiede mehr gibt, alle Pianisten überhaupt); nennen wir diesen neuen Bereich B+. (Diese Bereichsrevision ist ein Fall von Akkommodation im Sinne von Lewis 1979a; siehe Artikel 10.) Bezüglich B+ ist nun die Einzigkeitspräsupposition von der Pianist nicht mehr erfüllt, und der Gebrauch von ein Pianist folglich erlaubt. Bezüglich B+ bedeutet das zweite Konjunkt von (125), daß Richard mit irgendeinem Pianisten in B+ getrunken hat. Soweit haben wir vorausgesagt, daß (125) nicht ausschließt, daß der Pianist, mit dem Richard trinkt, ein anderer als Pressler ist. Bleibt zu erklären, warum es dies nicht nur zuläßt, sondern geradezu erzwingt. Dafür scheint die Gricesche Quantitätsmaxime verantwortlich zu sein. Daß Richard mit einem Mitglied von B getrunken hat, ist (wegen B ⊆ B+) informativer, als daß er mit einem Mitglied von B+ getrunken hat. Wenn der Sprecher genug wüßte, um erstere Proposition zu behaupten, hätte er dies also tun sollen, zumal da es ohne zusätzlichen Aufwand — nämlich durch die Äußerung von (124) anstelle von (125) — möglich gewesen wäre. Aus der Tatsache, daß der Sprecher statt dessen die schwächere zweite Proposition behauptet
VII. Semantik der Funktionswörter
hat, darf man also schließen, daß er die stärkere entweder für falsch hält oder nicht weiß, ob sie wahr ist. M. a. W., man darf ihm unterstellen, daß er entweder weiß, daß es nicht Pressler war, oder nicht weiß, wer es war. Dies stimmt in der Tat mit dem intuitiven Verständnis von (125) überein. Ceteris paribus nehmen wir wohl eher an, daß der Sprecher weiß, mit wem Richard getrunken hat; daher unser spontaner Schluß, daß es nicht Pressler war. Die andere Möglichkeit ist aber auch vorhanden, wie (126) deutlich macht. (126) Richard hat sich gestern abend das Beaux-Arts-Trio angehört und hinterher ein Bier mit einem Pianisten getrunken. Er verrät mir aber nicht, wer dieser Pianist gewesen ist. Die Fortführung hier impliziert nicht bloß, daß es unter den Pianisten außerhalb von B einer so gut wie jeder andere gewesen sein; vielmehr nimmt sie uns auch das Vertrauen, daß es nicht Pressler war. Zusammenfassend müssen wir zugestehen, daß noch nicht restlos geklärt ist, woher es kommt, daß der Gebrauch des unbestimmten Artikels oft Nicht-Einzigkeit nahelegt. Wir haben aber hoffentlich klargemacht, daß es kurzsichtig wäre, die Nicht-Einzigkeit direkt mit in die ausgedrückte Proposition oder als Präsupposition in die Semantik einzubauen. Vielversprechender scheint einstweilen eine konservativere Strategie: die ∃-Deutung beizubehalten und durch eine pragmatische Regel wie (123) zu ergänzen. 2.2 Spezifische und unspezifische Lesart In der linguistischen Literatur wird häufig zwischen einer „spezifischen“ und einer „unspezifischen“ Lesart des unbestimmten Artikels unterschieden. Ganz grob gesagt soll der Unterschied darin bestehen, daß der Sprecher bei der spezifischen Lesart von eine Katze eine bestimmte Katze meint, während das bei der unspezifischen nicht der Fall ist. Aber das muß natürlich erst einmal präzisiert werden, bevor man darüber diskutieren kann, ob eine solche Mehrdeutigkeit tatsächlich existiert, und wenn ja, wie sie sich mit der ∃-Analyse verträgt. 2.1.1 Spezifität als weiter Skopus? In der Frühzeit der Generativen Grammatik ist die Unterscheidung zwischen spezifisch und unspezifisch oft mit Beispielen illustriert worden, bei denen der Logiker sofort an Skopusmehrdeutigkeiten denkt. Z. B. werden dort
22. Artikel und Definitheit
die zweierlei Lesarten von (127) oder (128) darauf zurückgeführt, daß der Artikel ein entweder positiv oder negativ für das Merkmal [spezifisch] spezifiert sein kann. (127) Ein Arzt war nicht anwesend. (128) Maria möchte einen Schweden heiraten. Trägt ein in (127) das Merkmal [+ spezifisch], so ergibt sich für den Satz als ganzen die Aussage, daß es einen Arzt gab, der abwesend war; für ein [-spezifisch] dagegen kommt heraus, daß kein Arzt anwesend war. In (128) ergibt die spezifische Deutung für einen die Lesart, nach der Maria es auf einen bestimmten Schweden abgesehen hat, die unspezifische Deutung hingegen die Lesart, nach der es ihr Ziel ist, eine Schwedenfrau zu werden, ein Ziel also, das sich durch die H eirat beliebiger verschiedener Schweden erreichen ließe. Solche Beispiele erregen, wie gesagt, den Verdacht, daß bei den sogenannten [± spezifisch]-Mehrdeutigkeiten einfach der durch ein ausgedrückte Existenzquantor gegenüber anderen Satzteilen mal engen, mal weiten Skopus hat. Diese Erklärung liegt insbesondere für (127) auf der H and. Die genannten zwei Lesarten ergeben sich zwanglos, wenn man eine einheitliche ∃-Deutung von ein mit der Annahme verbindet, daß dieser Satz zweierlei logische Gliederungen zuläßt, nämlich eine analog der logischen Formel in (129) und eine andere analog der in (130). (129) ∃x [Arzt(x) & ﹁ anwesend(x)] (130) ﹁ ∃x [Arzt(x) & anwesend(x)] (129) erfaßt offenbar die Lesart, die mit dem Merkmal [+ spezifisch] des Artikels ein einhergehen sollte, (130) dagegen diejenige, in der ein als [-spezifisch] beschrieben wurde. Bei (128) ist es weniger offensichtlich, wie Spezifität und Nichtspezifität sich einfach mit weitem bzw. engem Skopus gleichsetzen lassen sollen. In diesem Beispiel ist das mit bloß elementarlogischen Mitteln auch nicht zu bewerkstelligen; doch hat die Entwicklung intensionaler Logiken auch hier eine plausible Rückführung auf Skopusmehrdeutigkeit bereitgestellt. Allgemein hat die H ypothese, daß der unbestimmte Artikel variablen Skopus haben kann, den Vorteil, in komplexeren Sätzen drei oder mehr Lesarten vorauszusagen, während mit dem binären Merkmal [± spezifisch] grundsätzlich nur zwei unterschieden werden können. Tatsächlich ist z. B. (131) dreideutig. (131) Einen Schweden wollte nur Maria heiraten.
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Es kann bedeuten, daß (i) es einen Schweden gibt, den Maria und niemand sonst heiraten wollte; oder daß (ii) Maria und niemand sonst darauf aus ist, eine Schwedenfrau zu werden; oder schließlich, daß (iii) es für Maria, aber für niemand sonst, einen Schweden gibt, auf den sie es abgesehen hat. Da die NP nur Maria aus unabhängigen Gründen weiteren Skopus als das intensionale Verb wollen bekommen muß, sind dies genau die drei Lesarten, die man erwartet, wenn einen Schweden gegenüber diesen beiden Satzteilen (i) weitesten, (ii) engsten oder (iii) mittleren Skopus einnehmen kann. Soweit sieht es also so aus, als könnten wir das Merkmal [± spezifisch] getrost aus der Semantik des unbestimmten Artikels verbannen. Die Mehrdeutigkeiten, zu deren Beschreibung es gut sein sollte, ergeben sich ganz von selbst aus der ∃-Analyse und der logischen Syntax natürlicher Sprachen. Aber damit hätten wir es uns leider ein bißchen zu einfach gemacht. Auch in der jüngsten und von logischer Bildung gewiß nicht unbeleckten Literatur taucht immer wieder die Vermutung auf, daß der unbestimmte Artikel noch in einem anderen Sinne spezifisch sein kann als es ein Existenzquantor mit weitestem Skopus ist. 2.2.2 Spezifische Indefinita als referentielle Ausdrücke Um uns an diesen anderen Sinn von „spezifisch“ heranzutasten, betrachten wir den folgenden Text. (132) Ein Student von mir hat promoviert. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Wenn Barbara das sagt, kann man sie auf zweierlei Weisen verstehen: Entweder sie meint, daß sie nie erwartet hätte, einmal einen promovierten Studenten zu haben. Oder sie meint vielmehr, daß sie es speziell dem, von dessen Promotion da berichtet wird, nicht zugetraut hätte. Wie erklären sich diese beiden Lesarten? Ein attraktiver Vorschlag wäre der folgende: Das Wort das bezieht sich in jedem Falle auf die mit dem vorangehenden Satz behauptete Proposition. Welche Proposition das ist, hängt nun aber davon ab, welche Lesart im ersten Satz für das Indefinitum ein Student von mir gewählt wurde. War es die spezifische Lesart, so hat sich Barbara damit auf einen bestimmten Studenten bezogen, sagen wir einmal auf Franz, und die behauptete Proposition war somit, daß Franz promoviert hat. Das das nimmt also diese
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Proposition wieder auf, und wir erhalten die oben als zweite genannte Lesart für den Text als ganzen. H atte ein Student von mir hingegen die unspezifische Lesart, so wurde im ersten Satz nur die Existenzproposition behauptet, daß sich unter Barbaras Studenten (mindestens) ein promovierter findet. Bezieht sich das nun auf diese Proposition, so entsteht die oben erstgenannte Lesart für (132). Diese Überlegung ist natürlich unmittelbar von Stalnaker (1970) und seinem Plädoyer für eine direkt referentielle Deutung des bestimmten Artikels inspiriert (vgl. Abschnitt 1.3.2). Tatsächlich läuft die bis heute expliziteste und bestmotivierte Version der ± spezifisch-Ambiguität des unbestimmten Artikels darauf hinaus, daß spezifische Indefinita direkt referentiell sind. Wir sprechen hier von der Arbeit von Fodor & Sag (1982), der wir folgenden Vorschlag entlehnen: Die ∃-Deutung des unbestimmten Artikels ist korrekt, aber eben nur als Analyse einer seiner beiden Lesarten, nämlich der unspezifischen. (Dies haben wir natürlich schon implizit in unserer Betrachtung des Beispiels (132) vorausgesetzt.) Fortan fügen wir dem Artikel das Subskript „q“ (für „quantifizierend“) zu, wenn wir diese Lesart meinen. Ebenfalls korrekt ist, daß der unbestimmte Artikel, sofern er unspezifisch gedeutet wird und in passender syntaktischer Umgebung steht, zu Skopusmehrdeutigkeiten Anlaß geben kann. Bei einem hinreichend komplexen Satz wie (131) rechnen wir also mit mehr als einer „unspezifischen Lesart.“ Darüber hinaus aber postulieren wir nun eine spezifische Lesart (fortan einr, für „referentiell“). Unter dieser ist das Indefinitum kein Quantor, sondern ein referentieller Ausdruck, und welches Individuum sein Referent ist, variiert je nach Äußerungssituation, genauer: je nachdem, auf wen oder was sich der Sprecher zu beziehen beabsichtigt. (133) Ein Satz der Form [einr ζ] ξ, drückt nur in solchen Äußerungskontexten k eine Proposition aus, wo sich der Sprecher auf genau ein Individuum a zu beziehen beabsichtigt und a an k ζ ist. Ist diese Bedingung erfüllt, so drückt [einr ζ] ξ diejenige Proposition aus, die an einem Index i wahr ist, wenn a an i ξ ist, und sonst falsch. Einr unter der Deutung (133) und einqunter der ∃-Deutung (112) unterscheiden sich durch mehrere semantische Eigenschaften, über die wir uns für die Diskussion weiter unten klar sein sollten. Ein Unterscheidungsmerkmal ist
VII. Semantik der Funktionswörter
Kontextabhängigkeit: Die von (134) ausgedrückte Existenzproposition hängt nur insofern vom Äußerungskontext ab, als dieser die Referenz des Pronomens mir bestimmt; der Artikel einqträgt von sich aus keine Kontextabhängigkeit bei. (134) Einq Student von mir hat promoviert. Dagegen drückt (135) gemäß (133) (selbst bei festem Sprecher) verschiedene Propositionen aus, je nachdem welchen Studenten der Sprecher meint. (135) Einr Student von mir hat promoviert. Zweitens ist zu beachten: Aus der Proposition, die [einr ζ] ξ ausdrückt, folgt nicht, daß es ein ζ gibt; das Prädikat ζ findet in diese Proposition überhaupt keinen Eingang. Trotzdem entnimmt man natürlich aus einer Äußerung z. B. des Satzes (135) mit Recht, daß die Sprecherin glaubt, (mindestens) einen Studenten zu haben. Der Grund dafür ist, daß der Satz überhaupt keine Proposition ausdrückt, wenn das von der Sprecherin gemeinte Individuum nicht ihr Student ist. Drittens impliziert (133), daß der Skopus eines spezifischen Indefinitums nicht bedeutungsrelevant ist. Z. B. drückt (bei gleichbleibender Äußerungssituation) nicht [[einr ζ] ξ] genau dieselbe Proposition aus wie [einr ζ] nicht-ξ, nämlich daß der vom Sprecher beabsichtigte Referent nicht die Eigenschaft ξ hat. Wie stellen wir es nun an, eine spezifische Lesart intuitiv von einer unspezifischen zu unterscheiden? Dies ist nicht in allen Fällen leicht. Zwar sind Lesarten, die durch ein unspezifisches Indefinitum mit engem Skopus zustandekommen, im allgemeinen unschwer von spezifischen Lesarten zu unterscheiden. (Z. B. manifestiert sich der Bedeutungsunterschied zwischen nicht [[einq ζ] ξ] und nicht [[einr ζ] ξ] in solchen Äußerungskontexten, wo einige, aber nicht alle ζs ξ sind; dort kann man nämlich mit ersterem nichts Wahres behaupten, mit letzterem aber durchaus.) Aber eine unspezifische Lesart mit weitestem Skopus sieht einer spezifischen oft zum Verwechseln ähnlich. Dies kommt daher, daß gemäß (133) in jeder Äußerungsituation, wo mit [einr ζ] ξ eine wahre Proposition behauptet wird, notwendigerweise auch die mit [einq ζ] ξ ausgedrückte Proposition wahr ist. Die Umkehrung gilt freilich nicht — wenn [einq ζ] ξ wahr ist, kann [einr ζ] ξ in derselben Äußerungssituation trotzdem falsch sein — und das sollte uns dabei helfen, die beiden empirisch auseinanderzuhalten. Angenom-
22. Artikel und Definitheit
men Barbara glaubt fälschlich, Franz habe promoviert, und äußert (135) aufgrund dieser irrigen Annahme. Ohne ihr Wissen ist es nun aber zufällig so, daß ein anderer Student von ihr, Fritz, wirklich promoviert hat. Wenn wir hier ein gemäß (133) als einrdeuten und unterstellen, daß sich Barbara mit ein Student von mir auf Franz beziehen wollte, dann war ihre Äußerung falsch. Deuten wir ein hingegen als einq, dann war ihre Äußerung wahr. Das Urteil naiver Sprecher bestätigt hier wohl eher die letztere Deutung: Barbara hat sich zwar geirrt, aber die Wahrheit gesprochen hat sie trotzdem, auch wenn das reine Glückssache war. Ceteris paribus ist dies ein Argument gegen die Existenz der spezifischen Lesart. Dem entgegen stehen aber Argumente für eine solche Lesart, insbesondere gewisse indirekte Argumente (ähnlich denen, die wir bei der Diskussion um die referentielle Lesart des bestimmten Artikels kennengelernt haben), und mit diesen müssen wir uns nun auseinandersetzen. 2.2.3 Anaphora-Argumente Wir haben schon oben (Abschnitt 1.3.2) darauf hingewiesen, daß das Argument mit dem anaphorischen das in (132) auf etwas wackligen Beinen steht, und wollen das hier nicht noch einmal ausführen. Betrachten wir statt dessen kurz einen anderen Versuch, die Existenz der spezifischen Lesart aus Anaphoradaten herzuleiten. Dies ist wohl das schlichteste und älteste Argument dieser Art, und es bedient sich einfach der Tatsache, daß ein Indefinitum als Antezedens für ein anaphorisches Pronomen fungieren kann: (136) Eine Katze war anwesend. Sie hielt eine Ansprache. Wenn hier das Antezedens eine Katze keinen Referenten hätte — so argumentiert man — wie käme dann das Pronomen sie zum dem seinigen? Also benötigt man eine Analyse wie die spezifische, die im Gegensatz zur ∃-Analyse dem Indefinitum einen Referenten zuerkennt. Dieses Argument setzt voraus, daß (i) das Pronomen in (136) referentiell ist, und (ii) ein referentielles anaphorisches Pronomen immer den Referenten seines Antezedens übernimmt. Prämisse (i) könnte man angreifen, indem man dem Pronomen eine nicht-referentielle Behandlung gibt: Entweder man analysiert es als gebundene Variable, oder man erklärt es als sogenanntes „E-Type“-Pronomen, hinter dem sich ein komplexes klassisches Definitum
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verbirgt, hier „die Katze, die anwesend war“. Gegen den ersten Weg sprechen beim heutigen Forschungsstand eine Reihe semantischer und syntaktischer Gründe, aber der zweite ist, jedenfalls für dieses Beispiel, gut vertretbar (s. Artikel 23). Andererseits kann man das Argument von der Prämisse (ii) her untergraben, indem man nämlich zugesteht, daß das Pronomen ein referentieller Ausdruck ist, aber zeigt, wie es auch unter der Annahme einer ∃-Lesart für den vorangehenden Satz zu seinem Referenten kommen kann. Dabei räsonniert man ähnlich (Kripkeanisch), wie wir es weiter oben in Bezug auf das propositionsaufnehmende das skizziert haben. Angenommen, die Sprecherin macht eine bloße Existenzaussage, nämlich daß die Menge der anwesenden Katzen nicht leer war. Es trifft sich nun aber — und der H örer errät es auch richtig —, daß sie zu dieser Aussage speziellere Information über eine bestimmte Katze veranlaßt hat. Das allein mag genügen, um diese „verantwortliche“ Katze in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken und damit für pronominale Referenz verfügbar zu machen. Und so kommt das sie zu seinem Referenten, ohne ihn von einem vorangehenden referentiellen Ausdruck geerbt zu haben. Dieser Angriff auf Prämisse (ii) hat gegenüber den obengenannten Strategien zur Umgehung von (i) den Vorteil, auch auf Beispiele wie den folgenden Dialog anwendbar zu sein. (137) A: Ein Junge ist vom Geländer gesprungen und hat sich das Genick gebrochen. — B: Nein, er ist nicht gesprungen, sondern er wurde heruntergestoßen. (Man beachte, daß hier nicht mit einer EType-Analyse gedient ist, da er ja nicht mit „der Junge, der vom Geländer gesprungen ist und sich das Genick gebrochen hat“ zu umschreiben ist.) Es ist natürlich auch gut möglich, daß man je nach Beispiel mal die eine, mal die andere Prämisse entkräften kann. 2.2.4 Skopusargumente In 1.3.2 haben wir Stalnakers Versuch vorgestellt, mithilfe des Kriteriums der Disambiguierbarkeit zwischen einem referentiellen Definitum und einem klassischen mit weitestem Skopus zu unterscheiden. Dieselbe Strategie ist in der Debatte um die spezifische Lesart des Indefinitums benutzt worden, in diesem Falle von Fodor & Sag (1982), deren diesbezügliche Ausführungen allerdings we-
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sentlich expliziter und detaillierter als die von Stalnaker sind. Wir erinnern zunächst noch einmal an zwei Tatsachen: erstens, daß der Skopus eines spezifischen Indefinitums nicht bedeutungsrelevant ist; und zweitens, daß eine unspezifische Lesart mit weitestem Skopus oft nicht von einer spezifischen zu unterscheiden ist. Folglich müssen Vertreter der H ypothese, daß der unbestimmte Artikel eine spezifische Lesart hat, irgendwie die Gegenthese entkräften, daß alle angeblich spezifischen Vorkommnisse von ein in Wirklichkeit unspezifische mit weitestem Skopus sind. Dabei hilft die Existenz syntaktischer Skopusbarrieren: Weitester Skopus sollte in gewissen syntaktischen Konstruktionen unmöglich oder stark markiert sein, während eine spezifische Lesart unabhängig von der strukturellen Umgebung stets verfügbar sein sollte. Fodor & Sag betrachten unter diesem Gesichtspunkt u. a. Beispielpaare wie das folgende: (138) Wenn ich auf jeden Einwand einginge, würde ich niemals fertig. (139) Wenn wir damals auf einen unscheinbaren Mann, der auf der Straße Flugblätter verteilte, gehört hätten, wäre alles anders gekommen. (138) enthält an skopustragenden Elementen mindestens den Universalquantor jeden Einwand und die kontrafaktische Konditionalverknüpfung. Man müßte also a priori mit mindestens zwei Lesarten rechnen, je nachdem welches der beiden im Skopus des anderen steht. (In den folgenden Formalisierungen symbolisieren wir das kontrafaktische wenn-dann mit und kürzen Prädikate und Sätze ab: E = Einwand, G(x) = ich gehe auf x ein, p = ich werde niemals fertig.) (140) [∀x[E(x) → G(x)]] p (141) ∀x[E(x) → [G(x) p]] Aus (141) läßt sich für jeden einzelnen Einwand schließen, daß ich, wenn ich auf diesen eingehe, nicht fertigwerde; es läuft also darauf hinaus, daß ich auf gar keinen Einwand eingehen darf, wenn ich fertigwerden will. Dies scheint aber keine Lesart des deutschen Satzes (138) zu sein. Vielmehr besagt dieser, was (140) symbolisiert, nämlich, daß ausnahmsloses Eingehen auf alle Einwände mein Fertigwerden verhindern würde, wobei es durchaus keinen einzelnen Einwand geben muß, dessen Berücksichtigung allein diese Folge hätte. Nach Betrachtung weiterer ähnlicher Beispiele mag man nun dazu kommen, ein
VII. Semantik der Funktionswörter
allgemeines Prinzip zu postulieren, etwa, daß eine in einem adverbialen Nebensatz enthaltene NP höchstens Skopus über diesen Nebensatz haben kann. (Oder vielleicht ein allgemeineres oder auch ein spezielleres Prinzip dieser Art; darauf kommt es hier nicht so an.) Aus einem solchen Prinzip ergibt sich nun auch für Satz (139), der ja im wesentlich dieselbe Struktur wie (138) aufweist, eine Voraussage, nämlich, daß die indefinite NP einen unscheinbaren Mann, der auf der Straße Flugblätter verteilte in ihrem Skopus auf den wennSatz beschränkt ist. Angenommen nun, wir vertreten eine unzweideutige ∃-Analyse aller Indefinita. Dann läuft diese Voraussage darauf hinaus, daß (139) in der Bedeutung von (142) gelesen werden kann, aber nicht in der von (143). (F = unscheinbarer Mann, der auf der Straße Flugblätter verteilt, G(x) = wir hören auf x, p = es kommt alles anders.) (142) [∃x[F(x) & G(x)]] p (143) ∃x[F(x) & [G(x) p]] Nun repräsentiert (142) in der Tat eine mögliche Lesart von (139), wenn auch nicht die, an die man zuerst denkt. (142) würde wohl eher nahegelegt, wenn man das ein durch irgendein ersetzte oder die Formulierung in (144) wählte. (144) Wenn damals ein unscheinbarer Mann auf der Straße Flugblätter verteilt hätte und wir auf ihn gehört hätten, ... So weit so gut. Interessant wird es nun aber bei (143). Diese Formel besagt, daß es da einen unscheinbaren, flugblätterverteilenden Mann gab, auf den zu hören dramatische Folgen gehabt hätte — während es aber womöglich neben diesem einen noch viele andere ebenfalls unscheinbare, flugblätterverteilende Männer gab oder hätte geben können, bei denen es keine besonderen Auswirkungen gehabt hätte, ob wir auf sie gehört hätten oder nicht. Tatsächlich sind wir spontan geneigt, (139) in eben diesem zweiten Sinne zu verstehen, während dies doch gerade die Lesart ist, die unser Prinzip verbietet. Was schließen wir an dieser Stelle? Entweder das Prinzip ist falsch und muß durch ein anderes ersetzt werden, das (138) und (139) nicht mehr über einen Kamm schert. Vielleicht verhält sich jeder anders als ein, oder eine kurze NP anders als eine lange, oder es liegt am Relativsatz? — Oder aber die Lesart, die wir an (139) wahrnehmen, ist eben gar nicht die in (143) symbolisierte mit weitem Existenzquantor, sondern vielmehr eine spezifische Lesart. Mit dem gerade skizzierten
22. Artikel und Definitheit
intuitiven Verständnis von (139) ist diese Analyse genauso verträglich, und darüber hinaus erlaubt sie uns, das skopusbeschränkende Prinzip für NPs aller Art ohne Qualifikationen aufrechtzuerhalten. Denn wie oben bemerkt macht der Skopus eines spezifischen Indefinitums ja sowieso keinen Unterschied, muß also insbesondere nicht weiter als der wenn-Satzsein, um die in Rede stehende Lesart hervorzubringen. Kurzum, hier haben wir ein Argument für die Existenz einer eigenständigen spezifischen Lesart. Dieses Argument ist natürlich nicht unangreifbar: Über skopusbeschränkende Prinzipien wie das oben verwendete ist beim heutigen Forschungsstand nicht viel bekannt, und wir dürfen uns nicht allzu sicher sein, daß man nicht vielleicht aus unabhängigen Gründen bei der Skopuszuweisung auf syntaktische, lexikalische oder stilistische Faktoren Rücksicht nehmen muß, in denen sich etwa (138) und (139) unterscheiden. Wer hier skeptisch verbleibt, den hoffen Fodor & Sag aber doch noch durch die folgende raffiniertere Variante des Beispiels zu bekehren. (145) Wenn er damals auf einen unscheinbaren Mann, der auf der Straße Flugblätter verteilte, gehört hätte, wäre jeder heute dankbar. Wir beschränken uns auf Lesarten, wo das er durch das jeder gebunden ist, wodurch schon einmal festliegt, daß letzteres weiteren Skopus als erhält. Welche Lesarten sind nun unter einer reinen ∃-Analyse des Indefinitums zu erwarten? Abgesehen von eventuellen skopusbeschränkenden Prinzipien, die folgenden drei. (G(x,y) = x hört auf y, D(x) = x ist heute dankbar.) (146) ∀x[∃y[F(y) & G(x,y)] D(x)] (147) ∀x∃y[F(y) & [G(x,y) D(x)]] (148) ∃y[F(y) & ∀x[G(x,y) D(x)]] Wiederum ist es (148), mit weitestem 3, das unter diesen Alternativen am besten dem natürliche Verständnis von (145) entspricht. (146), mit engstem 3, ergibt wie oben eine sekundäre aber mögliche Lesart, nach der heute jeder dankbar wäre, wenn er damals auf irgendeinen unscheinbaren Flugblattverteiler gehört hätte. Aber wie steht es mit (147), wo 3 mittleren Skopus innerhalb von V aber außerhalb von hat? Diese Formel besagt in etwa, daß es für jeden einen unscheinbaren Flugblattverteiler gibt, auf den er hätte hören sollen. Das könnte also zum Beispiel eine Sachlage beschreiben, wo die H älfte der Bevölkerung heute dankbar wäre, wenn sie auf
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Meier gehört hätte, und die andere, wenn sie auf H uber gehört hätte. Eine solche Lesart ist jedoch für den deutschen Satz (145), wenn überhaupt, nur mit großer Mühe erhältlich. Der Witz dieser Beobachtung ist folgender: Wenn man nur ∃-Lesarten anerkennt, nimmt sich die Abwesenheit von Lesart (147) mysteriös aus. Man muß sich da eine recht seltsame Sorte von skopusbeschränkenden Prinzipien vorstellen, die dem Indefinitum zwar erlauben, aus dem wenn-Satzauszubrechen, aber nur unter der Auflage, daß es dann auch gleich ganz nach oben springt. Auch dies ist zwar beim heutigen Forschungsstand nicht mit Gewißheit auszuschließen, aber es verträgt sich prima facie schlecht mit vernünftigen Arbeitshypothesen (s. Artikel 7). Andererseits paßt Verfechtern der spezifischen Lesart das Fehlen der mittleren Skopuskonstellation (147) ganz hervorragend ins Konzept. Für diese gibt es ja auch die Lesart in (148) nicht, so daß das Fehlen von (147) nur wieder das ursprüngliche einfache Prinzip bestätigt, nach dem der wenn-Satzder maximale Skopus aller darin enthaltenen NPs ist. Die einzige zulässige unspezifische Lesart ist somit (146), und daneben gibt es dann noch eine spezifische — aber natürlich nur eine, und nicht zwei, denn spezifische Lesarten lassen sich ja aus prinzipiellen Gründen nicht durch Skopusvariation vermehren. Die eine, die es gibt, ist wie üblich leicht mit einem Existenzsatz zu verwechseln, also mit (148). Auch dieses Argument ist aber nicht unwidersprochen geblieben. Die Daten, auf die sich Fodor & Sag hier stützen, sind subtil und — wenn gewisse Kritiker recht haben — vielleicht gar nicht repräsentativ; zu diesem Punkt verweisen wir auf die einschlägige Literatur. Gesetzt den Fall, daß sich solche Bedenken ausräumen lassen, dann bleibt immer noch vieles an der spezifischen Lesart sehr geheimnisvoll. Warum z. B. bedarf es eines so wort- und inhaltsreichen Indefinitums wie in (139) und (145), um der spezifischen Lesart auf die Sprünge zu helfen? Das folgt gewiß nicht sofort aus der direkt referentiellen Analyse, die Fodor & Sag vorgeschlagen haben. Diese Sorge hat wiederum der Vertreter einer reinen ∃-Analyse nicht. Dafür plagt ihn wie gesagt die Aufgabe, eine Theorie der Skopusbeschränkungen zu erfinden, die mit dem Fehlen der „mittleren“ Lesart in (147) verträglich ist. Was am Ende schwieriger ist, wird sich erst noch herausstellen. Einstweilen ist jedenfalls nicht verwunderlich, daß das semantische Lager geteilt bleibt: Die einen glau-
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ben an eine eigenständige spezifische Lesart, die anderen halten es nach wie vor mit einer reinen ∃-Analyse. 2.3 Sonstiges 2.3.1 Zur Distribution Im Gegensatz zum bestimmten Artikel kommt der unbestimmte nur vor zählbaren Singularappellativa vor, d. h. nicht vor Pluralia oder Stoffnamen. Dabei scheint für diese Beschränkung aber eigentlich kein semantischer Grund zu bestehen. Setzen wir die in 1.5.1 angenommenen Deutungen für Pluralund Stoffappellativa voraus und kombinieren damit die ∃-Deutung für ein in (112), so ergeben sich für (149) und (150) ganz vernünftige Bedeutungen, nämlich die, die man in grammatischem H ochdeutsch mit (151) bzw. (152) ausdrückt. (149) *Hier wohnen eine Vögel. (150) *Uli hat ein Geld. (151) Hier wohnen Vögel. (152) Uli hat Geld. Was folgt daraus für die semantische Analyse des unbestimmten Artikels? Das kommt darauf an. Eine Möglichkeit ist, daß wir hier ein semantisch irrelevantes Faktum der morphologischen Realisierung vor uns haben: Das zugrundeliegende Morphem /ein/, dessen Deutung durch (112) definiert ist, wird eben je nach Umgebung durch die Allomorphe ein und ø realisiert. Es gibt aber noch eine andere, semantisch interessantere Möglichkeit: Vielleicht geht die existenzquantifizierende Kraft in Eine Katze schläft überhaupt nicht zu Lasten des ein, sondern wird genau wie in (151) und (152) durch den Nulldeterminator bzw. das Fehlen eines Determinators ausgedrückt. Das ein hingegen ist ein Numerale und also solches vom semantischen Typ eines Adjektivs, d. h. ein Funktor, der auf eine Eigenschaft angewandt wiederum eine Eigenschaft ergibt (s. Artikel 19). Zusammen mit dem Substantiv Katze bildet dieses also das Prädikat eine Katze, welches die Eigenschaft ausdrückt, eine einzige Katze zu sein. (Analog drückt etwa das Prädikat zwei Katzen die Eigenschaft aus, ein Paar von Katzen zu sein.) Wenn dieses Prädikat nun eine NP mit leerem Determinator bildet, kommt die Existenzquantifikation hinzu und wir erhalten die gewünschte übliche ∃-Deutung für die NP als ganze. Unsere anfängliche Beobachtung über die Distribution des unbestimmten Artikels ist damit zwar immer noch nicht erklärt, aber
VII. Semantik der Funktionswörter
sie erscheint nun in einem anderen Lichte, nämlich als Generalisierung über die Kombinierbarkeit von Numeralia und Substantiven. H ier gelten offenbar zwei Beschränkungen: erstens ist kein Numerale mit Stoffappellativa vereinbar, und zweitens muß der Numerus des Substantiv mit dem Numerale kompatibel sein. Näheres zu diesen Beschränkungen und ihrer Erklärung ist im Artikel 18 und der einschlägigen Literatur nachzulesen. Wenn der eben skizzierte Ansatz richtig ist, haben wir also in den ganzen vorausgegangenen Abschnitten nicht wirklich von ein gehandelt, sondern vielmehr von einem leeren oder abwesenden Determinator, mit dem wir es in Eine Katze schläft zu tun haben — aber nicht nur dort, sondern auch in Zwei Katzen schlafen, (151), (152), usw. (Die Substanz des dort Referierten überträgt sich natürlich ohne Schwierigkeiten.) Wie weit man mit der Analyse des ein als Numerale kommt, ist aber erst noch zu prüfen. Zu bedenken ist dabei auch, daß die oben vorausgesetzten Distributionsdaten sprachspezifisch sind. Im Bairischen z. B. steht der unbestimmte Artikel auch vor Stoffnamen; im Spanischen andererseits ist er pluralisierbar. Und im Englischen erscheint er unter gewissen Bedingungen zusätzlich zu Numerale und Plural (a ridiculous ten bottles). Wo in der Grammatik derlei Variation zu lokalisieren ist, bleibt vorderhand unklar, und um so mehr, was daraus für die Semantik folgt. 2.3.2 Generische Lesart Die ∃-Analyse reicht offenkundig nicht hin, die augenfälligste Lesart eines Beispiels wie (153) vorauszusagen. (153) Eine Katze ist genügsam. (153) läßt sich als Aussage über Katzen im allgemeinen verstehen und hat als solche deutlich andere Wahrheitsbedingungen als die von (112) erfaßten. Grob gesagt, erfordert die Wahrheit von (153) unter dieser Lesart, daß nicht nur irgendeine, sondern vielmehr jede normale Katze genügsam ist. Was aus der Existenz solcher generischen Lesarten für die Semantik des unbestimmten Artikels folgt, ist nicht ohne weiteres klar. Manchmal wird geschlossen (oft ohne viel Überlegung), daß hier eine Mehrdeutigkeit eben dieses Wortes vorliegt, daß es also neben dem in (112) erfaßten existenziellen ein noch ein homophones, eben das generisene ein gibt. Dieses wäre dann durch eine separate Bedeutungsregel zu deuten. Ein konkreter Vorschlag dazu findet sich z. B. bei Carlson
22. Artikel und Definitheit
(1978); grob gesagt schafft das generische ein dort einen Artnamen. D. h. eine Katze in (153) bezeichnet die Spezies Katze, und von dieser wird Genügsamkeit prädiziert, was wiederum bedeutet, daß typische Vertreter dieser Spezies genügsam sind (vgl. 1.5.3 oben). Carlson kann dann allerdings nur ad hoc verhindern, daß die so gebildeten Artnamen mit typischen Artprädikaten wie verbreitet auftreten. (154) *Ein Geisterkrebs ist an der ganzen Golfküste verbreitet. Überzeugender ist deshalb die Auffassung, daß der generische Sinn in Sätzen wie (153) nicht vom Artikel beigesteuert wird, sondern von einem oberflächlich unrealisierten Quantifikationsadverb, analog zu im allgemeinen in (155) oder mitunter in (156). (155) Eine Katze ist im allgemeinen genügsam. (156) Eine wissenschaftliche Diskussion endet mitunter in Tränen. Bei der Präzisierung dieses Ansatzes stellen sich zwei Fragen: erstens, worüber das Quantifikationsadverb quantifiziert, und zweitens, was die indefinite NP zur Gesamtbedeutung beiträgt. H insichtlich der ersten Frage schlägt Lewis (1975) vor, daß im allgemeinen in (155) über Katzen und mitunter in (156) über wissenschaftliche Diskussionen quantifizieren. Seine logische Form für (156) sieht z. B. folgendermaßen aus, wobei die Interpretation gemäß (158) erfolgt. (157) mitunterx (x ist eine wissenschaftliche Diskussion) (x endet in Tränen) (158) mitunteru (Φ)(Ψ) ist wahr bei einer Belegung g gdw. für manche a, für die Φ bei ga/u wahr ist, auch Ψ bei ga/u wahr ist. In (157) wäre eine wissenschaftliche Diskussion offenbar ganz normal im Sinne der klassischen ∃-Analyse zu deuten (jedenfalls wenn man die Kopula als Identität und das Prädikatsnomen als normale NP deutet, vgl. etwa Montague 1974). Bei Lewis wird allerdings nicht ganz klar, wie logische Formen wie (157) systematisch zur syntaktischen Struktur von Sätzen wie (156) in Beziehung zu setzen wären. Wo kommt z. B. die Kopula ist in (157) her? Diesen Punkt problematisiert H eim (1982) und schlägt anstelle von (157) eine etwas einfachere und syntaxnähere logische Form vor: (159) mitunterx (eine [wissenschaftliche Diskussion]x) (x endet in Tränen)
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Die intendierte Interpretation für das Quantifikationsadverb ist dabei immer noch (158), aber das linke Argument von mitunterx, d. h. eine [wissenschaftliche Diskussion]x, ist nun offenbar nicht mehr in üblicher Manier zu deuten. Vielmehr soll es, obwohl seiner syntaktischen Form nach eine NP, semantisch ein Satz sein, und zwar äquivalent zu dem, was man üblicherweise in der Prädikatenlogik so notieren würde: wissenschaftliche-Diskussion(x). H eim erreicht dies mithilfe der Interpretationsregel (160) und der Annahme, daß der unbestimmte Artikel eine hier semantisch leer ist, also bei der Deutung von (159) schlicht übergangen wird. (160) Sei ζ eine Appellativphrase, u eine Variable. Dann ist ζu bei einer Belegung g wahr gdw. g(u) in der Extension von ζ ist. Diese Analyse erzwingt vorderhand die Schlußfolgerung, daß der unbestimmte Artikel in generischen Indefinita eine spezielle und von seiner üblichen ∃-Lesart verschiedene Interpretation hat, nämlich als semantisch leeres Element. Will man diese Ambiguität vermeiden, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man verfolgt die H ypothese, daß der unbestimmte Artikel auch in den normalen existenziellen Lesarten nicht selbst für die Existenzquantifikation verantwortlich ist, also letztendes immer die Deutung hat, die wir für (159) gebraucht haben. Diesen Weg geht H eim, und wir können ihn hier aus Platzgründen nicht weiterverfolgen (s. Artikel 10). (Vgl. auch die aus anderen Gründen in dieselbe Richtung zielenden Bemerkungen in 2.3.1.) Oder aber man versucht, den Indefinita, die wie in (153), (155) und (156) den Quantifikationsbereich von expliziten oder impliziten Quantifikationsadverben beschränken, doch noch eine existenzielle Bedeutung zu verleihen. Ein erster Schritt dazu wäre vielleicht, die Adverbien über etwas Abstrakteres wie etwa Fälle oder Situationen quantifizieren zu lassen. M. a. W., man könnte (156) ungefähr so lesen: „In manchen Situationen, in denen es eine wissenschaftliche Diskussion gibt, endet diese in Tränen“. In dieser Paraphrase hat das Indefinitum wieder die alte ∃-Deutung. So eine Analyse ist aber bis jetzt nicht ausgeführt. Wir dürfen also zusammenfassend schließen, daß generische Indefinita den Rahmen der klassischen ∃-Analyse sprengen — wobei abzuwarten bleibt, ob sie damit alleinstehen, oder ob sie womöglich nur ein besonders transparentes Indiz dafür sind,
VII. Semantik der Funktionswörter
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daß der Zusammenhang zwischen unbestimmtem Artikel und Existenzquantifikation grundsätzlich nicht so eng ist, wie wir uns das seit Russell vorzustellen gewohnt sind.
3.
Definitheit in NP-Klassifikationen
3.1 Definita im engeren Sinne Personal- und Demonstrativpronomina, Eigennamen und NPs mit bestimmtem Artikel oder Demonstrativdeterminator werden oft als definite NPs zusammengefaßt. Dies geschieht zuweilen einfach aufgrund einer intuitiv empfundenen semantischen Verwandtschaft zwischen diesen NP-Typen, oft aber auch, um syntaktische Generalisierungen zu formulieren, bezüglich derer sich alle diese NPs gleich verhalten. In der generativen Grammatik ist das bekannteste Beispiel dieser Art die sogenannte Partitivbeschränkung. Diese ist durch die folgenden Daten motiviert und besagt, daß die innere NP in partitiven NPs definit sein muß. (161) drei von uns viele dieser Katzen wenige von euch Deppen jedes von den elf Kindern die meisten der Häuser keiner der Buddenbrooks
?drei von vielen Löffeln *viele junger Katzen ?wenige von hundert Bohnen ?jedes von einigen Kindern ?die meisten von wenigen Erfolgen *keiner von lauter Löffeln *eines von fast allen Schafen *drei der meisten Vorschläge
Partitive NPs setzen sich aus einem Quantor und einer Genitiv-NP oder von-PP zusammen. Mit „innerer“ NP meinen wir die NP im Genitiv oder nach von, in den obigen Beispielen jeweils hervorgehoben. In der linken Spalte handelt es sich hier durchweg um Vertreter der definiten Gruppe, rechts dagegen sind es NPs außerhalb dieser Gruppe. (Der bestimmte Artikel in die meisten zählt nicht; er ist offenbar idiomatisch und keine semantische Einheit.) Wir wollen uns aber davor hüten, diesen Distributionstest als definierendes Kriterium für Definitheit zu nehmen. Erstens ist nämlich gar nicht so klar, ob das Verbot nicht-definiter innerer NPs wirklich ausnahmslos gilt, denn sieben von zehn Familien und dergleichen sind völlig gramma-
tisch. (Allerdings kann man hier vielleicht argumentieren, daß es sich um eine andere Konstruktion handelt, was insofern plausibel ist, als von hier ins Englische mit out of übersetzt wird, statt mit of wie in den echten Partitiven.) Zweitens ist die Definitheitsbeschränkung offenbar nicht die einzige Beschränkung, der Partitivkonstruktionen unterliegen. Vielmehr gilt zusätzlich, daß die innere NP eine Gruppe bezeichnen muß. Dies ist z. B. in *einer des Hundes verletzt. Definitheit der inneren NP ist also bestenfalls eine notwendige, doch keine hinreichende Bedingung für einen akzeptablen Partitiv. Wie dem auch sei, wir nehmen hier einmal an, daß ein Definitheitsbegriff, der gerade die eingangs aufgelisteten NPs zusammenfaßt — also Personal- und Demonstrativpronomina, Eigennamen und NPs mit bestimmtem Artikel oder Demonstrativdeterminator —, zur Beschreibung und Erklärung der Partitivbeschränkung oder anderer linguistischer Generalisierungen von Nutzen ist. In diesem Falle stellt sich die Frage, ob die NPs in dieser Gruppe eine natürliche semantische Klasse bilden, und wenn ja, was ihren Bedeutungen gemeinsam ist und sie gegenüber den Bedeutungen anderer NPs auszeichnet. Wenn wir die Liste durchgehen, finden wir darin (i) direkt referentielle Ausdrücke (Eigennamen, Demonstrativ-NPs, gewisse Personalpronomina, möglicherweise gewisse das-NPs), (ii) gebundene Variablen (Personalpronomina, gewisse Demonstrativ-NPs) und (iii) NPs mit der klassischen Russell- oder Fregesemantik (das-NPs). Was verbindet diese drei Gruppen? Ganz schlampig ausgedrückt, daß ihre Extensionen Individuen sind, und nicht, wie bei den übrigen NPs, Mengen von Mengen. Dies wollen wir nun präzisieren. Dazu brauchen wir erst ein bißchen formales Rüstzeug, das wir uns aus den Artikeln 9, 19 und 21 zusammenklauben. Gegeben seien die Menge W aller möglichen Welten, die Menge T aller Zeiten und die Menge E aller möglichen Individuen. Letztere enthalte neben Einzeldingen auch Gruppen. Unter einer Interpretation für eine Sprache verstehen wir eine Funktion ⟦⟧, die jedem Ausdruck a dieser Sprache einen Charakter ⟦α⟧ zuordnet. ⟦⟧ ist induktiv über den syntaktischen Aufbau der Ausdrücke definiert: Ein Lexikon bestimmt ⟦α⟧ für alle Wörter a, und Kompositionsregeln bestimmen ⟦α⟧ für Phrasen a in Abhängigkeit von deren Struktur und den Charakteren ihrer Teilausdrücke. Ein Charakter ist eine Funktion, deren Argumente Paare 〈k, g〉 aus einem Äußierungskontext k
22. Artikel und Definitheit
und einer Variablenbelegung g, und deren Werte Intensionen sind. Unter einem Äußerungskontext stellen wir uns konkretheitshalber ein Tripel in WxTxE vor (intuitiv Äußerungswelt, Äußerungszeit und Sprecher). Eine Intension schließlich ist eine Funktion, die Auswertungsindizes i auf Extensionen abbildet, wobei wir uns unter einem Auswertungsindex wie bisher ein Paar in WxT (Auswertungswelt und -zeit) vorstellen wollen. Was eine Extension ist, hängt von der syntaktischen Kategorie des zu interpretierenden Ausdrucks ab, dazu gleich Näheres. Sowohl Charaktere als auch Intensionen sind im allgemeinen partielle Funktionen. Die Intension ⟦α⟧(〈k, g〉) muß also nicht für beliebige k und g definiert sein, und selbst für solche k, g, wo sie es ist, muß nicht für beliebige i auch eine Extension ⟦α⟧(〈k, g〉) (i) definiert sein. (Statt ⟦α⟧(〈k, g〉) (i) bedienen wir uns fortan der einfacheren Schreibweise ⟦α⟧k,g,i.) Wenn a von der syntaktischen Kategorie Satz ist, ist seine Extension ⟦α⟧k,g,i ein Wahrheitswert, d. h. 1 oder 0; ist α dagegen eine VP oder CNP (Appellativphrase), so ist ⟦α⟧k,g,i eine Teilmenge von E. Was die Interpretation von NPs anbelangt, so nehmen wir an, daß ihre Extensionen Mengen von Mengen von Individuen sind, also Elemente von ((E)). Damit einher geht die folgende Kompositionsregel für Sätze der Form [NP VP]. (162) Für beliebige Kontexte k, Belegungen g und Auswertungsindizes i: ⟦[S[NP α] [VP β]]⟧k,g,i ist definiert gdw. sowohl ⟦[NP α]⟧k,g,i als auch ⟦[VP β]⟧k,g,i definiert sind. In diesem Falle gilt: ⟦[S [NP α] [VP β]]⟧k,g,i = 1 gdw. ⟦[VP β]⟧k,g,i ∈ ⟦[NP α]⟧k,g,i Komplexe NPs haben die Struktur [DET CNP]. Extensionen für Determinatoren sind Funktionen mit Argumenten in (E) und Werten in ((E)). Zum Beispiel: (163) Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): ⟦[DETkein]⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y = ø}. Die zugehörige Kompositionsregel ist (164). (164) Für beliebige Kontexte k, Belegungen g und Auswertungsindizes i: ⟦[NP [DET α] [CNP β]]⟧k,g,i ist definiert gdw. sowohl ⟦[DET α]⟧k,g,i als auch ⟦[CNP β]⟧k,g,i definiert sind und letzteres im Argumentbereich des ersteren ist. In diesem Falle gilt: ⟦[NP [DET α] [CNP β]]⟧k,g,i = ⟦[DET α]⟧k,g,i (⟦[CNP β]⟧k,g,i).
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Zum Beispiel ergibt sich also: (165) Für beliebige k, g und i: ⟦[NP [DETkein] [CNP ζ]]⟧k,g,i ist genau dann definiert, wenn ⟦[CNP ζ]⟧k,g,i definiert ist. In diesem Falle gilt: ⟦[NP [DETkein] [CNP ζ]]⟧k,g,i = {X ∈ (E): ⟦[CNP ζ]⟧k,g,i ⋂ X = ø}. Was wir bis hierher gesagt haben, widerspricht erst einmal der oben angekündigten Idee: Wir haben uns soeben entschieden, allen NPs Mengen von Mengen zuzuordnen, und nicht etwa nur denen, die nicht definit sind. Selbst Eigennamen oder Pronomina unterscheiden sich in dieser H insicht also nicht von den Paradefällen quantifizierender NPs. Man vergleiche (165) mit (166)—(168). (166) Für beliebige k, g und i: ⟦[NPAfrika]⟧k,g,i = {X ∈ (E): Afrika ∈ X}. (167) Für beliebige k, g und i: ⟦[NPer7]⟧k,g,i = {X ∈ (E): g(7) ∈ X}. (168) Für beliebige 〈w,t,s〉 ∈ WxTxE, g und i: ⟦[NPdieses]⟧〈w,t,s〉,g,i ist genau dann definiert, wenn s in w zu t auf genau ein Individuum a zeigt. In diesem Falle gilt: ⟦[NPdieses]⟧〈w,t,s〉,g,i = {X ∈ (E): a ∈ X}. Dennoch steckt hinter der Behauptung, daß definite NPs Individuuen bezeichnen, eine richtige Intuition: die definiten NPs hätten wir nämlich genausogut als echte Individuenterme deuten können, während das bei nichtdefiniten NPs prinzipiell nicht gegangen wäre. Wir erklären gleich, was damit gemeint ist. Mit Individuenterm (IT) meinen wir einen Ausdruck a, dessen Extension ⟦α⟧k,g,i (für beliebige k, g und i) stets ein Individuum, also ein Element von E ist. Individuenterme lassen sich mit VPs zu Sätzen verbinden, die nach folgender Kompositionsregel gedeutet werden: (169) Für beliebige Kontexte k, Belegungen g und Auswertungsindizes i: ⟦[s [IT α] [VP β]]⟧k,g,i ist definiert gdw. sowohl ⟦[IT α]⟧k,g,i als auch ⟦[VP β]⟧k,g,i definiert sind. In diesem Falle gilt: ⟦[S [IT α] [VP β]]⟧k,g,i = 1 gdw. ⟦[IT α]⟧k,g,i ∈ ⟦[VP β]⟧k,g,i Nun können wir präzisieren, was es heißt, daß eine NP „genausogut“ als IT gedeutet werden könnte:
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(170) Definition: Die NP α ist unter der Interpretation ⟦⟧ reduzierbar auf den IT γ gdw. für beliebige Kontexte k, Belegungen g, Auswertungsindizes i und VPs β gilt: Entweder sind sowohl ⟦[S [NP α] [VP β]]⟧k,g,i als auch ⟦[S [IT γ] [VP β]]⟧k,g,i undefiniert, oder ⟦[S [NP α] [VP β]]⟧ = ⟦[S [IT γ] [VP β]]⟧k,g,i. Z. B. ist die in (166) oben gedeutete NP Afrika reduzierbar auf den folgendermaßen definierten IT Afrika*: (171) Für beliebige k, g und i: ⟦[ITAfrika*]⟧k,g,i = Afrika Dies läßt sich unter Zuhilfenahme von (162) und (169) leicht beweisen. Dagegen ist es nicht möglich, einen IT einzuführen, auf den etwa die NP kein Narr reduzierbar wäre. Beweis: Angenommen, γ wäre ein solcher IT. Wählen wir nun k und g beliebig, und w und t so, daß in w zu t nichts lacht. H iermit gilt ⟦lacht⟧k,g〈w,t〉 = ø. Wegen (162) und (165) impliziert das, daß ⟦kein Narr lacht⟧k,g,〈w,t〉 = 1. Gemäß Annahme und Definition (170) ist also auch ⟦lacht⟧k,g,〈w,t〉 = 1. Daraus folgt wegen (169), daß ⟦γ⟧k,g,〈w,t〉 ∈ ø, eine mengentheoretische Unmöglichkeit. QED. Entsprechende Überlegungen für andere Beispiel-NPs legen nahe, daß sich mit dem Kriterium der Reduzierbarkeit auf einen Individuenterm genau die oben durch Aufzählung umrissene Klasse der definiten NPs aussondern läßt. Wir gelangen also zu folgender Definition. (172) Eine NP α ist definit unter der Interpretation ⟦⟧ gdw. sich ein IT α* definieren läßt, auf den α unter ⟦⟧ reduzierbar ist. Denselben Gedanken können wir ohne Umweg über Definition (170) auch so formulieren: (173) Eine NP α ist definit unter der Interpretation ⟦ ⟧ gdw. die folgende Bedingung erfüllt ist: Für jeden Äußerungskontext k, jede Belegung g und jeden Auswertungsindex i: Wenn ⟦α⟧k,g,i überhaupt definiert ist, dann gibt es ein Individuum ak,g,i ∈ E, so daß für alle Mengen X ∈ (E) gilt: X ∈ ⟦α⟧k,g,i gdw. ak,g,i ∈ X. Verwandte Vorschläge finden sich in der Literatur, z. B. bei Barwise & Cooper (1981), wobei wir allerdings in der Behandlung der Plu-
VII. Semantik der Funktionswörter
raldefinita Link (1987d) folgen (siehe 1.5.1 oben) und uns deshalb eine etwas striktere Version der Definitheitsdefinition erlauben können. Aus Platzgründen können wir nun nicht zeigen, daß diese Definition tatsächlich die intuitiv gewünschte Einteilung vornimmt. Die entsprechenden Theoreme und (durchweg elementaren) Beweise sind in der Fachliteratur nachzuschlagen. Wir beschränken uns hier auf Bemerkungen speziell zu den bestimmten und unbestimmten Artikeln. Ein Narr unter der ∃-Deutung von ein ist nicht definit. Wir unterstellen dabei, daß die ∃-Deutung im hier gewählten formalen Rahmen folgende Form annimmt: (174) Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): ⟦ein⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y ≠ ø}. (Beweisidee: Nimm an, ein Narr wäre definit, und betrachte einen Auswertungsindex, an dem es zwei Narren gibt.) Bemerkenswert ist, daß dagegen das referentielle einr von Fodor & Sag (siehe (133), Abschnitt 2.2.2) im Sinne der Definition (173) definite NPs bildet. Nun zum bestimmten Artikel. H ier stellt sich heraus, daß es auf die genaue Deutung ankommt. Unter einer direkt referentiellen Deutung wie (6) (Abschnitt 1.1.2) sind dasNPs natürlich definit. Interessanter wird es bei den klassischen Deutungen. Es stellt sich heraus, daß das-NPs unter der Fregeschen Deutung definit sind, nicht aber unter der Russellschen. Wir gehen hier von folgenden Versionen der beiden Deutungen aus: (175) Russellschesdas: Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): ⟦das⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E) : X ⋂ Y ≠ ø und X = 1}. (176) Fregesches das: Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): X ist genau dann im Bereich von ⟦das⟧k,g,i, wenn X = 1. Ist dies der Fall, so gilt: ⟦das⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E) : X ⋂ Y ≠ ø}. Beim Beweis der Definitheit von Fregeschen das-NPs wird ausgenützt, daß immer wenn ⟦das ζ⟧k,g,i definiert ist, ⟦ζ⟧k,g,i ein einziges Element hat. Dieses ist dann das gesuchte ak,g,i. Russellsche das-NPs scheitern dagegen an unserer Definitheitsdefinition. (Beweisidee: Nimm an, der Narr wäre definit und betrachte einen Auswertungsindex, an dem es keine Narren gibt.) Dieses Resultat ist unter Umständen problematisch. Dann nämlich, wenn
22. Artikel und Definitheit
sich einerseits doch noch die Russellsche Deutung des bestimmten Artikels als die richtige herausstellt, andererseits aber in der semantischen Theorie natürlicher Sprachen ein Definitheitsbegriff benötigt wird, der das-NPs mit den unter (173) fallenden NPs zusammengruppiert. In diesem Falle müßte man sich eine passend abgeschwächte Definition einfallen lassen. Wir verfolgen dies hier nicht weiter. Eine knappe Bemerkung wert ist der Unterschied zwischen die Narren, alle Narren und jeder Narr. Die Narren ist unter der verallgemeinerten Fregeschen Deutung definit (vgl. 1.5.1). (177) Verallgemeinertes Fregesches das: Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): X ist genau dann im Bereich von ⟦das⟧k,g,i, wenn X ein maximales Element x hat. Ist dies der Fall, so gilt: ⟦das⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E) : x ∈ Y}. Beim Beweis der Definitheit von die Narren ist das gesuchte ak,g,i jeweils die Gruppe, die alle Narren am Index i einschließt; wo ⟦die Narren⟧k,g,i überhaupt definiert ist, ist dies immer mindestens ein Paar von zwei Narren. Für jedes geht die Standarddeutung so: (178) Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): ⟦jedes⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E): X ⊆ Y}. Diese Deutung verhindert sozusagen doppelt, daß jeder Narr definit ist. Einerseits können wir den Beweis dadurch führen, daß wir einen Index betrachten, wo es keine Narren gibt. Andererseits können wir ausnützen, daß es an gewissen Indizes zwei oder mehr Narren gibt. Es ist zu beachten (im Gegensatz etwa zur Definitheitsdefinition von Barwise & Cooper 1981), daß uns die zweite Beweisstrategie auch dann noch zu Gebote stünde, wenn wir — wie gelegentlich vorgeschlagen — eine Präsupposition in die Deutung von jedes einbauten: (179) Für beliebige k, g und i, beliebige X ∈ (E): X ist genau dann im Bereich von ⟦jedes⟧k,g,i, wenn X ≥ 2. Ist dies der Fall, so gilt: ⟦jedes⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E): X ⊆ Y}. Auch auf der Grundlage von (179) läßt sich noch zeigen, daß jeder Narr nicht definit ist. Der springende Punkt ist intuitiv, daß jeder Narr im Gegensatz zu die Narren inhärent distributiv ist. Der Fall von alle Narren ist
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nun komplizierter. Es ist nicht auf Anhieb klar, ob wir alle Narren wie die Narren oder wie jeder Narr deuten sollen oder noch ein bißchen anders, z. B. so, daß es weder die Existenz von Narren präsupponiert noch inhärent distributiv ist. Die verschiedenen Möglichkeiten führen zu unterschiedlichen Voraussagen hinsichtlich der Definitheit von alle Narren. Wenn wir uns nach der Distribution in Partitiven richten — z. B. nur einer von allen Narren scheint okay zu sein —, sind wir gezwungen, eine Existenzpräsupposition einzubauen. Der Vergleich mit dem Englischen legt nahe, daß das deutsche alle Narren eventuell ambig zwischen den Englischen Übersetzungen all fools and all the fools ist. H ier verbirgt sich ein komplexes Thema, das wir nicht klären können, ohne tief in die Pluralproblematik einzudringen (s. Artikel 19). Zuletzt noch ein H inweis auf ein technisches Problem. In gewissen „pathologischen“ Fällen macht die Definition (173) intuitiv verkehrte Voraussagen. Betrachten wir z. B. die NP ein Punkt im runden Viereck. Die CNP Punkt im runden Viereck ist hier so gewählt, daß sie niemals eine Extension hat, egal wie k, g und i gewählt sind. Daran schuld ist natürlich die darin als Konstituente vorkommende NP das runde Viereck, die niemals eine Extension hat, weil die CNP runde Viereck bei allen k, g, i die leere Menge bezeichnet und diese laut (176) nicht im Argumentbereich von ⟦das⟧k,g,i ist. (Wir setzen hier die Fregesche Deutung voraus.) Da nun aber die CNP Punkt im runden Viereck nie eine Extension hat, geht es laut Regel (164) auch der NP ein Punkt im runden Viereck so. Dies führt aber leider dazu, daß diese NP trivial die Bedingung in der Definition (173) erfüllt und damit als definit eingestuft wird. Dieses Problem wird üblicherweise dadurch umgangen, daß man Definitheit primär als Eigenschaft von Determinatoren statt von NPs definiert. Man muß dann allerdings für NPs, die prima facie nicht von der Form [DET CNP] sind, entweder eine separate Definition machen oder ihnen doch irgendwie diese Form geben. Näheres entnehme man bitte der einschlägigen Literatur. 3.2 Starke und schwache NPs In der Syntaxliteratur wird Definitheit oft in einem weiteren Sinne verstanden, in dem neben den im letzten Abschnitt charakterisierten NPs auch z. B. allquantifizierte NPs und solche mit die meisten als definit zählen. Das Paradebeispiel hierfür ist die sogenannte
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Definitheitsbeschränkung für Sätze mit expletivem there im Englischen. Grob gesagt sind in der Umgebung (180) NPs aus der Liste (181) zulässig, aber solche aus der Liste (182) nicht. (180) There will be ______ in the garden. (181) a man, men, some men, no men, few men, many men, three men, ... (182) John, you, the man, the men, that man, all men, every man, most men, ... Die Generalisierung wird oft so formuliert, daß das postverbale Subjekt solcher Sätze nicht „definit“ sein dürfe. Dieses Beispiel hat kein direktes Gegenstück im Deutschen (jedenfalls scheint eine analoge Beschränkung weder für deutsche Sätze mit expletivem es und satzinternem logischen Subjekt zu gelten, noch für es-gibt-Sätze). Dieselbe oder doch eine sehr ähnliche Restriktion ist aber in Kontexten wie (183) wirksam (nach De Jong 1987). (183) _____später war er hier. (184) eine Woche, Jahre, drei Monate, viele Jahre, keinen Monat, wenige Tage, ... (185) das ganze Jahr, 1987, die meisten Tage, jedes Jahr, die nächsten zwei Minuten, ... Die NPs in (184) können in (183) als Dauerangaben eingesetzt werden, die in (185) passen dagegen nicht. Die verbotene Liste (185) scheint genau dieselben „definiten“ NPs zu enthalten wie (182) oben. Es ist uns hier wiederum nicht möglich, diese distributionellen Fakten genauer zu untersuchen oder gar zu erklären. Wir beschränken uns auf die viel bescheidenere Frage, ob die Mitglieder der obigen Listen jeweils eine semantische Eigenschaft gemeinsam haben und welche Eigenschaft dies gegebenenfalls ist. Zu dieser Frage gibt es einige formalsemantische Arbeiten, deren H auptresultate wir gleich referieren. Welche Rolle diese Resultate aber bei der Erklärung der angedeuteten Fakten spielen — zweifellos letztlich die interessantere Frage —, das wird dabei ganz offenbleiben. Wie schon erwähnt, betrifft das „Definitheits„verbot in (180) und (183) eine umfassendere Gruppe von NPs als unter die Definitheitsdefinition (173) des vorigen Abschnitts fallen. (Jedes Jahr und die meisten Tage z. B. erfüllen (173) nicht.) Um Verwechslungen zu vermeiden, hat Milsark (1977) deshalb eine neue Terminologie eingeführt, die wir hier übernehmen wollen: Die NPs auf der Liste
VII. Semantik der Funktionswörter
(182) bzw. (185) heißen „stark“, die in (181) und (184) dagegen „schwach“. Definite NPs sind in dieser Terminologie also eine echte Teilmenge der starken NPs. 3.2.1 Zwei Definitionen Was haben nun die Bedeutungen aller schwachen NPs im Gegensatz zu denen der starken gemeinsam? Innerhalb eines technischen Rahmens wie dem im letzten Abschnitt eingeführten haben diese Frage erstmals Barwise & Cooper (1981) behandelt. Dort werden gleich mehrere mögliche Charakterisierungen der stark/schwach-Unterscheidung erwähnt, insbesondere die folgenden beiden (hier leicht abgewandelt): (186) Ein Determinator δ ist schwach 1 unter der Interpretation ⟦⟧ gdw. für alle k, g und i, wo ⟦δ⟧k,g,i definiert ist, gilt: Es gibt Mengen X, Y ∈ (E), so daß E ∈ ⟦δ⟧k,g,i(X) und E ∉ ⟦δ⟧k,g,i(Y). (187) Ein Determinator δ ist schwach2unter der Interpretation ⟦ ⟧ gdw. für alle k, g, i, X ∈ (E) und Y ∈ (E): Entweder ⟦δ⟧k,g,i(X) und ⟦δ⟧k,g,i(E) sind beide undefiniert, oder es gilt: Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(X) gdw. X ⋂ Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(E). Beide Definitionen sind für Determinatoren statt für NPs formuliert, lassen sich aber einfach ergänzen: (188) Eine NP α ist unter der Interpretation ⟦ ⟧ schwachi gdw. α die Form [NP [DET δ] [CNP ζ]] hat und δ unter ⟦ ⟧ schwachi ist. Andernfalls ist α unter ⟦ ⟧ starki. Diese Definitionen von Fall zu Fall auf Beispiele anzuwenden, ist wiederum Routinesache und wird hier den Leser(inne)n überlassen. Etwas weniger trivial ist es, die allgemeinen mathematischen Beziehungen zwischen den beiden Schwachheitsbegriffen und anderen zentralen Begriffen der Quantorentheorie aufzuzeigen, insbesondere z. B. zu beweisen, daß DETs, die definite NPs im Sinne des letzten Abschnitts bilden, nicht schwach sind. Dazu verweisen wir auf die Literatur (s. Artikel 21). Wir begnügen uns hier mit ein paar Worten zu den intuitiven Ideen, die hinter diesen Definitionen stecken. (186) beruht auf der Beobachtung, daß der Informationswert eines Satzes der Form (189) systematisch davon abhängt, ob man in die Lücke eine schwache oder eine starke NP einsetzt.
22. Artikel und Definitheit
(189) Unter den Individuen, die es insgesamt gibt, befindet (bzw. befinden) sich __. Wählt man eine Einsetzung aus der Liste der schwachen NPs, so erhält man durchweg kontingente Aussagen, z. B.: (190) Unter den Individuen, die es insgesamt gibt, (a) befindet sich kein Huhn. (b) befinden sich sieben Gabeln. (c) befinden sich nur wenige Hüte. Dies sind gestelzte Paraphrasen von „es gibt kein H uhn“, „es gibt sieben Gabeln“ und „es gibt nur wenige H üte“, alles Aussagen, die offenbar je nach Sachlage wahr oder falsch sein können. Vergleichen wir damit die starken Einsetzungen in (191). (191) Unter den Individuen, die es insgesamt gibt, (a) befindet sich jedes Huhn. (b) befinden sich die meisten Affen. (c) befinden sich weder du noch ich. (d) befindet sich der Baum vor meinem Fenster. Diese Sätze vermitteln in gewissem Sinne keine neue Information. Gemeint ist damit: wenn wir wissen, daß wir in einer Welt sind, wo diese NPs geglückt verwendet werden können und wo gegebenenfalls ihre Präsuppositionen wahr sind, dann wissen wir auch ohne Ansehung der Tatsachen schon, ob diese Sätze wahr oder falsch sind. Egal wie die Tatsachen sind, ist es z. B. unvermeidlich, daß (191c) falsch ist (in dem technischen Sinn von „Individuum“ jedenfalls, den wir hier voraussetzen). Unter der Voraussetzung, daß die (Fregesche) Präsupposition von der Baum vor meinem Fenster erfüllt ist, es also vor meinem Fenster genau einen Baum gibt, kann dagegen (191d) unmöglich falsch sein. Auch (191a) und (191b) sind garantiert wahr. H at jedes die Standarddeutung, so gilt insbesondere, daß (191a) wahr ist, ob es nun kein, ein, oder mehrere H ühner gibt. Bevorzugt man eine präsuppositionstragende Deutung für jedes wie (179), so kann (191a) gleichfalls nicht falsch werden, solange die Präsupposition als wahr unterstellt ist. Präzisiert man die intendierte Lesart des Satzrahmens (189) und den passenden Sinn von „informativ“, in dem sich (190a—c) von (191a—d) unterscheiden, so gelangt man zu einem Vorläufer der Definition (186).
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(192) Eine NP α ist schwachiunter der Interpretation ⟦ ⟧ gdw. für alle k, g, wo ⟦α⟧(〈k,g〉) definiert ist, gilt: Es gibt Indizes i1 und i2, so daß E ∈ ⟦α⟧k,g,i1 und E ∉ ⟦α⟧k,g,i2. Diese Definition hat allerdings den Nachteil, daß die Einstufung einer NP als schwach hier auch von der Wahl der Appellativphrase beeinflußt ist. Z. B. ist es notwendig falsch, daß sich im Individuenbereich zwei runde Vierecke befinden, und deshalb wäre zwei runde Vierecke nach (192) nicht schwach. Da diese Voraussage für die vorgesehenen deskriptiven Anwendungen des Schwachheitsbegriffs (z. B. bei der Beschreibung der there-be- Konstruktion) aber unerwünscht ist, empfiehlt sich statt dessen die Definition (186), nach der es nur auf den Determinator ankommt. Nebenbei bemerkt haben Barwise & Cooper bei der Entwicklung dieser Definition ein ehrgeizigeres Ziel verfolgt, nämlich die Distributionsverhältnisse in der there-be-Konstruktion nicht nur präzise beschreibbar zu machen, sondern sie darüberhinaus zu erklären. Die Idee dabei ist folgende: Angenommen there be _ bedeutet dasselbe wie der Satzrahmen (189), m. a. W., ⟦there be α⟧k,g,i = 1 gdw. E ∈ ⟦α⟧k,g,i. Dann folgt mithilfe der Definition (192), daß genau die there-beSätze mit schwachen NPs informativ sind, während die mit starken trivial wahr oder trivial falsch sind. Barwise & Cooper meinen, daß dies erklärt, weshalb letztere nicht akzeptabel sind. Diese Erklärung leuchtet aber aus verschiedenen Gründen nicht ein. Schon die Tatsache, daß es zur korrekten Beschreibung der distributionellen Regularität nötig war, von (192) zur Definition (186) überzugehen, beweist, daß Trivialität in dem in (192) präzisierten Sinne eben keine hinreichende Bedingung für das zu erklärende Ungrammatikalitätsurteil ist. Überhaupt ist es offensichtlich falsch, daß tautologische und kontradiktorische Sätze generell als ungrammatisch empfunden werden. Wir betrachten diesen Erklärungsversuch also als mißlungen. Bis jetzt ist schlicht nicht bekannt, ob und wie die von formalen Semantikern bereitgestellten Schwachheitsdefinitionen für die Erklärung der mit ihrer H ilfe beschreibbaren Distributionsdaten fruchtbar gemacht werden können. Von einer ganz anderen Intuition inspiriert ist der alternative Definitionsvorschlag (187). Betrachtet man die üblichen Deutungsregeln für die Determinatoren, die auf der schwachen Liste erscheinen, so fällt einem auf, daß sie alle nach demselben Schema gebaut sind:
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(193) ⟦δ⟧k,g,i (X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y hat die Eigenschaft ...}. Setzen wir für Φ z. B. „nicht leer zu sein“, so erhalten wir die Regel für ein (174). Setzen wir „leer zu sein“, bekommen wir kein (163). Setzen wir „eine Kardinalität von (mindestens?) 3 zu haben“, so haben wir drei. Setzen wir schließlich etwas Vages wie „klein zu sein“, so haben wir wenig (zu diesem Beispiel vgl. jedoch weiter unten). Dabei gilt durchweg, daß die betreffende Eigenschaft unabhängig von X und Y definiert ist. Wir betonen das, denn in einem gewissen Sinne könnten wir natürlich auch die Regeln für starke Determinatoren in die Form von (193) zwängen, z. B. so: (194) ⟦jedes⟧k,g,i(X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y hat die Eigenschaft, gleich X zu sein}. (Beachte, daß X ⊆ Y gdw. X ⋂ Y = X.) H ier steht für „...“ aber eine Eigenschaft, die in Abhängigkeit vom jeweiligen X definiert ist, und es läßt sich zeigen, daß das bei der Definition von ⟦jedes⟧ prinzipiell nicht vermieden werden kann. Allgemeiner stellt sich heraus, wenn man die Listen der schwachen und starken Determinatoren durchgeht, daß die Bedeutungen aller schwachen DETs, und nur dieser, vermittels einer von X und Y unabhängigen Eigenschaft des Durchschnitts X ⋂ Y beschrieben werden können. Drücken wir das etwas präziser aus, so gelangen wir zu folgender Generalisierung: (195) Ist ⟦δ⟧k,g,i die Extension eines schwachen Determinators, so gibt es eine Menge Mδ,k,g,i ∈ ((E)), für die gilt: Für alle X ∈ (E) und Y ∈ (E): Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(X) gdw. X ⋂ Y ∈ Mδ,k,g,i. Ist ⟦δ⟧k,g,i dagegen die Extension eines starken Determinators, so gibt es keine Menge, für die dies gilt. (Wir haben hier stillschweigend zugelassen, daß bei festem Determinator δ und fester Interpretation ⟦ ⟧ die Wahl von Mδ,k,g,i mit der von k, g und i variiert. Was k und g betrifft, so tritt dieser Fall in der Semantik von so viele und wieviele ein; ob Mδ,k,g,i jemals von i abhängt, ist weniger klar, spielt aber hier keine Rolle.) Um von (195) die Brücke zum Definitionsvorschlag (187) zu schlagen, müssen wir uns noch vergegenwärtigen, wie das von (195) geforderte Mδ,k,g,i (sofern es existiert) jeweils mit ⟦δ⟧k,g,i zusammenhängt. Tatsächlich ist der
Zusammenhang einfach: Mδ,k,g,i = ⟦δ⟧k,g,i(E). Illustrieren wir das kurz am Beispiel ein. Für ein haben wir oben in das Regelschema (193) bei „...“ die Eigenschaft, nicht leer zu sein, eingesetzt. Ein Kandidat für Mein,k,g,i, der der Bedingung in (195) genügt, ist hier also die Menge aller nicht-leeren Teilmengen von E, d. h. {Y ∈ (E): Y ≠ ø}. Dies ist aber gleich {Y ∈ (E): E ⋂ Y ≠ ø}, und laut (174) weiter gleich ⟦ein⟧k,g,i(E). Analoges läßt sich für alle andern schwachen DETs zeigen. Statt (195) können wir daher spezieller formulieren: (196) Ist ⟦δ⟧k,g,i die Extension eines schwachen Determinators, so gilt für die Menge ⟦δ⟧k,g,i(E): Für alle X, Y ∈ (E): Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(X) gdw. X ⋂ Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(E). Ist ⟦δ⟧k,g,i dagegen die Extension eines starken Determinators, so gibt es keine Menge, für die dies gilt (d. h. es gibt keine Menge Z, für die für alle X, Y ∈ (E): Y ∈ ⟦δ⟧k,g,i(X) gdw. X ⋂ Y ∈ Z). Daraus folgt nun direkt das Bikonditional im Definitionsvorschlag (187). 3.2.2 Unterschiede Sowohl zu (186) als auch insbesondere zu (187) gibt es in der Literatur eine Reihe von Varianten, die jedoch unter Voraussetzung des Konservativitätsuniversales (s. Artikel 21) mit (186) bzw. (187) extensional äquivalent sind; insofern bringen sie nichts substanziell Neues und wir können sie hier ignorieren. Dagegen sind die beiden Definitionsvorschläge (186) und (187) nicht nur hinsichtlich ihrer intuitiven H erkunft verschieden, sondern auch extensional keineswegs äquivalent — selbst dann nicht, wenn man nur solche hypothetischen Determinatoren berücksichtigt, die allen bekannten Determinatoruniversalien genügen. Ein Unterschied zeigt sich z. B. hinsichtlich gewisser pathologischer komplexer DETs: Null oder mehr ist schwach2, aber nicht schwach1, was einen dazu bewegen könnte, sich zugunsten von (187) zu entscheiden, da ja nach den üblichen Tests null oder mehr auf derselben Liste wie nicht-triviale Numeralia landet. Dabei ist aber zu bedenken, daß auch jedes oder nicht jedes schwach2 ist; für triviale komplexe DETs taugen also beide Definitionen gleich wenig. Ein weiterer Unterschied betrifft die Einstufung des Russellschen bestimmten Artikels. Dieser ist schwach1 (weil für beliebige k, g, i und a ∈ E gilt: E ∈
22. Artikel und Definitheit
⟦das⟧k,g,i({a}) und E ∉ ⟦das⟧k,g,i(ø).) Er ist aber nicht schwach2 (da {a} ∈ ⟦das⟧k,g,i({a}) nicht {a} ∈ ⟦das⟧k,g,i (E) garantiert). Ob dies für die Bewertung der Definitionsvorschläge relevant ist, hängt natürlich davon ab, wie man zur Russellschen Analyse steht (und umgekehrt). Auf einen dritten Unterschied schließlich weisen Barwise & Cooper selbst hin. Sie entscheiden sich nämlich für die Definition (186) und gegen (187) und liefern dafür folgende Begründung: Die Determinatoren viele und wenige haben intuitive Anwendungsbedingungen, in denen sowohl der absolute Umfang des Durchschnitts X n Y als auch der relative Umfang von X n Y im Vergleich zu X eine Rolle spielen zu scheinen. Konkret gesagt, zu den Wahrheitsbedingungen von (197) gehört zweierlei. (197) Viele Studenten bekamen eine Eins. Erstens muß die A nzahl der Studenten, die Einsen bekamen, „groß“ sein. Wie groß genau, hängt dabei vom Äußerungskontext k ab; nehmen wir einmal an, der Schwellenwert in unserem k ist nk. Zweitens muß der Prozentsatz der Einserstudenten in der Gesamtheit der Studenten „groß“ sein. Auch hier bestimmt wieder k, wie groß, sagen wir einmal ≥ mk%. Die Deutung von viele ist also (198). (198) ⟦viele⟧k,g,i(X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y ≥ nk und X ⋂ Y ≥ mk% X}. Wenn diese semantische Analyse korrekt ist, ist viele nicht schwach2. (Beweisidee: Wähle X und Y so, daß X ⋂ Y fast so groß wie X, aber winzig im Vergleich zu E ist.) Dabei ist viele aber schwach1, da z. B. E ∈ ⟦viele⟧k,g, (E), während E ∉ ⟦viele⟧k,g,i(ø) (angenommen, daß nk > 0 und E > nk). Analog läßt sich bei wenige argumentieren. Insofern als diese DETs nach distributionellen Kriterien schwach zu sein scheinen, spricht das für die Definition (186) und gegen (187). Dieses Argument ist freilich nicht unangreifbar. Man kann anzweifeln, daß die Proportionsbedingung X ⋂ Y ≥ mk% X wirklich in dieser Form zur Deutung von viele gehört. Was spricht letztlich gegen die einfachere Deutungsregel (199)? (199) ⟦viele⟧k,g,i(X) = {Y ∈ (E): X ⋂ Y ≥ nk}. nk ist eine vom Äußerungskontext gelieferte Richtzahl, und es ist nicht von vorneherein klar, was alles für Faktoren zu ihrer Bestim-
531
mung beitragen. Insbesondere ist nicht unplausibel, daß einer dieser Faktoren der Umfang von in der unmittelbaren linguistischen Umgebung von viele erwähnten Mengen ist: ceteris paribus treibt die Erwähnung großen Mengen nk in die H öhe, während die Erwähnung kleiner Mengen nk herunterdrückt. Es wäre dann also nicht verwunderlich, daß nk bei einer Äußerung des Satzes (197) desto höher zu liegen tendiert, je größer die Menge der Studenten ist. Der proportionale Effekt schliche sich da sozusagen durch die H intertür der Kontextabhängigkeit ein. Dieses Thema ist offenbar eng verwandt mit einem aus der Adjektivsemantik geläufigen, nämlich mit der Frage, ob Adjektive wie groß durchschnittsbildend sind (s. Artikel 31), und ist sinnvoll wohl nur in diesem allgemeineren Zusammenhang weiterzudiskutieren. 3.2.3 Gemeinsamkeiten Sowohl (186) als auch (187) implizieren, daß bei der Explikation der stark-schwach-Unterscheidung nicht ganz von Fragen des inneren Aufbaus von NPs abstrahiert werden kann. Gäbe es eine Eigenschaft, die den Bedeutungen aller schwachen NPs, und nur diesen, gemeinsam wäre, so wäre das möglich gewesen. Die Begriffe „schwache NP“ und „starke NP“ könnten dann direkt mit Bezug auf diese Eigenschaft definiert werden, und ob eine gegebene NP diese Definitionen erfüllt, bliebe unberührt davon, wie ihre Bedeutung kompositional aufgebaut wird. Nun haben wir aber bereits gesehen, daß Schwachheit keine Eigenschaft der NP-Bedeutung als ganzer sein kann (jedenfalls nicht, wenn man einen Begriff definieren will, der sich zur Beschreibung der eingangs genannten distributionellen Regularitäten eignet). Vielmehr läßt sich „schwache NP“ offenbar nur auf dem Umweg über „schwacher DET“ definieren; erst indem man den Determinator für sich betrachtet, kann man ein semantisches Kriterium für Schwachheit angeben. Deshalb ist es potenziell ausschlaggebend, wie man eine gegebene NP in DET und Prädikat aufspaltet. Bei die meisten A merikaner ist es z. B. üblich, die meisten als den Determinator zu identifizieren, und so stufen die gängigen Definitionen diese NP als stark ein. Die Existenz der (soweit auf Anhieb ersichtlich) bedeutungsgleichen NP eine Mehrheit von A merikanern jedoch bringt ans Licht, daß es zumindest theoretisch auch denkbar wäre, die meisten A merikaner mit einer anderen logischen Struktur zu versehen, in der der Determinator schwach wäre.
532
Eine Gruppe von Beispielen, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist, bilden die partitiven NPs mit schwachen DETs, also z. B. zwei von euch. Es ist gelegentlich behauptet worden (z. B. von Milsark 1977), daß diese NPs unter distributionellen Gesichtspunkten stark sind. (Dies ist im Fall der therebe-Konstruktion bestritten worden, aber sehen wir davon im Moment einmal ab.) Unter einer naheliegenden syntaktisch-semantischen Analyse besteht zwei von euch aus dem DET zwei und der Appellativphrase von euch. Wenn das stimmt, ist zwei von euch aber gemäß unseren Definitionen schwach. Will man es als stark eingestuft haben, so muß man eine andere Analyse wählen, etwa eine, wo euch in einen abstrakten bestimmten Artikel DEN und ein Prädikat aufgespalten ist, und wo zwei von DEN als der DET der NP zwei von euch zählt. (Über die genaue Deutung von zwei von den und den Nachweis, daß es unter dieser Deutung weder schwach1 noch schwach2 ist, gehen wir hier aus Platzgründen hinweg.) Die Suche nach der besten Definition für den Schwachheitsbegriff kann also nicht unabhängig von der Erforschung der inneren Struktur von NPs vorangetrieben werden. Die Definitionsvorschläge (186) und (187) machen beide eine stillschweigende Voraussetzung, die im Lichte der zeitgenössischen Pluralforschung recht fragwürdig ist, nämlich, daß es sich bei ein, kein, den Numeralia, wenig, viel usw. tatsächlich um Determinatoren handelt, d. h. um Ausdrücke des logischen Typs, der Mengen auf Mengen von Mengen abbildet (siehe 3.1). Wie wir schon in 2.3.1 angedeutet haben, gibt es eine alternative Sichtweise, unter der z. B. die NP zwei Hunde wie folgt interpretiert wird: Zunächst wird das Prädikat zwei Hunde gebildet, dessen Extension eine Teilmenge von E ist, nämlich die Menge aller Paare von H unden. Auf dieses wird dann der morphologisch unrealisierte Existenzquantor angewandt, und so ergibt sich die übliche Extension in ((E)) für die DET-NP zwei Hunde. Analog läßt sich auch mit vagen Quantitätswörtern wie einige und viele verfahren. Bei den monoton fallenden Quantitätswörtern wie kein, wenig und höchstens zwei ist die Sache allerdings ein bißchen komplizierter. Will man hier einen Quantor abspalten, so muß dies ein negierter Existenzquantor sein. M. a. W., es gibt z. B. kein Quantitätsadjektiv a, für das wenig ζ mit ∃ [α ζ] äquivalent wäre. Man müßte hier vielmehr eine Analyse der Form ﹁ ∃ [α ζ] ansetzen,
VII. Semantik der Funktionswörter
wobei a dasselbe wie viel bedeutet. Wie dem auch sei, nehmen wir einmal an, eine solche Aufspaltung in echten Determinator und Quantitätsadjektiv ist für mindestens einige (und vielleicht sogar alle) Mitglieder der schwachen Liste angezeigt. Was für Konsequenzen hätte das für das Forschungsunternehmen, über das wir in diesem Abschnitt berichtet haben? H insichtlich der empirischen Voraussagen der vorliegenden Definitionen hätte es anscheinend keine Folgen. Ob man nun etwa wenig als unanalysierten DET nimmt oder daraus den echten DET ﹁ ∃ abspaltet und den Rest zum Prädikat schlägt — man hat es so oder so mit einem schwachen DET zu tun. Es ergibt sich aber eventuell ein forschungspraktischer Unterschied: Wenn sich Dekompositionen der Form (﹁)∃ + Quantitätsprädikat tatsächlich für alle NPs der schwachen Liste als korrekt bewähren, dann wird die Aufgabe, den Schwachheitsbegriff zu definieren, ziemlich trivial. Es gibt dann nämlich in der natürlichen Sprache genau zwei schwache DETs, nämlich ∃ und ﹁ ∃ (wobei man letzteren unter der Annahme geringfügig abstrakterer logischer Formen vielleicht auch noch eliminieren kann). Doch bis es soweit kommt, muß noch viel linguistische Arbeit geleistet werden, denn die Forschungen zur internen semantischen Struktur der NP stecken wohl erst in den Kinderschuhen. Zum Abschluß wollen wir noch kurz darauf eingehen, inwieweit in (186) und (187) eigentlich dieselbe Unterscheidung definiert wird, die Milsark bei seinem ursprünglichen Gebrauch der Terminologie „stark/schwach“ im Sinn zu haben schien. Auf den ersten Blick besteht hier eine Diskrepanz: Wesentlich bei Milsark ist nämlich, daß die Determinatoren ein, kein, viele, wenige (und möglicherweise sämtliche Mitglieder der schwachen Liste) seiner Meinung nach zweideutig sind und neben einer schwachen auch eine starke Lesart besitzen. Die Unterscheidung zwischen diesen zwei Lesarten wird durch Beispiele und ein paar heuristische Tests eingeführt. Grob gesagt soll eine starke Lesart genau dann vorliegen, wenn eine partitive oder generische Paraphrase natürlich ist: (200) Ich habe diesmal eine gute Klasse. Drei Studenten haben schon etwas veröffentlicht. Paraphrase: Drei von den Studenten ... (201) Viele Amerikaner sind abergläubisch. Paraphrase: Amerikaner sind vielfach abergläubisch.
22. Artikel und Definitheit
Milsarks schwache Lesart ist dagegen nicht so paraphrasierbar: (202) Unter dem Balkon hängen einige Wespennester. ≠ ... einige von den Wespennestern. ≠ Wespennester hängen mitunter unter dem Balkon. (mit neutraler Endbetonung und nicht-temporaler Lesart für mitunter) Soweit die (oben so genannten) starken Determinatoren betroffen sind, stimmt Milsarks Terminologie mit der oben verwendeten überein: Diese DETs sind für ihn unzweideutig stark. Seine Terminologie ist dabei insofern natürlich, als starke DETs wie jedes, die meisten stets die partitiven oder generischen Paraphrasen erlauben, die für die starken Lesarten sonst schwacher DETs charakteristisch sind. (Diese Behauptung scheint oberflächlich nicht ganz zu stimmen, was das deutsche die meisten anbelangt. Dieses besitzt im Gegensatz etwa zum englischen most eine zusätzliche Lesart, die wir bisher vernachlässigt haben. Wir meinen hier die Lesart, in der Hans kennt die meisten Linguisten bedeutet, daß H ans mehr Linguisten kennt als jeder andere. Dies kann wahr sein, ohne daß er eine Mehrheit der Linguisten kennt. In dieser Lesart ist die meisten schwach — aber nicht nur nach Milsarks Kriterien, sondern auch nach den gängigen formalen Definitionen. Unsere allgemeinen Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Milsarks Begriffen und den oben definierten sind deshalb von dieser Beobachtung nicht tangiert.) Milsarks Schwachheitsbegriff scheint also enger zu sein als der, von dem hier bisher die Rede war. Ob das wirklich so ist, kann man jedoch erst entscheiden, wenn eine präzise Analyse der starken Lesart sonst schwacher DETs vorliegt. Im Moment ist aber ziemlich unklar, wie so eine Analyse auszusehen hätte. Das H auptproblem liegt darin, die Fälle in den Griff zu bekommen, bei denen generische Paraphrasen natürlich sind. Wenn wir uns auf die Beispiele mit partitiven Paraphrasen beschränken, haben wir es etwas einfacher. Eine simple Auslegung von Milsark wäre hier, daß zwei, viele usw. in jeweils einer Lesart äquivalent mit zwei von den, viele von den usw. zu deuten sind. Wie wir schon oben (ohne Nachweis) bemerkt haben, sind diese Paraphrasen unter den vorliegenden formalen Definitionen nicht schwach. Bei näherem H insehen könnten diese Definitionen hier also doch mit Milsarks Intentionen übereinstimmen. Unabhän-
533
gig von dieser Überlegung und durch unsere Bemerkungen hier nicht präjudiziert ist dabei natürlich die Frage, ob es solche Lesarten wirklich gibt, und wenn ja, ob es wünschenswert ist, sie als stark zu klassifizieren. Um dies zu klären, müßten wir wiederum ernsthaft in die Beschreibung und Erklärung der Daten eindringen, derentwegen eine Präzisierung der stark/schwach-Unterscheidung überhaupt für Linguisten interessant ist.
4.
Quellenangaben und Literaturempfehlungen
Die Russellsche Deutung des bestimmten Artikels stammt aus Russell (1905), wo sich auch Versionen der Argumente in 1.1.3 finden. Strawson (1950) vertritt etwas ähnliches wie die direkt referentielle Deutung in 1.1.2; wo die Ähnlichkeiten und Unterschiede liegen, arbeitet Soames (1988) genauer heraus. Unsere Formulierung in (6) setzt die Unterscheidung zwischen Äußerungs- und Auswertungssituation voraus, für die z. B. Stalnaker (1970) und Kaplan (1977) argumentieren (s. Artikel 9). Zu den in 1.1.3 angesprochenen Problemen mit Identitäts- und Existenzsätzen gibt es eine umfangreiche philosophische Literatur, z. B. Donnellan (1974), Stalnaker (1978), Salmon (1986) (s. Artikel 9). Die Fregesche Deutung (47) in 1.2.3 haben wir nach Frege (1892) benannt. Dabei müssen wir hier offenlassen, was bei der Übertragung in unseren moderneren Begriffsapparat von Freges Einsichten eventuell verlorengegangen oder zu ihnen hinzugekommen ist. Die Quellen für die Ausführungen zur Präsuppositionstheorie in 1.2 sind zu zahlreich, um sie hier vollständig aufzuführen (s. Artikel 13); stellvertretend genannt seien Gazdar (1979), Karttunen & Peters (1979), Soames (1988), Stechow (1981) und Link (1986). Es gibt auch kritische Stimmen, die hier nicht zu Wort gekommen sind. Boër & Lycan (1976) beispielsweise glauben nicht an die Existenz semantischer Präsuppositionen und argumentieren insbesondere, daß die Daten, mit denen wir die Fregesche Deutung des bestimmten Artikels motiviert haben, mit H ilfe allgemeiner pragmatischer Prinzipien auch unter der Russellschen Deutung erfaßbar sind. In 1.3.1 stützen wir uns auf Donnellan (1966), Kripke (1977), Stalnaker (1970) und Kaplan (1978). Letzterer beschränkt sich allerdings darauf, eine mögliche Präzisierung von Donnellans Unterscheidung bereitzustel-
534
len. Er behauptet nicht, daß die von ihm präzisierte Unterscheidung tatsächlich für die korrekte Analyse von Donnellans Beispielen angemessen ist, noch geht er darauf ein, ob sie überhaupt in der Semantik natürlichsprachlicher NPs mit bestimmtem Artikel gebraucht wird. Stalnaker dagegen läßt sich auf solche empirischen Fragen ein und argumentiert explizit für eine referentiell/attributivMehrdeutigkeit in englischen Sätzen mit theNPs. In diesem Zusammenhang skizziert er (wenn auch sehr knapp) die in 1.3.2 referierten Argumente. Zu 1.3.3 vergleiche Enç (1982, 1986), wo allerdings keineswegs die hier angedeutete Analyse vertreten wird. Die deiktischen und anaphorischen Aspekte des bestimmten Artikels (Abschnitt 1.4) fanden lange Zeit vorwiegend in Arbeiten außerhalb der Wahrheitsbedingungensemantik Beachtung; siehe z. B. H awkins (1978). Dies gilt aber nicht mehr für die neuere Literatur (z. B. H eim 1982, Kadmon 1987, Löbner 1985a, H intikka & Kulas 1985). Unsere Diskussion in 1.4.1 bewegt sich im Rahmen sprachphilosophischer Arbeiten zur Kontexttheorie; vgl. besonders Kratzer (1978) und Lewis (1979d). Letzterer äußert sich auch speziell zur Kontextabhängigkeit des bestimmten Artikels und vertritt eine Behandlung, die von der hier empfohlenen abweicht. Mit dem Problem, das Sätze wie (86)—(88) in 1.4.2 aufwerfen, befassen sich u. a. Kempson (1984) und Partee (1984a). Insgesamt berührt sich die Thematik von Abschnitt 1.4 eng mit der in den Artikeln 10, 23 und 24. 1.5.1 stützt sich im wesentlichen auf Artikel 19 und dort genannte Arbeiten. Siehe auch H awkins’ (1978) (nicht-formalen) Vorschlag, die klassische Einzigkeitsbedingung zu einer „inclusiveness“-Bedingung zu verallgemeinern. Die hier verworfene Idee, den bestimmten Artikel als Universalquantor zu deuten, findet sich z. B. bei Chomsky (1975). — Die Beispiele in 1.5.2 zur Distribution des bestimmten Artikels bei Eigennamen und generischen NPs stammen hauptsächlich aus der Duden-Grammatik (1965). — Zu den generischen Lesarten (1.5.3) siehe u. a Carlson (1978) und Krifka & Gerstner (1987). Viele interessante Fragen zum bestimmten Artikel haben wir in diesem H andbuch-Artikel ausgespart. Besonders zu erwähnen sind hier Studien über Sprachen mit mehr als einem bestimmten Artikel (Ebert 1971) und Vergleiche zwischen bestimmtem Artikel und Demonstrativdeterminator H( awkins 1978, Maclaran 1982).
VII. Semantik der Funktionswörter
Die Argumente in 2.1.1 für die ∃-Deutung des unbestimmten Artikels finden sich in Russell (1919); vgl. auch Kaplan (1970). Zu 2.1.2 vgl. Artikel 14 bzw. die dort zitierten Arbeiten von H orn und Gazdar, aber auch Löbner (1985b). 2.1.3 ist im wesentlichen eine Auseinandersetzung mit der These von H awkins (1978), daß der unbestimmte Artikel sich vom bestimmten in erster Linie durch eine „exclusiveness“-Bedingung unterscheide. Ein repräsentatives Beispiel für die Verwendung des Merkmals [± spezifisch] in der generativen Grammatik der 60er Jahre (Abschnitt 2.2.1) ist Stockwell, Schachter & Partee (1973a). Karttunen (1976) (geschrieben 1969) plädiert als einer der ersten dafür, dieses Merkmal zugunsten einer Skopusanalyse abzuschaffen. Schon Partee (1970) sieht die spezifische Lesart von Indefinita als analog zu Donnellans referentieller Lesart von Definita, aber explizit gemacht ist diese Analogie erst bei Fodor & Sag (1982). Dort finden sich die Deutung (133) in 2.2.2 und die Argumentation, die wir in 2.2.4 auf ein deutsches Beispiel übertragen haben. Anaphoraargumente wie in 2.2.3 bringen u. a. Strawson (1952) und Chastain (1975), kritische Entgegnungen dazu Evans (1977), Kripke (1977) und Lewis (1979a). Auch die Skopusargumente von Fodor & Sag sind angegriffen worden, besonders von Rooth & Partee (1982) und Ludlow & Neale (1987). Zur Deutung von Numeralia und der Möglichkeit, ein als Numerale zu behandeln, wäre neben den in Artikel 19 genannten Arbeiten insbesondere Artikel 18 zu konsultieren. Zur Problematik der generischen Lesarten siehe wiederum Carlson (1978) und Krifka & Gerstner (1987); daneben hier Lewis (1975a), Heim (1982) und Kamp (1981a). Die wichtigste Quelle für Abschnitt 3 ist Barwise & Cooper (1981), Artikel 21 ist unmittelbar relevant. Zur in 3.1 erwähnten Partitivbeschränkung vgl. Jackendoff (1977) und Ladusaw (1982). Zum Vergleich zwischen der Definitheitsdefinition (173) mit Barwise & Coopers Vorschlag, insbesondere hinsichtlich der Behandlung des Plurals, siehe auch Link (1987d) und Löbner (1987b). Die stark/ schwach-Unterscheidung in 3.2 stammt von Milsark (1977); siehe auch Safir (1985) und diverse Kapitel in Reuland & ter Meulen (1987) für einen Überblick des deskriptiven Anwendungsbereichs dieser Unterscheidung. Kritik und Alternativen zur formalen Definition von Barwise & Cooper finden sich z. B. bei Doron (1986) und Keenan (1987a). Im
23. Pronouns
Zusammenhang mit der Vagheit von viele ist insbesondere Kamp (1975) relevant. Einer gründlichen Diskussion des Verhaltens von viele und wenige hinsichtlich der stark/ schwach-Unterscheidung ist Partee (1988) gewidmet. Motivation für die Behandlung schwacher Determinatoren als Quantitätsprädikate findet sich in Artikel 19 und dort zitierter Literatur; Stechow (1981a) weist darauf hin, daß dies das Inventar an echten quantifizierenden Determinatoren drastisch verkleinert. Die schwache Lesart von die meisten analysiert Szabolcsi (1986). Zu Milsarks These, daß viele Determinatoren eine stark/ schwach-Ambiguität aufweisen, siehe auch Löbner (1987b).
5.
Literatur (in Kurzform)
Barwise/Cooper 1981 · Boër/Lycan 1976 · Carlson 1978 · Chastain 1975 · Chomsky 1975 · de Jong 1987 · Donnellan 1966 · Donnellan 1974 · Doron
535
1986 · Duden Grammatik 1965 · Ebert 1971 · Enç 1982 · Enç 1986 · Evans 1977 · Fodor/Sag 1982 · Frege 1892 · Gazdar 1979 · H awkins 1978 · H eim 1982 · H intikka/Kulas 1985 · Jackendoff 1977 · Kadmon 1987 · Kamp 1975 · Kamp 1981a · Kaplan 1970 · Kaplan 1977 · Kaplan 1978 · Karttunen 1976 · Karttunen/Peters 1979 · Keenan 1987a · Kempson 1984 · Kratzer 1978 · Krifka/Gerstner 1987 · Kripke 1977 · Ladusaw 1982 · Lewis 1975a · Lewis 1979a · Link 1986 · Link 1987d · Löbner 1985a · Löbner 1985b · Löbner 1987b · Ludlow/ Neale 1987 · Maclaran 1982 · Milsark 1977 · Partee 1970 · Partee 1984a · Partee 1988 · Reuland/ter Meulen (eds.) 1987 · Rooth/Partee 1982 · Russell 1905 · Russell 1919 · Safir 1985 · Salmon 1986 · Soames 1988 · Stalnaker 1970 · Stalnaker 1978 · von Stechow 1980 · von Stechow 1981a · Stockwell/Schachter/Partee 1973a · Strawson 1950 · Strawson 1952 · Szabolcsi 1986
Irene Heim, M. I. T., Cambridge, Massachusetts (USA)
23. Pronouns 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 4. 5. 6.
1.
Types of Pronouns and Anaphoric Relations Structural Relations and Restrictions The General Structural Restriction Restrictions on the Different Anaphoric Types Bound-Variable Interpretation Quantified-NP Anaphora Bound-Variable Anaphora With Definite Antecedents The Interpretative Procedures Pragmatic Coreference With Pronouns Semantic Approaches to Anaphora Short Bibliography
Types of Pronouns and Anaphoric Relations
Third person pronouns have two basic uses, or interpretations, which are illustrated in (1) and (2): (1) a. He is very original. b. Felix1 is convinced that he1 is very original. (2) Every writer1 is convinced that he1 is very original. (3) Every x (writer (x)) (x is convinced that x is very original). In the first case the pronoun is used to refer to some person or object in the world. Its
reference can be construed either from the situation (e. g., by pointing at someone while uttering (1a)), or from the linguistic context. If the latter option is chosen, e. g. in (1b), the pronoun is coreferential with some other NP (Felix). Nevertheless, its interpretation is essentially the same as in the case of (1a) — a fixed referential value is assigned to the pronoun, and we will refer to this assignment as the referential interpretation of pronouns. Anaphora, under the referential interpretation will be labelled pragmatic, or referential coreference. The interpretation of the pronoun in (2) is quite different: H ere it does not have a fixed value, but its value depends on the choice of value for the antecedent. (2) is interpreted as in (3), where the pronoun is bound by the quantifier every, and we will refer to this as the bound-variable interpretation of pronouns. In section 3.2 we will see that this interpretation is not restricted to the case of quantified antecedents. Unlike pragmatic coreference, bound-variable anaphora is strictly a sentence-level phenomena; it is impossible across sentences, as illustrated in (4), and its distribution intra-sententially is severely restricted, as we shall see. (4) *Lucy invited each officer1 to the party and Felix kissed him1.
VII. Semantik der Funktionswörter
536
Evans (1980) argues for the existence of a third type of pronoun interpretation labelled E-type, under which the pronoun is taken to refer to the object(s) which satisfy the clause containing a quantified NP, as e. g. in (5): (5) Lucy owns some cats1 and they1 are so cute. Anaphora of this type is possible across sentences, as in this example. Although we will not discuss such cases here, we should note that E-type pronouns are best analyzed as set-pronouns, i. e. as pronouns referring to sets (or to each of their members, in the distributive interpretation). In (5), the pronoun, then, refers to (each member of) a set of more than one cat which Lucy owns. As such, this pronoun interpretation is a subcase of the referential interpretation, since the value of the set is established in the discourse. In other instances, set-pronouns can also be bound intra-sententially. (The details of this analysis are given in Reinhart 1986.) We should note that (non-reflexive) pronouns are the only anaphoric elements in English, German and many other languages, which allow for referential interpretation. Other anaphoric elements include reflexive and reciprocal pronouns (hereafter R-pronouns), as in (6), and empty nodes, such as the wh-trace of (7) or the PRO of (8). (6) a. Lucy bores herself. b. Diplomats seek each other’s company. (7) Which dragon1 did you encounter e1? (8) Felix1 promised Lucy PRO1 to be on time. (9) a. *Felix bores herself. b. *Each other vanished. (10) *Did you encounter e? Such anaphoric elements must have an antecedent within the sentence, and in none of the cases of (6)—(8) can they select a discoursevalue as reference. This is witnessed by the fact that when they occur with no antecedent, as in (9)—(10), the sentences are uninterpretable, in contrast, e. g. to (1a). As we shall see in section 3.3, the obligatory anaphors of this type are interpreted as bound variables, regardless of the semantic interpretation of the antecedent. H istorically, anaphora studies were motivated by the problems of pragmatic coreference. Thus, the earliest attempt to define structural restrictions on anaphora, that of Langacker (1966), considered only this type.
This was also the central issue in latter works such as Lasnik (1976) and Reinhart (1976), and has been incorporated, as such, into the binding theory of the government and binding (GB) framework of Chomsky (1981), (1982). H owever, it is easy to observe that, in fact, pragmatic coreference is the exceptional case of anaphora: while all anaphoric elements allow the bound-variable interpretation, only pronouns allow, in addition, for pragmatic coreference. I will therefore focus, first, on the conditions for the bound-variable interpretation, returning to pragmatic coreference in section 4. Before that, however, we shall view the surface structure (SS) conditions which restrict all types of anaphoric elements.
2.
Structural Relations and Restrictions
As is well known, the anaphoric interpretation of pronouns and other anaphoric elements, intrasententially, is not free, but it is restricted by syntactic properties of the sentence. While semantic analyses of the anaphora restrictions have been proposed, such analyses are stated, as we shall see in section 5., at a level of logical syntax, i. e. the function-argument representations to which they apply reflect the structural properties of surface structure. The semantic and the syntactic approaches are, therefore, essentially equivalent, and it is crucial to identify the structural conditions which underlie, in effect, both approaches. These structural conditions fall into two types: First, there is a general structural relation that all anaphoric elements must bear to their antecedent; next, the different types of anaphoric elements have different distributions, i. e. they select different sub-domains of the general syntactic domains allowing anaphora. 2.1 The General Structural Restriction Much of the study of anaphora, and semantic interpretation of SS in general, has concentrated on identifying the general structural relation restricting it. This is a central issue in linguistic theory, since more generally, it determines the domains in which linguistic rules can apply. The syntactic relations proposed in the earlier generative work as relevant for the operation of interpretative rules (or transformations like ‘pronominalization’ in early stages) include ‘command’, ‘in con-
23. Pronouns
struction with’, ‘superiority’, ‘clause mate’ and the linear relation ‘precede’. The relation found most useful at this stage was ‘precede and command’ which was introduced in Langacker (1966) to handle ‘pronominalization’ and was later applied to the analysis of the scope of negation in Ross (1967) and to quantifier scope, in Jackendoff (1972). (For a survey of these relations, see Reinhart 1983.) H owever, in recent years the prevailing assumption has been that the relevant structural relation is c-command, of Reinhart (1976), which is similar to Klima’s (1964) ‘in construction with’. We will assume here the more recent definition of this relation in (11), which was proposed by Aoun and Sportiche (1981): (11) A node α c-commands β iff the first maximal projection dominating α also dominates β. (12) a. The mayor thanked every actress1 on her1 birthday for her1 wonderful performance, according to her5.
The crucial node defining a domain here is the maximal projection, which is the node with maximal bars of a given category type. E. g. the maximal projection of the V category is V″. To illustrate the definition, consider tree (12b). The subject c-commands all other nodes in the sentence: The first category dominating it is S, which dominates also all other nodes. The domain of the object every actress is the whole topmost VP (i. e. V″), which is the maximal projection of the category (V′) dominating it. Thus, every actress c-commands both the pronoun in PP1 and in PP2. The pronoun in the PPs, on the other hand, c-commands nothing outside the PP, which is its first dominating maximal projection. Note that the object every actress does not c-com-
537
mand the topmost PP3, which is dominated by S, rather than by VP. The relation c-command is incorporated into the anaphora theory of the GB framework (Chomsky 1981, 1982) via the definition of syntactic binding in (13). (13) An NP is bound if it is coindexed with a c-commanding NP. I will assume in the discussion the general GB approach, although obviously, the same generalizations can be captured also in different approaches. In this framework, all NP’s are base generated with an index, which is then left on the trace if an NP is moved. Since the indexing is free, NP’s may also be generated coindexed. H owever, only the coindexing under c-command is defined as binding by (13). E. g. in tree (12b) the pronouns with the index 1 (her1) are bound by every actress. As we shall see in more detail in section 3, the condition on all bound-variable anaphora is that
the antecedent must bind the pronoun syntactically at SS. Although this is not explicitly stated in the current GB theory, this means that the syntactic relation of binding has a unique interpretation as semantic variablebinding. 2.2 Restrictions on the Different Anaphoric Types Although in all kinds of bound-variable anaphora the anaphoric element must be bound, this is not yet a sufficient condition for binding, since different anaphoric elements impose different restrictions. E. g. in (14), the R-pronoun is bound, given (13), but anaphora is not permitted.
VII. Semantik der Funktionswörter
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(14) *Lucy1 believes that herself1 is quite amusing. (15) *Max adores herself. (16) a. Lucy1 believes herself1 to be amusing. b. Lucy adores herself. (17) a. *Lucy1 believes her1 to be amusing. b. *Lucy1 adores her1. This is so because R-pronouns have narrower distribution than pronouns, which was captured in the early work by the requirement that it be clause-mate with its antecedent. In fact the distribution of pronouns and R-pronoun is complementary (as observed in Chomsky 1973): In the environments allowing R-pronouns, such as (16) pronouns cannot be anaphoric, as witnessed by (17). To specify the sub-domain of binding which allows R-pronouns, we will follow Chomsky’s (1981) analysis: In this framework, the governor of a given node α is, intuitively, the node which assigns case to a, and it can be, e. g., N, V, INFL or P. (This is a broader notion which is defined independently of case, but the details are not crucial for our purpose.) The governing category of α (GC) is any S or NP node containing both α and the governor of a. The distribution of the two types of pronouns is then restricted by the two conditions stated in (18). (In this framework, R-pronouns are viewed as included in the set labelled anaphors, which include also NP traces.) (18) Chomsky’s (1981) binding conditions: A. Anaphors (R-pronouns) must be bound in their GC. B. Pronominals must be free (i. e. unbound) in their GC. In (14) the governor of herself is the INFL of the embedded S, so this S is the GC, and, though herself is bound, its antecedent is not in its GC. In (16a), on the other hand, the governor is the verb believes, so the GC is the higher S which contains, properly, the binder of the R-pronoun. Condition A filters out as ungrammatical both (14) and (15), where the R-pronoun has no antecedent at all. It captures, thus, the fact that R-pronouns, unlike pronouns, are obligatory anaphors that cannot be interpreted referentially, if they lack an antecedent. Condition B captures the complementary distribution of the two types of pronouns. The distribution of empty anaphoric elements is also distinct from that of pronouns. At least in English and German, the distribution of the two is, again, complementary. In the GB framework several types of empty
categories are assumed, including, e. g. NP traces (in passive constructions) which have the same distribution as R-pronouns. H owever, empty nodes bound by wh-constituents deserve special attention. While, as all anaphors, they must be c-commanded by their wh-antecedent, as witnessed by the inappropriateness of (19c), they can only be bound by a node in COMP (i. e. in an Ā (non-A) position), as in (19b), but not, e. g. in (20). (19) a. Felix realized [s he is a failure] after whose remark. b. After whose remark1 did Felix realize [s he is a failure] e1. c. *Felix realized [s [after whose remark]1 he is a failure] e1. (20) *Which man told which woman1 that Felix loves e1? (21) *Which diplomat1 do you despise him1? This distribution is guaranteed, within GB by independent considerations which we shall not view here. H owever, it is important to notice that in many languages, the environments which allow empty anaphors to be whbound do not allow pronouns, as in (21), (though other languages exist which allow resumptive pronouns). We may conclude, then, that the various anaphoric elements vary with respect to the position allowed for their binding antecedent: The obligatory anaphors — R-pronouns and empty nodes — have their antecedent either in their GC or in COMP. The optional anaphors, i. e. pronouns, are in complementary distribution: they cannot be bound in their GC or by a node in COMP. This, in fact, does not seem arbitrary. The generalization which emerges is that if a language has the means to express anaphora with obligatory anaphors, it does not use, in the same environment, the less committal optional-form to express anaphora.
3.
Bound-Variable Interpretation
3.1 Quantified-NP Anaphora Let us illustrate, first, the claim of the previous section; that the bound-variable interpretation of pronouns is possible only if the antecedent syntactically binds (i. e. c-commands) the pronoun at SS. (22) a. No boyi brought hisi dog to the party. b. Whoi ti brought hisi dog to the party? c. Each of the southern planetsi was deserted by itsi residents.
23. Pronouns
d. In front of himieach participanti held a candle. (23) a. *Hisi dog accompanied no boyi to the party. b. *Whoi did hisi dog accompany ti to the party? c. *A party without every studenti is inconceivable to himi. d. *The rebellion against every tyranti destroyed himi. e. *According to everyonei hei is an unappreciated genius. f. *Which of hisi students did you permit every teacheri to praise t? In (22) a quantified NP may be interpreted as an operator binding the pronoun. In all these cases the quantified NP (QNP) c-commands the pronoun at SS. As long as this requirement is met, the linear order of pronoun and antecedent is irrevelant, and in (22d) the QNP binds a pronoun to its left, (assuming that the preposed PP adjoins to S, in which case it is still c-commanded by the subject). Note that in the case of wh-antecedent in (22b), the pronoun is bound, syntactically, by the trace, which, in turn, is bound by the wh-operator. In (23), by contrast, the QNP does not ccommand the pronoun, and bound-variable interpretation is, indeed excluded. Note that the crucial factor in determining anaphora options is c-command relations at SS, rather than at deep structure (DS), as can be witnessed by a comparison of (22e) and (23f). While in DS the QNP c-commands the pronoun in both cases, only in (22e), where this relation is preserved at SS, anaphora is permitted. Although the facts seem relatively clear, an issue which generated much theoretical debate is at which level of linguistic representation these facts are to be captured. One stand is that the anaphora restrictions apply only at SS (Reinhart 1976, 1983, H aik 1984). The other assumes it must apply at LF — ‘Logical Form’ (Chomsky 1976, H igginbotham 1980, Koopman & Sportiche 1981, Safir 1984). The major motivation for the second approach is that it is believed that in the case of pronouns, whether they are interpreted as bound variables or not, depends on the semantic interpretation of their antecedent: Only if it is interpreted as an operator, as in the case of QNP and wh-antecedents, can it bind a pronoun semantically. In all other cases pronouns are interpreted under the pragmatic-coreference interpretation. It turns out, furthermore, that the latter is re-
539
stricted in quite a different way — all the environments that blocked bound-variable interpretation in (23) allow pragmatic coreference, as illustrated in (24). On the other hand, it is also not the case that pragmatic coreference is completely free. It is not possible, generally, when the pronoun c-commands the antecedent, as in (25). (24) a. Hisi dog accompanies Christopheri everywhere. b. A party without Felixi is inconceivable to himi. c. The rebellion against Java the Huti destroyed himi. d. According to Winniei hei is the smartest kid in the world. (25) a. *Hei adores Christopheri’s dog. b. *Hei was destroyed by the rebellion against Java the Huti. c. *I informed himi that Winniei is not so smart. This, combined with the fact that, historically, it was the problem of the restrictions on pragmatic coreference with which the studies of anaphora were preoccupied, has led to the assumption that a major goal of the grammar is to allow the coindexing in (24) and to block it in (25), and the SS binding-conditions of the GB framework have been stated accordingly. (We return to the condition blocking anaphora in (25) in section 4.) H owever, if coindexing is permitted at SS in (24), it must be permitted also in (23), since at this level there are no syntactic differences between the two cases. Consequently, such cases of coindexing must be filtered out later by a different mechanism. It is a reasonable move, then, to assume that this filtering mechanism must apply at LF, since at this level quantified antecedents are structurally distinct from the others. This framework assumes the LF formation rule Quantifier Raising (QR), of May (1977), which adjoins a quantified NP to S, yielding for (26a) the representation (26b). At this level, quantified sentences then have the same structure as cases of wh-movement, like (27), and it is possible to state an anaphora restriction applying equally to both. (26) a. Every guesti brought hisi dog. b. Every guesti [s ei brought hisi dog]. (27) Which guesti [s ei brought hisi dog]? (28) a. *Hisi dog accompanied every guesti. b. *Every guesti [hisi dog accompanied ei].
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(29) *Whoi (did hisi dog accompany ei]? (30) a. *Who1 did your criticizing him1 destroy e1? b. Who1 did your criticizing e1 destroy e1? As for the actual mechanism allowing the translation of the pronoun as a bound variable in (26)—(27), while filtering out the coindexing in (28)—(29) as uninterpretable, there exist several proposals. The bijection principle of Koopman & Sportiche (1981) states that an operator can locally bind only one variable. Binding is used here in its syntactic sense, of the definition in (13), and α locally binds β iff there is no intervening node bound by a and binding β. In (26)—(27) the operator binds locally only its trace, since the coindexed pronoun is bound by the trace. In (28)—(29) neither the trace nor the pronoun bind the other, hence they are both locally bound by the operator in violation of the bijection principle. An alternative formulation of the restriction is Safir’s (1984) parallelism constraint which states that all nodes locally bound by an operator must be of the same anaphoric type. This formulation has the advantage of distinguishing the cases of (30). While in both cases the operator locally binds two anaphors, the ‘parasitic-gap’ case in (30b) is permitted. This is because both anaphors are empty nodes, while in (30a) one is a pronoun. In any case, we should note that in the case of QNP’s, both LF constraints are equivalent, empirically, to a constraint requiring that the antecedent binds the pronoun syntactically at SS, since precisely in these cases the pronoun will not be locally bound by the operator at LF (though they are not precisely equivalent in the case of wh-antecedents as we shall see directly). H owever, the fact that in the SS of (26) the pronoun is syntactically bound, while in (28) it is not, plays no role in this approach because of the theoretical assumptions we surveyed above. I will procede to present the alternative approach, arguing that the interpretation of anaphoric elements as bound variables is dependent solely on their surface-structure relation to their antecedent, i. e. that within the framework assumed here the relation of syntactic binding at SS is all we need to capture this interpretation. 3.2 Bound-Variable Anaphora With Definite Antecedents As we saw, the basic assumption of the LF
VII. Semantik der Funktionswörter
approach, as well as many other anaphora studies, has been that the interpretation of the pronoun as a bound-variable depends on the semantics of its antecedent. This assumption is, in fact, mistaken. The relevant facts indicating that bound variable interpretation of anaphora is not restricted to quantified antecedents have been around, in fact, for quite a while, and they are usually labelled sloppy identity phenomena following Ross (1969b). To see what is at issue here, let us consider the interpretation of (31). (31) Charlie Browni talks to hisi dog and my neighbor Max does too. (32) a. Pragmatic coreference interpretation: Max talks to Charlie’s dog. b. Bound variable interpretation: Max talks to Max’s dog. The interpretation of conjunctions like (31) requires the copying of the missing predicate from the first conjunct into the second. The coindexing in the first conjunct indicates that we are considering, at the moment, only the case where the pronoun is intended to corefer with Charlie Brown. Under this assumption we still arrive at the two interpretations in (32) for the second conjunct. The question is, then, what is the source of the ambiguity in the second conjunct, given the fact that the first conjunct seems unambiguous. The answer (given, e. g. by Keenan 1971a, Sag 1976, Williams 1977 and Partee 1978b) is that the first conjunct is, in fact, ambiguous. One interpretation is that of pragmatic coreference, under which a reference (Charlie Brown) is fixed for the pronoun in the first conjunct. Talking to Charlie’s dog is, then, the property which is copied into the second conjunct, yielding the interpretation (32a). The second interpretation, however, requires treating the pronoun as a bound variable. We need to assume that the first conjunct contains some open formula, x talks to x’s dog, which is satisfied by Charlie Brown in the first conjunct and by Max in the second. This interpretation is commonly obtained by deriving a λ predicate λx(x talks to x’s dog) (Sag 1976, Williams 1977). The predicate being copied, then, is that of talking to one’s own dog rather than of talking to Charlie’s dog. This interpretation (32b) is the one labelled ‘sloppy identity’. A more successful name for it is, of course, bound-variable interpretation, which indicates that the ‘identity’ at issue is not of reference (or value) but, rather, of variables. Arguments why this ambiguity cannot be captured by copying or deleting at SS are given in Bach & Partee (1980). They rest on
23. Pronouns
the fact that the pronoun-interpretation in ellipsis structures is more restricted than in their non-elliptic counterparts. E. g. the nonelliptic version in (34) allows all anaphora construals in (a)—(c). H owever, the elliptic (33) allows only the construals (a) and (b). (33) After Max insulted his wife Ben did too. (34) After Max insulted his wife Ben insulted his wife (too). a.Max Max b.Max Ben c.Ben Max If (33) was analyzed either as a SS deletion on (34), or as a SS copy of the predicate, prior to coindexing of the pronoun, there would be no way to exclude the interpretation (c). A surface-structure analysis will fail also to account for the cases we turn to directly in (40), where coreference is permitted but the ‘sloppy’ interpretation, is nevertheless impossible. What we have seen, then, is that definite NP’s may enter bound anaphora relations and that this interpretation of pronouns is, therefore, independent of the semantic status of the antecedent. The ambiguity of the first conjunct in (31) is not noticeable if the sentence occurs alone, since the two interpretations happen to be equivalent, under normal conditions. Possibly, this would explain why the bound anaphora interpretation of definite NP anaphora has been overlooked by the ‘mainstream’ of anaphora studies or perhaps dismissed as strictly a discourse phenomenon. It would be interesting, therefore, to observe that it is possible to find cases where the two interpretations are distinguishable independently of discourse deletion. When the quantifier only is involved, as in (35), the two interpretations differ in their truth conditions. (35) Only Winniei thinks hei is smart. (36) a. Nobody but Winnie thinks Winnie is smart. b. Nobody but Winnie thinks himself smart. Under the pragmatic interpretation, (35) entails (36a). Under the bound variable interpretation, it is thinking oneself to be smart (λx(x thinks x is smart)) which is attributed to Winnie only, i. e. (36b) is entailed. It is clearly possible for one interpretation to be false while the other is true. In other cases, the two interpretations yield different (pragmatic) presuppositions for the sentence:
541
(37) Even Linda is fed up with her husband. (38) a. Most people are fed up with Linda’s husband. b. Most women are fed up with their (own) husbands. Sentence (37) presupposes either (38a) or (38b). The presupposition in (38a) is derived from the pragmatic interpretation of the anaphora in (37), and (38b) is derived from its bound variable interpretation. Such examples show that the ambiguity of definite NP anaphora is independent of discourse deletion. Although this ambiguity may not be noted in isolation, once the appropriate context is supplied it becomes clear, and in section 4 we will observe a few more examples. H owever, the ellipsis context is the clearest case where the ambiguity always surfaces. Therefore, it is convenient to use such contexts as tests for whether a given anaphora case has the bound variable interpretation or not. Our next step will be to observe that the bound interpretation is possible precisely under the same structural conditions assumed for bound variable anaphora with quantified antecedents, namely, when the antecedent syntactically binds the pronoun at SS. The studies of sloppy identity concentrated only on one type of discourse context — that of VP ellipsis as in (31). To see the full range of this interpretation, we need to look at other types of discourse ellipsis, as in (39). (Such constructions usually allow several construals of the deleted part, and the one intended here is indicated in brackets.) (39) a. We asked Lindai to read heri paper and Lucy too (i. e. and we asked Lucy ... too). b. Christopher brought Winnii a nice jar of honey on hisi birthday and Felix too (i. e. and he brought one to Felix too). c. You could probably find Charliei in hisi room right now, but not Snoopy (i. e. but you could not find Snoopy ...). d. In hisi spaceship Soloi found a suspicious object and Skywalker (did) too. In all the sentences of (39) the bound variable interpretation is possible, e. g. the second conjunct in (39a) can mean that we asked Lucy to read Lucy’s paper and in (39b) that Christopher bought Felix honey on Felix’s birthday. It will be recalled that this interpretation
542
requires an open formula, or predicate, in the first conjunct (e. g. Christopher’s buying x honey on x’s birthday), which is later satisfied by the argument in the second conjunct. In all cases, the antecedent in the first conjunct c-commands the pronoun, just as it does in the VP-deletion cases like (31), where the antecedent is the subject. Now let us consider some cases where the bound variable interpretation is not possible. (40) a. Heri dog talks to Lucyi, when he is in a good mood, and to Linda too. b. The rebellion against Java the Huti bothered himi and the rebellion against the other tyrant (did) too. c. People from the southern planeti deserted iti, and people from the western planet (did) too. d. According to Winniei, hei is the smartest creature on earth, and according to Charlie too. In all these cases anaphora is permitted in the first conjunct. H owever, placing them in the ellipsis context shows clearly that the anaphora relation here is only of the pragmatic type, since the second conjunct cannot have the bound interpretation. (The second conjunct does not have the meaning that Linda’s dog talks to Linda in (40a). Likewise, (40b) does not entail that the other tyrant was bothered by the rebellion against him and (40d) does not mean that according to Charlie, Charlie is smart.) These are precisely the structures of the type we have been discussing in (23) where the antecedent does not c-command the pronoun. We saw there that although pragmatic coreference is permitted with definite NPs, as in (24), when the antecedent is quantified bound anaphora is not possible. Returning to the cases like (33)—(35) which show the ambiguity independently of context, we may observe that here too, this ambiguity will not show up when the antecedent does not c-command the pronoun. (41) a. Only the most devoted groupies of Winniei think hei is smart. b. Even the jokes about Norai do not discourage heri. The anaphora in these sentences is only pragmatic. (41a) cannot entail that for no person x, except for Winnie, the groupies of x think that x is smart, and (41b) does not presuppose that for most people jokes about them do not discourage them. We may conclude that, with respect to
VII. Semantik der Funktionswörter
bound anaphora, there is no difference between quantified and definite antecedents — both can bind a pronoun (in the sense of binding a variable) and in precisely the same syntactic environments. The difference between them is only that definite NP’s allow pragmatic coreference in addition. This, however, follows from the fact that pragmatic coreference involves a direct assignment of reference to a pronoun. If there is a definite NP around, its reference can be assigned to a given pronoun even if it is not bound by that NP. Since quantified NP’s do not have a reference, they cannot provide a reference to an unbound pronoun. What this means, then, is that, contrary to the common assumption, the general or ‘basic’ anaphora interpretation shared by all types of NP’s is the bound variable interpretation, and the grammar must specify, first, the conditions for this type of interpretation. The exceptional case which is affected by semantic properties of the antecedent is the case of pragmatic coreference, and not, as previously believed, bound variable anaphora. 3.3 The Interpretative Procedures We have seen, then, that the question when can a pronoun be interpreted as a bound variable is a syntactic issue, independent of the interpretation of the antecedent: whenever a pronoun is syntactically bound, it is interpretable as a bound variable. What this means, is that the syntactic relation of binding has a unified semantic interpretation as variable-binding, i. e. under the appropriate syntactic conditions all anaphoric elements are interpreted in the same way (with the exception of pronouns which allow, in addition, also for referential interpretation). Let us see this in more detail. As we saw in section 2, in the case of obligatory anaphors the sentences are interpretable only if the anaphor is syntactically bound (under the appropriate further conditions). It is easy to observe now that in all these cases the different anaphors have the same interpretation as bound variables. In the case of wh-traces this is necessary, independently, since the antecedent is interpreted as an operator. That the coindexing of R-pronouns has only the bound variable interpretation can be witnesses by the following contexts: (42) a. I talked to Lucy about herself and to Nora too.
23. Pronouns
b. Only Churchill remembers himself giving the speech about blood, sweat, toil and tears. (Fodor 1975: 134) The second conjunct of (42a) has only the bound-variable interpretation (I talked to Nora about Nora) which means that the Rpronoun in the first conjunct does not have a referential interpretation. (42b) will not be false if many people remember Churchill giving the speech, since Churchill is the only one remembering that about himself. So the only interpretation of the sentence is that x’s remembering x giving the speech is true only of Churchill, i. e. the bound-variable interpretation. It is easy to reconstruct identical examples with bound PRO’s, and as for NPtraces, although they are not interpreted at the present as bound variables, there is no principled reason for why not. In the framework we assumed so far, then, all we need to capture the facts of boundvariable anaphora is a translation procedure for bound coindexing. The first step can be trivially stated as in (43), whose operation is illustrated in (44)—(46). (43) Index translation (IT): For any given NP a, replace the index of α and every anaphoric element bound syntactically by α (given definition (13)), with identical variables. (44) a. SS: Every mani considers himselfi smart. b. IT: Every manx considers x smart. (45) a. SS: Lucyi worships heri car. b. IT: Lucyx worships x’s car. (46) a. SS: Hisi dog accompanied each boyi. b. IT: inapplicable. (43) applies to all and only bound anaphoric elements (pronouns, R-pronouns, empty nodes). Since anaphoric elements lack lexical content, their only content is their index, i. e. the variable left after (43) applies. In the case of lexical NP’s the variable is written as an NP index, at this stage. Recall that we are assuming free base-indexing, so the unbound coindexing in (46) can be generated. But since the pronoun is not bound, it cannot be translated by (43). H ence, the coindexing in (46a) has no interpretation. Similarly, if a full NP happens to be bound, (43) is inapplicable. (In the next section I argue that the pragmatic interpretation of pronouns requires no coindexing, i. e. that pronouns can be coreferential precisely when they happen not to be bound. H owever, if one wants to capture pragmatic coreference also by means of coindexing, (43)
543
should be stated as optional in the case of pronouns.) The next LF procedures must introduce the operator binding the variables. H ow this is done depends on our general theoretical assumptions concerning semantic interpretation. It is possible, e. g. to introduce a λoperator equally in all the cases of variable binding and interpret quantified and unquantified NP’s alike. In a framework assuming QR as an LF formation rule, it would be argued that, first, all NP’s are raised and adjoined to S. When the NP is quantified, its quantifier is interpreted as the operator, as in (47). In other cases, where no operator is available, a λ-operator is introduced to bind the variables, as in (48). I follow here the LF analysis assumed in GB for quantified NPs. This, however, is only for convenience. Obviously a unified analysis can be given to (47)—(48). (47) Every x (man x) (x considers x smart). (48) Lucy (λx (x worships x’s car)) (= λ x(x worships x’s car) (Lucy).) In any case, the index translation procedure applies prior to the other LF formation rules. For this reason, although after QR the quantifier in (46a) will both c-command the pronoun and have it in its scope, the pronoun can no longer be translated as a variable bound by it. This means, then, that we do not need any special LF mechanism to block anaphora in (46) and in the similar cases of quantified NP anaphora discussed in section 3.1. These cases just obey the general restriction on boundvariable interpretation. H owever, the cases of wh-movement deserve more attention. Looking again at (30a), repeated in (49a), we may note that while the LF mechanism discussed in section 3.1 blocks this sentence, it is not, in fact, excluded by our SS analysis, since the wh antecedent binds both e and the pronoun at SS. (49) a. *Whoi did your criticizing himi destroy ei? b. Whoi did your criticizing ei destroy ei? (50) Which paperi did you reject ei without reading ei? (51) *Whoi did you criticize himi? H owever, the inappropriateness of (49a) is explained on different grounds. As we noted in section 2.2, pronouns in English cannot be locally COMP-bound, since English does not allow resumptive pronouns. In (49a) the wh
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antecedent in COMP is the only possible binder for the pronoun, so this sentence is excluded in precisely the same way as (51). (This contrasts with a sentence like Whoiei kissed hisi dog, where the pronoun has e as a non-COMP binder.) If another e node occurs in the pronoun’s position of (49a), as in (49b) and (50), anaphora is permitted. This indicates that the position of the anaphor is indeed a position which allows its translation as a variable, provided that the appropriate form of anaphor is selected. In languages which allow resumptive pronouns in wh-questions, structures with the properties of (49a) were found to be acceptable (Engdahl 1983). A similar account for the inappropriateness of cases like (49a) in English was proposed in Chao & Sells (1983). We may conclude, then, that the various typological distinctions of anaphoric elements play a role only in the syntax. Their type determines in what environments they are allowed to be coindexed, or syntactically bound. In the system I assumed here, this syntactic distribution is regulated by the indexing mechanism, the binding conditions A and B in (18), and the other language-specific restrictions on the distribution of anaphors. But, obviously, other means to capture the same distribution-facts are conceivable. H owever, once the syntax allows their bound coindexing, the different anaphores are indistinguishable semantically and they are all interpreted as bound variables. Obviously, in a formal (logical) language, we would not need various types of expressions to denote the same type of bound variable in different contexts. This is so, however, since such languages are free of considerations of processing and communication. In natural language, the different ways available to mark bound variables help the processing of the sentence, since it eases the search for an antecedent. E. g., when encountering an R-pronoun, we know that its antecedent should be searched in its GC, while a pronoun instructs us to search elsewhere, but not in COMP, since a COMP antecedent (in English) is signalled by an empty node. H owever, there is no reason to expect that these syntactic distinctions, necessary for processing, should be reflected in the semantics, where all anaphoric elements function alike as bound variables. The one interpretative choice effected by the type of anaphor, though, is that of pragmatic coreference which is possible only with pronouns. As we saw, the difference between obligatory and optional anaphors is that if
the first is not appropriately bound syntactically, it has no interpretation at all, while the optional type (pronouns) can still be interpreted referentially in this case, and, as such, it may still corefer with other referential NP’s. It is this exceptional case that we turn to now.
4.
Pragmatic Coreference With Pronouns
As we saw in the discussion of sentences (24) and (25), some of which are repeated below, pragmatic coreference is permitted also in environments which do not allow bound-variable anaphora, as in (52), but, on the other hand, it is also not free. As illustrated in (53), it is impossible when the pronoun c-commands its antecedent. (52) a. Hisi dog accompanies Christopheri everywhere. b. The rebellion against Java the Huti destroyed himi. (53) a. *Hei adores Christopheri’s dog. b. *I informed himi that Winniei is not so smart. (54) ?Christopheri hates Christopheri’s dog. To capture these facts, the GB framework of Chomsky (1981) assumes that the pragmatic interpretation of coreference is also governed by coindexing mechanism, and the grammar should guarantee that coindexing be allowed in (52) and blocked in (53). For this purpose, a further binding condition is formulated, which follows the analysis proposed in Reinhart (1976). (55) Binding-Condition C. Non-anaphoric NP’s must be free. It would be recalled that ‘free’ means ‘unbound’ (and not uncoindexed). Given the definition of binding in (13), (55) blocks coindexing only when the full NP is c-commanded by the NP it is coindexed with. I. e. it blocks coindexing in both (53) and (54), but allows it in (52). If this approach is taken, this means that syntactic coindexing has two interpretations: The one we assumed so far applies to all anaphoric elements, if the coindexing is defined as bound, and translates them as bound variables. (In the case of pronouns, this procedure is optional.) The other applies only to coindexed pronouns, whether their coindexing is bound or not, and assigns the pronoun a fixed referential value identical to that of the coindexed NP. Though things may
23. Pronouns
be simply left at that, I believe that there are several theoretical problems with this approach to pragmatic coreference, some of which pointed out by Evans (1980). H owever, rather than listing them here, I would like to present the alternative view proposed in varying versions in Dowty (1980), Engdahl (1980) and Reinhart (1983), arguing that the distribution of pragmatic coreference is not governed at all by the grammar. As a starting point, we may note that noncoreference arises precisely in the same syntactic environments that bound anaphora is possible in: when a given NP c-commands the other than, if the c-commanded NP is an anaphoric element it can be bound by the first and if it is not an anaphoric element, condition C (55) prevents its coindexing, i. e. prevents a coreference interpretation. There is no reason, however, why this complementary distribution should be captured by the grammar, since it follows from Gricean requirements on rational use of the language for communication. The relevant maxim here is ‘manner’: be as explicit as the conditions permit. In a rational discourse we would expect that if a speaker has the means to express a certain idea clearly and directly he would not choose, arbitrarily, a less clear way to express it. When syntactically permitted, bound anaphora is the most explicit way available in the language to express coreference, as it involves direct dependency of the pronoun upon its antecedent for interpretation. So, if this option is avoided, we may conclude that the speaker did not intend coreference. An approximation of the pragmatic strategy governing decisions about intended coreference is stated in (56). (56) a. Speaker’s strategy: When a syntactic structure you are using allows boundanaphora interpretation, then use it if you intend your expressions to corefer, unless you have some reasons to avoid bound-anaphora. b. Hearer’s strategy: If the speaker avoids the bound anaphora options provided by the structure he is using, then, unless he has reasons to avoid bound-anaphora, he did not intend his expressions to corefer. The way this strategy works is illustrated in (57)—(61). Coindexing is used here for bound anaphora; italics indicate intended coreference, and the symbol ‘#’ indicates pragmatic inappropriateness.
545
(57) a. Winniei ate hisi honey. b. # He ate Winnie’s honey. c. # Winnie ate Winnie’s honey. (58) a. The doctor told Felixi that hei was sick. b. # The doctor told him that Felix was sick. (59) a. Felixi pities himselfi. b. # Felixi pities Felixi. (60) a. A party without Winnie is inconceivable for him. b. A party without him is inconceivable for Winnie. c. A party without Winnie is inconceivable for Winnie. (61) a. Those who know Lucy adore her. b. Those who know her adore Lucy. In the structures of (57)—(59), the (a) sentences allow bound anaphora, since one NP c-commands the other and the second is an anaphoric element. In the (b) sentences the same structures are used, but the bound anaphora option is avoided by choosing a different placement of the NP’s. In this case the hearer will infer that the reason for avoiding this option is that the speaker did not intend coreference. In the structures of (60)— (61), on the other hand, the grammar does not allow for bound anaphora, regardless of the possible placements of pronouns and antecedents, since neither of the relevant NP’s c-commands the other. In this case, then, the hearer can infer nothing about the referential intentions of the speaker from the structure and placement of the NP’s, and whether the NP’s are intended as coreferential or not can be determined on the basis of discourse information alone. Pragmatic coreference, then, is an available option. The pragmatic strategy (56), then, can do the work of principle C, so this principle need not be incorporated in the grammar. This would mean that the only interpretable coindexing in the grammar would be in the cases of bound anaphora, as described in Section 3. If we continue to assume a free indexing system, as assumed before, the NP’s of the (b) sentences in (57)—(59) may still end up accidentally coindexed, as well as the NP’s in (60)—(61). H owever, this coindexing will have no interpretation, the way the translation procedure (43) is stated. Intended coreference, then, is not controlled by coindexing, but rather, two free NP’s can be pragmatically coreferential, subject to the strategy (56). So far, we saw that a pragmatic analysis of coreference is equivalent to the syntactic
VII. Semantik der Funktionswörter
546
analysis in yielding the same results. Next, we should look at some advantages of the first over the second. A crucial difference between the syntactic and the pragmatic analysis of intended coreference is that the latter predicts that the cases violating principle C should be possible if there are good pragmatic reasons to avoid bound anaphora while still intending coreference. As we saw in Section 3.2, such cases may not be easy to find, since the two interpretations are normally equivalent. H owever, in (39)—(40) we observed environments where the two interpretations can easily be distinguished. Precisely in these environments, serious counter-examples for the syntactic analysis have been pointed out by Evans (1980). (62) a. Everyone has finally realized that Oscar is incompetent. Even he has finally realized that Oscar is incompetent. (Evans 1980: 52) b. Only Winnie thinks Winnie is smart. c. Only Churchill remembers Churchill giving the speech about blood, sweat, toil, and tears (see (42)). d. I know what Ann and Bill have in common. She thinks that Bill is terrific and he thinks that Bill is terrific. (Adopted from Evans 1980: 49) Although the structures used in these examples allow bound anaphora, it is not the interpretation which is intended. E. g. in (62a) it is realizing Oscar’s incompetence which is at issue. The pragmatic entailment is not that every one else considers himself incompetent, but that they consider Oscar to be so. As we saw, when only is involved, the pragmatic and the bound interpretations differ in truth conditions, therefore no special context is needed to justify the avoiding of bound anaphora in (62b) and (62c). In (62d) it is the property of finding Bill terrific which is taken to be shared by Ann and Bill, while it is possible that x’s finding x terrific is true of Bill but not of Ann. The strategy (56) has, then, a principled way to account for cases like (62): pragmatic coreference is permitted since the speaker has a reason to avoid bound anaphora. Another problem that can be resolved if non-coreference is pragmatically determined is that, in general, violations of condition C which involve two full NP’s are much easier to process than violations involving a pronoun and a full NP. (See, e. g. (54) above.) Lasnik (1976)’s observation about the simi-
larity between the two cases, which was incorporated into the non-coreference rules has been often challanged (see Evans 1980; Bach & Partee 1980). The strategy (56) also does not explicitly distinguish these two cases. H owever, since what is involved here is the ease of identifying coreference when the bound-anaphora option needs to be avoided, it is generally the case that the reference of a full NP is more easily recoverable than the reference of a pronoun, so, independently of (56), it should be easier to identify intended coreference of two indentical full NP’s than of a pair of a pronoun and a full NP which do not allow bound-anaphora interpretation. A possible objection that might be raised against the pragmatic approach is that the intuitions in the core cases of non-coreference, such as (53) or (57b), are as substantial as intuitions about ungrammaticality in the standard cases, so they should be considered ungrammatical. H owever, such arguments should be taken with due caution. H owever clear our intuitions are here, what we cannot have intuition about is whether our judgement of such sentences is due to our grammar or to our pragmatic strategies. On such issues, only the theory can decide. To take a familiar example, our intuitions tell us that the sentences in (63) are problematic. (63) a. The dog that the man that the woman invited liked disappeared. b. *Here is the dog that the man who owns t disappeared. They may be judged as ill-formed or unprocessable. H owever, our intuitions could not tell us that in (63a) the difficulty is due to processing problems, while in (63b) it is because the sentence violates a condition on movement, i. e. that (63a) is grammatical while (63b) is not. We are used to viewing (53) and (57b) as ungrammatical. Possibly, if twenty years ago the questions of anaphora had been stated differently, our feelings concerning their theoretical status would have been quite different.
5.
Semantic Approaches to Anaphora
While in the approach I assumed here the distribution of anaphora is restricted by SS properties, there are alternative approaches which derive it from semantic considerations. The most developed proposal is Bach & Partee (1980), but Bosch’s (1983) analysis is along the same lines.
23. Pronouns
This approach attempts to explain the anaphora restrictions on the basis of the functional principle in (64) proposed by Keenan (1974), for a wider range of cases. (64) The reference of the argument expression (in a function-argument expression) must be determinable independently of the meaning or reference of the function expression. Bach and Partee follow the then prevailing theoretical assumption that the major issue in the theory of anaphora is that of explaining ‘coreference’ rather than bound anaphora. Consequently, their condition (65) is formulated to capture this phenomenon, and they too, assume that some special mechanism is needed for quantified NP anaphora. (An additional condition is assumed for R-pronouns.) (65) A pronoun cannot be stipulated coreferent to an NP that occurs in a constituent interpreted as a function with the pronoun as argument (Bach & Partee 1980, principle B′). Since in this framework anaphora conditions such as (65) operate on semantic representations, i. e. at the level of logical syntax, their application depends crucially upon the precise assignment of function-argument representation to sentences of natural language. The framework assumes, crucially, that the logical representations of sentences are isomorphic with their syntactic structures. E. g. in a basic SVO sentence like Lucie kissed Max the full VP (kissed Max) is translated as a function taking the subject as argument. I. e. only one of the possible logical representations of this sentence is viewed as its logical structure (see Keenan & Faltz 1978 for details of the isomorphism-hypothesis). Given this analysis, condition (65) will allow coreference in (66a), but not in (66b), where the argument is the pronoun and the antecedent occurs in the function expression. (66) a. (Lucie) (kissed her husband) b. *(She) (kissed Lucie’s husband) (67) a. (The teacher she liked) (gave Lucie an A) b. (Jokes about him) (upset Max) c. (Her parents) (are convinced that Lucie is a genius) Similar to condition C of the binding theory of GB, (65) determines only when referential dependency is impossible, and in all cases not blocked by it, coreference is free, regardless
547
of the order of the pronoun and the antecedent. E. g. coreference is permitted in the cases of (67): Although the pronoun in these sentences is part of the argument expression and the antecedent is in the function expression, the pronoun is not itself the argument, and (65) prohibits coreference only if the pronoun is the direct argument. Condition (65) is largely equivalent, empirically, to condition C, but it is believed to follow from the general restriction on interpretation (64), rather than from syntactic considerations. We should note, however, that given the specific formulation of (65) this is, in fact, not true (as observed also by Dowty 1980): Although condition (65) yields the correct coreference results for (67), the results themselves do not conform to condition (64), since in, e. g. (67a), the reference of the argument expression the teacher she liked cannot be identified without identifying the reference of the pronoun it contains, and this pronoun depends on the antecedent (Lucie) occuring in the function expression. Identifying the argument expression, then, is dependent on the function expression, in violation of (64). It turns out, therefore, that (65), as formulated, is just an alternative syntactic rule required specifically for coreference. Although it applies at the level of logical syntax, it does not follow from any independent semantic considerations. Furthermore, if (65) is correct, (64) cannot be assumed as a condition on interpretation, although it seems to be intuitively correct. H owever, it appears that this problem with (65) is just a reflection of the problems we observed already for any theory attempting to account for pragmatic coreference within the grammar. A functional semantic account will fare better with capturing the distribution of bound pronouns. Suppose that, as I argued above, the only type of referential dependency assumed in the grammar is that of variable binding. Then it is indeed true that no case of bound-anaphora violates the functional principle (64), since if the pronoun is embedded in the argument expression, as in (67), it cannot be syntactically bound (c-commanded) by its antecedent. The anaphora condition on this type of dependency is, however, stricter than predicted by (64), and it should be stated as in (68). (68) An anaphoric element can depend for its interpretation on another NP, a, only if it occurs in a function expression, which takes α as argument.
VII. Semantik der Funktionswörter
548
This condition will alow dependency, or binding in (66a), but not in (66b) or (67) (and the difference between the last two should be captured by pragmatic inference along the lines of Section 4). While (68) does not follow, logically from (64), it does not violate it. Given the logical syntax assumed by this semantic approach, (68) is equivalent to the surface-structure condition (requiring that the antecedent c-commands the pronoun), in all structures examined in the previous sections. This is so, because the isomorphism requirement yields the result that an NP is always interpreted as an argument of a function consisting of the interpretation of all and only the nodes it c-commands. Crucially, condition (68) (just like (65)), can operate only if we assume such isomorphic representations. E. g. to capture the binding in (69), it must apply to the function-argument analysis (70a), but not to the logically equivalent representation (70b). If the condition was changed so as to allow dependency also in (70b), it could not be prevented from applying to (72b) as well, which would, incorrectly, allow anaphora in (71). (69) Every mani brought hisi dog (70) a. (bring his dog) (every man) b. (Bring) (every man, his dog) (71) *Hisi dog bit every mani (72) a. (bit every man) (his dog) b. (bit) (his dog, every man) Obviously, a restriction stated on functionargument structures of this type should be equivalent to a restriction stated directly on SS in terms of c-command. The few cases
where they are not equivalent are those which are, independently, problematic for both approaches — the cases where the semantic representations seem not to be isomorphic to surface structure, such as some PP structures discussed in Bach (1979). The choice beteen these two approaches to anaphora cannot, therefore, be based on empirical grounds (except for the area of unsolved problems just mentioned), and it depends on the overall theoretical picture of natural-languages, and specifically on the notion of explanation. While the SS approach explains the conditions on anaphora by restrictions on the mental processing of syntactic trees, the semantic approach seeks to derive them from universal logical considerations, though the logical representations assumed are, themselves, probably to be explained by the same account of the mental processing of syntactic trees.
6.
Short Bibliography
Aoun/Sportiche 1981 · Bach 1979 · Bach/Partee 1980 · Bosch 1983 · Chao/Sells 1983 · Chomsky 1973 · Chomsky 1976 · Chomsky 1981 · Chomsky 1982 · Dowty 1980 · Engdahl 1980 · Engdahl 1983 · Evans 1980 · Fodor 1979 · H aik 1984 · H igginbotham 1980 · Jackendoff 1972 · Keenan 1971a · Keenan 1974 · Klima 1964 · Koopman/ Sportiche 1981 · Langacker 1966 · Lasnik 1976 · May 1977 · Partee 1978b · Reinhart 1976 · Reinhart 1983 · Reinhart 1986 · Ross 1967 · Ross 1969b · Safir 1984 · Sag 1976 · Williams 1977
Tanya Reinhart, Tel Aviv (Israel)
24. Anaphern im Text 1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 4.
Die Probleme Diskursrepräsentation und Diskursreferenten Prinzipien der Anapherninterpretation Personalpronomen Possessivpronomen Kennzeichnungen Demonstrativa Literatur (in Kurzform)
1.
Die Probleme
Anaphern sind, das ist ihre charakteristische Eigenschaft, relativ referierende Ausdrücke,
d. h. ihre Referenz hängt stets von einem anderen Ausdruck im Text, dem Antezedens, ab, wobei dieses der Anapher nicht unbedingt vorausgehen muß. Diese Beziehung der Anapher zu ihrem Antezedens wird im Folgenden einfach „anaphorische Beziehung“ genannt, der Redegegenstand, auf den das Antezedens referiert, „Antezedensreferent“. Anaphorische Ausdrücke werden bis heute in der Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft fast ausschließlich satzorientiert behandelt. Untersuchungsgegenstand ist dabei einmal die Art der anaphorischen Beziehung (vgl. Cooper 1979, Partee 1978b). Sie kann
24. Anaphern im Text
auf Referenzidentität, der Koreferenz von Anapher und Antezedens, beruhen, wobei die Anapher die Referenz des Antezedens wieder aufgreift. Diese Auffassung hat wohl im H inblick auf pronominale Ausdrücke zu deren Namen geführt. Die anaphorische Beziehung kann auf paralleler lexikalischer Belegung und damit auf der Identität von Eigenschaften beruhen wie etwa bei den sogenannten „Faulheitspronomen“ (pronoun of laziness): (1) Paul, der seinen Gewinn der Kirche schenkte, war glücklicher als Peter, der ihn wieder verspielte. H ier ergibt sich die intendierte Interpretation nicht durch Einsetzung des gleichen Referenten, sondern durch Substitution des gleichen Prädikats in der semantischen Repräsentation der Anapher (λy (das x:Gewinn(x) und R(x,y)); zu den Possessivpronomen vgl. 3.2). Eine dritte Möglichkeit besteht in der Interpretation der Anapher als gebundene Variable. Ein anderer wichtiger Untersuchungsgegenstand betrifft die Bestimmung prinzipieller Einschränkungen syntaktischer und semantischer Art für die Möglichkeit anaphorischer Beziehungen im Satz. H ierzu gehört auch die Annahme, daß Pronomen, die sich auf quantifizierte Nominalphrasen beziehen und als gebundene Variable zu interpretieren sind, in deren Bereich auftreten müssen. Der Bereich des Quantors kann prinzipiell nicht über die jeweilige Satzgrenze hinausgehen. Daß eine solche Einschränkung zu grundsätzlichen Schwierigkeiten führt, zeigen die folgenden Beispiele, deren Problematik letztlich schon in der Antike diskutiert wurde (vgl. Egli 1981): (2) Irgendwann kommt ein Auto1, und es1 wird dich mitnehmen. (3) Wenn jemand1 einen Esel2 besitzt, dann schlägt er1 ihn2. Die indefiniten Nominalphrasen lassen sich weder als Existenzquantoren im üblichen Sinn mit den Pronomen als gebundene Variable deuten, denn sie binden diese über die Satzgrenze hinaus, noch läßt sich die anaphorische Beziehung über Koreferenz erklären, denn diese Nominalphrasen haben überhaupt keine bestimmte Referenz (schon gar nicht, wenn man die spezifische Lesart ausschließt). In der neueren Semantik-Forschung werden zur Behandlung dieser Probleme sogenannte „Diskursrepräsentationen“ eingeführt (vgl. Abschnitt 2). Dort werden u. a. indefinite Nominalphrasen als freie Variable gedeutet, die
549
ihre quantifikationelle Kraft erst durch den Kontext zugewiesen bekommen (in Abhängigkeit z. B. von einem Allquantor oder Konditionalsatz all-, sonst existenzquantifizierend). Aktuelle Ansätze zeigen allerdings, daß die Einführung von Diskursrepräsentationen allein zur Behandlung dieser speziellen Probleme nicht zwingend ist (vgl. z. B. Reinhart 1987, Rooth 1987, aber auch schon H eim 1982). Eine zentrale charakteristische Eigenschaft textueller Anaphern hat in der Linguistik bisher kaum Beachtung gefunden (mit Ausnahme z. B. von Smaby 1978, vgl. Abschnitt 3): Eine Anapher in einem gegebenen Text bezieht sich in der Regel auf ein ganz bestimmtes (im Normalfall das vom Autor intendierte) Antezedens. Es stellt sich die Frage, wie sich dieses Phänomen erklären läßt und ob bzw. welche Eigenschaften der Textstruktur und der Textbedeutung dabei eine Rolle spielen. Meist wird in diesem Zusammenhang auf das allgemeine Problem der Mehrdeutigkeit sprachlicher Ausdrücke verwiesen. Die Auflösung (Desambiguierung) anaphorischer Ausdrücke im Text wird auf die Plausibilität des jeweiligen inhaltlichen Zusammenhangs der Äußerungen im Kontext zurückgeführt. Als Beleg dafür werden oft Beispiele der folgenden Art angegeben: (4) a. Die Stadträte verweigerten den Demonstranten die Erlaubnis, weil sie Gewalt befürchteten. b. Die Stadträte verweigerten den Demonstranten die Erlaubnis, weil sie Gewalt befürworteten. In der Kognitionspsychologie, besonders aber in der Künstlichen-Intelligenz-Forschung (KI) ist daher u. a. die These vertreten worden, daß der Sprecher/H örer hauptsächlich aufgrund spezifischer Inferenzen gestützt auf Textinhalt und H intergrundwissen (insbesondere das Alltagswissen) den Bezug anaphorischer Ausdrücke bestimmt (z. B. Charniak 1972). Von Linguisten wird diese Ansicht oft geteilt und damit begründet, daß die Auflösung anaphorischer Ausdrücke nicht auf der sprachlichen, sondern primär kognitiv determinierten Ebene der Äußerungsbedeutung zu beschreiben ist, bei der die abstrakte grammatische Struktur relativ zu einem gegebenen Kontext ihre aktuelle, konzeptuell ausgeprägte Interpretation erhält. So kommt etwa Kamp 1983 zu der Schlußfolgerung:
VII. Semantik der Funktionswörter
550
„This is typical of the various cues that help us select the intended antecedent for an anaphoric pronoun from among a set of possible candidates. Trying to give an explicit and comprehensive account of the spectrum of such cues would be tantamount to axiomatizing all that language users know, or assume, about the topics they discuss, and in particular, about one of these topics, viz. the world in which they live. To demand this of a linguistic theory would not be reasonable.“ (S. 8—9)
Diese Schlußfolgerung erscheint einleuchtend, kann aber (wie man an der Analyse der Pronomina in Kamp 1983 sieht, vgl. die Kritik in Pinkal 1986a) zu inadäquaten Beschränkungen und Ergebnissen der linguistischen Theorie führen. Sprachlich strukturelle Faktoren, die für die Anapherninterpretation relevant sind, finden sich nicht nur auf der satzgrammatischen, sondern auch auf der textuellen Ebene und sind von größerem Gewicht als Beispiele wie (4) zunächst erwarten lassen würden. Einen ersten Eindruck für die Relevanz textstruktureller Eigenschaften kann man sich anhand von Texten verschaffen, in denen inhaltliche mit strukturellen Faktoren konkurrieren: (5) An den Chef der 3. Kompanie! Ich habe mich drei Jahre zu den Soldaten verpflichtet. Jetzt werde ich Vater. Kann ich das noch rückgängig machen? (6) If an incendiary bomb drops near you, dont lose your head. Put it in a bucket and cover it with sand. Das Demonstrativpronomen das hat, wenn es anaphorisch auf Sachverhalte referiert, als Antezedens einen vorausgehenden Teil des Textes, der insbesondere den direkt vorangehenden Satz miteinschließen muß. Vom Inhalt her gesehen erscheint uns jedoch in (5) allein mit der Wahl des zweiten Satzes als Antezedens eine plausible Interpretation herstellbar zu sein. Ganz ähnlich verhält es sich in Beispiel (6): das Pronomen it bezieht sich strukturell auf die Nominalphrase your head, deren Referent besonders im Vordergrund steht (s. u. Abschnitt 3.1). Vom Inhalt her betrachtet, ist jedoch an incendiary bomb als Antezedens plausibler. Strukturelle Eigenschaften von Texten scheinen als Einschränkungen möglicher anaphorischer Bezüge ebenso streng zu gelten wie etwa syntaktisch-konfigurationelle auf der Satzebene (vgl. Reinhart 1983), man betrachte dafür das folgende Beispiel:
(7) Max hatte sich mit Günter auf dem Marktplatz vor der Eisbude verabredet. Als er1 am Fischstand vorbeikam, sah er2 Egon, einen alten Schulkameraden, mit seinem Vater. Er3 stand vor der Eisbude und kaufte gerade ein Eis. In diesem Text ist es kaum möglich für den Leser, er1 nicht auf Max zu beziehen, oder er1 und er2 verschiedene Antezedentien — etwa Max und Günter zuzuordnen. Für das Pronomen er3 ist Günter als Antezedens kaum zugänglich, obwohl eine solche Beziehung vom Inhalt des Textes aus gesehen erwartbar wäre. Diese Fälle für Beschränkungen anaphorischer Beziehungen deuten darauf hin, daß die Interpretation von Anaphern im Text in hohem Maße von satzübergreifenden strukturellen Faktoren abhängig ist. Für die Deutung von Textanaphern stellt sich daher die zentrale Frage, ob sich diese Faktoren auf einheitliche Prinzipien zurückführen lassen und von welcher Art diese sind. Von einer anderen Perspektive aus gesehen ist dies die Frage, ob sich die Bedeutung von Anaphern ohne Rekurs auf Texte vollständig verstehen und beschreiben läßt.
2.
Diskursrepräsentation und Diskursreferenten
Eine überaus interessante Entwicklung neuerer semantischer Untersuchungen zu dem mit den Beispielen (2) und (3) angesprochenen Problem des anaphorischen Bezugs im Zusammenhang mit der Deutung indefiniter Nominalphrasen (insbesondere Kamp 1981a, H eim 1982) besteht darin, daß sie letztlich alle über das traditionelle statische Kompetenzmodell der Wahrheitsbedingungen-Semantik hinausgehen hin zu dynamischen prozeßorientierten Interpretationsmodellen. Die Lösungsvorschläge gehen nicht mehr primär von der in der Semantik immer betonten prinzipiellen Unterschiedlichkeit von referentiellen Termen und Quantorenphrasen (bzw. gebundenen Variablen) aus, sondern betonen umgekehrt deren gemeinsame Eigenschaften: Quantorenphrasen referieren auf dieselbe Art von Gegenständen wie referentielle Terme, sie kommen in denselben syntaktischen Umgebungen vor wie diese, und man kann sich anaphorisch auf diese Gegenstände beziehen; nur sind es eben keine bestimmten Individuen, auf die referiert wird. Referentielle Terme, Quantorenphrasen, allgemein alle Nominalphrasen bezeichnen zunächst
24. Anaphern im Text
einfach Redegegenstände, sogenannte „Diskursreferenten“. Eine indefinite Nominalphrase etwa führt einen Diskursreferenten in einen Text ein, über den dann weitergeredet, auf den also anaphorisch Bezug genommen werden kann, eventuell in kontextuell eingeschränkter Weise, wenn etwa die betreffende Nominalphrase im Bereich eines anderen Quantors oder Operators vorkommt. So kann man sich sogar, wie das folgende Beispiel zeigt (aus H eim 1982: 69), auf hypothetische Gegenstände, die durch universell quantifizierte Ausdrücke wie „every copy“ bezeichnet werden, über einen längeren Textabschnitt hinweg anaphorisch beziehen, solange der spezifische (hier: modale) Kontext der Rede nicht verlassen wird: (8) Every copy, must meet the specifications in the handbook. It1 must be on 50% rag bond paper, and it1 has to include the title page and the vita. Was sind nun Diskursreferenten (auch Diskursentitäten genannt)? In Karttunens richtungsweisendem Aufsatz „Discourse referents“ von 1976 (vgl. dazu auch die Erörterung und Verallgemeinerung von H eim 1982) werden sie als diejenigen Redegegenstände in einem Text charakterisiert, auf die mit geeigneten Anaphern Bezug genommen werden kann. Die unterschiedlichen Formen der sie bezeichnenden Ausdrücke und der jeweilige Kontext beeinflussen dabei die „Lebensspanne“ eines Diskursreferenten. So bezeichnet etwa ein Eigenname einen permanenten Diskursreferenten in einem Text, d. h. einen Redegegenstand, auf den man sich während des gesamten Textes anaphorisch beziehen kann. Allquantifizierte Nominalphrasen bezeichnen hingegen in der Regel Redegegenstände, die außerhalb des Skopus des Quantors aufhören zu existieren, es sei denn, dieser ist von einem höheren Quantor bzw. Operator wie etwa in (8) abhängig; dann legt dessen Skopus ihre Lebensspanne fest. Diskursreferenten sind nicht mit Referenten in der wirklichen Welt zu verwechseln. Es sind zunächst einfach Redegegenstände, Gegenstände der „Textwelt“, d. h. wirkliche oder hypothetische Entitäten, über die ein Text Aussagen macht (erst in zweiter Linie, etwa in einer modelltheoretischen Interpretation (s. u.), werden sie als Gegenstände in der wirklichen Welt interessant). Der Begriff der Koreferenz läßt sich dann in diesem Sinn auf Diskursreferenten und entsprechende ana-
551
phorische Beziehungen, in denen sie eine Rolle spielen, verallgemeinern; eine notwendige Bedingung für den anaphorischen Bezug besteht dann darin, daß die Anapher innerhalb der Lebensspanne des Diskursreferenten liegen muß, den das Antezedens bezeichnet. Diese Bedingung beruht letztlich doch, wie man sieht, auf den — jetzt allerdings verallgemeinerten — Begriffen der Bindung (einer Variablen durch einen Operator) und des Skopus, wie sie uns aus der klassischen logischen Semantik vertraut sind. Der oben betonte dynamische Aspekt in der Etablierung von Diskursreferenten besteht nun darin, daß etwa Nominalphrasen bei der Textinterpretation zentral in ihrer Funktion, neue Redegegenstände einzuführen (z. B. durch eine indefinite NP) oder sich auf schon bekannte zu beziehen (z. B. durch ein Pronomen), betrachtet werden. Einem gegebenen Text wird zunächst eine (semantische) Text- oder Diskursrepräsentation zugeordnet, die alle Diskursreferenten enthält, über die der Text redet, mit all den Aussagen, die der Text über sie macht. Die Diskursrepräsentation enthält somit das anaphorische Potential eines Textes. Die Lebensspanne von Diskursreferenten wird dann bei Kamp beispielsweise über Bedingungen der Zugänglichkeit zwischen Teilrepräsentationen eingeschränkt. Damit können nichtakzeptable anaphorische Beziehungen wie in (8) ausgefiltert werden. (8) *Wenn jemand jeden Esel1 besitzt, dann schlägt er ihn1. Bei diesem Ansatz werden syntaktische Strukturen nicht mehr direkt, sondern unter Zwischenschaltung der Diskursrepräsentation modelltheoretisch gedeutet. Diese soll genau die Information enthalten, die die Veränderung des Adressatenwissens ausmacht. Semantische Interpretation geht hier in eine pragmatisch orientierte Theorie der Kontextveränderung ein (für eine weitere Motivation des Ansatzes vgl. Heim 1982: 396 ff.). Mit diesen Vorstellungen werden die satzsemantisch und modelltheoretisch ausgerichteten Ansätze mit textorientierten Modellen aus der KI (die z. B. Kamp explizit als Ausgangspunkt seiner Überlegungen mitanführt) verknüpft. Für die letzteren steht die Konstruktion von Diskursmodellen (d. s. Diskursrepräsentationen), die von vornherein als sehr reich strukturiert angesehen werden, im Mittelpunkt. Sie bilden die Grundlage für die Beschreibung und Erklärung anaphorischer Beziehungen im Text:
VII. Semantik der Funktionswörter
552
„One objective of discourse is to enable the speaker to communicate to a listener a model s/he has of some situation. Thus the ensuing discourse is, on one level, an attempt by the speaker to direct the listener in synthesizing a similar model. Such a discourse model can be viewed as a structured collection of entities, organized by the roles they fill with one another, the relations they participate in, and so on. A speaker uses a definite anaphor to refer to an entity already in his or her discourse model ... In doing so, the speaker assumes (a) that on the basis of the discourse so far, a similar entity will be in the listeners model ..., and (b) that the listener will be able to access and identify that entity via the given definite anaphor, where different types of anaphor will provide different clues. Discourse entities may have the properties of individuals, sets, events, actions, states, facts, beliefs, hypotheses, properties, generic classes, typical set members, stuff, specific quantities of stuff, and so on.“ (Webber 1981: 283)
3.
Prinzipien der Anapherninterpretation
Zahlreiche Untersuchungen von Psychologen, KI-Forschern und Linguisten belegen die Bedeutsamkeit verschiedenartiger Einzelfaktoren für die Interpretation bzw. Auflösung (Desambiguierung) anaphorischer Ausdrücke im Text, wie z. B. die Präferenz für ein Antezedens in Subjektfunktion oder in gleicher syntaktischer Funktion wie die Anapher, für den zuletzt genannten in Frage kommenden Antezedenskandidaten („recency“) oder für den Kandidaten, der aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs — aufgrund des Alltagswissens — besonders plausibel ist wie z. B. in (4) (vgl. Caramazza et al. 1977, 1979, H irst 1981, Karmiloff-Smith 1980, Smaby 1978). Smaby 1978 etwa kombiniert für die Interpretation von Personalpronomen einige dieser Faktoren in einer „semantics of informing“, die sich vor allem durch Einbeziehung der Desambiguierung anaphorischer Ausdrücke im Kontext von herkömmlichen Satzsemantiken unterscheidet. H auptkriterien sind der syntaktische Kontext des Pronomens im Text und die Relevanz (vergleichbar dem Faktor der Plausibilität) der jeweiligen Interpretation. Der syntaktische Kontext liefert eine Wohlordnung der in Frage kommenden Antezedenskandidaten allgemein aufgrund des Faktors der Letzterwähntheit und speziell innerhalb von Sätzen aufgrund der Anordnung
‘H auptsatz vor Nebensatz’ und in den Elementarsätzen aufgrund der Rangfolge ‘Subjekt vor Objekt’. Der erste Kandidat, für den sich nach dieser Präferenzordnung eine relevante Interpretation ergibt, wird als Antezedens gewählt (wobei die Unterscheidung von relevanten und nicht-relevanten Informationen als gegeben vorausgesetzt wird). Smaby gibt dazu folgendes Beispiel: (9) John tickled Bill. He squirmed. Nach den strukturellen Präferenzfaktoren für diesen Text würde das Subjekt des ersten Satzes John als Antezedens von he gewählt werden müssen. Der Faktor der Relevanz hat jedoch ein größeres Gewicht, deshalb wird in diesem Fall der nächste in Frage kommende Kandidat Bill als Antezedens gewählt. Daß dieser Ansatz nicht adäquat ist und nur in ganz eingeschränkten Fällen zu akzeptablen Ergebnissen führt, mag das folgende Beispiel illustrieren: (10) a. Hans spielte mit seinem kleinen Bruder. Er kitzelte ihn unter den Fußsohlen. b. Er lachte wie verrückt. c. Dann lachte er wie verrückt. In (10a,b) ist — auch wenn das Prädikat ‘lachen’ normalerweise für Personen relevant ist, die gekitzelt werden, und nicht für diejenigen, die kitzeln — eine Präferenz für das Subjekt des Vorsatzes (und dessen Antezedens) Hans als Antezedens von er in (10b) ausgedrückt. Der Faktor der Parallelität von morphologischer Form und syntaktischer Funktion steht hier in Konkurrenz zum Faktor der Relevanz (und deswegen erscheint uns der Text auch als nicht besonders akzeptabel). Ersetzt man (9b) durch (9c), dann wirkt sich in (9a,c) die durch dann markierte Struktur des Textes als Abfolge von Ereignissen — zentriert um einen besonders thematischen Diskursreferenten (vgl. Abschnitt 3.1) — zusätzlich aus und erzwingt durch die H äufung struktureller Faktoren in Bezug auf eine bestimmte Interpretation die Wahl von Hans als Antezedens des Pronomens. In Smabys Ansatz spielen satzübergreifende, textuelle Faktoren, wie man sieht, kaum eine Rolle. Es läßt sich nicht ausmachen, ob und wie die betrachtete Menge der Einzelfaktoren — abgesehen vom ausschlaggebenden Gewicht des Relevanzkriteriums — aufgrund eines einheitlichen Prinzips zusammenwirken. Im Folgenden werden textorien-
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tierte Ansätze vorgestellt, wobei wiederum die definiten Anaphern, insbesondere die Pronomen (der 3. Person) im Vordergrund stehen. 3.1 Personalpronomen Der bisher umfassendste Ansatz zur Auflösung von Anaphern im Text stammt von Sidner 1979 aus dem Bereich der KI-Forschung. Er ist analyseorientiert und versucht, die referentielle Progression in einem gegebenen Text, letztlich das Verstehen eines Textes zu rekonstruieren. „Fokussieren“ und Anaphorisieren werden dabei als zwei verwandte zentrale Prozesse der Textorganisation angesehen. Einheiten im „Fokus“ (nicht zu verwechseln mit dem üblichen Begriff des Satzfokus, vgl. etwa Jacobs 1984a) sind Diskursreferenten, die je nach Textverlauf gerade im Vordergrund stehen, d. h.: Diese Foki stellen relativ zum jeweils betrachteten Satz — zum Diskursstand — die gerade aktuellen Diskursthemen (oder Diskurstopiks) dar. Dies sind im allgemeinen die durch anaphorische Wiederaufnahme im Vorsatz besonders thematisierten Redegegenstände. Auf der anderen Seite werden Anaphern, z. B. Personalpronomen, interpretiert, indem die gerade aktuellen Foki als Antezedenskandidaten präferiert werden. Sidner unterscheidet in der Menge der in einem Text vorkommenden Diskursreferenten — relativ zum Diskursstand — die Mengen der aktuellen Foki, der vergangenen Foki und der möglichen Foki. Die Menge der aktuellen Foki besteht aus dem Aktor-Fokus — ein Diskursreferent in der Agens-Rolle — und dem primären Fokus, dem Diskursfokus, ein Diskursreferent, der normalerweise die Rolle des „theme“ (des affizierten Objekts) einnimmt. Die vergangenen Foki sind Diskursthemen, die nicht mehr aktuell sind (anaphorisch nicht mehr aufgenommen werden) und in der Reihenfolge ihres „Vergehens“ für eine eventuelle spätere Wiederaufnahme in einem Fokusstack gespeichert werden. Die möglichen Foki sind die neben den aktuellen Foki im Satz vorkommenden restlichen Diskursreferenten; eine besondere Rolle spielen dabei die erwarteten Foki als die möglichen Foki des ersten Satzes in einem Text, aus denen die Anfangsbelegungen für die aktuellen Foki als Default-Werte gewählt werden. Die möglichen Foki sind nach Präferenzen geordnet, die sich aufgrund von syntaktischen Konstruktionen, semantischen Rollen und der Oberflächenreihenfolge der Konstituenten ergeben. Besonders bevorzugt sind z. B.
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die in Spaltsätzen extraponierten Einheiten oder in bezug auf die erwarteten Foki das Subjekt von „there-insertion“-Sätzen, gefolgt von Diskursreferenten in der Rolle des „theme“. Bei der Analyse des ersten Satzes eines gegebenen Textes wird der (nach der Rangfolge) erste Kandidat aus der Menge der erwarteten Foki als aktueller Diskursfokus und, wenn vorhanden, das Agens des Satzes als aktueller Aktorfokus gewählt. Mit jedem neuen analysierten Satz werden — in Abhängigkeit vom Bezug der im Satz vorkommenden Anaphern — die aktuellen Foki entweder bestätigt oder durch andere Foki aus den jeweils vorhandenen möglichen oder vergangenen Foki ersetzt. Die Regeln für die Interpretation von Personalpronomen (der 3. Person) beziehen sich dabei nicht nur auf die verschiedenen Fokusmengen, sondern enthalten darüber hinaus morphologische und syntaktische (konfigurationelle) Beschränkungen, semantische Beschränkungen (Selektionsrestriktionen bezüglich semantischer Rollen), textstrukturelle Beschränkungen (Beschränkungen des Zugriffs auf alte und mögliche Foki) und pragmatische Beschränkungen (Kompatibilität mit dem vorhandenen und vorausgesetzten Wissen). Die beiden Zugriffsbeschränkungen sollen kurz charakterisiert werden. Die erste betrifft die vergangenen Foki: Ein vergangener Fokus kann Antezedens einer Anapher werden, wenn zwischen seiner Spezifizierung im Text und der Anapher kein passender anderer Antezedenskandidat vorkommt. Die zweite Beschränkung gilt für die möglichen Foki: „Potential foci have a short lifetime. If a potential focus does not become the focus as the result of interpreting the sentence following the one in which the potential is seen, it is dropped as a potential focus.“ (Sidner 1979: 96). Die H auptregeln von Sidner für Personalpronomen (es gibt einige Regeln für Sonderfälle) lassen sich folgendermaßen wiedergeben: Kommt ein Pronomen nicht in der Agensrolle vor, wähle, wenn die Beschränkungen dies erlauben, den Diskursfokus als Antezedens; anderenfalls prüfe nacheinander in der gleichen Weise die möglichen Foki, den Aktorfokus und schließlich die Elemente des Fokusstacks. Kommt ein Pronomen in der Agensrolle vor, prüfe analog zunächst den Aktorfokus, dann die möglichen Aktorfoki (belebte mögliche Foki), den Diskursfokus, die restlichen möglichen Foki und schließlich
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die Elemente im Fokusstack. Das erste Fokuselement, das auf diese Weise den Filter der Beschränkungen passiert, wird Antezedens des Pronomens. Die anaphorische Bezugnahme in Texten erfolgt also nach Sidner wesentlich durch das Zusammenspiel von Satz- und Textinformation, wobei der Satz durch anaphorische Wieder- bzw. Neuaufnahme von Redegegenständen das dynamische Element im Fokussieren von Diskursreferenten darstellt. Neben den als Filter wirkenden negativen Beschränkungen gibt es ein zentrales positives Kriterium dafür, Antezedens eines Pronomens zu sein: Der bezeichnete Diskursreferent muß — relativ zum Diskursstand — im Fokus sein, er muß ein möglichst salientes Diskursthema darstellen (allgemeine Formulierungen dieser H ypothese findet man beispielsweise auch bei Grosz 1977 und Kantor 1977). Bei näherer Betrachtung weist Sidners Ansatz allerdings mehrere Mängel auf (vgl. Pause 1986). Zunächst erscheint die Betonung der Rollen „Agens“ und „Thema“ (abgesehen von der fehlenden expliziten Rollendefinition) bei der Fokusbildung im Text und die entsprechende Aufteilung der aktuellen Foki in Aktor- und Diskursfokus ad hoc. In einem Text können prinzipiell mehr als zwei Diskursreferenten gleichzeitig in einem Satz anaphorisch oder sogar pronominal wiederaufgenommen werden, und welcher im nächsten Satz besonders thematisiert und etwa als Subjekt genannt wird — man vergleiche Beispiel (11) —, kann von ganz unterschiedlichen Faktoren abhängen. (11) Er hat es ihm für sie gegeben. Sie freute sich sehr darüber. Aufgrund dieser Einschränkung versagt das Sidnersche Verfahren immer dann, wenn im Text ein Fokuswechsel (von einem aktuellen auf einen neuen Fokus) erfolgen müßte, die Beschränkungen aber diesen Wechsel nicht erzwingen: (12) Als die Mutter sah, daß Franz nicht mehr vom Rauchen loskam, schickte sie ihn zum Therapeuten in die Hauptstadt. Lena war zu ihm gegangen, als sie Liebeskummer hatte. Nach Abarbeitung des ersten Satzes von (12) ist die Mutter Aktorfokus, Franz Diskursfokus und Therapeut potentieller Fokus. Die Anapher ihm im zweiten Satz muß nach den Regeln auf den aktuellen Diskursfokus Franz bezogen werden und das eigentliche Antezedens bleibt unberücksichtigt, weil keine der
VII. Semantik der Funktionswörter
Restriktionen, nicht einmal die pragmatische, greift: daß Lena zu Franz gegangen ist, führt zu keiner Inkonsistenz hinsichtlich des vorausgesetzten Wissens. Diese Inadäquatheiten des Sidnerschen Modells lassen sich darauf zurückführen, daß das Antezedens eines Pronomens letztlich nur durch ein einziges positives Kriterium charakterisiert ist, nämlich Textfokus zu sein. Deshalb läßt sich in Fällen wie (12) eine Wahl zwischen verschiedenen in Frage kommenden Antezedenskandidaten, die den Beschränkungen genügen, nicht treffen. Was die Lokalitätsbeschränkung für mögliche Foki angeht, die von Pinkal 1986 für Personalpronomen (im Deutschen), die sich auf unbelebte Gegenstände beziehen, übernommen und auf die alten Foki ausgedehnt wird, so ist sie in dieser Allgemeinheit mit den empirischen Daten nicht vereinbar; die Sachlage ist komplizierter: Ein Pronomen kann sich auch über mehrere Sätze hinweg auf einen möglichen Fokus als Antezedens beziehen, wie man an folgendem Beispiel sehen kann: (13) Achim wollte seiner Mutter etwas ganz Besonderes schenken. Er hatte einen kostbaren Ring aus Platin mit einem großen Rubin gekauft. Rund um den Edelstein waren in mehreren Ringen kleine glitzernde Diamanten angeordnet. Sie sollte sehen, wie dankbar er ihr war. Auch die Einschränkung Pinkals ist nicht unbedingt zwingend, wie (14) illustriert: (14) Maria hatte endlich den Alfa bekommen, den sie sich so lange gewünscht hatte. Er war mit roten Ledersitzen und Stereoanlage ausgestattet. Sie hatte lange sparen müssen. Ihre Tante hatte ihr heimlich einen beträchtlichen Zuschuß gegeben. Jetzt aber stand er glitzernd vor der Tür, und alle bewunderten ihn. Die möglichen Foki verhalten sich also zunächst einmal ähnlich wie die alten Foki. Es bleibt zu untersuchen, ob nicht beide Restriktionen im H inblick auf spezifische Eigenschaften der Diskursorganisation weiter bestimmt werden müssen. So spielt beispielsweise — wie man an (15) im Gegensatz zu (13) sehen kann — der Faktor, wann Diskursthemen weiterbestehen, gewechselt, abgeschlossen oder begonnen werden, eine nicht unwesentliche Rolle für die Möglichkeit des Zurückgreifens auf nicht mehr aktuelle Diskurstopiks (man vergleiche dazu den Begriff
24. Anaphern im Text
des „focus space“ bzw. „context space“ bei Grosz 1977 bzw. Reichmann 1986) (15) Achim hatte sich vorgenommen, seiner Mutter etwas Besonderes zu schenken. Heute wollte er mit Stefan in die Stadt, um Geld von seinem Sparbuch abzuheben. Stefan aber hatte keine Lust. Bei der Hitze ging er lieber zum Baden. ?Sie würde sehen, wie dankbar Achim ihr war. Was den Charakter der textstrukturellen Beschränkungen angeht, so sind sie sicher nicht mit den oben (in Kap. 2) erwähnten eher textsemantischen Zugänglichkeitsbeschränkungen vergleichbar, sondern lassen sich, da es um die Reihenfolge der zu prüfenden Antezedenskandidaten einer Anapher geht, wahrscheinlich über die Salienz der entsprechenden Diskursreferenten ausdrücken. Dies könnte z. B. durch Angabe eines Schwellenwerts geschehen, dessen Unterschreitung dazu führt, daß bestimmte Redegegenstände relativ zu ihrem Vorkommen im Text zu deaktiviert, d. h., für eine nachfolgende pronominale Wiederaufnahme von vornherein nicht salient genug sind. Eine Lokalitätsbeschränkung für mögliche Diskurstopiks in bezug auf die Interpretation von Personalpronomen ist (im Gegensatz zu den definiten Beschreibungen) sicher in vielen Fällen adäquat, nur kann sie nicht absolut gelten (vgl. unten den Begriff des erwarteten Diskursthemas). Bevor wir abschließend das bisher über die Interpretation anaphorischer Personalpronomen Gesagte verallgemeinern und ergänzen, führen wir folgende Abkürzungen ein: SA: zur Bezeichnung des Satzes (clause), in dem die Anapher vorkommt; SL: für den Satz, der SA vorausgeht; UA: für die Diskursreferenten, die bis zum Vorkommen der Anapher im Text erwähnt worden sind und die — relativ zu ihrem jeweils betrachteten Vorkommen im Text — zugänglich und gegebenenfalls — bei Pronomen — morphologisch kongruent sind (der aktivierte Teil des Diskursuniversums U). Sie bilden untereinander eine partielle Rangfolge entsprechend ihrer Salienz, die sich aufgrund der Art und Weise ihres Vorkommens im Text (syntaktische Funktion, semantische Rolle, Häufigkeit, etc.) ergibt (vgl. Pause 1988b, 1990, Asher/Wada 1988);
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UF: für die Diskursreferenten aus UA, die in SL anaphorisch wiederaufgenommen sind; dies sind die jeweils aktuellen Diskursthemen, die Diskursfoki relativ zu SA; UP: für die vergangenen und möglichen Diskursfoki aus UA (relativ zu SA), die aus allen SA vorausgehenden Sätzen stammen und nicht aus UF sind; UE: für die möglichen Diskursfoki aus UP, die (anders als bei Sidner) von SL angefangen bis zum Auftreten der Anapher vorkommen; dies sind die erwarteten Diskursfoki relativ zu SA, d. h. diejenigen Diskursreferenten, die typischerweise an einem Fokuswechsel beteiligt sind. Ein anaphorisches Personalpronomen wird normalerweise bezüglich derjenigen Diskursreferenten interpretiert, die bis zum Vorkommen des Pronomens im Text aktiviert worden sind. Prototypisch für die anaphorische Beziehung eines Personalpronomens sind folgende Eigenschaften: Das Antezedens bezeichnet den gerade salientesten Diskursfokus aus UF, das Pronomen ein (salientes) Topik des Satzes, in dem es vorkommt (d. h. es gehört zum Satzhintergrund und nicht zum Satzfokus, vgl. Lambrecht 1986). Dies ist der unmarkierte Fall der pronominalen Anapher (vgl. dazu den Begriff der „topic continuity“ in Givón 1983, S. 55 und allgemein H auenschild 1985). Im markierten Fall, z. B. beim Fokuswechsel im Text, oder bei Ambiguität (wenn z. B. der Unterschied in der Salienz der in Frage kommenden Diskursreferenten aus UF nicht signifikant genug ist) werden zunächst die Elemente aus UF u UE für die Antezedensbestimmung in Betracht gezogen und, wenn dies ergebnislos ist, schließlich die übrigen Elemente aus UP. Dabei fallen, neben der Salienz der Diskursreferenten, zusätzliche Kriterien ins Gewicht (vgl. Pause 1988a). Dazu zählen besonders die Ähnlichkeit und Parallelität von Eigenschaften von Antezedens und Pronomen wie z. B. Ausdrucksidentität, gleiche syntaktische Funktion, gleiche semantische Rolle, Argument eines Prädikats mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung zu sein, oder die Ähnlichkeit der lokalen thematischen Kontexte (die konzeptuelle Nähe der involvierten Szenen) usw. (vgl. dazu auch Weber 1986). Man erkennt leicht, daß bei H inzunahme dieser Faktoren die Schwierigkeiten,
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die anhand von Beispiel (12) diskutiert wurden, nicht mehr auftreten. Parallelität als strukturelles Merkmal spielt u. a. auch bei der Interpretation von koordinierten Ausdrücken, von Faulheitspronomen und z. B. von Kontrastfoki im Satz eine wichtige Rolle (vgl. Lang 1987, allgemein auch Hobbs 1979): (16) a. Peter1 schlug Paul2 und dann BESIEGTE er1 ihn2. b. Peter1 schlug Paul2 und dann besiegte ER2 IHN1. Im Falle der Gegenüberstellung der Bedeutungen von schlagen und besiegen wie in (16a) ergibt sich eine parallele, im Falle der Parallelität wie in (16b) eine kontrastive Interpretation der Pronomen. Ein Modell für die Resolution pronominaler Anaphern muß also auf Vergleich und Bewertung verschiedener spezifischer Eigenschaften von Antezedens und Pronomen beruhen, unter Beachtung der grammatischen und pragmatischen Beschränkungen (vgl. H auenschild 1985, Pause 1986, Asher/Wada 1988). Die Bestimmung des Antezedens erfolgt im allgemeinen nicht aufgrund deterministischer Regeln, sondern mit H ilfe von Prinzipien und Strategien (H euristiken), die zu einer mehr oder weniger großen Präferenz eines Kandidaten unter möglichen Alternativen führen. Ein vollständiges Bild der Funktionsweise pronominaler Anaphern wird sich erst aufgrund weiterer linguistischer Untersuchungen ergeben. So ist z. B. der Stellenwert textueller Strukturen, wie sie sich bei temporalen, kausalen, etc. Relationen zwischen Sätzen oder Teiltexten zeigen — vgl. die Beispiele (4) und (10) — bisher ungeklärt (zu Problemen des Tempus im Diskurs vgl. z. B. Dowty 1986, Partee 1984b und Bäuerle 1987 sowie Artikel 35). Bestimmte lexikalisch bedingte Einschränkungen müßten ebenfalls in Betracht gezogen werden: So thematisiert beispielsweise die fakultative von-Ergänzung von Einstellungsverben und verba dicendi den entsprechenden Diskursreferenten. Damit ergeben sich starke Einschränkungen für den Bezug anaphorischer Pronomen im Komplementsatz: (17) Peter glaubt von Paul, daß er unschlagbar ist. Ein solches Pronomen kann sich, wenn es z. B. wie in (17) die einzige passende Anapher ist, nur auf diese Ergänzung als Antezedens beziehen, nicht aber auf andere Nominal-
VII. Semantik der Funktionswörter
phrasen im Matrixsatz (etwa auf das Subjekt in (17)). 3.2 Possessivpronomen Einschlägige Untersuchungen zu den anaphorisch verwendeten Possessivpronomen gibt es kaum. Sie werden meist im Zusammenhang mit Personalpronomen abgehandelt, wiewohl sie sich als in Nominalphrasen eingebettete Konstituenten schon syntaktisch z. B. bezüglich konfigurationeller Beschränkungen ganz anders verhalten, man vergleiche (18a) und (18b) im Gegensatz zu (18c) und (18d); nur als gebundene Anaphern, mit quantifizierten Nominalphrasen als Antezedentien, verhalten sie sich analog, wie die Beispiele (18e) und (18 f) zeigen (vgl. dazu Reinhart 1983, S. 177 ff). (18) a. *Peter1 hat ihn1 verraten. b. *Er1 glaubt, daß Peter1 einfach faul war. c. Sein1 bester Freund hat Peter1 verraten. d. Sein1 Vater glaubt, daß Peter1 einfach faul war. e. *Seine1 Frau liebt jeden Mann1. f. *Wenn eine Frau jeden Mann1 liebt, dann kennt sie seinen1 Charakter nicht. Possessivpronomen sind definite Pronomen, die sowohl die Funktion des Artikels als auch die Funktion des attributiven Genitivs einnehmen. Eine Nominalphrase wie sein Haus wird also als „das H aus von ihm“ (oder: „das H aus, das ihm zugehört“) allgemein wie in (19) interpretiert, wobei P das Possessivum (im Beispiel: Haus), y den Possessor, d. h., den Referenten des jeweiligen Antezedens, und R die Zugehörigkeitsrelation bezeichnet, die durch die Eigenschaft P charakterisiert ist. (19) das x: P(x) und R(x,y) Sidners Bemerkungen zu den Possessivpronomen sind äußerst knapp. Beschränkungen werden nicht explizit genannt; man kann aber annehmen, daß die für die Personalpronomen angegebenen textstrukturellen Beschränkungen und Konsistenzbedingungen auch für die Possessivpronomen gelten. Die H auptregel lautet folgendermaßen: „The general rule for possessives can be formulated as: if the discourse focus and actor focus were not established in the same sentence of the discourse, then the discourse focus is the co-specifier (if acceptable on the usual grounds); if the discourse
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focus was unacceptable, the actor focus is checked for acceptability and that failing, the potentiel discourse foci are considered; if both were established in the same sentence, the use will be ambiguous.“ (Sidner 1983: 308)
Die Bedingungen bezüglich der nicht gleichzeitigen bzw. gleichzeitigen Etablierung von Diskurs- und Aktorfocus im Text lassen sich in der angegebenen Allgemeinheit empirisch kaum halten: (20) a. Peter freute sich auf den Samstag. Paul hatte ihn zum Essen eingeladen. Er hatte ihm ein exotisches Mahl versprochen. Seine Künste in der asiatischen Küche waren bekannt. b. Paul hatte Peter zum Essen eingeladen. Er hatte ihm ein exotisches Mahl versprochen. Seine Künste in der asiatischen Küche waren bekannt. Weder würden wir in (20a) das Possessivpronomen auf den Diskursfokus Peter beziehen, noch erscheint uns der Bezug des Pronomens in (20b) echt mehrdeutig, d. h. gleichgewichtig sowohl mit Paul wie mit Peter als Antezedens möglich zu sein. Das Beispiel macht deutlich, daß ein anderes wesentliches Kriterium für die Interpretation von Possessivpronomen in der Salienz der jeweiligen im Text genannten, spezifischen Zugehörigkeitsrelation liegt. Diese Relation kann von verschiedener Art sein (vgl. Bondzio 1973): Eine Teil-Ganzes-Relation (seine Augen), Besitzen-Relation (sein Geld), Produzieren-Relation (seine Schriften), Prädikativ-Relation (ihre Klugheit), Verbalrelation (ihre A breise) oder eine assoziative Relation (er verreist — sein Zug) etc. (Es wäre interessant zu untersuchen, ob bei Vorliegen der Verbalrelation die Parallelität bzw. Ähnlichkeit von Eigenschaften in bezug auf die jeweiligen Argumentkasus von Antezedens und Pronomen bei der Interpretation eine Rolle spielen können). Die anaphorische Beziehung von Possessivpronomen beruht also im wesentlichen auf zwei charakteristischen Eigenschaften des Antezedens: Der entsprechende Diskursreferent ist das salienteste Element aus UF ⋃ UE bzw. aus UP (im unmarkierten Fall aus UF), das den Beschränkungen genügt und für das die Zugehörigkeitsrelation am relevantesten ist (wobei der Begriff der Relevanz dem oben angeführten Begriff der konzeptuellen Nähe von Kontexten entspricht).
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3.3 Kennzeichnungen Nach der Analyse Löbners 1985a gehen wir davon aus, daß alle definiten Beschreibungen — hier wird nur die Komposition aus bestimmtem Artikel und (komplexem) Nomen betrachtet — funktional zu interpretieren sind (vgl. zur Problematik besonders H awkins 1978, H eim 1982, Kamp 1983, Lewis 1979a). Der bestimmte Artikel drückt nach Löbner Existenz und Nicht-Ambiguität aus und ist als H inweis zu verstehen, daß das folgende Nomen als funktionales Konzept zu interpretieren ist. Die Nomina werden nach ihrer Bedeutung eingeteilt in solche, die sortale objektklassifizierende Konzepte (wie Mensch, Buch, etc.) und solche, die relationale Konzepte (wie Vater, Nachbar) bezeichnen und Objekte zu anderen in Beziehung setzen. Funktionale Konzepte sind dann solche, die relationalen Konzepten genau einen Wert zuordnen. Kennzeichungen sind nach Löbner semantisch definit, wenn sie, unabhängig von der Verwendungssituation, aufgrund ihrer Bedeutung ein funktionales Konzept repräsentieren, pragmatisch definit, wenn ihre Funktionalität wesentlich vom spezifischen Kontext abhängt. Anaphorisch verwendete Kennzeichnungen gehören demnach zu den pragmatischen Definitiva. Sie beinhalten oft nur sortale Informationen, bestehen z. B. nur aus dem Kopfnomen selbst; sie können aber auch sehr komplex sein und mithilfe von Attributen funktionale desambiguierende Verknüpfungen zu bereits gegebener Information eines Textes enthalten (wobei eine Schwierigkeit darin besteht, daß z. B. Relativsätze nicht immer restriktiv, also distinktiv zu verstehen sind, sondern oft zusätzliche neue Information über den betreffenden Diskursreferenten einführen). Die Informativität der Beschreibung korreliert mit der Salienz des jeweiligen Antezedensreferenten, d. h., je größer die inhärente Ambiguität des anaphorischen Ausdrucks (je „inhaltsärmer“ die Beschreibung) ist, um so größer muß die Salienz des Antezedenzreferenten im Kontext sein. Die Möglichkeit, durch anaphorische Kennzeichnungen vorerwähnte Diskursreferenten je nach Kontext beliebig exakt identifizieren zu können, stellt schließlich auch die charakteristische Eigenschaft dar, die Kennzeichnungen von Personalpronomen unterscheidet. Deshalb dürften Lokalitätsbeschränkungen oder andere (positive) Faktoren, wie wir sie neben der Salienz für Perso-
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nalpronomen angeführt haben, für Kennzeichnungen kaum eine Rolle spielen. Im Beispiel (21) kann man sich mit dem Pronomen auf den zuletzt genannten Gastwirt beziehen, weil er als Diskursreferent salienter und als Folgethema erwartbarer ist, als der zuerst genannte: (21) Maria kennt einen Gastwirt, der sieben Biersorten ausschenkt. Susanne dagegen kennt einen Gastwirt, der nur Obstsäfte anbietet. Er war Alkoholiker und kann das Zeug nicht mehr riechen. Eine Kennzeichnung wie der Gastwirt oder eine vollständige Wiederholung des Antezedens sind anstelle des Pronomens kaum akzeptabel; angemessen wäre eine desambiguierende Kennzeichnung wie der letztere, oder das Demonstrativpronomen dieser,das hier den gleichen Bezug wie das Personalpronomen herstellt, allerdings aufgrund anderer Faktoren (vgl. 3.4 unten). Anaphorische Kennzeichnungen können z. B. a) direkt, b) indirekt und c) assoziativ als Kontiguitätsanaphern gebraucht werden: direkter Gebrauch liegt vor, wenn Antezedenz und Anapher das gleiche Kopfnomen enthalten, indirekter Gebrauch, wenn dies nicht der Fall ist (z. B. ein Fremder ... der Mann). Eine Kontiguitätsanapher dagegen beruht nicht auf Koreferenz, sondern liegt vor, wenn die Kennzeichnung selbst nicht vorerwähnt ist, sondern ein implizites Argument (Attribut) beinhaltet, das im Text erwähnt ist und das die funktionale Interpretation bestimmt (z. B. das Buch ... der Autor). Für die Fälle a) und b) läßt sich die anaphorische Beziehung folgendermaßen charakterisieren: das Antezedens ist der salienteste Diskursreferent aus UA, der zugänglich ist und auf den die Kennzeichnung zutrifft. Als textuelle Anaphern besonders häufig und interessant sind die Kontiguitätsanaphern. Da ihnen letztlich Possessivkonstruktionen zugrundeliegen, haben sie systematische Beziehungen zu den Possessivpronomen. Daß in ihrem Fall das explizite Argument oder Possessivpronomen wegfallen kann, weist darauf hin, daß die zugrundeliegenden Zugehörigkeitsrelationen besonders salient sein müssen: Es handelt sich um stereotype Relationen, durch die die betreffenden Konzepte miteinander verbunden sind. Dabei läßt sich das eine Argument einer solchen Relation stets als ein Konzept verstehen, das eine bestimmte Rolle (Funktion) in dem von dem anderen Argument beinhalteten Konzeptschema spielt. Bei Instantiierung dieses Kon-
zepts wird die betreffende Rolle, d. h. die Existenz des anderen Arguments als gegeben vorausgesetzt. Das Antezedens einer Kontiguitätsanapher ist — der Angabe für Possessivpronomen entsprechend — der salienteste Diskursreferent aus UF ⋃ UE bzw. UP (im prototypischen Fall aus UF), der zu dem von der Anapher bezeichneten Diskursreferenten in der jeweils ausgedrückten stereotypen Relation steht. Schwierigkeiten bieten assoziative Anaphern wie der Mörder in (22) (vgl. Sidner 1979): (22) Die alte Dame lebte zurückgezogen. Sie starb unter mysteriösen Umständen. Der Mörder wurde nie gefunden. H ier ergibt sich aus der konzeptuellen Nähe der betreffenden Konzepte eine naheliegende Annahme (nämlich, daß die alte Dame von jemandem ermordet wurde) und damit der Angelpunkt für eine funktionale Interpretation. 3.4 Demonstrativa Was die anaphorisch verwendeten Demonstrativa (Demonstrativpronomen oder Demonstrativpronomen plus Deskription) angeht, so sollen hier abschließend einige charakteristische Eigenschaften genannt werden, die ihren Unterschied zu Pronomen und Kennzeichnungen deutlich machen (man vergleiche dazu Kamp 1983, Löbner 1985a, Sidner 1979). Es gibt verschiedene und sehr komplexe Gebrauchsweisen für Demonstrativa. Für alle scheint zu gelten, daß stets a) — im Gegensatz zu den Kennzeichnungen — (implizit oder explizit) eine Auswahl zwischen Alternativen zugrundeliegt und b) eine H ervorhebung, z. B. eine Fokussierung, Kontrastierung oder ähnliches zum Ausdruck gebracht wird. Punkt a) bedingt, daß die betreffenden Deskriptionen stets als sortale oder relationale Konzepte zu verstehen sind. Für komplexe Demonstrativa der Form “this + Deskription“ stellt Sidner fest, daß sie normalerweise einen Fokuswechsel beinhalten, wobei ein möglicher Fokus, das Antezedens, zu einem aktuellen Diskursfokus wird. Dies gilt auch für das Deutsche: (23) Wir können diesen Zusammenhang ausnutzen, indem wir annehmen, daß es einen Ligationsmodus gibt, der besagt, daß das Prädikat des Kommunikationsmodus in der Kommunikationsstruktur
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anwesend sein muß. Wir wollen diesen Ligationsmodus „Performieren“ nennen. Die Grammatik muß dann so aufgebaut werden, daß alle mit dem Ligationsmodus „Performieren“ verbundenen Konsequenzen garantiert werden. Eine weitere Verwendungsweise besteht darin, daß ein Diskursreferent in einer anderen Perspektive, in einem anderen thematischen Zusammenhang gesehen wird. Dabei ist der Antezedensreferent in der Regel ein aktueller Diskursfokus: (24) Doch als der Herd endlich an Ort und Stelle stand, war er das Kernstück des Palace, sein Goldzahn! Vorne strahlte ein blankes Blattwerk nebst Tulpenbeet in seligem Licht. In seiner Bratröhre konnte man sogar Eier kochen. Mit diesem Ofen kam Stolz und mit dem Stolz das Gefühl, heimisch zu sein, ins Palace Union und Grillroom. Der Antezedensreferent anaphorisch gebrauchter Demonstrativa der Form „dies + Deskription“ läßt sich für diese beiden Fälle folgendermaßen charakterisieren: Es ist normalerweise der salienteste Diskursreferent aus UE bzw. aus UF, auf den die Beschreibung zutrifft. Schwierigkeiten bei der Analyse bereiten Demonstrativa wie dieses Problem, dieser Sachverhalt, diese Feststellung, diese Definition, etc., die meist einfache sortale Beschreibungen enthalten und häufig in wissenschaftlichen Texten vorkommen (die Pronomen dies und das werden teilweise analog verwendet, vgl. Bäuerle 1987). Ihre Antezedentien sind oft keine Nominalphrasen, sondern Sätze, d. h., sie beziehen sich auf Sachverhalte, Ereignisse oder Propositionen, die die jeweils beschriebenen relevanten Eigenschaften oder Funktionen haben. Die Abgrenzung dieser Anaphern von ihrem diskursdeiktischen Gebrauch ist oft schwierig (vgl. Fillmore 1975a). Auf jeden Fall gilt für sie ein striktes Näheprinzip: Die der Anapher direkt vorausgehende Folge von Sätzen gilt als das Antezedens, wobei die Identifizierung des komplexen Antezedensreferenten in bezug auf die Länge dieser Folge von der jeweils spezifischen Textstruktur abhängt. Ein solches Näheprinzip — das vermutlich im deiktischen Gebrauch dieser Anaphern seinen Ursprung hat (vgl. Lyons 1977) — gilt auch für die (kaum untersuchten) einfachen
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Demonstrativa, die nur aus dem Pronomen diese (r/s) bestehen. Das Antezedens bezieht sich hier jeweils auf das letzte Element einer Auswahlfolge FU von Diskursreferenten aus UE, die im Kontext relevant ist. Die Reihenfolge der Elemente in FU entspricht der Reihenfolge ihres Vorkommens im Text, die Relevanz ergibt sich aus dem jeweils spezifischen lokalen Kontext der Anapher, man vergleiche (25 a, b) im Gegensatz zu (25 a, c): (25) a. Peter hatte Paul einen Füller und einen Kalender mitgebracht. b. Dieser aber wollte von Geschenken nichts wissen. c. Dieser eignete sich gut als Notizbuch für seinen Schreibtisch. Daß diese Analyse nicht inadäquat ist, zeigt sich, wenn wir das Verhalten des „Ferne“ signalisierenden Gegenstücks dieser Pronomen, jene(r/s), in diesen Kontexten betrachten. Ersetzen wir dieser in (25 b) durch jener, so können wir uns — wiewohl die Intuition hier etwas schwach ist — damit gleichfalls auf Paul beziehen. Der Grund dafür ist einfach: bezüglich der Auswahlfolge (Peter, Paul) ist die Nominalphrase Paul der Anapher am nächsten, d. h., die Verwendung von dieser ist angemessen. Bezüglich der Folge (Peter, Paul, Füller, Kalender) ist diese Nominalphrase relativ weit von der Anapher entfernt, die Verwendung von jener ist möglich. Eine analoge Ersetzung in (25 c) mit konstantem Bezug auf Kalender ist nicht akzeptabel.
4.
Literatur (in Kurzform)
Asher/Wada 1988 · Bäuerle 1987 · Bäuerle/Egli 1985 · Bondzio 1973 · Caramazza/Grober/Garwey/ Yates 1977 · Caramazza/Gupta 1979 · Charniak 1972 · Cooper 1979 · Cornish 1986 · Dowty 1986 · Egli 1979 · Fillmore 1975a · Givón 1983 · Grosz 1977 · H auenschild 1985 · H awkins 1978 · H eim 1982 · H irst 1981 · H obbs 1979 · Jacobs 1984a · Kamp 1981a · Kamp 1983 · Kantor 1977 · Karmiloff-Smith 1980 · Karttunen 1976 · Lambrecht 1986 · Lang 1986 · Lewis 1979a · Löbner 1985a · Lyons 1977 · Pause 1986 · Pause 1988a · Pause 1988b · Pause 1990 · Partee 1978b · Partee 1984b · Pinkal 1986a · Reichman 1985 · Reinhart 1983 · Reinhart 1987 · Rooth 1987 · Sidner 1979 · Sidner 1983 · Smaby 1978 · Webber 1981 · Weber 1986
Peter E. Pause, Konstanz (Bundesrepublik Deutschland)
VII. Semantik der Funktionswörter
560
25. Negation 1. 2.
3.3 3.4 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 6. 7.
Einige grundlegende Begriffe Erscheinungsformen der natürlichsprachlichen Negation Die Vielfalt der Negationsträger Die Markiertheit der Negation Negationssensitive Phänomene Dimensionen des Negationsbezugs Natürlichsprachliche und logische Negation Semantischer und syntaktischer Negationsbereich Pragmatischer Negationsbereich Der Fokus der Negation Wieviele Negationsarten gibt es? Zwei Ebenen der Negationsartdifferenzierung Starke und schwache Negation Sachverhalts- und Begriffsnegation Replazive und nicht-replazive Negation Zur Distribution von Polaritätselementen Kompositionalitätsprobleme Literatur (in Kurzform)
1.
Einige grundlegende Begriffe
2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2
So, wie der Begriff ‘Negation’ üblicherweise verwendet wird, beinhaltet jedes der folgenden deutschen Beispiele Negation (wobei die für diesen Inhaltsbestandteil verantwortlichen Elemente hervorgehoben sind): (1) Es regnete gestern nicht. (2) Nicht Gerda ist mit Peter verheiratet. (3) unverheiratet (4) ungebildet Eine vorläufige Bestimmung des Begriffs ‘Negation’ auf der Basis solcher Beispiele kann von der Beobachtung ausgehen, daß die hervorgehobenen Elemente bewirken, daß der Inhalt des jeweiligen Rests in einen intuitiv entgegengesetzten überführt wird. Dies, so scheint es, ist der gemeinsame Nenner aller typischen Fälle von Negation: Negation formt Inhalte in jeweils entgegengesetzte Inhalte um. Was dies genau bedeutet, hängt davon ab, was man unter „Inhalt“, „entgegengesetzt“ und „umformen“ versteht. In mengentheoretischer Sprechweise gibt es die folgende Explikationsmöglichkeit: Eine Umformung von Inhalten in andere Inhalte kann man als eine Operation auf der Menge der Inhalte, d. h. eine Funktion von der Menge der Inhalte in sich selbst, betrachten. Außerdem deuten die Beispiele darauf hin, daß Negation Inhalte jeweils in Inhalte desselben Typs überführt, also Satzinhalte in Satzinhalte (vgl. (1), (2)),
Adjektivinhalte in Adjektivinhalte (vgl. (3), (4)) usw. Danach ist Negation für jeden in Frage kommenden Inhaltstyp a eine Operation auf der Menge der Inhalte des Typs a. Worin aber besteht die ‘Entgegengesetztheit’ der durch Negation zugeordneten Inhalte? Eine erste Bedingung ist offensichtlich, daß für jeden in Frage kommenden Inhalt i und seine Negation n(i) gilt: i ≠ n(i). Doch das ist nicht hinreichend. Nehmen wir an, wir fassen Inhalte als Intensionen im Sinne der üblichen an Carnap (1947) anknüpfenden Explikationen auf, also als Funktionen von möglichen Welten in Extensionen. Dann ordnet die Negation in (3) dem Inhalt von verheiratet — also einer Funktion, die jeder möglichen Welt die Menge der jeweils verheirateten Individuen zuordnet — nicht einen beliebigen anderen Inhalt gleichen Typs zu, sondern einen, der in jeder Welt als Wert eine Menge ergibt, die mit der Menge, die der Inhalt von verheiratet dieser Welt zuordnet, einen leeren Durchschnitt bildet (weil ja kein Individuum gleichzeitig verheiratet und unverheiratet sein kann). Dies kann man verallgemeinern: Für alle Inhalte i muß n(i) nicht nur verschieden von i sein, sondern darf sich darüberhinaus mit i auch nicht überlappen (im Sinne des eben gegebenen Beispiels). Wenn man nur (1) und (3) betrachtet, könnte man zu der Ansicht kommen, daß ein weiteres wesentliches Merkmal der Negation die Komplementarität der durch sie zugeordneten Inhalte ist. Letztere scheinen ja in diesen Beispielen alles zu umfassen, was nicht zum jeweils negierten Inhalt gehört. So scheint der Inhalt von (3) jeder Welt w genau die Menge zuzuordnen, die das Komplement des wWerts des Inhalts von verheiratet in der Menge der Individuen bildet. Auch ein beliebig gewählter Wert des Inhalts von (1), also der Funktion, die möglichen Welten den jeweiligen Wahrheitswert von (1) zuordnet, scheint immer das Komplement des Werts des jeweils negierten Inhalts zu sein, nämlich der jeweils andere Wahrheitswert (wenn man von der Standardannahme ausgeht, daß es genau zwei Wahrheitswerte gibt). Wenn das nichtnegierte Pendant von (1) wahr ist, ist (1) falsch, und umgekehrt. Diese Darstellung ist natürlich zu einfach. Zunächst berücksichtigt sie bei (3) nicht, daß es ja Individuen gibt, von denen man gar nicht sinnvoll sagen kann, sie seien unverheiratet, nämlich genau die, von denen man auch nicht
25. Negation
sinnvoll sagen kann, sie seien verheiratet (z. B. Drillbohrer). Also umfaßt der Wert des Inhalts von (3) nicht in jeder Welt das Komplement der Extension von verheiratet in der Gesamtmenge der Individuen, sondern im allgemeinen nur eine echte Teilmenge dieses Komplements. Allgemeiner: In Fällen wie (3) sind die durch Negation zugeordneten Inhalte deswegen nicht komplementär zu den jeweils negierten Inhalten, weil die ersteren genau wie die letzteren nur auf eine bestimmte Sorte von Entitäten zutreffen können. Doch selbst wenn man das Phänomen der sortalen Beschränkungen ausklammert, läßt sich die Komplementaritätshypothese (s. o.) nicht halten. Dies sieht man an (4). Auch wenn man nur Individuen in Betracht zieht, von denen man sinnvoll sagen kann, sie seien (un)gebildet, bezeichnet ungebildet im allgemeinen nicht das ganze Komplement der Gebildeten in der Menge dieser Individuen, sondern nur eine echte Teilmenge dieses Komplements. Nicht jeden, der nicht zur Menge der Gebildeten gehört, kann man als ungebildet bezeichnen. (Es gibt ja auch H albgebildete.) Ähnlich scheint es sich bei (2) zu verhalten. Nicht in allen Situationen, in denen der Satz ohne nicht sinnvoll geäußert und als wahr oder falsch beurteilt werden kann, hat (2) einfach den jeweils anderen Wahrheitswert. So würde man (2) wohl kaum als wahr betrachten, wenn Peter ledig ist. Daß die durch Negation zugeordneten Inhalte nicht in allen Fällen komplementär im angedeuteten Sinne sind, weist darauf hin, daß es verschiedene Arten von Negation gibt. Es wird sich allerdings erweisen (s. 4.), daß die durch die bisherigen Überlegungen nahegelegte Unterscheidung zwischen komplementärer ((1), (3)) und nicht-komplementärer Negation ((2), (4)) — die man in Bezug setzen kann zur Aristotelischen („de interpretatione“) Unterscheidung zwischen kontradiktorischen und konträren Gegensätzen — noch zu grob ist, weswegen letztlich mehr und andere Negationsartunterscheidungen anzunehmen sein werden. Negation, wie sie eben diskutiert wurde, darf nicht mit dem Verneinen verwechselt werden. Man verneint einen Sachverhalt p genau dann, wenn man zum Ausdruck bringt, daß man annimmt, daß p nicht der Fall ist. Dies wiederum tut man nur dann, wenn man zum Ausdruck bringt, daß man die Negation von p annimmt. Damit wird eine Beziehung zwischen Negation und Verneinen, aber auch der Unterschied zwischen beiden deutlich. Die
561
Negation ist, wie wir sahen, eine Operation auf Sprachinhalten. Das Verneinen ist eine H andlung, die man vollziehen kann, indem man Ausdrücke einer Sprache äußert, also eine mögliche sprachliche H andlung. Neben diesem kategorialen Unterschied ist zu beachten, daß nicht alle Sätze, die Negation beinhalten (s. u.), zum Verneinen geeignet sind: (5) Wenn Kapitän Nemo nicht eingreift, wird Dr. No die Insel in die Luft sprengen. Dieser Satz beinhaltet die Negation des Sachverhalts, daß Kapitän Nemo eingreift, ohne daß man mit seiner Äußerung diesen Sachverhalt verneinen könnte. Solche Beispiele (und Beispiele von Verneinung ohne Negation, vgl. Falkenberg 1987) lassen es als aussichtslos erscheinen, die Negation irgendwie auf das Verneinen oder andere ‘negative’ Sprechakte zurückführen zu wollen. Es hat dennoch des öfteren Versuche einer entsprechenden pragmatischen Fundierung der Negation gegeben, z. B. in H einemann 1983. (Zur Kritik an diesem Ansatz vgl. Falkenberg 1985, 1987.) Alle natürlichen Sprachen haben Mittel, um Negation zum Ausdruck zu bringen. Diese sollen hier als Negationsträger bezeichnet werden. Ein Negationsträger ist irgendeine Formeinheit (z. B. ein Affix, ein Wort, ein Konstruktionstyp), deren normaler Beitrag zur Bedeutung der komplexen Ausdrücke, in denen sie vorkommt, von einer adäquaten Theorie der Bedeutungskomposition in der jeweiligen Sprache als H inzufügung von Negation — eventuell in Verbindung mit anderen Inhalten — gedeutet werden muß. In diesem Sinn sind etwa im Deutschen die Partikel nicht und das Präfix un- Negationsträger. Sie sind darüberhinaus semantisch einfache Negationsträger, indem sie nur Negation beinhalten. Daneben gibt es semantisch komplexe Negationsträger, häufig solche, die die Negation mit einer Quantifikation verbinden, wie nie (Negation + temporale Existenzquantifikation), vgl. 2.1. Bei semantisch komplexen Negationsträgern kann es zudem vorkommen, daß die Negation implizit ist, im Gegensatz zur expliziten Negation bei einfachen Negationsträgern oder beim eben genannten komplexen Negationsträger. Implizit ist Negation dann, wenn sie in der H ierarchie der durch das Formelement zum Ausdruck kommenden Inhalte nicht an oberster Stelle steht, was sich darin manifestieren kann, daß sie sich nur im Bereich der Präsuppositionen (oder konven-
VII. Semantik der Funktionswörter
562
tionellen Implikaturen, vgl. Art. 13 und 14) auswirkt. Nur präsupponiert und damit implizit ist Negation z. B., wenn sie durch ein kontrafaktisches Konditional zum Ausdruck gebracht wird: (6) Wenn Luise Kapitän Nemo geheiratet hätte, wäre sie heute Witwe. Sowohl daß Luise Kapitän Nemo nicht geheiratet hat, als auch daß sie heute keine Witwe ist, ist nach Aufweis der üblichen Tests eine Präsupposition von (6). Der Bezug auf die Theorie der Bedeutungskomposition in der obigen Bestimmung des Begriffs ‘Negationsträger’ soll von vorneherein klar machen, daß die Entscheidung ‘Negationsträger oder nicht’ letztlich theorieabhängig ist. Dies betrifft z. B. die Mittel zum Ausdruck des Komparativs. Auf die ‘Negativität’ dieses Phänomens ist immer wieder hingewiesen worden, und tatsächlich lassen sich Komparative als Negation beinhaltend paraphrasieren: (7) Kapitän Nemo ist gütiger als Dr. No. a. Es gibt einen Grad g, so daß gilt: Kapitän Nemo ist gütig mindestens im Grad g, und es ist nicht der Fall, daß Dr. No gütig mindestens im Grad g ist. b. Das Maß der Güte von Kapitän Nemo übertrifft das Maß der Güte von Dr. No. Wer, wie P. Seuren (1973), die Bedeutungskomposition in Komparativsätzen im Stil von (7 a) analysiert, der expliziert damit auch die sprachlichen Mittel zum Ausdruck des Komparativs als Negationsträger, weil letztere nach dieser Analyse ja unter anderem Negation induzieren. Wer dagegen eine Analyse wählt, die (7 b) entspricht, wie R. Bartsch und T. Vennemann (1972), für den ist eine Komparativkonstruktion kein Negationsträger im obigen Sinn. Die Entscheidung ‘Negationsträger oder nicht’ hängt hier also von der Abwägung zweier Theorien des Komparativs ab (die selbst ein komplexes Problem ist, vgl. von Stechow 1984 a). Wenn hier von Ausdrücken (z. B. von Sätzen gesprochen wird, die Negation beinhalten (kurz: von negativen Ausdrücken, im Gegensatz zu affirmativen), so ist damit nur gemeint, daß diese Ausdrücke einen Negationsträger im eben skizzierten Sinn enthalten. Damit wird ‘Negativität’ an der syntaktischen Struktur und an der lexikalischen Besetzung festgemacht. Insbesondere werden negative
Ausdrücke damit nicht als solche bestimmt, deren Bedeutung Negation enthält. Damit vermeidet man das wohlbekannte Problem, daß man, falls man die Bedeutung von Sätzen mit ihren Wahrheitsbedingungen identifiziert, keinen Unterschied zwischen ‘negationshaltigen’ und nicht ‘negationshaltigen’ Satzbedeutungen machen kann. Sätze wie (8) und (9) (8) Alle lieben Dr. No. (9) Niemand liebt Dr. No nicht. haben dann ja dieselbe Bedeutung. Nach dem oben vorgeschlagenen Kriterium kann man dagegen (9) als negativen und (8) als affirmativen Satz identifizieren. Auch dieses Negativitätskriterium ist natürlich nicht unproblematisch. Das kann es schon wegen der erwähnten Theorieabhängigkeit der Bestimmung von Negationsträgern nicht sein, die selbst in scheinbar so klaren Fällen wie nicht wirksam ist, etwa in Sätzen wie (10): (10) Habe ich dich nicht tausendmal gewarnt vor ihr? Erst eine ausgebaute Theorie der Fragesätze (vgl. Art. 15) kann entscheiden, ob in solchen rhetorischen Fragen der Negationsträger nicht oder eine gleichlautende Modalpartikel vorliegt. Noch gravierender ist auf den ersten Blick das Problem, daß das obige Negativitätskriterium nicht geeignet ist, diejenigen Kontexte zu bestimmen, in denen negationssensitive Phänomene vorkommen können (vgl. 2.3). In 5. wird sich jedoch zeigen, daß Negativität — in irgendeinem vernünftigen Sinn — ohnehin weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Vorkommen solcher Phänomene ist. Die Qualität einer Explikation der Negativität sollte deswegen auch nicht an diesem Problem gemessen werden.
2.
Erscheinungsformen der natürlichsprachlichen Negation
2.1 Die Vielfalt der Negationsträger Schon der flüchtigste Blick auf die Daten zeigt, daß die natürlichsprachliche Negation syntaktisch-morphologisch kein einheitliches Phänomen ist. Vielmehr gibt es eine Fülle von Methoden, Negation zum Ausdruck zu bringen. Nach den typologischen Untersuchungen von Osten Dahl (1979) und John R. Payne (1985) sind es mindestens die folgenden, jeweils mit Beispielen illustrierten:
25. Negation
563
(i) Morphologischer Ausdruck der Negation durch Affigierung, Reduplikation oder Tonvariation (11) Swahili: watampenda ‘Sie werden ihn lieben’ (12) Japanisch: samu-katta ‘Es war kalt’ (13) Arabisch: fiih biira hina ‘Es gibt hier Bier’
hawatampenda ‘Sie werden ihn nicht lieben’ samu-na-katta ‘Es war nicht kalt’
mafiish biira hina ‘Es gibt hier kein Bier’ (14) Mano (Niger-Kongo, aus Dahl 1979): ǹ yídò yídò ‘Ich weiß’ ‘Ich weiß nicht’ (ii) Syntaktischer Ausdruck der Negation durch eine Partikel (eventuell im Zusammenwirken mit anderen Negationsträgern) (15) Deutsch: Ich komme. (16) Französisch: Pierre quitte l’hotel.
Ich komme nicht. Pierre ne quitte pas l’hotel.
(iii) Syntaktischer Ausdruck der Negation durch ein höheres Verb (d. h. eines, das den Restsatz als Komplement nimmt) (17) Tonga (aus Payne 1985, Na’e und ke sind Aspektmarkierer) Na’e ’alu ’a Siale Na’e ’ikai ke ’alu’a Siale ‘Charlie didn’t go’ ‘Charlie went’ (iv) Syntaktischer Ausdruck der Negation durch ein H ilfsverb (18) Finnisch: laulan en laula ‘Ich singe’ ‘Ich singe nicht’ (19) Maung (Australisch, aus Dahl 1979, ngiudbaji Potentialisform): ngiudba marig ngiudbaji ‘I put’ ‘I do not put’ (v) Syntaktischer Ausdruck der Negation durch eine Partikel bei gleichzeitiger H inzufügung eines H ilfsverbs (20) Englisch: John met Mary
John did not meet Mary.
Diese Liste ist noch unvollständig. Sie verzeichnet nur das, was Payne (1985) Standardnegation nennt, also Formen des Ausdrucks
der Negation „that can apply to the most minimal and basic sentences“ (Payne 1985: 198). Deshalb fehlt z. B. ein H inweis auf die in vielen Sprachen vorhandenen negativen Quantoren, wie niemand, never, nihil. Außerdem fehlen die Ausdrucksmittel der Begriffsnegation (vgl. 4.3), nämlich Wortstammbildungsmittel wie un-, in- usw. Schließlich muß man die Liste durch den H inweis darauf ergänzen, daß den meisten Sprachen mehrere Negationsträger zur Verfügung stehen. So gibt es im Deutschen mindestens die folgenden Mittel des Ausdrucks der Negation (vgl. Jacobs 1982, 1983; es ist jeweils nur die wichtigste syntaktische Funktion berücksichtigt; Träger von Begriffsnegation und impliziter Negation sind nicht aufgeführt): Ausdruck nicht keineswegs keinesfalls nie(mals) nirgends nichts keinerlei nicht einmal kein niemand weder — noch nein
syntaktische Funktion Adverbial Adverbial Adverbial Adverbial Adverbial NP-Funktionen Artikel Adverbial Artikel NP-Funktionen diskontinuierliche Konjunktion Satzäquivalent
Versuche, Einheitlichkeit in das syntaktische Verhalten dieser Elemente hineinzuinterpretieren, indem man sie transformationell auf eine gemeinsame tiefenstrukturelle Quelle (ein abstraktes Negationsadsentential) zurückführt (Stickel 1970, im Anschluß an Klima 1964), können als überholt gelten (vgl. Jacobs 1982). In all dieser Vielfalt sind doch gewisse Tendenzen erkennbar. So ist unübersehbar, daß das Verb eine starke Anziehungskraft auf die Negation ausübt (vgl. dazu auch Dahl 1979). Dies manifestiert sich teilweise darin, daß die Negation durch morphologische oder klitische Verbbestandteile realisiert wird (die unter (i) genannten Möglichkeiten betreffen ausschließlich Verbmorphologie, bei (v) ist die Negation klitisch mit dem hinzugefügten H ilfsverb verbunden), teilweise darin, daß der Negationsträger selbst verbal ist, vgl. (iii) — (iv). Darüberhinaus sind die unter (ii) genannten Partikelrealisierungen der Negation ausnahmslos Fälle von Verbalphrasenmodifikation. Die syntaktische Affinität zum Verb manifestiert sich auch in der Stellung der Ne-
564
gationsträger im Satz. Nach Dahl besteht bei Negationspartikeln ein universeller Trend zu einer unmittelbar präverbalen Position (vgl. Dahl 1979: 91 ff), der unabhängig von der jeweiligen Grundwortstellung ist. Dies deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen einer von M. Dryer (1988) anhand von 345 Sprachen durchgeführten Untersuchung der Korrelationen zwischen Grundwortstellung und Negationsträgerposition. Nach Dryer ist in SVO- und VSO-Sprachen die bei weitem präferierte Negationsträgerposition die unmittelbar präverbale; in SOV-Sprachen dagegen ist die präferierte Position die unmittelbar postverbale, die unmittelbar präverbale Position ist jedoch auch hier häufig. Die Unterschiede zwischen Dahls und Dryers Ergebnissen erklären sich z. T. aus der Tatsache, daß Dryer nicht zwischen verschiedenen Arten von Negationsträgern unterschieden hat, vgl. Dryer 1988: 113 ff. Eine diesbezügliche Differenzierung ist auf jeden Fall unumgänglich, wenn man versuchen will, die eben beschriebenen Muster zu erklären, vgl. 3.2. Der syntaktischen Affinität von Negation und Verb gewissermaßen gegenläufig ist die Tendenz zur lexikalisierten Verschmelzung der Negation mit der Quantifikation (oder mit anderen ‘logischen’ Operationen) mit dem Resultat der Bildung negativer Quantoren (s. o.). Dafür, daß eine solche Verschmelzung zustande kommt, spielt die Wortart des Trägers der Quantifikation kaum eine Rolle. Insbesondere muß er nicht verbal sein, sondern ist sehr oft nominal. Dieses Muster ist aber gegenüber dem Trend zum Einbau des Negationsträgers in den Prädikatskomplex nicht nur deswegen sekundär, weil es keine Standardnegation im obigen Sinn ist. Es gibt auch viele Sprachen, in denen die Quantifikationsnegation kein wirklich autonomes Negationsmittel ist, sondern in der Regel nur in pleonastischer Verbindung mit einer ans verbale Prädikat gebundenen Negation auftaucht (vgl. Dahl 1979: 105, Payne 1985: 236 f), z. B. russisch nikto (‘niemand’): (21) Nikto ne prišel ‘Niemand kam’ (wörtlich: ‘Niemand nicht kam’) Die lexikalische Verbindung von Negation und Quantifikation unterliegt universell bestimmten Restriktionen. Insbesondere scheint sie nur äußerst selten bei Allquantoren vorzukommen, vgl. z. B. H orn 1978, Löbner 1987. Die allermeisten der fraglichen Lexeme sind semantisch und etymologisch negierte
VII. Semantik der Funktionswörter
Existenzquantoren, vgl. niemand, nichts, none, never usw., während negierte Allquantifikation wohl syntaktisch (nicht alle, not always), aber so gut wie nie lexikalisiert vorkommt (*nalles, *nalways). Dieser Trend dehnt sich über die bekannten logischen Entsprechungen auch auf die Lexikalisierung der Verbindung der Negation mit anderen Elementen aus, vgl. z. B. nor (Negation + ‘oder’), aber *nand (Negation + ‘und’), und er hinterläßt seine Spuren auch im Feld der Begriffsnegation. Im Lexikon vieler Sprachen findet sich eine begriffsnegierende Entsprechung zu ‘nicht möglich’ aber keine zu ‘nicht notwendig’, etwa im Französischen impossible, *innecessaire (vgl. auch *unnotwendig). H orns Erklärung für diesen Trend basiert auf den mit den involvierten Lexemen verbundenen skalaren Implikaturen (vgl. Art. 14). Sie lassen die Lexikalisierung der Negation einer Allquantifikation (Konjunktion, Notwendigkeit etc.) als überflüssig erscheinen, weil diese eine generalisierte skalare Implikatur des in jedem Fall im Lexikon bereits vorhandenen Ausdrucks unnegierter Existenzquantifikation (Disjunktion, Möglichkeit etc.) ist. Möglich implikatiert ‘nicht notwendig’, oder implikatiert ‘nicht und’, einige ‘nicht alle’ usw. Das bekannteste Muster der historischen Entwicklung von Negationsträgersystemen ist jenes, das man nach dem Sprachwissenschaftler, der es am prägnantesten beschrieben hat, Jespersens Zyklus nennt. (Vgl. Jespersen 1917.) Es setzt an bei der weitverbreiteten emphatischen Verstärkung eines Negationsträgers durch ein anderes Element, oft eines, das als Maßangabe fungiert, wie etwa beim Übergang von altfranzösisch (22) zu neufranzösisch (23): (22) jeo ne di (23) je ne dis pas Daß pas in (23) heute nicht mehr als emphatischer Zusatz interpretiert wird — was sich insbesondere darin manifestiert, daß es in der Standardsprache nicht weglaßbar ist — erklärt sich durch eine Abschleifung der ursprünglich verstärkenden Funktion. Dies wiederum begünstigt eine Reanalyse, nach der der Zusatz der eigentliche Negationsträger, der ursprüngliche Negationsträger dagegen überflüssig ist. Damit hat die Sprache einen neuen Negationsträger gewonnen und befindet sich gleichzeitig auf dem Weg, einen anderen zu verlieren, wie im Neu-Umgangsfranzösischen: (24) je dis pas
25. Negation
Viele Negationsträger natürlicher Sprachen sind so entstanden, z. B. nicht und kein (< deh-ein), wobei das erstere, anders als pas, auf einen Negationsverstärker mit einem inkorporierten Vorkommnis des ursprünglichen Negationsträgers zurückgeht, nämlich auf niwiht. Andererseits ist auch das weitgehende Verschwinden des alten indoeuropäischen ne als selbständiger Negationsträger ein Ergebnis dieses Prozesses. Daß es sich dabei wirklich um einen Zyklus handelt, sieht man im übrigen z. B. daran, daß ne in (22) ebenfalls auf einen älteren Negationsverstärker zurückgeht, nämlich auf lateinisch non (< ne-oenum). (Die Vermutung, daß bei Jespersens Zyklus areale Zusammenhänge eine Rolle spielen, wird in Bernini & Molinelli & Ramat 1987 diskutiert.) 2.2 Die Markiertheit der Negation Negation ist nicht in dem Sinn markiert, in dem z. B. Silben mit der Struktur VCCC es sind. Alle natürlichen Sprachen haben grammatische Mittel zum Ausdruck der Negation, und es sind auch keine diachronischen Prozesse bekannt, die Negation ‘abbauen’. Markiert ist die Negation jedoch in dem Sinn, daß negative Sätze im Vergleich mit den entsprechenden affirmativen Sätzen besonderen grammatischen und Verwendungsbedingungen unterliegen. Dies beginnt damit, daß in allen natürlichen Sprachen die Anwesenheit von Negation in der semantischen Struktur eines Satzes durch die Anwesenheit spezieller Ausdrücke oder Konstruktionen (vgl. 2.1) im Satz angezeigt werden muß und nicht etwa dadurch indiziert werden kann, daß bestimmte ansonsten nötige Elemente weggelassen werden. Dies führt dazu, daß negative Sätze syntaktisch oder morphologisch komplexer sind als ihre affirmativen Pendants. (Es wurde zuweilen behauptet, daß im Telugu die Negation systematisch durch Weglassung bestimmter Elemente des affirmativen Satzes ausgedrückt wird. Tatsächlich verwendet das Telugu in speziellen syntaktisch-semantischen Umgebungen ein negatives Suffix -a, das unter bestimmten morphologischen Bedingungen getilgt wird, was bei gleichzeitiger Stammalternation den Eindruck einer Weglassung von Teilen des affirmativen Satzes erwecken kann. Das wichtigste Mittel zum Ausdruck der Negation ist jedoch die H inzufügung des H ilfsverbs lee-, die jeweils zu einem deutlichen Komplexitätszuwachs gegenüber dem affirmativen Satz führt.) Eine weitere Manifestation der Markiertheit der Negation ist die eingeschränkte Dis-
565
tribution negativer Ausdrücke, wiederum im Vergleich mit entsprechenden Ausdrücken ohne Negation: (25) a. Sobald sie anfing zu rauchen, verließ er das Zimmer. b. ?Sobald sie nicht anfing zu rauchen, verließ er das Zimmer. (26) a. Er weiß mehr, als sie ahnt. b. *Er weiß mehr, als sie nicht ahnt. (27) a. auf den Dächern vieler Häuser b. ??auf den Dächern keiner Häuser Die Akzeptabilitätsunterschiede sind offenbar durch spezielle inhaltliche Eigenschaften der Negation bedingt. Nach sobald in (25) muß ein bestimmter Zeitpunkt spezifiziert werden, der den Zeitverlauf in der Situation, über die gesprochen wird, in zwei Teile — ‘davor’ und ‘danach’ — zerlegt. Zeitpunkte, zu denen eine Person nicht anfängt zu rauchen, sind hierfür anscheinend nicht geeignet — allerdings nur, wenn man von normalen Situationen ausgeht (s. u.). Die Inakzeptabilität von (26 b) und (27 b) ist dagegen wohl nicht situationsabhängig. Negation schränkt nicht nur die Distribution der Syntagmen, in denen sie vorkommt, ein, sondern stellt oft auch besondere Anforderungen an die Form dieser Syntagmen. So macht Negation zuweilen spezielle Tempusoder Aspektmarkierungen erforderlich, vgl. Givón 1978 und Payne 1985. Insbesondere wirkt die Negation häufig als Barriere für diesbezügliche Markierungsinnovation. Givón weist auf das Beispiel der erst vor kurzem ins Bemba eingeführten Markierung der Unterscheidung von ‘morgen’ und ‘später als morgen’ durch -kà- bzw. -ká- hin, die nur in affirmativen Sätzen verwendet werden kann, während in negativen Sätzen nur das alte -kàzur Verfügung steht, das ein undifferenziertes Futur ausdrückt (vgl. Givón 1978: 97): (28) a. N-kà-boomba ‘Ich werde morgen arbeiten’ b. N-ká-boomba ‘Ich werde nach morgen arbeiten’ c. Nshi-kà-boomba ‘Ich werde nicht arbeiten (weder morgen noch danach)’ d. *Nshi-ká-boomba In Givón 1978 findet sich auch ein Versuch, die Markiertheit der Negation zu erklären. Givón geht von dem Faktum aus, daß negative Sätze im allgemeinen weniger Information beinhalten als die entsprechenden affir-
566
mativen Sätze — was sich unter anderem in der Menge der jeweils zulässigen Folgerungen manifestiert, vgl. 3.3. Er beschreibt dieses Faktum aus der Sicht der Gestaltpsychologie. Danach stellt der durch einen negativen Satz wie (29 b) beschriebene Sachverhalt in aller Regel nach Maßgabe unseres Weltwissens den Grund (‘ground’) dar, vor dem sich der Inhalt des entsprechenden affirmativen Satzes als Gestalt (‘figure’) abhebt, also als das NichtErwartbare, Bemerkenswerte (vgl. Givón 1978: 105 ff): (29) a. Meine Frau ist schwanger. b. Meine Frau ist nicht schwanger. Wenn nun ‘negationsfeindliche’ Kontexte (s. o.) gerade solche sind, in die nur Syntagmen eingebettet werden können, deren Inhalt Gestalt im eben angedeuteten Sinne ist, hätte man eine Erklärung für die entsprechenden Distributionsrestriktionen. Sehr plausibel ist dieses Erklärungsmuster für die eingeschränkte Distribution negativer Sätze in Diskursen. Z. B. kann man negative Sätze wie (29 b) normalerweise nicht sinnvoll diskursinitial äußern. Dafür ergibt sich mit dem oben Gesagten eine Erklärung, wenn für jede Diskursposition d das folgende Relevanzprinzip gilt: In d dürfen nur die noch nicht als gemeinsames Wissen der Diskurspartner etablierten Inhalte behauptet (erfragt usw.) werden — also nur Gestalten, nicht Teile des Grundes. (Vgl. Grices Maxime der Relevanz, Artikel 14.) Daraus folgt, daß Äußerungen negativer Sätze normalerweise nicht diskursinitial sein können, denn das bei Diskursbeginn als gemeinsam etablierte Wissen besteht ja in der Regel aus dem normalen Weltwissen, das wiederum in der Regel den Inhalt des negativen Satzes umfaßt (s. o.). Äußerungen negativer Sätze beinhalten also diskursinitial normalerweise keine Gestalt, die sich vom Grund der gemeinsamen Vorannahmen abheben könnte, und verstoßen damit gegen das obige Relevanzprinzip. Damit ist auch erklärt, warum negative Sätze manchmal eben doch diskursinitial geäußert werden können, nämlich dann, wenn sich das normale Verhältnis von Gestalt und Grund verkehrt, indem das, was negiert wird, zur diskursinitialen Wissensbasis der Kommunikationspartner gehört. Darüberhinaus wird erklärt, warum Äußerungen negativer Sätze generell nur dann sinnvoll sind, wenn der Sprecher davon ausgehen kann, daß der Adressat den negierten Sachverhalt für wahr oder wahrscheinlich hält. (Dies ist häufig festgestellt worden, außer in Givón 1978 z. B. in
VII. Semantik der Funktionswörter
Schmidt 1973 und Zifonun 1976.) Doch können nach dem Givónschen Muster auch (25)—(28) erklärt werden? Bei (25) scheint dies möglich zu sein. Einerseits ist es plausibel, daß es gerade die in normalen Situationen anzunehmende Nicht-Gestalthaftigkeit des in die Sobald-Phrase eingebetteten negativen Satzes ist, die in Konflikt steht mit der Zeitpunktkennzeichnung, die hier gefordert ist (s. o.). Andererseits scheint auch die Voraussage richtig zu sein, daß (25 b) bei Änderung der Gestalt-Grund-Verhältnisse akzeptabel werden kann. Wenn von einer Frau die Rede ist, die sich über einen bestimmten Zeitraum hinweg ständig Zigaretten anzündet und sie dann sofort wieder löscht, wäre eine Äußerung von (25 b) zumindest problemlos interpretierbar (wenn man dann auch eher nicht mehr statt nicht erwarten würde). In den anderen Fällen scheitert eine Erklärung der angedeuteten Art an der Situationsunabhängigkeit ihrer Inakzeptabilität. Nach dieser Erklärung sollten ja die inakzeptablen Varianten von (26)—(28) in Sprechsituationen, in denen die normalen Gestalt-Grund-Verhältnisse verkehrt sind, akzeptabler sein. Dies ist aber nicht der Fall. Ein Ausweg wäre hier die Annahme einer Grammatikalisierung der normalen Gestalt-Grund-Verhältnisse, aber auch damit wäre höchstens (26) zu erklären. In (27) und (28) ist einfach kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Informationsarmut negativer Syntagmen und den sichtbar werdenden Beschränkungen zu erkennen. (Auch Givón selbst versucht für (28) nicht, einen solchen Zusammenhang herzustellen. Zu (27) vgl. 6.) Schließlich ist auch nicht klar, in welchem Zusammenhang die psychischen Manifestationen der Markiertheit der Negation mit der relativen Informationsarmut stehen. In zahlreichen Untersuchungen, von denen hier nur Clark 1974 genannt sei, wurde nachgewiesen, daß negative Syntagmen langsamer verarbeitet werden als entsprechende affirmative Syntagmen. Verf. kennt jedoch keine Untersuchungen, bei denen die Verarbeitungszeit negativer Syntagmen in Korrelation mit Variationen der Gestalt-Grund-Verhältnisse gebracht wurde. Ein solches Vorgehen wäre nötig, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Informativität und psychologischer Markiertheit der Negation aufzudecken. 2.3 Negationssensitive Phänomene In vielen Sprachen gibt es Elemente, die eine Affinität zur Negation zeigen, indem sie entweder nur in der Umgebung von Negations-
25. Negation
trägem oder außerdem nur in wenigen anderen, in gewisser Weise negationsähnlichen Kontexten vorkommen. Man kann mindestens drei Gruppen unterscheiden (vgl. Kürschner 1983): (i) Elemente, die die Anwesenheit von Negationsträgern oder ähnlichen Ausdrücken (wie kaum oder nur) im selben Teilsatz erfordern. Z. B.: Deutsch mehr: Er hat kein Geld mehr. *Er hat Geld mehr. *Es stimmt nicht, daß er Geld mehr hat. (ii) Elemente, die die Anwesenheit von Negationsträgern oder ähnlichen Ausdrücken in einer Konstituente erfordern, die mit der Konstituente, in der sie selbst vorkommen, koordinativ verknüft ist. Z. B.: Englisch neither: Bill didn’t find a solution, and neither did John. *Bill found a solution, and neither did John. (iii) Elemente, die negationsähnliche Kontexte erfordern, ohne zu (i) oder (ii) zu gehören. Zu diesen Kontexten gehören neben eigentlich negativen — also solchen mit Negationsträgern — auch Fragesätze sowie bestimmte Abschnitte von Konditionalsätzen, Sätzen mit Allquantoren, Komparativsätzen u. a. m. Z. B.: Deutsch jemals: Niemand glaubt, daß er jemals kommen wird. *Jemand glaubt, daß er jemals kommen wird. Hast du ihm jemals vertraut? Englisch any: John didn’t manage to solve any of the problems. *John managed to solve any of the problems. If he had solved any of these problems, he would have told us. Andererseits gibt es in natürlichen Sprachen auch eine Negationssensitivität mit umgekehrten Vorzeichen: (iv) Elemente, die in bestimmten negativen oder negationsähnlichen Kontexten nicht vorkommen können. Z. B.: Deutsch sogar: *Peter lachte sogar darüber. *Niemand lachte sogar darüber.
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?Luise wies jeden, der sogar darüber lachte, aus dem Zimmer. Englisch already: Peter has already talked to me. *Peter hasn’t already talked to me. Die unter (iii) und (iv) genannten Elemente meint man zumeist, wenn man von negativen bzw. affirmativen Polaritätselementen spricht. (Vgl. H orn 1978, speziell zum Deutschen Kürschner 1983, zum H olländischen Zwarts 1981, allgemein für germanische Sprachen schon Jespersen 1917, zum Französischen Gaatone 1971, zum Japanischen McGloin 1976, zum Englischen Welte 1978 sowie die in 5. angegebene Literatur.) Eines der vielen linguistischen Probleme, die mit negationssensitiven Phänomenen verbunden sind, ist das der genaueren Klassifizierung dieser Phänomene. Jede einzelne der genannten Gruppen umfaßt, was die Beziehung zur Negation angeht, recht verschiedenartige Elemente. (Genaueres z. B. bei Kürschner 1983.) Ein weiteres Problem bildet die Diachronie der Negationssensitivität. Durch welche Veränderungsprozesse kommen Elemente in die genannten Gruppen? Bekannt ist, daß Jespersens Zyklus (s. 2.1) auch hier eine wichtige Rolle spielt. Pas und point gehören (in einer Lesart) zur Gruppe (i) im Standardfranzösischen, durch Jespersens Zyklus zu Satelliten von ne geworden. Elemente, die ursprünglich Negationsverstärker waren, gibt es auch in (iii), offensichtlich als Ergebnis einer generalisierenden Übertragung dieser Funktion auf negationsähnliche Kontexte, z. B. je(mals). (Vgl. Coombs 1976: 87 f.) Dagegen ist weitgehend unbekannt, welche diachronischen Prozesse affirmative Polaritätselemente erzeugen. Die semantisch interessanteste Frage ist jedoch, was Ausdrücke oder Kontexte negationsähnlich und damit für Elemente von (i)—(iii) und (iv) zugänglich bzw. unzugänglich macht. Dieser Frage wird ein eigenes Kapitel gewidmet sein (5.). Sie wird deshalb vorerst zurückgestellt. Negationssensitivität manifestiert sich nicht ausschließlich in Vorkommensbeschränkungen. Manchmal ist es auch nur eine häufige Kookkurrenz mit der Negation, die ein Phänomen als negationssensitiv ausweist. In diesem Sinne ist der Partitiv (oder der Genitiv) negationssensitiv. So findet er sich in älteren indoeuropäischen Sprachen häufig in negativen Sätzen an Stellen, wo er in den affirmativen Pendants nicht zu erwarten
VII. Semantik der Funktionswörter
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wäre. Manchmal läßt er sich als verdeckter Adnominal-Partitiv (bzw. Genitiv) interpretieren, wie in mittelhochdeutsch (30): (30) Sō brich ich mner triuwe niht. Hier könnte man miner triuwe als Spezifikator des in niht etymologisch enthaltenen Substantivs wiht auffassen. In anderen Fällen ist eine solche Rückführung auf eine auch in affirmativen Sätzen beobachtbare Partitiv- bzw. Genitivfunktion kaum möglich, so in gotisch (31): (31) Ni was im barnē. (wörtlich ‘Nicht war ihnen der Kinder’) Über den Ursprung des indoeuropäischen ‘Negationsgenitivs’ spekulierte H . H irt (1937: 75), daß das indoeuropäische Negationselement ne „ursprünglich den Wert eines Nomens hatte, von dem regelrecht der Genitiv abhängig war.“ Eine befriedigendere Erklärung für die Negationssensitivität des Partitivs müßte im Auge behalten, daß in vielen Sprachen, in denen Akkusative mit Partitiven alternieren (ältere germanische Sprachen, slawische, finno-ugrische und baltische Sprachen, Baskisch u. a. m.), dies nicht nur unter dem Einfluß der Negation geschieht, sondern auch unter dem anderer aspektueller Abschwächungen des Geltungsgrades der jeweiligen Aussage, so etwa, wenn das beschriebene Ereignis als nicht beendet oder das jeweilige Objekt als nicht vollständig vom Ereignis betroffen dargestellt wird, vgl. Moravcsik 1978. Krifka 1989 vermutet deshalb, daß der Partitiv/Genitiv in den fraglichen Sprachen ein negatives Polaritätselement ist, vgl. auch Abschnitt 5. Negationssensitiv im eben angedeuteten schwachen Sinn sind schließlich die Negationsträger selbst. Vor allem in Nicht-Standardsprache gilt das Prinzip: ‘Ein Negationsträger kommt selten allein.’ Oft dienen die dadurch entstehenden pleonastischen Negationsträgerhäufungen einer emphatischen Stärkung der Negation, oft führen sie aber auch nur zu einer redundanten Negationsmarkierung, vor allem dann, wenn sie durch Jespersens Zyklus konventionalisiert sind. Und genauso wie die oben genannten Phänomene dehnt sich auch dieses auf negationsähnliche Kontexte aus, so daß man z. B. in vielen Sprachen auch im Komplement von Verben des Zweifelns, Fürchtens, H inderns, Verbieten, Leugnens usw. pleonastische Negationsträger findet. (Vgl. H orn 1978: 3.3.2.) Ein bekanntes Beispiel ist das französische ‘ne explétif’:
(32) Je crains qu’il ne vienne. (‘Ich fürchte, daß er kommt’). Auch in früheren Ausprägungen germanischer Sprachen waren solche Formulierungen gang und gäbe. (Vgl. Jespersen 1917: 75—80.) Und noch im heutigen Standarddeutschen gibt es negationsähnliche Umgebungen, in denen pleonastische Negationsträgervorkommen ganz normgerecht sind (vgl. Kürschner 1983: 4.4.3.2.): (33) Ich verweigere dir den Eintritt, bevor du nicht deine Schuhe ausziehst. Solche pleonastischen Negationsträgervorkommen stellen ein erhebliches Problem für eine kompositionale Semantik dar. Darauf kommen wir in Abschnitt 6 zurück.
3.
Dimensionen des Negationsbezugs
3.1 Natürlichsprachliche und logische Negation In Abschnitt 1 wurde festgestellt, daß Negation eine semantische Operation ist, die Bedeutungen bestimmter Typen auf gegenteilige Bedeutungen desselben Typs abbildet. Es wurde auch schon diskutiert, was „gegenteilig“ hier heißen könnte. Gänzlich offen ist dagegen noch, auf welchen ‘bestimmten Typen’ von Bedeutungen Negation operiert. Die einfachste H ypothese hierzu wäre: nur auf einem Typ von Bedeutungen. Dies ist die Antwort, die die in den meisten Systemen der Logik enthaltene Negationsanalyse gibt. In ihnen ist Negation ausschließlich eine Operation auf den semantischen Korrelaten von Sätzen, im allgemeinen nämlich auf einer Menge von Wahrheitswerten. Die populärste Analyse dieser Art ist die in der folgenden Wahrheitstafel festgehaltene, wobei wir die fragliche Operation durch den Operator NEG1 ausdrücken (sie wird üblicherweise durch „﹁“ oder „~“ symbolisiert; im folgenden wird, wo dies unschädlich ist, der Unterschied zwischen Operatoren und den von ihnen bezeichneten Operationen ignoriert; „p“ ist eine Metavariable für logische Formeln): Wahrheitstafel für NEG1 p NEG1(p) w f f w Der ganze Rest dieses Artikels wird um die Frage zentriert sein, ob sich auf dem Fundament der theoretischen Identifikation der natürlichsprachlichen Negation mit der logi-
25. Negation
schen Negation eine adäquate Semantik für die negativen Ausdrücke natürlicher Sprachen aufbauen läßt. Dabei wird zunächst diskutiert, ob auf dieser Basis den vielfältigen Schattierungen des Negationsbezugs Rechnung getragen werden kann. Manche Semantiker halten es für selbstverständlich, daß diese Fragen zu bejahen sind. Ihnen sollte man entgegenhalten, daß die Logiksysteme, in die Operationen wie NEG1 eingebettet sind, nicht ausschließlich zum Zweck der semantischen Analyse natürlicher Sprachen entworfen wurden. Zudem spielte oft auch dann, wenn die Logik als Instrument der Sprachanalyse angewandt wurde, die für Linguisten zentrale Frage nur eine untergeordnete Rolle, nämlich die nach der Bedeutungskomposition. Man kann also nicht von vorneherein ausschließen, daß die logische Negation die Verhältnisse in den natürlichen Sprachen zumindest simplifiziert. Andererseits ist die Rekonstruktion der natürlichsprachlichen durch die logische Negation sicher ein theoretisch attraktives Unterfangen, beinhaltet sie doch den Versuch einer Zurückführung einer Vielfalt von Phänomenen (vgl. 2.) auf ein einfaches Prinzip. Da vorerst nicht von einer bestimmten der in der Literatur vorgeschlagenen Varianten der logischen Negation die Rede sein soll, symbolisieren wir die logische Negation im folgenden mit „NEG“, als Sammelbegriff für logische Operationen, die (wie NEG1) Wahrheitswerte ‘umdrehen’. Die H ypothese (H NEG) präzisiert die oben angedeutete Fragestellung: (HNEG) Für jede natürliche Sprache L gilt: In einer adäquaten semantischen Theorie für L läßt sich jedes Vorkommen von Negation mit NEG repräsentieren. Zunächst soll der nahliegende Einwand gegen H NEG ausgeräumt werden, daß NEG auf Wahrheitswerten operiere, stehe im Widerspruch zu der in 1. gegebenen Bestimmung der natürlichsprachlichen Negation als einer Operation auf Bedeutungen. Es ist leicht, NEG ohne Änderung des Inhalts kategorial so ‘anzuheben’, daß daraus eine Operation auf Objekten wird, die man eher mit Satzbedeutungen identifizieren kann als Wahrheitswerte, nämlich eine Operation auf Satzintensionen. In der Notation von Montagues intensionaler Logik (vgl. Art. 7) wäre diese Operation als λq(NEG (ˇq) darzustellen, wobei „q“ eine Variable vom Typ 〈s, t〉 ist, also von
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dem der Satzintensionen; „ˇ“ symbolisiert den Extensor. Die propositionale Bedeutung — nur von dieser soll hier die Rede sein — des Beispiels (34) (34) Peter kommt nicht. könnte dann mit (34 a) repräsentiert werden, also mit einer Formel, in der die Negation tatsächlich als auf einer Satzintension operierend dargestellt wird (Teile von semantischen Repräsentationen, deren genaue Struktur nicht spezifiert werden soll, werden durch Großschreibung des entsprechenden natürlichsprachlichen Materials wiedergegeben): (34) a. λq(NEG(ˇq) (ˆ PETER KOMMT) Dies ist aber nach Lambda-Konversion (und nach ˇˆα = α) äquivalent mit (34 b): (34) b. NEG(PETER KOMMT) Der vermutete Widerspruch besteht also gar nicht: Ob man die logische Negation als Wahrheitswert- oder als Satzintensionsnegation formuliert, hat keine Konsequenzen für die Diskussion von H NEG. Da man Satzintensionen als (grobe) Entsprechung der von den Sätzen jeweils zum Ausdruck gebrachten Sachverhalte betrachten kann, werde ich im folgenden NEG auch oft als Sachverhaltsnegation bezeichnen. Bevor man überprüft, ob in allen Fällen eine theoretische Identifikation der natürlichsprachlichen Negation mit NEG möglich ist, sollte man fragen, ob es Beispiele gibt, in denen diese Identifikation nötig ist. Diese Frage kann man bejahen. In (35) (35) Es regnet nicht. kann man die Negation wohl kaum anders auffassen als als Operation, die den Wahrheitswert, den die Aussage, daß es regnet, in einer gegebenen Situation hat, ‘umdreht’. M. a. W.: Die propositionale Bedeutung von (35) kann man kaum anders als durch (35 a) repräsentieren: (35) a. NEG(REGNEN) Insbesondere ließe sich hier, anders als in (34), die Negation nicht als Operation auf der Bedeutung eines einstelligen Prädikats auffassen — es gibt ja kein solches Prädikat in (35). Darüberhinaus ist für (34) die Annahme einer solchen Prädikatsnegation anscheinend unnötig. NEG scheint also für die Analyse mancher Beispiele notwendig, für die anderer zumindest brauchbar — ein für den Vertreter von HNEG ermutigendes Ergebnis.
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3.2 Semantischer und syntaktischer Negationsbereich Die vorangehenden Beispielanalysen könnten die Annahme nahelegen, aus H NEG folge, daß Negation sich jeweils auf den ganzen Restsatz beziehe, in diesem Sinne also immer Satznegation sei. Dann wäre H NEG aber nicht zu halten. Zwar ist der Bezug auf den ganzen Restsatz sicher eine der Optionen für natürlichsprachliche Negation (sofern sie keine Begriffsnegation ist, vgl. 4.3), doch intuitiv bezieht sich die Negation sehr häufig nur auf bestimmte Teile des Restsatzes: (36) Regnet es nicht, so gehen wir spazieren. (37) Manche Linguisten mögen Noam Chomsky nicht. (38) Kein Linguist mag Stalin. (39) Nicht ich habe dich verpfiffen. Intuition und grammatische Tradition sagen uns, daß hier die Negation nur das jeweils hervorgehobene Material betrifft. Läßt sich das mit H NEG in Einklang bringen? Bei (36) ist das leicht möglich. H ier liegt eine konditionale Verbindung zweier Sätze vor, und nichts spricht dagegen, NEG nur auf den ersten anzuwenden, (36) also so wie in (36 a) zu repräsentieren (wobei „⇒“ für eine geeignete Explikation des Konditionals steht, vgl. Artikel 30): (36) a. NEG(REGNEN) ⇒ WIR GEHEN SPAZIEREN (36 a) zeigt, daß HNEG die Identifikation von Negation mit Satznegation nicht in jedem Fall erzwingt. Aber was geschieht bei nicht-komplexen Sätzen wie (37)? Diesen Satz mit (37 a) zu repräsentieren, (37) a. NEG(MANCHE LINGUISTEN MÖGEN NOAM CHOMSKY) wäre inkorrekt: (37) beinhaltet ja nicht die Negation des Sachverhalts, daß manche Linguisten Noam Chomsky mögen. Das erkennt man daran, daß (37) wahr sein kann, wenn dieser Sachverhalt zutrifft. In (37) wird vielmehr über manche Linguisten eine negative Prädikation gemacht, nämlich daß sie Noam Chomsky nicht mögen. Das Prädikat, nicht aber das Subjekt, liegt hier im Wirkungsbereich der Negation — der Normalfall in natürlichen Sprachen (vgl. z. B. Givón 1984). Wenn man Negation als Operation auf Prädikatsbedeutungen explizieren würde, könnte man das leicht repräsentieren. Doch auch H NEG erlaubt eine entsprechende Repräsentation. Wenn man die Bedeutung von (37) so
VII. Semantik der Funktionswörter
darstellt, daß dem Prädikat in der semantischen Repräsentation ein ganzer logischer Satz entspricht, kann man auf diesen NEG anwenden. Das ist leicht möglich. Der klassischen Quantorenlogik folgend könnte man (37) als eine logische Verknüpfung zweier Formeln unter einer Quantifikation darstellen („x“ ist eine Individuenvariable, MontagueTyp e): (37) b. FÜR MANCHE x: x IST LINGUIST & NEG(x MAG NOAM CHOMSKY) Oder man könnte (37) im Stil der Theorie der Generalisierten Quantoren (vgl. Artikel 21) so repräsentieren, daß das Subjekt Funktor auf dem Prädikat ist, und dieses dabei mit H ilfe des Lambda-Operators ins erforderliche Format bringen: (37) c. MANCHE LINGUISTEN (λx (NEG(x MAG NOAM CHOMSKY))) Diese Repräsentationen stellen die Einschränkung der Wirkung der Negation auf das Prädikat dar und stehen dennoch im Einklang mit H NEG. Allgemein kann man sagen, daß sich auch Nicht-Satznegation (s. o.) durch NEG repräsentieren läßt, wenn sich der Satzteil, auf den sich die Negation bezieht, in der Semantik als eine Formel im Skopus von NEG, also innerhalb des NEG folgenden Klammerpaars, darstellen läßt. H NEG beinhaltet also nicht, daß Negation immer Satznegation ist, sondern daß dem Material im semantischen Bereich des Negationsträgers immer ein ganz logischer Satz bzw. ein ganzer Sachverhalt entspricht. Semantischer Bereich ist dabei folgendermaßen zu verstehen: In einem Satz S ist ein Abschnitt X semantischer Bereich einer Konstituente Y, wenn in der semantischen Repräsentation von S die Entsprechung zu X den Skopus der Entsprechung von Y bildet. (H ier wie überall im folgenden steht „S“ für einen Satz mit fixierter Lesart, also eigentlich ein Paar aus einem Satz und einer Interpretation.) Eine Stützung der eben erwähnten Konsequenz von H NEG mag man darin sehen, daß sich auf ihrer Basis für manche Sprachen sehr einfache Regularitäten des Zusammenhangs zwischen der syntaktischen Rolle von Negationsträgern und ihrem semantischen Bereich konstatieren lassen. So wurde, ausgehend von H NEG, in Jacobs 1982 gezeigt, daß im Gegenwartsdeutschen der semantische Bereich der Negationsträger und vieler an-
25. Negation
derer Ausdrücke (z. B. quantifizierender NPn) stark mit der Oberflächenreihenfolge korreliert (wobei dies allerdings nur für bestimmte topologische Felder gilt, insbesondere für das sogenannte Mittelfeld, vgl. Jacobs 1982: 3.3.2): (40) daß nicht viele Linguisten freiwillig jeden zweiten Tag duschen (41) daß viele Linguisten nicht freiwillig jeden zweiten Tag duschen (42) daß viele Linguisten freiwillig nicht jeden zweiten Tag duschen (43) daß viele Linguisten freiwillig jeden zweiten Tag nicht duschen Wenn man die propositionale Bedeutung dieser Sätze im Sinne von H NEG mit (40 a)— (43 a) repräsentiert (wir benützen weiter die Repräsentationsform der Theorie der Generalisierten Quantoren, s. o.), ergibt sich, daß für alle involvierten Konstituenten X und Y gilt: wenn X im semantischen Bereich von Y ist, folgt X linear auf Y. (Weiter unten wird deutlich werden, daß dieser Zusammenhang aus strukturellen Eigenschaften der Sätze abgeleitet werden kann.) (40) a. NEG (VIELE LING. (FREIW. (JED. ZW. T. (DUSCH.)))) (41) a. VIELE LING. (λx (NEG (FREIW. (JED. ZW. T. (x DUSCH.))))) (42) a. VIELE LING. (Xx (FREIW. (NEG (JED. ZW. T. (x DUSCH))))) (43) a. VIELE LING. (λx (FREIW. (JED. ZW. T. (NEG (x DUSCH.))))) Nicht immer läßt sich jedoch auf der Basis solcher Bedeutungsrepräsentationen ein so einfacher Zusammenhang zwischen Syntax und semantischem Bereich konstatieren. Dies gilt insbesondere für Sprachen, bei denen die Position des Negationsträgers innerhalb des Verbalkomplexes fixiert ist (also wohl für die Mehrzahl aller Sprachen, vgl. 2.1). Viele dieser Sprachen scheinen überhaupt keine formale Markierung des semantischen Bereichs vorzusehen und die dadurch entstehenden Ambiguitäten rein kontextuell aufzulösen. Andere verwenden daneben indirekte formale H inweise, wie H indi-Urdu, eine OV-Sprache, in der das Negationselement immer unmittelbar vor dem Verb steht und das zudem keine lexikalisch-morphologischen Mittel hat, um anzuzeigen, ob Ausdrücke im semantischen Bereich der Negation liegen (wie engl. some vs. any). Die dadurch verursachte potentielle Ambiguität des semantischen Negationsbe-
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reichs wird nach der Beschreibung von Alice Davison (1978) manchmal rein kontextuell beseitigt (vgl. Davison 1978: 35), öfter jedoch durch den Einsatz von grammatischen Mitteln, die eigentlich nicht der Markierung des semantischen Bereichs dienen, aber durch Vermittlung pragmatischer Interpretationsmechanismen bereichsdisambiguierend wirken. So wird in negativen Sätzen die Anwesenheit von Numerus-, Genus- oder anderen Spezifizierungen an einem existenzquantifizierenden Pronomen als H inweis darauf gewertet, daß dieses außerhalb des Bereichs der Negation liegt, während die Abwesenheit solcher Spezifizierungen die Einbeziehung des Pronomens in den Bereich der Negation nahelegt: (44) Kisii — nee kuch nahĩĩ deekhaa. ‘Jemand-erg. etwas nicht sah’ Präferierte Lesart: NEG(JEMAND SAH ETWAS) (45) Kuch vyaktiyõõ — nee kuch nahĩĩ deekhaa. ‘Etwas Leute’ (= einige Leute) Präferierte Lesart: EINIGE LEUTE (λx (NEG (x SAHEN ETWAS))) Davison führt diese Lesartenverteilung darauf zurück, daß die Markierung der Pluralität (vyaktiyõõ) in (45) gegen das Gricesche Relevanzprinzip verstieße, wenn die Subjekt-NP im Bereich der Negation und damit ohne Referenten sein soll. Andererseits verstieße nach Davison der Mangel an näherer Spezifizierung in (44) gegen das Gricesche Quantitätsprinzip, wenn die Subjekts-NP referieren, also außerhalb des Bereichs der Negation liegen soll. (Vgl. Davison 1978: 30 f.) Ein weiterer Faktor, der in natürlichen Sprachen mögliche Bereichsambiguitäten einschränkt, sind inhärente Bereichspräferenzen. So gilt universell, daß beim Zusammentreffen eines Negationsträgers mit einem Existenzoder Allquantor im selben einfachen Satz der letztere als im semantischen Bereich des ersteren liegend interpretiert wird, es sei denn, es wird (wie in (45)) deutlich das Gegenteil angezeigt, was dann oft zu markierten Strukturen führt, vgl. Givón 1978. Deswegen sind z. B. deutsche Sätze wie (46), (46) Er mag jeden Diktator nicht. in denen durch die Reihenfolge ausdrücklich der Quantor aus dem Bereich der Negation herausgerückt wird, ziemlich ungewöhnlich, für manche Sprecher sogar inakzeptabel (vgl. Jacobs 1982). Eine überzeugende Erklärung für diese inhärenten Bereichspräferenzen steht bisher noch aus.
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Immerhin ergibt sich aus den eben diskutierten Zusammenhängen kein offensichtliches Argument gegen die H ypothese H NEG. Wie aber wird H NEG mit den noch nicht diskutierten Beispielen (38)—(39) fertig? Kann man der Einschätzung der traditionellen Grammatik, daß in ihnen Satzteilnegation vorliegt, genauso wie bei (36) und (37) durch die Annahme einer Einschränkung des semantischen Bereichs der Negation Rechnung tragen? Schon bei (38) ist dies problematisch. Dieser Satz beinhaltet die Negation des Sachverhalts, daß es einen Linguisten gibt, der Stalin mag, muß also nach den oben eingeführten Annahmen so repräsentiert werden: (38) a. NEG(EIN LINGUIST MAG STALIN)
VII. Semantik der Funktionswörter
giert? Man muß nicht, wenn man, anders als die traditionelle Grammatik, das Konzept des Negationsbezugs als ein mehrdimensionales verstehen. Daß sich ein Negationsträgervorkommnis X auf ein Element Y bezieht, kann danach vier Dinge bedeuten: (i) Y ist semantischer Bereich von X (ii) Y ist syntaktischer Bereich von X (iii) Y ist pragmatischer Bereich von X (iv) Y ist Fokus von X
Danach ist die Negation in (38) aber Satznegation. Muß man also die traditionelle Ansicht zurückweisen, in Sätzen wie (38) werde das dem Negationsträger folgende Nomen ne-
Auf der Basis dieser Auffassung kann man H NEG in Einklang mit den auf der grammatischen Intuition beruhenden Ansichten der traditionellen Grammatik über den Negationsbezug bringen, diesen aber gleichzeitig viel genauer analysieren. So kann man sagen, daß sich (38) kein tatsächlich auf das nachfolgende Nomen bezieht, allerdings nur in dem Sinne, daß das letztere der syntaktische Bereich des Negationsträgers ist. Der syntaktische Bereich entspricht der K-KommandoRelation der Generativen Grammatik:
Der syntaktische Bereich einer Konstituente X in einem Satz S ist das Material, das nach Aufweis der Konstituentenstruktur von S vom ersten verzweigenden Knoten dominiert wird, der X dominiert, und weder von X dominiert wird noch X dominiert Im Sinne des semantischen Bereichs bezieht sich die Negation in (38) dagegen auf den ganzen Satz, s. (38 a). (Zu (iii) und (iv) s. u.) Die mehrdimensionale Analyse des Negationsbezugs ist nicht nur flexibler als die traditionelle eindimensionale, sondern sie eröffnet auch interessante neue Fragestellungen, so die nach dem Verhältnis zwischen den Bezugsdimensionen. Diese beinhaltet zunächst das technische Problem, wie man in einer expliziten Grammatik die verschiedenen Dimensionen miteinander in Beziehung setzen kann. Wie kann man z. B. einer syntaktischen Analyse von (38), nach der der syntaktische Bereich von kein das nachfolgende Nomen
ist, eine semantische Repräsentation wie (38 a) zuordnen, in der der Skopus von NEG das dem ganzen Restsatz entsprechende Material ist? Im Rahmen der Montague-Grammatik (vgl. Art. 7) kann diese Aufgabe etwa so gelöst werden wie in der Ableitung (38 b), die (unter Ignorierung vieler hier unwichtiger syntaktischer Probleme) angibt, wie eine Strukturierung und eine Übersetzung von (38) aus Strukturierungen bzw. Übersetzungen von Teilen dieses Satzes aufgebaut werden („P“ und „Q“ sind Variablen des MontagueTyps 〈e, t〉). Die im letzten Schritt abgeleitete Übersetzung kann durch Lambda-Konversion zu (38 a) reduziert werden. (In Abschnitt 6 wird sich zeigen, daß sich Unterschiede zwischen dem syntaktischen und dem semantischen Bereich nicht immer so einfach überbrücken lassen und daß auch die hier angenommene semantische Analyse des Wortes kein zu überdenken ist.)
25. Negation
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Mit der Unterscheidung verschiedener Bezugsdimensionen stellt sich auch die Frage nach möglichen Gesetzmäßigkeiten ihres Zusammenwirkens. So liegt es angesichts von Beispielen wie (47) (47) Daß dieses Problem nicht gelöst ist, wundert viele Linguisten.
daß Gesetz (A) nicht gilt, wenn Y gegenüber X in einer Kopfposition ist. In diesem Fall gilt ein anderes Prinzip (vgl. Jacobs 1990): (B) X kann im semantischen Bereich von Y liegen, wenn X auf der Linie liegt, auf der Merkmale von Y nach oben weitergereicht werden.
nahe, das folgende Gesetz anzunehmen: (A) Nur dann, wenn X im syntaktischen Bereich von Y ist, ist X auch im semantischen Bereich von Y.
Die Wirksamkeit von (B) erkennt man z. B. an Sätzen wie (48): (48) daß viele Linguisten Stalin nicht zu mögen scheinen
Dieses Gesetz erklärt, warum in (47) der Quantor viele nicht im semantischen Bereich des Negationsträgers liegt, obwohl er auf ihn folgt. (Dieses Gesetz geht auf Reinhart 1983 zurück, wo allerdings nicht bemerkt wurde, daß ein anderes Prinzip gilt, wenn Y in der Kopfposition gegenüber X ist, s. u.) Doch wie steht es mit Sätzen wie (38), wo wir ja gerade gezeigt haben, daß der syntaktische Bereich des Negationsträgers kleiner ist als sein semantischer Bereich? Wenn man angesichts solcher Fälle (A) nicht einfach als falsifiziert betrachten will, muß man annehmen, daß „Y“ in (A) nur für ganze NPn, PPn etc., also jedenfalls nicht für echte Teile von Satzgliedern steht. Dann gibt es keinen Konflikt mit (38) mehr: kein allein bleibt außer Betracht, und die NP kein Linguist erfüllt (A). (Die VP, die nach Aufweis von (38 b) im semantischen Bereich von kein Linguist und damit im Einflußbereich der darin enthaltenen Negation liegt, befindet sich ja auch im syntaktischen Bereich dieser NP. Die in 6. zu diskutierende Analyse von kein würde es allerdings erlauben, (A) ohne die genannte Einschränkung auf (38) anzuwenden.) Darüberhinaus legt es die Beschränkung des semantischen durch den syntaktischen Bereich nahe, daß hinter der oben für das Deutsche aufgezeigten Korrelation zwischen semantischem Bereich und Reihenfolge ein struktureller Zusammenhang steht. Wenn man syntaktische Strukturen wie (43 b) (43) b. (viele Linguisten (freiwillig(jed. zw. Tag (nicht duschen))))
Eine naheliegende Lesart von (48) ist (48 a), die syntaktische Struktur in etwa (48 b): (48) a. SCHEINEN (VIELE LINGUISTEN (λx (NEG (x MÖGEN STALIN)))) b. (Sviele Linguisten (VP(VP Stalin (nicht zu mögen)) scheinen))
annimmt (vgl. Jacobs 1982, 1983), folgen tatsächlich bei Annahme von (A) die semantischen aus den syntaktischen Bereichsverhältnissen, und die Reihenfolge wäre gegenüber letzteren ein sekundärer Faktor. Auch in anderen Sprachen lassen sich zahlreiche Stellungseigenschaften von Negationsträgern auf die Interaktion von syntaktischer Struktur und semantischem Bereich zurückführen. H ierbei muß man allerdings beachten,
Weil scheinen nach (48 b) die Kopfposition des ganzen Satzes innehat, kann SCH EINEN nach (47) auf die Übersetzung jeder Konstituente angewandt werden, die auf der ‘Perkolationslinie’ des Finitums liegt, also, wie in (48 a), auch auf die des gesamten Restsatzes. (Es wird angenommen, daß Merkmale des Finitums bis zum S-Knoten weitergereicht werden.) Eine Beschränkung des semantischen Bereichs von scheinen durch den syntaktischen Bereich im Sinne von (A) besteht offensichtlich nicht. Deswegen kann dieses Verb hier auch mühelos den adverbalen Negationsträger in seinen semantischen Bereich nehmen. Wenn wir annehmen, daß (A) und (B) die Interaktion von syntaktischer Struktur und semantischem Bereich exhaustiv beschreiben, lassen sich daraus bestimmte Voraussetzungen für normale Negationsträgerpositionen ableiten. Wenn nämlich, wie wir oben bei der Diskussion von (37) schon festgestellt haben, der semantische Bereich von Negationsträgern im unmarkierten Fall das jeweilige Prädikat ist, d. h. der Komplex aus dem Verb und (gegebenenfalls) seinen Objekten, dann gibt es nach (A)/(B) zwei Normalpositionen für Negationsträger: (a) wenn Negationsträger als Nicht-Köpfe realisiert werden (etwa als Adjunkte), sollten sie eine Position haben, von der aus das Prädikat in ihrem syntaktischem Bereich liegt; (b) wenn Negationsträger in einer Kopfposition sitzen, sollte dies die Kopfposition des Prädikats (und damit des ganzen Sat-
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zes) sein, d. h. die Position des finiten Verbs. Diese Voraussetzungen passen gut zu den in 2.1 referierten Ergebnissen Dahls und Paynes über die Realisierungsformen der Standardnegation und zur dabei deutlich gewordenen Affinität zum Verb: (a) beschreibt die Realisierung der Negation als Adverbial (vgl. 2.1, (ii)), (b) die Realisierung als morphologischer Teil des Verbs, als H ilfsverb oder höheres Verb bzw. als klitischer Bestandteil eines H ilfsverbs (vgl. 2.1, (i), (iii)—(v)). In all diesen Fällen sitzt die Negation ja in der Kopfposition des Prädikats. Auch Dryers (1988) Beobachtungen der Universalien der Negationsträgerstellung stehen im Einklang mit (a) und (b) (vgl. ebenfalls 2.1). Dryer hat auch selbst schon einige dieser Beobachtungen auf die Forderung, daß im unmarkierten Fall das Prädikat im semantischen Negationsbereich liegen muß, zurückgeführt, so z. B. die Tatsache, daß in SVOSprachen die präferierte Negationsträgerposition SNegVO ist, wobei er das Wirken des Prinzips (A) voraussetzt und außerdem, daß semantische Einheiten dazu tendieren, syntaktisch kontingent realisiert zu werden, weswegen das Objekt im Normalfall verbadjazent ist. (Die nach dieser Erklärung ebenso gut mögliche, aber faktisch sehr seltene Variante SVONeg verstößt nach Dryer gegen das ‘Branching Direction Principle’, nach dem ein universeller Trend zu entweder konsistent linksverzweigendem oder konsistent rechtsverzweigendem Strukturbau besteht. Vgl. Dryer 1988: 98 ff. Im übrigen wäre auch bei Einschlägigkeit von (B) — wenn Neg also z. B. ein negatives H ilfsverb ist — SNegVO eine ‘gute’ Position für Neg.) Dryer hat andererseits große Mühe, zu erklären, wieso in SOV-Sprachen neben SOVNeg auch SONegV sehr weit verbreitet ist, verstößt die letztere Anordnung doch — bei Annahme von Prädikatsnegation — gegen (A) und die präferierte Adjazenz von V und O. (Vgl. Dryer 1988: 101 ff.) Wenn man jedoch annimmt, daß in solchen Fällen Neg ins Verb inkorporiert ist, also syntaktisch als Teil des Verbs fungiert, wären O und V — genauer O und (V Neg V) — adjazent. Ein unabhängiges Argument für diese Inkorporationsanalyse ist, daß die unmittelbar präverbale Position des Negationsträgers in den fraglichen Sprachen in der Regel obligatorisch zu sein scheint (weswegen z. B. keine Adverbiale zwischen Neg und V intervenieren dürfen). Eine indirekte Möglichkeit zur Überprüfung der In-
VII. Semantik der Funktionswörter
korporationsanalyse ergibt sich daraus, daß sie erwarten läßt, daß Prinzip (B) den semantischen Negationsbereich in SONegV-Sprachen steuert, was sich in massiven Bereichsambiguitäten sowie den Einsatz anderer als struktureller oder topologischer Mittel zu deren Abbau manifestieren müßte. Diese Voraussage sollte relativ leicht zu überprüfen sein. (Daß H indi-Urdu die fraglichen Eigenschaften hat, wurde ja schon oben deutlich.) 3.3 Pragmatischer Negationsbereich Die dritte der in 3.2 genannten Dimensionen des Negationsbezugs wird in den verschiedenen Versionen des folgenden Dialogs sichtbar: (49) S1: Wohnt Peters Schwester bei ihrem Freund? S2: Nein, Peters Schwester wohnt nicht bei ihrem Freund, (a) denn sie hat eine eigene Wohnung. (b) denn sie hat überhaupt keinen festen Wohnsitz. (c) denn er hat gar keine Schwester. Intuitiv wird im ersten Satz der S2-Äußerung in der a)-Version negiert, daß Peters Schwester in der Wohnung einer anderen Person wohnt, in b), daß sie überhaupt irgendwo wohnt, und in c), daß sie existiert. In der mehrdimensionalen Theorie des Negationsbezugs sind diese Inhalte jeweils der pragmatische Bereich der Negation im ersten Teilsatz der S2-Äußerung: Der pragmatische Bereich einer Negation in einem Satz S bei einer Äußerung A von S sind diejenigen Implikate (d. h. Inhaltsbestandteile) des in S negierten Inhalts i, deren Nicht-Erfüllung für den Sprecher von Ä die Negation von i rechtfertigen. Dabei ist der folgende Zusammenhang zu beachten: Für alle Implikate i′ eines Inhalts i gilt: Wenn i′ nicht erfüllt ist, ist die Negation von i erfüllt. (Dies gilt allerdings nicht für ‘starke’ Negation, s. u.) Die Behauptung der Negation von i kann also mit der Nicht-Erfüllung eines beliebigen Implikats von i begründet werden, das dann als pragmatischer Bereich der Negation fungiert. Pragmatisch ist dieses Phänomen einerseits wegen seines essentiellen Bezugs auf Äußerungen, andererseits, weil nicht gilt: wenn die Negation von i erfüllt ist, ist jedes Implikat i′ von i nicht erfüllt. Aus der Negation von i läßt sich also nicht auf die Nicht-Erfüllung bestimmter einzelner Implikate von i schließen, sondern, falls
25. Negation
nicht weitere Informationen hinzukommen, nur darauf, daß irgendwelche Implikate nicht erfüllt sind. Welche dies nach Meinung des Sprechers sind, wechselt von Kontext zu Kontext, ist also pragmatisch bedingt. Negative Sätze erweisen sich aufgrund dieser Zusammenhänge als relativ uninformativ. Infolge allgemeiner Konversationsprinzipien (vgl. Atlas & Levinson 1981) besteht jedoch die Tendenz, dieses Informativitätsdefizit in konkreten Äußerungskontexten zu beheben, also den pragmatischen Bereich der Negation möglichst klar zu machen. Dies kann man durch explizite Zusätze tun, wie in (a)—(c) von (49). Man kann sich aber oft auch auf das gemeinsame Vorwissen der Diskursteilnehmer verlassen, wenn dieses eine NichtErfüllung der Mehrzahl der Implikate des negierten Inhalts ausschließt und damit den möglichen pragmatischen Bereich der Negation zumindest stark eingrenzt. Wenn bei (49) das als gemeinsam vorausgesetzte Vorwissen von S1 und S2 beinhaltet, daß Peter eine Schwester hat, die in der Wohnung einer anderen Person haust, ist auch ohne Zusatz klar, daß der pragmatische Bereich der Negation nur sein kann, daß diese andere Person ihr Freund ist. Schließlich wird die Identifizierung des pragmatischen Negationsbereichs auch dadurch erleichtert, daß es Implikate gibt, die in aller Regel nicht in diesem Bereich liegen. Wenn sie es doch tun sollen, muß es hierfür deutliche H inweise geben. Zu diesen Implikaten gehört die mit der Verwendung einer definiten NP verbundene Existenzaussage. Deswegen wirkt die Erläuterung (c) in (49) überraschend und der ganze Dialog in dieser Variante etwas unnatürlich. Die Existenz von Peters Schwester liegt im ersten von S2 in (49) geäußerten Satz eben normalerweise nicht im pragmatischen Negationsbereich. Wir berühren hier das Problem der Präsuppositionen. Das sind Implikate, die von der Negation und anderen semantischen Operationen (wie der In-Frage-Stellung) normalerweise nicht betroffen werden (vgl. Art. 13). In der Debatte über dieses Phänomen ist des öfteren die Existenz zweier Negationsarten postuliert worden: einer starken Negation, die Präsuppositionen grundsätzlich aus ihrem pragmatischen Bereich ausschließt, und einer schwachen Negation, die das nicht tut. Danach hätten wir es also in der (c)-Version von (49) im ersten von S2 geäußerten Satz mit schwacher Negation zu tun; bei Annahme starker Negation wäre der Dialog in dieser
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Version semantisch abweichend. In den anderen Versionen kann dagegen sowohl starke als auch schwache Negation vorliegen, sie sind also ambig. Ob es für diese Analyse plausible linguistische Argumente gibt, wird in 4.2 diskutiert. Zurück zu H NEG (vgl. 3.2). Beinhaltet der pragmatische Bereich Schwierigkeiten für diese H ypothese? Zunächst ist festzustellen, daß das erwähnte Verhältnis zwischen der Negation eines Inhalts i und den Implikaten von i mit NEG1 (s. 3.1) genau rekonstruiert werden kann (wobei dann i natürlich ein Sachverhalt sein muß). Für alle Formeln p gilt ja: NEG1(p) (s. o.) ist wahr, wenn irgendeine Folgerung q aus p falsch ist. Außerdem gilt nicht: Wenn NEG1(p) wahr ist, dann sind alle Folgerungen aus p falsch. Welche Folgerungen aus dem negierten Sachverhalt in einem gegebenen Äußerungskontext nach Meinung des Sprechers nicht erfüllt sind — also der pragmatische Bereich der Negation — geht natürlich nicht aus einer ansonsten adäquaten Formalisierung des geäußerten Satzes mit NEG1 hervor, aber das soll es ja auch nicht, wenn diese Formalisierung als semantische Repräsentation, also als eine der kontextunabhängigen Inhaltsaspekte, dienen soll. Auch die Annahme einer Negationsart, die in ihrem pragmatischen Bereich keine Präsuppositionen zuläßt (s. o.), bringt H NEG nicht in Schwierigkeiten. Es gibt verschiedene Versuche, die starke Negation logisch zu rekonstruieren, vgl. 4.2. 3.4 Der Fokus der Negation Auch bei dem hier wiederholten Beispiel (39) (in dem nun der H auptakzent durch Großschreibung angezeigt wird): (39) Nicht ICH habe dich verpfiffen. würden traditionelle Grammatiker Satzteilnegation konstatieren, weil nicht sich hier in gewissem Sinn nur auf ich bezieht. Die mehrdimensionale Theorie des Negationsbezugs kann das präzisieren: Das Subjekt ist der Fokus von nicht, während der Restsatz den Hintergrund des Negationsträgers bildet. Dabei gilt: In einem Satz S ist ein Abschnitt X Fokus und ein Abschnitt Y H intergrund eines Negationsträgervorkommens Z genau dann, wenn X gegenüber Y hervorgehoben ist und diese H ervorhebung anzeigt, daß die Ersetzung von X durch ein inhaltlich alternatives X′ bei gleichzeitiger Beibehaltung
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von Y die in Z enthaltene Negation unangebracht machen würde. In (39) z. B. zeigt die durch die Akzentuierung geleistete H ervorhebung an, daß die Ersetzung von ich durch einen inhaltlichen alternativen Ausdruck (etwa Rudi) bei Beibehaltung der Verbalphrase die Negation unangebracht machen würde (daß also z. B. Rudi hat dich verpfiffen eine zutreffende Aussage wäre). Dies steht im Einklang mit der allgemeinen Bestimmung der Funktion der Fokus-H intergrund-Gliederung aus Jacobs 1988 (wobei dort allerdings noch eine semantische und eine syntaktische Ebene dieses Phänomens unterschieden wird): In einem Satz S ist ein Abschnitt X Fokus und ein Abschnitt Y H intergrund eines Elements Z genau dann, wenn X gegenüber Y hervorgehoben ist und diese H ervorhebung eine für das Wirken von Z relevante Beziehung zwischen X und inhaltlichen Alternativen zu X anzeigt, die unter Voraussetzung der Beibehaltung von Y gilt. Nicht nur H ervorhebungen in der Umgebung von Gradpartikeln, Negationsträgern oder Satzadverbien lassen sich als Foki im Sinne dieser Definition auffassen, sondern auch solche, für die es kein fokussierendes Element (das Z der Definition) in der Oberflächenstruktur gibt. Eine solche H ervorhebung kann nämlich als Fokus des in der semantischen Struktur vorhandenen Illokutionstypoperators (Assertion, Frage, Aufforderung etc.) aufgefaßt werden. Diese Theorie der Fokussierung macht es zu einer empirischen Frage, ob eine H ervorhebung in einem negativen Satz das Rhema des Satzes ist, also der ‘neue’ Information beinhaltende Teil. Wenn man letzteren nämlich mit dem Fokus des jeweiligen Illokutionstypoperators identifiziert (was durchaus sinnvoll ist, vgl. Jacobs 1984 a: 35), wird es theoretisch möglich, daß H ervorhebungen in negativen Sätzen Negationsfokus sind, ohne Rhema zu sein (und umgekehrt), weil ja der Fokus eines Elements Z (hier: eines Negationsträgers) nicht identisch mit dem eines anderen Elements Z′ im selben Satz (hier: des Illokationstypoperators) sein muß. Und tatsächlich ist das Rhema negativer Sätze im allgemeinen verschieden vom Negationsfokus. So läßt sich die H ervorhebung in (50 a) nur als Negationsfokus, die in (50 b) nur als Assertionsfokus interpretieren: (50) a. Er hat nicht das SCHLAFzimmer tapeziert. b. Er hat das SCHLAFzimmer nicht tapeziert.
VII. Semantik der Funktionswörter
Ein Indikator dafür, daß eine H ervorhebung einen Negationsfokus anzeigt, ist die Anschließbarkeit einer entsprechenden SondernPhrase, hier z. B. sondern das Wohnzimmer. Dieser Zusatz ist in (50 a) möglich, kaum aber in (50 b). Ein Indikator für den Assertionsfokus ist die Möglichkeit, den fraglichen Satz als natürliche Antwort auf eine Ergänzungsfrage zu äußern, in der der hervorgehobene Abschnitt durch eine W-Phrase ersetzt ist, hier also Welchen Raum hat er nicht tapeziert? Darauf kann man mit (50 b), aber nicht mit (50 a) antworten. Der klarste H inweis darauf, daß der Negationsfokus etwas anderes ist als das Rhema, ist jedoch, daß in typischen Verwendungskontexten für Sätze wie (39) oder (50 a) das hervorgehobene Material vorerwähnte Information beinhaltet. Die natürlichste Position für (39) oder (50 a) im Gespräch ist die unmittelbar nach einer Behauptung des entsprechenden affirmativen Satzes. All dies ist einerseits problematisch für die traditionelle Annahme, daß die H ervorhebung eine bestimmte feste (d. h. von ihrer syntaktischen Umgebung unabhängige) Bedeutung hat (etwa die, das Rhema anzuzeigen, vgl. z. B. H ajičová 1973, Szabolcsi 1981 a, Lieb 1984), und stützt andererseits den Vorschlag, den Fokus als eine autonome Bezugsdimension der Negation zu betrachten. Zur weiteren Etablierung dieser Autonomie muß man den Fokus der Negation auch von den in 3.2—3.3 diskutierten Bezugsdimensionen abgrenzen. Das Verhältnis zum semantischen Bereich läßt sich leicht bestimmen: Fokus und H intergrund eines Negationsträgers bilden zusammen den semantischen Bereich desselben. Das erklärt die Akzeptabilitätsverteilung im folgenden Beispielpaar: (51) a. Ich bezweifle nicht, daß er das WILL, sondern ich bezweifle, daß er das KANN. b. ??Ich bezweifle, daß er das nicht WILL, sondern ich bezweifle, daß er das KANN. Nicht-elliptische Sondern-Phrasen bestehen aus sondern, dem H intergrund des jeweiligen Negationsträgers und einer Konstituente, die den Fokus des Negationsträgers ersetzt. In (51 b) wird gegen diese Regel verstoßen, weil ich bezweifle nicht im semantischen Bereich und damit weder im Fokus noch im H inter-
25. Negation
grund von nicht liegt. (Näheres zu SondernPhrasen in Lang 1984: Kap. 4.) Die Beziehung zwischen dem Negationsfokus und dem syntaktischen Negationsbereich ist im Deutschen durch ein Geflecht von Beschränkungen geregelt (vgl. Jacobs 1986). Zentral ist, daß der Fokus einer Konstituente Z (oder eine ‘Spur’ dieses Fokus) innerhalb des syntaktischen Bereichs von Z liegen muß. Dies erzwingt eine große Beweglichkeit der Negationsträger, da im Deutschen fokussierte Ausdrücke in den verschiedensten syntaktischen Positionen stehen können. In anderen Sprachen gibt es jedoch feste Fokuspositionen oder -konstruktionen, erstere zumeist verbadjazent, letztere oft ‘cleft’-artig, vgl. H arriesDeslisle 1978. Ein Beispiel wäre nach Kiss 1981 das Ungarische (der Beispielsatz ist aus Szabolcsi 1981 a): (52) a. Nem Péter aludt a padlón. ‘Nicht Peter schlief auf dem Fußboden.’ (+fok) b. Nem aludt Péter a padlón. ‘Peter schlief nicht auf dem Fußboden.’ (—fok) Eine enge Beziehung besteht zwischen dem Fokus und dem pragmatischen Bereich der Negation. Ein Implikat, das durch einen Ausdruck im H intergrund eines Negationsträgers in einem Satz S induziert wird, kann bei einer Äußerung von S nicht im pragmatischen Bereich der Negation liegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus der inhaltlichen Funktion des Negationshintergrundes: Er bildet ja die konstante Schablone für die Einsetzung von Alternativen zum Negationsfokus, wobei bei mindestens einer solchen Einsetzung die Negation unangebracht und die dadurch entstehende Kombination aus H intergrund und Fokusalternative zutreffend wird (s. o.). Damit letzteres möglich ist, müssen aber alle H intergrundimplikate im jeweiligen Kontext erfüllt sein. Bei (53 a) z. B., (53) a. Nicht MEIN Hund hat kürzlich den Hausmeister gebissen. wo mein Negationsfokus und der darauf folgende Abschnitt Negationshintergrund ist, wird man als pragmatischen Negationsbereich weder in Betracht ziehen, daß ein H und jemand gebissen hat, noch daß er kürzlich jemand gebissen hat, noch daß er den H ausmeister gebissen hat, sondern nur, daß es der H und des Sprechers war, der kürzlich den H ausmeister gebissen hat. (Als Fokusalter-
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nativen kommen hier in Frage dein, Gerdas etc.) Bei einer Variante mit nicht-fokussierender Negation (53) b. Es STIMMT nicht, daß mein Hund kürzlich den Hausmeister gebissen hat. bestehen dagegen alle diese pragmatischen Bereichsmöglichkeiten. Dies macht deutlich, daß der Negationsfokus ein effektives Mittel zur Eingrenzung des pragmatischen Bereichs und damit zur Steigerung der Informativität von Äußerungen negativer Sätze ist (s. 3.3). Darüberhinaus zeigt (53 a), daß aufgrund der geschilderten Zusammenhänge die Plazierung des Negationsfokus eine ‘starke’ Negationsinterpretation (s. 3.2) erzwingen kann, nämlich dann, wenn ein Präsuppositionsauslöser im H intergrund liegt, wie in (53 a) den Hausmeister. Tatsächlich kann eine Behauptung von (53 a) kaum damit begründet werden, daß das H aus gar keinen H ausmeister hat (wohl aber eine von (53 b)). Wie kann man all dem im Rahmen von H NEG (s. 3.1) Rechnung tragen? In Jacobs 1983 wurde vorgeschlagen, die Bedeutung eines Beispiels wie (54) (54) Nicht PEter kommt. etwa so wie in (54 a) darzustellen („X“ eine Variable vom NP-Typ): (54) a. NEG1(PETER KOMMT) & INKL (λX(X KOMMT), PETER) Dabei ist INKL so definiert, daß INKL(α, β) genau dann wahr ist, wenn in der Menge der bezüglich a am Kontext in Frage kommenden Alternativen ein von β verschiedenes γ ist, so daß α (γ) wahr ist (vgl. Jacobs 1983: 146 f). Damit wäre (54 a) genau dann wahr, wenn Peter nicht kommt und es in der Menge der bezüglich λX(X KOMMT) im Kontext in Frage kommenden Alternativen zu PETER ein Y gibt, so daß λX(X KOMMT) (Y) (= Y KOMMT) wahr ist. (Man beachte, daß danach aus (54 a) nicht folgt, daß überhaupt jemand kommt! Falls als Alternative zu PETER auch NIEMAND in Frage kommt — eine Möglichkeit, mit der man durchaus rechnen muß, vgl. Jacobs 1982: 306 — und falls tatsächlich niemand kommt, wird (54 a) wahr.) Eine Konsequenz dieser Formalisierung der fokussierenden Negation ist, daß der Skopus des negierenden Anteils (NEG1) und der des quantifizierenden Anteils (INKL) immer gleich sind. Dies widerspricht dem an Gabbay/Moravcsik 1978 anschließenden Vor-
VII. Semantik der Funktionswörter
578
schlag von J. H oepelman (1979), nach dem sich in bestimmten Fällen die beiden Skopi nicht decken. H oepelman würde (55) (mit engem Fokus auf Hund) mit einem Äquivalent von (55 a) repräsentieren, während aus unserer Formalisierung (55 b) die Formel (55 c) folgt, in der die Existenzquantifikation weiteren Skopus hat als die Allquantifikation: (55) Peter liebt nicht jeden HUND. a. NEG1(∀x(HUND(x) → PETER LIEBT x)) & ∀x(∃P(P(x) → PETER LIEBT x)) b. NEG1(∀x(HUND(x) → PETER LIEBT x)) & INKL(λP(∀x(P(x) → PETER LIEBT x)),HUND) c. NEG1(∀x(HUND(x) → PETER LIEBT x)) & ∃P(∀x (P(x) → PETER LIEBT x)) (55a) kann im Gegensatz zu (55 c) wahr sein, wenn es keine Spezies gibt, von der Peter alle Exemplare liebt. (Tatsächlich ist das zweite Konjunkt von (55 a) eine Tautologie.) Daß dies nicht der intuitiven Bedeutung entspricht, zeigen u. a. die an (55) anschließbaren Sondern-Phrasen, z. B. sondern jede Katze. Eine weitere Eigenheit der vorgeschlagenen Analyse ist, daß nach ihr eine Negation, deren Fokus ihren ganzen semantischen Bereich umfaßt, nicht äquivalent mit der entsprechenden nicht-fokussierenden Negation ist. Z. B. ist (56) (mit es regnet als Negationsfokus) nicht äquivalent mit (57) (ohne Negationsfokus): (56) Es REGnet nicht. (57) Es regnet NICHT. Nach obigem Vorschlag wird (56) nämlich anders als (57) schon dann falsch, wenn keine der in Frage kommenden Alternativen zum Regnen (etwa Schneien oder H ageln) zutrifft. (Natürlich hat auch (56) eine Lesart mit nichtfokussierender Negation, nämlich mit regnet als Rhema.) Anders als oben wird das Verhältnis des Negations- und des Quantifikationsanteils der fokussierenden Negation von R. Posner (1972) und A. Szabolcsi (1981 a, b) bestimmt. (Szabolcsi analysiert allerdings ausdrücklich nur das Ungarische.) Nach ihren Vorschlägen wäre (54) mit einem Äquivalent von (54 c) (Posner) bzw. (54 d) (Szabolcsi) zu formalisieren: (54) c. ∃ x (NEG1(PETER = x) & x KOMMT) d. NEG 1(∀X(X KOMMT → (X = PETER))) Das H auptproblem dabei ist, daß offen gelassen wird, ob die Aussage, die nach unserer
Analyse im semantischen Bereich der Negation ist (hier daß Peter kommt), den Tatsachen entspricht. Damit werden Paare aus Behauptung und Gegenbehauptung wie (58 a) (mit Gesamtsatzfokus) und (58 b) (58) a. PEter kommt. b. Nicht PEter kommt, sondern GERD. als nicht in einem Widerspruchsverhältnis stehend analysiert, was klar kontraintuitiv ist. Außerdem ist diese Analyse sogar angesichts von Beispielen wie (59) dubios, (59) Nicht PEter kommt, sondern Peters ganze FaMIlie (einschließlich seiner selbst). in denen die fokussierende Negation anscheinend mit der Wahrheit der negierten Aussage kompatibel ist. Daß Peter kommt, wird ja auch in (59) in gewissem Sinne als nicht den Tatsachen entsprechend gekennzeichnet. Andererseits macht auch unser (54 a) eine falsche Voraussage, nämlich daß (59) kontradiktorisch ist. In 4.4 wird sich zeigen, daß man es hier mit einem ganz generellen Problem der fokussierenden (genauer: replaziven) Negation zu tun haben, nämlich ihrer Nicht-Wahrheitsfunktionalität. Die skizzierte Analyse siedelt den Quantifikationsanteil der fokussierenden Negation in derselben Bedeutungsdimension an wie den Negationsanteil. Da letzterer eindeutig ein Bestandteil der Implikationen (‘entailments’) entsprechender Sätze ist, sollte also auch ersterer zu den Implikationen gehören, also insbesondere keine Präsupposition oder Implikatur sein. Daß dies — im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Ansicht — bei Sätzen wie (54) tatsächlich der Fall ist, wurde in Jacobs 1982 gezeigt. Insbesondere das Annullierungs- und Projektionsverhalten der entsprechenden Folgerungen ist eindeutig das von Implikationen: Die Folgerungen sind weder kontextuell aufhebbar noch ‘überleben’ sie semantische Modifikationen. So läßt sich aus (60) Wahrscheinlich kommt nicht PEter. nicht folgern, daß es ein X gibt, so daß X kommt, sondern nur, daß es wahrscheinlich ist, daß es so ein X gibt. Das ist typisch für Implikationen.
4.
Wieviele Negationsarten gibt es?
4.1 Zwei Ebenen der Negationsartdifferenzierung In 3. wurde deutlich, daß die theoretische Gleichsetzung von natürlichsprachlicher und logischer Negation einer differenzierten Ana-
25. Negation
lyse der Bezugsvariation natürlichsprachlicher Negationsträger nicht im Wege steht. Eine andere Frage ist jedoch, ob durch Annahme von Bezugsvariationen alle funktionalen Differenzierungen der natürlichsprachlichen Negation erklärt werden können. Muß man hierzu nicht auch Variationen in der Art der jeweils involvierten Negation annehmen? Es gibt zwei Ebenen, auf denen theoretische Negationsartdifferenzierungen möglich sind. Zum einen kann man solche Differenzierungen auf der Ebene der Beschreibung der Ausdrucksmittel der Negation einführen. Wenn in einer natürlichen Sprache eine funktionale Differenzierung im Bereich der Negation mit zwei unterschiedlichen Arten, die Negation zum Ausdruck zu bringen, verbunden ist und wenn sich darüberhinaus dieser Unterschied in den Ausdrucksmitteln nicht auf gängige Muster, Bezugsunterschiede anzuzeigen, zurückführen läßt, dann kann man sagen, daß die fragliche funktionale Differenzierung im jeweiligen Sprachsystem als Negationsartunterschied kodiert wird. Andererseits könnte sich die Annahme verschiedener Negationsarten auf der Ebene der semantischen Repräsentation als nötig erweisen, dann nämlich, wenn man einen funktionalen Unterschied nicht ausschießlich dadurch erfassen kann, daß man ein und demselben Negationsoperator verschiedene Positionen in der semantischen Repräsentation zuweist (z. B. verschiedenen Skopus), sondern dazu zwei semantisch verschiedene Negationsoperatoren annehmen muß. Damit hätte man eine Negationsdifferenzierung in die semantische Beschreibungssprache eingeführt. Diese beiden Ebenen der Negationsartdifferenzierung — die objektsprachliche und die repräsentationssprachliche — sind prinzipiell voneinander unabhängig. So kann es sein, daß einer Differenzierung auf der ersten Ebene keine auf der zweiten entspricht. Ein Beispiel wäre die in vielen Sprachsystemen enthaltene lexikalische Unterscheidung zwischen normaler und prohibitiver Negation. (Vgl. Döhmann 1974: 34 f.) Z. B. verwendet das Neugriechische in Verboten, Ratschlägen, etwas zu unterlassen, etc. den Negationsträger μή, wo in anderen Satztypen die Partikel δέ steht. In der semantischen Repräsentation jedoch könnte man prohibitive und nicht-prohibitive Negation durch denselben Negationsoperator darstellen und den funktionalen Unterschied dadurch explizieren, daß auf der Ebene der Repräsentation der illokutionären Bedeutung (vgl. Zaefferer 1979) dieser Negationsoperator im prohibitiven Fall im Sko-
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pus eines direktiven Operators steht, im nichtprohibitiven dagegen in dem eines anderen Illokutionsoperators. Wenn man dies tut, expliziert man einen objektsprachlichen Negationsartunterschied in der semantischen Repräsentation als Bezugsunterschied. Im allgemeinen wird man aber versuchen, funktionale Unterschiede auf beiden Ebenen gleich zu behandeln, also gleichermaßen als Bezugsunterschiede oder gleichermaßen als Negationsartunterschiede. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß einschlägige Regularitäten nicht verfaßt werden. Daß in (61) der entsprechende affirmative Satz komplementär negiert wird (vgl. 1.), in (62) dagegen nicht-komplementär (in einer anderen Terminologie: kontradiktorisch bzw. konträr), (61) Es wird hier nicht ständig gearbeitet. (62) Es wird hier ständig nicht gearbeitet. wird man in der semantischen Repräsentation kaum durch verschiedene Negationsoperatoren explizieren wollen. Durch ein solches Vorgehen würde man eine Ad-hoc-Ausnahme von den ansonsten im Deutschen geltenden Zusammenhängen zwischen der syntaktischen Position und dem semantischen Bereich von Negationsträgern konstruieren (nach denen hier nur in (61) ständig im semantischen Bereich von nicht sein kann, vgl. 3.2), und dies ganz unnötigerweise, weil eine Repräsentation, die in Übereinstimmung mit diesen Zusammenhängen hier einen reinen Bereichsunterschied konstatiert, den Unterschied in der Wirkung der Negation genauso gut erfassen kann: (61) a. HIER(NEG1(STÄNDIG(WIRD GEARBEITET))) (62) a. HIER(STÄNDIG(NEG1(WIRD GEARBEITET))) H ierin kommt zum Ausdruck, daß in (62) die Negation ‘stärker’ ist als in (61). (Aus (62 a) folgt (61 a), aber nicht umgekehrt.) 4.2 Starke und schwache Negation Eine viel diskutierte Negationsartunterscheidung ist die von starker und schwacher Negation. Wie schon in 3.2 gesagt, ist erstere dadurch gekennzeichnet, daß Präsuppositionen immer außerhalb ihres pragmatischen Bereichs liegen, während dies für letztere nicht gilt. Nach 4.1 ist die Frage nach dem Wert dieser Unterscheidung in zwei Teilfragen zu zerlegen: Einerseits muß man fragen, ob Sprachsysteme eine dieser Unterscheidung entsprechende Differenzierung ihrer Aus-
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drucksmittel erkennen lassen, andererseits, ob es sinnvoll ist, in der semantischen Repräsentation eine entsprechende Differenzierung von Negationsoperatoren vorzunehmen. Beginnen wir mit der zweiten Frage. Es gibt verschiedene Versuche, einen der starken Negation entsprechenden logischen Operator zu definieren. Recht bekannt ist der folgende Vorschlag im Rahmen der dreiwertigen Logik (vgl. Blau 1978): Wahrheitstafel für NEG2 p NEG2(p) w f f w u u Hier ist vorausgesetzt, daß das Scheitern einer Präsupposition von p dazu führt, daß p den dritten Wahrheitswert u („unbestimmt“) erhält. Damit ist NEG2(p) nur dann wahr, wenn alle Präsuppositionen von p erfüllt sind, was ja genau die wesentliche Eigenschaft der starken Negation ist. Die schwache Negation hätte im selben Logiksystem die folgende Definition: Wahrheitstafel für NEG1′ p NEG1′(p) w f f w u w Die Notation „NEG1′“ soll deutlich machen, daß dies eigentlich der vertraute Operator NEG1 ist, nur daß ‘falsch’ jetzt differenziert wird in ‘falsch im engeren Sinne’ und ‘unbestimmt’. Der wichtige Punkt ist, daß NEG1′ im Gegensatz zu NEG2 wahr sein kann, wenn eine Präsupposition verletzt ist. (Vgl. auch Art. 13.) NEG2 kann auch durch NEG1′ definiert werden, wenn man ein Wahrheitsprädikat einführt, vgl. Horn 1985.) Die Unterscheidung von NEG1′ und NEG2 in der semantischen Repräsentation wäre nun z. B. dann äußerst fragwürdig, wenn man alle einschlägigen funktionalen Differenzierungen genauso durch Skopusverschiebungen von NEG1 erfassen könnte. (Vgl. die Bemerkungen zu (61), (62).) Im pragmatischen Bereich einer Negation können ja nur Implikate sein, die von Ausdrücken in ihrem semantischen Bereich induziert werden (vgl. 3.2). Also könnte ein Gegner der NEG1′/ NEG2-Theorie versuchen, jeden Fall von vermeintlich starker Negation als einen zu rekonstruieren, in dem der Präsuppositionsauslöser außerhalb des semantischen Bereichs des jeweiligen — mit NEG1 repräsentierten —
VII. Semantik der Funktionswörter
Negationsträgers liegt. Tatsächlich ist dies oft nicht nur technisch machbar, sondern stimmt auch völlig mit den Regularitäten der syntaktischen Markierung des semantischen Bereichs überein: (63) Der Erzbischof hat zwei Mätressen des Königs von Frankreich nicht gegrüßt. (64) Es war der König von Frankreich selbst, der seine Mätressen nicht gegrüßt hat. (65) Auch Elsa, die der König von Frankreich sehr verehrt, hat er nicht gegrüßt. Daß in diesen Sätzen die Präsupposition, daß es einen König von Frankreich gibt, niemals im pragmatischen Bereich der Negation liegt, kann man mühelos darauf zurückführen, daß hier überall der Präsuppositionsauslöser der König von Frankreich außerhalb des semantischen Bereichs des mit NEG1 repräsentierten Negationsträgers liegt. Dabei wäre z. B. (63) durch (63 a) zu repräsentieren (wir folgen weiterhin dem Repräsentationsstil der Theorie der Generalisierten Quantoren, nach dem NPn Operatoren auf Verbalphrasen sind): (63) a. DER ERZBISCHOF(λx(ZWEI MÄTRESSEN DES KÖNIGS VON FRANKREICH(λy(NEG1(x HAT y GEGRÜßT))))) Solche Repräsentationen sind kompatibel sowohl mit den intuitiven Wahrheitsbedingungen der Sätze als auch mit den Regularitäten der Markierung des semantischen Bereichs im Deutschen (vgl. 3.2). Dagegen stünden semantische Repräsentationen, in denen die ‘Stärke’ der Negation dadurch expliziert wird, daß die Entsprechung des Präsuppositionsauslösers im Skopus von NEG2 liegt, nicht nur in Konflikt mit den Bereichsregularitäten, sondern auch mit den intuitiven Wahrheitsbedingungen, vgl. (63 b): (63) b. NEG2(DER ERZBISCHOF HAT ZWEI MÄTRESSEN DES K. V. F. GEGRÜßT) (63 b) kann im Gegensatz zu (63 a) wahr sein, wenn der König von Frankreich nur genau eine Mätresse hat. (Wenn es keine zwei Mätressen gibt, wird der in (63 b) negierten Sachverhalt nicht unbestimmt, sondern falsch, (63 b) damit wahr.) Das widerspricht den Intuitionen über (63). Bei anderen Sätzen kann die Skopusverschiebungsanalyse den intuitiven Wahrheitsbedingungen wenigstens genauso gut Rechnung tragen wie die NEG1′/NEG2-Theorie:
25. Negation
(66) Der König von Frankreich ist nicht kahlköpfig. Schon B. Russell hat vorgeschlagen (1905), die Möglichkeit, die Negation hier stark oder schwach zu interpretieren, dadurch zu erklären, daß in der semantischen Repräsentation NEG1 verschiedener Skopus zugewiesen wird, etwa so wie in (66 a, b): (66) a. DER KÖNIG VON FRANKREICH(λx(NEG1(x IST KAHLKÖPFIG))) b. NEG1(DER KÖNIG VON FRANKREICH IST KAHLKÖPFIG) Dies entspricht nicht nur den intuitiven Wahrheitsbedingungen von (66), sondern auch den Bereichsregularitäten des Deutschen und des Englischen. In beiden Sprachen ist nämlich die Position vor dem Finitum bei Verbzweitstellungssätzen prinzipiell ambig bezüglich des Enthaltenseins im semantischen Bereich von nachfolgenden Operatoren. Für eine Analyse, die die Ambiguität an der Wahl des Negationsoperators festmacht (NEG1′ oder NEG2 — beide mit weitestem Skopus), gibt es dagegen keinerlei Deckung durch objektsprachliche Daten (s. u.). Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Skopusverschiebungsanalyse nicht anwendbar ist: (67) Ludwig hat nicht aufgehört, seine Mätressen zu verprügeln. Auch in (67) kann die Negation stark oder schwach sein: Die Präsupposition, daß Ludwig in der Vergangenheit seine Mätressen verprügelt hat, kann innerhalb oder außerhalb ihres pragmatischen Bereichs liegen. Mit den intuitiven Wahrheitsbedingungen von (67) ist jedoch nur eine NEG1-Formalisierung vereinbar, in der die Entsprechung des Präsuppositionsauslösers aufhören innerhalb des Skopus des Negationsoperators liegt. Dagegen entspricht sowohl (67 a) als auch (67 b) einer intuitiv möglichen Interpretation: (67) a. NEG1′(LUDWIG HAT AUFGEHÖRT, SEINE MÄTRESSEN ZU VERPRÜGELN) b. NEG2(LUDWIG HAT AUFGEHÖRT, SEINE MÄTRESSEN ZU VERPRÜGELN) H ier scheint also die NEG1′/NEG2-Analyse im Vorteil zu sein. Sie muß zudem auch bei Fällen wie (63) nicht passen. Man kann ja auch NEG1′ bzw. NEG2 engen Skopus ge-
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ben. So wäre (63 c) eine korrekte Wiedergabe der intuitiven Wahrheitsbedingungen von (63), die zudem in Übereinstimmung mit den Bereichsregularitäten wäre: (63) c. DER ERZBISCHOF(λx(ZWEI MÄTR. DES KÖNIGS VON FRANKREICH(λy(NEG2(x HAT y GEGRÜßt))))) Könnte man also vielleicht durch eine geschickte Synthese der NEG1′/NEG2-Theorie mit der Skopusverschiebungstheorie zu einer adäquaten Analyse des Unterschieds zwischen starker und schwacher Negation kommen? Man muß dies wohl verneinen. Auch eine solche Mischtheorie wäre schwerwiegenden Einwänden ausgesetzt. Auch sie muß ja in Fällen wie (67) eine durch die Wahl verschiedener repräsentationssprachlicher Negationsoperatoren zu explizierende Ambiguität annehmen. Und für diese Ambiguitätsannahme gibt es keinerlei unabhängige Stützung. (Vgl. Kempson 1975, Boër & Lycan 1976, Atlas 1977, Gazdar 1979, Atlas & Levinson 1981, H orn 1985. Die meisten dieser Autoren schütten allerdings das Kinde mit dem Bade aus, indem sie auch für Fälle wie (66) eine Skopusambiguität verneinen.) Erstens gibt es keine Stützung durch Ambiguitätstests, weil diese in Fällen, wo zwei Interpretationen in einer Implikationsbeziehung stehen (aus (67 b) folgt (67 a)), grundsätzlich nicht zu klaren Ergebnissen führen. (Vgl. H orn 1985: 126 f. Dies gilt zwar auch für die Skopusambiguität in (66), doch für diese gibt es, wie oben angedeutet, eine Stützung durch die strukturelle Übereinstimmung mit Fällen wie Viele Könige sind nicht kahlköpfig, die durch Tests eindeutig als ambig erwiesen werden können.) Zweitens — und das wiegt schwerer — gibt es anscheinend universell keine objektsprachliche Entsprechung zu der in der fraglichen Analyse enthaltenen repräsentationssprachlichen Negationsdifferenzierung. Unter all den z. T. höchst subtilen Negationsartunterscheidungen, die natürliche Sprachen machen, scheint in keiner Sprache eine zu sein, die genau der von NEG1′ und NEG2 entspricht. (Vgl. H orn 1985: 127 f.) Eine solche krasse Divergenz zwischen den beiden Ebenen der Negationsartdifferenzierung (s. 3.1) weist darauf hin, daß die NEG1′/NEG2-Unterscheidung und damit auch die Ambiguität von Sätzen wie (67) rein theoretische Artefakte sind. Doch wie erfaßt man dann die ja auch in Fällen wie (67) (in denen keine Skopusambi-
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guität in Frage kommt) tatsächlich bestehende Alternative, Präsuppositionen in den pragmatischen Bereich der Negation zu bringen oder sie intakt zu lassen? Dies ist eigentlich gar kein Problem. Eine NEG1-Repräsentation wie (67 c) (67) c. NEG1(LUDWIG HAT AUFGEHÖRT, SEINE MÄTRESSEN ZU VERPRÜGELN) läßt ja durchaus beide Möglichkeiten zu, wenn wir davon ausgehen, daß die hier negierte Proposition den Wert f erhält, falls Ludwig nicht früher seine Mätressen verprügelt hat. Das eigentliche und durch (67 c) völlig offengelassene Problem ist, zu erklären, warum die eine pragmatische Bereichsmöglichkeit weniger naheliegend ist als die andere. Warum wird im Normalfall die Präsupposition intakt gelassen (vgl. 3.2)? Da diese Eigenschaft Präsuppositionen per definitionem zukommt, müßte man weiter fragen: Warum gibt es überhaupt Präsuppositionen, also Implikate, die im Normalfall von der Negation und anderen semantischen Modifikationen ausgespart werden? Eine Diskussion dieser Frage ginge weit über den Rahmen dieses Artikels hinaus, und so kann hier nur auf einige einschlägige Arbeiten hingewiesen werden: Wilson & Sperber 1979, Atlas & Levinson 1981, Levinson 1983: 216—225, und Art. 13 in diesem Band. Diese letzten Überlegungen bedeuten nun den endgültigen Bankrott der NEG1′/NEG2Theorie der Präsuppositionen negativer Sätze (auch in der durch Skopusvariationen verbesserten Version, s. o.). Nicht nur wird die Annahme einer Negationsartambiguität in Fällen wie (67) nicht durch die objektsprachlichen Daten gestützt, sondern sie ist auch noch vollkommen überflüssig! Die alternativen Füllungen des pragmatischen Negationsbereichs sind auch durch eine einfache NEG1-Repräsentation wie (67 c) zu erfassen, und das eigentliche Problem, nämlich die Asymmetrie in der Erwartbarkeit dieser Füllungen, wird weder durch die eine noch durch die andere Repräsentationsmethode gelöst. Dagegen könnte man einwenden, daß es doch eine weitverbreitete objektsprachliche Negationsartdifferenzierung gibt, die der NEG1′/NEG2-Distinktion entspricht, nämlich jene, der im Deutschen die Unterscheidung von syntaktischen und morphologischen Negationsträgern (nicht vs. un-) entspricht. Im nächsten Abschnitt wird jedoch gezeigt, daß man diese objektsprachliche Dif-
VII. Semantik der Funktionswörter
ferenzierung nicht mit NEG1′/NEG2 repräsentieren kann. Damit erweist sich dann die Unterscheidung von starker und schwacher Negation endgültig als auf beiden Ebenen der Negationsdifferenzierung unbrauchbar. — Man beachte aber, daß die Annahme, daß Präsuppositionen manchmal nicht in den pragmatischen Bereich der Negation geraten können, weil der Präsuppositionsauslöser sich nicht im semantischen Bereich des jeweiligen Negationsträgers befindet (und daß es auch entsprechende Ambiguitäten gibt), davon unberührt bleibt, vgl. (63)—(66). Es ist zudem nicht gezeigt worden, daß die NEG1′/NEG2Unterscheidung für jeden Zweck unbrauchbar ist, etwa auch für die Explikation des Verhaltens der Negation in Sätzen mit vagen Prädikaten, vgl. Blau 1978 und Artikel 11. 4.3 Sachverhalts- und Begriffsnegation Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, daß, wie in Blau 1978 und Seuren 1980 vorgeschlagen wurde, der semantische Unterschied zwischen Sätzen wie (68) und (69) mit dem zwischen einer notwendigen NEG2- und einer möglichen NEG1′-Interpretation (s. 4.2) koinzidiert: (68) Der König von Frankreich ist unfreundlich. (69) Der König von Frankreich ist nicht freundlich. In (68) kann, anders als in (69), die vom Subjekt induzierte Existenzpräsupposition nicht im pragmatischen Negationsbereich liegen: (70) *Der König von Frankreich ist unfreundlich, denn Frankreich hat schon lange keinen König mehr. (71) Der König von Frankreich ist nicht freundlich, denn Frankreich hat schon lange keinen König mehr. Außerdem folgt (69) aus (68) intuitiv, nicht aber (68) aus (69): Ein Unfreundlicher ist nicht freundlich, aber nicht jeder, der nicht freundlich ist, muß unfreundlich sein. Beiden Beobachtungen wird Rechnung getragen, wenn man (68) in jeder möglichen Interpretation mit (68 a) und (69) in einer möglichen Interpretation mit (69 a) repräsentiert: (68) a. NEG2(DER K. V. F. IST FREUNDLICH) (69) a. NEG1′(DER K. V. F. IST FREUNDLICH)
25. Negation
Aus (68 a), aber nicht aus (69 a), folgen die Präsuppositionen der negierten Proposition, und außerdem folgt (69 a) einseitig aus (68 a). Bei diesem Beispielpaar könnte man versuchen, dasselbe Ergebnis durch Verschiebung des Skopus von NEG1 zu erreichen. Bei anderen Beispielen ist dies jedoch ausgeschlossen: (72) Der König von Frankreich erwies sich als unfreundlich. (73) Der König von Frankreich erwies sich als nicht freundlich. Die Bereichsregularitäten des Deutschen erzwingen hier engsten Skopus für den Negationsoperator (wegen der Bereichsabsorption durch die Als-Phrase, vgl. Jacobs 1982). Deswegen kann in keinem der Sätze die Existenzpräsupposition im pragmatischen Negationsbereich sein. Damit muß man aber mit der NEG1-Methode die beiden Sätze gleich repräsentieren und kann nicht mehr zum Ausdruck bringen, daß hier genauso wie in (68)/ (69) die erste Negation stärker ist als die zweite. Mit (72 a) und (73 a) (72) a. DER K. V. F. (ERWIES SICH ALS (λx(NEG2(FREUNDLICH x)))) (73) a. DER K. V. F. (ERWIES SICH ALS (λx(NEG1′(FREUNDLICH x)))) wird dem dagegen Rechnung getragen. H ier scheint also die NEG1′/NEG2-Analyse der NEG1-Analyse technisch überlegen und zudem nicht dem Einwand des Fehlens einer entsprechenden objektsprachlichen Differenzierung ausgesetzt zu sein. Die Unterschiede zwischen nicht und un- sind schließlich unübersehbar. Man kann jedoch zeigen, daß sich auch auf der NEG1′/NEG2-Analyse keine generelle Theorie des Unterschieds zwischen Negationsträgern wie un- und solchen wie nicht aufbauen läßt. Das erste Problem illustriert das folgende Beispielpaar: (74) Der größte deutsche Dichter war ein Nicht-Christ. (75) Der größte deutsche Dichter war ein Unchrist. Um auszudrücken, daß die Negation in (75) stärker ist als die in (74), müßte man im Rahmen der NEG1′/NEG2-Theorie (75) mit NEG2, (74) jedoch mit NEG1′ repräsentieren. Dies zeigt aber, daß die präsuppositionserhaltende Wirkung der fraglichen Negationsträger gar nichts mit starker Negation im Sinne von NEG2 zu tun hat. Sie ist dem Präfix nicht- nämlich genauso zueigen wie un-:
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(76) *Der größte deutsche Dichter war ein Nicht-Christ/Unchrist, weil es ja überhaupt keinen größten deutschen Dichter gibt. Das H auptproblem ist jedoch, daß — entgegen dem ersten Anschein — die NEG1′/ NEG2-Theorie die propositionale Bedeutung von Sätzen wie (68) nicht korrekt wiedergibt. In allen Situationen, in denen die jeweils negierte Proposition nicht unbestimmt ist, hat nämlich die NEG2-Repräsentation dieser Sätze denselben Wahrheitswert wie die NEG1′-Repräsentation der entsprechenden Sätze mit nicht oder nicht- (vgl. (68 a), (69 a)). Das ist ein kontraintuitives Ergebnis, denn auch, wenn alle Präsuppositionen erfüllt sind, ist (68) stärker als (69)! Weder die präsuppositionserhaltende Wirkung von Negationsaffixen noch das Stärkegefälle zwischen manchen Negationsaffixen und anderen Negationsträgern kann also durch die NEG1′/ NEG2-Theorie auf generelle Weise erfaßt werden. Doch was ist die richtige Analyse? Zunächst sollte man die auffallendste syntaktischen Eigenschaft von un-, nicht- usw. ernst nehmen, nämlich, daß sie Teile von komplexen Wortstämmen sind. Dies weist darauf hin, daß es sich hier semantisch um Operationen auf Wortstammbedeutungen handelt, und zwar, den Kategorien der jeweiligen Stämme entsprechend (im wesentlichen Adjektive und Nomina, bei manchen Affixen auch Verben) um Operationen auf Begriffen, genauer: um Funktionen, die Entitäten des MontagueTyps 〈e, t〉 (oder deren Intensionen) auf Entitäten des gleichen Typs abbilden. Damit hätte Satz (68) die logische Form (68 b): (68) b. DER K. V. F. (UN(FREUNDLICH)) Schon vor einer genauen Deutung einer solchen Begriffsnegation erkennt man nun, warum die Negation hier präsuppositionserhaltend ist: Ihr logischer Typ macht es unmöglich, daß der Präsuppositionsauslöser in ihren semantischen Bereich gerät! Eine Repräsentation wie (68 c) wäre nicht wohlgeformt: (68) c. *UN(DER K. V. F. (FREUNDLICH)) Man mag vermuten, daß dieses Resultat entscheidend von der Repräsentation definiter NPn als Quantoren (Typ 〈〈e, t〉, t〉) abhängt. Dem ist jedoch nicht so. Auch wenn wir solche NPn als Individuenausdrücke (Typ e) deuten, bleiben sie außerhalb des semantischen Bereichs des Affixes:
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(68) d. UN(FREUNDLICH)(DER K. V. F.) Daraus folgt die Existenz eines Königs von Frankreich, weil aus P(a) die Existenz von a folgt, falls P und a die Typen 〈e, t〉 bzw. e haben. Daß im semantischen Bereich dieser Negationsträger grundsätzlich nur der Wortstamm ist, an den sie affigiert wurden, erklärt auch andere Daten, die für eine Formalisierung mit NEG1, NEG2 oder NEG1′ irritierend wären. So wird verständlich, daß (77), anders als (78), in keiner möglichen Interpretation mit der Existenz von freundlichen Erzbischöfen kompatibel ist (denn dazu müßte die Allquantifikation ja im Bereich der Negation liegen können): (77) Alle Erzbischöfe sind unfreundlich. (78) Alle Erzbischöfe sind nicht freundlich. Außerdem wird erklärt, warum solche Negationsträger niemals einen Fokus haben: (79) Er ist nicht freundlich, sondern höflich. (80) *Er ist unfreundlich, sondern höflich. Wenn fokussierende Negation grundsätzlich auf Sachverhalten operiert, wie es die NEG1&INKL-Analyse aus 3.3 impliziert, dann kann eine Negation, deren Argumente Begriffe sind, keinen Fokus haben. Gegen diese Analyse mag man Beispiele wie das folgende (aus Blau 1978) ins Feld führen: (81) Der Verfasser dieses Liedes ist unbekannt. Daraus folgt natürlich nicht die Existenz eines Verfassers (es könnte ja ein Volkslied sein). Das Subjekt muß jedoch hier nicht im semantischen Bereich von un- liegen (was obige Analyse falsifizieren würde). Man kann, ist unbekannt ja als ein Prädikat mit einer intensionalen Subjektargumentstelle analysieren, ähnlich wie ist eine Erfindung der Bild-Zeitung. (Man beachte, daß auch die Subjektstelle von ist bekannt intensional ist.) Die präsuppositionserhaltende Wirkung und andere Eigenschaften der fraglichen Negationsträger werden also durch ihre Typisierung als Operatoren auf Begriffen erklärt. Doch wie steht es mit dem oben diskutierten Stärkegefälle? Das leitet über zu der Frage, wie die Interpretation der negierenden Begriffsoperatoren festgelegt werden soll. Man wird mindestens zwei Gruppen von Operatoren unterscheiden müssen: Solche, die komplementäre (oder kontradiktorische) und solche, die antonyme (oder konträre) Begriffe bilden. Zu ersteren Gruppe gehört NICH T,
VII. Semantik der Funktionswörter
die Repräsentation von nicht-. Für NICH T gilt einfach, daß für alle P vom Typ 〈e, t〉 NICH T(P) (ebenfalls 〈e, t〉) in jeder möglichen Welt genau die Menge der Individuen charakterisiert, auf die P nicht zutrifft, aber zutreffen könnte (in dem Sinn, daß sie zu der Sorte von Entitäten gehören, auf die P anwendbar ist). Das letztere trägt einem wichtigen, hier noch nicht diskutierten Unterschied zwischen nicht und nicht- Rechnung: (82) Fido ist nicht-berufstätig, denn er ist ja ein Hund. (83) ?Fido ist nicht berufstätig, denn er ist ja ein Hund. Sehr viel komplexer ist die Semantik der antonymenbildenden Operatoren wie UN. Sie könnte eigentlich nur auf der Basis einer generellen Theorie der Antonymie entwickelt werden, die bisher nur in Ansätzen existiert. (Vgl. Lyons 1977, 9.1, Lehrer/Lehrer 1982.) Insbesondere setzt sie eine Explikation der Skalarität von Begriffen voraus. Ein skalarer (oder gradueller) Begriff ist, grob gesagt, einer, der einen bestimmten Abschnitt auf einer Skala markiert, die wiederum einer bestimmten Beurteilungsdimension entspricht, etwa Freundlichkeit oder Intelligenz. Wenn nun P ein skalarer Begriff ist, ist UN(P) ein Begriff auf der ‘entgegengesetzten’ Seite der jeweiligen Skala, eben ein Antonym von P, was insbesondere bedeutet, daß es — jedenfalls bei bestimmten Skalen — Entitäten geben kann, auf die weder P noch UN(P), sondern ein Begriff ‘zwischen’ den beiden zutrifft. Damit hat man ein grobes Schema zur Analyse der Bedeutung von Adjektiven wie unintelligent, unschön oder unwahrscheinlich und eine Erklärung für die semantischen Relationen zwischen Sätzen wie den folgenden: (84) Er ist freundlich. (85) Er ist unfreundlich. (86) Er ist nicht freudlich. (87) Er ist nicht unfreundlich. (84) und (85) sind inkompatibel, (86) und (87) jedoch nicht, und auch nicht (84) und (87). Außerdem folgt (86) aus (85) und (87) aus (84). Dagegen folgt weder (85) aus (86) noch (84) aus (87). (Insbesondere ist also (87) nicht äquivalent mit (84). Daß man (87) im Sinne von (84) verwenden kann, ist ein rein pragmatisches Phänomen.) Schließlich muß man hinzufügen, daß UN anscheinend nur auf den unmarkierten Begriff der jeweiligen Skala angewandt werden kann, also weder auf Begriffe, die auf der ‘negativen’ Seite der Skala liegen, noch auf
25. Negation
solche, die einen Extremwert auf der ‘positiven’ Seite markieren, vgl. *undumm, *unhervorragend. Vieles an dieser Analyse ist noch unbefriedigend. Neben der mangelnden Explizitheit (Was ist eine Skala? Was sind ‘entgegengesetzte’, ‘positive’ und ‘negative’ Seiten einer Skala?) stört, daß anscheinend nicht allen Verwendungen von un- Rechnung getragen wird. Dabei kann man Fälle wie unwirsch oder unheimlich noch leicht durch Idiomatisierung erklären. Bei unnahbar oder unausstehlich, deren wortsyntaktische Struktur nicht der logischen Form UN(P) entspricht (*nahbar, *ausstehlich), könnte man obige Analyse wohl durch einen etwas komplizierteren Übersetzungsmechanismus zwischen wortsyntaktischer und wortsemantischer Struktur retten. Doch wie steht es mit unverheiratet und unehelich? Die negierten Begriffe scheinen hier nicht skalar zu sein, un- hat hier dieselbe Wirkung wie nicht-. Vielleicht kann man jedoch verheiratet und ehelich als Grenzfälle skalarer Begriffe explizieren, bei denen eine Skala mit nur zwei möglichen Zuständen involviert ist. Dies würde zusammen mit der oben skizzierten Semantik für un- die fraglichen Fälle erklären. Die Alternative, eine antonyme und eine komplementäre Variante von un- anzunehmen, wäre nicht nur prinzipiell unattraktiv, sondern würde auch Minimalpaare wie Nicht-Christ vs. Unchrist rätselhaft erscheinen lassen, bei denen un- offensichtlich die skalare Interpretation des Argumentbegriffs erzwingt. (Detaillierter wird die Skalarität von un- z. B. in Wunderlich 1983 b diskutiert. Die klassische Arbeit hierzu ist Zimmer 1964.) Weitere Probleme werden sichtbar, wenn man sich die Bedeutungsunterschiede zwischen den verschiedenen Wortstammbildungsmitteln vor Augen hält, die traditionell als Negationsträger klassifiziert wurden, im Deutschen neben nicht-, un-, a-, in- die semantisch deutlich verschiedenen -los, -frei, pseudo-, schein- und miß-. Man muß hier wohl eine ganze Serie von Begriffsoperationen definieren, wofür aber die Aufgabe der Annahme, es handle sich hier um starke (oder um irgendeine andere) Sachverhaltsnegation, immerhin den Weg geebnet hat. Es ist nun ein Punkt erreicht, wo der Versuch, die natürlichsprachliche Negation vollständig durch die logische Negation zu explizieren (die H ypothese H NEG, vgl. 3.1), als gescheitert zu betrachten ist. Das Wesen der logischen Negation ist, daß sie Sachverhalts-
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negation ist (genauer: eine Negation, die auf den inhaltlichen Korrelaten von Sätzen operiert, vgl. 3.1). Der zentrale Punkt der vorangehenden Erörterungen ist jedoch, daß man den Verhältnissen in natürlichen Sprachen nur dann gerecht wird, wenn man in der semantischen Repräsentation außer Sachverhaltsnegation auch (mehrere Arten von) Begriffsnegation annimmt, eine Differenzierung, der auf der objektsprachlichen Ebene in Sprachen wie dem Deutschen oder dem Englischen die Unterscheidung zwischen (satz)syntaktischen und morphologischen Negationsträgern entspricht, die wiederum mit vielen anderen grammatischen Unterschieden verknüpft ist, s. Welte 1978 oder Tottie 1980. (Allerdings läßt sich diese semantische Differenzierung nicht universell an der Grenzziehung zwischen Satzsyntax und Morphologie festmachen, denn viele Sprachen markieren auch die Sachverhaltsnegation morphologisch, vgl. 2.1.) Andererseits ist das Experiment der logischen Rekonstruktion der natürlichsprachlichen Negation bisher nicht in dem Sinne gescheitert, daß sich eine Negationsart grundsätzlich einer von logischen Mitteln Gebrauch machenden semantischen Analyse entzogen hätte. In die Nähe eines solchen Resultats wird jedoch der nächste Abschnitt führen. 4.4 Replazive und nicht-replazive Negation Eine sehr wichtige Negationsartunterscheidung ist die von replaziver und nicht-replaziver Negation (RN und NRN). Erstere wird durch (88)—(90) exemplifiziert, letztere durch (91)—(93): (88) Nicht ICH habe dich verpfiffen, sondern RUdi. (89) Viele Pfeile trafen nicht die ZIELscheibe, sondern den SCHIEDSrichter. (90) Nicht ICH habe dich verpfiffen. (91) Sie hat mich mit ABsicht nicht informiert. (92) Emil wußte auf nicht EIne der Fragen eine Antwort. (93) Hast Du meinen BRIEF nicht bekommen? In Jacobs 1982 wurde als Kriterium für diese Unterscheidung (die dort als „kontrastierende vs. nicht-kontrastierende Negation“ bezeichnet wurde) folgendes vorgeschlagen: Im Deutschen muß RN mit einer durch sondern eingeleiteten Phrase (S-Phrase) oder dem Äquivalent einer S-Phrase verbunden sein. Bei NRN darf dagegen keine S-Phrase ange-
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schlossen werden. Mit „Äquivalent einer SPhrase“ sind asyndetisch angeschlossene Phrasen gemeint, die die Rolle einer S-Phrase übernehmen: (94) Nicht ICH habe dich verpfiffen, RUdi hat dich verpfiffen. Für andere Sprachen muß das Kriterium auf die dortigen Entsprechungen zu S-Phrasen bzw. ihre Äquivalente bezogen werden, so daß man dann z. B. auch im spanischen Satz (95) RN konstatieren kann: (95) No es probable, sino cierto/es cierto. (Dabei muß man allerdings beachten, daß manche Sprachen sondern und aber lexikalisch nicht unterscheiden, vgl. Engl. but und Franz. mais. Dadurch mögliche Ambiguitäten werden jedoch durch ausgeprägte syntaktische und semantische Differenzierungen eingeschränkt, die im Englischen und Französischen ganz analog den syntaktisch-semantischen Unterschieden zwischen deutschen Sondern- und Aber-Konstruktionen sind, vgl. Anscombre & Ducrot 1977, Horn 1985.) Ein Problem des obigen Kriteriums ist, daß bei RN der Anschluß von S-Phrasen oder deren Äquivalenten (zusammengefaßt: ÄSPhrasen) als notwendig bezeichnet wird. Dies bedeutet nicht, daß das Fehlen einer ÄSPhrase zur Inakzeptabilität von Sätzen mit RN führt, vgl. (90). Es bedeutet vielmehr, daß bei solchen Sätzen eine ÄS-Phrase kommunikativ einklagbar ist, wenn ihr Inhalt nicht schon aus dem Kontext bekannt ist. Auf eine Äußerung von (90) kann man genau dann mit Sondern? reagieren, wenn es nicht zum gemeinsamen Wissen der Kommunikationspartner gehört, wer den Adressaten verpfiffen hat. Problematisch an der obigen Bestimmung der RN/NRN-Dichotomie ist außerdem, daß sie an einem Symptom für das Vorliegen der einen oder der anderen Negationsart orientiert ist und damit das, was man als den wesentlichen Unterschied empfindet, nicht erfaßt. In dieser H insicht ist das Folgende besser: Replaziv ist eine Negation genau dann, wenn sie notwendig mit der Ersetzung mindestens eines Teiles des negierten Inhalts verknüpft ist. Auf der Basis dieser Definition kann man es dann als empirisches Faktum konstatieren, daß die fragliche Ersetzung durch ÄS-Phrasen erfolgen muß. Insbesondere können dazu keine mit aber gebildeten Anschlüsse verwendet werden: (96) ?Nicht ICH habe dich verpfiffen, aber RUdi.
VII. Semantik der Funktionswörter
Damit sind wir schon bei den zahlreichen Unterschieden, die diese Negationsartdifferenzierung rechtfertigen. Es gibt zunächst offensichtliche oberflächenstrukturelle Unterschiede. In manchen Sprachen verändern Negationsträger ihre Form, je nachdem welche der beiden Negationsarten vorliegt (z. B. persisch na, vgl. Payne 1985: 232), oder sind auf eine der Negationsarten spezialisiert, wie das französische non auf RN in Sätzen wie dem folgenden (vgl. Gross 1977 und H orn 1985: 158 f): (97) Max a bu non pas du vin, mais de l’eau. Dieses Beispiel verweist außerdem darauf, daß es einen Zusammenhang zwischen den beiden Negationsarten und bestimmten syntaktischen Positionen gibt. Generell gilt, daß RN-Träger dazu neigen, sich ihrem Fokus (zum Verhältnis von RN und Fokussierung s. u.) anzunähern und sich gegebenenfalls dazu aus dem engeren Verbkomplex — der typischen Umgebung für Standard-Negationsträger, vgl. 2.1 — zu lösen: (98) Peter was born not in New York, but in L. A. (Das but in (36) kann nur mit sondern, nicht mit aber übersetzt werden!) Im Deutschen muß allerdings nicht jedes nicht unmittelbar verbadjazente Vorkommen von nicht als RN gedeutet werden. Zudem gibt es Fälle von ‘Satzgliednegation’, die überhaupt keine RN-Lesart haben, z. B. (92). (Die komplizierten Zusammenhänge zwischen der Syntax negativer deutscher Sätze und der Wahl einer RN oder NRN-Interpretation werden ausführlich in Jacobs 1982 diskutiert.) Zahlreich sind auch die semantischen Unterschiede zwischen RN und NRN und deren Reflexe in der Syntax der beiden Negationsarten. Zentral ist, daß RN, im Gegensatz zu NRN, immer fokussierend ist. Dies ist aufgrund der eben gegebenen Definition von RN und der Definition des Negationsfokus in 3.3 zu erwarten. Bei RN wird gewissermaßen das mit der Fokussierung gegebene Versprechen, bei Ersetzung des Fokus durch eine Alternative könnte die Negation überflüssig werden, durch die Durchführung einer entsprechenden Ersetzungsoperation eingelöst. Das erklärt u. a., warum man keine S-Phrasen anschließen oder einklagen kann, wenn man — z. B. durch ausschließliche Akzentuierung eines Elements außerhalb des semantischen Bereichs des Negationsträgers — die Zuweisung eines Fokus zur Negation verhindert:
25. Negation
(99) S1: Sie hat mich mit ABsicht nicht informiert. S2: *Sondern? Ein weiterer semantischer Unterschied zwischen RN und NRN ist, daß im semantischen Bereich von RN normalerweise (s. u.) keine negativen Polaritätselemente vorkommen können: (100) *Nicht ICH habe dich jemals verpfiffen, sondern RUdi. (101) ?Ich habe dich nicht JEmals verpfiffen, sondern NIEmals. Eine Erklärung für die Inakzeptabilität von (100) ist leicht zu finden: Die bei RN anzuschließenden ÄS-Phrasen bestehen auf den Beschreibungsebenen, die vor elliptischen Tilgungen anzunehmen sind (etwa der S-Struktur in der Transformationsgrammatik), aus dem H intergrund der Negation sowie aus der jeweils gewählten Alternative zum Fokus (wobei die Tilgung dann nur H intergrundmaterial betreffen darf). Auf diesen Beschreibungsebenen hat (100) also eine (102) entsprechende Repräsentation: (102) *Nicht ICH habe dich jemals verpfiffen, sondern RUdi hat dich jemals verpfiffen. Die S-Phrase in (102) verstößt aber gegen die in 5. zu diskutierenden Vorkommensrestriktionen für negative Polaritätselemente. Diese Erklärung ist auch kompatibel mit der weitgehend (z. B. in H orn 1985) unbemerkt gebliebenen Tatsache, daß manchmal eben doch negative Polaritätselemente im H intergrundteil des semantischen Bereichs von RN liegen können: (103) Nicht PEter hat sich’s mit allen Frauen verscherzt, die ihn jemals geliebt haben, sondern GERD (hat sich’s mit allen Frauen verscherzt, die ihn jemals geliebt haben). H ier bildet die ausbuchstabierte S-Phrase einen geeigneten Kontext für jemals, und entsprechend ist (103) akzeptabel. Komplizierter ist (101), wo das Polaritätselement Negationsfokus ist. (101) ist als Korrektur einer (unwahrscheinlichen) Äußerung von (104) durchaus akzeptabel: (104) *Du hast mich jemals verpfiffen. Die Frage der Inakzeptabilität von (101) stellt sich also nur, wenn eine Nicht-KorrekturInterpretation von RN-Sätzen möglich ist. Dies scheint tatsächlich so zu sein, deutlich z. B. bei (89), der keine vorherige Äußerung
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von A lle Pfeile trafen das Ziel oder etwas Ähnlichem voraussetzt. Es ist vielmehr nur eine — nicht notwendigerweise zum Ausdruck gebrachte — Annahme des Adressaten, die hier richtiggestellt wird. Bei (101) wird die Interpretation als Richtigstellung einer nicht zum Ausdruck gebrachten Einstellung wohl gerade deswegen vermieden, weil der Satz in dieser Interpretation inakzeptabel ist. Das Material im Bereich der Negation ist ja keine adäquate Formulierung einer solchen Einstellung. Ob man darüberhinaus annehmen kann, daß RN immer als Richtigstellung von Einstellungen oder Äußerungen des Adressaten fungiert, ist unklar. Es wäre dann zu erwarten, daß RN nicht in Umgebungen vorkommen kann, die grammatisch nicht mit dieser Funktion verträglich sind. Tatsächlich kann RN, im Gegensatz zu NRN, nur schlecht in Fragesätzen vorkommen: (105) ?Wer hat sich nicht GRÜne, sondern ROte Strümpfe gekauft? Andererseits kommt RN in restriktiven Relativsätzen vor, die kein grammatikalisiertes Mittel zur Beeinflussung von Adressateinstellungen sind: (106) Der Mieter, der gestern den Abfall nicht in die Mülltonne, sondern vor die Haustür gekippt hat, soll sich melden. Diesen Relativsatz kann man aber vielleicht so interpretieren, daß er eine Adressatenannahme quasi präsupponiert. (106) ist ja nur dann sinnvoll, wenn zu erwarten war, daß der Abfall in die Mülltonne gekippt wird. Eine ausgebaute Theorie der Verwendungsbedingungen der Negation müßte jedenfalls die diesbezüglichen Unterschiede zwischen RN und NRN erklären, die sich nicht nur in der Interaktion mit Polaritätselementen und in Fragesätzen manifestieren, sondern auch z. B. in diskursinitialer Position, wo (107 a) deutlich besser wäre als (107 b): (107) a. Du hast ja keine Brille mehr: b. Du hast ja keine BRILle mehr, sondern HAFTschalen! Diesen Unterschied zu erklären, dürfte insbesondere angesichts der Feststellung in 2.2 schwierig sein, daß Negation im Diskurs ganz allgemein voraussetzt, daß der Adressat den negierten Sachverhalt für wahr oder wahrscheinlich hält. Noch problematischer als die unterschiedlichen Verwendungsbedingungen von RN und NRN sind die Unterschiede in den Wahrheits-
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bedingungen. Man betrachte die folgenden Beispiele: (108) Hansi liebt nicht KonSTANze, sondern ANnamirl. (109) Sie hatten keinen GeSCHLECHTSverkehr, sondern sie haben geVÖgelt. (110) Er kam nicht LEIder zu spät, sondern glücklicherWEIse. (111) Goethe wurde nicht Mitte des 18. JahrHUNderts geboren, sondern am 28. 8. 1749. (112) Das ist nicht eiNE AdverbiaLE, sondern EIN AdverBIAL. Wie die angeschlossenen S-Phrasen deutlich machen, liegen in diesen Beispielen Inhalte im pragmatischen Bereich der Negation, die zunehmend weniger vom Typ der Implikationen (‘entailments’) sind. In (109) ist es eine Konnotation (also eine Art konventioneller Implikatur), die von der Negation getroffen wird, in (110) eine durch das Satzadverb ausgedrückte Sprechereinstellung (vgl. Doherty 1985), in (111) eine Art konversationeller Implikatur (nämlich daß die Angabe über das Geburtsdatum in der gegebenen Situation präzis genug ist — man denke an eine Prüfungssituation) und in (112) etwas, das man auch im weitesten Sinne nicht mehr zum Inhalt des entsprechenden affirmativen Satzes rechnen würden, nämlich ein Aspekt der Formulierung desselben. Daß in dieser großen Breite des möglichen pragmatischen Bereichs tatsächlich ein Unterschied zwischen RN und NRN liegt, sieht man leicht, wenn man durch formale Änderungen eine NRN-Interpretation der Beispiele erzwingt. Sie werden dann — mit Ausnahme von (108), wo eine Implikation im pragmatischen Bereich liegt — alle inakzeptabel, z. B.: (113) ??Sie HATten keinen Geschlechtsverkehr. Sie haben geVÖgelt. (114) *Er kam NICHT leider zu spät. Die Inakzeptabilität von Beispielen wie diesen ist auch ein Argument gegen den Versuch, die Akzeptabilität von solchen wie (109)—(112) pragmatisch wegzuerklären. Dieser Versuch liegt nahe, wenn man RN durch eine Variante der logischen Negation semantisch repräsentieren will. Eine solche Analyse würde (s. u.) zu dem Ergebnis kommen, daß (109) und (111) semantisch widersprüchlich sind, indem in der ÄS-Phrase etwas ausgesagt wird, was die Falschheit des vorangehenden negativen Satzes impliziert, und daß (110) und (112) semantisch inakzeptabel sind, indem etwas negiert wird, was auf der Ebene der Wahr-
VII. Semantik der Funktionswörter
heitsbedingungen gar keine Rolle spielt. Daß diese Sätze tatsächlich nicht als widersprüchlich bzw. inakzeptabel empfunden werden, könnte eine solche Analyse dann auf Gricesche Rettungsmechanismen (vgl. Art. 14) zurückzuführen versuchen. Wenn aber bei (109)—(112) solche pragmatischen Reparaturen wirksam wären, müßten sie es auch bei (113)—(114) sein. Daß dies nicht der Fall ist, macht den pragmatischen Erklärungsansatz ziemlich unplausibel. Damit sind wir bei der Frage der semantischen Repräsentation der RN/NRN-Unterscheidung. Als Ausgangspunkt kann obige Feststellung dienen, daß RN immer fokussierend ist. In 3.3 wurde schon eine Methode zur Repräsentation fokussierender Negation eingeführt. Mit ihr wäre (108) (unter Weglassung der S-Phrase) so darzustellen: (108) a. NEG1(HANSI LIEBT KONSTANZE) & INKL(λX(HANSI LIEBT X),KONSTANZE) Das ist genau dann wahr, wenn es falsch ist, daß H ansi Konstanze liebt und wenn es außerdem unter den in Frage kommenden NP-Alternativen ein X gibt, so daß H ansi X liebt. Der (108) entsprechende NRN-Satz (115) Hansi liebt Konstanze NICHT. wäre dann einfach mit NEG1 zu repräsentieren. Mit dieser Analyse hätten wir die objektsprachliche RN/NRN-Differenzierung repräsentationssprachlich auf die Unterscheidung von fokussierender und nicht-fokussierender Negation zurückgeführt. Die Tatsache, daß in (108 a) nicht zum Ausdruck kommt, daß eine ÄS-Phrase angeschlossen werden muß, stört dabei nicht, wenn man diese Formel ausschließlich als eine Darstellung der Wahrheitsbedingungen betrachtet. Außerdem kann man in einer Repräsentation wie (108 a) durchaus eine Aussage über anschließbare ÄS-Phrasen erkennen, denn solche Phrasen müssen den INKL-Anteil der Formel wahr machen. (Dieser ist ja gewissermaßen eine Antizipation des wahrheitskonditionalen Resultats des Anschlusses einer ÄS-Phrase). Damit können z. B. (116)—(117) ausgeschlossen werden: (116) ?Hansi liebt nicht KonSTANze, sondern möglicherweise ANnamirl. (117) ??Hansi liebt nicht KonSTANze, sondern JEmand. (116) verstößt gegen die angedeutete Restriktion, weil aus der S-Phrase nicht folgt, daß es ein X gibt, so daß H ansi X liebt. (117) ver-
25. Negation
stößt dagegen, weil ‘jemand’ in keinem denkbaren Kontext eine Alternative zu Konstanze ist. Aber natürlich gibt es Probleme mit Fällen wie (109)—(112), und zwar wegen der Repräsentation des Negationsanteils von RN durch NEG1. Damit lädt man sich genau die oben angedeuteten Schwierigkeiten auf: (111) a. NEG1(G. WURDE MITTE DES 18. JHRH. GEBOREN) & INKL(λX(G. WURDE X GEBOREN), MITTE DES 18. JHRH.) & G. WURDE AM 28. 8. 1749 GEBOREN (111 a) ist eine Kontradiktion: Daraus, daß jemand am 28. 8. 1749 geboren wurde, folgt ja, daß er Mitte des 18. Jahrhunderts geboren wurde. Damit können das erste und das dritte Konjunkt von (111 a) niemals gleichzeitig wahr sein. Als Lösung für dieses Problem ist in Jacobs 1982 das Folgende vorgeschlagen worden. Angenommen, man kann den verschiedenen Typen von Folgerungen, die Sätze in fixierten Kontexten haben — also ihren Implikationen, ihren konventionellen Implikaturen, ihren konversationellen Implikaturen, den ausgedrückten Sprechereinstellungen etc. — jeweils ein Bewertungsprädikat zuordnen, das genau dann auf die semantische Repräsentation des jeweiligen Satzes zutrifft, wenn die entsprechende Folgerungsmenge erfüllt ist. Also: Wenn S′ die semantische Repräsentation eines Satzes S ist, dann ist in einem Kontext k S′ imp-erfüllt gdw. die Implikationen von S′ in k erfüllt sind, konventimp-erfüllt gdw. die konventionellen Implikaturen von S′ in K erfüllt sind, konversimp-erfüllt gdw. die konversationellen Implikaturen von S′ in k erfüllt sind, sprein-erfüllt gdw. die in S′ zum Ausdruck kommenden Sprechereinstellungen von den Kommunikationspartner in k geteilt werden usw. Nehmen wir weiter an, wir hätten ein Prädikat KORR (für ‘korrekt’), das genau dann auf S′ in k zutrifft, wenn für alle Bewertungsprädikate „x-erfüllt“ gilt: S′ ist in k x-erfüllt. Dann könnte man z. B. (111) so repräsentieren: (111) b. NEG1(KORR(G. WURDE GEBOREN)) & INKL(λX(KORR(G. WURDE X GEBOREN)), MITTE DES 18. JHRH.) & KORR(G. WURDE AM 28. 8. 1749 GEBOREN)
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Das ist nun keine Kontradiktion, da aus dem ersten Konjunkt nicht folgt, daß es nicht zutrifft, daß Goethe Mitte des 18. Jahrhunderts geboren wurde. Darüberhinaus expliziert (111 b) die Intuition, daß (111) im Widerspruch zu dem entsprechenden affirmativen Satz steht, vorausgesetzt, man nimmt an, daß dieser auf einer bestimmten Ebene mit KORR(G. WURDE MITTE DES 18. JH RH . GEBOREN) zu repräsentieren ist (wogegen Atlas 1980 argumentiert hat; vgl. dagegen wiederum Jacobs 1982: 317). Natürlich ist auch diese Lösung höchst problematisch. Zunächst ist sie Larry H orn’s Einwand gegen Linebarger 1980 ausgesetzt, die Verwendung abstrakter Bewertungsprädikate (wie KORR) sei eine Ad-hoc-Maßnahme, die keine oberflächenstrukturellen Korrelate habe (H orn 1985: 128). Dieser Einwand wiegt aber wohl nicht schwer, denn man kann ja genau die formalen Charakteristika von RN (s. o.) als Reflexe der Anwesenheit einer NEG(... KORR ...)-Konstellation in der semantischen Repräsentation betrachten. Das H auptproblem ist vielmehr, in welchem Sinne die Formeln im Skopus von KORR semantische Repräsentationen sind (s. o.). Offensichtlich müssen sie alle Informationen beinhalten, die nötig sind, um jede der verschiedenen Folgerungsmengen zu berechnen. Sie müssen also weit informationsreicher sein als die heute üblichen Repräsentationen der propositionalen Bedeutung. Ähnliche Probleme hätte man, wenn man einen Vorschlag aus Karttunen & Peters 1979 verallgemeinern und für RN-Sätze eine semantische Struktur der Form (118) annehmen wollte: (118) NEG1(p1 & ... pn) Die Aussagen pi charakterisieren dabei jeweils eine der fraglichen Folgerungsmengen, also etwa p1 die Implikationen, p2 die konventionellen Implikaturen, usw. Es ist aber beim heutigen Stand der semantischen Forschung nicht zu sehen, wie alle hier einschlägigen pi durch kompositionale Mechanismen zu gewinnen sind. Darüberhinaus läßt (118), im Gegensatz zur KORR-Analyse, die Frage, wie die mit RN verbundene Fokussierung zu repräsentieren sei, unbeantwortet. (Daß sie nicht wissen, wie die ‘prosodische Charakteristik’ — also die Fokussierung — der ‘kontradiktorischen Negation’ zu behandeln ist, führen Karttunen und Peters ausdrücklich als Grund dafür an, ihre Analyse nicht weiter auszuarbeiten.)
VII. Semantik der Funktionswörter
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Andere Vorschläge sind noch weniger attraktiv. Die bereits in 3.3 erwähnte Analyse von A. Szabolcsi, nach der fokussierenden Negation (zumindest im Ungarischen) die Negation einer Einzigkeitsaussage ist, die den propositionalen Gehalt des Restsatzes darstellt, läßt sich offensichtlich auf viele der fraglichen RN-Fälle nicht übertragen, weil die Negation in ihnen auf den propositionalen Gehalt des Rests gar keinen Bezug nimmt. Dazu kommt noch das schon erwähnte Problem, daß bei Anwendung von Szabolcsis Theorie viele Paare von Behauptung und RNGegenbehauptung nicht in einem logischen Widerspruchsverhältnis stehen würden. Nicht besser fährt man mit einem Vorschlag aus Kempson & Cormack 1981, nach dem es Prozeduren gibt, die Aussagen verstärken, bevor auf sie die Negation angewandt wird. Abgesehen davon, daß diese Prozeduren ohnehin problematisch sind (vgl. Tennant 1981), versagt dieser Ansatz aus dem gleichen Grund wie der Szabolcsis bei Fällen wie (110) und (112), aber auch bei solchen wie (111). (Es ist höchst unplausibel, anzunehmen, daß es pragmatische Mechanismen gibt, die ungenaue, aber richtige Aussagen zu genauen, aber falschen verstärken.) Man muß also wohl konstatieren, daß es bis heute keine befriedigende Lösung für das Problem der nicht-wahrheitsfunktionalen Verwendungen von RN gibt. Die umfangreichste deskriptive Arbeit zu solchen Negationsverwendungen ist H orn 1985. (H orn spricht dabei, in Anlehnung an Ducrot 1972, von metasprachlicher Negation, was allenfalls für Fälle wie (112) angemessen zu sein scheint.) Neben einer Fülle von interessanten Beispielen und Beobachtungen finden sich auch dort Ansätze zu einer Theorie. So schlägt H orn vor, die Alternative, Negation wahrheitsfunktional oder nicht-wahrheitsfunktional einzusetzen, als eine ‘pragmatische Ambiguität’ zu betrachten. Dem ist entgegenzuhalten, daß eine funktionale Alternative nur dann als pragmatisch gesteuert gelten kann, wenn sie mindestens eine der folgenden Eigenschaften hat: a) Es dürften ihr keine klaren systematischen Unterschiede in der Form der jeweiligen Sätze entsprechen. b) Es müßte pragmatische Mechanismen geben, die die alternativen Interpretationen miteinander oder mit einer gemeinsam ‘zugrundeliegenden’ Interpretation in Beziehung setzen.
Für die fragliche Alternative gilt a) eindeutig nicht, wenn man sie mit der RN/NRN-Alternative gleichsetzt (zu den formalen Unterschieden s. o.). Daß b) gilt, hat H orn zumindest nicht gezeigt. Vielmehr expliziert er den Unterschied dadurch, daß er Negation einerseits als einen deskriptiven wahrheitsfunktionalen Operator auf Propositionen, andererseits als einen metasprachlichen Operator sieht, dessen Wirkung mit ‘Ich wende mich gegen die Äußerung u’ paraphrasiert werden kann (vgl. H orn 1985: 136). Pragmatische Mechanismen, die diese beiden Operatoren in einen Zusammenhang bringen könnten, werden von H orn nicht diskutiert. Ein weiteres Problem der H ornschen Vorschläge ist, daß er die Unterscheidung zwischen starker und schwacher Negation (vgl. 4.2) auf die von wahrheitsfunktionaler und nicht-wahrheitsfunktionaler Negation zurückführen möchte. Es stimmt natürlich, daß man mit RN alle Arten von Präsuppositionen verschwinden lassen kann, z. B. die faktive Präsupposition in (119): (119) Ich WEISS nicht, daß sie Egon liebt, sondern ich verMUte es. Man kann jedoch auch mit NRN, also mit wahrheitsfunktionaler Negation, Präsuppositionen attackieren: (120) Daß im Hotel Barbarossa der bayerische Hygieneminister abgestiegen ist, STIMMT nicht. Es gibt nämlich gar keinen Hygieneminister in Bayern. Dies bestätigt die Vermutung aus 4.2, daß die ‘Stärke’ der Negation tatsächlich rein pragmatisch gesteuert ist, während ihre (Nicht)Wahrheitsfunktionalität nach den Beobachtungen in diesem Abschnitt mit einer in Sprachsystemen verankerten Negationsartdifferenzierung korreliert.
5.
Zur Distribution von Polaritätselementen
In 2.3 wurde der Begriff ‘negatives Polaritätselement’ (NPE) eingeführt. NPEe sind Ausdrücke, die nur in der Umgebung von Negationsträgern und negationsähnlicher Elemente vorkommen. Beispiele sind jemals, any und ever. Seit langem wird diskutiert, wie man die Distributionseigenschaften von NPEen präzise beschreiben und auf ein einheitliches Prinzip zurückführen kann. Dabei sind mehrere Teilfragen zu klären. In der Feststellung, daß NPEe nur in der Umgebung von Ele-
25. Negation
menten des Typs X vorkommen können, sind zwei Unklarheiten enthalten: (a) Was heißt ‘in der Umgebung von ..’? (b) Was heißt ‘Typ X’? (a) fragt nach einer syntagmatischen Relation, in der NPEe zu anderen Elementen stehen müssen, (b) fragt nach einer gemeinsamen Charakteristik dieser anderen Elemente. H ier kann nicht auf die älteren Versuche, diese Fragen zu beantworten (Klima 1964, Jackendoff 1969, Baker 1970), eingegangen werden, zumal sie heute als widerlegt gelten können. (Darstellungen von Problemen dieser Ansätze finden sich in H orn 1978, Welte 1978, Ladusaw 1979, Linebarger 1980.) Es soll vielmehr nur der Vorschlag diskutiert werden, der in jüngerer Zeit das stärkste Echo fand. William Ladusaw hat vorgeschlagen (in Ladusaw 1979, vgl. auch Ladusaw 1980, 1983, Krifka 1989), die obigen Fragen wie folgt zu beantworten: (a) Die Relation, in der NPEe zu den fraglichen anderen Elementen stehen müssen, ist die Skopusrelation. (b) Die Elemente, in deren Umgebung NPEe vorkommen müssen, sind abwärts implizierende Funktoren (AbI-Funktoren). Beide Antworten sind auf die Ebene einer intensionallogischen Repräsentation der Funktor-Argument-Struktur der jeweiligen Sätze bezogen. Ladusaws Theorie besagt also, daß NPEe auf der Ebene der intensionallogischen Funktor-Argument-Struktur im Skopus von AbI-Funktoren stehen müssen. Dabei ist X im Skopus von Y gdw. X Bestandteil der Formulierung des Arguments von Y ist. Ein Funktor f ist ein AbI-Funktor gdw. für alle möglichen Argumente α und β gilt: Falls α⇒β, dann f(β)⇒f(α). Das Symbol „⇒“ bezeichnet die Folgerungsrelation, wenn es Aussagen verknüpft, die Teilmengenrelation, wenn es Bezeichnungen von Mengen verknüpft. (Genaueres bei Ladusaw 1979: 145 ff.) AbI-Funktoren sind also solche, die in ihrem Skopus semantische Inklusionsbeziehungen ‘umdrehen’. Diese Theorie macht in vielen Fällen richtige Voraussagen: (121) Niemand (hat Gerda jemals geliebt). (122) I didn’t (see anyone). (123) Wenige Menschen (haben jemals einen Yeti gesehen). (124) Few Americans (believe that there will be any nuclear wars in the near future). (125) Jeder, (der Gerda jemals singen gehört hat), wird von ihr begeistert sein.
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(126) Every (linguist who has ever read anything by Chomsky) admires him. Jeder der hervorgehobenen Ausdrücke kann semantisch als ein Funktor repräsentiert werden, dessen Argument die Entsprechung der Phrase ist, die jeweils das NPE enthält (durch Umklammerung verdeutlicht). Daß diese Funktoren zudem alle AbI-Funktoren sein müssen, wenn den intuitiven Wahrheitsbedingungen Rechnung getragen werden soll, erkennt man leicht. Daß niemand und alle anderen Negationsträger abwärts implizierend sind (vgl. (121), (122)), sieht man z. B. an der Gültigkeit des folgenden Schlusses: (127) Niemand liebt mehr als eine Person. Niemand liebt mehr als drei Personen. Diese Eigenschaft von niemand kann man logisch leicht rekonstruieren, wenn man den Funktor NIEMAND als λP (NEG1 (∃x (PERSON (x) & P(x)))) deutet. Analoges kann man für die anderen Beispiele zeigen, vgl. etwa zu (125): (125) Jeder, der Gerda singen gehört hat, wird von ihr begeistert sein. Jeder, der Gerda singen gehört hat und etwas vom Gesang versteht, wird von ihr begeistert sein. Auch für die folgenden Daten ergeben sich zutreffende Voraussagen: (129) *Jemand (hat Gerda jemals geliebt). (130) *Most Americans (believe that there will be any nuclear wars in the near future). (131) *Wenn (Peter einen Haupttreffer im Lotto hat), wird er sich jemals einen Porsche kaufen. (132) *Every (linguist who admires Chomsky) has ever read anything by him. (133) *Peter war jemals un(gehorsam). In (129)—(130) ist der Funktor, in dessen Skopus das NPE liegt, kein AbI-Funktor, in (131)—(133) liegt das NPE nicht im Skopus des AbI-Funktors. (Zu (133) vgl. 4.3.) Ladusaws Theorie expliziert die Negationsähnlichkeit der NPE-Kontexte also rein semantisch, und zwar ohne die Annahme einer irgendwie ‘zugrundeliegenden’ Negation. Die Negation ist bei Ladusaw nur eine unter vielen semantischen Operationen mit der für NPEe entscheidenden Eigenschaft — und der Terminus „negatives Polaritätselement“ deswegen eigentlich eine Fehlbenennung.
VII. Semantik der Funktionswörter
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Leider hat auch diese schöne Theorie ihre Probleme. Sie trägt z. B. der Tatsache nicht Rechnung, daß es erhebliche Distributionsunterschiede zwischen einzelnen NPEen gibt. So kann engl. until im Gegensatz zu anderen NPEen nicht bei allen AbI-Funktoren vorkommen, sondern nur bei solchen, die H orn (1978) ‘strongly negative-implying’ nennt, vgl. die folgenden Beispiele aus Horn 1978: (134) I’d be surprised if he ever hires you. (135) ?I’d be surprised if he hires you until you get your hair cut. (136) I’m damned if I’ll hire you until you get your hair cut. Während es vielleicht möglich wäre, Ladusaws Theorie mit solchen lexikalischen Unterschieden kompatibel zu machen, läßt das nächste Problem grundsätzliche Zweifel aufkommen. Es gibt typische Kontexte für NPEe, in denen sich kein AbI-Funktor ausmachen läßt! So sind Fragesätze eine vollkommen natürliche Umgebung für NPEe: (137) Hat Peter dir jemals geholfen? (138) Did anyone ever lift a finger to help you? Der in der semantischen Repräsentation solcher Sätze anzunehmende Frageoperator ist kein AbI-Funktor. (Aus Hat Peter dir zweimal geholfen? kann man intuitiv nicht folgern Hat Peter dir fünfmal geholfen?.) Deshalb skizziert Ladusaw auch eine ganz andere Erklärung für NPEe in Fragen. Er postuliert ein Prinzip, nach dem die Formulierung von Fragen so sein soll, daß sie in den gewählten Antworten weitgehend unverändert übernommen werden kann. (Vgl. Ladusaw 1979: 189.) Wer sich an dieses Prinzip hält, kann nach Ladusaw ein NPE in seine Frageformulierung nur dann aufnehmen, wenn er eine Antwort antizipiert, in der das NPE oder ein nah verwandter Ausdruck vorkommt. Im allgemeinen bedeutet das, daß NPEe in Fragen vorkommen, die eine negative Antwort antizipieren, und das ist bei (137)—(138) tatsächlich der Fall. (Eine andere, aber ebenfalls auf pragmatische Strategien verweisende Erklärung findet sich in Krifka 1989.) Die semantische Charakteristik von Funktoren scheint also nicht der einzig relevante Faktor zu sein. Das zeigt auch das folgende Beispiel aus Horn 1978: (139) I’m anything but happy with that analysis, either. Solche Beispiele lassen vermuten, daß negative Implikaturen für die Distribution von
NPEen eine Rolle spielen könnten, eine Idee, die (im Anschluß an Baker 1970) von M. Linebarger (1981, 1987) präzisiert wurde. Ein weiteres Problem ist, daß bei manchen Funktoren unklar ist, ob sie wirklich abwärts implizierend sind, z. B. bei Komparativen, in deren Vergleichsphrasen NPEe gut gedeihen, vgl.: (140) Gerda ist schöner als Petra es jemals war. Manche möglichen Schlußfolgerungen lassen die Annahme zu, daß als ein AbI-Funktor ist: (141)
Gerda ist schöner als Petra oder Konstanze es ist. Gerda ist schöner als Petra es ist.
In vielen anderen Fällen führt die Ersetzung einer Vergleichsphrase durch eine logisch stärkere jedoch zu ungültigen Schlüssen (vgl. zu diesen Problemen v. Stechow 1984 a: VI — VII): (142) Gerda ist schöner als zwei ihrer Kolleginnen. * Gerda ist schöner als vier ihrer Kolleginnen. All diese Probleme zeigen, daß Ladusaws Antwort auf die obige Frage (b) zumindest noch weiter präzisiert werden muß. Es gibt jedoch auch H inweise darauf, daß seine Antwort auf Frage (a) unzureichend ist, daß also die relevante syntagmatische Relation nicht der Funktorenskopus in der semantischen Repräsentation ist: (143) Daß er jemals promovieren wird, ist unwahrscheinlich. In der semantischen Repräsentation dieses Satzes ist die Entsprechung des Prädikativs im Skopus der Entsprechung des Subjekts (auch nach Ladusaws eigener Skopustheorie): (143) a. λP(P(DAß ER JEMALS PROMOV. WIRD)) (UN (WAHRSCHEINLICH)) Damit bleibt aber unerklärt, wieso der AbIFunktor UN(WA H RSC H EINLIC H ) das Vorkommen von NPEen im Subjekt ermöglicht. Eine andere Antwort auf Frage (a) würde dies jedoch — bei Beibehaltung der Antwort auf (b) — erfassen können. Sie würde fordern, daß NPEe in der FunktorArgument-Struktur in abwärts implizierenden Positionen liegen müssen. Dabei ist (unter Vernachlässigung gewisser technischer Feinheiten) eine Konstituente α einer Formel β
25. Negation
eine AbI-Position (mit Bezug auf β) gdw. es eine mit β äquivalente Formel der Form γ (α) gibt, so daß y ein abwärts implizierender Funktor ist. Nach dieser Definition liegt JEMALS in (143 a) in einer AbI-Position, denn (143 a) ist mit (143 b) äquivalent (143) b. UN(WAHRSCHEINLICH)(DAß ER JEMALS PROMOVIEREN WIRD) und UN(WAH RSCH EINLICH ) ist ein AbIFunktor. (Man beachte, daß die umklammerten Phrasen in (121)—(126) ebenfalls abwärts implizierende Positionen sind.) Für diese H ypothese über die für das Vorkommen von Polaritätselementen ausschlaggebende syntagmatische Relation sprechen zudem Daten aus dem Bereich der affirmativen Polaritätselemente (APEe), wie already oder sogar. (Zu sogar vgl. Jacobs 1983: 4.3.3.) Es ist bekannt, daß sich APEe im Kontext von doppelten Vorkommen von AbI-Funktoren aufhalten können: (144) Niemand bezweifelt, daß sogar Peter diese Prüfung bestehen wird. (145) I’m surprised that someone else hasn’t already talked to you. In der Funktor-Argument-Struktur sind die hier enthaltenen APEe im Skopus von je zwei AbI-Funktoren (z. B. SOGAR in (144) im Skopus von NIEMAND und BEZWEIFELT). Das wäre nicht störend, wenn die Inklusion von APEen in einen einfachen AbISkopus möglich wäre. Daß dies nicht möglich ist, ist jedoch gerade typisch für APEe: (146) ??Jemand bezweifelt, daß sogar Peter diese Prüfung besteht. (147) ?Someone else hasn’t already talked to you. Daß (147) dennoch als Konstituente des akzeptablen Satzes (145) fungieren kann, versucht Ladusaw damit zu begründen, daß (147) akzeptabel ist, wenn man die Negation als Zurückweisung einer Behauptung oder Annahme anderer Kommunikationsteilnehmer interpretiert, und daß (147) in dieser Interpretation in (145) eingebettet ist. (Vgl. Ladusaw 1979: VII.) Zumindest für das deutsche Beispiel ist diese Erklärung jedoch nicht überzeugend, denn (144) ist zur Zurückweisung der Behauptung, daß sogar Peter die Prüfung bestehen wird, völlig ungeeignet. Viel plausibler wäre hier eine Erklärung, die die Vorkommensbeschränkung für APEen nicht als ein Verbot des Enthaltenseins im Skopus von AbI-Funktoren ausbuchstabiert, sondern als
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das Gebot, daß sich die engere Umgebung des APE als Nicht-AbI-Position interpretieren läßt. Eine solche Erklärung — ich übergehe viele Details — würde (144)—(145) darauf zurückführen, daß sich hier die abwärts implizierende Wirkung der beiden Funktoren aufhebt und damit der das APE enthaltende Satzteil eine Nicht-AbI-Position wird: (144) a. NIEMAND(λx(x BEZWEIFELT DAß SOGAR PETER DIESE PRÜFUNG BESTEHEN WIRD)) In mindestens einer der hier zu betrachtenden äquivalenten Umformungen, nämlich in (144 b), (144) b. λX(NIEMAND(λy(y BEZWEIFELT X))) (DAß SOGAR PETER DIESE PRÜFUNG BESTEHEN WIRD) ist der Funktor, dessen Argument der das APE enthaltende Nebensatz ist, nicht abwärts implizierend. Für das Vorkommen von Polaritätselementen ist also wohl die inhaltliche Wirkung der syntaktischen Gesamtumgebung und nicht nur der (in der Regel weniger ausgedehnte) Funktorenskopus maßgeblich). Trotz dieser Probleme kann Ladusaws Ansatz als ein entscheidender Beitrag zur Lösung des Rätsels der Distribution von Polaritätselementen gelten. Eine wirkliche adäquate Lösung wird wohl zumindest seine Antwort auf Frage (b) als Teil enthalten, wenn auch vielleicht nur für einen Kernbereich der einschlägigen Fälle. (Dies trifft z. B. auf die Präzisierung von Ladusaws Ideen in Krifka 1989 zu, die einige der Probleme dieser Theorie einer Lösung näher bringen kann.)
6.
Kompositionalitätsprobleme
Abschließend sollen zwei Probleme diskutiert werden, die sich bei der Analyse der Komposition der Bedeutung negativer Sätze aus den Bedeutungen ihrer Teile ergeben, wenn man die verbreitetste und am besten ausgearbeitete Konzeption von Bedeutungskomposition voraussetzt, nämlich die in der Montague-Grammatik entwickelte (vgl. Art. 7). Nach dieser Konzeption erhält man die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks, indem man die Bedeutungen der Teile, aus denen er nach Aufweis einer syntaktischen Analyse besteht, mit denen ihrer jeweiligen Kokonstituenten durch bestimmte Operationen (zumeist Funktionalapplikation) verbindet, und
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zwar beginnend bei den kleinsten Teilen aufsteigend zu den jeweils nächstgrößeren. H ierbei ergeben sich für negative Sätze spezifische Probleme. Eines davon wird in den folgenden Beispielen sichtbar: (145) Peter sucht keine Putzfrau. (146) An diesem Grenzübergang muß man keinen Paß vorzeigen. In einer naheliegenden Lesart sind diese Sätze so zu repräsentieren, daß der mit dem Finitum verbundene intensionale Operator im Skopus der Negation und die Entsprechung der Indefinitheit des Negationsträgers im Skopus dieses Operators liegt: (145) a. PETER(λx(NEG1(x SUCHT (ˆEINE PUTZFRAU)))) (146) a. AN DIESEM GRENZÜBERGANG (NEG1 (NOTWENDIG (ˆMAN ZEIGT EINEN PAß VOR))) H ier schiebt sich also zwischen den Negationsanteil und den Indefinitheitsanteil des Negationsträgers ein weiterer semantischer Operator. Diese Trennung der Bedeutungsbestandteile des Negationsträgers kann nicht durch eine andere Form der semantischen Repräsentation vermieden werden. Man könnte damit allenfalls andere Lesarten darstellen: (145) b. NEG1(EINE PUTZFRAU (λx (PETER (SUCHT(ˆλP(P(x))))))) (146) b. AN DIESEM GRENZÜBERGANG (NEG1 (EINEN PAß (λx (NOTWENDIG (ˆMAN ZEIGT x VOR))))) (145) c. PETER SUCHT(ˆλP(NEG1(EINE PUTZFRAU(P)))) (146) c. AN DIESEM GRENZÜBERGANG (NOTWENDIG (ˆNEG1(EINEN PAß(λx(MAN ZEIGT x VOR))))) In den (b)-Varianten ist das Objekt gegenüber dem intensionalen Operator ‘spezifisch’, in den (c)-Varianten würde sich dieser Operator auf ein ‘negatives’ Objekt bzw. eine negierte Aussage beziehen. Alle diese Lesarten, vor allem die (c)-Versionen, sind unwahrscheinlich. Das Problem besteht nun darin, daß es bei einer Kompositionalitätsauffassung, wie sie oben angedeutet wurde, kaum möglich ist, Repräsentationen wie die obigen (a)-Versionen aus oberflächennahen syntaktischen
VII. Semantik der Funktionswörter
Strukturen zu erzeugen. In jeder solchen Struktur wird der Negationsträger kein als eine Konstituente fungieren. Der Mechanismus, der die Bedeutungskomposition expliziert, wird versuchen, die Bedeutung dieser Konstituente mit der der anderen Konstituenten zur Gesamtbedeutung zusammenzufügen. Man wird dabei davon ausgehen, daß die Bedeutung von kein die Negation der Bedeutung von ein ist, also in etwa: (147) λQ(λP(NEG1(EIN Q(P)))) Wenn man (147) mit der Bedeutungsrepräsentation des in (145) als Kokonstituente fungierenden Nomens verbindet, erhält man als Repräsentation der Objekt-NP (nach LambdaKonversion): (148) λP(NEG1(EINE PUTZFRAU(P))) Das läßt sich nun mit den anzunehmenden Repräsentationen der anderen Konstituenten von (145) zu (145 b) oder (145 c), aber nicht zu (145 a) verbinden. Für die in (145 a) zwischen NEG1 und EINE intervenierenden Teile ist in (148) einfach kein Platz vorgesehen. Analoges gilt für keinen Paß in Beispiel (146). Der Kern des Problems ist, daß (147) die Bedeutung von kein in Umgebungen wie (145)—(146) nicht richtig wiedergibt. Kein trägt hier zwar Negation und die Bedeutung von ein zur Satzbedeutung bei, aber es tut dies, ohne als Negation von ein gedeutet werden zu können. Man kann dem nun nicht einfach dadurch Rechnung tragen, daß man die semantische Repräsentation von kein an Umgebungen wie (145) und (146) anpaßt. Wie in Jacobs (1980) gezeigt wurde, müßte man bei einem solchen Vorgehen eine Vielzahl verschiedener Repräsentationen für kein annehmen, um zu erfassen, daß zwischen NEG1 und EIN Operatoren der verschiedensten Typen intervenieren können. (Schon für (145) und (146) benötigte man zwei verschiedene Repräsentationen.) Die Annahme einer vielfachen Ambiguität des Negationsträgers ist aber nicht durch unabhängige Argumente zu stützen. Die Postulierung von Ambiguitäten kann man vermeiden, wenn man davon ausgeht, daß kein und andere semantische komplexe Negationsträger, die sich ähnlich verhalten (wie nichts, vgl. Jacobs 1980, 1982), auf der Ebene der syntaktischen Struktur, auf der der Mechanismus der Bedeutungskomposition ansetzt, keine Konstituenten sind, sondern jeweils Sequenzen aus dem entsprechenden nicht-negativen Indefinitum und einem unmittelbar vorangehenden abstrakten Negationselement, das dieselben syntaktischen Ei-
25. Negation
genschaften wie nicht hat und als Modifikator der Verbalphrase fungiert, deren erstes Wort des Indefinitum ist. Die entsprechende syntaktische Struktur von (145) wäre in etwa (145 d): (145) d. (Peter(neg(eine Putzfrau sucht))) Diese Struktur kann man nun leicht mit der Ableitung einer mit (145 a) äquivalenten semantischen Repräsentation koppeln (wovon der Leser sich selbst überzeugen möge). Die Oberflächengestalt des Negationsträgers wird bei einer solchen Analyse durch eine Verschmelzungstransformation erzeugt, die neg und adjazentes ein zu kein amalgamiert. Ganz entsprechend wäre (146) zu behandeln. (Genaueres in Jacobs 1990.) Die Dekomponierung von Negationsträgern wie kein in ein abstraktes Negationsadverbial und ein nachfolgendes Indefinitum erweist sich nicht nur bei der Analyse des Zusammenspiels der Negation mit verbal realisierten intensionalen Operatoren als nützlich. Auch der Fokus solcher Negationsträger verhält sich so, als seien diese syntaktisch komplex: (149) Luise KAUFte kein Haus, sondern MIEtete eines. (149) zeigt, daß der Fokus von kein außerhalb des Nomens liegen kann, das als Kokonstituente dieses Numerales fungiert. Dies widerspricht aber der ansonsten gut bestätigten H ypothese, daß der Fokus eines Negationsträgers immer in dessen syntaktischem Bereich liegt (s. 3.3). Man braucht diese H ypothese jedoch nicht aufzugeben, wenn man annimmt, daß der erste Teilsatz von (149) die zugrundeliegende Struktur (149 a) hat: (149) a. (Luise(neg(ein Haus kaufte))) Weitere Phänomene, die für eine Dekomponierung semantisch komplexer Negationsträger sprechen, werden in Jacobs 1980, 1982, 1990 diskutiert. Zu ihnen gehört z. B. die Inakzeptabilität bestimmter attributiver Verwendungen von kein-NPn: (159) *Auf den Dächern keiner Häuser waren Vögel. Wenn kein in der angedeuteten Weise dekomponiert werden muß und wenn das dabei anzunehmende Element neg dieselbe Syntax hat wie nicht, also insbesondere nur Phrasen mit dem Merkmal [+verbal] modifizieren kann (vgl. Jacobs 1990), dann müßte man für (159) eine nicht-wohlgeformte zugrundeliegende Struktur annehmen, nämlich eine, bei der neg
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eine nominale Phrase modifiziert (vgl. *Auf den Dächern nicht einiger Häuser ...). Unbefriedigend an dieser Analyse ist vor allem ihre mangelnde Oberflächenorientiertheit. Dafür, daß kein oder nichts zugrundeliegend Sequenzen aus zwei Wörtern sind, gibt es keine Evidenz im Bereich der Wortstruktur. Insbesondere lassen sich diese Formen synchronisch weder als morphologisch komplex noch als das Ergebnis einer Proklise interpretieren. Dies wird besonders deutlich in Fällen wie (160): (160) Peter wartet auf keinen Polizisten. Um der Lesart Rechnung zu tragen, in der negiert wird, daß Peter auf einen ‘unspezifischen’ Polizisten wartet, muß man (160) so wie in (160 a) strukturieren und damit bei der Amalgamierung von neg und ein eine Präposition überspringen, was wohl keinem natürlichen morphologischen oder Klitisierungsprozeß entspricht: (160) a. Peter(neg(auf einen Polizisten wartet)) Wie es scheint, ist also die Annahme, die fraglichen Negationsträger seien syntaktisch zugrundeliegend komplex, recht künstlich. Eine andere halbwegs plausible und alle einschlägigen Daten berücksichtigende Lösung ist jedoch zur Zeit nicht in Sicht. (Im Kern wurde die Dekompositionsanalyse bereits in Bech (1955/1957) vorgeschlagen. In Dahl (1991) werden schwedische Daten diskutiert, die eine entsprechende Negationsträgerdekomposition nahelegen. In Jacobs (1989) wird versucht, das fragliche Phänomen als einen synchronischen Nachklang von Jespersens Zyklus zu deuten.) Eine kaum jemals in der Literatur diskutierte H erausforderung für eine kompositionale Semantik ist das weit verbreitete Phänomen der pleonastischen Negationsträger. Es liegt dann vor, wenn mehrere Negationsträgervorkommen zum Ausdruck einer einzigen Negation dienen, wie z. B. in dem folgenden bairischen Satz: (161) I hab koan Huad ned. Ich habe keinen Hut nicht (= ‘Ich habe keinen Hut’) Wenn man bei solchen Sätzen in der angedeuteten Weise die Konstituentenbedeutungen von ‘unten’ nach ‘oben’ zur Repräsentation der Gesamtbedeutung zusammenfügt, wird letztere so viele Vorkommen des Negationsoperators enthalten, wie es Vorkommen von Negationsträgern gibt. Bei (161) würde
VII. Semantik der Funktionswörter
596
man also zu einem Äquivalent von (161 a) gelangen: (161) a. NEG1(NEG1(ICH HABE EINEN HUT)) (161) bedeutet aber nicht (161 a), sondern (161 b): (161) b. NEG1(ICH HABE EINEN HUT) Was ist hier zu tun? Der naheliegende Vorschlag, koan ... ned als diskontinuierliches Morphem zu behandeln, dem nur ein Negationsoperator in der semantischen Struktur entspricht, widerspricht der Tatsache, daß die beiden Negationsträger syntaktisch selbständig sind und in anderen Umgebungen jeweils alleine Negation ausdrücken: (162) Ea war ned da. (‘Er war nicht da’) (163) Des is koa unguada Mo. (‘Das ist kein unguter Mann’) Realistischer ist vielleicht die Auffassung, bei pleonastischen Negationsträgern handle es sich um ein Kongruenzphänomen. Nach ihr enthielten Sätze wie (161) zugrundeliegend nur einen Negationsträger, der das Merkmal [+ negativ] in einem Prozeß, der ‘nach’ dem Aufbau der semantischen Repräsentation erfolgt, an geeignete Konstituenten in seiner Umgebung weitergibt. Allerdings paßt dies nicht so recht zu Fällen wie (164): (164) I hab di no nia ned gseng. Ich habe dich noch nie nicht gesehen (= ‘Ich habe dich noch nie gesehen’) Kongruenz zwischen einem Temporaladverbial und einer Verbalphrase wäre ein universell gesehen äußerst exotisches Phänomen. Diese Probleme sind, wie gesagt, mit der oben skizzierten ‘atomistischen’ Kompositionalitätsauffassung verbunden. Es ist denkbar, daß sie verschwinden, wenn man Bedeutungskomposition als einen ‘holistischen’ Prozeß expliziert, der bei der Analyse des Bedeu-
tungsbeitrags der einzelnen Konstituenten jeweils Informationen über die Struktur des ganzen Restsatzes verwerten kann, der also z. B. bei der Analyse der semantischen Rolle von ned in (161) die Information berücksichtigen kann, daß in einer nicht-verschwisterten Position der Gesamtstruktur koan auftaucht. Genau wie bei den in 4.4 diskutierten Problemen führen uns jedenfalls auch hier Negationsphänomene gewisse Grenzen der heute gängigen Vorstellungen von einer kompositionalen, wahrheitskonditionalen Semantik vor Augen.
7.
Literatur (in Kurzform)
Anscombre/Ducrot 1977 · Atlas 1977 · Atlas 1980 · Atlas/Levinson 1981 · Baker 1970 · Bech 1955/57 · Blau 1978 · Carnap 1947 · Clark 1974 · Dahl 1979 · Dahl 1991 · Davison 1978 · Döhmann 1974 · Doherty 1985 · Dryer 1988 · Falkenberg 1985 · Falkenberg 1987 · Gabbay/Moravcsik 1978 · Gazdar 1979 · Givón 1973 · Givón 1984 · Gross 1977 · H ajicová 1973 · H arries-Delisle 1978 · H eim 1982 · H einemann 1983 · H oepelman 1979 · H orn 1972 · H orn 1978 · H orn 1985 · Jackendoff 1969 · Jacobs 1980 · Jacobs 1982 · Jacobs 1983 · Jacobs 1984 a · Jacobs 1986 · Jacobs 1988 · Jacobs 1989 · Jacobs 1990 · Jespersen 1917 · Karttunen/Peters 1979 · Kempson 1975 · Kempson/Cormack 1981 · Kiss 1981 · Klima 1964 · Krifka 1989 · Ladusaw 1979 · Ladusaw 1980 · Ladusaw 1983 · Lang 1984 · Lehrer/Lehrer 1982 · Levinson 1983 · Lieb 1983 · Linebarger 1980 · Linebarger 1987 · Lyons 1977 · McGloin 1976 · Moravcsik 1978 · Payne 1985 · Reinhart 1983 · Russell 1905 · Schmidt 1973 · Seuren 1973 · Seuren 1979 · von Stechow 1984 a · Stikkel 1970 · Szabolcsi 1981 a · Szabolcsi 1981 b · Tennant 1981 · Tottie 1980 · Welte 1978 · Wilson/Sperber 1979 · Wunderlich 1983 b · Zaefferer 1979 · Zifonun 1976 · Zimmer 1964 · Zwarts 1981
Joachim Jacobs, Wuppertal (Bundesrepublik Deutschland)
26. Koordinierende Konjunktionen
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26. Koordinierende Konjunktionen 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 5.
1.
Einführung: Ausgliederung, Grundbegriffe, Strukturaspekte Einleitung Subordination vs. Koordination Koordination als Strukturbildung Gleichartigkeitsbedingungen der Konjunkte Parallelisierungseffekt der Koordination Semantik der koordinativen Verknüpfung Common Integrator Semantische Relationen zwischen Konjunkten Logisches Gerüst für die Interpretation von KV Semantik der koordinierenden Konjunktionen Logische Funktoren vs. sprachliche Konjunktionen Operative Bedeutung der Konjunktionen Systematik der koordinierenden Konnektive Probleme und Ausblick Literatur (in Kurzform)
Einführung: Ausgliederung, Grundbegriffe, Strukturaspekte
1.1 Einleitung Theoretische Auffassungen über die Semantik der Konjunktionen sind traditionell wie aktuell geprägt durch den jeweiligen Stand der Wechselwirkung von Grammatik und Logik als Wissenschaften. Diese historisch belegte, aber hier nicht nachzuzeichnende Einsicht verweist einerseits auf einen damit grundsätzlich vorgegebenen Variationsbereich, andererseits auf bestimmte bisher als unstrittig geltende Grundannahmen. Letztere beinhalten, (A) daß die Konjunktionen insgesamt (neben den Determinierern, Modalwörtern, Partikeln u. a.) zu den als synsemantisch charakterisierten sog. Funktionswörtern gehören, und (B) daß die koordinierenden Konjunktionen speziell (also und, oder, weder — noch etc.) semantisch mehr oder minder als sprachliche Gegenstücke zu den standardlogischen Funktoren ⋀, ∨, ↓, etc. für wahrheitsbewertete Propositionen p, q zu behandeln sind. Die standardlogischen Funktoren (oder Konnektoren) sind semantisch definiert als Funktionen von Paaren von Wahrheitswerten für p und q in Wahrheitswerte für p o q, wobei 1 für „wahr“ und 0 für „falsch“ steht. Da die Wahrheitswerte für p und q unabhängig voneinander sind, gibt es 24 = 16 verschiedene Belegungen des Funktors o. Die
Wahrheitsfunktionen sind darstellbar sog. Wahrheitstabellen wie (i) (i) a. p 1 1 0 0 c. p 1 1 0 0
q 1 0 1 0 q 1 0 1 0
p ⋀ q b. 1 0 0 0 p↓q 0 0 0 1 etc.
p 1 1 0 0
q 1 0 1 0
durch
p∨q 1 1 1 0
Die Tabellen sind von links nach rechts lesbar wie in (ii) als Aufzählung der hinreichenden Bedingungen (ii)a.Wenn ∥p∥ = 1 und ∥q∥ = 1, dann ∥p ⋀ q∥ = 1, wenn ∥p∥ = 1 und ∥q∥ = 0, dann ∥p ⋀ q∥ = 0, wenn ∥p∥ = 0 und ∥q∥ = 1, dann ∥p ⋀ q∥ = 0, wenn ∥p∥ = 0 und ∥q∥ = 0, dann ∥p ⋀ q∥ = 0 etc. oder kürzer von rechts nach links wie in (iii) als Spezifikation der notwendigen Bedingungen (iii)a.∥p ⋀ q∥ = 1 gdw. ∥p∥ = 1 und ∥q∥ = 1; ∥p ⋀ q∥ = 0 sonst b.∥p ∨ q∥ = 0 gdw. ∥p∥ = 0 und ∥q∥ = 0; ∥p ∨ q∥ = 1 sonst c.∥p ↓ q∥ = 1 gdw. ∥p∥ = 0 und ∥q∥ = 0; ∥p ↓ q∥ = 0 sonst etc. Wir benutzen forthin die abgekürzte Notation in (iv), in der ein Funktor o durch die geordnete Menge der Wahrheitswertpaare für ∥p o q∥ = 1 charakterisiert wird, also (iv)a.p ⋀ q : 〈1,1〉 b.p ∨ q : 〈1,1; 1,0; 0,1〉 c.p ↓ q : 〈0,0〉 etc. Dieses Verfahren ist für die Gegenüberstellung von logischen Funktoren und sprachlichen Konjunktionen besonders geeignet. In der Bezeichnung der Funktoren halte ich mich an die sog. Münchener Terminologie. Der folgende Überblick versucht demgegenüber deutlich zu machen, daß für die semantische Beschreibung der koordinierenden
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Konjunktionen als lexikalische Einheiten ein passender Rekurs auf die logischen Funktoren als Repräsentationsmittel im Sinne von (B) zwar notwendig, aber keinesfalls hinreichend ist. Das H auptgewicht liegt auf der Darlegung der komplex ineinandergreifenden Bedingungen, die den Bedeutungsbeitrag der koordinierenden Konjunktionen zur semantischen Interpretation der durch sie gebildeten komplexen Ausdrücke determinieren. Dabei sind die oben genannten Annahmen so auszubuchstabieren, daß deutlich wird: (a) die Rolle der koordinierenden Konjunktionen als Verknüpfer ist gekoppelt mit ihrer Rolle als Gruppierungsmittel, Gliederungsfaktoren und Kohärenzträger im Rahmen der Koordination, eines generellen Strukturbildungsverfahrens, das durch eine „Grammatik zweiter Stufe“ determiniert ist. (b) die semantische Interpretation eines komplexen Ausdrucks mit koordinativer Verknüpfung ergibt sich aus (i) den Bedeutungen seiner strukturierten Teile, (ii) der zwischen diesen Bedeutungen gegebenen Beziehung, (iii) der durch die Konjunktion zwischen ihnen induzierten Beziehung; (c) die Interpretation und Bewertung eines Ausdrucks mit koordinativer Verknüpfung ist abhängig (i) von der grammatisch determinierten Integrierbarkeit seiner syntaktischen, lexikalisch-semantischen und prosodischen Struktur und (ii) von seiner darauf beruhenden kommunikativ-pragmatisch determinierten Informativität in Normalkontexten. Damit ist vorgezeichnet, daß eine linguistische Analyse die semantischen Eigenschaften koordinierender Konjunktionen aus ihren Interpretationsbedingungen in Ausdrücken mit koordinativer Verknüpfung abdestillieren muß, und das heißt, im Kontext koordinativer Strukturbildung (die letztlich die gesamte Grammatik involviert) und in Interaktion mit grundlegenden Bedingungen der kommunikativen Akzeptanz wie Informativität, Kontingenz und Kohärenz. Was seinerseits die Schwierigkeiten verdeutlicht, die semantische Analyse der koordinierenden Konjunktionen angemessen zu lokalisieren, nämlich im Übergangsbereich von Satzbildung und Textstruktur, im Interaktionsbereich von Grammatik und Pragmatik und an der Schnittstelle zwischen der sprachgebundenen semantischen Struktur und der kontextuell determinierten konzeptuellen Interpretation eines Ausdrucks mit koordinativer Verknüpfung.
VII. Semantik der Funktionswörter
1.2 Subordination vs. Koordination Die Grammatik jeder Sprache enthält Verfahren der Erweiterung von einfachen Sätzen zu komplexen Sätzen. Komplexe Sätze beruhen — grob gesprochen — auf Fügung und/oder auf Verknüpfung. Ein Simplex-Satz S, d. h. eine durch Sättigung aller obligatorischen Argumentstellen des Verbs definierte Struktur, wird zu einem komplexeren Satz S′, indem man S weitere, und zwar fakultative oder freie, Konstituenten an- oder einfügt („Adjungierung“) oder indem man S mit weiteren (normalerweise satzwertigen) Konstituenten zu einem S+ verknüpft („Konjungierung“). Die Konjunktionen nun stellen ein in jeder Sprache vorhandenes, unterschiedlich bestücktes, aber eng begrenztes Inventar von Funktionswörtern CONJ dar, die, wie der Name sagt, der Verknüpfung von zwei oder mehr Sätzen (bzw. auf SATZ projizierbaren Strukturen) S1conj S2 zu einem komplexen Satz S+ dienen. Die Komplexbildung durch Verknüpfung beruht ihrerseits auf zwei sehr allgemeinen, die gesamte Grammatik durchziehenden, grundsätzlich zu unterscheidenden Strukturierungsprinzipien: Einbettung vs. Koordination. Die darauf zurückführbaren Arten der Verknüpfung teilen auch die jeweils involvierten Verknüpfungselemente, nämlich die Verknüpfer oder Konjunktionen, in die syntaktisch und semantisch zu differenzierenden Gruppen conjsund conjk. Die Bildung komplexer Sätze durch Einbettung läßt sich durch das in (1) angegebene Schema der syntaktischen Grundstruktur andeuten. (1) Einbettung: S+ = [S1 [conjs[S2]]] Auf Einbettung beruht u. a. das als Subordination bezeichnete, d. h. mithilfe subordinierender Konjunktionen realisierte, Verknüpfungsverfahren. Seine wichtigsten Merkmale sind: (1—1)S2 ist abhängig, deshalb kann die Konjunktion conjsweder weggegelassen noch mit weiteren S2′, S2″ iteriert werden. (2)a.Vater schenkt uns ein Haus, weil/obwohl Mutter uns ein Auto schenkt. b.Vater schenkt uns ein Haus, *(∅) Mutter uns ein Auto schenkt. c.Vater schenkt uns ein Haus, ?? [weil Mutter uns ein Auto schenkt, [weil Oma uns einen Garten vererbt, [weil Opa krank ist]]].
26. Koordinierende Konjunktionen
(1—2)S2 ist auf eine komplette Belegung vom Format SATZ festgelegt, d. h. es gibt keine Reduktionen in S2. (2)d.*Vater schenkt uns ein Haus, weil Mutter uns ein Auto. e.*Vater schenkt uns ein Haus, weil Mutter ein Auto. f. *Weil Mutter uns ein Auto, schenkt Vater uns ein Haus. (1—3)Die Bedeutung von S2 wird als Relat direkt in die Bedeutung von S+ integriert, wobei die Konjunktion der in S2 ausgedrückten Proposition eine lexikalisch in conjsverankerte semantische Rolle zuweist. Dies wird am deutlichsten bei subordinierenden Konjunktionen, zu denen es ein präpositionales Pendant gibt, vgl. die Quasi-Äquivalenz von (2a) und (2g): (2) a. Vater schenkt uns ein Haus, weil/obwohl Mutter uns ein Auto schenkt. g. Vater schenkt uns ein Haus wegen/ trotz Mutters Autogeschenk an uns. (1—4) S2 und S1 sind nicht ohne Bedeutungsbzw. Akzeptabilitätsänderung vertauschbar — vgl. die Nicht-Äquivalenz von (2a) und (2h). Jedoch ist meist [conjs[S2]] nach links in oder vor S1 verschiebbar. (2) h. Mutter schenkt uns ein Auto, weil/ obwohl Vater uns ein Haus schenkt. i. Weil/obwohl Vater uns ein Haus schenkt, schenkt Mutter uns ein Auto. j. Mutter schenkt uns, weil/obwohl Vater uns ein Haus schenkt, ein Auto. Zusammengefaßt: Einbettungsstrukturen tragen alle wesentlichen Merkmale einer inhärent asymmetrischen Strukturbildung. Das gilt auch für Satzkomplemente, die statt durch conjsdurch Complementizer (daß, ob etc.) eingeleitet sind, aber es gibt gute Gründe, die Complementizer nicht der Kategorie der Konjunktionen zuzurechnen. Einige der zweifellos subordinierenden Konjunktionen werden in den Artikeln 27 und 28 dieses H andbuchs behandelt. Das Strukturierungsprinzip Koordination läßt sich analog durch das Schema in (3) andeuten. Die damit korrelierenden Merkmale für koordinierte Strukturen und die daran beteiligten Konjunktionen sind in (3) (1—5) in Gegenüberstellung zu den Merkmalen der Subordination in (1)(1—4) aufge-
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listet. (3) Koordination: S+ = [(Y) [X1conjkX2 (conjk′Xn)*] (Z)] wobei: Konstituenten in (...) sind bedingt fakultativ; * bedeutet beliebige Iteration. Die Distribution der Belegungen für conjkauf Positionen vor, hinter oder zwischen X1, X2, ..., Xn unterliegt typologisch (nach SOV vs. SVO) determinierten und kategoriell gesteuerten Beschränkungen (so sind lat. X1, X2que, chin. X1, X2dou auf NP-Konjunkte beschränkt). Die fakultative Auslassung von und bzw. oder zwischen X1, ... . Xn-1, n ≥ 3, ist hingegen als stilistische Reduktion zu betrachten. (3—1) Die verknüpften Teilstrukturen X1, X2, ..., Xn, sind nicht auf Belegungen vom Format SATZ beschränkt, wohl aber müssen sie (grosso modo) von gleichem kategorialem Format sein (s. Abschnitt 1.3 unten). Wir nennen forthin einen nach (3) gebildeten Komplex S+koordinierte Struktur, die durch die Konjunktion conjkverknüpften Teilstrukturen X1, X2, ... Konjunkte, die aus Konjunktion(en) und Konjunkten gebildete Struktur koordinative Verknüpfung (KV), die durch Y, Z angedeuteten Konstituenten Rahmenstruktur (cf. Abb. 26.1, S. 600). Syntax und Semantik der koordinativen Verknüpfung sind korrelativ bestimmt durch (a) das variierende Verhältnis von Konjunkt- und Rahmenstruktur und (b) durch die innerhalb dieses Spielraums zulässigen Konjunktionen. Die Konjunkte einer koordinierten Struktur umfassen alle parallel kontrastierenden Konstituenten, die Rahmenstruktur entsprechend den Rest. Die Rahmenstruktur umfaßt minimal die für den Satzmodus zuständige (abstrakte) Satztypspezifikation (s. Abschnitt 1.4-I), und maximal alle Konstituenten von S+ bis auf die KV. (3—2) In koordinierten Strukturen können identisch wiederholte Segmente in den Konjunkten bedingt wegfallen, d. h. Konjunkte können in Formaten unterhalb von SATZ, und zwar als Konstituenten oder auch als Nicht-Konstituenten, auftreten (s. Abschnitt 1.3). Einschränkungen betreffen das Format der in Xi weglaßbaren Teilstrukturen bzw. der für Y und/oder Z beizubehaltenden Rahmenstrukturen sowie die innerhalb dessen wählbare Konjunktion.
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VII. Semantik der Funktionswörter
Abb. 26.1: Koordinierte Struktur
(3—3) Die Konjunkte einer koordinierten Struktur hängen syntaktisch und semantisch nicht voneinander ab wie S2 von S1 in (1—1), sie sind daher (im Prinzip) umstellbar und in der Anzahl beliebig erweiterbar. Mögliche Einschränkungen ergeben sich aus der internen Struktur der Konjunkte (etwa bei Anaphorik) und aus der gewählten Konjunktion. So lassen dt. denn oder engl. for, die ohnehin eine Sonderstellung unter den koordinierenden Konjunktionen einnehmen (s. Lang 1976), weder Nicht-Satz-Konjunkte noch eine Konjunktvertauschung zu. — Diese in der Bedeutung von denn verankerte Asymmetrie ist klar zu trennen von Implikaturen, die mit der Konjunktvertauschung bei und, oder, aber einhergehen können. So etwa setzt bei Konjunkten mit finiten tempuskongruenten Verben ein Prinzip wie „im Defaultfall ist Erwähnungsfolge gleich Ereignisfolge“ bestimmte Interpretationspräferenzen (Details s. Schmerling 1975, Posner 1980). (3—4) Die Konjunktionen in einer koordinierten Struktur sind (bedingt) weglaßbar und/oder (nach Anzahl der Konjunkte) iterierbar und/oder in ihrer lexikalischen Belegung variierbar. (3—5) Die Bedeutungen der Konjunkte werden in die Bedeutung von S+indirekt integriert, nämlich als durch eine Konjunktion verknüpfte gleichartige Exemplifizierungsinstanzen eines übergeordneten Gesichtspunkts (= Common Integrator (CI) — s. Abschnitt 2.1). Die den Konjunkten zugewiesene semantische Rolle ist durch die Rahmenstruktur determiniert und wird durch Konjunktionen wie und, oder etc. nur „weitergereicht“.
Im Beispielfall von Abb. 26.1 ist der entsprechende CI offensichtlich „die Eltern“, das finite Verb zeigen als Teil der Rahmenstruktur weist den eine KV bildenden Konstituenten in der Subjektposition eine thematische Rolle (als externes Argument) und eine semantische Rolle („Agens“) zu, die innerhalb der KV von der Konjunktion und an die Konjunkte Vater, Mutter „weitergereicht“ werden. Daß dies so ist, belegt die Unakzeptabilität einer KV wie ??Vielleicht zeigen uns Vater und die Fotos den Zoo, wo an die Fotos entsprechend auch die Agens-Rolle zugewiesen wird (statt der eher zutreffenden Rolle „Thema“). Mehr zur Gleichartigkeit der Konjunkte in Abschnitt 1.4. Das in (3—5) Genannte ist wesentlich für die Bedeutungskomposition: die semantische Interpretation einer koordinierten Struktur resultiert aus der Bedeutung der Rahmenstruktur und der Bedeutung der in sie einzusetzenden KV; die wiederum ergibt sich aus der (innerhalb eines Common Integrators) durch die Konjunktbedeutungen vorgegebenen und der durch die Konjunktionsbedeutung induzierten Relation zwischen den Konjunkten (s. Abschnitt 2.3). Zusammengefaßt: Koordinierte Strukturen tragen alle wesentlichen Merkmale einer auf Parallelität der Konjunkte (in allen relevanten Dimensionen) beruhenden genuin symmetrischen Strukturbildung (Details s. Lang 1987b). 1.3 Koordination als Strukturbildung Koordination ist grammatisch betrachtet sequentielle Ausdrucksverknüpfung auf der Basis parallel strukturierter Ausdrücke mit
26. Koordinierende Konjunktionen
partiell identischer und partiell variierender Konstituentenbelegung. „Partiell identisch“ umfaßt dabei alle nicht-kontrastierenden Konstituenten (= Rahmenstruktur), „partiell variierend“ alle paarweise kontrastierenden Konstituenten (= Konjunktstruktur). Kurzum: Koordination ist ein Prinzip sprachlicher Strukturbildung, bei dem innerhalb der Domäne SATZ aus Paaren, Tripeln, etc. von Teilstrukturen K1, K2, ... der syntaktischen Kategorie a und des semantischen Typs τ komplexere Strukturen KV gebildet werden, die wiederum der Kategorie α und dem Typ τ zuzuordnen sind, so daß Rahmenstruktur und KV zusammen einen Ausdruck S+ der syntaktischen Kategorie SATZ und des semantischen Typs PROPOSITION ergeben. Die koordinative Ausdrucksverknüpfung im engeren Sinne unterliegt außerdem den beiden folgenden Bedingungen: (4) Die koordinative Komplexbildung ist gebunden an das (aktuelle oder virtuelle) Vorhandensein einer Konjunktion (und, aber, denn, weder-noch etc.), die die betreffenden Teilstrukturen K1, K2, ... als Konjunkte einer KV kennzeichnet. Diese Bedingung grenzt koordinativ verknüpfte Strukturen von asyndetischer Anreihung, Juxtaposition und Apposition sowie von den (ebenfalls bestimmten Gleichartigkeitsbedingungen unterliegenden) Komparativkonstruktionen ab. (5) Bezüglich der Spezifikation „Zugehörigkeit zur Kategorie a und zum Typ T“ unterliegen die Konjunkte und die resultierenden KV einer Menge von ineinandergreifenden Gleichartigkeitsbedingungen, die für jede Ebene der Grammatik (morphosyntaktisch, semantisch, lexikalisch, prosodisch) spezifisch zu formulieren sind (s. Abschnitt 1.4). Diese Bedingung ermöglicht es, bestimmte Konstruktionen, die zwar und, aber, oder enthalten, aber ungleichartige Konjunkte, als pseudo-koordinative Strukturen mit spezieller Interpretation von den regulär interpretierbaren koordinierten Strukturen abzugrenzen (s. (14—18) und (32—33)). (6) Die Konjunkte einer koordinierten Verknüpfung bilden eine spezielle Art von Kontext füreinander und stehen in Selektionsbeziehungen zu den die Rahmenstruktur bildenden Konstituenten (s. Abschnitte 1.4 und 3.3).
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(7) Koordination gemäß (3) ist kein lokal, sondern ein generell wirksames Strukturbildungsprinzip, das alle Einheiten und Repräsentationsebenen der Grammatik erster Stufe involviert, d. h. die Regeln und Prinzipien, die die Struktur von Simplex-Sätzen S und von durch Einbettung gebildeten komplexen Sätzen S+ gemäß (1) determinieren. Der mitunter als „transgrammatisch“ bezeichnete Charakter der Koordination und die damit zusammenhängenden Probleme der Grammatikalitätsbewertung koordinierter Ausdrücke beruhen genau darauf, daß die Bildung einer koordinativen Verknüpfung wie in Abb. 26.1 über Einheiten, die durch Grammatik erster Stufe determiniert sind (konjunktfähige Konstituenten), eine Beziehung etabliert, die nicht durch die Grammatik erster Stufe begründet ist, sondern durch sie nur in ihrer Ausprägung beschränkt wird. Man kann sich das so klar machen: (8) Eine koordinative Verknüpfung unterscheidet sich hinsichtlich der Beziehung zwischen conjkund den Konjunkten von allen anderen grammatischen Beziehungen zwischen Konstituenten (Rektion, Bindung, Attribution, Apposition, Kongruenz, Anaphora etc.), hat zugleich aber hinsichtlich der Konjunktformate und der Beziehungen der Konjunkte zur Rahmenstruktur einen jeweils spezifischen Anteil an ihnen. Daraus ergibt sich das für Koordination und koordinative Verknüpfung konstitutive Verhältnis zur Grammatik erster Stufe, das man als These so zusammenfassen kann: (9) Koordination ist grammatische (morphosyntaktische, semantische und prosodische) Strukturbildung zweiter Stufe, weil sie über Einheiten operiert, die in Termen der Grammatik erster Stufe (Simplexstrukturen) vollständig spezifiziert sind. Über diesen grammatischen Eigenschaften erster Stufe sind die Gleichartigkeitsbedingungen der Konjunkte definiert und damit die Akzeptabilitäts- und Interpretationsbedingungen für koordinierte Strukturen überhaupt. Der so anvisierte Zugang zu koordinativen Verknüpfungen bietet auch einen Erklärungsansatz für die in Abschnitt 1.1 erwähnte notorische Kontextdeterminiertheit der Interpretation und Bewertung von Ausdrücken mit
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koordinativen Verknüpfungen und zugleich auch für die Universalität der Koordination: (10) Wenn die wesentlichen Bedingungen der koordinativen Strukturbildung aus der „Grammatik zweiter Stufe“ stammen, dann ist es nur natürlich, daß ihre substantielle Fundierung nicht in der Grammatik erster Stufe zu suchen ist, sondern in letztlich sprachunabhängigen Prinzipien der kognitiven Repräsentation und Verarbeitung von Kenntnissen und ihrer kommunikativen Vermittlung. Daher die schwierige Grenzziehung zwischen Semantik und Pragmatik der Koordination. (11) Wenn man die koordinative Strukturbildung aus der „Grammatik zweiter Stufe“ ableitet, dann lassen sich ihre wesentlichen Bedingungen als Universalien formulieren, die nur in ihrer Realisierung bezüglich bestimmter syntaktischer, morphologischer oder lexikalischer Parameter einzelsprachlicher Variation unterliegen. Korrelativ zu (10) und (11) ergibt sich dann für die eigentliche Bedeutungsbeschreibung der koordinierenden Konjunktionen als methodischer H inweis für das eingangs unter (B) erwähnte Verhältnis von linguistischer vs. logischer Semantik: (12) Die semantische Beschreibung der Konjunktionen und, aber etc. muß (i) einerseits so abstrakt sein, daß sie den jeweiligen Spielraum kontextdeterminierter Interpretationen ohne überzogene Polysemieannahmen abdeckt — genau dies wird erreicht, wenn man die lexikalische Bedeutung der koordinierenden Konjunktionen auf kognitive Elementaroperationen bezieht (s. Abschnitt 3.2), die letztlich auch die Basis für die standardlogischen Funktoren bilden; (ii) andererseits so spezifisch sein, daß sie eine Systematik für die lexikalischen Feldeigenschaften der koordinierenden Konjunktionen liefert und eine Erklärung, warum bestimmte (Kombinationen von) solchen Grundoperationen lexikalisiert sind, andere nicht. Der letzte Punkt betrifft die für das Verhältnis von Logik und Linguistik entscheidende Frage, warum z. B. von den 24 = 16 stan-
VII. Semantik der Funktionswörter
dardlogischen Funktoren nur einige ein mehr oder minder direktes lexikalisches Pendant haben und warum die meisten nicht. Dies ist der Ort, wo kognitive Elementaroperationen mit kommunikativen Prinzipien (Kontingenz, Kohärenz etc.) in der Weise in Bezug zu setzen sind, daß die selektive Lexikalisierung von Konjunktionen als Ergebnis von Beschränkungen erklärbar wird (s. Abschnitt 3.1). 1.4 Gleichartigkeitsbedingungen für Konjunkte Wir illustrieren die für wohlgeformte koordinierte Strukturen gültigen Gleichartigkeitsbedingungen in der Auswahl (I—III), die zeigen soll, (a) welche Konstituentenmerkmale der Grammatik erster Stufe dabei involviert sind, (b) wie die Interpretation des gesamten Ausdrucks und damit die der jeweiligen Konjunktion vom Grad der Gleichartigkeit der Konjunkte abhängt. Die Gleichartigkeitsbedingungen manifestieren sich in Konjunktformaten vom kompletten SATZ über phrasale Konstituenten und Folgen von Nicht-Konstituenten bis zu Kompositagliedern (Kinder- und Hausmärchen, Kinderschuhe und -kleider) und gewissen Präfixen (Be- und Entladen von Laub gestattet, aber: *A b- oder Verbrennen von Laub verboten) und betreffen alle Ebenen der grammatischen Strukturbildung. I. Gleicher Satztyp: Wenn K1 und K2 komplette (oder regulär elliptische) Sätze sind, müssen sie die gleiche Satztypspezifikation aufweisen. „Gleich“ heißt dabei nicht unbedingt identisch, sondern — wie (13a) zeigt — „kompatibel unter einer Art Archityp“. Die Beispiele (13b-e) belegen, daß gewisse satztypverschiedene Kombinationen grundsätzlich zu inkohärenten und damit inakzeptablen Strukturen führen. (13) a. Wie spät ist es und sind wir heute mit dem Referat dran? (W- und J/N-Frage) b. *Wie spät ist es und/oder/aber ich komme nicht pünktlich? c. *Wie spät ist es, aber nimm doch den Bus! d. *Heute ist Dienstag oder sei pünktlich! e. *Sei weder pünktlich noch wie spät ist es denn? Akzeptable Konstruktionen, wo K1, K2 verschiedenen Satztypen zugehören, also die
26. Koordinierende Konjunktionen
Gleichartigkeitsbedingung verletzt wird, sind — wie (15) zeigt — keine regulären KV, sondern Konstruktionen mit spezieller Uminterpretation, die bei (17) als quasi-phraseologisierte Einkleidung der standardlogischen Äquivalenz p v q = ﹁ p → q erscheinen könnte (es aber wegen (14—16) nicht ist) und die bei (18) auf eine Infinitivkonstruktion bezogen wird. (14) a. Zeige mir deinen Ring und ich zeige dir meine Kette. b. = Wenn du mir deinen Ring zeigst, zeige ich dir meine Kette. (15) *Zeige mir deinen Ring und ich __ dir meine Kette. (16)
Sei pünktlich und du mußt nicht draußen bleiben. b. = Wenn du pünktlich bist, dann mußt du nicht draußen bleiben. a. Sei pünktlich oder du mußt draußen bleiben. b. = Wenn du nicht pünktlich bist, dann mußt du draußen bleiben. a. Sei so gut und gib mir den Ring. b. = Sei so gut mir den Ring zu geben.
Die Uminterpretation solcher Konstruktionen, die natürlich auch den Bedeutungsanteil von und und oder affiziert, wird durch die Ungleichartigkeit der Konjunkte ausgelöst. Für die Analyse von und und oder heißt das nur, daß ihre semantische Beschreibung mit den Uminterpretationen verträglich sein muß, nicht aber, daß man ein spezielles „finales“ oder „konditionales“ und bzw. oder zu postulieren hätte. Die Beispiele belegen auch, daß die Satztypspezifikation zur Rahmenstruktur gehört. II. Gleiche Konstituentenkonfiguration Die Konjunkte K1, K2 müssen syntaktisch in KV die gleiche Konstituentenkonfiguration K belegen. Diese Bedingung ist in der Literatur unter Bezeichnungen wie „same-type-hypothesis“ (Chomsky 1957, Lang 1984), „Law of the Coordination of Likes“ (George 1980, Williams 1981c) ausführlich diskutiert und modellspezifisch rekonstruiert worden (s. dazu vor allem Sag/Gazdar/Wasow/Weisler 1985; Renz 1989). Wiederum besagt „gleich“ hier nicht, daß die Konjunkte von identischer Kategorie sein müssen, wohl aber „gleichwertig“ als Belegungen einer durch die Rahmenstruktur determinierten syntaktischen Position, also etwa als NP- oder Satz-Komplement zu wünschen in (19) oder als NP-, AP-
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oder PP-Prädikativ zur Kopula in (20). (19) Ich wünsche dir ein langes Leben und daß es dir gut geht. (20) Peter ist (ein) Vegetarier und gesund und von kräftiger Gestalt/vom Land. Unter diese Bedingung fallen auch koordinierte Strukturen mit Konjunkten, die durch weggelassene Teile (___) Nicht-Konstituenten sind, wie Gapping-, Right-Node-Raising-, After-thought- und eine Reihe weiterer Konstruktionen. Die Konjunkte müssen in jedem Falle so strukturiert sein, daß sie unter Einbeziehung des finiten Verbs konstituentenweise auf S projizierbar sind. Dafür gibt es einzelsprachliche syntaktische Bedingungen für das lineare Verhältnis von nichtkontrastierenden Konstituenten (Rahmenstruktur) und kontrastierenden Konstituenten (Konjunktstruktur) — s. Wunderlich 1988a,b. Die durch Indizes angedeutete Koreferenz bzw. Referenzverschiedenheit der betreffenden Paare in (21, 22) korreliert mit entsprechenden Akzentmustern. Zu Nicht-KonstituentenKonjunkten und Ellipse s. Lundy 1980, Klein 1981. a. Opa vererbt den Enkelni das Hausk und/aber/oder/*denn Oma __ unsj/*i die Hüttel/*k b. Opa vererbt das Hausk den Enkelni und/aber/oder/denn *Oma esk unsj/i c. Opa vererbt das Hausk den Enkelni und/aber/oder/denn Oma schenkt esk unsj/i (22) a. Ein Auto hat mir Opa __ und/aber/oder/*denn ein Rad __ dir Oma geschenkt b. Ein Auto hat mir Opa __ und/aber/oder/denn *Oma __ dir ein Rad geschenkt. (23) a. John both/neither sang and/or/nor danced b. *Hans sowohl/weder sang als auch/ noch tanzte c. ..., weil Hans sowohl/weder sang als auch/noch tanzte d. Hans sang weder/*sowohl noch /*als auch tanzte er e. Weder/*Sowohl sang noch/*als auch tanzte jemand Wir führen die Beispiele an, weil sie (i) belegen, daß nicht alle Konjunktionen NichtKonstituenten-Konjunkte zulassen (z. B. denn); (ii) belegen, daß zweigliedrige Konjunktionen Konstituenten-Konjunkte nur positionsabhängig zulassen (s. 23b—e);
VII. Semantik der Funktionswörter
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(iii) einen Ausschnitt reiner „Syntax zweiter Stufe“ zeigen — nämlich die Parallelitätsbedingung bezüglich der Konstituentenanordnung in den Konjunkten (s. 22b). Konjunkte müssen ferner gleich sein bezüglich der TopikFokus-Gliederung der Gesamtstruktur von S+. Das zeigt (24), wo nur a oder b als kohärente Fortsetzungen möglich sind, aber nicht das semantisch äquivalente c (KAPITÄLCHEN = Hauptakzentträger). (24) (Dort drüben sitzt Peter! — Ja, und?) a. Er schmust mit einer BLONDEN. b. Eine BLONDE schmust mit ihm. c. *Er und eine BLONDE schmusen miteinander. Kriterial für die Akzeptabilität einer koordinierten Struktur innerhalb der Bedingung „gleiche Konstituentenkonfiguration“ ist die Kontrastfähigkeit der Konjunkt-Belegungen. (25) zeigt, daß primär ungleichartige und daher unakzeptable Konjunkte durch Kontrastierung sekundär gleichartig und damit akzeptabel werden können. (26—27) sind Beispiele für Belegungen, die aufgrund lexikalisch verankerter Eigenschaften prinzipiell nicht kontrastfähig (nicht fokussierbar etc.) sind und daher als Konjunkte nicht in Frage kommen. (25) a. Opa arbeitet heute (*oder) im Garten. b. Opa arbeitet weder heute noch im Garten, sondern morgen und im Haus. (26) a. Opa springt auf und über das Bett. b. *Opa freut sich auf und über das Bett. (27) *Man oder/und er arbeiten heute nicht. (28) *Opa ärgert/erinnert sich und uns gerne. Die hier angesprochene lexikalisch verankerte Fokusfähigkeit der Konjunkte leitet über zu einer Bedingung der „Semantik zweiter Stufe“ bezüglich der Konjunktbedeutungen. III. Semantische Minimaldifferenz Die Konjunkte K1, K2 müssen sich semantisch in wenigstens einem kontrastfähigen Merkmal unterscheiden, andernfalls sind die betreffenden koordinierten Strukturen inakzeptabel. Referentiell und/oder konzeptuell identische Konjunkte sind grundsätzlich ausgeschlossen (29). Das schließt entsprechend homophone Konjunkte aus (30), sofern sie nicht zu einer lexikalischen Kategorie gehören, die Referenzdistinktion allein schon durch intonatorisch indizierten Kontrastfokus ermöglicht wie deiktische Pronomina (31c). In gewissen Fällen lösen identisch belegte Kon-
junkte eine phraseologisierte Uminterpretation aus (32—33). — Details zu „intensivierender“ und- Verknüpfung und All-Quantifikation cf. König 1971, Lang 1984. (29) Opai vererbte den Kindernj das Hausk *und/oder eri vererbte esk ihnenj. (30) *Er ging zur Bank und zur Bank, um Geld zu holen bzw. sich hinzusetzen. (31) a. Wer ist hier mit wem verwandt? b. *Wer und wer ist hier verwandt? c. Der ↑ und der ↓ hier sind verwandt. (32) a. Opa schläft länger und länger/mehr und mehr/tiefer *oder tiefer. b. = Opa schläft immer länger/ immer mehr. (33) a. Die Leute warten und warten. Der Zug kommt und kommt nicht. b. = Die Leute warten immer noch. Der Zug kommt immer noch nicht. Die Auswahl zeigt, daß die standardlogischen Gesetze der Idempotenz (p ∨ p) ↔ p und (p ⋀ p) ↔ p kein natürlichsprachliches Pendant als Interpretationsvorschrift für koordinierte Strukturen haben. Die Grammatik erster Stufe enthält keine Bedingung, nach der Strukturen wie (29, 30, 31b) als inakzeptabel zu bewerten wären. Im Sinne der in 1.2 skizzierten Grammatik zweiter Stufe jedoch sind nichtdistinkte Konjunkte wegen Redundanz als inakzeptabel markiert. Auf analoge Weise sind kontradiktorische bzw. tautologische Verknüpfungen bewertbar (s. Abschnitt 2.3). 1.5 Parallelisierungseffekt der Koordination Bisher haben wir die Koordination als wesentlich auf Symmetrie beruhendes Komplexbildungsverfahren anhand von Gleichartigkeitsbedingungen für Konjunkte illustriert. Die Symmetrie zeigt sich jedoch ebenso bei der semantischen Interpretation. Der in (6) erwähnte Umstand, daß die Konjunkte eine spezielle Art von Kontext füreinander bilden, zeitigt deutliche Parallelisierungseffekte. In koordinierten Strukturen werden die Interpretationsmöglichkeiten der Konjunkte in systematischer und für alle Konjunkte gleichartiger Weise eingeschränkt. Dabei ergibt sich eine Interpretationsfestlegung, die für die Konjunkte isoliert nicht gilt. Zu unterscheiden sind zwei Untereffekte: I. Selektionseffekt Bei für sich genommen mehrdeutigen Konjunkten entsteht durch Koordination keine Multiplikation der Mehrdeutigkeit, sondern
26. Koordinierende Konjunktionen
es gilt für alle Konjunkte einer KV derselbe Lesungstyp. Mischungen sind ausgeschlossen. So behält (35) die Mehrdeutigkeit von Verwandtenbesuch in (34) bei, nämlich entweder beidemale „Besuch bei Verwandten“ oder beidemale „Besuch durch Verwandte“, und (36) ist kontradiktorisch in jeder Lesart. (34) Peter liebt Verwandtenbesuche. (35) Peter liebt Verwandtenbesuche, aber Ina haßt Verwandtenbesuche. (36) *Peter liebt Verwandtenbesuche, aber er haßt Verwandtenbesuche. II. Übertragungseffekt Der Lesungstyp eines eindeutigen Konjunkts legt den Lesungstyp der jeweils anderen mehrdeutigen oder unspezifizierten Konjunkte innerhalb der KV fest. (Weitere Beispiele in Lang 1984). (37) Peter liebt Verwandtenbesuche, aber er haßt Besuche bei Verwandten. (38) Peter hat einen Vogel und Fritz auch. (wörtlich vs. metaphorisch) (39) Peter hat einen Vogel und Fritz einen Goldhamster. (nur wörtlich) (40) Peter hat einen Vogel und Fritz hat auch eine Meise. (nur metaphorisch) (41) a. Dort sind Löwen oder Nashörner. (sexus-unspezifiziert) b. Dort sind Löwen oder Löwinnen. (sexus-spezifiziert) Diese Beispiele sind zwingend, es gibt auch Fälle, wo der Parallelisierungseffekt nur Präferenzen setzt. Jedenfalls aber ist sein Eintreten ein klares Indiz für die in Abschnitt 1.2 aufgezählten Eigenschaften der Koordination.
2.
Semantik der koordinativen Verknüpfung
Wenden wir uns nun etwas detaillierter den im Anschluß an (3—5) genannten Bestandteilen zu, aus denen sich die semantische Interpretation einer KV zusammensetzt. Gewiß ist — wie für p v q in der Standardlogik — die Bedeutung eines natürlichsprachlichen Ausdrucks wie (42) Waldi ist ein Dackel oder (Waldi ist) ein Hund. eine Funktion der Bedeutung seiner Bestandteile, aber — und das macht den triftigen
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Unterschied — die Bedeutungskomposition bei (42) umfaßt nicht nur die disjunktive Verknüpfung von zwei eigenständigen und unabhängig voneinander in die Gesamtbedeutung eingehenden Konjunktbedeutungen, sondern — und darauf beruht der Defekt — die Interpretation von (42) ist sensitiv für die interne Struktur der Konjunkte und für die zwischen den Konjunktbedeutungen bestehenden Relationen. Diese Sensitivität ist ein weiterer auf die Gleichartigkeit der Konjunkte bezogener Aspekt der Koordination. Die einschlägigen Kriterien für die semantische Ausgewogenheit der Konjunkte lassen sich letztlich alle auf die folgende bei der Interpretation koordinierter Strukturen unweigerlich wirksam werdende Bedingung zurückführen. 2.1 Common Integrator Bei der Interpretation einer koordinierten Struktur wird nach Maßgabe der Gleichartigkeitsbedingungen für Konjunkte in 1.3 und 1.4 durch Vergleichs- und Ausgliederungsoperationen aus den Konjunktbedeutungen eine sie subsumierende begriffliche Einordnungsinstanz abstrahiert — ein Common Integrator (CI). Für die Determination eines geeigneten CI gilt: (43) a. Die in den Konjunktbedeutungen repräsentierten Eigenschaften, Individuen und Sachverhalte sind Exemplifizierungsinstanzen des CI. b. Je strikter die Konjunkte den syntaktischen und semantischen Gleichartigkeitsbedingungen genügen, desto direkter und natürlicher ist ihr CI abzuleiten, desto weniger Sach- oder Kontextinformation wird benötigt, um einen geigneten CI zu etablieren. Abb. 26.2 zeigt — etwas vereinfacht — die sich über mehrere Ebenen erstreckende Prozedur der Etablierung eines CI. Dabei beruht die Konjunktdetermination auf der morphosyntaktischen + prosodischen Strukur des Gesamtausdrucks, die semantische Differenzierung auf der lexikalisch-semantischen Struktur der Konjunkte. Die Integration von Kontextinformation hingegen involviert die konzeptuelle Interpretation des betreffenden Ausdrucks (im Sinne der in Bierwisch/Lang 1989 vorgeschlagenen Ebenenunterscheidung). Die Prozedur liefert im Default-Fall für zwei oder mehr gegebene Konjunkte K1, K2 der syntaktischen Kategorie a und des semantischen Typs T ein Konzept E, das die
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VII. Semantik der Funktionswörter
Abb. 26.2: Ableitung eines Common Integrators
kontrastierenden Merkmale von K1, K2 so umfaßt, daß E in einer Konzepthierarchie der Knoten ist, der die durch K1, K2 repräsentierten Konzepte direkt dominiert. In einem Trivialfall wie Morgen wollen uns Opa und Oma ein Haus vererben ist der CI entsprechend „Großeltern“. Der CI muß jedoch keineswegs immer auch direkt lexikalisierbar sein (Details bei Lang 1984). Die Rolle der syntaktischen und prosodischen Strukturierung der Konjunkte für die Deduktion des CI kann man sich leicht anhand von multiplen Fragen verdeutlichen. Kontrastierende bzw. nicht-kontrastierende Konstituenten kennzeichnen wir durch Indizierung wie bisher, die CIs durch KAPITÄLCHEN. (44) a. Opa vererbt den Enkelni das Hausk und Oma unsj die Hüttel. b. Opa und Oma vererben den Enkelni und unsj das Hausk bzw. die Hüttel. c. CI: WER vererbt WEM WAS? (45) a. Opa vererbt den Enkelni das Hausk, aber Oma schenkt unsi die Hüttek. b. Opa vererbt, aber Oma schenkt [uns Enkeln]i das Hausk. c. CI: WER ÜBEREIGNET WIE uns Enkeln das Haus?
(46) a. Die Sonne scheint und die Vögel singen b. ?? Die Sonne und die Vögel scheint bzw. singen. c. CI:?? WER TUT WAS? Die Eigenartigkeit von (46b) gegenüber (46a) beruht genau auf der syntaktisch determinierten, jedoch semantisch kaum legitimierten Ableitung des in (46c) angedeuteten CI. Der Defekt von (42) beruht auf der Automatik der Konjunktdifferenzierung, die in diesem Falle eine (der semantischen und faktischen Beziehung widersprechende) Umkategorisierung von Dackeln zu Nicht-H unden erzwingt. Aber selbst semantisch korrekte und im Sinne von (43) ausbalancierte Konjunkte können zu inakzeptablen Interpretationen führen, weil sich die Etablierung eines CI unweigerlich auch in der pragmatischen Interpretation einer KV durchsetzt. Darauf beruht die ironische oder diffamierende Wirkung von zeugmatischen KV wie: (47) a. Göttingen ist bekannt für Professoren, Philister und Vieh. [H. Heine]
26. Koordinierende Konjunktionen
b. No entry for dogs and Chinese. [Am Parktor in Shanghai vor 1949] Fazit: Die Akzeptabilität einer koordinativen Verknüpfung ist unmittelbar abhängig davon, ob sich, wie sich und was für ein CI sich über den Konjunktbedeutungen etablieren läßt. Genau daran bemessen sich auch Normalinterpretation, phraseologisierte Sonderinterpretation oder kontextuelle Uminterpretation einer koordinierten Struktur. 2.2 Semantische Relationen zwischen den Konjunkten Wie aus (42) ersichtlich, spielen die durch die Konjunktbedeutungen vorgegebenen Relationen für die Akzeptabilität einer KV eine entscheidende Rolle. Es sind, wie in Lang (1984) begründet, genau die sieben semantischen Relationen in (48), die als mögliche Beziehungen zwischen Konjunkten K1, K2 (Indizes für Abfolge) relevant sind. Diese Relationen sind standardlogisch formulierbar als Funktionen von Paaren von Wahrheitswerten in Wahrheitswerte. Wir werden sie jeweils verbal umschreiben und nach dem eingangs erläuterten Verfahren durch die geordnete Menge der Wahrheitswertpaare darstellen, die für sie den Wert 1 ergeben. Im gegebenen Zusammenhang deuten wir die jeweilige Menge der Wahrheitswertpaare als den durch die betreffende semantische Relation zwischen den Konjunkten vorgegebenen Belegungsspielraum. Wir illustrieren die betreffenden Relationen durch simple, aber semantisch eindeutige Beispiele mit Konjunkten im Satzformat. (48) a. Nicht-Distinktheit K1, K2 (K1, K2 können nur beide wahr oder falsch sein: 〈1,1; 0,0〉) Hans ist Junggeselle; Hans ist unverheiratet die Zahl z ist nicht teilbar; z ist eine Primzahl (sei z ≥ 3) b. Inklusion K1, K2 (Wenn K1 wahr ist, ist auch K2 wahr: 〈1,1; 0,1; 0,0〉) Hans malt Elefanten; Hans malt Tiere die Zahl z ist eine Primzahl; z ist ungerade c. Inklusion K2, K1 (Wenn K2 wahr ist, ist auch K1 wahr: 〈1,1; 1,0; 0,0〉) Hans malt Tiere; Hans malt Elefanten die Zahl z ist ungerade; z ist eine Primzahl
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d. Kontradiktorischer Gegensatz K1, K2 (K1, K2 können nicht beide wahr oder falsch sein: 〈1,0; 0,1〉) Hans ist größer als Fritz; Hans ist nicht größer als Fritz die Zahl z ist ungerade; z ist gerade e. Konträrer Gegensatz K1, K2 (K1, K2 können nicht beide wahr, aber beide können falsch sein: 〈1,0; 0,1; 0,0〉) Hans ist größer als Fritz; Fritz ist größer als Hans die Zahl z ist gerade; z ist 17 f. Subkonträrer Gegensatz K1, K2 (K1, K2 können nicht beide falsch, aber beide können wahr sein: 〈1,1; 1,0; 0,1〉) Hans ist nicht größer als Fritz; Fritz ist nicht größer als Hans die Zahl z ist teilbar; z ist ungerade g. Unabhängigkeit K1, K2 (K1, K2 können unabhängig wahr oder falsch sein: 〈1,1; 1,0; 0,1; 0,0〉) Hans ist größer als Fritz; Hans ist älter als Fritz die Zahl z ist gerade; z ist eine Quadratzahl Wenn man davon ausgeht, daß begriffliches Wissen strukturell durch hierarchische Subsumptionsbeziehungen determiniert ist, dann sind die in (48) aufgeführten Relationen alle unmittelbar in der Struktur unseres Kenntnissystems verankert. Daraus folgt, daß jedes Paar von Konjunkten K1, K2 einer KV zwangsläufig — auch wenn die Konjunkte satztypgleiche Nicht-Aussagesätze (z. B. Fragesätze) sind — unter eine der in (48) aufgeführten Relationen fällt. Diese ist dann die zwischen den Konjunkten vorgegebene Relation, in Bezug auf die durch die koordinierenden Konjunktionen eine weitere Relation induziert wird. Die semantische Interpretation einer KV und damit einer koordinierten Struktur insgesamt ist durch das Verhältnis dieser beiden Relationen bestimmt. Die Relationen (48d—e) beruhen auf der Unverträglichkeit (Inkompatibilität) — ihre in 〈...〉 dargestellten Belegungsspielräume enthalten kein Paar 1,1; die restlichen auf der Verträglichkeit (Kompatibilität) der Konjunktbedeutungen — ihre Belegungsspielräume enthalten ein Paar 1,1. Die Konjunkte sind nicht-distinkt bei (48a), distinkt sonst; sie sind voneinander unabhängig bei (48g), abhängig sonst. Für die semantischen Relationen in (48) gelten die folgenden Axiome:
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(49) a. inkompatibel (K1, K2) → abhängig (K1, K2) b. inkompatibel (K1, K2) → distinkt (K1, K2) Die koordinierenden Konjunktionen und, aber, oder etc. sind nun ihrerseits sensitiv für die (Un-)Verträglichkeit, (Un-)Abhängigkeit und Distinktheit der Konjunktbedeutungen. Es gibt, bezogen auf die in Termen von Verstehbarkeit und Informativität auszubuchstabierende Akzeptabilität einer koordinierten Struktur, klare Selektionsbeziehungen zwischen den durch die koordinierenden Konjunktionen induzierten und den durch die Konjunkte vorgegebenen semantischen Relationen. Sie sind formulierbar als sukzessive Einschränkungen. So gilt, den speziellen Fall mit denn in (50c) ausgenommen, zunächst für alle regulär (d. h. nicht phraseologisiert) interpretierbaren koordinierten Strukturen: (I) Keine semantische Inklusion zwischen den Konjunkten! (50) a. ?Hans malt gerne Elefanten und/oder/ aber/denn er malt gerne Tiere. b. ?Hans malt gerne Tiere und/oder/ aber/ er malt gerne Elefanten. c. Hans malt gerne Tiere, denn er malt gerne Elefanten. In Bezug auf den CI heißt das: Es darf nicht ein Konjunkt der mögliche CI für das andere sein. Die Bewertung in (50a—b) beruht auf der anhand von (42) schon diskutierten erzwungenen Umkategorisierung von Elefanten zu Nicht-Tieren. Mit der Bedingung (I) sind natürlich auch alle nicht-distinkten Konjunkte wie in (21b, 29, 30, 31b) ausgeschlossen. Bezogen auf die einzelnen Konjunktionen gilt sodann: (II) Die Konjunktionen und, aber, denn u. a. erfordern kompatible Konjunkte, die Konjunktionen entweder — oder, nicht — sondern u. a. inkompatible. Jede koordinierende Konjunktion ist sensitiv bezüglich der Verträglichkeit bzw. der Unverträglichkeit ihrer Konjunkte. (51) a. *Hans ist größer als Fritz und/aber/ denn Fritz ist größer als Hans. b. Entweder ist Hans größer als Fritz oder Fritz ist größer als Hans. c. Nicht Hans ist größer als Fritz, sondern Fritz ist größer als Hans. d. Hans ist größer als Fritz und/aber/ denn Hans ist älter als Fritz. e. Hans ist entweder/nicht größer als Fritz oder/sondern älter als Fritz.
VII. Semantik der Funktionswörter
f. *Hans malt entweder/nicht Tiere oder/sondern Elefanten. g. *Hans malt entweder/nicht Elefanten oder/sondern Tiere. Die Beispiele in (51e) zeigen, daß, um der Inkompatibilitätsforderung von entweder — oder, nicht — sondern zu genügen, semantisch kompatible, aber voneinander unabhängige Konjunkte kontextuell auf wechselseitigen Ausschluß festgelegt werden können. Wenn indes semantisch abhängige Konjunkte eine konjunktionale Selektionsforderung nicht erfüllen, resultieren daraus stets kontradiktorische Verknüpfungen (51a,f,g). H ier zeigt sich eine Asymmetrie: Einschränkung von semantisch verträglich auf kontextuell alternativ ist auch bei wörtlicher Interpretation immer möglich, die Lockerung von semantisch unverträglich zu kontextuell kompatibel hingegen nicht. Kontradiktorische Verknüpfungen sind unakzeptabel wegen Unverständlichkeit, d. h. solche Ausdrücke sind nach den Prinzipien des Auf- und Umbaus von Kenntnissen nicht regulär verarbeitbar (s. Lang 1974, 1984). Kontradiktorische Ausdrücke wie (51a) können nur über Ausweichstrategien (z. B. in einer Hinsicht ..., in anderer Hinsicht ..., s. Lang 1978) aufgelöst und interpretiert werden. Auf dem H intergrund der angeführten kognitiven und kommunikativer Kriterien der Kenntnisverarbeitung lassen sich nun sämtliche Selektionsbeziehungen zwischen den koordinierenden Konjunktionen und den semantischen Relationen zwischen Konjunkten in der folgenden Generalisierung zusammenfassen: (III) Koordinative Verknüpfungen müssen kontingent und informativ sein! Daß die durch (I) und (II) ausgeschlossenen Strukturen hierdurch miterfaßt sind, liegt auf der H and, weil sie nicht kontingent (51 a,f—g) oder nicht informativ (21 b, 50a—b) sind. Als Verfeinerung kommt nur noch hinzu, daß KV sowohl kontingent als auch informativ sein müssen. Zur Illustration: (52) a. ? Hans ist entweder größer als Fritz oder nicht größer als Fritz. b. ? Die Zahl z ist entweder gerade oder ungerade. c. Die Zahl z ist ungerade und/aber/oder teilbar. d. Hans ist weder größer noch älter als Fritz.
26. Koordinierende Konjunktionen
Die Beispiele (52a—b) sind tautologisch, d. h. sie sind zwar regulär interpretierbar im Sinne der Kenntnisverarbeitung, aber nicht informativ, sondern redundant, weil sie gewissermaßen nur vorgebene Kenntnisstrukturen verbalisieren. Genauer gesagt: die durch die Konjunktion entweder — oder induzierte Relation zwischen den Konjunkten wird exakt erfüllt durch die Relation, die zwischen den Konjunkten semantisch schon vorgeben ist. Redundante KV erhalten daher, um wenigstens im gegebenen Kontext informativ zu sein, eine pragmatische Zusatzinterpretation, etwa als erinnernder H inweis auf die sortale Domäne eines gegebenen Individuums („Tertium non datur“), oder als kaschierte Informationsverweigerung (z. B. wenn der MatheLehrer über die Lösung einer Aufgabe nur (52b) mitteilt). Redundante Verknüpfungen sind wegen höheren Interpretationsaufwandes als minder akzeptabel zu werten. Demgegenüber sind die Beispiele (52c—d) kontingent und auch in wörtlicher Interpretation informativ, sie bedürfen keiner pragmatischen Zusatzinterpretation und sind daher voll akzeptabel im Sinne des hier zugrunde gelegten (in Lang 1984 detailliert begründeten) Bewertungsrasters. Die in (III) zusammengefaßte Bedingung ist in Termen einer „Semantik zweiter Stufe“ zu rekonstruieren. Den dabei auf die Relationen zwischen den Konjunkten entfallenden Anteil haben wir in (48) und (49) in wahrheitsfunktionaler Formulierung bzw. als definierende Belegungsspielräume für Wahrheitswertpaare dargestellt. Nun fehlt noch die entsprechende Ausformulierung für die Konjunktionen. 2.3 Logisches Gerüst für die Interpretation von KV Zunächst können wir einen wichtigen Bedeutungsaspekt der koordinierenden Konjunktionen im gegebenen Zusammenhang beschreiben, indem wir sie auf das reduzieren, was in den logischen Funktoren enthalten ist, d. h. wir charakterisieren sie in (53) durch ihre definierenden Belegungsspielräume wie die semantischen Relationen in (48). Das ist natürlich nur eine Approximation, bei der und und aber zusammenfallen, für denn kein rechtes Pendant zu finden ist und die für entweder — oder und nicht — sondern angegebene Charakteristik durch weitere Bedingungen zu ergänzen ist. Die prinzipiellen Unterschiede von logischen Funktoren und sprachlichen Konjunktionen diskutiert Abschnitt 3.1. Aber immerhin gibt (53) eine Art Gerüst für die lin-
609
guistische Bedeutungsbeschreibung ordinierenden Konjunktionen.
der
ko-
(53)a. und, aber: 〈1,1〉 b. oder: 〈1,1; 1,0; 0,1〉 c. entweder — oder〈1,0; 0,1〉 : d. weder — noch: 〈0,0〉 e. nicht — 〈0,1〉 sondern: f. und nicht: 〈1,0〉 (mit spezieller Emphase auf nicht) Unter Bezug auf die in (51) illustrierten Selektionsbedingungen deuten wir die in 〈...〉 angegebenen Wahrheitswertpaare nun als den von der betreffenden Konjunktion bezüglich der Konjunkte geforderten Belegungsspielraum (Bel-Sp), kurz: als den Selektionsrahmen der Konjunktion. So rekonstruieren wir die in 2.1 genannte Selektionsbedingung, daß und, aber verträgliche Konjunkte (mit 〈... 1,1 ...〉 gemäß (48)) und entweder — oder unverträgliche Konjunkte (mit 〈... 1,0 ...〉, aber ohne 〈... 1,1 ...〉 gemäß (48)) etc. verlangen. Auf dieser Basis können nun Konjunktionsbedeutungen und Konjunktbedeutungen nach gefordertem vs. vorgegebenem Belegungsspielraum in Beziehung gesetzt und bezüglich der Akzeptabilität der resultierenden KV berechnet werden. Zu unterscheiden sind drei relevante Fälle: I. Komplette Übereinstimmung Wenn der vorgegebene und der geforderte Belegungsspielraum komplett übereinstimmen, ist die resultierende KV tautologisch und somit redundant. Die durch die Konjunktion induzierte Relation wird durch die zwischen den Konjunkten ohnehin bestehende schon erfüllt, somit wird durch die KV keine Kenntnisumstrukturierung bewirkt. Beispiel: (54)?Die Zahl z ist entweder teilbar oder eine Primzahl. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,0; 0,1〉 geforderter Bel-Sp: 〈1,0; 0,1〉 II. Komplette Divergenz Wenn der vorgegebene und der geforderte Belegungsspielraum in keinem Wahrheitswertpaar übereinstimmen, ist die resultierende KV kontradiktorisch und somit unverständlich. Die durch die Konjunktion induzierte Relation und die zwischen den Konjunkten vorgegebene bewirken, daß eine Integration der KV ins Kenntnissystem blokkiert wird. Beispiele:
VII. Semantik der Funktionswörter
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(55) a. *Die Zahl z ist teilbar und eine Primzahl. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,0; 0,1〉 geforderter Bel-Sp: 〈1,1〉 b. *Die Zahl z ist weder gerade noch ungerade. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,0; 0,1〉 geforderter Bel-Sp: 〈0,0〉 III. Partielle Übereinstimmung Wenn der geforderte und der vorgegebene Belegungsspielraum in wenigstens einem Wahrheitswertpaar übereinstimmen, ist die resultierende KV kontingent, aber noch nicht voll akzeptabel — s. (56). Nur wenn außerdem unter Beachtung des Inklusionsverbots für Konjunkte der geforderte Belegungsspielraum im vorgegebenen echt enthalten ist, sind die resultierenden KV maximal informativ und somit voll akzeptabel — s. (57). (56) a. ?? Die Zahl z ist unteilbar oder eine Primzahl. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,1; 0,0〉 geforderter Bel-Sp: 〈1,1; 1,0; 0,1〉 b. ? Die Zahl z ist eine Primzahl oder ungerade. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,1; 0,1; 0,0〉 geforderter Bel-Sp: 〈1,1; 1,0; 0,1〉 (57) a. Die Zahl z ist weder gerade noch eine Primzahl. vorgegebener Bel-Sp: 〈1,0; 0,1; 0,0〉 geforderter Bel-Sp: 〈0,0〉 b. Die Zahl z ist ungerade und eine Quadratzahl. vorgeg. Bel-Sp: 〈1,1; 1,0; 0,1; 0,0〉 geforderter Bel-Sp: 〈1,1〉 Wir erhalten auf diese Weise ein logisches Gerüst, das in einem wesentlichen Aspekt die Bedeutung von koordinierenden Konjunktionen und die Bedeutungsbeziehungen zwischen Konjunkten in Konnex bringt und eine motivierte Akzeptabilitätsbewertung der KV gestattet. Die angeführten Fälle I—III dienen zunächst der Rekonstruktion von kontradiktorischen, tautologischen und kontingenten KV, diese werden dann nach Kriterien der Kenntnisverarbeitung und der erfolgreichen Kommunikation interpretiert (i) als unverstehbar, wenn ihre Integration ins Kenntnissystem blockiert ist; (ii) als redundant, wenn sie keine Umstrukturierung des Kenntnissystems bewirken; (iii) als informativ, wenn die Konjunktion zwischen den Konjunkten eine Beziehung etabliert, die nicht als solche im Kenntnissystem schon fixiert ist (Details in
Lang 1984). Aus der so entwickelten Charakterisierung von koordinativen Verknüpfungen insgesamt werden im nächsten Abschnitt einige Konsequenzen für die linguistische Analyse des auf die koordinierenden Konjunktionen entfallenden Bedeutungsbeitrags abgeleitet.
3.
Semantik der koordinierenden Konjunktionen
3.1 Logische Funktoren vs. sprachliche Konjunktionen Die in (53) vorgenommene Reduktion einiger koordinierender Konjunktionen auf die entsprechenden standardlogischen Funktoren hatte den heuristischen Zweck, die Kompositionsbedingungen, nach denen einem natürlich-sprachlichen Ausdruck mit KV eine semantische Interpretation zugewiesen wird, transparent zu machen und die resultierenden Interpretationen nach kognitiven und kommunikativen Kriterien der Kenntnisverarbeitung zu bewerten. Das Vorgehen beeinhaltet jedoch keine pauschale Identifizierung, was auch unzulässig wäre, denn logische Funktoren und sprachliche Konjunktionen gehören verschiedenen semiotischen Systemen an. Erstere sind eine Abstraktion über letzteren. Wir zählen in I—III unten die grundsätzlichen Unterschiede als Gegenüberstellung von (a) logischen Ausdrucksverknüpfungen und (b) natürlich-sprachlichen koordinierten Strukturen auf und fügen dann einige Erläuterungen bezüglich der linguistischen Analyse der Konjunktionen an. a. Die Konjunkte standardlogischer Ausdrucksverknüpfungen sind Propositionen, die ausschließlich als voneinander unabhängige Träger von Wahrheitswerten eine Rolle spielen. Ein standardlogischer Funktor operiert über propositionalen Konjunkten ohne Rekurs auf deren interne Struktur. b. Die Konjunkte koordinierter Strukturen sind weder auf den semantischen Typ PROPOSITION beschränkt noch bloße Träger von Wahrheitswerten. Vielmehr sind sie primär Träger sprachlich kommunizierbarer begrifflich repräsentierter Sachverhalte, Individuen oder Prädikate und erst vermittelt dadurch und bezogen auf ihre (Un-)Verträglichkeit gemäß (48) sind Konjunkte bzw. koordinierte Strukturen insgesamt auch Träger von möglichen Wahr-
26. Koordinierende Konjunktionen
heitswerten. Eine sprachliche Konjunktion operiert über Konjunkten mit Rekurs auf deren interne syntaktische und semantische Struktur (s. die in (13)—(46) illustrierten Bedingungen). a. Außerhalb der Operationsdomäne eines logischen Funktors stehen zwei Propositionen p, q in keinerlei Beziehung hinsichtlich ihrer Belegung mit Wahrheitswerten. b. Außerhalb einer koordinierten Struktur stehen zwei natürlich-sprachliche (satztypgleiche) Ausdrücke S1, S2 in jedem Falle in einer der in (48) aufgeführten semantischen Relationen. III. Bedeutung der Verknüpfer a. Logische Funktoren haben keine eigenständige Bedeutung, sondern sind definiert als Funktion der Wahrheitswerte ihrer Konjunkte. b. Sprachliche Konjunktionen haben eine eigenständige Bedeutung, die definiert ist durch eine bestimmte Menge von Operationen über den Konjunkten, die ihrerseits eine eigenständige Bedeutung haben (mehr dazu in 3.2). Aus I—III erhellt, daß und in welcher Weise die standardlogischen Funktoren bezüglich der natürlich-sprachlichen Konjunktionen eine Abstraktion darstellen. Das in 2.2 und 2.3 herausgearbeitete logische Gerüst ist — vor allem was geforderte bzw. vorgegebene (Un-)Verträglichkeit von Konjunkten betrifft — für die semantische Analyse der Konjunktionen ein notwendiger Bestandteil, aber keine hinreichende Beschreibung. An Ib— IIIb wird deutlich, in welchen H insichten das Instrumentarium für die Semantik der Konjunktionen differenzierter sein muß. So zeigen die Beispiele in (58), daß es KV gibt, die keinesfalls als Verknüpfung von Propositionen analysiert werden können, so daß die entsprechende Konjunktion auch nicht als Aussagenverknüpfer, sondern z. B. als Operator zur Bildung komplexer Prädikate (58a), zur Bildung komplexer pluraler Individuen per Mengenkonstitution durch Aufzählung (58b—c) bzw. durch Vereinigung (58d) zu analysieren ist. Kennzeichnend für den letzten Fall ist die Austauschbarkeit von und und oder (s. Legrand 1975, Oetke 1981 und 3.3.3 unten) und für alle in (58) angeführten Beispiele, daß und hier nicht durch andere sog. kopulative Konjunktionen wie sowohl — als auch, nicht nur — sondern auch ersetzbar ist.
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(58) a. Wir suchen einen Anwalt und Bankfachmann. b. Charles und Diana sind ein telegenes Paar. c. Prag liegt zwischen Wien und Berlin. d. Nur Schüler und/oder Studenten erhalten Ermäßigung. Einzelne Analysevorschläge für solche (in der Literatur als „phrasal conjunction“ oder „non-boolean and“ diskutierte) Vorkommen von und finden sich in Gazdar 1980a, Partee & Rooth 1983. Eine Gesamtanalyse, die alle Verwendungen von und motiviert zusammenbringt, steht noch aus. Aus der Tatsache, daß die Konjunktionen sensitiv für die interne syntaktische und semantische Struktur ihrer Konjunkte sind, erklärt sich im Zusammenhang mit den in I—III genannten Differenzen auch, warum standardlogische Gesetze nur auswahlweise natürlich-sprachliche Gegenstücke haben. So hat in der Grammatik des Deutschen, Englischen, Russischen etc. nur die 1. De Morgansche Regel in (59), nicht aber die 2. in (60) ein Pendant in dem Sinne, daß sie eine entsprechende Menge von äquivalenten Konstruktionen definiert: (59) ﹁ p ⋀ ﹁ q ≡ ﹁ (p ∨ q) a. Die Zahl z ist nicht gerade und (die Zahl z ist) nicht teilbar. = b. Die Zahl z ist nicht gerade oder teilbar. = c. Die Zahl z ist weder gerade noch teilbar. (60) ﹁ p ∨ ﹁ q ≡ ﹁ (p ⋀ q) a. Die Zahl z ist nicht gerade oder (die Zahl z ist) nicht teilbar. ≠ b. Die Zahl z ist nicht gerade und teilbar. ≠ c. Die Zahl z ist nicht gerade oder teilbar. ≠ d. Die Zahl z ist weder gerade noch teilbar. ≠ e. Die Zahl z ist *noder gerade *noder teilbar. Während (59b—c) Äquivalente sind zu (59a), sind (60b—d) weder mit (60a) noch untereinander gleichbedeutend. Diese Asymmetrie weist daraufhin (i) daß und und oder eigenständige lexikalische Bedeutungen haben, (ii) daß diese Bedeutungen mit dem Skopus der Negation unterschiedlich interagieren, (iii) daß daraus auch die Existenz von weder — noch und die Nicht-Existenz einer analogen Konjunktion *noder zu erklären sein sollten.
VII. Semantik der Funktionswörter
612
In dieselbe Richtung weist eine weitere signifikante Differenz. Die Negation einer standardlogischen Aussagenverknüpfung ist einfach die Umkehrung ihrer definierenden Wahrheitswerte, die wiederum einen Funktor definiert (61a—b). Die Negation einer koordinativen Verknüpfung in der natürlichen Sprache läßt Entsprechendes nur als markierten Fall (62b, 63b) neben differenzierteren Ausführungsvarianten zu (62c—f, 63c—d). Vor allem aber unterliegt die Lexikalisierung von negierten Verknüpfern klaren Einschränkungen. (61) a. p ⋀ q: ﹁ (p ⋀ q):
〈1,1〉; 〈1,0; 0,1; 0,0〉, äquivalent zu p ≡ q b. p >—< q: 〈1,0; 0,1〉; ﹁ (p >—< q): 〈1,1; 0,0〉, äquivalent zu p ≡ q
(62) a. (Die Zahl z ist gerade und eine Quadratzahl.) 〈1,1〉 b. Nein, die Zahl z ist nicht gerade oder nicht eine Quadratzahl oder beides nicht. 〈1,0; 0,1; 0,0〉 c. Nein, die Zahl z ist weder gerade noch eine Quadratzahl. 〈0,0〉 d. Nein, die Zahl z ist entweder gerade oder eine Quadratzahl. 〈1,0; 0,1〉 e. Nein, die Zahl z ist gerade, aber keine Quadratzahl. 〈1,0〉 f. Nein, die Zahl z ist nicht gerade, aber eine Quadratzahl. 〈0,1〉 (63) a. (Die Zahl z ist entweder gerade oder eine Quadratzahl.) 〈1,0; 0,1〉 b. Nein, die Zahl z ist gerade gdw. sie eine Quadratzahl ist. 〈1,1; 0,0〉 c. Nein, die Zahl z ist gerade und eine Quadratzahl. 〈1,1〉 d. Nein, die Zahl z ist weder gerade noch eine Quadratzahl. 〈0,0〉 Der Spielraum der Möglichkeiten, einen Ausdruck zu negieren, macht dessen interne semantische Struktur sichtbar. So zeigen (62c—f) und (63c—d) nicht nur, daß die ko-
ordinierenden Konjunktionen eine eigenständige Bedeutung haben, sondern auch, daß diese nach verschiedenen Kontrasten dekomponierbar, also zusammengesetzt ist. (Wir kommen in 3.3 darauf zurück.) Lexikalisierungsbeschränkungen für Konjunktionen werden anhand von (62b) und (63b) sichtbar: die der Wahrheitswertumkehr entsprechende Negation von (62a) muß mit nicht ... oder nicht ... ausbuchstabiert werden, weil es eine dem Sheffer-Strich (p q) entsprechende Konjunktion *noder nicht gibt; die von (63a) mit dem fachsprachlichen subordinierenden Ausdruck genau dann wenn (gdw.; iff), weil es eine der Äquivalenz (p ≡ q) entsprechende koordinierende Konjunktion nicht gibt. Zu erklären ist nun: Warum? Die Frage, welche logischen Funktoren ein mehr oder minder direktes Pendant als sprachliche Konjunktion besitzen, ist in der Literatur verschiedentlich behandelt worden. Döhmann (1966) bringt viele etymologische Belege, aber keine Theorie. Gazdar & Pullum (1976) versuchen aus den 16 standardlogischen Funktoren nach drei pragmatischen Prinzipien primäre Lexikalisierungskandidaten auszusondern, aber ihre Resultate sind empirisch ungedeckt (weil sie z. B. die NichtExistenz von *noder, aber nicht die Existenz von weder — noch, neither — nor, ni ... ni ableiten können). Auf dem H intergrund des in 2.2 und 2.3 mithilfe von (48) und (53) entwickelten logischen Gerüsts und seiner Auslegung nach kognitiven und kommunikativen Prinzipien der Kenntnisverarbeitung ergibt sich (Details in Lang 1984) für die Lexikalisierung von logischen Funktoren als koordinierende Konjunktionen die folgende These: (64) In natürlichen Sprachen sind die primär lexikalisierten koordinierenden Konjunktionen diejenigen, deren Selektionsrahmen nach (53) nicht mit einem durch semantische Relationen zwischen Konjunkten nach (48) vorgegebenen Belegungsspielraum koinzidiert. Einfacher gesagt: Koordinierende Konjunktionen induzieren Relationen, die nicht bereits in der Struktur des Kenntnissystems und somit als Beziehung zwischen Konjunkten vorgegeben sind. Dies entspricht genau der in 2.2 formulierten Bedingung, daß koordinative Verknüpfungen kontingent und informativ sein müssen, und ist im Einklang mit dem auch in 2.2 konstatierten Befund, daß jede koordinierende Kon-
26. Koordinierende Konjunktionen
junktion sensitiv ist bezüglich der (Un-)Verträglichkeit ihrer Konjunkte. Damit sind die zwei entscheidenden Faktoren für mögliche koordinierende Konjunktionen im Verhältnis zu logischen Funktoren genannt: (65) (i) der als Selektionsrahmen dienende Bezug auf die Verträglichkeit bzw. die Unverträglichkeit der Konjunkte, (ii) innerhalb dessen die Etablierung einer Beziehung zwischen den Konjunkten, die nicht im Sinne von (48) bereits vorgegeben ist. Aus (65i) folgt, daß ein Funktor, dessen definierende Wahrheitswertmenge wertgleiche Paare (〈1,1〉 oder 〈0,0〉) und wertverschiedene Paare (〈1,0〉 oder 〈0,1〉) zugleich aufweist, kein guter Kandidat für direkte Lexikalisierung ist, wegen Indifferenz bezüglich der (Un-)Verträglichkeit der Konjunkte; aus (65ii) folgt, daß die in (48) als semantische Relationen gedeuteten Funktoren ebenfalls keine guten Kandidaten für direkte Lexikalisierung sind. Unter diesen Prämissen wird die Menge der primären Lexikalisierungskandidaten aus den 16 logischen Funktoren wie folgt eingeschränkt: Wegen (65i) scheiden die vier Minimalfunktoren (〈1,1; 1,0〉, 〈1,1; 0,1〉, 〈0,1; 0,0〉, 〈1,0; 0,0〉) aus, bei denen es nur auf jeweils einen Wahrheitswert ankommt, nicht auf ein Paar, so daß sie nicht sensitiv sind für die (Un-)Verträglichkeit der Konjunkte. Sie können nur mit auf jeden Fall K1, unbeschadet ob oder nicht K2 etc. umschrieben werden. Wegen (65i-ii) sind sodann die in (48) angegebenen Funktoren keine Kandidaten für direkte Lexikalisierung, darunter eben Äquivalenz (gdw.) und Exklusion (*noder), aber auch Kontravalenz und Disjunktion, weil sie zwar den Selektionsrahmen für (entweder-) oder, aber nicht dessen Bedeutung ergeben. (Wir kommen in 3.3 3 unten darauf zurück.) Übrigbleiben die vier durch 〈1,1〉, 〈0,0〉, 〈0,1〉 und 〈1,0〉 definierten Funktoren, die (65i und ii) erfüllen und somit aussichtsreiche Kandidaten für primäre Lexikalisierung sind, wie (53) zeigt. Dies sind die durch (64) und (65) vorgezeichneten Präferenzen für potentielle koordinierende Konjunktionen. Tatsächlich definieren die letztgenannten Funktoren das Grundinventar, das der Konjunktionsvorrat einer natürlichen Sprache in verschiedenen Dimensionen lexikalisch ausspezifiziert. Damit sind wir bei der Bedeutung der Konjunktionen im eigentlichen Sinn, d. h. bei den le-
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xikalisch verankerten Eigenschaften der Konjunktionen, von denen die logischen Funktoren abstrahieren. Wir betrachten nun, was die eigenständigen Bedeutungen der koordinierenden Konjunktionen ausmacht und wie sie zu systematisieren sind. 3.2 Operative Bedeutung der Konjunktionen Die lexikalische Bedeutung eines Wortes ist eine sprachlich kodierte, als semantische Repräsentation zu beschreibende Vorschrift zur Identifizierung eines Konzepts und vermittelt darüber eventuell zur Bezeichnung (Denotierung) von Individuen und Sachverhalten der sog. außersprachlichen Wirklichkeit. Im Rahmen der hier vertretenen Auffassung wird dem synsemantischen Charakter der Konjunktionen als Funktionswörter so Rechnung getragen, daß den koordinierenden Konjunktionen eine vollwertige lexikalische Bedeutung zugesprochen wird (mit allen Konsequenzen für den sprachinternen Systembezug wie Feldbildung, Dekomponierbarkeit etc.). Allerdings ist diese Bedeutung, anders als bei den sog. Autosemantica, nicht denotativ, d. h. nicht begriffsidentifizierend (Konjunktionen identifizieren nicht Konzepte mit möglichen Denotaten in der „Welt“), vielmehr ist sie operativ, d. h. begriffsverarbeitend, in folgendem Sinn: (66) Konjunktionen beziehen sich auf Operationen der Kenntnisverarbeitung. Die lexikalische Bedeutung einer Konjunktion ist keine Vorschrift zur Identifizierung eines (gedächtnisfixierten oder aktual generierten) Konzepts, sondern eine Instruktion zur mentalen Verarbeitung solcher Konzepte. Die genannte Unterscheidung von operativer vs. denotativer Bedeutung wird durch entsprechende Evidenzen außerhalb der Semantik bestätigt. (a) Strukturell. Die typischen Eigenschaften der Konjunktionen als lexikalische Kategorie wie geringes Inventar, kaum produktiv, morphologisch unveränderlich, syntaktisch variabel kombinierbar, skopusbildend, fokusdeterminierend etc. entsprechen genau ihrem Status als Träger operativer Bedeutung. (Das gilt natürlich auch für die ebenfalls operativ zu beschreibenden Negationslexeme — s. Artikel 25.) (b) Genetisch. Während begriffsidentifizierende Bedeutung in hohem Maße perzeptiv verankert ist und über verhaltensrelevante
VII. Semantik der Funktionswörter
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konzeptuelle Kategorisierungsschritte empirisch erworben wird, ist begriffsverarbeitende Bedeutung durch die Struktur des kognitiven Systems determiniert und wird durch konzeptuelle Differenzierung stufenweise „getriggert“. (c) Typologisch. Es entspricht der operativen Bedeutung der koordinierenden Konjunktionen, daß sie in den Einzelsprachen ein weithin universales Funktionsspektrum aufweisen, daß sie wenig veränderlich sind in diachronischer H insicht, ziemlich konstant bezüglich synchronischer Variation etc. Angesichts der hochgradigen Kontextdeterminiertheit der Interpretation koordinativer Verknüpfungen ist davon auszugehen, daß die operative Bedeutung der koordinierenden Konjunktionen sehr allgemein ist, d. h. sich aus elementaren kognitiven Operationen zusammensetzt. So sind die Bedeutungen der koordinierenden Konjunktionen als lexikalisch kodierte Programme zu deuten, deren einzelne Bestandteile auch sprachunabhängig in der Kenntnisverarbeitung vorhanden und aktiv sind. Zu diesen intermodal wirksamen Operationen gehören offenbar: (67) a. Vergleichsoperationen („scanning“, „balancing“ etc.) b. Reihung und Bündelung (Gruppieren, Zählen) c. Auswählen unter bzw. Entscheiden über Alternativen Um von solchen zwar plausiblen, aber noch sehr intuitiven Überlegungen zu semantischen Repräsentationen für und, oder, aber etc. zu kommen, bedarf es der Systematisierung und der Rechtfertigung von entsprechenden Bedeutungskomponenten. Ebenenspezifische Vergleichsoperationen sind (wie in den Abschnitten 1.2—2.1 gezeigt) konstitutiv für die der Koordination zugrunde liegende „Grammatik zweiter Stufe“ insgesamt, sie sind daher nicht als spezieller Bestandteil der lexikalischen Bedeutung der koordinierenden Konjunktionen vorzusehen. Damit beschränkt sich das Inventar semantischer Bestandteile für die koordinierenden Konjunktionen (und andere Konnektive — s. Abb. 26.3) auf konzeptuell fundierte und lexikalisch motivierte Komponenten für die in (67b—c) genannten Operationen und deren kombinatorisch und/oder kontextuell konditionierte Ausführung. Der repräsentationelle Status solcher Komponenten ist natürlich nur modellabhängig festzulegen und bislang wenig ausgearbeitet.
Formalsemantisch orientierte Arbeiten wie Gazdar (1980a), Partee & Rooth (1983) haben sich mit der wortintern verankerten Feldstruktur der Konjunktionen nicht befaßt, auf Systematik der Konjunktionen abzielende Untersuchungen wie Martin (1983) benutzen klassifikatorische Merkmale. Im Rahmen des in Bierwisch & Lang (1989) vorgestellten Zwei-Stufen-Modells sind die genannten Komponenten repräsentierbar als kategorisierte Funktorkonstanten der Semantischen Form der koordinierenden Konjunktionen, gekoppelt mit entsprechenden Regeln für ihre kontextuell spezifizierte Interpretation auf der Ebene der Konzeptuellen Struktur. Wir begnügen uns hier mit einer notwendig skizzenhaften Ausformulierung der Repräsentation und legen der Schwerpunkt auf die zu explizierenden Feld- oder Gruppeneigenschaften der Konjunktionen. 3.3 Systematik der koordinierenden Konnektive Die einzelnen koordinierende Konjunktionen (und auch die einschlägigen anderen Konnektive) unterscheiden sich semantisch danach, welche spezifische Beziehung oder Verknüpfung sie zwischen den nach (Un-)Verträglichkeit selektierten Konjunkten etablieren. Sie haben, wie aus (59—63) hervorgeht, strukturierte lexikalische Bedeutungen und lassen sich entsprechend gruppieren — hier ist u. a. zu rekonstruieren, was traditionell mit „kopulativ“, „adversativ“, „alternativ“ etc. (s. Buscha 1989) bezeichnet wird. Grundlegend für die Art der zu explizierenden koordinativen Verknüpfung ist die Einteilung in Konjunktionen, die verträgliche, und solche, die unverträgliche Konjunkte selektieren. Im Konnex damit legt (65) die Annahme nahe, daß die Bedeutung einer koordinierenden Konjunktion umso komplexer ist, je spezieller die Etablierungsbedingungen der betreffenden Verknüpfung sind. Wir betrachten im folgenden einige Konjunktionen mit dem Ziel, ihren Platz in der Systematik und damit diese selbst näher zu bestimmen. 3.3.1 und Jede Konjunktionsanalyse muß der folgenden Tatsache Rechnung tragen: (68) Und ist die koordinierende Konjunktion „par excellence“. Es hat von allen koordinierenden Konjunktionen die wenigsten syntaktischen und semantischen Beschränkungen, den weitesten Verwen-
26. Koordinierende Konjunktionen
dungsspielraum, die am wenigsten spezifische Bedeutung und die höchste Kontextabhängigkeit bezüglich seiner Interpretation. Zur Illustration sei daran erinnert, daß und beliebig viele, im Format beliebig komplexe und syntaktisch verschiebbare Konjunkte hat; daß und die größte Auswahl an semantischen Typen als Konjunkte hat (inklusive solcher, die Uminterpretationen auslösen); daß und für die meisten anderen koordinierenden Konjunktionen, die verträgliche Konjunkte selektieren (weder — noch, aber, sowohl — als auch etc.) austauschbar ist, aber nicht umgekehrt; daß und am ehesten weglaßbar und somit am leichtesten kontextuell rekonstruierbar ist. (Dennoch bleibt zwischen und-Verknüpfung und asyndetischer Reihung ein prinzipieller Unterschied, der sich z. B. in Skopusverhältnissen zeigt: Die Sonne scheint. Die Vögel singen nicht.vs. Die Sonne scheint und die Vögel singen nicht.) Die lexikalische Bedeutung von und muß also sehr elementar sein. Aber wegen der gerade angeführten Aspekte ist sie anderes und mehr als die durch 〈1,1〉 definierte Wahrheitswertfunktion. Die operative Bedeutung von und besteht nicht darin, daß sie Wahrheitswerte auf die Konjunkte verteilt oder von den Konjunkten aufsammelt, sondern daß sie die durch die Konjunkte denotierten Sachverhalte, Individuen oder Prädikate als kompatible Instanzen eines CI zusammenfaßt oder bündelt. (Angesichts der Abstraktheit der in (67b) genannten Operation ist es kein Zufall, daß kein passendes hinreichend generelles Verb oder Adjektiv zur Verfügung steht. Zur Erläuterung sei aber darauf verwiesen, daß „Bündelung“ z. B. auch das umfaßt, was der additiven Zahlwortbildung zugrunde liegt, die sich ja in vielen Sprachen als phraseologisierte KV mit und manifestiert: dreiundzwanzig; zweitausendundeins; vingt-etun). Wir nehmen nun zu Illustrationszwecken an, daß es für die Ausführung dieser elementaren kognitiven Operation in der lexikalischen Bedeutung von und ein Minimalprogramm mit dem Namen SIMUL gibt. (Natürlich mit dem Vorbehalt, daß formaler Status und substantielle Interpretation im jeweiligen theoretischen Gesamtrahmen auszubuchstabieren sind). Für die Systematik heißt das, daß die für und zuständige Bedeutungskomponente SIMUL in der Bedeutung aller anderen Konjunktionen, die verträgliche Konjunkte selek-
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tieren, enthalten ist. Somit bildet die Bedeutung von und die Basis für die Bedeutung der komplexeren Konjunktionen, die spezifiziert sind nach Dimensionen wie Negationsinkorporation (weder — noch, neither — nor, nor), Kontrastinvolvierung (aber, allein, nur; hingegen, indes etc.). Dem entspricht der einzelsprachlich verschieden starke, aber insgesamt gültige Befund, daß die genannten komplexeren Konjunktionen (bzw. Konjunktionaladverbien) mehr syntaktischen und semantischen Beschränkungen unterliegen als und (bzw. dessen jeweiliges Pendant). Zugleich aber ist damit festgehalten, daß alle auf der Basis verträglicher Konjunkte operierenden Konjunktionen gemeinsam haben, daß sie Konjunkte verknüpfen, indem sie die durch sie repräsentierten Entitäten im angegebenen Sinne „zusammenfassen“. 3.3.2 aber Unter den adversativen Konnektiven ist aber zweifellos die am wenigsten spezifische, in der Verwendung allgemeinste und in der Literatur seit Lakoff (1971) und Anscombre & Ducrot (1977) umstrittenste lexikalische Einheit. Im Unterschied zu den zahlreichen Arbeiten, die gestützt auf zunehmend differenzierte Fallunterscheidungen die vielfache Polysemie von aber ins Zentrum stellen, ergibt sich im Rahmen der hier vertretenen Vorstellungen die folgende Annahme (69), die anschließend erläutert und ausschnittweise belegt wird. (69) a. aber hat nur eine lexikalische Bedeutung, deren Interpretation im Rahmen einer KV durch den strukturellen Kontext der Konjunkte und/oder den situativen Kontext ihrer Äußerung determiniert und auf der konzeptuellen Ebene spezifiziert wird. b. Die Bedeutung von aber umfaßt die Instruktion, daß die Konjunkte unter Einbeziehung eines Kontrasts zusammengefaßt werden. Die Abkürzung dafür sei: [SIMUL X, Y: [CONTRAST X, Y]], wobei ‘:’ (zu lesen „so daß“) die Verbindung der Komponenten ausweist. Der unstrittige Aspekt bei aber-Konstruktionen ist, daß ihre Konjunkte (wie bei und) nicht unverträglich sein dürfen etc. (70a), hinzukommt jedoch, daß eine aber-Konstruktion, um kontingent und informativ zu sein, nicht nur eine semantische Minimaldifferenz aufweisen darf (70c).
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(70) a. *Hans ist groß und/aber (Hans ist) klein. b. Hans ist groß und/aber Fritz ist klein. c. Hans ist groß und/* aber Fritz ist groß. d. Hans ist groß und/aber Fritz ist auch groß. Die morphosyntaktische Entsprechung zu den in (69b) angegebenen Bedeutungskomponenten ist die Bedingung, daß bei aberKonstruktionen die Konjunkte K1, K2 so in Bestandteile A—B, A′— C zu parsen sind, daß auf der Basis von A, A′ (das ist der „undAnteil“) die Differenz von B zu C als Kontrast zwischen K1 und K2 realisiert werden kann. Der Grund, weshalb (70c) mit aber schlicht ungrammatisch ist, liegt darin, daß hier K2 = A′—B, also ein struktureller Träger für C fehlt. Die Differenz von C und D muß nicht in der semantischen Struktur der Konjunkte selbst verankert sein, sie kann auch kontextuell induziert sein, aber sie muß einen strukturell identifizierbaren (d. h. fokusfähigen) Träger haben — wie die Partikel in (70d). Der heikle Punkt an der Semantik von aber ist die Natur und die Auswertung dessen, was wir vorläufig mit Kontrast umschrieben haben. Der in aber-Konstruktionen involvierte Kontrast ist stets Ausdruck von Bewertungen, denen die in den Konjunkten denotierten Sachverhalte unterzogen werden. Da die in aber-Konstruktionen involvierten Kontraste ontologisch in die Domäne der Einstellungen einzuordnen sind, wird in den meisten Analysen der mit CONTRAST X, Y umschriebene Bedeutungsanteil nicht der Semantik, sondern dem Zuständigkeitsbereich der Pragmatik zugerechnet. (Im linguistischen Volksmund : „aber = und + Weltanschauung“.) Jenseits dieser (hier nicht auszudiskutierenden) Frage bleibt als Aufgabe, den zweifelsfrei vorhandenen Beitrag dieser in aber lexikalisch kodierten Komponente für die Interpretation einer KV gemäß (69) auszubuchstabieren. Klar ist, daß der in aber-Konstruktionen involvierte Kontrast letztlich in der konzeptuellen Interpretation des Gesamtausdrucks Int(S+) realisiert wird, d. h. auf der Ebene, wo strukturelle und kontextuelle Information verrechnet wird, daß aber die Realisierungsbedingungen wesentlich von der grammatischen Struktur der Konjunkte determiniert sind. Wir behandeln der Einfachheit halber die Konjunkte K1, K2 als Sätze. Als Leitlinie
VII. Semantik der Funktionswörter
gilt : (71) Die Interpretation einer aber-Konstruktion bemißt sich an Art und Ausmaß der Parallelität der Konjunkte S1, S2 und somit deren Zerlegbarkeit nach dem Schema A—B, A′—C. Die Belegung dieser Variablen erfolgt strikt nach dem in Abb. 26.2 gezeigten Schema der Ableitung eines CI. Dabei sind A, A′ die gemeinsame Fundierung des CI exemplifiziert nach S1 bzw. S2; B und C hingegen umfassen die darüberhinaus bestehenden Differenzen. Natürlich sind A und B aus K1, A′ und C aus K2 ableitbar, aber je nach Parallelität der Konjunkte verläuft die Ableitung auf semantisch vorgegebenen oder kontextuell induzierten Prämissen (vgl. die Typen I—III unten). Wir nehmen also an, daß CONTRAST X, Y eine Instruktion ist, die Konjunkte der gegebenen aber-Konstruktion syntaktisch und semantisch nach dem Schema A—B, A′—C zu parsen, um in der konzeptuellen Interpretation des Gesamtausdruck einen Kontrast zu etablieren, für den gilt: (72) Int(S+) = [Int(S1,A) & Int(S2,A′) : [B ⇒ q, C ⇒ q]] Dabei ist ‘Int’ die Funktion, die semantische auf konzeptuelle Repräsentationen abbildet (s. Bierwisch & Lang 1989), ‘... & ...’ ist Vertreter für die Interpretamente der SIMULKomponente (des und-Anteils von aber), die hier die Ausgliederung von A, A′ aus den Konjunkten S1, S2 in der Weise umfassen, daß B und C aus S1, S2 als Träger eines durch q, q repräsentierten Kontrasts spezifiziert werden. Dabei stehen q und q für konträre Propositionen, die aus B und C ableitbar sind. Da die Ableitung auch Informationen involviert, die nicht aus den Konjunktbedeutungen allein, sondern nur durch Einschaltung von Situations- oder Allgemeinwissen zu gewinnen sind, figurieren q und q auf der Ebene der intermodal zugänglichen konzeptuellen Struktur. Wichtig ist, daß q determiniert ist durch B ⇒ q aus S1 und daß somit die Struktur von S1 die Interpretationsvorgabe für S2 darstellt. Dies ist die für aber (und alle übrigen Adversativkonnektive) gruppentypische Asymmetrie in der Ausführung der in (6) notierten Bedingung, daß die Konjunkte einer KV eine spezielle Art von Kontext füreinander bilden. H ieraus erklärt sich auch die weitere gruppentypische Eigenschaft, daß aber nicht iterierbar ist.
617
Als Extrakt einer längeren Studie (Lang 1988) werden nun die wichtigsten Typen von aber-Konstruktionen kurz vorgestellt, um zu zeigen: (a) wie bei der Interpretation einer Adversativkonstruktion q und q als Träger des durch aber induzierten Kontrasts identifiziert werden, und zwar abhängig von der in (71) genannten Parallelstrukturiertheit der Konjunkte; (b) daß die jeweiligen aber-Konstruktionen als Typen der Korrelation von Konjunktstruktur und q, q-Identifizierung zu betrachten sind — belegt durch die selektive Austauschbarkeit von aber gegen andere Adversativkonnektive. Abb. 26.3 bietet eine syntaktisch basierte Übersicht, zu der wir nur anmerken, daß Konjunktionaladverbien, die in S+ an Stelle von oder zusammen mit koordinierenden Konjunktionen vorkommen können, in S2 entweder Spitzenstellung mit Inversion haben oder floaten — das ist das Adverbiale an ihnen. (Als Idiosynkrasie ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß aber auch entsprechend viele Positionsmöglichkeiten in S2 hat: (i) Fritz ist krank, aber er geht arbeiten/ er geht aber arbeiten/arbeiten geht er aber; (ii) Fritz ist krank, (aber) trotzdem geht er (aber) arbeiten;
Abb. 26.3: Taxonomie der Adversativkonnektive
(iii) Fritz ist krank, trotzdem (*aber) er geht arbeiten.) Der Übersicht halber geben wir jedem Konstruktionstyp einen Namen, bieten ein Sample und notieren seine Kennzeichen nach einem festen Muster. Typ I: „Kontrast durch semantisch kontrastible Abschnitte in den Konjunkten“ (73) a. Hans ist groß, aber Fritz ist klein. b. Hans ist groß, aber Fritz ist nicht groß. c. ?? Hans ist groß, aber Fritz ist blond/ verheiratet. d. Hans ist groß, aber Fritz ist stark/ zäh/schlau. In (73a—b) ist die Konjunktstruktur exakt parallel, die Zerlegung nach A—B, A′—C ist vorgezeichnet und die Ableitung von q, q lexikalisch vorgegeben. A, A′:„h hat für Größe einen Wert w“, „f hat für Größe einen Wert w′“; B, C: „w([h,G]) über Norm“, „w′([f,G]) unter/nicht über Norm“; q, q: „w([h,G], Norm) ≠ w′([f,G], Norm)“. Es ist dann eine Sache des situativen Kontexts, ob und wie die so ermittelte Verteilung der Differenzen weiter aus- oder umgewertet wird (etwa im Sinne von „Vorteil“ — „Nachteil“). Anders bei den restlichen Beispielen.
618
In (73c—d) ist die Konjunktstruktur semantisch nicht ganz parallel, so daß die Zerlegung nach A—B, A′—C auf kontextuelle Ausgleichsfaktoren zurückgreifen muß. Das präferente Verfahren dafür ist, daß der semantische Gehalt von B und C relativ zu einer kontextuell determinierten Dimension D bewertet wird (etwa nach dem Schema „Vorteil“ — „Nachteil“). Das findet hier statt, aber immer noch lexikalisch gesteuert. Da Körpergröße sich mit H aarfarbe oder Personenstand nur schwer unter einen passenden CI bringen läßt, ist (73c) eben markiert — d. h. die Kontextanforderungen sind sehr spezifisch. Bei (73d) indes legt die inhärent positive Wertung der genannten Eigenschaften eine entsprechende Zerlegung nahe. Wir erhalten folgendes Interpretationsmuster für Fälle wie (73c-d): A, A′:„h hat eine Eigenschaft p mit einem Wert w bezüglich D“, „f hat eine Eigenschaft p′ mit einem Wert w′ bezüglich D“; B, C: „p([h,D]) = B“, „p′([f,D]) = C“; q, q: „w(B) ≠ w′(C)“. Die Differenz zwischen (73c) und (73d) dürfte darin liegen, daß bei (73d) die inhärente positive Wertung zu D gehört, so daß sich q, q als graduierte Wertedifferenz ergibt, bei (73c) indes ist D ausschließlich kontextuell bestimmt und q, q rangieren über dadurch definierte ± -Werte. Das gezeigte Interpretationsverfahren definiert den Defaultfall: wenn in einer Konstruktion der durch aber induzierte Kontrast nicht auf der Ebene der Konjunktbedeutungen etabliert werden kann, dann ist die dafür nächstliegende Ebene die der kontextuellen Bewertung der Konjunktbedeutungen. Typ I ist der Typ von aber-Konstruktion, der das determiniert, was seit Lakoff 1971 als „semantic-opposition-but“ diskutiert, aber einer separaten Lesart der Konjunktion zugeschrieben wird. Wir hingegen haben gemäß (69) und (71) für die Konjunktion Bedeutungskonstanz postuliert und ihre Lesarten am strukturellen Kontext ihrer Konjunkte festgemacht. Die damit gewonnene Systematik wird bestätigt durch die selektive Austauschbarkeit von aber in Typ I gegen beschränktere Konnektive aus Abb. 26.3: (74) a. Hans ist groß, Fritz hingegen ist klein. b. Hans ist groß, hingegen ist Fritz klein. c. *Hans ist groß, jedoch/ indessen ist Fritz klein. d. *Hans ist groß, dennoch/ trotzdem ist Fritz klein.
VII. Semantik der Funktionswörter
Wie gleich deutlich wird, ist das Konjunktionaladverb hingegen genau auf Konjunktstrukturen zugeschneidert, die den Typ I, jedoch auf solche, die Typ II, dennoch auf solche, die Typ III ausmachen. Typ II: „Kontrast durch implizierten Gegensatz zwischen Koprädikaten“ (75) a. Anna ist klug, aber häßlich. b. Anna ist häßlich, aber klug. c. Anna ist nicht dumm, aber auch nicht hübsch. d. Hans ist nicht dumm, aber faul. Da die Konjunkte für die Zerlegung nach A—B, A′—C zuwenig Unterschiede aufweisen, muß eine Differenzierungsbasis kontextuell induziert werden. Das Verfahren ist wie bei (73c — d), nur entsprechend eingeschränkter: D ist eine Vergleichsdimension, die nur positive und negative Werte {α} = { +, —} umfaßt (keine Gradskala), und q, q rangieren über der Polarität der Werte. Wir erhalten: A, A′:„a hat eine Eigenschaft p mit einem Wert w bezüglich D“, „a hat eine Eigenschaft p′ mit einem Wert w′ bezüglich D“; B, C: „p([a,D]) = B“, „p′([a,D]) = C“; q, q: „w(B) = α gdw. w′(C) = — α“. Die Verteilung von + und — auf q, q richtet sich nach zwei Bedingungen: die lexikalisch verankerte Polarität legt für (75a) als DefaultBelegung [+, -], für (75b) [-, +] fest. Die aber kann situativ umgepolt werden, etwa wenn die Besetzung einer unattraktiven und dümmlichen Frauenrolle gesucht wird. Danach richtet sich dann auch die Abfolge der Konjunkte. Das obligate auch in (75c) zeigt, daß innerhalb von B und C nicht einfach Antonyme substituiert werden können wie bei Typ I-Konstruktionen. Die Austauschbarkeit mit anderen Konnektiven ergibt: (76) a. *Anna ist klug, hingegen (ist sie) häßlich. b. *Anna ist klug, hingegen ist Anna häßlich. c. Anna ist klug, jedoch (ist sie) häßlich. d. ??Anna ist klug, dennoch/trotzdem (ist sie) häßlich. Die Ungrammatikalität von (76a—b) zeigt, daß auch hier die Typisierung der aber — Konstruktion und das dafür zuständige Interpre-
26. Koordinierende Konjunktionen
619
tationsverfahren strukturell im Sinne von (69) definiert sind. Der Kalauer in (76d) zeigt, daß es einen weiteren Typ von Adversativkonstruktionen geben muß, bei dem die Etablierung von Kontrasten auf Kenntniszusammenhängen beruht. Hier ist er: Typ III: „Kontrast durch Annullierung von Schlüssen aus dem Alltagswissen“ (77) a. Hans ist krank, aber er geht arbeiten. b. Hans geht arbeiten, aber er ist krank. c. Hans ist krank, aber seine Frau geht arbeiten. Der springende Punkt hier ist, daß bei (77a — b), indiziert durch wenig parallele Konjunktstruktur und schwer herzuleitenden CI, ebenfalls eine Differenzierungsbasis kontextuell induziert werden muß, hier also die durch krank und arbeiten angesprochenen Verhaltensbereiche und ihr in unserem Alltagswissen als normal unterstellter Zusammenhang. Die Dimension D ist hier zu belegen durch „die gegebene Situation s“, diese wird bewertet auf dem H intergrund von Normalitätsbedingungen für derartige Situationen. Wir erhalten unter Einbeziehung einer Schlußfigur folgende Ableitungsschritte: A, A′: „h hat eine Eigenschaft p in s“, „h zeigt ein Verhalten v in s“; B, C: „h ist krank in s“, „h geht arbeiten in s“ Für
Situationen
wie
s
gilt:
Norm: „WER KRANK IST, GEHT NICHT ARBEITEN“ [1. Prämisse] B: „h ist krank“ [2. Prämisse] B ⇒ q: Norm: .˙. „h GEHT NICHT ARBEITEN“ [Conclusio = q] „h geht arbeiten“ C: [blockierte Conclusio = q] Der Kontrast wird etabliert, indem das erste und das zweite Konjunkt in der angegebenen Weise auf ein Schlußschema bezogen werden, in dem 1. Prämisse und Conclusio durch Normalitätsoperatoren gebundene Aussagen sind. Die Konjunktabfolge legt fest, was als 2. Prämisse ins Schema kommt — entsprechend ist bei (77b) die Ableitung komplexer, weil sie die Kontraponierung der 1. Prämisse als Schritt einschließt. Für (77c) schließlich gibt es entweder eine Interpretation nach Typ I, die fürs erste Konjunkt B ⇒ q „h geht nicht arbeiten“ und damit den Kontrast zu C „f(h) geht arbeiten“ liefert (testbar durch hingegen)
oder aber eine Interpretation nach Typ III, die eine (auf Pflegeanspruch bei Krankheit fußende) Conclusio blockiert. Typ III hat die Sorte von Konjunktstruktur, die nicht nur eine Ersetzung von aber durch dennoch, trotzdem gestattet, sondern die auch den von König in Artikel 28 diskutierten Kausal- und Konzessivkonstruktionen zugrunde liegt. Das gemeinsame Kennzeichen ist die Einordnung der Konjunkte als Prämissen in wissensbasierte Schlußschemata (weitere Typen und Details in Lang 1988). 3.3.3 nicht — sondern und oder Wir betrachten noch kurz, was die Selektion unverträglicher Konjunkte für die Systematik der Konjunktionen einbringt. Grundsätzlich gilt: (78) Die auf unverträglichen Konjunkten operierenden Konjunktionen haben gemeinsam, daß sie alle ein Auswählen unter den Konjunkten involvieren, dessen Ausführung unterschiedlich spezifiziert ist. So ist die Bedeutung von nicht — sondern und und nicht als eine Korrekturoperation über unverträglichen Konjunkten zu analysieren, durch die das eine Konjunkt durch replazive Negation im Sinne von Jacobs (siehe Artikel 25) als Corrigendum spezifiziert wird, das andere als Corrigens. Wir setzen dafür die Komponenten WRONG bzw. CORRECT an, wobei dies nur provisorische Etiketten sind für komplexere Operationen (s. Lang 1984), die durch die Interaktion lexikalischer, syntaktischer und prosodischer Bedingungen determiniert sind. Nur ein typologischer Aspekt sei angemerkt. Die hier diskutierte Unterscheidung von Kontrast und Korrektur ist nicht in allen Sprachen auch distinkt lexikalisiert wie dt. aber vs. sondern, schwed. men vs. utan, span. pero vs. sino etc., sondern in vielen ist für beides nur eine Konjunktion vorhanden. Aber auch dies ist noch kein Grund für Polysemieannahmen, weil der betreffende Unterschied in (79a-b) dann in der syntaktischen Struktur der Konjunkte in (79c-f) erkennbar sein muß: (79) a. Hans ist nicht dumm, aber faul. [Kontrast] b. Hans ist nicht dumm, sondern faul. [Korrektur] c. Hans isn’t stupid, but he is lazy / *but lazy. [Kontrast]
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d. Hans isn’t stupid, but lazy/he’s lazy/ *but he is lazy. [Korrektur] e. Hans n’est pas bête, mais il est fainéant/*mais fainéant. [Kontrast] f. Hans n’est pas bête, mais fainéant/ il est fainéant/*mais il est fainéant. [Korrektur] Dies nur als H inweis, daß die in (69) formulierte Annahme auch eine typologische Anwendungsdomäne hat, wobei Teil a fürs Englische, Französische usw. nur beibehalten werden kann, wenn man Teil b entsprechend aufsplittet. Die Annahme einer semantischen Komponente CHOICE für die in (67c) erwähnte kognitive Elementaroperation des Auswählens oder Entscheidens macht es möglich, die Bedeutung von oder als Wahl unter verträglichen, die von entweder — oder als Wahl unter unverträglichen Konjunkten zu beschreiben. Dies weicht ab von bisherigen Analysen, die das erste als „inklusives“ oder (lat. vel) betrachten und mehr oder minder direkt mit dem logischen Funktor der Disjunktion (〈1,1; 1,0; 0,1〉) identifizieren, das zweite als „exklusives“ oder (lat. aut) und mit dem Funktor der Kontravalenz (〈1,0; 0,1〉) gleichsetzen, was seinerseits die Zahl der Konjunkte von entweder — oder auf exakt zwei beschränkt. Das stimmt nicht mit den sprachlichen Fakten überein, weil die grammatisch (intonatorisch wie in (81—82) und/oder lexikalisch durch entweder -) indizierte Unterscheidung nicht die von „inklusiv“ vs. „exklusiv“ ist, sondern von „abgeschlossene“ vs. „offene Liste von (beliebig vielen) Alternativen“ — s. (80a—b). Dabei ist die grammatisch gekennzeichnete Abgeschlossenheit der Liste ein Indiz dafür, daß die Konjunkte im gegebenen Kontext als einander ausschließende Alternativen gelten sollen — ein Belegfall für den im Anschluß an (51) vermerkten Umstand, daß Unverträglichkeit kontextuell induziert sein kann. Deshalb ist (80b), dessen Konjunkte semantisch unabhängig, also verträglich sind, eine kontingente und informative KV, die nach der o. g. Deutung von entweder — oder als 〈1,0; 0,1〉 nicht angemessen behandelt werden kann. Natürlich haben (80a) und (80b) auch verschiedene Bedeutungen im Sinne von kontextrelativen Wahrheits- und Gebrauchsbedingungen.
VII. Semantik der Funktionswörter
(80) a. Hans ist entweder größer als Fritz oder als Rudi. b. Hans ist entweder größer als Fritz oder als Rudi oder als beide. Offenheit der Liste, grammatisch durch H ochtonigkeit (↑) des letzten Konjunkts indiziert, heißt: die Konjunkte exemplifizieren im gegebenen Kontext mögliche Optionen, deren Anzahl erweiterbar ist, was wiederum semantisch verträgliche Konjunkte voraussetzt. Dies erklärt die Daten in (81) und (82). Im ersten Fall sind die Konjunkte semantisch unabhängig, was es erlaubt, daß sie intonatorisch gekennzeichnet als „abgeschlossene“ oder „offene“ Liste figurieren können — s. (81a—b). Nicht so bei semantisch unverträglichen (hier: kontradiktorischen) Konjunkten wie in (82), die nur als (hier mit zwei bereits) „abgeschlossene“ (82a), nicht als „offene“ Liste (82b) figurieren können. Daran wird deutlich, wie grammatisch als Alternativenaufzählung bzw. als Optionenexemplifizierung indizierte Wahlmöglichkeiten mit der semantisch vorgebenenen (Un-)Verträglichkeit von Konjunkten bei der Interpretation von oder-Verknüpfungen interagieren. (81) a. Es ist klar, daß/unklar, ob Hans größer als Fritz↑ oder Rudi↓, ist. b. Es ist klar, daß/unklar, ob Hans größer als Fritz↑ oder Rudi↑ ist. c. Es ist klar, daß/unklar, ob Hans größer als Fritz↑ und Rudi ist. (82) a. Es ist klar, daß/unklar, ob die Zahl z gerade ↑ oder ungerade ↓ ist. b. *Es ist klar, daß/unklar, ob die Zahl z gerade ↑ oder ungerade ↑ ist. c. *Es ist klar, daß/unklar, ob die Zahl z gerade und ungerade ist. Für diese Behandlung von oder spricht ferner, daß sie eine Erklärung bietet für die Äquivalenz von und (81b) und (81c), bzw. generell für Austauschbarkeit von und und oder in sog. De Morgan-Kontexten (Oetke 1981) wie: (83) a. Hans ist größer als Fritz und Rudi. b. Hans ist größer als Fritz oder Rudi. c. Die Zahl z ist nicht gerade und/oder teilbar. d. Er darf nach Belieben schlafen und/ oder wachen etc. Dabei sind mit und und oder verschiedene Operationen verbunden, die jedoch unter geeigneten Bedingungen zu äquivalenten Ergebnissen führen. Die Äquivalenz beruht zu-
26. Koordinierende Konjunktionen
nächst darauf, daß etwa eine als CI determinierte Menge {x/H ans ist größer als x} auf verschiedene, aber im Ergebnis äquivalente Weise bestimmt wird, nämlich per Aufzählung in (83a), per Vereinigung in (83b): (84) a. {f, r} ⊆ {x/Hans ist größer als x} b. {{f} ⋃ {r}} ⊆ {x/Hans ist größer als x} In der Umschreibung: „Die Menge der Leute, für die gilt, daß H ans größer ist als sie, umfaßt Fritz und Rudi“ bzw. „Wen immer du nimmst, Fritz oder Rudi, er gehört zur Menge der Leute, für die gilt, daß H ans größer ist als sie“ — letzteres entspricht genau der oben gegebenen Deutung von oder-Verknüpfung als Optionenexemplifizierung. Analog bei (83c—d). Das definierende Kriterium für koordinierende Strukturen als De Morgan-Kontexte besteht darin, daß sie, nach Rahmen- und Konjunktstruktur, als CI eine Menge determinieren, die durch Aufzählung ihrer Elemente oder durch Vereinigung von Teilmengen äquivalent darstellbar ist. (Daher bilden z. B. (82a, 62a, 63a) keine De Morgan’schen Kontexte). Diese Äquivalenz von und- und oder-Verknüpfungen ist seitens der Konjunktionen daran gebunden, daß sie beide auf verträglichen Konjunkten operieren, was somit für die Annahme einer Komponente CHOICE für oder spricht, die als solche indifferent ist bezüglich der (Un-)Verträglichkeit der Konjunkte.
4.
Probleme und Ausblick
4.1 Die koordinierenden Konjunktionen sind hinsichtlich ihrer semantischen Beschreibung wie ihrer Repräsentation im Lexikon ein nach wie vor wenig durchschauter Gegenstand. Dies unter dem Leitmotiv „Grammatik zweiter Stufe“ zu verdeutlichen, war ein Ziel dieses Überblicks. Nun könnte aus einem bestimmten Blickwinkel der Eindruck entstehen, daß hier etwas aufwendig reverbalisiert wurde, was andernorts längst in formalisierten Einsichten abgelegt ist. Das trifft aber nicht zu. Gewiß hängt es von den jeweiligen Grundannahmen ab, was man zum Gegenstandsbereich der Semantik rechnet und welche Repräsentationsmittel dafür einschlägig sind. Wenn man, wie hier vertreten, z. B. die Fähigkeit, koordinierte Strukturen nach ihrer Kontingenz und Informativität zu bewerten, zu interpretieren und ggf. umzuinterpretieren, zur semantischen Kompetenz des Sprechers
621
rechnet, dann sind die darin involvierten Mechanismen auch legitimer Gegenstand der Semantik, einschließlich des Anteils, der dabei auf die lexikalische Kategorie der koordinierenden Konjunktionen entfällt. Dies war der Angelpunkt, von dem aus für die substantielle und instrumentelle Unterscheidung von logischen Funktoren und sprachlichen Konjunktionen, für die Distinktion von Selektionsbeziehung bezüglich (un-) verträglicher Konjunkte und semantischen Beziehungen zwischen Konjunkten sowie für die Annahme von semantischen Komponenten mit operativer Bedeutung und kontextueller Interpretation auf der konzeptuellen Ebene plädiert wurde. Es seien als Ausblick drei Problembereiche benannt, an denen verdeutlicht werden kann, wie in der Ausarbeitung einer Konjunktionssemantik vorhandene Analysevorschläge mit verbliebenen Desideraten zu verbinden sind. 4.2 Syntax und Semantik der Konjunkte Die Forschung der letzten Jahre hat schlüssig bewiesen, daß eine Beschreibung der Konjunktformate unterhalb von SATZ durch Tilgung von syntaktisch „kompletten“ SatzKonjunkten aus semantischen Gründen (s. (58, 60)) unangemessen ist. Demzufolge werden Konjunkte aller relevanten Konjunktformate — ausgenommen sog. stilistische Reduktionen — als basisgeneriert angenommen. (Ergänzend dazu ist der Vorschlag von Munn (1988) zu sehen, der innerhalb des X-barSchemas eine eigene Kategorie BP = „Boolean Phrase“ fordert, in der und bzw. oder Köpfe sind, die Konjunkte als Komplemente nehmen.) Den so determinierten Konjunkten kann dann semantisch mithilfe von λ-Abstraktion und Type-Raising (Gazdar 1980a, Partee & Rooth 1983) ein ihrer syntaktischen Kategorie a entsprechender und die Gleichartigkeitsbedingungen in 1.3 erfüllender semantischer Typ τzugewiesen werden. Kurzum: für simple KV mit und oder oder gibt es eine Prinziplösung für die typengerechte Verknüpfung von Propositionen/Sachverhalten, Individuen oder Prädikaten. Als Desiderate im Rahmen dieser Analyse stehen an: (a) die konjunktionsabhängige Spezifikation der „conjoinables“; (b) eine entsprechende Behandlung von komplexeren Konjunktionen wie aber, weder — noch, denn. Mit dem Aufgreifen dieser Fragen wird dann auch deutlich, an welchen Stellen der auf Generalisierung der mengentheoretischen Ope-
VII. Semantik der Funktionswörter
622
rationen „Joint“ und „Meet“ beruhende Ansatz ergänzt oder in seinen Grundannahmen modifiziert werden müßte. Die Rekonstruktion von Eigenschaften koordinativer Verknüpfungen wie Nicht-Kontingenz etc. oder die Formulierung von Lexikoneinträgen für Konjunktionen ist in diesem Rahmen nicht vorgesehen. 4.3 Lexikonrepräsentation für Konjunktionen Wir sind von der Formulierung auch nur halbwegs kompletter Lexikoneinträge für koordinierende Konjunktionen noch weit entfernt (Fragmente finden sich in Lang 1984, ihre lexikographische Darstellung wird in Lang 1982, 1989b diskutiert). Immerhin legen die hier überblicksweise ausgebreiteten kategorialen und gruppenbildenden Merkmale der Konjunktionen einige Fragen nahe, die über das weitere Vorgehen entscheiden. Wenn man, gestützt auf die in 3.1 und 3.3 angeführten Fakten, davon ausgeht, daß die koordinierenden Konjunktionen eigenständige und wortintern strukturierte Bedeutungen haben, dann müssen diese im Lexikon auch komponentiell repräsentiert sein. Dabei ist das Problem, die betreffenden semantischen Komponenten als Instruktionen für Operationen der Kenntnisverarbeitung zu rechtfertigen, im Rahmen des hier vertretenen kognitiven Ansatzes zwar prinzipiell, aber in hinreichender Detaillierung nur langfristig lösbar. Näherliegend sind Entscheidungen über die folgenden Fragen: (a) Wie ist die für die koordinierenden Konnektive grundlegende Eigenschaft, verträgliche bzw. unverträgliche Konjunkte zu selektieren, im Lexikon zu verankern? Offensichtlich handelt es sich dabei um einen gegenüber bisher behandelten Selektionsbeschränkungen neuen Typ. Man könnte die semantischen Komponenten so axiomatisieren, daß z. B. Einträge mit SIMUL stets verträgliche, solche mit WRONG — CORRECT unverträgliche Konjunkte selektieren. Das aber würde die für (entweder) oder anvisierte Analyse als CHOICE unter unverträglichen bzw. verträglichen Konjunkten beinträchtigen. (b) Wie soll man mit den Restriktionen bezüglich des syntaktischen Formats der Konjunkte verfahren? Da sie (zumindest zum Teil) idiosynkratischer Natur sind (so bei aber, denn, weder — noch, sowie), gehören sie in den Lexikoneintrag. Aber sind sie zu behandeln wie Subkategorisierungsinformation bei Verben? Und mit welchen Merkmalen ange-
sichts so großer Variabilität? 4.4 Semantische vs. kontextuelle Aspekte Über den Status des Common Integrators (Lang 1984) hat es einige Debatten gegeben derart, daß die durch die Deduktion eines CI bewirkten Restriktionen bzw. Präferenzen für die Interpretation einer koordinierten Struktur zwar faktisch nicht zu bestreiten, aber theoretisch in die Domäne der Pragmatik zu verweisen seien, d. h. in den Interaktionsbereich von Sprach- und Sachwissen, in dem die grammatische Struktur einer Äußerung relativ zum situativen Kontext ihrer Anwendung evaluiert wird. Richtig ist an solchen Vorbehalten, daß die für die Etablierung eines CI in 2.1 formulierten Bedingungen sich auch und gerade im Bereich konzeptueller Strukturen durchsetzen (vgl. die an (42) und (47) illustrierten Effekte) und daher auch als Filter für die Einbeziehung kontextueller Information in die Interpretation einer KV wirken. Aber es gibt auch hinreichende Evidenz dafür, daß die Etablierung eines CI direkt durch den semantischen Gehalt der Konjunkte determiniert ist (s. (21—41, 44—46) und die Typen von aberKonstruktionen). Ferner gilt, daß die Bewertung einer koordinierten Struktur als nichtkontingent, z. B. als kontradiktorisch oder tautologisch, was doch unstrittig semantische Eigenschaften sind, und die Bedingungen ihrer eventuellen Uminterpretation, so direkt mit der Deduktion eines CI verbunden sind, daß dessen Verankerung in der Semantik nicht zu bezweifeln ist. Als Problem bleibt freilich, daß der CI wie das hier vertretene Konzept der „Grammatik zweiter Stufe“ insgesamt noch der klärenden Einordnung in den Gegenstandsbereich der Grammatik bedürfen. Dabei liegt die Beweislast natürlich bei dem, der einen solchen Aufstockungs- oder Erweiterungsvorschlag macht. Die in Abschnitt 1 aufgeführten Kennzeichen der Koordination und die in 3.2 und 3.3 skizzierten Überlegungen zur operativen Bedeutung liefern für die weitere Argumentation zumindest Anhaltspunkte. Dieter Wunderlich danke ich für seine hilfreichen Hinweise und seine überaus große Langmut.
5.
Literatur (in Kurzform)
Anscombre/Ducrot 1977 · Bierwisch/Lang (eds.) 1989 · Buscha 1989 · Chomsky 1957 · Döhmann 1966 · Gazdar 1980a · Gazdar/Pullum 1976 ·
27. Causal and Purposive Clauses
George 1980 · Grice 1975 · König 1971 · R. Lakoff 1971 · Lang 1974 · Lang 1976 · Lang 1978 · Lang 1982 · Lang 1984 · Lang 1985 · Lang 1987b · Lang 1988 · Lang 1989b · Legrand 1975 · Lundy 1980 · Martin 1983 · McCawley 1981 · Munn 1987 · Oetke 1981 · Partee/Rooth 1983 · Pelletier 1977 · Posner
27. 1. 2. 3. 4.
1.
623
1980 · Renz 1989 · Sag/Gazdar/Wasow/Weisler 1985 · Schachter 1977 · Schmerling 1975 · Williams 1981c · Wunderlich 1988a · Wunderlich 1988b
Ewald Lang, Wuppertal (Bundesrepublik Deutschland)
Causal and Purposive Clauses Phenomenology The Standard Case The Residue Short Bibliography
Phenomenology
A language will contain a number of conjunctions which are termed causal because they have the essentials of their semantics in common, and a couple of words being classified as purposive conjunctions in order to signal a semantic kinship, or identity, of a certain kind. The implication is that they convey the modal categories of cause and purpose, respectively, and relate their conjuncts to each other as cause, or reason, to effect, or consequence, and means to end. Purposes are sometimes thought of as a special kind of cause, and so both classes of conjunctions would appear to have some part of their semantics in common. Morphologically these conjunctions form a heterogeneous group. They present a variety of phenomena, ranging from atomic elements (e. g. German weil) to concatenations of independent morphemes (e. g. Spanish para que). Preposition plus ‘that’ (Spanish porque) and adverb plus ‘that’ (Swedish därför att) are typical patterns among complex conjunctions. Standard modal (causal/purposive) conjunctions combine with a sentence to form a sentence adverb and so belong to the syntactic category ((s/s)/s) corresponding to the logical type 〈t, 〈t, t〉〉, though with a view to interpretation they are more appropriately treated as two-place sentence operators, on a par with coordination. It is not unusual for a language to have several causal and purposive conjunctions that are not syntactically interchangeable. There are at least five distinctive features, that is to say, one conjunction can be different
from another in at least five respects. 1. Mood. As often as not, and notably in Romance languages, the purposive clause is systematically construed with the subjunctive: (1) Legati ad Caesarem venerunt, ut auxilium rogarent. (‘envoys came to Caesar to ask for help’) 2. Infinitive. Normally there is one purposive conjunction that may (e. g. Russian čtoby) or must (e. g. German um (zu)) be combined with an infinitival. So in the latter case, it is not a conjunction in the strict sense; it is a preposition, and the same one can often be combined with ‘that’ (e. g. French pour que) to form the conjunction in the strict sense. The empty subject of purposive infinitivals is normally controlled by the subject of the matrix sentence, as in (2a). Reference of PRO may be arbitrary as in (2b), though it’s a question how arbitrary; whether (2c) isn’t a correct representation. — There may be problematic cases, like (3) and (4). (a) a. I sold the books [PRO to help the refugees] b. The books were sold [PRO to help the refugees] c. The books were sold (by someonei) [PROi to help the refugees] (3) We’re not shooting [PRO to kill], but they are (shooting [PRO to kill]) (4) Some people take pills (PRO to go to sleep], others use alcohol ([PRO to go to sleep]) Preposition + infinitive can serve as causal clause too, such as door ... te ... -en in Dutch: (5) Door te vroeg buiten te komen, begon Jantje weer opnieuw te hoesten. (‘through-too-early-out-to-go, Jantje began coughing again’) 3. Topology. Clauses introduced by certain conjunctions (e. g. Russian potomu čto,
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Swedish för, French car) cannot precede the main clause. (6) a. Rien n’est perdu pour la France, car la France n’est pas seule. b. *Car la France n’est pas seule, rien n’est perdu pour la France. 4. Subordination. Causal clauses are not always subordinate — causal conjunctions can be conjunctions in the very strict sense of coordination. For example, Norwegian for clauses exhibit main clause word order whereas fordi clauses do not. (7) a. Hun la ham i ei krybbe, for det var ikke plass til dem i herberget. (‘she-laid-him-in-a-manger, for-therewas-not-room-for-them-in-the-inn’) b. Hun la ham i ei krybbe, fordi det ikke var plass til dem i herberget. (‘she-laid-him-in-a-manger, becausethere-not-was-room-for-them-in-theinn’) 5. Commentability (‘focusability’ would be an interchangeable term). One causal conjunction seems to occupy a special position in many languages, like because, corresponding to German weil, Norwegian fordi, French parce que, etc. Only elements from this class can be commented upon, e. g. negated, or focused on by scalar particles (8a and 8b from Lang 1976: 171): (8) a. Die Heizungsröhren sind geplatzt, nicht weil es Frost gegeben hat, sondern weil sie einen Materialfehler haben. b. *Die Heizungsröhren sind geplatzt, nicht denn es hat Frost gegeben, sondern denn sie haben einen Materialfehler. c. Ty eto govoriš’, tol’ko potomu cto ty menja ljubiš’. (‘you’re saying that only because you love me’) c. *Ty eto govoriš’, tol’ko tak kak ty menja ljubiš’. (‘you’re saying that only since you love me’) Or questioned (the example is Norwegian): (9) a. Gikk hun fordi hun kjeda seg? (‘Did she leave because she was bored?’) b. *Gikk hun siden hun kjeda seg? (‘Did she leave since she was bored?’) Or emphasized by means of clefting: (10) a. C’est (seulement) parce que ..., que ... b. *C’est (seulement) puisque ..., que ...
VII. Semantik der Funktionswörter
Or by means of ‘Korrelat’: (11) a. Sie ist deshalb wichtiger als ihr alle, weil sie es ist, die ich begossen habe. b. *Sie ist deshalb wichtiger als ihr alle, da sie es ist, die ich begossen habe. It seems that only elements from this class allow the main clause to be topical (Pasch 1982: 63); this will be reflected in intonation. Features 1 and 5 are probably of special relevance to the semantics of causals and purposives, reflecting some aspect of truth conditions. So are two further facts, concerning the propositions expressed by the conjuncts in purposives and causals: First, matrix sentences of purposive constructions do not allow of every type of proposition; they must be conceivable as representing conscious actions, or at least intended results of such actions. Passives are okay, as in (2b), as are states deliberately brought about; (Norwegian) (12) and (Swedish) (13). (12) Brua er så høy for at store båter skal kunne passere under. (‘the bridge is so high in order that big ships may pass beneath it’) (13) Norska anoraker är röda för att vara synliga på långt avstånd. (‘Norwegian anoraks are red in order to be visible at a distance’) Agents need not be human, cf. (Danish) (14), suggesting God or Nature, and (Spanish) (15). (14) Mange dyr og fugle bliver hvide når vinteren kommer, for at deres fjender ikke skal se dem. (‘many animals and birds turn white when winter comes in order that their enemies shall not be able to see them’) (15) Nunca viene sola una desgracia, y parece que el Hado las envía en quadrilla para que no se pierdan por el camino. (‘a calamity never comes alone, and it seems that fate sends them in bands in order that they do not lose each other on the way’) But (2d) is excluded (Manzini 1980), as well as (Norwegian) (16) because the action is nonagentive. (2) d. *The price decreased [to help the poor] (16) *Vi kom til å knuse et vindu for å komme oss inn. (‘we happened to break a window (in order) to get in’)
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Second, in the typical case, time reference of the causal proposition is prior to or simultaneous with that of the main proposition; this will be reflected in tenses and time adverbials. As of purposives, the opposite is the case, the content of the subordinate clause being temporally posterior to or simultaneous with that of the main clause. (18) and (20) are Lappian examples of simultaneity. (17) Parce qu’il n’a pas tué ces deux-là, des milliers d’enfants mourront pendant des années encore. (18) Bivan dainna go viegan. (‘I am keeping warm because I am running’) (19) Je plante cette arbre maintenant, pour pouvoir récolter des pommes dans cinq ans. (20) Viegan vai bivan. (‘I am running to keep warm’) Still one more potential distinctive feature deserves attention. Whereas purposive conjunctions in general permit only intentional acts as main clause propositions, there may be causal conjunctions which on the contrary do not tolerate that sort of thing. Dutch doordat, for example, differs from the more frequent omdat in that it cannot give a reason for an agentive action. Jantje stopte in (21a) describes an involuntary event, while Jantje stopte in (21b) expresses a deliberate act of the will. (21) a. Jantje stopte omdat/doordat zijn remmen zich vastgezet hadden. (‘Jantje stopped because his brakes had jammed’) b. Jantje stopte omdat/*doordat de stoplichten op rood stonden. (‘Jantje stopped because the traffic lights were red’)
2.
The Standard Case
A standard causal construction carries the assertion of a causal connection, i. e. it can be false even if both conjuncts are true. (22a) is false if (22b) — in the reading where the ‘link’ is denied — is true. (23a) is false if (23b) is true. (22) a. She got the job because she’s a woman. b. She didn’t get the job because she’s a woman.
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(23) a. Hann fór til Vesturheims, af því að honum leið svo illa heima. (‘he went to America because he was doing so badly at home’) (Icelandic) b. Hann fόr ekki til Vesturheims, af því að honum liði svo illa heima. (‘he didn’t go to America because he were (!) doing so badly at home’) Because and af því að are ‘commentable’ (‘focusable’) causal conjunctions (cf. fact 5 under Chapter 1). Whenever it is possible to comment upon the conjunction in a causal construction, we may be confident that the causal connection conveyed is actually asserted. A standard purposive construction carries the assertion of some connection too; it can be false just because that connection fails to hold. (24a) is false if (24b) — in the ‘wide’ negation reading — is true. And (25a) is false if (25b) is true. (The former example is Icelandic and the latter is Norwegian.) (24) a. Hann fόr til Vesturheims, til þess að litast um ί veröldinni. (‘he went to America in order to look about in the world’) b. Hann fόr ekki til Vesturheims, til þess að litast um ί veröldinni. (‘he didn’t go to America in order to look about in the world’) (25) a. Det var ikke for å bli rik at han gjorde det heller. (‘it-was-not-to-get-rich-that-he-didit-either’) b. Det var for å bli rik at han gjorde det. (‘it-was-to-get-rich-that-he-did-it’) A causal construction can be untrue for the simple reason that one of its conjuncts is false. Assertion or presupposition? Probably the former; because does not seem inherently factive with respect to either one of its connects. So “p because q” entails both p and q and so is paraphrasable by “p & q & ...” (e. g. Reichenbach 1947: 329 f — because as “and & ...” — and Reis 1977: 60 f). It may be that depending on topic and focus and topology, p and q can be alternately presupposed, according to some presupposition concept. Purposive constructions — p in order that q — seem to be semantically structured in the same way, with the one exception of entailing that the agent wants q to be the case instead of simply q. (Needless to say, this neutralityto-fact of purposives as regards the end as such is what justifies the use of the subjunctive in the q clause.) Thus even syntactically complete — sentential purpose clauses are incom-
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plete as second arguments of a purposive conjunction as a truth-conditional operator, the conjunct involved on the level of logical form resulting from the application of the agent’s intention attitude on the apparent conjunct. We shall see below that “p because the agent wants that q” explicates p in order that q reasonably well. The agent being that of p, the completed — expanded — conjunct really refers across the conjunction (this reducing in effect to “because”), depending on the matrix sentence for determination of the subject of intending, just as surface purposive infinitivals derive their subject proper from the main clause. H ow should the causal connection conveyed by because and its approximate equivalents be analyzed? As with causation proper and in general, philosophers and linguists have taken two basic approaches. Both of these take as their starting point that causals are in some way closely related to conditionals, and the mainstream of because analysis has been based on the idea of sufficient conditionship. Many people have assumed that “p because q” somehow involves “p if q” (e. g. Ramsey 1965: 248 and, somewhat differently, Ryle 1950: 310) or some regularity connection along the same lines — something like “always if q, p” (cf. van Dijk 1977b: 48) or (counterfactually) “always(if q, p)” (‘nomic tie’; cf. v. Wright 1971: 71); q may not be sufficient by itself, but together with implicit circumstances (cf. Ballweg 1981a: 151): “whenever q-and-unspecified-conditions, p”. ‘Regularity’ analysis may seem too narrow in scope to encompass very many causal constructions. (26a) can be viewed as an instantiation of a universal statement (26b), and if (26b) is felt too strong, one can recur to (26c). But (27) looks like a counterexample. One has to make a considerable amount of abstraction to obtain a law-like paraphrase and in that process, the gain would be lost in the getting. (26) a. Because inflation has now been curbed, unemployment will decrease too. b. Whenever inflation is curbed, unemployment decreases. c. Whenever inflation is curbed and the situation resembles this one, unemployment decreases. (27) Japan has surrendered because an atomic bomb has been dropped on Hiroshima.
VII. Semantik der Funktionswörter
Causal conjunctions mostly treat of singular, particular things in quite specific situations, and there can be no unambiguous way of identifying the associated general statement (cf. Weber 1981: 160). Strictly speaking, there is no need to specify it in stating truth conditions, like: “p because q” is true only if there is a law and there are facts such that the law, the facts and q jointly imply p — and this is at the same time a possible analysis of “p if q” (to be compared, for instance, with the one in Kratzer 1978: 241—248). But there is another way of using conditionals. “p because q” can be fairly convincingly paraphrased by (“p”, “q”, and) a counterfactual: “if it weren’t for q, p wouldn’t be the case either”. Lewis (1973) is the classic of counterfactual analysis of causation. Dowty (1972) made the abstract predicate CAUSE of generative semantics take two sentential arguments in logical structure and interpreted “CAUSE(A,B)” as (“A” & “B” & ) “not-A > not-B” (p. 125). Wierzbicka (1972: 199) defined: “S1 is P1 because S2 is P2 = If S2 were not P2, then S1 would not be P1.” One good thing about this conception is that it can always be put to the test; it is immediately accessible to intuition. Moreover, intuition seems to license paraphrases like (22c) and (28b). (22) a. She got the job because she’s a woman. c. She got the job and she’s a woman and she wouldn’t have got it if she weren’t a woman. (28) a. He shot himself because gasoline wasn’t obtainable. b. He shot himself and gasoline wasn’t obtainable and if it had been, he wouldn’t have shot himself. Closer investigation reinforces the equivalence in question. Denial of the causal connection may take forms like (22d) and (28c). (22) d. She didn’t get the job because she’s a woman — she would have got it otherwise too. (28) c. He shot himself, but not because gasoline wasn’t obtainable — he might have done so even if gasoline had been obtainable. When used in the analysis of causation, counterfactuals are given a ceteris-paribus interpretation in terms of possible-world similarity, the classics of which, in turn, are Stalnaker (1968) (using the sign “>”) and Lewis
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(1973 b) (using the sign “☐→”, which has since become general). Conjunctions accentuate one traditional problem: that of ‘causal selection‘, pointed out e. g. by John Stuart Mill in A System of Logic (Book 3, Ch. 5, § 3). A given proposition ‘depends counterfactually’ on many different propositions, i. e. there are many necessary conditions, yet causation statements as a rule require us to select one of them. Conjunctions may assign several causes to one effect; we may have, for instance, “p because q and because r”, and there are countless possible variations on this theme (cf. H enschelmann 1977: 145 f). Causes can even be graded, as is seen in (22e) and (28d): (22) e. She got the job not so much because she’s a woman, — mostly because she’s acknowledged as a very able person. (28) d. He shot himself mainly because gasoline wasn’t obtainable, but also to a certain degree because it was so hot. So conjunctions enable us not only to single out one ‘causal factor’ as the cause, but also to make subtle distinctions among such factors. A hierarchy of causes can be named, and this phenomenon may be matched by the solution to the selection problem proposed in Abbott (1974) and Dowty (1979: 107—109), using the scalar notion of distance from actuality (‘important’ causes would be absent in worlds relatively close to this one). ‘Backward causation’ seems impossible in standard because cases and corresponding counterfactuals seem contradictory too. (29) a. The settlements perished around 1390 because supply ships ceased to arrive in 1403. b. If supply ships hadn’t ceased to arrive in 1403, the settlements wouldn’t have perished around 1390. On counterfactual analysis, this absurdity is explicable in terms of trees (where worlds split at moments of time; cf. Sæbø 1980). Aristotle related ‘purpose’ to ‘cause’ in two ways. Purposes, or ends, figure as his fourth type of cause, and at the same time, they may be caused (Metaphysics, Book 5, Chapter 2): “‘A cause’ means ... the end, and this is the final cause (that for the sake of which); for example, walking is for the sake of health. Why does he walk? We answer, ‘In order to be healthy’; and having spoken thus, we think that we have given the cause.”
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„... there may be causes of each other (for example, exercise is a cause of good physical condition, and good physical condition is a cause of exercise, although not in the same manner, but good physical condition as an end, and exercise as a moving principle); ...”
So purposive and causal clauses would seem to meet on a double basis: 1. Both types of clause can be used for answering why questions, so purposive clauses are ‘causal’ clauses in a wider, general sense. Purpose clauses somehow give reasons for action. 2. Purposive constructions can be taken to represent reversals of causal constructions; “because” as a reverse of “in order that”. Main clause actions are supposed to ‘bring about’ the ends. (30a) is much more similar to (30b) than to (30c). (30) a. Aristotle works in order to feel good. b. Aristotle feels good because he works. c. Aristotle works because he feels good. Both of these aspects are since traceable in philosophy and linguistics. Georg H enrik von Wright gives a ripe version of the second aspect in Explanation and Understanding (1971): “If ... I say that he ran in order to catch the train, I intimate that he thought it (under the circumstances) necessary, and maybe sufficient, to run, if he was going to reach the station before the departure of the train.” (p. 84) “We ask ‘Why?’ The answer often is simply: ‘In order to bring about p.’ It is then taken for granted that the agent considers the behavior which we are trying to explain causally relevant to the bringing about of p ...” (p. 96 f)
But at the same time he admits that ‘teleological explanations’ might turn out to be transformable into ‘causal’ ones so that He ran in order to catch the train would “depend on the truth of a nomic connection between his ‘anxiety to catch the train’ ... and his running.” (p. 192) We are left with two alternative analyses of purposive constructions, based on these two paraphrases: “a does m in order to attain e” = (A) “a does m because a wants to attain e”, (B) “a does m and a wants to attain e and a believes that doing m is the best way to achieve e”. (30) d. Aristotle works because he wants to feel good.
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e. Aristotle works and he wants to feel good and he thinks that unless he works, he won’t feel good. (“a does m because a wants to attain e” would only be an intermediate stage in that analysis, preparing the purposive e. g. for the ultimate paraphrase “a does m and a wants to attain e and a wouldn’t do m if a didn’t want to attain e”. (30) f. Aristotle works and he wants to feel good and if he didn’t want to feel good, he wouldn’t work.) On the surface these two possibilities are very different from each other. Paraphrase (A) rests on the proposition that the agent entertains certain preferences; this proposition remains opaque. Paraphrase (B) dissects that proposition and introduces a cognitive element, viz. the agent’s propositional attitude of belief towards the proposition that the act in question is in some (strong or weak) sense a necessary condition for the fulfilment of his intention. (One should note that the agent thus regards her action as a potential cause of the end-attainment; if she is right and her intention comes true, we may say that she wouldn’t have attained e if she hadn’t done m, and so (30b) would be justified.) (Both viewpoints are again represented in linguistic literature; e. g. the former in Rudolph (1982: 218), the latter in Rudolph (1973: 59).) Differences shrink to a minimum, however, when it comes to deciding which one is the more adequate analysis: (A) seems a bit stronger, and therefore more adequate, than (B). Suppose you’d stop doing m the moment you were to lose interest in e, then surely you think of m as the (or one) best way to produce e, — due to a principle of rationality, we may assume. But the supposition that you think of m as the best, perhaps even the only, way to produce a appears to be compatible with the contention that you’d do m even if you didn’t care about e — e could be only a pleasant side-effect, a gratuitous by-product; m could be enjoyable, for instance, and then it would be untruthful to say that you do m to achieve e. We may reject purpose P1 and accept purpose P2 (see e. g. 31, 32) and yet agree to paraphrase (B) for both of them (then we’d say that the one necessary intention was stronger than the other intention). (31) We used aluminium to save money / to ensure safety. (32) (32) Brecht wrote an advertisement to redeem a bet / to acquire an automobile.
VII. Semantik der Funktionswörter
On the other hand, paraphrase (A) does not preserve the restriction that the main clause represent an agentive action. (2e) and (33), as opposed to (2d) and (16), are acceptable. (2) e. The price decreased because the authorities wanted to help the poor. (33) Vi kom til å knuse et vindu fordi vi ville komme oss inn. (‘we happened to break a window because we wanted to get in’) H ow are purposives lacking agent subjects to be paraphrased on the model “because ... want ...”? Most matrix sentences are overt or hidden passives, like (2b) and (12), representing intended events or states of affairs deliberately brought about, and it is reasonable to treat the one who brings them about as agent, i. e. to have the unexpressed indefinite instigator be the one to want. (2) f. The books were sold because those who sold them wanted to help the refugees. (34) The bridge is so high because those responsible for it being so high intended to enable big ships to pass beneath it. A causal or purposive construction is structured logically as a tripartite conjunction, and so there are a variety of possibilities for the whole to be false. A comprehensive “not” has three places to go, plus combinations, providing theoretically seven different ways of negating. (Of course, this is not to say that sentences displaying wide-scope negation are ambiguous, however, focus and topic may serve to allocate denial and assent within a sentence, so that what is meant actually varies.) Specifically, a construction “p because q” or “p in order that q” can be false for the simple reason that one of its two simple conjuncts is. But note that on counterfactual analysis p & q & ﹁q☐→ ﹁p or p & Wq & ﹁Wq☐→ ﹁p (“W” symbolizing “the agent wants that”), this is only half true, since the alternative of (W)q and only (W)q being negative is contradictory; either p or the counterfactual (not both, which would again yield a contradiction) must follow along. The opposite option, on the other hand — p and only p is negative — will sometimes materialize. (35a) and (36a) suggest this reading of “not (p because/in order that q)”, aptly
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rephrasable by saying that (W)q fails to bring about p. (35b, 36b) are paraphrases adhering to the pattern “﹁p & (W)q & ﹁(W)q☐→ ﹁p”. (35) a. I don’t close my eyes to the consequences because they’re unpleasant. (36) a. The rescue party aren’t risking their lives to recover survivors. (35) b. I don’t close my eyes to the consequences, which are unpleasant, as I certainly wouldn’t were they not unpleasant. (36) b. The rescue party are trying to recover survivors, if they weren’t, they would certainly not be risking their lives, and they aren’t either. The normal locution for this content, however, is a concessive conjunction conjoining “﹁p” and “q”, where negation is confined to the main clause. (35c) and (36c) are fair paraphrases of the above sentences. This would mean the following analysis of “p although q”: “p & q & ﹁q☐→ p”. (Quite possibly, the two latter conjuncts are best considered presuppositions; cf. article 28.) (35) c. I don’t close my eyes to the consequences even though they’re unpleasant. (36) c. The rescue party, though eager to recover survivors, aren’t risking their lives.
3.
The Residue
Conjunctions that cannot be commented, or focused, upon (cf. fact 5 under 1), such as since and for, German da and denn, and Norwegian siden and for, pose anew the question of how truth conditions are structured. We have good reason to doubt that the connections they convey are asserted. Moreover, we cannot be sure that sentences ‘subordinated’ by since, da, siden etc. do not ‘merely’ represent presuppositions. (37) My opinion is (not) that since we’ve lost more than two thousand subscribers, we cannot go on publishing. (38) Je (ne) pris (pas) la résolution d’en prendre à mon aise puisque c’était dimanche. Comprehensive negation seems unable to suspend the implication that we’ve lost more than two thousand subscribers. Both the im-
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plication that c’était dimanche and the connection carried by puisque are apparently untouched by ne ... pas in (38). Martin (1973), H einämäki (1975), and Dal (1952: 215) (e. g.) contend that puisque-, since-, and da sentences, respectively, are presupposed. Conjunctions belonging to the coordinating paradigm — for, denn, car etc. — are comparable with adversative conjunctions but, aber, mais etc.; they thus probably ‘include’ and, und, et etc. (see e. g. Reis 1977: 59), i. e. both connects are asserted (e. g. Pasch 1982: 197), whereas the relation they establish is probably best represented as a presupposition or conventional implicature (see Grice (1967: lecture 2, p. 6) who makes the point regarding an occurrence of therefore). (39) Und sie verwunderten sich seiner Lehre, denn seine Rede war gewaltig. (6) a. Rien n’est perdu pour la France, car la France n’est pas seule. What do the connections conveyed/relations established by since and for and their approximate equivalents consist in? One answer to this question could be simply: the same as in the Standard Case. (37), (38), (39), and (6a) are not yet obvious counterexamples: they could contain because, parce que and weil and be analyzed in terms of counterfactual dependence. But this conception is too narrow. ‘Causation’ is too restricted to capture e. g. (40)—(43). (40) is taken from Boettcher/Sitta (1972), (41) from Lang (1976), (42) from Ross (1970a), and (43) from Aijmer (1978). (40) Da die Lampe nicht brennt, ist der Motor kaputt. (41) Es hat Frost gegeben, denn die Heizungsröhren sind geplatzt. (42) Jenny isn’t here, for I don’t see her. (43) Bill has gone to Spain, for he told me he would. Members of the because paradigm are not restricted to the Standard Case either, though conjunctions which, like because, can anytime be substituted for the coordinating one seem more versatile than those subordinating through word order. (44) is taken from Quirk et al. (1974: 752), and (45) is taken from Rutherford (1970: 100), who drew attention to its second, ‘non-restrictive’ sense, or reading: (44) They’ve lit a fire, because I can see the smoke rising. (45) He beats his wife because I talked to her. (40), (41), and maybe (42) and (44), belong to what has been termed the symptomatic, or evidential, use of causal conjunctions. One can
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note two things in this connection: this ‘use’ favours epistemic modals, and ‘reverses’ the ‘causation use’, so that (46a) and (46b), brought by Morreall (1979: 234), seem nearequivalent: (46) a. Louie has definitely come into some money, because he’s driving around town in a new Rolls-Royce. b. Louie is driving around town in a new Rolls-Royce because he has come into some money. One could conclude that one connection can give rise to two constructions. Lang (1976: 166 f) paraphrases (41) as (41c) and (41a) as (41b). (41) a. Die Heizungsröhren sind geplatzt, denn es hat Frost gegeben. b. Wenn es Frost gegeben hat, dann sind die Heizungsröhren geplatzt, nun, es hat Frost gegeben, also sind die Heizungsröhren geplatzt. c. Wenn es Frost gegeben hat, dann sind die Heizungsröhren geplatzt, nun sind die Heizungsröhren tatsächlich geplatzt, also darf man annehmen, daß es Frost gegeben hat. Such occurrences of “(p) because/since/for (q)” as (40)—(46a) may be considered to center on another aspect of “p” — “p” in another rôle: the causal clause appears to explain the main clause not as an event or a state of affairs, but as an object of belief, or a judgment, or an assertion, — as a proposition complete with attitude; — an act including (representative) illocution (cp. e. g. Pasch 1982: 106 f). But (40)—(46a) exemplify only the tip of the iceberg: main ‘clauses’ need not be declarative sentences; corresponding speech acts need not be representatives. (47) is taken from Quirk et al. (1972: 752), (48) from Küper (1983: 16), and (49) from Aijmer (1978: 46). (47) Are you going to the post-office? — because I have some letters to send. (48) Bring mir ein Bier, denn ich habe Durst. (49) Since you’re a linguist, what is the current status of transformational grammar? (50) Brother, can you spare a dime, ’cause my children are starving. H ere “p” unmistakably appears as questions and requests, and there is no evident cognitive connection between q and the propositional content p. At the latest, this is where the performative hypothesis comes in (Ross 1970a, Rutherford 1970, Sadock 1974, Morreall
VII. Semantik der Funktionswörter
1979, i. a.). By embedding p under ‘hyper sentences’ in semantic structure, (40)—(50) would be made to conform to, thus restoring, the Standard Case: (44) a. I claim/know that they’ve lit a fire because I can see the smoke rising. (46) c. I’ll bet that Louie has (definitely) come into some money, because he’s driving around town in a new RollsRoyce. (47) a. I ask you whether you’re going to the post-office because I have some letters to send. (48) a. Ich fordere dich auf, mir ein Bier zu bringen, denn ich habe Durst. Now the performative method has met with heavy criticism (Kac 1972, Grewendorf 1972, Gazdar 1979, i. a.). (44a) evinces an ambiguity, or a vagueness: Does ‘explaining a speech act’ mean giving a reason for the performance or some other aspect of it? Choosing the latter alternative, one can deepen the analysis (Valgard 1979, Küper 1983), as the rules constituting the act — its felicity conditions — can provide a bridge between the performance and q. The causal clauses in (44), (47), (48) go to explain the sincerity rule of the respective acts: the speaker justifies his/her belief in p, his/her desire to know if p, and his/her desire for the hearer to bring about p, respectively. With the causal clause of (49) the speaker justifies his/her conviction that the hearer knows if p, and in (51) he/she explains why he/she doesn’t. (51) Lebt er noch? denn in meiner Einsamkeit höre ich nichts von ihm. (quoted by Adelung 1782: 485) Some people have suggested that denn (Reis 1977: 60) and puisque and car (LE GROUPE λ-1 1975: 245 f) should be described as illocutionary indicators, indicating a speech act of explanation. There is a ‘speech act use’ of purposive clauses too. A purposive clause can serve to explicate indirect speech acts, cf. (52), like a performative phrase, or an indicator. It can serve to clarify the point of the utterance where there may be doubt because the indicator is ambiguous: (53). It can be used for defining the act more accurately, making the point of the utterance more precise, i. e. specializing the essential rule of e. g. questions (54) or representatives/answers (55). (52) Just to warn you: there’s a bull on the meadow.
28. Konzessive Konjunktionen
(53) To give you a good piece of advice, Doc: Get married! (54) Just to make quite sure — you didn’t notice anything unusual? (55) Well, to be quite exact, I imagine she did seem a bit suspicious. Besides, a purposive clause can give a reason for a speech act via a rule too. (56): Stating the purpose of the point of the utterance (i. e. ‘(attempt) to get H to do A’ — essential rule), the purposive clause states the end purpose of the directive. (57): Relating something good for H , the purposive clause explains S′ premiss that doing A will benefit H (preparatory or sincerity rule of advice): ‘p is in your best interest because q is so too’. (56) Die Geisslein riefen, “zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen, dass du unser liebes Mütterchen bist.” (quoted by Rudolph 1982b: 277) (57) Bitte senden Sie den Informations-Coupon möglichst umgehend ein, damit Ihnen rechtzeitig Ihre individuelle Computer-Analyse kostenlos vorliegt (quoted by Rudolph 1982b: 277) Purposives have one more ‘secondary use’. Bech (1957: 102 ff) employed the term ‘determination’ to describe the way the purpose phrase appears to modify some certain part of the main clause in sentences like (58) — (61): here the to phrase would ‘determine’ the verb do, the adverb enough, the verb need, and the auxiliary must, respectively. (59)— (61) appear to permit the paraphrases (62)— (64). H ere the items in question are necessity words in a wide sense, and such sentences seem to convey exactly a notion of necessary condition (Bech 1957: 104 and Rudolph 1973a: 103, 114 f, 141). (58) The government hasn’t done enough to reduce unemployment. (59) The government hasn’t accomplished enough to get reelected.
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(60) The government needs an economic boom to get reelected. (61) To get to Harlem, you must take the “A” train. (62) Because the government has accomplished so little, it won’t get reelected. (63) Without an economic boom, the government won’t get reelected. (64) You won’t get to Harlem unless you take the “A” train.
4.
Short Bibliography
Abbott 1974 · Adelung 1782 · Aijmer 1979 · Aristotle (transl. by Apostle 1966) · Arndt 1960 · Ballweg 1981a · Bech 1957 · Boettcher/Sitta 1972 · Chomsky 1981 · Dakin 1970 · Dal 1952 · van Dijk 1977b · Dowty 1972 · Dowty 1979 · Gazdar 1979 · Grewendorf 1972 · Grice 1967 · H artung 1961 · H einämäki 1975 · H enschelmann 1977 · H euer 1929 · Kac 1972 · Kratzer 1978 · Küper 1983 · Lang 1976 · Laun 1956 · LE GROUPE λ-1 1975 · Lewis 1973a · Lewis 1973b · Manzini 1980 · Martin 1973 · Mill 1961 · Mittwoch 1977 · Morreall 1979 · Pasch 1982 · Posch (ed.) 1981 · Quirk/Greenbaum/ Leech/Svartvik 1972 · Ramsey 1965 · Reichenbach 1947 · Reis 1977 · Ross 1970a · Rudolph 1973 · Rudolph 1982a · Rudolph 1982b · Rutherford 1970 · Ryle 1950 · Sadock 1974 · Sæebø 1980 · Spohn 1983 · Stalnaker 1968 · Teleman 1976 · Valgard 1979 · Weber 1981 · Wierzbicka 1972 · Wood 1956 · Wright 1971 Kjell Johan Sæebø, Oslo (Norway)
28. Konzessive Konjunktionen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Einleitende Bemerkungen Zur Bedeutung der konzessiven Konjunktionen Beziehung zu Konditionalsätzen Beziehung zu Kausalsätzen Pragmatische Aspekte Affinität zu anderen semantischen Bereichen Offene Probleme Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitende Bemerkungen
Ebenso wie die Begriffe konditional, kausal, final, modal oder temporal gehört der Begriff konzessiv zu dem begrifflichen Inventar, das die traditionelle Grammatik zur Klassifizierung und Charakterisierung von Adverbialsätzen allgemein zur Verfügung stellt. Wie auch die übrigen der durch diese Begriffe cha-
VII. Semantik der Funktionswörter
632
rakterisierten Beziehungen werden konzessive Beziehungen entweder durch Präpositionen (trotz, wider), durch Konjunktionen (obwohl, obgleich, obschon, wenngleich etc.) oder durch Konjunktionaladverbien (doch, dennoch, jedoch, trotzdem, gleichwohl, nichtdestoweniger etc.) zum Ausdruck gebracht. Unter dem Oberbegriff Konnektiva können alle Mitglieder der genannten Wortklassen subsumiert werden. Zu den konzessiven Konnektiva wird auch die in vielen Grammatiken als ‘adversativ’ bezeichnete, nebengeordnete Konjunktion aber gerechnet. Eine Entsprechung zu dieser Konjunktion scheint es in allen Sprachen zu geben, während spezielle konzessive Präpositionen, unterordnende Konjunktionen oder Konjunktionaladverbien (engl. conjuncts) nicht zur Ausstattung jeder Sprache gehören. Die folgenden Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf konzessive Konjunktionen, gelten aber mutatis mutandis auch für die übrigen Konnektiva. Unter den Adverbialsätzen nehmen Konzessivsätze in jeder Beziehung eine Sonderstellung ein. Das wird bereits an der Terminologie deutlich: während Ausdrücke wie kausal, final, instrumental oder konditional eine zweistellige Relation bezeichnen, kennzeichnet der Ausdruck konzessiv eine mögliche Verwendung der entsprechenden Sätze. Konzessive Konnektiva scheinen sich relativ spät in der Geschichte einer Sprache zu entwickeln und werden auch relativ spät erworben (cf. König 1985 b). Im Gegensatz zu anderen Adverbialsätzen können Konzessivsätze weder im Skopus einer Negation noch im Skopus einer Frage sein. Sätze wie die folgenden können nur so verstanden werden, daß ausschließlich der H auptsatz negiert bzw. erfragt ist: (1) a. Ich werde Paul das Auto nicht verkaufen, obwohl wir befreundet sind. b. Geht Fritz spazieren, obwohl es regnet? Daß Konzessivsätze im Gegensatz zu Kausalsätzen nicht im Skopus einer vorausgehenden Negation sein können, wird auch durch die beiden folgenden Sätze verdeutlicht: (1) c. This house is no less comfortable because it dispenses with air conditioning. d. This house is no less comfortable, although it dispenses with air conditioning.
Die weitgehende Äquivalenz dieser beiden Sätze ist somit das Ergebnis unterschiedlicher Komposition: ‘not (q because p)’ vs. ‘(not q) although p’. Konzessive Beziehungen können nur von einer fokussierenden, metasprachlichen Negation betroffen werden, von einer Negation also, die nicht nur anzeigt, daß ein Satz falsch ist, sondern auch die Stelle markiert, an der eine Korrektur vorzunehmen ist. (2) Die Hutterer sind glücklich nicht obWOHL, sondern gerade WEIL sie auf irdische Güter verzichten. Im Gegensatz zu anderen Adverbialsatztypen können Konzessivsätze zudem nicht Fokus einer Gradpartikel wie nur, gerade, sogar sein oder in einer anderen fokussierenden Konstruktion vorkommen: (3) a. Nur/gerade wenn du dich anstrengst, wirst du Erfolg haben. b. *Nur/gerade/sogar obwohl er wenig gearbeitet hat, hat er viel Geld verdient. Einige der genannten besonderen Eigenschaften von konzessiven Nebensätzen, insbesondere die Tatsache, daß sie nicht im Skopus anderer Operatoren sein können, hängen vermutlich mit der Tatsache zusammen, daß Konzessivsätze im Gegensatz zu anderen Adverbialsätzen ein eigenes, mit dem des H auptsatzes nicht identisches Sprechaktpotential haben. Nach einer weitverbreiteten Auffassung haben illokutive Operatoren stets weitestmöglichen Skopus. Zu den spezifischen Eigenschaften von Konzessivsätzen gehört schließlich noch, daß sie nicht wie andere Adverbialsätze interpretativ ergänzt werden können, sondern gleichsam eine Endstation für jede Interpretationserweiterung darstellen: während sowohl Temporal- als auch Kausal- oder Konditionalsätze unter bestimmten Bedingungen konzessiv interpretiert werden, können Konzessivsätze, die explizit als solche gekennzeichnet sind, nicht analog reinterpretiert werden (cf. König 1985 a).
2.
Zur Bedeutung von konzessiven Konjunktionen
Die Wahrheitsbedingungen von Konzessivsätzen sind einfach zu beschreiben. Wie allgemein üblich wird hier die Bezeichnung Konzessivsatz nicht nur für einen bestimmten Typ
28. Konzessive Konjunktionen
von adverbialen Nebensätzen verwendet, sondern auch für das Satzgefüge, das einen solchen Nebensatz als Konstituente enthält. Sätze wie (4) oder (5) sind dann wahr, wenn auch die jeweiligen Teilsätze wahr sind (cf. Reichenbach 1947: 329): (4) Obwohl es regnet, geht Fritz spazieren. (5) Obwohl die Mannschaft nicht gut gespielt hat, hat sie auch nicht ausgesprochen schlecht gespielt. M. a. W. ein Satz der allgemeinen Form (6) impliziert logisch sowohl ‘p’ als auch ‘q’: (6) Obwohl p, (dennoch) q. Wesentlich schwieriger ist jedoch die Analyse des Beitrags von konzessiven Konnektiva zur Bedeutung eines Satzes, der über diese eben beobachtete Gemeinsamkeit mit der nebenordnenden Konjunktion und hinausgeht. Vorschläge, die dazu in den letzten zwanzig Jahren gemacht wurden, gehen kaum über die informellen Analysen hinaus, die in der ersten H älfte dieses Jahrhunderts (cf. Lerch 1925) oder auch schon in früheren Jahrhunderten gemacht wurden (cf. Weydt 1983). Die wesentlichen Punkte dieser Analysen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Konzessive Konjunktionen geben den durch sie verbundenen Sätzen p und q nicht nur einen faktischen Charakter, sondern bringen darüberhinaus zum Ausdruck, daß zwischen den durch diese Teilsätze bezeichneten Sachverhalten ein Konflikt, ein Gegensatz oder “Dissonanz“ besteht. Die durch p und q in Sätzen der allgemeinen Form (6) bezeichneten Sachverhalte sind normalerweise nicht miteinander vereinbar (cf. Quirk 1954: 4 ff; Curme 1931: 332, H eidolph et al. 1981: 806 ff). Angesichts dieser prinzipiellen Unvereinbarkeit ist der zweite Sachverhalt für Sprecher und H örer unerwartet und somit überraschend (cf. Bellert 1972; H alliday & H asan 1976: 250 ff). In die gleiche Richtung gehen all die Analysen, die den Gegensatz zwischen Kausal- und Konzessivsätzen zum Ausgangspunkt ihrer Beschreibung machen: sowohl kausale als auch konzessive Satzgefüge implizieren logisch beide Teilsätze. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Typen von adverbialen Satzgefügen besteht jedoch darin, daß in Konzessivsätzen eine normale und somit erwartete Grund-Folge Beziehung nicht verwirklicht wird (cf. Burnham 1911: 2 f; H artung 1964: 125; H ermodsson 1978: 59 ff; Moeschler & de Spengler 1981: 99). Der gemeinsame Nenner dieser Aussage könnte — bezogen auf die in (6) angegebene
633
allgemeine Form eines Konzessivsatzes — etwa folgendermaßen wiedergegeben werden: (7) p′ → normalerweise ﹁ q′ Dabei soll der Pfeil in etwa der im Deutschen durch wenn ... dann ausgedrückten Konditionalbeziehung entsprechen. p′ und q′ stehen für Verallgemeinerungen der entsprechenden Sätze p und q. Durch den Operator normalerweise kann auf ‘Normen’ der unterschiedlichsten Art Bezug genommen werden. Für Satz (4) wäre die in (7) beschriebene ‘Implikation’ von konzessiven Konjunktionen etwa als (8a) oder (8b) auszuformulieren: (8) a. Normalerweise geht Fritz nicht spazieren, wenn es regnet. b. Normalerweise geht man nicht spazieren, wenn es regnet. Die in (7) durch einen Pfeil gekennzeichnete Relation als Kausalbeziehung aufzufassen, wie es in einigen der o. g. Analysen geschieht, ist nicht sinnvoll, da dies nur für bestimmte Verwendungen von konzessiven Konjunktionen angemessen wäre. Wie später noch deutlich werden wird, können konzessive ebenso wie konditionale Konnektiva sowohl auf kausale wie auch auf epistemische Zusammenhänge Bezug nehmen. Bei Beispielen wie (9) ist die prinzipielle Unvereinbarkeit zwischen p und q natürlich nur dann gegeben, wenn angenommen wird: ‘Sokrates wußte, daß p’. (9) Obwohl der Wein vergiftet war, hat Sokrates ihn getrunken. Aus (7) folgt, daß diese Annahme hier zu dem für (9) relevanten Redehintergrund gehört. Wie schon vorher bei der Beschreibung der Wahrheitsbedingungen von Konzessivsätzen angedeutet, drückt (7) keine logische Folgerung dieser Sätze aus (cf. Reichenbach 1947: 329). Ein abnormales Projektionsverhalten ebenso wie die Löschbarkeit in bestimmten Kontexten weist (7) als konzessive Präsupposition aus. Die folgenden Beispiele zeigen, daß die in (7) formulierte ‘Implikation’ bei Einbettung von Konzessivsätzen in konditionale, interrogative oder andere Kontexte unverändert bleibt: (10) a. Wenn Fritz spazieren geht obwohl es regnet, so sage mir bitte Bescheid. b. Ich habe eben festgestellt, daß Fritz spazieren geht, obwohl es regnet. Jemand, der den in (10a) formulierten Auftrag erhält, hat lediglich zu überprüfen, ob Fritz spazieren geht und ob es regnet. Die konzes-
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sive Präsupposition des Antezedens in (10a) ist auch eine Präsupposition des gesamten Satzes. Ebenso ist in Satz (11) die prinzipielle Unvereinbarkeit von Regen und Spazierengehen nicht Gegenstand der Feststellung des Sprechers. Auch hier vererbt sich die Präsupposition des Objektsatzes auf den gesamten komplexen Satz. Reduktions-Argumente wie das folgende zeigen zudem, daß die in (7) beschriebene ‘Implikation’ löschbar ist: (11) Obwohl ich dieses Pulver in das Wasser schütte, erfolgt keine Färbung des Wassers. Das zeigt, daß dieses Pulver keine Farbänderung hervorruft. Die in (7) formulierte konzessive Präsupposition mag zwar für Sätze des Typs (4) einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, aber kaum für Sätze des Typs (5). Im zuletzt genannten Fall besteht keinerlei Unvereinbarkeit oder Konflikt zwischen den durch die beiden Teilsätze ausgedrückten Sachverhalten. In (5) schließt der zweite Teilsatz lediglich eine mit dem Wortlaut des ersten vereinbare Interpretation dieses Satzes aus und verändert die Perspektive oder ‘argumentative Orientierung’ (Ducrot), die durch den ersten Teilsatz zum Ausdruck kommt. Damit ähnelt die durch (5) illustrierte Verwendung von obwohl sehr stark typischen Verwendungsweisen von aber, wie sie in einschlägigen Arbeiten für diese deutsche Konjunktion und ihre Entsprechungen in anderen Sprachen beschrieben worden sind. Im Unterschied zu der konzessiven Präposition trotz kann aber auch in Fällen verwendet werden, wo keinerlei Konflikt oder Unvereinbarkeit zwischen zwei Propositionen besteht. Ein Mann, der von seiner Frau den Auftrag erhält, für seine zwei Kinder Eis zu kaufen und der nur 1 DM in der Tasche hat, könnte auf die Frage, ob das Geld gereicht hätte, folgendermaßen antworten: (12) (Tja) Fritz wollte ein Eis, aber Paul wollte auch eins. In dem angegebenen Kontext legt der erste Teil der Antwort den Schluß nahe ‘Das Geld hat gereicht’, während der zweite Teil einen genau entgegengesetzten Schluß suggeriert. Die generellste Analyse, die für aber oder eine Entsprechung dieser Konjunktion in einer anderen Sprache vorgeschlagen worden ist, ist m. E. in Ducrot (1976; 1980b) sowie in Anscombre und Ducrot (1973; 1977) zu finden (cf. auch Moeschler und de Spengler 1981: 100; Brauße 1983a: 6 ff). Nach dieser Analyse ist frz. mais, dt. aber oder engl. but ein Indikator dafür, daß die durch diese Kon-
VII. Semantik der Funktionswörter
junktionen verbundenen Sätze in dem relevanten Kontext ‘K’ zu einander widersprechenden Schlüssen (‘r’ und ‘﹁ r’) berechtigen, wobei das zweite Konjunkt und die darauf basierende Folgerung größeres argumentatives Gewicht hat: (13) a. p aber q b. p → r (bzw. K & p → r) c. q → ﹁ r (bzw. K & q → ﹁ r) d. q ist ein stärkeres Argument für ﹁ r als p für r. Durch K soll hier gekennzeichnet werden, daß diese Schlüsse auf einen bestimmten Kontext beschränkt sind. Diese Analyse kommt ohne die Annahme von Polysemie für aber aus und subsumiert alle anderen Analysen der entsprechenden Konjunktionen (z. B. Lakoff 1971; Abraham 1975; Lang 1977; Pusch 1975; Wunderlich 1980: 48 ff) als Spezialfälle. Zu den häufig diskutierten Spezialfällen gehören Beispiele, bei denen aus p und q Bewertungen abgeleitet werden (cf. 14) sowie Beispiele, bei denen die auf p basierende Folgerung direkt durch q verneint wird (q = ﹁ r): (14) Das Haus ist klein, aber es ist hübsch gelegen. (15) Ich würde Fritz zwar gern einmal einladen, aber ich werde es aus bestimmten Gründen nicht tun. Im Falle von (14) könnte als ‘r’ etwa die Bewertung ‘Wir sollten das H aus nicht kaufen’ angenommen werden. In (15) wird eine plausible Folgerung aus dem ersten Teilsatz (‘Ich werde Fritz einladen’) durch den zweiten Teilsatz unmittelbar negiert. Die eben für aber gegebene Analyse ist sicherlich auch für subordinierende Konjunktionen in Sätzen des Typs (5) angemessen. Zwei verschiedene Bedeutungen wie (7) und (13) für konzessive Konjunktionen, oder Konnektiva allgemein, zu unterscheiden, würde einer häufig vertretenen Auffassung voll und ganz entsprechen, nach der mindestens zwei verschiedene konzessive oder adversative Beziehungen zu unterscheiden sind. H alliday und H asan (1976: 250 ff) unterscheiden z. B. zwischen ‘externen’ und ‘internen’ adversativen Relationen. An die Stelle dieser Unterscheidung könnte man auch die zwischen adversativen Umstandsbestimmungen (z. B. 1, 4) und konzessiven Beziehungen im engeren Sinne des Wortes (5, 14, 15) setzen. ‘Konzessive Beziehungen’ wären dann als rein diskursive Beziehungen aufzufassen, in denen
28. Konzessive Konjunktionen
ein potentielles Gegenargument dem eigentlichen Argument gegenübergestellt wird. Nun ist allerdings die Ähnlichkeit zwischen (7) und (13) so groß, daß der Versuch naheliegt, beide auf eine Grundbedeutung zurückzuführen oder (7) unter (13) zu subsumieren. Der prinzipiellen Unvereinbarkeit von Sachverhalten in (7) entspricht in (13) eine Unvereinbarkeit von Schlüssen, die auf den durch eine konzessive Konjunktion verknüpften Teilsätzen basieren. In Beispielen des Typs (4) wird die Gültigkeit des in (7) formulierten generellen Zusammenhangs für eine konkrete Situation aufgehoben. In Beispielen des Typs (5) und (12) wird die Berechtigung eines Schlusses von ‘p’ auf ‘r’ für einen speziellen Kontext aufgehoben. Eine dritte Gemeinsamkeit liegt in der Kontextabhängigkeit der in (7) und (13) beschriebenen Aspekte konzessiver Bedeutung. Daß die Schlüsse von ‘p’ auf ‘r’ und von ‘q’ auf ‘﹁ r’ nur für einen speziellen Kontext ‘K’ gültig sind, wurde bereits erwähnt. Der Operator normalerweise in (7) markiert im Grunde ebenso eine kontextuelle Beschränkung: der in (7) formulierte Zusammenhang gilt für Standardkontexte, für Kontexte also, in denen Dinge einen normalen Verlauf nehmen. Als vierte Gemeinsamkeit sei schließlich noch die Asymmetrie konzessiver Beziehungen angeführt. Wie bereits erwähnt, können durch aber verbundene Konjunkte, ebenso wie die beiden Teilsätze in Beispielen des Typs (5), nicht vertauscht werden, ohne die generelle ‘argumentative Orientierung’ (Ducrot) der Sätze und damit vollziehbarer Sprechakte zu verändern. Auch in Beispielen des Typs (4) sind die Teilsätze ohne Veränderung der Bedeutung nicht vertauschbar. Wenn einer der beiden Sachverhalte, die in eine konzessive Beziehung gesetzt werden, als primär angenommen werden kann, wenn er also dem anderen zeitlich vorausgeht wie in (16a), oder wenn er im Gegensatz zum zweiten Sachverhalt nicht menschlicher Kontrolle unterworfen ist (cf. 4), dann wird durch eine Vertauschung der Teilsätze der kausale Charakter der Beziehung in einen epistemischen verändert: (16) a. Obwohl Fritz schlechte Erfahrungen mit Gebrauchtwagen gemacht hat, hat er sich wieder einen gekauft. b. Obwohl sich Paul wieder einen Gebrauchtwagen gekauft hat, hat er schlechte Erfahrungen damit gemacht. (17) Es regnet, obwohl Paul spazieren geht. (cf. 4)
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Ebenso wie (5) oder (12) können auch Sätze wie (16b) oder (17) dazu verwendet werden, vor naheliegenden aber in diesem Fall falschen Folgerungen zu warnen. (Einige konzessive Konnektiva, wie z. B. allerdings im Deutschen oder das Konjunktionaladverb though im Englischen sind im wesentlichen auf die Funktion, vor naheliegenden, aber falschen Schlüssen zu warnen und die Tragweite des vorher Gesagten einzuschränken, festgelegt.)
3.
Beziehung zu Konditionalsätzen
Die Tatsache, daß wir nur sehr wenig über Konzessivität wissen, läßt es ratsam erscheinen, die Bedeutung von Konzessivsätzen nicht nur direkt, sondern auch indirekt, d. h. durch Kontrastierung mit verwandten Erscheinungen zu beschreiben. Die im letzten Abschnitt skizzierte Analyse von konzessiven Konjunktionen erlaubt es uns, Konzessivsätze von Konditionalsätzen, aber auch von Konstruktionen zu unterscheiden, die häufig als ‘konzessiv’ bezeichnet werden, aber gleichsam zwischen Konditionalsätzen und Konzessivsätzen anzusiedeln sind und sinnvollerweise als ‘Irrelevanzkonditionale’ oder ‘konzessive Konditionale’ zu bezeichnen wären (cf. König 1985 a). Eine Unterscheidung zwischen Konditionalsätzen, Konzessivsätzen und Irrelevanzkonditionalen ist am besten auf der Grundlage der semantischen Beziehungen möglich, die zwischen dem jeweiligen komplexen Satz und den Teilsätzen bestehen. Konditionalsätze implizieren logisch weder ihr Antezedens noch ihr Konsequens. Konzessivsätze implizieren, wie schon erwähnt, beide Teilsätze. Irrelevanzkonditionale unterscheiden sich von Konditionalen dadurch, daß sie einen konditionalen Zusammenhang zwischen einem Konsequens und einer ganzen Reihe von Antezedensbedingungen herstellen, die durch die Alternative ‘p’ oder ‘﹁ p’, durch einen Allquantor oder durch einen skalaren Ausdruck beschrieben sein kann: (18) a. (Ganz gleich) ob ich eingeladen werde oder nicht, ich werde nicht zu dieser Feier gehen. b. Wieviel er mir auch immer bieten mag, ich werde es nicht tun. c. Selbst/auch wenn mir keiner hilft, ich werde es schaffen. Ebenso wie Konzessivsätze implizieren auch Irrelevanzkonditionale ihr Konsequens. (Für Sätze des Typs (18b) und (18c) gilt dies nur
VII. Semantik der Funktionswörter
636
unter bestimmten Bedingungen, cf. König 1985 a; Sätze des Typs (18a), implizieren (trivialerweise) auch ihr Antezedens.) Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Konstruktionstypen besteht darin, daß auch bei Irrelevanzkonditionalen eine der genannten ‘Bedingungen’ in einem prinzipiellen Konflikt zu dem im Konsequens genannten Sachverhalt steht.
4.
Beziehung zu Kausalsätzen
Weitere Einsichten in die Bedeutung von Konzessivsätzen vermittelt auch ein Vergleich mit Kausalsätzen. Daß Konzessivsätze wie Kausalsätze beide Teilsätze logisch implizieren, wurde schon erwähnt. Beispiele wie (2) zeigen jedoch, daß Konzessivsätze einen Gegensatz zu Kausalsätzen ausdrücken können. Durch die kontrastierende metasprachliche Negation wird in (2) die von dem Konzessivsatz präsupponierte und in (7) beschriebene prinzipielle Beziehung zwischen den durch die Teilsätze ausgedrückten Sachverhalte verworfen. Die Korrektur durch eine kausale Konjunktion bringt zum Ausdruck, daß diese Sachverhalte generellen Zusammenhängen nicht zuwider, sondern mit ihnen konform verlaufen. Dieser Gegensatz zwischen Kausalsätzen und Konzessivsätzen ist auch in Beispielen des folgenden Typs deutlich: (19) Er ist weggefahren, obwohl seine Schwiegermutter kommt oder weil seine Schwiegermutter kommt. Eine Äußerung wie (19) verrät mangelndes Wissen über den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen den genannten Tatbeständen. Der eben beschriebene Kontrast zwischen Kausal- und Konzessivsätzen schließt natürlich nicht aus, daß ein Kausalsatz als ‘Argument’ in einer konzessiven Beziehung fungiert oder umgekehrt:
(20) a. Ich muß mir das alles anhören, obwohl ich deshalb mein Examen verpasse. b. ☐ p, obwohl (weil p, q) Bemerkenswert ist angesichts der vorausgegangenen Beobachtungen jedoch, daß ein einfacher Satz sowohl ein kausales als auch ein konzessives Konjunktionaladverb enthalten kann und somit in eine kausale als auch in eine konzessive Beziehung zum vorausgehenden Ko-text gesetzt wird: (21) (A. (zu Kindern) Warum darf Ali bei euch nicht mitspielen? B. Er ist Türke.) C. Deswegen kann er doch trotzdem mitspielen. Durch eine solche Äußerung wird die Annahme, auf der die von B gegebene Antwort basiert, d. h. eine Annahme der Form (7) zurückgewiesen. Beispiele wie diese suggerieren, daß zwischen Konzessivsätzen und Kausalsätzen die semantische Beziehung der Dualität besteht. Diese Beziehung kann immer dann auftreten, wenn zwei Verneinungsmöglichkeiten in einem Satz bestehen, wie z. B. bei Sätzen mit Quantoren oder Operatoren (Adverbialen). In diesen Fällen kann sowohl der Gesamtsatz als auch der Teilsatz bzw. das Prädikat ohne Operator und Quantor negiert sein (äußere vs. innere Negation). Das klarste Beispiel für eine solche Analyse ist H ermodsson (1978). H ermodsson plädiert sogar dafür, die traditionelle Bezeichnung konzessiv durch inkausal zu ersetzen. Darstellen läßt sich dies in dem Dualitätsdiagramm (22) für Kausalund Konzessivsätze (vgl. Löbner 1986). Diagonal gegenüberliegende Elemente stehen in einem dualen Verhältnis zueinander. Die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Beziehung zwischen Kausal- und Konzessivsätzen:
28. Konzessive Konjunktionen
(23) a. Es ist nicht der Fall, daß Paul weil er krank ist zu Hause bleibt. b. Obwohl Paul krank ist, bleibt er nicht zu Hause. (24) a. Paul ist krank. Deswegen bleibt er aber nicht zu Hause. b. Paul ist krank, ohne deswegen zu Hause zu bleiben. c. Paul ist krank. Trotzdem bleibt er nicht zu Hause. d. Paul ist krank. Deswegen bleibt er trotzdem nicht zu Hause. In all diesen Fällen ist ein Kausalsatz mit weitem Skopus der Negation einem Konzessivsatz äquivalent, dessen H auptsatz negiert ist. Zu beachten ist hier allerdings, daß es sich bei der Negation nicht um die fokussierende nicht ... sondern Negation handelt. Weitere Evidenz für die These, daß Konzessivsätze in einer dualen Beziehung zu Kausalsätzen stehen, bietet die Tatsache, daß ehemalige kausale oder korrelative Konjunktionen sich in negativen Kontexten zu konzessiven Konjunktionen entwickelt haben. Eine solche Entwicklung hat z. B. die Konjunktion pour autant im Französischen durchgemacht, die noch im 16. Jahrhundert eine rein kausale Beziehung ausdrückte: (25) Il est riche. Il n’est pas pour autant heureux.
5.
Pragmatische Aspekte
Eine Analyse, die sich mit der Formulierung von Wahrheitsbedingungen begnügt, blendet wesentliche Aspekte der Bedeutung von Konzessivsätzen aus (cf. König und Eisenberg 1984). Die vorausgegangene Diskussion hat bereits mehrfach deutlich gemacht, daß wichtige Aspekte dieser Bedeutung etwas mit der Verwendung dieser Sätze in Argumentationen und Sprechakten zu tun haben und somit in einen Bereich fallen, der als ‘Pragmatik’ von ‘Semantik’ im engeren Sinn abgegrenzt wird (cf. Levinson 1983). Schon allein die traditionelle Bezeichnung konzessiv macht dies deutlich. Konzessivsätze werden häufig dann verwendet, wenn man mit der Prämisse eines Arguments übereinstimmt, aber den daraus gezogenen Schluß zurückweist. Indem man Konzessivsätze in dieser Weise verwendet, akzeptiert man neben der Prämisse auch das was Toulmin (1958) warrant eines Arguments nennt, d. h. den Zusammenhang zwischen den genannten Fakten, auf Grund dessen die Prämisse für die Schlußfolgerung herangezogen werden kann. An Toulmins berühmtem Beispiel (26a) läßt sich dies gut verdeutlichen (cf.
637
Klein 1980): (26) a. Harry ist auf den Bermudas geboren. Also ist er britischer Staatsbürger. b. Obwohl Harry auf den Bermudas geboren ist, ist er nicht britischer Staatsbürger. Indem ein Sprecher (26b) verwendet, um die Folgerung in (26a) zurückzuweisen, akzeptiert und konzediert er damit nicht nur die Prämisse von (26a), sondern auch die Annahme über einen generellen Zusammenhang einer Geburt auf den Bahamas und der britischen Staatsangehörigkeit, die in (26a) zum Ausdruck kommt. Nach den vorangegangenen Ausführungen dürfte deutlich sein, daß diese Verwendungsweise letztlich ein Reflex der dualen Beziehung zwischen Kausalität und Konzessivität ist. Nicht immer wird in dem konzessiv markierten Teilsatz einer konzessiven Verbindung eine Aussage des Gesprächspartners aufgegriffen. Der Sprecher kann auch einen Einwand gegen das im anderen Teilsatz behauptete Faktum konzedieren. Wie in der vorher beschriebenen Situation, so besteht auch in dieser Situation nur eine partielle Übereinstimmung zwischen den Gesprächspartnern. Der Sprecher sieht sich auch gezwungen, seinem Gesprächspartner zu widersprechen. Auf Grund dessen, was wir aus der Konversationsanalyse über H öflichkeitsmaximen, ‘face work’ und ‘preference ordering’ wissen (cf. Levinson 1983: 332 ff), ist in einer solchen Situation zu erwarten, daß ein Sprecher seine Übereinstimmung besonders betont und seinen Widerspruch herunterspielt. Viele emphatische Ausdrucksmittel, die für den als ‘konzessiv’ markierten Teilsatz in vielen Sprachen charakteristisch sind (z. B. zwar, durchaus, trotz allem, allerdings, wohl, etc.) finden in dieser Konfliktsituation eine natürliche Erklärung. Einige dieser emphatischen Ausdrucksmittel lassen stets einen Einwand oder eine ‘argumentative Umorientierung’ als Folgebeitrag erwarten. So sind z. B. Sätze mit dt. zwar, engl. true oder frz. certes elliptisch und verlangen eine Fortführung durch einen Satz mit aber bzw. but und mais: (26) a. Er ist zwar noch sehr jung, (aber ...) b. True, he is still very young (but ...)
6.
Affinität zu anderen semantischen Bereichen
Gewisse Einsichten in die Bedeutung von konzessiven Konnektiva vermittelt uns auch ihre etymologische Analyse. Konzessive Kon-
VII. Semantik der Funktionswörter
638
nektiva sind in der Regel morphologisch komplex. Die Grundbedeutung der am Aufbau dieser Konnektiva beteiligten Morpheme liefert wichtige Aufschlüsse über Affinitäten zwischen Konzessivität und anderen semantischen Bereichen sowie über die historische Entwicklung dieser Konnektiva. Auf der Grundlage ihres morphologischen Aufbaus und der semantischen Affinität, die aus diesem Aufbau deutlich wird, lassen sich konzessive Konnektiva in vier (oder fünf) große Gruppen einteilen (cf. König 1985 b; 1985 c): (i) In vielen Sprachen enthalten diese Konnektiva eine Komponente, die auch als Allquantor verwendet wird, oder genauer gesagt, als Quantor, der ‘freie Wahl’ signalisiert. Zu dieser Gruppe können wir auch all jene Ausdrücke zählen, die Begriffe des ‘Wollens’ oder der ‘Wahl’ unmittelbar zum Ausdruck bringen (cf. Haiman, 1974): (27) dt. bei all — ... allerdings; engl. although, all the same, albeit, however;lat. quamquam; frz. toutefois; finn. vaikka ‘obwohl’ (cf. vaikka kuka ‘wer auch immer’); ungar. habár ‘obwohl’ (cf. ha ‘wenn’, bárki ‘wer auch immer’); russ. vsë-taki, chotja; chin. swéi rán ... dōu/ yě ‘obwohl ... dennoch’ (cf. dōu ‘alles’, yě ‘auch’); Margi kwá, kó, etc. (ii) Konzessive Konnektiva sind häufig als Ergebnis einer Kombination von (ursprünglich) konditionalen oder temporalen Konjunktionen wie dt. wenn, ob und additiven oder emphatischen Partikeln wie dt. auch, gleich, schon, wohl analysierbar: (28) dt. ob-gleich, ob-wohl, ob-schon, wenngleich, wenn ... auch; engl. even though, even so; lat. et-si; frz. quand même; finn. jos-kin ‘wenn-auch’; Malayalam -enkilum (‘wenn auch’); Ewe ne-ha (‘wennund/auch’); Sesotho le ha ‘obwohl’ (‘auch/selbst wenn’); Bengali jodi-o (jodi ‘wenn’, o ‘auch’); Lahu thô, kà ‘auch, sogar, obwohl’. (iii) Eine weitere Gruppe von konzessiven Konnektiva läßt sich auf Grund der Tatsache von anderen Gruppen unterscheiden, daß die betreffenden Konnektiva ‘bemerkenswerte Ko-existenz oder Ko-okkurenz’ (z. B. ‘Gleichzeitigkeit’ etc.) in ihrer ursprünglichen Bedeutung ausdrücken bzw. implizieren: (29) dt. dennoch, unbeschadet; engl. nevertheless, just the same, still, yet; lat. nihilominus; frz. n’empêche que, cependant; span. aunque; japan. nagara ‘während/ obwohl’; chin. hài ‘noch, dennoch’; indones. sekali-pun (‘zugleich — sogar’); tibet. yan ‘auch, noch, obwohl’.
(iv) Für die folgenden Beispiele gilt schließlich, daß sie alle von Begriffen abgeleitet sind (z. B. ‘Trotz’, ‘Gedankenlosigkeit’, ‘Verachtung’), die ursprünglich nur von menschlichen Subjekten prädiziert werden konnten: (30) dt. trotz; engl. in spite of; frz. au mépris de, mal-gré; span. a pesar de; ndl. ondanks, in weerwil van; serb. kroat. uprkos, etc. Die eben beschriebenen Zusammenhänge, die sich aus einem synchronen Vergleich einer Vielzahl von Sprachen ergeben, sowie detaillierte historische Betrachtungen in einzelnen Sprachen (cf. König 1985 c) zeigen bestimmte Grundlinien der Entwicklung auf: Konzessivsätze haben sich in vielen Fällen aus Konditionalsätzen, insbesondere aus Irrelevanzkonditionalen des Typs (18), entwickelt, wobei das Antezedens dieser Konditionale durch den vorausgehenden Ko-text oder durch eine emphatische Partikel einen faktischen Charakter erhielt. Für die Mitglieder der Gruppe (iii) ist die Annahme plausibel, daß sich die konzessive Bedeutung aus einer Konventionalisierung konversationeller Implikaturen ergeben kann, die durch die Assertion von bemerkenswerter Koexistenz oder Ko-okkurenz generell ausgelöst werden. Die Elemente der vierten Gruppe können schließlich als Ergebnis eines Prozesses des ‘Ausbleichens’ von Begriffen angesehen werden, die ursprünglich nur von menschlichen Subjekten prädiziert werden konnten.
7.
Offene Probleme
Die vorausgegangene Zusammenfassung unseres Wissens über die Bedeutung von konzessiven Konjunktionen hat viele Fragen unbeantwortet gelassen oder gar nicht erst gestellt. Zu den interessanten offenen Problemen in diesem Bereich gehört u. a. die Frage nach dem Einfluß verschiedener formaler Variationsmöglichkeiten auf die Bedeutung von Konzessivsätzen: der Einfluß der Stellung des als konzessiv markierten Nebensatzes vor oder hinter dem H auptsatz, der Einfluß einer unterschiedlichen Einteilung in Tongruppen, oder der Einfluß der durch die Beispiele (16) und (18) illustrierten Variation in der Wortstellung, die z. B. im Deutschen oder Niederländischen zu beobachten ist. Unberührt ist auch die Frage nach den Bedeutungsunter-
29. Modality
schieden geblieben, die durch verschiedene konzessive Konnektiva in einer Sprache ausdrückbar ist. In den Untersuchungen von Brauße (1983a) für das Deutsche, Borkin (1980) für das Englische und Morel (1980) für das Französische liegen hier interessante Ansätze vor. Zu den offenen Problemen gehört aber letztlich auch noch die Frage, die im Mittelpunkt der vorausgegangenen Ausführungen stand: eine präzise Beschreibung des Beitrages von konzessiven Konjunktionen, die über die genannten Wahrheitsbedingungen hinausgeht und als ‘konzessive Präsupposition’ bezeichnet wurde. Der vorliegende Beitrag wurde während eines Aufenthaltes am Netherlands Institute for A dvanced Study geschrieben. Für die Unterstützung, die ich dort erhalten habe, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Außerdem danke ich S. Löbner für wertvolle Anregungen bezüglich des Verhältnisses von Kausalität und Konzessivität.
8.
639
Abraham 1975 · Anscombre 1976 · Anscombre/ Ducrot 1976 · Bartori 1975 · Borkin 1982 · Brauße 1983a · Burnham 1911 · Curme 1931 · van Dijk 1977a · Ducrot 1973 · Ducrot 1980b · H aiman 1974 · Halliday/Hasan 1976 · Hartung 1964 · Heidolph et al. 1981 · Hermodsson 1978 · Klein 1980 · König 1985a · König 1985b · König 1985c · König 1988 · König 1989 · Lakoff 1971 · Lang 1977 · Lerch 1929 · Levinson 1983 · Löbner 1986 · Mazzoleni 1988 · Moeschler/de Spengler 1981 · Morel 1980 · Pusch 1975 · Quirk 1954 · Quirk et al. 1972 · Reichenbach 1947 · Toulmin 1958 · Valentin (ed.) 1983 · Wunderlich 1980 Ekkehard König, Berlin (Bundesrepublik Deutschland)
Literatur (in Kurzform)
29. Modality 1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Relative Modality The Semantics of Modal Words: A First Attempt Some Shortcomings of the Standard Analysis Inconsistencies Conditionals Graded Notions of Modality Graded Modality in the Epistemic Domain Two Basic Kinds of Modal Reasoning Ordering Sources for Circumstantial Modal Bases Overcoming Inconsistencies Conditional Modality The Semantic Field of Modal Expressions Short Bibliography
„... while it is not absolutely impossible, it is nonetheless quite difficult for Nature to construct an angel from an extant phylogeny. In addition to the arms and the legs of a human, an angel has a set of wings along its back, and wings are complex structures sculpted of muscles, bones, and nerves (an angel’s wings are covered with feathers). ... the back of a mammal has no preexisting structures that can be stretched or shrunk, folded or bent into a wing. To make an angel, the fundamental ground plan of the existing elements must be tampered with and new structures must be generated without precedent. This Nature cannot easily do ...” Michael J. Katz (1987)
1.
Relative Modality
Modality has to do with necessity and possibility. In a language like English, modality can be expressed by auxiliaries as in (1), (1) New structures must be generated. New structures can be generated. by adjectives, adverbs and nouns as in (2), (2) This is not absolutely impossible. This is a remote possibility. Possibly, we will return soon. by suffixes as in (3), (3) Such thoughts are not expressible in any human language. or else modality may be inherent in the verb as in (4): (4) (4) This car goes twenty miles an hour. Modal words have usually been thought to be ambiguous. (5) illustrates the epistemic reading of must (5) Jockl must have been the murderer. (in view of the available evidence, Jockl must have been the murderer) (6) is an example for the deontic reading of must:
VII. Semantik der Funktionswörter
640
(6) Jockl must go to jail. (in view of what the law provides, Jockl must go to jail) (7), (8), and (9) contain modals which have a circumstantial interpretation: (7) Jockl must sneeze. (in view of the present state of his nose etc., Jockl must sneeze) (8) Jockl can lift the rock. (given the weight of the rock and the condition of Jockl’s muscles etc., Jockl can lift this rock) (9) Jockl couldn’t see the train arrive. (given that Jockl is short sighted and the train was far away, Jockl couldn’t see the train arrive) Sentences (5) to (9) are accompanied by a paraphrase spelling out how the modal in each sentence is to be understood. The modal in (5) means ‘necessary in view of the available evidence’. The must in (6) means ‘necessary in view of the law’. The different occurrences of can in (7) to (9) mean ‘possible given the relevant circumstances’. You will have noted that each of the paraphrases given contains itself a modal. What do those modals mean? Take the paraphrase for sentence (5). In this paraphrase, must doesn’t mean ‘necessary in view of the available evidence’. If it did, the phrase in view of the available evidence would be redundant. The modal in the paraphrase for sentence (5), then, is a ‘neutral’ sort of modal, and so are the modals in the other paraphrases. Neutral modals are not ambiguous. They come with a phrase like in view of ... or given that ... specifying the kind of modality involved. Non-neutral modals lack such an in view of ... or given that ... phrase. H ence one and the same expression is open to a variety of interpretations. The existence of neutral modals suggests that non-neutral modals are not truly ambiguous. They just need a piece of information to be provided by the context of use. The only difference between neutral and nonneutral modals, then, is that the kind of modality is linguistically specified in the former, but provided by the non-linguistic context in the latter. Modality is always relative modality. This was clearly seen by C. S. Peirce: „... first let me say that I use the word information to mean a state of knowledge, which may range from total ignorance of everything except the meanings of words up to omniscience; and by informational I mean relative to such a state of knowledge. Thus by ‘informationally possible’, I mean possible so far as we, or the person considered
know. Then the informationally possible is that which in a given information is not perfectly known not to be true. The informationally necessary is that which is perfectly known to be true ... The information considered may be our actual information. In that case, we may speak of what is possible, necessary or contingent, for the present. Or it may be some hypothetical state of knowledge. Imagining ourselves to be thoroughly acquainted with all the laws of nature and their consequences, but be ignorant of all particular facts, what we should then not know not to be true is said to be physically possible; and the phrase physically necessary has an analogous meaning. If we imagine ourselves to know what the resources of men are, but not what their dispositions and their desires are, what we do not know will not be done is said practically possible; and the phrase practically necessary bears an analogous signification. Thus the possible varies its meaning continually. We speak of things mathematically and metaphysically possible, meaning states of things which the most perfect mathematician or metaphysician does not qua mathematician or metaphysician know not to be true.” (Peirce 1933: 42 f.)
2.
The Semantics of Modal Words: A First Attempt
We have seen that modal words require for their interpretation a specification of the kind of modality involved. This specification can be given by linguistic or non-linguistic means. Linguistic means for specifying the necessary piece of information are phrases like in view of what we know, given the regulations, in view of what the law provides and what have you. In what follows, let us confine our attention to those cases of modals where the kind of modality is specified by the context of use. We will consider sentences like (5) to (9) above. Such sentences express a proposition only if a context parameter specifying the kind of modality has been fixed. To make our ensuing discussion a little bit more precise, we have to review a few notions of possible worlds semantics. Propositions Utterances of sentences express propositions. In possible worlds semantics, a proposition is identified with the set of possible worlds in which it is true. Suppose we are given a set W of possible worlds. A proposition is then a subset of W. Truth of a proposition A proposition p is true in a world w ∈ W iff w ∈ p. Otherwise, p is false in w.
29. Modality
Logical consequence A proposition p follows from a set of propositions A iff p is true in all worlds of W in which all propositions of A are true. Consistency A set of propositions A is consistent iff there is a world in W where all propositions of A are true. Logical Compatibility A proposition p is compatible with a set of propositions A iff A {p} is consistent. Conversational backgrounds A conversational background is the sort of entity denoted by phrases like what the law provides, what we know etc. Take the phrase what the law provides. What the law provides is different from one possible world to another. And what the law provides in a particular world is a set of propositions. Likewise, what we know differs from world to world. And what we know in a particular world is a set of propositions. The denotation of what the law provides will then be that function which assigns to every possible world the set of propositions p such that the law provides that p in that world. And the denotation of what we know is that function which assigns to every possible world the set of propositions we know in that world. Quite generally, conversational backgrounds are functions which assign to every member of W a subset of the power set of W. We are now in the position to make a first attempt at writing down what the meaning of modals like must, or can might be (parallel analyses would be given to other modal words like might, necessarily or possibly). Syntactically, modal words are sentence operators at some level of logical form. If you prefix a sentence with a modal you get another sentence. The result expresses a proposition once a conversational background has been provided by the context of use. Where α is any sentence and f is any conversational background, let us write ⟦α⟧f for the proposition expressed by α with respect to f. If α contains a modal, the proposition expressed by α will crucially depend on the parameter f. If α doesn’t contain a modal, f does not have any work to do. That is, ⟦The roof is falling down⟧f is the set of possible worlds in which the roof is falling down. For reasons of simplicity, we will not deal with cases where a sentence may contain several modals each requiring a different conversational background. (See Kratzer 1978 for a more dynamic interpretation.) For any sentence a and any conversational background f we have:
641
Definition 1 ⟦must α⟧f = {w ∈ W: ⟦α⟧f follows from f(w)} ⟦can α⟧f = {w ∈ W: ⟦α⟧f is compatibel with f(w)} According to these definitions, the proposition expressed by my utterance of sentence (10) (10) Jockl must have been the murderer (in view of what we know). is true in a world w if and only if it follows from what we know in w that Jockl is the murderer. And the proposition expressed by my utterance of sentence (11) (11) Jockl might have been the murderer (in view of what we know). is true in a world w if and only if it is compatible with what is known in w that Jockl is the murderer. The analysis correctly predicts that modal statements of the sort we have considered so far are contingent, they are neither necessarily true nor necessarily false. That Jockl must have been the murderer (in view of what we know) is a fact of our world, but it is not a necessary truth. H ad our knowledge been different, it might not have implied anymore that Jockl is the murderer. The analysis also tells us that the meaning of must is related to the meaning of can in a certain way. Must and can are duals of each other (and so are must and might, necessarily and possibly). This means that the propositions expressed by the following two sentences are logically equivalent (for a given conversational background): (12) a. We must rehearse for the play. b. We cannot not rehearse for the play. If it is necessary to rehearse for the play, then it is not possible not to rehearse for the play. Likewise, the propositions expressed by the following two sentences are logically equivalent (for a given conversational background): (13) a. We can rehearse for the play. b. It’s not the case that we must not rehearse for the play. If it is possible to rehearse for the play, then it is not necessary not to rehearse for the play. So far, our analysis isn’t really any different from the customary analysis of modals in terms of accessibility relations. (See H ughes & Cresswell 1968 or Bull & Segerberg 1984 for good introductions and further refer-
VII. Semantik der Funktionswörter
642
ences.) Let us see why. An accessibility relation is a binary relation on the set of all possible worlds. Intuitively, accessibility relations correspond to notions like ‘is epistemically accessible from’, ‘is deontically accessible from’ etc. A world w′ is epistemically accessible from a world w if and only if w′ is compatible with everything we know in w. A world w′ is deontically accessible from a world w if and only if w′ is compatible with everything the law provides in w. For any sentence a and any accessibility relation R, we have: Definition 2 ⟦must α⟧R {w ∈ W: w′ ∈ ⟦α⟧R, for all w′ such = that wRw′} ⟦can α⟧R ={w ∈ W: w′ ∈ ⟦α⟧R, for some w′ such that wRw′} Note now that every conversational background f uniquely determines an accessibility relation Rf as follows: Definition 3 For all w,w′ ∈ W: wRfw′ iff w′ ∈ ∩f(w) This means that we could just as well specify the meaning of must and can in terms of the accessibility relation determined by the conversational background under consideration. For any sentence a and any conversational background f, we might have the following two definitions which are equivalent to the ones given above (definition 1): Definition 4 ⟦must α⟧f {w ∈ W: w′ ∈ ⟦α⟧f, for all w′ such = that wRfw′} ⟦can α⟧f = {w ∈ W: w′ ∈ ⟦α⟧f, for some w′ such that wRfw′} Let us briefly stop here, and summarize what we have accomplished so far. We have been looking at a semantic analysis of modals which ultimately boils down to the analysis of modality familiar from modal logic (let us call this analysis the standard analysis). The standard analysis correctly accounts for the relativity of modality, the contingency of modal statements, and the duality of must and can (and similar pairs). In the remainder of this contribution, I am going to point out some shortcomings of the standard analysis and make a different proposal (originally made in Kratzer 1981).
3.
Some Shortcomings of the Standard Analysis
3.1 Inconsistencies In Kratzer (1977), I consider a case which
roughly goes as follows: Judgments Let us imagine a country where the only source of law is the judgments which are handed down. There are no hierarchies of judges, and all judgments have equal weight. There are no majorities to be considered. There is one judgment which provides that murder is a crime. Never in the whole history of the country has anyone dared to attack this judgment. There are other judgments, however. Sometimes, judges have not agreed. H ere is an example of such a disagreement: Judge A decided that owners of goats are liable for damage their animals inflict on flowers and vegetables. Judge B handed down a judgment providing that owners of goats are not liable for damage caused by their animals. Owners of gardens have to construct adequate fencing. This means that the set of propositions corresponding to the judgments handed down in the country we are considering is an inconsistent set of propositions. The standard analysis cannot cope with such a situation. It would predict that (given our scenario) the propositions expressed by the following two sentences should both be true: (14) in view of what the judgments provide a. Murder is necessarily a crime. b. Murder is necessarily not a crime. On the other hand, the propositions expressed by the following two sentences should both be false: (15) in view of what the judgments provide a. Owners of goats are possibly liable for damage caused by their animals. b. Owners of goats are possibly not liable for damage caused by their animals. Since the set of propositions which form the content of the law in the world under consideration is inconsistent, every proposition follows from it, and no proposition is compatible with it. These consequences are all the more annoying since we have clear intuitions as to what should and should not come out true in our case: Murder must be a crime, and goat owners might or might not be liable for damage caused by their animals. 3.2 Conditionals Conditionals are another area where the flaws of the standard analysis make their presence unpleasantly felt. A good example is the so called Samaritan Paradox of deontic logic. (There is an extensive literature on the interaction of deontic modal operators and con-
29. Modality
ditionals. See e. g. Åqvist 1984 for an overview and detailed references. See also Feldman 1986.) H ere is a version of the paradox: Suppose that the law provides that nobody be murdered. Suppose furthermore that the law provides that if a murder occurs, the murderer will go to jail. The following two sentences give the relevant content of the law: (16) a. No murder occurs. b. If a murder occurs, the murderer will go to jail. Given the standard analysis of modality and the standard analysis of conditionals (in terms of a two-place connective interpreted as material implication), we predict that (for a conversational background like ‘in view of what the law provides’) the propositions expressed by the following sentences should all be true: (17) It is necessary that a. if a murder occurs, the murderer will go to jail. b. if a murder occurs, the murderer will be knighted. c. if a murder occurs, the murderer will be given $ 100. d. if a murder occurs, the murderer will be fined $ 100. ... While the set of propositions which constitute the content of what the law provides in our scenario is consistent, it has nevertheless strange implications. It implies any old conditional whose antecedent is the proposition ‘a murder occurs’. At this point, we don’t yet know which of our assumptions has to be blamed for this ugly consequence. Is it the standard analysis of modals, or is it the standard analysis for conditionals? We will see shortly that an adequate analysis for modality will naturally lead to a very different analysis of conditionals. 3.3 Graded Notions of Modality Modal words are gradable in many ways. Here are a few examples. (18) a. It is barely possible to climb Mount Everest without oxygen. b. It is easily possible to climb Mount Toby. c. They are more likely to climb the West Ridge than the Southeast Face. d. It would be more desirable to climb the West Ridge by the Direct Route.
643
On the standard analysis of modality, the notion of, say, possibility is captured through the notion of logical compatibility. Now a proposition is or isn’t compatible with a set of propositions. It cannot be more or less compatible. Or barely compatible, or easily compatible. The standard analysis, then, cannot cope with graded notions of possibility.
4.
Graded Modality in the Epistemic Domain
To get a better understanding of what is involved in graded modality, let us take a closer look at modal notions in one selected domain, the domain of epistemic modality. The example we are going to examine is from Kratzer (1981). The murder Girgl has been murdered on his way home. The police begin an investigation. Certain conclusions may be drawn from what is known about the circumstances of the crime. Utterances of the following sort might have occurred in such a situation: (19) a. Michl must be the murderer. b. Michl is probably the murderer. c. There is a good possibility that Michl is the murderer. d. Michl might be the murderer. e. There is a slight possibility that Michl is the murderer. f. There is a slight possibility that Michl is not the murderer. g Michl is more likely to be the murderer than Jakl. The police inspector does not know what the real world looks like in every detail. Yet he can draw conclusions from the evidence available to him. At any time, this evidence is compatible with a set of worlds which, for all he knows, could be the real world. These worlds are the epistemically accessible worlds. Some worlds among the epistemically accessible worlds are more far-fetched than others. A world where Jakl is the murderer is much more far-fetched than a world where Michl has killed Girgl. Michl has never really liked Girgl, but Jakl got along very well with him. Even more far-fetched are worlds where someone from another town, from another country, from another continent, or another planet has murdered Girgl. Far-fetched in which respect? With respect to what is actually the case in the real world? This doesn’t seem right since, sometimes, things which are almost impossible turn out to be true. This is
VII. Semantik der Funktionswörter
644
what usually happens in good detective stories. The most unlikely candidate turns out to be the murderer. If it is pretty far-fetched that someone from another continent or another planet has killed Girgl, then it is because such events don’t correspond to the normal course of events. Normally you need a motive for murdering someone. A man from another planet is likely to lack such a motive. It couldn’t have been for money. There is no evidence that Girgl was robbed. All his money was found on him. In view of the normal course of events, it is far-fetched that somebody from another planet murdered Girgl. In this example, the epistemic conversational background (‘in view of the available evidence’) determines for every world the set of worlds which are epistemically accessible from it. It forms the modal base. There is a second conversational background involved in the above pieces of modal reasoning. We may want to call it a stereotypical conversational background (‘in view of the normal course of events’). For each world, the second conversational background induces an ordering on the set of worlds accessible from that world. It functions as the ordering source. Quite generally, a set of propositions A induces a partial ordering ≤A on W in the following way (Lewis 1981): Definition 5 For all w, w′ ∈ W, for any A ⊆ (W): w ≤ A w′ iff {p: p ∈ A and w′ ∈ p} ⊆ {p: p ∈ A and w ∈ p} A world w is at least as close to the ideal represented by A as a world w′ iff all propositions of A which are true in w′ are true in w as well. We can now define an interesting set of modal notions which correspond to the modal expressions occurring in the sentences (19a) to (19g). These modal notions are doubly relative. They depend on two conversational backgrounds. (The definition of modal notions given here differ from the ones presented in Kratzer 1981. I’d like to thank Fred Landman for pointing out a mistake in Kratzer 1981 which is corrected here.) Definition 6 A proposition p is a necessity in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff the following condition is satisfied: For all u ∈ f(w) there is a v ∈ f(w) such that v ≤ u and g(w) for all z ∈ f(w): if z ≤ g(w) v, then z ∈ p.
The definition is in the spirit of Lewis (1981). Roughly, it says that a proposition is a necessity if and only if it is true in all accessible worlds which come closest to the ideal established by the ordering source. The definition would be less complicated if we could quite generally assume the existence of such ‘closest’ worlds. Definition 7 A proposition p is a good possibility in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff there is a world u ∈ f(w) such that for all v ∈ f(w): if v ≤ g(w) u, then v ∈ p. Definition 8 A proposition p is a possibility in a world w with respect to a modal base fand an ordering source g iff -p is not a necessity in w with respect to f and g. Definition 9 A proposition p is at least as good a possibility as a proposition q in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff for all u such that u ∈ f(w) and u ∈ q there is a v ∈ f(w) such that v ≤ g(w) u and v ∈ p. Definition 9 requires that for every accessible q-world there is an accessible p-world which is as least as close to the ideal. Definition 10 A proposition p is a better possibility than a proposition q in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff p is at least as good a possibility as q but q is not at least as good a possibility as p in w with respect to f and g. Definition 11 A proposition p is a weak necessity in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff p is a better possibility than -p in w with respect to f and g. Definition 12 A proposition p is a slight possibility in a world w with respect to a modal base f and an ordering source g iff p is a possibility and -p is a weak necessity in w with respect to f and g. Let us relate these modal notions to the modal expressions we encountered in the sentences (19a) to (19g): necessity weak necessity good possibility possibility
must probably there is a good possibility that might
29. Modality
slight possibility better possibility
645
there is a slight possibility that is more likely than
This list is a short way of giving meaning rules of the following sort: ⟦probably {w ∈ W: ⟦α⟧f,g is a weak necessity in w with respect to α⟧f,g = f and g} Sentences are now quite generally interpreted with respect to two parameters. One fixing the modal base, the other one fixing the ordering source. Given meaning rules of this sort, we obtain a number of predictions concerning relations between the propositions expressed by utterances of sentences (19a) to (19g) (repeated here for convenience): (19) a. Michl must be the murderer. b. Michl is probably the murderer. c. There is a good possibility that Michl is the murderer. d. Michl might be the murderer. e. There is a slight possibility that Michl is the murderer. f. There is a slight possibility that Michl is not the murderer. g. Michl is more likely to be the murderer than Jakl. Keeping modal base and ordering source constant, the proposition expressed by (19a) implies the proposition expressed by (19b). If a proposition is necessary, it is also probable (though not ‘merely’ probable). The proposition expressed by (19b) implies the proposition expressed by (19c). If a proposition is probable it is also a good possibility. The proposition expressed by (19c) implies the proposition expressed by (19d). If a proposition is a good possibility, then it is a possibility. The proposition expressed by (19e) implies the proposition expressed by (19d). If a proposition is a slight possibility, it is nevertheless a possibility. The propositions expressed by (19a) and (19f) are incompatible with each other. If a proposition is a necessity its negation cannot be a possibility, not even a slight one. The proposition expressed by (19f) is compatible with the propositions expressed by (19b, c, d, e). Furthermore, we predict that if Michl is more likely to be the murderer than Jakl, and Jakl is more likely to be the murderer than Jockl, then Michl is more likely to be the murderer than Jockl. It has often been observed that I make a stronger claim in uttering (20a) than in uttering (20b) (Karttunen 1972, Groenendijk &
Stokhof 1975, Lyons 1977, Kratzer 1981): (20) a. She climbed Mount Toby. b. She must have climbed Mount Toby. These utterances present a problem if we assume that must receives a ‘purely’ epistemic interpretation, the usual approach within the confines of the standard analysis. On our approach, a purely epistemic interpretation would be one where the modal base is epistemic (a function which assigns to every possible world a set of propositions which constitute a body of knowledge in that world), while the ordering source is the empty conversational background (the function which assigns the empty set to every possible world). If (20b) had a purely epistemic interpretation, the proposition expressed by (20b) would imply the proposition expressed by (20a) but not vice versa. That is, (20b) would make a stronger claim than (20a). Since this is contrary to our intuitions, we have good reasons to assume that must in (20b) shouldn’t be interpreted as a pure epistemic modal. In our framework this amounts to saying that the ordering source is not empty. In uttering (20b) rather than (20a), I convey that I don’t rely on known facts alone. I use other sources of information which are more or less reliable. These other sources may include facts concerning the normal course of events, a map, a tourist guide or hearsay. If the ordering source for the modal in (20b) is, say, a conversational background assigning to every world the set of propositions which represent the normal course of events in that world, then the proposition expressed by (20b) will not imply the proposition expressed by (20a) anymore. There are worlds w such that among all the worlds which are compatible with what we know in w, those which come closest to the normal course of events in w don’t include w itself (never mind that there may not be any ‘closest’ worlds of the required kind). (The phenomenon illustrated by (20a) and (20b) has been used to argue for a treatment of modality as proposed in data semantics (Veltman 1984, Landman 1986). In data semantics, (20b) doesn’t imply (20a). But unfortunately, (20a) is predicted to imply (20b).)
5.
Two Basic Kinds of Modal Reasoning
In modal reasoning, a conversational background may function as a modal base or as an ordering source. The modal base deter-
VII. Semantik der Funktionswörter
646
mines the set of accessible worlds (for a given world). The ordering source imposes an ordering on this set. In English, as in other languages, we have to distinguish two kinds of modal bases. The difference can be illustrated by the following example. Consider sentences (21a, b): (21) a. Hydrangeas can grow here. b. There might be hydrangeas growing here. The two sentences differ in meaning in a way which is illustrated by the following scenario. Hydrangeas Suppose I acquire a piece of land in a far away country and discover that soil and climate are very much like at home, where hydrangeas prosper everywhere. Since hydrangeas are my favorite plants, I wonder whether they would grow in this place and inquire about it. The answer is (21a). In such a situation, the proposition expressed by (21a) is true. It is true regardless of whether it is or isn’t likely that there are already hydrangeas in the country we are considering. All that matters is climate, soil, the special properties of hydrangeas, and the like. Suppose now that the country we are in has never had any contacts whatsoever with Asia or America, and the vegetation is altogether different from ours. Given this evidence, my utterance of (21b) would express a false proposition. What counts here is the complete evidence available. And this evidence is not compatible with the existence of hydrangeas. (21a) together with our scenario illustrates the pure circumstantial reading of the modal can. The pure circumstantial reading of modals is characterized by a circumstantial modal base and an empty ordering source. (21b) together with our scenario illustrates the epistemic reading of modals. The epistemic reading of modals is characterized by an epistemic modal base (the ordering source may or may not be empty here). Epistemic and circumstantial modal bases are both realistic modal bases. That is, both kinds of conversational backgrounds assign to every possible world a set of propositions which are true in that world. Yet circumstantial and epistemic conversational backgrounds involve different kinds of facts. In using an epistemic modal, we are interested in what else may or must be the case in our world given all the evidence available. Using a circumstantial modal, we are interested in the necessities implied by or the possibilities opened up by certain sorts of
facts. Epistemic modality is the modality of curious people like historians, detectives, and futurologists. Circumstantial modality is the modality of rational agents like gardeners, architects and engineers. A historian asks what might have been the case, given all the available facts. An engineer asks what can be done given certain relevant facts. We have seen in the preceding section how epistemic modal bases may interact with nonempty ordering sources. In the following section we will investigate the interplay between circumstantial modal bases and different sorts of normative ordering sources.
6.
Ordering Sources for Circumstantial Modal Bases
Like all conversational backgrounds functioning as modal bases, circumstantial conversational backgrounds are realistic conversational backgrounds. They assign to every possible world a set of facts of that world. Formally, a realistic conversational background is a function f such that for all w ∈ W, w ∈ f(w). The empty conversational background will now come out as a limiting case of a realistic one. Circumstances create possibilities: the set of possible worlds compatible with them. These worlds may be closer or further away from what the law provides what is good for you what is moral what we aim at what we hope what is rational what is normal what you recommended what we want ... To all of those ideals correspond normative conversational backgrounds. Those conversational backgrounds can function as ordering sources for a circumstantial modal base. As a result, we get graded notions of modality as manifested in the following sentence: (22) Given your state of health you’d be better off going to Davos than to Amsterdam. A typical utterance context for (22) would be a situation where I talk to someone with tuberculosis. The person’s state of health is not very good and the climate in Amsterdam would be detrimental to her. On the other
29. Modality
hand, the climate in Davos is well-known for its soothing effect on the lungs. Given the relevant facts (modal base) and what is good for the person (ordering source), going to Davos is a better option than going to Amsterdam. The modal notion on which my statement is based is the notion of a ‘better possibility’, which we discussed in connection with epistemic modality. What is different are the conversational backgrounds involved. In particular, we always have a circumstantial modal base when we speak about “options”. A circumstantial modal base is also required by any sort of inherent modality as illustrated by sentence (4) above. And any modality expressed by the suffixes -ible or -able will likewise have a circumstantial modal base.
7.
Overcoming Inconsistencies
We have seen that letting the interpretation of sentences with modals depend on two parameters rather than only one gives us suitable graded modal notions, thereby overcoming one of the shortcomings of the standard analysis. We will now see that the very same device avoids all problems with inconsistencies, thereby overcoming another drawback of the standard analysis. Recall the example we discussed above. We are in a country practicing something like English Common Law. We have one judgment concerning murder, which has never been called into question. And we have two judgments concerning the liability of goat owners, which happen to contradict each other. We had clear intuitions as to what is necessary or possible in view of what the law provides in the country under consideration. Yet the standard analysis could not account for the case. On the new analysis, what the law provides would function as ordering source, being a normative conversational background. Let’s assume that the modal base is empty (not a necessary assumption). If the modal base is empty, it follows that for each world, the set of accessible worlds is the set of all possible worlds. For each world compatible with our scenario, all possible worlds will now be ordered as to how close they come to what the law provides in that world. There is no world in which all three judgments are true, of course. The set of all worlds can be partitioned into three mutually disjoint subsets: Type 1 worlds in which murder is not a crime
647
Type 2 worlds in which murder is a crime and goat owners are liable for damage caused by their animals Type 3 worlds in which murder is a crime and goat owners are not liable for damage caused by their animals Type 1 worlds are further away from the ideal (set by the ordering source for the worlds we are considering) than type 2 or type 3 worlds. Type 2 worlds and type 3 worlds are those worlds which come closest to the ideal. Take their union. In all the worlds in the resulting set murder is a crime. There are some worlds in which goat owners are liable, and there are others in which they are not. If must is interpreted as necessity and can as possibility in the sense of definitions 6 and 8, it follows that the propositions expressed by (14a), (15a), and (15b) are true, given our scenario, but the proposition expressed by (14b) comes out false (the sentences are repeated below from section 3). These predictions square well with our intuitions. (14) in view of what the judgments provide: a. Murder is necessarily a crime. b. Murder is necessarily not a crime. (15) in view of what the judgments provide: a. Owners of goats are possibly liable for damage caused by their animals. b. Owners of goats are possibly not liable for damage caused by their animals. Let us now look at another example. The example involves what has been called practical inferences. (See e. g. Anscombe 1957, von Wright 1963, Kenny 1966, Feldman 1986.) Suppose that the whole content of my desires consists of exactly three propositions. I want to become popular, I don’t want to go to the pub (more precisely: I want not to go to the pub), and I want to hike in the mountains. All three of my desires have equal weight. As a matter of fact, I live in a world where it is an unalterable fact that I will become popular if and only if I go to the pub. I ask you: Given the unalterable facts and my desires, what should I do? (Note that I am not asking for a recommendation. I am asking for an inference. All that matters are the relevant facts and my desires.) You might give me any of the following answers, for example. (23) In view of the relevant facts and your desires: a. You should go to the pub. b. You should not go to the pub.
VII. Semantik der Funktionswörter
648
c. You could refrain from going to the pub and still become popular. d. You could go to the pub. e. You could also not go to the pub. f. You should hike in the mountains. In a world of the sort described above, the propositions expressed by (23a, b, c) are false. The propositions expressed by (23d, e, f) are true. The modal base we are dealing with here is a circumstantial one (‘in view of the relevant facts’). The ordering source is bouletic (‘in view of what I want’). Such combinations of conversational backgrounds are typical for practical inferences. In our case, both conversational backgrounds assign consistent sets to the worlds compatible with our scenario. The facts are consistent, facts always are. And what I want is consistent, too. Yet there is a conflict between the relevant facts and what I want. Not everything I want can be realized. The standard analysis cannot account for cases of this sort. Lacking the distinction between ordering source and modal base, it would have to lump together facts and desires. This would simply result in an inconsistent set. All necessity statements would come out true. All possibility statements would come out false. On the new analysis, the relevant facts form the modal base. What I want constitutes the ordering source. For the worlds we are considering, all the accessible worlds are worlds in which I become popular if and only if I go to the pub. These worlds are now ordered as to their closeness to what I want. The set of accessible worlds can be partitioned into four pairwise disjoint subsets: Type 1worlds in which I don’t hike in the mountains, don’t go to the pub, and don’t become popular Type 2worlds in which I don’t hike in the mountains, do go to the pub, and become popular Type 3worlds in which I do hike in the mountains, don’t go to the pub, and don’t become popular Type 4worlds in which I do hike in the mountains, do go to the pub, and do become popular Type 1 worlds and type 2 worlds are worlds in which only one of my wishes is realized. They are thus further away from what I want than type 3 or type 4 worlds. Type 3 worlds and type 4 worlds are as close to what I want as we can ever get. Take the union of the two
sets and you have the set of those accessible worlds which come closest to what I want. In all of those worlds, I hike in the mountains. In some of them I go to the pub and become popular. In others I don’t become popular and don’t go to the pub. The right predictions for sentences (23a—e) follow once we establish the right correspondences. Should corresponds to necessity, could corresponds to possibility (in the sense of definitions (6) and (8)). It seems, then, that the new analysis is indeed capable of successfully dealing with inconsistencies. Our next step will now consist in showing that it offers a solution to the Samaritan Paradox and similar problems.
8.
Conditional Modality
Consider the following sentence: (24) If a murder occurs, the jurors must convene (in view of what the law provides). Given the standard analysis of modals and the standard analysis of conditionals in terms of a two place connective, we have two options for formalizing this sentence. Option 1 [A murder occurs] ⊃ must [the jurors convene] Option 2 Must [a murder occurs ⊃ the jurors convene] Neither options is viable. We know already that option 2 leads to the Samaritan Paradox. So option 2 must be discarded. Option 1 is just as bad. On this analysis, the proposition expressed by (24) is automatically true if no murder occurs in the world under consideration. And if a murder does indeed occur, the sentence is predicted to be true just in case it follows from what the law provides that the jurors convene. But the whole conditional and its antecedent could very well be true without the law implying any such thing. The example suggests that we should think about conditionals in a very different way. Suppose we interpret conditional sentences like (24) as follows: Definition 13 ⟦if α, must β⟧f,g = ⟦must β⟧f′,g, where for all w ∈ W, f′(w) = f(w) {⟦α⟧f,g} The analysis implies that there is a very close relationship between if-clauses and operators like must. They are interpreted together. For each world, the if-clause is added to the set of propositions the modal base assigns to that
29. Modality
world. This means that for each world, the if-clause has the function of restricting the set of worlds which are accessible from that world. Let us now return to example (24). The example involves a deontic conversational background. Being normative, this conversational background constitutes the ordering source. The modal base is initially empty, no factual premises have to be considered. The effect of the if-clause is to change the modal base in a systematic way. For every world, the new set of accessible worlds is the set of all worlds in which a murder occurs. The proposition expressed by (24) is then true in a world w just in case the jurors convene in all accessible worlds which come closest to what the law provides in w. (Roughly. We cannot always assume that there are such closest worlds.) Given such an analysis, it is easy to see that the Samaritan Paradox cannot arise. Recall the structure of the paradox. In our case, we would assume that in some world w, the whole content of what the law provides in w can be given by the following two sentences (where the conditional in (25b) is to be interpreted as material implication): (25) a. No murder occurs. b. If a murder occurs, the jurors convene. We have just seen that the proposition expressed by (24) is predicted to be true in w just in case the jurors convene in all those worlds in which a murder occurs and which come closest to what the law provides in w. We are only allowed to consider worlds in which a murder occurs. H ence we have to drop the part of the law requiring that no murder occur. There are worlds in which a murder occurs and in which the proposition expressed by (25b) is true. In all of those worlds, the jurors convene. But these worlds are precisely the worlds in which a murder occurs and which come closest to what the law provides in w. But then the proposition expressed by (24) is correctly predicted to be true in w. The analysis given in definition 13 can be extended to other kinds of conditionals. Conditionals with other modals in the consequent, for example (like probability conditionals). In Kratzer (1978), I argue that we should treat bare conditional sentences like (26) If she has seen the place, she loves it. as implicitly modalized. These sentences would
649
then contain a non-overt necessity operator. Their logical form would be as specified in definition 13. We would obtain different kinds of conditionals in specifying the parameters f and g in different ways. Material implication would be the result of an empty ordering source and a totally realistic modal base. A conversational background is totally realistic if it assigns to every world a set of facts which characterize it completely (a function f such that for every w ∈ W, f(w) = {w}). Strict implication would arise under the impact of an empty modal base and an empty ordering source. In Kratzer (1981), I show that we can even consider counterfactual conditionals as special cases of conditionals of the sort that fall under definition 13. They would be characterized by an empty modal base and a totally realistic ordering source.
9.
The Semantic Field of Modal Expressions
In our preceding discussion, we showed that an interpretation of modals which is relativized to two parameters is able to avoid three shortcomings of the standard analysis. The improved analysis makes us expect that differences between modal expressions in different languages can be captured in terms of three dimensions: Dimension 1modal force: necessity, weak necessity, good possibility, possibility, slight possibility, at least as good a possibility, better possibility, maybe others Dimension 2modal base: circumstantial versus epistemic (possibly further differentiations within these groups, like knowledge coming from certain sources, facts of a special kind) Dimension 3ordering source: deontic, bouletic, stereotypical etc. Not every kind of modal base can combine with every kind of ordering source. Epistemic modal bases take ordering sources related to information: What the normal course of events is like, reports, beliefs. Circumstantial modal bases take ordering sources related to laws, aims, plans, wishes. Within these constraints, there are many possibilities. As an illustration, let us look at some German modals. The following list gives an overview of their idiosyncratic restrictions.
VII. Semantik der Funktionswörter
650
modal force modal base muss
necessity
no restrictions no restrictions circumstantial
kann
possibility
darf
possibility
soll1
necessity
soll2 wird
necessity empty weak neces- epistemic sity
dürfte
weak neces- epistemic sity
circumstantial
ordering source no restrictions no restrictions deontic, teleological (‘in view of certain aims’) bouletic (‘in view of certain wishes’) hearsay doxastic (‘in view of certain beliefs’) stereotypical
In the earlier transformational literature, we often find a distinction between root and epistemic modality (Perlmutter 1971, Ross 1969a, Jackendoff 1972). On our proposal, this distinction has a direct counterpart. Root modality comprises all occurrences of modals with a circumstantial modal base. Epistemic modality comprises all occurrences of modals with an epistemic modal base. Ross and Perlmutter both assumed that modals are verbs embedding a sentence. Epistemic modals were claimed to be intransitive, root modals were claimed to be transitive. Evidence of the following kind was given for the transitivity of root modals: (27) a. Die Kinder dürfen gerne draußen schlafen. b. Die Kinder dürften gerne draußen schlafen. Dürfen is a root modal. (27a) says that the person who gives permission for the children to sleep outside is happy to do so. Dürften is an epistemic modal. (27b) says that it is likely that the children will enjoy sleeping outside. On Perlmutter’s and Ross’ analysis, root may has an implicit argument referring to the one who gives permission. Williams (1985) arrives at a similar conclusion discussing the follow-
ing sentences from Chomsky (1981): (28) a. *The books were sold without PRO reading them. b. The books can be sold without PRO reading them. Williams suggests that the reason why PRO can be controlled in (28b), but not in (28a) is partly due to the fact that the root modal can has an implicit argument which can act as a controller. In this case, the implicit argument would be the one for whom it is possible to sell the books. It is interesting to note that the same sentence with an epistemic modal is as bad as (28a): (28) c. *The books might have been sold without reading them. The examples discussed above suggest that the distinction between modals with circumstantial and modals with epistemic modal bases which is at the heart of our proposal may correlate with a difference in argument structure. There is an enormous literature concerning the expression of modality in different languages (see Palmer 1986 for an overview and references). Since there is no consensus as to the categorization of different types of modalities, the data offered don’t always contribute to a coherent picture of the semantics of modal words.
10. Short Bibliography Anscombe 1957 · Åqvist 1984 · Bull/Segerberg 1984 · Chomsky 1981 · Feldman 1986 · Groenendijk/Stokhof 1975 · H ughes/Cresswell 1968 · Jackendoff 1972 · Kenny 1966 · Katz 1987 · Kratzer 1977 · Kratzer 1978 · Kratzer 1981 · Landman 1986 · Lewis 1981 · Lyons 1977 · Palmer 1986 · Peirce 1933 · Perlmutter 1971 · Ross 1969a · Veltman 1984 · Williams 1985 · von Wright 1963 Angelika Kratzer, Amherst, Massachusetts (USA)
30. Conditionals
651
30. Conditionals 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Grice Gibbard The Gradual Decline of Material Implication Indicative Conditionals as Modalized Conditionals Gibbard’s Proof Reconsidered Grice Reconsidered Conclusion Short Bibliography
Grice
In his William James Lectures (1967), Paul Grice defends an analysis of indicative conditionals in terms of material implication. (If p, then q is false if p is true and q is false. Otherwise, if p, then q is true.) The observation that sometimes, there seem to be nontruth functional reasons for accepting these conditionals is explained by invoking conversational implicatures adding to the meaning proper of this construction. Consider a sentence like (1) (see also Frege 1923): (1) If my hen has laid eggs today, then the Cologne cathedral will collapse tomorrow morning. On a Gricean account, (1) is interpreted as material implication. My utterance of it, however, implicates that there is some connection between my hen laying eggs and a possible collapsing of the Cologne Cathedral. That is, what I ultimately convey to my audience is some stricter form of implication. Very roughly, this implicature arises in the following way: Suppose I just happen to know that my hen laid eggs today as well as that the Cologne cathedral will collapse tomorrow, and these are my only grounds for uttering (1). Given a material implication analysis, what I said would be true. Although being true, my utterance would be misleading. I could have said: (2) My hen has laid eggs today and the Cologne Cathedral will collapse tomorrow. If I say (1) to you, you don’t expect me to be in the position of uttering (2). H ence you will assume that I have other reasons for asserting (1). What could these other reasons be? It couldn’t just be that I know that my hen hasn’t laid any eggs today. Or just that I am convinced that the Cologne Cathedral will collapse tomorrow. If this were so, I should have uttered (2) or (3) respectively:
(2) My hen hasn’t laid any eggs today. (3) The Cologne Cathedral will collapse tomorrow. If you believe that I won’t lead you astray and that for all I know, I told you the truth, you conclude that I must believe that there is some non-truth functional connection between the antecedent and the consequent of (1). A Gricean analysis of indicative conditionals is appealing in that — unlike so many other accounts replacing material implication — it is able to explain why it is that material implication has cropped up again and again in the history of logic and mathematics. The material implication interpretation would be the interpretation of conditionals as soon as we abstract away from certain principles regulating everyday conversation. It would be an interpretation that is accessible to all of us, not some arbitrary invention created for the purposes of an excentric group of scientists. Learning logic would consist in dropping a few rules for cooperative interaction.
2.
Gibbard
In Two Recent Theories of Conditionals (1981), Allan Gibbard proves that any conditional operator → satisfying (4) and the additional rather obvious principles (5) and (6) is in fact material implication: (4) p → (q → r) and (p & q) → r are logically equivalent. (5) p → q entails the corresponding material implication, that is p → q is false in all worlds in which p is true and q is false. (6) If q follows from p, then p → q is a logical truth. (4) is a principle that holds for if ... thenclauses in English. (7) and (8) are logically equivalent: (7) If you are back before eight, then if the roast is ready, we will have dinner together. (8) If you are back before eight and the roast is ready, we will have dinner together. Gibbards proof, then, seems to exclude any sort of stricter implication as a candidate for the interpretation of indicative conditionals in English. It gives further support to a material implication analysis in the spirit of Grice.
VII. Semantik der Funktionswörter
652
3.
The Gradual Decline of Material Implication
The two preceding sections built a strong case in favor of a material implication interpretation of indicative conditionals. This glorious picture cannot withstand closer scrutiny, however. The recent history of semantics can be seen as a history of the gradual decline of the material conditional. There was a time, for example, when even sentences like (9) were formalized with the help of an if ... thenclause interpreted in the material mode: (9) All porches have screens. (10) For all x [if x is a porch, then x has screens] These times are gone. Formalizations like (10) disappeared for reasons of generality. Realizing that (11) couldn’t be formalized as (12) (11) Some porches have screens (12) There is an x [if x is a porch, then x has screens] was not yet deadly. But attempts to formalize sentences like (13) Most porches have screens. (14) Many porches have screens. (15) Few porches have screens. made it very clear that material conditionals had no role to play in the formalization of sentences with quantifiers. Another two-place connective, conjunction, was successful in the case of (11), but then again was an absolute failure with (13), (14) and (15). Paying close attention to quantifiers like most, many and few led to the theory of generalized quantifiers within ‘interpretational’ frameworks and to the theory of restrictive quantification in the ‘representational’ tradition (see for example Barwise and Cooper 1981, Cushing 1976, McCawley 1981). On the latter account, we have logical representations of the following sort: (16) [Most x: x is a porch] x has screens Representations like (16) are interpreted in such a way, that the clause x is a porch has the function of restricting the domain of the quantifier most. (16) is true in a world w, if and only if most values for x that satisfy x is a porch in w also satisfy x has screens in w. For our material conditionals, worse was yet to come. In A dverbs of Quantification (1975a), David Lewis examines sentences like: (17) Sometimes, if a man buys a horse, he pays cash for it.
(18) Always, if a man buys a horse, he pays cash for it. (19) Most of the time, if a man buys a horse, he pays cash for it. There is some discussion in Lewis’ article as to what the type of entity is that adverbs like sometimes, always and most of the time quantify over. For ease of exposition, let us assume that these entities are events (this is not Lewis’ view, but nothing hinges on that; arguments in Partee 1984b and in Bäuerle & Egli 1985 suggest that some such assumption might be more than just a convenient simplification). If adverbs of quantification are sentence adverbs and if indicative conditionals are formalized in the traditional way, we are led to the following logical representations of (17) to (19): (20) There is an event e [if e is an event that involves a man buying a horse, then e is part of an event in which this man pays cash for it] (21) For all events e [if ... (e) ..., then ... (e) ...] (22) For most events e [if ... (e) ..., then ... (e) ...] If some such analysis is the right analysis for adverbs of quantification, then the very same arguments that showed that material conditionals cannot be part of a formalization of sentences with nominal quantifiers will now show that material conditionals cannot be part of a formalization of sentences with adverbial quantifiers. And this is indeed the conclusion David Lewis draws. To see why, take sentence (19). If its logical form were as in (22) (with the conditional being interpreted als material implication), we would predict, for example, that it would be true in a world with the following properties: There are altogether a million events. Out of these, 2000 events involve a man buying a horse, and all of these 2000 events involve payment by check. Since all the events that are not horse buyings by a man at all, satisfy the conditional in (22), (22) and hence (19) are predicted to be true in this world. Following Lewis (with the modifications mentioned above), we might propose the following improved logical form for (22): (23) [Most events e: e involves a man buying a horse] e is part of an event in which this man pays cash for the horse (For Lewis, adverbs of quantification are unselective binders. Unselective binders are op-
30. Conditionals
erators that bind every free variable in their scope. A Lewis type logical form for (23) would look as follows: (23′) Mostly, x is a man and y is a horse and x buys y, x pays cash for y Syntactically, (23′) is a tripartite construction, consisting of an unselective quantifier, a restrictive clause and a matrix clause. (23′) is true in a world w, iff every pair of individuals that satisfies the restrictive clause in w also satisfies the matrix clause in w.) (23) has the same form as (16) above. And it is interpreted in the same way. (23) is true in a world w if and only if most events of w that involve a man who is buying a horse are part of events that involve cash payment. What originated as an if-clause in surface structure ended up as a restrictive clause in the corresponding logical form. On this proposal, there is no such thing as a two place if ... then operator in any logical representation corresponding to English sentences like (17) to (19). The function of the if-clause is to restrict the domain of quantification of the adverb. If this is true, then we have to concede that there are indicative conditionals that cannot possibly be given a Gricean analysis. Consider next an example due to Grice himself: Grice’s paradox (William James Lectures 1967, lecture IV): Yog and Zog play chess according to normal rules, but with the special conditions that Yog has white 9 out of 10 times and that there are no draws. Up to now, there have been a hundred games. When Yog had white, he won 80 out of 90. And when he had black, he lost 10 out of 10. Suppose Yog and Zog played one of the hundred games last night and we don’t yet know what its outcome was. In such a situation we might utter (24) or (25): (24) If Yog had white, there is probability of 8/9 that he won. (25) If Yog lost, there is a probability of 1/2 that he had black. Both utterances would be true in the situation described above. Let us now examine what the logical form of sentences like (24) and (25) may be. If we stick to a traditional analysis of conditionals, two candidates that come to mind are (26) and (27): (26) If A, then x-probably B (27) x-probably [if A, then B] In (26), x-probably stays in its surface position, in (27), it has been raised out of its clause. Assuming a material implication in-
653
terpretation of the conditional, both formalizations are absurd. A sentence of the form (26) is true whenever A is false. But Yog’s having black would not be sufficient for making (24) true. Likewise, if Yog did indeed win, this wouldn’t mean that for that reason alone, (25) would be true. Taking (27) to be the formalization of (24) and (25) would give us the following: (28) 8/9-probably [if Yog had white, then Yog won] (29) 1/2-probably [if Yog lost, Yog had black] And here is Grice’s paradox: Given that in chess, not having black is having white, and that if there are no draws, not losing is winning, the two conditional sentences in (28) and (29) are contrapositions of each other. But then (assuming a material implication interpretation), they are equivalent. H ow come, two equivalent sentences can have different probabilities? I think we have to examine very carefully how we arrived at our assignments of probabilities in the first place. Reasoning for establishing the truth of (24): There was a total of 100 games. This is our universe of discourse. For the case at hand, we only have to consider the games in which Yog had white. This is what the if-clause tells us to do. We are now left with 90 games. Out of these, Yog won 80. These 80 games are 8/9 of the 90 games. Hence (24) is true. Reasoning for establishing the truth of (25): Our universe of discourse is as above. This time, the if-clause of the conditional tells us to consider only those games which Yog lost. There are 20 such games. Out of these, Yog had black in 10 cases. These 10 games are half of the 20 games considered. H ence (25) is true. (Don’t say: “That’s just how we calculate conditional probatilities. So what?”. We have to explain why conditionals and probability operators interact in such an ‘exceptional’ way. Lewis (1976) shows that there is no general way of interpreting a two-place conditional connective so that the probabilities of the resulting conditionals equal the corresponding conditional probabilities.) What was the function of the if-clause in these two pieces of reasoning? The answer must sound familiar by now: The role of the if-clause was to restrict the domain contextually provided for the operator x-probably. We expect then, that the logical form of (24) and (25) should resemble those of the quan-
VII. Semantik der Funktionswörter
654
tified sentences we considered before. For the purposes at hand, we might think of representations like (30) and (31): (30) [8/9-probably: g is a game and Yog had white in g] Yog won g (31) [1/2-probably: g is a game and Yog lost g] Yog had black in g Sentence (30) is true in a world w if and only if the proportion of things (in a general sense including events) satisfying Yog won g in w among all the things satisfying g is a game and Yog had white in g in w is 8/9. Quite generally, a sentence of the form (30) or (31) is true in a world w if and only if the proportion of events satisfying the matrix clause in w relative to all the events satisfying the restrictive clause in w is as required by the probability operator. I am not saying that this is the correct interpretation of probability sentences. In previous work (Kratzer 1981), I proposed a different account for (comparative) probability sentences not involving variable. In the present context, I don’t want to choose between the two proposals. I rather want to stress what they have in common: On both accounts, we don’t have a two-place conditional operator, and the only role of the if-clause is to restrict the universe of discourse necessary for the interpretation of some sort of ‘quantifier’. Grice’s paradox, then, is not only a counterexample to the material implication interpretation of conditionals. It is also an example that once more points to the role if-clauses seem to play quite generally: They are devices for restricting the domain of ‘quantifiers’. As soon as this semantic function is reflected in the logical forms for (24) and (25), the paradox disappears. Formalizations of these two sentences in terms of restrictive quantification does not contain logically equivalent constituents anymore. In fact, they don’t have if ... then-clauses as constituents at all.
4.
Indicative Conditionals as Modalized Conditionals
The picture that emerged in the previous section was that if-clauses might quite generally serve as restrictive devices for certain operators, for adverbs of quantification or probability operators, for example. But what about cases where there is no operator the if-clause could restrict? What about ‘bare’ conditionals, the type of sentences we started out with? I argued in my dissertation (Kratzer 1978)
and related work (Kratzer 1979 and 1981) that we should consider simple indicative conditionals as implicitly modalized. On a slightly simplified view, we might think of modal operators as of quantifiers over possible worlds. This set of possible worlds is then the domain that an if-clause can restrict. On this account, the logical form of sentence (1) above might look as follows: (32) [must: my hen has laid eggs today] the Cologne Cathedral will collapse tomorrow (32) is true in a world w if and only if the Cologne Cathedral will collapse tomorrow in all those worlds w′ that are accessible from w and in which my hen has laid eggs. Which worlds are accessible depends on the modality expressed by the modal must (see Kratzer 1977). In different utterance situations, an utterance of must might express different sorts of relative necessities: Necessity in view of the evidence available in the utterance situation (epistemic necessity), necessity in view of what the law provides (deontic necessity), necessity in view of what we desire (bouletic necessity), and so on. The hidden modal in the logical representation of sentences like (1) (and of many other indicative conditionals without overt operators) seems to favor an epistemic interpretation. (This interpretation is the backbone of data semantics, see Veltman 1984, 1985 and Landman 1986. Data semantics captures one special use of conditional sentences. It emphasizes the important connection between epistemic modality and bare indicative conditionals.) If epistemic interpretations of modals are relativized to the evidence available in the utterance situation, different utterances of one and the same sentence involving such a modal might express different propositions. Let us look at an example: Suppose a man is approaching both of us. You are standing over there. I am further away. I can only see the bare outlines of this man. In view of my evidence, the person approaching may be Fred. You know better. In view of your evidence, it cannot possibly be Fred, it must be Martin. If this is so, my utterance of (33) and your utterance of (34) are both true. (33) The person approaching might be Fred. (34) The person approaching cannot be Fred. H ad I uttered (34) and you (33), both our utterances would have been false. Certain bare indicative conditionals show strikingly
30. Conditionals
similar properties as shown by a famous example invented by Allan Gibbard (1981: 231): “Sly Pete and Mr. Stone are playing poker on a Mississippi riverboat. It is now up to Pete to call or fold. My henchman Zack sees Stone’s hand, which is quite good, and signals its content to Pete. My henchman Jack sees both hands, and sees that Pete’s hand is rather low, so that Stone’s is the winning hand. At this point, the room is cleared. A few minutes later, Zack slips me a note which says If Pete called, he won, and Jack slips me a note which says If Pete called, he lost. Zack’s and Jack’s utterances are both true. But again: If Zack had uttered If Pete called, he lost (given his evidence) and if Jack had uttered If Pete called, he won (given the situation he was in) the two men’s claims would have been both false. Like the epistemic modals above, these particular indicative conditionals are interpreted with respect to the evidence available to their utterers. But this means that they are implicitly modalized.
5.
Gibbard’s Proof Reconsidered
I have now argued that certain bare indicative conditionals are implicitly modalized. But doesn’t Gibbard’s proof mentioned in section 2 show that that couldn’t be the case in any interesting sense? This proof seems to demonstrate that conditional sentences endowed with obvious properties could not receive any other interpretation but material implication. Note however, that one property slipped in that by now is not obvious any longer: Gibbard’s arrow is a two-place operator. We have seen above that in the logical forms for natural languages, conditional sentences have a very different structure: there simply is no two-place conditional connective, and conditional sentences as a whole don’t even form constituents. Now what about stacked ifclauses? If one if-clause alone appears in the restrictive term of the quantifier, then two ifclauses in a row might very well both appear there. That is, they may successively restrict the domain of one and the same quantifier like two adjectives or two relative clauses might successively restrict the extension of one and the same noun. That is, a sentence like (7) above (here repeated as (35)) would have the logical form (36): (35) If you are back before eight, then if the roast is ready, we will have dinner together.
655
(36) [Must: you are back before eight and the roast is ready] we will have dinner together. (36) is obviously identical with the logical form of sentence (8) (here repeated as (37)): (37) If you are back before eight and the roast is ready, we will have dinner together.
6.
Grice Reconsidered
On the present account, the reason that sometimes, there are non-truth conditional grounds for accepting a bare indicative conditional sentence is its implicit modalization. In connection with Gibbard’s riverboat example, we have seen that this implicit modalization might be an epistemic one that depends on the evidence available in the utterance situation. Suppose now that mathematicians and logicians behave like omniscient gods. For them, then, the modal appearing in a conditional is relativized to a total state of information (see Peirce 1933). This state of omniscience comprises everything that is the case in the world under consideration. Their conditionals now reduce to material implication. As on Grice’s account, material implication comes out as a special case. The difference is that mathematicians and logicians are not uncooperative anymore, they are just megalomanic. Sometimes, however, they go for the other extreme: The state of total ignorance. This will give them strict implication. Most of us prefer something in between. Material implication and strict implication, then, can be seen as involving extreme cases of epistemic modality. In Kratzer (1981), I show that these two types of implication fall out as special cases from a more general account of conditional modality that provides a unified analysis for a wide range of conditionals including deontic conditionals and counterfactuals. Giving a common analysis to e. g. indicative conditionals and counterfactuals is not trivial: Such an analysis has to predict that the two types of constructions differ with respect to their inference properties, and also that counterfactuals are vague to an extent that by far exceeds the degree of vagueness found with indicative conditionals (see Lewis 1973).
VII. Semantik der Funktionswörter
656
7.
Conclusion
The history of the conditional is the story of a syntactic mistake. There is no two-place if...then connective in the logical forms for natural languages. If-clauses are devices for restricting the domains of various operators. Whenever there is no explicit operator, we have to posit one. As shown above, epistemic modals are candidates for such hidden operators. Work by Farkas and Sugioka (1983) and by Wilkinson (1986) suggests that invisible generic operators may play a similar role. Relying on Lewis’ work on adverbs of quantification and on my work on conditional modality, Irene H eim argues in her dissertation (1982) that the operators that have to be posited in order to obtain a unified semantics for if-clauses might have an additional use: They might act as unselective binders for variables. This assumption enabled H eim to develop a new solution for an old puzzle regarding the so-called donkey-sentences. H eim’s work, then, gives further support to the hidden operator approach to bare indicative conditionals. If-clauses are not the only clauses that function as restrictive devices for operators. Stump (1981, 1985) showed that free adjuncts can play the same role. And Partee (1984b)
makes a similar point with respect to whenclauses. Obviously, all of these results impose certain requirements on the syntactic properties of that level of representation where semantic interpretation takes place. This level has to allow for the creation of restricted operator structures of various kinds. H ow precisely these structures are related to the corresponding surface structures of natural language sentences is largely unknown. (See, however, Geis 1985.) (This paper originally appeared in: A. M. Farley, P. Farley and K.-E. McCullough (eds): Papers from the Parasession on Pragmatics and Grammatical Theory, Chicago Linguistic Society, 1986.)
8.
Short Bibliography
Barwise/Cooper 1981 · Bäuerle/Egli 1985 · Cushing 1976 · Farkas/Sugioka 1983 · Frege 1923 · Geis 1985 · Gibbard 1981 · Grice 1967 · H eim 1982 · Kratzer 1977 · Kratzer 1978 · Kratzer 1979 · Kratzer 1981 · Landman 1986 · Lewis 1973b · Lewis 1975a · Lewis 1976 · McCawley 1981 · Partee 1984b · Peirce 1933 · Stump 1981 · Stump 1985 · Veltman 1984 · Veltman 1985 · Wilkinson 1986
Angelika Kratzer, Amherst, Massachusetts (USA)
657
VIII. Adjektivsemantik Adjectival Semantics
31.
Adjectives
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 5.
The Word Class of Adjectives Properties Adjectives and Intransitive Verbs Adjectives and Nouns Argument Structure Summary Semantics and Adjective Classes Formal Language, Formal Semantics Adjectives Summary More About Adjective Classes Absolute Adjectives Relative Adjectives Summary The Literature Word Classes Semantics and Adjective Classes More about Adjective Classes Short Bibliography
1.
The Word Class of Adjectives
Many languages do not only possess the parts-of-speech classes of verbs and nouns, but a third, large, open word class, that of the adjectives. Elements of this class are characteristically both predicative and attributive and can be further distinguished from the other classes in that they show morphological marking for comparison. The following discussion compares and distinguishes the three above classes in more detail. 1.1 Properties (1) a. John runs b. John is a boy c. John is musical. In the sentences (1a—c) runs, is a boy, and is musical function as predicates, so that classical predicate logics and also generative semantics interpret these three expressions as one-place properties. P roperties, however, can be considered as the set of individuals which
have or satisfy that property. In a formal language with lambda-operator, we can therefore put: (2) a. λx(runs(x)) b. λx(boy(x)) c. λx(musical(x)) for the property of running, for the property of being a boy, for the property of being musical. Given lambda-conversion, an individual constant J for John, and a suitable choice of predicate constants, we get the familiar formalizations for (1a—c): r(J), b(J) and m(J). Semantically, therefore, adjectives express properties — just like verbs and nouns. In consequence, adjectives have to be treated on a par with intransitive verbs and nouns in a categorial syntax: they are of category s/n, i. e. they take a noun phrase and produce a sentence. Government-and-binding (GB) theory also treats adjectives as “verblike” and “nounlike” at the same time. The similarities and distinctions of the word classes can be seen in the following feature table. +V —V
+N ADJ NOUN
—N VERB PREP
That we need to distinguish the classes, follows easily from the fact that in languages with an open class of adjectives the latter can be identified by syntactic and morphological criteria. Moreover, there seems to be little interlanguage variation regarding semantic content of the adjective classes — provided the languages under consideration have such classes. A first indication for this is the fact that an adjectival concept of a language with an open class of adjectives will emerge as an adjective when translated into another such language. Languages with a productive class of adjectives are (a. o.) English, French, Dyirbal (Australia), Tzotzil (Mexico).
VIII. Adjektivsemantik
658
Languages with small, closed adjective classes as Japanese (Asian), Hausa, Bantu (African), Samoan (Melanesian), and Yurok (Californian variant of Algonquian) assign verbs or nouns to properties which in other languages are expressed by adjectives: Mandarin (with no adjectives at all), Yurok, and Samoan have stative verbs for all adjectival concepts; Hausa has partly verbs, partly nouns, while adjectives in Alamblak (New Guinea) seem to be more or less a subclass of nouns. It holds, however, that certain properties are coded as adjectives, even in languages with only a very small class of adjectives. These properties concern colour, dimension, age and value. Exceptions are Bemba (African), which codes colours by verbs, and Kirivinian (Austronesian), which puts colour expressions among the nouns. Twenty well investigated languages with small adjective classes show the following statistics (cf. Dixon 1977). big good long black new red
was found in all 20 languages in 13 in 14 in 13 in 15 in 14
small
in 19
bad short white old
in 14 in 15 in 14 in 14
additionally raw, green, unripe was found in 7 languages. As these observations seem to point to semantic universals, the question which immediately arises is: Why are these properties “adjectival” properties? In other words: Can we identify different types of properties which correspond to the different parts-of-speech? As (1a—c) show clearly, we are dealing with one-place predicates. Therefore, we have a trivial distinction between transitive verbs and adjectival predicates. Accordingly, we will discuss only the differences of adjectives and intransitive verbs. 1.2 Adjectives and Intransitive Verbs Verbs typically describe movements, processes, actions, i. e. properties which develop in time, describe temporal change, have temporal limits and can be temporally structured. Nouns and adjectives on the other hand, describe properties which are stative and durative, often co-existent with the individual of which they hold. Adjectives and nouns therefore are not morphologically marked for tense, aspect or mood. Languages which show traces of such marking — mostly via the copula — do not interpret these constructions
as designating the characteristics of an individual, but as volitional, controllable behaviour. Therefore only properties which admit such a reinterpretation can be used in these constructions — which excludes a large number of “typical” adjectives: (3) a. She’s being the loving wife again b. She’s being silly again c. ??? She’s being tall again. We conclude: “Adjectives are characteristically stative.” (Quirk 1972:265). In languages which assign verbs to the adjectival concepts, these verbs normally form a subclass which is either inflectionally marked (Japanese) or can be distinguished from ordinary verbs by their potential to appear not only predicatively but attributively as well. Often attributive position is specially marked: Mojave uses a prefix, other languages employ obligatory relative constructions. Some languages contrast states which are expressed by adjectives with states which are the results of actions, and thus use an adjective-participle opposition. English and German have whole/ganz and broken/zerbrochen or split/gespalten. Dyirbal, a strongly adjectival language requires that the opposite of an adjective also be an adjective: muguba and yagi, where the verbs are rulban/split and gayny dyan/break. 1.3 Adjectives and Nouns That adjectives can stand attributively, i. e. can modify a noun, appears to be an important characteristic of this class: (4) a. The ball is red/ Der Ball ist rot b. The red ball rolls off/ Der rote Ball rollt weg. The relation of modifier and modified can give rise to agreement marking of the adjective for gender, case and number (Latin, German) and/or rules of positioning. In some languages adjectives lose this marking in predicative position, either completely as in German (ein roter Ball, ein rotes Haus, eine rote Rose, but der Ball, das Haus, die Rose ist rot) or partly, as in the Russian long- and short-forms. Nouns, on the other hand, never lose it. In Dyirbal adjectives have the same inflectional and derivational potential as nouns and are distinguished only by an additional marking. Now, predicative adjectives were of category s/n, their interpretation being properties. Attributive adjectives, on the other hand, are
31. Adjectives
traditionally viewed as modifiers. In categorial grammar, modifiers are seen as taking an element of a category C and producing another element of the same category C. In the case of adjectives this means that they take a noun and produce a more complex, a modified noun. Nouns, however, are of category s/n, therefore attributive adjectives are of category (s/n)/(s/n). Semantically, we arrive at a mapping of one property onto another. In particular: in the syntagma white horse the adjective white maps the property of being a horse onto the property of being a white horse. But as we have seen, adjectives are characteristically both predicative and attributive, so that any serious account of the semantics of adjectives will have to say something on the relation of these two adjectival roles. Their modifier function was, as we have seen, a useful tool in distinguishing adjectives from verbs, or in identifying special verbs functioning as adjectives. Unfortunately, however, nouns can also function as modifiers, as seen in the compound constructions found in many languages: silken scarf, silk scarf or hölzernes P ferd, Holzpferd. On the semantic level we therefore cannot use the modifier label in order to distinguish nouns and adjectives. We must look elsewhere. 1.3.1 Natural Kinds and Qualities Let us a. b. c. d.
go back to some predicative examples: The animal is a horse The animal is big The animal is white Das Tier ist ein Schimmel (the animal is a white horse)
(6) a. b. c. d.
??? The animal is horsy, horsish ??? The animal is a big ??? The animal is a white The animal is a black.
The fact that properties which are normally coded by adjectives cannot be expressed by nouns on the surface level — and vice versa — points to their conceptual difference. The problematic cases, (5d) and (6d), turn out to be idiosyncratic lexicalizations, as (6c) and the lack of systematic interlanguage correspondence show. Trying to pin down the conceptual difference emerging from the above examples, Bloomfield defines as class meaning for nouns: “object of such and such a species” (Bloomfield 1933:202), while for descriptive adjectives he has: “qualitative character of specimens” (Bloomfield 1933:203).
659
We are dealing with identification of a species, on the one hand, and qualifying characteristics of a specimen, on the other. We can say that horses are a natural kind, the things which are white or red are not (cf. article 17). Being red can be subsummized under a canonical concept of “property”, which we will henceforth call quality, while being a horse presupposes a cluster of properties and does not correspond to this canonical concept of quality. We can say that nouns express natural kinds, while adjectives express qualities (cf. Carlson 1977). This semantic differentiation can be challenged if one takes into account Kripke (1972), who treats hot on a par with horse, i. e. as a rigid designator (cf. article 16). Then both are names. What remains is that they are names of different things. Another drawback is the fact that adjectives like good have to be considered multi-dimensional, i. e. as clusters of properties, and even items like big have been given a decompositional feature analysis (cf. Bierwisch 1967), which turns them into another cluster. We will take the distinction of natural kind and “natural” quality at face value and will try to motivate it in the following. 1.3.2 Gradability Arguments for the existence of the above distinction are modifiers and the possibility of comparison or measuring (cf. article 32). Adjectives take modifiers like very, rather, enough, too, and measure phrases. Individuals can be compared with respect to the quality in question or can be said to possess the quality to a certain, measurable degree: (7) a. Paul is very/ rather/ too tall — tall enough b. Paul is as tall as Peter c. Paul is taller than Peter d. Paul is six feet tall. Roughly speaking, this syntactic potential is semantically based, namely on the fact that qualities, i. e. “natural” properties, apply to a certain degree — more for one individual, less for another. This does not hold for verb- or noun- properties. If we find in Sapir (1949:123): “... every quantifiable, whether existent (say house) or occurrent (say run) or quality of existent (say red) or quality of occurrent (say gracefully) is intrinsically gradable”, we realize that this holds in a canonical and systematic fashion only for qualities. For this reason adjectives — the natural encoders
660
of qualities — are marked for gradability. Most languages have morphological marking only for comparative and superlative, some (e. g.Irish) mark the equative as well. Nouns and verbs, on the other hand, are not inherently gradable. (8) a. The house is very large b. The house is very white c. This house is larger than the neighbouring house d. ? This plaster is whiter than that on the back wall (9) a. ??? This building is very a house b. ??? This building is housier than the other one c. ?? This building is more a house than the other one d. ? This building is more of a house! e. This building is much more like a house! 1.3.3 One-Dimensional Qualities and Clusters of Criteria Sentences (9a—c) are unacceptable because a whole cluster of criteria is needed to define a house, and language does not systematically mark which of these are to be considered in such comparisons. Lakoff (1973), however, speaks of “degrees of birdiness” and says: “... category membership is not simply a yesor-no matter, but rather a matter of degree” (Lakoff 1973:460). An individual can be said to be a member of such a category if certain criterial properties hold: all, some important ones, or only one which is crucial for classification. Therefore Lakoff (1973) distinguishes definitional, primary, secondary and characteristic though incidental criteria. In Andrea’s ball is red, the adjective says nothing about being a ball — balls are not characteristically red — it merely describes an additional, important property of a specified object. Adjectival properties are therefore additional and not criterial: “semantically an adjective describes some important but noncriterial property of an object” (Dixon 1977:63). In comparison with the clusters of criteria which define natural kinds, we can delineate another characteristic of qualities. Noun concepts become more easily gradable if we find contextual or explicit information saying in just what respect, i. e. according to which of the criteria, they are to be compared. We find with respect to, concerning ... (form/ density/ rigidity). Sometimes it suffices to give a hint that we do not have to consider all criteria:
VIII. Adjektivsemantik
in a way, kind of, strictly speaking. This leads to a rough simplification which disregards cases like good for the time being: If those languages with closed classes of adjectives, which always contain red, and big-small but perhaps no other colour adjectives and certainly no value adjectives, are the proof for the existence of the properties we have called qualities, i. e. if the above adjectives give the “prototype” of qualities, then a quality is onedimensional. 1.3.4 Vague and Sharp Predicates The fact that an individual or object can possess a quality to a greater or lesser degree, makes adjectives vague expressions (cf. article 11). P inkal (1979) calls the scalar or degree adjectives (tall-short, hot-cold) “the paradigmatic case of vagueness”. This vagueness arises because the common speaker/hearer knowledge is never made quite explicit, and therefore comparison classes and (culture-dependent) norms are mostly implicit and vary often: (10) a. John is tall b. John is tall for a ten-year-old boy/ American/Japanese. Among other things, this context dependence implies that an adjective like tall cannot be used in order to classify: tall does not divide the set of all individuals into the set of tall individuals and the set of the non-tall individuals. “Typical” adjectives therefore occur in antonym pairs. Languages with closed adjective classes contain mostly antonym pairs. Igbo, for example, has only eight adjectives, and these make up four pairs. Studies of language acquisition make the same point: the child first learns some antonym pairs like hot-cold, and only later it acquires colour terms. Both adjectives of an antonym pair share or describe a basic quality. One of them, called positive pole (+pole), asserts that the quality holds, while the other, the negative pole (—pole), asserts that the quality does not hold. Some of these pairs (married-single) show the following relations: (11) a. not (+pole) ↔ (—pole) b. not (—pole) ↔ (+pole). For others (tall-short) we have (12) a. (+pole) → not (—pole) b. (—pole) → not (+pole) but no equivalence of the expressions. Adjectives of this type delimit two areas on a shared
31. Adjectives
dimension or scale, one area where the quality holds and one where it does not. But they are vague as we often have a sort of no-man’s land in between these two areas, a so-called extension gap. This contains the individuals for which it is impossible to decide whether they are in the extension of the (+pole) adjective or in the (—pole) extension, unless the standard and class of comparison are further specified: (12) c. John is neither tall nor short. Naturally, different classes of adjectives show different degrees of vagueness. Red is certainly less vague than tall, while tall is less vague than good (cf. P inkal 1985). But as the extension gap on the scale of antonyms is characteristic and predictable in location, we can say that adjectives display a sort of vagueness different from that of nouns with fuzzy edges. Nouns do not have this systematic and predictable extension gap. They behave more like sharp predicates because it seems to be a fact of life that their criteria hold all at once and to the same degree or not at all. We follow Kamp (1975) and assume that typical nouns are sharp predicates; typical adjectives, however, are inherently vague. This means that we neglect artificial situations in which objects are lined up according to certain criterial noun properties. In particular, we ignore situations as created by Black (1937) in his museum of chairs. We hold that adjectives are inherently vague precisely because such line-up situations are not artificial, but normal in their case. 1.4 Argument Structure Adjectives are one-place predicates, so are intransitive verbs. This single place is normally held by the grammatical subject. If we now leave the purely logical considerations and take into account older grammatico-semantic concepts which have come into fashion again through GB, then differences emerge in the roles of these subjects in different constructions: (13) a. The child dances b. The train arrives c. The child is tired. In (13a) one would call the subject an agent, for (13c) one has difficulties in identifying such a role for the subject. The same holds for (13b), here the role of the subject has been
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compared to that of a passive surface subject. This means that the class of intransitive verbs consists of two subclasses. Class a) contains verbs like dance, sleep, speak. Class b) has verbs like arrive, fall, leave. Diagnostic criteria show interlanguage variation. For German the verbs of class b) pattern as follows (cf. Toman 1986): 1) they take sein as past tense auxiliary; 2) they do not form an impersonal passive; 3) their second participle may appear prenominally; 4) they do not form er-nominalizations (nomina agentis); 5) they allow a topicalization in which a nominative subject seems to form a single constituent together with a participle: Fehler unterlaufen sind ihm nie. This subclass of the intransitive verbs has recently received much attention in GB-theory. It was called ergative by Burzio (1981), while P erlmutter (1978) uses the term unaccusative. According to Chomsky (1981) or Stechow & Sternefeld (1988:302) they have the property that they do not assign a Θ-role to their subject and are of the neutralized category [+V]. This means in particular, that they do not assign case to the object and therefore require raising in order not to be blocked by the case filter. In this respect they resemble the adjective, which has been called “the ergative predicate par excellence” (Haider 1984:17). Discussions in this area have not yet brought any definite results, so that ergative verbs and adjectives are either taken to be predicates without a designated argument, which has to appear in the nominative because of the realization principle (Haider 1984:7f), or are viewed as predicates which have only an internal argument and therefore a direct object in deep structure. This, of course, cannot be an agent because agent arguments appear as deep subjects. These analyses are meant to capture the intuition that arrive/ankommen and tired/müde have no agent. Recent work shows, however, that in this area one should not only take into account the thematic dimension (agent, theme ...) but the causal dimension as well. According to Grimshaw (1988a) external arguments are only those which are prominent in both dimensions, i. e. thematically and causally. Now, ergative verbs and especially adjectives, are normally not causative, so that this idea explains very nicely why they can have only internal arguments.
VIII. Adjektivsemantik
662
The following judgments of acceptability are due to the argument structure of the verbs involved and the fact that adjectives (A-nodes) are ergative in the unmarked case: (14)a.der gehaßte Hausmeister (transitive) the hated building-super (ergative) b.der gefallene Engel the fallen angel c.???das geschlafene Krokodil (not ergative) the slept crocodile d.der verlorene Schlüssel the lost key e.??? der einen Schlüssel verlorene Professor the a key lost professor As explanations we have the following alternatives: a) the ergative environment, i. e. the prenominal adjectival phrase, where the participle is inserted, determines Θ-inheritance and thus, by the specification [+ unaccusative] for A-nodes, would permit internal arguments only (Toman 1986); b) the external index is blocked by properties of the past participle (Haider 1984). There are more phenomena requiring closer consideration of the predicate’s argument structure: (15) a. Der Engel ist gefallen the angel is fallen b. ??? Das Krokodil ist geschlafen the crocodile is slept. We observe that past participles of unergative verbs do not occur predicatively. Furthermore we find a difference in German -end adjectives and -end participles: (16) a. ??? Die Katze ist miauend the cat is mewing b. Der Film ist enttäuschend the film is disappointing. That we have a pure adjective in (16b) becomes evident if we consider that enttäuschend cannot assign accusative case in predicative position. Compare: (17)a.??? Der Film ist mich enttäuschend (adjective) the film is me disappointing b.der mich enttäuschende Film (participle) the me disappointing film The existence of adjectives which are derived from transitive verbs, German enttäuschend or the English -ive adjectives, may point to
the fact that not all adjectives are unaccusative. But then (17a) has to be explained. We could require that derived forms conform to the unmarked prototype of the category, which implies in particular that adjectives are stative in the sense that they do not have a causative subject. We will not go into the question whether predicates which are stative in the above sense are also ergative and vice versa. Decisions in this area have wide ranging ramifications concerning the status of the copula, cf. Toman (1986). Another point which should be mentioned but cannot be pursued here, is that in Cinque (1988) and Cinque (1989) we find two classes of adjectives: ergative and unergative adjectives! Cinque (1989) investigates which German predicates allow the embedding of verbsecond-clauses of the form ...er wird kommen/ he will come. Because of the contrast of es ist klar, er wird kommen and *es ist peinlich, er wird kommen (it is clear, he will come and it is awkward, he will come) he distinguishes two classes of adjectives. Cinque calls bekannt/ known, klar/clear, sicher/certain ergative adjectives, because the embeddability of V2-subject clauses is a criterion for ergativity. Angenehm/agreeable, peinlich/awkward, gefährlich/dangerous, wichtig/important qualify as unergative. The diagnostic criteria, among which the above embeddability is only one, go back to Helbig & Kempter (1981), Helbig & Buscha (1984), P ütz (1986), Fanselow (1987), and Cardinaletti (1988). These GB-considerations have been given some scope here because the syntactic distinctions certainly effect LF (the link to semantics in GB) and could perhaps be considered to be of a more semantic than syntactic nature anyway. Attempts to wed the syntactic level (including Θ-roles) via LF to a truth-conditional semantics can be found in Bierwisch (1986). 1.5 Summary The comparison of adjectives with nouns and verbs shows that semantically adjectives express qualities. These are a) no criteria for a species, b) stative, c) one-dimensional, d) gradable, e) vague, and show f) the argument structure of ergative predicates. Typical such qualities are concerned with colour, dimension, age, value. Deviations from the prototype are only to be expected and give rise to subclasses: dead-alive are not gradable, goodbad are not one-dimensional, red is less vague than tall and can be graded only in certain contexts, and dead is less vague than red.
31. Adjectives
In addition to accounting for the relation of predicative and attributive adjectivals, a semantic theory of adjectives has to deal with these phenomena.
2.
Semantics and Adjective Classes
2.1 Formal Language, Formal Semantics For the following discussion we presuppose a lambda-categorial syntax, where we call the basic categories s and n for sentence and noun phrase (cf. article 8). We build up the complex categories according to the well-known principles, i. e. we have the basic rule that for c of category A/B and b of category B the syntactic expression formed by c and b is of category A. For our semantics we need: the set of truth values {0,1}, a set of individuals I, a set of possible worlds W, an interpretation V, and a function D that assigns those things to each category which are to be the values of the expressions of that category. We define in the usual fashion: DS is the set of propositions, i. e. the set of mappings g: W → {0,1}. Dn is the set of individuals I. An element of DA/B is a function f from DB to DA. For a of category A we have V(a) ∈ DA, and for c of A/B and b of category B, we have V(c,b) = V(c)(V(b)) ∈ DA. We do not treat variables and the interpretation of quantifiers here. The introduction of a level with lambdacategorial syntax is justified even if one has assumed a level of LF in a Chomskian type of model. Arguments for the existence and independence of both levels can be found in Bierwisch (1986). Following Bierwisch we call the categorial level SF. We then have to explain how SF is mapped onto LF, in particular we have to show how Θ-roles can be recognized in SF. This is done by interpreting Θ-roles as lambda-operators. Indexing and assignment of roles then proceeds according to rules which, however, take not a lambdaoperator but an existential quantor for an optional complement. In the following we will only deal with LF and Θ-roles, when discussing Bierwisch. 2.2 Adjectives According to section 1 adjectives are qualities and/or modifiers, i. e. we have to deal with
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the categories s/n and (s/n)/(s/n). If we moreover accept that the fundamental content of most adjectives is the same in both constructions, then we have two basic possibilities of analysing the relation of a predicative adjective to its attributive counterpart. 2.2.1 The Predicative Approach Assuming that adjectives function primarily as predicates, Reichenbach (1947) analyses the sentence (18) Rice Hall is a red building in the notation of classical predicate logic as (18′) b(R) and r(R). Given the canonical model (interpretation) for such an expression, this means that the individual called Rice Hall is to be found in the intersection of the set of objects which are buildings and the set of objects which are red. The second half of the conjunction, Rice Hall is red, shows that Reichenbach takes the predicative use of adjectives as primary and assumes that the adjective red qualifies the referent of the noun directly. Generative Grammar takes the same approach when attributive use is derived from the predicative construction via a transformation called Adjective-Fronting: (19) Rice Hall is a building, which is red ⇒ Rice Hall is a building, red ⇒ Rice Hall is a red building. This transformation operates on the short form of a relative clause which is non-restrictive in (19) but can be restrictive: (2o) A ball which is green ⇒ a ball green ⇒ a green ball. This analysis is supported by the following facts: — it keeps the lexical content of the adjective constant in predicative and attributive use; — investigations of language acquisition by children and of language re-acquisition in the case of aphasia- and dysphasia- patients seem to indicate that predicative use is basic; — most predicative adjectives can be found attributively; — it captures the similarity of relative-clause modification and attributive modifiers. If adjectives are basically of category s/n, we first have to distinguish this category from that of nouns and intransitive verbs on syntactic grounds. We use Montague’s slashes:
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Bn = {John, Mary ...} BCN = Bs/n = {horse, house, building, cat...} BIV = Bs//n = {run, walk, sleep, arrive ...} BADJ = Bs///n = {red, dead, square, tall, short, fake ...}. This categorization implies that an α ∈ BADJ takes a noun phrase or name β and that a suitable combination F of α and β then forms a sentence. A suitable combination can be the following: For α ∈ BADJ and β ∈ Bn, F(αβ): = β be α. In the usual way we interpret F(αβ) semantically as V(α)(V(β)), where V(α) is a subset of the set of individuals and V(β) is an individual. In the following we will mostly write ADJ for BADJ and use other simplified notations as well; we will, for example, not distinguish general properties and qualities in the logical context. The “movement” which forces the category change of the adjective is effected by an operator called attr. Attr changes an a ∈ s///n into a noun modifier of category (s/n)/(s/n) or CN/CN. Attr therefore is of category (CN/ CN)/ADJ. This operator can be realized on the surface, as in German or Russian in the inflectional suffix of the attributive adjective. Therefore V(attr) is a function τ which maps properties on functions which map properties on properties. If σ1 is a property, σ2 some other property, b is some individual and w a world, then (τ(σ1)(σ2)(b)(w) = 1 iff σ1(b)(w) = 1 and σ2(b)(w) = 1. Of course, σ1 and σ2 have to be suitably restricted. Bierwisch (1986) also suggests an analysis which considers the predicative adjective to be primary. He has a general modifier rule in which the external Θ-role, λx′, of the head of the modifier is absorbed by the external Θrole, λx′, of the head of the modified quantity, thus giving an extensional conjunction analysis of modifier and modified: (λx′( P x′))(λx(Qx))↔(λx′(( P x′) ⋀ (Q(x′))) iff λx′ absorbs λx according to the modifier rule. Bierwisch (1986:98) speaks of an adjective’s “external” Θ-role. As mentioned before, this role must not be an agent wherefore other authors refrain from calling it external. The same considerations lead Bierwisch to distinguish this role from the external roles of other predicates. To achieve this distinction, Bierwisch interprets normal Θ-roles by the lambda-operator, while the role of adjectives
VIII. Adjektivsemantik
is interpreted by another operator which he paraphrases as “an x with ...”. Whether this exchange explains ergativity and the externally realized internal role of adjectives, is beyond this paper. In the Bierwisch approach the rule about absorption of Θ-roles achieves about the same as the application of the operator attr. Why Bierwisch (1986) chooses the “old” predicative-first analysis, will be discussed in 2.2.4. 2.2.2 Problems of the Predicative Approach 1)Syntactic classes Aside from the adjectives which can occur in both positions, languages with large adjective classes usually have some items which occur only attributively (A) or only predicatively (P ). English main, former, alleged, fake, recent belong to (A), flush, asleep, alone, ill to (P). Adjectives of class (A) cannot be derived via attr from predicative adjectives because they do not have a predicative counterpart. P artee’s “wellformedness constraint” (P artee 1976, 1978) would therefore block the relative clause involved in the transformational derivation corresponding to attr: (recent CN/CNimmigrant CN) = recent immigrant (*immigrant who is recent) = recent immigrant. Moreover, an analysis involving a conjunction is simply false: A former pupil is not a pupil any more. Accordingly, adjectives of class (A) have to be categorized as CN/CN from the start. 2) Functional differences The sentences (21) a. Andrea’s ball is small b. The small ball rolls show that adjectives in predicative and attributive position are functionally different. In (21a) a quality is merely attributed to an object, in (21b) this attribution helps to differentiate and identify that object. Evidence for this difference comes from psychological experiments as described in Osgood (1971), which showed that attributive adjectives were mostly used in situations where reference had to be narrowed down in order to allow identification of the referent. This difference can, however, be considered as truth-conditionally irrelevant and should better be treated in a theory of conditions of use and processing as for example in the felicity conditions for the use of the definite
31. Adjectives
article (cf. articles 10 and 22). Semantics, however, can and should make explicit that (21a) can be uttered when the comparison class comprises other toys as well, Andrea’s tricycle and her big teddy, for example, while we can only have balls in the comparison class of (21b). Such a model must take account of contextual factors, and attr then must not only combine two properties to form a complex one, but must introduce the relevant context coordinate, the comparison class. As this normally is the class given by the noun, attributive adjectives can be said to be reference modifying (they are accompanied by the noun), while predicative adjectives are not and thus directly apply to the referent. P inkal (1979) has compared the relation of complex NP s (with prenominal adjectives) and predicative adjectives to the relation of definite descriptions and pronouns: “... in both cases, the more complex phrases are interpreted as context-specifying versions of the simpler ones.” (Pinkal 1979:45). Similar considerations lead Bolinger (1967) to repudiate the derivation of attributive adjectives via the corresponding relative clause. He claims that attributive adjectives tend to characterize, while predicative adjectives can also describe a circumstance, a difference which involves the distinction of durative versus temporal properties. (22) a. the stars which are visible b. the stars visible c. the visible stars (22a) has both interpretations: a) the stars which are at this moment visible, and b) the stars which can principally be seen from the earth; (22b) only has the first interpretation, and (22c) only the latter. A further difference appears with the introduction of Bolinger’s kind of-slot: Some adjectives occur attributively and predicatively. In attributive position they can occur, however, only with certain nouns to whose referential system they belong. The question what kind of lawyer, policeman, student, cousin, ball is he/it? can only be answered by a criminal lawyer, a rural policeman, a lazy student, a distant cousin, a football, but never by a very criminal lawyer or a green ball. The modifier very can only occur in the case of direct modification of the referent, not in the case of reference modification, i. e. not in the case where the function determining reference is itself further modified.
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Bolinger’s not very well-known distinction of referent versus reference modification, seems to be an early, linguistically motivated step in the right direction: the first corresponds to a conjunction analysis, the latter to a categorization as CN/CN. Some languages mark this distinction not only through the positioning but morphologically. According to Siegel (1976), the so-called Russian long-form, which can appear predicatively and attributively, has the interpretation ‘Adjective qua Noun’, while the short-form directly qualifies the individual. 3) Entailments The problem of reference modification is mirrored in the question of which are the entailments of these expressions. This, of course, has to be dealt with in a truth-conditional semantics. Bartsch & Vennemann (1972:73) suggest a classification according to admissable entailments. They distinguish absolute, relative, and non-standard adjectives: (23) a. absolute A X is an A N → X is an N X is an A N → X is A b. relative A X is an A N → X is an N X is an A N X is A c. non-standard A X is an A N X is an N X is an A N X is A. These criteria allow a conjunction analysis only for absolute adjectives like dead, finished, Greek, differentiable and perhaps some colour adjectives. All dimension adjectives (tallshort, heavy-light) qualify as relative adjectives. So do all value adjectives (good-bad, beautiful-ugly), but also Bolinger’s reference modifiers. Non-standard adjectives are former, fake, alleged. 2.2.3 The Attributive Approach Because the conjunction analysis turns out to be correct only for a small class of expressions, and for most other expressions it works only with further specifications of context, most recent work opts for the other possibility of categorization: adjectives, as modifiers, are of category CN/CN, i. e. mappings from properties to properties. As we know nothing about the resulting property, all entailments are a priori blocked! The entailments which intuitively hold and define the above classes are then added to the theory like axioms
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defining the individual language, either as meaning postulates as in Montague (1970a) and Bennett (1976), or directly in the semantics of the adjectives as in Cresswell (1976). Keenan & Faltz (1978) prefer to analyse all adjectives as mappings, but distinguish the mappings by the way they work. Again classes are formed, and their union constitutes the class of adjectives. The features of these classes are: restricting, intersecting, transparent, negatively-restricting. [+ restricting, + intersecting] are those adjectives which are elsewhere called absolute, [+ restricting, — intersecting] are large, tiny, beautiful, the relative adjectives. This is correct, however, only at first glance. Like Kamp (1975), Keenan & Faltz stress that in an extensional semantics some adjectives cannot be functions. The reason can be found in the following argument: If all housewives were mothers, then it still does not follow that all good housewives are good mothers. Therefore, some adjectives are not transparent in their argument. This holds for many value adjectives and for Bolinger’s reference modifiers. Value adjectives like beautiful in beautiful dancer or beautiful painter, are considered to be ambiguous (here Keenan & Faltz follow Reichenbach (1947)) so that we have a transparent beautiful1 and a non-transparent beautiful2. The problem is that adjectives should be mappings, and yet can be non-transparent. It can be solved, if one changes the extensional into an intensional logic. In particular, it is the option of possible worlds we need in the semantics. We have already included them by defining propositions as mappings from worlds into truth values. Therefore, we always have a possible world as implicit argument. We now define: A mapping f: X → Y is transparent iff for all w ∈ W and a,b ∈ X: if a(w) = b(w), then f(a)(w) = f(b)(w). Keenan & Faltz (1978) and (in a somewhat different terminology) Kamp (1975) arrive at the following classes: [+t, +r, —nr, +i] Adj., these are the absolute adjectives; [+t, +r, —nr,—i] Adj., large, tiny, beautiful1; [—t,+r,—nr,—i] Adj., beautiful2, distant; [—t, —r, +nr, —i] Adj., fake; [—t, —r, —nr, —i] Adj., alleged. The label negatively-restricting obviously further divides the class of non-standard adjectives. It furthermore follows that all inter-
VIII. Adjektivsemantik
secting adjectives (i. e. those which allow the conjunction analysis) are transparent, and all transparent adjectives are restrictive. It remains to be explained why dimension adjectives are classified as transparent, i. e. as extensional, though usually the norm varies together with the comparison class, and certainly a tall man need not be a tall basketball player. However, dimension adjectives are treated as taking the average of the comparison-class extension for the norm. This implies that if the extensions are the same (i. e. if all men are basketball players and vice versa) then the norms are the same and tall is transparent. This shows the importance of how the adjectives form their norms. If it is not an average norm, then the adjective is most likely not transparent. More than this is involved for value adjectives. In that case we usually not only have a change of norm but of criteria as well. For the reference modifier beautiful2 we cannot deduce that a beautiful dancer is a beautiful singer, even if all dancers were singers and vice versa. Non-transparency of many adjectives seems to be the best argument for preferring the CN/CN approach to the conjunction analysis. Critical points will be discussed later. What remains to be done is the transition to predicative use. This is achieved by deletion, triggered by the operator pred: (24) a. The tower is a red tower b. The tower is red. Keenan & Faltz (1978) solve the problem somewhat more elegantly in the semantics of the copula be. Thus they avoid the error of Montague (1970a) and Bennett (1976), who always delete entity. Keenan & Faltz define: John(be(tiny)) is true iff there is a property q, which makes John is a tiny q true. 2.2.4 Problems of the Attributive Approach P roblematic for the CN/CN approach is the decision of what exactly has to be deleted or supplied. Entity, as is easily verified, works only for absolute adjectives. For relative adjectives, i. e. dimension and value adjectives, it is particularly difficult to decide what has been deleted. With a proper-name subject the problems show up beautifully: (25) a. Fido is small b. Fido is a small dog c. Fido is a small boy d. Fido is a small elephant e. Fido is a small (entity) individual.
31. Adjectives
Evidently, context information is required in order to establish the comparison class for (25a). Keenan & Faltz (1978) at least leave the comparison class open so that context could apply at this point and give the specifications. If one does not allow this openess and requires, as is often suggested (cf. (24a,b), that the relevant comparison class is that indicated by the subject, one arrives at absurdities as soon as context is added: (26) The cathedral tower is high in comparison with the surrounding houses would get the interpretation that the cathedral tower is a high tower compared with houses, which does not make sense because we now have two comparison classes. If, however, one takes the contextually given class of surrounding houses as the comparison class, then it follows that the cathedral is a high house, which is absurd. What has to be done is to take the next higher class comprising both towers and houses as the comparison class, here it would be the class of buildings. But how this can be achieved in every particular case, is not quite clear. Bierwisch (1986), another critic of the CN/ CN approach, also takes up the problem of comparison value or class. Bierwisch (1986:1oo) introduces a new coindexing rule for Θ-roles, which specifies “that the head of the subject is the reference value of the predicate just as the head of the modified unit is the reference value of the modifier”. Moreover, Bierwisch (1986:113) says about the examples: (27) a. The wine (doctor) is good b. He knows a good wine (doctor) “the notoriously context dependent interpretation of good is fixed by the reference value in both cases. Therefore, the adnominal adjective theory is discredited.” This rather summary judgment is problematic in so far as Bierwisch equates the “adnominal”, i. e CN/CN, approach with the intensional theory and concludes that an extensional semantics and the conjunction analysis are fully adequate for adjectives. However, the CN/CN approach is not motivated, as Bierwisch claims, by the observation that the reference value and so the comparison class is missing in predicative constructions and has to be supplied. It is, however, concerned with the fact that the interpretation of good depends crucially on the reference value — no matter whether predicative or attributive. To capture this the intensional approach had
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been designed. The other point which the CN/ CN approach takes up is the unwanted entailment “X is A” in the case of relative adjectives. Now, the above quote from Bierwisch (1986) implies, that this entailment is not blocked if X is an individual which is designated through a definite description, i. e. if the subject has a head noun which can furnish the reference value. If this is not the case as for proper names, then the entailment is blocked for adjectives like small without more context (cf. 25a—e). These adjectives are simply not amenable to a conjunction analysis. Moreover, a potential comparison class given via the head of the subject, can be overruled by context: (28) a. The tower is beautiful (as a tower) b. The tower is beautiful (as a building) c. The tower is beautiful (as a wall for alpine excercise). Of course, nobody is denying that a comparison class can or must be present in the context of interpretation — as Bierwisch demands. In such a contextual/pragmatic solution, the approaches could compromise. 2.3 Summary We arrive at the following picture: there are adjectives which behave like independent predicates and therefore can be given a conjunction analysis and be categorized as s/n even when occurring attributively; there are adjectives which occur only as modifiers and so are natural members of category CN/CN; finally, there are adjectives which are problematic in any case — no matter which basic categorization is chosen. The problems always occur at the point of functional transition, or, in a double- categorization approach the point of functional overlap. The problems are caused by the inherent vagueness and context dependence of especially the relative adjectives, and the fact that the attributive adjective is, of course, endowed with more context. Models which account for these factors can deal with the problems quite easily. In Kamp (1975) the entailment Fido is a big flea → Fido is big would go through in the same model, i. e. with the same standard (norm and comparison class), but not in the super-valuation, because Fido is big would not hold in all models in which Fido is a big flea holds. In his semantics for attr, Pinkal (1979) introduces a context parameter which has to be filled so as to reduce vagueness. Bierwisch (1986) solves the problem by spec-
VIII. Adjektivsemantik
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ifying the different parameters like reference value, norm and comparison value according to adjective class. In the other approach the operator pred has to provide for greater freedom, a parameter is made free to be filled anew — by the comparison class given in the head of the subject or other contextual information (cf. examples (26) and (28)), always provided that absurdities are not created.
3.
More About Adjective Classes
Apart from the CN/CN — s/n dichotomy, other phenomena and problems have been touched on in section 1. How these can be treated becomes apparent in a detailed discussion of the semantic properties of the different adjective classes. The main distinctions turn out to have to do with gradability. In order to outline possible semantic solutions it therefore seems necessary to mention at least the relevant phenomena. More about gradability can be found, of course, in article 32. 3.1 Absolute Adjectives The class of absolute adjectives is formed by those predicates which are extensional and intersecting, so that the conjunction analysis describes them properly. In this class we find complementary adjectives like dead-alive or single-married, nationality adjectives like Greek or English, colour adjectives like red, white or black and some predicates like square, differentiable or continuous in mathematical usage which are sharp by virtue of their exact definition. We have seen that such adjectives are not gradable because they are lacking in extension gap. But in some contexts red or Greek are gradable. Therefore the question arises whether sharp, in particular absolute adjectives really exist, or whether it is “vagueness” as a property of the class in general which “overlays” the special properties of an individual adjective’s meaning. Special properties of absolute adjectives are that they do not occur in antonym pairs, the paradigm case of gradability, and that they occur in complementary pairs or have more than one counterpart as illustrated by colour and nationality adjectives. Colour adjectives have been studied in depth with respect to the question of linguistic universals. The discussion turns about the point whether colour expressions are arbitrary or code a universal inventory, and the
interpretations of the available material differ widely (cf. section 4). 3.2 Relative Adjectives Relative adjectives, as we have seen in section 2, must be divided into two subclasses: 1) dimension adjectives and 2) value adjectives. These classes differ importantly in the areas of grading and comparison. The main difference is that dimension adjectives inherently carry the identification of their comparison scale while it is context which identifies the scale for value adjectives. This implies that dimension adjectives always have the same scale while scales vary for value adjectives. The fact that value adjectives often occur in clusters with related meanings and can choose different opposites (dumb, stupid — clever, intelligent, wise) can either be explained by their forming scales with not only two designated areas but four or more — or by the above possibility to form different scales with different basic qualities: stupid-clever, stupidintelligent, stupid-wise. The two subclasses also differ in the way their norms are built up. Dimension adjectives take the average as their norm, value adjectives have a norm of expectation, dependent on context. The five phenomena to be captured are as follows. 1) Measure phrases can accompany the (+ pole) of a pair of dimension adjectives. The (—pole) of such a pair does not take them and neither do value adjectives: (29) a. The board is two meters long b. ??? The board is two meters short c. ??? Belinda is hundred units beautiful (ugly). 2) Together with a measure phrase, relative adjectives become absolute because they cease to be norm-dependent. Normally, the positive of relative adjectives involves a norm which it asserts to be exceeded. (30) a. Hans is tall (short) b. Hans is good (bad). 3) The comparatives of dimension adjectives do not involve a norm, while the comparatives of value adjectives are normdependent at least for (-pole). This implies that the comparatives of an antonym pair of dimension adjectives are inverse relations of each other. This does not hold for value adjectives.
31. Adjectives
(31) a. Hans is shorter than Franz ( both are short) b. Franz is taller than Hans ( both are tall) c. Hans is better than Fritz (→, ?) d. Fritz is worse than Hans (→ both are bad). 4) Dimension adjectives can take measure phrases in order to specify the difference in the individuals’ qualities: (32) a. Hans is three centimeters shorter than Fritz b. ??? Belinda is two units more beautiful than Miranda. Sometimes “units” can be contextually fixed for value adjectives: (32) c. In maths, Hans is two grades better than Fritz. 5) There is a certain duality of comparative and equative: (33) a. Hans is taller than Fritz b. Fritz is not as tall as Hans are equivalent. Some speakers, notably Bierwisch (1986:102), accept (34) as equivalent: (34) a. Hans is not taller than Fritz b. Fritz is as tall as Hans This seems to be a consequence of Bierwisch’s discussion of (35) Applicants must be six feet tall, which means “must be at least six feet tall”. Therefore, Bierwisch interprets “x-tall” as “at least x-tall” and claims that (34a) and (34b) are equivalent. The canonical interpretation of “x-tall” as “exactly x-tall” implies, of course, that the sentences are not equivalent. The interpretation of (35) is most probably due to some condition on the use of the modality. What emerges is that antonym pairs of dimension adjectives share a basic quality. Dimension adjectives then build up a scale on this quality. On this scale the comparatives of the antonyms are inverse relations of each other and the norm is the average, dependent on comparison class. Value adjectives also build up a scale, but the comparatives are inverse relations if at all then only in a very small area. In general, the positives of an antonym pair of value adjectives occupy different ranges of the scale. Therefore it is debatable whether they really share a quality, especially as their “norm” seperates the two
669
ranges. Another important group of facts are the possible answers to the questions how tall or how beautiful. Dimension adjectives allow (36) a. Hans is six feet tall/ as tall as Eva/ two inches taller than Fritz/ three times taller than his little brother b. Hans is tall enough for the job/ too tall for the bed. Value adjectives allow only c. Belinda is as beautiful as Miranda/ threetimes more beautiful than Miranda/ beautiful enough for the part/ too beautiful to ... The problems of comparison have been dealt with in several approaches. The first decision to make is whether to build up the semantics of the comparative on the semantics of the positive or vice versa. The second approach runs into the problem that an inherently vague predicate with an inherent extension gap has to help define a predicate without such an extension gap — keeping comparison class and standard of comparison constant, of course. Wallace (1972) illustrates this problem with elephants: In the same circumstances of evaluation it can remain debatable that Jumbo is a big elephant, even though it is quite clear, probably even decidable in the mathematical sense, that Jumbo is a bigger elephant than Dumbo. Moreover, comparing things seems to be a basic cognitive operation so that most authors try the first alternative. Authors agree that at least two arguments are needed: x is tall becomes x is y-tall, where y is a degree on the scale, the degree of tallness of x. (37) a. Hans is tall b. Hans is taller than Eva c. Hans is as tall as Eva are then given the following analyses: Alternative 1 (Cresswell 1986): (A) Hans is y-tall and y is located “on top of the scale”, or Hans is y-tall and y > N (B) Hans is y-tall and Eva is z-tall and y > z (C) Hans is y-tall and Eva is z-tall and y ≥ z or y = z. Alternative 2 (Seuren 1973, 1985): (A′) ∃y((Hans is y-tall) and (not(N < y))) (B′) ∃y((Hans is y-tall) and (not(Eva is ytall))) (C′) ∀y((Eva is y-tall) → (Hans is y-tall)).
VIII. Adjektivsemantik
670
Alternative 3 (Hellan 1981): (A″) ∃x ∃y ∃z ((Hans is x-tall) and (N > y) and (x = y+z)) (B″) ∃x ∃y ∃z ((Hans is x-tall) and (Eva is ytall) and (x = y + z)) (C″) ∃x ∃y ((Hans is x-tall) and (Eva is y-tall) and (x ≥ y)). All three alternatives base the positive on the comparative, such that the norm becomes the comparison value for the positive. All of the above expressions have been simplyfied by leaving out the lambda-operator. This operator has the effect that in a fully fledged theory not the degrees (the points on the scale) are compared, but properties, in particular the properties of having Hans’s or Eva’s degree of tallness. Then, of course, the norm has to be treated as a property, too. It becomes the property of having the average degree of tallness. Strictly speaking, N additionally needs an index which specifies the comparison class. Measure phrases can be treated either as names or as properties of degrees. Though all these niceties have been left out from the above formalizations, it is nonetheless worthwhile to examine how categorization is effected. Consider a CN/CN approach and an analysis like Alternative 1. Then tall is of category (s/n/n)/(s/n). Let man be a noun of category (s/n), then tall man is of category (s/n/n). This is so, because tallman stands for x-much tall man and thus takes a degree and an individual as arguments to form a sentence. All three alternatives can treat most of the above examples. However, only Alternative 3 can treat examples where the difference is specified in a measure phrase. Alternative 2, which ingeniously introduced negation into the semantics in order to explain the occurrance of “negative-polarityitems” in the than-complement, lost some of its attractiveness when Ladusaw (1979) pointed out that the occurrance of negativepolarity items is not due to an underlying negation but is triggered by downward-entailing expressions. As it turns out, than-complements are downward entailing. Alternative 1, which goes back to Cresswell (1976), also has weaknesses: a) as is evident from the above categorization, Cresswell builds up a seperate scale for each adjectivenoun combination, so that the scales for tall man, tall boy etc. are not the same. One expects, however, that for dimension adjectives
the scale remains constant and only the norm varies with the comparison class; b) short gets a scale of its own, the degrees of which are defined in such a way as not to take measure phrases. What is lost is the intuition that antonym pairs share a basic quality, and their comparatives are inverse relations on a common scale. Alternative 3 runs into the same problem about this property of the comparatives. To capture it, the scales have to be altered substantially. One can keep the construction of equivalence classes of objects of the same tallness, and then order them with the relation “〉”. But one should consider the field of this relation as the set of degrees, because only then the same degrees can constitute the field of the inverse relation. Scales of dimension adjectives should, moreover, have an origin (a zero-point) and thus be isomorphic to an order with a smallest element, as Hamann (1982) suggests. Due to vagueness, the norm on these scales is probably not a sharp value, but covers a certain range. The scales of value adjectives have no origin, but show two areas seperated by the norm and having different orientation. Here, too, the norm covers a certain range, so that we get the following picture:
Fig. 31.1: Scale of value adjectives
We build up the scales with a strong order relation because that is intuitively simpler than a weak order. Additionally, in a strong order one can always define the distance between two elements, or, turning it around, with the help of the addition operation and the concept of the distance between two elements of a set one can always define a strong order. Therefore, only strong orders can adequately explain (32a). If one decides to base the scale on a weak order relation, as Bierwisch (1986) does because of his interpreta-
31. Adjectives
tion of (35) and the equative, then Grice (Be relevant!) must explain why the normal interpretation of (29a) is that the board is exactly two meters long, and why Hans is taller than Eva is hardly a satisfactory answer to How tall is Hans? Bierwisch (1986) arrives at scales like those in Fig.1 in the following way. He introduces a degree complement for dimension adjectives, i. e. an internal Θ-role, and one more argument, the comparison value, which is a variable. long (syntactic frame) — (λz(λx(QUANT MAX x) = (y + z))); short (syntactic frame) — (λz(λx(QUANT MAX x) = (y — z))). Here λx is the Θ-role which will eventually become the grammatical subject or be absorbed by the modified quantity, λz is the difference value, and y the comparison value. Actually, the formulas are much more complicated as there is the weak order to be considered and so the +/— operations have to be employed. The important thing, however, is the open variable for the comparison value. Either the norm or the origin of the scale can be assigned to this value according to certain rules. These rules thus are the key of the theory because they license norm dependence or measure phrase modification. Value adjectives, on the other hand, do not have an inherent degree complement in Bierwisch’s theory. They become gradable only relative to a class C. For value adjectives, therefore, Bierwisch takes over Cresswell’s scales, after an operator with a semantics similar to much has applied and added the degree complement to the adjective’s syntactic frame. Bierwisch further assumes that these scales have a class dependent origin OC instead of a norm. Therefore the above mentionend rules have no choice between a norm and an origin, and the required distinctions about norm dependence of dimension and value adjectives and their comparatives follow automatically. As in Cresswell (1976), however, each adjective of a pair now has a scale of its own, so Bierwisch glues these two scales together in their origins and thus also arrives at Fig.1. The approach is interesting because it classifies only dimension adjectives as inherently gradable, all the others need the application of an operator to become gradable. This is a nice explanation of why colour adjectives like red or even absolute adjectives like single can
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acquire gradability, however reluctant they may be to accept the operator. According to Bierwisch, only adjectives which satisfy (12) and where (-pole) is not equivalent to un(+ pole) can be inherently gradable, adjectives satisfying (11) are never gradable. This condition on gradability is much stronger than the requirement that the adjective possess an extension gap. It excludes value adjectives from the class of inherently gradable expressions because they cannot be considered as truly fulfilling (12). The reason is that they are not transparent. Together with a noun (good mother — bad mother) they fulfill (12), and this leads back to the requirement that they need a comparison class in the form of the noun before they can become gradable. Some of these adjectives which notoriously occur in pairs are called canonically gradable by Bierwisch, but their tendency to occur in pairs is attributed not to any systematic, but an accidental relation of their semantic content. We will not further discuss how far this treatment captures intuitions. We have said next to nothing about factor phrases (examples (36a,b)) and the modifiers too and enough. The latter obviously say something about satisfying a norm and can explicitly introduce this norm and the relevant comparison class. Neither will we deal with comparisons on different scales, which are possible but vary in acceptability: (38) a. Ophelia is much more beautiful than intelligent b. ? Hans is much taller than cautious. Example (38a) seems to be more acceptable than (38b) because there the mixed comparison at least compares adjectives of the same type, while in (38b) a dimension and a value adjective are involved. The apparatus capable of treating such comparisons, has to relate Hans’s degree of tallness to his degree of caution. This can be done only if degrees of tallness and degrees of caution have been mapped in suitable fashion onto an auxiliary scale. The comparison is then effected on this auxiliary scale. Hamann et al. (1980) demonstrate how this can be done without violating the order relations of the original scales. 3.3 Summary The characteristic of relative adjectives is their dependence on a comparison class and a norm, predicatively and attributively. A pre-
VIII. Adjektivsemantik
672
requisite for their gradability is certainly their systematic extension gap and probably condition (12). Comparisons can be made because the primitive operation of ordering allows to construct a scale. The comparatives of relative adjectives can be seen as order relations, the fields of which become the “points” of the scales. The scales differ for dimension and value adjectives as shown in Fig. 1. This difference in scales explains the different behaviour of the comparatives with regard to the respective norms. The positives always involve a norm or a class dependent origin. In order to capture the full breadth of phenomena regarding the possibilities of modification in the adjectival phrase one has to introduce three arguments for relative adjectives: one for the individual, one for the individual’s degree on the scale, and one which can be filled by the “distance” value.
4.
The Literature
4.1 Word Classes The problems of identification of word classes and the possibilities of expressing adjectival concepts via nouns or verbs are dealt with in Dixon (1977), Schachter (1985) and Anderson (1985). Keenan & Faltz (1978) take another approach. They a priori distinguish the classes. Only nouns are interpreted as properties, verbs are functions and adjectives are functions from properties to properties. In Dixon (1977) one can find the inventories of the languages with small adjective classes. The above authors also treat the various possibilities of marking predicative and attributive constructions. Siegel (1976) investigates the Russian short- and long-forms. A discussion of natural kinds, their clusters of criteria and conceptual difference to adjectives can be found in Lakoff (1973), in Miller & Johnson-Laird (1976), and in Carlson (1977). Kripke (1972) advocates another view in which the terms for natural kinds and adjectives like hot are treated on a par, namely as rigid designators. The concept of extension gap is discussed in Kamp (1975). Kamp and P inkal (1979) take adjectival vagueness and its contextual reduction as the point of departure for their theory. Vagueness and related concepts are discussed in Pinkal (1985). An early, but thorough treatment of most of the above problems is Sapir (1944) (ed. Mandelbaum (49)).
P roblems of attributive participles and ergative constructions are considered in Haider (1984) and Toman (1986). Both argue in the framework of GB, but take different approaches. Haider (1984) works with the blocking and deblocking of internal and external arguments triggered or “detriggered” by the properties of the participles or sein and haben. Toman (1986), whose approach we have delineated, uses the idea of inheritence domain, argues that sein + participle and haben + participle is such a domain and so the properties of these constructions can be deduced from the properties of sein (ergative) and haben (transitive). Both give different explanations for crucial examples, which we take as justification for the detailed discussion. It demonstrates very nicely, how much interesting turmoil can be found in GB, especially concerning parameter setting for different languages. Borer (1984) outlines yet another approach. She advocates the weak lexicalist hypothesis, while Toman (1986) adheres to the strong variant, compare Borer and Wexler (1989). More about ergative adjectives can be found in Cinque (1989, 1990). 4.2 Semantics and Adjective Classes The predicative approach is presented in Reichenbach (1947), Smith (1964), Chomsky (1965) and, more recently, in the second theory of Kamp (1975), in Siegel (1976) and (1979), Kaiser (1978), P inkal (1979), and in Bierwisch (1986). Double classification is favoured by Bolinger (1967), P arsons (1972), Emonds (1976), and Hamann (1982). The modifier approach is pursued by Clark (1970), where we find a very detailed classification of adjectives, by Montague (1970a), Bennett (1976), Ballmer & Brennenstuhl (1982), Cresswell (1976), Keenan & Faltz (1978) and Hausser (1984). Discussions about the (missing) comparison classes or the problem of reference value can be found in Katz (1967) and in most of the above mentioned authors’ work. It gets special scope in P inkal (1979), Kaiser (1978), Keenan & Faltz (1978), and Bierwisch (1986). 4.3 More About Adjective Classes In the discussion of colour adjectives and their status as universals, especially Berlin & Kay (1969) take a stand against the Sapir & Whorf hyphothesis. McNeill (1971) and oth-
32. Comparatives
ers take up the discussion and, in many points, argue against Berlin & Kay. Kamp (1975) and Wallace (1972) discuss the question, whether the comparative should be the semantic primitive for relative adjectives or whether it should be the positive. Bartsch & Vennemann (1972) provide a valuable overview over the problems of comparison and the research of the sixties. Bierwisch (1967) suggests a decomposition analysis for dimension adjectives, and Wunderlich (1973) discusses the problems of dependence on a norm and comparison class. Cresswell (1976) analyses the comparative in the framework of a Montague Grammar and introduces Alternative 1. Hamann et al. (1980) take his approach a bit further in demonstrating how the scales have to be altered in order to accomodate the difference of dimension and value adjectives. They also treat the minimal requirements on a mapping between scales for “mixed” comparisons. Hamann (1982) makes it plausible to treat a scale as a simple model of an order relation with or without a smallest element — without having to accept the structure of the real numbers lock stock and barrel. Seuren (1973) and (1985) introduce and comment on Alternative 2, Hellan (1981) introduces Alternative 3. Von Stechow (1985) compares those three approaches. Bierwisch (1986) gives a recent and comprehensive treatment of the whole subject, which not only
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combines the methods of formal logic with the concepts of GB (as found in Chomsky 1981), but treats many more phenomena than could be listed and discussed here.
5.
Short Bibliography
Anderson 1985 · Ballmer/Brennenstuhl 1982 · Bartsch/Vennemann 1972 · Barwise 1973 · Bennett 1976 · Berlin/Kay 1969 · Bierwisch 1967 · Bierwisch 1986 · Black 1937 · Bloomfield 1933 · Bolinger 1967 · Borer 1984 · Borer/Wexler 1989 · Burzio 1981 · Cardinaletti 1988 · Carlson 1977 · Chomsky 1965 · Chomsky 1981 · Cinque 1989 · Cinque 1990 · Clark 1970 · Cresswell 1976 · Dixon 1977 · Emonds 1976 · Fanselow 1987 · Grimshaw 1988a · Haider 1984 · Hamann 1982 · Hamann/ Nerbonne/P ietsch 1980 · Hausser 1984 · Helbig/ Kempter 1981 · Helbig/Buscha 1984 · Hellan 1981 · Kaiser 1978 · Kamp 1975 · Katz 1967 · Keenan/ Faltz 1978 · Kripke 1972 · Ladusaw 1979 · Lakoff 1973 · McNeill 1972 · Miller/Johnson-Laird 1976 · Montague 1970a · Osgood 1971 · P arsons 1972 · P erlmutter 1978 · P artee 1976 · P artee 1978 · P inkal 1979 · P inkal 1985 · P ütz 1989 · Quirk/Greenbaum/Leech/Svartvik 1972 · Reichenbach 1947 · Sapir 1944/1949 · Schachter 1985 · Seuren 1973 · Seuren 1985 · Siegel 1976 · Siegel 1979 · Smith 1964 · von Stechow 1985 · von Stechow/Sternefeld 1988 · Toman 1986 · Wallace 1972 · Wunderlich 1973
Cornelia Hamann, Ferney-Voltaire (France)
32. Comparatives 1. 1.1 1.2 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 6.
Linguistic Phenomenology A Comparative Look at Comparatives Further Syntactic Considerations Measurement Degree Ontologies The Degree Parameter Degrees as Equivalence Classes Numerical Degrees Delineation Theories of Comparatives Positive and Comparative Commensurability The Logical Form of Comparatives The Comparative Complement Connectives Quantifiers Modal Contexts Concluding Remarks Short Bibliography
1.
Linguistic Phenomenology
1.1 A Comparative Look at Comparatives It is usually fairly easy to recognize a comparative construction, but less easy to give a satisfactory general definition. Central to our discussion is the status of gradable adjectives such as old, big, and generous (also known as degree or relative adjectives). These have a number of interesting characteristics. The most important seems to be that they express properties which are order inducing, in the sense that we can impose an ordering (possibly incomplete) on objects according to whether one object possesses the relevant property to greater or less extent than another. It is difficult to disagree with Cresswell’s (1976: 281) contention that our ability
VIII. Adjektivsemantik
674
to draw comparisons has to be taken as “basic data”, and that it is “the business of linguistics ... to tell us how we put the comparisons we do make into the linguistic forms into which we put them.” From a cognitive point of view, it is highly plausible that the notion underlying a predicate such as old is a relational, intrinsically comparative notion. What is less clear is whether we should take this comparative relation as fundamental to the natural language semantics of gradable predicates. This is a topic of considerable and continued debate which we shall not attempt to resolve in this article; for discussion, cf. Bartsch & Vennemann (1972), van Benthem (1982, 1983 a, c), Bierwisch (1987/89), Cresswell (1976), Hoepelman (1983), Kamp (1975), Klein (1980), Sapir (1944), von Stechow (1983), Wallace (1972) and Wheeler (1972). The second important characteristic of gradable predicates concerns the linguistic manifestation of their comparative nature, namely that they admit degree modification. Degree modifiers in English consist of expressions like very, fairly, too, and so, measure phrases such as twenty five years, two metres and six kilograms, and the comparative constructions themselves. The third property of gradable predicates which we wish to draw attention to is that they typically come in pairs, standing in polar opposition; for example, old ~ young, big ~ small, and generous ~ mean. Following Hoepelman (1983), let us symbolize the polar opposite of a gradable predicate ζ as ζ°. For Lyons (1977: 272), the distinguishing logical characteristic of such pairs is that they validate inferences of type (1a), but not the converse (1b): (1) a. x is ζ ⇒ x is not ζ° b. x is not ζ ⇒ x is ζ° For further discussion of polarity, see also Hoepelman (1983), Lehrer & Lehrer (1982), Rusiecki (1985), Seuren (1978, 1984) and von Stechow (1984d). Traditionally, gradable predicates are said to allow four ‘degrees of comparison’: (2) a. b. c. d.
positive: equative: comparative: superlative:
a is tall a is as tall as b a is taller than b a is the tallest of the children
Types (b) and (c) are also sometimes classed as comparatives of equality and inequality, respectively. While equatives will receive a little
attention in this article, comparatives will be the main focus. In order to establish some grammatical terminology, let us briefly consider an English adjectival comparative. (3) illustrates a reasonably uncontroversial phrase structure analysis. (3) Sue is [AP [APtaller] [PP than [STom is [APe]]]] The comparative construction itself is the constituent dominated by the topmost AP (Adjective P hrase) node. The head of this construction is the AP taller. The comparative complement of the head is the constituent than Tom is; following Larson (1985), we have classified this as a P P (P repositional P hrase). Syntacticians are generally agreed that there is a grammatically controlled missing constituent in the comparative clause, which has here been indicated as a lexically empty AP node. The affix -er in taller is a degree modifier. While the comparative degree marker in English is realized as an inflection on monosyllabic and some disyllabic adjectives, it can also be expressed analytically by the modifier more; cf. also less and as. It is useful to also give a ‘notional’ analysis of the comparative construction. Terminology in this area is somewhat confused; I shall largely follow that of Ultan (1972). The adjective tall expresses the gradable property. Sue is the item of comparison, while Tom is the standard of comparison. The standard marker, than, marks the degree relationship between the item and standard of comparison, and according to Ultan’s analysis must belong to the same syntactic constituent as the standard of comparison. The degree marker, -er, is notionally characterized as the expression which marks the degree to which the item of comparison possesses the gradable property. (4) summarizes:
The typological characteristics of comparative constructions have attracted a fair amount of attention; cf. particularly Andersen (1983), Stassen (1984), Ultan (1972). A major distinction can be drawn between paratactic and hypotactic constructions. A paratactic construction consists of two coordinate constituents, whereas a hypotactic construction consists of a complement embedded within a main clause. A second major dis-
32. Comparatives
675
tinction, crosscutting the first, can be drawn between clausal and phrasal comparatives (cf. Hankamer 1973), depending on whether the comparative complement is a phrase consisting of the standard of comparison, or whether it is a clause which contains the standard of comparison as a subconstituent. The examples in (5) (taken, like many others in this section, from Stassen 1984) illustrate paratactic clausal comparatives.
Hypotactic clausal constructions seem often to be historically derived from paratactic structures (Seuren 1984, Stassen 1984: 175), and tend to involve a specialized comparative particle, such as than in English, dan in Dutch, or quam in Latin.
Typically in the paratactic clausal construction, each clause contains a gradable predicate and there is some feature which marks a contrast between the two clauses. The subtypes illustrated above are: (a) a conjunction of adversity (‘but’), (b) polar opposition between the two predicates, and (c) negation of one of the two predicates. Finally, Malay possesses a number of comparative constructions, one of which is semantically similar to the paratactic clausal structure, though hard to classify syntactically:
There has been some debate within generative grammar as to whether such particles are complementizers; the current weight of opinion tends to the view that they are not (cf. Chomsky & Lasnik 1977, den Besten 1978, Larson 1985). It is interesting to note that hypotactic comparative clauses frequently pattern like wh-constructions. Thus, in the case of English, Doherty & Schwarz (1967) have pointed out the possibility of inversion (though cf. Emonds 1976: 24): (11) Politicians are friendlier than are statesman.
P hrasal paratactic constructions have received relatively little discussion from a crosslinguistic perspective. P inkham (1982) argues persuasively that examples like (6) and (7) are best analyzed as coordinate structures (cf. also Napoli 1983):
Huddleston (1967) observed interesting similarities in scopal interaction with negatives; and Chomsky (1977) has drawn attention to the overt wh-expression in the (non-standard) construction (12): (12) I am taller than what you are. Languages such as Hungarian, Italian, P olish, Maltese and German show an analogous morphology; we illustrate from Hungarian:
676
It has also been noted, particularly by Seuren (1973, 1984), that hypotactic comparative clauses resemble paratactic ones in often containing a negative particle:
However, Napoli and Nespor (1976) have argued that, at least in the case of Italian, the (optional) presence of negation is not a reflex of the underlying logical structure of comparatives (as supposed by Seuren), but instead conveys a rhetorical overtone of denying an existing assumption. P hrasal hypotactic constructions are extremely widespread, and the major subtypes divide into what Stassen (1984: 149) calls derived case and fixed case constructions. We will return to derived case constructions later; the fixed case constructions are distinguished by the standard of comparison being formally marked by an invariable case assignment. Within this class, a further subdivision into direct object and adverbial comparatives can be drawn. The direct object construction employs a verb meaning ‘to surpass’ or ‘to excel’ whose subject is the item of comparison and whose object is the standard. Typical examples are illustrated in (15) and (16).
In adverbial comparatives, the standard of comparison is marked by an adposition or oblique case inflection. Within this category, we should probably place English examples like (16a) (cf. Hankamer 1973), and (16b) (cf. Huddleston 1967): (16) a. Sue is taller than Tom. b. The car was travelling faster than 90 mph. However, across languages, the semantic content of the adverbial is overwhelmingly locational, and as such can be divided into three
VIII. Adjektivsemantik
subclasses: (17a) separative (‘from’), (17b) allative (‘to’), and (17c) locative (‘at/on’).
We briefly alluded earlier to a type of phrasal construction which Stassen (1984: 149—150) calls derived case comparison. In such constructions, the case of the standard of comparison is parallel to, and thus determined by, the case of the item of comparison. This parallelism is neatly illustrated in the Latin quam construction:
Notice that the English counterpart of (18), I love Brutus no less than you, is ambiguous between the two readings made explicit in Latin. This factor provides some basis for the view that on at least one derivation, the phrase following the comparative particle is related by ellipsis to a clausal complement (Bresnan 1973, Hankamer 1973). This brief overview of the major devices for expressing comparison has of course ignored much complicating detail. It has also omitted any discussion of equative constructions. According to Ultan (1972), the major type of equative construction involves a degree-like marker expressing similarity or identity, such as English like. He claims that of the different kinds of standard markers found in comparative, superlative and equative constructions, there is a marked similarity be-
32. Comparatives
tween comparative and superlative markers, and generally dissimilarity between equative markers and either of the other type. A further interesting result of Ultan’s survey concerned suppletive paradigms. Two thirds of his sample consistently exhibited shared suppletive bases for, on the one hand, comparatives and superlatives and, on the other hand, positives and equatives. This is illustrated by English better ~ best versus good ~ as good. (Suppletion in the field of gradable adjectives has also been studied by Wurzel 1985, 1987.) Apart from the works already cited, the literature contains a variety of reports on comparative constructions in languages other than English: for example, Chinese (Arlotto 1975), Dutch (Bennis 1978, Hoeksema 1983), Eskimo (Mey 1976), French (Anscombre 1975, Milner 1973, 1978, P inkham 1982), German (Wunderlich 1973), Japanese (Haig 1976), Italian (Bracco 1979, Napoli & Nespor 1976), P olish (Borsley 1981), P roto-Indo-European (Andersen 1980), Spanish (Rivero 1981), Swedish (Andersson 1973), and Turkish (Knecht 1976). 1.2 Further Syntactic Considerations The syntax of English comparative constructions has been extensively studied within generative grammar; see, for example, Andrews (1974, 1975), Bresnan (1971, 1973, 1975, 1976 a, b), Bowers (1975), Chomsky (1965, 1977), Dieterich & Napoli (1982), Doherty & Schwarz (1967), Gazdar (1980), Hale (1970), Hellan (1981), Hendrick (1978), Heny (1978), Huddleston (1967), Jackendoff (1977), Kuno (1981), Lees (1961), McCawley (1973a), Napoli (1983 a), P ilch (1965), Rivara (1979), Smith (1961) and Williams (1976). Bresnan’s (1975) analysis, according to which three rules are centrally involved, has provided a useful descriptive terminology which is widely accepted. Comparative Deletion (CD) was held to be responsible for deleting the phrases indicated in (19): (19) a. You’ve written more articles than I’ve read _. (NP) b. Bill is slimmer than he used to be _. (AP) c. They ate more quickly than they drank _. (AdvP) Bresnan points out that CD induces an unbounded dependency which respects familiar island constraints:
677
(20) a. He’s not as successful as Mary claims to believe that he is _. b. *He’s not as successful as Mary believes the claims that he is _. Comparative S ubdeletion removed only part of the compared constituent, namely the degree modifier/quantifier: (21) a. You’ve written more books than I’ve written articles. b. Bill is as slim now as he was _ obese before. c. My sister drives as carelessly as I drive __ carefully. Finally, Comparative Ellipsis was regarded as optionally removing part or all of a verb phrase which had already undergone (CD): (22) You’ve written more books than Bill (has) _. Not surprisingly, subsequent work has called into question many of the details of Bresnan’s proposals. For example, Chomsky (1977) has claimed that wh-Movement rather than an unbounded deletion rule is responsible for CD constructions; Bennis (1978) has argued that the only grammatically-determined gap in comparatives is caused by Subdeletion, and that CD constructions arise from pragmatically-determined ellipsis of the phrasal head; and Napoli (1983 a) has denied the existence of Comparative Ellipsis, arguing that the phenomena in question can be accounted for either by independently required mechanisms such as VP Ellipsis, Null Complement Anaphora and Gapping, or else by invoking a distinct construction which we earlier termed the P hrasal Comparative. (Additional discussion of Comparative Ellipsis can be found in Bach, Bresnan & Wasow (1974), Higgins (1973), Napoli (1983 b), P lann (1982), and Sag (1976).) Despite the largely syntactic orientation of the above-mentioned studies, some observations of semantic interest can be found. Thus, Chomsky (1965: 180) remarks that (23a) entails (23b), though not (23c) (cf. also Bresnan 1973, Doherty & Schwarz 1967, McCawley 1979): (23) a. John is a more clever man than Bill. b. Bill is a man. c. Bill is a clever man. On the other hand, the entailment to (23b) is not licensed by (24): (24) John is a man more clever than Bill. Some attention has also been paid to constructions like (25) (cf. Bresnan 1973: 324—
VIII. Adjektivsemantik
678
327, McCawley 1976, Napoli 1983 a, Thompson 1972): (25) Sue is more sad than angry. This can be construed in two distinct ways. The most salient reading, which Thompson (1972) characterizes as ‘denial of assumption’, arises when (25) is interpreted as a negative answer to the question Is Sue angry? It also has a more normal ‘degree’ reading as an answer to the question How sad is Sue? On the denial reading, such constructions have a number of distinctive properties. The inflected form of the adjective is not allowed (cf. also Andrews (1984), Huckin (1977), and Ross (1974) on this interaction between morphology and semantics): (26) *Sue is sadder than angry. They allow paraphrases of the form (27): (27) a. Sue is sad, more than angry. b. Sue is sad rather than angry. And third, the adjective cannot occur as a prenominal modifier: (28) *Sue is a more sad person than agry.
2.
Measurement
Before considering proposals for the analysis of comparative constructions, it will be useful to review some of the basic mathematical ideas involved in comparison and measurement. For convenience, we adopt the framework developed by Krantz et al. (1971, especially Ch. 1). Following their exposition, we use the example of length measurement. We take as given a set A of straight rods whose length can be compared. If two rods a and b are placed side by side so that they are aligned at one end, then three situations may obtain: either a is longer than b, or b is longer than a, or a and b are equivalent in length. These cases are symbolized, respectively, as a ≻ b, b ≻ a, and a ~ b. As well as comparing rods, we can concatenate them, that is place two or more rods end to end in a straight line. The concatenation of a and b is symbolized a ∘ b. Naturally, it is possible to compare the lengths of sets of concatenated rods, so for example a ∘ b ≻ c ∘ d expresses the proposition that the concatenation of a and b is longer than the concatenation of c and d. It is convenient (in order to state connectedness) to take ≿ as our basic empirical relation. In the present context, we can gloss it
as ‘at least as long as’. Ignoring concatenation for the moment, consider the structure 〈A, ≿〉 consisting of a set A and the relation ≿ on A. This is termed an (empirical) relational structure. It constitutes a weak order iff for all a, b and c ∈ A, the following two axioms are satisfied: Weak Order: (i) Connectedness: Either a ≿ b or b ≿ a. (ii) Transitivity: If a ≿ b and b ≿ c, then a ≿ c. To arrive at a system of ordinal length measurement, we must assign numbers to the rods in a way that preserves the empirical ordering induced by ≿ : the measure associated with a is greater than or equal to the measure associated with b just in case a is at least as long as b. That is, if ϕ is an assignment of numbers to rods, then the following condition must obtain: (29) ϕ(a) ≥ ϕ(b) iff a ≿ b This numerical assignment constitutes a homomorphism of an empirical relational structure into a numerical relational structure. For the latter, we take 〈 , ≥ 〉, where is the set of real numbers and ≥ is the usual ‘greater than or equal to’ relation. For ϕ to be a homorphism, it must send A into and ≿ into ≥ in a way which respects (i). The existence of the homorphism is guaranteed by a representation theorem; that is, a theorem which asserts that if a given relational structure satisfies certain axioms, then a homorphism into a certain relational structure can be constructed. There are of course many assignments of the required kind. A uniqueness theorem states that, under a certain class of permissible transformations, they are all equivalent. In the case at hand, two assignments ϕ and ϕ′ are equivalent iff there is a monotone increasing function f such that for any a ∈ A, ϕ′(a) = f(ϕ(a)). Thus the permissible transformations for ordinal measurement is the set of all monotone increasing functions from onto . The relation ≥ on the reals is a weak order which is also anti-symmetric: if both x ≥ y and y ≥ x, then x = y. We call this a simple order to distinguish it from the case of a weak order, where there can be distinct elements a and b such that a ≿ b and b ≿ a. Given the relation ≿, we define two new relations as follows: (30) a ~ b iff a ≿ b and b ≿ a (31) a ≻ b iff a ≿ b and ﹁ (b ≿ a)
32. Comparatives
If ≿ is a weak order on A, then ~ is an equivalence relation on A, and ≻ is transitive and asymmetric. The relation ~ partitions A into a set of equivalence classes, where a = {b b ∈ A ⋀ b ~ a} is the equivalence class determined by a. The set of equivalence classes is denoted A/ ~. Suppose we define an ordering ≿ on A/ ~ by (32) a ≿ biff a ≿ b. Then 〈A/~, ≿〉 is a simple order, since if a ≿ b and b ≿a, then a = b. We note in passing that since a is the set of objects which are exactly as long as a, by analogy with the Frege-Russell treatment of cardinal numbers, it might well be viewed as a formal reconstruction of the length of a. Indeed Cresswell (1976), amongst others, has proposed a general analysis of degrees of just this kind. Consider a simple example. A = {a,b,c1,c2}, a ≻ b ≻ c1, c2, A/~ = {{a}, {b}, {c1, c2}} = {a, b, c1}. The required representation theorem states that if 〈A / ~, ≿〉 is a simple order, then there is an assignment ϕ such that ϕ(a) ≥ ϕ(b) iff a ≿b. We show this by providing a method for constructing ϕ. For each a ∈ A / ~, ϕ(a) = card({b a ≿ b}). Thus, continuing our example, we have ϕ(c1) = 1, ϕ(b) = 2, and ϕ(a) = 3. The assignment to A/~ carries over to A by setting ϕ(a) = ϕ(a). Although this approach allows us to assign numbers to the rods, it is important to note that this induces an ordinal measure. The only thing we can do with the numbers is compare them under the ≥ relation; without more information about the structure 〈A/~, ≿〉, and more constraints on the assignment ϕ, there is no guarantee that summing the values of ϕ will make any sense. Consequently, although we have constructed a formal notion of length as an equivalence class, it does not yet provide a basis for familiar systems of length measurement. To be concrete, given our example above, we cannot infer that the measure ϕ(b) = ϕ(c1) + ϕ(c1). In fact, the assignment ϕ is compatible with c1 having a length of 1 metre, and b having a length of 5 metres. In order to allow addition on the range of ϕ, we must have the counterpart of addition on ϕ’s domain. This, of course, is provided by the concatenation operation. Assuming, for example, that we take c as the unit measure, then we require that ϕ(b) = ϕ(c) + ϕ(c) = 2ϕ(c) only if b ~ c1 ∘ c2. Notice that we assume that c1 and c2 are perfect copies of each other, and in general we assume that we can find indefinitely many such copies.
679
Suppose that a′, a″, a‴, ... are perfect copies of the rod a. Krantz et al. (1971: 4) call the sequence a, 2a = a ∘ a′, 3a = (2a) ∘ a″, 4a, 5a, ... a standard sequence based on a. Clearly, ϕ(na) = nϕ(a), while the value of ϕ(a) will depend on the particular rod chosen to have unit length; if the unit rod is co-extensive with ma, then ϕ(a) = 1/m. If a rod b falls within an interval in the standard sequence, say 3a ≻ b ≻ 2a, then b will be assigned some numerical value between 3ϕ(a) and 2ϕ(a). The interval can be made arbitrarily small by choosing finer and finer standard sequences. For our purposes, the important property of standard sequences is that the numbers assigned are additive with respect to concatenation. That is, ϕ(b ∘ c) = ϕ(b) + ϕ(c). This holds because if b approximates na and c approximates n′a then (b ∘ c) approximates (n + n′)a. The additivity equation approaches exactness as for finer and finer standard sequences. We close this section with one possible axiomatization of the conditions for extensive measurement (Krantz et al. 1971: 73). Let A be a nonempty set, ≿ a binary relation on A, and ∘ a closed binary operation on A. Then 〈A, ≿, ∘〉 is a positive closed extensive structure iff the following axioms are satisfied for all a, b, c, d ∈ A: (33) i. Weak order: 〈A, ≿〉 is a weak order. ii. Weak associativity: a ∘ (b ∘ c) ~ (a ∘ b) ∘ c. iii. Monotonicity: a ≿ b iff a ∘ c ≿ b ∘ c iff c ∘ a ≿ c ∘ b. iv. Archimedean: If a1, ..., an, ... is a standard sequence, and there is some b such that for all anin the sequence, b ≻ an, then the sequence is finite. v. Positivity: a ∘ b ≻ a. It can be shown that 〈A, ≿, ∘〉 is a positive closed extensive structure iff there is a function ϕ from A to the positive reals such that for all a, b ∈A, (34) i. a ≿ b iff ϕ(a) ≥ ϕ(b), ii. ϕ(a ∘ b) = ϕ(a) + ϕ(b). Another function ϕ′ satisfies (i) and (ii) iff there is an α > 0 such that ϕ′ = αϕ.
3.
Degree Ontologies
3.1 The Degree Parameter Now that we have glanced at some foundational concepts in measurement, we turn to examine various proposals for analyzing nat-
680
ural language comparatives. Every approach to comparatives requires a means of expressing propositions like (35) (irrespective of the particular treatment of positive adjectives): (35) Sue is tall to degree d However, there is a lot of room for disagreement about what exactly is involved in the reference to degrees. I t seems that we can ask at least the following questions: (i) Should degrees be explicit parameters in the object language, or should they be regarded as contextual coordinates (e. g. Lewis 1970, Kamp 1975)? (ii) Are gradable adjectives to be analysed as basically being noun modifiers (e. g. Cresswell 1976, Hoepelman 1983) or as vague predicates (e. g. Kamp 1975, Klein 1980)? (iii) Is the semantics of the compared adjective a compositional function of the semantics of the positive adjective (e. g. Kamp 1975, Klein 1980), or are they both derived from some third, more abstract semantic structure (e. g. Cresswell 1976)? (iv) Are degrees (a) equivalence classes under a relation of comparison (e. g. Cresswell 1976), (b) numbers closed under addition (e. g. Hellan 1981), or (c) delineations (or boundary specifications) for vague predicates (e. g. Kamp 1975)? (v) If (35) is satisfied by some degree d, is it uniquely satisfied by d (e. g. Cresswell 1976), or is it also satisfied by each d′ such that d' ≿ d (e. g. Kamp 1975)? Although the issues addressed by questions (i)—(iii) are of great interest, and involve some fairly knotty questions about the relation between context and content in natural language semantics, they are largely peripheral to my present concerns. For example, from our present perspective, the debate around (ii) can be viewed as largely a matter of notation; the noun modifier view has to invoke contextual parameters to supply a suitable property when adjectives are used predicatively, as in Sue is tall, whereas the one-place predicate view has to relativize the interpretation of adjectives to a suitable comparison class, which can be explicitly expressed by a modified nominal when adjectives are use attributively, as in Sue is a tall woman. At any rate, since we are not specifically concerned with the semantics of adjectives, we will not attempt to provide principled answers to (i)—(iii) here (though see also
VIII. Adjektivsemantik
Siegel (1979), Beesley (1982) and von Stechow (1983) for further discussion). As we have to make some choices, we answer (i) and (ii) in the manner that most simplifies exposition, namely gradable adjectives are predicates, parameterized for a degree. Consequently, we propose (36) as the object language representation of (35), where tall denotes a binary relation between degrees and individuals. (36) tall(d, Sue) We have little to say here about question (iii), but will return briefly to it later. What we wish to focus on now are the issues raised in (iv) about the ontological status of degrees. It could be argued that the delineation approach makes weaker assumptions about the structure of the world than either of the other two approaches. In addition, we have already seen that the degreesas-real-numbers approach presupposes the degrees-as-equivalence-classes approach, together with some assumptions about the behaviour of concatenation. In the next three subsections, we will try to find out whether any substantial benefits accrue from making these increasingly strong assumptions. We shall also have occasion to reflect on (v), since it has both formal and empirical consequences. As a last introductory comment, we note that because of our present concern with ontology, questions about the logical structure of comparatives will be kept in the wings for the time being, but will make their entrance on the stage in section 4. 3.2 Degrees as Equivalence Classes Anyone who has glanced at the linguistics literature on comparatives will have encountered logical representations of (37) that resemble (38), (which we gloss as (39)). (37) Sue is taller than Tom (38) ıd[tall(d, Sue)] ≻ ıd[tall(d, Tom)] (39) The degree to which Sue is tall exceeds the degree to which Tom is tall. The notation provides an answer to our earlier question (v): it is assumed that each individual can be assigned a unique degree of height. However, it is left open what kind of thing the variable ‘d’ ranges over. One possible answer is that a degree of height is a set of objects that are all exactly as high as each other. According to this view, proposed for example by Cresswell (1976), comparatives involve an ordering on degrees, where the latter are construed as equivalence classes.
32. Comparatives
In order to make this a little more precise, we will define a syntax and semantics for a language containing definite degree terms. As a simplifying assumption, the intended model will associate a weak order ≿ζ with each degree predicate ζ. We should not in general require this association to be one-one. On the one hand, two or more distinct predicates can be scaled along the same dimension; for example, we might allow that ≿tall = ≿short = ≿wide = ≿narrow. On the other hand, some predicates are ‘multi-dimensional’, in the sense that there may be several, possibly incompatible, criteria for their application. A simple example is large: city X may be larger than Y with respect to population, but less large with respect to surface area. We will ignore this kind of indeterminacy here (for discussion, see e. g. Kamp 1975, Pinkal 1983). As before, we define some additional relations based on ≿ζ: (40) a ~ ζb iff a ≿ζ b and b ≿ζ a. (41) a ≻ζb iff a ≿ ζb and ﹁ (b ≿ζa). (42) a ≺ ζb iff b ≻ ζa. Since ~ζ is an equivalence relation on the universe A of individuals, the degree to which an individual a possesses the property expressed by ζ can be spelled out as the equivalence class {b ∈ A b ~ ζa}. As a shorthand, we also denote this class by [a]ζ. The set of all equivalence classes on A induced by ~ ζ is the quotient algebra A/ ~ζ. So as to keep our language first-order, we do not use equivalence classes directly, but rather distinguish a subset ⊆ A, each element of which corresponds to [a]ζ for some a and ζ. As suggested earlier, ≻ will be the object language relation on degree terms which represents comparatives of inequality. Analogous representations can be constructed for comparatives of equality and less than comparatives: (43) a. Sue is (at least) as tall as Tom is. b. Sue is less tall than Tom is. (44) a. ιd[tall(d, Sue)] ≿ ιd[tall(d, Tom)] b. ιd(tall(d, Sue)] ≺ ιd[tall(d, Tom)] Thus, let L be a first order language supplemented with the following nonlogical constants: (45) A set Term of singular terms Sue, Tom, Rob, ... (46) A set DPred of two-place degree predicates tall, old, wise, ... In addition, we assume the iota operator, and
681
a set DVar = {d0, d1, d2, ...} of variables over degrees. The set Form of well-formed formulae is defined in the usual way, with the addition of the following clauses: (47) Every element of DVar belongs to DTerm. (48) If ζ ∈ DPred, δ ∈ DTerm and τ ∈ Term, then ζ(δ, τ) ∈ Form. (49) If ϕ ∈ Form, and di ∈ DVar, then ıdi[ϕ] ∈ DTerm. (50) If δ, δ′∈ DTerm, then δ ≿ δ′, δ ≻ δ′ and δ ≺ δ′ ∈ Form. A model for L is a 4-tuple = 〈A, , F, ≿〉 where (i) A is a nonempty set. (ii) ⊆ A is a nonempty set. (iii) For each ζ ∈ DPred, there is a partial function fζ from onto (A —)/~ ζ; fζ is one-one on its domain; and ζ is the image of (A — )/~ ζ under fζ-1. (iv) F is a function on the nonlogical constants of L. (v) If τ ∈ Term, then F(τ) ∈ A—. (vi) If di ∈ DVar, then di is assigned a value in . (vii) ≿: DPred → (A × A) is a function which assigns a weak order to each ζ ∈ DPred. Elements of ζ (degrees of ζ-ness) are a certain kind of abstract individual which possess useful properties with respect to the ordering ≿ ζ. In particular, we have the following facts: (51) If d, d′ ∈ ζ and d ~ ζ d′, then d = d′. (52) For all a ∈ A—, and d ∈ ζ, a ~ ζd iff a ∈ fζ(d). According to (51), ≿ζ is an antisymmetric relation on , while according to (52), an ordinary individual a is ζ-equivalent with a degree d just in case a belongs to the ζ-equivalence class to which d corresponds under fζ. The truth definition for the logical part of L is standard, and we add the following clauses to deal with degree expressions: (53) If ζ(δ, τ) ∈ Form, then ⟦ζ(δ, τ)⟧ = 1 iff ⟦τ⟧ ~ ζ ⟦δ⟧. (54) If δ ≿ δ′ ∈ Form, then ⟦δ ≿ δ′⟧ = 1 iff ⟦δ⟧, ⟦δ′⟧ ∈ ζ and ⟦δ⟧ ≿ ζ ⟦δ′⟧; similarly for ≻ and ≺. We pointed out earlier that the approach under consideration imposes a uniqueness condition on degrees, in the sense that (55) holds: (55) ∀x∀d0∀d1[ζ(d0, x) ⋀ ζ(d1, x) → d0 = d1]
682
This condition is valid under the class of intended models for L. For if the antecedent is true under an assignment d0/d0, d1/d1 and a/x, then a ~ ζd0 and a ~ ζd1; since ~ζ is an equivalence relation, we have d0 ~ ζd1 and thus d0 = d1. It should be noticed that degrees do not play an essential semantic role in the analysis yet, since the comparatives in which they occur can always be reduced to comparisons between ordinary individuals. That is, (56) ⟦ιd[tall(d, Sue)]⟧ ≿ζ ⟦ιd⟦[tall(d, Tom)]⟧ iff d ≿ ζd′, where d ~ ζ Sue and d′ ~ ζ Tom iff Sue ≿ζ Tom. 3.3 Numerical Degrees If we confine our attention to those instances where δ ≿ δ′ is defined, then ≿ is connected, transitive and antisymmetric. Consequently, by a representation theorem of the kind discussed in Section 2, we know that we can assign real values to the degrees in ζ, yielding an ordinal measurement. In order to implement this step, we augment L with an operator which maps a member of DTerm into an expression of category Num (or numeral): (57) If δ ∈ DTerm, then δ ∈ Num. (58) If v, v′ ∈ Num, then v ≿ v′ ∈ Form. We shall assume that the representation of Sue is as tall as Tom in L() is the following: (59) (ιd[tall(d, Sue)]) ≿ (ιd[tall(d, Tom)]) A numerical model for L() is a 4-tuple = 〈, , F, ϕ〉, where (i) = 〈A, , ≿〉, with A, and ≿ as before. (ii) = 〈, ≥ 〉. (iii) ϕ : → . (iv) ≥ is a simple order on . (v) For any d ∈ , F()(d) = ϕ(d). As noted in the preceding section, the assignment ϕ must also satisfy the appropriate homomorphism condition: HOM(≥): For all d, d′ ∈ ζ, ϕ(d) ≥ ϕ(d′) iff d ≿ ζd′. Thus, the truth clause corresponding to (54) is the following: (60) If v ≿ v′ ∈ Form, then ⟦v ≿ v′⟧ = 1 iff ⟦v⟧ ≥ ⟦v′⟧ . Tracing the various conditions on the interpretation of Sue is as tall as Tom yields the following list of equivalences:
VIII. Adjektivsemantik
(61) ⟦(ιd[tall(d, Sue)]) ≿ (ιd[tall(d, Tom)])⟧ = 1 iff ⟦(ιd[tall(d, Sue)])⟧ ≥ ⟦(ιd[tall(d, Tom)])⟧ iff ϕ(⟦[ιd[tall(d, Sue)]⟧) ≥ ϕ(⟦ιd[tall(d, Tom)]⟧) iff ⟦ιd[tall(d, Sue)⟧ ≿ ⟦ιd[tall(d, Sue)⟧ (by HOM(≥) iff Sue ≿tallTom (by (56)). Again it turns out that the truth conditions of simple comparatives reduce to the primitive grading relation. While the mapping into real values has added an extra level of complexity in the interpretation rules, has it gained us any commensurate advantage? So far, the answer is ‘no’. Although L() allows us to represent numeric degrees, we cannot legitimately add, subtract or multiply such degrees, but only compare them. The numerical models for L() induce an ordinal scale, and nothing more. Thus, we still have no way of representing sentences like (62), dubbed ‘differential comparatives’ by von Stechow (1984 a): (62) a. Sue is twice as tall as Tom is. b. Sue is 6cm taller than Tom is. In order to deal with these, we need to supplement L with something like arithmetic addition on degrees. Let us therefore introduce a binary operator + on numerals, as follows: (63) If v, v′ ∈ Num, then v + v′ ∈ Num. A model for L(, +) is a 4-tuple = 〈, , F, ϕ〉, where F and ϕ are as before, and (i) = 〈A, , ≿, ∘〉. (ii) = 〈, ≥, +〉. (iii) ∘ : DPred → (A × A → A) is a partial function which associates a concatenation with elements of DPred. We assume that for each dimension ≿ζ there is a corresponding concatenation ∘ ζ, and that each ζ is closed under ∘ζ. The homomorphism ϕ from to also obeys the following restriction: HOM(∘): For all d, d′ ∈ ζ, ϕ(d) + ϕ(d′) = ϕ([d∘ζd′]ζ) This says that the result of summing the numbers assigned to the degrees of d and d′ is the same as the number assigned to the degree of the concatenation of d and d′. Finally, it should be recalled that the relation between dimensions and concatenations is governed by certain axioms. In the preceding section, the axioms proposed were
32. Comparatives
Weak Associativity, Monotonicity, the Archimedean axiom and Positivity. Let’s return now to the sentences in (62). The obvious way to deal with (62a) is to treat twice as a modifier of the comparative relation as tall, as. However, since ≿ is introduced syncategorematically in L, it is easier to translate twice as though it applies directly to a numeral expression, as follows: (64) If v ∈ Num, then 2v, 3v, ... ∈ Num. The numerals 2, 3, ... can of course be defined in terms of the plus operator: (65) ∀v[2v = v + v] Within this set of assumptions, the logical counterpart of Sue is twice as tall as Tom is will be (66): (66) (ιd[tall(d, Sue)]) ≿ 2(ιd[tall(d, Tom)]) (This of course represents the reading on which twice as tall means at least as twice as tall. To get the exactly as twice as tall reading, ≿ would be replaced by ~.) Again, it may be useful to work through the truth definition. (67) ⟦(ιd[tall(d, Sue)]) ≿ 2(ιd[tall(d, Tom)])⟧ = 1 iff ⟦(ιd[tall(d, Sue)])⟧ ≥ ⟦2(ιd[tall(d, Tom)])⟧ iff ϕ(⟦ιd[tall(d, Sue)])⟧) ≥ ϕ(⟦ιd[tall(d, Tom)]⟧) + ϕ(⟦ιd[tall(d, Tom)]⟧) iff ⟦ιd[tall(d, Sue)])⟧ ≿ ⟦ιd[tall(d, Tom)]⟧ ∘ tall ⟦ιd[tall(d, Tom)]⟧ Notice that the presence of degrees here allows us to avoid the embarrassment of trying to concatenate Tom with himself. Let us turn now to sentences like (62b), (62) b. Sue is 6 cm taller than Tom is. These constitute more of a problem for the apparatus developed so far, since it is not immediately obvious how a measure phrase such as 6cm should be integrated with the comparative relation expressed by taller than. One strategy, adopted by Hellan (1981) and von Stechow (1984 a), is to express the comparative entirely in terms of the + operator. That is, we take (62b) to mean something like ‘Sue is tall to [the degree to which Tom is tall plus 6cm]’. An analysis of this kind is readily expressed in our current language, assuming that we treat expressions like 6cm as elements of Num. (68) tall((ιd[tall(d, Tom)]) + 6cm, Sue)
683
Notice that once this approach has been adopted for differential comparatives, it suggests a revision in the analysis of ordinary comparatives such as Sue is taller than Tom is. These can now be construed as the existential generalization of formulae like (68): (69) (∃v ≻ 0)[tall((ιd[tall(d, Tom)]) + v, Sue)] 3.4 Delineation Theories of Comparatives The family of approaches that we have examined so far all adopted a degree-based analysis of comparatives. First, the item and standard of comparison were associated with degrees along some dimension, and this was formalized with iota terms over degree variables in the object language. Second, a comparative sentence was represented as a relation between two degrees, and this was formalized using either the ≿relation-symbol, or else by means of +. In this section, we will examine a somewhat different approach, one which relies on what Lewis (1970) calls ‘delineations’. A delineation is intended as a contextual parameter that plays a role in the evaluation of degree predicates. Just as the interpretation of That is a sock requires a specification of the object indexically invoked by that, so — according to this view — the interpretation of Sue is tall requires a specification of the standard according to which something is judged as tall. A delineation for tall determines where, along the dimension of height, the cut-off point between ‘tall’ and ‘not-tall’ is to be set, and it is claimed that this point can vary with context. There are a number of ways in which contextual parameters can be formally captured. For our current purposes, the simplest strategy for dealing with delineations is to treat them like degrees, via an extra argument to the degree predicate. This argument will denote a standard, which in turn will determine a delineation of the predicate. Thus, we translate Sue is tall as (70), where s is a variable over standards. (70) tall(s, Sue) Despite appearances, this step does not completely conflate the delineation approach with the degree-based one. In order to be faithful to the intuition underlying delineations, (70) should not be interpreted to mean that Sue belongs to an equivalence class associated with s, but rather that the standard determines a delineation according to which Sue is judged tall. In other words, (70) can be
684
paraphrased as ‘Sue is at least as tall as standard s’. Notice that there is no unique standard of tallness possessed by an individual: if Sue is at least 2 metres tall, then she is at least 1.50 metres tall, and so on. Support for this position lies in the fact that a question like (71a) can be answered as (71b): (71) a. Is Sue 1.50 metres tall? b. Yes. In fact she’s 2 metres tall. By Grice’s maxim of quantity, an utterance of Sue is 1.50 metres tall will conversationally implicate that Sue is at most 1.50 metres tall, unless there is explicit cancellation of the implicature as in (71b). In order to formalize these notions, we might define a new first order language L(s); like L, it would contain a category DPred whose members denote binary degree relations between standards and individuals. We will not go into detail, but mention some of the most important points. Models for L(s) will contain ϕζ ⊆ A, a set of standards for ζ. We assume, as with ζ, that there is one-one correspondence between ϕζ and A/~ ζ. Every standard s ∈ ϕζ generates a possible positive extension for ζ, namely the set {a : a ≿ζ s} of objects which are at least as ζ as s. We will call this set an s-extension. An s-extension is the principal filter generated by s, and we denote it by [s)ζ. We can now say that tall(s, Sue) is true in a model for L(s) just in case Sue belongs to [s)tall. Despite the fact that s’s value is allowed to vary from context to context, the admissible delineations must conform to the principle GRAD of Consistent Gradience: For all ζ ∈ DPred, a, b ∈ A, and s ∈ ϕζ if 〈s, a〉 ∈ F(ζ) and b ≿ζa, then 〈s, b〉 ∈ F(ζ), and if 〈s, a〉 ∉ F(ζ) and a ≿ ζb, then 〈s, b〉 ∉ F(ζ). That is, if Sue ≿tallTom, then any value of s which satisfies tall(s, Tom) must also satisfy tall(s, Sue). But once GRAD is imposed, then the converse regularity gives us a straightforward means of expressing comparatives. That is, if any value of s which satisfies tall(s, Tom) also satisfies tall(s, Sue), then it follows that Sue is at least as tall as Tom. As a result, the representation of comparative constructions in L(s) does not require the addition of a further relation such as ≿, but only involves the quantification of s-variables. For example, Tom is as tall as Sue is has the translation GRAD:
VIII. Adjektivsemantik
(72): (72) ∀s[tall(s, Sue) → tall(s, Tom)] Similarly, Sue is taller than Tom is holds if there is some standard which satisfies tall(s, Sue) but fails to satisfy tall(s, Tom): (73) ∃s[tall(s, Sue) ⋀ ﹁ tall(s, Tom)] An attractive feature of this approach is that (73) is logically equivalent to the negation of (72), namely (74). (74) ﹁ ∀s[tall(s, Sue) → tall(s, Tom)] In other words, we get ‘for free’ the equivalence between (75) and (76): (75) Sue is taller than Tom is. (76) Tom is not as tall as Sue is. The approach just sketched is notationally closest to the system presented in Klein (1982). However, the essential idea is to be found in several earlier studies, in particular Lewis (1970) (where it is attributed to unpublished work by David Kaplan), Kamp (1975), McConnell-Ginet (1973), and Seuren (1973). Related discussions can also be found in Klein (1980, 1981 a, b) and van Benthem (1982, 1983 a, c). At this point, let us briefly confront an objection against the delineation approach raised by von Stechow (1984 a). As we have already seen, comparatives allow differential forms such as (62), repeated here. (77) a. Sue is twice as tall as Tom is. b. Sue is 6cm taller than Tom is. How can these be captured? As a preliminary step, let us ask another question, namely how are sentences like (78) to be analyzed? (78) Sue is 1m tall. If we just focus attention on the measure phrase 1m, a rather plausible step is to interpret it as a degree of height: it denotes the equivalence class of objects which are one metre in length. Instead of taking our earlier route of introducing a special category Num for numeral expressions, we might just as well assign 1m to the category DTerm of degree terms. A second observation to be made about (78) is that 1m appears to have the function of making explicit the appropriate standard for tall. Let us return to the problem of how to represent differential comparatives of inequality. Recall that (75) was represented as (73), repeated here: (79) Sue is taller than Tom is. (80) ∃s[tall(s, Sue) ⋀ ﹁ tall(s, Tom)]
32. Comparatives
There is an equivalent way of expressing (80) which uses sets of standards; namely, that the set of standards which satisfy tall(s, Sue) but not tall(s, Tom) is non-empty. We can represent this in the object language by means of λ and an existential generalized quantifier V : (81) ∨ (λs[tall(s, Sue) ⋀ ﹁ tall(s, Tom)]) ∨, of course, is to be viewed as a second order predicate, true of just those sets which are non-empty. The set denoted by (82) λs[tall(s, Sue) ⋀ ﹁ tall(s, Tom)] is the class of all those standards s such that Sue is tall according to s but Tom is not. Suppose for example that Sue is (exactly) 1.06 metres tall, Tom is 1 metre tall, and that standards of height correspond to centimetres. It follows from what we said earlier that Sue belongs not only to [106 cm)tall, but also to [105 cm)tall, [104 cm)tall, ..., [1 cm)tall. Similarly, Tom belongs to [100 cm)tall, [99 cm)tall, ..., [1 cm)tall; but, crucially, he does not belong to [101 cm)tall nor to any higher s-extension. Consequently, (82) will denote the following set of standards in ϕtall: (83) {106 cm, 105 cm, 104 cm, 103 cm, 102 cm, 101 cm} It is exactly these six standards which make Sue is tall true but fail to make Tom is tall true. Moreover, it is fairly obvious that we can also associate a further standard with this set of standards, namely 6 cm. We conclude, therefore, that a differential comparative like (77b) is a special case of (82), one where the set of standards separating Sue from Tom is claimed not just to be nonempty, but equal to 6 cm. In order for this approach to succeed, we need to show in detail how an appropriate set of standards can form a ‘standard sequence’ which provides the basis for a metric. Roughly speaking, we have to say this: If P is a predicate of standards, then the higher order predicate 1 m* is true of P iff P is true of 1 m and for any s > 1 m, P is false of s. Thus, Sue is 1 m tall is analysed as 1 m* (λs[tall(s, Sue)]). However, there is not space to develop this here in more detail. 3.5 Positive and Comparative As noted earlier, there is still much debate as to the correct relation between positive and comparative gradable adjectives. One approach, put forward by Cresswell (1976) and supported by von Stechow (1984 a), involves existential quantification of the degree argu-
685
ment by an operator pos, along the following lines: (84) pos(ζ)(x) ↔ ∃d[ϕ(d) ⋀ ζ(d, x)] where ϕ means roughly ‘is higher than average’ On a delineation approach, much the same effect can be gained by assuming that an appropriately high standard is picked out on the basis of contextual factors. Another important consideration, so far not discussed, is the fact that degree adjectives are interpreted relative to a comparison (or reference) class (see, for example, Hare 1952, Ross 1970 b, Siegel 1979, von Stechow 1983, Wallace 1972, Wescoat 1984, Wheeler 1972, and Zwicky 1969). The comparison class can either be implicit, as when we interpret Fergus is big to mean that Fergus is big relative to the class of fleas, or explicit, as in (85). (85) a. Fergus is a big flea. b. Fergus is big for a flea. A rather simple and attractive proposal is to analyse the comparison class as setting the domain of discourse relative to which the adjective is evaluated. On such an approach, we might interpret a degree adjective ζ as a function which, given a set X, acts very much as a one-place predicate restricted to X. Thus, the positive adjective big would denote a partial characteristic function which, when applied to the set of fleas, induces a partition into the set of big fleas and the set of small fleas, with possibly some residue of fleas which are neither definitely big nor small. We might then derive the comparative as a quantification over comparison classes: (86) x is bigger than y is true iff there is some comparison class X such that x is big is true relative to X while y is big is false relative to X. Indeed, the truth of (86) can be resolved on the basis of one particular comparison class, namely the set {x, y}. Given a few plausible axioms, it can be shown that the relation induced in this way is transitive and irreflexive and, on a quotient algebra, connected; cf. van Benthem (1982, 1983 a), Hoepelman (1983) and Klein (1980). From a structural point of view, the analysis sketched in (86) is a close variant of the delineation approach: just take s in (81) to range over comparison classes rather than standards. This is to be expected if we assume that every comparison class X for a predicate ζ is associated with a delineation; i. e. a divi-
VIII. Adjektivsemantik
686
sion of members of X into those objects which have the property ζ and those that lack it (or possess its polar opposite). It is not clear however whether the degree/ delineation parameter of gradable adjectives should be replaced or supplemented by a comparison class parameter. On the hypothesis that the head noun in an adjective-noun construction is taken to fill the comparison class slot, then a sentence like (87a) might argue for a representation like (87b): (87) a. Blackie is a three year old horse, b. old(horse, 3yr, Blackie) Yet the oddness of (88) suggests that this hypothesis is inadequate, and that (87a) is more different from (87b) than often assumed: (88) ?Blackie is three years old for a horse. Further research is called for here. 3.6 Commensurability In section 1 we briefly encountered Subdeletion constructions, such as (89): (89) This table is longer than the door is wide. Comparisons of this sort seem relatively straightforward inasmuch as the same dimension is common to the two predicates long and wide. Much less acceptable are examples where the properties in question appear to involve different scales: (90) ?This table is longer than it is heavy. (91) ?Sue is thinner than Tom is rich. The logical syntax of comparatives proposed earlier in this section would allow us to represent (89)—(91), but the semantics did not distinguish between the different cases. One approach, following Cresswell (1976), would be to render a Subdeletion comparative undefined if the degree predicates are associated with different scales, in the following manner: (92) If δ ≿ δ′ ∈ Form, then (i) ⟦δ ≿ δ′⟧ = 1 if ⟦δ⟧ ∈ ζ, ⟦δ′⟧ ∈ ξ, ≿ζ = ≿ξ, and ⟦δ⟧ ≿ζ ⟦δ⟧; (ii) ⟦δ ≿ δ′⟧ = 0 if ⟦δ⟧ ∈ ζ, ⟦δ′⟧ ∈ ξ, ≿ζ = ≿ξ, and ⟦δ⟧ ≿ζ ⟦δ′⟧; (iii) ⟦δ ≿ δ′⟧ is undefined otherwise. Yet it might be felt that this excludes too much. One way of making sense of a sentence like (91) is to compare relative positions on the respective scales; i. e. (91) could be paraphrased as saying that Sue is higher on the scale of thinness than Tom is on the scale of
richness. It should be pointed out that one of the inadequacies of the degree-as-numbers ontology is that it will always fail to predict any incommensurability. For example, when a degree of thinness has been mapped into a numerical value, it is qualitatively indistinguishable from a degree of richness, and thus the two should be readily comparable, despite the fact that we have seen this not to be so (cf. Cresswell 1984). We briefly alluded earlier to the ‘denial’ interpretation of comparatives, illustrated by examples like the following ((b) and (c) are cited by Doherty and Schwarz (1967: 904)): (93) a. Sue is more sad than angry. b. This table is more decorative than it is useful. c. His manner was more elegant than his matter was convincing. On the denial reading, no condition of commensurability is required. Unfortunately, there is little discussion in the formal semantics literature about the interpretation of this type of comparative. As a first approximation (cf. Dieterich and Napoli 1982), one might say that (94) x is more A than B is true iff x is A is true and x is B is false. P erhaps slightly better would be: (94) is true iff x is A is true according to more criteria than x is B is true. This is motivated by the intuition that (94) involves a concession that x meets at least some of the prototypical criteria for being judged to be B; notice the oddness of *x is more tall than short. However, the notion of ‘true according to some criteria’ remains to be explicated further.
4.
The Logical Form of Comparatives
4.1 The Comparative Complement Despite the expenditure of much effort, there is still little agreement about the appropriate logical representation of comparative constructions. The interaction of comparatives with quantifiers, logical connectives and opaque contexts presents a wealth of intricate puzzles. To date, the most detailed and comprehensive survey is von Stechow (1984 a), and it is not possible to reproduce his discussion in the space of this article. However, we will take his proposed analysis as a basis for surveying the main issues and compare it to some of the main rival approaches.
32. Comparatives
Von Stechow agrees with a number of authors in interpreting gradable adjectives as relations between degrees and individuals, and interpreting comparative clauses as sets (or properties) of degrees (op cit: 54, 56). Thus, in the first instance, (95a) receives a representation like (95b) (where ζ is the appropriate adjective — von Stechow does not state exactly how this is determined). (95) a. than Tom is b. λd ζ(d, Tom) He also argues that comparative clauses, like other sentential complements, should be nominalized. This is achieved by a special rule of ‘maximization’ which maps (95b) into (96): (96) the(max(λd ζ(d, Tom))) The the is essentially Russell’s ι-operator, while max denotes a function on sets of degrees which yields as value the singleton set of degrees containing the maximal element of its argument; the definition is equivalent to the following (ignoring intensionality) (op cit: 37, 55): (97) If D is a set of degrees and d is a degree, then d ∈ ⟦max⟧ (D) iff d ∈ D and there is no d′ such that d′ ≻ d and d′ ∈ D. Von Stechow justifies the presence of the max operator by appealing to the context-dependence of definite descriptions; a different line of approach, which might be worth exploring in the light of our earlier remarks about hypotactic constructions in Section 1, would be to relate maximality to the exhaustiveness constraint which is typically associated with wh-questions. Our sentence Sue is taller than Tom is is now represented by (98). (98) λd1(∃d2 ≻ 0)[tall(d2 + d1, Sue)] (the(max(λdζ(d, Tom)))) By λ-conversion, this is equivalent to (99). (99) (∃d2 ≻0)[tall(d2 + the(max(λdζ(d, Tom))), Sue)] This can be paraphrased as saying that Sue is tall to a degree which is greater by some positive amount d2 than the degree to which Tom is tall. Equatives are treated in an analogous manner, with a quotient parameter instead of an additive one. So Sue is as tall as Tom is looks like (100): (100) λd1[tall(1.d1, Sue)] (the(max(λdζ(d, Tom))))
687
4.2 Connectives Following Lakoff & Ross (1970) and Seuren (1973), it has often been observed that clausal complements of comparatives are negative polarity environments; cf. also Hoeksema (1983a), Klein (1982), Ladusaw (1979), McCawley (1981), and von Stechow (1984 a). (101) illustrates some representative cases, where the polarity items are italicised: (101) a. Sue was poorer than I would ever care to be. b. John drives faster than he need do. c. We bought more wine than we could ever drink. According to the theory developed by Fauconnier (1975b) and Ladusaw (1979), the argument of an expression a is in a negative polarity environment only if a is Downward Entailing (DE). An informal characterization of DE is the following. (102) A function f is called downward entailing iff for all X, Y in the domain of f, if X is more informative than Y, then f(Y) is more informative than f(X). The expression ‘more informative’ is deliberately vague, but is meant to subsume relations like logical consequence and set inclusion. So, for example, (103) would be particular instances of a DE function f. (103) a. If X ⊧ Y, then f(Y) ⊧ f(X). b. If X ⊆ Y, then f(Y) ⊆ f(X). Before examining the data, we need to briefly comment on the rather controversial and fundamental question as to whether there is a logical difference between the clausal form of the comparative, such as (104), and the phrasal form, such as (105). (104) Sue is taller than Tom is. (105) Sue is taller than Tom. In particular, while it is generally thought that the clausal construction is DE, Hoeksema (1983, 1984) has argued that this is not the case for phrasal comparatives. We will review this question later, but in order not to prejudge the issue we will only use the clausal construction in examples for the time being, despite the sometimes un-idiomatic results. Returning from our digression, let us now examine evidence for the claim that comparative clauses occur in a DE environment. An obvious starting place is the behaviour of or and and. Given the usual account of logical connectives, we would expect the following entailments to hold for a DE function f:
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(106) f(Tom is [tall] or Rob is [tall]) ⊧ f(Tom is [tall]) (107) ⊧ f(Tom is [tall]) ⊧ f (Tom is [tall] and Rob is [tall]) Consider then the sentences in (108), where the putative DE context is Sue is taller than: (108) Sue is taller than Tom is or Rob is ⊧ Sue is taller than Tom is Despite the rather stilted style of the example, it seems clear that the inference is valid, and hence the hypothesis that comparatives induce a DE context gains support. On the other hand, the behaviour of and tends in the opposite direction; the following does not appear to be valid: (109) Sue is taller than Tom is ⊧ Sue is taller than Tom is and Rob is Nevertheless, the inference does seem legitimate if we add the additional premiss that Tom and Rob are the same height. Intuitions here seem delicate; they can perhaps be cajoled in the relevant direction if the conclusion of (109) is revised to (110). (110) Sue is taller than Tom and Rob are. The account of logical connectives and comparatives given by von Stechow (1984a) hinges on his analysis of than complements as definite NP s. We note first that the following analogue to (103b) holds: (111) If ⟦D⟧, ⟦D′⟧ are nonempty sets of degrees, and ⟦D⟧ ⊆ ⟦D′⟧, then ⟦the(max(D′))⟧ ≿ ⟦the(max(D))⟧. For instance, we have (112). (112) ⟦λd[tall(d, Tom)]⟧ ⊆ ⟦λd[tall(d, Tom) ∨ tall(d, Rob)]⟧, so ⟦the(max(λd[tall(d, Tom) ⋁ tall(d, Rob)]))⟧ ≿ ⟦the(max(λd[tall(d, Tom)]))⟧ Second, we note the following obvious point: (113) If ⟦δ′⟧, ⟦δ⟧ are degrees, and ⟦δ′⟧ ≿ ⟦δ⟧, then for any assignment g to x, ⟦(∃d ≻0)[tall(d + δ′, x)⟧g, ⊧ ⟦(∃d ≻ 0)[tall(d + δ, x)⟧g.
VIII. Adjektivsemantik
(108) involving or in comparative complements. The situation is slightly more complex when we turn to and. Since it is assumed that everyone is tall to some unique degree, the question arises as to whether the set denoted by an expression like (115) is empty or not: (115) λd[tall(d, Tom) ⋀ tall(d, Rob)] That is, the(max(λd[tall(d, Tom) ⋀ tall(d, Rob)]) denotes if Tom and Rob have the same height, and is undefined otherwise. Correspondingly, (116) — von Stechow’s translation of (110) — also presupposes that Tom and Rob have the same height. (116) λd1(∃d2 ≻0)[tall(d2 + d1, Sue)] (the (max (λd[tall(d, Tom) ⋀ tall(d, Rob)]))) This provides a rather persuasive explanation for the apparent invalidity of the inference (108) involving and. The reason why the conclusion fails to hold is that we do not know whether the than clause succeeds in denoting a degree; and this is because we do not know, from the premiss alone, whether Tom and Rob have the same height. Let us briefly consider the presence of negation in comparative clauses. (117) Sue is taller than Tom isn’t. Sentences such as (117) are usually felt to be anomalous. P( otential counterexamples to this claim noticed by Green (1970) should probably be considered as ‘denial’ comparatives.) The account supplied by von Stechow’s framework again seems plausible. The than clause will have a representation like the following: (118) (the(max(λd[﹁ tall(d, Tom)])))
By transitivity, we obtain the result (114). (114) If ⟦D⟧, ⟦D′⟧ are nonempty sets of degrees, and ⟦D⟧ ⊆ ⟦D′⟧, then ⟦(∃d ≻0)[tall(d + the(max(D′)), x)⟧g ⊧ ⟦⟦(∃d ≻ 0)[tall(d + the(max(D)), x)⟧g.
If Tom is in fact 2 metres tall, then he is not 3 metres tall, nor 4 metres, nor ...; i. e. there is no maximum degree in the set denoted by λd[﹁ tall (d, Tom)]. As a result, (118) will fail to denote and the sentence as a whole will fail to express a proposition, giving rise to the perceived anomaly. It has also been noted that the presence of a DE factive in the comparative clause has a similar effect, presumably for essentially the same reason: (119) Sue is taller than she realizes/*regrets.
This explains how von Stechow’s analysis correctly predicts the validity of entailments like
For discussion, see Carden (1977) and Vlach (1974).
32. Comparatives
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4.3 Quantifiers
istential quantifiers, differing only in that some boy is outside and any boy is inside the DE context. Some support for this view can be derived from the fact that further negative polarity items can appear in relatives modifying the second, but not the first NP: (127) a. *Sue is taller than some boy that I ever met. b. Sue is taller than any boy that I ever met.
Given the well-known equivalence of existential and universal quantification with (infinitary) disjunction and conjunction, respectively, we would expect the results of the previous section to extend to NP s with some and every. This is largely the case. However, the overall picture is complicated by two factors. First, quantifiers induce extra scope possibilities, and second, some has a negative polarity counterpart, namely any. The relevance of these consideration is illustrated in (120). (120) a. Sue is taller than some boy is. b. Sue is taller than any boy is. The truth conditions of (120a, b) are brought out more clearly by the paraphrases in (121 a, b), respectively. (121) a. There is some boy such that Sue is taller than him. b. Every boy is such that Sue is taller than him. This is exactly what we would expect if both some boy and any boy corresponded to existential quantification in the logical representation, differing only with respect to scope: some boy is outside the scope of the DE context, while any boy is inside the scope. That is, within von Stechow’s framework, (120) would correspond to the following two translations. (122) (∃x)[boy(x) ⋀ (∃d1 ≻0) [tall (d1 + (the (max (λdtall(d, x)))), Sue)]] (123) (∃d1 ≻ 0)[tall (d1 + (the (max (λd [(∃x) [boy(x) ⋀ tall(d, x)]]))), Sue)]]. The translation of the than clause in (123) will denote the maximum of the set containing the degrees of height of each boy in the domain. Consequently, (123) is equivalent to (124), which is the wide scope translation of (125). (124) (∀x)[boy(x) → (∃d1, ≻0) [tall (d1 + (the (max (λdtall(d, x)))), Sue)]] (125) Sue is taller than every boy is. If we turn now to NP comparatives, the semantic facts appear to follow the same pattern. For example, (126a, b) parallel (120a, b): (126) a. Sue is taller than some boy. b. Sue is taller than any boy. We surmise that both NP s correspond to ex-
Hoeksema (1983:415) claims, contrary to what we have proposed so far, that NP comparatives induce upward entailing contexts. P art of his case rests on the observation that the following entailments hold, at least on one reading of the premisses. (128) Sue is taller than Tom or Rob ⊧ Sue is taller than Tom or Sue is taller than Rob (129) Sue is taller than Tom and Rob ⊧ Sue is taller than Tom and Sue is taller than Rob Yet this data only shows that the readings in question are ones where the conjoined NP s have wider scope than the DE context. A further consideration adduced by Hoeksema involves the claim that the Dutch negative polarity item ook maar canot occur in NP comparatives; however, the data is disputed by Seuren (1984, FN. 15). 4.4 Modal Contexts The interaction of comparatives with modal contexts has been a topic of long-standing interest in the semantics literature, apparently stimulated by Russell’s (1905) famous example (130). (130) I thought your yacht was larger than it was. Russell adduced this in support of posal for assigning scope to definite tions. The logical structures in (131) a Russellian rendering of the two readings: (131) a. ιd[I thought(large(d, y))] ≻ ιd [large (d, y)] b. I thought(ιd[large(d, y)] ≻ ιd [large (d, y)])
his prodescripindicate relevant
The first structure represents the ‘sensible’, or external reading of (130), while the second represents the contradictory, or internal reading (cf. Larson 1985). Since Russell, there have been a variety of analyses which share the goal of locating the than clause outside the scope of the proposi-
VIII. Adjektivsemantik
690
tional attitude verb. An early contribution within the Generative Semantics framework by Ross and P erlmutter (1970) derived the external reading of (130) by assigning it a deep structure analogous to (131a), and then transformationally lowering it into position; see also Lakoff (1970) and Bresnan (1971) for reactions. A non-transformational analysis was proposed by Hasegawa (1972), provoking a lengthy critique and counter-proposal by P ostal (1974). P ostal’s paper was in turn met by a flurry of comment, most of it highly critical, including Abbott (1976), Dresher (1977), Horn (1981), Liddell (1975), Reinhart (1975), von Stechow (1984 a) and Williams (1977). Russell’s analysis is maintained, with minor modifications, by von Stechow (1984 a: 69), as illustrated in (132). (132) a. λd2[I thought((∃d1 ≻ 0) [large (d1 + d2, y)])] (the (max (λd[large(d, y)]))) b. I thought((∃d1 ≻ 0) [large (d1 + (the (max (λd[large (d, y)]))), y)]) One objection that might be levelled against (132a) is that it attributes a comparative component to the content of my thought: it claims that the size of your yacht is some degree d such that I thought your yacht was larger than d (see Larson 1985 for a variation of this point). To bring this out more clearly, let us change the example slightly so as to include an explicit differential measure: (133) a. I thought that your yacht was 10 metres longer than it was. b. λd2[I thought(long(10m + d2, y)])] (the(max(λd[long(d, y)]))) P resumably (133a) would be a true beliefreport if your yacht is in fact 20 metres long, and I thought it was 30 metres long. But, so the objection runs, it seems wrong in such a situation to represent the content of my belief as in (133b), namely by the proposition that your yacht is 10 metres more than 20 metres long. While this is logically equivalent to the proposition that your yacht is 30 metres long, yet on a sufficiently fine-grained view of propositions, we would presumably want to keep the two distinct. A plausible alternative analysis of the scope ambiguity is suggested by Dresher (1977), inspired by Bresnan’s (1973) syntactic analysis of comparatives (and earlier, Chomsky 1965, Lees 1961). On Dresher’s approach, the discontinuous string -er ... than it was in (130) forms a syntactic and semantic constituent,
belonging to the category of degree modifiers. It is this constituent which can take wide or narrow scope with respect to the verb of propositional attitude. We could incorporate Dresher’s idea easily into von Stechow’s analysis of differential comparatives, since the phrase 10 metres ...-er...than it is can be represented by the complex degree term (10m + the(max(λd[long(d, y)]))). This would yield (134) in place of(133b). (134) λd0[I thought(long(d0, y)])] (10m + the (max(λd[long(d, y)]))) However, it is less clear how the existential quantification in non-differential comparatives should be accommodated.
5.
Concluding Remarks
Within the confines of this article, it has not been possible to cover issues arising from nominal comparatives like (135) or adverbial comparatives like (136): (135) a. Sue ate more apples than Tom did. b. Tom ate two fewer apples than Sue did. c. Sue found as much silver as gold. (136) a. Sue eats apples as often as Tom does. b. Sue likes Rob more than Tom. To a large extent, the treatment of these constructions depends on a prior analysis of plural and mass determiners on the one hand, and of adverbs on the other. For some discussion, see in particular Cresswell (1976), Hellan (1981), Klein (1981 a), and von Stechow (1984 a). A related topic is the observation that temporal prepositions such as before and after appear to be syntactically and semantically related to comparatives: (137) a. Sue arrived before Bill (did) b. *Sue arrived before Bill didn’t c. *Sue arrived an hour before Bill knows a man who did. (138) a. Sue arrived earlier than Bill (did) b. *Sue arrived earlier than Bill didn’t c. *Sue arrived an hour earlier than Bill knows a man who did. For discussion, see Baker and Brame (1972), Geis (1970, 1973), Jayaseelan (1983), and Lakoff(1970b). Let us turn now to briefly review the path we have taken. In Section 1, we surveyed various types of construction for expressing
32. Comparatives
comparison. Many of these — particularly the paratactic forms and the “exceed” type — were semantically transparent, in the sense of Seuren (1984: 120); that is, the languages in question “make use of existing means to express what the comparative expresses in languages that have a special category for it”. It also seems safe to say that the delineation family of approaches provides a plausible explanation of how the “existing means” of gradable adjectives, conjunction and negation give rise to a comparative ordering of the appropriate kind. Seuren (1984: 121—123) goes on to argue that the European thancomparatives derive historically from semantically more transparent constructions, and suggests that they involve a lexical encoding of logical structures of the kind that we saw in Section 3.3. In response, von Stechow (1984b) has argued that whatever the merits of such ‘semantic archaeology’, the empirical predictions of the delineation approach are simply incorrect when it comes to a detailed analysis of the logical form of English. The gist of Section 4 was an endorsement of von Stechow’s conclusion. Nevertheless, there are two, interlinked, questions which should be addressed at this stage in our research, before simply accepting von Stechow’s theory as ‘the right one’. First, is it really necessary to build so much mathematical structure into our models? As we saw in Section 2, treating degrees as real numbers leads us to make some uncomfortably strong assumptions about comparison and concatenation over our universe of discourse; and this holds not only with respect to gradable predicates like tall, but also skilful, wise and generous. We noted that there is also an empirical problem with this approach, in that there seems to be no way of accommodating incommensurability. Second, is it possible to explain how the more highly grammaticised constructions, replete with differential measure phrases, can be constructed out of the transparent constructions? P resumably the linguistic complexity of comparatives partially reflects the complexity of measurement devices, both conceptual and technological, that the linguistic community has at its disposal. A good theory should be able to show
691
how both kinds of complexity are incrementally built up from our basic ability to draw comparisons.
6.
Short Bibliography
Abbott 1977 · Andersen 1980 · Andersen 1983 · Andrews 1974 · Andrews 1975 · Andrews 1984 · Anscombre 1975 · Bach/Bresnan/Wasow 1974 · Baker/Brame 1972 · Bartsch/Vennemann 1972 · Beesley 1982 · Bennis 1978 · van Benthem 1982 · van Benthem 1983a · van Ben them 1983c · den Besten 1978 · Bierwisch 1987/89 · Borsley 1981 · Bowers 1975 · Bracco 1979 · Bresnan 1971 · Bresnan 1973 · Bresnan 1975 · Bresnan 1976a · Bresnan 1976b · Campbell/Wales 1969 · Cantrall 1977 · Carden 1977 · Chomsky 1977 · Chomsky/Lasnik 1977 · Cresswell 1973 · Cresswell 1976 · Cresswell 1984 · Dieterich/Napoli 1982 · Doherty/Schwarz 1967 · Dresher 1977 · Emonds 1976 · Fauconnier 1975b · Gazdar 1980 · Geis 1970 · Geis 1973 · Green 1970 · Haig 1976 · Hale 1970 · Hankamer 1973 · Hare 1952 · Hasegawa 1972 · Hellan 1981 · Hellan 1984 · Hendrick 1978 · Heny 1978 · Higgins 1973 · Hoeksema 1983a · Hoeksema 1984 · Hoepelman 1982 · Horn 1981 · Huckin 1977 · Huddleston 1967 · Jackendoff 1977 · Jayaseelan 1983 · Kähler 1965 · Kamp 1975 · Klein 1980 · Klein 1981a · Klein 1981b · Klein 1982 · Knecht 1976 · Krantz/Luce/Suppes/Tversky 1971 · Kuno 1981 · Ladusaw 1980 · Lakoff/Ross 1970 · Lakoff 1970b · Larson 1988 · Lees 1961 · Lehrer/Lehrer 1982 · Lewis 1970 · Liddell 1975 · Lyons 1977 · McCawley 1973a · McCawley 1979 · McCawley 1981 · McConnell-Ginet 1973 · Mey 1976 · Milner 1973 · Milner 1978 · Napoli/Nespor 1976 · Napoli 1983a · Napoli 1983b · P ilch 1965 · P inkal 1983 · P inkham 1982 · P inkham 1983 · P lann 1982 · P ostal 1974 · Reinhart 1975 · Rivara 1979 · Rivero 1970 · Rivero 1981 · Ross 1967 · Ross 1970b · Ross 1974 · Ross/ P erlmutter 1970 · Rusiecki 1985 · Russell 1905 · Sag 1976 · Sapir 1944 · Seuren 1973 · Seuren 1978 · Seuren 1984 · Siegel 1979 · Smith 1961 · Stanley 1969 · Stassen 1984 · von Stechow 1983 · von Stechow 1984a · von Stechow 1984d · Swinburn 1976 · Thompson 1972 · Ultan 1972 · Vlach 1974 · Wallace 1972 · Wescoat 1984 · Wheeler 1972 · Williams 1976 · Williams 1977 · Wunderlich 1973 · Wurzel 1985 · Wurzel 1987 · Zwicky 1969
Ewan Klein, Edinburgh (Great Britain)
692
IX. Verbalsemantik Verbal Semantics
33. Verbklassifikation 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4.
1.
Verbcharakteristik. Arten von Verbklassifikationen Syntaktisch-semantische Valenzklassen Die grammatische Tradition Generative Grammatik Valenztheorie Zusammenfassendes über Valenz und semantische Rollen Einzelne Klassifikationskriterien Argument- bzw. Ergänzungstypen, fakultative Valenz Kontrolleigenschaften Transparenz und Opakheit, Extensionalität und Intensionalität Faktivität, Implikativität und Verwandtes Aktionsart, Agentivität und Kausativität Literatur (in Kurzform)
Verbcharakteristik. Arten von Verbklassifikationen
Verben werden auf formaler (morphologischer) Ebene traditionell als Wörter (Lexeme) definiert, die in sog. finiter Form Tempus, Modus und eventuell D iathese ausdrücken, sofern es diese grammatischen Kategorien in der jeweiligen Sprache gibt, und im typischen Fall Handlungen, Aktivitäten, Vorgänge u. dgl. bezeichnen (s. z. B Jespersen 1924: 86). Wie andere traditionelle Wortartdefinitionen hat auch diese eine lange Geschichte. D ie Anfänge des eher formalen Teils der D efinition finden wir bei D ionysios Thrax (2. Jh. vor Chr.), während der zweite, rein semantische Teil auf Plato zurückgeht (vgl. Michael 1970: 56 f.; s. auch Arens 1969: 16 ff., Pinborg 1975). Und wie andere traditionelle Wortartbestimmungen hat auch diese ihre einleuchtenden Schwächen, und zwar vor allem als Versuch einer universalen, außereinzelsprachlich gültigen D efinition. D as formale (morphologische) Kriterium versagt für Sprachen, die im Unterschied etwa zu den indoeuropäischen und finno-ugrischen die betreffenden
grammatischen Kategorien nicht kennen oder in den denen Verben und Nomina das gleiche Flexionspotensial besitzen, wie z. B. im Grönländischen und Kalispel. Und die semantische Charakteristik ist in dieser Form noch zu primitiv oder vage, um beispielsweise Verben wie fliehen, wachsen oder act, run von den entsprechenden abstrakten Substantiven Flucht, Wachstum; action, run differenzieren zu können. Erst die moderne (logische, modelltheoretische) Semantik macht durch hinreichend präzise Begriffsexplikationen die Überwindung dieser Schwierigkeiten möglich. Als Ergänzung — oder eventuell Ersatz — der morphologischen und semantischen Verbdefinition wird häufig als charakteristische syntaktische Funktion des Verbs angeführt, daß es allein oder als Kern einer Phrase (der Verbalphrase, VP) mit einer nominalen Phrase (NP) zusammen einen Satz bildet. D as heißt, das Verb dient als Prädikat oder zentraler Teil des Prädikats im Satz (vgl. Jespersen a. a. O., Lyons 1977: 429) — eine D efinition, die allerdings nur auf sog. finite Verbformen zutrifft. D em entsprechen die aristotelischen und stoischen D efinitionen des Verbs als Ausdruck des Prädikats bzw. als Bezeichnung von „an uncombined predicate“ (Michael 1970: 56) sowie Freges Auffassung vom Prädikat als einem unvollständigen, ergänzungsbedürftigen Ausdruck — einer Funktion. D ies besagt — modelltheoretisch rekonstruiert —, daß Verben Eigenschaften von oder n-stellige Relationen zwischen Entitäten bezeichnen, d. h. extensional verstanden Mengen von (n-Tupeln von) Entitäten unterschiedlichen Typs und intensional Funktionen von ‘möglichen Welten’ (s. Artikel 2) o. ä. in solche Mengen. Und zwar handelt es sich im typischen Fall wie bei essen, töten, sterben, wachsen — eat, kill, die, grow um ‘dynamische’ Relationen oder Eigenschaften — Handlungen, Aktivitäten, Prozesse; solche Verben bilden „the distinguished subclass“, wenn man, wie es sinnvoll erscheint, davon
33. Verbklassifikation
ausgeht, daß „the semantic, or ontological, part of the traditional definitions of the partsof-speech define for each part-of-speech not the whole class, but a distinguished subclass of the total class“ (Lyons 1977: 44). Weniger typisch ‘verbal’ wären demnach ‘stative’ Verben wie wissen, sein, abhängen — know, be, depend, die eher statische Eigenschaften oder Relationen bezeichnen (s. dazu Abschnitt 3.5) und ihren Verbstatus demnach anderen — morphologischen, syntaktischen — Eigenschaften zu verdanken haben. — ZurNomen-Verb-AdjektivD istinktion aus sprachtypologischer Sicht s. z. B. Walter (1981), Dixon (1977). Entsprechend der heterogenen Wortartdefinition können bei Verbklassifikationen morphologische, syntaktische oder semantische Kriterien im Vordergrund stehen. Morphologisch basiert ist beispielsweise eine Einteilung in Verben, die sowohl das Aktiv als auch das Passiv (bzw. Medium) kennen, d. h. mit beiden Flexionsparadigmen verbunden werden (vgl. lat. amare — amari, dän. elske — elskes ‘lieben — geliebt werden’), Verben, die nur im Aktiv vorkommen (vgl. besitzen), und Verben, die ausschließlich in passiver (medialer) Form erscheinen (sog. D eponentia), vgl. lat. moriri ‘sterben’, dän. minnes ‘gedenken’, oder eventuell gemischt aktivisch und passivisch (medial) flektieren (Semideponentia). Ob die Verteilung der Verben auf solche morphologisch definierten Subklassen semantischen Prinzipien folgt, ist eine andere Frage, die natürlich untersucht werden muß, deren Antwort jedoch bei einer synchronen Sprachbeschreibung keineswegs von vorneherein gegeben ist. D ie apriorische Annahme, daß derartige morphologische — oder entsprechende syntaktische — Unterschiede semantisch begründet sind, hat ein unentwirrbares D urcheinander formaler und semantischer Klassifikationskriterien und eine bedauerliche Unklarheit zentraler Termini wie ‘aktiv’ etc. zur Folge (s. dazu etwa Michael 1970: 92 ff.). — Eine sprachtypologische morphologische Verbklassifikation erfolgt ganz allgemein nach den Kategorien, die jeweils am Verb ausgedrückt werden: Tempus; Modus; Satzmodus; Aspekt; Aktionsart; D iathese; Negation; Inferentialität; Kongruenz mit Subjekt, direktem Objekt, indirektem Objekt u. weiteres mehr. Syntaktisch basierte Verbklassifikationen beziehen sich auf die syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten — die D istribution — der Verben. Hierher gehört die traditionelle
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Einteilung in transitive und intransitive Verben, die als Teilaspekt einer allgemeineren Valenzklassifikation (s. unten 2.3) gesehen werden kann. Es besteht ein enger Zusammenhang — wenn auch nicht unbedingt eine Eins-zu-eins-Beziehung — zwischen der Zahl und Art von Komplementen (Ergänzungen), mit denen sich ein Verb verbindet, und der Zahl und dem semantischen Typ der Argumente des Prädikats, als das der Verbinhalt rekonstruiert wird. D iese Tatsache rechtfertigt es, daß solche in erster Linie syntaktischen Verbklassifikationen hier mitberücksichtigt werden. Ausschließlich semantisch, und zwar z. T. onomasiologisch basiert sind beispielsweise Klassifikationen, die den Verbwortschatz in verschiedene Wortfelder (s. Schumacher 1981) unterteilen — z. B. Verben der Nahrungsaufnahme, Verben des Besitzes und des Besitzwechsels, des Schlafens und Wachens (s. Projektgruppe Verbvalenz 1981), der Fortbewegung (s. Gerling & Orthen 1979), der Sprechhandlungen (s. Ballmer & Brennenstuhl 1981), wie auch weitgehend die Weitereinteilung solcher Wortfelder. Verbklassifikationen dieser Art werden hier nicht besprochen. Auch Versuche einer „globalen Strukturcharakterisierung“ (Schwarze & Wunderlich 1985: 18), wie sie bei Ballmer & Brennenstuhl (1978, 1986) und Gerling & Orthen (1979: Kap. 3) begegnen, müssen hier unberücksichtigt bleiben; siehe dazu auch die Kapitel über Verben in der hervorragenden Monographie von Leisi (1971). Es wird vielmehr zuerst eine knappe Übersicht über syntaktisch-semantische Klassifikationen oder Klassifikationsstrategien gegeben, die sich — wenn auch auf jeweils verschiedener theoretischer Grundlage — auf das beziehen, was man die syntaktischsemantischen Valenzeigenschaften der Verben nennen kann. D anach werden einzelne Klassifikationskriterien besprochen, mit denen neuere Syntax- und Semantiktheorien sich besonders intensiv abgegeben haben.
2.
Syntaktisch-semantische Valenzklassen
D ie Bezeichnung ‘Valenzklassifikation’ wird hier zusammenfassend verwendet für Verbeinteilungen, denen syntaktische Kombinationsmöglichkeiten des Verbs (einschließlich seiner Rektion) und/oder die Argumentstruktur des vom Verb ausgedrückten Prädikats zugrundeliegen. Valenzklassifikationen in diesem weiten Sinne hat es von alters her gegeben.
IX. Verbalsemantik
694
2.1 Die grammatische Tradition Schon die Stoiker (3. Jh. v. Chr.) teilten Verben (Prädikate) im Griechischen nach ihrer Kombination mit Kasus, d. h. nach ihren Rektionsmöglichkeiten, ein; vgl. unten stehendes, Pinborg (1975: 89) entnommenes Schema (Abb. 33.1). Für Verben, die sich mit einem Nominativ und einem obliquen Kasus verbinden, wurde später (Apollonius, Priscian) die Bezeichnung transitiv eingeführt, andere mit einem Nominativ verbundene Verben wurden intransitiv (oder eventuell absolut) genannt. D iese Bezeichnungen sind als Versuche einer semantischen Explikation der an sich syntaktischen Erscheinungen zu verstehen: „the action denoted by a verb in a sentence containing both a subject and an object passes (transit) from the person denoted by the subject to that denoted by the object, whereas no such transition takes place in a sentence which lacks an object“ (Percival 1977: 235; vgl. auch Michael 1970: 95). D ie Unterscheidung transitiver und intransitiver Verben ist heute noch gang und gäbe, hat allerdings im Laufe der Zeit gewisse Wandlungen erfahren, die einen Verlust der Eindeutigkeit zur Folge gehabt haben. Als transitiv werden wohl jetzt kaum Verben wie begegnen, gedenken und russ. grozit’ ‘drohen’, bojat’ cja ‘fürchten’ bezeichnet, die zwar einen obliquen Kasus (D ativ bzw. Genitiv), aber einen anderen als den Akkusativ regieren; vgl. Michael (1987: 96), der eine aus dem 16. Jh. stammende explizite Einschränkung auf Verben mit Akkusativobjekt zitiert. D ie Frage, ob alle Verben mit obli-
quem Objekt oder nur noch diejenigen mit Akkusativobjekt transitiv zu nennen sind, stellt sich natürlich nur für Sprachen, die wie z. B. D eutsch, Russisch, Latein, Griechisch verschiedene Objektskasus besitzen; sie erübrigt sich beispielsweise für — gleichfalls indoeuropäische — Sprachen wie heutiges Englisch, Französisch und D änisch, wo folglich alle Verben mit nominalem Objekt transitiv zu nennen wären. In einem weiteren Schritt der Beschränkung ist allerdings die Eigenschaft der Transitivität mitunter mit der der Passivfähigkeit gekoppelt worden, so daß die Bezeichnung ‘transitiv’ lediglich auf Verben verwendet wird, die ein Akkusativobjekt zu sich nehmen und passivfähig sind, wobei das Subjekt im Passiv dem Akkusativobjekt im Aktiv entspricht. Unter diesem Aspekt sind mithin etwa essen, lieben transitiv, wissen, bekommen hingegen nicht. Für den modernen Transitivitätsbegriff und die Korrelation der Transitivität mit anderen Verbeigenschaften — Kinesis, Aspekt, Punktualität, Volitionalität, Affirmation, Modus, Agentivität, Affiziertheit, Individuierung — sei auf Hopper & Thompson (1980) verwiesen. Wenn nur noch akkusativregierende Verben als transitiv und Verben mit anderen Kasusobjekten dementsprechend als intranstiv einzustufen sind, können Verben mit (Kasus-) Objekt wie essen, lieben; begegnen; gedenken als relativ den intransitiven absoluten Verben wie sterben, ruhen gegenübergestellt werden, wie es beispielsweise bei Behaghel (1924: 113 ff.) geschieht. Wenden wir uns wieder dem Schema in Abb. 33.1 zu, so wird deutlich, daß die Un-
Abb. 33.1: Einteilung der Prädikate bei den Stoikern (nach Pinborg)
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terscheidung von „Symbama“ und „Parasymbama“ der z. B. für die Beschreibung des D t. immer noch relevanten Einteilung in persönliche und unpersönliche, nur noch in der 3. Pers. Sg. vorkommende Verben entspricht; vgl. mich friert, mir graut davor. Beispiele aus dem Lat. und Russ. sind pluit ’es regnet’, svetaet ’es dämmert’, menja (Akk.) toschnit ‘mir ist unwohl’. Zu den Impersonalia werden heute auch Verben gerechnet, die wie u. a. die Witterungsverben im D t., Engl., Franz. und in den skandinavischen Sprachen syntaktisch nicht völlig subjektlos auftreten, aber als Subjekt das Personalpronomen der 3. Person verlangen (es regnet, it is raining, il pleut, det regner) und deren syntaktischem Subjekt kein semantisches Argument zu entsprechen scheint. — Unpersönliche Verben sind Beispiele für semantisch motivierte Rektionsklassen (s. Abschnitt 2.4). In Abb. 33.2 werden die skizzierten syntaktisch-semantischen Einteilungen der traditionellen Grammatik schematisch zusammengefaßt, wobei auch die verschiedenen Auslegungen der Termini ‘transitiv’ und ‘intransitiv’ angedeutet werden. Bevor wir die traditionelle Grammmatik verlassen, sollen einige weitere typische Oppositionen kurz erwähnt werden: Reflexive Verben verlangen im Unterschied zu den nicht reflexiven ein Reflexivpronomen (oder reflexiv verwendetes Personalpronomen) als Objekt, vgl. sich ereifern, dän. skamme sig ’sich schämen’, franz. se repentir,
bzw. sie kommen nur noch in reflexiver Form vor. Es handelt sich hier wieder einmal um eine primär morphosyntaktische Unterscheidung, insofern als semantisch keine Reflexivität vorzuliegen braucht: es ist nicht unbedingt so, daß das Verb semantisch als zweioder mehrstellig einzustufen ist, wobei die Subjekt- und eine Objektstelle identisch besetzt werden. D ies kann hingegen dann zutreffen, wenn ein an sich nicht reflexives Verb reflexiv verwendet wird, vgl. ich klage mich, nicht dich an, franz. elle se regarde, in anderen Fällen — bei anderen Verben — liegt eher reziproke Bedeutung vor, vgl. Hans und Peter schlagen sich täglich, franz. ils se battent. Oft besteht jedoch zwischen einem Verb in reflexiver und nicht reflexiver Verwendung — einer reflexiven und der entsprechenden nicht reflexiven Verbvariante — eine semantische Beziehung der gleichen Art wie zwischen einem Intransitivum und einem entsprechenden (transitiven) Kausativum (s. 3.5), vgl. die Tür öffnete sich — jemand öffnete die Tür, franz. tout se change — on change tout und engl. the door opened — somebody opened the door, I have changed — something has changed me. — Eine ausführliche D arstellung von möglichen semantischen Funktionen der Reflexivierung kann hier nicht vorgenommen werden (vgl. Hopper & Thompson 1980: 277 ff.). Sogenannte H ilfsverben sind rein formal (morphologisch) echte Verben — wenn auch oft mit unregelmäßiger Flexion —, dienen jedoch zur Bildung sogenannter periphrasti-
Abb. 33.2: Einteilung der Verben in der traditionellen Grammatik
696
scher (zusammengesetzter, komplexer) Verbformen, wobei das Vollverb in einer bestimmten, von dem jeweiligen Hilfsverb bedingten infiniten Form erscheint; vgl. z. B. das Perfekt und das Passiv im Engl., D t., Franz. Eine scharfe Abgrenzung von Hilfs- und Vollverben scheint kaum zu erreichen oder zu begründen. D ie vom Hilfsverb regierte infinite Verbform läßt sich als eine besondere Art von Komplement desselben auffassen; und den angeblichen Hilfsverben stehen meistens auch homonyme Vollverben zur Seite, vgl. haben, sein, werden, engl. have, be, franz. avoir, être etc. (s. Artikel 35 für periphrastische Tempusformen). Abschließend sei betont, daß ein guter Teil der hier besprochenen Klassifikationskriterien wegen ihrer Abhängigkeit von einzelsprachspezifischen morpho-syntaktischen Kategorien sich natürlich nicht ohne weiteres übertragen lassen auf Sprachen, die ganz anders strukturiert sind als diejenigen, für deren Beschreibung sie eingeführt wurden. 2.2 Generative Grammatik In der tranformationsgrammatischen ‘Standardtheorie’, wie sie von Chomsky (1965) entwickelt wurde, werden nicht-auxiliare Verben subklassifiziert nach den „kategorialen Rahmen“, in denen sie auftreten (sog. strikte Subkategorisierung), und nach z. T etwas primitiven syntaktisch-semantischen Merkmalen („distinctive features“) wie [Abstract], [Animate] im Subjekt und in den Komplementen des Verbs (sog. Selektionsrestriktionen). D araus ergeben sich Lexikoneinträge (lexikalische Charakterisierungen) wie die folgenden (Chomsky 1965: 94): eat, [+ V, + _ NP] elapse, [+ V, + _ ] grow, [+V, + _ NP, + __ , + _ Adjective] become, [+V, +_ Adjective, + _ PredicateNominal] seem, [+ V, + _ Adjective, + _ likȇPredicateNominal] look, [+V, + _ (Prepositional-Phrase) , + _ Adjective, +_ likȇPredicate-Nominal] believe, [+ V, + _ NP, + _ that̑S′] persuade, [+ V, + _ NP (of̑Det̑N) S’] Abb. 33.3: Verbeinträge bei Chomsky Transitive oder transitiv verwendbare Verben wie eat, grow, believe sind demnach für den
IX. Verbalsemantik
Rahmen „_ NP“ spezifiziert, d. h. sie müssen bzw. können in der syntaktischen Tiefenstruktur unmittelbar vor einer als Schwesterkonstituente dienenden NP stehen, während intransitive oder intransitiv verwendbare Verben wie elapse, grow den Rahmen „_ “ verlangen bzw. zulassen, d. h. ohne Ko-Konstituente vorkommen (können). Become und seem verlangen ein nachfolgendes Adjektiv (become/seem old) oder Prädikatsnomen (become a painter) bzw. like + Prädikatsnomen (seem like a lie). Look ist wie seem subkategorisiert (look old/like a ghost), erlaubt allerdings als dritte Alternative eine Präpositionalphrase (look at something). Und believe läßt sich statt einer NP auch mit einem thatSatz verbinden, während persuade für eine NP und ein Satzkomplement spezifiziert ist (persuade someone (of the fact) that...). Für das D t. und andere Kasussprachen sind natürlich weitere Spezifizierungen der NP-Kasus nötig (s. Bierwisch 1970). Von zentraler Bedeutung ist es, daß die grammatischen Relationen ‘Subjekt-von’, ‘Objekt-von’ etc. in diesem theoretischen Rahmen konfigurationell definiert werden, d. h. durch ihre Positionen in der Phrasenstruktur. D as Subjekt etwa ist als linksstehende Schwesterkonstituente der Verbalphrase, d. h. durch die Konfiguration [NP, VP], und das (einzige) Objekt als rechtsstehende Schwesterkonstituente des Verbs, d. h. durch die Konfiguration [V, NP], bestimmt. Fillmores Abhandlung „The Case for Case“ (Fillmore 1968) bedeutete einen Bruch mit diesem Ansatz und markierte den Anfang der sog. Kasustheorie (s. dazu z. B. Heger & Petöfi 1977, Abraham 1978). Fillmore ersetzte die rein konfigurationalen syntaktischen Relationen durch eine Reihe „etikettierter Relationen“ (sog. Tiefenkasus) wie Agentiv (A, intentional handelnde Person, ‘Urheber’ der vom Verb bezeichneten Tätigkeit), Instrumental (I, unbelebtes Instrument einer Tätigkeit; eventuell auch unbelebte Ursache eines Vorgangs — später Force genannt), Objektiv (O, unbelebter, von einer Tätigkeit oder einem Vorgang „affizierter“ Gegenstand) etc. Verben lassen sich dann nach den Kasusrahmen spezifizieren und einteilen, in die sie hineinpassen. So erhält man beispielsweise für das Verb open im Engl. die Kasusrahmen [_ O]: the door opened, [_ O + A]: John opened the door,
33. Verbklassifikation
[_ O + I]: the wind opened the door, [_ O + I + A]: John opened the door with a chisel (vgl. Fillmore 1968: Kap. 3). Aus den Beispielen wird ersichtlich, daß zwischen Tiefenkasus und Oberflächenkasus bzw. grammatischer (Oberflächen-)Funktion keine Eins-zueins-Beziehung besteht: D er mit der grammatischen Subjektfunktion verbundene Tiefenkasus variiert nach Verb (und D iathese), und umgekehrt kann ein und derselbe Tiefenkasus — z. B. Objektiv — je nach den Umständen als (Oberflächen-)Subjekt und Objekt realisiert werden. D ie Abbildung der Tiefenkasus auf ‘Oberflächenkasus’ oder Präposition (+ Oberflächenkasus), einschließlich der Subjektselektion, erfolgt transformationell. D ie Thesen der Kasustheorie, die für ihre Tiefenkasus starke zahlenmäßige Begrenztheit, Universalität und höchstens einmaliges Vorkommen in jedem Kasusrahmen behauptete, haben sich nicht alle bestätigen lassen. D ies hängt mit der kaum zu vermeidenden Vagheit der Kasusdefinitionen zusammen, die — wie der Tiefenkasusbestand überhaupt — mehrmals geändert worden sind. D ennoch hat die Kasusgrammatik als Versuch, rein morphosyntaktisch definierte ‘Oberflächenkasus’ wie Nominativ, Akkusativ etc. bzw. grammatische Satzgliedfunktionen wie Subjekt, Objekt etc. und rein semantische Begriffe wie ‘Täter’, ‘Instrument’ grundsätzlich auseinanderzuhalten, die weitere Entwicklung der generativen Grammatik — wie auch die Valenzgrammatik (s. unten) — stark beeinflußt. D en Tiefenkasus entsprechen im neuesten Zweig der generativen Transformationsgrammatik, der nach Chomsky (1981) benannten Rektions - Bindungs -Theorie (GB -Theorie), thematische Rollen wie Agens, Patiens (mit einem etwas unglücklichen Terminus auch Thema genannt), sofern diese nicht einfach als semantisch leere Etiketten zu verstehen sind, die zur D ifferenzierung von Argumenten eines Verbs (Prädikats) genau das gleiche leisten wie eine Nummerierung der Argumente (vgl. Stechow & Sternefeld 1985: 309 ff.). D ie Konzeption der thematischen Rollen geht vor allem auf Gruber (1965, 1976) und Jackendoff (1972) zurück. Zur semantischen Auslegung und Spezifizierung der einzelnen thematischen Rollen hat die GB-Theorie bisher wenig beigetragen. D ie Teiltheorie der thematischen Markierung („Theta-Theorie“) dient vielmehr in erster Linie der Erklärung anderer, überwiegend syntaktischer Erscheinungen — Wortstellungs- und Passivierungsregularitä-
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ten, Kontrollphänomene, Expletivkonstruktionen mit there, es etc. —, auf die hier nicht eingegangen werden kann (s. Chomsky 1981: 34 ff., 170 ff., Czepluch & Janßen 1984). 2.3 Valenztheorie Wie oben angedeutet, hat der Rollenbegriff auch in die sog. Valenztheorie Eingang gefunden, die von Tesnière (1959) als Bestandteil eines primär syntaktischen Beschreibungsmodells konzipiert wurde und als Versuch gelten kann, die traditionelle Einteilung nach Transitivität etc. (s. 2.1) in einen generelleren und universell verwendbaren Rahmen zu integrieren. Nach der Zahl der Aktanten („actants“, Mitspielern), mit denen sie sich in einem Satz verbinden — und zu denen auch das Subjekt gerechnet wird — lassen Verben sich in a-, mono-, bi- und trivalente einteilen; Satzglieder, deren Vorkommen nicht durch die Valenz des Verbs bedingt ist, werden „circonstants“ genannt. (In der deutschsprachigen Fachliteratur haben sich für ‘Valenz’, ‘Aktant’ und ‘Circonstant’ auch die Termini ‘Wertigkeit’, ‘Ergänzung’, ‘(freie) Angabe’ eingebürgert.) Zur Klasse der monovalenten Verben gehören die absoluten Intransitiva der traditionellen Grammatik und unpersönliche Verben mit einer obliquen Kasusergänzung (Beispiel: mich friert, s. oben 2.1); bivalent sind transitive Verben mit einem (Akkusativ-) Objekt (z. B. kennen, sehen, schlagen) und andere Verben mit Subjekt und einem Objekt (z. B. begegnen, gedenken) sowie unpersönliche Verben mit zwei Objektergänzungen, vgl. altgr. δεῖμα (D at.) ἀργυρίον (Gen.) ‘es fehlt mir an Geld’; und trivalent sind Verben mit Subjekt und zwei Objekten, egal in welchem Kasus, wie geben, erzählen, lat. dare (D at. + Akk.), lehren, lat. docere (Akk. + Akk.) und verdächtigen (Akk. + Gen.); auch transitive Verben mit präpositional eingeleitetem ‘indirektem’ Objekt — engl. give, tell, franz. donner, dire gehören hierher. Zur Gruppe der avalenten Verben rechnet Tesnière komplementlose unpersönliche Verben (Beispiel: meteorologische Verben, 2.2), unabhängig davon, ob ein ‘formales’ Subjekt erscheinen muß oder nicht (il pleut vs. pluit). D as formale Subjekt hat mithin keinen Aktantenstatus, was damit erklärt wird, „qu’il s’agit d’une drame qui se joue indépendamment de tout actant. Il neige exprime simplement un procès qui se déroule dans la nature sans que nous puissions concevoir un actant qui en soit l’origine [...].“ [„daß es sich hier
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um ein „D rama“ handelt, das unabhängig von irgendeinem Aktanten abläuft. Es schneit bezeichnet einfach ein in der Natur sich abspielendes Geschehen; wir können uns keinen Aktanten als Urheber dieses Geschehens vorstellen“] (Tesnière 1959: 239; dt. Übersetzung S. 162). D ies zeigt den z. T. semantischen Charakter des Tesnièreschen Aktantenbebegriffs: Aktanten können nicht semantisch leer sein, sie müssen vielmehr wirkliche ‘Akteure’ eines ‘D ramas’ bezeichnen. Jedem Aktanten muß somit ein Argument entsprechen, wenn man den Verbinhalt als n-stelliges Prädikat rekonstruiert. Es sei hinzugefügt, daß es in manchen Sprachen (z. B. Japanisch, Koreanisch) keine obligatorischen Verbergänzungen gibt, so daß ein Verb für sich allein — und zwar ohne Kongruenzmerkmal wie im Lat. — einen Satz konstituieren kann. D er Valenzgedanke hat vor allem in der deutschen (germanistischen) Linguistik in verschiedenen Ausprägungen Fuß gefaßt (s. z. B. Engel & Schumacher 1978, Helbig 1982). Er ist dabei z. T. so ‘syntaktifiziert’ worden, daß auch semantisch leere Elemente wie formale Subjekte und obligatorische Reflexivobjekte als Aktanten zählen — oder aber es wird zwischen ‘syntaktischer Valenz’ und ‘semantischer Valenz’ unterschieden —, so daß zwischen der (syntaktischen) Valenz eines Verbs und dessen Stelligkeit keine Eins-zu-eins-Entsprechung bestehen muß. Beispiele für fehlende Übereinstimmung von Valenz und Stelligkeit finden sich etwa — allerdings in einem anderen theoretischen Rahmen — bei Höhle (1978: 221 ff.). D ie Valenztheorie(n) nahm(en) fast von Anfang an Elemente der generativen Grammatik in sich auf: im Valenzwörterbuch von Helbig & Schenkel (19691) wurden die einzelnen Leerstellen der Verben zusätzlich zur morpho-syntaktischen Spezifizierung in Anlehnung an Chomsky (1965) anhand semantischer Merkmale wie [+ Anim], [Hum], [Mod] charakterisiert; und bei Helbig (1982: Kap. 3) wird eine Verknüpfung von Valenzund Kasustheorie diskutiert dahingehend, daß für jeden (semantisch nicht leeren) Aktanten eines Verbs sein „semantischer Kasus“ zu bestimmen ist. 2.4 Zusammenfassendes über Valenz und semantische Rollen Verbinhalte lassen sich als n-stellige Prädikate auffassen, und Verben müssen dementsprechend nach ihrer Stelligkeit — der Zahl ihrer
IX. Verbalsemantik
Argumente — klassifizierbar sein. Beispiele für null-, ein-, zwei- und dreistellige Verben sind den obigen Abschnitten zu entnehmen; als vierstellig wäre etwa übersetzen einzustufen: man übersetzt etwas aus einer Sprache in eine andere Sprache. Völlig problemlos ist eine solche Klassifizierung allerdings nicht, was mit der schwierigen, in der Valenzliteratur ausgiebig diskutierten Abgrenzung von Verbkomplementen (verbbedingten Gliedern) und anderen, freien Satzgliedern, vor allem im Bereich der Adverbiale, zusammenhängt (vgl. Bäuerle 1985: 223). Es sei in dem Zusammenhang auch auf das Phänomen der Inkorporierung von Argumenten verwiesen, das sich z. B. durch hämmern, Auto fahren veranschaulichen läßt. Ein weiteres mögliches Einteilungskriterium betrifft den ‘Tiefenkasus’ oder die ‘thematische Rolle’, die mit dem jeweiligen Argument verknüpft ist. Kasusrolle, semantischer Kasus, semantische Rolle, Theta-Rolle sind andere, jetzt geläufige Bezeichnungen für das, was mit diesen Begriffen eingefangen werden sollte: semantische Charakteristika von Argumenten von Verben (Prädikaten), die einerseits die einzelnen Argumente des Verbs semantisch voneinander differenzieren und es andererseits erlauben, Argumente verschiedener Verben semantisch miteinander zu ‘paaren’ und einer gemeinsamen Argumentkategorie — einer semantischen Rolle — zuzuordnen. Unter den einstelligen Verben wären dann u. a. Agens-/Agentiv- und Thema-/ Objektiv-Verben zu unterscheiden (vgl. tanzen — wachsen, dance — grow) und bei Zweistelligkeit Konstellationen wie Agens + Thema (betrachten, look at), Experiencer + Thema (sehen, see) und Thema + Experiencer (gefallen, please); s. dazu z. B. Wunderlich 1985a. Eine angemessene Klassifizierung des gesamten Verbwortschatzes nach diesen Richtlinien würde jedoch eine Klärung des Rollenbegriffs und präzise Rollendefinitionen voraussetzen, die bisher nicht geliefert worden sind. Es ist auch noch eine offene Frage, wie weit dieser Abstraktionsprozeß (s. Schwarze 1985) angemessenerweise getrieben werden kann, d. h. mit wie wenigen und welchen semantischen Rollen man für die Beschreibung des gesamten Verbwortschatzes auskommt. Fraglich ist überhaupt, ob man ‘semantische’ oder ‘thematische Rollen’ als theoretische Primitive braucht. Eher ist vielleicht mit D owty (1985a: 318) anzunehmen, daß „all phenomena referred to under the heading ‘thematic roles’ in the literature are properly regarded as lexical
33. Verbklassifikation
entailments, i. e., that a thematic role is a class of lexical entailments (and/or presuppositions) to the effect that (the referents of) certain of their arguments have certain properties“ — z. B. daß das ‘Experiencer’-Argument ein Lebewesen ist, das eine bestimmte Art von Wahnehmungs-, Gefühls- oder Erkenntniserlebnis hat. Semantische Rollen sind relational, insofern sie mit der Art der Beteiligung der Aktanten am ‘verbalen Vorgang’ zu tun haben. Es können aber auch spezifischere Bedeutungskomponenten der Aktanten in die Bedeutung des Verbs mit eingehen, d. h. es können für die Besetzung einer bestimmten Leerstelle mehr oder weniger spezifische sog. Selektionsrestriktionen bestehen. Ein anschauliches Beispiel im D eutschen sind die Selektionsrestriktionen nach den Klassen ‘menschlich’ und ‘tierisch’, nach denen sich u. a. die Verben gebären vs. werfen, stillen vs. säugen, essen vs. fressen, sterben vs. verenden unterscheiden. Im Extremfall sind die Wahlmöglichkeiten so eingeschränkt, daß man es mit sog. lexikalischen Solidaritäten zu tun hat: bellen kann im wörtlichen Sinne nur auf Bezeichnungen für Hunde, miauen nur mit Bezug auf Katzen angewandt werden usw. Sprachen können sich in der Schärfe der Selektionsrestriktionen beträchtlich voneinander unterscheiden (vgl. Plank 1983a), wie Selektionsrestriktionen auch eine fehlende grammatische Markierung der Aktanten teilweise kompensieren können (Li/Thompson 1976). In diesem Zusammenhang ist schließlich auch das vor allem aus athapaskischen Sprachen (z. B. Navaho) bekannte Phänomen der Verbalklassifikation zu erwähnen, das auf eine andere Vorgangsanschauung hindeutet, insofern in Verbklassifikator-Sprachen allein die Klassenzugehörigkeit von Aktanten die Wahl des Verbstamms bestimmt und der Verbvorgang selbst sich in morphologischen Abwandlungen des Verbstamms ausdrückt (Barron 1982). D ie (semantische) Stelligkeit ist grundsätzlich von der Ergänzungsbedürftigkeit (Valenz) und den Rektionseigenschaften der Verben auf syntaktischer Ebene zu unterscheiden, obwohl enge Beziehungen zwischen beiden bestehen. Wie die beiden Ebenen in der Sprachbeschreibung einander zugeordnet werden — ob ‘lexikalistisch’ wie in der Valenzgrammtik und in der Lexical Functional Grammar (s. z. B. Kaplan & Bresnan 1982) oder ‘transformationalistisch’ wie in der generativen Transformationsgrammatik (s. 2.2) —, ist eine eher
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technische Frage, die uns hier nicht zu interessieren braucht. Wesentlich ist, daß die morpho-syntaktischen Eigenschaften von Verben in vielen Sprachen nicht aufgrund der Argumentstruktur vollständig vorhersagbar sind, so daß Informationen der einen wie der anderen Art zur vollständigen Charakterisierung eines Verblexems gehören. Andererseits verläuft die Zuordnung — die ‘Kodierung’ — der semantischen Rollen in der einzelnen Sprache nicht völlig willkürlich, sondern weist mehr oder wenig klar erkennbare Tendenzen auf. Aus universalistischer Sicht sind nach Plank (1983a) in dieser Hinsicht zwei verschiedene Kodierungsprinzipien zu erkennen: das Transparenzprinzip, nach dem die syntaktische Kodierung von Argumenten semantisch motiviert ist in dem Sinne, daß idealerweise jeder semantischen Rolle ein eigener Ergänzungstyp entspricht, und das Funktionalitätsprinzip, nach dem die bei ein und demselben Verb oder in ein und demselben Satz realisierten semantischen Rollen eine eindeutig verschiedene syntaktische Kodierung erfahren, „without insisting on a consistent identification of semantic roles [...] by the coding devices“ (Plank 1983a: 1). D em Funktionalitätsprinzip folgt z. B. das heutige Engl. in höherem Ausmaß als das heutige D t., da beispielsweise nicht-agentive semantische Rollen im D t. bei weniger Verben als Subjektergänzung auftreten können als im Engl. (vgl. *Dieses Zelt schläft zwei Leute vs. This tent sleeps two persons, *Der Wagen platzte einen Reifen vs. The car burst a tyre). Für beide Sprachen gilt allerdings, daß, wenn eines der Argumente eines mehrstelligen Verbs die Agentiv/Agens-Rolle tragen kann, dieses Argument dann syntaktisch als Subjekt des Verbs im Aktiv realisiert wird. Beispiele für das Transparenzprinzip geben sog. Aktivsprachen wie Guarani oder Bats ab, in denen u. a. die Argumente einstelliger Verben in verschiedenen Kasus stehen je nachdem, ob sie eine „aktive“ oder „inaktive“ Rolle spielen. Eine ähnliche Erscheinung ist die in den älteren germanischen Sprachen übliche oblique Kasusrealisierung der ‘Experiencer’-Rolle auch bei einstelligen Verben, deren Reste sich noch im heutigen D t. beobachten lassen (mich hungert, mir graut davor). — Für in diesen Zusammenhang gehörende typologische Unterscheidungen wie Nominativ-Akkusativ vs. Ergativ-Absolut-Sprachen sei z. B. auf Plank (1979, 1983) verwiesen. Im Zusammenhang mit der Argument-Ergänzung-Zuordnung sind auch die Diathesen
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IX. Verbalsemantik
(Passiv, Medium, Kausativ, Reflexiv, Stativ, Applikativ etc.) zu sehen — grammatische Kategorien, die mit bestimmten valenzverändernden morpho-syntaktischen Prozessen (Konversionenen unterschiedlicher Art) korreliert sind: Bei der Passivierung wird das Argument, das im Aktiv als Subjektergänzung erscheint, grammatisch anders (im Engl. und D t. als Präpositionalphrase) realisiert, oder es bleibt eventuell unrealisiert; die grammatische Subjektposition wird dabei von einem Argument übernommen, das im Aktiv als Objekt (meistens ‘direktes’, seltener ‘indirektes’) kodiert ist (sog. persönliches Passiv), oder sie bleibt eventuell leer, unbesetzt von irgendwelchen semantischen Argumenten (‘unpersönliches Passiv’); vgl. unser Auto ist (vom Nachbarn) repariert worden — our car has been repaired (by the neigbour), he was sent a letter — *er wurde einen Brief geschickt — ihm wurde ein Brief geschickt, heute wird (von allen) gearbeitet! — dän. idag skal der arbejdes (af alle) ‘today, there should be worked (by everybody)’. Bei der Kausativierung tritt eine neue Subjektergänzung als Träger der Verursacher-Rolle hinzu, wobei ein ‘ursprüngliches’ Subjekt in ein Objekt konvertiert wird (vgl. die Tür war offen/ging auf — jemand öffnete die Tür, the door was open/ opened — somebody opened the door); siehe Abschnitt 3.5 für den semantischen Aspekt der Kausativierung. D em gegensätzlichen Zweck — der Beseitigung eines VerursacherArguments — dient oft die Reflexivierung (vgl. jemand öffnete die Tür — die Tür öffnete sich). D as Applikativ schließlich läßt sich etwa durch Swahili pika ‘kochen’ vs. pikia ‘für jemanden kochen’, ‘jemanden bekochen’ veranschaulichen.
3.
Einzelne Klassifikationskriterien
Wie oben (1.) erwähnt, soll in diesem Abschnitt eine Reihe einzelner semantischer Klassifikationskriterien besprochen werden, für die sich Linguisten im Rahmen moderner Semantik- und Syntaxtheorien besonders interessiert haben, und zwar weitgehend aus theoretischen Gründen. Es handelt sich dabei zum großen Teil um Eigenschaften von Verbargumenten oder Verb-Argument-Beziehungen, die über die rein quantitative Stelligkeit und den semantischen ‘Kasusrahmen’ der Verben hinausgehen.
3.1 Argument- bzw. Ergänzungstypen, fakultative Valenz Verben sind nicht nur hinsichtlich der Zahl ihrer Ergänzungen bzw. Argumente, sondern auch im Hinblick auf die syntaktische Kategorie und den semantischen (logischen) Typ (s. Artikel 7) derselben zu spezifizieren. Syntaktisch unterscheiden wir Ergänzungen in Form von Nominalphrasen (in einem bestimmten Kasus), (Neben-)Sätzen und Infinitkonstruktionen. D ementsprechend lassen sich Verben nach dem semantischen Typ ihrer Argumente subklassifizieren, so daß man für einstellige Verben folgende Subklassen erhält: — einstellige Verben, die als Argument ((Subjekt-)Ergänzung) lediglich Individuen/ Individuenkonzepte (Nominalphrasen) zulassen wie frieren, stehen, schlafen, husten, altern; — einstellige Verben, die als Argument eine Proposition (Satzergänzung) fordert wie sich herausstellen. Bei Zweistelligkeit sind u. a. zu unterscheiden: — zweistellige Verben, die Relationen zwischen Individuen/Individuenkonzepten bezeichnen (nominales Subjekt und Objekt verlangen) wie begrüßen, finden, sehen, helfen, gedenken; — zweistellige Verben, die Relationen zwischen Propositionen oder Prädikaten einerseits und Individuen oder Individuenkonzepten andererseits ausdrücken, sich also mit Satz- oder Infinitsubjekt + nominalem Objekt oder umgekehrt mit nominalem Subjekt und Satz- oder Infinitobjekt verbinden wie wundern, gelingen bzw. wissen, glauben, wünschen, wagen, versuchen; — zweistellige Verben, die an beiden Argumentstellen eine Proposition oder ein Prädikat verlangen (Satz- oder Infinitsubjekt + Satz- oder Infinitobjekt) wie besagen, veranlassen, heißen (vgl. daß..., besagt/veranlaßt, daß...). Entsprechende Kombinationsmöglichkeiten gibt es bei höheren Stelligkeiten, wenn auch wohl selten mit mehr als zwei Propositionsargumenten zu rechnen sein dürfte. Viele Verben werden dabei in mehreren Subklassen vorkommen, da Satz- oder Infinitergänzungen meistens mit Nominalergänzungen alternieren. Präpositionale oder adverbiale Ergänzungen, wie sie z. B. bei wohnen und legen vorkommen, und ihre semantische Beschreibung stellen ein noch weitgehend ungelöstes
33. Verbklassifikation
Problem dar, das hier unberücksichtigt bleiben muß (s. dazu etwa Dowty 1979: 207 ff.). Bei vielen Verben können Argumente sprachlich unausgedrückt bleiben. Es handelt sich dann auf syntaktischer Ebene um sog. fakultative Ergänzungen, deren Abgrenzung gegenüber freien Angaben eines der Hauptthemen der ‘posttesnièreschen’ Valenztheorie darstellt. Wir wollen hier nicht in diese D ebatte einsteigen, und begnügen uns deshalb mit dem Hinweis, daß semantisch nicht leere Verbergänzungen sozusagen in der Bedeutung des Verbs angelegt sind insofern, als entsprechende Argumente semantisch mitverstanden werden müssen, wenn Ergänzungen der betreffenden Kategorie nicht dastehen. Semantisch lassen sich zwei Typen der Fakultativität unterscheiden nach dem Effekt der Nicht-Besetzung der jeweiligen syntaktischen Leerstelle (s. Sæbø 1984, dem die meisten der unten angeführten Beispiele entnommen sind; vgl. auch Fillmore 1971, Mittwoch 1971). Bei Indefinitfakultativität wird ein indefinites Argument — etwa eine durch Existenzquantor gebundene Variable — in der syntaktisch leeren Position ergänzt: Ein Satz wie (1a) ist im Sinne des (b)-Satzes zu verstehen und logisch-semantisch etwa wie in (c) darzustellen. (1) a. Anna liebt wieder. b. Es gibt wieder jemanden, den Anna liebt. c. ∃x [lieben(x)(Anna)] Vgl. auch Satz (2a), der wie (2b) verstanden werden muß, und (3), wo an irgend jemanden als implizites Präpositionalobekt von verschenken mitverstanden wird. (2) a. Anna schreibt. b. Anna schreibt (an) irgend etwas. (3) [Was tun wir aber mit all diesen alten Kleidern?] — Wir können sie ja verschenken. [- An wen denn?] D iese Art der Objektfakultativität scheint typisch u. a. für ‘effizierende’ Verben wie schreiben, malen, nähen, bauen. Sätze mit unbesetzter indefinitfakultativer Leerstelle sind grundsätzlich nicht auf den Kontext angewiesen, um das ‘fehlende’ Argument zu ergänzen, d. h. sie lassen sich in diesem Punkt kontextunabhängig interpretieren. Bei Definitfakultativität hingegen ist dem Kontext — und zwar meistens dem sprachlichen Kontext — ein Argument passenden Typs zu entnehmen. D ie Nicht-Besetzung der
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syntaktischen Leerstelle hat in solchen Fällen semantisch die Funktion eines anaphorischen oder (seltener) deiktischen Elements, d. h. einer freien Variablen, und muß dementsprechend kontextrelativ interpretiert werden (zum Begriff der Kontextabhängigkeit s. Artikel 9). Ein Satz wie (4a) ist isoliert geäußert nicht voll interpretierbar, sondern verlangt wie der entsprechende anapherhaltige Satz (4b) einen Kontext, der spezifiziert, in was eingewilligt wurde; vgl. (4c). D ie logische Übersetzung von (4a) allein ist wie in (4d), mit einer freien Variablen in der Objektposition. Weitere Beispiele bieten (5)-(6). (4) a. Lisa willigte ein. b. Lisa willigte darin ein. c. Ich bat Lisa, meine Frau zu werden. Sie willigte ein. d. einwilligen-in (x)(Lisa) (5) [Übrigens, wir veranstalten im März ein Presseseminar über Frauenmißhandlung.] Ob du teilnehmen möchtest? (6) [Er befahl mir, Möbius abzusetzen und an seiner Stelle zu herrschen.] Ich gehorchte. Einige Verben — z. B. teilnehmen, anfangen, aufhören, fortfahren — verlangen zur Erschließung des Unterdrückten keinen sprachlichen Kontext, sondern können auch mit einem geeigneten Situationskontext auskommen: Eine Frage wie Möchtest du teilnehmen? ist voll interpretierbar, wenn die Fragende(n) z. B. gerade Karten spielt (spielen). D efinitfakultativität (wenn nicht Obligatheit) scheint bei Infinitiv- und Satzobjekten der Normalfall zu sein. Wahrscheinlich werden detailliertere semantische Analysen deutlich machen, daß es von der Verbbedeutung abhängt, ob etwaige Fakultativität von der einen (indefiniten) oder anderen (definiten) Art ist. Möglicherweise wird Indefinitfakultativität sich überhaupt als semantisch vorhersagbar erweisen. Was D efinitfakultativität vs. Obligatheit betrifft, gibt es jedoch bei Paaren anscheinend äquivalenter Verben zwischen Sprachen — z. B. dem Englischen und dem D eutschen — Unterschiede, die sich kaum semantisch erklären lassen (Sæbø 1984: 105 f.); vgl. z. B. die unterschiedliche Akzeptabilität von We have to find out! und *Wir müssen herausfinden! gegenüber Wir müssen’ s herausfinden!. D ies läßt darauf schließen, daß Obligatheit — verstanden als „definit-anaphorisches oder deiktisches Komplement statt nichts“ — tatsächlich eine syntaktische, für die einzelnen Verblexeme zu spezifizierende Eigenschaft ist.
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3.2 Kontrolleigenschaften Für Verben mit Satzergänzung und Verben mit Inifinitivergänzung, wie sie in (7) vorliegen, müssen nach der syntaktischen Kategorie der Ergänzung verschiedene (Valenz-)Klassen angesetzt werden. (7) a. Den Weg zu finden, gelang uns nicht. b. Anna versuchte, rechtzeitig zu kommen. c. Anna bat ihren Bruder, rechtzeitig zu kommen. d. Anna riet ihrem Bruder, rechtzeitig zu kommen. e. Anna verlangte von ihrem Bruder, rechtzeitig zu kommen. Semantisch scheint die Infinitivergänzung jedoch vom gleichen Typ wie die Satzergänzung: Sie wird im Kontext als eine vollständige Proposition aufgefaßt, deren — syntaktisch nicht ausgedrücktes — Subjektargument nach bestimmten Richtlinien ergänzt wird. Und zwar wird diese Subjektzuordnung mehr oder weniger rigide vom übergeordneten Verb gesteuert: D as ‘ergänzte’ (‘logische’, ‘zugrundeliegende’) Subjektargument ist meistens als koreferent mit einem bestimmten Argument dieses Verbs zu verstehen — in (7a) mit dem (D ativ-) Objekt (uns), in (7b) mit dem Subjekt (Anna), in (7c,d) mit dem (Akkusativ- bzw. D ativ-)Objekt (ihren bzw. ihrem Bruder) und in (7e) mit dem präpositional angeschlossenen Argument (... ihrem Bruder). Wir veranschaulichen diese ‘Subjektzuordnungen’ durch Hinzufügung einer Variablen, die als Subjektargument in der Infinitivkonstruktion zu verstehen ist und mit der relevanten Ergänzung des regierenden Verbs koindiziert (also gebunden) wird, wie in (8). (8) a. [xi den Weg zu finden] gelang unsi nicht b. Annai versuchte [xi rechtzeitig zu kommen] c. Anna bat ihren Bruderi [xi rechtzeitig zu kommen] d. Anna riet ihrem Bruderi [xi rechtzeitig zu kommen] e. Anna verlangte von ihrem Bruderi [xi rechtzeitig zu kommen] Verben mit Infinitivergänzung lassen sich nun subklassifizieren nach der Art und Weise, wie sie das Subjektargument der Infinitivkonstruktion ‘kontrollieren’. — D erartige Kontrollerscheinungen wurden erstmals von Bech in einer 1955 und 1957 erschienenen Monographie (Bech 1983) systematisch erforscht,
IX. Verbalsemantik
haben jedoch erst später — seit Rosenbaum (1967) — allgemeines Interesse erweckt; s. etwa Chomsky (1981: 74 ff.), Bresnan (1982), Koster (1984) und D owty (1985a); vgl. auch Stechow (1984b). — Bei zweistelligen Verben mit Infinitivkomplement wie versuchen, try, manage ist das ‘fehlende’ Infinitivsubjekt koreferent mit dem Subjekt des regierenden Verbs, d. h. es liegt Subjektkontrolle vor; vgl. (8b). Bei dreistelligen Verben mit Kasusobjekt und Satzkomplement wie bitten, raten, ask, persuade, force ist Objektkontrolle (Koreferenz mit dem Objekt des regierenden Verbs) die Regel; vgl. (8c,d). Es gibt jedoch ‘Ausnahmeverben’ mit (D ativ-)Objekt wie versprechen, zusagen, drohen, promise, die im Normalfall Subjektkontrolle aufweisen; vgl. (9). (9) a. Annai versprach ihrem Bruder, [xi ihn zu beschützen] b. Annai drohte ihrem Bruder, [xi ihn einzusperren] Bei Verben, die sich mit einer Infinitivkonstruktion in Subjektfunktion verbinden, kann das Subjektargument des Infinitivs wie in (8a) und (10) eventuell über ein Kasusobjekt kontrolliert werden. Es bleibt jedoch oft unkontrolliert und ist dann dem weiteren Kontext zu entnehmen oder allgemein zu verstehen; vgl. (11). (10) [xi dich hier zu sehen], freut michi sehr. (11) Jahrelang zu studieren, hilft nichts. Es ist diskutiert worden, ob Kontrollerscheinungen syntaktisch — konfigurationell wie in der GB-Theorie oder lexikalistisch wie in der LFG („Lexical Functional Grammar“) — oder im weiteren Sinne semantisch zu erklären sind. D aß semantische Faktoren wenigstens teilweise verantwortlich sind für die Kontrolleigenschaften von Verben, kann jedoch kaum bezweifelt werden. Zum einen bilden die ‘Ausnahmeverben’ mit (D ativ-)Objekt, aber Subjektkontrolle (versprechen, drohen usw.) eine semantisch einheitliche Gruppe: Sie bezeichnen Sprechhandlungen, bei denen die Verantwortlichkeit für oder Kontrolle über die mit der Infinitivkonstruktion angekündigten Handlung beim Subjektargument liegt; hingegen kommt diese semantische Rolle bei dreistelligen Verben mit Objektkontrolle wie bitten, auffordern etc. dem Objekt zu. Ferner werden die angeblich ‘normalen’ Kontrollverhältnisse bei den betreffenden Verben umgestülpt, wenn die Infinitivkonstruktion ihrem Subjektargument semantisch keine Agens-/ Agentiv-Rolle zuläßt; d. h. versprechen/drohen-Verben können unter geeigneten semantischen Umständen Objektkontrolle und bit-
33. Verbklassifikation
ten-Verben Subjektkontrolle aufweisen; vgl. (12). (12) a. Anna versprach ihrem Bruderi, [xi mit ins Kino gehen zu dürfen] b. Annai bat ihren Bruder, [xi pünktlich abgeholt zu werden] Schließlich gibt es auch Verben — z. B. vorschlagen —, die neben Objektkontrolle auch Subjektkontrolle sowie gemeinsame Kontrolle durch Objekt und Subjekt haben können; vgl. (13). (13) Der Gastwirt schlug Herrn Meier vor, das Essen gegen 20 Uhr zu servieren. Bei Siebert-Ott (1983) werden weitere Argumente für die Annahme vorgebracht, daß es „die logisch-semantischen Eigenschaften des Prädikats und nicht seine kategorialen sein müssen, die den zentralen Faktor bei der Bestimmung von Kontrollbeziehungen darstellen“ (Siebert-Ott 1983: 113). D owty (1985a) veranschaulicht, wie man ‘Kontroll’-Verben wie die obigen semantisch als Prädikate über Prädikate darstellen und ihnen Bedeutungspostulate zuordnen kann, aus denen sich ihre ‘Kontrolleigenschaften’ ableiten lassen. D abei wird die in der transformationsgrammatischen Tradition gemachte syntaktische Unterscheidung von ‘Kontroll’- oder ‘Equi’-Verben wie den oben besprochenen einerseits und sog. ‘Raising’Verben — z. B. scheinen, seem und Verben mit Akkusativ + Infinitiv wie sehen, believe — andererseits hinfällig (vgl. dazu von Stechow 1984b). D ie ‘intransitiven’ Verben try und seem gehören genau wie die ‘transitiven’ persuade und believe zur gleichen syntaktischen Kategorie insofern, als sie sich mit einem Infinitivkomplement verbinden; vgl. (14)—(15). (14) a. Mary tried to leave. b. Mary seems to have left. (15) a. Mary persuaded John to leave. b. Mary believes John to have left. Semantisch besteht jedoch folgender Unterschied: D en ‘Kontroll’-Verben try und persuade ist ein Bedeutungspostulat zugeordnet, nach dem ihr jeweiliges Subjekt- bzw. Objektargument und das untergeordnete Prädikat (die Infinitivkonstruktion) miteinander zu einer Proposition verknüpft werden und zugleich etwas anderes über das betreffende Argument prädiziert wird — im Fall try, daß das Subjekt (‘Mary’) intentional handelt und die Intention hat, durch seine Handlungen die Subjekt-Infinitiv-Proposition (‘leave
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(Mary)’) wahr zu machen; und im Fall persuade, daß das Objekt (‘John’) „is an agent capable of forming intentions to act“ (D owty 1985a: 300) und durch Handlungen des Subjekts (‘Mary’) dazu gebracht wird, die ObjektInfinitiv-Proposition (‘leave(John)’) wahr machen zu wollen. Nach dem für ‘Raising’-Verben charakteristischen Bedeutungspostulat wird hingegen lediglich über die Proposition etwas prädiziert, die das jeweilige Subjektbzw. Objektargument mit dem untergeordneten Prädikat bildet — im Fall seem, daß es Gründe gibt, anzunehmen, daß die SubjektInfinitiv-Proposition (‘have left(Mary)’) wahr ist; und im Fall believe, daß die Objekt-Infinitiv-Proposition (‘have left(John)’) in der „Glaubenswelt“ des Subjekts (‘Mary’) wahr ist. D as heißt, „the meaning of a sentence ‘NP seems to VP’ cannot depend in any way on the meaning of NP (or of VP) per se, but only on the proposition they form together“ (D owty 1985a: 301). D as ‘Raising’-Verb vergibt — in der GB-Terminologie — im Unterschied zum ‘Kontroll’-Verb keine eigene thematische Rolle an die Subjekt- bzw. Objektposition. 3.3 Transparenz und Opakheit, Extensionalität und Intensionalität Zentral in der heutigen Semantikforschung ist die Unterscheidung referentiell transparenter („durchsichtiger“) und opaker („undurchsichtiger“) Verben oder Verbkonstruktionen (s. hierzu beispielsweise D owty et al. 1981: 143; Link 1976: 13 ff.) Eine transparente Konstruktion liegt vor, wenn D ominanz von in den Komplementen enthaltenen Quantoren über das Verb zugelassen ist in dem Sinne, daß ein Quantor aus einer als (Teil der) Ergänzung dienenden Nominalphrase ‘herausgezogen’ werden und das Verb selber in seinen Skopus nehmen kann, ohne daß sich die Bedeutung dabei ändert. D iese Möglichkeit der Exportation von beispielsweise einem Existenzquantor aus dem Objekt bzw. einem präpositionalen Komplement ist bei sehr vielen Verben gegeben; vgl. die folgenden Paare äquivalenter Sätze mit finden, kaufen, einziehen. (16) a. Monika hat einen schönen Stein gefunden. b. Es gibt einen schönen Stein, den Monika gefunden hat. (17) a. Anna kaufte einige Bücher. b. Es gab einige Bücher, die Anna kaufte.
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(18) a. Otto zieht in eine große Wohnung ein. b. Es gibt eine große Wohnung, in die Otto einzieht. Bei einer bezüglich einer bestimmten Position opaken Konstruktion ist die Exportation von Quantoren aus der betreffenden Position hingegen nicht ohne Bedeutungsänderung möglich: D ie Satzpaare in (19)-(21) sind nicht äquivalent, der (b)-Satz gibt nur noch eine referentielle (’de re’ -Lesart) wieder und wird der zweiten nicht-refentiellen (’de dicto’ — Lesart) nicht gerecht (siehe Artikel 34 zu den Begriffen ‘referentiell’, ‘de re’, ‘de dicto’). D er (a)-Satz kann im Unterschied zum (b)-Satz auch dann wahr sein, wenn die relevante Nominalphrase im Komplement (zum aktuellen Referenzpunkt) keine Extension hat, d. h. die sog. existentielle Abschwächung — P(T) → ∃x P(x), wo T ein Term ist — hat in diesem Fall keine Gültigkeit. (19) a. Monika hat einen schönen Stein gesucht. b. Es gibt einen schönen Stein, den Monika gesucht hat. (20) a. Anna wünschte sich einige Bücher. b. Es gab einige Bücher, die Anna sich wünschte. (21) a. Otto redet von einer großen Wohnung. b. Es gibt eine große Wohnung, von der Otto redet. Transparenz ist der Normalfall für Verben ohne Satz- oder Infinitivergänzung. Opakheit (bezüglich der Objektposition) kennzeichnet nebst suchen, erwarten, seek, expect Verben mit einem modalen Inhalt wie brauchen, wünschen, verlangen, need, want. Als Beispiel für ein bezüglich der Subjektposition opakes Verb möge fehlen dienen; vgl. die Nicht-Äquivalenz von (22a,b). (22) a. Mir fehlt ein geeigneter Partner. b. Es gibt einen geeigneten Partner, der mir fehlt. Als Charakteristikum für Transparenz vs. Opakheit gilt auch die Substitutivität extensionsgleicher Terme. Wenn zwei Nominalphrasen extensionsgleich sind (dieselbe Entität bezeichnen), so lassen sie sich in transparenten Konstruktionen ohne Einfluß auf den Wahrheitswert der jeweiligen Aussage für einander substituieren. So sind die folgenden Satzpaare äquivalent, falls es sich bei dem Spion im Kanzleramt und Guillaume um ein und dieselbe Person handelt.
IX. Verbalsemantik
(23) a. Man verhaftete den Spion im Kanzleramt. b. Man verhaftete Guillaume. (24) a. Nollau kennt den Spion im Kanzleramt. b. Nollau kennt Guillaume. In (25, 26) hingegen, wo das Verb eine opake Konstruktion etabliert, ist die Wahrheit des (a)-Satzes nicht automatisch mit der des (b)Satzes gegeben: Nollau kann den Spion im Kanzleramt suchen oder erwarten, ohne (zum gegebenen Referenzpunkt) zu wissen, daß die so gekennzeichnete Person mit Guillaume identisch ist. (25) a. Nollau erwartete den Spion im Kanzleramt. b. Nollau erwartete Guillaume. (26) a. Nollau sucht den Spion im Kanzleramt. b. Nollau sucht Guillaume. D ie Opakheit ist hier an die Wissenssituation — die ‘epistemische Perspektive’ — der mit dem Subjekt bezeichneten Person — des ‘epistemischen Subjekts’ — gebunden und wird deshalb epistemische Opakheit genannt: „D ie Opakheit entsteht also dadurch, daß die epistemische Perspektive sich der rein referentiellen Funktion überlagert und die Art und Weise bedeutsam werden läßt, in der das Referenzobjekt durch einen Term in dieser Position gekennzeichnet wird.“ (Link 1976: 16).
Epistemische Opakheit mit Bezug auf die Objektposition ist besonders verbreitet bei Verben mit Satz- oder Inifinitivobjekt. Hierher gehören u. a. Verben des ‘Begehrens’ (z. B. wünschen, verlangen), der Redewiedergabe (sagen, erzählen etc.) und der propositionalen Einstellung (glauben, wissen usw.), bei denen die Ungültigkeit des extensionalen Substitutionsprinzips sehr deutlich zu Tage tritt; vgl. die folgenden eindeutig nicht äquivalenten Satzpaare. (27) a. Brandt behauptete, seinen Sekretär gut zu kennen. b. Brandt behauptete, den Spion im Kanzleramt gut zu kennen. (28) a. Brandt wußte, daß Guillaume sein Sekretär war. b. Brandt wußte, daß der Spion im Kanzleramt sein Sekretär war. Transparente Verben, die nach dem oben Gesagten sowohl Quantorenexportation und existentielle Abschwächung als auch extensionale Substitution für ihre Ergänzungen gültig machen, werden in vielen D arstellungen auch
33. Verbklassifikation
extensional genannt, während die im obigen Sinne opaken Verben als intensional bezeichnet werden (s. z. B. Link 1976: 17 ff. und D owty 1979: 244 ff.). D ies hängt damit zusammen, daß im einen Fall eher die Extensionen und im anderen Fall eher die Intensionen (der ‘Sinn’) der jeweiligen Ergänzungen als Argumente des Verbinhalts ‘thematisiert’ werden oder zum Tragen kommen (zu den Begriffen ‘Extension’ und ‘Intension’ siehe Artikel 9). (Link 1976 versucht allerdings epistemische Opakheit extensional zu explizieren, und zwar im Zusammenhang mit einer D iskussion ‘wertender’ Verben wie bewundern, die auch als intensional eingestuft worden sind; s. Link 1976: 144 ff. und D owty et al. 1981: 219.) Werden Verbargumente grundsätzlich als Intensionen aufgefaßt, d. h. als Funktionen, die erst relativ zu Referenzpunkten Extensionen zuweisen, so sind extensionale Verben dadurch gekennzeichnet, daß sie den Wert ihrer Argumente (z. B. eines Individuenkonzepts) nur am aktuellen Referenzpunkt betrachten; bei einem intensionalen Verb hingegen muß der Wert (mindestens) eines Arguments an mehr als einem Referenzpunkt in Betracht gezogen werden. D araus folgt dann die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der extensionalen Substitutivität: „Wenn ein subjekt-extensionales Prädikat auf einen Individualbegriff [i. e. ein Individuenkonzept] zutrifft, dann muß es damit gleichzeitig auf alle anderen e-Intensionen zutreffen, die dieselbe Extension haben: weil das Prädikat nur eine Aussage über die gegebene Extension macht, ist es nicht in der Lage, zwischen verschiedenen, aber in dieser Extension übereinstimmenden Individualbegriffen zu unterscheiden.“ (Löbner 1976:224).
Nach diesem Verständnis sind z. B. die intransitiven Verben frieren, husten, schlafen, stehen, einziehen (in) subjekt-extensional, während Veränderungsverben wie wechseln und variieren (als Intransitiva) subjekt-intensional zu nennen sind: Für die Wahrheit von Sätzen wie (29) an einem gegebenen Referenzpunkt ist der Wert der Subjekt-Intension an verschiedenen Punkten (Zeiten) relevant, und zwar muß er ein jeweils verschiedener sein — es muß sich um verschiedene Individuen (Personen bzw. Einkommensgrößen) handeln. (29) a. Der Bürgermeister hat gewechselt. b. Mein Einkommen variiert. Auch intransitive Veränderungsverben wie altern, einschlafen, zurückkehren, aufstehen machen eine Bewertung ihrer Subjekt-Intensio-
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nen an zwei verschieden Referenzpunkten (Zeiten) nötig und könnten insofern als (subjekt-)intensional klassifiziert werden, wie es Löbner (1976: 225) tut. D er Wert (die Subjekt-Extension) darf jedoch nur in einer einzelnen D imension — Alter, Zustand, Lokalisierung, Körperhaltung etc. — variieren, es muß sich an den beiden Punkten um das gleiche, konstante, in seiner zeitlichen Ausdehnung definierte Individuum handeln. Man wird (30a) nicht als wahr oder angemessen betrachten können, wenn die Person, die zurückkommt eine andere ist als diejenige, die wegging, und ähnlich für (30b). (30) a. Der Bürgermeister ist zurückgekehrt. b. Der Bürgermeister ist gealtert. Solche Verben, „die für die betreffende Ergänzung mehrere Werte einer einzelnen D imension [des betroffenen Gegenstands] zu verschiedenenen Welt/Zeit-Punkten thematisieren“, werden von Löbner später (Löbner 1979: 168 ff.) partialvariant genannt und nach einiger D iskussion als extensional eingestuft. Sie unterscheiden sich durch die Varianz in einer D imension des betroffenen Gegenstands von den indiskutabel extensionalen (Typ liegen, frieren, schlafen), „die in der betreffenden Ergänzung nur den momentanen Wert dieser D imension thematisieren“ und deshalb (a. a. O.) momentbezogen genannt werden. Und sie unterscheiden sich durch die notwendige „Kernkonstanz“ (‘Individuenkonstanz’) von den eigentlich intensionalen, kernvarianten Verben (Typ wechseln, variieren), „die in allen Verwendungen Wertänderungen intensionaler Funktionen thematisieren“ (Löbner 1979: 109). Subklassifizierungen, wie sie hier mit Bezug auf die Subjektposition veranschaulicht wurden, sind bei mehrstelligen Verben im Hinblick auf jede Argumentposition vorzunehmen. ‘Momentbezogen’ extensionale Verben wären dann solche, die in allen Argumentpositionen durch ‘momentbezogene’ Extensionalität gekennzeichnet sind (transitive Beispiele: finden, sehen), während partialvariante bzw. eigentlich intensionale Verben in mindestens einer Position Partialvarianz bzw. Kernvarianz aufweisen (transitive Beispiele: wecken, legen bzw. wechseln, austauschen, entlassen). Viele Verben kennen allerdings sowohl partialvariante als auch kernvariante (intensionale) Verwendungen: Sie werden teils auf ‘mehrdimensionale’, ‘reale’ Begriffe angewandt und greifen dabei unter Wahrung der Kernkonstanz éine Varianzdimension heraus, teils werden sie sozusagen metaphorisch auf
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‘eindimensionale’, ‘abstrakte’, ‘fiktive’ Begriffe angewandt und sind dann notgedrungen kernvariant. Beispiele für solche „uneigentlich intensionalen“ Verben (Löbner 1979: 118 ff.) wären etwa zunehmen, fallen, senken, erweitern; vgl. die Satzpaare in (31, 32). (31) a. Der Bürgermeister nimmt zu. b. Der Lärm nimmt zu. (32) a. Der Minister senkte die Arme. b. Der Minister senkte die Steuern. D ie für Intensionalität charakteristische Kernvarianz ist nicht notwendigerweise zeitabhängig wie in den oben besprochenen Beispielen, sondern kann an andere Parameter gebunden sein. D ies ist der Fall bei modal opaken Konstruktionen (s. oben) einschließlich epistemischer Opakheit (wenn diese nicht extensional rekonstruiert wird): Bestimmend für die Wahrheit von beispielsweise (28b) ist nicht oder nicht nur die Wahrheit der vom Objektsatz ausgedrückten Proposition relativ zur ‘wirklichen’ Welt, sondern (auch) relativ zur Brandts damaligen Wissenssituation (Wissenswelt); vgl. dazu auch Löbners (1979: 129 ff.) Darstellung der „Faktenvarianz“. 3.4 Faktivität, Implikativität und Verwandtes Verben (Prädikate) mit Satz- oder Infinitivkomplement unterscheiden sich im Hinblick auf die logischen Beziehungen zwischen einer Proposition mit dem betreffenden Prädikat einerseits und der jeweiligen Argumentpropsition andererseits (Karttunen 1970). Bei sog. faktiven Verben (Kiparsky & Kiparsky 1971) bildet die Argumentproposition eine Präsupposition (bzw. konventionelle Implikatur) der komplexen Proposition. D as heißt im Rahmen einer dreiwertigen Logik, daß die Wahrheit der eingebetteten Proposition (am jeweiligen Referenzpunkt) eine Voraussetzung ist für die Wahrheit wie für die Falschheit der komplexen Proposition; diese ist wahrheitswertig unbestimmt — sinnlos —, wenn jene nicht wahr ist: (33a) und (33b) sind, isoliert geäußert, gleich unangemessen, falls (33c) nicht zutrifft. Oder anders ausgedrückt: die Argumentproposition folgt logisch aus der komplexen Proposition wie aus deren (starker) Negation. (Für den Begriff der Präsupposition und das damit verbundene sog. Projektionsproblem s. Artikel 13 und 10.) (33) a. Anna bedauert, daß sie bei der Prüfung durchgefallen ist. Anna bedauert, bei der Prüfung durchgefallen zu sein.
IX. Verbalsemantik
b. Anna bedauert nicht, daß sie bei der Prüfung durchgefallen ist. Anna bedauert nicht, bei der Prüfung durchgefallen zu sein. c. Anna ist bei der Prüfung durchgefallen. Faktiv sind vor allem emotive Verben, vgl. wundern, ärgern, freuen, erschrecken, überraschen. D urch ihre Forderung nach Wahrheit der Argumentproposition erinnern sie an Verben mit NP-Ergänzung, die — wie z. B. beobachten, kennen — existentielle Präsuppositionen an ihre Argumente knüpfen. Für implikative Verben gilt, daß die Argumentproposition aus einer affirmativen Proposition mit dem betreffenden Verb und die Negation der Argumentproposition aus der entsprechenden negativen Proposition folgt. Hierher gehören geschehen, gelingen; succeed, manage, happen: aus (34a) folgt (34b), und aus (35a) folgt (35b). (34) a. Es gelang Anna, rechtzeitig zu kommen. b. Anna kam rechtzeitig. (35) a. Es gelang Anna nicht, rechtzeitig zu kommen. b. Anna kam nicht rechtzeitig. Negativ implikative Verben verhalten sich umgekehrt: D ie Argumentproposition muß falsch sein, wenn die komplexe Proposition affirmativ ist, und wahr, wenn diese negiert ist. Beispiele sind unterlassen, vermeiden, vergessen (mit Infinitivkomplement — vergessen mit daß-Satzkomplement ist faktiv), fail, avoid, forget (to), wie aus den Folgerungsbeziehungen in den folgenden Satzpaaren ersichtlich wird. (36) a. Anna vergaß, ihren Schirm mitzunehmen. b. Anna nahm ihren Schirm nicht mit. (37) a. Anna vergaß nicht, ihren Schirm mitzunehmen. b. Anna nahm ihren Schirm mit. Gemeinsam ist den hier besprochenen Verbgruppen, daß affirmative wie negative Sätze mit einem solchen Verb Schlüsse erlauben bezüglich der Wahrheit oder Falschheit der Argumentproposition. In anderen Fällen kann enweder nur aus einer affirmativen oder nur aus einer negativen Proposition auf den Wahrheitswert der Argumentproposition geschlossen werden. Hierher gehören nach Karttunen (1970) explizite Kausativa wie verursachen, veranlassen, zwingen; cause, bring about, force (sog. „wenn“-Verben) und verhin-
33. Verbklassifikation
dern, abhalten; prevent, dissuade, keep (from) (negative „wenn“-Verben). D emgegenüber stehen dann Verben, die bei Affirmation und Negation im gleichen Maße den Wahrheitswert der Argumentproposition offen lassen, d. h. vor allem solche, die wie glauben, träumen, annehmen, behaupten propositionale Einstellungen oder Redewiedergabe bezeichnen. 3.5 Aktionsart, Agentivität und Kausativität Zentral in der Verbsemantik steht die Klassifizierung von Verben (Prädikaten) nach ihrer Aktionsart (in der englischsprachlichen Fachliteratur u. U. auch ‘aspect’ genannt), die lange Traditionen hat (s. François 1985 für eine Übersicht). Es handelt sich dabei meistens — und zwar vor allem in der neueren Literatur — um eine Einteilung in „Sorten von Prädikaten“ (Manzotti et al. 1975), die sich im Wesentlichen auf die Struktur von Wahrheits- oder Geschehensintervallen der mit den Prädikaten gebildeten Propositionen richtet, aber zugleich die ‘semantische Rolle’ des Subjekts — allgemeiner: den ‘semantischen Kasusrahmen’ (s. 2.2) — der Prädikate berücksichtigt. Auf die Wahrheitsintervallstruktur bezogen ist D owtys (1979: 184) Unterscheidung von Prädikaten, die eine „definite change of state“ ausdrücken wie notice, kill, dissolve, build a house, und solchen, die wie roll, rain, walk, laugh eine „indefinite change of state“ (oder„activity“) oder wie know, sleep, sit einen Zustand — „state“ — bezeichnen. D ie D efinition der ‘definite change of state’-Prädikate (D owty 1979: 166) scheint zur Explikation des traditionellen Begriffs der Perfektivität geeignet; ein heute geläufigerer Terminus ist Telizität. Imperfektiv bzw. atelisch wären dann die ‘activity’- und ‘state’-Prädikate; ihr Kennzeichen ist, daß unmittelbar nacheinanderfolgende oder überlappende Wahrheitsintervalle einer entsprechenden Proposition — z. B. ‘Anna schlafen’ — ein zusammenhängendes Wahrheitsintervall der betreffenden Proposition bilden. D ies ist bei Telizität ausgeschlossen: zwei unmittelbar nacheinanderfolgende Geschehensintervalle der Proposition ‘Anna ein Haus bauen’ machen zusammen kein Geschehensintervall dieser Proposition aus, sondern ein Geschehensintervall von ‘Anna zwei Häuser bauen’ und ‘Anna Häuser bauen’ (vgl. Fabricius-Hansen 1986: Kap. IV). Zu beachten ist, daß Verben an sich neutral
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sein können hinsichtlich des Gegensatzes ‘telisch — atelisch’, insofern als die Aktionsart nach Eigenschaften der Verbergänzungen, einschließlich des Subjekts, variieren kann: In den (a)-Sätzen von (38, 39) liegt Telizität (‘definite change of state’), in den (b)-Sätzen hingegen Atelizität (‘indefinite change of state’) vor (s. dazu Verkuyl 1972, Storch 1978, Platzack 1979). (38) a. Das Wasser verdampfte. b. Wasser verdampfte. (39) a. Anna baute ein Haus. b. Anna baute Häuser. Aktionsarten kommen mithin Konstruktionen aus Verb + Ergänzungen (einschließlich des Subjekts) zu, und zwar so, daß die Aktionsart einer solchen Konstruktion eine Funktion von semantischen Eigenschaften des Verbs und seiner Ergänzungen ist, wobei die einschlägigen Verbeigenschaften ihrerseits lexikalische Aktionsarten genannt werden könnten. Auf die semantische Rolle des Subjekts bezogen ist die Unterscheidung agentiver und non-agentiver Verben; vgl. z. B. laugh, kill, build a house und notice, roll, sleep. Bei ersteren steht die jeweilige Aktivität oder der jeweilige Vorgang oder Zustand „under the unmediated control“ (D owty 1979: 118) des mit dem Subjekt bezeichneten Individuums, bei diesen liegt keine solche Kontrolle vor — das Subjekt ist hier kein Agens. Auch hinsichtlich der Agentivität liegt oft kein Entweder-Oder vor, insofern als es Verben wie sitzen, stehen gibt, die in agentiven und non-agentiven Konstruktionen erscheinen; vgl. (40). (40) a. Liege ruhig! b. Das Buch liegt auf dem Tisch. Im Zusammenhang mit Aktionsart (Aspekt) ist meistens auch die Unterscheidung existentieller und generischer Verben behandelt worden (vgl. Chafe 1970, Carlson 1977), die sich daraus ergibt, daß bestimmte Argumentstellen bestimmter Verben eine nicht-generische bzw. eine generische Interpretation bestimmter Terme erzwingen (z. B. Elephanten kommen vs. Elephanten haben einen Rüssel). D iese Phänomene scheinen mit anderen, oft unabhängig behandelten (Existenzverben oder Existenz-Einführungsverben, D efiniteness Effect — s. Milsark 1974, Safir 1982 —, ergative Verben) zusammenzuhängen, ohne daß dieser ganze Komplex noch genügend erforscht wäre.
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Intensiv erforscht worden ist die Eigenschaft der Kausativität (s. z. B. Shibatani (ed.) 1976, Nedjalkov 1976, Ballweg 1977, D owty 1979: 91 ff., Comrie 1981: 158 ff.), die viele transitive Verben kennzeichnet und in verschiedenen Varianten vorkommt. Explizit kausativ sind Verben wie verursachen, veranlassen, dazu führen, dazu bringen, machen, lassen oder cause, bring about, die ein Satz- oder Infinitivkomplement nehmen und eine Ursache-Wirkung-Relation bezeichnen zwischen dem Subjektargument und dem propositionalen Objektargument (genauer: der Proposition, die aus einem affirmativen Satz mit dem Kausativum folgt, s. oben 3.4); vgl. die Satzpaare in (41). (41) a. Das schlechte Wetter verursachte, daß wir zu Hause blieben. Das schlechte Wetter veranlaßte uns, zu Hause zu bleiben. b. Wir blieben zu Hause. Ein implizites oder lexikalisches Kausativum liegt vor, wenn das n(〉1)-stellige transitive Verb eine Ursache-Wirkung-Relation bezeichnet zwischen dem Subjektargument und einer Proposition, die folgende Bedingungen erfüllt: Sie ist mit einem n-1-stelligen, typisch intransitiven Prädikat gebildet, enthält das Objektargument des Transitivums als Subjektargument und folgt notwendig aus einem affirmativen Satz mit dem Transitivum; vgl. (42, 43), wo der jeweilige (b)-Satz die ‘Wirkung’ beschreibt. (42) a. Die Sonne hat die Kleider getrocknet. b. Die Kleider sind trocken geworden. Die Kleider sind getrocknet. (43) a. Kain tötete seinen Bruder. b. Kains Bruder starb. D ie beiden Verben (oder Verbkonstruktionen) — das n-stellige Kausativum und das n-1stellige Rezessivum — können etymologisch unverwandt sein wie im Fall töten — sterben; oder das eine kann von dem anderen abgeleitet sein (vgl. legen — liegen, trocknen trocken [werden]); oder es kann sich einfach um verschiedene Valenzvarianten ‘desselben’ Verbs handeln (cf. trocknen und rollen als transitive Kausativa und entsprechende intransitive Rezessiva). In der logischen Semantik werden die gemeinsamen Charakteristika kausativer Verben meistens mit dem Vorhandensein eines eigenen Operators CAUSE o. ä. unter den Bedeutungskomponenten des jeweiligen Verbs bzw. in dem ihm zugeordneten Bedeu-
IX. Verbalsemantik
tungspostulat erklärt. Ein implizites Kausativum wie kill wird in Anlehnung an das Verfahren der generativen Semantik etwa als CAUSE TO BECOME D EAD dekomponiert bzw. ihm wird ein Bedeutungspostulat zugeordnet, das die Äquivalenz von kill(x,y) und CAUSE(...x..., BECOME( D EA D (y))) festlegt. D er Kausaloperator selber wird — wie auch der ‘Übergangsoperator’ BECOME o. ä. — in der Logiksprache definiert, und zwar meistens so, daß er in beiden Argumentbereichen nur noch Propositionen zuläßt (s. Ballweg 1977: 130, D owty 1979: 109), d. h. als semantische Entsprechung von verursachen in Sätzen wie (44). (44) Daß das Wetter so schlecht war, verursachte, daß wir zu Hause blieben. D ie Ursache-Wirkung-Relation ist als Relation zwischen Sachverhalten oder Ereignissen, nicht zwischen Individuen und Sachverhalten bzw. Ereignissen, aufzufassen: nicht einfach die Person Kain, sondern etwas, was sie tat, veranlaßte Abels Tod. D ies scheint allerdings schlecht damit übereinzustimmen, daß implizite Kausativa wie töten oft gerade nicht Sätze oder Infinitivkonstruktionen, sondern Nominalphrasen in der Subjektposition verlangen. D as läßt sich am zweckmäßigsten „dadurch erklären, daß das Vorderglied von CAUSE in der semantischen Repräsentation ein nicht näher spezifizierter Vorgang ist, in den das von dem in der Oberflächenstruktur aufscheinenden D esignator bezeichnete Individuum involviert ist.“ (Ballweg 1977: 133). D ie logische Struktur von (43a) wäre dann nicht wie in (45a), sondern eher wie in (45b); vgl. Dowty (1979: 91). (45) a. CAUSE(Kain, BECOME(tot(Abel))) b. CAUSE([Kain etwas tun], BECOME(tot(Abel))) Um die semantische Beschreibung der einschlägigen Verben zu vereinfachen, lohnt es sich allerdings, wie es Ballweg (1977: 134) tut, einen abgeleiten Kausaloperator BRING ABOUT o. ä. anhand von CAUSE zu definieren, der im Unterschied zu CAUSE nicht Propositionen, sondern Terme im Vorderglied verlangt; vgl. (46) (in Anlehnung an Ballweg). (46) BRING ABOUT(x, p) = df λx(λp [CAUSE(E...x..., BECOME(p))]) wo ‘E...x...’ ein Ereignis bezeichnet, an dem ‘x’ als Handelnde(r) beteiligt ist. D ie Bedeutung eines impliziten Kausativums wie töten ist dann anhand dieses Operators und des entsprechenden Rezessivums zu erklären, wie die folgenden Bedeutungspostu-
34. Verben der propositionalen Einstellung
late veranschaulichen mögen (vgl. dazu auch Fabricius-Hansen 1975: 110 ff.). (47) a. ∀x ∀y ☐ [töten(x, y) → BRING ABOUT(x, sterben(y))] b. ∀y ☐ [sterben(y) → BECOME(tot(y))]
4.
Literatur (in Kurzform)
Abraham (ed.) 1978 · Arens 1969 · Bäuerle 1985 · Ballmer/Brennenstuhl 1978 · Ballmer/Brennenstuhl 1981 · Ballmer/Brennenstuhl 1986 · Ballweg 1977 · Baron 1982 · Bech 1983 · Behaghel 1924 · Bierwisch 1970 · Bresnan 1982 · Carlson 1977 · Cattell 1984 · Chafe 1970 · Chomsky 1965 · Chomsky 1981 · Comrie 1981 · Czepluch/Janßen (eds.) 1984 · D ixon 1977 · D owty 1979 · D owty 1985a · D owty/ Wall/Peters 1981 · D ressler 1968 · Engel/Schumacher 1978 · Fabricius-Hansen 1975 · FabriciusHansen 1986 · Fillmore 1968 · Fillmore 1971 · Fillmore 1977 · François 1981 · François 1985 · Gerling/Orthen 1979 · Gruber 1965 · Gruber 1976 ·
709
Heger/Petöfi (eds.) 1977 · Helbig (ed.) 1971 · Helbig 1982 · Helbig/Schenkel 1969 · Heringer 1984 · Hoepelman 1986 · Höhle 1978 · Hopper/Thompson 1980 · Jackendoff 1972 · Jansen 1977 · Janßen 1984 · Jespersen 1924 · Kaplan/Bresnan 1982 · Karttunen 1970 · Kiparsky/Kiparsky 1971 · Koster 1984 · Lehrer 1974 · Leisi 1971 · Link 1976 · Löbner 1976 · Löbner 1979 · Lyons 1977 · Manzotti/ Pusch/Schwarze 1975 · Marantz 1982 · Menzel 1975 · Michael 1970 · Milsark 1974 · Mittwoch 1971 · Nedjalkov 1976 · Percival 1975 · Pinborg 1975 · Plank (ed.) 1979 · Plank 1983a · Plank 1983b · Platzack 1979 · Projektgruppe Verbvalenz 1981 · Rosenbaum 1967 · Safir 1982 · Schumacher (ed.) 1986 · Schwarze 1979 · Schwarze (ed.) 1985 · Schwarze/Wunderlich (eds.) 1985 · Shibatani (ed.) 1976 · Shopen 1973 · Siebert-Ott 1983 · von Stechow 1984b · von Stechow/Sternefeld 1985 · Storch 1978 · Tesnière 1959 · Walter 1981 · Wilkins (ed.) 1988 · Wunderlich 1985a
Cathrine Fabricius-Hansen, Oslo (Norwegen)
34. Verben der propositionalen Einstellung 1. Eingrenzung des Problems 2. Das semantische Problem 3. Diagonalisierung 4. Zur Individuierung von Bedeutungen 5. Repräsentationen: Sprachliche Form und propositio mentalis 6. Strukturierte Bedeutungen 7. Einstellungen als Eigenschaftszuschreibung: Glauben de se 8. Glauben de re 9. Technisches: Die Adaptation der strukturierten Bedeutungen 10. Iterierte Einstellungen 11. Literatur (in Kurzform)
1.
Eingrenzung des Problems
Einstellungsverben sind ganz allgemein gesagt Verben, die ein Satzkomplement verlangen. Intuitiv gesprochen sollte der eingebettete Satz eine Proposition ausdrücken und das Verb eine „Einstellung“ zu dieser Proposition, die dem Subjekt des Hauptsatzes zugeschrieben wird. D ie allgemeine Form solcher Sätze ist also: EinstellungssubjektEinstellung Proposition Peter behauptet daß Paul zur bezweifelt Schule geht
D ieses ebenso einfache wie einleuchtende Bild erzeugt jedoch ein D ilemma, das die grundlegenden Annahmen der Semantik in Frage stellt. D ieses D ilemma ist als das Problem der propositionalen Einstellungen bekannt und darauf konzentriert sich der vorliegende Artikel. Vernachlässigt wird darüber vollkommen die wortsemantische Beschreibung dieser Verben in dem Sinne, daß z. B. die Art der Komplemente untersucht würde: welche Verben haben warum ein deklaratives (1a) Komplement, welche ein interrogatives (1b), welche gar beides (1c,d) oder einen Infinitiv (1e). (1) a. Brigitte glaubt, daß sie Mumps hat. b. Brigitte überlegt, ob sie Mumps hat. c. Brigitte weiß, daß sie Mumps hat. d. Brigitte weiß, ob sie Mumps hat. e. Brigitte behauptet, Mumps zu haben. Es werden vielmehr ausschließlich Verben mit einem (deklarativen) daß-Komplement behandelt, für die sog. erotetischen Einstellungen sei lediglich auf Artikel 15 verwiesen. Auch werden Unterschiede zwischen den Einstellungsverben wie z. B. die folgenden nicht thematisiert. Bei manchen satzeinbettenden Verben gelten die folgenden Schlüsse:
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(2) a. Gottfried weiß, daß die Arminia abgestiegen ist Die Arminia ist abgestiegen. b. Gottfried weiß nicht, daß die Arminia abgestiegen ist Die Arminia ist abgestiegen. Solche faktiven Verben präsupponieren also die Gültigkeit des Komplements, implikative Verben verhalten sich da etwas anders: (3) a. Ede machte sich die Mühe, den Aufsatz durchzulesen Ede las den Aufsatz durch b. Ede machte sich nicht die Mühe, den Aufsatz durchzulesen Ede las den Aufsatz NICHT durch. Und aus wieder anderen Verben läßt sich hinsichtlich der Gültigkeit des Komplements überhaupt nichts folgern: aus (4a) oder (4b) folgt weder (4c) noch (4d): (4) a. Arnim glaubt, daß Dieter kommen wird. b. Arnim glaubt nicht, daß Dieter kommen wird. c. Dieter wird kommen. d. Dieter wird nicht kommen. Für diese Probleme sei auf den Artikel 13 über Präsuppositionen verwiesen. Auch Bedeutungsbeziehungen zwischen einzelnen Einstellungsverben werden hier ausgespart. D ie alte philosophische Frage, was einen Glauben von einem Wissen unterscheidet, ob Wissen eine besondere Form von Glauben ist, wird z. B. in Hintikka (1962), Blau (1969) und Armstrong (1973) diskutiert. Ein weiteres Problem ist die Unterscheidung zwischen Inhalt und Objekt einer Einstellung. D ie Handlungsbeschreibungen (5a,b) beschreiben Sprechhandlungen und nehmen damit auf ein eher unproblematisches, weil öffentliches Objekt Bezug — eine Äußerung von Urs. (5) a. Urs sagte, die Veranstaltung werde stattfinden. b. Urs behauptete, die Veranstaltung werde stattfinden. In (6a,b) werden dagegen sehr private, weil mentale Objekte ins Spiel gebracht, die demgemäß auch eher problematisch sind: ein Glaube und eine Hoffnung. (6) a. Urs glaubt, daß die Veranstaltung stattfinden wird. b. Urs hofft, daß die Veranstaltung stattfinden wird.
IX. Verbalsemantik
Es ist für das zu behandelnde Problem unwichtig, ob und wie der „öffentlichen“ Repräsentationsform der sprachlichen Äußerung (Schallwellen/Schriftzeichen in einem einmaligen Äußerungskontext) im Fall des Glaubens oder Hoffens eine „mentale“ Repräsentationsform etwa als Äußerung in einer language of thought (Fodor 1975) entspricht. Wichtig und interessant ist im gegenwärtigen Kontext nicht die Identifizierung solcher Einstellungsobjekte, sondern allein, daß sie denselben Inhalt haben können: das, was Urs behauptet, wird von Renate geglaubt (die Unterscheidung Objekt/Inhalt entstammt Cresswell 1985b). Unser Problem ist also das einer Spezifizierung des Inhalts von Einstellungen. Auch hinsichtlich der Objekte und Inhalte von Einstellungen gibt es eine Menge von Fragen und Unterschieden, die hier nicht weiter verfolgt werden. Welchen Arten von Einstellungssubjekten dürfen wir z. B. einen Glauben oder eine Hoffnung zuschreiben? Manche Einstellungen können einen kontradiktorischen Inhalt haben, andere wohl kaum (man kann eine Kontradiktion behaupten, aber nicht wissen). Behandelt wird also ein kleiner Ausschnitt aus einem weiten Bereich. Aber dieser Ausschnitt ist von fundamentaler Wichtigkeit für das Gebäude der Semantik.
2.
Das semantische Problem
D er Inhalt einer Einstellung, also das, was erhofft, geglaubt oder gewünscht wird, sollte eigentlich ganz unabhängig vom Einstellungsverb der Inhalt des Komplementsatzes sein. Und der Inhalt des Komplementsatzes, das legt die sprachliche Form nahe, sollte in einer systematischen Beziehung zum Inhalt des entsprechenden nichteingebetteten Satzes stehen, vgl. (7a,b). (7) a. Kirsten hofft, daß die Schule ausfällt. b. Die Schule fällt aus. Die Reifikation des Inhalts unter der Bezeichnung Proposition ergibt sich also sowohl aus den Bedürfnissen der Bedeutungstheorie als auch aus der Theorie der Intentionalität des Bewußtseins, der mentalen Akte. Mit (7b) wird eine Proposition ausgedrückt, und der eingebettete Satz in (7a) verhält sich zur ausgedrückten Proposition praktisch genauso wie der nicht-eingebettete Satz (7b). D amit drückt das Einstellungsverb hoffen eine Re-
34. Verben der propositionalen Einstellung
lation aus zwischen einem hoffenden Subjekt und einer Proposition als Hoffnungsinhalt, eben eine propositionale Einstellung. Freilich muß nun für diese Objekte — die Propositionen — ein Identitätskriterium gefunden werden. Und hier erweist sich die verführerisch elegante Unifizierung der Objekte der Bedeutungstheorie mit denen der mentalen Einstellungen doch als problematisch. Plausibel erscheinen zwei Kriterien, die sich zunächst nicht widersprechen: (a) das Einstellungs-Kriterium: die Sätze P und Q drücken unterschiedliche Propositionen aus, wenn es der Fall ist, daß jemand P glaubt und Q nicht glaubt. (b) das Bedeutungs-Kriterium: was immer Bedeutungen sein mögen, als most certain principle (Cresswell 1982) steht fest, daß Sätze P und Q eine verschiedene Bedeutung haben, wenn sie nicht denselben Wahrheitswert haben, d. h. wenn ihre Extension verschieden ist. D as eigentliche Problem beginnt nun damit, daß die Bedeutungstheorie über den Wahrheitswert eines Satzes nicht nur zu einem notwendigen, sondern auch zu einem hinreichenden Identitätskriterium für Propositionen gelangen will: wenn zwei Sätze P und Q unter allen Umständen (in allen möglichen Welten) denselben Wahrheitswert haben, wenn sie also dieselbe Intension haben, dann haben sie dieselbe Bedeutung bzw. drücken dieselbe Proposition aus. D er Propositionsbegriff der Wahrheitswertsemantik rekonstruiert also Propositionen als Funktionen von möglichen Welten in Wahrheitswerte; oder auch, da es sich bei der Annahme von nur zwei Wahrheitswerten um eine charakteristische Funktion handelt, eben als eine Menge möglicher Welten (derjenigen Welten, für die die Funktion den Wert wahr hat). Zieht man auf diese Weise den Intensionsbegriff zur Explikation des Bedeutungsbegriffes heran, so geht man auch davon aus, daß alle Tautologien und alle Kontradiktionen dieselbe Bedeutung haben — nämlich einmal die Menge aller möglichen Welten und einmal die leere Menge. Es gibt also jeweils nur eine logisch wahre und eine logisch falsche Proposition. Schon bei nicht-eingebetteten Sätzen erzeugt diese Gleichsetzung Inhalt = Intension ein gewisses Unbehagen. D enn (8a,b) sind als mathematische Wahrheiten zwar in allen Welten wahr und somit intensionsgleich, dennoch erscheint (8a) trivialer und umgekehrt (8b) informativer als der jeweils andere
711
Satz. (8) a. 12 =12 b. 12 = 2√144 Bei den eingebetteten Sätzen der propositionalen Einstellung wird dieses Unbehagen jedoch zum echten Problem, denn das zunächst plausibel erscheinende Kriterium, daß durch (8a) und (8b) dann verschiedene Propositionen ausgedrückt werden, wenn es möglich ist, daß jemand (8a) glaubt, nicht aber (8b), wird durch die Annahme Proposition = Intension eindeutig verletzt: (8a,b) drücken die logisch wahre Proposition aus. Und legt man das in der Bedeutungstheorie ebenfalls geforderte Frege- oder Kompositionalitätsprinzip zugrunde (der Inhalt/die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks ist eine Funktion der Bedeutung seiner Teile), dann ist dies nicht nur ein D ilemma der Einstellungen, sondern vor allem der Bedeutungstheorie selbst. D enn wenn (8a,b) dieselbe Proposition ausdrücken und in den anderweitig identischen Sätzen (9a,b) als Konstituente auftreten, dann müßten auch (9a,b) dieselbe Proposition ausdrücken. (9) a. Ede glaubt, daß 12 = 12. b. Ede glaubt, daß 12 = 2√144. Es ist aber eine bedenkliche Annahme, daß mangels semantischer Unterschiede in den jeweiligen Konstituenten Subjekt-Einstellungsverb-Proposition in (9a,b) beide Sätze denselben Wahrheitswert haben müssen. D ies wäre eine Semantik für den Allwissenden. Bei einem Normalsterblichen wie Ede ist es durchaus möglich, daß (9a) wahr ist, (9b) aber falsch. Lassen wir es aber zu, daß (9a,b) bedeutungsverschieden sind, dann muß dies an der Bedeutungsverschiedenheit der Konstituenten liegen. D ie einzig unterschiedliche und damit in Frage kommende Konstituente ist aber der eingebettete Satz, so daß eben doch (8a,b) trotz Intensionsgleichheit eine unterschiedliche Bedeutung haben müssen. Eine plausible Semantik für satzeinbettende Verben macht es also erforderlich, die Grundannahmen der Bedeutungstheorie zu überdenken: muß entweder der Bedeutungsbegriff oder das Kompositionalitätsprinzip irgendwie neu formuliert werden, um dem D ilemma zu entrinnen? Sicher ist vorerst nur, daß Verben der propositionalen Einstellung Kontexte darstellen, in denen die Intension des Komplementsatzes eine wahrheitswerterhaltende Substitution
712
IX. Verbalsemantik
nicht garantiert. Cresswell (1975) spricht deswegen von hyperintensionalen Kontexten. D ie obige Art der Präsentation des Problems hat freilich ihre Tücken. Es könnte der Eindruck entstehen, daß dies ein rein technisches Problem der Wahrheitsbedingungensemantik ist. D aß mithin eine Alternative zu dieser Art, Semantik zu treiben, das Problem gar nicht erst entstehen lassen würde. Am Ende des Artikels, nur soviel sei schon jetzt gesagt, wird aber hoffentlich klar geworden sein, daß dies eine Fehleinschätzung der Ernsthaftigkeit des Problems wäre.
3.
Diagonalisierung
D ie ebenso einfache wie elegante Vorstellung, daß die Propositionen der Bedeutungstheorie die Inhalte mentaler Einstellungen seien, führt also zu einer Beschreibung eher dessen, was man glauben oder hoffen sollte: sind P und Q intensionsgleiche Sätze, dann sollte man Q glauben, wenn man P glaubt. Man beschreibt also eine idealisierte Sprachgemeinschaft, in der Beschränkungen des logischen und empirischen Wissens keine Rolle spielen. Aber auch eine solche ideale Gemeinschaft muß, wie Partee (1979b) bemerkt, die Probleme der Hyperintensionalität berücksichtigen, wenn sie über die Probleme der Normalsterblichen reden können will. Und vielleicht können wir Normalsterblichen eben diese Beschränkung unseres Wissens als Argument anführen, um zu erklären, warum wir nicht mit einer gleich alle logischen Wahrheiten glauben: vielleicht wissen wir einfach nicht, welche Proposition ein Satz eigentlich ausdrückt. Plausibel ist dies sicher, z. B. bei noch nicht bewiesenen logischen oder mathematischen Vermutungen. Sie sind entweder wahr oder falsch, und als mathematisch-logische Sätze sogar logisch wahr oder falsch. Es wird also, soviel wissen wir, entweder die logisch wahre oder die logisch falsche Proposition ausgedrückt. Aber welche von beiden? Stalnaker (1976b, 1978, 1987) sieht darin den Ausgangspunkt für eine Lösung des Problems. Er schreibt in Stalnaker (1976b:88): „...where a person fails to know some mathematical truth, there is a non-actual possible world compatible with his knowledge in which the mathematical statement says something different from what it says in the actual world.“
D ie intuitiv plausibelsten Beispiele für Stalnakers Idee betreffen indexikalische Ausdrücke. D er Satz (10a) ist sicher informativ,
aber er drückt in einer Situation A, in der ich auf Arnim zeige, die logisch wahre Proposition (10b) aus, und in einer Situation E, in der ich auf Ede zeige, die logisch falsche Proposition (10c). (10) a. Das ist Arnim. b. Arnim ist Arnim. c. Ede ist Arnim. (10b) ist aber wahr, ob ich nun auf Arnim oder Ede zeige, ebenso ist (10c) in beiden Situationen falsch. Mit (10a) soll aber nun offensichtlich etwas gesagt werden, was in A wahr und in E falsch ist, daher die Informativität dieses Satzes. Stalnaker (1978): „In each case, to construct a context...in which the proposition expressed is neither trivial nor assumed false...one must include possible worlds in which the sentence, interpreted in the standard way, expresses different propositions.“
Nun denen drückt (10b), (10c). (10a):
haben wir zwei Situationen A und E, in (10a) verschiedene Propositionen aus— in A die logisch wahre Proposition in E die logisch falsche Proposition Es entsteht folgende Wahrheitstafel für
Abb. 34.1: Wahrheitstafel für (10a)
Stalnaker meint nun, daß Sätze wie (10a) oder (11a—c) überhaupt nur dann eine plausible informativ-empirische Interpretation haben, wenn sie in ihrem Gebrauchskontext für die diagonale Proposition stehen. (11) a. Es ist jetzt 15.00 Uhr. b. Hesperus ist identisch mit Phosphorus. c. Ophtalmologen sind Augenärzte. Wir akkomodieren also eine scheinbar uninformative Identitätsaussage dahingehend, daß sich hinter der tatsächlich ausgedrückten logisch wahren oder falschen Proposition eine
34. Verben der propositionalen Einstellung
empirische verbirgt, die (in der Wahrheitstafel diagonal) in manchen Situationen wahr und in anderen falsch ist (vgl. dazu Artikel 9). D as Problem wird also dahingehend aufgelöst, daß unterstellt wird, daß ein Satz, der de facto eine logisch wahre oder falsche Proposition ausdrückt, nicht der Ausdruck dessen sein kann, was der Sprecher wirklich mitteilen will. D er Sprecher will informativ sein, also muß er etwas empirisches mitteilen, was die Zahl der möglichen Alternativen reduziert. Für eine Identitätsaussage mit Eigennamen wie (11b) muß es nun ebenfalls neben der aktualen Welt, in der sowohl „Hesperus“ als auch „Phosphorus“ das Objekt Venus bezeichnen, Welten geben, in denen die beiden Namen so benutzt werden, daß sie auf verschiedene Objekte referieren. D ie ausgedrückte diagonale Proposition läßt sich also als (11d) paraphrasieren: (11) d. Das, worauf sich „Hesperus“ bezieht, ist identisch mit dem, worauf sich „Phosphorus“ bezieht. D amit ließe sich erklären, warum (11b) ein empirischer Satz ist, obwohl mit (11b) in einer Äußerungswelt entweder die logisch wahre oder die logisch falsche Proposition ausgedrückt wird. Stalnakers Lösung basiert also auf einer säuberlichen Unterscheidung von Äußerungswelt und Auswertungswelt. Eigennamen und Pronomina sind sog. starre Designatoren, sie referieren in jeder Auswertungswelt auf dasselbe Objekt. D aher drücken Identitätsaussagen entweder die logisch wahre oder die logisch falsche Proposition aus. D ie Referenz dieser starren D esignatoren wird jedoch in der Äußerungswelt fixiert — und wird je nach Äußerungswelt unterschiedlich fixiert. Eine allgemeine Lösung für das Problem der propositionalen Einstellungen ist damit freilich nur dann gefunden, wenn es neben den starren nicht auch superstarre Designatoren gibt, also solche, die nicht nur in obigem Sinne starr sind, sondern auch noch an jeder Äußerungswelt auf dasselbe Objekt referieren. Und superstarr sind eben alle Ausdrücke, die nicht von den empirischen Gegebenheiten abhängen, sondern allein von den Bedeutungsregeln der Sprache. D eswegen ist die D iagonalisierungsmethode nicht auf mathematische oder logische Aussagen anwendbar, die Stalnaker (1978) selbst als „the most difficult aspects of the problem“ bezeichnet und nicht weiter behandelt. Man müßte ja zu einer Welt, in der (12a) die logisch wahre Propo-
713
sition ausdrückt, eine andere finden, in der die logisch falsche Proposition ausgedrückt wird. D ies kann aber nur eine Welt sein, in der eines der in (12a) vorkommenden Zeichen eine andere als seine aktuelle Bedeutung hat, in der z. B. „144“ eine andere Zahl repräsentiert, etwa 145. (12) a. 12 x 12 = 144 b. 12 x 12 = 145 Hält man aber (12a) deswegen für falsch, weil es eine Art der Repräsentation ist, die für die aktuale Bedeutung von (12b) steht, dann glaubt man — in der aktualen Beschreibung des Glaubens — eben nicht, daß nicht (12a), sondern daß nicht (12b). D aß „144“ möglicherweise die Zahl 145 repräsentiert, ist ja ein Problem dessen, der den Glauben zuschreibt, für den Inhalt des Glaubens allein wichtig ist das, was repräsentiert wird — eben (12b). Wenn wir von jemandem behaupten, er glaube (12b), dann unterstellen wir wohl, daß er einen mathematischen Fehler begangen hat, nicht aber, daß er andere Bezeichnungskonventionen befolgt, dabei aber korrekt kalkuliert. Im Grunde plädiert Stalnaker für ein gegenüber dem hier bisher gezeichneten Bild verfeinertes Verhältnis von Satzbedeutung und Proposition. Sätze sind kontextabhängig, und ihre Bedeutung ist daher eine Funktion von einem Kontext in die dort ausgedrückte Proposition. D as erlaubt es zwar, bei einigen als informativ empfundenen Aussagen wie (10a,11a) den empirischen Charakter deutlich zu machen, aber solange man davon ausgehen kann, daß es auch konstante Funktionen als Satzbedeutungen gibt, also solche, die für jeden Kontext dieselbe Proposition als Wert haben, solange kann dieser Ansatz das Problem der Einstellungen nicht beseitigen. Es sei deshalb nur der Vollständigkeit halber angemerkt, daß in von Stechow (1984c) darüberhinaus gezeigt wird, daß der Ansatz von Stalnaker nicht nur bei superstarren D esignatoren in Schwierigkeiten gerät, sondern auch schon mit starren D esignatoren prinzipielle Probleme hat.
4.
Zur Individuierung von Bedeutungen
D as Frege-Prinzip, das die Bedeutung von (14a) unter anderem aus der von (14b) ableiten muß, wird dieselbe Bedeutung für (14c) aus (14d) ableiten. Trotzdem können (14a)
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und (14c) verschiedene Wahrheitswerte haben und daher nicht dieselbe Bedeutung: (14) a. Josef glaubt, daß 6 x 6 = 36. b. 6 x 6 = 36 c. Josef glaubt, daß 36 = 36. d. 36 = 36 Wenn aber (14a) und (14c) verschiedene Bedeutung haben, dann sind Bedeutungen vielleicht etwas feineres als Intensionen. Und wenn (14b) und (14d) nun intensionsgleich, aber bedeutungsverschieden sind, dann gibt es wohl keine Probleme mit dem Frege-Prinzip. Wenn also mögliche Welten nicht genügend zwischen Bedeutungen differenzieren, könnte man diese feineren Unterscheidungen über die Addition weiterer Welten — der unmöglichen — zu erzielen versuchen. D iese möchte man ja auch unterscheiden können, so das Plausibilitätsargument, weil ja die physikalisch unmöglichen Welten, in denen Wasser bergauf fließt, nicht unbedingt identisch sein müssen mit denjenigen der Alchemisten, in denen aus Blei Gold gemacht werden kann. Zwei logisch wahre Sätze haben dann zwar dieselbe Intension, aber dadurch verschiedene Bedeutung, daß sie in unmöglichen Welten verschiedene Wahrheitswerte annehmen. Nun ist aber zum Beispiel die Tautologie (15) allein durch die logischen Operationen der D isjunktion und der Negation bestimmt — der Inhalt von P ist gleichgültig. (15) P oder nicht-P D ie Bedeutung der logischen Operationen Negation und D isjunktion ist aber unabhängig von der „Art“ der Welt determiniert: die Negation bildet Weltmengen in ihre Komplementmenge ab, die D isjunktion bildet die Vereinigungsmenge. Und die Vereinigung einer Weltenmenge mit ihrer Komplementmenge ist eben die Menge aller Welten, d. h. die logisch wahre Proposition. Inwiefern also sollten diese logischen Operationen in irgendeiner unmöglichen Welt anders funktionieren? Wenn D isjunktion und Negation in irgendeiner Welt den Satz (15) als nicht-tautologischen erzeugen, dann eigentlich höchstens deswegen, weil sie in dieser Welt nicht unsere Negation und unsere D isjunktion ausdrükken. D afür aber, daß die Zeichen für Negation und D isjunktion etwas anderes bedeuten, bedürfte es keiner unmöglichen Welten, denn kein Sprachzeichen hat seine Bedeutung notwendigerweise. D ies würde, ganz ähnlich wie bei Stalnaker, ja nur fordern, daß einfach eine
IX. Verbalsemantik
andere Proposition als die tatsächlich ausgedrückte repräsentiert wird. Und wenn die Negations- und D isjunktionszeichen nicht für ihre aktuale Bedeutung stehen, dann ist ihre Bedeutung eventuell sogar gar nicht mehr determiniert — welche unter den möglichen Bedeutungen repräsentieren sie denn nun? Und wenn die Bedeutung nicht determiniert ist, dann entsteht doch ein Problem für das Frege-Prinzip. Ohnehin garantiert auch nichts, daß mit einem Vorgehen dieser Art eine qualitative Lösung für das Problem der Hyperintensionalität einhergeht. D enn es ist nicht auszuschließen, daß es nun wiederum Sätze gibt, die in allen möglichen und unmöglichen Welten denselben Wahrheitswert haben. Eine immer feinere D ifferenzierung von Bedeutungen hilft wenig, solange nicht gleichzeitig davon ausgegangen werden kann, daß es nicht möglich ist, ein und dieselbe Bedeutung auf verschiedene Arten auszudrücken. Was nunmehr den Schluß nahelegt, daß es die Art der Repräsentation eher ist als die Bedeutung selbst, die das D ilemma verursacht. D as eigentliche Problem, so formuliert Cresswell (1985b), ist eben nicht, wie zwei bedeutungsverschiedene Sätze verschieden sein können, sondern wie zwei bedeutungsgleiche Sätze verschieden sein können. Überhaupt läuft die obige D iskussion ja darauf hinaus, daß eigentlich nicht über unmögliche Welten, sondern über nichtklassische Logiken zu reden ist. Und dazu bemerkt Hintikka (1975): „Attempts have in fact been made to construct a model theory of impossible worlds by adopting some sort of nonstandard interpretation of logical constants. However, this course i s very dubious. The very problem was created by people’s failure to perceive the logical consequences of what they know far enough. Of course these logical consequences must be based on the classical ... interpretation of connectives and quantifiers. Thus an attempted nonstandard interpretation is either bound to be beside the point or else to destroy the problem instead of solving it.“
Genauso, wie wir die Konsequenzen unseres Wissens in einem klassischen System nicht weit genug übersehen, werden wir es letztlich auch in einem nicht- klassischen System nicht tun. D as Problem ist nicht die Wahl der Logik, sondern unsere mangelhafte logische Kompetenz. Betont werden sollte vielleicht noch, daß wir es wirklich mit einer Schwierigkeit der feineren D ifferenzierung von Bedeutungen zu
34. Verben der propositionalen Einstellung
tun haben, nicht mit einem Problem, das einfach aus den ohnehin problematischen „unmöglichen Welten“ erwächst. Man kann sie ganz weglassen und z. B. mit Thomason (1980a) Propositionen als primitive Entitäten annehmen. Man schließt einfach aus der Möglichkeit verschiedener Einstellungen zu zwei Sätzen, daß sie nicht dieselbe Proposition ausdrücken, so daß p und ﹁﹁p zwei verschiedene primitive Propositionen ausdrükken. D as wirft natürlich die Frage nach den logischen Beziehungen zwischen den Propositionen auf, aber darauf sei hier nicht eingegangen. Es sei nur gezeigt, daß die schon oben diskutierten Probleme genauso auftreten wie im Rahmen der Erklärung über „unmögliche Welten“. Erstens: akzeptieren wir („for the sake of the argument“), daß die Negation eine Operation ist, die, auf eine Proposition zweimal angewendet, zu einer anderen Proposition führt. D as besagt nicht, daß eine Operation, die so funktioniert wie unsere Negation, die also bei doppelter Anwendung wieder zum Ausgangspunkt führt, in diesem anderen System nicht definierbar ist. Kann eine solche Operation aber wieder vorkommen (m. a. W.: gibt es wieder mehrere Ausdrücke für ein und dieselbe Proposition), dann bleibt das Einstellungsproblem erhalten. Und zweitens: eine über das Wahrheitsfunktionale hinausgehende Bedeutung für unsere Negation wird zwar angenommen, aber nicht eingelöst in dem Sinne, daß das „mehr“ an Bedeutung angebbar wäre. Insofern werden die Bedeutungen eigentlich nicht feiner analysiert, es wird nur hypostasiert, daß sie feiner seien. Sind sie also nur partiell bekannt, diese Bedeutungen? Auch das ist kein Ausweg: zu verschiedenen Einstellungen kommt man doch wohl über den bekannten Teil der Bedeutung, nicht über den unbekannten Rest.
5.
Repräsentationen: Sprachliche Form und propositio mentalis
D iese Modifikation des Frege-Prinzips geht davon aus, daß die Art des Gegebenseins der Bedeutungen ebenfalls eine Rolle spielt. D aß p und ﹁﹁p sich in Einstellungskontexten unterscheiden, könnte einfach daran liegen, daß die Repräsentation der Bedeutung eine jeweils andere ist. Und das Phänomen, daß intensionsgleiche Ausdrücke in Einstellungskontexten nicht intersubstituierbar sind, kennt man auch bei anderen Konstruktionen, z. B. Zitatkontexten. (16a,b) haben denselben
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Wahrheitswert, nicht aber (17a,b): (16) a. Danzig liegt an der Ostsee. b. Gdansk liegt an der Ostsee. (17) a. ’Danzig’ enthält zwei Vokale. b. ’Gdansk’ enthält zwei Vokale. In (16a,b) wird der Name gebraucht und steht für einen Ort, in (17a,b) wird der Name erwähnt und steht für einen Ausdruck, verdeutlicht durch die Konvention der Anführungszeichen als nur zitiert. Wenn man nun (16a) glauben kann und gleichzeitig (16b) nicht glauben — heißt das, daß man in Einstellungskontexten eher eine Analyse wie bei (17a,b) unterstellen muß? Sicher ist, daß Einstellungskontexte nicht ausschließlich als Zitatkontexte angesehen werden können. D enn der eingebettete Satz ist nicht immer an sich ein geeignetes Objekt für eine Einstellung. (18) Brigitte glaubt, daß ich jetzt hier bin. In (18) wird Brigitte kein Glauben an den Satz „Ich bin jetzt hier“ zugeschrieben. Vielmehr verdeutlichen gerade indexikalische Ausdrücke, daß es vom jeweiligen Referenten von ich, jetzt, hier abhängt, ob und was geglaubt wird. D arüber hinaus zeigt das Übersetzungsargument von Church (1950), daß eine Einstellung schon insofern bedeutungsabhängig sein muß, als einerseits der besondere Ausdruck des Glaubens, die Art seiner Zuschreibung, in andere Ausdrücke anderer Sprachen übersetzt werden kann, daß aber andererseits der Wahrheitswert sich ändert, wenn man demselben Ausdruck eine andere Bedeutung zuschreibt. Man kann also denselben Glaubensinhalt mit verschiedenen Ausdrücken verschiedener Sprachen ausdrücken (19a,b), nicht aber mit demselben Ausdruck in (bedeutungs)verschiedenen Sprachen denselben Inhalt. (19) a. Wolfgang glaubt, daß Einstein in Princeton starb. b. Wolfgang believes that Einstein died in Princeton. Bei der Annahme aber, daß zwischen zwei Sprachen D eutsch und Teutsch ein Unterschied dahingehend besteht, daß die Bedeutungen von sterben und geboren werden in den beiden Sprachen genau vertauscht sind, kann (19a) in den beiden Sprachen unterschiedliche Wahrheitswerte haben. D ie Form des Ausdrucks spielt zwar manchmal auch eine Rolle, z. B. bei den
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„manner verbs of communication“ (Partee 1973c), aber das scheint eher wieder eine Eigenschaft spezifischer Einstellungen zu sein und nicht das allgemeine Problem zu berühren. D em Problem der Inessentialität der äußeren Form kann man zunächst durch die Wiederbelebung einer alten Idee begegnen, die vor allem im Kontext von psychologischen Fragen und solchen der künstlichen Intelligenz auftritt. D ie Idee ist die einer propositio mentalis in einer allen Menschen gemeinen lingua universalis, der language of thought (Fodor 1975, 1978a). Was ein Satz auf D eutsch und Teutsch ausdrückt, ist trotz Gleichheit der äußeren Form ein jeweils verschiedener Ausdruck der lingua mentalis. Und einem Unterschied in der äußeren Form zwischen Ausdrücken zweier Sprachen entspricht nicht unbedingt ein Unterschied auf der Ebene der language of thought. Wie die äußere Form der natürlichen Sprachen ist aber die propositio mentalis eine Repräsentation, ein „Satz“ der Universalsprache. D a es auf der mentalen Ebene nur eine, die Universalsprache, geben soll, ist zwar das Problem einer irrelevanten Abhängigkeit von der Ausdrucksverschiedenheit verschiedener Sprachen dadurch gelöst, daß sozusagen von einer „kanonischen“ Form ausgegangen wird. D ennoch wird dabei das Problem der propositionalen Einstellungen wohl nur auf eine neue Ebene verlagert. D enn nimmt man einerseits an, die propositio mentalis sei die kanonische Repräsentation einer Satzbedeutung bzw. Proposition; jede mentale Form habe genau einen Inhalt, und jeder Inhalt habe — wenn überhaupt eine — genau eine mentale Form. D ann läßt sich hinsichtlich der propositionalen Einstellungen mit mentalen Repräsentationen nicht mehr und nicht weniger anfangen als mit den von ihnen repräsentierten Propositionen. D as Problem, daß man von zwei Sätzen gleicher Bedeutung einen glauben kann und den anderen nicht, wird abgelöst durch das Problem, daß man von zwei Sätzen mit identischer mentaler Repräsentation den einen glauben kann und den anderen nicht. D ie mentale Repräsentation wäre insofern nicht essentiell, als sie nichts beiträgt, was die Bedeutung allein nicht schon eingebracht hat. Oder anders herum: wem die Entitäten der Semantik suspekt sind, dem mögen Repräsentationen weniger suspekt sein, er hat aber strukturell dasselbe Problem, auch
IX. Verbalsemantik
wenn es hier in einem Rahmen abgehandelt wird, der von den semantischen Entitäten ausgeht. Machen wir also andererseits den Versuch, verschiedene mentale Repräsentationen einer Proposition zuzulassen. Ein solcher Ansatz kommt nicht gänzlich ohne semantische Annahmen aus. D enn wenn eine Bedeutung formal verschiedene Repräsentationen haben kann, dann muß daran erinnert werden, daß die Zuschreibung einer propositionalen Einstellung höchstens etwas über die Repräsentation dessen sagen kann, der die Einstellung zuschreibt, nicht aber über die Repräsentationen dessen, der die Einstellung hat. Sei nun (16a) meine Repräsentation und (16b) die von Xaver. Ist dann meine Glaubenszuschreibung (20) korrekt? (20) Xaver glaubt, daß Danzig an der Ostsee liegt. D ie Repräsentation, auf die sich Xavers Einstellung bezieht, ist formal nicht identisch mit der, die meiner Beschreibung zugrunde liegt. D ennoch wird man zunächst eine Lesart von (20) als korrekte Zuschreibung akzeptieren. Hier ist nun der Inhalt insofern notwendig, als man darüber reden können muß, daß zwei Repräsentationen R und R’ für denselben Inhalt stehen können. Aber, so scheint es, in diesem Fall ist auch die sprachliche Form nicht ganz unwichtig. War eines der Probleme bei dem Versuch, Bedeutungen feiner zu differenzieren, daß das „Feinere“ ein letztlich nicht recht faßbares Element blieb, so ist hier ganz analog die Frage, wie und wann man von verschiedenen mentalen Repräsentationen ausgehen muß oder darf (und was genau die Verschiedenheit ausmacht). Eigentlich doch immer dann und nur dann, wenn auch die betrachteten Sätze verschieden sind. Ist dies aber die Evidenz für Verschiedenheit der mentalen Repräsentation, dann ist die strukturelle Funktion der mentalen Repräsentationen im Erklärungsmodell diesmal von einer Art, die auch durch die öffentliche Repräsentationsform der natürlichen Sprache ausgefüllt werden könnte. D ies soll kein Plädoyer gegen mentale Repräsentationen sein, sondern nur dafür, daß sie in unsere Fragestellung nicht essentiell eingehen. Wie immer man sich hinsichtlich der Ausdeutung der Idee der propositio mentalis zu den beiden oben skizzierten Möglichkeiten verhält: es bleibt der Verdacht, daß die Repräsentation mentaler Art nichts beiträgt, was nicht auch allein über Bedeutungen einerseits
34. Verben der propositionalen Einstellung
und sprachliche Form andererseits geklärt werden kann oder sogar muß. Als Konsequenz daraus, daß die Repräsentation des Einstellungsobjekts in der Zuschreibung einer Einstellung eben die Repräsentation R dessen ist, der die Einstellung zuschreibt, und nicht die Repräsentation R’ dessen, der die Einstellung hat, könnte man den Ansatz von D avidson (1969) betrachten, der wieder zur öffentlichen Äußerung als Objekt zurückkehrt, aber gleichzeitig vermeidet, das Einstellungsobjekt mit dieser Äußerung zu identifizieren. Sein Ansatz ist also nicht einfach eine Fortentwicklung der Repräsentations-Ansätze, sondern eigentlich eine Abkehr von ihnen. D avidson (1969) würde eine Äußerung (21a) von mir als Folge separater Äußerungen (21b,c) analysieren: (21) a. Galileo said that the earth moves. b. The earth moves. c. There is an utterance x by Galileo, such that x and my last utterance make us samesayers. Es wird also zwischen der Äußerung (21b) von mir und einer Äußerung von Galilei — wie immer deren äußere Form auch gewesen sein mag — die Relation des samesaying postuliert. D iese Relation ist aber eine Bedeutungsrelation, nur daß die Reifizierung der Bedeutung vermieden wird. Sie ist aber auch eine primitive Relation, so daß nicht explizit wird, wann zwei Äußerungen in dieser Relation stehen — besteht die Relation zwischen (16a) und (16b) oder nicht? Wenn p und ﹁﹁p „samesayings“ sind, dann gibt es auch das Problem der propositionalen Einstellungen, wenn sie es nicht sind, gibt es ein Problem mit der Bedeutung der Negation — das wurde im Abschnitt über Bedeutungsdifferenzierung besprochen. Allerdings trifft diese Kritik wohl nur dann, wenn man erwartet, daß „samesaying“, da es eine Bedeutungsrelation ist, zumindest teilweise explizierbar sein sollte. Und wenn schließlich dieses Explikationsmuster auch auf andere Einstellungen übertragen werden soll, wie z. B. „glauben“, dann kann man nur vermuten, welche Gegenstände durch die Variable x in D avidsons Analyse vertreten werden — interne mentale Repräsentationen? Insgesamt sind Repräsentationen interner oder externer Art deswegen problematische Einstellungsobjekte, weil sie als Repräsentationen ihren Inhalt eben nur konventionell, nicht aber notwendigerweise repräsentieren. D ie Einstellung ändert sich aber, wenn man
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der Repräsentation einen anderen Inhalt unterschiebt. Insofern kann sich die Art des Gegebenseins der Bedeutungen nicht auf die Form der Repräsentation beziehen, sondern muß ähnlich der Form ein strukturiertes Objekt sein, das jedoch andererseits nicht ein Repräsentationsobjekt, sondern ein InhaltsObjekt ist. Mit anderen Worten: nicht nur Formen, auch Bedeutungen können mehr oder weniger komplex sein.
6.
Strukturierte Bedeutungen
An einem Rechenexempel erläutert Cresswell (1985b) seine Haltung zu den eben beschriebenen Ansätzen, die entweder versuchen, Bedeutungen feiner zu differenzieren, oder aber andere Parameter für das Kompositionalitätsprinzip fordern (Berücksichtigung der äußeren Form). Wer die Operation der Addition mit zwei Zahlen durchführt, der kann zu einem falschen Ergebnis kommen. D as Ergebnis wird aber nicht deswegen falsch, weil ihm eine besondere Repräsentation der Zahlen zugundeliegt (also z. B. ‘V’ und ‘III’ statt ‘5’ und ‘3’). Es liegt auch nicht daran, daß den Zahlen eine andere Bedeutung gegeben wird als die, die sie tatsächlich haben. Es liegt einfach in der Natur einer kompositionellen Theorie, daß man bei der Komposition, beim Ausrechnen, Fehler machen bzw. zu keinem Ergebnis gelangen kann. Wenn jemand also glaubt, daß 5 + 3 = 9, dann hat er einfach die fehlerhafte Vorstellung, daß die Operation der Addition, angewandt auf die Zahlen 5 und 3, ihn zu der Zahl 9 führen würde. Er hat also nicht einen widersprüchlichen Glauben über die Zahl 8 (daß sie nämlich mit 9 identisch sei), sondern einen Glauben über die Zahlen 3 und 5, sowie über die Addition. D as ist aber keine propositionale Einstellung, sondern eine Einstellung zu mehreren D ingen: zu der Additions-Operation, der Zahl 5 und der Zahl 3. In die Einstellung geht also nicht einfach das kompositionelle Resultat 8 ein, sondern das Tripel der an der Rechenoperation beteiligten Bestandteile: 〈5,3, +〉. D . h. natürlich nicht die äußere Form (das Zeichen ‘+’ und die Ziffern), sondern die dadurch repräsentierten Objekte, die Zahlen 3 und 5, sowie die Additions-Operation. Eine ganz ähnliche Ansicht wurde schon von Russell (1912) erwogen. Mit dieser Auffassung von der Ursache des Problems der Einstellungen ist eine Bedeutungstheorie verträglich, die unter dem Begriff des intensionalen Isomorphismus zu-
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nächst von Carnap (1947) und dann von Lewis (1970) als structured meanings entwickelt wurde. D ie Satzbedeutung ist nicht mit der Satzintension zu identifizieren, sondern besteht essentiell aus den Bedeutungen der Teile des Satzes, also den Intensionen der Bestandteile, aus denen durch funktionale Komposition die Satzintension errechnet wird. „5 + 3“ ist eben nicht dasselbe wie „8“. Um zu einem Resultat zu kommen, bedarf es kalkulatorischer Fähigkeiten, die man haben kann oder auch nicht, so daß die Möglichkeit des Irrtums immer gegeben ist. Sei nun /a/ der semantische Wert eines Ausdrucks a, also eine Intension, so ergibt sich aus der syntaktischen Struktur (22b) des Satzes (22a) seine strukturierte Bedeutung (22c):
D as, wofür Einstellungskontexte über die Satzintension (= Proposition) hinaus sensibel sind, könnte also die sich an der äußeren Form orientierende intensionale Struktur eines Satzes sein, die sog. strukturierte Proposition. Cresswell (1985b) unterscheidet hier zwischen der Referenz (mit dem Ergebnis der Funktionalapplikation) und dem Sinn (der Bedeutungsstruktur). Will man das Problem der Einstellungen auf der Grundlage strukturierter Bedeutungen einer Lösung zuführen, so ergeben sich vor allem zwei Problemkreise, wovon der erste die eher rein technischen Adaptationsprobleme umfaßt, der zweite aber grundsätzlicher Natur ist: 1a) Strukturierte Bedeutungen folgen sklavisch der Hierarchie der syntaktischen Analyse. Damit kann ein Satz zunächst nur jeweils ein Glaubensobjekt ausdrükken. Die strukturierten Bedeutungen sollten hier in zweierlei Hinsicht flexibel sein: erstens folgt aus der Sensibilität der Einstellungskontexte für die Bedeutungsstruktur nicht unbedingt Sensibilität für alle Details dieser Struktur, und zweitens sollte sich, wo einer syntaktischen Struktur mehr als eine logische Form entspricht, dies auch in der strukturierten Bedeutung niederschlagen.
IX. Verbalsemantik
1b) Der Vorteil strukturierter Bedeutungen ist, daß sie mit den ohnehin vorhandenen Mitteln der Bedeutungstheorie auskommen. Dafür wird aber das einheitliche Bedeutungsobjekt Proposition als Einstellungsobjekt aufgegeben zugunsten einer Vielfalt von Strukturen. Das schafft zunächst einmal das technische Problem der Behandlung der Typenvielfalt. 2a) Strukturierte Bedeutungen unterscheiden zwischen Ausdrücken wie „6x6 = 36“ und „36 = 36“, so daß z. B. (14a,c) durchaus verschiedene Glaubensinhalte haben. Aber es bleibt das Restproblem, daß äquivalente Sätze gleicher Struktur, die sich nur an einer Stelle durch Verschiedenheit der lexikalischen Füllung unterscheiden, nicht differenziert werden, sofern man nicht auch lexikalische Dekomposition annimmt. Denn da /Danzig/ = /Gdansk/ ist, haben (17a,b) auch dieselbe strukturierte Bedeutung. 2b) Und es taucht das Problem auf, daß bei Iteration der Einstellungsverben innerhalb eines Satzes das erste Verb ein Funktor sein könnte, der eine Struktur zum Argument hat, deren einer Bestandteil eben wieder das Einstellungsverb ist, also Funktor und Argument zugleich. Strukturierte Bedeutungen im Sinne von Lewis (1970) müssen also an die obigen Probleme adaptiert werden, um zu einer Lösung des Einstellungsproblems zu gelangen. Aber es lohnt sich an dieser Stelle auch, noch einmal über die Motivation nachzudenken; zu zeigen, daß diese Lösung nicht als „rein technisch“ abgetan werden kann.
7.
Einstellungen als Eigenschaftszuschreibung: Glauben de se
D ie Einführung von Propositionen als Glaubensobjekte führt in ein D ilemma. D ennoch zögerte man, davon abzukommen, weil sie eine verführerisch einfache Möglichkeit der semantischen Analyse von Einstellungen bieten. D iese Analyse beruht auf der von Hintikka (1962) eingeführten Relation der doxastischen Alternativen: w Raw’ wenn das, was a in w glaubt, nicht ausschließt, daß er sich in einer Welt von der Art w’ zu befinden glaubt. Glaubt a eine Proposition, so heißt das, daß sie in allen seinen doxastischen Alternativen wahr ist. Oder: die Menge der Wel-
34. Verben der propositionalen Einstellung
ten, die a’s doxastische Alternativen sind, ist in der Menge der Welten, die die Proposition ausmachen, enthalten. Wenn aber nun bei intensionsgleichen Sätzen einer geglaubt wird und der andere nicht, dann heißt das, daß die doxastischen Alternativen gleichzeitig Teilmenge und nicht Teilmenge ein und derselben Proposition sein müßten. In Lewis (1979b) wird nun gezeigt, daß Einstellungen nicht ausschließlich propositional (de dicto) sein können: „Consider the case of the two gods. They inhabit a certain possible world, and they know exactly which world it is. Therefore they know every proposition that is true at their world. In so far as knowledge is a propositional attitude, they are omniscient. Still I can imagine them to suffer ignorance: neither one knows which of the two he is. They are not exactly alike. One lives on top of the tallest mountain and throws down manna, the other lives on top of the coldest mountain and throws down thunderbolts. Neither one knows whether he lives on the tallest mountain or on the coldest mountain; nor whether he throws manna or thunderbolts. ... If the gods came to know which was which, they would know more than they do. But they wouldn’t know more propositions. There are no more to know. Rather, they would self-ascribe more of the properties they possess.“
D ie Zuschreibung von Eigenschaften verlangt zwei D inge: eine Eigenschaft und ein Objekt, dem sie zugeschrieben wird. Und dies eben sind wiederum die D inge, die in der strukturierten Proposition explizit gemacht werden. Selbst-Zuschreibung ist sicher ein Spezialfall. Man kann auch anderen Gegenständen Eigenschaften zuschreiben. D as wäre dann der Glauben de re. D ie Verbindung einer de reAnalyse mit den strukturierten Propositionen wird in von Stechow & Cresswell (1982) und Cresswell (1985b) ausgearbeitet.
8.
Glauben de re
D ie Unterscheidung von Glauben de dicto wie in (23a) und de re (23b) wird in Quine (1956) diskutiert. (23) a. Ralph glaubt, daß ∃x (x ist ein Spion). b. ∃x (Ralph glaubt, daß x ein Spion ist). Quines Abneigung gegen das Hineinquantifizieren in „opake“ Kontexte führt ihn aber zu Analysen wie (23c) anstelle von (23b): (23) c. Ralph glaubt x (x ist ein Spion) von Ortcutt.
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Ralph schreibt also in (23c) die Eigenschaft, Spion zu sein, der res Ortcutt zu. Nun ist Quines Geschichte die: bei zwei verschiedenen Gelegenheiten sieht Ralph einmal einen Mann im braunen Mantel, dann einen Mann im grauen Mantel. Es ist jedoch immer, und das entgeht Ralph, derselbe Mann: Bernhard J. Ortcutt. Ralph glaubt jedoch, daß der eine von ihm gesehene Mann ein Spion ist, der andere nicht. Unsere bisherigen Rekonstruktionsversuche machen nun aus Ralph ein irrationales Wesen: er glaubt von Ortcutt, daß er ein Spion ist und daß er kein Spion ist. Nach der HintikkaTheorie glaubt Ralph nämlich zwei inkompatible Propositionen. Und wegen der Abgeschlossenheit der Glaubensinhalte gegenüber der Folgerungsbeziehung in dieser Theorie glaubt er damit einfach alles. Aber auch nach der Eigenschafts-Zuschreibungs-Theorie schreibt er einem Gegenstand zwei inkompatible Eigenschaften zu. Prima facie ist also die eine Theorie so schlecht wie die andere. Aber die Aufspaltung in einen Gegenstand und eine Eigenschaft bietet den folgenden Ausweg: Ralph glaubt in unserem Beispiel sicher zwei miteinander durchaus verträgliche D inge, aber er ist sich des Gegenstandes, dem er jeweils die Eigenschaft zuschreibt, nicht bewußt. D er Gegenstand ist ihm unter verschiedenen kognitiven Eigenschaften gegeben, die wir genau genommen nicht kennen. Wir haben nicht seine Perspektive, so daß wir im Prinzip gar nicht in der Lage sind, seinen Glaubensinhalt präzise zu beschreiben. Sein Glaube könnte sich — nicht widersprüchlich — zum Beispiel als (24a,b) repräsentieren. (24) a. Der Mann im braunen Mantel ist ein Spion. b. Der Mann im grauen Mantel ist kein Spion. D as Problem ist, wie dies aus unseren Glaubenszuschreibungen (25a,b) zu gewinnen ist: (25) a. Ralph glaubt, daß Ortcutt ein Spion ist. b. Ralph glaubt, daß Ortcutt kein Spion ist. Für eine de re-Analyse muß man dazu eine „geeignete Eigenschaft“ (vgl. Lewis 1979b) einführen, durch die Ralph in kognitivem Kontakt mit genau und nur der involvierten res steht, so daß man zu (26a,b) kommt: (26) a. Es gibt eine Relation δ1, durch die Ralph in kognitivem Kontakt mit Ortcutt und nur mit ihm steht, und
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Ralph schreibt sich die Eigenschaft zu, die Relation δ1 einzig zu einem Objekt zu haben, das ein Spion ist. b. Es gibt eine Relation δ2, durch die Ralph in kognitivem Kontakt mit Ortcutt und nur mit ihm steht, und Ralph schreibt sich die Eigenschaft zu, die Relation δ2 einzig zu einem Objekt zu haben, das kein Spion ist. In jeder von Ralphs doxastischen Alternativwelten gibt es also einen Gegenstand, der δ1 erfüllt und ein Spion ist, und einen Gegenstand, der δ2 erfüllt und kein Spion ist. In der aktualen Welt allerdings ist der Gegenstand, der δ1 erfüllt, identisch mit dem, der δ2 erfüllt. D ie Parallelen dieser de re-Lösung zu den zu Anfang besprochenen Versuchen von Stalnaker sind offensichtlich, und wie bei Stalnaker gibt es eine Schwierigkeit mit mathematischen Beispielen: 59 ist eine Primzahl, was man nicht glauben muß. Glaubt man aber, daß 59 = 59, in dem Sinne, daß man von 59 glaubt (res), daß es die Eigenschaft hat, 59 zu sein, dann gibt es eine geeignete Eigenschaft δ, die in dieser Welt nur und genau von 59 instantiiert wird, und die in allen Glaubenswelten ein Objekt herauspickt, das die Eigenschaft hat, 59 zu sein. Alle Objekte, die δ sind, sind dann aber auch Primzahlen, so daß man doch von 59 glauben muß, es sei eine Primzahl. Cresswell & v. Stechow (1982) lösen dieses Problem dadurch, daß sie auch das Prädikat de re auffassen: der kognitive Kontakt zur res 59 wird über eine Eigenschaft δ1 hergestellt, der zur Eigenschaft, 59 zu sein, über eine Eigenschaft von Eigenschaften δ2. In allen doxastischen Alternativwelten gilt dann, daß die res, die δ1 erfüllt, die Eigenschaft hat, die δ2 erfüllt. Hingegen muß es kein δ3 geben, das den kognitiven Kontakt zur Eigenschaft, eine Primzahl zu sein, herstellt und in allen Glaubenswelten durch eine Eigenschaft instantiiert wird, die auf die res zutrifft, die jeweils von δ1 spezifiziert wird. D er Unterschied zwischen einem propositionalen Ansatz, wie ihn Stalnaker vertritt, und einem Eigenschafts-ZuschreibungsAnsatz, wie ihn Cresswell und v. Stechow vertreten, läßt sich nun leicht zeigen. In der de reAnalyse ist die res durch beliebige logisch äquivalente Ausdrücke benennbar, sie ist transparent. Wäre die res eine Proposition, so würden (27a,b) zu (27c) zusammenfallen, obwohl (27a,b) durchaus unterschiedliche Wahrheitswerte haben können. (D ie hervorgehobene Position sei de re verstanden.)
IX. Verbalsemantik
(27) a. Ede glaubt, daß Jürgen sich selbst überlistet hat. b. Ede glaubt, daß Jürgen Jürgen überlistet hat. c. Es gibt eine Eigenschaft δ1, durch die Ede in kognitivem Kontakt mit der Proposition „Jürgen hat Jürgen überlistet“ steht, und Ede glaubt, daß, welche Proposition auch immer von δ1 spezifiziert wird, diese Proposition wahr ist. Dies wäre die einzige Lesart, da „Jürgen überlistet sich selbst“ genau dieselbe Proposition bezeichnet. D agegen ist die Eigenschaft, sich selbst zu überlisten, eine ganz andere Eigenschaft als die, Jürgen zu überlisten: die beiden Sätze bezeichnen verschiedene Glaubensgegenstände.
9.
Technisches: Die Adaptation der strukturierten Bedeutungen
Sei 0 die Kategorie der Propositionen und 1 die Kategorie der Namen. D ann ergibt sich aus (28a,b), daß Einstellungsverben einer Funktorkategorie 〈0/1,1〉 angehören, die aus zwei Namen — einem für das Einstellungssubjekt und einem für das Einstellungsobjekt — wiederum eine Proposition machen. (28) a. Brigitte glaubt etwas. b. Brigitte sagt etwas. c. Brigitte glaubt, daß p v ﹁p eine Tautologie ist. d. Brigitte sagt, daß p v ﹁p eine Tautologie ist. D as läßt den Komplementierer daß in (28c,d) als einen Funktor erscheinen, der aus dem eingebetteten Satz einen Namen erzeugt (eigentlich eine Nominalphrase, aber das sei hier übergangen). Im einfachsten Fall wäre der Komplementierer also in der Funktorkategorie 〈1/0〉 anzusiedeln, mit der recht simplen semantischen Interpretation als Identitätsfunktion — aber genau das erzeugt ja das Problem der propositionalen Einstellungen, denn wenn zwei Sätze dieselbe Proposition ausdrücken, sind sie an der Argumentstelle nicht zu unterscheiden. D as Einstellungsverb muß also nicht nur Propositionen, sondern auch komplexe strukturierte Bedeutungen als Argumente akzeptieren können. D aher muß der Komplementierer ein Funktor sein, der über Teilen des Komplementsatzes operiert und eine strukturierte Bedeutung als Wert hat. In den bis-
34. Verben der propositionalen Einstellung
herigen de re-Beispielen wären die Argumente des Komplementierers z. B. ein Individuum und ein einstelliges Prädikat, d. h. daß gehört dabei in die Funktorkategorie 〈1/〈0,1〉,1〉, die einen Namen für eine Sequenz aus einem Namen und einer Eigenschaft erzeugt. D as macht den Komplementierer zu einem systematisch mehrdeutigen Funktor, der über Teilen operiert, die zu einem Satz zusammengefügt werden können. Allgemein gesagt gibt es eine Familie von Komplementierern, deren Kategorienzugehörigkeit für syntaktische Kategorien δ1...δn als (29) festgehalten werden kann, für n ≥ 0. (29) 〈1/〈0/δ1,..., δn〉, δ1,...., δn〉 Jetzt ist freilich der vom Komplementierer eingebettete Satz nur noch für n = 0 eine Konstituente, nicht im allgemeinen Fall. Und die systematische Ambiguität des Komplementierers läßt zu, daß manchmal (n = 0) die Struktur keine Rolle spielt, daß ein andermal jedes einzelne Wort eines Satzes in die Struktur eingeht, daß aber auch eine zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegende Strukturebene gewählt werden kann. D ieses Auseinanderklaffen von syntaktischer und logischer Form verträgt sich mit der Autonomiehypothese, nach der die syntaktische Form die logische Form unterdeterminiert und daher zu Ambiguitäten führt. Gegenüber den stur an der syntaktischen Form ausgerichteten strukturierten Bedeutungen von Lewis (1970) ist diese Adaptation von Cresswell/v. Stechow (1982) und Cresswell (1985b) also flexibler. Sie trägt der Tatsache Rechnung, daß ein Satz verschieden strukturiert werden kann, je nachdem, welche Frage er beantwortet bzw. was sein Thema ist, vgl. (30a—d). (30) a. Wer hat den Pudding gegessen? b. Was hat Ede gegessen? c. Was war mit Ede und dem Pudding? d. Ede hat den Pudding gegessen. Als Antwort auf (30a) behaupte ich mit (30d) von Ede, daß er den Pudding gegessen hat; die Antwort auf (30b) ist die Behauptung über den Pudding, daß Ede ihn gegessen hat; und (30c) wird dadurch beantwortet, daß man von der Relation des Essens behauptet, sie bestehe zwischen Ede und dem Pudding. Alle Antworten können aber dieselbe syntaktische Form (30d) haben (in der allerdings verschiedene Intonationsmuster nicht repräsentiert sind). Semantisch gesehen ist die Idee die, daß die aus dem kategorialen Schema 〈1/〈0/δ1 ... ‚δn〉, δ1, ..., δn〉 entstehende Familie von Komplementierern auf einer Sequenz von
721
Ausdrücken operiert, den Ausdrücken der Kategorien δi und 〈0/δ1, ..., δn〉, die für sich genommen einen Satz formen könnten. D as Resultat der Applikation eines Komplementierers auf eine kategorial passende Sequenz von Ausdrücken ist dann der Name einer Sequenz, die aus den Bedeutungen der einzelnen Teile besteht. Wenn also δ1, ..., δn syntaktische Kategorien sind und a1, ..., an Elemente der korrespondierenden D enotatsbereiche D δ1, ... , D δn, sowie weiterhin π ein Element des D enotatsbereichs D 〈0/δ1, ..., δn〉, dann ist das Resultat der Anwendung von THAT〈1/〈0/δ1, ..., δn〉,δ1, ..., δn〉 auf (π, a1, ..., an) gleich 〈π, a1, ..., an〉. D er aus der Anwendung des Operators resultierende Name ist also nicht der Name eines „einfachen“ Bedeutungsobjekts, sondern der Name eines n-Tupels solcher Objekte.
10. Iterierte Einstellungen D ie Ambiguität des Komplementierers erlaubt es nun, der Einbettung eines Satzes wie (22a) verschiedene logische Strukturen zuzuschreiben, je nach Typ des verwendeten Komplementierers, vgl. (31a-c) (31) a. daß〈1,0〉 (Arnim kommt nicht) b. daß〈1,(0,0),0〉 (Nicht) (Arnim kommt) c. daß〈1,(0,0),1,(0,1)〉 (Nicht) (Arnim) (kommt) In (31a) ist die Intension des daß-Komplementes identisch mit der Intension des eingebetteten Satzes, d. h. daß〈1,0〉 ist semantisch gesehen einfach die Identitätsfunktion. In diesem Fall ergeben sich keine Iterationsprobleme, denn in (32) operiert der durch das Einstellungsverb repräsentierte Funktor jeweils auf Objekten derselben Art, der Intension eines Namens und eines Satzes. (32) Ede glaubt, daß〈1,0〉 (Wolfgang glaubt, daß〈1,0〉 (Arnim nicht kommt)). Problematisch wird es, wenn der Komplementierer struktursensitiv ist und ein Einstellungsverb iteriert wird, wie in (33) (33) Ede glaubt, daß〈1,(0,1)1,1〉 (glaubt) (Wolfgang) (daß〈1,0〉 (Arnim nicht kommt)). D ie Intension des ersten daß-Komplementes ist jetzt eine Struktur aus den folgenden Intensionen: 〈I(glauben), I(Wolfgang), I(Arnim kommt nicht)〉 D amit wäre aber die Intension I(glauben) des äußeren Einstellungsverbs eine Funktion, die
722
IX. Verbalsemantik
als Argument eine Struktur hätte, in der I(glauben) selbst wieder als Argument vorkommt. Und eine solche Möglichkeit muß natürlich ausgeschlossen werden. D ie erste Möglichkeit ist, den Satz (33) nur in seinen harmlosen Lesarten zu akzeptieren. Also in der Lesart (32) oder auch (34). (34) Ede glaubt, daß〈1,(0,1),1〉 (glaubt, daß〈1,0〉 (Arnim nicht kommt)) (Wolfgang) D ie Möglichkeit, unterschiedlich viel von der Struktur zu akzeptieren, kann also die Schwierigkeit, die sich bei Lewis-Bedeutungen in voller Schärfe stellen würde, etwas umgehen. Will man aber auf (33) als einer möglichen Lesart beharren, so muß eine Hierarchie von Einstellungsoperatoren angenommen werden. Ein Operator erster Stufe, der auf Strukturen angewandt wird, in denen er selbst nicht vorkommt, ein Operator zweiter Stufe, der auf Strukturen angewandt wird, in denen der erststufige Operator vorkommt, usw. ad infinitum. Eine solche Hierarchie wird in Cresswell (1982) exploriert und bringt gewisse Schwierigkeiten der Quantifikation mit sich. Auf die Probleme der strukturierten Be-
deutungen in diesem Bereich weist in aller Schärfe Thomason (1977, 1980b) hin. Er weist nach, daß unter gewissen Bedingungen Prädikate wie ‘ist wahr’ oder ‘a weiß, daß’ nicht über allen Bedeutungen operieren können, ohne zur Inkonsistenz zu führen. Aber dieses Problem stellt sich wohl jeder Semantik, die mit Sprachen konfrontiert ist, in denen man Dinge wie (35) sagen kann: (35) Rainer glaubt, daß alles, was er glaubt, falsch ist.
11. Literatur (in Kurzform) Armstrong 1973 · Blau 1969 · Carnap 1947 · Church 1950 · Cresswell 1975 · Cresswell 1980 · Cresswell 1982 · Cresswell 1983 · Cresswell 1985b · Cresswell/von Stechow 1982 · D avidson 1969 · Fodor 1975 · Fodor 1978a · Hintikka 1962 · Hintikka 1975 · Lewis 1970 · Lewis 1979b · Partee 1973c · Partee 1979b · Quine, van Orman 1956 · Russell 1912 · Stalnaker 1976b · Stalnaker 1978 · Stalnaker 1987 · von Stechow 1984c · Thomason 1977 · Thomason 1980a · Thomason 1980b
Rainer Bäuerle, Stuttgart (Bundesrepublik Deutschland)
35. Tempus 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3
Einleitendes Tempussysteme im traditionellen Sinne Finite und infinite Verbformen Einfache und zusammengesetzte Tempusformen Erweiterte Tempussysteme Formal definierte vs. semantische Tempora Temporalität vs. Aspekt/Aktionsart und Modalität Relationen zwischen semantischen und formalen Tempora Kompositionelle Analyse zusammengesetzter Tempora Stationen der Tempussemantik Die klassische grammatische Tradition Außereinzelsprachliche Zeitsysteme Einfluß der Zeitlogik Thesen und Themen der heutigen linguistischen Tempussemantik Konkretisierung: Tempora in verschiedenen Kontexttypen Tempora in einfachen Sätzen Einfache Sätze mit Referenzzeitadverbial Einfache Sätze im temporal verbundenen Dis-
5.4 5.5 6.
kurs Tempora in komplexen Sätzen Abschließendes Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitendes
„Tempus“ läßt sich zunächst mit Comrie (1985: 9) als „grammaticalized expression of location in time“ definieren, d. h. als eine — im allgemeinen verbale — grammatische Kategorie, die dazu dient, den im (tempuslosen Rest-)Satz bezeichneten Zustand oder Vorgang (nach Comrie: die im Restsatz bezeichnete ‘Situation’) zeitlich zu lokalisieren. Anders gesagt: D as Tempus des Satzes (Verbs) hilft — eventuell zusammen mit anderen Mitteln (s. unten) — eine Zeit einzugrenzen oder festzulegen, zu der die im Restsatz ausgedrückte Proposition wahr sein muß (eine Zeit, die ein Wahrheitsintervall der Proposition darstellt), um den tempushaltigen Satz als Äußerung, relativ zu dem Kontext, in dem er verwendet wird, wahr zu machen. Stellen wir uns
35. Tempus
beispielsweise vor, daß (1)—(2) von N. N. zur Zeit t ohne einen weiteren relevanten sprachlichen Kontext geäußert werden. (1) Ich bin oft in Italien. (2) Ich bin nie in Italien gewesen. D ann wird mit dem Präsens in (1) ausgedrückt, daß es eine t umgebende Zeitspanne gibt, für die die Proposition „N. N. oft in Italien sein“ zutrifft (die also ein Wahrheitsintervall derselben ausmacht). Um den Wahrheitswert von (1)-im-Kontext, d. h. von (1) als Äußerung von N. N. zur Zeit t zu überprüfen, muß man mithin eine passend große Umgebung von t im Hinblick darauf untersuchen, ob sie die für ein Wahrheitsintervall der Proposition „N. N. oft in Italien sein“ geltenden Bedingungen erfüllt — ob es also innerhalb dieser Zeitspanne relativ viele disjunkte Zeitspannen gibt, die N. N. in Italien verbringt. Und für (2) legt das Perfekt fest, daß die der Äußerungszeit t vorausliegende Zeitspanne ein Wahrheitsintervall der Proposition „N. N. nie in Italien sein“ darstellt. D as heißt, (2) ist als Äußerung von N. N. zur Zeit t dann und nur dann wahr, wenn es vor t keine Zeit mit der Eigenschaft gibt (gab), daß N. N. sie in Italien verbringt (verbrachte). Insofern die Lokalisierung (direkt oder indirekt) relativ zur Äußerungssituation(-zeit) erfolgt, ist Tempus seiner semantischen Natur nach eine deiktische Kategorie; vgl. Lyons (1977: 636), Comrie (1985: 13 ff.) Es gibt andere sprachliche Mittel zur zeitlichen Lokalisierung von Situationen/ Sachverhalten/Geschehen: Temporaladverbien bzw. -adverbiale wie gestern, bald, letztes Jahr sowie Zeitrelationen ausdrückende Präpositionen wie vor, nach, in und sog. Konjunktionen wie bevor, nachdem, als, während, mit denen adverbiale Präpositionalphrasen bzw. Nebensätze gebildet werden. Solche Ausdrücke verdienen jedoch im D eutschen und in verwandten Sprachen nicht die Bezeichnung „grammatical expressions“ von Temporalität. D ie betreffenden Zeitbezüge werden nicht mit typisch „grammatischen“ Mitteln, sondern im wesentlichen lexikalisch ausgedrückt; und das Vorhandensein eines Temporaladverbials ist im Unterschied zu dem eines Tempus nicht konstituierend für das, was man einen typischen Satz der betreffenden Sprachen nennen kann. (Siehe Comrie 1985: 11 f. für Sprachen, in denen die Tempuskategorie entweder das eine oder das andere dieser beiden Charakteristika — morphosyntaktische Regelmäßigkeit und Obligat-
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heit — nicht aufweist.) Eine systematische Behandlung von Temporaladverbialen oder temporalen Nebensätzen kommt deshalb hier nicht in Frage. Andererseits kann eine semantische Tempusbeschreibung das Problem des Zusammenspiels von Tempora und anderen — nicht grammatikalisierten — Ausdrücken zeitlicher Lokalisierung nicht gänzlich ausklammern.
2.
Tempussysteme im traditionellen Sinne
2.1 Finite und infinite Verbformen Wie erwähnt ist Tempus normalerweise eine grammatische Kategorie des Verbs, wie etwa in den indoeuropäischen und finno-ugrischen Sprachen; und ich werde mich hier auf solche Sprachen beschränken. Verbale Wortformen, die nach Tempus (und evtl. Modus) sowie nach Person und Numerus flektiert sind, werden traditionell finit genannt; Beispiele bilden Präsens- und Präteritumformen im D t., Engl. und in den skandinavischen Sprachen (vgl. ich liebe/liebte, engl. I love/loved, dän. jeg elsker/elskede), présent, imparfait, passé simple, futur simple und futur du passé im Franz. (j’ aime/ j’ aimais/ j’ aimai/ j’ aimerai/ j’ aimerais), Präsens, Imperfektum, Futurum, Perfektum, Plusquamperfektum und Futurum exactum im Latein (amo/ amabam/ amabo/ amavi/ amaveram/ amavero). D en finiten Verbformen stehen infinite — Infinitive und Partizipien unterschiedlicher Art — gegenüber, die nicht satzkonstituierend sind im oben erwähnten Sinne und im allgemeinen auch kaum als eigene Tempusformen bezeichnet werden. Während finite Verbformen oft — wie im Beispiel (1) oben — das Geschehen direkt auf die Zeit der Äußerung beziehen, d. h. deiktischen oder, wie es traditionell hieß, absoluten Zeitbezug ausdrükken, erfolgt ein solcher Zeitbezug bei den infiniten Verbformen nur noch indirekt, über eine oder im Zusammenspiel mit einer finite(n) Verbform, wie u. a. in den sog. periphrastischen Tempusformen (s. 2.2). (Ich sehe hier und im folgenden vom adjektivischen — attributiven — Gebrauch der Partizipien ab.) D as heißt, infinite Verbformen haben (wenn überhaupt) in erster Linie relativen Zeitbezug; sie leisten einen Zeitbezug relativ zu anderen Elementen innerhalb desselben Satzes; vgl. dazu die lateinischen Sätze in (3), die jeweils einen (hervorgehobenen) Infinitiv Präsens und Infinitiv Perfekt enthal-
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ten; hier wird ein Wahrheitsintervall der Proposition „ich recht tun“ in erster Linie relativ zu einem Wahrheitsintervall der übergeordneten Proposition „ich finden, daß ...“ lokalisiert, und zwar als (teilweise) zusammenfallend bzw. vorausliegend im Verhältnis zu diesem. (3) a. Puto/putavi me recte facere. ‘finde/fand-ich mich recht tun’ (Ich finde/fand, daß ich recht tue/tat.) b. Puto/putavi me recte fecisse. ‘finde/fand-ich mich recht getanhaben’ (Ich finde/fand, daß ich recht getan habe/hatte.) 2.2 Einfache und zusammengesetzte Tempusformen Infinite Verbformen können — ähnlich wie Kasusformen — von Verben ‘regiert’ werden: Sog. Modalverben regieren u. a. im D t. und Engl. den ‘reinen’ Infinitiv, werden verbindet sich in jeweils verschiedener Bedeutung („Passiv“ und „Futur“) mit dem Part.Perf. und dem ‘reinen’ Infinitiv, usw. Für viele Sprachen läßt sich nun eine — ziemlich begrenzte — Anzahl infinitregierender Verben als sog. temporale H ilfsverben identifizieren oder heraussondern, die sich mit allen oder den meisten anderen Verben — sog. Vollverben — verbinden, wobei die Kombination aus regierendem (finitem) und regiertem infinitem Verb eine finiten Formen des Vollverbs entsprechende semantische Funktion der zeitlichen Lokalisierung zu haben scheint. Solche Kombinationen — Ketten — von Verbformen werden deshalb oft als zusammengesetzte (periphrastische, umschriebene, komplexe, analytische) Tempusformen der Vollverben mit den einfachen finiten (synthetischen) Tempusformen in ein sog. erweitertes Tempussystem eingeordnet. Zum traditionellen Kernbereich der zusammengesetzten Tempora gehören das sog. Perfekt und Plusquamperfekt im D t. (ich habe/ hatte geliebt) und deren Entsprechungen in den anderen germanischen Sprachen (engl. present perfect und past perfect — I have/ had loved) und im Franz. (passé composé/ indéfini, plus-que-parfait und passé anterieur — j’ ai aimé/ j’ avait aimé/ j’ eus aimé). Eine genaue Abgrenzung von temporalen Hilfsverben und anderen Verben ist jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, da infinitregierende Verben unterschiedliche Grade des semantischen ‘Eigenwerts’ und Kombinationen
IX. Verbalsemantik
aus regierendem und infinitem regiertem Verb dementsprechend unterschiedliche Grade der ‘Grammatikalisierung’ aufweisen. Hinzu kommt die etwas problematische Unterscheidung modaler und zukunftsbezogener temporaler Hilfsverben (s. Abschnitt 3.1). Aus diesen Gründen können erweiterte Tempussysteme in den einzelnen Sprachen je nach Gesichtspunkt unterschiedlich weit gefaßt werden. So kommt man für das D t. auf ein vier- oder sechsgliedriges erweitertes (indikativisches) Tempussystem, je nachdem, ob man nur noch das Präsens, Präteritum, Perfekt und Plusquamperfekt als ‘eigentliche’ Tempora einstuft oder auch sog. Futur I und Futur II (ich werde lieben/ werde geliebt haben) dazurechnet; und achtgliedrig wird das System, wenn entsprechende Umschreibungen mit würde (sog. Konditional I und II) in gewissen Verwendungen als indikativische Tempusformen (’Fut. präteriti’ I und II) aufzufassen sind. Ähnliche Abgrenzungsprobleme begegnen bei der Etablierung erweiterter Tempussysteme in anderen Sprachen. Für das Franz. läßt sich etwa neben den ‘klassischen’ zusammengesetzten Tempusformen mit avoir und être eine Reihe temporaler Periphrasen mit ‘Halbauxiliaren’ — vgl. aller + Infinitiv als ‘unmittelbares Futur’ (elle va mourir ‘sie wird sterben’), venir de + Infinitiv zum Ausdruck der ‘unmittelbaren’ Vergangenheit (je vient de mangé ‘ich habe soeben gegessen’) — auflisten; im D än./Norw. steht die in (4) veranschaulichte Konstruktion mit komme til + at/å-Infinitiv als Futurumschreibung den Konstruktionen mit Modalverb (ville/skulle) zur Seite; usw. (4) Det kommer til at gre ondt. ‘es kommt (da)zu zu tun weh’ (Es wird wehtun.) 2.3 Erweiterte Tempussysteme Wie aus den Beispielen hervorgeht, besteht eine zusammengesetzte Verbform aus (mindestens) einem temporalen Hilfsverb und einer infiniten Form des Vollverbs. Neben Umschreibungen mit finitem Hilfsverb, wie sie bisher besprochen wurden, sind nun auch solche mit infinitem Hilfsverb (bzw. infiniten Hilfsverben) zu verzeichnen. Ein Beispiel bildet der sog. Infinitiv II (Infinitiv Perfekt) im D t. und in anderen Sprachen, der semantisch dem (synthetischen, einfachen) Infinitiv Perfekt im Lat. entspricht; vgl. (3) oben und (5). (5) a. N. N. glaubt/glaubte recht zu tun.
35. Tempus
b. N. N. glaubt/glaubte recht getan zu haben. D as erweiterte Tempussystem des D t. läßt sich demnach — zunächst rein formal analysiert — wie in Abb. 35.1 darstellen. D as erweiterte „Finitsystem“ umfaßt (einfache und zusammengesetzte) Tempusformen mit finitem (Voll- bzw. Hilfs-)Verb, während Formen ohne Finitum das „Infinitsystem“ konstituieren. Präsens und Präteritum sind insofern Grundtempora zu nennen, als jede finite Verbform sich morphologisch als eine Präsens- oder eine Präteritumform identifizieren läßt. Zum „Präsenssystem“ gehören demnach alle Tempusformen mit präsentischem Finitum, während das einfache Prät. und die zusammengesetzten Formen mit präteritalem Hilfsverb ein „Präteritumsystem“ bilden.
Abb. 35.1: Erweitertes Tempussystem des Deutschen
725
Kennzeichnend für das „Perfektsystem“ ist die von haben/sein regierte Partizip-II(PartizipPerfekt-)Form des Vollverbs. Und das „Futursystem“ zeichnet sich schließlich durch die finite Form des Hilfsverbs werden und eine einfache oder umschriebene Infinitivform (Infinitiv I bzw. II) des Vollverbs aus. D ie traditionellen Bezeichnungen der verschiedenen Formen sind im Schema hervorgehoben. D er zu-Infinitiv und das nur noch attributiv vorkommende sog. Gerundiv (zu + Part.Präs.) wurden nicht berücksichtigt. Sprachen — und zwar auch verwandte Sprachen — variieren erheblich im Hinblick auf die Zahl und Art ihrer Tempuskategorien wie auch im Hinblick auf den Grad der Grammatikalisierung und Systematizität zusammengesetzter Tempusformen. So unterscheidet sich das Englische vom Dt. und den an-
IX. Verbalsemantik
726
deren germanischen Sprachen im wesentlichen durch das ‘progressive’, die Umschreibung mit be + Part. Präs., die jeder der anderen Tempusformen eine entsprechende Verlaufsform zur Seite stellt (vgl. sleeps — is sleeping, slept — was sleeping usw.); rein semantisch handelt es sich allerdings kaum um eine temporale Kategorie (s. unten). D as Franz. wiederum zeichnet sich vor allem durch seine zwei Vergangenheitstempora — imparfait und passé simple — und eine entsprechende Vervielfachung der zusammengesetzten Tempusformen aus; und noch kompliziertere Systeme finden sich etwa im Lat. und Altgr. Sehr einfach ist demgegenüber das Russ., das keine Parallele des dt. Perfekts und Plusquamperfekts kennt, sondern mit den beiden einfachen Tempora Präsens und Präteritum und einer Futurumschreibung (imperfektiver Verben) auskommt.
3.
Formal definierte vs. semantische Tempora
Bisher haben wir uns überwiegend mit Tempusformen — mit der Beschreibung formaler morphosyntaktischer Systeme — abgegeben, ohne auf die im vorliegenden Zusammenhang essentielle Frage einzugehen, was die verschiedenen Formen jeweils bedeuten — und inwieweit sie überhaupt etwas Verschiedenes bedeuten. Es stellen sich dabei vor allem die folgenden drei Fragen: 1. Bilden sog. Tempussysteme tatsächlich auch semantisch einheitliche Systeme in dem Sinne, daß die angeblichen Tempusformen alle und ausschließlich Temporalität — Lokalisierung in Zeit — ausdrücken? Oder anders gesagt: Ist jedes formal definierte Tempus nun auch semantisch als ein Tempus im eingangs definierten Sinne anzusehen? 2. Ist zwischen semantischen und formal bestimmten Tempora eine Eins-zu-eins-Entsprechung anzusetzen, oder müssen u. U. etwa verschiedene formal definierte Tempora als Ausdrucksvarianten eines einzelnen semantischen Tempus bzw. umgekehrt éin formales Tempus als Ausdruck verschiedener semantischer Tempora betrachtet werden? 3. Inwieweit sind zusammengesetzte, syntaktisch komplexe Tempora wie das Perfekt und Futur im D t. auch semantisch als komplex, d. h. semantisch kompositionell zu analysieren?
3.1 Temporalität vs. Aspekt/Aktionsart und Modalität Ein guter Teil der traditionell als Tempora bezeichneten Formkategorien sind z. B. nach Comrie (1985: 6 f.) semantisch nicht als Tempus-, sondern als Aspektkategorien einzustufen, weil sie nicht in erster Linie der zeitlichen Lokalisierung dienen, sondern sich auf „the internal temporal contour of a situation“ beziehen. Es gibt in der Tat gute Gründe für die Ausklammerung des engl. progressive aus der Tempussemantik; die Verlaufsformen des engl. „Finitsystems“ lassen sich nicht nur morphologisch, sondern auch semantisch als ‘normale’ Tempusformen der infiniten (infinitivischen) Verlaufsform be + V-ing (be sleeping) analysieren, wobei der Unterschied zwischen dieser und dem einfachen Verb seinerseits als einer des Aspekts oder der Aktionsart (s. zu diesen Begriffen Artikel 36) zu klassifizieren wäre; vgl. Quirk et al. (1985: 188 ff.). Eine saubere Trennung von Aspekt/Aktionsart und Tempus läßt sich auch etwa für das Russ. durchführen. In anderen Sprachen — z. B im Franz. und Altgr. — sind aspektuelle und rein zeitlokalisierende Bedeutungskompomenten jedoch insofern miteinander verquickt, als die beiden Aspekte oder Aktionsarten ‘Perfektivität’ und ‘Imperfektivität’ lediglich im Bereich der sog. Vergangenheitstempora — Tempora, die bei deiktischem/ ‘absolutem’ Gebrauch das Geschehen innerhalb des vor der Äußerungszeit liegenden Zeitraums lokalisieren — formal differenziert werden; vgl. l’imparfait und passé simple im Franz., Imperfekt und Aorist im Altgr. In solchen Fällen muß die Tempussemantik auch mit den aspektuellen Seiten der jeweiligen Tempora fertig werden. Tempusformen können außer Temporalität nicht nur Aspekt-, sondern auch Modalitätsbedeutung aufweisen. So können Tempora des „Präteritumsystems“ in vielen Sprachen, die kein voll ausgebautes Konjunktivsystem besitzen, neben zeitlicher Vergangenheit auch sog. Irrealität (Kontrafaktivität) ausdrücken, und zwar mit dem gleichen Zeitbezug wie jeweils entsprechende Formen des „Präsenssystems“ (vgl. dän. Hvis vi var gået en halv time før, var vi ikke kommet for sent entsprechend engl. If we had left an hour before, we hadn’ t been late; vgl. Jespersen 1924: 266 ff., Lyons 1977: 818 ff). Eine Erklärung dieser scheinbaren D oppelfunktion soll hier nicht versucht werden (s. dazu etwa Lyons 1977). Auf etwas anderer Ebene liegt die Schwierigkeit, Modalität und Temporalität bei den
35. Tempus
‘zukunftsbezogenen’ Tempusformen auseinanderzuhalten. Zum einen werden für sog. Futurumschreibungen oft keine eigenen Hilfsverben, sondern deontische oder bouletische Modalverben (s. Artikel 29) verwendet (vgl. engl. shall, will, dän. ville), so daß eine rein temporale (futurische) Bedeutung sich nur dann einstellen kann, wenn die modale sozusagen außer Kraft gesetzt wird, z. B. wegen der Semantik des Infinitums nicht zum Tragen kommen kann (vgl. dän. det vil snart vœre for sent ‘es wird bald zu spät sein’). Zum anderen kann man sich fragen, ob es Zukunftsbezug ohne Modalität überhaupt geben kann. D er objektive oder faktische Wahrheitswert einer Äußerung, in der von nach der Äußerungszeit liegenden Geschehen die Rede ist, läßt sich zur Äußerungszeit selber für den Sprecher grundsätzlich nicht entscheiden; die Verifikation oder Falsifikation der (Vor-) Aussage kann erst später erfolgen. Insofern müssen Aussagen über die Zukunft subjektiv, pragmatisch — vom Standpunkt des individuellen Sprechers aus — einen in gewissem Sinne unsicheren, modalen Charakter haben (vgl. Lyons 1977: 815 f. und auch Jespersen 1924: 265). Von daher wird es verständlich, daß Futurformen oft wie im D t. auch ohne Zukunftsbezug verwendet werden können, um zu signalisieren, daß der Sprecher das mit der Äußerung Behauptete nicht selber verifiziert hat (s. dazu Fabricius-Hansen 1986: 135 ff.); vgl. die Satzpaare in (6)—(7). (6) a. Anna wird morgen wieder da sein. b. Anna wird jetzt wieder da sein. (7) a. Anna wird nächste Woche ihre Staatsexamensarbeit beendet haben. b. Anna wird vor einer Woche ihre Staatsexamensarbeit beendet haben. Ähnlich erklärt Jespersen (1924: 265) die modale Verwendung des Futurs in Fällen wie franz. „il dormira déjà = he will already be asleep = er wird schon schlafen (I suppose that he is asleep)“: „It is true that we can assert nothing with regard to a future time but mere suppositions and surmises, and this truth is here linguistically reversed as if futurity and supposition were identical. Or it may be that the idea is this: ‘it will (some time in the future) appear that he is already (at the present moment) asleep’ [...].“
Ein interessanter Versuch, die vieldiskutierte und hier nicht im einzelnen aufzugreifende Frage nach dem modalen oder temporalen Charakter der deutschen werden-Umschrei-
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bung — s. dazu Vater (1975) — anhand einer verzweigenden Zeitlogik zu lösen, findet sich bei Ballweg (1988). 3.2 Relationen zwischen semantischen und formalen Tempora D ie zweite der oben gestellten Fragen ist vor allem durch die (meistens kontextbedingte) Austauschbarkeit von Tempusformen veranlaßt. Wenn zwei verschiedene Tempusformen unter Umständen ohne erkennbaren kognitiven Bedeutungsunterschied einander ersetzen können, wie es für Prät. und Perf. im D t. und passé simple und passé composé im Franz. weitgehend der Fall ist, liegt es zunächst nahe, ihre Bedeutungen teilweise miteinander zu identifizieren. So kommt man etwa für das D t. mit Wunderlich (1970: 144 f.) und Bäuerle (1979b: 77 f.) zur Ansetzung eines ‘echten’ und eines mit dem Prät. bedeutungsgleichen Perfekts. D emnach hätte das semantische Tempus ‘Präteritum’ verschiedene morphosyntaktische Realisierungen — einmal als einfache, einmal als zusammengesetzte Tempusform. Besteht jedoch, wie im vorliegenden Fall, keine generelle Substituierbarkeit, so dürfte es allerdings methodisch angemessener sein, die scheinbare Bedeutungsüberschneidung wenigstens versuchweise als einen Fall kontextbedingter Synonymie zu erklären. Man wird dann den Tempusformen je eine eigene Bedeutung ‘an sich’ zuschreiben müssen, und zwar so, daß ihre jeweils variierenden und teilweise zusammenfallenden semantischen Leistungen im Kontext (ihre ‘Bedeutungenim-Kontext’) als eine Funktion der Bedeutung-an-sich und des Kontextes erklärbar werden. D urch dieses Verfahren, das von Fabricius-Hansen (1986) und Ballweg (1988) u. a. auf das Perfekt des D t. angewandt wird, ist auch das Problem der angeblichen Vieldeutigkeit anderer Tempora — vor allem des Präsens — in Angriff zu nehmen. 3.3 Kompositionelle Analyse zusammengesetzter Tempora Um das semantische Problem der zusammengesetzten Tempusformen zu veranschaulichen, sei vorerst mit den meisten neueren tempussemantischen Ansätzen angenommen, daß Tempora, obwohl morphologisch am Verb ausgedrückt, semantisch als Operatoren auf (infinite) Satzbedeutungen — Propositionen — darstellbar sind. (Es spielt für die Argumentation keine Rolle, ob sie letzten Endes doch angemessener als Verbalphrase- oder sogar Verb-Operatoren zu beschreiben sind; s.
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Comrie 1985.) Weiter wollen wir gemäß dem oben Gesagten zumindest für jede formal einfache Tempuskategorie ein semantisches Tempus ansetzen und dieses durch Großschreibung — PRÄS als Bedeutung der Präsensformen, PRÄT als Bedeutung der Präteritumformen usw. — symbolisieren. D ann können wir die Bedeutung von (8a) (= (1)) und (9a) vereinfacht wie in (8b), (9b) darstellen. (8) a. Ich bin oft in Italien. b. PRÄS (ich oft in Italien sein) (9) a. Ich war nie in Italien. b. PRÄT (ich nie in Italien sein) Würde man nun den D arstellungen traditioneller Grammatiken — wie auch vielen neueren Analysen, z. B. Wunderlich (1970), Steinitz (1980), Nerbonne (1985), Comrie (1985) — folgen, so wäre die Bedeutung der entsprechenden Perfekt- und Plusquamperfektsätze (10a) (= (2)) und (11a) jeweils als (10b) und (11b) wiederzugeben; d. h. die betreffenden Tempora wären trotz ihrer syntaktisch komplexen Struktur als semantisch nicht weiter analysierbare Tempusoperatoren PERFEKT und PLUSQPF darzustellen. (10) a. Ich bin nie in Italien gewesen. b. PERFEKT (ich nie in Italien sein) (11) a. Ich war nie in Italien gewesen. b. PLUSQPF (ich nie in Italien sein) Geht man jedoch als theoretisch-methodische Grundannahme von einer möglichst weitgehenden Parallelität syntaktischer und semantischer Komplexität aus, so ist allerdings vorerst die Tragfähigkeit einer semantisch kompositionellen Analyse der zusammengesetzten Tempora zu prüfen. D anach wäre der Infinitiv Perfekt (Infinitiv II) semantisch als ein Operator PERF zu analysieren und das Perfekt und Plusquamperfekt, die jeweils Präsens- und Präteritumformen des perfektbildenden Hilfsverbs aufweisen, dementsprechend als PRÄS ... PERF bzw. PRÄT ... PERF — als ‘present perfect’ (‘Präsensperfekt’) und ‘past perfect’ (‘Präteritumperfekt’), wie die englischen Bezeichnungen denn auch oft lauten; das heißt, (10a) und (11a) wären stattdessen als (10c) und (11c) zu repräsentieren. (10) c. PRÄS (PERF (ich nie in Italien sein)) (11) c. PRÄT (PERF (ich nie in Italien sein)) Eine solche Analyse führt zur Unterscheidung zweier Kategorien von Tempusoperatoren (und Propositionen): ‘infinite’ Operatoren wie
IX. Verbalsemantik
PERF (im D t. ausgedrückt durch haben/sein + Part.Perf.), auf die ein weiterer Tempusoperator angewandt werden kann, und ‘finite’ wie PRÄS und PRÄT (ausgedrückt durch Flexionsmittel), die das nicht erlauben und sich deshalb gegenseitig ausschließen. Als gelungen darf die kompositionelle Analyse genau dann gelten, wenn sich der Bedeutungsbeitrag der komplexen Tempora aus den separaten Bedeutungsbeschreibungen der einzelnen Tempusoperatoren und den allgemeinen Interpretationsprinzipien ableiten läßt. Kompositionelle Beschreibungen des Perfekts und Plusquamperfekts im D t. haben Bäuerle (1979b) (allerdings nur für das ‘echte’ Perfekt, s. oben), Fabricius-Hansen (1986) und Ballweg (1988) vorgelegt. Einen wichtigen Grund für die kompositionelle Analyse der Perfekttempora bieten adverbiale Ambiguitätserscheinungen, die sich unter dieser Analyse damit erklären lassen, daß bestimmte Temporaladverbiale teils innerhalb, teils außerhalb vom Skopus des infiniten PERF-Operators stehen können. So kann mit (12) gemeint sein, daß ‘mein’ Zeitungslesen immer spätestens um zwei Uhr beendet ist, oder daß zwei Uhr immer die Zeit gewesen ist, zu der ich die Zeitung lese/las. D iese D oppeldeutigkeit, die dem entsprechenden Präteritumsatz (13) abgeht, wäre gegebenenfalls als eine Skopusambiguität darstellbar, wie in (12b, c) veranschaulicht wird; s. für eine ausführlichere Argumentation Fabricius-Hansen (1986: 109 ff.) und Ballweg (1988). (12) a. Ich habe immer um zwei Uhr die Zeitung gelesen. b. PRÄS (immer (um zwei Uhr (PERF (ich die Zeitung lesen)))) c. PRÄS (PERF (immer (um zwei Uhr (ich die Zeitung lesen)))) (13) a. Ich las immer um zwei Uhr die Zeitung. b. PRÄT (immer (um zwei Uhr (ich die Zeitung lesen))) Im Unterschied zu den Perfekttempora wird die Futurumschreibung mit werden + Infinitiv von den gleichen Autoren semantisch nicht kompositionell analysiert, d. h. das Hilfsverb wird semantisch als ein einfacher finiter Tempusoperator FUT aufgefaßt, der im sog. Futur I auf einen tempusfreien Infinitiv(satz) und im Futur II auf einen PERFInfinitiv(satz) operiert; vgl. (14c, 15c) als semantische Repräsentationen von (14a, 15a). D ie Nicht-Kompositionalität der dt. Futurumschreibung läßt sich zwar u. a. mit dem Fehlen eines eigenen, dem Infinitiv Perfekt
35. Tempus
entsprechenden Infinitiv Futur (*beenden werden) — s. Fabricius-Hansen (1986: 141 ff.), Ballweg (1988) — begründen, die Möglichkeit einer kompositionellen Analyse — vgl. (14d, 15d) — wäre aber vielleicht doch etwas eingehender zu untersuchen (vgl. Fabricius-Hansen 1986: 352). Gänzlich nicht-kompositionell wäre eine — eher traditionelle — Analyse, wie sie in (14b, 15b) angedeutet wird. (14) a. Anna wird ihre Arbeit beenden. b. FUT-I (Anna ihre Arbeit beenden) c. FUT (Anna ihre Arbeit beenden) d. PRÄS (WERD (Anna ihre Arbeit beenden)) (15) a. Anna wird ihre Arbeit beendet haben. b. FUT-II (Anna ihre Arbeit beenden) c. FUT (PERF(Anna ihre Arbeit beenden)) d. PRÄS (WERD (PERF (Anna ihre Arbeit beenden))) Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, daß auch finite (synthetische) Tempusformen morphologisch komplex oder durchsichtig sein können in dem Sinne, daß sie aus zwei oder mehr Flexionsmorphemen bestehen, die je eine eigene temporale Bedeutungskomponente beitragen. D ies trifft beispielsweise auf das franz. futur du passé zu, das den Tempusstamm des futur simple mit den Endungen des imparfait kombiniert (vgl. 3.Sg. imparfait aim-ait, futur simple aim-er-a, futur du passé aim-er-ait). Semantische Kompositionalität der gleichen Art wie für bestimmte Umschreibungen mit Hilfsverb anzunehmen, wird jedoch hier kaum nötig sein; denn Skopusambiguitäten wie die für (12) veranschaulichten scheinen syntaktische und nicht einfach morphologische Komplexität vorauszusetzen.
4.
Stationen der Tempussemantik
Betrachtet man die Geschichte der Tempussemantik, so läßt sich das Gros der verschiedenen Ansätze zum Zwecke eines begrifflichen eher als chronologischen Überblicks in vier Gruppen einteilen: Eine Gruppe bilden in der europäischen grammatischen Tradition stehende, theoretisch wenig reflektierte einzelsprachliche D arstellungen, wie man sie in vielen Standardgrammatiken und Handbüchern vorfindet (4.1). Eine zweite Gruppe konstituiert sich aus linguistischen oder linguistisch orientierten Versuchen, außereinzelsprachliche Beschreibungssysteme zu entwikkeln, die möglichst universell verwendbar sein
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und zugleich der natürlichsprachlichen Vielfalt gerecht werden sollen; hierher gehören etwa Beauzée (1767), Jespersen (1924), Bull (1960) und Reichenbach (1947) (4.2). D rittens ist die vor allem von Prior (1967) und Rescher & Urquhart (1971) entwickelte Zeitlogik zu erwähnen, die trotz ihrer weitgehenden empirischen Unangemessenheit zusammen mit Reichenbach (1947) die theorienbewußte linguistische Tempussemantik der letzten 10—15 Jahre entscheidend beeinflußt hat (4.3). D iese wird, ihrer Heterogenität zum Trotz, in diesem Zusammenhang als eine (vierte) Gruppe aufgefaßt und im Abschnitt 4.4 besprochen. — Außerhalb dieser Kategorisierung fallen Ansätze wie Weinrich (1971), der die Hauptfunktion der ‘Grundtempora’ Präsens und Präteritum nicht in der zeitlichen Einordnung von Geschehen, sondern in der Signalisierung bestimmter Erzählperspektiven sieht und hier nicht weiter berücksichtigt werden soll. 4.1 Die klassische grammatische Tradition Typisch für traditionelle einzelsprachliche Tempusbeschreibungen sind die mehr oder weniger starke Anlehnung an die Tempuslehre der griechischen und lateinischen Grammatiker und eine terminologische — vielleicht auch z. T. begriffliche — Unklarheit: die fehlende Unterscheidung von ‘Tempus’ (‘tense’) als einer formalen grammatischen Kategorie und ‘Zeit’ (‘time’) als einer begrifflich-referentiellen Kategorie. D ionysios Thrax (2. Jh. v. Chr.) unterscheidet die ‘gegenwärtige’ (ἐνεστώς, instans/praesens), ‘vergangene’ (παρεληλυθώς, praeteritum) und die ‘kommende’ (μέλλων, futurum) ‘Zeit’ (χρόνος, tempus) und unterteilt die Vergangenheit weiter in vier verschiedene Arten: die ‘ausgedehnte’ (παρατατικός, imperfectum), die ‘fertige’ (παρακείμενος, perfectum), die ‘übervollendete’ (ὑπερσυντελικός, plusquamperfectum) und die ‘unbestimmte’ (ἀόριστος), entsprechend den vier verschiedenen Vergangenheitsformen des Altgriechischen; vgl. Schwyzer (1966: 248 ff.). D abei hebt die Nomenklatur der Untergliederung eher Aspektunterschiede als Unterschiede der zeitlichen Lokalisierung hervor, wie es dem griechischen Tempussystem angemessen erscheint. Priscian (5. Jh. n. Chr.) stellt für das Latein ein ähnliches System auf, kommt jedoch, da Latein keine Entsprechung des gr. Aorist aufweist, mit drei Vergangenheitstempora und insgesamt mit fünf verschiedenen Tempora — oder Zeiten — aus. Erst später wurde auch das sog. Futurum exactum als eigenes indikativisches Tempus anerkannt (Michael 1970:
730
117 ff.). D as Ergebnis war die Unterscheidung sechs verschiedener ‘Zeitstufen’ — Präsens, Imperfektum (auch Präteritum genannt), Perfektum, Plusquamperfektum, Futurum und Futurum exactum —, die die Beschreibung der Tempora in den einzelnen europäischen Sprachen in hohem Maße bestimmt hat, obwohl auch andere Kategorisierungsversuche und andere Nomenklaturen in der grammatischen Geschichte zu verzeichnen sind (s. zum Engl. Michael 1970: 395 ff.). D ie grundlegende Trichotomie ‘Gegenwart vs. Vergangenheit und Zukunft’ mag eine natürliche, außereinzelsprachlich gültige und insofern begrifflich-referentielle sein (vgl. jedoch Comrie 1985: 48 ff. zur D ichotomie ‘Vergangenheit vs. Nicht-Vergangenheit’). D ie weitere Gliederung der Vergangenheit und Zukunft hat jedoch nicht den gleichen universellen Status, sondern ist weitgehend durch das System der jeweiligen klassischen Sprache bestimmt. Und so stehen die Bezeichnungen ‘Präsens’, ‘Präteritum’, ‘Perfekt’ etc. letzten Endes lediglich für einzelsprachzpezifische Tempora (als Formkategorien), nicht für universell definierbare ‘Zeiten’ oder ‘Zeitstufen’. D ementsprechend wird für das einzelne Tempus meistens auch eine ganze Reihe verschiedener ‘Gebrauchsvarianten’, ‘Verwendungen’ oder ‘Bedeutungen’ aufgelistet, ohne daß versucht wird, diese aus einer allgemeinen ‘Grundbedeutung’ abzuleiten (ernsthafte Versuche in dieser Richtung — s. fürs D eutsche z. B. Ballweg (1984) — sind verhältnismäßig jung). So unterscheidet beispielsweise Blatz (1896: 503 ff.) ein ‘finitives’, ein ‘präsentisches’ oder ‘logisches’, ein ‘unbestimmtes/ aoristisches’ (d. h. generelles oder habituelles), ein ‘futurisches’ und ein ‘relatives’ Perfekt, und viele neuere D eutschgrammatiken gehen — besonders für das Präsens — im Prinzip genauso vor; bei Quirk et al. (1985: 179 f.) finden wir die folgenden Präsensvarianten des Engl.: ‘state present’, ‘habitual present’, ‘instantaneous present’, ‘simple present referring to the past’ (sog. historisches Präsens), ‘simple present referring to the future’; vgl. (16). (16) a. Peru shares a border with Chile. b. She makes her own dresses. c. Here comes the winner! d. The plane leaves for Ankara at eight o’clock tonight. In der Beschreibung der Tempusbedeutungen werden meistens nicht nur Begriffe der zeitlichen Lokalisierung, sondern auch schwer definierbare Aspektbegriffe verwendet, wie sie
IX. Verbalsemantik
schon in den (griechisch-)lateinischen Bezeichnungen ‘imperfectum’, ‘perfectum’ etc. (s. oben) mitklingen, und die vor allem zur Unterscheidung von Vergangenheitstempora wie imparfait und passé simple im Franz. und progressive vs. non-progressive im Engl. herangezogen werden. D ie Einbeziehung des Aspekts in die Tempuslehre wird unter Einfluß slawistischer Sprachbeschreibungen noch verstärkt; s. Schwyzer (1966: 249). In der (lateinisch-)klassischen Tradition steht auch die Unterscheidung sog. absoluter (oder selbständiger) und relativer Zeiten (bzw. Tempora); vgl. dazu Blatz (1896: 495 f.): „1. Nach dem Ausgangspunkte, von dem aus die Zeit einer Handlung bemessen wird, unterscheidet man absolute und relative Tempora. 2. Absolute Tempora sind diejenigen, bei denen die Zeit der Handlung von dem Zeitpunkt aus bemessen wird, in welchem der Redende sich befindet (= von der Gegenwart des Sprechenden aus), z. B. Gott hat die Welt erschaffen [...]. 3. Relative Tempora nennt man solche, bei denen die Zeit einer erwähnten Handlung den Ausgangspunkt der Zeitbemessung bildet, z. B. Nachdem man die D ielen des Saals aufgebrochen hatte, entdeckte man ein geräumiges Gewölbe. [...] Zum Ausdruck dieser relativen Zeitverhältnisse sind jedoch nur zwei verschiedene Tempora vorhanden: D as Plusquamperfektum und das Futurum exactum. [...] D ie übrigen relativen Zeitverhältnisse müssen durch dieselben Tempora bezeichnet werden, wie die absoluten.“
D araus wird ersichtlich, daß Tempusverwendungen eher als Tempora (oder Zeiten) absolut oder relativ sind; absolut oder relativ ist ein Tempus nur dann zu nennen, wenn es in allen Verwendungen ein absolutes bzw. relatives Zeitverhältnis ausdrückt, wie im allgemeinen für das Plusquamperfekt und Futur II (Fut. ex.) im Latein (im Unterschied zum Altgr.) und ihre Entsprechungen im D t. angenommen wird; vgl. (17). (17) a. Tertio die postquam a te discesseram (Plusqpf.) litteras scripsi (Perf.). ‘Am dritten Tag nachdem ich mich von dir getrennt hatte, schrieb ich den/einen Brief.’ b. Si id feceris (Fut. ex.), gratiam habebo (Fut.). ‘Wenn du das tust (eigentlich: getan haben wirst), werde ich dankbar sein.’ Nach Comrie (1985: 56 ff.) sind relative Tempora in ‘absolute-relative’ und ‘pure relative’ zu unterteilen, je nachdem, ob das Verhältnis zwischen der sekundären Bezugszeit und der
35. Tempus
Sprechzeit relevant ist (wie beim Plusqpf.: jene muß dieser vorausgehen) oder nicht. Besondere Aufmerksamkeit wird in vielen traditionellen D arstellungen — wiederum unter lateinischem Einfluß — der sog. consecutio temporum (‘Zeitenfolge’) geschenkt, d. h. dem relativen oder absoluten Gebrauch der Tempora in Nebensätzen (in den lat. Beispielen oben liegt relativer Gebrauch vor, da der Hauptsatz die Bezugszeit des Nebensatzes liefert); vgl. Blatz (1986: 517 f.) und Comrie (1985: 104 ff.).
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Zeitlinie abbildbaren Zeitstufen operiert Jespersen (1924: 256 f.), wobei er allerdings Tempora in indirekter oder erlebter Rede zunächst ausklammert; vgl. Abb. 35.2.
4.2 Außereinzelsprachliche Zeitsysteme 4.2.1 Jespersen, Bull
Abb. 35.2: Zeitstufen bei Jespersen (1924)
Parallel zu den semantischen Beschreibungen einzelsprachlicher Tempussysteme, bei denen meistens von den formalen Tempora ausgegangen wird, haben Sprachwissenschaftler außereinzelsprachliche, begriffliche ‘Zeitsysteme’, Systeme von ‘Zeitstufen’ o. dgl., aufgestellt, die möglichst universell verwendbar sein sollen in dem Sinne, daß im Idealfall jede formale Tempuskategorie einer beliebigen natürlichen Sprache sich als Ausdruck oder Belegung (mindestens) einer ‘Systemstelle’ beschreiben läßt; vgl. dazu Wunderlich (1970: 313 ff.), Rohrer (1977a). D ie bekanntesten Zeitsysteme sind sieben-, neun- oder zwölfstellig. Mit sieben, auf einer
In anderen, vergleichbaren, siebenstelligen Systemen ist zwischen ‘Nachvergangenheit’ und ‘Gegenwart’/’Zukunft’ wie zwischen ‘Vergangenheit’/‘Gegenwart’ und ‘Vorzukunft’ keine Nachfolgerelation festgelegt; vgl. Abb. 35.3. D ie Nachvergangenheit, belegt etwa durch das futur du passé im Franz., kann vielmehr in die Gegenwart oder Zukunft hineinreichen; und die Vorzukunft, belegt etwa durch das futur antérieur im Franz. und Fut. II im D t., kann in die Gegenwart oder Vergangenheit zurückreichen. Vgl. dazu (18), wo die ‘Kommen’-Handlung nach der Sprech-
Abb. 35.3: Zeitstufen (nach Bull 1960)
732
zeit lokalisiert ist, und (19), wo eine in der Gegenwart abgeschlossene Handlung von einem Zeitpunkt in der Zukunft aus beurteilt wird (Rohrer 1977a: 42). Entsprechendes gilt für ‘posterior past’ und ‘anterior future’ in Reichenbachs (neunstelligem) Zeitsystem (s. unten und Abb. 35.5). (18) Il a dit qu’il viendrait demain. ‘Er sagte, daß er morgen kommen würde’ (19) Si la guerre s’arrête, j’aurai fait des frais pour rien. ‘Wenn der Krieg aufhört, werde ich umsonst Ausgaben gemacht haben’ Ein zwölfstelliges System von Zeitstufen liegt bei Bull (1960) vor. Er setzt neben der um die faktische Äußerungszeit als Achse (‘Nullstufe’) zentrierten ‘realen’ Zeitebene drei weitere Zeitebenen an, die sich jeweils um eine ‘anticipated’, eine ‘recalled’ und eine ‘anticipated recalled’ Nullstufe zentrieren, und unterscheidet auf jeder Zeitebene außer der Nullstufe eine Vergangenheits- und eine Zukunftstufe (als — Vektor bzw. + Vektor bezeichnet); vgl. Abb. 35.3. D ieses System ist u. a. im Unterschied zu Reichenbachs insofern asymmetrisch, als die Nachvergangenheit (die Zukunftstufe auf der ‘recalled’ Ebene) über die Nullstufe der ‘realen’ Zeitebene hinausgeht, während die Vorzukunft (die Vergangenheit der Antizipationsebene(n)) nicht hinter die — ‘reale’ oder ‘recalled’ — Sprechzeit zurückreicht. — Ein noch komplizierteres, aber in dieser Hinsicht symmetrisches System mit n Zeitebenen entwickelt Heger (1963) s. Abb. 35.4; vgl. Rohrer (1977a). Wie man sieht, gehen die Ansichten auseinander in bezug darauf, ob „die Zeitstufen natürlicher Sprachen“ (Rohrer a. a. O.) außerhalb des Bereichs der indirekten oder der erlebten Rede tatsächlich „sich ohne Überlappungen auf eine Zeitachse abbilden
Abb. 35.4: Zeitebenen bei Heger (1963)
IX. Verbalsemantik
[lassen]“, wie Rohrer (a. a. O.) im Anschluß an Jespersen (1924) meint, oder ob die Beziehung zwischen der (‘relativen’) Nachvergangenheit bzw. Vorzukunft und der ‘absoluten’ Vergangenheit bzw. Zukunft auch sonst unspezifiziert bleiben kann, wie etwa FabriciusHansen (1986:112 ff.) und Ballweg (1988) für die ‘Vorzukunft’ annehmen; vgl. auch Comrie (1985: 70 f.). 4.2.2 Reichenbach Von besonderer Bedeutung für die weitere Geschichte der linguistischen Tempussemantik ist das von dem Logiker Reichenbach (1947:251) vorgeschlagene Beschreibungssystem gewesen. Nach Reichenbach lokalisieren natürlichsprachliche Tempora nicht einfach eine Ereigniszeit (‘point of event’, kurz E: Wahrheitsintervall/Aktzeit des tempuslosen Satzes, s. Abschnitt 1 oben) im Verhältnis zur Sprechzeit (‘point of speech’, kurz S), sondern sie spezifizieren Relationen zwischen drei Zeiten: der Ereigniszeit, der Sprechzeit und einer durch den Kontext bestimmten sog. Referenzzeit (‘point of reference’, kurz R). D ie Referenzzeit kann mit der Sprechzeit zusammenfallen, ihr nachfolgen oder ihr vorausgehen, und die gleichen Relationen können zwischen Referenzzeit und Ereigniszeit bestehen — nur wäre hier eher von Überlappung als von Zusammenfall zu reden, da die Ereigniszeit ein echtes Intervall darstellen kann, wie Reichenbach (1947: 290) für die engl. Verlaufsformen und das franz. imparfait (im Unterschied zu passé simple) annimmt. Werden Sprechzeit und Ereigniszeit nicht direkt aufeinander bezogen, so ergeben sich insgesamt 32 = 9 mögliche Konstellationen; werden hingegen die Relationen zwischen E und S mit expliziert, so wird das System dreizehnstellig. Vgl. dazu Abb. 35.5; hier werden für jede Systemstelle (Rubrik) die zugelassenen Relationen zwischen E und S in Reichenbachs
35. Tempus
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Notation (‘,’ bezeichnet Zusammenfall/Überlappung und ‘—’ Nachfolgerelation) mit angegeben; außerdem wird für jede durch ein englisches Tempus belegte Konstellation ein entsprechendes Beispiel und die von Reichenbach vorgeschlagene Bezeichnung des betreffenden Tempus angeführt. Man sieht, daß Reichenbach wie Bull (1960) und im Unterschied etwa zu Jespersen (1924) das Präteritum und Perfekt als Vergangenheitstempora unterscheiden kann (kritisch dazu Bäuerle 1979b: 45 ff.); im Unterschied zu Bull hat er jedoch keinen Platz für ein ‘Fut.Prät. II’ (would have loved), cf. futur antérieur du passé im Franz. D er spätere (s. 4.4 unten) Erfolg der Reichenbachschen Tempussemantik — s. zu ihrer Anwendung aufs D eutsche vor allem Baumgärtner & Wunderlich (1969) und Vater (1983) — ist in erster Linie an die Einführung einer Referenzzeit neben der Sprech- und der Ereigniszeit geknüpft und wird erst als Beitrag eines Logikers vor dem Hintergrund der reinen Zeitlogik (s. 4.3) voll verständlich. D enn dem Sinne nach läßt sich sein ReferenzzeitRel (R, S) [Verhältnis eines bestimmten Bezugszeitpunktes zum Augenblick des Sprechaktes] R≈S Rel (E, R) [Verhältnis [(definit) gegenwärtig] zwischen Existenz und Bezugszeitpunkt — allgemeine Arten von Zeiten] E≈R Simple Present E, R, S [Praesentia] loves ER
has loved Posterior Present R, S — E
[Futura]
shall love
begriff mit dem Begriff „Zeitpunkt“ oder „Ausgangspunkt, von dem aus die Zeit einer Handlung bemessen wird“ (Blatz 1896: 495) identifizieren, der traditionell zur Unterscheidung ‘absoluter’ und ‘relativer’ Zeitverhältnisse herangezogen wird (s. oben 4.1). D ie absoluten Zeiten der traditionellen Tempuslehre — Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft — entsprechen demnach bei Reichenbach den drei verschiedenen E-R-Relationen bei Zusammenfall von R und S, d. h. der ersten Spalte in Abb. 35.5; alle anderen Kombinationen von Relationen zwischen R und S und zwischen E und R sind im Prinzip den traditionellen relativen Tempora gleichzustellen, da die Zeit (R), „von der aus die Zeit einer Handlung“ (E) „bemessen wird“, dort nicht mit der Sprechzeit, sondern mit einer anders identifizierten Zeit zusammenfällt. (In dem Zusammenhang sei erwähnt, daß Curme (1922: 211 f.) das sonst normalerweise als absolut behandelte Prät. als relatives Tempus einstuft: „[it] has for its leading idea that of simultaneity of two or more related past acts or conditions“.)
R<S [(definit) vorzeitig]
R>S [(definit) nachzeitig]
Simple Past E, R — S loved Anterior Past E—R—S
Simple Future S — E, R
had loved Posterior Past R—E—S R — E, S R—S—E would love
Anterior Future S—E—R S, E — R E—S—R will have loved Posterior Future S—R—E
Abb. 35.5:Zeitsysteme bei Reichenbach (1947) und Beauzée (1767) Rel (R, S): Rel (E, S): ≈: <, >: [...]:
Relation zwischen Referenzzeit (R) und Sprechzeit (S) Relation zwischen Ereigniszeit (E) und Referenzzeit Zusammenfall/Überlappung ‘vor’ bzw. ‘nach’ Beauzées Bezeichnungen
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Sehr klar vorweggenommen ist die Reichenbachsche Systematik auch bei Beauzée (1767: 426 ff., zit. nach Arens 1969: 117 ff.). Er faßt in seinem „metaphysischen System der Zeiten des Verbums“ Zeiten (i. e. Tempora) als „Formen“ auf, „die dem Grundbegriff der Bedeutung des Verbums den zusätzlichen Begriff eines Bezugs der Existenz auf einen Zeitpunkt hinzufügen“, und unterscheidet nach den möglichen Beziehungen — Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit, Nachzeitigkeit — zwischen „Existenz“ (i. e. Ereigniszeit) und Bezugszeitpunkt „drei allgemeine Arten von Zeiten: Praesentia, Praeterita, Futura“. In einem zweiten Schritt wird jede dieser Zeiten in eine „indefinite“ und eine „definite“ unterteilt, je nachdem ob sie „einen Bezug der Existenz auf irgendeinen unbestimmten Zeitpunkt“ oder „auf einen genauen und bestimmten Zeitpunkt“ ausdrückt, d. h. je nachdem, ob Gleich-/Vor-/Nachzeitigkeit von Ereigniszeit und einem „allgemeinen“, „unbestimmten“ oder einem „speziellen“, „bestimmten“, auf der Zeitlinie lokalisierten Bezugszeitpunkt (Referenzzeit) ausgedrückt wird. D ie „Positionen des genauen Bezugszeitpunktes zu einem festen Punkt des Zeitverlaufs“, nämlich zum „Augenblick des Sprechaktes“, bilden dann die Grundlage der dritten Einteilung: der „Unterscheidung der drei definiten Zeitarten in drei Unterarten, die man wohl am besten charakterisieren kann mit den Bezeichnungen gegenwärtig, vorzeitig, nachzeitig, entsprechend der Position des bestimmten Bezugszeitpunkts, nach der sie unterschieden werden“ (a. a. O.). D as neungliedrige System der „definiten“ Zeiten entspricht genau dem Reichenbachschen Zeitsystem; vgl. wieder Abb. 35.5, wo Beauzées Bezeichnungen in eckigen Klammern eingetragen sind. D ie „indefiniten Zeiten“, die durch Gleich-, Vor- bzw. Nachzeitigkeit der Ereigniszeit im Verhältnis zu einem beliebigen, unbestimmten Bezugszeitpunkt gekennzeichnet sind, haben keine Parallele bei Reichenbach; sie sind als Explikation der sog. generellen oder generischen (’aoristischen’, ‘unbestimmten’, ‘gnomischen’) Tempusverwendungen gemeint, vgl. (20). (20) a. L’avarice perd (Präs.) tout en voulant tout gagner. ‘Der Geiz verliert alles, indem er alles haben will.’ b. Jeder Akademiker hat studiert. c. Qui ne sait (Präs.) se borner ne sut (passé simple) jamais écrire. ‘Wer sich nicht zu beschränken weiß, hat nie zu schreiben gewußt.’
IX. Verbalsemantik
d. Chacun récoltera (futur simple) ce qu’il aura semé (futur antérieur). ‘Ein jeder wird ernten, was er gesät haben wird.’ 4.3 Einfluß der Zeitlogik D ie Zeitlogik wurde als Zweig oder Parallele der Modallogik entwickelt, um eine logische Behandlung von Sätzen mit zeitlich beschränkter Gültigkeit zu ermöglichen, d. h. Sätze wie Es regnet., Gestern regnete es nicht., deren Wahrheitswert nach der Zeit variiert, zu der sie geäußert werden — was für die meisten natürlichsprachlichen Sätze zutreffen dürfte. ‘Klassische’ zeitlogische Werke sind Prior (1967) und Rescher & Urquhart (1971), ein neueres van Benthem (1983a). Als Explikation natürlichsprachlicher D aten war die frühe Zeitlogik zwar in wichtigen Punkten inadäquat, sie hat jedoch — im Zuge der Entstehung der modelltheoretischen Semantik — die heutige linguistische Tempussemantik entscheidend beeinflußt. D eshalb sollen hier summarisch diejenigen Aspekte der Zeitlogik besprochen werden, die für die linguistische Tempussemantik von besonderer Bedeutung gewesen sind (s. dazu auch Bäuerle 1979b: 3 ff.). D em Einfluß zeitlogischer Kalküle, die als Weiterführung der Satz- oder Propositionslogik konzipiert wurden, ist es zum einen zu verdanken, daß Tempora semantisch jetzt weitgehend als Satzoperatoren aufgefaßt werden (vgl. Abschnitt 1 oben). D ies erlaubt es, eine Mehrdeutigkeit wie in (21) auf Skopusambiguität zurückzuführen: je nachdem, ob die quantifizierte Subjekt-NP innerhalb oder außerhalb des Tempusoperator-Skopus steht, wird von künftigen oder jetzigen Mitarbeitern die Rede sein; vgl. Bäuerle (1979b), der selber jedoch — ähnlich wie Bach (1980) — Tempora als Operatoren auf Verbalphrasen beschreibt. (21) Alle Mitarbeiter werden anwesend sein. Weiter haben Zeitlogiker den Linguisten verschiedene Zeitmodelle — lineare, verzweigende, diskrete, dichte etc. — zur Verfügung gestellt; s. z. B. van Benthem (1983a). Eine weite Verbreitung unter Linguisten hat vor allem die Auffassung von der Zeit als linear geordnet und dicht erlangt — vgl. Wunderlich (1970: 298), D owty (1979: 139) —, obwohl auch andere, u. a. verzweigende, Modelle in Erwägung gezogen worden sind; vgl. D owty
35. Tempus
(1979: 151), Ballweg (1988). D aß die Zeit linear geordnet ist, heißt: für jedes Paar nichtidentischer Zeitpunkte gilt, daß einer dem anderen nachfolgt; und wenn Zeitpunkt t’ nach t folgt und t” nach t’, dann folgt auch t” nach t (Transitivität der Nachfolgerelation). Nach dem D ichtigkeitsaxiom gilt für jedes beliebige Paar nicht-identischer Zeitpunkte, daß zwischen ihnen wieder ein Zeitpunkt liegt. D ie in linguistischer Perspektive wesentlichen Unzulänglichkeiten der ersten zeitlogischen Explikationen natürlichsprachlicher Tempora, die auch den ersten Tempusbeschreibungen im Rahmen der MontagueGrammatik eignen (Sæbø 1978), waren die folgenden: 1. Es wurde — was z. T. mit der Auffassung von Tempora als Satzoperatoren zusammenhängt — zunächst angenommen, daß Tempora auf (der Bedeutung von) Präsenssätzen operieren und nicht auf infiniten ‘Sätzen’, wie jetzt allgemein akzeptiert zu sein scheint; das heißt, ein Satz wie (21) wurde — in der Lesart mit weitem Tempusskopus — wie (22a) statt (22b) dargestellt. (22) a. FUT (alle Mitarbeiter sind anwesend) b. FUT (alle Mitarbeiter anwesend sein) Eine solche Beschreibung macht den Präsensoperator redundant — „PRÄS (alle Mitarbeiter sind anwesend)“ und „alle Mitarbeiter sind anwesend“ müssen äquivalent sein —, wird der morphologischen Struktur finiter Verformen nicht gerecht und verhindert eine adäquate kompositionelle Analyse des (zusammengesetzten) Perfekts; vgl. Bäuerle (1979b). 2. D ie (nicht-präsentischen) Tempora werden indefinit gedeutet. D ies heißt, daß ein Präteritumsatz wie (23) an der Sprechzeit to bewertet als wahr (falsch) zu betrachten ist genau dann, wenn es irgendeine (keine) Zeit t vor to gibt, an der die Argumentproposition wahr (falsch) ist — sei diese nun ihrerseits als präsentisch (vgl. oben) oder als infinit wie in (24a) aufgefaßt, wie hier des weiteren angenommen wird. (23) Peter turned the stove off. (24) a. PRÄT (Peter turn the stove off) b. Peter turn the stove off Symbolisch ausgedrückt (’p’ steht für einen beliebigen tempuslosen Satzinhalt, z. B. (24b); ‘<’ bezeichnet die Relation ‘vor’; ‘ǁ...ǁ(t) = 1(0)’ ist zu lesen als: ‘... ist wahr (falsch) an
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t bewertet’): (25) ǁPRÄT(p)ǁ(to) = 1 (0) genau dann, wenn ǁpǁ(t) = 1 für irgendein (kein) t < to Eine solche Interpretation widerspricht jedoch ganz eindeutig jeder natürlichen intuitiven D eutung: Wer (23) hört oder liest, wird annehmen, daß von einer bestimmten, der Sprechzeit (to) vorausliegenden Zeit ti die Rede ist, an der (24b) wahr sein muß, um (23) als Äußerung zu to wahr zu machen. (23) ist eben nur dann eine angemessene Äußerung, wenn der Sprech- oder Situationskontext eine solche definite ‘vergangene’ Zeit liefert. D ies wird besonders deutlich in negierten Sätzen wie (26): Nach der indefiniten Tempusdeutung würde man mit (26) behaupten, daß Peter bis zur Sprechzeit nie den Ofen zugeschraubt hätte, was dem tatsächlichen Sprachgebrauch völlig zuwiderläuft. D ieser Einwand gegen eine indefinite Interpretation scheint von linguistischer Seite zuerst von Partee (1973a) ausgesprochen worden zu sein. (26) Peter didn’t turn the stove off. D ie indefinite Tempusdeutung kann auch dem Zusammenspiel von Tempora und Temporaladverbialen wie in (27) nicht gerecht werden. (27) Präsident Sadat wurde am 5. Oktober 1981 ermordet. (28) a. am 5. Oktober 1981 (PRÄT (Präsident Sadat ermordet werden)) b. PRÄT (am 5. Oktober 1981 (Präsident Sadat ermordet werden)) Nehmen wir an, daß der PRÄT-Operator indefinit (wie oben) und Temporadverbiale dieser Art nach dem Muster in (29) interpretiert werden (A: Temporaladverbialbedeutung): (29) ǁA(p)ǁ(t) = 1 gdw. ǁpǁ(tA) = 1, wo tA die vom Adverbial A bezeichnete Zeit ist. D ann soll (27) unter der Analyse (28a), wo das Tempus im Skopus des Adverbials steht, genau dann wahr sein, wenn Sadat irgendwann vor dem 5. Oktober 1981 ermordet wurde. Und unter der Analyse (28b), wo das Adverbial im Skopus des Tempus steht, wird dieses völlig redundant, es sagt dann nichts aus über die Position des betreffenden Tages im Verhältnis zur Sprechzeit. Beide Alternativen sind natürlich gleich unangemessen; s. für eine ausführlichere D arlegung Bäuerle (1979b: 3 ff.).
IX. Verbalsemantik
736
4.4 Thesen und Themen der heutigen linguistischen Tempussemantik D ie heutige linguistische Tempussemantik ist im großen und ganzen durch Bemühungen gekennzeichnet, ein möglichst hohes Maß an theoretischer Explizitheit und begrifflicher Präzision, wie sie in der Zeitlogik vorzufinden sind, mit empirischen Einsichten, wie sie z. T. in der älteren Tempusliteratur verborgen liegen, zu verbinden. In theoretischer Hinsicht decken die verschiedenen Ansätze ein breites Spektrum: mehr oder weniger stark formalisierte logische oder modelltheoretische Semantik (bzw. Kontexttheorie) — cf. z. B. Arbeiten von D owty (1979), Bäuerle (1979b), Guenthner (1979), Åquist (1965), Rohrer (1977a, 1977b), Ballweg (1988), Fabricius-Hansen (1986) —, sog. Diskursrepräsentationssemantik — vgl. Kamp & Rohrer (1983), Hinrichs (1986), Partee (1984b) — und Situationssemantik — cf. Cooper (1986) — sind vertreten neben etwas mehr idiosynkratischen Formalisierungen und weniger anspruchsvollen, stärker pragmatisch orientierten D arstellungen wie Smith (1980). Eine reiche Auswahl verschiedener Beschreibungssysteme bieten die Tempus- (und Aspekt-)Anthologien Rohrer (1977, 1978, 1980), Tedeschi & Zaenen (1981), Linguistics & Philosophy 5 (1982), Cascio & Vet (1986), D owty (1986) und die Monographien D owty (1972), Vet (1980), Bäuerle (1979b), Steube (1980), Nerbonne (1985), Fabricius-Hansen (1986), Ballweg (1988). Wegen der theoretischen Vielfalt und der z. T. sehr starken Komplexität und Abstraktheit der D arstellungen kann hier keine zusammenhängende Übersicht gegeben werden. Es sollen nur noch verhältnismäßig knapp und informell die wichtigsten Errungenschaften, Themen und Kontroversen der heutigen Tempussemantik vorgestellt werden. Eine Konkretisierung einiger Punkte folgt im nächsten Abschnitt. 4.4.1 Zeitintervalle Im Unterschied zur ‘klassischen’ Zeitlogik wird mit Zeitintervallen statt Zeitpunkten gearbeitet (s. für die Anfänge der Intervallsemantik Cresswell 1977b, für D etails van Benthem 1983a). D as heißt, die Ereigniszeiten atomarer Propositionen und das, was jeweils der Reichenbachschen Referenzzeit entspricht, werden grundsätzlich nicht als Zeitpunkte, sondern als Intervalle dargestellt (wobei Punkte sich als abgeschlossene Intervalle
mit identischem Anfangs- und Endpunkt rekonstruieren lassen). Erst dadurch scheint auch eine angemessene Explikation des Aktionsartenbegriffs ermöglicht worden zu sein; (s. Fabricius-Hansen 1986: Kap. IV). D ies besagt, daß Tempora im Prinzip Relationen zwischen Zeitintervallen — wenn nicht gar Mengen von Zeitintervallen, s. Tichŷ (1980), Fabricius-Hansen (1986) — spezifizieren (oder bezeichnen, wie bei Tichŷ). D ie Sprechzeit selber wird teils als Punkt, teils aber auch als ‘eigentliches’ Intervall (s. vor allem Kratzer 1978) aufgefaßt. 4.4.2 Definite Tempusdeutung D ie indefinite Tempusanalyse der Zeitlogik ist zugunsten einer in irgendeiner Weise definiten Deutung aufgegeben worden. Partee (1973a) schlug im Rahmen der generativen Transformationsgrammatik vor, Tempora — oder zumindest Präsens und Präteritum — als eine Art Zeitpronomina (vom Typ „jetzt“, „damals“) darzustellen, die wie die Personalpronomina ihre jeweils wechselnde Referenz vom Kontext zugewiesen bekommen. D as Präsens, das als ‘Gegenwartstempus’ seine Referenz direkt von der Äußerungssituation (bzw. -zeit) beziehe, sei dann deiktisch im gleichem Sinne wie das Personalpronomen der 1. Person, das Prät. hingegen anaphorisch, weil es immer auf eine von der Äußerungszeit verschiedene (ihr vorausliegende) Zeit verweise, die durch den weiteren — meistens sprachlichen — Kontext bereitgestellt wird, ähnlich wie die Referenzzuweisung für anaphorische Pronomina der 3. Person (er, sie etc.) erfolgt. D iesem Verfahren entspricht etwa im Rahmen einer Montague-Grammatik, daß Tempora semantisch als freie Zeitvariable dargestellt werden, deren Bereich relativ zur jeweiligen Sprechzeit eingeschränkt werden kann (im Fall des Prät. auf Zeiten, die der Sprechzeit vorausliegen); vgl. Sæbø (1978). — D ie D ichotomie ‘deiktische und anaphorische Tempora’ kehrt in mehreren neueren Arbeiten wieder, wenn auch anscheinend nicht immer mit dem gleichen Inhalt; vgl. Cascio (1986), Houweling (1986), Hinrichs (1986) und kritisch zu dem Begriffspaar Grewendorf (1982b). In der modelltheoretischen Semantik wurde eine definite Tempusdeutung sonst meistens durch Doppel- oder Mehrfachindizierung (multidimensionale Modelle) erreicht, d. h. durch Vermehrung der kontextuell belegten Zeitindizes, mit Bezug auf die tempushaltige Propositionen bewertet werden; s.
35. Tempus
dazu etwa Guenthner (1979), D owty (1982). Grob gesagt werden Wahrheitsbedingungen dann nicht nach dem Muster von (25) bzw. (30), sondern in Anlehnung an Reichenbach nach dem Muster von (31) formuliert (T = beliebiger Tempusoperator): (30) „T(p)“ ist wahr zur Sprechzeit to genau dann, wenn es irgendeine Zeit t gibt, die in der Relation X zu to steht und eine Ereigniszeit von p ist. (31) „T(p)“ ist wahr zur Sprechzeit to mit Bezug auf eine bestimmte andere Zeit tr (‘Referenzzeit’), d. h. ǁT(p)ǁ(to)(tr) = 1, genau dann, wenn (a) zwischen Sprech- und Referenzzeit die Relation X besteht und (b) zwischen Referenzzeit und einer/ der Ereigniszeit von p die Relation Y besteht. Bedingung (a) in (31), die für PRÄT „Referenzzeit vor Sprechzeit“ festlegt, ist wohl am besten als Präsupposition o.dgl. (s. Artikel 13) darzustellen, d. h. als notwendige Bedingung dafür, daß „PRÄT(p)“ im gegebenen Kontext überhaupt eine Proposition ausdrückt bzw. einen bestimmten Wahrheitswert haben kann. Einen Satz wie (27) (Präsident Sadat wurde am 5. Oktober 1981 ermordet.), geäußert etwa im Jahre 1978, wird man intuitiv nicht als falsch, sondern als sinnlos, unangemessen einstufen. D ie Bedingung (a) kann eventuell fehlen. Beispielsweise erlaubt das Präsens des D t. in der Analyse Ballwegs (1984, 1988) jede beliebige Relation zwischen Sprech- und Referenzzeit (dort Betrachtzeit genannt, s. unten); vgl. auch Fabricius-Hansen (1986: 74 f.). Andere — z. B. Kratzer 1978, Bäuerle 1979b — fassen das Präsens als Gegenwarts- oder zumindest Nicht-Vergangenheitstempus auf, müssen aber dann zur Erklärung des ‘historischen’ Präsens annehmen, daß eine von der faktischen Sprechzeit verschiedene, vergangene Zeit als Äußerungszeit „zählt“, d. h. daß eine andere, kontextuell bestimmte Zeit auch bei der Bewertung finiter Tempora den Platz von to in (31) einnehmen kann. Wie Bedingung (b), der ‘Assertionsteil’ in (31), im einzelnen formuliert wird, ist durch die Auslegung des Referenzzeitbegriffs bedingt. Handelt es sich um eine ‘echte’ Reichenbachsche Referenzzeit wie etwa bei Nerbonne (1985) und in vielen anderen Arbeiten, so ist tatsächlich im Prinzip für jedes Tempus eine eigene Relation zwischen Referenz- und Ereigniszeit — eine spezifische Relation Y —
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anzusetzen (s. 4.2.2). D abei müssen allerdings Präzisierungen gegenüber Reichenbach vorgenommen werden, da neben „Zusammenfall von E und R“, „E vor R“ und „E nach R“ (verstanden als „ganz vor bzw. nach“) Überlappungen verschiedener Art in Frage kommen können (desgleichen für die Relationen zwischen S und R); vgl. Abb. 35.6. So können E und R in (32) wie in (27) nicht vollständig zusammenfallen, falls das Zeitadverbial, wie Reichenbach annimmt, die Referenzzeit spezifiziert; vielmehr muß die Ereigniszeit ein echtes Teilintervall der betreffenden Referenzzeit darstellen. D as heißt, die sog. Referenzzeit bildet hier einen zeitlichen Bezugsrahmen, innerhalb dessen eine Ereigniszeit (unbestimmt) lokalisiert ist.
Abb. 35.6: Relationen zwischen Ereignis- und Referenzzeitintervall
In (33) hingegen dient die nach Reichenbach gleichfalls adverbial festgelegte Referenzzeit nicht als zeitlicher Rahmen, sondern spezifiziert eher die rechte Grenze eines solchen Rahmens, insofern das infragestehende Ereignis hier vor (dem Ende von) ‘yesterday’ lokalisiert sein muß. (32) John left yesterday. (33) John had left yesterday. Nach Bäuerle (1979b: 43 ff.) ist nun das, was man als zweiten Zeitparameter braucht, eine Referenzzeit im ersten Sinne, d. h. ein zeitlicher Rahmen; sie wird bei ihm Betrachtzeit genannt. Eine Referenzzeit des zweiten Typs habe man nur noch für die Interpretation von Perfekttempora, wie in (33), nötig; eine solche Zeit, „von der aus gezählt wird“ und von der die Sprechzeit einen Sonderfall bilde, nennt Bäuerle Evaluationszeit. D aß eine Bäuerlesche Betrachtzeit den Platz von tr in (31) einnimmt,
738
hat zur Folge, daß die Relation Y im (b)-Teil nicht mehr nach dem Tempus variiert: tr muß vielmehr unweigerlich eine Ereigniszeit, ein Wahrheitsintervall der tempuslosen Proposition als (eventuell unechtes) Teilintervall umfassen; dazu etwas ausführlicher FabriciusHansen (1986: 334 ff.). Und das heißt wiederum, daß Tempora dann ausschließlich die Relation zwischen Sprechzeit (bzw. Evaluationszeit) und Betrachtzeit spezifizieren; die Ereigniszeit (dort Aktzeit genannt) selber ist unbestimmt, indefinit innerhalb des Bezugsrahmens. Auch Ballweg (1988) bewertet tempushaltige Sätze relativ zu einer Bäuerleschen Betrachtzeit und einer Sprech- bzw. Orientierungszeit (d. h. Evaluationszeit im obigen Sinne). Nerbonne (1985) arbeitet — seiner Terminologie zum Trotz — mit einem ähnlichen Modell, da seine „event time“ als die Zeit definiert wird, „at (subintervals of) which temporally atomic sentences must hold“ und somit keine Ereigniszeit im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Bäuerlesche Betrachtzeit ist (vgl. Nerbonne 1985: 64); seine „reference time“ entspricht anscheinend teils Ballwegs Orientierungszeit, teils einer zweiten, größeren Betrachtzeit. Auch die ‘location’ und ‘reference time’ bei Bertinetto (1986), Rohrer (1986) u. a. sind jeweils als zeitlicher Bezugsrahmen und Orientierungszeit im erwähnten Sinne zu verstehen; vgl. dazu auch FabriciusHansen (1986: 51 ff.). In den auf der D iskursrepräsentationssemantik basierenden Tempusarbeiten (s. oben) wird hingegen ein Referenzzeitbegriff verwendet, der sich eher mit dem Reichenbachschen deckt, insofern als die Referenzzeit hier nicht unbedingt den Rahmen einer Ereigniszeit abgibt und die Beziehung zwischen Ereignisund Referenzzeit — Y in (31b) — deshalb u. a. nach dem Tempus variiert. Interessant sind in diesen Arbeiten nicht zuletzt die Überlegungen zum Einfluß der Aktionsart oder des Aspekts (z. B. passé simple vs. imparfait) auf diese Relation (s. unten). In den situationssemantischen Tempusanalysen entsprechen ‘utterance location’ (1d) und die durch ‘speaker’s connection’ gegebene ‘location’ (1c) der Sprechzeit (to) bzw. der Referenzzeit (tr) in (31), nur daß ‘locations’ nicht einfach Zeitintervalle, sondern zweidimensionale raum-zeitliche Entitäten (Regionen) sind; dabei ist lc bei Cooper (1986) eher einer Reichenbachschen Referenzzeit als einer Bäuerleschen Betrachtzeit ähnlich, da die ‘location’ der beschriebenen Situation (d. h. im Prinzip die Ereigniszeit) lc umgeben kann.
IX. Verbalsemantik
Als Ergebnis halten wir fest, daß das, was Referenzzeit genannt wird, teils als ein zeitlicher Bezugsrahmen (eine Bäuerlesche Betrachtzeit) aufgefaßt worden ist, der eine Ereigniszeit, ein Wahrheitsintervall der tempuslosen Proposition als Teilintervall umfaßt, teils aber auch als eine Orientierungszeit, von der aus die Lokalisierung der Ereigniszeit in anderer Weise ‘berechnet’ wird. Anscheinend braucht man für eine adäquate Beschreibung von Tempora in komplexen Sätzen und in Texten letzten Endes beide Referenzzeittypen, wenn nicht gar mehr; s. Bertinetto 1986, Rohrer 1986. D ie Referenzzeit wird — so oder so verstanden — als ‘bestimmt’, kontextuell vorgegeben aufgefaßt. Fraglich oder ungeklärt bleibt jedoch, ob und gegebenenfalls in welchem Sinne auch die Ereigniszeit D efinitheit beanspruchen kann (vgl. etwa Bäuerle 1979b und Nerbonne 1985). 4.4.3 Tempus und Zeitadverbiale D as oben (4.3) angedeutete D ilemma des Zusammenspiels von Tempora und Temporaladverbialen der zeitlichen Lokalisierung — (’Betrachtzeitadverbiale’, ‘frame adverbials’, im folgenden Referenzzeitadverbiale genannt), dem Wunderlich (1970) durch eine Art Kongruenzregel beizukommen versucht, stellt bei einer definiten Tempusdeutung kein so großes Problem mehr dar: Solche Adverbiale lassen sich jetzt semantisch als satzinterne ‘Lieferanten’ der Referenzzeit (im einen oder dem anderen Sinne) rekonstruieren, wie schon bei Reichenbach (1947) angelegt war. D as Adverbial am 5. Oktober 1981 im Satz Präsident Sadat wurde am 5. Oktober 1981 ermordet spezifiziert die Referenzzeit (Betrachtzeit), und da das Präteritum verlangt, daß diese der Sprechzeit wenigstens teilweise vorausliegt, ist eine notwendige Bedingung für die Wahrheit (eher: Sinnvollheit) des Satzes als Äußerung etwa im Jahre 1978 nicht erfüllt (vgl. oben). D ie Kombination des Präteritums mit einem Referenzzeitadverbial, das ein nicht ganz vor der Sprechzeit liegendes Intervall bezeichnet wie im Satz Heute wurde Präsident Sadat ermordet, läßt sich dabei in unterschiedlicher Weise erklären: Entweder die Referenzzeit ist ‘in Wirklichkeit’ kontextuell weiter eingeschränkt auf einen bestimmten, der Sprechzeit ganz vorausliegenden Teil des betreffenden Intervalls (vgl. Nerbonne 1985); oder aber das Präteritum selbst schränkt den adverbial gesetzten Bezugsrahmen auf den ‘vergangenen’ Teil desselben ein (vgl. Bäuerle 1979b, Ballweg 1988 und die D iskussion bei Fabricius-Han-
35. Tempus
sen 1986: 68 ff.). — Meistens wird angenommen, daß das Referenzzeitadverbial im Verhältnis zum Tempus den weiteren Skopus hat; mit einer geeigneten Semantik kann aber auch umgekehrt dem Tempus der weitere Skopus zugeschrieben werden (vgl. Fabricius-Hansen 1986, Ballweg 1988), oder die Skopusproblematik kann wegfallen wie in den D arstellungen der D iskursrepräsentationstheorie und der Situationssemantik. 4.4.4 Tempus in Texten Während die ‘klassische’ Zeitlogik sich auf die Beschreibung einfacher isolierter Sätze beschränkte, ist eine stattliche Reihe linguistischer Tempusarbeiten der Untersuchung von ‘tense in discourse’, Tempus in Texten, gewidmet; s. u. a. Smith (1980), Cascio & Vet (1986), D owty (1986). Es handelt sich dabei oft um Sequenzen einfacher Sätze, während Tempusgebrauch in komplexen Sätzen — s. vor allem Brecht (1974), Rohrer (1977b, 1985), Gabbay & Rohrer (1978), Smith (1978) — keineswegs so gründlich behandelt worden ist, wie man erwarten könnte — was z. T. auf Unzulänglichkeiten des Beschreibungsapparats beruhen dürfte. Arbeiten wie Kamp & Rohrer (1983), Cascio (1986), Cascio & Rohrer (1986) zeigen nämlich mit aller D eutlichkeit, daß ein Beschreibungsmodell mit zwei Zeitparametern à la Reichenbach oder Bäuerle den äußerst komplizierten Zeitstrukturen in (Texten mit) komplexen Sätzen nicht gerecht werden kann. Wichtig für die Beschreibung von Tempora in Texten sind die Begriffe temporal verbundener Diskurs (temporally connected discourse, Nerbonne 1985: 9, bzw. extended temporal structure, Smith 1980) — und Verankerung. Eine Folge von zwei oder mehr Sätzen bildet einen temporal verbundenen Text, wenn der zweite (bzw. jeder nicht-erste) Satz Elemente aus dem (bzw. einem) Vorgängersatz für seine temporale Interpretation verwertet. Beispiele sind (34a,b) — aus Nerbonne (1985) —, wo die Ereigniszeit des ersten Satzes als Referenzzeit des/der nachfolgenden dient. (34) a. Al went to New York. The others were there, too. b. Al went to New York. Bo had found him a room. He went directly to it. Smith (1980: 358 f.) bezeichnet den nachfolgenden Satz als zeitlich verankert (anchored) im betreffenden Vorgängersatz und teilt Sätze nach ihren Verankerungsmöglichkeiten, die nicht nur durch das Tempus, sondern auch
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durch das Vorkommen bestimmter Temporaladverbiale mitbedingt sind, in drei Typen ein. D ifferenziertere D arstellungen temporaler Verankerung (temporal-anaphorischer Ketten) in Texten und komplexen Sätzen finden sich z. B. bei Hinrichs (1986) und in Cascio & Vet (1986). Eine Folge von Sätzen, die nicht durch zeitliche Verankerung, d. h. temporal-anaphorischen Bezug, miteinander verknüpft sind, ist nach Nerbonne (1985) ein temporal freier Diskurs; s. (35) im Unterschied zu (34). (35) Al went to New York. The others were there once, too. Komplizierte zeitliche Zusammenhänge in Texten werden in den obengenannten Arbeiten von Cascio und Rohrer beschrieben. 4.4.5 Tempussemantik vs. -pragmatik In mehreren neueren Tempusbeschreibungen — z. B. Heringer (1983), Nerbonne (1985), Comrie (1985), Ballweg (1984, 1988), Grewendorf (1984a), Fabricius-Hansen (1986) — wird zwischen Tempussemantik und -pragmatik unterschieden; das heißt, Tempusgebrauch wird nicht ausschließlich semantisch (wahrheitsfunktional) beschrieben, sondern es werden in variierendem Ausmaß auch pragmatische Interpretationsprinzipien (Grice’sche Konversationsmaximen etc., s. Artikel 14) herangezogen, um Tempusverwendungen oder kontextuelle Tempusbedeutungen zu erklären, die sich nicht unmittelbar aus der semantischen Beschreibung des jeweiligen Tempus ableiten lassen. Beispielsweise betrachtet Ballweg (1984, 1988) das Präsens im D t. als semantisch ‘neutral’ in dem Sinne, daß es alle möglichen Relationen zwischen Sprechzeit und Betrachtzeit (und damit auch zwischen Sprech- und Ereigniszeit) erlaube. D as historische Präsens bildet dann semantisch keinen Sonderfall; andererseits müssen dann Grice’sche Konversationsmaximen eingesetzt werden, um den üblichen Gegenwartsbezug zu erklären in den Fällen, wo keine andere Betrachtzeit explizit festgelegt ist. Umgekehrt bietet Grewendorf (1984a) eine ‘enge’ semantische D efinition des Präsens (als Nicht-Vergangenheitstempus), um anschließend alle Abweichungen einschließlich des historischen Präsens pragmatisch wegzuerklären. Es kann vor dem Hintergrund nicht wundernehmen, daß Lenerz (1986) eine gewisse Willkür der Arbeitsteilung von Semantik und Pragmatik beanstandet, die eine Begriffsklärung nötig erscheinen lasse.
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5.
IX. Verbalsemantik
Konkretisierung: Tempora in verschiedenen Kontexttypen
Eine Grundannahme der modernen Tempussemantik ist, wie oben dargelegt, daß Tempora grundsätzlich definit gedeutet werden müssen und daß man deshalb neben Sprechund Ereigniszeit mindestens einen weiteren Zeitparameter — eine Referenzzeit im einen oder dem anderen Sinne — braucht. Zweck dieses Abschnitts ist es, diese These zu konkretisieren und zu problematisieren, indem für Tempora in verschiedenen Kontexttypen die Frage gestellt wird, inwiefern und in welchem Sinne tatsächlich eine Referenzzeit vorliegt und welchen Beitrag zur Gesamtbedeutung des Satzes das Tempus jeweils leistet. D abei soll der Begriff ‘Ereigniszeit’ im Sinne von Wahrheitsintervall (s. Abschnitt 1) verstanden werden; d. h. eine Ereigniszeit einer untemporalisierten Proposition p (in einer bestimmten ‘Welt’) ist ein Zeitintervall, an dem der beschriebene Zustand/Vorgang/ die Handlung/das Geschehen vorliegt/abläuft/ausgeführt wird/sich abspielt, ganz egal ob dieses Intervall als Wahrheitsintervall des Satzes (in der betreffenden Welt) abgeschlossen oder Teilintervall eines größeren Wahrheitsintervalls ist. Ob die zweite Möglichkeit überhaupt vorliegt, ist eine Frage der Aktionsart (des Aspekts): Bei imperfektiven bzw. atelischen Propositionen wie „Anna zu Hause sein“ bilden nacheinanderfolgende Teilintervalle eines Wahrheitsintervalls selber Wahrheitsintervalle der Proposition: Wenn es wahr ist, daß Anna an einem bestimmten Tag von zwölf bis achtzehn Uhr zu Hause ist, dann sind auch z. B. die Intervalle von zwölf bis vierzehn und von vierzehn bis achtzehn Uhr beide Wahrheitsintervalle der Proposition. Entsprechendes kommt bei perfektiven bzw. telischen (oder perfektiv bzw. telisch verstandenen) Propositionen wie „Präsident Sadat ermordet werden“ nicht in Frage, da ein Wahrheitsintervall hier den charakteristischen Abschlußmoment — den Augenblick des Sterbens — mit umfassen muß. Wenn gesagt wird, daß eine Ereigniszeit der (atelischen) Proposition „Anna zu Hause sein“ Teilintervall der adverbial vorgegebenen Betrachtzeit (der 5. Oktober 1981) sein muß, um (36) als Äußerung wahr zu machen, so schließt das mithin nicht aus, daß die Betrachtzeit innerhalb eines größeren zusammenhängenden Wahrheitsintervalls der Proposition liegt — was über die Betrachtzeit hinausgeht, ist jedoch nicht relevant, wird
eben nicht betrachtet; in einem Fall wie (27) ist dies ausgeschlossen, der Endmoment einer Ereigniszeit, d. h. eine abgeschlossenene Ereigniszeit muß hier innerhalb der vorgegebenen Betrachtzeit liegen (s. auch FabriciusHansen 1986: Kap. IV und V). (27) Präsident Sadat wurde am 5. Oktober 1981 ermordet. (36) Anna war am 5. Oktober 1981 zu Hause. 5.1 Tempora in einfachen Sätzen In Präsenssätzen ohne Referenzzeitadverbial, die isoliert verwendet werden oder für deren temporale D eutung der etwaige sprachliche Kontext nicht relevant ist, dient die Sprechzeit selber im Reichenbachschen Sinne als Referenzzeit, um die herum eine Ereigniszeit des tempuslosen Satzes lokalisiert sein muß (wenn man von der Möglichkeit sogenannten Zukunftbezugs absieht; s. dazu Fabricius-Hansen 1986: 80 ff.). Angebliche Bedeutungsvarianten des Präsens — ‘aktuelles’, ‘habituelles’, ‘atemporales’ Präsens etc. (vgl. Die Tür geht auf. — Friederike raucht zu viel. — Elefanten werden alt.) — haben nicht mit dem Tempus, sondern mit der Bedeutung des Restsatzes zu tun — mit typischen Eigenschaften von Ereigniszeiten der jeweiligen tempuslosen Proposition; vgl. Kratzer (1978), FabriciusHansen (1986: 77 ff.) und auch Jespersen (1924: 259). D er Bäuerlesche Betrachtzeitbegriff findet hier nicht so leicht Anwendung: es ist fraglich, in welchem Sinne hier von einer spezifischen kontextuell vorgegebenen (von der Sprechzeit verschiedenen) ‘betrachteten Zeit’, die eine Ereigniszeit als Teilintervall umfaßt, die Rede sein kann. Wenn in solchen Fällen ein zeitlicher Bezugsrahmen vorliegt, dann wohl eben die ‘Gegenwart’, verstanden als ein ‘passend’ großes sprechzeitinkludierendes Intervall (bzw. als die Menge aller sprechzeitinkludierender Intervalle, vgl. Fabricius-Hansen 1986: 81); aber dieser Rahmen ist nicht mit dem weiteren Kontext gegeben, sondern wird durch das Tempus selber gesetzt. Was das Präteritum betrifft — das ja die ganze D iskussion um die definite Tempusanalyse ausgelöst hat —, so gilt nach Quirk et al. (1985: 184): „It is not necessary, however, for the past tense to be accompanied by an overt indication of time. [...] Just as with the definite article [...], so with the verb phrase, an element of definite meaning may be recoverable from knowledge of (a) the immediate or local situation;
35. Tempus
(b) the larger situation of ‘general knowledge’; [...].“
D er Satz (26) war ein Beispiel für (a). Beispiele für (b) wären etwa die in (37): (26) Peter didn’t turn off the stove. (37) a. Byron died in Greece. b. This picture was painted by the owner’s grandfather. c. Goethe hatte mehrere Geliebte. „It is a matter of general knowledge that Byron is a historical personage (and therefore that he must have died at some time or another). The past time in [Byron died in Greece] presupposes such common ground between speaker and hearer: it is as if the speaker had said: ‘We all know that Byron died at some time or the other. Well, when he died, he died in Greece’.“ (Quirk et al. 1985: 184)
Es ist also in solchen Fällen im Grunde genommen keine extensional bestimmte Zeit — kein bestimmtes begrenztes Zeitintervall — in der Vergangenheit als Referenzzeit vorgegeben; man möchte vielleicht eher sagen, daß die ‘ganze’ Vergangenheit vom Tempus selber als zeitlicher Bezugsrahmen ‘gesetzt’ wird: D er Byron-Satz ist wahr als Äußerung genau dann, wenn die maximale ganz vor der Sprechzeit liegende Zeit die Ereigniszeit der Proposition „Byron in Griechenland sterben“ enthält, wobei allerdings vorausgesetzt wird, daß Byron vor der Sprechzeit gelebt hat und deshalb auch vor der Sprechzeit gestorben ist. Mit anderen Worten: Wenn ein bestimmter, begrenzter Teil der Vergangenheit als Referenzzeit zu verstehen ist, dann ist dieser Teil nicht extensional, sondern durch eine Art ‘definite description’ bestimmt — etwa als die (einzige) Zeit, die sich mit dem (Leben und) Tod von Byron, mit der Entstehung des betreffenden Gemäldes, mit dem (erwachsenen) Leben Goethes deckt. D ieser Gebrauch des Präteritums setzt mithin die Unikalität des im Restsatz beschriebenen Geschehens voraus: es muß sich um eine Proposition handeln, für die es (in der betreffenden ‘Welt’) genau éine abgeschlossene Ereigniszeit gibt. D eshalb wird ein Satz wie Mein Vater rasierte sich langsam ohne weiteren Kontext habituell, als Beschreibung einer permanenten Eigenschaft — der Rasiergewohnheiten — ‘meines’ Vaters verstanden, die natürlich einmalig ist, und nicht als Beschreibung einer einzelnen Rasierhandlung; denn dazu bräuchte es einer zeitlich näher bestimmten Referenzzeit. D ie zeitliche ‘D efinitheit’ des Präteritums erweist sich somit als zeitliche Spezifizität: Es muß, wenn nicht von der ganzen Vergangen-
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heit, so von einem spezifischen Teil der Vergangenheit die Rede sein, deren Identität allerdings extensional unbestimmt bleiben kann. Gerade darin liegt nun ein wesentlicher Unterschied zwischen einem ‘typischen’ Präteritum und einem ‘typischen’ oder ‘echten’ (Präsens-)Perfekt, wie er durch das Satzpaar (38a,b) veranschaulicht wird (das Präteritum und das Perfekt im D eutschen sind bekanntlich beide nicht mehr so typisch). (38) a. Did you beat your wife? b. Have you beaten your wife? In (38a) muß von einer bestimmten Gelegenheit in der Vergangenheit oder eventuell von einer ganzen (abgeschlossenen) Ehezeit die Rede sein. (38b) wird der Befragte hingegen bejahen müssen, wenn er bloß irgendwann mal vor der Sprechzeit seine Frau geschlagen hat (es sei denn, daß die Situation — das Aussehen seiner Frau z. B. — den relevanten Zeitrahmen nicht noch links einschränkt). D as (Präsens-)Perfekt scheint hier in der Tat die Funktion des ‘indefiniten’ PAST-Operators der Zeitlogik zu haben (4.3); und so reden denn auch z. B. Quirk et al. (1985: 193) von einer ‘indefinite past meaning’ des Perfekts. Von einer kontextuell vorgegebenen begrenzten Zeit in der Vergangenheit ist hier keine Rede. D as (Präsens-)Perfekt etabliert vielmehr selber von der Sprechzeit als Evaluations- oder Orientierungszeit aus einen zeitlichen Bezugsrahmen, der rechts mit der Sprechzeit endet und dessen Anfang möglichst weit zurückliegt; innerhalb dieses Rahmens muß dann mindestens eine Ereigniszeit der tempuslosen Proposition lokalisiert sein; vgl. auch das folgende, bei Latzel (1977: 215) angeführte Zitat aus Handkes „Selbstbezichtigung“: (39) Ich habe gegessen. Ich habe über den Hunger gegessen. Ich habe über den Durst getrunken. Ich habe mir Speise und Trank einverleibt. Ich habe die vier Elemente zu mir genommen. [...] In Fällen wie (40a-d) hilft der Kontext im weitesten Sinne, dem vom Perfekt etablierten Rahmen eine linke Grenze zu setzen, so daß es lediglich um das Vorhandensein einer einzigen Ereigniszeit innerhalb des Rahmens geht; dabei wird (zumindest als konversationelle Implikatur, s. Artikel 14) impliziert, daß etwaige Wirkungen des vergangenen Ereignisses zur Sprechzeit noch bestehen — das Merkmal des sog. Zustands- oder Resultativperfekts; vgl. Quirk et al. (1985) und auch Fabricius-Hansen (1986: 106 ff.).
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(40) a. Über Bismarck und seine Zeit haben sich viele Fehler und Vorurteile gebildet. b. Der Lebensindex ist gestiegen. c. Es hat aufgehört zu regnen. d. Ich habe das Chaos in Deutschland überwunden, die Ordnung wiederhergestellt, die Produktion auf allen Gebieten unserer nationalen Wirtschaft ungeheuer gehoben. [...] (Aus einer Rede Hitlers am 28. 4. 1939) D er Kontext liefert mithin beim (Präsens-) Perfekt wie beim Präsens keine eigene von der Sprechzeit verschiedene Referenzzeit, sondern höchstens eine linke Grenze des zeitlichen Bezugsrahmens, als dessen rechte Grenze das Perfekt selber die Sprechzeit ausweist. Wir sehen hier die Kompositionalität des (Präsens-)Perfekt: das finite Präsens ist für die Wahl der Sprechzeit als Orientierungszeit, das infinite Perfekt für die Etablierung eines mit der Orientierungszeit endenden Bezugsrahmens, d. h. für das Element der Vorzeitigkeit verantwortlich. Auch in generellen/generischen Perfektsätzen wie Ein Akademiker hat studiert. (s. 4.1) lassen sich die jeweiligen Beiträge des finiten und des infiniten Tempus unschwer identifizieren: D as Präsens legt fest, daß von einem sprechzeitinkludierenden, nicht näher begrenzten Zeitraum (der ‘Gegenwart’) die Rede ist; und mit dem (infiniten) Perfekt wird ausgedrückt, daß es für eine beliebige Person x, die zu einer beliebigen Zeit t innerhalb dieses Zeitraums Akademiker ist, ein mit t endendes Intervall gibt, das eine Ereigniszeit der Proposition „x studieren“ umfaßt; vgl. Comrie (1985: 41). Wenn gesagt wird, daß ein typisches Präteritumtempus definit (spezifisch), ein typisches (Präsens-)Perfekt hingegen indefinit (unspezifizisch) zu deuten ist, so muß allerdings hinzugefügt werden, daß der Unterschied in der Praxis nicht immer so scharf ist; dies bezeugt die wiederholte mehr oder weniger vollständige Vermischung beider Tempustypen, cf. Präteritum und Perfekt im D eutschen, passé simple und passé composé im Franz., Aorist und Perfekt im Griechischen (s. Schwyzer 1966: 263 f.). Als Fazit ergibt sich folgendes: D aß ein Satz ‘temporal frei’ verwendet wird, heißt, daß kein sprachlicher Kontext des Satzes eine eigene Referenzzeit — eine zweite Orientierungszeit oder einen spezifischen zeitlichen
IX. Verbalsemantik
Bezugsrahmen — hergibt, die für die temporale D eutung des Satzes relevant wäre. Eine spezifische Referenzzeit kann dann eventuell situationell oder durch allgemeines Hintergrundwissen als definit beschreibbares Intervall geliefert werden, wie es für Präteritumsätze der Fall zu sein scheint, oder sie muß sozusagen automatisch vorgegeben sein. Faßt man die Referenzzeit als eine Orientierungszeit auf, relativ zu der das Tempus dann eine Ereigniszeit (als vorausliegend, nachfolgend oder orientierungszeitinkludierend) lokalisiert, so muß im zweiten Falle die Sprechzeit selber als Referenzzeit aufgefaßt werden, d. h. auch den zweiten Zeitindex in (31) (Abschnitt 4.4.2) belegen. Wird die Referenzzeit hingegen als zeitlicher Bezugsrahmen (Bäuerlesche Betrachtzeit) verstanden, der eine Ereigniszeit als Teilintervall umfaßt, so ist mangels eines spezifischeren Bezugsrahmens die ganze Zeitlinie (bzw. die Menge aller Teilintervalle derselben) als kontextuell vorgegebener Bezugsrahmen anzusetzen, der dann durch das jeweilige Tempus eingeschränkt wird (auf ‘Gegenwart’, ‘Vergangenheit’ etc.); ansonsten verfällt man in Zirkularität, indem man als vorgegebenen Bezugsrahmen gerade das ansetzt, was das Tempus selber — intuitiv betrachtet — abhängig von der Sprechzeit als Bezugsrahmen ausweist. 5.2 Einfache Sätze mit Referenzzeitadverbial Einfache Sätze mit Referenzzeitadverbial erscheinen im Prinzip nur dann diskurseinleitend oder im temporal freien D iskurs, wenn es sich um ein absolutes oder sprechzeitrelativ (deiktisch) verwendbares Adverbial handelt (z. B. am 1. Oktober 1985, im Jahre 1767 vs. heute, jetzt, gestern, am Mittwoch). D as Adverbial spezifiziert dabei in Kombination mit dem Präsens, Präteritum oder Futur I normalerweise einen zeitlichen Bezugsrahmen (vgl. Abschnitt 4.4.2 oben); vgl. außer (27, 36) die folgenden Beispiele: (41) a. I came to town last Monday. b. Diese Woche ist nicht viel los. c. Pierre partira dans deux jours. D abei ist festzustellen, daß das Präsens im D eutschen (und vielen anderen Sprachen) im Unterschied zum Präteritum und Futur anscheinend keine besonderen Bedingungen stellt an die Relation zwischen der adverbial festgelegten Betrachtzeit und der Sprechzeit: jene darf diese überlappen wie in (41b) oder ihr nachfolgen (‘futurisches Präsens’) oder
35. Tempus
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vorausliegen (sog. ‘historisches Präsens’) wie in (42), je nachdem, ob der Satz vor oder nach dem betreffenden Monat geäußert wird. D ie Position der faktischen Sprechzeit ist m. a. W. irrelevant für die Bewertung des Präsens, wenn erst eine eigene Referenzzeit vorgegeben ist. (42) Im Juni dieses Jahres wird ein neues Theater eröffnet.
andererseits (46). (44) a. In einem Jahr haben wir alles erledigt. b. In einem Jahr werden wir alles erledigt haben.
Nur scheinen ‘historische’ Präsenssätze eine Fortsetzung zu verlangen, wenn ihnen kein relevanter sprachlicher Kontext vorausgeht: In völliger Isolation geäußert, müßte (42) futurisch verstanden werden, als ‘historischen’ Präsenssatz muß man sich ihn etwa als Teil (eventuell Einleitung) eines Berichts vorstellen (vgl. Fabricius-Hansen 1986: 84 ff.). D ies würde dann heißen, daß die Sprechzeit nur noch im temporal verbundenen D iskurs ihre Relevanz verliert; ansonsten wird beim Präsens vorausgesetzt, daß die vorgegebene Betrachtzeit der Sprechzeit nicht ganz vorausliegt. In temporal freien Sätzen mit Plusquamperfektum (Präteritum Perfekt) wie (43) spezifiziert das Referenzzeitadverbial keine Bäuerlesche Betrachtzeit, sondern die Orientierungszeit, vor der — gemäß der indefiniten Vorzeitigkeitsbedeutung des (infiniten) Perfekts (s. oben) — eine Ereigniszeit lokalisiert sein muß; und zwar muß die Orientierungszeit — gemäß der Bedeutung des finiten Präteritum — der Sprechzeit vorausliegen. (43) a. Roger had (already) graduated last week. b. Gestern morgen hatte ich alles erledigt.
(46) a. Jetzt hast du sämtliche Zeitungen gelesen. b. Jetzt wirst du sämtliche Zeitungen gelesen haben.
In temporal freien Sätzen mit (Präsens-)Perfekt schließlich kann ein Referenzzeitadverbial grundsätzlich entweder wie beim Plusquamperfekt die Orientierungszeit — den terminus ante quem der Ereigniszeit — oder wie beim Präteritum, Präsens und Futur die Betrachtzeit, den zeitlichen Rahmen um das Ereignis, spezifizieren. D ie erste Alternative, wo die adverbial bezeichnete Zeit die normale Rolle der Sprechzeit in Perfektsätzen ohne Adverbial (s. oben 5.1) übernimmt, liegt immer vor in Sätzen mit ‘zukunftbezogenem’ Adverbial, in welchem Fall das Perfekt mit dem Futur II äquivaliert, und oft auch in Sätzen mit ‘Gegenwartsadverbial’ wie jetzt, heute, in welchem Fall das Futur II sog. modale Beutung hat, weil die Ereigniszeit dann vor der Sprechzeit lokalisiert wird; vgl. einerseits (44, 45) (wenn vor 1990 geäußert) und
(45) a. Spätestens 1990 haben wir den Bau beendigt. b. Spätestens 1990 werden wir den Bau beendigt haben.
Die zweite Alternative, die auch mit ‘modaler’ Bedeutung des Futur II verbunden ist, liegt vor, wenn das Adverbial eine der Sprechzeit vorausgehende Zeit bezeichnet. Im Unterschied zum D t., Franz. und Italienischen (s. Bertinetto 1986: 72) scheint das Präsens-Perfekt im Englischen und den skandinavischen Sprachen dabei ein sprechzeitrelatives Adverbial zu verlangen oder zumindest nur unter bestimmten Bedingungen mit absoluten Adverbialen verträglich zu sein; auch ein ‘Gegenwartsadverbial’ kann im D t. die Betrachtzeit eher als die Orientierungszeit spezifizieren; vgl. (48, 49) und (45, 47), wenn nach 1990 bzw. 1981 geäußert. (47) a. Präsident Sadat ist am 5. Oktober 1981 ermordet worden. b. Präsident Sadat wird am 5. Oktober 1981 ermordet worden sein. (48) I’ve seen this movie a couple of years ago. (49) a. Anna hat diese Woche sehr fleißig gearbeitet. b. Anna wird diese Woche sehr fleißig gearbeitet haben. Ballweg (1988) führt im Rahmen einer kompositionellen Analyse der Perfekttempora die unterschiedliche semantische Funktion des Referenzzeitadverbials darauf zurück, daß das Adverbial im einen Fall (als ‘Orientierungsadverbial’) den infiniten Perfektoperator im Skopus habe, im anderen Fall (als ‘Betrachtzeitadverbial’) umgekehrt in dessen Skopus stehe; vgl. auch Fabricius-Hansen (1986: Kap. II.5.). Es sei noch erwähnt, daß ein Referenzzeitadverbial in einigen Sprachen — z. B. im D eutschen — in Präsens- und Präteritumsätzen mit bestimmten Typen durativen Adverbialen statt der Betrachtzeit eine Orientierungszeit abgeben kann, von der aus ‘zurückberechnet’ wird: in anderen Sprachen wird
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IX. Verbalsemantik
dafür das entsprechende Perfekttempus verwendet; s. (50a) vs. (50b) und (51a) vs. (51b). (50) a. Heute arbeite ich seit fünf Jahren in diesem Büro. b. I dag har jeg arbejdet i fem år på dette kontor. ‘Heute habe ich fünf Jahre lang in diesem Büro gearbeitet’
ferenzzeit überlappen (eventuell inkludieren) oder unmittelbar nachfolgen, je nach (u. a.) Aktionsart/Aspekt des Satzes: (52) Kollwitz wälzt sich mühselig von der einen Seite auf die andere. Sein rechtes Bein schmerzt entsetzlich. Mechanisch greift die Hand unters Kissen und holt Briefe hervor.
(51) a. Ich lernte Anna im Sommer 1970 kennen. ‘Zu der Zeit studierte sie seit drei Semestern Chemie’ b. (...) På den tid havde hun studeret kemi i tre semestre. ‘Zu der Zeit hatte sie drei Semester lang Chemie studiert’
Hier tritt hier der Unterschied zwischen engl. ‘simple past’ und ‘past progessive’ etc. wie zwischen franz. passé simple und imparfait besonders deutlich zu Tage: Progressive bzw. imparfait lokalisiert eindeutig die S2-Ereigniszeit als Referenzzeitinkludierend und kann selber keine neue Referenzzeit abgeben (für Einzelheiten s. Partee 1984b, Hinrichs 1986, Kamp & Rohrer 1983). (53) a. He awoke to the sound of her screeching. She was shaking him. b. Jameson entered the room. He shut the door carefully behind him.
5.3 Einfache Sätze im temporal verbundenen Diskurs ‘Temporal connectedness’ von zwei unmittelbar oder mittelbar nacheinanderfolgenden Sätzen äußert sich wie oben erwähnt darin, daß ein Temporalausdruck im zweiten Satz auf ein Element im ersten Satz irgendwie anaphorisch bezogen, in diesem ‘verankert’ ist. D a eine Verankerung grundsätzlich durch Tempora und kontextrelative (anaphorische) oder kontextrelativ verwendbare Temporaladverbiale zustande kommen kann, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, ob keiner der beiden Sätze, nur der erste, nur der zweite oder auch beide ein Referenzzeitadverbial enthält bzw. enthalten. Handelt es sich um zwei Sätze ohne Referenzzeitadverbial, so scheint zu gelten, daß der zweite Satz (S2) nur dann im ersten (S1) verankert sein kann, wenn S1 ein (abgeschlossenes) Ereignis (’accomplishment/achievement in der Terminologie von Vendler) beschreibt, d. h. perfektive(n) Aktionsart/ Aspekt aufweist. D ie Ereigniszeit von S1 gibt dann die Referenzzeit (Orientierungszeit) von S2 ab, relativ zu der die Lokalisierung der Ereigniszeit von S2 ‘berechnet’ wird; sie übernimmt somit bei der Bewertung von S2 die Rolle der Sprechzeit in ‘temporal freien’ Sätzen (s. 5.1). — Angemessen ist es vielleicht mit Hinrichs (1986), Partee (1984b) zu sagen, daß die Ereigniszeit von S1 eine neue, ihr selber unmittelbar nachfolgende Referenzzeit für S2 etabliert, d. h. daß sie ‘the current reference time’ im Text etwas nach vorne verschiebt. — Weist S2 Präteritum (bzw. ein anderes ‘definites’ Vorzeitigkeitstempus) oder (‘historisches’) Präsens auf, so muß eine Ereigniszeit von S2 die durch S1 errichtete Re-
(54) a. Pierre entra. Marie téléphonait. b. Pierre entra. Marie téléphona. Enthält S2 ein Plusquamperfekt bzw. (‘historisches’) Perfekt, so bildet die mit der Ereigniszeit von S1 gegebene Referenzzeit — entsprechend der Sprechzeit in ‘isolierten’ Perfektsätzen — die Zeit, vor der eine Ereigniszeit von S2 lokalisiert sein muß; ein ‘terminus post quem’ kann dabei von dem Kontext geliefert werden. (In Sprachen wie D eutsch und Französisch, wo das (Präsens-)Perfekt ziemlich uneingeschränkt auch ‘definit’ verwendbar ist, kann das Perfekt im temporal verbundenen D iskurs auch einem Präteritum entsprechen.) (55) Paul Tesman kündigte/kündigt. Er hatte/ hat sich einen Muskelschaden zugezogen. Wenn S1 ein Referenzzeitadverbial enthält, so braucht S2 (ohne Adverbial) nicht wie oben in der Ereigniszeit von S1 verankert zu sein, sondern er kann das adverbial spezifizierte Zeitintervall von S1 als Referenzzeit verwerten; und dies ist sogar die einzige Möglichkeit, wenn S1 kein abgeschlossenes Ereignis beschreibt. (56) bietet ein Beispiel dafür, wie beide Verankerungsprinzipien innerhalb eines Textes verwendet werden können: S2 ist in der Ereigniszeit von S1, S3 und S4 hingegen in dessen adverbial spezifizierter Referenzzeit (Betrachtzeit) verankert. (56) In der Nacht gerieten im Holiday Inn ein paar Zimmer in Brand (S1).
35. Tempus
Der Brand wurde jedoch gelöscht (S2). Die Rue Danas lag streckenweise unter Dauerbeschuß (S3). Die Front verlief anders als in der Nacht vorher (S4). Betrachten wir noch kurz den Fall, wo S2 (und eventuell auch S1) ein Referenzzeitadverbial enthält. Für das Adverbial in S2 kommen natürlich mit Bezug auf S2 selber grundsätzlich die gleichen Funktionen in Frage wie in temporal freien Sätzen mit Referenzzeitadverbial (s. 5.2). Interessant ist jedoch die zeitliche Beziehung zwischen S1 und S2, die durch das Zusammenspiel von Zeitadverbial und Tempus zustandekommt. Es zeigen sich nämlich hier besonders deutlich die beiden verschiedenen ‘Leistungen’ von Referenzzeitadverbialen in Kombination mit Perfekttempora (s. oben); vgl. das folgende Textpaar. (57) Winckelmann wurde/wird 1717 als Sohn eines Schuhflickers in Stendal geboren (S1). 1743 hatte/hat er es zum Konrektor in Seehausen gebracht (S2). (58) Im März 1930 war/ist es soweit (S1). Stresemann war/ist im Oktober 1929 gestorben (S2). In S2 von (57) ist die adverbial spezifizierte Referenzzeit (1743) eindeutig als Orientierungszeit zu verstehen, d. h. als rechte Grenze des mit dem Perfekttempus etablierten zeitlichen Bezugsrahmens, als dessen linke Grenze die Referenzzeit (Betrachtzeit) (1717) von S1 dient: Innerhalb dieser Zeitspanne muß die Ereigniszeit der untemporalisierten Proposition „Winckelmann es zum Konrektor in Seehausen bringen“ liegen, wobei pragmatische Überlegungen für eine Lokalisierung relativ nahe an der rechten Grenze sprechen. In (58) hingegen dient die adverbiale Referenzzeit (Oktober 1929) in S2 als endgültiger zeitlicher Bezugsrahmen (Betrachtzeit), der die Ereigniszeit der untemporalisierten Proposition „Stresemann sterben“ umfaßt, und die Referenzzeit (Betrachtzeit) von S1 (März 1930) liefert die Orientierungszeit von S2: das Perfekttempus in S2 signalisiert — oder wird dadurch ausgelöst —, daß die Betrachtzeit (Oktober 1929) und damit auch die Ereigniszeit von S2 der vorgegebenen Orientierungszeit (März 1930) vorangeht. D as Perfekttempus ist wie in den oben (5.2) besprochenen Fällen ‘definit’ in dem Sinne, daß der endgültige zeitliche Bezugsrahmen nicht erst durch das Perfekttempus in Abhängigkeit von
745
der Orientierungszeit etabliert wird, sondern adverbial vorgegeben ist. Temporal verbundener D iskurs ist, wie oben (5.2) angedeutet, das Gebiet des ‘historischen’ Präsens und auch das der sog. erlebten Rede. D as historische Präsens läßt sich am einfachsten dahingehend beschreiben, daß das Präsens in einfachen Sätzen keine Bedingungen stellt an die Relation zwischen Sprechzeit und Referenzzeit, wenn eine eigene Referenzzeit sprachlich vorgegeben ist; die Sprechzeit ist irrelevant für die Interpretation von Präsenssätzen, die ein eigenes Referenzzeitadverbial enthalten oder zeitlich im sprachlichen Kontext verankert sind. Und die Tatsache, daß das gleiche für das (Präsens-) Perfekt gilt — daß auch das Perfekt ‘historisch’ verwendet werden kann, s. oben —, während das Präteritum und Plusquamperfekt gleichermaßen eine der Sprechzeit vorausliegende Referenzzeit verlangen, spricht natürlich wieder für eine kompositionelle Analyse der Perfekttempora (s. Abschnitt 1). D er Trick der erlebten Rede (style indirecte libre) besteht im temporalen Bereich nun seinerseits vor allem darin, daß Tempora des Präteritumssystems, die eine vor der faktischen Sprechzeit liegende Referenzzeit voraussetzen, mit deiktischen Referenzzeitadverbialen verbunden werden, deren Extension eigentlich relativ zur Sprechzeit berechnet werden sollte; vgl. (59). (59) Hans lehnte sich zufrieden zurück. Morgen war Sonntag und in einem Augenblick lief sein Lieblingsfilm an (würde anlaufen). Um einen zeitlichen Zusammenhang herzustellen, muß dann dem ersten Satz eine Zeit entnommen werden, der die vom S2-Tempus verlangte Relation zur faktischen Sprechzeit aufweist und zugleich dem Adverbial im zweiten Satz als Evaluationszeit dienen kann; in Abhängigkeit von der Evaluationszeit spezifiziert das Adverbial dann die Referenzzeit des zweiten Satzes. In dieser Art und Weise wird eine Art sekundäres deiktisches Zentrum ‘in der Vergangenheit’ geschaffen, eine besondere ‘temporale Perspektive’ (cf. Kamp & Rohrer 1983, Rohrer 1986), die für die Bewertung sämtlicher Sätze der erlebten Rede die Rolle der Sprechzeit in ‘direkter Rede’ spielt. D er Bezug des Temporaladverbials muß sich also hier gewissermaßen dem des Tempus unterwerfen, während beim historischen Präsens das Gegenteil der Fall ist.
746
Es sei noch daran erinnert, daß in diesem Abschnitt im wesentlichen von Paaren nacheinanderfolgender Sätze die Rede gewesen ist. D ie zeitlichen Strukturen in Texten, die aus vielen Sätzen bestehen, können natürlich viel komplizierter werden, weil ein Satz nicht immer in seinem unmittelbaren Vorgängersatz zeitlich verankert ist. D eswegen kann der Text zeitlich mehrdimensional oder mehrsträngig werden in dem Sinne, daß er mehrere temporalanaphorische Ketten enthält und zwischen Elementen verschiedener Ketten keine Relationen spezifiziert sind (vgl. die D iskussion über die ‘Nachvergangenheit’ und ‘Vorzukunft’ im Abschnitt 4.2.1). Solche komplexen Strukturen bilden das Hauptanliegen von Cascio (1986), Adelaar & Cascio (1986). 5.4 Tempora in komplexen Sätzen D ieser Gegenstand ist zu kompliziert und noch zu unerforscht (für Literaturhinweise s. Abschnitt 4.4.4), um hier anders als andeutungsweise behandelt zu werden. D as Kernproblem läßt sich dabei wie folgt formulieren: Welche Rolle kann oder muß der eine Teilsatz eines aus Ober- und Untersatz (Haupt- und Neben-, Matrix- und Konstituentensatz etc.) bestehenden komplexen Satzes spielen für die temporale Interpretation des anderen Teilsatzes? Nach welchen Prinzipien wird das Tempus im jeweiligen Teilsatz gewählt? Wichtig ist es vor allem, ob (i) der Untersatz temporal im Obersatz verankert ist, ob (ii) der Nebensatz umgekehrt dem Obersatz eine Referenzzeit (Orientierungszeit) liefert oder ob (iii) die beiden Teilsätze temporal voneinander unabhängig sind. Es bestehen in dieser Hinsicht mehr oder weniger deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Nebensatztypen — Komplementsätzen, Relativsätzen, Temporalsätzen, Konditional- und Kausalsätzen etc. (s. vor allem Rohrer 1986). In eine Kategorie fallen sog. temporale Nebensätze, die im Verhältnis zum Obersatz die Funktion eines Temporaladverbials — eines Referenzzeitadverbials oder einer anderen Art Zeitadverbial — haben. Solche Sätze sind, wenn sie selber kein Referenzzeitadverbial enthalten, an sich zeitlich unbestimmt, spielen jedoch im Verhältnis zum jeweiligen Obersatz die Rolle einer relativen Zeitbestimmung; d. h. es liegt hier die oben angedeutete Alternative (ii) vor. In den folgenden Sätzen z. B. wird nichts darüber ausgesagt, wann der Führer jeweils frühstückt; es wird aber vorausgesetzt, daß er es innerhalb eines zeitlichen Rahmens, der u. a. durch das Tempus im Obersatz festgelegt wird, genau einmal bzw.
IX. Verbalsemantik
mehrmals tut, und relativ zu dieser unbestimmten Ereigniszeit des Nebensatzes wird dann eine Ereigniszeit des Obersatzes (evtl. mehrere) in die Relation der Überlappung oder unmittelbaren Nachfolge gesetzt (s. dazu Fabricius-Hansen/Sæbø 1983). „A temporal clause always has the same ‘Zeitstufe (pa, pr or fu) and the same temporal perspective as its main clause.“ (Rohrer 1986: 92) (60) a. Der Führer wird die Nachrichten bekommen, wenn er frühstückt. b. Der Führer bekommt die Nachrichten, wenn er frühstückt. c. Der Führer bekam gestern die Nachrichten, als er frühstückte. d. Der Führer bekam die Nachrichten, wenn er frühstückte. In Konditional- und Kausalgefügen hingegen muß der Nebensatz selber zeitlich definit sein im selben Sinne wie ein syntaktisch selbständiger Satz, d. h. relativ zur Sprechzeit und/ oder zu einer spezifischen, kontextuell gesetzten Referenzzeit bewertet werden. D ie beiden Teilsätze brauchen keinen gemeinsamen zeitlichen Bezugsrahmen, sie können je ihre eigene Referenzzeit haben, wie daraus ersichtlich wird, daß in solchen Satzgefügen grundsätzlich keine Restriktionen bezüglich der Tempuskombinationen bestehen; es kann also hier die dritte der oben erwähnten Alternativen vorliegen. Vgl. (61). (61) a. Wenn Hans nicht zu Hause ist, war er gestern auch nicht da. b. Weil der Wetterbericht so schlecht war, werden wir nicht wegfahren. c. Wenn der Führer gefrühstückt hat, bekommt er jetzt gleich die Nachrichten. Ähnlich wie Kausalsätze etc. sind auch Relativsätze temporal als selbständige Sätze zu betrachten: das Tempus eines Relativsatzes kann direkt auf die Sprechzeit bezogen (‘deiktisch’, ‘absolut’ verwendet) werden wie im temporal freien D iskurs oder es kann ‘anaphorisch’ im satzexternen sprachlichen Kontext verankert sein; handelt es sich dabei um einen syntaktisch übergeordneten Teilsatz innerhalb des gleichen Satzgefüges, liegt sog. relativer Gebrauch des Tempus vor. Vgl.: (62) a. Hier j’ai rencontré une jeune fille qui étudie la linguistique. ‘Gestern traf ich ein junges Mädchen, das Linguistik studiert.’ b. Hier j’ai rencontré une jeune fille qui étudiait la linguistique.
35. Tempus
‘Gestern traf ich ein junges Mädchen, das Linguistik studierte.’ Ein eigenes Kapitel bildet der Tempusgebrauch in Nebensätzen und Nebensatzgefügen, die von Äußerungsverben o. ä. abhängen, d. h. in sog. indirekter Rede. In der Regel nimmt bekanntlich das Tempus des untergeordneten Satzes die Ereigniszeit des übergeordneten ‘Äußerungssatzes’ als Referenzzeit (temporal perspective point bei Rohrer 1986). Sprachen variieren jedoch im Hinblick darauf, ob die Lokalisierung dieser sekundären Äußerungszeit im Verhältnis zur primären für die Tempuswahl relevant bleibt oder ob die sekundäre Sprechzeit die primäre sozusagen ‘ersetzt’. Im Russischen ist letzteres der Fall: es wird hier im indirekten Referat das gleiche Tempus verwendet wie im entsprechenden direkten, oder anders gesagt: der Tempusgebrauch der direkten Rede wird auf die indirekte übertragen (Brecht 1974): (63) a. Ne znali (Prät.) li vy, čto on v Evrope (Präs.)? Didn’t you know that he was in Europe? b. Ne znali (Prät.) li vy, čto on byl (Prät.) v Evrope? Didn’t you know that he had been in Europe? c. Ne znali (Prät.) li vy, čto on budet (Fut.) v Evrope? Didn’t you know that he would be in Europe? In anderen Sprachen — z. B. im Englischen und in den skandinavischen Sprachen — bleibt die primäre Sprechzeit relevant und wird die sekundäre Sprechzeit als zusätzliche eigene Referenzzeit (Orientierungszeit) mit berücksichtigt (wie in der ‘erlebten Rede’), so daß ein passendes Vorzeitigkeitstempus im indirekten Referat gewählt werden muß, wenn der Äußerungssatz selber ein Vorzeitigkeitstempus aufweist; es findet von der direkten Rede aus gesehen eine sog. Tempustransposition oder -verschiebung statt, wie in den englischen Übersetzungen oben. Im D eutschen kommen im Indikativ beide Prinzipien zur Verwendung, wie aus den Solfjeld (1983) entnommenen Beispielen (64) hervorgeht; auf den konjunktivischen Tempusgebrauch soll hier nicht eingegangen werden. (64) a. Und da dachte ich, daß sie ihn doch lieber hat als mich. b. Und ich dachte, daß mich da einer verpetzt hat. c. Man brauchte Brenda nicht erst zu erklären, daß etwas faul war.
747
d. Tonio erfuhr dort, daß Kids aus Washington hergekommen waren. Zu beachten ist jedoch, daß das Tempus des abhängigen Satzes nicht immer wie in den obigen Fällen in Abhängigkeit von der Ereigniszeit des übergeordneten Satzes (der sekundären Sprechzeit) oder der Relation zwischen sekundärer und primärer Sprechzeit gewählt wird, d. h. nicht unbedingt relativ oder in der Terminologie Brechts (1974) endophorisch verwendet wird. Es kann vielmehr unter Umständen auch absolut oder exophorisch gebraucht werden, d. h. in Abhängigkeit von der primären Sprechzeit und/oder einer dem weiteren Kontext zu entnehmenden Referenzzeit wie in einem syntaktisch selbständigen Satz. D ie russischen Sätze in (63) erlauben deshalb an sich auch die folgenden Übersetzungen, wo der Nebensatz temporal nicht vom Obersatz abhängt. (65) a. Didn’t you know that he is in Europe? b. Didn’t you know that he was in Europe? c. Didn’t you know that he will be in Europe? 5.5 Abschließendes Abschließend sei zum Thema Tempus im Text und Satzgefüge Rohrer (1986: 93f.) zitiert: „We have seen that for a sentence to be fully interpretable in a given discourse we have to find a reference point and a temporal perspective point. Usually these points are provided by the preceding sentence (or by the immediately dominating clause in the case of subordinated clauses). Sometimes however, one has to pick up a reference point which was introduced several sentences before. There exists a set of possible temporal referents (maybe ordered by a salience relation) among which a tense form in a given sentence may find its reference time. This is analogous to the way we find a suitable referent for an anaphoric pronoun. We can define some configurational conditions which restrict the set of reference markers from which a pronoun may choose its referent. However we cannot define exactly which referent among the set of possible referents the anaphoric pronoun must pick up.“
6.
Literatur (in Kurzform)
Adelaar/Cascio 1986 · Arens 1969 · Åqvist 1965 · Bach 1980 · Ballweg 1981b · Ballweg 1984 · Ballweg 1988 · Ballweg/Frosch 1981 · Bäuerle 1977a · Bäuerle 1977b · Bäuerle 1979b · Baumgärtner/ Wunderlich 1969 · Beauzée 1767 · Bennett/Partee
748
IX. Verbalsemantik
1978 · van Benthem 1983a · Bertinetto 1986 · Blatz 1896 · Brecht 1974 · Brons-Albert 1978 · Bull 1960 · Cascio 1986 · Cascio/Rohrer 1986 · Cascio/ Vet (ed.) 1986 · Comrie 1985 · Cooper 1986 · Cresswell 1977b · Curme 1922 · D ahl 1985 · D owty 1972 · D owty 1979 · D owty 1982 · D owty (ed.) 1986 · Fabricius-Hansen 1986 · Fabricius-Hansen/ Sæbø 1983 · François 1984 · Gabbay/Rohrer 1978 · Grewendorf 1982a · Grewendorf 1982b · Grewendorf 1984a · Guenthner 1979 · Heger 1963 · Heringer 1983 · Hinrichs 1986 · Houweling 1986 · Jespersen 1924 · Kamp 1981 · Kamp/Rohrer 1983 · Kasher/Manor 1980 · Koenig 1980 · Kratzer 1978 · Lenerz 1986 · Lyons 1977 · McCoard 1978 · Mi-
chael 1970 · Nerbonne 1985 · Nerbonne 1986 · Partee 1973a · Partee 1984b · Prior 1967 · Quirk et al. 1985 · Rauh 1983 · Reichenbach 1947 · Rescher/ Urquhart 1971 · Rivière 1980 · Rohrer 1977a · Rohrer 1977b · Rohrer (ed.) 1977 · Rohrer (ed.) 1978 · Rohrer (ed.) 1980 · Rohrer 1986 · Sæbø 1978 · Schwyzer 1966 · Smith 1978 · Smith 1980 · Solfjeld 1983 · Steube 1980 · Steube 1983 · Taylor 1977 · Tedeschi/Zaenen (eds.) 1981 · Tichŷ 1980 · Vater 1975 · Vater 1983 · Vet 1980 · Vlach 1981 · Weinrich 1971 · Wunderlich 1970
Cathrine Fabricius-Hansen, Oslo (Norwegen)
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Adverbials as Predicate Modifiers Adverbials in Possible World Semantics Prepositional Modifiers Degree Adverbs Causal Adverbs Spatio-Temporal Manifestations Short Bibliography
Adverbials as Predicate Modifiers
Adverbial modification, difficult enough for syntactic theories, poses problems of extreme difficulty for semantics. One problem is that of classification. What kinds of adverbs and adverbial phrases are there? How can you tell whether a phrase is an adverbial one or not? Perhaps this problem can be postponed if we choose the study only examples which are uncontroversially cases of adverbial modification. But the treatment of even these cases is obscure. This article will concentrate on this latter problem. It will take certain central cases of adverbial modification and examine the difficulties in providing a semantics for them. The solution of these difficulties will, it is to be hoped, give insight into the nature of the entities required in formal semantical theories. Consider the sentence (1) Cecily winks roguishly (Take ‘winks’ here to be the episodic ‘football commentator’ present. Other tenses are discussed elsewhere in this handbook.) How are we to represent (1) in a λ-categorial language? If we follow Thomason & Stalnaker (1973) the answer is not too diffi-
cult. The idea is that in (1) the phrase winks roguishly is a (complex) predicate in the same syntactic category as winks. This means that in the underlying λ-categorial language it would be in E(s/n). So it would seem that the function of roguishly is to convert the oneplace predicate winks into the one-place predicate winks roguishly. For this reason adverbs like roguishly have been called predicate modifiers and the first task of this section will be to examine the predicate-modifier view of adverbial phrases. The λ-categorial sentence underlying (1) would be (2) 〈Cecily, 〈winks, roguishly〉〉 If we were to adhere strictly to the rule that a functor precedes its arguments (2) would have to be written as (3) 〈〈roguishly, winks〉, Cecily〉 It was explained in article 8 why (3) may be regarded as equivalent to (2). In (2) Cecily is in category n, winks is in category (s/n) and roguishly is in category ((s/n)/(s/n)). This last reflects the fact that it is a one-place predicate modifier. Not all adverbs are one-place predicate modifiers. Some are sentential modifers. For instance (4) Probably Jack dances should be analysed as (5) 〈Probably, 〈Jack, dances〉〉 Sentential operators include modal adverbs like probably and possibly and also the ‘logical’ words like not and and (this last being a two-place functor and not usually thought of as an adverb). Such words are discussed else-
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages
749
where in the handbook, and all that is necessary here is to shew how the use of λabstraction can be used to convert every sentential modifier, i. e. any expression in category (s/s), into a predicate modifier, i. e. an expression in category ((s/n)/(s/n)). In fact in article 8 it was shewn how to use not and smiles to make a predicate which represents ‘does not smile’. It is (6) 〈λ, x, 〈not, 〈smiles, x〉〉〉
reflect the corresponding English sentences. And the reason is not hard to see. In (11) it is Earnest who is willing (Gwendolen may be very reluctant indeed), while in (12) it is Gwendolen who is willing. If willingly is in category ((s/n)/(s/n)) there is no problem. The normal meaning of the English sentence (11) is trying to represent would be captured by (13) 〈Earnest, 〈〈λ, x, 〈x, follows, Gwendolen〉〉, willingly〉〉
By the principles of λ-conversion (see article 8) (6) is equivalent to (7) 〈〈λ, y, 〈λ, x, 〈not, 〈y, x〉〉〉〉, smiles〉 provided y is a variable in X(s/n), i. e. a variable for one-place predicates. In (7) the expression (8) 〈λ, y, 〈λ, x, 〈not, 〈y, x〉〉〉〉 is in category ((s/n)/(s/n)) provided x ∈ Xn and y ∈ X(s/n). A two-place predicate modifier will be of category ((s/nn)/(s/nn)) and in general a kplace predicate modifier would be of category
In (13) the formation rules for λ-categorial languages ensure that (14) 〈λ, x, 〈x, follows, Gwendolen〉〉 is in E(s/n). (The functor follows is here put between its arguments, it could have been put in front of them.) (14) can then be modified by willingly so get a more complex (s/n) which will form a sentence when combined with Earnest. (12) can be represented by (15) 〈Gwendolen, 〈〈λ, x, 〈x, precedes, Earnest〉〉, willingly〉〉
Call an expression a uniform predicate modifier (or perhaps just a predicate modifier) if it is a k-place predicate modifier for some k. Where k = 0 we have sentential modifiers, which thus emerge as a special case of uniform predicate modifiers. Where α is a k-place predicate modifier and k < j, then λ-abstraction can be used as above to produce a j-place predicate modifier. However for j < k the result is not always possible. This can be seen by exhibiting a oneplace predicate modifier which cannot be treated as a sentential modifier. For this purpose suppose that precedes and follows are in F(s/nn) and Gwendolen and Earnest are names. Also suppose that (9) is synonymous with (10): (9) 〈Gwendolen, precedes, Earnest〉 (10) 〈Earnest, follows, Gwendolen〉 Now consider the adverb willingly. If willingly were in category (s/s) then (11) would be synonymous with (12): (11) 〈〈Earnest, follows, Gwendolen〉, willingly〉 (12) 〈〈Gwendolen, precedes, Earnest〉, willingly〉 Obviously (11) and (12) do not adequately
In (15) willingly modifies the predicate (16) 〈λ, x, 〈x, precedes, Earnest〉〉 Obviously (14) and (16) have quite different meanings, for they represent, respectively, the predicates follows Gwendolen and precedes Earnest. And this is quite compatible with the assumed synonymy of (9) and (10). In theory there can be adverbial expressions for any k such that they are k-place modifiers but cannot be used to form j-place modifiers for any j < k. Whether there are such expressions in natural language is a more controversial question. In the discussion of (9)—(16) some intuitive informal semantics has been assumed, but the real task of this section is to shew how a formal semantic theory of adverbial modification can be based on the idea that adverbial phrases are predicate modifiers.
2.
Adverbials in Possible World Semantics
The semantic importance of adverbs lies in this. When we try to represent many other parts of speech in a categorial language, we end up with semantic categories of the kind which occur in ordinary first-order predicate logic. Names are individual constants (or variables), verbs, common nouns and predicative adjectives all seem to be predicates, and noun phrases can be represented by various quan-
IX. Verbalsemantik
750
tificational paraphrases, among them those given by Russell’s theory of descriptions. But sentential or predicate modifiers, if added to first-order logic, cause some embarrassment. Take sentential modifiers first. In fact there are sentential modifiers in predicate logic — they are the truth functors. These will usually include a one-place functor which represents not and a selection of the two-place functors which represent and, or or if-then. The reason that they are called truth functors in this: In the predicate calculus the only value that a sentence needs to be assigned is a truth value; it will be either true or false. Formulae with free variables will of course only get a truth value relative to some assignment (of members of the domain of discourse) to those variables, but the value they get will only be a truth value. In this language the (truth) value of a complex sentence depends only on the truth values of the simpler sentences out of which it is made. Take now the case of one-place sentential truth-functors. Each of these will be semantically equivalent to one of the following four: (i) T T F T
(ii) T T F F
(iii) T F F T
(iv) T F F F
In the left column of each table is listed the (two) values the unmodified sentence can have, and on the right the value of the modified sentence. (Usually there is a simple symbol only for (iii), that is the functor which represents not. (i), (ii) and (iv) are expressed with the aid of two-place functors.) It should now be immediately clear that not all sentential modifiers can be represented in this way. Take probably in (5). Some things which are probable turn out to be false, others turn out to be true. So there is no way of predicting the truth value of (5) just from the truth value of (17) 〈Jack, dances〉 In fact it is obvious surely that the meaning of probably cannot be identified with any of (i)—(iv). At this point the most reasonable course would seem to be to give up the view that the meaning of a sentence is just a truth value. Indeed the semantics for categorial languages described in article 8 assumed that meanings were not truth values but rather truth conditions, i. e. sets of worlds, or rather sets of word-time pairs. In such a semantics 〈probably, α〉 presumably means that, in terms of what is known or reasonable to believe at t in w, α is true in
a pretty high proportion of the reasonable alternative worlds to w. At least on this semantics it is no longer obvious that an adequate semantics for probably as a sentential functor cannot be given. The same point can be made about oneplace predicate modifiers. In first-order predicate logic the semantic value of a predicate is just a set of objects from the domain of discourse. So consider a language in which winks and dances are both one-place predicates. Suppose further that, as a matter of fact, the set of those who wink and those who dance is the same. So that the semantic value of winks and dances are the same. Now suppose that roguishly is a one-place predicate modifier. This means that (18) and (19) are both one-place predicates. (18) 〈winks, roguishly〉 (19) 〈dances, roguishly〉 So the meaning of roguishly will be a function which operates on sets of individuals to give other sets of individuals. Now we have supposed that winks and dances have the same semantic value, and so the meaning of roguishly operates on the same thing in both (18) and (19); and this means that (18) and (19) have the same meaning — in other words, that those who dance roguishly are the same as those who wink roguishly. But this last need not follow. Suppose that everyone dances and everyone winks, so those who wink and those who dance are the same. But suppose that only the men wink roguishly and only the women dance roguishly. Again, an intensional semantics based on possible worlds does not get into analogous difficulties. For even if in the actual world the dancers and the singers are the same, yet there will be other possible worlds in which they are not. Of course those who wish to model natural language on first-order logic are well aware of these problems (see for instance D avidson 1967a, 1969). What they do is to argue that the surface form of these sentences is misleading. They then propose various kinds of paraphrases. Often these paraphrases are widely different for different kinds of adverbs. For instance D avidson’s analysis of sentential modification (if it is to be generalized to cases like (5)) is quite different from his analysis of prepositional phrases. D avidson’s particular analysis of these latter, in terms of predicates of events taken as individual particulars, will be discussed later. At present we shall simply assume a semantics which takes the meaning
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages
of a sentence to be a set of world-time pairs. The aim will be to see how much adverbial modification can be expressed in this way.
3.
Prepositional Modifiers
The most straightforward semantics for adverbial modifiers seems to be, paradoxically, that involved in prepositional phrases. I say ‘paradoxically’ because prepositional phrases are always complex. A sentence with a prepositional modifier is (20) Algernon walks to Victoria Station It proves convenient to take Victoria Station as a single symbol in category n. (Nothing will be affected if it should turn out to be more like a quantifier.) The semantic value of walks will be the function ω such that for any person a and world-time pair 〈w, t〉, 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff a walks in word w at time t. So far so good, but we need to be more precise. It has been said that t is a time. But does this mean an instant of time or a longer period? The right answer seems to be that t should be a time interval. The need for intervals in the semantics of tense and aspect is discussed elsewhere in this handbook (see article 35). Here it will merely be assumed that there are all kinds of additional reasons for taking t as an interval, and it will be shewn that so taking it enables a plausible and illuminating theory of a wide class of adverbial modifiers. So if V is the assignment which reflects English then V(walks) is the function ω whose domain contains every a ∈ D n of which it makes sense to suppose that a walks, and, for any 〈w, t〉 in which w is a possible world and t a time interval, then 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff t is an interval of a’s walking in w. An ‘interval of a’s walking’ is left unanalysed. The need for an interval is because it seems that there might be minimal intervals of walking. Certainly some verb-phrases, like ‘builds a house’ seem true of an interval without being true of any sub-interval, but these issues are discussed elsewhere. The λ-categorial sentence which underlies (20) would be (21) 〈Algernon, 〈walks, 〈to, Victoria Station〉〉〉 In (21) the phrase (22) 〈to, Victoria Station〉 is a predicate modifier, that is to say its syntactic category is ((s/n)/(s/n)). Since Victoria
751
Station is in category n then the syntactic category of to is (((s/n)/(s/n))/n), that is to say it makes a one-place predicate modifier out of a name. What should its semantics be? Well V(to) will be a function ζ of the following kind, where b is some kind of spatial entity, ζ(b) is a function from D (s/n) into D (s/n). So suppose ω ∈ D (s/n) (ω might be the meaning of walks, and b will be the thing to which the walking is done: in this case (ζ(b))(ω) would mean ‘walks to b’) then (ζ(b))(ω) will be in D (s/n) and so, for any a ∈ D n which is in the domain of ω, we have ((ζ(b))(ω))(a) in Ds. In fact 〈w, t〉 ∈ (ζ(ω)(b))(a) iff 〈w, t〉 ∈ ω(a) and, at the last instant of t, a’s position in w overlaps with b’s at the same instant. Read ((ζ(ω))(b))(a) as ‘a ω’s to b’ This is true at 〈w, t〉 if t is an interval of ωing in w which ends at b. This semantics is rough, not to say crude. But it ought to indicate how a semantics based on world-time pairs can deal with at least some prepositional modifiers. (A more elaborate treatment of prepositions along these lines is found in Cresswell 1978b.) It is only if one has a crude semantics to begin with that one can set about the process of refining it.
4.
Degree Adverbs
A semantics along these lines can also be given for ordinary adverbs. Before we look at words like roguishly which are rather complicated, it will be profitable to take a rather more purely spatio-temporal adverb. We will look at the symbol quickly: this is a member of F((s/n)/(s/n)) and is intended to have some connections with the English word ‘quickly’. One has to put it this way because, in this case, the semantics given for quickly is so crude by comparison with the meaning of ‘quickly’ that it can only be justified as a starting place for further research. In Cresswell (1978 a) I considered a purely distancecovering meaning of quickly in which anything done quickly is done in such a way that the distance covered in doing it at a particular 〈w,t〉 is ‘considerably’ (left vague) greater than average for that kind of thing. V(quickly) is the function ζ in D ((s/n)/(s/n)) such that where ω is in D (s/n), where a(∈ D n) is in the domain of ω and 〈w, t〉 is any world-time pair: 〈w, t〉 ∈ ζ(ω)(a) iff 〈w, t〉 ∈ ω(a) and, for
IX. Verbalsemantik
752
most subintervals t1 of t which are minimal (in the sense that 〈w, t1〉 ∈ ω(a) but there is no proper subinterval t2 of t1 such that 〈w, t2〉 ∈ ω(a)). d(p(a, t1, w))/d(t1) is considerably greater than the average of {d(p(b, t′, w′): w′ = w and d(t′) = d(t1) and 〈w′, t′〉 ∈ ω(b)} (where d(p(a, t, w)) is the distance of the path a covers over t in w, and d(t) is the length of t). The idea behind this semantics was that anything φ’s quickly at a 〈w, t〉 pair iff at the minimal subintervals in t which are intervals of φ’ing the ratio of distance covered to time is considerably above average. The notion of average was left vague with presumably some kind of limit process to be used in order to make it precise if required. It is interesting to see how quickly can interrelate with 〈to, Victoria Station〉 to give two different meanings for (23) Algernon walks quickly to Victoria Station
adverbs and adjectives. In saying that a person is tall one seems to mean that the person is considerably taller than the average for the relevant comparison class. One way to deal with this is to suppose that underlying every adverb and adjective there is a place for a degree word. I. e. that the ‘real’ basic form of quickly and tall is x-much quickly or x-much tall This explains uses like how quickly/how tall, so quickly/so tall, more quickly than/taller than, and so on. When the word is used without any degree indicator then we are to supply one which is ‘considerably’ above average on the relevant scale associated with the adverb or adjective. Comparison of adjectives is dealt with elsewhere in this handbook (see article 32). All that should be said here is that adverbs and adjectives require the same treatment in this regard.
one in which the walking is quick, and ends up at the station; the other in which the walking to the station is quick (24) 〈Algernon, 〈〈walks, quickly〉, 〈to, Victoria Station〉〉〉 (25) 〈Algernon, 〈〈walks, 〈to, Victoria Station〉〉, quickly〉〉
5.
The difference between (24) and (25) could be described by saying that in (24) 〈walks, quickly〉 is in the scope of 〈to, Victoria Station〉 while in (25) 〈walks, 〈to, Victoria Station〉〉 is in the scope of quickly. This in itself is not awfully important. What is important is that the semantics given for quickly and to actually give a difference in meaning to (24) and (25). For (24) is true if Algernon in walking to the station performs an action most minimal portions of which which are walkings are quicker than the average walking. By contrast (25) is true if most minimal periods of his walkings which are walkings to Victoria station are quicker than the average walking to Victoria station. Since the semantics of to requires that an interval of walking to the station be maximal there can be no minimal walkings to the station apart from the whole walking. Since these are obviously different classes (24) and (25) do not mean the same. In the semantics given for quickly the word ‘considerably’ was used in stating that the distance-to-time ratio was to be considerably above average. This particular vagueness is not peculiar to quickly but infects almost all
Causal Adverbs
What then can be said about adverbs like roguishly? Actually it turns out that there is a single move which enables us to treat a very wide class of adverbs. The idea is simply that the meaning of many adverbs is to be understood in terms of the causal effect they have. To say that Gwendolen winks roguishly is just to say that her winking has a certain effect. It is appropriate to study such adverbs in view of the analysis in Lewis (1973a) of causation in terms of counterfactual dependence, where this latter is analysed in terms of possible worlds. Lewis’s account is a plausible one certainly, and if it, or something like it, is correct, then a large class of causal adverbs can be accounted for. The primitive basis Lewis uses is, in addition to the worlds themselves, a relation of comparative world similarity so that we can speak of one world’s being more or less similar to our own than another is. The most straightforwardly causal adverb must surely be fatally (see Cresswell 1981). If I say that Gwendolen fatally fell, it presumably means that the falling caused her death. And what does that mean in terms of D avid Lewis’s semantics? Well it means that Gwendolen fell and if she had not fallen then she would not have died, and this in turn means that in the world in which she did not fall
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages
which is more similar to the actual world (in which she did fall) than any other world is in which she did not fall, she did not die. Actually Lewis’s account is somewhat more complicated than that but the extra complexities can be ignored here. There is however one respect in which the account needs modification. For the nearest world in which Gwendolen does not die is a world in which she is immortal. What we mean is that Gwendolen would not have died at the time she did die. There are still problems with this account involving bizarre examples like back-up devices to ensure that even if the fall did not kill Gwendolen something else was waiting to do it instead so that she still dies in the nearest world in which she does not fall. Lewis and others have debated this problem and the hope is that they have some successful resolution. In giving a sentence of a λ-categorial language to represent Gwendolen’s fatal fall, it is convenient to take a present-tense example. Tense operators are discussed elsewhere in the handbook. Assuming that Gwendolen and falls are in categories n and (s/n) respectively, and treating fatally as a predicate modifier in category ((s/n)/(s/n)), the representation in a λ-categorial language is (26) 〈Gwendolen, 〈fatally, fall〉〉 Since fatally is in category ((s/n)/(s/n)), its meaning will be a function ζ from D (s/n) into D (s/n) which will be defined for those ω ∈ D (s/n) which represent things which it makes sense to suppose that they happen fatally or not. A function ω ∈ D (s/n) will have the property that for those a ∈ D n which are in its domain, any world-time pair 〈w, t〉 either is or is not in ω(a). The kind of ω which will be in the domain of the function ζ which is the meaning of fatally will have as its own domain animate or inanimate physical things, and 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff some specific thing is happening to a, either a is doing something or is undergoing something or even (possibly) is in a certain state. As in Montague (1974: 152), it need not be the concern of formal semantics to say precisely what sorts of functions these will have to be, though the account of the semantics of verbs in Taylor (1977) or D owty (1977) using time intervals, makes a beginning on this task. (See also the articles in Tedeschi and Zaenen 1981.) The semantics offered for fatally in Cresswell (1981: 25) was the following: V(fatally) is the function ζ in D 〈〈0,1〉,〈0,1〉〉 such that any ω ∈ D 〈0,1〉 is in the domain of
753
ζ iff ω represents an event, and, for any such ω, and any a ∈ D 1 which is in the domain of ω, and any 〈w, t〉 ∈ W; 〈w, t〉 ∈ (ζ(ω))(a) iff 〈w, t〉 ∈ ω(a) and a dies at some time t′ in w (where t′ does not precede t) and, where w′ is the nearest world to w in which 〈w′, t〉 ∉ ω(a) then a does not die at t′. This semantics is intended to be a formal version of the more intuitive remarks made earlier. In (26) fatally operates on an intransitive verb, but the semantics of λ-abstraction enable it to be used equally with transitive verbs. In fact, as with quickly, some rather interesting scope distinctions arise. Consider the sentence (27) Gwendolen fatally attacks Earnest In this sentence it is not clear whether it is Gwendolen or Earnest who dies, and this ambiguity can be precisely reflected in a scope difference at the level of the λ-categorial representation of (27). We suppose that attacks is in category (s/nn) though Montague (1974: 250) would put it in category ((s/n)/(s/(s/n))) for reasons unconnected with the present concerns. Then, with fatally, Gwendolen and Earnest, as before, in categories ((s/n)/(s/n)), n and n respectively, we have the two sentences (28) 〈Gwendolen, 〈fatally, 〈λ, x, 〈attacks, x, Earnest〉〉〉〉 (29) 〈〈fatally, 〈λ, x, 〈attacks, Gwendolen, x〉〉〉, Earnest〉 As explained in article 8, principles of λconversion can be used to put Gwendolen at the front of the sentence. In (28) fatally modifies the predicate attacks Earnest and therefore, by V(fatally), it is Earnest’s attacker who dies, while in (29) it is the predicate is attacked by Gwendolen which fatally modifies, and so it is the person attacked who dies. The semantics of λ-abstraction is fully explained in article 8 and, in conjunction with the semantics offered here for fatally, it may be seen that (28) and (29) do reveal precisely the intended difference between the two meanings of (27). Another kind of adverb discussed in Cresswell (1981) includes such perceptual adverbs as audibly and visibly where the activity has a causal effect on others besides the participants. Using Hintikka’s (1969a) notion of a perceptual alternative, one can say that an auditory alternative for a person b at a world w and a time t is a world time pair 〈w′, t′〉
IX. Verbalsemantik
754
which, as far as b’s auditory experience goes at t in w, could be the actual world. The things that b seems to hear at 〈w, t〉 are just those things which are present in all of b’s auditory alternatives. This idea needs refinement in various ways, some of which are discussed by D avid Lewis in (1980b). A semantics for audibly based on these ideas is provided in Cresswell (1981: 26) whereby (30) 〈Fred, 〈sings, audibly〉〉 is true at 〈w, t〉 iff Fred sings at 〈w, t〉 and there is some person b such that in all the auditory alternatives 〈w′, t〉 for b at 〈w, t〉, Fred is singing, but that in the nearest world 〈w*, t〉 to 〈w, t〉 in which Fred is not singing, then Fred is not singing in all of b’s auditory alternatives in that world. (This sounds very complicated but means no more than that this sense of audibly means that Fred sings audibly if someone seems to hear Fred singing as a causal result of his singing.) The analysis would seem to work equally well for visibly and in Cresswell (1981) it was even extended to words which admitted of degrees, like loudly, softly, brightly, and so on, where it makes sense to ask just how loudly, etc., did Fred sing or do anything else. This analysis used the account of degrees of comparison to be found in Cresswell (1976). Causal adverbs, if one interprets this idea liberally, actually comprise a far wider class than might originally appear. In fact, in Cresswell (1981) all of the following were held to have, in one way or another a causal element in their meaning: manifestly, patently, publicly, conspicuously, successfully, plausibly, conveniently, amusingly, pleasantly, irrevocably, tenuously, precariously, rudely. In some cases, like successfully, one requires context-dependent information to decide the criteria by which the effect of an activity is to be judged successful, other cases, like precariously, seem to speak of a contextually supplied effect which is merely liable to happen, and so on. Finally the word roguishly, which was mentioned earlier in the section, probably means that the action in question has similar effects, in certain contextually determined ways, to the effects that would be produced by a rogue. Saying this doesn’t take us awfully far but, as in the case of quickly, it perhaps suggests a direction that the study of such adverbs might take.
6.
Spatio-Temporal Manifestations
Earlier in the article it was shewn how the predicate-modifier view of adverbs led to trouble for a semantic theory based on firstorder predicate logic. A champion of such a theory is D onald D avidson who in (1967a) produced an account of prepositional phrases in first-order logic. The key to D avidson’s solution is to assume that a sentence like (32) Shem kicked Shaun has a rather different logical form than ordinarily supposed. Instead of kicked being a two-place predicate relating Shem and Shaun, the form of (32) is (33) (∃x) (kicked (Shem, Shaun, x)) (33) is a formula of predicate logic (∃ is the existential quantifier) and kicked is a threeplace predicate (not a two-place predicate) which means that x is an event of Shem’s kicking Shaun. D avidson then considers the sentence (34) I flew my spaceship to the morning star If the analysis of (34) involves an event of my flying my spaceship then the prepositional phrase to the morning star can be represented by a predicate which is true of this event. Thus (34) is analysed as (35) (∃x) (flew (I, my spaceship, x) & To (the morning star, x)) (35) might be paraphrased as: ‘There is an x such that x is a past event of my flying my spaceship and x is directed to and terminates at the morning star.’ D avidson’s reasons, of course, for advocating such an analysis are connected with his desire to express the underlying structure of a natural language in the language of first-order predicate logic. Further, he wants to avoid the use of any intensional entities like possible worlds. This article is not the place to comment on these larger issues. The question of concern here is whether there is any reason, in a λ-categorial language with a possibleworlds semantics, for analysing verbs in D avidson’s way as involving an extra argument place to talk about events. The first task will be to shew that if there are reasons for adding an event argument then this can be incorporated into a λ-categorial language while keeping adverbial phrases as uniform predicate modifiers. The second task will be to address the question of whether this extra argument place really is needed.
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages
It will prove easiest to take sentence (1) as an example. D avidson has reasons for only discussing prepositional phrases but the present questions do not demand this. In a theory based on the idea that adverbs are predicates of events (1) could be represented in a λ-categorial language by (36) 〈∃, 〈〈λ, x, 〈Cecily, winks, x〉〉, roguishly〉〉 In (36) Cecily is in Fn, winks in F(s/nn), roguishly in F((s/n)/(s/n)) and ∃ in F(s/(s/n)). Cecily behaves as before but all the other symbols have new meanings. The most straightforward is the existential quantifier ∃. V(∃) is the function ζ in D (s/(s/n)) such that for any ω ∈ D (s/n), 〈w, t〉 ∈ ζ(ω) iff there is some a ∈ D n such that 〈w, t〉 ∈ ω(a). In possible worlds semantics of course there may well be events which exist in one world but not another. It is up to the particular function ω to say whether 〈w, t〉 ∈ ω(a) implies that a actually exists in w at time t. V(winks) is the function ω in D (s/nn) such that a pair 〈a, b〉 is in the domain of ω iff a is a person and b is an event (so that a and b are both in D n). For any world-time pair 〈w, t〉, 〈w, t〉 ∈ ω(a, b) iff in world w at time t, b is an event of a’s winking. In this semantics it is to be supposed that we know what counts as being an event of someone’s winking. The semantics allows the same action to be a winking in one world but not in another — a fact that may help to solve some of the problems that have been raised about shootings and killings (see Thomson 1971). The thing which at one time or in one world is both a shooting and a killing may at another time, or in another world, be a shooting but not a killing. roguishly in (36) is a one-place predicate modifier, just as it would be on the view of adverbs discussed earlier. But its semantics is a little different. V(roguishly) is a function ζ in D ((s/n)/(s/n)) such that ω is in the domain of ζ iff ω is a function (in D (s/n)) such that if a is in its domain a is an event. For any such ω, 〈w, t〉 ∈ ζ(ω) iff 〈w, t〉 ∈ ω(a) and a is roguish in w at t. Of course this account has nothing to say about when an event is roguish. But that sort of question would be regarded as not part of semantics. One follower of D avidson (Wheeler 1972) calls such questions, questions of physics. In (36) the predicate being modi-
755
fied is one whose meaning is the property of being a winking by Cecily, and the modification consists in saying of an event with this property that it is also a roguish event. The working out of this is left to the reader. So much then for the details of how to incorporate a D avidsonian theory of adverbs into a λ-categorial language with a possibleworlds semantics. It should be clear how prepositional phrases as in (33) can be accommodated. The question now is whether adverbs need to be analysed in this way. D avidson’s own motivation was to avoid the need for a nonextensional language. If a possible-worlds semantics is adopted, then that reason is not compelling. But there are at least two other reasons which might still apply. The first is that the D avidson analysis is extremely general since one does not have to say what an event is; whereas it is not all clear how general the class of adverbs is for which an ‘ordinary’ (i. e. non event type) predicate modifier theory will be. The second reason is that whether or not adverbs are event modifiers, the adjectives with which they are closely related most certainly are. For (1) can be paraphrased as (37) Cecily gives a roguish wink In the λ-categorial sentence which underlies (37), wink will be a predicate which means ‘is a wink’ and roguish will have a semantics almost identical with that given for roguishly in the λ-categorial version of the D avidson theory. Further, prepositional phrases can be used both as adverbs and as adjectives. We can have the noun phrase (38) a handbag in Victoria Station as well as (39) Earnest was found in a handbag. The event account of adverbs makes clear the reasons for these meaning connections and so, if it is not accepted, its alternative will have to give an equally good explanation. Having seen the reasons in favour of the event account, why should one not want to accept it? Probably most of those who would want to reject it would feel that it is undesirable to have to suppose an extra argument place in a verb like winks, together with the necessity for an existential quantifier in the representing λ-categorial sentence. The other motive for rejecting it would be a feeling that events should not be taken as primitive entities but, at least in a possible-worlds ontology,
756
should be manufactured out of the entities we already have. As it turns out, if we accept one plausible analysis of events, that offered by Richard Montague, we can not only revert to the ordinary view, but can also explain the intimate connection between roguish and roguishly, quick and quickly and the adverbial versus the adjectival use of prepositional phrases. Montague (1974: 150) defines a genericevent as a property of times. (Montague is thinking of times as moments but allows intervals in the case of what he calls protracted generic events.) Properties of times are, for Montague, functions from times to sets of worlds, so they are equivalent to sets of world-time pairs. But events often have a spatial location, and indeed examples have been produced which make it plausible to imagine two different events which are logically equivalent and occur at the same time yet occur at different places. Kim (1974) instances the death of Socrates and the widowing of Xanthippe. He claims that Socrates’ death occurred where he was but Xanthippe became a widow where she was. Yet the two events are logically equivalent. This example suggests the solution. The death of Socrates is something that happens to Socrates. So why not adapt Montague’s account to make the death of Socrates the function from Socrates to the set of world-time pairs at which Socrates dies. But this is exactly the meaning given to dies on the original approach in which it is just a one-place predicate. So, on Montague’s account of events, we do not need an extra argument place. This isn’t however quite the whole story. For such functions are generic events. Take the meaning of walks as given earlier. This is a function which picks out for any individual a all the world-time pairs at which a walks. Obviously not all of these will be the same walk. In fact it could be argued that one ought not to think of a generic event as an event at all. What we want is a function which refers to a particular walk. In one way this is easy. A particular walk of an individual a is determined by one of those distinguished subsets of the set of all 〈w, t〉 pairs at which a walks which consitute the 〈w, t〉 pairs of a single walk. There is of course the problem in metaphysics (or physics, according to Wheeler) of just when a set of 〈w, t〉 pairs does constitute a walk. For semantics it is sufficient to observe that if, as speakers of English, we
IX. Verbalsemantik
do not have the ability to decide this, then we have no business in talking about a particular walk as if it were an event. The question then is how to define the noun walk (call it walkN) and the verb walkV in such a way that it means ‘is a walk’. In order to tackle this task we need to make the distinction between an individual and its manifestation in a given world over an interval of time. The manifestation of an individual in one world is roughly the form it takes in that world, and particularly crucial is the spatio-temporal position it occupies. Its manifestation in a world over an interval is simply the section of its whole manifestation in that world when restricted to that interval. The importance of the distinction emerges when two distinct individuals share the one manifestation. And in particular we may think of the manifestation of an event or activity as being identical with the manifestation of the person or thing which undergoes the event or activity. This account gives us a class of physical entities neutral between events, activities and objects. It is the class of all functions with spatio-temporal manifestations. Let us consider the connection between fatal and fatally. Intuitively the semantics for fatal does seem to have a close link with that given for fatally in section two. A fatal walk is one which causes death. We shall consider the phrase (40) Vernon’s fatal walk. From what has just been said, we shall want Vernon’s walk at a particular 〈w, t〉 to be the spatio-temporal segment of Vernon at 〈w, t〉 provided he is walking at 〈w, t〉. What would be nicest would be to find that the link between fatal and fatally can be systematically extended to all adverbs and adjectives. It is obvious that V(fatally) ≠ V(fatal) because although the phrase fatal walk is a predicate, its argument is the walk, not the one who walks; but of course it is not the walk which dies, if that makes sense, but the walker. walkV and walkNcan be given the following semantics: V(walkV) is the function ω such that for any a ∈ D n, a is in the domain of ω iff a is a physical object (animate or inanimate) and for any such a and 〈w, t〉 ∈ W, 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff t is an interval at which a walks in world w. V(walkN) is the function ω such that a is in the domain of ω iff a is a function with
36. Adverbial Modification in λ-Categorial Languages
spatio-temporal manifestations, and for any 〈w, t〉 ∈ W; 〈w, t〉 ∈ ω(a) iff (i) a is a function whose manifestation at 〈w, t〉 is identical with that of some b ∈ D1 such that t is an interval at which b is walking in w; and (ii) all the 〈w, t〉’s in ω(a) are intervals of the same walk. (In this semantics the notion of the same walk is left undefined.) Let us first try to give a semantics for fatal as a separate lexical item. V(fatal) is the function ζ in D 〈〈0,1〉,〈0,1〉〉 such that for any ω ∈ D 〈0,1〉, any a in the domain of ω and any 〈w, t〉 ∈ W: 〈w, t〉 ∈ (ζ(ω)) (a) iff (i) 〈w, t〉 ∈ ω(a) (ii) there is a person b such that (iia) the manifestation of b at 〈w, t〉 coincides with the manifestation of a at 〈w, t〉, and (iib) b dies at some time t′ in w (where t′ does not precede t), and (iic) where w′ is the nearest world to w in which 〈w′, t〉 ∉ ω(a) then b does not die in w at t′. The idea is that a fatal event is one that causes death to the person involved. The definition of the person involved is simply the person whose manifestation is also the manifestation of the event. It should be clear that this semantics for fatal has a close link with the semantics of fatally given earlier. Yet the link seems to be of a lexical kind without any obvious semantics for ly coming from it. However, one thing does emerge, and that is that the semantics for fatal and fatally differ crucially only in the behaviour of their ar-
757
guments at other world-time pairs. This perhaps explains why prepositional phrases can modify both verbs and nouns. For in the phrase (41) a walk to Victoria Station the noun walk denotes something whose manifestation at any 〈w, t〉 is a segment of the one who is walking at 〈w, t〉. Therefore the spatio-temporal path of the walk, that it is to Victoria Station, is the same as the path of the walker in the verb phrase (42) walks to Victoria Station. These last examples should shew that, at least in the case of certain adverbs, no special category of events is needed to the world-time semantics assumed in any case. It was suggested earlier that adverbs where meaning could be analysed in causal terms form a very wide-ranging class. If this class is wide-ranging enough, then a world-time semantics in which verbs do not have an extra event argument place, and in which adverbial (including prepositional) phrases behave as ordinary predicate modifiers, could well form the basis of a theory of adverbial modification.
7.
Short Bibliography
Cresswell 1974 · Cresswell 1976 · Cresswell 1978a · Cresswell 1978b · Cresswell 1979 · Cresswell 1981 · D avidson 1967a · D avidson 1969 · D owty 1977 · Hintikka 1969a · Kim 1974 · Lewis 1973a · Lewis 1980b · Montague 1974 · Taylor 1977 · Tedeschi/ Zaenen 1981 · Thomason/Stalnaker 1973 · Thomson 1971 · Wheeler 1972
M. J. Cresswell, Wellington (New Zealand)
758
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus Residua: Prepositions, Degree Particles, Focus
37. 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4
Lokale und Direktionale
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 6.
Vorbemerkungen Syntax der Lokalisierungsausdrücke Syntaktische Kategorie Interne Syntax der Präpositionalphrase Externe Syntax der Präpositionalphrase Die thematischen Rollen von Positions- und Bewegungsverben Semantik der Lokalisierungsausdrücke Lokalisierung von Situationen Lokalisierung von Objekten Orte als semantischer Grundtyp Synthese Semantik der Präpositionen Topologische Präpositionen Dimensionale Präpositionen Wegbezogene Präpositionen Weitere Präpositionen und Analysen Lokalismustheorien Lexikalische Erweiterung Locationals Thematische Rollen Kritik Literatur (in Kurzform)
1.
Vorbemerkungen
Vermutlich jede Sprache verfügt über mindestens zwei primäre lokale Deiktika (vgl. Fillmore 1982). (1)
engl. dt. port. jap.
here hier cá/aqui koko
— — — —
there da/dort lá/ali/aí soko/ako
Sie dienen dazu, daß ein Sprecher die von ihm erwähnten Entitäten in der Gesprächssituation verankern kann, und zwar relativ zu seinem Standort oder zu einem von ihm vorgenommenen indexikalischen Akt (Präsentation, Geste usw., vgl. Fillmore 1982). Diese Verankerung erfolgt räumlich, nach Parametern wie; beim Sprecher — beim Adressaten, nahe — fern, sichtbar — unsichtbar, zugänglich — nicht zugänglich, punktuell — ausgedehnt (vgl. Denny 1978, Fillmore 1982, An-
derson & Keenan 1985). Dadurch lassen die erwähnten Entitäten relativ zur sprächssituation lokalisieren. Zugleich hat vermutlich jede Sprache gewörter, die sich auf die Lokalisierung solchen Entitäten beziehen. (2) engl. dt. port. jap.
sich GeFravon
where wo, wohin, woher, worunter onde doko
Die Ubiquität derartiger Ausdrücke berechtigt zu dem Schluß, daß eine Sprache neben den semantischen/ontologischen Grundtypen ‘Objekt’, ‘Wahrheitswert’ und ‘Zeit’ mindestens auch den Grundtyp ‘Ort’ aufweist (vgl. Jackendoff 1983). Jedes physikalische Objekt a nimmt in einem gewissen Zeitintervall t einen gewissen Ort p als Teil des Raumes ein (vgl. Cresswell 1978, Lutzeier 1981, Wunderlich 1982). (3) Sei A = Menge der Objekte, T = Menge der Zeitintervalle, R = Menge der Regionen. Dann gibt es eine Lokalisierungsfunktion p: A × T → R p(a,t) ist die von a zu t eingenommene Region. Ebenso ubiquitär ist die Möglichkeit, die Ortsveränderung von Objekten zu erwähnen. Jede Sprache verfügt über intransitive oder transitive Bewegungsverben wie in (4 ) und meistens auch kausative Positionsverben wie in (5). (4)
(5)
engl. dt. port. jap. engl. dt. port. jap.
go, drive; throw gehen, fahren; werfen ir, subir hashiru put legen, stellen pôr oku
Verben wie in (4 ) erlauben, das im grammatischen Subjekt bzw. Objekt erwähnte physi-
37. Lokale und Direktionale
kalische Objekt an verschiedenen aufeinanderfolgenden Orten zu lokalisieren, die in ihrer Gesamtheit einen Weg ausmachen (s. 6a,b). Verben wie in (5) erlauben dies nur beschränkt; was sie ausdrücken können, ist lediglich ein punktueller Ortswechsel (s. 6c,d). (6) a. Sie fuhr von Köln aus längs des Rheins über die Südbrücke nach Düsseldorf. b. Er warf die Knochen aus dem Abteil durch das offene Zugfenster auf die Schienen. c. Er stellte die Koffer (* aus dem Gepäcknetz durch den Gang) auf die Plattform. d. Er stellte die Koffer (aus dem Abteil hinaus) in den Gang. Ein Weg läßt sich als stetige (jedenfalls monotone) Abbildung aus der Zeit in den Raum verstehen. (7) Sei A = Menge der Objekte, T = Menge der Zeitintervalle, R = Menge der Regionen, Seq = eine Indexfolge [0, 1]. Dann gibt es eine Wegfunktion w: A × Seq T → Seq R. p(a, ti) ist die von a zur Zeit ti während des Weges eingenommene Region, 0 ≤ i ≤ 1. p(a, t0) ist die von a zu Beginn des Weges eingenommene Region, p(a, t1) ist die von a zum Ende des Weges eingenommene Region. Durch diese Definition wird das Konzept zeitlich param etrisierter Wege eingeführt. Die Bedingung der Stetigkeit stellt sicher, daß die topologischen Eigenschaften der Zeit, z. B. ihre Linearität, in der Wertemenge der Abbildung, der Menge der Raumregionen, bewahrt bleibt. (Auch die Monotonie bewahrt im wesentlichen die Ordnungsstruktur der Zeit: die Distanz (p(a, ti), p(a, to)) ist eine monoton wachsende Funktion der Zeit.) Parametrisierte Wege in diesem Sinn besitzen eine Orientierung und aufgrund des Zeitparameters eine Durchlauf-Geschwindigkeit. Ausgehend von einem solchen parametrisierten Wegkonzept läßt sich, Habel (1989) folgend, ein verallgemeinertes Konzept von Wegen als Äquivalenzklassen parametrisierter Wege definieren. Solche verallgemeinerten Wege abstrahieren von der Durchlauf-Geschwindigkeit, besitzen aber eine Orientierung. Durch erneute ÄquivalenzklassenBildung läßt sich der Begriff der Spur eines Weges gewinnen. Spuren abstrahieren sowohl von der Durchlauf-Geschwindigkeit als auch von der Orientierung. Auf diese Weise lassen
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sich unterschiedliche Abstraktionstufen zur konzeptuellen Fundierung eines semantischen Prädikats WEG erzielen. Bierwisch (1988) zielt ähnlich wie Habel (1989) auf ein verallgemeinertes Wegkonzept ohne Zeitparameter ab. Wege sind demnach mittels Intervallschachtelung strukturierte Regionen. Das Infimum der Intervallmenge bildet den Anfang des Weges, das Supremum seinen längsten Teilabschnitt. Das Ende des Weges ergibt sich durch die Differenz zwischen diesem und dem vorletzten Teilabschnitt. Als ‘Lokale’ sollen in diesem Artikel Ausdrücke einer Sprache bezeichnet werden, die zur Lokalisierung von Objekten oder Ereignissen dienen. Die Variable ‘Zeit’ findet dabei nur insoweit Eingang, als sie im Tempus des Verbs oder im Zeitadverbial kodiert ist, wodurch die Lokalisierungssituation zeitlich eingeordnet wird. Als ‘Direktionale’ sollen Ausdrücke bezeichnet werden, die die Veränderung der Lokalisierung eines Objektes (also einen Ortswechsel) ausdrücken: das Objekt ist erst nicht in R, dann in R lokalisiert. Dieser Ortswechsel kann am Anfang oder am Ende eines Weges stattfinden; aber da er selbst punktuell ist, begründet er nicht das Konzept des Weges. Die Variable ‘Zeit’ findet direkt Eingang in der Kodierung des Ortswechsels. Tempus und Zeitadverbial dienen wieder zur zeitlichen Einordnung der Situation als ganzer. (8) Gestern warf er [auf dem Bahnhof]Lokal die Fahrkarten [in den Papierkorb]Direktional In deiktischen Ausdrücken wie in (1) ist der Raum relativ zum Ort des Sprechers organisiert. Da der Raum jedoch keine absoluten Fixpunkte aufweist, muß in allen Fällen die Lokalisierung relativ zu anderen Objekten vorgenommen werden. Das charakteristische Verfahren dafür ist, daß man ein Objekt b in der so-und-so-Nachbarschaft (Umgebung) eines Objektes a lokalisiert, wobei vorausgesetzt wird, daß das Objekt a eine zeitlich relativ stabile Lokalisierung hat. (9) Sei A = Menge der Objekte, T = Menge der Zeitintervalle, R = Menge der Regionen. Dann gibt es eine Familie Uj von Nachbarschaftsfunktionen Uj = {uj: A × T → R}, j ∈ N Die Region uj(a, t) ist demnach eine spezielle Nachbarschaft von a zur Zeit t. (10) Das Objekt b werde relativ zu einem Objekt a lokalisiert. Dann gibt es eine Nachbarschaftsfunk-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
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tion uj, so daß gilt: p(b, t) ⊑ uj(a, t) mit ⊑ als räumliche Teil-von-Relation. (‘Der Ort von b ist Teil der j-Nachbarschaft von a.’) Ausdrücke zur Lokalisierung eines Objektes sollten daher im allgemeinen Fall relational (zweistellig) sein. Sie sollten besagen, daß ein Objekt b in der j-Nachbarschaft zu a lokalisiert ist. Sucht man in einer Sprache nach Ausdrücken mit dieser Eigenschaft, so sind es vor allem Adpositionen (Prä- oder Postpositionen), die dies leisten. Explizite räumliche Lokalisierung erfolgt, wie angedeutet, relativ zu physikalischen Objekten. Im Unterschied dazu erfolgt die zeitliche Einordnung relativ zu Ereignissen. Denn es sind Ereignisse, die ein Zeitintervall einnehmen, so wie Objekte einen Teilraum einnehmen. Objekte werden von Nominalphrasen denotiert, niemals von Satzradikalen. Aber Situationen lassen sich von Satzradikalen denotieren (daneben auch von Nominalisierungen); deshalb kann es temporale Adverbialsätze geben, niemals aber lokale Adverbialsätze (vgl. Steinitz 1969 zum Deutschen; die von Thompson & Longacre 1985 vertretene Auffassung, daß mit where eingeleitete Sätze lokale Adverbialsätze sind, ist fraglich — es handelt sich um lokale Relativsätze). Unter gewissen Bedingungen können räumliche Lokalisierung oder zeitliche Einordnung komplementär erfolgen; b relativ zu a, aber auch a relativ zu b. (11) a. b vor a ↔ a hinter b b. b vor a ↔ a nach b Welche dieser Möglichkeiten gewählt wird, hängt davon ab, was als Hintergrund dienen soll (bzw. thematisch ist) und was als Vordergrund. Man wird schließen, daß es primär wieder physikalische Objekte sind, die räumlich lokalisiert werden, aber Ereignisse, die zeitlich eingeordnet werden. Es ist aber nicht von vornherein auszuschließen, daß auch Ereignisse räumlich lokalisierbar oder Objekte zeitlich einordbar sind. Die zeitliche Einordnung von Objekten ist in jedem Fall konzeptuell markiert; auf die Frage der räumlichen Lokalisierung von Ereignissen kommen wir in Abschnitt 3.1 zurück. (12) Lokalisierung von b b räumlich: Objekt (Ereignis) zeitlich: Ereignis (Objekt)
relativ a Objekt Ereignis
zu
a
2.
Syntax der Lokalisierungsausdrücke
2.1 Syntaktische Kategorie Lokale treten als Nomen (N), Adposition des Nomens (P), Adverb (Adv) oder Verbalpartikel (Part) auf. Ein lokales N kann entweder einen spezifischen räumlichen Teil eines Objektes wie in (13a) oder eine spezifische räumliche Nachbarschaft eines Objektes wie in (13b) denotieren. Ein lokales N ist stets relational. (13) a. dt. Front, Spitze, Seite, Rücken b. jap. ue (‘auf/über’), mae (‘vor’), naka (‘in’) Das Jap. verwendet also (anders als das Dt.) ein N zur Bezeichnung spezifischer räumlicher Nachbarschaften, es benutzt aber ein P zur generellen Lokalisierung. Somit sind die PPn in (14 ) hinsichtlich ihrer Syntax vergleichbar, führen aber zu anderen Bedeutungen. (14) a. über [[der Spitze] des Berges] (‘lokalisiert in der Über-Nachbarschaft der Spitze des Berges’) b. [[yama no] ue] ni (‘Berg GEN über LOK’ = ‘lokalisiert in der Über-Nachbarschaft des Berges’) Im übrigen kann auch im Engl. und Dt. ein N von der Art (13a) idiomatisch (aufgrund von Metonymie) so wie ein N von der Art (13b) verwendet werden: (15) a. He was sitting in front of the car. b. Die Truppen sammelten sich im Rükken des Gegners. Adpositionen sind Präpositionen (wie dt. über) oder Postpositionen (wie jap. ni). Ob eine Sprache über das eine oder das andere (oder möglicherweise über beides) verfügt, hängt von den Linearisierungsparametern der betreffenden Sprache ab; grundsätzlich gibt es keinen kategorialen Unterschied. Deshalb wird im folgenden ohne Einschränkung der Allgemeinheit oft nur von ‘Präposition’ gesprochen. Die in vielen Sprachen anzutreffenden lokalen Kasus (z. B. Finn., Türk., Slav.) können als Morphologisierung einer Adposition verstanden werden (z. B. historisch durch Klitisierung einer Postposition entstanden, danach Lexikalisierung der komplexen Wortform und Bildung einer Suffixregel aufgrund lexikalischer Reanalyse). Semantisch hat das Morphem des lokalen Kasus dieselbe Funktion wie eine Präposition, vgl. (16). (16) a. dt. Sie ging in das Haus.
37. Lokale und Direktionale
b. finn. Hän men-i talo-on (‘er/sie geh-PRÄT Haus-ILLAT’) Dt. in das Haus und finn. taloon sind die eigentlichen Argumente des betreffenden Bewegungsverbs. Die Präposition in ‘vermittelt’ dabei eine semantische Beziehung zwischen ‘gehen’ und ‘Haus’; insofern ist dann das Haus nur ein indirektes Argument von gehen. In der gleichen Weise ist finn. talo ein indirektes Argument, bei dem das lokale Suffix Vn des Illativs die semantische Beziehung ‘vermittelt’. Lokale Adverbien sind von derselben syntaktischen Kategorie wie Präpositionalphrasen (s. besonders Jackendoff 1973, Wunderlich 1984 ). In Adverbien wie dahinter, drüber ist die Zweistelligkeit bereits morphologisch sichtbar. (17) a. Anna steht vor dem Haus. b. Anna steht davor. c. Anna steht vorne.
761
xikalischen Bedeutung eines Bewegungsverbs gehören (und wäre dann durch lexikalische Dekomposition zu ermitteln). Ein charakteristisches Beispiel dafür ist das Spanische (vgl. Talmy 1985: 69 ff.). (19)
entrar salir pasar subir bajar cruzar andar
— ‘sich hineinbewegen’ — ‘sich hinausbewegen’ — ‘sich vorbeibewegen’ — ‘sich hinaufbewegen’ — ‘sich hinabbewegen’ — ‘sich hindurchbewegen’ — ‘sich herumbewegen’
Ein Kategorienwechsel lokaler Ausdrücke erfolgt hauptsächlich gemäß folgendem Schema:
Beispiele für N → P sind dt. m in itten, diesseits, (17a) erhält die Deutung, daß Anna in der wobei allerdings lexikalisierte Phrasen reVor-Nachbarschaft des Hauses lokalisiert ist; analysiert sind. Eine direkte Umkategorisie(17b), daß es ein Objekt x gibt, so daß Anna rung N → P scheint z. B. in afrikanischen in der Vor-Nachbarschaft von x lokalisiert ist; Sprachen vorzukommen, wo Nomen für Kör(17c), daß es einen Raum p gibt, so daß Anna perteile als P benutzt werden. in dem Vor-Teil von p lokalisiert ist. Adverbien dienen somit zur impliziten Lokalisie2.2 Interne Syntax der Präpositionalphrase rung, nämlich relativ zu kontextuell gegebenen Entitäten (Objekte oder Orte). SemanEin lokales N folgt der Syntax der NP. Ein tisch sind sie also relational, syntaktisch aber lokales Adv hat kein syntaktisches Argument 1-stellige Präpositionen. und wird direkt auf PP projiziert. Eine lokale Schließlich weisen einige Sprachen (z. B. P kann hinsichtlich eines NP- oder eines PPDt., Engl., Ung., Chin.) lokale Verbalpartikel Arguments subkategorisiert sein. auf, die eine feste Stellungsbeziehung zum (21)a. NP: vor [dem Theater] Verb (meistens ein Bewegungsverb) haben behind [the theatre] und oft zusammen mit dem Verb lexikalisiert b. PP: bis [vor das Theater] sind (vgl. Talmy 1985, der diese Partikel als from [under the table] ‘Satelliten’ anführt). Verbalpartikel sind aus nach [oben] Adpositionen, Adverbien oder Verben entc. PP: links [vom Theater] standen und haben, sofern sie lokal trans(vgl.: in front [of the theatre], parent sind, ebenfalls relationale Bedeutung à côté [de la maison]) (chin. qù ist deiktisch). Prototypisch sind Präpositionen von der Art (18)a. dt. Sie springt auf. (21a). Im Zusammenhang mit Bewegungen Sie geht hinein. gibt es Präpositionen wie in (21b), die Beginn b. ung. ö fel-száll a villamos-ra (source) oder Ende (goal) einer Bewegung (‘er/sie auf-steigt die Straßenrelativ zu einer Nachbarschaft eines Objektes bahn-SUBLAT’) kodieren. Präpositionen wie in (21c) sind Nö be-megy a ház-ba Derivate und verlangen eine feste morpholo(‘er/sie hinein-geht das Hausgische Form der abhängigen P, die sich aus ILLAT’) der Kasusmarkierung von Argumenten in der c. chin. tiào-guò-qù NP ergibt (dt. von oder Genitiv, engl. of, frz. (’springen-durch-hin’ = ‘sie de). springt hindurch) Präpositionen erlauben Modifikatoren verpao-jìn-qù schiedener Art. (‘rennen-in-hin’ = ‘sie rennt (22) a. direkt [hier], kurz [vor dem Theater] hinein’) ganz [oben], fast [in der Mitte] Die Lokalisierungsrelation kann auch zur le-
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b. zwei Meter (weit) [hinter der Kreuzung] c. oben [im Schrank] hier [im Zimmer] d. [im Wohnzimmer] auf der Heizung [oben] im Schrank Wir betrachten zwei Meter und zwei Meter (weit) in (22b) gleichermaßen als APn. Die Maßangabe zwei Meter ist direktes Objekt des Distanzadjektivs (s. Bierwisch & Lang 1987); dieses kann u. U. implizit bleiben. Für das Deutsche kann daher folgende Struktur der lokalen PP angenommen werden.
Modifizierende PPn können vor oder nach der modifizierten PP stehen, APn nur vor der PP. Man beachte, daß in [PP oben [PP im Schrank]] oben die Extension von im Schrank einschränkt (etwas wird in einem Teil der InNachbarschaft des Schranks lokalisiert: ‘im Schrank, und zwar oben’), während umgekehrt in [PP[PPoben] im Schrank] im Schrank die Extension von oben einschränkt (etwas wird in der In-Nachbarschaft des Schranks lokalisiert: ‘oben, und zwar im Schrank’). (24a,b) zeigt die einschlägigen Oppositionen. (24) a. oben im Schrank und nicht unten im Schrank b. oben im Schrank und nicht oben in der Truhe Ebenso ist zu bemerken, daß *zwei Meter hier/oben, *kurz hier/oben ausgeschlossen sind, offenbar deshalb, weil eine 1-stellige P° (= Adv) explizit kein Objekt bereitstellt, von dem aus eine Messung erfolgen könnte. Ein Adverb wie vorne ist (vgl. oben, Beispiel (17)) relativ zu einem Ort p des Kontextes zu interpretieren. Wenn vorne eine PP modifiziert, so liefert diese den einschlägigen kontextuellen Ort. (25) Anna steht [PP vorne [PP im Zimmer]] Satz (25) erhält so die Deutung, daß Anna im Vor-Teil der In-Nachbarschaft des Zimmers lokalisiert ist. Speziell im Deutschen gibt es eine Reihe lokaler Pn, die entweder den Dativ oder den Akkusativ regieren. Dann ist der Kasus interpretationsrelevant.
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
(26) a. Die Bücher liegen auf dem Tisch. b. Die Katze springt auf dem Tisch. c. Die Katze spielt auf dem Tisch. (27) a. Der Vorhang hängt auf den Tisch. b. Die Katze springt auf den Tisch. c. *Die Katze spielt auf den Tisch. Die Beispiele (26a,b) und (27a,b) zeigen, daß die Sorte des Verbs nicht entscheidend ist, ganz abgesehen davon, daß eine PP als maximale Projektion vor dem Hineinregieren des Verbs geschützt ist (nach den Standardauffassungen der Syntaxtheorie). In einem Lokal regiert auf den Dativ, d. h. das Vorkommen des Dat. ist so zu interpretieren, daß ein Objekt (oder evtl. eine Situation) statisch lokalisiert wird. In einem Direktional regiert auf den Akkusativ, d. h. das Vorkommen des Akk. besagt, daß ein Objekt einem Ortswechsel unterliegt. Ein Satz wie (27a) mit einem Positionsverb erfordert daher eine Umweginterpretation, etwa in dem Sinne, daß das Hängen des Vorhangs eine Dimension definiert, längs der ein Ortswechsel möglich ist derart, daß ein Teil des Vorhangs auf dem Tisch lokalisiert ist. Für eine Aktivität wie ‘spielen’ (vgl. (27c)) ist eine derartige Umweginterpretation kaum möglich. Bewegungsverben haben ein wegbezogenes Argument, z. B. ein Direktional. In (27b) ist die PP daher ein Argument, in (26b) ein Nicht-Argument. Diese Unterscheidung wird im Dt. durch Akk. vs. Dat. geleistet, im Engl. durch onto vs. on, im Chin. durch Wortstellung: PP-Argumente stehen rechts vom Verb, PP-Nicht-Argumente links vom Verb (s. (28a,b)) (vgl. Li & Thompson 1978: 229). Im Jap. wird der Unterschied durch verschiedene Kasuspartikel gekennzeichnet: ni für lokale und direktionale Argumente von Positionsund Bewegungsverben, de für circumstantielle (u. a. lokale) Nicht-Argumente (s. (28c—f)). (28) a. Tá tiào zài zhuozi-shang. (er hüpf LOK Tisch-Oberseite = ‘Er hüpft auf den Tisch.’) b. Tá zài zhuozi-shang tiào. (er LOK Tisch-Oberseite hüpf = ‘Er hüpft auf dem Tisch.’) c. tsukue no ue de tobu (‘Tisch GEN oben ORT/CIRC springen’ = ‘auf dem Tisch springen’) d. tsukue no ue ni tobu (‘Tisch GEN oben LOC/DIR springen’ = auf den Tisch springen’) e. uchi de hataraku (‘Zuhause ORT/CIRC arbeiten’ = zu Hause arbeiten’)
37. Lokale und Direktionale
f. uchi ni iru (‘Zuhause LOC sich-befinden’ = sich zu Hause befinden’) 2.3 Externe Syntax der Präpositionalphrase Eine lokale PP (und mithin auch ein Adv) kann prädikativ, als Modifikator oder als Argument eines Verbs vorkommen. (29) Anna ist auf dem Balkon. (30) a. Die Frau auf dem Balkon liest Zeitung. b. In unserem Haus auf dem Balkon wächst Petersilie. c. Anna singt auf dem Balkon. d. Anna sieht auf dem Balkon eine Palme. (31) a. Anna sitzt auf dem Balkon. b. Anna geht auf den Balkon. c. Anna stellt die Lampe auf den Balkon. Bei nichtverbalen Prädikaten dient die Kopula zur Realisierung der Flexionsmerkmale (INFL); semantisch betrachten wir sie als Identitätsfunktion. (Wir nehmen also nicht an, daß es eine spezielle lokale Kopula gibt.) In (30) sind Beispiele mit PP als Modifikator aufgeführt: Attribut zu NP (30a), Modifikator zu PP (30b, s. oben (23)), Adverbial zu VP (30c,d). In (31a) ist PP lokales, in (31b,c) direktionales Argument. Im Rahmen der Xbar-Theorie werden Argumente als syntaktische Komplemente von X°, Modifikatoren aber als (Chomsky-)Adjunkte zu XP repräsentiert. Die Unterscheidung zwischen Argumenten und Nicht-Argumenten ist letztlich semantisch. Positionsverben implizieren Lokalisierung und verlangen daher ein lokales Argument. Bewegungsverben implizieren Bewegung, also monotone Ortsveränderung, und verlangen daher ein wegbezogenes Argument. Kausative Positionsverben implizieren Ortswechsel und verlangen daher ein direktionales Argument. (32) a. SITZ(x) → LOC(x,p) b. GEH(x) → MOVE(x), MOVE(x) → LOC(x,p) & DIST(p,po) = f(t) & f ist monoton c. STELL(y,x) → CHANGE(LOC(x,p)) LOC, MOVE und CHANGE werden als universal zur Verfügung stehende Prädikate angesehen. Für Verben wie singen, sehen gibt es keine mit (32) vergleichbaren Implikationsbeziehungen. Wir werden annehmen, daß die
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Implikate in (32) in der semantischen Dekomposition der Verben geeignet berücksichtigt werden (siehe 3.4). Die Syntax ist (bis zu einem gewissen Grade) gegenüber der Semantik autonom. Ein Ausdruck muß nicht bezüglich aller Argumente subkategorisiert sein (vgl. Bierwischs (1987) Analyse der dimensionalen Adjektive, s. ebenso unten die Analyse der dimensionalen Präpositionen). Wir nehmen allerdings an, daß Verben wie sitzen, gehen, stellen bezüglich des lokalen bzw. direktionalen Arguments subkategorisiert sind: [PP ____] bzw. [NP PP ____]. In manchen Fällen ist die PP weglaßbar, in anderen Fällen nicht; die Verhältnisse sind im einzelnen oft recht unsystematisch. Nur bei kausativen Positionsverben ist das Direktional notwendig. (33) a. Anna sitzt bequem. b. Anna geht langsam. c. *Anna stellt die Lampe langsam. Sitzen impliziert z. B. auch eine bestimmte Körperposition, im Kontrast zu stehen, liegen usw., und kann möglicherweise nur mit diesem Teil seiner Bedeutung gebraucht werden. Im übrigen sind interne Argumente syntaktisch oft weglaßbar, weil sie stereotyp oder kontextuell ergänzbar sind. Waschen, kochen sind sicherlich transitive Verben, aber auch intransitiv verwendbar. (34) Otto kocht heute abend, während Anna wäscht. Fehlende Argumente werden hier als existentiell gebunden verstanden. Im Dt. gibt es keine wirklich verläßlichen syntaktischen Tests zur Unterscheidung von Argumenten und Nicht-Argumenten. Im allgemeinen ist es wohl so, daß mit und zwar oder mit tut dasselbe nur Nicht-Argumente anschließbar sind. Der und zwar-Test ist aber an die Bedeutung von zwar gebunden. Der tut dasselbe-Test setzt voraus, daß es sich um ein Pro-Verb der Stufe VP handelt; er ist problematisch bei nichtagentiven Verben. (35) a. Anna singt Arien, und zwar auf dem Balkon. b. ?? Anna liegt, und zwar auf dem Balkon. (36) a. Anna singt Arien auf dem Balkon, und Egon tut dasselbe im Bad. b. * Anna liegt auf dem Balkon, und Egon tut dasselbe im Bad. Andere Sprachen lassen verläßlichere Tests zu. Eine Übertragung der Ergebnissse auf das
764
Dt. kann aber auch nur semantische Äquivalenz beanspruchen. Mandarin-Chin. erlaubt vermutlich eine syntaktische Unterscheidung durch die Stellung zum Verb (s. oben (28)). Im Franz. können Nicht-Argumente topikalisiert werden, während Argumente eine pronominale Kopie benötigen. (37) a. Sur le balcon, Anna lit le journal. b. * Sur le balcon, Anna va. c. Sur le balcon, Anna y va. 2.4 Die thematischen Rollen von Positionsund Bewegungsverben Gruber (1965) und im Anschluß daran Jackendoff (1972) haben die Argumente eines Verbs mithilfe spezifischer thematischer Rollen (θ-Rollen) semantisch charakterisiert; Ausgangspunkt bildeten dafür die Positionsund Bewegungsverben. Die Ergebnisse wurden dann im Hinblick auf andere Klassen von Verben generalisiert (s. besonders Jackendoff 1976, s. 5.3). ’Thema’ ist für Gruber/Jackendoff dasjenige Argument, das lokalisiert wird bzw. einer Bewegung unterliegt. Positionsverben weisen als weiteres Argument eine ‘Lokation’ auf, Bewegungsverben einen ‘Ursprung’ (source) und ein ‘Ziel’ (goal). Bennett (1975) fügt dem noch weitere θ-Rollen ‘Weg’ (path) und ‘Erstreckung’ (extent) hinzu. Ostler (1980) plädiert für eine θ-Rolle ‘Orientierung’ (orientation). (38) a. Location: Er sitzt im Zug. b. Source: Er kommt aus Paris. c. Goal: Er fährt nach London. d. Path: Er fährt über den Kanal. e. Extent: The Mall goes from Buckingham Palace to Trafalgar Square. f. Orientation: The boat drifted towards the island. Ein Problem stellte dabei die Tatsache dar, daß Weg-Ausdrücke in beliebiger Anzahl auftreten können (vgl. (6a) oben), somit gegen das Prinzip verstoßen wird, daß eine θ-Rolle nur einmal vergeben werden darf (vgl. Fillmore 1971 für eine ähnliche Forderung in der Kasusgrammatik; Fillmores Beispiel ist:) (39) He walked down the hill across the bridge through the pasture to the chapel. Bennett erwägt in diesem Zusammenhang eine übergreifende thematische Rolle ‘Reise’ (journey). In der Tat sind ‘Source’, ‘Goal’, und die diversen möglichen Instanzen von ‘Path’ oft lediglich Spezifizierungen einer ein-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
zigen thematischen Rolle Weg (im Sinne der in (7) oben gegebenen Definition) (vgl. dazu auch Jackendoff 1983, Wunderlich 1984 ): Ein Objekt ist während eines Weges längs einer Sequenz von Teilräumen lokalisierbar. Bennetts θ-Rolle ‘Extent’ beruht lediglich auf einer Umweginterpretation: In einem Fall wie (38e) weist go seinem Argument die θRolle ‘Weg’ zu; da das Thema-Objekt (the Mall) als Straße nur eine statische Konstellation aufweist, muß für die Interpretation ein virtueller Weg angenommen werden. Es ist also nicht nötig, für go eine zweite Bedeutung im Sinne von ‘erstreckt sich’ anzunehmen. Und für sich erstrecken genügen die θRollen ‘Ursprung’ und ‘Ziel’, zusammen mit dem Bedeutungspostulat (40): (40) x erstreckt sich von a nach b ↔ x erstreckt sich von b nach a. Ostler stützt seine Argumentation für eine θRolle ‘Orientierung’ u. a. auf die unterschiedlichen Koordinierungsmöglichkeiten bei direktionalen PPn: (41) a. The ball rolled away from the house and into the hole. b. The boat drifted out of the harbour and towards the island. c. The ball rolled off the hilltop and across the green. d. The ball rolled down the slope and across the green. (42) a. The ball rolled from the hilltop (*and) to the tree. b. The ball rolled from the hilltop (*and) into the hole. c. The ball rolled out of the house (*and) to the tree. d. The ball rolled from the hilltop (*and) down the slope. Nimmt man an, daß nur semantisch Gleichartiges koordiniert werden kann, so erhält man nach Ostler für das Englische drei Sorten von direktionalen PPn: 1. reine UrsprungsPPn; diese werden ausschließlich mit der Präposition from gebildet; 2. reine Ziel-PPn; diese werden nur mit to gebildet; 3. OrientierungsPPn; hierzu zählt Ostler alle übrigen direktionalen PPn. Auch Ostlers Beobachtungen zwingen nicht dazu, mehr als eine direktionale θ-Rolle anzunehmen. Die jeweiligen Koordinierungsrestriktionen lassen sich möglicherweise dadurch erklären, daß from und to (ebenso wie im Deutschen von, nach und zu) völlig unspezifische Ortswechsel-Präpositionen sind, die
37. Lokale und Direktionale
lediglich die Funktion haben, eine Region als Ursprungs- oder Zielregion eines Ortswechsels zu kennzeichnen, darüber hinaus aber keinerlei semantischen Gehalt besitzen. Demgegenüber sind out of, off, into, onto, across, through usw. in dem Sinne spezifisch, daß sie z. B. zusätzlich etwas über die Dimensionscharakteristika der betreffenden Teilregionen aussagen. Dies gibt ihnen eine gewisse semantische Eigenständigkeit, die from und to nicht besitzen (vgl. Ostler 1980: 20 über syntagmatische vs. paradigmatische Bedeutungsrelationen). Die Koordinierbarkeit direktionaler Verbargumente setzt aber offenbar eine derartige Eigenständigkeit voraus. Es scheint eine Restriktion von der Art zu geben, daß eine unspezifische PP mit keiner anderen PP — ob spezifisch oder nicht — koordiniert werden kann. Die Auffassung, daß ein Satz wie (39) mehrere wegbezogene Argumente aufweist, beruht auf der Annahme, daß er mehrere voneinander unabhängige PP-Konstituenten aufweist. Diese Annahme ist falsch. Die Topikalisierbarkeit im Deutschen zeigt z. B., daß in (43) nur eine (komplexe) PP vorliegt. (4 3) [Von Köln aus längs des Rheins über Neuss nach Krefeld] fahren sie in einem halben Tag. Man kann annehmen, daß die meisten Bewegungsverben das Ziel als Kopf einer komplexen PP wählen (für den Ausdruck der ZielLokalisierung stehen auch mehr Präpositionen zur Verfügung), während Verben wie holen, kom m en den lokalen Ursprung als Kopf wählen. Mit anderen Worten: nach Krefeld in (4 3) muß als obligatorisches Argument verbleiben, während alle anderen PPn als Modifikatoren weglaßbar sind.
3.
Semantik der Lokalisierungsausdrücke
Die Semantik hat zu klären, welchen Beitrag eine lokale PP zur Satzbedeutung liefert. (i) Der Beitrag soll sich kompositional auf der Basis der syntaktischen Struktur ergeben. (ii) Die Unterscheidung der Verwendung einer PP als Modifikator oder als Verbargument soll respektiert werden. Es ist klar, daß jede solche Theorie zugleich den semantischen Typ der Präposition und die funktionalen Beziehungen im Satz spezifizieren muß.
765
3.1 Lokalisierung von Situationen In der Auffassung von Lakoff (1970) referiert ein Deklarativsatz auf eine Situation, während ein Lokaladverbial ein höheres Prädikat ist mit einer Situation als Argument. Die informale Repräsentation für (4 4 a) wäre dann (44b) bzw. in relationaler Schreibweise (44c). (44) a. Anna singt Arien auf dem Balkon. b. AUF-DEM-BALKON (Anna singt Arien) c. AUF (Anna singt Arien, der Balkon) ↑ ↑ Objekt Situation Diese Theorie versagt für Sätze wie die folgenden: (45) a. Anna wohnt in Düsseldorf. b. IN (Anna wohnt, Düsseldorf) (46) a. Anna singt Arien in der Philharmonie auf dem Balkon. b. IN (AUF (Anna singt Arien, der Balkon), die Philharmonie) ‘Anna wohnt’ kann auf keine vollständige Situation referieren, da das Lokal ein Argument des Verbs ist. Dagegen referiert ‘AUF (Anna singt Arien, der Balkon)’ bereits auf eine lokalisierte Situation; es bleibt unklar, wie die beiden PPn in (4 6a) auf dieselbe Situation beziehbar sind. Der zweite Mangel läßt sich in Davidsons Analyse von Handlungs- und Ereignissätzen beheben. Davidson (1967a, 1970) geht davon aus, daß die logische Form eines Deklarativsatzes die eines Existenzsatzes ist, der behauptet, daß es mindestens eine Situation (bei Davidson spezieller: eine Ereignis) der fraglichen Art gibt. Dadurch wird es möglich, die Situation durch mehrere verschiedene PPn zu lokalisieren. Vereinfacht lautet die Analyse (47) a. Anna singt Arien in der Philharmonie auf dem Balkon. b. ∃s (singt-Arien(Anna, s) & AUF(d__ Balkon, s) & IN(d__ Philharmonie, s)) Auf Davidsons Ansatz gründet sich die Theorie von Sondheimer (1978). Danach sind Verben Prädikate über Situationen (Ereignissen oder Zuständen); sie charakterisieren somit den Typ der Situation. Die Rollen der Situationskonstituenten (unabhängig davon, ob sie als Argumente oder Nicht-Argumente eines V auftreten) werden durch thematische Relationen gekennzeichnet. Durch die Relation P (‘Place’) wird für eine Situation s ein Ort p
766
eingeführt, der durch weitere Prädikate spezifizierbar ist. (48) a. Max schläft auf dem Balkon. b. ∃s ∃p (Schlafen(s) & Th(s, Max) & P(s, p) & AUF(p, d _ Balkon)) (49) a. Max ist auf dem Balkon. b. ∃s ∃p (BEING-AT(s) & Th(s, Max) & P(s, p) & AUF(p, d _ Balkon)) (50) a. Max steht auf dem Balkon. b. ∃s ∃p (BEING-AT(s) & Stehen(s) & Th(s, Max) & P(s, p) & AUF(p, d _ Balkon)) In dieser Analyse gibt es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen lokalen Modifikatoren und lokalen Argumenten (außer als Unterschied zwischen ‘overall predication’ and ‘partial predication’, vgl. Satz (53a) unten). Eine prinzipielle Unterscheidung ist nicht möglich, weil der Stelligkeit eines Verbs direkt keine Rechnung getragen wird (außer möglicherweise durch geeignete Bedeutungsspostulate für die Prädikate). Auf diese Weise kann unterschiedslos für alle Situationen eine Place-Relation herangezogen werden. Lediglich wird bei der direkten Prädikation (4 9) (und analog bei der Modifikation eines N) ein abstraktes Situations-Prädikat BEINGAT verwendet. Um der Einheitlichkeit der Theorie willen stellt so z. B. (4 9b) ein Monstrum dar: Nicht Max wird auf dem Balkon lokalisiert, sondern die Situation eines BEING-AT, dessen Thema-Argument Max ist, wird auf dem Balkon lokalisiert. Bei Positionsverben wie in (50) ist diese Situation dann weiter spezifiziert. Bei Bewegungsverben wird ein abstraktes Prädikat GOING verwendet, und der Ort p der Situation ist dann eine Menge zeitindizierter Positionen (placelets), die in ihrer Gesamtheit einen Weg bilden. Ursprung und Ziel werden dabei durch Elemente von p (UNIT), Abschnitte des Weges durch eine Teilmenge von p (SEGMENT) repräsentiert. (51) a. Max fährt von Köln über die Alpen nach Venedig. b. ∃s ∃p ∃t1, t2, t3, t4 (GOING(s) & FAHREN(s) & Th(s, Max) & P(s, p) & VON(UNIT(p,t1), Köln) & ÜBER(SEGMENT(p,t2,t3), d_ Alpen) & NACH (UNIT(p,t4), Venedig) & t1 < t2 < t3 < t4) Bei transitiven Bewegungsverben macht Sondheimer Gebrauch von einer lexikalischen
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Zerlegung der Situation in mehrere Teilsituationen, etwa im Sinne von (52) WERFEN (x, y, z) → CAUSE(x’s Aktivität, COME ABOUT(BE-AT(y, z))) Hierbei werden die Teilsituationen durch Rollen-Prädikate als Träger bestimmter thematischer Rollen in der Gesamtsituation charakterisiert. x’s Aktivität des Werfens ist demzufolge Instrument (I) einer CAUSING-Situation. Ziel (Z) von CAUSING ist eine COMING-ABOUT-Situation, und deren Thema ist das Geworfen-sein von y. Diese Analyse ist inakzeptabel, weil WERFEN hier in eine Aktiv- und eine Passiv-Situation aufgespalten wird. Im Sinne der übrigen Annahmen von Sondheimer läßt sich aber für Satz (53a) statt Sondheimers Analyse (53b) eine wesentlich plausiblere Analyse (53c) finden. (Dabei wird CAUSE allerdings als zweistelliges Prädikat angesehen, während bei Sondheimer nur Rollen-Prädikate zweistellig sind.) (53) a. Anna wirft im Wald die Flinte in den Bach. b. ∃s1, s2, s3 ∃p1, p2 (CAUSING(s1) & I(s1, Annas Aktivität des Werfens) & Z(s1,s2) & COMING-ABOUT(s2) & Th(s2,s3) & Geworfen-sein(s3) & Th(s3, d_ Flinte) & P(s3,p2) & IN(p2, d_ Bach) & P(s1,p1) & IN(p1, d_Wald)) c. ∃s1, s2 ∃p1, p2 (WERFEN(s1) & Ag(s1, Anna) & P(s1,p1) & IN(p1, d_Wald) & CAUSE(s1,s2) & BEING-AT(s2) & P(s2,p2) & IN(p2, d_Bach) & Th(s2, d_Flinte)) Ein Vorteil solcher Analysen ist z. B., daß das lokale Adverbial (im Wald) auf die gesamte Situation, das direktionale Argument (in den Bach) allein auf die Teil-Situation des SichBefindens beziehbar ist (‘overall’ vs. ‘partial predication’). Man fragt sich, weshalb Sondheimer einerseits eine ontologische Feinanalyse vornimmt (die Aktivität des Agens als Instrument einer Situationsveränderung betrachtet), der auf der Seite der sprachlichen Formulierung nichts entspricht, andererseits darauf verzichtet, das bewegte Objekt als etwas anzusehen, das einem Ortswechsel unterliegt, d. h. dessen Lokalisierung sich ändert. Der Grund dafür ist, daß bei Sondheimer niemals Objekte, sondern stets nur Situationen lokalisiert werden; es macht wenig Sinn zu sagen, daß in einem Fall wie (53a) das Werfen im Bach landet.
37. Lokale und Direktionale
(Aber Sondheimer muß qualvoll sagen, daß sich das Geworfen-Sein im Bach befindet!) Alle bisher besprochenen Theorien gehen auf die Frage der Kompositionalität nicht ein. In Sondheimers Theorie spielt die Unterscheidung von Modifikator (also Funktionsausdruck) und Argument nur eine marginale Rolle, jedenfalls stützt sie sich nicht auf einen syntaktischen Unterschied, der sich kompositional auswirken könnte. Eine Repräsentation wie (53b) ist kompositional auch gar nicht erreichbar, denn Satz (53a) enthält nur eine (die Aktiv-)Form des Verbs. Die Theorien weisen auch inhaltliche Schwierigkeiten auf. Die eine beruht darauf, daß mehrstellige Prädikate in eine Menge von Rollenprädikaten aufgelöst werden. Somit ist die Beziehung zwischen den Argumenten verschwunden. Dies führt zu unannehmbaren Konsequenzen (vgl. auch v. Stechow 1978). Unterstellen wir, daß es Objekte sind (und nicht Situationen), die einen Weg beschreiten, und betrachten dann die Analyse (54 b) für Satz (54a). (54) a. Anna geht durch den Wald. b. ∃s ∃w ∃t1, t2 (GOING(s) & Th(s,Anna) & P(Anna,w) & DURCH (SEGMENT(w,t1,t2), d_ Wald) & t1 〈 t2) c. Anna geht durch den Speisewagen. Nehmen wir nun an, daß (54 c) wahr ist und der Zug gerade durch den Wald fährt, dann trifft es im Sinne der Analyse (54 b) zu, daß es einen Weg von Anna gibt, der durch den Wald führt. Trotzdem sollte in dieser Situation mit (54 c) nicht auch automatisch (54 a) als wahr anerkannt werden. Um das auszuschließen, müssen wir voraussetzen, daß Annas Weg durch das Gehen, also eine Aktivität von Anna, erzeugt wird; dementsprechend muß gehen repräsentiert werden (s. unten 3.4). Die zweite Schwierigkeit ist mit Sondheimers unreflektierter Auffassung verbunden, daß prinzipiell Situationen und nicht Objekte lokalisiert werden. Im Fall von Verben mit PP-Argument wie liegen in (55) ist die durch die PP spezifizierte Region als Bestandteil der Gesamtsituation zu betrachten: Positionszustände sind inhärent raumbezogen, sie schließen eine zweistellige Relation zwischen einem Objekt und einer Region ein. Es ist zweifelhaft, ob ein Prädikat wie LIEGEN im Stil von Sondheimer als Situationstyp-Prädikat über eine Situation analysiert werden sollte, deren Ort durch die lokale PP bestimmt wird. Hier ist eine Analyse vorzuziehen, die besagt,
767
daß sich in (55) ein Objekt im Positionsmodus des Liegens befindet und in der Region lokalisiert ist, die durch die PP im Bett charakterisiert ist (s. 3.4). (55) Anna liegt im Bett. Bedenkenswert erscheint eine Theorie der Lokalisierung von Situationen eher für lokale Modifikatoren wie in (56). Doch auch hier treten Probleme auf, für die bislang in der Literatur noch keine befriedigenden Lösungen gefunden wurden. (56) a. Die Kinder spielen in der Küche mit Karten. b. Die Kinder spielen auf dem Küchentisch mit Karten. In (56a) ist anzunehmen, daß sich alle am Spiel beteiligten Objekte (die Kinder und die Karten) in der angegebenen Region — hier: in der Küche — befinden. Nicht so in (56b): Hier wird man im allgemeinen (aber nicht zwingend) annehmen, daß nur die Karten, aber nicht die Kinder auf dem Küchentisch lokalisiert sind. Die intuitiv durchaus ansprechende Analyse, derzufolge in (56) eine Spielsituation lokalisiert wird, muß durch eine Theorie abgesichert werden, die erklärt, unter welchen Umständen eine Situation in einer Region lokalisiert werden kann, ohne daß sich alle Partizipanten der Situation in der angegebenen Region befinden müssen. Da anzunehmen ist, daß die Regionen, die die Partizipanten einer Situation einnehmen, Teil der Region sind, die der Gesamtsituation zuzuweisen ist, steht eine Theorie der Situationslokalisierung in Sätzen wie (56b) vor der Schwierigkeit, daß nicht die Situation in ihrer gesamten Erstreckung in der angegebenen Region lokalisiert wird, sondern nur ein Teil der Situation. Es gibt aber gute Gründe, für Prädikationen — und das schließt lokale Prädikationen mittels lokaler PPn ein — das Prinzip der Argument-Homogenität zu vertreten (s. Löbner 1987c für den allgemeinen Fall und Herweg 1989 für den Spezialfall lokaler Prädikationen): Prädikationen beziehen sich immer auf ihre Argumente in deren Gesamtheit. Wenn nur ein Teil des Arguments das Prädikat erfüllt, kann kein definiter Wahrheitswert zugewiesen werden. Abweichungen vom semantischen Homogenitätsprinzip können aber u. U. pragmatisch legitimiert sein (s. Herweg 1989 für Konstruktionen wie die Blum en in der Vase). Eine Theorie der Situationslokalisierung für modifizierende Lokalangaben, die sich auch auf die Möglichkeit von No-
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minalisierungen wie in (57) berufen kann, muß in jedem Fall eine Klärung dieses Problems herbeiführen. (57) a. das Spiel (der Kinder mit Karten) in der Küche b. das Spiel (der Kinder mit Karten) auf dem Küchentisch Ähnliches gilt für ein Beispiel wie (58) der Kuß auf dem Balkon Die Küssende, sagen wir Anna, kann sich über die Brüstung eines Balkons zu einem Mann im Garten gebeugt haben, oder sie kann sich aus dem Zimmer heraus zu einem Mann auf dem Balkon gebeugt haben; der Ort des Kusses kann also zweifellos noch feiner festgelegt werden. Besondere Schwierigkeiten entstehen bei Verben, die eine signifikante räumliche Trennung der an der beschriebenen Situation beteiligten Objekte zulassen: (59) Anna sieht auf dem Balkon eine Palme. Was bedeutet es, daß die Situation des Sehens auf dem Balkon lokalisiert wird? Müssen dann auch die Sehende und das Gesehene auf dem Balkon sein, oder genügt es, daß ein Teil des Blickfeldes auf dem Balkon lokalisiert ist? Nun ist (59) offensichtlich zweideutig: (59) ist wahr, wenn Anna z. B. im Zimmer und die Palme auf dem Balkon ist, und (59) ist auch wahr, wenn Anna auf dem Balkon und die Palme z. B. im Garten ist. Diese Bedingungen sind auch einschlägig, wie (60) erkennen läßt (60) Anna sieht auf jedem Balkon eine Palme. Allquantor und Existenzquantor (falls der indefinite Artikel hier so analysiert wird) können jeweils im Skopus des anderen stehen: (60) ist wahr, wenn Anna von jedem Balkon aus eine andere Palme sieht; (60) ist wahr, wenn Anna von jedem Balkon aus dieselbe Palme sieht; und (60) ist wahr, wenn Anna, vor dem Haus stehend, auf jedem Balkon eine andere Palme sieht. (Die vierte Lesart ist pragmatisch ausgeschlossen.) Die Rekonstruktion solcher Mehrdeutigkeiten verlangt, daß Aussagen über die Lokalisierung von Objekten einer Situation gemacht werden können. Wir müssen also festhalten, daß eine Theorie der Situationslokalisierung für modifizierende lokale PPn zwar in vielen Fällen intuitiv plausible Resultate erzielt, aber mit einer Reihe von Schwierigkeiten behaftet ist, für
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
die zur Zeit noch keine befriedigenden Lösungen existieren. In jedem Fall sind Situationslokalisierungen aber auf Ereignisse zu beschränken. Lokalisierbar sind ausschließlich Individuen, also z. B. gewöhnliche Objekte. Stoffe z. B. können dagegen nur dann lokalisiert werden, wenn sie zu Einheiten, zu Quanten von Stoffen, zusammengefaßt, also mittels Quantelung individuiert werden (siehe Artikel 18). Diese logische Lokalisierbarkeitsbedingung wird von Ereignissen erfüllt: Ereignisse sind Individuen im logischen Sinn (vgl. Galton 198 4 ). Ereignisprädikationen sind entsprechend wie Individualnomina gequantelt (heterogen). Anders verhält es sich bei Zuständen. Zustände sind keine Individuen; logisch sind sie mit Stoffen vergleichbar (vgl. Galton 1984 ). Zustandsprädikationen sind, ebenso wie Stoffnomina, homogen (vgl. Krifka 1987). Wie Stoffe können Zustände allerdings zu Einheiten (Quanten von Zuständen) zusammengefaßt werden. In diesem Fall verhalten sie sich logisch wie individuelle Ereignisse (s. Löbner 1988, Herweg 1990) und erfüllen damit die Lokalisierbarkeitsbedingungen. Es sprechen also keine logischen Gründe gegen eine Theorie der Ereignislokalisierung; es sind vielmehr die relativen Schwierigkeiten zu bedenken, die mit einem solchen Ansatz im Unterschied zu einer Theorie der Objektlokalisierung verbunden sind. Die Lokalisierung von Ereignissen setzt komplexe Informationen voraus, z. B. über den Ereignistyp (wobei ein und dasselbe Ereignis oftmals verschiedenen Ereignistypen zugeordnet werden kann), darüber, was die relevanten Rollenträger in dem Ereignis sind (was wiederum je nach Typ variieren kann), über die Stellung des betreffenden Ereignisses in einer Ereignishierarchie oder einem Ereigniszusammenhang, und vieles mehr. Den primären Anker für die Lokalisierung von Ereignissen bieten die Positionen der beteiligten Objekte. Der Ort eines Kusses wird gewöhnlich über die Position beider Küssenden bestimmt, der Ort eines Gesprächs über die Position der Gesprächsteilnehmer usw. Die Lokalisierung eines Ereignisses setzt also in der Regel die vorherige Lokalisierung der beteiligten Objekte voraus. Einige der damit verbundenen Probleme wurden bereits oben angedeutet. Darüber hinaus ist es völlig unklar, was die Position eines komplexen Ereignisses sein soll, dessen Teilereignisse räumlich getrennt stattfinden. Nehmen wir z. B. das Ereignis, daß eine Person A eine andere Per-
37. Lokale und Direktionale
son B tötet, indem A B auf offener Straße niederschießt, B aber erst später im Krankenhaus stirbt. Ist der Raum des komplexen Ereignisses die Vereinigung der Räume seiner Teilereignisse, die wiederum mittels der Positionen der beteiligten Objekte in geeigneter Weise zu bestimmen sind? Eine solche Annahme würde dazu führen, auch nicht zusammenhängende Räume als Positionen lokalisierter Entitäten zuzulassen, eine Konsequenz, die unserer Grundauffassung von Räumen widerspricht und u. E. zumindest problematisch ist. Sicherlich ist es prinzipiell möglich, geeignete Bedeutungspostulate für Verben zu formulieren, die es erlauben, von der Position des Ereignisses auf die Positionen der beteiligten Objekte und umgekehrt zu schließen. Ereignislokalisierung und Objektlokalisierung wären dann äquivalente Verfahren. Aufschlußreich wäre in diesem Zusammenhang, ob man einen Ereignisparameter als Komponente der semantischen Repräsentation von Verben auch unabhängig von Überlegungen zur Lokalsemantik motivieren kann. In der Tat sprechen hierfür Resultate aus der Forschung zu Tempus und Aspekt (s. Herweg 1990, Artikel 35 in diesem Band). 3.2 Lokalisierung von Objekten Geis (1975) vertritt gegenüber Davidson rigoros die Position, daß Objekte und nicht Situationen lokalisiert werden. Seine Analysen haben dafür andere Schwächen und sind nicht generalisierbar. (61) a. Anna ist im Park. b. ∃p (AT(Anna,p) & p ∈ PARK) (62) a. Anna schläft im Park. b. ∃p (Schlafen(Anna) & AT(Anna,p) & p e PARK) AT ist eine primitive Lokalisierungsrelation, p eine Ortsvariable, PARK ist ein Name für eine Menge von Orten. Es ist sicherlich problematisch, die räumliche Teil-von-Relation als mengentheoretische Enthaltensein-Relation zu rekonstruieren. ‘p ∈ PARK’ repräsentiert die PP im Park. Eine solche Analyse ist nicht leicht auf andere Präpositionen ausdehnbar; Geis bezieht dementsprechend auch keine anderen Präpositionen ein. Er beschränkt sich auf Sätze der zitierten Art; so ist nicht erkennbar, wie die Analyse auf lokale Argumente ausdehnbar und strikt kompositional durchführbar ist. Dowty (1979) bewegt sich mit seinen Analysen im Rahmen der Montague-Grammatik,
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zielt also von vornherein auf eine kompositionale Analyse. Lokale PPn werden als Verbmodifikatoren behandelt, nämlich als Ausdrücke der Kategorien IV/IV oder TV/TV: Sie sind Funktoren, die in der Kombination mit einem intransitiven oder transitiven Verb (IV bzw. TV) wiederum ein intransitives bzw. transitives Verb bilden. Diese Kategorisierung gilt unabhängig davon, ob eine lokale PP als Adjunkt (Modifikator im Sinne von Abschnitt 2.3) oder Komplement (Argument) auftritt. Der Unterschied zwischen Adjunkt und Komplement schlägt sich also nicht in der syntaktischen Kategorie und dementsprechend im semantischen Typ der PP nieder; er zeigt sich vielmehr in der Kategorie des jeweiligen Verbs. Verben, die kein lokales Argument haben, sind von der Kategorie IV oder TV, während Verben, die ein lokales Argument erfordern, von der Kategorie IV/ (IV/IV) oder TV/(TV/TV) sind. Sinngemäß legt Dowty syntaktische Analysen der folgenden Art zugrunde: (63) a. [[auf dem Balkon]IV/IV schlafenIV]IV b. [einen Mann [[auf dem Balkon]TV/TV küssen]TV]IV c. [[auf dem Balkon]IV/IV [einen Mann [küssen]TV]IV]IV d. [[auf dem Balkon]IV/IV stehenIV/(IV/IV)]IV e. [die Flaschen [[auf den Balkon]TV/TV stellenTV/(TV/TV)]TV ]IV Mit den Analysen (63b,c) läßt sich die anhand von (58,59) beschriebene Mehrdeutigkeit erfassen; es soll hier offen bleiben, ob Dowty diese Analysen (die so bei ihm nicht vorkommen) akzeptieren würde. Sie ergeben sich aber zwanglos, wenn lokale PPn als IV/IV oder TV/TV kategorisiert werden. Die Unterscheidung von lokalen PPn der Kategorien IV/IV und TV/TV ist für die Bedeutung der PP selbst unerheblich, sie betrifft nur deren unterschiedliche Kombinationsfähigkeit im Satz. Der wesentliche Anteil, den eine (im engeren Sinne) lokale P beiträgt, ist ein zweistelliges Lokalisierungsprädikat zwischen Objekten, während eine direktionale P mit einem weiteren BECOME-Operator versehen ist. (64) a. in: ...BE-IN (x, y) into: ...BECOME (BE-IN (x, y)) c. from: ...BECOME (NOT BE-AT (x, y)) Dabei repräsentiert y stets das Objekt-Argument der Präposition und x das (externe) Argument, das bei funktionaler Applikation mit
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dem jeweils nächsten freien Argument des Verbs zu identifizieren ist. Deshalb ergibt sich bei (63b), daß das syntaktische Objekt des Verbs (‘der Mann’) lokalisiert wird. Dowty repräsentiert die Bedeutungen und die darauf bezogene funktionale Applikation im Rahmen der Intensionalen Logik; auf eine Darstellung der Details (die Ausfüllung der ‘...’ in (64)) soll hier verzichtet werden. Problematisch an Dowtys Analyse ist, daß sie von der Modifikatorrolle der PPn ausgeht. Dies führt zu einer Inflation an Kategorien. PPn können auch NPn modifizieren und gehörten dann wieder einer anderen Kategorie an. Verben mit lokalem Argument müssen (gegen die Intuition) für einen Modifikator subkategorisiert werden. Schließlich ist die prädikative Rolle von PPn überhaupt nicht darstellbar, es sei denn, daß auch die Kopula zur Kategorie IV/(IV/IV) gezählt wird. Aber auch die Auffassung von Modifikation selbst bereitet Probleme. Sie ist in unvorteilhafter Weise an der semantischen Kombinatorik orientiert und steht im Widerspruch zu den Annahmen der X-bar-Theorie. (65) a. (weil) Anna einen Mann auf dem Balkon küßt.
Die Präposition auf steht hier in einer vollständigen Funktor-Kette (jeweils eingekreist in der Struktur (65b)); daher muß nach den Prinzipien der Montague-Grammatik die le-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
xikalische Repräsentation von auf bereits alle hinzutretenden Elemente berücksichtigen (‘wird angewendet auf eine NP, ein TV, eine NP, eine NP’); deshalb muß auch zwischen IV/IV und TV/TV-PPn unterschieden werden. Aber das ist gegen die Intuition; ein Satz ist keine Projektion von P; ein Ausdruck sollte nur für die eigenen Argumente verantwortlich sein. Auf ist ein zweistelliges Prädikat. Das erste Argument findet es in seinem syntaktischen Objekt. In einem Fall wie (65) ist das zweite Argument ein TV, das aber nicht den geeigneten semantischen Typ darstellt. Deshalb muß auf sein externes Argument (das, was lokalisiert wird) mit dem nächsten Argument des TV identifizieren, den Rest müssen die Projektionsbedingungen des TV leisten. (Diese Überlegungen führen zu einer revidierten Theorie der Modifikation, siehe Abschnitt 3.4.) Nach dieser Klärung ist noch deutlicher, weshalb ein TV mit PP-Argument kein TV/ TV-nehmendes TV sein sollte. Die funktionale Leistung von auf ist nämlich dann beendet, wenn die Funktor-Kette abgebrochen wird. (66) a. (weil) Anna die Flaschen auf den Balkon stellt.
Hier nimmt das Verb stellen die PP zu sich und sollte eines seiner Argumente mit dem externen Argument von auf identifizieren. Dowty berücksichtigt auch PPn in der Funktion von PP-Modifikatoren.
37. Lokale und Direktionale
(67) a. John walked [[from Boston] to Detroit]. b. Anna saß [[auf dem Balkon] im Liegestuhl]. Nach den Prinzipien von Dowty müssen from Boston, auf dem Balkon nunmehr Ausdrücke der Kategorie (IV/IV)/(IV/IV) sein; auf müßte im Fall von (67b) auch noch für das Objekt von in verantwortlich gemacht werden. Während from NP in der Tat nur zusammen mit to NP vorkommt, gilt das für auf NP natürlich nicht. Dowty würde deshalb die Analogisierung von (67b) mit (67a) vielleicht ablehnen, er könnte dann aber (67b) überhaupt nicht repräsentieren. Im wesentlichen das Gleiche wie Dowtys Analysen leisten die Analysen von Cresswell (1978, 1985), lediglich in einem etwas anderen kategorialgrammatischen Rahmen. Auch Cresswell betrachtet PPn als Verbmodifikatoren, die letztlich zur Lokalisierung eines Verbarguments beitragen. Sehr viel differenzierter sind Cresswells Betrachtungen zum unterschiedlichen semantischen Beitrag einzelner Präpositionen, besonders der wegbezogenen Präpositionen through, along, around, via, past, beyond, across (s. unten, 4 .3). Hierbei stützt er sich auf die Arbeit von Bennett (1975). Obwohl Cresswell in wesentlicher Weise Begriffe wie ‘spatial area’ und ‘journey’ verwendet, hält er an den beiden semantischen Grundtypen ‘Objekt’ und ‘Wahrheitswert’ fest. Die unplausible Komplexität der Analysen beruht bei ihm (wie bei Dowty) letztlich darauf, daß kein weiterer semantischer Grundtyp wie ‘Ort’ eingeführt wird. 3.3 Orte als semantischer Grundtyp Jackendoff (1983, 1987) argumentiert dafür, daß die anzunehmenden ontologischen Grundkategorien mentale Konzepte sind, auf die sowohl das sprachliche wie auch das visuelle und motorische System bezogen sind. Syntaktische Strukturen werden direkt auf konzeptuelle Strukturen abgebildet, die Existenz einer spezifisch sprachlichen semantischen Ebene wird bestritten (vgl. dagegen die Argumentation von Bierwisch & Lang 1987).
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Entsprechend geht es Jackendoff nur um die Struktur konzeptueller Repräsentation. Semantische Fragestellungen, die mit Wahrheitsbedingungen und Quantifikation zusammenhängen, werden nicht beantwortet. Zu den ontologischen Grundkategorien gehören für Jackendoff u. a. Ding, Ort, Weg, Zustand und Ereignis. Sei X eine konzeptuelle Einheit vom Typ THING, P vom Typ PLACE, W vom Typ PATH und E vom Typ EVENT. Jackendoff nimmt dann universale Strukturregeln für den Aufbau komplexer konzeptueller Einheiten an. Diese Regeln sind rekursiv. Im Bereich der räumlichen Repräsentation gehören dazu die folgenden: (68) a. b. c. d. (69) a. b. c. d. e. f. g.
PLACE PLACE PATH PATH EVENT EVENT STATE STATE STATE EVENT EVENT
→ PLACE (X) → PLACE (W) → PATH (X) → PATH (P) → GO (X, W) → STAY (X, P) → BE (X, P) → ORIENT (X, W) → GOEXT (X, W) → CAUSE (X, E) → LET (X, E)
Die Konzepte in (68) dienen zur Interpretation lokaler PPn; einfache Beispiele für (68a — d) sind in (70a — d) angeführt. (70) a. (Die Post liegt) auf einem Hügel. b. (Die Post liegt) die Straße runter. c. (Die Maus lief) durch das Fenster. d. (Die Maus lief) (bis) unter den Tisch. Die Konzepte in (69) dienen zur Interpretation von Positions- und Bewegungsverben. Zur Illustration der Regeln (69a—g) stehen die Beispiele (71a—g). (71) a. Der Vogel flog ins Nest. b. Der Vogel blieb im Nest. c. Der Vogel saß im Nest. d. Das Schild zeigt nach Düsseldorf. e. Die Straße führt nach Düsseldorf. f. Max legt das Buch auf den Tisch. g. Max läßt das Auto in der Garage. Die Regeln liefern komplexe konzeptuelle Repräsentationen, z. B. (72) für Satz (71 f).
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Generell soll gelten, daß Y in der Repräsentationsform
eine Instanz vom Typ Z ist.
Die Regeln liefern auch die konzeptuelle Struktur, die man bei Umweginterpretationen erhält, wie z. B. in (73a,b) erforderlich. Der
Die Regeln respektieren die syntaktische Struktur eines Satzes: Syntaktische Einheiten werden auf konzeptuelle Einheiten abgebildet. Lokale Präpositionen werden als Ortsoder Wegfunktionen, ein n-stelliges Verb wird als n-stellige Relation zwischen konzeptuellen Einheiten dargestellt. Dabei wird auch von lexikalischen Zerlegungen Gebrauch gemacht, z. B. (74) a. legen (x, y, z): CAUSE (x, GO (y, z)) b. enter (x, y): GO (x, TO (IN (Y)) c. rise (x): GO (x, UPWARD) Jackendoff behandelt lokale PPn ausschließlich als Argumente vom Orts- oder Weg-Typ, wobei ‘Weg’ ebenso ein primitiver Typ ist wie ‘Ort’ (s. a. Creary et al. 1989). Verwendungen als Modifikator werden nicht erfaßt. In einem anderen Zusammenhang scheint Jackendoff anzunehmen, daß semantische Modifikation zu einer direkten Unifikation von Konzepten führt; er gibt allerdings keine Regeln dafür an (Jackendoff 1983: 70 ff.). Übertragen auf PP-Attribute würde sich folgendes ergeben:
3.4 Synthese Im Unterschied zu Jackendoff wollen wir im folgenden die Bedeutung lokaler Ausdrücke nicht mit lokalen Konzepten identifizieren (obwohl sie natürlich darauf bezogen ist), sondern verbleiben in den Vorstellungen der
markierte Status solcher Sätze ergibt sich hier allenfalls daraus, daß beim Aufbau der konzeptuellen Struktur Informationen zu ergänzen sind. (73) a. Die Post liegt über den Berg. b. Die Post liegt um die Ecke.
modelltheoretischen Semantik. Wir beschränken uns auf eine extensionale Darstellung im Rahmen der Prädikatenlogik mit LambdaAbstraktion. Es wird sich als nützlich erweisen, die semantische Repräsentation selbst nur als strukturelle Bedingungen an die Interpretation zu verstehen; sie kann verschiedene Elemente enthalten, die im jeweiligen Verwendungskontext konzeptuell zu differenzieren sind. Wir betrachten semantische Komposition als kompositional, während die konzeptuelle Differenzierung nicht notwendigerweise kompositional ist (siehe hierzu auch Artikel 3). Wir betrachten eine lokale (statische) Präposition als 2-stelliges Prädikat über der Menge der lokalisierbaren Individuen (Objekte, portionierte Massen, gegebenenfalls auch Ereignisse oder portionierte Zustände; um welche Sorte von Individuen es sich handelt, ist von der Präposition selbst nicht vorgegeben). Die Struktur dieser Prädikate folgt einem generellen Schema, das in den (völlig äquivalenten) Varianten (a) oder (b) beschrieben werden kann. (76) a. λyλx LOC(x, uj(y)) b. λyλx [p(x) ⊑ uj(y)] Darin ist LOC(x,R) eine generelle Lokalisierungsrelation mit der Deutung, daß der Ort des Individuums x räumlicher Teil der Region R ist; Uj ist eine Familie von Funktionen uj, die Individuen gewisse regionale Nachbarschaften zuordnen; p ist die Lokalisierungsfunktion, die den Individuen ihren Ort zuordnet, und ⊑ ist die räumliche Teil-von-Relation (siehe Abschnitt 1). Der spezifische Kontrast zwischen Präpositionen ist durch die unterschiedlich festgelegten Nachbarschaftsregionen Uj gegeben. Für die semantische Ana-
37. Lokale und Direktionale
lyse einer Präposition wie auf ergibt sich somit die folgende schematische Äquivalenz: (77) AUF(x,y) ↔ LOC(x, AUF*(y)) AUF ist eine lokale Relation zwischen Individuen, AUF* ist die dafür charakteristische Nachbarschaftsfunktion. Dowty hat die Bedeutung von auf ausschließlich als AUF, Jakkendoff ausschließlich als AUF* rekonstruiert; (77) verdeutlicht den inneren Zusammenhang dieser Konzeptionen. (An dieser Stelle soll nicht weiter darauf eingegangen werden, wie AUF* zu analysieren ist, das zunächst nur als Platzhalter für den idiosynkratischen Beitrag der Präposition steht. Man könnte beispielsweise annehmen, daß es sich um eine externe Nachbarschaft in der Vertikalen handelt, wobei eine weitere Beschränkung hinzukommen muß derart, daß zwischen x und y ein Kontakt besteht — s. Abschnitt 4 .1. Generell wird man (76) als Schema anzunehmen haben, das durch Bedingungen von der Art C(x,y) weiter eingeschränkt werden kann.) In (76) ist λy die interne θ-Rolle der Präposition, die durch das jeweilige Objekt der Präposition gesättigt wird, λx ist die externe θ-Rolle, die in der syntaktischen Kombinatorik der PP zu sättigen ist. Die PP als ganze drückt eine Lokalisierungseigenschaft von Individuen aus. Repräsentiere B das kontextuell bestimmte Objekt ‘der Balkon’, dann drückt auf dem Balkon die Eigenschaft aus, auf dem Balkon lokalisiert zu sein. (78) auf dem Balkon: λx LOC(x, AUF*(B)) Eine lokale PP ist prädikativ, als Modifikator oder als Argumentausdruck eines Verbs verwendbar. Mit dem Schema in (76) ergibt sich der Vorteil, auf eine lokale Deutung der Kopula verzichten zu können; es genügt die prädikative Deutung der Kopula als Identitätsfunktion (wobei die Kopula selbst lediglich Träger für Kongruenz- und Tempusinformationen ist, die wir hier nicht betrachten wollen). Mit der Repräsentation in (79a) ergibt sich somit (79b). Das externe Argument der PP wird also durch das externe Argument der Kopula gesättigt. (79) a. sein: λQλu Q(u) b. auf dem Balkon sein: λu [λx LOC(x,AUF*(B))(u)] = λu LOC(u,AUF*(B)) Gemäß (76) bzw. (78) ist der semantische Typ von PPn 0/1 (bzw. s/n in der Notation von Ajdukiewicz). In der Tradition von Montague
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wird angenommen, daß Attribute (nominale) Eigenschaften auf (nominale) Eigenschaften abbilden, also vom Typ (0/1)/(0/1) sind. Im Rahmen der Kategorialgrammatik ist aus dem Typ 0/1 der Typ (0/1)/(0/1) aber nicht ableitbar, weder durch Typanhebung, noch durch Typexpansion (siehe Artikel 7). Im Rahmen dieser Tradition müßte man also annehmen, daß es für Präpositionen eine zweite lexikalische Typzuweisung gibt, die sie als mögliche Köpfe von Attributen ausweist. Das ist keine sehr willkommene Lösung. Man kann nun aber durch rein syntaktische Argumentation zeigen, daß Montagues Behandlung der Attribute inadäquat ist. Das externe Argument einer Präposition wird in der prädikativen Verwendung gesättigt. Mithin müßte die Forderung nach einem Ausdruck vom Typ 0/1 ein internes Argument der Präposition repräsentieren. Interne Argumente sollen jedoch in der maximalen Projektion der lexikalischen Einheit gesättigt werden. In der attributiven Verwendung einer PP müssen also die internen Argumente der Präposition bereits gesättigt sein. Somit kann ein attribuiertes Nomen niemals internes Argument einer Präposition sein. Die Lösung dieses Dilemmas liegt außerhalb des Rahmens der Kategorialgrammatik (bzw. typenlogischen Semantik), nämlich in einer eigenen Theorie der Modifikation. Modifikation beruht darin, daß die externe θRolle eines Modifikators mit einer θ-Rolle des Modifikanden identifiziert (bzw. unifiziert) wird, was sich semantisch als Schnittmengenbildung deuten läßt (vgl. Higginbotham 1985, Wunderlich 1987, Bierwisch 1987, 1988). Mit dieser Vorgabe erhält man das gewünschte Resultat für einen Ausdruck wie Frau auf dem Balkon. (80) Frau auf dem Balkon:
Entsprechend könnte man für Adverbiale verfahren, wobei nur zu klären ist, mit welcher θ-Rolle des Verbs zu unifizieren ist (s. weiter unten). Es verbleibt die Frage, wie sich die Argumentrolle von PPn darstellen läßt. Nehmen wir versuchsweise (81a) als Repräsentation eines Positionsverbs an, mit p als Ortsvariable und SITZ* als Positionsprädikat (das den Unterschied gegenüber stehen, liegen, hängen usw. kennzeichnet); dann müßte die PP nicht
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als Lokalisierungseigenschaft, sondern als Ortsindividuum gedeutet werden, im Widerspruch zum relationalen Charakter der Präposition, der in der prädikativen und attributiven Verwendung der PP offensichtlich ist. Man könnte allenfalls eine etwas obskure Unifizierung der im Verb und in der Präposition enthaltenen LOC-Prädikate annehmen, aufgrund der dann p z. B. durch AUF*(B) belegt wird — vgl. die Zuordnung von (81a) und (81b). (81) a. sitzen: λpλx [LOC(x,p) & SITZ*(x)] b. auf dem Balkon: λx LOC(x,AUF*(B)) c. auf dem Balkon sitzen: λx [LOC(x,AUF*(B)) & SITZ*(x)] Was man auf jeden Fall erreichen möchte, ist eine semantische Repräsentation der VP wie in (81c). Setzt man für die PP die Repräsentation in (81b) voraus, so läßt sich die Repräsentation für sitzen erhalten, indem man über die in (81b) ausgedrückte Eigenschaft abstrahiert (vgl. Bierwisch 1988): Das lokale Verb enthält nicht schon eine Lokalisierungseigenschaft, sondern ist für eine solche subkategorisiert. Somit stellt (82) eine Instanz des allgemeinen Schemas für Positionsverben dar. (82) sitzen: λPλx [P(x) & SITZ*(x)] Das Verb drückt also nicht wie in (81a) eine Relation zwischen einem Individuum und einem Ort, sondern zwischen einem Individuum und einer Lokalisierungseigenschaft aus. Während ein Positionsverb wie sitzen bereits lexikalisch die Adjunktrolle der PP vorgibt (und damit die PP zu einem Argument des Verbs macht), ist dies bei anderen Verben, wie z. B. singen, nicht der Fall. Bei diesen Verben ist die PP ein freies Adverbial und adjungiert über die Unifizierung der θ-Rollen. Im Ergebnis entsprechen sich die Repräsentationen der gesamten VP. Vgl. dazu (81c) und (83b). (83) a. singen: λx SING(x) b. auf dem Balkon singen: λx [SING(x) & LOC(x,AUF*(B))] Falls man für Verben eine referentielle Variable über (individuierte) Situationen annimmt, um den Zeit- und Aspektcharakter der Verben zu erfassen, ergibt sich auch die Möglichkeit, die adverbiale Modifikation als Unifizierung
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
mit dieser Situationsrolle des Verbs zu beschreiben. Man erhält dann statt (83a,b) das folgende: (83) c. singen: λxλs SING(x)(s) d. auf dem Balkon singen: λxλs [SING(x)(s) & LOC(s,AUF* (B)] Dabei ergeben sich u. U. die in 3.1 besprochenen Probleme, nämlich wie die Situationslokalisierung mit der Lokalisierung der involvierten Objekte zusammenhängt. In Fällen wie in (84 ), wo Objekte nicht erwähnt sind oder nicht sinnvoll hinzugedacht werden können, ist die Situationslokalisierung jedenfalls die plausible Lösung. Dies entspricht dann in einem speziellen Fall der von Sondheimer (1978) generell vorgeschlagenen Lösung. Den Vorschlägen von Sondheimer zur Situationslokalisierung neigt übrigens auch Bierwisch (1988) weitgehend zu, obwohl er in anderen Aspekten mit den Vorschlägen dieses Abschnitts übereinstimmt. (84) a. Auf dem Balkon wird getanzt. b. ∃s ∃x [TANZ(x)(s) & LOC(s, AUF*(B))] c. Es regnet auf dem Balkon. d. ∃s [REGN(s) & LOC(s, AUF*(B))] Schwieriger sind die direktionalen Präpositionen zu analysieren, die sich im Deutschen durch Akkusativrektion auszeichnen, im Englischen z. T. durch ein suffigiertes to (into, onto), z. T. gar nicht in sichtbarer Weise (under). Zu erfassen sind Fälle mit direktionaler Forderung des Verbs (wie stellen), mit Bewegungsverben ohne diese Forderung (gehen), mit Wahrnehmungsverben (wie sehen), aber auch mit Positionsverben bei ausgedehntem Objekt, ebenfalls attributive Konstruktionen. (85) a. Sie stellt die Flasche auf den Balkon. b. Sie geht in die Küche. c. Sie blickt in den Garten. d. Der Teppich liegt in den Flur. e. die Reise in den Urwald f. die Straße in die Innenstadt g. der Blick in den Garten Zur Vorbereitung betrachte man einige abstrahierte Situationen. Längs einer Dimension d erstrecke sich ein Intervall [0,1], das wir als Individuum X ansehen wollen. Bezogen auf eine räumliche Region R kann das Individuum X folgende 4 Positionen einnehmen.
37. Lokale und Direktionale
775
für I bis IV die folgenden Aussagen: (88) a. x geht in die Region R. b. x geht in der Region R. c. x geht außerhalb der Region R. d. x geht aus der Region R.
Falls wir 0 = anfX (den Anfang von X) und 1 = endX (das Ende von X) setzen, lassen sich die vier Möglichkeiten wie folgt beschreiben. (86) a. ﹁ LOC(anfX,R) & LOC(endX,R) b. LOC(anfX,R) & LOC(endX,R) c. ﹁ LOC(anfX,R) & ﹁ LOC(endX,R) d. LOC(anfX,R) & ﹁ LOC(endX,R) Alternativ dazu können wir einen CHANGEOperator verwenden, der angibt, ob ein Wechsel hinsichtlich der Lokalisierung in R oder nicht in R stattfindet. Das erste Argument von CHANGE sei die Dimension, auf der der Wechsel betrachtet wird, das zweite Argument sei die Lokalisierungsangabe für X nach dem Wechsel (damit automatisch für endX geltend). (87) a. CHANGE(d,LOC(endX,R)) b. ﹁ CHANGE(d, ﹁ LOC(endX,R)) c. ﹁ CHANGE(d,LOC(endX,R)) d. CHANGE(d, ﹁ LOC(endX,R)) Der CHANGE-Operator ist ein Phasenquantor im Sinne von Löbner (1990): (87a) und (87b) sind dual zueinander, ebenso sind (87c) und (87d) dual zueinander. (CHANGE mit zeitlicher Dimension entspricht dem BECOME-Operator bei Dowty; s. die Interpretationsbedingungen im Rahmen einer Intervallsemantik in Dowty 1979:14 0 ff.) Kaufmann (1989) hat festgestellt, daß das Direktionalitätsmerkmal bei Präpositionen eine Dualität zwischen direktionalen und nichtdirektionalen Präpositionen anzeigt. Davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man die Situationen I bis IV verbalisiert. Angenommen, x gehe von 0 nach 1. Dann gelten
Mit I bis IV sind also im Prinzip die Deutungen für in [AKK], in [DAT], außerhalb und aus gegeben. Die Dimension d kann nun zeitlich (bei den Bewegungsverben, kausativen Positionsverben und den Attributen zu zeitlichen Individuen) oder auch räumlich (bei den Positionsverben, Wahrnehmungsverben und den Attributen zu räumlichen Individuen) gedeutet werden. Dementsprechend ist X = [0,1] im ersten Fall als Weg zu betrachten, den ein Objekt x beim Ortswechsel zurücklegt, im zweiten Fall als die räumliche Erstreckung eines ausgedehnten Individuums. Im Fall der Beispiele (85d,f) ist dieses Individuum ein konkretes räumliches Objekt, im Fall der Verbnominalisierungen wie Reise ein zeitlich und räumlich ausgedehntes Ereignis. Bei den Beispielen (85c,g) handelt es sich um das Wahrnehmungsereignis, dessen räumliche Struktur vermutlich so beschaffen ist, daß der Wahrnehmende den Ort von anfX, das Wahrzunehmende den Ort von endX besetzt. Man beachte, daß die Annahme einer Dimension, auf der der Wechsel der räumlichen Lokalisierung stattfindet, wesentlich ist; man braucht dann nur die Intervallpunkte 0,1 in dieser Dimension zu betrachten und benötigt keine feinere Strukturierung. Ein feiner strukturiertes Wegkonzept (etwa als Intervallschachtelung im Sinne von Bierwisch 1988) wird erst bei der Deutung des Prädikats MOVE, also bei den Bewegungsverben benötigt. Es mag zunächst irritieren, daß sich bei den Repräsentationen in (87) die direktionale Präposition als die unmarkierte gegenüber der statischen Präposition erweist. (Die morphologischen Fakten, z. B. im Englischen, widersprechen dem.) Dies erklärt sich daraus, daß die Dimensionalität der Situation vorausgesetzt wurde; unter diesem Gesichtspunkt ist der Wechsel auf der Dimension der unmarkierte Fall, das Fehlen eines Wechsels der markierte Fall. Für die Analyse der statischen Präpositionen braucht aber nur eine topologische Struktur und keine Dimensionalität angenommen zu werden; statt des ausgedehnten Individuums X = [0,1] genügt ein punktuelles (bzw. völlig beliebiges) Individuum. (87b,c) sind also spezifischer als wirklich benötigt. Es gelten allerdings die Implikationen in (89); als Repräsentation für in bzw. außer-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
776
halb genügt das jeweilige Konsequens, d. h. in (innerhalb) und außerhalb sind polar zueinander. (89) a. ﹁ CHANGE(d, ﹁ LOC (endX,R)) → LOC (X,R) b. ﹁ CHANGE(d, LOC(endX,R)) → ﹁ LOC(X,R)
Falls man eine solche Uminterpretation für fraglich hält, da Ausdrücke wie in (92) nichts Marginales haben, gibt es nur den Ausweg, daß man das, was bei dem Wechsel lokalisiert wird, als freien Parameter formuliert (Vorschlag von Ingrid Kaufmann). (93) auf [AKK]: λyλx CHANGE(d, LOC(z, AUF*(y)))
Mit diesen Vorbereitungen kann auf [Akk] durch (90a) repräsentiert werden. Betrachten wir stellen als Kausativum zu stehen, so sollte die ganze VP auf den Balkon stellen durch (90b) repräsentiert werden, was bei Unabhängigkeit der Prädikate LOC und STEH mit (90c) identisch ist; wenn wir dann über den Beitrag der PP abstrahieren, erhalten wir (90d) als Repräsentation des kausativen Positionsverbs. (90) a. auf [AKK]: λyλx CHANGE (d,LOC (x,AUF*(y))) b. auf den Balkon stellen: λyλx CAUSE(x, CHANGE(d, LOC (y,AUF*(B)) & STEH*(y))) c. auf den Balkon stellen: λyλx CAUSE(x, CHANGE(d, LOC (y,AUF*(B))) & CHANGE (d,STEH* (y))) d. stellen: λPλyλx CAUSE(x, P(y) & CHANGE(d,STEH*(y)))
(93) besagt, daß man eine Dimension d finden muß und davon abhängig soll der Parameter z instantiiert werden. Dabei müssen Informationen über die Belegung von x im Kontext ausgewertet werden, damit mit (93) nicht eine leere Abstraktion behauptet wird. Etwa lassen sich folgende Parameterbelegungsregeln vorschlagen:
Da hier x einen zeitlichen Orts- und Positionswechsel von y verursacht, ist die Dimension d durch die Zeit gegeben. Falls wir für gehen die Analyse (91a) zugrundelegen, ergibt sich (91b), auch hier ist d die Zeit. (91) a. gehen: λPλx PERFORM(x, MOVE (x) & P(x) & GEH*(x)) b. auf den Balkon gehen: λx PERFORM(x, MOVE(x) & CHANGE(d, LOC(x,AUF*(B))) & GEH*(x)) Als Beispiel für die attributiven Verwendungen sei (92) angeführt. Hier erfüllt Straße das Schema für Objekte mit einer maximalen Achse, und nur sie kann zur Deutung von d herangezogen werden. Somit ist das interessierende Intervall die Ausdehnung von x auf dieser Achse. (92) besagt wörtlich, daß die Straße als ganzes am Ende des Intervalls auf dem Berg lokalisiert ist. Dieses ist ein immanenter Widerspruch. Da die Gestalt der Straße die Dimension d instantiiert, kann es nur das Ende der Straße sein, das auf dem Berg lokalisiert ist. (92) Straße auf den Berg: λx [STRASSE(x) & CHANGE(d, LOC(x,AUF*(B)))]
(94) a. d = T b. d = ACHSE(x)
→z=x —> z = endx
Wenn die Zeit (T) als Dimension infrage kommt, muß z als x gewertet werden; wenn die Gestalt von x die Dimension vorgibt, muß z als das Ende von x auf der betreffenden Achse gewertet werden. In ähnlicher Weise lassen sich dann kompliziertere Fälle behandeln. Zu beachten ist, daß die Ableitung der semantischen Repräsentationen kompositional ist, daß aber in jedem Falle eine Deutung der Dimension d und eine Festlegung von z hinzukommen muß, und dies ist nicht-kompositional. Vgl. zu dem Vorstehenden die teilweise modifizierte Darstellung in Wunderlich 1991.
4.
Semantik der Präpositionen
4.1 Topologische Präpositionen Prototypisch für lokale Präpositionen sind die 2-stelligen topologischen Präpositionen: Ein Objekt x wird in der räumlichen Nachbarschaft eines Objektes y lokalisiert. Beispielsweise wird x durch in und innerhalb in einer von y ganz oder partiell umschlossenen Nachbarschaft lokalisiert, durch an, bei und außerhalb in Nachbarschaften, die von y nicht umschlossen sind, durch auf in der KontaktNachbarschaft zu einem Rande von y. Die Lokalisierung kann zu bestimmten Phasen eines Weges von x (oder Abschnitten eines sich räumlich erstreckenden Objektes) erfolgen; insbesondere kann sie sich (bei direktionaler Verwendung der Präposition) auf die erste oder die zweite Phase eines Ortswechsels beziehen (Ursprung: aus, von; Ziel: nach, zu, in [Akk], auf [Akk], an [Akk], vgl. into, onto).
37. Lokale und Direktionale
Ein lokaler Kasus entspricht immer einer topologischen Präposition, gegebenenfalls bezogen auf eine Wegphase bzw. einen Ortswechsel (Ablativ, Vialis, Terminalis). Einige finnougrische Sprachen unterscheiden auch Kasus, die eine innere vs. äußere vs. RandNachbarschaft unterscheiden (z. B. Ungar., Lokal: Inessiv, Adessiv, Superessiv; Ursprung: Elativ, Ablativ, Delativ; Ziel: Illativ, Allativ, Sublativ). Im entsprechenden topologischen Adverb wird das innere Argument existentiell gebunden (pronominal) oder verbleibt als freier Parameter zur Belegung aus dem Kontext. (95) a. in: λy λx LOC(x,IN*(y)) b. darin/drinnen: λx ∃y LOC(x,IN*(y)) c. innen: λx LOC(x,IN*(y)) Wir fassen die Bedeutung von Präpositionen als Lokalisierungsrelation zwischen Objekten auf. Das allgemeine Format der semantischen Repräsentationen lokaler Präpositionen ist durch das Schema λyλx LOC(x,PRÄP*(y)) vorgegeben — gegebenenfalls mit zusätzlichem Constraint C(x,y) —, wobei PRÄP*(y) die für die jeweilige Präposition charakteristische Nachbarschaftsregion von y ist. Orte werden relativ zu Objekten konzeptualisiert. Die mit in verbundene Information LOC(x,IN*(y)) kann in folgende Instruktion übersetzt werden: „Suche das Objekt y, bestimme die Region IN*(y), suche darin ein Objekt x mit den passenden Eigenschaften“. Natürlich gehört zu jedem Objekt x der von x eingenommene Ort p(x) (und IN*(y) dürfte im wesentlichen mit p(y) zu identifizieren sein (s. unten) — darin drückt sich aus, daß in die elementarste bzw. unmarkierte Präposition ist). Wir referieren aber primär auf das Objekt und nicht auf den Ort, den es einnimmt. Nur wenn x sich erkennbar bewegt, macht es Sinn, auf die von x jeweils eingenommenen Orte p(x,t) zu referieren. Die Alternative zu der von uns vertretenen Position könnte gerade diesen Aspekt präferieren. Die Bedeutung der Präpositionen wäre dann als Relation zwischen Orten aufzufassen (vgl. z. B. Saile 1984 , Bierwisch 1988). Im Fall von in ist das die räumliche Teil-von-Relation: p(x) ⊑ p(y); im Fall von an die räumliche Kontiguitätsrelation: AN°(p(x), p(y)), usw. Es ist allerdings nicht so klar, wie die betreffende Relation bei anderen Präpositionen (z. B. durch, um ) zu definieren ist. Prinzipiell ist aber eine Übersetzung der objektbezogenen in eine ortsbezogene Konzeption, und umgekehrt, immer möglich. Adverbien wie drinnen enthalten den anaphorischen Bezug auf ein Objekt, Adverbien
777
wie innen aber nicht. Deshalb steht kein Objekt y zur Verfügung, um die Region IN*(y) bestimmen zu können. Es scheint so, daß in diesen Fällen y eher als Ort (eines vielleicht virtuellen Objektes) aufzufassen ist. Deutlicher ist diese Sortenverschiebung bei Adverbien wie vorne, unten, die sich auf Teilräume einer irgendwie vorausgesetzten Region beziehen. Möglicherweise beinhalten lokale Adverbien ohne pronominales Element generell eine Lokalisierung relativ zu Regionen. Wir betrachten die zwei möglichen Varianten von [unten im Schrank]. (96) a. [[unten] im Schrank] unten ist Kopf, im Schrank ist Modifikator. Der freie Parameter im Adverb wird z. B. durch die Origo (Sprecherort) o festgelegt. λx[LOC(x,UNTER*(o)) & LOC(x,IN*(S))] b. [unten [im Schrank]] im Schrank ist Kopf, unten ist Modifikator. Der freie Parameter im Adverb wird z. B. durch das Zentrum der im Kopf instantiierten Region festgelegt. λx[LOC(x,IN*(S)) & LOC(x,UNTER* (z(IN*(S))))] Zur Differenzierung der Bedeutungen der topologischen Präpositionen in, an und bei betrachten wir die folgenden Beispiele: (97) a. Das Hemd ist im Schrank. b. Im Schrank ist ein Holzwurm. c. In der Schüssel liegt Obst. d. Im Baum(wipfel) sitzt ein Vogel. (98) a. b. c. d.
Das Auto steht am Bahnhof. Anna arbeitet am Schreibtisch. Anna lehnt an der Wand. das Etikett an der Flasche
(99) a. b. c. d.
Das Auto steht beim Bahnhof. Anna arbeitet beim Schreibtisch. ?Anna lehnt bei der Wand. ?das Etikett bei der Flasche
Die verschiedenen möglichen Positionen von x relativ zu y in Konstruktionen x in y können in einer einheitlichen, hinreichend abstrakten semantischen Repräsentation von in dadurch erfaßt werden, daß die IN*-Region von y mit dem von y eingenommenen Ort, p(y), identifiziert wird. Die Region p(y) umfaßt nicht nur den Raum, den x materiell einnimmt, sondern gegebenenfalls auch den inneren ‘leeren’, d. h. von den materiellen Teilen von x eventuell
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nur partiell umschlossenen Raum. In Anbetracht von Beispielen wie (97c) und (97d) soll p(y) auch solche Fälle erfassen, in denen die Region, die von einem Objekt eingenommen wird, erst in der Wahrnehmung nach Prinzipien der Gestaltschließung konstruiert wird, etwa durch Ergänzung von Konturen. Die Festlegung bestimmter Teilregionen von p(y) als Ort von x (vgl. (97a) und (97b)) ist nicht in der Wortbedeutung von in zu repräsentieren, sondern ergibt sich bei der konzeptuellen Interpretation durch Rekurs auf konzeptuelles Wissen über Objekte bzw. Objekttypen und ihre Beziehungen zueinander. Durch an und bei wird x in der proximalen Außenregion von y, EXT(y), lokalisiert. Die proximale Außenregion eines Objekts ist die Region, die durch seinen Einfluß geprägt ist, innerhalb der ein potentieller Akteur mit dem Objekt (inter-)agieren kann oder innerhalb der allgemein ein Zusammenhang mit dem Objekt etabliert werden kann (vgl. den Begriff der region of interaction in Miller & JohnsonLaird 1976). An und bei unterscheiden sich darin, daß an den räumlichen Kontakt zwischen x und y, d. h. die Kontiguität von p(x) und p(y), zuläßt, bei diesen aber ausschließt (vgl. (98b—d) und (99b—d)). (99c) z. B. kann nicht so verstanden werden, daß Anna an der Wand lehnt; sie befindet sich zwar in der EXT-Region der Wand, muß aber an einem anderen, ungenannten Objekt lehnen. Entsprechend kann (99d) nur so verstanden werden, daß sich das Etikett zwar in der EXTRegion der Flasche befindet, aber nicht an der Flasche befestigt ist. Diese Zusammenhänge lassen sich topologisch wie folgt erfassen (vgl. Maienborn 1990): Die AN*-Region von y wird mit EXTc(y) identifiziert, — intuitiv: der proximalen Kontakt-Außenregion von y —, die BEI*-Region mit der Region EXT(y). EXTc(y) schließt EXT(y) ein und ist von p(y) disjunkt; p(y) und EXTc(y) vereinigen sich zur Proximalregion von y, PROX(y). p(y) und EXT(y) werden jeweils als geschlossene, EXTc(y) als offene Menge von Raumpunkten interpretiert. Damit weist EXT(y) im Gegensatz zu EXTc(y) einen Rand auf; dieser reicht beliebig nahe an den Rand von p(y) heran, ohne ihn zu berühren. Zwischen p(y) und EXT(y) liegt also eine beliebig kleine Lücke, während EXTc(y) sich lückenlos an p(y) anschließt. Für auf kommt hinzu, daß eine Kontaktregion in der Vertikalen zu wählen ist. Es ergeben sich für auf also die Repräsentationsalternativen in (100): Da auf spezifischer als
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
an ist, wird in Fällen, wo auf gewählt werden kann, an im allgemeinen nicht gewählt und daher oft komplementär zu auf verwendet. (100) auf: a. λy λx LOC(x,EXTc(y,VERT)) b. λy λx [LOC(x,EXT(y,VERT)) & KONTAKT(x,y)] 4.2 Dimensionale Präpositionen Eine geschlossene Klasse von in der Regel sechs Ausdrücken bilden die dimensionalen Präpositionen: vor, hinter, über, unter, rechts, links. Sie sind 3-stellig, wobei aber eines der Argumente syntaktisch nicht ausgedrückt wird, allenfalls in adverbialen Phrasen wie „von x aus gesehen“. Eine solche Phrase macht den Charakter des fraglichen Arguments als Richtung deutlich. Richtungen sind Vektoren im Raum; wir benutzen d als freien Parameter, der u. U. kontextuell variieren kann. Ehrich (1985) und Levelt (1986) haben bemerkt, daß die normalerweise angenommene Transitivität von vor und Konversität von vor, hinter nicht unter allen Umständen gelten. Dies liegt einfach daran, daß dafür der implizite Richtungswert konstant gehalten werden muß. Folgende Beziehungen gelten aber allgemein: (101) a. ∀x, y, z, d (VOR (x, y, d) & VOR (y, z, d) → VOR (x, z, d)) b. ∀x, y, d (VOR (x, y, d) ↔ HINTER (y, x, d)) Die weitere Analyse von vor ergibt, daß d als die jeweils „beobachter-induzierte Achse“ obs des Objekts aufzufassen ist (s. Lang 1987a, 1989a), relativ zu der ein Ausschnitt der EXTRegion bestimmt wird. Alternativ dazu könnte man auf die explizite Erwähnung des obs-Parameters verzichten und die EXT-Region relativ zur Frontseite bestimmen. (102) VOR (x, y, d) ↔ LOC (x, VOR* (y, d)) a. ↔ LOC (x, EXT(y,obs)) b. ↔ LOC (x, EXT(FRONT(y))) Die obs-Achse eines Objekts ist orthogonal zur Frontseite und zeigt vom Objekt weg; dadurch lassen sich Maßangaben wie 3 m vor dem Tisch passend analysieren (s. unten). Die komplementäre Präposition hinter läßt sich durch -obs bzw. die Rückseite RÜCK analysieren, entsprechend kann für über, unter die Vertikale vert des Objekts herangezogen werden. vert stimmt im allgemeinen mit der Vertikalen VERT des Erfahrungsraums überein, während obs mit der tatsächlichen Be-
37. Lokale und Direktionale
obachterachse OBS manchmal konfligiert (s. unten). Ein Objekt kann inhärent so organisiert sein, daß seine Frontseite oder Oberseite oder beide festliegen (nach Kriterien wie Ort von Wahrnehmungsorganen oder anderen funktionellen Teilen, Standardbewegungsrichtung, Standardposition, kanonische Position eines Benutzers etc.; vgl. Miller/Johnson-Laird 1976: 4 03). Folgende Fälle lassen sich unterscheiden: (103) a. Objekte nur mit inhärenter Frontseite: Pfeil, Bleistift b. Objekte nur mit inhärenter Oberseite: Baum, Berg c. Objekte mit inhärenter Front- und Oberseite; die rechte Seite ergibt sich in Analogie zum menschlichen Körper bzw. nach Maßstab eines internen Benutzers: Tier, Puppe, Kamera; Auto, Stuhl, Anzug d. Objekte mit inhärenter Front- und Oberseite; die rechte Seite ergibt sich nach Maßstab eines externen Benutzers: Schreibtisch, Schrank, Spiegel Man spricht von intrinsischer Verwendung der dimensionalen Präposition, wenn die inhärenten Seiten des Bezugsobjektes zur Orientierung dienen; also ergibt sich bei vor die Richtung obs aus der Vorgabe der Frontseite. Hat das Objekt keine inhärente Frontseite (Oberseite usw.), so muß bei Verwendung der betreffenden Präposition eine Frontseite kontextuell induziert werden, und zwar durch Vorgabe einer Richtung d. Eine Frontseite kann auch dann induziert werden, wenn das Objekt eine inhärente Frontseite bereits besitzt; dadurch ergibt sich ein möglicher Konflikt, der nur aufgrund pragmatischer Präferenzen (vgl. Wunderlich 1981) gelöst werden kann. Besonders kann die Position des Sprechers zum Objekt eine Frontseite induzieren; in diesem Fall spricht man vom deiktischen Gebrauch der Präposition (vgl. Fillmore 1975a, Miller/Johnson-Laird 1976); die Blickrichtung des Sprechers sei als Beobachterachse OBS gekennzeichnet. In der Mehrheit der Sprachen wird die Frontseite nach dem Spiegelbildprinzip festgelegt, wobei obs = -OBS (104 a); Hill (1982) hat allerdings festgestellt, daß ein Hausa-Sprecher nach dem Tandemprinzip verfährt, wobei obs = OBS (104b).
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Diese deiktische Verwendung ist allerdings nur der Spezialfall einer extrinsischen Verwendung. Die Situation (104 a) kann hinsichtlich der Zugänglichkeit eines Objektes generalisiert werden (s. (105a—c)), die Situation (104 b) hinsichtlich der Beweglichkeit (s. (105d)). Die Aussage „x ist vor y“ ist nämlich auch in den folgenden Situationen wahr: (105) a. x ist im Innern eines Behälters eher zugänglich als y. b. x ist an einer materiellen Grenze eher zugänglich als y. c. y wird aufgrund einer Bewegung von x zuerst an seiner Frontseite zugänglich. d. x und y bewegen sich in fester Konstellation, wobei die gemeinsame Bewegungsrichtung die Richtung obs festlegt.
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Für jedes Objekt gibt es drei zueinander orthogonale Richtungen. (106)
obs ist die Richtung nach vorne, die nach den bereits beschriebenen Prinzipien festgelegt wird; vert ist die Vertikale, die in der Regel durch die Gravitation bestimmt ist. Wenn obs und vert festgelegt sind, gibt es für die Richtung nach rechts nur zwei Möglichkeiten. r1 (d. h. die Drehrichtung von obs in vert) wird in Analogie zum menschlichen Körper (103c) und in den Situationen (104 b, 105d) gewählt. In allen anderen Fällen wird r2 gewählt. Bei einigen Präpositionen ist die Modifizierung durch eine Maßangabe möglich. Man vergleiche: (107) a. *Der Stuhl steht 3 m im Zimmer. b. Sie ging 3 m ins Zimmer. c. ? Sie stellte den Stuhl 3m ins Zimmer. d. Der Stuhl steht 3 m vor dem Schrank. e. *Der Stuhl steht 3 m vorne. Die Verwendung einer Maßangabe setzt die Existenz einer Dimension voraus, auf der Abschnitte bestimmbar sind. Topologische Präpositionen wie in sind richtungsunabhängig; eine Richtung ist durch das Bewegungsverb, aber noch nicht durch die Ortswechsel-Interpretation von in [Akk] gegeben — s. (107c). „3 m ins Zimmer“ besagt, daß das Quantum des Endes eines Weges von x, der im Zimmer verläuft, 3 m abdeckt (vgl. Bierwisch 1987 zur Analyse von Maßangaben bei dimensionalen Adjektiven). Die dimensionalen Präpositionen wie vor enthalten ein Richtungsargument, daher ist eine Lokalisierung wie in (107d) möglich. Aber auch vorne enthält ein Richtungsargument; da aber kein Bezugsobjekt vorliegt, kann ein Abschnitt auf d nicht festgelegt werden. Für die Interpretation von (107d) lassen sich zwei Varianten vorschlagen.
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
In der einen wird der Ursprung von obs(y) auf die Front von y gelegt und das Quantum auf obs gemessen. In der anderen wird davon Gebrauch gemacht, daß 3m als verkürzte Modifikator-AP 3m weit mit Distanzinterpretation aufzufassen ist; gemessen wird das Quantum der Distanz. (108) 3m vor dem Schrank: a. λx [LOC(x,EXT(S,obs)) & QU obs(S,x) ≥ 3m] b. λx [LOC(x,EXT(FRONT(S))) & QU DIST(x,FRONT(S)) ≥ 3m] Wenn hinter durch -obs bzw. die Rückseite RÜCK charakterisiert wird und zu (108) entsprechende Analysen vorgenommen werden, ergibt sich die gewünschte Aquivalenz (109): (109) x ist 3 m vor y ↔ y ist 3 m hinter x In einem ganz anderen Sinn als bisher besprochen sind dt. gen, engl. towards dimensionale Präpositionen (sowie alle Adverbien auf dt. -wärts, z. B. seewärts, stadteinwärts usw., engl. -wards). (110) a. Anna wandert gen Köln / flußwärts. b. Das Haus liegt gen Köln / flußwärts. (110a) beinhaltet natürlich nicht, daß Anna am Ende ihres Weges in Köln oder am Fluß lokalisiert ist. Eine Dimension ist durch zwei Punkte definierbar: als offener Endrandpunkt dient das Objekt der Präposition, als Anfangspunkt eine kontextuelle origo o. Lokalisiert wird innerhalb des betreffenden Intervalls. Das Schema ist somit einfach durch (111) gegeben. (111) λy λx LOC(x, [o,y[) Für (110a) ergibt sich dann die Deutung, daß jeder Ort von Annas Wanderung im Intervall [o,KÖLN[bzw. [o,FLUSS[liegt. Für (110b) gibt es zwei Deutungen, je nach Festsetzung der origo. Wenn o = (Ort der) Äußerung, dann liegt das Haus zwischen Äußerungsort und Köln (bzw. dem Fluß). Man kann o aber auch inhärent auf einer Achse des Hauses festlegen (z. B. der Frontachse obs); dann ist dies die Achse, die nach Köln (bzw. zum Fluß) zeigt. Ersichtlich können sich beide Deutungen aus nur einer semantischen Repräsentation ergeben, weil diese den variablen Parameter o enthält. 4.3 Wegbezogene Präpositionen Besonders Bennett (1975) und ihm folgend Cresswell (1978) haben den Wegbezug der Präpositionen across, through, along, around, via, past, beyond herausgestellt (vgl. Saile 1984
37. Lokale und Direktionale
für das Deutsche). Diese Präpositionen bilden eine relativ inhomogene Klasse. Sie sind z. T. in Verbindung mit Bewegungsverben oder Positionsverben möglich. (112) a. Max fährt um den Park. b. Max fährt durch den Park. c. Max fährt längs des Rheins/ den Rhein entlang. (113) a. b. c. d. e. f. g. h. i. j. (114) a. b. c. d.
Hochhäuser stehen um den Park. Die Kette liegt um den Hals. Sand liegt um den Tisch. Das Vieh steht um die Tränke. ?Zahlreiche Imbißbuden stehen durch den Park. ?Der Schlauch liegt durch die Garage. Die Bücher liegen durch das Zimmer verstreut. Zahlreiche Neubauten stehen längs des Rheins. Der Schlauch liegt längs der Mauer. Hürden stehen längs des Weges. Die Post liegt um die Ecke. Die Post ist längs des Rheins. Die Post ist durch den Park. The post office is past the theatre.
Beispiele mit Positionsverben wie in (113) scheinen ganz normale Verwendungen zu sein, wenn ein semantisch pluralisches oder räumlich langgestrecktes Objekt zu lokalisieren ist. Es fällt allerdings auf, daß durch in dieser Hinsicht beschränkt ist, und daß längs/entlang sich nach statischer vs. dynamischer Lesart zu differenzieren scheinen. Die Beispiele in (114 ) verlangen sämtlich eine Umweginterpretation: Es ist ein hypothetischer Weg zu finden, an dessen Ende die Post lokalisiert ist. Im Sinne der bisherigen Analysen erhalten wir für um , durch, längs etwa folgendes (vgl. Wunderlich 1990): (115) a. UM(x,y) ↔ LOC(DIM(x), EXT(y)) & UMFASS(DIM(x),y)) b. DURCH(x,y) ↔ LOC(DIM(x), p(y)) & SCHNEID(DIM(x),y)) c. LÄNGS(x,y) ↔ LOC(DIM(x), PROX(y)) & PARALLEL(DIM(x), MAX(y)) MAX = Maximale Die jeweils erste Bedingung besagt, daß relativ zu x eine Dimension DIM(x) gefunden werden muß, welche in einer Nachbarschaft von y lokalisiert ist. Die Dimension kann durch den Weg eines Objektes oder durch die
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Gestalt des Objektes gegeben sein. Bei pluralischen Objekten muß die Gruppe als ganzes eine Erstreckung haben, bei Masseobjekten muß eine geeignete Masseportion vorliegen. Die Dimension kann aber auch aufgrund funktionaler begrifflicher Zusammenhänge bestimmt werden. In (116) ergibt sich die Dimension beispielsweise daraus, daß ein Bus die Funktion hat, Reisende zu transportieren, ein Visum die Funktion hat, Reisen zu ermöglichen (s. Kaufmann 1990, Ristow 1990). (116) a. der Bus durch die Innenstadt b. ein Visum durch Ungarn Die jeweils zweite Bedingung in (115) gibt vor, daß DIM(x) in einer bestimmten Relation zu y bzw. zur Maximalen von y stehen muß. Durch diese Einschränkung soll intuitiv folgendes erreicht werden: UM(x,y) ist nur wahr, wenn DIM(x) eine Schlaufe bezüglich y bildet. DURCH(x,y) ist nur wahr, wenn DIM(x) eine Schnittlinie von y umfaßt. LÄNGS(x,y) ist nur wahr, wenn DIM(x) parallel zur Maximalen von y ausgerichtet ist. 4.4 Weitere Präpositionen und Analysen Hier soll kurz die Analysemöglichkeit weiterer Präpositionen angedeutet werden. (117) a. Bonn liegt zwischen Köln und Mainz. b. Das Haus steht zwischen Kiefern. Betrachtet man Sätze wie (117a), so scheint es nahezuliegen, daß ein Objekt auf einem Weg lokalisiert ist, der zwei andere Objekte verbindet. Jedoch hat zwischen hier nicht zwei interne Argumente, sondern nur ein komplexes Argument, gebildet aus einer NP-Koordination (vgl. Link 1983 und Artikel 19). Stattdessen ist auch eine pluralische NP wie in (117b) möglich. Einem Vorschlag von Habel (1989) folgend, kann die ZWISCHEN*Region im linearen Fall (117a) als konvexe Hülle der Spuren von (kanonischen) Verbindungswegen zwischen den beiden (Teil-) Objekten festgelegt werden. Der nichtlineare Fall (117b) kann mittels Hüllenbildung über allen möglichen Verbindungswegen zwischen den Teilen des komplexen Objekts oder alternativ durch die konvexe Hülle der von den Teilobjekten eingenommenen Regionen (p) abzüglich dieser Regionen selbst analysiert werden. Die Verwendung von gegenüber setzt eine tatsächliche oder virtuelle Grenze zwischen räumlichen Bereichen voraus.
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(118) a. Die Post liegt gegenüber dem Bahnhof. b. Oberkassel liegt gegenüber von Düsseldorf. c. Anna steht Max gegenüber. Angenommen, g teile eine Raumregion D in zwei Bereiche auf. x ist gegenüber y lokalisiert, wenn sich x und y in den so entstandenen komplementären Regionen befinden. ANDER(y, g) sei die Region bezüglich g, in der y nicht lokalisiert ist. (119) a. GEGENÜBER (x, y, g) ↔ LOC(x, ANDER(y, g))
Denkbar ist, daß die Lokalisierung von x auch auf ein virtuelles Lot von y auf g Rücksicht nimmt. Von den zahlreichen Untersuchungen, die sich einzelnen lokalen Präpositionen oder Partikeln zuwenden, seien hier nur die besonders detaillierten Untersuchungen aus Berkeley und San Diego erwähnt. Sie orientieren sich an der von Fillmore und Rosch inspirierten Prototypensemantik und an Langackers kognitiver Grammatik bzw. Space Grammar (Langacker 1982). Dabei geht es im wesentlichen um die konzeptuelle Struktur der lokalen Relationen, weniger um Semantik im engeren Sinn; der Begriff ‘Grammatik’ ist z. T. eher metaphorisch oder bezieht sich auf die unterstellte konzeptuelle Fundierung von Syntax und Morphologie. Lindner (1981, 1982) und Brugmann (1981) analysieren die Variation in der Verwendung von engl. out, up, in, down, over mithilfe prototypischer Schemata und deren möglichen Ausdifferenzierungen. Herskovits (1986) betrachtet die Bedeutungen der lokalen Präpositionen engl. in, on, at als Mengen von Relationen zwischen idealisierten geometrischen Objektkonzepten, die jeweils um eine prototypische Idealbedeutung herum organisiert sind. Je nach den lokalen
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Eigenschaften der Argumente der Relation (den Objektkonzepten) gibt es sog. Verwendungstypen (use types) der Präposition. Unklar bleibt der theoretische Status der Verwendungstypen und deren Beziehung zur prototypischen Idealbedeutung. Pragmatische Prinzipien, die allerdings nicht ausreichend ausformuliert sind und deren Anwendungsbedingungen nicht präzisiert sind, sollen die Auswahl und Interpretation lokaler Konstruktionen in konkreten Anwendungssituationen regulieren. Vandeloise (1984 ) untersucht eine große Anzahl französischer Präpositionen und Adverbien (besonders sur, sous, devant, derrière, avant, après, dans, hors de); er formuliert pragmatische Verwendungsregeln mit einem beschränkten Inventar raumbezogener konzeptueller Begriffe (wie Richtung, Orientierung, Begegnung, Zugänglichkeit etc.). Im Unterschied zu Lindner und Herskovits versucht Vandeloise die Variation in der Verwendung eines Ausdrucks auf eine einzige zugrundeliegende Regel zurückzuführen; insofern ist er eher an der Möglichkeit semantischer Generalisierung interessiert. Hawkins (1984 ) stellt die Bedeutungen der meisten englischen Präpositionen als bildliche konzeptuelle Schemata dar. Für over kommt er zu 11, für around zu 9, für across zu 5 solcher Schemata. Im Unterschied zu Vandeloise sucht er nicht nach einer einzigen zugrundeliegenden Regel, sondern versucht, die diversen Schemata als Elemente einer natürlichen Kategorie im Sinne der Kategorisierungstheorie von Rosch (1978) auszuweisen. Standardund Nicht-Standard-Verwendungen werden ebensowenig wie bei Herskovits unterschieden, Probleme der Kompositionalität bleiben hier wie dort unbeachtet. Hawkins’ Ansatz ist eher global-ganzheitlich ausgerichtet und macht die problematische Annahme einer bildlichen statt propositionalen Repräsentation; damit lassen sich die üblichen semantischen Beziehungen (die auch für den Bereich der lokalen Präpositionen gelten) nicht mehr formulieren. Dieser Vorbehalt richtet sich speziell gegen Bedeutungsangaben in Form von bildlichen Schemata und nicht gegen die prinzipielle Möglichkeit von bildlichen Repräsentationen. Im Rahmen der Kognitionswissenschaft wurde überzeugend dafür argumentiert, daß bei der Repräsentation und Verarbeitung des generellen raumbezogenen Wissens neben propositionalen Repräsentationsformaten auch bildhafte Formate eine Rolle spielen (s. Kosslyn 1980).
37. Lokale und Direktionale
5.
Lokalismus-Theorien
5.1 Lexikalische Erweiterung Es gibt viele Spielarten lokalistischer Theorien. Ihnen ist gemeinsam, daß sie eine enge Beziehung zwischen der Grammatik lokaler Ausdrücke und der Grammatik nichtlokaler Ausdrücke behaupten, und zwar von der Art, daß erstere das Vorbild oder die historische Quelle für letztere darstellt. Eine lokalistische Theorie enthält immer eine diachrone, manchmal auch eine synchrone Behauptung. Sie läßt sich in der Regel durch Beispiele verschiedener Sprachen plausibel machen, ohne wirklich zwingende Evidenz zu besitzen. Unverkennbar ist zweifellos, daß viele Ausdrücke mehr abstrakter Art auf lokale Ausdrücke zurückgehen. Lokale Relationen/ Strukturen sind reich differenziert und im Wahrnehmungsfeld, also ziemlich konkret, instantiierbar oder jedenfalls bildlich vorstellbar. Insofern kann es nicht erstaunen, daß sie als Analogon für abstraktere Relationen/ Strukturen herangezogen werden. Die Zeit hat eine eindimensionale Struktur, die beim Konzept des Weges bereits beansprucht wird. Wegabschnitte oder lokale Relationen längs einer Dimension (z. B. vor — nach) können also leicht zur Veranschaulichung der Zeit herangezogen werden (vgl. auch Closs Traugott 1978). Qualitäten der Lautwahrnehmung können als Gestaltqualitäten (z. B. hoch — tief) gesehen werden. Lakoff & Johnson (1980) haben die systematische Rolle von Orientierungsmetaphern aufgezeigt: oben, auf und hoch stehen für etwas Starkes, Gutes, Gesundes, Angenehmes, Erstrebenswertes; unten, nieder und tief für das jeweilige Gegenstück. Die Behältermetapher dient zum Ausdruck von Emotionen und Ideen, die im menschlichen Körper lokalisiert sind: Seine Gefühle sind tief, er ist ziem lich oberflächlich, er fließt über von guten Ideen (vgl. Clark & Clark 1978). Viele Sprachen verwenden ursprünglich lokale Partikel zur Erweiterung des Lexikons (z. B. Deutsch, Chinesisch, Ungarisch, Grönländisch). Zwischen Bewegungsverb und lokaler Partikel besteht eine besondere Assoziation in der differenzierten Beschreibung von Prozessen/Aktionen; sie werden oft zusammen lexikalisiert, manchmal trennbar, manchmal auch untrennbar in klitisierter Version, und erhalten dann auch vielfältige nichtlokale Bedeutungen. Das Deutsche ist ein charakteristisches Beispiel dafür: Die Klitisierung der Präposition bei hat zum Verbpräfix be
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geführt, das eine für das Deutsche typische Verbdiathese auslöst (vgl. Wunderlich 1987). Lokale Verben können auch zu aspektuellen Hilfsverben werden (im sog. Funktionsverbgefüge, vgl. Steinitz 1977, Wunderlich 1982, 1985c). Neben solchen sehr einleuchtenden, auf die lexikalische Erweiterung bezogenen Aspekten weisen lokalistische Theorien manchmal auch sehr spekulative Züge auf. Etwa wenn der Subjektkasus (Nominativ) als Kasus des Ursprungs einer Aktion und der Akkusativ als Zielkasus verstanden wird; der Begriff ‘transitives’ Verb verdankt sich einer solchen Metaphorik. Im folgenden sollen nur zwei Varianten vorgestellt werden, die größeres Interesse beanspruchen. 5.2 Locationals Lyons (1967) und Clark (1978) haben auf die große formale Ähnlichkeit von Existenzsätzen, lokalen Sätzen und Possessivsätzen hingewiesen, von Clark als ‘Locationals’ zusammengefaßt. Viele Sprachen verwenden dafür dasselbe Hilfsverb (vgl. die Übersicht in Clark 1978: 24 4 ff.). Typische Existenzsatzkonstruktionen sind aus lokalen Deiktika entstanden (vgl. engl. there, frz. y in il y a, ital. ci in c’e / ci sono). Die lokalistische Hypothese besteht darin, daß generell in den Sprachen Existenzund Possessivkonstruktionen auf lokale zurückgehen. Unbeschränkte Existenzsätze wie (120a) haben relativ geringe Verwendung; viel häufiger sind Existenzsätze mit lokaler oder temporaler Einschränkung: Es wird die Existenz von etwas in einer räumlichen Region oder historischen Phase behauptet. (120) a. Es gibt fleischfressende Pflanzen. b. Gegenüber dem Bahnhof gibt es einen Zeitungsstand. c. Im Mittelalter gab es eine Zunftordnung. Lokale Existenzsätze wie (120b) können besonders zur Instruktion dienen: ‘Suche den Bahnhof, bestimme dessen Gegenüber-Region, lokalisiere darin das Gesuchte’. Außer der für Existenzsätze geforderten Indefinitheit des zu lokalisierenden Objekts gibt es zwischen (120b) und (121) semantisch kaum einen Unterschied. (121) Der Zeitungsstand liegt gegenüber dem Bahnhof. Dies erklärt die in vielen Sprachen anzutreffende formale Ähnlichkeit von Existenzsätzen
784
und lokalen Sätzen; im Deutschen könnten (120b) und (121) auch durch eine Formulierung mit der sein-Kopula. ersetzt werden. Etwas fragwürdiger ist die Beziehung zwischen lokalen Sätzen und Possessivkonstruktionen. Das Russ. z. B. drückt den Besitz generell ‘lokal’ aus. (122) U menja kniga. (‘Bei mir Buch’ = ‘Ich habe ein Buch’) Im Dt. ist umgekehrt das Wort haben auch lokal verwendbar. (123) a. Das Haus hat einen Balkon. b. Am Haus gibt es einen Balkon. c. Am Haus ist ein Balkon. d. Die Fakultät hat einen Slavisten. e. In der Fakultät gibt es einen Slavisten. f. ?In der Fakultät ist ein Slavist. g. Peter hat einen Dackel. h. ?Bei Peter gibt es einen Dackel. i. ??Bei Peter ist ein Dackel. j. Jetzt hat Peter den Hund. k. Jetzt ist der Hund bei Peter. l. *Jetzt hat der Baum den Mann. m. Jetzt ist der Mann beim Baum. Haben kann zum Ausdruck der relativ unveräußerlichen (inalienablen) lokalen Teil-vonBeziehung dienen (123a), aber nicht zum Ausdruck einer kontingenten lokalen Nachbarschaft (1231). Ein kontingenter Besitz (123j) kann auch lokal formuliert werden (123k), ein unveräußerlicher Besitz (123g) aber nicht (123i). Die Aussagen (123d—f) liegen zwischen diesen Polen; hier kann die Deutung zwischen lokaler Teil-von-Beziehung (oder lokaler Existenz) und Besitz angesiedelt werden. Die lokalistische Hypothese behauptet, daß ein Besitzgegenstand beim jeweiligen Possessor zu lokalisieren ist. Wie die Beispiele zeigen, ist dieser Zusammenhang auch im Dt. partiell grammatikalisiert. Dies gilt auch für den possessiven Genitiv bei der lokalen Teilvon-Beziehung. (124) a. Am Balkon des Hauses gibt es eine Markise. b. Das Haus hat eine Markise am Balkon.
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
tischen Feld, das mit Ereignissen und Zuständen zu tun hat, auf die Möglichkeiten bei der räumlichen Lokalisierung zurückgegriffen wird; Positions- und Bewegungsverben liefern also die grundsätzliche sprachliche Organisation für Situationsaussagen. Die einzelnen semantischen Felder unterscheiden sich nur in folgender Weise: welche Art von Entität als Thema erscheint, welche Art von Entität als Bezugsobjekt erscheint und welche Art von Relation an die Stelle der Lokalisierung bei räumlichen Ausdrücken tritt. Jackendoff schließt die These der Locationals mit ein, betrachtet aber weitere semantische Felder. In Jackendoff (1983) werden insbesondere das temporale, possessive, identifikatorische, zirkumstantielle und existentielle Feld unterschieden, aber auch Redeverben, Wahrnehmungsverben usw. sollen unter die Hypothese fallen. Ein wichtiges Argument bildet der Umstand, daß ein Verb wie engl. keep eine große Variation in der Verwendung aufweist. (125) a. Bill kept the book on the shelf. (lokal) b. Bill kept the book. (possessiv) c. Bill kept Harry angry. (identifikatorisch) d. Bill kept Harry working. (zirkumstantiell)
5.3 Thematische Rollen
Für die Begründung einer lokalistischen Theorie ist das Argument allerdings schwach: keep drückt Bewahrung eines Zustands aus; syntaktisch erlaubt das Verb neben dem direkten Objekt ein prädikatives Argument; die semantische Einordnung scheint davon abzuhängen, ob das Prädikativ als PP, AP oder VP realisiert wird. Ein Beispiel für die Verwendung abstrakter lokaler Konzepte in den verschiedenen semantischen Feldern geben folgende Sätze: (126) a. We moved the meeting from Tuesday to Thursday. (temporal) b. Amy gave the doll to Beth. (possessiv) c. The coach changed from a handsome young man into a pumkin. (identifikatorisch) d. Sue released Jim from singing. (zirkumstantiell)
Gruber (1965) und in etwas anderer Weise Anderson (1971) haben eine lokalistische Theorie der θ-Rollen bzw. (semantischen) Kasus im Auge gehabt. Besonders auf Gruber stützt sich Jackendoff (1976, 1983, 1987). Er stellt die Hypothese auf, daß in jedem seman-
Die semantischen Rollen der Argumente sind hier durch die Präpositionen from und to angezeigt; sie kennzeichnen Ausgang und Ziel einer Zustandsänderung. Jede Zustandsänderung (evtl. abhängig von einer Verursachung) ist für Jackendoff die Instantiierung
37. Lokale und Direktionale
einer abstrakten GO-Relation und weist daher dieselben θ-Rollen wie das Bewegungsverb go auf. Entsprechend weist die Verursachung einer Zustandsänderung dieselben θRollen wie etwa put auf. Ob dies der Theorie der θ-Rollen eine solide Grundlage zu geben vermag, soll hier offen bleiben. In einem engeren Sinne vermag die Semantik lokaler Verben wohl noch keine Lösung für die Semantik anderer Verben der Zustandsänderung vorzugeben. 5.4 Kritik Den Lokalismus-Theorien liegt generell die Annahme zugrunde, daß mehr abstrakte Relationen/Strukturen sprachlich nach dem Vorbild der mehr konkreten räumlichen Relationen/Strukturen modelliert werden; darum wird oft von ‘Übertragung’ oder ‘Metapher’ gesprochen. In der Semantik der Lokalisierungsausdrücke spielt der ‘konkrete’ Wahrnehmungsraum, etwa die bildliche Gestalt und Anordnung von Gegenständen, jedoch nur eine geringe Rolle. Soweit die propositionale Struktur zur Diskussion steht, wird von Begriffen der Topologie, der Algebra oder Mengenlehre Gebrauch gemacht. Funktorkonstanten wie EXT, DIM und Prädikate wie LOC, CHANGE sind nicht von vornherein auf eine räumliche Konzeptualisierung hin festgelegt. In der Semantik selbst werden nur strukturelle Bedingungen der Interpretation analysiert, nicht die konzeptuelle Verarbeitung im konkreten Wahrnehmungsraum. Präpositionen oder Verben mit generellen Struktureigenschaften sind daher prinzipiell in verschiedenen konzeptuellen Domänen verwendbar, sofern diese Domänen entsprechend strukturiert verstanden werden können. Bei einer systematischen Trennung von semantischer Form und konzeptueller Deutung ergibt sich die speziell räumliche Deutung nicht semantisch, sondern prinzipiell erst konzep-
785
tuell. Insofern ist die Semantik der Lokalisierungsausdrücke ein geeignetes Feld, um die Interaktion von Syntax, Semantik und Kognition zu studieren. Dieser Artikel ersetzt eine früher zitierte Fassung von 1986.
6.
Literatur (in Kurzform)
Anderson 1971 · Anderson/Keenan 1985 · Bennett 1975 · Bierwisch 1987 · Bierwisch 1988 · Bierwisch/ Lang (eds.) 1987 · Brugman 1981 · Clark 1973 · Clark/Clark 1978 · Closs 1978 · Creary/Gawron/ Nerbonne 1989 · Cresswell 1978a · Cresswell 1978b · Cresswell 1985a · Davidson 1967a · Davidson 1970 · Denny 1978 · Dowty 1979 · Ehrich 1985 · Fillmore 1971 · Fillmore 1975 · Fillmore 1982 · Galton 1984 · Geis 1975 · Gruber 1965 · Habel 1989 · Hawkins 1984 · Herskovits 1986 · Herweg 1989 · Herweg 1990 · Higginbotham 1985 · Hill 1982 · Jackendoff 1972 · Jackendoff 1973 · Jakkendoff 1976 · Jackendoff 1983 · Jackendoff 1987 · Kaufmann 1989 · Kaufmann 1990 · Kosslyn 1980 · Kuno 1971 · Lakoff 1970d · Lakoff/Johnson 1980 · Langacker 1982 · Lindner 1981 · Lang 1987a · Lang 1989a · Langacker 1982 · Levelt 1986 · Li/ Thompson 1978 · Lindner 1981 · Lindner 1982 · Link 1983 · Löbner 1987c · Löbner 1990 · Lutzeier 1981 · Lyons 1967 · Lyons 1977 · Maienborn 1990 · Miller/Johnson-Laird 1976 · Ostler 1980 · Rauh 1988 · Rauh (ed.) 1990 · Ristow 1990 · Rosch 1978 · Rosch/Mervis 1975 · Saile 1984 · SchpakDolt 1989 · Sondheimer 1978 · von Stechow 1978 · Steinitz 1969 · Steinitz 1977 · Talmy 1975 · Talmy 1980 · Talmy 1985 · Thompson/Longacre 1985 · Vandeloise 1984 · Wunderlich 1981 · Wunderlich 1982 · Wunderlich 1984 · Wunderlich 1985b · Wunderlich 1985c · Wunderlich 1986b · Wunderlich 1987 · Wunderlich 1990 · Wunderlich 1991 · Wunderlich/Kaufmann 1990
Dieter Wunderlich, Düsseldorf/ Michael Herweg, Hamburg (Bundesrepublik Deutschland)
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
786
38. Gradpartikeln 1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4. 4.1 4.2 5. 6.
Einleitung Syntax Bedeutung Fokus und Skopus Präsuppositionen und Wahrheitsbedingungen Alternativen Skalen Bewertungen Skopus Andere Verwendungsweisen Satzadverbien Modalpartikeln Offene Probleme Literatur (in Kurzform)
1.
Einleitung
Die Formelelemente (z. B. auch, sogar, nur, erst), deren Bedeutung im folgenden Kapitel beschrieben wird, werden in Grammatikhandbüchern oder Lexika gewöhnlich den Partikeln oder den Adverbien, d. h. den Restkategorien syntaktischer Analyse zugerechnet. Wie auch andere Funktionswörter und grammatische Formelemente bilden sie eine relativ geschlossene Klasse. Aufgrund ihrer Stellung an der Peripherie zwischen grammatischen und lexikalischen Ausdrucksmitteln einer Sprache werden sie zu den Synkategoremata, wegen ihrer abstrakten und stark kontextabhängigen Bedeutung werden sie zu den Synsem antika gerechnet. Während innerhalb der großen Klasse der Adverbien oder der der Partikeln einige Subklassen wohletabliert sind, ist erst durch eine Reihe von Untersuchungen der letzten fünfzehn Jahre (z. B. Altmann 1976, 1978; König 1977, 1981; Jacobs 1983 für das Deutsche; Quirk et al. 1972; Ross & Cooper 1979; Taglicht 1984 für das Englische) deutlich geworden, daß auch lexikalische Elemente wie auch, nur, sogar, erst, selbst gerade, etc. im Deutschen und ihre Entsprechungen in anderen Sprachen aufgrund einer Reihe von gemeinsamen syntaktischen und semantischen Eigenschaften als besondere Klasse auszuzeichnen sind. Die heute allgemein akzeptierten Bezeichnungen ‘Gradpartikeln’ und ‘Fokuspartikeln’ (engl. focusing adjuncts, focusing adverbs) stammen ebenfalls aus den o. g. Untersuchungen. Nach allem was wir wissen, gehören Gradpartikeln zu den sprachlichen Universalien. Zumindest die Unterscheidung zwischen Dt. auch und nur scheint eine Parallele in allen
Sprachen zu haben. Nicht immer haben Gradpartikeln allerdings den Status von selbständigen Wörtern, so wie im Deutschen oder Englischen. In vielen Sprachen werden sie als Affixe oder enklitische Partikeln mit Elementen der Hauptwortklassen verknüpft, wobei sie gewöhnlich eine periphere Stellung in der Wortstruktur einnehmen. In vielen, wenn nicht allen Sprachen, spielen Gradpartikeln bei der formalen Charakterisierung bestimmter Konstruktionen eine wesentliche Rolle. Eine deutliche Affinität zu anderen semantischen Bereichen kommt auch darin zum Ausdruck, daß in vielen Sprachen die gleichen Elemente als Gradpartikeln und Indikatoren für spezifische andere Funktionen verwendet werden. Als Beispiele für diese Affinität zu anderen syntaktischen und semantischen Bereichen, die von jeder semantischen Analyse zu explizieren ist, seien die folgenden genannt: a. Zusammen mit ‘Interrogativpronomen’ und anderen Quantoren bilden additive Partikeln, wie Dt. auch, sogar, häufig sog. ‘unbestimmte Pronomen’ (free choice quantifiers), wie Dt. wer auch im m er, Ndl. wie ook, Jap. dare m o oder Seneca wε:tɔhkwah (cf. Coyaud und Aϊt Hamou 1976). b. Konzessive Konnektiva (d. h. Konjunktionen, Präpositionen und Konjunktionaladverbien) sind häufig als Kombinationen von additiven Gradpartikeln und konditionalen bzw. temporalen Konjunktionen analysierbar. Dt. ob-schon, wenn ... auch, Engl. even though, Frz. quand m êm e, Finn. jos-kin (‘wenn-auch’) und Malayalam -enkil-um (‘wenn-auch’) sind deutliche Beispiele für die erwähnte Affinität zwischen Gradpartikeln und Konzessivität. c. Restriktive Gradpartikeln wie nur einerseits und additive Partikeln wie auch, selbst, sogar andererseits kennzeichnen zwei interessante Typen von Konditionalsätzen, die in der Diskussion um die Bedeutung dieser Konstruktion eine wesentliche Rolle gespielt haben (cf. Stalnaker 1969; Mackie 1973; Bennett 1982): (1) Only if you offer him some money will he mow the lawn for you. (2) Even if you offer him some money, he won’t mow the lawn for you. Nach einer häufig vertretenen Auffassung drücken durch only if eingeleitete Konditionale eine notwendige Bedingung aus, wobei die entsprechende Beziehung zwischen Ante-
38. Gradpartikeln
zedens und Konsequens konvers zu der durch einfache Konditionale ausgedrückten Beziehungen ist, d. h. only if p, q ≡ if q, then p (cf. Quine 1962: 4 1; McCawley 1981: 4 9 ff). Ein durch Engl. even (Dt. selbst, auch, sogar) eingeleiteter Konditionalsatz kennzeichnet dagegen eine extreme, überraschende und somit meist irrelevante Bedingung. d. Durch die Kombination einer konditionalen Konjunktion mit einer restriktiven Partikel wie Dt. nur, Engl. only, werden in vielen Sprachen Wunschsätze gebildet: (3) a. Wenn er es ihm nur nicht gesagt hat. b. If only he were here. e. In vielen Sprachen werden die gleichen Formelelemente (z. B. Dt. selbst, Frz. même, Ir. féin) als emphatische Reflexivpronomen und als additive Gradpartikeln verwendet (cf. Edmondson & Plank 1978; Plank 1978): (4) a. Der Bürgermeister kommt selbst. b. Selbst der Bürgermeister kommt. f. Additive Partikeln zeigen eine deutliche Affinität zur Koordination. In vielen Sprachen hat die Gradpartikel auch und die koordinierende Konjunktion und die gleiche Entsprechung (z. B. Lat. et, Zulu na, Margi kàkà). g. Restriktive Partikeln wiederum werden häufig auch als adversative Konjunktionen verwendet. Engl. but, Ndl. m aar und Nahuatl zan sind deutliche Beispiele: (5) a. He is but a child. b. He would like to come, but he can’t.
2.
Syntax
Eine der auffälligsten syntaktischen Eigenschaften von Gradpartikeln ist die Variabilität ihrer Stellung im Satz. Gradpartikeln können in verschiedenen Positionen vorkommen und gleichsam durch einen Satz hindurchwandern: (6) a. Nur FRITZ schenkt seinen Kinder zu Weihnachten Bücher. b. Fritz schenkt nur SEINEN KINDERN zu Weihnachten Bücher. c. Fritz schenkt seinen Kindern nur ZU WEIHNACHTEN Bücher. d. Fritz schenkt seinen Kindern zu Weihnachten nur BÜCHER. Wie die vorausgehenden Beispiele zeigen, korrelieren unterschiedliche Positionen einer Partikel mit unterschiedlichen Akzentmustern, sowie auch mit unterschiedlichen Interpreta-
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tionen. Je nach Stellung im Satz und je nach Plazierung des Satzakzents (bzw. der Satzakzente) können sich Gradpartikeln auf verschiedene Teile eines Satzes ‘beziehen’. ‘Beziehungen’ zwischen einer Gradpartikel und Teilen eines Satzes bestehen im mehrfachen Sinne des Wortes (cf. Jacobs 1983: 8 ff): (7) a. Gradpartikeln haben einen bestimmten Fokus im Satz. b. Gradpartikeln sind mit einer bestimmten Kokonstituente in Konstruktion. c. Gradpartikeln haben einen bestimmten (semantischen) Skopus. Als Fokus einer Gradpartikel bezeichnen wir vorläufig den Teil eines Satzes, der typischerweise einen Satzakzent trägt und von der Partikel semantisch besonders betroffen wird. In den vorangegangenen, wie auch in den folgenden Beispielen, wird dieser Fokus durch Großbuchstaben bekennzeichnet. (Nicht immer wird der Fokus einer Partikel durch den Satzakzent und/oder die Stellung der Partikel eindeutig identifiziert. Häufig markiert der Satzakzent nur einen Teil des Fokus, und er kann außerdem auf der Partikel selbst liegen. Letzteres ist z. B. dann der Fall, wenn Dt. auch oder Engl. only, also, too ihrem Fokus folgen, z. B. I saw FRED, only/also, too. Eine wichtige Rolle bei der Identifikation des Fokus spielt neben Intonation und Position der Gradpartikel der Kontext.) Natürlich ist eine Gradpartikel immer mit einem Teil des Satzes in Konstruktion und geht auch in diesem Sinne eine Beziehung ein. Die traditionelle Kategorisierung von Gradpartikeln des Adverbien suggeriert, daß stets Verbalphrasen oder Sätze ihre Kokonstituenten sind. Die erwähnte enge Verbindung zwischen einer Partikel und einem fokussierten Element legt eine andere Analyse nahe. Besonders relevant für die semantische Analyse einer Gradpartikel ist schließlich die Beziehung, die in (7) als ‘Skopus’ bezeichnet worden ist. Eine weitere charakteristische Eigenschaft von Gradpartikeln neben der erwähnten Variabilität ihrer Stellung und der Assoziation mit einem Fokus besteht darin, daß diese Elemente im Gegensatz zu ‘anderen Adverbien’ mehrfach im Satz vorkommen können, solange dies nicht zu semantischen Unverträglichkeiten führt (cf. Anderson 1972; McCawley 1970: 290): (8) a. Only Lyndon pities only himself. b. Ausgerechnet am Montag kommt mich ausgerechnet Fritz besuchen.
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Satz (8 a) ebenso wie der folgende zeigen zudem, daß Pronomen in Sätzen mit Partikeln stets als Variable fungieren: (9) Nur Fritz bedauert, daß er verloren hat.
kombiniert werden, die den Fokus enthält. Entsprechend wären Regeln zu formulieren, die die folgenden Konfigurationen zulassen: (13) [GP + X]x oder [X + GP]x.
Neben diesen allgemeinen syntaktischen Eigenschaften können in einzelnen Sprachen zur Identifikation von Gradpartikeln natürlich noch sprachspezifische Kriterien herangezogen werden. Im Deutschen können z. B. semantisch kompatible Gradpartikeln koordiniert werden: (10) a. Erst und nur in der Renaissance ... b. Auch und gerade wirtschaftliche Probleme ...
Angemessen erscheint diese Annahme insbesondere für Sprachen, in denen Gradpartikeln enklitisch mit ihrem Fokus verknüpft werden. Im Türkischen z. B. folgt de ‘auch’ dem Fokus und zeigt Vokalharmonie mit dem entsprechenden Wort (cf. Lewis 1967: 206): (14) a. oraya ben de gittim. dort ich auch ging ‘Auch ich ging dorthin.’ b. ben oraya da gittim. ‘Ich ging auch dorthin.’ c. ben oraya gittim de. ‘Ich bin dorthin auch gegangen.’
Auf der Basis der genannten Kriterien können im Deutschen und im Englischen etwa folgende Ausdrücke zur Klasse der Gradpartikeln gerechnet werden: (11) (Deutsch) allein, auch, ausgerechnet, ausschließlich, bereits, besonders, bloß, einzig, eben, erst, gar, genau, gerade, gleich, insbesondere, lediglich, (nicht) einmal, noch, nur, schon, selbst, sogar, wenigstens, zumal, zumindest ... (12) (Englisch) also, alone, either, even, especially, exactly, in particular, merely, only, too, let alone, at least, as well, not least ... Zu beiden Gruppen könnte man außerdem noch einige Grenzfälle zählen, die nicht alle der genannten syntaktischen und der noch zu besprechenden semantischen Kriterien erfüllen. Nach dieser Skizze allgemeiner syntaktischer Eigenschaften von Gradpartikeln sind noch einige spezifische syntaktische Fragen kurz anzusprechen: Mit welchen Konstituenten sind Gradpartikeln kombinierbar? Welche Stellung im Satz relativ zu der ihres Fokus, zu der ihrer Kokonstituente und zu der ihres Skopus können sie im Satz einnehmen? Welche syntaktische Analyse wäre eine geeignete Grundlage für eine daran anschließende semantsiche Beschreibung? Eine vergleichende Betrachtung der Syntax von Gradpartikeln in verschiedenen Sprachen, ebenso wie eine detaillierte Analyse dieser Klasse in einer einzelnen Sprache liefert Argumente für zwei mögliche, allerdings sehr unterschiedliche syntaktische Analysen. Die enge Verbindung zwischen Partikel und einem fokussierten Element im Satz, sowie die Tatsache, daß Gradpartikeln häufig entweder vor oder hinter ihrem Fokus stehen, legt eine Analyse nahe, nach der diese Elemente direkt mit ihrem Fokus bzw. einer Konstituente
Jedoch auch in Sprachen wie dem Englischen und dem Deutschen, in denen Gradpartikeln nicht unmittelbar vor oder hinter ihrem Fokus (oder einer fokusenthaltenden) Konstituente stehen müssen, lassen sich Argumente für eine solche Analyse finden. Im Englischen können z. B. einige Gradpartikeln (only, even aber nicht also) zwischen Präposition und nachfolgender Nominalphrase, sowie zwischen einem Verb und nachfolgendem direktem Objekt stehen, in Positionen also, von denen Adverbien ausgeschlossen sind: (15) a. I saw only/even Fred. b. I was talking to only/even Fred. Im Deutschen kann die Annahme, daß das finite Verb die Zweitstellung im Satz einnimmt, für Beispiele wie (6 a) nur dann aufrechterhalten werden, wenn man annimmt, daß Gradpartikel und Subjekt eine Konstituente bilden. In vielen Fällen führt eine Analyse des Typs (13) jedoch zu großen Schwierigkeiten (cf. Jacobs 1983: 4 7 ff). Zu den Phänomenen, die mit einer solchen Analyse nur sehr schwer beschreibbar sind, gehören Beispiele mit einem mehrteiligen Fokus, der selbst keine Konstituente bildet, sowie Beispiele, in denen eine Partikel einem Fokus in einiger Distanz folgt oder vorausgeht: (16) a. EIN BUCH möchte ich morgen áuch kaufen. b. Ich bedaure nur, daß ich das Buch VERSCHENKT habe. Da Gradpartikeln im Deutschen grundsätzlich in adverbialen Positionen vorkommen, ist besonders in Hinblick auf solche Daten
38. Gradpartikeln
der Vorschlag gemacht worden, Gradpartikeln als Satzadverbien zu analysieren, d. h. als Elemente, die mit einem Verb und seinen Projektionen (VP, S) kombinierbar sind (Jacobs 1983; 1984). Zu den Regelmäßigkeiten, die eine syntaktische Beschreibung zu erfassen hat, gehören auch die Restriktionen, die zwischen der Position einer Gradpartikel und der eines möglichen Fokus bestehen. Im Englischen wie im Deutschen kann z. B. eine Partikel am Satzanfang nur die unmittelbar folgende Konstituente als Fokus wählen: (17) *Even Fred gave presents to MARY. Eine Gradpartikel vor dem Hauptverb, sowie im Satzende, kann im Englischen jede Konstituente, eine Partikel nach dem Hautverb kann nur die unmittelbar folgende Konstituente als Fokus wählen (cf. Fraser 1971; Ross & Cooper 1979): (18) a. Fred may even have given presents to MARY. b. FRED may have given presents to Mary, even. c. *Fred may have given even presents to MARY. Untersuchungen, die über diese Zusammenhänge zwischen möglicher Position einer Gradpartikel relativ zu ihrem Fokus für das Englische und Deutsche vorliegen, lassen vermuten, daß sich die relevanten Restriktionen mit Hilfe von strukturellen Konfigurationen (c-command) formulieren lassen (cf. Jacobs 1984; Ross & Cooper 1979). Welche der erwähnten syntaktischen Beschreibungen die adäquate ist, muß hier offen bleiben. Die jetzt folgende semantische Analyse wird zeigen, daß es plausibel ist, die beobachtete ‘Uneinheitlichkeit’ in der Syntax von Gradpartikeln mit den doppelten Anforderungen in Verbindung zu bringen, die an diese Syntax gestellt werden: einerseits den Fokus und andererseits den Skopus zu markieren.
3.
Bedeutung
3.1 Fokus und Skopus Wie im vorangegangenen Teil erwähnt, ‘bezieht’ sich eine Gradpartikel, in mehrfachem Sinne des Wortes, auf einen Teil des Satzes, in dem sie vorkommt. Von den in (7) genannten Beziehungen spielen die erste und dritte eine wesentliche Rolle für die Interpretation der Partikel: Der Beitrag, den eine Partikel zur Bedeutung eines Satzes liefert, hängt so-
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wohl von der Bedeutung ihres Fokus ab als auch von der ihres Skopus. Die Relevanz des Fokus für die Interpretation einer Partikel läßt sich durch das folgende Beispielpaar verdeutlichen: (19) a. FRITZ hat áuch ein neues Auto gekauft. b. Jemand anderes als Fritz hat ein neues Auto gekauft. ((∃x)x ≠ Fritz [x hat ein neues Auto gekauft]) (20) a. Fritz hat auch EIN NEUES AUTO gekauft. b. Fritz hat etwas anderes als ein neues Auto gekauft. Der eigentliche Beitrag, den auch zur Bedeutung der Sätze (19a) und (20a) liefert, läßt sich in etwa durch (19b) und (20b) umschreiben. Und da sich die beiden Sätze lediglich in der Wahl des Fokus unterscheiden, muß diese Tatsache für den durch (19b) und (20) illustrierten Bedeutungsunterschied verantwortlich sein. Den Beitrag von auch zur Bedeutung der genannten Sätze erhalten wir grob gesprochen dadurch, daß wir die Partikel weglassen und den Fokusausdruck durch einen in geeigneter Weise restringierten Existenzquantor ersetzen. Ein Teil dieser Restriktionen ist, daß der alternative Wert mit dem Fokuswert nicht identisch ist. Daß der Beitrag einer Partikel zur Bedeutung eines Satzes außerdem noch von ihrem Skopus abhängt, zeigen die folgenden Beispiele: (21) a. Ich bedaure, daß ich auch FRITZ unterstützt habe. b. (Paul hätte ich nicht unterstützen sollen.) Ich bedaure auch, daß ich FRITZ unterstützt habe. Der Beitrag von auch zur Bedeutung dieser Sätze kann etwa folgendermaßen umschrieben werden: (21′) a. Ich habe jemand anderen als Fritz unterstützt. b. Ich bedaure bei jemand anderem als Fritz, daß ich ihn unterstützt habe. Der Fokus der Gradpartikel in (21a, b) ist in beiden Fällen Fritz. Der Unterschied in der Bedeutung kann also nur etwas mit der Position der Partikel zu tun haben, sowie mit den Beziehungen, die diese Position kennzeichnet. Auch in (21′a, b) haben wir den Beitrag der Partikel auch zur Bedeutung der ent-
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sprechenden Sätze dadurch ausformuliert, daß wir einen entsprechend restringierten Existenzquantor für den Fokus eingesetzt haben. Im Gegensatz zu (21b) ist im Falle von (21a) jedoch nicht der gesamte komplexe Satz für die Ausformulierung des Bedeutungsbeitrages von auch relevant, sondern nur der eingebettete Objektsatz. Als Skopus einer Partikel können wir also den Teil eines Satzes (bzw. seine semantische Entsprechung) auffassen, der für die Ausformulierung des Beitrages einer Partikel zur Bedeutung eines Satzes relevant ist. In (21a) ist nur der Objektsatz im Skopus der Partikel, in (21b) zeigt die Stellung der Partikel im Hauptsatz an, daß der gesamte komplexe Satz zu ihrem Skopus gehört. Die Abhängigkeit der Interpretation einer Partikel sowohl von der Bedeutung des Fokus als auch von der ihres Skopus kann man offensichtlich dadurch am besten erfassen, daß man von einer Repräsentation („logischen Form“) ausgeht, in der Fokus und Skopus der Partikel klar unterschieden werden. Einer solchen Forderung wird am besten eine Analyse gerecht, nach der Gradpartikeln als Operatoren aufzufassen sind, die über strukturierte Propositionen operieren, d. h. über Propositionen, die aus einem (komplexen) Prädikat und dazu passenden Argumenten bestehen (cf. v. Stechow 1982a; König 1981; Jacobs 1983: 14 4 ff). Für Beispiele wie (19a) werden wir also folgende „logische Form“ annehmen: (22) auch (λx [x hat ein neues Auto gekauft], Fritz) In Repräsentationen dieser Art sind Fokus und Skopus der Partikel klar voneinander unterschieden. Um eine zu interpretierende Oberflächenstruktur wie (19a) auf eine Repräsentation wie (23) abzubilden, sind in etwa die folgenden Übersetzungsregeln zu formulieren (cf. v. Stechow 1982 a: 115 ff): Der Fokusaudruck wird durch eine Variable ersetzt, die durch einen λ-Operator gebunden wird. Der Fokusausdruck selbst wird nach rechts in die „Fokusposition“ gerückt und die Gradpartikel wird dem gesamten Resultat dieser Operation zugeordnet. (Natürlich sehen diese Übersetzungsregeln wesentlich komplizerter aus, wenn nicht der gesamte Satz im Skopus der Partikel ist. Beispiele dieser Art werden in 3.6 diskutiert.) Gradpartikeln werden semantisch somit als Operatoren aufgefaßt, die zusammen mit einer strukturierten Proposition eine Proposition ergeben. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, daß Gradpartikeln struktur-sensitive Operatoren sind, daß
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
sie also auf die Struktur der Proposition Bezug nehmen. In der Notation von Cresswell (1973) ausgedrückt sind sie somit vom Typ 〈0, 〈0, τ〉, τ〉. Aus dem eben Gesagten folgt, daß λ-Konversion in (22) nicht möglich ist. Eine weitere Konsequenz ist, daß zwei Sätze mit der gleichen Partikel aber unterschiedlich strukturierten Propositionen nicht immer äquivalent sind, obwohl die Propositionen selbst dies sind: (23) a. nur (λx [x liest], Peter) b. ≠ nur (λP [Peter P], liest) 3.2 Präsuppositionen und Wahrheitsbedingungen Präsuppositionen zeigen, im Gegensatz zu logischen Implikationen (entailments), ein abnormes Projektionsverhalten: bei Einbettung in negative, interrogative, modale oder konditionale Kontexte bleiben sie erhalten. Außerdem sind sie in bestimmten Kontexten aufhebbar (cf. Gazdar 1979; Levinson 1983: 167 ff; Soames 1982). Wenn wir die entsprechenden Tests auf Beispiele wie (19a) anwenden, dann wird deutlich, daß der Beitrag von auch zur Bedeutung eines Satzes als Präsupposition (oder ‘konventionelle Implikatur’) zu bezeichnen ist. Die folgenden Sätze rechtfertigen den in (19b) beschriebenen Schluß ebenso wie (19a) selbst: (24) a. Hat Fritz áuch ein neues Auto gekauft? b. Vielleicht hat Fritz auch ein neues Auto gekauft. c. Wenn Fritz auch ein neues Auto gekauft hat, dann haben wir jetzt zwei. Die kontextuelle Löschbarkeit der in (19b) beschriebenen Implikation läßt sich durch eine Situation verdeutlichen, in der eine Mutter eines ihrer Kinder dadurch ermuntert, einen von ihr gekochten Brei zu essen, daß sie ihr anderes Kind als Vorbild hinstellt: (25) Komm und iß! Deinem Bruder hat der Brei auch geschmeckt. Durch den vorausgehenden Imperativ wird die mit auch assoziierte Präsupposition des zweiten Satzes gelöscht. Was eben über auch gesagt wurde, gilt ebenso für viele, wenn nicht alle, Gradpartikeln, die gewöhnlich als additiv bezeichnet werden. Ebenso wie auch liefern die Partikeln sogar, selbst, noch, schon, ausgerechnet, gerade, besonders, etc. und ihre Entsprechungen
38. Gradpartikeln
in anderen Sprachen keinen Beitrag zu den Wahrheitsbedingungen eines Satzes, sondern lösen lediglich eine Präsupposition aus. In den Diskussionen um die Existenz und die korrekte Definition von Präsuppositionen und anderen Aspekten pragmatischer Bedeutung der siebziger Jahre haben daher diese Partikeln eine wesentliche Rolle gespielt (cf. Horn 1969; Fraser 1971; Green 1973; Kempson 1975; Karttunen & Peters 1979). Die Wahrheitsbedingungen von Sätzen mit diesen Partikeln sind völlig denen identisch, die für die entsprechenden Sätze ohne Partikel zu formulieren sind. Bei den sog. restriktiven Partikeln wie nur, lediglich, erst wird dies eben beschriebene Verhältnis von logischen Implikationen (entailments) und Präsuppositionen genau umgekehrt. In diesen Fällen läßt sich die mit der Partikel verbundene Präsupposition durch die entsprechenden Sätze ohne Partikel wiedergeben, während der eigentliche Beitrag der Partikeln zur Bedeutung des jeweiligen Satzes in spezifischen Wahrheitsbedingungen besteht. Angesichts der Tatsache, daß die genannten restriktiven Partikeln nicht nur innersprachlich durch negative Konstruktionen paraphrasierbar sind (z. B. nur Brot = nichts anderes als Brot), sondern auch häufig durch solche Konstruktionen in anderen Sprachen zu übersetzen sind (cf. Frz. ne ... que, Jap. sika ... Neg, Engl. not ... until) ist der erwähnte Unterschied zwischen den zwei Partikelgruppen nicht überraschend. 3.3 Alternativen Wenn wir von der in (22) beschriebenen logischen Form von Sätzen des Typs (19a) ausgehen, erhalten wir die Präsupposition, die auch zur Bedeutung dieses Satzes beiträgt, grob gesprochen dadurch, daß wir Fokus und Partikel weglassen und den λ-Operator durch einen Existenzquantor ersetzen (existential closure). Dabei ist allerdings die Domäne der durch den Quantor gebundenen Variablen zu beschränken. Teil dieser Restriktionen ist, daß die für die Variable einsetzbaren Werte vom gleichen Typ, aber nicht identisch mit dem Fokuswert sein dürfen: (26) (∃x)x ≠ Fritz (x hat ein neues Auto gekauft) (In den folgenden englischen Übersetzungen von Dt. ausgerechnet sind diese Restriktionen z. T. deutlich zu erkennen: (i) Willst du ausgerechnet jetzt verreisen? — Do you want to leave now, of all times?
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(ii) Paul hat das Geld ausgerechnet Fritz gegeben. — Paul gave the money to Fritz, of all people.) Analog läßt sich der (19a) parallele Satz mit nur analysieren. Der Beitrag, den nur zu den Wahrheitsbedingungen von (27 a) liefert, entspricht der Negation von (26): (27) a. nur (λx [x hat ein neues Auto gekauft], Fritz) b. (∃x)x ≠ Fritz (x hat ein neues Auto gekauft) Diese beiden Beispiele zeigen, daß Gradpartikeln die folgenden generellen semantischen Eigenschaften haben: (28) a. Sätze mit Gradpartikeln implizieren logisch oder präsupponieren die entsprechenden Sätze ohne Partikeln. b. Gradpartikeln wählen Alternativen zu dem genannten Fokuswert aus und schließen diese Alternativwerte als mögliche Werte für den offenen Satz in ihrem Skopus entweder ein oder aus. Aufgrund der in (28 b) genannten Eigenschaft können wir Gradpartikeln daher in eine additive (inklusive) und eine restriktive (exklusive) Gruppe einteilen (cf. Quirk et al. 1972: 4 31). Angewandt auf das Deutsche ergibt dieses Kriterium die beiden folgenden Gruppen: (29) a. (additive Partikeln) auch, gerade, insbesondere, gleichfalls, schon, noch, sogar, selbst, zumal ... b. (restriktive Partikeln) allein, bloß, erst, lediglich, nur ... Allerdings lassen sich nicht alle Gradpartikeln eindeutig der einen oder der anderen Gruppe zuordnen (cf. 3.5). Die Restriktionen, die bisher für die Domäne der Variablen in Ausdrücken wie (26) und (27b) erwähnt wurden (i. e. Typengleichheit und Nicht-Identität mit dem Fokuswert), sind nun um eine weitere zu ergänzen. Die Auswahl von Alternativwerten für einen gegebenen Fokuswert hängt auch vom Kontext ab. Nur solche Alternativwerte werden durch Gradpartikeln ein- oder ausgeschlossen, die in einem bestimmten Kontext in Betracht gezogen werden. Ein Satz wie (27a) besagt nicht unbedingt, daß überhaupt niemand außer Fritz ein neues Auto gekauft hat, sondern wird meist verwendet um auszudrücken, daß dies für die anderen zur Debatte stehenden Personen nicht zutrifft. Häufig werden die ins Auge gefaßten Alternativwerte im vorausge-
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henden Ko-text genannt, wo sie selbst Fokus einer anderen Partikel sein können: (30) a. One expects a good guide not only to know the terrain, but also to choose good roads and perhaps even to find a few short-cuts. b. Selbst Spitzenverdiener können dies nicht bezahlen, geschweige denn Durchschnittsbürger. Einige Gradpartikeln wie z. B. geschweige denn oder gar im Deutschen oder let alone, m uch less im Englischen können nur dann verwendet werden, wenn die relevanten Alternativen zu ihrem Fokuswert im vorausgehenden Teilsatz genannt werden. Für die Interpretation von Ausdrücken mit Allquantoren gilt generell eine Einschränkung auf ein Universum der Rede. Der erwähnten Kontextabhängigkeit in der Auswahl von Alternativwerten, die durch (26) und (27 b) nicht zum Ausdruck gebracht wird, könnte man deshalb dadurch Rechnung tragen, daß man die Bedeutung von nur mit Hilfe des Allquantors umformuliert. Wenn wir von dem konkreten Inhalt des Fokus und Skopus von nur absehen und einem Satz der allgemeinen Form (31a) ausgehen, können wir aufgrund der dualen Beziehung zwischen Existenz- und Allquantor die Bedeutung dieser Partikel wie folgt neu formulieren: (31) a. nur (P, a) b. (∀x)x ≠ a P(x) (bzw. (∀x)[P(x) → (x = a)] Andererseits könnte man dieser Kontextabhängigkeit auch durch die Wahl des Universums berücksichtigen, über das der Existenzquantor in Ausdrücken wie (26) und (27a) läuft. Weniger geeignet zur Lösung dieses Problems erscheint ein von F. und L. Karttunen (1976, 1977) gemachter Vorschlag, einen speziellen Operator ‘*’ einzuführen, der an einem Kontext die jeweils in Betracht gezogenen Werte für eine Variable auswählt. Dadurch würden pragmatische bzw. ‘diskurssemantische’ und satzsemantische Gesichtspunkte vermischt. Die erwähnten Kontextabhängigkeit in der Auswahl von Alternativen zu einem gegebenen Fokuswert manifestiert sich bei der restriktiven Partikel nur darin, daß das Komplement des genannten Wertes bezüglich einer in Betracht gezogenen Menge von Werten für die Variable des offenen Satzes im Skopus ausgeschlossen wird. Hier findet auch die oben erwähnte Affinität zwischen dieser Gradpartikel und der adversativen Konjunk-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
tion (Dt. aber, Engl. but) eine natürliche Erklärung. Wie E. Lang (s. Art. 26) darlegt, ist die Bedeutung dieser Konjunktion als Komplementbildungsoperation beschreibbar. Wenn der Fokus dieser Partikel das Antezedens eines Konditionalsatzes ist, wird die Negation dieses Antezedens als Komplement in Betracht gezogen und als Wert ausgeschlossen: (32) a. Only (λx [if x, q], p) b. (if p, q) (Interpretation von only) Wenn man mit Stalnaker (1975) annimmt, daß eine Negation eines Konditionalsatzes mit der Negation des Konsequens gleichzusetzen ist, dann wird durch Kontraposition die in bestimmten Fällen bestehende Äquivalenz von only if p, q und if q, p erklärbar: (32) c. If p, q (Negation des Konsequens) d. if q, p (Kontraposition) Eine solche Äquivalenz besteht allerdings dann nicht, wenn zwischen p und q eine zeitliche Folgebeziehung besteht (cf. McCawley 1981: 49 ff). Nicht nur die Interpretation einer Gradpartikel hängt vom Typ und der Bedeutung des Fokus ab. Manchmal ist es auch die Form der Partikel selbst, die von dem Typ des Fokus beeinflußt wird. In den folgenden französischen Bespielen hängt die Wahl der verschiedenen, gleichbedeutenden Gradpartikeln von der Kategorie des Fokus ab: (33) a. Seul Jacques aime Marie. b. Jacques n’aime que Marie / Jacques aime seulement Marie. c. Jacques ne fait que se promener. d. Rien qu’en ouvrant la porte, je purrais dire ... 3.4 Skalen Den bisher genannten Restriktionen (Typengleichheit, Nicht-Identität, Kontextabhängigkeit) bei der Auswahl von Alternativwerten, die durch Gradpartikeln ‘in Betracht gezogen’ und als mögliche Werte für die Variable ihre Skopus ein- oder ausgeschlossen werden, ist noch eine hinzuzufügen. Manche Gradpartikeln wählen nur solche Alternativen aus, die zusammen mit dem Fokuswert auf einer Skala geordnet sind. Dabei kann es sich um partielle oder um totale Ordnungen handeln (cf. Löbner 1989). Durch diese Restriktion werden in vielen Sprachen zwei Gruppen von additiven Partikeln unterschieden: solche, die
38. Gradpartikeln
wie Engl. even, Dt. selbst, sogar, Frz. même, voire stets eine Ordnung induzieren und solche, die wie Engl. also, too, Dt. auch, Frz. aussi, égalem ent zwar mit einer Ordnung vereinbar sind, sie aber nicht unbedingt fordern. Sowohl Engl. also als auch even sind additive Partikeln, so daß beide der folgenden Sätze präsupponieren, daß die genannte Person andere Autoren als Shakespeare liest: (34) a. John also reads SHAKESPEARE. b. John even reads SHAKESPEARE. Im Unterschied zu also führt jedoch even eine Ordnung für die in Betracht gezogenen Werte ein. Die zur Debatte stehenden Alternativwerte nehmen einen niederen Rang auf dieser Skala ein als der genannte Fokuswert. Die für even relevante Ordnung wird meist mit Hilfe der Begriffe ‘Wahrscheinlichkeit’ oder ‘Erwartung’ charakterisiert: Der genannte Fokuswert ist der unwahrscheinlichste Kandidat für die Variable des offenen Satzes im Skopus der Partikel und somit auch der überraschendste, am wenigsten erwartete Wert (cf. Fraser 1971; F. und L. Karttunen 1977; Karttunen & Peters 1979). Auf der Basis dieser Analyse wird auch die oben erwähnte Rolle von Partikeln wie even bei der Bildung von konzessiven Konnektiva verständlich. Ist das Antezedens eines Konditionalsatzes der Fokus von even, so wird die entsprechende Bedingung von allen in Betracht gezogenen als die unwahrscheinlichste, überraschendste und extremste für ein gegebenes Konsequens charakterisiert: (35) The match will be on even if IT IS RAINING. Zu den skalaren additiven Partikeln gehören im Englischen z. B. noch let alone, in particular, so m uch as und im Deutschen schon, noch, gleich, insbesondere. Eine der eben beschriebenen Unterscheidung zwischen also und even (auch vs. sogar/ selbst) ähnliche lexikalische Differenzierung im Bereich der restriktiven Partikeln wird u. a. im Deutschen (nur vs. erst), Finnischen (vain vs. vasta), Polnischen (tylko vs. dopiero) und Serbo-Kroatischen (sam o vs. tek) getroffen. Auch hier sind die zuerst genannten Elemente zwar mit einer Ordnung vereinbar, erfordern sie aber nicht. Für nur wird daher ebenso wie für only meist eine skalierende und eine quantifizierende Lesart unterschieden (cf. Horn 1969; Altmann 1976: 106 ff). Erst und seine Entsprechungen in den genannten Sprachen induziert dagegen stets eine Ordnung. Diese Ordnung ist meist, jedoch nicht unbedingt,
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eine temporale Ordnung: (36) a. Ich fahre nur am Donnerstag nach Göttngen (... sonst nicht). b. Ich fahre erst am Donnerstag nach Göttingen (... vorher nicht). (37) a. Nur ein Leutnant wäre ihr als Schwiegersohn recht. b. Erst ein Leutnant wäre ihr als Schwiegersohn recht. Durch nur in (36a) können, wie die mögliche Fortführung zeigt, alle anderen Tage ausgeschlossen werden, sofern sie in dem relevanten Kontext zur Debatte stehen. Durch erst können dagegen nur vorausgehende Tage ausgeschlossen werden. Über den Freitag, der auf den genannten Donnerstag folgt, wird in (36 b) nichts gesagt. Ebenso kann in (37 a) jeder andere militärische Rang, in (37 b) jedoch nur die tiefer liegenden ausgeschlossen werden. Die Bedeutung von erst in Sätzen des Typs (36 b) und (37 b) könnte man nun analog zu (31 b) folgendermaßen beschreiben: (38) a. erst (P, a) b. (∀x)x < a P(x) Diese Beschreibung bringt zum Ausdruck, daß durch erst Alternativwerte ausgeschlossen werden, die unterhalb bzw. vor dem genannten Fokuswert liegen, so wie es für (36 b, 37 b) angemessen erscheint. Allerdings paßt diese Analyse nicht auf Beispiele wie die folgenden, in denen durch erst offensichtlich höherrangige Alternativen (z. B. ‘vier Kapitel’, ‘drei Monate’) ausgeschlossen werden: Im Unterschied zu den entsprechenden Sätzen mit nur wird in (39) eine Fortführung der genannten Aktivität bzw. des Zustandes ins Auge gefaßt: (39) a. Ich habe erst drei Kapitel gelesen. b. Er wohnt erst seit zwei Monaten hier. Für erst zwei Lesarten anzunehmen, wäre höchst unbefriedigend, da die beiden Interpretationen komplementär verteilt sind und somit offensichtlich vom Ko-text bestimmt werden (cf. König 1979; Brauße 1983b). Zudem läßt sich das gleiche Phänomen auch bei der Gradpartikel schon beobachten, bei der Partikel also, die zu erst in einer dualen Beziehung steht (cf. Löbner 1989). (Wenn a′ ein zu einem gegebenen Fokuswert a in Betracht gezogener Alternativwert ist, dann gilt folgende Äquivalenzbeziehung: nicht erst (P, a) = schon (P, a′).) In Kontexten des Typs (39)
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werden durch schon anscheinend tiefer liegende Werte ausgeschlossen. Die Frage nach der Rolle des Ko-textes im Skopus einer Partikel für die Ordnung innerhalb einer Skala stellt sich schließlich auch noch für Sätze mit nur. Die skalierende Lesart von nur in Beispielen des Typs (4 0) läßt sich offensichtlich gut durch eine Analyse wiedergeben, nach der höherrangige Werte als der im Fokus genannte ausgeschlossen werden (cf. Lerner & Zimmermann 1981, Foolen 1983, Van der Auwera 1983): (40) a. Max ist nur ein KLEINER ANGESTELLTER. b. Max kaufte nur ZWEI Bücher. c. Nur ein MITTELMÄSSIGES Zeugnis ist für diesen Beruf erforderlich. Um auch Beispielen wie diesen gerecht zu werden, könnte man die in (31b) gegebene Beschreibung durch die Spezifizierung ergänzen, daß die durch nur ausgeschlossenen Alternativen einen höheren Rang als der Fokuswert (skalierende Lesart) oder den gleichen Rang wie der Fokuswert (quantifizierende Lesart) einnehmen: (31′) b. (∀x)(x ≠ a) & (a ≤ x) P(x) Ebenso wie in den beiden vorher genannten Fällen erweist sich diese Analyse jedoch als problematisch, wenn wir einen anderen Typ von Kontexten betrachten. In Beispielen wie (4 1) sind es anscheinend Alternativen, die unterhalb des genannten Wertes auf der relevanten Skala liegen, die durch nur ausgeschlossen werden: (41) a. Nur ein WUNDER kann uns noch retten. b. Er nimmt nur HOCHBEGABTE Schüler an. c. Nur ein GUTES Zeugnis reicht für diesen Beruf aus. Die genannten Probleme und die Notwendigkeit, für erst, schon und nur Polysemie annehmen zu müssen, verschwinden, sobald man die Rolle erkennt, die der Kontext im Skopus einer Partikel bei der Ordnung der in Betracht gezogenen Werte spielt. An dieser Stelle ist es sinnvoll, kurz auf die Ergebnisse von Untersuchungen anderer skalarer Phänomene hinzuweisen. Horn (1972), Ducrot (1972, 1980a) und Gazdar (1979) haben gezeigt, daß die Bedeutung und Verwendungsmöglichkeiten vieler Ausdrücke nur dann verständlich ist, wenn sie als Mitglieder von Skalen gesehen werden. Eine sprachliche (lexikalische) Skala wird in Horn (1972) und Gazdar (1979) als eine Menge von kontrastierenden Ausdrük-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
ken der gleichen Kategorie definiert, die entsprechend ihres semantischen Gehaltes in eine Ordnung gebracht werden können. Eine Menge von Ausdrücken 〈e1, e2, e3 ... en〉 konstituiert also dann eine lexikalische Skala, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (42) a. Die Substitution von e2 für e1 in einem Satzrahmen S ergibt einen wohlgeformten Satz. b. S(e1) impliziert logisch S(e2), S(e2) impliziert S(e3), usw. Beispiele für sprachliche Skalen sind in (4 3) aufgeführt: (43) a. 〈alle, viele, einige, wenige〉 b. 〈n, ... 3, 2, 1〉 c. 〈heiß, warm〉 Ein weiterer, wichtiger Beitrag zur Untersuchung skalarer Phänomene stammt von G. Fauconnier (1975 a, 1975 b, 1979), der darauf hinwies, daß Superlative wie (4 4 a) und Pseudo-Superlative wie (4 4 b) im Sinne eines Allquantors gebraucht werden können: (44) a. Max can solve the most difficult problems. b. A Rockefeller could not afford to buy this. Wenn man für most difficult alternative Werte einsetzt und dadurch den Schwierigkeitsgrad, von dem die Rede ist, verringert, erhält man eine Skala von Werten (z. B. 〈m ost difficult, com plex, sim ple, the sim plest〉), die die unter (4 2) genannten Bedingungen erfüllt. Der einzige Unterschied zu den in (4 3) aufgeführten Skalen besteht wohl darin, daß die Ordnung zwischen den einzelnen Werten nicht durch logische Implikationen (entailment) determiniert ist. Fauconnier spricht von pragmatischen Implikationen, die aufgrund von Annahmen über normale, typische Situationen, rationales Verhalten, etc. gültig sind. So ist z. B. der Schluß von (4 4 a) auf (4 5 a) und von (45 a) auf (45 b) normalerweise zulässig: (45) a. Max can solve complex problems. b. Max can solve easy problems. Die in unserem Zusammenhang wohl wichtigste Beobachtung Fauconniers besteht darin, daß mit einem bestimmten Satzrahmen (bzw. Propositionsschema) assoziierte Skalen dann umgekehrt werden, wenn der entsprechende Satz in bestimmte Kontexte eingebettet wird. Für die von Fauconnier untersuchten Skalen sind es die sog. negativen Polaritä tskontexte (z. B. Negation, Interrogativ,
38. Gradpartikeln
Konditional, etc.), die diese Skalenumkehrung bewirken. (Seit Ladusaw (1979) werden diese Kontexte auch als ‘abwärtsimplizierend’ (downward-entailing) bezeichnet.) Wenn Satz (4 4 a) negiert wird, dann nimmt der niedrigste Wert der mit (4 4 a) assoziierten Skala (i. e. the simplest) in dem so veränderten Satzrahmen den höchsten Rang ein und kann entsprechend wie ein Allquantor verwendet werden: (46) Max cannot solve the simplest problems. Von diesen Beobachtungen aus betrachtet, erscheinen die o. g. Probleme einer einheitlichen Beschreibung von erst, schon oder nur in einem neuen Licht. Durch Kontexte wie (39) erfolgt in Sätzen mit der Gradpartikel erst offensichtlich eine Skalenumkehrung gegenüber der durch Kontexte wie (36 b, 37 b) bestimmten Skala. Das Gleiche gilt für die Kontexte in (4 1), gegenüber denen in (4 0), in Sätzen mit der Partikel nur. Das in (4 2 b) genannte Prinzip für die Ordnung der zur Debatte stehende Werte spielt offensichtlich auch hier eine Rolle, allerdings in abgeschwächter Form (cf. Jacobs 1983: 137): (47) Ein Alternativwert a′ nimmt immer dann einen höheren Rang auf einer Skala ein als der genannte Fokuswert a (d. h. a < a′), wenn gilt: S(a′) impliziert S(a). Aufgrund von (47) können wir z. B. für (41c) folgende Skala annehmen: befriedigendes gutes Zeugnis (41) c. Ein reicht für diesen Beruf aus. Denn es gilt offensichtlich: Wenn ein befriedigendes Zeugnis ausreicht, dann reicht auch ein gutes oder ein sehr gutes aus. Auch für die in (4 1) genannten Beispiele kann man somit annehmen, daß die durch nur ausgeschlossenen alternativen Werte einen höheren Rang auf der vom sprachlichen Kontext determinierten Skala einnehmen als der genannte Fokuswert. Die in (31′b) gegebene Beschreibung trifft somit auf alle bisher betrachteten Fälle zu. Die Skalenumkehrung in Beispielen mit nur hängt offensichtlich mit dem Wechsel von der Beschreibung ausreichender zu der Beschreibung notwendiger Bedingungen zusammen. (Die in (4 1) aufgeführten Kontexte von nur bringen aber nicht nur ausreichende Bedingungen zum Ausdruck, sondern sind auch als ‘downward entailing’ im Sinne von Ladusaw (1979) bzw. als implikationsumkehrend im Sinne von Fauconnier (1979) zu bezeichnen, wie die folgenden Im-
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plikationsbeziehungen deutlich machen: (i) Eine Blume reicht aus. → Eine Rose reicht aus. (ii) Eine Rose ist nötig. → Eine Blume ist nötig. Die in (4 1) beobachtete Skalenumkehrung ist somit wohl letztlich auf diese Eigenschaft der betreffenden Kontexte zurückzuführen.) Die bekannte Tatsache, daß ein durch nur eingeleiteter Konditionalsatz eine notwendige Bedingung ausdrückt, erweist sich somit als Spezialfall eines wesentlich generelleren Zusammenhanges: Ein Satz, der eine ausreichende Bedingung ausdrückt, bezeichnet durch den Zusatz von nur eine notwendige Bedinung, und umgekehrt: (48) a. Eine ‘2’ genügt. (ausreichende Bedingung) b. Nur eine ‘2’ genügt. (notwendige Bedingung) c. Eine ‘2’ ist erforderlich. (notwendige Bedingung) d. Nur eine ‘2’ ist erforderlich. (ausreichende Bedingung) Im Falle von (39 a) erhält man aufgrund des in (47) formulierten Prinzips folgende Skala: fünf vier ((39) a.Ich habe drei
Kapitel gelesen.
Die in (38 a) gegebene, sicher nicht vollständige Beschreibung von erst ist also dahingehend zu ändern, daß ebenso wie bei der skalierenden Verwendung von nur die ausgeschlossenen Werte höher einzustufen sind als der Fokuswert (d. h. a < x). (38′) b. (∀x)a<x P(x) Diese Parallelität in der Beschreibung von nur und erst würde auch der Tatsache Rechnung tragen, daß diese Partikeln im Englischen, Französischen, Ungarischen oder Spanischen die gleiche Entsprechung haben können. Zudem ist eine solche Beschreibung auch für Beispiele des Typs (37b) adäquat, wo wir aufgrund von (4 7) eine Skala erhalten, bei der die ausgeschlossenen Alternativen höher einzustufende Wert sind: (37) b. .
Unteroffizier Ein Leutnant wäre ihr als Schwiegersohn recht.
Im Falle von (36b) liefert uns das in (4 7) formulierte Prinzip allerdings kein Ergebnis, durch das die revidierte Beschreibung der Bedeutung von erst (d. h. 38b.) gerechtfertigt
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würde. Welche Prinzipien neben oder an Stelle von (4 7) für die Ordnung auf temporalen Skalen eine Rolle spielen, muß allerdings hier offen bleiben. (Vgl. dazu die Überlegungen in Löbner 1989.) Ebensowenig wie für (36b) kann man für Beispiele des Typs (4 0a) eine implikative Skala annehmen, es sei denn man postuliert für die entsprechenden Sätze ohne Gradpartikel die folgende ‘Grundbedeutung’: ‘Max ist mindestens ein kleiner Angestellter’. Ohne diese schwer zu rechtfertigende Annahme muß man wohl für solche ‘disjunktiven’ Skalen, bei denen sich die Alternativen gegenseitig ausschließen, eine allgemeine, ‘natürliche’ mehr/weniger Ordnung annehmen. Zu den Parametern, die für die Beschreibung der Bedeutung von Gradpartikeln wesentlich sind, gehört also auch der einer Ordnung. Einige Partikeln (Dt. selbst, erst, schon, noch) induzieren stets eine Ordnung, andere wie Dt. auch und nur sind mit einer solchen Ordnung kompatibel ohne sie zu fordern und wiederum andere (Dt. ausschließlich, allein, einzig, gleichfalls, ebenfalls) werden stets nicht-skalierend gebraucht. Für die Festlegung der Reihung innerhalb einer Skala spielt der Kontext, insoweit er im Skopus der Partikel ist, eine wesentliche Rolle. Deutlich wird dies vor allem an dem Phänomen der Skalenumkehrung. Welche Kontexte eine solche Skalenumkehrung bewirken scheint allerdings von der gewählten Partikel abzuhängen. Eine einheitliche und elegante Beschreibung von skalierenden und nicht-skalierenden Partikeln, sowie von skalierenden und nicht-skalierenden Verwendungen von Partikeln ist dann möglich, wenn man Skalen als Funktionen von den in Betracht gezogenen Werten in die Menge der natürlichen Zahlen definiert (cf. Jacobs 1983: 133 ff). Werden diese Funktionen zudem noch als partielle Funktion aufgefaßt und die Skalen zu einem Parameter der Interpretation gemacht, dann ergibt sich eine besonders interessante Möglichkeit der oben beschriebenen Kontextabhängigkeit in der Auswahl von Alternativen Rechnung zu tragen. 3.5 Bewertungen Eng verknüpft mit dem der eben diskutierten Parameter ist ein weiterer genereller Aspekt der Bedeutung von Gradpartikeln. Alle Partikeln, die eine Ordnung induzieren, drücken auch eine Bewertung aus: Der im Fokus genannte Wert wird als ‘hoch’ oder ‘tief’, als ‘viel’ oder ‘wenig’ etc. in Relation zu den in Betracht gezogenen Alternativen bewertet.
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Entsprechend der Analyse von F. und L. Karttunen (1977; cf. auch Karttunen und Peters 1979) charakterisiert z. B. even den relativen Fokuswert stets als den ‘unwahrscheinlichsten’, extremsten für ein gegebenes Propositionsschema. Die umgekehrte Bewertung ‘am wahrscheinlichsten’ könnte man der Partikel let alone zuschreiben, in deren Fokus häufig ein für even relevanter Alternativwert identifiziert wird: (48) He did not even TALK TO ME, let alone HELP ME. Von den in diesem Fall in Betracht gezogenen Werten ist sicherlich ‘help me’ der wahrscheinlichere: Es ist eher erwartbar, daß mir jemand nicht hilft, als daß er nicht mit mir spricht. Nicht immer läßt sich jedoch einer Partikel eine einheitliche und konkrete Bewertung für alle Verwendungsweisen zuordnen. Die Bewertung kann mit dem Typ des Fokus und mit dem Typ des Skopus variieren. So drückt z. B. Dt. gleich in Verbindung mit einem temporalen Fokus die Bewertung ‘früh’, in Verbindung mit einem nicht-temporalen Fokus jedoch eine Bewertung aus, die man etwa als ‘weitgehend’ bezeichnen könnte: (49) a. Ich erledige das gleich MORGEN. b. Er kaufte gleich VIER Zeitungen. Im Falle von erst und schon können sich die Bewertungen je nach Kontext sogar widersprechen: (50) a. Er kam erst um acht Uhr. (spät) b. Er kam schon um acht Uhr. (früh) (51) a. Es ist erst acht Uhr. (früh) b. Es ist schon acht Uhr. (spät) Die unterschiedlichen Bewertungen in diesen Beispielen hängen offensichtlich mit dem o. g. Phänomen der Skalenumkehrung sowie mit der Tatsache zusammen, daß durch die Partikeln schon und erst einmal auf den genannten Zeitpunkt folgende und einmal ihm vorausgehende Zeitpunkte ein- bzw. ausgeschlossen werden. Daher scheint die Annahme sinnvoll, daß die einzelnen Partikeln nicht konkrete Bewertungen wie ‘früh’, ‘spät’, oder ‘am unwahrscheinlichsten’ sondern relative unspezifische Bewertungen ausdrücken und daß sich die genannten konkreten Bewertungen als Resultat einer Konkretisierung in bestimmten Kontexten ergeben. Für die Partikeln even, selbst, sogar oder gleich könnte man z. B. einfach die Bewertung ‘maximal’ postulieren. Für ‘ma-
38. Gradpartikeln
ximal’ gilt dabei die übliche Definition (cf. Wall 1972: 142 f): (52) Ein Fokuswert ‘a’ ist dann maximal auf einer Skala = (M, <) (d. h. Max (a, )), wenn keine der in Betracht gezogenen Alternativen auf ‘a’ folgt. Analog ist ein Wert ‘minimal’, wenn er jedem in Betracht gezogenen Alternativwert vorausgeht. Eine solche Bezeichnung (Min (a, )) scheint für die Bewertungen angemessen, die durch Partikeln wie Dt. wenigstens, nur, erst und ihre Gegenstücke in anderen Sprachen zum Ausdruck kommen: (53) a. Wenn er wenigstens EHRLICH wäre. b. Im letzten Jahr waren 2,5 Millionen arbeitslos, in diesem Jahr sind es ‘nur’ 2,1 Millionen. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Beispiele des Typs (53 b). Die Bewertung ‘minimal’ gilt in Hinblick auf den im Kontext genannten Alternativwert. Wenn, wie in diesem Fall, auch noch ein ‘Normalzustand’ als Alternative in Betracht gezogen wird, ist die Bewertung des Fokuswertes als ‘minimal’ unangemessen. Die Tatsache, daß zwei verschiedene Mengen von Alternativen eine Rolle spielen, wird dann durch Anführungszeichen zum Ausdruck gebracht. (Ein anderer Vorschlag, die mit Gradpartikeln verknüpften Bewertungen zu explizieren ist in Jacobs (1983: 135 ff) zu finden. Nach diesem Vorschlag werden durch solche Partikeln und die Sätze in ihrem Skopus nicht nur Skalen, sondern auch ein oberer und ein unterer Grenzwert spezifiziert, die jeweils festlegen, was für eine Skala an einem Kontext als ‘viel’ oder als ‘wenig’ gilt. Zusammen mit den Skalen werden diese Grenzwerte in Jacobs 1983 als Parameter der Interpretation aufgefaßt. Die von Gradpartikeln signalisierten Bewertungen nehmen nach Auffassung von Jacobs auf diese Grenzwerte Bezug. So wird z. B. durch sogar zum Ausdruck gebracht, daß der Fokuswert auf der relevanten Skala einen Rang einnimmt, der größer oder gleich dem oberen Grenzwert dieser Dimension ist.) Die Annahme der Bewertung ‘minimal’ für die restriktive Partikel nur macht auch die Verwendung von elliptischen Konditionalsätzen des Typs (3) zum Ausdruck bescheidener Wünsche verständlich: In diesen Sätzen ist das gesamte Antezedens des reduzierten Konditionalsatzes Fokus der Partikel und wird somit als ‘minimale’, aber ausreichende Bedingung für ein zu ergänzendes Konsequens charakterisiert.
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(54) a. Wenn nur FRITZ ENDLICH KÄME, (q). Die o. g. Tests zur Identifikation von Präsuppositionen weisen alle Bewertungen, die von Gradpartikeln signalisiert werden können, als Präsuppositionen aus. Häufig ergeben sich diese bewertenden Präsuppositionen mehr oder weniger direkt aus den vorher beschriebenen additiven Präsuppositionen oder restriktiven Wahrheitsbedingungen. Wenn wie bei Engl. even nur niederrangige Alternativen eingeschlossen werden, dann ist der genannte Wert natürlich maximal. Wenn, wie bei der skalierenden Lesart von nur, höherrangige Werte ausgeschlossen werden, muß der genannte Wert ‘minimal’ sein. Nicht in allen Fällen folgt jedoch die Bewertung aus solchen additiven oder restriktiven ‘Implikationen’. Im Falle von Dt. gleich oder wenigstens scheinen die erwähnten Bewertungen der einzige Beitrag zu sein, den die genannten Partikeln zur Bedeutung eines Satzes liefern. Ein solcher rein evaluativer Gebrauch liegt z. B. auch dann bei nur vor, wenn ein Determinator (Numerale, Quantitätsangabe) Fokus dieser Partikel ist und ihr Skopus lediglich eine Phrase (PP, NP) umfaßt (cf. Jacobs 1983: 69 ff): (54) b. McEnroe gewann gegen Lendl in nur DREI Sätzen. Eine rein evaluative Verwendung muß man wohl auch immer dann für Dt. sogar annehmen, wenn diese Gradpartikel mit anderen kombiniert wird (cf. sogar schon, sogar noch, sogar nur, sogar erst etc.). Auf der Grundlage dieser Annahme wird auch der Unterschied in den Selektionseigenschaften von Dt. selbst und Engl. even einerseits und sogar andererseits erklärbar. Im Gegensatz zu selbst und even kann sogar auch einen Fokus (wie alle, beide, keiner) wählen, der die Existenz von Alternativwerten für ein Propositionsschema ausschließt. (Es kam en sogar ALLE. vs. *Even EVERYBODY came.) Eine rein evaluative Bedeutung haben wohl auch Dt. ausgerechnet, Ndl. uitgerekend und Hebr. davka (cf. Ariel & Katriel 1977). Durch diese Partikeln wird ein Wert als ‘minimal’ charakterisiert, wobei für die Ordnung der in Betracht gezogenen Werte die Eignung für ein Propositionsschema relevant zu sein scheint: (55) a. Ausgerechnet MORGEN kommt er mich besuchen. b. davka yosef kibel et haavoda. ‘Ausgerechnet J. bekam den Posten.’ Die oben getroffene Unterscheidung zwischen additiven und restriktiven Partikeln ist somit
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
nicht auf Partikeln wie wenigstens, gleich, ausgerechnet sowie auf bestimmte Verwendungen von sogar, nicht einmal oder nur anwendbar.
sentliche Rolle spielt: (57) FRÉD1 reads only2 SYNTACTIC STRUCTURES2, even1.
3.6 Skopus
In (57) kann die Endstellung der Partikel als Indiz dafür angesehen werden, daß sie mit dem gesamten Satz in Konstruktion ist und somit an einem höheren Knoten hängt als die vorausgehende Gradpartikel only. Unterschiedliche strukturelle Konfigurationen können insbesondere durch unterschiedliche Intonation, d. h. Einteilung eines Satzes in Tongruppen (tonality im Sinne Hallidays 1966a) gekennzeichnet sein: Der Einteilung des folgenden Satzes in ein oder zwei Tongruppen (mit je einem Intonationsschwerpunkt) entsprechen zwei unterschiedliche Skopusverhältnisse und somit zwei unterschiedliche Interpretationen (cf. Taglicht 1984: 147 ff): (58) a. /Only PÉTER was here the whole day./ b. only (λx [x was here the whole day], Peter)
Daß die Interpretation einer Gradpartikel, d. h. ihr Beitrag zur Bedeutung eines Satzes, nicht nur von ihrem Fokus, sondern auch von ihrem Skopus (Bereich) abhängt, wurde bereits in 3.1 demonstriert. Der Ko-text im Skopus einer Partikel spielt eine wesentliche Rolle bei der Ordnung innerhalb der relevanten Skala, sowie bei der Ausformulierung ihrer Präsuppositionen oder Wahrheitsbedingungen. Die Frage nach der Abgrenzung des Skopus einer Partikel ist dann leicht zu beantworten, wenn — wie in den meisten bisher diskutierten Fällen — die Partikel mit einem einfachen Satz verknüpft ist, der keine weiteren Bereichsträger (Adverbiale, Quantoren, Negation, andere Gradpartikeln etc.) enthält. In komplexen Sätzen wie (21)—(22) oder (1)—(3) sowie einen weiteren Bereichsträger enthalten, ist diese Frage jedoch keinesfalls trivial. Hier stellt sich die Frage nach den grammatischen oder lexikalischen Mitteln, durch die der relative Skopus von zwei oder mehr Operatoren angezeigt wird. Im Falle von einfachen Sätzen mit mehr als einem Bereichsträger spielen mehrere solche Mittel eine Rolle: (i) Im Deutschen, insbesondere im sog. Mittelfeld eines deutschen Satzes, ist z. B. die lineare Abfolge von zwei Operatoren ein verläßlicher Indikator für ihren relativen Skopus: Eine Gradpartikel hat stets einen weiteren Skopus als ein darauf folgender Bereichsträger (cf. Jacobs 1983, 1984 ; Lerner und Sternefeld 1984): (56) a. Sogar1 FRITZ1 hat nur2 EIN2 Buch gelesen. b. Nur GEDICHTE liest er sehr selten. c. FRITZ kommt áuch nicht mit. (Den Vorschlag, Gradpartikeln mit ihrem Fokus zu ko-indizieren, habe ich aus Jacobs 1984 übernommen.) In allen diesen Beispielen ist der weiter rechts stehende Operator (nur, sehr, selten, nicht) im Skopus des erstgenannten. So präsupponiert (56c) z. B., daß jemand anderes als Fritz nicht mitkommt. (ii) Beispiele wie die folgenden zeigen, daß der relative Skopus von Operatoren im Englischen nicht immer eindeutig durch die lineare Anordnung festgelegt wird, sondern daß auch die strukturelle Konfiguration zwischen den relevanten Konstituenten eine we-
(59) a. /Only PETER was here/ the whole day./ b. (only (λx [x was here], Peter)) the whole day Für Fälle wie diese ist die Verallgemeinerung möglich, daß der Skopus der Partikel die gleiche Ausdehnung hat wie die Tongruppe, die diese Partikel enthält. (iii) Die Tatsache, daß Engl. not ... either durch Dt. auch nicht und Engl. not ... too durch Dt. nicht auch (noch) zu übersetzen ist, läßt vermuten, daß durch die beiden englischen Ausdrücke ebenso wie durch ihre deutschen Entsprechungen lediglich ein Skopusunterschied zum Ausdruck gebracht wird und daß somit relativer Skopus auch durch lexikalische Selektion angezeigt werden kann: (60)a. Engl. I hope they did not lay off PAUL, either. b. Dt. Ich hoffe, daß sie Paul auch nicht entlassen haben. (61)a. Engl. I hope they did not lay off PAUL, too. b. Dt. Ich hoffe, daß sie Paul nicht auch (noch) entlassen haben. Die Reihenfolge von auch und nicht in den deutschen Übersetzungen zeigt eindeutig, daß die Gradpartikel im ersten Fall weiten und im zweiten Fall engen Skopus bezüglich der Negation hat. Analog könnte man auch either als einen lexikalischen Indikator für weiten Skopus auffassen, der dann gewählt werden
38. Gradpartikeln
muß, wenn wegen der fixierten Stellung der Negation im Englischen eine Kennzeichnung des Skopus durch lineare Abfolge bei gleichzeitiger Kennzeichnung des Fokus nicht möglich ist. Eine analoge Analyse könnte man für die Paare -kin vs. kaan und jopa vs. edes im Finnischen, aussi vs. non plus im Französischen sowie für sogar/selbst vs. auch nur, (nicht) einm al im Deutschen ins Auge fassen. Wie F. und L. Karttunen (1977) gezeigt haben, läßt sich für Engl. even dann eine einheitliche Analyse formulieren, wenn man annimmt, daß der Skopus dieser Partikel stets auch einen vorausgehenden negativen Polaritätskontext (downward-entailing context) umfaßt: (62) a. He did not even LOOK AT me. b. even (λP [he did not P me], look at) Auch auf diese Fälle paßt die o. g. Analyse, nach der der Fokuswert durch even stets als der unwahrscheinlichste und somit überraschendste Kandidat für ein Propositionsschema charakterisiert wird. Analog könnte man Dt. auch nur oder (nicht) einm al als semantisch weitgehend äquivalent mit selbst und z. T. sogar analysieren und die zuerst genannten Elemente vor allem als Indikatoren für weiten Skopus ansehen (cf. König 1981). Die Äquivalenz zwischen Dt. auch nicht und nicht einm al oder Ndl. zelfs niet und niet eens in den folgenden Beispielen spricht durchaus für eine solche Analyse. In den beiden erstgenannten Beispielen der folgenden Satzpaare finden wir genau die Reihenfolge, die den angenommenen Skopusverhältnissen entsprechen würde: (63) a. Er hat auch nicht EIN WORT gesagt. b. Er hat nicht einmal EIN WORT gesagt. (64) a. Ik heb zelfs niet EEN pagina geschreven. b. Ik heb niet eens EEN pagina geschreven. ‘I have not even written one page.’ Ebenso spricht die Äquivalenz der beiden folgenden Sätze für die Annahme eines ‘Suppletivverhältnisses’ zwischen sogar/selbst und auch nur: (65) a. Auch wenn du nur EINEN TROPFEN Alkohol trinkst, wirst du entlassen. b. Wenn du auch nur EINEN TROPFEN Alkohol trinkst, wirst du entlassen.
799
Auch nur kann als Ergebnis einer historischen Veränderung angesehen werden, durch die zwei Partikel mit gleichem Fokus aber unterschiedlichem Skopus vor den gleichen Fokus gerückt und zu einer komplexen Partikel kombiniert wurden. Die folgenden englischen Entsprechungen von (65) zeigen, daß solche Phänomene auch in anderen Sprachen zu beobachten sind (cf. auch Ndl. ook maar): (66) a. Even if you drink just A DROP of alcohol, you will be fired. b. If you drink even just A DROP of alcohol, you will be fired. Die Existenz von Gradpartikeln, die auf negative Polaritätskontexte beschänkt sind und weiten Skopus bezüglich dieser Kontexte signalisieren, könnte man somit insgesamt als Resultat von z. T. konfligierenden Anforderungen an die Syntax dieser Elemente ansehen, sowohl den Fokus als auch den Skopus klar zu markieren. Gegen die eben skizzierte Analyse von auch nur und einmal hat Jacobs (1983: 203 ff) starke Einwände geäußert und diese Analyse insgesamt verworfen. Ob der Skopus von Partikeln auch durch lexikalische Selektion gekennzeichnet werden kann, muß daher vorläufig noch als offene Frage betrachtet werden. Der Skopus einer Partikel kann nicht nur durch den eines vorausgehenden oder ‘kommandierenden’ Operators, sondern auch durch bestimmte höhere Knoten, insbesondere durch einen S-Knoten begrenzt werden (cf. (21)—(22)). Der Skopus einer Partikel, die Teil eines Nebensatzes ist, ist in den meisten Fällen auf diesen Nebensatz beschränkt, während der Skopus einer Partikel im Hauptsatz den gesamten komplexen Satz umfassen kann. (68) a. Nur (Fritz hat gekündigt, weil er weiniger Geld bekommt). b. Weil nur (Fritz weniger Geld bekommt), hat er gekündigt. Auch in den folgenden Fällen scheint der Skopus der Partikeln durch bestimmte Knoten begrenzt zu werden: (68) a. /Not even A YÉAR AGO / he managed to make a profit./ b. Ich kaufe das Brot für nur 3 Mark. c. /Only 100 dóllars / would solve all my próblems./ d. By internal contradictions alone, it is a book patently full of half-truths. Im Unterschied zu allen bisher diskutierten Fällen muß man für die in (68) aufgeführten
800
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Beispiele annehmen, daß nur eine Phrase (PP oder NP) im Skopus der Partikel ist. Besonders deutlich wird dies, wenn wir diese Sätze mit entsprechenden Sätzen vergleichen, in denen der gesamte Satz im Skopus der Partikel ist: (69) a. /Not even A YEAR ago did he manage to make a profit./ b. Ich kaufe das Brot nur für 3 Mark. c. /Only 100 dóllars would solve all my problems./ Welche syntaktischen Faktoren für solche auf Phrasen beschränkte Skopusverhältnisse relevant sind, ist nicht im einzelnen geklärt. Ein relevanter Faktor scheint zu sein, daß ein Determinator (Numerale, Quantitätsangabe) Fokus der Partikel ist (cf. Jacobs 1983: 69 ff). Der semantische Effekt eines solchen auf Phrasen beschränkten Skopus ist eine rein evaluative Bedeutung.
4.
Andere Verwendungsweisen
4.1 Satzadverbien Viele der im zweiten Abschnitt aufgeführten Elemente werden nicht nur als Gradpartikeln sondern auch als normale Adverbien verwendet. In Beispielen wie den folgenden sind die relevanten Elemente unmittelbare Konstituente eines Satzes und manifestieren somit syntaktische Eigenschaften, die Gradpartikeln gewöhnlich nicht haben. (70) a. Noch haben wir genügend Geld. b. Gleich kommt ein Gewitter. c. Gerade ist er vorbeigegangen. d. Zumindest wissen wir jetzt Bescheid. e. (Ich würde ihn gern abholen.) Nur kenne ich ihn nicht. f. Auch habe ich wenig Zeit. Unter den Elementen, die neben der besprochenen Verwendung als Gradpartikel auch diese Verwendung als Satzadverb manifestieren, lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: (71) a. noch, schon, gerade, eben, gleich, wieder, (zu)erst ... b. auch, nur, allein, wenigstens, insbesondere, zumindest, vor allem Die Elemente der ersten Gruppe können in der hier diskutierten Verwendung als ‘temporale’ oder ‘aspektuelle’ Adverbien bezeichnet werden, während die Mitglieder der zweiten Gruppe als ‘Konjunktionaladverbien’ oder als Konjunktionen analysierbar sind (cf. Altmann 1976: 24 8 ff, 1978: 59 ff). Semantisch
lassen sich alle diese Elemente in Sätzen des Typs (70) als Operatoren auffassen, die über eine (unstrukturierte) Proposition operieren, also im Gegensatz zu Gradpartikeln nicht struktursensitiv sind. Die Unterscheidung zwischen Fokus und Skopus spielt also für die hier diskutierte Verwendung keine Rolle. (Man könnte auch sagen, daß in Fällen wie (70e, f) der gesamte Restsatz Fokus der Partikel ist und daß der relevante Skopus aus dem Kontext zu erschließen ist.) Entsprechend der engen Beziehung, die zwischen der Verwendung als Gradpartikel und der als Satzadverb besteht, ist die semantische Beschreibung für diese beiden Verwendungen der in (71) aufgeführten Elemente weitgehend parallel zu formulieren. In der Verwendung als aspektuelles Adverb oder Phasenquantor (cf. Löbner 1989) impliziert noch z. B., daß eine weitere positive Phase einer präsupponierten Phase eines Vorganges oder Prozesses folgt und präsupponiert zugleich eine darauffolgende negative Phase oder ‘Grenze’ (cf. König 1977; Löbner 1985c, 1989): (72) a. Wir suchen das Geld noch. (= noch φ) b. φt′, φt″, φt‴ Wenn die assertierte mittlere Phrase nicht teil eines (homogenen) Zustandes oder Prozesses ist, sondern ein Ereignis bezeichnet, dann wird durch solche Sätze nicht ein Andauern eines Zustandes oder Prozesses vor einer Zustandsänderung ausgedrückt, sondern die Kulmination einer Entwicklung in einem Ereignis (cf. König & Traugott 1982): (73) a. Du wirst dich noch erkälten. b. He may win yet. Die Verwendung von noch als Gradpartikel ist dieser Verwendung weitgehend parallel: Der Fokuswert von noch wird als Grenzfall für das relevante Propositionsschema, zwischen positiven Alternativen und dem Beginn eines ‘negativen’ Bereichs charakterisiert: (74) a. Noch der VIERTE blieb unter 47 Sekunden. b. PAULS HALTUNG finde ich noch erträglich. Ebenso ist die Bedeutung von nur in Sätzen des Typs (70 a) weitgehend der Bedeutung parallel, die oben für die entsprechende Gradpartikel formuliert wurde. Für beide Verwendungen von nur ist eine Komplementsbildungsoperation charakteristisch: Die Gradpartikel nur schließt das Komplement zu dem genannten Wert bezüglich einer in Betracht
38. Gradpartikeln
gezogenen Menge als Werte für ein Propositionsschema aus. Durch die ‘Konjunktion’ nur wird eine Menge von relevanten Argumenten in zwei komplementäre Bereiche aufgeteilt. Das in dem Satz mit nur genannte Argument führt dabei zu dem entgegengesetzten Schluß als die kontextuell gegebenen Argumente des Komplementärbereichs. In der Verwendung als ‘Konjunktionaladverb’ ist nur somit der Konjunktion aber weitgehend äquivalent. Die Tatsache, daß Dt. nur und aber in vielen Sprachen die gleiche Entsprechung haben, ist somit nicht überraschend. 4.2 Modalpartikeln Einige der im ersten Abschnitt aufgeführten Elemente haben auch eine Verwendungsweise, in der sie meist zu den Modal- oder Abtönungspartikeln gerechnet werden: (75) a. Kannst du mir auch folgen? b. Er kann eben mehr als du. c. Wir finden das Geld schon. d. Ruf ihn bloß an. Auch für diese Verwendungsweise ist charakteristisch, daß die Partikeln keinen Fokus haben. Mit den bisher entwickelten Parametern ist diese Verwendungsweise allerdings nicht beschreibbar. Partikeln wie die in (75) werden daher gewöhnlich zusammen mit bestimmten (Verwendungen von) Adverbien (vielleicht, doch, wohl, m al, einfach, eigentlich), Konjunktionen (aber, denn) und einigen anderen Ausdrücken (ja, etwa) zur Klasse der Modal- oder Abtönungspartikeln zusammengefaßt. Die Eigenschaften, die für diese Klasse als konstituiv angegeben werden (cf. Weydt 1969), sind im wesentlichen negativ gefaßt: (76) Modalpartikeln (i) kommen nicht am Satzanfang vor (ii) können nicht betont werden (iii) können nicht erfragt werden (iv) haben keine Flexion (v) beziehen sich auf den gesamten Satz In den meisten Untersuchungen zur Bedeutung und Verwendung von Modalpartikeln (cf. Franck 1980; Weydt 1979, 1981, 1983) werden für jede Partikel mehrere Bedeutungen angenommen, nach deren gemeinsamen Nennern oder Beziehungen zur Bedeutung der entsprechenden Gradpartikel oft nicht gefragt wird. Als generelle Eigenschaft der Bedeutung lassen sich etwa angeben: die Strukturierung von Gesprächen (Verknüpfung von Äußerungen: auch, denn; Verweis auf Vorwis-
801
sen oder Evidenz: ja, doch; Themawechsel: eigentlich), die Kundgabe von Einstellungen des Sprechers (negative Bewertung: etwa; Resignation: eben; Überraschung: aber) sowie der Versuch, gewisse Wirkungen beim Hörer zu erzielen (Beruhigung: schon). Ganz allgemein gesprochen ist der Beitrag einer Modalpartikel zur Bedeutung einer Äußerung noch abstrakter, noch schwerer von einem bestimmten Kontext und Ko-text abtrennbar wie der von Gradpartikeln. Aus diesem Grund, sowie aufgrund der Tatsache, daß auch bei Verwendungen wie in (75) eine Verbindung zu der vorher beschriebenen Verwendung als Gradpartikel klar erkennbar ist, erscheint es sinnvoll, Modalpartikeln als Ergebnis eines weiteren Ausbleichens (bleaching), einer weiteren Entwicklung vom Konkreten zum Abstrakten zu sehen (cf. Traugott 1980). Der Charakter einer Aufforderung an den Hörer, sich zu beruhigen, den ein Satz wie (75 c) durch die Modalpartikel schon erhält, hängt sicherlich mit der Bedeutung der entsprechenden Gradpartikel (bzw. des entsprechenden Adverbs) zusammen. Die verknüpfende Wirkung der Modalpartikel auch hängt sicherlich mit der additiven Bedeutung der entsprechenden Gradpartikel zusammen, und die besondere Bedeutung, die bloß einer Äußerung oder dem damit angesprochenen Sachverhalt gibt, kann sicherlich mit der Absonderung und Auszeichnung in Zusammenhang gebracht werden, die restriktive Gradpartikel in Bezug auf den Fokuswert gegenüber den Alternativen vornehmen. Ähnlicher Bedeutungswandel von Gradpartikeln ist auch in anderen Sprachen als dem Deutschen anzutreffen. Im Englischen z. B. können too und either als Indikatoren für Emphase oder Akte des Widersprechens verwendet werden (cf. Green 1973: 245): (77) a. I am going tóo to the demonstration. b. I am not éither in that class. Einen analogen Gebrauch der Partikel mo (‘auch, sogar’) im Japanischen erwähnt Martin (1975: 68 f). Grammatiken in vielen Sprachen führen darüberhinaus expressis verbis eine Klasse von Modalpartikeln auf.
5.
Offene Probleme
Systematische und umfassende Analysen der Syntax und Semantik von Gradpartikeln in einer oder mehreren Sprachen sind bis heute eine Seltenheit geblieben. Die zahlreichen Untersuchungen einzelner Partikeln der späten sechziger und siebziger Jahre dienten vor al-
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lem dem Nachweis der Existenz von Präsuppositionen und anderen Aspekten pragmatischer Bedeutung. Entsprechend groß ist die Zahl der offenen Probleme in diesem Bereich. Zu diesen offenen Problemen gehört selbst die Frage nach dem Sinn der Unterscheidung, deren Notwendigkeit oft mit Gradpartikeln demonstriert worden ist: der Unterscheidung zwischen Wahrheitsbedingungen (Assertion oder log. Implikationen) und Präsuppositionen, d. h. solchen Propositionen, die der Sprecher bereits für einen Teil des Redehintergrundes hält oder die seiner Meinung nach vom Hörer widerspruchslos diesem Redehintergrund hinzugefügt werden (cf. Soames 1982, siehe auch Art. 13). Der hier nach dem Vorschlag von L. Karttunen und S. Peters (1979) vertretenen Auffassung einer mehrgleisigen Semantik stehen Theorien gegenüber, nach denen Präsuppositionen letztlich auf log. Implikationen (z. B. ‘ordered entailments’, cf. Sperber & Wilson 1979) oder auf konversationelle Implikaturen à la Grice zu reduzieren sind. Die oben getroffene Unterscheidung zwischen Wahrheitsbedingungen (log. Implikationen) und Präsuppositionen führt insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn Ko-referenz von Indefinita in Präsuppositionen und eigentlicher Aussage hergestellt werden soll (cf. Jacobs 1983: 220 ff), ebenso wie bei Sätzen mit mehreren Gradpartikeln. So ist z. B. aufgrund der bisherigen Ausführungen eine befriedigende Analyse von Sätzen wie den folgenden nicht möglich: (78) a. Nur Fritz verehrt nur Maria. b. Nur Fritz spricht auch Spanisch. Ducrot (1972: 152 ff) hat für die französischen Entsprechungen von Dt. nur Interpretationsregeln vorgeschlagen, nach denen dem Satz (78a) folgende Wahrheitsbedingungen und Präsuppositionen zugewiesen werden: (78) c. (∀x)x≠F [(x verehrt M) & (∀y)y ≠ M (x verehrt y)] d. (F verehrt M) & (∀y)y≠M (F verehrt y) & (∀x)x≠F (x verehrt M) Inwieweit sich diese Analyse für alle Daten dieses Typs verallgemeinern läßt und inwieweit sie relevanten Intuitionen entspricht, ist jedoch nicht völlig klar. Als problematisch für die oben getroffene Unterscheidung zwischen eigentlicher Aussage (Wahrheitsbedingungen) und Präsuppositionen könnte man auch die Tatsache ansehen, daß das bei additiven Gradpartikeln angetroffene Verhältnis zwischen diesen bei-
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
den Aspekten der Bedeutung sich bei restriktiven Partikeln genau umkehrt (cf. 3.2). Diese Tatsache könnte jedoch auch als Argument für diese Unterscheidung angesehen werden. Der Negationstest weist auf einen grundlegenden Unterschied zwischen additiven und restriktiven Partikeln hin: Sätze mit restriktiven Partikeln sind mühelos negierbar, während dies für die entsprechenden Sätze mit additiven Gradpartikeln nicht gilt: (79) a. Nicht nur Fritz kommt. b. Nicht erst heute waren diese Fehler erkennbar. c. ?Nicht auch Fritz kommt. d. ?Nicht selbst Fritz ist zufrieden. Wenn — wie bisher angenommen — die additiven Gradpartikeln keinen Beitrag zu den Wahrheitsbedingungen eines Satzes liefern, wird verständlich, warum Sätze wie (79c—d) nicht geäußert werden: Will man entsprechenden Behauptungen entgegentreten, so wird man die Gradpartikel weglassen, da ihre Verwendung in Sätzen wie (79c—d) völlig irrelevant ist. In den vorangegangenen Ausführungen wurde mehrfach auf Gemeinsamkeiten zwischen Gradpartikeln und Quantoren hingewiesen. Daher wäre es naheliegend, die semantischen Eigenschaften von Gradpartikeln auch auf die verallgemeinerte Quantorentheorie von Barwise und Cooper (1981) und auf die dort entwickelte Begrifflichkeit (z. B. Monotonie, Dualität) zu beziehen. So könnte man z. B. die additiven Partikeln als monoton steigende ‘Quantoren’ bezeichnen (bzw. als Ausdrücke, die mit ihrem Fokus solche Quantoren bilden), während restriktive Partikeln die Eigenschaft der Monotonie nicht haben. Andererseits scheint die Annahme berechtigt, daß zwischen gewissen Partikeln, z. B. zwischen auch und nur, ein duales Verhältnis besteht (d. h. auch ( a, P) ≡ nur (a, P)). Auch hier gibt es noch eine Reihe offener Fragen, zu deren Beantwortung Löbner (1985c) einige interessante Vorschläge gemacht hat. Zu den offenen Problemen einer adäquaten Theorie der Bedeutung von Gradpartikeln gehört schließlich auch die Frage nach den Bedingungen für eine rein evaluative Verwendung von Gradpartikeln, sowie die Frage ihrer präzisen Beschreibung. Auf der deskriptiven Seite soll abschließend das Problem einer adäquaten Beschreibung von Partikeln wie Dt. eben, ausgerechnet, genau und gerade genannt werden (cf. Altmann 1978; Jacobs 1983: 24 0). Bei diesen Partikeln scheint es nicht so sehr um den Einschluß oder Ausschluß von Alternativen
38. Gradpartikeln
zu einem Fokuswert, um ihre Ordnung und Bewertung zu gehen, sondern um die Rolle ein- und desselben Argumentes in verschiedenen Propositionen. Ein wesentliches Element der Bedeutung dieser Partikeln besteht in der emphatischen Assertion von Identität zweier Argumente in zwei verschiedenen Propositionen. Aufgrund allgemeiner Maximen der Konversation erfolgt eine solche emphatische Assertion von Identität besonders dann, wenn die beiden Propositionen normalerweise nicht kompatibel sind: (80) a. In der 80. Minute wurde Rahn eingewechselt. Eben dieser Rahn schoß das entscheidende Tor. b. Nur Fritz hatte nicht getrunken, und ausgerechnet er wurde von der Polizei angehalten. c. Es ist allgemein bekannt, daß der Keim für den Sturz des Schahs gerade in der Erscheinung angelegt war, von der er zu glauben schien, daß sie ihn retten würde. Die ‘adversative’ oder ‘konzessive’ Qualität, die diese Partikel aufgrund des Kontexts deshalb oft haben, kann wie bei Engl. even Teil der Partikelbedeutung selbst werden. In der Verbindung even as, ebenso wie im Frühneuenglischen allgemein, wird durch diese Partikel lediglich Identität betont: (81) a. What you will have it named, even that it is. (Shakespeare, Shrew III.IV) b. Even as it admits a serious pollution problem, East Germany is substituting cheap brown coal for imported oil. Die heutige Bedeutung von Engl. even kann als Ergebnis eines semantischen Wandels betrachtet werden, durch den konversationelle Implikaturen Teil der konventionellen Bedeutung der Partikel wurden. Für Partikeln dieser Art könnte man daher existentielle Präsuppositionen formulieren, die allerdings nicht auf Alternativen zum Fo-
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kuswert, sondern auf alternative Eigenschaften eines gegebenen Fokuswertes Bezug nehmen: (82) a. even (a, P) b. (∃P′) p′≠p (a, P′) Dieser Beitrag ist während eines Aufenthaltes am Netherland Institute for Advanced Study (N. I. A. S.) in Wassenaar entstanden. Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, die dazu beigetragen haben, diesen Aufenthalt angenehm und erfolgreich zu gestalten. S. Löbner danke ich für Kritik an einer früheren Fassung des Beitrages.
6.
Literatur (in Kurzform)
Altmann 1976 · Altmann 1978 · Anderson 1972 · Ariel/Katriel 1977 · van der Auwera 1983 · Barwise/Cooper 1981 · Bennett 1982 · Blakemore 1987 · Brauße 1983b · Coyaud/Hamou 1976 · Cresswell 1973 · Ducrot 1972 · Ducrot 1980a · Edmondson/Plank 1978 · Fauconnier 1975a · Fauconnier 1975b · Fauconnier 1979 · Fillmore/Kay/ O’Connor 1988 · Foolen 1983 · Franck 1980 · Fraser 1971 · Gazdar 1979 · Green 1973 · Halliday 1966a · Hirschberg 1990 · Horn 1969 · Horn 1972 · Jacobs 1983 · Jacobs 1984 · Karttunen/Karttunen 1976 · Karttunen/Karttunen 1977 · Karttunen/Peters 1979 · Kay 1990 · Kempson 1975 · König 1977 · König 1979 · König 1981 · König 1982 · König 1985b · König (im Druck) · König/Traugott 1982 · Ladusaw 1979 · Lerner/Zimmermann 1981 · Lerner/Sternefeld 1984 · Levinson 1983 · Lewis 1967 · Löbner 1985c · Löbner 1989 · Mackie 1973 · Martin 1975 · McCawley 1970 · McCawley 1981 · Plank 1979 · Quine, v. Orman 1962 · Quirk et al. 1972 · Ross/Cooper 1979 · Soames 1982 · Stalnaker 1975 · von Stechow 1982a · Taglicht 1984 · Wall 1972 · Weydt 1969 · Weydt (ed.) 1978 · Weydt (ed.) 1983 · Wilson/Sperber 1979
Ekkehard König, Berlin (Bundesrepublik Deutschland)
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
39. Current Issues in the Theory of Focus 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4.
Introduction Background Some Phenomena Some Analytical Tools Logical Form and Interpretation Movement Theories Rooth’s In Situ Theory Structured Meaning Theories Contextual Restrictions for Alternatives Interpreting Free Focus Short Bibliography
1.
Introduction
The organization of this article is as follows. First we discuss some phenomena which have been treated under the heading focus in the literature. At this point the relevant theoretical distinctions are introduced: focus, focus domain, scope and association with focus. The second part of the article is concerned with the syntax and semantics of focus. It concentrates on focussing particles, in particular only. Some effort is spent on the question how meaning is determined by syntax. In contradistinction to article 7 “Syntax und Semantik”, the framework chosen is close to the socalled Government and Binding theory of Chomsky (1981). The present article treats the relation between syntax and semantics from a rather different perspective and can therefore be regarded as a supplement to article 7 as far as the syntax-semantics interface is concerned. The interpretation of the so-called free focus is discussed in the last two sections. Certain phenomena that are treated in detail in article 4 1 “The Representation of Focus” are only briefly mentioned.
2.
Background
The category focus is notoriously obscure, and we will not try to do justice to the many usages that survive in the literature. In this article we mainly consider cases of focus that have an impact on the truth-conditions of a sentence. For the time being it suffices to say that a focussed constituent contains an intonational center, in German and English, generally a falling pitch accent. In section 3.2, we will see that even this rough characterization is doubtful in some cases.
2.1 Some Phenomena In this section we give some examples of what counts as focussed constituents in the literature. 2.1.1 Wh-Questions Paul (18808: 283) notices that the sentence (1) Karl fährt morgen nach Berlin “Karl goes (by wheel) to Berlin tomorrow” may be used to answer different questions, having its intonation center on different constituents in each case: (2) a. Wohin fährt Karl morgen? “where” Karl fährt morgen nach Berlin. “to Berlin” b. Wann fährt Karl nach Berlin? “when” Karl fährt morgen nach Berlin. “tomorrow” c. Wie reist Karl morgen nach Berlin? “how” Karl fährt morgen nach Berlin. “drives” d. Wer fährt morgen nach Berlin? “who” Karl fährt morgen nach Berlin. “Karl” Paul says that each of the answers has a different psychological predicate, viz., nach Berlin, m orgen, fährt and Karl. In these examples the Wh-pronoun determines for each case what the psychological predicate is. The non-focussed part of the sentence is the psychological subject. A reconstruction of this view will be discussed in section 3.5.2. Today, most linguists would call Paul’s psychological predicates foci, and we will use this term henceforth. Clearly, it is the Wh-question that determines the focus in these sentences. In many cases, there is no obvious triggering linguistic context. In such cases, we speak of “out of the blue” utterances. (3) Die Sonne scheint. Und Otto geigt mal wieder. “The sun is shining. And Otto is playing the violin.” As can be seen from these examples, it depends on the semantics of the verbs involved whether the focus is realized in the subject constituent or in the predicate phrase (vide
39. Current Issues in the Theory of Focus
Allerton & Cruttenden 1979, Féry 1989). As to the relation between free focus and word order, see Contreras (1976) and Höhle (1982a). 2.1.2 Focus Positions We start with cleft-sentences. (We do not distinguish between ‘cleft’ and ‘pseudo-cleft’.) The examples are taken from Paul (18808: 285): (4) a. Christen sind es, die es getan haben b. ’t is thou that robbst me of my lord c. C’est a vous que je m’adresse, mon cher Monsieur In these sentences, the clefted constituent is a focus. This, however, is not always so as the following sentence shows: (5) Es war die jüngste Tochter, die das Testament gefälscht hat It was the youngest daughter that falsified the last will Here, die jüngste Tochter is not a focus, but the adjective jüngste is one. Thus, the correct generalization seems to be that the clefted part always contains a focus. I am indebted to J. Jacobs for this observation. Hungarian has a special focus position for every sentence. It is in front of the main verb. The examples were presented in a talk by E. K. Kiss given in Konstanz in 1989. The structures are slightly more elaborated than those found in Kiss (1987). (6) a. [IP Janos1 [VPtegnap2 [v’ ovasta el Chomsky cikket t1 t2] John yesterday read perf Chomsky’s paper-acc “As for John, it was yesterday that he read Chomsky’s paper” b. [IP Janos1 tegnap2 [VPChomsky cikket3 [v’ ovasta el t3 t1 t2] “It was Chomsky’s paper that John read yesterday” c. [IP tegnap2 [VPJanos1 [v’ ovasta el Chomsky cikket t1 t2] “Yesterday it was John who read Chomsky’s paper”
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Linguists say that the foci associated with only are different in these cases. In (7a) and (7b), the focus associated with only is Germ an; in (7c), it is speaks. The notion of associated focus will be made more precise below. (7b) means the same as (7a), viz., that Helmut speaks no other language than German. (7c), however, has a different meaning, viz., that Helmut stands in no other mastering relation to German than speaking it. He can’t write or read German, for instance. Another focussing particle that has occupied a number of linguists is even (Horn 1969 and 1972). Karttunen & Peters (1979) discuss the following example: (8) a. It is hard for me to believe that John can understand even Syntactic Structures b. Ich kann kaum glauben, daß Hans sogar die Syntactic Structures verstehen kann c. Ich kann kaum glauben, daß Hans auch nur die Syntactic Structures verstehen kann The German paraphrases disambiguate the two readings, which (8a) has: The paraphrase (8b) suggests that Syntactic Structures is difficult to understand, whereas (8c) implicates that Syntactic Structures is easy to understand. Karttunen & Peters explain the difference by a difference of scope of the nominal even Syntactic Structures. This raises the question why we do not have scope ambiguity in German. We will return to this issue. Other focussing particles of German are: allein, lediglich, erst, kaum , sogar, selbst, nicht, auch nur and nicht — sondern, Dutch: alleen, ook m aar, schlechts. Let us consider the German negation nicht. (9) a. Paula wohnt nicht in Paris b. Paula wohnt nicht in Paris c. Paula wohnt nicht in Paris. d. Paula (/) wohnt nicht (\) in Paris. “Paula does not live in Paris”
The details of the Hungarian sentence structure are still under dispute. For a different analysis, vide Horvath (1981).
The truth-conditions of these sentences are always the same, viz. that Paula does not live in Paris. The “presuppositions” in the sense of Jackendoff (1972) and Chomsky (1971), however, differ. For an analysis of these cases, see Jackendoff (1972), Stechow (1981b), Jacobs (1983), Löbner (1990) and article 40.
2.1.3 Focussing Particles
2.1.4 Counterfactuals
Look at this list: (7) a. Helmut speaks only German b. Helmut only speaks German c. Helmut only speaks German
Dretske (1972) has observed that difference of focus has an impact on the truth-conditions of counterfactuals. His examples are of the following kind:
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
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(10) a. If Clyde hadn’t married Bertha, he would not have qualified for the inheritance. b. If Clyde hadn’t married Bertha, he would not have qualified for the inheritance. The first sentence suggests that there is a law “You inherit only if you marry Bertha” in the background, whereas the second sentence rather refers to a law like “You only inherit, if you marry”. Since counterfactuals are evaluated with respect to a background, the two mean something different (vide article 30). 2.2 Some Analytical Tools 2.2.1 Focus Domains Let us reconsider example (10a). The intonation of what we have called the focus roughly is this: (11) Karl fährt morgen [F nach
H* + L Berlin]
In other words, we have a falling tone — here indicated by the association of a high and a low tone — on the last syllable. The pitch accent H* + L is the phonetic realization of the focus. It is, however, not just the syllable in which is the intended focus of the utterance, it rather is the entire PP nach Berlin. If we think of the pitch accent as a realization of an abstract focus feature F, then there must be laws that allow us to “project” F to the entire constituent. The rules underlying this process are the rules of focus projection and the highest node having the F-feature is the focus domain. The phenomenon was discussed first (?) in Chomsky (1971). He considers the following example: (12) He was [F warned [F to look out for [F an [F exconvict [F with [F a red shirt]]]]]] In this case, each of the F-labelled constituents may count as the focus that is realized phonetically on shirt. F may be projected till the highest VP. In order to realize that there are restrictions for focus projection, let us stress red instead of shirt. (13) He was warned to look for an exconvict with a red shirt Here, no F-projection is possible. Only red can be a focus. The exact nature of the relevant rules for F-projection is not important here (vide Selkirk 1984 ). Furthermore, it
might be more perspicuous to distinguish between the F-feature and its phonetic realization, i. e., the pitch accent. The reason is that structure (12) suggests that there is more than one focus in the sentence. This, however, is not intended. If, for instance, the focus domain is the entire VP, then there is no other focus in the VP, although the F-feature is realized as a pitch accent on shirt. Therefore, it is not appropriate to conceive of the Fpitch accent relation as a percolation mechanism and we should perhaps not speak of focus projection (vide von Stechow & Uhmann 1986). For the following discussion, we simply assume the existence of a mechanism that provides certain constituents with the focus feature F, which is realized within the constituent according to phonological rules. A focus is therefore a constituent with the Ffeature. 2.2.2 Scope and Association With Focus Consider the (14) John [VP only [VP invited Sue]]
structure
The particle only is an operator whose scope is the VP it is adjoined to, i. e., invited Sue, whereas its focus is the object of the VP, i. e. Sue. It is important to not confuse the notions scope and focus of a particle. We introduce the following terminology: The scope of a particle is its c-command domain (vide article 23), i. e., what is dominated by the next higher node and what is not dominated by the particle itself. In most cases, the scope of a particle will coincide with the maximal category it is adjoined to. There are, however, some problematic cases. For instance, only can’t be associated with the subject, if it follows it, but even can, as has been observed in Jackendoff (1972): (15) a. John even gave his daughter a new bicycle. b. ?John only gave his daughter a new bicycle. The contrast shows that even can have scope over the subject, whereas only can’t. It is not quite clear how the difference could be explained. For the time being, let us assume structures like the following: (16) a. [IP John [I’ even [I’ INFL [VP give his daughter a new bicycle]]]] b. [IP John [I’ INFL [VP only [VP give his daughter a new bicycle]]]]
39. Current Issues in the Theory of Focus
This is in agreement with Jackendoff’s claim that even is in AUX, whereas only is in the VP. Given these analyses, even can c-command the subject, and only cannot c-command it. Note that even can’t be a postposition of the subject, because it can have a focus also in the VP: (17) John even gave his daughter a new bicycle Let us next introduce the notion of focus association. Every focussing particle must have at least one focus associated in its scope. If a particle is associated with different foci, the result will be a difference in meaning, in the general case. To illustrate the point, consider the following pattern: (18) a. John only [VP introduced [F Bill] to Sue]] b. John only [VP introduced Bill [F to Sue]] (18a) means that the only person introduced by John to Sue is Bill, (18b) means that Sue is the only person which was introduced to Bill by John. There might be association with more than one focus. Anderson (1972) gives the example (19) Jones claimed that he could sell refrigerators to the Eskimos, but in fact he couldn’t even sell whiskey to the Indians. The same point can be made with only (vide Rooth 1985): (20) John only introduced Bill to Sue. Clearly, the latter means something different from the sentences (18a) and (18b). It may be paraphrased as “John introduced no other persons to each other than Bill to Sue”. We still get another meaning, if we have two only-NPs in the VP: (21) John introduced only Bill only to Sue. This means that the only person such that John introduced her to no other person than Sue is Bill. There is agreement in the literature that more than one focus may be associated with the same operator. We may ask then whether one focus may be associated with more than one operator. Jacobs (1983) has claimed that, in some cases, this must be so. On page 81, he gives the example: (22) weil Gerd sogar1 nur2 die [F1,2 jüngste] Schwester von Luise kennt because Gerd even only the youngest sister of Luise knows “because Gerd even knows only the youngest sister of Luise”
807
The indices express that the focus jüngste “youngest” is associated both with nur “only” and sogar “even”. The content of the sentence (without “because”) is the proposition that Gerd knows only the youngest sister of Luise, and the conventional implicature (vide Karttunen & Peters (1979) and article 4 0) is that it is more likely that he knows the elder sisters of Luise. If this is correct — a question to which we return in section 3.3 — then the association relation has to be expressed by means of indices. Another point worth mentioning is this. In the example (21), the constituent to Sue is a focus, but the constituent [only [Fto Sue]] is not a focus. Focussed constituents have the F-feature, but the only-PP doesn’t have it. Only-NPs are generalized quantifiers and must be moved in LF. They contain a focus associated with only without being foci themselves. We come back to this point when we discuss the theory of focus movement. Let us briefly go into the question to which constituents a focussing particle may be attached to. There is no general answer. Different particles have different distributions. Vide Altmann (1976) and Jacobs (1983) for German particles. Particles like even and only seem to be able to modify almost any major constituent, with the difference noted above: (23) a. only three girls b. only to Sue c. only a bit sick d. only introduced Bill to Sue e. only that Bill was sick
NP PP AP VP CP
There are restrictions, however. For instance, only-NPs are bad as arguments of prepositions or nouns, as the following data taken from Rooth (1985: 93) show: (24) a. ?At the party, John spoke to only Mary b. *The library is closed on only Sunday c. *The entrance to only the Santa Monica freeway was blocked of Altmann (1978) and Bayer (1990) have observed another restriction in distribution: Particle-CPs cannot be extraposed, as comparative evidence from German shows: (25) a. Nur [F daß der Kanzler zu dick sei] hat Hans gesagt Only that the chancellor too fat is has Hans said
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b. *Hans hat gesagt, nur [F daß der Kanzler zu dick sei] Hans has said, only that the chancellor too fat is Jacobs (1983) claims that all German sentences are V-projections and that nur can modify any of them. This would account for the distributional pattern under the assumption that finite verb second clauses are Vprojections whereas daß-clauses belong to another category. As Bayer (1990) has noticed, this account raises the question why a sentence initial nur can have its associated focus only in the preverbal position: (26) a. [Vj Nur [VjPeter liebt Gerda]] Only Peter loves Gerda b. *[Vj Nur [Vj Peter liebt Gerda]] c. *[Vj Nur [Vj Peter liebt Gerda]] Jacobs’ reaction to data like these is that a focussing particle has to be as close to its focus as its scope allows (cf. Jacobs 1983: p. 86 f.). Other restrictions of the distribution of particles should follow from their meaning. For instance, it seems hard to interpret strong quantifiers as foci of only (vide Jacobs 1983 for this observation): (27) a. only every/no girl b. *only every/no girl c. *only [F every/no girl] There have been attempts in the literature to cover also these cases (see Lerner & Zimmermann 1983), but the intuitions are shaky and a good theory should bring out why such examples are marginal, at best.
3.
Logical Form and Interpretation
3.1 Movement Theories Let us start with the meaning of only-NPs. We assume that the NP contains a proper name or a definite term — as a consequence of the meaning of only. The most obvious move is to analyse such NPs as generalized quantifiers (vide article 21). The simplest semantics assumed in the literature is this. (28) Semantics for only Content: ǁonlyǁ(a) = λP {w: ∀b [w ∈ P(a) → b = a]}, where a is any individual. Implicature/Presupposition: ǁonlyǁi(a) = λP {w: w ∈ P(a)} We assume that propositions are sets of
worlds and that properties are functions from individuals to propositions. As for the lambda-notation, vide article 8. In our rules, the λ-operator belongs to the metalanguage, of course. As it stands, the analysis is presumably too simple. A more refined account can be found in Jacobs (1983, chapter 4.1.1). The insight that we have to distinguish between the content and the implicature or presupposition of only goes back to Horn (1969). In the following, we will not distinguish between the notions “implicature” and “presupposition”. The reason is that, in the influential article Karttunen & Peters (1979), the second dimension of the meaning of only is referred to as implicature. For the distinction of the two notions, see articles 13 and 14. The idea is that Only Mary cam e has the content that no other person than Mary came whereas it presupposes/implicates that Mary came. In order to distinguish the two levels of meaning, we assume two interpretation functions ǁ ǁ and ǁ ǁi, where the first gives the content and the second gives the implicatures/ presuppositions of an expression. This practice follows Karttunen & Peters (1979). Let us now consider the structure (29) [IP John [VP invited [NP only Sue]]] The standard semantics of the rules that build up the structure is the following: (30) a. ǁ[IP [NP α] [VP β]]ǁ = ǁ[VP β]ǁ (ǁ[NP α]ǁ) b. ǁ[VP [Vtr α][NP β]]ǁ = λa ǁ[Vtr α]ǁ (〈a, ǁ[NP β]ǁ〉), where ǁ[NP β]ǁ is an individual. Let us suppose that ǁinvitedǁ is a two place property between individuals, i. e. the function λ〈a,b〉 {w: a invited b in w}. We further assume that ǁJohnǁ and ǁSueǁ are individuals. It follows that the VP invited only Sue can’t be evaluated, because ǁonly Sueǁ is not an individual but a set containing a singleton set of individuals. In order to resolve the conflict of types, May (1977) has introduced the rule of quantifier raising (QR). Equivalently we could use Montague’s (1974 ) rule of Quantifying in (vide article 7). We assume the following version of QR: (31) : Adjoin NP to a dominating IP, leave a variable x at the original place (the “trace”) and adjoin x to IP.
39. Current Issues in the Theory of Focus
In May (1977), x — more accurately, a subscript — is adjoined to NP. But this would complicate the semantic rule. Thus, our version QR is a slight variant from the original. Applying QR to (29) will yield the structure (32) [IP [NP only Sue] x[IP John [VP invited x]]]. The interpretation of QR is the same as that of Montague’s (1974) Quantifying in rule: (33) ǁ[IP [NP α] x[IP β]]ǁg is ǁ[NP α]ǁ (λa ǁ[IP β]ǁga/x), where g is an assignment from variables to individuals. ga/x is like g with the possible exception that ga/x(x) = a. (For variable binding, see article 41). We write g only if we need it. To evaluate ǁ(31)ǁg, we take into account that λa ǁ[s John invited x]ǁga/x is the property λa ǁinvitedǁ (〈ǁJohnǁ, a〉) and ǁonly Sueǁ is the quantifier λP {w: ∀b [w ∈ P(b) → b = ǁSueǁ]}. The quantifier assigns to the property the proposition {w: ∀b (w ∈ ǁinvitedǁ(〈ǁJohnǁ, b〉) → b = ǁSueǁ)}. This gives us the correct truth-conditions. Thus, QR with an appropriate semantics accounts in a straightforward way for the example. An analysis along these lines has been proposed by Karttunen & Peters (1979), if we disregard some further refinements. What then with examples where the focus associated with a particle is not adjacent to the particle? We can’t have a nominal in such cases. Karttunen & Peters did not treat these constructions. Let us have a look at one of our examples. (34) John [VP only [VP invited Sue]] We could introduce a rule of Focus Movement: (35) 1. Move the focus-NP to the particle Part it is associated with. Leave a variable x at the original position and form the complex Part + NPx indexed with the same variable. 2. Interpret [VP Part + NPx [VP]] as λa ǁNPǁg (λb (ǁVPǁgb/x(a))). In other words, we treat Part + NP as if it were the nominal [NP Part NP] and quantify this nominal into the VP. The rule Quantifying in VP is due to Montague (1974). As ugly as it is, the rule works. And something along these lines has to be done in any theory interpreting association with focus, as we will see. Let us evaluate the structure (36) [IP John [VP only + Suex [VP invited x]]]. This is the truth, if
809
ǁ [VP only + Suex [VP invited x]]ǁ (ǁJohnǁ). The VP-denotation is the property λa ǁonlyǁ (ǁSueǁ) (λb ǁ[VP invited x]ǁgb/x(a)). The sentence rule says that ǁJohnǁ has this property iff ǁonlyǁ(ǁSueǁ)(λbǁ[VP invited x]ǁgb/x(ǁJohnǁ)). By the meaning for only we obtain ∀b [If λb (ǁ[VP invited x]ǁgb/x(ǁJohnǁ))(b), then b = ǁSueǁ]. By λ-conversion, we obtain the set of worlds {w: ∀b [If (w ∈ ǁ[VP invited x]ǁgb/x(ǁJohnǁ)), then b = ǁSueǁ]}. By the rule for the transitive verb, we know that ǁ [VP invited x]ǁgb/x = λa ǁinvitedǁ(〈a, gb/x(x)〉) = λa ǁinvitedǁ (〈a,b〉). This is the property λa{w: a invited b in w} Therefore, we obtain the proposition {w: ∀b (If ǁJohnǁ invited b in w, then b = ǁSueǁ)}. The analysis becomes uglier if we have to move more than one focus to its particle. We must then treat the meaning of the particle in a syncategorematic way. Consider, e. g., the logical form for (20) which is obtained by moving two foci to the particle: (37) [IP John [VP only + Billx + Suey [VP introduced x to y]]] In order to interpret this, we have to assume a rule like this: (38) ǁonly [NP α]x + [NP β]y VPǁg = λa {w: ∀〈b,c〉 (w ∈ ǁVPǁgb/x c/y> (a) → b= ǁαǁ = ǁβǁ)}. Thus, the interpretation of Focus Movement is rather complicated. No such complications arise for the analysis of only-NP. Here we can adopt the well-established techniques for the interpretation of quantification as we have seen. And there are good arguments that Particle + NPs are in fact quantifiers: ParticleNPs induce ambiguity in the general case, but adverbial particles with an NP-focus associated do not. QR predicts this in a straightforward way. Taglicht (1984 ) gives the following examples: (39) a. They were advised to learn only Spanish b. They were only advised to learn Spanish (39a) is ambiguous. It can mean “They were advised not to learn any other language than
810
Spanish” or “They were not advised to learn any other language than Spanish”. (39b) has only the second reading. The analysis of only-NPs given above predicts these facts. (39a) can have two logical forms that yield its two readings: (40) a. They were advised [IP only Spanish x[CP PRO to learn x]] b. [IP only Spanish x[They were advised [CP PRO to learn x]]] On the other hand, this ambiguity is removed in example (39b). The focus Spanish has to be associated with only and we obtain the same reading as that which is expressed by (40b). As far as we can see, the ambiguity of (39a) is a problem for Jacobs’ (1983) account, since he disputes the existence of constituents which have the form [NP Particle NP]. For him, focussing particles are always adverbs. It is hard to see how such an account could deal with the facts. To be sure, Jacobs does not deal with English. So, his method is confined to German and the question arises whether it could be generalized to cover the English data. Joachim Jacobs und Manfred Krifka have pointed out to me that the German translation of (39a) is not ambiguous: (41) Man riet ihnen, nur Spanisch zu lernen This sentence only has the reading expressed by (4 0b). The example is however not pertinent, because the embedded clause is extraposed, and extraposed sentences are islands for QR. For the particular example, the wide scope reading is absent too, when the subordinate clause is in preverbal position: (42) weil man [CP PRO ihnen nur Spanisch zu lernen] riet This might have to do with the fact that raten “to advice” is an “incoherent” verb that does not allow for a wide scope of an embedded quantifier. A relevant example would be one with a “coherent” verb like versuchen “to try” that permits wide scope for embedded objects: (43) weil sie [CP PRO nur Spanisch zu lernen] versuchten because they tried to learn only Spanish It seems to me that this sentence is ambiguous between the reading “The only thing they tried to learn is Spanish” and “The only thing they tried to do was to learn Spanish”. The narrow scope reading is hard to obtain, as always in “coherent” constructions. On the other hand, if we extrapose the embedded CP,
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
then only the narrow scope reading is available: (44) weil sie versuchten, [CP PRO nur Spanisch zu lernen] QR predicts the difference in interpretation in a straightforward way. To our knowledge, Taglicht (1984 : p. 150) was the first who explicitly formulated the generalization that Particle-NPs and particles with foci associated induce different ambiguities. We will call this hypothesis Taglicht’s observation. Consider (4 5b): This utterance is ambiguous in a way different from (4 5a). This is so, because (4 5b) may have three different foci associated: (45) a. They were only [F advised to learn Spanish] b. They were only advised [F to learn Spanish] c. They were only advised to learn [FSpanish] The theory presented in section 3.2 predicts that the readings which correspond to these focus structures roughly are the following: (46) a. The only relevant property they had is to be advised to learn Spanish. b. The only relevant advice they got is to learn Spanish. c. Spanish is the only language they were advised to learn. The point is subtle, but Taglicht’s observation seems correct. This is a problem for Focus Movement, because that rule can give us only the reading (4 6c). These facts show that a generalized QR-rule as the generalized rule Focus Movement (38) cannot cover the relevant facts. We need something more. Rooth (p. 14 5) points to a possible counterexample to Taglicht’s observation. To be sure, Rooth does not speak of Taglicht’s observation. He rather claims that association of a focus with a particle disambiguates a sentence. This is correct if we have in mind a particular focus structure. But one pitch accent may indicate more than one focus, as we know. In such a case, we encounter genuine ambiguity. (47) a. It is hard for me to believe that John can understand even Syntactic Structures b. It is hard for me to believe that John even can understand Syntactic Structures
39. Current Issues in the Theory of Focus
According to Taglicht’s observation, the two sentences should express different kinds of ambiguities. To be more precise, the reading expressed by the logical form (4 8a) should not exist for (47b): (48) a. [IP [NP even Syntactic Structures] x[IP It is hard for me to believe that John can understand x]] b. [IP It is hard for me to believe that [IP [NP even Syntactic Structures] x[IP John can understand x]] The semantics for even will be introduced in a moment. As we will see, (4 8a) will have the meaning which suggests that Syntactic Structures should be easy to understand for John, whereas (4 8b) will express the meaning suggesting that Syntactic Structures is hard for John to understand. The LF (4 8a) involves QR. This mechanism is not available for the interpretation of (4 6b), given the rules developed so far. Focus Movement cannot move Syntactic Structures out of the scope of the that-clause in (4 7b). Therefore, the “easy”-reading is not expressible. The facts are different, however. (4 7b) has the “easy”-reading. Recall, however, that the German translations contain two different words for even: If we take sogar, we obtain the reading suggesting that Syntactic Structures is difficult to understand, and if we translate even by auch nur (Dutch ook m aar) we get the reading suggesting that Syntactic Structures is easy to understand. This comparative evidence makes it plausible to assume that even is lexically ambiguous, a conclusion reached by Rooth on independent grounds. At this point it is helpful to introduce rough meaning rules for the two even that Rooth assumes. Let us do this for even-NPs. The adverbial cases will be treated later. (49) “normal”-even Content: ǁ evenǁ (ǁ[NP α]ǁ) = ǁαǁ, where ǁαǁ is an individual. Implicature: ǁ evenǁi (ǁ[NP α]ǁ) is λP {w: ∃x [x ≠ ǁ[NP α]ǁ & w ∈ P(x)] & ∀p [∃ y (y ≠ ǁ[NP α]ǁ & p = P(y)) → The likelihood of p exceeds in w that of P(ǁ[NP α]ǁ)]}. Details aside, this is Karttunen & Peters’ (1979) analysis.
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Reconsider the LFs (4 8) (a) and(b) in the light of this semantic rule. The implicature of (4 8a) is that for any book x other than Syntactic Structures, the likelihood that it is hard for me to believe that John can understand x exceeds the likelihood that it is hard for me to believe that John can understand Syntactic Structures. This entails that Syntactic Structures should be easy to understand for John. On the other hand, the implicature of the embedded sentence in (4 8b) is: For any book x different from Syntactic Structures, the probability that John can understand x is higher than the probability that John can understand Syntactic Structures. Suppose, the context It is hard for m e to believe that is a “hole” in the sense of Karttunen & Peters (1979). In other words, it doesn’t alter the implicature of the complement. Thus, the LF (4 8b) implicates that Syntactic structures is a difficult book for John to understand. Let us now consider the second meaning of even which corresponds to German auch nur: (50) Negative evenNeg Content: as above, i. e. identity Implicature: ǁ evenǁi (ǁ[NP α]ǁ) is λP {w: ∃x [x ≠ ǁαǁ & w ∉ P(x)] & ∀p [∃x (x ≠ ǁαǁ & p = P(x)) → The likelihood of P(ǁαǁ) exceeds in w that of p]}. By lexical stipulation, evenNeg is a negative polarity item bound to occur in a downward entailing context. A context f is downward entailing, if f(p) implies f(q) for any subset q of p (vide Ladusaw (1979) and article 21). To prevent confusion: The normal even is not a positive polarity item; it can occur in all contexts. Now, f = It is hard for m e to believe obviously is a downward entailing context since f(p) implies f(p and q). Let us assume that negative polarity items cannot be moved out of their licensing context by QR. It follows that the only LF possible for our example with evenNeg is the following: (51) It is hard for me to believe that [IP [NP evenNeg Syntactic Structures] x[IP John can understand x]] The implicatures of this construction are: 1. There are other books beside Syntactic Structures which John cannot understand. 2. For any book x different from Syntactic Structures: The likelihood that John can understand Syntactic Structures exceeds the likelihood that John can understand x. Thus, Syntactic Structures should be an easy book
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for John to understand. As before, these implicatures are inherited by the entire sentence. Intuitively, these implicatures are more satisfying than those generated by the wide scope reading of normal even. Furthermore, they correspond exactly to the implicatures of the German paraphrase with auch nur. Let us return now to the question, whether the availability of the reading (4 8a) for (4 7b) is a counterexample to Taglicht’s observation. For convenience, we repeat (47b): (52) It is hard for me to believe that John even can understand Syntactic Structures The context It is hard for m e to believe that John is downward entailing and therefore licenses evenNeg. Thus we can have both even and evenNeg in pre-modal position. Still assuming Focus Movement — alternative proposals discussed later will yield the same truth-conditions — we will obtain two readings that correspond to the narrow scope of even-NP and evenNeg-NP. We have seen that this is adequate. Thus, there is good reason to believe that Taglicht’s observation is indeed correct. The second evidence for movement of Particle-NPs is the following: Particle-NPs obey the usual restrictions for QR. It is topic of current research what these restrictions are exactly (cf. May 1985). For the time being, it suffices to assume that in most cases, a quantifier cannot be extracted from a finite CP. This restriction is called clause boundness. (53) a. We expect that only Mary will come b. *[IP only Mary x[IP We expect [CP that x will come]]] c. John complained because Bill had invited only Mary d. * [IP only Mary x[IP John complained [CP that Bill had invited x]]] The meaning expressed by (53b) and (53b) are not available intuitively, as the reader may verify. On the other hand, LF-extraction out of a non-finite complement is possible: (54) a. We expect only Mary to come b. [IP only Mary x[IP we expect x to come]] It is interesting to see that the corresponding constructions with focus association are grammatical: (55) a. We only expect that Mary will come b. John only complained because Bill had invited Mary
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
These sentences have the meanings expressed by the illicit logical forms (53b) and (53d). This shows that focus movement is a kind of movement different from QR or there is no focus movement at all. The second position is advocated by Rooth (1985). It will be discussed in section 3.2 and in article 40. We conclude from this discussion that there is good evidence to assume that Particle-NPs are quantifiers which are LF-moved by QR. In other words, only Mary and only Sunday behave like every girl and every Sunday respectively. It follows that it is unlikely that the slight contrast between (24 a) and (24 b) noticed in section 2.2.2 — here repeated as (56a) and (56b) — (56) a. ?At the party, John spoke to only Mary b. *The library is closed on only Sunday can be explained by preposition stranding in English as assumed in Kayne (1981) (cf. Who did John speak to versus *Which day is the library closed on). If preposition stranding were responsible for the relatively greater acceptability of (56a), we would expect to find the same contrast in John spoke to every girl versus The library is closed on every Sunday, since also every girl and every Sunday undergo QR. But there is no contrast in such cases. This has been noticed in Rooth (1985: 135, fn. 2). Let us now ask the question whether we have to assume movement for free focus. Based on Chomsky (1976), Chomsky (1981) uses a so-called crossover argument to show that we have to assume LF-movement for such cases. He discusses the following contrast: (57) a. John1 was betrayed by the woman he1 loved b. *The woman he1 loved betrayed John1 Suppose a focus has to be adjoined to IP by QR. Then we would have the following two LFs for these sentences: (58) a. [IP John x[IP x was betrayed by the woman hex loved]] b. *[IP John x[IP The woman hex loved betrayed x]] There is a well-formedness principle for LFs due to Koopman & Sportiche (1981), which forbids the constellation (58b). For technical reasons, we assume the following formulation of the principle (the version given in article 40 is somewhat more refined):
39. Current Issues in the Theory of Focus
(59) The Bijection Principle A pronoun indexed by a variable must have a c-commanding antecedent in argument position. An argument position is a subject or an object. But a phrase in adjunction position — in particular, a phrase moved by QR — is not in an argument position. An XP is an antecedent of another XP, if the two are indexed by the the same variable. (58a) satisfies the Bijection Principle, because the subject x c-commands hex. In (58b), hexdoes not have an antecedent in argument position, because the only c-commanding NPx is in a non-argument position. Thus, (58b) is ruled out by the Bijection Principle. A theory that moves free focus to an adjunct position leaving a bound variable thus accounts for the contrast (58). The constellations ruled out by the principle are called weak crossover constellations. It is instructive to compare the English example with Hungarian, where we have a syntactic focus position. It is easy to show that movement must be involved here. This has been shown in Horvath (1981). As before, we assume Kiss’ structure: [VP a földrengestöl1 (60)[IP A gyerekek The kids the earthquake-from 1
[v’montak [CP hogy said that [IP [VP [v’ Attilafelt t1]]]]]]] Attilafeared “It is the earthquake that the kids said Attila had been afraid of” Here, we observe long movement of the focus “the earthquake”. This movement uses the specifier position of COMP (hogy) as an “escape hatch”. The sentence becomes ungrammatical if this position is blocked by a relative pronoun. Furthermore, the movement relation observes the so called Ross-constraint, which prevents extraction out of an NP-complement: (61) *Kati [F a földrengestöl]1 hallotta [NP a hirt [CP hogy Attila felt t1]] Kati the earthquake-from heard the news that Attila feared It is obvious then that there is overt focus movement in Hungarian. It is a general methodological principle hold among transformational grammarians that a process operating overtly in some language may operate “covertly” at LF in some other language. This principle makes it not unplausible to assume Movement for free focus in English as well.
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We have to notice a problem, however. The Hungarian focus position is presumably not an adjunct position, because also Wh-phrases overtly move to that position in Hungarian. Wh-phrases, however, do not move to adjunct positions but rather to specifier positions. If they could go to adjunct positions they should be able to undergo Scrambling in German, since Scrambling is adjunction.This however is not possible. Vide von Stechow & Sternefeld (1988, ch. 12), who report an observation due to G. Fanselow that Wh-phrases and foci cannot be scrambled. (62) a. *weil [im Hilton]1 der Präsident t1 wohnt because in the Hilton the president stays b. *wie hat was1 dieser Halunke t1 repariert how has what this crook repaired If this is correct, then movement of free focus should rather be Wh-movement and the structure (58) assumed for English can’t be correct. It should be noted, however, that in languages like Korean or Japanese, Whphrases can scramble. Nevertheless, it can be argued that the adjunction position is not the operator position which is needed for an interpretation of the Wh-phrases at LF. They must be bound from a specificator position. We leave this issue unsettled. Let us briefly go into the question what the interpretation of overt focus movement is. Chomsky (1981) paraphrases the content of structures such as (58a) as “The x such that x was betrayed by the woman x loved is John”. Kiss (1987: 4 0 f.) cites data due to Scabolcsi (1980) which support this analysis: (63) a. [F Mariát és Évát] sereti János [F Mary-Acc and Eva-Acc] loves John-Nom b. [F Máriát] sereti János The two sentences are incompatible. This follows directly from Szabolcsi’s (1980) semantics, according to which the two structures mean something like this: (64) a. ∀x (John loves x ↔ x = Mary and Eva) b. ∀x (John loves x ↔ x = Mary) In other words, the NP in focus position is interpreted as an exhaustive list, i. e. as a strong version of only-NP. Thus, [F Máriát és Évát] means Mary and Eva and no one else. Clearly, the two formulas cannot be true at the same time. Szabolcsi’s account is com-
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patible with Chomsky’s paraphrase, for we may express (64 a) as “The group x, such that John loves x is John and Mary”. There is more to say about this topic, but we leave it at this stage. One might argue again that the crossover argument outlined above speaks in favor of the rule Focus Movement for particles in adverbial position. Consider the following contrast: (65) a. We only expect him1 to claim that he1 is brilliant b. *We only expect him1 to claim that he1 is brilliant (65a) has the interpretation (66), but (65b) does not have it: (66) For any x, we expect x to claim that hex is brilliant The Bijection Principle accounts for this, because the LF (67a) conforms to the principle whereas (67b) violates it: (67) a. We only + himx [VP expect x to claim that hex is brilliant] b. *We only + hex [VP expect himx to claim that x is brilliant] This explanation has a drawback, however, as noted in Chomsky (1981, 250). Consider the following pair: (68) a. He only claims that Sue likes him b. He claims that only Sue likes him (68a) has the reading (69), but (68b) hasn’t: (69) For any person x: If he claims that he likes x, then x is Sue. The two LFs corresponding to that reading are: (70) a. He [VP only + Suex [VP claims that x likes him]] b. *only Sue x[IP he claims that x likes him] We have argued that (70b) is excluded by constraints holding for LF-movement: A subject of a finite clause cannot be extracted. But why should (70a) not be excluded by the same principle? This speaks against a movement analysis for foci associated with a particle. On the other hand, it is the movement analysis which rules out (70b). A good theory should solve the puzzle. 3.2 Rooth’s In Situ Theory 3.2.1 Two-Dimensional Semantics The core idea of Rooth (1985) is that the
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
focus feature determines a set of alternatives regardless whether the focussed constituent is moved or not. (A semantics for free focus along the same lines had been proposed in Klein & Stechow 1982.) In other words, the F-feature is interpreted in situ. For instance, the alternatives introduced by [F Sue] is a contextually restricted set of persons. We use the notation ǁ α ǁp for referring to the alternatives introduced by the expression. The subscript p recalls Jackendoff’s (1972) P-set (“presupposition set”). Consider the VP introduced Billto Sue. We assume that Bill, Sue and Ede are the contextually salient persons. The definition of ǁ ǁp will have to make sure that (71) ǁintroduced [F Bill] to Sueǁp is the set {ǁintroduced Bill to Sueǁ, ǁintroduced Ede to Sueǁ, ǁ introduced Sue to Sueǁ} We will return to the question how this set is defined in a moment. The rule for adverbial only is now very simple. It is this: (72) ǁonly VPǁ is true of subject a iff for any property in ǁVPǁp: If P is true of a, then P = ǁVPǁ. Let us evaluate the sentence (73) John only introduced Bill to Sue according to this semantics. (74) ǁJohn only introduced [F Bill] to Sueǁ is true iff ǁonly introduced [F Bill] to Sueǁ is true of ǁJohnǁ iff for any property P in the set {ǁintroduced Bill to Sueǁ, ǁ introduced Ede to Sueǁ, ǁ introduced Sue to Sueǁ} such that P is true of ǁJohnǁ we have it that P = ǁintroduced Bill to Sueǁ. This is equivalent to the statement that Sue is the only person which John did introduce to Sue. Let us take up the question now of how the alternatives are computed. The intuitive idea is very simple: If we are given the structure introducedBillto Sue then we have to treat Bill as a sort of variable for which we can plug in all the individuals of the contextually restricted domain. That will give us the properties “introduce Bill to Sue”, “introduce Ede to Sue” and “introduce Sue to Sue”. If we are given the structure introducedBillto Sue, we have to fill in all combinations of individuals at the places indicated by the foci.
39. Current Issues in the Theory of Focus
We obtain the properties we had before plus the properties “introduce Bill to Bill”, “introduce Bill to Ede”, and so on. The alternatives will include nine properties. The technical details of the proposal are somewhat tricky, however. Let us explain the relevant steps of the recursion by means of examples. First, we need the focus rule: (75) a. ǁ[F α]ǁ = ǁαǁ b. ǁ[F α]ǁp = the (contextually restricted) semantic domain corresponding to the logical type of the expression a. For instance ǁF Billǁ is Bill, but ǁF Billǁp is {Bill, Ede, Sue}. A non-focussed expression only generates its own content as an alternative: (76) ǁαǁp = {ǁαǁ} Next, let us consider the semantics of the VPrule combining a ditransitive verb with its object: (77) a. ǁ[VP Vdtr NP1 NP2]ǁ = λa {w: w ∈ ǁVdtrǁ (〈a, ǁNP1ǁ, ǁNP2ǁ〉)} b. ǁ[VP Vdtr NP1 NP2]ǁp = {P: (∃Q,n1,n2) Q ∈ ǁVdtrǁp & n1 ∈ ǁNP1ǁp & n2 ∈ ǁNP2ǁp & P = λa {w: w ∈ Q(〈a,n1,n2〉)}} Let us illustrate this by calculating the set of alternatives used in the example: (78) ǁJohn only introduced [F Bill] to Sueǁp = {P: (∃Q,n1,n2) Q ∈ ǁintroducedǁp & n1 ∈ ǁ[F Bill]ǁp & n2 ∈ ǁSueǁp & P = λa {w: w ∈ Q(〈a,n1,n2〉)}} = {P: (∃ n1,n2) n1 ∈ {Bill, Ede, Sue} & n2 ∈ {Sue} & P = λa {w: w ∈ ǁintroducedǁ (〈a,n1,n2〉)}}, because ǁintroducedǁp = {ǁintroducedǁ}, ǁ[F Bill]ǁp = {Bill, Ede, Sue} and ǁSueǁp = {ǁSueǁ} = {λa {w: w ∈ ǁintroducedǁ (〈a,Bill,Bill〉)}, λa {w: w ∈ ǁintroducedǁ (〈a,Ede,Bill〉)}, λa {w: w ∈ ǁintroducedǁ (〈a,Sue,Bill〉)}} It is not a problem for this semantics to have more than one focus in the domain of only. For instance, the sentence (79) John only introduced Bill to Sue is true if ǁintroduced Bill to Sueǁ is the only property in ǁintroduced [F Bill] [F to Sue]ǁP which John has. We have seen, that this is one property out of nine. Obviously, this account does not require
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the rule Focus Movement. Strictly speaking, there is no such thing as focus association. A focus induces alternatives and the semantics of a particle may be sensitive to the alternatives. In Rooth’s theory, focus is “contextfree”. There are a lot of operators which ignore the alternatives altogether. Rooth’s account is not incompatible with the requirement that only-NPs must undergo LF-movement. The only thing that has to be said is that a particle in this position ignores the alternatives generated by the focus feature on NP. In other words, only-NPs are interpreted as indicated in the previous section. 3.2.2 Emphatic Pronouns and Binding Let us consider next what Rooth says about the unavailability of a bound variable reading for the example (70), here repeated as (80). (80) We only expect him1 to claim that [F he1] is brilliant which seemed to favor the rule Focus Movement. Rooth’s theory certainly doesn’t exclude this configuration. But we should look more closely what the sentence means according to the rule. It is something like this: The only property in the set A which we have is P where to expect he1 to claim that he1 is P= brillant and {expect he1 to claim that he1 is A= brilliant, expect he1 to claim that Ede is brilliant, expect he1 to claim that Sue is brilliant, expect he1 to claim that Bill is brilliant} where he1 is a person contextually determined, say Bill. Since he1refers to Bill, the first and the last property are the same, and A in fact contains only three properties. An equivalent way of expressing the truth-conditions is this: (82) For any x, if we expect Bill to claim that x is brilliant, then x is Bill. (81)
It is obvious from the paraphrase that this is not the incriminated bound variable reading, since the antecedent of the conditional contains only the variable that corresponds to the second occurrence of the pronoun. To derive a bound variable reading, we have to apply abstraction. So far, we have introduced two rules of abstraction, viz. QR
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
and Focus Movement. Since Rooth disputes the existence of the latter rule, we have to apply QR in order to get a bound variable reading. We derive: (83) *We only expect [IP [F he1] x[IP himx to claim that x is brilliant]] This time, himx is bound by the NP adjoined to IP. Note, however, that he1 is not bound. It denotes Bill. The LF means this:
binding disappears in virtue of the semantics of the F-operator. As far as I know, Rooth (1985) does not discuss the LF (79). One could exclude it by the stipulation that emphatic pronouns cannot be bound, but the example does not require that, because the sentence seems to have the meaning. In order to get a bound variable reading, we would have to lay the stress on him: (89) We only expect [F him1] to claim that he1 is brilliant
(84)The set of alternatives is A ={expect Bill to claim that Bill is brilliant, expect Ede to claim that Ede is brilliant, expect Sue to claim that Sue is brilliant}. The only property in A which we have is to expect Bill to claim that Bill is brilliant.
By QR, we can derive the LF: (90) We only expect [IP [F him1] x[IP x to claim that hex is brilliant]]
This is equivalent to saying: (85) For any x: If we expect himx to claim that x is brilliant, then x = Bill. Thus, (83) expresses the bound variable reading. But (83) is ill-formed for two reasons: It violates the Bijection Principle, because himx does not have an antecedent in an argument position. Furthermore, it violates the ECP, since [F hex] is the subject of a that-clause. Therefore, the bound variable reading is excluded. Another possibility to derive a bound variable reading is to move him1 by means of QR. This yields: (86) We only expect [IP [him1] x[IP x to claim that [F hex] is brilliant] The meaning of this LF is the following: (87)A={expect Bill to claim that Bill is brilliant, expect Bill to claim that Ede is brilliant, expect Bill to claim that Sue is brilliant} The only property in A which we have is to expect Bill to claim that Bill is brilliant. This can be expressed in a more perspicuous way as: (88) For any x: If we expect Bill to claim that x is brilliant, then x is Bill. It is interesting to notice that this not a bound variable reading, though the focus in (86) contains a bound variable. The effect of the
This LF is well-formed and expresses the proposition: (91) For any x: If we expect x to claim that x is brilliant, then x is Bill. This is the bound variable reading. The result of this discussion is that Rooth’s theory is compatible with the crossover facts observed by Chomsky, without requiring the rule Focus Movement. Like any other NP, a focussed NP can be moved by QR, but it need not be. If we want a bound variable reading, we have to apply QR. In such a case, the LF-constraints for movement are operating, as we have seen. The theory thus predicts the following: A focussed pronoun does so to speak not show up as a bound variable in meaning, even if it is bound by QR in LF. This holds even for reflexives: (92) a. Bill1 only admires [F himself1] b. [IP Bill x[IP x only admires [F himselfx]]] In Rooth’s theory, this sentence would express the proposition (93) For any x: If Bill admires x, then x = Bill. Again, this is not a bound variable reading, though we have variable binding in the LF. This seems intuitively correct. A bound variable reading would be expressed by (94 a), whose LF is (94b): (94) a. [only Bill], admires admires himself, b. [IP only Bill x[IP x admires himselfx]] (94b) expresses the proposition (95) For any x: If x admires x, then x = Bill. This is a different proposition from the one denoted by (92a), as the reader may verify. Ulrike Haas (personal communication) has pointed out to me that for some people, (92a) has the reading “Only Bill admires Bill”. In
39. Current Issues in the Theory of Focus
order to express this, we would have to assume the following LF: (96) [IP Bill y[IP [only y] x[IPx admires admires himselfy]]] In other words, we have to apply QR twice. First we QR only Bill, then we QR Bill thereby binding the reflexive. If the reading exists, then we face a problem for binding theory. Normally, the reflexive has an antecedent in A-position within the same clause. This is not the case for the representation (96c). I am not sure, however, whether this reading exists. Let us finally take up what Rooth’s account has to say to examples that, according to Jacobs (1983), require association of a focus with more than one particle. The example given in section 2.2.2 was this: (97) weil Gerd sogar1 nur2 die [F1,2 jüngste] Schwester von Luise kennt because Gerd even only the youngest sister of Luise knows “because Gerd even know only the youngest sister of Luise” This example needs a “scalar” interpretation of nur to yield “not older than” for the adjective in focus. Since we do not want to go into this complication, we chose a simpler example which makes the same point with quantifying only. (98) weil Bill sogar1 nur2 mit Sue1,2 getanzt hat because Bill even only with Sue danced has The intended interpretation is this: (99) Content: For any x: If Bill danced with x, then x = Sue Implicatures: a. Bill danced with Sue b. For any x: If x ≠ Sue, then the probability that Bill danced with only x exceeds the probability that Bill danced with only Sue. (99a) should be the implicature generated by nur “only”, and (99b) is the implicature generated by sogar “even”. Let us see, whether the theory of Rooth can express this. In fact, this is possible. To facilitate the discussion, we treat the English equivalent: (100) Bill even danced only with [F Sue] Since [NP only [F with Sue]] has to remain in the scope of even, we have to allow that QR adjoins the phrase to VP (vide May 1985). We derive the LF:
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(101) Bill even [VP only [F Sue] x[VP danced with x]] The semantics of this version of QR is Quantifying in VP, an interpretation we had to assume for the rule of focus movement. In other words: (102) ǁ[VP NP xVP]ǁ is λa {w: w ∈ ǁNPǁ(λb ǁVPǁgb/x(a))} Let as adopt the even-rule given in the last section into this framework. (103) “normal”-even Content: ǁ even VPǁ = ǁVPǁ Implicatures: ǁ even VPǁi(a) is the set of worlds w such that: a. ∃Q [Q ∈ ǁVPǁp & Q ≠ ǁVPǁ & w ∈ Q(a)] b. ∀q [∃Q (Q ∈ ǁVPǁp & Q ≠ ǁVPǁ & q = Q(a)) → The likelihood of q exceeds in w that of ǁVPǁ(a)]. We will see in a moment that the implicatures are too strong. The requirement (a) will lead to a contradiction and therefore has to be dropped, either altogether or to be adjusted by a sort of cancellation mechanism in the sense of Gazdar (1979), vide article 13. According to this semantics, ǁ[VP only [F Sue] x[VP danced with x]]ǁ is the property λa.{w: w ∈ ǁonly [F Sue]ǁ (λb ǁdanced with x ǁgb/x(a))}, i. e. λa {w: (∀b) w ∈ ǁdanced with xǁgb/x(a) → b = ǁSueǁ}. Recall that the P-set, i. e. the alternatives, generated by the focus in the VP, is something different, namely the set of properties (104) {λa {w: (∀b) (w ∈ ǁdanced with xǁgb/x(a) → b = Sue)}, λa {w: (∀b) (w ∈ ǁdanced with xǁgb/x(a) → b = Ede)}, λa {w: (∀b) (w ∈ ǁdanced with xǁgb/x(a) → b = Bill)}, According to the even-rule, we have it that the entire structure gives us the following information. (105) Content: Bill danced only with Sue Implicatures: a. Bill danced only with Ede or Bill danced only with Bill.
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b. ∀q [q = Bill danced only with Ede or q = Bill danced only with Bill → The likelihood of q exceeds in w that of Bill danced only with Sue] As we have said, the implicature (105a) is too strong, because it contradicts the content. So let us assume a weaker formulation of the even-rule which does not generate the implicature (105a). If we disregard this problem, then the meaning is exactly as required. One question, however, remains. Consider the following German sentence: (106) Sogar nur mit Luise hat Gerd getanzt Even only with Luise has Gerd danced In the literature about German syntax, it is generally assumed that only one constituent can be in the position before a verb in COMP. This is the verb second constraint. If the constraint is correct, we have two options: Either sogar nur m it Luise is one constituent or sogar modifies the CP. (107) a. [CP [PP sogar nur mit Luise]1 [C’ hat2 [IP Gerd [VP t1 getanzt] t2]]] b. [CP sogar [CP [PP nur mit Luise]1 [C’ hat2 [IP Gerd [VP t1 getanzt] t2]]]] As it stands, Rooth’s theory does not seem to be conform with the structure (107a), since we have assumed that even is an adverb whereas only is a quantifier. (We assume that the preposition m it “with” is semantically vacuous, i. e., the verb is regarded a being transitive “to dance with”.) This seems to require an analysis of the type (107b). It is not a problem to modify the particle rule in a way that particles can modify CPs. But what, if there are syntactic arguments that exclude the structure (107b)? The problem is only apparent, since Rooth (1985) has developed a general theory of crosscategorial modification. In this theory, particles can modify quantifiers, i. e, we can form complex quantifiers having the structure [Q Particle Q]. It is clear that such an account is compatible with the structure (99a), because the PP in sentence initial position could have the structure [[Q sogar nur] PP]. Or the structure of the NP could be [PP sogar [PP nur PP]]. We will not present the general theory but we will only give an idea of how this works for structures of the kind [XP [Q even Q] XP]. (108) Particle modifying even: Content: ǁeven Particleǁ(ǁNPǁ)(P) = ǁParticleǁ(ǁNPǁ)(P)
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Implicature: w ∈ ǁeven Particleǁi(ǁNPǁp)(P) iff (∀q, q a proposition)[∃a (a ∈ ǁNPǁp & a ≠ ǁNPǁ & q = ǁParticleǁ(a)(P) → The likelihood of q exceeds in w the likelihood of ǁParticleǁ(ǁNPǁ)(P))] Strictly speaking, this definition is not correct. It assumes that, for the recursion, the content and the P-meaning is accessible. This requires a simultaneous recursion over the two parameters. If we include the different level of implicatures, even a third dimension is required for the recursion. This is the reason, why Karttunen & Peters’ (1979) paper is rather complicated. We ignore this, as Rooth (1985) did as well. The definition, however, shows that a compositional semantics for particle modifying even is possible. Let us apply this to our example (107a). We translate it into English and assume the following logical form: (109) [IP even only [F Luise] x[IP Gerd dancedwith x]] Be aware of the fact that the QR-moved NP contains a focus. We assume that ǁ[F Luise]ǁ = {Sue, Mary, Luise}. We know that the abstract x[IP Gerd danced-with x] denotes the property λa {w: Gerd danced with a in w}. (Never mind that we did interpret the abstract in a syncategorematic way.) If we apply the meaning of the moved NP to that property, we obtain the following information: (110) Content: Gerd danced only with Luise. Implicatures: a. Gerd danced with Luise (generated by only and inherited) b. For any proposition p: If there is a person x: x ∈ {Sue, Mary, Luise} & x ≠ Luise & p = Gerd danced only with x then the likelihood of p exceeds the likelihood of Gerd danced only with Luise. In other words, the sentence implicates that it is likelier that Gerd danced only with Sue or Mary than that the danced only with Luise. This is correct. It seems to us that an account along these lines is on the right track. No association of the focus with more than one particle seems required. The example supports the view expressed earlier that association with focus is a misnomer, after all. Note, by the way, an interesting fact for the phonology of focus. The interpretation
39. Current Issues in the Theory of Focus
required the focus structure (111a). The pitch accent, however, is not on the focus but on the particle modified, as witnessed by (111b). (111) a. [NP [Part sogar [Part nur]] [NP:F Luise]] b. sogar nur Luise The semantic interpretation seems to require the F-feature at the NP, but the pitch accent is on the particle modified. If the analysis is correct, than we have a case where the Ffeature does not dominate its phonetic realization. This fact certainly will complicate the phonological rules that describe the focuspitch accent relation. We would prefer an analysis where the F-feature is on nur. This seems hard to achieve, on semantic grounds. 3.3 Structured Meaning Theories Jacobs (1983) and von Stechow (1985/89) formulate the semantics for focussing operators within a structured meaning approach. The outlines of such a theory were first sketched in von Stechow (1981b) and the theory has been elaborated in Cresswell & von Stechow (1982). The following exposition will be comparatively informal. Let us first say what a structured meaning is. (112) Suppose P is an entity of any logical type. Then the sequence 〈λx1,...xn Q(x1,...,xn), a1,...,an〉 is a structured meaning for any a1,...,an such that λx1...xn Q(a1,...,an) = P. The idea for the interpretation of focussing operators is now that focussed constituents determine a structured meaning. For instance, the focus structures (113a) to (115a) determine the structured properties (113b) to (115b) respectively: (113) a. [VP introduced [F Bill] to Sue] b. 〈λx [introduced x to Sue], Bill〉 (114) a. [VP introduced Bill [F to Sue]] b. 〈λx [introduced Bill to x], Sue〉 (115) a. [VP introduced [F Bill] to [F Sue]] b. 〈λxy [introduced x to y], Bill, Sue〉 We can reformulate Rooth’s meaning rule (72) into an equivalent rule operating on structured properties. For convenience, we repeat Rooth’s rule as (109): (116) ǁonly VPǁ is true of x iff for any property P: If P is in ǁVPǁp and P(x), then P = ǁVPǁ.
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The corresponding meaning rule in a structured meaning account is this: (117) Suppose ǁVPǁ is the structured property 〈Qn,x1,...,xn〉. Then ǁonly VPǁ is true of x iff for any property P: If P is in {Qn(y1,...,yn): y1,...,yn individuals} and P(x) is true, then P = ǁVPǁ. Let us reconsider example (18a) of section 2.2.2. (118) John only [VP introduced [F Bill] to Sue] In order to make sure that the VP expresses the structured meaning 〈λx [introduce x to Sue], Bill〉, we assume the rule Focus Movement with a different interpretation. The focused NP leaves a variable which is bound by the λ-operator. The focus itself, however, is not an argument of the abstract but is listed separately. In other words, we assume the following version: (119) [XP...[F YP] ...] ⇒ [XP [F YP] Fx[XP...x ...]] The semantics is this: (120) ǁ[XP [F YP] Fx[XP...x ...]]ǁg = 〈λa ǁ[XP...x ...]ǁga/x, ǁYPǁ〉. It is important to realize, that this is not a Quantifying in rule. It builds up a structured meaning. The F-feature at the variable codifies this state of affairs. Since the focussed moved does not lose its F-feature, the rule can be iterated. We will make use of that expressive power when we associate a focus with more than one particle. If we apply the rule to the structure (118), we obtain: (121) John only [VPFBill Fx[VP introduced x to Sue]] This logical form of the VP expresses the structured property: (122) 〈 λx [introduced x to Sue], Bill 〉 We will find that (121) is true iff for any property P: (123) P ∈ {λx [introduced x to Sue](y): y an individual} & P(John) is true → P = introduced Bill to Sue This gives us the same truth-conditions which we obtained in Rooth’s theory, given that λx[introduced x to Sue](y) reduces to [introduced y to Sue].
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The theory also covers cases where more than one focus is associated with the particle. If, for instance, the focus structure of the VP were (115a), then our sentence would be true iff for any P in the set {introduced x to y : x, y individuals} such that P is true of John, P is in fact the property “introduced Bill to Sue”. In this approach, it is not a problem to “associate” a focus with more than one particle. Consider the following example: (124) a. John [VP even [VP only [VP danced with FMary]]] b. John [VP even [VPFMary Fy[VP only [VP y Fx[VP danced with x]]]]] Here, we have iterated Focus Movement. In the first step, we have adjoined the focus to the lower VP, leaving the variable x, and at the second step we have adjoined the focus to the next higher VP, leaving the variable y. The predicate expresses the meaning (125), which contains two structured meanings: (125) even (〈 λy [only (〈 λx [danced with x], y〉)], Mary 〉) This can be applied to the subject John and gives us the correct meaning, if we assume the analogue of Rooth’s even-rule: (126) Suppose ǁVPǁ is the structured property 〈Qn,x1,...,xn 〉. Then ǁeven VPǁ(x) is the proposition Qn(x1,...,xn)(x). The implicature generated by ǁeven VPǁ(x) is the following proposition: For any proposition p: If there is a sequence 〈y1,...,yn〉 such that xi ≠ yi and p = Qn(y1,..., yn)(x), then the likelihood of p exceeds that of Qn(x1,...,xn). Let us apply the rules to the LF (124 b). [VP y [ Fx VP danced with x]] denotes the structured property 〈λx [danced with x], y〉. If we apply ǁonlyǁ to that, we obtain the property λv [For any z: If v danced with z, then z = y]. Hence, [VPFMary Fy[VP only [VP y Fx[VP danced with x]]]] denotes the structured property 〈λy λv [For any z: If v danced with z, then z = y], Mary〉. ǁevenǁ(〈λy X,v [For any z: If v danced with z, then z = y], Mary〉)(ǁJohnǁ) is the proposition [For any z: If John danced with z, then z = Mary]. The implicature of ǁevenǁ(〈λy λv [For any z: If v danced with z, then z = y], Mary〉) (ǁJohnǁ) is the following proposition:
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
(127) For any proposition p: If ∃y (Mary ≠ y & p = [For any z: If John danced with z, then z = y], then the likelihood of p exceeds that of [For any z: If John danced with z, then z = Mary]). In other words, it is more likely that John only danced with another woman than just with Mary. This is correct. A remark to the possibility of iterating Focus Movement might be in order. We could apply the rule to (124 b) once more and create the following LF: (128) John [VP [F Mary] Fz[VP even [VP z Fy[VP only [VP y Fx[VP danced with x]]]]]] Here we have moved the focus over the particle even. But then the predicate will express a structured property. Since we cannot apply a structured property to the subject, the LF will not be interpretable. So this unmotivated movement is blocked on independent grounds. Thus, formally this works. In von Stechow (1985/89) it has been argued that the expressive power of this theory is greater than that of Rooth’s de situ theory and that the expressive power is needed. The point is discussed in article 40. The account is objectionable, however, for precisely the reasons discussed in section 3.1. Structured meanings are built up by means of a version of Focus Movement, and we have seen that it is very unlikely that there is such a rule. 3.4 Contextual Restrictions for Alternatives In this section we will be concerned with the more general question of how the set of focus alternatives is contextually restricted. According to the theories outlined in the preceding text, sentence (129a) has the truth-conditions (129b): (129) a. Bill only works. b. For any P: P is in ǁworkingǁp and Bill has P, then P = ǁworkingǁ, i. e., the only property which Bill has is working If we were to take this literally, (129a) could never be true. Bill can’t have only one property. Among other things, he is the son of Mary, he has blue eyes and so on. Thus, the alternatives for sleeping cannot be the set of all properties. The set of alternatives has to be contextually restricted. Let us indicate the
39. Current Issues in the Theory of Focus
contextual restriction of the P-set by the subscript c, which refers to the context of utterance. In other words, the truth-conditions for (129a) are more accurately represented as (130): (130) For any P: P is in ǁworkingǁp,c and Bill has P, then P = ǁworkingǁ, i. e., the only property relevant at context c which Bill has is working At this point, the question arises, what there is in ǁworkingǁp,c. Löbner (1990) assumes that ǁworkingǁp,c only contains “working” and its complement “not working”. This, however, is not enough. For instance, (129a) can answer a question as “What is Bill doing today? Does he play tennis, does he go to the mountains, or does he work?”. Such a context activates the alternatives “to play tennis”, “to go to the mountains” and “to work”. So these properties are better included in the set of alternatives. Löbner is right, however, that in a lot of cases we have to assume that the complement of a property is included in the set of alternatives. We need this in order to deal with the following examples: (131) a. Es kann nur regnen. “It can only rain” b. Es muß regnen. “It must rain” (131a) logically implies (131b). Let us see how the theory accounts for the inference. Switching from German to English, (131a) can have three logical forms: (132) a. only (can ([F rain])) b. only ([F can (rain)]) c. can (only ([F rain])) If we represent (132b) as (133) must(rain) we can convince ourselves that the LF (132a) logically implies (133). We assume that ǁrainǁ is the set of the raining worlds, and that the modal operators are interpreted in the standard way. We assume with Löbner that ǁrainǁc,p contains the set of the non-raining worlds. Let us denote this proposition by ǁnot rainǁ. Our meaning rules predict that the LF (132a) is true in a world w, iff (134) For any p: If p ∈ {ǁcanǁ(q) : q ∈ ǁrainǁc,p} &w ∈ p, then p = ǁcanǁ(ǁrainǁ).
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Since ǁnot rainǁ is in ǁrainǁc,p, it follows that the proposition (135) ǁcanǁ(ǁnot rainǁ) is false in w. Therefore, the negation of this proposition is true in w. Now, the negation happens to be the proposition (136) ǁmustǁ(ǁrainǁ). Therefore, (132a) logically implies (133). It is interesting to note that, in the relevant LF (132a), only has wide scope with respect to the modal can. If only modifies VP, as assumed in section 2.2.2, it seems to follow that can must be a V which is moved to INFL. The LF (132b) chooses between the alternatives, say “It can snow” and “It can rain” and says that only the latter is true. But the latter does not imply the must-proposition (133). The LF (132c) means that there is a possible world, where it rains but it does not snow. This does not entail that it rains in every world. Thus, (132c) does not imply (133) either. The same kind of argument justifies the inference from (137a) to (137b) (137) a. Only a fool can believe that. b. Whoever can believe that is a fool. The logical forms accounting for the entailment are these: (138) a. [IP [NP only [NP a [F fool]]] x[IP can [S x believe that]]] b. ∀x [IP can [IP x believe that]] [x is a fool] We ignore the question, how the LF (139b) is obtained. (138a) means that the property of being a fool is the only one that makes the statement “Some P can believe that” true. In particular, we have it that “Some non-fool can believe that” is false. Therefore, the proposition “Anyone who can believe that is a fool” must be true. To be sure, this has to be worked out. The LFs are not more than a rough indication of what might be going on here. Let us mention another problem concerning the restriction of alternatives. In Stechow (1989), the following example (due to an observation of E. Th. Zimmermann) is discussed: (139) Did Sir John already introduce each gentleman to his partner at table?
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No, Sir John only introduced Bill to Mary. In this context c, ǁintroduce [F Bill] to [F Mary]ǁp,c should be the set (140) {ǁintroduce x to yǁga/x b/y: a is the partner at table of b} The determination of this set involves variable binding. This was thought an objection against Rooth’s theory, because there the foci determine the alternatives so to speak “context-free” (cf. section 3.2). In Stechow (1989) the question was raised whether there was a general method to appropriately restrict the P-sets. It was shown that the structured meaning approach did not have this problem, because it has bound variables at the focus positions which can appropriately restricted. This question will be taken up in a principled way in the article 41. 3.5 Interpreting Free Focus In this last section we will briefly go into the question of how free focus can be interpreted. Remember that we called a focussed constituent a free focus, if it was not associated with a particle. 3.5.1 Jacobs’ Relational Theory In a number of articles, J. Jacobs has defended the view that even free foci are associated with an operator, although an invisible one (vide e. g. Jacobs 1988) In particular, the illocutionary operators ASS (for “assertion”), DIR (for “directive”), ERO (for “erothetic”) and so on. In other words, free foci do not really exist. From a semantic point of view, every focus is relational according to Jacobs. Consider two examples: (141) a. Otto hat Gerda geheiratet Otto married Gerda b. Otto hat Gerda geheiratet If we assert these sentences, then they express the following meanings: (142) a. ASS (〈λx [Otto married x], Gerda〉) b. ASS (〈λx [x married Gerda], Otto〉) We have to make sure that ASS is a focussensitive operator. Jacobs’ semantics for the assertion operator is roughly this (Jacobs 1988: 95): (143) a. The content of ASS (〈P, a1,...,an〉) is true if the speaker asserts the proposition P(a1,...,an).
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
b. The presuppositions are: (i) The alternatives in {P(x1,...,xn) : x1,...,xn relevant values} are under debate. (ii) The speaker assumes that the asserted proposition belongs to the alternatives still under debate. It follows that (14 2a) and (14 2b) have the same truth-conditions but different presuppositions. This is an attractive approach, because it gives a unified treatment for most focus phenomena. One of the problems for this theory is that it predicts that deeply embedded free foci are always associated with an illocutionary operator, because each sentence has only one of the these (vide article 12 “Theorien der Satzmodi”). (144) a. Otto told me that Gerda believes that Clyde will marry Bertha. b. Otto told me that Gerda believes that Clyde will marry Bertha. An assertion of (14 4 ) should therefore presuppose that alternatives of the form “Otto told me that Gerda believes that Clyde will marry x” are under debate. It is not so clear to me, whether this is intuitively justified, but I will not try to settle the issue. 3.5.2 Löbner’s Predicational Theory An entirely different analysis of free focus is proposed in Löbner (1990). Though Löbner does not mention Paul (1880), his theory can in fact be regarded as a reconstruction of Paul’s view that a focus is a psychological predicate which is predicated of a psychological subject (cf. section 2.2.1). Löbner himself says that he reconstructs the rheme-theme distinction, which is due to the Prague school. Löbner discusses the following sentence (Löbner 1990: p. 169): (145) Anna hat mir ein Bild geschenkt Anna has me a picture given “Anna gave me a picture” Among the focus structures of the sentence are the following: (146) a. [F Anna] hat mir ein Bild geschenkt b. Anna [F hat] mir ein Bild geschenkt c. Anna hat [F mir] ein Bild geschenkt d. Anna hat mir [F ein] Bild geschenkt e. Anna hat mir [F ein Bild] geschenkt f. Anna hat mir ein Bild [F geschenkt] g. Anna hat mir [F ein Bild geschenkt] h. Anna [F hat mir ein Bild geschenkt]
39. Current Issues in the Theory of Focus
The non-focussed part of the sentence is called co-focus. The analysis is very simple: Each focus is interpreted as a predicate and each co-focus as a definite description of a type the predicate can apply to. The focus is then predicated of the co-focus. In order to see how this works, let us indicate some of the interpretations for the structures: (147) a. λx [x = Anna] (ιx [POS (x gave me a picture)]) b. λx [x = POS] (ιx [x (Anna gave me a picture)]) b′. λx [x = PAST] (ιx [POS (Anna xgive me a picture)]) c. λx [x = me] (ιx [POS (Anna gave x a picture)]) d. λx [x = one] (ιx [POS (Anna gave me x pictures)]) e. a pictureet (ιx [POS (Anna gave me x)]) f. λx [x = give] (ιx [POS (Anna PASTx me a picture)]) g. λx [x = give a picture] (ιx [POS (Anna PAST-x me)]) h. gave me a pictureet (Anna) A few explanations are in order. POS is supposed to be the positive operator “it is true that”. Since Anna is an individual, we have to transform it into a predicate by means of identity and λ-abstraction, an elementary type lifting operation. In order to transform the co-focus into a definite description, we apply ι-abstraction (vide article 4 1). If we focus the finite German auxiliary hat, then either the positive polarity can be focussed (= 14 7b) or the past tense (= 14 7b′). This distinction is not discussed by Löbner, but e. g. in Höhle (1982a) or Klein & von Stechow (1982). If we stress the indefinite article ein in German, then it is interpreted as a numeral in the normal case (= 14 7d). Indefinite terms are interpreted as predicates by Löbner (= 147e). This practice is in agreement with Heim (1982). If we focus the entire predicate, then no type shifting is necessary in order to apply the focus to the co-focus, i. e. the subject (= 14 7h). In cases like these Löbner speaks of a natural focus. The meanings listed above are all equivalent in terms of truth-conditions. They differ, however, with respect to their presuppositions. A definite description presupposes that the predicate which makes up the description determines a singleton set (vide article 13). It follows that (14 7a) presupposes that exactly
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one person gave me a picture, whereas (14 7h) does not presuppose anything. According to Löbner, another instance of natural focus is the following: (148) [F niemand] schläft no one sleeps This has the interpretation (149) niemandett (schläftet) which does not require any type lifting, since the general quantifier applies to the predicate. According to Löbner, this nicely explains why the accent is on the subject in the unmarked case. The presuppositions of (14 8) are very weak at best. Perhaps (14 8) presupposes the existence of persons, but it certainly does not have a uniqueness presupposition. It is somewhat questionable whether examples like (14 8) should be subsumed under the general theory. Firstly, the co-focus is not a definite term, but a predicate. Secondly, in these cases, the predicate also has a pitch accent, if the sentence is uttered out of the blue (vide Féry 1989). If we focus a quantifier, the non-focussed part can never be a definite description as the following example shows: (150) a. Anna hat [F niemand] ein Bild geschenkt Anna gave no one a picture b. no one (λx [Anna gave x a picture]) Again, this sentence does not presuppose that Anna gave a picture to exactly one person. If we did subsume constructions like these under the general theory of free focus, we would loose the unified account proposed by Löbner, which can be summarized by the following slogan: The focus is a predicate, the cofocus is a definite term. Examples like (14 8) and (14 9) rather seem to pattern with contrastive focus. Löbner quotes an example due to Rooth (1985), which illustrates this use: (151) A: Nobody likes herring. B: That’s not true. Carl likes Herring. If we did analyse (151) along the lines indicated, then the second utterance would presuppose that there is exactly one person who likes herring. B’s utterance rather contradicts A’s utterance by pointing to a counterexample to the claim. There could be other herring lovers as well. So this use of focus should not be confused with the previous one. It cannot be covered by Löbner’s theory, as has been pointed out by Löbner himself. It seems to
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me then that the theory of free focus should disregard (148) and (150) as well. It is interesting to see how Löbner treats sentences with indefinite subjects: (152) [Eine Malerin]et [hat mir ein Bild geschenkt]et a painter gave me a picture If uttered out of the blue, the entire sentence is in focus. This is represented as (153) λx [x is a painter & x gave me a picture](x) The free variable is presumably bound by existential generalization. Löbner is not explicit about this. If the subject or the predicate are focussed alone, we obtain the meanings (154a) and (154b) respectively: (154) a. λx [x is a painter] (ιx [x gave me a picture]) b. λx [x gave me a picture] (ιx [x is a painter]) These meanings carry stronger presuppositions than (153). (154 a) presupposes that exactly one person gave me a picture and (154 b) presupposes that there is exactly one painter. (153) does not carry any of these presuppositions. The embedding of focus structures is not a problem for the theory, either. Consider again (144a), here repeated as (155): (155) Otto told that Gerda believes that Clyde will marry Bertha Löbner could analyse this as (156) Otto told that Gerda believes that λx [x = Berta] (ιx[Clyde will marry x]) This means that Gerda presupposes in her belief-worlds that there is exactly one person who Clyde marries. This seems correct. According to Löbner, there are two advantages of his theory with respect to other analyses. Firstly, the approach does not need a two-dimensional semantics. Secondly, it correctly predicts the presuppositions for focus structures. As to the first claim, let us ask how multiple focus is treated by the theory, because it was this phenomenon that motivated two-dimensional analyses. Löbner only considers the following example: (157) a. [F Anna] painted [F me] b. λy [y = Anna] (ιy (λx [x = me] (ιx [y painted x])))
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
This, however, leads to the question of how the theory treats focussing particles, because it is not clear how two foci can be associated with more than one focus. And, in fact, this seems to be a difficulty for the approach. To see this, let has briefly discuss Löbner’s analysis of only. Roughly speaking, his treatment is this (cf. Löbner 1990: 177 f.): (158) only(F,k) is defined only if F(k) is true. Whenever this is the case, then F’(k) is false for any F’ that is more informative than F with respect to k. Here F is the property expressed by a focus, whereas k is the argument expressed by the co-focus. F’ is more informative than F with respect to k iff F’(k) entails F(k). This definition gives some nice results. For instance, (159a) entails that (159b) is false: (159) a. I need only 5 dollars b. I need 6 dollars This is so, because the meaning of (159a) is (160) only (λx [x = 5], ιx [I need x dollars]) This is defined if I need 5 dollars. The content says, that the proposition “I need 6 dollars” is false, because “I need 6 dollars” entails “I need 5 dollars”. Therefore, λx [x = 6] is more informative than λx [x = 5] with respect to ιx [I need x dollars]. By the semantics for only, (159b) is therefore false. On the other hand, (161a) is not incompatible with (161b). (161) a. Nur 5 Taler genügen Only 5 dollars are enough b. 6 Taler genügen 6 dollars are enough This is so, because the meaning of (161a) is (162) only (λx [x = 5], ιx [x dollars are enough]) Since “6 dollar are enough” does not entail “5 dollars are enough”, λx [x = 6] is not more informative than λx [x = 5] with respect to ιx [x dollars are enough]. Therefore, the truth of (161b) is not excluded by the truth of (161 b). So the theory certainly has attractive features. It is however not clear to me how the theory can treat examples where only is associated with more than one focus. It seems to me that Löbner’s analysis of multiple focus cannot be maintained in such cases. If this is correct, than a recourse to two-dimensional semantics or something equivalent is una-
40. The Representation of Focus
voidable. Nevertheless, Löbner’s treatment of free focus still might be on the right track. I wish to thank Joachim Jacobs and Manfred Krifka for helpful comments and Bruce Mayo for checking my English.
4.
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Arnim von Stechow, Konstanz (Federal Republic of Germany)
40. The Representation of Focus 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 5. 6.
1.
Introduction A Version of the Movement Theory of Focus Examples (Rooth) Crossover Arguments Problems Rooth’s In Situ Theory of Focus Examples Island Constraints and Crossover Problems A Presupposition Skeleton Version of the In Situ Theory Two Translations Changes in the Intensional Logic P-Sets The Semantics of only Examples VP-Deletion Appendix: An Example of a λ-Categorial Intensional Language Short Bibliographie
Introduction
1.1 The Plot In this article, I will start out by examining two current approaches to the representation and interpretation of sentences containing focused constituents. A Movement Theories of Focus: e. g. Chomsky 1976 At the level of Logical Form, a focused constituent moves from its base position, leaving behind a variable.
B In Situ Theories of Focus: Rooth 1985 Focused constituents can be interpreted in situ. Chomsky and Rooth both assume three transformationally related levels of syntactic representation: Deep Structure, Surface Structure, and Logical Form. The level of Logical Form is the input for the semantic interpretation component. For Rooth, the semantic interpretation component consists in a translation procedure, mapping Logical Form representations into expressions of an intensional logic. Each intensional logic expression receives two denotations. One denotation is its usual denotation. The second denotation is meant to capture the specific contribution of focusing to the meaning of an expression. We have then: B1 Denotational In Situ Theories (Rooth’s “official proposal”) Focusing is accounted for by assigning two denotations to each intensional logic expression. Reviewing the advantages and disadvantages of movement and in situ theories, I will argue for the following slightly different version of an in situ theory briefly mentioned in Rooth (1985). B2 Representational In Situ Theories Each Logical Form representation receives two intensional logic translations. One translation is its usual translation. The second translation is its “presupposition skeleton” (this is Rooth’s term. Presupposition skeleta correspond to the “Presupps” of Jackendoff 1972.)
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
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1.2 Some Theoretical Assumptions a.
Syntax I am assuming the model of grammar of the Extended Standard Theory (Chomsky and Lasnik 1977). On this proposal, Deep Structure, Surface Structure, and Logical Form are related by movement operations obeying the usual constraints. At the level of Logical Form, noun phrases may have been raised from their base positions, resulting in structures of the following kind: (1) Jane1 fed NP[every cat]2 (1′) S[NP[every cat]2S[Jane fed N[e]2]] b. Semantics Logical Form representations are compositionally translated into expressions of an intensional λ-categorial language of the sort given in the Appendix. (1′), for example, is translated as (1″). (1″) every’(cat’)(λve,2 [fed’ (ve,2)(Jane’)]) Concrete proposals for the translation procedure can be found e. g. in Rooth (1985). In (1), the trace of the moved NP is translated as a variable of type e bearing the same index as the trace. And the index of the moved NP matches the index of the variable bound by the λ-operator of the λ-abstract that is the translation of the NP’s sister node. c. Focus At Surface Structure, focused constituents are marked with the focus feature F (Jackendoff 1972, Selkirk 1984). (2) F[Jane] laughed
2.
A Version of the Movement Theory of Focus
As presented above, a movement theory of focus is any theory where focused constituents have to move leaving a trace behind (the trace is then translated as a variable). At this point, we may wonder where a focused phrase is supposed to move. This question has been most clearly addressed in connection with focus sensitive particles like only or even. It is usually proposed that at the level of representation relevant for semantic interpretation, focus sensitive particles and the focused constituents they associate with have to be adjacent, and that this is what triggers focus movement. This is the version of the Movement Theory that Rooth 1985 addresses, and I am going to review his main points here. 2.1 Examples (Rooth 1985) Surface
Structure
(3) a. John1VP[only VP[introduced F[Bill]2 to Sue3]] b. John1VP[only VP[introduced Bill2 to F[Sue]3]] Logical Form The focused phrases are adjoined as sisters of the focusing operator only. (3′) a. S[John1VP[only F[Bill]2VP[introduced e2 to Sue3]]] b. S[John1VP[only F[Sue]3VP[introduced Bill2 to e3]]] Semantic Interpretation Logical forms (3′a) and (3′b) are translated into expressions of the intensional language assumed. (3″) a. λve,1[only’(Bill’)(λve,2 [introduce’ (ve,2) (Sue’) (ve,1)])] (John’) b. λve,1[only’(Sue’)(λve,3 [introduce’ (Bill’) (ve,3) (ve,1)])] (John’) In the translations above, “only’” is an expression of type 〈e,〈〈e,t〉, t〉〉, that is, an expression that forms a quantifier phrase when combined with a proper name. The quantifier phrase is then quantified into the VP. (3”a) is true iff Bill is the only person which has the property of being introduced to Sue by John. (3”b) is true if Sue is the only person which has the property that John introduced Bill to her. Eventually, we want to have a more general semantics for only, of course, allowing us to focus constituents of other categories and several constituents at a time. For concrete proposals see Rooth (1985), von Stechow (1981b, 1982a, 1989), and Jacobs (1983). The above way of interpreting focus sensitive operators like only can be seen as a realization of the structured meaning approach of von Stechow. 2.2 Crossover Arguments The crossover argument is used in Chomsky (1976) to show that focused noun phrases behave like quantifier phrases and wh-phrases in certain respects, suggesting that all of those phrases are moved from their base positions at some level of representation. The argument has since been discussed by various scholars, in particular in Horvath (1981, 1986) and Rooth (1985). The following variations of the crossover examples are from Rooth (1985). (4) a. We only expect F[him]1 to be betrayed by the woman he1 loves
40. The Representation of Focus
b. We only expect the woman he1 loves to betray F[him]1 The important observation is that (4 a) is ambiguous, while (4 b) is not. Suppose the pronoun he in the above sentences refers to John. Then we have: (4a) Bound variable reading (possible): We expect nobody but John to have the property ’λve,1 [ve,1 is betrayed by the woman ve,1 loves]’. Referential reading (possible): We expect nobody but John to have the property ’λve,1 [ve,1 is betrayed by the woman John loves]’. (4b) Bound variable reading (impossible): We expect nobody but John to have the property ‘λve,1 [the woman ve,1 loves betrays ve,1]’. Referential reading (possible): We expect nobody but John to have the property ’λve,1 [the woman John loves betrays ve,1]’. On the movement theory of focus, we can explain these data given the logical forms (4 ′a) and (4 ′b) and an independently needed principle for bound variable interpretations applying at the level of Logical Form. (Various principles have been proposed here. I propose principle (5) since it seems to apply to at least as broad a range of cases as the principles usually invoked.) (4′) a. We VP[only F[him]1VP[expect e1 to be betrayed by the woman he1 loves]] b. We VP[only F[him]1VP[expect the woman he1 loves to betray e1]] (5) Bound Variable Principle (Logical Form): The phonological content of a pronoun may optionally be deleted if it is c-commanded by a co-indexed empty pronoun. The Bound Variable Principle now tells us that there is a second Logical Form Representation for (4a), but not for (4b). Second logical form for (4a): We VP[only F[him]1VP[expect e1 to be betrayed by the woman e1 loves]] Suppose that pronouns without phonological content are translated as variables of the intensional λ-categorial language, whereas pronouns with phonological content are translated as constants (keeping their original indices). This means that the second logical form for (4 a) corresponds to the bound variable reading, whereas the two logical forms
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(4 ′a) and (4 ′b) correspond to the referential readings of (4 a) and (4 b) respectively. We now correctly predict that (4 a), but not (4 b) has a bound variable reading. The force of the crossover argument comes from the fact that on the movement theory, the distribution of readings for (4 a) and (4 b) can be explained in exactly the same way as the distribution of readings for the following sentences, all involving moved NPs at some level of representation. Surface Structure: (6) a. [Every man]1 was betrayed by the woman he1 loved b. The woman he1 loved betrayed [every man]1 Logical Form: (6′) a. S[[Every man]1S[e1 was betrayed by the woman he1 loved]] S[[Every man]1S[e1 was betrayed by the woman e1 loved]] b. S[[every man]1S[the woman he1 loved betrayed e1]] Surface Structure: (7) a. Who1 [e1 was betrayed by the woman he1 loved]? b. Who1 did [the woman he1 loved betray e1]? Logical Form: (7′) a. Who1 [e1 was betrayed by the woman he1 loved]? Who1 [e1 was betrayed by the woman e1 loved]? b. Who1 did [the woman he1 loved betray e1]? Given principle 5, we correctly predict that the pronouns in the (a) sentences do, and the pronouns in the (b)-sentences don’t have a bound variable interpretation. Note that on the present proposal, empty and non-empty pronouns are interpreted independently, even if they are co-indexed. The reason is that empty pronouns are translated as variables and non-empty pronouns as constants of the intensional language, and (as usual) variables and constants are assigned values by independent interpretation functions. 2.3 Problems As pointed out in Rooth 1985, the movement theory of focus (in the strong version presented above) is undesirable since Focus
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X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
Movement would have to be a transformation with rather idiosyncratic properties. In particular, it would have to be a transformation that doesn’t obey the island constraints holding for other transformations. Island Constraints: (8) They only investigated the question whether you know the woman who chaired F[the Zoning Board]1. They VP[only F[the Zoning Board]1 VP[investigated the question whether you know the woman who chaired e1]] (9) * [Which board]1 did they investigate the question whether you know the woman who chaired e1? (10) They investigated the question whether you know the woman who chaired [every board in town]1. *S[[Every board in town]1S[they investigated the question whether you know the woman who chaired e1]] While Focus Movement (if it exists) behaves like wh-movement and quantifier movement with respect to crossover phenomena, it differs from both kinds of transformation with respect to the usual island constraints.
3.
Rooth’s In Situ Theory of Focus
3.1 Examples Rooth’s theory of focus allows focused constituents to associate with a focus sensitive operator while staying in situ. On his proposal, F-features are assigned to constituents at Surface Structure and are passed on to the expressions of the intensional language via the level of Logical Form. That is, Rooth’s version of intensional logic allows meaningful expressions of the form F[α], where α is any expression of some type τ. The expressions of the intensional logic are then recursively assigned two denotations. The first denotation is the usual intension (neglecting a complication concerning variable assignments). It is computed without paying attention to the Ffeature. The second denotation is computed by means of rules sensitive to the F-feature. It determines a p-set, a set of intensions of type τ for every meaningful expression of type τ. P-sets are meant to capture the alternatives created by focusing. These alternatives are interpreted as providing the quantification domains for focus sensitive operators like only. Here is an example illustrating Rooth’s approach.
(11) John1VP[only VP[introduced F[Bill]2 to F[Sue]3]] Since (11) doesn’t contain any quantified NPs, (11) is a well-formed Surface Structure or Logical Form representation (Rooth also allows proper names like Bill or Sue to move at the level of Logical Form. But since proper names can be interpreted in situ, movement isn’t required.) The scope of the focus sensitive operator only is the VP here, so we are interested in the double interpretation of the VP part of (11). (12) VP[introduced F[Bill]2 to F[Sue]3] (12′) is the translation of (12): (12′) introduced’(F[Bill’])(F[Sue’]) Computation of intension of (12′) (variable assignments neglected): 1. ∥F[Bill’]∥ = ∥Bill’∥ = Bill 2. ∥F[Sue’]∥ = ∥Sue’∥ = Sue 3. ∥introduced’∥ = that function f ∈ D〈e,〈e,〈e,t〉〉〉 such that for any a,b,c ∈ De, f(a)(b)(c) = {w∈W: c introduced a to b in w} 4. ∥12′∥ = ∥introduced’∥ (∥F[Bill’]∥) (∥F[Sue’]∥) = that function g ∈ D〈e,t〉 such that for any a ∈ De, g(a) = {w∈W: a introduced Bill to Sue in w}. Computation of the p-set for (12′) (variable assignments neglected): 1. ∥ ∥F[Bill’]∥ ∥ = De 2. ∥ ∥F[Sue’]∥ ∥ = De 3. ∥ ∥introduced’∥ ∥ = {∥introduced’∥} 4. ∥ ∥12’∥ ∥ = {f ∈ D〈e,t〉:∃a ∈ ∥∥F[Bill’]∥ ∥, ∃b ∈ ∥ ∥F[Sue’]∥ ∥, ∃g ∈ ∥ ∥introduced’∥ ∥ [f = g(a)(b)]} = {f ∈ D〈e,t〉: ∃a,b ∈ De [f= ∥introduced’∥(a)(b)]} Intuitive characterization of the p-set for (12′): Suppose John, Bill, Sue, and Ann are the only entities in the domain De. The p-set for (12′), then, is the following set of properties: ‘introducing John to Bill’ ‘introducing John to Sue’ ‘introducing John to Ann’ ‘introducing John to John’ ‘introducing Sue to Ann’ ‘introducing Sue to John’
‘introducing Bill to Ann’ ‘introducing Bill to John’ ‘introducing Bill to Sue’ ‘introducing Bill to Bill’ ‘introducing Ann to Sue’ ‘introducing Ann to Bill’
40. The Representation of Focus
‘introducing Sue to Bill’ ‘introducing Sue to Sue’
‘introducing Ann to John’ ‘introducing Ann to Ann’
According to Rooth’s semantics, the counterpart of (11) in the intensional language will now be true in a world w iff, out of all the (contextually relevant) properties in the p-set of (12′), the property of introducing Bill to Sue is the only property John has in w. 3.2 Island Constraints and Crossover Rooth’s approach doesn’t require focused phrases to move in order to associate with a focus sensitive operator. Take sentence (8) from above. (8) They only VP[investigated the question whether you know the woman who chaired F[the Zoning Board]1]. Suppose the relevant committees in the domain of entities are the Zoning Board, the Planning Board, the Rent Control Board, and the Conservation Commission. The p-set of the main VP (the scope of only) is then the following set of properties: P-set of the main VP of (8): ‘investigating the question whether you know the woman who chaired the Zoning Board’ ‘investigating the question whether you know the woman who chaired the Planning Board’ ‘investigating the question whether you know the woman who chaired the Rent Control Board’ ‘investigating the question whether you know the woman who chaired the Conservation Commission’ Rooth’s semantics says that (8) is true iff, out of all the properties in the above p-set, the first property (the intension of the VP) is the only property they had. Rooth’s semantics, then, can interpret (8) without moving the focused phrase. Hence no island violations have to be assumed. What about the crossover facts, one of the main motivations for the Movement Theory of focus? Consider the following crossover sentences: (13) a. We only wonder whether S[F[he]1 was betrayed by the woman he1 loves] b. We only wonder whether S[the woman he1 loves betrayed F[him]1] Recall that we want to explain why a bound
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variable reading is possible with (13a), but not with (13b). Rooth points out that his theory is compatible with these facts, since it allows NPs to be raised at the level of Logical Form. But his NP raising operation is independent of focusing and obeys the usual constraints for movement. In the case of (13a) and (b), the focused NPs may optionally be adjoined to their closest dominating S-node. We have then: (13′) a. We only wonder whether S[F[he]1S[e1 was betrayed by the woman he1 loves]] b. We only wonder whether S[F[him]1 S[the woman he1 loves betrayed e1]] A condition like our Principle for Bound Variables (or any of the usual principles invoked for weak crossover) will now allow the unmoved non-empty pronoun in (13′a), but not in (13′b) to be interpreted as a bound variable. Second logical form for (13a): We only wonder whether S[F[he]1S[e1 was betrayed by the woman e1 loves]] Rooth shows that, in each case, his semantics in terms of p-sets assigns the right interpretations without having to move the focused phrase all the way up to be adjoined as a sister of only. The crucial point is that the lower S-nodes indicated in the logical forms above will be assigned λ-abstracts of the form λve,1 [...] by the translation procedure. Depending on which pronouns are allowed to be interpreted as bound variables, the λ-abstracts determine different properties, and we get the following kind of p-sets for the next higher S-constituents. (a) P-set for: S[F[he]1S[e1 was betrayed by the woman he1 loves]] Assume that he1 refers to John, and that John, Fred, and Harry are the only members of De. This means that the p-set of F[he]1 consists of John, Fred, and Harry, and we have the following p-set for the whole sentence: ‘John was betrayed by the woman John loves’ ‘Fred was betrayed by the woman John loves’ ‘Harry was betrayed by the woman John loves’ (b) P-set for: S[F[he]1S[e1 was betrayed by the woman e1 loves]] Assuming again that he1 refers to John,
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and that the domain De is as above, we have: ‘John was betrayed by the woman John loves’ ‘Fred was betrayed by the woman Fred loves’ ‘Harry was betrayed by the woman Harry loves’ (c) P-set for: S[F[him]1S[the woman he1 loves betrayed e1]] Assuming again that he1 refers to John, and that the domain De is as above, we have: ‘The woman John loves betrayed John’ ‘The woman John loves betrayed Fred’ ‘The woman John loves betrayed Harry’ The p-sets for the next higher constituents, and the general strategy for the computation of the truth-conditions of (13a) and (13b) are now straightforward. If the focused pronoun is not raised in (13a) and (13b) (also an option), we get the p-sets (a) and (c) respectively for the relevant S-constituents, hence no new readings. This means that Rooth predicts exactly the correct range of readings for (13a) and (b). 3.3 Problems Consider the following sentence: (14) I VP[laughed] because you did VP[e] (14) is a case of VP deletion. This construction is discussed in Sag (1976) and Williams (1977). VP deletion is assumed to involve a reconstruction process copying the missing VP from an appropriate antecedent VP at the level of Logical Form. The result is (14′). (14′) I I’[-ed VP[VP[laugh] because you did VP[laugh]]] Imagine now you are angry at me and start voicing the following accusations. “What a copy cat you are! You went to Block Island because I did. You went to Elk Lake Lodge because I did. And you went to Tanglewood because I did.” I feel you exaggerate and reply: (15) I only VP[went to F[Tanglewood]] because you did VP[e] On Rooth’s approach, we always have at least the option to interpret a focused proper name like Tanglewood in situ. So let us explore this option here. After reconstruction, (15′) should then be a possible logical form associated with (15).
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
(15′) I I’[past VP[only VP[VP[go to F[Tanglewood]] because you did VP[go to F[Tanglewood]]]]] Given the mechanism of focus interpretation as proposed by Rooth, (15′) doesn’t represent a possible meaning for (15), however. Assuming that the domain De contains just Block Island, Elk Lake Lodge, and Tanglewood, we get the following p-set for the VP that constitutes the scope of only in (15′). P-set for VP[VP[go to F[Tanglewood]] because you did VP[go to F[Tanglewood]]]: ‘go to Tanglewood because you went to Tanglewood’ ‘go to Tanglewood because you went to Block Island’ ‘go to Tanglewood because you went to Elk Lake Lodge’ ‘go to Block Island because you went to Block Island’ ‘go to Block Island because you went to Elk Lake Lodge’ ‘go to Block Island because you went to Tanglewood’ ‘go to Elk Lake Lodge because you went to Block Island’ ‘go to Elk Lake Lodge because you went to Elk Lake Lodge’ ‘go to Elk Lake Lodge because you went to Tanglewood’ (15′) is predicted to be true iff, out of all the properties in the above p-set, the property ‘go to Tanglewood because you went to Tanglewood’ is the only property I had. But that’s not a reading (15) has. What we want to say is that, out of all the properties in the p-set given below, the property ‘go to Tanglewood because you went to Tanglewood’ is the only property I had. Desired p-set: ‘go to Block Island because you went to Block Island’ ‘go to Elk Lake Lodge because you went to Elk Lake Lodge’ ‘go to Tanglewood because you went to Tanglewood’ We can get this p-set for the VP constituting the scope of only in (15), if we raise the NP Tanglewood at the level of Logical Form and adjoin it to one of the dominating VPs before reconstruction takes place. The result is shown in (15″). (15″) I I’[past VP[only F[Tanglewood]1VP[VP[go to e1] because you did VP[go to e1]]]]
40. The Representation of Focus
Given that the meaning determined by (15″) is the only meaning (15) has, we must now conclude that focused phrases are obligatorily moved in these cases. If we have to concede that focused phrases are obligatorily moved in some cases, can we at least assume that this kind of movement has the usual properties? I think the answer is negative, as shown by the following examples. (16) Context: “You always see more Edsels than I do.” No, I only saw more F[pink] Edsels than you did. (17) Context: “You always contact every responsible person before me.” No, I only contacted the person who chairs F[the Zoning Board] before you did. In (16), an adjective phrase would have to be moved out of a noun phrase to get the correct reading, not the sort of movement that is possible otherwise. (16) *It was pink that I saw Edsels In (17), a noun phrase would have to be moved out of a wh-island and a noun phrase, again a serious violation. (17) *It was the Zoning Board that I contacted the person who chairs. We have to conclude, then, that Rooth’s in situ interpretation mechanism for focused phrases doesn’t help us avoid unusual kinds of movement operations for such phrases.
4.
A Presupposition Skeleton Version of the In Situ Theory
In this section, I want to argue that the more representational version of Rooth’s theory that he briefly mentions at the beginning of his dissertation (p. 12) allows us to define psets in a slightly different way, thereby avoiding the difficulties that we saw arise in the previous section. 4.1 Two Translations As before, let us assume that focused constituents are F-marked at Surface Structure and that F-marking is passed on to Logical Form. Let us assume furthermore that all Fmarked constituents bear an F-index. F-indices are assigned at Surface Structure in such a way that no two constituents bear the same F-index in a given tree (the ‘novelty’ condition
831
for F-indexing). Every Logical Form expression is assigned two intensional logic translations. For any Logical Form phrase α, α‘ is its usual translation and α” is its presupposition skeleton. The presupposition skeleton for a given phrase is computed like the ordinary translation, using the same rules, except that F-marked constituents are translated as designated variables (see Rooth 1985, p. 12 for a sketch of a recursive definition). Whenever α is an F-marked constituent bearing the F-index n, and α‘ is of type τ, then α” is the nth designated variable of type τ. 4.2 Changes in the Intensional Logic The intensional language assumed here has to be changed as to accommodate designated variables. Adding designated variables: For every natural number n and type τ, Vn,τ is a designated variable of type τ. Two variable assignments: We distinguish two variable assignments. Ordinary assignments assign values of the appropriate type to ordinary variables. Distinguished assignments assign appropriate values to distinguished variables. All meaningful expressions are assigned intensions relative to an ordinary and a distinguished assignment. Here are some examples: For all natural numbers n, all types T, and all ordinary assignments g and distinguished assignments h we have: Denotations for the ordinary variables ∥vτ,n∥g,h = g(vτ,n) Denotations for the designated variables ∥Vτ,n∥g,h = h(Vτ,n) Denotations for the constants ∥Ann∥g,h = Ann .......................................... Denotations for complex expressions If α ∈ MEτ and u is an ordinary variable of type σ, then ∥λu[α]∥g,h = that function f ∈ D〈σ,τ〉 such that for any a ∈ Dσ, f(a) = ∥α∥ga/u,h. 4.3 P-Sets The addition of designated variables to the intensional language allows us to give the following very simple definition of p-sets. Where a is any meaningful expression of some type T, and g any ordinary variable assignment we define ∥α∥g, the p-set of α with respect to g, as follows:
832
∥a∥g = {a ∈ Dτ: ∃h [h is a designated assignment and a = ∥α∥g,h]} In the above definition, p-sets are defined with the help of the designated variable assignments. This feature is the crucial difference between the current proposal and Rooth’s proposal. Variable assignments assign the same values to different occurrences of the same variable. This is what will be responsible for a correct account of the VPdeletion cases as we will see shortly. 4.4 The Semantics of only (as VP-Modifier) We are now ready to spell out the semantics for focus sensitive quantifiers like only. (i) Translation of logical forms into the intensional language: Whenever β is a Logical Form expression of the form VP[only VP[α]], then β’ = only’ (α’)(α”). (Recall that α’ is the ordinary translation of α, and α” is its presupposition skeleton). (ii) Only in the Intensional Language: In the intensional language assumed here, only’ = only is treated syncategorematically, that is, it is not assigned a type. Syntax of only If α and β ∈ ME〈e,t〉, then only(α)(β) ∈ ME〈e,t〉. Semantics of only If α and β ∈ ME〈e,t〉, then ∥only(α)(β)∥g,h = that function f1 ∈ D〈e,t〉 such that for any a ∈ De and any w ∈ W, w ∈ f1(a) iff w ∈ ∥α∥g,h(a) and for all f2 ∈ ∥β∥g, if w ∈ f2(a), then f2 = ∥α∥g,h. 4.5 Examples Consider the following sentences: (18) I only VP[said that F2[Sue1] thinks she1 is funny]. (Who thinks she is funny?) (19) I only VP[said that F2[Sue1] thinks F3[she1] is funny]. (Who thinks who is funny?) The semantics sketched above determines the same p-sets for sentences (18) and (19) as Rooth’s semantics. Assuming that the domain De contains just Sue, Ann, and Maria, and that she1 refers to Sue, we get the following logical forms, intensional logic translations, and p-sets for the sentential complements of
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
say. (a) Logical Form: F2[Sue1] thinks she1 is funny] Presupp. Skeleton: think’(funny’(she1’)) (Ve,1) ‘Sue thinks Sue is funny’ P-Set: ‘Ann thinks Sue is funny’ ‘Maria thinks Sue is funny’ (b) Logical form: S[F2[Sue1] S[e1 thinks she1 is funny]] Presupp. Skeleton: λve,1 [think’(funny’(she1’)) (ve,1)] (Ve,1) P-set: As for (a) (c) Logical Form: S[F2[Sue1] S[e1 thinks e1 is funny]] Presupp. Skeleton: λve,1 [think’(funny’(ve,1)) (ve,1)] (Ve,1) ‘Sue thinks Sue is funny’ P-set: ‘Ann thinks Ann is funny’ ‘Maria thinks Maria is funny’ (d) Logical Form: F2[Sue1] thinks F3[she1] is funny Presupp. Skeleton: think’(funny’(Ve,3)) (Ve,2) ‘Sue thinks Sue is funny’ P-set: ‘Sue thinks Ann is funny’ ‘Sue thinks Maria is funny’ ‘Ann thinks Ann is funny’ ‘Ann thinks Maria is funny’ ‘Ann thinks Sue is funny’ ‘Maria thinks Maria is funny’ ‘Maria thinks Ann is funny’ ‘Maria thinks Sue is funny’ (e) Logical Form: S[F2[Sue1] S[e1 thinks F3[she1] is funny]] Presupp. Skeleton: λve,1 [think’ (funny’ (Ve,3)) (ve,1)] (Ve,2) P-set: As for D Sentence (18) allows possibilities (a), (b), and (c). Sentence (19) allows possibilities (d) and (e). (18) is the kind of example we discussed before. (19) is interesting since it illustrates that F-indexing must assign different F-indices to different focused phrases even if they bear the same referential index. 4.6 VP-Deletion Let us finally examine how the Presupposition Skeleton Theory deals with the VP-deletion cases that were troublesome for Rooth’s “official proposal”. Take (15) from above. (15) I I’[past VP[only VP[VP[go to F2[Tanglewood]] because you did VP[e]]]]
40. The Representation of Focus
I want to show that we can derive the correct meaning of (15) without having to move the focused NP. In this particular case, the focused NP could move, of course. But this movement should only be optional. And as we saw above, there are more complicated VP-deletion cases where we don’t want to assume the possibility of movement at all. Hence it is important to be able to capture even benign VP-deletion cases like (15) without having to assume that the focused constituent has to move. Assume (as usual) that the missing VP of (15) is reconstructed at the level of Logical Form. The result is (15′). (15′) I I’[past VP[only VP[VP[go to F2[Tanglewood]] because you did VP[go to F2[Tanglewood]]]]] The normal translation, the presupposition skeleton, and the p-set for the VP that constitutes the scope of only are then as given below (leaving out tense). Logical Form VP[go to F2[Tanglewood]] because you do VP[go to F2[Tanglewood]]] Normal Translation λve,1 [because’(go’(Tanglewood’)(ve,1)) (go’ (Tanglewood’)(you’))] Presupposition skeleton λve,1 [because’(go’ (Ve,2)(ve,1)) (go’(Ve,2)(you’))] P-set, assuming that De = {Tanglewood, Elk Lake Lodge, Block Island} ‘go to Tanglewood because you go to Tanglewood’ ‘go to Elk Lake Lodge because you go to Elk Lake Lodge’ ‘go to Block Island because you go to Block Island’ Note that a presupposition skeleton as the one above can only arise through copying operations beyond Surface Structure. The ‘novelty’ constraint for F-indexing wouldn’t (and shouldn’t, see sentence (19)) allow the appearance of two occurrences of the same designated variable otherwise. Von Stechow (1989) reports an observation of Thomas Ede Zimmermann also intended to show that it is a structural defect of Rooth’s “official” theory that focusing doesn’t involve variables. Here is a version of Zimmermann’s example: (20)Situation:We are looking at a group of children about to leave for summer camp. There are
833
quite a number of siblings in the group. Bill is the older brother of Mary. Question:Are there many girls in the group that are taller than their older brothers? Answer: No, I don’t think so. I can only see that F [Mary] is taller than F [Bill] Zimmermann’s point is that on Rooth’s “official” approach, it is hard to see how we can explicitely restrict the p-set determined by the sentential complement of the verb see in (20) to propositions of the kind ‘b is an older sibling of a and a is a girl and b is a boy and a is taller than b’. The example might not yet be absolutely convincing since it seems to assume that all contextual restrictions have to be spelled out in the translation procedure. This objection might be eliminated, however, by considering answers of the following kind: (21) As for girls and their older brothers, I can only see that F[Mary] is taller than F[Bill] In (21), the restriction for the domain of quantification is explicit and should be allowed to play a systematic role in determining the p-set associated with the sentential complement of see. This is a problem for Rooth. The Presupposition Skeleton Theory seems to be in a better position here, since it allows distinguished variables to be explicitely related to each other. I conclude that, all in all, in situ theories of focus are to be preferred over movement theories. And that among the in situ theories, representational theories seem to be more adequate than denotational theories. In drawing this conclusion, I want to emphasize, however, that the representational in situ theory argued for here is only a slightly different version of Rooth’s “official” proposal. In particular, it allows us to keep all the essential features of his analysis of focus. These features include a very elegant semantic analysis of focus sensitive quantifiers, a convincing account of the crossover facts, and a highly constrained theory of movement.
5.
Appendix: An Example of a λCategorial Intensional Language
0. The language L is an intensional λ-categorial language as used in Cresswell (1973), except that it admits the syncategorematic
834
treatment of logical constants. To facilitate communication, it is given the looks of Montague’s intensional logic. Unlike Montague’s intensional logic, it has no “up”s and “down”s. All expressions (except the logical constants) are assigned intensions with respect to a variable assignment. 1. The definition of types The types of L are recursively defined as follows: (1) e is a type. (2) t is a type. (3) if σ and τ are types, then 〈σ,τ〉 is a type. 2. Assignment of constants to types (1) Jan, Jacob, Ann, Maria are constants of type e. (2) laugh, weep are constants of type 〈e,t〉. (3) spot, greet are constants of type 〈e,〈e,t〉〉. (4) girl, boy, rabbit, mayor are constants of type 〈e,t〉. (5) a(n), every, the, no are constants of type 〈〈e,t〉, 〈〈e,t〉,t〉〉. 3. The variables of L For any type τ, and any natural number n, vn,τ is a variable of type τ. 4. Syntactic Rules For any type τ, the set of meaningful expressions of type τ, denoted by “MEτ”, is recursively defined as follows: (1) Every constant or variable of type τ is a member of MEτ. (2) For any types σ and τ, if α ∈ ME〈σ,τ〉, and β ∈ MEσ, then α(β) ∈ MEτ. (3) If ϕ is in MEt, so is not ϕ. (4) If ϕ and ψ are in MEt, so is [ϕ and ψ]. (5) If ϕ and ψ are in MEt, so is [ϕ or ψ]. (6) If α and β ∈ MEe, then [α = β] ∈ MEt. (7) If α ∈ MEτ and u is a variable of type σ, then λu [α] ∈ ME〈σ,τ〉. (8) If ϕ ∈ MEt, then necessarily ϕ ∈ MEt. (9) If ϕ ∈ MEt, then possibly ϕ ∈ MEt. 5. Semantic domains Let D be the set of all possible individuals, and W the set of all possible worlds. We can then define the set Dτ (the set of possible denotations of type τ) for any type τ as follows: (1) De = D. (2) Dt = the power set of W (3) For any types σ and τ, D〈σ,τ〉 = DτDσ, that is, the set of functions from Dσ to Dτ.
X. Residua: Präpositionen, Gradpartikeln, Fokus
6. Denotations For any expression α, ∥α∥g is the denotation of α with respect to a variable assignment g. A variable assignment is a function that assigns to each variable of type τ a member of Dτ, for all types τ. 7. Denotations for the constants (1) ∥Jan∥g = Jan .... etc. .... (2) ∥weep∥g is that function f ∈ D〈e,t〉 such that for any a ∈ De and any w ∈ W, w ∈ f(a) iff a weeps in w. ....... etc. ....... (5) ∥the∥g is that function ∈ D〈〈e,t〉,〈〈e,t〉,t〉〉 such that for any h1, h2 ∈ D〈e,t〉 and any w∈ W, w ∈ f(h1)(h2) iff there is an a ∈ De such that w ∈ h1(a) and w ∈ h2(a), and for all b ∈ De, if w ∈ h1(b), then b = a. ........ etc. ....... 8. Denotations for the variables ∥vn,τ∥g = g(vn,τ) for all natural numbers n and types τ. 9. Denotations for the complex expressions (2) For any types a and τ, if α ∈ ME〈σ,τ〉, and β ∈ MEσ, then ∥α(β)∥g = ∥α∥g (∥β∥g). (3) If ϕ is in MEt then ∥not ϕ∥g = W — ∥ϕ∥g. (4) If ϕ and ψ ∈ MEt then ∥ϕ and ψ∥g = ∥ϕ∥g ⋂ ∥ψ∥g. (5) If ϕ and ψ ∈ MEt then ∥ϕ or ψ∥g = ∥ϕ∥g ⋃ ∥ψ∥g. (6) If α and β ∈ MEe, and w ∈ W, then w ∈ ∥α = β∥g iff ∥α∥g= ∥β∥g. (7) If α ∈ MEτ and u is a variable of type σ, then ∥λu [α]∥g = that function f ∈ D〈σ,τ〉 such that for any h ∈ Dσ, f(h) = ∥α∥g h/u. (8) If ϕ ∈ MEt and w ∈ W, then w ∈ ∥necessarilyϕ∥g iff for all w’ ∈ W, w’ ∈ ∥ϕ∥g. (9) If ϕ ∈ MEt and w ∈ W then w ∈ ∥possibly ϕ∥g iff there is a w’ ∈ W such that w’ ∈ ∥ϕ∥g.
6.
Short Bibliography
Cresswell 1973 · Chomsky 1976 · Chomsky/Lasnik 1977 · Horvath 1981 · Horvath 1986 · Jackendoff 1972 · Jacobs 1983 · Rooth 1985 · Sag 1976 · Selkirk 1984 · v. Stechow 1981b · v. Stechow 1982a · v. Stechow 1989 · Williams 1977
Angelika Kratzer, Amherst, Massachussetts (USA)
835
XI. Service-Artikel Service-Article
41. 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 4. 5. 6. 6.1 6.2 7. 8.
1.
Formale Methoden in der Semantik Einleitung und Überblick Die Explikationssprache PL1 Die Syntax von PL1 Das Standard-Formalisierungsverfahren Die Semantik von PL1 Präsuppositionen: dreiwertige Logik und Kontextsemantik Montague-Grammatik Die Theorie der Diskursrepräsentationsstrukturen (DRT) Algebraische Semantik Die Theorie der Generalisierten Quantoren (GQT) Anwendungen in der Theorie der Pluralia, Massenausdrücke und Ereignisse Weitere Ansätze Literatur (in Kurzform)
Einleitung und Überblick
Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten formalen Methoden der (satz-)semantischen Forschung. Den Ausgangspunkt bildet die klassische logische Sprachanalyse; in ihrem Rahmen werden — so lautet das Ziel — natursprachliche Deklarativsätze in der Prädikatenlogik der ersten Stufe (PL1) semantisch korrekt und möglichst vollständig formalisiert. Die Wahrheitsbedingungen der Sätze bestimmen sich auf diese Weise indirekt über die Wahrheitsbedingungen ihrer logischen Formen in der gegebenen PL1-Semantik. Auf diese Weise wird die Bedeutung der logischen Strukturwörter der Sprache wie und, oder, nicht, alle, ein, der formal präzisiert. Trotz der wechselnden Beurteilung ihrer Rolle als angemessene E xplikationssprache für semantische Repräsentationen bildet die PL1 nach wie vor sozusagen das elementare Rüstzeug jeder semantischen Untersuchung. Im zweiten Abschnitt wird daher ihre Logik in knapper, aber präziser Form dargestellt; die Diskussion einiger Formalisierungs-
beispiele schließt sich an. E iner der grundsätzlichen Punkte der Kritik an diesem Programm der logischen Formen betrifft die mangelnde E xplizitheit des Formalisierungsverfahrens. Anhand der Kennzeichnungen als formalen Gegenstücken von definiten NPn werden zudem die Grenzen einer zweiwertigen und kontextfreien Logik deutlich. Der dritte Abschnitt stellt eine dreiwertige Logik vor, in deren Rahmen die bei den Kennzeichnungen exemplarisch auftretende Problematik der Präsuppositionen behandelt wird. Ferner wird die Alternative einer zweiwertigen Kontext-Semantik besprochen, die den Bereich der Präsuppositionslücken durch das Instrument der Zulässigkeit in einem gegebenen Kontext ausblendet. E s wird versucht, die „Semantizität“ auch dieses Ansatzes (trotz des pragmatischen Anstrichs) herauszustellen und zur Klärung des Demarkationsstreits zwischen Semantik und Pragmatik beizutragen. Als wesentlich neues Moment wird dabei der Gedanke einer Dynamisierung der Semantik festgehalten. Der vierte Abschnitt ist der MontagueGrammatik gewidmet. Sie setzt das Programm der logischen Formen insofern fort, als auch sie an einem statischen Bild semantischer Repräsentationen festhält. Allerdings wird nunmehr das Übersetzungsverfahren in die formale Sprache durch einen expliziten Algorithmus beschrieben, der einem strengen Kompositionalitätsprinzip gehorcht. Nicht zuletzt dieser Umstand verhalf diesem Ansatz über Jahre hinweg zu einer enormen Popularität innerhalb der Linguistik: das Schreiben grammatischer Regeln konnte nun erstmals einhergehen mit der simultanen Formulierung ihrer semantischen Funktion. Zudem bietet das System Lösungen zu einer Vielzahl semantischer Probleme an, die sich den großen Themenbereichen intensionale Kontexte sowie Quantifikation und A naphern zuordnen lassen. So erwies sich die Montague-Grammatik als ein hervorragendes Testgebiet für die E r-
XI. Service-Artikel
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probung konkreter Implementierungsvorschläge im Rahmen einer semantisch basierten Grammatik. In einigen ihrer Grundannahmen wurde sie in der Folgezeit jedoch nachhaltig kritisiert. Aus dieser Kritik erwuchsen neuere Ansätze in der Semantik, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden. Im Abschnitt 5 wird die Diskursrepräsentationstheorie (DRT) als eines der führenden Systeme unter den dynamischen Ansätzen vorgestellt. Der sechste Abschnitt zeichnet die zunehmende Verwendung algebraischer Methoden in der Semantik nach. E ingegangen wird in diesem Zusammenhang auf die Theorie der Generalisierten Quantoren, die Boolesche Semantik, die Theorie der Pluralia und Massenausdrücke sowie auf neuere Theorien einer E reignis-Semantik. Im letzten und siebten Abschnitt finden weitere Ansätze E rwähnung, die im vorliegenden Rahmen nicht ausführlicher behandelt werden konnten. Das traditionelle Programm der logischen Formen wurde also in zwei Richtungen reformiert: durch eine Algorithmisierung (Stichwort Kompositionalität) und eine Dynamisierung (Stichwort Theorie der semantischen Repräsentationen und ihrer Veränderung im sprachlichen Informationsfluß). Diese beiden E ntwicklungen waren nicht ohne weiteres miteinander verträglich, wie anhand der Problematik der sog. donkeySätze (siehe Abschnitt 4) exemplarisch klar wurde. E ines der Ziele semantischer Forschung wird also die Versöhnung dieser beiden Ansätze sein. Die algebraisch orientierte Semantik kümmert sich um die notwendige Verfeinerung des technischen Instrumentariums, während einige der im siebten Abschnitt genannten Theorien (so etwa die Situationstheorie) die Grundlagenfrage stellen und dazu auffordern, den Begriff der Wahrheit und den der Bedeutung neu zu überdenken und zu begründen.
2.
Die Explikationssprache PL1 (= Prädikatenlogik 1. Stufe)
2.1 Die Syntax von PL1 Hier und im folgenden stehe ‘MZ’ für „Mitteilungszeichen“, ‘StI’ für „auch mit Strichen und Indizes versehen“, ‘N’ für die Menge der natürlichen Zahlen ≥ 0, sowie ‘gdw’ für „genau dann wenn“. DefDas Vokabular oder die Menge GS der
Grundsymbole von PL1 besteht aus folgenden Mengen: 1. Eine (abzählbar unendliche) Menge VarTvon (Individuen-)Variablen; MZ: x, y, z (StI) 2. eine (abzählbar unendliche) Menge ConTvon (Individuen-)Konstanten; MZ: a, b, c (StI) 3. für jedes n ∈ N eine (abzählbar unendliche) Menge von n-stelligen Prädikat-Konstanten; MZ: Pn, Qn, Rn(StI) 4. die Menge LK der logischen Konstanten: ‘’ (Negation), ‘⋀’ (Konjunktion), ‘ ∨’ (Disjunktion), ‘→’ (Konditional oder materiale Implikation), ‘↔’(Bikonditional), ‘∀’ (Allquantor), ‘∃’ (Existenzquantor); 5. das Identitätssymbol ‘=’; 6. der Iota-Operator ‘ı’ und der Abstraktionsoperator ‘λ’; 7. die Klammersymbol-Paare ‘(’,‘)’ und ‘[’,‘]’. Die aufgeführten Mengen seien disjunkt, und kein Grundsymbol sei ein geordnetes Paar oder eine Folge von anderen Grundsymbolen. Ferner seien im folgenden die Grundsymbole unter Ziffer 4 bis 7 autonym verwendet. DefT := VarT ⋃ ConT ist die Menge der (Individuen-) Terme; MZ: t, r, s (StI) ist die Menge der DefConP = ∪n∈N Prädikatkonstanten; MZ: P, Q, R, S (StI) DefCON := ConT ⋃ ConP ist die Menge der Konstanten; MZ: κ (StI) DefGA := VarT ⋃ CON ist die Menge der Grundausdrücke. DefAD := GS* (= die Menge der endlichen Ketten von Grundsymbolen oder der Wörter über GS) ist die Menge der Ausdrücke von PL1. Beispiel: xy a∀)(P →. Der Sinn syntaktischer Regeln ist die Auszeichnung der wohlgeformten Ausdrücke (kurz: wfA) innerhalb der Menge AD, ausgehend von den wohlgeformten Grundsymbolen, den Grundausdrücken. Die elementare Prädikation und die logischen Verknüpfungen liefern komplexe wohlgeformte Ausdrücke der Kategorie ‘Formel’, die Lambda-Abstraktion komplexe wfA’e der Kategorie ‘1-stelliges Prädikat’, und der Iota-Operator komplexe wfA’e der Kategorie ‘Individuenterm’ (sog. Kennzeichnungen). Da die syntaktischen Regeln zwischen diesen Kategorien „hin- und herspringen“, ist der Begriff eines wfA’s in PL1 simultan induktiv zu definieren.
41. Formale Methoden in der Semantik
DefSimultane induktive Definition der Mengen FOR der Formeln, T der (Individuen-) Terme und Pn der n-stelligen Prädikate (n ∈ N) von PL1: 1. T ⊆ T, ⊆ Pn (n ∈ N); 2. pnto, ..., tn—1 ∈ FOR für n ∈ N, pn ∈ Pn, ti ∈ T (i < n); 3. (t = s) ∈ FOR für t, s ∈ T; 4. ϕ ∈ FOR für ϕ ∈ FOR; 5. (ϕ Jψ) ∈ FOR für ϕ, ψ ∈ FOR und J = ⋀, ∨, →, ↔; 6. ∀xϕ, ∃xϕ ∈ FOR für ϕ ∈ FOR und x ∈ VarT; 7. (λxϕ) ∈ P1 für ϕ ∈ FOR und x ∈ VarT; 8. (ιxϕ) ∈ T für ϕ ∈ FOR und x ∈ VarT; Def WA := FOR ⋃ T ⋃ ∪n∈NPn ist die Menge der wohlgeformten A usdrücke von PL1. MZ für WA: η, ζ, θ (StI); für FOR: ϕ, ψ, χ (StI); für T:t, r, s (StI); für Pn: pn, qn (StI). Der Stelligkeitsindex 1 wird im folgenden weggelassen. WfA’e der Gestalt 8 heißen ι-Terme, solche der Gestalt 7 λ-Terme; letztere werden durch ‘π’ (StI) mitgeteilt. Def Substitution. E s seien ϕ eine Formel, r ein ι-Term, πein λ-Term, x eine Variable und t ein Term. (E in Vorkommen von) x heiße frei in ϕ (bzw. r bzw. π), wenn (dieses Vorkommen von) x nicht im Bereich eines „gleichnamigen“ Binders ∀x, ∃x, ιx, λx in ϕ (bzw. r bzw. π) steht, d. h. nicht innerhalb der kürzesten Formel, die auf einen solchen Binder unmittelbar folgt. E in wfA heißt geschlossen, wenn er kein freies Vorkommen einer Variable enthält; sonst heißt er offen. Die Substitution (bzw. bzw. ) des Substitutionsterms t für x in ϕ (bzw. r bzw. π) sei das E rgebnis der E rsetzung aller freien Vorkommen von x in ϕ (bzw. in r bzw. in π) durch t. ϕ[*] ist eine Nennform, d. h. ein Ausdruck, der aus der Formel ϕ entsteht, wenn an einer (oder mehreren) ausgezeichneten Termposition(en) statt des dortigen Terms der Stern eingesetzt wird. Diese Positionen heißen dann Nennstellen. ϕ[t] ist eine Formel in Nennform-Schreibweise, die an den Nennstellen den Term t enthält. FR(η) sei die Menge der in dem wfA η frei auftretenden Variablen. Ferner gelte die folgende Abkürzung: Abk(Variablenbedingung) VB[t; x; η] gdw t ist frei für x in η, d. h. keine in t frei auftretende Variable werde an freien xStellen in η gebunden;
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VB[t, s; x; η] gdw VB[t; x; η] und VB[s; x; η]. Die für die Sprachanalyse wichtigen logischen Prinzipien sind die folgenden. Theorem: All-Spezialisierung und ExistenzAbschwächung (T∀) [∀xϕ → ] wobei a ∈ConT (T∃) [ → ∃xϕ] wobei a ∈ConT In Worten: (TV) Wenn alle Dinge ϕ sind, so ist auch a ein ϕ; (T∃) wenn a ein ϕ ist, so gibt es ein Ding, das ϕ ist. Theorem: Substitutivität (TS) [(t = s) → [ϕ[t] ↔ ϕ[s]] wobei VB[t, s; [*]; ϕ[*]] In Worten: Wenn t identisch mit s ist, so ist t genau dann ein ϕ, wenn s ein ϕ ist. Theorem: Lambda-Konversion (Tλ) [(λxϕ)a ↔ ] wobei a ∈ ConT In Worten: Wenn a ein Ding x ist derart daß x ein ϕ ist, so ist a ein ϕ. Theorem: Iota-Eliminierung (Tι) [π(ιxϕ) ↔ ∃y[∀x[ϕ ↔ x = y] ⋀ πy]] wobei y ∉ FR(ϕ) In Worten: Dasjenige Objekt, das ϕ ist, hat genau dann die E igenschaft π, wenn es genau ein y gibt, das ϕ ist und die E igenschaft π hat; präziser: ... wenn es ein y gibt, welches für alle x genau dann mit x identisch ist, falls x ein ϕ ist, und welches die Eigenschaft πhat. 2.2 Das Standard-Formalisierungsverfahren Das Standard-Formalisierungsverfahren (es werde i. f. S genannt) hat zum Ziel, die satzsemantischen Beziehungen der natürlichen Sprache mit Hilfe des formalen Folgerungsbegriffs der Prädikatenlogik zu explizieren. Zwei Adäquatheitsforderungen können an ein Formalisierungsverfahren gestellt werden (Blau 1978): (i) die intuitive Korrekheit besagt, daß die Formalisierungen zu keinen formalen Folgerungsbeziehungen im PL1 Anlaß geben, die zwischen den jeweiligen Ausgangssätzen in der natürlichen Sprache intuitiv nicht bestehen; schlagwortartig ausgedrückt: alles, was formal folgt, folgt auch intuitiv. (ii) die intuitive Vollständigkeit dagegen besagt, daß alle intuitiven Folgerungen der natürlichen Sprache durch die Formalisierung auch als formal gültig herauskommen; kurz: alles, was intuitiv folgt, folgt auch formal. Während die Forderung (i) ziemlich strikt zu realisieren ist, soll das Verfahren zu etwas nütze sein, muß (ii) graduell verstanden werden: ein gutes Formalisierungsverfahren sollte möglichst vollständig sein. Das Verfahren S läßt nicht nur im Hinblick auf die Forderung (ii), sondern
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wegen der Intensionalitätsphänomene (siehe unten) auch im Hinblick auf die Forderung (i) zu wünschen übrig. E s nimmt jedoch nach wie vor eine zentrale Stellung in der Semantik ein, da die Prädikatenlogik als eine theoretische lingua franca angesehen werden muß, die bei vielen semantischen Systemen als eine Art Referenzsystem im Hintergrund steht. Das Verfahren S wird in den meisten einführenden Logik-Texten mehr oder minder explizit beschrieben (siehe z. B. Quine 1969, Hinst 1974, Blau 1978, Link 1979, Kalish et al. 1980). E s geht von zwei Voraussetzungen aus: (i) die E inteilung des natursprachlichen Vokabulars in logische Strukturwörter (wie nicht, und, oder, ein, der, jeder, kein) und deskriptive Konstanten (wie Mensch, schläft, sieht); (ii) die Kanonisierbarkeit eines jeden natursprachlichen Satzes zu einer geeigneten Explizitfassung (E F); diese kann bereits Variablen enthalten und ist bis auf Stellungsunterschiede isomorph zu einer prädikatenlogischen Struktur. Die E xplizitfassung braucht dann in einem zweiten Schritt lediglich durch Austausch der Konstanten in eine PL1-Formel übersetzt zu werden (die logische Form LF des Satzes). An einigen Beispielen sei dieses Verfahren exemplarisch erläutert. B1 Hans gibt Anna den Ball EF:Hans gibt Anna dasjenige x so daß x ein Ball ist LF:P3ab(ιxQx) P3xyz : x gibt dem y Objekt z Qx : x ist ein Ball a : Hans b : Anna B2 Peter liest ein Buch und denkt darüber nach. EF:Es gibt ein Buch x so daß Peter liest x und Peter denkt über x nach. LF:∃x[Qx ⋀ P2ax ⋀Q2ax] P2xy : x liest y Q2xy : x denkt über y nach Qx : x ist ein Buch a : Peter B3 Jeder Logiker kennt ein Problem, für das ihm keine Lösung einfällt. EF:Für alle x : wenn x ein Logiker ist, dann gibt es ein y, so daß y ein Problem ist derart daß x kennt y und es gibt kein z, so daß z eine Lösung für y ist und z fällt x ein. LF:∀x[Px → ∃y[Qy ⋀P2xy ⋀ ∃z [Q2zy ⋀ R2zx]]] Px : x ist ein Logiker
XI. Service-Artikel
Qx : x ist ein Problem P2xy : x kennt y Q2xy : x ist eine Lösung für y R2xy : x fällt y ein B4 Das Einhorn spricht nicht. EF1:Es ist nicht der Fall, daß dasjenige y welches ein Einhorn ist, spricht. LF1: P(ιyQy) EF2:Dasjenige y, welches ein Einhorn ist, ist ein x derart daß es ist nicht der Fall, daß x spricht. LF2:(λxPx)(ιyQy) Px : x spricht Qx : x ist ein Einhorn B5 Jeder Deutsche, der ein Auto hat, putzt es. EF: Für alle x : für alle y : wenn x ein Deutscher ist und y ein Auto ist, und x hat y, dann putzt x y. LF: ∀x∀y[[Px ⋀ Qy ⋀ P2xy] → Q2xy] Px : x ist ein Deutscher Qx : x ist ein Auto P2xy : x hat y Q2xy : x putzt y Bemerkungen 1. In der E xplizitfassung E F wurden jeweils die logischen Strukturausdrücke kursiv wiedergegeben. Wie ersichtlich, werden E igennamen in Individuenkonstanten übersetzt, Nomina und intransitive Verben in einstellige Prädikatkonstanten, transitive Verben in zwei- oder höherstellige Prädikatkonstanten entsprechend der Anzahl ihrer Valenzen. Ferner sind in der E F E llipsen aufzufüllen sowie etwaige Bindungsverhältnisse durch Variablen zu repräsentieren. Der unbestimmte Artikel, sofern nicht Teil eines Prädikatsnomens, zieht in der Regel die E inführung eines E xistenzquantors nach sich, der bestimmte Artikel die einer Kennzeichnung. Bedingte Allsätze der Form jeder P ist ein Q sind in die typische E F für jedes x: wenn Px dann Qx aufzulösen, wobei wenn — dann durch die materiale Implikation formalisiert wird (ein nicht universell gestütztes wenn — dann mit dem Konditional zu formalisieren, bringt dagegen Probleme mit sich; vgl. Blau 1978, Link 1979). Die Wendung „... ist ein x derart daß schließlich wird durch Lambda-Abstraktion wiedergegeben. 2. Das Verfahren S stellt keinen expliziten Algorithmus dar. E ine grobe Regel lautet, daß man die E xplizitfassung von links nach rechts und von außen nach innen schrittweise her-
41. Formale Methoden in der Semantik
stellt. E igentlich muß man aber die ausgedrückte logische Form „schon kennen“, wenn man die E xplizitfassung hinschreibt. Am augenfälligsten ist das im Beispiel B5, in dem die indefinite NP ein A uto keineswegs eine existentielle, sondern eine allquantifizierende Kraft besitzt. Zu diesem Phänomen der sog. donkey-Sätze siehe unten. Allerdings ergibt sich die ∀-Interpretation des unbestimmten Artikels auf nicht ganz so erratische Weise, wie es zunächst den Anschein haben mag. Man kann z. B. in jedem Satz eine (möglicherweise leere) Operatorposition (in B5: jeder), einen (Operator-)Bereich (in B5: Deutscher, der ein A uto hat) sowie einen Satzkern (in B5: [er] putzt es) unterscheiden (vgl. Heim 1982); dann richtet sich die Interpretation einer indefiniten NP im Operatorbereich nach dem Operator, während sie im Satzkern existentiell ist. 3. E in besonderes Problem stellt die Negation dar. Die klassische prädikatenlogische Negation ist grundsätzlich schwach oder dementierend und wird am besten durch die (etwas umständliche) Wendung „es ist nicht der Fall daß“ wiedergegeben. Ob diese der Bedeutung der Negationspartikel in der natürlichen Sprache entspricht, ist eine der Kernfragen in der Präsuppositionsdebatte; siehe Abschnitt 3. Beispiel B4 (2) zeigt, daß in einer Logik mit Lambda-Abstraktion auch die „innere“ Negation ausdrückbar ist, die von dem in Rede stehenden E inhorn lediglich behauptet, daß es nicht spricht; hier folgt, da der E xistenzquantor außen steht, formal die E xistenz des E inhorns, während dies für die Version (1) in B4, die schwache Negation mit Skopus über den Existenzquantor, nicht gilt. 2.3 Die Semantik von PL1 EXT(E) heißt die Menge der Extensionen über E. Ist E der Individuenbereich eines PL1Modells (siehe nächste Definition), so ist EXT (E) die Menge der möglichen Denotate für wfA’e von PL1 in diesem Modell. Dabei steht {—1, 1} für die Menge der Wahrheitswerte (‘1’ für „wahr“ und ‘—1’ für „falsch“) und bildet die Denotatmenge für die Formeln; E ist die Denotatmenge für Individuenterme, und für jedes n ≥ 1 ist die Potenzmenge von En, Pot(En), d. h. die Menge der n-stelligen Relationen in E, die Denotatmenge für die nstelligen Prädikate. Die Denotate 0-stelliger Prädikatkonstanten sind E lemente von { —1, 1}, im E inklang mit der Intuition, daß solche Konstanten für unpersönliche Ausdrücke wie es regnet stehen und damit bereits
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wahr oder falsch sind, ohne einer E rgänzung zu bedürfen. DefEs sei E eine Menge; dann sei EXT(E) = {—1, 1} ⋃ E ⋃ ∪n∈N,n≥1Pot(En). DefEin Modell für PLI ist ein Tripel M = 〈D, ∥.∥M, §〉 so daß gilt: 1. D ≠ Ø (D heißt der Individuenbereich des Modells); 2.§ ∉ D (§ ist ein dummy-Symbolfür auftretende Denotationslücken); 3.∥.∥Mist eine Funktion von CON in EXT(D), so daß gilt: (i) ∥a∥M ∈ D (a ∈ Con); (ii) ∥Pn∥M ∈ Pot(Dn) (Pn ∈ , n∈N, n ≥ 1) (iii)∥P0∥M ∈ {—1, 1} (P0 ∈ ) DefEine Variablenbelegung zu einem Modell M = 〈D, ∥.∥M, §〉 ist eine Funktion g von VarT in D. DefEs seien M = 〈D, ∥.∥M, §〉 ein PL1Modell, g eine Variablenbelegung zu M, d ∈D, und x ∈ VarT. Die 〈x,d〉-Variante von g ist definiert als die Funktion g(x : d) := (g \ {〈x,g(x)〉}) ⋃ {〈x,d〉}. In der folgenden Definition wird davon Gebrauch gemacht, daß die Wahrheitswerte durch zwei ganze Zahlen dargestellt werden, die als solche geordnet (—1 < 1) sowie arithmetischen Operationen unterworfen sind. Daher können der Tausch des Wahrheitswerts bei der Negation durch die Funktion — x, die Konjunktion und die Allquantifikation durch die Infimum-Funktion inf (= der kleinste der beteiligten Wahrheitswerte) sowie die Disjunktion und die E xistenzquantifikation durch die Supremum-Funktion sup (= der größte der beteiligten Wahrheitswerte) ausgedrückt werden. E s ist ja etwa eine Konjunktion (ϕ ⋀ ψ) intuitiv genau dann wahr, wenn die Wahrheitswerte von ϕ und von ψ beide „wahr“ lauten, d. h. = 1 sind; genau dann aber ist auch ihr Infimum = 1. Analoges gilt für die Disjunktion und die Verallgemeinerungen dieser Junktoren, den All- bzw. den Existenzquantor. DefEs seien M = 〈D, ∥.∥M, §〉 ein PL1Modell und g eine Variablenbelegung zu M. Dann ist das Denotat des wfA ζ bezüglich M und g, ∥ζ∥M,g, simultan induktiv wie folgt definiert: 1.1 ∥x∥M,g = g(x) (x ∈ VarT); 1.2∥a∥M,g = ∥a∥M (a ∈ ConT); 1.3∥Pn∥M,g = ∥Pn∈M (Pn ∈ , n ∈ N);
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2. ∥pnto, ..., tn—1∥M,g = 1 gdw 〈∥t0∥M,g, ..., ∥tn—1〉 ∈ ∥pn∥M,g 3. ∥(t = s)∥M,g = 1 gdw ∥t∥M,g ∥s∥M,g ) ∈ D und ∥t∥M,g = ∥s∥M,g 4. ∥ϕ∥M,g = —∥ϕ∥M,g; 5.1 ∥(ϕ ⋀ ψ)∥M,g = inf {∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥M,g}; 5.2∥(ϕ ∨ ψ)∥M,g = sup {∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥M,g}; 5.3 ∥(ϕ → ψ)∥M,g = sup {— ∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥M,g}; 5.4∥(ϕ → ψ)∥M,g = Δ(∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥M,g), wobei Δ(i, j) = 1 gdw i = j, und = —1 sonst; 6.1 ∥∀xϕ∥M,g = inf {∥ϕ∥M,g(x:d) d ∈ D}; 6.2∥∃xϕ∥M,g = sup {∥ϕ∥M,g(x:d) d ∈ D}; 7. ∥(λxϕ)∥M,g = {d ∈ D ∥ϕ∥M,g(x:d) = 1} = {d ∈ D d erfüllt ϕ bezüglich x}; 8. ∥(ιxϕ)∥M,g = do falls ∥(λxϕ)∥M,g = {do}, und = § sonst. DefEine PL1-Formel ϕ heißt wahr im Modell M gdw für alle M-Variablenbelegungen g gilt ∥ϕ∥M,g = 1. ϕ folgt (PL1-)logisch aus einer Formelmenge Σ ⊆ FOR gdw in allen Modellen, in denen jede Formel in Σ wahr ist, auch ϕ wahr ist (Bez. 2 ⊩ (PL1)ϕ). ψ ist eine logische Folgerung aus einer Formel ϕ (Bez. ϕ ⊩ ψ) gdw {ϕ} ⊩ ψ. Ist Σ leer, so heißt ϕ logisch wahr oder gültig (Bez. ⊩ ϕ). Eine gültige Formel ist also wahr in allen Modellen. ϕ heißt erfüllbar gdw ϕ ist wahr in mindestens einem Modell. DefEin Term tdenotiert im Modell M bezüglich der Belegung g gdw ∥(t = t)∥M,g = 1. Bemerkungen. 1. Die obigen Theoreme (T∀), (T∃), (Tλ) und (Tι) sind PL1-gültig (siehe z. B. Link 1979). 2. Die vorgestellte Semantik ist im folgenden Sinn klassisch: (i) sie ist zweiwertig, d. h. jede (geschlossene) Formel ist wahr oder falsch in einem Modell; (ii) die Denotationsfunktion ∥.∥Mist total, d. h. jede Konstante erhält ein Denotat in M. Allerdings trägt sie Züge einer sog. freien Logik, da bei Kennzeichnungen Denotationslücken auftreten können. Das für diesen Fall vorgesehene dummy-Denotat § gehört nicht zum Individuenbereich und „stützt“ auch keine Identitäten (t = s) zweier nicht-denotierender Terme (vgl. die obige Bedingung 3, wo für die Wahrheit der Identität von t und s gefordert wird, daß ihre Denotate zum Individuenbereich gehören). Das hat den Vorteil, daß sich
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in einem Modell, das etwa der realen Welt entspricht, keine unerwünschten Wahrheiten einstellen wie: (das Einhorn = die größte Primzahl). Daraus ergibt sich allerdings die Konsequenz, daß die PL1-Theoreme (T∀), (T∃) und (Tλ) nicht uneingeschränkt gültig bleiben, wenn die Substitutionsterme keine Konstanten, sondern beliebige Kennzeichnungen sind. Betrachten wir zur Illustration das Beispiel B4, auf dessen Formalisierungen auch der vieldiskutierte Satz der König von Frankreich ist nicht weise (siehe Abschnitt 3) paßt. Mit ϕ := Px und t := (ιyQy) anstelle von a hat die dortige Formel LF2 die Gestalt der linken Seite des Theorems (Tλ); dessen rechte Seite (wieder mit t statt a) dagegen ist identisch mit LF1 in B4. Wenn t jedoch nicht denotiert (d. h. wenn es das E inhorn oder den König von Frankreich nicht gibt), sind (λx ϕ)t (= LF2) und die zugehörige E insetzung (= LF1) nicht äquivalent! Dies ergibt sich wie folgt. E s seien M ein Modell und g eine Belegung mit ∥t∥M,g = §. Dann gilt M,g ∥ ∥ = ∥Pt∥M,g = — ∥Pt∥M,g = 1, da stets ∥t∥M,g = § ∉ ∥P∥M,g ist und somit ∥Pt∥M,g = —1. Auf der anderen Seite ist aber ∥(λx ϕ)t∥M,g = —1, wiederum wegen § ∉ ∥(λx ϕ)M,g (alle Prädikate sind ja Relationen im Individuenbereich D, der § nicht enthält). Die genannten Theoreme sind also geeignet einzuschränken, wenn sie für beliebige Substitutionsterme formuliert sind: offenbar genügt die Forderung, daß diese denotieren (Link 1979: 107). Bei der Substitutivität (TS) ist das übrigens durch die Prämisse (t = s) bereits gegeben. 3. Sehen wir für einen Moment von der Komplikation ab, die durch die E inführung von Kennzeichnungen entsteht, und kehren zurück zu der ursprünglichen Formulierung von (T∃). Dieses Schema sowie die Substitutivität (TS) bilden die bekannten Kriterien der Extensionalität der Sprache PL1. In der natürlichen Sprache lassen sich zwei Typen von nicht-extensionalen Kontexten unterscheiden, die jeweils eines dieser Kriterien verletzen. E in Beispiel für den Verstoß gegen das Prinzip (T∃) der existentiellen Abschwächung ist der Satz Pizarro hat Eldorado gesucht (Blau 1978), dessen logische Form einfach P2ab lautet. Formal folgt mit (T∃) der E xistenzsatz ∃xP2ax, dessen natursprachliches Gegenstück es gibt ein x welches Pizarro gesucht hat jedoch
41. Formale Methoden in der Semantik
dieser Stelle ist das zugrundeliegende Standard-Formalisierungsverfahren S also nicht korrekt. E in Prädikat wie suchen nennt Blau nicht-referentiell, weil es Argumentpositionen enthält, in denen nicht-referierende (= nichtdenotierende) Terme stehen können, während zugleich die Prädikation wahr ist. In anderen Kontexten versagt die Substitutivität, wie etwa bei der Objektposition von bewundern (Link 1976: 144). Beide Prinzipien sind in modalen und epistemischen Kontexten verletzt; dieser Umstand war der Ausgangspunkt für die E ntwicklung intensionaler Logiken, die die Prädikatenlogik als E xplikationssprache für eine natursprachliche Semantik ersetzen sollten. 4. Die vorgestellte Semantik heißt Interpretationssemantik, modelltheoretische oder Tarski-Semantik. E in Charakteristikum dieser Semantik ist die Tatsache, daß die Quantifikation mit dem „Durchlaufen“ des Individuenbereichs verbunden ist: E ine Allformel ∀xPx etwa ist nach 6.1 genau dann wahr in einem Modell M = 〈D, ∥.∥M,§〉, wenn alle E lemente d ∈ D die „Matrix“ ϕ := Px erfüllen, d. h. wenn für alle d ∈ D gilt: d ∈ ∥P∥M; ebenso ist nach 6.2 die E xistenzformel ∃xPx genau dann wahr in M, wenn es mindestens ein E lement d ∈ D gibt, so daß d ∈ ∥P∥Mgilt. Wir haben es also mit einer Objekt-Quantifìkation (engl. objectual quantification) zu tun. E ine zweite Spielart der PL1-Semantik verzichtet dagegen auf einen Individuenbereich und erklärt die Quantifikation ∀xϕ, ∃xϕ unter Bezugnahme auf die (objektsprachlichen) Instanzen für alle a ∈ ConT. Man spricht dann von einer Bewertungs- oder Einsetzungssemantik (engl. substitutional quantification; siehe z. B. van Fraassen 1971: 127). Dem Modellbegriff entspricht hier der Begriff einer Bewertung (engl. valuation) v, die jedem elementaren Satz von PL1 einen Wahrheits wert zuordnet. ν wird wie üblich auf die Booleschen Operationen fortgesetzt. E in Allsatz ∀xPx ist dann wahr bezüglich v, wenn ν(Pa) = 1 für alle a ∈ ConT. Das ist intuitiv adäquat und formal äquivalent zur TarskiSemantik, wenn alle Objekte, über die die Sprache spricht, einen „Namen“ unter den Konstanten der Sprache besitzen. Für die Zwecke der Sprachsemantik kann dies im allgemeinen angenommen werden. Gleichwohl arbeiten die Semantiker in der Tradition der Montague-Grammatik in der Regel mit einer Interpretationssemantik.
841
3.
Präsuppositionen: Dreiwertige Logik und Kontextsemantik
Wie ist eine (zeitgenössische) Situation zu analysieren, in der ein Sprecher den Satz (1a) (Russell 1905) äußert? Da es gegenwärtig keinen König von Frankreich gibt, kann es sich jedenfalls um keine wahre Behauptung handeln. Die zweiwertige Logik diktiert damit den Wahrheitswert falsch. Dann aber müßte die Negation (1b) des Satzes wahr sein, eine Konsequenz, die prima facie wenig plausibel erscheint. (1) a. Der König von Frankreich ist weise. b. Der König von Frankreich ist nicht weise. E s gibt zwei Traditionen der Analyse dieses Problems. Die ältere geht auf Russell (1905) zurück und siedelt das Problem vollständig im Bereich der logischen Semantik an. Hier lassen sich zwei Typen von Lösungen unterscheiden: (i) die Skopusanalyse mit Hilfe der klassischen Negation in einer zweiwertigen Logik (Russell 1905; Whitehead & Russell 1927, *14; Kalish et al. 1980, Kap. 8; Montague 1974, Kap. 9); (ii) die Präsuppositionsanalyse mit Hilfe einer oder zweier Negationen im Rahmen einer Dreiwertlogik (van Fraassen 1971, Blau 1978). Russell selbst benutzte einen eigenen Skopus-Indikator, der Teil der logischen Form ist; damit kann der Kontext spezifiziert werden, bezüglich dessen die E limination des Kennzeichnungsoperators intendiert ist. Die resultierende syntaktische Komplexität ist enorm. Quine (1969) vereinfacht die Russellsche Analyse, indem er den Skopusindikator fallen läßt und die E limination lediglich in elementaren Prädikationen erlaubt (nach Art des Prinzips (Tι)). Der Preis dafür ist, daß bei negierten Sätzen wie (1b) nur noch die logische Form LF1 aus Beispiel B4 möglich ist. Montague (1973) stellt mit Hilfe des Lambda-Operators die alte Flexibilität wieder her; der Kern dieser Lösung wurde im vorigen Abschnitt angegeben (genau genommen kommt Montague aufgrund seiner neuartigen Quantifikationstheorie ohne Kennzeichnungsoperator in der E xplikationssprache aus; siehe Abschnitt 4). Danach wird mit (1b) entweder behauptet, daß es nicht der Fall ist, daß der König von Frankreich weise ist (= LF1); das ist logisch verträglich mit der Nicht-E xistenz des Königs. Oder aber es wird die E xistenz des Königs behauptet und gleichzeitig gesagt, daß er nicht weise ist (= LF2). Bei der Nicht-E xi-
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stenz des Königs wird damit in diesen Varianten entweder der Satz (1 b) wahr, oder beide Sätze werden gleichzeitig falsch. Dieses E rgebnis ist von den Dreiwert-Logikern als semantisch inadäquat empfunden worden. Aufbauend auf der Intuition von Strawson (1952) wird in diesem Fall von einer nicht erfüllten Präsupposition gesprochen, so daß (1a, b) weder wahr noch falsch zu nennen seien: damit wird die Zweiwertigkeit oder Bivalenz der Logik aufgegeben. Der Vorteil dieser theoretischen E ntscheidung liegt darin, daß sich in einer solchen Logik L ein nichttrivialer Präsuppositionsbegriff definieren läßt. Intuitiv gesprochen präsupponiert eine Formel ϕ eine andere Formel ψ, wenn die Wahrheit von ψeine notwendige Bedingung dafür ist, daß ϕ wahr oder falsch, also wahrheitsdefinit ist; wenn man für dieses semantische Prädikat den Definitheitsoperator D (siehe unten) einführt, so läßt sich definieren: DefEine Formel ψ in L heißt Präsupposition einer Form ϕ (Bez. ϕ ψ) gdw Dϕ ⊩L ψ. Dient eine solche Sprache L als E xplikationssprache, so werden die Denotationsvoraussetzungen bei den Kennzeichnungen, d. h. die Existenz und die Eindeutigkeit, zu Präsuppositionen von Sätzen, in denen diese Kennzeichnungen vorkommen; im Beispiel (1) sind also die E xistenz und die E indeutigkeit des Königs von Frankreich die Präsuppositionen, deren Wahrheit eine notwendige Bedingung für die Wahrheitsdefinitheit von (1a, b) darstellt. Die Anwendbarkeit dieses semantischen Präsuppositionsbegriffs ist in Sprachphilosophie und Linguistik umstritten (s. auch Artikel 13). Viele halten Präsuppositionen für eine pragmatische Angelegenheit. Die sprachphilosophische Motivation ist diese: E in Satz kann in einer Situation dazu verwendet werden, eine Behauptung über die Welt aufzustellen, die darin besteht, daß der von dem Satz ausgedrückte Sachverhalt (die ausgedrückte Proposition) wahr ist. Auf die verschiedensten Weisen nun kann es dem Sprecher mißlingen, mit dem Satz eine Proposition auszudrücken, so etwa dadurch, daß eine Kennzeichnung verwendet wurde, die gar nicht denotiert. Dann kommt natürlich auch keine Behauptung zustande. Das heißt aber nicht, daß die Welt nicht zweiwertig wäre: jede Proposition ist als solche wahr oder falsch; wenn der Satz jedoch gar keine Proposition ausdrückt, entsteht der E indruck
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einer Wahrheitslücke. Diese Position wird entschieden von Autoren wie Barwise und Perry (1983 bzw. 1987) vertreten, die damit die Nützlichkeit einer Dreiwertlogik mit dem zugehörigen semantischen Präsuppositionsbegriff bestreiten. E ine ausgedehnte Literatur lieferte zudem Gegenargumente von linguistischer Seite (Gazdar 1979). Hauptsächlich dient die Instabilität (Tilgbarkeit) vieler angeblicher Präsuppositionen in wechselnden Kontexten als ein Argument dafür, daß es sich hier nicht um ein logisches Phänomen handeln könne, sondern um pragmatische Implikaturen. Semantiker versuchten daraufhin, die Problematik im folgenden Sinn neu zu umreißen (Heim 1983). Die Wahrheitslücken werden durch einen geeigneten Kontextbegriff ersetzt. Der Kontext ∑, auf den jede Äußerung eines Satzes S zu beziehen ist, hat zu garantieren, daß alle Präsuppositionen des Satzes in ihm erfüllt sind; in diesem Fall läßt Σ den Satz S zu (Σ admits S). Sieht man einmal von der ganz anderen gebrauchstheoretischen Rolle des Kontextbegriffs ab, so läßt sich allerdings zeigen, daß Heims Zulässigkeitsrelation und der alte semantische Präsuppositionsbegriff interdefinierbar sind (Link 1987 a): kontextfreie Dreiwertlogik und bivalente Kontextsemantik sind miteinander äquivalent. Lediglich die Grenzziehung zwischen Semantik und Pragmatik verläuft in der Dreiwertlogik anders: der logische Kern des Präsuppositionsproblems wird innerhalb der formalen Theorie operationalisiert. Dem reinen Demarkationsstreit kann der semantische Ansatz in seiner dreiwertigen Ausprägung im übrigen ein technisches Resultat entgegensetzen: es zeigt sich, daß etwa die Dreiwertlogik L3 (siehe unten) als logische E xplikationssprache eine beträchtliche Flexibilität aufweist, mit der auch das im semantischen Ansatz für unlösbar gehaltene Projektionsproblem für Präsuppositionen behandelt werden kann (Link 1986). E in Hauptproblem bei der Aufgabe des Bivalenzprinzips besteht allerdings in der Wahl einer geeigneten Logik der Wahrheitslücken. Das bekannteste dreiwertige System neben dem historisch frühesten von Lukasiewicz ist die „starke“ Logik in Kleene (1952: 334). E in weiteres, in der Literatur häufig auftretendes System ist das der Superbewertungen (engl. supervaluations) von van Fraassen (1966, 1971). E ine Superbewertung s baut auf einer Menge K von klassischen bivalenten Bewertungen auf und weist einer Formel ϕ
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genau dann einen Wahrheitswert i ∈ {—1, 1} zu, wenn für alle Bewertungen v aus K ν(ϕ) = i gilt; sonst ist s undefiniert (die Funktion s kann durch die Voten eines Gremiums K illustriert werden, in dem Zwang zur E instimmigkeit herrscht). E in drittes System, das zugleich am weitesten ausgearbeitet scheint und explizite Formalisierungen der natürlichen Sprache anbietet, findet sich in Blau (1978, 1983, 1985). Diese Logik L3 nimmt statt einer Wahrheitslücke einen dritten Wert u für „unbestimmt“ an. Sie stimmt in den Grundjunktoren mit der starken Kleeneschen Logik überein, jedoch bis auf eine wichtige Ausnahme: das Konditional wird nicht wie bei Kleene mit Hilfe der starken Negation ausgedrückt, sondern mit der klassischen schwachen Negation (diese Wahl wird in Blau 1978 ausführlich motiviert). L3 ist eine „konservative E rweiterung“ der klassischen Prädikatenlogik (Blau 1978: 178). Das liegt daran, daß in L3 der Bereich des klassisch Falschen lediglich weiter analysiert wird in einen unbestimmten und einen wahrheitsdefiniten, genuin falschen Bereich: ignoriert man also diesen Unterschied, erhält man die klassische Logik zurück. Neben dem Unbestimmtheitsgrund nichterfüllter Präsuppositionen gibt es in L3 nach den der Vagheit. Prädikatextensionen sind nicht mehr notwendig „scharf“ in einem Modell: es gibt eine positive E xtension P+, die die eindeutig positiven Instanzen, und eine negative E xtension P—, die die eindeutig negativen Instanzen eines Prädikats P enthält; P+und P—erschöpfen jedoch den Grundbereich nicht mehr: dazwischen liegt ein möglicherweise nicht-leerer Vagheitsbereich von P. Auf das Problem der Vagheit kann hier nicht eingegangen werden (siehe dazu jedoch Ballmer & Pinkal 1983, Pinkal 1984, 1985 sowie Artikel 11). Die dreiwertige Logik L3 sei nun in knapper Form mit einigen wichtigen Formalisierungsbeispielen skizziert. Wie in Abschnitt 2 wird von den arithmetischen E igenschaften der Darstellung der Wahrheitswerte durch Zahlen Gebrauch gemacht. Die Zahl ‘1’ stehe wieder für „wahr“, ‘—1’ für „(L3-)falsch“, und ‘0’ für „unbestimmt“. Also ist falsch < unbestimmt < wahr. Damit können die Wahrheitsregeln aus Abschnitt 2.2 fast wörtlich übernommen werden. ∥(ϕ ⋀ ψ)∥M,g ist wieder das Infimum von ∥ϕ∥M,gund ∥ψ∥M,g, ∥(ϕ ∨ ψ)∥M,g das Supremum; dasselbe gilt für den All- bzw. den E xistenzquantor. Die Regel
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4. für die klassische Negation wird jetzt von der neuen starken Negation ‘~’ der Dreiwertlogik übernommen: ~ ϕ ist 1, wenn ϕ gleich —1 ist, und umgekehrt; ist ϕ dagegen unbestimmt, also = 0, so ist ~ ϕ ebenfalls = 0. Die bisherige schwache Negation ϕ „ignoriert“ weiterhin die Differenzierung im nicht-wahren Bereich: 1 wird zu —1, und 0 oder —1 werden beide zu 1. E s seien TV := {—1, 0, 1} und δ : TV→ TV eine diese Information „verwischende“ Funktion derart daß δ(i) = 1 falls i = 1, und δ(i) = —1 sonst. Dann ist die schwache Negation die Funktion —δ(i). Die Wahrheitsregeln für die beiden Negationen lauten also (die Numerierung setzt die aus Abschnitt 2.3 fort, ist jetzt aber mit einem Stern versehen): 4.1* ∥~ ϕ∥M,g= — ∥ϕ∥M,g 4.2* ∥ ϕ∥M,g = — δ(∥ϕ∥M,g). E ine entsprechende Modifikation ist bei der Regel 5.3 für das Konditional anzubringen: 5.3* ∥(ϕ → ψ)∥M,g = sup {— δ(∥ϕ∥M,g), ∥ψ∥M,g}. Die Regel 5.4 für den Doppelpfeil drückt die Wahrheitswert-Gleichheit aus; während dies in PL1 soviel bedeutet wie die wechselseitige materiale Implikation, treten diese beiden Definitionen in L3 auseinander: die Wahrheitswert-Gleichheit wird für einen neuen Junktor, die starke Äquivalenz ‘≡’, reserviert, und der Doppelpfeil steht für die Konjunktion der wechselseitigen Konditionale. Das führt zu den folgenden Wahrheitsregeln (dabei sei A wie oben in 5.4 und Δ* : TV2→ TV mit Δ*(i,j) = 1 falls δ(i) = δ(j); = —1, falls i,j ≠ 0 und i = — j; und = 0 sonst): 5.4* ∥(ϕ ≡ ψ)∥M,g = Δ(∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥)M,g); 5.5* ∥(ϕ ↔ ψ)∥M,g = Δ(∥ϕ∥M,g, ∥ψ∥)M,g). Man beachte, daß im zweiwertigen Fall Δ* mit Δ zusammenfällt und damit die beiden Junktoren, wie es sein sollte, dieselbe Semantik erhalten. E s ist ferner bequem, die folgenden einstelligen Junktoren zur Verfügung zu haben: ‘T’ für „es ist wahr daß“; ‘F’ für „es ist falsch daß“; ‘N’ für „es ist unbestimmt daß“; ‘D’ für „es ist wahrheitsdefinit daß“. Die Wahrheitsregeln lauten (i ist wie in der Arithmetik der absolute Betrag der Zahl i): 4.3* ∥Tϕ∥M,g = δ(∥ϕ∥M,g); 4.4* ∥Fϕ∥M,g = δ(— ∥ϕ∥M,g); 4.5* ∥Nϕ∥M,g = — δ( ∥ϕ∥M,g); 4.6* ∥Dϕ∥M,g = δ( ∥ϕ∥M,g).
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Schließlich sei noch der zentrale „präsupponierende Junktor“ ‘/’, die Präjunktion, eingeführt (Blau 1985); ‘(ϕ/ψ)’ ist zu lesen als „ϕ wobei vorausgesetzt ist daß ψ“. Dazu definieren wir außer δ eine weitere Hilfsfunktion γ : TV→ TV durch γ(i) = 1 falls i = 1; und = 0 sonst. Dann lautet die Wahrheitsregel: 5.6* ∥(ϕ/ψ)∥M,g = ∥ϕ∥M,g · γ(∥ψ∥M,g). Wenn also ψ nicht wahr ist, dann wird der Faktor γ(∥ψ∥M,g) gleich 0 und damit die gesamte Präjunktion unbestimmt; ist ψdagegen wahr, so gilt γ(∥ψ∥M,g) = 1, und der Wert der Präjunktion stimmt mit dem Wert von ϕ überein. Hier haben wir es also mit einer objektsprachlich gefaßten Präsuppositionsbeziehung zu tun; in der Tat ist die Formel ψ im oben angegebenen Sinn eine Präsupposition von (ϕ/ψ). Die Präjunktion wird z. B. verwendet, um eine beschränkte Quantifikation mit Existenzpräsupposition zu definieren: Def ∀x(ϕ, ∃x(ϕ,
ψ) ψ)
:= :=
∀x(ϕ ∃x(Tϕ
→ ⋀
ψ)/∃xϕ ψ)/∃xϕ)
In dieser Definition steckt neben der deutlich sichtbaren E xistenzpräsupposition auch noch eine Auszeichnung des Vorbereichs durch den Wahrheitsjunktor T, welche das „Terrain der Auswertung“ auf die eindeutig positiven ϕInstanzen einschränkt [beim Allquantor verbirgt sich der T-Operator im Konditional: wir haben (ϕ → ψ) ≡ ( ϕ ∨ ψ) = (~Tϕ ∨ ψ), da ϕ ≡ ~Tϕ]; das erzeugt eine Asymmetrie, die erst in L3 hervortritt. Blau (1985: 417) gibt dazu folgendes Beispiel: gegeben sei eine Situation, in der alle anwesenden Personen Junggesellen sind und es außerdem irgendwo anders einen E hemann gibt, der älter ist als seine Frau. Dann ist der Satz (2a) L3falsch, während (2b) neutral wird. (2) a. Mindestens einer, der älter ist als seine Frau, ist anwesend. ∃x(P2x(ιyQ2yx), Rx) P2xy : x ist älter als y Q2xy : x ist Frau von y Rx : x ist anwesend b. Mindestens ein Anwesender ist älter als seine Frau. ∃x(Rx, P2x(ιyQ2yx)) In beiden Fällen ist die E xistenz von ϕInstanzen erfüllt, so daß die Formel vor dem Schrägstrich in der Definition ins Spiel kommt. Da alle älteren E hemänner nicht anwesend sind, werden alle Konjunktionen TP2x(ιyQ2yx) ⋀ Rx falsch und damit das
Supremum ebenfalls; der T-Operator sorgt hier dafür, daß nur E hemänner (und also kein Anwesender!) als Instanzen herangezogen werden. Also ist der gesamte Satz falsch. In (2b) dagegen wird der Bereich der Instanzen von den Anwesenden gebildet; keiner ist verheiratet, also ist P2x(ιyQg2yx) jedesmal neutral, da die Kennzeichnung nicht denotiert. Da die Konjunktion in keinem Fall wahr wird, ist das Supremum = 0 und damit der E xistenzsatz neutral. E s sei bemerkt, daß damit die beiden Sätze im allgemeinen zwar nicht ≡-äquivalent, aber immer noch allgemein bikonditional sind; das erklärt, daß dieser Unterschied in PL1 verwischt wird. E in natursprachliches Beispiel einer beschränkten Allquantifikation sei noch angeführt, das die spezielle Definition des Konditionals in L3 plausibel macht. Betrachten wir den Satz (3), (3) Alle Demokratien haben die Pressefreiheit ∀x(Px → Qx)Px : x ist eine Demokratie Qx : x hat Pressefreiheit und nehmen wir an, daß dies für alle klaren Fälle von Demokratie gilt. E s möge jetzt mindestens einen Vagheitsfall y von Demokratie auf der Welt geben, in dem keine Pressefreiheit herrscht. Dann ist Py neutral und das Konditional nach 5.3* bereits wahr, da — δ(∥Py∥M,g) = 1; dieser Fall stört also die Wahrheit des Allsatzes nicht. Bei dem Konditional der starken Kleeneschen Dreiwertlogik dagegen (es sei ‘ ~→’ genannt) fehlt die Funktion δ in der Definition; (ϕ ~→ ψ) wird damit äquivalent zu (~ ϕ ∨ ψ). Damit wird aber der vage Fall Py für die Wahrheit des Allsatzes relevant: ~ Py ist nach 4.1* ebenfalls neutral, und Qy ist falsch; dann ist (~ Py ∨Qy) neutral, und der Allsatz ist nicht mehr wahr. Das ist jedoch intuitiv unbefriedigend: die Verhältnisse im Positivbereich von P werden „von außen“ beeinflußt, der Allquantor „lebt“ nicht vollständig auf seinem Vorbereich (vgl. das Kriterium lives on in Barwise & Cooper 1981). Der Vollständigkeit halber seien die restlichen Wahrheitsregeln von L3 angegeben. Da L3 keine Lambda-Abstraktion enthält, bleiben die Regeln für die elementare Prädikation und den Iota-Operator. Letzterer kann i. w. wie in Abschnitt 2.2 definiert werden, wobei das Dummy-Symbol § durch „nicht definiert“ ersetzt wird. Dann lautet die Prädikationsregel:
41. Formale Methoden in der Semantik
2*. ∥pnto, ..., tn—1∥M,g = 1 wenn alle ti denotieren und 〈∥to∥M,g, ..., ∥tn—1∥M,g〉 ∈ (∥pn∥M,g)+ ∥pnto, ..., tn—1∥M,g = —1 wenn alle ti denotieren und 〈∥to∥M,g, ..., ∥tn—1∥M,g〉 ∈ (∥pn∥M,g)— ∥pnto, ..., tn—1∥M,g = 0 sonst Die semantischen Begriffe der Wahrheit, logischen Folgerung, Gültigkeit und E rfüllbarkeit sind wie in PL1 erklärt. Am E nde dieses Abschnitts sei noch illustriert, wie die partielle Negation in Beispielen von der Art (4) in L3 zu behandeln ist. (4) Peters Hund hat Annas Katze nicht gebissen. Unter Verwendung der starken und schwachen Negation hat man zunächst zwei logische Formen für diesen Satz: (5) a. Q2 (ιxP2xa)(ιyR2yb) b. ~ Q2 (ιxP2xa)(ιyR2yb) Q2xy : x hat y gebissen P2xy : x ist Hund von y R2xy : x ist Katze von y a : Peter; b : Anna Die schwache Negation in (5a) „absorbiert“ alle Präsuppositionen des eingebetteten Satzes, hier die E xistenz und E indeutigkeit der beiden Kennzeichnungen; diese sind also keine Folgerungen aus (5a). Für (5b) dagegen gilt mit dem L3-Prädikat ‘e!(ιxϕ)’ für „(ιxϕ) denotiert“: (6) ~ Q2(ιxP2xa)(ιyR2yb) ⊩L3 e!(ιxP2xa) ⋀ e!(ιyR2yb) Mit einer partiellen Negation haben wir es zu tun, wenn der Satz (4) in einer Situation geäußert wird, in der es zwar Peters Hund gibt, aber Anna keine Katze besitzt; dann kann der Sprecher den Satz (4) fortsetzen: „... denn Anna hat gar keine Katze“. Diese Möglichkeit gilt den Vertretern des pragmatischen Ansatzes als Beweis dafür, daß die E xistenz und E indeutigkeit von Kennzeichnungen gar keine Präsuppositionen darstellen, weil sie im vorgestellten Fall „aufgehoben“ werden können. Im semantischen Ansatz ist dagegen die Situation so zu deuten, daß für den Satz (4) einfach mehrere logische Formen zur Verfügung stehen, unter denen der Hörer eine als plausibelste Interpretationshypothese herausgreift (Link 1986). Ist die Negation von (4) im angegebenen Sinne partiell, so reichen die
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LFs (5a, b) nicht aus: (5a) ist zu schwach, da auch die E xistenz von Peters Hund nicht folgt, (5b) zu stark, da hier beide Kennzeichnungen denotieren müssen. An dieser Stelle hilft die Präjunktion weiter: die passende Hypothese wird durch die folgende LF (7a) wiedergegeben: (7) a. Q2(ιxP2xa)(ιyR2yb) / e! (ιyP2ya) b. Q2(ιxP2xa)(ιyR2yb) / e! (ιyR2yb) In (7a) folgt nur die E xistenz von Peters Hund, während in der dualen LF (7b) nur die E xistenz von Annas Katze garantiert ist. Ferner zeigt sich, daß unter Vernachlässigung von Vagheit in L3 die folgende Äquivalenz besteht: (8) ~ Q2(ιxP2xa)(ιyR2yb) ≡ Q2(ιxP2xa) (ιyR2yb) / e! (ιxP2xa) ⋀ e! (ιyR2yb) Die starke Negation läßt sich also mit Hilfe der schwachen Negation und der Präjunktion wiedergeben. Das System L3 zeigt im Fall der partiellen Negation also die angemessene Ausdruckskraft. E iner der wichtigsten Tests für jede Präsuppositionstheorie stellt jedoch das sog. Projektionsproblem dar. Die wichtigsten Referenzen dazu sind Karttunen 1974, Karttunen & Peters 1979, Gazdar 1979, Soames 1982, Heim 1983, und Link 1986. In der letztgenannten Arbeit wird der semantische Ansatz zur Lösung des Projektionsproblems im Rahmen von L3 verteidigt. In diesem Abschnitt wurde versucht zu zeigen, wie verfeinerte logische Techniken (hier die der Dreiwertlogik) in der Theorie der Semantik auch dann noch wert sind betrachtet zu werden, wenn die vorherrschende linguistische Mode eine andere Sprache spricht. Das soll nicht heißen, daß die Idee einer Kontexttheorie keinen wichtigen neuen Beitrag liefern würde — dieser liegt in der Tat in der dynamischen Betrachtungsweise, die der klassischen logischen Sprachanalyse fremd ist, sich jedoch in dem Maße mehr und mehr als fruchtbar erweist, wie sich die semantische Forschung dem Problem der Verarbeitung sprachlicher Information zuwendet. Richtungweisend für eine Theorie der Kontextveränderung in einem laufenden sprachlichen Diskurs sind die Arbeiten von R. Stalnaker (siehe z. B. Stalnaker 1972, 1978) sowie I. Heim (1982, 1983) und H. Kamp (1981a). Kamps Theorie der Diskursrepräsentationen (DRT) wird in Abschnitt 5 vorgestellt; zu den erstgenannten Autoren siehe Artikel 10.
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4.
Montague-Grammatik
In der linguistischen Semantik der letzten 15 Jahre nimmt die Montague-Grammatik („MG“) eine zentrale Stellung ein. Diese Theorie wurde im wesentlichen auf der Basis der Aufsätze Universal Grammar („UG“, Montague 1970b) und The Proper Treatment of Quantification in Ordinary English („PTQ“, Montague 1973) entwickelt. An Literatur zur MG seien genannt R. Thomasons Introduction in Montague (1974), Link (1976: Kap. II), Löbner (1976), Partee (ed.) (1976), Link (1979), Davis & Mithun (1979), Dowty et al. (1981). Rein formal besteht die Bedeutung der MG zunächst darin, daß sie einen Standard an E xaktheit in der semantischen Forschung gesetzt hat, an dem sich jede künftige semantische Theorie messen lassen muß. Sodann läßt sich der E influß der MG daran ablesen, daß fast alle derzeit geläufigen Systeme Lösungen von Problemen anbieten, die in der MG entweder zutagegetreten sind oder dort zum ersten Mal systematisch und präzise behandelt wurden. E ine Ausnahme bildet eigentlich nur das Werk von U. Blau, dessen sechswertige Reflexionslogik, aus seiner dreiwertigen Logik (Blau 1978) entwickelt, ohne jeden Bezug auf MG und in expliziter Ablehnung ihrer Grundannahmen entstand. Die beiden genannten Aufsätze Montagues UG sowie PTQ befassen sich mit mehreren großen voneinander durchaus unabhängigen Problemkreisen und bieten dazu Lösungen an, die in ein einheitliches, umfassendes formales System integriert sind. Da ist zunächst das Projekt einer Universellen Grammatik, welches vor allem in UG dargelegt ist (siehe dazu auch die mit einem Stern gekennzeichneten Abschnitte in Link 1979). Die Grundthese ist, daß Syntax und Semantik einer natürlichen Sprache eine rekursive Kombinatorik aufweisen, die sprachliche Ausdrücke und ihre semantische Interpretation in strenger Parallelität zusammensetzt. Dieser auf Frege zurückgehende Funktionalitätsgedanke wird hier so strikt gefaßt, daß beinahe alle natursprachlichen Lexeme eine eigene semantische Repräsentation erhalten, die dann nach dem „Baukasten-Prinzip“ analog dem syntaktischen Aufbau miteinander kombiniert werden (berühmt wurde die komplizierte „Bedeutung“ des Auxiliars be in UG). Montague liefert für das derart gefaßte Kompositionalitätsprinzip der Semantik eine mathematische Begründung im Rahmen der universellen Algebra: die syntaktischen Ausdrücke
und ihre semantischen Gegenstücke bilden komplexe Algebren, zwischen denen ein fundamentaler Homomorphismus besteht (s. auch Artikel 7). E ine solche Grammatik-Struktur zieht andere theoretische E ntscheidungen nach sich. Die Syntax nimmt hier am besten die Gestalt einer Kategorialgrammatik an, und deren homomorphes Gegenstück mündet in einer typentheoretischen Semantik (zur Parallelität von Typen und Kategoriensymbolen siehe van Benthem 1987). In ihr wird ein komplexes Kategoriensymbol der Form A /B als ein logischer Typ gleicher Struktur gedeutet, der für Funktionen von Objekten der Kategorie B in Objekte der Kategorie A steht. So ist z. B. ein Adjektiv von der Kategorie N/N, d. h. es nimmt ein (möglicherweise komplexes) Nomen zu sich und ergibt wieder ein solches. Das komplexe Nomen politischer Freund etwa, das aus dem Adjektiv politisch der Kategorie N/N und dem Nomen Freund gebildet ist, denotiert dann ein Objekt (= die Menge der politischen Freunde), welches das E rgebnis der Anwendung der Funktion ∥politisch′∥ auf das Argument ∥Freund′∥ (= der Menge der Freunde) darstellt. Wenn nun im E inklang mit der üblichen extensionalen Semantik Nomina Mengen von Individuen denotieren, so muß das Adjektiv semantisch als eine Transformation auf Mengen von Individuen interpretiert werden, welche ein Objekt höheren Typs darstellt. Der Schritt zur Typentheorie eröffnet allerdings zudem und sozusagen „gratis“ die Möglichkeit einer eleganten einheitlichen Behandlung von Nominalphrasen in dem Teilsystem, das der Logik der zweiten Stufe entspricht (siehe unten). Bei der Typentheorie handelt es sich in der von Montague gewählten Form um eine Theorie der sog. einfachen Typen, die auf Church (1940) zurückgeht. Die Typen werden über zwei Grundtypen e (für Individuen [eng. ‘entity’]) und t (für Wahrheitswerte [engl. ‘truth value’]) nach der einfachen Regel rekursiv aufgebaut, daß, wenn σ und τ Typen sind, auch (σ)τ ein Typ ist (wobei die Klammern weggelassen werden können, wenn a durch ein einzelnes Zeichen mitgeteilt wird; zu dieser Notation, die einfacher ist als Montagues Paar-Schreibweise 〈σ,τ〉, siehe Link 1979). στ steht für Funktionen von Objekten des Typs a in Objekte des Typs τ. So ist et der Typ der Funktionen von der Menge der Individuen in die Menge der Wahrheitswerte; diese Funktionen können mit den Teilmengen des Individuenbereichs identifizert werden und sind daher die möglichen Denotate für die einstelligen Prädikate der ersten Stufe. Allgemeiner steht
41. Formale Methoden in der Semantik
der Typ τtfür Mengen von Objekten des Typs T, und ττt für 2-stellige Relationen in Mengen von Objekten des Typs τ.
Während also das Prinzip der strikten Kompositionalität einerseits die Typentheorie als semantische E xplikationssprache nach sich zieht, zwingt sie andererseits zur Aufgabe der traditionellen E xtensionalität der Logik: die gewünschte Funktionalität läßt sich nur auf der E bene feinkörnigerer Objekte erzielen, als die gewöhnlichen E xtensionen es sind; besonders eklatant ist dies bei den Satzkomplementen zu sehen, deren extensionale Denotate ja nur Wahrheitswerte sind, die jeden inhaltlichen Unterschied verwischen. An dieser Stelle findet die Mögliche-Welten-Semantik Eingang in das System: die gesuchten feinkörnigeren Objekte sind bei Montague Intensionen, d. h. Funktionen von möglichen Welten in die gewöhnlichen (typengerechten) E xtensionen. E s ist hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, von welch erstaunlicher Schlichtheit dieser Gedanke ist, der, wie die Beispiele unten zeigen, formal außerordentlich leistungsfähig scheint und dementsprechend in der Semantik vorübergehend wie der Stein der Weisen empfunden wurde, zugleich aber verantwortlich ist für die krassesten Inadäquatheiten des Montagueschen Systems: Ist irgendwo die Funktionalität verletzt, so verfeinere man die Substitutionsklassen durch Übergang zu den entsprechenden Intensionsfunktionen. Mit diesem universellen Rezept, das hier der Intensionalisierungstrick genannt sei, wurden propositionale E instellungen ebenso behandelt wie das Temperatur-Puzzle (siehe die Beispiele unter I.5 unten) oder etwa die Frage der Denotation von Stoffnamen wie ‘Gold’. Die modale Komponente der Typenlogik wird in PTQ noch durch eine einfache Temporallogik ergänzt. Jeder Ausdruck wird damit prinzipiell relativ zu einer gegebenen möglichen Welt und einem gegebenen Zeitpunkt interpretiert. Da Montague ferner eine Tarskische Semantik mit Variablenfunktionen, also ein offenes Variablensystem, zugrundelegt, muß ein Ausdruck auch noch relativ zu der gegebenen Belegung der in ihm frei auftretenden Parameter interpretiert werden. Die genannten Relativierungen eröffnen die Möglichkeit der Behandlung aller Arten von Indexikalitätsproblemen, die bei Montague selbst zwar nicht im Vordergrund stehen, wozu in der MG jedoch der formale Rahmen bereits angelegt ist. Die mit der hier grob umrissenen Semantik ausgestattete E xplikationssprache von PTQ stellt also eine temporale intensionale Typenlogik dar, in Link
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(1979) TITL genannt. Die Typenstruktur in TITL ist die oben beschriebene, erweitert um einen (uneigentlichen) Typ s für die möglichen Welten; als zusätzliche Typenregel gilt, daß, wenn τ ein Typ ist, auch s τ ein Typ ist. Typen der Gestalt s τ sind die Typen für die Intensionsfunktionen (siehe unten) von der Menge der möglichen Welten in die Menge der Objekte des Typs τ. So ist etwa se der Typ der Individuenkonzepte, s τt der Typ der E igenschaften von Objekten des Typs T, und (set)t der Typ der Mengen von E igenschaften von Individuen. Die Variable P in den unten angegebenen Formalisierungen hat (bis auf die Tatsache, daß sie für E igenschaften von Individuenkonzepten steht) diesen Typ.
Der zweifellos wichtigste Beitrag der MG besteht in ihrer Behandlung der Probleme der Quantifikation und A naphern, die sich vor allem auf PTQ stützt. Das formale Instrument ist hier der Lambda-Operator und seine Kombinatorik. Der folgende Korpus von Sätzen stellt eine repräsentative Auswahl von Beispielen zu den genannten Problemkreisen dar. Diese werden sodann kurz auf eine Weise diskutiert, daß die Möglichkeiten und Grenzen des Systems deutlich werden. Die dabei angesprochenen Probleme der MG haben in der Folgezeit zu weiteren Ansätzen in der formalen Semantik geführt, deren wichtigste in weiteren Abschnitten vorgeführt werden. I. Intensionale Kontexte 1. Modale Kontexte (9) a. Notwendigerweise ist 9 größer als 7. (mathematische Notwendigkeit) b. Notwendigerweise bewegen sich die Planeten auf Kegelschnittbahnen. (physikalische Notwendigkeit) c. Es ist notwendig, daß, wenn Hans Junggeselle ist, er ein unverheirateter Mann ist. (analytische Notwendigkeit) d. Notwendigerweise ist jedes Küssen ein Berühren. (analytische Notwendigkeit) e. Möglicherweise hat Peter sein neues Auto (schon wieder) zu Schrott gefahren. 2. Temporale Kontexte (10) a. Früher war der Papst ein Kunstmäzen. b. Alle Teilnehmer des Turniers konnten einen Sieg erringen; der Favorit verlor jedoch stets. 3. Epistemische/opake Kontexte (11) a. Der Kommissar sucht den Mörder.
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b. Hans sucht ein Einhorn. c. Hans bewundert den Erfinder des Transistors. d. Maria will ein Einhorn finden und es pflegen. e. Ralph glaubt, daß der Mann mit dem braunen Hut ein Spion ist. 4. Nicht-Funktionalität (12) a. Müller ist ein politischer Freund von Meier, aber kein Freund. b. Angeblich ist Huber ein Grundstücksspekulant. 5. Individuenkonzepte (13) a. Der Trainer wechselt. b. Die Temperatur ist neunzig (Grad Fahrenheit) und steigt, aber es ist nicht der Fall, daß neunzig steigt. (Parteesches Puzzle) II.Quantifikation (14) a. Alle jubeln einer Frau zu. b. Jeder Student wird einen Professor hören. c. Jeder Mann liebt eine Frau nicht. d. Pedro glaubt, daß ein mexikanischer Gott sich an allen Touristen rächt. e. Hob glaubt, daß eine Hexej seine Sau getötet hat, und Nob glaubt, daß siej seine Stute geblendet hat. (Hob-NobSatz) III.Anaphora (15) a. Jeder Manni liebt eine Frauj, diej ihni liebt. b. Jeder Farmer, der einen Eseli hat, schlägt ihni. (donkey-Satz) c. Der Mann, der seinen Schecki seiner Frau gab, war weiser als der Mann, der ihni seiner Geliebten gab. (paycheck-Satz) d. Das Mädcheni, das ihnj nur anmachen wollte, küßte den Jungenj, der esi verehrte. (Bach-Peters-Satz) Die intensionalen Kontexte (Beispielgruppe I) führen zu einer Anreicherung der klassischen Logik mit einer Modallogik, welche den Wahrheitsbegriff von einer Menge von „möglichen Welten“ abhängig macht (vgl. Hughes & Cresswell 1970). Montague wählt i. w. eine sog. S5-Logik. Als Modaloperatoren treten die Operatoren ‘☐’ („es ist notwendig, daß“), ‘♢’ („es ist möglich daß“), ‘̂’ (der Intensor), sowie ‘⋁’ (der E xtensor) auf. ‘☐’ und ‘♢’
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sind die üblichen modalen Satzoperatoren, während ‘⋀’ und ‘⋁’ eine analoge Funktion haben wie der λ-Operator bzw. die funktionale Anwendung. Der Intensor ist allgemeiner als die üblichen Modaloperatoren und erlaubt eine Defintion von ‘☐’ und damit auch ‘♢’. Intensionalisierte Terme der Gestalt ̂ζ denotieren Intensionsfunktionen oder kurz Intensionen, d. h. Funktionen von der Menge I der möglichen Welten in passende E xtensionen. Diese Intensionen sind die eigentlichen Objekte der Theorie, die als auf die E bene der Funktionen „geliftete“ E xtensionen viel feinkörniger sind als die üblichen Denotate der Tarski-Semantik; mit ihrer Hilfe werden die Intensionalitätsprobleme der Beispielgruppe I einer Lösung zugeführt. Für die temporalen Intensionalitäten wird der Parameter der möglichen Welten noch durch einen weiteren Parameter für Zeitpunkte ergänzt; die Zeitpunkte tragen dabei eine lineare Ordnung, so daß ein Zukunfts- und ein Vergangenheitsoperator (‘W’ für engl. „it will be the case that“ bzw. ‘H’ für engl. „it has been the case that“) definierbar werden. Der Notwendigkeitsoperator ist dann als „notwendigerweise stets“ zu lesen. Die ersten Sätze unter I. entsprechen in der MG den klassischen modallogischen Repräsentationen, wenn man vom speziellen Typenapparat absieht. Satz (9e) zeigt, daß eine Kennzeichnung (sein neues A uto) entweder als außerhalb des modalen Kontexts stehend oder als dessen Teil aufgefaßt werden kann. Im ersten Fall gibt es das Auto, im zweiten kann der Satz etwa als Spekulation über die Lebenschancen eines neuen Autos gedeutet werden, das Peter vor einem Monat vorhatte sich anzuschaffen (Peter kann aber seine Pläne geändert haben). Die Beispiele (10) zeigen ein analoges Verhalten von Kennzeichnungen in temporalen Kontexten. So stellt Satz (10b) prima facie einen Verstoß gegen das klassische Spezialisierungsprinzip ∀xϕ → dar; da aber der Term der Favorit jeweils am vorliegenden Zeitpunkt auszuwerten ist, ist der Satz auch formal konsistent (Link 1979: 184 f). Verben wie suchen und bewundern sind in der Objektposition intensional, ebenso der VP-Operator wollen sowie die klassischen E instellungsverben wie glauben. Die MG gestattet Formalisierungen von Sätzen wie unter (11), die intuitiv inadäquate Folgerungen blockieren; so folgt weder in (11b) noch in (11d) aus der opaken Lesart die E xistenz eines E inhorns, und bei den Kennzeichnungen ist in dieser Lesart die Substitutivität referenz-
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gleicher Terme blockiert. Bei den Adjektiven ist die Operator-Auffassung hilfreich, weil sie den Schluß von ist ein A DJ + N auf ist ein N, der nur bei den intersektiven Adjektiven gültig ist, blockiert; intensionale Adjektive wie mutmaßlicher Mörder, designierter Nachfolger, politischer Freund transformieren die E xtension des Nomens derart, daß das E rgebnis nicht notwendig eine Teilmenge davon ist. Intensionale (Satz-)Adverbien wie angeblich können ebenfalls behandelt werden. Dabei muß zur Aufrechterhaltung des funktionalen Charakters des adverbialen Operators das Argument intensionalisiert werden; sonst würde aus (12b) mit der Annahme, daß die Grundstücksspekulanten gerade die Gemeinderäte sind, folgen, daß Huber angeblich ein Gemeinderat ist. Nun bezeichnen Sätze in der MG aber ohnehin Propositionen, also spezielle Intensionsfunktionen, so daß Wertegleichheit der beiden Sätze in einer Welt keine ausreichende Grundlage für den Schluß darstellt. Überlegungen wie diese führen Montague dazu, generell vom ungünstigsten Fall auszugehen und die Operanden-Terme bei der Übersetzung durchweg zu intensionalisieren; durch geeignete Bedeutungspostulate für die harmlosen Kontexte werden dann erst in einem zweiten Schritt die extensionalen Versionen hergestellt. Das sog. Parteesche Puzzle, hier unter (13b) wiedergegeben, gab speziell den Anlaß zur Intensionalisierung der Individuenterme, so daß die logische Zielsprache in PTQ eine Sprache der Individuenkonzepte darstellt. Dadurch wird eine große E inheitlichkeit und formale E leganz erzielt, die allerdings auf Kosten sprachnaher Repräsentationen geht. Der Behandlung der Quantifikation (Beispielgruppe II) liegt folgender Gedanke zugrunde: Die klassische logische Form für einen bedingten Allsatz der Form alle P sind Q zerlegt die Quantenphrase alle P in zwei Teile; syntaktisch aber bildet sie als NP ebenso wie etwa der Name Peter eine einheitliche Konstituente. Nun enthält die Sprache TITL als Teilsystem die (intensionale) Prädikatenlogik der zweiten Stufe, in der in Anlehnung an eine Idee von Leibniz ein uniformes Denotat für alle Nominalphrasen gefunden werden kann: die NP Hans etwa denotiert die Menge aller E igenschaften, die auf Hans zutreffen, während die NP alle Menschen die Menge der E igenschaften denotiert, die auf jeden Menschen zutreffen. In der Objektsprache TITL von PTQ stehen für diese
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Leibniz-Denotate Namen zur Verfügung, die mit dem λ-Operator gebildet werden. So entspricht der NP [Hans]NP, wenn h eine Konstante für den Namen Hans in TITL ist, der λ-Ausdruck λP P {h}, und der NP [alle Menschen]NP der λ-Ausdruck λP ∀x [Mensch′(x) → P {x}] (hier ist P eine Variable für E igenschaften, und der Ausdruck ‘P{x}’ ist zu lesen als „P trifft auf x zu“). Damit gilt: (i) die natursprachlichen Quantorenausdrücke sind Determinatoren, die mit einem Nomen N eine NP bilden (diese NPn heißen bei Montague Terme); (ii) eine NP (ein Montaguescher Term) aber denotiert, wie wir gesehen haben, eine Menge von E igenschaften; (iii) eine VP, die sich mit einer NP zu einem Satz verbindet, steht für eine einzelne E igenschaft, welche im Fall der Wahrheit des Satzes ein E lement jener Menge ist. Das Problem natursprachlicher Quantifikation besteht also kategoriell in der Charakterisierung der für jeden Quantor typischen Relation zwischen zwei E igenschaften, der N-E igenschaft und der VP-E igenschaft, und technisch in der Herstellung der korrekten Skopus-Beziehung zwischen mehreren Quantoren und sonstigen Operatoren unter Beibehaltung der Baukasten-Kombinatorik. Für das letztgenannte technische Problem erweist sich, wie gesagt, der λ-Operator als das zentrale Instrument. Im Prinzip ist die dabei nötige Flexibilität auch schon in der ersten Stufe gegeben (siehe das obige System PL1 mit λ); was in PTQ hinzukommt, ist die Möglichkeit, den syntaktischen Aufbau des natursprachlichen Fragments in der E xplikationssprache TITL streng nachzuzeichnen; das führt in der Regel zunächst zu ziemlich komplexen Ausdrücken mit ineinandergeschachtelten λ-Termen, die jedoch durch λKonversion (welche auf dem verallgemeinerten λ-Prinzip von PL1 beruht) in vertrautere logische Formen überführt werden können. Um ein einfaches Beispiel zu geben: der natursprachliche Satz ϕ = [[Hans]NP[schläft]VP]S wird in eine TITL-Formel (Hans schläft)′ übersetzt, die die Anwendung des Prädikats der zweiten Stufe, der Übersetzung Hans′ von [Hans]NP, auf die Intensionalisierung (siehe oben) des Prädikats der ersten Stufe, der Übersetzung schläft′ von [schläft]VP, darstellt. E s ergibt sich also die zu ϕ augenfällig homomorphe Struktur Hans′(̂ schläft′) für (Hans schläft)′. Nach dem, was oben gesagt wurde, ist Hans′ aber der Term λP P {h}, so daß wir aus Hans′(̂ schläft′) = λP P {h} (̂ schläft′) durch λ-Konversion die PL1-Formel schläft′ (h) erhalten. Diese bekannte logi-
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sche Form ist also äquivalent zu der Aussage, Übersetzung liefert dann die E igenschaft, ein daß Schlafen zu der Menge aller E igenschafE inhorn zu finden und zu essen, und erst auf ten gehört, die auf Hans zutreffen. diese E igenschaft wird der Operator wollen Die gewünschten Skopus-Beziehungen nun angewendet. Damit ist die intendierte prowerden mithilfe der zentralen syntaktischen nominale Beziehung hergestellt, ohne daß die PTQ-Regel der „Quantifikation“ hergestellt, Existenz eines Einhorns folgt. die auf der Seite der Logik-Sprache TITL Als Übersetzungsbeispiel sei der bereits durch das Instrument der λ-Abstraktion ihre früher erwähnte Satz Das Einhorn spricht semantische Rechtfertigung erhält. Soll etwa nicht vorgeführt. Weitere Beispiele sind in in dem Satz alle jubeln einer Frau zu die „Lady Link (1979) und Dowty et al. (1981) ausführDi“-Lesart erzeugt werden, nach der es eine lich behandelt. Frau gibt, der alle zujubeln, so wird die NP B6. Das Einhorn spricht nicht eine Frau (modulo Kasus) in die Satz-Matrix I. Es ist nicht der Fall, daß das Einhorn alle jubeln ihr zu an der Stelle des Pronomens spricht. hineinsubstituiert oder -„quantifiziert“; der II. Das Einhorn ist derart, daß es nicht resultierende λ-Ausdruck besagt dann soviel spricht. wie daß eine gewisse Frau (z. B. Lady Di) die E igenschaft hat, daß ihr alle zujubeln. Damit ist die ∃∀-Lesart mit dem weiten Skopus für die indefinite NP erreicht. Die Quantifikationsregel sorgt auch in vielen durchaus komplizierten Fällen für die richtigen anaphorischen Beziehungen (Beispielgruppe III). E in Satz, den Montague analysiert, lautet etwa Hans will ein Einhorni finden und esi essen. Die Schwierigkeit hier ist, daß in der intendierten Lesart die E xistenz eines E inhorns nicht gegeben ist, das Pronomen esiaber sich gleichwohl auf die NP ein Einhornibezieht. Wie sich zeigt, hilft die Quantifikationsregel auch in diesem Fall weiter, wenn sie nicht nur auf ganze Satz-MatriÜbersetzung: U sei die Übersetzungsrelation, zen, sondern auch auf VP-Matrizen angewendie Ausdrücke des natursprachlichen Fragdet wird; die anaphorische Beziehung muß ja ments in Formeln von TITL überführt. Die „unter“ dem intensionalen VP-Operator wolÜbersetzung geschieht induktiv und blocklen hergestellt werden. Die NP ein Einhorn weise; für Details siehe Link (1979), Kap. 8; wird also in der VP-Matrix esi finden und esi speziell ist F10,0 die erwähnte Quantifikationsessen für das erste Pronomen substituiert; die regel. I. 1. Einhorn U Einhorn′, spricht U spricht′ 2. Das Einhorn U λP ∃y[∀x[Einhorn′(x) ↔ x = y] ⋀ P{y}] =: λPϕ 3. er0U λPP{x0} 4. das Einhorn spricht nicht U λPϕ (̂ spricht′) ⇔ ∃y[∀x[Einhorn′(x) ↔ x = y] ⋀ spricht′(y)] II. 1, 2, 3 wie oben; 4′. er0 spricht nicht U λPP{x0}(̂ spricht′) ⇔ spricht′(x0) 5′. F10,0(das Einhorn, er0spricht nicht) = das Einhorn spricht nicht U λPϕ (̂ λx0 spricht′ (x0)) ⇔ ∃y[∀x[Einhorn′(x) ↔ x = y] ⋀ spricht′(y)] Abgesehen von einigen idiosynkratischen Zügen des ursprünglichen PTQ-Systems, die auf das Konto relativ willkürlicher technischer E ntscheidungen gingen, wurden in der MG sehr bald jedoch eine Reihe von ernstzuneh-
menden Anomalien entdeckt, die die Grundprinzipien der Theorie direkt berühren. E ine Diagnose dieser Anomalien führt auf zwei Grundprobleme in der MG, die miteinander interagieren: (i) ein begriffliches Problem bei der Modellierung intensionaler und anderer
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Objekte natursprachlicher Ontologie sowie (ii) ein statisches Grammatik-Konzept mit einer überaus starren kategorialen Struktur. A d (i). Wie bereits weiter oben erwähnt, leistet der Intensionalisierungstrick in der MG universelle Dienste bei der Modellierung nicht-extensionaler E ntitäten. Was Individuenkonzepte, Propositionen, E igenschaften und Attribute gemeinsam haben, ist ihre einheitliche Form als Intensionsfunktion, die auf einer Menge von möglichen Welten definiert ist. Wenn nun ein derartiger Propositionsbegriff etwa in der Analyse von Einstellungsverben Verwendung findet, so ergibt sich zwangsläufig die Invarianz von E instellungen unter logisch äquivalenter Substitution, was z. B. bei der Zuschreibung von Überzeugungen schlichtweg inadäquat ist. Der Begriff der möglichen Welt, den E xtensionalisten der Quinte-Tradition immer schon suspekt, wurde hier erneut Zielpunkt der Kritik. Die von Jon Barwise und John Perry begründete Situationssemantik (Barwise & Perry 1983, 1987; Perry 1986) sieht einen Hauptfehler in der Totalität des mögliche-Welten-Konzepts und propagiert den Übergang zu partiellen Welten oder Situationen, die dem partiellen Charakter von Informationszuständen in E instellungskonstexten besser angepaßt seien. Zugleich sind Situationen feinkörniger, so daß sich die unerwünschten Substitutivitäten vermeiden lassen. Die rein technische E rhöhung der „Feinkörnigkeit“ kann jedoch auch durch die Methode der strukturierten Propositionen erreicht werden (Cresswell & v. Stechow 1982, v. Stechow 1984c, Cresswell 1985b, v. Stechow 1985). Die Frage der begrifflichen Adäquatheit dieser neueren Lösungsversuche des Grundproblems der propositionalen E instellungen kann hier nicht erörtert werden; sie gehört in den Rahmen einer systematischen Diskussion dieses Problems, die nicht nur sprachsemantisch zu führen ist (s. auch Artikel 34). E in nicht situationssemantisch orientierter Beitrag, der ebenfalls den Gedanken der Partialität aufgreift, ist Kratzer (1989). Ferner widerlegt Muskens (1986) den E indruck, daß die Montaguesche Typentheorie mit der Verwendung partieller Funktionen nicht vereinbar sei. Selbst wenn somit offen bleibt, ob sich die MG auf der Basis der Partialitätsidee rekonstruieren läßt, so hält doch der Intensionalisierungstrick einer kritischen Betrachtung nicht stand. Methodisch liegt ihm die Auffassung zugrunde, daß die Objekte der Ontologie in einer formalen Semantik stets mengentheo-
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retisch zu modellieren seien. Die den Objekten dadurch aufgeprägte mengentheoretische Struktur mag jedoch sprachsemantisch wenig angemessen sein, wie wir schon bei den Gegenständen von E instellungsverben sahen. Nun legen etwa Massenausdrücke, Pluralterme sowie Artennamen weitere Objekte natursprachlicher Ontologie nahe, die schwerlich eine mengentheoretische Struktur aufweisen. Um ihre Semantik zu erfassen, ist der Übergang von der mengentheoretischen Modellierung zur algebraischen Charakterisierung zu vollziehen; siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt 6. A d (ii). Je reicher die natursprachlichen Fragmente waren, die im Rahmen der MG analysiert wurden, desto hinderlicher erwies sich die starre Kategorienstruktur der MG mit ihrem strikten Prinzip der Kompositionalität (siehe dazu Partee 1984a). E ine Liberalisierung ergab die E inführung polymorpher Typen in Verbindung mit gewissen systematischen Prinzipien des Typenwechsels (engl. type shifting principles), die in die Grammatik aufgenommen werden (Partee 1986); man spricht auch in einer offensichtlichen Metapher von Shake ‘n’ Bake Semantics. E in weiteres rein technisches Problem der MG liegt in dem Umstand, daß die Quantifikationsregel F10 gewissermaßen zwei Aufgaben zugleich übernehmen muß, d. h. formal die intendierten Skopusbeziehungen herzustellen sowie inhaltlich das de-re/de-dicto-Gefüge korrekt zu repräsentieren. Diese beiden Aspekte korrelieren häufig, aber nicht immer. Beispielsweise hat im obigen Satz (14d) die indefinite NP ein mexikanischer Gott (gemeint ist etwa Montezuma) Skopus über die generelle NP alle Touristen, während diese NP de re, jene aber de dicto bezüglich des Glaubensoperators zu interpretieren ist. Quantifiziert man nun die generelle NP, um ihrem de-reCharakter Rechnung zu tragen, in den Glaubenskontext hinein, dann stimmen die Skopusverhältnisse nicht mehr. Ähnliche technische Probleme bieten die sog. Paycheck-, Hob/Nob- oder Bach-Peters-Sätze (vgl. die obigen Beispielsätze). Wegen ihrer E infachheit wohl am erstaunlichsten aber ist die Anomalie der donkeySätze. Aufgrund der Baukastenstruktur der MG, in der man im wesentlichen Ausdrücke und ihre Übersetzungen nebeneinandersetzt, ohne „nach links und rechts“ zu schauen, erhält eine indefinite NP wie ein Esel stets die Übersetzung λP ∃x[Esel′(x) ⋀ P {x}], gleichgültig ob sie intuitiv existentielle oder wie
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eben in den typischen donkey-Sätzen der Art (15b) allquantifizierende Kraft besitzt. Der eingebaute E xistenzquantor führt damit bei donkey-Sätzen zu eklatant inadäquaten Resultaten. Die Systeme von Kamp (1981a) und Heim (1982) können als Hauptantworten auf diese theoretische Schwierigkeit angesehen werden. Dabei wurde nicht nur das Prinzip der strikten Kompositionalität aufgegeben; die entdeckte Anomalie gab auch Anlaß, die Prinzipien einer semantisch interpretierten Grammatik insgesamt neu zu überdenken. Das wichtigste Resultat dieses Prozesses ist eine Dynamisierung der Semantik (siehe den nächsten Abschnitt über die DR-Theorie sowie Artikel 10). Während die Aufgabe des statischen Grammatik-Konzepts offensichtlich einen Fortschritt darstellt, ist die Frage nicht von der Hand zu weisen, ob in den Theorien von Kamp und Heim nicht zuviel an Kompositionalität geopfert wurde. E ine der Haupterrungenschaften der MG, der explizite Übersetzungsalgorithmus, droht sich zu verflüchtigen, so daß der polemische Slogan von der miraculous translation, ursprünglich gegen die reinen Logiker gerichtet, erneut die Runde macht. Zum Zeitpunkt dieses Forschungsberichts sind allerdings durchaus erfolgversprechende Ansätze zu verzeichnen, die klassische MG durch eine prozedurale Reinterpretation der Intensoren zu „dynamisieren“ (Janssen 1983, Groenendijk & Stokhof 1987). E s muß abgewartet werden, ob sich durch diese Arbeiten eine neue Perspektive eröffnet, die auch die anderen oben geschilderten Schwächen der MG überwinden kann.
5.
Die Theorie der Diskursrepräsentationsstrukturen (DRT)
Die DRT wurde zuerst in Kamp (1981a) vorgestellt und seitdem laufend weiterentwickelt. E ine übersichtliche Darstellung der Grundideen liefert Haas (1983); zu den neueren E ntwicklungen siehe z. B. Reyle (1987) und die dort angegebene Literatur. Die Theorie geht von einem hörerorientierten Bild sprachlicher Kommunikation aus. In einer gegebenen Diskurs-Situation verarbeitet danach ein Hörer die gerade vorliegende Äußerung des Sprechers — modellartig gesehen — in zwei Schritten. Zunächst wird eine Repräsentation der Äußerung erstellt, die in die bereits vorliegende Repräsentation des vorausgegangenen Diskurses integriert wird; eine solche Repräsentation heißt Diskursre-
präsentationsstruktur (engl. discourse representation structure; kurz DRS). E ine DRS entspricht dem, was bisher logische Form genannt wurde, mit dem Unterschied jedoch, daß auf eine explizite Darstellung der Quantoren verzichtet wird: die Information über die logischen Beziehungen der sprachlichen Äußerung wird stattdessen mithilfe „freier“ Diskursparameter durch ein E nsemble geeignet stratifizierter „Boxen“ kodiert. Die technische E ntscheidung der quantorenfreien Darstellung erlaubt die zwanglose E rweiterung einer gegebenen DRS zu einer die neue Äußerung umfassenden DRS und realisiert damit den Grundgedanken einer dynamischen Semantik. Zugleich baut der Hörer so etwas wie eine „kleine Welt“ auf, ein partielles Modell der Wirklichkeit, so wie er sie sieht. In einem zweiten Schritt gilt es nun, das durch die DRS gegebene partielle Modell „mit der Wirklichkeit zu konfrontieren“. Technisch gesprochen bedeutet das, daß die Diskursparameter der DRS in dem Individuenbereich eines gegebenen semantischen Modells so zu verankern sind, daß die in der DRS beschriebenen Relationen zwischen den Parametern auch zwischen ihren semantischen Gegenstücken bestehen. Zuordnungen von Individuen zu Diskursparametern, die eine derartige Verankerung herstellen, heißen A nkerfunktionen. Die Aufgabe in diesem Schritt der semantischen Interpretation der DRS besteht also darin, eine Ankerfunktion zu finden, bezüglich der das Modell die DRS erfüllt. E ine wahrheitsgetreue Verankerung mag nicht immer gelingen; trotzdem liefert die DRS eine brauchbare Information, nämlich über den Glaubenszustand des Hörers. Die DR-Strukturen dienen daher auch zur Analyse von propositionalen E instellungen (siehe etwa Zeevat 1986). Der rekursive Prozeß der E rzeugung einer DRS soll hier nicht beschrieben werden; stattdessen seien anhand von einfachen Beispielen die Grundmechanismen der DRT illustriert. Beispiel (16) ist ein aus zwei Sätzen bestehender Text. Als erstes wird die DRS für (16a) erstellt, die aus einer einzigen Box besteht. Zunächst gibt der E igenname Hans Anlaß zur E inführung eines Diskursparameters (i. f. ‘DP’) u in die Kopfleiste; in der Box werden die Bedingungen festgehalten, denen u genügen muß: „u = Hans“ sowie „u hat ein Auto“. Die zweite Bedingung kann sodann weiter reduziert werden, indem die indefinite NP ein A uto unter E inführung eines weiteren DP v und der Bedingungen „Auto′(v)“ und „u hat
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v“ eliminiert wird. Damit ist die DRS für (16a) vervollständigt, da keine weitere Reduktion möglich ist. Anstatt nun eine neue, getrennte DRS für (16b) zu erstellen, wie das in einem statischen Grammatik-Modell der Fall wäre, wird die Information aus (16b) in die DRS von (16a) integriert. Die Pronomina er und es werden anaphorisch gedeutet und daher durch die bereits vorhandenen DP u bzw. v ersetzt; gleichzeitig wird die Box durch „u pflegt v“ erweitert. Die resultierende DRS für den Gesamttext (16) ist unten angegeben. (16) a. Hans hat ein Auto. b. Er pflegt es. u v u = Hans Auto′(v) u hat v u pflegt v Bei der Wahl des A ntecedens für die Pronomina besteht eine gewisse Freiheit, auch wenn eventuell vorhandene lexikalische Information ausgenützt wird (im vorliegenden Beispiel macht der Unterschied im Genus der Pronomina die Bezüge klar). Für syntaktische Beschränkungen siehe die folgenden Beispiele, vor allem (19). Die DRS für (16) wird nun in einem Modell M wahr genannt, wenn es eine Ankerfunktion f gibt, die die DRS in M verifiziert, d. h. die DP u und v derart auf Individuen a und b abbildet, daß die Bedingungen in der Box erfüllt sind; dies ist der Fall, wenn a der Hans ist und b ein Auto, das a besitzt und pflegt. Ganz allgemein besagt die Forderung der Existenz einer verifizierenden Ankerfunktion, daß die DP in der Kopfleiste der obersten Box einer DRS (hier besteht die DRS nur aus einer einzigen Box) metasprachlich existentiell abgebunden werden. Damit ergibt sich dieselbe Semantik wie für die PL1-Repräsentation von (16), (16′) ∃u∃v[u = Hans ⋀ Auto′(v) ⋀ u hat v ⋀ u pflegt v] Speziell behält damit auch die indefinite NP ein A uto existentielle Kraft, wenn auch nur indirekt. E s ist also irreführend zu sagen, wie es manchmal schlagwortartig geschieht, daß indefinite NPn „nicht quantifizierend“ seien: die Quantifikation ist lediglich in die Metasprache verschoben; nur die Repräsentation, nicht aber die Interpretation, ist quantoren-
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frei. (17) Jeder Mann in Deutschland hat ein Auto.
Wenden wir uns Beispiel (17) zu. Hier ist zunächst die Kopfleiste leer, und die Box enthält den E intrag „jeder Mann in Deutschland hat ein Auto“. Der Operator jeder gibt jedoch Anlaß zur E röffnung eines Paars von untergeordneten Boxen, das in seiner Zweigliedrigkeit einem klassischen Konditional entspricht: die linke Unterbox enthält die AntecedensBedingungen (hier „Mann′(v)“ und „v ist in Deutschland“), die rechte Unterbox die Konsequens-Bedingungen (hier „v hat ein Auto“). Da E igennamen skopuslos sind, können der DP u für Deutschland in die Kopfleiste der obersten Box und die Bedingung „u = Deutschland“ in ihren Inhalt übernommen werden; ihre semantische Rechtfertigung hat diese Operation in der Gültigkeit des PL1Theorems (*) ϕ[a] ↔ ∃u[u = a ⋀ ϕ[u]], wobei die Nennstelle in der Formel ϕ beliebig tief eingebettet sein kann. Der DP v dagegen, der sich bei der Auflösung der generellen NP jeder Mann ergibt, gehört in die AntecedensBox, da eine Ankerfunktion keinen direkten Zugriff auf ihn haben darf (sonst würde er bei der E inbettung in ein Modell existentiell gebunden). Vielmehr kommt für das Paar der abhängigen Boxen das folgende Interpretationsschema zur Anwendung: E ine Ankerfunktion f verifiziert eine Boxen-Konfiguration wie die hier für den Allsatz (17) angegebene DRS, wenn (i) f die oberste Box bezüglich einer geeigneten Belegung ihrer DP verifiziert und (ii) jede die Antecedens-Box verifizierende E rweiterung g von f ihrerseits zu einem Anker g′ für die Konsequens-Box fortgesetzt werden kann, so daß g′ auch diese
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Box verifiziert. Die Bedingung der Fortsetzbarkeit auf den Anker g′ ist notwendig, weil in der Konsequens-Box weitere indefinite NPn auftreten können, die dann abhängig existentiell zu interpretieren sind; m. a. W. die Wahl der Belegung der DP in der Kopfleiste der Konsequens-Box hängt von der gewählten Belegung der DP in der Antecedens-Box ab. In Satz (17) z. B. ist die indefinite Objekt-NP ein A uto abhängig von der Subjekt-NP jeder Mann; in der zugehörigen (vervollständigten) DRS erscheint daher der DP w für ein A uto nur in der Konsequens-Box. Damit ist das Instrumentarium für die Behandlung der donkey-Sätze gegeben. Satz (18) erhält wie (17) eine stratifizierte DRS zur Repräsentation des bedingten Allsatzes. Diesmal befindet sich jedoch die indefinite NP ein A uto im Relativsatz der Subjekt-NP, so daß sie in die Antecedens-Box gelangt und dort einen DP v beisteuert. Das hat den E ffekt, daß v in der Semantik allquantifiziert wird, wie es intuitiv korrekt ist. Bei der Vervollständigung der DRS muß schließlich das Pronomen es in einen geeigneten DP verwandelt werden. Soll das Pronomen anaphorisch verstanden werden, so unterliegt die Wahl des DP neben der erwähnten lexikalischen Beschränkungen der syntaktischen oder konfigurationellen Bedingung, daß nur solche DP zur Verfügung stehen, die sich in Boxen „oberhalb“ der gerade bearbeiteten Box befinden, wobei die Relation des „oberhalb“ durch die angegebenen Pfeile zwischen den Boxen illustriert ist. (18) Jeder Deutsche, der ein Auto hat, putzt es.
zu sehen (dabei führt ein Wenn-dann-Satz wie ein Allquantor zu einem abhängigen BoxenPaar), so wird deutlich, daß der DP w für Lehrer nicht in einer Box erscheint, die oberhalb der Box mit dem Pronomen liegt. Dieses kann daher nur deiktisch gedeutet werden, was sich in der Wahl eines neuen DP v äußert (v könnte dann auch in die oberste Box übernommen werden, da es nicht abhängig ist). (19) Wenn ein Schüler jeden Lehrer haßt, ärgert er ihn.
Die DR-Theorie wurde außer auf dem Gebiet der hier skizzierten anaphorischen Beziehungen vor allem zur Analyse und Repräsentation temporaler Strukturen herangezogen, wie sie in narrativen Texten auftreten; siehe dazu etwa Kamp & Rohrer (1983, 1985) und Reyle (1986). Zu der umfangreichen Literatur über temporale Strukturen in der natürlichen Sprache siehe ferner LoCascio & Vet (1986); für eine vorzügliche Abhandlung zur Logik von Zeitstrukturen siehe van Benthem (1983 a).
6.
Mit der genannten Bedingung an die Wahl der DP läßt sich erklären, warum im folgenden Satz (19) das Pronomen ihn nicht auf das Nomen Lehrer bezogen werden kann. E ntwickelt man die zugehörige DRS, wie unten
Algebraische Semantik
Nachdem die DRT als Repräsentant für eine dynamisierte Semantik vorgestellt wurde, kommen wir nun zu einem anderen Strang der neueren semantischen Forschung, der sich reicherer mathematischer Methoden bedient, welche unter dem Begriff algebraisch zusammengefaßt werden können. In ihrer einfachsten Form sind es Ordnungsstrukturen auf den betrachteten semantischen Objekten, die bis-
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weilen zusätzlich Verbandseigenschaften aufweisen oder volle Boolesche A lgebren darstellen. Die E rkenntnisse der Bedeutung algebraischer Begriffsbildung geht einher mit dem E rfolg dieser Methoden in der neueren Syntax-Forschung durch die Theorie der Unifikationsgrammatiken. 6.1 Die Theorie der Generalisierten Quantoren (GQT) Montague hatte einen Weg gewiesen, wie Nominalphrasen durch eine einheitliche Denotation kompositional behandelt werden können; eine NP steht danach für eine geeignete Menge von E igenschaften von Individuen, die in der Typenhierarchie den Typ (set)t besitzt. Abstrahieren wir von der intensionalen Komponente, so bleibt eine Menge von Mengen von Individuen vom Typ (et)t, die auch als Relation in der Potenzmenge 2Eder Menge E der Individuen aufgefaßt werden kann. Diese Objekte sind die Generalisierten Quantoren (GQ), wie sie von Barwise & Cooper (1981) im Anschluß an eine auf Mostowski (1957) zurückgehende Begriffsbildung in die linguistische Semantik eingeführt wurden (s. auch Artikel 21). Genausogut kann man sie jedoch, wie gezeigt, als extensionale Version der Montagueschen „Terme“ auffassen. Im allgemeinen haben die GQ in der Sprache die Gestalt Determinator + Nomen, z. B. ein/kein/jeder/ der Mann, einige/manche/alle/nicht alle Studenten, wenige/viele/die meisten Frauen, drei/ vier oder fünf/mindestens zehn/höchstens zwei A utos, Peters/Hans und Marias/aller Haus, eine ungerade A nzahl von Kommissionsmitgliedern. Während man in der Logik vor allem mathematische GQ wie für unendlich viele Zahlen gilt ... untersucht hat, gilt es hier, E igenschaften zu finden, die für die natursprachliche Quantifikation charakteristisch sind. Man erhält ein einheitlicheres Bild für die Struktur, wenn man sogleich einen Schritt weiter geht und aus dem GQ das Nomen herauslöst. Da dieses ebenfalls eine Menge von Individuen denotiert, kann man den verbleibenden Determinator als zweistellige Relation in 2Evom Typ (et)(et)t auffassen: ein Determinator D nimmt zuerst ein Nomen A zu sich, welches den Bereich der Quantifikation absteckt. (DA ) bildet dann einen GQ, der auf einem weiteren Nomen B operiert und eine vollständige Aussage (DA )B bildet, die wahr oder falsch ist. Dies ist das bekannte Schema, und wir können sogleich die Bedeu-
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tungen der logischen Determinatoren in der vorliegenden extensionalen Version notieren (die „Normstriche“ ∥.∥ stellen wie oben die Denotationsfunktion dar): (20) a. ∥jeder∥A = {X ⊆ E A ⊆ X} = {X ⊆E A ⋂ X = A} b. ∥ein∥A = {X ⊆E A ⋂ X ≠ Ø} c. ∥kein∥A = {X ⊆E A ⋂ X = Ø} d. ∥nicht jeder∥ A = {X ⊆E A ⋂ X ≠ A} Was an den Bedingungen auffällt, ist ihre einheitliche Struktur: in allen vier Fällen spielt nur das Verhältnis der Mengen A und der Schnittmenge A ⋂ X von A und dem Argument X eine Rolle. Das bedeutet, daß der Quantifikationsbereich A auch im formalen Sinn das ausschließliche „Terrain“ der Auswertung der Aussage darstellt: die E igenschaften des Arguments X jenseits der Schnittmenge A ⋂ X sind irrelevant. Damit erfüllen die logischen Determinatoren das Prinzip der Konservativität: (CONS) DAB ⇔ DA(A ⋂ B) Zum Beispiel gilt offensichtlich, daß alle Menschen sterblich sind, genau dann wenn alle Menschen Menschen sind, die sterblich sind. E s zeigt sich, daß die E igenschaft der Konservativität für alle natursprachlichen Quantoren bzw. Determinatoren charakteristisch ist. E ine weitere solche E igenschaft ist die der Quantität: wie schon ihr Name sagt, schauen die Quantoren nur auf die reinen Quantitätsoder Mengenverhältnisse zwischen dem Bereich und dem Argument, sonstige E igenschaften spielen keine Rolle. Da aber diese quantitativen Verhältnisse konstant bleiben, wenn man den Individuenbereich durch eine bijektive Transformation permutiert, sollten die Determinatoren unter einer solchen Permutation invariant sein. Dies ist das Prinzip der Quantität: für jede Permutation n auf dem Individuenbereich E gilt (QUANT) DAB <=>D π[A]π[B] Weitere E igenschaften für natursprachliche Quantoren können untersucht und als charakteristisch ausgesondert werden (siehe etwa Barwise & Cooper 1981, van Benthem 1983). Dabei kann von dem Umstand Gebrauch gemacht werden, daß Determinatoren zweistellige Relation sind: so können sie auf die typischen E igenschaften solcher Relationen wie Transitivität, Symmetrie etc. hin untersucht werden. Zum Beispiel läßt sich der Allquantor dadurch charakterisieren, daß er der einzige reflexive, transitive und antisymmetrische Determinator ist. Weiterhin lassen sich beweis-
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bare Universalien formulieren: so gibt es etwa in der natürlichen Sprache keine asymmetrischen Determinatoren (van Benthem 1983: 461); für weitere Universalien siehe ebd. sowie dort angegebene Literatur. Das Bild der natursprachlichen Determinatoren als Relationen in 2Eermöglicht weitere Struktureinsichten. Auf der Potenzmenge 2Eist nämlich mit der Mengeninklusion eine Halbordnung gegeben, bezüglich der die Argumente der Determinatoren geordnet sind. Das erlaubt etwa die Frage, ob ein Determinator stabil unter dem Übergang zu den Oberbzw. Teilmengen eines Arguments ist; dies sind die Eigenschaften der Monotonie: (↑MON) DAB & A ⊆ A′⇒ DA′B (aufwärts monoton im ersten Argument) (↓MON) DAB & A ⊇A′ ⇒ DA′B (abwärts monoton im ersten Argument) (MON↑) DAB & B ⊆B′ ⇒ DAB′ (aufwärts monoton im zweiten Argument) (MON↓) DAB & B ⊇B′ ⇒ DAB′ (abwärts monoton im zweiten Argument) (iMONj) : <=> (iMON) & (MONj) für i, j = ↑, ↓ Der Allquantor jeder zum Beispiel ist abwärts monoton im ersten Argument und aufwärts monoton im zweiten Argument: Wenn z. B. jeder Deutsche ein Auto hat, dann hat auch jeder Bayer ein Auto (abwärts monoton im ersten Argument), und wenn etwa jeder Zahnarzt eine Zweitwohnung im Tessin besitzt, so besitzt jeder Zahnarzt eine Wohnung (aufwärts monoton im zweiten Argument). E s stellt sich nun heraus, daß die vier logischen Grundquantoren des aristotelischen Quadrats der Oppositionen (siehe etwa E ssler 1969: 135 ff) sich genau durch die vier Kombinationen der Monotonie darstellen lassen, wie das folgende Schema zeigt:
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Ansatzes kritisch zum Tragen: das bekannteste Beispiel ist der Quantor die meisten, der nicht PL1-definierbar ist (Barwise & Cooper 1981). Seine Analyse macht wesentlich davon Gebrauch, daß natursprachliche Quantoren „auf ihrem Bereich leben“ (engl. live on). E in Satz wie die meisten A rbeiter der Lenin-Werft streikten kann nicht, wie analog der PL1Quantor jeder, nach dem Schema paraphrasiert werden: für die meisten x gilt: wenn x A rbeiter der Lenin-Werft ist, so streikt x; vielmehr geht es ausschließlich um die Arbeiter auf der Lenin-Werft, und wenn dort der Anteil der Streikenden (erheblich) größer ist als der der Nicht-Streikenden, so ist der Satz wahr. Die Theorie der GQ erlaubt somit nicht nur abstrakt-formale Untersuchungen; es lassen sich auch konkrete linguistische Probleme in ihrem Rahmen mit Gewinn analysieren. E ine gute Demonstration der Tragweite der Techniken der GQT gibt Löbner (1986). Lønning (1987) gibt eine Anwendung der Theorie auf Massenausdrücke. Das Problem der donkey-Sätze, das die GQT von Montague ererbt hat, wird von Barwise (1987) mit Hilfe von „parametriesierten Individuen“ einer Lösung zugeführt. Schließlich sei auf Gärdenfors (1987) und der darin enthaltenen Bibliographie zur GQT in der natürlichen Sprache verwiesen. E inen in den Methoden der GQT verwandten Ansatz stellt die Boolesche Semantik dar (Keenan 1981, Keenan & Faltz 1985, Keenan & Stavi 1986). Die in der GQT eher implizit vorhandenen algebraischen Techniken kommen hier explizit zum E insatz. Der Grundgedanke besteht darin, daß beinahe das gesamte Kategoriengefüge der natürlichen Sprache insofern einen Booleschen Charakter aufweist, als die Booleschen Operationen nicht nur für ganze Sätze, sondern auch für NPn, VPn usw. definiert sind. Wenn man nun diese Kategorien semantisch durch Boolesche Algebren repräsentiert, so lassen sich solche Beziehungen zwischen den Kategorien, wie sie in der Syntax etwa als Konjunktionsreduktion bezeichnet wurden, durch Boolesche Homomorphismen charakterisieren. 6.2 Anwendungen in der Theorie der Pluralia, Massenausdrücke und Ereignisse
Bei den nicht-logischen Quantoren der Sprache kommen die Prinzipien des gegenwärtigen
Besonders fruchtbar erweisen sich algebraische Begriffsbildungen, wenn es darum geht, die sprachliche Ontologie in ihrem ganzen Reichtum zu erfassen. Die klassischen Individuen der Tarski-Semantik waren als un-
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strukturierte Urelemente gegeben, allenfalls unterschied man noch Zeitpunkte, die mit einer linearen Ordnungsstruktur versehen waren. Montague etwa war der Überzeugung, daß mit diesem Arsenal von Individuen plus der Menge der möglichen Welten alle sonstigen Individuen, auf die man in der Philosophie und in der natürlichen Sprache trifft, mengentheoretisch modelliert werden könnten. E reignisse etwa konstruierte er als (intensionale) E igenschaften von Zeitpunkten. Wie schon oben im Zusammenhang mit den Objekten der propositionalen E instellungen erwähnt, hat die Methode der mengentheoretischen Modellierung mit den genannten Mitteln ihre klaren Grenzen. E in anderes Problem ist technischer Natur: werden einige Objekte der Sprachontolgoie als höher-typige E ntitäten denn andere konstruiert, so müssen die Prädikate, die auf die einzelnen Objektsorten zutreffen können, entweder stets disjunkte Klassen bilden (was meist nicht der Fall ist), oder man muß den wenig attraktiven Weg einschlagen, ein und dasselbe Prädikat mehrfach (d. h. für alle entsprechenden Typen) in die Grammatik aufzunehmen. Das letztgenannte Phänomen war typischerweise z. B. bei den frühen Ansätzen zur Theorie des Plurals zu beobachten. Der algebraische Zugang zur Sprachontologie verzichtet dagegen auf ein extensives mengentheoretisches Modellieren, sondern faßt die Objekte der Sprachontologie zu einem vielfältig sortierten Universum von E ntitäten der gleichen untersten Stufe zusammen. Diese E ntitäten stehen jedoch im allgemeinen nicht beziehungslos nebeneinander; um den bestehenden Beziehungen Rechnung zu tragen, wird daher das Universum durch eine entsprechende Menge ordnungstheoretischer und algebraischer Relationen strukturiert. Wir geben einige Beispiele. 1. Pluralobjekte. Pluralphänomene durchziehen die gesamte Grammatik. E s ist daher wichtig, eine leistungsfähige Pluraltheorie zu besitzen. Die semantische Ausgangsfrage ist dabei, was Pluralterme wie Hans und Maria bezeichnen. Die naheliegende Antwort „die Menge bestehend aus Hans und Maria“ krankt schon daran, daß wir uns bereits wieder im Prozeß des mengentheoretischen Modellierens befinden und es sofort mit der Stufenproblematik zu tun bekommen: einem Prädikat wie das Klavier in den dritten Stock tragen sieht man nämlich nicht an, ob es nur auf Pluralterme oder auch auf normale Individuenterme wie Obelix zutreffen kann. An-
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statt zur Vermeidung der Aufspaltung solcher „gemischten“ Prädikate in Individuen- und Mengenprädikate die normalen Individuen nun ihrerseits zu E inermengen ihrer selbst zu erheben, besteht der algebraische Weg darin, Pluralobjekte in den Individuenbereich aufzunehmen, die mitgelieferte innere Struktur jedoch verbandstheoretisch zu kodieren. E ine entsprechende Pluraltheorie wurde in Link (1983a) vorgelegt; siehe auch Artikel 19. Danach denotiert der Ausdruck Hans und Maria eine Individuensumme (kurz „i-Summe“), mitgeteilt durch den Pluralterm h⊕m. Zwischen derartigen i-Summen besteht eine Ordnungsrelation ≤i, mit der etwa gilt ∥h∥ ≤i ∥h⊕m∥], d. h. daß Hans ein Individuen-Teil der iSumme aus Hans und Maria ist. Mit dieser Grundkonzeption lassen sich u. a. die folgenden semantischen Probleme behandeln: (i) E s kann ein rekursiver Plural-Operator ‘*’ auf einstelligen Prädikaten P definiert werden, der aus der E xtension ∥P∥ von P die Menge aller i-Summen von E lementen von ∥P∥ erzeugt; damit ist ein präzises semantisches Gegenstück zu Plural-Nomina gegeben. (ii) Der klassische Kennzeichnungsoperator läßt sich zu einem pluralischen Kennzeichnungsoperator ‘σ’ erweitern, mit dem definite Plural-NPn wie die Bundestagsabgeordneten erfaßt werden können. (iii) Durch ein einheitliches Konzept von Variablen, die gleichermaßen über „atomare“ Individuen wie i-Summen laufen, lassen sich Plural-A naphern in natürlicher Weise behandeln. Für Details siehe Artikel 19 mit der dort angegebenen Literatur. 2. Massenausdrücke. Üblicherweise wird ein Massenausdruck wie Wasser als Prädikat aufgefaßt, dessen E xtension aus Portionen oder Quanten des entsprechenden Stoffes besteht. Zwei solche Portionen zusammengenommen sind aber wieder eine Portion desselben Stoffes; das zeigt, daß alle derartigen E xtensionen eine natürliche Struktur tragen, die analog zu den Pluralia durch eine Verbandsstruktur charakterisiert werden kann. Bei den Massentermen spielt jedoch ein weiteres wesentliches Moment eine Rolle, das der kontinuierlichen Referenz: es gibt keine kleinsten E inheiten von Stoffquanten. Der diskrete Begriff des Zählens ist nicht mehr anwendbar und muß ersetzt werden durch den des Maßes von Stoffquanten bezüglich relevanter E inheiten. Voraussetzung für die Definition eines Maßes ist aber eine geeignete algebraische Struktur des Definitionsbereichs, hier eben des Bereichs der Stoffquanten. E s ist daher nicht verwunderlich, daß bei der E rforschung
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der Massenausdrücke erst dann wesentliche Fortschritte erzielt werden konnten, als Methoden der algebraischen Semantik konsequent zum E insatz gelangten. Die entsprechende Perspektive wurde in Link (1983a) dargelegt und wurde seitdem am umfangreichsten in M. Krifkas Dissertation (1987) mit E rfolg empirisch und methodisch verfolgt; siehe auch seinen Artikel im vorliegenden Handbuch (Artikel 18). 3. Arten (kinds). Die soeben besprochenen Massenausdrücke stellen in der Grammatik bekanntlich einen Zwitter dar: sie können sowohl prädikativ wie auch nominal verwendet werden (dies ist echtes Gold vs. Gold hat die Ordnungszahl 79). In der nominalen Verwendung denotiert der Massenterm den Stoff selbst und nicht die Menge seiner manifesten Quanten. Dies ist ein Fall von Artendenotation, wie sie sich auch bei Individualnomina findet (e. g. die Nordsee-Robbe ist vom A ussterben bedroht). Läßt man Arten-Individuen oder Genera (engl. kinds) ebenfalls in der Sprachontologie zu, wofür gute Gründe sprechen (der locus classicus hier ist Carlson 1978), so ist unmittelbar einleuchtend, daß die Arten-Hierarchie bzw. allgemeiner eine entsprechende Hierarchie von Begriffen oder Konzepten algebraisch zu charakterisieren ist. Zur sprachphilosophischen Diskussion der Genera siehe Heyer (1987), zur Arten-Denotation in der Linguistik neben Carlson (1978) und Artikel 17 die neuere Literatur zur Generizität, speziell Gerstner (1988), Krifka (1988) sowie Carlson & Pelletier (1991). Zur verbandstheoretischen Analyse von Begriffen oder Konzepten sei auf Wille (1982) verwiesen. 4. Ereignisse. Hat man erst einmal die Denotationsobjekte des nominalen Bereichs geeignet strukturiert, so überträgt sich eine derartige Struktur aufgrund des inneren Zusammenhangs der Grammatik beinahe zwangsläufig auch auf den Verbalbereich. Wenn z. B. Hans ein Glas Wein trinkt und danach noch ein Glas, so stellt das zwei Trinkereignisse dar, die zusammen wiederum ein Trinkereignis bilden, nämlich daß Hans zwei Glas Wein trinkt. Die ersten beiden E reignisse bilden Teilereignisse des letztgenannten, der Summe der beiden E reignisse, so daß wir es wiederum mit einer Ordnungsstruktur zu tun haben, diesmal auf einer Klasse von E reignissen. E s ist sprachanalytisch sinnvoll, auch E reignisse als Individuen zuzulassen, da sie die natürlichen Denotate von Nominalisierungen wie die Zerstörung Dresdens bilden und pronominal
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auf sie Bezug genommen werden kann (e. g. in dieser Fehler führte zu einer gewaltigen Explosion; sie löste verheerende Brände aus. Zu VP-Anaphern siehe auch Sells 1985). Von der oben angesprochenen Teil-Ganzes-Relation zwischen E reignissen ist die ebenso intuitiv klar faßbare zeitliche Struktur auf den E reignissen zu unterscheiden. Diese kann man sich induziert denken von einer entsprechenden Struktur auf den Zeitspannen, zu denen die E reignisse stattfinden (ihren temporalen Spuren). Das führt zu einem (auch intuitiv adäquaten) Homomorphie-Zusammenhang zwischen der Summen-Struktur auf den E reignis und der Zeitspannen-Struktur: die temporale Spur einer Summe von (sich möglicherweise überlappenden) E reignissen ist die Summe der temporalen Spuren der beteiligten E inzelereignisse. Mit dem Instrument der Summenbildung für E reignisse (übrigens in einem weiten Sinn verstanden, der auch Zustände umfaßt) lassen sich auch Identitätsfragen beantworten, die bisweilen den E reignissen einen dubiosen Anstrich verliehen haben. Mit wieviel E reignissen etwa haben wir es zu tun, wenn Max und Moritz aufeinander losschlagen? E s ist ein E reignis und zugleich sind es zwei E reignisse mit identischen temporalen Strukturen: sie haben beide die Form [a schlägt auf b los], nur sind die Rollen a und b vertauscht; einmal ist Max der „Schläger“ und Moritz das Ziel der Aggression, das andere Mal umgekehrt. Diese E reignisse finden simultan statt, und ihre Summe stellt das eine E reignis des Aufeinanderlosschlagens dar. Zur Differenzierung dieser beiden formal identischen E reignisschemata ist der Begriff der Rolle von Bedeutung, die ein Individuum in einem E reignis spielt. Hier läßt sich eine fruchtbare Verbindung herstellen zum linguistischen Begriff der thematischen Rolle; zu deren semantischen Analyse siehe Dowty (1987) und Parsons (1989). Die Idee einer Semantik mit expliziter E reignis-Referenz geht auf Davidson (1967a) zurück; allerdings stand seine E reignislogik im Zusammenhang mit der Begründung einer philosophischen Handlungstheorie. Die E reignis-Theorie von Parsons (1980b, 1989) fußt auf der von Davidson und führte diese in die linguistisch-semantische Diskussion ein. In der semantischen Literatur wurde der Gedanke einer verbandstheoretischen Behandlung von E reignissen in Analogie zu den Methoden in Link (1983a) von Bach (1986) vorgestellt sowie in Hinrichs (1985), Krifka
41. Formale Methoden in der Semantik
(1986) und Link (1987 b) aufgegriffen und weiterentwickelt. Insbesondere Krifka (1987) gelang in diesem Rahmen eine plausible Theorie der Übertragung der Referenzweise von Verbal-Objekten auf die gesamte VP. Gemeint ist der bekannte Wechsel der Aktionsart, z. B. von einen A pfel essen (accomplishment; siehe dazu Vendler 1967, Verkuyl 1972, 1986) zu Äpfel essen (activity). Der Übergang vom Singular zum Plural im nominalen Bereich des direkten Objekts induziert einen Übergang vom E inzelereignis zum Summenereignis im verbalen Bereich. So zeigt sich erneut, daß die algebraische Struktur auf den E reignissen (als den passenden Denotaten von Verbalphrasen) eine natürliche Folge der Strukturierung des nominalen Bereichs ist. Sie ist daher auch bei anderen Themen hilfreich, die im Rahmen der Diskussion von Plural-Phänomenen eine Rolle spielen. E rwähnt sei hier die Distinktion kollektive vs. distributive Prädikation, bei der die homomorphe Struktur zwischen Verbalund Nominalbereich klar formuliert werden kann. Betrachten wir etwa die beiden Lesarten des Satzes Denys und Tania besitzen eine Farm in A frika. In der kollektiven Lesart haben wir es mit einer Farm zu tun, die Denys und Tania gemeinsam besitzen; in der distributiven Lesart besitzt Denys eine Farm und Tania besitzt eine Farm. Im ersten Fall liegt ein einzelnes E reignis mit einem kollektiven Besitzer vor, welches in halbformaler Notation durch den E reignistyp [Denys ⊕ Tania besitzt a & Farm′(a)] beschrieben werden kann; im zweiten distributiven Fall bezieht sich der Satz auf eine Summe von E reignissen mit je einem einzelnen Besitzer, in halbformaler Notation: [Denys besitzt a & Farm′(a)] ⊕ [Tania besitzt b & Farm′(b)]. Aus den in diesem Abschnitt aufgeführten Beispielen mögen die Allgemeinheit und die Fruchtbarkeit des algebraischen Forschungsprogramms in der Semantik deutlich geworden sein. E s sei betont, daß mathematische Methoden in der Semantik wie auch in anderen Bereichen angewandter Theoriebildung keinen Selbstzweck darstellen, sondern nur in dem Maße sinnvoll sind, wie sie die Theorie formal verbessern und inhaltlich echte Struktureinsichten zu vermitteln vermögen. Die E ntwicklung des semantischen Forschungsgebiets hat gezeigt, daß diese Methoden mit Gewinn eingesetzt werden. E in einschlägiges Lehrbuch stellt Partee et al. (1990) dar.
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7.
Weitere Ansätze
E s seien abschließend noch einige E ntwicklungen in der formalen Methodik wenigstens erwähnt, die hier nicht näher diskutiert werden konnten. Da ist zunächst die Theorie der Situationen und eine darauf aufbauende Situationssemantik. Sie ist mit dem Anspruch angetreten, eine neue Begründung des gesamten semantischen Forschungsgebiets zu liefern, die den traditionellen Bedeutungsbegriff in eine umfassende Theorie der Information integriert. Während auf dem Gebiet der logischen Grundlagen der Situationstheorie bemerkenswerte E rgebnisse erzielt wurden, stehen auf dem Feld der Anwendung in der Semantik E rgebnisse größerer Tragweite noch aus (siehe jedoch Gawron & Peters 1990). Allerdings haben die seit einiger Zeit vorliegenden Grundideen des Ansatzes (etwa der bereits oben erwähnte Gedanke der Partialität; das Begriffspaar Situation und Situationstyp sowie sein enger Verwandter, das Paar Ereignis und Ereignistyp) ihre teils fruchtbare, teils polarisierende Wirkung nicht verfehlt. An wichtiger Literatur sei genannt Barwise & Perry (1983 bzw. 1987), Barwise & Perry (1985), Barwise & E tchemendy (1987), Devlin (1988), Barwise (1989), Gawron & Peters (1990), Cooper et al. (1990). E ine umfassende Wahrheitstheorie und eine andere als die in Barwise & E tchemendy (1987) vorgeschlagene Lösung des Lügner-Paradoxes gibt Blau (1985) in seiner Reflexionslogik; siehe auch Varga (1987). Im Rahmen der Reflexionslogik werden übrigens viele traditionelle Probleme der logischen Sprachanalyse und linguistischen Semantik wie Vagheit und Präsuppositionen behandelt (vgl. Abschnitt 3). Der Informationsbegriff und sein formales Pendant, der Partialitätsgedanke, steht auch im Mittelpunkt der Daten-Semantik (engl. Data Semantics); siehe Veltman (1981, 1985), Landman (1986). Dieser Ansatz arbeitet ebenfalls mit algebraischen Methoden, da das Konzept der E rweiterung von partieller Information inhärent ordnungstheoretisch beschaffen ist. E inen neuartigen, typenfreien Begründungsversuch der VP-Denotation, der sich aus der E rforschung der Semantik der Nominalisierungen entwickelte, stellt die Theorie der Eigenschaften (engl. Property Theory) dar. E inschlägige Referenzen sind Turner (1983), Chierchia (1984), Chierchia & Turner (1987), Turner (1986, 1988), Chierchia et al. (1987). Mehr syntaktisch und komputationell orientierte Methoden auf der Basis von Syntax-
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Theorien wie der Generalized Phrase Structure Grammar (GPSG) verfolgen Pollard & Sag (1987). Schließlich sei noch auf ein aktives Forschungsfeld verwiesen, das die Methoden der Semantik der (traditionell im Mittelpunkt stehenden) Deklarativsätze auf das gesamte Spektrum der Illokutionstypen, vor allem aber auf die Theorie der Fragen, überträgt. Zitiert seien Belnap & Steel (1976), Zaefferer (1984), Groenendijk & Stokhof (1984), Searle & Vanderveken (1985), Zaefferer (1988).
8.
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1984 · Groenendijk/Stokhof 1987 · Groenendijk/de Jongh/Stokhof (eds.) 1986a · Groenendijk/de Jongh/Stokhof (eds.) 1986b · Groenendijk/Janssen/ Stokhof (eds.) 1981 · Groenendijk/Janssen/Stokhof (eds.) 1984 · Groenendijk/de Jongh/Stokhof (eds.) 1986 · Groenendijk/Stokhof/Veltman (eds.) 1987 · Haas 1983 · Heim 1982 · Heim 1983 · Heyer 1987 · Hinrichs 1985 · Hinst 1974 · Hughes/Cresswell 1968 · Janssen 1983 · Jacobs 1982 · Kalish/Montague/Mar 1980 · Kamp 1981a · Kamp/Rohrer 1983 · Kamp/Rohrer 1985 · Karttunen 1974 · Karttunen/Peters 1979 · Keenan (ed.) 1975 · Keenan 1981 · Keenan/Faltz 1985 · Keenan/Stavi 1986 · Kleene 1952 · Kratzer 1978 · Kratzer 1989 · Krifka 1986 · Krifka 1987 · Krifka (ed.) 1988 · Landman 1986 · Landman/Veltman (eds.) 1984 · Lewis 1975a · Link 1976 · Link 1979 · Link 1983a · Link 1986 · Link 1987b · LoCascio/Vet (eds.) 1986 · Löbner 1976 · Löbner 1986 · Löbner 1987b · Lønning 1987 · Montague 1970b · Montague 1973 · Montague 1974 · Mostowski 1957 · Muskens 1986 · Parsons 1980b · Parsons 1988 · Partee (ed.) 1976 · Partee 1984a · Partee 1987a · Partee/ Rooth 1983 · Partee/ter Meulen/Wall 1990 · Perry 1986 · Pinkal 1984 · Pinkal 1985 · Pollard/Sag 1987 · Quine, van Orman 1969 · Reyle 1986 · Russell 1905 · Searle/Vanderveken 1985 · Seills 1985 · Soames 1982 · von Stechow 1984c · Stegmüller/ Varga von Kibéd 1984 · Strawson 1952 · ter Meulen (ed.) 1983 · Turner 1983 · Turner 1986 · Turner 1988 · Varga von Kibéd 1987 · Veltman 1981 · Veltman 1985 · Vendler 1967 · Verkuyl 1972 · Verkuyl 1986 · Whitehead/Russell 1927 · Wille 1982 · Zaefferer 1984 · Zaefferer 1988 · Zeevat 1986 · Zimmermann 1987
Godehard Link, München (Bundesrepublik Deutschland)
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XII. Bibliographischer Anhang und Register Bibliographic Appendix and Indices
42. Bibliographie Bibliography Diese Bibliographie umfaßt alle v on den Autoren der Artikel zitierte Literatur. Die Herausgeber haben v ersucht, die Angaben der Autoren so weit wie möglich zu v erifizieren und zu standardisieren; sie können allerdings nicht für die Richtigkeit in jedem Detail garantieren. Um so informativ wie möglich zu sein, enthält die Bibliographie auch einige Artikel oder Bücher, die noch nicht publiziert sind, sowie wenige (historisch wichtige) Papiere, die niemals publiziert wurden. Der an dieser Untergrund-Literatur interessierte Leser sollte an den jeweiligen Autor schreiben. Außerdem enthält die Bibliographie alle wichtigen Sammelbände getrennt nach dem Namen der Herausgeber. Das Verweissystem ist wie folgt organisiert. Jeder Eintrag ist eindeutig aufgrund der folgenden Informationen: Name des Autors oder Herausgebers, Abkürzung der Vornamen, (Namen ev entueller Mitautoren oder Mitherausgeber), Erscheinungsjahr und, wenn nötig, ein zusätzlicher Index aus den ersten Buchstaben des Alphabets. Innerhalb der Artikel wurden die Vornamen nur dann benutzt, wenn Mißv erständnisse möglich waren. Es wurde jedoch v ersucht, durchweg den Index zu v erwenden. Außerdem folgt jedem Artikel eine abgekürzte Liste der zitierten Literatur, die besonders sorgfältig überprüft wurde. Sollte also wirklich einmal eine Ambiguität auftreten, möge der Leser diese Liste konsultieren. Jeder Eintrag in der Bibliographie ist für sich v ollständig. (Nur in wenigen Fällen konnte keine Seitenangabe oder keine Reihennummer ermittelt werden). Auf ein weiteres Verweis- oder Abkürzungssystem innerhalb der Bibliographie wurde verzichtet. Da die Artikel dieses Handbuchs die meisten Bereiche der gegenwärtigen Forschung in linguistischer Semantik abdecken, ist die v orliegende Bibliographie mit etwa 1700 Einträgen in wünschenswerter Weise repräsentativ für das Gesamtgebiet. Man könnte sich zwar eine noch umfassendere Bibliographie v orstellen, aber dafür wären problematische Auswahlkriterien und eine zusätzliche Klassifizierung nötig gewesen. Die Herausgeber haben ein derartiges Unternehmen nicht als Aufgabe des Handbuchs angesehen. This bibliography comprehends all items cited by the particular authors in their articles. The editors tried to v erify and standardize the data giv en by the authors, but they cannot guarantee for the correctness in all details. To be maximally informativ e, the bibliography also includes some articles or books not yet published, as well as a few (historically important) papers which hav e nev er been published. The reader who is interested in this underground literature should write to the particular author. In addition, the bibliography includes all prominent textbooks in semantics under the name of the editors. The reference-system is organized as follows. Each entry is made unique by the following information: name of the author or editor, initials, (names of possible co-authors or co-editors), year of publication, and, if necessary, an additional index with the literals a, b, c. Within the articles, initials of the first names are only used if a misunderstanding could arise. Howev er, we tried to include the index throughout. In addition, each article is followed by a short list of the cited literature. This list has been checked particularly careful. Therefore, if any ambiguity should arise, the reader is requested to consult this list.
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XII. Bibliographischer Anhang und Register
Each entry in the bibliography is meant to be self-consistent and complete. (Only in a few cases no page numbers could be attributed or the number of the series is missing.) There is no additional reference-system within the bibliography. Since the articles in this handbook cov er most areas of contemporary research in linguistic semantics, this bibliography is most representativ e in the field. It contains about 1700 entries. One could env isage an ev en more extensiv e bibliography, but this could not hav e been obtained without problematic criteria of selection as well as additional classification. The editors considered such an enterprise to be outside of the aim of this handbook. Abbott, B. (1974) Some Problems in Giv ing an Adequate Model-Theoretic Account of CAUSE. In: C. Fillmore/G. Lakoff/R. Lakoff (eds.) Berkeley Studies in Syntax and Semantics 1, 1—14. Abbott, B. (1977) In Defense of Certain Scopes. In: S. S. Mufwene/C. A. Walker/S. B. Steev er (eds.) Papers from the 12th Regional Meeting of the Chicago Linguistic Society. Chicago, 1—12. Abbott, B. (1989) Nondescriptionality and Natural Kind Terms. In: Linguistics and Philosophy 12, 269—292. Abraham, W. (1975) Deutsch ab er, sondern und dafür und ihre Äquiv alente im Niederländischen und Englischen. In: J. Bartori et al. (1975) Syntaktische und semantische Studien zur Koordination. Tübingen: Narr, 105—136. Abraham, W. (1985) Transiti v itätskorrelate und ihre formale Einbindung in die Grammatik. In: Groninger Arb eiten zur Germanistischen Linguistik 26, 1—60. Abraham, W. (ed.) (1978) Valence, Semantic Case, and Grammatical Relations (= CLCS Vol. 1). Amsterdam: John Benjamins. Aczel, P. (1988) Non-Wellfounded Sets. CSLI Lecture Notes 14. Stanford. Adelaar, M./Cascio, V. L. (1986) Temporal Relation, Localization and Direction in Discourse. In: V. L. Cascio/C. Vet (eds.) Temporal Structure in Sentence and Discourse. Dordrecht: Reidel, 251—297. Adelung, J. C. (1782) Umständliches Lehrgeb äude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen Bd. 2. Leipzig. Ades, A./Steedman, M. (1982) On the Order of Words. In: Linguistics and Philosophy 4, 517—558. Aijmer, K. (1979) Explanation and Arguing. In: M. Linnarud/J. Sv artv ik (eds.) Kommunikativ Kompetens och Fackspråk. Uppsala: ASLA, 39—52. Ajdukiewicz, K. (1935) Die syntaktische Konnektizität. In: Studia Philosophica 1, 1—27. — English Translation: Syntactic Connexion. In: S. McCall (ed. 1967) Polish Logic. Oxford: Clarendon Press, 207—231. Akmajian, A./Lehrer A. (1976) NP-like Quantifiers and the Problem of Determining the Head of an NP. In: Linguistic Analysis 2, 395—413. Allan, K. (1977) Classifiers. In: Language 53, 285—311. Allan, K. (1980) Nouns and Countability. In: Language 56, 541—567.
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43. Personenregister
652, 802, 842, 844, 851, 855, 856, 859 Bäuerle 227, 228, 341, 555, 559, 652, 698, 727, 728, 733—740, 742, 743 Baumgärtner 733 Bayer 447, 807, 808 Bealer 385, 403 Beauzée 729, 733, 734 Bech 139, 142, 595, 631 Beesley 680 Behaghel 60, 694 Bellert 633 Belnap 334, 341, 860 Bennett 15, 227, 228, 341, 342, 381, 392, 403, 407, 408, 431, 433, 666, 672, 764, 771, 780, 786 Bennis 677 Berlin 68, 397, 414, 672 Bernini 565 Bertinetto 738, 743 Biermann 419 Bierwisch 33, 46, 48—50, 52, 54, 69, 70, 263, 280, 285, 441, 442, 453, 456, 457, 605, 614, 616, 659, 662—664, 667, 669—672, 674, 696, 759, 762, 763, 771, 773—775, 777, 780 Binnick 61 Black 263, 661 Blatz 730, 731, 733 Blau 253, 254, 256, 257, 259, 261, 406, 424, 425, 433, 438, 580, 582, 584, 710, 838, 843, 844, 846, 859 Bloomfield 5, 14, 659 Boehner 382 Boër 291, 299, 343, 345, 346, 348, 369, 533, 581 Boethius 369, 384 Boettcher 629 Bolinger 665, 666, 672 Bolton 385, 391 Bondzio 557 Bool 836, 855, 856 Borer 672 Borkin 639 Borsley 677 Bosch 546 Bower 68 Bowers 677 Bracco 677 Brame 690 Brauße 634, 639, 793 Bréal 1 Brecht 739, 747 Bredlove 414 Brekle 59 Brennenstuhl 672, 693 Bresnan 676, 677, 690, 699, 702 Brown 48 Brugmann 286, 782
909
Bühler 120, 227 Bull 641, 729, 731—733 Bunt 405, 406, 407, 408, 415, 435 Burge 369, 396, 403, 406 Burleigh 287 Burnham 633 Bursill-Hall 384 Burton-Roberts 329 Burzio 661 Buscha 614, 662
C Canfield 389 Caramazza 552 Carden 688 Cardinaletti 662 Carlson, G. N. 371, 373, 375—377, 379, 380, 381, 388, 403, 404, 406, 408, 414, 420—423, 512, 513, 522, 523, 534, 659, 672, 707, 858 Carlson, L. 416 Carnap 6, 9, 10, 21, 48, 91, 108, 225, 340, 351, 353, 365, 367, 368, 408, 560, 718 Cartwright 407—409 Casadio 92, 120 Cascio 736, 739, 746 Cassam 389, 393 Castañeda 226, 227, 369 Caton 330 Chafe 404, 414, 707 Chandler 388 Chao 544 Charnik 549 Chastain 534 Cheng 405 Chierchia 413, 454, 859 Choe 440 Chomsky 4, 5, 14, 15, 59, 66, 90, 91, 95, 97, 100, 101, 131, 132, 145, 382, 419, 441, 445, 534, 536—539, 544, 603, 650, 661, 663, 672, 673, 675, 677, 690, 696, 698, 702, 763, 804—806, 812—814, 816, 825, 826 Church 463, 715, 846 Cinque 672 Clark 566, 672, 783 Clarke 403 Clay 406 Closs-Traugott 783, 800, 801 Cocchiarella 388, 394, 395, 413, 414, 454 Cohen 327, 334, 340 Comrie 292, 451, 708, 722, 723, 726, 728, 730—732, 739, 742 Contreras 805 Cook 388, 407
Cooper 57, 80, 100, 104, 424—426, 435, 466—468, 469, 470, 471, 474, 485, 526—528, 529, 531, 534, 548, 652, 736, 738, 786, 789, 844, 855, 856, 859 Copi 388, 393 Coppleston 382—384 Cormack 590 Coseriu 16, 61, 67 Coulmas 48 Coyaud 786 Creary 772 Cresswell 21, 31, 44, 71, 74, 80, 82, 84—87, 92, 93, 98, 108, 109, 113, 116, 119, 121, 123, 124, 130, 153, 155, 226—228, 279, 282, 285, 337, 339, 370, 408, 409, 442, 446, 447, 454—456, 641, 666, 669, 670, 671—674, 679, 680, 685, 686, 690, 710—712, 714, 717—722, 736, 751—754, 758, 771, 780, 790, 819, 833, 848, 851 Cruttenden 805 Curme 633, 733 Cushing 652 Czepluch 697
D Dahl 381, 414, 423, 562, 563, 564, 595 Dal 629 Dalrymple 228 Daniels 441 Davidson 24, 31, 178, 283, 416, 442, 449, 453, 454, 486, 717, 750, 754, 755, 765, 769 Davis 846 Davison 571 de Jong 528 de Mey 420, 429, 440 de Morgan 611, 620, 621 de Sousa 392, 398 de Spengler 633, 634 Decarte 184, 226 Declerck 376 den Besten 675 Denny 758 Devitt 369 Devlin 859 Dieterich 677, 686 Diomedes 383 Dionysios Thrax 367, 692, 729 DiSciullo 131, 136, 138, 139, 140, 141, 142, 441 Dixon 658, 660, 672, 693 Doherty 54, 285, 588, 675, 677, 686 Döhmann 579, 612
910
Donnellan 43, 227, 368, 388, 389, 391, 497, 498, 499, 533, 534 Doron 534 Dougherty 418, 432 Downes 277 Downing 60 Dowty 16, 31, 48, 60, 62, 63, 376, 416, 545, 547, 556, 626, 627, 698, 701—703, 705, 707, 708, 734, 736, 737, 739, 753, 769—771, 773, 775, 846, 850, 858 Dresher 690 Dressler 416 Dretske 805 Drossard 400 Dryer 564, 574 Ducrot 586, 590, 615, 634, 794 Dummett 23, 267, 368, 369 Dupré 390, 396
36, 37, 64, 65, 286, 390, 393, 518—520, 521, 526, 534, 543, 710, 716 Foolen 794 Forbes 226 Franck 801 François 415, 707 Fraser 448, 789, 791, 793 Frege 2, 9, 10, 20, 23, 40, 55, 75, 95—97, 101, 106, 110, 113, 114, 123, 150, 167, 225, 226, 270—274, 292, 295, 296, 319, 321, 323, 324, 351, 353, 354, 365, 367—369, 385, 405, 459, 460, 462—464, 472, 479, 483, 493, 495—498, 503, 504, 505, 507, 513, 524, 526, 527, 529, 533, 651, 679, 692, 713—715 Føllesdal 281
G E Eberle 406, 435, 440 Ebert 534 Edmondson 787 Egli 334, 340, 341, 367, 549, 652 Ehrich 778 Eikmeyer 408 Eisenberg 637 Emonds 672, 675 Enc 228, 383, 504, 534 Engdahl 126, 544, 545 Engel 698 Erdmann 250, 256 Esau 443, 448, 453 Etchemendy 859 Evans 228, 534, 536, 545, 546 Ewans 368, 369
F Fabricius-Hansen 707, 709, 727—729, 732, 736—742, 746 Fales 390 Falkenberg 561 Faltz 125, 435, 547, 666, 667, 672, 856 Fanselow 59, 60, 63, 662, 813 Farkas 376, 381, 656 Fauconnier 311, 312, 317, 687 Feldman 643, 647 Féry 805, 823 Fiengo 432 Fillmore 293, 559, 696, 697, 701, 758, 764, 779, 782 Fine 254, 255, 261, 264, 422 Firth 17, 18 Fleischer 58, 441 Fodor 4, 13, 16, 18, 27, 28, 31,
Gaatone 567 Gabbay 406, 408, 577, 739 Gaifman 122 Gallin 226 Galton 451, 768 Gärdenfors 425, 435 Gardies 227 Gardiner 369 Garey 415 Gawron 859 Gazdar 40, 45, 47, 91, 130, 133, 144, 145, 231—233, 235, 236, 277, 280, 282, 301, 304—307, 309, 311, 312, 327—331, 382, 496, 533, 534, 581, 603, 611, 612, 614, 621, 677, 790, 794, 817, 842, 845 Geach 124, 125, 127, 129, 140, 141, 148, 151, 297, 300, 394 Geckeler 16 Geis 656, 690, 769 George 603 Gerling 693 Gerstner 423, 534, 858 Ghiselin 389 Gibbard 651, 655 Gil 440 Gillon 379 Givón 555, 565, 566, 570, 571 Goguen 259, 267 Goodenough 16 Goodman 405, 406, 435, 435 Gordon 17, 18, 329 Grabski 227 Grandy 333, 403 Green 688, 791, 801 Greenberg 401 Grewendorf 45, 277, 278, 280, 286, 630, 736, 739
Grice 15, 19, 20, 31, 32, 45, 47, 232, 283, 295, 300, 321—333, 416, 515, 516, 545, 566, 571, 588, 629, 651, 653—655, 671, 684, 739, 802 Grimshaw 443, 661 Groenendijk 336, 337, 344—347, 486, 645, 852, 860 Gross 586 Grosz 554, 555 Gruber 697, 764, 784 Guenthner 736, 737 Gupta 384, 394, 395
H Haack 262 Haas 816 Habel 759, 781 Haider 661, 662, 672 Haig 677 Haik 539 Haiman 638 Hajicová 576 Hale 677 Hall 62 Halliday 17, 633, 634, 798 Hamann 670—673 Hamblin 339, 341, 342 Hankamer 675, 676 Hare 23, 44, 685 Harman 275 Harnish 20, 45 Harrah 337—339, 341 Harries-Deslisle 577 Harris 15, 17 Hartung 633 Hasan 633, 634 Hasegawa 690 Hauenschild 555, 556 Hausser 279, 340, 341, 431, 433, 672 Hawkins 506, 514, 515, 534, 557, 782 Heger 696, 732 Heidolph 633 Heim 42, 91, 227, 233, 241—244, 246, 248, 249, 301, 307, 308, 311, 312, 317, 318, 330, 331, 377, 486, 487, 523, 534, 549, 550, 551, 557, 656, 823, 842, 845, 852 Heinämäki 629 Heinemann 561 Helbig 662, 698 Hellan 408, 670, 673, 677, 680, 683, 690 Hendrick 677 Hendriks 486 Henschelmann 627 Heny 677 Henzen 441 Herbermann 60
43. Personenregister
Heringer 739 Hermodsson 633, 636 Herskovits 782 Herweg 767—769 Heyer 423, 858 Higginbotham 432, 483, 539, 773 Higgins 677 Hill 779 Hinrichs 408, 416, 421, 440, 736, 739, 744, 858 Hinst 838 Hintikka 85, 78, 225, 303, 305, 338—340, 534, 710, 714, 718, 753 Hirschbühler 283 Hirst 552 Hirt 568 Hjelmslev 16 Hobbs 485, 556 Hochberg 369 Hoeksema 677, 687, 689 Hoenigswald 17 Hoepelman 261, 406, 416, 578, 674, 680, 685 Höhle 59, 139, 698, 805, 823 Hopper 694, 695 Hörmann 425 Horn 295, 305, 316, 328, 534, 564, 567, 568, 581, 586, 587, 589, 590, 591, 592, 690, 791, 793, 794, 805, 808 Horvath 805, 813, 826 Houweling 736 Huckin 678 Huddleston 675—677 Hughes 389, 641, 848 Hull 340, 341, 389 Husserl 92
I Ipsen 16 Irvine 383
J Jackendoff 36, 38, 52, 59, 62, 63, 65, 382, 441, 534, 537, 591, 650, 677, 697, 758, 761, 764, 771—773, 784, 805, 806, 814, 825, 826 Jacobs 284, 553, 563, 570, 571, 573, 576—578, 583, 585, 586, 589, 593—595, 619, 786—789, 790, 795—800, 802, 805, 807, 808, 810, 817, 819, 822, 826 Jakobson 16 Jansen 402, 408 Janssen 105, 106, 227, 464, 485, 852 Janßen 697
911
Jayaseelan 690 Jefferson 48 Jensen 60 Jespersen 340, 399, 406, 564, 565, 567, 568, 595, 692, 726, 727, 729, 731—733, 740 Johnson-Laird 37, 62, 67, 672, 778, 779, 783 Jolies 16
K Kac 630 Kadmon 534 Kähler 675 Kaiser 672 Kalish 838, 841 Kamp 42, 225, 241—243, 250, 254, 257, 259, 260, 262, 267—269, 280, 377, 486, 487, 534, 535, 549, 550, 551, 557, 558, 661, 666, 667, 672—674, 680, 681, 684, 736, 739, 744, 745, 845, 852, 854 Kanngießer 60 Kant 325, 393 Kantor 554 Kaplan 41, 91, 110, 113, 115, 117—119, 123, 225—228, 368—370, 497, 498, 533, 534, 684, 699 Karmiloff-Smith 552 Karttunen 40, 233, 283, 284, 292, 295, 301, 302, 307, 312, 318, 328, 330, 331, 339, 342—345, 496, 533, 534, 551, 589, 645, 706, 791—793, 796, 799, 802, 805, 807—809, 811, 818, 845 Kasher 284 Katriel 797 Katz 4, 7, 13, 16, 18, 23, 24, 31, 36, 56, 64, 276—278, 282, 283, 335, 639, 672 Kaufmann 775, 776, 781 Kay 68, 414, 672 Kayne 812 Keenan 57, 125, 292, 295, 340, 341, 430, 435, 473, 475, 476, 534, 540, 547, 666, 667, 672, 758, 856 Keil 69, 396 Kempson 7, 299, 329, 534, 581, 590, 791 Kempter 662 Kenny 384, 647 Kim 756 Kindt 267, 268 Kinkade 382 Kiparsky 60, 293, 447, 706 Kiss 577, 805, 813 Kitcher 389 Kleene 253, 842—844
Klein, E. 114, 225, 261, 674, 680, 684, 685, 687, 690 Klein, W. 120, 227, 603, 637, 814, 823 Klima 537, 563, 591 Kluge 367 Kneale 295 Knecht 677 Kölver 401 König 604, 632, 635—638, 786, 790, 793, 799, 800 Koopman 539, 540, 812 Kosslyn 782 Koster 702 Kramsky 372 Krantz 408, 678, 679 Kratzer 38, 113, 121, 130, 145, 225, 227, 404, 421, 534, 626, 641—645, 649, 654, 655, 736, 737, 740, 851 Kretzman 383, 384 Krifka 371, 381, 408, 409, 416, 419, 421, 423, 440, 534, 568, 591, 592, 593, 768, 810, 858, 859 Kripke 67, 226—228, 242, 368—370, 385—393, 396, 497—499, 519, 533, 534, 659, 672 Kroch 483 Kulas 534 Kuno 448, 677 Küper 630 Kürschner 59, 60, 567, 568 Kutschera 57, 64, 65
L Labov 65 Ladusaw 316, 426, 468, 534, 591—593, 670, 687, 795, 811 Lakoff 29, 30, 31, 48, 228, 257, 258, 265, 277, 282, 283, 329, 389, 390, 397, 441, 615, 634, 660, 672, 687, 690, 765, 783 Lambek 121, 124, 126, 127 Lambrecht 555 Landman 434, 644, 645, 654, 859 Lang 33, 45, 46, 49, 52, 54, 285, 556, 577, 600, 603—610, 612, 614, 616, 617, 619, 622, 624, 629, 630, 634, 762, 771, 778, 792 Langacker 536, 537, 782 Langendoen 301, 429, 431, 432 Lapointe 60 Lappin 280, 282, 283 Larson 674, 689, 690 Lasnik 432, 536, 546, 675, 826 Latzel 741 Lawler 397, 412 Laycock 405, 407
912
Lebeaux 441 Lee 284 Lees 59, 441, 677, 690 Legrand 611 Lehrer 16, 401, 402, 584, 674 Leibniz 393, 849 Leisi 399, 400, 415, 416, 693 Lemmon 45, 449 Lenerz 442, 739 Leonard 334, 335, 406, 435 Lerch 633 Lerner 369, 794, 798, 808 Lesniewski 92, 406, 435 Levelt 778 Levi 59 Levin 130, 154 Levinson 6, 35, 48, 280, 575, 581, 582, 637, 790 Lewis 13, 31, 44—46, 62, 93, 98, 108, 109, 118, 121, 122, 124, 148, 226—228, 242, 278—280, 282, 283, 312, 333, 335—338, 340, 346, 370, 375, 460, 516, 523, 534, 557, 626, 644, 652, 653, 655, 656, 680, 683, 684, 718, 719, 722, 752—754, 788 Li 699, 762 Liddell 690 Lieb 576 Lieber 59, 60 Lindner 782 Lindström 459, 471, 472 Linebarger 589, 591, 592 Link 231, 279, 406, 408, 409, 411, 412, 424, 428, 434—438, 440, 526, 533, 534, 703—705, 781, 838, 842, 845, 846, 848, 850, 858, 859 Linsky 368 Löbel 402 Löbner 42, 43, 50, 451, 461, 534, 535, 557, 558, 564, 636, 705, 706, 767, 768, 775, 792, 793, 796, 800, 802, 805, 821—825, 846, 856 LoCascio 854 Locke 385, 386, 393, 394 Longacre 760 Lounsbury 16 Ludlow 534 Łukasiewicz 252, 253, 258—260, 842 Lundy 603 Luschei 406 Lutzeier 64, 758 Lønning 406—408, 415, 435, 856 Lycan 291, 299, 392, 533, 581 Lyons 3, 5, 14—17, 23, 95, 96, 264, 285, 286, 403, 559, 584, 645, 674, 692, 693, 723, 726, 727, 783
M
N
Mackie 786 Maclaran 534 Maienborn 778 Malinowski 44 Malotki 64 Mandelbaum 672 Manzini 624 Manzotti 707 Marchand 441 Martin 614, 629, 801 Massey 435 Matthews 2 May 100, 132, 476, 478, 480, 482, 483, 809, 812 McCarthy 57 McCawley 31, 62, 65, 441, 447, 652, 677, 678, 687, 787, 792 McConnell-Ginet 684 McGarry 384 McGloin 567 McKay 390 McKeon 383 McNeill 672 Medin 65 Meggle 45, 333 Meinong 370 Mellor 390 Mey 677 Michael 692, 694, 730 Mill 367, 627 Miller 672, 778, 779 Milner 676, 677 Milsark 380, 528, 532—535, 707 Mithun 846 Mittwoch 701 Moeschler 633, 634 Molinelli 565 Mondadori 388 Montague 11, 21, 22, 30, 31, 38, 40, 42, 57, 62, 63, 84, 90—93, 96—115, 117, 120—123, 133, 147, 148, 154, 225, 226, 228, 279, 280, 330, 341, 342, 368, 373, 376, 382, 403, 407, 408, 412, 437, 442, 449, 450, 451, 453, 459, 467, 471, 480, 483—487, 523, 593, 663, 666, 673, 735, 736, 753, 756, 769, 770, 773, 809, 834, 835, 841, 846—849, 856, 875 Moody 384 Moortgat 142 Moravcsik 403, 405—408, 568, 577 Morel 639 Morgan 61, 259, 311, 329 Morreall 630 Morris 6, 14, 35, 91 Moss 57, 475 Mostowski 460, 466, 467, 471, 855 Motsch 59, 285, 442 Muskens 851
Naess 250 Napoli 675—678, 686 Neale 534 Nedjalkov 708 Nerbonne 728, 736—739 Nespor 676, 677 Newmeyer 61, 65, 131 Noreen 399 Norton 388 Nuchelman 287
O Ockham 382 Odgen 8, 13, 14 Oehrle 124 Oetke 611, 620 Oh 442 Orthen 693 Osgood 664 Ostler 764, 765
P Palmer 650 Parret 390 Parsons 100, 104, 370, 406, 408, 409, 453, 672, 858 Partee 27, 31, 40, 96, 111, 125, 134, 228, 279, 404, 448, 485, 486, 534, 535, 540, 546—548, 556, 611, 614, 621, 652, 656, 664, 712, 716, 735, 736, 744, 846, 848, 849, 851, 859 Pasch 624, 629, 630 Paul 804, 805, 822 Pause 554—556 Payne 562—565, 586 Peacocke 57 Peano 272 Peirce 6, 251, 640, 655 Pelletier 259, 380, 381, 400, 403, 405, 406, 408, 423, 858 Percival 694 Perlmutter 650, 661, 690 Perry 21, 25, 31, 41, 43, 71—88, 226, 450, 451, 842, 851, 859 Pesetsky 58, 59, 441 Peters 31, 38, 252, 284, 295, 301, 302, 307, 318, 328, 330, 331, 376, 496, 533, 589, 791, 793, 796, 802, 805, 807—809, 811, 818, 845, 848, 851, 859 Peterson 447 Petöfi 696 Pilch 677 Pinborg 384, 692, 694 Pinkal 38, 39, 225, 255, 257—262, 267—269, 550, 554, 660, 661, 665, 667, 672, 681, 843 Pinkham 675, 677
43. Personenregister
Plank 699, 787 Plann 677 Plantinga 369, 388 Plato 692 Platts 31 Platzack 707 Pollard 860 Porterfield 371 Porzig 16, 18 Posner 47, 578, 600 Post 252 Postal 4, 16, 276—278, 282, 283, 335, 424, 690 Price 388 Prince 318 Prior 25, 333, 729, 734 Priscian 2, 729 Projektgruppe Verbvalenz 693 Pullum 612 Pulman 62, 65, 66 Pusch 441, 634 Putnam 16, 66, 67, 263, 369, 385—393, 396, 398 Pütz 662
Q Quine 14, 15, 18, 31, 66, 127, 262, 263, 267, 368, 369, 401, 403, 405—408, 415, 451, 719, 787, 838, 841 Quirk 629, 630, 633, 658, 726, 730, 740, 741, 786, 791
R Ramat 565 Ramsey 626 Raven 414 Reddig-Siekmann 440 Reichenbach 226, 340, 453, 454, 625, 633, 663, 666, 729, 732—734, 737—739 Reichgelt 311 Reichmann 555 Reinhart 481, 536, 537, 539, 544, 545, 549, 550, 556, 573, 690 Reis 59, 625, 629, 630 Renz 603 Rescher 252, 729, 734 Reuland 534 Reyle 440, 852, 854 Richards 8, 13, 14 Riemsdijk 131 Ries 97 Ristow 781 Rivara 677 Rivero 677 Roberts 440 Robins 17 Roeper 406, 441, 445
913
Rohrer 59, 60, 416, 731, 732, 736, 738, 739, 744—747, 854 Rooth 125, 440, 478, 486, 534, 549, 611, 614, 621, 807, 810—812, 814—820, 822, 823, 825—833 Rosch 16, 68, 782 Ross 45, 277, 278, 281, 282, 537, 540, 629, 630, 650, 678, 685, 687, 690, 786, 789 Rudolph 628, 631 Rusieki 674 Russell 9, 41, 75, 96, 178, 226, 228, 291, 296, 297, 328, 350, 351, 353, 365, 368, 370, 385, 488—493, 495—497, 504, 505, 507—509, 513, 524, 526, 530, 531, 533, 534, 581, 679, 687, 689, 717, 750, 841 Rutherford 630, 130 Ryle 626
S Sæbø 627, 701, 735, 736, 746 Sacks 48 Sadock 45, 277, 286, 295, 331, 630 Safir 534, 539, 540, 707 Sag 114, 318, 518—521, 526, 534, 540, 603, 677, 830, 860 Saile 777, 780 Salisbury 384 Salmon 396, 533 Sapir 659, 672, 674 Saussure 15 Savin 301 Scabolcsi 813 Scha 422, 429—431, 433, 473 Schachter 448, 534, 672 Schäublin 443 Schegloff 48 Schenkel 698 Schiffer 31, 332, 333 Schmerling 600 Schmidt 566 Schönfinkel 127 Schubert 380, 381, 400, 405, 406, 408, 423 Schumacher 693, 698 Schütze 436, 440 Schwartz 67, 385, 388, 390—392 Schwarz 369, 675, 677, 686 Schwarze 693, 698 Schwyzer 729, 730, 742 Scott 225 Scotus 369 Searle 20, 23, 31, 45—47, 54, 62, 281—284, 324, 329, 368, 860 Segerberg 226, 369, 641 Selkirk 59, 401, 402, 441, 806, 826
Sellars 298, 394 Sells 544, 858 Serzisko 401 Seuren 294, 303, 311, 312, 314—317, 480, 562, 582, 669, 673—676, 684, 687, 689, 691 Shamir 122 Shapiro 392 Sharvy 400 Shibatani 62, 708 Shieber 485 Shortliffe 260 Sidner 553, 554, 556, 558 Siebert-Ott 703 Siegel 665, 672, 680, 685 Sinclair 17 Sitta 629 Skinner 14 Smaby 227, 549, 552 Smith 17, 65, 333, 672, 677, 736, 739 Smith-Stark 419 Soames 233, 287, 295, 301, 304, 305, 533, 790, 802, 845 Sober 389 Solfjeld 747 Sondheimer 765—767, 774 Sperber 20, 47, 333, 582, 802 Sportiche 537, 539, 540, 812 Srivastav 371 Stalnaker 41, 83, 115, 117, 118, 226—228, 233, 235, 236, 239, 240, 250, 287, 290, 307, 310, 311, 318, 330, 331, 369, 497—499, 518—520, 533, 626, 712, 713, 748, 786, 792, 845 Stassen 674—676 Stavi 435, 856 Steedman 124, 127 Steel 334, 341, 860 Steinitz 728, 760, 783 Stenius 23, 46, 272, 281, 335 Sterelny 392, 393 Stern 390 Sternefeld 133, 143, 145—147, 445, 661, 697, 798, 813 Steube 736 Stewart 406, 415 Stickel 563 Stockwell 419, 448, 534 Stokhof 336, 337, 344, 345—347, 486, 645, 852, 860 Stong-Jensen 60 Storch 707 Strawson 291, 296, 298, 299, 308, 327, 328, 368, 369, 393, 394, 407, 408, 446, 533, 534 Stump 656 Sugioka 376, 381, 656 Suppes 154 Szabolcsi 124, 127, 535, 576—578, 590
914
T Taglicht 786, 798, 809—812 Talmy 761 Tarski 21, 112, 225, 460, 465, 480, 856 Taylor 415, 753 Tedeschi 736, 753 Tennant 590 ter Meulen 401, 403, 405, 406, 408, 413, 415, 416, 534 Tesnière 697, 698 Thomason 75, 90, 267, 450, 451, 453, 715, 722, 748, 846 Thompson 445, 678, 694, 695, 699, 760, 762 Thomson 755 Thrax Dionysios 367, 692, 729 Tichý 226, 337, 339, 736 Todt 258, 261 Toman 59, 60, 661, 662, 672 Tottie 585 Toulmin 637 Traugott 783, 800, 801 Trier 16, 18, 64 Turner 413, 454, 859
300, 301, 304—306, 309—312 van Dijk 626 van Eijck 462, 486 van Fraassen 254, 298 Vandeloise 782 Vanderveken 275, 283, 284, 286, 860 Varga 859 Vater 447, 727, 733 Veltman 267, 645, 654, 859 Vendler 397, 415, 442, 443, 446, 451, 744 Vennemann 562, 665, 673, 674 Verkuyl 416, 421, 425, 707 Vet 736, 739, 854 Vlach 225, 688 von Stechow 44, 119, 125—127, 129, 130, 133, 142, 143, 145—147, 154, 225—228, 285, 286, 370, 408, 409, 440, 445, 533, 535, 562, 592, 661, 673, 674, 680, 682—691, 697, 702, 703, 713, 719—721, 767, 790, 805, 806, 813, 814, 819—823, 826, 833, 851 von Wright 647
U W Uhlig 367 Uhmann 806 Ullmann 4, 8 Ullmer-Ehrich 443, 448, 453 Ultan 674, 676, 677 Unger 390 Urquhart 729, 734
V Valgard 630 van Benthem 57, 58, 127—129, 425, 435, 462, 467, 470, 474—477, 674, 684, 685, 734, 736, 854, 856 van Dalen 465 van der Auwera 794 van der Sandt 231, 233, 290,
Wada 555, 556 Wahlster 260 Waismann 263 Wald 406—408 Wali 447 Walker 327 Wall 31, 376 Wallace 31, 394, 669, 673, 674, 685 Walter 693 Ware 400 Warner 333 Wasow 445, 603, 677 Watson 13 Webber 552 Weber 555, 626 Weijters 315 Weinreich 18
Weinrich 729 Weisler 603 Welsh 390, 391 Welte 567, 585, 591 Wescoat 685 Westerståhl 57, 58, 425, 462, 475, 477 Wexler 672 Weydt 633, 801 Wheeler 124, 674, 685, 755, 756 Whitehead 228, 841 Whorf 64, 672 Wiggins 388, 393, 394 Wilkinson 656 Wille 858 Williams 59, 60, 131, 136, 138—142, 441, 445, 540, 603, 650, 677, 690, 830 Williamson 226 Wilson 20, 47, 291, 299, 304, 329, 333, 582, 802 Wittgenstein 18, 19, 21, 44, 54, 250, 263, 271—274, 368, 385 Woods 370 Wright 267, 626, 627 Wunderlich 32, 33, 46, 48, 131, 279, 285, 342, 585, 603, 634, 673, 677, 693, 698, 727, 728, 731, 733, 734, 738, 758, 761, 764, 773, 776, 779, 781, 783 Wurzel 677 Wygotski 275
Z Zadeh 257, 258, 261 Zaefferer 274, 276, 278, 283, 284, 340, 440, 579, 860 Zaenen 736, 753 Zeevat 852 Zemach 388, 390, 392, 407, 408 Zifoun 566 Zimmer 585 Zimmermann 129, 344, 440, 794, 808, 821, 833 Zuber 276, 284 Zwarts 316, 468, 470, 567 Zwicky 286, 685
Esther Damschen/Carola Höhle, Düsseldorf (Bundesrepublik Deutschland)
44. Sachregister
915
44. Sachregister Subject Index A a priori 184 a priori, kontingentes 184 aber-Koordination / but 615 abstraction
s. Lambda-Abstrak-tion abwärts implizierend / down- ward entailing 468, 591, 687, 799, 811 accessibility relation 641 adjective, absolute 665, 668 adjective, gradable 673 adjective, non-standard 665 adjective, relative 665, 668 adjective, value 670 adjectives, attributive approach 665 adjectives, predicative approach 663 admissibility 233, 239, 307 adverb of quantification 375, 511, 523, 652 Akkommodation des Kontextes 235, 307, 516 Akkommodationsregel 188, 235 Algebraische Semantik 854 All-Spezialisierung 837 Allgemeinname / common noun 370, 376, 382 Allquantor / universal quantifier 96 Alternative, doxastische 718 alternative, perceptual 753 Alternativenraum 83 Alternativfrage / disjunctive question 337, 344 Ambiguität 221, 250 Ambiguität, de re / de dicto 344, 347 Ambiguität, lexikalische 98, 263 Ambiguität, strukturelle 27 Ambiguität, syntaktische 98, 105 Ambiguitätstest 265 amount term 408 analyzability 481 Anapherninterpretation 552 anaphor 241, 506, 538, 848, 850 anaphorisch, assoziativ- 506 f. Anhebung / raising 144 Anker, externer 250 Ankerfunktion 852 antifaktives Verb 292 antonym 660 Antwortmengen-Methode 341 application 121, 124 Applikationsrichtungsänderung 126 Applikativ 130 Archimedische Eigenschaft 410 Argumentvererbung 445
Argumentvertauschung 126 Aristotelisches Quadrat 461, 856 Art des Gegebenseins 185 Arten / kinds 512, 659, 858 Arten, Referenz auf 370, 420 Arten-Prädikat / kind level predicate 371, 423 Artikel
s. definiter / indefiniterArtikel Aspekt 726 assertiv 270 assignment function (value assignment / Interpretations- funktion / Wertzuweisung) 26, 107, 152, 252, 841 atelischer Verbausdruck 415 atomar 410, 435 attr-operator 664 attributive Lesart 237, 239 attributiver Gebrauch 43, 369, 497 Aussage
s. Proposition Aussagenlogik / propositional calculus 29 Auswertungssituation 158, 161 f. Auswertungswelt 115 Äußereraspekt / utterer aspect 187 Äußerung / utterance 5 Äußerungsbedeutung / utterance meaning 33 Äußerungsinhalt 319 Äußerungskontext 110 Äußerungssituation 158 f., 161 f., 177, 237 Äußerungssituation, feste Aspekte 159 Äußerungssituation, homogene 177 Äußerungssituation, verschieb- bare Aspekte 159 Autonomie der Syntax 90
B Bach-Peters’ sentence 478, 848 basic expression (Grundaus- druck) 102 Basisinterpretation 254 Bedeutung / meaning 20, 82, 108 Bedeutung, explizite 20 Bedeutung, implizite 20 Bedeutung, strukturierte 108, 717, 720 Bedeutung-als-Gebrauch-Theo- rie 19
Bedeutungspostulat / meaning postulate 29, 48, 62 Bedeutungstheorie, relationale 86 Bedeutungszerlegung
s. semanti-sche Dekomposition behavioristische Semantik 13 Belegungsspielraum 609 Believe de re 362, 719 Believe de se 718 Benennung / naming 9 Benennungstheorie 367 Benennungstheorie, reine 350 bestimmter Artikel
s. definiterArtikel Betrachtzeit 190, 737 Bewege-α / move-α 133 Bewertung
s. assignment func-tion Bewertungssemantik 841 Bewußtseinsinhalt 182, 185 bijection principle 540, 813 binding 95, 173, 463, 481 binding operator 543 binding, local 540 binding, syntactic 537 Boolesche Modellstruktur mit Gruppen 436 Boolesche Semantik 856 bound variable 242 bound variable principle 827 bound variable interpretation 535, 538 boundness, clause 812 branching quantifier 476 Bündeltheorie 353, 368
C c-command 481, 537 categorial grammar 90, 120 f., 124 categorial language 148 category, categorematic 382 category, definition 149 category, syncategorematic 382 category, syntactic 63, 102, 148 causal adverb 752 causal conjunction 623 CHANGE-Operator 775 Charakter 41, 86, 110, 160 f., 237, 355, 524 clausal implicature 232, 305 cleft-sentence (Spaltsatz) 294, 315, 805 commensurability 686
916
common integrator 605 common noun 370, 376, 382 comparative 669, 673 f. comparative deletion 677 comparative ellipsis 677 comparison class (Vergleichs- klasse) 685 compatibility, logical 607, 641 completeness 837 compositionality
s. Kompositio-nalität compositionality, principle of (Fregeprinzip) 4, 40, 95, 157, 296, 464, 711 compound quantifier 473 conceptual
s. konzeptuell concessive conjunction 629 conclusion (Schluß) 28 conditional 234, 328, 626, 642, 651, 853 conditional, modalized 654 conjunction
s. Konjunktion consequence, logical 641 conservativity
s. Konservativität consistency 641 context
s. Kontext content vs. implicature 808 control
s. Kontrolle conversational background 641 conversational implicature 62, 325, 651 conversational maxim 325, 331 coordination 599 coreference, pragmatic 544 counterfactual analysis of causa- tion 626, 628 counterfactual conditional 520 counterfactuals 805 crossover 829 crossover argument 812, 826 cumulative
s. kumulativ D D-Struktur 131 de re / de dicto-Ambiguität 344, 347 de-dicto-Lesart 351 de-re-Lesart 351, 370 Default-Annahme 289 definite description
s. Kenn-zeichnung definite NP 247, 524, 526 definite NP, Inhaltsbedingung 247 f. definiter Artikel 41
definiter Artikel, direkt referen- tielle Deutung 189 definiter Artikel, Disambiguie- rung 504 definiter Artikel, Fregesche Deutung 495 definiter Artikel, generische Les- art 511 definiter Artikel, Russellsche Deutung 488 definiter Artikel, verallgemei- nerte Russellsche Deutung 509 Definitfakultativität 701 Definitheitsrestriktion für expletives there 528 degree (Grad) 679 degree adverb 751 degree as equivalence class 680 degree parameter 679 degree particle 786 degree, numerical 682 deiktischer Ausdruck 38, 163, 166, 237 deiktischer Ausdruck, Umschreibung 166 deklarativ 22, 270 deklarativer Modus 46 Dekomposition, semantische 16, 48, 61 demonstrative Nominalphrase 193 demonstrativer Ausdruck, rein 196 demonstrativer Gebrauch 194 Demonstrativum 192 f., 558 Denotat 839 Denotatensystem 109, 122 Denotation 11 Derivation 60 Derivativnominalisierung 442 desambiguierte Syntax 102 Desideratum 338 deskriptive Bedeutung 53, 166, 355 deskriptive Konstante 838 Determinativkompositum 60 determiners 465 Diachronie 4 Diagonalisierung 240, 358, 712 Diagonaloperator 117, 174, 240, 353 Diagonaloperator, senkrechter 359 Diagonaloperator, waagerechter 174 Dimension 164 dimensionales Adjektiv 49 direkt referentiell 111, 237, 355 direkt referentielle Deutung 499 direkte Frage, Reduktionstheo- rie 335 direkte Rede / direct speech 198 direktiv 270 Disambiguierungsparameter 221 Disjunktion 72, 76, 96, 254
disjunktive Frage, 337
s. Alternativ-frage disjunktive Referenz 432 Diskurs, temporal freier 739 Diskurs, temporal verbundener 744 Diskursbereich 311 Diskursfokus 553 Diskursreferent 551 Diskursrepräsentation 311 Diskursrepräsentationsstruktur 852 Diskurssemantik 311 distributionelle Theorie 17 distributiv 435 distributive Prädikation 415, 427 distributive Referenz 405 divisiv 410 divisive Referenz 405 donkey sentence (Eselssatz) 42, 242, 478, 656, 848, 851, 854 downward entailing (abwärts implizierend) 468, 591, 687, 799, 811 doxastische Alternative 718 dreiwertige Logik 252, 314, 843 dthat- Operator 117, 166 DTHAT-Operator 175 Durativität 452
E Eigenname / proper noun 240, 349 Eigenname, Deskriptionstheorie 352 Eigenname, echter 358 Eigennamen, logische Kategorie 364 Eigenschaft / property 25, 82 Eigenschaft, Selbstzuschreibung 210 Einbettung 598 Einschlägigkeitsaspekt 194 Einstellung, iterierte 721 Einstellung, propositionale 27, 205, 709, 721 Einstellungsinhalt 710 Einstellungsverb 205 Einzigkeitsbedingung / condition of uniqueness 493 Ellipsenregel 199 episodic sentence 379 epistemische Information 184 epistemischer Zustand 182 Equativ 669, 674 Ereignis-Individuum 448 Ereignis / event 79, 446, 754, 756, 858 Ereignisbegriff 450 Ereignisnominalisierung 447 Ereignisprädikat 416 Ereigniszeit 732 Erfüllungsbedingungen 46, 282, 293 Erfüllungsmenge 244
44. Sachregister
Ergänzungsfrage 337, 345 f. erotetisch 270 Erzeugungseigenschaft / genera- tion property 72 Eselssatz / donkey sentence 42, 242, 478, 656, 848, 851, 854 evaluation
s. assignment, Aus-wertung evaluativer Gebrauch 796 f. even 811, 817, 820 event 79, 448, 754, 756, 858 evidential use 629 Exhaustivität, schwache 344 Exhaustivität, starke 343, 347 existential import 462 Existenz-Abschwächung 837 Existenzbedingung 493 Existenzpräsupposition 292 Existenzsatz 491 exklamativ 270 exklamatorisch 270 expletives there 528 Extension 11, 25, 55, 109, 156, 161, 465, 525, 839 extension, s- 684 extensional 116 extensionale Konstruktion 158, 166 extensionale Sprache 503 extensionales Verb 705 extensionalisierte Fregesche Deutung 503 Extensionalisierung 172 Extensionalität 840 extensive structure, positive closed 679 extenso, Relation in 109 Extensor 117 external reading 689
917
Fokuspartikel / focussing par- ticle 805 Fokuspartikel, even 811 Fokuspartikel, nur 294 Fokuspartikel, only 808, 832 Fokuspartikel, sogar 294 Folgerung, logische 641, 840 Folgerung, pragmatische 236 Frage-Antwort-Paar / questionanswer pair 339 Frageinhalt 333 Fragemodus 333 Fragesatz / interrogative sen- tence 333 Fragesatz, logische Kategorie 344 Fregeprinzip (Kompositionalitätsprinzip) 4, 40, 95, 157, 296, 464, 711 Fregesche Bedeutung 10, 55 Fregesche Deutung, extensionalisierte 503 Fregesche Interpretation 113 Fregesche Typenzuweisung 113 Fregesches das 526 Fregesches das, verallgemeiner- tes 527 freies Pronomen 43 Funktion, charakteristische 158 funktionale Applikation 124 Funktionskomposition 124 Fusion 410 fuzziness 262 fuzzy logic 258, 260
G GB-Modell 131 Geach’sche Typanhebung 124 gebundene Variable
s. bound var-iable F fact (Tatsache) 81, 83, 446 faktiver Subjektsatz 315 faktives Prädikat 447 faktives Verb 706, 710 Familienähnlichkeit 263 Färbung 165 Fiktionalität 365, 370 filter 302, 305 filter, principal 471 Flexion / inflection 60 focus 787, 789 f. focus associated 807 focus domain 806 focus movement 809, 819 focus projection 806 focus, free 822 focus, in situ theory 814, 825, 828 focus, movement theory 825 f. focus, predicational theory, 822
gebundenes Pronomen 43 gemeinsamer Hintergrund 287 generalisierter Quantor / generalized quantifier 425, 466, 855 generalization 377 generalization, stable 391 generator 471 generic reading 371, 522 generischer Massenterm 412 generischer Satz 414, 420 Genitivattribut 198 gequantelt 410 Gerundium 444 geschlossene Klasse / closed class 58 Gesprächsmaxime / conversatio- nal maxim 20 Glauben de re / Believe 362, 719 Glauben de se 718 governing category 538 Grad / degree 679 gradability 659 Gradadverb 751
Gradpartikel / degree particle 786 Grice’s paradox 653
H Halbordnung / partial order 409 Haufenparadox 266 head principle (Kopfprinzip) 59, 146 Hecke, sprachliche / hedge 261 holistische Referenz 451 Homomorphismus 107 Homonymie 99 Hon-Nob-Satz 848 hyperintensionaler Kontext 712
I Ideationstheorie 11 Idee 12 Identifizierungsbedingung 33 Identitätssatz 489 identity, principle of 394 illokutionäre Rolle 270 illokutionärer Akt 273 Illokutionssemantik 283 Illokutionstyp 270 Illokutionstypbewertung 283 Illokutionstypindikator 281, 630 illokutionstypspezifische Bewertung 280 illokutive Kraft / illocutionary force 20 imperativ 270 imperativer Modus 46 implication, material 649, 651 implikatives Verb 292, 706, 710 Implikatur 20, 47, 230, 319, 326, 514, 651, 808 Implikatur, Klausal- 232, 305 Implikatur, konventionelle 302, 324, 326 Implikatur, konversationale 62, 325, 651 Implikatur, potentielle 232 Implikatur, skalare 231, 305 Implikaturauslöser 284 incompatibility 265, 607 indefiniter Artikel 42, 242 indefiniter Artikel als Existenzquantor 513 indefiniter Artikel, spezifische Lesart 516 indefiniter Artikel, unspezifische Lesart 516 Indefinitfakultativität 701 index translation 543 indexikalischer Ausdruck 38, 237 indexikalischer Satz, Kontextveränderung durch 239
918
indexikalischer Satz, Zulässigkeitsbedingung 239 indikativ 22 Indirekte Frage / indirect ques- tion 342 Indirekter Sprechakt 329 individual-level predicate (Individuenprädikat) 374 Individualbegriff 351 Individualterm 399, 525 Individuensumme 434, 436 individuierendes Nomen 418 inference (Schluß) 28 Infinitivnominalisierung 442 Informationsgehalt eines Satzes 178, 181 f. Informationsgehalt, maximaler 179 Informativitätsbedingung 236 Inhalt 496, 808 Inhaltsbedingung für definite NP 247 f. Inklusion 607 inkohärent 72 innerer Monolog 182 in situ Theorie 811 Intension 11, 26, 109, 116, 157 f., 161, 346, 525, 847 intensionale Isomorphie 108 intensionale Konstruktion 158, 167 intensionale Logik 110 intensionaler Kontext 847 f. intensionales Verb 705 intenso, Relation in 109 Intensor 117 internal reading 689 interpretability 27 Interpretation 26, 91, 107, 114, 123, 152, 524 interpretation domain (Interpretationsbereich) 152 Interpretation von NP 525 Interpretation, typengesteuerte 114 Interpretationsfunktion,
s. as-signment function interrogativ 270 interrogative Einstellung 339 interrogativer Modus 46, 333 interval 736 Iota-Eliminierung 837 Irrelevanzkonditional 635 island constraint 828 f. isomorphy 466
J Ja/Nein-Frage 337 Junktor 327
K Kanonisierbarkeit 838 kategoriale Sprache 148 Kategorialgrammatik 90, 120 f. Kategorialgrammatik, verallgemeinerte 124 Kategorie, Definition 149 Kategorie, lexikalische 102 Kategorie, syntaktische 63, 102, 148 Kategorienfehler / category mis- take 293 Kategorienindex 102 kausale Konjunktion 623 kausales Adverb 752 Kausalsatz 636 Kausativ 130 kausatives Verb 708 Kennzeichnung / definite description 557, 836 Kennzeichnung, leere 490 Kennzeichnungstheorie 297, 328, 350 kind, identity condition 376 kind, natural 512, 659, 858 kind-denoting term 370, 420 kind-level predicate (Artenprädi- kat) 371, 423 Klassifikatorsprache 400 Klausalimplikatur 232, 305 Ko-Text 17 kollektive Prädikation 415, 427 kollektives Nomen 399, 426 Kollokationstheorie der lexikalischen Bedeutung 17 kommunikativer Sinn / communicative sense 33 Komparativ
s. comparative Kompatibilität, logische 641 Komplement-Satz, logische Kategorie 346 Komponentenanalyse 16 Kompositionalität 21, 111 Kompositionalitätsprinzip (Fregeprinzip) 4, 40, 95 f., 157, 296, 464, 711 Kompositionalitätsprinzip, allgemeines 166 Kompositionalitätsprinzip, nai- ves 157 Kompositum 59 Konditional 234, 328, 626, 642, 651, 853 Konditional, Irrelevanz- 635 Konditional, modalisiertes 654 Konjunktformat 602 Konjunktion 72, 236, 259, 598 f. Konjunktion, kausale 623
Konjunktion, konzessive 629, 631 Konnektivum 632 Konnektoren 597 konservative Erweiterung / conservative extension 843 Konservativität 255, 257, 259, 466 Konsistenz 641 Konsistenzbedingung 236 Konsistenzregel, lokale 269 konstativ 20 Kontext 17, 38, 86, 169, 229, 268 Kontext, Null- 282 Kontext, quantifizierter 219 Kontext, stimmiger 170 Kontextabhängigkeit / context dependence 41, 156, 505 Kontextaspekt 186 Kontextbedingung 39 Kontexterweiterung / context extension 301, 306, 310 kontextinvariante Bedeutung 38 kontextuelle Theorie der Bedeu- tung 17 kontextueller Parameter, echter 191 Kontextveränderung 231 Kontextveränderung durch indexikalische Sätze 239 Kontextveränderungsfunktion 234 Kontextveränderungspotential 307 kontradiktorischer Gegensatz 607 kontrafaktisch / counterfactual 805 kontrafaktische Analyse 628 kontrafaktisches Konditional 520 konträrer Gegensatz 607 Kontrast 619 Kontrastakzent 315 Kontrolle 144, 207 Kontrollkonstruktion 144 Kontrollverb 702 konventionelle Implikatur 302, 324, 326 konversationale Implikatur 62, 325, 651 Konversationsmaxime 325, 331 Konzeptualismus 9 konzeptuelle Differenzierung 50 konzeptuelle Repräsentation 50, 66 konzeptuelle Verschiebung / conceptual shift 50, 69 konzessive Konjunktion 629, 631 konzessive Präsupposition 633 koordinative Verknüpfung 599 Kopfprinzip / head principle 59, 146 Korrektheit, intuitive 837 Korrektur 619
44. Sachregister
kumulativ 410, 415 kumulative Lesart 430 kumulative Referenz 405, 420, 437, 451 Kumulativität 406
L Lambda-Abstraktion 150, 173, 340, 463, 836 lambda-categorial intensional language 833 lambda-categorial language 150 lambda-conversion 153, 837 Leibniznotwendigkeit / Leibniz necessity 116 lexicalisation of scoping 486 lexikalische Kategorie 102 lexikalische Mehrdeutigkeit / lexical ambiguity 98 lexikalisches Prädikat 295 lexikalische Semantik 2 Lexikalisierungsbeschränkung / lexicalization restriction 612 Linksapplikation / left applica- tion 124 literal meaning 33, 179 local binding 540 locality 213, 310, 559 Loch / hole 302 logical constant 30 logical form 29, 479, 808, 826 logische Folgerung 290, 840 logischer Eigenname 367 f. logischer Kontext 847 logisches Operatorwort, Gegenstandsneutralität 57 logisches Wort 56 lokale Konsistenzregel 269 lokalisierende Perspektive 180 Lokalisierung 758 Lokalisierung, Objekt- 769 Lokalisierung, Situations- 765 lokutionärer Akt 273
M M-Intensionalität 219 manifestation 408, 455, 754, 756 Manifestation, raumzeitliche 408 Massennomen 399, 418, 508 Massenterm 399, 857 Massenterm, dualer Ansatz 403 Massenterm, generischer 404, 412 Massenterm, Individuen-Ansatz 403 Massenterm, objektbezogener 405 Massenterm, Prädikat-Ansatz 403 Maßfunktion 409 max operator 687
919
meaning (Bedeutung) 82 meaning postulate (Bedeutungspostulat) 29, 48, 62 meaning, structured 108, 209, 790, 819, 851 measurement (Messung) 678 Mehrdeutigkeit, syntaktische / syntactic ambiguity 98, 105 Mehrdeutigkeit, funktionale 264 Mehrdeutigkeit, lexikalische 98 Mehrdeutigkeit, referentielle 264 Mehrdeutigkeit, Skopus- / scope ambiguity 98 mehrwertige Logik 252 meinen / mean 205, 210, 321 meinen de se 209 mereologisches Modell 406, 435 Merkmal 48, 64, 387 Merkmalssemantik 64 metaphysische Information 183 Minimaldifferenz, semantische 604 modal base 644, 649 modal base, realistic 646 modal context 352, 689, 847 modal force 649 modal logic, 2-dimensional 174 modal reasoning 645 Modalität, relative 639 f. modality 639, 426 modality, conditional 646 modality, epistemic 650 modality, graded 643 modality, root 650 Modalpartikel 801 Modell 839 modelltheoretische Semantik 36, 38, 152, 841 Modifikator, Prädikats- 748 Modifikator, propositionaler 751 Modularität 44, 48, 143 Modus 22 Modus, Satz- 270 Modusmorphem, abstraktes 276 modusspezifischer Denotattyp 279 mögliche Welt / possible world 25, 78, 81 Mögliche-Welten-Semantik 80, 109, 847 Möglichkeit / possibility 644 Möglichkeitstest 290 monotonicity 467, 856 Monsterverbot 115 f., 167 Monstrum 116, 167 Montagues Universalgrammatik 90, 101, 846 Move-α (Bewege-α) 133
N Nachbarschaft / surroundings 759
Nachbarschaftbedingung / closeness condition 310, 313 Näheprinzip 559 Name
s. Eigenname Name, uneigentlicher 358 Namens-Tradition 354, 357, 369 Namenstheorie, zweidimensio- nale 353 natural kind 67, 370, 659 natürliche Einheit 411 natürlicher Begriff 69 Natürlichkeitsbedingung 111 necessity 116, 184, 644 necessity, relative 654 Negation 26, 234, 253, 317 Negation, äußere 303 Negation, Begriffs- 582 Negation, inkorporierte 315 Negation, innere 303 Negation, minimale 314 Negation, partielle 845 Negation, pragmatischer Bereich 574 Negation, radikale 314 Negation, replazive 586 Negation, Sachverhalts- 569, 582 Negation, schwache 254, 580, 843 Negation, semantischer Bereich 570 Negation, starke 254, 580, 843 Negation, syntaktischer Bereich 572 Negationsfokus 575 Negationstest 291 Negationsträger 561 f. negative polarity 468 negativer Polaritätsausdruck 315, 590, 670, 811 negativer Polaritätskontext 794 Neu-Alt-Bedingung für Varia- blen 246 nicht-deskriptive Bedeutung 53 Nicht-Distinktheit 607 Nomen, funktionales 198 Nomen, relationales 198 nominal kind 68 nominale Komposition 59 Nominalisierung 441 Nominalisierung von Propositio- nen 447 Nominalisierungsoperation 454 Nominalismus 8 Nominalphrase, demonstrative 193 Normalformtheorem 129 Notwendigkeit / necessity 116, 184, 644 Notwendigkeit, relativierte 654 noun phrase (NP) 150 NP-Bewegung / NP movement 132 NP storage 485 number tree 467 Numeralklassifikation 400
920
Numeralklassifikator 419 Numeralkonstruktion 402 Numerativ 400 Numerativkonstruktion 401
O Oberflächensyntax / surface syn- tax 104 Objekt-Prädikation, abgeleitete 423 Objektkontrolle 144 Objektlokalisierung 769 objektopakes Verb 93 objekttransparentes Verb 93 offene Klasse / open class 58 only 808, 832 Ontologie 91 opak 93 opakes Verb 703 Operatorbereich 839 Operatorposition 839 order, weak (schwache Ord- nung) 678 ordering source (Ordnungs- quelle) 644, 649 Ordinary-Language-Bewegung 19
P p-set (presupposition set) 814, 828, 831 Parametrisierung 168 partial order (Halbordnung) 409 partielle Funktion 85, 152, 525 partielle Proposition 494 partielle Wertzuweisung 252 Partikel, additive 790 Partikel, restriktive 791 Partitiv 425, 438, 471 Partitivbeschränkung 524 path 759 pay-check-Satz 848 performativ 20, 28, 54 performative Analyse 277 performative Äußerung, explizit 44, 274 performative hypothesis 630 performative Paraphrase 278, 335 performatives Verb 277 perlokutionärer Akt 273 Permutationssatz 127 persistence 469 persistente Aussage 78 perspektivische Verschiebung / perspective shift 206 Phrasenstrukturgrammatik, generalisierte (GPSG) 91, 144 Phrasenstrukturgrammatik, kontextfreie (CF-PSG) 90
Plural 418 plural, bare (bloßer Plural) 373, 419, 437 Plural, relationaler 429 Pluralobjekt 857 Plural-Operator 411 Plural-Quantor 424 Pluralterm 399, 508 Polaritätsausdruck, negativer 315, 590, 670, 811 Polaritätsausdruck, positiver 316 Polaritätselement 567 Polaritätselement, negatives 590 Polysemie 51, 69, 99, 200, 222 positive polarity 468 positiver Polaritätsausdruck 316 Possessivierung 200 Possessivpronomen 556 possibility (Möglichkeit) 644 possible world (mögliche Welt) 25, 78, 81 Potenzmengen-Modell 433 practical inference 647 Prädikabilitätsbaum / predicabil- ity tree 69 Prädikatenlogik 1. Stufe (PL 1) 836 pragmatic coreference 544 Pragmatik 6, 35 pragmatische Folgerung / prag- matic inference 236 Pragmatische Präsupposition 330 pragmatische Verschiebung / pragmatic shift 188 Präjunktion 844 Präposition, dimensionale 778 Präposition, topologische 776 Präposition, wegbezogene 780 Präsupposition 231, 286, 337, 575, 790, 808, 841 Präsupposition des bestimmten Artikels 495 Präsupposition, elementare 301, 305, 309 Präsupposition, empirische Kriterien 289, 291 Präsupposition, Existenz- 292 Präsupposition, faktive 292 Präsupposition, kategorielle 293 Präsupposition, konzessive 633 Präsupposition, potentielle 232 Präsupposition, pragmatische 287, 330 Präsupposition, semantische 287, 494 Präsupposition, strukturelle Ba- sis 295, 314 Präsuppositionen, Folgerungsanalyse 299 Präzisierungsgebot 264 Präzisierungsprinzip 256 Präzisierungssemantik 254 Präzisierungsstruktur 262
Präzisionsgrad 201 pred -operator 666 predicate modifier 748 predicate, psychological 804 predication condition 481 presupposition set 814, 828, 831 presupposition skeleton 825, 831 previous drink coordinate 201 primary kind 67 Prinzip Ausgeschlossenes Drittes (PAD) 296 probabilistische Vagheitsseman- tik 259 Projektionsproblem 231, 233, 289, 301, 313 Pronomen, freies 43 Pronomen, gebundenes 43 Pronomen, Personal- 201 pronouns 535 pronoun, emphatic 815 proper noun
s. Eigenname property (Eigenschaft) 25, 82 propositio mentalis 716 Proposition (Aussage) 8, 25, 72, 75 f., 109, 152, 157, 159, 640, 710, 715 Proposition, Gebrauch der 34 Proposition, singuläre 159 Proposition, strukturierte 209, 790, 851 propositional attitude (propositionale Einstellung) 27, 205, 709, 721 propositional calculus (Aussagenlogik) 29 propositional modifier 751 propositionaler Gehalt / propositional content 22, 281 Propositions-Begriff 216 Prototyp 68
Q quadratische Parametrisierung 175 Quadratur 175 Qualität 659 quantification, adverb of (Quantifikationsadverb) 375, 511, 523, 652 quantifier (Quantor) 57, 317, 328, 689 quantifier of higher types 471 quantifier raising (Quantorenanhebung) 99, 132, 480, 539, 808 quantifier, branching 476 quantifier, compound 473 quantifiers, relational properties 470 Quantifikation 848 quantifizierbare Variable 244
44. Sachregister
quantifying in (Hineinquantifizieren) 99, 133, 483, 809, 817 quantifier, generalized (generalisierter Quantor) 425, 466, 855 Quantoren-Floating 424 Quantorenbindung 203 quiddity 384
R R-pronouns (= anaphors) 536 Rahmenstuktur 599 raising (Anhebung) 144 Randbereichsunschärfe / fuzzi- ness 262 Rattenfänger / pied piping 135 Realismus 8 realization 376 Rechtsapplikation / right application 121, 124 Rede, erlebte 745 Redehintergrund / conversatio- nal background 229, 641 Redekontext 229, 246 Referent 156 referentiell, direkt 111, 119, 162, 185, 237, 355, 499 referentielle Thetarolle 456 referentieller Gebrauch 43, 497 Referenz 9, 11, 185, 193 Referenz auf Arten 420 Referenz, direkte 185, 355 Referenz, objektive 193 Referenz, subjektive 193 Referenzpunkt 111, 162, 174 Referenzpunkt, Aufspaltung des 174 Referenztheorie 8, 156, 173 Referenztheorie, abstrakte 173 Referenztheorie, allgemeine 156 Referenzzeit 732, 737 referiert absolut 119, 162 referiert direkt 119, 162 Rektionskompositum 59 Relation in extenso 109 Relation in intenso 109 relative modality 639 f. Response 14, 32 Resultatnominalisierung 457 reziprok 432, 439 Richtungsabhängigkeit 49 rigid designator 117, 353, 368, 713 Ross-constraint 813 Russellsches das 526
S S-Struktur 131 sagen, daß p / say that 323
921
Samaritan Paradox 642 Satzbedeutung / sentence mean- ing 25, 33 Satzinhalt 319 Satzkern 839 Satzmodus 46, 270, 274 Satznegation 73 Satzradikal 272 Satzradikalmethode 335 schwache NP / weak NP 528 schwacher Determinator 528 scope ambiguity (Skopusmehrdeutigkeit) 98 Selbstzuschreibung von Eigenschaften / self-ascription of properties 210 semantic marker 387 semantics, state change 486 semantics, two-dimensional 814 Semantik und Pragmatik 329 Semantik, modelltheoretische 36, 38, 152, 841 Semantik, Mögliche-Welten- 80, 109, 847 Semantik, Supervaluations- 252, 254, 298 semantisch motiviert 90 semantische Algebra 107 semantische Dekomposition 16, 48, 61 semantische Operation 106 semantische Repräsentation 49 f. semantische Unbestimmtheit / semantic indetermination 256, 266 semantischer Baum / semantic tree 107 semantischer Modus 53 semantischer Typ 63 semantisches Merkmal / seman- tic marker 48, 64, 387 Semiotik 6 semiotisches Dreieck 8 sense (Sinn) 10, 55, 385 sentence meaning (Satzbedeu- tung) 25, 33 Simplexbedeutung 61 Singulativ 401, 418 Sinn / sense 10, 55, 385 Situation 765, 849, 851 situation semantics (Situationssemantik) 25, 71, 81 situationeller Parameter 168 Situationsausschnitt 176 Situationslokalisierung 765 Situationstyp 82 Skala 792 Skala, sprachliche 794 skalare Implikatur 231, 305, 515 skalarer Begriff 584 Skopismus 212 Skopus 500 ff., 789, 798
Skopus eines Definitums 492 Skopus-Analyse 213 skopusbildende Bewegung / scopeinducing movement 133 Skopusmarkierung 135 Skopusmehrdeutigkeit / scope ambiguity 98 skopusneutrale Bewegung / scopeindependent movement 133 sloppy identity 540 Sorites 266 sortal concept 394 sortales Prädikat 36, 405, 414 Sorten-Operator 415 Spaltsatz / cleft sentence 294, 315, 805 Sperrsatz / pseudo-cleft sentence 294, 315 spezifische Lesart 516 sprachliche Relativität 64 Sprechakttheorie / speech act theory 20, 45, 54, 273 Sprechereinstellung / attitude 46 Sprechzeit 187, 190, 732 Spurendeutung / trace interpre- tation 133 square of opposition (Aristotelisches Quadrat) 461, 856 Stadium / stage 379 Stadienprädikat / stage level predicate 380 standard 683 standard of membership 390 Standardname 179 starke NP / strong NP 528 starker Determinator 528 starrer Designator / rigid desig- nator 117, 353, 368, 713 stereotype 387 Stimulus 14, 32 Stoffnomen / mass noun 399, 508 Stoffquantum 408 Stöpsel 302 structure, relational 678 Strukturalismus, Nach-Bloomfieldscher 14 Strukturbildung zweiter Stufe 601 strukturelle Semantik 15, 64 strukturierte Bedeutung 108 strukturierte Proposition 209, 790, 851 Strukturwort, logisches 838 subjacency condition 482 Subjektkontrolle 144 subkonträrer Gegensatz 607 substance 382 substance sort 395 Substitution 837 Substitutionsprinzip salva veri- tate 296
922
Summen-Halbverband / joinsemilattice 409 Summenbildung 857 Summenoperation 409 supervaluation 842 Supervaluationssemantik 252, 254 Supervaluationssystem 298 Synchronie 4 syntactic ambiguity (syntakti- sche Mehrdeutigkeit) 98, 105 syntactic binding 537 syntactic category 63, 102, 148 syntaktische Algebra 103 syntaktische Mehrdeutigkeit 98, 105 syntaktische Operation 102 Syntax, Fundiertheit der 102
T Taglicht’s observation 810 Tatsache / fact 81, 83, 446 taxonomic common noun 372 taxonomische Hierarchie 414 Teilbarkeit / divisibility 405 telischer Verbausdruck 415 Telizität 707 temporal freier Diskurs 739 temporal verbundener Diskurs 744 Tempus / tense 722 Tempusdeutung, definite 736 terminatives Verb 443, 451 Terminativität 452 Textakzeptabilität 291, 309 thematische Rolle 764, 784
(s. auch The-tarolle) Theta-Koindizierung 136 Theta-Theorie 135 Thetakriterium 135, 138 Thetamarkierung 136 f. Thetamarkierung, kompositio- nale 139 Thetaprojektion 137 Thetaraster 136 Thetarolle, externe 136 Thetarolle, interne 136 Thetarolle, referentielle 456 Token-Aspekt 187 Tokenanalyse 176 tokenreflexiv 177 topicalization 154 trace interpretation / Spurendeu- tung 133 Trägersatz / bearer sentence 287 transformation 154 transparent 93 transparentes Verb 703 truth
s. Wahrheit truth-conditional theory of meaning (Wahrheitsbedin- gungen-Semantik) 18, 24, 34
Twin Earth argument 386 Typ 109, 121 Typ, polymorpher 851 Typanhebung / type raising 93 typengesteuerte Interpretation 114 Typenlogik 453 Typentheorie 846 Typikalitätseffekte 65 typischerweise-Operator 413
U Übersetzungsargument 715 Übersetzungsproblem 66 Umgebungs-Semantik 207 Unabhängigkeit 607 Unbestimmtheit, semantische 252 und -Koordination / and 614 Unschärfe, Randbereichs- 262 unspezifische Lesart 516 Unvereinbarkeitskriterium 265 Unverträglichkeit / incompatibil- ity 607 Urteilsstrich 270 utterance
s. Äußerung
W W(h) = Existenzquantor-Ana- lyse 343 W-Bewegung / Wh-Movement 132 wahr im Modell 840 Wahrheit / truth 640 Wahrheitsbedingung / truth condition 20 f., 54 Wahrheitsdefinitheitsbedingung 236 Wahrheitsfunktion 597 wahrheitsfunktional 254, 257 Wahrheitsgrad 259 Wahrheitstafel 252 f., 597 Wahrheitswert / truth value 157 Wahrscheinlichkeit, bedingte / conditional probability 259 Waterloo-Problem 359, 370 Weg / path 759 well-formed expression (wohlgeformter Ausdruck) 149, 836 well-formedness (Wohlgeformt- heit) 27 Weltausschnitt 83 Weltparameter 191 Wertzuweisung
s. assignmentfunction
V Vagheit / vagueness 250, 262, 660 Vagheitsdilemma 261 Vagheitssemantik, probabilisti- sche 259 Vagheitstheorie, metrische 257 valuation
s. assignment function value assignment
s. assignmentfunction variable binding 463 Variable, externer Anker für 250 Variable, gebundene 242 Variable, indexikalisch-kontex- tuelle 181 Variable, indexikalische 181 Variable, kontextuelle 181 Variable, Neu-Alt-Bedingung 246 Variable, quantifizierbare 244 Variablenbelegung 244, 508, 839 Variablenbindung 95, 173 Vererbungsfunktion / inheritance function 302 Verhaltenstheorie der Bedeutung 13 Verneinen / say no 561 Verschiebbarkeit / referential shift 217 Verträglichkeit / compatibility 607, 641 Vollständigkeit, intuitive / completeness 837 Vorbedingung 293 VP-deletion 832
Wertzuweisung, partielle 252 Wh-Movement (W-Bewegung) 132 wirkliche Welt / real world 81 wohlgeformter Ausdruck / wellformed expression 149, 836 Wohlgeformtheit / well-formed- ness 27 world
s. Welt Wortarten / parts of speech 2 Wortfeld / lexical field 16, 64 wörtliche Bedeutung / literal meaning 33, 179 Wortsemantik 48
X X-bar-Schema 146
Z Zählbarkeit / countability 406 Zeige-Aspekt / pointing aspect 192 Zeitintervall / time interval 736 Zugänglichkeitsrelation 641 Zulässigkeit / admissibility 307 Zulässigkeitsbedingung 233 Zulässigkeitsbedingung für indexikalische Sätze 239 zweidimensionale Modallogik 174 zweistufige Semantik 41
Gerhard Jäger / Dieter Wunderlich, Düsseldorf (Bundesrepublik Deutschland)